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German Pages 835 [836] Year 2016
Petra Umlauf Die Studentinnen an der Universität München 1926 bis 1945
Petra Umlauf
Die Studentinnen an der Universität München 1926 bis 1945 Auslese, Beschränkung, Indienstnahme, Reaktionen
ISBN 978-3-11-044478-0 e-ISBN (PDF) 978-3-11-044662-3 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-043717-1 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. Zugl.: Diss., München Univ., 2015 © 2016 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Umschlagabbildung: Studentenausweis der Universität München von Philomena Sauermann. Bildnachweis: Privat Satz: fidus Publikations-Service GmbH, Nördlingen Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck ♾ Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com
Für Hanne, Philomena, Thaddea und Fritz. Und für Michael.
Danksagung Die vorliegende Arbeit wurde inspiriert und angeregt durch einen Workshop zur Geschichte der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München im Dritten Reich unter Leitung von Frau Professor Dr. Elisabeth Kraus. Was als Vorstudie und Versuch einer Annäherung an die Studentinnen der LMU zwischen 1933 und 1945 begann, konnte unter der umsichtigen und langjährigen Betreuung von Frau Kraus zu einer detaillierten Untersuchung ausgebaut werden. Im Oktober 2014 wurde die Arbeit von der Philosophischen Fakultät der Universität München als Dissertation angenommen. Viele Menschen haben dieses Projekt von Anfang an mit großem Interesse verfolgt und sind dabei zu wichtigen Wegbegleitern geworden. Wertvolle Anregungen und Ratschläge erhielt ich neben meiner Erstkorrektorin auch von Frau Professor Dr. Sylvia Schraut (Universität der Bundeswehr München). Als Zweitgutachterin hat sie sich dem Thema stets aufmerksam gewidmet und mir wiederholt wichtige Impulse gegeben, u. a. während der Zusammenarbeit an einem Ausstellungsprojekt über „Studentischen Widerstand im 19. und 20. Jahrhundert“. Beiden Begleiterinnen gilt mein aufrichtiger und herzlicher Dank ebenso wie Herrn Professor Dr. Rolf Selbmann (Universität München), der die Nebenfachprüfung im Rahmen der Disputation abgenommen hat. Zu großem Dank verplichtet bin ich auch den zahlreichen Mitarbeitern der verschiedenen Archive, allen voran Diplomarchivarin Ursula Lochner. Während unserer gemeinsamen Zeit im Universitätsarchiv München half sie mir mit unermüdlicher Geduld bei der Quellenrecherche und hatte auch sonst bei sämtlichen Fragen immer ein offenes Ohr. Für selbstlose Unterstützung und die uneingeschränkte Akteneinsicht möchte ich mich zudem beim Studentenwerk München sowie beim Verein für Fraueninteressen – speziell bei Christa Elferich – ganz herzlich bedanken. In Zeiten logistischer Umbrüche ermöglichten mir die Mitarbeiter des Lesesaals Altes Buch (Universitätsbibliothek München) ein ungestörtes (Weiter-)Arbeiten und boten mir eine zweite „historische Heimat“. Bibliotheksoberinspektor Bernd Niebling sei hier stellvertretend und federführend in freundschaftlicher Verbundenheit gedankt. Mit besonderem Stolz erfüllt mich, dass die vorliegende Studie von der Frauenbeauftragten der LMU, Dr. Margit Weber (Akademische Direktorin), mit einem einjährigen Stipendium für ein Gender-Projekt bedacht worden ist. Im Rahmen der Förderung von Chancengleichheit für Frauen in Forschung und Lehre ermöglichte mir die finanzielle Unterstützung eine intensive und sorgenfreie Zeit des Forschens und Konzipierens. Sie machte Art und Umfang der Ergebnissicherung in dieser Weise erst möglich. Wertvolle Hilfe und Fürsprache erhielt ich dabei von
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Danksagung
meiner Doktormutter sowie von Frau Professor Dr. Laetitia Boehm (Universität München). Besonders dankbar bin ich meinem Mann Michael, der mir über etliche Jahre hinweg mit viel Verständnis den Rücken freigehalten bzw. gestärkt und mich durch seinen unerschütterlichen Optimismus immer wieder bestärkt hat. Ihm und meinen Zeitzeugen ist diese Arbeit gewidmet. Abschließend danke ich dem De Gruyter Oldenbourg Verlag für die Aufnahme meiner Dissertation ins Programm, die durch einen großzügigen Druckkostenzuschuss der Stiftung Zeitlehren gefördert worden ist. Petra Umlauf München, im Frühjahr 2016
Inhalt Danksagung
VII
1 Einleitung 1 Fragestellung und Aufbau 2 Forschungsstand 15 3 Quellen 36
3
I.
Von der Weimarer Republik zum Dritten Reich – LMU‑Studentinnen 1926–1933
1 1.1 1.2 1.3
Sozioökonomische Bedingungen 51 Die gesellschaftliche Haltung gegenüber den Studentinnen Die wirtschaftliche Situation der Studentinnen 73 Exkurs: Das Studentinnenheim Marie-Antonie-Haus 83
2 2.1 2.2
105 Politische Haltung der Studentinnen Die Radikalisierung der Studentenschaft 105 Der Nationalsozialistische Deutsche Studentenbund (NSDStB) 110 Die Arbeitsgemeinschaft Nationalsozialistischer Studentinnen (ANSt) 125 Die Lokalisierung der Münchner ANSt-Gruppe 135 Die Konsolidierung der Münchner ANSt-Gruppe 142 Linke Studentengruppen 156 Religiöse Studentengruppen 167
2.3 2.4 2.5 2.6 2.7
II.
51
Die politische und ideologische Auslese der LMU‑Studentinnen im Dritten Reich
1 Oppositionelle 177 2 „Volljuden“ 202 3 Jüdische „Mischlinge“ 237 4 ANSt-Mitglieder 256 5 Unterstützungsempfänger 273 6 Angehörige religiöser Studentengruppen 7 (Gesundheitlich) Untaugliche 298
287
X
III.
Inhalt
Die Beschränkung der LMU-Studentinnen im Dritten Reich
1 Hochschulreifevermerk 323 2 Höchstziffernregelung 331 3 Arbeitsdienst 343 3.1 Freiwilliger Arbeitsdienst und freiwilliges Werkhalbjahr 343 3.2 Pflichtmäßiges Diensthalbjahr und Ausgleichsdienst 350 3.3 Kriegshilfsdienst als Verlängerung der Dienstzeit 383
IV.
Die Indienstnahme der LMU-Studentinnen im Dritten Reich
1 Einführung außer- und inneruniversitärer Pflichten 1933 394 1.1 Pflichtsport 394 1.1.1 Freiwillige Leibesübungen vor 1933 394 1.1.2 Einführung des Pflichtsports 1933 398 1.2 Frauendienst 409 1.3 Gemeinschaftspflege (GPf) 415 1.4 NS-Volkswohlfahrt (NSV) 422 1.5 Fachschaftsarbeit 426 1.6 Exkurs: Die Umgestaltung des Studentinnenheims Marie-AntonieHaus 433 2
3
Abwehrhaltung der LMU-Studentinnen gegenüber Indienstnahme 440
Modifikation außer- und inneruniversitärer Pflichten ab 1934/35 459 3.1 Pflichtsport 459 3.2 Frauendienst 484 3.3 Volkstumsarbeit (VTA) 501 3.4 NSV-Arbeit 511 3.5 Politische Schulung 523 3.6 Fachschaftsarbeit 542 3.7 Reichsberufswettkampf 554 3.8 Studentinnenheim 566 3.9 Lager 587
Inhalt
V.
Die Indienstnahme der LMU-Studentinnen im Krieg
1 2 2.1 2.2 2.3
Der Aufschwung des Frauenstudiums 617 Die Einführung der studentischen Dienstpflicht 626 Der Fabrik- und Landdienst vor 1940 629 Die Reaktionen der Studentinnen auf die studentische Dienstpflicht 635 Die Erweiterung der studentischen Dienstpflicht ab 1941
3 3.1 3.2
LMU-Studentinnen zwischen Ablehnung und Akzeptanz Giesler-Rede als Ventil für weiblichen Protest 677 Offizielle Reaktionen auf die Giesler-Rede 696
4
Selbst- und Fremdwahrnehmung der Studentinnen an der Universität 703
VI.
Totale Mobilmachung und Niedergang – LMU‑Studentinnen 1943–1945
1 2 3 4
Ausmerzaktion ungeeigneter Studierender Die Phase der Agonie 725 Totaler Kriegseinsatz 739 Zerstörungen und Zusammenbruch 745
Zusammenfassung
653
659
719
753
Abkürzungsverzeichnis
775
Abbildungsverzeichnis
777
779 Quellen- und Literaturverzeichnis 1 Ungedruckte Quellen 779 2 Gedruckte Quellen 788 3 Zeitgenössische Literatur bis 1945 4 Literatur ab 1945 795 Personenregister
XI
793
817
Einleitung Die Geschichte der Studentinnen an der Ludwig-Maximilians-Universität München im Dritten Reich ist nicht die Geschichte von Sophie Scholl. Zweifellos gehört ihre Person und damit die Widerstandsgruppe der „Weißen Rose“ zu den historisch am besten aufgearbeiteten Forschungsfeldern lokaler Universitätsgeschichte im Nationalsozialismus.1 Schon als die LMU im Jahr 1972 ihren 500. Geburtstag mit einem Jubiläumsband2 feierte, gedachte man neben der „in der Geschichtsschreibung kanonisierten großen Beispiele“3 wie der Geliebten König Ludwigs I. von Bayern, Lola Montez, vor allem der 1943 hingerichteten Studentin.4 Anstrengungen, den bis dato weitgehend verborgenen Teil der weib lichen Studentenschaft in den Jahren 1933 bis 1945 für eine größere Öffentlichkeit sichtbar zu machen, wurden jedoch kaum unternommen. Im Vorwort der 2002 veröffentlichten Untersuchung über Studentinnen und Wissenschaftlerinnen an der Universität Freiburg schreibt die damalige Dekanin der Philologischen Fakultät, die Geschichte des Frauenstudiums sei in den letzten Jahrzehnten an vielen Hochschulen „detailliert aufgearbeitet“5 worden. Obwohl die LMU im Sommer desselben Jahres selbstkritisch mit der „systematischen Aufarbeitung“ ihrer Geschichte im Dritten Reich beginnen wollte, ist auch mehr als zehn Jahre später ein auffälliges Forschungsdesiderat für München zu beklagen. Ihren fachlichen Ausdruck fand das ambitionierte Vorhaben der hiesigen Universität in der Eröffnung der neuen Sammelbandreihe „LMUniversum“. Der bisherigen Tradition verhaftet zeichnete der 2003 veröffentlichte erste Band
1 Sönke Zankel schreibt unter Verweis auf Kurt Schilde, es seien bislang weltweit wohl nahezu 1.000 Publikationen über die Geschichte der Weißen Rose erschienen. Vgl. Sönke Zankel: Mit Flugblättern gegen Hitler. Der Widerstandskreis um Hans Scholl und Alexander Schmorell. Köln, Weimar, Wien 2008, 2, FN 4, künftig zitiert als Zankel. Vgl. in diesem Zusammenhang auch das umfangreiche Literaturverzeichnis bei Zankel, 564 ff. 2 Vgl. Ludwig-Maximilians-Universität München 1472–1972. Geschichte, Gegenwart, Ausblick. München 1972, künftig zitiert als LMU 1472–1972. 3 Martin Broszat: Vorwort. In: Ders./Fröhlich, Elke (Hgg.): Bayern in der NS-Zeit VI. Die Herausforderung des Einzelnen. Geschichten über Widerstand und Verfolgung. München, Wien 1983, 9. 4 Vgl. dazu auch Hiltrud Häntzschel/Hadumod Bußmann: Vorwort. In: Dies. (Hgg.): Bedrohlich gescheit. Ein Jahrhundert Frauen und Wissenschaft in Bayern. München 1997, 9, sowie Hadumod Bußmann: Vorwort. In: Dies.: (Hg.): Stieftöchter der Alma Mater? 90 Jahre Frauenstudium in Bayern – am Beispiel der Universität München. Katalog zur Ausstellung. München 1993, 12, künftig zitiert als Bußmann: Vorwort. 5 Elisabeth Cheauré: Vorwort. In: Ute Scherb: „Ich stehe in der Sonne und fühle, wie meine Flügel wachsen“. Studentinnen und Wissenschaftlerinnen an der Freiburger Universität von 1900 bis in die Gegenwart, Königstein/Taunus 2002, 9.
2
Einleitung
„ein besonderes Kapitel des studentischen Widerstands in der Zeit des Nationalsozialismus durch Beiträge prominenter Zeitzeugen“6 nach. Unbekannte Studierende und Fälle wurden damit erneut ebenso wenig sichtbar gemacht wie der Hochschulalltag der meisten Studentinnen (und Studenten) jenseits nonkonformen Verhaltens. Obwohl bereits 1965/66 die als Ringvorlesung der Fakultäten veranstaltete Vortragsreihe „Die deutsche Universität im Dritten Reich“ die lokale Lage weiblicher Studierender gestreift hat7, existiert bis heute keine wissenschaftliche Monographie zu diesem Thema. Die seit Ende der 1990er Jahre entstandenen Beiträge, welche Frauen erstmalig gezielt in den Mittelpunkt gerückt haben8, beinhalten zwar wichtige Einzelergebnisse, ergeben aber im Ganzen nur ein bruchstückhaftes Bild, aus dem sich die Situation der Studentinnen an der LMU zwischen 1933 und 1945 allenfalls in einigen Teilbereichen ablesen lässt. Deshalb will diese Arbeit eine der noch „immer zahlreichen Leerflächen ausmalen und damit das Bild der Universität München in der NS-Zeit nicht nur weiter skizzieren und schraffieren, sondern fertigzeichnen helfen.“9 Anhand der Münchner Studentinnen soll das studentische Leben unter nationalsozialistischer Herrschaft sowohl auf lokaler als auch auf Reichs- bzw. Länderebene beleuchtet werden. Vor dem Hintergrund einschlägiger Literatur werden dafür bislang meist außer Acht gelassene Quellenbestände herangezogen, die es ermöglichen, Fragestellungen im Spannungsfeld zwischen staatlicher Hochschulpolitik und ihrer Auswirkung auf das Verhalten der weiblichen Studentenschaft an der LMU aufzuwerfen. Anhand der zweitgrößten Universität des Reiches wird auf diese Weise erstmals nachgezeichnet, inwieweit sich das Verhalten der Frauen zwischen den Extremen Anpassung und Widerstand bewegte und bspw. eine (vorauseilende) Indienststellung im Reichsarbeitsdienst (RAD) oder der Arbeitsgemeinschaft Nationalsozialistischer Studentinnen (ANSt) erfolgte. Die wenigen bislang vorliegenden Erkenntnisse zu diesem Thema werden dabei sowohl profiliert als auch modifiziert.
6 Alle Zitate nach Andreas Heldrich: Vorwort. In: Hans-Michael Körner/Wolfgang Smolka (Hgg.): Hans Leipelt und Marie-Luise Jahn – Studentischer Widerstand in der Zeit des Nationalsozialismus am Chemischen Staatslaboratorium der Universität München. München 2003, 4 f. Zu LMUniversium vgl. auch http://www.universitaetsarchiv.uni-muenchen.de/publikationen/ lmuuniversum/index.html vom 6.7.2013. 7 Otto B. Roegele: Student im Dritten Reich. In: Die deutsche Universität im Dritten Reich. Acht Beiträge. München 1966, 161 f., künftig zitiert als Roegele. 8 Siehe Forschungsstand. 9 Elisabeth Kraus: Einführung. In: Dies. (Hg.): Die Universität München im Dritten Reich. Aufsätze. Teil I. München 2006, 13.
1 Fragestellung und Aufbau
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1 Fragestellung und Aufbau Die Idee der Aussonderung und Restriktion von Studentinnen hat ihren Ursprung nicht in der nationalsozialistischen Herrschaft. Bereits in den letzten Jahren der Weimarer Republik mehrten sich angesichts von Weltwirtschaftskrise und zunehmender Arbeitslosigkeit die Stimmen derer, die sich gegen den Zustrom von Frauen an die Universitäten aussprachen. Daneben wurden bereits vor 1933 antisemitische Tendenzen im universitären Kontext sichtbar, die einen Nährboden für die Hochschulpolitik im Dritten Reich bilden sollten.10 Die Trias der NS-Studentenpolitik, die sich nach der Machtergreifung zwischen den Variablen Auslese und Beschränkung sowie der Indienstnahme von Studierenden für die sog. „Volksgemeinschaft“ bewegte, wurzelte folglich noch in der demokratischen Epoche. Studierten im letzten Wintersemester vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges nicht mehr als 526 Frauen an den bayerischen wissenschaftlichen Hochschulen und traf auf 25 Studenten gerade einmal eine Studentin, so hatte sich dieses Verhältnis in den kommenden Jahren deutlich verschoben. Nach einem ersten Höchststand von 1411 weiblichen Immatrikulationen im Sommersemester 1921 waren im Wintersemester 1932/33 ganze 2612 verzeichnet – das Fünffache von 1913/14.11 Die breite Masse weiblicher Studierender stand jedoch den Plänen der Nationalsozialisten, einen neuen Studentinnentypus zu schaffen, reserviert bzw. skeptisch gegenüber. Im Einklang mit der NS-Weltanschauung sollten die zukünftigen Akademikerinnen durch eine entsprechende politische Indienstnahme sowie durch außerfachliche Pflichten zur bedingungslosen Hingabe für Staat und Familie erzogen werden: „Das Ausleseprinzip muß für die Zukunft den politischen Menschentyp ergeben, der auf der Hochschule sich die deutsche Wissenschaft erobert, und hier stehen den Organisationen des deutschen Studententums große Aufgaben bevor. Der N. S. D. Studentenbund hat als Gliederung der Partei die Aufgabe der politischen Erziehung des gesamten Studententums. Wir sehen unsere Aufgabe darin, durch Erlebnis des politischen Schulungslagers, durch eine echte Kameradschaft eine Auslese zu treiben, in der politisch und charakterlich wertvolle Menschen
10 Vgl. Birgit Bolognese-Leuchtenmüller/Sonia Horn (Hgg.): Töchter des Hippokrates. 100 Jahre akademische Ärztinnen in Österreich. Wien 2000, 155 f., künftig zitiert als Bolognese-Leuchtenmüller/Horn, sowie Kapitel I dieser Arbeit. 11 Vgl. Bayerisches Statistisches Landesamt (Hg.): Bayerns Hochschulen in der Nachkriegszeit 1945 bis 1952. Heft 181 der Beiträge zur Statistik Bayerns. München 1953, 14, künftig zitiert als Bayerisches Statistisches Landesamt.
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Einleitung
in der Grundschulung die nötigen weltanschaulichen Erkenntnisse vermitteln und durch immer wieder erfolgenden Einsatz die Auslese durch Bewährung gewährleisten.“12 So wollte man sicherstellen, dass lediglich eine bestimmte Auswahl von Studentinnen (und Studenten), die den Kriterien des NS-Regimes entsprachen, an die Universitäten und in mögliche Führungspositionen bzw. Vorbildfunktionen wie etwa innerhalb der ANSt gelangten. Damit war nicht mehr länger an eine heterogene Studentinnenschaft gedacht, sondern an die Zerschlagung und den Ausschluss zahlreicher, mitunter als „liberal“ geltender Gruppen. Jüdinnen oder Angehörige linker Vereinigungen zählten jetzt u. a. zu Vertreterinnen eines unerwünschten studentischen Lebensstils, die es auszuschalten und aufzulösen galt.13 Unter dem Begriff der Auslese wird in dieser Arbeit demnach der Versuch verstanden, auf Hochschulebene eine nach ideologischen und rassischen Punkten erfolgende Selektion von weiblichen Studierenden für die Ziele der Nationalsozialisten zu betreiben. Im Umkehrschluss war damit jedoch auch eine Exklusion derjenigen Frauen verbunden, die man aus verschiedenen Gründen als ungeeignet bzw. unerwünscht für ein Studium und damit für eine akademische Laufbahn im Dritten Reich ansah. Der Begriff der „Auslese“ umfasst also eine Doppelfunktion und beschreibt Aussonderungsprozesse auf universitärem Boden ebenso wie die Auswahl und Schulung von systemkonformen Nachwuchskräften. Flankierende Maßnahmen wie die sog. „Höchstziffernregelung“ sorgten vor allem in den ersten Jahren des Dritten Reiches dafür, die Anzahl weiblicher Immatrikulationen zusätzlich zu beschränken. Allein in Berlin mussten aufgrund der veränderten hochschulpolitischen Situation rund 2.400 Frauen und Männer nach 1933 ihr Studium abbrechen, etliche von ihnen sogar kurze Zeit später aus Deutschland fliehen. Auf diese Weise verlor etwa die Friedrich-Wilhelms-Universität nahezu 20 % ihrer studentischen Angehörigen. „In einem Zusammenspiel der Repressionen „von oben“ und Anfeindungen „von unten“ wurden jüdische und linksgerichtete Studenten von der Universität nicht bloß förmlich ausgeschlossen, sondern tätlich vertrieben“14.
12 Hermann Aly: Glauben und Wissen. In: Studentenwerk München (Hg.): Amtlicher MHF 1935/36. München 1936, 73. 13 Vgl. Haide Manns: Frauen für den Nationalsozialismus. Nationalsozialistische Studentinnen und Akademikerinnen in der Weimarer Republik und im Dritten Reich. Opladen 1997, 103, 152, 300 f., künftig zitiert als Manns, sowie Kapitel II Die politische und ideologische Auslese der LMU-Studentinnen im Dritten Reich. 14 Vgl. Matthias Bühnen/Rebecca Schaarschmidt: Studierende als Täter und Opfer bei der NSMachtübernahme an der Berliner Universität. In: Christoph Jahr (Hg.): Die Berliner Universität in der NS-Zeit. Band I: Strukturen und Personen. Stuttgart 2005, 144, künftig zitiert als Bühnen/ Schaarschmidt. Zur Höchstziffernregelung vgl. Kapitel III, 2.
1 Fragestellung und Aufbau
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Die Studie beleuchtet die Auslese und Beschränkung sowie die Indienstnahme als drei zentrale Kategorien universitärer Herrschaftsprinzipien, welche im Nationalsozialismus eine durch rassenideologische und politische Kriterien definierte Elite formen sollte.15 Im Mittelpunkt stehen folglich sowohl umfangreiche Zugangsvoraussetzungen als auch vielfältige Dezimierungs- bzw. Erfassungsprozesse, denen sich studierwillige Frauen im Dritten Reich ausgesetzt sahen. Dabei geht es um die reichsweite Umsetzung dieser hochschulpolitischen Maßnahmen und Programme und ihre Auswirkungen auf regionaler und lokaler Ebene, wo studentische Organisationen wie die ANSt mit den Kommilitoninnen in Kontakt traten. Als ausführendes Organ politischer Maßnahmen unterstützten ihre Funktionärinnen die „Aussonderungs- und Abtrennungsvorstellungen“ in unterschiedlicher Intensität, was sich „in einem rassistisch und biologisch bestimmten Elitedenken“16 niederschlug. Das Zentrum bilden Studentinnen, die ihr Studium ganz oder teilweise zwischen 1933 und 1945 an der LMU als der zweitgrößten Universität des Reiches absolviert haben. Die Untersuchung arbeitet aber auch die Handlungsmuster und Verhaltensweisen dieser Gruppe auf die überwiegend als oktroyiert empfundenen Bestimmungen des Regimes und mit ihnen die unterschiedlichen Folgen bzw. Konsequenzen in Friedens- und Kriegszeiten heraus. Ziel ist also nicht nur, Umsetzung und Interpretationsräume der reichsweiten Gesetzgebung lokal zu beleuchten, sondern auch eine Geschichte der studentischen Reaktionen auf Mikroebene zu schreiben.17 Angelehnt an Claudia Huerkamp sollen objektive Rahmenbedingungen wie die Zulassungsvoraussetzungen dem subjektiven Empfinden soweit als möglich gegenübergestellt werden.18 Mit anderen Worten: „Man muß versuchen, in den Studienalltag der akademischen Jugend einzudringen, um zu beurteilen, welche inneren Auswirkungen die äußere Vorherrschaft des Nationalsozialismus hatte.“19
15 Vgl. Michael Grüttner: Studenten im Dritten Reich. In: Hochschule und Nationalsozialismus. Referate beim Workshop zur Geschichte der Carolo-Wilhelmina am 5. und 6. Juli 1993. Braunschweig 1994, 73. 16 Alle Zitate nach Manns, 17. 17 Vgl. dazu auch den Ansatz von Holger Zinn: Zwischen Republik und Diktatur. Die Studentenschaft der Philipps-Universität Marburg in den Jahren 1925 bis 1945. Köln 2002, bes. 15, künftig zitiert als Zinn. 18 Vgl. Claudia Huerkamp: Bildungsbürgerinnen. Frauen im Studium und in akademischen Berufen 1900–1945. Göttingen 1996, 20, künftig zitiert als Huerkamp: Bildungsbürgerinnen. 19 Konrad H. Jarausch: Deutsche Studenten 1800–1970. Frankfurt am Main 1984, 188, künftig zitiert als Jarausch.
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Einleitung
Das heißt, es wird überprüft, inwieweit es zu einer tatsächlichen Auslese, Beschränkung und Indienstnahme der weiblichen Studierenden durch den NSStaat kam und welche Verhaltensvarianten bzw. Reaktionen daraus resultierten. Wo gab es bspw. Formen des Abstandes, der Überwinterung, von Renitenz und Resistenz, und das auch mit Blick auf die Selbstzeugnisse (Biographien, Briefe u. ä.) und Zeitzeugeninterviews, in denen sich ein Großteil der Studentinnen als vollkommen unpolitisch beschreibt. Unter Berücksichtigung bereits vorhandener wissenschaftlicher Erkenntnisse sowie anhand eigener Befragungen ist herauszuarbeiten, mit welcher Motivation sie ihr jeweiliges Studium aufnahmen und wie ihre Studienwirklichkeit aussah. Wie gestalteten sich Finanzierungsfragen, Wohnmöglichkeiten oder Prüfungsbedingungen angesichts einer Regierung, die zumindest bei Machtantritt bestrebt war, Frauen von den Hochschulen zu verdrängen, sich allerdings bereits im Rahmen des Vierjahresplanes gezwungen sah, verstärkt für weibliche Immatrikulationen zu werben? Kann diesbezüglich der Hörgelderlass als eine „moderne Seite“ der Universität im Nationalsozialismus verstanden werden? Führte der als Zäsur und Wendepunkt verstandene Zweite Weltkrieg innerhalb des universitären Geschehens zu einer neuen weiblichen Selbstbestimmtheit oder im Gegenteil zu einer verstärkten Inanspruchnahme durch Hochschule und Pflichteinsätze? Wo standen Handlungsspielräume Entscheidungszwängen gegenüber? Wie sah die Selbst- bzw. Fremdwahrnehmung von weiblichen Studierenden an der Münchner Universität aus, sei es im Umgang mit Geschlechtsgenossinnen, Kommilitonen oder Professoren? Schließlich galt lange Zeit das Pauschalurteil, Frauen seien im Dritten Reich vollkommen „entrechtet, versklavt und zu Gebärmaschinen degradiert“20 worden. Tatsächlich ergibt sich bei genauerem Hinsehen ein weitaus vielschichtigeres Bild21, das größtenteils in der programmatischen Inkonsequenz der NS-Hochschulpolitik wurzelt. Frauen sind nicht nur passive Gefährtinnen der Männer, sondern im Gegenteil auch aktive Teilnehmerinnen am gesellschaftlichen (Hochschul-)Leben gewesen, haben sich oftmals in Dienst gestellt, organisiert und angepasst zugleich. Zudem zeigt die Befragung einer Vielzahl ehemaliger Münchner Studentinnen, dass in der weiblichen Selbstwahrnehmung überdies nur in den seltensten Fällen von Diskriminierung durch Professoren und Kommilitonen gesprochen werden kann.
20 Wolfgang Schneider: Frauen unterm Hakenkreuz. München 2003, 8. 21 Vgl. dazu u. a.: Dorothee Klinksiek: Die Frau im NS-Staat. Stuttgart 1982, künftig zitiert als Klinksiek, sowie David Schoenbaum: Die Frau im Dritten Reich. In: Ders.: Die braune Revolution. Eine Sozialgeschichte des Dritten Reiches. München 1980, 226–241, künftig zitiert als Schoenbaum.
1 Fragestellung und Aufbau
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Die Beantwortung dieser Fragen erfordert einen breiten zeitlichen Rahmen, der drei größere chronologische Abschnitte umfasst – beginnend mit den letzten sieben Jahren der Weimarer Republik, in die u. a. die Gründung des Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbundes (NSDStB) im Februar 1926 in München und damit die Vorgeschichte für die Hochschulpolitik des späteren NS-Systems fällt.22 Anschließend widmet sich die Darstellung den zwölf Jahren nationalsozia listischer Herrschaft, die für die Studierenden schon 1935 einen Wendepunkt in der Bedeutung und Umsetzung der als zentrale Kategorien verstandenen Variablen Auslese, Beschränkung und Indienstnahme brachten. Obwohl Adam bereits 1977 eine deskriptive Gesamtdarstellung über „Die Tübinger Studentenfrequenz im Dritten Reich“ unter Einbezug der Weimarer Republik vorgelegt hat, ist der für die hier vorliegende Studie abgesteckte Zeitraum einzigartig breit und damit Grundlage für eine Pionierarbeit. Was in den 1970er Jahren als „wissenschaftliches Neuland“23 im Bereich der universitären Geschichtsschreibung galt, trifft mehr als 40 Jahre später noch immer für den weiblichen Teil der Studentenschaft zu: Zeitlich vergleichbare Lokalstudien zum Frauenstudium im Dritten Reich und damit zu einer Geschichte der Studentinnen im Nationalsozialismus sowie ihrer Voraussetzungen in der Weimarer Republik existieren in dieser Breite nicht. Die vorliegende Dissertation versteht sich deshalb als Wegbereiter. Einerseits wird die allgemeine reichsweite Situation des Frauenstudiums in den Jahren 1933 bis 1945 mit der Lage an der LMU nach Differenzkriterien und ggf. deren LMU-Spezifika verglichen und auf der Folie bisheriger Thesen überprüft. Andererseits konzentriert sich die Dissertation nicht nur auf die NS-Zeit, sondern wirft auch einen umfassenden Blick auf die letzten Jahre vor der Machtergreifung, um Strömungen oder gar Brüche registrieren zu können.24 Die hochschulpolitischen Vorgaben werden dabei den studentischen Reaktionen gegenübergestellt. Ziel ist es hierbei, der oftmals als Männergeschichte verstandenen Studentengeschichte neue Ergebnisse durch eine zäsurübergreifende Lokalstudie zum Frauenstudium hinzuzufügen. Infolgedessen wird mit der These konform gegangen, wonach Arbeiten zu einzelnen Universitäten für ein Panorama weiblicher
22 Vgl. dazu Anselm Faust: Der Nationalsozialistische Deutsche Studentenbund. Studenten und Nationalsozialismus in der Weimarer Republik. Band 1. Düsseldorf 1973, 36–38, künftig zitiert als Faust. 23 Uwe Dietrich Adam: Hochschule und Nationalsozialismus. Die Universität Tübingen im Dritten Reich. Mit einem Anhang von Wilfried Setzler „Die Tübinger Studentenfrequenz im Dritten Reich“. Tübingen 1977, 1, künftig zitiert als Adam. 24 Vgl. dazu Christof Dipper: Modernisierung des Nationalsozialismus. In: Neue Politische Literatur: Berichte über das internationale Schrifttum. Nr. 36. Frankfurt/Main, Berlin, Bern u. a. 1991, 451.
8
Einleitung
Wissenschaftsgeschichte in Deutschland definitiv notwendig sind.25 Zahlreiche Facetten des (lokalen) studentischen Lebens lassen sich – gegenüber den großen Linien – lediglich in einer „akademischen Topographie“ plastisch herausarbeiten. Auch für München wird „dabei das Wechselspiel von scheinbarer Kontinuität und Normalität einerseits sowie der schrankenlose Zugriff einer totalitären Diktatur auf das alltägliche Leben und die Zukunftsperspektiven des Einzelnen andererseits“26 besonders deutlich werden. Eine zeitliche Rückschau in die letzten Jahre der Weimarer Republik ist für dieses Vorhaben unabdingbar. Die Arbeit endet mit der Schließung der Universität München im April 1945. Angesichts der detaillierten und dichten Darstellung von insgesamt zwei Jahrzehnten wurde davon abgesehen, die Auswirkungen des Nationalsozialismus auf die LMU nach Ende des Zweiten Weltkrieges darzustellen. Eine punktuelle Vorausschau auf die unmittelbare Nachkriegszeit lässt allerdings erahnen, welche weitreichenden Konsequenzen die NS-Hochschulpolitik für einen Teil der Studentenschaft auch nach dem Ende der faschistischen Herrschaft hatte.27 Beim Forschungsthema „Die Studentinnen an der Universität München 1926 bis 1945“ stehen folglich drei größere Zeiträume im Vordergrund28: 1. der Anstieg des Frauenstudiums in den Jahren 1926 bis 1933 sowie die damit verbundenen Regulierungsversuche auf der einen, die sozialen Unterstützungsmaßnahmen und Radikalisierungstendenzen der Studentenschaft auf der anderen Seite. 2. die mit Machtantritt der Nationalsozialisten ab 1933 verstärkt nach ideologischen und rassepolitischen Gesichtspunkten fortgeführten und erweiterten kon-
25 Vgl. Karen Flügge/Monika Schneikart (Hgg.): Grypswaldia, Du magst ruhig sein, denn die Studentin zieht jetzt ein. Die Anfänge des Frauenstudiums in Greifswald 1873 bis 1925. Rostock 2007, 8, künftig zitiert als Flügge/Schneikart. Grüttner verspricht sich dagegen keine neuen Erkenntnisse zur Studentengeschichte im Nationalsozialismus durch weitere Lokalstudien. Vgl. Michael Grüttner: Studenten im Dritten Reich. Paderborn u. a. 1995, 11 f., künftig zitiert als Grüttner. 26 Alle Zitate nach Christoph Jahr: Einleitung. In: Ders. (Hg.): Die Berliner Universität in der NS-Zeit. Band I: Strukturen und Personen. Stuttgart 2005, 12, künftig zitiert als Jahr: Einleitung. 27 Vgl. dazu die zeitgenössische Arbeit von Franz Goossens: Der Student in Bayern nach dem Zusammenbruch. Sozialökonomische Tatsachen und Probleme. (Unter besonderer Berücksichtigung der Universität München). Diss. München 1948, künftig zitiert als Goossens. Hier besonders das Kapitel „Der Student“, 23 ff., sowie das darin enthaltene, sehr allgemeine Unterkapitel über „Das Frauenstudium“, 42 ff. 28 So ähnlich auch bei Steffen Rückl: Studentischer Alltag an der Berliner Universität 1933 bis 1945. In: Christoph Jahr (Hg.): Die Berliner Universität in der NS-Zeit. Band I: Strukturen und Personen. Stuttgart 2005, 115–142, bes. 115, künftig zitiert als Rückl. Rückl setzt jedoch das Wintersemester 1932/33 als Ausgangspunkt an.
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tinuierlichen Maßnahmen der Auslese, Beschränkung und Indienstnahme der Studentinnen sowie 3. der Ausbruch des Zweiten Weltkrieges und seine Folgen bzw. Auswirkungen auf den Studienalltag der weiblichen Studierenden bis zum Zusammenbruch des Regimes im Frühjahr 1945. In sämtlichen Zeitabschnitten wird auch auf die Reaktionen der Studentinnen eingegangen. Das erste auf die Einleitung folgende Kapitel beleuchtet die soziale, ökonomische und universitäre Situation der Studentinnen. Beginnend mit dem Anstieg ihrer Immatrikulationen im Sommersemester 1926 und der gesellschaftlichen Etablierung studierender Frauen wird nachgezeichnet, wie der Ausbruch der Weltwirtschaftskrise schon vor 1933 verschiedene Maßnahmen zur Beschränkung bestimmter studentischer Gruppen und zur Verdrängung weiblicher Berufstätiger begünstigte. Die Regulierungsversuche gingen dabei jedoch nicht ausschließlich von männlichen Kritikern aus, sondern wurden gleichermaßen von Vertreterinnen der bürgerlichen Frauenbewegung vorangetrieben. Vor diesem Hintergrund soll untersucht werden, ob und inwieweit auch die LMU Einfluss auf die zahlenmäßige Entwicklung und damit auf den Zustrom an Einschreibungen nahm und wie sich das Verhältnis der Geschlechter an der Universität selbst veränderte. Betrachteten Studenten und Professoren die Kommilitoninnen als gleichberechtigte Partner oder als unliebsame Konkurrenz auf dem zukünftigen Arbeitsmarkt? Welche individuellen Erfahrungen machten Letztgenannte in ihrem Dasein an der Hochschule, aber auch in ihren vielfältigen und mitunter parallelen Rollen als Untermieterin, Fürsorgeempfängerin, Stipendiatin oder als Angehörige studentischer Gruppen bzw. Interessensvertretungen? Ein Schwerpunkt liegt dabei auf den sozioökonomischen Missständen, denen sich Frauen aus verschiedenen Gründen noch weitaus stärker ausgesetzt sahen als Männer. In diesem Zusammenhang wird besonders auf die Interessensvertretung von Studentinnen und mit ihr auf die Eröffnung des Wohnheims Marie-Antonie-Haus im Mai 1931 eingegangen. Gedacht als sozialkaritative Einrichtung für Bedürftige sollte das Heim jedoch schon wenige Jahre später schrittweise in das Sozialisationsinstrumentarium der Nationalsozialisten eingebunden werden. Die maßgeblich aus privaten Mitteln erwachsene Initiative steht stellvertretend für eine demokratische Organisationsstruktur, deren Grundsteine zwar vor dem Dritten Reich gelegt wurden, die sich innerhalb der neuen politischen Situation aber kaum den ideologischen Vereinnahmungsversuchen entziehen konnte. Das Gleiche gilt für die Studentenschaft, mit dem Unterschied, dass sich ein Teil von ihr schon in den 1920er Jahren zunehmend radikalisierte, was im Bereich der Studentinnen mit der Gründung der lokalen ANSt 1930/31 seinen sichtbaren Ausdruck fand. Allerdings gab es selbst bei den Parteianhängerinnen unterschiedliche Ansichten und Wertvorstellen, weshalb sich die Frage stellt, inwieweit die ANSt-Mitglieder Einfluss auf die Studentinnenschaft und andere -verbindungen wie linke und religiöse Gruppen
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nehmen konnten. Was erhofften sich die Frauen von ihrem Zusammenschluss? Wurden sie von den männlichen Partei- oder NSDStB-Mitgliedern nicht lediglich in eine Außenseiterposition unter dem Vorwand einer eigenen NS-Frauenorganisation gedrängt? Der 1926 ins Leben gerufene NSDStB, der selbst in den letzten Jahren der Weimarer Republik deutlich ins Straucheln geriet, zeigte im Grunde kein wirkliches Interesse an einer aktiven Mitarbeit der Kommilitoninnen. Die beiden nachfolgenden Kapitel greifen einen Teil der vorangegangenen Fragestellungen auf, jedoch unter den veränderten (hochschul-)politischen Rahmenbedingungen. Der Akzent liegt nun auf dem Alltag der Studentinnen an der Universität München in den ersten Jahren des Dritten Reiches, in denen studierende Frauen und Männer mit vielfältigen Bestimmungen zur Auslese und Beschränkung konfrontiert wurden, die – mitunter in modifizierter Form – zum Teil bis in die Kriegsjahre zur Anwendung kamen. Anhand dieser beiden Begrifflichkeiten werden die gesetzlichen und institutionellen Rahmenbedingungen auf reichsweiter Ebene sowie deren lokale Umsetzung nachgezeichnet. Übernahm die LMU die Verordnungen in jedem Fall unmittelbar oder kam es zu bewussten bzw. unabdingbaren Modifizierungen? Wo erschwerten, behinderten oder erleichterten etwa regionale Besonderheiten und Spezifika die Realisierung der Gesetze, machten sie sogar bis zu einem gewissen Grad überflüssig? Und welche Konsequenzen ergaben sich daraus für die betroffenen Studentinnen? Der Aufbau der Untersuchung orientiert sich hier an der Chronologie der unterschiedlichen Maßnahmen, beginnend mit den Ausleseaktionen innerhalb verschiedener Gruppen. Die erste von insgesamt sechs dargestellten Aktionen richtete sich gegen die als marxistisch bzw. kommunistisch geltenden Organisationen, womit die Arbeit direkt an die Jahre vor 1933 anknüpft, in denen sich die LMU bereits mit rigiden Disziplinarmaßnahmen wiederholt gegen linke Studentengruppierungen gewandt hatte. Dieses Verhalten sollte den späteren Machthabern bei der Durchsetzung ihres Relegationsprozesses unmittelbar entgegenkommen, noch bevor sie ihren Fokus auf die Verweisung weiterer Personen von der Hochschule richteten. Auf diese Weise treten die Studentinnen in erster Linie nicht mehr als Individuen, sondern primär als Angehörige bestimmter Gruppen mit unterschiedlicher weltanschaulicher und religiöser Ausprägung hervor. Wie auch bei anderen Segmenten der Gesellschaft kann von den studierenden Frauen nicht als einer konstant homogenen Gruppe im sozialen, politischen oder religiösen Sinn gesprochen werden. Bereits zu Beginn der NS-Herrschaft waren unter den Anfangs-, Fortgeschrittenen- und Examenssemestern Immatrikulationen zu verzeichnen, deren Zahl man durch das „Gesetz gegen die Überfüllung deutscher Schulen und Hochschulen“ vom 25. April 1933 in einem ersten Schritt reglementierte. Dabei sollte der Anteil der „nicht rein arischen“ Personen soweit reduziert werden, dass die „Gesamtheit der Besucher jeder Schule und Fakultät
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den Anteil der Nichtarier an der reichsdeutschen Bevölkerung nicht übersteigt.“29 Ungeachtet der Tatsache, dass antifeministische bzw. diskriminierende „Zielvorgaben in dem für das Regime typischen Konflikt zwischen Ideologie und Realität häufig den ‚Sachzwängen‘ geopfert“30 und Personen wie bspw. die „Halbjüdin“ Hildegard Brücher 1940 zum kriegswichtigen Studium der Chemie wieder zugelassen wurden, stellt die Gruppe der „rassisch Unliebsamen“ nur einen Teil der (weiblichen) Studentenschaft dar. Sogenannte „Nichtarier“ gerieten im Dritten Reich an den Universitäten ebenso in den Fokus wie gesundheitlich Untaugliche oder Angehörige religiöser Verbindungen. Selbst ANSt-Mitglieder blieben vom Selektionsprozess nicht verschont, um bspw. rein opportunistische Anhängerinnen gezielt herauszufiltern. Gleichzeitig verfolgten die Gegner des Frauenstudiums die bereits in der Weimarer Republik forcierte Beschränkung weiblicher Immatrikulationen gezielt weiter und machten sich Vorbedingungen wie den Hochschulreifevermerk, die Höchstziffernregelung und den RAD zunutze. Die individuellen Auswirkungen für die Betroffenen weisen in sämtlichen Fällen ein großes Spektrum auf: Sie beinhalteten das Ende der akademischen Ausbildung ebenso wie bewusste Zweckbündnisse und Arrangements oder ein studentisches Leben am Rande der bzw. in der Illegalität. Der Versuch, eine homogene, gleichgeschaltete und möglichst linientreue Masse an Studentinnen zu extrahieren, ging mit der Einführung zahlreicher außerfachlicher Aktivitäten einher. Eine besondere Position, wenn nicht gar eine Zwitterstellung, nahm hier der sog. „Arbeitsdienst“ ein. Er fungierte nicht nur als Instrumentarium zur Auslese und Beschränkung der Studentinnen, sondern auch als Instanz zur Indienst- bzw. Inanspruchnahme ihrer Arbeitsleistung, und fußte auf Überlegungen, die sich bis ans Ende des 18. Jahrhunderts zurückverfolgen lassen. Als Bindeglied leitet dieser Textabschnitt zu Kapitel IV über, welches die angesichts umfangreicher Auslese- und Beschränkungsmaßnahmen reglementierten Frauen in ihrer Rolle als Pflichtdienstleistende in den Vordergrund rückt. Der Blick richtet sich nun auf die mit dem Wintersemester 1933/34 einsetzende „Indienstnahme“ weiblicher Studierender, die mit der Verordnung des Pflichtsports und dem Ende der freiwilligen Leibesübungen ihren Anfang nahm. Welche Auswirkungen die übrigen Punkte hatten, darunter Frauendienst,
29 Nr. 5 der ersten Verordnung zur Durchführung des Gesetzes gegen die Überfüllung deutscher Schulen und Hochschulen vom 25. April 1933. In: RGBl. Teil 1. Nr. 43. Berlin 1933, 226. 30 Claudia Huerkamp: Jüdische Akademikerinnen in Deutschland 1900–1938. In: Geschichte und Gesellschaft. Zeitschrift für Historische Sozialwissenschaft. 19. Jahrgang. Göttingen 1993, 331, künftig zitiert als Huerkamp: Akademikerinnen.
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Gemeinschaftspflege (GPf), NS-Volkswohlfahrt (NSV) oder Fachschaftsarbeit, wie sich die Umsetzung an der LMU gestaltete und welche Haltung die Studentenschaft in diesem Zusammenhang einnahm, klärt eine umfangreiche Untersuchung. Dabei wird zwischen zwei grundlegenden Zeitphasen unterschieden, wie sie in der bisherigen Forschung u. a. schon für die Universität München herausgearbeitet wurden: Die mit Machtantritt der Nationalsozialisten erfolgten „einschneidenden staatlichen und politischen Maßnahmen zur Umgestaltung der Hochschulen in ihrer theoretischen Konzipierung und praktischen Realisierung sowie in ihrer unmittelbaren Auswirkung“31 auf lokaler Ebene einerseits; die Zäsur im Jahre 1935 sowie die damit verbundene Modifizierung und Aufweichung des politischen Erziehungs- und Pflichtdienstprogrammes andererseits, die aus einer tiefgreifenden Ablehnung der Mehrfachbelastung durch die Betroffenen im Frühjahr 1934 resultierte. Das größte Kapitel dieser Doktorarbeit ist demnach zweigeteilt und behandelt „Die Indienstnahme der LMU-Studentinnen im Dritten Reich“ anhand der einzelnen Pflichtprogramme zunächst bis 1934. Anschließend werden die jeweiligen Gliederungspunkte nochmals aufgegriffen, um inhaltliche Neuerungen und Korrekturen aufgrund der Protesthaltung der Studierenden chronologisch darstellen zu können. Gleichzeitig lassen sich auf diese Weise auch die im weiteren Verlauf erfolgten Veränderungen, Kontinuitäten oder gar Brüche systematisch untersuchen, die auf Gründen der Kriegsvorbereitung und -führung fußten. Dank der Auswertung und Erschließung ungenutzter Quellen konnten zudem neue Erkenntnisse über bislang weitgehend außer Acht gelassene Auslese- und Sozialisationsinstrumentarien der Nationalsozialisten gewonnen werden. So wurde bspw. das Lager im Laufe der Zeit zu einer festen Institution, zu einem „Inklusionsinstrument“32, um immer größere Teile der Studentenschaft für
31 Helmut Böhm: Von der Selbstverwaltung zum Führerprinzip. Die Universität München in den ersten Jahren des Dritten Reiches (1933–1936). Berlin 1995, 24, künftig zitiert als Böhm. 32 Alan Kramer: Einleitung. In: Bettina Greiner/Alan Kramer (Hgg.): Die Welt der Lager. Zur „Erfolgsgeschichte“ einer Institution. Hamburg 2013, 32. Wegweisend und grundlegend im Bereich der bislang kaum erforschten Hochschullager ist hierbei der Aufsatz von Tamara Ehs: Neue Österreicher. Die austrofaschistischen Hochschullager der Jahre 1936 und 1937. In: Christoph Jahr/ Jens Thiel (Hgg.): Lager vor Auschwitz. Gewalt und Integration im 20. Jahrhundert. Berlin 2013, 250–267. Eine spezielle Form des Lagers, das sog. „Winterlager“, beschreibt Maren Goltz in ihrer Doktorarbeit. Unter Führung des NSDStB kamen die Studierenden des Landeskonservatoriums der Musik in Leipzig alljährlich für eine Woche im Erzgebirge zusammen, wo sie u. a. gemeinsam musizierten. Den äußeren Rahmen bildete ein straffer Tagesplan inklusive sportlicher Betätigung und politischer Schulung. Das oberste Ziel sei die „Stärkung des Zusammenhaltes“ gewesen. Maren Goltz: Musikstudium in der Diktatur. Das Landeskonservatorium der Musik/die
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propagandistische Zwecke in Beschlag zu nehmen und zu mobilisieren. In Verbindung damit steht gleichermaßen die Rolle des Studentinnenheims MarieAntonie-Haus, dessen fortschreitende Vereinnahmung als zusätzliches Indoktrinations- und Erziehungsmittel erstmals umfassend dargestellt werden kann. Ausgenommen von der Betrachtung ist dabei jedoch das Ausländerstudium, d. h. speziell die Gruppe der Ausländerinnen, die an der LMU im Dritten Reich eingeschrieben waren.33 Obwohl ein Teil von ihnen im lokalen Studentenheim wohnte, spielte die Prägung durch Sozialisationsinstanzen des Gastlandes in ihrer Gesamtheit vergleichsweise nur eine bedingte bzw. untergeordnete oder aber überhaupt keine Rolle. Kapitel V beleuchtet nicht nur den weiteren Fortgang des Heims bis zu seiner Zerstörung im Januar 1945. Der Fokus richtet sich vielmehr auch auf „Die Indienstnahme der LMU-Studentinnen im Krieg“, ohne jedoch notwendige, grundlegende Entwicklungslinien aus der Vorkriegszeit außer Acht zu lassen. Behandelt wird der universitäre Alltag im Zweiten Weltkrieg, der sich durch den Aufschwung des Frauenstudiums ebenso auszeichnete wie durch die Etablierung weiterer außeruniversitärer Verpflichtungen im Rahmen des studentischen Kriegseinsatzes. Obwohl sich der diktatorische Zugriff auf die Studentinnen durch Einsätze im Rahmen von Fabrik-, Landdienst und Erntehilfspflicht nun unbestritten verschärfte, entstanden gleichzeitig vollkommen ungeahnte Handlungsmöglichkeiten: Der Krieg eröffnete mitunter Freiräume, Förderungsquellen und Arbeitsnischen, die bislang nicht denkbar gewesen waren.34 Studierende Frauen erscheinen folglich nicht ausschließlich als Befehlsempfängerinnen und Beherrschte, sondern gleichermaßen als regimekritische Gruppe, die ihr Missfallen gegen die unfreiwilligen und zeitraubenden Tätigkeiten kundtat. Als bis über die Grenzen von München bekannt gewordenes Beispiel für eine derartige
Staatliche Hochschule für Musik Leipzig in der Zeit des Nationalsozialismus 1933–1945. Stuttgart 2013, 150, künftig zitiert als Goltz. Zum Winterlager vgl. auch ebd., 336 f. 33 Vgl. dazu etwa Angela Schwarz: Die Reise ins Dritte Reich. Britische Augenzeugen im nationalsozialistischen Deutschland (1933–39). Göttingen, Zürich 1993. Unabhängig davon, ob sie ein Stipendium bekamen oder nicht, fasst Nicole Kramer diese Kategorie im Begriff des „Studentenaustausches“ zusammen, zumal sowohl Deutsche im Ausland als auch ausländische Studenten in Deutschland mit den gleichen Organisationen bzw. Erfahrungen konfrontiert wurden. Vgl. Nicole Kramer: München ruft! – Studentenaustausch im Dritten Reich. In: Elisabeth Kraus (Hg.): Die Universität München im Dritten Reich. Aufsätze. Teil I. München 2006, 124, künftig zitiert als Kramer. 34 Vgl. Hellmut Seier: Universität und Hochschulpolitik im nationalsozialistischen Staat. In: Klaus Malettke (Hg.): Der Nationalsozialismus an der Macht. Aspekte nationalsozialistischer Politik und Herrschaft. Göttingen 1984, 148.
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Unmutsbezeugung rückt in diesem Abschnitt die Inszenierung der 470-Jahr-Feier der LMU und mit ihr die sog. „Giesler-Rede“ zentral in den Blick. Nachdem der Widerstandskreis um die Weiße Rose dieses Ereignis in ihrem sechsten Flugblatt aufgegriffen und die Aktion irrtümlicherweise als größere Erhebung unter den Studierenden gedeutet hatte, stellen sich folgende Fragen: Welche Position nahm die breite Masse der LMU-Studentinnen gegenüber dem Dritten Reich und seinen Repräsentanten ein? Zeichneten sie sich durch bedingungslose Einsatzbereitschaft aus und stützten damit das System oder versuchten sie sich dem Totalitätsanspruch der nationalsozialistischen Diktatur durch individuelle Formen der Renitenz zu entziehen? Welche Verhaltensvarianten lagen zwischen diesen beiden Polen? Wo kam es zu punktueller Unzufriedenheit, Resistenz bzw. Selbstbewahrung oder gar zu Protest als sichtbare Zeichen widersetzlichen Verhaltens?35 Gab es einen Unterschied zwischen der studentischen Generation der Vorkriegsjahre sowie den Studierendenjahrgängen ab 1939? Die vorliegende Untersuchung schließt sich dabei der Begrifflichkeit von Michael Grüttner an, wonach nicht jede Art nonkonformen Denkens oder Verhaltens unter den Begriff des Widerstandes fällt. Letztgenannter fußte vielmehr auf einer grundsätzlichen Ablehnung des Nationalsozialismus und forcierte den Sturz des Regimes. Demgegenüber umfasst der Begriff Dissens sämtliche Meinungen und Verhaltensweisen, die konträr zur NS-Politik und deren Weltanschauung standen, jedoch keinen organisierten Widerstand intendierten.36 Die umfangreiche Zeitzeugenbefragung sowie die Sicherung weiterer Quellen aus Privatbesitz ermöglichen gegenüber früheren Untersuchungen, ein noch deutlicheres studentisches Stimmungsbild der Universität München in den frühen 1940er Jahren zu zeichnen. Um den inneren und äußeren Bestand der Universität zu sichern, sah man sich zu verschiedenen Propagandamaßnahmen ebenso genötigt wie zu Zugeständnissen an die Studentenschaft. Im Rahmen der totalen Mobilmachung hatten spezielle Auslesemaßnahmen bis zum totalen Kriegseinsatz jedoch nach wie vor Bestand. Das Schlusskapitel der Arbeit beschäftigt sich mit der Agonie und damit dem Niedergang der LMU in den Jahren 1943 bis 1945. An diesem Punkt rücken primär die Bemühungen um einen „normalen“ Studienalltag und damit die Reaktionen der Studentinnen vor dem schleichenden Zusammenbruch des Universitätsbe-
35 Vgl. hierzu auch Elisabeth Kraus: Ein Forschungsdesign für eine moderne Universitätsgeschichtsschreibung der NS-Zeit: Überlegungen zu einer Gesamtdarstellung der LMU (1933–1945). In: Dies. (Hg.): Die Universität München im Dritten Reich. Aufsätze. Teil I. München 2006, 637, 640. 36 Vgl. Grüttner, 427 ff.
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triebs ins Blickfeld. Diese Entwicklung sprengte die Trias der NS-Studentenpolitik aus Auslese, Beschränkung und Indienstnahme endgültig und brachte den Organisations- und Verwaltungsapparat des NS-Regimes nach und nach zum Erliegen. Studierende Frauen an der Universität bildeten jetzt offiziell nur noch zwei größere Gruppen: die der Kriegerwitwen und der Examenssemester.
2 Forschungsstand Die Rahmenbedingungen, unter denen Frauen im Dritten Reich studierten37, lassen sich mithilfe der bisherigen Literatur mittlerweile gut nachzeichnen. Bereits 1975 skizzierte Jill Stephenson die Auslesemaßnahmen der Nationalsozialisten gegenüber Abiturienten und Studenten beiderlei Geschlechts. Diese resultierten aus Maßnahmen gegen die Schwemme von arbeitslosen Akademikern, wie sie bereits in der Endphase der Weimarer Republik unternommen worden waren, was die Autorin zu Recht wiederholt betont.38 Jacques Pauwels griff diese Argumentation in seiner – nur im englischen Original erhältlichen – Dissertation über die Studentinnen von 1933 bis 1945 erneut auf. Im Gegensatz zu Stephenson bezog der Historiker jedoch auch den Zweiten Weltkrieg in seine Analyse mit ein, um zusätzliche Themen wie die Rolle weiblicher Studierender im Rahmen der Dienstpflicht untersuchen zu können.39 Weitere Arbeiten wie die Ende der 1980er bzw. Anfang der 1990er Jahre entstandenen sozialhistorischen und bildungs-
37 Das Gleiche gilt seit den 1990er Jahren auch für die Zeit des Kaiserreiches mit der Dissertation von Marianne Koerner (Marianne Koerner: Auf fremden Terrain. Studien- und Alltagserfahrungen von Studentinnen 1900 bis 1918. Bonn 1997, künftig zitiert als Koerner) sowie der Weimarer Republik mit der Überblicksdarstellung von Gitta Benker und Senta Störmer: Grenzüberschreitungen. Studentinnen in der Weimarer Republik. Pfaffenweiler 1991, künftig zitiert als Benker/ Störmer, oder dem Aufsatz von Dorothee Wierling: Studentinnen in der Weimarer Republik. In: Bürgerliche Gesellschaft in Deutschland. Historische Einblicke, Fragen, Perspektiven. Frankfurt am Main 1990, 364–382. Bei den nach der Jahrtausendwende erschienenen Arbeiten auch Flügge/Schneikart. Ganz aktuell die Publikation von Marco Birn: Die Anfänge des Frauenstudiums in Deutschland. Das Streben nach Gleichberechtigung von 1869–1918, dargestellt anhand politischer, statistischer und biographischer Zeugnisse. Heidelberg 2015, künftig zitiert als Birn. Zu Bayern ebd. 33 ff., zur Universität München 174 f. 38 Vgl. Jill Stephenson: Nazi Policy towards Girls Students. In: Dies.: Women in Nazi Society. London 1975, 130–146. Eine ausführlichere Version dieses Kapitels veröffentlichte Stephenson im selben Jahr unter folgendem Titel: Girls‘ Higher Education in Germany in the 1930s. In: Journal of Contemporary History. Januar 1975, 41–69. 39 Vgl. Jacques R. Pauwels: Women, Nazis, and Universities. Female University Students in the Third Reich 1933–1945. Westport, London 1984, 33, künftig zitiert als Pauwels.
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soziologischen Beiträge von Lothar Mertens40 oder die einschlägigen Kapitel in Michael Grüttners Gesamtdarstellung der Studentengeschichte im Dritten Reich41 haben die ökonomisch-sozialen Rahmenbedingungen, unter denen Frauen im Nationalsozialismus studierten, grundlegend erschlossen. Der in der weiteren Forschung wiederholt außer Acht gelassenen, ungedruckten Dissertation von Brigitte Steffen-Korflür kommt es dagegen zu, auch die mentalen und sozialen Auswirkungen der NS-Herrschaft auf die Lebenspraxis weiblicher Studierender sichtbar gemacht zu haben.42 Dennoch existiert bis heute keine Publikation, die den Fokus lokal auf die Studentinnen einer Universität zwischen 1933 und 1945 richtet. Lediglich Astrid
40 Lothar Mertens: Vernachlässigte Töchter der Alma Mater. Ein sozialhistorischer und bildungssoziologischer Beitrag zur strukturellen Entwicklung des Frauenstudiums in Deutschland seit der Jahrhundertwende. Berlin 1991, künftig zitiert als Mertens: Töchter. Vom selben Autor auch: Die Entwicklung des Frauenstudiums in Deutschland bis 1945. In: Aus Politik und Zeitgeschichte. Beilage zur Wochenzeitschrift Das Parlament. B27/89. 30. Juni 1989, 3–10. Mertens rekurriert hier u. a. auf Pauwels und Klinksiek. Sein erweiterter Aufsatz über „Die Entwicklung des Frauenstudiums in Deutschland“ findet sich in: Dieter Voigt (Hg.): Qualifikationsprozesse und Arbeitssituation von Frauen in der Bundesrepublik Deutschland und in der DDR. Berlin 1989, 9–40, künftig zitiert als Mertens: Frauenstudium. 41 Michael Grüttner: Das Frauenstudium. In: Ders.: Studenten im Dritten Reich. Paderborn u. a. 1995, 109–126. Grüttners Ergebnisse zum Frauenstudium im Nationalsozialismus finden sich in komprimierter Form auch in seinem Aufsatz: Zwischen Numerus clausus und Dienstverpflichtung. Studentinnen im Nationalsozialismus. In: Dagmar Reese (Hg.): Die BDM Generation. Weibliche Jugendliche in Deutschland und Österreich im Nationalsozialismus. Berlin 2007, 321–341. 42 Brigitte Steffen-Korflür: Studentinnen im „Dritten Reich“. Bedingungen des Frauenstudiums unter der Herrschaft des Nationalsozialismus. Bocholt 1991, künftig zitiert als Steffen-Korflür. Ein Grund für die auffällige Ignoranz gegenüber der Dissertation könnte in ihrer schwer zugänglichen Form liegen: Die Arbeit ist nur auf Mikrofiche erhältlich. Generell zum Forschungsstand über Studierende Michael Ruck: Bibliographie zum Nationalsozialismus. Band 1. Vollständig überarbeitete und wesentlich erweiterte Ausgabe Darmstadt 2000, 491–507 (A.3.11.7-A.3.11.7.2, Frauen- und Geschlechterbeziehungen), sowie ders.: Bibliographie zum Nationalsozialismus. Band 2. Vollständig überarbeitete und wesentlich erweiterte Ausgabe Darmstadt 2000, 895–956 (A.3.19-A.3.19.12, Wissenschaft und Hochschulen, bes. 910–912 (A.3.19.4.-A.3.19.4.2, Studentenschaft). Ebenso Gunilla-Friederike Budde: „Geglückte Forschung? Frauen an den Universitäten des 20. Jahrhunderts – Ein Forschungsüberblick“. In: Feministische Studien (2002). Heft 1, 98–112. Eine umfangreiche Zusammenstellung über die Forschungslage zu weiblichen Studierenden von den frühen 1970er Jahren bis zur Mitte der 1990er findet sich bei Edith Glaser: Emancipation or Marginalisation: new research on women students in the Germanspeaking world. In: Oxford Review of Education. Vol. 23, Nr. 2. Oxford 1997, 169–184. Eine allgemeine Literaturübersicht zu Hochschulen im Nationalsozialismus (Veröffentlichungen zu einzelnen Hochschulen, Instituten, Lehrenden, Studierenden sowie anderen Mitgliedern) strebt das Historische Seminar der Universität Hannover an: http://www.clio-online.de/site/lang__de/ItemID__27392/ mid__10327/85/default.aspx vom 22.8.2014.
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Dageförde unternahm 1987 den Versuch, „Frauen an der Universität Hamburg – habilitierte, promovierte, sonstige Lehrende oder Forschende und nicht zuletzt die Lernenden der Jahre 33–45 – ‚sichtbar‘ zu machen.“43 Ihr besonderes Verdienst ist es, anhand von knapp 30 durchgeführten Zeitzeugengesprächen mit ehemaligen Studentinnen eine relativ umfangreiche Materialbasis für die individuelle Darstellung weiblicher Hochschulerfahrungen und Wahrnehmungen geschaffen zu haben. Das Studium im Nationalsozialismus wird auf diese Weise nicht mehr länger nur aus der Sichtweise von Männern beleuchtet, womit Dageförde eine der wenigen Grundlagen für künftige Vergleichsanalysen mit anderen Universitäten geschaffen hat. Obwohl Steffen-Korflür die von Dageförde geführten Gespräche zur Rekonstruktion des „subjektive(n) Erleben(s) einer von extremer zeitlicher Inanspruchnahme und vielfältiger Kontrolle geprägten Studienwirklichkeit“44 herangezogen und die konkreten Erfahrungen studierender Frauen erforscht hat, sind weitere Analysen dieser Art auch knapp drei Jahrzehnte später immer noch Mangelware. Im Gegensatz zu den Organisationsstrukturen, innerhalb derer sich das Studentenleben abspielte, sind die Fragen nach der tatsächlichen Indienstnahme, nach Auslese sowie Beschränkung durch den NS-Staat und seine Funktionäre auf lokalem Gebiet größtenteils offen. Eine komparative Untersuchung der Fragen anhand exemplarischer Universitäten, wie sie Jansen schon 1998 gefordert hat45, ist daher auch mehr als 15 Jahre später noch nicht in voller Breite und Ausführlichkeit möglich.
43 Astrid Dageförde: Frauen an der Hamburger Universität 1933–1945. Hamburg 1987, V, künftig zitiert als Dageförde. Hervorhebung P. U. Vgl. dazu auch den vier Jahre später erschienenen Aufsatz der Historikerin, mit dem sie versuchte, die mehrbändige Ausgabe zur Universität Hamburg zwischen 1933 und 1945 um die Situation des weiblichen Geschlechts zu ergänzen: Astrid Dageförde: Frauen an der Hamburger Universität zwischen 1933 bis 1945: Emanzipation oder Repression? In: Eckart Krause u. a. (Hg.): Hochschulalltag im „Dritten Reich“. Die Hamburger Universität 1933–1945. Teil I: Einleitung. Allgemeine Aspekte. Berlin, Hamburg 1991, 255–270, künftig zitiert als Dageförde: Emanzipation. 44 Steffen-Korflür, 10. Nicht berücksichtigt wurden dabei die Interviews, die eine sechsköpfige Arbeitsgruppe von Studierenden für eine 1990 erschienene Untersuchung zur Universität Frankfurt durchführte. Vgl. Gerda Stuchlik: Funktionäre, Mitläufer, Außenseiter und Ausgestoßene. Studentenschaft im Nationalsozialismus. In: Leonore Siegele-Wenschkewitz/Gerda Stuchlik (Hgg.): Hochschule und Nationalsozialismus. Wissenschaftsgeschichte und Wissenschaftsbetrieb als Thema der Zeitgeschichte. Frankfurt am Main 1990, 49, künftig zitiert als Stuchlik: Funktionäre. 45 Vgl. Christian Jansen: Mehr Masse als Klasse – mehr Dokumentation denn Analyse. Neuere Literatur zur Lage der Studierenden in Deutschland und Österreich in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. In: Neue Politische Literatur. Berichte über das internationale Schrifttum. Ausgabe 3. Frankfurt am Main 1998, 437.
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Einleitung
Mehr als fünf Jahrzehnte nach dem Ende der NS-Gewaltherrschaft unternimmt Hiltrud Häntzschel46 den ersten Ansatz, einen geringen Teil der bis dato weitgehend vernachlässigten Geschichte des (jüdischen) Frauenstudiums im Dritten Reich speziell für München genauer zu erforschen.47 Publiziert wurde ihr Aufsatz in dem 1997 herausgegebenen Band „Bedrohlich gescheit. Ein Jahrhundert Frauen und Wissenschaft in Bayern“, der seine Entstehung der vier Jahre zuvor in München eröffneten Wanderausstellung „Stieftöchter der Alma Mater? 90 Jahre Frauenstudium in Bayern – am Beispiel der Universität München“ verdankt. Als „wichtige Orientierungshilfe“ und „Basisstudie“48 für das Projekt bezeichnet Bußmann den bereits 1958 von Laetitia Boehm veröffentlichten Aufsatz über die Anfänge des akademischen Frauenstudiums in Deutschland sowie dessen Beginn an der LMU.49 Angeregt durch die Fülle des Materials, zahlreiche Lebensschicksale und Gespräche mit Zeitzeuginnen, die bei der Vorbereitung der Ausstellung entstanden, sahen sich sowohl Hiltrud Häntzschel als auch die damalige Frauenbeauftragte der LMU, Hadumod Bußmann, veranlasst, ihre
46 Hiltrud Häntzschel: Frauen jüdischer Herkunft an bayerischen Universitäten. Zum Zusammenhang von Religion, Geschlecht und Rasse. In: Dies./Hadumod Bußmann (Hgg.): Bedrohlich gescheit. Ein Jahrhundert Frauen und Wissenschaft in Bayern. München 1997, 105–136. 47 Vgl. auch: Michaela Raggam: Jüdische Studentinnen an der Medizinischen Fakultät in Wien, hier nach http://www.eforum-zeitgeschichte.at/1_01a4.html vom 1.11.2013. 48 Bußmann: Vorwort, 12 f. Die Wanderausstellung wurde auch in Würzburg gezeigt: Gisela Kaiser: Spurensuche. Studentinnen und Wissenschaftlerinnen an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg von den Anfängen bis heute. Begleitheft zur Ausstellung ‘Stieftöchter der Alma mater? 90 Jahre akademisches Frauenstudium in Bayern‘. Universität Würzburg. 21. Juni bis 25. Juli 1995. Im Foyer (Lichthof) der Neuen Universität am Sanderring. Würzburg 1995, künftig zitiert als Kaiser. Allerdings liefert das Begleitheft nahezu keinen Einblick in das studentische Leben von Frauen im Nationalsozialismus. Weiterführende Informationen zum Hauptkatalog der Ausstellung bilden ebenfalls ein Desiderat. Wenige Monate später präsentierte man die Exponate in Erlangen und ergänzte den Katalog um einen lokalen Teil, der sich auf Material des Stadtmuseums für eine Ausstellung zum Universitätsjubiläum im Jahr 1993 stützte. Vgl. Die Frauenbeauftragte der Friedrich-Alexander-Universität (Hg.): Stieftöchter der Alma Mater? 90 Jahre Frauenstudium in Bayern am Beispiel der Universität München. Sonderteil: Frauenstudium an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Katalog zum Erlanger Sonderteil der Ausstellung. 9. Januar 1996–24. Februar 1996, Ausstellungsraum der Universitätsbibliothek. Erlangen 1995. 49 Vgl. Laetitia Boehm: Von den Anfängen des akademischen Frauenstudiums in Deutschland. Zugleich ein Kapitel aus der Geschichte der Ludwig-Maximilians-Universität München. In: Johannes Spörl (Hg.): Historisches Jahrbuch. 77. Jahrgang. München, Freiburg 1958, 298–327, künftig zitiert als Boehm: Frauenstudium.
