Die Systematik der übertariflichen Zulage: unter besonderer Berücksichtigung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats bei der Zulagenanrechnung anläßlich einer Tariflohnerhöhung [1 ed.] 9783428483150, 9783428083152

Die Frage nach der Abbaubarkeit übertariflicher Zulagen hat in den letzten Jahren angesichts der gewandelten wirtschaftl

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Die Systematik der übertariflichen Zulage: unter besonderer Berücksichtigung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats bei der Zulagenanrechnung anläßlich einer Tariflohnerhöhung [1 ed.]
 9783428483150, 9783428083152

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HENRIKE RAU

Die Systematik der übertariflichen Zulage unter besonderer Berücksichtigung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats bei der Zulagenanrechnung anläßlich einer Tariflohnerhöhung

Schriften zum Sozial- und Arbeitsrecht Band 135

Die Systematik der übertariflichen Zulage unter besonderer Berücksichtigung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats bei der Zulagenanrechnung anläßlich einer Tariflohnerhöhung

Von Henrike Rau

Duncker & Humblot · Berlin

Die Deutsche Bibliothek- CIP-Einheitsaufnahme Rau, Henrike: Die Systematik der übertariflichen Zulage unter besonderer Berücksichtigung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats bei der Zulagenanrechnung anlässlich einer Tariflohnerhöhung I von Henrike Rau. - Berlin : Duncker und Humblot, 1995 (Schriften zum Sozial- und Arbeitsrecht ; Bd. 135) Zugl.: Berlin, Freie Univ., Diss., 1994 ISBN 3-428-08315-6 NE:GT

Alle Rechte vorbehalten © 1995 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Werner Hildebrand, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0227 ISBN 3-428-08315-6 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier gemäß der ANSI-Norm für Bibliotheken

Vorwort

Die vorliegende Untersuchung wurde von der Juristischen Fakultät der Freien Universität Berlin 1994 als Dissertation angenommen. Dankbar bin ich Herrn Prof. Schmitt, der sie begleitet und das Erstgutachten dazu verfaßt hat. Herrn Prof. Hunscha danke ich für die Erstattung des Zweitgutachtens und die Freiheit, die er mir während der Tätigkeit an seinem Lehrstuhl für eigene wissenschaftliche Arbeit eingeräumt hat. Darüber hinaus möchte ich all denjenigen danken, die mich auf diesem Weg begleitet haben, so vor allem meinen Eltern, die dazu beigetragen haben, daß mein Studium zu diesem Abschluß fand und Herrn Dr. Robin Mattheis, der mich bei der Entstehung der Arbeit durch kritische Auseinandersetzung unterstützt und der mich immer wieder motiviert hat.

Berlin, im Dezember 1994

Henrike Rau

Inhaltsverzeichnis Teil} Einleitung

17

Teil2 Anspnx:bsbegründende Seite: Rechtliche Ausgestaltung von Gewährung,

Erhöhung und Widerruf übertariflicher Zulagen sowie deren Anrechnung oder Weitergabe anläßlich einer Tariflohnerhöhung

20

A.

Vorbemerlrung ..................................................... ... ................ ...............

20

B.

Begriff und Zweck der freiwilligen übertariflichen Zulage ...... .. .. .. .. ...... .. .. .. .... .. ..

22

Beariff der freiwilliaen Zulage unter Berücksichtigung der Merkmale übertariflich und außertariflich .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .

22

I. II.

Zweck der übertariflichen Zulage .. ........ .......... .. .. .... ...............................

25

1. 2.

25 26

Begriff der unbenaMten und benaMten übertariflichen Zulage .. ..... .. .... .. . Motive für die Gewährung unbenaMter übertariflicher Zulagen ............... a) Ergänzung tariflicher Entgelte zum Ausgleich tariflicher Fehlentwick1ungen.......................................................................... ...... b) Konjunkturzulage ....... ................ ... .. ...................... ................ c) Erzielung arbeitsmarkgerechter Entlohnung.... ........................ .. .... d) Feinabstimmung von Leistung und Gegenleistung.......... .... ............ e) Sonstige Gewährungsgründe .. .... .. .. .. .. .......... .................. .. .... .. ..

26 27 27 27 28

Motive für die Gewährung benaMter übertariflicher Zulagen.................. a) Honorierung besonders guter individueller Leistungen .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. b) Schmutzzulage/ Erschwerniszulagen........................................ ... c) Ausgleich regionaler Differenzen ..............................................

28 28 29 29

Rechtliche Ausgestaltung übertariflicher Zulagen im lndividualarbeitsvertrag...........

29

Gewährung einer freiwilligen übertariflichen Zulage....................................

29

1. 2.

Begriff der Gewährung .......... ...... .................... ...... .. .. .. .. .. .. ...... .... . Rechtliche Ausgestaltung der Gewährung im einzelnen..........................

29 29

Erhöhung einer freiwilligen übertariflichen Zulage .................. .... ...... ..........

31

1.

31

3.

C. I.

II.

Begriff der Erhöhung .......... .......... ........ .... .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. . .. .. .. .... ..

8

Inhaltaverzeichnia

m.

2.

Rechtliche Auagestaltung der Erhöhung im einzelnen............................

31

Anrechnung/ Weitet~abe einer freiwilligen ilbenaritlichen Zulage...................

32

1. 2.

32 32 32 34 35

3.

35 39

Widerruf einer freiwilligen übenariflichen Zulage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. .

41

Begriff des Widerruf&.... ............................................................... Rechtliche Ausgeataltung dea Widerruf& im einzelnen............................ Art und Weiae des Widerrufa..........................................................

41 41 43

V.

Kürzung dea Zulagevolume11.1................................................................

43

VI.

Neuverteilung des gekürzten Zulagevolume11.1... .........................................

4S

Rechtliche Ausgeataltung übenariflicher Zulagen in Allgemeinen Arbeitsbedingungen

46

I.

Vorbemerkung . .. . . . . . . . . .... ..... .. . ......... .. . . .. .. ... . . . . . . . . . . ........... .. . . . .. . . . ........

46

U.

Begriff und Rechtsgrundlagen der Allgemeinen Arbeitsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . .

46

1. 2. 3.

Arbeitsvertragliche Einheitsregelung... ....... ..................... ..... ... . ......... Geumtzuuge............................................................................. Betriebliche Übung......................................................................

47 47 47

m.

Gewährung übenaritlicher Zulagen miuela Allgemeiner Arbeitsbedingungen......

48

IV.

Erhöhung ilbenaritlicher Zulagen miuela Allgemeiner Arbeitsbedingungen........

48

V.

Widerruf/ Anrechnung ilbenaritlicher Zulagen miuela Allgemeiner Arbeitsbedingungen............................................................................................

48

IV.

1. 2.

3.

D.

Bei vorangegangener Gewährung aufgrund Individualvertrags . . . . . . . . . . . . . . . . . Bei vorangegangener Gewährung aufgrund Allgemeiner Arbeitsbedingungen.................................................................................... ...... Bei vorangegangener Gewährung aufgrund einer Betriebsvereinbarung . . . . . .

48

Weitergabe einer Tariflohnerhöhung im Wege Allgemeiner Arbeitsbedingungen .

SO

Rechtliche Ausgeataltung übenariflicher Zulagen auf betriebsverfassungsrechtlicher Ebene... ...............................................................................................

SO

1. 2.

3. VI. E.

Vorbemerkung............................................................................ Begriff der................................................................................. a) Anrechnung......................................................................... b) Weitergabe.......................................................................... Rechtsgrundlagen ........................................................................ a) Für die Anrechnung einer Tariflohnerhöhung auf übenarifliche Zulagen................................................................................... b) Für die Weitergabe einer übenariflichen Zulage anläßlich einer Tariflohnerhöhung.......................................................................

49 49

I.

Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

SO

n.

Begriff, Vorauaaetzungen und Wirkungen einer Betriebsvereinbarung ..............

SI

Inhaltsverzeichnis

9

m.

Gewährung übertariflicher Zulagen mittels Betriebsvereinbarung . . . . . . . . .. . . . . . . . . . .

52

IV.

Erhöhung übertariflicher Zulagen mittels Betriebsvereinbarung........... . .. .........

52

V.

Widerruf/ Anrechnung übertariflicher Zulagen mittels Betriebsvereinbarung . . . . . .

52

1.

Bei vorangegangener Gewährung aufgrund individualvertraglicher Regelung........................ ... ...................... ... ... ........................ ... ...... . Bei vorangegangener Gewährungaufgrund Allgemeiner Arbeitsbedingungen........................ .................. .... .................................. ...... ... . Bei vorangegangener Gewährungaufgrund einer Betriebsvereinbarung .. ....

55 57

Weitergabe einer übertariflichen Zulageaufgrund einer Betriebsvereinbarung.. ...

58

Regelungen hinsichtlich übertariflicher Zulagen auftarifvertraglicher Ebene. .. ...... ...

58

I.

Gewährung/ Erhöhung übertariflicher Zulagen mittels Tarifvertrages . . . .. . . . . . . . . . .

58

u.

Widerruf, Anrechnung oder Weitergabe übertariflicher Zulagen mittels Tarifvertrages....... .... ... ... ...... ........... ....... ... ..... .... ..... .... ........ .... ........... ....... .

58

Übergreifende Gültigkeitsvoraussetzungen für rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten übertariflicher Zulagen ............ ... ....................... ... ........................ ... ... ... . :.

60

I.

Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

60

u.

Geltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

60

I. 2. 3.

Begriff und Anwendungsbereich des Gleichbehandlungsgrundsatzes...... ... . Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes........................... ... ... ... . Rechtsfolgen einer Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ..... ... ... .

60 61 62

Freies oder billiges Ermessen... ............................ ....................... ...... ... .

62

Zusammenfassung.................. ... ....................... ............. .. ............ ... ... ... ...

64

2. 3. VI.

F.

G.

m. H.

52

Tei/3

Betriebsverfassungsrechtliche Seite: Beteiligungsrechte des Betriebsrats hinsichtlich übertarif1icher Zulagen

67

A.

Vorbemerkung ................ . .. .. ... ... ..................... ... .... .. ............ ...... .. ...... ... .

67

B.

Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats aus§ 87 I Nr. 10 BetrVG ......... .. ....... .. ... .

67

Vorbemerkung.... . ... .. .. ... .... ........ .. ....... .. .. .... ..... ....... ........ ... ...... .........

67

I.

D.

m.

Entwicklung von höchstrichterlicher Rechtsprechung und Literatur hinsichtlich der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats aus§ 87 I Nr. 10 BetrVG bei übertariflichen Zulagen . . . . . . . . . . ... . . . . ...... ....... .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

68

1. 2.

Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . .. . . . . . . . . . . ... . ......... .. . .. .. . .. .. . . . . . . . . .. . ........ ... .......... .... ... ...

68 74

Voraussetzungen des§ 87 I Nr. 10 BetrVG.. ... .. .. .. ... ... ........ ... .... ... ... ... ......

76

Inhaltsverzeichnis

10 1. 2.

Lohn im Sinne von § 87 I Nr. 10 BetrVG ..... ..................................... Betriebliche Lohngestaltung im Sinne von§ 87 I Nr. 10 BetrVG .............. a) b) c) d) e) f)

Begriff der betrieblichen Lohngestaltung aufgnmd granunatikalischer Auslegung.............. ........................ ................................ ..... Begriff der betrieblichen Lohngestaltung aufgrundteleologischer Auslegung................. .. ....................... ............................... ....... Zwischenergebnis... ...................................................... ......... Betriebliche Lohngestaltung nur bei systematischer Vorgehensweise? .. Veränderung des Verhältnisses bestimmter Lohnbestandteile zueinander... .... ......... ........... ..... ............. .... .... ....................... ........ Kollektivität der Maßnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . aa) Kollektivität als Mitbestimmungsvoraussetzung.............. ........ bb) Begriff der Kollektivität: Abgrenzung individueller/ kollektiver Maßnahmen, ausgehend vom Begriff der individuellen Maßnahme................................. .... .. ....................... .......... cc)

g) IV.

79 80 81 81 82 84 84 85 88 88 92 94

Ausschlußgründe hinsichtlich eines sich aus§ 87 I Nr. 10 BetrVG ergebenden Mitbestimmungsrechts ... ................ .. .. .... .......... . .. ...... ... .... ...... ...... ........

95

1. 2.

95 95 95

Vorbemerkung............ ... .......... ... ......... . .. ......... ..... .. ..... ..... .. ........ Ausschluß nach §§ 77 m, 87 I BetrVG ... .. .. .. ................. .... .. .... .. .. .. .. . a) b)

c) V.

Begriff der Kollektivität: Abgrenzung individueller/ kollektiver Maßnahmen, ausgehend vom Begriff der Kollektivität ...... ...... . (1) Rechtsprechungsübersicht und Darstellung der Literaturauffassungen.......................... ...................... ........ (2) Würdigung der vertretenen Auffassungen .. .... .. . .. .. .. .. ... Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

76 79

Verhältnis von §§ 77 m zu § 87 I BetrVG ................................... Voraussetzungen des § 87 I BetrVG ........................................... aa) Sachlicher Anwendungsbereich .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. . bb) Persönlicher Anwendungsbereich........ ...............................

97 97 97

Ergebnis ........... .... ......... .. ....... .... . ..... .... ..... ............. ...... ......

98

Grenzen eines Mitbestimmungsrechts aus§ 87 I Nr. 10 BetrVG aufgrundder Freiwilligkeit der übertariflichen Zulage.......... .........................................

98

1.

Vorbemerkung............ ... ........................................................ .....

98

2.

Bestehen einer lohnpolitischen Kompetenz des Betriebsrats?......... ... ........ a) Granunatikalische Argumente............ ... ... ... .................... .. ........ b) Systematische Argumente.................... ...... ........ .... .............. ... . c) Praktisches Argument......... ........... ...................... ................... d) Ergebnis.... ...... ......................... ......... ... .................... .. ....... . Grenzen des Mitbestimmungstatbestands nach § 87 I Nr. 10 BetrVG aufgeund der Freiwilligkeit der Leistung .. .. . .. .. . .. .. .. .. .. .. .. . .. . .. .. .. .. . .. .. . . .. .. . a) Mitbestimmungsbeschränkungen hinsichtlich des Dotierungsrahmens . . b) Mitbestimmungsbeschränkungen hinsichtlich des Zwecks der Leistung c) Mitbestimmungsbeschränkungen hinsichtlich des begünstigten Personenkreises...... .. . .. ... ........... .. ..... ... .... .. .... ....... ........... ... .. ... ....

100 100 101 102 102

3.

102 103 104 1OS

lnhaltsveneichnis d) 4.

5.

11

Würdigung............. ............................. .. ...................... ........ 106

Überschneidungsbereiche zwischen mitbestimmungspflichtigen und nicht der Mitbestimmung unterliegenden Fragen....................... .................. Grenzen in Bezug auf das Initiativrecht des Betriebsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vorbemerkung........ ........................ ..................................... b) Bestehen eines Initiativrechts.................................................... c) Schranken des Initiativrechts im einzelnen ...................................

108 109 109 109 110

VI.

Art und Weise der Durchführung der Mitbestimmung nach § 87 I Nr. 10 BetrVG III

Vß.

Rechtsfolgen fehlerhafter und/ oder unterbliebener Beteiligung nach § 87 I Nr. 10 BetrVG ...................................................... ...... ...................... ... ...... 114 1. 2.

3.

4.

5.

Vorbemerkung.................................................................. .......... Wirksamkeitstheorie ............................................................ ......... a) Begriff und Inhalt der Wirksamkeitstheorie .. . .. .. .. . . . ... ....... .... .. .. .. .. b) Rechtliche und praktische Hintergründe der Wirksamkeitstheorie .. ..... Beurteilung der Wirksamkeitstheorie unter Berücksichtigung anderer Lösungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Darlegung der Kritikpunkte hinsichtlich der Wirksamkeitstheorie . . . . . . . b) Würdigung der Kritik im Lichte weiterer Lösungsansätze................. Unwirksamkeitsfolgen im einzelnen............................................. ..... Einschränkungen der Wirksamkeitstheorie.. . ........................... . ........... a) b)

6. VW.

114 115 115 116 116 116 117 119 122

Einschränkungen bei Maßnahmen, die die Arbeitnehmer begünstigen. . 122 Einschränkung der Unwirksamkeitsfolge entsprechend dem Umfang des Mitbestimmungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124

Sonstige Rechtsfolgen betriebsverfassungswidrigen Verhaltens................. 124

Arbeitgebermaßnahmen und Mitbestimmungsrecht nach§ 87 I Nr. 10 BetrVG -Bestandsaufnahme und notwendige Neuorientierung-................................ 125 1. 2. 3.

Vorbemerkung........... ... ........... ......... ................................... ....... 125 Gewährung übertariflicher Zulagen.................................................. 125 Erhöhung übertariflicher Zulagen................. .. ............ ..... ................ 127

4.

Kürzung des Zulagevolumens ........... ..... .... .... ................................. Anrechnung oder Weitergabe einer Tariflohnerhöhung .... .. .. .. . . . ... ... .. .. .. . a) Kein Ausschluß des Mitbestimmungsrechts wegen FehJens einer Entscheidung des Arbeitgebers? .. . .. .. .. . . .. .. .. .. .. .. .. .. . .. .. .. . . .. . .. . .. .. . .. . .. aa) Vorbemerkung.... ........... ......... .... ... ....... .. ... ....... ... .... ..... bb) Rechtsprechungsübersicht und Darstellung der Literaturauffassungen zu "Entscheidung" und • Automatik" bei Anrechnungen.. cc) Würdigung der Auffassungen. ....... .... .............. .... .............. (1) Automatik oder Entscheidung? ................................. (2) Entscheidung als Voraussetzung für das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts? .......................................... b) Konsequenzen der Entscheidung des Großen Senats....................... aa) Anrechnung eines unterschiedlich hohen Betrags der Prozentsatzes einer Tariflohnerhöhung auf übertarifliche Zulagen .. . . .. ..

5.

128 128 128 129 129 130 130 134 134 135

I2

Inhaltsverzeichnis bb) cc) dd) ee)

f1)

Betragsmäßig gleichmäßige Anrechnung................... ........... Prozentual gleichmäßige Anrechnung bei Zulagen, die in einheitlieb gleichem Verhältnis zum Tariflohn stehen.............. .... Anrechnung eines identischen Prozenllllltzes der Tariflohnerhöhung bei unterschiedlich hohen prozentualen Zulagen.............. Anrechnung eines gleichen Prozenlllatzes der Tariflohnerhöhung bei unterschiedlichem Grundgehalt infolge unterschiedlicher Tariflohnerhöhung ............... ....... ... . ....................... .... ....... Prozentual gleichmäßige Anrechnung bei festem Sockelbetrag ...

gg)

c) d)

Anrechnung bis zur Höhe der Tariflohnerhöhung, die zum vollständigen Wegfall aller Zulagen führt. ................. .... . ......... .. hh) Vollständige und gleichmäßige Anrechnung der Tariflohnerhöhung auf übertarifliche Zulagen ... .... ... ...... .. .......... ... ....... ... ii) Sonstige Anrechnungsfälle ........ .................................... .. . Würdigung des bisherigen Lösungswegs........ ...................... ... .....

I3S I36 I36 I37 I37 13S I39 I40 I40

AufZeigen eines neuen Lösungswegs: Anknüpfung an die Neuverteilungsentscheidung . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14S Eingeschränkte Anknüpfung des Mitbestimmungsrechts an die Neuverteilungsentscheidung ..... ..... .................................. . I4S bb) Uneingeschränkte Anknüpfung des Mitbestimmungsrechts an die Neuverteilungsentscheidung ...... . .. .................................... ISO Sonderfälle....... .......................... .. ... .. .. ...................... .. ........ IS7 aa)

e)

Vorabzustimmung........ .............. ... ................. ................ Nebeneinander von tarifbeständigen und nichttarifbeständigen übertariflichen Zulagen .... .. ........ ...... ....... .... ...... . ....... ...... Widerruf................. ... ................... ...... ............................... ... .... a) Vorbemerkung.. ............................ ............................. ...... .... aa) bb)

6.

IS7 ISS ISS ISS

b)

7.

Rechtsprechungsübersicht und Darstellung der Literaturauffassungen zu Mitbestimmungsrechten beim Widerruf......................... .......... IS9 c) Würdigung der bisherigen Lösungswege und Aufzeigen eines neuen Lösungswegs: Anknüpfung des Mitbestimmungsrechtes an die Neuverteilungsentscheidung ........... ......... ................................ ...... I60 Neuverteilung bei gleichbleibendem Zulagevolumen: Umverteilung ..... ..... I63

c.

Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats aus§ S7 I Nr. li BetrVG ................. ....... I63

D.

Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats aus§ 99 BetrVG... ........ .. .... ............... .... I6S I.

Vorbemerkung... ... ............. ... ..... .... ............. ........ .... ................... ... .... I6S

n.

Begriff der Eingruppierung .. .. ...... ............. ... .. ...... ...... ......... .... .... .......... I6S

m.

Begriff der Umgruppierung .... .... ... ... ........... ................. .............. .... .. .... I66

IV.

Wahrnehmung der Mitbestimmungsrechte aus§ 99 BetrVG........................... I67

V.

Rechtsfolgen fehlerhafter und{ oder unterbliebener Beteiligung nach § 99 BetrVG I6S

E.

Informationsansprüche des Betriebsrat& . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . •. . . . . . . . . . I70 I.

Vorbemerkung............. ... .............. .............. ..................... ....... .......... I70

Inhaltsverzeichnis

F.

13

ß.

Informationsanspruch aus § 80 ß BetrVG .. . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170

m.

Art und Weise der Wahrnehmung der Beteiligungsrechte aus § 80 ß BetrVG . . . . . 172

lV.

Rechtsfolgen fehlerhafter und/ oder unterbliebener Beteiligung nach § 80 ß BetrVG ........................ .. ... ........................ ... ... ...... . ........... . ............. 173 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173

Teil4 Schlußbetrachtung

178

Eotscheidungsverzeichois

180

Literaturverzeichnis

185

Abkürzungsverzeichnis a.A. a.a.O

anderer Ansicht am angegebenen Ort

ab!.

ablehnend

Abs.

Absatz

abw.

abweichend

a.E.

am Ende

AGB AiB

Allgemeine Geschäftsbedingungen Arbeit im Betrieb ( Zeitschrift )

Anm.

Anmerkung

AP

Arbeitsrechtliche Praxis, Sammlung der Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts,der Landesarbeitsgerichte und Arbeitsgerichte. Zitiert mit der Nummer der Entscheidung zu den einzelnen Vorschriften entsprechend der Gestaltung in der Loseblattsammlung, München

AR- Blattei

Arbeitsrechts-Blattei, Stuttgart

ArbG

Arbeitsgericht

ArbuR

Arbeit und Recht ( Zeitschrift )

Art.

Artikel

ASU

Arbeitskreis selbständiger Unternehmer

Aufl.

Auflage

BAG BAGGS

Bundesarbeitsgericht Bundesarbeitsgericht Großer Senat

BAGE

Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts, amtliche Sammlung, Berlin

BB

Der Betriebsberater, Heidelberg ( Zeitschrift )

Beil

Beilage

BetrVG

Betriebsverfassungsgesetz vom 15 .01.1972

BetrVG 1952

Betriebsverfassungsgesetz vom 11.10. 1952

BGB

Bürgerliches Gesetzbuch vom 18.08.1896

BGBI

Bundesgesetzblatt

BPersVG

Bundespersonalvertretungsgesetz vom 15 .03 .1974

BT-Drocksache bzw.

beziehungsweise

ca.

circa

Bundestagsdrocksache

DB

Der Betrieb, Düsseldorf ( Zeitschrift )

ders.

derselbe

AbküiZIIngsverzeichnia d.h.

das heißt

ete.

et cetera

EzA f(ff)

Entscheidungs88mmlung zum Arbeitsrecht

FS gern.

Festschrift

15

folgende Seite(n) gemäß

GG

GIUndgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom 23.03.1949

GS

Großer Senat

h.M.

herrschende Meinung

Hrsg.

Herausgeber

i.d.F. i.d.R.

in der Fassung in der Regel

i.S.d.

im Sinne des

i.V.m.

in Verbindung mit

JUS

Juristische Schulung (Zeitschrift)

LAG

Lande88rbeitsgericht

m.E. mwN

meines Erachtens mit weiteren Nachweisen

NJW

Neue Juristische Wochenschrift ( Zeitschrift )

Nr.

Nummer

NZA

Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht ( Zeitschrift)

RdA RegEntw

Recht der Arbeit, Zeitschrift für die Wissenschaft und Praxis des ge88mten Arbeitsrechts RegieiUngsentwurf

Rspr.

Rechtsprechung

Rz

s.

Randziffer Seite

SAE

Sammlung arbeitsrechtlicher Entscheidungen, Düsseldorf

8.0.

siehe oben

str.

strinig

u .a.

unter anderem

u.U.

unter Umständen

v.a.

vor allem

vgl.

vergleiche

Vorbem. WGG

Vorbemerkung

WaR

Wirtschaftsrecht ( Zeitschrift )

z.B.

zum Beispiel

ZfA

Zeitschrift für Arbeitsrecht, Köln, Bcrlin, Bonn, München

Wegfall der GeschäftsgiUndlage

Ziff.

Ziffer

zust.

zustimmend

Teil I

Einleitung Anlaß und Ausgangspunkt der vorliegenden Untersuchung sind die Entscheidungen des Großen Senats (GS) des BAG vom 3.12.19911, die aufgrund von zwei Vorlagebeschlüssen des 1. Senats2 ergangen sind. Diese stellten die Frage, ob und in welchem Umfang Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats bei der Anrechnung einer Tariflohnerhöhung auf übertariflicher Zulagen bestehen. Darüberhinaus fragten sie nach Mitbestimmungsrechten hinsichtlich des Widerrufs übertariflicher Zulagen. Der GS hat die Vorlagen teilweise zurückgewiesen und Mitbestimmungsrechte nicht in dem vom vorlegenden Senat angenommenen Umfang bestätigt3. Damit hat er einer zunehmenden Ausweitung der Zuständigkeit des Betriebsrats, wie sie der 1. Senat in seinen Vorlagebeschlüssen anstrebt, Einhalt geboten. Anläßtich der Vorlagebeschlüsse sowie der Entscheidungen des GS sind die Kontroversen über Bestehen und Umfang von Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats hinsichtlich übertariflicher Zulagen im Schrifttum erneut entflammt. Die Entscheidungen des GS, die eine Vielzahl von Fragen offenlassen4 bzw. neue::. Fragen aufwerfen5, markieren also nur auf den ersten Blick ein Ende des wissenschaftlichen Streits6.

1 AP Nr. 52 zu§ 87 BetrVG; NZA 92, 749. 2 BAG NZA 90, 654; BB 90, 1485= SAE 90,221 mit Anm. Lieb gleichzeitig auch zur zuvor zitierten Entscheidung. 3 Vgl. ausruhrlieh Tei13 B.VUI.5 . und 6. 4 Teils, weil der GS sich nicht fiir befugt gehalten hat, über die Vorlagebeschlüsse des I. Senats vollumfänglich zu entscheiden, teils, weil der GS sich nicht mit allen von der Literatur in Zusammenhang mit den Vorlagebeschlüssen vorgebrachten Argumenten befaßt hat, vgl. auch Richardi, NZA 92, 961; Schukai, NZA 92, 967; Weber/ Hoß, NZA 93, 632. 5 Hromadka, DB 92, 1573, 1577; Richardi, NZA 92, 961. 6 Hromadka, DB 92, 1573, 1577; Stege/Schneider, DB 92, 2342. 2 Rau

18

Teil I: Einleitung

Die Beantwortung der Frage nach Mitbestimmungsrechten hinsichtlich übertariflicher Zulagen ist von aktueller wirtschaftlicher und sozialpolitischer Bedeutung und Dringlichkeit: In Zeiten der Hochkonjunktur versuchten Arbeitgeber mittels attraktiver Gestaltung der betrieblichen Sozialleistungen, d.h. meist durch eine großzügige Zusage freiwilliger Leistungen, die nicht in ausreichendem Maß zur Verfügung stehenden Arbeitskräfte des Arbeitsmarkts an sich zu binden7 • Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen haben sich aber in den letzten Jahren dahingehend geändert8 , daß in vielen Branchen das Wirtschaftswachstum stagniert bzw. sich sogar rückläufig entwickelt. Auch aufgrund zunehmender Rationalisierung hat sich das für die Arbeitnehmer günstige Verhältnis von Angebot zu Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt umgekehrt, und die Arbeitgeber sehen seltener Anlaß für die Gewährung übertariflicher Leistungen. Die in der hochkonjunktureilen Phase reichlich zugesagten freiwilligen Leistungen verstärken nun zusätzlich den Kostendruck auf wirtschaftlich bereits geschwächte Unternehmen. Um ihre Konkurrenzfähigkeit bzw. ihren Bestand zu sichern, ist daher für viele Unternehmen von maßgeblicher Bedeutung, ob - und gegebenenfalls wie - sie angesichts einer anderen wirtschaftlichen Situation zugesagte übertarifliche Leistungen den heutigen Verhältnissen anpassen bzw. sich ganz von ihnen lösen können9 • Die wirtschaftliche Bedeutung einer Anpassung oder Lösung wird deutlich, wenn man sich vergegenwärtigt, daß übertarifliche Zulagen in manchen Betrieben ein finanzielles Volumen erreicht haben, das sich im Betriebsdurchschnitt auf bis zu ca. 20 % des Tarifentgelts beläuft und manchmal sogar 50 % erreicht 10 • Bei dem Abbau von übertariflichen Zulagen ist folgender Interessenkonflikt zu berücksichtigen: Die Arbeitgeber wünschen sich flexible Lösungen 11 , während die Arbeitnehmer auch bei gewandelten äußeren Umständen die Erhaltung ihrer gewonnenen Entlohnungsstruktur anstreben, da sie ihren Lebensstandard darauf eingestellt haben. Der zentrale Ansatzpunkt für Anpassung oder Lösung von übertariflichen Zulagen liegt im Widerruf oder in der Anrechnung derselben 12 . Dabei sind 7 Ausführlich dazu Weyand, AuR 93, 3 mwN. 8 Höhne, RdA 83, 233, 234. 9 Blomeyer, OB 85 , 2506. I 0 Trittin, ArbuR 91 , 329 . II Vor allem, da zukünftige Tariflohnerhöhungen nicht absehbar sind, vgl. BAG OB 86, 2027, Bommermann, OB 91,2185. 12 Schneider, OB 93, 2530.

