Die Vererbung landwirtschaftlicher Betriebe in Deutschland de lege lata und de lege ferenda [1 ed.] 9783428587834, 9783428187836

Der Landwirtschaftssektor in Deutschland hat in den vergangenen Jahrzehnten eine beachtliche Entwicklung vollzogen. Im G

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Die Vererbung landwirtschaftlicher Betriebe in Deutschland de lege lata und de lege ferenda [1 ed.]
 9783428587834, 9783428187836

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Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 555

Die Vererbung landwirtschaftlicher Betriebe in Deutschland de lege lata und de lege ferenda

Von

Marie Kinnius

Duncker & Humblot · Berlin

MARIE KINNIUS

Die Vererbung landwirtschaftlicher Betriebe in Deutschland de lege lata und de lege ferenda

Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 555

Die Vererbung landwirtschaftlicher Betriebe in Deutschland de lege lata und de lege ferenda

Von

Marie Kinnius

Duncker & Humblot · Berlin

Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der FernUniversität in Hagen hat diese Arbeit im Jahre 2022 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2023 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: L101 Mediengestaltung, Fürstenwalde Druck: CPI books GmbH, Leck Printed in Germany ISSN 0720-7387 ISBN 978-3-428-18783-6 (Print) ISBN 978-3-428-58783-4 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2022 von der rechts­ wissenschaftlichen Fakultät der Fernuniversität Hagen als Dissertation ange­ nommen. Sie entstand während meiner Tätigkeit am Lehrstuhl für Bürger­ liches Recht, Privatrechtsgeschichte sowie Handels- und Gesellschaftsrecht. Rechtsprechung und Literatur konnten bis Januar 2022 berücksichtigt wer­ den. Mein besonderer Dank gilt meinem Doktorvater Prof. Dr. Andreas Berg­ mann für die Betreuung und Begleitung dieser Arbeit und die konstruktiven Gespräche. Frau Prof. Dr. Barbara Völzmann-Stickelbrock danke ich für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens sowie ebenfalls für ihre Unterstüt­ zung. Herzlich bedanken möchte ich mich zudem bei der Konrad-AdenauerStiftung für die finanzielle und vor allem auch ideelle Förderung während meines Studiums sowie insbesondere während meines Promotionsvorhabens. Ganz besonders danken möchte ich schließlich meiner Familie, die mich während meiner juristischen Ausbildung und der Erstellung dieser Disserta­ tion auf jede erdenkliche Weise unterstützt und mir Rückhalt gegeben hat – ihr ist diese Arbeit gewidmet. Berlin, im November 2022

Marie Kinnius

Inhaltsverzeichnis A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 I. Problemstellung und Anlass der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 II. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 B. Historie des landwirtschaftlichen Erbrechts  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 I. Die Entwicklung des Anerbenrechts bis Anfang des 20. Jahrhunderts . . . 22 II. Entstehung des BGB-Landguterbrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 III. Das Reichserbhofgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 IV. Die Entwicklung der Anerbenrechte in der Nachkriegszeit . . . . . . . . . . . 41 1. Entstehung des Kontrollratsgesetzes Nr. 45 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 2. Entwicklung und heutige Gesetzeslage in den einzelnen Teilen der Bundesrepublik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 a) Bundesrechtliche Regelung durch die Höfeordnung . . . . . . . . . . . . 43 b) Entwicklung in den übrigen Bundesländern . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 aa) Baden-Württemberg  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 bb) Bremen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 cc) Hessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 dd) Rheinland-Pfalz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 ee) Bayern, Saarland und Berlin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 ff) DDR und neue Bundesländer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 (1) Sowjetische Besatzungszone und DDR . . . . . . . . . . . . . . . 53 (2) Nach der Wiedervereinigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 V. Entwicklung des Zuweisungsverfahrens im Grundstücksverkehrsgesetz . 56 C. Konzeption des landwirtschaftlichen Erbrechts und Normzwecke . . . . . . 58 I. Gesetzgebungskompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 II. Systematik der Anerbenrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 1. Deklaratorische oder konstitutive Eintragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 2. Fakultatives und obligatorisches Anerbenrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 III. Die zwei Säulen der Privilegierung des Betriebsübernehmers bei der Vererbung landwirtschaftlicher Betriebe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 IV. Zwecke der landwirtschaftserblichen Sondergesetzgebung . . . . . . . . . . . . 63 1. Besonderheit der Landwirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 2. Öffentliche Interessen an der Privilegierung landwirtschaftlicher Betriebe im Erbgang  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 a) Öffentliches Interesse an der Erhaltung leistungsfähiger Höfe im Erbgang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 b) Agrarpolitisches Ziel der Sicherung der Bevölkerungsernährung  . 68

8 Inhaltsverzeichnis c) Familienerbrechtliches Ziel der Erhaltung landwirtschaftlicher Betriebe in bäuerlichen Familien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 d) Öffentliches Interesse an der Erhaltung und Pflege der Kultur­ landschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 3. Private Interessen an der Privilegierung landwirtschaftlicher Betriebe  69 D. Vererbung landwirtschaftlicher Betriebe und Berücksichtigung der Rechte der weichenden Miterben  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Bestimmung des Hoferben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Erbenbestimmung nach der Höfeordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anwendbarkeit der Höfeordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Örtlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Sachlicher Anwendungsbereich  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Land- oder forstwirtschaftliche Besitzung . . . . . . . . . . . . . (a) Land- oder forstwirtschaftlicher Betriebscharakter . . . (b) Mischformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Auswirkungen einer langfristigen Verpachtung auf die Hofeigenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Geeignete Hofstelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Nach der Höfeordnung zulässige Eigentumsformen . . . . . (4) Wirtschaftswert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Allgemeine Bestimmung des Wirtschaftswertes . . . . . (b) Privilegierung von Nebenerwerbsbetrieben . . . . . . . . (c) Neuregelung der Mindestleistungsfähigkeit  . . . . . . . . (aa) Mindestwirtschaftswert nach dem Reinertrag . . . (bb) Mindestwirtschaftswert nach den reformierten Grundsteuerwerten  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (cc) Mindestgröße in Hektar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (dd) Kombination aus Mindestgröße und Mindest­ grundsteuerwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (ee) Ackernahrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (ff) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Hoferklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (6) Verlust der Hofeigenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vererbung nach Höfeordnung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Anerbenbestimmung kraft letztwilliger Verfügung  . . . . . . . . . bb) Anerbenbestimmung kraft Gesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Vererbung eines im Alleineigentum des Erblassers stehenden Hofes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Vererbung eines Ehegattenhofes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Erfordernis der Wirtschaftsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Inhalt des Erfordernisses der Wirtschaftsfähigkeit . . . . . . (2) Einschränkungen des Erfordernisses der Wirtschafts­ fähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

71 71 72 72 72 73 73 73 74 76 78 79 82 82 83 86 87 88 89 90 90 91 91 93 94 95 96 96 104 105 105 108

Inhaltsverzeichnis9 (a) Wirtschaftsunfähigkeit wegen mangelnder Alters­ reife (§ 6 Abs. 6 S. 2 Alt. 1 ­HöfeO) . . . . . . . . . . . . . . 108 (b) Wirtschaftsunfähigkeit sämtlicher Abkömmlinge (§ 7 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 ­HöfeO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 c) Vergleich der Erbenbestimmung nach Höfeordnung und allge­ meinem Erbrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs . . . . . . . . . . . . . . 112 2. Erbenbestimmung nach dem BGB-Landguterbrecht . . . . . . . . . . . . . . . 116 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 II. Rechtsdogmatische Ausgestaltungen des Eigentumserwerbs . . . . . . . . . . . 121 1. Eigentumserwerb kraft Sondererbfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 a) Rechtsdogmatische Einordnung des Eigentumsübergangs in der Höfeordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 b) Abgrenzung der Spezialsukzession nach Höferecht vom Fami­ lienfideikommiss  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 c) Umfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 2. Eigentumserwerb kraft Übernahmerecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 a) Form der Übernahmeanordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 b) Wirkung und Umfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 3. Eigentumserwerb kraft gerichtlicher Zuweisung (§§ 13 ff. GrdstVG) . 133 a) Anforderungen an den Betrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 b) Durch gesetzliche Erbfolge entstandene Erbengemeinschaft . . . . . 135 c) Zuweisungsantrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 d) Keine Zuweisungshindernisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 e) Wirklicher oder mutmaßlicher Erblasserwille . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 f) Bereitschaft und Eignung des Übernehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 g) Wirkung und Umfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 III. Ansprüche der weichenden Miterben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 1. Abfindungsanspruch in der Höfeordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 a) Berechtigte und Verpflichtete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 b) Berechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 aa) Vorrangige Bestimmung durch den Erblasser . . . . . . . . . . . . . 143 bb) Ermittlung der Abfindungen nach Maßgabe des § 12 ­HöfeO . 144 cc) Korrektur des Hofwertes durch Zu- und Abschläge (§ 12 Abs. 2 S. 2 ­HöfeO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 dd) Berücksichtigung der Nachassverbindlichkeiten (§ 12 Abs. 3 ­HöfeO) bis zum Drittelhofeswert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 c) Kritik an der Berechnung der Abfindungen auf Grundlage des steuerlichen Einheitswertes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 d) Auswirkungen der Grundsteuerreform auf die Berechnung der Abfindungsansprüche und Reformvorschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 aa) Ertragswertansatz wie in § 2049 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . 151 bb) Abstellen auf die neuen Grundsteuerwerte zur Abfindungs­ berechnung im Rahmen von § 12 ­HöfeO . . . . . . . . . . . . . . . . . 152

10 Inhaltsverzeichnis cc) Ansatz eines bestimmten Bruchteils des Grundsteuerwerts . . . 154 dd) Wertansatz wie im Erbschafts- und Schenkungssteuerrecht . . . 154 e) Ergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 2. Ansprüche nach dem BGB-Landguterbrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 a) Anwendungsvoraussetzungen für die Privilegierung des Überneh­ mers nach §§ 2049, 2312 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 aa) Besitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 bb) Leistungsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 (1) Allgemeine Definition der Leistungsfähigkeit . . . . . . . . . . 159 (2) Festlegung der Leistungsfähigkeit bei Neben­ erwerbsbetrieben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 (a) Übertragung des Mindestwirtschaftswertes von 5.000 € aus § 1 Abs. 1 S. 3 ­HöfeO . . . . . . . . . . . . . . . 161 (b) Verhältnis der verschiedenen Einkommen . . . . . . . . . 161 (c) Ausrichtung am Gewinn des Betriebs . . . . . . . . . . . . . 162 (d) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 cc) Landwirtschaftlicher Betriebscharakter  . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 dd) Subjektive Anforderungen an den Landgutübernehmer . . . . . . 166 (1) Fortführungsabsicht und -fähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 (2) Abstrakte Pflichtteilsberechtigung beziehungsweise Zugehörigkeit zum engeren Familienkreis  . . . . . . . . . . . . 168 (3) Bedürftigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 ee) Maßgeblicher Zeitpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 b) Privilegierte Übernahme durch verringerte Ansprüche der wei­ chenden Miterben und Pflichtteilsberechtigten . . . . . . . . . . . . . . . . 170 aa) Berechnung des Ertragswerts nach § 2049 Abs. 2 BGB, Art. 137 EGBGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 bb) Grenzfälle bei der Ertragswertprivilegierung  . . . . . . . . . . . . . 174 (1) Wohnhaus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 (2) Pachtland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 (3) Gewerblich genutzte Betriebsteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 (4) Bau- und Bauerwartungsland  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 (5) Zubehör . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 IV. Bedeutung der Zwecksetzungen für das landwirtschaftliche Sonder­ erbrecht in der heutigen Zeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 1. Besonderheit der Landwirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 2. Öffentliche Interessen an der Privilegierung landwirtschaftlicher Betriebe im Erbgang  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 a) Öffentliches Interesse an der Erhaltung leistungsfähiger Höfe . . . . 184 b) Agrarpolitisches Ziel der Sicherstellung der Bevölkerungsernäh­ rung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 c) Familienerbrechtliches Ziel der Erhaltung landwirtschaftlicher Betriebe in bäuerlichen Familien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188

Inhaltsverzeichnis11 d) Öffentliches Interesse an der Erhaltung und Pflege der Kultur­ landschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 3. Private Interessen an der Privilegierung landwirtschaftlicher Betriebe  191 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 E. Ansprüche der weichenden Miterben bei nachträglichem Wegfall der Privilegierungsgründe  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 I. Nach der Höfeordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 1. Nachabfindungsberechtigte und -verpflichtete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 2. Die zur Nachabfindung verpflichtenden Tatbestände im Einzelnen . . . 197 a) Veräußerung des Hofes (§ 13 Abs. 1 S. 1 ­HöfeO) . . . . . . . . . . . . . . 198 aa) Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 bb) Der erzielte Erlös . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 b) Veräußerung von Hofgrundstücken (§ 13 Abs. 1 S. 2 ­HöfeO) . . . . 201 c) Zwangsversteigerung und Enteignung (§ 13 Abs. 8 ­HöfeO) . . . . . . 203 d) Einbringung des Hofes in eine Gesellschaft (§ 13 Abs. 1 S. 4 ­HöfeO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 e) Die Tatbestände des § 13 Abs. 4 ­HöfeO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 aa) Veräußerung und Verwertung wesentlicher Teile des Hofzu­ behörs (§ 13 Abs. 4 lit. a) ­HöfeO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 bb) Andere als land- oder forstwirtschaftliche Nutzung (§ 13 Abs. 4 lit. b) ­HöfeO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 (1) Die erzielten erheblichen Gewinne . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 (a) Gewinn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 (b) Erheblichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 (2) Fallgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 (a) Verpachtung zu land- oder forstwirtschaftlichen Zwecken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 (b) Nutzung regenerativer Energien . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 (c) Nutzung oder Verpachtung zu gewerblichen Zwe­ cken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 (d) Bestellung eines Erbbaurechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 (e) Versicherungsleistungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 (f) Realverband . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 (g) Milchquote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 (h) Umbau und Entwidmung von Wirtschaftsgebäuden . . 229 (i) Abbau von Bodenbestandteilen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 (j) Dingliche Belastung des Hofes zu landwirtschafts­ fremden Zwecken  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 f) Unbeachtlichkeit der nachträglichen Löschung des Hofvermerks . 234 3. Die Nachabfindungsfrist  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 4. Berechnung des Nachabfindungsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 a) Zu- und Abschläge (§ 13 Abs. 5 ­HöfeO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 aa) Öffentliche Abgaben (§ 13 Abs. 5 S. 1 ­HöfeO) . . . . . . . . . . . . 237

12 Inhaltsverzeichnis bb) Erlösminderung aufgrund dinglicher Belastung (§ 13 Abs. 5 S.  2 ­HöfeO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 cc) Zuschläge aufgrund treuwidrig zu niedrigen Erlöses (§ 13 Abs. 5 S. 3 ­HöfeO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 dd) Erlösminderung aufgrund von Unbilligkeit der Herausgabe (§ 13 Abs. 5 S. 4 ­HöfeO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 ee) Degressive Staffelung (§ 13 Abs. 5 S. 5 ­HöfeO) . . . . . . . . . . . 240 ff) Vom Hofnachfolger übernommene Altschulden . . . . . . . . . . . . 241 b) Verteilung des bereinigten Erlöses beziehungsweise Gewinns und Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 5. Regelung der Nachabfindung durch letztwillige Verfügung . . . . . . . . . 244 6. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 II. Nach dem BGB-Landgutrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 1. Umgang der Rechtsprechung mit der Regelungslücke und Bewer­ tung dieses Lösungsansatzes   . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 2. In der Literatur vertretene Lösungsansätze bei schutzzweckwidriger Realisierung von Erlösen und Gewinnen aus landwirtschaftsfremder Nutzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 a) Analoge Anwendung der Anerbengesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 aa) Planwidrige Regelungslücke  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 bb) Ausfüllung der Regelungslücke durch die regionalen An­ erbengesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 b) Lückenschließung über § 242 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 c) Letztwillige Verfügung als Ansatzpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 aa) Ergänzende Testamentsauslegung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 bb) Testamentsanfechtung (§ 2078 Abs. 2 BGB) . . . . . . . . . . . . . . 257 d) Auseinandersetzungsvertrag als Ansatzpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 aa) Auflösende (stillschweigende) Bedingung der Fortführung i. S. v. § 158 Abs. 2 BGB bei Schluss des Auseinanderset­ zungsvertrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 bb) Anpassung des Auseinandersetzungsvertrags nach den Grundsätzen über die Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 cc) Anfechtung des Auseinandersetzungsvertrags wegen Wil­ lensmängeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 e) Bewertung der Lösungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 3. Vorschläge für die gesetzliche Regelung von Nachabfindungsansprü­ chen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 a) Einführung einer an § 13 ­HöfeO orientierten Regelung im BGBLandguterbrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 b) Orientierung an der Stundungsmöglichkeit des § 2331a BGB und Modifikation des § 2312 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269

Inhaltsverzeichnis13 F. Gedanken zu einer Reform des landwirtschaftlichen Erbrechts . . . . . . . . I. Beibehaltung des Status quo unter Aktualisierung der bestehenden Bundesgesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Bundeseinheitliche Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Einführung einer Musterhöfeordnung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

271 272 274 276

G. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 Hinsichtlich der in dieser Arbeit verwendeten Abkürzungen wird verwiesen auf Kirchner, Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 9. Auflage, Berlin/Boston 2018.

A. Einleitung I. Problemstellung und Anlass der Untersuchung In Deutschland gab es im Jahr 2016 etwa 275.400 landwirtschaftliche Be­ triebe, von denen 88,7 % und damit ungefähr 244.200 Betriebe von Einzel­ unternehmern1 bewirtschaftet wurden.2 Für jeden dieser Betriebsinhaber stellt sich früher oder später die Frage nach der Hofnachfolge. Die Gestaltung der Unternehmensnachfolge ist häufig sowohl rechtlich und wirtschaftlich komplex als auch für die Unternehmensführenden persönlich ein schwieriger Schritt. Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe haben die Möglichkeit, sich für die Regelung der Vererbung den landwirtschaftlichen Sondererbrechten zu bedienen. Dadurch wird die Hofnachfolge einerseits vereinfacht, andererseits werden durch die Gesetze jedoch sowohl an den Betrieb als auch an den Betriebsnachfolger besondere Anforderungen gestellt, wodurch der Prozess wiederum zusätzlich verkompliziert wird. Die angesprochenen landwirtschaftlichen Sondererbrechte sind nicht deutschlandweit einheitlich. Es besteht vielmehr eine Gemengelage aus bun­ desweit geltenden Vorschriften mit dem BGB-Landguterbrecht und dem Zu­ weisungsverfahren im Grundstücksverkehrsgesetz, partiellem Bundesrecht in Form der nordwestdeutschen Höfeordnung3 sowie diversen landesrechtlichen Sondererbrechten in Brandenburg, Bremen, Hessen und Rheinland-Pfalz so­ wie Baden-Württemberg. Die Gesetze haben jeweils eine unterschiedliche Regelungsdichte und im Detail einen unterschiedlichen Regelungsgehalt.

1  Zur besseren Lesbarkeit wird in der vorliegenden Arbeit auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet und stattdessen das generische Maskulinum verwendet. Entsprechende Begriffe gelten im Sinne der Gleichbehandlung grundsätzlich für alle Geschlechter. 2  Agrarpolitischer Bericht der Bundesregierung 2019, Tab. 3, S. 138; im Jahr 2019 gab es etwa 266.600 Betriebe, vgl. Statistisches Jahrbuch über Ernährung, Landwirt­ schaft und Forsten 2020, Tab. 2, S. 2; allerdings hat seit der Agrarstrukturerhebung 2016 keine statistische Aufschlüsselung dieser Betriebe nach Rechtsformen stattge­ funden. 3  Im Folgenden auch als „Höfeordnung“ bezeichnet; alle übrigen landwirtschaft­ lichen Sondererbrechte werden, sofern sie gemeint sind, zur Abgrenzung von der nordwestdeutschen Höfeordnung entsprechend ihrer offiziellen Gesetzesbezeichnung ausdrücklich benannt.

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A. Einleitung

Gemeinsames Ziel aller landwirtschaftlichen Sondererbrechte4 ist dabei die primär im öffentlichen Interesse stehende geschlossene Erhaltung der Betrie­ be.5 Um dies zu erreichen, unterscheiden sie sich in zwei Punkten vom all­ gemeinen Erbrecht des BGB: Zum einen durch die geschlossene Vererbung beziehungsweise das Übernahmerecht eines einzigen Erben, der das alleinige Eigentum am Betrieb erhält, auch wenn mehrere eigentlich Erbberechtigte vorhanden sind. Zum anderen dadurch, dass die übrigen Erben, die nicht Eigentum am Hof erlangen, lediglich in Geld abgefunden werden und zwar zu einem im Verhältnis zum Verkehrswert des Betriebs erheblich verringer­ ten Betrag. Bis auf das Brandenburgische Höfeordnungsgesetz, das im Juni 2019 ein­ geführt wurde, haben alle Regelungen zur Vererbung landwirtschaftlicher Betriebe neben der gleichen Zielsetzung noch etwas gemeinsam: Sie sind alle mindestens etwa 60 Jahre alt oder noch älter. Nicht jedes Gesetz wurde seit seinem Erlass umfassend reformiert oder aktualisiert.6 Der Landwirt­ schaftssektor selbst hat sich in diesem Zeitraum hingegen sehr wohl verän­ dert – etwa durch die ansteigenden Betriebsgrößen, Verdrängung kleinerer Betriebe, höhere Pachtanteile, eine stärkere Spezialisierung der einzelnen Höfe, Schwierigkeiten der Bewirtschaftenden bei der Suche geeigneter Be­ triebsnachfolger und auch weniger starke wirtschaftliche Abhängigkeit der einzelnen bewirtschaftenden Familien von der Landwirtschaft durch zusätz­ liche Berufstätigkeit außerhalb des eigenen Betriebs. Gegenstand dieser Arbeit ist daher die Frage, ob die derzeitige Ausgestal­ tung der verschiedenen Gesetze zur Vererbung landwirtschaftlicher Betriebe angesichts dieses Strukturwandels zur veränderten Situation der Landwirt­ schaft passt und diese nach wie vor angemessen rechtlich abbildet. Zur Be­ antwortung dieser Frage soll die derzeitige Rechtslage im Bereich des Land­ wirtschaftserbrechts dargelegt werden. An entsprechenden Stellen sollen in diesem Zusammenhang alternative Auslegungsmöglichkeiten sowie Reform­ erfordernisse aufgezeigt werden. In erster Linie wird dabei die rechtspoliti­ sche Dimension des landwirtschaftlichen Sondererbrechts in den Fokus ge­ nommen.7 4  Die Termini „landwirtschaftliches Sondererbrecht“, „Anerbenrecht“, „Höferecht“ und „Landwirtschaftserbrecht“ werden, da sie sich inhaltlich nur geringfügig vonein­ ander unterscheiden, in dieser Arbeit synonym verwendet; zur genauen Bestimmung der einzelnen Begriffe vgl. Suckow, Die Gesellschaftsgründung unter Geltung des landwirtschaftlichen Sondererbrechts, S. 11 ff. 5  BVerfGE 15, 337 (342); BVerfGE 67, 348 (367); BVerfGE 91, 346 (356). 6  Ausführlich zur Genese der einzelnen Gesetze siehe S. 21 ff. 7  Für eine verfassungsrechtliche Beleuchtung des Themengebiets vgl. Mönig, Landwirtschaftliches Sondererbrecht im Lichte von Verfassung und Rechtspolitik, S.  101 ff.



II. Gang der Untersuchung17

Anlass der Untersuchung ist die Feststellung der Verfassungswidrigkeit der Einheitsbewertung durch das Bundesverfassungsgericht und die damit einhergehende Grundsteuerreform im Jahr 2019. Die nur noch bis 2025 be­ stehenden steuerlichen Einheitswerte sind derzeit nämlich auch Grundlage für die Ermittlung der Abfindungsansprüche der weichenden Miterben nach § 12 HöfeO.8 Im Zusammenhang mit der sich an dieser Stelle aufdrängenden Reform bietet sich die Gelegenheit einer weitergehenden Gesetzesreform in­ nerhalb der nordwestdeutschen Höfeordnung, bei der auch anderen drängen­ den Fragen vonseiten des Gesetzgebers begegnet werden kann. Zu diesen Fragen gehört unter anderem, ob angesichts der geänderten Bewirtschaf­ tungsformen auch der Betrieb von Anlagen zur Gewinnung regenerativer Energien in den Schutzbereich des landwirtschaftlichen Sondererbrechts aufgenommen werden soll, wie mit Nebenerwerbsbetrieben künftig landwirt­ schaftserbrechtlich verfahren werden soll oder ob langfristig verpachteten und nicht mehr vom Eigentümer bewirtschafteten Betrieben die Privile­ gierungen des landwirtschaftlichen Sondererbrechts zukommen sollen. Im BGB-Landguterbrecht, das in diesem Zusammenhang ebenfalls in den Blick genommen wird, ergeben sich etwa angesichts der nicht geregelten besonde­ ren gesetzlichen Erbfolgeordnung für Landgüter und des fehlenden Nachab­ findungsanspruchs sogar noch viel fundamentalere Fragestellungen. Ein weiterer Anlass für die Untersuchung ist, dass in der jüngeren Vergan­ genheit bereits in mehreren Bundesländern die Erarbeitung eines eigenen landwirtschaftlichen Sondererbrechts angedacht wurde und in Brandenburg im Jahr 2019 sogar ein landesrechtliches Anerbengesetz eingeführt wurde. Durch diese Aktivität einiger Landesgesetzgeber gepaart mit der Inaktivität des Bundes- und der Landesgesetzgeber in Bundesländern mit bestehenden Landwirtschaftserbrechten wird daher die Frage akut, wie nicht nur einzelne Sondererbrechte für sich genommen zu reformieren sind, sondern ob und wie eine weitere Rechtszersplitterung innerhalb der einzelnen Gesetze verhindert werden kann.

II. Gang der Untersuchung Zunächst soll die zersplitterte aus bundes- und landesrechtlichen Normen bestehende Rechtslage vor dem Hintergrund der Historie des Landwirt­ schaftserbrechts in Deutschland in Abschnitt B. dargestellt werden. Die Kenntnis vom Ursprung und der Entwicklung der einzelnen Gesetze und Regelungen ist dabei essenziell, um zu verstehen, aus welchen Gründen be­ stimmte Normen im Zusammenhang mit der Vererbung landwirtschaftlicher Betriebe vom allgemeinen Erbrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs abweichen 8  Ausführlich

zu dieser Thematik auf S. 150 ff.

18

A. Einleitung

und welcher Zweck hierdurch verfolgt wurde und zum Teil immer noch ver­ folgt wird. In Abschnitt C. werden die Systematik des landwirtschaftlichen Erbrechts insgesamt sowie die hinter den Regelungen stehenden Normzwecke erläutert. Insbesondere letztere sind auch in den nachfolgenden Kapiteln bei der Aus­ legung der einzelnen Normen von Bedeutung. Im Rahmen dieser Arbeit wird dabei die grundsätzliche Berechtigung der Existenz landwirtschaftlicher Son­ dererbrechte als gegeben vorausgesetzt.9 In Abschnitt D. wird die Vererbung landwirtschaftlicher Betriebe in den einzelnen Gesetzen dargelegt. Aufgrund der großen Anzahl an bundes- und landesrechtlichen Regelungen zum landwirtschaftlichen Erbrecht sollen alle nachfolgenden Punkte in erster Linie anhand der praxisrelevantesten Gesetze, nämlich der nordwestdeutschen Höfeordnung und dem BGB-Landguterb­ recht, erläutert werden. Die Darstellung soll dabei jeweils auf verschiedenen Ebenen erfolgen: Es wird zunächst überprüft, wie die Bestimmung des Hof­ erben beziehungsweise -übernehmers in den einzelnen Gesetzen erfolgt und welche Voraussetzungen hierfür an den Erben und den Betrieb zu stellen sind (I.). Danach soll der Eigentumserwerb des landwirtschaftlichen Betriebs im Erbfall (II.) dargelegt werden. Darauf folgt die Frage, inwieweit die wei­ chenden Miterben an Hof beziehungsweise Hofvermögen beteiligt werden und welche Ansprüche sie gegen den Hoferben oder -übernehmer haben (III.). Es erfolgt unter den einzelnen Unterpunkten I. bis III. jeweils eine Darstel­ lung der Gesetze. In diesem Zusammenhang werden sowohl die bestehende rechtliche Lage beleuchtet als auch dahinterliegende Prinzipien herausgear­ beitet, die in den Gesetzen zur Vererbung landwirtschaftlicher Betriebe auf­ tauchen. Zudem soll darauf eingegangen werden, inwieweit die bestehenden Regelungen ausgelegt werden können, um auch den Status quo der Verer­ bungspraxis landwirtschaftlicher Betriebe angemessen abzubilden. Hierzu soll eine Auswertung der Rechtsprechung und der einschlägigen Fachliteratur erfolgen. Ziel ist es dabei nicht, in Zweifelsfällen die eine „richtige“ Inter­ pretation des jeweiligen Gesetzes aufzuzeigen. Vielmehr soll der Meinungs­ stand in Rechtsprechung und Literatur dargelegt werden und – sowohl durch den Vergleich mit Vorgängernormen und allgemeinen zivilrechtlichen Erb­ rechtsinstituten als auch unter Berücksichtigung der jeweiligen Gesetzesma­ terialien und der Entwicklung der Landwirtschaft – herausgearbeitet werden, 9  Die Frage nach der Notwendigkeit und auch Verfassungsmäßigkeit landwirt­ schaftlichen Sondererbrechts war in der Vergangenheit bereits Gegenstand wissen­ schaftlicher Arbeiten und Diskussionen, sodass zur Beantwortung auf die entspre­ chende Literatur verwiesen wird, vgl. hier etwa Röthel, in: Verhandlungen des 68. Dt. Juristentages, Bd. 1, Teil A, S. 33 ff. sowie Mönig, Landwirtschaftliches Son­ dererbrecht im Lichte von Verfassungsrecht und Rechtspolitik, S. 223 ff. m. w. N.



II. Gang der Untersuchung19

wie die Gesetze de lege lata zeitgemäß ausgelegt werden können. Dabei soll ein Fokus auf der Frage liegen, ob und inwieweit die Interessen des Hofer­ ben an der geschlossenen Erhaltung des Betriebs und die Interessen der weichenden Erben an einer angemessenen Beteiligung hinreichend Berück­ sichtigung finden. Zudem wird an bestimmten Stellen auf Reformbedarf und -‍möglichkeiten innerhalb der bestehenden Regelungen hingewiesen. Es soll aufgezeigt werden, wie durch die punktuelle Reform einzelner Normen das landwirtschaftliche Erbrecht in seiner derzeitigen Ausgestaltung aktualisiert werden kann. Ziel ist es, zu praktikablen aber dennoch dogmatisch sinnvol­ len Regelungen im landwirtschaftlichen Erbrecht zu gelangen. Basierend auf den gewonnenen Erkenntnissen sollen die in Abschnitt B. thematisierten Normzwecke wieder aufgegriffen werden (IV.) und die Frage beantwortet werden, ob diese heute in gleicher Weise aktuell sind oder ob sich ihre Bedeutung insgesamt verschoben hat. Abschnitt E. setzt sich damit auseinander, welche Konsequenzen es hat, wenn der Betrieb nach dem Erbfall nicht wie bisher landwirtschaftlich ge­ nutzt wird. Dies betrifft die Frage, inwieweit die weichenden Erben bei Wegfall der Privilegierungsgründe nachträglich am Hofeswert zu beteiligen sind. Dabei wird zunächst auf den Nachabfindungsanspruch in § 13 HöfeO eingegangen und das Verständnis dieser Norm in Rechtsprechung und Litera­ tur dargelegt und kritisch gewürdigt (I.). Zudem erfolgt eine Auslegung der Regelung basierend auf den Normzwecken, bei der auch die Diskussion über die Aktualität der jeweiligen Zwecksetzungen (aus Abschnitt D. IV.) berück­ sichtigt wird. Es soll im Rahmen der Nachabfindungstatbestände eine Syste­ matisierung erfolgen, die sich an klaren Kriterien ausrichtet und daher nicht mehr rein kasuistisch ist. Im Anschluss wird die Frage thematisiert, wie den nicht geregelten Nachabfindungsansprüchen im BGB-Landguterbrecht zu begegnen ist (II.). Hierzu wird zunächst auf das Vorgehen der höchstrichter­ lichen Rechtsprechung eingegangen, welches hauptsächlich in einer strengen Auslegung der Privilegierungsmerkmale auf der Ebene der Ansprüche der weichenden Miterben besteht. Danach werden die in der Literatur vorge­ brachten Lösungsansätze für diese Problematik erläutert und kritisch disku­ tiert. Wie anhand der Abschnitte D. und E. deutlich wird, sollen die einzelnen Gesetze zur Vererbung landwirtschaftlicher Betriebe im Rahmen dieser Ar­ beit nicht für sich genommen nacheinander dargestellt und erläutert werden. Vielmehr erfolgt eine inhaltliche Zuordnung der jeweils einschlägigen Rege­ lungen zu den Oberthemen der Vererbung landwirtschaftlicher Betriebe in Abschnitt D. (mit Unterkapiteln zur Hoferbenbestimmung, zur Eigentums­ übertragung und zu den Ansprüchen der weichenden Miterben) sowie der Ansprüche der übrigen Miterben bei Wegfall der Privilegierungsgründe in

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A. Einleitung

Abschnitt E. Auf diese Weise soll eine Annäherung an die Systematik der einzelnen Gesetze erfolgen, die einen Vergleich und die Herausarbeitung der jeweiligen Vor- und Nachteile der einzelnen Regelungen und Systeme er­ möglicht. Die in der Arbeit gewonnenen Erkenntnisse sollen in Abschnitt F. in Re­ formüberlegungen zum landwirtschaftlichen Erbrecht in Deutschland mün­ den. Der Fokus soll dabei nicht auf der Neugestaltung einzelner Gesetze liegen, sondern in erster Linie auf der Frage, wie neben einer Modernisierung der Gesetze auch der Problematik der bundesweit zersplitterten Rechtslage begegnet werden kann.

B. Historie des landwirtschaftlichen Erbrechts Das Landschaftsbild in Deutschland ist in Bezug auf seine Flächengrößen sehr unterschiedlich: In traditionellen Realteilungsgebieten1, wie etwa in Baden oder der Pfalz, finden sich überwiegend klein parzellierte landwirt­ schaftliche Flächen, während in Gebieten mit Anerbenrechten oder -sitten größere und zusammenhängende Grundflächen das Landschaftsbild bestim­ men. Diese Uneinheitlichkeit in der Flächengröße und -aufteilung ist neben anderen Faktoren2 auch ein Spiegelbild der Erbbräuche und der Entwicklung des landwirtschaftlichen Erbrechts in den jeweiligen Gebieten. Das Landwirtschaftserbrecht hat sich in Deutschland3 nie gradlinig und umfassend entwickelt. Vielmehr bildeten sich viele Anerbengesetze jeweils begrenzt auf bestimmte Regionen und in unterschiedlichen Zeitspannen he­ raus. Aus diesem Grund ist eine chronologische Nachzeichnung der deutsch­ landweiten Entwicklung dieses Rechtsgebiets kaum möglich. Es folgt daher eine Darstellung der Entwicklung von einzelnen regionalen Anerbensitten hin zu den heute bestehenden landesrechtlichen und partiellen bundesrecht­ lichen Anerbengesetzen sowie der teils parallel dazu erfolgten Entstehung des BGB-Landguterbrechts.4

1  Unter Realteilung versteht man die gleichmäßige Aufteilung des Eigentums, insbesondere des landwirtschaftlichen Grundbesitzes, unter allen Erbberechtigten. 2  Zu diesen weiteren Faktoren zählen beispielsweise das (ehemalige) politische und wirtschaftliche System in dem jeweiligen Gebiet, die Regelungen über den Grundstücksverkehr oder die Ertragskraft der jeweiligen Grundflächen; wie die nach­ stehenden Ausführungen zeigen werden, bedingen sich diese Faktoren teilweise auch gegenseitig. 3  Sofern nicht anders kenntlich gemacht, bezieht sich der Begriff „Deutschland“ auf das Gebiet der heutigen Bundesrepublik Deutschland als Gegenstand der Unter­ suchung dieser Arbeit; landwirtschaftliche Sondererbrechte bestehen jedoch heute auch etwa in Österreich (Anerbengesetz) mit besonderen Regelungen für Tirol (Tiro­ ler Höfegesetz) und Kärnten (Kärntner Erbhöfegesetz), in der Schweiz (Bundesgesetz über das bäuerliche Bodenrecht) sowie in Südtirol (Höfegesetz). 4  Die Darstellung der Historie des landwirtschaftlichen Sondererbrechts soll zum Grundverständnis der nachfolgenden Materie möglichst umfassend erfolgen, erhebt aber keineswegs den Anspruch, einen eigenen Forschungsbeitrag zur Geschichte des Landwirtschaftserbrechts zu leisten.

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B. Historie des landwirtschaftlichen Erbrechts

I. Die Entwicklung des Anerbenrechts bis Anfang des 20. Jahrhunderts Die geschlossene Vererbung landwirtschaftlicher Betriebe in Deutschland fußt zum einen auf den sog. Anerbensitten, also der Tradition der geschlos­ senen Hofübergabe, und zum anderen auf Anerbengesetzen, also eine ge­ schlossene Vererbung vorschreibenden Rechtssätzen. Die Existenz von An­ erbensitte und Anerbengesetz muss dabei nicht zwangsläufig zusammenfal­ len: So gibt es heute Bundesländer wie etwa Bayern, in welchen kein Aner­ bengesetz besteht, jedoch eine gelebte Anerbensitte durch Übergabepraxis unter Lebenden herrscht. Andersherum gibt es auch Regionen, in denen keine Anerbensitte herrscht, aber trotzdem ein Anerbengesetz gilt, wie zum Bei­ spiel in Rheinland-Pfalz mit dem seit 1953 geltenden Rheinland-Pfälzischen Gesetz über die Höfeordnung.5 In der Regel ist ein Anerbengesetz jedoch aufgrund von höherer Akzeptanz in den betroffenen Kreisen effektiver, wenn es auf einer in der Bevölkerung vorherrschenden und gelebten Tradition der geschlossenen Übergabe beruht.6 Im Gebiet der heutigen Bundesrepublik Deutschland dominierte in einigen Teilen ursprünglich die Praxis der Realteilung. Dazu gehörten insbesondere die heutigen Bundesländer Rheinland-Pfalz, das Saarland, ein Großteil Ba­ den-Württembergs, Teile Hessens sowie Nordrhein-Westfalens und Nieder­ sachsens. In den übrigen Teilen herrschte eine Anerbensitte.7 Die Herkunft dieser unterschiedlichen Vererbungspraktiken ist umstritten: Ein vor allem zur Zeit des Nationalsozialismus vertretener Erklärungsansatz ist, dass die Sitte der geschlossenen Übergabe der Höfe auf die nächste Gene­ ration aus dem germanischen Recht stammt.8 Dieser Auffassung zufolge waren Gebiete mit Anerbensitten solche mit „nordisch-germanischer bäuerlicher Rechtsordnung“9 und die mit Realteilung solche, in denen eine „mittelmee­ risch-römische“10 Rechtskultur vorherrschte.11 Im römischen Recht, das insbe­

AgrarR Beil. II/1990, 12 (14). AgrarR 1978, 147 (148); ein Beispiel für ein landwirtschaftliches Erbrecht, das sehr stark in die Erbgewohnheiten der ländlichen Bevölkerung eingriff und dort insgesamt wenig Akzeptanz fand, war das Reichserbhofgesetz, ausführlich dazu sogleich auf S. 36 ff. 7  Kreuzer, AgrarR Beil. II/1990, 12 (13 f.). 8  Bungenstock, in: HRG (1971), Stichwort „Anerbenrecht“, Sp. 164; so aber auch zuvor bereits vertreten und ausführlich begründet von v. Dultzig, Das deutsche Grunderbrecht in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, S. 34 ff. 9  Bungenstock, in: HRG (1971), Stichwort „Anerbenrecht“, Sp. 164. 10  Bungenstock, in: HRG (1971), Stichwort „Anerbenrecht“, Sp. 164. 5  Kreuzer,

6  Kroeschell,



I. Die Entwicklung des Anerbenrechts bis Anfang des 20. Jahrhunderts 23

sondere in Mittel- und Süddeutschland rezipiert wurde, existierte eine Sonder­ erbfolge nämlich zunächst nicht.12 Kroeschell zeigt jedoch anhand verschiede­ ner Quellen und germanischer Rechtssätze, dass im Rahmen der germanischen Rechtstradition etwas wie ein Anerbenrecht nicht existierte, sondern die zent­ rale Institution des germanischen Vermögens- und Erbrechts die sogenannte Hausgemeinschaft war: Dabei verblieb das Vermögen des Erblassers im Erb­ fall zunächst ungeteilt in dieser Gemeinschaft. Wurde diese aufgelöst, ging das Vermögen im Wege der Realteilung auf die Söhne – oder, wenn diese nicht (mehr) vorhanden waren, auf die Töchter – über.13 Das Bestehen einer An­ erbensitte, bei welcher der Hof geschlossen an einen Nachkommen vererbt wurde, ist hingegen nicht nachweisbar.14 Da das Vermögen des Erblassers trotzdem aufgrund einer Abschichtung15 der Vermögensgemeinschaft zwischen dem Vater und seinen Nachkommen häufig nur auf einen Erben überging, wurde zum Teil fälschlicherweise der Schluss gezogen, es handele sich bei die­ sem einen Erben um einen Anerben nach dem heutigen Verständnis.16 Eine Zurückführung der Anerbensitte auf germanische Rechtstraditionen erfolgte in der Zeit des Nationalsozialismus insbesondere aus ideologischen Gründen: So war für die Nationalsozialisten die „deutsche Rasse Nachfolger des germani­ schen Bauernvolkes“17. Mit einer Bezugnahme auf die germanischen Ur­ sprünge des Anerbenrechts konnte daher gerechtfertigt werden, warum nach dem im Dritten Reich geltenden Reichserbhofgesetz nur ein „Deutscher“ (§ 12 REG) „deutschen oder stammesgleichen Blutes“ (§ 13 REG) Erbhof­ bauer und damit auch Erbe eines landwirtschaftlichen Betriebs sein konnte.18 Nach einem weiteren Erklärungsansatz ist die Sitte der geschlossenen Hof­ übergabe darauf zurückzuführen, dass ein Großteil der Bauern im Mittelalter im Rahmen der Grundherrschaft19 abhängig von einem geistlichen oder welt­ 11  Schildt, in: HRG (2004), Stichwort „Anerbenrecht“, Sp. 232; bei der Sondererb­ folge handelt es sich um ein deutschrechtliches Rechtsinstitut, Wieacker, Privatrechts­ geschichte der Neuzeit, S. 233. 12  Bungenstock, in: HRG (1971), Stichwort „Anerbenrecht“, Sp. 165. 13  Ausführlich bei Kroeschell, AgrarR 1978, 147 (148 f.). 14  Kroeschell, AgrarR 1978, 147 (150); ausführliche Widerlegung der These des germanischen Ursprungs der Anerbensitte und weitere Nachweise auch bei Klunzinger, Anerbenrecht und gewillkürte Erbfolge, S. 28 ff. 15  Unter „Abschichtung“ versteht man das Ausscheiden der Söhne aus der Hausge­ meinschaft unter Begründung einer eigenen wirtschaftlich selbstständigen Position, Olechowski, in: HRG (2004), Stichwort „Abschichtung“, Sp. 24. 16  Schildt, in: HRG (2004), Stichwort „Anerbenrecht“, Sp. 232. 17  Stoll/Baur, Deutsches Bauernrecht, S. 1. 18  Faßbender/Hötzel/v. Jeinsen/Pikalo/Faßbender, HöfeO, Einl. Rn. 21. 19  Grundherrschaft ist dabei nach der Definition von F. Lütge eine Grundform mittelalterlicher Herrschaft, nämlich „die Herrschaft über Menschen, die auf einem

24

B. Historie des landwirtschaftlichen Erbrechts

lichen Grundherrn war, der ein Interesse daran hatte, die an die Bauern über­ tragenen Höfe als Einheit zu erhalten.20 Die Existenz von Gebieten mit Re­ alteilung und solchen mit Anerbensitten ist demnach auf eine unterschiedlich starke Stellung des Grundherrn zurückzuführen. Seit dem Hoch- und Spätmittelalter wurden die im Eigentum der Grund­ herren stehenden Güter gegen Hand- und Spanndienste sowie Geld- und Naturalzinsen zur Bewirtschaftung an Bauern übertragen.21 Diese Zinsen mussten von den Grundherren eingetrieben werden, was durch eine Teilung der Güter im Erbgang erschwert wurde. Deshalb bestimmten die Grundher­ ren bei mehreren Erben eines Betriebs zunächst jeweils eine Person, die für die Zahlung der Abgaben auch im Falle der Teilung im Erbgang verantwort­ lich gemacht wurde.22 Neben dem Interesse an der einfacheren Erhebung von Zinsen bestand auch ein allgemeines Interesse der Grundherren daran, die Güter zur Sicherung der Wirtschaftsfähigkeit unteilbar zu halten.23 Eines der ältesten Schriftstücke, in dem es um die Vererbbarkeit von Landflächen geht, die zur Bewirtschaftung an einen Bauern übertragen wurden, ist eine Ur­ kunde des Domkapitels in Trier aus dem Jahr 1132.24 In diesem Dokument, durch welches einem Landwirt ein Gut von einer kirchlichen Stiftung zur Verfügung gestellt wurde, wird explizit darauf hingewiesen, dass nur einer der Erben das Gut erhalten und die ihm obliegenden Verpflichtungen erfüllen soll.25 Begünstigt durch den Tod eines Großteils der Landbevölkerung durch die Pest im 14. Jahrhundert sowie die Agrarkrise im 14. und 15. Jahrhun­ dert26 konnte der Grundbesitz in der Folgezeit von den Grundherren an die verbliebenen Bauern zu neuen Bedingungen verteilt werden. Hierbei wurde bestimmten Grund und Boden ansässig sind und die darum von der Herrschaft erfasst werden“, Rösener, in: HRG (2004), Stichwort „Grundherrschaft“, Sp. 581. 20  Wöhrmann/Graß, Landwirtschaftserbrecht, Einl. HöfeO Rn. 5. 21  Schlinker/Ludyga/Bergmann, Privatrechtsgeschichte, S. 245; die verschiedenen Formen der Grundherrschaft und der damit korrespondierenden Besitzrechte der Bau­ ern waren dabei sehr unterschiedlich ausgestaltet und reichten von dem Eigentum angenäherten Rechten bis zu zeitlich oder vom Grundherrn jederzeit entziehbaren Besitzrechten; vgl. dazu ausführlich Kroeschell, AgrarR 1979, 241 (243); eine Be­ schreibung der verschiedenen Arten der damals bestehenden Bauerngüter findet sich zudem bei Beseler, System des deutschen Privatrechts, S. 751 ff. 22  Kroeschell, AgrarR 1978, 147 (150). 23  Staudinger/Mittelstädt, Art. 64 EGBGB Rn. 3. 24  Kroeschell, AgrarR 1978, 147 (150). 25  „Das aber fügen wir noch hinzu, dass nicht zwei oder drei, sondern stets nur einer von ihren Erben das Erbe haben soll und alle genannten Verpflichtungen ohne Widerspruch erfüllen soll.“, Text abgedruckt bei Kroeschell, AgrarR 1978, 147 (150). 26  Ausführlich zu den Ursachen, dem Hergang und den Folgen der Agrarkrise im 14. und 15. Jahrhundert bei Abel, Lexikon des Mittelalters, Stichwort „Agrarkrise“, Sp. 218.



I. Die Entwicklung des Anerbenrechts bis Anfang des 20. Jahrhunderts 25

häufig ein auf die Lebenszeit des Bauern begrenztes Besitzrecht vereinbart, welches ein Teilungsverbot enthielt.27 Damit unterwarfen die Grundherren die Bauern Vererbungsprinzipien, welche durch sog. Hausgesetze häufig auch für sie selbst galten.28 Obwohl die Höfe in der Praxis meistens in der Hand derselben Bauernfamilie blieben, behielt sich der Grundherr regelmä­ ßig die Entscheidung über den Hofnachfolger vor.29 Die Tatsache, dass die Höfe in dieser Zeit über viele Generationen in der Hand einer Familien blie­ ben, ist also nicht Ausfluss einer bestehenden Rechtsregel gewesen, sondern war dem grundherrlichen Willen unterworfen.30 Aus diesem Grund kann in dieser Phase noch nicht von einem Anerbenrecht im eigentlichen Sinne ge­ sprochen werden. Warum in manchen Gebieten trotz der geschilderten grundherrlichen Inte­ ressen dennoch an der Realteilung festgehalten wurde, ist nicht abschließend geklärt. Erklärungsansätze sind zum einen, dass bestimmte Erbgewohnheiten mit Faktoren wie etwa den Bodenverhältnissen zusammenhingen. Waren die Böden besonders fruchtbar, bestand zur Sicherung der Wirtschaftlichkeit nicht zwingend das Bedürfnis, Höfe im Erbgang als Einheit zu erhalten.31 Zunächst entwickelten sich an jedem Herrenhof und jedem Dorf eigene gebietsspezifische Bräuche, sodass im Hochmittelalter eine große Anzahl bäuerlicher Rechtsquellen bestand.32 Im späten Mittelalter wurde dieses Ge­ wohnheitsrecht in Dorfordnungen, Hofrechten und Weistümern festgehal­ ten.33 Es handelte sich dabei um alte, zum Teil bereits seit Jahrhunderten bestehende Rechtssätze, die unverändert fixiert und bei Veränderung der tat­ sächlichen Verhältnisse allenfalls ergänzt wurden.34 Aus dem Erstarken der Landeshoheit folgte auch ein Streben nach einer Einheitlichkeit in Bezug auf das Recht, welches in räumlich aneinander angrenzenden Gebieten aufgrund

in: HAR, Stichwort „Landwirtschaftliches Erbrecht“, Sp. 307. Landwirtschaftserbrecht, Einl. HöfeO Rn. 5. 29  Kroeschell, in: HAR, Stichwort „Landwirtschaftliches Erbrecht“, Sp. 307. 30  Beseler, System des gemeinen deutschen Privatrechts, S. 767; aus diesem Grund spricht Pikalo im Zusammenhang mit der Herausbildung der Anerbensitte auch nicht über die Begründung einer „altdeutschen Rechtsauffassung“, sondern von einer wirt­ schaftlich und politisch beeinflussten Entwicklung, Pikalo, in: GS für Schmidt, S. 507 (517). 31  Pikalo, GS für Schmidt, S. 507 (517); weitere Erklärungsansätze werden zudem kritisch diskutiert bei Mayer-Edenhauser, Untersuchungen über Güterschluss und Anerbenrecht in Kurhessen, S. 8 ff. 32  Stobbe, Geschichte der deutschen Rechtsquellen Bd. 1, S. 585. 33  Staudinger/Mittelstädt, Art. 64 EGBGB Rn. 3; einige dieser Rechtssätze sind abgedruckt bei Kroeschell, AgrarR 1978, 147 (150 f.). 34  Stobbe, Geschichte der deutschen Rechtsquellen Bd. 1, § 56, S. 590. 27  Kroeschell,

28  Wöhrmann/Graß,

26

B. Historie des landwirtschaftlichen Erbrechts

seiner Historie häufig unterschiedlich war.35 Aus diesem Grund ging im 17. Jahrhundert das Agrarrecht in landesherrliche Verordnungen über.36 Diese Verordnungen der Landesherren galten in etwa 80 % des Gebiets des Heili­ gen Römischen Reichs Deutscher Nation.37 Durch die Bauern- und Bodenbefreiung und die damit einhergehende Be­ seitigung der bestehenden Agrarverfassung zum Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts wurde die vorherrschende bodenrechtliche Ordnung aufgehoben. Im Rahmen der Bauernbefreiung wurde den bewirtschaftenden Bauern das Eigentum an Grund und Boden gegen Ablösungszahlungen über­ tragen.38 Außerdem wurde die Erbuntertänigkeit unter einen Grundherrn be­ seitigt.39 Es handelte sich dabei um einen Prozess, der sich in einigen Län­ dern über Jahrzehnte hinzog.40 Die konkreten Umgestaltungen waren dabei abhängig von der Ausgestaltung der Grundherrschaft in dem jeweiligen Ge­ biet, wie etwa den Besitzrechten der Bauern, der Verpflichtung zu Frondiens­ ten und Abgaben sowie der persönlichen Freiheit insgesamt.41 Für landwirt­ schaftliche Betriebe galt in der Folgezeit das bürgerliche Recht ohne ein be­ sonderes bäuerliches Erbrecht. Erst ab diesem Zeitpunkt wurde die Hofnach­ folge also zu einem rein erbrechtlichen Problem.42 Die Vererbung von Höfen war in diesem Zeitraum durch die Geltung der bürgerlich-rechtlichen Vor­ schriften geprägt von einer Gleichbehandlung aller Erben sowie einer Auf­ teilung des Grundbesitzes unter diesen.43 Dies entsprach dem Zeitgeist, nach welchem in den alten Anerbenrechten Instrumente einer Herrschaft der Grundherren über die Bauern gesehen wurde.44 Nach den liberalen politi­ schen Bestrebungen wurde das abgelehnt, was sich auch an den Verfassungen dieser Zeit zeigt, durch welche das freie Eigentum und Erbrecht der Grund­ eigentümer gesichert werden sollte.45 So wurde zum Beispiel durch Art. 42 der Preußischen Verfassung von 1850 eine Teilbarkeit des Grundeigentums Geschichte der deutschen Rechtsquellen Bd. 2, § 70, S. 207. Erbrecht, S. 1339. 37  Faßbender Hötzel/v. Jeinsen/Pikalo/Faßbender, HöfeO, Einl. Rn. 4; zu den De­ tails der Ausgestaltung des ab dem 17. Jahrhundert geltenden Meierrechts vgl. Schlinker/Ludyga/Bergmann, Privatrechtsgeschichte, S. 248 ff. 38  Schlinker/Ludyga/Bergmann, Privatrechtsgeschichte, S. 250. 39  Winterberg/Eckert, in: HRG (2004), Stichwort „Bauernbefreiung“, Sp. 466. 40  Schlinker/Ludyga/Bergmann, Privatrechtsgeschichte, S. 250. 41  Winterberg/Eckert, in: HRG (2004), Stichwort „Bauernbefreiung“, Sp. 466; aus­ führlich zur Entwicklung der Bauernbefreiung Kroeschell, AgrarR 1979, 241. 42  Kroeschell, AgrarR 1978, 147 (155). 43  Hausmann/Hohloch/Hausmann/Hausmann, Handbuch des Erbrechts, Kap. 24 Rn. 4. 44  Staudinger/Mittelstädt, Art. 64 EGBGB Rn. 3a. 45  Kroeschell, AgrarR 1978, 147 (152). 35  Stobbe,

36  Lange/Kuchinke,



I. Die Entwicklung des Anerbenrechts bis Anfang des 20. Jahrhunderts 27

ausdrücklich garantiert46 und § 165 der Paulskirchenverfassung von 1848 billigte jedem Grundeigentümer zu, sein Grundeigentum sowohl unter Le­ benden als auch von Todes wegen ganz oder teilweise zu veräußern.47 Es ist jedoch zu betonen, dass die Bauernbefreiung vielfach gerade nicht von der bäuerlichen Bevölkerung selbst, sondern insbesondere von Politkern, Ökono­ men und der bürgerlichen Schicht ausging, die sich bei ihren Bestrebungen von liberalen wirtschaftlichen und staatspolitischen Grundgedanken leiten ließen.48 So waren beispielsweise in der Nationalversammlung von 1848 unter allen Abgeordneten insgesamt nur drei Bauern, aber neben weiteren Berufsgruppen etwa 430 Beamte, 50 Professoren und 150 Freiberufler.49 Aus diesem Grund hielten sich in dieser Zeitspanne trotz der Abschaffung der Anerbengesetze in vielen Gebieten, in denen bereits zuvor eine geschlossene Weitergabe des Hofes an die nächste Generation praktiziert wurde, Anerben­ sitten und Höfe wurden nach den jeweils herrschenden Erbbräuchen trotzdem ungeteilt übergeben.50 Durch die freie Veräußerbarkeit der Flächen durch die Bodenbefreiung und die industrielle Revolution kam es aufgrund des hohen Flächenbedarfs vor allem in den Zentren der industriellen Revolution zu stark steigenden Preisen für Grund und Boden. Dies führte dazu, dass hohe Abfindungszahlungen an Miterben zu leisten waren, wenn der Betrieb geschlossen erhalten werden sollte.51 Ab Mitte des 19. Jahrhunderts folgte deshalb zur Sicherung des Be­ standes der Höfe wiederum eine legislatorische Gegenbewegung, in welcher die bestehenden Anerbensitten in landesrechtlichen Anerbengesetzen festge­ halten wurden.52 Ziel der Gesetze war insbesondere die Bildung und Erhal­ tung mittelgroßer und damit wirtschaftsfähiger Betriebe.53 Neben das private Interesse der Erblasser und fiskalischen Interessen an der geschlossenen Er­ in: HRG (2004), Stichwort „Anerbenrecht“, Sp. 232. AgrarR 1978, 147 (152). 48  Winterberg, in: HRG (1971), Stichwort „Bauernbefreiung“, Sp. 326. 49  https://www.dhm.de/mediathek/web/1848/fragen-und-antworten/abgeordnete/, Stand: 15.02.2021. 50  Stobbe, Handbuch des Deutschen Privatrechts Bd. 5, S. 376; so kommt auch Wieacker zu dem Ergebnis, dass das Erbrecht in der Praxis durch die Rezeption we­ niger umgestaltet wurde, da die Betroffenen bei ihren tatsächlichen Gewohnheiten widersprechenden Gesetzen Wege fanden, die bestehenden Gesetze zu umgehen, Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, S. 234. 51  Staudinger/Mittelstädt, Art. 64 EGBGB Rn. 3. 52  Eine ausführliche Auflistung der Partikulargesetzgebung des 19. Jahrhunderts findet sich bei Kipp/Coing, Erbrecht (1953), S. 519 Fn. 2; eine Sammlung der in den Deutschen Bundesstaaten geltenden Gesetze aus dem Jahr 1896 bietet zudem Frommhold, Deutsches Anerbenrecht. 53  Hue de Grais, Handbuch der Verfassung und Verwaltung in Preußen und dem Deutschen Reiche, S. 704. 46  Schildt,

47  Kroeschell,

28

B. Historie des landwirtschaftlichen Erbrechts

haltung der Betriebe trat somit zu dieser Zeit auch ein volkswirtschaftliches Interesse an der Erhaltung eines „kräftigen Bauernstandes“.54 Dem im bür­ gerlichen Recht zum Ausdruck kommenden Liberalismus sollte mit den An­ erbenrechten ein den Familien- und Standesgedanken betonendes Erbrecht entgegengesetzt werden.55 Auf diese Weise sollte in politischer Hinsicht durch die bäuerlichen Familien ein „starker Wall gegen die Verführungen der Socialdemokratie und des Anarchismus“56 gebildet werden. Die erste Gesetzgebungswelle begann in Bayern57 im Jahre 1855. Weitere Gesetze wurden in Hessen-Darmstadt58 sowie Braunschweig59 im Jahre 1858 erlassen.60 Allen Kodifikationen dieser Erbgütergesetzgebung ist gemein, dass sie dem Fideikommiss61 analoge Regelungen auch für Bauerngüter auf­ stellen wollten, um diese im öffentlichen Interesse wirtschaftsfähig zu erhal­ ten.62 Dies hatte zum einen zur Folge, dass über die Erbgüter unter Lebenden nur noch unter engen Voraussetzungen verfügt werden konnte.63 Zum ande­ ren war der Erblasser bei der Bestimmung des Hoferben durch das Gesetz stark eingeschränkt und hatte nicht die Möglichkeit, einen Hofnachfolger im Rahmen der gewillkürten Erbfolge frei auszuwählen.64 Den weichenden Ab­ 54  v. Miaskowski, Das Erbrecht und die Grundeigenthumsverteilung im Deutschen Reiche Bd. 2, S. 136. 55  Dehne, Von Hof zum Betrieb – Strukturwandel des landwirtschaftlichen Erb­ rechts, S. 12. 56  v. Miaskowski, Das Erbrecht und die Grundeigenthumsverteilung im Deutschen Reiche Bd. 2, S. 274. 57  Bayerisches Gesetz die landwirtschaftlichen Erbgüter betreffend, 21. Februar 1855. 58  Hessisches Gesetz die landwirtschaftlichen Erbgüter betreffend, 11. September 1858. 59  Gesetz über die Unteilbarkeit der Ritter- Schrift, Freisassen- und sonstigen Landgüter, 20. Mai 1858. 60  Kreuzer, AgrarR Beil. I/1977, 12 (13). 61  Unter dem Begriff Fideikommiss (lat. fidei commissum = der Treue anvertraut), versteht man eine Vermögensmasse, die nach dem durch Rechtsgeschäft unter Leben­ den oder Verfügung von Todes wegen erklärten Willen des Berechtigten unveräußer­ lich bleiben und sich nach bestimmten Regeln – meist innerhalb einer Familie – ver­ erben soll; i. d. R. handelte es sich um Großgrundbesitz im Besitz von Adelsfamilien; vgl. Creifelds, Rechtswörterbuch, Stichwort „Fideikommiss“; zur genaueren Be­ schreibung des Fideikommiss und der Abgrenzung vom Anerbenrecht vgl. S. 125. 62  Für das Bayerische Gesetz die landwirtschaftlichen Erbgüter betreffend: Ver­ handlungen der bayerischen Kammer der Abgeordneten, 1855, Beilage XXXV, S. 6 (9). 63  Beispielsweise geregelt in Art. 6–8 Bayerisches Gesetz die landwirtschaftlichen Erbgüter betreffend. 64  Beispielsweise geregelt in 9–11 Bayerisches Gesetz die landwirtschaftlichen Erbgüter betreffend; so werden per Gesetz sog. Sucessionsklassen aufgestellt, Art. 9),



I. Die Entwicklung des Anerbenrechts bis Anfang des 20. Jahrhunderts 29

kömmlingen stand ein Abfindungsanspruch in Höhe ihres Pflichtteilsan­ spruchs zu.65 Aufgrund der mangelnden Verfügungsbefugnis des Erbguteigen­ tümers unter Lebenden bestand für die Regelung von Nachabfindungsansprü­ chen kein Bedürfnis. In Bayern wurden innerhalb der ersten ungefähr 50 Jahren insgesamt nur vier Erbgüter errichtet und in Hessen sogar nur ein einziges, sodass sich die Erbgütergesetzgebung insgesamt als Fehlschlag er­ wies.66 Eine zweite Gesetzgebungswelle begann 1874 in Hannover: Nach der An­ nexion Hannovers durch Preußen im Jahr 1866 sollte das Anerbenrecht dort – auch in Hinblick auf die freie Verfügungsbefugnis über das Grundei­ gentum nach Art. 42 der Preußischen Verfassung – abgeschafft werden, was jedoch zu erheblichem Widerstand in der Provinz Hannover stieß.67 Man ei­ nigte sich daher mit dem preußischen Höfegesetz für die Provinz Hannover von 1874 auf einen Kompromiss zwischen der freien Verfügungsbefugnis des Erblassers und dem Anerbenrecht, indem es der Entscheidung des Hof­ eigentümers überlassen wurde, welcher Erbrechtsordnung er seinen Betrieb unterstellen wollte.68 Dies war der Beginn des Systems des mittelbaren und fakultativen Anerbenrechts.69 Nach dem Vorbild des preußischen Höfegesetzes für die Provinz Hannover wurden innerhalb von Preußen eine Reihe weiterer Anerbenrechte erlassen, etwa im Herzogtum Lauenburg 1881, in Westfalen 1882, in Brandenburg 1883, Schlesien 1884, Schleswig-Holstein 1886 und dem Regierungsbezirk Kassel 1887.70 Auch in anderen deutschen Bundesstaaten wurden in dieser Zeit Anerbengesetze erlassen, unter anderem in Oldenburg 1873, Braun­ schweig 1874, Bremen 1890, Waldeck und Schaumburg-Lippe 1909 sowie Württemberg 1930 als spätester Ausläufer dieser Gesetzgebungswelle.71 Die Anwendbarkeit richtete sich entweder nach der Eintragung in ein Register innerhalb derer der Erblasser dann wiederum den Gutsnachfolger frei auswählen kann (Art. 11). 65  Beispielsweise geregelt in Art. 13 Bayerisches Gesetz die landwirtschaftlichen Erbgüter betreffend. 66  Hedemann, Die Fortschritte des Zivilrechts im XIX Jahrhundert, 2. Teil, 1. Hälfte S. 133. 67  Kroeschell, AgrarR 1978, 147 (152). 68  Die „Befreiung der bisherigen Schranken des freien Verfügungsrechts der Bau­ ern“ war laut der Parlamentsprotokolle vornehmliches Ziel des Höfegesetzes für die Provinz Hannover, vgl. Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Preußi­ schen Hauses der Abgeordneten, 1874, S. 1891 (1894); die Verfügungsfreiheit unter Lebenden ist heute in Art. 64 Abs. 2 EGBGB ebenfalls geregelt. 69  Kroeschell, AgrarR 1978, 147 (152). 70  Kroeschell, AgrarR 1978, 147 (152). 71  Kroeschell, AgrarR 1978, 147 (152).

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B. Historie des landwirtschaftlichen Erbrechts

wie eine Höferolle (beispielsweise in Hannover) oder knüpften an die Be­ triebsgröße an (beispielsweise in Westfalen).72 Insbesondere in der Provinz Hannover fand das Gesetz unter der bäuerlichen Bevölkerung sehr guten Anklang: Im Jahr 1907 wurden etwa 80.000 Betriebe und ungefähr zwei Drittel der Höfe vom dort geltenden fakultativen landwirtschaftlichen Son­ dererbrecht erfasst.73 Durch die Anerbengesetze hatten die Anerben somit eine bevorzugte Stellung in Hinblick auf den Hof, wurden aber nicht in Be­ zug auf die Erbschaft insgesamt privilegiert.74 Die Tendenz der Regierungen zur Einführung fakultativer Anerbenrechte setzte sich auch zu Beginn des 20. Jahrhunderts fort.75 Das in Hannover geltende Gesetz betreffend das Höferecht von 1874 wurde im Jahre 1909 durch ein neues hannoversches Höfegesetz abgelöst, welches einige inhaltliche Veränderungen und Anpassungen an das 1900 er­ lassene Bürgerliche Gesetzbuch enthielt.76 Eine wesentliche Neuerung war die Regelung eines Nachabfindungsanspruchs der weichenden Miterben für den Fall, dass der Anerbe den Hof oder Teile davon veräußert.77 Die Idee, dass im Rahmen einer Interessenabwägung zwischen der Bevorzugung des Anerben zur Erhaltung des Hofes und dem Schutz der weichenden Miterben eine Partizipation letzterer an später realisierten Gewinnen stattfinden soll, kam zum ersten Mal im Preußischen Gesetz betreffend Renten- und Ansied­ lungsgüter von 1896 auf. Sie fand auch in den in der Folgezeit erlassenen Anerbenrechten, etwa im Badischen Höfegesetz78 oder im Westfälischen Gesetz79 ihren Niederschlag.80

in: HRG (1971), Stichwort „Anerbenrecht“, Sp. 164. Höfegesetz für die Provinz Hannover, S. 2. 74  Zwanzger, in: Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler 2013, S. 151 (157). 75  Hedemann, Die Fortschritte des Zivilrechts im XIX. Jahrhundert, II. Teil, 1. Hälfte S. 136. 76  Linckelmann, Höfegesetz für die Provinz Hannover, S. 3. 77  Beispielsweise in § 19 Höfegesetz für die Provinz Hannover, 9. August 1909; da jedoch in diesem Gesetz die Privilegierung des Hoferben bei der Abfindung der wei­ chenden Erben lediglich darin bestand, dass ihm vom Hofwert vorab ein Drittel als Voraus zustand, musste bei der Nachabfindung auch nur dieser Betrag des Voraus bei Veräußerungen nachträglich ausgeglichen werden. 78  Badisches Gesetz, die geschlossenen Hofgüter betreffend, 20. September 1898. 79  Westfälisches Gesetz betreffend das Anerbenrecht bei Landgütern, 2. Juli 1898. 80  Hedemann, Die Fortschritte des Zivilrechts im XIX. Jahrhundert, II. Teil, 1. Hälfte S. 150. 72  Bungenstock,

73  Linckelmann,



II. Entstehung des BGB-Landguterbrechts31

II. Entstehung des BGB-Landguterbrechts Im Bürgerlichen Gesetzbuch gibt es keinen eigenen Untertitel, welcher die Erbfolge bei landwirtschaftlichen Betrieben regelt. Vielmehr sind die Land­ güter betreffenden Normen über das gesamte BGB verteilt und weisen insge­ samt große Regelungslücken, insbesondere bezüglich der Erbenbestimmung und auch der Nachabfindungen, auf. Der Grund hierfür liegt in der Entste­ hungsgeschichte des BGB-Landguterbrechts: Zu Beginn der Gesetzgebungsarbeiten zum BGB im Jahre 1874 herrschte, wie bereits dargelegt, ein uneinheitliches Bild in Bezug auf das landwirt­ schaftliche Erbrecht: Es existierten Gebiete mit Anerbensitten einerseits und ohne Anerbensitten andererseits. Weiterhin gab es sowohl Gebiete mit als auch ohne geltende Anerbengesetze und die bestehenden Anerbengesetze waren zudem systematisch unterschiedlich81 ausgestaltet. Mit dieser Situa­ tion konfrontiert, musste bei der Erarbeitung des BGB also zunächst geklärt werden, ob und inwieweit das Anerbenrecht statt in regional unterschiedli­ chen Landesgesetzen deutschlandweit einheitlich im BGB kodifiziert werden sollte. In einem Gutachten der Vorkommission zur Erarbeitung eines Bürger­ lichen Gesetzbuchs vom 16. April 1874 wurde empfohlen, das Anerbenrecht aufgrund der unterschiedlichen Ausgangslagen nicht reichseinheitlich zu re­ geln und es stattdessen den beteiligten Einzelstaaten zu überlassen, sich um eine gemeinsame Regelung zu bemühen. Die Erste Kommission traf in ihren Sitzungen im September 1874 deshalb noch keine abschließende Entschei­ dung, sondern übertrug dem Redaktor des Erbrechtsentwurfs Schmitt eine genauere Beleuchtung der Frage einer reichseinheitlichen Regelung des land­ wirtschaftlichen Erbrechts.82 Bis zur Vorlage des ersten Entwurfs des BGB im Jahre 1897 herrschte über die Frage der Erforderlichkeit der Regelung des landwirtschaftlichen Erbrechts im BGB und der konkreten Ausgestaltung – insbesondere auch aufgrund der starken gesetzgeberischen Aktivität der Länder in diesem Rechtsgebiet – ein reger agrar- und rechtspolitischer Diskurs. So verfasste v. Miaskowski im Jahre 1882 im Auftrag des Vereins für Socialpolitik83 sein Werk „Das Erbrecht und die Grundeigentumsverteilung im Deutschen Rei­ 81  So kommt auch Schmitt zu dem Ergebnis, dass das Anerbenrecht in seinen Ein­ zelheiten in den verschiedenen Gebieten „eine überaus große Mannigfaltigkeit“ zeigt, vgl. Mugdan, Materialien zu BGB I, S. 51. 82  Mertens, Die Entstehung der Vorschriften des BGB über die gesetzliche Erb­ folge und das Pflichtteilsrecht, S. 115; Empfehlung der Vorkommission auch bei Mugdan, Materialien zum BGB I, S. 51. 83  Der Verein für Socialpolitik war eine im Jahr 1873 von Persönlichkeiten insbe­ sondere aus der Wirtschaft und Wissenschaft gegründete sozialökonomische Vereini­ gung, die auf ihren jährlichen Treffen soziale und wirtschaftliche Themen diskutierte.

32

B. Historie des landwirtschaftlichen Erbrechts

che“. Er sprach sich hier für die gleichberechtigte Anerkennung des Aner­ benrechts neben der allgemeinen Erbfolge des bürgerlichen Rechts aus und forderte eine zumindest grundlegende reichsrechtliche Regelung dieses Rechtsgebiets.84 Zudem wurde auch auf den Tagungen des Vereins für Soci­ alpolitik auf Grundlage des Werkes v. Miaskowkis in den Jahren 1882 und 1894 über die Ausgestaltung des landwirtschaftlichen Erbrechts diskutiert.85 Im Jahr 1886 richtete der Deutsche Landwirtschaftsrat eine Denkschrift an den Reichskanzler, in der er eine reichseinheitliche Regelung eines auf dem Prinzip der Intestaterbfolge86 beruhenden Anerbenrechts unter Wahrung der Verfügungsbefugnis unter Lebenden und von Todes wegen im BGB forder­ te.87 Schmitt stand der gesetzlichen Regelung des bäuerlichen Erbrechts grund­ sätzlich positiv gegenüber. Allerdings stellte er klar, dass diese, um den je­ weiligen gebietsspezifischen Gegebenheiten Rechnung tragen zu können – insbesondere weil nicht überall ein Bedürfnis nach einer Regelung bestehe –, weiterhin Sache der Landesgesetzgeber bleiben müsste.88 Man einigte sich in der Kommission deshalb darauf, das Anerbenrecht nicht ins BGB aufzuneh­ men, sodass in den folgenden Sitzungen nur noch der Umfang reichsrecht­ licher Rahmengesetzgebung in diesem Gebiet zur Debatte stand. Schmitt plädierte dafür, einen reichsgesetzlichen Rahmen für die Ausgestaltung der Anerbengesetze zu schaffen, der sich zunächst lediglich auf eine Garantie der Verfügungsbefugnis des Eigentümers über seinen Hof bezog und dafür sorgen sollte, dass der Anerbe aus Haftungsgründen stets auch Miterbe am gesamten Nachlass wird. Damit sollte so wenig wie möglich in die bestehenden erb­ rechtlichen Strukturen eingegriffen werden und den Erblassern bei der Verer­ bung ihrer Betriebe die größtmögliche Freiheit belassen werden.89 Im Verlauf der Verhandlungen der ersten Kommission wurde der reichsrechtliche Rah­ men für die landesrechtliche Anerbengesetzgebung jedoch immer enger ge­ zogen: Gegen Ende der Verhandlungen des ersten Entwurfs hatte sich der 84  v. Miaskowski, Das Erbrecht und die Grundeigenthumsverteilung im Deutschen Reiche Bd. 2, S. 471; im Detail wollte er ein direktes Anerbenrecht für Gebiete mit bereits bestehendem Anerbenrecht und indirektes Anerbenrecht auf Grundlage einer Höferolle für die übrigen Gebiete, um die dort herrschenden Rechtsüberzeugungen nicht zu verletzen. 85  Kroeschell, AgrarR 1978, 147 (153). 86  Unter Intestaterbfolge versteht man die bei Fehlen einer Verfügung von Todes wegen eintretende gesetzliche Erbfolge, vgl. Creifelds, Rechtswörterbuch, Stichwort „Intestaterbfolge“. 87  Die zentralen Punkte des Antrags des Deutschen Landwirtschaftsrats sind abge­ druckt in Mugdan, Materialien zum BGB I, S. 53. 88  Mugdan, Materialien zum BGB I, S. 53. 89  Mertens, Die Entstehung der Vorschriften des BGB über die gesetzliche Erb­ folge und das Pflichtteilsrecht, S. 118.



II. Entstehung des BGB-Landguterbrechts33

Entwurf Schmitts schließlich dahingehend gewandelt, dass es dem Erblasser im landwirtschaftlichen Erbrecht lediglich erlaubt sein sollte, den Grundsatz der Gleichberechtigung aller Erben zugunsten eines Anerben zu durchbre­ chen. Im Übrigen sollte durch reichsrechtliche Vorschriften eine Angleichung der Anerbenrechte an das allgemeine Erbrecht des bürgerlichen Rechts statt­ finden.90 Es ist zu betonen, dass diese Entwicklung gerade keine ablehnende Haltung der Kommission gegenüber dem Anerbenrecht ausdrücken sollte. Vielmehr konzentrierte man sich während der Verhandlungen auf die juris­ tisch-konstruktiven Aspekte des Anerbenrechts und glaubte, durch eine mög­ lichst starke Konformität mit dem allgemeinen Erbrecht des BGB eine För­ derung des landwirtschaftlichen Erbrechts zu erreichen.91 Im Übrigen wur­ den wirtschaftliche oder gesellschaftliche Aspekte bei den Überlegungen zum ersten Entwurf jedoch außer Acht gelassen.92 Nach der Veröffentlichung des Entwurfs der Ersten Kommission kam es in der Öffentlichkeit abermals zu erheblichen Diskussionen über die Ausgestal­ tung des landwirtschaftlichen Erbrechts. Im Gegensatz zu den Verhandlungen der Kommission wurde das Thema nun auch unter sozialen und wirtschaftli­ chen Gesichtspunkten beleuchtet. Die Reaktionen auf den erarbeiteten Ent­ wurf reichten von der grundsätzlichen Forderung der Abschaffung des An­ erbenrechts zur Beseitigung jedweder Standesunterschiede aus dem liberalen Bürgertum bis hin zur erneuten Bekräftigung, dass ein Bedürfnis der Rege­ lung des Anerbenrechts im BGB bestehe.93 So entstand beispielsweise auch bei der Tagung des Vereins für Socialpolitik im Jahr 1894 eine kontroverse Diskussion über das Anerbenrecht, in welcher auch ausführlich auf außer­ rechtliche Aspekte des Anerbenrechts eingegangen wurde.94 90  Dieser reichsgesetzliche Rahmen war im 1. Entwurf des BGB geregelt in den Art. 83–87 EGBGB. 91  Mertens, Die Entstehung der Vorschriften des BGB über die gesetzliche Erb­ folge und das Pflichtteilsrecht, S. 123. 92  Mertens, Die Entstehung der Vorschriften des BGB über die gesetzliche Erb­ folge und das Pflichtteilsrecht, S. 123; Mertens führt die Konzentration auf die juris­ tisch-konstruktiven Aspekte des Anerbenrechts darauf zurück, dass den Kommissi­ onsmitgliedern der erforderliche Sachverstand zur Beurteilung der sozialen und wirt­ schaftlichen Gesichtspunkte gefehlt habe und man zudem allein in der „Existenz des Anerbenrechts dessen Existenzberechtigung“ sah. 93  Mertens, Die Entstehung der Vorschriften des BGB über die gesetzliche Erb­ folge und das Pflichtteilsrecht, S. 124. 94  Kroeschell, der die Diskussion auf der Tagung im Jahr 1882 noch als „recht enttäuschend“ und ohne originelle Vorschläge bezeichnet, stellt bei der Tagung im Jahr 1894 eine „gewisse Schärfe“ in der Debatte fest. Dies führt er zum einen auf die agrarische Krise in den 1890er Jahren zurück und zum anderen auf die Tatsache, dass die Beratungen des BGB in ein entscheidendes Stadium eingetreten waren, vgl. Kroeschell, AgrarR 1978, 147 (153).

34

B. Historie des landwirtschaftlichen Erbrechts

Von Teilen der Zweiten Kommission wurde deshalb bei der Verhandlung im Jahr 1895 ein Antrag gestellt, das Anerbenrecht jedenfalls in seinen Grund­ zügen reichsgesetzlich zu regeln und so als Form der Erbfolge im BGB anerkannt zu wissen.95 Die von diesem Teil der Kommission vorge­ schlagenen Regelungen beinhalteten unter anderem auch Anordnungen zur Berechnung des Übernahmewertes des Landgutes sowie Ansprüche der wei­ chenden Miterben im Falle der Veräußerung des Betriebs innerhalb von zehn Jahren nach dem Erbfall.96 Die Vorschriften sollten zur Anerkennung der unterschiedlichen Ausgangslagen in den einzelnen Gebieten die Details der Landesgesetzgebung überlassen.97 Der Antrag wurde von der Zweiten Kom­ mission mit 15 zu 5 Stimmen abgelehnt.98 Im Zuge dieses Antrags wurde abermals ausführlich über das Anerbenrecht beraten. Man entschied sich schließlich, den Landesgesetzgebern für die Ausgestaltung des Anerbenrechts zur Berücksichtigung der regionalen Erbgewohnheiten einen Entscheidungs­ spielraum zuzugestehen und schuf mit Art. 64 Abs. 1 EGBGB eine Norm, die ein Nebeneinander der Anerbenrechte und der Regelungen im BGBLandgutrecht ermöglichte.99 Einschränkend wurde in Art. 64 Abs. 2 EGBGB jedoch geregelt, dass durch die Landesgesetze das Recht des Erblassers, über das dem Anerbenrecht unterliegende Grundstück von Todes wegen zu verfü­ gen, nicht beschränkt werden darf. Hierdurch sollte die Testierfreiheit des Erblassers sichergestellt werden. Die in BGB und EGBGB verstreuten Nor­ men, die im Regelungszusammenhang mit der Vererbung von Landgütern stehen (§§ 1515, 2049, 2312 BGB sowie Art. 137 EGBGB) und im Wesent­ lichen lediglich den Ansatz des Landgutes zum herabgesetzten Ertragswert als Regelungsgegenstand haben, gelten dabei als Zugeständnis an die Befür­ worter eines einheitlichen BGB-Anerbenrechts.100 Eine besondere gesetzliche Erbfolgeordnung für landwirtschaftliche Betriebe oder Nachabfindungsan­ sprüche bei Wegfall der Privilegierungsgründe wurden im BGB nicht gere­ gelt. Die Frage der konkreten Bewertung der Landgüter wurde gemäß Art. 137 EGBGB der Landesgesetzgebung vorbehalten. Der Grund hierfür lag ebenfalls darin, dass eine einheitliche Regelung aufgrund der unter­ schiedlichen Bewertungspraktiken in den einzelnen Gebieten nicht als

Materialien zum BGB I, S. 192. Wortlaut des Antrags findet sich bei Mugdan, Materialien zum BGB I,

95  Mugdan, 96  Der

S. 189. 97  Mertens, Die Entstehung der Vorschriften des BGB über die gesetzliche Erb­ folge und das Pflichtteilsrecht, S. 128; Mugdan, Materialien zum BGB I, S. 192. 98  Mugdan, Materialien zum BGB I, S. 197. 99  Mugdan, Materialien zum BGB I, S. 199. 100  Staudinger/Mittelstädt, Art. 64 EGBGB Rn. 5; genauer zur Entstehungsge­ schichte der Normen im Einzelnen Kegel, in: FS für Cohn, S. 85 (90 ff.).



II. Entstehung des BGB-Landguterbrechts35

zweck­mäßig angesehen wurde.101 Da es sich bei den Vorschriften nicht um vom normalen Erbrecht des bürgerlichen Rechts abweichende Normen han­ delt, sondern sie die erbrechtlichen Vorschriften des BGB ergänzen, kann das BGB-Landguterbrecht in seiner Gesamtheit nicht als landwirtschaftliches Sondererbrecht bezeichnet werden.102 Die Regelung des Anerbenrechts war in der Folge auch Thema auf dem Deutschen Juristentag 1895. Gierke bekräftigte hier abermals103, dass eine einheitliche Regelung des landwirtschaftlichen Erbrechts in Grundzügen im BGB erforderlich sei, sah aber auch ein, dass er für diese Forderung auf der Versammlung keine Mehrheit finden würde.104 Man kam auf dem 23. Deut­ schen Juristentag daher mit der überwiegenden Anzahl der Anwesenden zu dem Ergebnis, dass die Ordnung des landwirtschaftlichen Erbrechts den Landesgesetzgebern zu überlassen sei und billigte damit den Vorschlag der Zweiten Kommission.105 Der Reichstag beschloss diesen Entwurf schließlich ohne größere Debatte. Mertens kommt zu der Einschätzung, dass die Billi­ gung des Gesetzesentwurfs auf dem 23. Deutschen Juristentag 1895 und auch der diskussionslose Beschluss durch den Reichstag die Einstellung der Gesellschaft widerspiegelt, dass ein besonderes landwirtschaftliches Erbrecht zwar eine Existenzberechtigung habe, jedoch nicht als gleichwertig neben den allgemeinen Erbrechtsregeln des BGB bestehen dürfe.106 Die genannten Vorschriften des BGB-Landguterbrechts wurden seit ihrem Erlass bis zum heutigen Tage inhaltlich nicht verändert.107 Wöhrmann/Graß schätzen, dass etwa 80 % aller Betriebe mittlerweile bei der Vererbung den spärlichen und wenig ausdifferenzierten Regelungen des BGB-Landguterb­ rechts unterfallen.108

101  Hausmann/Hohloch/Hausmann/Hausmann,

Rn. 6.

Handbuch des Erbrechts, Kap. 24

AgrarR Beil. II/1990, 12 (15). auch in v. Gierke, Der Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuchs und das deutsche Recht, S. 571; er kritisiert vor allem, dass man das landwirtschaftliche Son­ dererbrecht nicht im BGB regelt, um die großen konstruktiven Prinzipien des bürger­ lichen Erbrechts nicht zu schädigen. Außerdem kommt er ähnlich wie Mertens zu dem Ergebnis, man habe sich bei der Entscheidung eher von juristischen als von po­ litischen oder sozialen Erwägungen leiten lassen; vgl. Mertens, Die Entstehung der Vorschriften des BGB über die gesetzliche Erbfolge und das Pflichtteilsrecht, S. 123. 104  Verhandlungen des 23. Dt. Juristentages Bd. 2, S. 87. 105  Verhandlungen des 23. Dt. Juristentages Bd. 2, S. 133. 106  Mertens, Die Entstehung der Vorschriften des BGB über die gesetzliche Erb­ folge und das Pflichtteilsrecht, S. 130. 107  Es erfolgte lediglich eine sprachliche Anpassung im Jahre 2002, BGBl. S. 2909. 108  Wöhrmann/Graß, Landwirtschaftserbrecht, Einl. BGB, Rn. 3. 102  Kreuzer, 103  So

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B. Historie des landwirtschaftlichen Erbrechts

III. Das Reichserbhofgesetz Mit dem Ersten Weltkrieg begann sich die Situation der Landwirtschaft zu verschlechtern: Durch die unerwartete Länge und Intensität des Kriegs sowie der kriegsbedingten Verschlechterung des Zustands von Ausrüstung und Ackerflächen etwa durch fehlende Düngemittel waren die teils ohnehin be­ reits vor Kriegsbeginn verschuldeten landwirtschaftlichen Betriebe in einer wirtschaftlich schwierigen Lage.109 So sank etwa die Produktion von Ge­ treide und tierischen Erzeugnissen seit Anfang des Krieges in einem Maße, dass sie erst 1928 den Stand von vor dem Krieg erreichte.110 Eine erste Besserung zeichnete sich ab durch den wieder ansteigenden Absatz der agra­ rischen Produkte bei der heimischen Bevölkerung sowie durch die Inflation Anfang der 20er Jahre, die zu einer Tilgung der auf den Betrieben lastenden Schulden führte.111 Durch die Inflation waren viele Betriebe zwar nahezu entschuldet, allerdings konnten mangels ausreichenden Eigenkapitals den­ noch kaum Modernisierungs- oder Rationalisierungsmaßnahmen auf den Betrieben durchgeführt werden.112 Diese Entwicklungen sowie die anstei­ gende internationale Produktion landwirtschaftlicher Erzeugnisse führten dazu, dass die deutsche Landwirtschaft gegenüber ausländischen Erzeugern kaum noch konkurrenzfähig war und Agrarprodukte daher importiert wur­ den.113 Dieser Problematik wurde ab 1925 mit der Einführung von Schutz­ zöllen begegnet.114 Verschärft wurde die Situation durch die Weltwirtschafts­ krise im Jahr 1929, bei der es aufgrund des Absinkens der allgemeinen Kaufkraft zu einem Rückgang der Preise für Agrarprodukte und dadurch zu einer weiteren Verschuldung der Betriebe kam.115 Bei vielen Betrieben über­ stieg in der Folge die Verschuldung den Wert der Grundflächen, sodass zwi­ schen 1924 bis 1931 fast eine Million Hektar Land zwangsversteigert werden mussten.116 109  Gies, R. Walther Darré und die nationalsozialistische Bauernpolitik in den Jah­ ren 1930 bis 1933, S. 10. 110  Frank, Der „Reichsnährstand“ und seine Ursprünge, S. 38. 111  Gies, R. Walther Darré und die nationalsozialistische Bauernpolitik in den Jah­ ren 1930 bis 1933, S. 10. 112  Frank, Der „Reichsnährstand“ und seine Ursprünge, S. 38; Gies führt dies auch darauf zurück, dass viele Landwirte kaum über kaufmännische Kenntnisse verfügten, vgl. Gies, R. Walther Darré und die nationalsozialistische Bauernpolitik in den Jah­ ren 1930 bis 1933, S. 10. 113  Zwanzger, in: Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler 2013, S. 151 (157). 114  Frank, Der „Reichsnährstand“ und seine Ursprünge, S. 40. 115  Frank, Der „Reichsnährstand“ und seine Ursprünge, S. 41. 116  Gies, R. Walther Darré und die nationalsozialistische Bauernpolitik in den Jah­ ren 1930 bis 1933, S. 13; zur Frage, wie auf diese Situation der Landwirtschaft allge­ mein (agrar-)politisch reagiert wurde, vgl. ebd. S. 14 ff.



III. Das Reichserbhofgesetz37

Während zunächst die partikularen Anerbenrechte fortgalten, trat in Preu­ ßen am 1. Juni 1933 das Bäuerliche Erbhofgesetz in Kraft, welches seiner­ seits vom Hannoverschen Höfegesetz von 1909 beeinflusst war und die zuvor dort geltenden regionalen Anerbengesetze ablöste.117 Maßgeblich an der Ausarbeitung beteiligt war der spätere Reichsminister für Landwirtschaft und Ernährung Richard Walther Darré.118 Es handelte sich beim Preußischen Bäuerlichen Erbhofgesetz um landesrechtliches Anerbenrecht, welches daher den Vorgaben des Art. 64 EGBGB unterfiel und somit das Recht des Erblas­ sers wahren musste, abweichende testamentarische Verfügungen zu errich­ ten.119 Nach § 63 Abs. 2 PrEHG hatte das Ziel, „Bauernhöfe vor Überschul­ dung und schädlicher Zersplitterung im Erbgang zu schützen, um sie dauer­ haft als Erbe der Familie in der Hand freier Bauern zu erhalten.“ Zugleich sollte auf diese Weise gemäß § 63 Abs. 2 PrEHG auf eine gesunde Boden­ verteilung mit einer möglichst hohen Anzahl kleiner und mittlerer Betriebe hingewirkt werden, da dies für die Gesunderhaltung von Volk und Staat notwendig sei. Insgesamt war das Gesetz systematisch in Teilen zwar an die zuvor geltenden Anerbengesetze angelehnt, hatte aber inhaltlich bereits eine Tendenz zur nationalsozialistischen Blut- und Boden-Ideologie.120 Die Verfü­ gungsbefugnis unter Lebenden wurde nach § 5 PrEHG bereits dadurch ein­ geschränkt, dass zur Veräußerung des Hofes eine Genehmigung des Anerben­ gerichts erforderlich war. Zudem wurde den weichenden Miterben keine am Ertragswert orientierte Abfindung mehr zugebilligt, sondern sie erhielten nach § 17 PrEHG lediglich Anspruch auf angemessene Ausbildung, Ausstat­ tung sowie Heimatzuflucht, um so der Überschuldung der Betriebe entgegen­ zuwirken. Das Ziel, durch das Gesetz eine flächendeckende Etablierung der geschlossenen Übergabe von Betrieben zu erreichen, wurde jedoch verfehlt, da die Regelungen insgesamt, vor allem aber in den traditionellen Realtei­ lungsgebieten, als Eingriff in die Erbbräuche angesehen wurde. Gerade auf­ grund von einigen Regelungslücken wurde es daher von den Landwirten umgangen, etwa durch Anordnung einer vom Gesetz abweichenden Erbfolge durch öffentliches Testament.121 Zu größerer Bedeutung kam das Preußische Bäuerliche Erbhofgesetz auch deshalb nicht, weil bereits am 29. September 1933 das Reichserbhofgesetz122 117  Staudinger/Mittelstädt,

Art. 64 EGBGB Rn. 3, 66. in: Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler 2013, S. 151 (158). 119  Kroeschell, in: HAR, Stichwort „Reichserbhofgesetz“, Sp. 664. 120  Im Einzelnen dazu Suckow, Die Gesellschaftsgründung unter Geltung des land­ wirtschaftlichen Sondererbrechts, S. 29; ausführlich zum Inhalt der nationalsozialisti­ schen Blut-und-Boden-Ideologie zudem Sigmundt, Rechtsgewinnung und Erbhof­ recht, S.  119 ff. 121  Sigmundt, Rechtsgewinnung und Erbhofrecht, S. 124. 122  RGBl. I 685. 118  Zwanzger,

38

B. Historie des landwirtschaftlichen Erbrechts

als Zwangsanerbenrecht reichsweit erlassen wurde. Dieses hatte neben dem landwirtschaftlichen Erbrecht auch Regelungen zum Grundstücksverkehrs­ recht zum Gegenstand. Auch für dieses Gesetz war neben dem Ministerialrat Wagemann vor allem der Bauernführer der NSDAP und Landwirtschaftsmi­ nister Darré verantwortlich.123 Gemäß § 60 REG wurden mit Inkrafttreten des Reichserbhofgesetzes alle landesrechtlichen Vorschriften über das Aner­ benrecht außer Kraft gesetzt. Auf diese Weise wurde das landwirtschaftliche Sondererbrecht erstmalig in seiner Geschichte reichsweit vereinheitlicht. Das Reichserbhofgesetz hob die Vorschriften des BGB-Landguterbrechts nicht förmlich auf. Allerdings galt es vorrangig vor entgegenstehendem älteren Reichsrecht124, sodass das BGB-Landguterbrecht nur noch einen geringen Anwendungsbereich hatte. Als Reichsgesetz war das REG nicht den Vorga­ ben des Art. 64 EGBGB unterworfen, sodass die Beschränkungen, die noch für das Preußische Bäuerliche Erbhofgesetz galten, jetzt nicht mehr beachtet werden mussten und die nationalsozialistische Erbhofkonzeption voll gesetz­ lich verwirklicht werden konnte.125 Das Reichserbhofgesetz hatte neben der materiellen Regelung des Erb­ rechts vornehmlich ideologische Zielsetzungen:126 Laut Vorspruch des Reichs­erbhofgesetzes waren seine Ziele insbesondere die „Sicherung alter deutscher Erbsitte“, um das „Bauerntum als Blutquelle des deutschen Volkes zu erhalten“. Das Gesetz war damit Ausdruck der nationalsozialistischen Blut-und-Boden-Theorie.127 Ferner sollten nach der Präambel des Gesetzes Höfe vor Überschuldung und Zersplitterung im Erbgang geschützt werden, damit sie dauerhaft „als Erbe der Sippe in der Hand freier Bauern bleiben“. Dabei stand insbesondere der Gedanke der Pflicht- und Gemeinschaftsgebun­ denheit des Grundeigentums im Mittelpunkt: Dieses sollte durch das Reichs­ erbhofgesetz planvoll zusammengefasst werden, um eine „bestmögliche Nutzung des knappen deutschen Raumes zu erzielen“ .128 Konkret sollten diese Ziele erreicht werden, indem sogenannte Erbhöfe geschaffen wurden, die nach § 2 REG eine Mindestgröße von einer Acker­

123  Wagemann/Hopp/Freisler,

Reichserbhofgesetz, S. 29. Deutsches Bauernrecht, S. 20. 125  Kroeschell, in: HAR, Stichwort „Reichserbhofgesetz“, Sp. 665. 126  Kannewurf bezeichnet die Höfeordnung als „Beispielstück nationalsozialisti­ scher Gesetzgebung“, vgl. Kannewurf, Die Höfeordnung vom 24. April 1947, S. 177. 127  Wöhrmann/Graß, Landwirtschaftserbrecht, Einl. HöfeO Rn. 9; nach Einschät­ zung von Wieacker reihte es sich damit bei den wenigen bürgerlich-rechtlichen Vor­ schriften (etwa neben den Nürnberger Rassegesetzen und dem Ehegesundheitsgesetz) ein, die derartig stark von nationalsozialistischer Ideologie durchdrungen waren, vgl. Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, S. 533. 128  Stoll/Baur, Deutsches Bauernrecht, S. 37. 124  Stoll/Baur,



III. Das Reichserbhofgesetz39

nahrung129 haben mussten und gemäß § 3 Abs. 1 REG höchstens 125 ha groß sein durften. Insgesamt wurden durch das Reichserbhofgesetz 35 % des landund forstwirtschaftlichen Grundeigentums im Deutschen Reich zu Erbhö­ fen.130 Bauer131 und damit Eigentümer des Erbhofs konnte nur sein, wer „bauernfähig“ war. Voraussetzungen hierfür waren unter anderem die deut­ sche Staatsangehörigkeit nach § 12 REG, das Erfordernis deutschen oder stammesgleichen Blutes nach § 13 REG sowie die Ehrbarkeit und Befähi­ gung des Bauern nach § 15 REG. Im dritten Abschnitt des Reichserbhofge­ setzes wurde hinsichtlich des Erbhofes eine strenge Sondererbfolge etabliert, welche die Testierfreiheit des Erblassers in hohem Maße einschränkte: So ging der Erbhof gemäß § 19 Abs. 2 REG kraft Gesetzes ungeteilt auf den Anerben über. Eine Abweichung von dieser Erbfolge durch Verfügung von Todes wegen war gemäß § 24 Abs. 1 REG nicht möglich. Als gesetzliche Erben kamen vornehmlich die männlichen Nachkommen – der Vater oder die Brüder des Erblassers – und erst subsidiär seine Töchter in Betracht.132 Dies diente dem übergeordneten ideologischen Ziel, den Hof in der über den Man­ nesstamm definierten „Sippe“ zu halten.133 Die Rechte der weichenden Mit­ erben wurden in zweierlei Weise auf ein Minimum beschränkt: So waren die auf dem Hof ruhenden Verbindlichkeiten zunächst gemäß § 34 Abs. 1 REG aus dem übrigen Nachlass zu begleichen, bevor dieser auf die Erben verteilt wurde. Zudem standen den weichenden Miterben keine Abfindungsansprü­ che zu, sondern gemäß § 30 REG ähnlich geringe Ansprüche wie bereits im 129  Darunter versteht man nach der Legaldefinition des § 2 Abs. 2 REG diejenige Menge Land, welche notwendig ist, um eine Familie unabhängig vom Markt und der allgemeinen Wirtschaftslage zu ernähren und zu bekleiden sowie den Wirtschaftsab­ lauf des Erbhofs zu erhalten. 130  Czeguhn, in: HRG (2004), Stichwort „Erbhofrecht“, Sp. 1365. 131  „Bauer“ sollte dabei als eine Ehrenbezeichnung gelten, auch in Abgrenzung zum Begriff des „Landwirts“ etwa für Personen, dessen Betrieb mehr als 125 ha oder weniger als eine Ackernahrung umfasste, vgl. Kroeschell, Rechtsgeschichte im Nati­ onalsozialismus, S. 43 (54). 132  Aufgrund zahlreicher Todesfälle männlicher Nachkommen auch innerhalb bäu­ erlicher Familien während des Zweiten Weltkriegs und Problemen bei der Sicherstel­ lung der Bevölkerungsernährung wurden einige der Bestimmungen nachträglich auf dem Verordnungswege (Erbhofrechtsverordnung vom 21. Dezember 1936 und Erb­ hoffortbildungsverordnung vom 30. September 1943) geändert und durch weniger strenge Regelungen hinsichtlich der Erbfolge ersetzt. So konnte in der Folgezeit bei­ spielsweise auch die Ehefrau des Bauern zu vorläufigen Hoferbin bestimmt werden, vgl. Wöhrmann/Graß, Landwirtschaftserbrecht, Einl. HöfeO Rn. 9. 133  Zwanzger, in: Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler 2013, S. 151 (171); das REG war damit nach der Konzeption der Nationalsozialisten eine Fortsetzung der germanischen Odal- oder Allodverfassung, bei welchem der Erbbesitz innerhalb der Sippe beziehungsweise in der Erblinie der männlichen Abkommen weitergegeben wurde, vgl. Sigmundt, Rechtsgewinnung und Erbhofrecht, S. 130.

40

B. Historie des landwirtschaftlichen Erbrechts

Preußischen Bäuerlichen Erbhofgesetz. Begründet wurde diese starke Be­ schränkung der Rechte der weichenden Miterben damit, dass gerade die ho­ hen Abfindungsansprüche in der Vergangenheit zur Überschuldung der Be­ triebe geführten hätten und dies mit dem Ziel der Wiederherstellung wirt­ schaftsfähiger Betriebe durch das Reichserbhofgesetz verhindert werden solle.134 Schließlich war der Erbhof gemäß § 37 REG weder veräußerbar noch belastbar und somit die Verfügungsbefugnis auch unter Lebenden be­ schränkt. Das Eigentum an den Erbhöfen war nach damals herrschender Ansicht pflichtgebunden, sodass die Befugnisse des Eigentümers auch gerade nur so weit reichten, wie es zur Zweckbestimmung des Hofes erforderlich war.135 Insgesamt verfehlte das Reichserbhofgesetz in der Praxis seine Zielsetzun­ gen: Durch die zwingenden Regelungen hinsichtlich der Anerbenfolge und der niedrigen Abfindungen der weichenden Miterben wurde – vor allem in Realteilungsgebieten – stark in die Erbgewohnheiten der Betriebsinhaber eingegriffen.136 Nach der Ansicht der nationalsozialistischen Agrarpolitiker sollten die Landwirte ihre tragende Rolle für die Gesellschaft und als „Bluts­ quelle des deutschen Volkes“137 als Ehrung empfinden und angesichts dessen die mit dem Reichserbhofgesetz einhergehenden negativen Folgen in Kauf nehmen.138 Darüber hinaus erwies sich auch die Herauslösung der Erbhöfe aus dem marktwirtschaftlichen System durch die Unbelastbarkeit und Unver­ äußerlichkeit als Fehlschlag: Häufig waren die Höfe der einzige nennens­ werte Besitz der Landwirte, sodass diese zum Erhalt von Krediten als Sicher­ heit erforderlich gewesen wären. Aus dem Belastungsverbot folgte daher im Ergebnis nicht die erhoffte Produktionssteigerung durch Entschuldung, son­ dern eher ein Produktionsrückgang aufgrund der nicht mehr möglichen In­ vestitionen, etwa in Landmaschinen oder Bauvorhaben.139 Die aus diesen Umständen resultierende Unzufriedenheit der Erbhofbauern und die Ableh­ nung der Regelungen des Reichserbhofgesetzes führten deshalb im Laufe der Zeit zu einer Aufweichung der Normen in der Rechtsanwendung.140 Deutsches Bauernrecht, S. 27. in: Rechtsgeschichte im Nationalsozialismus, S. 43 (52); so wurde zudem etwa auch die Ansicht vertreten, der Bauer sei zugleich Treuhänder „für die Sippe, den Reichsnährstand und die Volksgemeinschaft“ oder es handelte sich um ein Untereigentum an dem Gut, während dem Staat wie im Mittelalter die Rolle eines Lehensherrn zukam, vgl. ausführlich hierzu ebd. S. 52. 136  Sigmundt, Rechtsgewinnung und Erbhofrecht, S. 119. 137  Zwanzger, in: Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler 2013, S. 151 (177). 138  Zwanzger, in: Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler 2013, S. 151 (177). 139  Zwanzger, in: Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler 2013, S. 151 (173). 140  Im Detail hierzu Zwanzger, in: Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler 2013, S. 151 (181 ff.). 134  Stoll/Baur,

135  Kroeschell,



IV. Die Entwicklung der Anerbenrechte in der Nachkriegszeit41

Das Reichserbhofgesetz verkannte damit im Ergebnis vorherrschende sozi­ ale und wirtschaftliche Strukturen. Darüber hinaus negierte es auch die über lange Zeit historisch gewachsenen Erbbräuche, die für die Bauern zum Teil auch ihre Lebensentwürfe und ihren Berufsethos entscheidend mitprägten.141 Das Reichserbhofgesetz ist somit ein Beispiel dafür, wie die Diskrepanz zwischen den über Jahrhunderte gefestigten Erbgewohnheiten und davon abweichenden zwingenden erbrechtlichen Regelungen zu einer fehlenden Akzeptanz einer neuen rechtlichen Ordnung führen kann.

IV. Die Entwicklung der Anerbenrechte in der Nachkriegszeit 1. Entstehung des Kontrollratsgesetzes Nr. 45 Insbesondere aufgrund der stark ideologischen Prägung des nationalsozia­ listischen Landwirtschaftsrechts142 war es für die Alliierten von hoher Be­ deutung, dieses zeitnah nach Kriegsende zu reformieren.143 Zusätzlich war auch die Versorgungslage mit Agrarprodukten derart angespannt, dass eine schnelle Neuregelung der Materie des Reichserbhofgesetzes zur Sicherung der Bevölkerungsernährung erforderlich war.144 So wurde beispielsweise be­ reits im Herbst 1945 an einer vorläufigen Regelung des Verfahrens in Pacht­ schutz-, Landbewirtschaftungs- und Erbhofsachen gearbeitet.145 Allerdings kam man im Rechtsdirektorat des Alliierten Kontrollrats in Bezug auf das REG zu der Erkenntnis, dass dieses in Bezug auf seinen materiell rechtlichen Gehalt146 ursprünglich keine nationalsozialistische Schöpfung war und eine Abschaffung ohne Neuregelung des landwirtschaftlichen Erbrechts wirt­ schaftlich nicht sinnvoll sei.147 Deshalb galt das Reichserbhofgesetz nach Kriegsende zunächst noch materiell fort, jedoch wurden aufgrund von Art. 1 des Gesetzes Nr. 2 der Militärregierung die zuständigen Gerichte geschlos­ 141  Zwanzger, in: Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler 2013, S. 151 (191); zu den weiteren Ursachen des Scheiterns des Reichserbhofgesetzes ebd. S. 187 ff. 142  Es ist zu beachten, dass das Reichserbhofgesetz nicht nur das landwirtschaft­ liche Erbrecht regelte, sondern darüber hinaus unter anderem auch Regelungen zum Grundstücksverkehr enthielt, welche in der Folge ebenfalls zu reformieren waren. 143  Kannewurf, Die Höfeordnung vom 24. April 1947, S. 15. 144  Henrici, RdL 1950, 104. 145  Wöhrmann, RdL 1950, 101 (102); diese verfahrensrechtlichen Regelungen sind trotz der vorschreitenden Beratungen mit den zuständigen britischen Stellen jedoch nie als geltendes Recht in Kraft getreten. 146  Auch die vor dem REG bestehenden landesrechtlichen Anerbengesetze enthiel­ ten materiell rechtliche Regelungen zur Erhaltung landwirtschaftlicher Betriebe als Einheit und waren dabei teilweise ebenfalls als Zwangsanerbenrechte ausgestaltet. 147  Kannewurf, Die Höfeordnung von 24. April 1947, S. 35.

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B. Historie des landwirtschaftlichen Erbrechts

sen.148 Ferner kamen aufgrund von Art. II lit. b) KRG Nr. 1 die §§ 12 und 13 REG, die für die Bauernfähigkeit die deutsche Staatsangehörigkeit und „deutsches oder stammesgleiches Blut“ voraussetzten, nicht mehr zur An­ wendung.149 Somit war das Reichserbhofgesetz für die Zeit seiner Fortgel­ tung jedenfalls um den Kern seiner nationalsozialistischen Ideologie be­ schnitten. In der Folgezeit wurde vom Zentralen Rechtsausschuss zunächst eine ein­ heitliche Regelung des landwirtschaftlichen Erbrechts in allen vier Besat­ zungszonen angestrebt. Aus diesem Grund legten die Briten am 8. April 1946 das Gesetz über die Neuordnung des Bauern- und Bodenrechts vor.150 Aller­ dings konnte sich dieser Vorschlag eines deutschlandweit einheitlichen Erb­ rechts aufgrund der unterschiedlichen Vorstellungen der Alliierten in Bezug auf das landwirtschaftliche Erbrecht nicht durchsetzen.151 Deshalb legten die Amerikaner dem Kontrollrat bereits am 25. Februar 1946 einen Gesetzesent­ wurf zur Aufhebung des Reichserbhofgesetzes vor, welcher inhaltlich zu großen Teilen dem später erlassenen Kontrollratsgesetz Nr. 45 entsprach und die Wiederinkraftsetzung der am 1. Juni 1933 bestehenden Anerbengesetze vorsah.152 Die übrigen Besatzungsmächte waren grundsätzlich gewillt, diesen Vorschlag anzunehmen. Allerdings hatte die britische Militärregierung Ein­ wendungen bezüglich der Wiedereinführung der vor 1933 bestehenden Ge­ setze, da sie insbesondere in der eigenen Besatzungszone, also in den heuti­ gen Bundesländern Hamburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein, eine starke Rechtszersplitterung befürchtete.153 Von den in Summe 32 wieder eingeführten Anerbengesetzen wären nämlich allein 13 auf die britische Besatzungszone entfallen.154 Aus diesem Grund setzte sich die britische Militärregierung in den Abschlussberatungen im Januar 1947 dafür ein, dass die jeweiligen Zonenbefehlshaber mit der Aufhebung des REG zugleich ermächtigt wurden, die wiedereingeführten Anerbengesetze in ihrer Besatzungszone aufzuheben oder abzuändern. Diese Regelung fand in Die Höfeordnung vom 24. April 1947, S. 15. RdL 1997, 146; nach dieser Regelung durften keine Gesetzesverfügun­ gen mehr Anwendung finden, wenn dadurch jemand aufgrund seiner Rasse, Staatsan­ gehörigkeit, seines Glaubens oder seiner Opposition zur NSDAP Nachteile erleiden würde. 150  Wöhrmann, RdL 1950, 101 (102); es handelte sich hierbei um einen Gesetzes­ entwurf, der die Neuordnung des gesamten Bauernrechts einschließlich der Gerichts­ barkeit, dem rechtsgeschäftlichem Eigentumswechsel sowie der Verpachtung vorsah. 151  Kannewurf, Die Höfeordnung vom 24. April 1947, S. 40. 152  Wöhrmann, RdL 1950, 101 (102). 153  Wöhrmann, RdL 1967, 85. 154  Kannewurf, Die Höfeordnung vom 24. April 1947, S. 43; eine Auflistung der einzelnen am 1. Januar 1933 geltenden Anerbenrechte ergibt sich aus Anlage A der MilRegVO Nr. 84. 148  Kannewurf, 149  Steffen,



IV. Die Entwicklung der Anerbenrechte in der Nachkriegszeit43

Art. XI Abs. 1 S. 1 KRG Nr. 45 nachträglich Niederschlag in dem Kontroll­ ratsgesetz. Das Kontrollratsgesetz Nr. 45 (KRG Nr. 45) wurde am 20. Fe­ bruar 1947 verkündet und trat am 24. April 1947 in Kraft. Durch Art. I KRG Nr. 45 wurde das Reichserbhofgesetz einschließlich seiner Nebengesetze aufgehoben. Art. II KRG Nr. 45 bestimmte, dass Anerbengesetze, die am 1. Juni 1933 gegolten hatten, wieder in Kraft gesetzt werden. Die Wiederein­ setzung der am 1. Juni 1933 in Kraft gewesenen Anerbengesetze war nach diesem Verständnis nur eine Übergangslösung, bis die Zonenbefehlshaber aufgrund der Ermächtigung in Art. XI Abs. 1 S. 1 KRG Nr. 45 eigene Aner­ bengesetze erließen.155 2. Entwicklung und heutige Gesetzeslage in den einzelnen Teilen der Bundesrepublik a) Bundesrechtliche Regelung durch die Höfeordnung Die nordwestdeutsche Höfeordnung gilt in den Bundesländern Hamburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein. Hierbei han­ delt es sich um das Gebiet der ehemaligen britischen Besatzungszone. Die Höfeordnung wurde zeitgleich mit dem Kontrollratsgesetz Nr. 45 erlassen und ist eng mit seiner Entstehungsgeschichte verknüpft: Wie bereits dargestellt hätte die Wiedereinführung der am 1. Juni 1933 bestehenden Anerbengesetze durch Art. II KRG Nr. 45 in der britischen Zone zu einer erheblichen Rechtszersplitterung geführt, die dadurch noch verstärkt worden wäre, dass die einzelnen Anerbengesetze sich auch in ihrer Systema­ tik stark unterschieden.156 Aus diesem Grund machte die britische Militärre­ gierung von der Ermächtigung in Art. XI Abs. 1 S. 1 KRG Nr. 45 zur Ände­ rung oder Aufhebung wieder in Kraft gesetzter Anerbengesetze, für die sie sich während der Beratungen eingesetzt hatte, Gebrauch. Es wurde am 3. Februar 1947 beschlossen, ein einheitliches Anerbengesetz für die gesamte britische Zone zu schaffen, welches zeitgleich mit dem KRG Nr. 45 am 24. April 1947 in Kraft treten sollte. Dass man innerhalb von ungefähr zwei Monaten ein vollständiges Anerbenrecht ausarbeiten konnte, lag insbeson­ dere an den umfangreichen Vorarbeiten durch die britische Militärregierung, die sich bereits seit 1946 sehr ausführlich mit dem landwirtschaftlichen Erb­ recht auseinandersetzte: So wurden beispielsweise Anfang 1946 der Senats­ präsident des Landeserbhofgerichts Starcke und der Oberlandgerichtsrat AgrarR 1977, 73 (74). folgenden Ausführungen liegt ein Zeitzeugenbericht O. Wöhrmanns zu­ grunde, nämlich Wöhrmann, RdL 1950, 101; O. Wöhrmann war als deutscher Vertre­ ter an den Verhandlungen mit der britischen Militärregierung beteiligt. 155  Stöcker, 156  Den

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B. Historie des landwirtschaftlichen Erbrechts

Wöhrmann damit beauftragt, die einzelnen vor Geltung des Reichserbhofge­ setz bestehenden Anerbenrechte miteinander zu vergleichen. Im Novem­ ber 1946 wurde darüber hinaus ein Bericht über die Vor- und Nachteile des Reichserbhofgesetzes in Auftrag gegeben. Darin wurden unter anderem die geschlossene Vererbung und die mit der Bestandssicherung einhergehende Leistungssteigerung der Betriebe als positiv hervorgehoben. Als negativ wur­ den insbesondere die Begrenzung der Hofesgröße nach oben und unten, die starke Limitierung der Testierfreiheit und die Einschränkung der Rechte der weichenden Miterben ausgemacht.157 Vor allem auch in Abgrenzung zum zuvor geltenden Reichserbhofgesetz158 war bei Schaffung des in der briti­ schen Zone geltenden Landwirtschaftsrechts inklusive der Höfeordnung das Ziel, den Landwirten bei der Regelung ihrer Rechtsverhältnisse wieder einen großen Entscheidungsspielraum und Eigenverantwortlichkeit zuzubilligen. Ihre Grenze sollte diese Entscheidungsfreiheit nur dort finden, wo volkswirt­ schaftliche, ernährungswirtschaftliche oder allgemeine berufsständische In­ teressen dies erforderten. Darüber hinaus verfolgte die Höfeordnung im ­Gegensatz zum Reichserbhofgesetz nicht das Ziel, die landwirtschaftlichen Betriebe durch Einschränkung der Verfügungsbefugnis im Eigentum der Landwirte zu konservieren. Vielmehr war durch die Höfeordnung die Über­ tragung des Hofes unter Lebenden und auch eine Belastung des Hofes nicht mehr verboten. Die Höfeordnung fußt auf dem Leistungsgedanken, nach welchem eine Veräußerung eines nicht wirtschaftsfähigen Betriebs gerade erwünscht ist, um nur die leistungsfähigsten Betriebe zu erhalten.159 Viele Grundgedanken und gesetzliche Strukturen der Höfeordnung sind dabei an­ gelehnt an die modernen Anerbengesetze aus der zweiten Gesetzgebungs­ welle, im Speziellen an das Hannoversche Höfegesetz von 1909.160 Die britische Militärregierung ließ den deutschen Stellen bei der inhalt­ lichen Ausgestaltung der Höfeordnung einen erheblichen Spielraum. Das Gesetz wurde zunächst von den deutschen Stellen ausgearbeitet und danach ins Englische übersetzt.161 Wöhrmann vermutet, dass der Grund dafür, dass die Briten den Deutschen so viel Freiheit ließen, darin lag, dass man ein RdL 1967, 85 (86). sollte bei der Erarbeitung der Höfeordnung in Abkehr vom REG eine Ent­ ideologisierung des landwirtschaftlichen Erbrechts stattfinden, wobei hierbei auch der hohe Zeitdruck zu beachten ist, unter welchem das Gesetz geschaffen wurde, vgl. Kannewurf, Die Höfeordnung vom 24. April 1947, S. 192. 159  Henrici, RdL 1950, 104 (106). 160  Klunzinger, Anerbenrecht und gewillkürte Erbfolge, S. 121; zu dieser Einschät­ zung kommt auch Kannewurf, der die Höfeordnung in der Tradition der jüngeren Anerbenrechtsentwicklung sieht, vgl. Kannewurf, Die Höfeordnung vom 24. April 1947, S. 198. 161  Wöhrmann, RdL 1950, 101. 157  Wöhrmann, 158  Es



IV. Die Entwicklung der Anerbenrechte in der Nachkriegszeit45

besonderes Interesse daran hatte, durch eine einheitliche Regelung die deso­ late Versorgungslage in ihrer Besatzungszone zu verbessern.162 Die letzte Beratung des Gesetzes fand am 1. und 2. April 1947 am Ober­ landesgericht Celle statt. Hier wurde beschlossen, als Anlage A zur Militärre­ gierungsverordnung Nr. 84 zunächst die durch die Höfeordnung verdrängten Anerbengesetze aufzuführen. Als Anlage B war die Höfeordnung und An­ lage C die Landbewirtschaftungsverordnung vorgesehen. Das Gesetz samt Anlagen trat wie geplant gleichzeitig mit dem KRG Nr. 45 am 24. April 1947 als Besatzungsrecht in Kraft.163 Es galt gemäß Art. I Abs. 1 S. 2 Mil­ RegVO Nr. 84 für das gesamte Gebiet der britischen Zone. Keine Geltung erlangte die Höfeordnung hingegen im britischen Besatzungsteil Berlins so­ wie in Bremen als amerikanischer Enklave im britischen Besatzungsgebiet.164 Mit Inkrafttreten des Grundgesetzes 1949 wurde die Höfeordnung nach Art. 125 Nr. 1 GG innerhalb der britischen Zone partielles Bundesrecht.165 Wie viele Höfe im Sinne der Höfeordnung im Geltungsbereich dieses An­ erbengesetzes bestehen, ist nicht klar. Der Grund hierfür liegt darin, dass zunächst von den Ländern nicht angeordnet wurde, hierüber Statistik zu führen.166 Im Jahr 1953 fielen nach einer Erhebung etwa 154.000 Höfe in den Anwendungsbereich der nordwestdeutschen Höfeordnung.167 Seit dem Zweiten Gesetz zur Änderung der Höfeordnung im Jahr 1976 ist die Anzahl aufgrund der fakultativen Geltung der Höfeordnung, die nicht zwingend von einer Eintragung abhängt, nur noch schwer feststellbar. Dadurch, dass es sich bei der Höfeordnung um ein vorkonstitutionelles Gesetz handelt, war dieses inhaltlich noch nicht an die Bestimmungen des Grundgesetzes angepasst. Das Gesetz war daher in der Folgezeit Gegenstand zahlreicher verfassungsrechtlicher Diskussionen, die in mehreren Änderun­ gen und zwei größeren Reformen der Höfeordnung in den Jahren 1964 und 1976 resultierte: Durch das Erste Gesetz zur Änderung der Höfeordnung168 vom 24. August 1964 wurde der Vorrang männlicher Erben in der Erbfolge beseitigt, nachdem dieser vom Bundesverfassungsgericht für verfassungs­

162  Wöhrmann/Graß, Landwirtschaftserbrecht, Einl. HöfeO Rn. 10; auch Kanne­ wurf sieht die Steigerung der Agrarproduktion zur Sicherung der Bevölkerungsernäh­ rung als ein Hauptmotiv der Briten für die Novellierung des Landwirtschaftsrechts an, ausführlich in Kannewurf, Die Höfeordnung vom 24. April 1947, S. 59. 163  Wöhrmann, RdL 1950, 101 (104). 164  Kannewurf, Die Höfeordnung von 24. April 1947, S. 19. 165  BGH NJW 1961, 122 (123). 166  Wöhrmann, RdL 1967, 85 (86). 167  Lange, RdL 1954, 92. 168  BGBl. I 693.