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Recherchen fortzusetzen und über den Katalog hinaus in einer eigenen wissenschaftlichen Publikation zu vertiefen.50 Obwohl man das „Frauenstudium an der Universität München“51 bereits 1975 in den Räumen der Universitätsbibliothek exemplarisch beleuchtete und erste tabellarische Ergebnisse zur Entwicklung weiblicher Immatrikulationen zwischen 1901/02 und 1973/74 präsentierte, können Häntzschel und Bußmann für sich in Anspruch nehmen, die über marginale Basisdaten nicht hinausgehenden Informationen durch eine geschickte „Verzweigung von chronologischen, thematischen und biographischen Aspekten“52 wesentlich erweitert zu haben. Lediglich durch eine intensive Lektüre des bspw. von Laetitia Boehm und Johannes Spörl schon zu Beginn der 1980er Jahre herausgegebenen (zweiten) Bandes zum Entwicklungshintergrund der LMU und ihrer Fakultäten lassen sich einzelne Gesichtspunkte zum Frauenstudium an der LMU im Dritten Reich ergänzen53, wie sie für die Jahre 1933 bis 1936 außerdem bei Böhm54 sowie – partiell und auf wenige Fachbereiche bezogen – bei Adrom55, Berg56, Bonk57 und Geiger58, für einzelne studentische Einrichtungen und Institutionen bei Blechschmidt59,
50 Vgl. Hadumod Bußmann/Hiltrud Häntzschel: Dank. In: Dies. (Hgg.): Bedrohlich gescheit. Ein Jahrhundert Frauen und Wissenschaft in Bayern. München 1997, 5. 51 Ladislaus Buzás/Clara Mayr-Wallenreiter (Hgg.): Frauenstudium an der Universität München. Ausstellung in der Universitätsbibliothek 1. November-31. Dezember 1975. München 1975. 52 Hadumod Bußmann (Hg.): Stieftöchter der Alma Mater? 90 Jahre Frauenstudium in Bayern – am Beispiel der Universität München. Katalog zur Ausstellung. München 1993, 13, künftig zitiert als Bußmann. 53 Vgl. Laetitia Boehm/Johannes Spörl (Hgg.): Die Ludwig-Maximilians-Universität in ihren Fakultäten. Zweiter Band. Berlin 1980. 54 Vgl. Böhm. Von Böhm auch relevant: Studium zwischen zwei Weltkriegen: 1918–1945. In: Ludwig-Maximilians-Universität München (Hg.): Ludwig-Maximilians-Universität München. 2. aktualisierte und erweiterte Auflage München 2001, 92–117, bes. 112 ff. 55 Vgl. Hanne Adrom: Indogermanistik in München 1826–2001. Geschichte eines Faches und eines Institutes. München 2001, 22 ff., künftig zitiert als Adrom. 56 Vgl. Matthias Berg: Karl Alexander von Müller. Historiker für den Nationalsozialismus. Göttingen 2014, 491 ff. 57 Vgl. Magdalena Bonk: Deutsche Philologie in München. Zur Geschichte des Faches und seiner Vertreter an der Ludwig-Maximilians-Universität vom Anfang des 19. Jahrhunderts bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges, Berlin 1995, künftig zitiert als Bonk. Nicht zu Unrecht schreibt die Historikerin in der Einführung ihrer Arbeit, dass ebenso eine „frauenbezogene Institutsgeschichte“ denkbar gewesen wäre. Ebd., 4. 58 Vgl. Gabriele Geiger: 100 Jahre Psychologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München. München 1989. 59 Vgl. Thomas Blechschmidt: Die Entwicklung der zahnärztlichen Institute der Universitäten Erlangen, Würzburg und München im Zeitraum von 1933 bis 1945. Diss. Leipzig 1994, 70, 73, 76.
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Goebel60, Kramer61 und Krombholz62 zu finden sind. Größere Vorarbeiten, die als Basis für die vorliegende Arbeit hätten dienen können, existieren jedoch nicht. In seiner Einleitung zum ersten von insgesamt zwei Bänden der „Berliner Universität in der NS-Zeit“ schreibt Herausgeber Christoph Jahr, die ehemalige Friedrich-Wilhelms- und heutige Humboldt-Universität sei „gewiß keine Vorreiterin“, was „die systematische Aufarbeitung der NS-Vergangenheit“ anbelange.63 Als eine Art „Vortrupp“, wenn es um die Untersuchung von bestimmten Fachbereichen geht, dürfen sich allerdings die beiden Historikerinnen Annette Vogt64 und Levke Harders65 verstehen. In ihren eng aufeinander bezogenen Beiträgen zeichnen sie „die Situation und Karrierewege der Studentinnen und Akademikerinnen an der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen bzw. Philosophischen Fakultät nach“66 und rücken damit weibliche Lehrende bzw. Studierende bewusst in den Mittelpunkt. Eine größer angelegte Arbeit legte Claudia Huerkamp vor, die sich auf die Bildungsbürgerinnen von der Jahrhundertwende bis in die vierziger Jahre konzentrierte. In ihrer Habilitation griff sie – analog zu Clephas-Möcker und Krallmann67 – Ärztinnen und Studienrätinnen als die mit Abstand beliebtes-
60 Vgl. Veronika Goebel: Die Münchener Tierärztliche Fakultät im Dritten Reich: Einfluss und Auswirkungen des Nationalsozialismus auf Personal, Institutionen und Fachgebiete. Textband. Habilitationsschrift München 2011, 95 f., künftg zitiert als Goebel. 61 Vgl. Kramer, 123–180. Ergänzend auch dies.: Ausländische Studierende und ihre Vereinnahmung als „Fremde“. In: Angela Koch (Hg.): Xenopolis. Von der Faszination und Ausgrenzung des Fremden in München. Begleitband zur Ausstellung „XENOPOLIS. Von der Faszination und Ausgrenzung des Fremden. Künstlerische Beiträge und historische Perspektiven“ in der Rathausgalerie München vom 27. April bis 12. Juni 2005. Berlin 2005, 241–248, künftig zitiert als Kramer: Fremde. 62 Vgl. Gertrude Krombholz: Die Entwicklung des Schulsports und der Sportlehrerausbildung in Bayern von den Anfängen bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges. Diss. München 1981, bes. 514 ff., künftig zitiert als Krombholz, sowie Studentenwerk München (Hg.): 75 Jahre Studentenwerk München. „Wo geht’s hier zum Studentenhaus?“. München 1995, künftig zitiert als Studentenwerk München. 63 Jahr: Einleitung, 9. 64 Annette Vogt: Von Fleiß und Sachverstand. Studentinnen und Akademikerinnen an der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät. In: Christoph Jahr (Hg.): Die Berliner Universität in der NS-Zeit. Band I: Strukturen und Personen. Stuttgart 2005, 179–191. 65 Levke Harders: Von Fleiß und Sachverstand. Studentinnen und Akademikerinnen an der Philosophischen Fakultät. In: Christoph Jahr (Hg.): Die Berliner Universität in der NS-Zeit. Band I: Strukturen und Personen. Stuttgart 2005, 193–203. 66 Jahr, 13. 67 Vgl. Petra Clephas-Möcker/Kristina Krallmann: Studentinnenalltag in der Weimarer Republik und im Nationalsozialismus im Spiegel biographischer Interviews. In: Anne Schlüter (Hg.): Pionierinnen. Feministinnen. Karrierefrauen? Zur Geschichte des Frauenstudiums in Deutschland.
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ten akademischen Frauenberufe heraus sowie Juristinnen „als die Berufsgruppe, die am offensichtlichsten in eine männliche Domäne einbrach und mit den härtesten Widerständen und Ressentiments ihrer männlichen Berufskollegen und der männlich geprägten Berufsorganisation zu rechnen hatte.“68 Huerkamps vorrangiges Ziel war es dabei, zu untersuchen, welche Auswirkungen die Machtergreifung der Nationalsozialisten auf die Situation von berufstätigen Akademikerinnen hatte bzw. auf Frauen, die nach einer solchen Tätigkeit strebten. Ein zweites Ziel bestand darin, die Analyse der Situation von weiblichen Studierenden mit der von berufstätigen Akademikerinnen zusammenzuführen; immerhin ein Kapitel widmete Hendrik van den Bussche den Ärztinnen sowie dem Frauenstudium in seiner Untersuchung des ärztlichen Qualifikations- und Sozialisationsprozesses bis zur Approbation.69 Auf lokalem Gebiet ist vor allem die Arbeit von Monika Ebert zu nennen. Die Historikerin, die bereits 1993 mit Bußmann, Häntzschel und weiteren Kolleginnen die Ausstellung „Stieftöchter der Alma Mater?“ vorbereitet und Beiträge zum Katalog geliefert hat, beleuchtet mit ihrer Publikation „Zwischen Anerkennung und Ächtung. Medizinerinnen der Ludwig-Maximilians-Universität in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts“ jene Studentinnen, die einen wesentlichen Anteil an der hiesigen Hochschule gehabt haben. Indem sich die Autorin gerade auf das Schicksal der jüdischen Medizinerinnen konzentriert, dokumentiert sie „nicht nur die Fortschritte der Gleichstellung, sondern auch die schlimmsten Rückschläge“70, leitete doch die Machtergreifung Adolf Hitlers vor allem für diese
Pfaffenweiler 1992, 169–189, künftig zitiert als Clephas-Möcker/Krallmann: Studentinnenalltag. In ihrem Aufsatz rückten die Autorinnen vor allem die Alltagserfahrungen von Medizin- und Lehramtsstudentinnen während der Zeit der Weimarer Republik und des Nationalsozialismus in den Blick, indem sie offiziellen Daten zum Frauenstudium Erinnerungen an die Studentenzeit gegenüberstellten: „Doch gerade dieses Spannungsfeld zwischen der faktischen, offiziellen Ebene und der individuellen, auf Erfahrung basierenden gilt es herauszustellen.“ Ebd., 170. 68 Huerkamp: Bildungsbürgerinnen, 17 f. Vgl. in diesem Zusammenhang auch Irmgard Schlotfeldt-Schäfer: Das Frauenstudium in Kiel unter besonderer Berücksichtigung der Medizin. Kiel 1981 sowie Barbara Cohors-Fresenburg: “Frau Onkel Doktor“. Untersuchung über die Anfänge des Frauenstudiums in der Medizin anhand von Fragebögen und Interviews mit Ärztinnen. Münster 1989, künftig zitiert als Cohors-Fresenburg. 69 Vgl. Hendrik van den Bussche: Im Dienste der „Volksgemeinschaft“. Studienreform im Nationalsozialismus am Beispiel der ärztlichen Ausbildung. Berlin, Hamburg 1989, 43 ff., künftig zitiert als van den Bussche. 70 Ulla Mitzdorf: Vorwort. In: Monika Ebert: Zwischen Anerkennung und Ächtung. Medizinerinnen der Ludwig-Maximilians-Universität in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Neustadt an der Aisch, 2003, 7.
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Frauen den Abbruch jeglichen gesellschaftlich-emanzipatorischen Fortschritts ein. Eine Reihe von Untersuchungen spürt demzufolge Frauen als Angehörige bestimmter Disziplinen bzw. Gruppen wie etwa der ANSt nach.71 Das gilt bspw. für die Studie von Haide Manns, die im Rahmen ihrer Dissertation die spezifischen politischen Handlungsspielräume und ideologischen Bewusstseinsmuster natio nalsozialistischer Studentinnen und Akademikerinnen analysiert.72 Peter Lauf konzentriert sich dagegen auf die jüdischen Studierenden der Universität Köln, wobei er die Frauen bei seiner Auswertung der Matrikel als Teilgruppe miteinbezog73. Jüdische Studierende beiderlei Geschlechts bilden auch den Mittelpunkt einer 2008 veröffentlichten Publikation am Beispiel der Universität Wien. Schätzungsweise 3.800 Studentinnen und Studenten erschienen nach dem Anschluss Österreichs im Jahr 1938 nicht mehr im folgenden Semester. Die Schicksale dieser vertriebenen Frauen und Männer stehen im Zentrum des Buches.74
71 Vgl. Irmgard Weyrather: Numerus Clausus für Frauen – Studentinnen im Nationalsozialismus. In: Frauengruppe Faschismusforschung: Mutterkreuz und Arbeitsbuch. Zur Geschichte der Frauen in der Weimarer Republik und im Nationalsozialismus. Frankfurt am Main 1981, 131–162, künftig zitiert als Weyrather. 72 Vgl. Manns, 11. Vgl. dazu auch die überschaubaren Ausführungen bei Faust, 172 ff., sowie die einschlägigen Kapitel bei Grüttner: „Im Schatten des großen Bruders: Die Arbeitsgemeinschaft Nationalsozialistischer Studentinnen (ANSt)“, „Die ANSt auf Expansionskurs“ sowie „Die Entwicklung der ANSt: Spätblüte oder Scheinblüte?“ (276–286, 348–360, 409–414). Einen wegen mangelnder Quellen zeitlich begrenzten Versuch auf lokaler Ebene unternahm Katrin Stiefel: „Die rein intellektuelle Frau lehnen wir radikal ab“: Die Arbeitsgemeinschaft Nationalsozialistischer Studentinnen (ANSt) an der Universität Jena 1931–1936. Eine Spurensuche. In: Uwe Hoßfeld u. a. (Hg.): „Kämpferische Wissenschaft“. Studien zur Universität Jena im Nationalsozialismus. Köln u. a. 2003, 290–310, künftig zitiert als Stiefel. 73 Peter Lauf: Jüdische Studierende an der Universität zu Köln 1919–1934. Köln, Weimar, Wien 1991, künftig zitiert als Lauf. Zum Leben jüdischer Frauen, die deutschsprachige Universitäten besuchten, auch Harriet Pass Freidenreich: Female, Jewish and Educated. The Lives of Central European University Women. Bloomington, Indianapolis 2002. 74 Vgl. Herbert Posch/Doris Ingrisch/Gert Dressel: „Anschluß“ und Ausschluss 1938. Vertriebene und verbliebene Studierende der Universität Wien. Wien u. a. 2008, künftig zitiert als Posch/ Ingrisch/Dressel. Zum Frauenstudium bes. 84–87, zu den Erfahrungen von weiblichen Studierenden bes. 239–242 in dieser Arbeit. Vgl. vor diesem Hintergrund auch die im Rahmen eines Dissertationsvorhabens entstandene Studie von Michaela Raggam, die sich auf Interviews und Memoiren jüdischer Studierender der Medizinischen Fakultät in Wien bezieht: Jüdische Studentinnen an der Medizinischen Fakultät in Wien. In: Birgit Bolognese-Leuchtenmüller/Sonia Horn (Hgg.): Töchter des Hippokrates. 100 Jahre akademische Ärztinnen in Österreich. Wien 2000, 139–156, künftig zitiert als Raggam. Mit dem Anschluss an NS-Deutschland vollzog sich der fatale Höhepunkt der antisemitischen Ausgrenzung und beendete die Karrieren der jungen Ärztinnen abrupt. Ein Teil der Frauen, denen die Auswanderung gelang, kommen hier zu Wort. Vgl. ebd.
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Einen ähnlichen Ansatz für die „Untersuchung von Auslese“75, d. h. für Menschen, die unfreiwillig aus politischen oder rassenbiologischen Motiven einer bestimmten Gruppierung zugeordnet wurden, wählt eine an der Humboldt-Universität zu Berlin entstandene Arbeit. Sie widmet sich dem Schicksal von rund 2.200 Absolventen und Studenten, die Repressalien unterschiedlichster Art erleiden mussten, darunter lediglich die bedingte Erlaubnis zum weiteren Studium bzw. den Ausschluss vom Studium, Relegation von der Universität sowie Nötigung zur Auswanderung oder sogar Verhaftungen und die Aberkennung akademischer Grade. Letztere fanden auf dem Gebiet der Doktorwürde in der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft allein an der LMU insgesamt 183 Mal statt. Den einzelnen Fällen und Schicksalen hat Stefanie Harrecker aus fachwissenschaftlicher und rechtshistorischer Perspektive ein Gesicht gegeben. Der Großteil der so degradierten männlichen und weiblichen Doktoren verlor den Titel, da sie auf unterschiedliche Art und Weise den Forderungen und Zwängen des Regimes nicht entsprachen. Wenngleich diese „Depromotionen“76 kein lokales Spezifikum sind, so machen sie jedoch eines deutlich: Der Entzug der akademischen Würde war ein weiteres Mittel, um unliebsame Akademiker zu degradieren und sie von der akademischen Weihe auszuschließen. Wie Harrecker folgert, standen Promotionsbehinderung und -verweigerung in engem Kontext mit dieser Methode.
155 f. Soziografische Angaben zum Frauenstudium an der Universität Wien von der Öffnung für weibliche Studierende im Jahr 1897 bis in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg finden sich bei Waltraud Heindl: Bildung und Emanzipation. Studentinnen an der Universität Wien. In: Mitchell G. Ash/Josef Ehmer (Hgg.): Universität – Politik – Gesellschaft. Göttingen 2015, 529–564. 75 Untersuchung von Auslese bei Humboldt-Universität zu Berlin (Hg.): Spurensuche. Kommilitonen von 1933. Berlin 2001, künftig zitiert als Humboldt-Universität zu Berlin: Spurensuche. Zum Thema „Auslese“ ebenso Bühnen/Schaarschmidt, 143–157, sowie Levke Harders (Hg.): Vom Ausschluss zum Abschluss. Berliner Germanistinnen von 1900 bis 1945. Studienalltag und Lebenswege. Begleitband zur Ausstellung „Vom Ausschluss zum Abschluss“ im Foyer der Humboldt-Universität zu Berlin vom 6. April bis 8. Mai 2004. Berlin 2004, künftig zitiert als Harders. Die Ausstellung erinnerte an erste Akademikerinnen sowie an Studierende und Lehrende, die im Dritten Reich verfolgt und vertrieben wurden. 76 Stefanie Harrecker: Degradierte Doktoren. Die Aberkennung der Doktorwürde an der LudwigMaximilians-Universität München während der Zeit des Nationalsozialismus. München 2007, 11, künftig zitiert als Harrecker. Vgl. in diesem Zusammenhang auch Peter Freimark: Juden an der Hamburger Universität. In: Eckart Krause/Ludwig Huber/Holger Fischer (Hgg.): Hochschulalltag im „Dritten Reich“. Die Hamburger Universität 1933–1945. Teil I: Einleitung. Allgemeine Aspekte. Berlin, Hamburg 1991, 125–147, zu Studenten bes. 136–139, darunter Aberkennung von Doktorgraden, künftig zitiert als Freimark.
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Nicht unter dem Aspekt der Auslese, sondern in ihrer Rolle als Dienst- bzw. Einsatzleistende nehmen Heike Böttner und Mathilde Anna Kohler Studentinnen und Studenten der Universitäten Jena und Wien in den Blick.77 Damit beschreiben sie ein wichtiges Ziel der NS-Hochschulpolitik, wonach die zukünftigen Akademiker in einem engmaschigen Netz vollständig institutionell erfasst und in Dienst genommen und nach dem Ende ihres Studiums für Führungsaufgaben eingesetzt werden sollten.78 Trotz fortgeschrittener Fakultäts- und Personengeschichte79 hinken die einzelnen Hochschulen ihrer „weiblichen Geschichte“ insgesamt allerdings weiter hinterher. Die Aufarbeitung des Frauenstudiums erfährt speziell für die Zeit des Nationalsozialismus nach wie vor eine stiefmütterliche Behandlung. Universitätsgeschichte ist offenbar für viele Jahrzehnte eine reine Männergeschichte gewesen. Oder um es mit den Worten von Pauwels zu sagen: „In comparison with workers and students, women of Nazi era had virtually been ignored by historians (including social historians) of the Third Reich until the mid-1970s“80, aber auch darüber hinaus, wie noch 1977 die wegweisende Arbeit von Uwe Dietrich Adam zeigt. Seine Gesamtdarstellung der Universität Tübingen von der Endphase der Weimarer Republik bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges ist eine Geschichte der männlichen Studentenschaft81, wie sie sich in den nachfolgenden Jahrzehnten
77 Vgl. Heike Böttner: Pflichterfüllung an der „Inneren Front“ und Bewältigung des Alltags im Kriege: Die Jenaer Studentenschaft während des Zweiten Weltkrieges 1939–1945. In: Uwe Hoßfeld u. a. (Hg.): „Kämpferische Wissenschaft“. Studien zur Universität Jena im Nationalsozialismus. Köln u. a. 2003, 262–289, künftig zitiert als Böttner, sowie Mathilde Anna Kohler: „Irgendwie windet man sich durch, mit grossem Unbehagen“. Dienste und Einsätze der Studentinnen an der Universität Wien 1938–1945. In: Lerke Gravenhorst/Carmen Tatschmurat (Hgg.): Töchter-Fragen. NS-Frauen-Geschichte. Freiburg im Breisgau 1990, 237–251, künftig zitiert als Kohler. Weitere Ergebnisse zur Universität Wien verspricht auch die unveröffentlichte Untersuchung von Renate Pertschy: Zwischen „wesensgemäßem Einsatz“ und Meldepflicht. Studentinnen im Nationalsozialismus. Österreich 1938–1945. Ungedruckte Diplomarbeit Wien 1989. 78 Vgl. dazu Klinksiek, 44. 79 Vgl. stellvertretend: Heinrich Becker/Hans-Joachim Dahms/Cornelia Wegeler (Hgg.): Die Universität Göttingen unter dem Nationalsozialismus. Zweite, erweiterte Auflage München 1998, künftig zitiert als Becker/Dahms/Wegeler, und Hans-Paul Höpfner: Die Universität Bonn im Dritten Reich. Akademische Biographien unter nationalsozialistischer Herrschaft. Bonn 1999, künftig zitiert als Höpfner. 80 Pauwels, 5. So auch bei Geoffrey J. Giles: Students and National Socialism in Germany. Princeton 1985, 278, künftig zitiert als Giles: „University study had always been considered a largely male domain“. 81 Vgl. Adam.
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mehrfach wiederholen sollte.82 Zahlreiche umfassendere Darstellungen lassen die (weiblichen) Studierenden außer Acht83 oder streifen speziell das Frauenstudium lediglich am Rande, darunter die Arbeiten von Roegele, Jarausch und Giles84, was den Eindruck der Hochschule als einer männlich geprägten Institution gleichermaßen auf dem Gebiet der geschichtlichen Aufarbeitung verstärkt.85 Kein Wunder also, dass Elke Lehnert im Rahmen eines Workshops zur Geschichte des Frauenstudiums und der weiblichen Berufskarrieren an der Universität Berlin noch Ende der 1990er Jahre feststellen musste, dass es an deutschen Hochschulen üblich (gewesen) sei, „Frauengeschichte auszublenden bzw. ihr eine Appendixrolle der Wissenschafts- und Sozialgeschichte zuzuweisen.“86 Diese Aussage hat auch im 21. Jahrhundert Bestand, wie bspw. die Dissertation von Juliane Deinert zeigt. Ihre Arbeit über die Studierenden an der Universität Rostock im Dritten Reich ist weniger ein „Gesamtprofil“87 als vielmehr eine Geschichte der männlichen Studentenschaft.
82 Exemplarisch Becker/Dahms/Wegeler oder Alfred Wendehorst: Geschichte der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg 1743–1993. München 1993, künftig zitiert als Wendehorst. 83 Vgl. LMU 1472–1972. 84 Vgl. exemplarisch Roegele, 135–174. 85 Dazu Herbert Mertens: Hochschule und Nationalsozialismus. Schlußbetrachtung zum Hochschulalltag 1993. In: Hochschule und Nationalsozialismus. Referate beim Workshop zur Geschichte der Carolo-Wilhelmina am 5. und 6. Juli 1993. Braunschweig 1994, 173–187, bes. 184. 86 Elke Lehnert: Vorwort. Zentrum für interdisziplinäre Frauenforschung/Frauenbeauftragte der Humboldt-Universität zu Berlin (Hgg.): Zur Geschichte des Frauenstudiums und weiblicher Berufskarrieren an der Berliner Universität. Dokumentation eines Workshops, veranstaltet am 25. November 1995 vom Zentrum für interdisziplinäre Frauenforschung und der Frauenbeauftragten der Humboldt-Universität zu Berlin, 5, künftig zitiert als Lehnert. So ähnlich auch vier Jahre später bei Elke Lehnert/Heide Reinsch: Zur Geschichte des Frauenstudiums und weiblicher Karrieren an der Berliner Friedrich-Wilhelms- bzw. Humboldt-Universität (1890 bis 1968) – Vorstellung eines Projektes. In: Rüdiger vom Bruch (Hg.): Jahrbuch für Universitätsgeschichte. Band 2. Stuttgart 1999, 188: „In vorliegenden Gesamtübersichten zu dieser Universität spielt die Geschichte von Studentinnen und Wissenschaftlerinnen kaum eine Rolle. Anscheinend wurden ihre Leistungen als so marginal und unbedeutend eingestuft, daß sie keiner besonderen Erwähnung würdig schienen. Erst in den letzten Jahren wurde in wenigen Einzelveröffentlichungen der Anteil von Frauen in Forschung und Lehre an dieser Universität aufgearbeitet.“ 87 Juliane Deinert: Die Studierenden der Universität Rostock im Dritten Reich. Rostock 2010, 9, künftig zitiert als Deinert. Zu „Umfang und Bedeutung der weiblichen Studentenschaft“ vgl. ebd., 244–252. Alternativ der äußerst biographisch gehaltene Aufsatz von Marianne Beese: Frauenstudium an der Universität Rostock von 1909/10 bis 1945. In: Rosina Neumann: Geschichte des Frauenstudiums in Rostock – von den Anfängen bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges. Rostock 1999, 1–156, bes. 130–144 (Frauen an der Universität während der NS-Zeit).
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Tatsächlich wird meistens erst ein Jubiläum zur Triebfeder für einen historischen (Rück-)Blick auf die Studentinnen, wird ein Jahrestag zum dringlichen Auslöser für die „Selbstdarstellung bei öffentlichkeitswirksamen Anlässen“88 – sei es in Form einer Feierlichkeit89 oder einer kritischen Würdigung.90 So jährte sich in Zürich die Zulassung von Frauen zum Studienabschluss als erster Hochschule im deutschsprachigen Raum 1987 bereits zum 120. Mal, was sowohl eine entsprechende Veranstaltungsreihe als auch eine Ausstellung über weibliche Tradition und Geschichte nach sich zog.91 Zehn Jahre später konnten die österreichischen Universitäten und Hochschulen ihr einhundertjähriges Jubiläum feiern92, 1998 die heutige Humboldt-Universität und ehemalige Königliche Friedrich-WilhelmsUniversität zu Berlin ihr 90. Aus diesem Anlass präsentierte man die Ausstellung „Von der Ausnahme zur Alltäglichkeit – Frauen an der Universität unter den Linden“, überdies die erste Ausstellung zur Frauenfrage an dieser Hochschule. Mit der 2003 erschienenen, gleichnamigen Publikation wurden die in der Ausstellung angesprochenen Themen weitergeführt und um zusätzliche Quellen und Texte ergänzt93, darunter „Behinderungen für Universitäts-Angehörige in der NS-
88 Rüdiger vom Bruch: Die Berliner Universität 1933–1945 in der Erinnerungskultur nach 1945. In: Christoph Jahr (Hg.): Die Berliner Universität in der NS-Zeit. Band I: Strukturen und Personen. Stuttgart 2005, 233. 89 Vgl. exemplarisch die Broschüre von Carmen Boxler (Hg.): Geschichte der Frauen an der Universität Karlsruhe (TH) 1888–2000. Karlsruhe 2000, 4. Zum Dritten Reich vgl. ebd., 12: „Weibliche Reservearmee – Studentinnen im Nationalsozialismus“. 90 Vgl. dazu Gabriele Geiger: 100 Jahre Psychologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München. München 1989, 6. Geiger versteht den 100. Jahrestag vor dem Hintergrund ihrer Arbeit selbst als wenig „sinnvolles Datum“, zumal dieser weder einen Einschnitt noch einen (Neu-) Beginn oder gar das Ende einer Ära, eines Stils oder „wissenschaftlichen Holzweges“ kennzeichnen würde. 91 Vgl. Verein Feministische Wissenschaft Schweiz (Hg.): Ebenso neu als kühn. 120 Jahre Frauenstudium an der Universität Zürich. Zürich 1988. 92 100 Jahre Frauenstudium. Zur Situation von Frauen an Österreichs Hochschulen. Wien 1997. Zum Jubiläum 100 Jahre Medizinstudium für Frauen in Österreich auch Bolognese-Leuchtenmüller/Horn. 93 Vgl. Ausstellungsgruppe der Humboldt-Universität zu Berlin und Zentrum für interdisziplinäre Frauenforschung (Hgg.): Von der Ausnahme zur Alltäglichkeit. Frauen an der Berliner Universität Unter den Linden. Berlin 2003. Weitere Publikationen, die schon in den 1990er Jahren anlässlich eines Jubiläums und/oder einer Ausstellung publiziert wurden, sind u. a.: Annette Kuhn/Valentine Rothe/Brigitte Mühlenbruch (Hgg.): 100 Jahre Frauenstudium. Frauen an der Rheinischen-Wilhelms-Universität Bonn. Dortmund 1996, künftig zitiert als Kuhn/Rothe/Mühlenbruch; Britta Herrmann/Karin Ritthaler: 90 Jahre Frauenstudium in Greifswald. Eine Ausstellung im Museum der Hansestadt Greifswald, 7.4.–30.4.1999. Katalog zur Ausstellung. Interdisziplinäres Zentrum für Frauen- und Geschlechterstudien der Ernst-Moritz-Arndt-Universität
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Zeit“94 wie die Studentinnen. Ähnlich verhält es sich mit der Untersuchung von Ute Scherb mit dem Titel „Ich stehe in der Sonne und fühle, wie meine Flügel wachsen“95. Anlass für ihre über Studentinnen und Wissenschaftlerinnen an der Freiburger Universität erschienene Arbeit war ebenfalls ein Gedenktag. Im Februar 1900 erhielten Frauen hier auf Erlass des badischen Kultusministeriums erstmalig das Recht, sich als ordentliche Studentinnen einzuschreiben. Zugleich musste die Universität in Heidelberg und die Technische Hochschule in Karlsruhe weiblichen Studierenden ihre Tore öffnen. Weil die Freiburger Universität die Betreffenden aber rückwirkend für das Wintersemester 1899/1900 immatrikulierte, gilt sie als erste Universität, an der Frauen in Deutschland regulär studieren durften. Es ist zu vermuten, dass angesichts dieser Vorreiterrolle eine Aufarbeitung an der Albert-Ludwigs-Universität wohl als dringend wünschenswert erschien. Dies gilt umso mehr, als sich die bereits 1953 von Nauck vorgelegte Darstellung über das Frauenstudium an dieser Universität weitgehend auf die Zeit des Kaiserreichs konzentrierte und ihre Geschichte aus der Perspektive von Hochschulverwaltung, Professoren sowie aus dem Blickwinkel der badischen Regierung darstellte. Die Betroffenen selbst wurden damit ebenso weitgehend ausgeblendet wie ihr Studienalltag.96 Allerdings unterscheidet sich Scherbs Ansatz von weiteren Universitätschroniken über das Frauenstudium in zweierlei Hinsicht: Zum einen handelt es sich nicht um einen Begleitband oder Katalog zu einer Ausstellung, sondern um eine Monographie. Zum anderen reicht der angesprochene Zeitraum von der Vorgeschichte bis in die Gegenwart, was Kontinuitäten und Brüche sichtbar werden
Greifswald. Im 21. Jahrhundert u. a. Ilse Nagelschmidt (Hg.): 100 Jahre Frauenstudium an der Alma Mater Lipsiensis. Reden und Vorträge zur Konferenz am 09. Mai 2006 an der Universität Leipzig. Leipzig 2007, künftig zitiert als Nagelschmidt. 94 Annette Vogt/Peter Th. Walther: Behinderungen für Universitäts-Angehörige in der NS-Zeit. In: Ausstellungsgruppe der Humboldt-Universität zu Berlin und Zentrum für interdisziplinäre Frauenforschung (Hgg.): Von der Ausnahme zur Alltäglichkeit. Frauen an der Berliner Universität Unter den Linden. Berlin 2003, 107–111. 95 Vgl. Ute Scherb: „Ich stehe in der Sonne und fühle, wie meine Flügel wachsen“. Studentinnen und Wissenschaftlerinnen an der Freiburger Universität von 1900 bis in die Gegenwart. Königstein/Taunus 2002, künftig zitiert als Scherb. Anfang des 21. Jahrhunderts kommt es insgesamt zu einem deutlichen Anstieg der „Jubiläumsliteratur“, weil sich die Zulassung von Frauen zum Studium schrittweise zum 100. Mal jährt. 96 Vgl. E. Th. Nauck: Das Frauenstudium an der Universität Freiburg i. Br. Freiburg im Breisgau 1953, künftig zitiert als Nauck. Zu Nauck vgl. Scherb, 14.
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lässt.97 Lokalstudien wie etwa von Glaser98, Bauer99 und Fließ100 oder die Ausstellungskataloge zur Universität Köln101 und Marburg102 enden dagegen vor bzw. mit
97 Vgl. Sigrid Dauks Rezension zu Scherb in: H-Soz-u-Kult vom 11.6.2003, hier nach http:// hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2003-2-142 vom 21.7.2014. 98 Edith Glaser: Hindernisse, Umwege, Sackgassen. Die Anfänge des Frauenstudiums in Tübingen (1904–1934). Weinheim 1992, künftig zitiert als Glaser. Vgl. dazu auch: Edith Glaser/Ulrich Herrmann: Konkurrenz und Dankbarkeit. Die ersten drei Jahrzehnte des Frauenstudiums im Spiegel von Lebenserinnerungen – am Beispiel der Universität Tübingen. In: Zeitschrift für Pä dagogik. 34. Jahrgang 1988, 206–226. 99 Helga Bauer: Die studentische Selbstverwaltung und die studentischen Gruppierungen an der Universität Hamburg 1919–1933. Organisation und Entwicklung der Freien und Hansestadt Hamburg. Diplomarbeit Hamburg 1971, künftig zitiert als Bauer. 100 Gerhard Fließ: Die politische Entwicklung der Jenaer Studentenschaft vom November 1918 bis zum Januar 1933. Diss. Jena 1959, künftig zitiert als Fließ. 101 Vgl. Irene Franken: „Ja, das Studium der Weiber ist schwer!“ Studentinnen und Dozentinnen an der Kölner Universität bis 1933. Katalog zur Ausstellung in der Universitäts- und Stadtbibliothek Köln. 28. April-10. Juni 1995. Köln 1995, künftig zitiert als Franken. Die Ausstellung zur Geschichte der Dozentinnen und Studentinnen an der Kölner Universität verweist allerdings nicht auf eine runde Jahreszahl. Dennoch war die Idee zu diesem Projekt im Kontext des Jubiläumsjahres „100 Jahre Kölner Frauenbewegung“ entstanden. Vgl. ebd., 5. 102 Margret Lemberg: Einleitung: Die ersten Frauen an der Universität Marburg. In: Es begann vor hundert Jahren. Die ersten Frauen an der Universität Marburg und die Studentinnenvereinigungen bis zur „Gleichschaltung“ im Jahre 1934. Eine Ausstellung der Universitätsbibliothek Marburg vom 21. Januar bis 23. Februar 1997. Ausstellung und Katalog Margret Lemberg. Marburg 1997, 1–31, künftig zitiert als Lemberg. In ihrer drei Jahre später erschienenen und mit einem umfangreichen Dokumententeil versehenen Arbeit moniert auch Nagel, dass eine „umfassende Untersuchung zum Frauenstudium in Marburg fehlt“, und verweist auf Lemberg als „letzte Skizze“ zu diesem Themenkomplex. Vgl. Anne Chr. Nagel (Hg.): Die Philipps-Universität Marburg im Nationalsozialismus. Dokumente zu ihrer Geschichte. Stuttgart 2000, 64, FN 164; zu den Marburger Studentinnen ebd., 36, 173 f., 296, 298–301, 359 f., 366, 420, 422, 453, 467–471, 488. Das Forschungsdesiderat ist umso bedauerlicher, da die Philipps-Universität auf einen beinahe lückenlosen und von Kriegsschäden überwiegend verschont gebliebenen Aktenbestand blicken kann und damit „wie kaum eine andere Traditionsuniversität über eine hervorragende Überlieferungslage“ verfügt. Hemmend könnte sich jedoch u. a. die Tatsache ausgewirkt haben, dass die Philipps-Universität zum Zeitpunkt von Nagels Publikation noch nicht über ein eigenes Archiv verfügte, sondern die Akten seit 1885 im Hessischen Staatsarchiv Marburg lagerte: „Durch den hier wie andernorts herrschenden Personalmangel entstanden über die Jahre empfindliche Verzeichnungslücken, welche die Bearbeitung gerade der modernen Marburger Hochschulgeschichte geraume Zeit nahezu unmöglich machten und auch gegenwärtig noch eine erhebliche Behinderung der Forschung bedeuten“, so die Historikerin. Alle Zitate nach ebd., IX. Im März 2006 hat die Universität jedoch eine eigene Archivarin eingestellt und ein eigenständiges Archiv begründet. Vgl dazu http://www.uni-marburg.de/aktuelles/news/2006/20060422bb vom 24.8.2015.
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der NS-Machtergreifung, konzentrieren sich auf ausgewählte Akzente103, wählen eine begrenzte (studentische) Perspektive104 oder blenden die Zeit des Nationalsozialismus vollkommen aus.105 Ein weiterer Teil der Arbeiten, wie sie für Frank-
103 Vgl. Elke Wendler: Vorbemerkung. In: Elke Wendler/Alexander Zwickies (Hgg.): 100 Jahre Frauenstudium in Jena. Bilanz und Ausblick. Jena 2009, 6: „So soll der vorliegende Sammelband auch lediglich Akzente setzen und Exemplarisches herausgreifen, wenn er mehrere, im Rahmen der Jubiläumsfeiern gehaltene Vorträge und Referate vereint.“ Ebenso Helga Bauer/ Gerlinde Supplitt: Einige Aspekte zur Entwicklung der Hamburger Studentenschaft 1919–1969. In: Universität Hamburg 1919–1969. Hamburg 1969, 311–332, künftig zitiert als Bauer/Supplitt: „In Anbetracht der Tatsache, daß eine „Geschichte der Hamburger Studentenschaft“ noch nicht geschrieben ist, mit Rücksicht auf die kurze zur Verfügung stehende Zeit und die beschränkte Seitenzahl kann von einer ausführlichen geschichtlichen Darstellung hier nicht die Rede sein. Die Autorinnen haben sich darauf beschränkt, Einzelaspekte, soweit sie für die Entwicklung innerhalb der Studentenschaft und Studentenführung von Bedeutung schienen, zu behandeln und anhand der Schilderung weniger Vorfälle lediglich skizzenhaft anzudeuten, was zu gegebener Zeit durch eine fundierte, ausführlichere Darstellung ersetzt werden müßte.“ Ebd., 311. 104 Vgl. exemplarisch den zäsurübergreifenden Ansatz von Margit Szöllösi-Janze (Hg.): Zwischen „Endsieg“ und Examen. Studieren an der Universität Köln 1943–1948. Brüche und Kontinuitäten. Nümbrecht 2007. Des Weiteren Waldemar Krönig/Klaus-Dieter Müller: Nachkriegssemester. Studium in Kriegs- und Nachkriegszeit. Mit einem Vorwort von Walter Rüegg, einer Rede von Herbert Schöffler vom 28.10.1945 sowie einem statistischen und dokumentarischen Anhang. Stuttgart 1990, künftig zitiert als Krönig/Müller. Ebenso Sigrid Metz-Göckel u. a.: Frauenstudium nach 1945 – Ein Rückblick. In: Aus Politik und Zeitgeschichte. Beilage zur Wochenzeitung Das Parlament. B27/89. 30. Juni 1989, 13–21, künftig zitiert als Metz-Göckel. Für München existiert ein kurzer Aufriss zur Situation der LMU in den Jahren vor und nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches von Laetitia Boehm: Die Ludwig-Maximilians-Universität im Münchener Kulturleben zwischen Kriegszerstörung, Umerziehung und Richtfesten. In: Friedrich Prinz (Hg.): Trümmerzeit in München. Kultur und Gesellschaft einer deutschen Großstadt im Aufbruch 1945–1949. München 1984, 149–155, künftig zitiert als Boehm: Kulturleben. 105 Vgl. exemplarisch Elke Wendler/Alexander Zwickies (Hgg.): 100 Jahre Frauenstudium in Jena. Bilanz und Ausblick. Jena 2009. Dasselbe gilt für die Arbeit von Laetitia Boehm und Johannes Spörl (Hgg.): Ludwig-Maximilians-Universität. Ingolstadt – Landshut – München; 1472– 1972. Berlin 1972. Die Darstellung der fünfhundertjährigen Entwicklung der LMU beschränkt sich beim Thema Nationalsozialismus auf fünf Seiten mit dem Schwerpunkt „Weiße Rose“ (358 ff.).
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furt106, Heidelberg107, Kiel108 oder Erlangen-Nürnberg109 existieren, behandelt die Studentinnen im Dritten Reich lediglich auf wenigen Seiten.110 So legte etwa Heike Hessenauer 1998 eine Studie über die „Etappen des Frauenstudiums an der Universität Würzburg (1869–1939)“ vor, die aus einer marginal überarbeiteten Fassung ihrer Magisterarbeit hervorging. Der für eine Abschlussarbeit zwar breit angelegte Zeitrahmen ermöglichte aber höchstens eine schlaglichtartige Beleuchtung der ersten NS-Herrschaftsjahre.111 Ähnlich verhält es sich mit dem sechsseitigen Aufsatz von Christine Schröder über den „Alltag der weiblichen Studierenden an der Ludwigs-Universität in der Zeit des Nationalsozialismus“,
106 Gerda Stuchlik: Das Frauenstudium. In: Dies.: Goethe im Braunhemd. Universität Frankfurt im Braunhemd. Frankfurt am Main 1984, 148–154. 107 Heidi Lauterer-Pirner/Margret Schepers-S.-W.: Studentin in Heidelberg. In: Karin Buselmeier u. a. (Hg.): Auch eine Geschichte der Universität Heidelberg. 2. unveränderte Auflage Mannheim 1986, 101–122, bes. 115–118, künftig zitiert als Lauterer-Pirner/Schepers-S.-W. Zur Lage der Heidelberger Studentinnen vgl. ebenso die anhand der bisherigen Forschungsliteratur sehr allgemein gehaltenen Ausführungen bei Eike Wolgast: Die Studierenden. In: Wolfgang U. Eckart/ Volker Sellin/Eike Wolgast (Hgg.): Die Universität Heidelberg im Nationalsozialismus. Heideberg 2006, 57–94, bes. 80–84, künftig zitiert als Wolgast. 108 Vgl. Kirstin Boehlke: Frauenstudium an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel vor dem Hintergrund des Frauenstudiums in Deutschland. Eine Skizze. Anläßlich des SchleswigHolstein-Tages 1985. Kiel 1985, bes. 10–17. 109 Gertraud Lehmann: 90 Jahre Frauenstudium in Erlangen. In: Stadtmuseum Erlangen (Hg.): Die Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg 1743–1993. Geschichte einer deutschen Hochschule. Ausstellung im Stadtmuseum Erlangen 24.10.1993–27.2.1994. Erlangen 1993, 487– 511, bes. 491–492, 502–503, künftig zitiert als Lehmann: Frauenstudium. Zu Erlangen auch Manfred Franze: Die Erlanger Studentenschaft 1918–1945. Unveränderter, um ein Register erweiterter Neudruck der Auflage von 1972. Neustadt/Aisch 1993, bes. 361–364, künftig zitiert als Franze. 110 Vgl. auch den Abschnitt „Frauenstudium“ bei Wolfgang Kreutzberger: Studenten und Politik 1918–1933. Der Fall Freiburg im Breisgau. Göttingen 1972, 69–71, künftig zitiert als Kreutzberger. Kreutzberger legt den zeitlichen Schwerpunkt in seiner Arbeit, die die Studentinnen ein weiteres Mal auf Seite 54 explizit aufgreift, ohnehin auf die „Bedingungen, Erscheinungsformen und Entwicklungstendenzen des politischen Bewußtseins von Studenten in den Jahren der Weimarer Republik“. Ebd., 9. Ähnlich Peter Spitznagel: Studentenschaft und Nationalsozialismus in Würzburg 1927–1933. Würzburg 1974, künftig zitiert als Spitznagel. Frauen finden hier nur marginale Erwähnung wie etwa auf den Seiten 166–169. 111 Vgl. Heike Hessenauer: Etappen des Frauenstudiums an der Universität Würzburg (1869– 1939). Neustadt an der Aisch 1998, bes. 101–113: „Studentinnen im Nationalsozialismus von 1933 bis 1939“, künftig zitiert als Hessenauer. Auch bei der Arbeit von Stuchlik (vgl. FN 106) handelt es sich um eine Examensarbeit: Gerda Stuchlik: Goethe im Braunhemd. Universität Frankfurt 1933–1945. Frankfurt am Main 1984, künftig zitiert als Stuchlik. Ebenfalls aus einer Staatsexamensarbeit erwachsen ist die Publikation von Mike Bruhn: Die Jenaer Studentenschaft 1933– 1939. In: Uwe Hoßfeld u. a. (Hg.): „Kämpferische Wissenschaft“. Studien zur Universität Jena im Nationalsozialismus. Köln u. a. 2003, 235–261, künftig zitiert als Bruhn.
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erschienen in einem Sammelband anlässlich des 375-jährigen Jubiläums der Universität Gießen und basierend auf einer zweisemestrigen Projektveranstaltung. Schröders Plan, Frauen im Widerstand zu beleuchten, scheiterte ebenso wie eine vielschichtige Darstellung des Studienalltags an den spärlichen und zum Teil widersprüchlichen Dokumenten.112 Mangelnde Quellen bilden damit das Hauptdefizit bei einer weiteren Kategorie von mäßig ergiebigen Arbeiten über das Frauenstudium im Dritten Reich.113 Ein derartiges Defizit lässt keinen aussagekräftigen und umfassenden Vergleich zu. Das gilt bedauerlicherweise auch für die Ergebnisse der wenigen Lokalstudien, wie sie etwa Stephan Schmitt und Meike Hopp für die Hochschule für Musik und Theater bzw. die Akademie der Bildenden Künste München vorgelegt haben, und das, obwohl in beiden Fällen Zeitzeugeninterviews zur Kompensation der Archivverluste herangezogen wurden. So gingen durch Bombenangriffe im Jahr 1944 und die Zerstörung des Archivs wichtige Dokumente zur Historie der Akademie der Bildenden Künste verloren. Notwendige Quellen, die eine Aufarbeitung der Frauengeschichte ermöglichen und fundierte Aussagen über die Situation
112 Vgl. Christine Schröder: Der Alltag der weiblichen Studierenden an der Ludwigs-Universität in der Zeit des Nationalsozialismus. In: Frontabschnitt Hochschule. Die Gießener Universität im Nationalsozialismus. Gießen 1982, 108–113. Schröder geht an dieser Stelle jedoch nicht näher auf die Widersprüche ein. Ebd., 108. 113 Ein Paradebeispiel ist die schon Mitte der 1980er Jahre von Giles veröffentlichte Studie, in der er sich primär auf Hamburg und damit auf eine Stadt konzentrierte. Die Archive der Universität seien, so Giles, nahezu vollständig intakt für die Zeit zwischen 1919 und dem Ende des Zweiten Weltkrieges. Dennoch muss der Autor im Verlauf der Arbeit feststellen, wenig über die weiblichen Studierenden gesagt zu haben, was auf einen Mangel an Material zurückzuführen sei. Vgl. ebd., 12, 278. Ebenso Carsten Lind: „Auf diesem Gebiet einen Schritt weiter gehen“ – Das Frauenstudium an der Universität Gießen 1908–1945. In: Marion Oberschelp/Eva-Marie Felschow/Irene Häderle u. a. (Hgg.): Vom heimischen Herd in die akademische Welt. 100 Jahre Frauenstudium an der Universität Gießen 1908–2008. Gießen 2008, 11–28, zum NS 21 ff., künftig zitiert als Lind. Schreiben der Frauenbeauftragten Marion Oberschelp an P. U. vom 8.1.2009: „Allerdings ist die Quellenlage für Gießen gerade für diesen Zeitraum ausgesprochen schlecht, so dass in den Texten nur in Ansätzen von Entwicklungen und einzelnen Frauenbiographien gesprochen werden kann.“ Gemeint sind die Jahre 1933 bis 1945. Darüber hinaus Zinn. Seine Ausführungen zu den Marburger Studentinnen beschränken sich auf die ersten Jahre des Natio nalsozialismus (429–421), was nach eigenen Angaben auf einen Mangel an Quellen zurückzuführen sei. Gleiches gilt für die Arbeit der lokalen ANSt, von der lediglich vereinzelt Zeugnisse über die Jahre 1936 bis 1939 vorlägen. Vgl. 420, 457. Auch Rainer Pöppinghege stieß im Rahmen seiner Dissertation nur auf wenige Quellen zu nichtorganisierten Studierenden sowie Studentinnen. Vgl. Rainer Pöppinghege: Absage an die Republik. Das politische Verhalten der Studentenschaft der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster 1918–1935. Münster 1994, 18, künftig zitiert als Pöppinghege. Gleiches lässt sich über die Arbeit von Goltz sagen. Vgl. FN 32.
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der weiblichen Studierenden zulassen würden, sind für diese Einrichtung kaum mehr vorhanden.114 Wo beide Komponenten zusammentreffen – desolate bzw. defizitäre Aktenlage und schlaglichtartige bzw. fragmentarische Analyse – ist eine befriedigende Spezialdarstellung kaum zu erwarten.115 Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass trotz der Fülle an Einzelaspekten, die in Ausstellungskatalogen, Begleitbänden, Aufsatzsammlungen, Überblicksdarstellungen, fakultäts- oder lokalgeschichtlichen Arbeiten ihren Niederschlag finden, umfassende Monographien zum Frauenstudium im Nationalsozialismus an deutschen Universitäten ausstehen und studierenden Frauen zwischen 1933 und 1945 bislang nur marginales Erkenntnisinteresse zukam. Eine
114 Vgl. Stephan Schmitt (Hg.): Geschichte der Hochschule für Musik und Theater München von den Anfängen bis 1945. Tutzing 2005 sowie Meike Hopp, die den Schwerpunkt ihrer Untersuchung auf die künstlerische Erziehung der Frauen richtete: Weibliche Studierende an der Akademie der Bildenden Künste München zwischen 1920 und 1950. Unveröffentlichte Magisterarbeit München 2007, künftig zitiert als Hopp. Zur Quellensituation bei Hopp bes. 3. Ergänzend auch dies.: „Mehr rezeptiv als produktiv“? Frauen an der Akademie der Bildenden Künste München von 1813–1945. In: Nikolaus Gerhart/Walter Grasskamp/Florian Matzner (Hgg.): 200 Jahre Akademie der Bildenden Künste München. „… kein bestimmter Lehrplan, kein gleichförmiger Mechanismus“. München 2008, 66–75, hier 70: „Über die Studienbedingungen der Frauen an der Akademie bis in die Fünfziger (sic) Jahre ist äußerst wenig bekannt, da kaum aussagekräftige Quellen erhalten sind und die Forschung erst in jüngster Zeit damit begonnen hat, die Geschichte der künstlerischen Ausbildung von Frauen in Deutschland aufzuarbeiten.“ 115 Vgl. dazu die Magisterarbeit von Matthias Wieben: Studenten der Christian-Albrechts-Universität im Dritten Reich. Zum Verhaltensmuster der Studenten in den ersten Herrschaftsjahren des Nationalsozialismus. Frankfurt am Main 1994, 13: „Der Rahmen einer Magisterarbeit bringt eine Beschränkung des Arbeitsaufwands mit sich, eine umfassende Monographie konnte nicht erstellt werden. So wird in dieser Arbeit der Zeitraum von 1933 bis 1936/37 behandelt, als die ersten Herrschaftsjahre der Nationalsozialisten. Nur in wenigen Ausnahmen wurde dieser Rahmen überschritten. Zudem ist die Aktenlage für die Zeit von 1938 bis 1945 sehr schlecht, da offensichtlich durch den Brand der Universität 1942 wichtige Dokumente verloren gegangen sind. Die Geschichte der Vertreibung der jüdischen Studenten konnte allerdings bis 1944 verfolgt werden, da gerade für die letzten Jahre der nationalsozialistischen Herrschaft in diesem Themenbereich eine günstigere Quellenlage besteht.“ So ähnlich auch bei Stuchlik, die die Universität Frankfurt untersuchte: „Trotz der gegenwärtigen lokalgeschichtlichen Konjunktur liegt bislang keine Arbeit über die Situation der JWG-Universität während des Dritten Reiches vor. […] Diese Lücke will auch die vorliegende Arbeit von Gerda Stuchlik nicht vollends schließen. Eingereicht als Examensarbeit am Fachbereich Gesellschaftswissenschaften der JWG-Universität, entstand sie im Rahmen eines Seminars zum Thema „Erziehung und Sozialisation im Dritten Reich“ im Wintersemester 1982/83. […] Viele Fragen, Teilaspekte etwa im Bereich der Personal-, der Studenten- und Institutionspolitik, konnten aufgrund des eng bemessenen Zeitrahmens und der schwierigen Quellenlage nur angedeutet werden.“ Peter Dudek: Vorwort. Faschismuserfahrung. In: Gerda Stuchlik: Goethe im Braunhemd. Universität Frankfurt 1933–1945. Frankfurt am Main 1984, 7–11, hier 9.
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derartige Aufarbeitung, wie sie nun für München vorliegt, gleicht erstmals die wenigen bestehenden Forschungsergebnisse mit neuen Erkenntnissen ab und fragt in konzentrierter Form nach Unterschieden und Analogien bzw. nach den Spezifika der Universität in der „Hauptstadt der Bewegung“ und deren Ursachen. Ein ähnliches Forschungsdefizit beklagt Annette Schröder in ihrer 2003 erschienenen Doktorarbeit, die die Studenten der Technischen Hochschule Hannover im Zeitraum von 1925 bis 1938 in den Mittelpunkt stellt. Schröder moniert, dass Einzelstudien, welche die Zeit des Dritten Reiches abdecken oder bis in die Zeit des Nationalsozialismus hineinreichen, nach wie vor rar sind116 – ein Umstand, der u. a. auf den verschwindend geringen Bestand von Akten des NSDStB sowie der Studentenschaft zurückzuführen sei. Außerdem existiere, so die Historikerin, bislang keine Studie, die die Studenten einer Technischen Hochschule (TH) in der NS-Zeit analysiere und darstelle117; damit läge ein vergleichbares Korpus an Spezialstudien im Gegensatz zur übrigen Universitäts- und Wissenschaftsgeschichte nicht vor: ein Mangel, den zuletzt auch Dinçkal und Mares im Rahmen ihrer „Überlegungen zur Geschichte der Technischen Hochschulen im „Dritten Reich““118 beklagt haben, weshalb trotz zahlreicher Einzelarbeiten noch nicht von einem „konsolidierten Forschungsstand“119 gesprochen werden kann. Innerhalb der historischen Bemühungen gilt dieses Desiderat allerdings noch weitaus stärker für die Studentinnen. Aufgrund der geringen Zahl an weiblichen Studierenden in der Studentenschaft lässt sich für die Technischen Hochschulen zu Recht von einer „Männergesellschaft“120 sprechen, d. h. man kommt bei der
116 Eine der wenigen Einzelstudien hat Heinz Bäßler mit seiner Doktorarbeit vorgelegt, die im Rahmen zur Vorbereitung der Zweihundertjahrfeier konzipiert wurde: Zu den Auswirkungen der faschistischen Hochschulpolitik auf die Bergakademie Freiberg (1933–1945). Diss. Rostock 1967. Zu den wenigen Frauen vgl. ebd., 129, 132. 117 Vgl. Anette Schröder: Vom Nationalismus zum Nationalsozialismus. Die Studenten der Technischen Hochschule Hannover von 1925 bis 1938. Hannover 2003, 92 f., künftig zitiert als Schröder. 118 Noyan Dinçkal/Detlev Mares: Selbstmobilisierung und Forschungsnetzwerke. Überlegungen zur Geschichte der Technischen Hochschulen im „Dritten Reich“. In: Noyan Dinçkal/Christoph Dipper/Detlev Mares (Hgg.): Selbstmobilisierung der Wissenschaft. Technische Hochschulen im „Dritten Reich“. Darmstadt 2009, 10, künftig zitiert als Dinçkal/Mares. 119 Florian Schmaltz: Rezension zu: Noyan Dinçkal/Detlev Mares: (Hgg.): Selbstmobilisierung der Wissenschaft. Technische Hochschulen im „Dritten Reich“. Darmstadt 2009. In: H-Soz-u-Kult vom 25.10.2010, hier nach http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2010-4-059 vom 21.7.2014. 120 Schröder, 11.
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Suche nach den Spuren von Frauen rasch zu der Erkenntnis, „daß hier nichts oder nur wenig zu untersuchen ist.“121 Einen Vorstoß, um die bislang nur ansatzweise untersuchten Studentinnen an Technischen Hochschulen sichtbar zu machen, hat Verena Kümmel 2010 am Beispiel Darmstadts unternommen. Ihre Analyse zeigt, dass zahlreiche weibliche Studierende den Angeboten der neuen Machthaber durchaus aufgeschlossen gegenübertraten. Trotz des Gegensatzes zwischen dem NS-Frauenbild mit seiner ideologischen Zuschreibung geschlechtsspezifischer Rollenbilder und ihrem Dasein in einem als Männerdomäne verstandenen Umfeld von (Natur-)Wissenschaft und Technik akzeptierten sie offensichtlich die vorgeblich unpolitischen Freizeitaktivitäten der ANSt ohne größere Vorbehalte als Teil ihres Studienalltags.122 Im Auftrag der Frauenbeauftragten sowie aus Anlass der 125-Jahr-Feier entstand die von Margot Fuchs dagegen schon 1994 vorgelegte, in weiten Teilen auf lebensgeschichtlichen Interviews basierende Studie über das Frauenstudium an der Technischen Hochschule München.123 Elf Jahre später beging man hier ein weiteres lokales Jubiläum, nachdem sich die Zulassung von weiblichen Studierenden an der Technischen Universität München (TUM) 2005 zum 100. Mal
121 Barbara Duden/Hans Ebert: Die Anfänge des Frauenstudiums an der Technischen Hochschule Berlin. In: Reinhard Rürup (Hg.): Wissenschaft und Gesellschaft. Beiträge zur Geschichte der Technischen Universität Berlin 1879–1979. Erster Band. Berlin, Heidelberg, New York 1979, 403, künftig zitiert als Duden/Ebert. 122 Dinçkal/Mares, 16 f., sowie Verena Kümmel: „Hauptsache wesenstreu“. Studentinnen an der TH Darmstadt, 1933–1945. In: Noyan Dinçkal/Christoph Dipper/Detlev Mares (Hgg.): Selbstmobilisierung der Wissenschaft. Technische Hochschulen im „Dritten Reich“. Darmstadt 2010, 126, künftig zitiert als Kümmel. Ergänzend auch Uta Zybell/Verena Kümmel (Hgg.): 100 Jahre Studium von Frauen an der TU Darmstadt. Dokumentation der Ausstellung. Darmstadt 2008, künftig zitiert als Zybell/Kümmel. Zu Technikstudentinnen im deutschsprachigen Ausland vgl. die soziobiographische Arbeit von Edith Maienfisch: „Das spezifisch frauliche Element…“. Die Studentinnen des Technikums Burgdorf: eine Spurensuche 1892–2002. Münster 2012. Überwiegend als Männergeschichte angelegt dagegen die Publikation von Hans-Peter Weingand: Die Technische Hochschule Graz im Dritten Reich. Vorgeschichte, Geschichte und Nachgeschichte des Nationalsozialismus an einer Institution. Zweite, durchgesehene Auflage Graz 1995. Zum Studium vgl. ebd., 64 ff., zu den marginalen Hinweisen auf Studentinnen im Nationalsozialismus vgl. ebd., 17, 69, 77, 81, 114, 127 f. 123 Margot Fuchs: Wie die Väter, so die Töchter. Frauenstudium an der Technischen Hochschule München von 1899–1970. München 1994, künftig zitiert als Fuchs: TH. Ergänzend auch dies.: Vatertöchter. Studentinnen und Ingenieurinnen der Technischen Hochschule München bis 1945. In: Hiltrud Häntzschel/Hadumod Bußmann (Hgg.): Bedrohlich gescheit. Ein Jahrhundert Frauen und Wissenschaft in Bayern. München 1997, 214–227, künftig zitiert als Fuchs: Vatertöchter.
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jährte.124 Neben einem Sonderheft wurde dieses Datum mit einer Ausstellung gefeiert, die ursprünglich im Juli 2003 in der Münchner Residenz eröffnet wurde. Mit dem Titel „Forschen, Lehren, Aufbegehren“ wollte man daran erinnern, dass sich vor 100 Jahren erstmals Frauen an bayerischen Hochschulen einschreiben konnten. Im Frühjahr 2005 kehrte die Wanderausstellung noch einmal an ihren Ausgangsort zurück und wurde in der Immatrikulationshalle der TUM mit besonderem Blick auf diese Einrichtung gezeigt.125 Sie sollte, „wie schon ihre thematisch auf die Universität München zentrierte Vorgängerin vor 10 Jahren, die Ausstellung ‚Stieftöchter der Alma Mater‘, die Geschichte des Frauenstudiums beleuchten“126, indem sie das vergangene Jahrzehnt ergänzte, aber gleichzeitig andere Gewichtungen setzte, um einen breiteren Personenkreis anzusprechen. Auch wenn ein speziell für München entworfener Teilbereich offenbar verschiedene Exponate über die Frauen an den Hochschulen der Stadt versammelte, beinhaltete zumindest der parallel herausgegebene Begleitband nur marginale Erweiterungen bzw. wenig Neues, was die Studentinnen der ehemaligen sog. „Hauptstadt der Bewegung“ betrifft. 2013 jährte sich der Erhalt des Immatrikulationsrechts für Frauen an den bayerischen Universitäten schließlich zum 110. Mal. Seit 1903 war es vollberechtigten Studentinnen im Königreich Bayern mit seinen drei Universitäten Würzburg, Erlangen und München möglich, ein akademisches Studium zu absolvieren. Im gleichen Jahr wurde in der Landeshauptstadt die erste Medizinerin promoviert.127 Grund genug, um einen Anlauf zu wagen, die schon vor über 20 Jahren
124 Vgl. dazu das vom Präsidenten der TUM herausgegebene Sonderheft „100 Jahre akademische Bildung von Frauen an der TU München 2005“. München 2005, bes. den Aufsatz von Christiane Wilke: 1905 bis 1945, 23–32. 125 31.5.–10.6.2005, Immatrikulationshalle der Technischen Universität, Arcisstr. 21, EG. 100 Jahre Frauenstudium an der TU München: „Die Ausstellung gibt einen Überblick über die geschichtliche Entwicklung des Frauenstudiums in Bayern mit besonderem Blick auf die TH München und zeigt die aktuelle Situation von Studentinnen und Wissenschaftlerinnen an der TUM.“ Forschen, lehren, aufbegehren. 100 Jahre Frauenstudium an der TU München. Pressemitteilung vom 23.5.2005, hier nach http://portal.mytum.de/pressestelle/pressemitteilungen/ news_article.2005-05-19.5850692585 vom 20.7.2014. Vgl. auch Ute Lill: Bildung ist weiblich! In: Präsident der TU München (Hg.): „100 Jahre akademische Bildung von Frauen an der TU München 2005“. München 2005, 3. 126 Ulla Mitzdorf/Anne Hueglin: Vorwort. In: Christiane Wilke: Forschen, Lehren, Aufbegehren. 100 Jahre akademische Bildung von Frauen in Bayern. Begleitband zur Ausstellung herausgegeben von der Landeskonferenz der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten der bayerischen Hochschulen. München 2003, 9. 127 Vgl. Boehm: Frauenstudium, 311. Seit dem Sommersemester 1896 wurden in München nach Beratung der Fakultäten und des Senats, mit ministerieller Genehmigung sowie nach Zustim-
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von Bußmann bemängelten „verbliebenen blinden Flecke“128 sichtbar zu machen und ein weiteres Kapitel in der Erforschung der Geschichte der LMU abzuschließen.
3 Quellen Aufbau und Fragestellung erfordern einen umfassenden Spagat bei der Quellenarbeit. Neben der Auswertung archivalischer Konvolute auf kommunaler, regionaler, Länder- und Bundesebene müssen Druckerzeugnisse wie zeitgenössische Zeitungen und Zeitschriften sowie Gesetzessammlungen berücksichtig werden. Einen weiteren, wichtigen Korpus bilden bis dato wenig beachtete Bestände. Dazu zählen in erster Linie die im Rahmen der Promotionsverfahren überlieferten Akten und Dissertationen von weiblichen Studierenden im Universitätsarchiv München (UAM). Um Hochschulerfahrungen unter den Bedingungen nationalsozialistischer Herrschaft – also mitunter die Ambivalenz zwischen Institution und Individuum – sichtbar zu machen, kommt ferner dem Bereich der Egodokumente besondere Aufmerksamkeit zu. Die Annahme, die Quellenbasis für eine weitere Lokalstudie wie diese sei, im Gegensatz etwa zu Hamburg und Würzburg, „ausgesprochen schlecht“129, erweist sich bei Inkaufnahme einer langwierigen Recherche sowie der Bereitschaft zur tiefgehenden Erschließung der Überlieferungen definitiv als Irrtum. Damit sich der genannte Themenkomplex hinreichend aufarbeiten lässt, genügt es nicht, ausschließlich das gängige Archivmaterial heranzuziehen. Dieses beschreibt in erster Linie das staatliche Hochschulgefüge sowie die Organisationsstrukturen, in denen sich das Studentenleben auf Reichs-, Länder- bzw. Lokalebene abgespielt hat. Die Studierenden selbst erscheinen überwiegend als Zahlenreihen in Statistiken oder aus dem Blickwinkel der Planer130, was sie zu reinen Objekten degradiert131: „Die Statistik erfaßt grundsätzlich nur Beurteilungen und Tendenzen nach dem Gesetz der großen Zahl und versagt bei der Beur-
mung der jeweiligen Dozenten, Hörerinnen zu einzelnen Vorlesungen von Fall zu Fall zugelassen. Vgl. ebd., 312. 128 Bußmann: Vorwort, 15. 129 Grüttner, 12. Vgl. ebenso Giles, 3, 9, 11. 130 Vgl. dazu die Arbeit von Nauck, in welcher ausschließlich „Aktenbestände des Universitätsarchivs und des Archivs der Universitätsregistratur sowie der beim Allgemeinen Studentenausschuß aufbewahrte Schriftwechsel eingesehen“ worden sind (Nauck, 5). 131 Vgl. Kramer, 152.