Teil

I:

Einleitung

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zwei Ebenen zu beachten. Zum einen die anspruchsbegründende Ebene, die Absprachen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer betrifft, und zum anderen die mitbestimmungsrechtliche Ebene, die die hinsichtlich dieser Absprachen bestehenden Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats regelt. Bei den seit Jahren kontrovers diskutierten Fragen der Anpassung bzw. Lösung von übertariflichen Zulagen ist eine Verlagerung der rechtlichen Fragestellung zu beobachten. Ursprünglich war vor allem strittig, welche Kriterien maßgeblich für Gewähr und Beständigkeit übertariflicher Zulagen sind. Inzwischen stehen, wie auch die hier zugrunde gelegten Entscheidungen belegen, die sehr umstrittenen betriebsverfassungsrechtlichen Fragestellungen im Vordergrund 13 . Eine Hauptschwierigkeit besteht heute in der Abgrenzung von mitbestimmungsfreien Arbeitgebervorgaben und mitbestimmungspflichtigen Arbeitgebermaßnahmen 14. Individual- und Kollektivarbeitsrecht sind im Bereich der übertariflichen Zulagen derart miteinander verzahnt, daß die hier zu betrachtenden betriebsverfassungsrechtlichen Fragen nur unter Beachtung der individualrechtliehen Seite beantwortet werden können. Im Verlauf der Untersuchung soll daher zunächst die individualrechtliche Seite des Rechts der übertariflichen Zulage dargestellt werden. Danach werden die mitbestimmungsrechtliehen Gesichtspunkte erörtert. Bisher fehlt eine systematische Aufarbeitung aller betroffenen rechtlichen Aspekte unter Berücksichtigung der bislang von Literatur und Rechtsprechung vorgebrachten Argumente. Darüberhinaus sind die vertretenen Positionen nicht immer dogmatisch abgesichert. Ziel der Arbeit ist eine derartige systematisch-dogmatische Aufarbeitung des Rechts der übertariflichen Zulagen, wobei der Schwerpunkt auf der mitbestimmungsrechtliehen Seite liegt. Die von der Rechtsprechung bisher teilweise bewußt 15 , teilweise unbewußt16 offen gelassenen Fragen sollen anband dieser Systematik ins vorhandene Rechtssystem eingeordnet und einheitlich gelöst werden.

13 So auch Lieb, SAE 90, 226; Ramrath, DB 90, 2593. 14 Blomeyer, DB 85, 2506; Bommermann, DB 91, 2188; Lieb, SAE 90, 226; Wiese, NZA 90, 793. !5 Vgl. GS unter B I I der Gri.inde, soweit es um einen Wideruf nicht aus Anlaß und in Höhe einer Tariflohnerhöhung geht. Soweit nachfolgend aus den Gri.inden der Urteile des GS zitiert wird, sind sowohl GS 1/90 als auch GS 2/90 gemeint, da sie wortgleich sind. 16 Vgl. Teil 3 B.VIII.5.

Teil2

Anspruchsbegründende Seite: Rechtliche Ausgestaltung von Gewährung, Erhöhung und Widerruf übertariflicher Zulagen sowie deren Anrechnung oder Weitergabe anläßlich einer Tariflohnerhöhung A. Vorbemerkung Kennzeichnend für das Arbeitsrecht ist die Vielfalt rechtlicher •Regelungsmechanismen I. So stehen Arbeitsvertrag, Allgemeine Arbeitsbedingungen, Regelungsabrede, Betriebsvereinbarung, Tarifvertrag, einfaches Gesetz und Verfassung für rechtliche Vereinbarungen zur Verfügung. Diesen können subjektive Rechte der einzelnen Arbeitnehmer korrespondieren. Die Rechtsfragen hinsichtlich der übertariflichen Zulagen sind daher auf drei Regelungsebenen, nämlich der individualrechtlichen, der tarifrechtliehen und der betriebsverfassungsrechtlichen Ebene angesiedelt. Die Systematik des Rechts der übertariflichen Zulage kann zunächst am besten anband des Individualrechts erläutert werden, da sich aus der individualrechtliehen Gestaltung Bewertungsgrundlagen für das Bestehen und den Umfang von Mitbestimmungsrechten ergeben. Das Mitbestimmungsrecht des § 87 I BetrVG2 bezweckt nämlich die Einschränkung individualrechtlicher Einflußmöglichkeiten des Arbeitgebers auf die Gestaltung von Arbeitsverhältnissen3. Die einschränkende Wirkung des Mitbestimmungsrechts kann aber

I Haug, BB 86, 1921. 2 Soweit nachfolgend Vorschriften des BetrVG zitiert werden, ist immer das BetrVG 72 gemeint, es sei denn, es ist ausdrücklich das BetrVG 52 zitiert. 3 BAG DB 57, 183; Oetker, RdA 91, 19; Ramrath, OB 90, 2593; zum Zweck des§ 87 I vgl. unten ausruhrlieh in Teii3.B.III.2.

A. Vorbemerkung

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nur anband der einzuschränkenden individualrechtliehen Gestaltung genau bestimmt werden4. Die individualrechtliche Ebene befaßt sich mit dem Verhältnis des Arbeitgebers zum einzelnen Arbeitnehmer. Ob eine übertarifliche Zulage im Verhältnis zum Arbeitnehmer rechtlich wirksam gewährt, widerrufen, angerechnet oder weitergegeben werden kann, bemißt sich daher zunächst lediglich nach den zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer geltenden Absprachen. Die individualrechtliche Seite bei Gewährung, Erhöhung, Widerruf, Anrechnung und Weitergabe übertariflicher Zulagen wird von der Rechtsprechung5 und dem Schrifttum stark vernachlässigt. Teils6 wird sie in wissenschaftlichen Abhandlungen kaum erwähnt, teils7 wird sogar besonders begrüßt, wenn die Betrachtung der individualrechtliehen Ausgestaltung als unwesentlich bezeichnet wird. Eine derartige Vorgehensweise wird der Komplexität und Bedeutung der individualrechtliehen Seite für die hinsichtlich übertariflicher Zulagen bestehenden Mitbestimmungsrechte nicht gerecht. Dies zeigt sich unter anderem daran, daß auch der GS in seiner Entscheidung vom 3.12.91 bei der Erörterung der Mitbestimmung immer wieder die individualrechtliche Seite berücksichtigt hat. So wird vom GS ein Ausschluß der Mitbestimmung dann angenommen, wenn eine vollständige Anrechnung der Tariflohnerhöhung auf die übertarifliche Zulage erfolgt. In diesem Fall fehlt jede weitere Gestaltungsmöglichkeit, da der Arbeitgeber individualrechtlich nicht mehr als die Tariflohnerhöhung anrechnen kann 8 . Deshalb ist es unzutreffend, wenn Weyand9 davon spricht, daß sich das Phänomen der übertariflichen Zulage erstmals vollständig von der individualrechtlichen Ebene emanzipiert habe. Vielmehr können die individualrechtliche und kollektivrechtliche Ebene nicht lösgelöst voneinander betrachtet werden. Ehe nun die rechtlichen Ausgestaltungsmöglichkeiten im einzelnen erörtert werden, sollen vorweg die vielfach mit unterschiedlicher Bedeutung verwendeten Begriffe geklärt werden, damit sich eine einheitliche Argumentationsgrundlage ergibt.

4 Ramrath, DB 90, 2593.

5 Vgl. Nachweise bei Matthes, NZA 87, 294. 6 Vgl. Hönsch, BB 88, 2313. 7 Weyand, ArbuR 93, 4.

8 Unter C.6.b)bb) der Grunde. 9 ArbuR 93, 4.

Teil 2: Anspruchsbegnindende Seite

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B. Begriff und Zweck der freiwilligen übertariflichen Zulage I. Begriff der freiwilligen Zulage unter Berücksichtigung der Merkmale übertarinich und außertarinich Das Tarifentgelt wird häufig durch Zulagen ergänzt10. Diese werden teils als außertariflich, teils als übertariflich bezeichnet. In seiner Entscheidung vom 31.5.197211 hat das BAG erstmals festgestellt, daß zwischen einer außer- und einer übertariflichen Zulage ein Unterschied besteht12. In der Vorinstanz waren, wie schon in vielen anderen Entscheidungen zuvor13 , die Ausdrücke synonym verwendet worden. Das BAG stellte dagegen fest, daß eine Regelung dann übertariflich ist, wenn sie zwar über die tariflich normierten Mindestbedingungen hinausgeht, jedoch dem Inhalt nach an diese anknüpft 14• Übertarifliche Zulagen sind danach Leistungen, die der Arbeitgeber unter Beibehaltung des tariflichen Entgeltsystems über das Tarifentgelt hinaus gewährt, da sie in einem inneren Zusammenhang mit ihm stehen 15 und so das tarifliche Entgelt verlängeml6. Neben der allgemeinen übertariflichen Zulage, die das laufende tarifliche Entgelt ergänzt, gibt es die übertarifliche Zulage zu tariflichen Zusatzleistungen17. Die Koppelung der allgemeinen übertariflichen Zulage an das Tarifentgelt führt dazu, daß die Gewährung der Zulage nur an die Erbringung der ohnehin geschuldeten Arbeitsleistungen geknüpft ist18. Damit dient auch die freiwillige übertarifliche Zulage der Vergütung der vertraglich geschuldeten Arbeits10 Stltt vieler anderer Ramralh, DB 90, 2593. ll BB 72, 1274. 12 Hinsichtlich des Einblicksrechts des Betriebsrats nach § 80 ll 2 BetrVG hat der Senat allerdings schon vorher stets zwischen außer- und überttriflichen Vergütungsbestandteilen unterschieden, vgl. BAG AP Nr. 3 zu§ 80 BetrVG. 13 BAG AP Nr. 6 zu § 4 TVG überttriflicher Lohn und Tariflohnerhöhung; BAG DB 80, 406. 14 Vgl. auch von Friesen, DB Beil. 11 80, S. 1 ff.; von Hoyningen-Huene, SAE 85, 298, 299.

15 Stege/ Weinspach, BetrVG, § 87 Rz 169 c. 16 Goos, NZA 86, 703; a.A. Ramralh, DB 90, 2595, der ganz auf die ökonomische Bedeutung derartiger Vereinbarungen abstellt und der Ansicht ist, daß durch eine Vergütungsvereinbarung unabhängig von ihrem Wortlaut ökonomisch stets eine einheitliche Vergütung festgelegt werde, ea im Rechtaainne also keine überttriflichen Zulagen gebe, sondern diese Bezeichnung lediglich eine bildhafte Beschreibung der Vergütung sei, die den Tariflohn übersteige. 17 Hromadk:a, DB 88, 2645 und vgl. nachfolgendes Beispiel. 18 Stege/ Rinlce, DB 91, 2386.

B. Begriff und Zweck der freiwilligen übertariflichen Zulage

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Ieistung 19. Es handelt sich also um Gegenleistungen aus dem Arbeitsvertrag, wenn sie auch nicht im Gegenseitigkeitsverhältnis stehen20 . Außertarifliche Zulagen sollen Leistungen des Arbeitgebers honorieren, die nicht bereits durch Tarifvertrag abgegolten sind und die keine Entsprechung im Tarifvertrag haben21.

Beispiel: Ein Tarifvertrag sieht für bestimmte Tätigkeiten Schmutzzulagen in Höhe DM 50.- im Monat vor. Der Arbeitgeber gibt aber DM 100.- im Monat als Schmutzzulage. Die die tarifliche Schmutzzulage überschreitenden DM 50.im Monat stellen eine übertarifliche Zulage zu tariflichen Zusatzleistungen dar, da es hinsichtlich der Schmutzbelastung bereits tarifliche Regelungen gibt, über die der Arbeitgeber lediglich hinausgeht. Enthält der Tarifvertrag dagegen gar keine Regelungen zu Schmutz- und Erschwerniszulagen, so sind die vom Arbeitgeber gewährten Zulagen außertariflich. Die Unterscheidung in außertarifliche und übertarifliche Zulage unterbleibt in der betrieblichen Praxis zumeist22 . Auch von Literatur und Rechtsprechung werden die Begriffe nicht immer sauber getrennt23 . Zudem knüpft das BAG selbst in der Entscheidung vom 31.5. 72, mit der es den Unterschied übertariflich/ außertariflich eingeführt hat, keine Konsequenzen an diese Unterscheidung an24 . Infolgedessen stellt sich die Frage, ob die Unterscheidung überhaupt sinnvoll ist. In der Literatur wird zum Teil gefordert, daß die Unterscheidung aufgehoben werden solle25, da ihr Sinn und Nutzen nicht erkennbar seien26 . Die Unterscheidung könnte nämlich allenfalls von Bedeutung hinsichtlich des Bestehens von unterschiedlichen Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats sein.

19 BAG AP Nr. staltung.

3, 5 zu§ 87 BetrVG Tarifvorrang; AP Nr. 4, 15 zu§ 87 BetrVG Lohnge-

20 0/ R, BetrVG, § 87 Rz 517; Jahnke, ZfA 80, 863; anders vgl. Schwerdtner, Fürsorgetheorie und Entgelttheroie, S. 145 ff, demzufolge derartige übertarifliche Zulagen teilweise nicht dem Bereich des Arbeitsentgelts zugeordnet, sondern als Leistungen in Erfüllung der dem Arbeitgeber obliegenden Fürsorgepflicht aufgefaßt wurden. S.

21 BAG BB 72, 1274; BAG OB 80, 1945; Goos, NZA 86, 703; Hunold, OB Beil. 26/ 81, 8; Oetker, RdA 91, 16, 22; a.A: Kraft, betriebliche Lohngestaltung, S. 210. 22 Hunold, OB Beil. 26/81, S. 8 mwN. 23 BAG OB 80, 407; Ziepke, BB 68, 389. 24 In der Entscheidung vom 16.4.80, OB 80, 1945 knüpft es erstmals rechtliche Folgen an

die Unterscheidung.

25 Mayer-Maly, OB 79, 991, Ziepke, BB 81, 62. 26 Hunold, OB Beil. 26/ 81 , S. 8; Mayer-Maly, DB 79, 988.

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Teil 2: Anspruchsbegründende Seite

Nach früherer Auffassung27 waren Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats aus § 87 I BetrVG hinsichtlich übertariflicher Zulagen wegen des Tarifvorrangs aus § 87 I Eingangssatz BetrVG ausgeschlossen. Da nach heutiger Auffassung § 87 I Eingangssatz BetrVG Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nur ausschließt, wenn hinsichtlich der fraglichen Angelegenheit bereits eine abschließende tarifliche oder gesetzliche Regelung besteht28 und das weder bei übertariflichen noch bei außertariflichen Zulagen der Fall ist, lösen über- und außertarifliche Zulagen mitbestimmungsrechtlich keine unterschiedlichen Rechtsfolgen aus29 . Eine begriffliche Unterscheidung ist daher nicht sinnvoll. Aus diesem Grund betreffen die nachfolgenden Ausführungen sowohl übertarifliche als auch außertarifliche Zulagen. Aus praktischen Gründen wird allerdings nur der Begriff übertarifliche Zulage verwendet30. Gegenstand der vorliegenden Untersuchung sollen nur die freiwilligen Zulagen sein. Freiwillig sind alle Leistungen des Arbeitgebers, zu denen er bisher weder aufgrund eines Gesetzes noch aufgrund einer Kollektivvereinbarung oder des Arbeitsvertrages verpflichtet war3 1, sondern die er aus eigenem Entschluß gewährt, auch wenn die Gewährung durch wirtschaftliche Zwänge bedingt ist32. Deshalb handelt es sich immer um eine freiwillige Leistung des Arbeitgebers, wenn bisher keine Rechtspflicht zur Gewährung bestand. Dennoch ist der Begriff der Freiwilligkeit geeignet, Verwirrung zu stiften33, da sich die Freiwilligkeit in der Regel nur auf die erstmalige Gewährung der Zulage bezieht. Daß anschließend Rechtsansprüche entstehen34 , z.B. weil der Arbeitgeber aus Anlaß der Gewährung der Leistung eine individualrechtliche Bindung eingegangen ist, ändert jedoch an der Freiwilligkeit nichts35.

27 Vgl. Teil3.B.IV.l. 28 Vgl. dazu ausfuhrlieh Teil3.B.IV.2.b)aa). 29 BAG AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG; D/ R, BetrVG, § 87 Rz 120, 129; F/ Al Kl H, BetrVG, § 87 Rz 10; von Hoyningen-Huene, Betriebsverfassungsrecht, § 12 I 2. 30 So auch Ziepke, Anrechnung, S. 6, 7. 31 Wiese, NZA 90, 793, 794. 32 Richardi/ Wlotzke, Handbuch, § 333 Rz 17; a.A. Schüren, RdA 91, 139, 140, der sich amBegriff der Freiwilligkeit stört, da die Zulage kein Geschenk an den Arbeitnehmer sei, sondern lediglich notwendige Konsequenz der wirtschaftlichen Situation auf dem Arbeitsmarkt und der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens. 33 Hilger Anm. zu BAG AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG Prämie. 34 BAG AP Nr. 2 zu § 87 BetrVG I..ohngestaltung; Richardi/ Wlotzke, Handbuch, § 333 Rz 17. 35 BAG AP Nr. 2 zu § 87 BetrVG l..ohngestaltung; Wiese NZA 90, 796.

B. Begriff und Zweck der freiwilligen übertariflichen Zulage

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II. Zweck der übertariflichen Zulage 1. Begriff der unbenannten und benannten übertariflichen Zulage Ausgangspunkt der Begriffsbestimmung ist, daß übertarifliche Zulagen das schematische, die kollektive Mindestsicherung gewährleistende Tarifsystem im Hinblick auf den Einzelfall verfeinern und ergänzen36. Das tarifliche Entgelt gilt nämlich nur die Normalleistung der Arbeitnehmer für die tariflich bestimmte Tätigkeit ab. Die Verfeinerung und Ergänzung kann aus verschiedenen Gründen erwünscht oder sogar erforderlich sein. In der Einleitung wurden bereits summarisch einige Motive für die Gewährung übertariflicher Zulagen benannt. Diese sollen nun systematisch dargestellt werden. Zunächst sind unbenannte und benannte Zulagen voneinander abzugrenzen. Diese Abgrenzung ist erforderlich, da für benannte und unbenannte Zulagen unterschiedliche Grundsätze gelten37. Die unbenannte Zulage unterscheidet sich von der benannten dadurch, daß die Motivation, auf der ihre Gewährung beruht, nicht Inhalt des Arbeitsvertrages geworden ist. Nur bei benannten Zulagen wird die der Gewährung zugrundeliegende Motivation Vertragsbestandteil38. Typisch für die "allgemeine", die "unbenannte" übertarifliche Zulage ist, daß zwar regelmäßig gute Gründe für ihre Gewährung bestehen, diese aber als bloße Motive keinen Eingang in den Vertrag gefunden haben3 9. Darauf, welche Zwecke bzw. Motive für die Gewährung unbenannter Zulagen in Betracht kommen, gibt es im arbeitsrechtlichen Schrifttum nur sporadisch Hinweise. Dies erstaunt umso mehr, als der Zweck für die rechtliche Ausgestaltung übertariflicher Zulagen sowie das Bestehen und den Umfang des Mitbestimmungsrechts von tragender Bedeutung ist40. Eine übertarifliche Entlohnung kann dazu dienen, besondere Leistungen des Arbeitnehmers, Arbeitserschwernisse wie Lärm, Schmutz, Kälte abzugelten oder besonderen Umständen des Einzelfalles, die bei der Bemessung des

36 Hromadka, OB 88, 2636. 37 Vgl. Teil 2.C.III.3. 38 Zur Begrifflichkeil etwas anders Hromadka, OB 88, 2386; vgl. auch Meisel, BB 91, 406, der andere Begriffe verwendet und in zweckgebundene und freiwillige Zulagen unterteilt. 39 Hromadka, OB 88, 2386; Ramrath, OB 90, 2593 "an keine weitere tatbestandliehe Voraussetzung geknüpfte Zulage •. 40 Vgl. dazu ausführlich nachfolgend Tei12.C.III.3.; Teii3.B.VIII.5.

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Teil 2: Anspruchsbegrundende Seite

Tariflohns unberücksichtigt geblieben sind, Rechnung zu tragen41 • Eine derartige, an besondere meßbare Umstände anknüpfende Zulage ist eine "benannte" Zulage, sofern die Umstände Eingang in den Vertrag gefunden haben. Das kann auch stillschweigend geschehen. Aus den von Rechtsprechung und Literatur benannten vielfältigen Zwecksetzungen lassen sich folgende grundlegende Ansatzpunkte herausarbeiten. 2. Motive für die Gewährung unbenannter übertariflicher Zulagen

a) Ergänzung tariflicher Entgelte zum Ausgleich tariflicher Fehlentwicklungen42

Wie bereits dargestellt43 , war einer der Gründe für die Vergabe übertariflicher Zulagen in den vergangeneo Jahren der Wunsch der Arbeitgeber, durch freiwillige Leistungen die knappen Arbeitskräfte des Arbeitsmarktes an sich zu binden. Zwar haben sich - wie die steigenden Arbeitslosenzahlen belegen inzwischen Angebot und Nachfrage am Arbeitsmarkt zugunsten der Arbeitgeber grundlegend verändert, doch besteht weiterhin ein Arbeitskräftemangel hinsichtlich bestimmter Arbeitnehmergruppen, z.B. bei Facharbeitern44 . Zu dieser Entwicklung haben unter anderem Tarifvertragsabschlüsse beigetragen, bei denen über Jahre hinweg im unteren Lohnbereich die Tariferhöhungen überproportionel ausfielen, so daß der Abstand zwischen unteren (ungelernten) Lohngruppen und Facharbeiterlohngruppen derart schrumpfte, daß der materielle Anreiz für eine zeitaufwendige, teure und qualifizierte Ausbildung stark gemindert war45 . Deshalb ist der Facharbeiternachwuchs geringer als die danach bestehende Nachfrage. Mitursächlich für den Facharbeitermangel ist die Bildungsreform der 70er Jahre, die die Hochschulen für eine breite Masse geöffnet hat, so daß sich viele statt für eine Facharbeiterausbildung für den lukrativer erscheinenden Akademikerstand entschieden haben. Durch Zulagen kann der Arbeitgeber in diese Fehlentwicklung korrigierend eingreifen.

41 Ziepke, BB 81, 61. 42 Eich, OB 80, 1340 f. 43 Vgl. Teil I. 44 Weyand, ArbuR 93, 3; vgl. auch Strukturanalyse der Bundesanstalt für Arbeit vom September 1993. 45 Eich, OB 80, l340f.; Hromadka, DB 88, 2386; Hunold, DB Beil. 26/81, S. 8.

B. Begriff und Zweck der freiwilligen übertariflichen Zulage

27

b) Konjunkturzulage Eine übertarifliche Zulage wird häufig auch dann gewährt, wenn der Tariflohn wegen der allgemeinen Lebenshaltungskosten oder der konjunkturellen Entwicklung tatsächlich nicht angemessen oder ausreichend ist46 . In diesem Fall spricht man von einer sogenannten "Konjunkturzulage". Der Tariflohn wird über die übertarifliche Zulage auf einen der konjunkturellen Entwicklung entsprechenden Lohn aufgestockt. c) Erzielung arbeitsmarkgerechter Entlohnung Die großflächig geltenden Tarifverträge orientieren sich an den leistungsschwachen bzw. kleinen Betrieben der Branche. Leistungsstarke Unternehmen haben auf diese Weise finanzielle Spielräume, die sie zur Anhebung der Effektivlöhne durch Einführung übertariflicher Zulagen nutzen, um qualifizierte Arbeitskräfte zu gewinnen47. d) Feinabstimmung von Leistung und Gegenleistung Die "summarischen Arbeitsbewertungsverfahren "48 der Tarifverträge erstellen nur ein Grobraster für die Tätigkeiten im Betrieb49 . Gerade durch die Automatisierungs- und Rationalisierungsprozesse von Produktion und Verwaltung sind die herkömmlichen Arbeitsbewertungsverfahren den betrieblichen Strukturen zum Teil nicht mehr angemessen50 . Die Ausgewogenheit von Leistung und Gegenleistung kann dann nur durch Einführung betrieblicher Arbeitsbewertungsverfahren oder übertariflicher Zulagen hergestellt werden. Sofern Arbeitsbewertungsverfahren bereits im Tarifvertrag vorgesehen sind, scheiden betriebliche Arbeitsbewertungsverfahren wegen des Vorrangs tariflicher Regelungen § 87 I Eingangssatz BetrVG51 aus. Die Ausgewogenheil von Leistung und Gegenleistung kann in diesem Fall nur über die Vergabe übertariflicher Zulagen erzielt werden.

46 Ziepke, BB 81, 64. 47 Hunold, OB Beil. 26/ 81, S. 8; Weyand, ArbuR 93, 3, 4 mwN; anders wohl Schirge/ Trittin, AiB 90, 248, 250, wonach die Arbeitsmarkzulage keine allgemeine Zulage ist. 48 Zum Begriff Gaul, Arbeitsrecht, E IV Rz 7. 49 Hromadka, OB 88, 2636. 50 Weyand, AuR 93, 3. 51 Ausführlich dazu vgl. Teil3.B.IV.2.b)aa) .

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Teil 2: Anspruchsbegründende Seite

e) Sonstige Gewlihrungsgrilnde

Übertarifliche Zulagen können auch dazu dienen, für die Zeit zwischen dem Auslaufen des letzten Tarifvertrags bis zum lokrafttreten des neuen Lohntarifvertrags eine Übergangsregelung zu treffen. Selbst wenn der neue Tarifvertrag eine rückwirkende Lohnerhöhung formell nicht enthält, wird sie materiell durch die Vergabe der übertariflichen Zulage bewirkt52. 3. Motive rür die Gewährung benannter übertariflicher Zulagen

a) Honorierung besonders guter individueller Leistungen

Soweit tarifvertragliche Leistungszulagen fehlen bzw. nicht ausreichen, können übertarifliche Zulagen dazu dienen, über dem Normalniveau liegende Leistungen zu honorieren5 3 • Die Leistungszulagen bilden den wichtigsten Anwendungsfall übertariflicher Bezahlung. Durch sie kann sowohl hinsichtlich der Leistungen des einzelnen Arbeitnehmers differenziert als auch das Entgeltspektrum insgesamt erweitert werden. Zulagen für besonders gute Leistungen haben hohe praktische Relevanz. Das zeigt sich auch daran, welche sonstigen Möglichkeiten zur Honorierung derartiger Leistungen zur Verfügung stehen. Besondere Leistungen können nämlich statt durch Vergabe übertariflicher Zulagen allenfalls durch Höhergruppierung oder Höherstufung (bei gleichbleibender Eingruppierung) im Tarifvertrag5 4 oder aber durch die Übernahme ins außertarifliche Verhältnis honoriert werden. Diese Vergehensweisen erscheinen jedoch anläßlich einer eventuell nur kurzfristigen Leistungssteigerung nicht angemessen. Einstufung und Eingruppierung beziehen sich nämlich auf Kategorien des Tarifvertrags. Die Entlohnung nach Tarifvertrag erfolgt aber unabhängig von der tatsächlich erbrachten Leistung des einzelnen; sie bem.ißt sich lediglich nach dem Aufgabengebiet des Arbeitnehmers. Die Veränderung der tariflichen Stellung könnte so eher lähmend wirken, weil durch sie leistungsunabhängige Besitzstände geschaffen werden, die den Arbeitnehmer nicht veranlassen, sich über eine Mindestverpflichtung hinaus zu engagieren, da er ohnehin höher entlohnt wird als früher. Die Verleihung des Status als außertariflicher Mitarbeiter ist ebenfalls kein adäquates Mittel zur Abgeltung besonderer Leistungen. Er ist nämlich häufig

52 Blomeyer, Anrn. zu BAG AP Nr. 2 zu§ I TVG Tarifverträge : Metallindustrie. 53 Hromadka, DB 88, 2686; Weyand, ArbuR 93, 3; Ziepke, BB 81, 64. 54 Hunold, DB Beil. 26/ 81, S. 8.