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B. Historie des landwirtschaftlichen Erbrechts

widrig erklärt wurde.169 Aufgrund der Rechtsnatur der Höfeordnung als Be­ satzungsrecht konnte das Bundesverfassungsgericht die Bestimmung mangels Verwerfungskompetenz nicht nachträglich für nichtig erklären, sondern le­ diglich eine Verpflichtung des Bundesgesetzgebers zur verfassungskonfor­ men Überarbeitung des Gesetzes aussprechen.170 Die Tatsache, dass in den ersten 16 Jahren des Bestehens der Höfeordnung keine grundlegenden Verän­ derungen an ihr erfolgte, wird insbesondere angesichts der kurzen Redak­ tionszeit des Gesetzes sowie den häufigen Änderungen des Reichserbhof­ gesetzes in den ersten Monaten seiner Geltung als großer Erfolg angesehen.171 Im Jahr 1969 erfolgte nach Beschluss des Bundesverfassungs­gerichts172 eine Anpassung der Höfeordnung an das Gesetz über die Stellung der nichtehe­ lichen Kinder. Vor allem die Anpassung der Höfeordnung an Art. 3 Abs. 2 GG durch das Erste Gesetz zur Änderung der Höfeordnung hat dazu geführt, dass auch andere Regelungen der Höfeordnung unter verfassungsrechtlichen Gesichts­ punkten diskutiert wurden.173 Durch das Zweite Gesetz zur Änderung der Höfeordnung174 vom 29. März 1976 wurde das Gesetz zum ersten Mal grundlegend reformiert.175 Das bis dahin obligatorische Anerbenrecht wurde zu einem fakultativen Anerbenrecht umgestaltet. Zudem wurde die Abfin­ dung der weichenden Erben vom einfachen auf das eineinhalbfache des steuerlichen Einheitswerts erhöht und damit die Rechtsstellung der Miterben wesentlich verbessert. Eine weitere Stärkung der Rechte der weichenden Erben erfolgte dadurch, dass die Frist, binnen welcher Nachabfindungsan­ sprüche entstehen, von 15 auf 20 Jahre erhöht wurde. Auch die Tatbestände, nach welchen Abfindungsergänzungsansprüche entstehen, wurden nicht mehr nur an die Veräußerung des Hofes oder wesentlicher Hofteile angeknüpft, sondern am Wegfall des höferechtlichen Zwecks als maßgeblichem Krite­ rium festgemacht. Ferner wurden auch die Rechte des überlebenden Ehegat­ ten gestärkt: Seit dem Zweiten Gesetz zur Änderung der Höfeordnung wird der Ehegatte nicht nur Vorerbe des Hofes, sondern Vollerbe. Außerdem be­ steht für den Ehegatten nicht mehr das Erfordernis, dass er, um Erbe sein zu können, wirtschaftsfähig sein muss. Schließlich wurde durch das Änderungs­ 169  BVerfGE 15, 328; nach dieser Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts sind in der Folgezeit auch die übrigen Anerbengesetze angepasst worden, vgl. Stau­ dinger/Mittelstädt, Art. 64 EGBGB Rn. 130. 170  Staudinger/Mittelstädt, Art. 64 EGBGB Rn. 130. 171  Wöhrmann, RdL 1967, 85 (87). 172  BVerfGE 25, 167. 173  Wöhrmann/Graß, Landwirtschaftserbrecht, Einl. HöfeO Rn. 14. 174  BGBl. I 881. 175  Zu den einzelnen Änderungen auch BT-Drucks. 7/1443, S. 4–7.



IV. Die Entwicklung der Anerbenrechte in der Nachkriegszeit47

gesetz die formlose Hoferbenbestimmung eingeführt und dadurch die Stel­ lung von auf dem Hof arbeitenden Abkömmlingen oder Dritten gestärkt.176 In seiner Gesetzesbegründung zum Zweiten Gesetz zur Änderung der Höfe­ ordnung im Jahre 1976 bekundet der Gesetzgeber auch trotz der gewandelten agrarischen Verhältnisse die Notwendigkeit eines landwirtschaftlichen Son­ dererbrechts. Der Grund hierfür wird nicht nur in der „agrarpolitischen Zweckmäßigkeit“ des Anerbenrechts gesehen, sondern vor allem auch in der Verwurzelung des Anerbenrechts in landwirtschaftlichen Kreisen.177 Die Einführung eines bundesweit einheitlichen Anerbenrechts hielt man im Jahre 1976 hingegen für „gegenwärtig nicht spruchreif“.178 Auch seit diesem Zeitpunkt wurde politisch keine deutschlandweite Vereinheitlichung des Anerbenrechts angestrebt. b) Entwicklung in den übrigen Bundesländern aa) Baden-Württemberg In Baden-Württemberg gab es im Gegensatz zu den anderen Bundeslän­ dern kein einheitliches, sondern partikulares Landesrecht. Zwischenzeitlich galten hier drei verschiedene Anerbenrechte: In Baden das Badische Gesetz, die geschlossenen Hofgüter betreffend, und im übrigen Teil des Landes das Württembergische Gesetz über das Anerbenrecht in zwei unterschiedlichen Fassungen. Im Hochschwarzwald galt seit dem 15. beziehungsweise 16. Jahrhundert die Sitte der geschlossenen Vererbung von Hofgütern.179 Im Jahr 1808 wurde auch gesetzlich durch ein Edikt180 bestimmt, dass Hofgüter nur geschlossen übergeben werden konnten. In den Folgejahren wurden die entsprechenden Hofgüter ermittelt und im Jahre 1888 in einem Gesetz zur Feststellung dieser Höfe festgehalten.181 Die hierbei ermittelten 4942 Hofgüter wurden dem 176  Genauer zu den Änderungen zudem Lüdtke-Handjery/v. Jeinsen/v. Jeinsen, HöfeO, Einl. Rn. 15; BT-Drucks. 7/1443. 177  BT-Drucks. 7/1443, S. 13; diese Begründung stützt sich auf eine im Jahre 1971 vom Bundesjustizministerium durchgeführte Meinungsumfrage, nach welcher sich 57 % aller Befragten und, aber sogar 70 % der der ländlichen Bevölkerung für das Prinzip der ungeteilten Vererbung landwirtschaftlicher Betriebe aussprachen, vgl. hierzu auch Stöcker, AgrarR 1972, 341 (342). 178  BT-Drucks. 7/1443, S. 14. 179  Kreuzer, AgrarR Beil. I/1977, 12 (13). 180  Landesherrliche Verordnung über den Vorzug am untheilbaren liegenschaft­ lichen Erbe. 181  Liesenborghs, AgrarR 1974, 310.

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B. Historie des landwirtschaftlichen Erbrechts

Badischen Gesetz, die geschlossenen Hofgüter betreffend, vom 20. August 1898 unterworfen.182 Dieses Anerbengesetz trat am 1. Januar 1900 gemein­ sam mit dem BGB in Kraft.183 Das Anerbenrecht wurde nach der Geltung des Reichserbhofgesetz durch Gesetz vom 12. Juli 1949 für den Landesteil Südbaden (heutiger Regierungsbezirk Freiburg) wiedereingeführt. Es ist heute noch für die in § 1 BadHofgüterG genannten in bestimmten Amtsge­ richtsbezirken belegenen Höfe, die sog. „Schwarzwaldhöfe“, anwendbar. Neue Hofgüter können nicht dazukommen. Für die übrigen Betriebe dieses Bezirks, bei denen nicht im Jahre 1888 die Hofguteigenschaft festgestellt wurde, und für die übrigen Amtsgerichtsbezirke gilt lediglich das BGBLandguterbrecht. Es handelte sich bei dem Gesetz für die Schwarzwaldhöfe um obligatorisches Anerbenrecht.184 Der Hofinhaber hat nach § 3 BadHof­ güterG nur mit Genehmigung der zuständigen Behörde die Möglichkeit, die Geschlossenheit des Hofgutes aufzuheben. Allerdings geht man davon aus, dass die Testierfreiheit des Erblassers dennoch gewährleistet ist, da das Hof­ gut gemäß § 6 BadHofgüterG nur in Ermangelung einer letztwilligen Verfü­ gung der gesetzlichen Anerbenfolge unterliegt.185 Debatten zum Erlass eines Anerbengesetzes gab es auch im württembergi­ schen Landesteil bereits um 1870, wobei man sich zu diesem Zeitpunkt ent­ schied, mit der Regelung der Materie bis nach dem Erlass des BGB zu war­ ten. Nachdem in dieses kein landwirtschaftliches Sondererbrecht aufgenom­ men wurde, kam erneut eine Debatte um ein auf Art. 64 EGBGB gestütztes landesrechtliches Anerbenrecht auf. Ein solches wurde in der Folgezeit erar­ beitet, jedoch aufgrund des Ausbruchs des Ersten Weltkriegs nicht mehr er­ lassen. Zu einer Regelung kam es schließlich erst deutlich nach Kriegsende mit dem Württembergischen Anerbengesetz vom 14. Februar 1930.186 Das Gesetz sollte als fakultatives Anerbenrecht der Realteilung entgegenwir­ ken.187 Es gilt als letzter Ausläufer der landesrechtlichen Gesetzgebungswelle der sog. modernen oder neueren Anerbenrechte.188 Es wurde am 24. April 1947 im ehemaligen Landesteil Nordwürttemberg (heutiger Regierungsbe­ zirk Stuttgart) wiedereingeführt und zum 1. August 1948 auch auf den Lan­ desteil Nordbaden (heutiger Regierungsbezirk Karlsruhe) ausgedehnt. Ob­ wohl in diesen Regionen eine Anerbensitte herrschte, wurden insgesamt nur AgrarR 1974, 310 (311). AgrarR Beil. I/1977, 12 (13). 184  Zur Abgrenzung von fakultativem und obligatorischem Anerbenrecht bereits auf S. 60. 185  Staudinger/Mittelstädt, Art. 64 EGBGB Rn. 111. 186  Kreuzer, AgrarR Beil. I/1977, 12 (14). 187  Stöcker, AgrarR 1978, 1 (2). 188  Kreuzer, AgrarR Beil. I/1977, 12 (14). 182  Liesenborghs, 183  Kreuzer,



IV. Die Entwicklung der Anerbenrechte in der Nachkriegszeit49

9 Anträge auf Eintragung in die Höferolle189 gestellt.190 Im früheren Landes­ teil Südwürttemberg-Hohenzollern (heutiger Regierungsbezirk Tübingen) wurde das Anerbengesetz am 13. Juni 1950 rückwirkend zum 24. April 1947 wiedereingeführt. Das Württembergische Gesetz über das Anerbenrecht ist mit Ablauf des 31. Dezember 2000 im Rahmen einer landesrechtlichen Rechtsbereinigung außer Kraft getreten.191 bb) Bremen Das Bremische Höfegesetz vom 18. Juli 1899 gilt im Stadtstaat Bremen. Anders als in anderen Regionen Deutschlands ist die hier vorherrschende Anerbensitte nicht vornehmlich auf Interessen des Grundherrn zurückzufüh­ ren. Vielmehr war eine Teilung von Grundstücken hier zur Sicherstellung der Erfüllung von Deichpflichten nur eingeschränkt möglich.192 Auch bei der Nachfolge eines verstorbenen Meiers193 und der Neubeleihung durch den Grundherrn kam eine Teilung des Grundbesitzes unter mehreren Erben daher nicht in Betracht.194 Ein einheitliches Höfegesetz für Bremen wurde im Jahre 1899 geschaffen. Es ist durch das KRG Nr. 45 wieder in Kraft getreten und gemäß § 1 BremHöfeG anwendbar auf alle Betriebe mit einer Mindest­ fläche von 2,5 ha, die in die Höferolle eingetragen sind. Es handelt sich so­ mit um fakultatives landwirtschaftliches Sondererbrecht. Insgesamt waren laut Auskunft des bremischen Senats für Justiz und Verfassung im Jahr 2014 noch etwa 100 Höfe in die Höferolle eingetragen, sodass das Anerbengesetz nur einen verschwindend geringen Anwendungsbereich hat.195 Jacobs bekräf­ tigt jedoch, dass der Bestand des Bremischen Höfegesetzes trotzdem Bedeu­ tung hat als Leitbild für die Betriebsübergabe unter Lebenden und um die Erbgewohnheiten der Landwirte in der Region auch weiterhin als Kodifika­ tion zu erhalten.196

189  Bei der Höferolle handelt es sich um ein öffentliches Register, bei dem die Eintragung rechtsbegründend für die Anwendbarkeit des jeweiligen Anerbenrechts ist. 190  Liesenborghs, AgrarR 1974, 310 (311). 191  Art. 1 i. V. m. Art. 29 S. 2 des Dritten Rechtsbereinigungsgesetzes vom 18. De­ zember 1995, BadWürttGBl., S. 29. 192  Jacobs, Das Bremische Höfegesetz, S. 6. 193  Der Begriff „Meier“ bezeichnet im Zusammenhang mit der Grundherrschaft den Verwalter einzelner Fronhöfe, vgl. Rösener, in: HRG (2004), Stichwort „Meier“, Sp. 1406. 194  Jacobs, Das Bremische Höfegesetz, S. 10. 195  Auskunft des bremischen Senats für Justiz und Verfassung vom 10. Februar 2020. 196  Jacobs, Das Bremische Höfegesetz, S. 130.

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B. Historie des landwirtschaftlichen Erbrechts

cc) Hessen In Hessen sind die einzelnen durch Art. II KRG Nr. 45 wieder in Kraft gesetzten Anerbengesetze vom 24. April 1947 aufgehoben worden. Statt die­ ser wurde die auf ein regionales Anerbengesetz aus dem Regierungsbezirk Kassel aus dem Jahr 1887 zurückgehende Hessische Landgüterordnung vom 1. Dezember 1947 auf das gesamte Land Hessen erstreckt.197 Die Landgüter­ ordnung für den Regierungsbezirk Kassel wurde wiederum initiiert vom Marburger Hochschullehrer Enneccerus und orientierte sich an der in der Region bestehenden Übergabepraxis.198 Danach wurde im Erbfall ein Fami­ lienrat gebildet, welcher den Übernehmer bestimmen musste. Vor diesem Hintergrund erklären sich auch die §§ 15 und 16 Abs. 1 a. F. HessLand­ güterO, nach welchen ein Familienrat199 den Übernahmeberechtigten sowie die Übernahmebedingungen bestimmen durfte, wenn keine Einigung darüber erzielt werden konnte. Im Jahre 1970 wurden die Aufgaben des Familienra­ tes dem Landwirtschaftsgericht übertragen.200 Diese Gesetzesänderung durch den hessischen Landtag beruht auf einer Entscheidung des Bundesverfas­ sungsgerichts aus dem Jahr 1967,201 in der festgestellt wurde, dass Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG auch auf dem Gebiet der freiwilligen Gerichtsbarkeit gelte, sodass auch hier die richterliche Tätigkeit nur von unbeteiligten Dritten aus­ geübt werden könne. Nach Auffassung des Gesetzgebers war diese Distanz und Neutralität bei einer Zuweisung des landwirtschaftlichen Betriebs durch den Familienrat nicht gewahrt.202 Allerdings wird die Einführung dieses lan­ desrechtlichen Zuweisungsverfahrens aufgrund der Ausnutzung der konkur­ rierenden Gesetzgebungskompetenz des Bundesgesetzgebers durch Schaf­ fung des Zuweisungsverfahrens nach §§ 13 ff. GrdstVG zum Teil für nichtig gehalten.203 Angesichts dieses Brauchs der Einsetzung eines Familienrates erklärt sich, dass auch heute noch nach der Hessischen Landgüterordnung ein Übernahmerecht des Betriebsübernehmers besteht und der Hof im Ge­ gensatz zu anderen Anerbenrechten nicht ipso iure mit dem Erbfall auf den Erben übergeht.204 Jedoch wurde das Anerbengesetz mit die Abschaffung der

Erbrecht (1953), S. 519. AgrarR 1978, 1 (3). 199  Dieser bestand nach § 16 HessLandgüterO a.  F. aus dem Vorsitzenden des Landwirtschaftsgerichts und drei bis sechs Verwandten oder Verschwägerten des Erb­ lassers als Mitgliedern. 200  Hessischer Landtag, Drucks. 6/2748, S. 9. 201  BVerfGE 21, 139. 202  Hessischer Landtag, Drucks. 6/2748, S. 9. 203  Stöcker, AgrarR 1978, 1 (3). 204  Weimann, AgrarR 1978, 188; Stöcker, AgrarR 1978, 1 (3). 197  Kipp/Coing, 198  Stöcker,



IV. Die Entwicklung der Anerbenrechte in der Nachkriegszeit51

Betriebszuweisung durch den Familienrat nach der Auffassung Stöckers um ein „Kernstück traditioneller Eigenständigkeit“205 beschnitten. Im Jahre 1955 waren nur ungefähr 140 Betriebe in die Landgüterrolle eingetragen. Diese lagen zudem überwiegend im Gebiet des früheren Landes Waldeck, in dem zuvor bereits ein Anerbenrecht galt.206 Im Zuge des Geset­ zes zur Änderung der Hessischen Landgüterordnung aus dem Jahr 1970 ist auch die Landesregierung zu der Einschätzung gekommen, dass das Gesetz keine übermäßige praktische Bedeutung erlangt hat.207 dd) Rheinland-Pfalz Rheinland-Pfalz ist historisch ein Realteilungsgebiet, in dem keine Aner­ bensitte herrschte.208 Ein kodifiziertes Anerbenrecht bestand hier auch nie. Somit konnte durch Art. II KRG Nr. 45 auch kein vorher geltendes Anerben­ recht wieder in Kraft treten. Der Einführung eines Anerbengesetzes stand im Jahre 1948 noch der Wille der französischen Besatzungsmacht entgegen, obwohl es bereits zu dieser Zeit in den betroffenen Kreisen Bestrebungen zum Erlass eines solches Gesetzes gab. So hatte sich in der Nachkriegszeit aufgrund des gesellschaftlichen Wandels auch die Einstellung zur geschlos­ senen Übergabe von Höfen verändert und weichende Erben ergriffen zudem vermehrt Berufe außerhalb der Landwirtschaft.209 Nach einer Anregung durch die Landwirtschaftskammer Rheinland-Nassau Anfang 1952, ein landwirtschaftliches Sondererbrecht auf fakultativer Basis zu schaffen, wurde am 7. Oktober 1953 das Rheinland-Pfälzische Gesetz über die Höfeordnung verabschiedet.210 Das Rheinland-Pfälzische Gesetz über die Höfeordnung ist damit das einzige in der Nachkriegszeit erlassene landesrechtliche Anerbengesetz, das ohne Bezugnahme auf ein vorher gelten­ des Gesetz vollständig neu erlassen wurde.211 Im Gegensatz zur nordwestdeutschen Höfeordnung, die gemäß § 1 ­HöfeO a. F.212 noch obligatorisch war, war das Rheinland-Pfälzische Höfeordnungs­ AgrarR 1978, 1 (3). AgrarR 1978, 188 (189). 207  Hessischer Landtag, Drucksache 6/2748, S. 7. 208  Frey, AgrarR 1989, 322. 209  Frey, AgrarR 1989, 322. 210  Kreuzer, AgrarR Beil. II/1990, 15. 211  Mönig, Landwirtschaftliches Sondererbrecht im Lichte von Verfassungsrecht und Rechtspolitik, S. 43. 212  Die Unterwerfung unter die nordwestdeutsche Höfeordnung ist erst seit dem Zweiten Gesetz zur Änderung der Höfeordnung vom 1. Juli 1976 fakultativ. 205  Stöcker,

206  Weimann,

52

B. Historie des landwirtschaftlichen Erbrechts

gesetz von Beginn an fakultativer Natur. Trotzdem und trotz der fehlenden Rechtstradition eines Anerbenrechts in diesem Gebiet, waren beispielsweise im Jahr 1972 insgesamt 7.881 Betriebe und damit 8 % der gesamten land­ wirtschaftlichen Betriebe in dem Bundesland in die Höferolle eingetragen.213 Diese – insbesondere angesichts der nicht vorhandenen Anerbensitte – hohe Anzahl der freiwilligen Eintragungen wird auf § 13 HöfeO-RhPf a. F. zu­ rückgeführt, wonach die Eintragung in die Höferolle Voraussetzung für be­ stimmte Förderungsmaßnahmen, wie beispielsweise die Befreiung von der Grunderwerbssteuer oder die Bereitstellung zinsgünstiger Kredite, war.214 Das Anerbengesetz wird aus diesem Grund als positives Beispiel dafür ange­ sehen, durch finanzielle Anreize „agrarpolitisch schädliche Erbgewohnheiten zurückzudrängen“.215 Das Rheinland-Pfälzische Höfeordnungsgesetz wurde seit seiner Verab­ schiedung im Jahre 1953 nicht wesentlich verändert oder erneuert. Im Ge­ gensatz zur fakultativen Eintragung ist die Löschung des Hofes aus der ­Höferolle gemäß § 6 Abs. 1 HöfeO-RhPf nur auf Antrag und bei Vorliegen eines wichtigen Grundes möglich. ee) Bayern, Saarland und Berlin Das in Bayern im Jahre 1855 eingeführte Anerbenrecht wurde 1919 wie­ der aufgehoben. Aus diesem Grund existierte am 1. Januar 1933 kein An­ erbengesetz, welches durch das KRG Nr. 45 wiedereingeführt werden konnte. Nichtsdestotrotz herrscht in dem Land eine ausgeprägte Anerbensitte, die heute durch eine notarielle Vertrags- und Übergabepraxis ausgestaltet ist.216 In Berlin und im Saarland gab es 1933 ebenfalls keine Anerbenrechte, welche wieder Geltung erlangen konnten. Dies ist wohl auf die verhältnismä­ ßig geringe praktische Bedeutung der Landwirtschaft in beiden Bundeslän­ dern zurückzuführen. Somit gilt auch dort heute allein das BGB-Landguterb­ recht.

AgrarR Beil. I/1977, 15. AUR 2013, 333 (334). 215  Stöcker, AgrarR 1978, 1 (4). 216  Staudinger/Mittelstädt, Art. 64 EGBGB Rn. 117; vgl. ausführlich zur Über­ gabepraxis Vidal, AgrarR 1980, 93, wonach im altbayerischen Raum 89 % der Be­ triebe lebzeitig übergeben werden. 213  Kreuzer, 214  Graß,



IV. Die Entwicklung der Anerbenrechte in der Nachkriegszeit53

ff) DDR und neue Bundesländer (1) Sowjetische Besatzungszone und DDR Durch das Kontrollratsgesetz Nr. 45 wurde auch in der sowjetischen Be­ satzungszone das Reichserbhofgesetz aufgehoben. Im Gegensatz zur briti­ schen Besatzungszone wurde hier allerdings nicht von der Ermächtigung in Art. XI Abs. 1 S. 1 KRG Nr. 45 Gebrauch gemacht und ein neues Anerben­ recht erlassen. Ob und bis wann die landesrechtlichen Anerbengesetze da­ durch wieder galten, ist umstritten: Ein Teil der Literatur geht davon aus, dass durch Art. II KRG Nr. 45 die früheren Anerbengesetze, soweit existent, zunächst wieder formell in Kraft gesetzt wurden und erst in der Folgezeit gegenstandslos wurden.217 In den ehemaligen Ländern Sachsen, Thüringen und Anhalt existierten am 1. Januar 1933 keine Anerbengesetze, welche durch das KRG Nr. 45 wieder hätten in Kraft gesetzt werden können. Geltende Anerbenrechte gab es hingegen noch in Mecklenburg-Schwerin (Verordnung vom 9. April 1899), MecklenburgStrelitz (Anerbengesetz vom 20. April 1922), Brandenburg (Landgüterord­ nung vom 10. Juli 1883), dem sächsischen Teil Schlesiens (Landgüterord­ nung vom 24. April 1884) sowie einigen Enklaven von Braunschweig und Hannover.218 Allerdings ist zu betonen, dass auch hier die Regelungen man­ gels eingerichteter Höfe- oder Landgüterrollen, welche für die Anwendbar­ keit erforderlichen waren, praktisch ins Leere liefen.219 In MecklenburgStrelitz und Mecklenburg-Schwerin wurde das Anerbenrecht zudem im Jahr 1951 ausdrücklich aufgehoben.220 Bezüglich der nicht ausdrücklich aufgehobenen Anerbenrechte wird vertreten, dass diese gegenstandslos ge­ worden sind, wobei der jeweilige Zeitpunkt hierbei ebenfalls umstritten ist: So geht das OLG Celle davon aus, dass die Anerbenrechte mit Inkrafttreten der Verfassung der DDR – in deren Art. 144 es heißt, dass gegenstandslose Bestimmungen nicht der Aufhebung bedurften – obsolet geworden sind.221 217  Unter anderem Adlerstein, DtZ 1991, 193 (200); Lütke-Handjery/v. Jeinsen, HöfeO, Einl. Rn. 41; so wohl auch Rechtsauffassung in der ehemaligen DDR, vgl. Daube, NJ 1952, 611 (wenn auch allgemein in Bezug auf gesetzliche Erbfolge und nicht speziell bezüglich des landwirtschaftlichen Sondererbrechts). 218  Faßbender/Hötzel/v. Jeinsen/Pikalo/Faßbender, HöfeO, Einl. Rn. 25; ausführ­ lich zu den einzelnen Anerbengesetzen auch Janke, NJ 2001, 117. 219  Lüdtke-Handjery/v. Jeinsen/v. Jeinsen, HöfeO, Einl. Rn. 42. 220  Staudinger/Mittelstädt, Art. 64 EGBGB Rn. 121; Janke, NJ 2001, 117 (121 f.); Steffen, RdL 1991, 141 (144) zieht daraus den Schluss, dass die Anerbengesetze nach Ansicht des Gesetzgebers wohl bis zu diesem Zeitpunkt noch galten. 221  OLG Celle VIZ 1996, 52 (53); so auch Daube, NJ 1952, 611 und Janke, NJ 2001, 117.

54

B. Historie des landwirtschaftlichen Erbrechts

Das Thüringische OLG stellt hingegen auf die Regierungserklärung der UdSSR vom 20. September 1955 ab, durch welche das gesamte Kontrollrats­ recht und somit auch das KRG Nr. 45 außer Kraft gesetzt wurde.222 Einigkeit besteht dahingehend, dass jedenfalls spätestens mit Einführung des ZGB in der DDR am 1. Januar 1976 die landesrechtlichen Anerbengesetze nicht mehr galten.223 Dies wird damit begründet, dass das ZGB selbst weder Regelungen in Bezug auf Landgüter noch einen Vorbehalt zugunsten der ­ landesrechtlichen Anerbengesetze enthält.224 Zudem zeige § 15 Abs. 2 Nr. 2 EGZGB, nach welchem auch das Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Ge­ setzbuch aufgehoben wird, dass ein Weiterbestehen landesrechtlicher Vor­ schriften neben dem ZGB nicht vorgesehen war.225 Somit müssen die Aner­ bengesetze damit spätestens zu diesem Zeitpunkt als aufgehoben und das ZGB als maßgebliches Gesetz für alle Erbfälle betrachtet werden. Zum Teil geht die juristische Literatur sogar davon aus, dass die Anerben­ rechte in der sowjetischen Besatzungszone niemals gegolten haben.226 Dies wird damit begründet, dass die Folgerung, Art. II KRG Nr. 45 habe die An­ erbengesetze auch in der sowjetischen Besatzungszone wieder in Kraft ge­ setzt, zu „legalistisch“227 sei, da ihr ein westlich geprägtes Rechtsverständnis zugrunde liege. Zudem stünden schon die grundlegenden Prinzipien der ge­ sellschaftlichen und wirtschaftlichen Ordnung, welche eine Beseitigung von Privateigentum an Produktionsmitteln vorsahen, dem Grundgedanken der Anerbengesetze entgegen. Es herrschte in der sowjetischen Besatzungszone und der späteren DDR auch ein politischer Zentralismus, der nicht mit der Geltung unterschiedlicher Anerbenrechte in den verschiedenen Gebieten der Zone vereinbar sei.228 In der sowjetischen Besatzungszone und späteren DDR wurde bereits kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs mit der Bodenreform begonnen.229 Im Zuge dessen wurde insbesondere Großgrundbesitz von mehr als 100 ha ent­ eignet („Junkerland in Bauernhand“). Darüber hinaus wurde auch der Grund­ besitz von „Kriegs- und Naziverbrechern“230 enteignet. Die Flächen wurden 222  Thür.

OLG AgrarR 1997, 319 (320). OLG AgrarR 1997, 319 (320); Lüdtke-Handjery/v. Jeinsen/v. Jeinsen, HöfeO, Einl. Rn. 44; Faßbender/ötzel/v. Jeinsen/Pikalo/Faßbender, HöfeO, Einl. Rn. 28; Steffen, RdL 1991, 141 (144). 224  Bendel, AgrarR 1991, 1 (4). 225  Steffen, RdL 1991, 141 (144). 226  Staudinger/Mittelstädt, Art. 64 EGBGB Rn. 121; Wöhrmann/Graß, Landwirt­ schaftserbrecht, Einl. HöfeO Rn. 46; Adlerstein, DtZ 1991, 193 (200, Fn. 69). 227  Wöhrmann/Graß, Landwirtschaftserbrecht, Einl. HöfeO Rn. 46. 228  Wöhrmann/Graß, Landwirtschaftserbrecht, Einl. HöfeO Rn. 47. 229  Lüdtke-Handjery/v. Jeinsen/v. Jeinsen, HöfeO, Einl. Rn. 36. 230  Eckert, in: HRG (2004), Stichwort „Bodenreform“, Sp. 627. 223  Thür.



IV. Die Entwicklung der Anerbenrechte in der Nachkriegszeit55

zu einem Drittel in „Volkseigentum“ umgewandelt und von Staatsbetrieben bewirtschaftet und zu zwei Dritteln sog. „Neubauern“ zur Bewirtschaftung zugeteilt.231 Ab den 1950er Jahren musste der Grundbesitz der „Neubauern“ in landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften eingebracht werden. Die Bauern waren dabei formal noch Eigentümer ihrer Grundflächen, konnten über diese jedoch nicht mehr verfügen. Auch hier waren die Grundstücke gemäß § 45 LPG-Gesetz vererbbar. Allerdings dürfte es in der Praxis für die Produktionsgenossenschaften von untergeordneter Bedeutung gewesen sein, ob sich diese Vererbung nach dem BGB oder den landwirtschaftlichen Son­ dererbrechten vollzog.232 (2) Nach der Wiedervereinigung Im Einigungsvertrag zwischen der BRD und der DDR wurde bezüglich des landwirtschaftlichen Erbrechts und der erneuten Geltung der Anerben­ rechte keine spezielle Regelung getroffen. Da es sich bei der Höfeordnung nur um partielles Bundesrecht handelt, ist diese deshalb in den neuen Bun­ desländern nicht in Kraft getreten. Seit der Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 gilt somit nach Art. 8 des Einigungsvertrags233 wieder das BGB und somit auch die erbrechtlichen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Folglich sind in Bezug auf die Vererbung landwirtschaftlicher Betriebe das BGB-Landguterbrecht sowie das Grundstücksverkehrsgesetz anzuwenden.234 Da der Bund in den neuen Bundesländern in Bezug auf das landwirtschaft­ liche Erbrecht nicht von seiner Gesetzgebungskompetenz Gebrauch gemacht hat, liegt diese hier bei den einzelnen Ländern. Seit der Wiedervereinigung wurde in einigen Ländern die Einführung ei­ nes landwirtschaftlichen Sondererbrechts erwogen. Eine Ausweitung der nordwestdeutschen Höfeordnung auf weitere Bundesländer ist nicht möglich: Da es sich um vorkonstitutionelles Besatzungsrecht nach Art. 125 Nr. 1 GG handelt, wäre nur eine Ausweitung auf die gesamte Bundesrepublik möglich, nicht aber auf einzelne Bundesländer. In einem Antrag der Fraktionen SPD und Bündnis 90/Die Grünen wurde im Jahre 1995 die Landesregierung von Sachsen-Anhalt aufgefordert zu überprüfen, ob die Einführung eines landes­ rechtlichen landwirtschaftlichen Sondererbrechts nach dem Vorbild der nord­ in: HRG (2004), Stichwort „Bodenreform“, Sp. 627. RdL 1993, 141 (144). 233  Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demo­ kratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands; BGBl. 1990 II, S. 889. 234  Adlerstein, DtZ 1991, 193 (200). 231  Eckert,

232  Steffen,

56

B. Historie des landwirtschaftlichen Erbrechts

westdeutschen Höfeordnung möglich ist.235 Der Entwurf für ein solches landwirtschaftliches Erbrecht236 wurde in der Folgezeit zwar erarbeitet, je­ doch aufgrund des Ablaufs der Legislaturperiode nicht mehr beschlossen.237 In der darauffolgenden Wahlperiode wurde das Vorhaben zur Schaffung eines Anerbenrechts nicht noch einmal aufgegriffen. In Mecklenburg-Vorpommern wurde die Landesregierung von der Fraktion der Bürger für MecklenburgVorpommern (BMV) im Jahr 2017 aufgefordert, ein landwirtschaftliches Erbrecht für das Bundesland zu erarbeiten.238 Der Antrag wurde jedoch mehrheitlich abgelehnt.239 In Brandenburg wurde im Juni 2019 das Gesetz über die Höfeordnung für das Land Brandenburg beschlossen. Es handelt sich dabei um ein fakultatives Anerbengesetz, das sich in seiner Ausgestaltung überwiegend an der nord­ westdeutschen Höfeordnung orientiert.240 Abweichungen zu dieser ergeben sich vor allem hinsichtlich der Bestimmung der Hofeigenschaft und bei der Berechnung der Abfindungsansprüche.241 Der entscheidende Vorteil in der Rechtsanwendung durch die Orientierung des Brandenburgischen Höfeord­ nungsgesetzes an der nordwestdeutschen Höfeordnung liegt darin, dass auch die Kommentare und die zur Höfeordnung ergangene Rechtsprechung zur Auslegung und Anwendung des Brandenburgischen Höfeordnungsgesetzes herangezogen werden können.

V. Entwicklung des Zuweisungsverfahrens im Grundstücksverkehrsgesetz Durch die rudimentären Regelungen des BGB-Landguterbrechts besteht ohne die Anordnung eines Übernahmerechts für den landwirtschaftlichen Be­ trieb durch den Erblasser die Möglichkeit, dass dieser im Erbgang unter den Miterben aufgeteilt wird. Um eine rechtliche Möglichkeit zur Verhinderung der Zersplitterung in Bezug auf den landwirtschaftlichen Betrieb zu bieten, trat am 1. Januar 1962 das Zuweisungsverfahren in den §§ 13 ff. GrdstVG in 235  Landtag

von Sachsen-Anhalt, Drucks. 2/1605. von Sachsen-Anhalt, Drucks. 2/3988. 237  Landtag von Sachsen-Anhalt, Drucks. 2/4788, S. 6. 238  Landtag von Mecklenburg-Vorpommern, Drucks. 7/1135. 239  Landtag von Mecklenburg-Vorpommern, Plenarprotokoll 7/22, S. 70. 240  Landtag von Brandenburg, Drucks. 6/8941, Begr. S. 1. 241  Ausführlich zum Brandenburgischen Höfeordnungsgesetz Tumlirsch, AUR 2020, 6; kritisiert wird in Bezug auf das neue Gesetz vor allem die Tatsache, dass sich der Gesetzgeber bei der Berechnung des Hofwertes an der Höfeordnung orien­ tiert hat, obwohl die dort gewählte Berechnungsmethode stark reformbedürftig ist, ebd. S. 9. 236  Landtag



V. Entwicklung des Zuweisungsverfahrens im GrdstVG57

Kraft, um auch bei Eintritt der gesetzlichen Erbfolge die Möglichkeit zu schaf­ fen, dass der landwirtschaftliche Betrieb als Einheit in der Hand einer Person erhalten bleibt und fortgeführt werden kann. Ein ähnliches Verfahren gab es bereits in Nr. 17 der Militärregierungsverordnung Nr. 84 von 1947 in der bri­ tischen Besatzungszone, welches die Art. 630 ff. des Schweizerischen Zivilge­ setzbuchs von 1907 zum Vorbild hatte.242 Das Zuweisungsverfahren in der britischen Besatzungszone wiederum war Vorläufer des Zuweisungsverfah­ rens im Grundstücksverkehrsgesetz. Beim Zuweisungsverfahren nach dem Grundstücksverkehrsgesetz handelt es sich um ein besonderes Verfahren der Erbauseinandersetzung, bei der das Übernahmerecht nicht vom Erblasser angeordnet oder der übernahmeberech­ tigte Miterbe durch das Gesetz bestimmt wird, sondern bei dem die Zuwei­ sung des Eigentums durch das Gericht erfolgt. Die Regelungen sollen für diese Fälle das Fehlen einer gesetzlichen Anerbenordnung ausgleichen. Das Zuweisungsverfahren im Grundstücksverkehrsgesetz findet zudem aus­ nahmsweise auch in den Fällen Anwendung, in denen zwar ein Anerbenrecht auf den Betrieb anwendbar wäre, dieser aber mangels Anerben nach den Vorschriften des allgemeinen Rechts vererbt wird. Die Regelungen zum Zu­ weisungsverfahren sind im zweiten Abschnitt des Grundstücksverkehrsgeset­ zes geregelt. Da im ersten und dritten Abschnitt des Grundstücksverkehrsge­ setzes Regelungen bezüglich der landwirtschaftsbehördlichen Genehmigun­ gen bei rechtsgeschäftlichen Veräußerungen land- und forstwirtschaftlicher Grundstücke sowie diesbezügliche Verfahrensregelungen getroffen werden, wird die Verortung des Zuweisungsverfahrens an dieser Stelle in der Litera­ tur kritisch gesehen. Es wird vertreten, dass das Zuweisungsverfahren ein Fremdkörper im Grundstücksverkehrsgesetz sei und systematisch im Bürger­ lichen Gesetzbuch bei Erbengemeinschaften hätte geregelt werden müssen.243 Die grundsätzliche Konzeption des Zuweisungsverfahrens, welches im Ge­ gensatz zur gesetzlichen Erbfolgeregelung in den Anerbengesetzen etwa die Umstände des Einzelfalles berücksichtigen kann, wird in der Theorie über­ wiegend als positiv bewertet. In der praktischen Anwendung hat es seit seiner Einführung allerdings keine hohe Bedeutung erlangt.244

242  Burandt/Rojahn/Ruby,

Erbrecht, § 13 GrdstVG Rn. 2. Landwirtschaftserbrecht, Einl. GrdstVG Rn. 4. 244  Burandt/Rojahn/Ruby, Erbrecht, § 13 GrdstVG Rn. 5. 243  Wöhrmann/Graß,

C. Konzeption des landwirtschaftlichen Erbrechts und Normzwecke I. Gesetzgebungskompetenz Das Erbrecht und somit auch das landwirtschaftliche Erbrecht fällt als Teil des bürgerlichen Rechts gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG unter die kon­ kurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes.1 Nach Art. 72 Abs. 1 GG haben daher die Länder die Befugnis zur Gesetzgebung, solange und soweit nicht der Bund durch Gesetz von seiner Zuständigkeit Gebrauch gemacht hat. Grundsätzlich hat der Bundesgesetzgeber im Bürgerlichen Gesetzbuch das Erbrecht abschließend kodifiziert. Allerdings bleibt hiervon nach dem Vorbe­ halt des Art. 64 Abs. 1 EGBGB das Anerbenrecht in Ansehung landwirt­ schaftlicher und forstwirtschaftlicher Grundstücke nebst Zubehör unberührt. Das bedeutet, dass auf diesem Gebiet abweichende oder ergänzende landes­ rechtliche Gesetze erlassen werden dürfen. Mit der nordwestdeutschen Höfe­ ordnung existiert zwar ein bundesrechtliches Anerbengesetz, welches jedoch nicht deutschlandweit, sondern nur partiell (in Hamburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein) gilt. Folglich hat der Bundes­ gesetzgeber auch durch dieses Gesetz nicht vollständig von seiner konkurrie­ renden Gesetzgebungskompetenz Gebrauch gemacht, sodass die Länder – mit Ausnahme der Länder, in welchen die Höfeordnung gilt – weiterhin Gesetz­ gebungskompetenz für eigene Anerbengesetze haben.2 Landesrechtliche Anerbengesetze gelten derzeit in Brandenburg (Gesetz über die Höfeordnung für das Land Brandenburg vom 19. Juni 2019), Bremen (Bremisches Höfe­ gesetz vom 18. Juli 1899), Hessen (Hessische Landgüterordnung vom 1. De­ zember 1947), Rheinland-Pfalz (Rheinland-Pfälzisches Landesgesetz über die Höfeordnung vom 7. Oktober 1953) sowie in Teilen Baden-Württembergs

AgrarR Beil. II 1990, 12 (14). Landwirtschaftliches Sondererbrecht im Lichte von Verfassung und Rechtspolitik, S. 32; zuletzt wurde von dieser Gesetzgebungskompetenz im Juni 2019 durch das Land Brandenburg Gebrauch gemacht, welches mit dem Brandenburgi­ schen Höfeordnungsgesetz ein eigenes landwirtschaftliches Sondererbrecht erlassen hat. 1  Kreuzer, 2  Mönig,



II. Systematik der Anerbenrechte59

(Badisches Gesetz, die geschlossenen Hofgüter betreffend, vom 20. August 1898).3 Gilt ein Anerbengesetz, verdrängt dieses nach Art. 64 Abs. 1 EGBGB die Normen des BGB-Landguterbrechts als lex specialis.4 Ist der Anwendungs­ bereich des Anerbengesetzes nicht eröffnet oder besteht im jeweiligen Bun­ desland kein Anerbengesetz, gilt das BGB-Landguterbrecht in Verbindung mit dem Zuweisungsverfahren im Grundstücksverkehrsgesetz. Einschränkend stellt Art. 64 Abs. 2 EGBGB die Anforderung auf, dass ein Anerbengesetz nicht das Recht des Erblassers, über das dem Anerbenrecht unterliegende Grundstück von Todes wegen zu verfügen, beschränken darf. Diese Rege­ lung ist erforderlich, um die Testierfreiheit des Erblassers aus Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG zu gewährleisten.5 Der Vorbehalt umfasst zum einen die Freiheit des Erblassers, das Anerbengesetz insgesamt auszuschließen und Verfügun­ gen nach dem allgemeinen Erbrecht des BGB zu treffen und zum anderen betrifft er die Freiheit, den Erben abweichend von der gesetzlichen Erbfolge der Anerbenrechte durch gewillkürte Erbfolge zu bestimmen.6 Eine Mi­ schung von Anerbenrecht und dem Erbrecht des BGB ist nicht möglich, da beide Gesetze jeweils in sich abgeschlossene und voreinander getrennte Re­ gelungssysteme enthalten.7

II. Systematik der Anerbenrechte Im Rahmen der unter Art. 64 EGBGB fallenden landesrechtlichen Aner­ bengesetze sowie der nordwestdeutschen Höfeordnung kann sowohl bezüg­ lich des formalen Geltungsgrundes als auch bezüglich der Abdingbarkeit des jeweiligen landwirtschaftlichen Sondererbrechts zwischen verschiedenen Ausgestaltungsmöglichkeiten unterschieden werden.8

3  Ausführlich zur Entstehungsgeschichte der einzelnen landesrechtlichen Aner­ bengesetze auf S. 47 ff. 4  Kreuzer, AgrarR Beil. II/1990, 12 (16). 5  Staudinger/Mittelstädt, Art. 64 EGBGB Rn. 38. 6  Staudinger/Mittelstädt, Art. 64 EGBGB Rn. 39. 7  Staudinger/Mittelstädt, Art. 64 EGBGB Rn. 46. 8  Dies gilt nur für die landesrechtlichen Anerbengesetze sowie die nordwestdeut­ sche Höfeordnung; da es sich beim BGB-Landguterbrecht und dem Zuweisungsver­ fahren in den §§ 13 ff. GrdstVG nicht um Anerbenrechte handelt, gelten die Ausfüh­ rungen zum formalen Geltungsgrund und der Abdingbarkeit für diese nicht.

60

C. Konzeption des landwirtschaftlichen Erbrechts und Normzwecke

1. Deklaratorische oder konstitutive Eintragung Grundsätzlich wird innerhalb der Anerbenrechte bezüglich des formalen Geltungsgrundes differenziert zwischen konstitutivem und deklaratorischem Anerbenrecht: Unter konstitutivem (auch mittelbarem) Anerbenrecht versteht man solches, bei welchem die Eintragung in ein öffentliches Register rechts­ begründend für die Anwendbarkeit des jeweiligen Anerbenrechts ist.9 Bei dem deklaratorischen (auch unmittelbaren oder direkten) Anerbenrecht hat die Eintragung hingegen keine rechtsbegründende Wirkung. Vielmehr hängt hier die Anwendbarkeit des jeweiligen Anerbengesetzes von der Erfüllung bestimmter objektiver Merkmale wie beispielsweise der Betriebsgröße, dem Ertrags- oder Wirtschaftswert ab.10 Die Eintragung in ein öffentliches Regis­ ter ist dann lediglich rechtsbekundend.11 2. Fakultatives und obligatorisches Anerbenrecht Weiterhin kann in Bezug auf die Abdingbarkeit des Anerbenrechts unter­ schieden werden zwischen fakultativem und obligatorischem Anerbenrecht. Bei obligatorischem Anerbenrecht ist die Anwendbarkeit des jeweiligen land­ wirtschaftlichen Sondererbrechts zwingend vorgesehen und kann nicht durch Willensakt des Eigentümers ausgeschlossen werden.12 Bei fakultativem An­ erbenrecht, bei welchem die Anwendbarkeit des Anerbenrechts im Ermessen des Eigentümers steht, ist zwischen zwei verschiedenen Varianten zu unter­ scheiden: Entweder wird die Besitzung durch privatautonome Entscheidung (etwa durch Eintragung in das Grundbuch, die Höferolle oder ein anderes Register) des Hofeigentümers dem jeweiligen Anerbenrecht unterstellt oder sie wird zwar kraft Gesetzes Hof, kann aber durch entsprechende Erklärung wieder dem Anerbenrecht entzogen werden.13

9  Staudinger/Mittelstädt,

Art. 64 EGBGB Rn. 22. Höfeordnung ist im Ursprung ein unmittelbares Anerbenrecht, da es für die Geltung der Höfeordnung nicht auf eine besondere Erklärung oder Eintragung des Eigentümers ankommt. Zugleich handelt es sich jedoch nach § 1 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 HöfeO auch um mittelbares Anerbenrecht, da die Anwendbarkeit des Anerbengeset­ zes bei einem Wirtschaftswert von unter 10.000 € oder bei einem Ehegattenhof zu­ dem auch von einer Eintragung abhängig gemacht wird. 11  Kreuzer, in: HAR, Stichwort „Anerbenrecht“, Sp. 259. 12  Staudinger/Mittelstädt, Art. 64 EGBGB Rn. 22; dies war etwa beim REG und auch bei der Höfeordnung bis zur Reform 1976 durch das Zweite Gesetz zur Ände­ rung der Höfeordnung der Fall; da so die Wahrung der Testierfreiheit des Erblassers nach Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG nicht gewährleistet ist, ist die Geltung obligatorischer Anerbengesetze nach der heutigen Rechtslage nicht mehr möglich. 13  Kipp/Coing, Erbrecht (1990), S. 718. 10  Die



III. Die zwei Säulen der Privilegierung des Betriebsübernehmers61

Grundsätzlich können sowohl konstitutive als auch deklaratorische An­ erbenrechte fakultativ oder obligatorisch sein.14 Durch die obligatorische Eintragung wird meistens nur die ohnehin bereits kraft Gesetzes bestehende Hofeigenschaft und damit die Geltung des jeweiligen Anerbenrechts verlaut­ bart. Bei einem fakultativen Anerbenrecht dient in der Regel die Eintragung des Hofes in das öffentliche Verzeichnis der Unterstellung unter das jeweilige Anerbenrecht. Aus diesem Grund fallen in der Praxis und begrifflich meist fakultatives und konstitutives sowie obligatorisches und deklaratorisches Anerbenrecht zusammen.15

III. Die zwei Säulen der Privilegierung des Betriebsübernehmers bei der Vererbung landwirtschaftlicher Betriebe Im allgemeinen Erbrecht des BGB wird durch die Universalsukzession und das nur begrenzt ausschließbare Recht jedes Miterben, jederzeit die Erb­ auseinandersetzung zu verlangen (§ 2042 BGB), die Aufteilung des Vermö­ gens des Erblassers im Erbgang begünstigt. Die Vererbung landwirtschaftli­ cher Betriebe fußt hingegen in allen Anerbenrechten sowie im BGB-Landgut­ erbrecht und dem Zuweisungsverfahren im Grundstücksverkehrsgesetz auf dem Grundgedanken, dass der Betrieb im Erbgang möglichst in der Hand einer Person erhalten wird, die in der Lage und willens ist, den Betrieb auch weiterhin als Einheit landwirtschaftlich zu bewirtschaften. Abstrakt lassen sich zwei landwirtschaftserbrechtliche16 Mittel herausarbeiten, durch die eine solche Erhaltung gewährleistet beziehungsweise gefördert wird: Die Zuweisung des Eigentums am Hof an eine einzige Person als erste Säule und verringerte Abfindungsansprüche der weichenden Miterben als zweite Säule. Die erste Säule wird in den einzelnen Gesetzen entweder ausgestaltet als eine Singularsukzession17 in das Hofvermögen des Erblassers, ein Übernah­ merecht18 in Bezug auf den Hof für nur eine einzige Person oder durch die gerichtliche Zuweisung19 des Hofes an eine einzelne Person. Hierdurch wird in: HAR, Stichwort „Anerbenrecht“, Sp. 259. Art. 64 EGBGB Rn. 23. 16  Neben den hier thematisierten erbrechtlichen Mitteln zur Betriebserhaltung sind zudem weitere Maßnahmen denkbar, beispielsweise eine verringerte Erbschafts­ steuer oder Subventionen für die Betriebsübernehmer zur Aufbringung der Miterben­ abfindungen, vgl. zu diesen Mitteln Schwarz, Das Verhältnis zwischen dem Landwirt­ schaftserbrecht und dem allgemeinen Erbrecht des BGB, S. 99. 17  Nach § 4 S. 1 HöfeO, § 4 S. 1 BbgHöfeOG, § 9 BremHöfeG und § 14 HöfeORhPf. 18  Nach § 10 BadHofgüterG und § 11 HessLandgüterO. 19  Nach § 13 GrdstVG und § 14 HessLandgüterO. 14  Kreuzer,

15  Staudinger/Mittelstädt,

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C. Konzeption des landwirtschaftlichen Erbrechts und Normzwecke

sichergestellt, dass durch den Erbfall nicht mehrere Personen Eigentümer des Betriebs werden und dieser in der Folge aufgeteilt wird. Allerdings kann diese Zuweisung des Eigentums am Betrieb an eine ein­ zige Person für sich genommen nicht mit Sicherheit verhindern, dass dieser im Erbgang zerschlagen wird: Müsste der Erbe beziehungsweise Übernehmer des landwirtschaftlichen Betriebs den übrigen Miterben eine Abfindung zah­ len, die sich am tatsächlichen (Verkehrs-)Wert des Hofes orientiert, würde dies in vielen Fällen dazu führen, dass der neue Hofeigentümer zur Aufbrin­ gung der Abfindungssummen Teile des Betriebs veräußern müsste. Häufig gehören zu einem landwirtschaftlichen Betrieb nämlich Grundflächen, Wirt­ schaftsgebäude und wertvolle Gerätschaften, die zu einem hohen (hypotheti­ schen) Verkaufserlös und damit Verkehrswert führen. Hinzu kommt, dass aufgrund der starken Nachfrage auf dem Grundstücksmarkt die Verkehrs­ werte für Grund und Boden zusätzlich in die Höhe getrieben werden. Ein Ansatz des Betriebs mit dem Verkehrswert würde daher zu hohen Abfin­ dungs- und Pflichtteilsansprüchen der weichenden Miterben führen. Aller­ dings sind die von den Betrieben erwirtschafteten Erträge verglichen mit den Verkehrswerten verhältnismäßig gering, sodass eine Aufbringung der Summe aus den laufenden Erträgen für den Erben beziehungsweise Übernehmer des Betriebs nur schwer möglich ist.20 Daher würde bei einer Bemessung der Miterbenabfindungen anhand des Verkehrswertes vielfach eine Zerschlagung des landwirtschaftlichen Betriebs drohen. Um dies zu verhindern und die landwirtschaftlichen Betriebe als Wirtschaftseinheit zu erhalten, wird als zweite Säule der landwirtschaftliche Betrieb – mit im Einzelnen unterschied­ lichen Berechnungsmethoden – bei der Berechnung der Abfindungs- und Pflichtteilsansprüche deutlich niedriger angesetzt als dies nach den allgemei­ nen erbrechtlichen Vorschriften des BGB der Fall ist.21 Der Wert orientiert sich dabei in den landesrechtlichen Anerbengesetzen (mit Ausnahme des Brandenburgischen Höfeordnungsgesetzes) und im BGB-Landguterbrecht am Ertragswert des Hofes. Die Höfeordnung stellt gemäß § 12 HöfeO auf den noch niedrigeren steuerlichen Einheitswert ab. In Brandenburg ist gemäß 20  So lag etwa in Niedersachsen der durchschnittliche Kaufpreis pro Hektar Land­ fläche im Jahr 1999 bei 25.000 DM und der Veräußerungserlös aus dem Boden minus Abfindungen und Altenteilsleistungen aus einem Hektar Landfläche bei 943 DM; im Nordrhein-Westfalen lag die Relation bei einem durchschnittlichen Kaufpreis von 51.000 DM pro Hektar Landfläche zu 1.490 DM Veräußerungserlös; vgl. zur Gegen­ überstellung der Werte und für die Relationen in weiteren Bundesländern Doll/Fasterding/Klare, Einfluß des Erbrechts und der Bodenpolitik auf die Organisation und Wettbewerbsfähigkeit landwirtschaftlicher Betriebe in Deutschland, Tab. 1, S. 8. 21  Ein vom Verkehrswert abweichender Wertansatz landwirtschaftlicher Betriebe findet statt in der Höfeordnung, den landesrechtlichen Anerbengesetzen, § 16 GrdstVG, den §§ 1376 Abs. 3, 1515 Abs. 2, 2049 und 2312 BGB sowie § 19 Abs. 4 KostO.



IV. Zwecke der landwirtschaftserblichen Sondergesetzgebung63

§ 12 Abs. 2 BbgHöfeOG der Ersatzwirtschaftswert im Sinne der §§ 125– 128 BewG sowie für Wohngebäude der Verkehrswert maßgeblich. Nach der Gesetzesbegründung zu § 2049 BGB fußt die Zugrundelegung des Verkehrs- und damit des Verkaufswertes im allgemeinen Erbrecht auf der Annahme, dass bei der Erbauseinandersetzung tatsächlich ein Verkauf statt­ finde, was jedoch bei Landgütern, welche als Einheit erhalten werden sollten, gerade nicht der Fall sei.22 Um das Landgut im Erbgang in der Familie des Erblassers zu erhalten, dürften die Beteiligten nicht zu einem Verkauf ge­ drängt werden, sondern man müsste durch die gesetzlichen Rahmenbedin­ gungen dafür sorgen, dass das Landgut als Ganzes erhalten bleiben kann. Da vom Bundesverfassungsgericht klargestellt wurde, dass die Anerbengesetze gleiche Zielsetzungen verfolgen wie § 2049 BGB, kann diese Begründung auf die übrigen Regelungen zur Vererbung landwirtschaftlicher Betriebe übertragen werden.23 Die zwei Säulen zur Erhaltung landwirtschaftlicher Betriebe im Erbgang sind in den einzelnen Anerbenrechten sowie im BGB-Landguterbrecht im Detail unterschiedlich ausgestaltet und auch unterschiedlich stark ausgeprägt. Die Einzelheiten hierzu werden in den nachfolgenden Kapiteln ausführlich thematisiert. Durch beide Säulen zur Betriebserhaltung im Erbgang – in besonderem Maße durch die zweite Säule der Abfindungsprivilegierungen – wird der Allgemeine Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG berührt. Die Privilegie­ rung des Hoferben gegenüber den weichenden Miterben bedarf daher in verfassungsrechtlicher Hinsicht einer besonderen Rechtfertigung.24

IV. Zwecke der landwirtschaftserblichen Sondergesetzgebung Keines der landwirtschaftlichen Sondererbrechte mit Ausnahme des Bran­ denburgischen Höfeordnungsgesetzes25 enthält eine explizite Definition sei­ Materialien zum BGB I, S. 186. 67, 348 (367). 24  Die landwirtschaftlichen Sondererbrechte sollen im Rahmen dieser Arbeit nicht unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten, speziell der Vereinbarkeit mit Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 14 Abs. 1 GG, beleuchtet werden; vgl. zu dieser Thematik aus­ führlich unter anderem Mönig, Landwirtschaftliches Sondererbrecht im Lichte von Verfassung und Rechtspolitik, S. 99 ff.; Staudinger/Mittelstädt, Art. 64 EGBGB Rn.  128 ff. 25  Dieses regelt in § 1 Abs. 1 BbgHöfeOG: „Das Gesetz dient der Erhaltung und zukunftsfähigen Weiterentwicklung bäuerlicher Betriebe im Land Brandenburg, in­ dem es Voraussetzungen für eine wirtschaftlich stabile Hofübergabe an die nachfol­ gende Generation schafft. Es dient damit der Stärkung ortsansässiger Landwirte, einer 22  Mugdan,

23  BVerfGE

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C. Konzeption des landwirtschaftlichen Erbrechts und Normzwecke

ner Zielsetzungen. Allerdings wird im Rahmen einiger Gesetze im Kontext der Nachabfindungsansprüche darauf verwiesen, dass die weichenden Erben einen Anspruch auf nachträgliche Beteiligung an Gewinnen oder Erlösen haben, wenn der Betrieb auf andere Weise genutzt wird als für den Zweck der Übernahme: In § 18 Abs. 1 HessLandgüterO und § 17 Abs. 1 GrdstVG wird auf Gewinne abgestellt, „die den Zwecken der Übernahme fremd“ sind; in § 13 HöfeO und § 13 BbgHöfeOG lautet die amtliche Überschrift „Ergän­ zung der Abfindung wegen Wegfalls des höferechtlichen Zwecks“. Wenn es eine Vorschrift gibt, in der Rechtsfolgen für das Entfallen des Privilegie­ rungszwecks geregelt werden, bedeutet dies im Umkehrschluss, dass bei den im Regelungszusammenhang mit dieser Vorschrift stehenden Normen der landwirtschaftserbrechtliche Zweck ebenfalls zugrunde gelegt wird. Somit ist sowohl bei der Bestimmung des Hoferben als auch bei der Berechnung der Abfindung der weichenden Erben dieser Zweck ebenfalls maßgebliches Kri­ terium. Eine explizite Definition des höferechtlichen Zwecks wurde jedoch auch in den jeweiligen Gesetzesbegründungen nicht vorgenommen. Das Bundesverfassungsgericht hat sich jedoch in einer Reihe von Ent­ scheidungen mit der Frage befasst, aus welchen Gründen die Sonderregelun­ gen in Bezug auf die Vererbung landwirtschaftlicher Betriebe gerechtfertigt ist. Aus diesen Grundsatzentscheidungen lassen sich bestimmte durch das landwirtschaftliche Sondererbrecht verfolgte rechtspolitische Zwecke ablei­ ten. Die Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts beziehen sich dabei auf jeweils unterschiedliche Gesetze, behandeln aber alle im Kern die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Privilegierung landwirtschaftlicher Betriebe: Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1963 bezieht sich auf den Vorrang des männlichen Geschlechts bei der gesetzlichen Erbfolge in der Höfeordnung.26 Die Entscheidung aus dem Jahr 1984 befasst sich mit der Verfassungsmäßigkeit der Bewertung landwirtschaftlicher Betriebe auf Grundlage des Ertragswerts im Ehegüterrecht nach § 1376 Abs. 4 BGB in Verbindung mit § 2049 BGB.27 In der Entscheidung aus dem Jahr 1994 geht es schließlich um die Verfassungsmäßigkeit der Privilegierung des Zuwei­ sungsempfängers in den §§ 13 ff. GrdstVG.28 Das Bundesverfassungsgericht weist in seinem Beschluss zur Ertragswertbewertung landwirtschaftlicher Betriebe beim Zugewinnausgleich darauf hin, dass durch diese Regelungen das gleiche Ziel wie in der Höfeordnung verfolgt wird.29 Auch die Zielset­ breiten Streuung des Eigentums und einer ausgewogenen Agrarstruktur im Land Brandenburg.“ 26  BVerfGE 15, 337. 27  BVerfGE 67, 348. 28  BVerfGE 91, 346. 29  BVerfGE 67, 348 (367).



IV. Zwecke der landwirtschaftserblichen Sondergesetzgebung65

zung des Zuweisungsverfahrens im Grundstücksverkehrsgesetz entspricht nach den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts den Zielsetzungen der Höfeordnung und der landesrechtlichen Anerbengesetze.30 Dies bedeu­ tet, dass die durch die Regelungen verfolgten legitimen Zwecke in allen Regelungen, die eine Sonderbehandlung und -bewertung landwirtschaftlicher Betriebe anordnen, einander im Ergebnis entsprechen. Es ist jedoch zu be­ achten, dass die Gewichtung der einzelnen Normzwecke nicht in allen Rege­ lungen gleich ist. So sind etwa im Rahmen des BGB-Landguterbrechts die privaten Interessen an der geschlossenen Erhaltung der Betriebe in der Hand der Familie aufgrund der ausdrücklichen Anordnung des Erblassers höher zu bewerten als die staatlichen und öffentlichen Interessen.31 An dieser Stelle werden zunächst ausschließlich die Zwecksetzungen er­ läutert, die von den Gerichten in der Vergangenheit für das Landwirtschafts­ erbrecht aufgestellt wurden. Fußend auf diesen Normzwecken wird in Ab­ schnitt D. beleuchtet, ob die bestehenden Normen zur Vererbung landwirt­ schaftlicher Betriebe in ihrer jetzigen Form dem dargelegten landwirtschafts­ erbrechtlichen Zweck gerecht werden.32 Anhand der gewonnen Erkenntnisse soll im Anschluss daran erörtert werden, ob die genannten Zwecksetzungen in der heutigen Zeit noch in gleicher Weise von Bedeutung sind oder ob sie angesichts der derzeitigen Situation beziehungsweise Entwicklung der Land­ wirtschaft in Deutschland zum Teil weggefallen, zu aktualisieren oder um weitere Faktoren zu ergänzen sind.33 Mönig teilt die Begründungen für die Privilegierung landwirtschaftlicher Betriebe im Erbgang in drei Kategorien ein: die Besonderheit der Landwirt­ schaft, öffentliche Interessen und private Interessen.34 Diese Einteilung der Begründungsansätze wird nachfolgend übernommen und die Begründungen in den gerichtlichen Entscheidungen werden den jeweiligen Kategorien zuge­ ordnet. Es ist dabei zu beachten, dass die Unterteilung und getrennte Be­ handlung der Normzwecke nicht bedeutet, dass diese tatsächlich separat voneinander zu betrachten sind. Vielmehr bedingen sich die einzelnen An­ sätze gegenseitig und gehen zum Teil fließend ineinander über. 30  BVerfGE 91, 346 (356); allerdings weist das Gericht hier auch darauf hin, dass die Erwägungen aus BVerfGE 67, 348 aufgrund der unterschiedlichen zugrundelie­ genden schutzwürdigen Belange (tatsächlich und rechtlich ungesicherte Erbchance in BVerfGE 91, 346 und Zugewinnausgleich in BVerfGE 67, 348 andererseits) nicht übertragbar sind. 31  Ausführlich zu den einzelnen Normzwecken und ihrem Verhältnis zueinander Hausmann, Die Vererbung von Landgütern nach dem BGB, S. 26 ff. m. w. N. 32  Hierzu auf S. 71 ff. 33  Hierzu auf S. 180 ff. 34  Mönig, Landwirtschaftliches Sondererbecht im Lichte von Verfassungsrecht und Rechtspolitik, S. 101 ff.

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C. Konzeption des landwirtschaftlichen Erbrechts und Normzwecke

1. Besonderheit der Landwirtschaft Das Bundesverfassungsgericht begründet die Sonderregelungen für die Behandlung landwirtschaftlicher Betriebe im Erbgang und der privilegierten Bewertung zunächst damit, dass bei einer Mehrheit der Landwirte eine starke innere Bindung an Grund und Boden bestünde.35 Die Grundannahme der Rechtsprechung zur Privilegierung der Landwirtschaft gegenüber anderen Gewerbebetrieben ist weiterhin, dass landwirtschaftliche Betriebe sich von diesen vor allem auch durch eine faktische Bindung an Grund und Boden unterscheiden: In der Landwirtschaft sind die Grundflächen nicht nur Stand­ ort für die Produktion von Gütern, sondern selbst wesentlicher Produktions­ faktor.36 Da Grund und Boden nicht vermehrbar ist, würde landwirtschaftli­ chen Betrieben in ihrer Weiterentwicklung von Natur aus Schranken gesetzt. Es handele sich dabei um ein Betriebsrisiko eigener Art, durch welches die Landwirtschaft nach Begründung der Gerichte in natürlicher und wirtschaft­ licher Hinsicht gegenüber anderen Gewerbearten benachteiligt sei. Aufgrund der Nutzung des Bodens als Produktionsfaktor weichen in der Landwirtschaft zudem die Ertragswerte stärker von den Verkehrswerten ab als dies bei ande­ ren Unternehmensformen, die Grundflächen lediglich als Standort nutzen, der Fall ist. Aus diesem Grund soll landwirtschaftlichen Betrieben durch die Verringerung der Übernahmelast im Erbgang gewissermaßen ein Ausgleich für diese sich aus den natürlichen Verhältnissen und der Abhängigkeit von der Natur resultierende Benachteiligung geboten werden. Durch diese Argumentation lässt sich die unterschiedliche rechtliche Be­ handlung von landwirtschaftlichen Betrieben gegenüber anderen Industrieund Gewerbebetrieben im Erbgang rechtfertigen. Sie ist jedoch nicht ausrei­ chend als Begründung dafür, warum eine Erhaltung der Betriebe durch die Privilegierung des Hoferben im Erbgang sowohl wirtschaftlich als auch ge­ sellschaftlich als vorteilhaft angesehen wird. Aus diesem Grund werden vom Bundesverfassungsgericht noch weitere öffentliche und private Zwecksetzun­ gen angeführt.

35  BVerfGE 67, 348 (367); BVerfGE 91, 346 (364); auch in BVerfGE 28, 227 (240) in Bezug auf die Vereinbarkeit der unterschiedslosen Privilegierung von Land­ wirten bei der steuerlichen Erfassung von Gewinnen aus der Veräußerung von Grund und Boden mit dem Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG. 36  BVerfGE 28, 227 (240); BVerfGE 67, 348 (367); BVerfGE 91, 346 (364); die strukturellen Besonderheiten landwirtschaftlicher Betriebe gegenüber anderen ge­ werblichen Betrieben wird vom Bundesverfassungsgericht auch in BVerfG NJW 2016, 303 (316) in Bezug auf die Verfassungsmäßigkeit der Privilegierung des Be­ triebsvermögens im Rahmen der Erbschaftssteuer aufgegriffen.



IV. Zwecke der landwirtschaftserblichen Sondergesetzgebung67

2. Öffentliche Interessen an der Privilegierung landwirtschaftlicher Betriebe im Erbgang Die Erhaltung landwirtschaftlicher Betriebe im Erbgang dient nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vorrangig öffentlichen Inte­ ressen. In der ersten umfassenden Entscheidung des Bundesverfassungsge­ richts nach der Schaffung der Höfeordnung führte das Gericht dieses öffent­ liche Interesse folgendermaßen aus: „Mit dieser Sondernachfolge in einen bestimmten Teil des Vermögens sollen nicht etwa privatwirtschaftliche Inte­ressen des Hoferben gefördert werden. Die Rege­ lung dient vielmehr dem öffentlichen Interesse an der Erhaltung leistungsfähiger Höfe in bäuerlichen Familien, um die Volksernährung sicherzustellen. Sie wirkt deshalb der Zerschlagung bäuerlicher Betriebe, der Zersplitterung des Bodens und der bei der Abfindung der weichenden Erben drohenden Gefahr der Überschuldung entgegen.“37

Diese Ausführungen des Gerichts lassen sich in verschiedene Einzel­ aspekte einteilen, die in späteren Entscheidungen teils bestätigt und teils um weitere Aspekte ergänzt wurden: a) Öffentliches Interesse an der Erhaltung leistungsfähiger Höfe im Erbgang Die Abweichung von den allgemeinen Regelungen des bürgerlichen Rechts dient nach Begründung des Bundesverfassungsgerichts zunächst dem öffent­ lichen Interesse an der Erhaltung leistungsfähiger Höfe.38 Durch die Abwei­ chungen vom allgemeinen Erbrecht sollen die Betriebe im Erbgang als Ein­ heit erhalten werden, um so eine agrarpolitisch unerwünschte Aufteilung zu verhindern.39 Die Eigentumsübertragung an eine einzige Person würde dabei gegenüber dem allgemeinen Erbrecht des BGB den Vorteil bieten, dass die Bewirtschaftung durch den Erblasser nicht in eine Bewirtschaftung übergeht, „bei der eine Mehrheit von Personen, die oft nicht alle genügende landwirt­ schaftliche Kenntnisse und Erfahrung besitzen, über die Nutzung eines Be­ triebs zu entscheiden hat.“40

37  BVerfGE

15, 337 (342). 15, 337 (342); BVerfGE 67, 348 (367); BVerfGE 91, 346 (356). 39  Dies wurde ebenfalls in der 1. Wahlperiode des Bundestags in der Gesetzesbe­ gründung zum Grundstücksverkehrsgesetz (BT-Drucks. 3/119, S. 119) sowie im zuge­ hörigen Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (BTDrucks. 3/2635, S. 1) als Ziel formuliert. 40  BT-Drucks. 3/2635, S. 3 zum Zuweisungsverfahren im Grundstücksverkehrsge­ setz. 38  BVerfGE

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C. Konzeption des landwirtschaftlichen Erbrechts und Normzwecke

b) Agrarpolitisches Ziel der Sicherung der Bevölkerungsernährung Darüber hinaus hat des Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zur Höfeordnung aus dem Jahr 1963 noch das öffentliche Interesse der Sicher­ stellung der „Volksernährung“41 angeführt.42 Die Begründung, dass durch die Sonderregelungen für landwirtschaftliche Betriebe im öffentlichen Interesse die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln sichergestellt werden soll, wurde in den späteren Entscheidungen des Bundesverfassungs­ gerichts nicht erneut aufgegriffen. c) Familienerbrechtliches Ziel der Erhaltung landwirtschaftlicher Betriebe in bäuerlichen Familien Eine weitere, in allen zitierten Grundsatzentscheidungen vorgebrachte Rechtfertigung für die Privilegierung landwirtschaftlicher Betriebe im Erb­ gang ist das familienerbrechtliche Ziel, landwirtschaftliche Betriebe in bäuer­ lichen Familien zu erhalten.43 In Bezug auf diesen Gesichtspunkt dürfte wohl am ehesten der Teilaspekt der Erhaltung von Familienbetrieben als ge­ sellschaftliches Ziel im öffentlichen Interesse liegen. Das familienerbrecht­ liche Ziel der Erhaltung von Familienbesitz innerhalb der Familie hingegen ist vielmehr als privates Interesse einzuordnen.44 d) Öffentliches Interesse an der Erhaltung und Pflege der Kulturlandschaft Der in der Stellungnahme des Bundesministers der Justiz in der Bundes­ verfassungsgerichtsentscheidung von 1984 genannte Gesichtspunkt der Er­ haltung und Pflege der Kulturlandschaft als übergeordnetes Ziel des land­ wirtschaftlichen Erbrechts wurde vom Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss nicht als Zwecksetzung anerkannt.45 Allerdings wurde in der Gesetzesbegründung im Rahmen der Reform des Erbschaftssteuer- und Bewertungsrechts 2008 darauf hingewiesen, dass durch Sonderregelungen für land- und forstwirtschaftliche Betriebe nicht nur eine Erhaltung der Betriebe aus ökonomischen Gründen bezweckt werde, sondern 41  BVerfGE

15, 337 (342). 15, 337 (342); dieser Aspekt wurde von BGH zudem in einer Ent­ scheidung aus dem Jahr 1992 vorgebracht, BGH RdL 1992, 217 (218). 43  BVerfGE 15, 337 (342); BVerfGE 67, 348 (367); BVerfGE 91, 348 (361). 44  Hierzu sogleich unter dem Punkt des privaten Interesses an der Privilegierung landwirtschaftlicher Betriebe. 45  BVerfGE 67, 348 (358). 42  BVerfGE



IV. Zwecke der landwirtschaftserblichen Sondergesetzgebung69

auch aus den zunehmend an Bedeutung gewinnenden Gründen des Umwelt­ schutzes.46 In seiner Entscheidung zur Privilegierung des Betriebsvermögens bei der Erbschaftssteuer aus dem Jahr 2015 weist auch das Bundesverfas­ sungsgericht darauf hin, dass die erbschafts- und schenkungssteuerliche Pri­ vilegierung neben dem Schutz vor Liquiditätsentzug auch durch den von den Betrieben erbrachten ökologischen Beitrag legitimiert sei.47 Die Aufnahme des Umweltschutzes in neuere Gesetzesbegründungen sowie Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zeigt, dass sich hier möglicherweise eine Verschiebung in der Bedeutung der Zwecksetzungen abzeichnet. 3. Private Interessen an der Privilegierung landwirtschaftlicher Betriebe Wie das Bundesverfassungsgericht bereits in seinem Beschluss aus dem Jahr 1963 betonte, kann das private Interesse des Hoferben an der ungeteil­ ten Übernahme keine Rechtfertigung für die Ungleichbehandlung der Erben im Rahmen des Landwirtschaftserbrecht sein.48 Auch im Zusammenhang mit dem geringeren Wertansatz des Betriebs im Rahmen des Zugewinnausgleichs wurde das privatwirtschaftliche Interesse des Betriebsinhabers an einer mög­ lichst geringen Zugewinnausgleichszahlung nicht als Rechtfertigung aner­ kannt.49 Im Gegensatz zum privaten Interesse des Hoferben an der geschlossenen Vererbung vermögen jedoch private Interessen des Erblassers – genauer die Erhaltung des Familienbesitzes als Einheit – die Privilegierung landwirt­ schaftlicher Betriebe im Erbgang zu rechtfertigen. Zwar betont das Gericht, dass die Bestrebung des Erblassers, wenigstens für einen der Nachkommen eine ausreichende Lebensgrundlage zu schaffen, kein hinreichendes Ziel sei, da dies letztlich für jede ungleiche Verteilung eines Nachlasses unter den Erben Begründung sein könne.50 Allerdings komme in der geschlossenen Vererbung des Betriebs an einen einzigen Hoferben das Bestreben zum Ausdruck, den Familienbesitz auch in der Familie als Einheit zu erhalten. Dieses private Interesse an der geschlossenen Vererbung wird vom Bundes­ verfassungsgericht in der jüngsten Entscheidung51 besonders stark themati­ 46  BT-Drucks.

16/7918, S. 23. NJW 2015, 303 (317). 48  BVerfGE 15, 337 (342). 49  BVerfGE 67, 348 (367). 50  BVerfGE 91, 346 (360). 51  Dies ist die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1994; BVerfGE 91, 346 (360). 47  BVerfG

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C. Konzeption des landwirtschaftlichen Erbrechts und Normzwecke

siert.52 In Bezug auf das BGB-Landguterbrecht beschreibt Kegel das private Interesse damit, dass dem Erben „die Fortsetzung des Betriebs ermöglicht werden [soll], wenn das dem Willen des Erblassers entspricht.“53 Der Hof­ erbe soll, wenn der Erblasser dies wünscht, den Betrieb erhalten und fort­ führen können, ohne eine Überschuldung durch die Aufbringung der Abfin­ dungsansprüche befürchten zu müssen.

52  Dies könnte für eine Veränderung in der Bewertung der einzelnen Zielsetzungen sprechen, die unter anderem auf die veränderten Bedingungen in der Landwirtschaft zurückzuführen ist, vgl. Mönig, Landwirtschaftliches Sondererbrecht im Lichte von Verfassungsrecht und Rechtspolitik, S. 6; zur Veränderung der einzelnen Begründungs­ aspekte und ihrer Bedeutung in der heutigen Zeit sogleich auf S. 180 ff. 53  Kegel, in: FS für Cohn, S. 85 (105).

D. Vererbung landwirtschaftlicher Betriebe und Berücksichtigung der Rechte der weichenden Miterben Nachfolgend soll die Ausgestaltung der beiden Säulen zur Erhaltung land­ wirtschaftlicher Betriebe im Erbgang im Rahmen der einzelnen landwirt­ schaftlichen Sondergesetze erläutert werden. Die Bestimmung des Hof­ erben (I.) sowie die rechtsdogmatische Ausgestaltung des Eigentumsüber­ gangs (II.) betreffen dabei die erste Säule, also die Erhaltung der Betriebe im Eigentum einer einzigen Person. Die Frage nach den Ansprüchen der wei­ chenden Miterben (III.) beschäftigt sich mit den Abfindungsprivilegien als zweiter Säule der geschlossenen Erhaltung landwirtschaftlicher Betriebe im Erbgang. Es erfolgt in jedem Unterkapitel zunächst eine Darstellung der Ausgestaltung der Höfeordnung1, um die Systematik und Besonderheiten der Anerbenrechte zu erarbeiten. Danach wird darauf eingegangen, inwieweit die beschriebenen Prinzipien auch im BGB-Landguterbrecht und ggf. im Zuwei­ sungsverfahren nach dem Grundstücksverkehrsgesetz aufgegriffen werden und wie die beiden Säulen zur Erhaltung landwirtschaftlicher Betriebe im Erbgang hier ausgestaltet sind.

I. Bestimmung des Hoferben Die Regelungsdichte in Bezug auf die Bestimmung des Hoferben oder -übernehmers ist innerhalb der Anerbenrechte und im BGB-Landguterbrecht unterschiedlich hoch. Während die Höfeordnung präzise und ausdifferen­ zierte Vorschriften zu diesem Bereich enthält, gibt es hierzu im Rahmen des BGB-Landguterbrechts nahezu keine gesetzlichen Regelungen.

1  Der Übersichtlichkeit halber wird die Systematik der Anerbengesetze exempla­ risch anhand der nordwestdeutschen Höfeordnung, welche räumlich und quantitativ den größten Anwendungsbereich unter den Anerbenrechten hat, dargelegt. Auf rele­ vante Abweichungen oder Besonderheiten der landesrechtlichen Anerbengesetze wird jeweils an entsprechender Stelle hingewiesen.

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D. Vererbung landwirtschaftlicher Betriebe

1. Erbenbestimmung nach der Höfeordnung a) Anwendbarkeit der Höfeordnung Für die Anwendbarkeit der besonderen Vorschriften der Höfeordnung sind vom Betrieb zunächst eine Reihe besonderer Voraussetzungen zu erfüllen. Diese sind in § 1 Abs. 1 HöfeO normiert: Es muss eine land- oder forstwirt­ schaftliche Besitzung im Geltungsbereich der Höfeordnung mit einer zur Bewirtschaftung geeigneten Hofstelle (Hof im Sinne der Höfeordnung)2 gegeben sein, die im Alleineigentum einer natürlichen Person oder im ge­ meinschaftlichen Eigentum von Ehegatten (Ehegattenhof) steht oder zum Gesamtgut einer fortgesetzten Gütergemeinschaft gehört.3 Sind diese Voraus­ setzungen nicht erfüllt, gilt das Erbrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Bei Vorliegen der besonderen Voraussetzungen4 und einer entsprechenden ­Anordnung des Erblassers sind zudem die Sondervorschriften der §§ 2049, 2312 BGB anwendbar. aa) Örtlicher Anwendungsbereich Nach dem Wortlaut des § 1 Abs. 1 S. 1 HöfeO muss die Besitzung in ei­ nem der Bundesländer Hamburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen oder Schleswig-Holstein belegen sein. Wird die Hofstelle von einem dieser vier Höfeordnungsländer aus betrieben, ist die Höfeordnung auch auf sog. Aus­ märkergrundstücke anwendbar.5 Dabei handelt es sich um Grundstücke, die Teil eines Hofes im Geltungsgebiet der Höfeordnung sind, selbst aber in ei­ nem benachbarten Bundesland liegen.6 Dies ist gesetzlich nicht ausdrück­ lich geregelt, wird aber vom Bundesgerichtshof unter Bezugnahme auf die historische Entwicklung des landwirtschaftlichen Erbrechts als Gewohnheits­ recht anerkannt, das wie auch die landesrechtlichen Anerbengesetze ebenfalls durch Art. II KRG Nr. 45 wieder in Kraft gesetzt wurde.7

2  Die Bezeichnungen unterscheiden in den einzelnen Anerbengesetzen: „Hof“ (HöfeO, BbgHöfeOG, BremHöfeG, HöfeO-RhPf), „Hofgut“ (BadHofgüterG), „Land­ gut“ (HessLandgüterO), „Anerbengut“ (WürttAnerbenG). 3  Die übrigen Anerbenrechte weisen ähnliche Anwendungsvoraussetzungen auf. Auf etwaige relevante Abweichungen von der Höfeordnung wird an gegebener Stelle hingewiesen. 4  Zu diesem Voraussetzungen ausführlich auf S. 157 ff. 5  Wöhrmann/Graß, Landwirtschaftsrecht, § 1 HöfeO Rn. 49. 6  Lüdtke-Handjery/v. Jeinsen/Brinkmann, HöfeO, § 1 Rn. 3. 7  BGH NJW 1957, 259 (260).



I. Bestimmung des Hoferben73

bb) Sachlicher Anwendungsbereich Die Bestimmung des sachlichen Anwendungsbereichs der Höfeordnung sowie der landesrechtlichen Anerbengesetze ist vor allem aus verfassungs­ rechtlichen Gründen von hoher Bedeutung. An dieser Stelle erfolgt die Ab­ grenzung zwischen schutzwürdigen und nicht mehr schutzwürdigen Betrie­ ben und somit auch die Entscheidung darüber, ob einer der Erben gegenüber den anderen privilegiert wird beziehungsweise werden kann. (1) Land- oder forstwirtschaftliche Besitzung Damit der Betrieb in den sachlichen Anwendungsbereich der Höfeordnung fällt, muss es sich nach § 1 Abs. 1 S. 1 HöfeO um eine land- oder forstwirt­ schaftliche Besitzung handeln. (a) Land- oder forstwirtschaftlicher Betriebscharakter Hierzu ist zunächst erforderlich, dass ein land- oder forstwirtschaftlicher Betriebscharakter besteht. In der Höfeordnung selbst gibt es keine Legaldefi­ nition des Begriffs der Landwirtschaft. Nach der herrschenden Literaturan­ sicht kann zur Orientierung auf die Legaldefinition in § 1 Abs. 2 GrdstVG8 zurückgegriffen werden.9 Danach ist Landwirtschaft die Bodenbewirtschaf­ tung und die mit der Bodennutzung verbundene Tierhaltung, um pflanzliche oder tierische Erzeugnisse zu gewinnen, besonders der Ackerbau, die Wie­ sen- und Weidewirtschaft, der Erwerbsgartenbau, der Erwerbsobstbau und der Weinbau sowie die Fischerei in Binnengewässern.10 Die Forstwirtschaft als selbstständige Nutzungsmodalität11 umfasst die Besetzung des Bodens mit Holzpflanzen.12 8  Diese Definition der Landwirtschaft stimmt im Wesentlichen überein mit dem Begriff der Landwirtschaft in der Militärregierungsverordnung Nr. 84, § 585 Abs. 1 S. 1 BGB sowie § 201 BauGB, sodass zum Teil auch auf diese Normen Bezug ge­ nommen wird, vgl. Faßbender/Hötzel/v. Jeinsen//Pikalo/‌Faßbender, HöfeO, § 1 Rn. 3. 9  Wöhrmann/Graß, Landwirtschaftserbrecht, § 1 HöfeO Rn. 11; MAH AgrarR‌ / v. Garmissen, § 11 Rn. 12; Lüdtke-Handjery/v. Jeinsen/Brinkmann, HöfeO, § 1 Rn. 9; Düsing/Martinez/Düsing/Sieverdingbeck, Agrarrecht, § 1 HöfeO Rn. 8; Steffen, ­AgrarR 1987, 124 (125). 10  Da es etwa 40 bundes- und landesgesetzliche Definitionen des Begriffs der Landwirtschaft gibt (vgl. Hötzel, in: HAR, Stichwort „Landwirtschaft“, Sp. 121), wird etwa von Steffen eine Begriffsbestimmung im Höferecht selbst gefordert, Steffen, AgrarR 1987, 123 (125). 11  Bezüglich der Unterstellung reiner Forstgüter unter die übrigen Anerbengesetze ist die Situation uneinheitlich: Gemäß § 1 Abs. 2 BbgHöfeOG und § 1 Abs. 2 Hess­ LandgüterO unterfallen reine Forstgüter ebenfalls dem jeweiligen Anerbengesetz.

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D. Vererbung landwirtschaftlicher Betriebe

Insbesondere angesichts der veränderten Produktionsformen und Bewirt­ schaftungsarten ist an dieser Stelle eine genaue Abgrenzung zu nicht mehr privilegierungswürdigen Betrieben erforderlich. Einschränkend sind deshalb nur solche Betriebe umfasst, bei denen Grund und Boden nach dem Gesamt­ eindruck wesentlicher Produktionsfaktor und nicht lediglich Standort der Produktion ist.13 Dass das Merkmal der Bodenbewirtschaftung für die Privi­ legierung landwirtschaftlicher Betriebe im Vordergrund stehen muss, ist da­ rauf zurückzuführen, dass insbesondere bei Grundflächen eine hohe Diskre­ panz zwischen dem Verkehrs- und dem Ertragswert besteht, die durch das landwirtschaftliche Sondererbrecht ausgeglichen werden soll.14 Nicht erfasst sind folglich solche Gewerbebetriebe, die allein auf die Be- und Verarbeitung von Agrarprodukten oder deren Umsatz ausgerichtet sind.15 Daher fallen nach der geltenden Rechtslage sowohl Betriebe, die ohne landwirtschaftlich genutzte Flächen betrieben werden (insbesondere Mastbetriebe),16 als auch solche, bei denen die Energiegewinnung (beispielsweise durch Photovoltaik­ anlagen) im Vordergrund steht,17 aus dem Anwendungsbereich der Höfeord­ nung heraus, da es sich hierbei um eine gewerbliche Nutzung des Grund und Bodens handelt. (b) Mischformen In der Praxis sind landwirtschaftliche Betriebe häufig mit sonstigen Hand­ werks-, Gewerbe und Industriebetrieben (beispielsweise Biogas- und Photo­ voltaikanlagen, Hofläden oder Lohnunternehmen) verbunden.18 Im Zuge der Diversifikation ihres Hofes betreiben viele Landwirte heute nicht nur Land­ wirtschaft, sondern verbinden diese etwa mit anderen Geschäftszweigen, wie beispielsweise „erneuerbaren Energien, Tourismus, Ruhewäldern, Lebens­

Nach § 2 Abs. 1 HöfeO-RhPf sowie §§ 2049 BGB und § 13 Abs. 1 S. 1 GrdstVG sind sie hingegen nicht erfasst. 12  Lüdtke-Handjery/v. Jeinsen/Brinkmann, HöfeO, § 1 Rn. 11. 13  Wöhrmann/Graß, Landwirtschaftserbrecht, § 1 HöfeO Rn. 11. 14  Köhne, AUR Beil. II/2003, 2 (5). 15  Düsing/Martinez/Düsing/Sieverdingbeck, Agrarrecht, § 1 HöfeO Rn. 10. 16  Lüdtke-Handjery/v. Jeinsen/Brinkmann, HöfeO, § 1 HöfeO Rn. 13. 17  BGH ZEV 2009, 568; Wöhrmann/Graß, Landwirtschaftserbrecht, § 1 HöfeO Rn. 11; Wöhrmann/Graß fordern zudem als weiteres entscheidendes Abgrenzungs­ merkmal, dass die auf dem Betrieb gewonnen Erzeugnisse als Nahrungsmittel für Mensch und Tier bestimmt sein müssen; dieses Kriterium ist angesichts der Vielge­ staltigkeit moderner landwirtschaftlicher Produktionsformen so jedoch nicht anzule­ gen. 18  Wöhrmann/Graß, Ladwirtschaftserbrecht, § 1 HöfeO Rn. 20.



I. Bestimmung des Hoferben75

mittelherstellung und regionaler Vermarktung.“19 Dies schließt keinesfalls die Anwendbarkeit der Höfeordnung auf den land- und forstwirtschaftlichen Betrieb aus. Vielmehr ist präzise abzugrenzen zwischen den einzelnen Be­ triebszweigen und zu entscheiden, welcher Betriebsteil jeweils prägend ist.20 Hierbei ist für die rechtliche Behandlung zu differenzieren zwischen Neben­ betrieben, gemischten Betrieben und Doppelbetrieben: Bei Nebenbetrieben dient die anderweitige Nutzung lediglich dazu, die Erträge des landwirtschaftlichen Betriebs zu fördern (beispielsweise bei Kä­ sereien, Brennereien oder Sägewerken), für den Bedarf des Hauptbetriebs zu arbeiten (etwa eine Werkstatt oder Schmiede) oder auf dem Betrieb Boden­ bestandteile zu gewinnen oder verarbeiten (beispielsweise Steinbrüche oder Ziegeleien).21 Werden überwiegend Erzeugnisse für den landwirtschaftlichen Betrieb hergestellt oder aus diesem verarbeitet und ist der Nebenbetrieb untrennbar mit dem Hauptbetrieb verbunden, teilt er auch das rechtliche ­ Schicksal des Hauptbetriebs und unterfällt somit ebenfalls der Höfeord­ nung.22 Bei gemischten Betrieben ist der nichtlandwirtschaftliche Teil der Nutzung im Gegensatz zum Nebenbetrieb nicht nur untergeordnet und dient nicht dem Hauptbetrieb.23 Allerdings sind die beiden Nutzungsarten hier so eng mitei­ nander verbunden, dass eine Trennung nicht möglich ist (beispielsweise bei einer Gastwirtschaft oder Anlagen zur Gewinnung regenerativer Energien).24 Der Betrieb wird entweder einheitlich nach Höferecht oder nach den Vor­ schriften des BGB vererbt. Es kommt für die Anwendbarkeit der Höfeord­ nung darauf an, ob der Hauptteil des Betriebs landwirtschaftlich genutzt wird und den Mindesteinheitswert des § 1 Abs. 1 HöfeO erreicht.25 Bei der Beur­ teilung regenerativer Energieanlagen, wie etwa Windkraft- oder Biogasanla­ gen, kommt es für die Unterscheidung zwischen Nebenbetrieb und gemisch­ tem Betrieb darauf an, ob die erzeugte Energie überwiegend für den eigenen Betrieb verwendet wird oder ob diese ins Stromnetz eingespeist wird. Wird die Energie in erster Linie für betriebliche Zwecke verwendet, handelt es sich um einen Nebenbetrieb. Wird sie hingegen vermarktet, handelt es sich

AUR 2020, 330 (331). ErbR 2009, 330 (333). 21  Faßbender/Hötzel/v. Jeinsen/Pikalo/Faßbender, HöfeO, § 1 Rn. 13. 22  Düsing/Martinez/Düsing/Sieverdingbeck, Agrarrecht, § 1 HöfeO Rn. 13. 23  Wöhrmann/Graß, Ladwirtschaftserbrecht, § 1 HöfeO Rn. 28. 24  Wöhrmann/Graß, Landwirtschaftserbrecht, § 1 HöfeO Rn. 24; BGH NJW 1967, 629 (630). 25  Ausführlich zur Abgrenzung und den hierfür einschlägigen Maßstäben auch Dingerdissen, ErbR 2009, 330 (335). 19  v. Garmissen,

20  Dingerdissen,

76

D. Vererbung landwirtschaftlicher Betriebe

um einen gemischten Betrieb, der nur dann dem Höferecht unterfällt, wenn die landwirtschaftliche Nutzung überwiegt.26 Bei einem Doppelbetrieb ist im Gegensatz zum gemischten Betrieb eine Trennung zwischen landwirtschaftlichem und gewerblichem Teil der Nut­ zung möglich, sodass aus diesem Grund auch eine Nachlassspaltung stattfin­ det, bei welcher jeder Teil des Betriebs nach dem jeweils einschlägigen Erbrecht vererbt wird.27 Ein Doppelbetrieb wurde vom OLG Hamm etwa angenommen bei einer Turbinenanlage auf einer nicht landwirtschaftlich ge­ nutzten und daher räumlich und wirtschaftlich abtrennbaren Grundstückspar­ zelle eines im Übrigen landwirtschaftlichen Betriebs.28 (c) Auswirkungen einer langfristigen Verpachtung auf die Hofeigenschaft Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist für eine landwirt­ schaftliche Besitzung über das Bestehen einzelner landwirtschaftlicher Grundflächen hinaus erforderlich, dass die Flächen eine wirtschaftliche Be­ triebseinheit bilden.29 Maßgeblich ist dabei, dass die Grundstücke durch die organisierende Tätigkeit eines Betriebsleiters bewusst und gewollt kraft Widmungsakt als Einheit zusammengefasst werden.30 Durch eine Heraus­ nahme der Besitzung aus dieser Betriebseinheit, entfällt auch die Hofeigen­ schaft. In der Praxis ist das wichtigste Problem in diesem Zusammenhang die Beurteilung der Hofeigenschaft von dauerhaft verpachteten Betrieben.31 Da eine Veräußerung oder Stilllegung des Betriebs steuerlich zu einer Auf­ deckung stiller Reserven und damit zur Pflicht der Versteuerung des Diffe­ renzbetrags zwischen Buch- und Verkehrswertes führt, wird ein Großteil der 26  In Hinblick auf den Wandel der wirtschaftlichen Betätigungsformen der moder­ nen Landwirtschaft und die zunehmende gesellschaftliche Bedeutung erneuerbarer Energien ist zudem eine Ausweitung des Anwendungsbereichs der Höfeordnung auf Anlagen zur Gewinnung regenerativer Energien anzudenken, sofern diese den land­ wirtschaftlichen Betrieb stützen; hierzu auch im Rahmen der Nachabfindungsansprü­ che bei der Gewinnung von erneuerbaren Energien auf S. 220 ff. 27  Faßbender/Hötzel/v. Jeinsen/Pikalo/Faßbender, HöfeO, § 1 Rn. 18; jedenfalls gilt dies dann, wenn der land- beziehungsweise forstwirtschaftliche Teil für sich ge­ nommen den erforderlichen Wirtschaftswert erreicht. 28  OLG Hamm AgrarR 1979, 19 (20). 29  BGH NJW 1953, 342; BGH AgrarR 2000, 227 (228). 30  Wöhrmann/Graß, Landwirtschaftserbrecht, § 1 HöfeO Rn. 7. 31  Durch den Agrarstrukturwandel nimmt die Gesamtzahl der Betriebe stetig ab – etwa von 2010 bis 2016 von etwa 299.100 auf 275.400 Betriebe und damit um 1,4 %, vgl. Agrarpolitischer Bericht der Bundesregierung 2019, Tab. 3, S. 138; in derselben Zeitspanne hat der Pachtanteil zumindest in den alten Bundesländern von 52,7 % auf 54,1 % zugenommen, vgl. Statistisches Jahrbuch über Ernährung, Landwirtschaft und Forsten 2020, Tab. 17, S. 29.



I. Bestimmung des Hoferben77

nicht mehr selbst bewirtschafteten Betriebe langfristig verpachtet und steuer­ rechtlich damit als ruhend eingeordnet.32 Es stellt sich daher die Frage, ob es sich bei einer langfristigen Verpachtung um eine Auflösung der Betriebsein­ heit handelt mit der Folge, dass der Betrieb nicht mehr als Hof im Sinne der Höfeordnung vererbt werden kann. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist das Vorliegen der Hofeigenschaft im Rahmen einer Gesamtwürdigung aller in Betracht kom­ menden Tatsachen objektiv zu beurteilen.33 Indizien könnten dabei etwa der bauliche Zustand des Betriebs oder die Länge der andauernden Verpachtung sein. Im Gegensatz zum OLG Oldenburg als Vorinstanz,34 das allein auf die objektive Möglichkeit der Wiederherstellung der Betriebseinheit durch den Hoferben abstellte, ist für den Bundesgerichtshof auch der Wille des Erblas­ sers, dass von der Hofstelle aus nie wieder Landwirtschaft betrieben werden soll, ein maßgeblicher Gesichtspunkt bei der Beurteilung.35 Das bedeutet, dass es sich bei einem verpachteten Betrieb noch um einen Hof im Sinne der Höfeordnung handelt, wenn dieser nach dem Willen des Erblassers nur vor­ übergehend ruht („entspannt“36) und aus der Substanz oder den Erträgen wiederaufgenommen („wiederangespannt“37) werden kann.38 Ist ein Wieder­ anspannen jedoch aufgrund der objektiven Umstände nicht mehr möglich, ist auch der Wille des Erblassers nicht maßgeblich und es liegt somit kein Hof im Sinne der Höfeordnung mehr vor. Die geschilderte Rechtsprechung steht somit im Einklang mit dem höfe­ rechtlichen Zweck, nach welchem eine Privilegierung des Hoferben unter Zurücksetzung der übrigen Erben nur möglich sein soll, um einen leistungs­ fähigen landwirtschaftlichen Betrieb in bäuerlichen Familien im Erbgang zu erhalten. Dieser Zweck wird nur erreicht, wenn ein Wiederanspannen des Betriebs tatsächlich gewollt und nach den Umständen des Einzelfalls auch noch möglich ist. Anderenfalls handelt es sich lediglich um eine im Rahmen der Höfeordnung nicht mehr schutzwürdige Vermögensverwaltung. Ange­ sichts des fortschreitenden Strukturwandels in der Landwirtschaft wird die langfristige Verpachtung von ganzen Betrieben auch künftig ein in der Praxis AUR 2019, 82 (83). NJW-RR 2014, 243 (247). 34  Die Entscheidung des OLG Oldenburg ist nicht veröffentlicht; die Rechtsauf­ fassung des Beschwerdegerichts ergibt sich jedoch auch aus dem anschließenden Beschluss des BGH, vgl. BGH NJW-RR 2014, 243 (247). 35  BGH NJW-RR 2014, 243 (247); der BGH weist hier zudem darauf hin, dass es für die Beurteilung gerade nicht auf die Person des Hoferben ankomme, da dessen Fähigkeit, den Betrieb wiederanzuspannen, eine Frage der Wirtschaftsfähigkeit sei. 36  BGH NJW-RR 2014, 243 (247). 37  BGH NJW-RR 2014, 243 (247). 38  Lange, AUR 2019, 82 (87). 32  Lange, 33  BGH

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D. Vererbung landwirtschaftlicher Betriebe

äußerst relevantes Thema sein, für das zwar in der Höfeordnung keine aus­ drücklichen Regelungen bestehen, aber von der Rechtsprechung mit den dargelegten Gesichtspunkten klare Beurteilungskriterien zur Abgrenzung aufgestellt wurden. (2) Geeignete Hofstelle Weitere Voraussetzung für einen Hof im Sinne der Höfeordnung ist nach § 1 Abs. 1 S. 1 HöfeO die Existenz einer geeigneten Hofstelle. Darunter ver­ steht man eine mit Wohn- und Wirtschaftsgebäuden bebaute Fläche, von der die Bewirtschaftung erfolgen kann und die den Mittelpunkt der Wirtschaft bildet.39 Hintergrund des Erfordernisses einer Hofstelle ist, dass die örtliche Zuständigkeit des Landwirtschaftsgerichts sich gemäß § 10 LwVG nach der Belegenheit der Hofstelle richtet.40 Es ist umstritten, ob das Bestehen eines Wohngebäudes notwendiges Kri­ terium für eine Hofstelle ist.41 Dafür spricht in erster Linie, dass ein Wohn­ haus erforderlich sein kann im Zusammenhang mit der Einräumung eines Altenteilsrechts, wenn der Hof durch einen Hofübergabevertrag im Wege der vorweggenommen Erbfolge auf die nächste Generation übertragen wird.42 Darüber hinaus ist nach der Rechtsprechung ein Wohngebäude auch nach allgemeinem Verständnis essenzieller Bestandteil einer Hofstelle.43 Hierge­ gen wird jedoch eingewendet, dass es angesichts der veränderten Lebensver­ hältnisse der Betriebsinhaber und einer modernen Landwirtschaft nicht mehr in jedem Fall erforderlich ist für eine erfolgreiche Führung des landwirt­ schaftlichen Betriebs, dass der Betriebsinhaber seine Wohnstätte auch auf dem Betrieb hat.44 Deshalb sollte es im Ergebnis genügen, wenn der Betrieb erkennbar zu einer Einheit zusammengefasst ist und es eine Stelle gibt von HöfeO, § 1 Rn. 8. Landwirtschaftserbrecht, § 1 HöfeO Rn. 31. 41  So etwa OLG Oldenburg AgrarR 1993, 326; a. A. OLG Hamm AUR 2010, 138 (139); Rinck, AgrarR 1998, 179 (180); Lüdtke-Handjery/v. Jeinsen/Brinkmann, H ­ öfeO, § 1 Rn. 24; Wöhrmann/Graß, Landwirtschaftserbrecht, § 1 HöfeO Rn. 34. 42  Rinck, AgrarR 1998, 179 (180); ein Altenteilsvertrag gewährt in der Regel vol­ len Unterhalt und Wohnrecht für den Übergeber des Betriebs gegen Überlassung ei­ nes Gutes oder Grundstücks, kraft deren Nutzung sich der Übernehmer eine eigene Lebensgrundlage verschaffen und gleichzeitig den dem Altenteiler geschuldeten Un­ terhalt gewinnen kann, vgl. zur Definition und ausführlich zum Altenteilsrecht Wöhrmann/Graß, Landwirtschaftserbrecht, § 14 HöfeO Rn. 39 ff. 43  OLG Oldenburg AgrarR 1993, 326; dort bezeichnet als „Herzstück des Hofes“. 44  OLG Hamm AUR 2010, 138 (139); Rinck, AgrarR 1998, 179 (180); LüdtkeHandjery/v. Jeinsen/Brinkmann, HöfeO, § 1 Rn. 24; Wöhrmann/Graß, Landwirt­ schaftserbrecht, § 1 HöfeO Rn. 34. 39  Steffen/Ernst,

40  Wöhrmann/Graß,



I. Bestimmung des Hoferben79

der aus dieser betrieben wird, wobei sich die Anforderungen an diese Stelle nach den Erfordernissen der jeweiligen Betriebsform richten.45 (3) Nach der Höfeordnung zulässige Eigentumsformen § 1 Abs. 1 S. 1 HöfeO setzt zudem voraus, dass die Besitzung im Alleinei­ gentum einer natürlichen Person oder im gemeinschaftlichen Eigentum von Ehegatten oder eingetragenen Lebenspartnern steht oder sie zum Gesamtgut einer fortgesetzten Gütergemeinschaft gehört. Maßgeblich für die Eigentü­ merstellung ist die Eintragung ins Grundbuch.46 Der Grund dafür, dass nur diese bestimmten Eigentumsformen für den Hof zulässig sind, liegt in dem der Höfeordnung inhärenten Gedanken des Familienerbrechts.47 Im Mittel­ punkt steht dabei das Alleineigentum einer natürlichen Person. Dieser Grundgedanke schließt insbesondere die Eigentümerstellung von Personen­ gesellschaften und juristischen Personen aus.48 Außerdem sind außer den gesetzlich zugelassenen Eigentumsformen bei Ehegattenhöfen alle Formen des Mit- oder Gesamthandseigentums, also auch Erbengemeinschaften, unzu­ lässig.49 Als Ausnahmen vom Erfordernis des Alleineigentums gelten nach § 1 Abs. 1 S. 1 HöfeO der Ehegattenhof sowie die fortgesetzte Gütergemein­ schaft. Auch bei diesen Eigentumsformen steht jedoch der Gedanke der ge­ schlossenen Vererbung im Mittelpunkt: Ehegattenhöfe sind Betriebe, die im gemeinschaftlichen Eigentum von Ehegatten stehen. Möglich sind hier insbe­ sondere die Einbringung des Hofes in eine Ehegattengesellschaft nach §§  705 ff.  BGB50 oder gesamthänderisches Eigentum durch die Vereinbarung des Güterstandes der Gütergemeinschaft nach §§ 1416 ff. BGB die Begrün­ dung von Eigentum nach Bruchteilen gemäß §§ 1008 ff. BGB.51 Liegt kein gemeinschaftliches Eigentum der Ehegatten vor, aber jeder von beiden hat jeweils Eigentum an bestimmten Grundflächen, besteht gemäß § 1 Abs. 2 ­HöfeO ferner die Möglichkeit, dass ein Ehegattenhof durch entsprechende Erklärung und Eintragung im Grundbuch begründet wird. Für eingetragene 45  So

auch Rinck, AgrarR 1998, 179 (180).