3 Quellen
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teilung des Individuellen und Persönlichen, das ja dem Wesen des Menschen entsprechend entscheidend ist“132, heißt es dementsprechend schon 1949 in einem der frühesten Aufsätze zu den bayerischen Hochschulen und Universitäten in der unmittelbaren Nachkriegszeit. Erst die Erschließung zusätzlicher Quellengruppen zu Themen, die oftmals nur wenig Schriftgut hinterlassen haben, trägt dazu bei, „Subjektivität zu rekonstruieren“133 und weibliche Erfahrungswelten zu erschließen. Andernfalls blieben Letztgenannte, eingedenk der quellenkritischen Problematik derartiger Egodokumente, nahezu unbearbeitet. Die besondere Herausforderung im Rahmen dieser Studie lag somit darin, neben dem überschaubaren Bestand an Memoirenliteratur134, Privatschriftgut, Selbstzeugnissen, Nachlässen135 und – zum Teil unveröffentlichten136 – Erinnerungsberichten137 eigenständig zusätzliche, ertragreiche Zeugnisse und Quellen
132 Else und Wolf Strobl: Die bayerischen Universitäten und Hochschulen von 1945–1949. In: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte. Herausgegeben von der Kommission für bayerische Landesgeschichte bei der bayerischen Akademie der Wissenschaften in Verbindung mit der Gesellschaft für fränkische Geschichte. Band 15. Heft 2. München 1949, 260. Ergänzend auch Cäcilie Quetsch: Die zahlenmäßige Entwicklung des Hochschulbesuches in den letzten fünfzig Jahren. Berlin u. a. 1960. 133 Lutz Niethammer: Einführung. In: Ders. (Hg.): Lebenserfahrung und kollektives Gedächtnis. Die Praxis der „Oral History“. Frankfurt am Main 1985, 7, künftig zitiert als Niethammer. 134 Vgl. u. a. Helmut Behrens: Wissenschaft in turbulenter Zeit. Erinnerungen eines Chemikers an die Technische Hochschule München 1933–1953. Mit einem Nachwort von Freddy Litten. München 1998, künftig zitiert als Behrens; Margret Boveri: Verzweigungen. Eine Autobiographie. München 1977, künftig zitiert als Boveri; Hildegard Hamm-Brücher: Freiheit ist mehr als ein Wort. Eine Lebensbilanz 1921–1996. 2. Auflage München 1999, künftig zitiert als Hamm-Brücher: Freiheit; Elisabeth Hiller: Lange vorbei, aber doch nicht fern. Erinnerungen an ein Leben in Freud und Leid. Donauwörth 1998, künftig zitiert als Hiller; Inge Schubart: „Ich wünsch’ Dir die Sterne vom Himmel herunter“. Eine nicht alltägliche Autobiographie. Mühlacker 1994, künftig zitiert als Schubart; Elisabeth Waibel: Studentin im Bombenhagel. München im Kriegsjahr 1944. Winzer 2009, künftig zitiert als Waibel. 135 Vgl. exemplarisch den Nachlass (NL) von Alwin Seifert im Archiv des Deutschen Museums, München (DMM). Als wenig gewinnbringend erwies sich dagegen die Suche in der Abteilung Handschriften und Alte Drucke der Universitätsbibliothek München. Etliche der hier aufbewahrten Nachlässe enthalten Vorlesungsmitschriften oder Korrespondenz wie bspw. die Mitschriften der Vorlesungen von Karl Vossler durch Irene Stern 1932/33 oder die Unterlagen im Teilnachlass von Kurt Huber. Neue Analysefelder für die eigene Arbeit eröffneten sich dadurch jedoch nicht. 136 Vgl. exemplarisch Julius Doerfler: Erinnerungen – Erlebnisse – Kämpfe in meinem Leben. Unveröffentlichtes Manuskript, o. D. Kopie im Privatbesitz P. U., künftig zitiert als Doerfler. 137 Vgl. exemplarisch IfZ, Ms 799. PSG III – Krieg 1941–45: Dr. Anneliese Helmer: Erlebnisse einer Medizinstudentin im 2. Weltkrieg, künftig zitiert als Helmer: Erlebnisse, sowie ebd. Akz. 8093/91, Ms 583. Barbara Schütz-Sevin: Nacht über Heidelberg. O. O. 1940, künftig zitiert als Schütz-Sevin, sowie den Aufsatz von Petra Nellen/Norbert Giovanni: „Nacht über Heidelberg.“
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für die Untersuchung zusammenzutragen. Als ‚Wettlauf gegen die Zeit‘ entpuppte sich hierbei der Versuch, durch Interviews mit Zeitzeugen mehr über das Münchner Frauenstudium im Dritten Reich zu erfahren: Die wenigen auffindbaren Personen, die zwischen 1933 bis 1945 an der Universität München immatrikuliert gewesen sind, hatten bei der Kontaktaufnahme ein Alter von 83 bis 99 Jahren erreicht. Folgerichtig sprechen Historiker für die Ära des Nationalsozialismus „von einem nahen ‚Ende der Zeitgenossenschaft‘.“138 Unter Berücksichtigung der Methodenproblematik, d. h. der Vorteile und Schwächen von Oral History, wurde deshalb auch das „Erinnerungsinterview“139 hinzugezogen.140 Dieses liefert wichtige Informationen über die Studentinnen (und Studenten), erschließt Zugänge zu Denk- bzw. Verhaltensstrukturen, unterstreicht bestehende Aussagen oder eröffnet ggf. neue Pfade, indem es als Ergänzung oder Korrektiv wirkt. Die ersten Kontakte mit Zeitzeugen kamen durch die Unterstützung von Dr. Hiltrud Häntzschel und der ehemaligen Frauenbeauftragten der LMU, Prof. Ulla Mitzdorf, zustande. Neben einer kleineren Notiz im Münchner Merkur141 wurde die Ermittlung der Interviewpartner jedoch wesentlich durch einen Zeitzeugenaufruf im Rahmen eines umfangreichen Artikels in der Süddeutschen Zeitung erleich-
Heidelberger Studentin im Nationalsozialismus. Zu Barbara Sevins unveröffentlichter Autobiografie. In: Heidelberger Geschichtsverein (Hg.): Heidelberg. Jahrbuch zur Geschichte der Stadt. Jahrgang 6. Heidelberg 2001, 219–240. Ebenso Haus der Bayerischen Geschichte (HdBG). Wortprotokoll des Zeitzeugeninterviews mit Gertraud Pretl, geführt am 27.6.2000 in München, künftig zitiert als Pretl. 138 Alle Zitate nach Martin Thurau: Zum 60. Jahrestag des Kriegsendes: Die letzte Generation von Menschen, die unter dem Hitler-Regime gelitten haben. Zeit der Zeugen. Wie Überlebende den Boom des Gedenkens zum Ende des Nazi-Terrors bewältigen. In: SZ vom 26.4.2005. 139 Niethammer, 13. 140 Die Namen der Zeitzeugen wurden – soweit nicht anders mit den Gesprächspartnern vereinbart – zum Schutz der Persönlichkeit durch Kürzungen unkenntlich gemacht. Bei den Fallschilderungen der übrigen Studierenden wurden die archivrechtlichen Datenschutzfristen berücksichtigt. Liegen Informationen vor, die nachträglich zu einer Stigmatisierung einzelner Personen führen könnten, erfolgte – unabhängig von den archivrechtlichen Vorgaben – ebenfalls eine Anonymisierung. Gleichzeitig schließt sich die Arbeit der Handhabung von Harrecker an, wonach „Ausnahmen der vollen Namensnennung“ gemacht werden, wenn etwa Maßnahmen des Regimes gegen Studentinnen und Studenten „eindeutig nationalsozialistisch motiviert war(en), um wenigstens diesen Opfern […] ein Gesicht zu geben.“ Vollständig genannt werden zudem „die Namen derer, deren Schicksale bereits aus der Forschungsliteratur bekannt sind, sowie derjenigen Personen, die eindeutig als Opfer des Nationalsozialismus zu identifzieren sind“, bspw. Studierende, die aus politischen oder rassischen Gründen von den Universitäten verwiesen wurden. Vgl. Harrecker, 17, 251. 141 Vgl. Dirk Walter: Ex-Studentinnen gesucht. In: Münchner Merkur vom 1.3.2005.
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tert142, wobei die Auswahl der Gesprächspartner nach dem Schneeballprinzip erfolgte.143 Damit sich ggf. besondere LMU-Spezifika herausarbeiten lassen, wurden neben ehemaligen Studierenden der Technischen Universität sowie der Musikhochschule München vereinzelt Ex-Studentinnen anderer Hochschulen wie Erlangen zu ihren Erinnerungen befragt. Gerade mit Blick auf das universitäre Geschlechterverhältnis erschien es lohnend, bei den Interviews auch die Männer zu Wort kommen zu lassen. Dabei wäre – im Sinne Glasers – eine zusätzliche Vergleichsanalyse über die Erinnerungen von Frauen und Männern an den studentischen Alltag mit Blick auf das universitäre Geschlechterverhältnis überaus lohnend.144 Den narrativ, biographisch orientierten Gesprächen lag ein im Vorfeld ausgearbeiteter Standardfragebogen zugrunde, der sich in eine voruniversitäre (Elternhaus, Abitur, Studiumsmotivation etc.), eine universitäre (Organisationsformen, Prüfungsbedingungen etc.) sowie eine postuniversitäre Phase (Arbeitsmarktchancen etc.) einteilen lässt. Außerdem befinden sich unter den rund 60 Fragen zahlreiche Punkte zur Alltagsgeschichte, die Informationen zu Wohnmöglichkeiten ebenso wie zu Zukunftserwartungen und Ängsten der ehemaligen Studentinnen ermöglichten.145 Die sich darin spiegelnde Divergenz zeigt vor dem Hintergrund der für alle Studentinnen obligatorischen Verordnungen und Maßnahmen durch Staat und Universität fächerübergreifend Gemeinsamkeiten und Unterschiede innerhalb des Studentenlebens. So geht eine quellengestützte Annahme dahin, dass u. a. ein deutlicher Gegensatz im außer- und inneruniversitären Alltag bestand, abhängig davon, ob die Betreffenden überwiegend in den im Umkreis des Hauptbahnhofes angesiedelten Instituten der Naturwissenschaftler („Nußbaumstraßen-Areal“) oder im Bereich des Hauptgebäudes studierten. Letztere unterlagen nach eigenen Aussagen einer deutlich stärkeren Kontrolle als ihre Kommilitonen, was sich bspw. in einer konsequenteren Erfassung der Frauen durch die ANSt bemerkbar machte. Im Rahmen des weitaus überschaubareren Geländes an der Ludwigstraße war es u. a. für Geisteswissenschaftler offenbar schwieriger, sich derartigen Organisationen zu entziehen.
142 Vgl. Birgit Lutz-Temsch: Geschichte der Erinnerungen. Eine Doktorandin untersucht den Studienalltag von Frauen an der LMU im Nationalsozialismus. In: SZ vom 30.3.2005. 143 Vgl. dazu auch Steffen-Korflür, 18. Für wertvolle Hinweise in Sachen „Zeitzeugeninterviews“ sowie für erste Kontaktdaten danke ich überdies Dr. Christian Fuhrmeister vom Zentralinstitut für Kunstgeschichte in München. 144 Vgl. Glaser, 290, FN 2. 145 Vgl. dazu: Alf Lüdtke: Einleitung. Was ist und wer treibt Alltagsgeschichte? In: Ders. (Hg.): Alltagsgeschichte. Zur Rekonstruktion historischer Erfahrungen und Lebensweisen. Frankfurt am Main, New York 1989, 9.
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Abgesehen von den Angaben, die aufgrund der räumlichen Entfernung (u. a. Frankreich, Schweiz) nur auf dem schriftlichen Wege erfolgen konnten, wurden die Erinnerungen direkt vor Ort auf Tonbänder aufgezeichnet. Im Rahmen der durchschnittlichen Gesprächszeit von 45 bis 90 Minuten beläuft sich das Schriftgut jedes Einzelnen auf bis zu 40 Seiten. Die Niederschrift der 58 (von 80) mündlich befragten ehemaligen Studierenden der LMU ergab einen repräsentativen Datensatz von rund 1200 Seiten.146 Zum Gesprächsgut kommen außerdem verschiedene Unterlagen aus den Privatarchiven der Befragten hinzu, darunter Abschlusszeugnisse, persönliche Briefe, Fotos, Studentenausweise oder Studienbücher. Aus ihnen lassen sich u. a. die je nach Fach sehr unterschiedlichen Kosten für ein Studium ebenso ablesen wie die Teilnahme an bestimmten Pflichtdiensten. Die Zeugnisse ermöglichen zudem ein unverfälschtes, zeitgenössisches Bild, das nicht mit sämtlichen Schwierigkeiten ausgewählter Erinnerung, nachträglicher Umdeutung oder Verdrängung wie bei retrospektiven Momentaufnahmen belastet ist.147 Das heißt, die Frauen kommen direkt aus der Perspektive des NS und damit aus der Zeit zu Wort, in die ihr Studium fiel. Im auffälligen Gegensatz dazu standen die Erinnerungen an die Geschehnisse um den Widerstandskreis der Weißen Rose. Während das Frauenstudium an der LMU speziell für die Zeit des Nationalsozialismus bislang kaum untersucht worden ist, wurde die Weiße Rose in den vergangenen Jahrzehnten intensiv historisch, populärwissenschaftlich und medial aufgearbeitet. Diese Aufarbeitung scheint bei einem Teil der befragten Zeitzeugen nicht nur zu einer Veränderung, sondern auch zu einer mehr oder weniger ausgeprägten Akkumulation der Erinnerungen geführt zu haben. In der Praxis verdeutlichte sich dieser Umstand u. a. bereits an der Kontaktaufnahme mit den Gesprächspartnern: Der Versuch, die Geschichte der Studentinnen an der Universität München im Dritten Reich in
146 Die 1173 Seiten verteilen sich wie folgt auf die einzelnen Fächer: Chemie (fünf Interviewpartner, zwei Männer, drei Frauen, 102 Seiten), Jura (eine Interviewpartnerin, 20 Seiten), Kunstgeschichte (vier Interviewpartnerinnen, 80 Seiten), Medizin (16 Interviewpartner, 15 Frauen, ein Mann, 296 Seiten), Musik (zwei Interviewpartnerinnen, 36 Seiten), Naturwissenschaften generell (vier Interviewpartner, drei Frauen, ein Mann, 82 Seiten), Pharmazie (zwei Interviewpartnerinnen, 42 Seiten), Philologie (13 Interviewpartner, 12 Frauen, ein Mann, 287 Seiten), Physik (eine Interviewpartnerin, 28 Seiten), Volkswirtschaft (sieben Interviewpartnerinnen, 131 Seiten), Zeitungswissenschaft (drei Interviewpartnerinnen, 69 Seiten). Nicht einberechnet wurden an dieser Stelle die zahlreichen Briefe, die als Rückläufer auf die an nur schwer persönlich zu erreichende Zeitzeugen geschickten Fragebögen eintrafen. Ergänzend dazu war es möglich, ein umfangreiches Wortprotokoll mit einer mittlerweile verstorbenen Münchner Studentin aus dem HdBG in Augsburg heranzuziehen. Vgl. FN 137, Pretl. 147 Vgl. Glaser, 128.
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den Mittelpunkt einer Dissertation zu stellen, wurde häufig per se als Projekt zur Auseinandersetzung mit Sophie Scholl und ihren Mitstreitern verstanden. Dies führte dazu, dass die Interviewten – bzw. das Gedächtnis der Interviewten – wiederholt als „parteiischer Zeuge“148 auftraten und ihr (Fakten-)Wissen zu diesem Thema bei der individuellen Zeugenschaft selbstverständlich und automatisch in den Mittelpunkt der eigenen Autobiographie rückten. Der Quellenwert solcher Aussagen verliert vor diesem Hintergrund an Relevanz, zumal sich das Wissen, welches die befragten Personen Anfang der 1940er Jahre im Zusammenhang mit dem Widerstandskreis hatten, im Laufe der Zeit entsprechend erweitert hat. Eine Differenzierung zwischen dem Part der Erinnerung, der sich tatsächlich auf das selbst Erfahrene zurückführen lässt, und dem Anteil, welcher durch jahrzehntelange Rezeption von Gesehenem, Gehörtem und Gelesenem dazugekommen ist, ist oftmals unmöglich.149 Das individuelle Erleben und die eigene Lebensgeschichte haben sich mit dem Faktenwissen retrospektiv zu einer neuen persönlichen Biographie verschmolzen, die mitunter auch den historischen Tatsachen widerspricht.150 Dennoch sind die Erinnerungen der Zeitzeugen von hoher wissenschaftlicher Relevanz. Eine Gegenüberstellung mit den Aussagen von Kommilitoninnen und Kommilitonen anderer Universitäten führt unabhängig voneinander zu erstaunlichen Parallelen, etwa in der Wahrnehmung und Bewertung der außerfachlichen Indienstnahme. Dies erscheint umso bedeutsamer, zumal die zum Vergleich he‑ rangezogenen Interviews etliche Jahre vor der eigenen Erhebung durchgeführt
148 Christine Backhaus-Lautenschläger: … Und standen ihre Frau. Das Schicksal deutschsprachiger Emigrantinnen in den USA nach 1933. Pfaffenweiler 1991, 5. 149 Vgl. dazu Sönke Zankel: Die Weiße Rose war nur der Anfang. Geschichte eines Widerstandskreises. Köln 2006, 3, künftig zitiert als Zankel: Weiße Rose. 150 Vgl. dazu Barbara Fröhlich: Dem Gedächtnis auf der Spur. Wissenschaftler finden Speicherorte der Erinnerung. In: Donaukurier (Der Sonntag) vom 16./17.12.2006 sowie Sven Felix Kellerhoff: Wenn Erinnerungen verschmelzen. Es gab keine Tiefflieger-Angriffe auf Dresden am 13. und 14. Februar 1945, sagt die Forschung. Warum sehen das viele Überlebende anders? In: Die Welt vom 24.2.2007. Zum Thema „Gedächtnis“ vgl. auch F[ranz] J[osef] Brüggemeier/D[orothee] Wierling: Einführung in die Oral History. Alltag und Erinnerung. Kurseinheit 1. Hagen 1986, 61–81. Wie bei Steffen-Korflür waren auch hier einige Gespräche paralysiert durch die Erwartungshaltung der Gesprächspartner, das eigene Verhalten im Dritten Reich rechtfertigen zu müssen. Vgl. Steffen-Korflür, 17. Zu einer ähnlichen Einschätzung gelangt Stuchlik, wenn sie schreibt, dass das Erinnern der persönlichen Erfahrung und Geschichte ohne Zweifel selektiv wirke. Vgl. Stuchlik, 20. Dies würde verstärkt für die Interviewpartner zutreffen, die während des Dritten Reiches studiert haben. „Personen, die nachweisen konnten, aktiv gegen den Nationalsozialismus eingetreten zu sein, berichteten viel freier, während die Erzählungen der übrigen oft sehr große Passagen der Rechtfertigung enthielten.“ Ebd.
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worden sind und damit zu einem Zeitpunkt, an dem die Geschichte des Frauenstudiums im Nationalsozialismus ein noch weitaus stärkeres Forschungsdesiderat als heute darstellte. Die persönliche Rezeption und damit die Vermischung von eigener Erfahrung und fremdem Gedankengut kann dementsprechend als weniger weit fortgeschritten gelten, die Übereinstimmung mit den Aussagen der ehemaligen Münchner Studierenden als historiographisch verwertbar. Um das Leben der Studentinnen an der Universität München im Nationalsozialismus zu rekonstruieren, ist es also notwendig, die Äußerungen der Zeitzeugen kritisch und unter Hinzuziehung archivalischer Quellen sowie gedruckter Materialien zu analysieren und zu überprüfen. Ergänzend sei hierbei die Auswertung der Promotionsakten genannt, die im UAM archiviert werden. Wenngleich der Bestand kriegsbedingt nicht vollständig erhalten und v. a. im medizinischen Bereich infolge der Fliegerangriffe stark dezimiert ist151, stellt die Überlieferung zusammen mit den eingangs genannten Dissertationen eine weitere, bislang kaum genutzte Forschungsgrundlage dar. Besonders hilfreich erwies sich in diesem Zusammenhang das von Resch und Buzás herausgegebene Gesamtverzeichnis aller auffindbaren Promotionen und Dissertationen der Universität Ingolstadt-Landshut-München im Zeitraum von 1472 bis 1970.152 Als Bibliographie und Suchinstrument für den Nachweis der Promotionen ermöglicht dieses Verzeichnis, personenbezogene Angaben noch vor Ablauf der etwa für Archivbestände geltenden Datenschutzbestimmungen einzusehen. Aus den in der Universitätsbibliothek aufbewahrten Doktorarbeiten selbst lassen sich anhand der eingefügten Lebensläufe, Vorworte, Widmungen und Danksagungen wichtige persönliche Daten wie Studiendauer und -schwerpunkte entnehmen. Die dazugehörigen Promotionsakten geben zusätzlich Auskunft über die Erwartungshaltung an die Leistungen studierender Frauen sowie über die Bewertung derselben. Diese Basis ermöglicht es, Aussagen über das sich wandelnde Geschlechterverhältnis zwischen Lehrenden und Lernenden ebenso zu treffen wie über die politisch-sozialen Rahmenbedingungen, unter denen weibliche Studierende ihren akademischen Abschluss erwarben. Vereinzelt lässt sich sogar die Frage nach der Studienmotivation oder die nach etwaigen Vorbildern und Wegbereitern aus den Vorbemerkungen der Doktorarbeiten beantworten.
151 Vgl. UAM, N-III-11. Protokoll über die Fakultätssitzung am Montag, den 31.7.1944, nachm. 16.30 Uhr im Fakultätszimmer, Pettenkoferstr. 8a. 152 Vgl. Lieselotte Resch/Ladislaus Buzás: Verzeichnis der Doktoren und Dissertationen der Universität Ingolstadt-Landshut-München 1472–1970. Band 1–9. München 1975–1979.
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In einigen Fällen hatten zeitgenössische Dissertationen selbst aufgrund ihres Themas hohen Aussagewert.153 Obwohl sich der Schwerpunkt der vorliegenden Untersuchung auf die Jahre 1933 bis 1945 beschränkt, konnten neben den allgemein zugänglichen Dissertationen erstmals auch die Promotionsakten der ersten fünf Nachkriegsjahre miteinbezogen werden. Für die biographische Rekonstruktion von (kriegsbedingten) Brüchen sowie die Auslese bzw. Beschränkung von Studentinnen erwies sich dieser Zeitraum und mit ihm die Lebensläufe als unerlässlich, zumal ein Teil der späteren Akademikerinnen erst nach dem Ende der NS-Herrschaft promoviert werden konnte. Daraus ergibt sich ein Datensatz von insgesamt 1965 Doktorarbeiten, von denen knapp 1400 in der Medizinischen Fakultät sowie etwa 400 in den Philosophischen Fakultäten entstanden sind; die übrigen Dissertationen verteilen sich auf die Gebiete Tiermedizin, Jura, Staats- und Naturwissenschaften. Die Analyse der zwischen 1933 und 1950 an der Universität München entstandenen Arbeiten von Frauen bildet einen wesentlichen Bestandteil der für den Zweck dieser Untersuchung herangezogenen Quellen und ist darüber hinaus der erste Beitrag, die den Münchner Dissertationen beigefügten Lebensläufe, Vorworte und Widmungen als ertragreichen Quellenbestand zu begreifen und entsprechend aufzuarbeiten. Fächerübergreifend ließe sich damit außerdem ein Sozialprofil der Doktorandinnen erstellen, das zeigt, aus welchen Teilen Deutschlands bzw. aus welchen Schichten sie stammten. Weitere Fragestellungen wären, wie häufig die Universitäten gewechselt worden sind, wie lange das Studium gedauert hat und wie alt die Studentinnen zu Beginn bzw. am Ende ihres Studiums waren. Hinsichtlich der Dissertationen, die zwischen 1933 und 1950 von Frauen an der LMU entstanden, empfiehlt es sich, die einzelnen Angaben wie Geburtsdatum, Studienfächer etc. idealerweise PC-gestützt zu erfassen. Mit Hilfe einer Statistiksoftware wie SPSS könnten anschließend deskriptive Auswertungen in einer übersichtlichen Art und Weise vorgenommen und Beziehungen zwischen einzelnen Gruppen hergestellt werden. Die Erstellung aussagekräftiger Variablen sowie das Einpflegen von bis zu 20 Angaben (u. a. Fakultät, Doktorvater, Referent(en), Promotionsdatum, Widmung, Vorwort, Lebenslauf154, Danksagung) pro Arbeit ergäbe einen Datenbestand von hochgerechnet 40.000 Einzelangaben. Im Rahmen der Frage-
153 Das gilt bspw. für die Arbeit von Wilfried Altstädter: Sippe und berufliche Herkunft der Studierenden an der Universität München im Winterhalbjahr 1935/36. Diss. München 1937, künftig zitiert als Altstädter. 154 Geburtsdatum, Beruf der Eltern, Weg zur Hochschulreife, Studienmotivation, RAD, Studiumsdauer, Studienfächer etc.
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stellung sowie des großen Umfangs der Arbeit wurde von dem ursprünglichen Vorhaben jedoch Abstand genommen. Beispiele für diesen Forschungsansatz, der als Grundlage für zukünftige Untersuchungen dienen kann, finden sich u. a. bereits für die Universitäten Berlin und Heidelberg.155 Eine Dokumentation von Dissertationen, die dem Einfluss der NS-Weltanschauung unterlagen, hat Rolf Seeliger schon 1966 vorgelegt.156 Eine ähnliche Funktion kam der Auswertung einschlägiger zeitgenössischer Zeitungen, Zeitschriften und Periodika zu, die primär in der Bayerischen Staatsbibliothek sowie im Institut für Hochschulkunde (IfH) an der Universität Würzburg unter Hinzuziehung von Flugblättern und Plakaten eingesehen wurden; ergänzend seien noch die Zeitungsausschnittsammlung (Personen) im Stadtarchiv München (StadtA Mü.) sowie einzelne Überlieferungen im UAM genannt. Trotz der Problematik einer gleichgeschalteten Presse erwies sich die Durchsicht entgegen der Meinung Böhms als unentbehrlich, fielen Informationsgehalt und Ergebnisse bei weitem nicht „hinter den Propagandazweck“157 zurück. Vielmehr lassen sich auf dieser Grundlage Parallelen oder Gegensätze hinsichtlich der Berichterstattung in den Medien und den tatsächlichen Gegebenheiten ausmachen.
155 Vgl. Annette Vogt: Zu den naturwissenschaftlichen Promotionen von Frauen an der Philosophischen Fakultät der Berliner Universität zwischen 1898 und 1945 – Überblicke und Einzelbeispiele. In: Zentrum für interdisziplinäre Frauenforschung/Frauenbeauftragte der HumboldtUniversität zu Berlin (Hgg.): Zur Geschichte des Frauenstudiums und weiblicher Berufskarrieren an der Berliner Universität. Dokumentation eines Workshops, veranstaltet am 25. November 1995 vom Zentrum für interdisziplinäre Frauenforschung und der Frauenbeauftragten der HumboldtUniversität zu Berlin. Berlin 1996, 34–57, künftig zitiert als Vogt: Naturwissenschaftliche Promotionen. Von derselben Autorin auch: Die Fräulein Doktor werden immer mehr. Zur Entwicklung des Frauenstudiums und der Berufstätigkeit von Frauen am Beispiel der Promotionen von Frauen zu naturwissenschaftlichen Themen an der Philosophischen bzw. ab 1936 der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät der Berliner Universität zwischen 1898 und 1945. Berlin 1996; Ulrike Englert: Medizinische Dissertationen von Frauen an der Universität Heidelberg im Zeitraum von 1906 bis 1945. Heidelberg 1999; Micha Brunlik: Erziehungswissenschaftliche Dissertationen an der Universität Heidelberg 1934–1943. Ein Bericht. In: Karin Buselmeier/Dietrich Harth/Christian Jansen (Hgg.): Auch eine Geschichte der Universität Heidelberg. 2. unveränderte Auflage Mannheim 1986, 347–362, bes. 349–351. Für Freiburg auch E. Th. Nauck: Die Mitarbeit der Studentinnen im wissenschaftlichen und sozialen Bereich der Freiburger Universität. In: Nauck, 29–47, bes. 29–38. Darüber hinaus Ingrid Kästner: Die ersten Leipziger Promovendinnen in der Medizin. In: Ilse Nagelschmidt (Hg.): 100 Jahre Frauenstudium an der Alma Mater Lipsiensis. Reden und Vorträge zur Konferenz am 09. Mai 2006 an der Universität Leipzig. Leipzig 2007, 137–157. 156 Vgl. Rolf Seeliger (Hg.): Doktorarbeiten im Dritten Reich. Dokumentation mit Stellungnahmen. München 1966. 157 Böhm, 20.
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Stellten Studenten und Studentinnen wirklich „freudig ihre vorlesungsfreie Zeit zur Verfügung“158, um Hilfsdienste in Krankenhäusern und Lazaretten zu leisten, wie es 1942 in den Münchner Neuesten Nachrichten heißt? Oder gründete sich die Einsatzbereitschaft vielmehr auf fehlende Entscheidungsfreiheiten sowie auf die Tatsache, dass gerade Frauen die – nach eigenen Angaben – Gegebenheiten aufgrund ihrer Sozialisation als „Befehlsempfänger“ oftmals schlichtweg hinnahmen? Zudem konnten mithilfe dieses Materials zahlreiche Lücken in der Aktenlage geschlossen werden, die zum Beispiel für die Gründungszeit und die Anfangsjahre der Münchner ANSt-Gruppe bestehen. Wie Berichtstellen des Regimes Studierende wahrnahmen oder wie stark das lokale Studentinnenheim frequentiert war, spiegeln weitere gedruckte Quellen wider. Dazu gehören die geheimen Lageberichte des Sicherheitsdienstes der SS und die Studentenverzeichnisse der Universität, welche nahezu vollständig bis Kriegsende erhalten sind. Andere Quellen wie das Jahrbuch der Universität liegen dagegen nur bis 1939 vor und wurden seinerzeit bewusst „wegen anderen dringlichen Aufgaben und Ausgaben für die Weiterführung ausgesetzt“159. Änderungen und Folgen der Hochschulpolitik wiederum lassen sich dagegen u. a. anhand der Deutschen Hochschulstatistik oder dem Verordnungsblatt des Reichsstudentenführers (Verordnungsblatt RSF) und damit anhand von Verwaltungs- und Gesetzesblättern ablesen. Offizielles Schriftgut der Parteien und studentischen Organisationen befindet sich zudem im Institut für Zeitgeschichte (IfZ). Ein weiterer wichtiger Schwerpunkt lag auf dem Münchner Universitätsarchiv. Entgegen den Erwartungen stellte sich die Recherche hier als äußerst zeitaufwendig und schwierig dar. Zum einen hemmte der Verlust zahlreicher Unterlagen die Ergebnissicherung. Wie die bis zum Jahr 1935 im Bestand des UAM vorhandene Studentenkartei vermuten lässt160, fiel ein Teil der Dokumente jedoch nicht den Bomben zum Opfer. Nachdem fast ausschließlich bei sämtlichen Karteikarten ehemaliger ANSt-Funktionäre die persönlichen Fotos fehlen, ist von einer bewussten Vernichtung derselben auszugehen. Entsprechende Kratzspuren und Klebereste bei ansonsten unversehrtem Zustand der Karten verstärken den Eindruck, dass es sich nicht um eine kriegsbedingte Zerstörung oder ein zufälliges Verschwinden handelt; ein gesondertes Bildarchiv im UAM existiert nicht. Darüber hinaus ist der gesamte Vereinsakt „Arbeitsgemeinschaft national-
158 Die Ferienarbeit der Studenten. In: MNN vom 21.4.1942. 159 UAM, D-III-100. Niederschrift über die Senats-Sitzung vom 26.10.1939. 160 Einem Schreiben aus dem UAM vom 27.2.1935 (Sen. 892) ist zu entnehmen, dass ab 1935 auf ein anderes Karteiwesen umgestellt wurde. Die nachfolgenden Karteikarten werden von der LMU u. a. für Rentenbelange verwahrt und sind für Forschungszwecke nicht zugänglich.
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sozialistischer Studentinnen“161 verschwunden, der Aufschluss über die Gründung und Zielsetzung hätte geben können. Semester- oder Tätigkeitsberichte – etwa über die Indienstnahme der Studentinnen – fehlen vollständig. Ob dieser Umstand, wie in Erlangen, auf einen entsprechenden Befehl zum Verbrennen der Akten beim Einmarsch der Siegermächte zurückzuführen ist162, bleibt unklar. Heinrich Gödde sprach diesbezüglich schon 1951 davon, die NS-Studentenführung habe die Akten der früheren Studentenschaft in die Hände bekommen. Ein Teil davon sei schließlich absichtlich vernichtet worden, ein weiterer durch Fliegerschaden verloren gegangen.163 Zum anderen erwies sich die Suche im UAM als langwierig, da der Archivbestand während des Aufenthalts nicht befriedigend durch Findmittel erschlossen gewesen ist, was das Auffinden ertragreicher Quellen oftmals von Zufällen abhängig machte. Darüber hinaus liegt weder eine in sich geschlossene Akte „Studentenschaft“ noch ein entsprechend unter geschlechtsspezifischen Fragestellungen registrierter und aufgearbeiteter Korpus vor.164 Aus diesem Grund war eine umfassende Recherche in Parallelüberlieferungen wie etwa den Beständen der einzelnen Fakultäten, der Universitätsleitung, in Protokollen und Akten des Akademischen Senats sowie des Rektorats und dergleichen betreffend studentische Angelegenheiten notwendig. Ergänzend wurden zudem relevante Akten weiterer Universitätsarchive herangezogen und ausgewertet, allen voran die Studenten- und Personalakten aus dem seit 1997 bestehenden Historischen Archiv der Technischen Universität München (HATUM). Ein andere lokale und regionale Bestandsaufnahme erfolgte im kirchlichen Archiv des Erzbistums München und Freising (EAM). Die Auswertung des erst seit 2002 zugänglichen Nachlasses von Kardinal Faulhaber (NL Faulhaber) eröffnet einen erweiterten Blick auf die Frauen als Angehörige katholischer Studen-
161 Vgl. UAM, B-VI-26 Band 1. Universitäts-Rektorat an Barbara Pischel vom 10.6.1932. 162 Vgl. Franze, 375 f.: „Angesichts der heranrückenden feindlichen Streitmächte beschloß die Stadtverwaltung am 12. April 1945 gemäß dem ‚Befehl zur Aktenvernichtung bei Feindbedrohung‘ alle Dokumente zu vernichten, die ‚für den Feind militärische und politische Bedeutung‘ hatten. Den ‚wenigen noch gebliebenen Studenten‘ wurde befohlen, im Studentenhaus die Akten und die Kartei des NSDStB und der Studentenführung zu verbrennen. Als am 16. April 1945 die amerikanischen Streitkräfte Erlangen besetzten, war auch das letzte Blatt verschwunden, das Aufschluß über die Tätigkeit des NSDStB und der Studentenführung geben konnte.“ 163 Vgl. Heinrich Gödde: Die Anfänge der studentischen Selbstverwaltung mit besonderer Berücksichtigung der Münchener Verhältnisse. Nürnberg 1951, 12, künftig zitiert als Gödde. 164 Zur Aufarbeitung der Archivbestände nach genderspezifischen Merkmalen vgl. Lehnert, 2. Im selben Band auch Gesa Heinrich: Gibt es eine Gleichstellungsquote für archivalische Quellen? Problematik der Quellen zur Frauengeschichte in Archiven und Wege zu ihrer Sicherheit, 6–17.
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tinnenverbindungen. Gleichzeitig veranschaulichen diese Quellen die sozioökonomischen Bedingungen sowie die wirtschaftliche Interessenvertretung der weiblichen Studierenden aus christlicher Perspektive in den letzten Jahren vor der Machtergreifung. Entscheidungsabläufe über die Förderungspraxis werden durch diesen Bestand ebenso sichtbar wie die Haltung der religiös orientierten Verbindungsmitglieder vor dem Hintergrund der zunehmenden nationalsozialistischen Durchdringung der Universitäten. Für die weitere Rekonstruktion der sozialen und frauenfördernden Maßnahmen erwies es sich als sinnvoll, die Verflechtung einer Vielzahl von Institutionen und Einrichtungen aufzuzeigen, allen voran die Rolle des Vereins für Fraueninteressen (VfFI) sowie des Studentenwerks München. In beiden Fällen konnte auf umfangreiches Material zurückgegriffen werden, welches die bestehenden Institutionen selbst zusammengetragen haben und verwalten. Besonders hervorzuheben ist an dieser Stelle das beachtliche Konvolut im Studentenwerk München (StWM), das sich über 30 nummerierte Ordner erstreckt. Die umfangreiche Quellen- und Literatursammlung beleuchtet die Geschichte des (ehemaligen) Vereins Studentenhaus München e. V. und vereint Reproduktionen von Schriftstücken und Drucksachen aus verschiedensten Instituten und Archiven, darunter dem IfZ, dem UAM sowie der Bibliothek der Monacensia und dem Hauptstaatsarchiv. Auf regionaler und Länderebene wurde auf die Aktenbestände des Staatsarchivs München (StAM) sowie des Bayerischen Hauptstaatsarchivs (BayHStA) zurückgegriffen. Erstgenannte boten primär ergänzende Einblicke in die Geschehnisse und Proteste rund um die sog. „Giesler-Rede“ 1943, die Mitglieder der Weißen Rose als vermeintlichen Stimmungsumschwung in der Studentenschaft im Rahmen ihrer Flugblatt- bzw. Widerstandsaktionen deuteten. Eidesstattliche Erklärungen und zahlreiche Aussagen von Universitätsangehörigen in den Spruchkammerakten dokumentieren – unter kritischem Abgleich mit etlichen anderen Quellen – unmittelbare Wahrnehmungsstrukturen. Gleichzeitig machen sie die Verhaltensweisen und Handlungen von Studierenden sowie die (Hochschul-)Politik von Staat und Partei gegenüber den Frauen und Männern deutlich. Hochschulpolitische Angelegenheiten und der Einfluss des Bayerischen Kultusministeriums lassen sich im Spannungsfeld von Auslese, Beschränkung, Indienstnahme und Reaktionen durch die Akten des Staatsministeriums für Unterricht und Kultus im BayHStA relativ lückenlos für den gesamten Untersuchungszeitraum rekonstruieren. Als äußerst gewinnbringend erwiesen sich etwa die Akten des Instituts für Leibesübungen oder die des AStA und der Studentenschaft. Schnittstellen bei den Überlieferungen fanden sich sowohl zu den Beständen des UAM, auf Reichsebene auch zum Bundesarchiv (BArch), etwa was die Universitäten im Allgemeinen betrifft.
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Einleitung
Damit wird abschließend bereits ein letzter wichtiger Korpus genannt, das BArch Berlin-Lichterfelde. Im Vordergrund stand hierbei die Aufarbeitung der vom Staatsarchiv Würzburg Ende 2005 als Dauerleihgabe übergebenen Akten des Bestands Reichsstudentenführung/NS Deutscher Studentenbund. Allerdings beziehen sich die wenigsten Akten nur auf eine Region oder Universität. Meist handelt es sich um Sammlungen von Korrespondenzen oder Berichten, innerhalb derer Unterlagen über etliche deutsche Universitäten enthalten sind. So finden sich allein in der Abteilung II (Nr. 498–548) des Bestandes Reichsstudentenführung (RSF) zahlreiche Akten zum Hauptamt für Studentinnen (HA) bzw. der ANSt. Sie erwiesen sich für die Münchner Verhältnisse als unerlässlich165, wenngleich die Entwicklungen ab 1940 fast vollständig im Verborgenen bleiben. Die offizielle Korrespondenz umfasst nahezu ausschließlich Quellen aus der Zeit von 1933 bis 1939 und bricht mit dem Zweiten Weltkrieg ab. Insgesamt lag der Schwerpunkt der Auswertung auf den Berichten des HA bzw. der ANSt in Abteilung I (Gruppe I 80 ff.) sowie in Abteilung II (Nr. 498–548). Zahlreiche Akten betreffen auch den weiblichen Arbeitsdienst, die um Material aus dem Münchner Stadtarchiv ergänzt werden konnten. An den Schnittstellen zwischen Studium und kommunaler Verwaltung sind entsprechende Unterlagen überliefert, z. B. im Findmittel „Wohlfahrt“. Darüber hinaus wurden im BArch exemplarisch Strafakten aus dem Bestand des Reichsministeriums für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung eingesehen (R 12900), um Fragen der Auslese von Studierenden zu klären, wie sie sich auch im UAM und im HATUM befinden.166
165 Zu einer gegenteiligen Einschätzung vgl. Böhm, 20. 166 Vgl. UAM, Disziplinarakten der Studenten (Stud-Straf). Offensichtliche Rechtschreib- sowie Zeichenfehler wurden beim Zitieren sämtlicher Quellen größtenteils korrigiert. Beibehalten wurde dagegen in jedem Fall die originale Schreibweise bei Angabe der Quellen. Das Abkürzungsverzeichnis kam lediglich im Fließtext der Arbeit sowie bei eigenen Formulierungen in den Fußnoten zur Anwendung.
I. Von der Weimarer Republik zum Dritten Reich – LMU-Studentinnen 1926–1933
1 Sozioökonomische Bedingungen 1.1 Die gesellschaftliche Haltung gegenüber den Studentinnen „Wenn schon im allgemeinen der rege Verkehr der studierenden Jugend auf der Ludwigstraße als eine freundliche und befriedigende Belebung dieser schönen Straße gewertet wurde, so sei in besonderer Weise des Anteils gedacht, der an dieser Belebung des Stadtbildes den weiblichen Studierenden zuzuerkennen ist. Selbstverständlich tritt dieser Kreis der studierenden Jugend in der Umgebung der Universität stärker in die Erscheinung wie [sic!] in der Umgebung der Technischen Hochschule. In der Ludwigstraße und in den nächsten Nebenstraßen ist es eine Freude, diese jungen Damen mit der Geschäftigkeit und dem Eifer ihrer männlichen Kommilitonen, aber doch auch mit den Reizen der weiblichen Jugend im großen Strome der Fußgänger dahinziehen zu sehen. Wenn man auch weiß, daß auch für sie die Sorge um die zukünftige Existenz und vielfach auch die Sorge um den täglichen Lebensunterhalt die frohen Augenblicksmöglichkeiten der Studienjahre umwölkt, so kann man sich doch freuen über die Zuversicht und die Lebensfreude, die aus den Augen und den Zügen der weiblichen Studierenden ebenso spricht, wie aus denen der meisten ihrer männlichen Kommilitonen.“1 Am 12. Mai 1932 veröffentlichte die Bayerische Hochschulzeitung einen auf Wunsch der Studentenschaft der LMU von Oberbürgermeister Karl Scharnagl verfassten Aufsatz. Der Artikel behandelte die Studierenden im Bild der Stadt und ließ keinen Zweifel daran, dass studierende Frauen mittlerweile zum unübersehbaren gesellschaftlichen Faktor geworden waren. Das galt auch, obwohl Eduard Friedel, Geschäftsleiter des AStA, den Beitrag für die in einer Auflage von 10.000 Stück wöchentlich an den Münchner Hochschulen verteilte Zeitung vorab unter das Thema „Der Student im Münchener Stadtbild“2 gestellt hatte. Tatsächlich fiel etwa die Hälfte der rund achtjährigen Amtszeit Scharnagls (1925–1933), welche erst durch die Gleichschaltung der Nationalsozialisten beendet werden sollte, in eine Zeit allgemeiner volkswirtschaftlicher Konsolidierung. Von ihr profitierte nicht nur die Infrastruktur der Landeshauptstadt3, sondern auch die Entwicklung ihrer Studentinnenzahl. So studierten allein im Sommersemester 1932 1547 Frauen an der LMU, was einem Anteil von 18 % an der
1 Karl Scharnagl: Die Studenten im Münchener Stadtbild. In: BHZ vom 12.5.1932. 2 Vgl. StadtA Mü., Bürgermeister und Rat 306/3a. Eduard Friedel an Karl Scharnagl vom 20.4.1932. Hervorhebung P. U. 3 Vgl. http://www.muenchen.de/Rathaus/dir/stadtspitze/buergermeister/100572/scharnagl.html vom 20.7.2008: Karl Scharnagl. 1924–1933 – 1945–1948, künftig zitiert als Scharnagl.
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1 Sozioökonomische Bedingungen
gesamten Studentenschaft der Universität entsprach.4 Wenngleich Zorn zuzustimmen ist, wonach eine derartige Menge durchaus den Eindruck erwecken konnte, als handele es sich im Wesentlichen um eine „junge Männergemeinschaft“5, darf hierbei nicht übersehen werden, dass die weiblichen Immatrikulationen seit Mitte der zwanziger Jahre, d. h. mit dem Abklingen der Wirtschaftskrise, reichsweit konstant anstiegen. Insgesamt hatte seit dem Sommersemester 1926 ein regelmäßiger Zustrom der Studierendenzahlen zwischen fünf und zwölf Prozent eingesetzt.6
Abb. 1: Studentin an der LMU zu Beginn der 1930er Jahre
4 Vgl. Statistik der deutschen Universitäten. Zahl der Studierenden im SS. 1932 sowie Zahl der immatrikulierten Frauen im SS. 1932. In: Kalender der deutschen Universitäten und Hochschulen. 112. Ausgabe. Winter-Semester 1932/33. Leipzig 1932, 431 f. 5 Wolfgang Zorn: Die politische Entwicklung des deutschen Studententums 1918–1931. In: Kurt Stephenson/Alexander Scharff/Wolfgang Klötzer (Hgg.): Darstellungen und Quellen zur Geschichte der deutschen Einheitsbewegung im neunzehnten und zwanzigsten Jahrhundert. Fünfter Band. Heidelberg 1965, 226. 6 Vgl. Jürgen Schwarz: Studenten in der Weimarer Republik. Die deutsche Studentenschaft in der Zeit von 1918 bis 1923 und ihre Stellung zur Politik. Berlin 1971, 414.
1.1 Die gesellschaftliche Haltung gegenüber den Studentinnen
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Den Höhepunkt dieser Entwicklung bildete das Sommersemester 1931, in dem 19.394 Studentinnen einen Anteil von 18,6 % aller Immatrikulationen an den reichsdeutschen Universitäten ausmachten.7 An den drei bayerischen Landesuniversitäten München, Würzburg und Erlangen erreichte man den Höchstwert im Wintersemester 1932/33, als 14.714 Studierende eingeschrieben waren und sich der Frauenanteil im Landesdurchschnitt mit 16,6 % seit Kriegsende nahezu verdoppelt hatte. Von insgesamt 2442 Studentinnen wählten 71 % (1729) München, 21 % (510) Würzburg und lediglich 8 % (203) Erlangen8, was für die Annahme spricht, wonach Großstadtuniversitäten von Abiturientinnen aufgrund der vorurteilsfreieren Atmosphäre gegenüber dem Frauenstudium9, aber auch wegen den vielfältigeren Kultur- und Freizeitmöglichkeiten generell bevorzugt wurden; am hiesigen Standort zählten u. a. der Fasching mit seinen Atelier- und Künstlerfesten, die zahlreichen Biergärten oder das Oktoberfest zu den lokalen Besonderheiten.10 Darüber hinaus gab ein Teil der von Edith Glaser befragten Zeitzeuginnen, die während ihrer Tübinger Studentenzeit einen Hochschulwechsel vorgenommen hatten, an, der Grund für ein bzw. mehrere auswärtige Semester sei durch den Wunsch motiviert gewesen, bei Professoren zu hören, welche bspw. einschlägige Lehrbücher publiziert hatten und daher als „Kapazitäten des Faches“11 galten. In den meisten Fällen bedeutete dies einen notwendigen Wechsel nach Berlin oder München, den damals größten deutschen Universitäten. Dementsprechend lag der Anteil weiblicher Immatrikulationen an der Berliner Friedrich-WilhelmsUniversität im Wintersemester 1932/33 mit 23,3 % nahezu 5 %12, in München mit
7 Vgl. Tabelle 1. In: Michael H. Kater: Krisis des Frauenstudiums in der Weimarer Republik. In: Vierteljahrsschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. 59. Band. Wiesbaden 1972, 208, künftig zitiert als Kater: Krisis. Vgl. dazu auch Britta Lohschelder: „Die Knäbin mit dem Doktortitel“. Akademikerinnen in der Weimarer Republik. Pfaffenweiler 1994, 105, künftig zitiert als Lohschelder: „Auf seinem Höhepunkt 1931 stellten rund 20.000 Studentinnen einen Anteil von fast 19 % der Studierenden an den Universitäten. Im gleichen Jahr wurden mit über 100.000 auch die allgemein höchsten Studierendenzahlen registriert; das akademische Studium hatte das größte Ausmaß während der Weimarer Republik erreicht.“ 8 Vgl. Tabelle 7: Die immatrikulierten Studierenden der einzelnen Universitäten nach Studienfächern im WS 1932/33. In: Deutsche Hochschulstatistik. Mit textlichen Erläuterungen. Band 10. Winterhalbjahr 1932/33. Berlin 1933, 12 f. 9 Vgl. Kater: Krisis, 210. „Absolut gerechnet, standen Berlin, München und Köln als Frauenuniversitäten 1930 an der Spitze.“ Ebd. 10 Vgl. Rudolf Weiß: München und die Studentenschaft. In: MHF vom Winter 1928/29, 22 f. 11 Glaser, 149. 12 Vgl. Benker/Störmer, 41 f.
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19,5 % knapp 1 % über dem aktuellen Reichsdurchschnitt von 18,6 %.13 Analog der von Studentinnen in der Weimarer Republik bevorzugten Studienfächer waren im selben Zeitraum 49 % der an der LMU eingeschriebenen Frauen an der Philosophischen, 42 % an der Medizinischen Fakultät sowie immerhin noch rund 9 % an der Juristischen inskribiert; sogar eine Studentin der Theologie besuchte in diesem Zeitraum die Münchner Universität.14 An den Technischen Hochschulen ging die Entwicklung im Wesentlichen mit der an den Universitäten konform, wenngleich auf niedrigerem Niveau und mit erheblicheren Schwankungen.15 Seit dem Sommersemester 1926 stiegen aber auch hier die Studentinnenzahlen merklich an, weshalb es gegenüber dem Vorkriegsstand zu einer Vergrößerung um mehr als das Zehnfache im Wintersemester 1931/32 kam.16 Begünstigend ausgewirkt hatte sich dabei die Tatsache, dass die einzelnen Studiengänge nicht mehr so stark auf die Ingenieurspraxis ausgerichtet waren, sondern den Frauen einen Abschluss ermöglichten, mit dem sie u. a. im Bereich des Lehramtes arbeiten konnten.17 Trotzdem wählten von 948 Studentinnen, die zum o. g. Zeitpunkt an allen reichsdeutschen Technischen Hochschulen eingeschrieben waren, gerade einmal 22 % ein technisches Fach wie bspw. Maschinenbau oder Elektrotechnik. Das entsprach einer Gesamtmenge von 2 % aller TH-Studentinnen in Deutschland, während die übrigen weiblichen Immatrikulationen u. a. auf Studienfächer wie Architektur oder Pädagogik entfielen; in München waren dagegen in diesem Semester nur fünf Frauen für Physik und Technische Physik sowie eine weitere für Bauingenieurwesen immatrikuliert.18
13 Vgl. Tabelle 7: Die immatrikulierten Studierenden der einzelnen Universitäten nach Studienfächern im WS 1932/33. In: Deutsche Hochschulstatistik. Mit textlichen Erläuterungen. Band 10. Winterhalbjahr 1932/33. Berlin 1933, 12 f. 14 Vgl. Zahl der immatrikulierten Frauen im WS. 1932/33. In: Kalender der reichsdeutschen Universitäten und Hochschulen. 113. Ausgabe. Sommer-Semester 1933. Universitäten. Leipzig 1933, 292. Für eine ausführlichere Aufschlüsselung der einzelnen Fachbereiche vgl. Tabelle 7: Die immatrikulierten Studierenden der einzelnen Universitäten nach Studienfächern im WS 1932/33. In: Deutsche Hochschulstatistik. Mit textlichen Erläuterungen. Band 10. Winterhalbjahr 1932/33. Berlin 1933, 12 f. Hier wird die Anzahl der weiblichen Immatrikulationen mit 1729 angegeben, was einem Unterschied von 34 zu dem im Kalender der reichsdeutschen Universitäten und Hochschulen benannten Zahl von 1763 entspricht, wofür wahrscheinlich ein unterschiedlicher Redaktionsschluss der beiden Organe verantwortlich zu machen ist. 15 Vgl. Tabelle 2. In: Kater: Krisis, 212. 16 Duden und Ebert sprechen sogar von einer knappen Vervierzehnfachung der Studentinnenzahl, die sich im Wintersemester 1931/32 gegenüber der Vorkriegszeit aufgetan hätte. Vgl. Duden/ Ebert, 409. 17 Vgl. Lohschelder, 109. 18 Vgl. Fuchs: Vatertöchter, 217, sowie Fuchs: TH.
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Im Gegensatz zu ihren Kommilitoninnen an der Universität mussten die TH-Studentinnen noch immer mit wesentlich stärkerem Widerstand kämpfen, weshalb ein Studium der männlich dominierten technischen Fächer oftmals als wenig aussichtsreich erschien: „Einerseits mußten sie neue Verhaltensweisen in einem Studiengang finden, der dezidiert als männlich angesehen wurde, andererseits mußten sie mit Umgangsformen und Projektionen männlicher Gehirne umgehen lernen, die ihnen hier länger und unverhüllter entgegentraten als an den Universitäten.“19 Diese Umstände erklären die vergleichsweise höhere Zahl weiblicher Studienabbrecher. Exemplarisch dafür mag das nachfolgende Beispiel einer Mathematikstudentin stehen, die ihren ursprünglichen Berufswunsch der Ingenieurin zugunsten eines Lehramtstudiums aufgegeben hatte: ‚Ein Studium auf der Technischen Hochschule wäre mir bei meiner mehr praktischen Veranlagung am sympathischsten gewesen. Leider liegen die Verhältnisse dort so, daß bei dem scharfen Konkurrenzkampf ein Mädchen gar keine Aussicht hat, sich durchzusetzen, es sei denn, daß es besonders befähigt ist.‘20 Obwohl das Frauenstudium auf der einen Seite eine „gewisse Normalität“21 erreicht hatte, mehrten sich auf der anderen Seite die kritischen Stimmen gegen weibliche Studierende am Ende der Weimarer Republik erneut, die nach Kater vornehmlich aus fünf Hauptkreisen der Gesellschaft stammten – Amtspersonen, öffentliche Meinung, Dozenten, Studenten sowie den Frauen selbst.22 Der Hintergrund für diesen Mentalitätswechsel lag in den gravierenden Folgen der Weltwirtschaftskrise begründet, die, ausgelöst durch den Kurssturz an der New Yorker Börse am 24. Oktober 1929, zu einem massiven Anstieg der Erwerbslosenzahlen in Deutschland führte. Detlef Lehnert bezeichnet das „ökonomisch katastrophale Winterhalbjahr 1930/31“ als Beginn einer wirtschaftlich kaum mehr wirksam aufzuhaltenden „Krisenspirale in den Abgrund“23, nachdem die Arbeitslosenzahlen zwischen Juli und Dezember 1930 von 2,75 auf 4,4, im Februar 1931 auf fünf Millionen angestiegen waren. Obwohl München aufgrund seiner vielseitigen Wirtschaftsstruktur die Auswirkungen der Krise bis 1931 dämpfen konnte
19 Duden/Ebert, 411. 20 21-jährige Studentin. 4. Semester Mathematik, Physik, angewandte Mathematik. Berufswunsch Studienrätin, hier zitiert nach Elisabeth Knoblauch: Zur Psychologie der studierenden Frau. Eine Untersuchung über die Einstellung zum Studium und zur späteren Berufstätigkeit bei Studentinnen. In: Zeitschrift für angewandte Psychologie. Zugleich Organ des Instituts für Angewandte Psychologie in Berlin. Leipzig 1930, 481. 21 Lohschelder, 94. 22 Vgl. Kater: Krisis, 223. 23 Detlef Lehnert: Die Weimarer Republik. Parteienstaat und Massengesellschaft. Stuttgart 1999, 203.
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und der Niedergang erst allmählich die gleiche Dynamik erhielt wie im gesamten Reich24, bekam Oberbürgermeister Karl Scharnagl die Folgen der unzureichenden Beschäftigungsmöglichkeiten am Ende seiner Amtszeit ebenfalls zu spüren: Wegen der allgemeinen Massenarbeitslosigkeit fehlten 1932 im Haushaltsentwurf 16,3 Millionen Reichsmark (RM), weshalb die Staatsaufsichtsbehörde eingreifen und einen Zwangsabgleich machen musste.25 Parallel dazu warb das Studentenhaus München e. V. im November 1931 um Spenden in Form von Freitischen, Bekleidung, Nahrungsmitteln, Heizmaterial sowie Beschäftigungsmöglichkeiten für die Studierenden und brachte die sozialen Probleme dabei auf eine einfache Formel: „Gehaltsabbau, Verdienstrückgang, Arbeitslosigkeit, – und der Winter vor der Türe! Eine Leidenszeit, besonders für Eltern mit unversorgten Kindern, am härtesten, wenn ein Sohn oder eine Tochter im Hochschulstudium vor der bangen Frage steht: „Trotz Not weiterstudieren?““26 Diese Frage musste umso schwerwiegender sein, als sich im selben Jahr der errechnete Jahresbedarf an Nachwuchsakademikern auf rund 10.000 belief, eine Zahl, der geschätzte 40.000 bis 45.000 neue Hochschulabsolventen entgegenstanden.27 Auch der akademische Arbeitsmarkt war damit nicht mehr länger in der Lage, den Zustrom an potentiellen Bewerbern aufzunehmen. Dies galt u. a. für die große Anzahl von Lehramtskandidaten, weshalb schon Ende Januar 1923 der Versuch einer entsprechenden Regulierung gemacht wurde. Demnach bestand nur dann eine Möglichkeit, die Anwartschaft auf Anstellung an den höheren Lehranstalten zu erreichen, wenn den Erstsemestern zu Studienbeginn diese Option durch das Staatsministerium für Unterricht und Kultus eröffnet worden war. Trotz dieser Regelung, welche alljährlich den Schülern der 9. Klassen bekanntgegeben wurde, zeugten die Prüfungsanmeldungen von einer erheblich größeren Zahl Studierender, die sich dem Lehramt zugewandt hatten, als Schülern die Verleihung der Anwartschaft in Aussicht gestellt worden war. Aus diesem Grund erging im März 1930 an die Rektorate der drei bayerischen Landesuniversitäten München, Würzburg und Erlangen ein erneuter Hinweis auf die durch ständigen Anschlag am Schwarzen Brett anzubringende „Warnung“.28 Während einer Abiturientin im selben Jahr beim Arbeitsamt direkt vom Studium
24 Vgl. Mathias Rösch: Die Münchner NSDAP 1925–1933. Eine Untersuchung zur inneren Struktur der NSDAP in der Weimarer Republik. München 2002, 29, künftig zitiert als Rösch. 25 Vgl. Scharnagl. 26 EAM, NL Faulhaber 6711. Spendenaufruf des Studentenhauses München e. V. im November 1931. 27 Vgl. Lohschelder, 106, FN 27. 28 Vgl. UAM, Sen. 197 Band 1. Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus an die Rektorate der Universitäten München, Würzburg und Erlangen vom 12.3.1930.
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der Philologie abgeraten und diese auf die Arbeit in der Volksschule verwiesen wurde, hatte man einer Studienanfängerin von 1932 sogar prophezeit, sie könne frühestens 1975 mit einer Planstelle am Gymnasium rechnen. Eine weitere Zeitzeugin, welche im Rahmen eines auf qualitativ-narrative Interviews gestützten Dissertationsprojektes über Lebens- und Arbeitsbedingungen von Studentinnen bzw. jungen Akademikerinnen der Weimarer Republik in den 1980er Jahren befragt worden war, berichtete von einem Numerus clausus, der in Württemberg nur den Jahrgangsbesten die Absolvierung des Referendariats garantierte.29 Vor diesem Hintergrund veröffentlichte die Schriftleitung der Zeitschrift „Studentenwerk“ 1932 einen Aufsatz, welcher sich bereits in seinem Titel explizit „Gegen Studium und Beruf der Frau“ wandte. Die Meinung des Autors gipfelte dabei in der Forderung, das Vollstudium der Geschlechtsgenossinnen zum „Ausnahmerecht“ zu machen, um „der Besinnung von Müttern und Töchtern auf die echten Aufgaben des Weibes wieder zum Durchbruch“ zu verhelfen. Die hier implizierte Reduzierung auf die Rolle als Ehefrau und Mutter erfuhr eine zusätzliche Verschärfung durch den nachfolgenden Beitrag, der als Teil dieser „gedanklichen Gliederung“30 verstanden wurde und die Punkte des ersten Kritikers um adäquate Empfehlungen ergänzen sollte. Letztere bestanden jedoch lediglich in der Beschränkung der Frau auf die ihr vermeintlich wesenseigenen Berufe im Bereich von Pflege und Fürsorge.31 Der Abdruck der beiden Texte in der Zeitschrift „Studentenwerk“ rief vor allem aus Kreisen der akademischen Frauenberufsverbände entschiedenen Widerspruch hervor, zumal die Publikation vom Deutschen Studentenwerk e. V. und damit von einer aus öffentlichen Mitteln unterstützten Einrichtung herausgegeben wurde, die primär als wirtschaftliche und kulturelle Interessensvertretung aller Studierenden fungieren sollte. Auf Veranlassung des Vereins für Fraueninteressen und Frauenarbeit sowie des AkademikerinnenVerbandes stellte der Hauptverband bayerischer Frauenvereine noch im Juni des Jahres ein Gesuch an das Staatsministerium für Unterricht und Kultus mit der Bitte, zukünftig gegen die Publikation derart frauenfeindlicher Positionen vorzugehen und die geistige sowie kulturelle Entwicklung nicht den zeitbedingten,
29 Vgl. Petra Clephas-Möcker/Kristina Krallmann: Akademische Bildung – eine Chance zur Selbstverwirklichung für Frauen? Lebensgeschichtlich orientierte Interviews mit Gymnasiallehrerinnen und Ärztinnen der Geburtsjahre 1909 bis 1923. Weinheim 1988, 156, künftig zitiert als Clephas-Möcker/Krallmann: Selbstverwirklichung. 30 Alle Zitate nach E. Weller: Gegen Studium und Beruf der Frau. In: Studentenwerk. Zeitschrift der studentischen Selbsthilfearbeit. Berlin, Leipzig 1932, 22. Hervorhebung im Original. 31 Vgl. Oberregierungsrat Franzisket: Wesenseigene Berufe der Frau. In: Studentenwerk. Zeitschrift der studentischen Selbsthilfearbeit. Berlin, Leipzig 1932, 23–26.
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wirtschaftlichen Erwägungen zu opfern.32 Sowohl vonseiten der Schriftleitung als auch vonseiten des Deutschen Studentenwerks wehrte man sich jedoch gegen die Unterstellung, eine einseitige Interessenspolitik zugunsten männlicher Studierender zu betreiben. Stattdessen wollte man vornehmlich verschiedene, d. h. durchaus konträre Auffassungen im Rahmen einer freien Erörterung zulassen. Tatsächlich plädierten in der Praxis sogar Führerinnen der bürgerlichen Frauenbewegung wie Gertrud Bäumer für eine schärfere Auswahl unter den Studentinnen: „Eine Problematik des Frauenstudiums wird von uns keineswegs geleugnet. Im Gegenteil, sehr klar gesehen. Sie liegt einmal in denselben Tatsachen, die die Krisis des Akademikertums überhaupt verschulden: in dem Zuviel der Anwärter sowohl im Hinblick auf den Arbeitsmarkt wie im Hinblick auf die Qualität. Diese Zuvielen sind nach unserer Überzeugung auf der weiblichen Seite noch eine besondere Gefahr, weil sie, für das Studium ungeeignet und in ihm nicht heimisch, […] die Haltung der wirklich Berufenen mit erschweren“33. Bezug nehmend auf den ein Jahr zuvor erschienenen Sammelband der Frauenrechtlerin – „Die Frau im neuen Lebensraum“34 –, welcher eine Vielzahl von themenspezifischen Aufsätzen aus der Nachkriegszeit versammelte, brachte auch Josef Rompel 1932 sein Pamphlet „Die Frau im Lebensraume des Mannes“ heraus. In der Schmähschrift, dessen Publikation nach Meinung des Autors gleichermaßen unter dem Titel „Die studierte Frau im stark verengten Lebensraume des studierten Mannes und seiner Familie“ hätte erfolgen können, werden explizit das Massenstudium der Abiturientinnen sowie das Vordringen in männliche Berufe für die zu diesem Zeitpunkt rund 130.000 arbeitslosen Akademiker verantwortlich gemacht: „Das ist die katastrophale Lage, in der wir uns heute befinden. Die hemmungslose Offensive der Emanzipierten und die Überspannung der weiblichen Bildung ist [sic!] daran schuld.“35 Rompels Worte spiegelten gewissermaßen die bereits in der Nachkriegszeit laut gewordenen Forderungen nach einem Kampf gegen das sog. „Doppelverdienertum“ wider, die mit der Wirtschaftskrise erneut aufgekommen waren. Noch im Mai desselben Jahres wurde schließlich ein
32 Vgl. BayHStA, MK 40559. Hauptverband bayerischer Frauenvereine an das Staatsministerium für Unterricht und Kultus vom 23.6.1932. Zum Antrag des Vereins für Fraueninteressen und Frauenarbeit sowie des Akademikerinnen-Verbandes vgl. auch VfFI. Hauptverband Bayerischer Frauenvereine 1930–1938. Originalmaterial. Protokoll der Delegiertenversammlung des Hauptverbandes Bayerischer Frauenvereine vom 31.5.1932. 33 Gertrud Bäumer: Frauenberufe und Hochschulstudium. Eine Erwiderung. In: Studentenwerk. Zeitschrift der studentischen Selbsthilfearbeit. Berlin, Leipzig 1932, 78. 34 Gertrud Bäumer: Die Frau im neuen Lebensraum. Berlin 1931. 35 Alle Zitate nach Josef Rompel: Die Frau im Lebensraume des Mannes. Emanzipation und Staatswohl. Darmstadt, Leipzig 1932, 3 f., künftig zitiert als Rompel.
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Gesetz, welches die Entlassung verheirateter Beamtinnen ermöglichte, mit den Stimmen aller Parteien außer der KPD im Reichstag angenommen.36 Ungeachtet der Tatsache, dass die Anzahl der Anwärter im Vergleich zu den existierenden Stellen bei beiden Geschlechtern um ein Vielfaches gestiegen war, versuchte man also primär, weibliche Berufstätige zu verdrängen bzw. die Ausbildungsmöglichkeiten von künftigen Berufseinsteigerinnen im Vorfeld massiv einzuschränken. Besonders in der traditionell von Frauen stark frequentierten Medizinischen Fakultät traten die Ressentiments gegen Studentinnen offen hervor. Die radikalsten Forderungen gegen die „Überfüllung des ärztlichen Berufes“ wurden dabei von der berufsständigen Organisation des Deutschen Ärzte-Vereinsbundes e. V. sowie von dem 1919 gegründeten Verband Deutscher Medizinerschaften erhoben. Die Vorschläge reichten dabei von einer physischen über eine örtliche Auswahl – d. h. bspw. nach dem Talent bzw. der Eignung des Bewerbers oder nach der Anzahl der universitären Arbeitsplätze – bis hin zur Begrenzung der Neuimmatrikulationen von Abiturientinnen auf fünf Prozent der Erstsemester. Hintergrund dieser drastischen Zielsetzungen war die starke Zunahme der Studierenden. Angesichts der anhaltenden Überfüllung akademischer Berufe fand sie während der gesamten Weimarer Zeit ihren besonderen Ausdruck im Beruf des Mediziners, der bereits vor dem Ersten Weltkrieg die maximale Auslastung aller freien Stellen erreicht hatte. Während der jährliche Bedarf auf 1400 bis 1800 Nachwuchskräfte geschätzt wurde, standen im Studienjahr 1930/31 1086 reichsdeutsche weibliche und 4664 männliche Medizinstudenten im ersten und zweiten Semester. Angesichts dieser Entwicklung verwundern die bereits genannten diskriminierenden Aussagen der Berufsverbände nicht. Forderungen wie die Fünf-Prozent-Klausel für potentielle Medizinstudentinnen sollten vermutlich wenigstens den Istzustand sichern, zumal der Anteil der Frauen in der Ärzteschaft im Jahr 1931 ohnehin nur bei 5,6 % lag.37
36 Vgl. Dörte Winkler: Frauenarbeit im „Dritten Reich“. Hamburg 1977, 24 f., künftig zitiert als Winkler. Nach § 1 konnten demnach nun „weibliche Reichsbeamte entlassen werden, wenn die Versorgung nach der Höhe des Familieneinkommens dauernd gesichert erschien.“ Wenngleich das Gesetz während der Weimarer Republik lediglich noch praktische Bedeutung für Reichspostbeamtinnen erlangte, war es jedoch ein eindeutiger „Verstoß gegen die Reichsverfassung, die in Artikel 128, II alle Ausnahmebestimmungen gegen weibliche Beamte untersagte. Als Maßnahme zur Arbeitsbeschaffung war das Gesetz völlig irrelevant, doch hob es das seit 1919 wenigstens theoretisch vorhandene Recht der Frauen auf gleiche Berufschancen auf.“ Ebd., 25. 37 Vgl. Gertrud Bäumer: Krisis des Frauenstudiums. Leipzig 1932, 11, künftig zitiert als Bäumer: Krisis. So befanden sich 1931 unter einer Gesamtzahl von 49.974 ausgebildeten Medizinern 2807 Ärztinnen. Ebd.