C. Rechtliche Ausgestaltung im Individualarbeitsvertrag

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an bestimmte Erfordernisse wie vor allem an ein bestimmtes, relativ hohes Mindestgehalt geknüpft. Die als leistungsgerecht empfundene individuelle Lohnanhebung könnte dagegen motivierend wirken und fiir den Arbeitnehmer den Anreiz schaffen, weiterhin besondere Leistungen zu erbringen, damit er abermals eine Zulage erzielt. b) Schmutzzulagel Erschwerniszulagen

Schmutz- und Erschwerniszulagen sind Zulagen, die besonders schmutzige oder schwere Tätigkeiten vergüten. c) Ausgleich regionaler Differenzen

Haben Mitarbeiter eines Unternehmens ihren Arbeitsvertrag mit dem in einem Bundesland ansässigen Stammhaus geschlossen, werden sie nach dem dortigen Tarifvertrag entlohnt. Sofern sie aber vereinbarungsgemäß in einem anderen Bundesland, in dem z.B. wegen der dort bestehenden Lebenshaltungskosten die Tariflöhne höher angesetzt sind, tätig werden, so können derartige, sachlich nicht zu begründende Verdienstunterschiede im Wege übertariflicher Zulagen ausgeglichen werden55.

C. Rechtliche Ausgestaltung übertariflicher Zulagen im Individualarbeitsvertrag I. Gewährung einer freiwilligen übertariflichen Zulage 1. Begriff der Gewährung

Die Gewährung einer freiwilligen übertariflichen Zulage ist die zugesagte und/ oder tatsächlich erbrachte übertarifliche Entlohnung, zu der der Arbeitgeber bisher weder nach Gesetz noch nach Kollektivvertrag oder nach Individualvertrag verpflichtet war56. 2. Rechtliche Ausgestaltung der Gewährung im einzelnen

Die individualrechtliche Gewährung einer übertariflichen Zulage ist nach § 4 III TVG zulässig, da sie eine Änderung tariflicher Regelungen zugunsten 55 Dazu Hunold, DB Beil. 26/81, S. 8. 56 Wiese, NZA 90, 793, 794.

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Teil 2: Anspruchsbegründende Seite

der Arbeitnehmer enthält. Die Tarifnormen, die den Inhalt eines Arbeitsvertrages regeln, gelten unmittelbar zwingend nur zwischen den tarifgebundenen Arbeitnehmern und Arbeitgebern (§ 3 TVG). In der Praxis wird jedoch innerhalb eines tarifgebundenen Unternehmens regelmäßig kein Unterschied zwischen organisierten und nichtorganisierten Arbeitnehmern gemacht. Organisierte Arbeitgeber lllhlen aus mehreren Gründen auch den nichtorganisierten Arbeitnehmern zumeist den Tariflohn: Zum einen ist nämlich die Frage nach der Gewerkschaftszugehörigkeit bei Einstellung unzulässig und darf deshalb, falls sie gestellt wird, falsch beantwortet werden5 7. Deshalb erfährt der Arbeitgeber häufig erst nach der Einstellung, also nachdem er die Entgeltvereinbarung getroffen hat, ob der Arbeitnehmer tarifgebunden ist oder nicht. Zum anderen würden die Arbeitgeber dann, wenn sie Nichtorganisierte untertariflich belllhlen, die Arbeitnehmer in die "Arme Gewerkschaft" treiben. Darüber hinaus würde bei untertariflicher Belllhlung nichtorganisierter Arbeitnehmer die Gefahr von Unruhe im Betrieb bestehen. Auch nicht organisierte Unternehmer lehnen sich bei der Entlohnung häufig an branchenübliche Tarifverträge an5 8 . Da die Tarifnormen nur zwischen den Mitgliedern der Tarifvertragsparteien unmittelbar zwingend gelten, wirken sich Tariflohnerhöhungen bei fehlender Taritbindung nicht normativ auf die einzelvertagliche Vereinbarung aus59, es sei denn, der Tarifvertrag ist für allgemeinverbindlich erklärt worden (§ 5 IV TVG). In den Fällen fehlender Tarifgebundenheit sind die nachfolgend - hinsichtlich tarifgebundener Arbeitnehmer und Arbeitgeber - dargelegten Grundsätze daher nicht uneingeschränkt anwendbar. Auf die bestehenden Differenzen kann allerdings im Rahmen dieser Arbeit nicht eingegangen werden. In der Praxis nehmen Einzelarbeitsverträge zunehmend Bezug auf Tarifverträge. Der Arbeitgeber wird dadurch einzelvertraglich verpflichtet, den Arbeitnehmer so zu behandeln, als ob er Mitglied der tarifschließenden Gewerkschaft wäre. Auf diesem Wege werden trotz fehlender Normativwirkung des Tarifvertrags letztlich die gleichen Ergebnisse erzielt. Für die zur Regelung übertariflicher Belllhlung vorkommenden einzelvertraglichen Absprachen stehen verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten zur Verfügung. Eine Möglichkeit ist die Vereinbarung eines einheitlichen Effektivlohns, bei dem Tariflohn und übertarifliche Zulage eine Einheit bilden, so daß die Höhe der übertariflichen Zulage nicht ausgewiesen ist (sog. Einheitsprin-

57 Richardi/ Wlotzke, Handbuch, § 38 Rz 116, 117 mwN . 58 Meise!, BB 91,407. 59 Meise!, BB 91,406 .

C. Rechtliche Ausgestaltung im Individualarbeitsvertrag

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zip)60 . Die Höhe des nicht gesondert ausgewiesenen Lohnbestandteils ergibt sich in diesem Fall lediglich aus dem rechnerischen Unterschied zwischen dem Effektivlohn und dem Tariflohn61 . Ist als Vergütung nur ein bestimmter Effektivbetrag vereinbart, so liegt dieser Vereinbarung in manchem kleinen Betrieb nicht einmal eine Eingruppierung in eine Entgeltgruppe zugrunde. Die Höhe von Tariflohn und übertariflicher Zulage ist dann weder für den Arbeitgeber noch für die Arbeitnehmer ohne weiteres erkennbar. Eine andere Möglichkeit sieht vor, daß die Arbeitsvertragsparteien keinen einheitlichen Effektivlohn vereinbaren, sondern nur die Zahlung des Tariflohns zuzüglich Zulagen (sog. Trennungsprinzip). Hier ist der Effektivlohn nicht ausgewiesen, sondern muß errechnet werden. Anspruchsgrundlage für die Zahlung eines den Tariflohn übersteigenden Effektivlohns an den Arbeitnehmer ist bei beiden Gestaltungsmodellen der zugrundeliegende Arbeitsvertrag62 .

II. Erhöhung einer freiwilligen übertariflichen Zulage 1. Begriff der Erhöhung

Die Erhöhung einer übertariflichen Zulage tritt regelmäßig durch deren Aufstockung ein. Diese erfolgt zumeist anläßlich einer Tariflohnerhöhung. Die Erhöhung der übertariflichen Zulage ist streng zu trennen von der Aufstockung des Effektiventgelts aufgrund der Nichtanrechnung/ Weitergabe63 einer Tariflohnerhöhung. Hierbei wird in den meisten Fällen anläßlich einer Tariflohnerhöhung der Tariflohnanteil erhöht, wobei die übertarifliche Zulage in der bisherigen Höhe aufrecht erhalten bleibt und gerade nicht erhöht wird. 2. Rechtliche Ausgestaltung der Erhöhung im einzelnen

Ob eine Tariflohnerhöhung zur Erhöhung einer übertariflichen Zulage um einen bestimmten Betrag oder Prozentsatz führt, ist eine Frage der zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarung. Die Gewährung einer derartigen Erhöhung kann vertraglich mit einer Tariflohnerhöhung verknüpft oder aber isoliert vereinbart werden. Ausdrückliche Regelungen über die Erhöhung 60 BAG AP Nr. 7 zu § 4 TVG übertariflicher Lohn; BAG AP Nr. 47 zu § 242 BGB Gleichbehandlung; vgl. auch Lieb, SAE 90, 227; Oetker, RdA 91, 19 gibt diesem Gestaltungsmodell dem Namen "Einheitprinzip" ; ebenso Schwab, BB 93, 501. 61 Lieb SAE 90, 226, 227. 62 BAG OB 58, 547; Großmann/ Schneider, Arileitsrecht, Rz 456 . 63 Vgl. dazu unten Teil 2.C.IU.2.b) und 3.b).

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Teil 2: Anspruchsbegründende Seite

übertariflicher Zulagen sind allerdings sehr selten64. Eine konkludente Regelung kann sich freilich aus dem Zweck der Zulage ergeben. Beispiel: Dient eine übertarifliche Zulage dem Ausgleich regionaler Differenzen, so kann das ein Anhaltspunkt für eine Verpflichtung des Arbeitgebers zur Erhöhung der Zulage um denselben Prozentsatz wie die Tariflohnerhöhung65 sem. In den Fällen des Ausgleichs regionaler Differenzen und tariflicher Fehlentwicklungen wird deshalb regelmäßig von einer Verpflichtung des Arbeitgebers zur Erhöhung der Zulage auch ohne besondere Vereinbarung ausgegangen66 . In den Fällen der Vergütung für besonders gute individuelle Leistungen bestehen vergleichbare Anhaltspunkte für eine Verpflichtung des Arbeitgebers zur Erhöhung nicht.

111. Anrechnung/ Weitergabe einer freiwilligen übertariflichen Zulage 1. Vorbemerkung

Es ist strittig, welche Rechtsfolgen sich ergeben, wenn der Tariflohn durch Tarifvertrag erhöht wird, der Arbeitnehmer aber bereits kraft individualvertraglicher Abrede wegen Erhalts einer übertariflichen Zulage ohnehin einen höheren Lohn bezieht. Es kommen zwei Lösungsmöglichkeiten in Betracht: Entweder geht die Tariflohnerhöhung im Effektivlohn auf, oder sie erhöht ihn. 2. Begriff der

a) Anrechnung

Anrechnung meint die teilweise oder vollständige "Beseitigung" emer übertariflichen Zulage anläßlich einer Tariflohnerhöhung.

64 Hunold, OB Beil.26/ 81, S. 9. 65 Hunold, OB Bei1.26/81, S. 9. 66 Hunold, OB Beil.26/8l, S. 10.

C. Rechtliche Ausgestaltung im Individualarbeitsvertrag

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Für diesen Vorgang werden jedoch auch andere Begriffe verwendet. So wird bezüglich der Beseitigung übertariflicher Zulagen auch von Verrechnung67 und sogar von Aufrechnung68 gesprochen. Die Aufrechnung, wie sie in§§ 387 ff. BGB geregelt ist69 , dient vorrangig der Vereinfachung von Güterverschiebungsvorgängen, indem sie beiden Parteien das Hin- und Herschieben von Geldbeträgen erspart. Sie ist typischerweise in beide Richtungen möglich, die Beseitigung einer übertariflichen Zulage kann dagegen immer nur der Arbeitgeber gegenüber dem Arbeitnehmer vornehmen. Der Begriff der Anrechnung trifft den Fall der Beseitigung einer übertariflieben Zulage anläßlicb einer Tariflohnerhöhung also nicht genau. Auch der Begriff der Verrechnung ist ungenau: Der Begriff der Verrechnung ist nämlich erst im Zusammenhang mit der Umsetzung der Anrechnung einer Tariflohnerhöhung von Bedeutung. Er bezieht sich nicht - wie der Begriff der Anrechnung - darauf, was anläßtich der Tariflohnerhöhung mit der einzelnen Zulage geschieht, sondern betrifft die Auswirkungen der Anrechnung auf die sonstigen Lohnbestandteile.

Beispiel: Der Arbeitgeber A gewährt seinen Mitarbeitern zum Tariflohn von DM 2500.- eine übertarifliche Zulage in Höhe von DM 200.-. Eine Tariflohnerhöhung um DM 100.- rechnet er (zulässigerweise) zur Hälfte an. Begrifflich besteht die Anrechnung in der Reduzierung der übertariflichen Zulage um DM 50.-. Die Verrechnung bezeichnet die Folge der Anrechnung, nämlich die Umsetzung der Reduzierung im Arbeitsverhältnis. Der Arbeitgeber hat den Arbeitnehmern nach der Anrechnung effektiv DM 2750.- zu zahlen, wobei sich der Effektivlohn dann wie folgt zusammensetzt: DM 2600.- Tariflohn und DM 150.- übertarifliche Zulage. Für die Reduzierung bzw. Beseitigung übertariflicher Zulagen ist daher allein der Begriff der Anrechnung zutreffend. Sprachliche Unklarheiten bestehen auch hinsichtlich des Bezugspunkts der Anrechnung. Teils wird von einer Anrechnung der übertariflichen Zulage auf die Tariflohnerhöhung70, teils von einer Anrechnung der Tariflohnerhöhung

67 Ramrath, DB 90, 2594. 68 Vgl. dazu BAG DB 87, 1542. 69 Vorschriften des BGB sind grundsätzlich im Betriebsverfassungsrecht anwendbar, soweit sie im Einzelfall passen, Ramrath, DB 90, 2600; Schukai/ Ramrath, SAE 89, 184; Wiese, NZA

90, 796. 70 BAG DB 80,1350; so auch Oetker, RdA 91, 21. 3 Rau

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auf die übertarifliche Zulage71 gesprochen. Von einer Anrechnung der übertariflichen Zulage auf die Tariflohnerhöhung zu sprechen ist aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen fehlerhaft12, da der Tariflohn unabdingbare Mindestarbeitsbedingung für alle tarifgebundenen Arbeitnehmer ist, die bei einem tarifgebundenen Arbeitgeber beschäftigt sind. Infolgedessen kann sich nur die übertarifliche Zulage verändern, sie allein kann Gegenstand der Anrechnung sein73 . Beispiel: Beträgt der Effektivlohn DM 17.- und sind davon DM 15.- Tariflohn, die verbleibenden DM 2.- die übertarifliche Zulage, so bleibt der Effektivlohn nach einer Tariferhöhung von DM 1.- die Stunde regelmäßig unberührt74 • Er setzt sich aber nach der Tariflohnerhöhung wie folgt zusammen: DM 16.Tariflohn und DM 1.- übertarifliche Zulage. Es liegt eine Anrechnung der Tariflohnerhöhung auf die übertarifliche Zulage vor.

Eine die Anrechnungsmöglichkeit auslösende Tariflohnerhöhung kann in folgenden Fällen vorliegen: Der Normalfall der Tariflohnerhöhung ist die sich aufgrund des Abschlusses eines neuen Tarifvertrags ergebende höhere Entlohnung der Arbeitnehmer innerhalb der bestehenden Entgeltgruppen. Eine Tariflohnerhöhung des einzelnen erfolgt aber nicht nur anläßlich eines neuen Tarifvertrags, sondern auch bei seiner Höhergruppierung75 . Darüber hinaus ist der tarifliche Ausgleich für eine Arbeitszeitverkürzung die Tariflohnerhöhung im Sinne des Arbeitsrechts 76. b) Weitergabe

Weitergabe einer Tariflohnerhöhung ist die Fortzahlung der übertariflichen Zulage zusätzlich zum neuen Tariflohn77 • Durch die Fortzahlung der über?I BAG DB 79,215; Fl Al Kl H, BetrVG, § 87 Rz 127 c; Hönsch, BB 88, 2312 ff.; Mache, DB 89, 2170; Ramrath, DB 90, 2593, 2594; Stege/ Weinspach , BetrVG, § 87 Rz 174 b. 72 Vgl. Hunold, DB Beil. 26/81, S. 9. 73 BAG DB 87, 1542, wonach sich bei Anrechnung eines übertariflichen Lohnbestandteils mangels gegenteiliger Vereinbarung die übertarifliche Zulage verringert. 74 Vgl. nachfolgenden Text. 75 Herbst, DB 87, 741; einschränkend aber Schirge/ Trittin, AiB 90, 248, die davon ausgehen, daß die Vereinbarung der Anrechnung von Tariflohnerhöhungen noch keine Vereinbarung der Anrechenbarkeit bei Höhergruppierung bedeutet, die in vielen Tarifverträgen noch immer automatisch bei Erreichen der Altersgrenze vorgesehen ist. 76 BAG SAE 89, 322; Bommermann, DB 91, 2185 . 77 Ramrath, DB 90, 2594 mwN in Fußnote 16.

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tariflichen Zulage kommt es zu einer Aufstockung des bisherigen Effektivverdienstes um den Betrag der Tariflohnerhöhung. Die Weitergabe verändert also nicht die bisherige Höhe der Zulage.

3. Rechtsgrundlagen Anrechnung von übertariflichen Zulagen und Weitergabe von Tariflohnerhöhungen sind zwei Seiten derselben Medaille. Beide betreffen mögliche Auswirkungen einer Tariflohnerhöhung auf den Verdienst des Arbeitnehmers.

a) Für die Anrechnung einer Tariflohnerhöhung auf übertarifliche Zulagen Eine Anrechnung kann auf der Ausübung eines Anrechnungsvorbehalts beruhen. Dieser kann ausdrücklich vereinbart sein78 , da der einzelne Arbeitsvertrag das im Vordergrund stehende Regelungsinstrument für übertarifliche Zulagen ist19.

Beispiel: "Bei der übertariflichen Zulage in Höhe von DM xy handelt es sich um eine freiwillige Leistung, auf die auch bei wiederboller Gewährung kein Rechtsanspruch für die Zukunft besteht. Auf diese Leistung können jederzeit tarifliche Veränderungen und Umgruppierungen ganz oder teilweise angerechnet werden. "80 Fehlt im Arbeitsvertrag eine besondere Regelung, so muß die Auswirkung einer Tariflohnerhöhung auf die übertarifliche Zulage durch Auslegung gemäß §§ 133, 157 BGB festgestellt werden 81 . Der Tarifvertrag regelt lediglich tarifliche, nicht jedoch übertarifliche Lohnbestandteile, so daß sich die Auslegung nur am Arbeitsvertrag bzw. an den die übertarifliche Zulage regelnden Allgemeinen Arbeitsbedingungen oder der Betriebsvereinbarung orientieren kann82. Eine stillschweigende Vereinbarung liegt vor, wenn die Umstände ergeben, daß die Zulage jeweils zusätzlich zum Tarifentgelt gewollt war. 78 Blomeyer, Anm. zu BAG AP Nr. 2 zu § I TVG Tarifverträge: Metallindustrie; Bommermann, DB 91, 2185; Hunold, DB Beil. 26/ 81, S. 10; Joost, JUS 89, 276, 277; Knevels, OB 67, 81 ; Lieb, SAE 90, 227 mit RS Nachweis in RZ 4; Monjau, DB 65, 1249; Ziepke, BB 68, 389 ff. 79 BAG AP Nr. 6 zu § 4 TVG übertariflicher Lohn und Tariflohnerhöhung. 80 Ziepke, BB 81 , 64. 81 Ramrath , OB 90, 2593, 2594. 82 Joost, JUS 1989, 276, 277.

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Haben die Arbeitsvertragsparteien ausdrücklich oder stillschweigend vereinbart, daß die übertarifliche Zulage erhalten bleibt, so erhöht sich das tariflich abgesicherte Grundgehalt und das Effektiventgelt insgesamt. Teilweise wird vertreten, daß der Anrechnungsvorbehalt der einzelvertraglichen Abrede innewohnt83 , also konkludent bereits Vertragsinhalt und mittels erläuternder Auslegung zu ermitteln sei, teilweise wird der Anrechnungsvorbehalt auf dem Wege der ergänzenden Vertragsauslegung hergeleitet84. Eine erläuternde Auslegung kommt nur dann in Betracht, wenn der Arbeitsvertrag Anhaltspunkte oder Regelungen enthält, diese aber unklar sind. Üblicherweise haben sich die Parteien aber keine Gedanken über eine Änderung des Tariflohns oder der wirtschaftlichen und/oder rechtlichen Rahmenbedingungen gemacht und deshalb hierzu auch keine Erklärungen abgegeben85. Methodisch kommt in diesen Fällen nur eine ergänzende Vertragsauslegung86 in Betracht. In dieser ist zu ermitteln, ob die Parteien bei Berücksichtigung einer Tariflohnerhöhung eine Anrechnungsmöglichkeit in den Vertrag aufgenommen hätten. Weder eine historische noch eine grammatikalische noch eine systematische Auslegung sind hier sinnvoll, so daß sich die Frage nur im Wege der teleologischen Auslegung, also mit Blick auf Sinn und Zweck der Anrechnung zutreffend beantworten läßt. Die Anrechnung dient der Billigkeit und soll verhindern, daß ein Arbeitnehmer mehrere Leistungen erhält, die demselben Zweck dienen87 . Somit können nur Leistungen angerechnet werden, deren Zweckbestimmung identisch mit der Tariflohnerhöhung ist88 . Die Auslegung hinsichtlich der Frage, ob übertarifliche Zulagen anläßtich einer Tariflohnerhöhung im Einzelfall angerechnet werden können oder nicht, richtet sich demnach nach dem erkennbaren Zweck der Zulage89.

83 BAG AP Nr. 5 zu § 4 TVG übertariflicher Lohn und Tarißohnerböhung. 84 BAG AP Nr. 6 zu § 4 TVG übertariflicher Lohn und Tarißohnerböhung. 85 Das zeigt sich daran, daß die Verträge fiir diesem Fall keine Regelungen enthalten. 86 So BAG, DB 58, 547; Bommermann, DB 91 , 2185; Lieb, SAE 90, 227; Ziepke, BB 81, 62; a.A. BAG, AP Nr.7 zu § 4 TVG übertariflicher Lohn und Tarißohnerböhung. 87 Hersehe!, Anm. zu BAG AP Nr. 13 zu § 4 TVG übertariflicher Lohn und Tarißohnerböhung; Ziepke, BB 81,61 ff. 88 Hersehe!, Anm. zu BAG AP Nr.I3 zu § 4 TVG übertariflicher Lohn und Tarißohnerhöhung. 89 BAG DB 79, 215; Hunold, DB Beil. 26/ 81, S. 9; Joost, JUS 89, 276, 277; Ziepke, BB 81, 62.

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Zur Ermittlung des mit der Zulage verfolgten Zwecks hat eine Auslegung nach den allgemeinen Grundsätzen der §§ 133, 157 BGB zu erfolgen9°. Für die Auslegung sind alle Umstände des Einzelfalles von Bedeutung, die einen Hinweis auf den Willen der Vertragsparteien erlauben, z.B. Art und Weise der Ausweisung der Lohnbestandteile und die Frage, wie viele Arbeitnehmer eine derartige Zulage erhalten. Drei unterschiedliche Arten der Lohnvereinbarung sind üblich: Eine Möglichkeit ist die Vereinbarung eines einheitlichen Effektivlohns, bei dem Tariflohn und übertarifliche Zulage eine Einheit bilden, so daß die Höhe der übertariflichen Zulage nur errechnet werden kann, jedoch nicht ausgewiesen ist (sog. Einheitsprinzip)91. Eine andere Möglichkeit sieht vor, daß die Arbeitsvertragsparteien keinen einheitlichen Effektivlohn vereinbaren, sondern nur die Zahlung des Tariflohns zuzüglich Zulagen (sog. Trennungsprinzip). Hier ist der Effektivlohn nicht ausgewiesen, sondern muß errechnet werden. Die dritte Gestaltungsmöglichkeit, das sogenannte Vorbehaltsprinzip92 , geht von der Vereinbarung eines Effektivlohns aus, wobei die einzelnen Vergütungselemente im Gegensatz zum Einheitsprinzip dadurch eine "relative" 93 rechtliche Selbständigkeit haben, daß dem Arbeitgeber ein Gestaltungsrecht verliehen wird, im Einzelfall die Tariflohnerhöhung auf die übertarifliche Zulage anzurechnen. Dieses beruht auf einem Vorbehalt, der üblicherweise folgenden Inhalt hat: "Die Leistung ist freiwillig. Sie kann anläßlich einer allgemeinen Lohn- und Gehaltsänderung, einer Höher-, Herab- oder Umgruppierung oder einer Stufensteigerung neu festgesetzt bzw. dagegen aufgerechnet werden • 94 . Die Vereinbarung eines einheitlichen Gesamtlohns95 spricht dafür, daß die Anrechnungsmöglichkeit grundsätzlich gegeben ist. Eine getrennt ausgewiesene Zulage96 spricht für die Beständigkeit der Zulage auch im Falle einer Tariflohnerhöhung. 90 Monjau, OB 65, 1249. 91 BAG AP Nr. 7 zu § 4 TVG übertariflicher Lohn; BAG AP Nr. 47 zu § 242 BGB G1eichbehandlung; vgl. auch Lieb, SAE 90, 227; Oetker, RdA 91, 19 gibt diesem Gestaltungsmodell dem Namen "Einheitprinzip"; ebenso Schwab, BB 93, 501. 92 Oetker, RdA 91, 21 ff. 93 Oetker, RdA 91, 21. 94 BAG OB 87, 1542. 95 Bommennann OB 91, 2185. 96 A.A. Bommennann OB 91, 2185: allein die separate Ausweisung fiihrt in der Regel nicht dazu, daß die Zulage garantiert ist.

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Auch die Bezeichnung als Leistungszulage oder die Abgeltung besonderer Qualiftkationen97 spricht für die Selbständigkeit der Zulage. Die Anrechnungsmöglichkeit scheidet daher grundsätzlich aus, wenn die Zulage besondere Leistungen des Arbeitnehmers honorieren soll oder besondere Umstände des Einzelfalles anerkennt98 . Wenn die Zulage eine besondere Leistung des Arbeitnehmers vergüten soll, steht nämlich dieser Zweck in keinem Zusammenhang mit einer Tariflohnerhöhung, so daß die Zulage jeweils zusätzlich zumjeweiligen Tariflohn zu zahlen ist99 . Man kann also davon ausgehen, daß benannte Zulagen100 regelmäßig anrechnungsfest sind, es sei denn, es ist etwas anderes ausdrücklich vereinbart101.

Beispiel: "Aufgrund der derzeit bestehenden regionalen Unterschiede in der Höhe der Tarifgehälter erhalten sie eine freiwillige übertarifliche Gebietszulage in Höhe von DM 240.-. Diese Zulage kann bei Tariflohnerhöhung verrechnet werden•.102 Ist die Zulage ein Ausgleich dafür, daß der bei Vertragsschluß bestehende Tariflohn außer Verhältnis zur allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung, insbesondere den allgemeinen Lebenshaltungskosten 103 , steht, so ist sie zweckgleich mit der nachfolgenden Tariflohnerhöhung und damit anrechenbar104. Auch die Gewährung einer übertariflichen Zulage in identischer Höhe an eine große Zahl von Arbeitnehmern deutet darauf hin, daß es sich um eine Zulage unabhängig von besonderen Leistungen oder Verhältnissen des einzelnen handelt und daher eine Anrechnungsmöglichkeit besteht. Auch bei den unbenannten, grundsätzlich anrechenbaren übertariflichen Zulagen empfiehlt sich aber ein - rein deklaratorischer - Anrechnungsvorbehalt

Beispiel: "Sie erhalten eine übertarifliche Facharbeiterzulage in Höhe von DM 175.-. Diese kann bei Tariflohnerhöhungen verrechnet werden und entfällt, wenn der

97 Ziepke BB 68, 389 ff. 98 H.M. BAG AP Nr. 5, 6, 12 zu § 4 TVG übertarißicher Lohn und Tariflohnerhöhung; BAG AP Nr. 8 zu§ 4 TVG Effektivk1ausel; BAG BB 88, 702, 703. 99 Joost, JUS 89, 276, 277. 100 Zum Begriffvgl. Tei12.B.Il.l. 101 BAG DB 80, 1350. 102 Vgl. Hunold, Beil. 26/81, S. 9. 103 Kneve1s OB 67, 81; Ziepke BB 68,389 ff. 104 Joost, JUS 89, 276, 277; ausfiihrlich zur Zweckgleichheit: Ziepke, BB 81 , 65.

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damit erzielte Abstand zwischen Tariflohngruppe A und Tariflohngruppe B wiederhergestellt wird. •I 05 Sieht man im Zweck der übertariflichen Zulage den Ausgangspunkt der Auslegung, so läßt sich der Satz, daß eine Tariflohnerhöhung "grundsätzlich" keine verhältnismäßige Erhöhung des übertariflichen Lohns nach sich zieht, entgegen der früheren Rechtsprechung nicht aufrecht erhalten 106 . Es läßt sich allenfalls eine Regelmäßigkeit dahingehend formulieren, daß benannte Leistungszulagen seltener als unbenannte Zulagen vereinbart werden und damit häufiger eine Anrechnungsmöglichkeit bestehtl07. Ist die Zulage nicht tariffest, so schuldet der Arbeitgeber den mit dem Arbeitnehmer als Arbeitslohn vereinbarten Betrag, also nur den Effektivlohn108. Hieran ändert sich auch dann nichts, wenn der Tariflohn steigt, solange nicht durch den Tariflohnanstieg der vereinbarte Effektivlohn überschritten wird 109. Nur soweit der neue Tariflohn den bisherigen Effektivlohn übersteigt, tritt er wegen der unmittelbaren und zwingenden Wirkung des Tarifvertrags(§ 4 I TVG) an die Stelle des bisherigen Effektivlohns. Die Lohnzahlungspflicht des Arbeitgebers bezieht sich beim Einheitsprinzip ausschließlich auf den Effektvverdienst und nicht - wie beim Trennungsprinzip - auf den jeweiligen Tariflohn und eine zusätzliche übertarifliche Zulage. Der Unterschied im Bezugspunkt der Lohnzahlungspflicht des Arbeitgebers führt in Zusammenhang mit einer Tariflohnerhöhung zu einer unterschiedlichen Höhe der Zahlungsverpflichtung des Arbeitgebers 110.

b) Für die Weitergabe einer übertariflichen Zulage anläßlich einer Tariflohnerhöhung Wird eine Tariflohnerhöhung nicht angerechnet, sondern weitergegeben, so liegt darin ein Angebot auf Erhöhung der bisherigen Vergütung 111.