46  Düsing/Martinez/Düsing/Sieverdingbeck,

Agrarrecht, § 1 HöfeO Rn. 18. Landwirtschaftserbrecht, § 1 HöfeO Rn. 58. 48  Lüdtke-Handjery/v. Jeinsen/Brinkmann, HöfeO, § 1 Rn. 44. 49  Düsing/Martinez/Düsing/Sieverdingbeck, Agrarrecht, § 1 HöfeO Rn. 19. 50  Das Halten und Verwalten von Gegenständen, auch durch Ehegatten, kann tauglicher Zweck einer BGB-Gesellschaft sein, vgl. jurisPK-BGB/Bergmann, § 705 Rn. 31. 51  Hausmann/Hohloch/Hausmann/Hausmann, Handbuch des Erbrechts, Kap. 24 Rn. 129. 47  Wöhrmann/Graß,

80

D. Vererbung landwirtschaftlicher Betriebe

Lebenspartner gelten diese Vorschriften gemäß § 19 Abs. 1 HöfeO entspre­ chend. Wenn der Erblasser vor dem 26. November 2015 verstorben ist, bleibt allerdings gemäß § 19 Abs. 2 HöfeO das vorher geltende Recht maßgeblich. Dies wird in der Literatur für verfassungswidrig gehalten.52 Schließlich kann auch eine fortgesetzte Gütergemeinschaft nach §§ 1483 ff. BGB zwischen einem Ehegatten und den gemeinschaftlichen Abkömmlingen Hofeigentümer sein. Voraussetzungen hierfür sind die Vereinbarung der Gü­ tergemeinschaft zwischen den Eheleuten und außerdem die Fortsetzung mit den gemeinschaftlichen Abkömmlingen nach dem Tod eines Ehegatten durch Ehevertrag gemäß § 1483 Abs. 1 BGB. In der Praxis kommt dies allerdings sehr selten vor.53 Die dargestellten Regelungen verdeutlichen die Zielsetzung des Gesetzge­ bers, nur im Eigentum natürlicher Personen stehende Betriebe zu privilegie­ ren, auch wenn die Bewirtschaftung eines Hofes etwa durch eine Gesellschaft wirtschaftlich sogar vorteilhaft sein kann. Hierin zeigt sich der Normzweck der Erhaltung der Betriebe in bäuerlichen Familien. Insgesamt steigt jedoch deutschlandweit die Anzahl der landwirtschaftlichen Betriebe, die von Ge­ sellschaften54 bewirtschaftet werden.55 Auch bei Höfen, die als Personenoder Kapitalgesellschaften betrieben werden, ist die Bestimmung eines ein­ zelnen Betriebsnachfolgers grundsätzlich möglich.56 Allerdings kann im Gegensatz zum Anerbenrecht nicht die Höhe der Abfindung der übrigen Er­ ben vom Erblasser bestimmt werden.57 Aus diesem Grund wird etwa von 52  Düsing/Martinez/Düsing/Sieverdingbeck, Agrarrecht, § 1 HöfeO Rn. 22; LüdtkeHandjery/v. Jeinsen/‌Brinkmann, HöfeO, § 1 Rn. 56. 53  Düsing/Martinez/Düsing/Sieverdingbeck, Agrarrecht, § 1 HöfeO Rn. 23. 54  Allgemein zum Agrargesellschaftsrecht sowie den verschiedenen Koopera­ tionsformen ausführlich bei Storm, JZ 1974, 73 ff. 55  So ist etwa der Anteil der Personengesellschaften von 2010 bis 2016 von 7,0 % auf 9,3 % und damit um 32,8 % gestiegen. Bei Kapitalgesellschaften liegt der Anstieg in diesem Zeitraum bei 17,6 % von insgesamt 1,7 % auf 2,0 % der Gesamtzahl der Betriebe, vgl. Agrarpolitischer Bericht der Bundesregierung 2019, Tab. 3, S. 138; in den neuen Bundesländern, in denen die Landwirtschaft aufgrund ihrer Historie anders strukturiert ist als in den alten Bundesländern, wurden im Jahr 2016 bereits mehr als 50 % aller landwirtschaftlich genutzten Flächen von Betrieben in der Rechtsform ei­ ner juristischen Person des Privatrechts bewirtschaftet, vgl. Statistisches Jahrbuch über Ernährung, Landwirtschaft und Forsten 2020, Tab. 15, S. 27. 56  Dies geschieht in der Regel durch eine Nachfolgeklausel im Gesellschaftsver­ trag sowie eine korrespondierende letztwillige Verfügung; vgl. zur Eigentumsübertra­ gung von Gesellschaftsanteilen EBJS/Lorz, HGB, § 139 Rn. 10 f. sowie zu den Nach­ folgeklauseln und Gestaltungsoptionen im Detail etwa Hausmann/Hohloch/‌Kindler/, Handbuch des Erbrechts, Kap. 22 Rn. 96 ff. und 251 ff. 57  Köhne, AUR Beil. II/2003, 2 (5); es ist gemäß § 2311 Abs. 1 S. 1 BGB bei der Berechnung der Pflichtteilsansprüche der Wert des Nachlasses zugrunde zu legen und eine abweichende Wertbestimmung durch den Erblasser ist gemäß § 2311  Αbs.  2



I. Bestimmung des Hoferben81

Köhne vorgeschlagen, das landwirtschaftliche Sondererbrecht auch auf durch Gesellschaften bewirtschaftete Betriebe auszuweiten.58 Dies soll seiner An­ sicht nach unter der Voraussetzung stehen, dass erstens sowohl die Gesell­ schaft als auch der eingebrachte Betrieb ökonomisch leistungsfähig sind und zweitens die Gesellschaft selbst „personengeprägt“59 ist. Angesichts des Agrarstrukturwandels und des Bedeutungszuwachses von durch Gesellschaf­ ten betriebenen oder in Gesellschaften eingebrachten Höfen60 scheint es er­ wägenswert, die Privilegierung des landwirtschaftlichen Sondererbrechts de lege ferenda auch auf diese Rechtsformen auszuweiten. Allerdings dürfte sich eine Abgrenzung zwischen privilegierungswürdigen und nicht mehr privilegierungswürdigen Gesellschaften in der Rechtspraxis als schwierig erweisen Dies gilt insbesondere in Hinblick auf das Merkmal der entschei­ denden Mitprägung durch eine natürliche Person. Darüber hinaus würde durch eine Ausweitung der Höfeordnung auf landwirtschaftliches Sonder­ erbrecht auch der höferechtliche Zweck, insbesondere die Erhaltung der Be­ triebe in der Hand von bäuerlichen Familien, einen erheblichen Bedeutungs­ wandel erfahren.61 Aufgrund der Vielschichtigkeit und des Umfangs der skizzierten Fragestellung, kann diese im Rahmen dieser Arbeit nicht ab­ schließend geklärt werden. Angesichts der zunehmenden Bedeutung von Gesellschaften bei der Bewirtschaftung landwirtschaftlicher Betriebe bietet sich jedoch eine gesonderte wissenschaftliche Untersuchung dieser Thematik an.

S. 2 BGB nicht möglich; vgl. zur Bewertung von Personengesellschaftsanteilen im Rahmen der unterschiedlichen Gestaltungsoptionen MüKoBGB/Lange, § 2311 Rn. 52 ff. und zur Bewertung von GmbH-Anteilen MüKoBGB/Lange, § 2311 Rn. 49 f. 58  Köhne, AUR Beil. II/2003, 2 (5). 59  Köhne, AUR Beil. II/2003, 2 (5). 60  Zu den verschiedenen Formen und Möglichkeiten der Einbringung in eine Ge­ sellschaft vgl. die Ausführungen auf S. 203 ff. 61  Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang auch, dass weder das Branden­ burgische Höfeordnungsgesetz noch der Entwurf eines landwirtschaftlichen Erbgeset­ zes in Sachsen-Anhalt eine Anwendbarkeit der Sondererbrechte auf durch Gesell­ schaften bewirtschaftete Betriebe vorsehen, obwohl die Bedeutung dieser in den neuen Bundesländern verhältnismäßig hoch ist; vgl. zum Anteil der Flächen, die durch Gesellschaften bewirtschaftet werden etwa Statistisches Jahrbuch über Ernäh­ rung, Landwirtschaft und Forsten 2020, Tab. 15, S. 27.

82

D. Vererbung landwirtschaftlicher Betriebe

(4) Wirtschaftswert (a) Allgemeine Bestimmung des Wirtschaftswertes Schließlich muss der Hof für die Anwendbarkeit der Höfeordnung über eine bestimmte Mindestleistungsfähigkeit62 verfügen: Liegt der Wirtschafts­ wert63 über 10.000 € ist die Hofeigenschaft nach § 10 Abs. 1 S. 1 HöfeO kraft Gesetzes gegeben, sodass die Eintragung des Hofvermerks im Grund­ buch lediglich noch deklaratorische Wirkung hat. Bei einem Wirtschaftswert zwischen 5.000 € und 10.000 € kann der Eigentümer eine positive Hoferklä­ rung nach § 1 Abs. 3 HöfeO abgeben und im Grundbuch eintragen und den Hof so dem landwirtschaftlichen Erbrecht unterstellen. Die Eintragung wirkt in diesen Fällen also konstitutiv. Der Wirtschaftswert bestimmt sich nach dem steuerlichen Einheitswert gemäß §§ 46, 47 BewG. Dabei ist auf den land- und forstwirtschaftlichen Teil des Betriebs abzüglich des Wohnteils abzustellen.64 Zudem ist auch der Wert nichtlandwirtschaftlich genutzter Betriebsteile65 (etwa bei Nebenbe­ trieben) sowie zugepachteter Flächen66 aus dem Wirtschaftswert herauszu­ rechnen. Der Grund hierfür liegt darin, dass der Wirtschaftswert allein die Ertragskraft des Betriebs selbst ausdrücken und damit eine Aussage über dessen Schutzwürdigkeit treffen soll.67 Vor dem Zweiten Gesetz zur Ände­ rung der Höfeordnung im Jahr 1976 waren nach § 1 Abs. 2 HöfeO a. F. alle Höfe mit einem Wirtschaftswert von mindestens 10.000 DM kraft Gesetzes von der Höfeordnung erfasst. Die Änderung der Wertgrenze auf 20.000 DM beziehungsweise heute 10.000 € erfolgte nach der Gesetzesbegründung, um zu verhindern, dass „ungünstige und überholte Betriebsstrukturen durch die Höfeordnung konserviert werden.“68 Der Mindestwirtschaftswert dient ge­ 62  Eine Mindestgröße ist hingegen nicht erforderlich, da die Leistungsfähigkeit des Betriebs in der Höfeordnung anhand des Wirtschaftswertes gemessen wird. Nach § 1 Abs. 2 BremHöfeG wird hingegen eine Mindestgröße des Hofes von 2,5 ha und in § 1 Abs. 1 BbgHöfeOG von 20 ha gefordert; nach § 1 Abs. 2 HessLandgüterO und § 2 Abs. 1 HöfeO-RhPf wird auf das quantitative Kriterium der Ackernahrung als Mindestgröße abgestellt. Ein Mindestwirtschaftswert ist hier anders als bei der Höfe­ ordnung aber nicht erforderlich. 63  Bis zum Zweiten Gesetz zur Änderung der Höfeordnung 1976 war der steuer­ liche Einheitswert i. S. d. Reichsbewertungsgesetzes vom 16. Oktober 1934 maßgeb­ lich. 64  Hausmann/Hohloch/Hausmann/Hausmann, Handbuch des Erbrechts, Kap. 24 Rn. 128. 65  BGH NJW 1967, 629 (630). 66  OLG Oldenburg AgrarR 1979, 79 (80). 67  Wöhrmann/Graß, Landwirtschaftserbrecht, § 1 HöfeO Rn. 40. 68  BT-Drucks. 7/1443, S. 15.



I. Bestimmung des Hoferben83

nau wie die jeweils festgelegten Mindestgrößen in den landesrechtlichen Anerbengesetzen als Indikator für die Leistungsfähigkeit des Hofes. Die Hofeigenschaft und die daraus folgenden Privilegierungen für den Hoferben sollen nur dann eintreten, wenn sichergestellt ist, dass der Betrieb für eine dauerhafte Fortführung hinreichend leistungsfähig ist.69 Aus diesem Grund wird zum Teil an der Verfassungsmäßigkeit des Bremischen Höfegesetzes, welches eine Mindestgröße von lediglich 2,5 ha fordert, sowie dem Badi­ schen Hofgütergesetz, welches gar keine Anforderungen an die Mindestleis­ tungsfähigkeit des Hofes stellt, gezweifelt.70 In beiden Gesetzen werden keine Kriterien aufgestellt, die hinreichend Gewähr dafür leisten, dass der Hof eine Größe erreicht hat, mit der auch künftig eine Bewirtschaftung mög­ lich ist. (b) Privilegierung von Nebenerwerbsbetrieben Durch den Strukturwandel in der Landwirtschaft hat die Anzahl der im Nebenerwerb geführten Betriebe zugenommen.71 Grundsätzlich unterschei­ det das Gesetz innerhalb der erläuterten Einordnung nicht zwischen im Haupt- und im Nebenerwerb betriebenen Höfen. Die in der Höfeordnung geregelte Untergrenze des Wirtschaftswertes von 5.000 € wird jedoch in der Literatur für „das Äußerste an verfassungsmäßig Hinnehmbarem“72 gehal­ ten. Betriebe mit einem Wirtschaftswert in der in § 1 Abs. 1 HöfeO als Un­ tergrenze normierten Größenordnung können in der Regel nicht als Haupt­ erwerbsbetriebe73, sondern nur im Nebenerwerb74 bewirtschaftet werden. 69  Lechleitner, Rechtsfragen einer Höfeordnung für das Land Brandenburg, S. 23; eine Mindestleistungsfähigkeit wie im BGB-Landguterbrecht in dem Sinne, dass ein nicht erheblicher Anteil des Unterhalts aus den Einnahmen des Betriebs erwirtschaftet werden muss, wird hingegen in der Höfeordnung nicht gefordert; zur Anforderung der Mindestleistungsfähigkeit im BGB-Landguterbrecht sogleich auf S. 159 ff. 70  Mönig, Landwirtschaftliches Sondererbrecht im Lichte von Verfassungsrecht und Rechtspolitik, S. 201; das Bundesverfassungsgericht hat hierzu bislang keine Entscheidung getroffen. 71  Die Anzahl der Nebenerwerbsbetriebe ist deutschlandweit von 2010 bis 2016 von 50,4 % Nebenerwerbsbetrieben auf 52,0 % angestiegen, vgl. Agrarpolitischer Be­ richt der Bundesregierung 2019, Tab. 3, S. 138. 72  Schwarz, Das Verhältnis zwischen dem Landwirtschaftserbrecht und dem allge­ meinen Erbrecht des BGB, S. 92. 73  Unter einem Haupt- oder Vollerwerbsbetrieb versteht man solche Betriebe, bei welchen der Betriebsleiter seine Arbeitskraft ganz oder überwiegend im Betrieb ein­ setzt, vgl. Dingerdissen, ErbR 2009, 330 (334). 74  Unter einen Nebenerwerbsbetrieb versteht man solche Betriebe, in welchen der Betriebsleiter mehr als 50 % seiner Arbeitszeit auf eine nichtlandwirtschaftliche Be­ rufstätigkeit verwendet und mehr als 50 % seiner Einkünfte daraus bezieht und zur

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D. Vererbung landwirtschaftlicher Betriebe

Die Gleichbehandlung von Haupt- und Nebenerwerbsbetrieben wird in Hinblick auf die Privilegierung von Nebenerwerbsbetrieben durch die Höfe­ ordnung in der Literatur zum Teil kritisiert: Nach Ansicht von Schwarz ist es grundsätzlich begrüßenswert, dass auch Nebenerwerbsbetriebe als schutz­ würdig angesehen werden.75 Allerdings sei die Privilegierung durch die Hö­ feordnung und der Ansatz des Betriebs zum Einheits- statt zum Verkehrs­ wert erforderlich, um dem Hoferben die Möglichkeit zu geben, die Abfin­ dungssummen überhaupt auf seinem Betrieb erwirtschaften zu können. Die Ausgangslage bei Nebenerwerbsbetrieben unterscheide sich in zwei Punkten von der Situation von Vollerwerbsbetrieben: Zum einen seien aufgrund der geringeren Betriebsgröße die Werte für die Flächen wesentlich geringer und damit auch leichter aufzubringen. Zum anderen habe der Betriebsinhaber bei Nebenerwerbsbetrieben noch ein weiteres Einkommen, welches ihn in die Lage versetzt, auch ohne eine Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz des Betriebs die Abfindungssumme aufzubringen. Er ist daher der Ansicht, dass die Interessen der weichenden Erben an einer Beteiligung am Betrieb bei Nebenerwerbsbetrieben höher zu bewerten seien als das Interesse an einer gesunden Agrarstruktur. Als Alternativen zur Einbeziehung von Nebener­ werbsbetrieben in die Abfindungsprivilegien der Höfeordnung schlägt er etwa eine Befreiung beziehungsweise Reduzierung der Erbschaftssteuer oder staatliche Beihilfen bei der Übernahme eines Nebenerwerbsbetriebs vor. Ge­ gen diesen Vorstoß ist jedoch einzuwenden, dass bei Nebenerwerbsbetrieben nicht nur der aufzubringende Wert für die Abfindung in der Regel geringer ist, sondern auch die vom Betrieb erwirtschafteten Beträge. Die Situation des landwirtschaftlichen Betriebs und seine rechtliche Behandlung sollten darüber hinaus allein vom Betrieb selbst und nicht von sonstigen Einkünften oder der allgemeinen finanziellen Situation des Inhabers abhängig gemacht werden. Köhne fordert, dass die Privilegien der Höfeordnung in den Fällen nicht mehr auf (Nebenerwerbs-)Betriebe anwendbar sein sollen, wenn diese zwar das Erfordernis des Mindestwirtschaftswerts erfüllten, ökonomisch aber nicht leistungsfähig sind.76 Das Ziel sei seiner Ansicht nach eine Entwicklung der Landwirtschaft hin zu größeren Betriebseinheiten und ein Rückgang der Ge­ samtzahl der Betriebe.77 Dieser Vorstoß erntete in der Literatur deutliche Sicherung seiner Existenz zugleich einer landwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit nach­ geht, vgl. Dingerdissen, ErbR 2009, 330 (334). 75  Schwarz, Das Verhältnis zwischen dem Landwirtschaftserbrecht und dem allge­ meinen Erbrecht das BGB, S. 98. 76  Köhne, AgrarR 1995, 321 (324); dies sei insbesondere anhand von Kriterien des Rechnungswesens zu bestimmen. 77  Köhne, AgrarR 1995, 321 (324).



I. Bestimmung des Hoferben85

Kritik:78 So sei es nicht Aufgabe des landwirtschaftlichen Sondererbrechts für einen beschleunigten Strukturwandel zu sorgen.79 Die Mindestleistungs­ fähigkeit allein auf die ökonomische Leistungsfähigkeit der Betriebe zu redu­ zieren, würde außerdem dazu führen, dass die Vererbung geschlossener Höfe unterhalb des Vollerwerbsstatus erschwert würde.80 Dadurch würden die Grundflächen dieser Betriebe an kapitalkräftige Eigentümer übergehen, die insgesamt weniger an den ländlichen Raum und die Landwirtschaft gebun­ den seien. Aus staats- und sozialpolitischen Gründen sollten auch Neben­ erwerbsbetriebe in den Schutz der Höfeordnung einbezogen werden, da sie eine bedeutende Rolle für die Agrarstruktur spielten.81 Nödl fordert deshalb „dem Wandel in den Wertigkeiten dieses öffentlichen Interesses von der Ökonomie hin zur Ökologie Rechnung zu tragen, damit ökologisch leis­ tungsfähige Betriebe nicht aufgrund ihrer ökonomisch geringeren Leistungs­ fähigkeit dem Strukturwandel zwangsläufig zum Opfer fallen.“82 Diese Ar­ gumentation wiegt umso schwerer angesichts der Tatsache, dass im Jahr 2016 über 50 % der Betriebe in Deutschland im Nebenerwerb geführt wurden83 und diese damit in der Rechtspraxis eine hohe Bedeutung haben. Die Argu­ mente sprechen im Ergebnis dafür, die Schutzwürdigkeit nicht allein von ei­ ner ökonomischen Leistungsfähigkeit abhängig zu machen, die in der Regel nur von Haupterwerbsbetrieben erreicht werden kann.84 Vielmehr sollten aufgrund der vielfältigen im öffentlichen Interesse liegenden Aufgaben, wie beispielsweise Natur- und Landschaftsschutz, die auch von Nebenerwerbsbe­ trieben erfüllt werden können, auch diese bei Erreichen einer Mindestleis­ tungsfähigkeit durch das landwirtschaftliche Sondererbrecht privilegiert werden. Die Grenze für die Bestimmung der Schutzwürdigkeit wurde vom 78  Nach der Veröffentlichung des Aufsatzes von Köhne, AgrarR 1995, 321 wur­ den in AgrarR 1996, 179 ff. von einer Reihe von Autoren Erwiderungen zu seinen Gedanken veröffentlicht. 79  Büßis, AgrarR 1996, 180. 80  Büßis, AgrarR 1996, 180, (181). 81  Faßbender, AgrarR 1986, 131 (132). 82  Nödl, AgrarR 1996, 181 (182). 83  Agrarpolitischer Bericht der Bundesregierung 2019, Tab. 3, S. 138. 84  Sollten Nebenerwerbsbetriebe hingegen nach Ansicht des Gesetzgebers nicht mehr durch eine erbrechtliche Privilegierung unter Zurücksetzung der weichenden Miterben vor der Zerschlagung im Erbgang geschützt werden, ist es erforderlich, diese entweder durch eine klarstellende Regelung aus dem Anwendungsbereich der Höfeordnung herauszunehmen oder die Wertgrenze so weit heraufzusetzen, dass diese von Nebenerwerbsbetrieben in der Regel nicht mehr erreicht werden kann; Schutz­ möglichkeiten der Nebenerwerbsbetriebe, die nicht auf Kosten der übrigen Erben gehen, wären dann etwa die Befreiung oder zumindest Reduzierung der Erbschafts­ steuer oder staatliche Beihilfen bei der Übernahme, vgl. ausführlich zu diesem Vor­ schlag Schwarz, Das Verhältnis zwischen dem Landwirtschaftserbrecht und dem all­ gemeinen Erbrecht des BGB, S. 99.

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D. Vererbung landwirtschaftlicher Betriebe

Gesetzgeber bei 20.000 DM beziehungsweise heute 10.000 € als Mindest­ wirtschaftswert gezogen. Ob dieser Wert in Hinblick auf die Preisentwick­ lung bei Grundflächen auch heute noch als Grenze passend ist, ist wiederum äußerst fraglich. (c) Neuregelung der Mindestleistungsfähigkeit Angesichts des Bundesverfassungsgerichtsurteils zur Einheitsbewertung aus dem Jahr 201885 und der daraufhin erfolgten Grundsteuerreform bietet sich auch im Rahmen der Höfeordnung eine Reform an: Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 10. April 2018 entschieden, dass die derzeitige Bemessung der Grundsteuer auf Grundlage der steuerlichen Einheitswerte wegen der seit 1964 unterbliebenen Hauptfest­ stellung verfassungswidrig ist und den Gesetzgeber zu einer Neuregelung bis zum 31. Dezember 2019 verpflichtet.86 Aus diesem Grund wurde im Jahr 2019 das Grundsteuer-Reformgesetz erlassen, durch welches unter ande­ rem die §§ 21–29, 32–69, 71–94 sowie 121a und 122 BewG ab dem 1. Ja­ nuar 2025 aufgehoben werden.87 In § 1 Abs. 1 S. 2 HöfeO wird zur Bestim­ mung des Anwendungsbereichs der Höfeordnung auf den Wirtschaftswert nach § 46 BewG Bezug genommen. Dieser wird ebenfalls durch das Grund­ steuer-Reformgesetz aufgehoben. Allerdings verweist die Höfeordnung in § 1 Abs. 1 S. 2 HöfeO auf den „Wirtschaftswert im Sinne des § 46 des Bewer­ tungsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. September 1974 (Bundesgesetzbl. I S. 2369), geändert durch Artikel 15 des Zuständigkeits­ lockerungsgesetzes vom 10. März 1975 (Bundesgesetzbl. I S. 685).“ Hierbei handelt es sich um eine statische Verweisung auf ein Gesetz: Bei einer sol­ chen wird auf eine Vorschrift in einer bestimmten Fassung verwiesen.88 Bei statischen Verweisungen ist es unerheblich, ob das Verweisungsobjekt – die Norm, auf die verwiesen wird – noch in Kraft ist, außer Kraft getreten ist oder nie in Kraft war.89 Aus diesem Grund ist es für die Anwendung des § 1 85  BVerfGE

148, 147. 148, 147; in diesem Urteil bezog sich das Bundesverfassungsgericht inhaltlich nicht auf die Bewertung von land- und forstwirtschaftlichem Grundbesitz, sondern allgemein auf die Einheitsbewertung von Grundvermögen. Daher sagt das Urteil im Ergebnis auch nichts über die Verfassungsmäßigkeit der Bezugnahme auf die steuerlichen Einheitswerte im Rahmen der Höfeordnung aus. 87  BGBl. 2019, 1794; Gesetzesbegründung BT-Drucks. 19/13453; zur Auswir­ kung der Reform auf die Bewertung land- und forstwirtschaftlichen Vermögens etwa Stephany, AUR 2020, 134. 88  Karpen, in: Studien zu einer Theorie der Gesetzgebung, S. 221 (228). 89  Karpen, in: Studien zu einer Theorie der Gesetzgebung, S. 221 (228). 86  BVerfGE



I. Bestimmung des Hoferben87

Abs. 1 S. 2 HöfeO grundsätzlich nicht problematisch, dass der § 46 BewG durch die Grundsteuerreform aufgehoben wird. Allerdings besteht bereits jetzt das Problem, dass der Wirtschaftswert durch die unterbliebene Fortschreibung der Einheitswerte seit der letzten Hauptfeststellung im Jahr 1964 nicht mehr aktualisiert wurde. Durch eine Verweisung auf die ab 2025 nicht mehr geltenden Bewertungsvorschrift des § 46 BewG ist auch künftig keine Aktualisierung der Einheitswerte ohne eine Reform der Höfeordnung selbst mehr möglich. Daher bietet die Streichung der entsprechenden Normen im Bewertungsgesetz durch die Grundsteuerre­ form eine Gelegenheit, auch die Mindestleistungsfähigkeit im Rahmen der Höfeordnung neu zu regeln. Hierin liegt zugleich eine Chance, die Unter­ grenze für die Einbeziehung landwirtschaftlicher Betriebe in den Anwen­ dungsbereich der Höfeordnung künftig stärker an die aktuellen Entwicklun­ gen der Landwirtschaft anzupassen. Dabei sind auch bei einer Neuregelung nicht alle landwirtschaftlichen Betriebe dem landwirtschaftlichen Sonder­ erbrecht zu unterstellen, sondern es ist im Sinne des höferechtlichen Zwecks eine praktikable Abgrenzung zwischen entwicklungs- und zukunftsfähigen Betrieben einerseits und nicht mehr privilegierungswürdigen Betrieben ande­ rerseits gesetzlich zu verankern. Es stellt sich daher die Frage, wie eine Untergrenze für die Anwendbarkeit der Höfeordnung auf Betriebe künftig gesetzlich geregelt werden soll: (aa) Mindestwirtschaftswert nach dem Reinertrag Eine Möglichkeit der Reform ist, als Kriterium für die Anwendbarkeit der Höfeordnung auf einen bestimmten jährlichen Reinertrag abzustellen, der durch den Betrieb mindestens erwirtschaftet werden muss. Dabei wäre – ähnlich wie auch bei einem Abstellen auf eine Wertgrenze im Rahmen der neuen Grundsteuerwerte – eine empirische Ermittlung erforderlich, ab wel­ chem Reinertrag von der Leistungsfähigkeit des Betriebs und damit auch von seiner Schutzwürdigkeit auszugehen ist.90 Dieser Ansatz hat den Vorteil, dass für die Beurteilung der Schutzwürdig­ keit auf die konkrete Leistungsfähigkeit des zu beurteilenden Betriebs abge­ stellt wird. Auf der anderen Seite handelt es sich bei dem jährlichen Reiner­ 90  Ggf. wäre hier das Abstellen auf ein jährliches Mindesteinkommen von 60.000 € für Vollerwerbsbetriebe und 20.000 € für Nebenerwerbsbetriebe oder auf sozialhilferechtliche Wertgrenzen, ähnlich wie es bei der Bestimmung der Mindest­ leistungsfähigkeit im BGB-Landguterbrecht vorgeschlagen wird, denkbar. Ausführ­ lich zu solchen Wertgrenzen im Rahmen des BGB-Landguterbrechts auf S. 159 ff. sowie bei Köhne, AgrarR 1995, 321 (325) und in Bezug auf das BGB-Landguterb­ recht bei Hausmann, Die Vererbung von Landgütern nach dem BGB, S. 125.

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D. Vererbung landwirtschaftlicher Betriebe

trag um keine (etwa aus anderen Zusammenhängen) bereits feststehende Größe, sondern um einen Wert, der in diesem Fall zum Zwecke der Bestim­ mung der Anwendbarkeit der Höfeordnung gesondert zu ermitteln wäre. Dies würde dazu führen, dass die Ermittlung des Reinertrags stets einer gutachter­ lichen Feststellung bedarf und insoweit bis zum Vorliegen eines solchen Sachverständigengutachtens Rechtsunsicherheit in Bezug auf die Anwend­ barkeit der Höfeordnung bestünde. Darüber hinaus sind Sachverständigen­ gutachten für die Betroffenen kostenintensiv und streitanfälliger als bereits aus anderen Kontexten feststehende oder behördlich festgestellte Werte wie etwa der Grundsteuerwert. (bb) Mindestwirtschaftswert nach den reformierten Grundsteuerwerten Weiterhin könnte künftig auf die reformierten Grundsteuerwerte abgestellt werden. Da auch § 1 Abs. 1 HöfeO in seiner derzeitigen Fassung bereits auf den Wirtschaftswert, also den Wert des landwirtschaftlichen Betriebsteils ohne den Wohnteil, abgestellt wird, bietet es sich an, auch weiterhin nur auf den Wert des landwirtschaftlichen Betriebs selbst abzustellen. Es ist dann empirisch beziehungsweise rechnerisch zu ermitteln, ab welchem Wert nach der Neuregelung der Grundsteuerwerte und nach der aktuellen Situation in der Landwirtschaft von der Leistungsfähigkeit des Betriebs und damit seiner Erhaltungswürdigkeit im Erbgang auszugehen ist.91 Das Abstellen auf die Grundsteuerwerte bietet den Vorteil, dass auch wei­ terhin auf eine Messgröße zurückgegriffen werden kann, die zu steuerlichen Zwecken ohnehin festgestellt wird und daher bereits feststeht. Bereits bei der Reform der Höfeordnung 1976 wurde der steuerliche Einheitswert gewählt, da so eine einfache Bestimmung des sachlichen Anwendungsbereichs der Höfeordnung möglich ist.92 Dass es sich bei den reformierten Grundsteuer­ werten auch wieder um pauschale Werte handelt, ist in diesem Kontext nicht problematisch, da es keine gesetzliche Anforderung ist, dass die Mindestleis­ tungsfähigkeit sich an der konkreten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ori­ entiert. Ein Abstellen auf die reformierten Grundsteuerwerte kann zudem den Vorteil bieten, dass – sofern der Gesetzgeber sich auch im Rahmen einer Reform der Abfindungsansprüche für ein Abstellen auf die Grundsteuerwerte entscheidet – eine einheitliche Berechnungsgrundlage für den sachlichen Anwendungsbereich der Höfeordnung und die Miterbenabfindungen be­ steht.93 AUR 2020, 167 (170). 7/1443, S. 23. 93  Zur Diskussion um die Berechnungsgrundlage der Miterbenabfindung nach der Grundsteuerreform und den Gestaltungsoptionen siehe S. 150 ff. 91  Schmitte,

92  BT-Drucks.



I. Bestimmung des Hoferben89

Problematisch daran, einen bestimmten rechnerisch oder empirisch ermit­ telten Grundsteuerwert als Grenze der Existenz- und Zukunftsfähigkeit des Betriebs zu normieren, ist jedoch, dass sich durch technologische und be­ triebswirtschaftliche Veränderungen ständig auch die Grenzwerte verschieben können.94 Hier müsste der Gesetzgeber im Gegensatz zu den derzeitigen Untergrenzen in regelmäßigen Abständen überprüfen, ob diese nach wie vor der Realität entsprechen. Darüber hinaus stehen die neuen Grundsteuerwerte wie auch zuvor die Einheitswerte zwar bereits zum Zwecke der Grundsteuer­ erhebung fest. Allerdings bedeutet dies nicht, dass ein Hofeigentümer deshalb mit Sicherheit weiß, welcher vom Finanzamt festgestellte Wert nun derjenige ist, der über die Anwendbarkeit der Höfeordnung entscheidet.95 Aus diesem Grund ist mit dem Mindestwirtschaftswert nach den (reformierten) Grund­ steuerwerten ein gewisses Maß an Unsicherheit für die betroffenen Kreise verbunden – insbesondere dann, wenn der Betrieb an der unteren Grenze der Anwendbarkeit des Anerbenrechts liegt. (cc) Mindestgröße in Hektar Alternativ könnte die Feststellung der Schutzwürdigkeit landwirtschaftli­ cher Betriebe in den Anwendungsbereich der Höfeordnung über die Bestim­ mung einer Mindestgröße in Hektar erfolgen. Diesen Weg ist etwa das 2019 in Kraft getretene Brandenburgische Höfeordnungsgesetz gegangen, in wel­ chem nach § 1 Abs. 2 BbgHöfeOG als sachliche Anwendungsvoraussetzung für das Anerbenrecht eine Mindestgröße von 20 ha gefordert wird. Das ­Abstellen auf Mindestgrößen in Hektar bringt – vor allem im Gegensatz zu einem Mindestwirtschaftswert – „mehr Transparenz, Verständlichkeit und Sicherheit“96 für die Betroffenen mit sich, da so auch für Laien ohne Weite­ res feststellbar ist, ob ihr Betrieb in den Anwendungsbereich der Höfeord­ nung fällt oder nicht. Problematisch an einer Mindestgröße in Hektar ist, dass diese Messgröße als Indikator der Leistungsfähigkeit über den gesamten räumlichen Anwen­ dungsbereich der Höfeordnung kaum aussagekräftig ist. Je nach Bodenqua­ lität, Lage des Betriebs und Bewirtschaftungsart können unterschiedliche Flächengrößen zur erfolgreichen Weiterbewirtschaftung und damit der Fest­ stellung der Leistungsfähigkeit ausreichend sein. So wird etwa ein Obstbau­ betrieb einen anderen Flächenbedarf haben als etwa ein Ackerbaubetrieb, um zukunftsfähig zu sein. Auch wird beispielsweise ein Ackerbaubetrieb mit 94  Schwarz, Das Verhältnis zwischen dem Landwirtschaftserbrecht und dem allge­ meinen Erbrecht des BGB, S. 93. 95  Problematik skizziert bei Seutemann, RdL 2019, 280 (282). 96  Seutemann, RdL 2019, 280 (282).

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D. Vererbung landwirtschaftlicher Betriebe

weniger fruchtbaren Böden mehr Grundfläche benötigen als derselbe Betrieb in einem Gebiet mit guten Böden bräuchte. In einem Anwendungsgebiet, das die Bundesländer Hamburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Schles­wig-Holstein umfasst, sind die Umstände je nach Belegenheit und Be­ wirtschaftungsart so unterschiedlich, dass eine aussagekräftige einheitliche Mindestgröße und damit Untergrenze der Schutzwürdigkeit nicht vorstellbar ist. Will man also auf konkrete, feststehende Mindestgrößen abstellen, ist es erforderlich, hier etwa nach verschiedenen Betriebszweigen zu differenzieren und unterschiedliche Mindestgrößen für die einzelnen Bewirtschaftungsarten anzusetzen. Das bedeutet, dass ermittelt werden müsste, ab welcher Größe etwa ein Ackerbaubetrieb, Obstbaubetrieb oder auch ein Forstbetrieb leis­ tungsfähig sind und dann müssten diese einzelnen Mindestgrößen in § 1 ­HöfeO festgehalten werden. Dies würde zwar einerseits zu einer sehr ausdifferenzierten Regelung führen, andererseits aber auch in einer kompli­ zierten Festlegung des Anwendungsbereichs der Höfeordnung münden. Eine Orientierung zu den jeweiligen Untergrenzen könnten die Mindestgrößen für einzelne Produktionsverfahren beziehungsweise Betriebsarten bieten, die von der landwirtschaftlichen Alterskasse zum 1. Januar 2014 gemäß § 1 Abs. 5 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte festgesetzt wurden. Danach würden beispielsweise bei Landwirtschaft inklusive Grünland 8 ha als Untergrenze gelten, bei Forstwirtschaft 75 ha, bei Deichnutzung 16 ha und bei Spezialkulturen 2,2 ha. (dd) Kombination aus Mindestgröße und Mindestgrundsteuerwert Um die Schwächen auszugleichen, die sowohl ein Abstellen auf eine Min­ destgröße in Hektar als auch ein Mindestwirtschaftswert auf Grundlage des Grundsteuerwertes jeweils für sich genommen haben, schlägt Seutemann eine Kombination der beiden Ansätze vor.97 So könnte man bei Erreichen einer bestimmten Mindestgröße in Hektar die Hofeigenschaft von Gesetzes wegen bejahen. Bei einem bestimmten, noch zu ermittelnden Grundsteuer­ wert könnte zudem auch für Betriebe mit weniger Grundfläche eine Eintra­ gung des Hofvermerks ermöglicht werden. (ee) Ackernahrung Eine andere Option ist das Abstellen auf das Kriterium der Ackernahrung. Auch in § 1 Abs. 3–5 HessLandgüterO und in § 2 Abs. 2 HöfeO-RhPf wird 97  Seutemann,

RdL 2019, 280 (282).



I. Bestimmung des Hoferben91

als Untergrenze auf die Ackernahrung abgestellt. Darunter versteht man nach den Legaldefinitionen in § 1 Abs. 3 HessLandgüterO und § 2 Abs. 2 HöfeORhPf die genutzte Landfläche, die mindestens notwendig ist, um eine Familie unabhängig vom Markt und der allgemeinen Wirtschaftslage zu ernähren. Allerdings könnten anhand der genannten Definition Nebenerwerbsbetriebe nicht in den Anwendungsbereich der Höfeordnung einbezogen werden, da diese in der Regel nicht über hinreichend Landfläche verfügen, um eine ­bäuerliche Familie von dessen Erträgen hinreichend zu versorgen. Darüber hinaus ist das Kriterium der Ackernahrung sehr unbestimmt und daher eben­ falls nicht ohne ein Sachverständigengutachten feststellbar. (ff) Ergebnis Eine Neuregelung der Mindestleistungsfähigkeit im Rahmen der Höfeord­ nung kann über verschiedene Wege erfolgen. Eine Ermittlung der Leistungs­ fähigkeit über die pauschalen neuen Grundsteuerwerte oder feststehende Mindestgrößen in Hektar hat gegenüber einer Ermittlung über den Reinertrag oder das Kriterium der Ackernahrung den Vorteil der Rechtssicherheit und einfacheren Bestimmbarkeit. Sowohl bei der Festlegung eines bestimmten Mindestgrundsteuerwertes als auch einer bestimmten Mindestgröße ist zuvor rechnerisch beziehungsweise empirisch zu ermitteln, ab welchem Wert nach den derzeitigen Verhältnissen von einer Leistungs- und Zukunftsfähigkeit des Betriebs auszugehen ist. Darüber hinaus würde auch eine Kombination aus Mindestgröße und Mindestgrundsteuerwert zu einer praktikablen Lösung führen. (5) Hoferklärung Wie bereits dargestellt, war das Höferecht bis zum Zweiten Gesetz zur Änderung der Höfeordnung im Jahr 1976 ein Zwangsanerbenrecht. Folglich war jeder Betrieb mit einem Wirtschaftswert von 10.000 DM oder mehr kraft Gesetzes der Höfeordnung unterstellt und konnte dem Gesetz auch nicht durch Erklärung entzogen werden. Lediglich für Höfe mit einem Wirtschafts­ wert von weniger als 10.000 DM war nach § 1 Abs. 3 HöfeO a. F. auf Antrag des Eigentümers eine Unterstellung unter die Höfeordnung möglich. Seit der Reform trägt das Gesetz hingegen der Testierfreiheit des Erblassers stärker Rechnung und unterstellt die Anwendbarkeit der Höfeordnung seiner Dispo­ sition.98

98  Lüdtke-Handjery/v. Jeinsen/Brinkmann,

HöfeO, § 1 Rn. 68.

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D. Vererbung landwirtschaftlicher Betriebe

Grundsätzlich ist ein Hof, der die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 S. 1 ­HöfeO erfüllt, noch immer kraft Gesetzes der Höfeordnung unterstellt, sodass es keiner Hoferklärung bedarf. Dies ist eine Besonderheit in der Hö­ feordnung sowie dem nach ihrem Vorbild erlassenen Brandenburgischen Höfeordnungsgesetz. Nach den übrigen landesrechtlichen Anerbengesetzen entsteht die Hofeigenschaft durch eine Erklärung des Berechtigten und die Eintragung.99 Bei Höfen mit einem Wirtschaftswert zwischen 5.000 € und 10.000 € ist zur Unterstellung des Betriebs unter das Höferecht eine positive Hoferklä­ rung erforderlich.100 Aus der Systematik der §§ 1 und 2 lit. a) HöfeO folgt, dass eine Hoferklärung nur für die gesamte land- und forstwirtschaftliche Besitzung abgegeben werden kann. Eine partielle Hoferklärung, also die Er­ klärung der Hofeigenschaft für einzelne Flächen, ist hingegen nicht mög­ lich.101 Dies liegt darin begründet, dass durch die Regelungen der Höfeord­ nung der gesamte Betrieb als Einheit erhalten werden soll. Eine Herausnahme einzelner Flächen aus dem Betrieb bei der einheitlichen Vererbung würde diesem Zweck zuwiderlaufen. Die Eintragung der Hofeigenschaft ins Grund­ buch begründet gemäß § 5 HöfeVfO die Vermutung, dass es sich bei dem in Frage stehenden Betrieb um einen Hof im Sinne der Höfeordnung handelt. Durch die Hoferklärung bestimmt der Hofeigentümer, ob er dem Betrieb dem Erbrechtsstatut der Höfeordnung unterstellt.102 Die Tatsache, dass die Höfeordnung auch ohne eine positive Anordnung des Erblassers gilt, ist dem höferechtlichen Zweck in besonderem Maße dienlich. So gilt das landwirtschaftliche Sondererbrecht auch ohne aktive Entscheidung des Erblassers und führt so auch in den Fällen, in denen sich der Betriebsinhaber noch keine Gedanken über die Vererbung seines Betriebs gemacht hat, zu seiner geschlossenen Erhaltung. Denn häufig stehen bei dem Erfordernis einer positiven Erklärung für die Geltung eines landwirtschaft­ lichen Sondererbrechts „Unwissenheit, Verdrängung des Gedankens an den 99  Vgl. § 1 Abs. 1  BremHöfeG, § 1 Abs. 1  HessLandgüterO, § 2 Abs. 1  HöfeORhPf; einzig in Baden gilt das Badische Hofgütergesetz nur für die am 23. Mai 1888 festgestellten Hofgüter, sodass hier nicht durch Erklärung neue Hofgüter entstehen können, sondern allenfalls Grundstücke mit behördlicher Genehmigung in bestehende Hofgüter einverleibt werden können, vgl. § 2 Abs. 1 BadHofgüterG. 100  Steffen, AgrarR 1987, 124 (125) fordert die Einführung eines konstitutiven Hofvermerks auch für Höfe mit einem darüber liegenden Wirtschaftswert, um eine Angleichung an die landesrechtlichen Anerbengesetze zu erreichen. 101  Lüdtke-Handjery/v. Jeinsen/Brinkmann, HöfeO, § 1 Rn. 85. 102  Dabei wird von der Rechtsprechung angenommen, dass es sich eine reine Ver­ fahrenshandlung handelt, BGH AgrarR 1979, 194; BGH AgrarR 1987, 350; Wöhrmann/Graß, Landwirtschaftserbrecht, § 1 HöfeO Rn. 91 gehen von einer verfahrensund materiell-rechtlichen Doppelnatur aus.



I. Bestimmung des Hoferben93

Tod, Kostenscheu, Nachlässigkeit und vieles andere mehr“103 einer Entschei­ dung für das Anerbenrecht als Erbstatut im Wege. Die Ausgestaltung der Höfeordnung verhilft dem Anerbenrecht daher zu einer größtmöglichen Gel­ tung innerhalb der betroffenen Kreise, ohne zugleich die Entscheidungsfrei­ heit der Erblasser einzuschränken. Handelt es sich um einen Hof im Sinne der Höfeordnung, kann die Erb­ folge kraft Höferechts (§ 4 HöfeO) gemäß § 16 Abs. 1 S. 1 HöfeO nicht durch Verfügung von Todes wegen ausgeschlossen werden. Diese Regelung greift jedoch nicht in die Testierfreiheit nach Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG des Erblassers ein, da die Unterwerfung unter die Regelungen der Höfeordnung fakultativ ist. Dadurch ist der Inhaber eines landwirtschaftlichen Betriebs aufgrund seines Wahlrechts als Erblasser gegenüber anderen Erblassern, die keinen landwirtschaftlichen Betrieb vererben, sogar privilegiert.104 (6) Verlust der Hofeigenschaft Die Hofeigenschaft geht nach § 1 Abs. 3 S. 1 HöfeO verloren, wenn keine der nach § 1 Abs. 1 HöfeO zulässigen Eigentumsformen mehr besteht. Dies ist de lege lata beispielsweise bei der Einbringung eines Betriebs zum Eigen­ tum in eine Gesellschaft der Fall.105 Darüber hinaus entfällt die Hofeigen­ schaft nach § 1 Abs. 3 S. 1 HöfeO zudem, wenn eine der übrigen zuvor an­ gesprochenen Voraussetzungen auf Dauer wegfällt. Allerdings sind an den Wegfall der Hofeigenschaft aus tatsächlichen Gründen hohe Anforderungen zu stellen.106 Der Grund dafür liegt darin, dass der Hof durch den Wegfall der Hofeigenschaft aus tatsächlichen Gründen nach § 1 Abs. 3 S. 1 HöfeO ohne einen Willensakt des Erblassers nicht mehr geschlossen vererbt wird und so eine Erhaltung des Betriebs im Erbgang ohne aktive Entscheidung des Eigentümers verhindert wird. Beim Wegfall der Hofeigenschaft aus tat­ sächlichen Gründen handelt es sich um eine wertende Entscheidung des Ge­ setzgebers, ab wann ein Hof gerade nicht mehr schutzwürdig im Sinne des landwirtschaftlichen Sondererbrechts ist. Bei einem Ehegattenhof entfällt die Hofeigenschaft gemäß § 1 Abs. 5 HöfeO neben dem Wegfall einer der kon­ stitutiven Voraussetzungen der Hofeigenschaft außerdem mit der Rechtskraft der Scheidung, der Aufhebung oder der Nichtigerklärung der Ehe. In diesen Fällen hat die Löschung des Hofvermerks lediglich deklaratorische Wir­

AgrarR 1998, 188 (189). Der fünfte Titel, S. 19. 105  Düsing/Martinez/Düsing/Sieverdingbeck, Agrarrecht, § 1 HöfeO Rn. 29. 106  Hausmann/Hohloch/Hausmann/Hausmann, Handbuch des Erbrechts, Kap. 24 Rn. 131. 103  Faßbender, 104  Seidel,

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D. Vererbung landwirtschaftlicher Betriebe

kung.107 Sinkt der Wirtschaftswert unter 5.000 €, tritt der Verlust der Hof­ eigenschaft gemäß § 1 Abs. 3 S. 2 HöfeO erst mit der Löschung des Hofver­ merkes ein.108 Durch den Wegfall der Hofeigenschaft aus tatsächlichen Gründen wird sichergestellt, dass der Betrieb nur zu privilegierten Bedingun­ gen vererbt wird, wenn die gesetzlich aufgestellten Kriterien erfüllt sind und damit der höferechtliche Zweck erfüllt werden kann. Schließlich kann der Betriebsinhaber durch Abgabe einer negativen Hofer­ klärung und Löschung des Hofvermerks im Grundbuch nach § 1 Abs. 4 Hö­ feO unter Einhaltung der Voraussetzungen des § 4 HöfeVfO privatautonom entscheiden, den Betrieb nicht mehr der Höfeordnung zu unterstellen (sog. fakultatives Höferecht).109 Allerdings ist dies aus Gründen der Rechtssicher­ heit nur für den Hof insgesamt und nicht für einzelne Grundstücke mög­ lich.110 Wenn entgegen § 2 HöfeVfO kein Hofvermerk im Grundbuch einge­ tragen war, kann gleichwohl die negative Hoferklärung im Grundbuch einge­ tragen werden. Dies ist insbesondere auch vorsorglich möglich, wenn nicht klar ist, ob nach den tatsächlichen Gegebenheiten ein Hof im Sinne der ­Höfeordnung vorliegt.111 Diese Löschung ist jederzeit möglich.112 Die Hof­ aufgabe- sowie Hofeinführungserklärung gelten sowohl für den Erklärenden als auch für alle Rechtsnachfolger, die das Eigentum am Hof im Wege des Erbgangs erworben haben.113 b) Vererbung nach Höfeordnung Erfüllt der landwirtschaftliche Betrieb die dargestellten Voraussetzungen, richtet sich die Bestimmung des Hoferben sowohl bei der gewillkürten Erb­ ZEV 2006, 395 (396). Löschung ist in diesen Fällen aus Gründen der Rechtssicherheit erforder­ lich, vgl. BT-Drucks. 7/1443, S. 16. 109  Ein solcher Ausschluss des Höferechts durch Löschung des Hofvermerks im Grundbuch oder in der Höferolle ist zudem möglich nach § 1 Abs. 4 BbgHöfeOG, § 3 Abs. 1 BremHöfeG, § 3 HessLandgüterO und § 6 HöfeO-RhPf. 110  Roemer, RNotZ 2015, 556 (562). 111  Lüdtke-Handjery/v. Jeinsen/Brinkmann, HöfeO, § 1 Rn. 70; die Hofaufgabeer­ klärung wird dabei weitaus häufiger abgegeben als die Hofeinführungserklärung, was insbesondere daran liegt, dass potenziellen Erben die erforderliche Wirtschaftsfähig­ keit fehlt und dem Erblasser durch eine negative Hoferklärung eine Nachlassplanung ohne die Einschränkungen der Höfeordnung möglich ist, vgl. Roemer, RNotZ 2015, 556 (565). 112  Düsing/Martinez/Düsing/Sieverdingbeck, Agrarrecht, § 1 HöfeO Rn. 52. 113  BGH NJW 1992, 2825; beim Erwerb des Hofes durch Verkehrsgeschäft unter Lebenden hat die Hoferklärung nach überwiegender Ansicht hingegen keine Dauer­ wirkung, vgl. Roemer, RNotZ 2015, 556 (559) m. w. N. 107  Söbbeke, 108  Die



I. Bestimmung des Hoferben95

folge als auch bei der gesetzlichen Erbfolge nach den Vorschriften der Höfe­ ordnung. Genau wie im allgemeinen Erbrecht des bürgerlichen Rechts nach den §§ 1937 ff. BGB ein Vorrang der gewillkürten Erbfolge vor der gesetz­ lichen Erbfolge besteht,114 erfolgt die Bestimmung der Erben auch in den Anerbengesetzen vorrangig durch Rechtsgeschäft.115 aa) Anerbenbestimmung kraft letztwilliger Verfügung Gemäß § 7 Abs. 1 S. 1 HöfeO kann der Eigentümer den Hoferben durch Verfügung von Todes wegen oder durch vorweggenommene Erbfolge im Rahmen eines Übergabevertrags frei bestimmen. Die Testierfreiheit des Erb­ lassers wird dabei allerdings durch die Regelungen des BGB und der Höfe­ ordnung in mehrerlei Hinsicht eingeschränkt: Zunächst unterliegt der Erblasser bei Bestimmung des Hoferben den erb­ rechtlichen Beschränkungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs.116 So ist bei­ spielsweise keine anderslautende Hoferbenbestimmung mehr möglich, wenn der Hofeigentümer sich zuvor nach § 2289 Abs. 1 S. 2 BGB erbvertraglich oder nach § 2271 BGB durch ein gemeinschaftliches Testament gebunden hat.117 Zusätzlich bestehen nach der Höfeordnung Beschränkungen der Testier­ freiheit des Erblassers: Gemäß § 4 S. 1 HöfeO kann nur eine Person Hoferbe sein, sodass eine Erbengemeinschaft an dem Hof ist ausgeschlossen ist („Der Bauer hat nur ein Kind“).118 Nach § 16 Abs. 1 S. 1 HöfeO kann der Eigen­ tümer die Alleinerbfolge kraft Höferechts auch nicht durch Verfügung von Todes wegen ausschließen. Dies gilt über § 17 HöfeO auch bei Hofübergabe­ verträgen. Trifft der Erblasser also eine Verfügung, die dieser Regelung ­widerspricht, ist sie wegen Verstoßes gegen ein Verbotsgesetz im Sinne von § 134 BGB nichtig.119 Gemäß § 7 Abs. 1 S. 1 HöfeO kann nur derjenige zum Hoferben bestimmt werden, der Inhaber eines Hofes i. S. v. § 1 Abs. 1 S. 1 HöfeO sein kann, sodass juristische Personen als Hoferben ausscheiden.120 Außerdem kann gemäß § 7 Abs. 1 S. 2 HöfeO nicht zum Hoferben bestimmt 114  MüKoBGB/Leipold,

§ 1937 Rn. 2.

115  Hausmann/Hohloch/Hausmann/Hausmann,

Handbuch des Erbrechts, Kap. 24 Rn. 138. 116  Düsing/Martinez/Düsing/Sieverdingbeck, Agrarrecht, § 7 HöfeO Rn. 2. 117  Kroiß/Horn/Solomon/Graß, Nachfolgerecht, § 7 HöfeO Rn. 10. 118  Muscheler, Erbrecht I, § 18 Rn. 857. 119  Hausmann/Hohloch/Hausmann/Hausmann, Handbuch des Erbrechts, Kap. 24 Rn. 136. 120  Hausmann/Hohloch/Hausmann/Hausmann, Handbuch des Erbrechts, Kap. 24 Rn. 140.

96

D. Vererbung landwirtschaftlicher Betriebe

werden, wer wegen Wirtschaftsunfähigkeit121 nach § 6 Abs. 6 HöfeO als Hoferbe ausscheidet. Diese Regelungen sind unmittelbarer Ausfluss des hö­ ferechtlichen Zwecks, der auf die Erhaltung des landwirtschaftlichen Betriebs in der Hand einer einzigen Person anstrebt, die in der Lage ist, diesen zu bewirtschaften. Schließlich gilt gemäß § 7 Abs. 2 HöfeO der Vorrang der formlos-binden­ den Hoferbenbestimmung.122 Hat der Eigentümer also die Bewirtschaftung des Hofes einem hoferbberechtigten Abkömmling übertragen (§ 7 Abs. 2 S. 1 HöfeO) oder hat er durch Art und Umfang der Beschäftigung eines hof­ erbberechtigten Abkömmlings auf dem Hof erkennen lassen, dass dieser den Hof übernehmen soll (§ 7 Abs. 2 S. 2 HöfeO), ist eine anderweitige letzt­ willige Verfügung des Hofeigentümers unwirksam, soweit sie den Hoferb­ berechtigten von der Hoferbfolge ausschließt. Neben der Bestimmung des Erben durch letztwillige Verfügung kann der Erblasser dem überlebenden Ehegatten gemäß § 14 Abs. 3 HöfeO durch Ver­ fügung von Todes wegen ein Bestimmungsrecht einräumen, unter den Ab­ kömmlingen des Eigentümers einen Hoferben zu bestimmen. Hierin liegt eine Ausnahme zum Grundsatz zum im Bürgerlichen Gesetzbuch geltenden Grundsatz der materiellen Höchstpersönlichkeit nach § 2065 Abs. 2 BGB.123 bb) Anerbenbestimmung kraft Gesetzes (1) Vererbung eines im Alleineigentum des Erblassers stehenden Hofes Wurde kein Erbe durch Rechtsgeschäft bestimmt, richtet sich die Bestim­ mung des Hoferben nach den Regelungen des jeweils geltenden Anerben­ rechts; in der Höfeordnung sind dies die §§ 5, 6 und 8–10 HöfeO. Da der Betrieb nach § 4 S. 1 HöfeO nur einer Person zufallen kann, werden in § 5 HöfeO für einen im Alleineigentum des Erblassers stehenden Hof vier Erbordnungen124 aufgestellt, die beim Aufeinandertreffen mehrerer potenziel­

121  Zum

Begriff der Wirtschaftsfähigkeit vgl. S. 105 ff. hierzu im Rahmen der Anerbenbestimmung kraft Gesetzes ab

122  Ausführlich

S. 96 ff. 123  Allgemein zur unbestimmten letztwilligen Verfügung und der dem erbrechtli­ chen Bestimmtheitsgebot in § 2065 BGB vgl. Bergmann, in: FS für Rüßmann, S.  209 ff. 124  Dieselben Erbfolgeordnungen stellen auch § 7 Abs. 1 BadHofgüterG, § 5 Bbg­ HöfeOG und § 16 HöfeO-RhPf auf. Gemäß § 9 Abs. 2 BremHöfeG und § 11 Abs. 1 HessLandgüterO gilt das Anerbenrecht beziehungsweise Übernahmerecht hin­ gegen nur für Abkömmlinge.



I. Bestimmung des Hoferben97

ler Hoferben durch § 6 HöfeO präzisiert und durch die erbrechtlichen Rege­ lungen des BGB125 ergänzt werden: In der ersten Ordnung kommen als Hoferben nach § 5 Nr. 1 HöfeO die Kinder des Erblassers und deren Abkömmlinge in Betracht. Durch das Kind­ schaftsrechtsreformgesetz von 1997 sind nichteheliche Kinder ehelichen Kindern gleichgestellt, sodass es für die Bestimmung des Hoferben keine Rolle spielt, ob der Erblasser mit dem anderen Elternteil des Kindes verhei­ ratet war.126 An die Stelle des vorverstorbenen Hoferbberechtigten tritt nach der Rechtsprechung gemäß dem Grundsatz des Erbrechts nach Stämmen127 sein Abkömmling.128 Der Grund hierfür liegt darin, dass sich bei der Erb­ schaft eines Hofes die gesamte Familie darauf verlassen können soll, den Hof auch tatsächlich zu übernehmen, sodass dieser den Abkömmlingen auch bei Vorversterben des eigentlichen Hoferben weiterhin zufallen soll.129 Darü­ ber hinaus herrschte das Erbrecht nach Stämmen auch in einem Großteil der Vorgängergesetze der Höfeordnung in der britischen Zone vor und sollte da­ her auch in der Höfeordnung als „Zusammenfassung der bewährtesten lan­ desrechtlichen Bestimmungen der früheren Landesgesetze“130 gelten. Unter mehreren in Betracht kommenden Erben innerhalb der ersten Ord­ nung131 stellt § 6 Abs. 1 HöfeO weitere Kriterien zur Auswahl des Hoferben auf: So wird nach § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 HöfeO in erster Linie derjenige Hof­ erbe, dem vom Erblasser die Bewirtschaftung132 des Hofes auf Dauer über­ tragen wurde, ohne dass sich dieser die Bestimmung eines anderen Hoferben ausdrücklich vorbehalten hat. In zweiter Linie ist nach § 6 Abs. 1 S. 1 125  Dies gilt insbesondere für das Verhältnis der gesetzlichen Erbordnungen nach § 1930 BGB, den Erbverzicht nach § 2346 BGB sowie die Erbunwürdigkeit nach §§ 2239 ff. BGB, vgl. MAH AgrarR/v. Garmissen, § 11 Rn. 25. 126  Wöhrmann/Graß, Landwirtschaftserbrecht, § 5 HöfeO Rn. 2. 127  Wie auch im allgemeinen Erbrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach §§ 1924 Abs. 3, 1925 Abs. 3 S. 1, 1926 Abs. 4 BGB. 128  Zwischenzeitlich wurde teilweise ein Gradualsystem angenommen, nunmehr wurde jedoch höchstrichterlich entschieden, dass in der ersten bis vierten Hoferbord­ nung das Erbrecht nach Stämmen gilt, vgl. BGH AUR 2007, 137; ausführlich zum Streitstand Steffen, RdL 1996, 141. 129  Wöhrmann/Graß, Landwirtschaftserbrecht, § 5 HöfeO Rn. 22. 130  OGH (Oberster Gerichtshof für die Britische Zone) RdL 1950, 123 (124). 131  Die nachfolgend dargestellten Regelungen zur Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls im Rahmen der Bestimmung des Hoferben bei gesetzlicher Erbfolge gelten ausschließlich bei Erben der ersten Erbordnung. 132  Unter der Bewirtschaftung des Hofes versteht man die umfassende tatsächliche Besitz- und Berechtigungsgewalt über den zum Hof gehörenden Grundbesitz, die Bestandteile und das Zubehör bei möglicher oder tatsächlicher Ausführung der für den Hof jeweils notwendigen Arbeiten, vgl. Bendel/Becker/Barnstedt, AgrarR 1976, 117 (123) und Lange/Kuchinke, Erbrecht, S. 1352 Fn. 115.

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D. Vererbung landwirtschaftlicher Betriebe

Nr. 2 HöfeO als Hoferbe derjenige berufen, hinsichtlich dessen der Erblasser durch die Ausbildung oder durch Art und Umfang der Beschäftigung auf dem Hof hat erkennen lassen, dass er den Hof übernehmen soll. Diese Be­ stimmung des Hoferben nach § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und Nr. 2 HöfeO wird auch als formlose Hoferbenbestimmung bezeichnet.133 Erst in dritter Linie wird unter mehreren in Betracht kommenden Erben gemäß § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 HöfeO der älteste beziehungsweise, wenn in der Gegend Jüngstenrecht Brauch ist134, der jüngste von ihnen Erbe. Bis 1976 wurde bei mehreren möglichen Erben nach § 6 Abs. 1 HöfeO a. F. zur Bestimmung des Hoferben allein auf den jeweiligen Erbbrauch des Äl­ testen- beziehungsweise Jüngstenerbrechts abgestellt. Allerdings handelt es sich dabei um ein Kriterium, welches zu schematischen Ergebnissen führt und nicht vorrangig an den Willen des Erblassers anknüpft. Um dem mut­ maßlichen Erblasserwillen, welcher sich in den Tatbeständen der formlosbindenden Hoferbenbestimmung nach § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und 2 HöfeO in der Regel zeigt135, Rechnung zu tragen und bei der Erbfolge vorrangig an individuelle Eignungsunterschiede anzuknüpfen136, wurde das Alter deshalb nur noch als subsidiäres gesetzliches Berufungskriterium zugelassen.137 Zum Schutz des den Hof bewirtschaftenden Abkömmlings ist es dem Erblasser, solange der Abkömmling den Hof bewirtschaftet, gemäß §  7 Abs.  2 S. 1 ­HöfeO nicht möglich, durch gewillkürte Erbfolge eine andere Person als Hoferben einzusetzen. Allerdings kann der Eigentümer gemäß § 7 Abs. 2 S. 3 HöfeO trotzdem auch nach der Überlassung des Hofes anderslautende Verfügungen unter Lebenden treffen. Außerdem kann er auch eine negative Hoferklärung abgeben und den Betrieb so dem Anwendungsbereich des

Erbrecht, S. 1352. und Nordrhein-Westfalen haben von der Ermächtigung in Art. 3 § 6 des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Höfeordnung Gebrauch gemacht und Verordnungen bzgl. des jeweils geltenden Erbbrauchs erlassen; in Hamburg und Schleswig-Holstein gilt die gemeinschaftliche Bekanntmachung des Reichsministers der Justiz und des Reichsministers der Ernährung und Landwirtschaft vom 28. Sep­ tember 1940 fort; ein Abdruck der Verordnungen und der Bekanntmachung findet sich bei Wöhrmann/Graß, Landwirtschaftserbrecht, Anhang zu § 6 HöfeO, S. 160. 135  BT-Drucks. 7/1443, S. 17. 136  MAH AgrarR/v. Garmissen, § 11 Rn. 26. 137  Vorschriften zur formlosen Hoferbenbestimmung finden sich außer in der ­HöfeO lediglich noch in § 7a Abs. 2 S. 1 BadHofgüterG, § 6 Abs. 1 BbgHöfeOG und § 17 Abs. 2 S. 1 HöfeO-RhPf; in der HöfeO-RhPf wird dabei allerdings nur auf die Beschäftigung auf dem Hof abgestellt und im Badischen Hofgütergesetz auf die Be­ schäftigung auf dem Hof oder die Ausbildung; die Übertragung der Bewirtschaftung wie in der Höfeordnung ist in beiden landesrechtlichen Anerbengesetzen hingegen kein Kriterium zur formlosen Hoferbenbestimmung. 133  Lange/Kuchinke, 134  Niedersachen



I. Bestimmung des Hoferben99

­ öferechts entziehen, sodass auch die Schutzvorschrift des § 7 Abs. 2 S. 1 H ­HöfeO nicht mehr gilt.138 Obwohl bei der formlos-bindenden Hoferbenbestimmung auf den Willen des Erblassers abgestellt wird, handelt es sich dabei nicht um eine Verfügung von Todes wegen, sondern um gesetzliche Erbfolge.139 Die Rechtsnatur die­ ser gesetzlichen Erbfolgeregelung ist umstritten: Die Einordnung reicht von einem formlosen Hofübergabevertrag auf den Todesfall140 über eine quasites­ tamentarische Hoferbfolge141 bis hin zu einer stillschweigend gegründeten Innengesellschaft, deren Auseinandersetzung in der Höfeordnung spezialge­ setzlich geregelt ist.142 Muscheler kritisiert an dem Institut der formlos-bindenden Hoferbenbe­ stimmung, dass dadurch nicht in erster Linie das die Höfeordnung legitimie­ rende Ziel der Erhaltung zukunftsfähiger Betriebe gefördert werde, sondern vor allem „faktische Erwerbserwartungen“143 des Bewirtschaftenden ge­ schützt würden.144 Die Gesetzesbegründung zu § 6 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 ­­HöfeO bestätigt, dass die formlos-bindende Hoferbenbestimmung auch den Schutz des bewirtschaftenden Erben bezweckt.145 Dieser Vertrauensschutz steht aber nicht der Annahme entgegen, dass durch die Norm zugleich auch dem mutmaßlichen Erblasserwillen hinreichend Rechnung getragen werden soll.146 Vor dem Zweiten Gesetz zur Änderung der Höfeordnung wurde zwi­ schen mehreren in Betracht kommenden Erben lediglich eine Bestimmung des tatsächlichen Hoferben nach dem Ältesten- beziehungsweise Jüngsten­ erbrecht vorgenommen. Der Gesetzgeber war bei der Reform 1976 jedoch der Auffassung, dass durch dieses lediglich altersbezogene Auswahlkriterium der mutmaßliche Erblasserwille nicht hinreichend berücksichtigt werde.147 Im Regelfall ist auch in der Praxis davon auszugehen, dass der Erblasser ohnehin bei gewillkürter Erbfolge denjenigen als Hoferben bestimmen will, dem er die Bewirtschaftung des Betriebs auf Dauer übertragen hat (§ 6 Abs. 1 138  Söbbeke, ZEV 2006, 395 (397); a.  A. Lüdtke-Handjery/v. Jeinsen/v. Jeinsen, HöfeO, § 6 Rn. 14. 139  OLG Oldenburg RdL 2002, 243; Lüdtke-Handjery/v. Jeinsen/v. Jeinsen, H ­ öfeO, § 6 Rn. 5; a. A. Wöhrmann/Graß, Landwirtschaftserbrecht, § 6 HöfeO Rn. 11. 140  BGH NJW 1988, 710; Wöhrmann/Graß, Landwirtschaftserbrecht, § 6 HöfeO Rn. 11. 141  Soergel/Stein, § 1922 Rn. 93. 142  Lüdtke-Handjery/v. Jeinsen/v. Jeinsen, HöfeO, § 6 Rn. 11 m. w. N. 143  Muscheler, Erbrecht I, Rn. 974. 144  Muscheler, Erbrecht I, Rn. 974. 145  BT-Drucks. 7/1443, S. 17. 146  So auch die Gesetzesbegründung BT-Drucks. 7/1443, S. 17. 147  BT-Drucks. 7/1443, S. 17.

100

D. Vererbung landwirtschaftlicher Betriebe

Nr. 1 ­HöfeO) oder bei dem – falls eine Bewirtschaftungsübertragung noch nicht stattgefunden hat – jedenfalls seine Ausbildung und Beschäftigung auf dem Hof darauf schließen lassen, dass er den Hof übernehmen soll (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 ­HöfeO). Im Ergebnis wird daher durch die formlos-bindende Hoferbenbestimmung neben dem Vertrauensschutz der begünstigten Person auch ein Beitrag zur Erreichung des höferechtlichen Zwecks geleistet, da auf diese Weise am ehesten sichergestellt wird, dass der Hof auch nach der Ver­ erbung tatsächlich weitergeführt und erhalten wird. Als Erbe zweiter Ordnung kommt nach § 5 Nr. 2 ­HöfeO der Ehegatte148 des Erblassers in Betracht.149 Einschränkend gilt dies gemäß § 6 Abs. 2 Nr. 1 ­HöfeO jedoch nicht, wenn Erben der dritten oder vierten Erbordnung, also Eltern oder Geschwister des Erblassers, leben und ihr Ausschluss von der Hoferbfolge wegen der von ihnen erbrachten Leistungen für den Hof grob unbillig wäre. Nach § 6 Abs. 2 Nr. 2 ­HöfeO scheidet der Ehegatte zu­ dem als Hoferbe aus, wenn sein Erbrecht nach § 1933 BGB wegen Schei­ dungs- oder Aufhebungsklage ausgeschlossen ist. Die in den anderen Erb­ ordnungen erforderliche Wirtschaftsfähigkeit des Hoferben wird bei Ehegat­ ten gemäß § 6 Abs. 6 S. 2 Höfe nicht vorausgesetzt. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass davon auszugehen sei, dass der überlebende Ehegatte über lange Zeit auf dem Hof mitgewirkt hat und deshalb das Erfordernis der Wirtschaftsfähigkeit als Kriterium der Erbfähigkeit als unbillig gelten wür­ de.150 Die Berufung des Ehegatten als gesetzlichen Erben kam schon etwa in der Meyerordnung für das Fürstentum Calenberg aus dem Jahr 1772 vor und entspricht dem bereits dort vorherrschenden Grundsatz „Längst Leib (= Le­ 148  Wird der überlebende Ehegatte nicht Hoferbe nach § 5 Nr. 2 ­HöfeO, etwa weil Abkömmlinge des Erblassers vorhanden sind, richtet sich seine rechtliche Stellung nach § 14 H ­ öfeO: Er hat in diesem Fall gemäß § 14 Abs. 1 S. 1 ­HöfeO bis zum 25. Lebensjahr des Hoferben ein Verwaltungs- und Nutznießungsrecht. Diese Rechte können nach Maßgabe des § 14 Abs. 1 S. 2 H ­ öfeO auch beschränkt, verlängert oder aufgehoben werden. Wenn dem Ehegatten dieses Recht nicht zusteht oder es endet, kann er unter Verzicht der aus § 12 ­HöfeO erwachsenden Abfindungsansprüche das Altenteil verlangen. 149  Wird der Ehegatte deshalb Erbe, weil zwar vorhandene Abkömmlinge nicht wirtschaftsfähig sind und damit als Hoferben ausscheiden, kann dies dazu führen, dass der Betrieb unter Umständen bei einer Neuverheiratung des überlebenden Ehegatten in eine andere Familie „abwandert“. Ist dies nicht gewollt, muss der ­ Erb­ ­ lasser seinen Ehegatten entweder als Hofvorerben einsetzen oder den Betrieb durch Löschung des Hofvermerks aus dem Anwendungsbereich der Höfeordnung herausnehmen, sodass es auf die Wirtschaftsunfähigkeit seiner eigenen Abkömm­ linge nicht mehr ankommt; vgl. hierzu auch Lüdtke-Handjery/v. Jeinsen/‌v. Jeinsen, ­HöfeO, § 5 Rn. 39. 150  Wöhrmann/Graß, Landwirtschaftserbrecht, § 6 ­HöfeO Rn. 124.



I. Bestimmung des Hoferben101

ben), längst Gut“151. Allerdings war der Ehegatte bis zur Novellierung der Höfeordnung 1976 gemäß § 6 Abs. 2 S. 1 ­HöfeO a. F. nur Vorerbe und nicht wie jetzt Vollerbe. Diese Vorschrift wurde geändert, da der Gesetzgeber auf Grundlage einer vor Änderung der Höfeordnung durchgeführten Meinungs­ umfrage davon ausging, dass es nicht mehr dem Willen eines kinderlos ver­ heirateten Hofeigentümers entspricht, dass der überlebende Ehegatte zuguns­ ten der Geschwister des Erblassers in seiner erbrechtlichen Stellung derartig stark eingeschränkt wird.152 Gemäß § 19 Abs. 1 ­HöfeO gelten die Vorschriften der Höfeordnung auch für Lebenspartner entsprechend, sodass diese ebenfalls Hoferben zweiter Ordnung sind. Allerdings gilt diese Gleichstellung von Lebenspartnerschaf­ ten mit Ehen gemäß § 19 Abs. 2 ­HöfeO nicht für solche Lebenspartnerschaf­ ten, bei welchen der Erblasser vor dem 26. November 2015 verstorben ist.153 Durch das Gesetz zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts vom 20. Juli 2017 können seit dem 1. Oktober 2017 keine Lebenspartnerschaften mehr begründet werden, sodass für alle nach diesem Zeitpunkt geschlossenen gleichgeschlechtlichen Ehen ohnehin der § 5 Nr. 2 ­HöfeO direkt anwendbar ist. Als Erben dritter Ordnung kommen nach § 5 Nr. 3 ­HöfeO die Eltern des Erblassers in Betracht, wenn der Hof von ihnen oder aus ihren Familien stammt oder aus ihren Mitteln erworben worden ist. Stammt der Hof von beiden Eltern oder deren Familien oder ist mit Mitteln beider Familien er­ worben worden, fällt der Hof den Eltern gemäß § 6 Abs. 4 S. 1 ­HöfeO als Ehegattenhof an. Für die Beurteilung der Herkunft des Hofes ist grundsätz­ lich auf den letzten Eigentumsübergang abzustellen.154 Stammt der Hof nicht von den Eltern des Erblassers oder aus ihren Familien oder wurde aus ihren Mitteln erworben, sind die Eltern nicht hoferbberechtigt. Die Höfeordnung berücksichtigt damit im Gegensatz zum allgemeinen Erbrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs in der dritten Erbordnung die Her­ kunft des Eigentums, indem sie darauf abstellt, ob der Hof aus der Familie des Mannes oder der Frau stammt. Diese Regelung hat in den früheren An­ erbengesetzen kein Vorbild, sondern wurde erstmalig 1943 in § 32 der Erb­ hoffortbildungsverordnung zum Reichserbhofgesetz geregelt. V. Jeinsen ver­ mutet, dass diese Neuerung, die auch die Mutter in der Erbfolge berücksich­ 151  Lüdtke/Handjery/v. Jeinsen/v. Jeinsen, ­HöfeO, § 5 Rn. 1; Linckelmann, Höfe­ gesetz für die Provinz Hannover in der Fassung des Gesetzes vom 28. Juli 1909, S. 33 Fn. 30. 152  BT-Drucks. 7/1443, S. 18. 153  Ob die Regelung in dieser Form verfassungsgemäß ist, ist zweifelhaft, war aber bisher nicht Gegenstand gerichtlicher Entscheidung. 154  Lüdtke-Handjery/v. Jeinsen/v. Jeinsen, ­HöfeO, § 5 Rn. 47.

102

D. Vererbung landwirtschaftlicher Betriebe

tigt, wohl kriegsbedingt eingeführt wurde.155 Der heutige Grund für die Be­ achtung der Herkunft des Hofes ist, dass es als unbillig angesehen wird, wenn der Betrieb in den beschriebenen Fallkonstellationen nicht wieder an die Vorfahren zurückfiele, von denen dieser beziehungsweise die Mittel für den Hof auch ursprünglich herrührten.156 Auch an dieser Stelle zeigt sich die starke Familiengebundenheit des landwirtschaftlichen Erbrechts. Stammt der Hof hingegen nicht von den Eltern des Erblassers oder wurde aus ihren Mitteln erworben, werden die Eltern im Gegensatz zum allgemei­ nen Erbrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs in der Erbfolge übergangen. In diesem Fall kommen die Geschwister des Erblassers und deren Abkömm­ linge nach § 5 Nr. 4 ­HöfeO als Erben vierter Ordnung in Betracht. Dies lässt sich nach der Gesetzesbegründung auf den Zweck des Anerbenrechts zurück­ führen, nach welchem ein Rückfall des Hofes auf die vorhergehende Genera­ tion aufgrund des voraussichtlich schnellen erneuten Eigentumswechsels vermieden werden soll, um Störungen in der Bewirtschaftung weitestgehend zu vermeiden.157 Unter den hier möglichen Erben richtet sich die Auswahl gemäß § 6 Abs. 5 S. 1 ­HöfeO wieder nach den in Abs. 1 aufgestellten Krite­ rien. Beispielsweise im Höfegesetz für die Provinz Hannover aus dem Jahr 1874 waren als Anerben nur die Abkömmlinge des Erblassers berufen. Ge­ mäß § 10 des Höfegesetzes für die Provinz Hannover aus dem Jahr 1909 wurden hingegen auch Ehegatten, Eltern, Geschwister und deren Abkömm­ linge in die gesetzliche Hoferbfolge mit aufgenommen.158 Es setzte sich also insbesondere in den Höfegesetzen zum Anfang des 20. Jahrhunderts der Ge­ danke durch, nicht nur die Abkömmlinge des Erblassers, sondern auch wei­ tere Personen aus dem engeren Familienkreis als Hoferben in Betracht kom­ men zu lassen. Gemäß § 10 ­HöfeO vererbt sich der Hof nach den Vorschriften des allge­ meinen Rechts, wenn nach den Vorschriften der Höfeordnung kein Hoferbe vorhanden oder wirksam bestimmt ist („verwaister Hof“).159 Immer wenn 155  Lüdtke-Handjery/v. Jeinsen/v. Jeinsen,

­HöfeO, § 5 Fn. 5. Landwirtschaftserbrecht, § 5 H ­ öfeO Rn. 11. 157  BT-Drucks. 4/1810, S. 5. 158  Linckelmann, Höfegesetz für die Provinz Hannover in der Fassung des Geset­ zes vom 28. Juli 1909, S. 33 Fn. 30. 159  Auch gemäß § 7 Abs. 2 BadHofgüterG und § 10 Bbg­HöfeOG vererbt sich der Hof nach dem allgemeinen Recht, wenn kein Anerbe vorhanden ist. Nach § 9 Abs. 2 BremHöfeG gilt das Anerbenrecht nur Abkömmlingen und dem Ehegatten gegenüber und nach § 11 Abs. 3 BremHöfeG erlischt die Wirkung der Eintragung in der Höferolle, wenn kein Abkömmling des Erblassers als Anerbe berufen ist, sodass sich der Hof ebenfalls nach allgemeinem Erbrecht vererbt; gemäß § 11 HessLand­ güterO besteht das Übernahmerecht nur dann, wenn an der Erbengemeinschaft aus­ 156  Wöhrmann/Graß,



I. Bestimmung des Hoferben103

also beim Erbfall keiner der gemäß § 5 ­HöfeO Hoferbberechtigten lebt oder alle Hoferbberechtigten durch Ausschlagung, Erbverzichtsvertrag, Wirt­ schaftsunfähigkeit160 oder Erbunwürdigkeit ausscheiden, richtet sich die Vererbung sowohl bei gewillkürter als auch bei gesetzlicher Erbfolge nach den allgemeinen erbrechtlichen Regelungen des bürgerlichen Rechts.161 In diesen Fällen kann dann abweichend von den Regelungen der Höfeordnung etwa auch eine juristische Person oder eine Personenmehrheit als Erbe des Hofes eingesetzt werden.162 Die Regelung des § 10 ­HöfeO verdeutlicht die Familienbindung des Hofes: Der Betrieb soll nur dann durch die Anwendbar­ keit des Anerbenrechts und die damit einhergehende Privilegierung als Ein­ heit erhalten werden, wenn er im Erbgang innerhalb der engeren Familie des Erblassers verbleibt.163 Schwarz regt in Anbetracht der immer höheren subjektiven Anforderungen, die an Hoferben gestellt werden, und der Probleme vieler Betriebsinhaber, ei­ nen geeigneten Nachfolger zu finden, eine Ausweitung der Erbordnungen an.164 Ziel sei, dass für die überwiegende Anzahl der Erbfälle eine geschlos­ sene Hoferbfolge sichergestellt ist. Allerdings ist in diesem Zusammenhang zu beachten, dass in der Höfeordnung die Erbenbestimmung nicht nur eine be­ triebsbezogene, sondern auch eine familienbezogene Komponente hat. Es stellt sich daher die Frage, ob ein Erblasser, der in den gesetzlichen Erbfolgeordnun­ gen der Höfeordnung keinen geeigneten Hoferben findet, ein größeres Inte­ resse an der geschlossenen Erhaltung des Betriebs – auch in entfernteren Ver­ wandtschaftsordnungen – hat als an einer möglichen Aufteilung des Betriebs, schließlich Nachkommen des Erblassers alleine oder neben dem überlebenden Ehe­ gatten beschäftigt sind, andernfalls gilt das allgemeine Erbrecht, vgl. Steffen/Ernst, ­HöfeO, § 10 Rn. 11; in der ­HöfeO-RhPf gibt es keine Vorschriften für diese Fallkon­ stellation, allerdings wird auch hier angenommen, dass sich der Hof bei Fehlen von Anerben nach dem allgemeinen Erbrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs vererbt, vgl. Steffen/Ernst, ­HöfeO, § 10 Rn. 11. 160  Da der Erblasser nach der Ausnahme in § 7 Abs. 1 S. 2 ­HöfeO jedoch bei Wirt­ schaftsunfähigkeit aller Abkömmlinge sogar einen von ihnen zum Hoferben bestim­ men kann, kommt dies in der Praxis selten vor, vgl. Lüdtke-Handjery/v. Jeinsen/v. Jeinsen, ­HöfeO, § 10 Rn. 1. 161  Steffen/Ernst, ­HöfeO, § 10 Rn. 1. 162  Dies wird etwa von Scheyhing als Widersprüchlichkeit und problematisch in Bezug auf die Wechselwirkung und Abgrenzbarkeit in Bezug auf die Höfeordnung und das allgemeine Erbrecht angesehen, vgl. Scheyhing,  JZ 1961, 729 (730); dem widersprechend Schulte, JZ 1962, 563 (564), der die Regelung des § 10 ­HöfeO als Zweckmäßigkeitsentscheidung des Gesetzgebers zur Verwirklichung des landwirt­ schaftserbrechtlichen Zwecks des Schutzes vor Zersplitterung ansieht. 163  Dehne, Vom Hof zum Betrieb – Strukturwandel des landwirtschaftlichen Erb­ rechts, S. 41. 164  Schwarz, Das Verhältnis zwischen dem Landwirtschaftserbrecht und dem allge­ meinen Erbrecht des BGB, S. 131.

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D. Vererbung landwirtschaftlicher Betriebe

der dafür aber im Kreis seiner engeren Verwandtschaft bleibt. Dies ist anhand einer Meinungsumfrage innerhalb der betroffenen Kreise zu ermitteln.165 (2) Vererbung eines Ehegattenhofes Handelt es sich um einen Ehegattenhof im Sinne des § 1 Abs. 1 und Abs. 5 ­HöfeO, fällt der Anteil des Erblassers gemäß § 8 Abs. 1 ­HöfeO dem überlebenden Ehegatten als Vollerben zu.166 Der Ehegatte muss, um Hoferbe sein zu können, auch bei einem Ehegattenhof nicht wirtschaftsfähig sein.167 Von der in § 8 Abs. 1 ­HöfeO angeordneten Hoferbfolge kann der Erblasser aufgrund von § 16 Abs. 1 S. 1 ­HöfeO auch nicht durch Verfügung von Todes wegen abweichen. Die Ehegatten können gemäß § 8 Abs. 2 S. 1 ­HöfeO le­ diglich gemeinsam einen Dritten als Hoferben des gesamten Hofes beim Tod des letztversterbenden Ehegatten bestimmen.168 Dadurch handelt es sich bei der Bestimmung des überlebenden Ehegatten zum Erben des Erstversterben­ den bei Ehegattenhöfen gewissermaßen um ein „Zwangsanerbenrecht“.169 In der Tat wird die Testierfreiheit des Ehegatten durch diese Norm erheblich eingeschränkt. Allerdings geschieht dies zum einen im Interesse der ge­ schlossenen Erhaltung des Hofes in der Hand nur eines Hoferben.170 Zum anderen müssen sich die Ehegatten zuvor privatautonom für die Errichtung eines Ehegattenhofes entschieden haben und können diese Entscheidung auch wieder rückgängig machen, sodass die Norm im Ergebnis in dieser Form dennoch als rechtmäßig anzusehen ist.171 165  So auch Schwarz bezüglich der Ausweitung der Erbfolgeordnungen, vgl. Schwarz, Das Verhältnis zwischen dem Landwirtschaftserbrecht und dem allgemeinen Erbrecht des BGB, S. 131. 166  Vor dem Zweiten Gesetz zur Änderung der Höfeordnung 1976 war der überle­ bende Ehegatte lediglich Vorerbe; da dies dazu führte, dass der überlebende Ehegatte das frei verfügbare Eigentum an seinem Anteil des Ehegattenhofs verlor und dies als nicht mit Art. 14 GG vereinbar angesehen wurde („Beerbung bei lebendigem Leibe“), wurden durch die Vollerbschaft die Rechte des überlebenden Ehegatten gestärkt, vgl. BT-Drucks. 7/1443, S. 21. 167  OLG Oldenburg ZEV 1997, 128. 168  Der letztversterbende Ehegatte kann durch Verfügung von Todes wegen auch allein eine Person als Hoferben bestimmen. Durch die gemeinsame Bestimmung nach § 8 Abs. 2 S. 1 ­HöfeO entsteht jedoch eine Bindungswirkung, die vom Letztverster­ benden nicht mehr einseitig aufgehoben werden kann, vgl. Steffen/Ernst, ­HöfeO, §  8 Rn. 9. 169  Lüdtke-Handjery/v. Jeinsen/v. Jeinsen, ­HöfeO, § 8 Rn. 23; OLG Hamm AgrarR 1991, 50. 170  Lüdtke-Handjery/v. Jeinsen/v. Jeinsen, ­HöfeO, § 8 Rn. 23. 171  Wöhrmann/Graß, Landwirtschaftserbrecht, § 8 ­ HöfeO Rn. 17; a. A. vertreten bei Wöhrmann/Stöcker, Landwirtschaftserbrecht (6. Aufl.), § 8 H ­ öfeO Rn. 17.



I. Bestimmung des Hoferben105

Nach § 8 Abs. 3 ­HöfeO kann der überlebende Ehegatte, wenn der Hof zum Gesamtgut einer fortgesetzten Gütergemeinschaft172 gehört, diese bezüglich des Hofes auch mit den Abkömmlingen nach den Vorschriften des allgemei­ nen Rechts173 fortführen. Eine fortgesetzte Gütergemeinschaft bietet sich vor allem dann an, wenn die Ehegatten erreichen wollen, dass der überlebende Ehegatte nicht mit Abfindungs- und Pflichtteilsansprüchen der Abkömmlinge belastet wird.174 cc) Erfordernis der Wirtschaftsfähigkeit (1) Inhalt des Erfordernisses der Wirtschaftsfähigkeit Durch § 6 Abs. 6 und Abs. 7 ­HöfeO wird die Möglichkeit, Hoferbe zu sein, sowohl bei gesetzlicher als auch gewillkürter und vorweggenommener Erbfolge durch Übergabevertrag neben der allgemeinen Erbfähigkeit nach § 1923 BGB von der zusätzlichen subjektiven Voraussetzung der Wirtschafts­ fähigkeit des potenziellen Erben abhängig gemacht.175 Nach der Legaldefini­ tion in § 6 Abs. 7 ­HöfeO ist wirtschaftsfähig, wer nach seinen körperlichen und geistigen Fähigkeiten, nach seinen Kenntnissen und seiner Persönlichkeit in der Lage ist, den von ihm zu übernehmenden Hof selbstständig und ord­ nungsgemäß zu bewirtschaften. Das bedeutet, dass der Erbe hinsichtlich des 172  „Gütergemeinschaft“ meint hier primär die Gütergemeinschaft nach den §§ 1415 ff. BGB, aber umfasst auch altrechtliche Gütergemeinschaften wie etwa die westfälische Gütergemeinschaft oder solche nach ausländischem Recht, vgl. Wöhrmann/Graß, Landwirtschaftserbrecht, § 8 H ­ öfeO Rn. 37; im Gegensatz zu anderen Bereichen spielt die Gütergemeinschaft in Ehen im landwirtschaftlichen Umfeld zum Teil noch immer eine Rolle. 173  Der Verweis „nach den Vorschriften des allgemeinen Rechts“ bedeutet, dass sich die fortgesetzte Gütergemeinschaft im Rahmen des § 8 Abs. 3 ­HöfeO ausschließ­ lich nach dem bürgerlichen Recht und nicht nach der Höfeordnung beurteilt, vgl. Steffen/Ernst, ­HöfeO, § 8 Rn. 15. 174  Wöhrmann/Graß, Landwirtschaftserbrecht, § 8 ­HöfeO Rn. 35. 175  Auch nach § 6 Abs. 6 und 7 Bbg­HöfeOG und § 17 Abs. 4 ­HöfeO-RhPf ist die Wirtschaftsfähigkeit des Hoferben erforderlich. Im Zuweisungsverfahren nach § 15 Abs. 1 S. 3 GrdstVG ist die Eignung des Übernehmers zur Bewirtschaftung Voraus­ setzung, was im Wesentlichen der Wirtschaftsfähigkeit des Übernehmers entspricht, vgl. Düsing/Martinez/Düsing/Sieverdingbeck, Agrarrecht, § 15 GrdstVG Rn. 7. Nach § 11 Abs. 2 S. 3 BremHöfeG ist für die gesetzliche Erbfolge erforderlich, dass der Hoferbe den Beruf des Landwirts ergriffen hat. Damit stellen die Höfeordnung, das Brandenburgische Höfeordnungsgesetz, das Grundstücksverkehrsgesetz und die Rheinland-Pfälzische Höfeordnung auf eine abstrakte Eignung zur Weiterführung des Betriebs ab, während der Erbe nach dem Bremischen Höfegesetz ein konkretes Er­ greifen des Berufs erforderlich ist, ohne dass es darauf ankommt, dass der Erbe zur Ausübung dieses Berufs auch tatsächlich geeignet ist. Die übrigen Anerbengesetze stellen hingegen keine vergleichbaren persönlichen Anforderungen an den Erben.

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D. Vererbung landwirtschaftlicher Betriebe

zu vererbenden Hofes über hinreichende landwirtschaftlich-technische sowie organisatorisch-kalkulatorische Fähigkeiten verfügen muss.176 Die Wirt­ schaftsfähigkeit muss dabei nach § 6 Abs. 7 ­HöfeO in Bezug auf den vom Hoferben „zu übernehmenden Hof“ vorliegen. Sie bezieht sich also jeweils auf die Anforderungen, die die Fortführung des konkreten Betriebs an einen Hoferben stellt. Als Zeitpunkt ist dabei der Übergang des Betriebs, also der Erbfall oder bei Hofübergabeverträgen der Vertragsschluss, maßgeblich.177 Unter mehreren in Betracht kommenden Hoferben einer Erbordnung im Rahmen der gesetzlichen Erbfolge bestimmen die Regelungen des § 6 Abs. 1 ­HöfeO darüber, wer Hoferbe wird. Das bedeutet, dass bei mehreren mögli­ chen Erben nicht derjenige ausgewählt wird, der zur Fortführung des Betriebs am geeignetsten ist.178 Vielmehr wird der Erbe nach der in den §§ 5 und 6 ­HöfeO aufgestellten Rangfolge ausgewählt und diese Auswahl des Erben dann zusätzlich unter das Erfordernis der Wirtschaftsfähigkeit bzw. dessen Entbehrlichkeit gestellt. Die ratio legis des Erfordernisses der Wirtschaftsfähigkeit hat sich mit der Zeit gewandelt: Bei der Schaffung der Höfeordnung179 wurde diese subjek­ tive Anforderung an den Erblasser zur Sicherstellung der allgemeinen Ernäh­ rungslage nach dem Zweiten Weltkrieg in die Höfeordnung eingeführt.180 Diese Begründung kann nach den heutigen Verhältnissen nicht mehr als Zweck aufrechterhalten werden.181 Vielmehr steht nun die Erwägung im Vordergrund, dass der Hoferbe gegenüber den weiteren Miterben nur deshalb Landwirtschaftserbrecht, § 6 ­HöfeO Rn. 93 f. ­HöfeO, § 6 Rn. 104. 178  Allerdings wird in diesen Fällen ein strenger Maßstab an die Prüfung der Wirt­ schaftsfähigkeit des Hoferben angelegt, vgl. Steffen/Ernst, ­ HöfeO, § 6 Rn. 74; im Gegensatz dazu wird im Zuweisungsverfahren nach §§ 13  ff. GrdstVG gemäß § 15 GrdstVG unter mehreren in Betracht kommenden Person vom Gericht die geeig­ netste Person ausgewählt, siehe hierzu ausführlich auf S. 133 ff. 179  Auch in § 15 Abs. 1 S. 2 REG wurde bereits die Befähigung des Bauern zur Führung des Hofes gefordert. Da es sich bei der Wirtschaftsfähigkeit aber im Gegen­ satz zu der im REG zusätzlich geforderten „Bauernfähigkeit“ nicht um eine ideolo­ gisch geprägte subjektive Anforderung an den Hoferben handelte, entschied man sich bei der Schaffung der Höfeordnung zur Übernahme dieses Erfordernisses auch in das Höfegesetz. Auch wenn die Fähigkeit zur Fortführung des Betriebs bereits in vorher­ gehenden Gesetzen (beispielsweise im Bremischen Höfegesetz von 1923) gefordert wurde, wurde durch REG erstmalig der Begriff der Wirtschaftsfähigkeit eingeführt, vgl. Kannewurf, Die Höfeordnung von 24. April 1947, S. 167. 180  Kannewurf, Die Höfeordnung von 24. April 1947, S. 169. 181  BT-Drucks. 7/1443, S. 20; aus demselben Grund wurde auch in § 6 Abs. 5 S. 1 ­HöfeO a. F. der Satzteil „wer insbesondere die ordnungsgemäße Bewirtschaftung der Grundstücke zum Nachteil der allgemeinen Ernährungslage gefährden würde“ gestrichen. 176  Wöhrmann/Graß,

177  Lüdtke-Handjery/v. Jeinsen/v. Jeinsen,



I. Bestimmung des Hoferben107

bevorzugt werden darf, weil er nach seinen Kenntnissen und Fähigkeiten tatsächlich in der Lage ist, den Betrieb fortzuführen.182 Damit ist das Krite­ rium der Wirtschaftsfähigkeit das Pendant zum Nachabfindungsanspruch nach § 13 ­HöfeO. Während durch § 6 Abs. 6 und 7 ­HöfeO verhindert werden soll, dass der Hoferbe bevorzugt wird, wenn der höferechtliche Zweck von Anfang nicht erreicht werden kann, soll durch die Nachabfindung eine Be­ vorzugung verhindert werden, wenn der höferechtliche Zweck nachträglich entfällt.183 Bei Verfügungen unter Lebenden über landwirtschaftliche Grundflächen ist gemäß § 2 Abs. 1 GrdstVG eine Genehmigung der zuständigen Behörde erforderlich. Gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrdstVG darf diese Genehmigung ver­ sagt werden, wenn die Veräußerung eine ungesunde Verteilung des Grund und Bodens bedeutet. Nach der Rechtsprechung ist das der Fall, wenn ein Grundstück an einen Nichtlandwirt veräußert wird, obwohl ein Landwirt die Fläche benötigt und in der Lage ist, sie zu den gleichen Bedingungen zu er­ werben.184 Damit soll insbesondere gewährleistet werden, dass die knappen Grundflächen denjenigen Personen vorbehalten werden, die sie auch bewirt­ schaften.185 Indem derjenige, der nicht wirtschaftsfähig ist, gemäß § 6 Abs. 6 ­HöfeO als Erbe des Hofes ausscheidet, wird gewissermaßen für den Erwerb eines Betriebs von Todes wegen ein Gleichauf mit Rechtsgeschäften unter Lebenden hergestellt.186 In beiden Fällen soll dafür gesorgt werden, dass landwirtschaftliche Grundflächen in erster Linie ins Eigentum derjenigen gelangt, bei denen auch künftig eine landwirtschaftliche Nutzung sicherge­ stellt ist. Insgesamt sind bei der Beurteilung der Wirtschaftsfähigkeit des Hoferben strenge Maßstäbe anzulegen. Dies gilt sowohl bei gewillkürter als auch bei gesetzlicher Erbfolge und vor allem in den Fällen, in denen zwei Prätenden­ ten derselben Erbfolgeordnung miteinander in Konkurrenz um die Hoferb­ folge stehen.187 Angesichts der Tatsache, dass einige Hofeigentümer ohnehin schon Probleme haben, einen Nachfolger zu finden188, erschwert das Erfor­ 182  Klunzinger, Anerbenrecht und gewillkürte Erbfolge, S. 102; OLG Hamm RdL 2014, 126. 183  Wöhrmann/Graß, Landwirtschaftserbrecht, § 6 ­HöfeO Rn. 87. 184  BGH 26.11.2010 – BLw 14/09 (juris); BGH 24.11.2006 – BLw 11/06 (juris); OLG Naumburg 07.11.2012 – 2 Ww 6/12 (juris). 185  Düsing/Martinez/Düsing/Sieverdingbeck, Agrarrecht, § 9 GrdstVG Rn. 6. 186  Klunzinger, Anerbenrecht und gewillkürte Erbfolge, S. 101. 187  BGH RdL 1951, 216 (217); Lüdtke-Handjery/v. Jeinsen/v. Jeinsen, ­HöfeO, §  6 Rn. 103. 188  Etwa im Jahr 2010 war die Hofnachfolge für fast 70 % der Betriebsinhaber über 45 Jahren ungewiss, vgl. Agrarpolitischer Bericht der Bundesregierung 2019, Tab. 6, S. 141.

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D. Vererbung landwirtschaftlicher Betriebe

dernis der Wirtschaftsfähigkeit und seine hohen Anforderungen das Finden eines geeigneten Hoferben weiterhin. Dies dürfte insbesondere für Neben­ erwerbsbetriebe gelten, bei denen auch die Abkömmlinge bereits andere Be­ rufe ergriffen haben in dem Wissen, dass sie ihren Lebensunterhalt nicht al­ lein aus den Einkünften des zu ererbenden landwirtschaftlichen Betriebs be­ streiten können.189 Allerdings ist dem Kriterium der Wirtschaftsfähigkeit zur Erreichung des höferechtlichen Zwecks eine hohe Bedeutung beizumessen. Langfristig kann ein landwirtschaftlicher Betrieb nach der Vererbung nur dann bestehen, wenn er an eine Person übergeht, die in der Lage ist, diesen auch zukünftig zu bewirtschaften. Daher bleibt im Ergebnis festzuhalten, dass die beschriebenen hohen Anforderungen an den Hoferben zur Verwirk­ lichung des höferechtlichen Zwecks erforderlich sind. Zugleich tragen sie aber auch dazu bei, dass langfristig vor allem Haupterwerbsbetriebe im Erb­ gang erhalten bleiben können und gerade im Nebenerwerb geführte Betriebe einen Generationenwechsel mangels wirtschaftsfähigem Rechtsnachfolger nicht überstehen. (2) Einschränkungen des Erfordernisses der Wirtschaftsfähigkeit Eine Einschränkung des Erfordernisses der Wirtschaftsfähigkeit ergibt sich zum einen, wie oben bereits erläutert, aus § 6 Abs. 6 S. 2 Alt. 1 ­HöfeO für den überlebenden Ehegatten. Zum anderen wird das Erfordernis einge­ schränkt nach § 6 Abs. 6 S. 2 ­HöfeO aufgrund von mangelnder Altersreife sowie im Rahmen der gewillkürten Erbfolge nach § 7 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 ­HöfeO, wenn sämtliche Abkömmlinge wegen Wirtschaftsunfähigkeit ausscheiden. (a) W  irtschaftsunfähigkeit wegen mangelnder Altersreife (§ 6 Abs. 6 S. 2 Alt.  1 ­HöfeO) Die Ausnahmeregelung für mangelnde Altersreife nach § 6 Abs. 6 S. 2 Alt. 1 ­HöfeO soll dazu dienen, dass ein Kind nicht allein aufgrund seiner altersbedingten fehlenden Wirtschaftsfähigkeit von der Hoferbfolge ausschei­ det, obwohl es im Erwachsenenalter voraussichtlich wirtschaftsfähig wäre. Die im Zeitpunkt des Erbfalls nicht bestehende Wirtschaftsfähigkeit wird ersetzt durch die Prognose, dass das minderjährige Kind nach seinen Neigun­ gen und seiner Erziehung im Erwachsenenalter wirtschaftsfähig sein wird. Relevant wird diese Regelung insbesondere dann, wenn ein Hofeigentümer früh verstirbt und seine Nachkommen noch im Kindesalter und damit nicht 189  Offizielle Zahlen zur Berufswahl der Nachkommen selbstständiger Landwirte werden vom BMEL im Rahmen der Agrarstrukturstatistik oder anderen Umfragen nicht erhoben.



I. Bestimmung des Hoferben109

wirtschaftsfähig sind. Allerdings gilt diese Einschränkung des Erfordernisses der Wirtschaftsfähigkeit nur dann, wenn die mangelnde Altersreife der alleinige Grund für die Wirtschaftsunfähigkeit des Kindes ist. Das ist nur der Fall, wenn die die körperliche und geistige Konstitution des Kinders sowie die weiteren Umstände, wie etwa die Erziehung, darauf schließen lassen, dass es in die späteren Aufgaben eines Hofeigentümers hineinwächst.190 So­ mit bedeutet diese Einschränkung des Erfordernisses der Wirtschaftsfähigkeit nicht, dass es gar nicht mehr auf die Wirtschaftsfähigkeit ankommt. Vielmehr soll einschränkend anhand der Umstände eine Prognose angestellt werden, ob eine spätere Bewirtschaftung des Betriebs durch das Kind mit einer ge­ wissen Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist.191 Es handelt sich damit um eine Gleichstellung der minderjährigen und der volljährigen Erbanwärter für den Fall, dass bezüglich der Wirtschaftsfähigkeit des noch minderjährigen Prä­ tendenten eine positive Prognose besteht.192 Insbesondere bei sehr jungen Kindern lassen sich langfristige Neigungen noch nicht sicher prognostizieren, sodass in diesen Fällen in erster Linie auf die Umstände abzustellen ist, in denen das Kind aufwächst. Hierzu zählen vor allem die Größe und Ausstattung des Betriebs.193 Während es früher noch Gang und Gäbe war, dass eines der Kinder den elterlichen Hof über­ nahm und sich dies sowohl in der Erziehung als auch in der Ausbildung dieses Kindes niederschlug, kommt es mittlerweile häufig vor, dass alle Nachkommen eines Landwirts – sogar bei hinreichender Größe und Leis­ tungsfähigkeit des Betriebs – Berufe außerhalb der Landwirtschaft ergreifen. Daher sind vor allem bei Nebenerwerbsbetrieben strenge Anforderungen an die positive Prognose bezüglich der Wirtschaftsfähigkeit zu stellen, da nach Ansicht des OLG Oldenburg aufgrund der geringeren Einkommensmöglich­ keiten in der Landwirtschaft eher nicht zu erwarten sei, „dass ein Kind später eine landwirtschaftliche Ausbildung anstrengen oder auf andere Weise wirt­ schaftsfähig werden wird.“194 Wird ein Kind aufgrund der Regelung des § 6 Abs. 6 S. 2 Alt. 1 H ­ öfeO Hoferbe, bleibt es auch dann Erbe, wenn es später trotz der ursprünglich positiven Prognose nicht das Kriterium der Wirtschaftsfähigkeit erfüllt.195 Das gilt selbst dann, wenn etwa ein anderer Geschwisterteil sehr wohl wirt­ schaftsfähig ist. In der Praxis kann der Erblasser für den beschriebenen Fall derzeit nur durch letztwillige Verfügung vorsorgen, etwa durch eine zeitlich 190  Lüdtke-Handjery/v. Jeinsen/v. Jeinsen,

­HöfeO, § 6 Rn. 115. Oldenburg 22.09.2009 – 10 W 4/08 (juris). 192  Faßbender/Hötzel/v. Jeinsen/Pikalo/v. Jeinsen, ­HöfeO, § 6 Rn. 41, 44. 193  OLG Oldenburg AUR 2020, 416 (417). 194  OLG Oldenburg AUR 2020, 416 (417). 195  Lüdtke-Handjery/v. Jeinsen/v. Jeinsen, ­HöfeO, § 6 Rn. 117. 191  OLG

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D. Vererbung landwirtschaftlicher Betriebe

begrenzte Vorerbschaft und die Einsetzung eines Nacherben für den Fall ei­ ner nichtlandwirtschaftlichen Berufswahl oder durch das Hoferbenbestim­ mungsrecht des überlebenden Ehegatten nach § 14 Abs. 3 S. 1 ­HöfeO.196 In der Literatur wird daher zu Recht gefordert, dass der beschriebenen Proble­ matik mit einer gesetzlichen Regelung abgeholfen wird: So wird etwa vorge­ schlagen, dass der aufgrund von mangelnder Altersreife bestimmte Erbe zu­ nächst nur Vorerbe wird bis die Wirtschaftsfähigkeit aufgrund seiner (beruf­ lichen) Entwicklung sicher erscheint und gegebenenfalls ein tatsächlich wirtschaftsfähiger Geschwisterteil Nacherbe wird.197 Diesem Verstoß ist ins­ besondere in Hinblick auf die Verwirklichung des höferechtlichen Zwecks, die bei einem tatsächlich wirtschaftsfähigen Hoferben eher gegeben ist, zu­ zustimmen. (b) W  irtschaftsunfähigkeit sämtlicher Abkömmlinge (§ 7 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 ­HöfeO) Gemäß § 7 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 ­HöfeO steht die Wirtschaftsunfähigkeit des Abkömmlings seiner Bestimmung zum Hoferben zudem nicht entgegen, wenn auch sämtliche andere Abkömmlinge wegen Wirtschaftsunfähigkeit ausscheiden und ein wirtschaftsfähiger Ehegatte nicht vorhanden ist.198 Der ursprüngliche Entwurf des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Höfeordnung sah keine Ausnahme für den Fall vor, dass keiner der Abkömmlinge wirt­ schaftsfähig ist. Der Grund dafür wurde vom Gesetzgeber darin gesehen, dass in diesen Fällen kein sachlicher Grund besteht, einen der Erben vor den anderen zu bevorzugen, da nach seinen Fähigkeiten keiner der Erben Gewähr dafür bieten kann, den Hof auch in Zukunft fortzuführen.199 Vielmehr sollte der Hof in diesen Fällen gerade gemäß § 10 ­HöfeO nach dem allgemeinen Recht vererbt werden. Den Bundesrat schlug jedoch in seiner Stellungnahme eine Ergänzung des § 7 Abs. 1 ­HöfeO dahingehend vor, dass die Wirtschafts­ unfähigkeit des Hoferben dann unerheblich ist, wenn unter den Abkömm­ lingen keine wirtschaftsfähige Person vorhanden ist. Zu Begründung wurde angeführt, dass es im Interesse des höferechtlichen Zwecks liege, die ge­ schlossene Übergabe des Hofes auch in den Fällen zu ermöglichen, in wel­ chen in der nachfolgenden Generation kein wirtschaftsfähiger Abkömmling 196  Lüdtke-Handjery/v. Jeinsen/v. Jeinsen,

­HöfeO, § 6 Rn. 117. AgrarR 1990, 243 (244). 198  Diese Ausnahme gilt somit nur zugunsten von Abkömmlingen, nicht aber – wenn etwa keine Abkömmlinge vorhanden sind – zugunsten von wirtschaftsunfähigen Geschwistern. Dies betont das Ziel des landwirtschaftlichen Sondererbrechts, den Betrieb geschlossen im engeren Familienkreis zu erhalten. 199  BT-Drucks. 7/1443, S. 20. 197  Faßbender,



I. Bestimmung des Hoferben111

vorhanden sei.200 Diesem Änderungsvorschlag wurde von der Bundesregie­ rung zugestimmt.201 Nach der jetzigen Gesetzeslage können also in den be­ schriebenen Konstellationen auch nicht wirtschaftsfähige Abkömmlinge den Hof zu privilegierten Bedingungen übernehmen. Diese Regelung hat in der Literatur teilweise Kritik erfahren, da so zwischen dem Hoferben und den weichenden Erben mangels Wirtschaftsfähigkeit als Differenzierungsgrund in Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG eine Ungleichbehandlung bestehe.202 Hierge­ gen wird jedoch eingewendet, dass der Ausnahmetatbestand des § 7 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 ­HöfeO nur im Rahmen der gewillkürten Erbfolge zur Anwendung kommen kann, in welcher die Wirtschaftsfähigkeit kein verfassungsrechtlich zwingendes Erfordernis zur Wahrung des allgemeinen Gleichheitssatzes ist.203 Die Ungleichbehandlung der Erben ist hier in erster Linie auf den Willen des Erblassers zurückzuführen. Darüber hinaus soll durch das Erfor­ dernis der Wirtschaftsfähigkeit insgesamt sichergestellt werden, dass der hö­ ferechtliche Zweck der Erhaltung und Fortführung des Betriebs im Erbgang erreicht wird. Dieses Ziel ist mit einem wirtschaftsfähigen Hoferben eher zu erreichen als mit einem nicht wirtschaftsfähigen Hoferben. Dennoch hat der Erblasser sich im Rahmen der gewillkürten Erbfolge unter allen nicht wirt­ schaftsfähigen Abkömmlingen bewusst für eine bestimmte Person als Be­ triebsnachfolger entschieden. Es ist davon auszugehen, dass er diese unter allen potenziellen Erben für am ehesten geeignet hielt, den Betrieb fortzufüh­ ren. Die Alternative zu dieser Regelung wäre, dass der Hof gemäß § 10 ­HöfeO nach dem allgemeinen Recht vererbt wird und damit möglicherweise im Erbgang unter allen Erben aufgeteilt wird. Aus diesem Grund wider­ spricht sich der Gesetzgeber im Ergebnis nicht, wenn er zwar einerseits die Wirtschaftsfähigkeit des Hoferben zur Verwirklichung des höferechtlichen Zwecks als Erfordernis aufstellt, aber andererseits für den Fall der Wirt­ schaftsunfähigkeit aller Erben das Kriterium der Wirtschaftsfähigkeit im Rahmen der gewillkürten Erbfolge im Interesse der Geschlossenhaltung des Betriebs aufgibt. Denn durch die Regelung des § 7 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 ­HöfeO wird der höferechtliche Zweck im Vergleich am meisten verwirklicht. Dieses Argument wiegt dadurch umso schwerer, dass es für den Betreiber des Hofes zunehmend schwieriger wird, unter seinen Abkömmlingen einen geeigneten und auch wirtschaftsfähigen Nachfolger zu finden.

200  BT-Drucks.

7/1443, S. 36. 7/1443, S. 41. 202  Etwa Suckow, Die Gesellschaftsgründung unter Geltung des landwirtschaft­ lichen Sondererbrechts, S. 103; Seidel, Der fünfte Titel, S. 34. 203  Mönig, Landwirtschaftliches Sondererbrecht im Lichte von Verfassungsrecht und Rechtspolitik, S. 179 und 185. 201  BT-Drucks.

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c) Vergleich der Erbenbestimmung nach Höfeordnung und allgemeinem Erbrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs Die Bestimmung des Erben in den Anerbengesetzen ähnelt im Ergebnis an vielen Stellen der Ausgestaltung des allgemeinen Erbrechts im Bürgerlichen Gesetzbuch.204 Unterschiede ergeben sich insbesondere an den Stellen, an denen durch die Abweichungen gerade die besonderen Zielsetzungen der Anerbengesetze, also die geschlossene Erhaltung landwirtschaftlicher Be­ triebe innerhalb des engeren Familienkreises, verwirklicht werden sollen: Zunächst fußt das allgemeine Erbrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf der Gleichbehandlung aller Erben, sodass die Erbschaft – sofern keine be­ sondere Anordnung durch den Erblasser getroffen wurde – unter allen Erben gleichmäßig aufgeteilt wird. Die Höfeordnung ist hingegen bestimmt vom Prinzip der Einzelnachfolge in Bezug auf den landwirtschaftlichen Betrieb. Weiterhin knüpfen sowohl das Höferecht als auch die erbrechtlichen Rege­ lungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs bei der Bestimmung des beziehungs­ weise der gesetzlichen Erben zunächst an die familiäre Beziehung des Erben zum Erblasser an.205 Allerdings bestehen bereits hinsichtlich der Erbordnun­ gen Unterschiede, welche auf die jeweils unterschiedlichen Zielrichtungen der Gesetze zurückzuführen sind. Im allgemeinen Erbrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs richten sich die Erbordnungen danach, wer aufgrund seiner en­ gen familiären Beziehung zum Erblasser an dessen Vermögen teilhaben soll.206 In der Höfeordnung richten sich die Erbordnungen zusätzlich daran aus, welcher der Familienangehörigen des Erblassers zur Bewirtschaftung des ungeteilten Hofes am ehesten in der Lage ist. Die Erbordnungen haben hier nach der Gesetzesbegründung sowohl eine familien- als auch eine hof­ bezogene Komponente.207 Aus diesem Grund liegt den Anerbengesetzen auch kein Menschenbild zugrunde vom „Bauern, der aus Unkenntnis oder mangelnder Entschlusskraft zu keiner eigenständigen Planung der Vermö­ gensnachfolge gekommen ist.“208 Nach Pikalo bemisst sich die Qualität einer 204  Der Vergleich der Erbenbestimmung bezieht sich auf die Vorschriften des all­ gemeinen Erbrechts im Bürgerlichen Gesetzbuch, nicht aber auf die Sondervorschrif­ ten zur Vererbung landwirtschaftlicher Betriebe im BGB-Landguterbrecht. 205  Schwarz, Das Verhältnis zwischen dem Landwirtschaftserbrecht und dem allge­ meinen Erbrecht des BGB, S. 125. 206  Hausmann/Hohloch/Hausmann/Hausmann, Handbuch des Erbrechts, Kap. 3, Rn. 5. 207  BT-Drucks. 7/1443, S. 17. 208  Staudinger/Mittelstädt, Art. 64 EGBGB Rn. 15a; ein ausführlicher Nachweis, dass die Anerbenrechte historisch niemals dazu dienten, den Landwirt vor sich selbst zu schützen, sondern etwa zunächst der einfacheren Zinseintreibung und nach dem Zweiten Weltkrieg in erster Linie der Sicherung der Bevölkerungsernährung und der



I. Bestimmung des Hoferben113

Erbfolgeordnung daran, ob diese für eine größtmögliche Anzahl von Anwen­ dungsfällen möglichst annähernd die bestgeeignete Vermögensordnung vor­ sieht.209 Daher versucht die Höfeordnung in diesen Fällen sowohl in Bezug auf die Familie des Erblassers als auch in Hinblick auf den Betrieb eine ge­ setzliche Erbfolgeordnung aufzustellen, welche den mutmaßlichen Erblasser­ willen für die Fälle, in denen er nicht letztwillig vorsorgen konnte oder wollte, möglichst genau widerspiegelt. Damit steht im allgemeinen Erbrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs die gleichmäßige Beteiligung aller Erben im Vordergrund, während die Anerbenrechte zugleich noch die Erhaltung leis­ tungsfähiger landwirtschaftlicher Betriebe im Kreis der engeren Familie be­ zwecken. Es wird zudem deutlich, dass der Kreis der potenziellen Erben bei der gesetzlichen Erbfolge im Bürgerlichen Gesetzbuch weiter ist als in der Höfe­ ordnung: So können nach § 1928 Abs. 1 BGB die Urgroßeltern des Erblas­ sers und deren Abkömmlinge gesetzliche Erben werden. Die gesetzliche Erbfolge endet damit innerhalb der Familie des Erblassers erst bei der vierten Parentel. In der Höfeordnung können gesetzliche Erben nur Abkömmlinge, Ehegatten, Eltern oder Geschwister des Erblassers sein. Damit stimmt der Kreis der potenziellen Erben mit der ersten und zweiten Ordnung des Bür­ gerlichen Gesetzbuchs, ausgenommen des Erbrechts des Ehegatten, überein, endet hier aber bereits nach der zweiten Parentel. Der Grund dafür liegt da­ rin, dass man davon ausgeht, dass es mutmaßlicher Wille des Erblassers ist, den Hof im Kreis der engsten Familienangehörigen zu erhalten und deshalb bei der gesetzlichen Erbfolge auch nur diesen erfasst.210 Allerdings ist zu beachten, dass gemäß § 10 ­HöfeO, wenn weder durch gewillkürte Erbfolge noch durch Gesetz wirksam ein Erbe bestimmt werden konnte, das allge­ meine Erbrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs eingreift und somit auch die dort geregelte Verwandtenerbfolge gilt. Damit verfolgt das Höferecht nur bis zu einem gewissen Grad das Ziel, den Hof geschlossen im engeren Familien­ kreis des Erblassers zu erhalten und gibt diesen Grundsatz dann zugunsten der Regelungen des allgemeinen Erbrechts auf. Darüber hinaus ist die Stellung des überlebenden Ehegatten im landwirt­ schaftlichen Sondererbrecht verglichen mit der Stellung des Ehegatten im allgemeinen Erbrechts schwächer: Nach dem Erbrecht des Bürgerlichen Ge­ setzbuchs ist der Ehegatte nicht Teil der verschiedenen Erbordnungen, son­ dern gemäß § 1931 Abs. 1 BGB neben den Verwandten der jeweils einschlä­ gigen Ordnung in unterschiedlichem Umfang als Erbe berufen. Aufgrund rechtlichen Verwirklichung bereits bestehender Traditionen bei Seidel, Der fünfte Ti­ tel, S.  43 ff. 209  Pikalo, in: FS für Schad, S. 403 (424). 210  Wöhrmann/Graß, Landwirtschaftserbrecht, § 5 ­HöfeO Rn. 7.