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Allein an der Universität München hatte sich zwischen dem Sommersemester 1925 und dem Sommersemester 1928 der Zugang im ersten Semester mit 332 von ehemals 169 Einschreibungen nahezu verdoppelt. Dazu kamen noch die Erstsemester des Winterhalbjahres, welche ebenfalls von 28 auf 43 angestiegen waren. Dementsprechend waren die Institute, die für diese Studierenden bereitstanden, stark überfüllt – eine Situation, von der man annahm, dass sie spätestens in den kommenden zwei Jahren wohl auch die Kliniken sowie die für den Unterricht der höheren Semester fungierenden Institute betreffen würde. Darüber hinaus musste mit einem Mangel an Personal und Instrumenten sowie der daraus im Einzelfall resultierenden Abweisung von Neuzugängen gerechnet werden. Obwohl das Dekanat der Medizinischen Fakultät angesichts dieser Entwicklung bereits im April 1929 die Befürchtung aussprach, die Abneigung derjenigen deutschen Studenten, die keinen Platz mehr erlangen, könnte sich gegen inskribierte Ausländer richten, gab es vonseiten des Dekans, Professor Dr. Karl Kißkalt, keinerlei Empfehlungen, die explizit auf eine Beschränkung bestimmter Gruppen oder Minderheiten ausgerichtet waren.38 Das erscheint umso erstaunlicher, zumal der Hygieniker seinen Hörerinnen als nicht besonders zugetan galt39, und der Prozentsatz von Medizinstudentinnen zwischen dem Wintersemester 1918/19 und dem Wintersemester 1932/33 reichsweit stets über dem Gesamtdurchschnitt studierender Frauen lag, d. h. die Kommilitoninnen während der Weimarer Zeit in diesem Studiengang prozentual immer stärker vertreten waren als ihre männlichen Geschlechtsgenossen.40 Dies schürte nach Meinung mancher Historiker die „chauvinistischen Ängste“41 der medizinischen Verbandsvertreter, die sich ohnehin den entrüsteten Reaktionen der Betroffenen gegenüber sahen, offensichtlich noch mehr. So wandte sich die erste Vorsitzende des Bundes Deutscher Ärztinnen e. V., Dr. Luzie Hoffa, im Mai 1932 schriftlich an das Bayerische Innenministerium in München. In ihrer Eingabe zur Frage der Überfüllung des Medizinstudiums befürwortete sie zwar grundsätzlich die Notwendigkeit, die Zahl der Studierenden einzuschränken, doch sollte diese lediglich „unter dem Gesichtspunkt einer geistigen Auslese erfolgen.“ Hoffa plädierte für die „Einführung einer obligatorischen praktischen Ausbildung in Krankenpflege vor dem Eintritt in das Studium“, um eine wirkliche Auslese für das Medizinstudium zu ermöglichen. Im Hinblick
38 Vgl. UAM, G-I-5 Band 2. Karl Kißkalt an das Rektorat der Universität München mit der Bitte um Weiterleitung an das Staatsministerium für Unterricht und Kultus vom 4.4.1929. 39 Vgl. Kapitel V, 4 Selbst- und Fremdwahrnehmung der Studentinnen an der Universität. 40 Vgl. Kater: Krisis, 213. 41 Mertens: Töchter, 94.
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auf das Vorbild der Schweizer Universitäten erwog sie außerdem eine erste Vorprüfung nach zwei Semestern, damit ungeeignete Kandidaten bereits frühzeitig ausgeschieden werden konnten. Eine Zurückdrängung weiblicher Studierender, wie sie etwa der Verband Deutscher Medizinerschaften gefordert hatte, d. h. eine „willkürliche Beschränkung auf einen – noch dazu winzigen – Prozentsatz“42 lehnte die tätige Stadtschulärztin dagegen entschieden ab. Ihrer Ansicht nach mussten zukünftig für Männer und Frauen die gleichen Grundsätze bei der Zulassung zum Studium Anwendung finden. Sowohl die Eingaben des Bundes Deutscher Ärztinnen als auch des Verbandes Deutscher Medizinerschaften blieben nicht ungehört. Allerdings war man an der Medizinischen Fakultät München der Meinung, dass die Überfüllungsfrage nicht allein eine Angelegenheit des medizinischen Studiums, sondern aller akademischen Berufe sei, weshalb nur diejenigen regulierenden Maßnahmen als erfolgsversprechend galten, die den Zugang zum Studium überhaupt zu beschränken vermochten. Aus diesem Grund sprach sich das Dekanat gegen die Einführung eines Numerus clausus und gegen den Vorschlag des Bundes Deutscher Ärztinnen aus, die von der Schule kommenden Absolventen nach Ableistung eines pflichtmäßigen praktischen Krankenpflegekurs auszulesen. Nach Ansicht der Fakultät schien es das Wichtigste zu sein, den Schwerpunkt auf die Beschränkung und Revision des Berechtigungswesens zu legen, welches im Verlauf der zurückliegenden Jahrzehnte auf immer mehr Gruppen von Mittelschulen ausgeweitet wurde und damit die Voraussetzung zum Hochschulbesuch geschaffen hatte.43 Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt Konrad H. Jarausch in seiner Analyse über die sog. „Gebildeten“44 in der Weimarer Republik, in welcher sich die bereits 1929 von Hans Sikorski45 angestellte Überlegung findet, wonach der nominelle Anstieg der Studierendenzahl nicht identisch mit der realen Zunahme gewesen, sondern vielmehr auf die um rund ein Fünftel verlängerte Hochschulzeit (Werk-
42 Alle Zitate nach UAM, G-I-5 Band 2. Luzie Hoffa an das Bayerische Ministerium des Innern vom 27.5.1932. Hervorhebung im Original. 43 Vgl. ebd. Karl Wessely an den Akademischen Senat zur Weiterleitung an das Staatsministerium für Unterricht und Kultus vom 11.7.1932. 44 Vgl. Konrad H. Jarausch: Die Gebildeten in der Dauerkrise 1918–1932. In: Ders.: Deutsche Studenten 1800–1970. Frankfurt am Main 1984, 117–163, hier 131 f., künftig zitiert als Jarausch: Dauerkrise. 45 Vgl. Hans Sikorski: Die Zahlen der Studierenden an den deutschen Hochschulen, Entwicklung und Wertung. In: Studentenwerk. Zeitschrift der studentischen Selbsthilfearbeit. Berlin, Leipzig 1929, 33. Sikorski führt zudem die „Erschwerung der Examina“ als weiteren Grund für den verlängerten Aufenthalt etlicher Studierender an den Hochschulen an. Ebd.
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arbeit, verschärfte Examina, Erhöhung der Mindeststudienzeit) zurückzuführen sei, d. h. die Frequenz hatte sich um eben diese Menge erhöht, ohne dass neue Immatrikulationen dazugekommen waren. Die Gründe für das reale Anwachsen der Studenten- und Studentinnenzahlen seien dagegen besonders in der Vergrößerung der Altersgruppe der 18- bis 25-Jährigen im Zeitraum von 1919 bis 1931 sowie im Ausbau des modernen Oberschulwesens gelegen. Darüber hinaus habe die 1920 für Mädchen und Jungen eingeführte vierjährige Grundschule die Voraussetzung dafür geschaffen, dass eine größere Zahl eine höhere Schule besuchen und die Berechtigung zum Hochschulstudium erlangen konnte.46 Mit der Neugründung von Studienanstalten sowie dem Ausbau bestehender Mädchenschulen war außerdem gerade denjenigen Schülerinnen, die ehemals an ihren Heimatorten keine weiterführenden Schulen vorfanden, die Möglichkeit zum Erwerb der Hochschulreife gegeben, wie zwei Historikerinnen in ihrer Untersuchung über die „Studentinnen in der Weimarer Republik“47 betonen. Ein Blick auf die Entwicklung der Gesamtmenge der Abiturienten von 1925/26 bis 1931 zeigt, dass das erweiterte Bildungsangebot auf deutliche Resonanz stieß: Während die Zahl der männlichen Abiturienten um etwa 66 % gestiegen war, vervierfachte sich die Zahl der Abiturientinnen im selben Zeitraum.48 Die Entwicklung der Studentinnen-Zahl verlief damit jedoch nicht analog: So war allein die Anzahl der Studentinnen zwischen dem Sommersemester 1925 und dem Sommersemester 1928 von rund 5150 auf 12.000, die der Männer dagegen von knapp 53.000 auf 71.000 angestiegen49 – eine sog. „Krise des Frauenstudiums“ wurde, wie Schlüter beschwichtigend darstellt, in gewisser Hinsicht wohl tatsächlich „herbeigeredet“50. Ungeachtet der steigenden Zahl von Schulabsolventen mit Hochschulberechtigung setzte man an der LMU auf eine gewisse Form der Selbstregulierung, die den Zustrom zum akademischen Studium begrenzen sollte, zumal die Neu-
46 Vgl. Jarausch: Dauerkrise, 117–163, hier 131 f. 47 Vgl. Benker/Störmer, 45. 48 Vgl. Bäumer: Krisis, 7. 49 Vgl. dazu insgesamt die Entwicklung der Deutschen Universitäten zwischen dem Sommersemester 1925 und dem Sommersemester 1928. In: Deutsche Hochschulstatistik. Mit textlichen Erläuterungen und graphischen Darstellungen. Sommerhalbjahr 1928. Berlin 1928, XV. Darüber hinaus war etwa der Anteil weiblicher Immatrikulationen im Wintersemester 1931/32 um mehr als 25 % zurückgegangen. Vgl. Bäumer: Krisis, 8. 50 Anne Schlüter: „Wenn zwei das Gleiche tun, ist das noch lange nicht dasselbe“ – Diskriminierungen von Frauen in der Wissenschaft. In: Anne Schlüter/Annette Kuhn (Hgg.): Lila Schwarzbuch. Zur Diskriminierung von Frauen in der Wissenschaft. Düsseldorf 1986, 22, künftig zitiert als Schlüter.
1.1 Die gesellschaftliche Haltung gegenüber den Studentinnen
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eintritte von Schülern in höhere Lehranstalten angesichts der schlechten wirtschaftlichen Lage mittlerweile beträchtlich abgenommen hatten. Speziell für das Medizinstudium versprach man sich außerdem eine abschreckende Wirkung aufgrund der aktuell für die Zulassung zur Kassenpraxis geforderten drei Assistentenjahre.51 Die zögerliche Vorgehensweise wurde jedoch rasch von der Realität überholt. Während etwa die Philosophische Fakultät II. Sektion, zu der u. a. die Fachbereiche Astronomie, Mineralogie, Physik und Chemie gehörten, keinerlei Überfüllungsprobleme verzeichnete bzw. durch rechtzeitige Abweisung von Studierenden oder Institutsneubauten Entlastung fand, sahen sich sowohl der Syndikus der Universität, Rudolf Einhauser, als auch die Medizinische Fachschaft veranlasst, explizit auf die untragbaren Verhältnisse der Vorlesung über „Chirurgische Klinik“ hinzuweisen. Entgegen der im November 1932 getroffenen Aussage des Dekanats der Fakultät, wonach sich angeblich bereits an manchen Stellen der erhoffte, deutlich nachlassende Zustrom von Medizinstudenten bemerkbar machte und Zurückweisungen aufgrund der verbesserten Auslastung der bisherigen Räumlichkeiten nicht erfolgen mussten52, standen in der von Geheimrat Erich Lexer gehaltenen Pflichtvorlesung bei maximaler Auslastung bzw. allerhöchster Besetzung des Hörsaales 875 Studierende 417 Plätzen gegenüber.53 Tatsächlich war allein die Höhe der Einschreibungen für die Chirurgische Klinik von rund 740 im Wintersemester 1930/31 auf 875 im Wintersemester 1932/33, die gesamte Anzahl der Medizinstudierenden im aktuellen Semester um mehr als 350 angestiegen, was die Verhältnisse nunmehr „unerträglich“54 machte. Dieser Zustand war offenbar von der Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin schon übertroffen worden. So schlug Rektor Josef Felix Pompeckj sogar nach seiner Amtszeit 1925/26 vor, aufgrund der Enge in den Hörsälen bzw. des Mangels an Räumlichkeiten die Universität aus Berlin auszulagern.55 Weil die erwartete Einschränkung dieses medizinischen Studienganges an der LMU weder eingetreten noch in absehbarer Zeit zu erwarten war und der
51 Vgl. UAM, G-I-5 Band 2. Karl Wessely an den Akademischen Senat zur Weiterleitung an das Staatsministerium für Unterricht und Kultus vom 11.7.1932. 52 Vgl. ebd. Oswald Bumke an das Rektorat der Ludwig-Maximilians-Universität München vom 12.11.1932. 53 Vgl. ebd. Zusammenfassender Bericht von Robert Einhauser zur Überfüllung des Hochschulstudiums vom 23.12.1932 sowie Medizinische Fachschaft der Studentenschaft der Universität München an den Allgemeinen Studentenausschuß der Universität München mit dem Ersuchen um Weiterleitung an einen hohen Senat der Universität München vom 3.1.1933. 54 Ebd. Die Studentenschaft der Universität München an das Rektorat der Universität München vom 11.1.1933. 55 Benker/Störmer, 95, FN 64.
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Bedarf an Ärzten für die kommenden neun Jahre als abgedeckt galt56, sah sich das Staatsministerium des Innern im Benehmen mit dem Staatsministerium für Unterricht und Kultus schließlich im April 1933 veranlasst, die Neuinskriptionen zu beschränken und für München das Kontingent auf 345 Studenten, für die Universitäten Würzburg und Erlangen auf 130 bzw. 98 zu limitieren. Die Entscheidung über die Zulassung unterlag nun der Prüfungskommission für die ärztliche Vorprüfung, die in erster Linie diejenigen Gesuchsteller berücksichtigen sollte, welche aufgrund des Wohnortes der Eltern oder deren Stellvertreter den Besuch einer bayerischen Universität anstrebten, soweit man ihnen nicht vonseiten der Schule vom Hochschulstudium abgeraten hatte.57 Abiturientinnen, wie die aus Passau stammende Karoline Eckl, sahen sich aus diesem Grund zum Teil gezwungen, vorerst ein „Parkstudium“ wie Naturwissenschaften zu ergreifen, da sie „wegen des damals in München eingeführten numerus clausus zum Medizinstudium nicht zugelassen“58 worden war. Ausländische Medizinstudierende, die keine deutsche ärztliche Approbation anstrebten, durften über die Höchstzahlen hinaus zugelassen werden, wenn ihr Anteil daran nicht mehr als maximal 10 % betrug. Dass Juden von der Neueinschreibung für dieses Studiengebiet damit grundsätzlich ausgeschlossen waren, nahm man, so der kommissarische Innenminister Adolf Wagner, zu diesem Zeitpunkt, d. h. wenige Wochen nach Hitlers Machtantritt, als „selbstverständlich“59 an. Die Schriftleitung der Bayerischen Ärztezeitung begrüßte die „Entschlossenheit der bayerischen Regierung“ zwar nachdrücklich, gab aber gleichzeitig zu bedenken, dass weitere Restriktionen notwendig seien, um eine Einschränkung des Medizinstudiums herbeizuführen:
56 Vgl. UAM, G-I-5 Band 2. Bekanntgabe des Staatsministeriums des Innern vom 4.4.1933 Nr. 5002 a 1 betreffend Numerus Clausus für Medizinstudierende. 57 Vgl. ebd. Bekanntgabe des Staatsministeriums für Unterricht und Kultus vom 13.4.1933 betreffend Numerus Clausus für Medizinstudierende: „Gesuche um Neuaufnahme für das Studium der Medizin sind mit den nach den Satzungen vorgeschriebenen Belegen sowie einem selbstgeschriebenen Lebenslauf und der eidesstattlichen Versicherung, daß dem Gesuchsteller nicht seitens der Schule vom Hochschulstudium abgeraten wurde, innerhalb der Immatrikulationsfrist beim Rektorate der Universität einzureichen.“ 58 Karoline Eckl: Erfahrung bei der Behandlung diabeteskranker Kinder. Diss. München 1940. Zu Beginn ihres zweiten Semesters konnte sich Eckl schließlich für das Medizinstudium einschreiben. 59 UAM, G-I-5 Band 2. Bekanntgabe des Staatsministeriums des Innern vom 4.4.1933 Nr. 5002 a 1 betreffend Numerus Clausus für Medizinstudierende. Auch van den Bussche (30) thematisiert die zunehmenden „Forderungen nach selektiven Zulassungsbeschränkungen für Juden“ im Bereich der Medizinerschaften zu Beginn der 1930er Jahre.
1.1 Die gesellschaftliche Haltung gegenüber den Studentinnen
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„Es ist noch im bevölkerungspolitischen Interesse dringendst zu wünschen, daß auch das Frauenstudium eingeschränkt wird.“60 Während es für die Medizinische Fakultät der LMU keinerlei Hinweise gibt, die auf eine grundsätzlich frauenfeindliche Atmosphäre hindeuten, wandte sich die Naturwissenschaftliche Fachschaft der Universität Erlangen im Dezember 1932 an das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus mit der Aufforderung, für eine „Regelung des Frauenstudiums“ einzutreten. Unter Vertretung des ersten Vorstandes unterstrich man den Wunsch mit dem Hinweis, dass über ein Drittel der an den drei bayerischen Universitäten München, Würzburg und Erlangen eingeschriebenen Studentinnen dem höheren Lehramt zustrebte: „Das ist eine stattliche Anzahl, wenn man bedenkt, wie sehr sich das Heer der wartenden Assessoren verringern würde, wenn nicht ein großer Teil städtischer und privater Lehrstellen und sonstiger freier Berufe auf akademischer Grundlage von Damen eingenommen werden wollten. Abhilfe durch Einführung eines Numerus Clausus oder Sperrung des Examens tut not!“61 Auslöser für diese drastische Forderung mag neben der „Furcht vor unliebsamer Konkurrenz im Lehrberuf“62 die unerwartete Zunahme von Frauen in der Philosophischen Fakultät II. Sektion im Wintersemester 1932/33 gewesen sein. Während ihr Anteil in den vergangenen eineinhalb Jahren noch merklich zurückgegangen war, hatte sich ihre Summe an den o. g. Universitäten von 298 im Sommersemester 1932 auf aktuell 319 erhöht. Allerdings musste Erlangen an den insgesamt 21 Zugängen gerade einmal einen Anteil von zwei Studentinnen verzeichnen, während die Universität Würzburg sogar vier Exmatrikulationen meldete und der Großteil der zusätzlichen Neueinschreibungen damit auf die LMU entfiel.63 Warum ausgerechnet die Naturwissenschaftliche Fachschaft Erlangens angesichts dieser Zahlen einen derart diskriminierenden Kurs vorschlug, lässt sich an dieser Stelle nicht hinreichend klären. Fest steht, dass neben amtlichen Personen bzw. Instanzen wie den medizinischen Fachverbänden auch die Studenten mitunter dem gesellschaftlichen Kreis derer angehörten, die offen in Opposition zu den weiblichen Hörern traten. Obwohl sie, anders als die erste Generation von Studentinnen, keine exotische Ausnahme mehr bildeten und nicht mehr fürch-
60 Alle Zitate nach Numerus Clausus für Medizinstudierende in Bayern. In: Bayerische Ärztezeitung. Bayerisches ärztliches Correspondenzblatt. Nr. 15. 36. Jahrgang. München 1933. 61 Alle Zitate nach BayHStA, MK 40559. Naturwissenschaftliche Fachschaft Erlangen an das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus vom 12.12.1932. 62 Lehmann: Frauenstudium, 490. 63 Vgl. BayHStA, MK 40559. Staatsministerium für Unterricht und Kultus an das Rektorat der Universität Erlangen im Januar 1933, hier: Zahlen der weiblichen Studierenden deutscher Reichs angehörigkeit.
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ten mussten, von vornherein als „Blaustrümpfe“64 verspottet zu werden, blieben die Kommilitoninnen selbst an den als aufgeschlossener geltenden Großstadtuniversitäten nicht immer von männlichen Ressentiments verschont, wie eine Münchner Medizinstudentin im Rahmen einer wissenschaftlichen Untersuchung berichtete: ‚Mein Schwager studierte […] vor mir in München, da haben sie den Frauen keine Sitzplätze gegönnt, und wenn sie sich hingelegt hätten oder die Stühle abserviert hätten. Da hat nie eine Frau sitzen dürfen. Sie hatten immer während der Vorlesungen stehen müssen.‘65 Ähnliche Zeitzeugenaussagen verdeutlichen die latent vorherrschende Konkurrenzsituation an den Universitäten, die spätestens mit der Rückkehr der Soldatenstudenten aus dem Ersten Weltkrieg einsetzte und sich besonders in den stark frequentierten Übungen, Praktika und Vorlesungen der naturwissenschaftlichen und medizinischen Fächer deutlich machte: ‚[N]un kamen damals auch langsam schon die Kriegsteilnehmer zurück. Und da sah man uns Mädchen sehr ungern auf der Universität. Ich habe also in dem Chemiekolleg (…) für die Vorlesung nur einen Platz im Hörsaal bekommen, weil [ein Bekannter meines Bruders], der schon ein Semester vorher da gewesen war, hinter sich auf der Bank eine Visitenkarte mit seinem Namen hingemacht [hatte]. (…) und das war dann eben mein Platz, da konnte ich sitzen, sonst wäre ich da gar nicht hereingekommen.‘66 Auch Glasers Untersuchung über die Anfänge des Frauenstudiums in Tübingen zeigt, dass das Anbringen von Visitenkarten seit den frühen 1920er Jahren eine weit verbreitete Methode darstellte, um sich einen Platz im Übungs- oder Hörsaal zu sichern, wenngleich diese von den Studenten oftmals nicht akzeptiert wurde. Besonders die aus den Lazaretten bzw. dem Feld heimkehrenden Soldaten
64 Vgl. dazu den Aufsatz von Schlüter, 10–33. Hier besonders auch das Bild auf Seite 11 mit folgender Unterschrift: „Der „Blaustrumpf“ im Witz (Fliegende Blätter, 1908/09). ‚Aber ich bitt’ Sie, mit so einem lieben G’sichterl studiert man doch nicht!‘“ Zum Begriff des „Blaustrumpfs“ vgl. Michael Klant (Hg.): Die Universität in der Karikatur. Böse Bilder aus der kuriosen Geschichte der Hochschulen. Hannover 1984, 108. 65 Dr. R. 2/41, Jahrgang 1910, über ihr Medizinstudium im Nationalsozialismus, hier zitiert nach Cohors-Fresenborg, 78 f. Die Zeitzeugin gibt an, ihr Schwager habe fünf Jahre vorher in München studiert. Bezug nehmend auf den Jahrgang der Gesprächspartnerin wird angenommen, dass diese sich Anfang der 1930er Jahre an der LMU immatrikuliert hat und die Studienzeit des Schwagers somit in die letzten Jahre der Weimarer Republik fiel; bei Cohors-Fresenborg fehlen genauere Angaben. 66 Frau D., Jahrgang 1899, Chemiestudentin von 1919 bis 1926, hier zitiert nach Clephas-Möcker/Krallmann: Selbstverwirklichung, 66. Zum Verhältnis zwischen Studentinnen und Studenten vgl. auch H. Tönnießen: Die studierende Frau und das Geschlechterproblem. In: Die Frau. 84. Jahrgang. Heft 11. Berlin 1927, 673–680.
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des Ersten Weltkrieges „verteidigten ihre ‚Erbhöfe‘“67 in den vorderen Reihen und verwiesen ihre Kommilitoninnen auf die hinteren Plätze, indem sie die Karten einfach umsteckten. Auf die Kritik einer Studentin an diesem Verhalten soll ihr ein Kommilitone entgegnet haben: ‚Während wir an der Front waren, hattet Ihr die Hörsäle für Euch. Jetzt müßt Ihr uns den Vortritt lassen.‘68 Einer zeitgenössischen Einschätzung gemäß hatte dementsprechend selbst mancher Student das Gefühl, als verstünde es die ältere Generation, also die Professoren, zum Frauenstudium eine „ungleich freundlicher hinnehmende Haltung“69 zu bewahren als die junge Generation der Kommilitonen. Diese waren nicht selten geneigt, hinter dem Studium der – überwiegend gut situierten – Frauen eine bloße Modeerscheinung oder gar ein reines Zweckmittel zu vermuten: „Die Hörsäle, die Seminare und die Kliniken sind zu Heiratsmärkten geworden. Ein Student gebraucht sogar […] den kräftigen Ausdruck von den geistigen Bordellen ‚der Weiberkollegs‘.“70 Erst Ende der 1920er Jahre sei, so das Ergebnis Glasers, etwa in Tübingen der Umgang zwischen den Studierenden beiderlei Geschlechts selbstverständlicher geworden, was ehemalige Studentinnen u. a. mit der koedukativen Schulerziehung erklärten: ‚Vielleicht hat es schon eine Rolle gespielt, daß man in einer gemischten Klasse war. Man ist einfach freier gewesen als jene, die von einer reinen Mädchenschule kamen.‘71 Auch die gemeinsame Freizeitgestaltung von Studenten und Studentinnen, die sich, nach Scherb, schon im Kaiserreich abzuzeichnen begann, wurde während der Weimarer Republik zur Normalität.72 Inwieweit derartige Vorurteile, Spannungs- oder gleichermaßen beginnende Kameradschaftsverhältnisse den universitären Alltag an der LMU bestimmten, bedürfte jedoch weiterer Untersuchungen, welche im Hinblick auf die Themenstellung der Arbeit sowie die Tatsache, dass etwa repräsentative Zeitzeugenbefragungen für die Endphase der Weimarer Republik versäumt wurden und mittlerweile unmöglich geworden sind, nicht vorgenommen werden konnten. Interessant ist in diesem Zusammenhang die zeitgenössische Arbeit von Elisabeth Knoblauch über die „Psychologie der studierenden Frau“, welche sich als „Untersuchung über die Einstellung zum Studium und zur späteren Berufstätig-
67 Glaser, 141. 68 Frau Hi., hier zitiert nach ebd. 69 Walter Steinhauer: Die geistige Situation Student – Studentin. In: Die Frau. 39. Jahrgang. Heft 1. Berlin 1931, 30. 70 Rompel, 7 f. 71 Frau C., hier zitiert nach Glaser, 244. 72 Vgl. Scherb, 111.
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keit bei Studentinnen“73 versteht. Während ein Teil der ca. 120 von Knoblauch befragten Frauen angab, das Studium zur Berufsvorbereitung oder aus wissenschaftlichem Interesse aufgenommen zu haben, stellte selbiges für andere lediglich eine Form von universeller Weiterbildung ohne konkretes Ziel dar. Was die spätere Berufstätigkeit betrifft, so sahen die Studentinnen diese zwar durchaus als Option zur Verselbstständigung, seelischen Bereicherung, Befriedigung eines Sachinteresses oder als Wunsch nach einem Schaffenskreis bzw. Wirkungsfeld74, gaben jedoch oftmals an, den erlernten Beruf nach einer Eheschließung womöglich nicht mehr fortzuführen: „‚Ich gebe offen zu, daß ich, wenn ich in die Lage käme, einen Mann zu finden, der mir vollkommen entspräche und mindestens das Auskommen hätte, das ich allein haben werde, den Beruf aufgeben würde, nachdem er mir natürlich erst als Mittel hätte dienen müssen, meine Aussteuer zu beschaffen. Soweit ich meine Kommilitoninnen kenne, sind wir so ziemlich alle der Ansicht, daß der schönste und eigentliche Beruf der Frau doch die Ehe ist.‘ (22 J., 7. Sem., Deutsch, Geschichte, Geographie, Lehrberuf.)“75 Ein ähnliches Forschungsdefizit besteht hinsichtlich des lokalen Umgangs zwischen weiblichen Lernenden und männlichen Lehrenden an einzelnen Universitäten. Letztere galten lange Zeit als die mit Abstand hartnäckigsten Gegner des Frauenstudiums; ein Großteil von ihnen hatte die Verzögerung desselben im ausgehenden 19. Jahrhundert maßgeblich mitverschuldet.76 Als Legitimation für die Abwehrhaltung diente eine Vielzahl von Argumenten, welche nicht selten
73 Elisabeth Knoblauch: Zur Psychologie der studierenden Frau. Eine Untersuchung über die Einstellung zum Studium und zur späteren Berufstätigkeit bei Studentinnen. In: Zeitschrift für angewandte Psychologie. Zugleich Organ des Instituts für Angewandte Psychologie in Berlin. Leipzig 1930, 438–524, künftig zitiert als Knoblauch. 74 Ebd., 476. 75 Ebd., 482. 76 „(D)ie prinzipiellen Gegner des Frauenstudiums waren fast ausschließlich Mediziner, näherhin Anatomen, Chirurgen, Gynäkologen, daneben auch Juristen, während von seiten der Philosophen, Historiker, Kunsthistoriker, auch der Staatswissenschaftler kaum grundsätzliche Bedenken erhoben wurden.“ Boehm: Frauenstudium, 309. Zu den Anfängen und Schwierigkeiten des Frauenstudiums an anderen deutschen Universitäten vgl. exemplarisch Heide Reinsch/ Elke Lehnert: Zu den noch nicht gehobenen Schätzen des Berliner Universitätsarchivs – dargestellt am Beispiel der Anfänge des Frauenstudiums. In: Zentrum für interdisziplinäre Frauenforschung/Frauenbeauftragte der Humboldt-Universität zu Berlin (Hgg.): Zur Geschichte des Frauenstudiums und weiblicher Berufskarrieren an der Berliner Universität. Dokumentation eines Workshops veranstaltet am 25. November 1995 vom Zentrum für interdisziplinäre Frauenforschung und der Frauenbeauftragten der Humboldt-Universität zu Berlin. Berlin 1996, 18–33. Zu den Erfahrungen von Studentinnen in der Weimarer Republik im Umgang mit ihren Kommilitonen vgl. auch Kater: Krisis, 224 f.
1.1 Die gesellschaftliche Haltung gegenüber den Studentinnen
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durch die Überbetonung physiologischer und anatomischer Verschiedenheiten der Geschlechter motiviert waren. Dazu gehörte, der „weiblichen Psyche spezifische, dem Hochschulstudium abträgliche Eigenschaften“ nachzusagen, und die Frau primär als gefühlsbetontes, den Mann als vernunftbegabtes Wesen zu kategorisieren. Konsequenterweise neige die spezifisch weibliche Intelligenz daher „im wissenschaftlichen Denken mehr zur unschöpferischen Synthese, nicht zur produktiven Analyse wie beim Manne“77, so die Kritiker. Sowohl Kater als auch Grüttner unterscheiden insgesamt vier Varianten der Intoleranz bzw. vier Argumente, durch welche allgemein die Vorurteile gegen das Frauenstudium sowie gegen akademische Frauenberufe genährt wurden, darunter die Mutmaßung, Frauen verlören durch das Studium ihre Weiblichkeit und würden sich gleichzeitig von den dem weiblichen Geschlecht zugeordneten Aufgabengebieten der Kindererziehung und Familienbetreuung entfernen bzw. sie seien geistig minderwertig und an der Universität nur als einem potentiellen Heiratsmarkt interessiert.78 Selbst bei wissenschaftlich engagierten Studentinnen konnte somit eine geplante Eheschließung das unfreiwillige Ende der universitären Ausbildung bedeuten, wie das Beispiel von Hedwig Mosler zeigt. Zur umfassenden Vorbereitung auf den von ihr angestrebten Berufseintritt ins öffentliche Wohlfahrtsleben entschloss sich die im katholisch-bürgerlichen Umfeld aufgewachsene Frau im Wintersemester 1924/25 zum Studium der Nationalökonomie an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. Obwohl Mosler die einzige Studienanfängerin in diesem Fach gewesen war und nach der volkswirtschaftlichen Diplomprüfung 1927 einen Lehrgang über soziale Fürsorgearbeit an der Universität Münster absolviert hatte, bemerkte ihr Doktorvater auf den Erhalt ihrer Verlobungsanzeige im Jahre 1931, „nun könne er sie ja aus der Doktorandenliste streichen.“79 Einzelne Beispiele für derlei vorurteilsbehaftete Einstellungen finden sich gleichermaßen an der Universität München, wie ein Blick in die Promotionsakten von Doktorandinnen aus den Jahren 1926 bis 1933 zeigt: „Die Darstellung ist typisch weiblich. (Wäre sie accentuierter, so hätte eine sehr gute Note dastehen dürfen)“80, eine geschlechtsspezifische Beurteilung, der man sich selbst wenige
77 Alle Zitate nach Kater: Krisis, 221. 78 Vgl. dazu ebd., 219–223, sowie Grüttner, 112 f. 79 Kuhn/Rothe/Mühlenbruch, 51. Nachdem Hedwig Mosler in Bonn an der Münsterpfarre mit der Einrichtung eines Pfarrbüros betraut worden war, widmete sie sich vollständig ihrer Familie. 80 UAM, O-Np-SS 1932 B-W. Gutachten von Wilhelm Pinder über die Doktorarbeit von Ruth Schweisheimer „Johann Georg Dürr der Bodenseeplastiker des Louis Seize“ vom 18.7.1932. Die Druckfassung der 1935 veröffentlichten Dissertation lautet jedoch „Johann Georg Dirr [sic!] der Bodenseeplastiker des Louis XVI“.
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Jahre später noch bediente: „Ihre Darstellung ist gelegentlich etwas weiblich überschwänglich, wortreich, mit superlativischen Neigungen.“81 Ebenso wie die Ausführungen des Kunsthistorikers Wilhelm Pinder sowie des Professors für Mittlere und Neuere Geschichte, Karl Alexander von Müller, ließen auch die den Akten beigefügten Gutachten des Romanisten Karl Vossler teilweise eine rein fachliche Stellungnahme vermissen: „Wenn ich die vorliegende Leistung als eine richtige Frauenarbeit bezeichnen muß, so meine ich das nicht im tadelnden Sinne. Die Verfasserin erfasst wesentlich gefühlsmäßig das Eigenartige […]. Dabei ist ihr Gefühl aber sehr sicher, sehr unparteiisch und geradezu vernünftig.“ Im Gegensatz zu dem im Wintersemester 1928/29 verfassten Votum informativum, welches der Philologin und angehenden Lehrerin trotz ihres Geschlechtes eine „hohe Begabung“ sowie eine „ausgebreitete Kenntnis“82 bescheinigte, tritt in anderen Beurteilungen das grundsätzliche Misstrauen in die wissenschaftliche Befähigung der Frauen paradoxerweise gerade erst vor dem Hintergrund positiver Ergebnisse deutlich hervor: „Die Arbeit liefert den Beweis eines hohen Grades von Denkschärfe, eines Denkvermögens, das durch mathematische Arbeit zu äusserster Präzision und Knappheit des Ausdrucks gelangt. Die Arbeit ist jedenfalls eine Leistung, an der man seine Freude haben kann. Erstlings-Arbeiten von Studentinnen in so überzeugender Sicherheit und Klarheit der Gedankenführung, geradezu karg im Ausdruck, unweiblich, werden nicht oft vorkommen.“83 Während bspw. die Lektüre von Memoiren nur spärliche Einsichten in das Verhältnis zwischen Studentinnen und Dozenten erlaubt, vermitteln die Gutachten zumindest einen zeitgenössischen Eindruck von der Bewertung weiblicher Leistungsfähigkeit, die nicht selten auf der Folie gängiger Klischees erfolgte. Offenbar waren aber nicht nur Professoren, sondern auch Studenten geneigt, die Studienleistungen ihrer Kommilitoninnen einer Sonderbeurteilung zu unterzie-
81 UAM, O-Np-SS 1935 L-W. Gutachten von Karl Alexander von Müller über die Doktorarbeit von Philomena Lehner „Emilie Linder und ihr Freundeskreis“ vom 27.5.1935. Vgl. in diesem Zusammenhang auch UAM, O-Np-3. Fachsemester 1939 B-W. Gutachten von Franz Dirlmeier über die Doktorarbeit von Hedwig Pfeufer „Die Gnomik in der Tragödie des Aischylos“ vom 14.10.1939: „Die ganze Arbeit ist soz. typisch weiblich: gefühlsbetont und etwas umrisshaft“, sowie ebd. Gutachten von Karl Alexander von Müller über die Doktorarbeit von Hermine Stiefenhöfer „Philipp von Flersheim, Bischof von Speyer (1529–1552) und Gefürsteter Propst von Weissenburg (1546–1552). Ein Beitrag zur Geschichte der Reformation und der deutschen Westmark“ vom 14.12.1939: „Ihre Darstellung ist im allgemeinen klar und sachlich, einige angemerkte Unebenheiten und kleine frauenzimmerlich-romantische Wendungen können noch beseitigt werden.“ 82 Alle Zitate nach UAM, O-Np-WS 1928/29 A-W. Gutachten von Karl Vossler über die Doktorarbeit von Hedwig Hilz „Amiel und die Deutschen“, o. D. [ca. Dezember 1928]. 83 UAM, M-Np-WS 1926/27 B-L. Gutachten von Otto von Zwiedineck-Südenhorst über die Doktorarbeit von Paula Schweiger „Sozialversicherung und Wirtschaftsablauf“ vom 20.1.1927.
1.1 Die gesellschaftliche Haltung gegenüber den Studentinnen
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hen, wie persönliche Hochschulerlebnisse zeigen: „Liefert eine Studentin eine besonders gute Arbeit, heißt es: die Arbeit ist von ‚einer Dame‘. Versagt einmal eine von uns, hat wiederum ‚eine Dame‘ versagt. – Es irritiert, so eine Ausnahmestellung einzunehmen. […] Daß unsere Arbeiten Eigenart haben, wird niemand bestreiten. Es wäre zweifellos interessant und für uns Studentinnen recht lehrreich, einmal festzustellen, welches die Charakteristika der „Damenarbeiten“ sind. (Der „Durchschnittsstudent“ sagt: ‚Die Damen sind alle sehr fleißig.‘)“84 Allerdings betonten selbst die Professoren bei guter Bewertung der Abschlussarbeiten oftmals den spürbaren „Bienenfleiss“85 ihrer Verfasserinnen, eine Eigenschaft, von der angenommen wird, sie habe zahlreichen Kritikern des Frauenstudiums als Kompensation und Erklärung für die mangelnde Intelligenz der Geschlechtsgenossinnen gedient.86 In ihrem 1928 veröffentlichten Roman „Stud. chem. Helene Willfüer“ entwickelte die österreichische Schriftstellerin Vicki Baum die Figur eines alten Münchner Geheimrates, der während der Arbeit im Labor vor allen Anwesenden eine Chemiestudentin positiv heraushebt und nachdrücklich zu verstehen gibt, er habe bislang „immer einen Dreck vom Frauenstudium gehalten.“87 Auch der nur ein Jahr zuvor unter dem nüchternen Titel „Studentinnen“ erschienene Roman von Gertrud Grote thematisierte anhand einer Vielzahl von weiblichen Hauptfiguren, die sich zwischen dem traditionellen, d. h. althergebrachten Leben in einer Ehe und einer höheren Bildung entscheiden müssen, den mitunter desillusionierenden Alltag des universitären Lebens: „Professor Dankwarts Krächzstimme ließ seine Hörer erzittern in Ehrfurcht und Bangigkeit. Es war nicht einmal die Angst, boshaft kritisiert zu werden und der Lächerlichkeit zu verfallen, die die jeweils zum Übersetzen des Textes aufgeforderten Opfer bleich und verwirrt machte. Die tiefe Verstörtheit der redlichen Jünglinge und der strebenden Mädchen wurde vielmehr von dem kleinen Wort ‚Examen‘ bewirkt, mit dem der Gewaltige in zierlicher Absichtslosigkeit zu spielen wußte […]. Sie alle, auch
84 Else Fiedler: Aussprache. Die Einordnung der Studentin in die Universität. In: Die Frau. 35. Jahrgang. Heft 4. Berlin 1928, 243. 85 UAM, M-Np-SS 1926. Gutachten von Otto von Zwiedineck-Südenhorst über die Doktorarbeit von Eva Jansen „Die soziale Herkunft der Studenten an den bayerischen Universitäten“ vom 17.6.1926. Vgl. dazu auch Vogt: Naturwissenschaftliche Promotionen, 44. Auch Vogt kommt zu dem Ergebnis, dass die Professoren die Arbeiten ihrer Promovendinnen meist „mit Adjektiven wie ‚fleißig‘, ‚mit großer Geduld‘, ‚mit Ausdauer‘, ‚mit handwerklichem/experimentellem Geschick‘“ charakterisierten. 86 Vgl. Kater: Krisis, 221. 87 Vicki Baum: Stud. chem. Helene Willfüer. Berlin 1928, 222, künftig zitiert als Baum.
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die jungen Semester, sahen im Geist schon den grausigen Tag heranziehen, den Tag der Verdammung unter Blitz und Donner des Himmels.“88 Sowohl Baums als auch Grotes Publikation lösten in verschiedenen Zeitschriften lebhafte Diskussionen über das „Leben einer noch neuen soziologischen Schicht unter den Frauen“ aus, nachdem beide Werke zumindest von einem Teil der Kritiker durchaus als Zeichen und Abbild tatsächlicher Verhältnisse verstanden wurden. So urteilte bspw. Emmy Wolff 1928 in der Monatsschrift „Die Frau“ über den Tagesroman „Stud. chem. Helene Willfüer“: „Abgeschrieben vom Leben ist der ganze Betrieb dieses chemischen Laboratoriums in der kleinen Universitätsstadt“, eine Bewertung, welche die Rezensentin in inhaltlich ähnlicher Form für den Roman „Studentinnen“ aussprach: „(D)as Buch hat wenig Erfindung; es trägt den Stempel der Wahrheit, nicht der künstlerischen, aber der gelebten und es scheint aus sehr geringer Distanz geschrieben, fast ein Tagebuch, zu kleinen Szenen, lose aneinander gereihten Bildern umgearbeitet, die nur wenig verhüllen.“89 Zu einem anderen Urteil kam dagegen eine Besprechung in der Monatsschrift „Die Studentin“, in welcher Grotes Roman als peinliche und wenig künstlerische Anhäufung „belangloser Alltäglichkeiten“, ohne Berücksichtigung der geschichtlichen Entwicklung bzw. gegenwärtigen Bedingungen des Frauenstudiums charakterisiert wurde: „Von den Studentinnen kann der Roman nur abgelehnt werden.“90 Obwohl einige Parallelen zwischen dem Lebenslauf der Philologie- und ehemaligen Jurastudentin Grote und ihren fiktiven Heldinnen darauf hindeuten mögen, dass sich die im Sommersemester 1930 an der LMU promovierte Autorin91 in ihrem der Neuen Sachlichkeit zuzuordnenden Werk an realistischen bzw. alltäglichen Gegebenheiten und persönlichen Beobachtungen orientiert hat, wäre es verfehlt, derart fiktive Szenerien als stellvertretende Ausschnitte für das tat-
88 Gertrud Grote: Studentinnen. Dresden 1927, 121, künftig zitiert als Grote. Vgl. dazu Evelyn Fast: Das Frauenbild der 20er Jahre – Literarische Positionen von Irmgard Keun, Marieluise Fleißer und Mela Hartwig. München 2006, 12 f. 89 Alle Zitate nach Emmy Wolff: Studentinnen im Tagesroman von heute. In: Die Frau. 36. Jahrgang. Heft 1. Berlin 1928, 481, 483 f. Vgl. dazu auch den exakt ein Jahr später erscheinenden Artikel von Dora Engelhardt, der explizit Bezug auf die von Wolff aufgestellten Überlegungen nimmt und davor warnt, die „Problematik im Leben der Studentin zu überschätzen, und zu einer Frauenfrage zu stempeln, was auch dem jungen Manne, dem Studenten […] in durchaus ähnlicher Form nicht erspart bleibt.“ Dora Engelhardt: „Studentinnen im Tagesroman von heute“. In: Die Frau. 37. Jahrgang. Heft 1. Berlin 1929, 50–51, hier 51. 90 G. Humbert: Studentinnen. In: Die Studentin vom 1.6.1927. 91 Vgl. Gertrud Grote: Die Erzählkunst Ricarda Huchs und ihr Verhältnis zur Erzählungskunst des 19. Jahrhunderts. Berlin 1931. Zu den persönlichen Daten vgl. neben dem Lebenslauf in der Doktorarbeit auch UAM, Stud-Kartei I (Grote, Gertraud).
1.2 Die wirtschaftliche Situation der Studentinnen
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sächlich vorherrschende Stimmungsbild in den Hörsälen zu begreifen. Dementsprechend kam schon Hannah Hecht in ihrer zeitgenössischen Beurteilung über den Roman von Vicki Baum zu dem Schluss: „So handelt und lebt Helene Willfüer, das Mädchen von heute, die Studentin, nein nicht die Studentin, sondern eine Studentin.“92 Ungeachtet der Tatsache, wonach nur eine verschiedene Quellengruppen (Zeitzeugenerinnerungen, zeitgenössische Briefe, Tagebucheinträge, Beurteilungen von Semester- bzw. Qualifikationsarbeiten etc.) berücksichtigende Analyse umfangreichere Erkenntnisse über das sich „aus zahlreichen, teilweise schwer ‚greifbaren‘ Einzelaspekten“93 konstituierende Klima an der Universität liefern könnte, lassen allein die hier herangezogenen Promotionsakten der Universität München zumindest ein partielles Zurückweichen tradierter Ressentiments gegen die weibliche Hochschulfähigkeit erkennen. Dieses ging auf die von Frauen und Männern gleichermaßen erbrachten positiven Studienergebnisse zurück und stimmte die Studentinnen durchaus optimistisch: „Unsere Einordnung in das akademische Getriebe ist noch nicht restlos vollzogen. Unsere Anerkennung als normale Mitglieder der Universität mit normalen – guten und schlechten – Leistungen (nicht abgestempelten Damenleistungen) wird vermutlich kommen.“94; selbst Baum lässt den Dozenten in Gegenwart der weiblichen Protagonistin mit den Worten schließen: „Aber Ihre Arbeit, die wird! Hm. Respekt! Frau Willfüer!“95
1.2 Die wirtschaftliche Situation der Studentinnen Die ab Mitte der 1920er Jahre verstärkt an die Universitäten drängenden Frauen sahen sich aber nicht nur einer wiederauflebenden gesellschaftlichen Polemik ausgesetzt, sondern waren auch mit einer Vielzahl von ökonomischen Schwierigkeiten konfrontiert: „Eine Studentin lebt mit ihrer Mutter zusammen. Sie haben im ganzen monatlich Mk. 50.–. Früher hat die Studentin durch Unterricht an einer Schule noch Mk. 36.– monatlich hinzuverdient. Die Mutter hat ihren letzten Schmuck hergegeben. Da wird die Studentin – ein Opfer der Krise – abgebaut. Was soll sie tun? Sie steht kurz vor dem Examen. Sie muß unter allen Umständen ihr unter so viel unsäglicher Mühe durchgeführtes Studium auch zum
92 Hannah Hecht: „Stud. chem. Helene Willfüer.“ In: Die Studentin vom Januar/Februar 1929. 93 Lohschelder, 119. 94 Else Fiedler: Aussprache. Die Einordnung der Studentin in die Universität. In: Die Frau. 35. Jahrgang. Heft 4. Berlin 1928, 244. Hervorhebung im Original. 95 Baum, 222.
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Abschluß bringen, sonst wäre alles umsonst!“96 Eine statistische Erhebung des Deutschen Akademikerinnenbundes (DAB) verdeutlicht, dass das Fallbeispiel aus dem Münchner Alltagsleben keineswegs ein Einzelschicksal darstellte. Der Untersuchung zufolge, die alle deutschen Universitätsstädte mit Ausnahme von Frankfurt am Main, Köln, Leipzig und Münster umfasste, traten bei Auswertung der im Vorfeld ausgegebenen Fragebögen sämtliche sozialen Missstände wie „Wohnungsnot, ungünstige Verhältnisse gewisser Berufszweige, Arbeitsmangel, Vermögenseinbuße, kurz – alle Nachwirkungen der Kriegs- und Inflationszeit“97 hervor. So verfügten im Wintersemester 1927/28 bspw. nur 25,1 % aller erfassten Studentinnen im Reich über einen monatlichen Wechsel von mehr als 120 RM, während der Großteil unter ihnen mit einem durchschnittlichen Betrag von 80 bis 100 RM haushalten musste. Im Sommer 1928 wurden die notwendigsten Kosten für die Lebenshaltung eines Münchner Studierenden in einem Artikel des städtischen Hochschulführers mit 35 bis 40 RM für ein einfaches, möbliertes Zimmer und 50 bis 60 RM für Verköstigung bzw. 40 bis 45 RM bei Benutzung der Mensa angegeben. Zuzüglich der Summe für kleinere Nebenausgaben, darunter Straßenbahnkarten oder kulturelle Unternehmungen, ergab sich hiermit bereits für die einfachste Lebenshaltung ein monatlicher Mindestbedarf von etwa 120 RM. Nicht einbezogen hatte man in diese Rechnung den Erwerb von Bekleidung und die Ausgaben für das Studium selbst, d. h. Hochschulgebühren, Kolleg- und Büchergelder und ähnliches.98 Letztere wogen umso schwerer, als ohnehin 40 % aller Studentinnen im Rahmen der vom DAB durchgeführten Umfrage angegeben hatten, sich keine Bücher leisten oder maximal zehn Mark im Semester dafür aufwenden zu können. Zudem musste berücksichtigt werden, dass die Höhe des finanziellen Aufwandes auch von dem jeweiligen Studiengang abhing. So verursachten etwa Übungen, Kurse und dergleichen im Bereich der Medizinischen oder Tierärzt-
96 UAM, Sen. 199 Band 1. Undatierter Spendenaushang des Studentenhauses München e. V. mit der Überschrift „Studentenschicksal! Erschütterndes aus dem Münchner Studentenleben“ [ca. Ende 1931]. 97 Anna Schönborn: Zur wirtschaftlichen Lage der deutschen Studentinnen. In: Studentenwerk. Zeitschrift der studentischen Selbsthilfearbeit. Berlin, Leipzig 1929, 78. Zur Umfrage vgl. auch dies.: Studentinnenfürsorge des Deutschen Akademikerinnenbundes. In: Die Frau. 36. Jahrgang. Heft 6. Berlin 1929, 325–329. 98 Vgl. Kosten der Lebenshaltung für einen Münchner Studierenden. In: MHF vom Sommer 1928, 38–40. Zum Vergleich: „Im Jahre 1926 waren 39 Prozent der Studierenden zu Werkstudentenarbeit gezwungen; 1930 hatte sich mit 35 Prozent die Zahl kaum gesenkt.“ JB LMU 1957/58. München 1958, 274. Vgl. dazu auch Robert Tillmanns: Was kostet ein Hochschulstudium? In: Studentenwerk. Vierteljahreshefte der studentischen Selbsthilfearbeit. Leipzig 1927, 200–207.
1.2 Die wirtschaftliche Situation der Studentinnen
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lichen Fakultät sowie der chemischen und pharmazeutischen Institute neben Vorlesungs- und allgemeinen Gebühren noch erhebliche Zusatzkosten in Form besonderer Ersatzgelder für den Gebrauch von Chemikalien, Instrumenten etc. Einer zeitgenössischen Meinung zufolge, die vom Vorsitzenden der Wirtschaftshilfe der Deutschen Studentenschaft (DSt), Robert Tillmanns, in der Zeitschrift „Studentenwerk“ publiziert wurde, lagen die Mindestkosten für ein durchschnittlich auf sechs bis elf Semester angesetztes Studium somit bei 3500 bis 4000 RM. Für angehende Chemiker und Mediziner musste dabei allerdings wenigstens das Doppelte veranschlagt werden.99 Andere Schätzungen gingen sogar davon aus, dass ein „Studium in Deutschland, vom Ende der Schulpflicht bis zur Selbständigkeit des Berufes“100, mit etwa 13.000 bis 15.000 RM zu beziffern sei. Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass Sibylle Nagler-Springmann im Rahmen ihrer Untersuchung über weibliche Studierende, die zwischen 1900 und 1933 in naturwissenschaftlichen Fächern an der LMU promoviert wurden, feststellte, dass diese Studentinnen durchweg einen „höheren sozialen Status“101 vorzuweisen hatten, konnten sie sich doch die hohen Studienkosten für derartige Fächer leisten. Entgegen der Hoffnung zahlreicher neu Immatrikulierter wurde sowohl in der Zeitschrift „Studentenwerk“ als auch im Münchener Hochschulführer (MHF) davor gewarnt, auf die Einrichtung des Gebühren- und Kolleggelderlasses zu vertrauen. Der Andrang der Gesuchsteller überstieg mittlerweile die Zahl derer, die maximal zu berücksichtigen möglich war, während eine Hörgeldbefreiung oder -ermäßigung seit dem Sommersemester 1926 ohnehin nur noch ab dem dritten Semester gewährt werden konnte.102 Vor allem minderbemittelte Studierende
99 Vgl. Gebühren. In: MHF vom Sommer 1928, 55–59, sowie Robert Tillmanns: Was kostet ein Hochschulstudium? In: Studentenwerk. Vierteljahreshefte der studentischen Selbsthilfearbeit. Leipzig 1927, 204. 100 Hans Sikorski: Die Zahlen der Studierenden an den deutschen Hochschulen, Entwicklung und Wertung. In: Studentenwerk. Zeitschrift der studentischen Selbsthilfearbeit. Berlin, Leipzig 1929, 37. 101 Vgl. Sibylle Nagler-Springmann: Naturwidrige Amazonen. Frauen und Naturwissenschaft. In: Hiltrud Häntzschel/Hadumod Bußmann (Hgg.): Bedrohlich gescheit. Ein Jahrhundert Frauen und Wissenschaft in Bayern. München 1997, 167. 102 Vgl. JB LMU 1925/26 (vom 27. Juni 1925 bis 26. Juni 1926). München 1926, 89: „Die Zahl der Bewerber um Hörgeldbefreiung oder -Ermäßigung hat infolge der schlechten Wirtschaftslage in den letzten Jahren bedeutend zugenommen. Sie betrug im Winterhalbjahr 1925/26 und Sommerhalbjahr 1926 je rund 1800. Bis einschließlich Winterhalbjahr 1925/26 konnten die Studierenden auch im ersten Studienhalbjahr um Hörgeldermäßigung und -Befreiung nachsuchen. Da aber die Mittel des Hörgelderlaßstockes unzureichend wurden, hat das Unterrichtsministerium mit Entschließung vom 5. April 1926 Nr. 13572 angeordnet, daß vom Sommerhalbjahr 1926 an Studie-
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waren deshalb gezwungen, eine außeruniversitäre Beschäftigung zur Existenzsicherung anzunehmen. Diese Zusatzbelastung behinderte die wissenschaftliche Arbeit und benachteiligte insbesondere jene Frauen, die obendrein von ihren Familien zur Hausarbeit am Heimatort herangezogen wurden. Dazu kamen diverse körperliche Einschränkungen, denen sich in der Hauptsache Werkstudentinnen aufgrund der aus der Doppelbelastung resultierenden Überanstrengung ausgesetzt sahen. Doch selbst die nach statistischen Angaben im selben Jahr noch von 39 % der Studierenden so dringend benötigte Nebenerwerbstätigkeit kam nur mehr bedingt in Frage, weil die Möglichkeiten der Werkarbeit durch den Anstieg der Arbeitslosigkeit mittlerweile als „ganz außerordentlich“103 eingeschränkt galten, wie der MHF im Sommer 1928 warnte. So stellten etliche große Firmen schon vervielfältigte Schreiben her, in denen sie auf jede Anfrage einer Arbeitsvermittlungsstelle oder eines Studenten mitteilten, sie seien nicht mehr in der Lage, Werkstudenten zu beschäftigen104. Auch das Berliner Erwerbsvermittlungsamt konnte den Massenandrang von arbeitssuchenden Studierenden ab 1929 kaum mehr bewältigen, nachdem täglich etwa neun Stellenangebote auf 150 wartende Kommilitonen entfielen.105 Ähnliches lässt sich für die Unterstützung durch den Verein Studentenhaus München e. V. (Verein Studentenhaus) konstatieren, welcher Ende 1931 im Rahmen seiner Studentenhilfe in einem Spendenaufruf angab, seit seinem elfjährigen Bestehen niemals „Zeuge so furchtbarer Not unter den Studierenden“ gewesen zu sein: „(N)och nie zuvor sind seine Fürsorgeeinrichtungen Ziel so vieler Hoffnungen gewesen, noch nie war es so schwer wie jetzt, weiterzuhelfen, den Essenspreis noch mehr zu senken, weil auch die Mittel des Vereins schließlich sich erschöpfen.“106 Gegründet am 30. März 1920 als Reaktion auf den studentischen Selbsthilfewillen der ehemaligen Kriegsteilnehmer, der seinen bisherigen Ausdruck im
renden im I. Studienhalbjahr regelmäßig keine und im II. Halbjahr nur beschränkte Zuschüsse zum Zwecke der Hörgeldentrichtung gegeben werden können.“ 103 Vgl. Kosten der Lebenshaltung für einen Münchener Studierenden. In: MHF vom Sommer 1928, 40. Prozentangabe aus JB LMU 1957/1958. München 1958, 274. 104 Vgl. Gödde, 126. Gödde hatte im Sommer 1946 die Leitung der Geschäftsstelle beim Studentenwerk München übernommen. 105 Benker/Störmer, 63. Vgl. auch die nahezu identische Situation in Münster, wo der Universitätsführer 1931 auf die Nebenverdienstmöglichkeiten beim Akademischen Übersetzungsdienst bzw. in der Schreibstube hinwies, die allerdings nur knapp 25 Studierenden ein klägliches Einkommen beschieden. „Den Übrigen verblieb lediglich die Hoffnung auf die Hilfe des Vermittlungsamtes; ‚soweit es in der heutigen Zeit überhaupt möglich ist, Studenten noch in Erwerbsarbeit hinzubringen,‘ lautete dessen realistisches Urteil.“ Pöppinghege, 139. 106 EAM, NL Faulhaber 6711. Spendenaufruf des Studentenhauses München e. V. im November 1931.
1.2 Die wirtschaftliche Situation der Studentinnen
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„Wirtschaftsamt“ des AStA der LMU gefunden hatte, bestand der Zweck des als überparteiliche Selbsthilfeeinrichtung und Wirtschaftsfürsorge verstandenen Vereins in der „Beschaffung von Geldmitteln zur wirtschaftlichen Förderung der Studierenden der Münchner Hochschulen, insbesondere zur Gründung und Betrieb eines Studentenhauses und Beschaffung und Vermittlung aller Bedarfsgüter für die Studenten einschließlich der Kreditgewährung.“107 Geschäftsführendes Organ des Vereins Studentenhaus war die Studentenhaus München GmbH, als deren Vorsitzende Friedrich (Fritz) Beck, Geschäftsführer des AStA der Universität, sowie Dr. Hermann von Müller, Geschäftsführer des AStA der TH, nominiert worden waren.108 Die Einrichtung entwickelte von Anfang an eine rege Tätigkeit und umfasste bereits in den ersten zwölf Monaten ihres Bestehens folgende Abteilungen, die der Zwangslage der begabten, jedoch minderbemittelten Studierenden der Universität, Technischen Hochschule, Akademie der Bildenden Künste, Akademie der Tonkunst sowie der vormals selbstständig bestehenden Handelshochschule Abhilfe verschaffen sollten: Studentenspeisung (als Fundament der gesamten Studentenfürsorge), Bekleidungshilfe (Ausbesserung, Verkauf und Reinigung von Kleidung), Warenabgabestelle (vergünstigte Vermittlung notwendiger Bedarfsartikel wie Kleidung, Nahrung und Lehrmittel) und Selbstverlag (Herausgabe der Bayerischen Hochschulzeitschrift für zwei Jahre). Ergänzt wurden diese Bereiche durch besondere Hilfeleistungen, zu denen Freitische in Familien und Kuraufenthalte zählten.109 In den darauffolgenden fünf Jahren gelang es, die einzelnen Segmente immer weiter auszubauen bzw. zu professionalisieren110, sodass bis 1932 folgende Einrichtungen bestanden: Studentenhaus, Studentenclubräume und -wohnheime, Erfrischungsräume und Mensa, Förderung (Beihilfen, Bekleidungshilfe, Freitischmarken), Krankenfürsorge, Pflichtdurchleuchtung, Tuberkulose-Beratung mit eigenfinanzierter Heilverschickung, ein Übersetzungsbüro
107 UAM, Sen. 199. Undatierte Satzung des Vereins Studentenhaus München e. V. (1920). 108 Vgl. Die Entstehungsgeschichte des Studentenhauses. In: Münchner Studentendienst. 1. Jahrgang. Nr. 4. München 1920, 17. Wie Veronika Diem in ihrer Untersuchung über Friedrich Beck feststellte, war von Müller als Sekretär der Studierendenvertretung der TH München beschäftigt und vermutlich bloß „der Parität halber“ als Geschäftsführer aufgestellt worden, der praktisch nicht mitarbeitete. Vgl. Veronika Diem: Friedrich Beck (1889–1934) und die Gründungsgeschichte des Münchner Studentenwerks. In: Elisabeth Kraus (Hg.): Die Universität München im Dritten Reich. Aufsätze. Teil I. München 2006, 54, künftig zitiert als Diem. 109 Vgl. BayHStA, MK 40807. Die studentische Wirtschaftsfürsorge des Vereins Studentenhaus München. Bericht über das erste Jahr seiner Tätigkeit. München 1921, 4 f. 110 Vgl. Aloys Fischer: Die ersten 5 Jahre akademischer Fürsorgearbeit im Verein Studentenhaus München e. V. 1920–25. Ein Bericht. München 1925.
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(Aküdo), eine Druckerei sowie eine Schreib-, Näh- und Flickstube und Schuhreparaturwerkstatt.111 Schon bei seiner Gründung hatte sich der Verein Studentenhaus – getreu seinem Namen – außerdem die Errichtung eines eigenen Studentenhauses zum Ziel gesetzt, welches als zentraler Mittelpunkt der studentischen Gemeinschaft fungieren sollte. Aufgrund fehlender finanzieller Mittel und der vorrangigen Linderung studentischer Not, besonders angesichts der Erschwernisse der Inflationszeit, konnten die insgesamt dreijährigen Bauarbeiten allerdings erst 1925 mit dem Erwerb des ehemaligen, gegenüber der TH befindlichen Luisenbades sowie der angrenzenden Gebäude in der Heßstraße 21 und 23 beginnen. Am 10. Januar 1927 übergab man schließlich das Erdgeschoss, das in der Hauptsache den Speiseraum der Mensa mit rund 450 Plätzen enthielt, seiner Bestimmung. Im Laufe der Zeit zogen auch die meisten Fürsorge- und Hilfseinrichtungen, die bis dato über die ganze Stadt verteilt gewesen waren, ins neu eröffnete Studentenhaus um, während nur ein kleiner Teil von ihnen ein „mietfreies Gastrecht“112 in der Universität genoss. Neben seiner wirtschaftlichen Hauptaufgabe fungierte das neue Studentenhaus aber auch als kulturelle Stätte sowie als Ort der Begegnung, der als geselliger Treffpunkt ohne Rücksicht auf Partei und Konfession gedacht war und „wo die jungen Leute wissen: sie sind zu Hause. Dieser Gesichtspunkt erhält eine besondere Bedeutung, wenn wir die Tatsache berücksichtigen, daß die Zahl unserer Studentinnen an den deutschen Hochschulen im letzten Jahrzehnt sich von 3 % auf 12 % erhöht hat, daß gegenwärtig also 12000 Studentinnen an den deutschen Hochschulen studieren. Für die Studentinnen mit ihrer zarten Gesundheit, mit ihrem ausgeprägten Gemütsleben, ist diese Einsamkeit noch viel schwerer zu ertragen. Es ist daher eine besondere Pflicht der bisher von den Männern geführten Hochschulen, an diese Tatsache zu denken und auch zu berücksichtigen, daß die meisten dieser Studentinnen in den kärglichsten Verhältnissen leben und daß häufig gerade sie es sind, die in den Ferien durch harte Werkarbeit sich Geld verdienen, oder zu Hause im Haushalt helfen“113, so der Wortlaut einer Rede anlässlich der Vollendung des Münchner Studentenhauses. Mit diesem geschlechtsübergreifenden Anspruch wirkte man der nur wenige Monate zuvor von einer Jurastudentin beklagten Situation über die Wirksamkeit
111 Vgl. JB LMU 1957/1958. München 1958, 274 f. 112 Das Studentenwerk München. In: JB LMU 1957/1958. München 1958, 273. 113 Die Idee des Studentenhauses. Auszug aus dem Wortlaut der Rede Dr. Schairers anlässlich der Vollendung des Münchener Studentenhauses. In: MHF vom Sommer 1929, 13. Zur Einrichtung von Studentenhäusern vgl. BayHStA, MK 70608.
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der Wirtschaftshilfe für weibliche Studierende auf lokaler Ebene erstmalig eindeutig entgegen: „Der weitaus überwiegenden Zahl der Studenten gemäß ist die Wirtschaftshilfe eben doch mehr auf die Lebensführung der männlichen Studierenden zugeschnitten.“114 Im Laufe der Zeit konnten die verschiedenen Fürsorgeeinrichtungen die bis zum Wintersemester 1932/33 stetig steigende Nachfrage nach Vergünstigungen und Unterstützungen allerdings immer schwerer befriedigen. Bereits 1930 war der Verein Studentenhaus bspw. endgültig gezwungen, die bis dato gewährte Essensermäßigung für vollkommen mittellose Examenskandidaten in den Ferien zeitweise einzustellen.115 Nachdem diese Ermäßigung sowie Kleidungs- und Barzuschüsse an 479 Universitätsstudenten allein im Wintersemester 1931/32 einen Betrag von knapp 37.000 RM erforderlich gemacht hatten, sahen sich die Verantwortlichen in den folgenden Monaten zu einem schärferen Maßstab hinsichtlich potentieller Bewilligungen gezwungen: „Um keinen Anreiz zum Hochschulstudium zu geben, unterstützen wir die notleidenden Studierenden erst vom 4. Semester ab mit ganz wenigen Ausnahmen und bei nur guten Noten.“116 Vollkommen mittellosen Abiturienten, die ihr Studium in der Hoffnung beginnen wollten, durch entsprechende Unterstützungen und Nebenverdienste das Notwendigste zu erhalten, musste vor diesem Hintergrund sogar von einer Imma trikulation in München abgeraten werden: „Vielleicht bieten sich günstigere Aussichten an einer kleineren Universitätsstadt, wo in der Regel die Zimmermiete keine so hohe ist und in vielen Fällen die Studienhilfen auch größere Mittel für Einzelunterstützungen zur Verfügung haben.“117 Im Gegensatz zu ihren Kommilitonen reagierten die Frauen auf diese Schwierigkeiten jedoch wesentlich zurückhaltender, wenn es um die Inanspruchnahme von Hilfsangeboten ging, ein Verhalten, von dem Benker und Störmer annehmen,
114 Maria Schulz: Die Wirksamkeit der Wirtschaftshilfe für die Studentinnen. In: Die Studentin vom 1.6.1926. 115 Vgl. UAM, Sen. 199 Band 1. Studentenhaus München e. V. an das Rektorat der Universität München vom 21.7.1930. Erschreckenderweise hatte die Notlage der minderbemittelten Studenten im Wintersemester 1931/32 sogar das „schlimmste Inflationssemester“ überstiegen. Aus diesem Grund entschloss sich der Vorstand des Vereins Studentenhaus München, die Essenspreise in der Mensa deutlich herabzusetzen, obwohl diese Preissenkung einen Verlust von etwa 30.000 Mark bedeutete, der neben einem gesteigerten Umsatz nur noch durch Spenden aufgefangen werden konnte. Vgl. UAM, Sen. 199. Theodor von Winterstein an das Rektorat der Universität München vom 11.11.1931. 116 UAM, Sen. 199. Theodor von Winterstein an ein Hohes Rektorat der Universität München vom 22.6.1932. 117 UAM, Sen. 749. Sekretariat an M. Vogt vom 10.4.1926.