105 Hunold, Beil. 26/81 , S. 9. 106 Zur früheren Ansicht: BAG BB 56, 1139; BB 64, 220; BB 74, 1639; BB 79, 476. 107 Meisel BB 91,407. 108 Bommennann DB 91, 2185. 109 BAG AP Nr. 47 zu§ 242 BGB Gleichbehandlungsgrundsatz; Lieb, SAE 90, 226, 227; Ramrath DB 90, 2593. 110 Vgl. Teil 2.C.III.3. 111 Hanau, Anm. zu EzA Nr. 17 zu § 87 BetrVG betriebliche Lohngestaltung

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Teil 2: Anspruchsbegrundende Seite

Eine ausdrückliche Vereinbarung der Nichtanrechnung kann wie folgt lauten: "Diese Zulage ist tariffest" oder "Diese Zulage zahlen wir zusätzlich zumjeweiligen Tarifentgelt". Eine derartige, in den Arbeitsvertrag eingegangene Regelung kann nicht darin gesehen werden, daß der Arbeitgeber trotz Tariflohnerhöhungen jahrelang die übertarifliche Zulage voll gezahlt und eine Verrechnung mit der Tariflohnerhöhung nicht vorgenommen hat 112. Ein rein tatsächliches, wenn auch wiederhohes Verhalten eines Arbeitgebers erzeugt für sich betrachtet noch keine Rechtspflicht, auch in Zukunft wie bisher zu verfahren 113. Aus ihm allein kann kein diesbezüglicher Verpflichtungswillell4 des Arbeitgebers abgeleitet werden 115. Zwar ist für die Auslegung von Rechtsgeschäften einhellig anerkannt, daß die Art und Weise der Durchführung eines Vertrags Rückschlüsse darauf zulassen, was die Vertragsparteien wollten 116 . Einer Weiterzahlung kann aber regelmäßig entnommen werden, daß nach Einschätzung des Arbeitgebers der Tariflohn z.B. den gestiegenen Lebenshaltungskosten bislang nicht entsprach 117 . Durch jahrelange Nichtanrechnung von Tariflohnerhöhungen auf die übertariflichen Zulagen wird demnach auch keine neue Verpflichtung aufgrund eines Vertrauenstatbestands geschaffen 118. Auch eine entsprechende Anwendung der zur Weihnachtsgratifikation entwickelten Rechtsprechung scheidet ausl19. Bei übertariflicher Entlohnung einerseits und Gratifikation andererseits handelt es sich nämlich um völlig unterschiedliche Rechtsinstitute. Die übertarifliche Zulage ist ein echter Lohnbestandteil, mit dem sogar bei Vorliegen einer "Konjunkturzulage" die vom Arbeitnehmer geleisteten Dienste abgegolten werden 120. Die Gratifikation dagegen ist eine Sondervergütung mit Entgeltcharakter, die der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern zusätzlich zum regelmäßigen Entgelt gewährt. Sie 112 BAG AP Nr.l3 zu§ 4 TVG übertariflicher Lohn und Tariflohnerhöhung 113 BAG AP Nr.l3 zu§ 4 TVG übertariflicher Lohn und Tariflohnerhöhung 114 Bommennann, DB 91, 2185. ll5 Auch eine betriebliche Übung scheidet damit nach vorherrschender Auffassung aus, BAG AP Nr. 9, 10 zu § 242 BGB betriebliche Übung; BAG AP Nr. 2 zu § I TVG Tarifvertäge: Metallindustrie; Sommermann DB 91, 2185; vgl. auch Teil 2.0.11.3.; a.A: Blomeyer, Anm. zu BAG AP Nr. 2 zu§ I TVG Tarifverträge: Metallindustrie unter A.3. 116 BGH WM 71, 1513, 1515; Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch,§ 133 Anm. 5 b. 117 So auch Oetker, RdA 91, 23. 11 8 BAG AP Nr.l3 zu § 4 TVG übertariflicher Lohn und Tariflohnerhöhung; Bommennann DB 91, 2185; Ziepke BB 81, 62. 119 BAG AP Nr.l3 zu § 4 TVG übertariflicher Lohn und Tariflohnerhöhung. 120 BAG AP Nr.l3 zu § 4 TVG übertariflicher Lohn und Tariflohnerhöhung.

C.

Rechtliche Ausgestaltung im Individualarbeitsvertrag

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gilt nicht nur die vom Arbeitnehmer geleisteten Dienste ab, sondern ist auch als Anreiz zum Verbleib im Betrieb und als Anerkennung der bisherigen Treue gedacht 121 . Außerhalb des Gratifikationsrechts gibt es keinen allgemeinen Grundsatz, wonach der Arbeitgeber in jedem Fall der Gewährung einer Vergütung an den Arbeitnehmer Vorbehalte machen müßte, um die Entstehung der Ansprüche für die Zukunft auszuschließen122. Aus Gründen der Rechtsklarheit ist es trotzdem sinnvoll, einen schriftlichen Vorbehalt zu vereinbaren123.

IV. Widerruf einer freiwilligen übertariflichen Zulage 1. Begriff des Widerrufs Unter Widerruf versteht man die hinsichtlich Zeit und Umfang124 von einer Tariflohnerhöhung grundsätzlich unabhängige Beseitigung einer übertariflichen Zulage. Eine übertarifliche Zulage kann also auch während der Laufzeit eines Tarifvertrags widerrufen werden. 2. Rechtliche Ausgestaltung des Widerrufs im einzelnen

Voraussetzung für einen wirksamen Widerruf ist die zulässige Ausübung eines Widerrufsrechts. Das Widerrufsrecht wird vertraglich durch einen sogenannten Widerrufsvorbehalt eingeräumt. Dieser kann ausdrücklich oder konkludent erfolgen. Ein Widerrufsvorbehalt kann wie folgt lauten: "Bei der übertariflichen Zulage handelt es sich um eine freiwillige, jederzeit widerrufliche Leistung, auf die auch bei wiederholter Gewährung kein Rechtsanspruch für die Zukunft besteht. Die Zulagen können ganz oder teilweise anläßtich tariflicher Veränderungen, aber auch ohne Zusammenhang mit diesen widerrufen werden. •125 Jederzeit widerruflich heißt, daß der vorbehaltene Widerruf auch anläßtich einer Tariflohnerhöhung erfolgen kann. Spricht der Arbeitgeber anläßlich einer Tariflohnerhöhung einen Widerruf aus, obwohl er ihn sich nicht vorbehalten hat, so liegt in Wirklichkeit eine Anrechnung vor. Hinsichtlich der Be121 Röhsler, AR Blattei • Gratifikation" unter AI mit zahlreichen Nachweisen. 122 BAG AP Nr.9 zu § 242 BGB betriebliche Übung; ebenso im Ergebnis BAG AP Nr. 2 zu § I TVG Tarifverträge: Metallindustrie in einem obiter dictum; BAG BB 80, 1583, 1584. 123 Ziepke, BB 81 , 63 . 124 BAG OB 80, 407; BAG BB 90, 1485, 1486; Meise! BB 91,408. 125 Ziepke, BB 81, 64.

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zeichnung durch den Arbeitgeber gilt der Grundsatz der "falsa demonstratio non nocet•. Gewährt ein Arbeitgeber die Zulage "bis auf weiteres •, so bat er sich ihren Widerruf hinreichend vorbebalten126. War ein Widerruf weder ausdrücklich vereinbart noch im Wege der Auslegung der Abrede zu entnehmen, so kann sich der Arbeitgeber nur noch im Wege eines Änderungsvertrags, einer Änderungskündigung oder über die Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage, § 242 BGB, von der zugesagten Zulage lösen127. Im Wege einseitiger Arbeitgebermaßnahmen kann sich der Arbeitgeber nicht von den eingegangenen Verpflichtungen befreien. Das führt in der Praxis regelmäßig zu einigen Schwierigkeiten. Ein Aufhebungsvertrag nach § 305 BGB ist nämlich nur bei entsprechender Arbeitsmarktlage erreichbar. Die Änderungskündigung führt angesichts der zumeist betroffenen großen Zahl der Begünstigten zum Problem der Massenentlassung und erfordert somit die Beachtung der § § 17 ff. KSchG. Außerdem handelt es sich bei der Änderungskündigung zur Beseitigung einer übertariflichen Zulage um eine Sonderform der betriebsbedingten Kündigung128, die wegen § 2 KSchG sozial gerechtfertigt sein muß 129. Darüber hinaus müssen die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nach § 102 BetrVG beachtet werden. Ist zwischen den Parteien ein Widerrufsvorbehalt vereinbart, besteht ein Rechtsanspruch des Arbeitnehmers auf die Gewährung der Zulage neben dem Tariflohn, solange der Arbeitgeber nicht den Widerrufsvorbehalt ausübt1 30 . Übt der Arbeitgeber den Widerruf aus, so kann die Wirkung weiter gehen als bei der Anrechnung: Der Widerruf kann zu einer Kürzung des Effektivlohns führen. Der Arbeitgeber kann durch wirksames Ausüben des Widerrufs den Anspruch für die Zukunft entfallen lassen. Mit dem Widerruf kann daher im Gegensatz zur Anrechnung 131 sogar die Kürzung des Effektivlohns der Arbeitnehmer herbeigeführt werden. Der Widerruf kann aber nur für die Zukunft, nicht rückwirkend wirksam werden, da die Ansprüche auf die Zulagen bis zum Zeitpunkt der Widerrufsausübung bereits wirksam entstanden sind132. 126 8AG D8 58, 871 . 127 8AG 88 76, 1515. 128 8AG D8 90, 2024; vgl. auch Bauer, Handelsblatt vom 4. 10.93, S. 6; Löwisch, D8 83, 1711. 129 Vgl. Mache, Ai8 89, 121. 130 Richardi, NZA 92, 965. 131 Vgl. Tei12.C.m.3.a). 132 LAG D"dorf, D8 74, 389.

C. Rechtliche Ausgestaltung im Individualarbeitsvertrag

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3. Art und Weise des Widerrufs

Der Widerruf betrifft die einzelne Zulage. Er ist daher im Verhältnis Arbeitnehmer-Arbeitgeber von Bedeutung. Das Widerrufsrecht ist ein Gestaltungsrecht, das durch empfangsbedürftige Willenserklärung ausgeübt wird1 33 . Der Arbeitgeber hat infolgedessen den Zugang der Widerrufserklärung beim Arbeitnehmer zu bewirken.

V. Kürzung des Zulagevolumens Der Begriff der Kürzung wird von der Rechtsprechung und der Literatur nicht eindeutig veJWendet. Immer wieder wird er mit den Begriffen wWiderruCW und wAnrechnungw13 4 unzutreffend vermischt. Kürzung ist die Verringerung des Zulagevolumens für übertariflichen Zulagen. Bezugspunkt der Kürzungsentscheidung ist das Gesamtvolumen der übertariflichen Zulagen, das der Arbeitgeber zur Verfügung stellt135. Die Kürzung dieses Zulagevolumens erfolgt einseitig seitens des Arbeitgebers. Sie hat keinen unmittelbaren Einfluß auf die Rechtsposition des Arbeitnehmers, da der Arbeitnehmer erst betroffen ist, wenn es um die Verteilung des vom Arbeitgeber nach der Kürzung festgelegten neuen Zulagevolumens geht. In diesem Punkt unterscheidet sich die Kürzung auch wesentlich von Anrechnung und Widerruf136, die sich auf das einzelne Arbeitsverhältnis beziehen137. Das Zulagevolumen kann auf verschiedene Weise gekürzt werden: zum einen im Wege einer wisolierten Kürzungsentscheidungw, d.h. einer abstrak133 Wiese NZA 90, 793, 797. 134 Vgl. BAG DB 80, 406; BAG EzA Nr. 14 zu § 87 BetrVG betriebliche Lohngestaltung; Hromadka, DB 88, 2644 spricht von einer Kürzung der Zulage bei Anrechnung. 135 Vgl. BAG EzA Nr. 14 zu § 87 BetrVG betriebliche Lohngestaltung, S. 119; wie oben wohl auch Misera, Anm. zu BAG AP Nr. 12 zu § 87 BetrVG Lohngestaltung. 136 Dazu ausführlich siehe oben Tei12.C.m. und IV. 137 So auch in der Entacheidung des GS unter C.ill.5.b) der Gründe, wo die Differenzierung der Begriffe Anrechnung, Widerruf und Kürzung nicht immer zutreffend vorgenommen wird. Dort wird nämlich davon ausgegangen, daß sich dem Arbeitgeber die Frage stelle, ob er vor Abschluß des Mitbestimmungsverfahrens die mitbestimmungsfreie Kürzung des Zulagevolumens durch Kürzung der einzelnen Zulagen umsetzen könne. Der GS verkennt damit, daß sich der Begriff der Kürzung auf das Zulagevolumen, nicht jedoch auf die einzelnen übertariflichen Zulage bezieht. An anderer Stelle geht er dagegen zutreffend von einem "gekürzten Zulagevolumen" aus. Der vorlegende 1. Senst, BB 90, 1485; NZA 90, 654, spricht ebenfalls unzutreffend von einer Kürzung solcher Zulagen durch Anrechnung, statt von einer Kürzung des Zulagevolumens durch die Anrechnung; Ramrath, DB 90, 2594 spricht ebenfalls von einer gekürzten Zulage.

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Teil 2: Anspruchsbegründende Seite

ten, von den einzelnen Arbeitsverhältnissen losgelösten Entscheidung über den Dotierungsrahmen, und zum anderen im Wege von Widerruf bzw. Anrechnung der einzelnen Zulagen. Eine abstrakte Entscheidung über den Dotierungsrahmen ist vor allem dann möglich, wenn freiwillige Leistungen des Arbeitgebers über eine verselbständigte Einrichtung erbracht werden. Beispiel: 138 Der Arbeitgeber betreibt einen Betriebskindergarten. Dafür hat er in den vergangeneo Jahren immer DM 150.000.-/ Jahr zur Verfügung gestellt. Aufgrund einer Verschlechterung der Betriebsergebnisse kann er sich das nicht mehr leisten und will diejährliche Zahlung auf DM 100.000.- reduzieren. Da er die Leistung im Wege einer verselbständigten Einrichtung, nämlich des Kindergartens, erbringt, kann er das zur Verfügung gestellte Volumen mittels einer Entscheidung kürzen, ohne daß das einen unmittelbaren Einfluß auf die Einzelansprüche der Mitarbeiter hat.

Die Gewährung übertariflicher Zulagen erfolgt zumeist nicht im Wege der Zahlung über verselbständigte Einrichtungen. Das liegt vor allem daran, daß ein festes Zulagevolumen häufig nicht bestimmt werden kann, da die Gesamthöhe der Leistungen von verschiedenen Faktoren, wie Arbeitnehmerzahl ect., abhängig ist. Der Arbeitgeber setzt bei übertariflichen Zulagen anders als bei der betrieblichen Altersversorgung zumeist nicht einen bestimmten Gesamtbetrag fest, der dann auf die einzelnen Arbeitnehmer verteilt wird, sondern verpflichtet sich vielmehr individualrechtlich gegenüber den einzelnen Arbeitnehmern zur Zahlung einer Zulage. Erst im Wege der Addition der einzelnen Zahlungsverpflichtungen kann das gesamte, vom Arbeitgeber für übertarifliche Zulagen zur Verfügung gestellte Zulagevolumen ermittelt werden. Dieses Zulagevolumen ist allerdings wegen des alltäglichen Ausscheidens einzelner Arbeitnehmer aus dem Betrieb ständigen Schwankungen unterworfen und keine feste Größe. Steht aber das Zulagevolumen nicht fest, so ist auch die Reduzierung des Gesamtvolumens durch eine von den Einzelleistungen unabhängige Entscheidung nur schwer möglich. Im Zusammenhang mit übertariflichen Zulagen erfolgt die Reduzierung des Gesamtvolumens daher zumeist durch Anrechnung einzelner übertariflicher Zulagen sowie durch Widerruf von übertariflichen Zulagen. Dabei liegt den einzelnen Anrechnungen und

138 Zwar kommt für diesen Fall nur ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 I Nr. 8 BetrVG in Betracht, das ist aber für die vorliegende Fragestellung unemeblich, da Mitbestimmungsrechte nach§ 87 I Nr. 8 und§ 87 I Nr. 10 BetrVG insoweit gleich behandelt werden, vgl. Teii3 .B.V.

C. Rechtliche Ausgestaltung im Individualarbeitsvertrag

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Widerrufsentscheidungen die Überlegung des Arbeitgebers zugrunde, wieviel er vom Gesamtvolumen einsparen kann 139 • Beispiel: Der Arbeitgeber vergibt an A, B, C übertarifliche Zulagen in Höhe von 10 % ihres Tarifgehalts. Anläßlich einer Tariflohnerhöhung möchte er die Erhöhung der Effektivlöhne vermeiden und Einsparungen hinsichtlich des von ihm zur Verfügung gestellten Zulagevolumens vornehmen. Da er die Zulagen nicht über eine verselbständigte Einrichtung erbringt, wird das Datierungsvolumen regelmäßig dadurch herabgesetzt, daß er die einzelnen Leistungen entweder durch Anrechnung oder mittels eines Widerrufs reduziert. Die Reduzierung der Einzelleistungen führt dann zu einer Kürzung des Gesamtvolumens.

Im Rahmen dieser Untersuchung soll der Begriff der Kürzung ausschließlich auf den Datierungsrahmen bezogen werden, die Begriffe Widerruf, Anrechnung und Weitergabe dagegen nur auf die dem Einzelnen gewährte Zulage. Da der Begriff der Kürzung sich immer auf den Datierungsrahmen bezieht und dieser keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Arbeitnehmer hat, ist im Rahmen der Überprüfung der individualrechtliehen Grundlagen übertariflicher Zulagen die rechtliche Ausgestaltung der Kürzung nicht von Belang.

VI. Neuverteilung des gekürzten Zulagevolumens Neuverteilung ist die Verteilung eines veränderten Zulagevolumens auf den einzelnen Arbeitnehmer. Ihr Bezugspunkt ist das gesamte Zulagevolumen, wohingegen die im Rahmen der Umverteilung erzielbare Weitergabe einer Tariflohnerhöhung die einzelne Zulage betrifft. Da die Neuverteilung auf das gesamte Zulagevolumen bezogen ist, ist ihre rechtliche Ausgestaltung im Rahmen der Überprüfung der individualrechtliehen Grundlagen übertariflicher Zulagen nicht von Bedeutung.

139 Wiese, NZA 90, 801.

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Teil 2: Anspruchsbegründende Seite

D. Rechtliche Ausgestaltung übertariflicher Zulagen in Allgemeinen Arbeitsbedingungen I. Vorbemerkung Individualrechtliche Anspruchsgrundlagen lassen sich außer im Individualarbeitsvertrag auch in kollektiven Absprachen finden. So können sich individualrechtliche Ansprüche aus Allgemeinen Arbeitsbedingungen ergeben.

II. Begriff und Rechtsgrundlagen der Allgemeinen Arbeitsbedingungen Allgemeine Arbeitsbedingungen fmden als Gestaltungsmittel arbeitsvertraglicher Individualrechte Eingang in den Arbeitsvertrag140. Unter Allgemeinen Arbeitsbedingungen werden herkömmlich arbeitsvertragliche Einheitsregelungen, Gesamtzusagen und die betriebliche Übung verstandenl41. Sie haben, da sie sich auf eine Vielzahl von Verträgen beziehen, kollektiven Bezug142, ohne dabei normative Wirkung zu entfaltenl43. Allgemeine Arbeitsbedingungen wurden aufgrund praktischer Bedürfnisse von Großbetrieben, in denen die ausschließlich individuelle Gestaltung der Arbeitsverträge unrentabel, unpraktikabel oder faktisch unmöglich ist, entwickeitl44. Sie bezwecken ebenso wie die auf Arbeitsverträge nicht anwendbarenl45 AGB in sonstigen Vertragsverhältnissen die Schematisierung der rechtlichen Ausgestaltung eines Arbeitsverhältnisses. Unterschiede der drei Institute der Allgemeinen Arbeitsbedingungen ergeben sich hinsichtlich ihrer Entstehungsweise:

140 Ständige Rechtsprechung seit BAG DB 70, 1393; DB 71, 1117; a.A. Säcker, Arbeitsbedingungen, S. 81 ff., der sie für tatsächliche Nonnenkomplexe außerhalb des Vertrages hält. 141 Hilger/ Stumpf FS für Müller 1981, 209; v. Hoyningen-Huene, Billigkeit, S. 152; eine andere Begriffiichkcit entwickelt Schulin in DB Beil. 10/ 84, S. 3, der die vertragliche Einheitsregelung als Oberbegriff ansieht, der Gesamtzusage, Allgemeine Arbeitsbedingungen und betriebliche Übung zusanunenfaßt; Vassilik:ak.is, Konkurrenz, S. 2. 142 BAG OB 70, 1393; zur Abgrenzung zu reinen Individualrechten DIR , BetrVG, § 77 Rz 70 mwN. 143 Jobs, DB 86, 1120. 144 Vassilik:ak.is, Konkurrenz, S. 5. 145 Vgl. § 23 Abs. 1 AGBG.

D. Rechtliche Ausgestaltung in Allgemeinen Arbeitsbedingungen

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1. Arbeitsvertragliche Einheitsregelung

Die arbeitsvertragliche Einheitsregelung ist eine vertragliche Abrede, die dadurch zustande kommt, daß der Arbeitgeber allen Arbeitnehmern oder bestimmten Arbeitnehmergruppen ein entsprechendes Angebot macht, das diese ausdrücklich annehmen 146 . Die arbeitsvertragliche Einheitsregelung ergänzt somit zumeist lediglich die schon durch Individualvertrag begründeten und fiir jeden Arbeitnehmer individuell festgelegten einzelnen Rechte und Pflichten147. 2. Gesamtzusage Der Gesamtzusage liegt eine nach § 151 BGB stillschweigende Annahme eines Arbeitgeberangebots durch die Arbeitnehmer zugrunde. Das Angebot des Arbeitgebers erfolgt dabei meist durch Aushang am schwarzen Brett oder durch ein Rundschreiben an die betroffenen Arbeitnehmer148. 3. Betriebliche Übung

Eine betriebliche Übung entsteht durch regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen 149 über einen längeren Zeitraum, ohne daß insoweit eine ausdrückliche Abrede vorliegt. Die Rechtsgrundlage der betrieblichen Übung wird dabei unterschiedlich beurteilt. Teilweise wird davon ausgegangen, daß es sich um eine arbeitsvertragliche Abrede handelt, die vergleichbar der Gesamtzusage durch stillschweigende Annahme zustandekommt150. Anderenteils wird angenommen, daß es sich um eine Bindung des Arbeitgebers (unter bestimmten Vorausset-

146 Löwisch DB 83, 1709, 1710; BAGE 36, 327, 335 geht dagegen davon aus, daß eine zugangsbefreite Annahme nach § 151 BGB vorliegt; Höhne sieht in RdA 83,233 die Einheitsregelung als eine vom Arbeitgeber einseitig gesetzte Regelung an. 147 Herrmann ZfA 89, 601. 148 Mißverständlich insoweit Herrmann ZfA 89, 601, wenn sie sagt, daß eine explizite Annahme entbehrlich sei, § 151 BGB führt nämlich nur zum Verzicht auf den Zugang der Annah-

meerldärung, die zwar nicht ausdrücklich erklärt zu werden braucht, aber unstreitig erfolgt sein muß; Adomeit, Rechtsquellenfragen im Arbeitsrecht 1969, S. 112 ff.; etwas andere Konstruktion bei Säcker, Gruppenautonomie, S . 460, 461.

149 BAG DB 93, 1882. 150 Diese sogenannte Vertragstheorie wird von der Rechtsprechung und Teilen der Literatur vertreten, vgl. statt vieler BAG DB 93, 1882; vgl. Hueck, Arbeitsrecht, § 25 V; Säcker, Gruppenautonomie, S . 464 Fußn. 17, 18 mwN.

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Teil 2: Anspruchsbegründende Seite

zungen kann auch der Arbeitnehmer gebunden sein 151) aufgrund eines von ihm geschaffenen Vertrauenstatbestands 152 handelt, der durch rechtsgeschäftliehe Regelungen nicht zutreffenderfaßt werden kann. Unabhängig davon, welcher Auffassung man folgt, ergeben sich auch aus der betrieblichen Übung Ansprüche (oder gegebenenfalls Verpflichtungen153) des Arbeitnehmers.

111. Gewährung übertariflicher Zulagen mittels Allgemeiner Arbeitsbedingungen Sind die Voraussetzungen für die Entstehung einer arbeitsvertragliehen Einheitsregelung, einer Gesamtzusage oder einer betrieblichen Übung gegeben154, so wird auf diesem Wege ein individualvertraglicher Anspruch des Arbeitnehmers auf Erlangung einer übertariflichen Zulage begründet. Für den Arbeitgeber wird durch die Allgemeinen Arbeitsbedingungen ein korrespondierender Verpflichtungsgrund zur Gewährung einer übertariflichen Zulage begründet.

IV. Erhöhung übertariflicher Zulagen mittels Allgemeiner Arbeitsbedingungen Die Erhöhung übertariflicher Zulagen ist ebenso wie deren erstmalige Gewährung durch Allgemeine Arbeitsbedingungen möglich.

V. Widerruf/ Anrechnung übertariflicher Zulagen mittels Allgemeiner Arbeitsbedingungen l. Bei vorangegangener Gewährung aufgrund Individualvertrags Lösungsmöglichkeiten hinsichtlich individualvertraglich vereinbarter übertariflicher Zulagen sind nur nach den dem Einzelvertrag eigenen Grundsätzen 151 Richardi/ W1otzke, Handbuch,§ 13 Rz 29, 30; Singer ZfA 93, 489 mwN . 152 Überblick dazu bei Säcker, Gruppenautonomie, S. 464 ff. 153 Richardi/ Wlotzke, Handbuch, § 13 Rz 29, 30; Beispiel für eine die Arbeitnehmer verpflichtende betriebliche Übung: In einem gastronomischen Unternehmen ist bezahlter Arbeitsbeginn zeitgleich mit der Öffnung um 7 Uhr. Vor Jahren wurde eingeführt und seither praktiziert, daß die Bedienungen schon 10 Minuten vorher für bestimmte Vorbereitungstätigkeiten unentgeltlich anwesend sind. Ein Arbeitnehmer, der erst zum bezahlten Arbeitsbeginn erscheinen möchte, kann daran durch eine verpflichtende betriebliche Übung gehindert sein. 154 Vgl. dazu Teil 2.0.11.

D. Rechtliche Ausgestaltung in Allgemeinen Arbeitsbedingungen

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gegebeniSS, es sei denn die Vereinbarung war unwirksam, weil insoweit Mitbestimmungsrechte nicht beachtet wurden 1S6. 2. Bei vorangegangener Gewährung aufgrund Allgemeiner Arbeitsbedingungen

Ist eine übertarifliche Zulagen gewährende Allgemeine Arbeitsbedingung verbindlich geworden, so ist ihre Abänderbarkeit fraglich. Wegen ihrer vertraglichen Natur können die Allgemeinen Arbeitsbedingungen mit denselben individualvertraglichen Mitteln abgeändert oder abgelöst werden, wie jeder Einzelarbeitsvertrag1S7. Da bei der Änderungskündigung auf die Verhältnisse jedes einzelnen Arbeitnehmers abzustellen ist, ist eine Änderungskündigung in kollektiv gestalteteten Verhältnissen allerdings nicht praktikabel. Auch beim Änderungsvertrag sind die individuellen Verhältnisse maßgeblich, da zwar das Angebot zur Vertragsänderung durch den Arbeitgeber kollektiv ausgesprochen werden kann, jedoch auch dieses Angebot von jedem einzelnen Arbeitnehmer angenommen werden muß. Eine Änderung durch eine einseitige Anordnung des Arbeitgebers scheidet dagegen in der Regel bereits aus Rechtsgründen aus. Dies ist nämlich nur möglich, wenn mit der Zusage der übertariflichen Leistung ein entsprechender Widerrufsvorbehalt bzw. Anrechnungsvorbehalt verbunden wurde oder sich die Anrechenbarkeit im Wege der Auslegung aus der Zusage ergibt IS8. Eine Ablösung von übertarifliche Zulagen gewährenden Allgemeinen Arbeitsbedingungen durch negative Allgemeine Arbeitsbedingungen scheidet praktisch aus, da die Arbeitnehmer auf derartige, für sie nachteilige Angebote des Arbeitgebers weder eingehen wollen noch müssen. 3. Bei vorangegangener Gewährung aufgrund einer Betriebsvereinbarung

Eine Ablösung von durch Betriebsvereinbarung gegebenen übertariflichen Zulagen durch nachteilige Allgemeine Arbeitbedingungen kommt wegen der normativen Kraft von Betriebsvereinbarungen1S9 nicht in Betracht.

1SS Vgl. dazu Teil 2.C.III. und IV. 1S6 Vgl. dazu ausführlich Teil 3.VU.2. lS7 Vassilikakis, Konkurrenz, S. 2. 1S8 Buchner DB 83, 877. 1S9 Vgl. dazu ausführlich Teil 2.E. 4 Rau

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Teil 2: Anspruchsbegründende Seite

VI. Weitergabe einer Tariflohnerhöhung im Wege Allgemeiner Arbeitsbedingungen Die Weitergabe einer Tariflohnerhöhung ist ebenso wie ihre erstmalige Gewährung160 aufgrundAllgemeiner Arbeitsbedingungen möglich.