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D. Vererbung landwirtschaftlicher Betriebe

von § 4 S. 1 ­HöfeO, nach welchem nur eine einzige Person den Hof erben kann, ist dies im Höferecht nicht möglich. Der Ehegatte gehört daher nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 ­HöfeO zur zweiten Erbordnung und erbt damit nachrangig zu Kindern des Erblassers und deren Abkömmlingen allein. Der Grund für diese unterschiedliche Konzeption liegt darin, dass im landwirtschaftlichen Erbrecht der Betrieb zur Sicherstellung der Weiterbewirtschaftung auf die nächste Generation übergehen soll und nicht in derselben Generation verblei­ ben soll. Durch die formlose Hoferbenbestimmung nach § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und Nr. 2 ­HöfeO wird zudem im Rahmen der gesetzlichen Erbfolge der mutmaß­ liche Erblasserwille nicht wie im bürgerlichen Recht allgemein und schema­ tisch bestimmt, sondern richtet sich vorrangig an den Umständen des Einzel­ falles aus. Dies soll den auf dem Hof tätigen Abkömmling schützen, wenn der Erblasser keine letztwillige Verfügung bezüglich der Hofnachfolge ge­ troffen hat, aber einen Vertrauenstatbestand hinsichtlich der Weiterberwirt­ schaftung durch den Abkömmling gesetzt hat. Besonders ist dabei außerdem, dass nicht einmal ein Vertrag über die Bewirtschaftung geschlossen sein muss, also keine rechtsgeschäftliche Einigung zwischen Erblasser und Be­ wirtschaftendem bestehen muss, sondern es sich vielmehr um einen rein tat­ sächlichen Vorgang handelt.211 Darüber hinaus tritt an dieser Stelle die fami­ lienbezogene Komponente des landwirtschaftlichen Erbrechts hinter der hofbezogenen Komponente zurück. Die Testierfreiheit des Erblassers wird – durch das Verbot, dem Bewirtschaftendem den Hof durch letztwillige Verfü­ gung wieder zu entziehen – außerdem auch erheblich eingeschränkt.212 Dies geschieht zum Schutze desjenigen, der seine wirtschaftliche Zukunft auf das Vertrauen aufgebaut hat, den Betrieb auch künftig bewirtschaften zu dürfen. Darüber hinaus stellt die Höfeordnung mit § 14 Abs. 3 ­HöfeO eine Aus­ nahme zum Grundsatz der materiellen Höchstpersönlichkeit für letztwillige Verfügungen in § 2065 Abs. 2 BGB auf. Der Grundgedanke dieser Ausnah­ mevorschrift in der Höfeordnung liegt darin, dass einem Hofeigentümer, der aufgrund des Alters seiner Abkömmlinge noch nicht absehen kann, wer zur Fortführung des Betriebs am besten geeignet ist, dem überlebenden Ehegat­ ten die Möglichkeit einräumt, zu einem späteren Zeitpunkt diese Entschei­ dung für ihn zu treffen und so die Zukunftsfähigkeit des Betriebs zu si­ chern.213 Zunächst erbt zwar der kraft Gesetzes berufene Hoferbe den Be­ trieb. Jedoch hat dieser nur ein „vernichtbares Hoferbrecht“214, weil durch

211  Lüdtke-Handjery/v. Jeinsen/v. Jeinsen,

212  Lüdtke-Handjery/v. Jeinsen/v. Jeinsen, 213  BGH

FamRZ 1966, 304 (305). RdL 1950, 99.

214  Wöhrmann,

­ öfeO, § 6 Rn. 7. H ­HöfeO, § 6 Rn. 8.



I. Bestimmung des Hoferben115

die Erklärung des überlebenden Ehegatten ein anderer an seiner Stelle Hof­ erbe wird.215 Dem § 2065 Abs. 2 BGB liegt die Überlegung zugrunde, dass sicherge­ stellt sein soll, dass sich der Erblasser selbst abschließend einen Willen dar­ über bildet, wem seine Vermögensgegenstände im Erbfall zufallen.216 Soweit dies nicht geschehen ist, hat der Gesetzgeber eine Entscheidung zugunsten der gesetzlichen Erbfolge getroffen, statt die Entscheidung darüber anderen Personen zu überlassen.217 Dass von diesem Prinzip in der Höfeordnung ab­ gewichen wird, ist darauf zurückzuführen, dass hier für die Bestimmung des Erben stets die Frage im Mittelpunkt steht, wer am ehesten geeignet ist, den Hof auch in Zukunft fortzuführen. Gäbe es die Möglichkeit der Drittbestim­ mung im Höferecht nicht, wäre der Erblasser auf die gesetzliche Erbfolge verwiesen, wenn noch nicht absehbar ist, welcher seiner potenziellen Erben wirtschaftsfähig sein wird. Aus diesem Grund würden hinsichtlich der Fort­ führung des Hofes sachgerechtere Ergebnisse erreicht, wenn dem überleben­ den Ehegatten ein Bestimmungsrecht hinsichtlich des Hoferben zugebilligt wird. Somit wird der betriebsbezogenen Komponente des Landwirtschafts­ erbrechts an dieser Stelle der Vorzug gegenüber der familienbezogenen Komponente gegeben. Im Zuge des Bestimmungsrechts des § 14 Abs. 3 ­HöfeO muss die Bestimmung durch den Ehegatten nicht positiv dem mut­ maßlichen Willen des Erblassers entsprechen, sondern es reicht aus, wenn sie diesem nicht offenkundig widerspricht.218 Folglich steht dem Bestimmungs­ berechtigten bei der Auswahl im Rahmen der Höfeordnung auch ein im Vergleich zu § 2065 Abs. 2 BGB219 großer Entscheidungsspielraum zu.

215  Aufgrund der Entziehbarkeit des Eigentums ist die Vorschrift in Hinblick auf Art. 14 Abs. 1 GG deshalb sehr restriktiv auszulegen, vgl. Steffen/Ernst, ­HöfeO, §  14 Rn. 35. 216  MüKoBGB/Leipold, § 2065 Rn. 1; zur weiteren Rechtfertigung von § 2065 BGB vgl. Bergmann, in: FS für Rüßmann, S. 209 (217 ff.). 217  MüKoBGB/Leipold, § 2065 Rn. 1. 218  Wöhrmann/Graß, Landwirtschaftserbrecht, § 14 ­HöfeO Rn. 86. 219  Die Drittermächtigung ist im Rahmen der allgemeinen erbrechtlichen Bestim­ mungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs von der Rechtsprechung in eng begrenzten Ausnahmefällen contra legem ebenfalls anerkannt worden; für die Zulässigkeit der Drittbestimmung nach § 2065 Abs. 2 BGB ist erforderlich, dass vom Erblasser die entscheidungsberechtigte Person festgelegt wurde, es sich um einen eng begrenzten Kreis potenzieller Erben handelt und die Auswahlkriterien genau bestimmt sind; vgl. OLG Köln OLGZ 1984, 299 (302) und ausführlich zu dieser Thematik MüKoBGB/ Leipold, § 2065 Rn. 35 ff. sowie Bergmann, in: FS für Rüßmann, S. 209 (243 ff.).

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D. Vererbung landwirtschaftlicher Betriebe

2. Erbenbestimmung nach dem BGB-Landguterbrecht In den BGB-Vorschriften, die sich auf Landgüter beziehen220, finden sich keine besonderen Regelungen zur Bestimmung des Hoferben, sodass sich die Erbenbestimmung nach den allgemeinen gesetzlichen Regelungen der §§ 1922 ff. BGB richtet. Die Bestimmung des Erben erfolgt somit vorrangig durch letztwillige Verfügung.221 Auf diese Weise kann der Erblasser durch Testament (§ 2247 BGB), gemeinschaftliches Ehegattentestament (§ 2271 BGB) und Erbvertrag (§ 2253 BGB) auch einen Nachfolger für seinen Hof bestimmen. Insbesondere kann er auch einem der Erben ein Übernahmerecht i. S. v. §§ 2048, 2049 BGB in Bezug auf den landwirtschaftlichen Betrieb einräumen. Dieser geht dann per Universalsukzession auf die Erbengemein­ schaft über und der durch letztwillige Verfügung bestimmte Übernahmebe­ rechtigte hat dann einen schuldrechtlichen Anspruch auf Übertragung des Eigentums gegen die Erbengemeinschaft.222 Hat der Erblasser per letztwilli­ ger Verfügung keinen Landgutübernehmer bestimmt, fällt der Betrieb den nach den §§ 1924 ff. BGB zu bestimmenden Erben als Erbengemeinschaft zu. Jeder der Miterben kann nach § 2042 BGB jederzeit die Erbauseinander­ setzung verlangen. Der Betrieb kann dabei im Rahmen der Erbauseinander­ setzung zwischen allen Miterben aufgeteilt werden. Es besteht keine Ver­ pflichtung zur geschlossenen Übertragung des gesamten Landguts an einen der Miterben. Aus diesem Grund sind auf der Ebene der Bestimmung des Hofnachfolgers im Gegensatz zu den Anerbenrechten auch noch keine be­ sonderen Anforderungen an den landwirtschaftlichen Betrieb zu stellen, weil es hierbei zu keiner Ungleichbehandlung der Miterben kommt – es sei denn der Erblasser bestimmt eine solche durch ein Übernahmerecht in Bezug auf den Betrieb im Rahmen einer letztwilligen Verfügung. Räumt der Erblasser einer Person ein Übernahmerecht in Bezug auf seinen Betrieb ein, so besteht ein schuldrechtlicher Anspruch auf Übertragung des Betriebs gegen die Erbengemeinschaft unabhängig davon, ob es sich um ein Landgut i. S. v. § 2049 Abs. 1 BGB handelt. Bedeutsam wird die Landgutei­ genschaft des Betriebs erst im Zusammenhang mit der Frage, ob der land­ wirtschaftliche Betrieb bei der Erbauseinandersetzung einem niedrigeren Wert angesetzt werden soll und der Übernehmer damit gegenüber den übri­ gen Miterben privilegiert werden soll.

220  Dies sind die §§ 97, 98, 330, 1515, 2049 und 2312 BGB sowie Art. 64 und 137 EGBGB. 221  MüKoBGB/Leipold, § 1937 Rn. 2. 222  Genauer dazu sogleich auf S. 129 ff.



I. Bestimmung des Hoferben117

Im Rahmen der gesetzlichen Erbfolge223 erfolgt außerhalb der Anerben­ rechte somit im Ergebnis kein Schutz des Betriebs vor Zersplitterung im Erbgang. Dies gilt sogar dann, wenn der Betrieb die Merkmale eines Land­ gutes224 erfüllt und somit qua gesetzlicher Wertung eigentlich erhaltungsund schutzwürdig ist. Möchte einer der Erben den Betrieb in diesen Fällen als Einheit erhalten, hat er allenfalls die Möglichkeit, sich diesen nach den Zuweisungsregeln der §§ 13 ff. GrdstVG zuweisen zu lassen.225 Diese feh­ lende gesetzliche Erbfolgeordnung führt beispielsweise dann zu Problemen, wenn etwa ein junger Landwirt ohne eine letztwillige Verfügung tödlich verunglückt und in diesen Fällen ein eigentlich schützenswerter landwirt­ schaftlicher Betrieb aufgrund der geltenden erbrechtlichen Regelungen des bürgerlichen Rechts unter den Erben aufgeteilt zu werden droht. Da in allen neuen Bundesländern mit Ausnahme von Brandenburg und auch im Saarland und Bayern zur Zeit keine Anerbengesetze existieren, gilt hier nur das BGBLandguterbrecht.226 Das bedeutet, dass eine Erhaltung der Betriebe im Gan­ zen hier nur dann stattfinden kann, wenn der Eigentümer des Landgutes eine letztwillige Verfügung errichtet hat. Da aber die Erfüllung der Voraussetzun­ gen an ein Landgut bereits implizieren, dass der Betrieb schutzwürdig ist, stellt sich die Frage, warum dieser Schutz nicht auch im Rahmen einer ge­ setzlichen Erbordnung für Landgüter nach dem BGB-Landguterbrecht fest­ gehalten wird. Wie bereits festgestellt, sind die erbrechtlichen Regelungen in den Aner­ benrechten sowohl familien- als auch betriebsorientiert, während die allge­ meinen erbrechtlichen Regelungen im BGB nur familienorientiert sind. Hie­ raus ergeben sich auch die unterschiedlichen Regelungen und Wertungen im allgemeinen Erbrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs und den Anerbenrechten. Allerdings verfolgen die Sonderregelungen des BGB-Landguterbrechts ge­ nau wie die Anerbenrechte das Ziel der Erhaltung leistungsfähiger landwirt­ schaftlicher Betriebe in der Hand bäuerlicher Familien.227 Das BGB-Landgut­ erbrecht hat damit ebenfalls eine betriebsorientierte Komponente, die jedoch ohne eine besondere gesetzliche Erbfolgeordnung für Landgüter nicht hinrei­ chend verwirklicht werden kann. Aus diesem Grund ist zur Wahrung des landwirtschaftserbrechtlichen Zwecks im BGB-Landguterbrecht wie auch in 223  Also immer dann, wenn keine Person vom Erblasser per letztwilliger Verfü­ gung als Übernehmer des Betriebs bestimmt wurde. 224  Zu diesen Merkmalen sogleich auf S. 157 ff. 225  Ausführlich zum Zuweisungsverfahren siehe S. 133 ff. 226  Allerdings wird in Bayern ein Großteil der Betriebe ohnehin bereits unter Le­ benden durch Übergabevertrag übergeben, vgl. zur Übergabepraxis Vidal, AgrarR 1980, 93. 227  So etwa das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung bezüglich § 1376 Abs. 4 BGB i. V. m. § 2049 BGB, BVerfGE 67, 348.

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D. Vererbung landwirtschaftlicher Betriebe

den Anerbenrechten eine besondere gesetzliche Erbfolgeordnung erforder­ lich, die den Landgutübernehmer im Falle einer fehlenden Anordnung des Erblassers nach allgemeinen Kriterien bestimmt. Faßbender regt an, dass im BGB-Landguterbrecht zumindest eine „testa­ mentsubstituierende Nachfolgerindiktation“228 geschaffen wird.229 Durch diese soll auch hier dem Willen beziehungsweise mutmaßlichen Willen des Erblassers Rechnung getragen werden, wenn dieser es versäumt hat, die An­ ordnung des Übernahmerechts letztwillig anzuordnen. Das bedeutet konkret, dass ein Übernahmerecht ähnlich zu § 6 Abs. 1 ­HöfeO auch ohne positive Anordnung des Erblassers in erster Linie demjenigen Abkömmling zustehen soll, dem der Erblasser die Bewirtschaftung des Landgutes im Zeitpunkt des Erbfalls auf Dauer überlassen hat, in zweiter Linie demjenigen, hinsichtlich dessen er durch die Ausbildung oder durch Art und Umfang der Beschäfti­ gung auf dem Landgut hat erkennen lassen, dass er dieses übernehmen soll und in dritter Linie dem ältesten beziehungsweise je nach Brauch jüngsten wirtschaftsfähigen und fortführungsbereiten Abkömmling. Diese Anregung Faßbenders ist zu befürworten. Durch eine solche Regelung im BGB-Land­ guterbrecht würde es dem Erblasser unbenommen bleiben, letztwillig einen Übernehmer für seinen Betrieb zu bestimmen. Es würde lediglich für die Fälle, in denen er dies versäumt hat, ohne das langwierige Verfahren der §§ 13 ff. GrdstVG Rechtssicherheit geschaffen. Es ist in Hinblick auf diesen Vorschlag jedoch zu betonen, dass dieser eine Änderung des BGB-Landguterbrechts in der Weise erforderlich machen würde, dass die Merkmale eines Landgutes230 nicht erst zu erfüllen sind, um die Ansprüche der übrigen Miterben231 verringern zu können. Vielmehr müsste dann bereits für die Einsetzung eines einzigen Erben qua gesetzlicher Erbfolge auch die Schutzwürdigkeit des Betriebs verwirklicht sein. 3. Ergebnis Die nordwestdeutsche Höfeordnung ist anwendbar auf Höfe im Sinne der Höfeordnung. Die Definition des Hofbegriffs in § 1 Abs. 1 ­HöfeO ist vor über 70 Jahren bei Schaffung der Höfeordnung gesetzlich festgelegt worden. Seitdem hat sich die Situation der landwirtschaftlichen Betriebe teils erheb­ AgrarR 1990, 243 (244). AgrarR 1990, 243 (244); auch etwa v. Garmissen hält zusammen­ hängende Regelungen im BGB statt einer Ergänzung der unzureichenden BGB-Rege­ lungen durch das Zuweisungsverfahren im Grundstücksverkehrsgesetz für die bessere Möglichkeit, vgl. v. Garmissen, AUR 2018, 81. 230  Ausführlich zu den konstituierenden Merkmalen eines Landguts auf S. 157 ff. 231  Zu diesen verringerten Ansprüchen sogleich auf S. 156 ff. 228  Faßbender, 229  Faßbender,



I. Bestimmung des Hoferben119

lich verändert. Zu nennen ist hier etwa die weniger starke Abhängigkeit landwirtschaftlicher Familien von der Landwirtschaft durch bessere Berufs­ aussichten außerhalb des Betriebs, damit einhergehend Probleme bei der Suche wirtschaftsfähiger Hofnachfolger oder der vermehrte Betrieb regenera­ tiver Energieanlagen und generell eine stärkere Diversifikation der Einkünfte der Betriebsinhaber. Diese Veränderungen der Umstände machen auch verän­ derte Auslegungen sowie Reformen der Höfeordnung erforderlich. Zunächst ist die Aufnahme einer Definition der Landwirtschaft in den § 1 ­ öfeO zu erwägen, um insbesondere auch angesichts der Entwicklungen der H modernen Landwirtschaft klar abgrenzen zu können, welche Betätigungsfor­ men vom Anwendungsbereich des landwirtschaftlichen Sondererbrechts um­ fasst sind und welche nicht. Die Frage nach den Folgen dauerhafter Verpachtung landwirtschaftlicher Betriebe gewinnt in der Praxis zunehmend an Relevanz. Hier ist die Hof­ eigenschaft im Rahmen einer Auslegung im Lichte des höferechtlichen Zwecks nur dann zu bejahen, wenn ein Wiederanspannen des ruhenden Be­ triebs vom Erblasser gewollt und nach den tatsächlichen Umständen auch möglich ist.232 Aufgrund des ansteigenden Anteils juristischer Personen und Personenge­ sellschaften als Betreiber landwirtschaftlicher Betriebe ist zu erwägen, die erbrechtlichen Privilegien der Höfeordnung de lege ferenda auf diese Gesell­ schaften auszuweiten, sofern diese leistungsfähig sind und von natürlichen Personen entscheidend mitgeprägt werden.233 Diese Frage ist gesondert juris­ tisch zu untersuchen. Mittlerweile wird bereits über die Hälfte aller Betriebe in Deutschland im Nebenerwerb geführt. Diese Nebenerwerbsbetriebe spielen damit eine be­ deutsame Rolle in der Agrarstruktur und sind daher auch künftig, sofern sie leistungsfähig sind, als schutzwürdig im Sinne des landwirtschaftlichen Son­ dererbrechts anzusehen. Der Begriff der (Mindest-)Leistungsfähigkeit bedarf angesichts der Grundsteuerreform und der damit einhergehenden Änderung des für die Bewertung von landwirtschaftlichen Betrieben im Rahmen der Höfeordnung maßgeblichen § 46 BewG einer Neudefinition. Es bietet sich ein Abstellen entweder auf die neuen Grundsteuerwerte oder eine Mindest­ größe in Hektar oder eine Kombination beider Lösungsmöglichkeiten an. Die zu definierende Untergrenze der Schutzwürdigkeit muss sich an der aktuellen Situation der Landwirtschaft orientieren und ist rechnerisch beziehungsweise empirisch zu ermitteln.234 232  Siehe

S. 76 f. S. 79 ff. 234  Siehe S. 82 ff. 233  Siehe

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D. Vererbung landwirtschaftlicher Betriebe

Die gesetzlichen Erbfolgeordnungen in der Höfeordnung sowie den lan­ desrechtlichen Anerbengesetzen haben eine familien- und eine betriebsorien­ tierte Komponente. Ziel ist es, den Betrieb im Erbgang als Einheit im engeren Familienkreis zu erhalten. Aus diesem Grund enden die gesetzlichen Erbfol­ geordnungen im Rahmen der Höfeordnung bereits nach der zweiten Parentel und beziehen zudem in der zweiten Ordnung den überlebenden Ehegatten mit ein. Darüber hinaus besteht in den Anerbenrechten im Gegensatz zum allgemeinen Erbrecht im Bürgerlichen Gesetzbuch die Möglichkeit, durch die formlos-bindende Hoferbenbestimmung die Umstände des Einzelfalls, wie etwa die Übertragung des Betriebs zur Bewirtschaftung oder entspre­ chende landwirtschaftliche Ausbildungen in Hinblick auf eine Bewirtschaf­ tung, bei der Erbenbestimmung zu berücksichtigen.235 Durch das Erfordernis der Wirtschaftsfähigkeit werden hohe subjektive Anforderungen an den Hoferben gestellt. Angesichts der hohen Anzahl an Nebenerwerbsbetrieben und den guten Berufsaussichten, die Abkömmlinge von Betriebsinhabern auch in anderen Branchen haben, wird es zunehmend problematisch für die Hofeigentümer, einen wirtschaftsfähigen Nachfolger zu finden. Dennoch ist zur Erhaltung der Betriebe im Erbfall an den hohen An­ forderungen an den Betriebsnachfolger festzuhalten, da durch die Wirt­ schaftsfähigkeit gewährleistet wird, dass bestehende Betriebe auch langfristig weiterbewirtschaftet werden können.236 Im Rahmen der Höfeordnung ist bei der mangelnden Altersreife als Ein­ schränkung des Erfordernisses der Wirtschaftsfähigkeit nach § 6 Abs. 6 S. 2 Alt. 1 ­HöfeO eine gesetzliche Regelung zu schaffen, die den allein wegen mangelnder Altersreife wirtschaftsunfähigen Abkömmling als Vorerben ein­ setzt und einen Nacherben für den Fall bestimmt, dass dieser bei Eintritt der Volljährigkeit trotz positiver Prognose nicht wirtschaftsfähig ist.237 Im BGB-Landguterbrecht ist im Gegensatz zur Höfeordnung keine gesetz­ liche Erbfolgeordnung geregelt. Aus diesem Grund ist die Erhaltung des Betriebs in der Hand eines Rechtsnachfolgers – außerhalb des Zuweisungs­ verfahrens im Grundstücksverkehrsgesetz – stets von einer letztwilligen Verfügung des Erblassers abhängig. Angesichts der hohen praktischen Be­ deutung des BGB-Landguterbrechts ist eine gesetzliche Erbfolgeordnung für landwirtschaftliche Betriebe im Bürgerlichen Gesetzbuch erforderlich, die wie auch die Höfeordnung die Umstände des Einzelfalls berücksichtigt. Zu­ mindest sollte eine gesetzliche Regelung geschaffen werden, die die Überlas­ sung des Betriebs zur Bewirtschaftung an einen Abkömmling auch im Rah­ 235  Siehe

S. 96 ff. S. 105 ff. 237  Siehe S. 108 f. 236  Siehe



II. Rechtsdogmatische Ausgestaltungen des Eigentumserwerbs121

men der gesetzlichen Erbfolge berücksichtigt, so wie es etwa bei der formlosbindenden Hoferbenbestimmung in § 6 Abs. 1 ­HöfeO der Fall ist. In beiden Fällen wäre auch bereits für die Anwendbarkeit der gesetzlichen Erbfolge­ ordnung des BGB-Landguterbrechts die Erfüllung der Merkmale des Land­ guts erforderlich, die nach dem jetzigen System erst auf der Ebene der (ver­ ringerten) Ansprüche der weichenden Miterben eine Rolle spielt.238

II. Rechtsdogmatische Ausgestaltungen des Eigentumserwerbs Zur Übertragung des Eigentums auf den Übernehmer des landwirtschaftli­ chen Betriebs beim Tod des vorherigen Inhabers kommen rechtsdogmatisch verschiedene Wege in Betracht: Zum einen kann das Eigentum am Hof im Wege der Sondererbfolge als vom übrigen Vermögen getrennte Vermögens­ masse ipso iure und ipso morte an einen Erben übertragen werden.239 Zum anderen besteht die Möglichkeit, dass der Hof zunächst zusammen mit dem übrigen Vermögen im Wege der Universalsukzession an die Erbengemein­ schaft übergeht und dem Hoferben dann ein Übernahmerecht, also ein schuldrechtlicher Anspruch auf Eigentumsübertragung am Betrieb, einge­ räumt wird.240 Zudem kann der im Wege der Gesamtrechtsnachfolge einer Erbengemeinschaft zugefallene Betrieb einem Erben gerichtlich zugewiesen werden.241 1. Eigentumserwerb kraft Sondererbfolge a) Rechtsdogmatische Einordnung des Eigentumsübergangs in der Höfeordnung Wie sich der Eigentumsübergang nach § 4 S. 1 ­HöfeO rechtsdogmatisch vollzieht, ist umstritten: Überwiegend wird davon ausgegangen, dass § 4 S. 1 ­HöfeO eine Sondererbfolge in das Hofvermögen anordnet.242 Grundsätzlich 238  Siehe

S. 116 ff.

239  Staudinger/Mittelstädt, Art. 64

EGBGB Rn. 21; so etwa nach § 4 Abs. 1 ­HöfeO, § 4 S. 1 Bbg­HöfeOG, § 14 S. 1 ­HöfeO-RhPf, § 9 Abs. 1 BremHöfeG und früher in Art. 3 Abs. 1 und Art. 9 Abs. 1 WürttAnerbenG. 240  Staudinger/Mittelstädt, Art. 64 EGBGB Rn. 53; so etwa nach § 11 Abs. 1 Hess­ LandgüterO und § 10 Abs. 1 BadHofgüterG sowie in § 2049 Abs. 1 BGB bei Anord­ nung des Erblassers. 241  Dies ist der Fall nach §§ 13 ff. GrdstVG sowie § 14 HessLandgüterO. 242  BGHZ 28, 194 (200); Steffen/Ernst, ­ HöfeO, § 4 Rn. 1; Hausmann/Hohloch/‌ Hausmann/Hausmann, Handbuch des Erbrechts, Kap. 24 Rn. 135; Wöhrmann/Graß, Landwirtschaftserbrecht, § 4 ­HöfeO Rn. 7; Düsing/Martinez/‌Düsing/Sieverdingbeck,

122

D. Vererbung landwirtschaftlicher Betriebe

geht gemäß § 1922 Abs. 1 BGB die Erbschaft als Ganzes im Wege der Uni­ versalsukzession auf alle Miterben über. In den Gesetzen, die in Bezug auf das landwirtschaftliche Vermögen eine Sondererbfolge anordnen, ist das Gesamtvermögen zu Lebzeiten des Erblassers ebenfalls als eine Einheit an­ zusehen. Nach dieser Ansicht tritt jedoch mit dem Erbfall eine Trennung der Vermögensmassen ein.243 Der Hof und das übrige hofgebundene Vermögen, also Hofbestandteile und Hofzubehör i. S. v. §§ 2, 3 ­HöfeO, gehen kraft Ge­ setzes und mit dinglicher Wirkung im Zeitpunkt des Erbfalls auf den Hof­ erben über. Für das übrige hoffreie Vermögen gilt weiterhin die Universal­ sukzession nach § 1922 Abs. 1 BGB, sodass hinsichtlich des weiteren sog. „hoffreien Vermögens“244 eine Erbengemeinschaft entsteht. Nach einer anderen in der Literatur vertretenen Auffassung handelt es sich bei der Erbfolge im Höferecht hingegen nicht um eine echte Nachlassspal­ tung, sondern lediglich um eine gesetzlich vollzogene Teilungsanordnung.245 Das bedeutet, dass alle Erben für eine juristische Sekunde Eigentümer des Hofes werden und dieser dann kraft Gesetzes an den bestimmten Hoferben auseinandergesetzt wird. Die übrigen Miterben sind dann über die Abfin­ dungsansprüche am Hofwert beteiligt.246 Der Grund hierfür wird vor allem darin gesehen, dass nach der gesetzlichen Systematik der Höfeordnung keine zwei Nachlässe mit vollständig getrenntem Schicksal bestehen, wie es bei einer echten Nachlassspaltung der Fall ist. Vielmehr lasse sich eine Einheit­ lichkeit des Hofes und des hoffreien Vermögens als Nachlass beispielsweise darin erkennen, dass Hoferbe und Miterben nach § 15 Abs. 1 ­HöfeO für alle Nachlassverbindlichkeiten als Gesamtschuldner haften und nach § 18 Abs. 2 ­HöfeO in der Regel ein einheitlicher Erbschein ausgestellt wird.247 Ferner spreche auch der Wortlaut des § 4 S. 2 ­HöfeO, in welchem von „Miterben“ die Rede ist, dafür, dass alle Erben gemeinsam zunächst Eigentümer des ge­ Agrarrecht, § 4 ­HöfeO Rn. 4; Söbbeke, ZEV 2006, 395 (396), Soergel/Stein, § 1922 Rn. 91; MüKoBGB/Leipold, Einl. Rn. 126; Staudinger/Mittelstädt, Art. 64 EGBGB Rn. 21. 243  Wöhrmann/Graß, Landwirtschaftserbrecht, § 4 H ­ öfeO Rn. 7. 244  Wöhrmann/Graß, Landwirtschaftserbrecht, § 4 H ­ öfeO Rn. 9. 245  Lüdtke-Handjery/v. Jeinsen/v. Jeinsen, ­ HöfeO, § 4 Rn. 7; Faßbender/Hötzel/ v. Jeinsen/Pikalo/v. Jeinsen, ­HöfeO, § 4 Rn. 5; Ruby, ZEV 2006, 351 (352). 246  Aus diesem Grund ist beispielsweise Pikalo der Auffassung, dass man in Be­ zug auf das Anerbenrecht nicht von einer Spezialsukzession sprechen könne. Er geht vielmehr davon aus, dass es sich in Anlehnung an die römischrechtlichen Vermächt­ nisformen und ein „Vindikationslegat“ handelt, vgl. Pikalo, GS für Schmidt, S. 507 (527). Bei einem Vindikationslegat handelt es sich um ein dingliches Vermächtnis, bei dem der Vermächtnisempfänger also nicht durch schuldrechtlichen Anspruch, son­ dern unmittelbar dinglich an der Sache berechtigt wird, Creifelds, Rechtswörterbuch, Stichwort „Vermächtnis“, S. 1558. 247  Ruby, ZEV 2006, 351 (353).



II. Rechtsdogmatische Ausgestaltungen des Eigentumserwerbs123

samten Nachlasses inklusive des Hofes werden.248 Schließlich wird argumen­ tiert, dass in § 19 Abs. 2 REG als Vorgängernorm des § 4 ­HöfeO bezüglich des Hofes von einem „besonderen Teil der Erbschaft“ die Rede ist.249 Dass diese Formulierung in § 4 ­HöfeO nicht übernommen wurde, spreche nach dieser Ansicht dafür, dass nach der jetzigen Konstruktion der Hof gerade kein besonderer Teil der Erbschaft mehr ist, also keine Nachlassspaltung stattfindet. Dieser Argumentation ist jedoch entgegenzuhalten, dass es sich bei § 4 S. 1 ­HöfeO um die Nachfolgervorschrift von § 19 Abs. 2 REG handelt und deshalb – unabhängig vom leicht abweichenden Wortlaut der heutigen Rege­ lung – der dahinterstehende Rechtsgedanke der Trennung des Nachlasses der gleiche geblieben ist.250 Darüber hinaus ist der Hof nach § 4 S. 1 ­HöfeO Teil der Erbschaft und der Hoferbe kann entgegen der zuvor beschriebenen Ansicht allein deshalb schon als „Miterbe“ bezeichnet werden, weil er mit dem Hof auch einen Teil der gesamten Erbschaft erbt.251 Weiterhin wird ge­ gen eine einheitliche Erbschaft des Vermögens mit gesetzlicher Teilungsan­ ordnung eingewendet, dass der Hoferbe gemäß § 11 S. 1 ­HöfeO die Erbschaft des Hofes ausschlagen kann, ohne zugleich auch die Erbschaft über das üb­ rige Vermögen ausschlagen zu müssen. Darüber hinaus wird auch für den Hof mit dem Hoffolgezeugnis ein anderer Erbschein ausgestellt als für das hoffreie Vermögen, sodass sich auch für die Erteilung der Erbscheine unter­ schiedliche Zuständigkeiten ergeben können.252 Dies spricht dafür, dass es sich um zwei Vermögensmassen handelt, die rechtlich voneinander getrennt beurteilt werden und sich auch nach unterschiedlichen Rechtsordnungen mit unterschiedlichen zugrundeliegenden Prinzipien vererben. Muscheler kommt wegen der Verbundenheit des Nachlasses aufgrund der gesamtschuldnerischen Haftung nach § 15 Abs. 1 ­HöfeO, dem einheitlichen Erbschein nach § 18 Abs. 2 ­HöfeO sowie der Abrechnungsgemeinschaft nach § 15 Abs. 4 ­HöfeO zu dem Ergebnis, dass der Hof und das hoffreie Vermö­ gen nicht zwei vollständig voneinander getrennte Nachlässe sind. Vielmehr bestehe eine gewisse Verbundenheit, sodass er vorschlägt, die höferechtliche Erbfolge als „beschränkte Sondererbfolge“ beziehungsweise „beschränkte Gesamterbfolge“ zu bezeichnen.253

248  Faßbender/Hötzel/v. Jeinsen/Pikalo/v. Jeinsen,

­HöfeO, § 4 Rn. 5. ­ öfeO, § 4 Rn. 5. H 250  Faßbender/Hötzel/v. Jeinsen/Pikalo/v. Jeinsen, ­HöfeO, § 4 Rn. 5. 251  Muscheler, Erbrecht I, Rn. 859. 252  Wöhrmann/Graß, Landwirtschaftserbrecht, § 4 ­HöfeO Rn. 9. 253  Muscheler, Erbrecht I, Rn. 860, 862; Muscheler, Universalsukzession und Von­ selbsterwerb, S. 56. 249  Lüdtke-Handjery/v. Jeinsen/v. Jeinsen,

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D. Vererbung landwirtschaftlicher Betriebe

Der Streit um die Rechtsnatur der Eigentumszuweisung wirkt sich insbe­ sondere im Bereich des Steuerrechts aus, da ein Durchgangserwerb dazu führen würde, dass beim Hoferben einkommenssteuerrechtlich relevante Anschaffungskosten und bei den übrigen Erben ein einkommenssteuerrecht­ lich relevanter Veräußerungserlös entstehen würde, ohne dass es zu einer tatsächlichen Vermögensverschiebung gekommen ist.254 Damit ist die An­ nahme einer gesetzlich vollzogenen Teilungsanordnung auch als steuerlich nachteilig einzuordnen. Im Ergebnis bleibt daher festzuhalten, dass es sich bei § 4 S. 1 ­HöfeO nicht um eine gesetzliche Teilungsanordnung handelt, bei welcher der Nach­ lass für eine juristische Sekunde kraft Universalsukzession an die Erbenge­ meinschaft und erst dann an den Hoferben übergeht. Vielmehr gibt es zwei – wenn auch nicht konsequent – getrennte Vermögensmassen, von denen der Hof als eine Vermögensmasse ipso iure und ipso morte allein dem Hoferben zufällt. Durch die dargestellte Singularsukzession erhält nur eine Person das Ei­ gentum am landwirtschaftlichen Betrieb. Die übrigen Erben werden daran nicht tatsächlich, sondern allenfalls monetär beteiligt. Während dies im Rah­ men der gewillkürten Erbfolge in den Anerbenrechten und auch im BGBLandguterbrecht zumindest auf einen privatautonomen Beschluss des Erblas­ sers zurückzuführen ist, wird derjenige, dem der Betrieb zum Alleineigentum übertragen wird, im Rahmen der gesetzlichen Erbfolge allein nach den durch das Gesetz getroffenen Anordnungen bestimmt und gegenüber den anderen Erben privilegiert. Damit wird ein Erbe gegenüber den übrigen Miterben bevorzugt, ohne dass dies auf einer unmittelbaren Entscheidung des Erblas­ sers selbst beruht. Allerdings entscheidet sich der Erblasser aufgrund der Fakultativität der Anerbenrechte bewusst, seinen Betrieb dem jeweiligen Anerbenrecht zu unterstellen255 und nimmt dabei (sofern er nicht letztwillig verfügt) die gesetzliche Erbfolge in Kauf. Insofern ist auch im Rahmen der gesetzlichen Anerbenfolge die Anerbenbestimmung und damit die Übertra­ gung des Alleineigentums am Betrieb zumindest mittelbar auf einen Wil­ lensentschluss des Erblassers zurückzuführen. Darüber hinaus versuchen die – von der Erbfolge des Bürgerlichen Gesetzbuchs abweichenden – Erb­ folgeregelungen auch die besondere Situation der Landwirtschaft möglichst genau abzubilden und durch Institute wie die quasitestamentarische Erbfolge auch im Rahmen der gesetzlichen Erbfolge möglichst genau auf den (mut­ maßlichen) Willen des Erblassers einzugehen.

Der fünfte Titel, S. 151. durch die Nichtherausnahme aus dem Anwendungsbereich der Höfeord­ nung durch negative Hoferklärung nach § 1 Abs. 4 H ­ öfeO. 254  Seidel, 255  Oder



II. Rechtsdogmatische Ausgestaltungen des Eigentumserwerbs125

b) Abgrenzung der Spezialsukzession nach Höferecht vom Familienfideikommiss Die Sondererbfolge in den heutigen modernen Anerbenrechten ist zu un­ terscheiden vom Familienfideikommiss: Dabei handelt es sich um ein bereits zu Lebzeiten gebundenes Sondervermögen ohne eigene Rechtspersönlichkeit, welches per Spezialsukzession an den jeweiligen Fideikommissnachfolger übergeht.256 Erste Nachweise dieses Rechtsinstituts gibt es in Deutschland seit dem 11. Jahrhundert.257 Verbreitet waren Familienfideikommisse insbe­ sondere seit der Zeit des Dreißigjährigen Kriegs.258 Sie wurden in erster Li­ nie vom niederen Adel, der im Gegensatz zum Hochadel keine autonomen Satzungen errichten konnte, eingerichtet, um den im Ergebnis auf Teilung des Eigentums ausgerichteten erbrechtlichen Regelungen des römischen Rechts entgegenzuwirken und Güter dauerhaft geschlossen im Besitz der Familie zu erhalten.259 Im Gegensatz zum Anerbenrecht, das wie bereits dar­ gelegt einen deutschrechtlichen Ursprung hat, orientiert sich der Fideikom­ miss an einem römischrechtlichen Rechtsinstitut, nämlich dem fidei commissum quod familiae relinquitur.260 In Bezug auf die Abgrenzung des älteren bäuerlichen Erbrechts zu den Familienfideikommissen prägte v. Miaskoswki den Satz, dass „die Bauernfamilie dem Gute dient, während bei den adligen Gütern das Gut der Familie dient.“261 Wie bereits dargestellt, ist Gegenstand der Anerbengesetze der Hof als Grundbesitz samt Zubehör. Gegenstand der Familienfideikommisse waren in der Regel ebenfalls Grundstücke mit ihrem Zubehör.262 Beide Rechtsinstitute

256  Staudinger/Mittelstädt,

Art. 59 EGBGB Rn. 9. in: HRG (2004), Stichwort „Familienfideikommiss“, Sp. 1503, ebd. auch zur Bedeutung und weiteren Entwicklung der Familienfideikommisse. 258  Ebert, in: HRG (2004), Stichwort „Familienfideikommiss“, Sp. 1503; bereits in Art. 155 der Weimarer Reichsverfassung wurde geregelt, dass die Fideikommisse aufzulösen sind; in § 1 Abs. 1 S. 1 des Gesetzes über das Erlöschen von Familienfi­ deikommissen und sonstigen gebundenen Vermögen von 1938 wurde geregelt, dass mit Beginn des 1. Januar 1939 alle noch bestehenden Familienfideikommisse erlö­ schen; im Jahr 2007 wurde zudem das Gesetz zur Aufhebung von FideikommissAuflösungsrecht (BT-Drucks. 16/5051, S. 13 sowie zur Begründung S. 45 ff.) be­ schlossen; der Prozess der Auflösung der Familienfideikommisse gilt heute somit als abgeschlossen. 259  Beseler, System des gemeinen deutschen Privatrechts, S. 722; Pikalo, in: GS für Schmidt, S. 507 (518). 260  Staudinger/Mittelstädt, Art. 59 EGBGB Rn. 9. 261  v. Miaskowski, Das Erbrecht und die Grundeigenthumsverteilung im Deutschen Reiche Bd. 2, S. 135. 262  Beseler, System des gemeinen deutschen Privatrechts, S. 724. 257  Ebert,

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D. Vererbung landwirtschaftlicher Betriebe

verfolgen somit im Ergebnis das Ziel, den vorhandenen Grundbesitz unge­ teilt in der Familie zu erhalten. Dadurch, dass die modernen Anerbengesetze auch bedingt durch Art. 64 Abs. 2 EGBGB die Testierfreiheit des Erblassers stärker in den Mittelpunkt stellen als etwa die Anerbengesetze der ersten Gesetzgebungswelle, ist die Ausgestaltung der beschriebenen Zielsetzung der Geschlossenhaltung im Rahmen des Fideikommiss und des modernen Anerbenrechts263 unterschied­ lich: Beim Familienfideikommiss ist der Nachfolger lediglich Nutzer des gebundenen Vermögens und kann darüber auch unter Lebenden nicht verfü­ gen, es also nicht veräußern oder belasten.264 Im landwirtschaftlichen Erb­ recht besteht eine derartige Beschränkung zumindest in den modernen An­ erbengesetzen zu Lebzeiten des Erblassers nicht, sodass der Eigentümer frei über seinen Hof und einzelne Bestandteile verfügen kann. Zudem handelt es sich beim Hof und dem hoffreien Vermögen nach der heutigen Ausgestaltung etwa der Höfeordnung zu Lebzeiten des Erblassers um ein einheitliches Ver­ mögen, bei dem eine Trennung der Vermögensmassen erst mit dem Erbfall eintritt.265 Das Fideikommissvermögen ist hingegen bereits zu Lebzeiten des jeweiligen Besitzers ein gesondertes Vermögen.266 Sowohl in den Anerben­ rechten mit Sondererbfolge als auch bei den Familienfideikommissen geht das jeweils zugehörige Vermögen ipso iure und ipso morte auf den Nachfol­ ger über.267 Der Fideikommissbesitzer hatte in der Regel keinen Einfluss auf den Nachfolger, da dieser sich nach in dem Statut aufgestellten Regeln bestimm­ te.268 Von diesen Regelungen konnte auch nicht durch letztwillige Verfügung abgewichen werden.269 Meistens war als Nachfolger der älteste männliche Nachkomme vorgesehen.270 In den Anerbenrechten wird hingegen aufgrund 263  Wie bereits erläutert, haben sich die Anerbengesetze der ersten Gesetzgebungs­ welle ab den 50er Jahren des 19. Jahrhunderts an den Familienfideikommissen orien­ tiert, sodass die Parallelen hier naturgemäß – insbesondere in Bezug auf die zwin­ gende Geschlossenheit und die Benachteiligung der weichenden Erben – stärker sind. Da diese Anerbengesetze in der heutigen Rechtspraxis jedoch aufgrund der Testtier­ freiheit nach Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG keine Rolle mehr spielen, ist an dieser Stelle ein Vergleich zu den modernen Anerbengesetzen von stärkerem Interesse. 264  Beseler, System des gemeinen deutschen Privatrechts, S. 820. 265  Vgl. zur Trennung der Vermögensmassen S. 121 ff. 266  Stobbe, Handbuch des Deutschen Privatrechts, S. 363; er bezeichnet das Fidei­ kommissvermögen als „geschlossenen Vermögenskreis“. 267  Stobbe, Handbuch des Deutschen Privatrechts, S. 374. 268  Staudinger/Mittelstädt, Art. 59 EGBGB Rn. 8 f. 269  Stobbe, Handbuch des Deutschen Privatrechts, S. 363. 270  Ebert, in: HRG (2004), Stichwort „Familienfideikommiss“, Sp. 1503; auch bei den Anerbengesetzen war zunächst nach der gesetzlichen Erbfolge der männliche



II. Rechtsdogmatische Ausgestaltungen des Eigentumserwerbs127

von Art. 64 Abs. 2 EGBGB die Testierfreiheit des Erblassers nach Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG ausdrücklich garantiert, sodass zwar auch feststehende An­ ordnungen des Hoferben im Rahmen der gesetzlichen Erbfolge bestehen, der Erblasser bei der Bestimmung des Hoferben im Rahmen der gewillkürten Erbfolge aber grundsätzlich frei ist.271 Aus diesem Grund sind heute an den Grundsätzen des Familienfideikommiss ausgerichtete Anerbengesetze zur geschlossenen Erhaltung von landwirtschaftlichen Betrieben nicht mehr möglich. Auch im Rahmen der Familienfideikommisse wird der Fideikom­ missnachfolger wie der Anerbe im Anerbenrecht gegenüber anderen poten­ ziellen Nachfolgern bevorzugt, da keine dingliche Beteiligung an dem Gut erfolgt. Darüber hinaus hatten die übrigen potenziellen Nachfolger jedoch im Gegensatz zu den weichenden Miterben im Anerbenrecht auch keine Ansprü­ che auf Abfindung.272 c) Umfang Was zum Hof im Sinne der Höfeordnung gehört, wird durch die §§ 2 und 3 ­HöfeO festgelegt. Diese Regelungen sind zum einen relevant für die Be­ stimmung der zum Hof gehörenden Gegenstände, da nur diese mit dem Tod des Erblassers auf den Hoferben übergehen. Zum anderen bilden der Hof und das Hofzubehör auch die Grundlage für die Ermittlung des Hofwertes und damit der Berechnung der Ansprüche der übrigen Miterben.273 Zum Hof im Sinne der Höfeordnung gehören nach § 2 lit. a) ­HöfeO zu­ nächst alle Grundstücke, die regelmäßig von der Hofstelle aus bewirtschaftet werden. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs können auch einzelne Flurstücke, die kein Grundstück im Rechtssinne sind, Bestandteil eines Ho­ Nachkomme in der Regel als Anerbe vorgesehen. Dies ist jedoch durch BVerfGE 15, 337 vom Bundesverfassungsgericht im Rahmen der Höfeordnung als unvereinbar mit Art. 3 Abs. 2 GG erklärt worden und mit dem Ersten Gesetz zur Änderung der Höfe­ ordnung wurde der Mannesvorrang dann abgeschafft. 271  Zwar stellt auch das Kriterium der Wirtschaftsfähigkeit des Erben nach § 6 Abs. 6 ­HöfeO einen Eingriff in die Testierfreiheit des Erblassers dar; allerdings ist dies mit Blick auf die Erreichung des höferechtlichen Zwecks und zur Rechtfertigung der Benachteiligung der weichenden Miterben erforderlich und hinzunehmen; der Gesetzgeber hat bei der Ausgestaltung des landwirtschaftlichen Erbrechts einen Beur­ teilungsspielraum, den das Bundesverfassungsgericht erst bei willkürlichen Maßnah­ men als überschritten ansieht, Wöhrmann/Graß, Landwirtschaftserbrecht, Einl. H ­ öfeO Rn. 16. 272  Mertens, Die Entstehung der Vorschriften des BGB über die gesetzliche Erb­ folge und das Pflichtteilsrecht, S. 131. 273  Zur Berechnung der Ansprüche der weichenden Miterben sogleich auf S. 142 ff.

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D. Vererbung landwirtschaftlicher Betriebe

fes sein.274 Dieser Grundstücksbegriff birgt den Vorteil, dass Teile des Be­ triebs, die nicht landwirtschaftlich genutzt werden, nicht Teil des Hofes sind und daher nach den allgemeinen erbrechtlichen Regelungen unter den Erben aufgeteilt werden können. Eine partielle Hoferklärung mit der Folge, dass bestimmte Grundstücke nicht nach der Höfeordnung und damit unabhängig vom übrigen Hofvermögen vererbt werden, ist nicht möglich.275 Zu den Grundstücken gehören außerdem alle wesentlichen Bestandteile, also auch die dazugehörigen Gebäude.276 Eine zeitweilige Verpachtung oder ähnliche vorübergehende Benutzung durch andere schließt nach § 2 lit. a) ­HöfeO die Zugehörigkeit zum Hof nicht aus. Gemäß § 2 lit. b) ­HöfeO gehören zudem auch Mitgliedschaftsrechte, Nutzungsrechte und ähnliche Rechte, die dem Hof dienen, dazu.277 Weiterhin wird gemäß § 3 S. 1 ­HöfeO auch das Hofzubehör mitvererbt. Nach § 3 S. 2 ­HöfeO umfasst dieses insbesondere das auf dem Hof für die Bewirtschaftung vorhandene Vieh, Wirtschafts- und Hausgerät, den vorhan­ denen Dünger und die für die Bewirtschaftung bis zur nächsten Ernte dienen­ den Vorräte an landwirtschaftlichen Erzeugnissen und Betriebsmitteln. Diese Regelung präzisiert und ergänzt die bürgerlich-rechtlichen Zubehörregelun­ gen der §§ 97, 98 BGB.278 Auch zur ausschließlichen Stromerzeugung für den landwirtschaftlichen Betrieb installierte regenerative Energieanlagen, die bereits vom Erblasser errichtet wurden, gehören zum Zubehör i. S. v. § 3 S.  1 ­HöfeO.279 Bei der Nutzung einer Parzelle allein zur Verpachtung zum Betrieb einer Windkraftanlage entfällt bereits nach § 2 lit. b) ­HöfeO die Hof­ eigenschaft der Parzelle, sodass dieses Teilgrundstück nach § 7 HöfeVfO aus dem Hofgrundbuch auszuschreiben ist und folglich nicht mit dem übrigen landwirtschaftlichen Betrieb nach der Höfeordnung vererbt wird.280 Beim Erbfall bereits bestehende regenerative Energieerzeugungsanlagen, bei denen die Grundflächen auch noch landwirtschaftlich genutzt werden können, wer­ den – sofern sie nicht ausschließlich Energie für den landwirtschaftlichen Betrieb erzeugen – nicht zum Inventar des Hofes i. S. v. § 3 S. 1 H ­ öfeO ge­ 274  BGH FGPrax 2014, 192 Rn. 19; zustimmend Nordalm, AgrarR 1977, 108 (110); nach einer anderen Ansicht ist hingegen ein sachen- beziehungsweise grund­ buchrechtlicher Grundstücksbegriff maßgeblich, sodass es sich bei den in Frage ste­ henden Grundstücken um ein Grundbuchgrundstück handeln muss; vgl. Wöhrmann/ Graß, Landwirtschaftserbrecht, § 2 ­HöfeO Rn. 12; OLG Köln RdL 1983, 76 (77). 275  Roemer, RNotZ 2015, 556. 276  Lüdtke-Handjery/v. Jeinsen/Brinkmann, ­HöfeO, § 2 Rn. 6. 277  Zu den hierzu zählenden Rechten ausführlich bei Wöhrmann/Graß, Landwirt­ schaftserbrecht, § 2 H ­ öfeO Rn. 38 ff. 278  Faßbender/Hötzel/v. Jeinsen/Pikalo/v. Jeinsen, ­HöfeO, § 3 Rn. 1. 279  Dingerdissen, ErbR 2009, 330 (335). 280  AG Beckum AUR 2019, 342.



II. Rechtsdogmatische Ausgestaltungen des Eigentumserwerbs129

zählt, sondern sind als gewerbliche Nebenbetriebe anzusehen.281 Das bedeu­ tet, dass sie mit dem übrigen Hof nach den Vorschriften der Höfeordnung an den Hoferben übergehen, aber im Rahmen der Berechnung des Abfindungs­ anspruchs Zuschläge zum Hofwert nach § 12 Abs. 2 S. 3 ­HöfeO möglich sind. 2. Eigentumserwerb kraft Übernahmerecht Eine weitere Ausgestaltungsmöglichkeit der geschlossenen Übergabe ei­ nes landwirtschaftlichen Betriebs an einen einzigen Nachfolger ist, dass der Hof zusammen mit dem sonstigen Vermögen des Erblassers zunächst im Wege der Universalsukzession nach § 1922 Abs. 1 BGB auf alle Miterben übergeht. Durch die Anordnung eines Übernahmerechts durch den Erblasser wird dem Hoferben dann ein schuldrechtlicher Anspruch auf Übereignung des Betriebs eingeräumt. Ein solches Übernahmerecht ist normiert in § 2049 Abs. 1 BGB, § 11 Abs. 1 HessLandgüterO sowie § 10 Abs. 1 BadHof­ güterG.282 Es handelt sich bei diesen Regelungen um spezielle Anordnungen zur Erbauseinandersetzung.283 Das Hauptaugenmerk soll im Rahmen der nachfolgenden Ausführungen auf dem BGB-Landguterbrecht liegen, da die­ ses wie im Verlauf der Arbeit bereits dargestellt bei der Vererbung landwirt­ schaftlicher Betriebe in Deutschland die größte Bedeutung hat. Das BGB-Landguterbrecht war wie bereits dargelegt ein Zugeständnis an die Befürworter reichseinheitlicher landwirtschaftserbrechtlicher Regelungen im Bürgerlichen Gesetzbuch. Es ist nach dem Scheitern der Forderung der Kodifikation eines Anerbenrechts im Bürgerlichen Gesetzbuch während der Verhandlungen der Zweiten Kommission entstanden. Im Rahmen der Ver­ handlungen wurde zunächst darüber diskutiert, in Anlehnung an geltende Anerbenrechte, beispielsweise in der Provinz Hannover, eine Sonderrechts­ nachfolge in Bezug auf landwirtschaftliche Betriebe zu schaffen. Dies wurde AUR 2012, 365 (366). beachten ist, dass ein Übernahmerecht im BGB-Landguterbrecht nach § 2049 Abs. 1 BGB nur besteht, wenn eine Übernahmeanordnung des Erblassers durch letztwillige Verfügung vorliegt. In den genannten landesrechtlichen Anerbenge­ setzen besteht ein Übernahmerecht hingegen auch im Rahmen der gesetzlichen Erb­ folge. 283  Kipp/Coing, Erbrecht (1990), S. 717; Pikalo bezeichnet diese Ausgestaltung in Anlehnung an die römische Vermächtnisform als „Damnationslegat“, vgl. Pikalo, in: GS für Schmidt, S. 507 (527). Das Damnationslegat entspricht der Ausgestaltung von Vermächtnissen in den §§ 2147, 2174 BGB, wo der Vermächtnisnehmer einen schuld­ rechtlichen Anspruch gegen die beschwerten Erben auf Übertragung des Eigentums an den vermachten Gegenständen hat, vgl. Creifelds, Rechtswörterbuch, Stichwort „Vermächtnis“, S. 1558. 281  Graß, 282  Zu

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D. Vererbung landwirtschaftlicher Betriebe

aber mit der Begründung abgelehnt, dass eine solche rechtliche Konstruktion auf die Anerkennung eines Vindikationslegats284 hinausliefe und damit eine bedenkliche Spaltung in das gesamte Erbrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs trage, in dem ein solches gerade nicht existiert.285 Im Rahmen der Schaffung des Bürgerlichen Gesetzbuchs wurde festgestellt, dass der Grundsatz der gleichen Teilung des Grundbesitzes aus dem römischen Recht stamme.286 In der ausgehenden Republik und zu Beginn der Kaiserzeit herrschte dort eine urbane Gesellschaft ohne größeren ländlichen Mittelstand vor, sodass dort kein gesellschaftliches oder ökonomisches Bedürfnis bestand, den Grundbe­ sitz aus nationalen, sozialen oder öffentlichen Gründen ungeteilt zu erhal­ ten.287 Man konstatierte deshalb bei den Verhandlungen der Zweiten Kom­ mission, dass diese Ausgangssituation nicht mit den in Deutschland herr­ schenden Verhältnissen übereinstimmte, da der Bauernstand hier für die ge­ samte Gesellschaft von tragender Bedeutung war und landwirtschaftliche Betriebe deshalb auch im Erbgang als leistungsfähige Einheiten erhalten werden sollten. Aus diesem Grund wurde in den Beratungen zum Bürgerli­ chen Gesetzbuch bekräftigt, dass eine Lösung gefunden werden muss, durch die weder eine „Zertrümmerung des ländlichen Grundbesitzes“288 noch „des­ sen Überschuldung in Folge zu hoher Erbportionen“289 befördert werde. Als deshalb in den Beratungen der Zweiten Kommission die Befürworter aner­ benrechtlicher Regelungen im BGB scheiterten, wurde beschlossen, im Bür­ gerlichen Gesetzbuch statt der Kodifikation eines Anerbenrechts zumindest zu bestimmen, dass bei Anordnung eines Übernahmerechts für ein Landgut durch den Erblasser bei der Erbauseinandersetzung statt des Verkehrs- der Ertragswert zu Grunde zu legen sei.290 Man hielt dies für eine Regelung, welche im Gegensatz zur Kodifikation von Anerbenrecht im Bürgerlichen Gesetzbuch nicht allzu tiefgreifend in die dort normierte Systematik des Erb­ rechts eingreift und dennoch die Erhaltung landwirtschaftlicher Betriebe in der Hand des Übernehmers fördert.291

284  Bei einem Vindikationslegat handelt es sich um ein dingliches Vermächtnis, bei dem der Vermächtnisempfänger also nicht durch schuldrechtlichen Anspruch, sondern unmittelbar dinglich an der Sache berechtigt wird, vgl. Creifelds, Rechtswörterbuch, Stichwort „Vermächtnis“, S. 1558. 285  Mertens, Die Entstehung der Vorschriften des BGB über die gesetzliche Erb­ folge und das Pflichtteilsrecht, S. 121. 286  Mugdan, Materialien zum BGB I, S. 193. 287  Mugdan, Materialien zum BGB I, S. 193. 288  Mugdan, Materialien zum BGB I, S. 193. 289  Mugdan, Materialien zum BGB I, S. 193. 290  Achilles/Gebhard/Spahn, Protokolle VI, S. 330. 291  Achilles/Gebhard/Spahn, Protokolle VI, S. 333.



II. Rechtsdogmatische Ausgestaltungen des Eigentumserwerbs131

a) Form der Übernahmeanordnung Konkret setzt § 2049 Abs. 1 BGB eine Anordnung des Erblassers voraus, nach welcher einer der Miterben das Recht zur Übernahme eines zum Nach­ lass gehörenden Landgutes hat. Hiermit ist eine Teilungsanordnung im Sinne des § 2048 BGB gemeint.292 In § 2049 Abs. 1 BGB ist nicht geregelt, in welcher Form die Anordnung der Übernahme des Landgutes zu erfolgen hat. Durch den Regelungszusammenhang mit dem § 2048 BGB, welcher sich nach seinem Wortlaut auf letztwillige Verfügungen bezieht, kann aber gefol­ gert werden, dass auch die Übernahmeanordnung im Rahmen des § 2049 Abs. 1 BGB durch eine Verfügung von Todes wegen im Sinne des § 1937 BGB zu erfolgen hat.293 Ferner kann auch durch einen Erbvertrag, in dem nach § 2299 Abs. 1 BGB einseitig jede durch Testament treffbare Verfügung getroffen werden kann, ebenfalls ein Übernahmerecht angeordnet oder ver­ tragsmäßig getroffen werden.294 Ein Übernahmerecht kann allein durch letztwillige Verfügung getroffen werden. Eine gesetzliche Bestimmung des Übernahmeberechtigten kommt nach dem BGB295 nicht in Betracht. Eine formlos-bindende Übernahmeanordnung – wie etwa durch § 7 Abs. 2 ­HöfeO – ist nach der derzeitigen Rechtslage im Rahmen des BGBLandguterbrechts aufgrund der erbrechtlichen Formvorschriften des Bürger­ lichen Gesetzbuchs nicht möglich. Hat der Erblasser allerdings anders als durch die bei § 2049 Abs. 1 BGB möglichen Formen der Übernahmeanord­ nung – etwa konkludent durch Überlassung der Bewirtschaftung an einen Abkömmling – zum Ausdruck gebracht, dass ein bestimmter Erbe das Land­ gut übernehmen soll, kann dies im Rahmen des Zuweisungsverfahrens nach §§ 13 ff. GrdstVG berücksichtigt werden: Gemäß § 15 Abs. 1 S. 1 GrdstVG soll der Betrieb nämlich dem Miterben zugewiesen soll, dem dieser nach dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Erblassers zufallen sollte.

292  Hausmann/Hohloch/Hausmann/Hausmann, Handbuch des Erbrechts, Kap. 24, Rn. 68; zu beachten ist aber, dass die Anordnung nach den Umständen des Einzelfalls auch als Vermächtnisanordnung oder – wenn das Landgut den überwiegenden Anteil der Erbschaft ausmacht – als Erbeinsetzung auszulegen sein kann, vgl. Wöhrmann/ Graß, Landwirtschaftserbrecht, § 2049 BGB, Rn. 35; RG RGZ 170, 163 (170). 293  Wöhrmann/Graß, Landwirtschaftserbrecht, § 2049 BGB Rn. 37. 294  Wöhrmann/Graß, Landwirtschaftserbrecht, § 2049 BGB Rn. 37 f. 295  Nach der Hessischen Landgüterordnung und dem Badischen Hofgütergesetz als landesrechtlichen Anerbengesetzen ist eine Bestimmung des Übernahmeberechtig­ ten hingegen auch durch das Gesetz möglich.

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D. Vererbung landwirtschaftlicher Betriebe

b) Wirkung und Umfang Mit dem Erbfall geht das Eigentum an dem Hof, wenn der Übernehmer des Landgutes der einzige Erbe ist, automatisch nach § 1922 Abs. 1 BGB an diesen über. Die Ausübung eines Übernahmerechts ist dann nicht mehr erfor­ derlich. Dies gilt auch für den Fall, dass die letztwillige Verfügung des Erb­ lassers als Erbeinsetzung des Übernehmers anzusehen ist und wenn das Landgut den hauptsächlichen Teil der Erbschaft ausmacht oder jedenfalls nahezu das einzige Aktivvermögen des Erblassers darstellt. Gibt es mehrere Erben, so entsteht eine Erbengemeinschaft, welche nach § 1922 Abs. 1 BGB mit dem Erbfall kraft Gesetzes Eigentümerin der Erb­ schaft samt dem Landgut wird. Derjenige, dem vom Erblasser ein Übernah­ merecht in Bezug auf das Landgut gewährt wurde, hat nun gegen die Miter­ ben nach § 2049 Abs. 1 BGB in Verbindung mit der Teilungsanordnung einen Anspruch auf Einräumung des Alleineigentums an dem Landgut. Er muss also von seinem Übernahmerecht Gebrauch machen, indem er erklärt, das Landgut übernehmen zu wollen. Im Umkehrschluss bedeutet dies auch, dass gerade keine Verpflichtung besteht, das Landgut zu übernehmen, und derje­ nige, dem dieses vom Erblasser zugedacht war, ebenso auf die Übernahme verzichten kann, indem er nicht von seinem Übernahmerecht Gebrauch macht.296 In diesem Fall bleibt die Erbengemeinschaft bestehen und ist in­ klusive des Landguts nach den allgemeinen Regeln der §§ 2042 ff. BGB auseinanderzusetzen.297 Im § 2049 BGB ist keine Frist für die Ausübung des Übernahmerechts normiert, sodass die Ausübung grundsätzlich auch fristun­ gebunden möglich ist. Wöhrmann/Graß gehen allerdings davon aus, dass eine deutliche Überschreitung der sechswöchigen Ausschlagungsfrist des § 1944 Abs. 1 BGB auch bezüglich der Übernahme des Landgutes zu einer Verwirkung führen kann.298 Der Erblasser kann grundsätzlich auch mehreren Erben ein Übernahme­ recht in Bezug auf das Landgut einräumen. Allerdings kann in diesem Fall nicht mehr der Normzweck der Erhaltung des Betriebs als Einheit zur Fort­ führung durch eine Person erreicht werden, sodass das Landgut bei der Be­ rechnung der Ansprüche der übrigen Miterben dann statt zum Ertragswert zum Schätzwert nach § 2311 BGB angesetzt wird.299 Über den Umfang des Übernahmerechts entscheidet grundsätzlich der Ei­ gentümer des Betriebs durch Widmung, wobei zusätzlich eine funktionale 296  Wöhrmann/Graß,

Landwirtschaftserbrecht, § 2049 BGB Rn. 46. Handbuch des Erbrechts, Kap. 24

297  Hausmann/Hohloch/Hausmann/Hausmann,

Rn. 73. 298  Wöhrmann/Graß, Landwirtschaftserbrecht, § 2049 BGB Rn. 46. 299  BGH NJW 1973, 995 (996).



II. Rechtsdogmatische Ausgestaltungen des Eigentumserwerbs133

Betrachtung erforderlich ist.300 Im Gegensatz zu § 2 ­HöfeO wird jedoch im BGB-Landguterbrecht nicht geregelt, was Bestandteil des Landgutes ist, ohne Zubehör nach §§ 97, 98 BGB zu sein.301 Unter Zugrundelegung der Definition in den steuerrechtlichen Bewertungsvorschriften der §§  33, 34 BewG versteht man unter Bestandteilen des Landgutes alle Wirtschaftsgü­ ter, die einem Betrieb dauernd zu dienen bestimmt sind, insbesondere den Grund und Boden, die Wohn- und Wirtschaftsgebäude, soweit sie einer landund forstwirtschaftlichen Nutzung dienen unter Einbeziehung von Nebenbe­ trieben.302 Rechte gelten gemäß § 96 BGB als Bestandteile des Grundstücks, wenn sie mit dem Eigentum am Grundstück verbunden sind. Hierzu gehören subjektiv-dingliche Rechte wie etwa Grunddienstbarkeiten nach § 1018 BGB oder dingliche Vorkaufsrechte nach § 1094 BGB303 oder das Jagdrecht nach § 3 Abs. 1  BJagdG.304 Da im BGB-Landguterbrecht eine § 2 lit. b) H ­ öfeO entsprechende Regelung fehlt, sind persönliche Rechte nicht bereits von Ge­ setzes wegen vom Übernahmerecht umfasst.305 Hier ist vielmehr die Über­ nahmeanordnung des Erblassers auszulegen. Was als Zubehör zum Landgut gehört, wird in § 97, 98 BGB spezifiziert: Nach § 98 Nr. 2 BGB ist Zubehör eines Landgutes auch das zum Wirtschaftsbetrieb bestimmte Gerät und Vieh sowie landwirtschaftliche Erzeugnisse, soweit sie zur Fortführung der Wirt­ schaft bis zu der Zeit erforderlich sind, zu welcher gleiche oder ähnliche Erzeugnisse voraussichtlich gewonnen werden. Da die Widmung des Eigentümers maßgeblich dafür ist, was zum Landgut gehört, können auch Gegenstände, die nicht für die Fortführung des landwirt­ schaftlichen Betriebs erforderlich sind, vom Übernahmerecht umfasst sein. Sie sind dann allerdings auf der Ebene der Bewertung des Betriebs zum Verkehrs- statt zum Ertragswert anzusetzen.306 3. Eigentumserwerb kraft gerichtlicher Zuweisung (§§  13 ff.  GrdstVG) Sofern der Erblasser im Geltungsbereich des BGB-Landguterbrechts nicht letztwillig ein Übernahmerecht eines Miterben in Bezug auf den landwirt­ schaftlichen Betrieb angeordnet hat, fällt dieser aufgrund der nicht geregelten Erbrecht, S. 905; BGH NJW 1987, 1260 (1261). Landwirtschaftserbrecht, § 98 BGB Rn. 4. 302  Wöhrmann/Graß, Landwirtschaftserbrecht, § 98 BGB Rn. 4. 303  MüKoBGB/Stresemann, § 96 BGB Rn. 2. 304  MüKoBGB/Stresemann, § 96 BGB Rn. 3. 305  Hausmann, Die Vererbung von Landgütern nach dem BGB, S. 158. 306  Hausmann/Hohloch/Hausmann/Hausmann, Handbuch des Erbrechts, Kap. 24 Rn. 43. 300  Lange/Kuchinke,

301  Wöhrmann/Graß,

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D. Vererbung landwirtschaftlicher Betriebe

Anerbenordnung im BGB der Erbengemeinschaft zu, sodass unter Umstän­ den im Rahmen der Erbauseinandersetzung nach §§ 2042 ff. BGB auch eine Aufteilung des Betriebs unter den Miterben droht. Um den Betrieb auch bei Eintritt der gesetzlichen Erbfolge in der Hand einer Person erhalten zu kön­ nen, gibt es seit 1962 ein Zuweisungsverfahren für landwirtschaftliche Be­ triebe in den §§ 13 ff. GrdstVG: Dabei handelt es sich um ein besonderes Verfahren der Erbauseinandersetzung, bei der das Übernahmerecht nicht vom Erblasser angeordnet oder der übernahmeberechtigte Miterbe durch das Ge­ setz bestimmt wird, sondern bei dem die Zuweisung des Eigentums durch das Gericht erfolgt.307 Die Regelungen sollen das Fehlen einer gesetzlichen Erbfolgeordnung im BGB-Landguterbrecht ausgleichen. Im Einzelnen ergeben sich für die Zuweisung des landwirtschaftlichen Betriebs an eine einzige Person nach den §§ 13 ff. GrdstVG folgende objek­ tive und subjektive Voraussetzungen. a) Anforderungen an den Betrieb Gegenstand der Zuweisung ist nach § 13 Abs. 1 GrdstVG ein landwirt­ schaftlicher Betrieb. Aufgrund der vergleichbaren Normzwecke von Höfe­ ordnung, BGB-Landguterbrecht und Grundstücksverkehrsgesetz stimmen auch die Begriffe des „Hofes“, „Landgutes“ und des „landwirtschaftlichen Betriebs“ in ihrer Grundbedeutung überein.308 Die nach § 14 Abs. 1 S. 1 GrdstVG erforderliche Hofstelle als Voraussetzung für die Zuweisungsfähig­ keit des Betriebs entspricht im Wesentlichen dem Begriff der Hofstelle in der Höfeordnung.309 Es muss also eine mit Wohn- und Wirtschaftsgebäuden310 bebaute Fläche bestehen, von der aus die Bewirtschaftung der zu einer Wirt­ schaftseinheit zusammengefassten landwirtschaftlichen Grundflächen erfolgt und die Mittelpunkt der Bewirtschaftung bildet.311 Der Betrieb muss zudem bis zum Erbfall im Alleineigentum des Erblassers und bis zur Zuweisung im ungeteilten Eigentum der Erbengemeinschaft ge­ standen haben.312 Er ist gesetzlich keine Mindestgröße für den landwirt­ schaftlichen Betrieb geregelt. Allerdings sind nur solche landwirtschaftlichen Betriebe gemäß § 14 Abs. 1 S. 1 GrdstVG schutzwürdig, die im Wesentlichen Landwirtschaftserbrecht, Einl. GrdstVG Rn. 6. Die Vererbung von Landgütern nach dem BGB, S. 90. 309  Düsing/Martinez/Martinez, Agrarrecht, § 14 GrdstVG Rn. 3. 310  Zur Diskussion um die Erforderlichkeit von Wohngebäuden bei landwirtschaft­ lichen Betrieben in der Höfeordnung vgl. S. 78. 311  BGHZ 8, 109 (115). 312  Düsing/Martinez/Martinez, Agrarrecht, § 13 GrdstVG Rn. 6. 307  Wöhrmann/Graß, 308  Hausmann,



II. Rechtsdogmatische Ausgestaltungen des Eigentumserwerbs135

zum Unterhalt einer bäuerlichen Familie ausreichen.313 Somit wird im Rah­ men des Zuweisungsverfahrens im Grundstücksverkehrsgesetz als Schwelle für die Privilegierung und somit zur Erreichung des landwirtschaftserbrecht­ lichen Zwecks gefordert, dass der Betrieb so leistungsfähig ist, dass die Be­ triebserträge zum Unterhalt einer durchschnittlichen bäuerlichen Familie ausreichen.314 Schließlich muss es sich um einen landwirtschaftlichen Betrieb handeln. Der Begriff der Landwirtschaft ist in § 1 Abs. 2 GrdstVG legaldefiniert und umfasst auch im Kontext des Zuweisungsverfahrens die Bodenbewirtschaf­ tung und die mit der Bodennutzung verbundene Tierhaltung, die dazu dient, pflanzliche oder tierische Erzeugnisse zu gewinnen. Folglich gilt auch hier wie bei den Begriffen des Landgutes im Sinne des BGB-Landguterbrechts und des Hofes im Sinne der Höfeordnung, dass „Agrarfabriken“, bei denen die Bodennutzung nur als Standort dient, nicht dem Gesetz unterfallen.315 Auch reine Forstbetriebe sind im Gegensatz zur Höfeordnung und dem BGB-Landguterbrecht nach dem klaren Wortlaut der Norm im Rahmen des Grundstücksverkehrsgesetzes nicht zuweisungsfähig.316 Verpachtete Betriebe können nach der Rechtsprechung des OLG Stuttgart nur dann zugewiesen werden, wenn es sich nur um eine vorübergehende Stilllegung handelt und die verpachteten Grundflächen „in einem überschau­ baren Zeitraum wieder zum ursprünglichen landwirtschaftlichen Betrieb ge­ zogen werden können.“317 b) Durch gesetzliche Erbfolge entstandene Erbengemeinschaft Die Zuweisung nach dem Grundstücksverkehrsgesetz kann ferner gemäß § 13 Abs. 1 S. 1 GrdstVG nur dann erfolgen, wenn die Erbengemeinschaft durch gesetzliche Erbfolge entstanden ist. Wenn sie durch letztwillige Verfü­ gung entstanden ist, ist eine Zuweisung nach den §§ 13 ff. GrdstVG hingegen nicht möglich. Dies gilt auch dann, wenn die durch letztwillige Verfügung entstandene Erbengemeinschaft in gleicher Weise auch bei gesetzlicher Erb­ 313  Allgemein zur Diskussion um die Mindestleistungsfähigkeit landwirtschaftli­ cher Betriebe zur Annahme der Schutzwürdigkeit auf S. 82 ff. für die Höfeordnung und 159 ff. für das BGB-Landguterbrecht. 314  OLG München AgrarR 1995, 56 zur Zuweisungsfähigkeit von Nebenerwerbs­ betrieben; bei Wöhrmann/Graß, Landwirtschaftserbrecht, § 14 GrdstVG Rn. 9 wird auch darauf hingewiesen, dass diese Schwelle der bäuerlichen Existenzgrundlage von Nebenerwerbsbetrieben in der Regel nur schwer erreichbar ist. 315  Wöhrmann/Graß, Landwirtschaftserbrecht, § 13 GrdstVG Rn. 4. 316  Düsing/Martinez/Martinez, Agrarrecht, § 13 GrdstVG Rn. 2. 317  OLG Stuttgart FamRZ 2009, 80.

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D. Vererbung landwirtschaftlicher Betriebe

folge entstanden wäre, also der Erblasser die Erben zu den Quoten eingesetzt hat, die ihnen auch nach der gesetzlichen Erbfolge zustehen würden.318 Der Grund dafür ist, dass bei Vorliegen einer Verfügung von Todes wegen auf den Erblasserwillen Rücksicht zu nehmen ist.319 Es ist in diesen Fällen da­ von auszugehen, dass der Wille des Erblassers darin liegt, dass er die Aus­ einandersetzung den Miterben überlassen und gerade keine gerichtliche Zu­ weisung erreichen wollte.320 Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Erblasser in seiner letztwilligen Verfügung erklärt, dass bezüglich des Landgutes die gesetzliche Erbfolge gelten soll, da er auch dann die konkrete Anordnung nicht selbst getroffen, sondern der gesetzlichen Regelung überlassen hat. In diesem Fall ist auch das Grundstücksverkehrsgesetz zur Zuweisung des Be­ triebs anwendbar.321 c) Zuweisungsantrag Gemäß § 13 Abs. 1 S. 1 GrdstVG erfolgt die Zuweisung auf Antrag eines Miterben, sodass die Zuweisung gerade nicht von Amts wegen erfolgt. Der Antrag ist beim Landwirtschaftsgericht zu stellen. Antragsberechtigt ist jeder Miterbe. Dies ist unabhängig davon, ob er die Zuweisung an sich selbst oder einen anderen Miterben beantragt.322 Die §§ 13 ff. GrdstVG sehen keine Frist für die Antragstellung vor. Diese ist daher nach der Gesetzessystematik so lange möglich, wie noch keine Erbauseinandersetzung bezüglich des land­ wirtschaftlichen Betriebs erfolgt ist. d) Keine Zuweisungshindernisse Gemäß § 14 Abs. 2 GrdstVG ist das Zuweisungsverfahren nur dann zuläs­ sig, wenn sich die Miterben nicht über die Zuweisung einigen oder eine von ihnen vereinbarte Auseinandersetzung nicht vollzogen werden kann. Es ist also subsidiär zur Auseinandersetzung durch die Miterben. Darüber hinaus ist die Zuweisung gemäß § 14 Abs. 3 GrdstVG unzulässig, solange die Aus­ einandersetzung ausgeschlossen oder ein zu ihrer Bewirkung berechtigter Testamentsvollstrecker vorhanden ist oder ein Miterbe ihren Aufschub ver­ langen kann.

318  Düsing/Martinez/Martinez,

Agrarrecht, § 13 GrdstVG Rn. 8. RdL 1963, 265. 320  BGH RdL 1963, 265. 321  OLG Köln AgrarR 1976, 266 (267). 322  Burandt/Rojahn/Ruby, Erbrecht, § 13 GrdstVG Rn. 18. 319  BGH



II. Rechtsdogmatische Ausgestaltungen des Eigentumserwerbs137

e) Wirklicher oder mutmaßlicher Erblasserwille Gemäß § 15 Abs. 1 S. 1 GrdstVG ist der Betrieb dem Miterben zuzuwei­ sen, dem er nach dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Erblassers zugedacht war. In der Praxis lässt sich ein solcher Erblasserwille nur selten feststellen. Aus diesem Grund ist die Vorschrift dahingehend zu verstehen, dass eine Zuweisung gegen den feststellbaren Willen des Erblassers nicht erfolgen darf.323 Außerdem ist im Rahmen des wirklichen oder mutmaßli­ chen Willens des Erblassers auch die Übertragung des Betriebs zur Bewirt­ schaftung, wie bei der formlos-bindenden Hofübertragung in der Höfeord­ nung, zu berücksichtigen.324 Damit werden im Rahmen des Zuweisungsver­ fahrens ebenfalls die Umstände des Einzelfalls und eine bereits erfolgende Bewirtschaftung eines Miterben berücksichtigt. Dadurch kann im Ergebnis auch eine unterbrechungslose und auch künftig fortbestehende Bewirtschaf­ tung des landwirtschaftlichen Betriebs sichergestellt werden. Dies entspricht dem landwirtschaftserbrechtlichen Zweck. f) Bereitschaft und Eignung des Übernehmers Gemäß § 15 Abs. 1 S. 3 GrdstVG ist die Zuweisung ausgeschlossen, wenn der Miterbe zur Übernahme des Betriebs nicht bereit oder zu seiner ord­ nungsgemäßen Bewirtschaftung nicht geeignet ist. Durch § 15 GrdstVG werden somit zusätzlich subjektive Voraussetzungen an den potenziellen Übernehmer gestellt. Die Bereitschaft zur Übernahme ergibt sich in der Re­ gel schon aus dem vom Miterben gestellten Zuweisungsantrag.325 Zur Bewirtschaftung des Betriebs geeignet ist der Miterbe, wenn er über die erforderliche Ausbildung und praktische Erfahrung in der Landwirtschaft verfügt.326 Dieses Kriterium entspricht der Wirtschaftsfähigkeit in § 6 Abs.  7 ­HöfeO.327 Gibt es mehrere konkurrierende Zuweisungserwerber, hat das Landwirtschaftsgericht den am besten geeigneten Miterben zu bestim­ 323  Düsing/Martinez/Martinez, Agrarrecht, § 15 GrdstVG Rn. 3; Hausmann/Hoh­ loch/Hausmann/Hausmann, Handbuch des Erbrechts, Kap. 24 Rn. 114; Wöhrmann/ Graß, Landwirtschaftserbrecht, § 15 GrdstVG Rn. 5. 324  Hausmann/Hohloch/Hausmann/Hausmann, Handbuch des Erbrechts, Kap. 24 Rn. 71. 325  Wöhrmann/Graß, Landwirtschaftserbrecht, § 15 GrdstVG Rn. 19. 326  Hausmann/Hohloch/Hausmann/Hausmann, Handbuch des Erbrechts, Kap. 24 Rn. 116. 327  Wöhrmann/Graß, Landwirtschaftserbrecht, § 15 GrdstVG Rn. 20; allerdings gibt es im Grundstücksverkehrsgesetz im Gegensatz zu § 6 Abs. 6 S. 2 ­HöfeO keine Rückausnahme für die Wirtschaftsunfähigkeit aus mangelnder Altersreife, sodass dieser Faktor hier keine Beachtung findet.

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D. Vererbung landwirtschaftlicher Betriebe

men.328 Hier liegt ein Unterschied zur Höfeordnung und der dort geforderten Wirtschaftsfähigkeit, im Rahmen derer es lediglich darauf ankommt, dass der Hoferbe überhaupt in der Lage ist, den Betrieb weiterzuführen. Dass es mög­ licherweise noch potenzielle Erben gibt, die aufgrund ihrer Kenntnisse und Fähigkeit besser in der Lage wären, den Hof zu bewirtschaften, spielt dort hingegen keine Rolle. Insbesondere die Feststellung des geeignetsten Kandidaten zur Fortführung des Betriebs nach dem Erbfall als Besonderheit des Grundstücksverkehrsge­ setzes ist positiv hervorzuheben: Sie ermöglicht es, im Fall der gesetzlichen Erbfolge den Hofnachfolger nicht anhand schematischer gesetzlicher Vor­ schriften zu bestimmen. Im Gegenteil kann Rücksicht auf den Einzelfall ge­ nommen werden und der Hof dem im konkreten Fall geeignetsten Kandida­ ten zugewiesen werden. Behält man die Erhaltung des landwirtschaftlichen Betriebs im Erbgang als vornehmliches Ziel des landwirtschaftlichen Erb­ rechts im Auge, lassen sich über das Zuweisungsverfahren also gesichertere Fortführungen erreichen als allein durch die Bestimmung der Erben etwa nach der gesetzlichen Erbfolge der Höfeordnung. Bei letzterer wird zwar durch die Übertragung des Hofes zur Bewirtschaftung nach § 7 ­HöfeO auch auf den konkreten Einzelfall Rücksicht genommen, dabei aber kein Vergleich zu weiteren in Betracht kommenden Erben angestellt.329 g) Wirkung und Umfang Die Zuweisung des Betriebs im Rahmen des Grundstücksverkehrgesetzes steht im Ermessen des Gerichts.330 Wird dem Zuweisungsantrag durch das Landwirtschaftsgericht rechtskräftig stattgegeben, geht das Eigentum an dem landwirtschaftlichen Betrieb in diesem Zeitpunkt nach § 13 GrdstVG an den Zuweisungserwerber über. Bei Teilbarkeit des Betriebs ist gemäß § 13 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 GrdstVG auch eine Zuweisung an mehrere Miterben möglich. Der Eigentumswechsel tritt außerhalb des Grundbuchs ein.331 Die Zuweisung wirkt zudem als auf den landwirtschaftlichen Betrieb beschränkte Erbaus­ einandersetzung.332 328  Wöhrmann/Graß, Landwirtschaftserbrecht, § 13 GrdstVG Rn. 11; es gibt hierfür keine gesetzlich festgelegten Kriterien; ausführlich zu den vom Gericht zu berücksich­ tigenden Aspekten Wöhrmann/Graß, Landwirtschaftserbrecht, § 15 GrdstVG Rn. 10 ff. 329  In der Regel ist davon auszugehen, dass allein der Antragsteller die Zuweisung des Betriebs begehrt und die übrigen Miterben eher ein Interesse daran haben, diesen aufzuteilen oder zu veräußern; daher ist das Problem der konkurrierenden Zuwei­ sungsempfänger nicht besonders praxisrelevant. 330  Düsing/Martinez/Martinez, Agrarrecht, § 13 GrdstVG Rn. 9. 331  Wöhrmann/Graß, Landwirtschaftserbrecht, § 13 GrdstVG Rn. 28. 332  Düsing/Martinez/Martinez, Agrarrecht, § 14 GrdstVG Rn. 16.



II. Rechtsdogmatische Ausgestaltungen des Eigentumserwerbs139

Gegenstand der gerichtlichen Zuweisung ist die Gesamtheit der Grundstü­ cke des landwirtschaftlichen Betriebs sowie gemäß § 13 Abs. 1 S. 3 GrdstVG Zubehörstücke, Miteigentums-, Kapital- und Geschäftsanteile, dingliche Nut­ zungsrechte und ähnliche Rechte, soweit diese Gegenstände zur ordnungsge­ mäßen Bewirtschaftung des Betriebs notwendig sind. Gemäß § 15 Abs. 2 GrdstVG gelten diese Bestimmungen für die Zuwei­ sungen von Teilen des Betriebs sinngemäß. Das bedeutet, dass ein Betrieb – sofern jeder Teil für sich genommen die Voraussetzungen des Grundstücks­ verkehrsgesetzes erfüllt – auch unter mehreren Zuweisungserwerbern aufge­ teilt werden kann.333 Da es bei einem zuvor einheitlichen Hof in der Regel nur eine zur Bewirtschaftung des Betriebs geeignete Hofstelle gibt, ist es nach Ansicht von Wöhrmann/Graß bei einer Teilung ausreichend, dass statt der Hofstelle glaubhaft die Bereitschaft bekundet und die finanzielle Fähig­ keit des Erwerbers nachgewiesen wird, eine Hofstelle zu errichten.334 Damit besteht im Rahmen des Zuweisungsverfahrens jedenfalls theoretisch die Möglichkeit, dass mehrere Personen neue Eigentümer von Teilen des Hofes werden können. Eine derartige Option besteht sowohl nach der Höfeordnung als auch nach den landesrechtlichen Anerbengesetzen und dem BGB-Land­ guterbrecht nicht. 4. Ergebnis Der Übergang des Eigentums am landwirtschaftlichen Betrieb im Erbfall ist in den landwirtschaftlichen Sondergesetzgebungen unterschiedlich ausge­ staltet. Das Eigentum am Hof kann entweder durch Singularsukzession er­ worben werden oder es kann eine Übertragung aufgrund von schuldrecht­ lichem Anspruch auf Eigentumsübertragung oder aufgrund von gerichtlicher Zuweisung erfolgen. Eine gerichtliche Zuweisung bietet den Vorteil, dass hier nicht nur eine zur Weiterbewirtschaftung fähige Person, sondern der im Einzelfall geeignetste Nachfolger für die Betriebsnachfolge durch das Gericht bestimmt werden kann. Allerdings ist das Verfahren auch langwierig und hat so den Nachteil, dass bis zur Feststellung Rechtsunsicherheit in Bezug auf den Betriebsnach­ folger besteht.335 Durch einen Eigentumserwerb kraft Übernahmerecht kann in der Zwischenzeit rechtssicher geklärt werden, ob der Übernehmer auch die Befähigung zur Weiterbewirtschaftung (Wirtschaftsfähigkeit) besitzt. Al­ lerdings ist auf der anderen Seite bis zur endgültigen Eigentumsübertragung 333  Wöhrmann/Graß, 334  Wöhrmann/Graß, 335  Siehe

S. 133 ff.

Landwirtschaftserbrecht, § 15 GrdstVG Rn. 23. Landwirtschaftserbrecht, § 16 GrdstVG Rn. 24.

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D. Vererbung landwirtschaftlicher Betriebe

eine Verwaltung des Hofes durch die Erbengemeinschaft erforderlich.336 Aus diesem Grund ist eine Übertragung des Betriebs ipso iure und ipso morte im Wege der Singularsukzession insgesamt im Hinblick auf die Weiterbewirt­ schaftung als vorzugswürdig anzusehen.337 Was von der jeweiligen Eigentumszuweisung erfasst ist, wird in den ein­ zelnen Gesetzen bestimmt und ist im Lichte des landwirtschaftserbrecht­ lichen Zwecks zu bestimmen. Alle beschriebenen Gesetze haben gemeinsam, dass der Betrieb samt den landwirtschaftlichen Grundflächen, das für die Weiterführung des Betriebs erforderliche Zubehör sowie zum Betrieb gehö­ rende Rechte an den Rechtsnachfolger übergehen. Auch nichtlandwirtschaft­ lich, sondern gewerblich genutzte Betriebsteile wie etwa Anlagen zur Erzeu­ gung regenerativer Energien können zur Erhaltung des Betriebs als Einheit dem Hoferben beziehungsweise -‍übernehmer zugewiesen werden. Diese Be­ triebsteile werden jedoch auf der Ebene der Ansprüche der übrigen Erben nicht mit einem verringerten Wert, sondern mit dem Verkehrswert ange­ setzt.338

III. Ansprüche der weichenden Miterben Die zweite Säule zur Erhaltung landwirtschaftlicher Betriebe im Erbgang ist die Verringerung der Ansprüche der weichenden Miterben. Auch diese Säule ist in den unterschiedlichen Gesetzen jeweils unterschiedlich ausgestal­ tet. Den Regelungen ist jedoch der Grundgedanke gemein, den Wert, an welchem die Miterben teilhaben sollen, nicht am Verkehrswert des Betriebs, sondern am Betriebserfolg oder der Leistungsfähigkeit des landwirtschaftli­ chen Betriebs im weitesten Sinne festzumachen. Der Erbe beziehungsweise Übernehmer des landwirtschaftlichen Betriebs soll in die Lage versetzt wer­ den, die Ansprüche der übrigen Miterben aus dem, was durch den Hof er­ wirtschaftet wird, in einem überschaubaren Zeitraum begleichen zu können, um danach die vollen Erträge für sich selbst zu haben oder in den Betrieb reinvestieren zu können. 1. Abfindungsanspruch in der Höfeordnung Gemäß § 4 S. 1 ­HöfeO fällt der Hof als Teil der Erbschaft kraft Gesetzes nur einem der Erben zu. Die Vorschrift gilt über § 17 Abs. 1 ­HöfeO auch für die Übergabe des Hofes unter Lebenden im Rahmen eines Hofübergabever­ 336  Siehe

S. 129 ff. S. 121 ff. 338  Siehe S. 127 ff., 132 f. und 138 f. 337  Siehe



III. Ansprüche der weichenden Miterben141

trags. Nach § 12 Abs. 1 ­HöfeO kann der Erblasser die Höhe der Abfindungs­ ansprüche der weichenden Miterben innerhalb gewisser nachfolgend darge­ legter Grenzen bestimmen. Fehlt eine solche Festlegung durch den Erblasser, finden subsidiär die Berechnungsvorschriften des jeweiligen Anerbengeset­ zes, hier des § 12 ­HöfeO, Anwendung. Nach der oben beschriebenen Systematik werden die weichenden Miterben in der Höfeordnung und allgemein im Geltungsbereich von Anerbengesetzen mit Spezialsukzession zu keinem Zeitpunkt Miteigentümer des Hofes samt Zubehör. Stattdessen erhalten sie einen Abfindungsanspruch gegen den Hof­ erben, welcher in dem Zeitpunkt des Erwerbs des Alleineigentums entsteht.339 Bei der Spezialsukzession liegt dieser Zeitpunkt im Eintritt des Hoferbfalls, also dem Tod des vorherigen Eigentümers. In den Rechtsregimen, in welchen der Erbe lediglich einen schuldrechtlichen Anspruch gegen die Erbengemein­ schaft auf Übernahme des Betriebes hat – wie beispielsweise in der Hessi­ schen Landgüterordnung – entsteht der Anspruch der Miterben auf Abfindung hingegen erst mit der Ausübung des Übernahmerechts durch den Hoferben. Gemäß § 17 Abs. 2 ­HöfeO gilt zugunsten der anderen Abkömmlinge im Rah­ men der Hofübergabe im Wege der vorweggenommenen Erbfolge der Hof­ erbfall im Zeitpunkt der Übertragung des Hofes als eingetreten. Somit entste­ hen auch in diesem Zeitpunkt die Abfindungsansprüche der übrigen Ab­ kömmlinge.340 Es handelt sich bei dem Abfindungsanspruch der weichenden Miterben nicht um eine auf dem Hof liegende dingliche Last, sondern eine den Hof­ erben treffende persönliche Verpflichtung.341 Wenn der Hoferbe den Betrieb bei sofortiger Zahlung der Abfindung nicht mehr ordnungsgemäß bewirt­ schaften könnte, kann das Gericht die Zahlung gemäß § 12 Abs. 5 H ­ öfeO auf Antrag stunden. a) Berechtigte und Verpflichtete Anspruchsberechtigt sind nach § 12 Abs. 1 ­HöfeO diejenigen Miterben, die nicht Hoferben geworden sind. Damit sind die gesetzlichen Erben ge­ meint, die nach dem allgemeinen Erbrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs zu gesetzlichen Erben des Gesamtnachlasses samt des Hofes berufen gewesen wären und die deshalb durch die Sondererbfolge des Höferechts benachteiligt Landwirtschaftserbrecht, § 12 ­HöfeO Rn. 9. entstehen diese bei einer Hofübergabe unter Lebenden nach § 17 Abs. 2 ­HöfeO nur zugunsten der anderen Abkömmlinge, nicht aber zugunsten des Ehegatten und anderer Abfindungsberechtigter. 341  Lange, Erbrecht, § 97 Rn. 23. 339  Wöhrmann/Graß, 340  Allerdings

142

D. Vererbung landwirtschaftlicher Betriebe

sind.342 Gemäß § 12 Abs. 3 S. 2 ­HöfeO steht den weichenden Erben eine Abfindung in Höhe der Quote zu, die ihrem Anteil am Nachlass nach dem allgemeinen Recht entspricht. Damit haben die übrigen Abkömmlinge, die nicht Hoferben geworden sind, gemäß § 1924 Abs. 4 BGB einen Anspruch auf Abfindung zu gleichen Teilen. Für den überlebenden Ehegatten hängt die Quote vom Güterstand nach §§ 1931, 1371 BGB ab. Ist der Hoferbe auch Erbe des hoffreien Vermögens, wird er bei der Verteilung der Anteile mitge­ zählt.343 Gemäß § 12 Abs. 4 ­HöfeO werden Vorempfänge der einzelnen Er­ ben angerechnet. Die Berechnungsvorschriften in § 12 Abs. 2–5 H ­ öfeO gel­ ten gemäß § 12 Abs. 10 ­HöfeO auch für die Ansprüche Pflichtteilsberechtig­ ter, Vermächtnisnehmer und des überlebenden Ehegatten, der den Ausgleich des Zugewinns nach § 1371 Abs. 2 und 3 BGB verlangt. Im Ergebnis ent­ spricht die an die weichenden Miterben zu leistende Abfindung nach § 12 ­HöfeO ungefähr 10 % der Summe, die nach dem allgemeinen Erbrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Grundlage des Verkehrswertes als Pflichtteil zu leisten wäre.344 b) Berechnung Zweck der Höfeordnung ist es, landwirtschaftliche Betriebe im Erbgang als Einheit zu erhalten. Eine tragende Säule hierfür ist die bereits dargelegte geschlossene Vererbung des Hofes an einen einzigen Erben gemäß § 4 S. 1 ­HöfeO. Als zweite tragende Säule der Erhaltung der landwirtschaftlichen Betriebe im Erbgang sieht § 12 ­HöfeO verringerte Abfindungsansprüche für die Miterben vor, die nicht Hoferben geworden sind. Die weichenden Miter­ ben sind weder zu reellen noch zu ideellen Anteilen am Hof beteiligt. Daher steht ihnen als Surrogat für ihren Anteil am Hof ein erbrechtlicher Anspruch eigener Art gegen den Hoferben zu.345 Die gerechte Bemessung der Abfindung der weichenden Erben wird in der Gesetzesbegründung zum Zweiten Gesetz zur Änderung der Höfeordnung als „Kernproblem des Höferechts“346 bezeichnet. Auf der einen Seite steht der höferechtliche Zweck, den Betrieb im Erbgang möglichst ungeteilt und leis­ tungsfähig als Einheit zu erhalten. Auf der anderen Seite müssen auch die 342  Hausmann/Hohloch/Hausmann/Hausmann, Handbuch des Erbrechts, Kap. 24 Rn. 160. 343  Kroiß/Horn/Solomon/Graß, Nachfolgerecht, § 12 H ­ öfeO Rn. 25. 344  Staudinger/Mittelstädt, Art. 64 EGBGB Rn. 134. 345  Lüdtke-Handjery/v. Jeinsen/Haarstrich, ­ HöfeO, § 12 Rn. 7; die Rechtsnatur des Anspruchs ist umstritten, was allerdings in der Praxis keine Relevanz hat; vgl. zum Meinungsstand Wöhrmann/Graß, Landwirtschaftserbrecht, § 12 ­HöfeO Rn. 5 ff. 346  BT-Drucks. 7/1443, S. 22.



III. Ansprüche der weichenden Miterben143

weichenden Erben aus Gerechtigkeitserwägungen und mit Blick auf Art. 3 Abs. 1 GG am Wert des Hofes möglichst gleichmäßig beteiligt werden. Diese widerstreitenden Interessen gilt es im Rahmen des Abfindungsanspruchs in Einklang zu bringen. Auch die Abfindungsregelung des § 12 H ­ öfeO wurde durch das Zweite Gesetz zur Änderung der Höfeordnung umfassend novel­ liert. Während in der ursprünglichen Fassung der Norm noch das Interesse an der unbedingten Erhaltung des Hofes im Vordergrund stand, zielt die jetzige Regelung auf einen allseitigen Interessenausgleich zwischen der Erhaltung des Hofes einerseits und einer möglichst geringen Benachteiligung der wei­ chenden Miterben andererseits ab.347 aa) Vorrangige Bestimmung durch den Erblasser Gemäß § 12 Abs. 1 ­HöfeO steht den Miterben, die nicht Hoferben gewor­ den sind, vorbehaltlich anderweitiger Regelungen durch Übergabevertrag oder Verfügung von Todes wegen an Stelle des Anteils am Hof ein Anspruch gegen den Hoferben auf Zahlung einer Abfindung in Geld zu. Das bedeutet, dass die Regelung des § 12 ­HöfeO nur anwendbar ist, wenn der Erblasser keine anderslautende Regelung getroffen hat. Die Untergrenze der vom Erb­ lasser angeordneten Abfindungen bildet zum einen der Pflichtteilsanspruch.348 Zum anderen können die Abfindungsberechtigten gemäß § 12 Abs. 3 S. 2 ­HöfeO eine Abfindung verlangen, deren Höhe mindestens ein Drittel des Hofwertes beträgt. Hat der Erblasser die Abfindung niedriger als gesetzlich vorgesehen festgelegt, können die Abfindungsberechtigten den Mindestan­ spruch geltend machen, der für sie günstiger ist.349 Die Mindestabfindung hat den Zweck, auch im Rahmen des landwirtschaftlichen Sondererbrechts mit seiner betriebsbezogenen Zielrichtung dem Familienerbrecht Rechnung zu tragen.350 Nach oben setzt die Höfeordnung der Festlegung der Abfindungshöhe keine Grenzen, sodass der Erblasser grundsätzlich auch einen höheren Wert als den in § 12 Abs. 2 S. 2 ­HöfeO vorgesehenen anderthalbfachen steuer­ lichen Einheitswert als Bemessungsgrundlage festlegen kann. Ihre Grenze finden derartige Festsetzungen lediglich dann, wenn durch sie das Hof­

347  BT-Drucks. 7/1443, S. 23; die Neuregelung des Abfindungsanspruchs war bei der Novellierung des Höferechts 1976 nach der Gesetzesbegründung „eines der schwierigsten und meistumstrittenen Probleme“, vgl. BT-Drucks. 7/1443, S. 14. 348  Wöhrmann/Graß, Landwirtschaftserbrecht, § 12 H ­ öfeO Rn. 130. 349  Wöhrmann/Graß, Landwirtschaftserbrecht, § 12 H ­ öfeO Rn. 132. 350  Schwarz, Das Verhältnis zwischen dem Landwirtschaftserbrecht und dem allge­ meinen Erbrecht des BGB, S. 104.

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D. Vererbung landwirtschaftlicher Betriebe

erbrecht ausgehöhlt wird, da diese dann gegen § 16 Abs. 1 S. 1 H ­ öfeO ver­ stoßen und somit nach § 134 BGB nichtig sind.351 bb) Ermittlung der Abfindungen nach Maßgabe des § 12 ­HöfeO Eine Berechnung der Abfindungsansprüche nach Maßgabe des § 12 ­HöfeO findet zum einen in den Fällen statt, in denen kein Hoferbe durch letztwillige Verfügung bestimmt wurde und somit die gesetzliche Erbfolge eintritt. Zum anderen sind auch solche Fälle erfasst, in denen der Erblasser zwar einen Hoferben bestimmt hat, aber nicht zugleich auch die Höhe der Abfindung für die weichenden Erben angeordnet hat.352 Grundlage für die Berechnung des Abfindungsanspruchs ist gemäß § 12 Abs. 2 S. 1 H ­ öfeO der Hofwert im Zeitpunkt des Erbfalls.353 Als Hofwert gilt gemäß § 12 Abs. 2 S. 2 ­HöfeO das Eineinhalbfache des zuletzt festge­ stellten steuerlichen Einheitswerts i. S. v. § 48 BewG354, der sich aus Wirt­ schaftswert (§ 46 BewG) und Wohnwert (§ 47 BewG) zusammensetzt.355 Unter dem steuerlichen Einheitswert (§ 19 Abs. 1 BewG) versteht man einen nach einem standardisierten Verfahren im Bewertungsgesetz festgestellten und in einem Feststellungsbescheid festgehaltenen Wert für Grundbesitz, der einheitlich als Grundlage für die Ermittlung der Höhe verschiedener Steuern herangezogen wird. Der Einheitswert dient also vornehmlich steuerlichen Zwecken und ist daher typisiert, objektiviert und abstrakt.356 Im Gegensatz zum Ertragswert im BGB-Landguterbrecht knüpft der steuerliche Einheits­ wert nicht unmittelbar an die Ertragskraft des landwirtschaftlichen Betriebs an.357 Dadurch sind Rückschlüsse auf die Ertragskraft des Betriebs zwar grundsätzlich möglich, aber nicht zwangsläufig realitätsgerecht. Dass zur Ermittlung des Hofwertes dennoch auf den steuerlichen Einheitswert und nicht auf eine die tatsächliche Ertragskraft abbildende Berechnungsgrundlage zurückgegriffen wurde, sollte zumindest in der Theorie der Vereinfachung Landwirtschaftserbrecht, § 12 H ­ öfeO Rn. 134. Nachfolgerecht, § 12 H ­ öfeO Rn. 8. 353  Bei einem Ehegattenhof ist die Berechnungsgrundlage der gemäß § 8 Abs. 1 ­HöfeO auf den überlebenden Ehegatten übergegangene Anteil des Erblassers am Hof, also im Regelfall die Hälfte, vgl. OLG Hamm RdL 1985, 239. 354  Das Abstellen auf den steuerlichen Einheitswert ist eine Besonderheit der Hö­ feordnung sowie des Brandenburgischen Höfeordnungsgesetzes. Die übrigen Aner­ bengesetze stellen wie auch das BGB-Landguterbrecht auf den Ertragswert ab, dazu sogleich auf S. 170 ff. 355  Hingegen wird bei der Bestimmung der Hofeigenschaft gemäß § 1 Abs. 1 ­HöfeO lediglich auf den Wirtschaftswert und nicht auf den Wohnwert abgestellt. 356  BVerfG NJW 1988, 2723 (2725). 357  Wöhrmann/Graß, Landwirtschaftserbrecht, § 12 H ­ öfeO Rn. 21. 351  Wöhrmann/Graß,

352  Kroiß/Horn/Solomon/Graß,



III. Ansprüche der weichenden Miterben145

der Berechnung der Abfindungsansprüche dienen, die so im Gegensatz zum BGB-Landguterbrecht auch ohne Hinzuziehung eines Sachverständigen und die damit einhergehenden Unsicherheiten und Kosten möglich sein sollte.358 Nach der Konzeption der Höfeordnung konnte dem Feststellungsbescheid somit einfach der aktuelle steuerliche Einheitswert entnommen werden und zur Ermittlung der Abfindungsansprüche mit dem Faktor 1,5 multipliziert werden. Das größte Problem der Bewertungsregelung des § 12 ­HöfeO liegt darin, dass die Hauptfeststellung der Einheitswerte, die gemäß § 21 Abs. 1 BewG alle sechs Jahre vorgesehen ist, letztmalig im Jahre 1964 durchgeführt wurde. Seit diesem Zeitpunkt wurden die steuerlichen Einheitswerte nicht mehr an­ gepasst.359 Der Gesetzgeber ist nach Auffassung des Bundesgerichtshofs bei der Konzeption des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Höfeordnung im Jahr 1976 noch davon ausgegangen, dass die Anpassung der steuerlichen Einheitswerte künftig im vorgesehenen Abstand von sechs Jahren erfolgen würde, sodass stets ein aktueller steuerlicher Einheitswert Berechnungs­ grundlage der Abfindungsansprüche sein würde.360 Da das Wertverhältnis zwischen dem seinerzeit festgestellten steuerlichen Einheitswert und dem tatsächlichen Ertragswert des Betriebs sich seit der letzten Feststellung 1964 deutlich auseinanderentwickelt hat, hat der Bundesgerichtshof im Jahre 2000 entschieden, dass die Berechnung der Abfindungsansprüche in der derzeiti­ gen Form auf Grundlage der 1964 festgestellten Einheitswerte lückenhaft ist.361 Deshalb sind in entsprechender Anwendung des § 12 Abs. 2 S. 3 ­HöfeO, nach welchem bei Vorliegen besonderer Umstände im Einzelfall der Hofwert nach billigem Ermessen nach oben oder unten korrigiert werden kann, Zu­ schläge zum Ertragswert als Anpassung an den aktuellen Hofwert möglich.362 Konkret kommt ein solcher Zuschlag nach der Rechtsprechung des Bundes­ gerichtshofs dann in Betracht, wenn der Hofwert im Jahre 1976 multipliziert mit dem neuen Ertragswert am Abfindungsstichtag dividiert durch den Er­ 358  BT-Drucks. 7/1443, S. 23; Lüdtke-Handjery/v. Jeinsen/Haarstrich, ­HöfeO, §  12 Rn. 17; frühere Gesetzesentwürfe schlugen noch das Abstellen auf den Ertragswert wie auch in § 2049 Abs. 2 BGB vor, um die Ertragskraft des Betriebs als Berech­ nungsgrundlage heranzuziehen, vgl. BT-Drucks. 4/1810, S. 2, 8. 359  Zu den Gründen für die unterlassene Neubewertung vgl. BGH NJW 2001, 1726 (1727); die erste Hauptfeststellung fand im Jahre 1935 statt und die zweite und bisher letzte Hauptfeststellung im Jahre 1964; im Jahr 2018 erklärte das Bundesver­ fassungsgericht die derzeitigen Regelungen des Bewertungsgesetzes daher auch für verfassungswidrig, BVerfGE 148, 147. Zu den Auswirkungen dieses Urteils siehe S.  150 ff. 360  BGH NJW 2001, 1726. 361  BGH NJW 2001, 1726 (1727). 362  BGH NJW 2001, 1726 (1728).

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D. Vererbung landwirtschaftlicher Betriebe

tragswert am 1. Januar 1976 gravierend vom alten Hofwert abweicht.363 Gravierend ist eine Abweichung ab einer Differenz der Werte von 20–25 %.364 Diese Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs führt dazu, dass sich die Abfindung in der Praxis gerade nicht mehr anhand der einfachen Formel des eineinhalbfachen Einheitswertes gemäß § 12 Abs. 2 S. 2 H ­ öfeO ermitteln lässt, sondern in der Regel zur Wertfeststellung ein Gutachter eingeschaltet werden muss.365 Zudem muss der Ertragswert für den Betrieb zwei Mal er­ mittelt werden, nämlich einmal für den Bewertungsstichtag und einmal rück­ wirkend für den 1. Januar 1976.366 Dadurch wird die Wertfeststellung gegen­ über der ursprünglichen gesetzlichen Konzeption zusätzlich verkompliziert. cc) Korrektur des Hofwertes durch Zu- und Abschläge (§ 12 Abs. 2 S. 2 ­HöfeO) Vom nach den oben genannten Maßgaben festgestellten Hofwert können auf Verlangen der weichenden Erben oder Pflichtteilsberechtigten außerdem gemäß § 12 Abs. 2 S. 2 ­HöfeO Zu- oder Abschläge gemacht werden, wenn besondere Umstände des Einzelfalls in dem Hofwert nicht oder nicht genü­ gend zum Ausdruck kommen. Abschläge kommen beispielsweise in Betracht, wenn in einem Einheits­ wertbescheid ein Viehbestand berücksichtigt wurde, der bereits vor dem Erbfall durch den Hoferben im Rahmen eines Pachtverhältnisses auf eigene Kosten aufgestockt wurde.367 Besonders relevant sind in diesem Zusammen­ hang jedoch Zuschläge etwa für Bauland, Bauerwartungsland, die Errichtung von Mietwohnungen auf dem Hofgrundstück, sowie Windkraft- und Photo­ voltaikanlagen. Hierbei handelt es sich jeweils um Wertsteigerungen des Hofes, die nicht auf die landwirtschaftliche Nutzung als solche zurückzufüh­ ren sind und an denen die weichenden Miterben deshalb auch in voller Höhe partizipieren sollen. Aus diesem Grund ist bei Bauland bei der Berechnung des Hofwertes der Verkehrswert des Grundstücks zum Zeitpunkt des Erbfalls anzusetzen.368 Bei Bauerwartungsland ist ein Zuschlag in Höhe von einem 363  BGH NJW 2001, 1726 (1728); Wöhrmann/Graß, Landwirtschaftserbrecht, § 12 ­HöfeO Rn.  23. 364  Köhne, AgrarR 2001, 165 (169); Wöhrmann/Graß, Landwirtschaftserbrecht, § 12 ­HöfeO Rn. 23. 365  Söbbeke, ZEV 2006, 395 (398); Steffen/Ernst, ­HöfeO, § 12 Rn. 17; Wöhrmann/ Graß, Landwirtschaftserbrecht, § 12 ­HöfeO Rn. 25. 366  Köhne, AgrarR 2001, 165 (169). 367  OLG Hamm AgrarR 1997, 66. 368  BGH RdL 1996, 215 in Bezug auf § 12 Abs. 2 S. 2 lit. b) ­ HöfeO a. F.; OLG Schleswig AgrarR 1998, 415; Kroiß/Horn/Solomon/Graß, Nachfolgerecht, § 12 ­HöfeO Rn. 20.