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es habe in erster Linie aus der Scham über die eigene Bedürftigkeit resultiert.118 Nach Angaben der studentischen Wirtschafts- und Fürsorgeämter stellten sie u. a. weniger Anträge bei der Darlehnskasse des deutschen Studentenwerks, die Examenskandidaten eine von Nebenerwerbsarbeit unbelastete Prüfungsvorbereitung in Form von günstig zu verzinsenden Abschlussdarlehn ermöglichte. Die im Winterhalbjahr 1930/31 von der Darlehnskasse der DSt verfasste Übersicht über den Kreis der Stipendiaten scheint die Aussage zu bestätigen. So verteilte die im Juni 1922 von der Wirtschaftshilfe der DSt eingerichtete Institution im o. g. Zeitraum reichsweit 2806 Stipendien, wovon aber lediglich 296, d. h. knapp 10,6 % auf Studentinnen entfielen. An der LMU standen damit 148 männlichen ganze 14 weibliche Darlehnsnehmer gegenüber. In Tübingen wurde sogar nur eine Frau bedacht, während 68 Männer eine Unterstützung empfingen. Lediglich an der Universität Marburg waren neben 65 Studenten auch 17 ihrer Kommilitoninnen begünstigt worden, was immerhin einem Anteil von 20,7 % entsprach. Da Statistiken über die Bewerber für die einzelnen Universitäten nicht existieren, können im Hinblick auf das reichsweit festzumachende Ungleichgewicht zwischen den Geschlechtern lediglich Glasers Überlegungen für die Universitätsstadt Tübingen herangezogen werden. Demnach war entweder die Anzahl begüterter Studentinnen besonders hoch oder die Existenz der Darlehnskasse weiblichen Studierenden überwiegend nicht bekannt bzw. die von ihnen eingereichten Anträge wurden nahezu durchgängig abschlägig beschieden. Ein erstmals 1929 über die Entwicklung des Frauenanteils an den rückzahlungsgebundenen Stipendien der Darlehnskasse der DSt veröffentlichter Überblick zeigt, dass sich selbiger zwischen 1924 und 1928 reichsweit lediglich von 4,04 auf 6,31 % erhöht hatte119. Nach Glaser entsprach das einem Anstieg von 92 auf 174 unterstützten Studentinnen.120 Heinrich G. Merkel begründete den geringen Anteil in seinem o. g. Überblick damit, dass der schnelle Anstieg weiblicher Studierender eine Erscheinung jüngeren Datums sei, deren volle Auswirkung in den Zahlen der Darlehnskasse erst später sichtbar werden würde. Hinzu kämen aber gleichermaßen „psychologische Momente“, welche es ihnen erschwere, Darlehen aufzunehmen. Zudem sei auf die Beobachtung hingewiesen, dass die Kommilitoninnen in den höheren Semestern stärker abnehmen als ihre Kommilitonen, was darauf schließen lasse, dass ein Teil von ihnen heirate und deshalb eine Hilfe der Darlehnskasse nicht
118 Vgl. Benker/Störmer, 66. 119 Vgl. Heinrich G. Merkel: Die Darlehnskasse der Deutschen Studentenschaft in Zahlen. Fünf Jahre Begabtenförderung an deutschen Hochschulen. In: Studentenwerk. Zeitschrift der studentischen Selbsthilfearbeit. Berlin, Leipzig 1929, 208–226, hier 223. 120 Vgl. Glaser, 173 f.
1.2 Die wirtschaftliche Situation der Studentinnen
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mehr zu beanspruchen brauche.121 Scherb interpretiert das von Merkel zuletzt angeführte Argument dahingehend, es zeige sich hierin eine gewisse Scheu der Frauen, die fürchteten, ihre künftigen Ehemänner mit den Schulden eines zurückzubezahlenden Stipendiums belasten zu müssen, „die sie durch den ‚Luxus‘ ihrer Ausbildung selbst verursacht hatten“122; mit Blick auf die von Elisabeth Knoblauch durchgeführte Untersuchung ist es jedoch wahrscheinlicher, dass ein Teil der Studentinnen mit der Heirat ihr Studium aufgab und daher nicht mehr auf derartige Unterstützungen zurückgreifen musste. Konträre Ergebnisse liefert dagegen die 1925 gegründete Studienhilfe des deutschen Volkes, bei der sich eine deutliche Begünstigung von weiblichen Studierenden zeigte, welche immerhin 2 % über dem Anteil der Studentinnen in der gesamtdeutschen Studentenschaft lag. Agnes von Zahn-Harnack, die als einzige Frau dem aus etwa 40 Mitgliedern bestehenden „Zentralen Arbeitsausschuss“ – der die einzelnen Bewerbungen in einer „Entscheidungssitzung“ prüfte – angehörte, bemängelte, dass sich die überwiegend männlichen Lehrer bei Erstellung der für die Eignungsprüfung vorzulegenden Charakteristiken durch die vergleichsweise rasche Entwicklung ihrer Abiturientinnen beirren ließen: „Und man hat hier oft den Eindruck, daß dabei die überraschend schnelle Entwicklung der Mädchen in diesen Jahren überschätzt wird, weil der Lehrer sie von Knaben nicht kennt. Schnelligkeit der Auffassung, Gewandtheit der Sprache, Beweglichkeit der inneren Anteilnahme, intuitive Erkenntnis feinerer seelischer Vorgänge, die dieses Alter bei den Mädchen vor den Knaben auszeichnet, wird mit Tiefe des Verständnisses, mit echter Originalität, mit wissenschaftlichem Geist verwechselt.“123 Daraus ergab sich die von Benker und Störmer zu recht als paradox beschriebene Situation, dass ausgerechnet männliche Gutachter den künftigen Studentinnen mehr Förderung bzw. Wohlwollen entgegenbrachten als eine Vertreterin des DAB, welcher sich eigentlich die ideelle und materielle Förderung weiblicher Studierender zum Ziel gesetzt hatte. Für die beiden Historikerinnen verdeutlicht dieses Beispiel die gelegentliche Überbeanspruchung des politisch wohlbegründeten Prinzips der Gleichbehandlung, welches die Frauenbewegung hinsichtlich Vorbildung und akademischer Rechte vertrat, „in der Befürchtung, es werde an
121 Vgl. Heinrich G. Merkel: Die Darlehnskasse der Deutschen Studentenschaft in Zahlen. Fünf Jahre Begabtenförderung an deutschen Hochschulen. In: Studentenwerk. Zeitschrift der studentischen Selbsthilfearbeit. Berlin, Leipzig 1929, 223. 122 Scherb, 105. 123 Alle Zitate nach Agnes von Zahn-Harnack: Die Studienstiftung des deutschen Volkes. In: Die Frau. 37. Jahrgang. Heft 6. Berlin 1930, 324 f.
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der wirklich ausschlaggebenden Fähigkeit, der „wissenschaftlichen Begabung“, vorbeiselektiert.“124 Inwieweit sich derartige Phänomene auch in der übrigen Beanspruchung bzw. Bereitstellung der von lokalen Studentenhäusern eingerichteten Fürsorgeabteilungen widerspiegelte, bedürfte jedoch weiterer Untersuchungen. Die an der LMU als „Wirtschaftliche Beratung und Fürsorge für Studentinnen“ bestehende Abteilung, welche versuchte, in ausführlichen Einzelgesprächen die Nöte der Hilfesuchenden klarzustellen und eine möglichst umfassende Unterstützung im engsten Einvernehmen mit allen in Betracht kommenden Hilfsstellen, vor allem mit den betreffenden Dozenten, zu gewähren, musste jedenfalls aufgrund der großen Inanspruchnahme 1926 beim Rektorat um größere Räumlichkeiten nachsuchen; zwei Jahre später konnten die Sprechstunden der Beratungsstelle schließlich in der Hauptgeschäftsstelle des Vereins im Nordhof der LMU abgehalten werden.125 Ob sich die Frequentierung aber lediglich analog zu den ansteigenden Immatrikulationen von Frauen entwickelt hatte oder tatsächlich ein größerer Prozentsatz von ihnen mittlerweile bereit war, etwaige Hemmungen aufzugeben und auf die verfügbaren Förderungsmöglichkeiten zurückzugreifen, lässt sich aus offiziellen Statistiken nicht ableiten. Einem Sozialreport der Studentenhilfe Tübingen, der anlässlich des Besuchs einer Vertreterin der amerikanischen Quäker im Juni 1923 erstellt worden war, ist zu entnehmen, dass die Studentinnen teilweise vor der Annahme von Unterstützungen zurückscheuten bzw. Spenden aus falsch verstandener Selbstlosigkeit heraus ablehnten.126 Obwohl derartige Analysen für die Universität München fehlen, steht allgemein fest, dass weibliche Studierende trotz der für beide Geschlechter seit 1918 nahezu permanent spürbaren Krisensituation im täglichen Existenzkampf stets benachteiligter waren als die Studenten. Der Hintergrund für dieses Ungleichgewicht lag in der Tatsache begründet, dass der als verarmt geltende Mittelstand auch mehrere Jahre nach Ende des Ersten Weltkrieges dazu neigte, sein noch vorhandenes Kapital vornehmlich in die Ausbildung der Söhne zu investieren127,
124 Benker/Störmer, 98. 125 Vgl. UAM, Sen. 199 Band 1. Fritz Beck an das Rektorat der Universität München vom 26.3.1926 sowie ebd. Verein Studentenhaus München e. V. an das Rektorat der Universität München vom 25.4.1928. 126 Vgl. Glaser, 186 f. 127 Vgl. Marie-Elisabeth Lüders: Wirtschaftliche Not – kulturelle und politische Schwäche. Zur Frage der Pflege des akademischen Nachwuchses. In: Studentenwerk. Vierteljahreshefte der studentischen Selbsthilfearbeit. Leipzig 1928, 12. Dies galt, so Kater, „selbst nach dem berechtigten Einwand, daß ein größerer Prozentsatz der weiblichen Studierenden von der ökonomisch gefestigteren oberen Mittelschicht abgestammt habe als bei den männlichen.“ Kater: Krisis, 231.
1.3 Exkurs: Das Studentinnenheim Marie-Antonie-Haus
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was als ein Zeichen für die nach wie vor bestehenden Vorbehalte gegenüber dem Frauenstudium verstanden werden kann. Umgekehrt bedeutete dies, dass die Kommilitoninnen überwiegend aus höheren, finanziell besser gestellten Bevölkerungsschichten stammten, die sich das Studium der Töchter trotz der Wirtschaftskrise in den zwanziger Jahren noch immer leisten konnten. In ihrer Dissertation über die soziale Herkunft der Studierenden bayerischer Universitäten aus dem Jahr 1927 kommt Eva Jansen ebenfalls zu dem Ergebnis, der überwiegende Teil der Studentinnen stamme aus den höheren Gesellschaftsschichten. Die Münchner Staatswissenschaftlerin bezeichnet diese hier als Kreis der „geistig Gebildeten“128, während die unteren Schichten nur knapp ein Viertel der weiblichen Studierenden stellten. Allerdings zeigte sich, so Jansen, dass das Frauenstudium mit zunehmender Etablierung ebenso immer weiter in die unteren Schichten vordrang.
1.3 Exkurs: Das Studentinnenheim Marie-Antonie-Haus Auch das vonseiten der LMU angesprochene Wohnungsproblem gestaltete sich für weibliche Studierende ungleich schwieriger, wie ein ausführlicher Erfahrungsbericht aus dem Münchner Alltag zeigt. Während zumindest für einen Teil der Studenten die Möglichkeit bestand, im Anwesen ihrer Verbindung günstig und komfortabel zu wohnen, sahen sich ihre Kommilitoninnen nicht selten dem Widerwillen der Hausbesitzer ausgesetzt: „Wenn eine Studentin zur Wohnungssuche geht, wird sie meist wenig liebenswürdig abgewiesen: ‚An Damen vermieten wir nicht!‘ Hat die Studentin nach langem Laufen ein Zimmer gefunden, so wird sie oft ausgenützt und überfordert und ihr das Leben wenig angenehm gemacht, es sei denn, dass sie über grössere Mittel verfügt und sich in einer Pension einmieten kann. Will sich die Studentin Tee oder Kaffee kochen, so hat sie Widerwärtigkeiten mit der Hausfrau. Während der Heizperiode hat die Studentin die grössten Schwierigkeiten. Manche Zimmer sind überhaupt nicht heizbar, in anderen funktionieren die Öfen nicht und sollen repariert werden auf Kosten der Studentin. Oder die Studentin darf nicht heizen in ihrem Zimmer. Die Studentinnen werden nicht selten von den Männern und Söhnen der Vermiete-
128 Eva Jansen: Die soziale Herkunft der Studenten an den bayerischen Universitäten. Diss. München 1927, 17. „Bei den Studentinnen ist das Verhältnis noch zugunsten der höheren Schichten verschoben, was seinen Grund darin hat, daß das Frauenstudium noch so jung ist. Je jünger das Studium eines Faches ist, desto weniger sind die unteren Schichten daran beteiligt.“ Ebd., 40.
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rinnen belästigt. Beklagt sich die Studentin bei der Hausfrau, so erhält sie die Antwort, dass es viel besser wäre, sie würde waschen, kochen und heiraten als studieren. – Viele Räume sind ungesund. Die möblierten Durchschnittszimmer entbehren der Behaglichkeit.“129 Die spätere Journalistin und Schriftstellerin Margret Boveri, die vom Wintersemester 1925/26 bis zum Wintersemester 1926/27 an der LMU Germanistik, Anglistik und Geschichte studierte, erinnert sich in ihrer Autobiographie an ihr erstes Zimmer in der Kaulbachstraße 40. Dessen ehemaliger Bewohner erhielt angeblich allein wegen seiner allzu zahlreichen Schuhe die Kündigung der Vermieterin: „Wie ich nun ankam mit meinem Gepäck, fand sie, daß ich zu viele Bücher hätte, und war sehr ungnädig. […] Sie war eben so eine richtige Münchner Wirtin, die Studenten haßte.“130 Keine eineinhalb Wochen später musste auch die junge Frau die Wohnung der, so Biografin Heike B. Görtemaker, „galligen Zimmerwirtin“131 wieder verlassen. Sie hatte ihren Hausschlüssel vergessen und es deshalb gewagt, einen männlichen Begleiter „als Schutz“ zu dem „keifenden Weib“ mitzubringen: „Sie können sich nicht vorstellen, was die an „Hurensau“ an mich hin gebrüllt hat. Sie schmiß mich prompt schon an diesem Tag raus.“132 Obwohl das Münchner Studentenhaus – auf nachdrücklichen Wunsch – sogar seit 1927 einen besonderen Arbeits- und Aufenthaltsraum besaß, der ganztägig allen Kommilitoninnen, ab acht Uhr abends den weiblichen Verbindungen offenstand133, muss bedacht werden, dass lediglich rund 15 % der hiesigen Studentinnen im Sommersemester 1928 bei ihren Eltern wohnten. Der Großteil unter ihnen war demnach – sofern sie keine Aufnahme bei Freunden oder Verwandten fanden – auf außerfamiliäre Unterkünfte angewiesen. Um wenigstens den dabei zu entrichtenden Mietpreis zu reduzieren, verzichteten einige Studentinnen untertags auf die Nutzung der Zimmer und hielten sich nur am Abend bzw. in der Nacht in selbigen auf. Nach Meinung zeitgenössischer Beobachterinnern führte
129 BayHStA, MK 40808. Denkschrift zur Schaffung eines Studentinnen-Club- und Wohnheimes in München vom 1.12.1928. 130 Boveri, 147. Zu den persönlichen Daten vgl. UAM, Stud-Kartei I (Boveri, Margareta (!)). 131 Heike B. Görtemaker: Ein deutsches Leben. Die Geschichte der Margret Boveri 1900–1975. München 2005, 32, künftig zitiert als Görtemaker. 132 Boveri, 147. Nach ihrem Rauswurf wohnte Boveri zunächst bei der Tante einer Freundin, bevor sie in der Kaulbachstraße 34 ein neues Zimmer fand. Vgl. Görtemaker, 32. 133 Vgl. BayHStA, MK 40807. Tätigkeitsbericht des Vereins Studentenhaus München 1925–1927, 12, sowie Münchener Studentinnengemeinschaft. In: BHZ vom 3.3.1927.
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das zur „übelsten Form des Schlafburschentums“134 und wurde noch Mitte der 1930er Jahre von einem ehemaligen LMU-Studenten als sog. „Buden-Angst“135 bezeichnet. Gerade für diese Gruppe von Frauen war also auf Dauer eine Ausweichmöglichkeit in ein richtiges Wohn- bzw. Tagesheim unabdingbar, welches in seiner Ausstattung weit über die bloße Bereitstellung eines einfachen Zimmers hinausgehen und spezielle Ruhe- ebenso wie nutzbare Wirtschaftsräume beinhalten sollte. Ende 1928 verbesserte sich die Möglichkeit, außerhalb der Vorlesungszeit zusammenzukommen, entschieden. Zum einen stellte der Rektor der LMU allen Studierenden während des Wintersemesters 1928/29 von Montag bis Samstag einen beheizten Hörsaal als Arbeits- und Aufenthaltsraum zur Verfügung136. Zum anderen hatte der Verein Studentenhaus ein Tagesheim für Studentinnen in der Kaulbachstraße 49/1 eingerichtet, welches der Leitung einer Akademikerin, der 41-jährigen Dr. Veronika Freiin von Stein, unterstand, die 1923 über ein wirtschaftspolitisches Thema promoviert worden war.137
134 Marie-Elisabeth Lüders: Wirtschaftliche Not – kulturelle und politische Schwäche. Zur Frage der Pflege des akademischen Nachwuchses. In: Studentenwerk. Vierteljahreshefte der studentischen Selbsthilfearbeit. Leipzig 1928, 13. 135 Walter Warnach (Hg.): Eugen Gottlob Winkler. Briefe 1932–1936. Bad Salzig 1949, 156. Brief vom 2.2.1935, künftig zitiert als Warnach. Zu Winkler vgl. auch Kapitel II, 1 Oppositionelle. 136 Münchener Studentenschaft. Bekanntmachungen. In: BHZ vom 10.1.1929. 137 Vgl. Studentinnen-Tagesheim. In: BHZ vom 6.12.1928 sowie StWM, Ordner Nr. 8. Undatierter Prospekt Studentinnenheim des Vereins Studentenhaus München e. V., Kaulbachstr. 49 [ca. 1929/30]. Zeitgleich, also im Wintersemester 1928/29, eröffnete auch in Kiel ein Studentinnen-Tagesheim. Vgl. Lydia Gottschewski: Das Studentinnenheim in Kiel. In: Studentenwerk. Zeitschrift der studentischen Selbsthilfearbeit. Berlin, Leipzig 1929, 143 f. In München oblag Dr. Veronika Freiin von Stein grundsätzlich die Leitung der Fürsorge für die Studentinnen, welche als Arbeitsgebiet wiederum in die Gesamtgeschäftsleitung des Vereins Studentenhaus unter Direktor Fritz Beck eingegliedert war. Ebd., 5 f. Als Referentin war die Akademikerin zudem aktiv im VfFI engagiert, der die Einrichtung eines Studentinnenheims aktiv unterstützte. Vgl. exemplarisch VfFI, Tätigkeitsberichte 1916/1917–1936. 37. Jahresbericht des Vereins für Fraueninteressen und Frauenarbeit in München für das Geschäftsjahr 1930/31. Das genaue Thema ihrer Doktorarbeit, welches an der Hohen Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät Frankfurt eingereicht wurde, lautete: Die ländlichen Arbeitsverhältnisse und die innere Wirtschaftspolitik in Bayern. Frankfurt 1923. Der überlieferten Studentenakte der am 15.10.1887 in Völkershausen (Unterfranken) geborenen von Stein lässt sich entnehmen, dass die junge Frau ihr Studium vor dem Hintergrund des Ersten Weltkrieges einstweilen abgebrochen und sich dem Roten Kreuz in München zur Verfügung gestellt hatte. Es folgten eine kurze Krankenpflegetätigkeit in der Heimat sowie ein Einsatz als Schwester im Feld, bevor nicht näher benannte Zwischenfälle im engsten Familienkreis zur dreijährigen Übernahme der Familiengeschäfte führten. Erst im Sommersemester 1921 konnte die ehemalige Studentin ihr Diplomexamen an der Frankfurter Universität ablegen. Vgl. UA FfM, Abt. 158 Nr. 638. Undatierter Lebenslauf von Veronika Freiin von Stein.
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Die Einrichtung des Heims war Ausdruck der vom Verein in den letzten Jahren seiner Fürsorgetätigkeit gemachten Erfahrungen, wonach nun auch den studierenden Frauen notwendigerweise eine „Arbeit in erhöhtem Maße“ zuzuwenden sei: „Wir haben gegenwärtig an unseren 5 Hochschulen 2089 Studentinnen, die sich zum großen Teil noch durch Nebenarbeit die Mittel für ihr Studium verschaffen. Es ist nicht zu leugnen, daß das Studium und der Beruf für die Frau im allgemeinen schwer ist und eine Fürsorge auch hinsichtlich Schaffung einer gewissen Häuslichkeit und Geborgenheit als Notwendigkeit vor uns tritt.“138 Aus diesem Grund hatte man sich entschlossen, in unmittelbarer Nähe zur Universität ein adäquates Haus mit Garten zu erwerben, dessen Ankauf durch ein kurzfristiges Darlehen vonseiten der Wirtschaftshilfe der DSt aus Reichsmitteln sowie ein besonderes Entgegenkommen des Vorbesitzers möglich gemacht wurde. Trotz einer ersten größeren Stiftung von 10.000 RM durch Johanna Duisberg, Ehefrau des gleichnamigen Förderers der Deutschen Studentenhilfe, und deren Tochter, Frau von Veltheim139, war es vorerst finanziell unmöglich, die beiden übrigen Mietsparteien des Anwesens abzufinden und damit an eine Erweiterung des Tagesheims und den Anbau eines Wohnheims zu denken. Aus diesem Grund konnte anfänglich nur das erste Stockwerk entsprechend genutzt werden. Gegen Einholung des Ausweises und Entrichtung einer Semestergebühr stand das Tagesheim fortan allen weiblichen Studierenden der Universität, TH, Akademie der Bildenden Künste, Akademie der Tonkunst, der Staatsschule für angewandte Kunst sowie der Sozialen Frauenschule von zehn Uhr morgens bis zehn Uhr abends offen. Neben einem Gesellschaftsraum, zwei Arbeitszimmern, einem Bad und einer großen Liegehalle im Garten enthielt es Gelegenheit zum Nähen und Bügeln oder zum Tee bzw. Kaffee trinken. Wie die Verantwortlichen
138 Alle Zitate nach M. Bolchau: Einige Gedanken zum Plan des Studentinnenwohnheims. In: BHZ vom 27.6.1929. So ähnlich auch im BayHStA, MK 40808. Theodor von Winterstein an das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus vom 21.6.1929: „Es sind gegenwärtig in München an den fünf Hochschulen 2089 Studentinnen, die sich zum grossen Teil noch durch Nebenarbeit die Mittel für ihr Studium verschaffen müssen. Die meisten Studentinnen kommen aus keineswegs begüterten Familien; ein mittlerer oder unterer Beamter oder Angestellter kann für eine studierende Tochter wenig aufwenden, besonders wenn, wie in den meisten Fällen, noch andere Kinder zu versorgen sind.“ 139 Vgl. Warum ein Studentinnenheim? In: BHZ vom 5.12.1929 sowie BayHStA, MK 40808. Theodor von Winterstein an das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus vom 21.6.1929. Ebenso Veronika v. Stein: Münchener Studentinnenheim. In: Deutsches Studentenwerk e. V. (Hg.): Studentenwerk. Zeitschrift der studentischen Selbsthilfearbeit. Berlin, Leipzig 1929, 289 f.
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selbst zugeben mussten, stellte das Unternehmen aber lediglich einen bescheidenen Anfang für die zweitgrößte deutsche Hochschulstadt dar.140 So hatte man bspw. in Leipzig bereits im Wintersemester 1923/24 eine ähnliche Begegnungsstätte für Mädchen mit Unterstützung einer deutsch-amerikanischen Mäzenin aus Stanford ins Leben gerufen und die ostdeutsche Stadt damit einen „Einzelfall in der Anfangsgeschichte studentischer Sozialpolitik“141 geschaffen. Erst mehr als drei Jahre später war es schließlich dem evangelisch-kirchlichen Studentendienst an der Universität Göttingen gelungen, ein Studentinnenheim mit zwei Zimmern einzurichten, welches den Frauen aller Fakultäten seit Mai 1927 als häuslicher Aufenthalts- und Leseraum diente142, während das Erlanger Tagesheim 1930 seine Pforten öffnete und besonders durch seine Badeanlagen im Keller „eine nicht unwesentliche Verbesserung angesichts einer einzigen öffentlichen Badeanstalt in einer Stadt mit etwa 30.000 Einwohnern“143 brachte. Doch auch in der bayerischen Landeshauptstadt existierten längst weitreichendere Pläne. So hatte der Verein Studentenhaus bereits am 11. Juli 1928, also rund fünf Monate vor der offiziellen Einweihung der neuen Örtlichkeit, zu einer Besprechung über die Frage der Errichtung eines Club- und Wohnheims für minderbemittelte Münchner Hochschulstudentinnen geladen.144 Dabei stellte sich heraus, dass besonders bedürftige, in ungünstigen Einkommensverhältnissen lebende Studentinnen, von denen ganze 81 im vergangenen Wintersemester Essenspreisermäßigungen in der Mensa erhalten hatten, insgesamt noch keine, den realen Möglichkeiten entsprechende Versorgung erfuhren. Aus diesem Grund beabsichtigte man, das Tagesheim in absehbarer Zeit zu einem Wohnheim für mindestens 50 bis 60 Minderbemittelte auszubauen, „eine Notwendigkeit, die unabweisbar vor Augen“145 trat. Obwohl die soziale Notwendigkeit derartiger Einrichtungen grundsätzlich als unbestritten galt, gab es durchaus kritische Stimmen. Sie warnten u. a.
140 Vgl. Bolchau. 141 Kater: Krisis, 238. 142 Vgl. Göttingen: Studentinnenheim. In: Studentenwerk. Vierteljahreshefte der studentischen Selbsthilfearbeit. Leipzig 1927, 111. 143 Gertraud Lehmann: 90 Jahre Frauenstudium in Erlangen. In: Stieftöchter der Alma Mater? 90 Jahre Frauenstudium in Bayern am Beispiel der Universität München. Sonderteil: Frauenstudium an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Katalog zum Erlanger Sonderteil der Ausstellung. 9. Januar 1996–24. Februar 1996, Ausstellungsraum der Universitätsbibliothek. Erlangen 1995, 28, künftig zitiert als Lehmann: Stieftöchter. 144 Vgl. BayHStA, MK 40808. Denkschrift zur Schaffung eines Studentinnen-Club- und Wohnheimes in München vom 1.12.1928. 145 Bolchau.
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vor der „Gefahr“, die Studentinnenheime könnten ihren Bewohnern „Zuflucht gewähren gegen Formen und Probleme des gesellschaftlichen Lebens, wie sie in der Universität in mannigfacher Weise“146 existierten. Selbst der Verein Studentenhaus sprach noch im August 1926 davon, dass der Schaffung eines Münchner Wohnheims, welches angesichts der großen Anzahl von Immatrikulationen nur bei entsprechender Größe gewinnbringend wäre, neben fehlenden Mitteln die Erwägung entgegenstehe, wonach Studierende erfahrungsgemäß „ungerne in grösseren Gemeinschaftsheimen wohnen“.147 Diese Überlegung erklärt obendrein, warum etwa das Studentenhaus nicht gleichzeitig als Wohnheim angelegt worden war. Befürworter fanden die Pläne dagegen vor allem in den verschiedenen weiblichen Interessensvertretern. Zu ihnen gehörte die Leiterin der überparteilichen und überkonfessionellen Beratungsstelle für studierende Frauen im Verein Studentenhaus Frau Dr. S. von Müller. In ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit hatte sie bereits seit 1923 in eigenen Sprechstunden die Gesuchsannahme und persönliche Betreuung der weiblichen Studierenden übernommen und selbige zudem über den engeren Rahmen der wirtschaftlichen Fürsorgearbeit hinaus in sämtlichen, sie betreffenden Fragen tatkräftig unterstützt.148 Ihre praktischen Erfahrungen, die sich die Vorsitzende des DAB, Agnes von Zahn-Harnack, wenige Monate später in einem umfangreichen Artikel zunutze machte149, ließen keinen Zweifel
146 Else Liepe: Aussprache. Zur Frage des Studentinnenheims. In: Die Frau. 37. Jahrgang. Heft 3. Berlin 1929, 175. 147 UAM, Sen. 688. Verein Studentenhaus München e. V. an das Rektorat der Universität vom 4.8.1926. Nahezu identische Überlegungen finden sich auch bei Fritz Beck: Warum braucht München ein Studentenhaus? In: MHF vom Winter 1926/27. Jubiläumsausgabe zur Jahrhundertfeier der Universität, 269. Vgl. allgemein dazu Günter Koch: Bau und Finanzierung von Wohnraum für Studenten. Eine (fast) historische Aufgabe der Studentenwerke. Anmerkungen eines Beteiligten. In: Studentenwerk München (Hg.): Die Arbeit der Studentenwerke – Ursprung, Gegenwart, Perspektiven. Festschrift zum 65. Geburtstag von Eugen Hintermann. München 1984, 57–76. 148 Vgl. BayHStA, MK 40807. Tätigkeitsbericht des Vereins Studentenhaus München 1925–1927, 16. 149 Vgl. Agnes von Zahn-Harnack: Studentinnenheime. In: Studentenwerk. Zeitschrift der studentischen Selbsthilfearbeit. Berlin, Leipzig 1929, 366: „Bei der Suche nach einem geeigneten Zimmer merken sie [die Studentinnen/P. U.] bald, daß sie als Mieterinnen weniger beliebt sind als ihre männlichen Kommilitonen. Denn die Frau beansprucht das Zimmer, in dem sie wohnt, in viel höherem Maße als der junge Mann. Dieser begnügt sich sehr häufig damit, eine halbwegs anständige Schlafgelegenheit zu haben, tagsüber hält er sich in der Hochschule, den Seminaren, Bibliotheken, in Gaststätten oder im günstigen Fall im Studentenhaus auf. Aber die Studentin erwartet von ihrem Wohnraum etwas von häuslichem Behagen; sie möchte sich kleine Mahlzeiten selbst bereiten dürfen, möchte sich ihre Garderobe in Ordnung halten, wodurch sie ebenfalls mehrere Stunden in der Woche in der Häuslichkeit festgehalten ist, und will auch einmal
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an den gleichermaßen von studentischer Seite aus vorgebrachten Bedürfnissen bzw. Klagen: ‚Hätten wir doch die Möglichkeit, wie in anderen deutschen Hochschulstädten, in einfachen hellen Räumen zu wohnen und mit Gleichgesinnten zusammen zu sein. Uns fehlt der Mut und die Kraft zur Arbeit, uns fehlt ein Heim.‘150 Nicht allein materielle, sondern auch ideelle Gründe sprachen somit für eine derartige Errichtung, zumal andere Hochschulländer wie England, Frankreich, Spanien oder die Vereinigten Staaten Nordamerikas Deutschland längst mit vorbildhaften Studentinnenheimen vorausgegangen waren: „Freie Bahn dem Tüchtigen unseres Volkes, dieses Recht gilt auch der studierenden Frau.“151 Noch im Juli 1929 standen an den zehn deutschen Technischen Hochschulen und 24 Universitäten für etwa 8700 nicht-katholische Studentinnen lediglich ca. 120 Plätze in interkonfessionellen Studentinnenheimen zur Verfügung, die sich auf die Städte Berlin, Leipzig und Marburg verteilten. Dazu kamen eine Unterkunft des Deutsch-Evangelischen Frauenbundes in Heidelberg mit 14 sowie ein vom Jüdischen Frauenbund gegründetes Wohnheim in Berlin mit zwölf Plätzen, was einer verschwindend geringen Menge von insgesamt 1,5 % entsprach. Deutlich entspannter sah die Situation für die ca. 3400 katholischen Studentinnen aus, welche auf mehr als 550 Plätze in konfessionell geführten Häusern zurückgreifen konnten, wodurch immerhin etwa 16 % von ihnen eine Versorgung erfuhren.152 Bereits 1910 war auch in München ein ebensolches Wohnheim gegründet worden, fünf Jahre später richtete der Verband der Studentinnenvereine Deutschlands (V. St. D.) sogar eine Kartei mit einem örtlichen Zimmernachweis ein.153 Noch während des Ersten Weltkrieges wurden in der bayerischen Landeshauptstadt vier weitere katholische Heime für weibliche Studierende eingerichtet, zu denen ein von Ordensschwestern geleitetes sog. „Hildegardisstift“ in der Schellingstraße 5 gehörte. Dieses enthielt allerdings nur elf Plätze. An eine prinzipiell angestrebte Erweiterung war zum damaligen Zeitpunkt jedoch nicht gedacht,
einen Tag zu Hause verbringen oder sogar eine bescheidene Gastlichkeit üben.“ All das sahen, so Zahn-Harnack, die „Wirtinnen im allgemeinen sehr ungern“. 150 BayHStA, MK 40808. Denkschrift zur Schaffung eines Studentinnen-Club- und Wohnheimes in München vom 1.12.1928. 151 StWM, Ordner Nr. 8. Undatierter Prospekt Studentinnenheim des Vereins Studentenhaus München e. V. Kaulbachstr. 49 [ca. 1929/30], 3. 152 Vgl. Margot Melchior: Deutschlands Studentinnenheime. In: Die Frau. 86. Jahrgang. Heft 10. Berlin 1929, 589. 153 Vgl. Koerner, 256 f., sowie 342.
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zumal das Stift ein privates Unternehmen darstellte.154 Bei den drei übrigen Einrichtungen handelte es sich um ein 1915 von den Englischen Fräulein in der HansSachs-Straße 16 eröffnetes Heim, welches 68 Zimmer zu je 90 RM Monatsmiete beinhaltete und Andersgläubigen nicht verschlossen war, sowie um die ein bzw. zwei Jahre später von den Franziskanerinnen in der Giselastraße 26 und Bruderstraße 9 geführten Unterkünfte, die 34 bzw. 85 katholischen Bewohnerinnen zu einem Mietpreis von etwa 85 RM offenstanden.155 Für die männlichen Studierenden an den Münchner Hochschulen bestand nachweislich mindestes seit 1923 ein christliches Studentenheim, welches von Schwester Irma Chomse unter Aufsicht des Vereins Christliches Studentenheim e. V. geleitet wurde und sich als interkonfessionell verstand.156 Darüber hinaus hatte bereits 1914 der Christliche Verein junger Männer einen Aufruf zum Bau eines Jungmännerheims gestartet, mit der Absicht, allen gesellschaftlichen Schichten, vornehmlich jedoch Beamten, Kaufleuten und Studenten, eine Unterkunft zu verschaffen; ein Ledigenheim für Männer mit 420 Einzelzimmern sollte im Mai 1927 an der Bergmannstraße seine Pforten öffnen.157 Nachdem sich gezeigt hatte, dass zahlreiche Neuzugänge aufgrund der vorherrschenden Unterkunftsnot noch vor ihrer Immatrikulation aus München abreisen mussten, richtete der akademisch-soziale Ausschuss 1918 extra ein studentisches Wohnungsamt ein, welches Adressen von freistehenden Zimmern für Studierende sammelte und potentielle Interessenten registrierte.158 Auch auf der siebten außeramtlichen deutschen Rektorenkonferenz in Halle vom 3. bis 5. Juni 1919 spielte die Wohnungsfrage innerhalb der Sozialfürsorge für die Studentenschaft eine große Rolle. Obwohl allgemein anerkannt wurde, dass entsprechende Heime grundsätzlich anzustreben seien, war es, etwa nach Aussage des Münch-
154 Vgl. UAM, Sen. 688. Hermann Grauert an das Akademische Direktorium der Universität Heidelberg vom 21.12.1915. Zum Hildegardisstift vgl. auch Birn, 294. 155 Vgl. Margot Melchior: Deutschlands Studentinnenheime. In: Die Frau. 86. Jahrgang. Heft 10. Berlin 1929, 590. Hinweise auf zwei weitere Heime (Herz-Jesu-Haus bzw. St. Elisabeth) finden sich bei Elisabeth von Gagern: Die Englischen Fräulein. In: Georg Schwaiger (Hg.): Das Erzbistum München und Freising in der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft. Band II. München, Zürich 1984, 568 f. 156 Vgl. UAM, Sen. 688. Schwester Irma Chomse an den Rektor der Universität München vom 12.6.1926. Zur Gründung dieses Heims vgl. auch BayHStA, MK 40809. Christliches Studentenheim e. V. an das Finanzministerium München vom 26.1.1933. 157 Vgl. UAM, Sen. 365a/4. 158 Vgl. Die Studentische Wohnungsnot. In: Münchner Zeitung vom 9.10.1918, hier nach UAM, Sen. 365b/2.
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ner Prorektors, angesichts der wirtschaftlichen Verhältnisse dennoch undenkbar, komplette Häuser zu erwerben oder einzurichten.159 Diese Situation blieb bis Mitte der 1920er Jahre unverändert. In der bayerischen Landeshauptstadt wog sie aber umso schwerer, da die Zunahme des Münchner Fremdenverkehrs, der bereits vor 1914 zu den führenden in Europa zählte160, ungünstige Auswirkungen auf den freien Markt hatte. Das spürten vor allem die weniger finanzstarken Dauermieter, zu denen in der Hauptsache die Studenten gehörten. Nachdem das Angebot an Unterkünften beim akademischen Wohnungsamt bereits im April 1925 stark zurückgegangen war, kam es im darauffolgenden Monat nahezu zum Erliegen: „Die Klagen über wucherische Mietpreise und die Unmöglichkeit innerhalb einer angemessenen Preislage Zimmer zu bekommen, haben einen ausserordentlichen Umfang angenommen. Studenten, die von anderen Universitätsstädten, von kleinen sowohl wie von grossen (Berlin) hierherziehen, beschweren sich lebhaft über die hiesigen weit schlechteren Wohnungsverhältnisse und fürchten, wieder abreisen zu müssen. Viele junge Studenten und Studentinnen bitten uns völlig ratlos um irgendeine Unterkunft oder um Rat, wie sie sich von Mietverträgen auf 60–100 M monatlich, die sie in ihrer Not und Unerfahrenheit abgeschlossen haben, wieder frei machen können.“161 In Berlin wiederum waren die Frauen aufgrund der zahlreichen Lokale im Bereich der Universität sowie der potentiellen Übergriffe männlicher Nachtschwärmer gezwungen, weiter entfernt liegende Zimmer zu mieten und einen längeren, zeitraubenden Anfahrtsweg zu akzeptieren. Allerdings galt die studentische Wohnungsfrage nicht allein als ein Symptom der Großstädte, wie entsprechende Erhebungen bereits Mitte der 1910er Jahre zeigen konnten. Die Untersuchungen erbrachten den Nachweis, dass derartige Probleme entgegen der weitverbreiteten Auffassung vor allem kleine und mittelstädtische Orte betrafen, in welchen die ohnehin als mangelhaft zu bezeichnenden Unterkünfte nicht selten schon durch junge Untermieter anderer Berufsgruppen besetzt waren.162 Um die vielfältigen sozioökonomischen Missstände zu lindern, schlossen sich im Wintersemester 1925/26 die Deutsche-Christliche Vereinigung Studierender Frauen, der Katholische Deutsche Studentinnen-Verein Hadwig, der Verein studierender Frauen, die Academische Elisabeth-Konferenz, Hochland sowie einige
159 Vgl. UAM, Sen. 135d Band II. Protokoll der Verhandlungen der siebenten ausseramtlichen deutschen Rektorenkonferenz in Halle a. d. S. am 3., 4. und 5.6.1919. 160 Vgl. Rösch, 28. 161 UAM, Sen. 365b/2. Oberbauamtmann Geiger an den Stadtrat der Landeshauptstadt München vom 6.5.1925. Hervorhebung im Original. 162 Vgl. Glaser, 197 f.
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Freistudentinnen zur Münchner Studentinnengemeinschaft (MStG) zusammen, die sich als solidarische Dachorganisation aller freien und organisierten Studentinnen der Münchner Hochschulen verstand und für eine gemeinsame Interessensvertretung eintrat.163 Diese Aufgabe gedachte man dadurch zu unterstützen, indem die Kommilitoninnen stärker als bislang im AStA vertreten werden sollten. „Im richtigen Verständnis für die Notwendigkeit, Spaltungen zu vermeiden und ein vertrauensvolles Zusammenwirken zwischen männlichen und weiblichen Studierenden anzubahnen“, sahen die Frauen allerdings von der vormals in Aussicht genommenen Aufstellung einer eigenen Liste ab und ließen sich auf entsprechende Verhandlungen mit den männlichen Mitstreitern ein. Selbige führten dazu, dass der MStG auf der Liste der Deutschen Finkenschaft, die bspw. auch an der Hamburger Universität für die Erweiterung der aktiven Mitarbeit der Kommilitoninnen zur Verfolgung ihrer speziellen Belange eintrat164, ein sicherer Sitz überlassen wurde. Dies ermöglichte es den Münchnerinnen ebenfalls, ihre Bedürfnisse, welche sie im Sinne von Gertrud Faßhauer gewissermaßen zu einer „Schicksalsgemeinschaft“165 zusammengeführt hatten, wahrzunehmen. „Es ist nicht zu zweifeln, daß diese Lösung sowohl auf ihre Wahlbeteiligung wie auch auf die Arbeit des künftigen Asta günstig wirken wird.“166 Tatsächlich zahlten sich die Anstrengungen aus und Mitglieder der MStG gelangten in den AStA. Sogar ein entsprechendes Gesuch, welches gleichermaßen um die Vertretung der Arbeitsgemeinschaft im Vorstand bat, fand Berücksichti-
163 Vgl. StAM, Pol. Dir. 5574 sowie Die Studentinnenvereine der Universität München. In: BHZ vom 4.9.1926. Für das Sommersemester 1926 wurde der Vorsitz der MStG von einem Mitglied des Vereins studierender Frauen übernommen. Vgl. Die Münchener Studentinnen-Gemeinschaft. In: Die Studentin vom 1.4.1926. Die mitunter unterschiedliche Schreibweise der einzelnen Vereine folgt an dieser Stelle dem einschlägigen Kapitel: Kurze geschichtliche Abrisse aller deutschen studentischen Vereinigungen in Deutschland, Danzig, Deutsch-Österreich und Sudetenland. München: Universität und Technische Hochschule. In: Michael Doeberl/Otto Scheel/Wilhelm Schlink u. a. (Hgg.): Das Akademische Deutschland. Band II. Die deutschen Hochschulen und ihre akademischen Bürger. Berlin 1931, 955–984, hier 980–984, künftig zitiert als Doeberl/ Scheel/Schlink: Bürger. Auch die Akademische Elisabethen-Konferenz, die aus einer Vielzahl katholischer Studentinnen bestand, hatte sich dem karitativen Moment verschrieben und wollte hauptsächlich hilfsbedürftige Kommilitoninnen, die sich an sie wandten, unterstützen. Vgl. Akademische Elisabethen-Konferenz. In: BHZ vom 2.2.1928. 164 Vgl. Bauer, 79. 165 Gertrud Faßhauer. Der Studentinnen-Verein. (Ein Beitrag zur Lehre von der Gruppe.). In: Kölner Vierteljahrshefte für Soziologie. IX. Jahrgang. Neue Folge der Kölner Vierteljahrshefte für Sozialwissenschaften (Reihe A: Soziologische Hefte). München, Leipzig 1931, 144, künftig zitiert als Faßhauer. 166 Alle Zitate nach Hochschulnachrichten. Münchener Studentinnengemeinschaft. In: BHZ vom 25.11.1926.
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gung: Im Wintersemester 1926/27 sowie im Sommersemester des darauffolgenden Halbjahres war mit der Lehramtsstudentin Karola Funk eine Frau als zweiter Beisitzer im Vorstand des Münchner AStA vertreten, die dem Studentinnenverein Hadwig angehörte, aus dessen Kreis sich ebenfalls Frauen zur MStG zusammengefunden hatten.167 Des Weiteren konnte der im Februar 1927 vorgelegte Semesterbericht über die vergangenen Monate weitere praktische Erfolge verzeichnen. Dazu gehörte der Verhandlungsbeginn über die Anfang Dezember beim gemeinsamen Ausschuss für Leibesübungen der Universität und TH München vorgelegte Eingabe nach Abhaltung der Turnstunden für Studentinnen durch eine weibliche Kraft168: „Eine Frau dürfte schon vom rein technischen Standpunkt aus als die natürlich geeignete erscheinen, den Unterricht in Leibesübungen in einer dem weiblichen Körper entsprechenden Art durchzuführen“169, so Anna Reinartz, Philologiestudentin und Vorsitzende der MStG. Die Universität stand diesem Anliegen grundsätzlich positiv gegenüber: Bereits im Sommersemester 1927 leitete eine Turnlehrerin die Stunden der mittlerweile rund 180, regelmäßig an den Übungsabenden in der Landesturnanstalt teilnehmenden Studentinnen.170 Ohne Rücksicht auf parteipolitische oder konfessionelle Unterschiede – was den Prinzipien Fritz Becks entsprach – wollte die MStG aber nicht nur die Rechte der Kommilitoninnen vertreten, sondern zugleich eine Beratungsstätte für die jüngeren unter ihnen sein, ohne den Mitgliedern irgendwelche Zwänge aufzuerlegen oder korporativen Charakter zu zeigen171: „Wichtig ist, daß wir alle diese Probleme sehen, nicht übersehen. Hier liegt eine besondere Gefahr für die Freistudentin, die ja überhaupt in Bezug auf große, weitumfassende Fragen, die nicht ihr Fachstudium angehen, schwer zu erfassen ist. Die korporierte Studentin kommt naturgemäß leichter mit all den studentischen Fragen enger in Berührung. Wichtig ist daher, daß die Münchener Studentinnengemeinschaft (M. St. G.)
167 Vgl. Personenstand der Ludwig-Maximilians-Universität München. Sommer-Halbjahr 1927. A. Behördenverzeichnis nach dem Stande vom 5. Juli 1927. B. Studentenverzeichnis nach dem Stande vom 31. Mai 1927. München 1927, 7. Zu den persönlichen Angaben vgl. UAM, Stud-Kartei I (Funk, Karola). Nur ein Semester später verließ Funk die LMU mit Ablegung der Lehramtsprüfung. 168 Vgl. Münchener Studentinnengemeinschaft. In: BHZ vom 3.3.1927 sowie UAM, P-II-26 Band 2. Niederschrift über die Sitzung des Gemeinsamen Ausschusses der Universität und Technischen Hochschule München für Leibesübungen vom 17.1.1927. 169 UAM, P-II-31. MStG an den Hohen Senat der Ludwig-Maximilians Universität München vom 9.12.1926. 170 Vgl. Leibesübungen. In: JB LMU 1926/27 (vom 27. Juni 1926 bis 26. Juni 1927). München 1928, 98. 171 An alle Münchener Studentinnen! In: BHZ vom 10.11.1927.
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alle weiblichen Studierenden umfaßt.“172 Zu diesem Zweck initiierte man verschiedene Veranstaltungen, darunter Vortragsabende mit anschließender Diskussionsrunde, wozu stets alle weiblichen Studierenden eingeladen waren. Außerdem unterstützte die MStG den DAB bei seiner Fragebogenaktion, die die wirtschaftliche Lage der Hochschulbesucherinnen erfassen sollte173, forcierte die Zusammenarbeit mit Frauenorganisationen wie dem Bund deutscher Akademikerinnen und sprach sich explizit für ein großes Studentinnenheim aus, dessen erste Anfänge man mit der Tagesstätte „schon dankbar“174 genoss. Bezug nehmend auf die Leiterin der Beratungsstelle für studierende Frauen machte auch die seinerzeitige Vorsitzende der MStG, die Studentin der Altphilologie Anny Geiß175, auf die besonderen Schwierigkeiten aufmerksam, die den Kommilitoninnen bei der Wohnungssuche erwuchsen, und dankte all jenen, die das Vorhaben des Heims aufgenommen hatten: ‚Möge dieser Plan nicht zur Fata Morgana werden, die so schnell wieder verschwindet, wie sie aufgetaucht ist!‘176Abgesehen von wirtschaftlichen oder sozialen Überlegungen war der Wunsch nach einem Wohnheim für die MStG aber gleichermaßen durch den Gedanken inspiriert, „das Gemeinschaftsleben zu fördern und es auf einen natürlichen, fruchtbaren Boden zu stellen, nutzbringend für den einzelnen wie für die Gemeinschaft.“ Den konkreten Hintergrund für diese in der Bayerischen Hochschulzeitung geäußerten Überlegungen bildete die Teilnahme an einem Vortrag von Dr. Gisela Mauermayer-Schmidt, Mitglied des Vereins für Fraueninteressen und Frauenarbeit sowie der Abteilung Akademikerinnen, zum Thema „Studentin und akademische Freiheit“, der das besonders für die Erstsemester so scheinbar zwanglose Studentendasein beleuchtete. Nach Meinung der Gesprächsrunde führte die Freiheit bei einem Teil der Kommilitoninnen zu einer ausschließlichen Verkapselung in ihr Spezialgebiet bzw. in ihre egozentrischen Kreise, während ein anderer Teil die Situation derart ausdehne, bis „alle Schranken fallen“177. Um dem vermeintlichen Missbrauch entgegenzuwirken, aber letztendlich auch, um neue Mitglieder zu einer solidarischen Interessensvertretung für alle Fragen sozialer bzw. sozialstudentischer Art innerhalb der MStG heranzubilden und damit den eigenen Einflussbereich zu vergrößern, wurde der unbedingt notwendige
172 Münchener Studentinnengemeinschaft. In: BHZ vom 25.4.1929. 173 Vgl. Münchener Studentinnengemeinschaft. In: BHZ vom 26.1.1928. 174 Hedwig Führkötter: Studentin und akademische Freiheit. In: BHZ vom 18.7.1929. 175 Zu den persönlichen Daten vgl. UAM, Stud-Kartei I (Geiß, Anna (!)). 176 BayHStA, MK 40808. Denkschrift zur Schaffung eines Studentinnen-Club- und Wohnheimes in München vom 1.12.1928. 177 Alle Zitate nach Hedwig Führkötter: Studentin und akademische Freiheit. In: BHZ vom 18.7.1929.
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Zusammenschluss zu einem Gemeinschaftsleben postuliert. Seinen praktischen Ausdruck sollte dieser in einem Wohnheim finden. Damit die fehlenden Mittel für den mit 300.000 RM veranschlagten Anbau des Tagesheims auf dem dazu gehörigen Gartengrundstück eingetrieben werden konnten, hatte der Verein Studentenhaus, abgesehen von Konzert-, Wohltätigkeits- bzw. Lotterieveranstaltungen sowie Vorträgen und Spendenaufrufen, einen beratenden Werbeausschuss ins Leben gerufen, dem bis Dezember 1928 mehr als 30 Damen beigetreten waren. Unter ihnen befanden sich neben Anny Geiss zahlreiche Vertreterinnen der Stadt und verschiedener Frauenorganisationen, darunter die Vorsitzende des DAB, Dr. Agnes von Zahn-Harnack, oder die Stadträtin und erste Vorsitzende des Vereins für Fraueninteressen und Frauenarbeit, Luise Kiesselbach. Gegründet hatte man den Verein im Mai 1894 unter dem Namen „Gesellschaft zur Förderung geistiger Interessen der Frau“, die sich als Zusammenschluss von Frauen aus dem gebildeten Münchner Bürgertum verstand. Sie alle bekannten sich zu einer Bewegung, „von der die Stadt und ganz Bayern bisher so gut wie unberührt geblieben waren: zur modernen Frauenbewegung.“ 1899 änderte man den Namen des Vereins aufgrund der stetigen Erweiterung seiner Tätigkeiten in die auch heute noch gültige Bezeichnung „Verein für Fraueninteressen“, 1920 in „Verein für Fraueninteressen und Frauenarbeit“178. Kiesselbach, die als Pionierin im Bereich der sozial-karitativen Arbeit galt179, war es als einer von insgesamt drei Initiatorinnen zu verdanken, dass dem Verein seit Juli 1914 die Abteilung Vereinigung der akademisch gebildeten Frauen Münchens angehörte, zu deren bekanntesten Mitgliedern die Schriftstellerin und Historikerin Ricarda Huch zählte. Der Zweck des ab dem Geschäftsjahr 1930/31 als Vereinigung der Akademikerinnen, ab 1931/32 als Akademikerinnenbund München bezeichneten Zusammenschlusses lag in der Förderung der materiellen und ideellen Interessen studierter Frauen, denen zum Zeitpunkt der Gründung noch immer zahlreiche Berufslaufbahnen verschlossen waren. Nach dem Beitritt zum neugegründeten DAB im Jahr 1926 intensivierte man die Verbindung zum Hochschulnachwuchs:
178 Verein für Fraueninteressen e. V. (Hg.): 100 Jahre Verein für Fraueninteressen. München 1994, 3–8, künftig zitiert als 100 Jahre VfFI. Zum VfFI vgl. auch Benedikt Weyerer: München 1919–1933. Stadtrundgänge zur politischen Geschichte. München 1993, 125 f., künftig zitiert als Weyerer. 179 Zum Leben und Werk von Luise Kiesselbach vgl. exemplarisch: 100 Jahre VfFI, 98 f., sowie Hildegard Kronawitter: Politik und Soziales – Frauensache! Luise Kiesselbach war eine der wichtigsten Sozialreformerinnen ihrer Zeit. In: SZ vom 20.12.1999 und Auguste Steiner: Begegnungen mit Luise Kiesselbach. Ein Vortrag, gehalten am 30.5.1978 zur 50-Jahr-Feier des Luise-Kiesselbach-Heimes in München. München 1979. Ergänzend auch Weyerer, 181 f.
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Studentinnen wurden zu Veranstaltungen der Akademikerinnen eingeladen, Referate bzw. Werbevorträge an den Universitäten München und Würzburg gehalten, die Interesse an der Organisation hervorrufen sollten.180 1928 richtete man eine Studienfachberatung für die verschiedenen Richtungen ein, über die jeweils ein bereits im Beruf stehendes Mitglied Auskunft erteilte. Darüber hinaus beteiligten sich die Mitglieder mit großer Hingabe an der vom Verein Studentenhaus für die weiblichen Studierenden eingeleiteten Fürsorge: „Der materiellen Not der Studentinnen stand unser soziales Gewissen nicht gleichgültig gegenüber. Wir nahmen uns besonderer Notfälle unter den Bedürftigen an, indem wir ihnen monatlich sorgfältig zusammengestellte Lebensmittelpakete zukommen liessen. Rührende Dankschreiben haben uns bewiesen, welche Not schon damals unter dieser Jugend herrschte.“181 Nachdem die ersten Überlegungen für den Ausbau des Tagesheims in der Kaulbachstraße zu einem Wohnheim im Raum standen, war es folglich nur selbstverständlich, dass der VfFI ebenfalls mehrere Vertreterinnen in den Werbeausschuss entsandte. Um die Zeit bis zur Umsetzung des Wohnheims zu überbrücken, d. h. begabte, minderbemittelte Studentinnen vorerst andernorts unterzubringen, aber gleichzeitig zu verhindern, dass neben der eigenen Werbearbeit von dritter Stelle aus für ein derartiges Projekt geworben wurde, ging der Verein Studentenhaus am 20. April 1929 einen Vertrag mit den Inhaberinnen eines als Wohnheim ausgewiesenen Anwesens in der Königinstraße 69 ein. Das von der Münchner Rückversicherung angemietete Haus war mit Hilfe zweier Töchter eines wohlhabenden Großindustriellen sowohl baulich erneuert als auch wohnlich gestaltet worden und verfügte über sieben Zimmer mit insgesamt elf Betten, welche Angehörigen aller Konfessionen und Nationen offenstanden. Darüber hinaus konnten der Garten und die Räume des Hauses größeren Studentinnengruppen für verschiedene Veranstaltungen bereitgestellt werden. „Um dem Heim eine vorläufige juristische Form zu geben, schlossen die beiden Damen als Mieterinnen des Hauses, Eigentümerinnen des Inventars und Leiterinnen des Betriebes mit dem Verein Studentenhaus e. V. einen bis Oktober 1929 geltenden Vertrag, nach dem das Heim den Namen „Studentinnenwohnheim des Vereins Studentenhaus e. V. München, Königinstrasse 69 Gh [Gartenhaus/P. U.]“182 führen durfte. Obwohl
180 Vgl. VfFI, Tätigkeitsberichte 1916/1917–1936. 33. Jahresbericht des Vereins für Fraueninteressen und Frauenarbeit in München für das Geschäftsjahr 1926/27. 181 VfFI, Tätigkeitsberichte 1916/1917–1936. 37. Jahresbericht des Vereins für Fraueninteressen und Frauenarbeit in München für das Geschäftsjahr 1930/31. 182 BayHStA, MK 40808. Pater Hugo Lang an das Reichsministerium des Innern vom 6.9.1929. Im Jahresbericht 1929 bis 1931 trägt die Einrichtung den Namen „Studentinnenheim Irmengard e. V. München“. Vgl. EAM, NL Faulhaber 6558/3. Jahresbericht 1929–1931.
1.3 Exkurs: Das Studentinnenheim Marie-Antonie-Haus
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sich etwa die Presse durchaus positiv über den – wenngleich kleinen – „Anfang zu einem gehobenen Gemeinschaftsleben“183 äußerte, erbrachte die Zweckgemeinschaft praktisch nicht die erhoffte Entlastung: Die über dem Existenzminimum der meisten Studentinnen angesetzten Zimmerpreise von 165 bis 185 RM für Minderbemittelte wären nur durch einen entsprechenden Zuschuss von externen Organisationen tragbar gewesen. Lediglich vier Betten in zwei Räumen hatte man, inklusive Frühstück, explizit für 45 RM bereitgestellt. Letztendlich standen sie jedoch ebenso wenig zur Verfügung, weil das Heim nicht rechtzeitig zu Beginn des Sommersemesters 1929 fertiggestellt wurde. Nachdem eine derartige Lösung auf Dauer keine sozial-karitative Wirkung entfalten konnte und sich überdies vom Akademikerinnenbund Berlin sowie von verschiedenen Frauen- bzw. studentischen Organisationen bereits Beschwerden darüber häuften, der Verein Studentenhaus verbände sich mit einem Wohnheim, dessen Preise denen der gewerbsmäßigen Pensionen erster Ordnung in München gleichkämen184, sah man sich gezwungen, die Verbindung zum 1. Oktober zu lösen.185 Auch der vormals geplante Ausbau des Anwesens fand vor diesem Hintergrund keine Zustimmung durch den Verein Studentenhaus, zumal allein die beiden katholischen Hildegardisstifte in der Bruder- und Giselastraße mit insgesamt mehr als 120 Betten das sozial-karitative Element weitaus stärker betonten; „ferner darf gesagt werden, dass wenn schon Mittel für einen Neubau zur Verfügung gestellt werden, die sparsamste und zweckmässigste Verwendung nach Ansicht der Hochschulen wie der Studentenschaft die ist, unser in allernächster Nähe der Universität gelegenes Studentinnenheim nach den vorliegenden Plänen […] auszubauen.“186 Die schriftlich gegenüber dem Reichsministerium des Innern vorgebrachten Äußerungen richteten sich explizit gegen eine Eingabe des erst kürzlich errichteten Studentinnenheims in der Königinstraße, welches im Alleingang geschickt um eine Finanzförderung durch Reichsmittel gebeten hatte: „Einem vom Verein Studentenhaus geplanten, grösseren, blossen Unterkunftshaus für Studentinnen, das ja unvergleichlich grössere Summen kosten wird, steht das Heim in seiner
183 Helene Raff: Ein Münchner Studentinnenheim. In: MNN vom 5.5.1929, hier nach StWM, Ordner Nr. 15. 184 Vgl. BayHStA, MK 40808. Theodor von Winterstein an das Reichsministerium des Innern vom 30.10.1929. 185 Vgl. dazu auch UAM, Sen. 688. Verein Studentenhaus München e. V. an das Sekretariat der Universität München vom 24.3.1930. 186 BayHStA, MK 40808. Theodor von Winterstein an das Reichsministerium des Innern vom 30.10.1929.
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bereits jetzt wohlbegründeten Eigenart nicht im mindesten im Wege.“187 Mit dem erhofften Zuschuss beabsichtigte man, das Dachgeschoss auszubauen sowie ein weiteres Haus anzukaufen. Die Maßnahmen sollten zu einer erhöhten Anzahl von Aufnahmen verhelfen, da besonders die hier favorisierte Zielgruppe gut situierter Studentinnen offenbar als lohnendes, wirtschaftliches Investitionsprojekt galt.188 Wie neueste Forschungsergebnisse über den für die Umbauarbeiten vorgesehenen Architekten und Direktor der Staatsschule für angewandte Kunst, Professor Carl Sattler – der bereits für die Ausstattung des Tagesheims sowie den Bau des Studentenhauses der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg herangezogen worden war – zeigen, kam das Projekt jedoch nicht zustande.189 Das spricht für einen abschlägigen Bescheid vonseiten des potentiellen Geldgebers. Nachdem auch der Verein für Fraueninteressen und Frauenarbeit ausgehend von seiner Kinderfürsorge Anfang der 1930er Jahre dazu übergegangen war, freigewordene Zimmer im Kinder- bzw. Erziehungsheim Luisenhaus günstig für bedürftige Studentinnen bereitzustellen190, sah sich der Verein Studentenhaus im Sommer 1930 endlich in die Lage versetzt, „dem sehr dringenden Bedürfnis der minderbemittelten begabten weiblichen Studierenden an den Münchener Hochschulen nach billigen Zimmern und dem ebenso dringenden Bedürfnis nach Erweiterung des schon bestehenden Tagesheims nunmehr abzuhelfen.“ Möglich machten dies zwei Neuerungen: Zum einen genehmigte der Münchner Stadtrat im Verein mit der Direktion des Wohnungsamtes die Freigabe der beiden noch besetzten Wohnungen im Anwesen Kaulbachstraße 49, zum anderen ging eine
187 Ebd. Pater Hugo Lang an das Reichsministerium des Innern vom 6.9.1929. Eine Eingliederung des gesamten Heims in den Verein Studentenhaus hatte man bereits vorab ausgeschlagen. Ebd. 188 Der tatsächliche Schwerpunkt der Umbauarbeiten lag schließlich in erster Linie auf dem im rückwärtigen Areal des Grundstücks gelegenen Gartengebäude, das man zu Studentenzimmern umzufunktionieren gedachte. Neben den alle Etagen betreffenden Arbeiten, die u. a. die Installation einer Heizungsanlage, den Abriss des Treppenhauses im Erdgeschoss sowie diverse sanitäre Maßnahmen vorsahen, war geplant, den Anbau des Gartengebäudes abzubrechen. Unter Hinzuziehung des dabei anfallenden Materials sollte dieser anschließend in größerem Ausmaße wieder aufgebaut werden. Für die übrigen Gebäude, welche gemeinsam mit dem Gartengebäude einen Hof umfassten, waren lediglich marginale Veränderungen vorgesehen; den Garten beabsichtigte man nach dem Abschluss aller weiteren Tätigkeiten instand zu setzen. Vgl. dazu ausführlich Benedikt Maria Scherer: Projekt Um- und Anbau Studentenwohnheim München, Königinstr. 69, 1928–1929. In: Ders.: Der Architekt Carl Sattler. Leben und Werk. Band 2. Katalog. München 2007, 333. 189 Vgl. ebd. 190 Zum Luisenhaus (1925–1936) vgl. 100 Jahre VfFI, 53 f.
1.3 Exkurs: Das Studentinnenheim Marie-Antonie-Haus
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„hochherzige grosse Spende“191 des deutsch-amerikanischen Antikensammlers, Philanthropen und Ehrenbürgers der Universität München James Loeb ein.192 Auf Anregung seiner Ehefrau Marie Antonie erklärte Loeb sich bereit, von den mittlerweile auf 350.000 RM angewachsenen Baukosten 250.000 RM zu übernehmen. Wunsch des anonym bleiben wollenden Spenders, der 1922 von der LMU den Ehrendoktortitel der Philosophischen Fakultät für seine großen Verdienste um die Wissenschaft erhalten193 und zusammen mit seiner Frau vordem die erziehungsreformerischen und sozial-karitativen Maßnahmen der mittlerweile verstorbenen Luise Kiesselbach (1863–1929) unterstützt hatte, war es allerdings, dass der durch Carl Sattler vorgenommene Bau bis spätestens Mai 1931 fertiggestellt sein sollte. Schon im Dezember 1928 hatten von Sattler erste Entwürfe für das Projekt vorgelegen, welche ein weiteres Vollgeschoss sowie ein Flachdach mit Damenluftbad beinhalteten, das als Ausgleich für den stark zu verkleinernden Garten gedacht war; diese Pläne fanden jedoch keine weitere Berücksichtigung. Stellvertretend für den Architekten reichte schließlich Franz Winkler am 19. August 1930 bei der Lokalbaukommission München die Pläne zur Genehmigung des Studentinnenwohnheims ein, dessen Baubeginn auf Mitte September datiert. Bereits am 2. Mai 1931 waren die Arbeiten im Wesentlichen abgeschlossen.194 Nur drei Tage später fand die festliche Einweihung des nach der Ehefrau des Stifters benann-
191 Alle Zitate nach BayHStA, MK 40808. Theodor von Winterstein an das Staatsministerium für Unterricht und Kultus vom 2.8.1930. 192 Vgl. Wolfgang Burgmair/Matthias M. Weber: „Das Geld ist gut angelegt, und Du brauchst keine Reue zu haben“. James Loeb, ein deutsch-amerikanischer Wissenschaftsmäzen zwischen Kaiserreich und Weimarer Republik. In: Historische Zeitschrift. Band 277. München 2003, 343– 378, bes. 352 f., sowie Brigitte Salmen: James Loeb 1867–1933. Kunstsammler und Mäzen. Murnau 2000 und Andreas Kühne: Amphoren, Bücher und Milchpulver für die Kinder. Aus dem Leben eines großen Mäzens: Das Schlossmuseum Murnau erinnert an den Wohltäter und Sammler James Loeb. In: SZ vom 4.5.2000. 193 Vgl. UAM, Sen-II-23. 194 Zu den genauen Baumaßnahmen vgl. Benedikt Maria Scherer: Um-/Anbau und Erweiterung Studentinnenheim „Marie-Antonie-Haus“, München, Kaulbachstraße 49, 1930–1931. In: Ders.: Der Architekt Carl Sattler. Leben und Werk. Band 2. Katalog. München 2007, 350, künftig zitiert als Scherer: Studentinnenheim. Die gesamten Herstellungskosten sowie das Architektenhonorar betrugen am Ende fast 400.000 RM, wobei Sattler dem Verein Studentenhaus insofern entgegenkam, als er die laut Gebührenordnung für Architekten vom 1.7.1926 vorgesehene Erhöhung des Betrages um ein Drittel nicht veranschlagte. Ebd., 351. Zur Baugenehmigung vgl. StadtA Mü., LBK 4981. Franz Winkler an die Lokalbaukommission München vom 19.8.1930. Der Kaufpreis des Hauses hatte 90.000 RM betragen. Vgl. UAM, Sen. 199. Studentenwerk München e. V. und Studentenhaus München G. m. b. H. Jahresabrechnung 1935/36 und Voranschlag 1936/37 mit Bilanzen und Erfolgsrechnung für den 31.3.1936.
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ten „Marie-Antonie-Hauses“ statt: „Es bietet etwa 70 Studentinnen Unterkunft in schlichten, aber allen neuzeitlichen Anforderungen genügenden Zimmern, die unter die zahlreichen Bewerberinnen nach dem Gesichtspunkt der Bedürftigkeit und der Würdigkeit vergeben wurden, sodass auch hier der Gedanke sozialer Fürsorge mit dem der Förderung der Tüchtigen verbunden wurde. Ausserdem finden sämtliche weibliche Studierenden hier in geschmackvollen Räumen die Möglichkeit zu häuslichem Studium wie zu geselligem Zusammensein im weiblichen Kreise und zum Ausruhen während der nötigen Erholungspausen in des Tages Arbeit.“195 Gemäß dem Inhalt der Festrede stellte das umgehend komplett besetzte Heim tatsächlich mehr als eine reine Schlafstätte dar. So war bei der Ausstattung viel Wert auf Details gelegt worden, um nicht nur eine funktionale, sondern auch eine behagliche Atmosphäre für die Bewohnerinnen zu schaffen. Aus diesem Grund hatte man bspw. Alt- und Neubau durch eine ebenerdige, große Halle verbunden, die als „ungemein heller, luftiger, reizvoller Raum mit Tischen, auf denen Lampen stehen, mit Stühlen und Hockern, die abwechselnd blau und rot bezogen sind“, beschrieben wurde. Diese Linie setzte sich in der sowohl praktischen als auch einladenden Zimmerausstattung fort: „Alles ist hell und freundlich, die Möbel grau gebeizt, die Wände weiß, und nur wenige betonte Linien, hauptsächlich an den Türen, sind farbig gefaßt. In jedem Stockwerk anders, blau, rot, gelb, grün“196; Zeitzeugenbefragungen zufolge soll Carl Sattler wegen der Stoffe für die Ausstattung der großen Halle sogar extra ganze Stoffballen auf Mallorca besorgt haben.197 Die allgemeine Aufteilung des Hauses in drei Bereiche, d. h. Tages-, Wohnheim und Wirtschaftsräume folgte der drei Jahre zuvor vom Marburger „BettinaHaus“ – als eines der ersten deutschen Studentinnenheime seiner Zeit – vorgegebenen Linie.198 Darüber hinaus stiftete die Vereinigung der Akademikerinnen
195 BayHStA, MK 40808. Entwurf einer Ansprache des Staatsministers Goldenberger bei Eröffnung des Münchner Studentinnenheimes am 5.5.1931. 196 Alle Zitate nach von Stein: Das Studentinnen-Wohnheim „Marie-Antonie-Haus“ in München. In: Studentenwerk. Zeitschrift der studentischen Selbsthilfearbeit. Berlin, Leipzig 1931, 182. 197 Vgl. Scherer: Studentinnenheim, 351. Auch die Ehefrau von James Loeb hatte durch eine Stiftung zur besonderen Ausschmückung des Heims beigetragen und damit die Wohnlichkeit erhöht. 198 Vgl. Claudia Bader: Die mit dem Studentinnenheim gesetzte Verantwortung und Aufgabe der weiblichen Studierenden. In: Studentenwerk. Vierteljahreshefte der studentischen Selbsthilfearbeit. Leipzig 1928, 193. Der Artikel wurde auch abgedruckt in: Die Frau. 35. Jahrgang. Heft 12. Berlin 1928, 733–737.