E. Rechtliche Ausgestaltung übertariflicher Zulagen auf betriebsverfassungsrechtlicher Ebene I. Vorbemerkung Die Betriebsvereinbarung und die Regelungsabrede sind neben dem Tarifvertrag zu den wichtigsten Gestaltungsmitteln der Arbeitsentgelte geworden161. Inhaltliche Ansprüche auf Zahlung einer übertariflichen Zulage können auch durch Betriebsvereinbarung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat begründet werden162. Daran zeigt sich, daß Betriebsvereinbarungen und Regelungsahreden außer einer mitbestimmungsrechtliehen Dimension auch eine anspruchsbegründende Dimension zukommt. Die Besonderheit der Anspruchsbegründung durch Betriebsvereinbarung besteht darin, daß eine separate Untersuchung im Hinblick auf bestehende Mitbestimmungsrechtel63 überflüssig ist. Hat nämlich ein Arbeitgeber mit dem Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung oder Regelungsabrede getroffen, so ist dies ein Fall der Mitbestimmung nach § 87 BetrVG, zumindest aber ein Fall der freiwilligen Mitbestimmung, die nach § 88 BetrVG im Rahmen sozialer Angelegenheiten in den allgemeinen Grenzen möglich ist.

160 Vgl. dazu Teil 2.C.I. 161 Richardi/ Wlotzke, Handbuch, § 60 Rz 73. 162 Bisher ist von dieser Möglichkeit allerdings erst in den seltesten Fällen Gebrauch gemacht worden, Trittin, Anm. zu AG Darmstadt, AiB 92, 354. 163 Wobei Mitbestimmungsrechte sowie allenfalls dann bestehen, wenn es sich um eine kollektive Maßnahme handelt.

E. Rechtliche Ausgestaltung auf betriebsverfassungsrechtlicher Ebene

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II. Begriff, Voraussetzungen und Wirkungen einer Betriebsvereinbarung Für den Begriff "Betriebsvereinbarung" hält das Gesetz keine Legaldefinition bereit und enthält auch nur wenige Bestimmungen über sie, nämlich in §§ 77 II- VI, 88 BetrVG. Deshalb mußten Rechtsprechung und Rechtslehre selbst eine Definition für die Betriebsvereinbarung entwickeln. Nach überwiegender Auffassung in Rechtsprechung und Rechtslehre164 wird die Betriebsvereinbarung als privatrechtlicher kollektiver Normenvertrag angesehen, der im Gegensatz zu Arbeitsvertrag und Allgemeinen Arbeitsbedingungen für alle Betriebsangehörigen einheitliche Arbeitsbedingungen mit normativer Wirkung (§ 77 IV BetrVG) aufstellen kann. Die Inhaltsnormen bestimmen den Inhalt der Arbeitsverhältnisse, ohne Inhalt der Einzelarbeitsverhältnisse zu werden. Vorschriften einer Betriebsvereinbarung können allerdings durch Bezugnahme zum Inhalt der Einzelarbeitsverhältnisse gemacht werden 165. Eine Betriebsvereinbarung kommt entweder durch freiwilligen Vertragsschluß zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat oder durch den Spruch der Einigungsstelle zustande. Das Gesetz sieht für die Betriebsvereinbarung Schriftform vor, § 77 II BetrVG. Die Anforderungen an diese Schriftform ergeben sich aus§§ 126 ffBGB166. Weitere Voraussetzung für die Wirksamkeit einer Betriebsvereinbarung ist die Einhaltung der maßgeblichen verfahrensrechtlichen Regeln, wie z.B. Beschlußfassung durch einen ordnungsgemäß gewählten Betriebsrat167. Ein die Einigung ersetzender Spruch der Einigungsstelle hat nur dann die Wirkungen einer Betriebsvereinbarung, wenn sich beide Parteien ihm im voraus unterwerfen oder ein Fall der erzwingbaren Mitbestimmung vorliegt. Eine Betriebsvereinbarung gilt räumlich nur für den Betrieb, für den sie abgeschlossen worden ist. Der personelle Gelrungsbereich betrifft die zum Zeitpunkt des Abschlusses aktiven, aber auch die erst nachträglich eingetretenen Arbeitnehmer im Sinne § 5 I BetrVG. Im Gegensatz zu Tarifverträgen 164 165 166

V . Hoyningen-Huene, Betriebsverfassungsrecht, § II III.

167

Löwisch, BetrVG, § 77 Rz 6.

0/ R, BetrVG, § 77 Rz 92.

Vorschriften des BGB sind auf das Betriebsverfassungsgesetz anwendbar, soweit sie im Einzelfall passen, da das Betriebsverfassungsrecht ein Teil des Zivilrechts ist, vgl. Ramrath, OB 90, 2600; Schukai/ Ramrath, SAE 89, 184; Wiese, NZA 90, 796.

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Teil 2: Anspruchsbegründende Seite

gelten Betriebsvereinbarungen für alle Arbeitnehmer im Sinne § 5 I BetrVG, unabhängig von einer etwaigen Gewerkschaftzugehörigkeit

111. Gewährung übertariflicher Zulagen mittels Betriebsvereinbarung Ansprüche des Arbeitnehmers auf die Zahlung übertariflicher Zulagen können auch durch Betriebsvereinbarung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat enstehen168. Diese Art der Anspruchsbegründung ist in der Praxis allerdings noch die Ausnahme169.

IV. Erhöhung übertariflicher Zulagen mittels Betriebsvereinbarung Ebenso wie die Gewährung übertariflicher Zulagen ist deren Erhöhung durch Betriebsvereinbarung möglich.

V. Widerruf/Anrechnung übertariflicher Zulagen mittels Betriebsvereinbarung Die Beantwortung der Frage, ob auch die Anrechnung oder der Widerruf einer übertariflichen Zulage mittels Betriebsvereinbarung möglich ist, hängt von den Rechtsgrundlagen der Gewährung, die mittels Widerruf und Anrechnung modifiziert werden sollen, ab.

1. Bei vorangegangener Gewährung aufgrund individualvertraglicher Regelung Anrechnung oder Widerruf einer übertariflichen Zulage sind im Gegensatz zu ihrer Gewährung für den Arbeitnehmer nachteilige Maßnahmen. Beruht die Gewährung einer übertariflichen Zulage auf einer individualvertraglichen Abrede, so ist fraglich, ob diese Rechtsposition durch kollektivrechtliche Regelungen verkürzt werden darf. Ausgehend davon, daß kollektivrechtliche Regelungen dem Schutz des Arbeitnehmers dienen und Ausgleich dafür schaffen sollen, daß Arbeitgeber und Arbeitnehmer zwar rechtlich, nicht aber tatsächlich ebenbürtige Ver168 Schirge/ Trinin, AiB 90, 243. 169 Schüren, RdA 91, 139, 142.

E.

Rechtliche Ausgestaltung auf betriebsverfassungsrechtlicher Ebene

53

handlungspartDer sind, erscheint es widersinnig, eine Schwächung der Rechtspositionen der Arbeitnehmer mittels kollektiver Regelungen zuzulassenl 70. Deshalb wird die Ablösung einer wirksamen 171 individualvertraglichen Absprache durch eine nachteilige Betriebsvereinbarung wegen eines Verstoßes gegen das Günstigkeilsprinzip als unzulässig abgelehnt112. Für die Anwendbarkeit des Günstigkeilsprinzips im Betriebsverfassungsrecht werden unterschiedliche Begründungen gegeben: Zum Teil wird angeführt, daß das Betriebsverfassungsgesetz bereits in der Fassung von 1952 ganz selbstverständlich von einer Geltung des Günstigkeilsprinzip ausgegangen und deshalb eine ausdrückliche Regelung nicht erforderlich sei 173 . Ein anderer Argumentationsansatz nimmt die Parallelität von § 77 IV BetrVG und § 4 I TVG als Ausgangspunkt. § 77 IV geht ebenso wie § 4 I TVG von einer unmittelbaren und zwingenden Wirkung von Betriebsvereinbarung und Tarifvertrag aus. Da für das Betriebsverfassungsgesetz keine Parallele zum Günstigkeilsprinzip des Tarifvertragsgesetzes vorliegt, ist danach von einer planwidrigen Gesetzeslücke auszugehen, die entsprechend dem Gedanken des Tarifvertragsgesetzes gefüllt werden muß1 74. Dabei wird das Fehlen einer dem § 4 III TVG entsprechenden Regelung im Betriebsverfassungsgesetz teils als Ungenauigkeit 175 , teils als Redaktionsversehen des Gesetzgebers 176 angesehen. Die Anwendbarkeit des Günstigkeilsprinzips ist auch dem Sinn und Zweck der Regelungen des Betriebsverfassungsgesetzes angemessen. Hätte nämlich das Günstigkeilsprinzip im Betriebsverfassungsrecht keine Wirkung, so würden Betriebsvereinbarungen stärkere Wirkungen als Tarifverträge haben. Das kann jedoch nicht zutreffen, da die in der Normenpyramide unter den Tarifverträgen angesiedelten Betriebsvereinbarungen geringere Legitimationswirkung und geringere inhaltliche Richtigkeilsgewähr haben als Tarifverträge 177. 170 Belling OB 82,2513, 2514; Biedenkopf, Tarifautonomie, S. 75. 171 War die ursprüngliche Gewährung wegen Übergehung von Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats unwirksam, so kommt ein Schutz durch das GünstigkeilSprinzip nicht in Betracht, vgl. Teil 3.VII.2. 172 Belling OB 82, 2313 , 2314. 173 Belling, Günstigkeilsprinzip S. 52-87. 174 F/ Al KJ H, BetrVG, § 77 Rz 47 ff: ; DIR, BetrVG, § 77 Rz 98 ff.; Richardi, Kollektivgewalt, S. 368; vgl. GK BetrVG, § 77 Rz 203; Säcker, ZfA Sonderheft 72, 41, 53-55; Kreutz, Betriebsautonomie, S. 224. 175 Fitting, BelrVG, 13.Aufl., § 77 Rz 40. 176 Vgl. DIR, BelrVG, § 77 Rz 98. 177 Canaris, AuR 66, 129, 136; sehr ausführlich zu beiden Ansatzpunkten Belling, OB 82, 2513, 2516.

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Teil 2: Anspruchsbegründende Seite

Auch der Schutzzweck des Betriebsverfassungsgesetzes178 verbietet es, daß günstigere individualvertragliche Regelungen von kollektivrechtlichen Regelungen verdrängt werden. Das Günstigkeilsprinzip fmdet also auch im Betriebsverfassungsgesetz Anwendung. Das Günstigkeilsprinzip gilt für die Fälle einer Abweichung von Individualabrede und Betriebsvereinbarung sowohl bei zeitlich vorangehender als auch bei zeitlich nachfolgender günstigerer Individualabredel 79 . Die Überlegung, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang arbeitsvertragliche Regelungen durch Betriebsvereinbarung abgeändert werden können, betrifft damit sowohl die Möglichkeit der Verbesserung als auch die der Verschlechterung durch Betriebsvereinbarung180. Das Günstigkeilsprinzip ist im Lichte der speziellen arbeitsrechtlichen Rechtssituation zu sehen: Die verschiedenen Gestaltungsfaktoren, wie die Betriebsvereinbarung, der Tarifvertrag und vor allem die Allgemeinen Arbeitbedingungen, sind dem sonstigen Zivilrecht nicht geläufig181. Diese Normenvielfalt kann zu Kollisionen führen, für deren Lösung das Zivilrecht keine Mechanismen bereit hält. Deshalb ist für das Verhältnis von kollektivrechtlichen und individualrechtliehen Regelungen das Günstigkeilsprinzip entwickelt worden 182. Das Günstigkeilsprinzip besagt folgendes: Die sich aus Individualabrede und kollektivrechtlicher Regelung ergebenden Rechte des einzelnen Arbeitnehmers sind miteinander zu vergleichen. Maßgebliches Bezugsobjekt ist dabei der einzelne Arbeitnehmer (sog. individueller Günstigkeitsvergleich 183 ). Maßgeblicher Bezugspunkt sind die Ansprüche, die dem einzelnen Arbeitnehmer aufgrund Individualvertrags oder Allgemeiner Arbeitsbedingungen zustehen184. Vorrangig ist die Regelung, die für den einzelnen Arbeitnehmer185 günstiger ist.

178 Fitting, BetrVG, 13.A, § 77 Rz 40; GK BetrVG, § 77 Rz 204. 179 Belling OB 82, 2313, 2314:"0ie Geltung des Günstigkeilsprinzip wird im Verhältnis zwischen Betriebsvereinbarung und nachfolgenden Allgemeinen Arbeitbedingungen ohne Einschränkung anerkannt."; Pfarr, BB 83, 2009; a.A. Jobs, OB 86, 1122. 180 Jobs, OB 86, 1120. 181 Herrmann, ZfA 89, 579. 182 Hanau, BB 77, 350, 354. 183 Allerdings wird nach h.M. bei der Ablösung von Allgemeine Arbeitbedingungen durch Betriebsvereinbarungen ein kollektiver Günstigkeilsvergleich vorgenommen, vgl. ausfiihrlich Teii2.E.V.

E. Rechtliche Ausgestaltung auf betriebsverfassungsrechtlicher Ebene

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Das Günstigkeitsprinzip ist im Betriebsverfassungsgesetz im Gegensatz zum Tarifvertragsgesetz 186 nicht geregelt. Dennoch findet es nach ganz herrschender Auffassung187 auch im Betriebsverfassungsgesetz Anwendung. 2. Bei vorangegangener Gewährung aufgrund Allgemeiner Arbeitsbedingungen

Auch Allgemeine Arbeitsbedingungen 188 sind individualrechtliche Regelungen, wenn auch in kollektivem (nicht kollektivrechtlichem) Gewand189. Bei ihnen handelt es sich hinsichtlich ihrer Entstehung um Einzelverträge, inhaltlich stehen sie dagegen weitgehend Kollektivverträgen gleich 190. Aufgrund der Kollektivität von Allgemeinen Arbeitsbedingungen war lange umstritten, ob bei einer Ablösung Allgemeiner Arbeitsbedingungen durch eine nachteilige spätere Betriebsvereinbarung die gleichen Grundsätze gelten wie bei der Ablösung von Einzelverträgen durch Betriebsvereinbarungen 191 . Dann wäre die Ablösung Allgemeiner Arbeitsbedingungen durch nachteilige Betriebsvereinbarungen nicht möglich. Dem Arbeitgeber wären hinsichtlich der Reduzierung einmal gewährter Zulagen weitgehend die Hände gebunden. Da Allgemeine Arbeitsbedingungen individualrechtliche Regelungen sind, gilt für sie zunächst das Günstigkeitsprinzip 192. Das BAG hat allerdings für das Günstigkeilsprinzip bei Allgemeinen Arbeitsbedingungen wegen ihres kollektiven Bezugs besondere Maßstäbe entwickelt. Es soll kein individueller Günstigkeilsvergleich mehr erfolgen, sondern maßgeblich soll die Günstigkeit für die ganze Belegschaft sein, sogenannter kollektiver Günstigkeitsvergleich193. 184 Adomeit will in NJW 84, 26, 27 das Günstigkeilsprinzip neu verstanden wissen, indem er als Bezugspunkt auch mittelbare wirtschaftliche Vorteile ansieht, soweit diese aus Sicht des Arbeitnehmer maßgeblich sein sollen. 185 Dieser Grundsatz ist für Ansprüche aus Allgemeinen Arbeitsbedingungen modifiziert, hier wird ein kollektiver Günstigkeilsvergleich vorgenommen, vgl. Teil 2 E.V.2. 186 Dort§ 4 111 TVG. 187 Vgl. Belling, OB 82, 2513 mwN; kritisch zur Geltung des Günstigkeilsprinzips im Betriebsverfassungsgesetz H/ Kl Zl Z, TVG, § 4 Rz 139; Jobs, OB 86, 1122. 188 Vgl. Teil 2.0. 189 Jobs OB 86, 1120, unter Betonung der Kollektivität; Leinemann OB 85, 1394, 1395. 190 BAG OB 87, 384 unter C II 1b der Gründe; Blomeyer OB 87, 634. 191 Bejahend Richardi RdA 83, 278, 285. 192 Auch hier findet das Günstigkeilsprinzip nur Anwendung, wenn die Gewährung nicht wegen Übergehung von Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats unwirksam war, vgl. Teil 2.D.V.l. und Tei13.B.VII.2.

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Teil 2: Anspruchsbegründende Seite

Vergleichsbasis für einen kollektiven Günstigkeitsvergleich ist der wirtschaftliche Wert der Zulage insgesamt 194. Dabei hat der GS aber leider offen gelassen, ob sich der Wert an den Kosten des Arbeitgebers oder an dem den Arbeitnehmern tatsächlich zufließenden Leistungsvolumen orientiert. Maßgeblich muß das Leistungsvolumen sein, da das Günstigkeitsprinzip die Vertragspositionen der Arbeitnehmer schützen will, und dafür nur die dem Arbeitnehmer zufließenden Leistungen maßgeblich sind 195. Grund für die Einführung des kollektiven Günstigkeitsprinzips durch das BAG ist, daß aus Gründen rechtlicher und wirtschaftlicher Veränderungen in Betrieben häufig das Bedürfnis entsteht, übertarifliche Leistungen oder Versorgungsordnungen den gewandelten Verhältnissen anzupassen 196. Dafür, ob kollektive Günstigkeit im Sinne der Vorstellungen des BAG vorliegt, ist zwischen der sogenannten ablösenden und der verschlechtemden Betriebsvereinbarung zu unterscheiden. Ablösende Betriebsvereinbarungenl 97 führen bei Aufrechterhaltung des Dotierungsrahmens zu einer Neuverteilung der Leistungen auf die Arbeitnehmer. Da hierbei die Belegschaft insgesamt nicht ungünstiger dasteht, sondern nur einzelne Arbeitnehmer schlechter gestellt werden, hält eine derartige Betriebsvereinbarung dem kollektiven Günstigkeitsvergleich stand. Anders ist es bei der sogenannten verschlechtemden Betriebsvereinbarung 198, die zu einer Herabsetzung des Dotierungsrahmens führt. Hier wird die Belegschaft insgesamt schlechter gestellt, so daß diese Betriebsvereinbarung gegen das kollektive Günstigkeitsprinzip verstößt und vorangegangene Allgemeine Arbeitbedingungen nicht wirksam ablösen kannl99.

193 BAG DB 87, 383, 387; vgl. auch Leinemann BB 89, 1905, 1909; ablehnend v.Hoyningen-Huene BB 92, 1640, 1644. 194 BAG DB 87, 383, 387. 195 Belling DB 87, 1888, 1894. 196 BAG DB 87, 383, 387 unter C 114 b der Gründe. 197 Pfarr BB 83, 2001, 2003. 198 Pfarr BB 83, 2001, 2003. 199 A.A. Löwisch DB 83, 1709 ff.

E. Rechtliche Ausgestaltung auf betriebsverfassungsrechtlicher Ebene

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Am Wandel vom individuellen zum kollektiven Günstigkeilsprinzip ist auch Kritik geübt worden200. Eine ausführliebe Darlegung dieser Kritik würde im Rahmen dieser Untersuchung allerdings zu weit führen. 3. Bei vorangegangener Gewährung aufgrund einer Betriebsvereinbarung

Einmütigkeit herrscht in Rechtsprechung und Lehre darüber, daß eine nachfolgende Betriebsvereinbarung eine vorangegangene Betriebsvereinbarung verdrängt, auch wenn dadurch die Position der Arbeitnehmer verschlechtert wird201 . Insoweit gilt das Ablösungsprinzip2°2. Uneinigkeit besteht dagegen darüber, ob die Ablösung unbeschränkt möglich ist oder ob das Arbeitsgericht Betriebsvereinbarungen einer Billigkeitskontrolle unterziehen darf. Sie wird seit 1970 vom BAG vorgenommen2°3. Die Literatur lehnt sie dagegen zum Teil als unzulässig ab204 , zum Teil gebt sie aber auch davon aus, daß die Wirksamkeit einer Ablösung unter dem Vorbehalt der Billigkeit der ablösenden Betriebsvereinbarung steht205 . Die Billigkeitskontrolle ist die über die bloße Rechtskontrolle hinausgehende Inhaltskontrolle einer Betriebsvereinbarung. Sie wird damit gerechtfertigt, daß die Betriebsratsmitglieder abhängige Arbeitnehmer sind und trotz ihres speziellen Schutzes, z.B. des besonderen Kündigungsschutzes, als abhängige Arbeitnehmer nicht in gleichem Maße frei in ihrem Verhalten sind wie die Tarifvertragsparteien. Darüber hinaus ist der Grundsatz des § 75 I BetrVG zu beachten, wonach alle im Betrieb tätigen Personen nach den Grundsätzen von Recht und Billigkeit zu behandeln sind. Infolgedessen ist die ablösende Betriebsvereinbarung einer Billigkeitskontrolle zu unterziehen.

200 Herrmann ZfA 89, 580, 625, die ausführt, daß der Wandel zum kollektiven Günstigkeitsprinzip zu einem Funktionswandel führe und das arbeitsrechtliche Schutzprinzip dadurch in sein Gegenteil verkehre, daß es die Verschlechterung der Position einzelner Arbeitnehmer erlaube. 201 Hermann, ZfA 89, 595 . 202 Richardi, RdA 83,201,204. 203 BAG DB 70, 1393; AP Nr. 5 zu§ 57 BetrVG 52; AP Nr.ll zu§ 242 BGB Unverfallbarkeit; AP Nr. 1 zu § 77 BetrVG Auslegung. 204 Vgl. F/ Al Kf H, BetrVG, § 77 Rz 96; v. Hoyningen-Huene, Billigkeit, S. 164 ff. ; Kreutz, Betriebsautonomie, S. 248; a.A. Herrmann, ZfA 89, 614; Löwisch, DB 83, 1711. 205 BAG OB 82, 46; Däubler ArbuR 84, 1, 5.

58

Teil 2: Anspruchsbegrundende Seite

VI. Weitergabe einer übertariflichen Zulage aufgrund einer Betriebsvereinbarung Ebenso wie die Gewährung übertariflicher Zulagen ist deren Weitergabe durch Betriebsvereinbarung möglich.

F. Regelungen hinsichtlich übertariflicher Zulagen auf tarifvertraglicher Ebene Neben Betriebsvereinbarung und Regelungsabrede ist der Tarifvertrag eines der wichtigsten Gestaltungsmittel für die Entlohnung auf kollektivrechtlicher Ebene.

I. Gewährung/ Erhöhung übertariflicher Zulagen

mittels Tarifvertrages

Eine erstmalige Gewährung übertariflicher Zulagen durch Tarifvertrag ist nicht möglich, da er die Mindestarbeitsbedingungen und so nur das tarifliche Mindestentgelt regelt. Übertarifliche Zulagen gehen aber über den Tarifvertrag hinaus, deshalb scheidet ihre erstmalige Gewährung ebenso wie ihre Erhöhung aufgrund Tarifvertrags aus.

II. Widerruf, Anrechnung oder Weitergabe übertariflicher Zulagen mittels Tarifvertrages Ein Arbeitsvertrag kann, solange der Tariflohn nicht unterschritten wird, Regelungen enthalten, wonach Anrechnungen von Tariflohnerhöhungen erfolgen oder auch unterbleiben sollen. Dies wurde unter Teil 2 III ausführlich dargelegt. Die Gewerkschaften haben ein großes Interesse daran, entsprechende Regelungen auch in den Tarifverträgen zu treffen, und haben sich daher immer bemüht, übertarifliche Lohnbestandteile tariflich abzusichern. Dieses Interesse folgt daraus, daß ein maßgeblicher Teil der abhängig Beschäftigten übertariflich entlohnt wird. Kann jedoch auf übertarifliche Zulagen kein Einfluß durch Tarifvertrag ausgeübt weden, so ergibt sich für die Gewerkschaften das Dilemma, daß die übertariflich entlohnten Arbeitnehmer an der Durchsetzung von Tariflohnerhöhungen kein Interesse haben. Das schwächt die Stoßkraft gewerkschaftlicher Forderungen. Außerdem müssen die Gewerkschaften befürchten, daß eventuell durch die mit Anrechnungen verbundenen Reallohn-

F. Regelungen auf tarifvertraglicher Ebene

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einbußen ihrer Mitglieder die Legitimation ihrer tariflichen Lohnpolitik in Frage gestellt wird206. Deshalb haben die Gewerkschaften jahrelang versucht, im Tarifvertrag zumindest einen Teil der übertariflichen Zulagen rechtlich abzusichern207. Dies sollte mit Hilfe der Effektivklauseln geschehen, wobei Effektivgarantieklauseln und begrenzte Effektivklauseln voneinander abgegrenzt wurden208: Die Effektivgarantieklauseln sollten übertarifliche Lohnbestandteile zu tariflichen Bestandteilen und dadurch unabdingbar machen209. Begrenzte Effektivklauseln sollten dagegen lediglich bewirken, daß die Erhöhung des tariflichen Lohns um die beschlossene Tariflohnerhöhung für die Arbeitnehmer effektiv wirksam wird. In diesem Fall sollten die übertariflichen Zulagen nicht zum unabdingbaren Tariflohn werden210, sondern übertariflich bleiben und so die Möglichkeit bestehen, die übertarifliche Zulage vertraglich wieder abzubauen. Die Rechtsprechung hat die Effektivklauseln für unzulässig erklärt211 . Die Unzulässigkeit von Effektivgarantie- und begrenzten Effektivklauseln stützt sie im wesentlichen auf folgende Gründe: Es werde durch diese Klauseln gegen das Schriftformgebot des § 1 II TVG verstoßen, da sich der Tariflohn bei Anwendung der Klausel nicht mehr aus der schriftlichen Urkunde ermitteln lasse. Darüber hinaus würden die Klauseln einen Verstoß gegen den verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG darstellen, weil sie fiir gleiche Sachverhalte ohne sachlichen Grund differenzierte Mindestlöhne festsetzen würden. Ferner seien durch derartige Klauseln tarifrechtliche Grundprinzipien verletzt. Wie sich aus §§ 4 I, III TVG ergebe, könnte Gegenstand tarifrechtlicher Inhaltsnormen nur die Festsetzung allgemeiner und gleicher Mindestarbeitsbedingungen sein. Da die Effektivklauseln sich nicht darauf beschränkten, griffen sie in einen Bereich ein, der einer individuellen einzelvertraglichen Gestaltung vorbehalten sei21 2.

206 Weyand, ArbuR 93, I. 207 Rehhan, ArbuR 56,289 ff; Weyand ArbuR 93, I, 3. 208 Joost, JUS 89, 274, 278. 209 BAG AP Nr. 7 zu § 4 TVG Effektivklausel; Joost JUS 89, 274, 278; leider ist die Terminologie in Wissenschaft und Praxis nicht einheitlich, vgL Schaub, Arbeitsrecht, § 204 VI 4; BAG AP Nr.15 zu§ 4 TVG Effektivklausel, wo der Inhalt der Effektivgarantieklausel anders verstanden wird. 210 BAG AP Nr. 7 zu§ 4 TVG EffektivklauseL 211 BAG AP Nr.7, 8 zu§ 4 TVG EffektivklauseL 212 BAG AP Nr. 7 zu § 4 TVG EffektivklauseL

60

Teil 2: Anspruchsbegründende Seite

Klauseln, die die Anrechnung übertariflicher einzelvertraglich geschuldeter Entgeltbestandteile vorschreiben, bezeichnet man als VerechnungskJauseln21 3 . Diese Klauseln sind ebenfalls unwirksam2 14. Sie verstossen nämlich gegen das Günstigkeilsprinzip des § 4 III TVG. Darüber hinaus regelt die Verrechnungsklausel als sogenannte negative Effektivklausel das Gegenteil der positiven EffektivkJausel und ist deshalb aus denselben Gründen wie diese als unwirksam abzulehnen. Regelungen hinsichtlich übertariflicher Zulagen können somit im Wege des Tarifvertrags nicht getroffen werden. Diese Konzeption, deren "tarifrechtliches Fundament" 215 im Rahmen dieser Arbeit nicht kritisch überprüft werden kann, wird nach wie vor kontrovers diskutiert216 .

G. Übergreifende Gültigkeitsvoraussetzungen für rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten übertariflicher Zulagen I. Vorbemerkung Die Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes und des Grundsatzes des billigen Ermessens sind übergreifende Gültigkeitsvoraussetzungen für die rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten hinsichtlich übertariflicher Zulagen.

II. Geltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes 1. Begriff und Anwendungsbereich des Gleichbehandlungsgrundsatzes Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz verpflichtet den Arbeitgeber, Arbeitnehmer nicht willkürlich, sondern nur aus sachlichen Gründen ungleich zu behandeJn217.

2l 3 BAG AP Nr. 12 zu § 4 TVG Ordnungsprinzip; Ziepke BB 81, 61, 62 spricht von Anrechnungsklausel, bzw. negativer Effektivklausel; von negativer Effektivklausel spricht auch Wiedemann/ Stumpf, TVG, § 4 Rz 271. 2l 4 BAGE 23, 399, 405=BAG DB 71, 2117; 86, 2031; Oetker, RdA 91, 16, 17; Richardi, NZA 91,961. 215 OetkerRdA91, 16, 17. 216 Bötticher, Anm. zu BAG AP Nr.7 zu§ 4 TVG Effektivklausel; Hansen RdA 85, 78; A. Hueck, BB 54, 776, 777; Kempen ArbuR 82, 50 ff.; Lieb Arbeitsrecht, S. 145; Nikisch BB 56, 468 ff. 217 BAG, DB 82, 120.