III. Ansprüche der weichenden Miterben147

Drittel des Verkehrswertes des Grundstücks vorzunehmen, sofern eine Nut­ zungsänderung konkret zu erwarten beziehungsweise beabsichtigt ist.369 Wenn durch die Errichtung von Mietwohnungen auf dem Hofgrundstück nicht die Hofeigenschaft verlorengeht, sind diese bei der Berechnung mit dem Ertragswert anzusetzen.370 Bei Anlagen zur Gewinnung von regenerati­ ver Energie, die bereits vor dem Erbfall errichtet wurden und als gewerbliche Nutzung einzustufen sind,371 gibt es in Bezug auf die Zuschläge noch keine Vorgaben durch die Rechtsprechung. Der Zuschlag soll nach Auffassung der Literatur an den zu erwartenden Gewinnen ausgerichtet werden, also an den abgezinsten Erträgen, die die Anlage während der Restnutzungsdauer voraus­ sichtlich erbringt.372 Da die Erträge solcher Anlagen sukzessive realisiert werden, schlägt etwa Graß vor, in diesen Fällen bezüglich des sofort fälligen Abfindungsanspruchs zum Schutz des Betriebs großzügig von der Stun­ dungsmöglichkeit des § 12 Abs. 5 ­HöfeO Gebrauch zu machen.373 Korrektu­ ren für Inflation oder Subventionen sind im Rahmen der Berechnung des Abfindungsanspruchs hingegen nicht vorzunehmen, da bei § 12 Abs. 2 S. 3 ­HöfeO auf die Umstände des Einzelfalles abzustellen ist und nicht die vom Gesetzgeber festgelegte Bewertungsgrundlage des anderthalbfachen Einheits­ wert außer Kraft gesetzt werden soll.374 Die Korrektur des Hofwertes nach § 12 Abs. 2 S. 2 H ­ öfeO ist nicht da­ durch gehindert, dass der Hoferbe sich in den genannten Fällen auch nachab­ findungspflichtig nach § 13 Abs. 4 lit. b) ­HöfeO macht, da die beiden Rege­ lungen unterschiedliche Ziele verfolgen: Durch § 12 ­HöfeO soll ein Vermö­ gensausgleich im Erbfall bei erheblichen Wertabweichungen vorgenommen werden, während die Nachabfindung § 13 ­HöfeO einen Vermögensausgleich bei Wegfall des höferechtlichen Zwecks beabsichtigt.375 Darüber hinaus sind gemäß § 13 Abs. 1 S. 1 ­HöfeO die bereits empfangenen Abfindungen bei der Ermittlung der Nachabfindung anzurechnen, sodass in den genannten Fällen keine doppelte Belastung des Hoferben stattfindet. Die Möglichkeit, Zu­ 369  BGH AgrarR 1986, 319 (320) in Bezug auf § 12 Abs. 2 S. 2 lit. b) ­HöfeO a. F.; OLG Oldenburg AgrarR 1996, 18; OLG Schleswig AgrarR 1998, 415; Kroiß/Horn/ Solomon/Graß, Nachfolgerecht, § 12 ­HöfeO Rn. 20. 370  AG Steinfurt RdL 2013, 252; Nomos-BR ­HöfeO/Graß, § 12 Rn. 20. 371  Das ist der Fall, wenn die Anlage nicht (überwiegend) zur Stromerzeugung für den landwirtschaftlichen Betrieb genutzt wird, sondern die gewonnene Energie ins Stromnetz eingespeist wird. 372  Graß, AUR 2012, 365 (366. 373  Graß, AUR 2012, 365 (366); Dingerdissen, ErbR 2009, 330 (335) schlägt bei Anlagen, die einen selbstständigen Gewerbebetrieb darstellen, einen Ansatz zum Ver­ kehrswert vor. 374  Lüdtke-Handjery/v. Jeinsen/Haarstrich, ­HöfeO, § 12 Rn. 21. 375  Wöhrmann/Graß, Landwirtschaftserbrecht, § 12 ­HöfeO Rn. 13.

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D. Vererbung landwirtschaftlicher Betriebe

schläge zum Hofwert zu machen, dient dem Schutz der Miterben. Aus die­ sem Grund steht die Festsetzung solcher Zuschläge allein im Ermessen des Gerichts.376 Der Erblasser kann nicht letztwillig zulasten der Miterben Ein­ fluss auf die Höhe der Zuschläge nehmen. dd) Berücksichtigung der Nachassverbindlichkeiten (§ 12 Abs. 3 ­HöfeO) bis zum Drittelhofeswert Von dem nach § 12 Abs. 2 ­HöfeO festgestellten, also um Zu- und Abschläge korrigierten, Wert sind gemäß § 12 Abs. 3 S. 1 ­HöfeO die Nachlassverbind­ lichkeiten abzuziehen, die im Verhältnis der Erben zueinander auf den Hof treffen und vom Hoferben allein zu tragen sind. Dazu gehören unter anderem auf dem Hof ruhende Lasten, die keine Hypotheken, Grund- oder Renten­ schulden sind, also etwa Nießbrauch, Altenteile, und Grundsteuern.377 Der danach verbleibende Betrag, jedoch mindestens ein Drittel des Hofwertes, steht den Erben gemäß § 12 Abs. 3 S. 2 ­HöfeO als Abfindung zur Verfügung. Der Begriff des Drittels des Hofwertes bezieht sich hier im Gegensatz zu § 12 Abs. 3 S. 1 ­HöfeO auf den eineinhalbfachen Einheitswert i. S. v. § 12 Abs. 2 S. 2 ­HöfeO, also den Wert ohne Zu- und Abschläge.378 Die Untergrenze der Abfindung liegt damit bei einer Höhe von einem Drittel des Hofwertes. Somit steht den weichenden Erben jedenfalls der halbe Einheitswert bei der Berech­ nung der Abfindungsansprüche als Mindestabfindung zur Verfügung.379 Dies gilt unabhängig davon, wie hoch der Hof belastet ist. Der Grund dafür ist, dass es den weichenden Miterben nicht zugemutet werden kann, durch ihren Verzicht auf die Abfindung zur Erhaltung des Betriebs beizutragen, wenn der Hoferbe nicht einmal den halben Einheitswert als Abfindung aufbringen kann.380 Damit dient die Mindestabfindung nicht nur dem Schutz der wei­ chenden Miterben in Bezug auf ihre Erbteile, sondern soll in agrarstruktur­ politischer Sicht stark verschuldete Betriebe zu einem Verkauf des Grund und Bodens bewegen und so auf eine größere Bodenmobilität hinwirken.381 376  Wöhrmann/Graß, Landwirtschaftserbrecht, § 12 ­ HöfeO Rn. 35; a. A. LüdtkeHandjery/v. Jeinsen/Haarstrich, ­HöfeO, § 12 Rn. 32. 377  MAH AgrarR/v. Garmissen, § 11 Rn. 47. 378  Kroiß/Horn/Solomon/Graß, Nachfolgerecht, § 12 ­HöfeO Rn. 23. Zu der Frage, ob Pflichtteilsansprüche, Erbersatzansprüche, Zugewinnausgleichansprüche und Ver­ mächtnisse ebenfalls abzugsfähige Nachlassverbindlichkeiten sind ausführlich bei Hartwig, Die Berücksichtigung der Nachlaßverbindlichkeiten bei der Abfindung und Ergänzungsabfindung weichender Erben, S. 25 ff. 379  Söbbeke, ZEV 2006, 395 (398). 380  BT-Drucks. 7/1443, S. 24; Hartwig, Die Berücksichtigung der Nachlaßverbind­ lichkeiten bei der Abfindung und Ergänzungsabfindung weichender Erben, S. 20. 381  Wöhrmann/Graß, Landwirtschaftserbrecht, § 12 H ­ öfeO Rn. 43.



III. Ansprüche der weichenden Miterben149

c) Kritik an der Berechnung der Abfindungen auf Grundlage des steuerlichen Einheitswertes Die Berechnung der Abfindungsansprüche nach den in § 12 H ­ öfeO aufge­ stellten Maßgaben unter Zugrundelegung des steuerlichen Einheitswerts ist in mehrerlei Hinsicht zu kritisieren: Wie bereits zuvor erläutert sollte der steuerliche Einheitswert als Berechnungsgrundlage ursprünglich der einfa­ chen Ermittlung der Ansprüche der weichenden Erben dienen. Auch in der Gesetzesbegründung zum Zweiten Gesetz zur Änderung der Höfeordnung 1976 wurde eingeräumt, dass es sich eigentlich bei der Ertragswertermittlung in § 2049 Abs. 2 BGB um die „klassische Formel“382 handelt, um einen Inte­ ressenausgleich zwischen der Betriebserhaltung und der Beteiligung der weichenden Miterben zu erzielen.383 Dass die Abfindungsansprüche in der Höfeordnung durch den steuerlichen Einheitswert dennoch anhand der abs­ trakten statt der konkreten Leistungsfähigkeit des Betriebs wie bei § 2049 Abs. 2 BGB bestimmt werden, wurde vom Gesetzgeber gerade aufgrund der einfacheren Berechenbarkeit der Ansprüche über den steuerlichen Einheits­ wert in Kauf genommen. Man wollte auf diese Weise verhindern, dass zur Bestimmung der Ertragskraft des Betriebs hohe Sachverständigenkosten auftreten.384 Durch das Urteil des Bundesgerichtshofs385 aus dem Jahr 2000 und den darin aufgestellten Grundsätze zur Anpassung des steuerlichen Ein­ heitswertes an die heutigen Wertverhältnisse, wurde die Berechnung jedoch so stark verkompliziert, dass in vielen Fällen nun doch ein Gutachten zur Feststellung der Berechnungsgrundlage für die Abfindungsansprüche erfor­ derlich wird. Daraus wird in der Literatur teilweise geschlossen, dass die Norm in ihrer derzeitigen Auslegung durch den Bundesgerichtshof keinerlei „Akzeptanz beanspruchen und erlangen kann.“386 Darüber hinaus hat sich die rechtliche Praxis bei der Ermittlung der Abfin­ dungsansprüche der weichenden Miterben durch die vom Bundesgerichtshof aufgestellten Grundsätze weit vom eigentlichen Wortlaut der Höfeordnung entfernt. Dem Bundesgerichtshof ist grundsätzlich zuzustimmen, dass die steuerlichen Einheitswerte nicht mehr die aktuellen Wertverhältnisse bei landwirtschaftlichen Grundflächen abbilden und daher eine Anpassung an die derzeitige Situation notwendig ist. Eine derartig wesentliche Änderung einer der tragenden Säulen der Höfeordnung obliegt jedoch dem Gesetzgeber. Aus

382  BT-Drucks.

7/1443, S. 23. 7/1443, S. 23. 384  BT-Drucks. 7/1443, S. 23. 385  BGH NJW 2001, 1726. 386  Wöhrmann/Graß, Landwirtschaftserbrecht, § 12 H ­ öfeO Rn. 2. 383  BT-Drucks.

150

D. Vererbung landwirtschaftlicher Betriebe

diesem Grund ist es dringend erforderlich, die Höfeordnung in Bezug auf die Ermittlung der Abfindungsansprüche zu reformieren. d) Auswirkungen der Grundsteuerreform auf die Berechnung der Abfindungsansprüche und Reformvorschläge Wie bereits im Rahmen des Mindestwirtschaftswertes nach § 1 Abs. 1 ­HöfeO dargestellt,387 wird sowohl bei der Bestimmung des Mindestwirt­ schaftswertes nach § 1 Abs. 1 S. 2 ­HöfeO als auch bei der Berechnung der Abfindungsansprüche nach § 12 Abs. 2 ­HöfeO auf die §§ 46 und 48 BewG verwiesen. Diese sind jedoch aufgrund der Grundsteuerreform388 nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Grundsteuer389 ab 1. Januar 2025 nicht mehr in Kraft. Da die Höfeordnung jedoch in § 12 Abs. 2 S. 2 ­HöfeO als starre Verweisung auf § 48 BewG in der Fassung vom 26. Septem­ ber 1974 verweist, ist die Berechnung der Abfindungsansprüche über den steuerlichen Einheitswert nach § 48 BewG auch nach dem 31. Dezember 2024 weiterhin möglich.390 Allerdings ist die Ermittlung der Höhe der Abfin­ dungsansprüche über die steuerlichen Einheitswerte wie bereits erläutert schon jetzt veraltet und nicht mehr realitätsgerecht. Darüber hinaus geht durch die Reform trotz der theoretischen Möglichkeit der Verweisung der „rechtliche Bezugsrahmen“391 der Grundsteuerwerte verloren. Daher bietet sich mit der Grundsteuerreform ein Anlass, auch eine neue und zeitgemäße Berechnungsmethode für die Abfindungen im Rahmen der Höfeordnung zu regeln.392 Es stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, auf welche Weise die Berechnung der Abfindungsansprüche ab 2025 erfolgen sollte.393

387  Siehe

S. 86 ff. 1794; Gesetzesbegründung BT-Drucks. 19/13453. 389  BVerfGE 148, 147; in diesem Urteil bezog sich das Bundesverfassungsgericht inhaltlich nicht auf die Bewertung von land- und forstwirtschaftlichem Grundbesitz, sondern allgemein auf die Einheitsbewertung von Grundvermögen. 390  Ausführlich zu den Auswirkungen des Außerkrafttretens der §§ 46, 48 BewG für die Bewertungsregelungen in der Höfeordnung bereits im Rahmen des Mindest­ wirtschaftswertes auf S. 86 sowie allgemein zu starren Verweisungen bei Karpen, in: Studien zu einer Theorie der Gesetzgebung, S. 221 (228). 391  v. Garmissen/Hartmann, AUR 2020, 454. 392  Aus diesem Grund kritisiert etwa Tumlirsch auch, dass bei der Einführung des Brandenburgischen Höfeordnungsgesetzes noch auf den steuerlichen Einheitswert abgestellt wurde, da es sich dabei um eine Bemessungsgrundlage handele, die sowohl im Rahmen der nordwestdeutschen als auch der Brandenburgischen Höfeordnung nur noch für eine Übergangszeit gelte, Tumlirsch, AUR 2020, 6. 393  Die nachfolgenden Lösungsansätze werden auch diskutiert bei Schmitte, AUR 2020, 167. 388  BGBl. 2019,



III. Ansprüche der weichenden Miterben151

Es ist zunächst herauszuarbeiten, welche Anforderungen eine neue Berech­ nungsgrundlage für die Miterbenabfindungen erfüllen sollte: Erstens ist im Interesse der Erhaltung der Betriebe im Erbgang zunächst erforderlich, dass der Wert, der die Grundlage für die Miterbenabfindungen bildet, im Einzel­ fall deutlich unter dem Verkehrswert des Hofes liegt. Auf diese Weise kann gewährleistet werden, dass der Hoferbe den Betrieb zu finanziell tragbaren Bedingungen übernehmen kann. Zugleich müssen aber auch die Rechte der übrigen Miterben gewahrt werden. Daher darf der Wert wiederum nicht so niedrig angesetzt werden, dass die Miterben nicht mehr nennenswert am Wert des Betriebs beteiligt werden, der häufig den größten Teil des Vermö­ gens des Erblassers ausmacht. Hier ist also ein angemessener Interessen­ ausgleich der Beteiligten anzustreben. Zweitens ist ein Wert zu wählen, der einfach bestimmbar ist. Das ist etwa der Fall, wenn zur Wertbestimmung kein Sachverständigengutachten erforderlich wird, sondern bereits aus ande­ ren Zusammenhängen feststehende Werte herangezogen werden. Drittens sollte ein Wertansatz gewählt werden, der wenig streitanfällig ist. Insbeson­ dere gutachterlich festgestellte Werte unterscheiden sich häufig je nach Sach­ verständigem, sodass diese im Rahmen der Abfindungsberechnung ein höhe­ res Konfliktpotenzial bieten als eindeutig feststehende Werte. Es bestehen folgende Optionen bei der Berechnung der Miterbenabfindun­ gen: aa) Ertragswertansatz wie in § 2049 Abs. 2 BGB Eine Reformmöglichkeit liegt in einer Berechnung der Abfindungsansprü­ che auf Grundlage des Ertragswerts.394 Diese Berechnung der Abfindungsan­ sprüche findet bereits im Rahmen des BGB-Landguterbrechts nach § 2049 Abs. 2 BGB, § 16 Abs. 1 GrdstVG, § 21 ­HöfeO-RhPf, § 16 HessLandgüterO, § 16 BadHofgüterG sowie § 14 BremHöfeG Anwendung. Um dabei auch den unterschiedlichen regionalen Gegebenheiten angemessen Rechnung zu tragen, könnten zusätzlich die Landesgesetzgeber zur Festlegung unterschied­ licher Kapitalisierungsfaktoren für die Berechnung des Ertragswerts ermäch­ tigt werden.395 Der Lösungsansatz bietet den Vorteil einer Harmonisierung der Berech­ nungsgrundlagen der Miterbenabfindungen, insbesondere auch mit den ­bundesrechtlichen Regelungen zur Vererbung landwirtschaftlicher Betriebe in Form des BGB-Landguterbrechts sowie des Zuweisungsverfahrens im 394  Zur konkreten Ermittlung des Ertragswerts nach § 2049 BGB siehe sogleich auf S. 170 ff. 395  Dies ist auch im Rahmen des BGB-Landguterbrechts nach Art. 137 EGBGB der Fall, um die örtlichen Gegebenheiten stärker zu berücksichtigen.

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D. Vererbung landwirtschaftlicher Betriebe

Grundstücksverkehrsgesetz. Den Ertragswert auch im Rahmen der Höfeord­ nung zur Grundlage der Berechnung der Abfindungsansprüche zu machen, wurde bereits in der Vergangenheit in der Literatur, etwa von Rauscher, ge­ fordert.396 Allein der Ertragswert könne seiner Ansicht nach gewährleisten, dass die Abfindungen auf ein Maß reduziert werden, das von dem konkreten Betrieb seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit nach auch tatsächlich auf­ gebracht werden können, da sich der Ertragswert am Reinertrag und damit an der konkreten Leistungsfähigkeit des Betriebs orientiert. Ein gewichtiges Argument gegen den Ertragswertansatz ist jedoch, dass die Bestimmung des Ertragswerts als Grundlage für Abfindungsansprüche in der Regel nur über Gutachten möglich ist und damit im Vergleich zu einer pauschalen Bestimmung komplizierter und teurer ist.397 Zudem ist durch die Erforderlichkeit eines Sachverständigengutachtens bei dieser Berechnungs­ grundlage eine im Verhältnis zu anderen feststehenden Berechnungsgrößen hohe Streitanfälligkeit der ermittelten Werte gegeben. bb) Abstellen auf die neuen Grundsteuerwerte zur Abfindungsberechnung im Rahmen von § 12 ­HöfeO Ein weiterer Lösungsansatz ist das Abstellen auf die neuen ab dem 1. Ja­ nuar 2025 geltenden Grundsteuerwerte. Nach der Grundsteuerreform wird der Grundsteuerwert für landwirtschaftliches Vermögen und Wohngrund­ stücke gesondert ermittelt: Bei land- und forstwirtschaftlichen Betrieben wird nach den §§ 236, 237 BewG n. F. zur Bewertung abgestellt auf pauschalierte Ertragswerte je nach Nutzung.398 Die Ertragswertansätze stammen dabei aus den durchschnittlichen Ertragsverhältnissen von Testbetrieben des Bundesmi­ nisteriums für Ernährung und Landwirtschaft.399 Der so ermittelte Ertrags­ wert nach § 237 BewG n. F. ist dann zur Ermittlung des Grundsteuerwerts gemäß § 239 BewG n. F. mit einem Faktor von 18,6 zu kapitalisieren. Auf diese Weise erfolgt die Berechnung zwar über andere Parameter, bleibt dabei aber, wie auch bei der früheren Einheitswertberechnung, weiterhin abstrakt und standardisiert. Er richtet sich somit nicht an einer jeweils festzustellen­ den konkreten Leistungsfähigkeit des Betriebs aus.

396  Rauscher, Reformfragen des gesetzlichen Erb- und Pflichtteilsrechts II/2, S. 184. 397  v. Garmissen/Hartmann, AUR 2020, 454 (455). 398  BT-Drucks. 19/13453, S. 12. 399  BT-Drucks. 19/13453, S. 12; ausführlich zur Bewertung land- und forstwirt­ schaftlichen Vermögens nach der Reform der Grundsteuer Stephany, AUR 2020, 134 (136 ff.).



III. Ansprüche der weichenden Miterben153

Bei einer Verweisung auf die neuen Grundsteuerwerte als Berechnungs­ grundlage für die Abfindungsansprüche nach § 12 H ­ öfeO sollte die privile­ gierte Bewertung sich allerdings nur auf den land- und forstwirtschaftlichen Teil der Besitzung beziehen. Die Wohngebäude sollten hingegen – insbeson­ dere in Hinblick auf die Wahrung der Interessen der weichenden Miterben – wie bei nichtlandwirtschaftlichen Erbschaften auch mit dem Verkehrswert angesetzt werden.400 Haarstrich betont, dass der Rückgriff auf die Einheitswerte zur Berech­ nung der Abfindungen in der Vergangenheit ein wesentlicher Faktor für die Akzeptanz der Höfeordnung innerhalb der betroffenen Kreise war.401 Durch ein Abstellen auf die neuen Grundsteuerwerte könnte hieran auch nach einer Reform angeknüpft werden. Außerdem ist die einfache Berechenbarkeit der Abfindungsansprüche über feststehende Grundsteuerwerte auch im Rahmen der reformierten Grundsteuerberechnung ein gewichtiges Argument für einen Rückgriff auf diese Berechnungsmethode: Die Berechnungsgrundlage ist im Gegensatz zur Ertragswertberechnung, die ein Sachverständigengutachten erforderlich macht, weniger streitanfällig und bietet damit für die Betroffe­ nen eine höhere Rechtssicherheit. Dass es sich um pauschale, nicht an der konkreten Leistungsfähigkeit des Betriebs ausgerichtete Werte handelt, ist grundsätzlich nicht problematisch, da seitens des Gesetzgebers kein Erfor­ dernis aufgestellt wurde, dass der Wert, der die Grundlage für die Miterben­ abfindung ist, sich an der konkreten Leistungsfähigkeit eines Betriebs auszu­ richten hat. Dennoch darf sich ein pauschaler Wert auch nicht zu weit von dem entfernen, was der Betrieb konkret zu erwirtschaften in der Lage ist. Aus diesem Grund ist auch für die neuen Grundsteuerwerte zu überprüfen, ob diese die Leistungsfähigkeit des Betriebs abbilden. Schmitte rechnet exemplarisch für einen landwirtschaftlichen Betrieb im Münsterland, dass nach den neuen Grundsteuerwerten der Einheitswert um das etwa zwölffache steigen würde und die Abfindungssumme gegenüber der alten Berechnungsmethode der Abfindungsansprüche bei einem verheirateten Erblasser mit drei Kindern um das etwa achtfache.402 Damit hätten die Ab­ findungsansprüche der weichenden Miterben eine Höhe erreicht, die vom Hoferben in der Regel nicht ohne die Veräußerung einzelner Hofteile zu leisten wäre. Die Betriebe könnten so nicht mehr als Einheit im Erbgang er­ 400  Auch im Rahmen des § 12 Abs. 2 Bbg­HöfeOG wird in Bezug auf die Wohnge­ bäude der Hofstelle auf den Verkehrswert abgestellt; Seutemann sieht dies als rechts­ politischen Signal dahingehend an, dass in Bezug auf die Abfindungsansprüche ein stärkerer Interessenausgleich zwischen Hoferben und weichenden Miterben angestrebt wird, vgl. Seutemann, RdL 2019, 280 (281). 401  Haarstrich, AUR 2019, 321. 402  Ausführliche Berechnung bei Schmitte, AUR 2020, 167 (168 f.).

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D. Vererbung landwirtschaftlicher Betriebe

halten werden, sondern die Hoferben würden zur Aufbringung der Abfin­ dungssumme zu Veräußerungen von Grundflächen gedrängt werden. Es ist daher bei einer Entscheidung für ein Abstellen auf die neuen Grundsteuer­ werte als Berechnungsgrundlage für die Miterbenabfindung zunächst rechne­ risch zu überprüfen, ob diese in allen Teilen des Geltungsbereiches der Höfe­ ordnung zu hoch sind, um von den Betrieben realistisch als Abfindungs­ summe aufgebracht werden zu können. cc) Ansatz eines bestimmten Bruchteils des Grundsteuerwerts Eine Möglichkeit der Problematik zu begegnen, dass die neuen Grundsteu­ erwerte als Abfindungsgrundlage wesentlich höher sind als die derzeitigen steuerlichen Einheitswerte, liegt darin, lediglich einen bestimmten Bruchteil des Grundsteuerwertes im Rahmen des § 12 ­HöfeO für die Miterbenabfin­ dung anzusetzen.403 In diesem Fall müsste für verschiedene Betriebsarten und verschiedene Geltungsbereiche ermittelt werden, bei welchem Bruchteil des Grundsteuerwertes ein Wert vorliegt, bei dem die Abfindungssumme so niedrig ist, dass sie vom Betriebsinhaber aufgebracht werden kann, aber zu­ gleich so hoch ist, dass die Interessen der weichenden Miterben dadurch hinreichend Beachtung finden. dd) Wertansatz wie im Erbschafts- und Schenkungssteuerrecht Ein weiterer Lösungsansatz ist eine Berechnung der Abfindungsansprüche auf Grundlage der Grundbesitzwerte im Erbschafts- und Schenkungssteuer­ recht nach den §§ 157 ff. BewG.404 Dabei werden Wohnwert und Wirtschafts­ wert gesondert ermittelt, wobei der Wert des Wohnteils sich nach der übli­ chen Bewertung von Wohngrundstücken im Grundvermögen richtet und bei land- und forstwirtschaftlichem Vermögen die Grundbesitzwerte unter An­ wendung der §§ 158 bis 175 BewG in Verbindung mit Anl. 14 zum Bewer­ tungsgesetz zu ermitteln sind. Der Betriebswert wird nach einem typisierten Verfahren bestimmt, in welchem jeweils die Nutzungsart beziehungsweise Betriebsform, die Betriebsgröße und auch regionale Unterschiede bei der Wertermittlung eine Rolle spielen (Anlage 14 zum Bewertungsgesetz).405 403  Schmitte,

AUR 2020, 167 (170). AUR 2020, 454 (457); Schmitte, AUR 2020, 167

404  v. Garmissen/Hartmann,

(169).

405  Für eine überblicksartige Darstellung der Wertbestimmung im Rahmen des Erbschafts- und Steuerrechts auch unter dem Gesichtspunkt der Nutzung als Berech­ nungsgrundlage für die Miterbenabfindung vgl. Lechleitner, Rechtsfragen einer Höfe­ ordnung für das Land Brandenburg, S. 41 ff.



III. Ansprüche der weichenden Miterben155

Der Vorteil dieser Methode der Betriebsbewertung liegt darin, dass auf eine feststehende Berechnungsmethode zurückgegriffen werden kann und die Berechnungsgrundlage für die Miterbenabfindungen somit unkompliziert, kostengünstig und rechtssicher feststellbar ist. Weil die Bewertungsregeln zudem für die Ermittlung der Erbschafts- und Schenkungssteuer gelten, kann außerdem zum Teil auf bereits im Rahmen eines Besteuerungsverfahrens von den Finanzbehörden festgestellte Werte zurückgegriffen werden.406 Aus die­ sem Grund wurde diese Wertanknüpfung auch auf der Herbsttagung der Deutschen Gesellschaft für Agrarrecht 2020 in mehreren Redebeiträgen als tragfähige Lösung eingestuft.407 Allerdings ist anzumerken, dass die Grundbesitzwerte in Anlage 14 des Bewertungsgesetzes im Jahr 2008 letztmalig aktualisiert wurden.408 Ange­ sichts der seither erfolgten beachtlichen Wertentwicklungen bei Grundbesitz ist daher auch hier rechnerisch zu überprüfen, ob die Werte für eine realitäts­ gerechte Betriebsbewertung noch tauglich sind. e) Ergebnis Auch trotz der Reform des Bewertungsgesetzes ist die Betriebsbewertung zum Zwecke der Berechnung der Abfindungen nach § 12 ­HöfeO rechtlich weiterhin über Verweisung auf die §§ 46, 48 BewG möglich. Da die Ein­ heitswerte jedoch bereits zum jetzigen Zeitpunkt durch die unterbliebenen Fortschreibungen veraltet sind und die wirklichen Werte der landwirtschaft­ lichen Betriebe nicht mehr abbilden, ist eine Reform der Regelung der Be­ triebsbewertung zum Zwecke der Abfindungsberechnung in der Höfeordnung dringend angezeigt. Als neue Modelle der Betriebsbewertung bieten sich in erster Linie ein Abstellen auf die neuen Grundsteuerwerte beziehungsweise eines Bruchteils dieser Grundsteuerwerte oder auf die Grundbesitzwerte im Erbschafts- und Schenkungssteuerrecht an. Es ist bei allen Optionen jeweils rechnerisch zu ermitteln, ob die jeweiligen Werte einen angemessenen Inte­ ressenausgleich zwischen dem Erhaltungsinteresse des Hoferben und dem Beteiligungsinteresse der weichenden Miterben gewährleisten.

Rechtsfragen einer Höfeordnung für das Land Brandenburg, S. 43. AUR 2020, 454 (457); es wird im Tagungsbericht je­ doch auch darauf hingewiesen, dass bei einer Ermittlung der Abfindungen über die Grundbesitzwerte des Erbschafts- und Schenkungssteuerrechts etwa in Bezug auf Pachtbetriebe, Tierhaltung und weitere betriebliche Besonderheiten Wertanpassungen erforderlich werden. 408  BGBl. I 2008, 3043–3059. 406  Lechleitner,

407  v. Garmissen/Hartmann,

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D. Vererbung landwirtschaftlicher Betriebe

2. Ansprüche nach dem BGB-Landguterbrecht Hat der vom Erblasser bestimmte Miterbe das in Bezug auf das Landgut eingeräumte Übernahmerecht ausgeübt und sind die gesetzlichen Anforde­ rungen an ein Landgut erfüllt, hat dies zur Folge, dass das Landgut gemäß § 2049 Abs. 1 BGB im Zweifel mit dem weitaus geringeren Ertragswert, statt wie üblich zum Verkehrswert, anzusetzen ist. Es handelt sich dabei also um eine Zweifels- beziehungsweise Auslegungsregel.409 Damit die Erhaltung des Landgutes im Erbgang nicht durch allzu hohe Pflichtteilsansprüche gefährdet wird, ist der Ertragswert gemäß § 2312 Abs. 1 BGB zudem Grundlage für die Berechnung der Höhe dieser Ansprüche. Durch die Möglichkeit der Übernahme des Betriebs zum Ertragswert nach §§ 2049, 2312 BGB ist im Rahmen des BGB-Landguterbrechts die zweite Säule der Privilegierung landwirtschaftlicher Betriebe im Erbgang – der Ansatz zu einem geringeren Wert – ebenfalls verwirklicht. Dies gilt durch die Zweifelsregelungen in § 2049 Abs. 1 BGB und § 2312 Abs. 1 BGB auch von Gesetzes wegen, so­ lange der Betrieb nur dem BGB-Landguterbrecht unterfällt und der Erblasser ein Übernahmerecht angeordnet hat. Die erste Säule der Privilegierung land­ wirtschaftlicher Betriebe im Erbgang – die Weitergabe des Betriebs an eine einzige Person – ist im BGB-Landguterbrecht hingegen lediglich bei einer letztwilligen Verfügung des Erblassers, in der er den Hofübernehmer be­ stimmt, verwirklicht. Das bedeutet, dass für diese erste Säule ein Willensakt des Erblassers erforderlich ist, der nicht nur (wie in den Anerbengesetzen) das Rechtsregime bestimmt, sondern auch gerade den jeweiligen Überneh­ mer des Betriebs.410 Somit ist im BGB-Landguterbrecht nur die zweite Säule der Privilegierung des Betriebsübernehmers gesetzlich geregelt, welche sogar noch unter der Voraussetzung steht, dass die Bestimmung des Betriebsnachfolgers als erste Säule durch letztwillige Verfügung erfolgt ist. In der Höfeordnung und den landesrechtlichen Anerbengesetzen sind hingegen beide Säulen gesetzlich geregelt. Damit dem Übernehmer die Privilegierung der Ertragswertberechnung nach §§ 2049 Abs. 1, 2312 Abs. 1 BGB bei der Abfindungszahlung zuteil­ wird, müssen jedoch in Bezug auf den Betrieb sowie seinen Übernehmer 409  Das bedeutet, dass der Erblasser auch einen vom Ertragswert abweichenden Wert für das Landgut ansetzen kann. 410  In den Anerbenrechten ist aufgrund der fakultativen Natur des landwirtschaft­ lichen Erbrechts in der Regel auch ein Willensakt zur Unterstellung des Betriebs un­ ter das jeweilige Anerbenrecht notwendig. In diesen muss die Unterstellung unter das Anerbenrecht im Gegensatz zum BGB-Landguterbrecht aber nicht zwangsläufig mit der Bestimmung eines Anerben einhergehen, da diese Bestimmung auch durch eine geregelte gesetzliche Anerbenfolge geschehen kann.



III. Ansprüche der weichenden Miterben157

bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein. Diese sind vergleichbar mit den Anforderungen, die an einen Hof im Sinne der Höfeordnung und den Hofer­ ben gestellt werden, unterscheiden sich jedoch in den Details: a) Anwendungsvoraussetzungen für die Privilegierung des Übernehmers nach §§ 2049, 2312 BGB Für die privilegierte Übernahme des Betriebs ist gemäß § 2049 Abs. 1 BGB zunächst erforderlich, dass der Erblasser angeordnet hat, dass einer der Erben das Recht haben soll, ein zum Nachlass gehörendes Landgut zu über­ nehmen.411 Die Übernahme zu Vorzugsbedingungen ist im Rahmen des BGB-Landguterbrechts zudem nur dann möglich, wenn es sich um ein Landgut im Sinne des § 2049 Abs. 1 BGB handelt. Aus diesem Grund ist bei der Bestimmung des Landgutes genauso wie bei der Festlegung der Hofeigen­ schaft eine genaue Abgrenzung zwischen schutzwürdigen und nicht mehr schutzwürdigen Betrieben vorzunehmen. Der Begriff des Landgutes ist im Bürgerlichen Gesetzbuch nicht legaldefiniert, sodass es keine gesetzlich fest­ gelegten Kriterien dafür gibt, unter welchen Voraussetzungen es sich bei ­einem Betrieb um ein Landgut im Sinne der §§ 2049 Abs. 1, 2312 BGB handelt. Ursprünglich wurde eine gesetzliche Bestimmung des Begriffs des Landgutes bei den Beratungen der Zweiten Kommission als wünschenswert angesehen.412 Man kam im Laufe der Verhandlungen jedoch überein, dass eine reichseinheitliche Regelung aufgrund der Verschiedenheit der Verhält­ nisse in den einzelnen Regionen nicht möglich sei, sodass man eine Ermäch­ tigung der Landesgesetzgeber zur Bestimmung des Begriffs erwog.413 Aller­ dings wurde auch dieser Antrag von einer Mehrheit der Kommission abge­ lehnt, da befürchtet wurde, dass durch allzu unterschiedliche Definitionen in den einzelnen Landesteilen das Erbrecht in Bezug auf Landgüter zu verschie­ den ausgestaltet sein würde.414 Aus Gründen der Rechtssicherheit ist jedoch erforderlich, dass die Voraus­ setzungen, wann ein Betrieb dem Landguterbrecht unterfällt, von vornherein feststehen und nicht gerichtlichen Einzelfallentscheidungen unterliegen.415 „Landgut“ meint in §§ 2049, 2312 BGB entgegen des allgemeinen Sprachge­ brauchs nicht (nur) größere Anwesen auf dem Lande. Nach Einschätzung von Faßbender stammt der Begriff des Landgutes ursprünglich aus dem All­ gemeinen Landrecht für die Preußischen Staaten (PrALR) und meinte dort 411  Ausführlich

zu dieser Anordnung auf S. 116 ff. Protokolle VI, S. 449. 413  Achilles/Gebhard/Spahn, Protokolle VI, S. 449. 414  Achilles/Gebhard/Spahn, Protokolle VI, S. 450. 415  Wöhrmann/Graß, Landwirtschaftserbrecht, § 2049 BGB Rn. 5. 412  Achilles/Gebhard/Spahn,

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D. Vererbung landwirtschaftlicher Betriebe

solche Betriebe, mit welchen Ackerbau und Viehzucht verbunden ist.416 Der heutige von der Rechtsprechung geprägte Begriff des Landgutes unterschei­ det sich von der damaligen Definition vor allem durch eine Reihe weiterer Anforderungen, wie etwa der Selbstbewirtschaftung des Landgutes und der Bewirtschaftungsfähigkeit.417 Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesge­ richtshofs ist ein Landgut i. S. v. § 2049 Abs. 1 BGB „eine Besitzung, die eine zum selbständigen Betrieb der Landwirtschaft einschließ­ lich der Viehzucht oder der Forstwirtschaft geeignete und bestimmte Wirtschafts­ einheit darstellt und mit den nötigen Wohn- und Wirtschaftsgebäuden versehen ist. Sie muss eine gewisse Größe erreichen und für den Inhaber eine selbständige Nahrungsquelle darstellen; dass eine Ackernahrung vorliegt, ist jedoch nicht erfor­ derlich; eine Besitzung kann auch dann ein Landgut sein, wenn der Inhaber neben der Landwirtschaft einen anderen Beruf ausübt.“418

Aus dieser Definition der Rechtsprechung ergeben sich im Detail folgende Voraussetzungen, durch welche im erbrechtlichen Sinne schutzwürdige Be­ triebe von nicht mehr schutzwürdigen Betrieben abgegrenzt werden: aa) Besitzung Es muss zunächst eine Besitzung vorliegen. Darunter versteht man Grund­ flächen sowie Wohn- und Wirtschaftsgebäude, welche eine organisatorische Einheit bilden.419 Damit entspricht das Verständnis des Begriffs der Besit­ zung im Wesentlichen dem, worüber auch die Zweite Kommission während ihrer Überlegungen bezüglich einer einheitlichen Definition des Landgutbe­ griffs bereits übereinkam, indem sie betonte, eine Legaldefinition des Land­ gutes müsse herausstellen, dass es sich bei einem Landgut um einen zu einer wirtschaftlichen Einheit verbundenen Komplex von Grundstücken handele.420 Letztwillig verfügen kann der Erblasser grundsätzlich nur über die Grund­ flächen, die in seinem Eigentum stehen, nicht aber über Pachtflächen. Aller­ dings ist es nach Ansicht von Rechtsprechung und Literatur ausreichend, wenn die im Eigentum des Erblassers stehenden Flächen zusammen mit weiteren zugepachteten Flächen zu einer selbstständigen Betriebseinheit ver­

416  Faßbender, AgrarR 1990, 243 (244); 1. Teil, 22. Abschnitt, § 400 PrALR: „Unter Landgütern werden auch hier solche verstanden, mit welchen Ackerbau und Viehzucht verbunden ist.“ 417  Faßbender, AgrarR 1990, 243 (244). 418  BGH NJW 1964, 1414 (1416); BGH NJW 1987, 951; NJW-RR 1992, 770. 419  Hausmann/Hohloch/Hausmann/Hausmann, Handbuch des Erbrechts, Kap. 24, Rn. 17. 420  Achilles/Gebhard/Spahn, Protokolle VI, S. 450.



III. Ansprüche der weichenden Miterben159

bunden sind.421 Allerdings ist einschränkend erstens eine gewisse Größe Ei­ gentumsflächen und zweitens eine dauerhafte Zurverfügungstellung der Pachtflächen erforderlich.422 Wie auch bei der Bestimmung eines Hofes im Sinne der Höfeordnung ist das Vorhandensein von Wirtschaftsgebäuden zur Bewirtschaftung der Flä­ chen notwendig. In Bezug auf die von der Rechtsprechung geforderten Wohngebäude wird auch in der Literatur nunmehr vertreten, angesichts der gewandelten Verhältnisse in der Landwirtschaft großzügigere Maßstäbe an­ zulegen und diese nicht mehr zu einem zwingenden Erfordernis zu ma­ chen.423 bb) Leistungsfähigkeit (1) Allgemeine Definition der Leistungsfähigkeit Eine Mindestgröße424 oder ein Mindestwirtschaftswert sind für die Fest­ stellung der Landguteigenschaft gesetzlich nicht vorgesehen. Jedoch muss auch im Rahmen des BGB-Landguterbrechts ein Betrieb bestehen, der gerade in Hinblick auf die Privilegierung des Landgutübernehmers gegenüber den übrigen Erben und Pflichtteilsberechtigten für eine weitergehende Bewirt­ schaftung hinreichend leistungsfähig und damit zukunftsfähig ist.425 Diese Mindestleistungsfähigkeit als Mindestgröße in Hektar oder Betriebsfläche auszudrücken bietet sich nicht an, da diese Faktoren nicht die Bodenqualität oder die Nutzungsart des jeweiligen Betriebs berücksichtigen.426 Somit kön­

421  OLG Stettin JW 1932, 581; OLG Oldenburg RdL 1957, 220; Hausmann, Die Vererbung von Landgütern nach dem BGB, S. 94; Zechiel, Die „Ertragswertklausel“ in der bayerischen Notariatspraxis, S. 50. 422  Hausmann, Die Vererbung von Landgütern nach dem BGB, S. 95. 423  Rinck, AgrarR 1998, 179 (180); a. A. Hausmann, Die Vererbung von Landgü­ tern nach dem BGB, S. 92, die davon ausgeht, dass ein Wohnhaus zwar nicht zum vererbten Nachlass gehören muss, aber dennoch spätestens bei Antritt der Nachfolge im Umfeld des Betriebs zur Verfügung stehen muss. 424  Eine Obergrenze, wie sie etwa in § 3 Abs. 1 REG mit 125 ha normiert war, ist im BGB-Landguterbrecht genauso wenig wie eine Mindestleistungsfähigkeit geregelt. Zum Teil wird in der Literatur dennoch argumentiert, dass gesetzesimmanente Schranken einer Privilegierung von Großgrundbesitz entgegenstünden und diese Großbetriebe deshalb nicht den Regelungen des BGB-Landguterbrechts unterfallen sollten; etwa Kegel, in: FS für Cohn, S. 86 (90 ff.); Faßbender, AgrarR 1998, 188 (191); Hausmann, Die Vererbung von Landgütern nach dem BGB, S. 139 ff. 425  Wöhrmann/Graß, Landwirtschaftserbrecht, § 2049 BGB Rn. 10. 426  Hausmann/Hohloch/Hausmann/Hausmann, Handbuch des Erbrechts, Kap. 24 Rn. 27.

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D. Vererbung landwirtschaftlicher Betriebe

nen sie auch keine genaue Aussage über die Zukunftsfähigkeit aller Betriebs­ arten in Deutschland treffen. Nach Feststellung des Bundesgerichtshofs427 ist zur Annahme eines Land­ gutes im Gegensatz zum früheren § 2 Abs. 2 REG auch nicht auf die Min­ destgröße einer „Ackernahrung“ abzustellen. Darunter verstand man nach der Legaldefinition des § 2 Abs. 2 REG diejenige Menge Land, welche not­ wendig ist, um eine Familie unabhängig vom Markt und der allgemeinen Wirtschaftslage zu ernähren und zu bekleiden sowie den Wirtschaftsablauf des Erbhofs zu erhalten. Die Ertragswertprivilegierung ist daher nicht allein deshalb ausgeschlossen, weil der Inhaber allein mit den Erträgen aus dem Betrieb nicht seine Familie ernähren kann, sondern noch eine weitere Ein­ kommensquelle hat. Vielmehr muss die Besitzung nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs so groß sein, dass sie für den Inhaber eine „selbst­ ständige Nahrungsquelle“428 darstellt und zumindest zu einem erheblichen Teil zu seinem Lebensunterhalt beiträgt.429 (2) Festlegung der Leistungsfähigkeit bei Nebenerwerbsbetrieben Durch den Strukturwandel in der Landwirtschaft wird mittlerweile etwa die Hälfte aller landwirtschaftlichen Betriebe im Nebenerwerb geführt.430 Aus diesem Grund ist die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein neben­ beruflich geführter Betrieb privilegierungsfähig ist, von hoher praktischer Relevanz. Es ist in diesem Zusammenhang festzulegen, wann bei nebenbe­ ruflich geführten Betrieben die vom Bundesgerichtshof431 geforderten Krite­ rien der selbstständigen Nahrungsquelle und des erheblichen Beitrags zum Lebensunterhalt erfüllt sind. Insgesamt wird in der Literatur betont, dass an das Kriterium der Leistungsfähigkeit insbesondere aus sozialpolitischen Gründen keine allzu hohen Maßstäbe angelegt werden solle, da es staatsund sozialpolitisches Ziel bleiben müsse, gerade auch Zu- und Nebener­ werbsbetriebe im Anwendungsbereich des Landgüterrechts zu erhalten und damit vor der Zerschlagung im Erbgang zu schützen.432 Zwar sind nebenbe­ ruflich geführte Betriebe unter Produktivitätsgesichtspunkten nicht mit grö­ ßeren Vollerwerbsbetrieben vergleichbar. Allerdings sollten letztgenannte nicht als agrarstrukturelles Leitbild mit Ausschließlichkeitscharakter angese­ hen werden, da von Nebenerwerbsbetrieben auch positive soziale und ökolo­ 427  BGH

NJW 1964, 1414 (1416). NJW 1964, 1414 (1416). 429  BGH NJW 1987, 951. 430  Agrarpolitischer Bericht der Bundesregierung 2019, Tab. 3, S. 138. 431  BGH NJW 1987, 951. 432  Faßbender, AgrarR 1986, 130 (132); so auch Kempfler, ZEV 2011, 337 (340). 428  BGH



III. Ansprüche der weichenden Miterben161

gische Effekte ausgingen.433 Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts­ hofs kann ein Betrieb grundsätzlich nebenberuflich geführt werden, solange er zum Lebensunterhalt des Inhabers in erheblichem Maße beiträgt.434 Nicht gerichtlich geklärt ist allerdings, wann ein solcher erheblicher Beitrag zum Lebensunterhalt anzunehmen ist.435 (a) Übertragung des Mindestwirtschaftswertes von 5.000 € aus § 1 Abs. 1 S.  3 ­HöfeO Zum Teil wird die Wertung des höferechtlichen Mindestwirtschaftswertes in das BGB-Landguterbrecht übertragen.436 Wenn dieser Wert unter 5.000 € absinkt, sei regelmäßig davon auszugehen, dass auch die für die Annahme eines Landgutes erforderliche „gewisse Größe“, bei der der Betrieb für den Eigentümer eine selbstständige Nahrungsquelle darstellt, nicht mehr gegeben ist.437 Somit verliert der Betrieb durch dieses Absinken zugleich auch seine Landguteigenschaft. Allerdings ist gegen diese Auffassung einzuwenden, dass der Wirtschaftswert im Gegensatz zur Ertragswertbewertung nach § 2049 BGB generell und abstrakt bestimmt wird.438 Der in der Höfeordnung herangezogene steuerliche Einheitswert steht in einem anderen rechtlichen Bezugsrahmen und ist daher für die Beurteilung der Schutzwürdigkeit von als Nebenerwerbsbetrieb bewirtschafteten Landgütern nicht geeignet. (b) Verhältnis der verschiedenen Einkommen Weiterhin wird vorgeschlagen, auf das Verhältnis des auf dem landwirt­ schaftlichen Betrieb erwirtschafteten Einkommens zum Gesamteinkommen in: FS für Schad, S. 403 (415). NJW 1987, 951; daher sind Zuschuss-, Hobby- und Zwergbetriebe, die keine signifikanten Einnahmen für den Bewirtschafter generieren, nicht von dieser Privilegierung umfasst, vgl. Zechiel, Die „Ertragswertklausel“ in der bayerischen No­ tariatspraxis, S. 162. 435  Für einen umfassenden Überblick über die Lösungsansätze vgl. Hausmann, Die Vererbung von Landgütern nach dem BGB, S. 118 ff. und Zechiel, Die „Ertrags­ wertklausel“ in der bayerischen Notariatspraxis, S. 164 ff. 436  Wöhrmann/Graß, Landwirtschaftserbrecht, § 2049 Rn. 10. 437  Wöhrmann/Graß, Landwirtschaftserbrecht, § 2049 Rn. 10; in diese Richtung auch das OLG Celle, das bei einem Nebenerwerbsbetrieb, der nicht mehr als leis­ tungsfähiger Nebenerwerbsbetrieb wieder angespannt werden konnte, auch die Land­ guteigenschaft verneinte, da der Betrieb gleichsam keine zum selbständigen und dauernden Betrieb der Landwirtschaft geeignete und bestimmte Wirtschaftseinheit mehr darstelle, OLG Celle, Beschluss vom 21. März 2011 – 7 W 126/10 (L) Rn. 71 (juris). 438  Staudinger/Mittelstädt, Art. 137 EGBGB Rn. 36. 433  Pikalo, 434  BGH

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abzustellen.439 Die Wertgrenze wird dabei teilweise bei 15–20 % des Gesamt­ einkommens aus dem landwirtschaftlichen Betrieb festgesetzt.440 Zum Teil wird ein „erheblicher Beitrag“ zum Lebensunterhalt auch nur dann angenom­ men, wenn der größere Teil des Einkommens aus betrieblichen Einkünften stammt, da der Betrieb nur dann Mittelpunkt der bäuerlichen Familie sei und damit dem Normzweck der §§ 2049, 2312 BGB unterfalle.441 Gegen diesen Ansatz ist jedoch einzuwenden, dass es für die Beurteilung der Schutzwür­ digkeit des Betriebs so nicht mehr auf die landwirtschaftliche Tätigkeit auf dem Landgut ankommt, sondern auf die finanzielle Leistungsfähigkeit des Übernehmers.442 Dadurch löst sich die Beurteilung der Schutzwürdigkeit des landwirtschaftlichen Betriebs vom eigentlichen landwirtschaftserbrechtlichen Zweck der Erhaltung von leistungsfähigen Betrieben im Erbgang. Dieses Kriterium ist nämlich nicht abhängig davon, was der Betriebsinhaber neben dem landwirtschaftlichen Betrieb für Einnahmequellen hat. Es sollte sich vielmehr einzig nach der Leistungsfähigkeit und damit Erhaltungswürdigkeit des landwirtschaftlichen Betriebs als solchem richten. (c) Ausrichtung am Gewinn des Betriebs Aus diesem Grund wird in der Literatur teilweise dafür plädiert, das Kri­ terium der Leistungsfähigkeit anhand des konkreten Gewinns zu bestimmen, den der Betrieb abwirft.443 Teilweise wird hier anhand bestehender Buchfüh­ rungsergebnisse ein durchschnittliches jährliches Mindesteinkommen von 60.000 € für einen Vollerbwerbsbetrieb bei einer vierköpfigen Familie ermit­ telt.444 Handelt es sich um einen Nebenerwerbsbetrieb, könne dieser Min­ 439  Wöhrmann/Graß, Landwirtschaftserbrecht, § 2049 BGB Rn. 27; Zechiel, Die „Ertragswertklausel“ in der bayerischen Notariatspraxis, S. 164. 440  Wöhrmann/Graß, Landwirtschaftserbrecht, § 2049 BGB Rn. 27. 441  Zechiel, Die „Ertragswertklausel“ in der bayerischen Notariatspraxis, S. 167. 442  Hausmann, Die Vererbung von Landgütern nach dem BGB, S. 123; Staudin­ ger/Mittelstädt, Art. 137 EGBGB Rn. 40. 443  Hausmann, Die Vererbung von Landgütern nach dem BGB, S. 125; Köhne, AgrarR 1995, 321 (325). 444  Köhne, AgrarR 1995, 321 (325); allerdings hätten nach Aussage Köhnes im Jahr 1995 nur ein Drittel der Vollerwerbsbetriebe und ein noch geringerer Anteil der Nebenerwerbsbetriebe diese Anforderungen an die Leistungsfähigkeit erfüllen kön­ nen, was dieser als positiv für die Entwicklung der Agrarstruktur beurteilt. Er schlägt aus diesem Grund eine gespaltene Lösung vor, bei der die Beträge nur bei gesetz­ licher Erbfolge so hoch wie dargestellt sind und bei gewillkürter Erbfolge, bei wel­ cher neben das öffentliche Interesse an der Erhaltung der Betriebe noch das private Inte­resse des Erblassers tritt, niedriger angesetzt werden. Auch wenn die Differenzie­ rung zwischen gesetzlicher und gewillkürter Erbfolge und den damit korrespondie­ renden Interessen ein beachtenswerter Ansatz ist, ist dem Grundgedanken Köhnes



III. Ansprüche der weichenden Miterben163

destbetrag auf 20.000 € reduziert werden. Insbesondere aufgrund des prakti­ schen Bedürfnisses nach einer eindeutigen Bestimmbarkeit der Untergrenze des Beitrags des Betriebs zum Lebensunterhalt wird zum Teil auch vorge­ schlagen, auf die Beträge abzustellen, die eine aus einen Ehepaar und zwei Kindern bestehende bäuerliche Familie nach dem Sozialhilferecht mindestens als Lebensunterhalt erhielte.445 Gegen diesen Ansatz wird vorgebracht, dass aufgrund der unterschiedlichen betrieblichen, wirtschaftlichen und sozialen Grundvoraussetzungen allgemeine Gewinnvorgaben nicht zielführend seien, sondern die Leistungsfähigkeit vielmehr individuell durch ein Sachverständi­ gengutachten festzustellen sei.446 Allerdings würde dies zu einer zusätzlichen Verkomplizierung der Feststellung eines Landgutes führen. Zudem ist durch ein konkret festgelegtes Mindesteinkommen gewährleistet, dass der Betrieb über eine Leistungsfähigkeit verfügt, mit der in einer Weise zum Lebensun­ terhalt beigetragen wird, die auch nach sozialrechtlichen Kriterien als ausrei­ chend angesehen wird. Vermittelnd wird vorgeschlagen, die genannten Wert­ grenzen als Orientierung für die Mindestleistungsfähigkeit heranzuziehen und dann jeweils die Umstände des konkreten Betriebs zu berücksichtigen.447 (d) Ergebnis Im Ergebnis kann keine der vorgeschlagenen Abgrenzungen von schutz­ würdigen und nicht mehr schutzwürdigen Betrieben gänzlich überzeugen. Es ist eine klarstellende Regelung durch den Gesetzgeber, wie sie etwa in der Höfeordnung durch den Mindestwirtschaftswert besteht, erforderlich. Auf diese Weise kann – insbesondere auf in Hinblick auf das von den weichen­ den Miterben zu erbringende Sonderopfer – rechtssicher festgestellt werden, welche Betriebe zukunftsfähig und deshalb privilegierungswürdig sind. Bei welcher Höhe diese Wertgrenze liegt, ist rechnerisch beziehungsweise empi­ risch zu ermitteln.

über das Kriterium der Leistungsfähigkeit den Agrarstrukturwandel voranzutreiben, zu widersprechen. Es handelt sich bei den Regelungen des BGB-Landguterbrechts um Schutzvorschriften für die Betriebe und nicht um Instrumentarien für Agrarstruk­ turpolitik. 445  Hausmann, Die Vererbung von Landgütern nach dem BGB, S. 125. 446  So etwa Hausmann, Die Vererbung von Landgütern nach dem BGB, S. 298; Zechiel, Die „Ertragswertklausel“ in der bayerischen Notariatspraxis, S. 173. 447  Hausmann, Die Vererbung von Landgütern nach dem BGB, S. 302.

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D. Vererbung landwirtschaftlicher Betriebe

cc) Landwirtschaftlicher Betriebscharakter Weiterhin muss der in Frage stehende Betrieb einen landwirtschaftlichen Charakter haben. Der Begriff der Landwirtschaft wird in § 585 Abs. 1 S. 2 BGB legaldefiniert und kann auch für die Bestimmung des Begriffs im Rahmen von §§ 2049, 2312 BGB herangezogen werden.448 Danach ist Land­ wirtschaft die Bodenbewirtschaftung und die mit der Bodennutzung verbun­ dene Tierhaltung, um pflanzliche oder tierische Erzeugnisse zu gewinnen, so­ wie die gartenbauliche Erzeugung. Nach der Entwurfsbegründung fallen unter Landwirtschaft i. S. v. § 585 Abs. 1 S. 2 BGB insbesondere der Ackerbau, die Wiesen- und Weidewirtschaft, der Erwerbsgartenbau, der Erwerbsobstbau, der Weinbau, die Imkerei und die Binnenfischerei.449 Wie auch in den Anerben­ rechten hat an dieser Stelle eine Abgrenzung zu gewerblichen Tätigkeiten, bei denen der Grund und Boden lediglich als Standort dient, zu erfolgen. Da nach dem Wortlaut des § 585 Abs. 1 S. 2 BGB nur die „mit der Bodennutzung ver­ bundene Tierhaltung“ erfasst ist, fallen solche Betriebe aus dem Anwendungs­ bereich heraus, bei welchen Tiere gehalten und das für die Haltung erforderli­ che Futter überwiegend zugekauft wird. Somit erfüllen insbesondere „Agrarfa­ briken“, also reine Mast- und Tierzuchtbetriebe, nicht die Voraussetzungen.450 Darüber hinaus steht nach Auffassung der Rechtsprechung auch bei der Pen­ sionstierhaltung nicht mehr die Urproduktion ausreichend im Mittelpunkt.451 Ob reine Forstgüter Landgüter i. S. v. § 2049 BGB sein können, ist in der Literatur umstritten.452 Dagegen spricht, dass der Begriff des Landgutes nach der Definition der Rechtsprechung das Betreiben von Landwirtschaft voraus­ setzt und deshalb rein forstwirtschaftliche Betriebe nicht in diese Definition passen.453 Gegen diese Auffassung wird jedoch eingewendet, dass gerade in der Forstwirtschaft die Früchteziehung einen längeren Zeitraum in Anspruch nimmt, sodass es interessengerecht sei, den Betrieb geschlossen in der Fami­ lie zu erhalten.454 Zudem würde in der Forstwirtschaft genau wie in der 448  Hausmann/Hohloch/Hausmann/Hausmann, Handbuch des Erbrechts, Kap. 24 Rn. 20. 449  BT-Drucks. 10/509, S. 16. 450  Ruby, ZEV 2007, 263 (265). 451  OLG München NJW-RR 2013, 1518 (1519). 452  Dafür etwa Hausmann/Hohloch/Hausmann/Hausmann, Handbuch des Erb­ rechts, Kap. 24 Rn. 24; MüKoBGB/Ann, § 2049 Rn. 3; MüKoBGB/Lange, § 2312 Rn. 12; Kegel, in: FS für Cohn, S. 85 (109); a. A. Wöhrmann/Graß, Landwirtschafts­ erbrecht, § 2049 BGB Rn. 14. 453  Wöhrmann/Graß, Landwirtschaftserbrecht, § 2049 BGB Rn. 14. 454  Hausmann/Hohloch/Hausmann/Hausmann, Handbuch des Erbrechts, Kap. 24 Rn. 24; so ohne Begründung auch MüKoBGB/Ann, § 2049 Rn. 3; MüKoBGB/Lange, § 2312 Rn. 12.



III. Ansprüche der weichenden Miterben165

Landwirtschaft auch eine Bodennutzung stattfinden.455 Auch die Entste­ hungsgeschichte des BGB-Landguterbrechts, das statt eines reichseinheit­ lichen Anerbenrechts erlassen wurde, spricht für die Einbeziehung von Forstgütern: So bleiben nach dem Vorbehalt des Art. 64 Abs. 1 EGBGB die landesrechtlichen Vorschriften in Ansehung landwirtschaftlicher und forstwirtschaftlicher Grundstücke unberührt.456 Schließlich wird der Begriff des Landgutes in seinem Bedeutungskern weitestgehend gleichgestellt mit dem Begriff des Hofes in der Höfeordnung, der ebenfalls Forstbetriebe mit einbe­ zieht.457 Es ist in Bezug auf reine Forstgüter jedoch bisher noch keine ge­ richtliche Entscheidung ergangen. Insgesamt sprechen die vorgebrachten Ar­ gumente jedoch dafür, forstwirtschaftliche Betriebe ebenfalls mit in den An­ wendungsbereich des BGB-Landguterbrechts aufzunehmen. Genau wie auch in der Höfeordnung findet bei betrieblichen Mischformen zwischen landwirtschaftlichen und gewerblichen Betriebsteilen die gleiche Unterteilung und rechtliche Behandlung wie auch im Rahmen der Höfeord­ nung statt.458 Dass zu der Besitzung Grundflächen gehören, die als Bauland ausgewie­ sen sind, steht der Landguteigenschaft grundsätzlich nicht entgegen. Aller­ dings ist dieser Umstand bei der Ermittlung des Ertragswertes zu berücksich­ tigen.459 Gleiches gilt auch für die Nutzung von Grundflächen zur Gewin­ nung regenerativer Energien. Eine (langfristige) Verpachtung des Betriebs und eine Veräußerung des Inventars stehen der Annahme eines Landgutes ebenfalls nicht grundsätzlich entgegen. Es ist in diesen Fällen nach der Rechtsprechung des Bundesge­ richtshofs vielmehr darauf abzustellen, ob der Zweck der Privilegierung – also die Erhaltung des landwirtschaftlichen Betriebs in der Hand einer der durch das Gesetz begünstigten Personen – erreicht werden kann.460 Der Bundesgerichtshof stellte für die Privilegierung verpachteter Landgüter im Erbgang die Anforderung auf, dass die begründete Erwartung bestehen muss, dass der Betrieb durch den Eigentümer oder einen Abkömmling weiterge­ in: FS für Cohn, S. 85 (109). zu dieser Frage bei Zechiel, Die „Ertragswertklausel“ in der baye­ rischen Notariatspraxis, S. 56 ff. 457  Hausmann/Hohloch/Hausmann/Hausmann, Handbuch des Erbrechts, Kap. 24 Rn. 127; Wöhrmann/Graß, Landwirtschaftserbrecht, § 1 ­HöfeO Rn. 40. 458  Hierzu die Ausführungen zu Doppelbetrieben, gemischten Betrieben und Ne­ benbetrieben auf S. 73 ff.; zudem Darstellung der Unterscheidung und rechtlichen Konsequenzen bei Landgütern bei Hausmann, Die Vererbung von Landgütern nach dem BGB, S. 102 ff. 459  Wöhrmann/Graß, Landwirtschaftserbrecht, § 2049 BGB Rn. 31. 460  BGH NJW 1987, 951. 455  Kegel,

456  Ausführlich

166

D. Vererbung landwirtschaftlicher Betriebe

führt oder künftig wieder aufgenommen wird.461 Bestimmt wird dies nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs aus der objektivierenden Sicht eines un­ voreingenommen Beobachters.462 Faktoren für die positive Prognose seien dabei die Beschaffenheit, Lage und weitere objektive Verhältnisse des Be­ triebs sowie subjektive Absichten und die Ausbildung der jeweils Beteiligten. Es ist daher im Ergebnis die Verpachtung, bei der eine künftige Wiederauf­ nahme der Bewirtschaftung möglich und beabsichtigt ist, abzugrenzen von einer Verpachtung, die den Charakter einer Vermögensverwaltung hat. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass das BGB-Landguterbrecht nicht nur den Erhalt landwirtschaftlicher Betriebe als solcher fördern soll, sondern nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts den Erhalt der Betriebe in bäuerlichen Familien.463 Deshalb ist es nicht allein ausreichend, den Be­ trieb zu privilegierten Bedingungen zu übernehmen und jemanden einzuset­ zen, der den Betrieb weiterhin bewirtschaftet. Vielmehr kommt es darauf an, dass eine durch das Gesetz begünstige Person, also ein Mitglied der bäuer­ lichen Familie, den Betrieb künftig selbst fortführen kann und will. dd) Subjektive Anforderungen an den Landgutübernehmer Neben den dargelegten objektiven Merkmalen an das Landgut ist für die Privilegierung durch die §§ 2049, 2312 BGB die Erfüllung bestimmter sub­ jektiver Anforderungen erforderlich. Hierzu zählen in erster Linie die Fort­ führungsabsicht und -fähigkeit des Übernehmers sowie seine abstrakte Pflichtteilsberechtigung nach § 2303 BGB. Zudem wird über eine Bedürftig­ keit des Landgutübernehmers als subjektive Voraussetzung für die Ertrags­ wertprivilegierung diskutiert. (1) Fortführungsabsicht und -fähigkeit Zu den subjektbezogenen Voraussetzungen gehört zunächst, dass der Übernehmer die Absicht haben muss, den Betrieb fortzuführen.464 Diese Ab­ sicht ist beispielsweise nicht gegeben bei sofortiger Veräußerung von Inven­ tar oder Grundstücken oder der Aufgabe der aktiven Bewirtschaftung.465 Außerdem ist erforderlich, dass der Landgutübernehmer den Betrieb selbst

461  BGH

NJW-RR 1992, 770. NJW-RR 1992, 770. 463  BVerfGE 67, 348 (367). 464  Staudinger/Mittelstädt, Art. 137 EGBGB Rn. 48. 465  Staudinger/Mittelstädt, Art. 137 EGBGB Rn. 48. 462  BGH



III. Ansprüche der weichenden Miterben167

fortführt und nicht durch Dritte bewirtschaften lässt, da es sich bei einer Bewirtschaftung durch Dritte um eine reine Vermögensverwaltung handelt.466 Ein Erfordernis der Wirtschaftsfähigkeit beziehungsweise Fortführungsfä­ higkeit des Landguterben wie etwa in § 6 Abs. 6 H ­ öfeO ist in den §§ 2049, 2312 BGB nicht geregelt. Häufig werden landwirtschaftliche Betriebe im Geltungsbereich der Höfeordnung nach dem BGB-Landguterbrecht vererbt, gerade weil der potenzielle Hoferbe nicht wirtschaftsfähig i. S. v. § 6 Abs. 6 ­HöfeO ist. Jedoch ist auch ohne ein geregeltes Kriterium der Wirtschaftsfä­ higkeit im Rahmen der §§ 2049, 2312 BGB der Zweck der Privilegierung des BGB-Landguterbrechts im Auge zu behalten: Da die Regelungen die Erhaltung des Betriebs im Erbgang fördern sollen, muss der Übernehmer auch hier zumindest geistig und körperlich zur ordnungsgemäßen Bewirt­ schaftung des Landguts imstande sein.467 Wöhrmann/Graß kritisieren, dass den Miterben aufgrund der Privilegie­ rung, die dem Landgutübernehmer nach dem BGB zuteilwird, eine Schlech­ terstellung zugemutet wird, obwohl mangels gesetzlich geregeltem Wirt­ schaftsfähigkeitskriterium nicht sichergestellt ist, dass der Betrieb fortgeführt werden kann.468 Sie fordern deshalb, dass die Wirtschaftsfähigkeit des Land­ gutübernehmers nach den landesrechtlichen Vorschriften über Art. 64 EGBGB auch im Rahmen des BGB-Landguterbrechts subjektive Voraussetzung sein soll.469 Mittelstädt spricht sich im Rahmen der derzeit geltenden Rechtslage gegen die Voraussetzung der Fortführungsfähigkeit aus, da für diese keine geregelte Rechtsgrundlage im BGB-Landguterbrecht bestehe.470 Selbst wenn man ohne Regelung ein solches Kriterium konstruieren würde, könnten da­ ran mangels gesetzlicher Grundlage keine allzu hohen Anforderungen gestellt werden. Dann hätte das Kriterium ohnehin keine wirkliche praktische Bedeu­ tung mehr. Aus diesem Grund muss das Erfordernis vom Gesetzgeber aus­ drücklich geregelt werden, wenn im Rahmen des BGB-Landguterbrechts höhere Anforderungen an den Betriebsübernehmer gestellt werden sollen als eine allgemeine körperliche und geistige Eignung zur Ausübung der land­ wirtschaftlichen Tätigkeit.471

466  Hausmann, Die Vererbung landwirtschaftlicher Betriebe nach dem BGB, S. 134. 467  Hausmann/Hohloch/Hausmann/Hausmann, Handbuch des Erbrechts, Kap. 24 Rn. 35; MAH AgrarR/‌v. Garmissen, § 11 Rn. 143. 468  Wöhrmann/Graß, Landwirtschaftserbrecht, § 2049 BGB Rn. 66. 469  Wöhrmann/Graß, Landwirtschaftserbrecht, § 2049 BGB Rn. 67. 470  Staudinger/Mittelstädt, Art. 137 EGBGB Rn. 48. 471  So auch MAH AgrarR/v. Garmissen, § 11 Rn. 142.

168

D. Vererbung landwirtschaftlicher Betriebe

(2) A  bstrakte Pflichtteilsberechtigung beziehungsweise Zugehörigkeit zum engeren Familienkreis Weiterhin ist zumindest eine abstrakte Pflichtteilsberechtigung des Land­ gutübernehmers erforderlich.472 Das bedeutet, dass der durch §§ 2049, 2312 BGB begünstige Landgutübernehmer zu dem in § 2303 BGB bezeich­ neten Personenkreis gehören muss, also Ehegatte, Abkömmling oder Eltern­ teil des Erblassers sein muss. Zwar ist es nach dem Wortlaut des § 2049 Abs. 1 BGB nicht Voraussetzung, dass der Landgutübernehmer zum engeren Familienkreis gehört. Jedoch tritt nach § 2312 Abs. 3 BGB eine Kürzung der Pflichtteile nur dann ein, wenn der Landguterwerber zu den in § 2303 BGB bezeichneten Personen, also den Pflichtteilsberechtigten, gehört. Die ratio legis dieser Vorschrift liegt darin, dass der Hof im engsten Familienkreis bleiben soll und die Privilegierung des Hofübernehmers gegenüber den Pflichtteilsberechtigten nach § 2312 BGB deshalb auch nur in den Fällen eintreten soll, in denen der Hofübernehmer zum engeren Familienkreis ge­ hört.473 Diese Begründung soll aufgrund des Regelungszusammenhangs mit § 2312 BGB auch auf § 2049 BGB übertragen werden, sodass auch hier die Vorzugsbehandlung nur in den Fällen möglich ist, in denen der Landgutüber­ nehmer Pflichtteilsberechtigter i. S. v. § 2303 BGB ist.474 Als Begründung hierfür wird vorgebracht, dass nach Auffassung des Bundesgerichtshofs bei Landwirten und ihren Familien im Gegensatz zu anderen Wirtschaftstreiben­ den eine stärkere innere Bindung an Grund und Boden bestehe475 und diese Grundflächen deshalb auch im Familienkreis des Landgutbetreibers erhalten bleiben sollen.476 (3) Bedürftigkeit Schließlich wird im Schrifttum teilweise die Auffassung vertreten, dass die Übernahme zu Vorzugsbedingungen nur dann möglich sein soll, wenn eine Bedürftigkeit des Landgutübernehmers für eine solche Privilegierung beste­ he.477 Begründet wird dies mit dem Normzweck des § 2312 BGB, die den Landwirtschaftserbrecht, § 2049 BGB Rn. 56. Landwirtschaftserbrecht, § 2049 BGB Rn. 57. 474  Wöhrmann/Graß, Landwirtschaftserbrecht, § 2049 BGB Rn. 56 f.; diesem An­ satz zustimmend Hausmann/Hohloch/Hausmann/Hausmann, Handbuch des Erbrechts, Kap. 24 Rn. 66; Ruby, ZEV 2007, 263 (265); a. A. Spellenberg, in: FS für Münkner, S. 371 (377). 475  BGH NJW 1987, 951 (952). 476  Ruby, ZEV 2007, 263 (265); a. A. Spellenberg, in: FS für Münkner, S. 371 (377). 477  Kegel, in: FS für Cohn, S. 104; MüKoBGB/Lange, § 2312 Rn. 18; Faßbender, AgrarR 1986, 131 (133). 472  Wöhrmann/Graß, 473  Wöhrmann/Graß,



III. Ansprüche der weichenden Miterben169

Übernehmer des Landgutes vor zu hohen Abfindungszahlungen schützen will, um den Fortbestand des Betriebs sicherzustellen. Wenn der Übernehmer aber bereits mit Hilfe seines privaten Vermögens in der Lage ist, die wei­ chenden Miterben auch nach dem Verkehrswert abzufinden, sei eine solche Privilegierung aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht zu rechtfertigen.478 Dieser Forderung ist jedoch entgegenzuhalten, dass dies in Bezug auf die Bestimmung der Vermögensgrenze, ab der keine Bedürftigkeit mehr besteht, in der Praxis zu Schwierigkeiten führen kann.479 Darüber hinaus ist Zweck der Privilegierung der §§ 2049, 2312 BGB die Erhaltung von leistungsfähi­ gen Betrieben in bäuerlichen Familien. Dieser Zweck besteht jedoch unab­ hängig vom Eigenvermögen des Erblassers.480 Schließlich ist für die Privi­ legierung des Landgutübernehmers durch die Ertragswertberechnung darauf abzustellen, ob der Erblasser diese will, nicht ob der Übernehmer sie braucht.481 Aus diesem Grund ist für die Privilegierung weder im Rahmen von § 2312 BGB noch von § 2049 Abs. 1 BGB an den Landgutübernehmer subjektiv die Anforderung der Bedürftigkeit zu stellen. ee) Maßgeblicher Zeitpunkt Für die Privilegierung nach §§ 2049, 2312 BGB ist es maßgeblich, dass die beschriebenen Voraussetzungen im Zeitpunkt des Erbfalls erfüllt sind.482 Allerdings kann auch Verhalten des Übernehmers nach dem Erbfall berück­ sichtigt werden, wenn dieses den Rückschluss zulässt, dass eine Fortführung des landwirtschaftlichen Betriebs im Zeitpunkt des Erbfalls nicht möglich oder beabsichtigt war.483 Auf der anderen Seite kann auch eine fehlende Landguteigenschaft im Zeitpunkt des Erbfalls dann überwunden werden, wenn nach den Umständen damit zu rechnen ist, dass der Betrieb innerhalb angemessener Zeit wieder aufgenommen wird.484 Hierdurch soll gewährleis­ tet werden, dass bei der Privilegierung des Landgutübernehmers im Verhält­ nis zu den übrigen Erben in jedem Fall die mögliche und beabsichtigte Fortführung des Betriebs im Mittelpunkt steht und für die Beurteilung maß­ geblich bleibt.

478  MüKoBGB/Lange,

§ 2312 Rn. 18. Landwirtschaftserbrecht, § 2049 BGB Rn. 65. 480  Soergel/Dieckmann, § 2312 Rn. 12; Staudinger/Haas (2006), § 2312 Rn. 17. 481  Spellenberg, in: FS für Münkner, S. 371 (379). 482  Wöhrmann/Graß, Landwirtschaftserbrecht, § 2049 BGB Rn. 34. 483  BGH NJW 1964, 1414 (1416); BGH FamRZ 1977, 195 (196). 484  Hausmann/Hohloch/Hausmann/Hausmann, Handbuch des Erbrechts, Kap. 24 Rn. 39. 479  Wöhrmann/Graß,

170

D. Vererbung landwirtschaftlicher Betriebe

b) Privilegierte Übernahme durch verringerte Ansprüche der weichenden Miterben und Pflichtteilsberechtigten Sind die beschriebenen Anforderungen an Betrieb und Übernehmer erfüllt und hat der Erblasser eine Übernahmeanordnung i.  S.  v. §§ 2048, 2049 Abs. 1 BGB getroffen, hat dies zur Folge, dass das Landgut im Zweifel mit dem Ertragswert anzusetzen ist. Das bedeutet, dass für den Wert des Land­ gutes in erster Linie auf die Anordnung des Erblassers abzustellen ist. Dieser kann im Rahmen einer letztwilligen Verfügung im Zusammenhang mit der Übernahmeanordnung einen vom Ertragswert abweichenden geringeren Wert für das Landgut ansetzen. Dieser muss jedoch zwischen dem Ertrags- und dem Verkehrswert liegen.485 Ein niedrigerer Wertansatz ist nicht möglich. Hat der Erblasser eine solche Anordnung nicht getroffen, ist gemäß § 2049 Abs. 1 BGB im Zweifel davon auszugehen, dass das nachlasszugehörige Landgut zum Ertrags- statt wie üblich zum Verkehrswert angesetzt werden soll. § 2049 Abs. 1 BGB ist somit eine Auslegungsregel für den Wertansatz des Landgutes, die gilt, wenn kein anderer Wille des Erblassers erkennbar ist und durch den Nachweis eines anderen Willen des Erblassers entkräftet werden kann.486 Hin­ gegen ist § 2049 Abs. 1 BGB nicht auf die Zuweisung des Landgutes an einen Miterben im Rahmen einer Erbauseinandersetzungsvereinbarung ohne letzt­ willige Übernahmeanordnung in Bezug auf das Landgut anwendbar, sodass das Landgut in diesen Fällen zum Verkehrswert anzusetzen ist.487 Wenn der Erblasser die übrigen gesetzlichen Erben unberücksichtigt gelas­ sen hat oder ihnen einen Anteil zukommen lassen hat, der unterhalb des Pflichtteilsanspruchs liegt, ist gemäß § 2312 BGB in Bezug auf das Landgut ebenfalls der Ertragswert für die Berechnung des Pflichtteils maßgeblich. Der geringere Wertansatz bei § 2049 BGB dient wie auch in der Höfeord­ nung und den landesrechtlichen Anerbengesetzen der Erhaltung des Land­ gutes im Erbgang, indem die Übernahmelast für den Landgutübernehmer verringert wird. Im Gegensatz zu § 12 ­HöfeO wird dies jedoch nicht über einen rechtlich selbstständigen Abfindungsanspruch der weichenden Miter­ ben gegen den Hoferben erreicht. Vielmehr werden die den Erbberechtigten zustehenden Ansprüche auf Auszahlung des Auseinandersetzungsguthabens nach § 2047 BGB beziehungsweise den Pflichtteilsberechtigten auf Zahlung des Pflichtteils nach § 2303 BGB in Bezug auf das Landgut auf Grundlage eines geringeren Wertes berechnet.488 in: FS für Münkner, S. 371 (373). NJW 1964, 1323. 487  Lange, Erbrecht, § 99 Rn. 48. 488  Wöhrmann/Graß, Landwirtschaftserbrecht, § 2312 BGB Rn. 1; zudem verwei­ sen auch die §§ 1376 Abs. 4 BGB, und 1515 Abs. 2 BGB sowie § 16 Abs. 1 S. 2 485  Spellenberg, 486  BGH



III. Ansprüche der weichenden Miterben171

aa) Berechnung des Ertragswerts nach § 2049 Abs. 2 BGB, Art. 137  EGBGB Grundsätzlich wird im allgemeinen Erbrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs bei der Bewertung einzelner Nachlassgegenstände zur Berechnung der Ab­ findungs- und Pflichtteilshöhe auf den Verkehrswert, also den hypothetischen Verkaufserlös anhand des Sach- und Substanzwertes abgestellt.489 Dieser ver­hältnismäßig hohe Wertansatz steht in einem Spannungsverhältnis zum Ziel des BGB-Landguterbrechts, den Betrieb ungeteilt im Eigentum der Fa­ milie zu erhalten. Aus diesem Grund werden die genannten Ansprüche im Rahmen der Bewertung von Landgütern ausnahmsweise am Ertragswert, allgemein ausgedrückt also daran, was der Betrieb zu erwirtschaften in der Lage ist, bemessen:490 Dabei bestimmt die Teildefinition in § 2049 Abs. 2 BGB zunächst, dass sich der Ertragswert nach dem Reinertrag bestimmt, den das Landgut nach seiner bisherigen wirtschaftlichen Bestimmung bei ordnungsgemäßer Bewirt­ schaftung nachhaltig gewähren kann. Beim Reinertrag handelt es sich um den Überschuss über den Rohertrag, der dem Landwirt nach Abzugs aller Kosten und nach angemessener Entlohnung der betriebsnotwendigen Arbeits­ kräfte verbleibt und der bei ordnungsgemäßer Bewirtschaftung auch in Zu­ kunft erzielt werden kann.491 Ausgangspunkt für die Ermittlung des Reinertrags ist der Rohertrag, wel­ cher alle landwirtschaftlichen Betriebseinnahmen, den Wert von Naturalent­ nahmen sowie den Nutzungswert der Wohnung umfasst.492 Von diesem Be­ trag werden zunächst als Aufwand landwirtschaftliche Betriebsausgaben ab­ gezogen.493 Danach sind zudem gezahlte Fremdlöhne sowie die Löhne für den Betriebsleiter und die Familienarbeitskräfte in Abzug zu bringen.494 Im Ergebnis ist der Reinertrag – und somit auch der Ertragswert – des Hofes somit nach betriebswirtschaftlichen Kriterien zu ermitteln. Der Er­ GrdstVG auf § 2049 BGB, sodass auch im Rahmen dieser Vorschriften Landgüter zum Ertragswert anzusetzen sind. 489  Da der Verkehrswert in der Praxis oft schwer zu bestimmen ist, ist er gemäß § 2311 Abs. 2 S. 1 BGB, soweit erforderlich, durch Schätzung zu ermitteln. 490  An dieser Stelle sollen lediglich die Grundzüge der Ertragswertberechnung und die wichtigsten Problemfelder bei der Berechnung aufgezeigt werden. Für eine detail­ liertere Erläuterung etwa Müller-Feldhammer, ZEV 1995, 161 und Köhne, AgrarR 1984, 57. 491  Müller-Feldhammer, ZEV 1995, 161 (163). 492  Hausmann, Die Vererbung von Landgütern nach dem BGB, S. 185. 493  Hausmann, Die Vererbung von Landgütern nach dem BGB, S. 185. 494  Hausmann, Die Vererbung von Landgütern nach dem BGB, S. 185.

172

D. Vererbung landwirtschaftlicher Betriebe

tragswert ist im Gegensatz zum steuerlichen Einheitswert in der Höfeordnung konkret und individuell, da bei seiner Bestimmung von den tatsächlichen Ertragsbedingungen des jeweiligen Betriebs ausgegangen wird.495 Da eine „konkrete, individuelle und aktuelle Ermittlung“496 des Ertragswertes erfol­ gen soll, ist nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ein Rückgriff auf den steuerlichen Einheitswert wie etwa in der Höfeordnung nicht mög­ lich. Zur Feststellung des Ertragswertes ist in der Regel ein Sachverständi­ gengutachten erforderlich.497 Hierdurch ist im Rahmen der Höfeordnung keine unbestreitbare und sichere Ertragswertbestimmung möglich, da sich die festgestellten Werte in verschiedenen Gutachten unterscheiden können. Die Bewertung des landwirtschaftlichen Betriebs erfolgt stichtagsbezogen mit dem Zeitpunkt des Todesfalls des Erblassers, sodass Veränderungen des Ertragswertes nach diesem Zeitpunkt bei der Berechnung nicht zu berück­ sichtigen sind.498 Im Rahmen dieser vom Bundesgesetzgeber in § 2049 Abs. 2 BGB vorge­ gebenen Kriterien liegt die Kompetenz zur Festlegung des zur Ertragswertbe­ stimmung erforderlichen Kapitalisierungsfaktors, mit dem der Reinertrag zu multiplizieren ist, gemäß Art. 137 EGBGB beim Landesgesetzgeber. Es handelt sich daher bei § 2049 Abs. 2 BGB um eine unvollkommene Bewer­ tungsanweisung.499 Von den Bundesländern wurden Kapitalisierungsfaktoren zwischen 17 und 25 festgelegt, sodass der für die Ansprüche der übrigen Erben zugrunde zulegende Ertragswert theoretisch innerhalb von 17–25 Jah­ ren auf dem Betrieb erwirtschaftet werden kann.500 Die Bewertungsvorschrift des Art. 137 EGBGB wurde in das EGBGB aufgenommen, nachdem im Rahmen der Verhandlungen der Zweiten Kommission die Bestrebungen zur Regelung eines Anerbenrechts im Bürgerlichen Gesetzbuch scheiterten und man sich zumindest für die Möglichkeit der Übernahme zum Ertragswert gemäß § 2049 Abs. 2 BGB entschied.501 In Bezug auf die Bewertung von Landgütern wurde hier zunächst der Antrag gestellt, als Ertragswert jeweils das 25-fache des jährlichen Reinertrags anzusetzen.502 Dieser Antrag wurde jedoch von der Kommission mit der Begründung abgelehnt, dass die Verhält­ nisse in Deutschland für eine einheitliche Bewertung von Landgütern zu verschieden seien, weshalb man sich dafür entschied, den Landesgesetzge­ 495  BVerfG

NJW 1988, 2723. NJW 1988, 2723 (2724). 497  MAH AgrarR/v. Garmissen, § 11 Rn. 146. 498  Zechiel, Die „Ertragswertklausel“ in der bayerischen Notariatspraxis, S. 179. 499  BVerfG NJW 1988, 2723. 500  Spellenberg, in: FS für Münkner, S. 371 (373). 501  Mugdan, Materialien zum BGB I, S. 186. 502  Mugdan, Materialien zum BGB I, S. 186. 496  BVerfG



III. Ansprüche der weichenden Miterben173

bern bei der Festlegung der Berechnung einen weitgehenden Spielraum zu überlassen.503 Problematisch wird die Bewertung des Betriebs nach dem beschriebenen Vorgehen, wenn dieser einen negativen Reinertrag aufweist. Wird durch das Landgut kein positiver Reinertrag erwirtschaftet, kann sich durch Multiplika­ tion mit einem Kapitalisierungsfaktor auch kein positiver Ertragswert erge­ ben. Dies würde dazu führen, dass die Erben und Pflichtteilsberechtigten bei der Erbauseinandersetzung gar nicht monetär am Betrieb beteiligt würden. Dieses Problem ist in der Praxis sehr relevant, weil mehr als die Hälfte aller Betriebe einen negativen Reinertrag aufweist, wenn die Vergleichslöhne für fremd entlohnte Betriebsleiter und Fachkräfte bei der Ermittlung des Rein­ ertrags zugrunde gelegt werden.504 Es bestehen für diese Fälle verschiedene Ansätze, um dennoch zu einem positiven Reinertrag zu gelangen, der dann zur Ertragswertberechnung herangezogen werden kann.505 Es wird etwa vor­ geschlagen, die Lohnansätze für die Betriebsinhaber auf ein marktübliches Vergütungsniveau herabzusetzen, um so zu einem höheren Reinertrag zu ge­ langen.506 Eine weitere Möglichkeit ist es, einzelne Teile des Landgutes, insbesondere das Wohnhaus, aus der Bewertung herauszunehmen und mit dem Verkehrswert anzusetzen.507 Schließlich wird angeregt, in den beschrie­ benen Konstellationen die Abfindung nicht anhand des Reinertrags, sondern anhand der erzielbaren Nettopacht bei einer angenommenen Verpachtung des Landgutes zu bemessen.508 In der Literatur wird teilweise anmerkt, dass es nicht angebracht sei, für die Fälle negativer Reinerträge überhaupt nach alternativen Berechnungsme­ thoden zu suchen, weil in diesen Konstellationen die Leistungsfähigkeit und damit auch die Schutzwürdigkeit des Betriebs in Gänze zu verneinen sei.509 Daher seien die Betriebe in diesen Fällen mit dem Verkehrswert anzusetzen. Da jedoch über die Hälfte aller Betriebe einen negativen Reinertrag aufwei­ sen, ist es zu pauschal, allen Betrieben ohne weitere Differenzierung die Privilegierung zu entziehen. Vielmehr ist nach den Ursachen für den negati­ ven Reinertrag zu unterscheiden.510 Rührt dieser daher, dass die Kosten von Materialien zum BGB I, S. 187. AgrarR 1984, 57 (62). 505  Diese Ansätze sind ausführlich aufgeführt bei Hausmann, Die Vererbung land­ wirtschaftlicher Betriebe nach dem BGB, S. 194. 506  Köhne, AgrarR 1984, 57 (62). 507  OLG Nürnberg RdL 1971, 38 (40). 508  Köhne, AgrarR 1982, 29 (35). 509  Mönig, Das landwirtschaftliche Sondererbrecht im Lichte von Verfassung und Rechtspolitik, S. 208; Hausmann, Die Bewertung von Landgütern nach dem BGB, S. 203. 510  So auch Kempfler, ZEV 2011, 337 (340). 503  Mugdan, 504  Köhne,

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D. Vererbung landwirtschaftlicher Betriebe

Arbeitskräften zu hoch angesetzt wurden, etwa um hohe Abfindungen oder Pflichtteilsansprüche zu vermeiden, können diese Werte bei der Ermittlung des Reinertrags über das Merkmal der „ordnungsgemäßen Bewirtschaftung“ korrigiert werden, um so zu einem positiven Reinertrag zu gelangen.511 Wenn sich der Betriebsinhaber im konkreten Fall mit einem geringeren Einkommen zufriedengibt, um den Betrieb fortzuführen, sind auch in diesen Fällen eine Privilegierung und damit verhältnismäßig geringere Ansprüche der übrigen Erben und Pflichtteilsberechtigten gerechtfertigt.512 Wenn sich jedoch auch durch die beschriebene Korrektur durch Unterstellung einer ordnungsgemä­ ßen Bewirtschaftung ein negativer Reinertrag ergibt, sind weitere von der Literatur vorgeschlagene Korrekturen durch Ansatz bestimmter Positionen zum Verkehrswert nicht gerechtfertigt, weil der Normzweck der §§ 2049, 2312 BGB nicht mehr erreicht werden kann.513 Vielmehr ist in diesen Fällen davon auszugehen, dass das Landgut nicht leistungsfähig ist und deshalb auch nicht privilegierungswürdig im Sinne des BGB-Landguterbrechts ist. bb) Grenzfälle bei der Ertragswertprivilegierung Da das BGB-Landguterbrecht ausdrücklich keinen Nachabfindungsan­ spruch regelt, ist es hier umso bedeutsamer, dass bei der Ermittlung des Übernahmewerts streng getrennt wird zwischen solchen Bestandteilen des Landgutes, die zum verminderten Ertragswert nach §§ 2049, 2312 BGB an­ zusetzen sind, und solchen, die mit dem Verkehrswert nach § 2311 BGB anzusetzen sind.514 Wie bereits erläutert, bestimmt sich die Zugehörigkeit zum Landgut zum einen durch die Widmung des Landguteigentümers und zum anderen durch eine funktionale Betrachtungsweise. Aus diesem Grund können Teile des Landguts, die nicht dem Betreiben der Landwirtschaft die­ nen, zwar von der Übernahmeanordnung umfasst sein, aber im Rahmen der Bewertung dennoch mit dem Verkehrswert anzusetzen sein. Dies entspricht auch dem Normzweck der §§ 2049, 2312 BGB, der in der Erhaltung land­ wirtschaftlicher Betriebe in bäuerlichen Familien liegt: Es sollen auf Kosten der weichenden Miterben nur diejenigen Betriebsteile mit einem niedrigeren Wert angesetzt werden dürfen, die zur Bewirtschaftung des Landgutes erfor­ derlich sind.515

Die Bewertung von Landgütern nach dem BGB, S. 195. ZEV 2011, 337 (340). 513  Hausmann, Die Bewertung von Landgütern nach dem BGB, S. 195. 514  Zu der Problematik der nicht geregelten Nachabfindungsansprüche im BGBLandguterbrecht ausführlich auf S. 248 ff. 515  Hausmann, Die Vererbung von Landgütern nach dem BGB, S. 149. 511  Hausmann, 512  Kempfler,



III. Ansprüche der weichenden Miterben175

(1) Wohnhaus Das Wohnhaus des Betriebsinhabers ist, sofern es von ihm und seiner Fa­ milie selbst genutzt wird, Bestandteil des Landgutes und daher ebenfalls zum Ertragswert anzusetzen.516 Ausgenommen von der Ertragswertprivilegierung sind unter Zugrundelegung des landwirtschaftserbrechtlichen Zwecks solche Wohnhäuser, deren Wert nicht in einer angemessenen Relation zum Ertrags­ wert des landwirtschaftlichen Betriebs stehen oder fremdvermietete abgrenz­ bare Wohnungen in dem Haus.517 Geht man mit der Literatur davon aus, dass ein Wohnhaus nicht mehr zwingend zur Feststellung der Landguteigenschaft erforderlich ist518, ist in der Konsequenz die Frage zu stellen, ob der Betriebsinhaber das Wohnhaus auch weiterhin zu privilegierten Bedingungen erhalten soll. Es wird hier etwa angeregt, bei der Bewertung wie im Steuerrecht zwischen Betriebs- und Privatvermögen zu differenzieren.519 Dann wäre das Wohnhaus mit dem Ver­ kehrswert oder jedenfalls wie derzeit im Bewertungsrecht nach § 47 in Ver­ bindung mit §§ 78–82 BewG mit dem Mietwert anzusetzen.520 (2) Pachtland Im Jahr 2016 hatten insgesamt fast 75 % der Betriebe Flächen zugepach­ tet.521 Dabei lag der Pachtanteil bei den landwirtschaftlich genutzten Flächen bei insgesamt 58,5 %.522 Die Frage nach der rechtlichen Behandlung von Zupachtflächen ist daher ein in der Praxis bedeutsames Thema. Wie bereits erläutert, findet das Pachtland auch bei der Beurteilung des Vorliegens eines Landgutes Beachtung. Aus diesem Grund ist es auch im Rahmen der Ertrags­ wertberechnung zu berücksichtigen. Da jedoch mit dem Erbfall nicht die Substanz an den gepachteten Flächen übergeht, sondern nur das schuldrecht­ liche Nutzungsrecht aus dem Pachtvertrag, ist auch nur dieses im Rahmen 516  Staudinger/Mittelstädt, Art. 137 EGBGB Rn. 24; etwa Zechiel ist der Auffas­ sung, dass das Wohnhaus nur dann zum Ertragswert angesetzt werden kann, wenn man auch der Auffassung folgt, dass zum Landgut notwendig auch das Bestehen von Wohngebäuden erforderlich ist, vgl. Zechiel, Die „Ertragswertklausel“ in der bayeri­ schen Notariatspraxis, S. 143. 517  Hausmann, Die Vererbung von Landgütern nach dem BGB, S. 150. 518  Vgl. zu dieser Diskussion S. 158. 519  Hausmann, Die Vererbung von Landgütern nach dem BGB, S. 307. 520  Hausmann, Die Vererbung von Landgütern nach dem BGB, S. 307. 521  Statistisches Jahrbuch für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten 2020, Tab. 17, S. 29. 522  Statistisches Jahrbuch für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten 2020, Tab. 17, S. 29.

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D. Vererbung landwirtschaftlicher Betriebe

des Ertragswertes zu berücksichtigen. Hierbei wird ausnahmsweise nicht auf die mit den jeweiligen Kapitalisierungsfaktoren multiplizierten Reinerträge abgestellt, sondern auf den Wert des Nutzungsrechts nach der tatsächlichen vertraglichen Laufzeit.523 Verpachtete Flächen können auch dann zum Ertragswert angesetzt werden, wenn sie zu landwirtschaftlichen Zwecken verpachtet wurden und eine künf­ tige Eigennutzung der Grundflächen möglich und gewollt ist.524 Zu gewerb­ lichen Zwecken verpachtete Flächen sind nach der ratio legis hingegen mit dem Verkehrswert anzusetzen. (3) Gewerblich genutzte Betriebsteile Bei der Nutzung landwirtschaftlicher Flächen zu gewerblichen Zwecken – etwa zur Gewinnung regenerativer Energien, die nicht im Betrieb eingesetzt werden – ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sich die Übernahmean­ ordnung des Erblassers i. S. v. §§ 2048, 2049 BGB jeweils auch auf diesen gewerblichen Betriebsteil bezieht, da eine Trennung beider Teile im Erbgang in der Regel einen Wertverlust mit sich bringt.525 Dies bedeutet aber nicht, dass die jeweiligen Betriebsteile auch mit dem Ertragswert anzusetzen sind. Vielmehr ist auch hier unter Zugrundelegung des landwirtschaftserbrecht­ lichen Zwecks danach zu differenzieren, ob es sich um eine gewerbliche Nutzung handelt oder ob der Nebenbetrieb wirtschaftlich dem landwirtschaft­ lichen Betrieb dient.526 Nur im letzteren Fall sind die Anlagen mit dem Er­ tragswert anzusetzen, im Übrigen erfolgt ein Ansatz zum Verkehrswert nach § 2311 BGB. (4) Bau- und Bauerwartungsland Aufgrund der Entwicklung von Städten und der Erschließung ländlicher Räume besteht in Stadtrandlagen ein erhöhter Flächenbedarf. Daher werden ursprünglich landwirtschaftlich genutzte Grundflächen nicht selten in Bau­ land umgewandelt. Eine Privilegierung der betroffenen Grundflächen durch Ansatz zum Ertragswert ist bei Bau- oder Bauerwartungsland nicht mehr gerechtfertigt.527 Da nicht sicher ist, dass diese Grundflächen dauerhaft im Verband des Betriebs bleiben, sind sie zur Wahrung der Rechte der übrigen Die Vererbung von Landgütern nach dem BGB, S. 155 und 194. Die Vererbung von Landgütern nach dem BGB, S. 155. 525  So Graß, AUR 2012, 365 (366) in Bezug auf regenerative Energieanlagen. 526  Zechiel, Die „Ertragswertklausel“ in der bayerischen Notariatspraxis, S. 174. 527  BGH NJW 1987, 1260. 523  Hausmann, 524  Hausmann,



III. Ansprüche der weichenden Miterben177

Erben und Pflichtteilsberechtigten zum Verkehrswert nach § 2311 BGB an­ zusetzen.528 Diese Begründung wird vom Bundesgerichtshof auch auf mög­ liche andere landwirtschaftsfremde Nutzungen der Grundstücke übertragen, etwa beim Vorliegen einer Genehmigung für den Abbau von Kiesvorkommen auf einzelnen Ackerflächen.529 Das bedeutet, dass sich das Übernahmerecht in Bezug auf das Landgut nach Auslegung der Übernahmeanordnung auch auf die genannten Betriebsteile beziehen kann. Allerdings ist bei solchen Betriebsteilen, in denen nicht mehr die landwirtschaftliche Nutzung im Vor­ dergrund steht, ein Ansatz mit dem Verkehrswert statt des Ertragswertes er­ forderlich.530 In Bezug auf Bauerwartungsland ist zu beachten, dass dieses zum Zeit­ punkt der Bewertung in der Regel noch landwirtschaftlich genutzt wird, aber durch seine Lage künftig als Bauland in Betracht kommt und dadurch bereits eine erhebliche Wertsteigerung erfährt. Insbesondere aufgrund stärkerer Aus­ dehnung von Städten und dem damit einhergehenden Grundstücksbedarf in Stadtrandlagen, wird diese Thematik vermehrt praxisrelevant. Auch die als Bauerwartungsland zu qualifizierenden Flächen wurden von der Rechtspre­ chung mit dem Verkehrswert angesetzt.531 In einer späteren Entscheidung begründet der Bundesgerichtshof anhand des Zwecks des BGB-Landguterb­ rechts, nämlich der Erhaltung leistungsfähiger landwirtschaftlicher Betriebe in der Hand einer vom Gesetz begünstigten Person, dass eine Privilegierung durch Ansatz der Flächen mit dem Ertragswert nur gerechtfertigt sei, wenn die baureifen Flächen aus dem Betrieb nicht ohne Gefährdung der Existenz des Betriebs herausgelöst werden könnten.532 In den Urteilen wird allerdings nicht genauer spezifiziert, ab wann es sich bei einem Grundstück um Bauerwartungsland handelt. Zum Teil wird in der Literatur darauf abgestellt, ob es wirtschaftlich vertretbar ist, die Grund­ stücke trotz ihres hohen Verkehrswertes weiterhin landwirtschaftlich zu nut­ zen.533 Da dieses Merkmal in der Praxis jedoch nur schwer bestimmbar ist und außerdem je nach Region und Flächenwert unterschiedlich zu beurteilen ist, ist eher die Auffassung zu bevorzugen, die darauf abstellt, wie wahr­ scheinlich eine Nutzungsänderung ist.534 Dies soll sich nach der kommunalen und regionalen Bauplanung richten.535 528  BGH

NJW 1987, 1260. AgrarR 1992, 133. 530  Graß, AUR 2012, 365 (366 f.). 531  BGH NJW 1967, 2410 (2411); BGH NJW 1987, 1260. 532  BGH NJW 1987, 1260 (1261). 533  Kegel, in: FS für Cohn, S. 85 (112). 534  Müller-Feldhammer, ZEV 1995, 161 (166). 535  Müller-Feldhammer, ZEV 1995, 161 (166). 529  BGH

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D. Vererbung landwirtschaftlicher Betriebe

Problematisch an den Grundsätzen der Rechtsprechung zum Verkehrswert­ ansatz von Bauerwartungsland ist, dass der Eigentümer durch den Ansatz des Verkehrswertes zum Verkauf der Flächen gedrängt werden könnte, obwohl er diese trotz hoher möglicher Einnahmen bei landwirtschaftsfremder Nutzung weiterhin noch landwirtschaftlich nutzen möchte. Es wird durch den Ansatz von Bauerwartungsland zum Verkehrswert „auf die Entscheidungsfreiheit des Eigentümers ein unangemessen starker Druck ausgeübt.“536 Der Bundesgerichtshof setzt in seiner Entscheidung zudem voraus, dass auch nach der Herauslösung der baureifen Grundstücke ein leistungsfähiger landwirtschaftlicher Betrieb erhalten bleibt.537 Wenn eine Herauslösung des Bauerwartungslandes hingegen nur unter Gefährdung der Existenz des Be­ triebs möglich ist, sei weiterhin der Ertragswert anzusetzen.538 Dass die Möglichkeit des Weiterbestandes in der Rechtsprechung für die Bewertung von Bauerwartungsland zum Verkehrswert zur Voraussetzung gemacht wird, ist in Hinblick auf den Normzweck der Erhaltung von landwirtschaftlichen Betrieben nachvollziehbar. Würde man diese Argumentation des Bundesge­ richtshofs jedoch auf die Spitze treiben, ließe sich auch vertreten, dass man zur stärkeren Gleichbehandlung der weichenden Erben mit dem Landgut­ übernehmer alle Teile des Landgutes mit dem Verkehrswert ansetzt bis auf einen Kern, der unbedingt zum Betrieb eines gerade noch leistungsfähigen Landgutes erforderlich ist. Es ist auf der anderen Seite jedoch auch zu be­ denken, dass der Bundesgerichtshof in seinen Urteilen lediglich ein Problem zu lösen versucht, das eigentlich in den nicht geregelten Nachabfindungsan­ sprüchen im BGB-Landguterbrecht wurzelt. Bestünde ein solcher Anspruch, könnte die Thematik der höheren Bewertung der Grundstücke schlichtweg auf den Zeitpunkt der tatsächlichen Veräußerung verlagert werden. Dann könnten die weichenden Erben und Pflichtteilsberechtigten im Rahmen des Nachabfindungsanspruchs am Verkehrswert des baureifen Grundstücks parti­ zipieren. (5) Zubehör Von der Ertragswertprivilegierung ist nur das betriebsnotwendige Zubehör, also das, was zur ordnungsgemäßen Fortführung eines landwirtschaftlichen

536  BGH

NJW 1967, 2410 (2411). NJW 1987, 1260 (1261). 538  Während in BGH NJW 1967 2410 (2411) vom Gericht wegen des starken Drucks, der durch diesen Wertansatz auf den Eigentümer ausgeübt werde, eine ge­ wisse Berichtigung des Wertes nach unten als möglich erachtet wurde, wurde eine solche Korrektur in BGH NJW 1987, 1260 (1262) ausgeschlossen. 537  BGH



III. Ansprüche der weichenden Miterben179

Betriebs erforderlich ist, erfasst.539 Alle Geräte und Viehbestände, die über dieses betriebsnotwendige Zubehör hinausgehen, können zwar vom Über­ nahmerecht umfasst sein, unterfallen aber nicht der Ertragswertprivilegierung und sind zum Verkehrswert anzusetzen.540 c) Ergebnis Im Rahmen des BGB-Landguterbrechts werden die besonderen Anforde­ rungen an ein Landgut erst auf der Ebene der Ansprüche der weichenden Miterben (zweite Säule) und nicht wie in den Anerbengesetzen bereits für die Bestimmung des Hoferben (erste Säule) relevant. Der Grund hierfür liegt darin, dass im BGB-Landguterbrecht im Gegensatz zur Höfeordnung zur Zuweisung des Betriebs eine Anordnung des Erblassers erforderlich ist, so­ dass die Privilegierung hier stets auf den Erblasserwillen zurückzuführen ist und daher an dieser Stelle nicht noch weitere Anforderungen an den Betrieb zu erfüllen sind. Da der Betrieb nach § 2049 Abs. 1 BGB im Zweifel jedoch auch ohne besondere Anordnung des Erblassers zu einem gegegnüber dem Verkehrswert erheblich geringeren Ertragswert anzusetzen ist, sind an dieser Stelle die vom Gesetz aufgestellten, aber in erster Linie durch die Rechtspre­ chung geprägten Anforderungen an ein Landgut und den Übernehmer zu er­ füllen.541 Da auch im BGB-Landguterbrecht die Abgrenzung zwischen privilegie­ rungswürdigen und nicht mehr privilegierungswürdigen Betrieben über oben beschriebenen Kriterien erfolgt, wäre hier eine präzisere gesetzliche Veranke­ rung der Tatbestandsvoraussetzungen – ähnlich wie im Anwendungsbereich der Anerbengesetze – angebracht. Jedenfalls sollte aber eine klarstellende Regelung in Bezug auf die Mindestleistungsfähigkeit des Betriebs542 sowie die subjektiven Anforderungen an den Betriebsübernehmer543 aufgenommen werden. Die Möglichkeit, dass die Länder unterschiedliche Kapitalisierungsfakto­ ren festlegen können, mit denen der festgestellte Reinertrag zur Ermittlung des Ertragswerts multipliziert wird, ermöglicht es, auch bei den deutschland­ weit geltenden Normen den jeweiligen örtlichen Gegebenheiten Rechnung zu tragen. Zudem ist positiv hervorzuheben, dass bei der Ertragswertberechnung betriebsindividuell darauf abgestellt wird, was bei einer ordnungsgemäßen Die Vererbung von Landgütern nach dem BGB, S. 157. Die Vererbung von Landgütern nach dem BGB, S. 157. 541  Siehe S. 157 ff. 542  Siehe S. 159 ff. 543  Siehe S. 166 ff. 539  Hausmann, 540  Hausmann,

180

D. Vererbung landwirtschaftlicher Betriebe

Betriebsführung durch den Betrieb erwirtschaftet werden kann. Dies dient dazu, einen Wert für den Hof festzustellen, der nicht davon abhängt, ob der Betrieb vor der Erbschaft besonders geschickt oder schlecht bewirtschaftet wurde.544 Allerdings ist zu beachten, dass es sich beim Ertragswert genau wie beim Einheitswert eigentlich um eine Fiktion und nicht um eine realitäts­ gerechte Bewertung handelt, da beim Ertragswert unterstellt wird, dass der aktuelle Reinertrag auch in den Folgejahren erwirtschaftet wird.545 Auf Grundlage der Bewertungsregelungen des BGB-Landguterbrechts ist eine Ermittlung des Ertragswertes über den Reinertrag allerdings in der Re­ gel kompliziert und bedarf häufig einer gutachterlichen Feststellung. Dies unterscheidet das BGB-Landguterbrecht von der nordwestdeutschen Höfe­ ordnung in seiner ursprünglichen Fassung, in der eine Wertfeststellung über den steuerlichen Einheitswert unkompliziert und gerade ohne ein Sachver­ ständigengutachten erfolgen können sollte.546 Dadurch wird die Feststellung des Ertragswerts nach den §§ 2049, 2312 BGB auch streitanfällig und ist mit höheren Kosten verbunden. Aufgrund der im BGB-Landguterbrecht nicht geregelten Nachabfindungsansprüche kommt es hier jedoch in besonderem Maße darauf an, dass die Anforderungen an Landgut und Übernehmer im Zeitpunkt des Erbfalls vorliegen und privilegierungswürdige Betriebe und Betriebsteile präzise von nicht privilegierungswürdigen abgegrenzt werden.

IV. Bedeutung der Zwecksetzungen für das landwirtschaftliche Sondererbrecht in der heutigen Zeit Wie in den vorangegangenen Ausführungen bereits deutlich geworden ist, hat sich die Situation der Landwirtschaft mit ihren wirtschaftlichen, techno­ logischen und politischen Rahmenbedingungen sowie ihrer gesellschaftlichen Bedeutung seit der Entstehung der einzelnen Gesetze stark verändert. Es soll daher nachfolgend diskutiert werden, inwieweit die einzelnen Begründungs­ ansätze des Bundesverfassungsgerichts noch auf die heutige Situation der Landwirtschaft passen und damit weiterhin tragfähig sind. Genau wie die Landwirtschaft sich fortentwickelt, ist auch der landwirtschaftserbrechtliche Zweck als Kriterium für Rahmenbedingungen schaffende Gesetze nicht ­statisch. Es geht daher nachfolgend um die Frage, ob die ursprünglichen ZEV 2007, 263 (265). Landwirtschaftserbrecht, § 2049 BGB Rn. 84. 546  Aufgrund des Urteils des BGH zu Zuschlägen wegen der veränderten Wertver­ hältnisse nach den unterbliebenen Hauptfeststellungen (BGH NJW 2001, 1726) ist die Wertermittlung jedoch auch im Rahmen der Höfeordnung nicht mehr so einfach wie intendiert. 544  Ruby,

545  Wöhrmann/Graß,



IV. Zwecksetzungen für das landwirtschaftliche Sondererbrecht181

Zwecksetzungen des landwirtschaftlichen Sondererbrechts nach wie vor ge­ eignet sind, um zu rechtfertigen, dass von den weichenden Miterben ein Sonderopfer zur Erhaltung des Betriebs als Einheit im Erbgang erbracht werden muss. Zudem soll beleuchtet werden, welche Aspekte als Rechtferti­ gung dazugekommen beziehungsweise weggefallen sind. Eine vollumfängliche Überprüfung der Aktualität jedes einzelnen Aspekts der Zwecksetzungen würde den Rahmen dieser Arbeit übersteigen. Es sollen jedoch die wesentlichen Gesichtspunkte, Entwicklungen und Tendenzen auf­ gezeigt und erörtert werden. Es ist zu beachten, dass die einzelnen Zweckset­ zungen dabei nicht isoliert voneinander stehen, sondern sich zum Teil auch bedingen und als Begründungsansätze für das landwirtschaftliche Erbrecht ineinander übergehen. Sie werden zur Übersichtlichkeit getrennt voneinander aufgeführt und diskutiert. Dies bedeutet jedoch keinesfalls, dass bestimmte Erwägungen nicht auch im Rahmen weiterer Normzwecke eine Rolle spielen. 1. Besonderheit der Landwirtschaft Als Begründung für die Privilegierung landwirtschaftlicher Betriebe im Erbgang wird vom Bundesverfassungsgericht zunächst vorgebracht, dass sich diese von anderen industriellen Betrieben vor allem durch ihre Bindung an Grund und Boden unterscheiden.547 In der Landwirtschaft seien die Grundflächen nicht nur Standort für die Produktion von Gütern, sondern selbst wesentlicher Produktionsfaktor.548 Da der Grund und Boden nicht ver­ mehrbar ist, würde landwirtschaftlichen Betrieben in ihrer Weiterentwicklung von Natur aus eine Schranke gesetzt. Es handele sich dabei um ein Betriebs­ risiko eigener Art, durch welches die Landwirtschaft nach Begründung der Gerichte in natürlicher und wirtschaftlicher Hinsicht gegenüber anderen Ge­ werbearten benachteiligt sei. Aus heutiger Sicht ist es aufgrund des agrar­ strukturellen Wandels und der damit einhergehenden vermehrten Verpachtung landwirtschaftlicher Flächen durch Betriebsaufgaben sowohl eine Weiterent­ wicklung bestehender Betriebe als auch ein Neuaufbau von Betrieben grund­ sätzlich möglich.549 Allerdings ist dies im Gegensatz zu gewerblichen Betrie­ ben nicht an jedem beliebigen Standort möglich, sondern hängt von der je­ weiligen Verfügbarkeit der Flächen ab.550 Somit ist die Situation für die Neubegründung oder Entwicklung von landwirtschaftlichen Betrieben im 547  BVerfGE

28, 227 (240); BVerfGE 67, 348 (367); BVerfGE 91, 346 (364). 28, 227 (240); BVerfGE 67, 348 (367); BVerfGE 91, 346 (364). 549  Mönig, Landwirtschaftliches Sondererbrecht im Lichte von Verfassungsrecht und Rechtspolitik, S. 110. 550  Mönig, Landwirtschaftliches Sondererbrecht im Lichte von Verfassungsrecht und Rechtspolitik, S. 110. 548  BVerfGE

182

D. Vererbung landwirtschaftlicher Betriebe

Gegensatz zu Gewerbebetrieben teilweise erschwert. Es besteht daher im Vergleich zu anderen Betriebsformen nach wie vor eine Sondersituation, so­ dass dieser Aspekt des landwirtschaftserbrechtlichen Zwecks nach wie vor aktuell ist und somit eine Sonderbehandlung landwirtschaftlicher Betriebe gegenüber Gewerbebetrieben zu rechtfertigen vermag.551 Weiterhin wurde vom Gericht vorgebracht, dass aufgrund der Nutzung des Bodens als Produktionsfaktor in der Landwirtschaft die Ertragswerte stärker von den Verkehrswerten abweichen als dies bei anderen Unternehmensfor­ men, die Grundflächen lediglich als Standort nutzen, der Fall ist.552 Diese Schere zwischen Ertrags- und Verkehrswert hat sich durch die stark anstei­ genden Verkehrswerte der Grundflächen in den letzten Jahren und Jahrzehn­ ten weiter vergrößert. Auf der anderen Seite hemmt jedoch der steigende Anteil zugepachteter Grundflächen553 den weiteren Anstieg der Differenz zwischen Ertrags- und Verkehrswert.554 Auch in Bezug auf die vom Bundesverfassungsgericht vorgebrachte stär­ kere innere Bindung von Landwirten an Grund und Boden555 ist auf den mittlerweile hohen Anteil an Pachtflächen zu verweisen: Im Jahr 2016 lag der Pachtanteil der landwirtschaftlich genutzten Flächen in Deutschland bei 58,5 % und damit bei über der Hälfte der landwirtschaftlich genutzten Flä­ chen.556 Hier wird von Mönig die Frage aufgeworfen, ob bei gepachteten Flächen ebenfalls eine derartig starke Bindung zu den Grundflächen besteht, wie bei Flächen, die seit Generationen von derselben Familie als Eigentums­ fläche bewirtschaftet wurden.557 551  Gegen eine unterschiedliche Behandlung von Gewerbebetrieben und landwirt­ schaftlichen Betrieben Ruby, ZEV 2006, 351 (355); Soergel/Stein, § 1922 Rn. 87; für eine erbrechtliche Gleichbehandlung von landwirtschaftlichen Betrieben und sonsti­ gen Betrieben in Familienbesitz wurde sich auch im Rahmen der Verhandlungen des 68. Dt. Juristentages mit einer großen Mehrheit von 71 Ja-Stimmen zu 4 Nein-Stim­ men und 12 Enthaltungen ausgesprochen, vgl. Bericht des 68. Dt. Juristentages, Bd. 2/2, Teil L, S. 302. 552  BVerfGE 28, 227 (240); BVerfGE 67, 348 (367); BVerfGE 91, 346 (364). 553  Der Pachtanteil in Deutschland seit 1991 von 53,3 % auf 58,5 % im Jahr ange­ stiegen ist. In den alten Bundesländern ist der Anteil der Pachtflächen in dieser Zeit­ spanne von 42,5 % auf 54,1 % gestiegen und in den neuen Bundesländern von 77,5 % auf 67,5 % hingegen gesunken, vgl. Statistisches Jahrbuch über Ernährung, Landwirt­ schaft und Forsten 2020, Tab. 17, S. 29. 554  Mönig, Landwirtschaftliches Sondererbrecht im Lichte von Verfassungsrecht und Rechtspolitik, S. 111. 555  BVerfGE 28, 227 (240); BVerfGE 67, 348 (367); BVerfGE 91, 346 (364). 556  Hierbei liegt der Pachtanteil in den neuen Bundesländern mit 67,5 % deutlich höher als in den alten Bundesländern mit 54,1 %, vgl. Statistisches Jahrbuch über Ernährung, Landwirtschaft und Forsten 2020, Tab. 17, S. 29. 557  Mönig, Landwirtschaftliches Sondererbrecht im Lichte von Verfassungsrecht und Rechtspolitik, S. 110.