1.3 Exkurs: Das Studentinnenheim Marie-Antonie-Haus
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eine Bibliothek mit einem Betrag von 1000 RM, wobei der Großteil der Summe zur Ausstattung des Raumes verwendet wurde, die Bücher selbst durch Schenkung in den Besitz kamen; eine entsprechende Widmung über der Tür des Zimmers – „Der Akademikerinnenbund München den jungen Commilitoninnen“199 sowie eine ausführliche Ehrentafel in der Eingangshalle verwiesen auf die jeweiligen Wohltäter200. Konträr sind in diesem Zusammenhang die Ausführungen Zahn-Harnacks, die es Bezug nehmend auf die Einrichtung von Tagesheimen als einen „Irrweg“ empfand, wenn einzelne unter ihnen sich um die Anschaffung einer kleinen wissenschaftlichen Handbibliothek bemühten und dafür nicht unerhebliche Aufwendungen machten. Ihrer Ansicht nach standen der Studentin die Seminar- und Bibliotheksräume zum Arbeiten zur Verfügung, wohingegen das Tagesheim der Erholung und Entspannung dienen sollte.201 Trotz kritischer Stimmen gab das Konzept den Initiatoren am Ende Recht. So äußerte sich bspw. eine nach München zum Studium Zugezogene euphorisch über all die „Beneidenswerten“, denen es vergönnt war, in den geschmackvollen Räumen des Heims zu wohnen: „Das Bett in der Ecke wirkt als gemütliche „Couch“, es ist durch eine indanthrenfarbene Decke und Rollkissen in einen breiten Divan verwandelt. Dann: fließend Warm- und Kaltwasser! In jedem Stock-
199 VfFI. Tätigkeitsberichte 1916/1917–1936. 37. Jahresbericht des Vereins für Fraueninteressen und Frauenarbeit in München für das Geschäftsjahr 1930/31. 200 Vgl. StWM, Ordner Nr. 14. Abdruck der Ehrentafel auf einem undatierten Werbeblatt aus der Nachkriegszeit [ca. 1950er Jahre]. Die auch heute noch existierende Tafel enthält folgenden Text: „Der Bau dieses Hauses wurde ermöglicht durch die Stiftung eines gütigen Menschen. Es soll den Studentinnen der Münchener Hochschulen ein gemütliches Daheim sein sowie eine Stätte edlen Strebens und guter Kameradschaft. Zu Ehren der Gemahlin des Stifters trägt das Haus den Namen Marie Antonie Haus. Sie selbst hat durch eine besondere Stiftung die Ausschmückung des Hauses ermöglicht und seine Wohnlichkeit erhöht. In Dankbarkeit sei ferner der gütigen Stifter gedacht, die ausserdem zur Verwirklichung des Studentinnenheimes beigetragen haben: Frau Geheimrat Duisburg und Frau von Veltheim – Herr und Frau Ministerpräsident Dr. Held – Geheimrat Dr. Caro – Albert Fürst von Thurn und Taxis – Direktor Dr. Hess – Staatsminister Dr. Goldenberger – Akademikerinnenbund München – Frau Professor Sattler – F. W. Lafrentz, New York – Quarter Collection, New York – Mr. and Mrs. Rudolf Erbslöh, New York – Mrs. Louis Stern, Californien – Mrs. E. S. Heller, Californien – Mr. and Mrs. Wunderlich, New York – Frauen der Dozenten der Universität – Frau Professor von Klenze – Frau Geheimrat Dantscher – Frau Geheimrat Berthold – Mrs. Emory E. Cochran, New York – Mount Holyoke College, U. S. A. – Vassar College, U. S. A. – Frau Professor M. Mueller – Wellesley-College, U. S. A. – Frauengruppe München des Bundes der Auslandsdeutschen – Mrs. J. H. Schiff, New York – Herr und Frau Dr. Hambuechen“. 201 Vgl. Agnes von Zahn-Harnack: Studentinnenheime. In: Studentenwerk. Zeitschrift der studentischen Selbsthilfearbeit. Berlin, Leipzig 1929, 370.
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werk ist eine kleine Küche, in der sich ein Gasherd befindet und etwas Hausrat, weil nämlich entgegen der allgemein herrschenden Ansicht doch manche Studentin vorzüglich kochen kann.“202 Eine andere Befürworterin lobte speziell die weit über das übliche „Budenleben“ hinausgehende Atmosphäre des Tagesheims, welches allen weiblichen Studierenden der verschiedenen Münchner Hochschulen zu Arbeits- und Erholungszwecken offenstand203; sogar täglich stattfindende Gymnastikkurse konnten in einem eigens dafür eingerichteten Saal stattfinden. Wie das Beispiel des Marie-Antonie-Hauses stellvertretend zeigt, wurde das noch 1926 in einer Rede von einem ungenannten Sprecher zur 100-Jahrfeier der LMU formulierte Postulat, wonach diejenige Frau die beste sei, „von der in der Oeffentlichkeit am wenigsten gesprochen wird“, eine Aussage, welche, „mit gewissen Einschränkungen natürlich, auch auf die Universitäten“204 Anwendung finden sollte, schrittweise von der Realität überholt. So war mit der in den vergangenen Jahren reichsweit gestiegenen Anzahl von Studentinnen gleichzeitig die Menge weiblicher Bedürftiger gewachsen, ein Faktum, das trotz des negativen Impetus mitverantwortlich für die nicht mehr zu umgehende Aufmerksamkeit war, die man den Frauen nun von offizieller Seite entgegenbringen musste. Verhältnisse, wie sie bspw. in Darmstadt vorherrschten, wo erst 1953 überhaupt mit dem Wohnheimbau begonnen wurde und noch 1968 keine einzige Studentin in einer derartigen Einrichtung untergebracht war, weil das Studentenwerk gemischten Heimen nach wie vor äußerst ablehnend gegenüberstand, dürften daher eher die Ausnahme gewesen sein.205 Allgemein lässt sich jedoch feststellen, dass es sowohl in München als auch in anderen Universitätsstädten vor allem ortsansässige Studentinnenvereine und Frauenverbände waren, die sich als erste der sozialen Unterstützung ihrer Geschlechtsgenossinnen angenommen hatten.206 Darunter befanden sich der
202 Alle Zitate nach J. M.: Etwas Hübsches für die Studentin! In: BHZ vom 12.5.1932. 203 Hilde Witt: Das Tagesheim für Studentinnen. In: BHZ vom 1.6.1933. 204 Anonym: Der Universität zum Festesgruße! In: Bayerische Staatszeitung und Bayerischer Staatsanzeiger vom 26.11.1926. 205 Vgl. Zybell/Kümmel, 25. 206 Vgl. UAM, Sen. 135d Band II. Protokoll der Verhandlungen der siebenten ausseramtlichen deutschen Rektorenkonferenz in Halle a. d. S. am 3., 4. und 5.6.1919. Zur Unterstützung von Studentinnen durch verschiedene Frauenvereine bzw. -initiativen vgl. exemplarisch Kaiser, 25 f., 32–34, oder Franken, 43–48, 58–61, 65, 73–84, sowie Hannah Lund: „Die Frau im Lebensraum des Mannes“: Berliner Studentinnen in der Weimarer Republik. In: Ausstellungsgruppe der Humboldt-Universität zu Berlin und Zentrum für interdisziplinäre Frauenforschung (Hgg.): Von der Ausnahme zur Alltäglichkeit. Frauen an der Berliner Universität Unter den Linden. Berlin 2003, 81–87, bes. 83 f.
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1905 gegründete Verein studierender Frauen München, welcher sich als Interessensvertretung aller an der hiesigen Universität immatrikulierten Studentinnen verstand207, oder der zwei Jahre später ins Leben gerufene Hildegardis-Verein. Letztgenannter suchte würdigen und begabten, aber mittellosen Katholikinnen durch Bereitstellung zinsloser Darlehen die Hochschulzeit finanziell zu erleichtern208, jedoch ohne eine „Förderung mit Breitenwirkung“209 sein zu wollen: „Auch was den Umfang des Frauenstudiums betrifft, so hat der Vorstand es sich angelegen sein lassen, nur begabteste Frauen zu fördern. Die Zahl der von ihm unterstützen Studentinnen ist so gering im Verhältnis zu der der studierenden Frauen überhaupt, dass der Hildegardis-Verein glauben darf, in keiner Weise mitverantwortlich zu sein für den übermässigen Andrang zu den Universitäten. Er hat sich bemüht, eine scharfe Auslese zu treffen, um ungeeignete Persönlichkeiten vom Besuch der Universitäten zurückzuhalten.“210 Nach eigenen Angaben konnte der Verein seine Aufgabe selbst nach 1933 fortsetzen, im beschränkten Maße sogar während des Zweiten Weltkrieges.211 Allein 1938 wurden auf diese Weise 90 Studentinnen unterstützt.212 Während des Ersten Weltkrieges hatte sich schließlich der im Wintersemester 1916/17 offiziell genehmigte „Verband Münchener Studentinnen“ der Studienund Berufsberatung sowie dem Wohnungsnachweis für Frauen angenommen; aufgrund mangelnder Quellen ist es aber nicht möglich, die Effizienz dieser Bemühungen sowie weitere Tätigkeiten und Probleme der folgenden Kriegsjahre nachzuweisen.213 Obwohl sich die Studentinnen – nicht zuletzt aufgrund derartiger Initiativen – den Weg an die Hochschulen mittlerweile erkämpft hatten, erscheint es dennoch verfrüht, davon zu sprechen, sie seien von ihren Kommilitonen „gleich-
207 Vgl. StAM, Pol. Dir. 2707. Statuten des Vereins Studierender Frauen München vom 6.12.1905. Zum Verein studierender Frauen vgl. auch die Dokumente im UAM, Sen. 746/56. Allerdings enthält der Akt überwiegend Anfragen bezüglich der Überlassung von Hörsälen für Veranstaltungen. 208 EAM, NL Faulhaber 6558/3. Hildegardisverein an Kardinal-Erzbischof [Faulhaber/P. U.] vom 4.6.1932. 209 Hildegardis-Verein (Hg.): Bildung verleiht Flügel. 100 Jahre Hildegardis-Verein. Frauen – Studien – Fördern 1907–2007. Münster 2007, 44. 210 EAM, NL Faulhaber 6558/3. Alice Zacharias an Kardinal-Erzbischof [Faulhaber/P. U.] vom 8.7.1932. 211 Vgl. ebd. Hildegardis-Verein an Ew. Eminenz vom 31.10.1946. 212 Vgl. ebd. Alice Zacharias: Bericht des Hildegardisvereins über das Jahr 1938. 213 Vgl. Koerner, 326, sowie UAM, 366c/2m. Rektorat an den Herrn Rektor der Universität Marburg vom 11.1.1918. In diesem Schreiben wurden die Satzungen des Verbandes Münchener Studentinnen übersandt, die allerdings in den Beständen des UAM nicht mehr enthalten sind.
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1 Sozioökonomische Bedingungen
geachtet und gern gesehen“214 gewesen, wie es Hellmut Bauer 1930 in einem Artikel über die studentische Lebensgestaltung formulierte. Zwar kam es, verschiedenen Studien zufolge215, mitunter durchaus zu einem kameradschaftlichen Umgang, der nicht selten über den universitären Bereich hinausging und bis hin zur gemeinsamen Freizeitgestaltung führte. Dennoch war die „Feindschaft der Akademiker“ gegenüber studierenden Frauen damit selbstverständlich nicht beendet. Abgesehen von der Tatsache, dass ein Großteil der Studenten in Korporationen und Verbindungen organisiert war, die u. a. die weibliche Emanzipation ebenso ablehnten wie das Studium der Frauen, sahen sich die Männer im Zeichen von Wirtschaftskrise und Hochschulüberfüllung in ihrem vormals elitären Selbstbewusstsein ernsthaft erschüttert: „In den oberen Mittelschichten (höhere Beamte und Angestellte), deren Kinder in der Studentenschaft weit überrepräsentiert waren, wurde der soziale Status nicht durch die traditionelle Einheit von „Besitz und Bildung“ des Bürgertums im 18. Jahrhundert gesichert, sondern durch eine berufliche Position, für die eine akademische Bildung die beste Zugangsbedingung war. […] Diese Lebensperspektive, das sich im Sozialisationsprozeß herausgebildete Statusdenken, geriet in Gegensatz zu den gesellschaftlichen Aufstiegsmöglichkeiten.“ Allerdings sprachen die Studenten die Sorge um ihre soziale Stellung nicht direkt aus, sondern fühlten sich, wie bereits Generationen vorher, „als „Elite des Volkes“, die diesem unter „schweren Opfern“ seine „geistigen Kräfte“ erhielt, und der nun das Wasser abgegraben werden sollte.“216 Verantwortlich für die Misere waren ihrer Ansicht nach die Republik, welche die Elite nicht zu würdigen wusste, der verhältnismäßig große Anteil studierender Juden, die als Konkurrenten auf dem Arbeitsmarkt galten, sowie die Studentinnen: „Der Lebensraum des akademisch gebildeten Mannes in Deutschland ist so verengt wie noch nie, einmal durch die allgemeine Verengung des Lebensraumes des deutschen Volkes (verlorener Krieg, industrieller Wettbewerb der Siegerstaaten, vieler neuer Industriestaaten usw.), sodann durch den übermäßigen Andrang
214 Vgl. Hellmut Bauer: Studentische Lebensgestaltung. In: Michael Doeberl/Otto Scheel/Wilhelm Schlink u. a. (Hgg.): Das Akademische Deutschland. Band III. Die deutschen Hochschulen in ihren Beziehungen zur Gegenwartskultur. Berlin 1930, 409, künftig zitiert als Bauer: Lebensgestaltung. 215 Vgl. exemplarisch Scherb, 111–114. 216 Alle Zitate nach Irmgard Weyrather: „Die Frau im Lebensraum des Mannes“. Studentinnen in der Weimarer Republik. In: Frauengeschichte. Beiträge zur feministischen Theorie und Praxis. Nr. 5. München 1981, 28. Vgl. in diesem Zusammenhang auch: Konrad H. Jarausch: Vermassung, Proletarisierung und Überfüllungskrise. In: Ders.: Deutsche Studenten 1800–1970. Frankfurt am Main 1984, 129–140, bes. 138 f.
2.1 Die Radikalisierung der Studentenschaft
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zum akademischen Studium. In diese schmale Lebensbasis drängt sich jetzt […] die studierende Jungfrau hinein, und zwar in enorm zunehmendem Maße, so daß der junge Akademiker sozusagen ohne Lebensraum ist.“217
2 Politische Haltung der Studentinnen 2.1 Die Radikalisierung der Studentenschaft Weil schon zu Beginn der Weimarer Republik völkische Ideologie, Nationalismus sowie Antisemitismus weite Teile der Studenten durchdrungen hatten218, in Erlangen etwa von 1921 bis 1926 die korporierte Vereinigung „Bund Deutscher Studentinnen“, welche in ihren Satzungen explizit die Aufnahme von Jüdinnen ausschloss219, und in München bereits von 1922 bis 1924/25 die rechtsradikale Organisation „Völkische Finkenschaft“ aktiv gewesen waren220, zeigten sich die Studenten äußerst empfänglich für die Parolen der Nationalsozialisten. So hatte vordem Alfred Rosenberg in seinem zuerst im Jahre 1922 erschienenen Kommentar zum Parteiprogramm der NSDAP die sog. „Intelligenz“ umworben, eine Wohltat für das offensichtlich lädierte, männliche Selbstbewusstsein: „Das Kostbarste, worüber ein Volk verfügt, sind seine großen Männer. Gelangen solche Begabungen nicht zur Auswirkung ihrer Fähigkeiten, so zeigt dies, daß die Verhältnisse die denkbar volksfeindlichsten sind. […] Die führende, völkische Intelligenz kann kein Volk missen, ohne, als Volk, unterzugehen. Sie bildet die Blüte der Nation, die Merkpfähle ihrer Größe und ihres Wesens, die Verkörperung dessen, was man Volksseele nennt.“ Zudem versprach Punkt 24 des Parteiprogramms den Kampf
217 Rompel, 6. 218 Vgl. ausführlich: Grüttner, 19–31. 219 Lehmann: Stieftöchter, 28. Der Wahlspruch des farbentragenden (zunächst blau-rot-gold, ab 1924 schwarz-weiß-rot), sich jedoch mangels Mitgliedern auflösenden Bundes lautete „Tätig und treu“ (ebd.), ihre Prinzipien „Pflege vaterländischer Gesinnung, Förderung des geistigen und gesellschaftlichen Verkehrs untereinander.“ Wendehorst, 178. 220 Sie suchte vor allem durch „sensationsheischende Aktionen gegen jüdische Professoren bzw. deren Berufung und durch die Forderung nach einem antijüdischen Numerus Clausus“ an Profil zu gewinnen. Rösch, 134. Darüber hinaus stellte die Völkische Finkenschaft die erste Mitgliederbasis für die im Mai 1925 entstandene „Sektion München“ nationalsozialistischer Studenten. Vgl. ebd.
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2 Politische Haltung der Studentinnen
gegen den „jüdisch-materialistischen Geist in und außer uns“221, was die antisemitischen Bestrebungen genauso befriedigt haben dürfte wie die abwertenden Ansichten führender Parteivertreter über die „natürlichen Fähigkeiten“ der Frauen. Obwohl vor 1933 keine direkten Stellungnahmen zum Frauenstudium abgegeben worden waren, schürten allein die Äußerungen Adolf Hitlers die Hoffnung auf eine entsprechend restriktive Vorgehensweise gegen weibliche Studierende. So hatte der spätere Reichskanzler schon 1927 geschrieben, Ziel der weiblichen Erziehung habe „unverrückbar die kommende Mutter zu sein“, der Schwerpunkt sei „vor allem auf die körperliche Ausbildung zu legen, erst dann auf die Förderung der seelischen und zuletzt der geistigen Werte.“222 Metaphorische Worte fand dagegen Joseph Goebbels, ehedem „promovierter Germanist und gescheiterter schöngeistiger Schriftsteller“223, in seinem erstmals 1929 veröffentlichten, in Form eines Tagebuchs verfassten Roman über den Studenten Michael. Als Protagonist des Geschehens billigte er den Frauen lediglich zu, „schön zu sein und Kinder zur Welt zu bringen. […] Die Vogelfrau putzt sich für den Mann und brütet für ihn die Eier aus. Dafür sorgt der Mann für die Nahrung; sonst steht er auf der Wacht und wehrt den Feind ab.“224 Ein Jahr später war in der vom Reichspropagandaminister der NSDAP herausgegebenen Tageszeitung der deutschen Arbeitsfront (DAF), „Der Angriff“, zu lesen, dass es die Frau sei, welche den Arbeitsmarkt belaste, arbeite sie doch allein „für Putz, seidene Strümpfe und Dauerwellen“, was das vom kommunistischen Reichsverband freisozialistischer Studenten herausgegebene Verbandsorgan „Der Rote Student“ zu folgendem ironischen Kommentar veranlasste: „Nun wissen wir endlich, wer die Arbeitslosigkeit verschuldet, und nun wissen wir auch, warum die Frau überhaupt im Erwerbsleben steht. Um sich seidene Fähnchen kaufen zu können, schuftet die Proletenfrau von morgens bis abends in der Fabrik, und um sich mit Tand und Putz umgeben zu können, hungert sich unsere Studentin aus den kleinen Beamten- und Mittelstandskreisen durch ein zehnsemestriges Studium hindurch. Das ist also die Meinung des Herrn Goebbels von der arbeitenden Frau“225. Weniger als sein Par-
221 Alle Zitate nach Alfred Rosenberg (Hg.): Das Parteiprogramm. Wesen, Grundsätze und Ziele der NSDAP. 20. Auflage München 1939, 51, 18. 222 Adolf Hitler: Mein Kampf. Zweiter Band: Die nationalsozialistische Bewegung. 11. Auflage München 1933, 459 f., künftig zitiert als Mein Kampf, 2. Band. 223 Friedemann Bedürftig: Lexikon III. Reich. Hamburg 1994, 154. 224 Joseph Goebbels: Michael. Ein deutsches Schicksal in Tagebuchblättern. 3. Auflage München 1933, 41. 225 Alle Zitate nach Grete Richter: Was erwartet die Studentin im „Dritten Reich“? In: Der Rote Student. Nr. 1/2. 3. Jahrgang. Berlin 1932, 19 f.
2.1 Die Radikalisierung der Studentenschaft
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teigenosse verbarg sich hingegen Alfred Rosenberg hinter Wortgebilden, sondern machte stattdessen unmissverständlich klar: „Emanzipation der Frau von der Frauenemanzipation ist die erste Forderung einer weiblichen Generation, die Volk und Rasse, das Ewig-Unbewußte, die Grundlage aller Kultur vor dem Untergang retten möchte. […] Der Frau sollen also alle Möglichkeiten zur Entfaltung ihrer Kräfte offenstehen; aber über eines muß Klarheit bestehen: Richter, Soldat und Staatslenker muß der Mann sein und bleiben.“226 Ein Beispiel für die gerade auch den Studentinnen entgegenschlagende Wechselwirkung von Etablierung und Ablehnung, bestehend aus dem Ausbau sozialer Fürsorgeeinrichtungen und damit dem weiteren Sichtbarmachen weiblicher Immatrikulationen auf der einen, radikalem, gegen bestimmte Gruppierungen innerhalb der Studentenschaft gerichtetem Gedankengut und Aktionismus auf der anderen Seite stellt das Münchner Marie-Antonie-Haus dar. So betonte Karl Gengenbach, der als „Sonderberichterstatter“ der Bayerischen Hochschulzeitung zur Einweihungsfeier entsandt worden war, in seinem im Mai erschienenen Artikel die zahlreichen Vorzüge der Einrichtung, deren Mietpreise mit 35 bis 50 RM er berechtigterweise als niedrig benannte. Ebenso wie die Bewohnerinnen teilte er die Ansicht, nach der sich diejenigen Frauen, die dieses Heim beziehen durften, sehr glücklich schätzen konnten. Kritisch zeigte sich der Berichterstatter indessen angesichts der Tatsache, dass von den knapp 70, bereits zur Eröffnung vollständig belegten Zimmern, rund acht von Ausländerinnen bewohnt würden: „Herr Direktor Beck, wir fragen: Ist es notwendig, daß diese Ausländerinnen unseren armen deutschen Studentinnen den vorher so knappen Platz wegnehmen müssen?“227 Die unverhohlen an den Geschäftsführer des Vereins Studentenhaus gerichtete Frage kam einer bewussten und offenen Provokation gleich, zumal die Arbeit innerhalb der Wirtschaftshilfe von jeher als überparteilich, überkonfessionell und nicht an eine Staatsangehörigkeit gebunden galt. Jüngere Forschungsergebnisse zur Person Fritz Becks gehen davon aus, der damals 41-Jährige habe sich gerade auch wegen derartiger Leitlinien immer wieder der deutlichen Kritik seiner Gegner ausgesetzt gesehen228, zu denen fremdenfeindliche Attacken gegen ausländische Studierende zählten. Dementsprechend prangerte etwa ein unter dem Titel „Münchener Fremdensommer 1930“ in der Wertinger Zeitung sowie in
226 Alfred Rosenberg: Der Mythus des 20. Jahrhunderts. Eine Wertung der seelisch-geistigen Gestaltenkämpfe unserer Zeit. 157.–162. Auflage München 1939, 512. 227 Karl Gengenbach: Die Einweihung des neuen „Marie-Antonie-Studentinnenheimes“. In: BHZ vom 21.5.1931. 228 Vgl. Diem, 61.
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2 Politische Haltung der Studentinnen
den Landsberger Neuesten Nachrichten erschienener Artikel einen vermeintlichen „Neger“ an, der die Ausweiskontrolle innerhalb der Mensa übernommen habe. Tatsächlich handelte es sich, wie Beck in seiner Richtigstellung betonte, jedoch um einen indischen Austauschstudenten, der für die ehrenamtliche studentische Mitarbeiterschaft seines Gastlandes tätig war.229 Rose Hansen, die von 1920 bis zur Ermordung Becks im Jahr 1934 als dessen Sekretärin gearbeitet hatte, beschrieb die Situation ihres Vorgesetzten in einem Polizeiprotokoll aus der unmittelbaren Nachkriegszeit wie folgt: „Insbesondere sind mir die Schwierigkeiten bekannt, die Beck im Interesse seiner Arbeit und auch persönlich mit den teilweise nationalsozialistisch eingestellten Vertretungen der Studentenschaft, den Allgemeinen Studentenausschüssen der Münchner Hochschulen (AStA) hatte. Der Streit ging von Anbeginn darum, dass Beck das studentische Hilfswerk paritätisch allen Studenten ohne Rücksicht auf politische Einstellung, Parteizugehörigkeit, Konfession oder Rasse zugute kommen lassen wollte, während seitens der in den AStA führenden nationalistischen Studenten der beiden Hochschulen, der Universität und der TH, politische Gesichtspunkte in die Arbeit hineingetragen werden sollten. Dieser Streit, der häufig zu den schwersten persönlichen Angriffen und Verunglimpfungen führte, zieht sich wie ein roter Faden durch die Zeit bald nach der Gründung des Vereins Studentenhaus bis zu seiner Ermordung.“230 Am 11. Juni 1931, also rund drei Wochen nach der Veröffentlichung von Gengenbachs Artikel, ließ die Bayerische Hochschulzeitung auf Ersuchen des Vereins Studentenhaus eine entsprechende Notiz veröffentlichen, welche direkt Bezug auf seine politisierende Frage nahm. In dieser Antwort war zu lesen, dass sich unter den insgesamt neun Ausländerinnen im Wohnheim fünf Stipendiatinnen des Akademischen Austauschdienstes Berlin, eine Stipendiatin der Deutschen Akademie München sowie drei weitere Studentinnen befanden, die selbst um Aufnahme gebeten hatten. Weil für jeden ausländischen Stipendiaten, der ein Semester auf einer deutschen Hochschule studierte und im Studentenhaus einquartiert war, mindestens ein deutscher Studierender durch den Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) zu den selben oder zu günstigeren Rahmenbedingungen in dem jeweils anderen Land untergebracht wurde, sah man
229 UAM, Sen. 199 Band 1. Fritz Beck an das Rektorat der Universität München vom 19.8.1930. 230 StAM, Staatsanwaltschaften 21981. Protokoll von Rose Hansen vom 21.4.1947, hier nach StWM, Ordner Nr. 1. Aufzeichnungen von Rose Hansen für die Kriminalpolizei vom 21.4.1947. In seinen schriftlich fixierten Erinnerungen zählt Hermann Huber, der Neffe von Fritz Beck, Karl Gengenbach sogar zu den „ärgsten Gegnern“ seines Onkels. StWM, Ordner Nr. 11. Aufzeichnungen von Hermann Huber vom 19.9.1946.
2.1 Die Radikalisierung der Studentenschaft
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vonseiten des Vereins Studentenhaus keinerlei Notwendigkeit, über gleichartige Aufnahmen in München zu diskutieren. Hinzu kam, dass James Loeb, Stifter des Studentinnenheims, explizit den Wunsch ausgesprochen hatte, einige Ausländerinnen im Haus aufzunehmen, und aus den Vereinigten Staaten Zimmerspenden im Wert von über 14.000 RM eingegangen waren. Für den Verein Studentenhaus bedeutete es deshalb eine „unabweisbare Forderung dankbarer Gastfreundschaft, auch einigen wenigen ausländischen Studentinnen das Heim offenzuhalten.“ Nicht zuletzt stellte diese Form der Gastfreundschaft die mitunter geeignetste Form der „Kulturpropaganda“231 dar, um begabte ausländische Studierende an deutsche Hochschulen heranzuführen, in der Hoffnung, diese würden nach der Rückkehr in ihr Heimatland als Freunde und Anwälte Deutschlands in entsprechenden Führungspositionen fungieren: „So ist denn die Anwesenheit einer immer wachsenden Anzahl ausländischer Studenten an den deutschen Hochschulen aus mehr denn einem Grunde zu begrüßen. Sie bedeutet die Hebung des deutschen Ansehens in der Welt, sie bedeutet die Möglichkeit für Deutschland Freunde zu werben und schließlich bedeutet sie für den deutschen Studenten eine wertvolle Erweiterung seines geistigen Horizonts.“232 Auch Agnes von Zahn-Harnack begrüßte in ihrer Abhandlung über Studentinnenheime die Gemeinschaft mit einigen ausgewählten Ausländerinnen. Ihrer Ansicht nach konnten sie den geistigen Austausch bereichern und für die deutschen Bewohnerinnen die Möglichkeit zu internationalen Verbindungen sowie zur Ausübung einer erzieherischen Gastfreundschaft bieten.233 Letztere musste vor allem im Hinblick auf die Tatsache gelten, dass München als eine der ersten deutschen Hochschulstädte im Sommersemester 1930 ein Wohnheim der Auslandsstelle für deutsche und ausländische Studenten in der Türkenstraße 58 eröffnet und schon 1926 auf Initiative von Fritz Beck einen deutsch-ausländischen Studentenklub, Ende 1927 die Akademische Auslandsstelle München gegründet hatte.234 Allein 1930 wurde Beck nachweislich noch mit mindestens zwei weiteren verbalen Angriffen konfrontiert, die beide aus den Reihen des NSDStB stammten. Dessen Mitglieder beschuldigten ihn nicht nur, auf einem Kongress der „Confédé-
231 Alle Zitate nach Zur Einweihung des Marie-Antonien-Studentinnenheims [sic!]. In: BHZ vom 11.6.1931. 232 Camillo von Klenze: Was bedeutet der ausländische Student für Deutschland? In: MHF vom Winter 1931/32, 40. 233 Vgl. Agnes von Zahn-Harnack: Studentinnenheime. In: Studentenwerk. Zeitschrift der studentischen Selbsthilfearbeit. Berlin, Leipzig, 368. 234 Vgl. Zehn Jahre Verein Studentenhaus München. In: Studentenwerk. Zeitschrift der studentischen Selbsthilfearbeit. Berlin, Leipzig 1930, 103, sowie Studentenwerk München, 19.
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2 Politische Haltung der Studentinnen
ration Internationale des Étudiants“ eine Rede in französischer Sprache gehalten zu haben, sondern warfen ihm außerdem vor, entgegen der üblichen Regelung einen Saal im Studentenhaus für eine politisch konnotierte Versammlung des Vereins der katholischen Männerbünde Münchens, die selbst Nichtstudenten zugänglich gewesen sei, genehmigt zu haben; zugleich wurde moniert, dass der Nationalsozialismus im diesbezüglichen Vortrag in scharfer, nicht sachlicher Weise angegriffen worden wäre.235
2.2 Der Nationalsozialistische Deutsche Studentenbund (NSDStB) Die angeführten Beispiele sind bezeichnend für das selbstbewusste und zugleich aggressive Auftreten der nationalsozialistisch organisierten Studenten, die reichsweit spätestens seit Ende der 1920er Jahre immer wieder durch einen ungebrochenen Aktionismus von sich reden machten, den der damalige Rektor der LMU, Professor für Psychiatrie und Nervenkrankheiten, Oswald Bumke wie folgt beschreibt: „1928 kam zu allen sonstigen Aufgaben eine neue hinzu: ich wurde zum Rektor gewählt. Das war ein ehrenvolles, aber schon damals schwieriges Amt. Die Professorenschaft zwischen schwarzweißrot und schwarzweißgold gespalten; der Syndikus ein heimlicher, aber entschiedener Nationalsozialist; auch die Studenten größtenteils braun, immerhin mit so vielen Gegnern des Natio nalsozialismus durchsetzt, daß ein Tag ohne Zwischenfälle die Ausnahme war. Schließlich mußte ich die Parteiuniform im Universitätsgebäude verbieten.“236 Illegale Flugblattaktionen, Demonstrationen, Kundgebungen, inszenierte Störaktionen gegen unerwünschte Kommilitonen bzw. Dozenten gehörten folglich ebenso zur „Radaupolitik“ des NSDStB wie die publizistische „Verhetzung“237 im Völkischen Beobachter, geschlossene Aufmärsche in „schmutzig-braunen Uniformhemden“238 oder wiederholte Handgreiflichkeiten, von denen selbst weibliche Studierende im Einzelfall nicht verschont blieben. So findet sich etwa in den Leipziger Neuesten Nachrichten Anfang August 1929 der nicht näher aus-
235 Vgl. UAM, Sen. 199 Band 5. Hanns Ahle an das Hohe Rektorat der Ludwig-Maximilians-Universität vom 14.11.1930. 236 Oswald Bumke: Erinnerungen und Betrachtungen. Der Weg eines deutschen Psychiaters. Mit einer Aphorismen-Sammlung. München 1952, 136, künftig zitiert als Bumke. 237 Nationalsozialistische Radaupolitik an der Universität. In: Neue Zeitung München vom 14.7.1929, hier nach UAM, G-XVI-28. 238 Rechtsradikale Treibereien auf Münchner Hochschulen. In: Frankfurter Zeitung vom 11.2.1929, hier nach UAM, G-XVI-28.
2.2 Der Nationalsozialistische Deutsche Studentenbund (NSDStB)
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geführte Hinweis auf eine Versammlung der sozialistischen Studentengruppe München, in der eine Studentin, welche innerhalb der Diskussion auftrat, „tätlich angegriffen“239 wurde. Den Quellen des UAM zufolge handelte es sich in Wirklichkeit wohl um die Pharmaziestudentin Anneliese Wünsch240, die schon seit dem Wintersemester 1928/29 Mitglied der hiesigen Ortsgruppe des NSDStB war und als solches an der Versammlung der sozialistischen Studentengruppe teilgenommen hatte. Im Beisein des neu ernannten Führers der Sektion Universität der Hochschulgruppe München, des Jurastudenten Eberhard Freiherr von Künsberg, gab die gebürtige Mühlbergerin vor dem Syndikus der LMU, Rudolf Einhauser, an, die Versammlung sei unter Tumulten und lebhaften Zwischenrufen zu Ende gegangen, nachdem zuletzt ein jüdischer Redner und Mitglied der einberufenen Studentengruppe „heftige Ausfälle“ gegen die Nationalsozialisten gerichtet hätte. Auf ihrem Nachhauseweg sei sie anschließend von einem der Anwesenden, zu denen auch Nichtstudenten, d. h. Mitglieder der sozialistischen Arbeiterjugend gehört hatten, tätlich angegangen worden: „Er wurde frech und zudringlich gegen mich, und als er das Hakenkreuz auf meiner Brust sah, sagte er: „Und das Hakenkreuz hat das schöne Kind auch“ und griff danach. Beim Versuch, es abzureißen, fuhr er kratzend von meinem Hals herunter auf das Kleid, wobei er mich zerkratzte.“ Weil der Täter „augenscheinlich ein Jude“ gewesen sei und Wünsch während der Versammlung selbst „heftig gesprochen“ hatte, ging die Attackierte in ihrer rein spekulativen, aber deutlich antisemitisch gefärbten Überlegung davon aus, dass man ihr „einen Denkzettel“241 verpassen wollte. Bereits ein Jahr später, im Juli 1930, legte Wünsch, deren Auftreten als eines der wenigen greifbaren Beispiele für das ideologische Hervortreten der ersten Münchner NS-Studentinnen stehen kann, die pharmazeutische Prüfung ab und verließ die Universität. Vorläufiger Höhepunkt in der bayerischen Landeshauptstadt war jedoch die gezielte Agitation gegen den Staatsrechtler Hans Nawiasky im Juni 1931. Der Professor jüdischer Herkunft hatte sich in einer Vorlesung erlaubt, die Friedensschlüsse von Versailles und Brest-Litowsk miteinander zu vergleichen. Eine daraufhin vom Völkischen Beobachter unter der Überschrift „Ein feiner Münchener Hochschulprofessor. Nawiasky verteidigt das Versailler Diktat“242 eingeleitete
239 Was geht an den Münchener Hochschulen vor? In: Leipziger Neueste Nachrichten vom 7.8.1929, hier nach UAM, G-XVI-28. Unter demselben Titel auch in der Westfälischen Zeitung vom 30.7.1929. Zur Entwicklung der Münchner Hochschulgruppe des NSDStB ab dem Sommersemester 1929 vgl. auch folgende zeitgenössische Selbstdarstellung: Hikad [Hans Hildebrandt/P. U.]: Studenten im Braunhemd. Berlin 1933. 240 Zu den persönlichen Daten vgl. UAM, Stud-Kartei I (Wünsch, Anneliese). 241 Alle Zitate nach UAM, G-XVI-28. Abschrift von Kurzschrift vom 1.7.1929. 242 VB vom 26.6.1931.
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2 Politische Haltung der Studentinnen
Hetzkampagne führte zu tumultartigen Ausschreitungen unter den Studierenden. Während die Universität als Folge dieser Ereignisse für eine Woche geschlossen blieb, erhielt die Hochschulgruppe des NSDStB lediglich eine scharfe Verwarnung. Ihr Gruppenführer und gleichzeitig Hauptverantwortlicher des Krawalls, der Jurastudent Gottfried Neeße, kam mit der Androhung der Wegweisung von der Universität München davon. Als Strafe für eine Handlung, „die im Kampfe für die nationale Erhebung des deutschen Volkes“243 geschah, wurde letztere jedoch nach der nationalsozialistischen Machtergreifung aufgehoben und der damalige Rädelsführer „rehabilitiert“. Nawiasky selbst gehörte dagegen nach 1933 zu den Professoren, die wegen „politischer Unzuverlässigkeit“ aus ihrem Amt scheiden mussten.244 Auch Karl Gengenbach, der die Einweihung des Marie-Antonie-Hauses redaktionell besprochen hatte, erscheint vor diesem Hintergrund als Teil der studentischen Bewegung, die schon zu Beginn der 1920er Jahre eine „weitere Radikalisierung nach rechts“245 aufwies. Am 9. November 1911 in Pforzheim geboren, schrieb sich der Sohn eines Fabrikanten nach Ablegung der Abiturprüfung an Ostern 1930 und halbjähriger Tätigkeit als Werkstudent zunächst an der TH München für technische Physik ein. Nach zwei Semestern wechselte er im Wintersemester 1931/32 zum juristischen Studium an die LMU. Als Mitglied des NSDStB avancierte der erst 20-Jährige bereits ein Semester später zum ersten Vorsitzenden des AStA. Bis zum Sommersemester 1933 agierte er als Führer der Studentenschaft der Universität München, während der Machtübernahme der Nationalsozialisten bis Herbst 1933 als Leiter des Kreises VII (Bayern) der DSt. Anschließend war Gengenbach als stellvertretender Leiter des SA-Hochschulamtes München, seit 1935 als hauptamtlicher SS-Führer im Einsatz.246 In seiner Funktion als Studentenschaftsführer kündigte er u. a. wenige Tage vor der Bücherverbrennung am
243 UAM, Stud-Straf-215. Akademischer Senat der Ludwig-Maximilians-Universität München an Gottfried Neeße vom 28.6.1933. 244 Zum Fall „Nawiasky“ vgl. UAM, G-XVI-34 1 Fasc. und die entsprechenden Dokumente im BayHStA, MK 40792, sowie BArch, NS 38/2282. Darüber hinaus auch Michael Behrendt: Hans Nawiasky und die Münchner Studentenkrawalle von 1931. In: Elisabeth Kraus (Hg.): Die Universität München im Dritten Reich. Aufsätze. Teil I. München 2006, 15–42. 245 Grüttner, 25. So hatte sich der überwiegende Teil der Studenten schon in den beiden letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts einem „aggressiven Nationalismus“ zugewandt, welcher in der Regel mit „starken antisemitischen Ressentiments“ verbunden war. Ebd. 246 Zu den persönlichen Daten vgl. UAM, Stud-Kartei I (Gengenbach, Karl) und StadtA Mü., EWK 65/G318 (Gengenbach, Karl Eugen) sowie den Lebenslauf in seiner Doktorarbeit: Karl Gengenbach: Ständegedanke und Verwaltungseinheit. Reform der Staats- und Verwaltungsgrundlagen in den Plänen des Frhr. vom Stein. Diss. Ochsenfurt am Main 1940, 106.
2.2 Der Nationalsozialistische Deutsche Studentenbund (NSDStB)
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10. Mai 1933 auf einer Veranstaltung im Lichthof der Universität Aktionen gegen unliebsames Schrifttum und gegen untaugliche deutsche Hochschullehrer an.247 Dementsprechend zeichnete sich die gesamte Laufbahn von Karl Gengenbach, die noch vor dem Ende des Dritten Reiches durch einen tödlichen Autounfall im Januar 1944 beendet werden sollte, durch einen unbedingten Erfolgswillen bei Umsetzung und Ausbau seiner Funktionen aus, beruhend auf der Vorstellung von „Führerschaft, Tat, Idee“248. Ob und inwieweit auch weibliche Studierende an den Aktionen ihrer NSKommilitonen beteiligt waren, lässt sich aus den verfügbaren Quellen allerdings nicht ersehen, wenngleich feststeht, dass ein Teil von ihnen derartige Handlungen zumindest ideologisch unterstützte.249 So gab es nach einer Schätzung aus dem Jahre 1932 „allein in Berlin 120 dieser „Krawallküren““, die „sich als „Katastrophen-Akademiker““250 betätigten oder ihren Kommilitonen bei Handgreiflichkeiten unterstützend zur Seite standen: „Oft genug wurde die Halle [der Universität/P. U.] in wenigen Augenblicken zum Schauplatz wüster, meist blutiger Schlägereien. Im Rücken der vorne „Kämpfenden“ entpuppten sich plötzlich deren „Hilfskräfte“, in der Regel Studentinnen, die ihren Aktentaschen alles das entnahmen, was zur Ausrüstung eines Sanitäters gehört.“251 Ungeachtet der Tatsache, dass Frauen zwar innerhalb der NSDAP keine aktive Rolle spielten und sich seit der ersten Generalversammlung im Jahr 1921 von leitenden Parteipositionen ausgeschlossen sahen, standen die Studentinnen aber nachweislich in den frühen Hochschulgruppen des NSDStB vollkommen gleichberechtigt an der Seite der Studenten und waren als ebenbürtige Mitstreiterinnen im Kampf um neue Zellen äußerst geschätzt. Möglich wurde dies durch einen der „prominentesten Abweichler von der starren Parteilinie“ Adolf Hitlers, den Mitbegründer des NSDStB, Wilhelm Tempel. Unter Führung des Jurastudenten bewegte sich der Bund von Anfang an auf „quasirevolutionären Pfaden“, was ebenso in seiner Haltung gegenüber den Kommilitoninnen zum Ausdruck kam. So hatte der als „Feuerkopf“ Titulierte wohl u. a. hinsichtlich der frauenstudentischen Mitbestimmung einiges von den Gebrüdern
247 Vgl. hierzu sowie zur Bücherverbrennung in München Böhm, 79–84. 248 Michael Wildt: Generation des Unbedingten. Das Führungskorps des Reichssicherheitshauptamtes. Hamburg 2002, 854. Zu Gengenbachs weiterem Karriereweg vgl. ebd., 380, 383–385, 391, 511 f., 703, 860. 249 Vgl. Weyrather, 141. 250 Werner Klose: Freiheit schreibt auf Eure Fahnen. 800 Jahre deutsche Studenten. Oldenburg 1967, 226, künftig zitiert als Klose. 251 Alexander Stahlberg: Die verdammte Pflicht. Erinnerungen 1932 bis 1945. Frankfurt am Main 1987, 17.
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2 Politische Haltung der Studentinnen
Strasser übernommen, „die in Ablehnung der rechtskonservativen Haltung der Anfangsperiode einen vorwiegend linksradikalen Kurs steuerten“252. Gerade zu dem Zeitpunkt, als die Anhänger Tempels unter Mitwirkung etlicher Anhängerinnen fortwährend neue Hochschulgruppen ins Leben riefen, sprach sich Gregor Strasser für einen Vergleich von ehelicher Mutterschaft und Waffendienst des Mannes aus und forderte die Belohnung mit einem entsprechenden Mehrstimmenwahlrecht, welches besonderen Wählergruppen aufgrund bestimmter Eigenschaften Zusatzstimmen verschaffen sollte. Diese von der Münchner Parteileitung extrem abweichende Haltung diente Tempel wahrscheinlich als Anlass, den weiblichen Mitgliedern seiner Hochschulgruppen dieselben Rechte einzuräumen wie den Männern.253 Dementsprechend enthielt bspw. die erste Mitgliederliste der nationalsozialistischen Hochschulgruppe München neben den Namen von dreizehn Männern auch die von drei Frauen: Helene Künoldt, Elly Koglin und Hedwig Grube.254 Sowohl Grube, Studentin der Geschichte und Neueren Sprachen, als auch Koglin, Studentin der Germanistik und Geschichte, waren dem NSDStB seit ihrer Immatrikulation an der LMU im Wintersemester 1925/26 verbunden, die aus Breckerfeld (Preußen) stammende Künoldt seit ihrer Einschreibung für Germanistik im darauffolgenden Halbjahr. Bezeichnend ist, dass Letztgenannte ein Semester vorher zu den Gründungsmitgliedern der ersten NS-Hochschulgruppe Leipzig gehört hatte, die sich als „Stoßtrupp der Bewegung an Leipzigs Hochschulen“ verstand und die die „fast unüberblickbare Meute der Gegner: Marxismus, Liberalismus, Reaktion, Spießer- und Muckertum“255 zu bekämpfen gedachte. Alle drei verließen die Universität München jedoch schon wieder im Sommer 1926, wobei sich Grube und Koglin, die für ein Semester in der Görresstraße dieselbe
252 Ein völliger Staatsumsturz nach marxistischem Muster wurde allerdings verneint. Alle Zitate nach Kater: Krisis, 250. 253 Vgl. Michael H. Kater: Der NS-Studentenbund von 1926 bis 1928: Randgruppe zwischen Hitler und Strasser. In: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte. 22. Jahrgang. Stuttgart 1974, 165 f., künftig zitiert als Kater: Randgruppe. 254 Vgl. Mitglieder der Sektion (Hochschulgruppe) München im Jahr 1926. Abgedruckt in Die Studentische Kameradschaft. Sondernummer. Studenten im Kampf. Beiträge zur Geschichte des NSD.-Studentenbundes. München 1938, 12. Die Aufzählung der Frauen folgt ihrer Plazierung auf der Mitgliederliste. Auch an anderen Universitäten wie Leipzig oder Hamburg spielten Frauen bei der Gründung des NSDStB eine entscheidende Rolle, während die Freiburger Abteilung eine rein männliche Organisation darstellte. Vgl. Scherb, 157. 255 Dr. Kummerlöwe: Wie die erste Hochschulgruppe des NSDStB. entstand. In: DB vom 19.2.1936. Schreibweise hier „Kühnoldt“.
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„Studentenbude“ bewohnt hatten, zeitgleich am 2. August exmatrikulierten.256 Allerdings verliert sich die Spur von Hedwig Grube an dieser Stelle mit der Rückkehr in ihren Heimatort Grevesmühlen und einem nachfolgenden Aufenthalt in Berlin/Steglitz. Die Aktivistin und Cousine des Studentenfunktionärs Werner Studentkowski257, Helene Künoldt, gehörte dagegen bereits im kommenden Winterhalbjahr nachweislich zur NSDStB-Zelle Marburg. Beispielhaft dafür, wie schnell die NS-Kommilitonen mitunter ihre ursprüngliche Zurückhaltung gegenüber den Frauen aufgaben, sind die Aussagen des Marburger Hochschulgruppenführers Hans Glauning gegenüber seinem Freund Wilhelm Tempel. Während erstgenannter noch im November 1926 zugab, die ehemalige Münchner Studentin und Tochter eines Arztes zu Beginn des aktuellen Semesters nicht eben bereitwillig empfangen zu haben, schrieb er bereits zwei Monate später: ‚Neulich war Parteigenossin Künoldt auf dem Germanenhause zum Tanzkränzchen. Ich hatte sie zur Dame. Es war recht nett. Sie ist allgemein gut aufgefallen im Gegensatz zu den hier üblichen Pensionatsgänsen‘.258 Auch Elly Koglin war zum selben Zeitpunkt bereits wieder im Sinne der neuen Bewegung aktiv und leitete zusammen mit dem NS-Studenten Alfred Freudenhammer die notwendigen Schritte für die Gründung der Hamburger NSDStB-Gruppe ein.259 Schon im darauffolgenden Jahr gründete schließlich
256 Zu den persönlichen Daten vgl. UAM, Stud-Kartei I (Grube, Hedwig/Koglin, Elly/Künoldt, Helene) sowie StadtA Mü., EWK 65/G 634 (Grube, Hedwig Wilhelmine Antonia), EWK 65/G 469 (Koglin, Elly), EWK 65/G 379 (Künoldt, Helene). 257 Werner Studentkowski (1903–1951) war bereits 1925 der NSDAP beigetreten, für die er zunächst in erster Linie im NSDStB und später als Agitationsredner wirkte. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten an der Universität Leipzig übernahm der in Kiew als Sohn deutscher Eltern Geborene die Leitung der politischen Bildung sowie die Aufgaben des Hochschulreferenten als Oberregierungsrat. In der Folgezeit entwickelte sich Studentkowski in der sächsischen Hochschulpolitik zum „einflussreichsten Akteur“. Michael Parak: Gesichter der Uni: Werner Studentkowski (1903–1951). In: Journal. Mitteilungen und Berichte für die Angehörigen und Freunde der Universität Leipzig. Heft 7 (2004), 42. Kater gibt unter Bezug auf die Tagebücher von Joseph Goebbels an, dass Studentkowski noch vor Beendigung seines Studiums zu dessem Propagandaleiter für die Mark Brandenburg wurde. Vgl. Kater: Randgruppe, 183. 258 ARW, RSF* A10. Hans [Glauning] an Wilhelm [Tempel] vom 17.2.1927, hier zitiert nach Kater: Krisis, 251 f. 259 Vgl. Kater: Krisis, 251. Den Angaben der Studierendenkartei (Koglin, Elly Hedwig Martha) des Hamburger Zentrums für Studierende zufolge studierte Koglin lediglich im Wintersemester 1926/27 Germanistik und Geschichte mit dem Studienziel Staatsexamen und Doktorprüfung sowie dem Berufsziel Lehrerin in Hamburg. Eine Dissertation unter ihrem Verfassernamen konnte allerdings nicht ausfindig gemacht werden, sodass angenommen werden muss, dass das Promotionsvorhaben aufgegeben wurde oder Koglin geheiratet und einen anderen Namen angenommen hat.
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Lydia Gottschewski, die vom Wintersemester 1926/27 bis zum Sommersemester 1927 der Philologischen Fakultät I der Universität München angehörte260, in Kiel den völkisch ausgerichteten Bund Deutscher Studentinnen, der sich zum Zweck der „nationalsozialistisch-weltanschaulichen Schulung der jungen Akademikerinnen gebildet hatte.“ Als einziger habe dieser Studentinnenbund, so ein Zeitungsbericht, nationalfundiert „für Hitlers Idee erfolgreiche Arbeit geleistet.“ Die Mitglieder wiederum seien aufgrund primärer politischer Anregungen später zum Teil in die NSDAP oder in die im Februar 1931 äußerlich vom Bund Deutscher Studentinnen in eine ANSt umgestaltete Gruppe eingetreten.261 Gottschewski dagegen war nach ihrem Hochschulabschluss zunächst als Lehrerin in einer Danziger Privatschule, anschließend aktiv in verschiedenen NS-Frauenorganisationen tätig; nach ihrer Heirat im Mai 1935 trat die einstige Bundesführerin des BDM und Reichsleiterin des NSF – die bereits zu Studiumszeiten u. a. einen Artikel über die Gründung des Kieler Studentinnen-Tagesheim in der Zeitschrift Studentenwerk veröffentlicht hatte – nur noch publizistisch hervor.262 Die angeführten Beispiele stehen stellvertretend für mehrere örtliche NSDStBZellen und NS-nahe Sektionen, denen seit ihrer Gründung etliche Frauen angehörten bzw. vorstanden, und die in München im Sommersemester 1926 mit drei Studentinnen knapp 19 %, in Bonn und Heidelberg im Wintersemester 1927/28 9 % bzw. 7,6 % der ersten Mitglieder des Studentenbundes stellten263; leider schlüsselt Kater die Prozentangaben nicht auf, sodass keine Aussagen über die exakte Zahl der weiblichen und männlichen Mitglieder und damit ein genauerer Vergleich zur LMU möglich sind. Auch die Bildung von separaten Kandidatinnenlisten im Rahmen deutschlandweiter AStA-Wahlen spricht für das Interesse und den politischen Einsatzwillen dieser gesellschaftlichen Gruppe. Im Gegensatz zu den übrigen Parteigenossinnen unter der Ära Tempel wurde ihr sogar das passive Wahlrecht
260 Zu den persönlichen Daten vgl. UAM, Stud-Kartei I (Gottschewski, Lydia). 261 Alle Zitate nach ANSt. in Kiel neu gegründet. In: DB vom 19.4.1931. Die Genehmigung des Rektors erhielt die Kieler ANSt-Gruppe am 11.2.1931. Ebd. 262 Zum Lebenslauf von Lydia Gottschewski vgl. Leonie Wagner: Nationalsozialistische Frauenansichten. Vorstellungen von Weiblichkeit und Politik führender Frauen im Nationalsozialismus. Frankfurt am Main 1996, 190 f., künftig zitiert als Wagner. Ebenso Jill Stephenson: The Nazi Organisation of Women. London 1981, bes. 89 f., 99–102, 105, 112–114, 133 f., 143, 147, 153. Zum Artikel vgl. Kapitel I, 1.3 Exkurs: Das Studentinnenheim Marie-Antonie-Haus, FN 137. 263 Zu den Prozenten für Bonn und Heidelberg vgl. Kater: Krisis, 252. An der Universität Köln bestand seit Januar 1926 eine Arbeitsgemeinschaft Köln-Mitte mit nationalsozialistisch orientierten Frauen. Im Sommer 1927 gründete sich eine Ortsgruppe des Deutschen Frauenordens, der jetzt vermutlich studierende Nationalsozialistinnen beitraten. Vgl. Franken, 96.
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zugestanden. 1926 traten die Nationalsozialisten bei den Münchner Hochschulwahlen zum ersten Mal mit einer eigenen Liste auf. Gemäß der Satzung des AStA umfasste der Wahlvorschlag die Mindestzahl von fünf Kandidaten264, wobei neben zwei Philologie-, einem Pharmazie- und einem Jurastudenten auch die im zweiten Semester als Studentin der Zahnheilkunde immatrikulierte Martha Meier aufgestellt worden war.265 Überraschenderweise sah sich der NSDStB noch am Tag der eigentlichen Abstimmung gezwungen, die Liste zurückzuziehen und seinen Mitgliedern strenge Wahlenthaltung zu verordnen. Dieses Verhalten resultierte aus dem Umstand, dass aufgrund einer Fehlinformation durch den Leiter des Hauptwahlausschusses von einer Genehmigung des vorgelegten Plakates ausgegangen worden war, die verwehrte Freigabe durch Rektor Karl Vossler dem Studentenbund jedoch erst kurz vor der Wahl eröffnet wurde. Da man den Text bereits an die Druckerei übergeben hatte und deshalb keine Änderungen mehr erfolgen konnten, fühlte sich der NSDStB in seiner Werbemöglichkeit erheblich diskriminiert.266 Trotz der befürchteten Nachteile entfielen am Ende immerhin noch 42 Stimmen auf die Nationalsozialisten, was diese jedoch nicht davon abhielt, die Wahl beim zuständigen Ausschuss anzufechten. Das paradoxerweise ausgerechnet von dem Staatsrechtler Hans Nawiasky mitverfasste Gutachten zur sog. „Wahlaffäre“267 gab den Beschwerdeführern Recht: Bei den am 20. Januar 1927 stattfindenden Neuwahlen zog der NSDStB mit 272 von insgesamt 4692 abgegebenen Stimmen mit zwei Sitzen in den AStA ein. Aufgrund fehlender Quellen lässt sich nicht feststellen, ob auch die 20-jährige Martha Meier zu diesem Zeitpunkt erneut kandidierte. Darüber hinaus enthält die Studentenkartei erst für das Wintersemester 1928/29 einen entsprechenden Eintrag über ihre Mitgliedschaft beim NSDStB, ein Halbjahr, bevor die gebürtige Münchnerin und Tochter eines Dentisten ihre zahnärztliche Prüfung ablegte und
264 Vgl. UAM, Sen 366c/3. Satzung des Allgemeinen Studentenausschusses der Ludwig-Maximilians-Universität zu München vom 19.7.1922. 265 Vgl. Knebelung akademischer Freiheit. Der Wahlskandal an der Münchner Universität. In: VB vom 2.12.1926, hier nach UAM, Sen. 366c/2d. Im Artikel findet sich die Schreibweise „Martha Meyer“, im MHF die Schreibweise „Martha Mayer“. Vgl. Verein Studentenhaus München e. V. (Hg.): MHF Sommer 1928 mit Korporationsverzeichnis. München 1928, 163. Sowohl in der Studentenkartei als auch in der Einwohnermeldekartei ist die Kandidatin dagegen mit „Martha Meier“ geführt worden. Vgl. UAM, Stud-Kartei I (Meier, Martha) sowie StadtA Mü., EWK 65/M 402 (Meier, Anna Hedwig Martha). 266 Vgl. BayHStA, MK 40803. Karl Vossler an das Staatsministerium für Unterricht und Kultus vom 23.12.1926. 267 Die Münchner Wahlaffäre. In: VB vom 4.12.1926, hier nach UAM, Sen. 366c/2d. Zum Gutachten vgl. UAM, Sen. 366c/2d. Anton Dyroff, Hans Nawiasky und Karl Rothenbücher an den Hauptwahl-Ausschuss des Allgemeinen Studentenausschusses der Universität München vom 3.12.1926.
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die LMU im April 1930 nach ihrer Promotion endgültig verließ.268 Der dazugehörige Promotionsakt, aus dem sich möglicherweise weitere Informationen zu ihrer Person ablesen ließen, ist in den Beständen des UAM nicht mehr vorhanden. Wie die im MHF für das Sommersemester 1928 veröffentlichte Übersicht der politischen Vereinigungen an der Universität jedoch belegt, fungierte die spätere Zahnärztin mittlerweile als Leiterin der sog. „Unterabteilung für Studentinnen“269 des 1926 ins Leben gerufenen NSDStB. Dieser Umstand spricht dafür, dass Meier nach ihrer Kandidatur im November 1926 begann, mit anderen, dem Nationalsozialismus verbundenen Kommilitoninnen eine separate, reine Studentinnenliste aufzustellen.270 So trat in München bereits zwölf Monate später die Liste 7, „Nationale Studentinnengruppe“, zur AStA-Wahl 1927/28 an. Allerdings standen die Kommilitoninnen der geschlechtsspezifischen Vertretung zu Beginn keineswegs aufgeschlossen gegenüber. Trotz einer Wahlbeteiligung von 91,7 % an der LMU konnte die Gruppe, die mit dem NSDStB verbunden war, weder jetzt noch im Folgejahr eine einzige Stimme auf sich vereinigen. Da getrennt nach Geschlechtern ausgewertete Wahlergebnisse fehlen, bleibt unklar, ob die Münchnerinnen nicht an einer spezifisch weiblichen Liste interessiert waren und ihre Belange in den tradierten, männlich dominierten Gruppierungen ausreichend vertreten sahen, oder ob aus ihrer Zurückhaltung auf ein allgemeines Desinteresse an der Hochschulpolitik geschlossen werden muss, wie es bspw. Ilse Obrig für die Heidelberger AStAWahlen im Juli 1928 konstatierte: „Wenn die Studentin von früher respektiert wurde, so tut unsere Durchschnittsstudentin von heute nichts dergleichen. Die meisten glauben dadurch, daß sie Zigaretten rauchen und ihren Kommilitonen kollegial auf die Schulter klopfen, ist die „Gleichberechtigung“ gekennzeichnet. Man vergißt vollständig, daß das „Studentin sein dürfen“ auch Pflichten mit sich bringt. Als man ihnen in der Studentinnen-Versammlung schließlich klarzumachen versuchte, daß eine Mitarbeit im Asta auch für das spätere Leben als Staatsbürgerin von größter Bedeutung sei, traf man nur auf Achselzucken und blasierte Gesichter.“271
268 Vgl. Martha Meier: Über die Häufigkeit der Rektalgonorrhoe bei Frauen. Diss. München 1930. 269 Politische Vereinigungen. In: MHF vom Sommer 1928, 163. Martha Meier wird hier unter dem Namen „Martha Mayer“ genannt. 270 Ab Februar 1933 lebte die bis dato ledige Zahnärztin im oberbayerischen Dietramszell, Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen. Vgl. StadtA Mü., EWK 65/M 402 (Meier, Anna Hedwig Martha). 271 Ilse Obrig: Aussprache. Die geistige Haltung der Studentin. In: Die Frau. 35. Jahrgang. Heft 11. Berlin 1928, 687. Hervorhebung im Original.
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Auch Glaser kommt anlässlich der Hochschulwahlen an der Universität Tübingen im Jahr 1932, bei der nur 2,7 % der Stimmen auf die kandidierende Studentinnen-Liste entfielen, zu dem Ergebnis, die Frauen hätten „entweder eine andere Liste gewählt oder durch Wahlenthaltung ihr Desinteresse an der studentischen Standesvertretung zum Ausdruck gebracht.“ Ihrer Ansicht nach kann dies ebenfalls als Kennzeichen dafür gesehen werden, „daß sich die Mehrzahl der weiblichen Studierenden nicht (mehr) für ihre spezifischen Belange an der Hochschule engagierten bzw. es nicht mehr als notwendig erachteten, sich für eine weibliche Interessensvertretung in den Universitätsgremien stark zu machen.“272 Zugleich zeige sich in diesem Wahlergebnis das bereits im Vorfeld von einigen Zeitzeuginnen zum Ausdruck gebrachte Desinteresse für die (Hochschul-)Politik. Direkt auf diesen Sachverhalt angesprochen antwortete ein Teil der Befragten: ‚Wir haben uns über Weltanschauungen, nicht über Politik die Köpfe heiß geredet.‘273 Selbst die Münchner Doktorandin Gertrud Grote thematisierte in ihrem Ende der 1920er Jahre veröffentlichten Roman anhand der beiden Protagonistinnen, der Studentinnen Marianne und Brigitte, die Politikverdrossenheit weiblicher Studierender, welche Anlass zu zeitgenössischen Diskussionen schuf: „Du treibst wirklich keine Politik, Brigitte? Du bist auch in keiner religiösen oder sozialen Gemeinschaft? Du gehst in keine Vorträge über Kulturarbeit der Frau, du sprichst auch nicht in jedem Augenblick davon, dass du dich heftig dazu berufen fühlst, an der Zukunft des Volkes mitzubauen? Das ist schlimm, Brigitte – was willst du dann an der Universität? Ach, was für ungenügende, indolente, jammervolle Studentinnen sind wir doch!“274 Folglich stehen sowohl Grotes fiktive Szenerie als auch Obrigs und Glasers Einschätzung stellvertretend für die während der Weimarer Republik gemachte Erfahrung, nach der sich die weiblichen Studierenden gleichermaßen immer weiter von der bürgerlichen Frauenbewegung entfernten, zumal u. a. das Studium mittlerweile für beide Geschlechter selbstverständlicher geworden und das Verhältnis zwischen den Frauengenerationen oftmals durch mangelndes
272 Glaser, 242. Zu weiteren Ergebnissen von Studentinnen-Listen, unter denen sich lediglich die Nationalen Freistudentinnen und die Nationalen Studentinnen bei den Königsberger Studentenschaftswahlen im Sommersemester 1930 mit insgesamt 5 von 46 Sitzen, d. h. einem Anteil von knapp 11 % (10,87 %) der AStA-Sitze, hervortun konnten, vgl. Wolfgang Kalischer: Die Universität und ihre Studentenschaft. Universitas magistrorum et scholarium. Versuch einer Dokumentation aus Gesetzen, Erlassen, Beschlüssen, Reden, Schriften und Briefen. Essen-Bredeney 1967, 199–201, 206 f., hier 199 f., künftig zitiert als Kalischer. 273 Frau Zu., Frau W., Frau Ur., hier zitiert nach Glaser, 242. 274 Grote, 266.
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Verständnis oder unterschiedliche politische Ansichten gekennzeichnet war.275 Diese Entwicklung führte gerade unter politisch aktiven Studentinnen zu Vorurteilen gegenüber ihren Kommilitoninnen, die denen der Studenten inhaltlich auffallend glichen: „Bei einem Teil ist also die Hochschule eine Institution, die das Pensionat von früher ersetzt, um für angemessene Beschäftigung bis zur Heirat zu sorgen. Äußeres Kennzeichen dieser Gruppe: Erscheinungen, die den Begriff „Crêpe de chine-Kollegs“ aufkommen ließen, die nur das studieren, was interessant ist, sonst aber flirten und sich nur zu sehr in jeder Beziehung gehen lassen“276; einem Zeitzeugengespräch zufolge stellte bspw. die Kunstgeschichte an der LMU ein Fach dar, welches „so ein bisschen ein „Crêpe de chine“Studium“277 gewesen sei. Nach Pöppinghege sei das mangelnde Interesse der Frauen an hochschulpolitischer bzw. parteipolitischer Tätigkeit dagegen auf die „zunehmende Polarisierung des Vereinswesen in gruppenübergreifenden Dachorganisationen“278 zurückzuführen. Die Vermutung fand in der einschlägigen Forschungsliteratur ebenso wenig Beachtung wie die schon 1930 von der Diplomhandelslehrerin Hildegard Gallmeister gemachte Feststellung, wonach es für die Studentinnen nicht besonders leicht sei, „sich ihren Platz an der Sonne studentischer Selbstverwaltung zu erobern“; selbst wenn die Frau noch so arbeitswillig und interessiert war, gab es doch genügend „Mittel und Wege, um ihr die Mitarbeit zu erschweren.“279 In ihrer Untersuchung über „Akademikerinnen in der Weimarer Republik“ greift Britta Lohschelder diese Überlegung auf, indem sie sie mit den Erinnerungen einer Studentin der TH Berlin an die negativen Erfahrungen auf der Versammlung einer politischen Studentengruppe belegt: „Dieser einmalige Besuch genügte, um in mir […] jedes fernere Interesse an studentischen Veranstaltungen auszulöschen. Abgesehen von dem dort angeschlagenen, mir bisher völlig unbekannten Ton … ergingen sich die Diskussionsredner in durchaus absprechender, um nicht zu sagen wegwerfender Weise über das Frauenwahlrecht, Frauenstudium und andere, die Gleichberechtigung der Frau angehende Fragen, ohne daß auch nur der geringste Widerspruch aus der Mitte der Versammlung laut geworden wäre. Einer solchen widerspruchslos zur Schau getragenen Gesinnung gegenüber muß selbstverständlich in uns jeder Wunsch und Wille einer geistigen Zusammenar-
275 Vgl. Clephas-Möcker/Krallmann: Selbstverwirklichung, 70 f. 276 Ilse Obrig: Aussprache. Die geistige Haltung der Studentin. In: Die Frau. 35. Jahrgang. Heft 11. Berlin 1928, 687. 277 Interview mit Dr. Hanne Lenz vom 18.2.2005. 278 Pöppinghege, 143. 279 Hildegard Gallmeister: Die Studentin im akademischen Leben. In: Die Frau. 37. Jahrgang. Heft 11. Berlin 1930, 627.