G. Übergreifende Gültigkeitsvoraussetzungen

61

Er findet bei allen Maßnahmen Anwendung, die der einseitigen Gestaltungsmacht des Arbeitgebers unterliegen, und wird daher hauptsächlich bei freiwilligen Leistungen angewendet218. Nur soweit Arbeitsbedingungen individuell und einzeln ausgehandelt werden, ist der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht anwendbar219 und die Vertragsfreiheit hat Vorrang220 . Daß eine einzelvertragliche Abrede vorliegt, ist nicht entscheidendes Kriterium dafür, daß die Arbeitsbedingungen einzeln ausgehandelt wurden. Auch wenn technisch Einzelverträge vorliegen, kann eine betriebseinheitliebe Gruppenbildung, wie sie für die Anwendbarkeit des Gleichbehandlungsgrundsatzes vorausgesetzt wird, vorliegen221 . Da übertarifliche Zulagen aber selten individuell ausgehandelt, sondern zumeist aufgrundAllgemeiner Arbeitsbedingungen vergeben werden, kommt der Gleichbehandlungsgrundsatz im Zusammenhang mit übertariflichen Zulagen häufig zum Tragen und ist für das Recht der übertariflichen Zulage von großer Bedeutung.

2. Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes Eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes liegt dann vor, wenn einzelne Arbeitnehmer entgegen einer allgemeinen betriebsüblichen Regel aus willkürlichen, unsachlichen Motiven schlechter behandelt werden als die Mehrzahl der Arbeitnehmer222 . Willkürlich und daher unzulässig sind solche Differenzierungen, die gegen Art 3 GG und das Differenzierungsverbot des § 75 BetrVG verstoßen223. Maßgeblich dafür, ob ein Arbeitnehmer unzulässig von einer freiwilligen Zulage ausgeschlossen wurde, ist der Zweck der Zulage224 , wobei zu beachten ist, daß der Arbeitgeber den Zweck einer freiwilligen Leistung grundsätzlich frei bestimmen kann225. Objektiv nachweisbare Leistungsunterschiede sind sachlich zulässige Differenzierungsgründe. 218 Richardi/ Wlotzke, Handbuch,§ 14 Rz 10. 219 Schwerdtner, Anm. zu BAG AP Nr. 40 zu§ 242 BGB Gleichbehandlung. 220 BAG AP Nr. 32 zu§ 2428GB Gleichbehandlung; Ziepke 88 81, 63. 221 Vgl. BAG DB 82, 120. 222 BAG AP Nr. 31, 40 zu § 242 BGB Gleichbehandlung. 223 Ziepke, Anrechnung und Widerruf, S. 15. 224 Dazu ausfiihrlich Ziepke, Anrechnung und Widerruf, S. 16; zu beachten ist, daß der Grundsatz der Vertragsfreiheit hinsichtlich später eingestellter Arbeitnehmer Vorrang vor dem Gleichbehandlungsgrundsatz hat, vgl. Richardi/ Wlotzke, Handbuch,§ 14 Rz 32 mwN. 225 AP Nr. I zu§ 611 BGB Gratifikation; und ausfiihrlich siehe unten Teil 3.B.V.

62

Teil 2: Anspruchsbegrundende Seite

Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz gilt für Gewährung, Erhöhung, Anrechnung, Weitergabe und Widerruf übertariflicher Zulagen gleichermaßen. Wird eine übertarifliche Zulage als anrechenbar vereinbart, so ist die Tariflohnerhöhung für sich gesehen bereits ein sachlicher Grund, denn in derartigen Fällen haben die Vetragsparteien bereits vorab entschieden, daß sie als Grund für eine Kürzung der Zulage die Erhöhung der Tariflöhne ausreichen lassen wollen226 . 3. Rechtsfolgen einer Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes

Liegt ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz vor, weil sachliche Gründe für eine unterschiedliche Behandlung mehrerer Arbeitnehmer nicht gegeben sind, so ist nicht die Regelung an sich unwirksam, vielmehr haben die benachteiligten Arbeitnehmer - aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz - ebenfalls einen Anspruch auf die Leistungen227. Die sachlichen Gründe, die für eine unterschiedliche Behandlung maßgeblich waren, muß der Arbeitgeber spätestens im gerichtlichen Verfahren offenlegen.

111. Freies oder billiges Ermessen Das Bestehen einer Anrechnungs- oder Widerrufsmöglichkeit bedeutet nicht, daß Anrechnung und Widerruf im freien (willkürlichen) Belieben oder Ermessen des Arbeitgebers stehen. Auch sie können regelmäßig nur nach billigem, gerichtlich nachprüfbarem Ermessen gemäß § 315 BGB228 erfolgen229. Das billige Ermessen ist dabei gewahrt, wenn der Arbeitgeber einen sachlichen Grund für Widerruf bzw. Anrechnung hat230, Dabei ist der Zweck der Zulage maßgeblich.

226 BAG DB 80, 407. 227 Richardi/ Wlotzke, Handbuch, § 14 Rz 35, 36. 228 Vorschriften des BGB sind auf das BetrVG anwendbar, soweit sie im Einzelfall passen, da das Betriebsverfassungsrecht ein Teil des Zivilrechts ist, Ramrath, DB 90, 2600; Schukai/ Ramrath, SAE 89, 184; Wiese, NZA 90, 796. 229 BAG DB 74, 1436; AP Nr. 2 zu § I TVG Tarifverträge: Metallindustrie mit zustimmender Anm. Blomeyer; BAG BB 88, 702; Bommermann DB 91,2185, vgl. Anm. 11 ; Hunold, DB Beil 26/ 81, S. 9, 10; Pfarr, BB 83, 2008 stellt klar, daß sachliche, nicht lediglich vernünftige Grunde vorliegen müssen.

230 BAG AP Nr. 5 zu § 611 BGB Lohnzuschläge; BAG DB 80, 407; Ziepke, BB 81, 65.

G. Übergreifende Gültigkeitsvoraussetzungen

63

Ein Widerruf ist nur dann sachlich gerechtfertigt, wenn er aus Gründen erfolgt, die mit den Sachgründen in Zusammenhang stehen, die bei der Gewährung eine Rolle gespielt haben231 . Wie auch beim Gleichbehandlungsgrundsatz ist die Tariflohnerhöhung ein sachlicher Grund im Sinne des§ 315 BGB fiir eine Anrechnung232. Ist eine Bestimmung nach billigem Ermessen vorzunehmen, so sind die Interessen der betroffenen Parteien gegeneinander abzuwägen und eine unparteiische Entscheidung zu treffen. Ein Widerruf in den Grenzen des billigen Ermessens kann aber nur dann wirksam sein, wenn in ihm keine Umgehung kündigungsschutzrechtlicher Vorschriften zu sehen ist233 . Von einer derartigen Umgehung ist jedoch nur dann auszugehen, wenn dadurch grundlegende Elemente des Arbeitsvertrags widerrufen werden könnten, so daß ein Ungleichgewicht zwischen Leistung und Gegenleistung entstehen könnte. Das ist bei übertariflichen Zulagen nur dann der Fall, wenn sie einen hohen Prozentsatz des Effektivlohns ausmachen234. Es wird auch vertreten, daß dem Arbeitgeber ausdrücklich die Befugnis eingeräumt werden könne, die Regelung nach freiem Belieben, gemäß § 319 II BGB, zu treffen235. Eine derartige Vereinbarung ist jedoch nicht unbeschränkt möglich, da die Vertragsfreiheit aus Gründen des Arbeitnehmerschutzes insoweit teilweise eingeschränkt ist. So hat das BAG236 die Vereinbarung eines ins freie Ermessen gestellten Widerrufsvorbehalts fiir unzulässig erklärt, soweit er sich auf Bestandteile des laufenden Verdienstes bezieht. Deshalb kann nicht vereinbart werden, daß der Arbeitgeber die Zulage nach freiem Ermessen widerrufen kann. Der Zulässigkeit einer solchen Vereinbarung steht das Schutzbedürfnis des Arbeitnehmers entgegen. Könnte der Arbeitgeber nämlich Bestandteile des laufenden Verdienstes nach freiem Ermessen oder eigenem Belieben widerrufen, so könnte er einseitig das Gleichgewicht von Leistung und Gegenleistung verändern, ohne daß dem Arbeitnehmer kündigungsschutzrechtliche Vorschriften zur Seite stünden.

231 BAG DB 83, 1368. 232 Vgl. auch BAG DB 80, 406; BAG DB 93,384. 233 Bauer, Handelsblatt vom 4.10.93, S. 6; Ziepke, Anrechnung und Widerruf, S. 73

mwN.

234 Vgl. dazu Teil 1 Fußnote 10. 235 Richardi, NZA 92, 965. 236 BAG NZA 88, 95 , 96.

64

Teil 2: Anspruchsbegrundende Seite

H. Zusammenfassung Teil 2 befaßt sich mit der anspruchsbegründenden Seite der freiwilligen übertariflichen Zulagen. Übertariflich im Sinne dieser Arbeit sind Zulagen, die entweder an im Tarifvertrag geregelte Verpflichtungen anknüpfen und über sie hinausgehen oder die gänzlich an außerhalb des Tarifvertrags liegende Faktoren anknüpfen. Freiwillig ist die Leistung, wenn der Arbeitgeber bislang weder durch Gesetz noch durch Tarifvertrag oder Individualabrede zu ihr verpflichtet war. Ansprüche auf übertarifliche Zulagen können im Wege der Individualvereinbarung sowie durch Allgemeine Arbeitsbedingungen oder Betriebsvereinbarung begründet werden. Tarifvertraglich kann dagegen auf übertarifliche Zulagen kein Einfluß genommen werden. Die Kernfrage im Rahmen dieser Untersuchung betrifft die Frage nach Möglichkeiten der Beseitigung übertariflicher Bezahlung. Die Beseitigung kann im Wege der Anrechnung, des Widerrufs, eines Änderungsvertrags, einer Änderungskündigung oder über die Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage erfolgen. Änderungsverträge setzen das Einverständnis des Arbeitnehmers voraus. Die Änderungskündigung wird an den hohen Anforderungen der §§ 2, 17 KSchG sowie § 102 BetrVG gemessen und ist selten zulässig. Deshalb ist die einfachste und häufigste Art der Beseitigung übertariflicher Zulagen die Anrechnung, d.h. Beseitigung übertariflicher Zulagen anläßlich einer Tariflohnerhöhung, bzw. der Widerruf, d.h. Beseitigung unabhängig von einer Tariflohnerhöhung. Anrechnung bzw. Widerruf können zulässigerweise aufgrund eines Vorbehalts erfolgen. Da eine Veränderung der wirtschaftlichen, aber auch der rechtlichen und politischen Rahmenbedingungen bei "Einführung" der übertariflichen Zulagen selten bedacht wurde, sind bei der Festlegung übertariflicher Zulagen im Individualarbeitsvertrag zumeist keine Anrechnungs- bzw. Widerrufsvorbehalte gemacht worden. Auch wenn ein ausdrücklicher Vorbehalt nicht erfolgt, kann eine Tariflohnerhöhung dennoch grundsätzlich anrechenbar sein, nämlich dann, wenn die Auslegung keine Anhaltspunkte dafür ergibt, daß die Zulage anläßlich einer Tariflohnerhöhung beständig sein soll237. Ausgangspunkt für eine Aus-

237 Bommennann, OB 91, 2185; Stege/ Schneider, OB 92, 2342.

H. Zusammenfassung

65

legung ist der mit der Zulage verfolgte Zweck, so daß Zulagen anrechenbar sind, soweit sie den gleichen Zweck verfolgen wie die Tariflohnerhöhung. Hinsichtlich übertariflicher Zulagen sind die Grundsätze der Gleichbehandlung sowie des billigen Ermessens zu beachten. Einen Überblick über die unterschiedlichen Anpassungs- und Beseitigungsmöglichkeiten individualrechtlich oder kollektivrechtlich begründeter Ansprüche auf übertarifliche Zulagen soll die nachfolgende Tabelle vermitteln. Gewähnmg übertariflicher Zulagen aufgrund I.

Arbeitsvertrsglicher Individualvereinbarung ( +)

Beseitigung übertariflicher Zulagen aufgrund Arbeitsvertrsglicher Individualvereinbarung ( +) ~nderungskündigung ( +) Anderungsvertrsg ( +) WGG • (+) Allgemeiner Arbeitsbedingungen ( + /-) Betriebsvereinbarung (-) Tarifvertrsg (-)

u.

Allgemeine Arbeitsbedingungen ( +)

Arbeitsvertrsgliche Individualvereinbarung ( +) Änderungskündigung ( +) Änderungsvertrag ( +) WGG (+) Allgemeine Arbeitsbedingungen ( +/-) Betriebsvereinbarung ( +, aber nur im Rahmen kollektiver Günstigkeit) Tarifvertrsg (-) (Fortsetzung nächste Seite)

5 Rau

66

Teil 2: Anspruchsbegründende Seite (Fonsetzung)

Gewähnmg übertariflicher Zulagen aufgrund

m.

Betriebsvereinbarung ( +)

Beseitigung

übertariflicher Zulagen aufgrund Arbeitsvertragliche Vereinbarung(+/-) Änderungskündigung ( +) Änderungsvertrag ( +) WGG (+) Allgemeine Arbeitsbedingungen (-) Betriebsvereinbarung ( +) Tarifvertrag (-)

IV. (-)

(+)

(+/-)



Tarifvertrag (-)

entfallt

bedeutet unzulässig bedeutet zulässig bedeutet rechtlich möglich, faktisch aber wegen der Interessenlage ausgeschlossen bedeutet "Wegfall der Geschäftsgrundlage"

Teil3

Betriebsverfassungsrechtliche Seite: Beteiligungsrechte des Betriebsrats hinsichtlich übertariflicher Zulagen A. Vorbemerkung Auf der Grundlage des Demoktratieprinzips sollen auch im Betriebsverfassungsgesetz diejenigen, die von einer Entscheidung betroffen sind, am Entscheidungsprozeß durch Information und gegebenenfalls Mitwirkungsmöglichkeit beteiligt werden 1• Die Interessenwahrnehmung erfolgt durch den Betriebsrat im Wege der Ausübung seiner Beteiligungsrechte. Bei den Beteiligungsrechten unterscheidet man zwischen bloßen Informationsrechten, Mitwirkungsrechten sowie Mitbestimmungsrechten. Die Mitwirkungsrechte sind entweder als Anhörungs- oder als Beratungsrechte ausgestaltet. Die stärkste Form der Beteiligung, die Mitbestimmungsrechte, räumen dem Betriebsrat ein paritätisches Mitgestaltungs- bzw. Mitbeurteilungsrecht ein2 •

B. Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats aus§ 87 I Nr. 10 BetrVG I. Vorbemerkung Ein möglicher Ansatzpunkt für Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats hinsichtlich übertariflicher Zulagen ergibt sich aus § 87 I Nr. 10 BetrVG.

1 V. Hoyningen-Huene, Betriebsverfassungsrecht, § 1 ß . 2 D/ R, BetrVG, Vorbem. 23 zu§ 74 BetrVG.

68

Teil 3: Betriebsverfassungsrechtliche Seite

§ 87 BetrVG ist das "Herzstück" bezüglich der Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten3. Diese Regelung strebt die Erfassung der Mitbestimmung bezüglich aller Arbeitsbedingungen an, die zwar nicht gesetzlich oder tariflich geregelt sind, deren einheitliche Regelung aber für alle Arbeitnehmer im Betrieb wünschenswert ist4.

War unter der Geltung des § 56 BetrVG 1952 noch strittig, ob die Mitbestimmung des Betriebsrats sich lediglich auf formelle oder auch auf materielle Arbeitsbedingungen5 erstreckt, so spielt diese vom Gesetz selbst nicht vorgenommene Unterscheidung nach dem Betriebsverfassungsgesetz 1972 keine Rolle mehr6. § 87 BetrVG enthält nämlich neben formellen, d.h. Angelegenheiten der betrieblichen Ordnung betreffenden Tatbeständen (vgl. §§ 87 I Nr.1, 2, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 12 BetrVG), auch materielle, d.h. das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung betreffende Tatbestände (vgl. §§ 87 I Nr. 3, 10, 11 BetrVG)7. Der Betriebsrat hat daher unter den Tatbestandsvoraussetzungen der §§ 87 I Nr. 1-12 BetrVG eine vollumfängliche funktionelle Zuständigkeit zur Mitwirkung in sozialen Angelegenheiten. Der Frage nach dem Bestehen von Mitbestimmungsrechten aus § 87 I Nr. 10 BetrVG im Hinblick auf übertarifliche Zulagen nähert man sich am besten, indem man die wechselvolle und teils widersprüchliche Entwicklung der Rechtsprechung und Literatur zu diesem Thema nachvollzieht. Auf diese Weise werden die in diesem Zusammenhang bestehenden Problemfelder und umstrittenen Fragestellungen deutlich.

II. Entwicklung von höchstrichterlicher Rechtsprechung und Literatur hinsichtlich der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats aus § 87 I Nr. 10 BetrVG bei übertariflichen Zulagen 1. Rechtsprechung

Das BAG hat sich vor den Vorlagebeschlüssen vom 13.2.19908 und den Entscheidungen des GS vom 3.12.19919 bereits zweimal grundsätzlich mit den Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats bei übertariflichen Zulagen be3 V. Hoyningen-Huene, Betriebsverfassungsrecht, § 12 I. 4 V. Hoyningen-Huene, Betriebsverfassungsrecht, § 12 I. 5 Vgl. Dietz, BetrVG, 4. Autl. §56 Rz 24 ff.; GK BetrVG, § 87 Rz 26 ffmwN. 6 GK BetrVG, § 87 Rz 33, 34. 7 Vgl. BAG AP Nr.l zu§ 87 BetrVG Werksmietwohnungen. 8 BB 90, 1485; NZA 90, 654. 9 NZA 92, 749.

B. Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats aus§ 87 I Nr. 10 BetrVG

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faßt, und zwar in den Beschlüssen vom 31.1.1984 10 und vom 17.12.1985 11 • 12 In der Entscheidung von 1984 13 lehnte der 1. Senat Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats hinsichtlich übertariflicher Zulagen vollumfänglich ab. Er führte aus, der Betriebsrat habe keine Mitbestimmungsrechte, wenn der Arbeitgeber zum tariflich geregelten Entgelt eine übertarifliche Zulage zahle, die an keine weiteren Voraussetzungen gebunden sei, sondern nur zu einer Erhöhung des tariflichen Entgelts führe. Dieses sei nämlich ebenso wie die übertarifliche Zulage schlichtes Entgelt für die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung des Arbeitnehmers. Es sei aber dem Gegenstand nach tariflich bereits geregelt. Dem Zweck des Mitbestimmungsrechts aus § 87 I Nr. 10 BetrVG, Schaffung eines angemessenen und durchschaubaren innerbetrieblichen Lohngefüges14 , sei Genüge getan, da die Tarifpartner durch die tariflichen Entgeltgruppen bestimmt hätten, in welcher Weise Lohngerechtigkeit verwirklicht und das Lohngefüge durchschaubar gestaltet werden solle. Eines weiteren Schutzes der Arbeitnehmer im Wege der Mitbestimmung seitens des Betriebsrats bedürfe es daher nicht mehr. Der Ausschluß der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats ergab sich danach aus § 87 I Eingangssatz BetrVG. In seinem Beschluß vom 17.12.1985 15 , also nicht einmal zwei Jahre später, kam derselbe Senat zu einem gegenteiligen Ergebnis: er bejahte unter ausdrücklicher Aufgabe der oben dargestellten Auffassung grundsätzlich das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei übertariflichen Zulagen 16 . Danach hat der Betriebsrat mitzubestimmen, wenn der Arbeitgeber zum tariflichen Entgelt allgemein eine Zulage gewährt, deren Höhe der Arbeitgeber aufgrund individueller Entscheidung festlegt. Es steht einem Mitbestimmungsrecht nicht entgegen, daß der Arbeitgeber mit der von ihm bisher durchgeführten Gewährung der übertariflichen Zulagen zum Ausdruck gebracht hat, daß er diese nicht nach einer allgemeinen Regelung, sondern aufgrund einer individuellen Prüfung des Einzelfalles gewähren will. Das an den Arbeitnehmer gezahlte Arbeitsentgelt ist in einen tariflichen und einen übertariflichen Teil auf10 BAG AP Nr. 3 zu § 87 BetrVG Tarifvorrang. II BAG DB 86, 914. 12 Vgl. zu den Beschlüssen bzw. die darin betroffenen Fragestellungen enthalten Bommermann, DB 91, 2185; Goos, NZA 86, 701; Hönsch, BB 88, 2312; Hromadka, DB 88, 2638; ders. DB 91, 2133; ders., DB 92, 1573; Kappes, DB 86, 1520; Oetker, RdA 91, 18; Schirge/ Trittin, AiB 90, 227; Schüren, RdA 91, 141; Stege/ Rinke, OB 91, 2386; Wiese, NZA 90, 794. 13 Zum aufbereiteten Sachverhalt instruktiv Kappes, DB 86, 1520. 14 BAG DB 80, 1895; DB 82, 1274. 15 NZA 86, 364. 16 Zum aufbereiteten Sachverhalt instruktiv Kappes, DB 86, 1520; Schirge/ Trittin, AiB 90, 229.

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Teil 3: Betriebsverfassungsrechtliche Seite

zuspalten, wobei sich die Regelungssperre des § 87 I Eingangssatz BetrVG nur auf den tariflichen Teil bezieht 17 • Der Eingangssatz des § 87 I BetrVG steht einem Mitbestimmungsrecht nicht entgegen, da der darin geregelte Tarifvorrang nur dann greift, wenn die tarifliche Regelung hinsichtlich der mitbestimmungspflichtigen Angelegenheit selbst abschließend und zwingend ist. Der Tarifvertrag entfaltet keine Schutzwirkung im übertariflichen Bereich und kann daher in diesem die von § 87 I Nr. 10 BetrVG erstrebte Durchsichtigkeit in der Lohngestaltung nicht bewirken und Lohngerechtigkeit nicht gewährleisten. Der 1. Senat führte weiter aus, daß Fragen der innerbetrieblichen Lohngerechtigkeit und damit Fragen der betrieblichen Lohngestaltung auch bei freiwilligen übertariflichen Zulagen zu klären seien. Auch hier bleibe nämlich zu regeln, ob die Zulagen überhaupt gewährt werden sollen und ob die Gewährung an bestimmte Voraussetzungen und damit an eine durchschaubare Regelung gebunden sein soll. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bezieht sich dieser Auffassung zufolge nur auf das "wie" der Verteilung der Zulagen innerhalb des Dotierungsrahmens. Dessen Festlegung sowie die Entscheidung darüber, ob überhaupt übertarifliche Zulagen gezahlt werden, bleibt danach allein Sache des Arbeitgebers. Zu dieser neuen Sichtweise des Problems war das BAG aufgrund der Anregungen von Hoyningen-Huenes gelangt. In einer Urteilsanmerkung zum Urteil vom 31.1.841 8 hatte er dargelegt, daß der Eingangssatz des§ 87 I BetrVG das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nicht entfallen lasse, da übertarifliche Zulagen gerade nicht im Tarifvertrag geregelt seien, so daß ein betrieblicher Gestaltungsspielraum und darum auch ein Mitbestimmungsrecht verbleiben würden. Der 1. Senat hat seine 1985 entwickelte Rechtsposition in zahlreichen weiteren Entscheidungen vertieft 19 und teilweise weiterentwickelt, so unter anderem im Beschluß vom 13.1.8720, der sich mit der Frage befaßt, ob der Betriebsrat auch bei der Kürzung einer übertariflichen Zulage mitzubestimmen hat. Der 1. Senat ist davon ausgegangen, daß der Betriebsrat nicht mitzubestimmen hat, wenn der Arbeitgeber die finanzielle Belastung durch freiwillige übertarifliche Zulagen insgesamt kürzen will. Bei gleichmäßiger teilweiser Kürzung hat der Betriebsrat danach aber ein Mitbestimmungsrecht darüber, 17 Zur Kritik an dieser Aufspaltung vgl. Stege/ Rinke DB 91,2386. 18 V. Hoyningen-Huene, SAE 85, 298, 300. 19 Diese können hier nicht abschließend dargestellt werden, so daß nur zum Zwecke der Verdeutlichung einige besonders instruktive Urteile kurz vorgestellt werden sollen. 20 DB 87, 1096, so auch BAG EzA Nr. 14 zu § 87 BetrVG betriebliche Lohngestaltung; BAG BB 88, 1119.

8. Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats aus§ 87 I Nr. 10 BetrVG

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wie das gekürzte Zulagevolumen auf die von der Kürzung betroffenen Arbeitnehmer zu verteilen ist, da die gleichmäßige Verteilung des gekürzten Zulagevolumens nur eine der in Betracht kommenden Verteilungsmöglichkeiten ist2 1• Im Beschluß vom 24.11.8722 nahm der 1. Senat ein Mitbestimmungsrecht mit der Begründung an, die Gewährung einer übertariflichen Zulage an einen großen Teil der Belegschaft sei eine kollektive Maßnahme. Der 1. Senat geht damit in ständiger Rechtsprechung von einem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats gemäß § 87 I Nr. 10 BetrVG sowohl bei der Anrechnung einer Tariflohnerhöhung auf übertarifliche Zulagen als auch bei der Ausübung eines vorbehaltenen Widerrufs anläßtich einer Tariflohnerhöhung aus. Bei der Neuverteilung handelt es sich nämlich um eine Frage der Verteilungsgerechtigkeit, außerdem besteht fiir den Arbeitgeber ein Entscheidungsspielraum. Auf der anderen Seite nimmt der 1. Senat in ständiger Rechtsprechung23 an, daß der Betriebsrat nicht über die Lohnhöhe und daher auch nicht über die Kürzung des Zulagevolumens mitzubestimmen habe. Nachdem der 1. Senat den Weg fiir die grundsätzliche Mitbestimmungsfähigkeit der übertariflichen Zulage geebnet hatte, gingen die Auffassungen der verschiedenen Senate hinsichtlich des Umfangs und der jeweiligen Bezugspunkte der Mitbestimmungsrechte auseinander. Die Auffassung des 1. Senats, daß auch Anrechnung und Widerruf übertariflicher Zulagen mitbestimmungspflichtig seien, ist nicht unwidersprochen geblieben. Eine Anrechnung übertariflicher Zulagen anläßtich einer Tariflohnerhöhung halten der 4.24 und der 5. Senat25 fiir nicht mitbestimrnungspflichtig. Dieaufgrund der Tariflohnerhöhung erfolgende Umwandlung übertariflicher Zulagen in tariflich abgesicherte Lohnbestandteile beruhe allein auf der Tarifautomatik des § 4 I TVG. Die "Anrechnung" sei nur die Feststellung der aufgrund des Tarifvertrags eingetretenen Rechtsfolge. Daher entscheide der Arbeitgeber nichts, wenn er weiter den vereinbarten Effektivlohn zahle, womit auch eine Mitentscheidungsmöglichkeit des Betriebsrats entfalle.

21 BAG AP Nr. 33 zu § 87 BetrVG Lohngesta1tung. 22 BAG DB 88, 556. 23 BAG NZA 86, 364; DB 87, 1096; 88 88, 1119. 24 BAG 08 87, 1943. 25 BAG DB 87, 1542.