IV. Zwecksetzungen für das landwirtschaftliche Sondererbrecht183

Darüber hinaus wird von Hausmann hinterfragt, inwieweit das Bild vom „Bauern auf seiner Scholle“558 heute noch dem gesetzgeberischen Leitbild entspricht. Eine starke ideelle Bindung dürfte ihrer Ansicht nach in gleicher Weise bei kleineren mittelständischen Betrieben feststellbar sein. Somit ist der Gesichtspunkt der starken Bindung an die Grundflächen isoliert betrach­ tet nicht mehr als Grundlage für den landwirtschaftserbrechtlichen Zweck geeignet. Darüber hinaus soll landwirtschaftlichen Betrieben nach der Begründung des Bundesverfassungsgerichts durch die Verringerung der Übernahmelast im Erbgang ein Ausgleich für die aus der Abhängigkeit von der Natur resul­ tierende Benachteiligung geboten werden.559 Dem hält Röthel entgegen, das aufgrund der höheren Produktivität infolge besserer Bewirtschaftungs- und Düngetechnik, höherem Anteil an technischem Betriebsvermögen wie etwa Maschinen sowie einem ohnehin hohen Pachtanteil diese Rechtfertigung heute nicht mehr derartig stark wirke.560 Die Schicksalskraft der Natur für die deutsche Landwirtschaft sei nicht wirkmächtiger als die Schicksalskraft der Weltkonjunktur für den Erfolg anderer Branchen. Gegen diese Argumen­ tation ist jedoch einzuwenden, dass durch die genannten Entwicklungen in der Landwirtschaft das Betriebsrisiko zwar verringert werden konnte, jedoch können auch die besten technischen Voraussetzungen und die beste Bewirt­ schaftungs- und Düngetechnik keine vollständige Absicherung gegen die Schicksalskraft der Natur bieten. Dies zeigt sich etwa an der Auswirkung der extremen Wetterlagen der vergangenen Jahre auf die landwirtschaftlichen Erträge.561 Zudem ist die Landwirtschaft neben den natürlichen Gegebenhei­ ten genauso sehr wie andere Branchen auch von der Weltkonjunktur abhän­ gig. Aus diesem Grund ist dieser Gesichtspunkt des landwirtschaftserbrecht­ lichen Zwecks insgesamt nach wie vor tragfähig. Somit ist im Ergebnis bezüglich der Besonderheit der Landwirtschaft als Begründungsansatz für die Privilegierung festzuhalten, dass einzelne As­ pekte, wie etwa die starke ideelle Bindung an den Betrieb, nicht schwerer wiegen als in anderen Branchen auch und demnach als Zweck der Privilegie­ rung nicht mehr aufrechterhalten werden können. Dennoch bestehen auch heute noch insbesondere aufgrund der stärkeren Abhängigkeit von den Grundflächen und der Natur Unterschiede zwischen einem landwirtschaft­ Die Vererbung von Landgütern nach dem BGB, S. 74. 28, 227 (240); BVerfGE 67, 348 (367); BVerfGE 91, 346 (364). 560  Röthel, in: Verhandlungen des 68. Dt. Juristentages 2010, Bd. 1, Teil A, S. 38. 561  So wurden beispielsweise durch den Dürresommer 2018 in Deutschland in der Getreideernte Erträge erzielt, die rund 21 % unter dem Durchschnitt der Jahre 2012 bis 2017 lagen, vgl. Situationsbericht 2018/19 des Deutschen Bauernverbandes, S. 166. 558  Hausmann, 559  BVerfGE

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D. Vererbung landwirtschaftlicher Betriebe

lichen Betrieb und einem anderen Gewerbebetrieb, die auch eine unterschied­ liche rechtliche Behandlung unter diesem Gesichtspunkt rechtfertigen. Somit ist die Zwecksetzung des landwirtschaftlichen Sondererbrechts unter dem Aspekt der besonderen Situation der Landwirtschaft auch heute noch aktuell. 2. Öffentliche Interessen an der Privilegierung landwirtschaftlicher Betriebe im Erbgang Weiterhin stellt sich die Frage, inwieweit die vom Bundesverfassungsge­ richt vorgebrachten öffentlichen Interessen an der Privilegierung landwirt­ schaftlicher Betriebe noch zeitgemäß sind. Es ist zu beachten, dass es keinen gesellschaftlichen Grundwert des „öffentlichen Interesses“ als solchen gibt.562 Vielmehr handelt es sich bei öffentlichen Interessen um von der Politik zu definierende Zielvorstellungen, welche die Interessen der Gesellschaft abbil­ den sollen.563 Aus diesem Grund unterliegt das öffentliche Interesse an der Betriebserhaltung aufgrund des Wandels der Interessen der Gesellschaft ebenfalls einem Wandel. Mönig führt als Beispiel hierfür die während der Beratungen zur Schaf­ fung des Bürgerlichen Gesetzbuchs vorgebrachten öffentlichen Interessen an:564 So habe man bei den Beratungen zur Erarbeitung des Bürgerlichen Gesetzbuchs und der Frage der Kodifikation eines Anerbenrechts im BGB die Bedeutung derartiger Regelungen für die „ganzen Staatseinrichtungen“565 und die „Erhaltung der Volkskraft“566 betont. Genau wie diese Gesichts­ punkte heute keine tragende Rolle mehr als Zwecke für die landwirtschaft­ lichen Sondergesetze spielen, können sich auch die in der Vergangenheit vom Bundesverfassungsgericht vorgebrachten Rechtfertigungen in ihrer Be­ deutung für das landwirtschaftliche Sondererbrecht verschoben haben.567 a) Öffentliches Interesse an der Erhaltung leistungsfähiger Höfe Die Abweichung von den allgemeinen erbrechtlichen Regelungen des bür­ gerlichen Rechts dient nach der Begründung des Bundesverfassungsgerichts 562  Begründungsansatz auch bei Wöhrmann/Graß, Landwirtschaftserbrecht, § 1 ­HöfeO Rn.  54. 563  Wöhrmann/Graß, Landwirtschaftserbrecht, § 1 H ­ öfeO Rn. 54. 564  Mönig, Landwirtschaftliches Sondererbrecht im Lichte von Verfassung und Rechtspolitik, S. 103. 565  Achilles/Gebhard/Spahn, Protokolle V, S. 854. 566  Achilles/Gebhard/Spahn, Protokolle V, S. 854. 567  Mönig, Landwirtschaftliches Sondererbrecht im Lichte von Verfassung und Rechtspolitik, S. 106.



IV. Zwecksetzungen für das landwirtschaftliche Sondererbrecht185

zunächst dem öffentlichen Interesse an der Erhaltung leistungsfähiger Hö­ fe.568 In den letzten Jahrzehnten hat sich die Agrarstruktur wegentwickelt von breit aufgestellten Haupterwerbsbetrieben hin zu kleineren Nebener­ werbsbetrieben einerseits und spezialisierten Haupterwerbsbetrieben anderer­ seits.569 Muscheler wendet ein, dass das Ziel der Erhaltung leistungsfähiger Höfe eigentlich nicht durch Gesetze geregelt werden sollte, sondern dass hier der Markt regulieren sollte, welche Höfe tatsächlich leistungsfähig sind und somit erhalten bleiben.570 Durch die Sondergesetze würden auch kleinere, möglicherweise unter anderen Umständen nicht mehr überlebensfähige Be­ triebe, weiterhin erhalten und so auch die Bodenmobilität ausgebremst. Ge­ gen diese Argumentation ist jedoch einzuwenden, dass aufgrund der strengen gesetzlichen Anforderungen für die erbrechtliche Privilegierung nicht klei­ nere Betriebe „künstlich am Leben gehalten“571 werden, sondern – wie die Darstellung gezeigt hat – nur solche Betriebe vor einer Zersplitterung ge­ schützt werden, die nach der gesetzlichen Wertung als schutzwürdig und überlebensfähig anzusehen sind. Die Zwecksetzung der Erhaltung leistungs­ fähiger Betriebe meint nicht nur die Erhaltung leistungsfähiger Großbetriebe. Ohne die landwirtschaftserbrechtlichen Sonderregelungen könnten viele kleinere Betriebe im Erbgang nicht mehr erhalten werden. Dies führt dazu, dass die Grundflächen von finanziell leistungsstarken – in der Regel größe­ ren – Höfen aufgekauft werden. Das führt im Ergebnis zu einer stärkeren Konzentration der Flächen in den Händen weniger Personen oder Betriebe. Dies widerspricht jedoch auch dem im agrarpolitischen Bericht aufgestellten Ziel einer ausgewogenen Agrarstruktur mit breit gestreutem Eigentum am Boden als „wesentliche Grundlage für eine nachhaltige, wirtschaftlich erfolg­ reiche und generationenübergreifend verantwortliche Landwirtschaft.“572 Teilweise wird in der Literatur das Kriterium der Leistungsfähigkeit in erster Linie auf die Produktion von Lebensmitteln reduziert, die insbesondere durch größere Betriebseinheiten erfolgt. Etwa Ruby führt ins Feld, dass durch die Existenz der Anerbenrechte eher darauf hingewirkt werde, dass Kleinst- und Nebenerwerbsbetriebe erhalten bleiben, obwohl die Ernährung der Bevölkerung vor allem über die Schaffung nachhaltig wirtschaftender 568  BVerfGE 15, 337 (342) (in Bezug auf die Höfeordnung); BVerfGE 67, 348 (in Bezug auf § 1376 Abs. 4 BGB i. V. m. § 2049 BGB); BVerfGE 91, 346 (in Bezug auf §§  13 ff. GrdstVG). 569  v. Garmissen, AUR 2020, 330 (331). 570  Muscheler, Erbrecht I, Rn. 968; so auch Köhne, AgrarR 1995, 321 (322); Röthel, in: Verhandlungen des 68. Dt. Juristentages 2010, Bd. 1, Teil A, S. 34; Ruby, ZEV 2006, 351 (355). 571  Röthel, in: Verhandlungen des 68. Dt. Juristentages 2010, Bd. 1, Teil A, S. 34. 572  Agrarpolitischer Bericht der Bundesregierung 2019, S. 13.

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D. Vererbung landwirtschaftlicher Betriebe

Großbetriebe gewährleistet werden kann.573 Nichtsdestotrotz bestimmt sich die Leistungsfähigkeit nach den im Rahmen dieser Arbeit beschriebenen Kriterien und kann demnach auch bei Nebenerwerbsbetrieben gegeben sein. Darüber hinaus ist zu betonen, dass die Leistung landwirtschaftlicher Be­ triebe nicht allein darin liegt, dass sie zur Produktion landwirtschaftlicher Erzeugnisse dienen, sondern darüber hinaus auch einen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Identifikationspunkt darstellen. So weist etwa der agrar­ politische Bericht der Bundesregierung darauf hin, dass die Verfügungsge­ walt über landwirtschaftliche Flächen Auswirkungen hat auf „die Wertschöp­ fung in der Region, auf die Produktionsstruktur und die Arbeitsplätze und das Engagement der Flächeneigentümer in den Dörfern und Gemeinden“.574 Das landwirtschaftliche Erbrecht dient damit auch der „sozialpolitischen Si­ cherung der bäuerlichen Landwirtschaft“575 und der Sozialstruktur, die mitt­ lerweile zu einem Großteil auch aus Nebenerwerbsbetrieben besteht. Die Leistungsfähigkeit von Betrieben sollte daher nicht nur unter dem Produkti­ vitätsaspekt, sondern auch unter den anderen genannten Aspekten verstanden werden. Somit hat das Ziel der Erhaltung leistungsfähiger Betriebe noch immer eine wichtige Bedeutung. Dies gilt für alle Betriebe, die nach der gesetzli­ chen Wertung der landwirtschaftlichen Sondererbrechte als leistungsfähig angesehen werden und nicht nur für wirtschaftlich leistungsfähige Großbe­ triebe. In einem derartig stark subventionierten Sektor wie der Landwirt­ schaft – wie von Muscheler angeregt576 – eine Regulierung der Leistungs­ fähigkeit durch den Markt einzufordern, erscheint nicht zielführend. Dies würde dazu führen, dass man mit Mitteln des landwirtschaftlichen Erbrechts den Agrarstrukturwandel hin zu größeren Betriebseinheiten vorantreibt. Es werden von rechtlicher Seite an landwirtschaftliche Betriebe bereits sehr viele Anforderungen gestellt, die insbesondere von kleineren Betrieben nur schwer erfüllt werden können und dadurch häufig in Betriebsaufgaben resul­ tieren. Daher sollte zumindest das landwirtschaftliche Sondererbrecht gerade auch in Hinblick auf kleinere Betriebe, die nach der gesetzlichen Wertung als leistungsfähig und damit erhaltungswürdig angesehen werden, dazu beitra­ gen, die derzeitigen landwirtschaftlichen Betriebsstrukturen zu erhalten.

ZEV 2006, 351 (355). Bericht der Bundesregierung 2019, S. 18. 575  Spellenberg, in: FS für Münkner, S. 371 (375). 576  Muscheler, Erbrecht I, Rn. 968. 573  Ruby,

574  Agrarpolitischer



IV. Zwecksetzungen für das landwirtschaftliche Sondererbrecht187

b) Agrarpolitisches Ziel der Sicherstellung der Bevölkerungsernährung Das agrarpolitische Ziel der Sicherstellung der Bevölkerungsernährung wurde vom Bundesverfassungsgericht als Zweck für das Landwirtschafts­ erbrecht in seiner Entscheidung aus dem Jahr 1963577 vorgebracht. Dieser Normzweck ist insbesondere vor dem Hintergrund der Nachkriegsjahre und der angespannten Ernährungslage in dieser Zeit zu betrachten. Für die briti­ sche Militärregierung war die Sicherstellung der Bevölkerungsernährung der wichtigste Gesichtspunkt bei der Einführung eines einheitlichen Anerben­ rechts in der Besatzungszone.578 Auch der Schutz der Betriebe vor Zersplit­ terung im Erbgang wurde als ein Mittel ausgemacht, um die Versorgung der Bevölkerung mit Agrarprodukten sicherzustellen. In den späteren Urteilen des Bundesverfassungsgerichts wurde die Sicherstellung der Bevölkerungs­ ernährung aufgrund der Normalisierung der Versorgungslage in Deutschland hingegen nicht mehr als Normzweck des Landwirtschaftserbrechts genannt. Insbesondere aufgrund von gesteigerter Produktivität, effizienter Flächennut­ zung aber auch dem Import von Lebensmitteln579 sowie einem europäischen Binnenmarkt kann die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln mitt­ lerweile sichergestellt werden. Der Gesichtspunkt der Bevölkerungsernährung könnte jedoch in der heuti­ gen Zeit in anderen Facetten als Normzweck relevant werden: Zum einen kann von rechtlicher Seite nur in Deutschland (sowie auf EU-Ebene) Einfluss auf die Anbau- und Produktionsbedingungen landwirtschaftlicher Erzeug­ nisse in Deutschland genommen werden. Daher dürfte noch immer ein Inte­ resse daran bestehen, statt Lebensmittelimporten aus dem Ausland (insbeson­ dere auch außerhalb der Europäischen Union) eine ausreichende Produktion in Deutschland sicherzustellen, da nur so Einfluss auf die rechtlichen Rah­ menbedingungen der Erzeugung genommen werden kann. Dabei ist insbe­ sondere bei Ackerbaubetrieben ein Zusammenhang zwischen der absoluten Betriebsgröße und dem durchschnittlichen Ertrag festzustellen,580 sodass sich 577  BVerfGE

15, 337 (342). hierzu auch die Ausführungen zur Entstehung der Höfeordnung in der Nachkriegszeit auf S. 41 ff. 579  Insgesamt lag der Selbstversorgungsgrad Deutschlands etwa bei Weizen, Kar­ toffeln, Zucker, Milch und Schweine- und Rindfleisch im Zeitraum 2019 und 2020 bei über 100 %, was bedeutet, dass die inländische Erzeugung über dem inländischen Verbrauch lag; bei anderen Produkten, wie etwa Obst, Gemüse oder Eiern, lag der Selbstversorgungsgrad hingegen deutlich unter 100  %, da hier der inländische ­Verbrauch über der inländischen Versorgung lag, vgl. Situationsbericht 2020/21 des Deutschen Bauernverbandes, S. 25. 580  Nachweis bei Seidel, Der fünfte Titel, S. 49 ff. 578  Siehe

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D. Vererbung landwirtschaftlicher Betriebe

die Geschlossenhaltung der Betriebe durch das Landwirtschaftserbrecht auf den Aspekt der Sicherstellung der Bevölkerungsernährung und einen Min­ destgrad an Selbstversorgung positiv auswirken dürfte. Zweitens steigt die Nachfrage nach regional angebauten und produzierten Agrarprodukten. So gaben in einer repräsentativen Bevölkerungsbefragung aus dem Jahr 2020 insgesamt 82 % der Befragten an, dass sie beim Einkauf Wert darauf legen, dass ein Produkt aus ihrer Region kommt.581 Dies gilt insbesondere für Obst, Gemüse, Milch, Eier sowie Brot und Fleischwaren, bei denen jeweils über 80 % der befragten Personen die Herkunft wichtig oder sehr wichtig ist.582 Auch die Bundesregierung betont im Agrarbericht 2019, dass regional erzeugte Lebensmittel und eine regional verankerte Pro­ duktion Ziel der agrarstrukturellen Entwicklung seien.583 Drittens ist in der heutigen Zeit nicht nur eine Versorgung der Bevölke­ rung mit Lebensmitteln von maßgeblicher Bedeutung. Vielmehr erfolgt durch den Anbau und die Verwertung landwirtschaftlicher Erzeugnisse sowie die Nutzung landwirtschaftlicher Flächen in der heutigen Zeit auch eine Versor­ gung der Bevölkerung mit regenerativen Energien sowie Treibstoffen aus nachwachsenden Rohstoffen. Auf diese Weise hat sie die entscheidende Rolle der Landwirtschaft verschoben von der Versorgung mit Lebensmitteln zu ei­ ner grundlegenden Versorgung, die auch Treibstoffe und Energie beinhal­ tet.584 Im Ergebnis hat das Kriterium der Sicherstellung der Bevölkerungser­ nährung im Laufe der Zeit somit einen Wandel erfahren. Während es in den Nachkriegsjahren vor allem darum ging, mit der geschlossenen Erhaltung der Betriebe zur schieren Bevölkerungsernährung beizutragen, geht es heute eher um eine Versorgung der Bevölkerung mit regionalen Agrarerzeugnissen, auf deren Produktionsbedingungen von rechtlicher Seite Einfluss genommen werden kann und zu denen neben Lebensmittel mittlerweile auch regenera­ tive Energien und Treibstoffe gezählt werden können. c) Familienerbrechtliches Ziel der Erhaltung landwirtschaftlicher Betriebe in bäuerlichen Familien Das familienerbrechtliche Ziel der Erhaltung landwirtschaftlicher Betriebe in bäuerlichen Familien wurde vom Bundesverfassungsgericht in allen Ent­ 581  Forsa-Umfrage

zur Ernährung in der Corona-Krise 2020, S. 7. zur Ernährung in der Corona-Krise 2020, S. 8. 583  Agrarpolitischer Bericht der Bundesregierung 2019, S. 13. 584  So auch Mönig, Landwirtschaftliches Sondererbrecht im Lichte von Rechtspoli­ tik und Verfassungsrecht, S. 107. 582  Forsa-Umfrage



IV. Zwecksetzungen für das landwirtschaftliche Sondererbrecht189

scheidungen zum landwirtschaftlichen Sondererbrecht als maßgebliches Kri­ terium genannt.585 Ursprünglich war es Ziel, die Betriebe in den bewirtschaf­ tenden Familien zu erhalten, da mit der ungeteilten Erhaltung des Betriebs im Familienkreis auch die Existenz und Zukunft der gesamten Familien ge­ sichert werden sollte. Gegen diesen Normzweck wird vonseiten der Literatur berechtigterweise eingewandt, dass eine Absicherung der bäuerlichen Familie und der Landwirte im Alter heutzutage nicht mehr in dem Maße über den landwirtschaftlichen Betrieb, auf dem die Familie gemeinsam arbeitet, er­ folgt, wie es in der Vergangenheit der Fall war.586 Dies ist etwa zurückzufüh­ ren auf die Alterssicherung der Landwirte wie auch die Tatsache, dass immer mehr Abkömmlinge Berufe außerhalb der Landwirtschaft ergreifen, aus de­ nen sie Einkünfte generieren. Dennoch ist die Absicherung von in der Land­ wirtschaft tätigen Personen aufgrund der geringen durchschnittlichen Alters­ renten auch jetzt noch abhängig von einer Unterstützung durch die bäuerliche Familie, etwa durch unentgeltliche Wohnrechte, Barrenten oder Pflege im Alter.587 Zudem wird in Bezug auf den Normzweck der Erhaltung der Betriebe in bäuerlichen Familien von Mönig kritisch hinterfragt, ob überhaupt ein Inter­ esse an der Erhaltung landwirtschaftlicher Betriebe gerade in bäuerlichen Familien bestehe, da die übrigen genannten Normzwecke auch von größeren Betrieben, die gerade keine Familienbetriebe sind, verwirklicht werden könn­ ten.588 Allerdings hebt etwa die Bundesregierung im Agrarbericht aus dem Jahr 2019 hervor, dass im Mittelpunkt der agrarstrukturellen Entwicklung familiengeführte Unternehmen stehen.589 Einer der Gründe hierfür könnte sein, dass familiengeführte Betriebe im Gegensatz zu reinen Agrarunterneh­ men auch gesellschaftlich und in lokalen Strukturen sowie in Bezug auf die Landschaftspflege wichtige Aufgaben übernehmen, die von Unternehmen nicht in gleicher Weise ausgefüllt werden könnten. Bei der Schaffung der Höfeordnung ging man nach den Begründungen zum amerikanischen Entwurf für ein landwirtschaftliches Sondererbrecht außerdem davon aus, dass ein Zusammenhang zwischen der Familiengebun­ 585  BVerfGE

15, 337 (342); BVerfGE 67, 348 (367); BVerfGE 91, 348 (361). in: Verhandlungen des 68. Dt. Juristentages, Bd. 1, Teil A, S. 33; Mu­ scheler konstatiert daher auch, dass es angesichts des gesellschaftlichen Wandels bäuerliche Familien in der skizzierten Form gar nicht mehr gebe, vgl. Muscheler, Erbrecht I, Rn. 968. 587  Redebeitrag Krüger, in: Verhandlungen des 68. Dt. Juristentages, Bd. 2, Teil L, S. 275. 588  So auch Mönig, Landwirtschaftliches Sondererbrecht im Lichte von Rechts­ politik und Verfassungsrecht, S. 108. 589  Agrarpolitischer Bericht der Bundesregierung 2019, S. 13. 586  Röthel,

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D. Vererbung landwirtschaftlicher Betriebe

denheit des Betriebs und der Ertragsleistung bestehe.590 Nur wenn die Be­ wirtschaftung über Jahre aufeinander abgestimmt sei und der Nachfolger den Betrieb von klein auf kenne, sei eine hohe Ertragserzielung möglich. Dies habe dadurch umso mehr Gewicht, dass sich in der Land- und Forstwirtschaft Arbeit häufig erst in der nachfolgenden Generation rentiere. An diesem Grundprinzip der generationenüberspannenden Bewirtschaftung in der Landund Forstwirtschaft hat sich auch durch den Agrarstrukturwandel nichts ge­ ändert, sodass er nach wie vor tragfähig ist. d) Öffentliches Interesse an der Erhaltung und Pflege der Kulturlandschaft In einer Stellungnahme des Bundesministers der Justiz wurde darauf hin­ gewiesen, dass über die genannten Kriterien hinaus ein Interesse an der Er­ haltung und Pflege der Kulturlandschaft ein übergeordnetes Ziel des land­ wirtschaftlichen Erbrechts sei.591 Dieser Begründungsansatz wurde vom Bundesverfassungsgericht in dem Beschluss nicht übernommen. Dennoch könnte dieses Kriterium von allen thematisierten Zwecksetzungen in der Vergangenheit am meisten an Bedeutung gewonnen haben und auch künftig weiter gewinnen. So wurde etwa in der Gesetzesbegründung zur Reform des Erbschaftssteuer- und Bewertungsrechts im Jahr 2008 darauf hingewiesen, dass durch Sonderregelungen für land- und forstwirtschaftliche Betriebe nicht nur eine Erhaltung der Betriebe aus ökonomischen Gründen bezweckt wird, sondern auch die zunehmend an Bedeutung gewinnenden Gründe des Umweltschutzes in den Fokus gerückt.592 In der Entscheidung zur Privile­ gierung des Betriebsvermögens bei der Erbschaftssteuer aus dem Jahr 2015 weist außerdem auch das Bundesverfassungsgericht darauf hin, dass die erbschafts- und schenkungssteuerliche Privilegierung landwirtschaftlicher Betriebe neben dem Schutz vor Liquiditätsentzug auch durch den von den Betrieben erbrachten ökologischen Beitrag legitimiert ist.593 Die Aufnahme des Umweltschutzes in neuere Gesetzesbegründungen sowie Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zeigt, dass sich hier eine Verschiebung in der Bedeutung der Zwecksetzungen abzeichnet. Bereits jetzt wird durch die Landwirtschaft „eine Fülle von Leistungen im Bereich der Landschaftspflege, des Umweltschutzes und der Produktion er­ neuerbarer Energien im öffentlichen Interesse erbracht.“594 So wird etwa in Die ­HöfeO vom 24. April 1947, S. 139. 67, 348 (358). 592  BT-Drucks. 16/7918, S. 23. 593  BVerfG NJW 2015, 303 (317). 594  Kempfler, ZEV 2011, 337 (342). 590  Kannewurf, 591  BVerfGE



IV. Zwecksetzungen für das landwirtschaftliche Sondererbrecht191

§ 5 Abs. 1 BNatSchG geregelt, dass bei Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege die besondere Bedeutung einer natur- und landschafts­ verträglichen Land- und Forstwirtschaft für die Erhaltung der Kultur- und Erholungslandschaft zu berücksichtigen ist. Damit steht der Normzweck der Erhaltung und Pflege der Kulturlandschaft beispielsweise auch im engen Zusammenhang mit der bereits thematisierten Produktion erneuerbarer Ener­ gien und Treibstoffen aus nachwachsenden Rohstoffen durch die Landwirt­ schaft.595 Nödl fordert daher „dem Wandel in den Wertigkeiten dieses öffentlichen Interesses von der Ökonomie hin zur Ökologie Rechnung zu tragen, damit ökologisch leistungsfähige Betriebe nicht aufgrund ihrer ökonomisch gerin­ geren Leistungsfähigkeit dem Strukturwandel zwangsläufig zum Opfer fal­ len.“596 Es wird daher künftig umso bedeutsamer werden, landwirtschaftliche Betriebe unabhängig von ihrer Größe oder ihrer wirtschaftlichen Leistungs­ fähigkeit als wichtige Akteure im Umweltschutz und der Erhaltung von Kulturlandschaften als Einheiten zu schützen. 3. Private Interessen an der Privilegierung landwirtschaftlicher Betriebe Das Bundesverfassungsgericht hat in seinen jüngsten Entscheidungen zum Landwirtschaftserbrecht zudem auf das private Interesse des Hofeigentümers abgestellt, den Hof in der Familie zu erhalten, indem er mithilfe des land­ wirtschaftlichen Sondererbrechts geschlossen an einen Nachfolger übergeben werden kann.597 Röthel ist der Auffassung, dass das private Interesse, den Hof in der Familie zu erhalten, angesichts des Bedeutungsverlustes des Be­ triebs für die Familie sowie die bestehende sozialversicherungsrechtliche Absicherung der Landwirte in der heutigen Zeit weitestgehend zu vernach­ lässigen sei.598 Ob die geschlossene Übergabe des Betriebs zur Erhaltung in der Familie noch immer als privates Interesse des Hofeigentümers besteht, lässt sich in erster Linie statistisch nachweisen. Die letzte bundesweite Untersuchung zu dieser Thematik ist eine Meinungsumfrage des Bundesjustizministeriums aus dem Jahr 1971, die ergab, dass sich 70 % der befragten Landwirte für die 595  So auch Mönig, Landwirtschaftliches Sondererbrecht im Lichte von Rechts­ politik und Verfassungsrecht, S. 107, der darauf hinweist, dass die Erfüllung dieser Aufgaben auch aufgrund der Staatszielbestimmung des Art. 20a GG im öffentlichen Interesse liegt. 596  Nödl, AgrarR 1996, 181 (182). 597  BVerfGE 91, 346 (360). 598  Röthel, in: Verhandlungen des 68. Dt. Juristentages 2010, Bd. 1, Teil A, S. 34.

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D. Vererbung landwirtschaftlicher Betriebe

ungeteilte Vererbung aussprachen.599 Allerdings ist diese Umfrage auch be­ reits ungefähr 50 Jahre alt, sodass davon auszugehen ist, dass ein Großteil der Betriebe bereits im Eigentum der nächsten oder übernächsten Generation steht. Somit ist die Umfrage nicht mehr repräsentativ für die Interessen der derzeitigen Hofeigentümer. Eine weitere Untersuchung wurde von Tykwer zur Hofnachfolge in Westfalen/Lippe für 1994/1995 durchgeführt. Hieraus ergibt sich, dass im Bereich Westfallen/Lippe 82 % der landwirtschaftlichen Haupterwerbsbetriebe und 73 % der landwirtschaftlichen Nebenerwerbsbe­ triebe durch Übergabevertrag an einen Rechtsnachfolger übergeben wur­ den.600 Auch hieraus kann gefolgert werden, dass die geschlossene Übergabe ein bedeutsames Interesse des Hofeigentümers ist. Allerdings ist auch diese Untersuchung mittlerweile ungefähr 25 Jahre alt und bezieht sich zudem auf ein Gebiet, in dem die geschlossene Übergabe des Betriebs in der landwirt­ schaftlichen Bevölkerung verwurzelt ist.601 Aus diesem Grund ist auch diese Statistik nicht repräsentativ für die Hofübergabe in der gesamten Bundesre­ publik Deutschland im Jahr 2022. Aktuelle Umfragen zur Einstellung der Betriebsinhaber zur geschlossenen Übergabe ihrer Betriebe gibt es nicht. Beispielsweise Mönig geht jedoch davon aus, dass zumindest in Gebieten mit anerbenrechtlicher Tradition auch heute noch die geschlossene Übergabe des Betriebs mutmaßlicher Wille des Hofeigentümers ist und somit als priva­ tes Interesse fortbesteht.602 Eine entscheidende Rolle dürfte hier auch die Tatsache spielen, dass zwar eine sozialversicherungsrechtliche Absicherung der Landwirte besteht, insbesondere die Altersabsicherung aufgrund der ge­ ringen durchschnittlichen Altersrente noch immer maßgeblich über die bäu­ erliche Familie durch unentgeltliche Wohnrechte, Barrenten oder Pflege im Alter erfolgt.603 Aus diesem Grund spricht viel dafür, das private Interesse der Hofeigen­ tümer an einer geschlossenen Betriebsübergabe als immer noch zeitgemäßen Gesichtspunkt des landwirtschaftserbrechtlichen Zwecks anzusehen. Als Nachweis hierfür ist allerdings eine aktuelle Meinungsumfrage in den betrof­ fenen Kreisen erforderlich.

599  Stöcker, AgrarR 1972, 341 (343); auf diese Umfrage wird auch Bezug genom­ men in BT-Drucks. 7/1443, S. 14 zur Änderung der Höfeordnung. 600  Tykwer, Hofnachfolge in Westfalen/Lippe, S. 101. 601  Hierzu auch die Ausführungen zu den Vererbungsgewohnheiten in Westfalen bei Tykwer, Hofnachfolge in Westfalen/Lippe, S. 65 ff. 602  Mönig, Landwirtschaftliches Sondererbrecht im Lichte von Verfassungsrecht und Rechtspolitik, S. 109. 603  Redebeitrag Krüger, in: Verhandlungen des 68. Dt. Juristentages, Bd. 2/2, Teil L, S. 275.



IV. Zwecksetzungen für das landwirtschaftliche Sondererbrecht193

4. Ergebnis Die eingangs erläuterten Zwecksetzungen können im Ergebnis daher mit Anpassungen und leichten Bedeutungsverschiebungen als nach wie vor ak­ tuell angesehen werden: Die Landwirtschaft sieht sich gegenüber anderen Gewerbebetrieben aufgrund der starken Abhängigkeit von Grund und Boden sowie der Natur mit einer besonderen Situation konfrontiert, die eine beson­ dere rechtliche Behandlung rechtfertigt. Auch öffentliche Interessen an der ungeteilten Erhaltung von landwirtschaftlichen Betrieben bestehen fort. Den Betrieben kommt weiterhin Bedeutung zu bei der Erzeugung (regionaler) Agrarprodukte und dem Erhalt von lokalen gesellschaftlichen und ökologi­ schen Strukturen. Zudem wächst im Rahmen der öffentlichen Interessen auch die Relevanz der Höfe auf dem Gebiet der Produktion von regenerativen Energien und Treibstoffen aus nachwachsenden Rohstoffen sowie dem Um­ weltschutz und der Kulturlandpflege insgesamt.

E. Ansprüche der weichenden Miterben bei nachträglichem Wegfall der Privilegierungsgründe Zweck der landwirtschaftlichen Sondererbrechte ist die Sicherstellung der ungeteilten Erhaltung des Hofes im Erbgang. Dieses Ziel wird in den einzel­ nen Gesetzen wie bereits dargelegt in erster Linie durch die Übernahme des Hofes von nur einer Person sowie die verringerten Ansprüche der übrigen Er­ ben erreicht. Die Sonderregelungen im landwirtschaftlichen Erbrecht dienen dazu, den Bestand des Hofes als solchen zu sichern; sie sollen aber gerade nicht zu einer allgemeinen erbrechtlichen Bevorzugung des Hoferben führen.1 Das agrarpolitische Ziel der Geschlossenhaltung landwirtschaftlicher Betriebe rechtfertigt somit die Schlechterstellung der weichenden Erben, begrenzt aber zugleich auch den Anwendungsbereich der Ausnahmeregelungen.2 Die ­Anwendung der Sonderregelungen ist nur so lange gerechtfertigt, wie die landwirtschaftliche Bewirtschaftung des Betriebs durch den Hoferben nicht aufgegeben wird. Aus diesem Grund ist in § 13 H ­ öfeO sowie auch in den lan­ desrechtlichen Anerbengesetzen3 und in § 17 GrdstVG ein Nachabfindungs­ anspruch geregelt, nach welchem die weichenden Miterben bei nichtlandwirt­ schaftlicher Nutzung nachträglich wieder am Hof beteiligt werden. Ziel des Anspruchs auf Nachabfindung ist es, das Vermögensopfer, welches den wei­ chenden Erben durch die Privilegierung des Hoferben bei den Abfindungsan­ sprüchen zugemutet wird, wieder auszugleichen, wenn die Gründe für die Pri­ vilegierung des Hoferben wegfallen.4 Dem Nachabfindungsanspruch liegt damit derselbe Rechtsgedanke zugrunde wie auch der condictio ob causam finitam nach § 812 Abs. 1 S. 2 BGB (bereicherungsrechtlicher Anspruch we­ gen Zweckwegfalls).5 Insgesamt versuchen die Ansprüche dabei einen Aus­ gleich zu schaffen zwischen dem verfassungsmäßig garantierten Erbrecht der weichenden Miterben einerseits und der Bevorzugung des Anerben zur Erhal­ tung der Betriebe im öffentlichen Interesse andererseits.6 1  BGH

AgrarR 1973, 153. FGPrax 2014, 192 Rn. 25. 3  § 23 BadHofgüterG, § 29 BremHöfeG, § 18 HessLandgüterO, § 26 ­HöfeO-RhPf, §  13  Bbg­HöfeOG. 4  BT-Drucks. 7/1443, S. 26. 5  Wöhrmann/Graß, Landwirtschaftserbrecht, § 13 ­HöfeO Rn. 5. 6  H. Wöhrmann, RdL 2003, 284; Wöhrmann nennt diese beiden Faktoren „Grenz­ orte“. Er nutzt bewusst nicht den Begriff „Grenzpunkte“, da auch im Rahmen dieser 2  BGH



I. Nach der Höfeordnung195

Im BGB-Landguterbrecht ist im Gegensatz zu den Anerbengesetzen und dem Grundstücksverkehrsgesetz kein Nachabfindungsanspruch geregelt, so­ dass es hier durch die Rechtsprechung und Literatur unterschiedliche Ansätze zur Berücksichtigung der Rechte und Interessen der weichenden Miterben bei nachträglicher nichtlandwirtschaftlicher Nutzung des Betriebs gibt.7

I. Nach der Höfeordnung Ursprünglich sollten Nachabfindungsansprüche nach der Konzeption der Höfeordnung nur in eng begrenzten Ausnahmefällen entstehen.8 Vor der um­ fassenden Reform der Höfeordnung 1976 entstand der Nachabfindungsan­ spruch nach § 13 ­ HöfeO a. F. lediglich bei Veräußerung des Hofes oder Grundstücken, die mehr als 10 % des Einheitswertes ausmachen, sowie bei Zwangsversteigerung und Enteignung. So lautete bis 1976 etwa auch die amtliche Überschrift des § 13 ­HöfeO a. F. „Rechte der Miterben bei Veräuße­ rung des Hofes“. Insbesondere der Agrarstrukturwandel sowie die zuneh­ mende Nutzung landwirtschaftlicher Flächen zur Gewinnung regenerativer Energien und als Bau- und Industrieland haben zu einer vermehrten Betriebs­ aufgabe sowie nichtlandwirtschaftlicher Nutzung von ursprünglich landwirt­ schaftlichen Flächen geführt.9 Aus diesem Grund wurde durch das Zweite Gesetz zur Änderung der Höfeordnung von 1976 eine Ausweitung der Tat­ bestände vorgenommen, nach denen ein Nachabfindungsanspruch entsteht. Während eine Nachabfindungspflicht früher in erster Linie als Sanktion dafür verstanden wurde, dass der Hof nicht in der Familie erhalten wurde, knüpft § 13 ­ HöfeO in seiner jetzigen Form an den Wegfall des höferechtlichen Zwecks, also die Entwidmung der land- oder forstwirtschaftlich genutzten Sache oder Teilen davon, an.10 Dies zeigt sich auch an der amtlichen Über­ schrift des § 13 H ­ öfeO in seiner aktuellen Fassung, die „Ergänzung der Ab­ findung wegen Wegfalls des höferechtlichen Zwecks“ lautet. Der Katalog des § 13 ­HöfeO umfasst dabei abstrahiert drei verschiedene Fallgruppen der Entwidmung: Erstens die Veräußerung beziehungsweise Verwertung, zwei­ tens die fiktive Veräußerung sowie drittens die Aufgabe der land- oder forst­ wirtschaftlichen Nutzung.11 beiden Pole noch Raum sein müsse für die Lebenswirklichkeit und die Veränderung der Verhältnisse, vgl. ebd. Fn. 1. 7  Hierzu ausführlich auf S. 248 ff. 8  Faßbender/Hötzel/v. Jeinsen/Pikalo/Hötzel, ­HöfeO § 13 Rn. 2. 9  Führ, RNotZ 2012, 303 (307). 10  BT-Drucks. 7/1443, S. 26; Wöhrmann/Graß, Landwirtschaftserbrecht, § 13 ­HöfeO Rn. 3. 11  H. Wöhrmann, RdL 2003, 284.

196

E. Ansprüche der weichenden Miterben

Die Herausforderung der gesetzlichen Ausgestaltung von Nachabfindungs­ tatbeständen ist, dass die Tatbestände möglichst viele Einzelfälle erfassen müssen und dabei zugleich auch künftige Entwicklungen und Innovationen in der Landwirtschaft miteinschließen sollen. Dabei geht § 13 ­HöfeO in sei­ ner aktuellen Fassung bereits über die etwa von § 17 GrdstVG umfassten Tatbestände für eine Nachabfindungspflicht hinaus. Ob über die geregelten Tatbestände des § 13 ­ HöfeO hinaus eine Ausweitung erforderlich ist, um Umgehungsabsichten des Hoferben zu begegnen, steht nach der Rechtspre­ chung des Bundesverfassungsgerichts im Ermessen des Gesetzgebers.12 Da im Bereich des Zivilrechts nicht jeder Einzelfallgestaltung Rechnung getra­ gen werden könne, sei eine Typisierung der Fallgruppen und eine weitere Auslegung des Rechts durch die Rechtsprechung auch im Bereich des land­ wirtschaftlichen Erbrechts erforderlich. Es ist umstritten, ob diese Auslegung der Nachabfindungsansprüche auch über die geregelten Tatbestände hinaus dem Gesetzgeber vorbehalten oder auch durch richterliche Rechtsfortbildung möglich ist.13 1. Nachabfindungsberechtigte und -verpflichtete Gemäß § 13 Abs. 1 ­HöfeO sind die nach § 12 H ­ öfeO Berechtigten auch nachabfindungsberechtigt. Dies sind zunächst nach § 12 Abs. 1 ­HöfeO die Miterben, die nicht Hoferben geworden sind. Da in § 12 Abs. 10 H ­ öfeO au­ ßerdem Pflichtteilsberechtigte14, Vermächtnisnehmer15 sowie die überleben­ den Ehegatten oder Lebenspartner im Sinne des Lebenspartnerschaftsgeset­ zes, der Zugewinnausgleich nach § 1371 Abs. 2 und 3 BGB verlangt, in den Anwendungsbereich von § 12 ­ HöfeO einbezogen werden, gehören diese ebenfalls zu den nach § 12 ­HöfeO Berechtigten und sind somit nach § 13 Abs. 1 H ­ öfeO nachabfindungsberechtigt.

12  BVerfGE

67, 329 (347). die Gerichte sind jedoch der Auffassung, dass eine Ausweitung der Nachabfindungstatbestände im Wege richterlicher Rechtsfortbildung über die ge­ regelten Fälle hinaus möglich ist, vgl. BGH AgrarR 1992, 79 (80); BGH AgrarR 2001, 54; kritisch Lüdtke-Handjery/v. Jeinsen/Haarstrich, ­HöfeO § 13 Rn. 3; ausführ­ lich zu den in diesem Zusammenhang relevanten Tatbeständen bei den Ausführungen zu § 13 Abs. 4  lit. b) ­HöfeO auf S. 217 ff. 14  Verzichtet ein Pflichtteilsberechtigter formgültig auf seine Pflichtteilsansprüche (§ 2346 Abs. 2 BGB), bestehen auch keine Nachabfindungsansprüche, vgl. OLG Düs­ seldorf AgrarR 1975, 108. 15  Vermächtnisnehmer sind von dieser Regelung jedoch nur in den Fällen betrof­ fen, in denen sich das Vermächtnis am Wert des Nachlasses bemessen hat, vgl. Führ, RNotZ 2012, 303 (308). 13  Insbesondere



I. Nach der Höfeordnung197

Nachabfindungsverpflichtet ist gemäß § 13 Abs. 1 ­HöfeO der Hoferbe, der den Hof von Gesetzes wegen oder aufgrund einer Verfügung von Todes we­ gen oder durch Übergabevertrag erworben hat.16 Gemäß § 13 Abs. 7 ­HöfeO ist auch ein Dritter, auf den der Hof im Wege der Erbfolge übergegangen ist oder der im Wege der vorweggenommenen Erbfolge übereignet wurde, nach­ abfindungspflichtig. Um den weichenden Miterben die Durchsetzung ihrer Ansprüche auf Abfindungsergänzung zu ermöglichen, hat der Hoferbe sie nach § 13 Abs. 10 ­HöfeO17 unverzüglich über eine Veräußerung oder Ver­ wertung zu unterrichten.18 2. Die zur Nachabfindung verpflichtenden Tatbestände im Einzelnen Nachfolgend soll der Katalog der Nachabfindungstatbestände des § 13 ­ öfeO inklusive seiner Auslegung durch Literatur und Rechtsprechung darge­ H stellt werden. Führ plädiert dafür, sich bei der Auslegung der zu einem Nach­ abfindungsanspruch führenden Tatbestände wieder auf den Sinn und Zweck der Höfeordnung zu konzentrieren:19 Ziel des landwirtschaftlichen Sondererb­ rechts sei gerade nicht die Privilegierung des Hoferben und die damit einher­ gehende Benachteiligung der weichenden Miterben. Vielmehr sei das Rege­ lungsziel die Erhaltung leistungs- und überlebensfähiger Betriebe. Angesichts des Wandels in der Landwirtschaft und den damit für den Hoferben einherge­ henden Herausforderungen, für welche auch dieser das wirtschaftliche Risiko trägt, dürfe deshalb nicht durch eine zu weite Auslegung der Nachabfindungs­ tatbestände das eigentliche Regelungsziel des landwirtschaftlichen Sondererb­ rechts ausgehöhlt werden. Nachfolgend sollen daher bei den einzelnen Tatbe­ ständen des § 13 ­HöfeO die Rechtsprechung und der aktuelle Meinungsstand in der Literatur daraufhin untersucht werden, ob der höferechtliche Zweck als maßgebliches Auslegungskriterium hinreichend berücksichtigt wird. Hierbei soll eine Systematisierung erfolgen, die sich mit dem höferechtlichen Zweck an einem klar vorgegebenen Kriterium orientiert und damit eine rein kasuisti­ sche Handhabung der Nachabfindungsansprüche verhindert.

Landwirtschaftserbrecht, § 13 ­HöfeO Rn. 17. anerkannt war eine solche Unterrichtungspflicht bereits vor der Novellierung des Höferechts, wobei sie zu diesem Zeitpunkt aus § 242 BGB hergelei­ tet wurde, vgl. Wöhrmann/Graß, Landwirtschaftserbrecht, § 13 H ­ öfeO Rn. 154. 18  Überwiegend wird angenommen, dass den Berechtigten bei Verstoß gegen die Mitteilungspflicht des § 13 Abs. 1 ein Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 13 Abs. 10 ­HöfeO als Schutzgesetz und § 826 BGB zusteht, vgl. etwa Faß­ bender/Hötzel/v. Jeinsen/Pikalo/Hötzel, ­HöfeO, § 13 Rn. 53; Steffen/Ernst, ­HöfeO, § 13 Rn. 109; a. A. Wöhrmann/Graß, Landwirtschaftserbrecht, § 13 Rn. 156. 19  Führ, RNotZ 2012, 303 (307). 16  Wöhrmann/Graß, 17  Grundsätzlich

198

E. Ansprüche der weichenden Miterben

a) Veräußerung des Hofes (§ 13 Abs. 1 S. 1 ­HöfeO) aa) Tatbestand Nachabfindungsansprüche entstehen gemäß § 13 Abs. 1 S. 1 ­HöfeO dann, wenn der Hoferbe den Hof innerhalb von 20 Jahren nach dem Erbfall veräu­ ßert.20 Es handelt sich dabei um den typischen Fall des endgültigen Entfal­ lens des höferechtlichen Zwecks.21 Gemeint ist mit der Veräußerung das dingliche Rechtsgeschäft, also die Eintragung des Erwerbers ins Grundbuch nach § 873 BGB.22 Während bei der alten Fassung der Höfeordnung vor der Novelle von 1976 noch darüber diskutiert wurde, ob auch die Bestellung ei­ nes Erbbaurechts unter § 13 Abs. 1 S. 1 ­HöfeO fällt, ist dies nach der Neu­ fassung der Norm nun ein Anwendungsfall von § 13 Abs. 4 lit. b) ­HöfeO.23 Auch die Aufgabe der Eigenbewirtschaftung des Betriebs und die gleichzei­ tige langfristige landwirtschaftsfremde Vermietung oder Verpachtung stehen nicht einer Veräußerung gleich und unterfallen damit nicht § 13 Abs. 1 S.  1 ­HöfeO.24 Gemäß § 13 Abs. 1 S. 3 ­HöfeO stellt die Übergabe des Hofes im Wege der vorweggenommenen Erbfolge gerade keine nachabfindungs­ pflichtige Veräußerung dar.25 Allerdings wird gemäß § 17 Abs. 2 ­HöfeO der Hoferbfall in diesen Fällen zugunsten der übrigen Abkömmlinge fingiert, sodass für diese dennoch ein Nachabfindungsanspruch entsteht.26

20  Eine entsprechende Regelung findet sich auch in § 13 Bbg­HöfeOG, § 18 Hess­ LandgüterO, § 26 ­ HöfeO-RhPf, und § 17 GrdstVG; das Badische Hofgütergesetz stellt in § 23 BadHofgüterG hingegen auf den Verkauf des Hofes ab. 21  Lüdtke-Handjery/v. Jeinsen/Haarstrich, ­HöfeO, § 13 Rn. 6. 22  OLG Celle RdL 1956, 23 (25); Lüdtke-Handjery/v. Jeinsen/Haarstrich, ­HöfeO § 13 Rn. 7; Düsing/Martinez/‍Düsing/Sieverdingbeck, Agrarrecht, § 13 ­HöfeO Rn. 8; Faßbender/Hötzel/v. Jeinsen//Hötzel, ­HöfeO § 13 Rn. 4. 23  Führ, RNotZ 2012, 303 (308); Wöhrmann/Graß, Landwirtschaftserbrecht, § 13 ­HöfeO Rn.  23. 24  OLG Hamm AUR 2009, 399 (403); vielmehr ist in diesen Konstellationen zu prüfen, ob der Tatbestand des § 13 Abs. 4 lit. b) ­HöfeO erfüllt ist. 25  Da es sich dabei um eine starke Ausweitung der Möglichkeit für den Erblasser handelt, den Betrieb ohne Entstehung einer Nachabfindungspflicht zu übertragen, wenn er nur behauptet dies geschehe „im Wege vorweggenommener Erbfolge“, muss im Ein­ zelfall genau geprüft werden, ob es sich wirklich um eine Übertragung im Wege der vorweggenommenen Erbfolge handelt, vgl. Wöhrmann/Graß, Landwirtschaftserbrecht, § 13 H ­ öfeO Rn. 25; BGH RdL 1957, 40 (41); OLG Hamm AUR 2003, 18 (19). 26  Diese Fiktion des Erbfalls hatte § 38 Abs. 1 des Lippischen Gesetzes über die Anerbengüter aus dem Jahre 1924 zum Vorbild; sie sollte dort verhindern, dass der Hofeigentümer den Betrieb unter Zurücksetzung aller anderen Abkömmlinge an sein Lieblingskind übertragen kann; vgl. Kroiß/Horn/Solomon/Graß, Nachfolgerecht, § 17 ­HöfeO Rn.  25.



I. Nach der Höfeordnung199

bb) Der erzielte Erlös Grundlage für die Berechnung des Nachabfindungsanspruchs ist gemäß § 13 Abs. 1 S. 4 H ­ öfeO der durch die Veräußerung erzielte Erlös. Darunter ist der Gegenwert zu verstehen, der dem Hofeigentümer durch den die Aus­ gleichsverpflichtung begründenden Vorgang zugeflossen ist.27 Dies ist regel­ mäßig Geld, aber darunter können beispielsweise im Rahmen eines Tauschs auch Sachen zu verstehen sein.28 Durch ein Abstellen auf den Erlös sind nicht wie bis zur Reform im Jahre 1976 die Wertverhältnisse im Zeitpunkt des Erbfalls zugrunde zu legen, sondern es wird auf die Verhältnisse im Zeit­ punkt der Veräußerung abgestellt. Dadurch soll gewährleistet werden, dass etwaige Wertsteigerungen beim nachträglichen Wegfall des höferechtlichen Zwecks allen Erben und nicht nur dem Hoferben zugutekommen.29 Ein Beispiel für Wertsteigerungen dieser Art sind Betriebe in Stadtrandlage, bei denen einzelne Grundflächen innerhalb der Nachabfindungsfrist zu Bau- oder Bauerwartungsland werden und dadurch eine erhebliche Wertsteigerung er­ fahren. Gemäß § 13 Abs. 2 S. 1 ­HöfeO ist die Nachabfindungspflicht bei Tatbe­ ständen nach § 13 Abs. 1 ­HöfeO ausgeschlossen, wenn der Verpflichtete in­ nerhalb von zwei Jahren vor oder nach Entstehung der Verpflichtung einen land- oder forstwirtschaftlichen Ersatzbetrieb oder Ersatzgrundstücke erwirbt. Bis 1976 konnte die Ersatzpflicht auch durch den Erwerb eines Ersatzbe­ triebs nicht ausgeschlossen werden. Der Grund dafür lag darin, dass der Fo­ kus der Nachabfindungspflicht bis zu diesem Zeitpunkt in der Erhaltung des Betriebs im Eigentum der Familie lag.30 Nach heutiger Rechtslage ist der Zweck des Höferechts nicht mehr zwingend darauf beschränkt, dass der in Frage stehende Hof in der Familie bleibt. Vielmehr wird dem höferechtlichen Zweck nach der Gesetzesbegründung bereits dann genügt, wenn der Hoferbe in die Lage versetzt ist „einen – nicht notwendig den ererbten – Hof zu bewirtschaften.“31 Aufgrund der Tatsache, dass eine Ersatzbeschaffung dazu führt, dass keine Nachabfindungsansprüche der weichenden Erben entstehen beziehungsweise diese sich vermindern, ist zum Schutz der Erben statt auf den tatsächlich geleisteten Betrag für die Ersatzbeschaffung nach § 13 Abs. 2 S. 1 ­HöfeO auf diejenigen Aufwendungen abzustellen, die für den Erwerb 27  Faßbender/Hötzel/v. Jeinsen/Pikalo/Hötzel, ­HöfeO, § 13 Rn. 36; ausführlich zur Berechnung siehe S. 236 ff. 28  BT-Drucks. 7/1443, S. 26. 29  BT-Drucks. 7/1443, S. 26. 30  Wöhrmann/Graß, Landwirtschaftserbrecht, § 13 ­ HöfeO Rn. 31; BT-Drucks. 7/ 1443, S. 27. 31  BT-Drucks. 7/1443, S. 27.

200

E. Ansprüche der weichenden Miterben

angemessen sind.32 Auf diese Weise sollen Spekulations- und Umgehungsge­ schäfte verhindert werden.33 Söbbeke merkt an, dass die Regelung der privilegierten Reinvestition aus betriebswirtschaftlicher und steuerlicher Sicht in ihrer jetzigen Form nicht ausreichend ist.34 So solle eine Privilegierung über die Aufwendungen für einen gleichwertigen Erwerb hinaus ausgedehnt werden auf Neuinvestitio­ nen, betriebswirtschaftlich sinnvolle Ersatzbeschaffungen sowie Expansionen des Hofes. Unter Zugrundelegung des höferechtlichen Zwecks ist zu befür­ worten, dass jede Investition privilegiert wird, die es dem Hoferben ermög­ licht, den Hof zukunftsfähig zu erhalten und weiterhin zu bewirtschaften. Zudem besteht steuerrechtlich für Reinvestitionen nach § 6b Abs. 3 EStG eine Frist von vier Jahren. Diese Frist werde im Rahmen der Höfeordnung, in der privilegierte Reinvestitionen lediglich in einem Zeitraum von zwei Jahren möglich sind, nicht voll ausgeschöpft.35 Auch die Herstellung einer größtmöglichen Kompatibilität zwischen den Normen des landwirtschaftli­ chen Sondererbrechts und des Steuerrechts sollte Ziel des Gesetzgebers sein. Aus diesem Grund ist eine Gleichstellung der Frist für die privilegierte Rein­ vestition zum steuerlich möglichen Rahmen von vier Jahren auch in der Höfeordnung zu befürworten. Diese Frist scheint umso angebrachter, da Reinvestitionen häufig auch längere Zeit und Vorplanung in Anspruch neh­ men, sodass dies auch für den Hoferben mehr Optionen nach einer Veräuße­ rung bieten würde. Der Ersatzbetrieb kann auch in den in § 13 Abs. 2 S. 2 ­HöfeO genannten Bundesländern liegen, in denen die Höfeordnung nicht gilt. Zudem gilt die privilegierte Reinvestition trotz der fehlenden Nennung auch für Ersatzhöfe in den neuen Bundesländern, da eine unterschiedliche Beurteilung der Rein­ vestition in den neuen und alten Bundesländern verfassungswidrig wäre.36 Gemäß § 13 Abs. 6 S. 1 ­HöfeO macht sich der Hoferbe auch bei der Ver­ äußerung oder Verwertung des Ersatzbetriebs, Ersatzgrundstücken oder Hof­ zubehörs nachabfindungspflichtig. Dadurch soll erreicht werden, dass der Hoferbe die Nachabfindungspflicht nicht durch einen Ersatzerwerb und eine 32  BT-Drucks.

7/1443, S. 27. 7/1443, S. 27. 34  Söbbeke, ZEV 2006, 395 (399); auch Dingerdissen, ErbR 2009, 330 (338) weist darauf hin, dass es im Rahmen letztwilliger Verfügungen sinnvoll ist, das Re­ investitionsprivileg bei der Veräußerung von Grundstücken und Inventar auf den steuerlichen Rahmen von vier Jahren auszudehnen. 35  Söbbeke, ZEV 2006, 395 (399). 36  Lüdtke-Handjery/v. Jeinsen/Haarstrich, ­HöfeO, § 13 Rn. 25; Faßbender/Hötzel/ v. Jeinsen/Pikalo/Hötzel, ­HöfeO, § 13 Rn. 24; Wöhrmann/Graß, Landwirtschafts­ erbrecht, § 13 Rn. 34; zweifelnd Steffen/Ernst, ­HöfeO, § 13 Rn. 40. 33  BT-Drucks.



I. Nach der Höfeordnung201

anschließende Verwertung umgehen kann.37 Unter „Verwertung“ fällt dabei auch die Aufgabe der land- oder forstwirtschaftlichen Nutzung nach Abs. 4 lit. b), da „verwerten“ als Oberbegriff für alle Tatbestände des Abs. 4 zu ver­ stehen ist, auf den durch Abs. 6 S. 1 ebenfalls verwiesen wird.38 b) Veräußerung von Hofgrundstücken (§ 13 Abs. 1 S. 2 ­HöfeO) Nachabfindungsansprüche entstehen weiterhin nach § 13 Abs. 1 S. 2 ­ öfeO auch dann, wenn der Hoferbe einzelne Hofgrundstücke veräußert.39 H Dies gilt ausnahmsweise nicht bei sog. Bagatellveräußerungen, also solchen Veräußerungen, bei denen die erzielten Erlöse in Summe weniger als 10 % des Hofwertes i. S. v. § 12 Abs. 2 ­HöfeO, also dem Hofwert auf Grundlage des steuerlichen Einheitswerts, ausmachen.40 Werden die Grundstücke nach­ einander veräußert, entsteht der Nachabfindungsanspruch nach § 13 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 ­HöfeO in dem Zeitpunkt, in dem bei Addition der Einzelerlöse die Bagatellgrenze überschritten ist. Der Grund für diesen Tatbestand liegt darin, dass eine Umgehung der Nachabfindungspflicht durch nacheinander erfol­ gende Veräußerungen einzelner Hofgrundstücke verhindert werden soll.41 Die Regelungen für den Erwerb eines Ersatzbetriebes in § 13 Abs. 2, 3 und 6 ­HöfeO gelten ebenfalls für den Erwerb von Ersatzgrundstücken. Die Grenze von einem Zehntel des Hofeswertes wird in der Literatur zum Teil für zu niedrig gehalten, da diese bei guten Böden bereits bei der Veräußerung von weniger als einem Prozent der der landwirtschaftlichen Nutzfläche des Be­ triebs erreicht werden könnte.42 Es sei daher sinnvoller, bei Bagatellveräu­ ßerungen stattdessen entweder auf 5 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche gemessen am Einheitswert oder auf ein Zehntel des Hofwertes auf Grundlage des Ertragswertes abzustellen, wie es etwa in § 20 Abs. 1 S. 2 des Entwurfs eines Landwirtschaftlichen Erbgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt43 vorge­ sehen war. Angesichts der Entwicklungen der Grundstückspreise ist diesem Vorstoß zuzustimmen, da andernfalls nahezu keine Veräußerung mehr unter den Ausnahmetatbestand für Bagatellveräußerungen fällt. Landwirtschaftserbrecht, § 13 Rn. 150. ­HöfeO, § 13 Rn. 53; Wöhrmann/Graß, Landwirtschaftserbrecht, § 13 Rn. 150; a. A. Barnstedt/Bendel/Becker, AgrarR 1976, 209 (217). 39  Vergleichbare Regelungen bestehen auch nach § 13 Bbg­ HöfeOG, § 29 Brem­ HöfeG und § 18 HessLandgüterO. 40  Wöhrmann/Graß, Landwirtschaftserbrecht, § 13 Rn. 42. 41  Lüdtke-Handjery/v. Jeinsen/Haarstrich, ­HöfeO, § 13 Rn. 18. 42  Faßbender, AgrarR 1998, 188 (192). 43  Landtag von Sachsen-Anhalt, Drucks. 2/3988; dieser Gesetzentwurf ist in Sachsen-Anhalt im Jahr 1997 erarbeitet, aber nicht beschlossen worden. 37  Wöhrmann/Graß,

38  Lüdtke-Handjery/v. Jeinsen/Haarstrich,

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E. Ansprüche der weichenden Miterben

Der Anspruch auf Nachabfindung entsteht gemäß § 13 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 ­ öfeO nicht, wenn die Veräußerung der Grundstücke zur Erhaltung des Ho­ H fes notwendig ist. Zum Schutz der weichenden Miterben ist diese Ausnahme­ vorschrift jedoch restriktiv auszulegen.44 Eine Veräußerung ist dann erfor­ derlich, wenn es ohne sie nicht möglich gewesen wäre, auf dem Hof weiter­ hin Landwirtschaft zu betreiben. Dies ist insbesondere bei dringenden Not­ fällen zu bejahen oder wenn der Erhalt des Betriebs nicht auf andere Weise, etwa durch die Erträge des Hofes oder Kreditaufnahme, sichergestellt werden kann.45 Nicht erforderlich sind Veräußerungen hingegen, wenn andere ge­ eignete und zumutbare Maßnahmen zur Betriebserhaltung bestehen46, wenn durch die Veräußerung einzelner Grundstücke die Lebensfähigkeit des ge­ samten Betriebs gefährdet wird47 oder der Hof aufgrund von starker Ver­ schuldung ohnehin nicht erhalten werden kann48. Eine weitere Ausnahme bilden Fälle, in denen der Hofübernehmer die existenzgefährdende Lage des Betriebs durch schlechte Wirtschaftsführung selbst herbeigeführt hat.49 Dies zeigt, dass eine Veräußerung von Grundstücken stets als letzte Maßnahme zur Betriebserhaltung angesehen wird und auch nur dann nachabfindungsfrei möglich sein soll, wenn gewährleistet ist, dass der Hof auch langfristig wei­ terbetrieben werden kann und somit der höferechtliche Zweck durch die Grundstücksveräußerungen auch künftig sichergestellt werden kann. Zudem wird die Erforderlichkeit von der Rechtsprechung auch in Fällen verneint, in denen eine Veräußerung von Grundstücken zwar wirtschaftlich sinnvoll, aber eben nicht zur Erhaltung des Betriebs geboten ist.50 Das be­ deutet, dass die Substanz des Betriebs gerade nicht für den Betriebsinhaber nutzbar gemacht werden soll, um das Kapital für Umstrukturierungen oder Neuinvestitionen zu nutzen. Häufig werden einzelne Hofgrundstücke veräu­ ßert, um die Erlöse etwa für den Erwerb von Landmaschinen oder den Aus­ bau oder die Modernisierung von Stallgebäuden zu nutzen. Wenn es sich dabei um betriebswirtschaftlich sinnvolle Investitionen handelt, stützen diese eher den Fortbestand des landwirtschaftlichen Betriebs und damit auch den höferechtlichen Zweck. Aus diesem Grund sollten auch diese Konstellatio­ nen aus dem Anwendungsbereich der Nachabfindungspflicht nach § 13 44  OLG Oldenburg RdL 2004, 265 (266); Hausmann/Hohloch/Hausmann/Hausmann, Handbuch des Erbrechts, Kap. 24 Rn. 168. 45  BGHZ 40, 169 (171); zu den Fallkonstellationen, in denen eine Veräußerung als erforderlich beziehungsweise gerade nicht erforderlich angesehen wird, vgl. aus­ führlich Wöhrmann/Graß, Landwirtschaftserbrecht, § 13 ­HöfeO Rn. 48 ff. 46  BGHZ 40, 169 (171). 47  OLG Celle RdL 1964, 214; OLG Oldenburg RdL 2004, 265 (266). 48  OLG Celle AgrarR 1972, 504; OLG Oldenburg RdL 2004, 265 (266). 49  BGHZ 40, 169 (171). 50  OLG Celle AUR 2014, 312 (313).



I. Nach der Höfeordnung203

Abs. 1 S. 2 H ­ öfeO herausgenommen werden.51 Es sollte auch bei diesen Fallgruppen eine privilegierte Reinvestition möglich sein in dem Sinne, dass der Hofeigentümer Grundflächen veräußern kann, um mit den Erträgen etwa eine Modernisierung oder einen Ausbau des Betriebs an anderer Stelle zu ermöglichen und so den Fortbestand des Hofes zu sichern. c) Zwangsversteigerung und Enteignung (§ 13 Abs. 8 ­HöfeO) Gemäß § 13 Abs. 8 ­HöfeO werden die Zwangsversteigerung und Enteig­ nung einer Veräußerung des Hofes gleichgestellt.52 Vor allem das Tatbe­ standsmerkmal der Enteignung verdeutlicht, dass für das Entstehen eines Nachabfindungsanspruchs gerade nicht an eine aktive Entscheidung bezüg­ lich der Aufgabe der landwirtschaftlichen Nutzung beziehungsweise ein vorwerfbares Verhalten des Hofeigentümers angeknüpft wird, sondern es ausschließlich darauf ankommt, dass der höferechtliche Zweck wegfällt.53 Bei der Erlösberechnung im Rahmen des § 13 Abs. 8 H ­ öfeO kommt es nur auf den grundstücksbezogenen Erlös an. Weitere betriebsbezogene Aus­ gleichsposten, wie etwa Folgekosten für eine Betriebsumstellung oder sons­ tige Einkommensverluste, sind hingegen nicht einzubeziehen.54 Lässt sich der Hoferbe im Rahmen eines Flurbereinigungsverfahrens statt in Land ganz oder teilweise in Geld abfinden, ist § 13 Abs. 8 H ­ öfeO nach Auffassung von Rechtsprechung und Literatur analog anwendbar.55 d) Einbringung des Hofes in eine Gesellschaft (§ 13 Abs. 1 S. 4 H ­ öfeO) In den vergangenen Jahren ist der Anteil der Personen- und Kapitalgesell­ schaften als Rechtsform zur Bewirtschaftung landwirtschaftlicher Betriebe angestiegen.56 Insbesondere im Rahmen moderner Bewirtschaftungsformen bringen Betriebsinhaber Inventar oder Grundflächen in Gesellschaften ein, 51  So

auch Söbbeke, ZEV 2006, 395 (399). der Höfeordnung und dem Brandenburgischen Höfeordnungsgesetz stellt lediglich noch § 23 Abs. 4 BadHofgüterG auf die Zwangsversteigerung als Nachabfin­ dungstatbestand ab. 53  Wöhrmann/Graß, Landwirtschaftserbrecht, § 13 ­HöfeO Rn. 63. 54  Nordalm, AgrarR 1977, 161 (164). 55  BGH AgrarR 1986, 319 (322) zu § 13 H ­ öfeO a. F.; Lüdtke-Handjery/v. Jeinsen/ Haarstrich, ­HöfeO, § 13 Rn. 55; Wöhrmann/Graß, Landwirtschaftserbrecht, § 13 Rn. 64; nach OLG Hamm AgrarR 1990, 48 besteht in diesen Fällen eine Nachabfin­ dungspflicht nach § 13 Abs. 4 lit. b) ­HöfeO. 56  So ist etwa der Anteil der Personengesellschaften von 2010 bis 2016 von 7,0 % auf 9,3 % und damit um 32,8 % gestiegen. Bei Kapitalgesellschaften liegt der Anstieg 52  Außer

204

E. Ansprüche der weichenden Miterben

um diese dann in kooperativer Form zu nutzen.57 § 13 Abs. 1 S. 4 ­HöfeO ordnet an, dass bei der Einbringung eines Hofes in eine Gesellschaft sein Verkehrswert im Zeitpunkt der Einbringung als Veräußerungserlös gilt.58 Es ist hierzu zunächst zu klären, was unter dem Tatbestandsmerkmal der Ein­ bringung zu verstehen ist und ob dies jede Art der kooperativen Bewirtschaf­ tung in Gesellschaften umfasst.59 Die Nachabfindungsregelung des § 13 Abs. 1 S. 4 ­HöfeO wurde erst mit dem Zweiten Gesetz zur Änderung der Höfeordnung von 1976 in die Höfeordnung aufgenommen. Dabei war sie jedoch nicht Teil des ursprünglichen Regierungsentwurfes60, sondern wurde erst während der Beratungen des Rechtsausschusses in das Gesetz einge­ fügt.61 Die Gesetzesmaterialien geben keinen Aufschluss darüber, was im Rahmen von § 13 Abs. 1 S. 4 ­ HöfeO unter einer Einbringung verstanden werden soll. Im Gesellschaftsrecht werden drei verschiedene Formen der Einbringung unterschieden: Die Einbringung zur Nutzung (quoad usum), die Einbringung dem Werte nach (quoad sortem) und die Einbringung zu Eigentum (quoad dominium).62 Welche dieser Modalitäten eine Nachabfindungspflicht auslöst, ist unter Berücksichtigung des höferechtlichen Zwecks zu bestimmen: Unter der Einbringung zum Gebrauch (quoad usum) versteht man die Überlassung der Sache zur Nutzung, während das Eigentum beim einbrin­ genden Gesellschafter verbleibt.63 Es handelt sich dabei also um die am wenigsten intensive Form der Einbringung, bei welcher der Hof dinglich dem Hoferben zugeordnet bleibt. Es besteht in Rechtsprechung und Literatur überwiegend Einigkeit darüber, dass diese Form der Einbringung bei weite­ rer Beteiligung des Hoferben an der landwirtschaftlichen Nutzung nicht den

in diesem Zeitraum bei 17,6 % von 1,7 % auf 2,0 % der Gesamtzahl der Betriebe, vgl. Agrarpolitischer Bericht der Bundesregierung 2019, Tab. 3, S. 109. 57  Grundlegend zu den verschiedenen Kooperationsformen in der Landwirtschaft vgl. Storm, JZ 1974, 568 (571). 58  Die übrigen Anerbengesetze mit Ausnahme des Brandenburgischen Höfeord­ nungsgesetzes haben keine Regelungen für den Fall der Einbringung des Betriebs in eine Gesellschaft. 59  Eine detaillierte Diskussion dieser Problematik findet sich zudem bei Suckow, Die Gesellschaftsgründung unter Geltung des landwirtschaftlichen Sondererbrechts, S.  146 ff. 60  BT-Drucks. 7/1443. 61  BT-Drucks. 7/4545, S. 6; ausführlich zur Entstehung der Vorschrift Suckow, Die Gesellschaftsgründung unter Geltung des landwirtschaftlichen Sondererbrechts, S.  139 ff. 62  EBJS/Wertenbruch, HGB, § 105 Rn. 244. 63  EBJS/Wertenbruch, HGB, § 105 Rn. 247.



I. Nach der Höfeordnung205

Tatbestand des § 13 Abs. 1 S. 4 Höfe erfüllt64, wobei die Begründungen hierfür unterschiedlich sind: Wöhrmann/Graß begründen dies damit, dass durch die Fiktion des Veräu­ ßerungserlöses in Abs. 1 S. 4 implizit auf Abs. 1 S. 1 verwiesen werde, so­ dass nur die Einbringung in Form einer „Veräußerung“, also der Änderung der dinglichen Zuordnung des Hofes, den Tatbestand der Einbringung in Abs. 1 S. 4 erfülle.65 Erforderlich sei eine solche Auslegung insbesondere vor dem Hintergrund des Regierungsentwurfs des Gesetzes über die Kauf­ mannseigenschaft von Land- und Forstwirten,66 nach welchem die Förde­ rung landwirtschaftlicher Kooperationsformen erklärtes agrarpolitisches Ziel ist.67 Suckow kritisiert an diesem Ansatz, dass allein aus dieser Erklärung des Gesetzgebers, dass er landwirtschaftliche Kooperationsformen fördern wolle, nicht geschlossen werden kann, dass die Höfeordnung an dieser Stelle auf die oben dargestellte Weise ausgelegt werden soll.68 Zudem regele die Vorschrift des Abs. 1 S. 4 gerade keine Gleichstellung der Einbringung des Hofes in eine Gesellschaft mit einer Veräußerung. Es handele sich bei Abs. 1 S. 4 nicht um einen eigenständigen Tatbestand, sondern um die Anordnung einer abweichenden Rechtsfolge für den Fall, dass die Einbringung in eine Gesellschaft zugleich auch eine Veräußerung darstellt. Da bei einer Einbrin­ gung zur Nutzung gerade keine Veränderung der dinglichen Zuordnung des Eigentumsrechts vorgenommen wird, handelt es sich nicht um eine Veräuße­ rung, sodass keine Nachabfindungspflicht ausgelöst wird.69 Damit fällt ins­ besondere auch die Verpachtung von landwirtschaftlichen Grundflächen an eine Gesellschaft nicht unter den Abfindungstatbestand des § 13 Abs. 1 S.  4 ­HöfeO.70 Eine Ausnahme gilt allerdings bei der Einbringung zur Nut­ 64  OLG Celle AgrarR 1981, 315 (316); Faßbender/Hötzel/v. Jeinsen/Pikalo/Hötzel, ­HöfeO, § 13 Rn. 10 ff.; Führ, RNotZ 2012, 303 (310); Lüdtke-Handjery/v. Jeinsen/ Haarstrich, ­HöfeO, § 13 Rn. 274; Steffen/Ernst, ­HöfeO § 13 Rn. 35; Suckow, Die Gesellschaftsgründung unter Geltung des landwirtschaftlichen Sondererbrechts, S.  146 ff.; Wöhrmann/Graß, Landwirtschaftserbrecht, § 13 ­HöfeO Rn. 59. 65  Wöhrmann/Graß, Landwirtschaftserbrecht, § 13 H ­ öfeO Rn. 58; sich dem an­ schließend OLG Celle AgrarR 1981, 315. 66  BT-Drucks. 7/3918, S. 6. 67  Zur Verwirklichung dieses Zwecks durch die Möglichkeit des Zusammen­ schlusses auch OLG Celle AgrarR 1981, 315 (316). 68  Suckow, Die Gesellschaftsgründung unter Geltung des landwirtschaftlichen Sondererbrechts, S. 149. 69  Genauer zu den Gestaltungsoptionen bei der Einbringung des Hofes zur Nut­ zung in verschiedene Gesellschaftsformen bei Suckow, Die Gesellschaftsgründung unter Geltung des landwirtschaftlichen Sondererbrechts, S. 208 ff. 70  So auch OLG Hamm AUR 2009, 399 (402) für den Fall der Verpachtung land­ wirtschaftlicher Grundflächen an eine Gesellschaft, die auf diesen einen Golfplatz betreibt. Das Gericht weist hier darauf hin, dass ein Anspruch selbst bei langfristiger

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E. Ansprüche der weichenden Miterben

zung in den Fällen, in denen eine „überstarke Bindung des Hofes an die Gesellschaft“71 besteht, die bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise als Ein­ bringung zu werten ist.72 Eine weitere Ausnahme besteht bei Fällen, in de­ nen der Hoferbe den Betrieb zur Nutzung an eine Gesellschaft überträgt, die diesen zwar landwirtschaftlich nutzt, an deren Nutzung der Hoferbe selbst jedoch nicht beteiligt ist.73 In diesen Fällen ist im Ergebnis der höferecht­ liche Zweck weggefallen. Es besteht somit ein Anspruch auf Nachabfindung, der sich nicht nur am gesellschaftsvertraglich vereinbarten Gegenwert für die Nutzung, sondern nach § 13 Abs. 1 S. 4 ­HöfeO am Verkehrswert bemisst. Bei der Einbringung dem Werte nach (quoad sortem) bleibt der Gesell­ schafter nach außen hin Rechtsinhaber, während im Innenverhältnis der Ge­ sellschaft auf schuldrechtlicher Basis Nutzungen und Wertsteigerungen ge­ bühren, sodass die Gesellschaft wertmäßig wie die Eigentümerin der Sache steht.74 Wie auch die Einbringung zur Nutzung stellt auch diese Art der Einbringung des Hofes in eine Gesellschaft – unter der Voraussetzung der weiteren Beteiligung an der landwirtschaftlichen Nutzung durch den Be­ triebsinhaber – keine Änderung der dinglichen Zuordnung und damit keinen nach § 13 Abs. 1 S. 4 ­HöfeO nachabfindungspflichtigen Tatbestand dar.75 Bei der Einbringung zu Eigentum (quoad dominium) als intensivster Form der Einbringung wird die Sache der Gesellschaft übereignet.76 Wird ein Hof77 also zum Eigentum in eine Gesellschaft eingebracht, wird die ding­ liche Zuordnung verändert, sodass es sich um eine Veräußerung i. S. v. Abs. 1 S. 1 handelt und damit der Tatbestand des Abs. 1 S. 4 erfüllt ist.78 Es ist dabei unerheblich, ob die Gesellschaft nur aus Familienangehörigen besteht oder ob auch Fremde daran beteiligt sind.79 Ferner ist auch die Rechtsform Einbringung zur Nutzung nicht aus einer entsprechenden Anwendung des § 13 Abs. 1 S. 4 folgt. 71  Faßbender/Hötzel/v. Jeinsen/Pikalo/Hötzel, ­HöfeO § 13 Rn. 10. 72  Faßbender/Hötzel/v. Jeinsen/Pikalo/Hötzel, ­ HöfeO § 13 Rn. 10; das sei etwa bei der Ausschöpfung des wirtschaftlichen Wertes zugunsten der Gesellschaft durch beschränkt dingliche Rechte oder langfristigen Nutzungsverhältnissen mit Übernah­ merechten und Vorleistung des gesamten Entgelts der Fall. 73  H. Wöhrmann, RdL 2003, 284 (285). 74  EBJS/Wertenbruch, HGB, § 105 Rn. 246. 75  Suckow, Die Gesellschaftsgründung unter Geltung des landwirtschaftlichen Sondererbrechts, S. 150. 76  EBJS/Wertenbruch, HGB, § 105 Rn. 245. 77  Auch die Einbringung von Einzelgrundstücken ist erfasst, vgl. LüdtkeHandjery/v. Jeinsen/Haarstrich, ­HöfeO, § 13 Rn. 24. 78  Faßbender/Hötzel/v. Jeinsen/Pikalo/Hötzel, ­HöfeO § 13 Rn. 11 f.; Suckow, Die Gesellschaftsgründung unter Geltung des landwirtschaftlichen Sondererbrechts, S. 151. 79  Faßbender/Hötzel/v. Jeinsen/Pikalo/Hötzel, ­HöfeO § 13 Rn. 12 f.



I. Nach der Höfeordnung207

der Gesellschaft nicht von Bedeutung80 und es spielt auch keine Rolle, ob die Gesellschaft den Betrieb in der bisherigen Weise, also land- oder forstwirt­ schaftlich, weiternutzt.81 Würde die Einbringung des Betriebs in eine Gesellschaft nur dem § 13 Abs. 1 S. 1 ­ HöfeO unterfallen, würde die im Gesellschaftsvertrag für die Einbringung bestimmte Gegenleistung als nachabfindungspflichtiger Erlös gelten.82 Dies sind in der Regel die Gesellschaftsrechte an der aufnehmen­ den Gesellschaft, deren Wert zum einen schwer bestimmbar und der zudem durch die Gesellschafter beeinflussbar ist.83 Daher tritt aus Gründen der Rechtssicherheit und zum Schutz der Miterben nach § 13 Abs. 1 S. 4 an die Stelle der Gegenleistung für die Einbringung der Verkehrswert des Hofes. Die dargelegte Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Einbringung wird auch gestützt durch den höferechtlichen Zweck: Im Falle der Einbringung zu Eigentum ist bereits das Tatbestandsmerkmal des „Alleineigentums einer natürlichen Person“ aus § 1 Abs. 1 ­ HöfeO nicht mehr erfüllt, sodass der durch eine Gesellschaft betriebene Hof nicht mehr in den Schutzbereich der Höfeordnung fällt.84 Durch die Möglichkeit, den Betrieb sowohl zur Nut­ zung als auch dem Werte nach als Sacheinlage in eine Gesellschaft einzu­ bringen steht es dem Betriebsinhaber dennoch offen, sich kooperativer For­ men der Bewirtschaftung zu bedienen. Hierdurch wird etwa nach Ansicht von Führ dem höferechtlichen Zweck besonders Rechnung getragen, weil dem Betriebsinhaber so ermöglicht wird, den Hof zu wirtschaftlich tragbaren Bedingungen fortzuführen, deren Modalitäten er selbst bestimmen kann.85

80  Möglich ist also etwa die Einbringung in Personen- oder Kapitalgesellschaften, Genossenschaften oder Vereine. 81  Als Beispiele für eine nachabfindungspflichtige Einbringung zum Eigentum werden etwa die Einbringung des Betriebs oder von Grundflächen in eine Gesell­ schaft zum Betrieb einer Biogasanlage oder die Einbringung als Gesellschaftskapital unter Bezug der Gewinnanteile genannt, vgl. Wöhrmann/Graß, Landwirtschafts­ erbrecht, § 13 H ­ öfeO Rn. 61 f. 82  Wöhrmann/Graß, Landwirtschaftserbrecht, § 13 ­HöfeO Rn. 56. 83  Suckow, Die Gesellschaftsgründung unter Geltung des landwirtschaftlichen Sondererbrechts, S. 139 und S. 152. 84  Lüdtke-Handjery/v. Jeinsen/Haarstrich, ­ HöfeO, § 13 Rn. 24; zur Diskussion, ob das Tatbestandsmerkmal des Alleineigentums einer natürlichen Person im Rahmen der Höfeordnung aufgrund der steigenden Anzahl von Personengesellschaften und juristischen Personen als Betreiber angepasst werden sollte vgl. S. 79 ff. 85  Führ, RNotZ 2012, 303 (310).

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E. Ansprüche der weichenden Miterben

e) Die Tatbestände des § 13 Abs. 4 ­HöfeO Gemäß § 13 Abs. 4 ­HöfeO gilt Abs. 1 S. 1 entsprechend, wenn der Hof­ erbe innerhalb von 20 Jahren nach dem Erbfall entweder wesentliche Teil des Hofzubehörs veräußert oder verwertet (lit. a) oder den Hof oder Teile davon auf andere Weise als land- und forstwirtschaftlich nutzt (lit. b) und dadurch erhebliche Gewinne erzielt. aa) Veräußerung und Verwertung wesentlicher Teile des Hofzubehörs (§ 13 Abs. 4 lit. a) ­HöfeO) Gemäß § 3 ­HöfeO gehört auch das Hofzubehör zum Hof. Nach § 13 Abs. 4 lit. a) ­HöfeO entsteht ein Nachabfindungsanspruch daher auch dann, wenn innerhalb von 20 Jahren nach dem Erbfall wesentliche Teile des Hofzubehörs veräußert oder verwertet und damit erhebliche Gewinne86 erzielt werden. Dies gilt nach der Regelung nicht, wenn die Maßnahme im Rahmen einer ordnungsgemäßen Bewirtschaftung liegt. Beispiele für diesen Nachabfin­ dungstatbestand sind etwa der Verkauf einer Zuchtherde, um den Betrieb auf eine viehlose Wirtschaft umzustellen, oder die Veräußerung des gesamten lebenden oder toten Inventars, weil der Betrieb langfristig ohne Inventar verpachtet werden soll, oder die Aufgabe eines landwirtschaftlichen Be­ triebszweigs (etwa Schweinezucht oder Ackerwirtschaft).87 Unter „Veräußerung“ ist wie auch bei der Veräußerung von Grundstücken oder dem Hof im Ganzen nach § 13 Abs. 1 S. 1 und 2 H ­ öfeO das dingliche Rechtsgeschäft zu verstehen. „Verwertung“ meint zum einen den Eigentums­ verlust kraft Gesetzes (etwa durch Verbindung und Vermischung), zum ande­ ren aber auch alle Fälle, in denen der Eigentümer ohne Eigentumsverlust zulässt, dass sich ein anderer den wirtschaftlichen Wert des Zubehörs aneig­ net, etwa durch dessen langfristige Vermietung oder Verpachtung.88 Damit ein Nachabfindungsanspruch nach § 13 Abs. 4 lit. a) ­HöfeO ent­ steht, muss der Hoferbe „wesentliche Teile“ des Hofzubehörs veräußern. Beim Betrieb einer Land- oder Forstwirtschaft gehört es zum normalen Ge­ schäftsgang, dass fortlaufend Teile des Zubehörs verkauft werden. Daher soll 86  Im Gegensatz zur landwirtschaftsfremden Nutzung nach Abs. 4 lit. b) ist die Bestimmung des Begriffs der „Gewinne“ im Rahmen von Abs. 4 lit. a) weitestgehend unproblematisch; zur Diskussion um die Bestimmung des Begriffs der „Gewinne“ daher ausführlich im Zusammenhang mit Abs. 4 lit. b) auf S. 211 ff.; zur Erheblich­ keit der Gewinne, die ebenfalls im Rahmen von Abs. 4 lit. a) relevant ist, ebenfalls im Zusammenhang mit dem Begriff der Gewinne auf S. 215 ff. 87  Barnstedt/Becker/Bendel, AgrarR 1976, 212 (217). 88  Lüdtke-Handjery/v. Jeinsen/Haarstrich, ­HöfeO, § 13 Rn. 32.



I. Nach der Höfeordnung209

diese Einschränkung des Tatbestandes nach der Gesetzesbegründung verhin­ dern, dass bereits bei der Veräußerung oder Verwertung einzelner Inventar­ stücke die Abfindungsfrage aufgeworfen wird.89 Wann das Merkmal der „wesentlichen Teile“ des Hofzubehörs erfüllt ist, ist umstritten: Vor allem in der Praxis wird davon ausgegangen, dass dies bereits der Fall ist, wenn der Veräußerungserlös 10 % des Hofwertes beträgt.90 Teile der Literatur bejahen das Tatbestandsmerkmal hingegen bereits dann, wenn der Betrag des verwer­ teten oder veräußerten Zubehörs unter 10 % des Hofwertes liegt, jedoch na­ hezu das gesamte Hofzubehör veräußert wird und dadurch die Hofbewirt­ schaftung zum Erliegen gebracht wird.91 Zwar sprechen für die Bezugnahme auf eine feste Wertgrenze von einem Zehntel des Hofwertes Praktikabilitätsgründe, jedoch wird der höferechtliche Zweck als maßgebliches Auslegungskriterium durch ein alleiniges Abstellen auf diese Wertgrenze nicht hinreichend gewürdigt: Das Hofzubehör ist für den Betreiber des landwirtschaftlichen Betriebs unbedingt erforderliches Ar­ beitsmaterial, welches gewährleistet, dass er den Hof auch in Zukunft wirt­ schaftlich nachhaltig betreiben kann. Veräußert er nahezu das gesamte Zube­ hör, ohne dafür Ersatz zu beschaffen, spricht vieles dafür, den Nachabfin­ dungsanspruch nicht erst bei Erreichen der Wertgrenze von einem Zehntel des Hofwertes entstehen zu lassen. Dies gilt insbesondere auch deshalb, weil abhängig von der Wirtschaftsform und dem Wert der Flächen unterschiedli­ che Wertrelationen zwischen dem Gesamtbetrieb und den Zubehör bestehen können. Ein Faktor hierbei ist etwa der lokal unterschiedliche Wert von Grundbesitz. Dadurch ist der Gesamtwert des Hofes – und damit auch das nach einer Auffassung die Höhe des nachabfindungsfrei veräußerbaren Zehn­ tels – unter anderem abhängig davon, wo die Grundflächen als wesentlicher Einflussfaktor auf den Hofwert, belegen sind. Darüber hinaus ist die Relation zwischen den Grundflächen und der Wertigkeit des Zubehörs auch je nach Betriebsform, -größe und Bewirtschaftungsart unterschiedlich. Ein pauscha­ les Abstellen auf eine Wertgrenze wird daher nicht den Umständen des Ein­ zelfalles gerecht. Aus diesem Grund scheint es unabhängig vom Kriterium des Zehntelhofwertes sinnvoller, darauf abzustellen, dass nahezu das gesamte Hofzubehör beziehungsweise so viel des Hofzubehörs verwertet wurde, dass eine Bewirtschaftung des Hofes nicht mehr gewährleistet werden kann. Einer weiteren Auffassung zufolge, soll der Tatbestand des „wesentlichen Teils“ auch unabhängig vom Zehntelhofwert immer dann erfüllt sein, wenn einzelne Verwertungen oder Veräußerungen offenkundig außerhalb des Rah­ 89  BT-Drucks.

7/1443, S. 27. Hamm AgrarR 1984, 221. 91  Lüdtke-Handjery/v. Jeinsen/Haarstrich, ­HöfeO, § 13 Rn. 33. 90  OLG

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E. Ansprüche der weichenden Miterben

mens ordnungsgemäßer Bewirtschaftung liegen, weil Zubehörstücke in unge­ wöhnlichem Umfang oder Einzelstücke von ungewöhnlichem Wert veräußert oder verwertet wurden.92 Dieser Ansatz verfolgt in etwa die gleiche Stoß­ richtung wie die vorgenannte Auffassung, nach welcher es ausreicht, dass so viel Zubehör veräußert wird, dass eine sinnvolle Bewirtschaftung des Be­ triebs nicht mehr möglich ist. bb) Andere als land- oder forstwirtschaftliche Nutzung (§ 13 Abs. 4 lit. b) ­HöfeO) Schließlich entsteht ein Nachabfindungsanspruch nach § 13 Abs. 4 lit. b) ­ öfeO in den Fällen, in denen der Hof oder Teile davon auf andere Weise als H land- oder forstwirtschaftlich genutzt werden und dadurch erhebliche Ge­ winne erzielt werden.93 Die Norm hat in dieser Form kein Vorbild in frühe­ ren Anerbenrechten, sondern ist unmittelbare Ausprägung des höferechtlichen Zwecks, der mit der Höferechtsnovelle von 1976 maßgebliches Kriterium für das Entstehen von Nachabfindungsansprüchen geworden ist.94 Das bedeutet, dass eine Privilegierung nur zur Ermöglichung der Fortführung des landwirt­ schaftlichen Betriebs durch den Hoferben erfolgt und deshalb auch nur so­ lange bestehen bleibt, wie der Hoferbe diesen auch tatsächlich in der von der Höfeordnung intendierten Weise, nämlich land- oder forstwirtschaftlich, be­ wirtschaftet. Nutzt er den Hof auf andere Weise als land- oder forstwirt­ schaftlich, ohne ihn zu veräußern, so hat er die Miterben an den dadurch erzielten Gewinnen, sofern diese erheblich sind, zu beteiligen. Bei der Bestimmung des Begriffs der „landwirtschaftlichen Nutzung“ ist ebenfalls auf die bereits im Rahmen der Bestimmung des Anwendungsbe­ reichs der Höfeordnung relevant gewordene Definition der Landwirtschaft in § 1 Abs. 2  GrdstVG zurückzugreifen.95 Danach ist Landwirtschaft die „Bo­ denbewirtschaftung und die mit der Bodennutzung verbundene Tierhaltung, um pflanzliche oder tierische Erzeugnisse zu gewinnen, besonders der Ackerbau, die Wiesen- und Weidewirtschaft, der Erwerbsgartenbau, der Er­ werbsobstbau und der Weinbau sowie die Fischerei in Binnengewässern.“ Landwirtschaftsfremd ist eine Nutzung des Betriebs demnach immer dann, wenn dieser nicht mehr im Sinne der genannten Definition genutzt wird. Die 92  Wöhrmann/Graß, Landwirtschaftserbrecht, § 13 ­ HöfeO Rn. 69, als Beispiele werden hier der gesamte Viehbestand oder ein Zubehörstück von hohem Wert, wie etwa eine Landmaschine, genannt. 93  Ähnliche Regelungen finden sich auch in § 13 Abs. 4 lit. b) Bbg­HöfeOG, § 18 Abs. 1 HessLandgüterO sowie § 17 Abs. 1 GrdstVG. 94  Wöhrmann/Graß, Landwirtschaftserbrecht, § 13 ­HöfeO Rn. 70. 95  Führ, RNotZ 2012, 303 (311).



I. Nach der Höfeordnung211

Generalklausel der landwirtschaftsfremden Nutzung in § 13 Abs. 4 lit. b) ­HöfeO wurde dabei insbesondere durch die Rechtsprechung durch Fallgrup­ pen präzisiert, die einer genaueren Betrachtung bedürfen. Der Wegfall des höferechtlichen Zwecks kann sich so vielfältig äußern, dass die gesetzlich ausgeführten Fälle diese nicht vollumfänglich umfassen. Aus diesem Grund sind nach Ansicht der Rechtsprechung im Wege der richterlichen Rechtsfort­ bildung auch weitere Fälle in den Tatbestand des § 13 Abs. 4 lit. b) ­HöfeO mit einzubeziehen.96 Allerdings ist hier an den jeweiligen Stellen zu disku­ tieren, ob man zu dem gleichen Ergebnis nicht auch durch eine Auslegung der Norm im Lichte des höferechtlichen Zwecks gelangen kann.97 Eine weitere Problematik ergibt sich daraus, dass die Berechnung der Höhe des Nachabfindungsanspruchs bei landwirtschaftsfremder Nutzung ge­ setzlich nicht eindeutig geregelt ist und stark von den einzelnen Fallkonstel­ lationen abhängt. Im Folgenden sollen daher neben der Darstellung der Fallgruppen der landwirtschaftsfremden Nutzungen jeweils Vorschläge für eine im Einzelfall interessengerechte Berechnungsgrundlage für den Nachab­ findungsanspruch unterbreitet werden. (1) Die erzielten erheblichen Gewinne (a) Gewinn Bei der Veräußerung von Hofzubehör nach Abs. 4 lit. a) sowie der nicht­ landwirtschaftlichen beziehungsweise nichtforstwirtschaftlichen Nutzung nach Abs. 4 lit. b) bildet der erzielte erhebliche Gewinn die Berechnungs­ grundlage für den Nachabfindungsanspruch. Dass Gewinne erzielt wurden, ist dabei keine Voraussetzung dafür, ob eine Nachabfindung zu zahlen ist, sondern bezieht sich auf die Frage, woran die weichenden Miterben zu betei­ ligen sind.98 Was genau als Gewinn angesehen wird, ist nicht legaldefiniert. Angesichts der stark kasuistischen Ausfüllung des Tatbestandes im Rahmen von § 13 Abs. 4 lit. b) ­HöfeO betrifft diese Fallgruppe der Gewinnerzielung durch nichtlandwirtschaftliche Nutzung viele unterschiedliche Konstellatio­ nen der Erzielung von Einnahmen. Da im Folgenden nicht nur die Fallgrup­ pen, sondern jeweils auch die genaue Berechnung des Gewinns erläutert werden sollen, bietet es sich an dieser Stelle an, das Pferd von hinten aufzu­ zäumen und zunächst grundsätzlich zu klären, was unter Gewinnen im Sinne des § 13 Abs. 4 ­HöfeO zu verstehen ist. Bei der Definition der Gewinne 96  BGH AgrarR 1992, 79 (80); BGH AgrarR 1997, 216 (217); OLG Celle ­AgrarR 1984, 219 (220). 97  So etwa Fischer, Topoi richterlicher Rechtsfortbildung im Zivilrecht, S. 259 ff. 98  H. Wöhrmann, RdL 2003, 284 (285).

212

E. Ansprüche der weichenden Miterben

handelt es sich um eine der „umstrittensten und regelungsbedürftigsten Ma­ terien des § 13 ­HöfeO.“99 Die Gesetzesmaterialien geben keinerlei Aufschluss darüber, wie der Begriff des Gewinns im Kontext der Nachabfindungsan­ sprüche verstanden werden soll. Der Bundesgerichtshof und ein Großteil der Literatur nehmen an, dass unter „Gewinn“ in § 13 Abs. 4 ­HöfeO das gleiche zu verstehen sei wie „Er­ löse“ in § 13 Abs. 1 S. 1 ­HöfeO.100 Begründet wird dies unter anderem mit der Verweisung des Abs. 4 auf Abs. 1, der die Erlöse für maßgeblich er­ klärt.101 Das bedeutet, dass dem Hoferben zur Entstehung einer Nachabfin­ dungspflicht Geld zugeflossen sein muss. Wenn diese Mehreinnahmen also nicht in einer Summe kassiert werden, sondern regelmäßig anfallen, wie etwa Miet- oder Pachteinnahmen, entsteht die Nachabfindungspflicht inner­ halb der Nachabfindungsfrist auch jährlich neu. Diese Ansicht nähert sich dem Thema also aus einer bereicherungsrechtlichen Richtung an: Es soll das abgeschöpft werden, was dem Hoferben an Mehr zufließt und nicht aus der landwirtschaftlichen Nutzung des ererbten Hofes samt Zubehör stammt. Nach einer anderen Auffassung ist der Begriff des „Gewinns“ gerade nicht gleichbedeutend mit dem des „Erlöses“.102 Statt als Liquiditätszufluss wird „Gewinn“ hierbei im Sinne der Legaldefinition des § 100 BGB als jeder vermögenswerte Vorteil und jede Wertsteigerung verstanden, die aus einem Vergleich der Situationen vor und nach der Vornahme der jeweiligen Maß­ nahme stammen, ohne dass es wie bei der vorgenannten Lösung zu einer realen Erlösrealisierung „in bar“ kommen muss.103 Durch den Vergleich der Vermögenssituation vor und nach der entwidmenden Maßnahme liegt dieser Ansicht ein entschädigungsrechtlicher Gedanke zugrunde. Für die Gleichsetzung der Begriffe „Gewinn“ und „Erlöse“ und damit die bereicherungsrechtliche Ansicht spricht zunächst die Systematik des § 13 ­HöfeO: Auch bei § 13 Abs. 4 ­HöfeO sei für die Berechnung des aus­ gleichspflichtigen Gewinns der § 13 Abs. 5 ­HöfeO heranzuziehen, in wel­ RNotZ 2012, 303 (312). AgrarR 2000, 298 (das OLG Celle als Vorinstanz vertrat hier noch die Ansicht, dass Gewinn und Erlös gerade nicht gleichbedeutend sind, vgl. OLG Celle RdL 2000, 100); BGH RdL 2009, 217 (219); OLG Hamm AUR 2009, 399; Faßben­ der/Hötzel/v. Jeinsen/Pikalo/Hötzel, ­HöfeO, § 13 Rn. 18; Lüdtke-Handjery/v. Jeinsen/ Haarstrich, ­HöfeO, § 13 Rn. 44; Nordalm, AgrarR 1977, 161 (163); Steffen/Ernst, ­HöfeO, § 13 Rn. 70. 101  BGH AgrarR 2000, 298 (299). 102  H. Wöhrmann, RdL 2003, 284 (286); Wöhrmann/Graß, Landwirtschafts­ erbrecht, § 13 ­HöfeO Rn. 93; Führ, RNotZ 2012, 303 (312); Graß, AUR 2018, 92 (93). 103  H. Wöhrmann, RdL 2003, 284 (286). 99  Führ,

100  BGH



I. Nach der Höfeordnung213

chem der Begriff „Erlöse“ benutzt wird.104 Zudem ordne die Norm in drei Fällen105 konkret an, dass der Ausgleichsanspruch nicht auf Grundlage des tatsächlich erzielten Erlöses zu berechnen ist. Daraus folgert der Bundesge­ richtshof im Umkehrschluss, dass eine andere Berechnung als die auf Grund­ lage des tatsächlich erzielten Erlöses bei § 13 Abs. 4 ­HöfeO aufgrund einer fehlenden derartigen Anordnung gerade nicht gewollt sei. Gegen diese Ansicht wird zunächst eingewendet, dass der Gesetzgeber im § 13 ­HöfeO in den verschiedenen Absätzen insgesamt elf Mal das Wort „Er­ lös“ verwendet.106 Das Wort „Gewinn“ wird hingegen nur in § 13 Abs. 4 Höfe gebraucht. Hieraus wird vom OLG Celle geschlossen, dass der Gesetzgeber bewusst einen anderen Begriff gewählt hat, um eine andere Berechnungs­ grundlage für den Nachabfindungsanspruch in § 13 Abs. 4 ­HöfeO festzule­ gen.107 Zudem ordnet § 13 Abs. 4 ­HöfeO an, dass § 13 Abs. 1 S. 1 ­HöfeO „entsprechend“ gilt und nicht dass er „auch“ gilt, sodass nach dem Wortlaut der Norm eher von einer sinngemäßen Anwendung der Vorschrift auszuge­ hen sei.108 Damit würde die Verweisung auf § 13 Abs. 1 H ­ öfeO nichts ande­ res bedeuten, als dass für den Begriff „Erlös“ der Begriff „Gewinne“ in den Gesetzestext gelesen werden muss, aber jeder Begriff für sich genommen nach seiner Bedeutung im bürgerlichen Recht betrachtet wird.109 Dann regelt der Verweis lediglich, dass die übrigen Anordnungen des Abs. 1 S. 1, wie etwa die Frist von zwanzig Jahren oder die Anrechnung bereits erhaltener Abfindung, auch in Bezug auf den Gewinn gelten.110 Gegen die Begründung des Bundesgerichtshofs,111 dass die Gesetzessystematik im Rahmen von § 13 Abs. 5 ­HöfeO eine Gleichsetzung der Begriffe Gewinn und Erlös erfordere, lässt sich zudem einwenden, dass eine Berechnung des ausgleichspflichtigen Betrags nach den Anordnungen des § 13 Abs. 5 ­HöfeO sich nicht aus dem Wortlaut des § 13 Abs. 4 ­HöfeO ergibt und die Regelungen bei Gewinnen zudem auch überwiegend nicht erforderlich seien.112 H. Wöhrmann zieht daher zur Definition des „Gewinns“ den § 252 BGB heran, in welchem es um die Ersatzfähigkeit von entgangenem Gewinn 104  BGH

AUR 2000, 298 (299). ist zunächst die Einbringung des Hofes in eine Gesellschaft (§ 13 Abs. 1 S. 4 ­HöfeO), bei außerhalb der ordnungsgemäßen Bewirtschaftung liegenden ding­ lichen Belastungen (§ 13 Abs. 5 S. 2 ­HöfeO) und wenn der Hoferbe eine Erlöszie­ hung entgegen Treu und Glauben unterlassen hat (§ 13 Abs. 5 S. 3 ­HöfeO). 106  OLG Celle RdL 2000, 100. 107  OLG Celle RdL 2000, 100. 108  H. Wöhrmann, RdL 2003, 284 (286). 109  Wöhrmann/Graß, Landwirtschaftserbrecht, § 13 ­HöfeO Rn. 91. 110  H. Wöhrmann, RdL 2003, 284 (286); so auch OLG Celle RdL 2000, 100. 111  BGH AUR 2000, 298 (299). 112  H. Wöhrmann, RdL 2003, 284 (286). 105  Dies

214

E. Ansprüche der weichenden Miterben

geht:113 Dort sind darunter alle Vermögensvorteile zu verstehen, die dem Geschädigten im Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses zwar noch nicht zugeflossen sind, ihm aber ohne das schädigende Ereignis zugeflossen wä­ ren.114 Im Umkehrschluss sind tatsächlich erzielte Gewinne dann alle Vermö­ gensvorteile, die im maßgeblichen Zeitpunkt115 noch nicht Teil des Vermö­ gens des Hoferben waren, aber ihm durch den Wegfall des höferechtlichen Zwecks zugeflossen sind. Dieses Ergebnis deckt sich mit der Ansicht, die den Gewinn in einem einmaligen Vergleich der Vermögenssituationen vor und nach der Entwidmung bestimmen will. Der beschriebene Ansatz hat zudem den Vorteil, dass er in der Praxis zu einer höheren Befriedung führt, da so nur einmalig eine Nachabfindungszah­ lung zu leisten ist und sich diese bei wiederkehrenden Erträgen, wie etwa Miet- oder Pachteinnahmen, nicht wie bei dem anderen Lösungsansatz auf bis zu 20 Jahre ausdehnt.116 Damit hätte der entschädigungsrechtliche An­ satz auch eine höhere Befriedungsfunktion, da nur einmal über die Höhe der Abfindung entschieden werden muss und die Frage sich nicht bis zum Ende der Abfindungsfrist immer wieder stellt. Durch die wiederkehrende Entste­ hung des Nachabfindungsanspruchs bei jeder Erzielung eines Überschusses auf Grundlage der bereicherungsrechtlichen Ansicht würde die Regelung zudem erheblich abweichen von der Konzeption der anderen Nachabfin­ dungstatbestände. Stellt man hingegen generell auf die Entwidmung ab, ent­ steht auch der Nachabfindungsanspruch ein einziges Mal. Dies schafft höhere Rechtssicherheit und fügt sich insgesamt in die Konzeption des § 13 H ­ öfeO ein. Dass dies auch den Vorstellungen des Gesetzgebers entspricht, leitet H. Wöhrmann aus der Gesetzesbegründung zum § 13 Abs. 10 S. 2 und 3 ­HöfeO (dauerhafte Verpachtung des Betriebs) ab, der nicht in die endgültige Fassung des Gesetzes mit aufgenommen wurde.117 Dort heißt es, dass „der höferechtliche Zweck nicht erst mit der Veräußerung wegfällt, sondern be­ reits dann, wenn der Hoferbe, ohne den Hof zu veräußern, dessen Bewirt­ schaftung auf Dauer aus den Händen gibt. Es ist daher geboten, diesen Fall dem der Veräußerung des Hofes abfindungsrechtlich gleichzustellen.“118 Dieser Formulierung liege aufgrund der Bezugnahme auf den Grundfall der Veräußerung des Betriebs der allgemeine Gedanke zugrunde, dass die Nach­ RdL 2003, 284 (286). NJW-RR 1989, 980 (981). 115  Dieser liegt nach hier vertretener Auffassung in der Entwidmung, also dem Wegfall des höferechtlichen Zwecks; allerdings wird der Zeitpunkt des Entstehens des Nachabfindungsanspruchs vom BGH zum Teil von weiteren Umständen abhängig gemacht, siehe ausführlich bei der Darstellung der einzelnen Tatbestände, S. 217 ff. 116  Wöhrmann/Graß, Landwirtschaftserbrecht, § 13 H ­ öfeO Rn. 93. 117  H. Wöhrmann, RdL 2003, 284 (286). 118  BT-Drucks. 7/1443, S. 28. 113  H. Wöhrmann, 114  BGH



I. Nach der Höfeordnung215

abfindungspflicht mit der Entwidmung des Betriebs – und damit einmalig – entstehen soll.119 Gegen den bereicherungsrechtlichen Ansatz, der die Miterben durch eine Gleichsetzung von Gewinn und Erlös an den laufenden Miet- oder Pachtein­ nahmen beteiligt, kann zudem eingewendet werden, dass der Hoferbe durch die Singularsukzession in den Hof Eigentümer wird und demzufolge nach § 903 BGB die Möglichkeit hat, mit seinem Eigentum nach Belieben zu verfahren. Wenn er sich dafür entscheidet, das geerbte Eigentum an dem Betrieb auf nichtlandwirtschaftliche Weise zu nutzen, entspringen die Mehr­ erlöse – also etwa Miet- oder Pachteinnahmen – nicht nur aus der Substanz der Sache, sondern in erster Linie „aus einer vielschichtigen wirtschaftlichen Entscheidung des Hoferben, die sich zwar zum Teil auch aus der landwirt­ schaftsfremden Nutzung herleitet, im Wesentlichen jedoch darauf beruht, dass der Hoferbe weitere eigene Leistungen erbringt.“120 Den weichenden Miterben soll jedoch eigentlich durch die Nachabfindungsansprüche eine Beteiligung an dem zugebilligt werden, was ihnen durch die Privilegierung des Hoferben nicht zugekommen ist. Dies ist eher in der Substanz zu sehen und nicht in der Nutzung des Eigentums durch den Hoferben. Dies spricht vielmehr dafür, den entschädigungsrechtlichen Ansatz dem bereicherungs­ rechtlichen vorzuziehen.121 Wie sich die unterschiedlichen Ansätze konkret auf die Berechnung des Gewinns auswirken, soll nachfolgend innerhalb der jeweiligen Fallgruppen genauer ausgeführt und gegenübergestellt werden. (b) Erheblichkeit Weiterhin müssen die erzielten Gewinne in beiden Tatbeständen des Abs. 4 erheblich sein. Im Gegensatz zum Merkmal des Gewinns handelt es sich bei der Erheblichkeit um eine zwingende Voraussetzung für das Entstehen eines Nachabfindungsanspruchs.122 Da sich das Tatbestandsmerkmal der Erheb­ lichkeit in Abs. 4 sowohl auf die Veräußerung des Zubehörs nach lit. a) als auch auf die landwirtschaftsfremde Nutzung nach lit. b) bezieht, bietet sich eine einheitliche Definition für beide Modalitäten in Hinblick auf die Rechts­ anwendung an.

RdL 2003, 284 (286). Celle RdL 2000, 100 (101). 121  Allerdings weist Graß darauf hin, dass in Bezug auf diese Problematik statt einer Änderung der Rechtsprechung in Hinblick auf die Gewaltenteilung eher eine Gesetzesänderung erforderlich sein könnte, vgl. Graß, AUR 2018, 92 (93). 122  H. Wöhrmann, RdL 2003, 284 (286). 119  H. Wöhrmann, 120  OLG

216

E. Ansprüche der weichenden Miterben

Wie genau der Begriff zu verstehen ist, ist ebenfalls umstritten: Nach einer Auffassung soll entsprechend der Erheblichkeitsschwelle in den übrigen Tat­ beständen des § 13 ­HöfeO auch bei der landwirtschaftsfremden Nutzung auf einen Zehntel des Hofwertes abgestellt werden.123 Diese Auslegung würde aber insbesondere bei der Veräußerung oder Verwertung von Hofzubehör in Abs. 4 lit. a) dazu führen, dass sich das Merkmal der „wesentlichen Teile“ mit dem der „Erheblichkeit“ deckt, sodass es dieses Tatbestandsmerkmal je­ denfalls in Bezug auf Abs. 4 lit. a) nicht mehr bedurft hätte.124 Bei wieder­ kehrenden Leistungen, also etwa Miet- und Pachtzinsen, wird von den An­ hängern dieser Ansicht im Rahmen von Abs. 4 lit. b) zur Bestimmung der Erheblichkeitsschwelle auf die Summe der Leistungen über die gesamte Vertragslaufzeit abgestellt.125 Allerdings ist hier nicht verständlich, wieso gerade Wöhrmann/Graß als Anhänger der Auffassung, dass die Gewinne in einer Summe zu bestimmen sind und nicht aus den laufenden Leistungen, für das Kriterium der Erheblichkeit wiederum auf eine Addition der Miet-, Pacht- oder Erbbauzinsen über die Laufdauer des Vertrags zurückgreifen. Eine andere Auffassung geht davon aus, dass Erheblichkeit parallel zu § 17 Abs. 1 S. 1 GrdstVG bedeutet, dass der tatsächlich erzielte Veräuße­ rungserlös oder Nutzungspreis den Wert, zu welchem der Hoferbe den Ge­ genstand bei Erbfall erhalten hat, um mindestens 50 % übersteigen muss.126 Hiergegen wird vor allem im Zusammenhang mit dem Nachabfindungsan­ spruch nach Abs. 4 lit. a) argumentiert, dass sich in der Praxis bei der Veräu­ ßerung gebrauchten landwirtschaftlichen Zubehörs wie etwa Landmaschinen oder Tierbeständen selten eine so hohe Wertsteigerung realisieren lässt.127 Zudem lässt sich einwenden, dass eine solche Wertgrenze in Bezug auf die landwirtschaftsfremde Nutzung nach Abs. 4 lit. b) in bestimmten Fallkonstel­ lationen nur schwer bestimmbar ist. Deshalb wird zum Teil dafür plädiert, einen Nachabfindungsanspruch un­ abhängig von einer absoluten Wertgrenze von 50 % auch bereits dann anzu­ nehmen, wenn es aufgrund der Höhe der Einnahme nicht mehr gerechtfertigt

123  OLG Hamm AgrarR 1984, 221; Lüdtke-Handjery/v. Jeinsen/Haarstrich, ­HöfeO, § 13 Rn. 44; Wöhrmann/Graß, Landwirtschaftserbrecht, § 13 ­HöfeO Rn. 94; Bendel ist der Meinung, diese Wertgrenze sei nur deshalb akzeptabel, weil noch niemandem eine bessere Auslegung in den Sinn gekommen sei, vgl. OLG Hamm AgrarR 1984, 221 (222) mit Anm. Bendel. 124  OLG Hamm AgrarR 1984, 221 (222) mit Anm. Bendel. 125  Wöhrmann/Graß, Landwirtschaftserbrecht, § 13 H ­ öfeO Rn. 95. 126  Barnstedt/Becker/Bendel, AgrarR 1976, 209 (217); Dressel, NJW 1976, 1244 (1246); Faßbender/Hötzel/v. Jeinsen/Pikalo/Hötzel, ­HöfeO, § 13 Rn. 16. 127  Wöhrmann/Graß, Landwirtschaftserbrecht, § 13 H ­ öfeO Rn. 94.