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beit mit den männlichen Studierenden völlig erstickt werden. … Übrigens kann ich meine Verwunderung nicht unterdrücken, daß trotz der bei einem […] nicht unerheblichen Teil der Studenten bestehenden Ablehnung der Frau als Akademiker auf deren Mitarbeit in studentischen Dingen tatsächlich Wert gelegt wird.“280 Katers Einschätzung, wonach „die Studentin – trotz Frauenbewegung und sporadischem militanten Gebaren – doch immer wieder in die von ihr von jeher angestammte Rolle allgemeiner Passivität zurück[fiel]“281, greift damit eindeutig zu kurz. Sie lässt, so Lohschelder, die nach wie vor „großen Anpassungsprobleme der Studentinnen“ sowie die „offene Ablehnung von Frauen“282 seitens studentischer Gremien außen vor, obwohl diese nach Meinung einzelner Fürsprecher besonders für den großen, unbearbeiteten Bereich der sozialen Fürsorgearbeit innerhalb der Studentenschaft geeignet seien.283 Die Münchner NS-Aktivistinnen, die teilhaben wollten an „Arbeit und Einfluss in der studentischen Gemeinschaft“ und die Mitarbeit an den „Aufgaben der deutschen Hochschulen gegenüber dem deutschen Volke“284 anstrebten, errangen erst 1929 bei 133 von 6908 gültigen Stimmen285 einen Sitz, den die in ihrem zweiten Semester immatrikulierte Philologiestudentin Anneliese Langer einnahm.286 Auch die in Listenverbindung mit der Katholischen Liste aufgestellte Studentinnen-Gemeinschaft, die sich im Wintersemester 1925/26 als MStG zusammengefunden und in den Anfangsjahren ihres Bestehens noch von einer Kandidatur abgesehen hatte, erhielt bei einer Anzahl von 296 Stimmen einen Sitz zugesprochen. Ihr Ziel war es, für eine „gerechte Vertretung der Studentinnen innerhalb der Gesamtstudentenschaft“ zu sorgen, „für überparteiliche, überkonfessionelle Hochschulpolitik, für zweckmässige Verwendung der Beiträge, für gerechte Vertretung der Studentinnen im Asta, in der Wirtschaftshilfe, im Senat,
280 Die Technische Hochschule. Akademische Zeitschrift der TH Charlottenburg 1. 1919, 66 f., hier zitiert nach Duden/Ebert, 410. 281 Kater: Krisis, 247. 282 Lohschelder, 124. So ähnlich auch bei Benker/Störmer, 147. 283 Vgl. Bauer: Lebensgestaltung, 409. 284 UAM, Sen. 366c/2d. Überblick über die Interessensvertretung der einzelnen Hochschulgruppen vom 3.12.1929. Hier: Liste 6, Nationale Studentinnen-Gruppe. 285 Insgesamt entfielen 164 ungültige Stimmzettel auf 7072 Wähler, was zu einer Anzahl von 6908 gültigen Stimmen führte. Vgl. Sen. 366c/2d. Eduard Friedel an das Rektorat der Universität München vom 22.11.1929. 286 Vgl. Asta der Universität. Ämterbesetzung. In: BHZ vom 12.12.1929. Zu den persönlichen Daten vgl. UAM, Stud-Kartei I (Langer, Anneliese) sowie StadtA Mü., EWK 65/L 245 (Langer, Anneliese).
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in der Krankenkasse, in den Fachschaften, im Amt für Leibesübungen.“287 Wenngleich sich die unter Führung der Mathematikstudentin Centamaria Hewel288 angetretene Liste 8 in ihrem Wahlaufruf explizit gegen eine „radikale Vertretung der Studentinnen durch parteipolitisch eingestellte Gruppen“289 wandte, plädierten ihre Anhängerinnen ebenso wie die Mitglieder der Nationalen Studentinnengruppe für ein stärkeres Mitbestimmungsrecht von weiblichen Studierenden an der Universität und sprachen sich von Anfang an dafür aus, „daß den Studentinnen der Universität München als Angehörige der deutschen Studentenschaft auch von den Kommilitonen das Recht nicht bestritten wird, als deutsche Studentinnen jederzeit für ihre persönliche akademische Freiheit und ihre Frauenehre einzutreten“290; in der Praxis stieß dieser Wunsch nicht überall auf ungeteilte Zustimmung. Arnold Marschall – Vertreter der Studierenden vom Sommersemester 1927 bis zum Sommersemester 1929 – wandte sich in einem Artikel der Bayerischen Hochschulzeitung im November 1929 mit Nachdruck gegen die Existenz der beiden Studentinnenlisten. Seiner Ansicht nach widersprach die Meinung der Frauen, bislang nicht richtig im AStA vertreten gewesen zu sein, den realen Gegebenheiten. Marschall gab an, dass ca. 10 % der LMU-Studierenden weiblich wären und ihnen daher drei von insgesamt 30 Sitzen zustünden, welche im vergangenen Semester im Übrigen vollständig besetzt gewesen seien. Seiner Einschätzung zufolge hätten sich die im Rahmen der seinerzeitigen Wahlen errungenen Sitze folglich auch ohne die zwei neuen Listen erneut auf drei belaufen. Zudem könnten sich die Kommilitoninnen in die bisherigen Gruppen der studentischen AStA-Vertreter eingliedern.291 Ein Blick auf die Übersicht der Studierenden im Winterhalbjahr 1929/30 zeigt, dass sich der angehende Chemiker offensichtlich nicht im Klaren über die genaue Anzahl weiblicher Immatrikulationen war. Tatsächlich weist die im Personenstand der LMU veröffentlichte Statistik bei einer Gesamtmenge von 8397 Einschreibungen 1460 Frauen auf, was einem Anteil von 17,4 % entsprach.292
287 UAM, Sen. 366c/2d. Überblick über die Interessensvertretung der einzelnen Hochschulgruppen vom 3.12.1929. Hier: Liste 8, Studentinnen-Gemeinschaft. Zu den Interessen der Gemeinschaft vgl. auch An alle Münchener Studentinnen! In: BHZ vom 10.11.1927. 288 Zu den persönlichen Daten vgl. UAM, Stud-Kartei I (Hewel, Centamaria). 289 UAM, Sen. 366c/2d. Wahlaufruf der Liste 8 zu den AStA-Wahlen 1929/30. 290 Münchener Studentinnengemeinschaft. In: BHZ vom 2.3.1926. 291 Vgl. Arnold Marschall: Die Asta-Wahlen. Eine kurze Betrachtung. In: BHZ vom 28.11.1929. 292 Vgl. Personenstand der Ludwig-Maximilians-Universität München. Winter-Halbjahr 1929/30. A. Behördenverzeichnis nach dem Stande vom 31. Dezember 1929. B. Studentenverzeichnis nach dem Stande vom 30. November 1929. München 1929, 202.
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Ungeachtet der AStA-Satzung, wonach lediglich vollinskribierte Studierende mit deutscher Staatsangehörigkeit oder deutscher Abstammung und Muttersprache wahlberechtigt waren, stellten die Studentinnen bereits bei den im Jahr zuvor stattfindenden Wahlen für das Studienjahr 1928/29 mit 1328 von insgesamt 8167 Studierenden ganze 16,3 %. Marschalls Resümee, die Studentinnenlisten hätten „trotz ungeheuerlicher Propaganda schlecht abgeschnitten“, weil nur ein knappes Drittel der Wählerinnen für sie gestimmt habe, erscheint angesichts der Tatsache, dass in den beiden vorausgegangenen Jahren keine einzige Stimme für die zwei genannten Listen abgegeben worden war, als wenig haltbar. Vielmehr zeugen die übrigen Ausführungen des Artikelschreibers von einem deutlichen Widerwillen gegen die politische Aktivität der plötzlich unerwartet erfolgreichen Frauen, denen das vermeintlich negative Ergebnis der Abstimmung „ganz recht“ geschehen sei. So lasse sich feststellen, dass aufgrund des mangelnden Wissens um die Zielsetzungen der einzelnen Hochschulgruppen besonders unter den Studentinnen in diesem Jahr ein großes „Heer der Falschwähler“293 zu finden sei. Um das Interesse für die Arbeit des AStA – welches nicht ausschließlich aus den an die Wahl gekoppelten Vergünstigungen für Studierende resultieren dürfe – zu fördern, plädierte der Berichterstatter dafür, jede Liste zur Abhaltung einer Wahlversammlung zu verpflichten. Diese sollte nicht außerhalb der Universität, sondern direkt in der Hochschule selbst erfolgen, wobei die Kandidaten der jeweiligen Listen den Studierenden ihre Hochschulpolitik sowie ihr Programm vorzutragen hatten. Der Vorschlag stellte nicht zuletzt eine Anspielung auf die als Liste 8 angetretene Studentinnen-Gemeinschaft dar, deren rein katholische Orientierung erst durch ihre kurzfristige Verbindung mit der Katholischen Einheitsliste zutage trat, während ihr Wahlplakat mit den Schlagworten national, überparteilich und überkonfessionell geworben hatte. Ein genauer Inhalt der Gruppe war damit nicht zu erkennen gewesen.294 Am meisten missfiel dem Kritiker jedoch die neuerliche Zerstreuung der seit dem Wintersemester 1926/27 konstant vertretenen Listen, zu denen die Großdeutsche Studentenschaft, (Nationale) Deutsche Finkenschaft, der NSDStB, die Freie Hochschulgruppe und Katholische Liste sowie die Notgemeinschaft Deutscher Finken gehörten. Mit dieser Meinung stand Marschall nicht alleine. Auch das bisherige Vorstandsmitglied des AStA, der Philologiestudent Hermann Frieß, bemängelte die „durch das unnötige Auftreten zweier reiner
293 Alle Zitate nach Arnold Marschall: Die Asta-Wahlen. Eine kurze Betrachtung. In: BHZ vom 28.11.1929. 294 Vgl. UAM, Sen. 366c/2d. Wahlaufruf der Liste 8 zu den AStA-Wahlen 1929/30.
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Studentinnenlisten“295 weiter zersplitterte Finkenschaft, die gegenüber dem Vorjahr einen von drei Sitzen einbüßen musste. Während die Großdeutsche Studentenschaft mit acht von bisher zehn Sitzen als größter Verlierer aus den Hochschulwahlen für das Studienjahr 1929/30 hervorging, konnte der NSDStB seinen Einflussbereich an der LMU weiter ausbauen. Mit 1160 Stimmen, d. h. einem Anteil von 16,8 % aller gültigen Wahlzettel, sowie dem errungenen Sitz der verbundenen Nationalen Studentinnengruppe gelang es der rechten Vereinigung, die Anzahl ihrer Sitze von drei auf insgesamt sechs zu verdoppeln. Tatsächlich hatte damit die von Arnold Marschall sarkastisch als „Zuschußgruppe“296 bezeichnete Liste 6 ebenso wie ihre Kommilitoninnen der Liste 8 wertvolle weibliche Stimmen zu Ungunsten der Mitstreiter auf sich vereinen können, was zeigt, dass die Studentinnen zumindest als Wählerinnen durchaus von Bedeutung waren. Wie viele Frauen tatsächlich an der AStA-Wahl teilnahmen und welche Gruppen sie bevorzugten, lässt sich aufgrund der fehlenden geschlechtsspezifischen Auswertung der Stimmzettel nicht bestimmen. Dessen ungeachtet liegen ähnliche Wahlergebnisse für die Universitäten Bonn, Jena oder Königsberg vor, was in manchen Hochschulgruppen sogar zur direkten Mitwirkung nationalsozialistischer Vertreterinnen innerhalb der studentischen Selbstverwaltungskörper führte. Während die Studentin der Staatswissenschaften Hanna Sommer297 (Liste 3, Notgemeinschaft Deutscher Finken) nach der AStA-Wahl an der LMU im November 1929 sowohl ins Amt für Leibesübungen als auch in den dazugehörigen gemeinsamen Ausschuss gewählt worden war298, besetzte bspw. in Kiel eine NS-Studentin bereits im Sommersemester desselben Jahres das Amt für politische und soziale Fragen. In Halle fungierte zweieinhalb Jahre später eine Parteigenossin nicht nur als Leiterin des Sozialen Amtes, sondern nahm auch eine führende Position im Rahmen des Studentin-
295 Hermann Frieß: Studenten-Wahlen. In: Münchner-Augsburger Abendzeitung vom 20.11.1929, hier nach UAM, Sen. 366c/2d. 296 Arnold Marschall: Die Asta-Wahlen. Eine kurze Betrachtung. In: BHZ vom 28.11.1929. 297 Zu den persönlichen Daten vgl. UAM, Stud-Kartei I (Sommer, Hanna). 298 Vgl. Asta der Universität. Ämterbesetzung. In: BHZ vom 12.12.1929. Auch in den davor liegenden fünf Semestern war das Amt für Leibesübungen jeweils mit einer Studentin besetzt gewesen. Wie Gilch feststellte, lassen sich aufgrund der nur marginal vorhandenen Mitgliederlisten der ASten bzw. Aufstellung der Listenkandidaten kaum umfassende Aussagen zur Beteiligung weiblicher Studierender am AStA treffen, obwohl sicher ist, dass selbige in der Anfangszeit „den Gedanken des und für den ASta (mit-)getragen haben“ und „im Entstehungsprozess nicht gering vertreten“ waren. Karolina Gilch: Studentische Initiativen an der LMU von der Revolution bis zur wirtschaftlichen Stabilisierung, 1918–1928. Unveröffentlichte Magisterarbeit München 2008, 110. So waren bereits im Wahlausschuss zur ersten AStA-Wahl am 11.12.1918 mit Marie von Damm und Grete Scherpenbach zwei Frauen vertreten gewesen. Ebd., 109.
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nenheims ein.299 Diese Entwicklung erscheint umso bedeutsamer, als Wilhelm Tempel mittlerweile längst von dem neuen Studentenbundsführer Baldur von Schirach abgelöst worden und Gregor Strasser gegenüber der Frauenemanzipation wieder zu einer reaktionären Einstellung zurückgekehrt war, d. h. etwa 1929 auf dem Nürnberger Parteitag „für die Rolle der Frau ausschließlich als Hüterin der Familie plädierte“300. Offensichtlich hatte der von Tempel in der Anfangszeit vorgegebene Kurs, aber auch die Tatsache, dass selbst ein parteidoktrinäres Instrument wie der Völkische Beobachter gelegentlich „Zugeständnisse emanzipatorischen Charakters“ machte, die weiblichen Studierenden in ihrer Hoffnung auf eine aktive Mitgestaltung im zukünftigen Dritten Reich erheblich bestärkt. Ihrem Verständnis entsprechend „gehörte es in den Rahmen der Gleichberechtigung, wenn sie selbst sich von den Parolen des NS-Studenten-Bundes“, der sich in seinen Versammlungsplakaten explizit an die Kommilitoninnen wandte, „persönlich angesprochen fühlten“301.
2.3 Die Arbeitsgemeinschaft Nationalsozialistischer Studentinnen (ANSt) In München war die Anzahl der neuen Studentinnen im NSDStB mittlerweile so stark angewachsen, dass die angehende Mathematiklehrerin Else Schuberth302 im Sommer 1929 im Akademischen Beobachter berichtete, man sei nicht umhin gekommen, eine eigene Sektion innerhalb der Hochschulgruppe ins Leben zu rufen. Diese hatte bereits ab dem 19. Juni begonnen, jeden Montag Sprechabende für Kommilitoninnen abzuhalten. Während die erste Zusammenkunft eine allgemeine Einführung in das hier nicht näher definierte „Wollen“303 der Gruppe gab, standen in den nachfolgenden Sitzungen verschiedene Referate mit anschließender Diskussion auf der Tagesordnung. Neben dem Programm der NSDAP behandelten sie Fragen deutscher Erziehung ebenso wie das Dawes- und YoungAbkommen oder die Freimaurerei. Auf diese Weise seien, so die spätere Studien-
299 Vgl. Kater: Krisis, 253. 300 Kater: Randgruppe, 166. 301 Alle Zitate nach Kater: Krisis, 252. Vgl. dazu exemplarisch die Wahlplakate des NSDStB im UAM, Sen. 366c/2d, u. a. zur AStA-Wahl 1929/30 sowie die verschiedenen Versammlungsaufrufe in Zeitungen wie bspw. der BHZ vom 15.11.1928: „Hitler spricht! […] Deutsche Studentinnen und Studenten erscheint in Massen!“ 302 Zu den persönlichen Daten vgl. UAM, Stud-Kartei I (Schuberth, Else). 303 Else Schuberth: Aus der Hochschulbewegung. München. In: Akademischer Beobachter. Heft 7/8. 1929.
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assessorin und Referentin in der Reichsleitung des NS-Lehrerbundes304, insbesondere „einige eingefleischte Pazifistinnen glänzend überführt“ worden. Für die Aktivistin, die dem NSDStB bereits seit dem Winterhalbjahr 1928/29 angehörte, war der Erfolg der Abende ein Beweis dafür, „daß das Interesse der Studentin für politische Fragen auf diese Weise viel eher geweckt wird als durch allgemeine Studentenbunds-Sprechabende oder -Versammlungen.“305 Doch nicht alle Anhängerinnen unterstützten den eingeschlagenen Kurs. So wandte sich etwa die Jurastudentin Roswitha Panther nur knapp einen Monat nach ihrer Immatrikulation an der LMU im Wintersemester 1929/30 in einem dreiseitigen Brief an den Führer des NSDStB, Baldur von Schirach. Die gebürtige Mannheimerin306 schreibt, sie sei an einem Scheideweg gestanden, „entweder dem Studentenbund den Rücken zu wenden oder zu handeln.“ Ihren Handlungsbedarf begründete sie mit der Notwendigkeit, den Mitgliedern der angeblich jenseits von Ordnung und System bestehenden Studentinnenabteilung endlich Klarheit über die Stellung der Frau innerhalb der Bewegung und zukünftig im Dritten Reich zu verschaffen. Panther tadelte die Unfähigkeit der Studentinnen, sich von der „krankhaften Ansicht“ freizumachen, wonach es lächerlich oder gar eine Schande wäre, „über die Bestimmung der Frau, über ihr ursprünglichstes Betätigungsfeld offen von Frau zu Frau zu sprechen, weil sie doch „Studentinnen“ sind!!“ Die Kritikerin erblickte die Berechtigung bzw. Bestimmung einer weiblichen NS-Hochschulsektion gerade darin, dass diese ausschließlich auf Fragen eingehe, die lediglich eine Frau ihren Kommilitoninnen verständlich machen könne. Vorträge im Sinne der von Else Schuberth genannten Sprechabende zu veranstalten, würde dagegen nicht die Existenz einer besonderen Studentinnengruppe legitimieren, zumal Themen wie der Youngplan oder Marxismus und Liberalismus ihrer Ansicht nach kaum dazu angetan seien, den Geschlechtsgenossinnen allein von einer Frau vermittelt zu werden: „Das kann mir jeder Mann richtiger beibringen“307, so das Fazit. Auf den ersten Blick entsprach diese Argumentation durchaus den offiziellen Vorstellungen, wonach die Mitstreiterinnen der Anfangsjahre ab 1930 ihre
304 Vgl. StadtA Mü., EWK 65/S 240 (Schuberth, Else). 305 Alle Zitate nach Else Schuberth: Aus der Hochschulbewegung. München. In: Akademischer Beobachter. Heft 7/8. 1929. 306 Die Aufnahme im Einwohnermeldeamt datiert auf den 5.11., die Studentenkartei auf den 6.11.1929. Zu den persönlichen Daten vgl. StadtA Mü., EWK 65/B 102, sowie UAM, Stud-Kartei I (Panther, Roswitha). Nach dem Sommersemester 1930 kehrte Panther in ihren Geburts- und Heimatort Mannheim zurück. 307 Alle Zitate nach BArch, RSF II* 515 (a 416). Roswitha Panther an Baldur von Schirach vom 4.12.1929.
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eigenen Sektionen innerhalb der jeweiligen NSDStB-Hochschulgruppe begründen und damit fernab der Studenten gesondert die Themen behandeln sollten, wofür der Mann als überwiegend politisch charakterisiertes Wesen weder Zeit noch Interesse mitbrachte.308 Dem weiteren Inhalt des Briefes ist jedoch zu entnehmen, dass es um mehr als bloß eine Festschreibung geschlechtsspezifischer Aufgabenbereiche ging, welche sich etwa bei einigen Jenaer NS-Kommilitoninnen in der Ableistung subalterner Hilfsdienste für die SA wie der Herstellung und Beschaffung von Verpflegung erschöpften309: „Ich behaupte, daß die Art der Nationalsozialistin, wie sie heute im Studentenbund vertreten ist, nicht die Frau des „Dritten Reiches“ ist, noch daß sie auf dem Wege dazu ist. Wir Studentinnen haben auf Grund unserer Ausbildung die Aufgabe, den wahren nationalsozialistischen Geist in die Frauenorganisationen zu tragen und dort dafür zu sorgen, daß das, was wir im Studentenbund in der Theorie errungen haben, dort in die Tat umgesetzt wird.“310 Obwohl Roswitha Panther den Studentinnen durchaus die Aufgabe zusprach, die neue Ideologie unter den bestehenden Frauenorganisationen zu verbreiten, monierte sie vehement die weitgehend getrennt stattfindende Hochschularbeit der Münchner Kommilitonen und bemängelte, „daß die Jungens unter sich sein müssen.“ Bis auf zwei gemeinsame Abende pro Monat waren die Parteigenossinnen von sämtlichen Sprechabenden ausgeschlossen, was es ihnen angeblich unmöglich machte, sich neben der speziell weiblichen die „richtige nationalsozia listische Weltanschauung“ außerhalb der eigenen Sektion anzueignen: „Sollte dies dagegen alles innerhalb der Studentinnengruppe erledigt werden, wäre sie bald wieder dieselbe wie heute.“ Tief vom Glauben an die Bewegung durchdrungen, wollte die für insgesamt zwei Semester an der LMU Immatrikulierte die Form
308 Vgl. Manns, 158, sowie Weyrather, 132. 309 Vgl. Manns, 155, sowie Stiefel, 298. Letztendlich spiegelte dies aber genau das von Hitler nur ein Jahr zuvor in einer Rede postulierte Frauenbild wieder: „Und es ist weiter notwendig, daß auch die deutsche Frau in unsere Reihen wieder hereinkommt, daß sie sich nicht auf den Standpunkt stellt: Das ist doch alles gleichgültig, was da geschieht. Gewiß, Sie wissen, wir setzen Ihnen keine politischen Frauen als Rednerinnen vor, und wir haben in unseren Ausschüssen keine Frauen. Gewiß, diese Partei ist eine Bewegung des Kampfes der Männer. Allein hinter diesen Männern haben die Frauen zu stehen. Sie gehören in diese Kampffront mit herein. Wir werden nicht, wie die Kommunisten, jemals Frauen an die Spitze schicken. Aber wir wünschen, daß ihr Geist unbedingt hinter uns ist.“ Rede Adolf Hitlers auf NSDAP-Versammlung in München am 24.2.1929, abgedruckt in Bärbel Dusik/Klaus A. Lankheit (Hgg.): Hitler. Reden, Schriften, Anordnungen. Februar 1925 bis Januar 1933. Band III. Zwischen den Reichstagswahlen Juli 1928-September 1930. Teil 1: Juli 1928-Februar 1929. München, New Providence, London u. a. 1994, 434–450, hier 450, künftig zitiert als Dusik/Lankheit. 310 BArch, RSF II* 515 (a 416). Roswitha Panther an Baldur von Schirach vom 4.12.1929.
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weiblicher Mitgliedschaft im NSDStB weder als Mitläufer-Dasein bzw. geduldete Koexistenz verstanden wissen noch als vom „Weibergeist“ oder von einem zu großen „Maß an Oberflächlichkeit und Schwärmerei“ gekennzeichnet sehen: „Wir haben durch unser Beispiel den Typ der Frau, der heute immer in den Versammlungen unseren Ekel, unsere Abscheu erregt und der auch aus dem Frauenorden nichts richtiges werden läßt, zu beseitigen.“311 Tatsächlich waren die weiblichen Anhänger der Münchner Hochschulgruppe dem Deutschen Frauenorden (DFO) bereits unmittelbar nach Beginn ihrer Arbeit im Juni 1929 beigetreten und hatten einen Sanitätskurs vor Ort besucht.312 Als Ableger der „Deutschvölkischen Freiheitsbewegung“ von Elsbeth Zander gegründet, wurde der DFO der NSDAP 1926 nominell, Anfang 1928 als Untergliederung organisatorisch angeschlossen und erhielt fortan die Bezeichnung „Rotes Hakenkreuz“. Hatte der DFO bis 1928 vor allem als „Ersatz für eine eigene Frauenorganisation“ gedient, war man durch die Angliederung nun direkt an die Befehle der Partei gebunden, die den weiblichen Diensteifer gezielt nutzen konnte. Der seit 1923 unter Leitung Zanders von der Berliner Hauptgeschäftsstelle „straff zentralistisch gelenkte „Orden“ sah es als sein Ziel, Frauen ab 18 Jahren „vaterländisch“, „sozial“ und „rassebewußt“ zu erziehen.“313 Darüber hinaus bot er eine verkürzte Ausbildung in der Krankenpflege sowie die Unterstützung von kinderreichen Familien, Auslandsdeutschen und Vertriebenen an. 1929 wurde auch in München eine Ortsgruppe des DFO ins Leben gerufen, die sich – neben ihrer ideologischen Zielsetzung – vor allem der Krankenpflege und Fürsorge für SA und SS widmete und im Notfall die in Erster Hilfe ausgebildeten Mitglieder sogar bei Saalschlachten einsetzte. Des Weiteren boten die Münchnerinnen wöchentliche Sprechstunden in der Gaugeschäftstelle an und organisierten einen Sanitätskurs mit entsprechendem Ausbildungsprogramm, an dem sich, dem Bericht von Else Schuberth nach zu urteilen, zugleich die NS-Studentinnen der LMU beteiligten; Mitte 1931 wurde die auf Initiative von Elsbeth Zander im Herbst 1930 im Gau München-Oberbayern eingeführte „Schwesternschaft vom Roten Hakenkreuz“ jedoch zu einer richtigen sanitären Institution mit ausgebildeten Krankenschwestern umgestaltet.314
311 Alle Zitate nach ebd. 312 Vgl. Else Schuberth: Aus der Hochschulbewegung. München. In: Akademischer Beobachter. Heft 7/8. 1929. 313 Alle Zitate nach Rösch, 130. Zum DFO vgl. auch Klinksiek, 20 f. 314 Zur weiteren Entwicklung des DFO bis zur Auflösung Ende 1931 bzw. bis zur Gründung der NS-Frauenschaft vgl. Rösch, 272–274. Zur Person Elsbeth Zanders vgl. Wagner, 187.
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Rund ein Jahr später empfahl Baldur von Schirach den NS-Studentinnen auch offiziell, sich bestehenden nationalsozialistischen Frauenorganisationen wie dem DFO anzuschließen. Die nachfolgend vom Reichsstudentenbundführer im Juli 1930 vertretene Parteilinie, welche sich gegen die Existenz selbstständiger Studentinnengruppen wandte, war auch gegen die Überzeugung eifriger Anhängerinnen wie Roswitha Panther gerichtet, die ein politisches Bestreben an den Tag legte, das maßgeblichen Führern der NSDAP wenig genehm war: „Wir gehen schwarzen Zeiten entgegen, wir werden die große Umwälzung erleben, aber wir werden nur Sieger werden, wenn wir vorbereitet sind, die Männer wie die Frauen.“ Die Forderung nach einem gleichberechtigten Umgang von Studenten und Studentinnen innerhalb der NS-Hochschulgruppe implizierte die hier unausgesprochene Hoffnung Panthers auf eine unmittelbare weibliche Beteiligung an der politischen Gestaltung des Nationalsozialismus, d. h. „den Glauben auch an die Frau in der Bewegung“315. Diesen Glauben hatte Roswitha Panther gleichermaßen in dem von ihr verantworteten Aufruf an alle „Kommilitoninnen!!!“ zur AStA-Wahl im November 1929 bekundet, indem sie ihre Geschlechtsgenossinnen bat, für eine „einflußreichere Vertretung der Studentinnen im allgemeinen Studentenausschuß“316 durch Stimmabgabe für die Liste 6, Nationale Studentinnengruppe, zu sorgen. Schirach dämpfte diese Hoffnung, als er den Studentinnen im Sommer des darauffolgenden Jahres strengste politische Abstinenz verordnete und ihnen die Kandidatur bei den Wahlen zu den Hochschulgremien im Wintersemester 1930/31 untersagte. Es kam zu einer Auflösung der Studentinnensektionen und die Frauen, die AStA-Sitze bekleideten, wurden aufgefordert, zugunsten der NSStudenten zurückzutreten. Für die aktiven Parteigenossinnen an der Universität München muss dieser Vorgang besonders ernüchternd gewirkt haben, da die in Listenverbindung mit dem NSDStB angetretene Nationale Studentinnengruppe bei den im November 1929 stattgefundenen AStA-Wahlen zum ersten Mal einen Sitz erringen konnte: Das hatte einen kleinen Schritt in Richtung der von Roswitha Panther erhofften aktiven politischen Mitgestaltung innerhalb der NS-Hochschulbewegung bedeutet. Sowohl vonseiten der NS-Studentinnen als auch von einigen Hochschulgruppenführern erhob sich massiver Protest gegen die Anordnung von Schirachs. Ihm
315 Alle Zitate nach BArch, RSF II* 515 (a 416). Roswitha Panther an Baldur von Schirach vom 4.12.1929. Welche Aufgabe den Studentinnen im zukünftigen Dritten Reich zukommen sollte, darüber war sich Roswitha Panther allerdings selbst nicht im Klaren, wie ihre Schilderungen zu Beginn des Briefes zeigen. Vgl. die anfänglichen Ausführungen in diesem Kapitel. 316 Alle Zitate nach UAM, Sen. 366c/2d. Wahlaufruf der Liste 6 zu den AStA-Wahlen 1929/30.
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wurde vorgehalten, dass die Studentenschaft nicht nur aus Männern bestünde und die Not der Zeit die Frauen dazu zwänge, mit diesen auf allen Bereichen zu konkurrieren. Um angesichts der zahlreichen Unmutsbezeugungen dem Verdacht genereller Frauenfeindlichkeit entgegenzuwirken und weibliches Wählerpotential zu erhalten317, ließ Baldur von Schirach schon am 12. August 1930 einen Aufruf an alle deutschen Studentinnen zur Gründung der ANSt in der aus dem Akademischen Beobachter hervorgegangenen Studentenzeitung „Die Bewegung“ (DB) veröffentlichen. Im Gegensatz zu der nur wenige Wochen vorher vertretenen Parteilinie wertete man den massiven Zuwachs der nationalsozialistischen Studentinnenbewegung nun als erfreuliches Moment, welches aus „technischen Gründen“ eine „eigene Organisationsform“ für die „spezifischen Aufgaben der deutschen Studentin“ im Rahmen der Bewegung notwendig mache. Konkret bedeutete dies, dass sich die NS-Studentinnen ab dem Wintersemester 1930/31 in der als „selbständige Schwesterorganisation“ des NSDStB deklarierten, jedoch unter „engster Fühlung“318 mit diesem stehenden ANSt zusammenfinden sollten. Als erste Reichsleiterin der neuen Organisationform setzte Schirach im Oktober 1930 die Jurastudentin Raba Stahlberg ein, über deren Person bislang keine näheren Informationen vorlagen. Obwohl bspw. Haide Manns in ihrer Untersuchung einen dreiseitigen biographischen Abriss über die wichtigsten ANSt-Funktionärinnen liefert, erschöpfen sich die Informationen über Stahlberg in der Angabe ihres Studienfachs sowie den Daten ihrer Amtszeit, welche im Dezember 1930 nach Angaben der Historikerin aufgrund von Streitigkeiten mit der Reichsleitung des NSDStB endete.319 Die hier erstmals herangezogene Familiengeschichte von Ruth von KleistRetzow (1867–1945)320, die etwa den deutschen Theologen Dietrich Bonhoeffer in seinen gegen die Nationalsozialisten gerichteten religiösen Tätigkeiten während der ersten Jahre des Dritten Reiches unterstützte, erlauben einen unerwarteten Einblick in das Leben ihrer ältesten Enkeltochter, die 1910 als Ruth Roberta (Raba) Stahlberg geboren wurde. Den von der amerikanischen Autorin Jane Pejsa anhand von persönlichen Gesprächen mit noch lebenden Familienmitgliedern – darunter Stahlberg selbst – sowie verschiedenen unveröffentlichten bzw. veröffentlichten Quellen verfassten Erinnerungen ist zu entnehmen, dass Stahlberg
317 Vgl. Faust, 173. 318 Alle Zitate nach Aufruf! An alle deutsche Studentinnen! In: DB vom 12.8.1930. 319 Vgl. Manns: Personenliste. In: Dies., 333–335, hier 335. 320 Vgl. Jane Pejsa: Mit dem Mut einer Frau. Ruth von Kleist-Retzow. Matriarchin im Widerstand. Moers 1999, künftig zitiert als Pejsa, bes. 133, 138, 149, 161 f., 171 f., 177, 207–214, 311, 325, 380, 411, 419.
2.3 Die Arbeitsgemeinschaft Nationalsozialistischer Studentinnen (ANSt)
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seinerzeit an der Universität Berlin immatrikuliert und mit 20 Jahren bereits Mitglied der NSDAP gewesen war. „Aber das sei noch nicht alles, sie sei sogar die Vorsitzende der weiblichen Studentengruppe der Partei, teile also ein Büro mit dem NS-Studentenführer Baldur von Schirach in der Berliner Parteizentrale. Raba stehe sogar eine Halbtagssekretärin für die Erledigung organisatorischer Dinge zur Verfügung, da ihre Aufgaben weit über den studentischen Bereich an der Berliner Universität hinausgehen.“321 Tatsächlich umfasste das Aufgabengebiet der jungen Frau, die rechtlich zur Reichsleitung des Studentenbundes gehörte, die Ernennung der jeweiligen Gruppenleiterinnen an den einzelnen Hochschulen, sodass zukünftig die nationalsozialistische deutsche Studentenbewegung aus weiblichen und männlichen Gruppen bestehen sollte.322 Einer Erklärung in der „Bewegung“ nach zu urteilen, verband sich für Stahlberg damit die Möglichkeit, an der Arbeitsgemeinschaft des NSDStB teilzunehmen, mit dem Vorrecht einer eigenen Studentinnen-Organisation.323 Dieses Vorrecht wurde jedoch rasch durch die Realität eingeschränkt. So hatte die Reichsleiterin bspw. kein Geld zum Aufbau der Organisation von Schirach erhalten und musste die Studentinnen um Spenden bitten. Darüber hinaus waren viele Frauen nicht sofort bereit, aus dem NSDStB auszutreten und eigene Sektionen ins Leben zu rufen.324 Trotz derartiger Schwierigkeiten ließen sich weder Raba Stahlberg noch die übrigen NS-Aktivistinnen in ihrem Idealismus beirren. Während die Reichsleiterin im September die Gelegenheit wahrnahm, eine Ansprache vor einer Studentenversammlung im Berliner Sportpalast vorzubereiten, was als „große Ehre“ und „noch größere Herausforderung“325 für die junge Studentin galt, die zuvor noch nie in der Öffentlichkeit gesprochen hatte, gehörte bspw. die Münchner Ortsgruppe der ANSt unter Führung von Marianne Franck auf lokaler Ebene zu den ersten, die mit Beginn des Wintersemesters 1930/31 sofort ihre Tätigkeit aufnahm und bereits im Sommersemester 1930 im Verzeichnis der an der LMU angemeldeten Studentenvereine zu finden gewesen war.326 Der Gründungszeitpunkt der Würzburger und Hamburger Gruppe datiert auf das Wintersemester
321 Ebd., 207. 322 Vgl. BayHStA, MK 40792. Über den Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbund. Bericht zur Entwicklungsgeschichte vom 30.8.1931, 19. 323 Vgl. Raba Stahlberg: Erklärung. In: DB vom 28.10.1930. 324 Vgl. Weyrather, 134. 325 Pejsa, 209. 326 Vgl. UAM, Sen. 365/1. Verzeichnis der im Sommerhalbjahr 1930 an der Universität München angemeldeten Studenten-Vereine. Als Adresse hatte man Giselastraße 20 angegeben, womit wahrscheinlich eine Privatwohnung als erster Treffpunkt der Anhängerinnen fungierte.
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2 Politische Haltung der Studentinnen
1930/31327, der Jenaer mit zehn Mitgliedern auf Ende Januar 1931328; die Marburger Studentinnen traten im Mai des Jahres zum ersten Mal mit einer ANSt-Gruppe an die Öffentlichkeit und damit in dem Sommersemester, in welchem sich die Freiburger Mitstreiterinnen nach Kreutzberger lediglich ein einziges Mal öffentlich bemerkbar machten.329 1932 folgten Tübingen (1. Januar) und Münster (Mai)330; eine ANSt-Gruppe an der TH Darmstadt scheint vor 1933 nicht aktiv gewesen zu sein.331 Die Gruppe der Gießener Gesinnungsgenossinnen fasste im November 1933 Fuß, die der Erlanger seit dem Sommersemester 1933. Letztgenannte führte jedoch bis zu Beginn des Zweiten Weltkrieges „im Rahmen der örtlichen Studentenführung ein Schattendasein“332, bevor ihnen ein gleichrangiger Status mit den männlichen Studierenden zuerkannt wurde. In Tübingen taten sich die Kommilitoninnen offenbar erst im Wintersemester 1937/38 zu einer entsprechenden Vereinigung zusammen.333 Da bereits mit Else Schuberth im Sommersemester 1929 eine eigene Sektion innerhalb der NS-Hochschulgruppe für Frauen ins Leben gerufen worden war, darf angenommen werden, dass in der bayerischen Landeshauptstadt nahtlos an die Aktivitäten der vergangenen Halbjahre angeknüpft werden konnte, ein Ergebnis, welches Scherb gleichermaßen für die Universität Freiburg konstatiert. Hier stellte Ende November 1929, also nur wenige Monate später, Ortsgruppenführerin Irmgard Wolf zusammen mit der stellvertretenden Führerin Mathilde Wädlich einen Antrag beim Senat „auf ‚Anerkennung der nationalsozialistischen deutschen Studentinnengruppe‘ […]. Laut Satzung verfolgte die ‚Vereinigung deutscher Studentinnen nationalsozialistischer Weltanschauung‘ das Ziel, ein ‚großdeutsche(s) Reich nationaler Freiheit und sozialer Gerechtigkeit‘ zu gestalten. Dies sollte über die ‚wissenschaftliche […] Bearbeitung von Spezialfragen des Nationalsozialismus‘ ebenso geschehen wie über die ‚erzieherische u. kulturelle Heranbildung deutscher Studentinnen zu bewußten Bürgerinnen deutschen Frauentums‘. Schon im ersten Paragrafen war festgelegt und vom Rektorat genehmigt worden, dass für den Erwerb der Mitgliedschaft der Nachweis ‚deutscher (arischer) Abstammung‘ unabdingbar sei.“334 Weil ein entsprechender Vereinsakt für die LMU nicht mehr existiert, müssen die Umstände, unter denen
327 Vgl. Spitznagel, 168, sowie Bauer, 94. 328 Vgl. Fließ, 490. 329 Vgl. Zinn, 286, sowie Kreutzberger, 111. 330 Vgl. Pöppinghege, 176. 331 Für Tübingen und Darmstadt vgl. Glaser, 214, sowie Zybell/Kümmel, 13, und Kümmel, 132. 332 Franze, 363. Zu Gießen vgl. Lind, 23. 333 Vgl. Adam, 105 f. 334 Scherb, 157 f.
2.3 Die Arbeitsgemeinschaft Nationalsozialistischer Studentinnen (ANSt)
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die lokale ANSt ihre Anerkennung als politische Hochschulgruppe beantragte, jedoch weiterhin im Dunkeln bleiben. Bereits Mitte September, also einen Monat nach Schirachs Gründungsaufruf im August 1930, richtete Marianne Franck ein schriftliches Gesuch an die Reichsleitung des NSDStB mit der Bitte, für die kommende Arbeit der gesamten Studentinnengruppe genauere Auskunft über Führung und Organisation der neu zu gründenden ANSt zu erteilen.335 Als Hochschulgruppenleiterin war sie sowohl für die Schulung der ihr anvertrauten Gruppe als auch für die richtige Zusammensetzung derselben verantwortlich. Aufnahmegesuche konnten von ihr abgelehnt, bereits bestehende Mitgliedschaften, die lediglich Studentinnen arischer Abstammung und nationalsozialistischer Weltanschauung vorbehalten waren, durch Bestätigung der Reichsleiterin aufgelöst werden. Die Anfang November in der Bewegung veröffentlichte Satzung brachte schließlich Klarheit über die Zielsetzung der ANSt, welche als Parallelorganisation des NSDStB der „besonderen Artung der Studentin“336 zu entsprechen hatte. Auf Basis kulturpolitischer und erzieherischer Aufgaben, zu denen die „Bearbeitung von Spezialfragen hinsichtlich des politischen Wirkens der Frau“ bzw. die „(s)taatspolitische Schulung in Arbeitsgemeinschaft mit dem NSDStB“337 gehörten, sollten die NS-Studentinnen in der Hauptsache ihrer Propagandapflicht nachkommen und das nationalsozia listische Gedankengut zur Werbung neuer Mitglieder an den Hochschulen verbreiten. „Bedingungslose Treue zu Idee und Führer und Hingabe im täglichen Leben“ waren dabei die Grundvoraussetzungen für all diejenigen, die den Geist der Ideologie als „politischer Kampftrupp“ realisieren wollten. „Was wir nicht tun werden ist: die Weltanschauung des Nationalsozialismus diskutieren! Wem diese 1920 bereits entscheidend formulierte Grundhaltung heute noch nicht in Fleisch und Blut übergegangen ist, der ist einen Schritt hinter der Entwicklung der Bewegung zurückgeblieben und muß sehen, wie er das nachholt, oder er gehört nicht zu uns.“ Wenngleich demgegenüber die Auseinandersetzung mit „Sonderfragen weiblicher Interessen- und Kulturpolitik“338 zum Betätigungsfeld der weiblichen Sektionen gehörte, mussten derartige Fragen prinzipiell gegenüber den die Gesamtheit des Volkes betreffenden Problemen entschieden zurückweichen. Auch Marianne
335 Vgl. BArch, RSF II* 515 (a 416). Marianne Franck an die Reichsleitung des NSDStB vom 15.9.1930. 336 Raba Stahlberg: Grundlagen der Arbeitsgemeinschaft Nationalsoz. Studentinnen (ANSt.). In: DB vom 4.11.1930. 337 Die Satzungen der ANSt. In: DB vom 4.11.1930. 338 Alle Zitate nach Raba Stahlberg: Grundlagen der Arbeitsgemeinschaft Nationalsoz. Studentinnen (ANSt.). In: DB vom 4.11.1930.
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2 Politische Haltung der Studentinnen
Franck machte unmissverständlich klar, dass sie diese Richtung unterstützte. Ihrer Ansicht nach wurde jeder deutschen Studentin Verantwortung durch das Recht zur AStA-Wahl übertragen. Allerdings seien die Wahlen, so Franck, „einzig und allein ein Kampf um die Hochschule, damit diese auf dem Wege zur Freiheit führend und bahnbrechend“ werde. Nicht um „Rechte einzelner Menschen oder Gruppen“, nicht um „Belange der Studentinnen“ gehe es, „sondern um das Letzte, um die Existenz unseres Volkes.“ Daher sei es selbstverständlich, dass die Frauen „deutschen Männern, auf der Hochschule deutschbewußten Studenten, die politische Führung anvertrauen.“339 Wie in der Partei wurde den NS-Studentinnen somit auch in der ANSt die Möglichkeit genommen, konkret in den der männlichen Sphäre zugeordneten Führungsbereichen mitzuwirken. Obwohl Raba Stahlberg die politische Mitarbeit als wesentlichen Bestandteil beider Geschlechter verstand, blieb diese bei den weiblichen Anhängern vornehmlich auf politische Agitationsarbeit beschränkt. Das degradierte die ANSt stillschweigend zu einer „Hilfsorganisation“340 des Studentenbundes, deren Bedeutung sich in der symbolischen Aufbauarbeit der zukünftigen Volksgemeinschaft im Grunde bereits erschöpfte.341 Auch Margret Lemberg gibt vor dem Hintergrund der 1931 erfolgten Verbindung von zehn Studentinnen zur ANSt-Gruppe Marburg an, der Zusammenschluss sei erfolgt, „um sich strenggenommen im Dienste der NS-Ideologie als gleichberechtigte Partner abzuschaffen oder wenigstens weitgehend auf den häuslichen Bereich zurückzuziehen. […] Die Satzungen der ANSt sprachen nicht von „geselligem Beisammensein“, von „gegenseitiger Hilfe“, von „Wohnungsvermittlung“ wie die anderen Vereinigungen, sondern waren unmißverständlich auf politische Propaganda und auf Mitgliederwerbung ausgerichtet: Die Arbeitsgemeinschaft nationalsozialistischer Studentinnen ist eine Vereinigung von Studentinnen nationalsozialistischer Weltanschauung. Ihre Aufgaben sind: a) kulturpolitische (Bearbeitung von Spezialfragen hinsichtlich des politischen Wirkens der Frau) b) propagandistische (Verbreitung nationalsozialistischer Gedankengänge auf der Hochschule) c) erzieherische (Staatspolitische Schulung in Arbeitsgemeinschaft mit dem NSDStV).“342
339 Marianne Franck: Jeder deutschen Studentin. In: DB vom 18.11.1930. 340 Weyrather, 136. 341 Vgl. Kater: Krisis, 255. 342 Lemberg, 26 f. Hervorhebung im Original.
2.4 Die Lokalisierung der Münchner ANSt-Gruppe
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Offensichtlich konnten sich jedoch einige Aktivistinnen nicht mit dieser Rollenzuschreibung abfinden, zumal im Januar 1931 erneut der dringende Hinweis erging, die ANSt dürfe bei den AStA-Wahlen weder eigene Listen aufstellen noch auf denen des NSDStB kandidieren. Ausnahmen vom „Verbot der parlamentarischen Tätigkeit der Frau“343, welches für die gesamte NSDAP galt, konnten unter keinen Umständen gemacht werden. Dessen ungeachtet war es selbstverständlich die Pflicht aller auf dem Boden der nationalsozialistischen Weltanschauung stehenden Studentinnen, die Listen des NSDStB zu wählen und die Wahlarbeit des Studentenbundes kräftig zu unterstützen, obwohl ihnen eine Mitgliedschaft in letzterem nicht mehr zugestanden wurde.344 Baldur von Schirachs taktisches Kalkül, die Frauen weitgehend „politisch auszuschalten, ohne reaktionär zu wirken“345, war damit aufgegangen, weshalb das von der Reichsleiterin propagierte Bild der ANSt als „Gemeinschaft der Kämpfenden und nicht der Abwartenden“346 wohl als Argument zur steten Festigung der eigenen Position verstanden werden kann347; trotz dieser Einschränkungen sollte es der Münchner Hochschulleiterin Marianne Franck gelingen, durch persönliche schriftliche Einladungen zwölf neue Mitglieder, davon fünf für die ANSt und sieben für die Partei, zu rekrutieren.
2.4 Die Lokalisierung der Münchner ANSt-Gruppe Im Gegensatz zur Frankfurter Gruppe, welche im November 1930 lediglich aus ihrer Leiterin bestand, die dementsprechend sehr zögerlich bzw. mutlos das neue Amt antrat348, zeigte man sich in München zu Beginn des Wintersemesters 1930/31 mit insgesamt neun Kameradinnen – was einem Anteil von gerade einmal 0,5 %
343 Maria Nau: An die Hochschulgruppen der A. N. St. In: DB vom 13.1.1931. 344 Vgl. Maria Nau: Studentinnen. In: DB vom 8.1.1931: „Zur Vermeidung von Irrtümern weise ich nochmals darauf hin, daß laut Anordnung der Reichsleitung des NSDStB. Studentinnen nicht mehr Mitglieder des NSDStB. sein dürfen. Die Organisation der nationalsozialistischen Studentin ist die Arbeitsgemeinschaft nationalsozialistischer Studentinnen (A. N. St.).“ 345 Faust, 173. 346 Raba Stahlberg: Grundlagen der Arbeitsgemeinschaft Nationalsoz. Studentinnen (ANSt.). In: DB vom 4.11.1930. 347 Scherb, 159. 348 Vgl. Dorothea Gärtner: Von der Arbeit der ANSt. Frankfurt am Main. In: DB vom 19.4.1931. Zum Vergleich: Die Dresdner ANSt begann ihre politische Arbeit Anfang der 30er Jahre mit zehn Frauen (vgl. BArch, RSF II* 501 (a 403). Eva Theißig an Dorothea Trost vom 21.11.1932), die Berliner Gruppe verzeichnete Mitte November 1931 33 Mitglieder. Vgl. Rückl, 119, FN 15.
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der an der LMU immatrikulierten 1666 Studentinnen entsprach349 – äußerst tatkräftig und optimistisch. Die Frauen wollten nach einem speziellen Schulungsplan vorgehen, um sich selbst vorzubereiten und um die Hochschulstudentinnen gründlicher als in vergangenen Semestern zu erfassen. Dazu gehörten diverse Propagandamaßnahmen in Form von Plakaten, die in zahlreichen Gebäuden der Universität aufgehängt wurden, ebenso wie schriftliche Einladungen an Personen, die bereits einmal an den Abenden der ANSt teilgenommen hatten. Nicht zuletzt griff man überdies auf Flugblätter als Werbemittel für den ersten öffentlichen Sprechabend zurück, um grundsätzlich auf die bis dato offensichtlich wenig beachtete Existenz der Gruppe aufmerksam zu machen: „Vor allen Dingen müssen wir auch bekannt werden in der Uni., daran mangelt es ja immer“350, so gleichermaßen das Fazit aus Leipzig. Auch die erstmalig Anfang November 1931 zusammengekommene ANStGruppe der Universität Jena versuchte im Sommersemester 1932 neue Mitstreiterinnen dazuzugewinnen. Unter Leitung der Geschichtsstudentin Lotte Hiller verschickte man, ähnlich wie bereits eineinhalb Jahre zuvor in der bayerischen Landeshauptstadt, persönliche Einladungen an ausgewählte Kommilitoninnen mit der Aufforderung, als aktives Glied in den Reihen der Bewegung tätig zu werden. Obwohl der Adressatenkreis diejenigen Frauen umfasste, die in persönlicher Verbindung mit einer ANSt-Studentin standen, Lehrveranstaltungen des Rassentheoretikers Hans F. K. Günther besuchten, dem Deutsch Akademischen Frauenbund angehörten und der „Bewegung“ nahestanden oder sich zur nationalsozialistischen Ideologie bekannten, blieb die erhoffte Resonanz aus.351 Allerdings standen die Jenaer Aktivistinnen mit diesem Ergebnis nicht allein. So war die Wirkung der nur wenige Monate zuvor an der LMU inszenierten Propaganda ebenfalls durchwegs zweifelhaft. Während politische Themenabende wie „‚Was will die Arbeitsgemeinschaft nationalsozialistischer Studentinnen‘“ mit 19 Besuchern durchaus eine angemessene Zuhörerzahl anzogen, kam Hochschulgruppenleiterin Marianne Franck zu der Einschätzung, „daß kulturpolitische Vorträge Studentinnen wohl lieber wo anders und besser sich anhören als bei uns; denn zum Beispiel der Vortrag über „Deutsche Kunst“ war mit 1200
349 Vgl. Übersicht über die Zahl der Studierenden im Winter-Halbjahr 1930/31. In: Personenstand der Ludwig-Maximilians-Universität München. Winter-Halbjahr 1930/31. A. Behördenverzeichnis nach dem Stande vom 10. Januar 1931. B. Studentenverzeichnis nach dem Stande vom 29. November 1930. München 1931, 145. Zum Vergleich: Die ANSt in Münster verzeichnete bei ihrer Gründung im Mai 1932 nur ein Mitglied mehr, was einem Anteil von 0,7 % aller Immatrikulierten entsprach. Vgl. Pöppinghege, 176. 350 BArch, RSF II* 501 (a 403). Dorothea Trost an Eva Theißig vom 1.12.1932. 351 Vgl. Stiefel, 291.
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Flugblättern, – also fast jeder Studentin in die Hand gedrückt – niederdrückend schlecht besucht – nur von 7 Gästen!“352 Erklären konnte sich Franck das Ausbleiben der Zuhörer allerdings nicht. Sie vermutete jedoch, dass wenigstens das parallele Faschingstreiben keine Rolle gespielt hatte, zumal dieses erst im Anfang begriffen gewesen sei. Ihre Jenaer Kollegin, die Hochschulgruppenführerin Lotte Hiller, resümierte dagegen, offensichtlich würde nur die mündliche Werbung in Gesprächen unter den Kommilitoninnen den sicheren Erfolg bringen: ‚Solange von außenher, in der uns Studentinnen zugänglichen nationalsozialistischen Presse die ANSt keine erheblichere Rolle spielt, scheint mir keine Möglichkeit zu bestehen, gewissermaßen unpersönlich wirkungsvoll werben zu können.‘353 Weil Hiller ebenso wie Franck keine konkrete Begründung für den Misserfolg ihrer Kampagne liefert, muss offenbleiben, ob die Existenz der lokalen ANStGruppen dem Großteil weiblicher Studierender unbekannt oder selbst für überzeugte Parteianhängerinnen wenig attraktiv war, nachdem letztere schon durch die Anordnungen Baldur von Schirachs von einem wirksamen Auftreten innerhalb der studentischen Hochschulpolitik absehen mussten. Eine weitere Möglichkeit bestünde, so Stiefel, jedoch gleichermaßen in der Überlegung, wonach die von der ANSt behandelten Themen schlichtweg „nicht mehrheitsfähig“354 gewesen seien. So standen hochschulpolitisch interessierten Studentinnen bis zur Gleichschaltung durch die Nationalsozialisten alternativ noch weitere Frauenvereinigungen offen. Zu diesen gehörte bspw. in München der von Marianne Koerner in seiner unmittelbaren Gründungszeit dargestellte, am 6. Dezember 1905 ins Leben gerufene Verein Studierender Frauen, welcher sich der Interessenswahrung und -verfolgung seiner Mitglieder verschrieben hatte. Dazu kamen rhetorische Übungen, die Unterstützung aus der Leih- und Hilfskasse sowie allgemeine Informationen bzw. Auskünfte zu Studienbedingungen u. a.355; einem Vermerk des Polizeipräsidiums vom 5. Mai 1937 nach zu urteilen, fiel der Verein ab 1933 jedoch den veränderten Zeitumständen zum Opfer.356 Ebenso wie bei ihren Freiburger Kommilitoninnen357 waren die Veranstaltungen der Münchner ANSt tatsächlich nicht auf allgemeingültige Frauenthe-
352 Marianne Fran[c]k: München. Arbeitsbericht der Münchener Gruppe der ANSt. für das Winter-Semester 1930 31 [sic!]. In: DB vom 19.4.1931. 353 StA Wü, Bestand RSF II, Nr. 517. ANSt-Bericht Jena (Nr. 3) von Lotte Hiller von Juni 1932, hier zitiert nach Stiefel, 291. 354 Stiefel, 291. 355 Vgl. Koerner, 147 f., sowie StAM, Pol. Dir. München 2707. Statuten des Vereins studierender Frauen München vom 6.12.1905. 356 Vgl. StAM, Pol. Dir. München 2707. Vormerkung des Polizeipräsidiums vom 5.5.1937. 357 Scherb, 160.
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men ausgerichtet, sondern dienten der politischen Schulung und Indoktrinierung der Mitglieder, indem nahezu wöchentlich über historisch bedeutsame Ereignisse ebenso wie über propagandistische und „braune“ Themen diskutiert wurde.358 Um weitere Mitglieder zu gewinnen, setzte man infolgedessen verstärkt auf unmittelbare Kontaktaufnahme zu potentiellen Interessentinnen, zu der die bereits erwähnten Einladungsschreiben gehörten, welche eigenständig ausgetragen wurden. Die offensive Maßnahme zahlte sich aus. Am Ende des Semesters bestätigten die zwölf dazugewonnenen Frauen Franck in ihrem Gefühl, für die dauerhafte Anbindung von Kameradinnen auf einem starken Gemeinschaftsgedanken aufbauen zu müssen: „Unser Bund muß wie eine große herzliche Familie sein. Aus diesem Grunde auch begrüße ich jeden Gast, der kommt, mit Handschlag, daß er merkt, es geht bei uns persönlich zu. Eine unserer Mädel hält das Referat […]. Daran anschließend gibt es meist bei den fremden Studentinnen Fragen, die wir beantworten, wobei allmählich das Gespräch in Privatunterhaltung ausläuft, was dadurch gefördert wird, daß meine Mädels sich zwischen den Gästen und nicht nur unter sich zusammensitzen. Und dann gehen wir möglichst gemeinsam nach Haus.“359 Außer zu diesen Sprechabenden kam es ferner zu diversen Zusammenkünften der Fachschaften, wobei der Fokus ebenfalls auf der Rekrutierung zahlreicher Neuaufnahmen lag. Wesentliche Grundsätze der ANSt gedachte man auch hier in Vorträgen sowie Diskussionsrunden herauszukristallisieren und zu betonen, um „dann vielleicht darüber hinaus manche Dinge gründlicher zu bearbeiten.“ Diese Vorgehensweise resultierte jedoch nicht etwa aus einer Abneigung, fachwissenschaftlich zu arbeiten, sondern war das Ergebnis mangelnder nationalsozialistischer Kenntnisse. Aus diesem Grund wurden die ersten, noch recht vage formulierten Ansätze schnell von der Wirklichkeit überholt, und die Mitglieder mussten sich eingestehen, dass ihnen eine wichtige Grundvoraussetzung für ihre Bemühungen fehlte: „Wir sind zu junge Menschen mit zu wenig Wissen. So war auch dies Semester keines, in dem wir gerade und sicher unseren Weg wußten, er mußte erst ausprobiert werden.“360 Die Studentinnen waren unschlüssig, was Ausrichtung und Tätigkeit der Organisation betraf, und befanden sich in einer Orientierungsphase, innerhalb
358 Auf der Tagesordnung standen u. a. „‚Dolchstoß 1918‘“, „‚Feierstunde mit nationalsozialistischer Dichtung‘“ sowie „‚Die unfeine Art der nationalsozialistischen Propaganda‘“ oder „‚Das Judentum in der Geschichte‘“. Marianne Fran[c]k: München. Arbeitsbericht der Münchener Gruppe der ANSt. für das Winter-Semester 1930 31 [sic!]. In: DB vom 19.4.1931. 359 Ebd. 360 Alle Zitate nach ebd.
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derer es galt, verschiedene Wege zu beschreiten. Den Hintergrund dieser Unsicherheit bildeten die widersprüchlichen Positionen, die führende Vertreterinnen der ANSt zum Thema Frauenstudium bzw. weibliche Berufstätigkeit bezogen. Für Raba Stahlberg war es bspw. die vornehmlichste Aufgabe der Studentin, zunächst gesondert im Verband der ANSt erfasst zu werden. Diese sollte als Erziehungs- und Schulungsstätte fungieren, um diejenige seelische und geistige Bildung zu vermitteln, welche, so die Reichsleiterin, die Hochschule der Gegenwart noch immer entbehren lasse. Derartig geschult hatten es die Mitglieder als „Ehrenpflicht“ anzusehen, die nationalsozialistische Ideologie nicht nur unter ihren Kommilitoninnen, sondern auch in den entsprechenden Frauengruppen der Partei zu verbreiten. Der eigentliche „Kampf“, der sowohl Studentinnen, Angestellte und Arbeiterinnen einte, müsse jedoch der Stellung der Frau im Dritten Reich gelten, welche der gegenwärtigen Position im öffentlichen Leben nicht mehr gleichen dürfe: „Die vorherrschende Berufstätigkeit der Frau, die die Frauenbewegung sich noch immer als Verdienst anzurechnen wagt, ist eines der traurigsten Momente unserer an Dekadenz überreichen Zeit. Fragen Sie einmal alle Mädchen zwischen 18 und 25 Jahren, die Sie kennen, und Sie werden erfahren, daß höchst selten eine in ihrem Beruf etwas anderes zu sehen gewohnt ist, als den durch wirtschaftliche Notlage ihr aufgezwungenen Broterwerb.“361 Für Stahlberg resultierte diese Misere aus der „Erniedrigung Deutschlands“ durch den im Juni 1919 geschlossenen Friedensvertrag von Versailles. Im Rahmen eines spontanen Probevortrags auf einer Versammlung des Landbundes in Klein Krössin – welcher ihrer eigentlichen Rede im Berliner Sportpalast vorausgehen sollte – veranlasste sie das zu der Frage, wie die Anwesenden „weiterhin eine Regierung unterstützen könnten, die sich nicht gegen die Kräfte einer internationalen Verschwörung und gegen den Bolschewismus wehre“362, habe doch nur die NSDAP als politische Bewegung den Verträgen eine rücksichtslose Gegenwehr angesagt: „Sie ist damit die einzige, der wir Frauen das Vertrauen entgegenbringen, daß sie auch uns einmal die Möglichkeit wiedergibt, zu unserem wesenhaften Beruf, der im Umkreis der Familie beschlossen liegt, zurückzukehren.“363 Wenngleich derart emotional besetzte Themen bzw. Ansichten durchaus Studentinnen ansprechen konnten, die sich in einem Identitätskonflikt zwischen Berufstätigkeit und Familie befanden364, unterstützten nicht alle weiblichen
361 Alle Zitate nach Raba Stahlberg: Studentin und Arbeiterin. In: DB vom 18.11.1930. 362 Alle Zitate nach Pejsa, 211. 363 Raba Stahlberg: Studentin und Arbeiterin. In: DB vom 18.11.1930. 364 Vgl. Weyrather, 136.
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Angehörigen des NSDStB eine derart parteikonforme, jedoch vollkommen rückständige Frauenrolle. Maria Nau, die Anfang Dezember Raba Stahlberg als Reichsleiterin ablöste, verkündete zwar, dass sich am Kurs der ANSt nichts ändern werde365, zeigte sich aber in der Tat in der Ablehnung weiblicher Berufstätigkeit etwas verhaltener. Obwohl sie gleichermaßen die Frau im Beruf nicht als „Ideal“ betrachtete, war sie der Meinung, diese Erscheinung würde sich selbst in einem Staat der Zukunft nicht beseitigen lassen. Aufgabe sei es deswegen vielmehr, „die Entwicklung auf diesem Gebiete in gesunde Bahnen zu lenken.“366 Für die Hamburger Pädagogikstudentin Luise Kopittke bedeutete dies, dass die Frau die gleiche geistige Erziehung wie der Mann erhalten sollte, jedoch unter „Anerkennung der Polarität“ der Geschlechter: „Darum sehe ich es als Aufgabe und Pflicht der heutigen Studentin an, daß sie von ihrem Fach-Studium her – sei es Theologie, Jura, Medizin oder Philosophie – zu dem innersten Wesen der Frau durchzudringen sucht, und daß sie in ihrem Beruf sich die Aufgabenfelder sucht, in denen sie ausgesprochen mehr leisten kann als der Mann, kraft ihrer andersartigen Veranlagung. Es gibt in jedem Beruf solche Aufgaben, und es muß gezeigt werden, hier ist eine Frau nötig! Von Ablehnung des Frauen-Studiums und Degradierung der Frau zum rein vitalen Wesen kann im Nationalsozialismus nicht die Rede sein.“367 Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass Raba Stahlberg der „Nazipartei“ in der Zwischenzeit den Rücken gekehrt hatte, kennzeichnete diese, so auch die anhaltende Hoffnung der Großmutter, offenbar lediglich eine „vorübergehende Phase im Erwachsenwerden des Mädchens“368. Der Biographie von Pejsa zufolge distanzierte sich die ehemalige Reichsleiterin bereits nach einem familiären Vier-Augen-Gespräch in einem ersten Schritt von der braunen Ideologie, nachdem sie vom Cousin ihrer Mutter u. a. eindringlich vor den möglichen Gefahren im Falle der Machtübernahme Adolf Hitlers gewarnt worden war. Infolge dieser Unterhaltung entschloss sich die Verunsicherte, ihre im Sportpalast Berlin angesetzte Ansprache abzusagen mit der Begründung, Reden sei nicht ihre Stärke und Goebbels möge sie entschuldigen. Ein im Anschluss an die Kundgebung stattfindender Kabarettbesuch mit angetrunkenen NS-Studenten brachte die Studentin endgültig ins Wanken. Dies galt umso mehr, zumal die Kommili-
365 Vgl. Maria Nau: An die Hochschulgruppen der ANSt.! In: DB vom 9.12.1930. 366 Alle Zitate nach Die Frau im Dritten Reich. Vorschläge für ein Arbeitsprogramm von M. Nau. In: DB vom 4.11.1930. 367 Alle Zitate nach Luise Kopittke: Die nationalsozialistische Studentin als Trägerin einer neuen Frauenbewegung. In: DB vom 24.2.1931. 368 Pejsa, 209.
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tonen dazu übergegangen waren, „ihre Messer hoch in die Luft zu halten und voller Inbrunst zur Melodie eines bekanntes Volksliedes zu singen: Wenn das Judenblut vom Messer spritzt, dann geht es noch mal so gut.“ Sich ihrer Übelkeit und damit der nicht verbalisierten Schuldgefühle auf der Toilette entledigend, fragte sich die in ihrem Glauben Erschütterte nun umso mehr, „wo sie eigentlich hingehört(e) – wahrscheinlich nicht zu den Nazis, vielleicht nicht einmal auf die Universität“369, so die Darstellung Pejsas. Noch bevor sie einen Entschluss getroffen hatte, nahm ihr, der offiziellen Familiengeschichte zufolge, Baldur von Schirach die Entscheidung ab, indem er der Reichsleiterin anordnete, ihren Posten niederzulegen. Grund für diese Entscheidung war die von Propagandaminister Goebbels übermittelte Nachricht, wonach Stahlberg väterlicherseits jüdischer Abstammung sei, eine Information, die den wahren Gegebenheiten entsprach. Tatsächlich fehlten seit einem großen Brand in Hamburg im Jahre 1842 angeblich jegliche Urkunden, die Rückschlüsse auf die Vorfahren zuließen. Diese kämen ursprünglich vom Rhein, eventuell jedoch auch aus dem Harz oder aus Schweden. Der jüdische Urgroßvater, der mit einer Ölmühle in Stettin den Reichtum in der Familie begründet hatte, war unter den Nationalsozialisten wohlweislich verschwiegen worden.370 Den Ausführungen Pejsas nach zu urteilen besorgte sich der Vater von Raba, Walter Stahlberg, unabhängig von dieser Entwicklung noch im November 1930 einen neuen, gefälschten Stammbaum, der nunmehr einwandfrei war und bestätigte, dass die Stahlbergs aus Schweden kamen. Das Dokument sollte seiner Tochter angeblich zur Fortführung ihrer „Karriere“371 verhelfen, welche diese jedoch mit ihrem Austritt aus der NSDAP im selben Monat endgültig abgeschlossen hatte. Aufgrund einer Krankheit verbrachte die ehemalige Aktivistin die folgende Zeit zur Erholung in Schreiberhau (Schlesien), wo sie ihren zukünftigen Mann kennenlernte, den sie ein Jahr nach der sog. „Parteiaffäre“372 heiratete. Im Anschluss an eine zweite Eheschließung mit einem Breslauer Arzt sowie einem „gefährlichen Kontakt zu linksorientierten Widerstandskreisen“373 im Jahr 1942 ging Ruth Roberta Stahlberg-Heckscher 1986 mit 76 Jahren nach Israel, um in Jerusalem zu leben. Drei Jahre später „trat sie zum jüdischen Glauben über und
369 Alle Zitate nach ebd., 212. 370 Vgl. Maria Frisé: Meine schlesische Familie und ich. Erinnerungen. Berlin 2004, 210 f. 371 Ebd., 212. 372 Pejsa, 214. 373 Ebd., 325.
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nahm den Namen ihrer jüdischen Vorfahren – Heckscher – an. Bis zu ihrem 80. Lebensjahr arbeitete sie jeden Freitag als Freiwillige im Holocaust Museum.“374
2.5 Die Konsolidierung der Münchner ANSt-Gruppe Die oben angeführten Beispiele zeigen, dass innerhalb der ANSt verschiedene Ansichten über das Frauenstudium bzw. die weibliche Berufstätigkeit nebeneinander existierten. Während sich ein Teil der Anhängerinnen in den ihr zugewiesenen Handlungsspielräumen für die Erneuerung eines traditionell weiblichen Rollenverständnisses einsetzte, verbanden andere ihr Engagement in der Studentinnenorganisation durchaus mit der Hoffnung auf eine berufliche Perspektive im zukünftigen Dritten Reich. Ebenso diametral war in den ersten Jahren aber auch das Verhältnis zur Frauenbewegung, die der ANSt permanenten Anlass zu Auseinandersetzungen lieferte. Das Spektrum der Meinungen reichte hierbei von der Forderung nach Aufrechterhaltung einzelner Werte im Nationalsozialismus wie allumfassenden Bildungszugang und wirtschaftliche Selbstständigkeit375 bis hin zur völligen „Abneigung gegen alles Frauenrechtlertum. […] Wir lehnen die Jagd nach der Gleichberechtigung ab. Wir wollen gar nicht dasselbe leisten wie der Mann, sondern wir wollen das sein, was wir sein können, unserem Wesen und unserer Veranlagung nach.“376 Wieder andere sahen es als Aufgabe der nationalsozialistischen Studentin an, „die Synthese zu finden zwischen dem Ideal der alten Frauenbewegung, der Frauenrechtlerin und dem Frauenbild, das als Lebensaufgabe ansieht: Schön zu sein und Kinder zu kriegen. Mit anderen Worten: Die deutsche Studentin hat den Typ der nationalsozialistischen Frau zu schaffen.“377 Obschon derart unterschiedliche Richtungen innerhalb der ANSt einerseits durchaus den positiven Effekt nach sich ziehen konnten, Studentinnen unterschiedlichster Haltung anzusprechen, wurde andererseits die innere Aufstellung der Gruppen aufgrund der heterogenen Leitlinien mitunter deutlich erschwert. Hinzu kam, besonders an kleineren Hochschulen, ein durch die hohe Fluktuationsrate während des Studiums sowie durch die Vorbereitungen auf den Abschluss bedingter Ausfall von
374 Ebd., 419. 375 Vgl. Hedwig Förster: Der Nationalsozialismus und die deutsche Studentin. In: DB vom 16.12.1930. 376 Luise Kopittke: Die nationalsozialistische Studentin als Trägerin einer neuen Frauenbewegung. In: DB vom 24.2.1931. 377 Dorothea Gärtner: Die Aufgabe der deutschen Studentin innerhalb des Nationalsozialismus. In: DB vom 13.4.1931.