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Teil 3: Betriebsverfassungsrechtliche Seite

Auch der 4. und 5. Senat haben ihre Auffassung in weiteren Entscheidungen verfestigt. So hat der 4. Senat mit Entscheidung vom 3.6.8726, der 5. Senat mit Entscheidung vom 16.4.8627 ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats hinsichtlich der vollständigen Anrechnung einer übertariflichen Zulage verneint. Auch hier führten sie als Begründung an, daß die Anrechnung automatisch erfolge, und zwar selbst dann, wenn der Arbeitgeber von einer Tariflohnerhöhung nichts weiß. Ein Mitbestimmungsrecht scheidet damit mangels gestaltender Entscheidung aus. Darüber hinaus gehört auch der Anrechnungsvorbehalt zu den mitbestimmungsfreien Vorgaben des Arbeitgebers, da der Betriebsrat den Arbeitgeber andernfalls zur Zahlung eines übertariflichen Lohns zwingen könnte, was aber mit§ 87 I Nr. 10 BetrVG nicht vereinbar wäre. Entgegen dieser Auffassungen des 4. und 5. Senats hat der 1. Senat ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei gleichmäßiger28 wie bei unterschiedlicher29 Anrechnung angenommen. Der 3. Senat hat in einigen Punkten eine eigene Linie entwickelt. So hat er in seinem Urteil vom 3.8.8230 entschieden, daß der Betriebsrat mitzubestimmen hat, wenn der Arbeitgeber eine freiwillige, jederzeit widerrufliche Leistung gegenüber sämtlichen Zulageempfängern widerruft, um sie künftig nach anderen Grundsätzen gewähren zu können. Der Widerruf ist hier nämlich nur unselbständiger Teil einer allgemeinen Regelung der Lohngestaltung. Deshalb kann die Befugnis des Betriebsrats nicht darauf beschränkt werden, lediglich bei der Neuregelung mitzubestimmen. Vielmehr muß er bereits beim Widerruf der bisherigen Zulagen seine Vorstellungen über den Abbau des alten und die Einführung des neuen Systems im Interesse der betrieblichen Lohngerechtigkeit zur Geltung bringen können. Mit den Vorlagebeschlüssen des 1. Senats vom 13.2.199o3 1 sollten die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats noch erweitert werden. Der vorlegende 1. Senat geht nun anders als in seiner Entscheidung vom 24.11.87 32 und anders als der 4. und 5. Senat davon aus, daß sogar bei der vollständigen Anrechnung einer Tariflohnerhöhung auf alle Zulagen ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats besteht. Als Begründung führt er an, daß auch die voll26 27 28 29 30 31 32

SAE 89,

322. DB 87, 1542. BAG OB 87, 1096. BAG OB 88, 556. BAG DB 83, 237. BB 90, 1485; NZA 90, 654. DB 88, 556.

8. Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats aus§ 87 I Nr. 10 BetrVG

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ständige Anrechnung einer Tariflohnerhöhung auf übertarifliche Zulagen die betriebliche Lohngestaltung dadurch verändert, daß sich die Zulagenordnung ändert, soweit trotz Anrechnung noch Zulagen(reste) bestehen, es sei denn diese standen vorher in einem einheitlichen und gleichen Verhältnis zum Tariflohn. Eine Automatik der Anrechnung, die zum Wegfall des Mitbestimmungsrechts führen würde, lehnt er ab. Er geht davon aus, daß jeder Anrechnung eine Entscheidung des Arbeitgebers zugrunde liegt, da sich dieser nämlich bei jeder Tariflohnerhöhung darüber klar werden müsse, ob er sie weitergeben oder aber ganz oder teilweise anrechnen wolle. Eine Ausnahme von der Mitbestimmungspflichtigkeit kommt nach seiner Ansicht nur in Betracht, wenn der Anrechnungsvorbehalt bereits in einer Betriebsvereinbarung normiert war, weil dann die Veränderung bereits vom Willen des Betriebsrats mitgetragen ist. Der GS ist den Vorlagebeschlüssen nur zum Teil gefolgt. Mitbestimmungsrechte bestehen nach Auffassung des GS unabhängig davon, ob der Arbeitgeber sich die Anrechnung bzw. den Widerruf vorbehalten hat oder die Anrechnung aufgrund der Feststellung einer Automatik erfolgt33 . Soweit der 1. Senat davon ausging, daß nahezu bei jeder Anrechnung ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats besteht, existieren nach Auffassung des GS Mitbestimmungsrechte nur, wenn sich die Verteilungsgrundsätze infolge teilweiser Anrechnung verändem34. Dabei soll es dem GS zufolge unerheblich sein, ob der Gewährung bzw. Anrechnung übertariflicher Zulagen ein System zugrundeliegt oder nicht. Dem Begriff "Verteilungsgrundsatz" mißt er damit keine eigenständige Bedeutung zu35. Maßgeblicher Bezugspunkt für Veränderungen der Verteilungsgrundsätze ist das rechnerische Verhältnis der übertariflichen Zulagen zueinander. Bleibt das Verhältnis der übertariflichen Zulagen zueinander gleich, so kommen Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nach Auffassung des GS nicht in Betracht. Unmaßgeblich ist nach Auffassung des GS eine Änderung der Verhältnisse der Effektivgehälter zueinander. Von einer Anrechnungsbefugnis kann danach nur dadurch Gebrauch gemacht werden, daß eine vorerst gleichmäßige Kürzung individueller Zulagen in dem Umfang, wie sie für die Kürzung des Zulagevolumens insgesamt vorgesehen ist, erfolgt. Diese Möglichkeit darf dem Arbeitgeber nicht verwehrt 33 Dazu ausfiihrlich unterTei13.B.Vßl.5.a). 34 Unter C.ßl.3. und 4.b) der Gründe. 35 Schukai, NZA 92, 968.

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Teil 3: Betriebsverfassungsrechtliche Seite

sein, da anderenfalls seine Entscheidungsfreiheit über die eingegangene Bindung beseitigt würde. Nach den Entscheidungen des GS aus dem Jahre 1991 gelten folgende Grundsätze: Die unterschiedliche Anrechnung übertariflicher Zulagen ist mitbestimmungspflichtig und die vollständige Anrechnung übertariflicher Zulagen mitbestimmungsfrei. Der GS hat klargestellt, daß eine Anrechnung, die die Verteilungsgrundsätze unverändert läßt, ebenfalls mitbestimmungsfrei ist. Ausgehend von diesem Grundsatz formuliert der GS allerdings zwei Ausnahmen. So soll das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats entfallen, wenn nach der Anrechnung keine übertariflichen Zulagen mehr übrig sind, dann liegt nach seiner Auffassung ein sogenanntes "tatsächliches" Mitbestimmungshindernis vor. Ein Mitbestimmungsrecht scheidet laut GS außerdem aus, wenn der Arbeitgeber die gesamte Tariflohnerhöhung bei allen Mitarbeitern anrechnet. Darin sieht der GS ein "rechtliches" Mitbestimmungshindernis36, das darin besteht, daß zwar Teile der übertariflichen Zulage eventuell erhalten bleiben, doch eine Verringerung dieser Reste nicht mehr durch Anrechnung, sondern nur durch Widerruf, Änderungskündigung, Änderungsvertrag oder Wegfall der Geschäftsgrundlage erfolgen kann. Dem Urteil des GS sind weitere Entscheidungen des BAG zu diesem Thema gefolgt. So hat das BAG in seiner Entscheidung vom 11.8.9237 die Auffassung des GS bestätigt und Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats abgelehnt, weil die Anrechnung nicht zu einer Veränderung des Verhältnisses der Zulagen zueinander geführt hat, da die Zulagen im gleichen und einheitlichen Verhältnis zum Tariflohn standen und dieser um den gleichen Prozentsatz angehoben wurde, wobei der Arbeitgeber Anrechnung um einen gleichen Prozentsatz vornahm. Auch in den Urteilen vom 22.9.9238 hatte sich das BAG erneut mit der Problematik auseinanderzusetzen und die Auffassungen des GS gestützt. 2. Literatur

In der Literatur gehen die Auffassungen ebenfalls auseinander. Insgesamt überwiegt die Kritik an der Ausweitung der Mitbestimmungsrechte durch das BAG. So ist dem l.Senat vorgeworfen worden3 9 , daß es ihm nicht gelungen 36 Dazu ausführlich unter Teil 3.B.VID.5.b)hh). 37 I AZR 1001 88, Juris Datenbank, Stand 03 .03.94. 38 DB 93, 380, 382, 384. 39 Kappes DB 86, 1521; a.A. Goos, NZA 86, 701, der zwischen übertariflicher und außertariflicher Zulage unterscheidet.

B. Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats aus§ 87 I Nr. 10 BetrVG

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sei, die Unterschiede zwischen dem am 31.01.84 und dem am 17.12.85 entschiedenen Sachverhalt herauszuarbeiten und verständlich zu machen, wie es zu einer derart verschiedenen Beurteilung vergleichbarer Sachverhalte kommen konnte. Die durch die Entscheidung vom 17.12.85 erfolgte "Wende" hinsichtlich der Mitbestimmungsrechte bezüglich übertariflicher Zulagen wurde sehr unterschiedlich aufgenommen. Da bis zu dieser Entscheidung Mitbestimmungsrechte hinsichtlich übertariflicher Zulagen nahezu völlig ausgeschlossen waren, wurde die "Einführung" der Mitbestimmung auf dem Sektor der übertariflichen Zulagen von den Gewerkschaften und verschiedenen Vertretern in der Literatur begrüßt40 . Andere betrachteten den Kurswechsel kritisch41. Eich42 und Hromadka43 gehen davon aus, daß Anrechnung und Widerruf mitbestimmungsfrei sein müßten, da der Betriebsrat sonst Lohnpolitik betreiben würde. Matthes44 macht geltend, daß bei freiwilligen Leistungen die Kürzung des Zulagevolumens mitbestimungsfrei sei, die Verteilung des gekürzten Zulagevolumens aber der Mitbestimmung des Betriebsrats unterliege. Dabei hält er ein Mitbestimmungsrecht auch dann nicht für ausgeschlossen, wenn der Arbeitgeber alle Zulagen im seihen Verhältnis kürzt, da auch dies nur eine der möglichen Formen sei, in denen gekürzte Leistungen gewährt werden können. Die Frage ob die Neuverteilung des verringerten Zulagevolumens durch vollständige oder unvollständige, durch gleichmäßige oder ungleichmäßige Anrechnung erfolgen solle, unterliege der Mitbestimmung des Betriebsrats. Da dieser die Erbringung einer freiwilligen Leistung nicht erzwingen könne, unterliege auch die Entscheidung des Arbeitgebers, sie einzustellen oder zu kürzen, nicht der Mitbestimmung durch den Betriebsrats. Herbst45 geht von einem vollumfänglichen, also auch Anrechnung und Initiativrecht betreffenden Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats aus.

40 Herbst, DB 87, 738; Mache, AiB 89, 113; Schirgerrrittin AiB 90, 231; Strieder, BB 89, 420; Trittin, AiB 89, 9; Wo1ter, Der Betriebsrat 83, 325, 343. 41 Goos NZA 86, 701; Kappes, DB 86, 1520; Hönsch, BB 88, 2312; Hromadka DB 88, 2636. 42 DB 80, 1340, 1342. 43 DB 86, 1921; DB 88,2636, 2644; DB 91,2133. 44 NZA 87, 289. 45 DB 87, 738, 740.

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Teil 3: Betriebsverfassungsrechtliche Seite

Mache46 ist dagegen der Ansicht, daß die übertariflichen Zulagen nach einer mitbestimmungslosen Anrechnung in bisheriger Höhe unverändert weiter zu zahlen seien. Hinsichtlich der Frage nach einer Tarifautomatik oder einer Anrechnungsentscheidung folgt Hönsch47 der Auffassung des 4. und 5. Senats und bejaht die Tarifautomatik. Nach Auffassung von Oetker48 , Schüren49 , Ramrath50 und Lieb51 bleibt die vertraglich vereinbarte Effektivvergütung von der Tariflohnerhöhung unberührt. Nur im Falle einer Erhöhung des Effektivlohns oder einer ungleichmäßigen Anrechnung liege keine Automatik, sondern eine Entscheidung des Arbeitgebers vor. Lieb52 und Wiese53 stellen klar, daß Anrechnungsentscheidung und etwaige Mitbestimmungsrechte hinsichtlich einer Neuverteilung der Zulagenreste streng zu trennen seien. Die voranstehende Übersicht über Rechtsprechung und Literatur hat ein Bild vermittelt, wie uneinheitlich und teilweise widersprüchlich die Frage danach, ob und wann Mitbestimmungsrechte hinsichtlich übertariflicher Zulagen in Betracht kommen, beantwortet wird. Vor dem Hintergrund des so geweckten Problembewußtseins soll nun die Beantwortung der Frage nach Mitbestimmungsrechten hinsichtlich übertariflicher Zulagen durch systematische Prüfung aller Tatbestandsmerkmale des § 87 I Nr. 10 BetrVG vorbereitet werden.

111. Voraussetzungen des § 87 I Nr. 10 BetrVG 1. Lohn im Sinne von§ 87 I Nr. 10 BetrVG Nach § 87 I Nr. 10 BetrVG hat der Betriebsrat bei Fragen der betrieblichen Lohngestaltung mitzubestimmen. Das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts nach § 87 I Nr. 10 BetrVG bezüglich der Regelung übertariflicher Zulagen setzt somit voraus, daß übertarifliche Zulagen Lohn im Sinne dieser Vorschrift sind. 46 DB 89,2170,2171. 47 BB 88, 2312, 2313 , 2315. 48 RdA 91, 28. 49 RdA 91, 142. 50 DB 90, 2593 fT. 5I SAE 90, 226 fT. 5 2 SAE 90, 226 ff. 53 NZA 90, 793, 797, 798.

8. Mitbeatimmungarechte dea Betriebsrats aus§ 87 I Nr. 10 BetrVG

n

Der umfassende, den gesamten Bereich der betrieblichen Lohngestaltung ergreifende Zweck der Mitbestimmung des Betriebsrats führt dazu, daß der Lohnbegriff in § 87 I Nr. 10 BetrVG weit ausgelegt und im Sinne von Arbeitsentgelt schlechthin verstanden wird54. "Lohn" meint damit Geld- oder Sachleistungen, die der Arbeitgeber in Hinblick auf eine erbrachte Leistung des Arbeitnehmers als Entgelt zahlt55. Dabei ist sowohl das laufende Arbeitsentgelt des Arbeiters56 als auch das des Angestellten, das herkömmlich "Gehalt" genannt wird, erfaßt. Auf die Bezeichnung kommt es insoweit nicht an51.

Die Generalklausel des § 87 I Nr. 10 BetrVG betrifft aber nicht nur das unmittelbare Austauschverhältnis von Arbeitsleistung und Lohn im engeren Sinne, sondern auch andere Formen der Vergütung anläßlich eines Arbeitsverhältnisses58. Arbeitsentgelt im Sinne § 87 I Nr. 10 BetrVG sind daher neben Lohn und Gehalt im engeren Sinn auch alle geldwerten Vorteile und Vergünstigungen, die vom Arbeitgeber mit Rücksicht auf den Arbeitsvertrag gewährt werden59. Beispiel: Stellung einer Werkdienstwohnung, Gewährung von Tantiemen60

Übertarifliche Zulagen galten ursprünglich nicht als Entgelt und besonders nicht als Lohn im Sinne eines laufenden Entgelts6 1• Da aber auch die freiwilligen Leistungen des Arbeitgebers heute keine reinen Fürsorgeleistungen mehr sind, haben auch sie Entgeltcharakter62 . Zwar stellen freiwillige betriebliche Leistungen typischerweise auf besondere Bedürfnisse ab, die nicht bei allen Arbeitnehmer in gleichem Umfang feststellbar sein müssen, doch ändert auch

54 Matthes, NZA 87, 289, 290.

55 BAG AP Nr. 22 zu § 87 BetrVG Lohngeataltung; F/ Al Kl H, BetrVG, § 87 Rz 122. 56 Lohn im eigentlichen Sinn; Hromadka DB 91, 2133, 2134. 51 AP Nr. 22 zu § 87 BetrVG Lohngeataltung; Strecke! Anm. zu BAG EzA Nr. 14 zu § 87 BetrVG betriebliche Lohngeataltung. 58 Stege/ Wcinspach, BetrVG, § 87 Rz 170; Matthes, NZA 87, 289,290. 59 BAG AP Nr. 5, 22 zu § 87 BetrVG I..ohngestaltung; GI L, BetrVG, § 87 Rz 218 c; Wlotzkc, BetrVG, § 87 D 10.

60 Vgl. GK BetrVG, § 87 Rz 608, 609 mwN. 61 BAG AP Nr. I zu §56 BetrVG 52 Wohlfahrtseinrichtungcn; BAG AP Nr. 4 zu § 611 BGB Gratifikation; Dietz, BetrVG, 4. Aufl., §56 BetrVG 52 Rz 224; F/ Kl A, BetrVG, 9. Aufl., § 56 BetrVG 52 Rz 46; Galpcrin/ Siebert, BetrVG, 4. Aufl., § 56 BetrVG 52, Rz 98 ff. 62 G/ L, BetrVG § 87 Rz 218 c, zu anderen Ausnahmen vgl. Schwerdtncr, Fürsorge- und Entgelttheorie, S. 145 ff.

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Teil 3: Betriebsverfassungsrechtliche Seite

das nichts an ihrem Vergütungscharakter63. Da übertarifliche Zulagen Leistungen sind, die der Arbeitgeber zusätzlich zum Tarifentgelt, also unter Beibehaltung des tariflichen Entgeltsystems über das Tarifentgelt hinaus, gewährt, stehen sie in einem inneren Zusammenhang mit ihm und haben Entgeltcharakter64. Die Koppelung der freiwilligen übertariflichen Zulage an das Entgeltsystem führt dazu, daß die Gewährung der Zulage an keine weitere Voraussetzungen als die Erbringung der ohnehin geschuldeten Arbeitsleistung geknüpft ist65. Damit dient die freiwillige übertarifliche Zulage auch der Vergütung der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung66 . Da der Arbeitgeber die übertariflichen Zulagen allein im Hinblick auf das Bestehen des Arbeitsverhältnisses erbringt, sind sie Gegenleistungen aus dem Arbeitsvertrag, wenn sie auch nicht im Gegenseitigkeitsverhältnis stehen67 . Zum Teil werden nur vermögenswerte Leistungen, deren Bemessung nach bestimmten Grundsätzen erfolgt, als Lohn im Sinne § 87 I Nr. 10 BetrVG angesehen68. Die systematische Gewährung ist allerdings nur im Rahmen der Kollektivität69 von Bedeutung und hat mit dem Begriff des Lohns nichts zu tun, so daß es auf die Systematik der Gewährung für die Begriffbestimmung nicht ankommen kann. Ebenfalls ohne Bedeutung ist, ob es sich bei der jeweiligen Lohnform um ein leistungsbezogenes Entgelt i.S. des § 87 I Nr. 11 BetrVG handelt70 . Mitbestimmungsrechte bezüglich Leistungsentgelten ergeben sich nämlich nicht ausschließlich aus § 87 I Nr.11 BetrVG. Das Mitbestimmungsrecht aus § 87 I Nr. 11 BetrVG tritt vielmehr nur ergänzend neben die Mitbestimmungsrechte aus § 87 I Nr. 10 BetrVG71. Infolgedessen sind auch Akkord- und Prämienlöhne jeder Art Lohn i.S. von § 87 I Nr. 10 BetrVG. 63 BAG AP Nr. 5 zu § 87 BetrVG Lohngestaltung. 64 Stege/ Weinspach, BetrVG, § 87 Rz 169 c. 65 Stege/Rinke, DB 91,2386.

66 BAG AP Nr. 3, 5 zu § 87 BetrVG Tarifvorrang; BAG AP Nr. 4, 15 zu § 87 BetrVG Lohngestaltung. 67 D/ R, BetrVG, § 87 Rz 517; Schwerdtner, Fürsorgetheorie und Entgelttheorie, S. 145 ff.; ebendort: tw. hat man derartige übertarifliche Zulagen nicht dem Bereich des Arbeitsentgelts zugeordnet, sondern sie als Leistungen in Erfüllung der dem Arbeitgeber obliegenden Fürsorgepflicht aufgefaßt. 68 So BAG DB 86, 2340; BAG AP Nr. 10 zu § 87 BetrVG Lohngestaltung; D/ R, BetrVG, § 87 Rz 515; Hanau, DB 77, 351; Moll, Mitbestimmung, S. 130 f.; Richardi, ZfA 76, 10. 69 Vgl. dazu Teil3 .B.III.2.f) . 70 Richardi/ Wlotzke, Handbuch, § 333 Rz 13. 71 BAG DB 86, 2340; Matthes, NZA 87, 289, 290.

B. Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats aus §

87 I Nr. 10 BetrVG

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2. Betriebliche Lohngestaltung im Sinne von§ 871 Nr. 10 BetrVG

Nach § 87 I Nr. 10 BetrVG hat der Betriebsrat bei Fragen der betrieblichen Lohngestaltung mitzubestimmen. Was unter "Fragen der betrieblichen Lohngestaltung" zu verstehen ist, ist nicht legaldefmiert und kann daher nur durch Auslegung der Vorschrift ermittelt werden.

a) Begriff der betrieblichen Lohngestaltung aufgrundgrammatikalischer Auslegung Die in § 87 I Nr. 10 BetrVG angeführten Entlohnungsgrundsätze und Entlohnungsmethoden sind, wie der Ausdruck "insbesondere" zeigt, nur typische Beispiele der betrieblichen Lohngestaltung. Betriebliche Lohngestaltung ist also im Verhältnis zu Entlohnungsgrundsatz und Entlohnungsmethode der umfassendere Begriff12. Die Beipielsfälle können zur Klärung des Oberbegriffes hilfreich sein. Sind die Beispielställe einer Norm sämtlich in einem bestimmten Bereich angesiedelt, so ist der hinter ihnen stehende Oberbegriff ebenfalls dort anzusiedeln, da sonst die Beispielställe bei der Auslegung der Norm in die verkehrte Richtung leiten würden73. Es sind daher zunächst die Beispielställe begrifflich zu untersuchen. Unter Entlohnungsgrundsätzen versteht man die Bestimmung des Systems, nach dem die Vergütung fiir einen Betrieb oder Betriebsteil zu erfolgen hat, z.B. Zeit- Akkord- oder Prämienlohn, die Erstellung eines Provisionssystems74 sowie seine Ausformung75. Entlohnungsmethode meint dagegen die Art und Weise, in der das gewählte System verfahrensmäßig durchgeführt wird76. Unter Entlohnungsmethode versteht man deshalb die Art der Bewertung der Arbeitsleistung, z.B. mittels eines Punktesystems, Leistungsgruppensystems oder RefaSystems.

72 Gester/ Isenhardt, RdA 74,

80; Richardi, ZfA 76, 8; Rumpff, ArbuR 72, 65. 73 GK Wiese, BetrVG, § 87 Rz 597. 74 BAG AP Nr. 7 zu § 87 BetrVG Lohngestaltung; v . Hoyningen-Huene, Betriebsverfassungsrecht, § 12 U 10. 75 Eich, OB 80, 1340. 76 Löwisch, BetrVG, § 87 Rz 85.

80

Teil 3: Betriebsverfa88Ungsrecbtliche Seite

Unter Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen und -methoden ist dabei nicht nur die erstmalige Einführung, sondern auch die Änderung, d.h. der Wechsel von einem Grundsatz zu einem anderen, zu verstehen77. Mit den Beispielställen Entlohnungsgrundsatz und-methodehat § 87 I Nr. 10 BetrVG eine Bezeichnung benutzt, die nicht auf die Lohnhöhe, sondern auf die Ausgestaltung des Lohnsystems verweist78. Dieser Grundgedanke ist bei der Klärung des Oberbegriffs zu berücksichitigen. Mit dem Begriff Lohngestaltung hat die Generalklausel der Nr.lO damit eine Bezeichnung benutzt, die nicht auf die Geldseite, sondern auf die Ausgestaltung des Lohnsystems verweist79 . Wegen der Orientierung des Oberbegriffs an den Beispielställen kann Lohngestaltung ebenfalls keine Entgeltregelungen aus dem Bereich der Lohnpolitik betreffenso. b) Begriff der betrieblichen Lohngestaltung aufgrundteleologischer Auslegung

Ziel der Mitbestimmung nach § 87 I Nr. 10 BetrVG ist der Schutz der Arbeitnehmer vor einer einseitig an den Interessen des Unternehmers orientierten willkürlichen Lohngestaltung81 . Dieses Ziel soll durch Angemessenheil und Durchsichtigkeit des innerbetrieblichen Lohngefüges und die Gewährleistung der innerbetrieblichen Lohngerechtigkeit verwirklicht werden82. Lohngerechtigkeit meint nämlich nicht den gerechten Lohn fiir eine bestimmte Arbeit, sondern vielmehr das einsehbare und angemessene Verhältnis der einzelnen Lohnleistungen zueinander83. Die Mitbestimmung des Betriebsrats soll also dazu dienen, die Grundlagen der Entgeltfmdung angemessen, nachvollziehbar und schlüssig zu gestalten. Damit geht es im Rahmen von § 87 I Nr. 10 BetrVG nicht um die Festlegung der individuellen Lohnhöhe84 unter dem Gesichtspunkt der konkreten einzel-

77 G/ L, BetrVG, § 87 Rz 220; Löwiach, BetrVG, § 87 Rz 84. 78 Hanau, BB 77, 353; GK BetrVG, § 87 Rz 596, 591. 19 Hanau, BB 77, 353. 80 A.A. Gester/ Isenhardt, RdA 74, 84; Rumpf, ArbuR 72, 69, ausruhrlieh unter Teil

3.D.V.

81 Däubler/ Kittner/ Klebe/ Schneider, BetrVG, § Richardi/ Wlotzke, Handbuch, § 333 Rz 3.

87 Rz 241; GK BetrVG,

§

87 Rz 593;

82 BAG AP Nr. 3 zu § 87 BetrVG Tarifvorrang. 83 Matthes, NZA 87,290. 84 BAG AP Nr. 3 zu § 87 BetrVG Lohngestaltung; Eich, OB 80, 1342; Hanau, BB 77, 350, 352, 353; Richardi, ZfA 76, 18.

8. Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats aus§

87 I Nr. 10 BetrVG

81

fallbezogenen Lohngerechtigkeit85 . Diese Aufgabe, das materiell angemessene Arbeitsentgelt für die vom Arbeitnehmer erbrachte Leistung festzusetzen, unterliegt nicht der Mitbestimmung, sondern allein dem Tarifvertrag86 und den einzelvertraglichen Vereinbarungen.

c) Zwischenergebnis 87 I Nr. 10 BetrVG ist hinsichtlich übertariflicher Zulagen grundsätzlich anwendbar. Dem Betriebsrat steht ein Mitbestimmungsrecht darüber zu, nach welchen Kriterien sich die Höhe der Zulagen und das Verhältnis bestimmter Lohnbestandteile zueinander bestimmen soll87. Diese Frage betrifft organisatorische betriebliche Vorgänge.

d) Betriebliche Lohngestaltung nur bei systematischer Vorgehensweise? Fraglich ist, ob ein Fall mitbestimmungspflichtiger betrieblicher Lohngestaltung nur dann vorliegen kann, wenn die Lohngestaltung auf einem System beruht, d.h. einer abstrakten Regelung für eine Vielzahl von Fällen. Der GS sieht einen Fall betrieblicher Lohngestaltung immer dann als gegeben an, wenn sich die bisherigen Verteilungsgrundsätze verändern. Dabei versteht er unter der Änderung der Verteilungsgrundsätze jede Änderung des Verhältnisses der übertariflichen Zulagen zueinander, unabhängig davon, ob ihr ein System zugrunde lag oder nicht. Soweit dem GS vorgeworfen wird, daß bei einem Verzicht auf ein System, dem Begriff "Verteilungsgrundsatz" keine eigenständige Bedeutung mehr zukomme88, wird verkannt, daß der Wortlaut des § 87 I Nr. 10 BetrVG den Begriff "Verteilungsgrundsätze" nicht enthält. Zwar spricht § 87 I Nr. 10 BetrVG in den Beispielsfällen von Entlohnungsgrundsätzen und Entlohnungsmethoden, doch läßt sich daraus für den dahinter stehenden allgemeinen Begriff nur der Schluß ziehen, daß die Lohngestaltung im Sinne der Vorschrift Fragen der Vergabekriterien für übertarifliche Zulagen und Fragen des Verhältnisses von Lohnbestandteilen betrifft. Es läßt sich nicht der Schluß ziehen, daß diesen Fragen ein System zugrundeliegen muß. Damit ergeben sich aus dem Begriff "betriebliche Lohngestaltung" keine Anhaltspunkte dafür, daß Mitbestimmungsrechte nur dann ausgelöst werden,

85 86 87 88 6 Rau

Oetker, RdA 91,

16. 77, 353 . BAG NZA 87, 386; NZA 88, 479. Schukai, NZA 92, 968. Hanau BB

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Teil 3: Betriebsverfassungsrechtliche Seite

wenn übertarifliche Zulagen aufgrund systematischer Verteilungsgrundsätze gewährt werden. Da aber Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nur bestehen, wenn die Arbeitgebermaßnahme kollektiven Bezug hat, sind Fragen der systematischen, also abstrakten, für eine Vielzahl von Fällen geltenden Regelung, im Rahmen der Prüfung der Kollektivität einer Maßnahme, die nachfolgend dargestellt wird, von Bedeutung89. e) Veränderung des Verhältnisses bestimmter Lohnbestandteile zueinander Da Mitbestimmungsrechte ausgelöst werden, wenn sich das Verhältnis bestimmter Lohnbestandteile zueinander ändert, ist nachfolgend zu prüfen, welche Lohnbestandteile im diesem Zusammenhang verglichen werden müssen. Maßgeblich ist laut GS eine Veränderung des Verhältnisses der Zulagen90 zueinander, wohingegen nach in der Literatur vertretenen Auffassungen eine Veränderung des Verhältnisses der Effektivlöhne zueinander maßgeblich sein so1191 . Im Einzelfall kann der unterschiedliche Bezugspunkt des vorzunehmenden Vergleichs zu wesentlichen Unterschieden hinsichtlich der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats führen. So kann sich z.B. bei einem Gleichbleiben des Verhältnisses der übertariflichen Zulagen zueinander das Verhältnis der Effektivgehälter zueinander ändern. Beispiel: A erhält DM 2.000.- Tarifgehalt und DM 200.- übertarifliche Zulage, B DM 3000.- Tarifgehalt und DM 300.- übertarifliche Zulage und C erhält DM 4000.- Tarifgehalt und DM 400.- übertarifliche Zulage. Sowohl das Verhältnis der Effektivgehälter als auch das Verhältnis der Zulagen zueinander beträgt 2: 3: 4. Anläßlich einer Tariflohnerhöhung um DM 300.- reduziert der Arbeitgeber die übertariflichen Zulagen in individualrechtlich zulässiger Weise jeweils um 50%. A erhält jetzt DM 2300.- Tarifgehalt und DM 100.- übertarifliche Zulage, B erhält DM 3300.- Tarifgehalt und DM 150.- übertarifliche Zulage, C erhält DM 4300.- Tarifgehalt und DM 200.- übertarifliche Zulage. Das Verhältnis der übertariflichen Zulagen zueinander beträgt nach wie vor 2: 3: 4. das Verhältnis der Effektivgehälter hat sich verändert, es ist jetzt 24: 34,5: 45.