I. Nach der Höfeordnung217

erscheint, die übrigen Miterben nicht an dieser zu beteiligen.128 Im Ergebnis erscheint eine Orientierung an der Wertgrenze von 50 % daher, insbesondere um eine Abgrenzung zum Merkmal der „wesentlichen Teile“ bei Abs. 4 lit. a) herzustellen, sinnvoll. Allerdings sollte aufgrund der Vielgestaltigkeit der Fallgruppen gerade auch in Bezug auf Abs. 4 lit. b) keine absolute Wert­ grenze angenommen werden, sondern es muss ein Spielraum für die Berück­ sichtigung der Umstände des Einzelfalls geschaffen werden. Daher bietet sich eine relative Grenze an, die sich als Kriterium daran orientiert, ob ein Ausschluss der Miterben an den Einnahmen billig erscheint. Zwar hat dies den Nachteil, dass keine klar bestimmbare Wertgrenze gegeben ist, anhand derer eindeutig beurteilt werden kann, ob die Erheblichkeitsschwelle über­ schritten ist oder nicht. Gerade aufgrund der Menge der in Betracht kom­ menden Fallkonstellationen erscheint es jedoch kaum möglich, eine absolute Grenze zu ziehen, mit der man allen Fallgruppen gerecht wird. Daher ist es angezeigt, unter Zugrundelegung des höferechtlichen Zwecks darauf abzu­ stellen, inwieweit die entsprechende Gewinnrealisierung noch dem Hoferben zugeordnet bleiben soll oder inwieweit sie so hoch ist, dass aus Billigkeits­ gründen auch die weichenden Miterben daran beteiligt werden sollten. (2) Fallgruppen Nachfolgend sollen die einzelnen in Rechtsprechung und Literatur thema­ tisierten Konstellationen, in denen Nachabfindungsansprüche aufgrund von landwirtschaftsfremder Nutzung nach Abs. 4 lit. b) entstehen können, in ein­ zelnen Fallgruppen dargestellt werden. (a) Verpachtung zu land- oder forstwirtschaftlichen Zwecken Grundsätzlich wird in § 13 Abs. 4 lit. b) ­ HöfeO für das Entstehen der Nachabfindungspflicht darauf abgestellt, ob der Hoferbe den Betrieb anders als land- oder forstwirtschaftlich nutzt. Bei kurzfristigen alters- oder krank­ heitsbedingten Verpachtungen des Betriebs mit dem Ziel, diesen langfristig wieder durch die Familie zu bewirtschaften, ist eine Verpachtung agrarstruk­ turell eher erstrebenswert als eine Veräußerung und außerdem nur ein Über­ gangszustand, sodass in diesen Fällen keine Nachabfindungsansprüche ent­ stehen.129 128  OLG Hamm AgrarR 1984, 221 (222) mit Anm. Bendel; Suckow, Die Gesell­ schaftsgründung unter Berücksichtigung des landwirtschaftlichen Sondererbrechts, S. 166. 129  So unter anderem auch Faßbender/Hötzel/v. Jeinsen/Pikalo/Hötzel, ­HöfeO, § 13 Rn. 17g und Wöhrmann/Graß, Landwirtschaftserbrecht, § 13 H ­ öfeO Rn. 77.

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E. Ansprüche der weichenden Miterben

Nach dem Wortlaut der Norm wäre der Tatbestand allerdings erfüllt, wenn der Hoferbe selbst den Betrieb des Hofes aufgibt und ihn langfristig an einen Dritten zur Bewirtschaftung verpachtet, um so aus dem Hof nur noch Ein­ nahmen aus der Verpachtung zu erzielen. Der § 13 Abs. 4 lit. b) ­HöfeO ist „unmittelbare Ausprägung des höferechtlichen Zwecks.“130 Dieser besteht – wie auch der Wortlaut des Abs. 4 nahelegt – in der Fortführung des Betriebs durch den Hoferben und nicht durch irgendeinen Dritten. In der langfristigen Verpachtung ist eher eine Kapitalanlage als eine landwirtschaftliche Nutzung des Betriebs zu sehen.131 Wenn daher keinerlei Anhaltspunkte dafür gegeben sind, dass der Eigentümer oder einer seiner Abkömmlinge den Hof in Zu­ kunft jemals wieder bewirtschaften wird, gebiete eine am höferechtlichen Zweck orientierte Auslegung des § 13 Abs. 4 lit. b) ­HöfeO die Annahme ei­ nes Nachabfindungsanspruchs.132 Auch die Gesetzesbegründung zum ur­ sprünglichen, nicht aufgenommenen § 13 Abs. 10 H ­ öfeO führte als Argument für einen Nachabfindungsanspruch bei langfristiger Verpachtung an, dass ohne einen solchen ein Anreiz dafür geschaffen werde, durch eine langfris­ tige Verpachtung eine Nachabfindung bei Veräußerungen zu umgehen, indem der Betrieb bis zum Ablauf der Nachabfindungsfrist verpachtet wird.133 Nach der überwiegenden Ansicht in Rechtsprechung und Literatur unter­ fällt die langfristige Verpachtung des Betriebs mit Bezugnahme auf die Ent­ stehungsgeschichte der Norm dennoch nicht dem Tatbestand des § 13 Abs. 4 lit.  b) ­HöfeO.134 Die ursprüngliche Fassung des Zweiten Gesetzes zur Ände­ rung der Höfeordnung von 1976 sah in § 13 Abs. 10 H ­ öfeO eine Regelung vor, nach welcher eine Nachabfindungspflicht auch dann entstehen sollte, wenn der Hoferbe den Betrieb einem nicht hoferbenberechtigten Dritten überlassen hat, ohne dass nach den Umständen zu erwarten ist, dass der Hof­ erbe selbst oder einer seiner hoferbenberechtigten Angehörigen die Bewirt­ Landwirtschaftserbrecht, § 13 H ­ öfeO Rn. 70. dieser Einschätzung kommen auch Faßbender/Hötzel/v. Jeinsen/Pikalo/Hötzel, ­HöfeO § 13 Rn. 17g; Führ, RNotZ 2012, 303 (313) und Wöhrmann/Graß, Land­ wirtschaftserbrecht, § 13 ­HöfeO Rn. 76 f. 132  Faßbender/Hötzel/v. Jeinsen/Pikalo/Hötzel, ­HöfeO § 13 Rn. 17g; H. Wöhrmann, RdL 2003, 284 (285). 133  BT-Drucks. 7/1443, S. 28; allerdings müsste man sich hier die Frage stellen, ob es sich dem Rechtsgedanken des § 13 Abs. 5 S. 3 ­HöfeO nicht um einen treuwidrig nicht gezogenen Erlös handelt oder ob ein solches Umgehungsgeschäft nach § 242 BGB nicht trotzdem unwirksam sein könnte. 134  OLG Celle AgrarR 1981, 315 (316); BGH AgrarR 1986, 319 (321); OLG Hamm AgrarR 1988, 138 (139); OLG Oldenburg AgrarR 1995, 373; LüdtkeHandjery/v. Jeinsen/Haarstrich, ­HöfeO, § 13 Rn. 40; Düsing/Düsing/Sieverdingbeck, Agrarrecht, § 13 ­HöfeO Rn. 32; Nordalm, AgrarR 1977, 161 (163); a. A. Faßbender/ Hötzel/v. Jeinsen/Pikalo/Hötzel, ­HöfeO § 13 Rn. 17g; Wöhrmann/Graß, Landwirt­ schaftserbrecht, § 13 ­HöfeO Rn. 75. 130  Wöhrmann/Graß, 131  Zu



I. Nach der Höfeordnung219

schaftung wiederaufnehmen oder fortführen werde.135 Dieser Vorschlag wurde letztlich vom Rechtsausschusses des Bundestages gestrichen. Die Be­ gründung dafür war, dass ein Nachabfindungsanspruch in diesen Fallkonstel­ lationen dazu führen würde, dass nicht entwicklungsfähige Betriebe vom Hoferben zur Vermeidung von Ansprüchen auf Abfindungsergänzungen weiter bewirtschaftet würden, was sich insgesamt agrarstrukturell negativ auswirken würde.136 Der Annahme eines Nachabfindungsanspruchs im Falle der langfristigen Verpachtung steht somit der klare Wille des Gesetzgebers entgegen. Darüber hinaus wird argumentiert, dass der Hoferbe sich – im Gleichklang mit der Eigenbewirtschaftung – auch bei der Verpachtung der Flächen mit am Verkehrswert gemessen relativ geringen Renditen zufrieden­ geben muss.137 Daher sei es auch gerechtfertigt, dass der Hoferbe keine Nachabfindungspflicht zahlen muss, wenn er sich, statt zu verkaufen, mit dieser „relativ geringen Landpacht zufrieden gibt.“138 Damit ist es im Ergebnis klarer und hinzunehmender Wille des Gesetzge­ bers, in Fällen der langfristigen Verpachtung zu land- oder forstwirtschaft­ lichen Zwecken nach der derzeitigen rechtlichen Lage keinen Nachabfin­ dungsanspruch entstehen zu lassen.139 In der Realität werden die meisten Betriebe in der heutigen Zeit wohl langfristig zur land- und forstwirtschaft­ lichen Nutzung verpachtet, weil der aktuelle Betriebsinhaber unter seinen Abkömmlingen keinen Nachfolger mehr finden kann. Es handelt sich daher in der überwiegenden Zahl der Fälle um ohnehin auslaufende Betriebe. Aus diesem Grund stellt sich die Frage, ob man unter den heutigen agrarstruktu­ rellen Bedingungen mit der langfristigen Verpachtung immer noch einer „kostengünstigen Aufstockung anderer entwicklungsfähiger Betriebe“140 den Vorzug vor den Interessen der weichenden Miterben an einer Beteiligung geben sollte. Insbesondere in den Fällen, in denen nicht damit zu rechnen ist, dass der Betrieb jemals wieder vom Inhaber oder seinen Abkömmlingen be­ wirtschaftet wird, kann durch eine Verpachtung auch leicht treuwidrig eine 135  BT-Drucks. 7/1443, S. 28; hierdurch sollten gerade auch (langfristige) Ver­ pachtungen erfasst werden. 136  BT-Drucks. 7/4545, S. 7; BT-Drucks. 7/1443, S. 38. 137  OLG Oldenburg AgrarR 1995, 373. 138  OLG Oldenburg AgrarR 1995, 373. 139  Diese Auslegung des § 13 Abs. 4 lit. b) H ­ öfeO wird von der Gegenansicht teil­ weise für verfassungswidrig gehalten. Vom Bundesgerichtshof wurde eine Vorlage beim Bundesverfassungsgericht in BGH AgrarR 1985, 319 (321) nicht zugelassen; das Gericht war der Meinung, dass die Regelung zwar im Einzelfall unbillig sein könne, aber dadurch nicht automatisch verfassungswidrig sei. Insbesondere sei der Betrieb bei einer langfristigen Verpachtung „in der Lebenswirklichkeit“ noch vorhan­ den. 140  BT-Drucks. 7/4545, S. 7.

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E. Ansprüche der weichenden Miterben

Nachabfindungsfrist umgangen werden.141 Hier ist es am Gesetzgeber zu prüfen, ob eine Förderung der langfristigen Verpachtung von Betrieben im­ mer noch gewünscht ist oder ob es nicht zeitgemäß wäre, im Rahmen einer Reform des § 13 ­HöfeO eher eine höhere Bodenmobilität anzustreben und die Interessen der weichenden Miterben zu fördern.142 Eine Nachabfin­ dungspflicht im Falle der Verpachtung des Betriebs war etwa in § 20 Abs. 10 des Entwurfs des Landwirtschaftlichen Erbgesetzes des Landes SachsenAnhalt vorgesehen. Der Entwurf enthielt in § 20 auch eine Reihe von Aus­ nahmetatbeständen, zu denen etwa die Überbrückung der Zeit bis zur Selbst­ bewirtschaftung (lit. b) oder die Berufsunfähigkeit des Hoferben (lit. d) gehö­ ren. Auch wenn eine solche Regelung zur Anwendung in der Praxis recht komplex erscheint, bietet sich eine ähnlich ausdifferenzierte Regelung für die längerfristige Verpachtung auch im Rahmen der Höfeordnung an. (b) Nutzung regenerativer Energien Eine immer größere praktische Bedeutung nimmt die Frage ein, unter wel­ chen Voraussetzungen die Nutzung von Grundflächen zur Gewinnung rege­ nerativer Energien eine Nachabfindungspflicht auslöst. Hierbei ist zu unter­ scheiden zwischen der eigenständigen Errichtung einer Anlage zur Gewin­ nung regenerativer Energie durch den Hofeigentümer und der Verpachtung von Standorten an externe Betreiber: Obergerichtlich geklärt ist, dass die Verpachtung von Standorten an Betrei­ ber von Windkraftanlagen eine gewerbliche – und damit eine Nachabfin­ dungspflicht auslösende – Nutzung ist.143 Dies gilt selbst dann, wenn auf den Grundflächen weiterhin Landwirtschaft betrieben werden kann, weil die Ge­ winnung der Windenergie gerade nicht in Zusammenhang mit der Bodennut­ zung steht, wie es für die Definition der „landwirtschaftlichen Nutzung“ er­ 141  So auch Führ, RNotZ 2012, 303 (317); Wöhrmann/Graß, Landwirtschafts­ erbrecht, § 13 ­HöfeO Rn. 107. 142  Haarstrich führt an, dass in einer Reihe neuerer unveröffentlichter Entscheidun­ gen (OLG Oldenburg, Beschluss vom 19.01.2006 – Az. 10W 29/05 – unveröffent­ licht; OLG Celle, Beschluss vom 15.08.2011 – Az. 7 W 51/11 (L) – unveröffentlicht; OLG Celle, Beschluss vom 19.03.2012 – 7 W 5/12 (L) – unveröffentlicht) in Fällen der langfristigen Verpachtung zu landwirtschaftlichen Zwecken eine Nachabfindungs­ pflicht angenommen wurde, wenn die Betriebseinheit dauerhaft entfallen ist und die Verpachtung reine Vermögensverwaltung darstellt. Ihm ist zuzustimmen, dass eine solche Rechtsprechung dem klaren Willen des Gesetzgebers widerspricht und es sich daher um unzulässige richterliche Rechtsfortbildung handelt. Hier obliegt es dem Gesetzgeber für die beschriebenen Fälle den § 13 ­HöfeO zu reformieren, vgl. LüdtkeHandjery‌/v.  Jeinsen/‌Haarstrich, ­HöfeO, § 13 Rn. 41. 143  BGH NJW-RR 2009, 1610; so auch OLG Oldenburg RNotZ 2008, 621; OLG Oldenburg RdL 2018, 199 (200); OLG Celle RdL 2012, 77.



I. Nach der Höfeordnung221

forderlich ist, sondern die landwirtschaftlichen Grundstücke in diesen Fällen lediglich Produktionsstandort für die Windenergie sind.144 Dies betrifft auch das sog. Repowering, also die Ersetzung alter Windkraftanlagen durch neue Anlagen.145 In diesen Fällen macht sich der Hofeigentümer nicht für im Zeitpunkt der Hofübergabe bereits existierende Windkraftanlagen nachab­ ­ findungspflichtig, sondern nur für den durch das Repowering anfallenden Mehrgewinn.146 In Bezug auf Photovoltaikanlagen ist bislang noch keine obergerichtliche Entscheidung zum Entstehen von Abfindungsergänzungsan­ sprüchen ergangen. Überwiegend wird ein Anspruch der weichenden Mit­ erben wohl auch in diesen Fällen im Gleichklang mit den Entscheidungen zu Windkraftanlagen bejaht.147 Bei zum Betrieb von Windkraftanlagen verpach­ teten Grundflächen richtet sich die Höhe des Nachabfindungsanspruchs nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der Gewinne mit Erlösen gleichsetzt, nicht nur nach dem jährlichen Pachtzins, sondern nach dem ver­ traglich vereinbarten Nutzungsentgelt, also dem gesamten Erlös des Hof­ erben aus dem Nutzungsvertrag.148 Nach der Ansicht, die unter Gewinn jeden durch die Entwidmung zugeflossenen Vorteil versteht, ist der erzielte Gewinn der Überschuss des Verkehrswertes der landwirtschaftsfremd genutzten Flä­ chen über den anteiligen Wirtschaftswert.149 Bei Biogasanlagen kommt es nach der Rechtsprechung des Bundesge­ richtshofs darauf an, wie die Nutzung konkret ausgestaltet ist und ob ein Zusammenhang zur Bodennutzung besteht: Wenn der Landwirt die Anlage selbst und mit auf dem Betrieb erzeugten Energiepflanzen betreibt, handelt es sich um eine Nutzung der Flächen zur Erzeugung von Rohstoffen und somit eine landwirtschaftliche Nutzung, sodass auch keine Nachabfindungs­ ansprüche entstehen.150 Etwas anderes gilt in Fällen, in denen die Zukäufe für den Betrieb der Biogasanlage mehr als 50 % betragen und die Energie überwiegend vermarktet wird, da die Einrichtung einer solchen Anlage einen gewerblichen Charakter hat.151 In diesen Fällen wird eine Nachabfindungs­ 144  BGH

NJW-RR 2009, 1610 (1611). Oldenburg RdL 2018, 199 (200). 146  OLG Oldenburg RdL 2018, 199 (200). 147  Steffen/Ernst, ­HöfeO, § 13 Rn. 61; Graß, AUR 2012, 365 (366); a. A. Bremer, RdL 2009, 85 (86), der davon ausgeht, dass durch Photovoltaikanlagen auf den Dä­ chern landwirtschaftlich genutzter Gebäude nicht die landwirtschaftliche Nutzung als solche eingeschränkt werde. 148  BGH RdL 2009, 217 (219); inwieweit hierbei das Verhandlungsgeschick des Eigentümers bei den Nutzungsverträgen gemäß § 13 Abs. 5 S. 4 H ­ öfeO zu berück­ sichtigen ist, wurde vom Gericht offengelassen. 149  Wöhrmann/Graß, Landwirtschaftserbrecht, § 13 ­HöfeO Rn. 96. 150  BGH NJW-RR 2009, 1610 (1611). 151  Graß, AUR 2012, 365 (366). 145  OLG

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E. Ansprüche der weichenden Miterben

pflicht ausgelöst. Die Einbringung von Grundflächen zum Eigentum in eine Gesellschaft für den Betrieb einer Biogasanlage unterfällt dem Nachabfin­ dungsanspruch nach § 13 Abs. 1 S. 4 ­HöfeO.152 Werden die Anlagen vom Hofeigentümer selbst angeschafft und gewerb­ lich betrieben, sollte nach Ansicht von Graß auf die Berechnungsmethode der Golfplatz-Entscheidung des OLG Hamm zurückgegriffen werden.153 Danach wird der nachabfindungspflichtige Gewinn ermittelt, indem der jähr­ liche Gewinn, bestehend aus den jährlichen Einnahmen abzüglich des Finan­ zierungsaufwands, mit der voraussichtlichen Nutzung multipliziert wird. Um eine Nachabfindungspflicht auszulösen, muss dieser Betrag die Erheblich­ keitsschwelle des § 13 Abs. 4 ­HöfeO überschritten haben. Nach dem entschä­ digungsrechtlichen Ansatz würde auch in diesen Fällen der Überschuss des Verkehrswertes der gewerblich genutzten Hofteile über den Wirtschaftswert herangezogen werden. Führ plädiert dafür, in Bezug auf regenerative Energien den Begriff der „landwirtschaftlichen Nutzung“ in einem modernen Sinne zu verstehen.154 Seiner Ansicht nach sollen die Gewinne aus der Verpachtung von Grundflä­ chen für Windkraftanlagen ebenfalls der landwirtschaftlichen Nutzung unter­ fallen, solange sie nicht die Haupteinnahmequelle des Betriebs darstellen. Zwar ergebe sich aus der Verpachtung der Flächen zur Gewinnung regenera­ tiver Energien eine Einnahmequelle, allerdings müsse dies nicht zwingend bedeuten, dass der Betrieb dadurch dem höferechtlichen Zweck entzogen wird. Der Grund dafür liegt darin, dass durch diese Einnahmen unrentable landwirtschaftliche Nutzungen der Grundflächen quersubventioniert werden könnten, sodass die Anlagen mittelbar die Erhaltung des Betriebs fördern und damit mittelbar auch den höferechtlichen Zweck stützen. Die aktuelle Definition der landwirtschaftlichen Nutzung gebietet es, bei der Verpachtung landwirtschaftlicher Grundflächen an die Betreiber von Windkraft- und Pho­ tovoltaikanlagen Nachabfindungsansprüche zu bejahen, sodass die derzeitige Rechtsprechung konsequent ist. Gerade in Zeiten, in denen jedoch die Erzeu­ gung regenerativer Energien auch gesellschaftlich an Bedeutung gewinnt, kann es ein falsches Signal sein, wenn Grundeigentümern bei der Zurverfü­ gungstellung der Flächen in jedem Fall finanzielle Nachteile in Form von Nachabfindungsansprüchen drohen. Vielmehr sollte hier danach differenziert werden, ob der Betrieb insgesamt noch ein landwirtschaftliches Gepräge hat und die Verpachtung an den Betreiber nicht die Haupteinnahmequelle des Hofeigentümers darstellt. Darüber hinaus ist auch in Hinblick auf den höfe­ RdL 2009, 85 (86). AUR 2012, 365 (366); zur Berechnung im Golfplatz-Fall im Detail OLG Hamm AUR 2009, 399 (403). 154  Führ, RNotZ 2012, 303 (313). 152  Bremer, 153  Graß,



I. Nach der Höfeordnung223

rechtlichen Zweck erforderlich, dass der Betrieb auch ohne die Anlage zur Gewinnung regenerativer Energien nach den gesetzlichen Kriterien zur Beur­ teilung der Leistungsfähigkeit als schutzwürdig eingestuft wird. Wenn es gesellschaftlich gewünscht ist und Anreize dafür gesetzt werden sollen, dass Eigentümer von Grundflächen diese auch zur Gewinnung rege­ nerativere Energien nutzen oder an externe Betreiber zur Verfügung stellen, ist es Aufgabe des Gesetzgebers, die Definition der landwirtschaftlichen Nutzung zu modernisieren und um das Element der regenerativen Energien zu ergänzen oder die Nutzung landwirtschaftlicher Flächen zur Gewinnung regenerativer Energien explizit aus dem Anwendungsbereich der Nachabfin­ dungsansprüche nach § 13 Abs. 4 lit. b) ­HöfeO herauszunehmen.155 Sollte dies jedoch seitens des Gesetzgebers nicht gewünscht sein, ist die Praxis der Rechtsprechung in ihrer jetzigen Form mit dem Wortlaut und Zweck des Gesetzes vereinbar und daher konsequent. (c) Nutzung oder Verpachtung zu gewerblichen Zwecken Eine weitere Fallgruppe betrifft die Nutzung oder Verpachtung landwirt­ schaftlicher Grundflächen zu nichtlandwirtschaftlichen, gewerblichen Zwe­ cken. Ein Beispiel aus der Rechtsprechung ist die langfristige Verpachtung von Ackerflächen zum Betrieb eines Golfplatzes.156 Es handelt sich dabei um eine gewerbliche und damit landwirtschaftsfremde Nutzung der Flächen, sodass der Tatbestand des § 13 Abs. 4 lit. b) ­HöfeO erfüllt ist. Bei der Be­ rechnung stellte das OLG Hamm in diesem Fall auf die jährlichen Pachtein­ nahmen abzüglich der getätigten Kosten für die Planung und Errichtung des Golfplatzes sowie der laufenden Kosten und der Verwaltung ab. Wöhrmann/ Graß weisen darauf hin, dass diese Berechnung im Ergebnis auf eine Unter­ scheidung zwischen Erlösen und Gewinnen im betriebswirtschaftlichen Sinne hinausläuft.157 Dies entspricht im Übrigen auch der Berechnungsmethode, die von der Rechtsprechung bei regenerativen Energieanlagen angewendet wird. Basierend auf dem entschädigungsrechtlichen Verständnis des Begrif­ fes des „Gewinns“ wird man hier zu dem Ergebnis kommen, dass sich der Nachabfindungsanspruch an der Wertsteigerung bemisst, die aus der land­ wirtschaftsfremden Nutzung der Hofteile resultiert. Das bedeutet, dass sich 155  Führ, RNotZ 2012, 303 (313) schreibt, dass „in Zukunft erneut die Rechtspre­ chung, wenn nicht gar der Eingriff des Gesetzgebers gefragt ist“. Da es sich hier um eine wesentliche Grundentscheidung in Bezug auf die Nachabfindungsansprüche han­ delt, die auch erhebliche Auswirkungen auf die Behandlung der weichenden Miterben haben, ist die Neudefinition wohl Aufgabe des Gesetzgebers. 156  OLG Hamm AUR 2009, 399. 157  Wöhrmann/Graß, Landwirtschaftserbrecht, § 13 ­HöfeO Rn. 91.

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E. Ansprüche der weichenden Miterben

die Nachabfindungspflicht, wie auch bei der Verpachtung von Grundflächen zur Nutzung regenerativer Energien, aus dem Überschuss des Verkehrswertes der betreffenden Hofteile bei landwirtschaftsfremder Nutzung über den An­ rechnungswert ergibt. Zum gleichen Ergebnis dürfte man auch bei der Ver­ pachtung landwirtschaftlicher Grundflächen zum Betrieb eines Campingplat­ zes kommen.158 Etwa in Bezug auf die Pensionspferdehaltung hat das OLG Stuttgart im Rahmen der Zuweisung nach §§ 13 ff. GrdstVG entschieden, dass es sich nicht mehr um landwirtschaftliche Nutzung handelt, da der Schwerpunkt der Tätigkeit auf der Dienstleistung der Pferdebetreuung liege.159 Legt man hier jedoch auch die Definition der Landwirtschaft zugrunde, nach welcher bei Tierhaltung eine Erzeugung der Futtermittel auf den landwirtschaftlich ge­ nutzten Flächen erforderlich ist, muss es auch in diesem Fall für die Abgren­ zung von landwirtschaftlicher und gewerblicher Nutzung darauf ankommen, ob das Futter für die Pensionstierhaltung hauptsächlich auf dem eigenen Grund und Boden angebaut wird und somit ein überwiegender Bezug zur Bodennutzung zu landwirtschaftlichen Zwecken besteht.160 Steht hingegen die Betreuung der Tiere im Vordergrund, handelt es sich um einen Gewerbe­ betrieb, der entweder bei Erbfall zu einem Zuschlag zum Hofwert nach § 12 Abs. 2 S. 3 H ­ öfeO oder – wenn erst vom Hoferben eine Pensionshaltung durchgeführt wird – zu einem Nachabfindungsanspruch nach § 13 Abs. 4 lit. b) H ­ öfeO führt. Insgesamt rät etwa Dingerdissen dazu, gewerbliche Nutzungen von Ge­ bäuden oder Grundstücken in der Rechtspraxis im Rahmen letztwilliger Verfügungen möglichst von einer Nachabfindungspflicht auszuschließen, wenn diese unternehmerisch sinnvoll sind.161 Dieser Forderung ist nicht nur in Bezug auf die Gestaltung von Verfügungen von Todes wegen und Überga­ beverträgen zuzustimmen, sondern sie müsste auch gesetzlich verankert werden. Vor allem angesichts des Strukturwandels in der Landwirtschaft halten sich viele Betriebe vor allem deshalb, weil von ihnen zusätzlich nicht­ landwirtschaftliche oder nur mittelbar mit der Landwirtschaft verbundene Nebenbetriebe geführt werden. Dadurch führt diese auch gewerbliche Nut­ zung des ererbten Hofes jedoch nicht dazu, dass der Hoferbe erhebliche zu­ sätzliche Einkünfte erzielt und sich an der gewerblichen Nutzung des Be­ triebs bereichert. Häufig fließen die Einnahmen nämlich in die Erhaltung des landwirtschaftlich genutzten und für sich genommen nicht mehr oder kaum noch rentablen Betriebsteils. Aus diesem Grund sollte eine gewerbliche Nut­ 158  Nomos-BR

­HöfeO/Graß, § 13 Rn. 18. Stuttgart RdL 2008, 275. 160  Dingerdissen, ErbR 2009, 330 (337). 161  Dingerdissen, ErbR 2009, 330 (339). 159  OLG



I. Nach der Höfeordnung225

zung des Hofes so lange nachabfindungsfrei sein, wie sie der Erhaltung des landwirtschaftlichen Betriebs – und damit dem höferechtlichen Zweck – dient. Der Hoferbe darf durch die Entstehung von Nachabfindungsansprü­ chen nicht an betriebswirtschaftlich und unternehmerisch sinnvollen Ent­ scheidungen gehindert werden. Wäre dies der Fall, hätte die Regelung der Nachabfindungsansprüche lediglich einen sanktionierenden Charakter, würde jedoch einer Weiterentwicklung von Betrieben im Wege stehen. Hierbei han­ delt es sich ähnlich wie bei der Herausnahme regenerativer Energieanlagen aus dem Anwendungsbereich der Nachabfindungstatbestände um eine Grund­ entscheidung, die durch den Gesetzgeber zu treffen und gesetzlich zu veran­ kern ist. (d) Bestellung eines Erbbaurechts Als Eigentümer der Grundflächen hat der Hoferbe die Möglichkeit, an ih­ nen Erbbaurechte zu bestellen. Dabei handelt es sich nach § 1 Abs. 1 Erb­ bauRG um eine grundbuchrechtliche Belastung in der Weise, dass demjeni­ gen, zu dessen Gunsten die Belastung erfolgt, das veräußerliche und vererb­ liche Recht zusteht, auf der Oberfläche des Grundstücks ein Bauwerk zu haben. Die Gegenleistung für diese Bestellung ist gemäß § 9 Abs. 1 Erb­ bauRG ein Entgelt in wiederkehrenden Leistungen (Erbbauzins). Zur nach­ abfindungsrechtlichen Behandlung dieses Erbbauzinses ist bislang nur eine einzige Entscheidung des Bundesgerichtshofs ergangen. Dort wird für die Entstehung von Nachabfindungsansprüchen auf die Gewinnerzielung abge­ stellt und damit von der Fälligkeit des Erbbauzinses abhängig gemacht.162 Damit fügt sich diese Entscheidung insgesamt in die Linie der Rechtspre­ chung des Bundesgerichtshofs ein, nach welcher Gewinne mit Erlösen gleichgesetzt werden und die Ausgleichsansprüche immer dann entstehen, wenn tatsächlich ein Gewinn im Sinne eines Mehrerlöses erzielt wurde. Diese Entscheidung wurde in der Literatur, insbesondere von den Befür­ wortern der entschädigungsrechtlichen Definition des Gewinnbegriffs stark kritisiert:163 Durch ein Abstellen auf die Fälligkeit der Erbbauzinsen wird dem Hoferben die Möglichkeit gegeben, vertraglich auf die Zahlung und damit den Zeitpunkt der Fälligkeit des Nachabfindungsanspruchs Einfluss zu nehmen.164 Dadurch passt die Fälligkeit bei der Bestellung eines Erbbau­ rechts nicht in die Systematik des § 13 ­HöfeO, bei dem die Nachabfindungs­ pflicht mit der Entwidmung – wie etwa der Veräußerung nach Abs. 1 S. 1, 162  BGH

AgrarR 1979, 220 (221). RdL 2003, 284 (287); Wöhrmann/Graß, Landwirtschafts­ erbrecht, § 13 H ­ öfeO Rn. 74; BGH AgrarR 1979, 220 (222) mit Anm. Faßbender. 164  H. Wöhrmann, RdL 2003, 284 (287). 163  H. Wöhrmann,

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E. Ansprüche der weichenden Miterben

der Einbringung in eine Gesellschaft nach Abs. 1 S. 4 oder der Veräußerung von Zubehör nach Abs. 4 lit. a) – entstehen soll. Das Gesetz gibt keinen Hin­ weis darauf, dass für die Bestellung eines Erbbaurechts ein anderer Entste­ hungszeitpunkt gelten soll. Es wäre daher konsequent, auch hier für das Entstehen der Nachabfindungspflicht auf den grundbuchrechtlichen Vollzug der Erbbaurechtsbestellung und damit der Herausnahme des Hofteils aus der landwirtschaftlichen Nutzung durch den Hoferben abzustellen.165 Angesichts der Berechnungsprobleme, die die Rechtsprechung bei der Ermittlung des Gewinnes aufgrund der wiederkehrenden Erbbauzinszahlungen und der über die Nachabfindungsfrist hinausgehenden Laufzeiten166 des Erbbaurechts hat, bietet die entschädigungsrechtliche Auffassung hier eine Vereinfachung: Aus­ gleichspflichtig ist der vermögenswerte Vorteil, der sich für den Hoferben aus einem Vergleich des aktuellen Verkehrswertes mit dem Wirtschaftswert der entwidmeten Grundflächen ergibt.167 Dies bietet zusätzlich den Vorteil, dass der Ausgleich wiederum in einer einmaligen Zahlung liegt und damit auch Rechtsfrieden eintreten kann. (e) Versicherungsleistungen Die Frage, inwieweit Versicherungsleistungen eine Nachabfindungspflicht auslösen, bezieht sich in der Praxis in erster Linie auf Feuer- und Brandver­ sicherungen, bei denen die Versicherungssumme für das zerstörte landwirt­ schaftlich genutzte Gebäude vom Hoferben kassiert und nicht für den Wie­ deraufbau verwendet wird. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs folgt ein Nachabfindungsanspruch in diesen Fällen mit Hinweis auf die nicht erschöpfende Regelung der Tatbestände in § 13 Abs. 4 ­HöfeO aus § 13 Abs. 4 lit. b) ­HöfeO analog.168 Der Grund dafür liege darin, dass es sich beim Kas­ sieren einer Brandversicherungssumme gerade nicht um eine Nutzungszie­ hung im Sinne von § 100 BGB handelt, sodass der Tatbestand der landwirt­ schaftsfremden Nutzung in seiner direkten Anwendung nicht erfüllt ist. Al­ lerdings geht das Gericht im Wege eines Erst-Recht-Schlusses davon aus, 165  Wöhrmann/Graß, Landwirtschaftserbrecht, § 13 ­ HöfeO Rn. 74; BGH AgrarR 1979, 220 (222) mit Anm. Faßbender, der zudem darauf hinweist, dass auch steuer­ lich bereits mit der Entwidmung des Hofteils eine Entnahme und damit eine Gewinn­ realisierung angenommen wird. 166  Nordalm, schlägt etwa eine Kapitalisierung des Erbbauzinses über die Lauf­ zeit des Vertrags vor, vgl. Nordalm, AgrarR 1977, 161 (163). 167  H. Wöhrmann, RdL 2003, 284 (287); Wöhrmann/Graß, Landwirtschafts­ erbrecht, § 13 ­HöfeO Rn. 96; zustimmend Führ, RNotZ 2012, 303 (315). 168  BGH AgrarR 1992, 79 (80); die Vorinstanz OLG Celle AgrarR 1991, 249 hat einen Nachabfindungsanspruch noch in direkter Anwendung des § 13 Abs. 4 lit. b) ­HöfeO angenommen.



I. Nach der Höfeordnung227

dass Abs. 4 lit. b) Abfindungsergänzungen sogar bei Nutzungsänderungen ohne Substanzschmälerung anordnet, sodass dies gerade auch dann der Fall sein müsste, wenn der Hoferbe nach einer brandbedingten Substanzschmäle­ rung eine Versicherungsleistung erhält und durch den unterlassenen Wieder­ aufbau der höferechtliche Zweck in Teilen entfällt.169 Fischer sieht hierin eine verdeckte Rechtsfortbildung:170 Der Senat wendet die Norm nicht di­ rekt an, da es sich im zu beurteilenden Fall nicht um eine Nutzungsziehung im Sinne von § 100 BGB handele. Allerdings steht im Gesetzestext nicht das Nomen „Nutzung“, sondern das Verb „nutzen“. Dieses ist nach Ansicht von Fischer in Übereinstimmung mit dem allgemeinen Sprachgebrauch als „zu seinem Nutzen verwenden“ oder „gebrauchen“ zu verstehen. Deshalb sei der Bundesgerichtshof allein aufgrund der künstlichen Veränderung des Geset­ zeswortlauts und der daraus resultierenden zu engen Wortlautgrenze zu einer „Rechtsfortbildung“171 in Form einer analogen Anwendung des § 13 Abs. 4 lit. b) ­ HöfeO gezwungen gewesen. Eigentlich könnte man jedoch bereits aufgrund einer Auslegung der Norm in Hinblick auf den höferechtlichen Zweck zu einem Nachabfindungsanspruch gelangen, ohne dafür eine richter­ liche Rechtsfortbildung vornehmen zu müssen:172 Wenn der Hoferbe die Versicherungssumme für den zerstörten Teil des Betriebs nämlich nicht zu dessen Wiederaufbau benutzt, entzieht er diesen Betriebsteil damit endgültig dem höferechtlichen Zweck, sodass eine Privilegierung nicht mehr gerecht­ fertigt sei und aus diesem Grund auch eine Nachabfindungspflicht entstehe. Es ist somit im Ergebnis grundsätzlich zu befürworten, dass sich die Rechtsprechung bei Beurteilung der Fallgruppe des Kassierens von Versiche­ rungssummen am höferechtlichen Zweck orientiert und in diesen Konstella­ tionen einen Nachabfindungsanspruch bejaht. Jedoch ist hierfür gerade keine richterliche Rechtsfortbildung erforderlich, sondern man kann bereits durch eine Auslegung der Norm im Lichte des höferechtlichen Zwecks zu diesem Ergebnis gelangen. (f) Realverband Bei einem Realverband handelt es sich um eine Körperschaft öffentlichen Rechts, die gemeinschaftlich Grundbesitz hält.173 Gemäß § 7 RealVerbG ist 169  BGH

AgrarR 1992, 79 (80). Topoi verdeckter Rechtsfortbildungen im Zivilrecht, S. 262. 171  Fischer, Topoi verdeckter Rechtsfortbildungen im Zivilrecht, S. 261. 172  Fischer, Topoi verdeckter Rechtsfortbildungen im Zivilrecht, S. 261. 173  Gesetzlich geregelt ist dies für Niedersachsen im niedersächsischen Realver­ bandsgesetz vom 4. November 1969; ausführlich zur Geschichte und Rechtsnatur der Realverbände Wöhrmann/Graß, Landwirtschaftserbrecht, § 2 ­HöfeO Rn. 43 ff. 170  Fischer,

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E. Ansprüche der weichenden Miterben

der Inhaber eines Realverbandsanteils unter anderem zur Nutzung seines Verbandsvermögens berechtigt. Entstehen bei Einnahmen nach der Deckung der Ausgaben und der Bildung von Rücklagen Überschüsse, so sind diese gemäß § 26 RealVerbG an die Mitglieder des Realverbands auszuschütten. Ein Realverbandsanteil ist dabei „ähnliches Recht“ im Sinne von § 2 lit. b) ­HöfeO und damit Bestandteil des Hofes.174 Im gerichtlich entschiedenen Fall gehörte zum geerbten Hof eine Betei­ ligung an einer Realgemeinde, die zur Zuteilung von Holz aus einem zum Realverband gehörenden Genossenschaftswald berechtigt. Nachdem ein Teil des Waldes vom Realverband veräußert worden war, sollte der bei der Veräußerung erzielte Erlös über einen Zeitraum von 60 Jahren in jährlichen Teilbeträgen an die Mitglieder entrichtet werden. Das OLG Celle nahm in diesem Fall einen Nachabfindungsanspruch in analoger Anwendung des § 13 Abs. 4 lit. b) ­HöfeO an und stellte für dessen Höhe auf den Gesamterlös ab, der durch die Verwertung der Mitgliedschaftsrechte entstanden ist.175 Das Gericht führte dabei aus, dass es sich bei der Veräußerung des Substrats eines Mitgliedschaftsrechts gerade nicht in direkter Anwendung der Norm um eine „Nutzung“ handelt. Wenn aber bereits eine substanzschädigende Nutzung zu einer Nachabfindungspflicht führt, müsse dies nach Ansicht des OLG Celle erst recht für einen substanzausschöpfenden Gebrauch dieses Rechts gelten. Der Bundesgerichtshof wandte hingegen den § 13 Abs. 4 lit. b) ­HöfeO direkt an und sah in der Veräußerung der Grundstücke eine landwirtschaftsfremde Nutzung als im Sinne von § 100 BGB, da die aus der Veräußerung zufließen­ den Zahlungen als Früchte des Anteils an der Körperschaft im Sinne von § 99 Abs. 2 BGB anzusehen seien.176 Die jährliche Auskehrung der Ver­ kaufserlöse wurde darauf aufbauend als Gewinnausschüttung angesehen, so­ dass die weichenden Miterben nur bis zum Ablauf der Nachabfindungsfrist, also in den ersten 20 Jahren, jährlich an den Gewinnen beteiligt wurden. Wöhrmann/Graß kritisieren an dieser Entscheidung des Bundesgerichts­ hofs, dass eine Nutzung einer Sache oder eines Rechts grundsätzlich nicht zu einer Substanzminderung führt, „gleichgültig ob diese genutzt oder gebraucht oder Früchte und Vorteile aus ihnen gezogen werden“177. Versteht man das Wort „nutzen“ auch in diesem Kontext wie auch beim Kassieren einer Brandversicherungssumme wie Fischer nicht als „Nutzung“ im Sinne von § 100 BGB, sondern als „verwenden“178, kommt man in dieser Fallkonstella­ tion zu dem Ergebnis, dass bereits mit der Veräußerung des Realverbandsan­ 174  BGH

AgrarR 1986, 109 (110). Celle AgrarR 1984, 219 (220). 176  BGH AgrarR 1986, 109 (110). 177  Wöhrmann/Graß, Landwirtschaftserbrecht, § 13 H ­ öfeO Rn. 79. 178  Fischer, Topoi verdeckter Rechtsfortbildungen im Zivilrecht, S. 262. 175  OLG



I. Nach der Höfeordnung229

teils eine landwirtschaftsfremde Nutzung eines Hofbestandteils vorgenom­ men wurde und dieser endgültig entwidmet wurde. So würde man wie das OLG – nur eben in direkter Anwendung des § 13 Abs. 4 lit. b) ­HöfeO – be­ reits mit der Verwertung des Mitgliedschaftsrechts zu einer Nachabfindungs­ pflicht gelangen, die sich in ihrer Höhe an dem erzielten Gesamterlös für den Realverbandsanteil orientiert. (g) Milchquote Unter der Milchquote oder dem Milchkontingent versteht man eine be­ stimmte Menge Milch, die ein Erzeuger produzieren und an seine Molkerei liefern darf. Diese Quoten konnten an der Milchbörse beziehungsweise frei gehandelt werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs handelt es sich bei der Milchquote nicht um Zubehör im Sinne von § 3 ­HöfeO, weil hierunter nur bewegliche Sachen fallen. Aus diesem Grund wird bei der Ver­ äußerung kein Nachabfindungsanspruch nach § 13 Abs. 4 lit. a) ­HöfeO aus­ gelöst.179 Da ohne die Milchreferenzmenge die landwirtschaftlichen Flächen nicht im vollen Umfang zur Milcherzeugung genutzt werden können, soll nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs jedoch ein Nachabfin­ dungsanspruch nach § 13 Abs. 4 lit. b) H ­ öfeO analog entstehen.180 Da die Milchquote im Jahr 2015 auslief und Milcherzeuger somit unabhängig von einer solchen Referenzmenge Milch produzieren und veräußern können, spielt die Milchquote künftig keine Rolle mehr im Rahmen der Nachabfin­ dungstatbestände. Allerdings sind ähnliche Konstellationen auch bei anderen Lieferrechten, beispielsweise bei Zuckerrüben, denkbar.181 Auch in diesen Fällen stellt sich jedoch die Frage, ob zu diesem Ergebnis nicht auch durch eine Auslegung des Tatbestands des Abs. 4 lit. b) im Lichte des höferecht­ lichen Zwecks statt durch eine analoge Anwendung der Norm gelangt werden kann. (h) Umbau und Entwidmung von Wirtschaftsgebäuden Baut der Hoferbe einzelne einst landwirtschaftlich genutzte Gebäude in der Weise um, dass diese danach zu Wohnzwecken vermietet werden, handelt 179  BGH AgrarR 1997, 216 (217); so noch die Vorinstanz OLG Celle AgrarR 1997, 160 (161). 180  BGH AgrarR 1997, 216 (217); der BGH verweist hier darauf, dass Nachabfin­ dungsansprüche nicht auf die in § 13 ­HöfeO ausdrücklich geregelten Fälle beschränkt ist und der höferechtliche Zweck die Annahme eines solchen Anspruchs im Wege richterlicher Rechtsfortbildung auch in weiteren Konstellationen möglich sein soll. 181  Wöhrmann/Graß, Landwirtschaftserbrecht, § 13 ­HöfeO Rn. 85.

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E. Ansprüche der weichenden Miterben

es sich dabei um eine landwirtschaftsfremde Nutzung im Sinne von § 13 Abs. 4 lit. b) ­HöfeO. Allerdings ist auch in diesen Konstellationen wiederum die Berechnung der Höhe der Nachabfindungsansprüche innerhalb von Lite­ ratur und Rechtsprechung umstritten: Nach der Rechtsprechung steht den weichenden Miterben in diesen Fällen ein Nachabfindungsanspruch in Höhe der Mieterträge unter Berücksichtigung der für die Errichtung anzurechnen­ den Kosten und Verbindlichkeiten innerhalb der zwanzigjährigen Nachabfin­ dungsfrist zu.182 Wöhrmann/Graß kritisieren an dieser Entscheidung, dass bereits mit dem Umbau und der damit einhergehenden Entwidmung der hö­ ferechtliche Zweck in Bezug auf den entsprechenden Betriebsteil entfällt.183 Ihrer Auffassung nach hat der Hoferbe bei dieser Art der landwirtschafts­ fremden Nutzung im Gegensatz zum Neubau eines Wohngebäudes bereits den Vorteil, dass er für den Umbau eines Gebäudes in ein Mehrfamilienhaus auf ein bereits bestehendes Gebäude samt Grundstück zurückgreifen kann. Sie halten es daher für konsequenter, den fiktiven Veräußerungserlös für das Wirtschaftsgebäude und anteilig für das Grundstück nach dem entschädi­ gungsrechtlichen Ansatz für den Nachabfindungsanspruch anzusetzen.184 Führ plädiert dafür, auch diese Fallgruppe im Lichte des höferechtlichen Zwecks zu bewerten: Er geht davon aus, dass dem Hoferben durch die Privi­ legierung die Fortführung eines überlebensfähigen Betriebs ermöglicht wer­ den soll und es dazu auch erforderlich sein kann, bestimmte Teile des Be­ triebs umzuwidmen und dadurch Einnahmen zu generieren.185 Die Gewinn­ erzielung als solche ist Ausdruck der Geschäftstüchtigkeit des Hoferben, an welcher die weichenden Miterben nach der Konzeption der Norm gerade keinen Anteil haben sollen. Deshalb steht diese Meinung im engen Zusam­ menhang mit der Auffassung von Wöhrmann/Graß, nach welcher gerade eine Beteiligung der weichenden Miterben am Wert des Grund und Bodens beste­ hen soll. (i) Abbau von Bodenbestandteilen Baut der Hoferbe auf den geerbten hofzugehörigen Grundstücken Boden­ bestandteile wie beispielsweise Sand oder Kies ab, handelt es sich dabei um

182  BGH

AgrarR 2000, 298 (299); OLG Hamm AUR 2009, 399 (407). Landwirtschaftserbrecht, § 13 ­HöfeO Rn. 82. 184  Wöhrmann/Graß, Landwirtschaftserbrecht, § 13 ­ HöfeO Rn. 82; so auch die Vorinstanz OLG Celle RdL 2000, 100. 185  Führ, RNotZ 2012 303, (314); das gleiche Thema ergibt sich ebenfalls bei der Nutzung von Betriebsteilen zur Gewinnung regenerativer Energien oder bei sonstiger gewerblicher Nutzung. 183  Wöhrmann/Graß,



I. Nach der Höfeordnung231

eine landwirtschaftsfremde und damit nachabfindungspflichtige Nutzung.186 Der Gewinn berechnet sich in diesem Falle aus dem Veräußerungserlös ab­ züglich der Kosten für den Abbau und Transport.187 Zudem sind auch durch den Abbau bedingte Ernteausfälle nach § 13 Abs. 5 S. 4 ­HöfeO aus Billig­ keitsgründen zu berücksichtigen.188 Das Gericht hat sich ausdrücklich dage­ gen ausgesprochen, dass sich der Nachabfindungsanspruch bei Abbau von Bodenbestandteilen anhand des Verkehrswertes der ausgebeuteten Hofgrund­ stücke berechnet.189 Es folgt somit auch hier dem Ansatz, der sich der Ge­ winnbestimmung aus bereicherungsrechtlicher Perspektive nähert. (j) Dingliche Belastung des Hofes zu landwirtschaftsfremden Zwecken Als Eigentümer des Hofes mitsamt den dazugehörigen Grundstücken hat der Hoferbe die Möglichkeit, zur Sicherung eines Darlehens Grundpfand­ rechte an den Grundstücken zu bestellen. Für den Fall, dass dies im Rahmen der ordnungsgemäßen Bewirtschaftung geschieht, regelt § 13 Abs. 5 S. 2  HöfeO, dass die dingliche Belastung für die Ermittlung des nachabfindungs­ pflichtigen Erlöses unbeachtlich ist.190 Allerdings kann der Hoferbe die dingliche Belastung an den in seinem Eigentum stehenden hofzugehörigen Grundstücken auch zu landwirtschaftsfremden oder privaten Zwecken bestel­ len. Wie diese Fälle nachabfindungsrechtlich zu beurteilen sind, wird in Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich beurteilt: Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entsteht im Falle der dinglichen Belastung des Hofes zu landwirtschaftsfremden Zwecken ein Nachabfindungsanspruch.191 Da es sich bei der Bestellung von Grundschul­ den nach Ansicht des Bundesgerichtshofs nicht um eine Nutzung im Sinne von Abs. 4 lit. b) handelt, wird der Nachabfindungsanspruch in diesen Fall­ konstellationen vom Gericht weder in direkter noch in analoger Anwendung auf diesen Tatbestand gestützt.192 Vielmehr wird der Anspruch bei langfristi­ ger Belastung auf eine analoge Anwendung von § 13 Abs. 1 und 4 ­HöfeO unter Berücksichtigung des Rechtsgedanken des § 13 Abs. 5 S. 2 ­HöfeO ab­ gestellt. Dabei soll sich die Nachabfindungspflicht nicht nach dem Nominal­ 186  OLG

Hamm AgrarR 1988, 21. Landwirtschaftserbrecht, § 13 ­HöfeO Rn. 96. 188  OLG Hamm AgrarR 1988, 21 (22); in diesem Fall ging es um den Abbau von Sand, jedoch gelten die in der Entscheidung aufgestellten Grundsätze wohl auch für den Abbau anderer Bodenbestandteile. 189  OLG Hamm AgrarR 1988, 21 (22). 190  Hierzu noch sogleich auf S. 238. 191  BGH DNotZ 2001, 719 (720). 192  BGH DNotZ 2001, 719 (720). 187  Wöhrmann/Graß,

232

E. Ansprüche der weichenden Miterben

betrag der aufgenommenen Belastungen richten, sondern im Einklang mit dem Wortlaut des Abs. 4 auf Grundlage der Gewinne ermittelt werden, die der Hofeigentümer durch die zweckwidrige Nutzung des Hofes erlangt.193 Dieser Gewinn liege im Fall der dinglichen Belastungen in dem Überschuss nach Abzug der mit der dinglichen Belastung und der Kreditaufnahme ver­ bundenen Kosten, den der Hofeigentümer durch das Darlehen oder die Kapi­ talerträge innerhalb der Frist von 20 Jahren erzielt.194 Im konkret entschie­ denen Fall nutzte der Hoferbe den Kredit, für den er die Grundschuld an den Hofgrundstücken bestellte, für Baumaßnahmen an hoffremden Grundstü­ cken.195 Die Gewinne würden somit wohl in den Einnahmen liegen, die der Hofeigentümer durch die kreditfinanzierten und durch die Grundschuld besi­ cherten Baumaßnahmen realisiert. Der Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist in Bezug auf die grundsätz­ liche Bejahung eines Nachabfindungsanspruchs bei der Belastung des Hofes zu landwirtschaftsfremden Zwecken zuzustimmen. Würde man die weichen­ den Miterben allein auf die Regelung des § 13 Abs. 5 S. 2 ­HöfeO verweisen, würde die nicht dem höferechtlichen Zweck entsprechende Belastung nur im Falle einer Veräußerung des Betriebs berücksichtigt werden. Sobald diese außerhalb der Nachabfindungsfrist von 20 Jahren liegt, würde dies dazu füh­ ren, dass die landwirtschaftsfremde dingliche Belastung keinerlei Berück­ sichtigung finden würde.196 Im Übrigen ist die Entscheidung des Bundesgerichtshofs in Hinblick auf die Berücksichtigung des höferechtlichen Zwecks als maßgebliches Krite­ rium für die Entstehung von Nachabfindungsansprüchen jedoch in mehrerlei Hinsicht zu kritisieren: Es kommt nach der Rechtsprechung des Bundesge­ richtshofs für die Entstehung des Anspruchs der weichenden Miterben darauf an, dass der Hoferbe durch die dingliche Belastung einen Überschuss erwirt­ schaftet. Folgt man dem entschädigungsrechtlichen Ansatz, entsteht der Nachabfindungsanspruch in Einklang mit allen anderen thematisierten Fall­ gruppen jedoch bereits mit der Entwidmung, also mit der Eintragung der dinglichen Belastung ins Grundbuch. Dies ist entgegen der Ansicht des Bundesgerichtshofs auch unabhängig davon, ob die dingliche Belastung lang- oder nur kurzfristig ist.

193  BGH

DNotZ 2001, 719 (722). ist, dass der BGH hier durch das Abstellen auf den Gewinn statt auf den Nominalbetrag des Darlehens im Gegensatz zu seiner übrigen Recht­ sprechung eine Unterscheidung zwischen Erlös und Gewinn vornimmt, vgl. auch Wöhrmann/Graß, Landwirtschaftserbrecht, § 13 ­HöfeO Rn. 102. 195  BGH DNotZ 2001, 719. 196  BGH DNotZ 2001, 719 (723) mit Anm. Witt. 194  Bemerkenswert



I. Nach der Höfeordnung233

Des Weiteren ist auch die konkrete Berechnung des Nachabfindungs­ anspruchs, die vom Bundesgerichtshof von der Gewinnerzielung abhängig gemacht wird, dogmatisch nicht nachvollziehbar und zudem vom Hoferben leicht manipulierbar: Wenn man allein darauf abstellt, dass der Hoferbe durch die dingliche Belastung Gewinne realisiert, würde eine Nachabfin­ dungspflicht immer dann nicht eintreten, wenn er das durch die Belastung gesicherte Geld verspekuliert oder ausgibt.197 Es kann deshalb bei Zugrun­ delegung des höferechtlichen Zwecks nicht auf eine tatsächliche Gewinner­ zielung durch den Hoferben ankommen. Bereits durch die Belastung zu landwirtschaftsfremden Zwecken eignet der Hoferbe „sich den Wert des Hofes in einer Form zu, die durch den höferechtlichen Zweck seiner Privile­ gierung nicht gedeckt ist“.198 Bereits mit der Belastung wird die Substanz des Hofes um den Wert der Belastung gemindert.199 Aus diesem Grund sind die weichenden Erben im Rahmen des Nachabfindungsanspruchs200 am No­ minalbetrag der dinglichen Belastung zu beteiligen.201 Im Ergebnis ist daher zur Schaffung von Rechtssicherheit eine explizite Regelung durch den Gesetzgeber in Bezug auf die dingliche Belastung von Grundstücken zu hoffremden Zwecken erforderlich. In den Fällen, in denen auf den landwirtschaftlichen Grundflächen be­ schränkte Dienstbarkeiten für das Aufstellen von Hochspannungsleitungen eingeräumt werden, entsteht nach der Rechtsprechung kein Nachabfindungs­ anspruch.202 Zum einen fielen die mit einem Leitungsrecht belasteten Grundstücke nicht aus der landwirtschaftlichen Nutzung heraus.203 Sie könnten auch weiterhin, wenn auch etwa aufgrund von auf den Flächen auf­ gestellten Strommasten unter erschwerten Bedingungen, bewirtschaftet wer­ den. Zum anderen stellten die Entschädigungen für den Hoferben gerade RdL 2003, 284 (287). DNotZ 2001, 719 (723) mit Anm. Witt. 199  H. Wöhrmann, RdL 2003, 284 (287). 200  Ob dieser, wie vom BGH (BGH DNotZ 2001, 719) angenommen, auf den Rechtsgedanken von § 13 Abs. 1, 4 und 5 S. 2 ­HöfeO gestützt wird oder wie etwa von Witt (BGH DNotZ 2001, 719 (723) mit Anm. Witt) auf § 13 Abs. 4 lit. b) ­HöfeO analog, ändert nichts an der grundsätzlichen Beurteilung dieser Fallgruppe und ist daher im Ergebnis unerheblich. 201  Führ, RNotZ 2012, 303 (317); BGH DNotZ 2001, 719 (723) mit Anm. Witt; H. Wöhrmann, RdL 2003, 284 (287); Wöhrmann/Graß, Landwirtschaftserbrecht, § 13 ­HöfeO Rn.  102. 202  OLG Hamm AgrarR 1988, 21 (23). 203  Hierin besteht wohl auch bereits schon ein Unterschied zur Verpachtung land­ wirtschaftlicher Grundflächen zum Betrieb von Windkraftanlagen, weil dabei der be­ troffene Teil des Grundstücks gerade nicht mehr landwirtschaftlich genutzt werden kann, sondern lediglich Standort zur Produktion der Windenergie ist. 197  H. Wöhrmann, 198  BGH

234

E. Ansprüche der weichenden Miterben

keinen Zufluss eines finanziellen Vorteils dar, sondern sollen die durch die Leitungsrechte entstehenden Ertragseinbußen ausgleichen. Diese Rechtspre­ chung ist angesichts des höferechtlichen Zwecks konsequent, da in den über­ wiegenden Fällen bei der Bestellung von Leitungsrechten auf den betroffenen Grundflächen nicht einmal eine landwirtschaftsfremde Nutzung im Sinne von § 13 Abs. 4 lit. b) ­HöfeO zu bejahen ist. Hötzel ist hingegen der Auffas­ sung, dass weder die Bestellung von Leitungsrechten noch die daraus resul­ tierenden Einkünfte einer landwirtschaftlichen Nutzung der Grundflächen zugeordnet werden könnten.204 Allerdings dürfte es, selbst wenn man dieser Ansicht folgt, wohl an der Erheblichkeit der zufließenden Gewinne in Form der Entschädigung fehlen, sodass der Tatbestand des Abs. 4 lit. b) ohnehin nicht erfüllt wäre. Zum Teil wird bei der Bestellung von Leitungsrechten für einen Nachab­ findungsanspruch auch auf § 13 Abs. 8 ­HöfeO abgestellt, nach welchem die Enteignung einer Entschädigung gleichsteht und auch die Bestellung derarti­ ger Leitungsrechte als Fall der Enteignung angesehen werden.205 Dieser Ansatz habe zudem den Vorteil, dass es so nicht auf die Erzielung erheblicher Gewinne ankommt und eine Nachabfindungspflicht in Höhe der gezahlten Entschädigung auch unterhalb der Erheblichkeitsschwelle angenommen wer­ den kann. Allerdings erscheint es in den genannten Fällen nicht naheliegend, von einem enteignungsgleichen Tatbestand auszugehen. Die mit den Dienst­ barkeiten belasteten Grundstücke befinden sich weiterhin im Eigentum des Hoferben und können von diesem, bis auf die verschwindend geringen Bo­ denteile, auf denen die Masten stehen, weiterhin landwirtschaftlich genutzt werden. Aus diesem Grund ist der Rechtsprechung des OLG Hamm zuzu­ stimmen, dass bei der Bestellung von Leitungsrechten kein nachabfindungs­ pflichtiger Tatbestand gegeben ist. f) Unbeachtlichkeit der nachträglichen Löschung des Hofvermerks Gemäß § 13 Abs. 9 S. 3 ­HöfeO entstehen die Nachabfindungsansprüche auch dann, wenn der Hofvermerk gelöscht wurde, sofern es sich im Zeit­ punkt des Entstehens der Ansprüche um einen Hof im Sinne der Höfeord­ nung handelte. So entsteht die Nachabfindungspflicht unabhängig von einem Wegfallen der Hofeigenschaft außerhalb des Grundbuchs oder einer Lö­ schung des Hofvermerks206 im Grundbuch. Da auch die Hofeigenschaft un­ abhängig von einer Eintragung im Grundbuch entsteht, ist es konsequent, 204  Faßbender/Hötzel/v. Jeinsen/Pikalo/Hötzel,

­HöfeO, § 13 Rn. 17a. AgrarR 1991, 71. 206  Auf diese Weise kann sich der Hofeigentümer seiner Nachabfindungspflicht auch nicht durch eine Löschung des Hofvermerks entziehen. 205  Wolter,



I. Nach der Höfeordnung235

dass auch die übrigen sich aus dem Unterfallen unter die Höfeordnung erge­ benden Rechtsfolgen nicht abhängig von der Löschung des Hofvermerks sind.207 3. Die Nachabfindungsfrist Der Nachabfindungsanspruch entsteht nur dann, wenn der Hoferbe die zur Nachabfindung verpflichtenden Tatbestände nach § 13 Abs. 1 S. 1 und 4, Abs. 4, Abs. 6, Abs. 7 und Abs. 8 ­HöfeO innerhalb von zwanzig Jahren208 erfüllt. Die Frist beginnt mit dem Tod des Erblassers und dem damit einher­ gehenden Übergang des Hofeigentums an den Hoferben zu laufen. Dem gleichgesetzt wird bei einer Hofübergabe unter Lebenden durch Übergabe­ vertrag die Eintragung des Abkömmlings im Grundbuch. Zum Teil wird in der Literatur Kritik daran geübt, dass die Fristen für die Nachabfindungspflichten sich nicht nur zwischen den einzelnen landesrecht­ lichen Anerbengesetzen und der Höfeordnung unterscheiden, sondern auch innerhalb der Bundesgesetze. So kenne etwa der Pflichtteilsergänzungsan­ spruch bei Schenkungen nach § 2325 BGB eine Frist von zehn Jahren, wäh­ rend die Frist im Rahmen von § 17 GrdstVG 15 Jahre beträgt und in der Höfeordnung sogar 20 Jahre.209 In Bezug auf diesen Kritikpunkt ist jedoch einzuwenden, dass die zwanzigjährige Nachabfindungsfrist gerade gewählt wurde, um den Besonderheiten des Landwirtschaftserbrechts Rechnung zu tragen.210 Daher eine Gleichstellung mit vergleichbaren Regelungen im Bür­ gerlichen Gesetzbuch zu fordern, ist nicht angebracht. Allerdings ist eine Harmonisierung der bundesgesetzlichen Sonderregelungen zur Vererbung landwirtschaftlicher Betriebe, also der nordwestdeutschen Höfeordnung und dem Zuweisungsverfahren im Grundstücksverkehrsgesetz, in der Tat sinnvoll. Zudem wird in Bezug auf die Nachabfindungsfrist beanstandet, dass es sich hierbei um eine ansonsten im bürgerlichen Recht beispiellose Begren­ zung der uneingeschränkten Verfügungsbefugnis des Eigentümers handele.211 Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass der privilegierte Erwerb des Betriebs ­HöfeO, § 13 Rn. 105. Fristen für die Entstehung von Nachabfindungsansprüchen sind in den ein­ zelnen Anerbengesetzen unterschiedlich lang: § 13 Bbg­HöfeOG: 20 Jahre, § 23 Bad­ HofgüterG: 10 Jahre, § 29 BremHöfeG: 10 Jahre, § 18 HessLandgüterO: 15 Jahre, § 26 ­HöfeO-RhPf: 15 Jahre. 209  Haselhoff, RdL 1993, 225 (227). 210  Im Übrigen wurde auch die Verfassungsmäßigkeit der Nachabfindungsfrist (noch zur fünfzehnjährigen Frist vor der Reform von 1976) festgestellt in BVerfG AUR 2006, 390. 211  Haselhoff, RdL 1993, 225 (227). 207  Steffen/Ernst, 208  Die

236

E. Ansprüche der weichenden Miterben

nur im Rahmen des höferechtlichen Zwecks möglich ist, also um den Betrieb als leistungsfähige Einheit im Erbgang zu erhalten. Ohne eine Frist, inner­ halb welcher vom Hoferben eine Nachabfindung an die weichenden Miterben zu zahlen ist, könnten die Rechte und Interessen der übrigen Erben daher nicht gewahrt werden. Daher ist diese Einschränkung der Rechte des Hof­ erben zur Wahrung des höferechtlichen Zwecks im Ergebnis erforderlich. Zugleich sollte allerdings, wie bereits skizziert, etwa bei der Frist für die privilegierte Reinvestition eine Auflockerung der höferechtlichen Regelun­ gen durch den Gesetzgeber vorgenommen werden. 4. Berechnung des Nachabfindungsanspruchs Grundlage des Nachabfindungsanspruchs ist der nach den vorstehend aus­ geführten Kriterien ermittelte Erlös beziehungsweise Gewinn. Bei einem Ehegattenhof ist zu beachten, dass die Nachabfindungsansprüche nur vom jeweiligen Hofteil berechnet werden, der auf den überlebenden Ehegatten übergeht.212 Vor der Verteilung des Erlöses213 können zunächst nach Maß­ gabe des § 13 Abs. 5 ­HöfeO Zu- oder Abschläge vorzunehmen sein.214 Der bereinigte Erlös ist dann nach § 13 Abs. 1 S. 1 ­HöfeO zu verteilen: a) Zu- und Abschläge (§ 13 Abs. 5 ­HöfeO) Die Reihenfolge der vorzunehmenden Zu- und Abschläge ist nicht gesetz­ lich geregelt. Nach der herrschenden Ansicht sind öffentliche Abgaben (Abs. 5 S. 1) und Nachlassverbindlichkeiten vor der Ermittlung des „Selbst­ behaltes“ des Hoferben (Abs. 5 S. 5) abzuziehen.215 Dies entspricht auch der von § 13 Abs. 5 ­HöfeO vorgegebenen gesetzlichen Reihenfolge.216 Außerdem wird auf diese Weise gewährleistet, dass eine hohe Verschuldung des Be­

Landwirtschaftserbrecht, § 13 H ­ öfeO Rn. 147. Rechtsprechung ist wegen der Gleichsetzung von Gewinn und Erlös der Auffassung, dass Abs. 5 auch auf Gewinne anwendbar ist, vgl. BGH AUR 2000, 298 (299). Geht man hingegen mit Teilen der Literatur davon aus, dass unter Gewinnen alle vermögenswerten Vorteile anzusehen sind, schließt dies die Anwendbarkeit des Abs. 5 auf Gewinne aus, vgl. ausführlich hierzu H. Wöhrmann, RdL 2003, 284 (286). 214  Derartige Anordnungen zur Berechnung finden sich in den landesrechtlichen Anerbengesetzen – mit Ausnahme des an die nordwestdeutsche Höfeordnung ange­ lehnte Brandenburgischen Höfegesetzes – nicht. 215  Lüdtke-Handjery/v. Jeinsen/Haarstrich, ­HöfeO, § 13 Rn. 52; Steffen/Ernst, ­HöfeO, § 13 Rn. 87; OLG Celle AgrarR 1991, 248 (249). 216  Steffen/Ernst, ­HöfeO, § 13 Rn. 87. 212  Wöhrmann/Graß, 213  Die



I. Nach der Höfeordnung237

triebs nicht dazu führt, dass der Nachabfindungsanspruch der Erben durch die Degression nahezu vollständig ausgehöhlt wird.217 Folgt man in Bezug auf die Gewinne in § 13 Abs. 4 ­HöfeO der bereiche­ rungsrechtlichen Ansicht, so sind öffentliche Abgaben (S. 1), Gewinnminde­ rungen durch dingliche Belastungen (S. 2) und unterlassene Gewinnerzielung (S. 3) im Rahmen der landwirtschaftsfremden Nutzung nur schwer vorstell­ bar.218 Auf Eigenleistung beruhende Gewinne (S. 4) sind ohnehin abzugsfä­ hig, da sich der Gewinn um diesen Betrag bereits mindert, sodass lediglich die Degression (S. 5) bleibt, die nach Auffassung von H. Wöhrmann im Rahmen einer analogen Anwendung oder aus Billigkeitsgründen trotzdem vorgenommen werden könne.219 aa) Öffentliche Abgaben (§ 13 Abs. 5 S. 1 ­HöfeO) Gemäß § 13 Abs. 5 S. 1 ­HöfeO sind die durch die Veräußerung oder Ver­ wertung entstehenden öffentlichen Abgaben, also Steuern, Abgaben und Ge­ bühren, erlösmindernd220 abzusetzen. Hierzu zählt insbesondere die tatsäch­ lich angefallene Einkommenssteuer auf den Veräußerungsgewinn.221 Auf­ grund der gestiegenen Grundstückswerte werden durch die Veräußerung222 regelmäßig stille Reserven aufgedeckt und es ist wahrscheinlich, dass Ein­ kommenssteuer anfällt.223

217  Lüdtke-Handjery/v. Jeinsen/Haarstrich,

­HöfeO, § 13 Rn. 52. RdL 2003, 284 (286). 219  H. Wöhrmann, RdL 2003, 284 (286). 220  Nach der entschädigungsrechtlichen Ansicht ist Abs. 5 S. 1 nicht auf Gewinne anwendbar, da öffentliche Abgaben bei vermögenswerten Vorteilen durch landwirt­ schaftsfremde Nutzung nur schwer denkbar sei, H. Wöhrmann, RdL 2003, 285 (286). 221  OLG Oldenburg AUR 2007, 101; BGH AUR 2011, 313; Lüdtke-Handjery/ v. Jeinsen/Haarstrich, ­HöfeO § 13 Rn. 48. 222  Gemäß § 6b Abs. 3 EStG können Gewinn mindernde Rücklagen gebildet wer­ den, die innerhalb der vier folgenden Jahre gewinnmindernd reinvestiert und damit aufgelöst werden können. Dies ist auch der Grund, warum Söbbeke im Rahmen der privilegierten Investition eine Erhöhung der Frist auf 4 Jahre fordert, um eine höhere Kompatibilität zwischen Erb- und Steuerrecht zu erreichen; vgl. Söbbeke, ZEV 2006, 395 (399). 223  Lüdtke-Handjery/v. Jeinsen/Haarstrich, ­ HöfeO § 13 Rn. 48; a. A. Wöhrmann/ Graß, Landwirtschaftserbrecht, § 13 ­HöfeO Rn. 125, die davon ausgehen, dass Ein­ kommenssteuer in der Praxis aufgrund der günstigen steuerlichen Behandlung des Veräußerungsgewinns nicht anfiele. 218  H. Wöhrmann,

238

E. Ansprüche der weichenden Miterben

bb) Erlösminderung aufgrund dinglicher Belastung (§ 13 Abs. 5 S. 2 ­HöfeO) Hat der Hoferbe den Hof mit dinglichen Rechten wie etwa einer Hypothek oder einer Grundschuld belastet, verringern diese, wenn sie vom Erwerber des Hofes übernommen werden, den durch die Veräußerung erzielbaren Er­ lös. Dies würde als Konsequenz auch den Nachabfindungsanspruch der Mit­ erben bei Veräußerung des Hofes oder von Grundstücken verringern. Aus diesem Grund ordnet § 13 Abs. 5 S. 2 ­HöfeO an, dass Erlösminderungen,224 die auf einer vom Nachabfindungsverpflichteten aufgenommen dinglichen Belastung des Hofes beruhen, dem erzielten Erlös hinzuzurechnen sind. Das gilt jedoch nicht, wenn die Aufnahme der Belastung im Rahmen einer ord­ nungsgemäßen Bewirtschaftung des Hofes lag. Zweck der Regelung ist also „zu verhindern, dass Abfindungsansprüche gegenstandslos werden, weil der Hoferbe vor der Veräußerung durch dingliche Belastung dessen wirtschaft­ liche Substanz bereits in einer mit dem höferechtlichen Zweck nicht zu ver­ einbarenden Art und Weise an sich gebracht hat.“225 Die dingliche Belastung liegt dann im Rahmen einer ordnungsgemäßen Bewirtschaftung, wenn der Gegenwert der Belastung dem Hof zugutegekommen ist.226 Der Unterschied zwischen der in Abs. 5 S. 2 geregelten Erlösminderung und dem aus dem Rechtsgedanken des § 13 Abs. 1 und 4 ­HöfeO hergeleiteten Nachabfindungs­ anspruch bei der Belastung des Betriebs zu hoffremden Zwecken227 liegt darin, dass letztgenannter Anspruch unabhängig von einer Veräußerung des Betriebs entsteht. Diese Erlösminderung bezieht sich hingegen auf die Be­ rechnung eines auf Abs. 1 gestützten Nachabfindungsanspruchs bei Veräuße­ rung des Hofes oder von einzelnen Grundstücken. cc) Zuschläge aufgrund treuwidrig zu niedrigen Erlöses (§ 13 Abs. 5 S. 3 ­HöfeO) Nach § 13 Abs. 5 S. 3 werden solche Erlöse, die der Hoferbe wider Treu und Glauben zu erzielen unterlassen hat, dem Erlös228 hinzugerechnet. Hierzu zählen in erster Linie Fälle, in denen der Hoferbe treuwidrig im Rah­ 224  Nach der entschädigungsrechtlichen Ansicht ist Abs. 5 S. 2 nicht auf Gewinne anwendbar, da dingliche Belastungen bei vermögenswerten Vorteilen durch landwirt­ schaftsfremde Nutzung nicht denkbar sei, H. Wöhrmann, RdL 2003, 285 (286). 225  BT-Drucks. 7/1443, S. 27. 226  Lüdtke-Handjery/v. Jeinsen/Haarstrich, ­HöfeO, § 13 Rn. 49. 227  Dargestellt auf S. 231. 228  Nach der entschädigungsrechtlichen Ansicht ist Abs. 5 S. 3 nicht auf Gewinne anwendbar, da eine unterlassene Gewinnerzielung durch landwirtschaftsfremde Nut­ zung nur schwer denkbar sei, H. Wöhrmann, RdL 2003, 285 (286).



I. Nach der Höfeordnung239

men der Veräußerung für den Betrieb oder einzelne Grundflächen einen zu niedrigen Erlös erzielt hat.229 Die Regelung orientiert sich nach der Geset­ zesbegründung am Rechtsgedenken des § 815 BGB.230 Allerdings ist dabei nicht für jeden nicht realisierten Erlös ein Zuschlag zu machen. Vielmehr geht es darum, die übrigen Miterben im Einzelfall vor einer Veräußerung unter Wert und dementsprechend geringen Nachabfindungsansprüchen zu schützen. Aus diesem Grund sind von dem Tatbestand vor allem solche Ver­ äußerungen umfasst, in denen ein so grobes Missverhältnis zwischen dem erzielten Erlös und dem tatsächlichen Verkehrswert besteht, dass ein verstän­ diger Eigentümer den Betrieb beziehungsweise die Grundstücke zu diesem Preis gerade nicht veräußert hätte.231 Weiterhin sind auch solche Umge­ hungsgeschäfte erfasst, bei denen der Erlös bereits ausgezahlt wird, aber die Eigentumsumschreibung auf einen Zeitpunkt nach Ablauf der 20-jährigen Nachabfindungsfrist hinausgeschoben wird.232 Insgesamt tritt also die Pri­ vatautonomie des Hoferben, den Betrieb zu von ihm gewünschten Bedingun­ gen zu veräußern oder zu verschenken, hinter den Interessen der Nachabfin­ dungsberechtigten zurück.233 Wöhrmann/Graß sehen Abs. 5 S. 3 zudem als Ansatz für Nachabfindungs­ ansprüche in den Fällen, in denen der Hoferbe den Betrieb langfristig ver­ pachtet, ohne dass Anhaltspunkte dafür gegeben sind, dass er oder seine Abkömmlinge den Hof künftig wieder bewirtschaften werden, und in denen durch die langfristige Verpachtung eine Veräußerung und eine daraus resul­ tierende Nachabfindungspflicht verhindert werden soll.234 Wie bereits oben beschrieben, widerspricht die Annahme eines Nachabfindungsanspruchs in diesen Fällen jedoch dem ausdrücklichen Gesetzgeberwillen, sodass de lege lata keine Abfindungsergänzung ausgelöst wird.235 Es obliegt dem Gesetzge­ ber, für derartige Fallkonstellationen eine Regelung in den § 13 H ­ öfeO auf­ zunehmen.

229  Lüdtke-Handjery/v. Jeinsen/Haarstrich,

­HöfeO, § 13 Rn. 50. 7/1554, S. 27. 231  Lüdtke-Handjery/v. Jeinsen/Haarstrich, ­HöfeO, § 13 Rn. 50; so sind aber nach Ansicht des BGH keine Zuschläge vorzunehmen, wenn für den Verzicht auf Erlöse gute und nachvollziehbare Gründe vorliegen, vgl. BGH BeckRS 2017, 110976 Rn. 18. 232  BGH RdL 1965, 20 (21) zu § 13 H ­ öfeO a. F. 233  Wöhrmann/Graß, Landwirtschaftserbrecht, § 13 H ­ öfeO Rn. 110. 234  Wöhrmann/Graß, Landwirtschaftserbrecht, § 13 H ­ öfeO Rn. 108. 235  Ausführlich hierzu auf S. 217 ff. 230  BT-Drucks.

240

E. Ansprüche der weichenden Miterben

dd) Erlösminderung aufgrund von Unbilligkeit der Herausgabe (§ 13 Abs. 5 S. 4 ­HöfeO) Nach § 13 Abs. 5 S. 4 ­HöfeO ist vom Erlös236 der Teil abzusetzen, dessen Herausgabe aus anderen Gründen nicht der Billigkeit entsprechen würde. Dies umfasst nach der gesetzlichen Beschreibung als wichtigsten Anwen­ dungsfall, dass ein bestimmter Erlösanteil in erster Linie auf eigenen Leis­ tungen, also der „unternehmerischen Tüchtigkeit“237, des Hoferben beruht. Die Billigkeitsklausel hat § 17 Abs. 1 GrdstVG zum Vorbild.238 Weitere Anwendungsfälle sind etwa die Erfüllung von Nachlassverbindlichkeiten oder Abfindungsansprüchen, der Anspruch auf Zugewinnausgleich bei Auflö­ sung der Ehe oder einer gesetzlichen Unterhaltspflicht.239 Das Vorliegen der Voraussetzungen der Billigkeitsklausel ist im Streitfall vom Hoferben darzu­ legen und zu beweisen.240 Bei der Bewertung müssen die Interessen des Nachabfindungspflichtigen und der Nachabfindungsberechtigten sowie der Verwendungszweck der erzielten Erlöse gleichermaßen berücksichtigt wer­ den.241 Damit bietet die Regelung in Abs. 5 S. 4 eine Möglichkeit, im Rah­ men der Nachabfindung die Umstände des Einzelfalls mit einzubeziehen. ee) Degressive Staffelung (§ 13 Abs. 5 S. 5 ­HöfeO) Die Höhe des Nachabfindungsanspruchs bemisst sich auch danach, in wel­ chem Zeitpunkt nach dem Erbfall dieser entsteht. Die Nachabfindung verrin­ gert sich um ein Viertel des Erlöses,242 wenn die Veräußerung oder Verwer­ tung später als zehn Jahre nach dem Erbfall vorgenommen wird, und um die 236  Nach der entschädigungsrechtlichen Ansicht braucht es im Rahmen von Ge­ winnen keine Anordnung wie in Abs. 5 S. 4, da auf Eigenleistungen beruhende Ge­ winne auch ohne explizite Anordnung von Vornherein gewinnmindernd zu berück­ sichtigen seien, H. Wöhrmann, RdL 2003, 285 (286). 237  Lüdtke-Handjery/v. Jeinsen/Haarstrich, ­HöfeO, § 13 Rn. 51; als Beispiele wer­ den hier etwa Maßnahmen zur Rationalisierung des Betriebs oder Aufbau einer ur­ sprünglich fremdfinanzierten und inzwischen aus Erträgen amortisierten Anlage zur intensiven Tierhaltung genannt. 238  BT-Drucks. 7/1443, S 27. 239  Wöhrmann/Graß, Landwirtschaftserbrecht, § 13 H ­ öfeO Rn. 133. 240  BT-Drucks. 7/1443, S. 27. 241  Wöhrmann/Graß, Landwirtschaftserbrecht, § 13 H ­ öfeO Rn. 133. 242  Die Degression ist auch nach der entschädigungsrechtlichen Ansicht für Ge­ winne zu berücksichtigen – entweder in entsprechender Anwendung des Abs. 5 S. 5 oder aus Billigkeitsgründen, H. Wöhrmann, RdL 2003, 285 (286); von Vertretern des bereicherungsrechtlichen Ansatzes wird Abs. 5 S. 5 ohnehin auch auf Gewinne nach Abs. 4 angewendet, s. etwa Lüdtke-Handjery/v. Jeinsen/Haarstrich, ­HöfeO, §  13 Rn. 52.



I. Nach der Höfeordnung241

Hälfte des Erlöses, wenn sie später als fünfzehn Jahre nach dem Erbfall er­ folgt.243 Die degressive Ausgestaltung des Anspruchs soll als Ausgleich dafür dienen, dass der Hoferbe den Hof bereits für längere Zeit besessen und be­ wirtschaftet hat.244 Es zeigt sich hieran, dass die Höfeordnung der Eigen­ leistung des Bewirtschaftenden einen hohen Stellenwert einräumt.245 Die weichenden Miterben sollen nicht über die gesamte Zeitspanne von 20 Jah­ ren voll an den vom Hoferben erzielten Erlösen beteiligt werden. Hier ver­ sucht die Höfeordnung, einen Ausgleich zwischen der Beteiligung am Betrieb einerseits und der Berücksichtigung der Arbeitsleistung andererseits zu schaffen. Dass nach Ablauf einer Frist von 20 Jahren nach der gesetzlichen Regelung gar keine Nachabfindungsansprüche mehr von den weichenden Miterben geltend gemacht werden können, ist erforderlich, um die persönli­ che und wirtschaftliche Dispositionsfreiheit des Hoferben als Eigentümer des Betriebs zu gewährleisten.246 ff) Vom Hofnachfolger übernommene Altschulden Über den Wortlaut der Norm hinaus sind Abschläge nach Ansicht von Li­ teratur und Rechtsprechung auch in den Fällen vorzunehmen, in denen der Hoferbe Nachlassverbindlichkeiten vom Erblasser übernommen hat.247 Wer­ den nur einzelne Grundflächen veräußert, können die Altschulden anteilig im Verhältnis des Wertes der veräußerten Fläche zum Wert des Gesamthofes in Abzug gebracht werden.248 Der Grund für die Notwendigkeit des Abzugs der Nachlassverbindlichkeiten liegt darin, dass die weichenden Miterben auch

243  Dass die Degression sich in den vom Gesetz angenommenen Sprüngen und nicht etwa auf den Tag genau vollzieht, hat Praktikabilitätsgrunde, vgl. LüdtkeHandjery/v. Jeinsen/Haarstrich, ­HöfeO, § 13 Rn. 52. 244  BT-Drucks. 7/4545, S. 6. 245  Dieser Rechtsgedanke kommt etwa auch in § 6 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2, § 7 Abs. 2 und § 13 Abs. 5 S. 4 ­HöfeO zum Ausdruck, vgl. Wöhrmann/Graß, Landwirt­ schaftserbrecht, § 13 ­HöfeO Rn. 127 f. 246  BVerfG AUR 2006, 390. 247  BGH AgrarR 1986, 319 (322); Graß, AUR 2013, 6; Düsing/Martinez/Düsing/ Sieverdingbeck, Agrarrecht, § 13 H ­ öfeO Rn. 48; Faßbender/Hötzel/v. Jeinsen/Pikalo/ Hötzel, ­ HöfeO § 13 Rn. 47; Lüdtke-Handjery/v. Jeinsen/Haarstrich, ­HöfeO, §  13 Rn. 22; Wöhrmann/Graß, Landwirtschaftserbrecht, § 13 ­HöfeO Rn. 137; 248  OLG Oldenburg AUR 2005, 53 (54); Lüdtke-Handjery/v. Jeinsen/Haarstrich, ­HöfeO, § 13 Rn. 22 stellen dabei auf die Wertverhältnisse der steuerlichen Einheits­ werte ab; Wöhrmann/Graß, Landwirtschaftserbrecht, § 13 ­HöfeO Rn. 137 und Graß, AUR 2013, 6 stellen hingegen auf den Verkehrswert ab; dieser gewährleiste nach Ansicht von Graß im Gegensatz zu dem steuerlichen Einheitswert eine realitätsge­ rechtere Abbildung der Wertverhältnisse.

242

E. Ansprüche der weichenden Miterben

gemäß § 2047 BGB nur Anspruch auf den nach Abzug der Nachlassverbind­ lichkeiten verbleibenden Überschuss haben.249 Geht es nicht um eine Nachabfindung aufgrund von Veräußerungsgeschäf­ ten, sondern wegen landwirtschaftsfremder Nutzung einzelner Betriebsteile nach Abs. 4 lit. b), ist eine (anteilige) Berücksichtigung der übernommenen Altschulden nicht möglich, da gerade nicht bestimmte Grundstücke aus dem gesamten Betrieb herausgenommen werden, zu denen die Verbindlichkeiten dann in Relation gesetzt werden können. Das OLG Hamm hat deshalb im Golfplatz-Fall entschieden, dass in diesen Konstellationen statt des Kapital­ betrags der Altschulden der dafür fällige Zinsaufwand abzugsfähig ist.250 Graß hält dieses Vorgehen für sinnvoll, da auf diese Weise nicht die Altschul­ den, die wirtschaftlich zur Finanzierung der Substanz dienten, vollständig vom Nachabfindungsanspruch abgezogen werden, wenn keine Substanz­ schmälerung wie bei einer Veräußerung stattfindet.251 Für die Aufteilung der Zinsen stellt das OLG Hamm in seiner Entscheidung ebenfalls auf die Rela­ tion der landwirtschaftsfremd genutzten Fläche zur Gesamtfläche des Hofes ab.252 Seitens der Literatur wird darauf hingewiesen, dass eine solche Be­ trachtung nur bei größeren Flächen, die beispielsweise zu landwirtschafts­ fremden Zwecken verpachtet werden, zu sachgerechten Ergebnissen führe.253 Gehe es jedoch um Grundstücksteile, bei denen durch die landwirtschafts­ fremde Nutzung kleiner Flächen im Verhältnis hohe Einnahmen erzielt wer­ den können, sei dieser Ansatz nicht mehr überzeugend. Als Beispiel wird etwa die Umwidmung von Wirtschaftsgebäuden zu Mietwohnungen, Wind­ kraftanlagen auf landwirtschaftlichen Grundflächen oder Photovoltaikanlagen auf den Dächern von Hofgebäuden genannt.254 Statt darauf zu warten, dass sich innerhalb der Rechtsprechung für die Fälle von durch den Hoferben übernommene Altschulden ein einheitlicher Lösungsweg herausbildet, ist hier eine Regelung durch den Gesetzgeber wünschenswert. Diese sollte insbesondere auch aufzeigen, wie die Altschul­ den anteilig zu berücksichtigen sind, wenn durch die landwirtschaftsfremde Nutzung kleinerer Flächen verhältnismäßig viel Erlös erzielt wird. Eine Möglichkeit, diese Fälle unter Berücksichtigung des höferechtlichen Zwecks angemessen in die Nachabfindungspflicht einzubeziehen, ist beispielsweise 249  BGH

AgrarR 1986, 319 (322). Hamm AUR 2009, 399 (405); auch das OLG Celle hat nachfolgend die Altschulden bei landwirtschaftsfremder Nutzung auf diese Weise berücksichtigt, OLG Celle RdL 2012, 77. 251  Graß, AUR 2013, 6 (7). 252  OLG Hamm AUR 2009, 399 (405). 253  Graß, AUR 2013, 6 (7). 254  Graß, AUR 2013, 6 (7). 250  OLG



I. Nach der Höfeordnung243

eine Relation zwischen den durch den entwidmeten Hofteil generierten Ein­ künften und den Gesamteinkünften des Betriebs herzustellen und in diesem Verhältnis auch die übernommenen Altschulden zu berücksichtigen. b) Verteilung des bereinigten Erlöses beziehungsweise Gewinns und Verjährung Der nach Berücksichtigung von erlöserhöhenden und -mindernden Posten festgestellte Erlös steht gemäß § 13 Abs. 1 S. 1 ­HöfeO den Nachabfindungs­ berechtigten zu dem Teil zu, der ihrem nach dem allgemeinen Recht bemes­ senen Anteil am Nachlass oder an dessen Wert entspricht. Dies gilt über Abs. 4 auch für die erzielten Gewinne. Bereits empfangene Abfindungen nach § 12 H ­ öfeO sind dabei anzurechnen. Der Nachabfindungsanspruch kann von jedem einzelnen Berechtigten anteilig und unabhängig von den übrigen Nachabfindungsberechtigten geltend gemacht werden. Damit ent­ spricht der Nachabfindungsanspruch in seiner Konzeption dem Pflichtteilsan­ spruch nach § 2303 BGB.255 Der Hoferbe ist nur verpflichtet, den anteiligen Erlös oder Gewinn an Personen auszukehren, die eine Abfindungsergänzung verlangen.256 Im Übrigen ist er nach § 13 Abs. 10 ­HöfeO lediglich verpflich­ tet, den Berechtigten mitzuteilen, dass eine Veräußerung oder Verwertung257 stattgefunden hat.258 Die Ansprüche auf Nachabfindung verjähren gemäß § 13 Abs. 9 S. 2 ­HöfeO mit Ablauf des dritten Jahres nach dem Zeitpunkt, in dem der Berechtigte von dem Eintritt der Voraussetzungen des Anspruchs Kenntnis259 erlangt hat, spätestens aber dreißig Jahre nach dem Erbfall. Diese lange Verjährungsfrist hat der Gesetzgeber für gerechtfertigt gehalten, da der Hoferbe die Möglichkeit hat, „die Verjährungsfrist abzukürzen, wenn er die weichenden Erben von den abfindungspflichtigen Vorgängen unterrichtet“.260 Im Rahmen der dreijährigen Verjährungsfrist kommt es dabei im Gegensatz

255  Lüdtke-Handjery/v. Jeinsen/Haarstrich,

­HöfeO, § 13 Rn. 16. Landwirtschaftserbrecht, § 13 ­HöfeO Rn. 138. 257  „Verwertung“ umfasst auch die landwirtschaftsfremde Nutzung nach Abs. 4 lit. b), Lüdtke-Handjery/v. Jeinsen/Haarstrich, ­HöfeO, § 13 Rn. 60. 258  Es ist für die Mitteilungspflicht dabei ausreichend, dass ein Anspruch der Mit­ erben auf Nachabfindung ernstlich in Betracht kommt, BGH NJW 1984, 2831 (2835). 259  OLG Hamm, Urteil vom 13. Oktober 1994 – 28 U 30/94 (juris); LüdtkeHandjery/v. Jeinsen/Haarstrich, ­HöfeO, § 13 Rn. 57; Steffen/Ernst, ­HöfeO, §  13 Rn.  101; a. A. Barnstedt/Bendel/Becker, AgrarR 1976, 209 (217); Faßbender/Hötzel/ v. Jeinsen/Pikalo/Hötzel, ­HöfeO, § 13 Rn. 54, die davon ausgehen, dass „Ablauf“ des Jahres nicht „Schluss“ i. S. v. § 201 BGB bedeutet, sodass der Fristablauf auch im Laufe eines Jahres eintreten kann. 260  BT-Drucks. 7/1443, S. 28. 256  Wöhrmann/Graß,

244

E. Ansprüche der weichenden Miterben

zu § 199 Abs. 1 BGB nur auf positive Kenntnis von den Voraussetzungen des Anspruchs, nicht aber auf grob fahrlässige Unkenntnis an.261 5. Regelung der Nachabfindung durch letztwillige Verfügung Es ist umstritten, ob der Erblasser die Nachabfindungsansprüche durch letztwillige Verfügung abbedingen kann. Nach einer Ansicht sind die Nach­ abfindungsansprüche nicht durch letztwillige Verfügung auszuschließen, da es sich bei dem Anspruch um einen Ausgleich der weichenden Miterben für ihre zur Erreichung des höferechtlichen Zwecks hingenommene Benachteili­ gung handele.262 Aufgrund der Tatsache, dass die Erreichung des höferecht­ lichen Zwecks auch agrarstrukturpolitische Gründe habe, enthalte der An­ spruch damit auch eine öffentlich-rechtliche Komponente, die sich dem pri­ vatautonomen Entschluss des Erblassers entzieht.263 Darüber hinaus zeige auch der Wortlaut des § 13 ­HöfeO, der im Gegensatz zu § 12 H ­ öfeO nicht unter dem Vorbehalt einer anderweitigen Regelung steht, dass der Nachabfin­ dungsanspruch nicht dispositiv ist. Nach einer anderen Auffassung können die Ergänzungsansprüche bis zur Grenze des Pflichtteils ausgeschlossen oder eingeschränkt werden.264 Dies wird damit begründet, dass es sich bei dem Anspruch aus § 13 ­HöfeO nicht um einen Bereicherungsanspruch, sondern um einen erbrechtlichen Nachab­ findungsanspruch handele.265 Hieraus folgt, dass der Erblasser zur Wahrung seiner Testierfähigkeit auch über die Abfindungsergänzungsansprüche der weichenden Erben bis zur Höhe des Pflichtteils frei disponieren können muss.266 Außerdem kann der Erblasser auch mittelbar Einfluss auf die Höhe der Nachabfindungsansprüche nehmen: So hat er etwa die Möglichkeit, die ei­ gentlich nachabfindungsberechtigten Erben von der Erbschaft auszuschlie­ ßen, sodass sie nur noch einen Pflichtteil verlangen können. In diesem Fall können sie auch im Rahmen des Nachabfindungsanspruchs die Hälfte des ­HöfeO, § 13 Rn. 102. ZEV 2006, 395 (399); Wöhrmann/Graß, Landwirtschaftserbrecht, § 13 ­HöfeO Rn. 157. 263  Wöhrmann/Graß, Landwirtschaftserbrecht, § 13 H ­ öfeO Rn. 157. 264  BGH NJW 1963, 860 (861) zu § 13 H ­ öfeO a. F.; Lüdtke-Handjery/v. Jeinsen/ Haarstrich, § 13 ­HöfeO Rn. 61; Faßbender/Hötzel/v. Jeinsen/Pikalo/Hötzel, ­HöfeO, § 13 Rn. 58; Niewerth, AgrarR 1985, 285; Söbbeke, ZEV 2006, 395 (399); Steffen/ Ernst, ­HöfeO, § 13 Rn. 110. 265  Lüdtke-Handjery/v. Jeinsen/Haarstrich, ­HöfeO, § 13 Rn. 61. 266  Niewerth, AgrarR 1985, 285 (286). 261  Steffen/Ernst, 262  Söbbeke,



I. Nach der Höfeordnung245

Anteils verlangen, den sie als Erben verlangen könnten.267 Aus diesem Grund ist die Mindesthöhe des vom Erblasser als Abfindungsergänzung zu zahlen­ den Betrags nach beiden Ansichten im Pflichtteil zu sehen. Der Unterschied liegt jedoch darin, dass nach der letztgenannten herrschenden Ansicht der Erblasser auch im Rahmen der Nachabfindungsansprüche diesen Betrag be­ stimmen kann, sodass die Berechtigten weiterhin Erben – mit allen daraus erwachsenden Rechten und Pflichten – sind. Geht man davon aus, dass der Erblasser nicht über die Höhe des Nachabfindungsanspruchs verfügen kann, ist die Begrenzung der Nachabfindungsansprüche auf den Pflichtteil hinge­ gen nur zu erreichen, wenn die eigentlich Berechtigten von der Erbschaft ausgeschlossen werden. Darüber hinaus besteht noch die Möglichkeit, mit den weichenden Mit­ erben einen notariellen Erb- und Pflichtteilsverzicht unter Einbeziehung des § 13 ­HöfeO zu vereinbaren. Außerdem hat der Erblasser die Möglichkeit, eine negative Hoferklärung abzugeben, sodass der Hof nicht mehr dem Höfe­recht, sondern dem BGB-Landguterbrecht unterfällt, nach welchem de lege lata gerade keine Nachabfindungsansprüche bestehen.268 Andersherum hat der Hofeigentümer aufgrund seiner Testierfreiheit auch die Möglichkeit, die Nachabfindungsansprüche zu erweitern, etwa durch die Bestimmung höherer Ansprüche, eine Hofhebung der degressiven Staffelung der Ansprüche sowie die Anordnung einer höheren Nachabfindungsfrist als 20 Jahre.269 Begrenzt wird die Testierfreiheit des Erblassers in dieser Hin­ sicht lediglich durch den höferechtlichen Zweck, sodass durch die Erweite­ rung der Rechte der weichenden Erben bei der Nachabfindungspflicht nicht die Existenzfähigkeit des Hofes gefährdet werden darf. 6. Ergebnis In § 13 H ­ öfeO werden neben dem Brandenburgischen Höfeordnungsgesetz unter allen landwirtschaftlichen Sondererbrechten die präzisesten und weit­ reichendsten Regelungen hinsichtlich der Nachabfindungsansprüche aufge­ stellt. Die Tatbestände beziehen sich abstrakt betrachtet auf die Entwidmung des landwirtschaftlich genutzten Betriebs oder Teilen davon durch Veräuße­ rung oder Verwertung, eine fiktive Veräußerung oder die Aufgabe der landoder forstwirtschaftlichen Nutzung. Die klaren Anordnungen in der Höfeord­ nung sind in Hinblick auf die Rechtssicherheit zu befürworten. Seit der Re­ form 1976 sind die einzelnen Tatbestandsmerkmale durch die Rechtsprechung Landwirtschaftserbrecht, § 13 ­HöfeO Rn. 158. ZEV 2006, 395 (399). 269  Lüdtke-Handjery/v. Jeinsen/Haarstrich, ­HöfeO, § 13 Rn. 61. 267  Wöhrmann/Graß, 268  Söbbeke,

246

E. Ansprüche der weichenden Miterben

präzisiert und fortentwickelt worden. Eine gesetzliche Anpassung an die heutigen Bedingungen in der Landwirtschaft hat jedoch nicht stattgefunden. Eine stärkere Berücksichtigung der Herausforderungen moderner landwirt­ schaftlicher Betriebe und aktueller Entwicklungen im Agrarsektor – exem­ plarisch seien hier die stärkere Diversifikation der Einkünfte, die Gewinnung regenerativer Energien oder die langfristige Verpachtung des Betriebs ge­ nannt – ist auch im Rahmen der Nachabfindungsansprüche erforderlich. Hier ist im Hinblick auf die Gewaltenteilung ein Handeln des Gesetzgebers ge­ fragt: In Bezug auf die Frist bei privilegierten Reinvestitionen nach § 13 Abs. 2 S. 1 H ­ öfeO ist eine Harmonisierung mit der vierjährigen steuerlichen Frist für Reinvestitionen nach § 6b Abs. 3 EStG erforderlich, um eine möglichst große Kompatibilität zwischen Erb- und Steuerrecht zu erzeugen und zudem betriebswirtschaftlich sinnvolle Reinvestitionen zu ermöglichen.270 Zudem sollte der § 13 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 ­HöfeO als Ausnahmetatbestand der Nachab­ findung für Fälle, in denen die Grundstücksveräußerung zur Erhaltung des Hofes notwendig ist, ausgeweitet werden auf Konstellationen, in denen eine Veräußerung erforderlich ist zur Umstrukturierung oder Modernisierung des Betriebs und auch für diese Fälle ein Reinvestitionsprivileg geschaffen wer­ den.271 Im Rahmen von § 13 Abs. 4 lit. b) ­HöfeO unterfällt die langfristige Ver­ pachtung des Betriebs nach Auffassung der Rechtsprechung und Literatur unter Bezugnahme auf die Entstehungsgeschichte nicht der Nachabfindungs­ pflicht. Da es sich bei einer langfristigen Verpachtung jedoch nicht mehr um eine landwirtschaftliche Nutzung des Betriebs, sondern eine Vermögensver­ waltung handelt, ist hier – unter Zugrundelegung des Normzwecks und im Interesse der weichenden Miterben – eine Regelung erforderlich, die im Falle der langfristigen Verpachtung eine Nachabfindungspflicht anordnet.272 Bei der Erzielung von Einkünften durch regenerative Energieanlagen oder der Entwidmung einzelner Betriebsteile und ihrer gewerblichen Nutzung entstehen nach der derzeitigen rechtlichen Lage Nachabfindungsansprüche. Da die nichtlandwirtschaftliche Nutzung jedoch häufig dazu dient, den land­ wirtschaftlich genutzten Betriebsteil finanziell zu stützen und damit langfris­ tig zu erhalten, ist zum Schutzes des Bestands der betroffenen Betriebe – sofern diese auch ohne die Anlagen zur Gewinnung regenerativer Energien leistungsfähig sind – eine Herausnahme der beschriebenen Tatbestände aus der Nachabfindungspflicht durch den Gesetzgeber erforderlich. Diese Ände­ 270  Siehe

S. 199 ff. S. 201 ff. 272  Siehe S. 217 ff. 271  Siehe



I. Nach der Höfeordnung247

rung dient auch dem höferechtlichen Zweck, da sie dem öffentlichen Inte­ resse der Erhaltung landwirtschaftlicher Betriebe dient. In Bezug auf regene­ rative Energieanlagen kommt außerdem das öffentliche Interesse des Um­ weltschutzes durch die Förderung der Gewinnung erneuerbarer Energien hinzu.273 Der Bundesgerichtshof nimmt in Bezug auf die aus § 13 Abs. 1 und 4 ­ öfeO analog hergeleitete Fallgruppe bei einer dinglichen Belastung von H Grundstücken zu hoffremden Zwecken an, dass sich der Nachabfindungsan­ spruch nach den Gewinnen berechnet, die der Hofeigentümer durch die zweckwidrige Nutzung des Hofes erlangt. Nach dem hier vertretenen ent­ schädigungsrechtlichen Verständnis zum Begriff der „Gewinne“ in Abs. 4 und unter Zugrundelegung des höferechtlichen Zwecks bemisst sich der Nachabfindungsanspruch jedoch nach dem Nominalbetrag der dinglichen Belastung, da die Substanz des Hofes um den Wert der dinglichen Belastung gemindert wird. Da der beschriebene Anspruch lediglich durch die analoge Anwendung von Nachabfindungstatbeständen hergeleitet wird und inhaltlich im Detail umstritten ist, ist hier eine ausdrückliche Regelung durch den Ge­ setzgeber für den Fall der dinglichen Belastung zu hoffremden Zwecken er­ forderlich.274 Es gibt in § 13 H ­ öfeO keine Regelung für den Umgang mit Altschulden, die der Hoferbe vom Erblasser übernimmt. Bei Veräußerungen werden nach der Rechtsprechung die Altschulden anteilig im Verhältnis des Wertes der veräußerten Fläche zum Gesamtbetrieb auf den Nachabfindungsanspruch angerechnet. Dies ist bei einer landwirtschaftsfremden Nutzung mangels Substanzschmälerung nicht möglich, sodass in diesen Fällen die Zinslast (anteilig) abzugsfähig ist. Da auch dieses Vorgehen bei Konstellationen, in denen auf kleiner Fläche hohe Erlöse erzielt werden, versagt, ist hier eine gesetzliche Regelung notwendig. Diese könnte etwa für den Fall der Entwid­ mung die durch den entwidmeten Betriebsteil erwirtschafteten Einkünfte zu den Gesamteinkünften ins Verhältnis setzen.275 Diese Relation könnte auch auf die zu berücksichtigenden Altschulden übertragen werden. Eine der umstrittensten Fragen in Zusammenhang mit § 13 H ­ öfeO ist die Auslegung des Wortes „Gewinn“ in der Generalklausel der landwirtschafts­ fremden Nutzung nach § 13 Abs. 4 lit. b) ­HöfeO. Der Bundesgerichtshof und ein Großteil der Literatur vertreten einen bereicherungsrechtlichen Ansatz und setzen diesen Begriff mit „Erlösen“ in Abs. 1 gleich, sodass ein Nachab­ findungsanspruch immer beim Zufluss von Mehreinnahmen entsteht. Nach 273  Siehe

S. 220 ff. S. 231 ff. 275  Siehe S. 241 ff. 274  Siehe

248

E. Ansprüche der weichenden Miterben

der systematisch und praktisch vorzugswürdigen entschädigungsrechtlichen Lösung meint „Gewinn“ hingegen jeden Vorteil und jede Wertsteigerung im Rahmen eines Vergleichs der Vermögenssituationen vor und nach der Ent­ widmung des Betriebsteils. Die unterschiedlichen Ansätze haben erhebliche Auswirkungen auf die Entstehung der Nachabfindungsansprüche innerhalb der einzelnen Fallgruppen der in der Praxis äußerst relevanten Generalklau­ sel des Abs. 4 lit. b) sowie bei der Berechnung des Gewinns im Einzelfall. Im Rahmen einer Reform ist eine gesetzliche Klarstellung bezüglich des Begriffs der „Gewinne“ dringend erforderlich.276 An anderen Stellen ist im Rahmen des § 13 H ­ öfeO wiederum keine Geset­ zesänderung erforderlich, sondern lediglich eine Auslegung der bestehenden Gesetze, die sich stärker am höferechtlichen Zweck als maßgeblichem Aus­ legungskriterium orientiert: Etwa in Bezug auf die Veräußerung wesentlicher Teile des Hofzubehörs nach § 13 Abs. 4 lit. a) ­HöfeO ist es in Hinblick auf den Normzweck erfor­ derlich, dass das Tatbestandsmerkmal der Wesentlichkeit nicht erst bei Errei­ chen einer Wertgrenze von 10 % des Hofwertes erfüllt ist, sondern auch ­bereits dann, wenn so viel Zubehör verwertet wurde, dass eine sinnvolle Bewirtschaftung des Hofes nicht mehr sichergestellt werden kann.277 Bei den Fallgruppen des Kassierens von Versicherungsleistungen, der Ver­ äußerung handelbarer Lieferrechte und der Veräußerung von Realverbands­ anteilen ist keine Herleitung eines Nachabfindungsanspruchs aus § 13 Abs. 4 lit. b) ­HöfeO analog erforderlich. Vielmehr ergeben sich die Nachabfindungs­ ansprüche hier bereits aus einer Auslegung der Norm im Lichte des höfe­ rechtlichen Zwecks.278

II. Nach dem BGB-Landgutrecht Im Gegensatz zur Höfeordnung, den landesrechtlichen Anerbengesetzen sowie § 17 GrdstVG ist im BGB-Landguterbrecht kein Nachabfindungsan­ spruch für die weichenden Erben oder Pflichtteilsberechtigten geregelt. Das bedeutet, dass der Übernehmer das Landgut de lege lata zu privilegierten Bedingungen, nämlich zum Ertragswert, übernimmt und auch nach Wegfall der Gründe für diese Bevorzugung gesetzlich kein Nachabfindungsanspruch vorgesehen ist. In Hinblick auf einen Interessenausgleich zwischen dem 276  Siehe

S. 211 ff. S. 208 f. 278  Siehe S. 226 in Bezug auf die Versicherungsleistung, S. 227 in Bezug auf die Milchquote und S. 229 in Bezug auf die Realverbandsanteile. 277  Siehe



II. Nach dem BGB-Landgutrecht249

Landgutübernehmer und den übrigen Miterben stellt sich daher die Frage, wie mit dieser Regelungslücke umzugehen ist. 1. Umgang der Rechtsprechung mit der Regelungslücke und Bewertung dieses Lösungsansatzes Das OLG Karlsruhe hat in einer Entscheidung aus dem Jahr 1976 aufgrund der bestehenden Nachabfindungsregelungen in der Höfeordnung, den landes­ rechtlichen Anerbengesetzen und im Grundstücksverkehrsgesetz in Bezug auf das Badische Hofgütergesetz geschlossen, dass „über den Geltungsbe­ reich der einzelnen Anerbengesetze hinaus eine Rechtsüberzeugung dahin besteht, dass ein vom Hof verdrängter Miterbe einen Anspruch auf Ausgleich hat, wenn der Hofübernehmer nicht unbeträchtliche Teile seines Grundbesit­ zes nicht mehr selbst bewirtschaftet, sondern veräußert und daraus einen Gewinn erzielt.“279 Dieser Rechtsprechung schloss sich der Bundesgerichts­ hof ausdrücklich nicht an. Vielmehr urteilte er in einer Grundsatzentschei­ dung aus dem Jahr 1986, dass es im BGB-Landguterbrecht in den §§ 2049, 2312 BGB weder „nach dem Gesetzeswortlaut noch nach allgemeiner Auf­ fassung einen Anspruch der Erben auf Nachabfindung gibt“.280 In der Recht­ sprechung wird daher durch eine strenge Auslegung des Landgutbegriffs im Rahmen der §§ 2049, 2312 BGB281 eine Privilegierung des Landgutüberneh­ mers nur bei zweckgerecht genutzten Betrieben zugelassen, um so die Un­ gleichbehandlung der Erben zu begrenzen.282 Das bedeutet, dass ein Ansatz des Landgutes zum Ertragswert nur dann möglich ist, wenn die Erhaltung des überlebensfähigen landwirtschaftlichen Betriebs in der Hand einer fort­ führungsfähigen und -willigen Person erreicht werden kann und auch nicht absehbar ist, dass dies innerhalb kurzer Zeit nicht mehr der Fall sein wird.283 Der Schutz der weichenden Miterben findet somit nur durch eine strenge Auslegung der Tatbestandsvoraussetzungen bei der Ertragswertprivilegierung statt. Ein nachträglicher Ausgleich ist nach der BGH-Rechtsprechung hinge­ gen nicht vorgesehen.