89 Vgl. dazu ausführlich Teii3.B.m.2.f). 90 Unter C.ill.l.d) der Grunde. 91 Vgl. Hromadka, OB 92, 1577.

B. Mitbestimmungsm:hte des Betriebsrats aus§ 87 I Nr. 10 BetrVG

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Je nachdem ob man auf das Verhältnis der übertariflichen Zulagen oder der Effektivgehälter zueinander abstelJt, kommen also Mitbestimmungsrechte in Betracht oder nicht. Daran, daß Mitbestimmungsrechte an der Veränderung des Verhältnisses der übertariflichen Zulagen ansetzen saUen, ist seit Veröffentlichung des Urteils des GS Kritik geübt worden. Fraglich ist deshalb, worin der zutreffende Bezugspunkt für die betriebliche Lohngerechtigkeit zu sehen ist. In Betracht kommender Bezugspunkt ist neben dem Verhältnis der übertariflichen Zulagen zueinander das Verhältnis der Effektivverdienste. Hromadka92 hat in diesem Zusammenhang geltend gemacht, daß ein Abstellen auf das Verhältnis der Zulagen zueinander am Kern des Mitbestimmungsrechts vorbeigehe, da die Zulagen lediglich •Hilfsmittel • seien, um die Gehälter auf die richtige Höbe zu bringen. Damit käme es dann aber nicht entscheidend auf die Höbe der Zulagen, sondern auf die der Effektivgehälter an. Der Wortlaut des§ 87 I Nr. lO BetrVG sagt nichts darüber aus, aufwelche Veränderung der Verhältnisse im Rahmen des § 87 I Nr. 10 BetrVG abzustelJen ist. Da sich auch der Umstand, daß die Lohngerechtigkeit im Rahmen des§ 87 I Nr. 10 BetrVG von Bedeutung ist, erst im Zusammenhang mit der Ermittlung von Sinn und Zweck des Mitbestimmungsrechts gezeigt hat, kann auch der Bezugspunkt der Lohngerechtigkeit nur auf diesem Wege ermittelt werden. Der Effektivverdienst kann sich aus dem tariflieb festgesetzten Grundgehalt und darauf aufbauenden übertariflichen Zulagen zusammensetzen. Dem Schutzzweck des § 87 I Nr. 10 BetrVG, Gewährleistung der innerbetrieblichen Lohngerecbtigkeit, ist dann Rechnung getragen, wenn eine an sich mitbestimmungspflichtige Angelegenheit bereits bindend durch Tarifvertrag geregelt ist. Für einen weiteren Schutz durch Gewährung von Mitbestimmungsrechten besteht in diesem FalJ kein Bedürfnis mehr. Dieser Gedanke hat im Vorbehaltsprinzip des§ 87 I Eingangssatz BetrVG Ausdruck gefunden. Soweit das Gehalt bereits tarifvertraglich geregelt ist, scheidet es als direkter Bezugspunkt der Überlegungen zur Lohngerechtigkeit aus. Fraglich ist, ob die tarifliche Absicherung des Grundgehalts dazu führt, daß der Effektivlohn als Bezugspunkt für die Ermittlung der Lohngerechtigkeit ausscheidet, weil der Effektivlohn zum Teil aus dem tariflichen Grundgehalt besteht. Das wäre der Fall, wenn dem Schutzzweck des § 87 I Nr. 10 BetrVG hinsichtlich übertariflicher Zulagen bereits durch die tarifliche Regelung des Grundgehalts Rechnung getragen wäre. Das ist aber gerade nicht der Fall. Zwar ist die 92 DB 92,1577.

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Teil 3: Betriebsverfassungsrechtliche Seite

tatsächliche Höhe des Grundgehalts tarifvertraglich bestimmt, doch bezieht sich auch § 87 I Nr. 10 BetrVG nicht auf die Lohnhöhe, so daß der Ausschluß aus § 87 I Eingangssatz BetrVG nicht dazu führen kann, daß generell kein Mitbestimmungsrecht hinsichtlich des Grundgehalts in Betracht kommt. Nachdem aus diesem Gesichtspunkt der Effektivverdienst als Bezugspunkt der Lohngerechtigkeit nicht ausgeschieden werden kann, ist ein anderer Ansatzpunkt zur Beantwortung der Frage nach dem zutreffenden Bezugspunkt für die Lohngerechtigkeit zu suchen: Wie oben dargestellt, werden übertarifliche Zulagen zumeist aus einem Bündel von Motiven gewährt, die - zumindest bei unbenannten Zuwendungen -keinen Eingang in den Vertrag gefunden haben. Wesentliches Motiv ist dabei der Ausgleich von Lohnverwerfungen zwischen den verschiedenen Tariflohngruppen93. Ist dieses Motiv aber tragend für die Gewährung einer Zulage, so kann durch isolierte Betrachtung des Verhältnisses der Zulagen der Betriebsrat seiner Aufgabe, nämlich Lohngerechtigkeit herbeizuführen, nicht gerecht werden. Er muß in diesem Fall vielmehr auch den Effektivlohn berücksichtigen94. Ein weiteres Argument dafür, daß allein die Veränderung des Verhältnisses der Effektivlöhne maßgeblich ist, ergibt sich aus der Entscheidung des BAG vom 6.12.8895. In dieser Enstcheidung bat das BAG auch die Festlegung des Verhältnisses von Grundgehalt zu Prämien und Provisionen als mitbestimmungspflichtigen Entlohnungsgrundsatz angesehen, es hat also dem Tariflohn Beachtung geschenkt. Dafür spricht auch, daß übertarifliche Zulagen häufig in Prozenten des Grundgehalts angegeben werden. Auf diese Weise entsteht eine Verknüpfung zwischen Zulage und Grundgehalt, die ebenfalls für die Mitbestimmungsrechte von Bedeutung ist. Maßgeblicher Bezugspunkt für die betriebliche Lohngestaltung ist damit, entgegen der Auffassung des GS, das Verhältnis der Effektivlöhne. f) Kollektivitäl der Maßnahme aa) Kollektivität als Mitbestimmungsvoraussetzung

Hinsichtlich der früher geltenden Regelung des § 56 BetrVG 52 war umstritten, ob Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nur kollektive Regelungen für den gesamten Betrieb, eine Abteilung oder zumindest eine Gruppe von 93 94

Vgl. dazu auch Teil 2.B.D.2.a).

A.A. Schwab, BB 93, rechnung anknüpft.

95 AP Nr.

497, dessen Begründung nicht überzeugen kann, da er an die An-

37 zu § 87 BetrVG Lohngestaltung.

B. Mitbestinunungsrechtc des Betriebsrats aus§ 87 I Nr. 10 BetrVG

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Arbeitnehmern oder auch Einzelmaßnahmen umfassen. Diese - anläßtich der alten Rechtslage aufgeworfene - Frage ist für die heutige Rechtslage nicht mehr von genereller Bedeutung96, da nach aktueller Rechtslage ein Mitbestimmungsrecht immer dann besteht, wenn einer der Tatbestände des § 87 I BetrVG erfüllt ist. Aus § 87 I BetrVG ergibt sich allerdings, daß bestimmte Tatbestände immer nur dann Mitbestimmungsrechte eröffnen, wenn ein kollektiver Bezug vorliegt. Zu diesen Tatbeständen gehören die Aufstellung der allgemeinen Urlaubsgrundsätze nach § 87 I Nr.5 BetrVG, die Regelungen über Unfallverhütung nach § 87 I Nr.7 BetrVG, die Grundsätze über das betriebliche Vorschlagswesen nach § 87 I Nr.12 BetrVG und die Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen und -methoden nach § 87 I Nr.lO BetrVG. Das Mitbestimmungsrecht des § 87 I Nr.10 BetrVG bezieht sich nämlich nur auf Fragen der Lohngestaltung, soweit es sich um die Festlegung allgemeiner Regelungen in diesem Bereich handelt97. Damit eröffnet der hier zur Überprüfung stehende § 87 I Nr. 10 BetrVG Mitbestimmungsrechte nur, soweit ein kollektiver Bezug vorliegt98 . Da der Arbeitnehmer, unter anderem wegen des Günstigkeitsprinzips, das Recht hat, "Sonderkonditionen• 99 mit dem Arbeitgeber zu vereinbaren, sind individuelle Lohngestaltungen, auf die sich ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nicht bezieht, an der Tagesordnung 100. Die Kollektivität muß zum Zeitpunkt der Arbeitgebermaßnahme vorliegen. Deshalb müssen dann, wenn ein kollektiver Tatbestand ursprünglich nicht vorlag und erst nachträglich durch Einbeziehung weiterer Arbeitnehmer in ebenfalls nicht kollektiver Art und Weise ein Lohnsystem enstanden ist, das abschließend als kollektiv beurteilt wird, die vom Arbeitgeber getroffenen Maßnahmen wirksam sein, da es sich ursprünglich nicht um eine mitbestimmungspflichtige Angelegenheit handelte. Der Betriebsrat kann sich allerdings mittels seines Initiativrechts der nunmehr mitbestimmungspflichtigen Angelegenheit annehmen. bb) Begriff der Kollektivität: Abgrenzung individueller/ kollektiver Maßnahmen, ausgehend vom Begriff der individuellen Maßnahme Leider hat der GS in seiner Entscheidung vom 3.12.91 die Chance, die seit Jahren umstrittene Frage der Kol~ektivität abschließend zu klären, nicht ge96 Vgl. GK BetrVG, § 87 Rz 14 ff., 33, 34. 97 BT-Drucksache Vl/1786 zu§ 87 I Nr.lO BetrVG, Hanau 88 77, 354. 98 8AG AP Nr. 2 zu § 23 BetrVG ; von Hoyningen-Huene, SAE 85, 301.

99 Hromadka, 08 88, 2641. 100 BAG 08

86, 2392.

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nutzt. Seine Ausführungen hinsichtlich der Kollektivität beschränken sich darauf, bisher vertretene Auffassungen stereotyp zu wiederholen, ohne auf diesbezüglich geäußerte Kritikpunkte einzugehen. Eine grundlegende Klärung der Frage, wann Kollektivität einer Maßnahme zu bejahen ist, tut daher Not. Fraglich ist, wie sich kollektive und individuelle Maßnahmen voneinander unterscheiden lassen. Zunächst scheint es am einfachsten, vom Begriff der individuellen Maßnahme auszugehen 101 : Eine mitbestimmungsfreie Einzelfallregelung liegt nach allgemeiner Auffassung immer dann vor, wenn eine Regelung nur die Gestaltung eines oder mehrerer Arbeitsverhältnisse betrifft und dabei auf besondere, nur für den einzelnen Arbeitnehmer maßgebliche Umstände eingehtl02. Beispiel: Häufung individueller Sonderregelungen auf Wunsch der betroffenen Arbeitnehmer Darüberhinaus liegt eine individuelle Lohngestaltung auch dann vor, wenn die ausgehandelten Arbeitsbedingungen das Ergebnis von Vertragverhandlungen sind, bei denen beide Vetragsparteien bereit waren, ihre Vorstellungen zur Disposition zu stellen 103. Problematisch wird die Abgrenzung zur kollektiven Maßnahme, sofern gleichlautende Einzelabmachungen mit einer Vielzahl von Arbeitnehmern getroffen sind. Es wird vertreten, daß in diesem Fall ein Kollektivtatbestand vorliegt, und zwar selbst dann, wenn der Arbeitgeber keine allgemeinen Richtlinien erlassen oder abstrakte Grundsätze aufgestellt hat. Auch die bei Gewährung der übertariflichen Zulage an nahezu alle Arbeitnehmer erfolgende Erklärung des Arbeitgebers, eine allgemeine Regelung nicht zu wollen, kann danach einen Kollektivtatbestand nicht ausschließen 104. Anknüpfungspunkt für die Kollektivität ist demzufolge nicht die Form, sondern der Inhalt einer Maßnahme. Sofern dieser abstrakt-generell ist, liegt Kollektivität vor, unabhängig davon, ob entsprechende Richtlinien bestehenlOS. Ob der Arbeitgeber bewußt und gewollt aufgrund solcher abstrakt-ge-

101 Hromadka, 08 88, 2642. 102 Statt vieler: Hönsch, 88 8S, 701. 103 Schwab, 88 93, 496. 104 8AG 08 86, 914; Matthes, NZA 87, 289. 105 8AG 88 88, 701; Hönsch, 88 88, 701.

B.

Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats aus § 87 I Nr. 10 BetrVG

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nerellen Kriterien tätig wurde, ist nach dieser Auffassung irrelevant106. Begründet wird diese Auffassung damit, daß es dem Zweck des Mitbestimmungsrechts widerspräche, wenn der Arbeitgeber es dadurch umgehen/ ausschließen könnte, daß er mit einer Vielzahl von Arbeitnehmern jeweils gleiche/ vergleichbare individuelle Vereinbarungen über eine bestimmte Vergütung trifft und nicht explizit allgemeine Regelungen aufstellt 107. Fraglich ist, ob dieser Auffassung zu folgen ist und nicht vielmehr auch gleichartige individuelle Vereinbarungen immer dann zum Ausschluß von Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats führen, wenn sie lediglich die Umgehung von Mitbestimmungsrechten bezweckenl08. Von Hoyningen-Huene 109 geht davon aus, daß unter Lohngestaltung immer die Festlegung allgemeiner Gesichtspunkte für abstrakt-generelle Regelungen zu verstehen seien. Soweit der Arbeitgeber keine Regelungen für sein Verhalten aufstelle, diese vielmehr ausdrücklich ausschließe, handle er nicht kollektiv. Selbst wenn der Arbeitgeber einer Vielzahl von Arbeitnehmern übertarifliche Zulagen in gleicher oder vergleichbarer Höhe gewährt, diese Gewährung aber nicht auf exakten, in einer Regelung festgelegten oder immanenten Kriterien beruht, liegt demnach keine abstrakt-generelle Regelung vor 110 . Weiterhin ist folgendes zu berücksichtigen: Würde man davon ausgehen, daß bereits das zeitliche Zusammenfallen verschiedener individueller Regelungen zur Entstehung von Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats führt, so wäre die individuelle Lohngestaltung durch Arbeitgeber und Arbeitnehmer stark eingeschränkt. Wie bereits festgestellt, erhält in der Praxis eine Mehrzahl von Arbeitnehmern Zulagen, so daß es dann im Bereich der Zulagengewährung nur noch ganz ausnahmsweise mitbestimmungsfreie Regelungen gäbe. Andererseits muß eine Regelung im Sinne von § 87 I Nr. 10 BetrVG nicht bis ins einzelne durchnormiert sein, sondern kann dem Arbeitgeber auch Spielräume im Rahmen der vorgegebenen Richtlinien lassen III, da nur so den Bedürfnissen flexibler Lohngestaltung Rechnung getragen werden kann 112. I06 107 108 109 110 111 112

Hönsch, BB 88, 701. BAG OB 93, 380; OB 93, 1931. Vgl. zu dieser Problematik auch Richardi/ Wlotzke, Handbuch§ 333 Rz 100. SAE 85, 298, 301. SoauchZiepke,BB81,71. BAG AP Nr. 5 zu § 87 BetrVG Tarifvorrang; NZA 92, 702. Richardi/ Wlotzke, Handbuch, § 333 Rz 100.

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Die Maßnahme muß aber zumindest auf Richtlinien beruhen, wobei diese nicht notwendig ausdrücklich erlassen und als solche bezeichnet sein müssen, es ist ausreichend, wenn sie konkludent feststellbar sind. Regelungen, bei denen allerdings ein innerer Zusammenhang zu ähnlichen, andere Arbeitnehmer betreffenden Regelungen nicht besteht, sind auch dann nicht kollektiv, wenn sie eine Vielzahl von Arbeitnehmern betreffen11 3. Allein aus dem Umstand, daß der Arbeitgeber mehrere gleichlautende Vereinbarungen mit verschiedenen Arbeitnehmern getroffen hat, kann deshalb nicht auf die Kollektivität einer Maßnahme geschlossen werden 114. Eine Abgrenzung von individueller und kollektiver Maßnahme kann folglich nicht ausgehend vom Begriff der individuellen Maßnahme, sondern nur ausgehend vom Begriff der Kollektivität vorgenommen werden. cc) Begriff der Kollektivität: Abgrenzung individueller/ kollektiver Maßnahmen, ausgehend vom Begriff der Kollektivität (1) Rechtsprechungsabersicht und Darstellung der Literaturauffassungen

Das BAG sah in seinen Entscheidungen vom 31.01.69, vom 17.12.85 und vom 24.11.87 11 5 die Gewährung übertariflicher Zulagen an eine größere Anzahl von Arbeitnehmern oder an nahezu alle Arbeitnehmer des Betriebs mit der Begründung als kollektiv an, daß es sich bei der Gewährung an eine große Anzahl von Arbeitnehmern um einen generellen Tatbestand handele. In seiner Entscheidung vom 27.10.92116 hat das BAG dagegen entschieden, daß die Frage, ob ein kollektiver Tatbestand vorliegt, nicht allein quantitativ zu bestimmen ist. Es sind nämlich generelle Regelungsfragen vorstellbar, die vorübergehend nur einen Arbeitnehmer betreffen, andererseits können individuelle Sonderregelungen auf Wunsch der betroffenen Arbeitnehmer gehäuft auftreten. Allerdings kann für die Abgrenzung von Einzelfallgestaltung zu kollektiven Tatbeständen die Anzahl der betroffenen Arbeitnehmer ein Indiz sein. Die Zahl der betroffenen Arbeitnehmer ist danach ohne Bedeutung, wenn für die Zulagengewährung jeweils die individuelle Situation des begünstigten Arbeitnehmers maßgeblich ist.

113 BAG DB 93, 381; BAG AP Nr. 9 zu§ 87 BetrVG Arbeitszeit. 114 Hönsch, BB 88, 2313. 115 BB 69, 534; BB 86, 734; DB 88, 557. 116 DB 93, 1144.

8.

Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats aus§ 87 I Nr. 10 BetrVG

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Teilweise hat das BAG die Kollektivität einer Maßnahme immer schon dann bejaht, wenn es sich um eine Regelungsfrage handelte, durch die kollektive Interessen der Arbeitgeber des Betriebes berührt waren 117. Zum Teil hat die bisherige Rechtsprechung aber generelle Regelung und Einzelfall auch folgendermaßen abgegrenzt: Alle Regelungen und Maßnahmen, die sich abstrakt auf Arbeitsplätze oder Arbeitnehmergruppen beziehen, sind unabhängig von den konkret betroffenen Personen kollektiver Natur118 . Ein kollektiver Tatbestand ist danach immer dann gegeben, wenn ein generelles Regelungsbedürfnis für einen Sachverhalt besteht und die Interessen der Gesamtbelegschaft oder einer Gruppe von Arbeitnehmern durch die Maßnahme berührt werden 119. Der GS grenzt die Einzelfallgestaltung vom kollektiven Tatbestand danach ab, "ob es um die Strukturformen des Entgelts einschließlich ihrer näheren Vollzugsfonneo geht oder nicht•l20. Die Anzahl der von der Regelung betroffenen Arbeitnehmer ist nach seiner Auffassung nur ein Indiz für die Kollektivität, da es denkbar ist, daß generelle Regelungsfragen vorübergehend nur einen Arbeitnehmer betreffen. Der GS bestätigt seine Rechtsprechung, wonach der Arbeitgeber Mitbestimmungsrechte nicht dadurch umgehen kann, daß er mit einer Vielzahl der Arbeitnehmer individuelle Absprachen trifft. Der 1. Senat beantwortet in drei Entscheidungen vom 22.9.9212l die Frage der Kollektivität der Anrechnung dann, wenn nur ein Teil der Belegschaft betroffen ist, unter Rückgriff auf den Grund der Sonderbehandlung einzelner Arbeitnehmer. Ging der Anrechnung ein Leistungs- oder Verhaltensvergleich voraus, so führt das zum kollektiven Bezug der Maßnahme. Der Arbeitgeber bringt nämlich durch die Verringerung der Zulagenhöhe des einen Arbeitnehmers zum Ausdruck, daß er dessen Arbeitsleistung geringer bewertet als die der anderen Arbeitnehmer, bei denen es zu keiner oder nur geringerer Anrechnung gekommen ist. Etwas anderes soll nur gelten, wenn das Vorliegen des Anrechnungsgrundes allein mit Blick auf die individuellen Verhältnisse des betroffenen Arbeitnehmers belegt werden kann. Etwa, wenn die Anrechnung als Ausgleich dafür sorgt, daß dem Arbeitnehmer trotz Versetzung auf einen niedriger bewerteten Arbeitsplatz sein bisheriges Gehalt belassen wird. Ein kollektiver Tatbestand liegt deshalb nicht vor, wenn die Anrechnung auf

117 118 119 120 121

DB 83, 611; DB 86, 2391. BAG BB 57, 183; BB 69, 534. BAG AP Nr. 2 zu§ 23 BetrVG. NZA 92, 749 unter C.ID.3.b)dd) der Gründe. BAG DB 93, 380, 382, 384.

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Wunsch eines Arbeitnehmers zur Vermeidung steuerlicher Nachteile vorgenommen wird 122. In seiner Entscheidung vom 10.11.92 vertritt das BAG 123 die Auffassung, daß die Anrechnung eines einheitlichen Absolutbetrags bei allen Arbeitnehmern ohne Rücksicht darauf, ob auch die zugrundeliegende Zulagengewährung auf einem solchen beruhte, ein kollektiver Tatbestand sei.

Besteht eine kollektive Entgeltstruktur und wird in diese durch eine nur einen einzelneo Arbeitnehmer betreffende Anrechnung eingegriffen, so liegt zwar eine Einzelmaßnahme vor, doch wird teilweise dennoch Kollektivität bejaht. Die Kollektivität einer einzelnen Anrechnung ergibt sich aber bereits aus der Natur der Sache, wenn als Anknüpfungspunkt für die Kollektivität und Rechtfertigung für die Mitbestimmung nicht die Anrechnung an und für sich, sondern die dadurch bewirkte Neuverteilung und damit die Schaffung einerneuen kollektiven Zulagenordnung zu sehen ist. Mit Recht hat daher der 1. Senat des BAG auch bei der Anrechnung zu Lasten eines einzelnen Arbeitnehmers Kollektivität bejaht124. Die Literatur findet teilweise andere Ansatzpunkte: Einige Vertreter in der Literatur bestreiten, daß übertarifliche Zulagen überhaupt abstrakt regelbar sind. Hromadka125 stellt sich z.B. auf den Standpunkt, daß übertarifliche Zulagen nicht abstrakt regelbar seien, da sie immer auf individuellen Einschätzungen beruhen. Er ist der Auffassung, daß die übertarifliche Zulage der Austarierung des Entgelts in jedem Einzelfall diene. Aus diesem Grund erhalte auch beinahe jeder Arbeitnehmer eine derartige Zulage. Damit komme es fast zwingend zu einer generellen Handhabung. Selbst wenn man der Generalität Indizwirkung zubilligen sollte, so würde sie hier widerlegt, da es zur Generalität bei übertariflichen Zulagen gerade deshalb komme, weil es das individuelle Entgelt erfordere. Nach Auffassung von Kappes 126 liegt ein kollektiver Tatbestand nur dann vor, wenn die Maßnahme abstrakt-genereller Natur ist. Eine abstrakt-generelle Regelung liegt dann vor, wenn der Arbeitgeber "nach allgemeinen Kriterien (qualititives Element) 127 eine Mehr- oder Vielzahl von Fällen

122 l23 124 125 126 127

BAG DB 93,

1143. 93, 439 f. BAG BB 93, 135, so auch Weyand, ArbuR 93, 7. DB 88, 2642. DB 86, 1521. Kappes, DB 86, 1521. DB

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(quantitatives Element) geregelt hat" 128 . Ebenso wie Hromadka geht Kappes davon aus, daß die Gewährung übertariflicher Zulagen typischerweise nicht abstrakt-generell erfolgen kann, da die Zulagen zur Entgeltaustarierung im Einzelfall aufgrund der persönlichen Verhältnisse der Arbeitnehmer vorgegeben werden. Von Hoyningen-Huene macht geltend, daß sich zwar aufgrund der vielfachen Anwendung individueller Kriterien möglicherweise nach und nach allgemeine Maßstäbe und Gewichtungen feststellen ließen 129 , es aber einen allgemeinen Grundsatz, demzufolge die Gewährung übertariflicher Zulagen zumeist auf kollektiven Regelungen beruhe, nicht gebe. Wiese ist der Auffassung, daß nicht die Zahl der betroffenen Arbeitnehmer maßgeblich dafür sein könne, daß von einer kollektiven Regelung ausgegangen werden könne, sondern es auf die inhaltliche Gestaltung der Regelung ankommen müsse 130. Schwab 131 hält dann, wenn das Zulagevolumen nach oben offen ist, so etwa bei Leistungszulagen, bei denen der Arbeitnehmer sich durch ein möglichst gutes Arbeitsergebnis eine potentiell unbegrenzte Zulage verdienen kann, die Geltung eines einheitlichen Zulagenmaßstabs für den begünstigten Personenkreis für das maßgebliche Kriterium. Das sei etwa der Fall bei Aufstellung einer Leistungspunktetabelle, aber auch wenn der Zulage ein ungewichteter Kriterienkatalog zugrundeliege 132. Daß die Zulage gerade die individuelle Erfüllung der relevanten Kriterien vergütet und i.d.S. auf den einzelnen Arbeitnehmer zugeschnitten ist, ändert nach seiner Auffassung nichts daran, daß die Zulage bei jedem Arbeitnehmer auf derselben Grundlage beruht, der Maßstab ist allenfalls mangels Überprüfbarkeit der Anwendung fragwürdig. Weyand 133 vertritt die Auffassung, daß die Gewährung von übertariflichen Zulagen als kollektive Erscheinung zu betrachten ist, da die Lohngestaltung in der Bundesrepublik Deutschland zu einem wesentlichen Teil von übertariflichen Zulagen bestimmt wird 134 • Er sieht bereits die Existenz übertariflicher Zulagen als ausreichend für die Bejahung der Kollektivität an, unabhängig 128 Hönsch, BB 88, 701. 129 Von Hoyningen-Huene, SAE 85, 301. 130 GK BetrVG, § 87 Rz 18, 22. 131 BB 93, 496. 132 BAG, BB 86, 734; Kappes, DB 86, 1520, 1521. 133 ArbuR 93, 3. 134 Weyand, ArbuR 93, 3.

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davon, ob sie systematisch erfolgt oder nicht. Weyand 135 geht deshalb davon aus, daß auch eine mit Rücksicht auf individuelle Umstände dem einzelnen gezahlte übertarifliche Zulage auf kollektive Gesichtspunkte zurückzuführen ist und Kollektivität deshalb nur im Ausnahmefall auszuschließen sei.

(2) Wardigung der vertretenen Auffassungen Die Übersicht über Rechtsprechung und Literatur hat ein Bild vermittelt, wie uneinheitlich und teilweise widersprüchlich die Frage, wann eine Regelung als kollektiv anzusehen ist, beantwortet wird. Zusammenfassend kann man sagen, daß die Kollektivität teilweise beim Vorliegen eines quantitativen Elements, teilweise nur beim Vorliegen eines qualitativen Elements bejaht wird. Andere Auffassungen gehen von Kollektivität beim Vorliegen einer abstrakt-generellen Reglung aus. Ein weiterer Ansatzpunkt knüpft zur Bestimmung des Begriffs Kollektivität an den von ihr betroffenen Regelungsgegenstand an. Darüberhinaus wird zum Teil eine Häufung der aufgezählten Anknüpfungspunkte zur Bejahung der Kollektivität für erforderlich gehalten. Eine weitere Schwierigkeit bei der Klärung des Kollektivitätsbegriffs ergibt sich daraus, daß die zu seiner Erklärung verwendeten Begriffe nicht immer einheitlich verstanden werden: Ein qualitatives Kollektiv soll vorliegen, wenn die Regelung ihrem Gegenstand nach kollektiven Bezug hat136. Von einem quantitativen Kollektiv soll dagegen auszugehen sein, wenn ein nicht nur unerheblicher Teil der Belegschaft von einer Regelung betroffen ist. Teilweise wird darüberhinaus noch gefordert, daß die Regelung nicht auf persönliche Sonderumstände einzelner Arbeitnehmer zurückzuführen sein darf137. Unter einer abstrakten Regelung versteht man eine Regelung, die losgelöst von den persönlichen Umständen des einzelnen erfolgt 138 . Eine Regelung wird als generell angesehen, wenn eine größere Anzahl von Personen von ihr betroffen ist.

135 ArlluR 93, 7. 1J6 BAG DB 81, 946; BAG AP Nr. 6, 7 zu§ 87 BetrVG Arlleitszeit; GK BetrVG, § 87 Rz 16; Hess/ Schlochauer/ Glaubitz, BetrVG, § 87 Rz 23 . 137 Vgl. dazu G/ L, BetrVG, § 87 Rz 10; Hess/ Schlochauer/ Glaubitz, BetrVG, § 87 Rz

22.

138 GK BetrVG, § 87 Rz 19.

B. Mitbestimmungsre