279  OLG

Karlsruhe AgrarR 1977, 181 (182). NJW 1987, 1260 (1262); zustimmend Soergel/Wolf, § 2049 Rn. 1. 281  Zu den genauen Voraussetzungen der Landguteigenschaft vgl. die Ausführun­ gen auf S. 157 ff. 282  BGH NJW 1987, 1260 (1261). 283  Wie bereits erläutert gilt dies auch in Fällen, in denen nicht das Landgut ins­ gesamt nicht privilegierungswürdig ist, sondern es können auch einzelne Grundflä­ chen – etwa wegen ihrer Eigenschaft als Bau- oder Bauerwartungsland – nicht privi­ legiert und zur Berechnung der Ansprüche der übrigen Erben zum Verkehrswert an­ gesetzt werden. 280  BGH

250

E. Ansprüche der weichenden Miterben

Der Bundesgerichtshof betonte dabei in seiner Entscheidung jedoch zu­ gleich auch, dass er es nicht als seine Aufgabe ansehe, den Gestaltungsspiel­ raum bis zur äußersten verfassungsrechtlichen Grenze auszuschöpfen.284 Vielmehr wolle er den Inhalt der Vorschriften des Landguterbrechts mit den Mitteln der richterlichen Rechtsfortbildung festlegen. Diese reichen nach Ansicht des Senats nicht so weit, einen Nachabfindungsanspruch im Wege der richterlichen Rechtsfortbildung zu konstruieren. Der Bundesgerichtshof geht hier zu Recht davon aus, dass eine derartig wesentliche Veränderung des geltenden Rechts der Legislative und nicht der Judikative obliegt. Im Schrifttum wird überwiegend die Auffassung vertreten, dass allein die restriktive Auslegung der Tatbestandsmerkmale des „Landguts“ nach §§ 2049, 2312 BGB nicht ausreicht, um trotz nicht geregelter Nachabfin­ dungsansprüche zu sachgerechten Ergebnissen zu gelangen.285 Es besteht weitestgehend Einigkeit, dass im Falle zweckwidriger Nutzung des landwirt­ schaftlichen Betriebs in Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG über die bestehende Rechtslage hinaus ein anderer Umgang mit den Ansprüchen der weichenden Erben erforderlich ist.286 Denn die Praxis des Bundesgerichtshofs führt dazu, dass die Erben eine Kürzung ihrer Erbansprüche hinnehmen müssen, ohne dass ihnen für den Fall einer landwirtschaftsfremden Nutzung ein Aus­ gleich für dieses Opfer gewährt wird.287 Durch den Ansatz des Bundesge­ richtshofs wird die Übernahme des Landgutes zum Ertragswert zu einem „einmaligen Akt, der sich in der Vollziehung des Auseinandersetzungsver­ trags erschöpft.“288 Jedoch bestehe zwischen den Erben aufgrund des Norm­ zwecks auch nach der Auseinandersetzung ein „dauerschuldrechtsähnliches“289 Verhältnis auf längere Zeit, welches auch nachwirkende Treuepflichten mit 284  BGH

NJW 1987, 1260 (1261). Faßbender, AgrarR 1990, 243 (245); Hausmann/Hohloch/Hausmann/ Hausmann, Handbuch des Erbrechts, Kap. 24 Rn. 105; MüKoBGB/Lange, § 2312 Rn. 21; Stöcker, FamRZ 1993, 1261; Wöhrmann/Graß, Landwirtschaftserbrecht, § 2312 BGB Rn. 3. 286  Etwa Faßbender, AgrarR 1990, 243 (245); Hausmann/Hohloch/Hausmann/ Hausmann, Handbuch des Erbrechts, Kap. 24 Rn. 105; MüKoBGB/Lange, § 2312 Rn. 21; Stöcker, FamRZ 1993, 1261; Wöhrmann/Graß, Landwirtschaftserbrecht, § 2312 BGB Rn. 3. 287  Stöcker, FamRZ 1993, 1261 (1262); nicht überzeugend ist hier auch das Argu­ ment, dass in der Praxis bei Übergabeverträgen etwa durch Klauseln nach Vorbild des § 13 H ­ öfeO für Fälle landwirtschaftsfremder Nutzung vorgesorgt wird (vgl. etwa Eckhardt, AgrarR 1975, 136 [139]), da die Schaffung eines solchen Anspruchs Auf­ gabe des Gesetzgebers ist und daher nicht allein dem Erblasser obliegen kann. 288  Kronthaler, Landgut, Ertragswert und Bewertung im Bürgerlichen Recht, S. 140. 289  Kronthaler, Landgut, Ertragswert und Bewertung im Bürgerlichen Recht, S. 140. 285  Etwa



II. Nach dem BGB-Landgutrecht251

sich bringe. Dem wird durch die geltende Rechtslage in den §§ 2049, 2312 BGB nicht hinreichend Rechnung getragen. In der Praxis wird der beschriebenen Problematik der fehlenden Nach­ abfindungsansprüche unter anderem dadurch begegnet, dass im Falle der Veräußerung oder landwirtschaftsfremden Nutzung die Zahlung einer Nach­ abfindung entsprechend der Regelungen des § 13 ­HöfeO290 vom Erblasser in der letztwilligen Verfügung angeordnet wird.291 Da dieser Lösungsansatz jedoch nur bei einer expliziten diesbezüglichen Anordnung des Erblassers greift, werden in der Literatur weitere Möglichkeiten diskutiert, um einen Interessenausgleich zwischen Landgutübernehmer einerseits und den übrigen Miterben292 andererseits bei Wegfall der landwirtschaftlichen Nutzung des Betriebs zu erreichen.293 2. In der Literatur vertretene Lösungsansätze bei schutzzweckwidriger Realisierung von Erlösen und Gewinnen aus landwirtschaftsfremder Nutzung a) Analoge Anwendung der Anerbengesetze Von Wöhrmann/Graß wird die Ansicht vertreten, dass es sich bei der Nichtregelung von Nachabfindungsansprüchen im BGB-Landguterbrecht um eine planwidrige Regelungslücke handele, die durch die analoge Anwendung der Regelungen zu den Nachabfindungsansprüchen in den bundes- oder lan­ desgesetzlichen Anerbengesetzen auszufüllen sei.294

290  Dass sich nicht etwa an den Regelungen des § 17 GrdstVG orientiert wird, liegt daran, dass diese auf die Wertverhältnisse im Zeitpunkt des Erbfalls abstellen und die weichenden Miterben so nicht an etwaigen Wertsteigerungen beteiligt wer­ den. 291  Eckhardt, AgrarR 1975, 136 (138). 292  In dieser Arbeit soll der Fokus auf der Frage liegen, auf welche Weise die weichenden Miterben an nachträglich realisierten Gewinnen aus Veräußerung und sonstiger landwirtschaftsfremder Nutzung beteiligt werden können. Zu den Ansprü­ chen der Pflichtteilsberechtigten vgl. ausführlich Hausmann, Die Vererbung von Landgütern nach dem BGB, S. 275 ff. 293  Diesen Lösungsansätzen wurde vom BGH bislang noch keine Beachtung ge­ schenkt. Vielmehr geht dieser davon aus, dass es auch nach „allgemeiner Auffassung“ keinen Anspruch auf Nachabfindung gebe, obwohl es von Seiten der Literatur zahl­ reiche Lösungsansätze zur Begründung von Nachabfindungsansprüchen gibt, vgl. BGH NJW 1987, 1260 (1262). 294  Wöhrmann/Graß, Landwirtschaftserbrecht, § 2312 BGB Rn. 9.

252

E. Ansprüche der weichenden Miterben

aa) Planwidrige Regelungslücke Für die analoge Anwendung der Nachabfindungsvorschriften aus den An­ erbengesetzen ist zunächst erforderlich, dass es sich bei der Nichtregelung des Nachabfindungsanspruchs im BGB-Landgutrecht um eine planwidrige Regelungslücke handelt und die gesetzliche Regelung damit so unvollständig ist, dass keine Antwort auf die Frage nach den Nachabfindungen in ihr zu finden ist. Wie bereits im Rahmen der Entstehungsgeschichte des BGB-Landguterb­ rechts dargelegt, war im Rahmen der Beratungen der Zweiten Kommission zwar keine umfassende Kodifikation des Anerbenrechts im Bürgerlichen Gesetzbuch geplant, aber es sollte ein Rahmen reichsrechtlicher Normen geschaffen werden.295 Dieser Rahmen umfasste in § f auch eine Regelung, nach welcher die Miterben bei einer Veräußerung des Landgutes innerhalb von zehn Jahren nach dem Erbfall nachträglich am den Übernahmewert übersteigenden Teil des Erlöses zu beteiligen sein sollten.296 Die meisten Mitglieder der Kommission lehnten diesen Vorschlag aufgrund von konstruk­ tiven Bedenken ab und wollten den Landesgesetzgebern die Möglichkeit geben, durch landesrechtliche Anerbengesetze den regionalen Besonderheiten Rechnung zu tragen.297 Aus diesem Grund wurden mit den §§ 2049, 2312 BGB und dem Vorbehalt zugunsten der Landesgesetzgeber in Art. 64 EGBGB nur wenige reichsrechtliche Vorschriften geschaffen, um den Gesetzgebern die Freiheit zu geben, das Anerbenrecht umfassend zu regeln. Wöhrmann/Graß gehen daher aufgrund der Entstehungsgeschichte des BGB-Landguterbrechts davon aus, dass der BGB-Gesetzgeber bei der Schaf­ fung der Regelungen über Landgüter eigentlich keine größeren Regelungs­ lücken in Kauf nehmen wollte und somit auch nicht bewusst auf die Rege­ lung eines Nachabfindungsanspruchs verzichtete, sondern vielmehr nur einen rechtlichen Rahmen schaffen wollte, der dann durch landesrechtliche Aner­ bengesetze ausgestaltet wird.298 Dadurch, dass in einigen Gebieten vom Vorbehalt des Art. 64 Abs. 1 EGBGB kein Gebrauch gemacht wurde und somit neben den Regelungen des BGB-Landguterbrechts kein Anerbenrecht existiert, gebe es in Bezug auf die Nachabfindungsansprüche erhebliche Re­ gelungslücken, die aufgrund dieser Argumentation auch planwidrig seien. Da die Nichtregelung von Nachabfindungsansprüchen keine bewusste Entschei­ dung des Gesetzgebers gegen Nachabfindungsansprüche war, sondern man 295  Siehe zur Entstehungsgeschichte der Regelungen des BGB-Landguterbrechts auch die Ausführungen auf S. 31 ff. 296  Mugdan, Materialien zum BGB I, S. 189. 297  Mugdan, Materialien zum BGB I, S. 202. 298  Wöhrmann/Graß, Landwirtschaftserbrecht, § 2312 BGB Rn. 9.



II. Nach dem BGB-Landgutrecht253

vielmehr davon ausging, dass eine Regelung im BGB nicht notwendig sei, weil durch den Vorbehalt des Art. 64 Abs. 1 EGBGB eine Regelung durch die Landesgesetzgeber erfolgen würde, bestehe im Ergebnis eine planwidrige Regelungslücke im BGB-Landguterbrecht.299 bb) Ausfüllung der Regelungslücke durch die regionalen Anerbengesetze Nach Auffassung von Wöhrmann/Graß soll diese planwidrige Regelungs­ lücke durch analoge Anwendung der regionalen bundes- oder landesrechtli­ chen Anerbengesetze geschlossen werden:300 Danach soll Art. 64 EGBGB nicht nur als ein Vorbehalt zugunsten der Landesgesetzgeber zur Regelung eigener Anerbengesetze verstanden werden, sondern als eine „lückenfüllende oder ergänzende Verweisung auf das Landesrecht“.301 Das bedeutet im Er­ gebnis, dass die regionalen Anerbenrechte immer dann auch auf Landgüter angewendet werden sollen, wenn eine Regelung im BGB-Landguterbrecht nicht vorhanden ist. Dies umfasse zum einen die landesrechtlichen Anerben­ gesetze, zum anderen aber auch die Höfeordnung als Nachfolgekodifikation für regionale landesrechtliche Anerbengesetze. Konkret heißt das, dass sich die Nachabfindungsansprüche in den Höfeordnungsländern nach § 13 H ­ öfeO richten, auch wenn es sich um keinen Hof im Sinne der Höfeordnung, son­ dern nur um ein Landgut im Sinne des BGB-Landguterbrechts handelt. Glei­ ches gilt für die jeweils geltenden landesrechtlichen Anerbengesetze in ihrem örtlichen Anwendungsbereich.302 Für Landgüter, die in Bundesländern liegen, die nicht von der Ermächtigung in Art. 64 EGBGB Gebrauch gemacht haben, sei die Regelungslücke durch Bundesrecht, also § 13 ­HöfeO, zu schließen.303 Konstruktiv wird dieser Lösungsansatz damit begründet, dass es sich bei Art. 64 EGBGB um eine in Form eines Vorbehalts gekleidete Verweisungs­ norm auf das jeweilige Landesrecht handele. Dies sei auch im Internationalen 299  So im Ergebnis auch Hausmann, Die Vererbung von Landgütern nach dem BGB, S. 212; a. A. Zechiel, Die „Ertragswertklausel“ in der bayerischen Notariatspra­ xis, S. 122, der davon ausgeht, dass der BGB-Gesetzgeber bewusst in Kauf genom­ men habe („beredtes Schweigen“), dass die Landesgesetzgeber kein eigenes Anerben­ recht erlassen und somit in bestimmten Bereichen keinerlei Nachabfindungsansprüche bestehen. 300  Wöhrmann/Graß, Landwirtschaftserbrecht, § 2312 BGB Rn. 18. 301  Wöhrmann/Graß, Landwirtschaftserbrecht, § 2312 BGB Rn. 18. 302  Das sind § 23 BadHofgüterG, § 13 Bbg­HöfeOG, § 29 BremHöfeG, § 18 Hess­ LandgüterO, § 26 H ­ öfeO-RhPf in ihren jeweiligen Geltungsgebieten und mit ihren jeweiligen Nachabfindungsfristen. 303  Wöhrmann/Graß, Landwirtschaftserbrecht, § 2312 BGB Rn. 23; das ist der Fall in Bayern, Berlin, Mecklenburg-Vorpommern, dem Saarland, Sachsen, SachsenAnhalt und Thüringen.

254

E. Ansprüche der weichenden Miterben

Privatrecht geläufig, wo fremde Normen ohne Rücksicht darauf angewendet werden, ob sie auf den Sachverhalt im Inland zugeschnitten seien. Aus die­ sem Grund sei es unerheblich, dass diese Nachabfindungsansprüche in den Anerbengesetzen eigentlich auf „Höfe“, „Hofgüter“, „Anerbengüter“ oder eben „Landgüter“ zugeschnitten sind.304 Allerdings ist dieser Ansatz unter methodischen Gesichtspunkten als prob­ lematisch einzustufen. Durch die Analogie beziehungsweise Verweisung zu den landesrechtlichen Anerbengesetzen wird die Regelungslücke im Bürger­ lichen Gesetzbuch durch bundes- oder landesgesetzliche Regelungen über „Höfe“, „Hofgüter“ oder „Anerbengüter“ geschlossen. Die Landesgesetzge­ ber sollten durch Art. 64 Abs. 1 EGBGB jedoch gerade nicht ermächtigt werden, durch Landesgesetze Einfluss auf die Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs zu nehmen und diese zu modifizieren.305 Es handele sich ledig­ lich um einen Vorbehalt, eigene landesrechtliche Anerbengesetze zu erlas­ sen.306 Zudem wird von Herzog vorgebracht, dass einer Anwendung der Abfin­ dungsregeln der Anerbengesetze der klare Wortlaut des § 2312 BGB entge­ genstehe.307 Hiermit ist wohl – auch in Ergänzung zum zuvor vorgebrachten Gegenargument – gemeint, dass sich die Regelung des § 2312 BGB auf Landgüter bezieht und gerade nicht auf Höfe, Hofgüter oder Anerbengüter. Schließlich sehen die Anerbengesetze im Detail unterschiedliche Regelungen vor, etwa in Bezug auf die Nachabfindungsfrist oder die einzelnen eine Nachabfindungsfrist auslösenden Tatbestände, sodass der beschriebene Lö­ sungsansatz nicht zu einer bundesweit einheitlichen Lösung führt, sondern nur bewirkt, dass es bundesweit überhaupt einen Nachabfindungsanspruch der weichenden Miterben und Pflichtteilsberechtigten gibt. Somit stehen einer analogen Anwendung der Nachabfindungsansprüche in den Anerbengesetzen im Rahmen des BGB-Landguterbrechts systematische Erwägungen entgegen. Dieser Ansatz ist daher abzulehnen. b) Lückenschließung über § 242 BGB Teile der Literatur wollen die Regelungslücke bezüglich der Nachabfin­ dungsansprüche über einen Ausgleichsanspruch nach § 242 BGB schlie­ Landwirtschaftserbrecht, § 2312 BGB Rn. 9. Protokolle VI, S. 449 in Bezug auf die Diskussion, ob der Landesgesetzgeber ermächtigt werden soll, den Begriff des „Landgutes“ zu definieren; so auch Hausmann/Hohloch/‌Hausmann/, Handbuch des Erbrechts, Kap. 24 Rn. 79. 306  Hausmann/Hohloch/‌Hausmann/nn, Handbuch des Erbrechts, Kap. 24 Rn. 79. 307  Staudinger/Herzog, § 2312 Rn. 42. 304  Wöhrmann/Graß,

305  Achilles/Gebhard/Spahn,



II. Nach dem BGB-Landgutrecht255

ßen.308 Dieser soll sich an den Nachabfindungsansprüchen in der Höfeord­ nung, den landesrechtlichen Anerbengesetzen und dem Grundstücksverkehrs­ gesetz orientieren.309 Die Ansprüche der Miterben sollen entstehen, wenn der Landgutübernehmer das Landgut oder wesentliche Teile davon innerhalb der dreijährigen Verjährungsfrist des Pflichtteilsanspruchs nach § 2332 BGB veräußert.310 Damit würde die Frist, innerhalb welcher im BGB-Landgut­ erbrecht eine Beteiligung am Verkehrswert geltend gemacht werden könnte, erheblich unter der Frist der Anerbengesetze liegen. Ein Abstellen auf § 242 BGB wird allerdings von einem Teil der Literatur ausdrücklich abgelehnt.311 Der Grund hierfür ist zum einen, dass ein Rück­ griff auf § 242 BGB als Generalklausel für die Bestimmung etwaiger An­ sprüche der weichenden Miterben „konturenarm“312 ist. Durch eine Bezug­ nahme auf Treu und Glauben bieten sich kaum gesetzliche Anhaltspunkte dafür, unter welchen Voraussetzungen, mit welcher Frist und in welcher Höhe Abfindungsergänzungen durch den Landgutübernehmer zu zahlen sind. Somit würde ein Abstellen auf § 242 BGB in der Regel eine Klärung in ei­ nem Zivilprozess erforderlich machen.313 Zum anderen ist es nicht grund­ sätzlich als treuwidrig anzusehen, wenn ein Landgutübernehmer bei der Veräußerung von Teilen des Landguts die weichenden Erben mangels An­ spruchsgrundlage nicht an den Erlösen beteiligen will.314 Insbesondere auch aufgrund der grundrechtlichen Relevanz des Nachab­ findungsanspruchs in Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG erscheint eine ausdiffe­ renzierte, die Interessen von Landgutübernehmer und weichenden Miterben berücksichtigende Vorschrift angebracht. c) Letztwillige Verfügung als Ansatzpunkt Eine notwendige Voraussetzung für die Anwendbarkeit des BGB-Land­ guterbrechts ist eine letztwillige Verfügung des Erblassers, in welcher er das Landgut einer bestimmten Person (zum Ertragswert) zuweist.315 Daher kann 308  BGB-RGRK/Johannsen,

§ 2312 Rn. 1; Soergel/Dieckmann, § 2312 Rn. 13. § 2312 Rn. 1; Soergel/Dieckmann, § 2312 Rn. 13. 310  BGB-RGRK/Johannsen, § 2312 Rn. 1. 311  Etwa MüKoBGB/Lange, § 2312 Rn. 20; Staudinger/Herzog, § 2312 Rn. 42; Wöhrmann/Graß, Landwirtschaftserbrecht, § 2312 BGB Rn. 4. 312  MüKoBGB/Lange, § 2312 Rn. 20. 313  Rauscher, Reformfragen des gesetzlichen Erb- und Pflichtteilsrechts II/2, S. 192. 314  Wöhrmann/Graß, Landwirtschaftserbrecht, § 2312 BGB Rn. 4. 315  Ausführlich zu den Voraussetzungen der Zuweisung des Betriebs zum Ertrags­ wert auf S. 170 ff. 309  BGB-RGRK/Johannsen,

256

E. Ansprüche der weichenden Miterben

als Ansatzpunkt für die Konstruktion von Nachabfindungsansprüchen ange­ näherten Ansprüchen der weichenden Miterben auch die letztwillige Verfü­ gung des Erblassers dienen. aa) Ergänzende Testamentsauslegung Eine Möglichkeit ist in diesem Zusammenhang die (ergänzende) Ausle­ gung des Testaments. Eine solche kann ergeben, dass die Anordnung des Übernahmerechts in Bezug auf das Landgut unter der auflösenden Bedin­ gung im Sinne von § 158 Abs. 2 BGB steht, dass der Betrieb dauerhaft (vom Übernehmer) weiterbewirtschaftet wird. In diesem Fall tritt mit der Aufgabe der Bewirtschaftung die Bedingung und damit die gesetzliche Erbfolge ein.316 Außerdem kann eine Testamentsauslegung auch ergeben, dass zwar nicht die Übernahme des Landgutes als solche, aber der Ansatz des Landgutes zum Ertragswert statt zum Verkehrswert unter der auflösenden Bedingung i. S. v. § 158 Abs. 2 BGB der Weiterbewirtschaftung steht. In diesem Fall sind die weichenden Erben im Nachhinein am Verkehrswert des Landgutes zu beteiligen.317 Bei diesem Lösungsansatz handelt es sich um einen Vorschlag, welcher auch den Erblasserwillen in besonderer Weise berücksichtigt. Im Rahmen der ergänzenden Testamentsauslegung ist es jedoch erforderlich, dass der hypo­ thetische Wille des Erblassers zumindest Anklang im Testament gefunden hat.318 Auch wenn an diese Voraussetzung nur geringe Anforderungen ge­ stellt werden, ist zu bedenken, dass eine letztwillige Verfügung nicht in je­ dem Fall Anhaltspunkte dafür bietet, dass die Übernahme des Landgutes unter einer derartigen auflösenden Bedingung stand. Im Ergebnis kann der Vorschlag daher in der Praxis in einigen Fällen, in denen ein entsprechender Erblasserwille in der letztwilligen Verfügung erkennbar ist, zu sachgerechten Ergebnissen führen. Allerdings vermag dieser Lösungsansatz das Problem der fehlenden Nachabfindungsansprüche nicht in Gänze, sondern lediglich in Einzelfällen, zu lösen.

316  Hausmann/Hohloch/Hausmann/Hausmann, Handbuch des Erbrechts, Kap. 24 Rn. 106; zusätzlich ist hier zu beachten, dass der dingliche Vollzug der Erbauseinan­ dersetzung nach § 925 Abs. 2 BGB bedingungsfeindlich ist und somit nicht durch die Weiterbewirtschaftung auflösend bedingt werden kann. 317  MüKoBGB/Lange, § 2312 Rn. 20. 318  BGH FamRZ 1991, 982 (984).



II. Nach dem BGB-Landgutrecht257

bb) Testamentsanfechtung (§ 2078 Abs. 2  BGB) Ergibt nicht bereits die (ergänzende) Auslegung des Testaments eine nach­ trägliche Beteiligung der Miterben am Landgut, besteht ferner die Möglich­ keit der Anfechtung der letztwilligen Verfügung aufgrund eines Motivirrtums des Erblassers gemäß § 2078 Abs. 2 BGB.319 Das Motiv, über welches ein Irrtum vorliegen muss, liegt in diesen Fällen darin, dass der Betrieb nicht dauerhaft durch den Landgutübernehmer fortgeführt wird. Begründet wird dies damit, dass die Anordnung des Übernahmerechts zum Ertragswert in der Regel mit dem Hintergedanken erfolge, dass die bestimmte Person das Land­ gut gerade auch nach dem Erbfall fortführen sollte und keine Verkehrswerte realisiert, die die Reinerträge des Landguts wesentlich überschreiten.320 Der Vorteil dieses Ansatzes liegt darin, dass im Gegensatz zur ergänzenden Testamentsauslegung bei der Anfechtung wegen eines Motivirrtums das Mo­ tiv nicht zwangsläufig Anklang in der letztwilligen Verfügung gefunden ha­ ben muss, sondern auch in anderer Weise zum Ausdruck gekommen sein kann.321 Die Rechtsprechung neigt im Rahmen der Testamentsanfechtung nach § 2078 Abs. 2 BGB insbesondere bei solchen Vorstellungen, die einer Art „Wohlverhaltenserwartung“ entsprechen, dazu, auch selbstverständliche und daher eher unkonkrete Vorstellungen als ausreichend anzusehen.322 In vielen Fällen könnte daher davon ausgegangen werden, dass der Erblasser durch die Einsetzung einer seiner Angehörigen als Übernehmer des Land­ gutes unter Benachteiligung der übrigen Erben die Vorstellung zum Ausdruck bringt, dass hiermit eine Fortführung des Betriebs verknüpft ist. Allerdings obliegt dem Anfechtenden der volle Beweis für das Vorliegen eines relevan­ ten Motivirrtums anhand der konkreten Umstände, sodass weder auf einen allgemeinen Erfahrungssatz noch auf einen Anscheinsbeweis zurückgegriffen werden kann.323 Aus diesem Grund scheint der Lösungsansatz in Einzelfällen, in denen die Vorstellung des Erblassers, der Landgutübernehmer möge den Betrieb nach dem Erbfall auch langfristig fortführen, im Testament explizit zum Ausdruck gekommen ist, durchaus tauglich, zu einer hinreichenden Beteiligung der weichenden Miterben zu gelangen. In allen anderen Fällen, in denen sich diese Vorstellung eher aus den Umständen ergibt, besteht hingegen stets 319  Staudinger/Herzog,

§ 2312 BGB Rn. 41.

320  Hausmann/Hohloch/Hausmann/Hausmann,

Handbuch des Erbrechts, Kap. 24 Rn. 107. 321  MüKoBGB/Leipold, § 2078 Rn. 38. 322  MüKoBGB/Leipold, § 2078 Rn. 32  f. mit weiteren Beispielen für derartige Wohlverhaltenserwartungen. 323  BGH NJW 1963, 246 (248).

258

E. Ansprüche der weichenden Miterben

Rechtsunsicherheit und ein Prozessrisiko, wenn die Miterben klagen, um nachträglich am Verkehrswert des Landgutes beteiligt zu werden. Folglich handelt es sich bei der Testamentsanfechtung nach § 2078 Abs. 2 BGB auch nicht um einen in jedem Fall möglichen und damit befriedigenden Ansatz, um dem Problem der nicht geregelten Nachabfindungsansprüche zu begeg­ nen. d) Auseinandersetzungsvertrag als Ansatzpunkt Da das Landgut im BGB-Landguterbrecht zunächst im Wege der Univer­ salsukzession an die Erbengemeinschaft übergeht und der vom Erblasser bestimmte Übernehmer dann einen schuldrechtlichen Anspruch auf Zuwei­ sung des Landgutes im Rahmen der Erbauseinandersetzung nach §§ 2048, 2049 Abs. 1 BGB hat, geht das Landgut erst mit Erbauseinandersetzung nach § 2042 BGB – und damit mit dem Schluss eines Auseinandersetzungsver­ trags – auf den Landgutübernehmer über. Hierzu ist ein Auseinanderset­ zungsvertrag zwischen den Miterben erforderlich, der die schuldrechtliche Grundlage für die dingliche Auseinandersetzung des Nachlasses bildet.324 Dieser Auseinandersetzungsvertrag zwischen den Erben kann ebenfalls als Ansatzpunkt für die nachträgliche Beteiligung der weichenden Miterben am Landgut dienen.325 aa) Auflösende (stillschweigende) Bedingung der Fortführung i. S. v. § 158 Abs. 2 BGB bei Schluss des Auseinandersetzungsvertrags Eine Lösungsmöglichkeit ist eine (ergänzende) Auslegung des Auseinan­ dersetzungsvertrags der Erben in dem Sinne, dass bei Schluss des Ausein­ andersetzungsvertrags326 stillschweigend eine auflösende Bedingung i. S. v. § 158 Abs. 2 BGB dahingehend geschlossen wurde, dass der Landgutüber­ nehmer den übernommenen Betrieb auch künftig weiterhin bewirtschaftet.327 Im Falle des Bedingungseintritts soll dann der frühere Rechtszustand wieder eintreten.328 Die Vererbung von Landgütern nach dem BGB, S. 207. die Pflichtteilsberechtigten nicht am Auseinandersetzungsvertrag beteiligt sind, kommen die nachfolgend diskutierten Ansätze für diese nicht als Anknüpfungs­ punkte für eine nachträgliche Beteiligung in Betracht. 326  Die Übereignung des Landgutes als dingliches Geschäft ist hingegen gemäß § 925 Abs. 2 BGB bedingungsfeindlich und kann daher nicht Ansatzpunkt für die auflösende Bedingung der Betriebsfortführung sein. 327  Kronthaler, Landgut, Ertragswert und Bewertung im Bürgerlichen Recht, S. 143. 328  Kronthaler, Landgut, Ertragswert und Bewertung im Bürgerlichen Recht, S. 143. 324  Hausmann, 325  Da



II. Nach dem BGB-Landgutrecht259

Die weichenden Miterben haben zwei Möglichkeiten: Zum einen können sie nach Wegfall des Auseinandersetzungsvertrags nach § 158 Abs. 2 BGB das dingliche Vollzugsgeschäft belassen und nachträglich eine Abfindung zum Verkehrswert statt zum Ertragswert verlangen. Zum anderen kann auch eine dingliche Beteiligung am Landgut beziehungsweise den im Wege der Veräußerung erlangten Surrogaten nach § 812 Abs. 1 S. 2 Var. 1 BGB (con­ dictio ob causam finitam) verlangt werden.329 Bei der letzten Möglichkeit ist jedoch zu beachten, dass aufgrund der Bedingungsfeindlichkeit der Auflas­ sung nach § 925 Abs. 2 BGB und des numerus clausus der Entstehungstatbe­ stände von Gesamthandsgemeinschaften die Erbengemeinschaft nicht wieder auflebt, sondern vielmehr eine Bruchteilsgemeinschaft entsteht.330 Nur selten werden sich die Erben im Rahmen des Auseinandersetzungs­ vertrags explizit über die Fortführung des Betriebs als Bedingung der Über­ nahme zum Ertragswert einigen. Daher kommt in der Regel eine ergänzende Auslegung des Auseinandersetzungsvertrags in Betracht. Eine solche Ausle­ gung kommt jedoch nur dann zur Anwendung, wenn es um eine Zielvorstel­ lung der Parteien geht, die bei dem Rechtsgeschäft konkret zum Ausdruck kommt.331 Gerade bei der Auseinandersetzung denken die weichenden Miter­ ben meist jedoch gar nicht daran, dass es zu einer Veräußerung, Verpachtung oder anderweitigen zweckwidrigen Nutzung des Landgutes kommen könnte, sodass diese Thematik auch im Auseinandersetzungsvertrag häufig nicht ein­ mal ansatzweise Niederschlag findet.332 In der Regel soll durch den Aus­ einandersetzungsvertrag nämlich nur der Wille des Erblassers umgesetzt werden, sodass sich die Miterben in diesem Rahmen regelmäßig keine Ge­ danken zur künftigen Nutzung einzelner Erbschaftsgegenstände machen.333 Hinzukommt, dass selbst für den Fall, dass eine ergänzende Auslegung des Vertrags für möglich gehalten wird, zwei alternative Auslegungsmöglichkei­ ten (auflösende Bedingung des Auseinandersetzungsvertrags oder auflösende Bedingung des Ansatzes zum Ertragswert) in Betracht kommen. Eine ergän­ zende Vertragsauslegung ist zur Wahrung der Privatautonomie der Parteien nur möglich, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, für welche Mög­

329  Hausmann/Hohloch/Hausmann/Hausmann, Handbuch des Erbrechts, Kap. 24 Rn. 80. 330  Kronthaler, Landgut, Ertragswert und Bewertung im Bürgerlichen Recht, S. 145. 331  Hausmann/Hohloch/Hausmann/Hausmann, Handbuch des Erbrechts, Kap. 24 Rn. 81. 332  Hausmann/Hohloch/Hausmann/Hausmann, Handbuch des Erbrechts, Kap. 24 Rn. 81; die ergänzende Vertragsauslegung darf nicht zu einer Erweiterung des Ver­ tragsgegenstandes führen, vgl. MüKoBGB/Busche, § 157 Rn. 56. 333  Graß, AUR 2012, 365 (366).

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E. Ansprüche der weichenden Miterben

lichkeit sich die Parteien entschieden hätten.334 Eine ergänzende Vertragsaus­ legung dient zudem dazu, Vertragslücken mit aus konkreten aus dem Rechts­ geschäft erwachsenden Parteivorstellungen und nicht mit Wertungen der all­ gemeinen Ordnung zu ergänzen.335 Aus diesem Grund beschränkt sich der Lösungsansatz der ergänzenden Vertragsauslegung im Ergebnis lediglich auf wenige Fälle, in denen ohne künstliche Unterstellung angenommen werden kann, dass im Rahmen des Auseinandersetzungsvertrags stillschweigend die Fortführung des Betriebs zur auflösenden Bedingung für den Vollzug der Erbauseinandersetzung oder des Ansatzes zum Ertragswert gemacht wurde. Es handelt sich daher bei diesem Vorschlag ebenfalls um keine umfassende Möglichkeit, dem Problem der nicht geregelten Nachabfindungsansprüche im BGB-Landguterbrecht zu begegnen. bb) Anpassung des Auseinandersetzungsvertrags nach den Grundsätzen über die Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) Eine weitere Lösungsmöglichkeit ist eine Anpassung des Auseinanderset­ zungsvertrags zwischen den Miterben nach Maßgabe des § 313 BGB für den Fall, dass der Landgutübernehmer das Landgut nicht weiterhin betreibt.336 Über dieses Rechtsinstitut kann zwar nicht die letztwillige Verfügung, in welcher der Erblasser den Landgutübernehmer bestimmt hat, angepasst werden,337 jedoch sehr wohl der Auseinandersetzungsvertrag als schuldrecht­ licher Vertrag mit erbrechtlichem Bezug.338 Bei Wegfall der Geschäftsgrundlage ist als Rechtsfolge gemäß § 313 Abs. 1 BGB zunächst eine Anpassung des Vertrags an die veränderten Ver­ hältnisse vorgesehen. Allerdings gilt dies nicht in den Fällen, in denen der Erblasser sein Eigentum am Landgut „durch eigene Leistung legitimiert hat“.339 Zur Bestimmung der Frist für eine solche Legitimation wird eine 334  Kronthaler, Landgut, Ertragswert und Bewertung im Bürgerlichen Recht, S. 147. 335  Hausmann, Die Vererbung von Landgütern nach dem BGB, S. 224. 336  Hausmann, Die Vererbung von Landgütern nach dem BGB, S. 235; Haus­ mann/Hohloch/Hausmann/Hausmann, Handbuch des Erbrechts, Kap. 24 Rn. 82; Kronthaler, Landgut, Ertragswert und Bewertung im Bürgerlichen Recht, S. 148. 337  BGH NJW 1983, 850 in Bezug auf Vermächtnisse; im Fall von Vermächtnis­ anordnungen kommt nur eine Testamentsanfechtung nach § 2078 BGB in Betracht; Hausmann/Hohloch/Hausmann/Hausmann, Handbuch des Erbrechts, Kap. 24 Rn. 82. 338  Hausmann, Die Vererbung von Landgütern nach dem BGB, S. 226; Kronthaler, Landgut, Ertragswert und Bewertung im Bürgerlichen Recht, S. 148. 339  Kronthaler, Landgut, Ertragswert und Bewertung im Bürgerlichen Recht, S. 150.



II. Nach dem BGB-Landgutrecht261

Orientierung an den Nachabfindungsfristen der Anerbenrechte vorgeschla­ gen.340 Zunächst ist zu bestimmen, was Grundlage des Auseinandersetzungsver­ trags geworden ist. Es kommen in erster Linie der Ansatz des Landgutes mit dem Ertragswert oder die Tatsache, dass der Übernehmer das Landgut auch künftig dem Schutzzweck des § 2049 Abs. 1 BGB entsprechend als Landgut fortführen wird, als Geschäftsgrundlage in Betracht.341 Beim ersten Ansatz liegt die Geschäftsgrundlage des Auseinandersetzungs­ vertrags darin, dass die Parteien davon ausgehen, dass der künftige Rein­ ertrag als Bemessungsgrundlage des Ertragswerts nach § 2049 Abs. 2 BGB342 auf einer künftigen weiteren Bewirtschaftung als Landgut beruht und der Übernehmer keine Verkehrswerte aus dem Landgut realisieren wird.343 Wenn der Landgutübernehmer in der Folge den Ertragswert übersteigende Gewinne realisiert, entfällt diese Geschäftsgrundlage. Die Folge hiervon ist gemäß § 313 Abs. 1 BGB zunächst eine Anpassung des Vertrags an die geänderten Verhältnisse, was in der Regel wohl durch eine Beteiligung der weichenden Erben auf Grundlage der Verkehrswerte erreicht werden kann. Der zweite Ansatz setzt bei der Annahme an, dass die Miterben bei Schluss des Auseinandersetzungsvertrags und der damit einhergehenden Übernahme des Betriebs zum Ertragswert durch den Landgutübernehmer davon ausge­ hen, dass der Hof vom Übernehmer auch künftig dem Schutzzweck des § 2049 Abs. 1 BGB entsprechend als Landgut weiterbetrieben wird.344 Nur solange und soweit dies der Fall ist, ist auch die Benachteiligung der übrigen Erben gerechtfertigt. Aus diesem Grund handelt es sich bei der Vorstellung der Fortführung als Landgut um eine Geschäftsgrundlage des Auseinand­ ersetzungsvertrags.345 In dem Moment, in dem der Landgutübernehmer in­ 340  MüKoBGB/Lange, 341  Kronthaler,

§ 2312 Rn. 21. Landgut, Ertragswert und Bewertung im Bürgerlichen Recht,

S. 148. 342  Zur Berechnung des Ertragswerts auf Grundlage des Reinertrags ausführlich auf S. 171 ff. 343  Kronthaler, Landgut, Ertragswert und Bewertung im Bürgerlichen Recht, S. 149. 344  Hausmann, Die Vererbung von Landgütern nach dem BGB, S. 231; Kronthaler, Landgut, Ertragswert und Bewertung im Bürgerlichen Recht, S. 152. 345  Da sich die Miterben in der Regel wohl „wie selbstverständlich von dieser Vorstellung [der Weiterführung] leiten lassen“, scheidet ein Bereicherungsanspruch wegen Zweckverfehlung gemäß § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 BGB (condictio ob rem) aus, da hierfür die Fortführung des Betriebs zur konkreten Zweckvereinbarung des Aus­ einandersetzungsvertrags zwischen den Erben gemacht werden müsste, vgl. Haus­ mann/Hohloch/Hausmann/Hausmann, Handbuch des Erbrechts, Kap. 24 Rn. 83 und Fn. 222.

262

E. Ansprüche der weichenden Miterben

nerhalb kurzer Zeit nach Übernahme des Betriebs durch eine landwirtschafts­ fremde Nutzung erhebliche Gewinne erzielt, fällt diese Geschäftsgrundlage weg.346 In der Regel ist den weichenden Erben ein Festhalten am Vertrag unter den geänderten Bedingungen in diesen Fällen nicht zumutbar im Sinne von § 313 Abs. 1 BGB. Geht man davon aus, dass die Fortführung des Betriebs als Landgut – und nicht allein der Ansatz des Betriebs zum Ertragswert – zur Geschäftsgrund­ lage erhoben wurde, wird eine Auslegung der Übernahmeanordnung des Erblassers regelmäßig ergeben, dass allein die Anpassung der Berechnungs­ grundlage nicht ausreichend ist. Vielmehr ist bei einer auf der Landguteigen­ schaft und dem Schutzzweck des § 2049 Abs. 1 BGB fußende Anpassung der Geschäftsgrundlage bereits bei der Übernahme des Landgutes und damit bei einer Bezugnahme auf die Erblasseranordnung anzusetzen:347 Ergibt die letztwillige Verfügung des Erblassers, dass der Übernehmer ein Übernahme­ recht unabhängig von der Landguteigenschaft des Betriebs und damit auch unabhängig vom Schutzzweck des § 2049 Abs. 1 BGB erhalten sollte, liegt in der Übernahmeanordnung noch immer eine Teilungsanordnung i. S. v. § 2048 BGB. In diesem Fall hat der Übernehmer dann die Differenz, die sich aus der Privilegierung des nicht mehr einschlägigen § 2049 Abs. 1 BGB und dem Verkehrswert ergibt, auszugleichen.348 In der Realität dürfte eine Auslegung jedoch mit höherer Wahrscheinlich­ keit ergeben, dass der Ansatz zum Ertragswert gerade nur zur Fortführung als Landgut erfolgen sollte. Entfällt daher die Landguteigenschaft innerhalb kurzer Zeit nach der Erbfolge, ist davon auszugehen, dass ein Übernahme­ recht in diesem Fall gar nicht erst eingeräumt worden wäre. In diesem Fall ist eine Vertragsanpassung nicht mehr möglich, sodass gemäß § 313 Abs. 3 BGB nur noch ein Rücktritt vom Vertrag in Betracht kommt.349 Die wei­ chenden Miterben sind dann nachträglich gegen Rückgewähr ihrer Abfindun­ gen am Landgut beziehungsweise dessen Surrogaten zu beteiligen. Da die Erbengemeinschaft aufgrund des numerus clausus der Bruchteilsgemein­ schaften nach dem dinglichen Vollzug der Erbauseinandersetzung nicht nach­ träglich wiederaufleben kann, sind die Miterben im Rahmen einer Bruch­ teilsgemeinschaft ihrer Erbquote entsprechend Zug um Zug gegen Rück­ 346  Hausmann/Hohloch/Hausmann/Hausmann, Handbuch des Erbrechts, Kap. 24 Rn. 83. 347  Kronthaler, Landgut, Ertragswert und Bewertung im Bürgerlichen Recht, S. 152. 348  So auch Hausmann, Die Vererbung von Landgütern nach dem BGB, S. 236; Hausmann/Hohloch/‌Hausmann, Handbuch des Erbrechts, Kap. 24 Rn. 84. 349  Kronthaler, Landgut, Ertragswert und Bewertung im Bürgerlichen Recht, S. 153.



II. Nach dem BGB-Landgutrecht263

erstattung der gezahlten Abfindung dinglich am Betrieb beziehungsweise dessen Surrogat zu beteiligen.350 Kronthaler sieht den Vorteil der Lösung des Problems der fehlenden Nach­ abfindungsansprüche im BGB-Landguterbrecht über den Wegfall der Ge­ schäftsgrundlage vor allem in seiner Flexibilität: Zum einen sei je nach Ein­ zelfall sowohl eine Beteiligung am Verkehrswert über die Vertragsanpassung als auch eine Nachbeteiligung am landwirtschaftlichen Betrieb selbst über Rücktritt und Rückabwicklung des Auseinandersetzungsvertrags möglich.351 Zum anderen könnten über das Kriterium der schwerwiegenden Veränderung der Umstände in § 313 Abs. 1 BGB zudem Umstände des Einzelfalls wie etwa zur Erhaltung des Betriebs notwendige Verkehrswertrealisierungen be­ rücksichtigt werden. cc) Anfechtung des Auseinandersetzungsvertrags wegen Willensmängeln Schließlich kommt auch eine Anfechtung des Auseinandersetzungsvertrags durch die Miterben aufgrund von Willensmängeln nach §§ 119 ff. BGB in Betracht.352 Der Unterschied zum Wegfall der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB liegt darin, dass bei letzterem Landgutübernehmer und weichende Miterben gemeinschaftlich über einen später eintretenden Umstand geirrt haben, während bei der Anfechtung ein einseitiger Irrtum eines weichenden Miterben genügt. In Betracht kommen vornehmlich ein Irrtum über eine verkehrswesentliche Eigenschaft im Sinne von § 119 Abs. 2 BGB, nämlich die Eigenschaft des Betriebs als „Landgut“ beziehungsweise der Rechnungs­ größe des Reinertrags353, sowie ein Willensmangel aufgrund von arglistiger Täuschung im Sine von § 123 Abs. 1 BGB.354 Letzteres könnte insbesondere der Fall sein, wenn der Übernehmer etwa vorgegeben hat, den Betrieb lang­ 350  Hausmann/Hohloch/Hausmann/Hausmann, Handbuch des Erbrechts, Kap. 24 Rn. 84; im Ergebnis dürften dabei Anpassungen des Auseinandersetzungsvertrags nach § 313 Abs. 1 BGB eher Nachabfindungen entsprechen, während der Rücktritt vom Auseinandersetzungsvertrag mit der anschließenden Rückgewähr der erbrachten Leistungen nach § 313 Abs. 3 BGB eher einer Nachbeteiligung gleichkommt, vgl. Kronthaler, Landgut, Ertragswert und Bewertung im Bürgerlichen Recht, S. 154. 351  Kronthaler, Landgut, Ertragswert und Bewertung im Bürgerlichen Recht, S. 149 f. und 154. 352  Hausmann/Hohloch/Hausmann/Hausmann, Handbuch des Erbrechts, Kap. 24 Rn. 86; Kronthaler, Landgut, Ertragswert und Bewertung im Bürgerlichen Recht, S. 155. 353  Ausführlich dazu Kronthaler, Landgut, Ertragswert und Bewertung im Bür­ gerlichen Recht, S. 155 ff. 354  Hausmann/Hohloch/Hausmann/Hausmann, Handbuch des Erbrechts, Kap. 24 Rn. 86.

264

E. Ansprüche der weichenden Miterben

fristig fortführen zu wollen oder zu können, obwohl bereits bei der Erbaus­ einandersetzung absehbar war, dass dies nicht der Fall sein wird. Liegen die Voraussetzungen für eine Anfechtung vor und fechten die ­ iterben den Auseinandersetzungsvertrag erfolgreich an, so entfällt gemäß M § 142 Abs. 1 BGB auch nur der schuldrechtliche Auseinandersetzungsver­ trag, nicht jedoch das dingliche Rechtsgeschäft des Vollzugs der Auseinan­ dersetzung. Allerdings besteht ohne Auseinandersetzungsvertrag kein Rechts­ grund mehr für die Übereignung, sodass die Erben einen bereicherungsrecht­ lichen Anspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1 Var. 1 BGB (condictio indebiti) bezie­ hungsweise § 812 Abs. 1 S. 2 Var. 1 BGB (condictio ob causam finitam) auf Herausgabe des ohne Rechtsgrund Erlangten, also auf die dingliche Beteili­ gung am Landgut, haben. Auch hier entsteht wiederum eine Bruchteilsge­ meinschaft, sodass dieser Lösungsansatz im Ergebnis auch zunächst eher auf eine Nachbeteiligung statt auf eine Nachabfindung hinausläuft. Im Falle des § 119 Abs. 2 BGB hat die Anfechtung gemäß § 121 Abs. 1 BGB unverzüglich zu erfolgen, nachdem der Anfechtungsberechtigte von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt hat. Im Falle des § 123 Abs. 1 BGB beträgt die Frist hingegen ein Jahr ab Kenntnis von der Täuschung, sodass hier ein wesentlicher Vorteil gegenüber der Irrtumsanfechtung liegt. e) Bewertung der Lösungsmöglichkeiten Insgesamt zeigt sich, dass die in der Literatur vorgeschlagenen Lösungen nicht ausreichend sind, um trotz der nicht normierten Nachabfindungsansprü­ che im BGB-Landguterbrecht in jedem Fall zu vorhersagbaren und sachge­ rechten Ergebnissen zu gelangen. In Einzelfällen kann durch Bezugnahme auf die letztwillige Verfügung und Auslegung des Erblasserwillens darauf geschlossen werden, dass die übrigen Miterben bei Aufgabe der landwirt­ schaftlichen Nutzung wieder an dem Landgut beziehungsweise dessen Wer­ ten partizipieren sollen. In weiteren Fällen scheint auch der Ansatz der Aus­ legung des Auseinandersetzungsvertrags oder die zur Geschäftsgrundlage im Sinne von § 313 BGB erhobene Fortführung des landwirtschaftlichen Be­ triebs tauglicher Ansatzpunkt für Ausgleichansprüche der weichenden Mit­ erben zu sein. Jedoch bedarf es auch in Konstellationen, in denen so ein konkreter Ansatzpunkt nicht gegeben ist, einer sachgerechten und ausdiffe­ renzierten Lösung. Aus diesem Grund ist auch ein Rückgriff auf Normen wie § 242 BGB abzulehnen, da auf Grundlage dieser Generalklausel keine vor­ hersagbaren Ergebnisse möglich sind. Gerade in einem derartig grundrecht­ lich relevanten Bereich sollte der Gesetzgeber sich nicht auf allgemeine Rechtsinstitute stützen, um eine Gleichbehandlung aller Miterben in Fällen landwirtschaftsfremder Nutzung zu gewährleisten. Vielmehr ist es unbedingt



II. Nach dem BGB-Landgutrecht265

erforderlich, eine ähnlich ausdifferenzierte Regelung wie in der Höfeordnung zu schaffen, um zu gewährleisten, dass im Fall der Veräußerung des Betriebs oder anderer landwirtschaftsfremder Nutzung von vornherein feststeht, in welchen Fällen die übrigen Miterben einen Anspruch haben und wie dieser zu berechnen ist. In der Praxis wird ein Großteil der Betriebe durch Übergabevertrag unter Lebenden übergeben. Im Rahmen dieses Übergabevertrags kann der Be­ triebsnachfolger für den Fall der vertragswidrigen und damit landwirtschafts­ fremden Nutzung des Betriebs innerhalb einer bestimmten Frist verpflichtet werden, die übrigen späteren Erben angemessen am Betrieb zu beteiligen. Dabei wird in der Regel auf eine an § 13 ­HöfeO orientierte Vertragsklausel zurückgegriffen, da hier durch die zahlreiche obergerichtliche Rechtspre­ chung und Literatur eine „abschätzbare Rechtslage“355 besteht. Es ist jedoch gerade nicht ausreichend, dass eine solche Regelung durch den Betriebsinha­ ber selbst im Rahmen von Übergabeverträgen getroffen werden muss, da auf diese Weise ein Nachabfindungsanspruch nicht grundsätzlich und in jedem Fall besteht. Wie bereits erläutert, dient das Landwirtschaftserbrecht nicht nur dem privaten Interesse der geschlossenen Erhaltung des Betriebs, son­ dern dient in erster Linie öffentlichen Interessen. Daher besteht als Folge auch ein öffentliches Interesse daran, für den Fall der zweckwidrigen Nut­ zung des Betriebs für einen Ausgleich der Privilegierung vorzusorgen. Aus diesem Grund ist es Aufgabe des Gesetzgebers und nicht des Erblassers, dafür Sorge zu tragen, dass den weichenden Erben die Realisierung ihrer vollen Ansprüche auch im Rahmen des BGB-Landguterbrechts und auch bei Veräußerung des Betriebs oder sonstiger landwirtschaftsfremder Nutzung zusteht. Auch durch die Konstruktion von Ausgleichsansprüchen über den Ausein­ andersetzungsvertrag wird die Verantwortung für eine angemessene Beteili­ gung aller Erben am Nachlass im Fall landwirtschaftsfremder Nutzung vom Gesetzgeber auf die Miterben und den zwischen ihnen geschossenen Aus­ einandersetzungsvertrag verlagert. Angesichts der Vielgestaltigkeit der land­ wirtschaftsfremden Nutzungsmodalitäten in der heutigen Agrarstruktur scheint dies eine äußerst komplexe Aufgabe für die Betroffenen zu sein. Die Verantwortung für die Gleichbehandlung aller Erben bei späterer landwirt­ schaftsfremder Nutzung sollte daher im Ergebnis beim Gesetzgeber und nicht bei den – häufig juristisch nicht bewanderten – Erblassern oder ihren Erben liegen.

355  MAH

AgrarR/v. Garmissen, § 11 Rn. 154.

266

E. Ansprüche der weichenden Miterben

3. Vorschläge für die gesetzliche Regelung von Nachabfindungsansprüchen Die Lösungsmöglichkeiten, die das Bürgerliche Gesetzbuch bietet, um der Problematik der nicht geregelten Nachabfindungsansprüche zu begegnen, sind im Ergebnis somit nicht ausreichend. Es handelt sich hierbei um die größte Schwäche der ohnehin bereits dürftigen Regelungen des BGB-Land­ guterbrechts. Aus diesem Grund wurden vonseiten der Literatur Reformvor­ schläge für eine gesetzliche Verankerung von Nachabfindungsansprüchen im Bürgerlichen Gesetzbuch unterbreitet: a) Einführung einer an § 13 ­HöfeO orientierten Regelung im BGB-Landguterbrecht Ein Lösungsvorschlag sieht die Einführung einer an § 13 ­HöfeO356 orien­ tierten Nachabfindungsregelung im BGB vor.357 So soll nach Vorschlag von Stöcker ein § 2312a BGB eingeführt werden, nach dem die Rechte aus § 13 ­HöfeO in allen Abfindungsfällen als Min­ destanspruch geltend gemacht werden können:358 „§ 2312a (1) Wer den Pflichtteil von einem Erben verlangen kann, der aus dem Nachlaß einen landwirtschaftlichen Betrieb nach den hierfür geltenden besonderen Vorschriften erworben hat, kann unbeschadet weitergehender Ansprüche in Ansehung des Betriebs dasjenige verlangen, was ihm auf Grund seines Pflicht­ teilsrechts nach den Vorschriften der Höfeordnung als Abfindung oder Nach­ abfindung zustände. (2) Absatz 1 gilt auch, wenn der landwirtschaftliche Betrieb im Wege vorwegge­ nommener Erbfolge durch Übergabevertrag erworben wurde.“

Auch der Vorschlag Faßbenders geht in diese Richtung, enthält aber Modi­ fikationen etwa in Bezug auf die Degression des Nachabfindungsanspruchs, der Anhebung der Bagatellgrenze von 10 % bei Grundstücksveräußerungen

356  Ein Verweis auf die andere bundesrechtliche Nachabfindungsvorschrift des § 17 Abs. 1 GrdstVG bietet sich nicht an, da diese zum einen nicht so genaue Rege­ lungen bzgl. der einzelnen Nachabfindungstatbestände und der Berechnungsmethode enthält wie § 13 ­HöfeO und zum anderen in § 17 Abs. 1 GrdstVG auf die Wertver­ hältnisse zur Zeit des Erbfalls abgestellt wird, sodass die weichenden Miterben nicht an Wertsteigerungen beteiligt würden. 357  So im Kern Stöcker, FamRZ 1993, 1261 (1263) und Faßbender, AgrarR 1998, 188 (192). 358  Stöcker, FamRZ 1993, 1261 (1263).



II. Nach dem BGB-Landgutrecht267

sowie eine Ausweitung des Nachabfindungstatbestandes auf die dauerhafte Verpachtung.359 Ein Vorteil dieses Vorschlags liegt darin, dass durch eine solche Verwei­ sung auf die Höfeordnung innerhalb der bundesrechtlichen Regelungen eine Angleichung stattfindet.360 Nach der Ansicht von Hausmann spricht für den Vorschlag weiterhin, dass durch das BGB-Landguterbrecht ebenso wie durch die Anerbengesetze das gleiche Ziel, nämlich die Ermöglichung der Fortfüh­ rung des Betriebs durch verringerte Ansprüche verfolgt werde.361 Somit liege es auch nahe, den Rechtsgedanken der Ausgleichung dieser Vorteile bei Zweckfortfall ins BGB-Landguterbrecht zu übertragen. Allerdings sei hierbei zu beachten, dass es sich bei der Höfeordnung um ein Regelungssystem ­handelt, das sich als geschlossenes System auch auf die gesetzliche Erb­ folge bezieht, während das BGB-Landguterbrecht lediglich ergänzende Vor­ schriften bei testamentarischer Erbfolge vorsieht. Eine Übertragung des § 13 ­HöfeO würde daher dazu führen, dass man einzelne Bestandteile des Aner­ benrechts aus ihrem Regelungszusammenhang löst und als Fragment in das BGB-Landguterbrecht einführt. Hausmann ist daher in der Aussage zuzu­ stimmen, dass eine Lösung eher in einer bundeseinheitlichen Neuregelung des landwirtschaftlichen Erbrechts denn in einem Überstülpen von Bruchtei­ len der Anerbenrechte über das BGB-Landguterbrecht liegen sollte.362 b) Orientierung an der Stundungsmöglichkeit des § 2331a BGB und Modifikation des § 2312 BGB Ein weiterer Lösungsansatz in Bezug auf die Regelungslücke bei den Nachabfindungsansprüchen sieht vor, den § 2312 BGB zu reformieren.363 Die neue Regelung soll sich bei der Berechnung des Nachlasswertes insge­ samt am gemeinen Wert orientieren und dem Landgutübernehmer in Bezug auf das Landgut einen an § 2331a BGB orientierten Anspruch auf Stundung einräumen, soweit der Pflichtteil den auf Grundlage des Ertragswertes be­ rechneten Anspruch übersteigt und solange der Übernehmer den Hof fort­ AgrarR 1998, 188 (192). diesem Fall wäre konsequenterweise auch die fünfzehnjährige Frist des § 17 Abs. 1 S. 1 GrdstVG ebenfalls anzupassen, sodass eine Harmonisierung der Nachabfindungsfristen innerhalb der bundesrechtlichen Regelungen zum Landwirt­ schaftserbrecht besteht, vgl. zur Harmonisierung der Nachabfindungsfristen auch Pikalo, in: FS für Schad, S. 403 (426). 361  Hausmann, Die Vererbung von Landgütern nach dem BGB, S. 292. 362  Hausmann, Die Vererbung von Landgütern nach dem BGB, S. 293. 363  Rauscher, Reformfragen des gesetzlichen Erb- und Pflichtteilsrechts II/2, S. 192. 359  Faßbender, 360  In

268

E. Ansprüche der weichenden Miterben

führt. Im Falle der Veräußerung oder landwirtschaftsfremden Nutzung des Betriebs und damit einem Verstoß gegen den Privilegierungsgrund würde der Differenzbetrag zwischen Ertrags- und Verkehrswert dann fällig. Nach dem Vorschlag Rauschers soll der § 2312 BGB durch folgende Re­ gelung ersetzt werden:364 „§ 2312 (1) Hat der Erblasser angeordnet oder ist nach § 2049 anzunehmen, daß einer von mehreren Erben das Recht haben soll, ein zum Nachlasse gehörendes Landgut zu dem Ertragswerte zu übernehmen, so bleibt für die Berechnung des Pflicht­ teils § 2311 Abs. 1 Satz 1 maßgebend. Der das Landgut übernehmende Erbe kann jedoch die Stundung des Pflichtteilsanspruchs insoweit verlangen, als dieser den Betrag übersteigt, der sich ergeben würde, wenn der Berechnung des Pflichtteils anstelle des Wertes nach § 2311 Abs. 1 Satz 1 der Ertragswert zugrunde gelegt würde. (2) Der Erblasser kann das Recht, die Stundung zu verlangen, durch letztwillige Verfügung beschränken oder ausschließen. Hinterläßt der Erblasser nur einen Erben, so kann er anordnen, daß diesem das Recht zustehen soll, die Stundung nach Abs. 1 zu verlangen. (3) Die Stundung ist aufzugeben, wenn der Verpflichtete veräußert. Die Stundung kann aufgehoben werden, wenn der Verpflichtete das Landgut teilweise veräu­ ßert oder aus einer anderen Nutzung erhebliche Gewinne erzielt. (4) § 2331a Abs. 2 BGB gilt entsprechend. (5) Diese Vorschriften finden nur Anwendung, wenn der Erbe, der das Landgut erwirbt, zu den in § 2303 bezeichneten pflichtteilsberechtigten Personen ge­ hört.“

Damit allerdings nicht dauerhaft ein „Damoklesschwert der Verpflichtung zur Zahlung des gestundeten Pflichtteilsanspruchs“365 über den übrigen Er­ ben schwebt, schlägt Hausmann zusätzlich vor, die Zahlung des Zusatz­ pflichtteils im Rahmen des modifizierten § 2312 BGB auf 15–20 Jahre zu begrenzen.366 Für den Vorschlag von Rauscher spricht, dass auf diese Weise nicht Bruch­ stücke des Anerbenrechts als geschlossenes Regelungssystem in das BGBLandguterbrecht getragen werden.367 Vielmehr wird eine Lösung gefunden, die sich aus der Systematik des Bürgerlichen Gesetzbuchs ergibt und sich in dieses einfügt. Zudem würde die Regelung den Vorteil bieten, dass das Nachlassgericht in unstreitigen Fällen die Höhe des gestundeten Anspruchs 364  Rauscher, Reformfragen des gesetzlichen Erb- und Pflichtteilsrechts II/2, S. 194. 365  Hausmann, Die Vererbung von Landgütern nach dem BGB, S. 294. 366  Hausmann, Die Vererbung von Landgütern nach dem BGB, S. 294. 367  Hausmann, Die Vererbung von Landgütern nach dem BGB, S. 292.



II. Nach dem BGB-Landgutrecht269

in einer schnellen und kostengünstigen Entscheidung nach §  2331a Abs. 2 BGB feststellen kann.368 Zudem würde es durch die Stundung nicht mehr zum in der Höfeordnung auftretenden Problem kommen, dass bei nach dem Erbfall aufgetretenen Wertsteigerungen ermittelt werden muss, inwie­ weit diese auf der Leistung des Erben beruhen und deshalb bei der Nachab­ findung in Abzug zu bringen sind, weil es auch für den Verkehrswert auf den Stichtag des Erbfalls ankommt.369 Allerdings führt eine Stundung des An­ spruchs zugleich auch dazu, dass etwaige Wertsteigerungen allein dem Land­ gutübernehmer gebühren und die weichenden Erben gar nicht an diesen be­ teiligt werden. Dies könnte im Einzelfall zu unbilligen Ergebnissen führen, beispielsweise bei erheblichen Wertsteigerungen bei Bau- oder Bauerwar­ tungsland. 4. Ergebnis Nach der derzeitigen Rechtslage bestehen im BGB-Landguterbrecht kei­ nerlei Nachabfindungsansprüche. Die Rechtsprechung versucht diesem Pro­ blem durch eine strenge Auslegung der Merkmale eines Landgutes auf der Ebene der Übernahme zu privilegierten Bedingungen zu begegnen.370 In der Literatur werden weitere systemimmanente Lösungen vorgeschlagen, um die Interessen der weichenden Miterben bei landwirtschaftsfremder Nutzung des Betriebs stärker zu wahren. Zu diesen Lösungsvorschlägen gehören etwa eine analoge Anwendung des § 13 ­HöfeO, die Konstruktion eines Nachabfin­ dungsanspruchs über § 242 BGB, die Anfechtung der letztwilligen Verfügung oder des Auseinandersetzungsvertrags und die Anpassung des Auseinander­ setzungsvertrags nach § 313 BGB.371 Die dargestellten Vorschläge können in einzelnen bestimmten Fallkonstellationen dazu dienen, die übrigen Mit­erben nachträglich am Hofvermögen zu beteiligen. Allerdings kann durch keinen der Ansätze eine in Gänze zufriedenstellende und ausdifferenzierte Lösung für die Problematik der nicht normierten Nachabfindungsansprüche gewähr­ leistet werden. Es ist auch nicht ausreichend, dass eine solche Regelung durch den Betriebsinhaber selbst im Rahmen von Übergabeverträgen getrof­ fen werden kann, da so die eigentlich dem Gesetzgeber obliegende Verant­ wortung für einen angemessenen Interessenausgleich unter den Erben auf den Erblasser übergeht. Aus diesem Grund ist eine Reform des BGB-Land­ guterbrechts mit einem besonderen Fokus auf die Beteiligung der weichen­ 368  Rauscher, Reformfragen des gesetzlichen Erb- und Pflichtteilsrechts II/2, S. 193. 369  Hausmann, Die Vererbung von Landgütern nach dem BGB, S. 294. 370  Siehe S. 249 ff. 371  Siehe S. 251 ff.

270

E. Ansprüche der weichenden Miterben

den Erben bei zweckwidriger Nutzung des Landgutes durch den Hofüberneh­ mer dringend erforderlich.372 Am vorzugswürdigsten ist in diesem Zusammenhang eine umfassende Reform des BGB-Landguterbrechts, die neben der Einführung eines Nachab­ findungsanspruchs unter anderem auch dringend erforderliche Regelungen zur gesetzlichen Erbfolge für Landgüter enthält. Sollte sich der Gesetzgeber jedoch gegen eine umfassende Reform der landguterbrechtlichen Vorschrif­ ten entscheiden, ist eine Stundung der Abfindungen auf Höhe des Verkehrs­ wertes die praktikabelste und zugleich systematisch zu bevorzugende Lö­ sungsmöglichkeit. Eine Verweisung auf die Nachabfindungsregelungen der Höfeordnung ist hingegen aus systematischen Gründen nicht zu befürworten, da auf diese Weise ein Bruchstück aus einen geschlossenen Regelungssystem herausgelöst und in das BGB übertragen würde.

372  Siehe

S. 266 ff.

F. Gedanken zu einer Reform des landwirtschaftlichen Erbrechts Die vorausgegangenen Ausführungen zeigen, dass sich die Situation in der Landwirtschaft seit der Schaffung der Höfeordnung und erst recht seit In­ krafttreten der Vorschriften des BGB-Landguterbrechts stark gewandelt hat. Eine Anpassung der Gesetze, die die Vererbung landwirtschaftlicher Betriebe betreffen, an die daraus resultierenden geänderten Anforderungen an ein landwirtschaftliches Sondererbrecht hat in der Vergangenheit hingegen kaum stattgefunden. Die Höfeordnung wurde letztmalig umfassend im Jahr 1976 reformiert und die Vorschriften des BGB-Landguterbrechts wurden außer einer sprachlichen Anpassung seit ihrer Schaffung im Jahr 1900 gar nicht verändert. Bei den ebenfalls kaum reformierten landesrechtlichen Anerben­ gesetzen kommt erschwerend hinzu, dass die Landesgesetzgeber aufgrund der geringen Anzahl an den Sondererbrechten unterfallenden Betrieben we­ nig Veranlassung sehen, aktiv auf deren Weiterentwicklung oder Novellie­ rung hinzuwirken.1 Es besteht damit eine Gemengelage aus bundes- und landesrechtlichen Vorschriften, die teils – wie das BGB-Landguterbrecht – zentrale landwirtschaftserbrechtliche Institute wie einen Nachabfindungsan­ spruch vermissen lassen, sich teils – wie etwa die Abfindungsberechnung in der Höfeordnung – in ihrer praktischen Anwendung vom Gesetzeswortlaut wegbewegt haben – und teils – wie die landesrechtlichen Anerbengesetze – schlichtweg kaum noch angewendet werden. Das Landwirtschaftserbrecht in Deutschland befindet sich aktuell mit den Worten Stöckers in einem „un­ durchsichtigen, halbwegs bereits verrotteten Zustand“.2 Aus diesem Grund sollte die Rechtslage an die Realität in der Landwirt­ schaft angepasst werden, statt die teils nicht mehr passenden Regelungen gar nicht oder allenfalls punktuell zu modernisieren. Es ist daher dringend erfor­ derlich, in Bezug auf das landwirtschaftliche Erbrecht umfassende Reformen anzugehen und dieses Rechtsgebiet nicht durch Rechtsprechungsänderungen oder lediglich kleinere Anpassungen immer weiter zu einem Flickenteppich werden zu lassen.

1  So etwa in der amtlichen Begründung des Entwurfs für ein Gesetz zur Ände­ rung der Hessischen Landgüterordnung, Hessischer Landtag, Drucks. 6/2748, S. 7; Stöcker, AgrarR 1978, 1 (4). 2  Stöcker, FamRZ 1993, 1261 (1263).

272

F. Gedanken zu einer Reform des landwirtschaftlichen Erbrechts

Die Möglichkeiten, wie vonseiten des Bundesgesetzgebers und der Länder­ parlamente auf diese Missstände reagiert werden kann, sind vielgestaltig. Der Fokus soll hier auf Lösungsvorschlägen liegen, die möglichst umfassend auf die zuvor skizzierten Reformbedarfe eingehen und dabei insbesondere auch die Problematik der bundesweit zersplitterten Rechtslage berücksichtigen.3

I. Beibehaltung des Status quo unter Aktualisierung der bestehenden Bundesgesetze Ein möglicher Reformansatz liegt darin, die derzeitige Struktur und Auf­ teilung des landwirtschaftlichen Sondererbrechts beizubehalten und zunächst die bestehenden bundesrechtlichen Gesetze, speziell die Höfeordnung und das BGB-Landguterbrecht, zu reformieren und zu modernisieren. Die Reformbedarfe innerhalb der beiden Gesetze wurden im Rahmen dieser Arbeit ausführlich aufgezeigt: Dazu gehört bei der Höfeordnung unter ande­ rem die Neuregelung der Mindestleistungsfähigkeit4, der Berechnungsgrund­ lage für die Miterbenabfindung5 sowie für den Fall der dauerhaften Verpach­ tung des Betriebs6 eine klarstellende Norm zur Nachabfindung.7 Im BGBLandguterbrecht gehört zu den vordringlichsten Reform­ erfordernissen die Schaffung einer gesetzlichen Erbfolgeordnung oder jedenfalls einer testa­ mentsubstituierenden Nachfolgeindikation8, die genauere gesetzliche Veran­ kerung der an ein Landgut gestellten Anforderungen9 und die Stärkung der Rechte der Miterben für den Fall der zweckwidrigen Nutzung10 des Betriebs nach der Übernahme durch den Hofübernehmer.11 Während dabei die notwen­ 3  Die einzelnen Bundesländer (mit Ausnahme der Höfeordnungsländer) können für sich genommen entweder eigene Anerbengesetze für ihr Bundesland erlassen be­ ziehungsweise die bestehenden Gesetze reformieren oder die Vererbung landwirt­ schaftlicher Betriebe weiterhin durch die Regelungen des BGB beziehungsweise eine vertragliche Übergabepraxis ausgestalten. Für sich genommen handelt es sich dabei jedoch nicht um umfassende Lösungsansätze für das landwirtschaftliche Erbrecht in Deutschland. 4  Siehe S. 86 ff. 5  Siehe S. 150 ff. 6  Siehe S. 217 ff. 7  Hierbei handelt es sich lediglich um exemplarische Nennungen der wichtigs­ ten Reformbedarfe. Für die übrigen Änderungserfordernisse sei auf die vorangegan­ genen Ausführungen zur Höfeordnung verwiesen. 8  Siehe S. 116 ff. 9  Siehe S. 157 ff. 10  Siehe S. 266 ff. 11  Auch hierbei handelt es sich lediglich um exemplarische Nennungen der wich­ tigsten Reformbedarfe. Für die übrigen Änderungserfordernisse sei auf die vo­ rangegangenen Ausführungen zum BGB-Landguterbrecht verwiesen.



I. Beibehaltung des Status quo273

digen Gesetzesänderungen in der Höfeordnung eher punktuelle Anpassungen in einem insgesamt bereits kohärenten Regelungssystem betrifft, handelt es sich bei den erforderlichen Reformen im Rahmen des BGB-Landguterbrechts um tiefgreifende Veränderungen der bestehenden Regelungen und der Syste­ matik. Der Vorteil des beschriebenen Lösungsansatzes liegt zunächst darin, dass es sich bei beiden zu reformierenden Gesetzen um bundesrechtliche Rege­ lungen handelt, sodass zunächst allein der Bundesgesetzgeber bei der Novel­ lierung des Landwirtschaftserbrechts gefragt ist. Zudem wäre durch die Ge­ setzesreform die Höfeordnung als Anerbengesetz mit der höchsten Praxis­ relevanz wieder auf einem zeitgemäßen Stand und könnte in ihrem Geltungs­ gebiet weiterhin als effektives und sinnvoll ausgestaltetes Sondererbrecht angewendet werden. Für die übrigen Teile der Bundesrepublik, in denen ein Landesanerbenrecht gilt, könnte die Reform der Höfeordnung Anstoß für Reformen seitens der Landesgesetzgeber sein und auch als Vorbild für eine Novellierung der eigenen landesrechtlichen Anerbengesetze dienen. Sollte eine solche Aktualisierung der bestehenden Landesgesetze nicht erfolgen, was wohl wahrscheinlicher ist, bleibt – wie auch bisher – der Rückgriff auf das BGB-Landguterbrecht (in seiner dann umfassend ergänzten und refor­ mierten Fassung) möglich. Zudem würde sich durch die Reform des BGBLandguterbrechts – speziell durch die Einführung einer besonderen gesetz­ lichen Erbfolgeordnung – auch die Notwendigkeit des Bestehens eines Zu­ weisungsverfahrens im Grundstücksverkehrsgesetz erübrigen. Die Betriebe könnten dann auch ohne eine letztwillige Verfügung des Erblassers ohne das komplizierte und langwierige Verfahren der gerichtlichen Zuweisung auf ei­ nen Rechtsnachfolger übergehen. Da das BGB-Landguterbrecht in seiner jetzigen Fassung wie bereits fest­ gestellt nur äußerst bedingt geeignet ist, die Rahmenbedingungen für die Vererbung landwirtschaftlicher Betriebe in einem überwiegenden Anteil der Fälle zu regeln, ist der beschriebene Lösungsansatz nur tragfähig, wenn das BGB-Landguterbrecht den skizzierten erforderlichen Änderungen unterzogen wird. Ohne eine umfassende Reform des BGB-Landguterbrechts ist dieser Vorschlag nur ein zahnloser Tiger, da dann ein Großteil der Betriebe doch wie bereits jetzt den unzureichenden Regelungen der §§ 2049, 2312 BGB unterfielen oder die Verantwortung für die Interessen aller Erben berücksich­ tigende letztwillige Verfügungen wieder allein beim Erblasser läge. Kritisch an diesem Lösungsansatz ist allerdings, dass durch ihn das Prob­ lem der aktuell zersplitterten Rechtslage nicht wirklich angegangen wird und sich sogar noch verstärken könnte, wenn weitere Bundesländer von ihrer Gesetzgebungskompetenz Gebrauch machen und eigene Anerbenrechte erlas­ sen. Zugleich besteht auf der anderen Seite das Risiko, dass diejenigen Bun­

274

F. Gedanken zu einer Reform des landwirtschaftlichen Erbrechts

desländer mit veraltetem oder keinem geregeltem Anerbenrecht aufgrund des reformierten BGB-Landguterbrechts keinen Bedarf mehr sehen, zeitgemäße und praxisorientierte eigene Anerbengesetze zu erlassen. Dann würde das landwirtschaftliche Erbrecht in Deutschland, welches historisch gesehen auf sehr unterschiedlichen Vererbungssitten beruht und noch immer davon lebt, regionale Besonderheiten zu berücksichtigen, dominiert durch das BGBLandguterbrecht und damit durch ein (auch nach den oben aufgezeigten notwendigen Reformen) wenig ausdifferenziertes oder regional orientiertes Bundesrecht.

II. Bundeseinheitliche Regelung Wie im Verlauf dieser Arbeit bereits erläutert findet der überwiegende Anteil der landesrechtlichen Anerbengesetze (wohl mit Ausnahme des im Jahr 2019 neu geschaffenen Brandenburgischen Höfeordnungsgesetzes) in der Praxis so wenig Anwendung, dass die Aufhebung in der Konsequenz le­ diglich die „förmliche Besiegelung eines faktisch bestehenden Zustandes“12 wäre. Allein eine Aufhebung der Landesanerbengesetze würde jedoch dazu führen, dass in den betreffenden Bundesländern allein das BGB-Landguter­ brecht und das Zuweisungsverfahren im Grundstücksverkehrsgesetz Anwen­ dung auf die Vererbung landwirtschaftlicher Betriebe finden. Insbesondere die landwirtschaftserbrechtlichen Vorschriften im Bürgerlichen Gesetzbuch sind aktuell jedoch wie bereits geschildert ihrerseits stark reformbedürftig und bilden örtliche Vererbungsgewohnheiten und andere Besonderheiten kaum ab. Folglich ist allein eine Aufhebung der Landesanerbengesetze nicht zielführend. Aus diesem Grund liegt eine weitere Lösungsmöglichkeit in der Einfüh­ rung eines bundeseinheitlich geltenden Anerbenrechts13. Eine solche Ver­ einheitlichung wäre entweder durch Ausweitung des Geltungsbereichs der (reformierten) Höfeordnung auf alle Bundesländer oder durch den Erlass ei­ nes neuen deutschlandweit geltenden landwirtschaftlichen Sondererbrechts denkbar. Die grundsätzliche Möglichkeit der Regelung des landwirtschaft­ lichen Sondererbrechts durch den Bundesgesetzgeber besteht, da es sich wie bereits erläutert um einen Gegenstand der konkurrierenden Gesetzgebung handelt.14 Der Vorteil der Ausdehnung der Höfeordnung auf das gesamte Bundesgebiet gegenüber der Neuschaffung eines bundesweit geltenden An­ erbenrechts mit gegebenenfalls neuer Systematik liegt darin, dass in Bezug AgrarR 1978, 1 (4). für eine bundeseinheitliche Regelung etwa Stöcker, AgrarR 1978, 1 (4); Haselhoff, RdL 1993, 225 (226). 14  Siehe S. 58 ff. 12  Stöcker,

13  Grundsätzlich



II. Bundeseinheitliche Regelung275

auf die Höfeordnung bereits eine Vielzahl an Entscheidungen ergangen ist und somit eine gewisse Rechtssicherheit in Bezug auf die einzelnen Normen besteht. Gegen die Einführung eines bundesweit geltenden Anerbenrechts spricht jedoch, dass so möglicherweise wenig Spielraum bleibt, um regionalen Be­ sonderheiten Rechnung zu tragen. Die Berücksichtigung traditioneller Ver­ erbungspraktiken ist vor allem deshalb wichtig, weil Anerbenrechte wie be­ reits festgestellt immer dann besonders wirksam sind, wenn sie die regionalen Erbgewohnheiten der betroffenen Kreise abbilden. Zudem können auch be­ sondere Verhältnisse in bestimmten Regionen, wie etwa die Bodenverhält­ nisse, besondere Arten der Bewirtschaftung oder die Werte der Grundstücke durch ein bundesweit einheitliches Anerbenrecht kaum angemessen berück­ sichtigt werden. Daher ist eine bundeseinheitliche Regelung des Landwirt­ schaftserbrechts in der Praxis nur sinnvoll, wenn das Gesetz die Länder er­ mächtigt, im Verordnungswege bei regionalen Besonderheiten und speziellen Erbbräuchen abweichende Regelungen treffen zu können.15 Der Erlass eines bundesweit geltenden fakultativen Höferechts würde eine Chance bieten, einheitliche Rahmenbedingungen für alle Betriebe zu schaf­ fen. Aufgrund der fakultativen Rechtsnatur bestünde – vor allem in Hinblick auf die traditionellen Realteilungsgebiete – weiterhin die Möglichkeit, die Betriebe nicht in den Anwendungsbereich der Höfeordnung einzubeziehen beziehungsweise aus diesem herauszunehmen. Dadurch würde sich für die betroffenen Kreise nichts ändern, wenn sie es nicht wünschen. Somit würde man mit einem fakultativen bundesweit geltenden Anerbenrecht weder den betroffenen Landwirten in Gebieten mit Anerbensitte noch mit traditioneller Realteilung ein System aufzwingen, welches nicht ihren Erbgewohnheiten entspricht, sondern vielmehr ihre Gestaltungsmöglichkeiten erweitern.16 Allerdings ist auf der anderen Seite auch zu betonen, dass Aufgabe oder Ziel eines Anerbenrechtes nicht die Rechtseinheit um jeden Preis sein sollte. Viel­ mehr geht es darum, passende rechtliche Rahmenbedingungen für die tat­ sächliche Vererbungspraxis in den betroffenen Kreisen und die jeweiligen Erbbräuche in einem bestimmten Gebiet zu bieten. Es ist fraglich, ob dieses Ziel nicht eher durch eine regionale Gesetzgebung als durch ein bundesweit einheitliches Recht mit Abweichungsmöglichkeit durch die Länder zu errei­ chen ist. In der Gesetzesbegründung der letzten umfassenden Reform der Höfeord­ nung im Jahr 1976 wurde darauf hingewiesen, dass es nicht Ziel sei, ein AgrarR 1978, 1 (5). auch Seidel, Der fünfte Titel, S. 43 und v. Garmissen, AUR 2019, 81, der darauf hinweist, dass die bundesweite Geltung eines landwirtschaftlichen Sondererb­ rechts das Angebot für die Landwirtsfamilien bereichern würde. 15  Stöcker, 16  So

276

F. Gedanken zu einer Reform des landwirtschaftlichen Erbrechts

bundeseinheitliches Höferecht einzuführen und die Frage eines bundes­ einheitlichen Höferechts gegenwärtig auch nicht spruchreif sei.17 Bei den Verhandlungen des 68. Deutschen Juristentages im Jahr 2010 wurde im Rahmen der Abstimmungen von einer Mehrheit für eine Abschaffung der Sondererbfolge unter privilegierter Miterbenabfindung votiert.18 Im Nach­ gang zu den Diskussionen über die Aktualität des landwirtschaftlichen Son­ dererbrechts auf dem Deutschen Juristentag wurde die Bundesregierung19 in einer schriftlichen Anfrage gefragt, ob eine Reform der §§ 2049, 2312 BGB geplant sei.20 Hierauf antwortete die Bundesregierung, dass der Koalitions­ vertrag keine Änderung des landwirtschaftlichen Sondererbrechts vorsehe. Vielmehr zeigten die Verhandlungen des 68. Deutschen Juristentages, dass auf diesem Rechtsgebiet noch erheblicher Diskussionsbedarf bestehe und die Ergebnisse dieser Diskussionen abgewartet werden sollten. Seit diesem Zeitpunkt gab es seitens des Bundesgesetzgebers keinerlei Initiativen zur Änderung des BGB-Landguterbrechts oder gar einer bundes­ weiten Vereinheitlichung des landwirtschaftlichen Sondererbrechts. Die Tat­ sache, dass die Bundesregierung durch die Wissenschaftlichen Dienste im Jahr 2018 eine Ausarbeitung bezüglich der bundesrechtlichen Vorgaben für den Erlass von Anerbengesetzen durch die Länder21 erarbeiten ließ, spricht dafür, dass seitens des Bundes im Bereich des landwirtschaftlichen Erbrechts auf eine gesetzgeberische Aktivität der Länder gebaut wird.

III. Einführung einer Musterhöfeordnung Wie in den vorausgegangenen Ausführungen deutlich geworden ist, spricht für das Fortbestehen der verschiedenen landesrechtlichen Anerbengesetze und allgemein eine Regelung des Landwirtschaftserbrechts durch die Länder, dass auf diese Weise in besonderem Maße die unterschiedlichen landschaft­ lichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie die regionalen Vererbungsge­ wohnheiten gesetzlich widergespiegelt werden können. Gleichzeitig wurde unter anderem auf der Frühjahrstagung der Deutschen Gesellschaft für Agrar­recht im Jahr 2018 jedoch auch betont, dass trotz der unterschiedlichen tatsächlichen und rechtlichen Gegebenheiten in Deutschland Einigkeit dahin­ 17  BT-Drucks.

7/1443, S. 14. des 68. Dt. Juristentages, Bd. 2/2, S. L 302; es gab bei diesem Be­ schluss 37 Ja-Stimmen zu 23 Nein-Stimmen und 25 Enthaltungen. 19  Es handelte sich dabei in der 17. Wahlperiode von 2009 bis 2013 um die Re­ gierungsfraktionen CDU, CSU und FDP. 20  BT-Drucks. 17/3114, S. 8. 21  Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestags, Az.: WD 7-3000-034/ 18. 18  Bericht



III. Einführung einer Musterhöfeordnung277

gehend bestehe, dass eine weitere Rechtszersplitterung im Bereich des land­ wirtschaftlichen Erbrechts nicht gewünscht sei.22 Durch die Untätigkeit der Bundesländer mit bestehenden Anerbengesetzen bei deren Reformierung auf der einen Seite und die gesetzgeberische Aktivität im Bereich des landwirt­ schaftlichen Erbrechts insbesondere in den neuen Bundesländern auf der an­ deren Seite droht jedoch eine noch weitergehende Zersplitterung dieses Rechtsgebiets. Das Ziel ist es also, rechtliche Rahmenbedingungen zu schaf­ fen, die einerseits nicht zu einer zersplitterten Rechtslage führen, andererseits aber auch die jeweiligen regionalen Vererbungspraktiken berücksichtigen. Eine Option, um diese sich eigentlich widersprechenden Zielsetzungen zu vereinen, ist die Erarbeitung einer Musterhöfeordnung, nach deren Vorbild die Länder eigene landesrechtliche Anerbengesetze erlassen können.23 Ein Vorbild für eine solche Vorgehensweise gibt es beispielsweise im Be­ reich des Bauordnungsrechts: Dort liegt die Gesetzgebungskompetenz bei den Ländern. Um jedoch eine weitestgehende Einheitlichkeit der einzelnen Landesbauordnungen erzielen zu können, wurde von der Bauministerkonfe­ renz eine Musterbauordnung24 herausgegeben, die fortlaufend aktualisiert wird und den Ländern als Grundlage für ihre Bauordnungen dienen kann. In der Begründung zur Musterbauordnung heißt es, dass diese das Ziel verfolgt, notwendige Regelungen aufzuzeigen und den Ländern dabei zugleich einen Orientierungsrahmen für die Fortentwicklung des Bauordnungsrechts zu bie­ ten, welcher angesichts des unterschiedlichen Standes der Bauordnungsrechte und der jeweiligen Rahmenbedingungen hinreichend Raum für flexible An­ passungen gewährt.25 Eine ähnliche Vorgehensweise bietet sich auch im Bereich des landwirt­ schaftlichen Sondererbrechts an. In einem Rechtsgebiet, in dem sich die Re­ gelungsdichte und der Regelungsgehalt von Bundesland zu Bundesland der­ artig unterscheiden wie aktuell im Landwirtschaftserbrecht, kann durch eine von den zuständigen Landesministern erarbeitete Musterhöfeordnung ein Beitrag für eine stärkere Vereinheitlichung der Gesetze geleistet werden, ohne dabei die einzelnen regionalen Besonderheiten vernachlässigen zu müs­ sen. AUR 2018, 255. Reformmöglichkeit wurde insbesondere vom Rechtsanwalt Jens Haar­ strich aufgeworfen. 24  Musterbauordnung vom November 2002, zuletzt geändert durch Beschluss der Bauministerkonferenz von 22. Februar 2019; Text der Musterbauordnung veröffent­ licht unter https://www.bauministerkonferenz.de/IndexSearch.aspx?method=get&File =b8a892y3y8b984808abb92b8y9ya8ayyb9y884b992a2a0a149aaa3aa4b80b8y0zepd hdqqxn0hyebtsbrwfrey. 25  Begründung zur Musterbauordnung, S. 3. 22  v. Garmissen, 23  Diese

278

F. Gedanken zu einer Reform des landwirtschaftlichen Erbrechts

Die Musterhöfeordnung sollte sich an der reformierten Höfeordnung26 orientieren. Auch das Brandenburgische Höfeordnungsgesetz als neustes lan­ desrechtliches Anerbengesetz wurde in seinem Aufbau und Regelungsgehalt weitestgehend an die nordwestdeutsche Höfeordnung angelehnt. Der Vorteil liegt in erster Linie darin, dass durch die bereits ergangene Rechtsprechung und die bestehende Literatur ein gewisses Maß an Rechtssicherheit in Bezug auf die Regelungen besteht. Darüber hinaus würde eine an der Höfeordnung ausgerichtete Musterhöfeordnung auch dafür sorgen, dass ein gewisses Maß an Einheitlichkeit zwischen der Systematik der Höfeordnung als Bundesge­ setz und den Landesanerbengesetzen besteht. An den Stellen, an denen die Rahmenbedingungen in den einzelnen Bun­ desländern unterschiedlich sind, sollte die Musterhöfeordnung dabei Gestal­ tungsoptionen bieten, die flexible Anpassungen durch die einzelnen Gesetz­ geber ermöglichen. Dies betrifft beispielsweise die Frage nach der Mindest­ leistungsfähigkeit, die in unterschiedlichen Teilen der Bundesrepublik unter­ schiedlich hoch anzusetzen ist. Gleiches gilt auch für die Festlegung der Abfindungshöhe, die sich auch danach richten muss, was in verschiedenen Gegenden von einem Betrieb nachhaltig erwirtschaftet werden kann. Zudem sind auch besondere regionale Erbbräuche, wie etwa das Ältesten- oder Jüngstenerbrecht, zu berücksichtigen, sodass die Länder diese in ihre An­ erbenrechte einbringen können. Die Musterhöfeordnung ist ein Angebot, das sowohl für Teile der Bundes­ republik mit bereits bestehenden Anerbenrechten als auch für Länder, die derzeit nicht über ein Anerbenrecht verfügen, als gewinnbringend einzustu­ fen ist: Insbesondere in den Ländern mit älteren Anerbenrechten dürfte die unter­ bleibende Aktualisierung zu einem Teufelskreis geführt haben: Die Anzahl der Betriebe, die dem jeweiligen Anerbenrecht unterfallen, hat abgenommen. Aus diesem Grund handelte es sich aufgrund der geringen Praxisrelevanz um kein Rechtsgebiet, bei dem eine aufwändige Modernisierung und Reformie­ rung durch die Landesgesetzgeber prioritär war. Dadurch wiederum war das Anerbengesetz mit der Zeit immer weniger auf die aktuelle Situation der Betriebe zugeschnitten, sodass die Anzahl der Anwendungsfälle auch deshalb immer weiter gesunken ist. Eine Musterhöfeordnung könnte für die Länder mit Anerbengesetzen daher eine Möglichkeit bieten, ohne größeren eigenen Aufwand wieder zu einem modernen und stringenten Anerbengesetz zu ge­ langen und den Betriebsinhabern hiermit ein Angebot zur Anwendung zu unterbreiten. 26  Die Reformbedarfe wurden im Einzelnen im Rahmen dieser Arbeit erläutert, sodass an dieser Stelle auf diese Ausführungen verwiesen wird.



III. Einführung einer Musterhöfeordnung279

In den Ländern, die noch kein Anerbengesetz eingeführt haben (aber die­ ses gegebenenfalls erwägen), besteht in Form der Musterhöfeordnung eine Vorlage, auf die zur Erarbeitung des Gesetzes zurückgegriffen werden kann. Dadurch kann ein Landesanerbenrecht erlassen werden, das über den in der Praxis erprobten erforderlichen Regelungsgehalt verfügt und sich zudem systematisch in die bestehenden landwirtschaftlichen Sondergesetze einfügt. Darüber hinaus könnte auch der Bundesgesetzgeber zur Aktualisierung der Höfeordnung auf die Musterhöfeordnung zurückgreifen, wenn letztere syste­ matisch ohnehin an die Höfeordnung angelehnt wird. Dies würde dazu füh­ ren, dass auch langfristig nicht nur eine Harmonisierung zwischen den ein­ zelnen Landesanerbenrechten gewährleistet wird, sondern auch zwischen den bundesrechtlichen und landesrechtlichen Anerbengesetzen. Schließlich würde eine regelmäßig aktualisierte Musterhöfeordnung auch dafür sorgen, dass es in den Ländern nicht bei dem einmaligen Akt einer umfassenden Reform beziehungsweise der Einführung eines Anerbengeset­ zes bleibt, sondern die jeweiligen Gesetze stetig und ohne großen Aufwand durch die Länder auf einen zeitgemäßen Stand gebracht werden können. So könnte seitens der zuständigen Ministerkonferenz als Herausgeber der Mus­ terhöfeordnung etwa auf Rechtsprechungsänderungen oder veränderte Rah­ menbedingungen reagiert werden und für alle Länder mit Anerbengesetzen geklärt werden, wie auf solche Veränderungen zu reagieren ist und wie diese gesetzgeberisch umzusetzen sind. Wenn sich die Musterhöfeordnung in ihrer Ausgestaltung an der Höfeord­ nung orientiert, wird auch diese ein fakultatives Anerbenrecht vorsehen, was im Übrigen auch aus verfassungsrechtlichen Gründen erforderlich ist. Das bedeutet, dass die Erblasser auch in Ländern mit nach der Musterhöfeord­ nung erlassenen Anerbenrechten weiterhin die Geltung des landwirtschaft­ lichen Sondererbrechts ausschließen können. In diesem Fall gilt auch dort wie bereits erläutert das allgemeine Erbrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs und ergänzend bei Vorliegen der besonderen Voraussetzungen die Vorschrif­ ten des BGB-Landguterbrechts. Aus diesem Grund würden die §§ 2049, 2312 BGB durch die Erarbeitung einer Musterhöfeordnung nicht wesentlich an Bedeutung verlieren. Daher müsste bei einer Entscheidung für diesen Lösungsansatz dennoch erwogen werden, auch eine Reform des BGB-Land­ guterbrechts anzugehen.

G. Fazit 1. Die historische Entwicklung des landwirtschaftlichen Sondererbrechts hat an verschiedenen Stellen – insbesondere den Zwangsanerbenrechten im 18. Jahrhundert oder durch das Reichserbhofgesetz – gezeigt, dass ein fakultatives bäuerliches Sondererbrecht nur dann auf Akzeptanz stößt, wenn es die bestehenden Erbbräuche der bäuerlichen Schichten berück­ sichtigt und Raum für diese lässt. 2. Das landwirtschaftliche Sondererbrecht fußt auf einer langen Entwick­ lung, die in der Zersplitterung und der erheblich unterschiedlichen Rege­ lungsart und -dichte in den unterschiedlichen Teilen der Bundesrepublik Deutschland resultierte: Es besteht eine Gemengelage aus Bundesrecht in Form des BGB-Landguterbrechts und des Zuweisungsverfahrens im Grundstücksverkehrsgesetz, partiellem Bundesrecht in Form der nord­ westdeutschen Höfeordnung sowie diversen landesrechtlichen Sonder­ erbrechten in Brandenburg, Bremen, Hessen und Rheinland-Pfalz sowie partiellem Landesrecht in einem Teil von Baden-Württemberg. Die lan­ desrechtlichen Anerbengesetze – mit Ausnahme des Brandenburgischen Höfeordnungsgesetzes von 2019 – sind seit ihrer Schaffung überwiegend nicht umfassend reformiert worden und finden zudem in der Praxis kaum noch Anwendung. 3. Die besonderen Regelungen bezüglich der Vererbung landwirtschaftlicher Betriebe dienten ursprünglich dem Zweck der Erhaltung leistungsfähiger landwirtschaftlicher Betriebe in der Hand bäuerlicher Familien zur Si­ cherstellung der Bevölkerungsernährung. Auch heute ist eine besondere erbrechtliche Behandlung der Betriebe noch erforderlich, weil die Land­ wirtschaft sich gegenüber anderen Gewerbebetrieben aufgrund der starken Abhängigkeit von Grund und Boden sowie der Natur mit einer besonde­ ren Situation konfrontiert sieht. Die Normzwecke für diese rechtliche Sonderbehandlung haben sich dabei mit der Zeit in ihrer Bedeutung leicht verschoben: Den Betrieben kommt weiterhin Bedeutung zu bei der Erzeu­ gung (regionaler) Agrarprodukte und dem Erhalt von lokalen gesellschaft­ lichen und ökologischen Strukturen. Zudem wächst im Rahmen der öf­ fentlichen Interessen auch die Relevanz der Höfe bei der Gewinnung von regenerativen Energien und Treibstoffen aus nachwachsenden Rohstoffen sowie dem Umweltschutz insgesamt.



G. Fazit281

4. Die ungeteilte Erhaltung landwirtschaftlicher Betriebe im Erbgang als Ziel der landwirtschaftlichen Sondererbrechte fußt im Wesentlichen auf zwei Säulen: Erstens auf der Bestimmung eines einzelnen Erben bezie­ hungsweise Übernehmers des Betriebs und zweitens auf der Verringerung der Übernahmelast bei Übernahme des landwirtschaftlichen Betriebs. Die beiden Säulen sind in den einzelnen Gesetzen unterschiedlich stark ausge­ prägt und unterscheiden sich de lege lata zum Teil auch systematisch er­ heblich voneinander. 5. Bei Wegfall der Privilegierungsgründe, also einer landwirtschaftsfremden Nutzung des Betriebs, sehen die bundes- und landesrechtlichen Anerben­ rechte sowie das Grundstücksverkehrsgesetz einen Nachabfindungsan­ spruch der weichenden Miterben vor. Dieser ist im Rahmen der Höfeord­ nung und des Brandenburgischen Höfeordnungsgesetzes am präzisesten geregelt. Im BGB-Landguterbrecht besteht ein solcher Anspruch nach der derzeitigen Rechtslage nicht, sodass in Hinblick auf einen Interessenaus­ gleich zwischen Landgutübernehmer und den übrigen Miterben eine strenge Auslegung der Landgutvorschriften auf der Ebene der Privilegie­ rung durch Ansatz des Ertragswerts erforderlich ist. 6. Unter anderem durch den Agrarstrukturwandel, neue Arten der Bewirt­ schaftung und auch stark ansteigende Grundstückspreise hat sich die Situ­ ation in der Landwirtschaft in den letzten Jahren und Jahrzehnten stark verändert. Die einzelnen Landwirtschaftserbrechte bilden diese Verände­ rungen aufgrund von unterbliebenen Reformen nicht mehr umfassend ab. Sie sind daher zu modernisieren. Die Problemschwerpunkte liegen dabei innerhalb der Gesetze an unterschiedlichen Stellen: a) Zu den wichtigsten Reformerfordernissen in der Höfeordnung zählen etwa Neuregelung der Mindestleistungsfähigkeit in § 1 Abs. 1 ­HöfeO, die Festlegung einer neuen Berechnungsgrundlage für die Miterbenab­ findung in § 12 ­HöfeO, die gesetzliche Definition des Gewinnbegriffs in § 13 Abs. 4 ­HöfeO sowie die Anpassung und Ausweitung der Nach­ abfindungstatbestände an die derzeit in der Praxis bestehenden Verhält­ nisse und Herausforderungen. b) Im Rahmen des BGB-Landguterbrechts sind die anzugehenden Refor­ men fundamentalerer Natur: Es sind insbesondere die Schaffung einer gesetzlichen Erbfolgeordnung oder jedenfalls einer testamentsubstituie­ renden Nachfolgeindikation, die genauere gesetzliche Verankerung der an ein Landgut gestellten Anforderungen und die Stärkung der Rechte der Miterben für den Fall der zweckwidrigen Nutzung des Betriebs nach der Übernahme durch den Hofübernehmer erforderlich.

282

G. Fazit

7. Die Rechtszersplitterung in Deutschland im Bereich des landwirtschaftli­ chen Erbrechts ist insbesondere in Hinblick auf die Rechtsanwendung und -entwicklung als problematisch anzusehen. Neben den skizzierten erforderlichen Reformen in den einzelnen Gesetzen ist daher auf eine Vereinheitlichung der Systematik der Landwirtschaftserbrechte hinzuwir­ ken, ohne dabei die einzelnen regionalen Besonderheiten aus dem Blick zu verlieren. Es kommen dazu drei grundsätzliche Lösungsansätze in Betracht: Erstens die Reform der Höfeordnung und des BGB-Landguterbrechts durch den Bundesgesetzgeber. Dies könnte für die Länder ein Anreiz sein, nach dem Vorbild der reformierten Höfeordnung ihre eigenen Anerbengesetze zu reformieren oder ein Anerbengesetz zu erlassen. Sollten sie dies nicht tun, besteht immer noch die Möglichkeit, auf ein stärker ausdifferenziertes BGB-Landguterbrecht zurückzugreifen. Zweitens die Einführung eines bundesweit geltenden Anerbenrechts, im Rahmen dessen die Landesge­ setzgeber die Befugnis erhalten, im Verordnungswege Abweichungen an­ zuordnen, um regionalen Besonderheiten Rechnung zu tragen. Drittens die Erarbeitung einer Musterhöfeordnung durch die zuständigen Landes­ minister, um einen Rahmen zu schaffen, an dem sich die Länder bei Re­ form oder Erlass von Anerbengesetzen orientieren können. Diese Muster­ höfeordnung sollte sich an der modernisierten Höfeordnung orientieren. Dadurch könnte zum einen eine Harmonisierung zwischen diesem partiel­ len Bundesrecht und den Landesanerbenrechten erreicht werden. Zum anderen kann so auf eine bereits in der Praxis erprobte gesetzliche Kon­ zeption mit hinreichender Rechtsprechung und Literatur zurückgegriffen werden.

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Stichwortverzeichnis Abfindung  140 ff. –– Auswirkungen der Grundsteuerreform  150 ff. –– Berechnung  142 ff. –– Berechtigte  141 f. –– Verpflichtete  141 f. Abkömmling  97 f., 110 f., 168 Abschlag vom Hofwert  146, 148, 236, 241 Absicherung  183, 189, 191 ff. Ackerbau  73 f., 164, 187, 210 Ackernahrung  38 f., 90 f., 158, 160 Agrarstruktur  84 f., 148, 160 f., 181 ff., 217, 265 Agrarstrukturwandel  76, 81, 162 f., 181 ff., 195 Agrarverfassung  26 Alleineigentum  79 f., 96 ff., 132, 134, 207 Alliierte  41 f. Alliierten Kontrollrat  41 Altenteil  78, 148 Alterssicherung  189 Ältestenserbrecht  98 f., 278 Altschulden  241 f. Anerbengesetz  22 ff., 59 ff., 71 ff., 271 ff. Anerbensitte  22 ff., 48 ff. Anfechtung  257 f., 263 f. Anwendungsbereich  72 ff., 134 ff., 157 ff. Aufteilung  26, 61, 67 Auseinandersetzungsvertrag  170, 250, 258 ff.

Bagatellveräußerung  201 Bauernbefreiung  26 f. Bauerwartungsland  146, 176 ff., 199 Bauland  146, 165, 176 ff., 199 Bayern  22, 28 f., 52, 117, 253 Bedürftigkeit  168 f. Belastung  40, 126, 148, 225 f., 231 ff., 238 Berlin  45, 52, 253 Besatzungsmächte  42 Besitzung  73 ff., 158 f. Bestimmungsrecht  96, 110, 115 Betriebsgröße  16, 60, 84, 89 f., 134 f., 159 f. Bevölkerungsernährung  41, 68, 185, 187 f. Bewertungsgesetz  86 f., 144 ff., 150 f. Billigkeitsklausel  240 Bindung  66, 168, 181 ff. Biogas  41 f., 75 f., 207, 221 ff. Blut-und-Boden-Ideologie  37 f. Bodenbefreiung  26 f. Bodenbestandteile  75, 230 f. Bodenbewirtschaftung  73 f., 135, 164, 210 Bodennutzung  73, 135, 164 f., 220 f. Bodenreform  54 f. Brandenburg  56 Brandenburgisches Höfeordnungsgesetz  56, 61, 63, 89, 92, 204 Bremen  15, 29, 49, 58 Britische Besatzungszone  41 ff., 97, 187 Bruchteilsgemeinschaft  258 ff.

Baden-Württemberg  15, 22, 47 ff., 58 f., 83, 92, 131

DDR  53 ff. Degressive Staffelung  240 f., 245

Stichwortverzeichnis295 Deichpflichten  49 Deklaratorisches Anerbenrecht  60 f., 82, 93 Dingliche Belastung  231 ff., 238 Diversifikation  74 ff., 119 Doppelbetrieb  75 f., 165 Ehegattenhof  60, 72, 79, 93, 104 f., 144 Eigenbewirtschaftung  198, 219 Einbringung in eine Gesellschaft  79, 203 ff., Eingetragene Lebenspartnerschaft siehe Lebenspartnerschaft Einheitswert siehe steuerlicher Einheits­ wert Eltern  100 ff., 113, 168 Enteignung  203, 234 Entstehungsgeschichte siehe Historie Entwidmung  195, 210 ff. Erbauseinandersetzung  56 f., 116, 129, 258 ff. Erbbaurecht  225 f. Erbbrauch  21, 27, 37, 41, 275 Erbengemeinschaft  79, 95, 116 f., 131 ff., 135, 258 ff. Erbfähigkeit  100, 105 ff. Erbfolgeordnung  96 ff., 103 f., 112 f., 117 f., 272 f. Erbgewohnheit siehe Erbbrauch Erbhof  38 ff. Erbschaftssteuer  61, 84, 154 f. Erbvertrag  95, 116, 131 Erheblichkeit von Gewinnen  215 ff. Erneuerbare Energie siehe regenerative Energie Ersatzbeschaffung  199 ff. Ersatzbetrieb  199 ff. Ersatzgrundstück  199 ff. Ertragswert  66, 145 f., 151 f., 156 f., 249 ff. Ertragswertbewertung  149, 153, 170 ff. Ertragswertprivilegierung  166 ff., 174 ff., 249 ff.

Fakultatives Anerbenrecht  29 f., 46, 60 f., 94 Familienbesitz  68 ff., 125 ff., 182 Familienbezogenheit  50, 68 f., 79, 102 f., 112 ff., 168, 188 ff. Familienfideikommiss  28, 125 ff. Familienrat  50 f. Fideikommiss siehe Familienfideikom­ miss Fiktive Veräußerung  195, 210 ff. Flurbereinigungsverfahren  203 Förderungsmaßnahmen  52 Formlos-bindende Hoferbenbestimmung  96, 98 ff., 131, 137 Forstwirtschaft  73, 90, 164 f., 190 Fortführung  166 f., 210, 258 ff. Fortführungsabsicht  137 f., 166 f., 249 Fortführungsfähigkeit  105 ff., 137 f., 166 f., 249 Französische Besatzungszone  51 Gemeinschaftliches Testament  79, 95, 116 Gemischter Betrieb  75 f., 165 Gerichtliche Zuweisung  50, 61, 133 ff. Gesamthandsgemeinschaft  79, 259 Geschwister  100 ff., 109 f., 113 Gesellschaft siehe Kapitalgesellschaft, Personengesellschaft Gesellschaftsvertrag  80, 206 f. Gesetzgebungskompetenz  50, 55, 58 f., 172, 273 Gesetzliche Erbfolge  96 ff., 113, 135 Gewerbebetrieb  66, 181 ff. Gewerbliche Nutzung  74 ff. 128 f., 164, 176, 220 ff. Gewillkürte Erbfolge  94 f., 131 Gewinn  162 f., 211 ff., 249 ff. Gleichbehandlung  26, 69, 84, 111 f., 178, 249, 264 f. Grundbuch  60, 79, 92, 94, 138, 234 Grundherrschaft  23 ff. Grundschuld  231 ff., 238

296 Stichwortverzeichnis Grundsteuer siehe steuerlicher Einheits­ wert Grundsteuerreform siehe steuerlicher Einheitswert Grundstücksverkehrsgesetz  56 ff., 133 ff. Gütergemeinschaft  72, 79 f., 105 Hamburg  42 f., 58, 72, 90 Haupterwerbsbetrieb  83 ff., 108, 185, 192 Hauptfeststellung der Einheitswerte  86 f., 145, 180 Hessen  15, 22, 28 f., 50 f., 58 Historie  21 ff., 129 f., 158 f., 172 f. Höferechtlicher Zweck  46, 63 ff., 180 ff., 195 Hoferklärung  91 ff., 128, 245 Höferolle  30, 49, 60, 93 f., 102 Hoffreies Vermögen  122 f., 142 Hofstelle  78 f., 134 Hofübergabevertrag siehe Übergabever­ trag Hofvermerk  82, 92 ff., 234 f. Hofzubehör siehe Zubehör Hypothek  148, 238 Industrielle Revolution  27 Inflation  36, 147 Inventar siehe Zubehör Interessenausgleich  143, 149 ff., 248 ff. Jüngstenerbrecht  98 f., 278 Juristische Personen  79 f., 95, 103, 207 Kapitalgesellschaft  79 f., 93, 203 ff. Kapitalisierungsfaktor  151 f., 172 f., 176 Kiesabbau  177, 230 Kontrollratsgesetz  41 ff., 53 f. Kredit  40, 52, 202, 232 Kulturlandschaft  68 f., 190 f. Landgut  116 ff., 157 ff. Landgutübernehmer  116 ff., 166 ff.

Landschaftspflege siehe Kulturland­ schaft Landwirtschaftliche Besitzung siehe Be­ sitzung Landwirtschaftliche Produktionsgenos­ senschaften  55 Landwirtschaftserbrechtlicher Zweck siehe höferechtlicher Zweck Landwirtschaftsfremde Nutzung  210 ff. Lebensmittel  68, 185, 187 f. Lebenspartnerschaft  101, 196 Leistungsfähigkeit  67, 82 ff., 130, 159 ff., 184 ff. Leitungsrechte  234 Letztwillige Verfügung  95 f., 110 f., 116, 131 f., 156, 170, 244, 255 ff. Liberalismus  26 ff., 33 Lohunternehmen  74 Löschung des Hofvermerks  93 f., 234 f. Mangelnde Altersreife  108 ff., 137 Mastbetrieb  74, 164 Mecklenburg-Vorpommern  56, 253 Meier  26, 49 Mietwohnung  146 f., 175, 198, 208, 212 ff., 229 f. Milchquote  229 Militärregierungsverordnung  45, 57, 73 Minderjährigkeit  108 ff. Mindestgröße  38 f., 82, 89 f., 119, 134 f., 159 ff. Mindestleistungsfähigkeit  82 ff., 119, 134 f., 159 ff. Mindestwirtschaftswert  82 f., 87 ff., 161 Mittelalter  23 ff. Mittelbares Anerbenrecht  29, 60 Musterhöfeordnung  276 ff. Nachabfindungsanspruch  195 ff. –– Berechnung  236 ff. –– Berechtigte  196 f. –– BGB-Landguterbrecht  248 ff. –– Erheblichkeit  215 ff. –– Frist  212, 218 ff., 235 f., 245, 254, 267

Stichwortverzeichnis297 –– Gewinne  211 ff. –– Höfeordnung  195 ff. –– Reform  245 ff., 266 ff. –– Tatbestände  197 ff. –– Verpflichtete  196 f. Nachkriegszeit  41 ff., 187 f. Nachlassverbindlichkeit  122, 148, 236, 240 ff. Nationalsozialismus  22 f., 36 ff., 41 f. Naturschutz  68 f., 190, 223 Nebenbetrieb  75, 82, 129, 133, 165, 176, 224 Nebenerwerbsbetriebe  83 ff., 108, f., 135, 160 ff., 185 f. Nichtlandwirtschafttliche Nutzung siehe landwirtschaftsfremde Nutzung Niedersachsen  22, 42, 58, 62, 72, 90, 227 Nießbrauch  148 Nordrhein-Westfalen  22, 42, 58, 62, 72, 90 Normzwecke siehe höferechtlicher Zweck Nutzungsänderung  146 f., 176 ff., 217 ff., 226 f. Obligatorisches Anerbenrecht  46, 48, 60 f. Öffentliche Abgaben  236 ff. Öffentliches Interesse  67 ff., 184 ff., 265 Ökologie  85, 191 Ökonomie  85, 191 Pachteinnahmen  212 ff., 223 ff. Pachtflächen  158 f., 175 f., 182 Partielles Bundesrecht  45, 55, 58 Partielles Landesrecht  47 ff. Pensionstierhaltung  164, 224 Personengesellschaft  79 ff., 93, 203 ff. Pflichtteil  62, 142 f., 156, 170 ff., 244 f. Pflichtteilsberechtigter  142, 146, 196, 251 ff. Pflichtteilsberechtigung  156

Pflichtteilsverzicht  245 Photovoltaik  74 f., 146, 221 ff., 242 Preußisches Bäuerliches Erbhofrecht  37 ff. Privatautonomie  60, 94, 239, 244, 259 Privilegierung  61 ff., 157 ff. –– der Betriebe  67 ff., 181 ff. –– des Betriebsübernehmers  61 ff., 157 ff., 168 f. –– von Nebenerwerbsbetrieben  83 ff., 160 f. –– Wegfall der Gründe  194 ff. Produktionsfaktor  66, 74, 181 f. Realteilung  21, 24 f., 37, 40, 48, 51, 275 Realverband  227 ff. Rechtsfortbildung  196, 211, 226 ff., 249 f. Rechtszersplitterung  42 ff., 276 ff. Regelungslücke  37, 248 ff. Regenerative Energie  75 f., 128, 147, 176, 188, 220 ff. Register  29 f., 60 Reichserbhofgesetz  23, 36 ff., 44 Reinertrag  87 f., 151 f., 171 ff., 261 Reinvestition  199 f., 237 Ruhender Betrieb  76 f. Saarland  22, 52, 117, 253 Sachsen  53, 253 Sachsen-Anhalt  55 f., 81, 201, 253 Sandabbau  230 f. Schleswig-Holstein  29, 42 f., 58, 72, 90, 98 Schutzwürdigkeit  73 ff. –– von Betrieben  73 ff., 77, 82, 85 ff., 117, 157 ff. –– von Personen  98 f., 148, 199, 202, 207, 249 Schwarzwaldhöfe  47 f. Singularsukzession  61 f., 121 ff., 125 ff. Sondererbfolge siehe Singularsukzession Sowjetische Besatzungszone  53 f.

298 Stichwortverzeichnis Standort  66, 74, 135, 181 f., 220 f. Steuerlicher Einheitswert  82 f., 144 ff. –– Grundsteuerreform  86 f., 150 ff. –– reformierte Grundsteuerwerte als Berechnungsgrundlage  88 f., 152 ff. –– unterbliebene Hauptfeststellung  145 f. Störung der Geschäftsgrundlage  260 ff. Strukturwandel  siehe Agrarstrukturwan­ del Stundung  147, 267 ff. Subjektive Anforderungen  103 ff., 137 f., 166 ff. Subvention  61, 147, 186 Systematik  43, 59 ff., 212 f., 225 f., 268 Testament  95, 116, 131 –– Anfechtung  257 f. –– Auslegung  256 –– gemeinschaftliches Testament  95 –– quasitestamentarische Erbfolge  99, 124 Testamentsubsituierende Nachfolgeindi­ kation  118 Testierfreiheit  34, 39, 44, 95 f., 114, 245 Thüringen  53, 253 Tierhaltung  73, 135, 164, 210, 224, 240 Treuwidrigkeit  219 f., 238 f., 254 f. Übergabepraxis  22, 50, 52 Übergabevertrag  78, 95, 105, 143, 192, 235, 265 f. Übernahmelast  66, 170, 183 Übernahmerecht  50, 57, 116, 129 ff., 156, 256 ff. Überschuldung  37 ff., 67 ff., 130 Umbau  229 f. Umweltschutz  68 f., 190 f., 223 Universalsukzession  61, 116, 121 f., 129, 258 Veräußerung  153 f., 165, 198, 201 ff., 251 f., 266 ff. Vereinheitlichung  43 ff., 47, 274 ff.

Verfügungsbefugnis  29, 32, 44, 235 f. Verfügungsbefugnis unter Lebenden  27 ff., 37, 40, 44, 126, 140 f., 235 Verkehrswert  62, 66, 146 f., 170 f., 174 ff., 182, 204 ff. Verlust der Hofeigenschaft  93 f. Vermächtnis  122, 129 ff., 196, 260 Vermietung siehe Mietwohnung Vermögensverwaltung  77, 166 f., 220 Verpachtung  76 ff., 128, 135, 165 f., 176, 181, 217 ff. Versicherung  191 f., 226 f. Vertrauensschutz  99 f. Verwaister Hof  102 f. Verwertung  195, 198 ff., 208 ff. Vollerwerbsbetriebe siehe Haupter­ werbsbetrieb Vorkonstitutionelles Recht  45, 55 Vorweggenommene Erbfolge  78, 95, 105, 141, 198, 266 Wertbestimmung  82 f., 142 ff., 171 ff. Wertgrenze  82 f., 87, 161 ff., 208 ff., 215 ff. Wertsteigerung  146, 177, 199, 206, 212, 223 Widmung  76, 132 f., 174, 195 ff. Wiederangespannter Betrieb  77 f. Wiedervereinigung  55 f. Windkraft  75 f., 128 f., 146, 220 ff., 233, 242 Wirtschaftsfähigkeit  100, 105 ff., 137 f., 167 Wirtschaftsgebäude  62, 78, 133, 158 f., 229 f. Wirtschaftswert  60, 82 ff., 92, 144, 150, 161 ff. Wohngebäude  63, 78 f., 134, 153, 159, 230 Zersplitterung  37 f., 67 f., 117, 185 ff. Zubehör  128 f., 133, 139 f., 187 f., 208 ff. Zugewinnausgleich  69, 196, 240

Stichwortverzeichnis299 Zuschlag zum Hofwert  145 ff., 224, 239 Zuweisungsverfahren  50 f., 56 f., 133 ff. Zwangsanerbenrecht  38, 91, 104 Zwangsversteigerung  195, 203

Zweck siehe höferechtlicher Zweck Zweckwegfall  194 ff. –– nach BGB-Landguterbrecht  249 ff. –– nach Höfeordnung  195 ff.