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für die Durchführung geeigneten Kommilitoninnen. Stellvertretend kann dafür das Beispiel der Philipps-Universität Marburg stehen. Wie jüngere Forschungsergebnisse zur Studentenschaft dieser Hochschule zwischen Weimarer Republik und Nationalsozialismus zeigen, klagte die hier erstmalig im Mai 1931 öffentlich angetretene Hochschulgruppe der ANSt selbst ein Jahr nach ihrer Gründung über Probleme in der Organisation, Mangel an Personal sowie geringe Einsatzbereitschaft der Angehörigen. Eine Verbesserung der Ausgangsposition war nicht in Sicht, nachdem schon im Wintersemester 1931/32 die Mehrheit der Beteiligten die Stadt verlassen wollte und zudem die Leitung der Marburger ANSt-Gruppe wechselte. Allerdings hatte die neue Führerin von ihrer Vorgängerin keinerlei Einweisung in ihr Aufgabengebiet erhalten und sah sich nun einem „Scherbenhaufen“ gegenüber: „Die wenigen Mitglieder waren alle bereits in höheren Semestern und der Gruppenleiterin fehlten organisatorische Grundkenntnisse.“378 Wie Haide Manns feststellte, mangelte es mancherorts jedoch sogar an geeignetem Nachwuchs für Führungspositionen, weshalb die Gruppenleitung oftmals kommissarisch ausgeübt werden musste. Um die Arbeitsfähigkeit zu steigern, sahen es die einzelnen Hochschulgruppen vor 1933 daher als oberste Priorität an, mit Hilfe entsprechender Werbemaßnahmen ihre Mitgliederzahlen zu steigern379. Zur weiteren Vergrößerung der Münchner Gruppe regte Marianne Franck in der Folge gemeinsame, freiwillige Wanderungen an, denen, so die Initiatorin, die Möglichkeit eines geselligen Anschlusses als Alternative zum gängigen Sportverein innewohne; obendrein forderte sie die Frauen schließlich auf, möglichst an einem Sanitätskurs teilzunehmen, „um in dieser kritischen Zeit gegebenenfalls etwas leisten zu können.“380 In der Hoffnung, die bislang schlecht angenommenen „Wanderungs-„versuche““381 würden spätestens im Sommersemester von den günstigeren Wetterbedingungen profitieren, überlegte man außerdem, derartige Angebote zukünftig in irgendeiner Weise hochschulöffentlich anzuschlagen. Ähnlich wie ihre Mitstreiterinnen in Frankfurt oder Kiel382 hatte die ANSt an der LMU von Anfang an auf die Möglichkeit zurückgegriffen, Vereinsmitteilungen am sog. „Schwarzen Brett“ im Universitätsgebäude anschlagen zu können.
378 Zinn, 286. 379 Vgl. Manns, 162. 380 Marianne Fran[c]k: München. Arbeitsbericht der Münchener Gruppe der ANSt. für das Winter-Semester 1930 31 [sic!]. In: DB vom 19.4.1931. 381 Ebd. 382 Vgl. dazu exemplarisch Dorothea Gärtner: Von der Arbeit der ANSt. Frankfurt am Main. In: DB vom 19.4.1931: „In den Ferien kam die Nachricht, daß die ANSt. Frankfurt das Recht hat, in der Universität ein Schwarzes Brett zu befestigen. Ein Riesenschritt vorwärts ist getan! Wenn wir jetzt im Sommer die Arbeit aufnehmen, sind wir doch schon bekannt.“
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2 Politische Haltung der Studentinnen
Nach vorheriger Prüfung durch den Rektor wurde so bereits im Dezember 1930 die Bitte einer Gesuchstellerin um einen Aushang positiv beschieden.383 Zugute kam den Studentinnen, dass an der Universität München politischen Studentenverbindungen gleichermaßen eine Tafel für Nachrichten zur Verfügung gestellt worden war, wobei nicht zwischen „parteipolitischen und sonstigen politischen Vereinigungen“384 unterschieden wurde. Auf diese Weise konnten die NS-Studentinnen nach und nach für einen größeren Bekanntheitsgrad bei ihren Kommilitoninnen sorgen und damit den Weiterbestand der Hochschulgruppe gewährleisten. Bereits im Februar 1927 hatten schon ihre Kommilitonen und Mitglieder des NSDStB um ein eigenes Schwarzes Brett in der Universität gebeten, auf dem sie ihre Richtlinien veröffentlichen wollten. Einen entsprechenden Entwurf zur Einsicht und Genehmigung durch den Rektor fügten sie bei. Das zweiseitige Schreiben ließ keinen Zweifel über den Charakter der rechten Vereinigung zu, die sich u. a. offen gegen „rassefremde Professoren“385 wie Emil Julius Gumbel, Privatdozent für Statistik an der Universität Heidelberg seit 1923, und den Privatdozenten der Philosophie an der TH Hannover, Theodor Lessing386, wandte. Im Rahmen der folgenden Senatssitzung wurde das Gesuch jedoch negativ beschieden und übereinstimmend auf die für alle Studentenverbindungen geltende Bestimmung verwiesen, Aushänge nur auf einem zugewiesenen, festen Platz des allgemeinen Anschlagbrettes zu veröffentlichen. Auf Antrag des Rektors beschloss der Senat in diesem Zusammenhang überdies, politische Daueraufrufe von studentischen Verbindungen, die über ein Rektoratsjahr hinausgehen, generell nicht zuzulassen, damit die Politik nicht in die Hochschule hineingetragen werde.387 Allerdings lief die Verfügung der gängigen Praxis zuwider, zumal mittlerweile fast alle Verbindungen per Daueranschlag bekanntgaben, „welche Zwecke sie verfolgen, teils unter Wiedergabe der Satzungsbestimmungen, teils in anderen Worten, teils indem sie damit die Aufforderung zum Beitritt ausdrücklich verbinden, teils ohne ausdrückliche Aufforderung.“ Auch zahlreiche Zusammenschlüsse von Studen-
383 Vgl. UAM, B-VI-26 Band 1. Universitäts-Rektorat vom 11.12.1930. Leider geht aus der Mitteilung des Universitäts-Rektorats weder der Name der Gesuchstellerin noch der Inhalt ihres Plakates hervor. Kurze Aushänge von sportlichen Veranstaltungen wie Wettspiele oder Ausflüge wurden im Übrigen ohne vorherige Prüfung durch das Rektorat genehmigt. Vgl. ebd. Vormerkung von 1932. 384 Ebd. Rektorat an den Rektor der Universität Tübingen vom 14.7.1930. 385 UAM, B-VI-26 Band 2. Handschriftlicher Entwurf des NSDStB Hochschulgruppe München vom 20.2.1927. 386 Zum Fall Lessing vgl. Schröder, 38–43. 387 UAM, B-VI-26 Band 2. Senats-Niederschrift vom 26.2.1927.
2.5 Die Konsolidierung der Münchner ANSt-Gruppe
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tinnen versuchten sich auf diese Weise zu positionieren, darunter die Marianische Studentinnenkongregation, der katholische Studentinnenverein Hadwig, die Deutsch-Christliche Vereinigung studierender Frauen oder der Verein studierender Frauen. Gemäß dem Einwand des Syndikus Robert Einhauser, wonach selbst Verbindungen mit politischen Absichten „nicht minderen Rechtes als die anderen“ seien und daher den Anspruch hätten, „an den für studentische Mitteilungen bestimmten Plätzen zu sagen, was sie erstreben“388, entschied man sich nach Überprüfung der knapp 80 für das Sommerhalbjahr eingereichten Entwürfe, den Anschlag des NSDStB zu genehmigen. Obwohl man der Meinung war, Mädchen dürften in der Woche nicht zu viel in eine Organisation eingespannt werden, präsentierte Franck ihren Mitgliedern einen äußerst motivierten Arbeitsplan für das kommende Semester. Neben dem gemeinsamen Wandern stellte die Vergrößerung der Ortsgruppe in diesem Zusammenhang nach wie vor einen wichtigen Schwerpunkt dar: „1. Woche im Mai, 1. Woche im Juni, 1. Woche im Juli je eine größere Versammlung mit einem Redner […], wozu Flugblatt und alle mögliche Propaganda zu benutzen ist, und welche den Grundton zu unserer weiteren Arbeit bieten. Jede 3. Woche im Monat dann einen öffentlichen Sprechabend, wie wir ihn bisher gehabt haben. Je die übrigen 2 Wochen zu interner Arbeit der Fachschaften zu gebrauchen, damit äußere Erfolge verarbeitet und neue Mitglieder in unsere innere Gemeinschaft kommen.“389 Franck hoffte, dass diese Bemühungen noch besseren Erfolg als im vergangenen Semester zeigen und zahlreiche Studentinnen zum Eintritt in ihre Gemeinschaft bewegen würden. Da entsprechende Mitgliederlisten fehlen, kann die zahlenmäßige Weiterentwicklung der Münchner Hochschulgruppe jedoch nur ungenügend nachgezeichnet werden. Ein Schreiben des seit Januar 1931 amtierenden Kreisleiters VII des NSDStB, Eberhard von Künsberg, an die Reichsleiterin Maria Nau zeugt allerdings von stagnierenden Beitritten für die kommenden Monate. Das Berliner Landeskriminalamt schätzte die reichsweite Zahl der ANStMitglieder im März 1931 dagegen auf etwa 150 Studentinnen390, was bei 18.452 weiblichen, inländischen Studierenden im Wintersemester 1930/31 ebenfalls
388 Alle Zitate nach ebd. Anschläge der studentischen Verbindungen vom 3.3.1927. Zudem genehmigte bereits die Satzung von 1913 den Zusammenschluss von Studierenden zu politischen Zwecken. 389 Marianne Fran[c]k: München. Arbeitsbericht der Münchener Gruppe der ANSt. für das Winter-Semester 1930 31 [sic!]. In: DB vom 19.4.1931. 390 Vgl. Manns, 155.
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gerade einmal einen verschwindend geringen Anteil von 0,81 % ausmachte.391 Künsberg gibt an, er habe bereits seit längerem wegen der in seinem Kreis existierenden Gruppen, zu der auch die LMU gehörte, intervenieren wollen, da diese an sich zu schwach seien, um alleine zu arbeiten. Entgegen der mancherorts festzustellenden Gewohnheit, die ANSt ähnlich anderer NS-Frauenorganisationen zu rein „wirtschaftlichen Hilfsorganisationen für die SA herauszubilden“, hatte man die einzelnen ANSt-Gruppen im Kreis VII zwar als eigenständige Organisation belassen, „im übrigen aber jeweils als Zelle der örtlichen Hochschulgruppe eingegliedert“392. Genauere Informationen über die Heranziehung der ANSt zu Hilfsdiensten für die paramilitärische Kampforganisation der NSDAP, wie sie auch die 1989 erschienene Arbeit von Peter Longerich über die Geschichte der SA vermissen lässt, stehen allerdings noch aus.393 Diese Vorgehensweise stellte wohl keineswegs einen wirklichen Gewinn für die Studentinnen dar, zumal der Kreisleiter selbst zugab, sich infolge seiner Aufgaben nicht in dem erforderlichen Maße um die Arbeit der Kommilitoninnen gekümmert zu haben. Vielmehr nahm man mit dieser Entscheidung die relative Selbstständigkeit der ANSt auf Hochschulebene schon mehr als ein halbes Jahr vor Erscheinen der neuen Richtlinien in einem ersten Schritt zurück. So legten die von Reichsleiterin Maria Nau im März 1932 herausgegebenen Bestimmungen eine veränderte Hierarchie zwischen Studentenbund und ANSt fest, in der letztere nun explizit als „Unterorganisation“ des NSDStB bezeichnet wurde. Jeder Kreisleiter des NSDStB war ab diesem Zeitpunkt befugt, eine ANSt-Referentin einzusetzen, die in regelmäßigen Abständen über die Arbeit des Kreises an die Reichsleiterin zu berichten hatte. Die Hochschulgruppen der ANSt wurden ab diesem Zeitpunkt wiederum verpflichtet, in kameradschaftlicher Weise mit dem NSDStB zusammenzuarbeiten: „Besonders an Hochschulen, an denen die ANSt. zahlenmässig schwach ist, dürfte es sich als zweckmäßig erweisen, dass sie alle Veranstaltungen gemeinsam mit dem N. S. D. St. B. macht. Grundsätzlich ist es zu begrüssen, wenn die ANSt. an vom N. S. D. St. B. veranstalteten Schulungskur-
391 Zu den Zahlen vgl. Deutsche Hochschulstatistik. Mit textlichen Erläuterungen. Band 10. Winterhalbjahr 1932/33. Berlin 1933, 4. 392 BArch, RSF II* 30 (a 584). Eberhard von Künsberg an Maria Nau vom 3.9.1931. Vgl. dazu die Hilfsdienste der Jenaer ANSt-Gruppe in Kapitel I, 2.3 Die Arbeitsgemeinschaft Nationalsozialistischer Studentinnen (ANSt). 393 Peter Longerich: Die braunen Bataillone. Geschichte der SA. München 1989. Eine zweite, durchgesehene und um ein Nachwort zum aktuellen Forschungsstand ergänzte Auflage erschien 2003 unter dem Titel „Geschichte der SA“.
2.5 Die Konsolidierung der Münchner ANSt-Gruppe
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sen teilnimmt. Bei Astawahlen hat die ANSt. den Wahlkampf des N. S. D. St. B. in jeder Weise zu unterstützen.“394 Diese Anordnung entsprach in verblüffender Weise den von Eberhard von Künsberg schon im September 1931 angestellten Überlegungen; so wies dieser am Ende seines an Maria Nau adressierten Briefes ebenfalls darauf hin, die ANStGruppen in seinem Kreis zu möglichster Propaganda und Arbeit anzuhalten.395 Als Unterorganisation des NSDStB und weibliches Pendant des Studentenbundes sollten sie Studentinnen deutscher Hochschulen mit „nationalsozialistischem Geist“ durchdringen bzw. ihre arischen Mitglieder im Sinne der neuen Bewegung schulen und erziehen. Der NS-Studentin kam fortan als wichtigstes Ziel die Aufgabe zu, der Frauenbewegung entgegenzuwirken, d. h. immer noch „auftauchende Gedanken der liberalistisch-marxistischen Frauenbewegung, die heute vollkommen von jüdischem, Volkstum zersetzendem Geist getragen ist, zu bekämpfen und auszurotten.“ Dem überaus kämpferischen Gedanken, der sich schon vor der eigentlichen Machtübernahme bewusst gegen scheinbar überkommene Ideen eines zu Ende gehenden Zeitalters wandte, stellte man zugleich ein „neues völkisches Frauenideal“ gegenüber, welches dem Prinzip „Gemeinnutz vor Eigennutz“ zu folgen hatte. „Diesen Grundsatz zu verwirklichen und an ihm gemessen die Stellung der Frau in den verschiedenen Gliederungen unseres Volkes herauszuarbeiten“, sei „besondere Aufgabe der nationalsozialistischen Studentin und damit der ANSt“396, so die im März 1932 veröffentlichten Richtlinien. Um dieses Ziel zu erreichen, aber künftig nicht nur überwiegend Studentinnen innerhalb des Hauptgebäudes anzusprechen, wandte sich die Münchner ANSt in Vertretung der – vermutlich zum Wintersemester 1931/32 – neu eingesetzten Hochschulgruppenführerin Barbara Pischel397 im Juni wiederholt an das
394 Alle Zitate nach BArch, RSF II* 515 (a 416). Richtlinien für die ANSt vom 15.3.1932. Weyrather kommt diesbezüglich zu dem Schluss, dass die Hochschulgruppenleiterinnen zwar lediglich von der Reichsleiterin ein- bzw. abgesetzt wurden, dessen ungeachtet aber, „da diese sie oft gar nicht kannte und selber vom NSDStB-Reichsführer abgesetzt werden konnte, praktisch vom Hochschulgruppenleiter ihrer Universität abhängig“ war. Weyrather, 139. 395 Vgl. BArch, RSF II* 30 (a 584). Eberhard von Künsberg an Maria Nau vom 3.9.1931. 396 Alle Zitate nach BArch, RSF II* 515 (a 416). Richtlinien für die ANSt vom 15.3.1932. Hervorhebungen im Original. 397 Es lässt sich nicht genau bestimmen, wann Marianne Franck als Hochschulgruppenführerin abgelöst wurde und Barbara Pischel diese Tätigkeit aufnahm. Gemäß den entsprechenden Einträgen in der Studentenkartei exmatrikulierte sich Franck am 3. März 1931 und meldete sich einen Tag später beim Einwohnermeldeamt nach ihrem Heimatort Pinneberg ab, während sich die aus Weimar stammende Pischel im Wintersemester 1931/32 (Tag der Aufnahme 2.11.1931) für zwei Semester an der Philologischen Fakultät I der LMU einschrieb. Vgl. UAM, Stud-Kartei I
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Rektorat mit der Bitte, einen Anschlagkasten im Chemischen Institut sowie in der Poliklinik anbringen zu dürfen. Außer den Anschlägen von Universität bzw. AStA sowie der Medizinerschaft sollten künftig auch die Aushänge der „angemeldeten nichtpolitischen und politischen Studentenverbindungen in der Poliklinik und dem Institut für pharmazeutische- und Lebensmittel-Chemie Platz finden, […] in besonderen Fällen auch Anschläge über eine Versammlung, eine Veranstaltung, eine Kundgebung dort ausgehängt werden können.“398 Aufgrund der desolaten Quellenlage bleibt unklar, ob man diesem Wunsch entsprach. Das auf den 19. Juli 1932 datierte Antwortschreiben des Universitäts-Bauamtes wurde, laut handschriftlichem Vermerk, seinerzeit im Vereinsakt der ANSt abgelegt399, welcher jedoch in den Beständen des UAM nicht auffindbar ist. Fest steht allerdings, dass Pischels verstärkte Bemühungen um Neuzugänge Erfolg hatten: Im Juli 1932 gab die aus Weimar stammende und als Studentin der Philosophischen Fakultät I für zwei Semester an der LMU Immatrikulierte an400, für 13 neu eingetretene Frauen die Aufnahmegebühr überwiesen zu haben.401 Da für diesen Zeitraum keine Liste aller Mitglieder existiert, kann der prozentuale Gesamtanteil der ANSt an der LMU aber nicht bestimmt und mit anderen Universitäten verglichen werden. Bis Ende des Jahres waren jedoch schließlich an jeder größeren Hochschule ANSt-Gruppen ins Leben gerufen und etwa 600 Mitglieder geworben worden402, und bereits Anfang 1933 hatte sich ihre Zahl von ehemals 704 im September 1932403 auf 750 erhöht, was einem Anteil von 4,1 % der weiblichen Studierenden im Deutschen Reich entsprach.404 Folgt man zeitgenössischen Schätzungen, wonach um 1930 nicht einmal 10 % aller Studentinnen in einem Verein bzw. Verbund organi-
(Franck, Marianne/Pischel, Anna Barbara) sowie StadtA Mü., EWK 65/F 166 (Franck, Marianne) und EWK 65/B 441 (Pischel, Anna Barbara). 398 UAM, B-VI-26 Band 1. Universitäts-Rektorat vom 10.6.1932. 399 Vgl. ebd. 400 Zu den persönlichen Daten vgl. UAM, Stud-Kartei I (Pischel, Anna Barbara). Pischel exmatrikulierte sich bereits wieder am 1.10.1932. 1936 wurde sie mit einer Arbeit über „thüringische Glasbläserei“ promoviert. Vgl. Barbara Pischel: Die thüringische Glasbläserei. Eine volkskundliche Untersuchung über Geschichte und Wesen einer thüringischen Volkskunst. Diss. Weimar 1936. Die seinerzeit im Fritz Fink Verlag veröffentlichte Dissertation enthält keinen Lebenslauf, sodass keine weiteren Angaben zur Person Pischels gemacht werden können. 401 Vgl. BArch, RSF II* 30 (a 584). Barbara Pischel an Maria Nau vom 23.7.1932. 402 Vgl. Faust, 175. Damit waren rund 7 % der Gesamtmitgliederzahl weiblichen Geschlechts. Ebd., 179, FN 120. 403 Vgl. Pauwels, 55. 404 Vgl. Kater: Krisis, 255.
2.5 Die Konsolidierung der Münchner ANSt-Gruppe
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siert waren405, dann konnte die ANSt immerhin etwa 40 % der Organisierten auf sich vereinen. Mit Blick auf die Summe aller organisierten Studentinnen machten die ANSt-Mitglieder mitnichten eine „verhältnismäßig niedrige Zahl“406 aus. Dass die erst im August 1930 ins Leben gerufene Arbeitsgemeinschaft also die relative Mehrheit unter der kleinen Minderheit von Organisierten darstellte, ist umso erstaunlicher, zumal einerseits wohl viele Studentinnen nichts von der Existenz derartiger Vereine wussten407, die Führungsebene aber andererseits keinen Zweifel mehr an der ungleichberechtigten Stellung ihrer weiblichen Mitglieder ließ. Diese drückte sich auch in den nach wie vor bestehenden finanziellen Problemen aus, weshalb es u. a. immer wieder Schwierigkeiten bei der Durchführung von Veranstaltungen gab. So konnte etwa die als Referentin für den Kreis VII eingesetzte Geografiestudentin Ursula Schultz408 nur unter erschwerten Bedingungen an einer Tagung der ANSt im Sommer 1932 teilnehmen. Der Umstand, dass man ihr alle häuslichen Zuschüsse gesperrt hatte und sie den Unterhalt durch Nachhilfestunden bzw. die Ablegung von Fleißprüfungen sichern musste, behinderte ihre Arbeit als Kreisreferentin sowohl auf zeitlicher als auch auf wirtschaftlicher Ebene massiv. Wenngleich das Geld zur Fahrt von München nach Berlin bereits nahezu beisammen war, erschien es der seit ihrem ersten Semester an der LMU aktiv in der ANSt Tätigen nach eigenen Worten nahezu „schleierhaft“409, wie sie anschließend die Rückreise bezahlen sollte. Während Hochschulgruppenführerin Barbara Pischel der Zusammenkunft aufgrund familiärer Angelegenheiten fernbleiben musste und deshalb durch Schultz sowie durch ein Mitglied aus ihrer Gruppe, der Medizinstudentin Ingeborg Jakubaschk410, vertreten werden sollte, sagte die Würzburger ANSt-Führerin ihr Kommen aus gleichermaßen pekuniären Gründen von vornherein ab. Allerdings war die Mehrheit der NS-Studentinnen am Ende weder durch die offizielle Herabsetzung der Arbeitsgemeinschaft zur Unterorganisation des NSDStB noch durch die mangelnde finanzielle Unterstützung des Studentenbun-
405 Hildegard Gallmeister: Die Studentin im akademischen Leben. In: Die Frau. 37. Jahrgang. Heft 11. Berlin 1930, 629. Schätzungen anderer zeitgenössischer Autorinnen bekräftigen diese Zahl. Vgl. Steffen-Korflür, 290, FN 186. 406 Kater: Krisis, 255. Katers Urteil bezieht sich auf die Gesamtzahl aller weiblichen Studierenden im Deutschen Reich. 407 Vgl. Clephas-Möcker/Krallmann: Selbstverwirklichung, 71. 408 Zu den persönlichen Daten vgl. UAM, Stud-Kartei I (Schultz, Ursula). Zum Sommersemester 1933 hatte Schultz offenbar einen Fachwechsel vorgenommen und war fortan für Rechts- und Staatswissenschaften eingeschrieben. 409 Vgl. BArch, RSF II* 30 (a 584). Ursula Schultz an Maria Nau vom 6.7.1932. 410 Zu den persönlichen Daten vgl. UAM, Stud-Kartei I (Jakubaschk, Ingeborg).
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des in ihrem Aktivismus zu beirren. Getreu den von Raba Stahlberg veröffentlichten Grundlagen der ANSt unterwarf man sich dem „Gesetz der Notwendigkeit“ und versuchte, am zugewiesenen Platz und nach Bedarf politisch zu wirken. Dessen ungeachtet sollte das als „Opferbereitschaft“ deklarierte Verhalten aber gleichwohl eine Daseinsberechtigung für nationalsozialistische Frauenorganisationen wie die ANSt schaffen: „Die Arbeitsgemeinschaft nationalsozialistischer Studentinnen (ANSt.) ist eine Belastungsprobe für das geistig rege junge Mädchen in der NSDAP. Ihr Wirken im Rahmen dieser Organisation wird zu einem Teil den Beweis liefern dafür, ob die Frau in der nationalsozialistischen Politik unentbehrlich oder unbrauchbar ist. Wer sich als nationalsozialistische Studentin der damit verbundenen Verantwortung entzieht, verliert die moralische Berechtigung, sich weiterhin Mitglied der Hitler-Bewegung zu nennen.“411 Auch für die Gruppe an der LMU gibt es keinerlei Belege, die auf einen abweichenden Kurs schließen lassen würden. Der Anordnung Schirachs folgend, stellten die Münchnerinnen seit dem Wintersemester 1930/31 keine Studentinnen bei den Hochschulwahlen mehr auf, sondern fungierten – abgesehen von ihrer internen Schulungsarbeit und der Anwerbung neuer Mitglieder – nur mehr als Hilfstrupp für den NSDStB. Allerdings trat auch die Studentinnen-Gemeinschaft nicht mehr bei den AStA-Wahlen an, was auf die von Grüttner gemachte Beobachtung zurückzuführen sein mag, wonach vereinzelt kandidierende Frauenlisten letztendlich stets „ohne größere Resonanz“412 blieben. Stattdessen stellte sich die als Liste 6 angetretene katholische Freistudentenschaft auf, die den Studentinnen eine ihrer Zahl entsprechende Vertretung zusicherte.413 In einem durch den Rektor Leo von Zumbusch genehmigten Flugblatt riefen die NS-Studentinnen noch einen Tag vor der AStA-Wahl 1932/33 zu einer abendlichen Wahlversammlung der ANSt am 23. November auf. Als Redner waren Gerd Rühle, Nachfolger von Schirachs und Bundesführer des NSDStB seit Juli 1932, sowie die aktuelle Leiterin der ANSt München, Lieselotte Brandt, angekündigt. Rühle hatte die untergeordnete Stellung der ANSt noch weiter verstärkt, indem er im September 1932 anordnete, dass das öffentliche Auftreten der Studentinnenorganisation an den Hochschulen der Genehmigung des Hochschulgruppenführers unterlag.414 Brandt war zuvor als erste Hochschulgruppenleiterin in Freiburg
411 Alle Zitate nach Raba Stahlberg: Grundlagen der Arbeitsgemeinschaft Nationalsoz. Studentinnen (ANSt.). In: DB vom 4.11.1930. 412 Grüttner, 59. 413 Vgl. UAM, Sen. 366c/2d. Wahlplakat der katholischen Freistudentenschaft zur AStA-Wahl 1930/31. 414 Vgl. Weyrather, 139.
2.5 Die Konsolidierung der Münchner ANSt-Gruppe
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aktiv tätig gewesen, wo schon Ende 1929 nationalsozialistische Studentinnen unter Leitung der Ortsgruppen- bzw. stellvertretenden Führerin die Anerkennung der nationalsozialistischen deutschen Studentinnengruppe beim Senat beantragten.415 Nach insgesamt acht Semestern in Heidelberg und Freiburg hatte sich die Medizinstudentin und Tochter eines Kapellmeisters für das Sommersemester 1932 an der LMU eingeschrieben.416 Ihr Appell, der sich gemäß den offiziellen Erwartungen an die Studierenden beiderlei Geschlechts richtete, war deutlich: „Studentinnen und Studenten, erscheint in Massen! Am 24. November jede Stimme der Liste 3 (Nationalsozialisten).“417 Das in der „Blüte“ (Blütenstraße) angesetzte Zusammentreffen – einer Gaststätte, in der seinerzeit die Gründung des NSDStB durch Wilhelm Tempel bekannt gegeben wurde418, und die der Münchner Hochschulgruppe immer wieder als Versammlungsort diente – zeugt von einer aktiven Unterstützung der Kommilitonen, obwohl diese ihrerseits bereits am Abend des Vortages im Bürgerbräukeller einen eigenen Sprechabend mit NSDStB-Bundesgeschäftsführer Hans Hildebrandt419 veranstaltet hatten. Darüber hinaus plädierte die ANSt in einem Wahlaufruf, der sich explizit an die „Deutsche Studentin!“ richtete, für eine entsprechende Stimmabgabe. Anhand von neun Programmpunkten versuchte man hierbei auf die politische Meinungsbildung der Wählerinnen Einfluss zu nehmen. Neben der Ablehnung des Bolschewismus galt es besonders, die Rolle der Frau bzw. Studentin nach dem jederzeit möglichen Sieg des Nationalsozialismus herauszustellen: „Wir Nationalsozialisten versprechen Dir nichts als den Kampf um ein nationales und soziales Großdeutschland, in dem dem wahren Frauentum seine Rechte eingeräumt werden sollen. Wir kämpfen für die wahre Deutsche Hochschule, die jede Deutsche Studentin mit aufbauen muß, denn nur dann wird ihr ihr Deutsches Recht werden. Wir werden die Deutsche
415 Vgl. Scherb, 157. 416 Zu den persönlichen Daten vgl. UAM, Stud-Kartei I (Brandt, Lieselotte) sowie den Lebenslauf in der Doktorarbeit: Lieselotte Brandt: Der Pubertätskropf in Danzig. Vergleichende pathologisch-anatomische und klinische Untersuchungen am chirurgischen Material der Danziger Klinik. Diss. Lahr in Baden 1935, 11. Die dazugehörige Promotionsakte aus dem Jahr 1934 enthält weder einen Lebenslauf noch weitere Angaben zur ANSt-Tätigkeit der Doktorandin. Vgl. UAF, B 54/3975. 417 UAM, Sen. 366c/2d. Flugblatt zur Wahlversammlung der ANSt am 23.11.1932. 418 Laut Polizeibericht München handelte es sich um eine Bezirksversammlung der NSDAP, Sektion Schwabing, am 4.2.1926 im Restaurant Blüte. Vgl. Faust, 36 f. 419 Zu Hans Hildebrandt (Hikad) vgl. Faust, 159. Hildebrandt war 1930 Hochschulgruppenführer in München gewesen und bekleidete 1932 das Amt des NSDStB-Bundesgeschäftsführers, -Bundesstellvertreters und -Bundespropagandaleiters. Ebd.
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Frau niemals von der Hochschule verdrängen, denn die Deutsche Studentin wird bei dem Wiederaufbau Deutschlands unentbehrlich sein.“420 Da wahrscheinlich kaum eine Studentin bereit war, sich einer Gruppe anzuschließen, in der sie kein wirkliches Mitspracherecht besaß, tat Lieselotte Brandt in dem von ihr verantworteten Aufruf gut daran, die unbedingte Notwendigkeit des weiblichen Einsatzes im „Endkampf“ der „Weltanschauungen“421 zu betonen. Aufbauend auf einem starken Zusammengehörigkeitsgefühl wurde den Kommilitoninnen suggeriert, diese könnten sich durch aktive politische Mitarbeit einen festen Platz an der Hochschule sichern. Der wiederholte Gebrauch des gemeinschaftlichen „Wir“ erweckte das Gefühl, bei einem Wahlsieg des NSDStB würde auch die ANSt als gleichberechtigter Partner an der Gestaltung der Hochschularbeit in vorderster Reihe stehen.422 Wenn Brandt sich überdies zu der Formulierung verleiten ließ, wonach die deutsche Frau keineswegs von der Hochschule verdrängt werden würde, so entsteht durchaus der Eindruck, „daß die Verachtung und gewünschte Erniedrigung der Frauen, die schon seit 1923 in den Schriften von Rosenberg, Himmler und Hitler enthalten waren, nicht dem entsprach, was die Mehrheit der Studentinnen wahrnahm“423: Die spätere Vorgehensweise der Nationalsozialisten gegen weibliche Studierende und Akademikerinnen stand kaum in Verbindung mit den Vorstellungen der ANSt-Mitglieder, die insgeheim überzeugt gewesen sein mögen, durch die Demonstration ihres unbedingten Einsatzwillens nicht nur die Anerkennung der Kommilitonen zu erringen, sondern auch eine Führungsposition in einer NS-Frauenorganisation oder einem anderen gesellschaftlichen Sektor im Dritten Reich zu erobern. Mit Blick auf das in der Forschung herausgearbeitete geringe Interesse der Parteiführung an der Arbeit des NSDStB sowie die fehlende bzw. verschwommene Zielsetzung für den Fall der Machtergreifung424 blieb auch der Wahlaufruf
420 UAM, Sen. 366c/2d. Flugblatt „Deutsche Studentin!“ der ANSt zur AStA-Wahl am 24.11.1932. Hervorhebungen im Original. 421 Ebd. 422 Vgl. dazu Annemarie Doherr: Wie wählen die Studentinnen? In: Die Frau. 39. Jahrgang. Heft 6. Berlin 1932, 365, künftig zitiert als Doherr. Im Zusammenhang mit dem mittlerweile vollkommen parteipolitisch geführten AStA-Wahlkampf kommt die Autorin des Aufsatzes zu dem Schluss, dass ein aufmerksamer Leser „alles, was rührige Parteisekretäre je erdachten“, in den Flugblättern wiederfinden könne. „Selbstverständlich ist auch die Studentin berücksichtigt worden, wenn man das auch mehr der Taktik, – denn sie wurde ein zahlenmäßig beachtenswerter Faktor, – der Rücksichtnahme auf das Parteiprogramm und nur in den seltensten Fällen einer wirklichen Bejahung ihrer Mitarbeit zuschreiben muß.“ 423 Weyrather, 139. 424 Vgl. Rösch, 329.
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der NS-Studentinnen am Ende wenig konkret. Inwieweit die Aktivistinnen mit ihrer Propaganda tatsächlich Einfluss auf die politische Meinungsbildung der weiblichen Studentenschaft nehmen konnten, muss indessen ungeklärt bleiben. Ein getrennt nach Geschlechtern ausgewertetes Ergebnis, wie es bspw. für die Hamburger AStA-Wahl vom 12. Februar 1932 vorliegt, ist für die LMU nicht vorhanden.425 Zumindest für die erstgenannte Universität ist jedoch ein deutlicher Stillstand der rechtsradikalen Partei festzustellen, deren niedriger Stimmenzuwachs einer zeitgenössischen Einschätzung zufolge nicht im Verhältnis zur „schreienden Propaganda und anmaßenden Haltung“426 ihrer Mitglieder gestanden habe. Abgesehen von der – im Unterschied zu den Studenten – etwas geringeren Wahlbeteiligung der Frauen, gelang es den Rechtsgruppen, lediglich 64 % der Studentinnen gegenüber 74 % der Studenten auf sich zu vereinen, wobei jedoch nur knapp 37 % der weiblichen Stimmen innerhalb der verschiedenen Gruppen auf die Nationalsozialisten fielen.427 Auch die weitere Verteilung der Stimmen zeigt, dass die Studentinnen bedeutend weniger radikal wählten als ihre Kommilitonen und sich vor allem den ihre Interessen vertretenden Demokraten zuwandten, welche u. a. die Notwendigkeit eines Tagesheims vertraten. Paradoxerweise hatten insgesamt gerade diejenigen Listen, die der politischen Mitarbeit der Frauen ablehnend gegenüberstanden, am Ende dennoch mehr als die Hälfte ihrer Stimmen gewonnen. Angesichts der nicht mehr zu übergehenden Anzahl weiblicher Immatrikulationen sowie der erstmalig aufgestellten überparteilichen Studentinnenliste, die besonders die Rechtsgruppen um ihre bisherige Dreiviertel-Mehrheit im AStA fürchten ließ, sah man sich gleichwohl veranlasst, den Wert der Frauenarbeit bzw. die Mitarbeit der Studentinnen in der Selbstverwaltung zu betonen. Fraglich bleibt allerdings, ob der Stimmenanteil innerhalb dieser Gruppen dieselbe Höhe erreicht hätte, wenn Überlegungen nach Art der Nationalsozialistischen Monatshefte im Vorfeld postuliert worden wären, wonach die Frau nicht gleichberechtigt neben dem Mann zu stehen hatte. Die These, der Zulauf von Frauen habe größtenteils auf einer vollkommenen „Unwissenheit dessen, was ihnen im Rahmen des Dritten Reiches als Aufgabe zugeteilt werden“428 sollte, beruht, erscheint in diesem Zusammenhang als durchaus angebracht.
425 Zu den getrennt nach Geschlechtern ausgezählten Hochschulwahlen vgl. insbes. Grüttner, 58 f., 498 f. 426 Doherr, 366. 427 Die genaue Anzahl betrug 36,93 % und wurde selbstständig nach den Angaben von Doherr berechnet. Doherr, 368. Insgesamt waren 574 von über 1000 Hamburger Studentinnen zur Wahl erschienen und hatten 212 Stimmen für die Nationalsozialisten abgegeben. Ebd. 428 Ebd., 369.
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Insgesamt liegen differenziertere Ergebnisse jedoch lediglich von sechs AStAWahlen bzw. vier Universitäten (Breslau, Halle, Hamburg, Jena) im Zeitraum von 1929 bis 1932 vor. Rechnet man die Ergebnisse dieser sechs Wahlen zusammen, ergibt sich, dass der NSDStB im Durchschnitt 35,6 % der männlichen und 30,6 % der weiblichen Wählerstimmen gewann.429 Darüber hinaus wird die besondere Attraktivität derjenigen Listen, die sich für eine sachbezogene Hochschularbeit aussprachen, sowie die Präferenz der Finkenschaft, welche in der Regel ebenso für eine „pragmatische Politik“ eintrat, bei den Studentinnen deutlich. Gleichermaßen herausgehoben werden muss, so Grüttner, allerdings die Tatsache, wonach sozialdemokratische und republikanische Listen unter weiblichen Studierenden stets eine größere Anhängerschaft fanden als unter ihren Kommilitonen. Zusammenfassend lässt sich also festhalten, dass „die beiden wichtigsten Gruppierungen der Studentenschaft, die waffenstudentischen Korporationen und der NSDStB, ihre Erfolge bei den AStA-Wahlen in erster Linie den Stimmen der männlichen Studierenden verdankten.“ Ihre Kommilitoninnen bevorzugten demgegenüber eher Gruppierungen, welche „eine unideologisch-pragmatische Hochschulpolitik versprachen.“ Sofern sie an den studentischen Wahlen teilnahmen, war das „demokratische Potential“430 unter den Studentinnen damit größer als unter den Studenten. Diese Feststellung hatte zuvor bereits Helga Bauer anhand der getrennt nach Geschlechtern ausgewerteten Wahlergebnisse für die Universität Hamburg getroffen, wo zwischen „1925 bis 1930 die Studentinnen in wesentlich stärkerem Maße zu demokratischen Gruppen tendierten als die Studenten“431 und sich erst 1931 eine Angleichung der Stimmen abzuzeichnen begann. Auch Kreutzberger spricht in seiner 1972 erschienenen Arbeit zur Universität Freiburg im Breisgau davon, dass die weiblichen Studierenden „eher auf einer mittleren Linie wählen“432, d. h. nationalkonservative und demokratische Gruppen gegenüber kommunistischen sowie nationalsozialistischen Listen bevorzugten. Wenngleich sich derartige Überlegungen für die LMU aufgrund fehlender Quellen kaum anstellen lassen, zeugen zumindest die beiden von Lieselotte Brandt unterzeichneten Flugblätter von einer gleichgerichteten Wahlpropaganda, in der es keinerlei Hinweise auf eine untergeordnete Stellung der Frau bzw. Studentin bei den Nationalsozialisten gab. Der allgemeinen Vorgehensweise der ANSt folgend, ignorierten die Münchner NS-Studentinnen in derarti-
429 Vgl. Grüttner, 58. 430 Alle Zitate nach ebd., 59. 431 Bauer, 73. 432 Kreutzberger, 71.
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gen Druckschriften aber auch die den Hochschulalltag vieler Kommilitoninnen bestimmenden Problemfelder wie bspw. die materielle Situation, obwohl es manchen Anhängerinnen nicht einmal möglich war, ihren Mitgliedsbeitrag zu entrichten.433 Vor diesem Hintergrund kann davon ausgegangen werden, dass potentielle weibliche Wählerstimmen am Ende zugunsten anderer Hochschulgruppen verloren gingen, obgleich sich der NSDStB seit seinem Einzug in den Münchner AStA im Dezember 1927 als eine um die studentischen Sorgen bemühte Organisation präsentiert hatte, zu der die Anprangerung der schlechten Mensa verköstigung sowie der unhygienischen Zustände in den Toilettenräumen der Universität ebenso gehörten wie die Befürwortung eines Numerus clausus für ausländische Studierende.434 Während das zweite Jahr der Münchner ANSt-Gruppe seinen Abschluss im Dezember 1932 mit einer Weihnachtsfeier im engsten Kreise in der Gaststätte „Neue Akademie“ (Amalienstraße) fand435, und Lieselotte Brandt nach Ablauf des Wintersemesters wieder nach Freiburg zurückkehrte, hatte der NSDStB vor allem die vergangenen Monate genutzt, um seine an beide Geschlechter gerichtete Agitationspolitik weiter zu steigern: „Deutsche Studentin! Weißt Du, daß es im Jahre 1934 in Deutschland 134 000 stellungslose Akademiker geben wird? Weißt Du, daß Du dazu gehören wirst, wenn es nicht gelingt, der deutschen Not ein Ende zu machen? Du mußt Anteil nehmen an den großen Bewegungen, die heute durch die Nation gehen. […] Deutsche Studentin! Laß Dir nicht vorlügen, das Studentenwahlsystem müsse „unpolitisch“ sein: es gibt heute nichts in Deutschland, was nicht in höchstem Maße politisch ist. Wähle nationalsozialistisch!“436 Neben wiederholten, groß angelegten Flugblattabwürfen im Hauptgebäude437 verteilten die Mitglieder der Münchner Hochschulgruppe zu den AStA-Wahlen im Herbst 1931 die als Wahlnummer erschienene Ausgabe des Kampfblattes der nationalsozialistischen Studenten – „Deutsche Revolution“ – an der Universität. In verschiedenen Beiträgen wurde dabei eine nach Feststellung des Rektorats über das
433 Vgl. Weyrather, 135. 434 Vgl. Münchner Beobachter. Die Wahlaffäre an der Münchener Universität. In: VB vom 9.12.1926, hier nach UAM, Sen. 366c/2d., sowie ebd. das Wahlplakat der NSDStB (Liste 4) zur AStA-Wahl 1929/30. Zu den Anträgen der Nationalsozialisten im AStA, die soziale Belange der Studentenschaft umfassten, vgl. UAM, Sen. 366c/2t. Bericht über das Winterhalbjahr 1930/31. 435 Vgl. BArch, RSF II* 515 (a 416). Einladungskarte für eine Weihnachtsfeier mit Tanz am 19.12.1932. 436 BayHStA, MK 40792. Deutsche Studentin! In: Deutsche Revolution. Kampfblatt der nationalsozialistischen Studenten vom 23.11.1931. 437 Vgl. BayHStA, MK 40798. Auszug aus einem dem Staatsministerium für Unterricht und Kultus zugegangenen Schreiben vom 27.2.1932.
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erlaubte Maß hinausreichende „tatsachenwidrige und gröbliche Verunglimpfung der Hochschule“438 betrieben, die dem als Schriftleiter für den Inhalt verantwortlichen Harald Rehm ein Disziplinarverfahren mit anschließender Wegweisung von der LMU, dem NSDStB ein Verbot bis einschließlich 15. März 1932 einbrachte. Tatsächlich war die Ausgabe ein bewusster Affront gegen das bestehende universitäre Bildungssystem gewesen, der verdeutlichte, dass die die Hochschule betreffenden Forderungen vor 1933 im Wesentlichen auf Abschaffung der Lehrfreiheit, politische und rassische Säuberung des Lehrkörpers, Politisierung der Wissenschaft und Verlagerung des Schwerpunktes auf eine Erziehung nach völkischen Prinzipien hinausliefen.439 Obwohl in den vergangenen fünf Halbjahren insgesamt drei Mal eine Beanstandung vonseiten der akademischen Behörden erfolgen musste, verzichtete man jedoch erneut auf eine schärfere Vorgehensweise, um der weiteren Politisierung der Studentenschaft bzw. Solidarisierung mit den Unruhestiftern entgegenzuwirken und eine mögliche Beruhigung der anhaltenden „politischen Aufpeitschung“440 herbeizuführen. Die Entscheidung gab den Verantwortlichen Recht: Da mit jeder weiteren Aktion das Risiko auf ein Verbot des Bundes wuchs, hielten sich die Nationalsozialisten für das restliche Jahr vollkommen zurück.
2.6 Linke Studentengruppen Sogar vonseiten einzelner Studentinnenverbände wurde Anfang der 1930er Jahre Kritik am Nationalsozialismus laut. Dies belegt der Kommentar einer Hamburger NS-Studentin in der „Bewegung“ über die an ihrer Universität existierenden, jedoch auf dem „Boden der Frauenbewegung“ stehenden Studentinnen-Korporationen: „Ich wohnte in einem solchen Studentinnenverein einmal einer Diskussion über die Nationalsozialisten bei. Da hieß es u. a.: Eine Studentin kann doch im Leben nicht nationalsozialistisch werden; denn die Nationalsozialisten bekämpfen das Frauen-Studium und den Frauen-Beruf. Sie wollen uns all unsere Rechte wieder nehmen. Es wäre ja Selbstmord, wenn man als Studentin nationalsozialistisch wählte, oder gar für den Nationalsozialismus kämpfen wollte.“441
438 BayHStA, MK 40792. Abschrift der Disziplinar-Erkenntnis vom 12.12.1931. 439 Vgl. Böhm, 86–90, hier 90. 440 BayHStA, MK 40792. Goldenberger an das Staatsministerium des Innern vom 7.7.1932. 441 Alle Zitate nach Luise Kopittke: Die nationalsozialistische Studentin als Trägerin einer neuen Frauenbewegung. In: DB vom 24.2.1931.
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Ausgehend von verschiedenen Interviews mit ehemaligen Studierenden der Universität Frankfurt kommt auch Gerda Stuchlik zu dem Ergebnis, dass sowohl weibliche als auch männliche Angehörige linker Studentengruppen immer wieder Versuche unternahmen, sich verbal mit ihren nationalsozialistischen Kommilitonen auseinanderzusetzen. Die eigene politische Zugehörigkeit wurde dabei aus taktischen Gründen offensichtlich bewusst verschwiegen: ‚Wenn Versammlungen waren von den Nationalsozialisten, da sind wir hingegangen, um mit ihnen zu diskutieren, wir haben uns nicht bekannt gemacht, wir kommen von da und da, sondern haben mit ihnen diskutiert. Wenn da ein Vortrag gehalten wurde, haben wir nachher in der Diskussion Einwände gebracht und mit ihnen gesprochen‘442. Umgekehrt zeigt das Beispiel der Universität Würzburg, dass NSAnhänger jedoch ebenso Ausspracheabende der kommunistischen Studentengruppe besuchten, „bei denen eigens für diese Debatte geschulte NSDStB-Redner auftraten, die den Kommunisten ‚eine derartige Abfuhr‘ erteilten, ‚daß man schließlich meinen konnte, in einer nationalsozialistischen Versammlung zu sein‘.“443 Um einen möglichst großen Zulauf zu erreichen, machte sich die kommunistische Gruppe in der Folgezeit das Verhalten ihrer Gegner zunutze, indem sie mit ihnen herausfordernd auf Flugschriften und Einladungen warb. Auf diese Weise versuchte man die Nationalsozialisten durch politische Streitgespräche zu provozieren, selbst wenn letztere in keinerlei Zusammenhang mit dem Thema standen. Der Hochschulgruppenführer der Würzburger NSDStB verbot deshalb schließlich allen studentischen Parteigenossen, derartigen Einladungen nachzukommen oder gar als Korreferent aufzutreten. Als etwa die Mitglieder der Berliner ANSt-Gruppe im Dezember 1930 das erste Mal zu einer Frauenversammlung einluden, ließen es sich dagegen einige Kommunistinnen nicht nehmen, dem Vortrag zweier NSDAP-Mitglieder über die Rolle der Frau im „jetzt einsetzenden Prozeß der Volkswerdung“ ihre Ansichten über die – so ein abfälliger Zeitungskommentar – „Abschaffung der Ehe, die Abschaffung des Gefühls und dergleichen mehr“ gegenüberzustellen. Wie Reichsleiterin Maria Nau in diesem Zusammenhang zynisch bemerkte, versuchten auch Studentinnen sozialistischer Verbände aktiv der Existenz der ANSt-Gruppe entgegenzuwirken: „Sie haben sich unseretwegen schon allerhand Ausgaben gemacht. Seit drei Tagen werden an der Universität Flugblätter verteilt, die die armen Studentinnen davor warnen, sich ‚in das Schlepptau der Hitler, Goebbels und Genossen‘ nehmen zu lassen. […] Unter anderem wird Dr. Goebbels zitiert: ‚Eine Frau hat die Aufgabe, schön zu sein und Kinder zur Welt zu bringen.‘ Ganz abgesehen davon,
442 Interview mit Frau Kühn, hier zitiert nach Stuchlik: Funktionäre, 59 f. 443 Spitznagel, 237.
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daß diese Stelle aus einem Roman kommt, also völlig aus dem Zusammenhang herausgerissen ist, – wollen die Sozialdemokraten etwa häßlich sein? Und wollen sie auch das Kinderkriegen abschaffen?“444 Zwei Jahre später schrieb eine Studentin unter Bezug auf Adolf Hitlers „Mein Kampf“ im „Roten Student“, sie könne nicht verstehen, dass es tatsächlich Frauen gebe, „die die Forderungen der Nazis gegen die Frauen unterstützen und so ihren eigenen Geschlechtsgenossinnen in ihrem Kampf um Befreiung und Gleichberechtigung in den Rücken fallen“, sei dies doch ein „verächtliches ZuKreuze-kriechen vor dem Mann.“ Zugleich prangerte die Autorin des Artikels die ihrer Ansicht nach vollkommen würdelose Haltung der NS-Studentinnen an, die schon von der ersten Mitgliederversammlung des NSDStB ausgeschlossen und daher gezwungen gewesen waren, eine eigene Arbeitsgemeinschaft zu bilden, „wo sie unter sich diskutieren mögen.“445 Dass sich die hier geübte Kritik allerdings nicht uneingeschränkt auf alle Zusammenschlüsse nationalsozialistischer Art übertragen lässt, wird am Beispiel der LMU deutlich. Zumindest Roswitha Panther hatte bereits vor Gründung der ersten Münchner ANSt-Gruppe die überwiegend separat stattfindende Hochschularbeit weiblicher und männlicher Studierender moniert. Dennoch bildeten auch die weiteren Bemühungen Panthers, darüber hinaus für eine einflussreichere Repräsentanz ihrer Geschlechtsgenossinnen im AStA zu sorgen – eine Forderung, die die Mitglieder der Nationalen Studentinnengruppe unterstützt hatten – in den Reihen ihrer studierenden Gesinnungsgenossinnen offenbar seit dem Zusammenschluss zur ANSt eine ebensolche „Minderheitenposition“446, wie sie Lohschelder umgekehrt für den Protest republikanischer, sozialistischer und kommunistischer Zusammenschlüsse gegen die Organisationsform der nationalsozialistischen Kommilitoninnen konstatiert. Während die Mitglieder der Münchner Ortsgruppe stellvertretend für die Einstellung des Großteils weiblicher Studierender in der ausgehenden Weimarer Republik stehen können, die weder willens noch geeignet waren, „kommenden Entwicklungen, wie der Einführung eines Numerus Clausus für Frauen während des Nationalsozialismus, Widerstand entgegenzusetzen und einmal erworbene Rechte zu verteidigen und auszubauen“447, gibt es umgekehrt aber gleichermaßen keine Belege dafür, dass
444 M[aria] N[au]: Berlin. In: DB vom 9.12.1930. 445 Alle Zitate nach Grete Richter: Was erwartet die Studentin im „Dritten Reich“? In: Der Rote Student. Nr. 1/2. 3. Jahrgang. Berlin 1932, 18. 446 Lohschelder, 131. 447 Benker/Störmer, 96. Eine Ausnahme stellte bspw. der Ring Kölner Studentinnen dar, welcher noch gegen Ende der Weimarer Republik als „frauenpolitisch aktive Gruppe“ auftrat und sich – ähnlich der MStG – die Vertretung der wirtschaftlichen, beruflichen und sozialen
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sich Anhängerinnen oppositioneller Studentengruppen in der bayerischen Landeshauptstadt gegen ihre NS-Kommilitoninnen aufgelehnt hätten. Klare „Kampfforderungen“, mit denen sich etwa die Sozialisten, die bei den AStA-Wahlen zwischen 1930/31 und 1932/33 jeweils eine bzw. zwei Frauen als Kandidatinnen aufgestellt hatten448, im letztgenannten Jahr gezielt an die breite Masse der Studierenden wandten449, stellten zwar eine deutliche Absage an die Machenschaften der Nationalsozialisten dar. Dennoch übten sie aber keine spezielle Kritik an den Angehörigen der ANSt, welche durch ihr Verhalten insbesondere die sie selbst nach der Machtergreifung in vollem Ausmaße treffenden Restriktionen unterstützen und, ähnlich der Freiburger Gruppe, ihre Hauptaufgabe in „Zubringerdiensten für NSDStB und Partei“450 erfüllt sahen. Erschwerend kam hinzu, dass besonders liberale Demokraten, Kommunisten und Sozialisten eine unbedeutende bzw. vernachlässigbare Rolle unter den deutschen Studenten spielten. Wie eine 1995 gezeigte Ausstellung zu den Studentinnen und Dozentinnen der Universität Köln ebenfalls unterstrich, hatten sie im Studentenparlament keinerlei Aussichten auf politische Mitwirkung, obwohl männliche und weibliche Sozialisten bzw. Kommunisten etwa im Kölner Stadt-
Interessen (u. a. Errichtung neuer Heimplätze, Mitwirkung einer Studentin im Erwerbsvermittlungs- und Berufsberatungsamt) sämtlicher Studentinnen unabhängig von parteipolitischer Ausrichtung oder Konfession zum Ziel gesetzt hatte. Allerdings konnten am Ende nur wenige Forderungen der Vereinigung, die Ende 1933 zwangsaufgelöst wurde, durchgesetzt werden. Vgl. Franken, 64 f. 448 Vgl. UAM, Sen. 366c/2d. Wahlvorschlag zu den Astawahlen der Universität für das Jahr 1930/31 sowie ebd. Astawahlen! Wahlvorschläge zu den Astawahlen der Universität für das Jahr 1931/32. In: BHZ vom 19.11.1931. Vgl. außerdem im selben Akt des UAM Wahlvorschläge zu den Astawahlen der Universität für das Jahr 1932/33. Bei den Frauen handelte es sich um Maria Woes ler, immatrikuliert an der Philosophischen Fakultät I der LMU vom Wintersemester 1929/30 bis Sommersemester 1931, Brigitte Kauffmann, Studentin der Rechte und Staatswissenschaften an der LMU vom Sommersemester 1931 bis Wintersemester 1931/32, sowie Luise Frankenburger, Medizinstudentin der Universität München vom Sommersemester 1929 bis Wintersemester 1932/33, und Anneliese Dengler, die insgesamt zwei Semester als Studentin der Rechte und der Philologie eingeschrieben war, bevor sie aus ungeklärter Ursache 1933 verstarb. Vgl. UAM, Stud-Kartei I (Woesler, Maria/Kauffmann, Brigitte/Frankenburger, Luise/Dengler, Anna Elise (!)). 449 „Gegen Vertreibung linksgerichteter Professoren und Studierender. Gegen einseitiges Verbot linksgerichteter Studentenorganisationen und ASTA-Listen. Gegen Förderung antisemitischer Umtriebe. Gegen die geplante Entrechtung der Frauen. […] Für Verhinderung nationalsozia listischer Propaganda des ASTA mit unseren Mitteln, durch restlose Ueberführung aller ASTA’ Zwangsbeiträge der Studierenden an das Studentenwerk.“ Alle Zitate nach UAM, Sen. 366c/2d. Flugblatt „Liste 8. Studentinnen! Studenten!“ der Sozialistischen Studenten zur AStA-Wahl am 24.11.1932. 450 Kreutzberger, 111.
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parlament zahlreiche Anhänger versammelten.451 So konnten die beiden Letztgenannten an einer Vielzahl von Universitäten schon vor 1933 kaum mehr öffentlich in Erscheinung treten, da sie, z. B. bei der Verteilung von Flugschriften, stets auf gewaltsame Übergriffe von rechts gefasst sein mussten. Als kennzeichnend für die Außenseiterposition derartiger Gruppen galt zudem, dass der überwiegende Teil ihrer Mitglieder jüdischer Abstammung war452, ein Umstand, welcher sich nur allzu passend ins Weltbild rechtsradikaler Gegner einfügte. Wie die Auswertung Grüttners von 40 AStA-Wahlen an 15 Hochschulen der Jahre 1929 bis 1933 zeigt, konnten – bei rückläufiger Tendenz – in den letzten Jahren der Weimarer Republik lediglich zwischen 10 bis 15 % der Studentenschaft für sozialistische oder republikanische Ideen gewonnen werden453; an der LMU erhielten die an den AStA-Wahlen von 1930/31 bis 1932/33 angetretenen Sozialisten mit 337 von insgesamt 7545 (4,47 %) bzw. 212 von 7170 (2,96 %) und 290 von 7050 (4,11 %) gültigen Stimmen jedes Mal nur einen einzigen Sitz zugesprochen.454 Noch schwieriger gestaltete sich die Situation für kommunistische Studierende und Sympathisanten, zu denen an der LMU einige Frauen gehörten. Ihr Aktionsradius wurde – ähnlich wie bspw. an der Freiburger Universität, wo man der Marxistischen Studentenvereinigung schon Anfang 1927 das Schwarze Brett und damit die Möglichkeit entzogen hatte, auf ihre Veranstaltungen universitätsöffentlich aufmerksam zu machen455 – von den zuständigen Instanzen doch immer weiter eingeschränkt. Dementsprechend war etwa Franz Feuchtwanger, der sich im Sommersemester 1927 für Rechte und Staatswirtschaft in München inskribiert hatte456, nur zwei Jahre später aufgrund „Kommunistische(r) Geheimbündelei“457
451 Vgl. Franken, 62 f. 452 Für jüdische Studenten hatte, so Kreutzberger, der „Eintritt in diese Gruppen die tiefere Bedeutung einer Identifikation mit Ideen und politischen Kräften, von denen sie sich Befreiung aus ihrer Sonderstellung versprechen konnten. Die Parteinahme für den Sozialismus implizierte dabei die Perspektive einer Emanzipation der Gesellschaft überhaupt von Traditionen der Herrschaft, Ausbeutung und Entrechtung.“ Kreutzberger, 123. 453 Vgl. Grüttner, 41. 454 Vgl. Die Astawahlen der Münchener Hochschulen. In: Bayrischer Kurier vom 22.11.1930, hier nach UAM, Sen. 366c/2d. Im selben Akt des UAM auch Wahlergebnis anlässlich der Wahlen zum Allgemeinen Studentenausschuss vom 26.11.1931. 455 Vgl. Scherb, 160 f. 456 Zu den persönlichen Daten vgl. UAM, Stud-Kartei I (Feuchtwanger, Franz). 457 Kommunistische Geheimbündelei. In: Bayerische Staatszeitung vom 30.11.1929, hier nach UAM, G-XVI-26.
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verhaftet und von der Universität relegiert worden.458 Jahrelang hatte er versucht, an der LMU „eine kommunistische Studentengruppe ins Leben zu rufen, was nicht leicht war, da man, so Feuchtwanger, an der Universität in München ‚links eingestellte Studenten mit der Lupe suchen konnte‘. Die Mehrheit der Kommilitonen erwies sich als politisch indifferent. Tonangebend waren aber verschiedene Verbindungen, die konservativ bis rechtsradikal eingestellt waren.“459 In einer Art politischen Selbstbiographie berichtet der seit 1922 der KPD fest verbundene Sohn eines, nach eigenen Angaben, strammen bayerischen Patrioten und ortsansässigen Rechtsanwaltes von seinen schon als Gymnasiast erfolglos unternommenen Bemühungen, eine Zelle an der Münchner Universität zu gründen: „Einmal hatte ich drei Studenten zusammengetrommelt – zwei Bulgaren und einen Bessarabier, doch wurde dieser erste Zellenansatz binnen kurzem durch eine politisch gänzlich ahnungslose, dafür aber ansonsten recht muntere Münchnerin gesprengt, um deren Gunst sich die drei hoffnungslos zerstritten. Später versuchte ich, einige aus der jüdischen Jugendbewegung kommende linke Studenten an einen Tisch und in die Partei zu bringen. Auf sie gestützt gelang es mir nach dem Eintritt in die Universität, die einzige dort bestehende linke Studentengruppe, die „Gemeinschaft Sozialistischer Studenten“ (GSS), den Sozialdemokraten auszuspannen und unter kommunistische Führung zu bringen. Als ich auf der Pfingsten 1927 in Berlin veranstalteten Konferenz kommunistischer Studenten über dieses kaum eine Woche zurückliegende Ereignis berichtete, schien dies um so mehr Eindruck zu machen, als es sich doch um die als Hochburg des Hochschulfaschismus verschrieene Universität handelte.“460 Obwohl man auf der 21. außeramtlichen Deutschen Rektorenkonferenz im Oktober 1932 das Untersagen einer kommunistischen Studentengruppe, „wie überhaupt das Verbot politischer Studentengruppen, als unmöglich angesehen“461 hatte und lediglich die Zensur bzw. Zurückweisung derjenigen Anschläge als notwendig erachtete, welche geeignet waren, die Ruhe und Ordnung des universitären Betriebs zu stören, wurde die GSS am 23. Juli 1930 vom Akademischen Senat der Universität München aufgrund § 52 der Satzungen für die Studieren-
458 Vgl. dazu UAM, G-XVI-26. Rektorat der Universität München an Rothenbücher vom 16.7.1930 und ebd. Disziplinar-Erkenntnis vom 23.7.1930 sowie die weiteren, einschlägigen Dokumente zu Feuchtwanger in diesem Akt. 459 Heike Specht: Die Feuchtwangers. Familie, Tradition und jüdisches Selbstverständnis im deutsch-jüdischen Bürgertum des 19. und 20. Jahrhunderts. Göttingen 2006, 239. 460 Franz Feuchtwanger: Der militärpolitische Apparat der KPD in den Jahren 1928–1935. Erinnerungen. In: IWK. Heft 4. Berlin 1981, 490. 461 UAM, Sen. 135d Band II. Niederschrift über die 21. außeramtliche Deutsche Rektorenkonferenz am 8.10.1932 in Zoppot.
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den verboten: „Vereine, deren Bestehen die akademische Disziplin gefährdet, können durch den Akademischen Senat oder einen Ausschuß desselben vorübergehend oder dauernd verboten werden. Ebenso kann das Verbot eines Vereines ausgesprochen werden, wenn das Verhalten seiner Mitglieder zu disziplinärem Einschreiten Anlaß gibt.“462 Tatsächlich waren neben Feuchtwanger drei weitere Mitglieder der GSS ins Visier der Behörden geraten, darunter die Studenten der Staatswirtschaft und Philosophie Johann van Dyck und Heinrich Degenhardt sowie die Studentin der Medizin Maria Gronauer. Gegen die beiden Männer und gegen Franz Feuchtwanger war ein Verfahren vor dem Leipziger Reichsgericht eröffnet worden, in welchem das Trio zusammen mit einem Mechaniker beschuldigt wurde, im Sommer 1929 in München „gemeinschaftlich das hochverräterische Unternehmen, die Verfassung des Deutschen Reiches gewaltsam zu ändern, durch Handlungen vorbereitet zu haben“463. Gronauer hatte dagegen einem Zug von Stahlhelmleuten „Heil Moskau“ zugerufen. Ferner brachten polizeiliche Erhebungen zutage, dass die in Großenschwand Geborene sowohl Mitglied der Kommunistischen Jugend Münchens als auch Leiterin der kommunistischen Kindergruppe war.464 Nachdem Gronauer vom Sommersemester 1926 an zunächst zwei Halbjahre an der LMU für die Fächer Mathematik und Physik eingeschrieben gewesen war, verbrachte sie das Sommersemester 1927 an der Medizinischen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg465, wo sie das Amt der dritten Vorsitzenden der „Radikalsozialistischen Arbeitsgemeinschaft“ (RSAG) bekleidete. Letztere hatte sich laut Satzung dem „Zwecke des wissenschaftlichen Studiums des Marxismus und Leninismus“ verschrieben, um „auf dieser Grundlage das Verständnis für die Fragen der revolutionären Gegenwartsbewegung“466 zu fördern. Trotz
462 UAM, Sen. 431/21. Satzungen für die Studierenden an den bayerischen Universitäten. In der Fassung der Bekanntmachung des Staatsministeriums für Unterricht und Kultus vom 29.4.1924 Nr. 12672, vom 11.4.1925 Nr. V. 12532 und vom 14.6.1927 Nr. V. 22519, § 52, 12. „Das Verbot tritt mit der Verkündigung in Kraft. Es erstreckt sich auch auf solche Vereine, die als Fortsetzung des verbotenen Vereines in anderer Form erscheinen. Die Fortsetzung eines verbotenen Vereines zieht für alle Teilnehmer disziplinäre Einschreitung nach sich.“ Ebd. 463 UAM, G-XVI-26. Beschluß vom 11.3.1930. Zu den persönlichen Daten von van Dyck und Degenhardt vgl. UAM, Stud-Kartei I (van Dyck, Hans (!)/Degenhardt, Heinrich). Während van Dyck der LMU bereits seit dem Sommersemester 1926 angehörte, war Degenhardt lediglich im Sommersemester 1929 an der Universität München immatrikuliert gewesen. 464 Vgl. UAM, G-XVI-26. Polizeidirektion München vom 12.6.1929. 465 Auskunft des UAF vom 9.7.2008. Zu den persönlichen Daten vgl. auch UAM, Stud-Kartei I (Gronauer, Maria). 466 UAF, B1/2411. Undatierte Satzung der Radikalsozialistischen Arbeitsgemeinschaft an der Universität Freiburg i. Br., § 2.
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gerade einmal 15 Mitgliedern gehörte die Vereinigung, wie Scherb nachweist, zu denjenigen Gruppen des linken Spektrums, welche das Rektorat nur allzu gerne verboten hätte, weshalb man sogar mit dem badischen Landespolizeiamt zusammenarbeitete. Den Anstrengungen, ein „hochschulinternes Verbot argumentativ zu untermauern“467, konnte dieses jedoch nicht nachkommen. Vorerst war es unmöglich, „Einwendungen“468 gegen die RSAG zu erheben, die lediglich in Verbindung mit der pazifistischen und sozialistischen Studentengruppe in der Aula der höheren Mädchenschule eine öffentliche Versammlung abgehalten und durch Anschlag an Plakatsäulen eingeladen hatte. Als offenbar letztes Druckmittel wurden die Mitglieder der RSAG als einzige studentische Gruppe auf ihre Religionszugehörigkeit hin überprüft, wobei sich herausstellte, dass die zwei ersten Vorsitzenden Juden waren und Maria Gronauer, „die dritte Vorsitzende – nicht weniger verdächtig – als Konfessionszugehörigkeit „freireligiös“ angegeben hatte. Ein Verbot ließ sich durch diese Erkenntnis 1927 allerdings noch nicht konstruieren.“469 Die Auswertung der Akten des UAM ermöglicht es, nun auch den weiteren Lebensweg der Studentin ergänzend nachzuzeichnen, die im Sommersemester 1928 nach München zurückgekehrt war, um sich an der Medizinischen und Philologischen Fakultät einzuschreiben. Wenngleich Gronauer, wie bereits dargestellt wurde, zusammen mit drei weiteren Mitgliedern der an der LMU seit dem Wintersemester 1927/28 angemeldeten GSS durch kommunistische Betätigung aufgefallen war und die lokale Polizeidirektion das Rektorat der LMU um „disziplinäre Würdigung“470 ihres Verhaltens ersuchte, konnte die Tochter eines Oberforstverwalters noch vier weitere Jahre an der hiesigen Universität verbringen. Ein zuletzt im Juli 1929 gegen sie erhobener Vorwurf, sie habe als Leiterin des Jungspartakusbundes wiederholt kommunistischen Unterricht an schulpflichtige Kinder erteilt471, obwohl die politische Betätigung der Schuljugend durch einen Entschluss des Bayerischen Kultusministeriums vom 30. Oktober 1924 verboten worden war, führte zwar zur Einleitung eines disziplinären Hochschulstrafverfahrens.472 Am Ende blieb dieses jedoch ohne Konsequenzen, da die notwendigen Erhebungen der Fahnder in dieser Angelegenheit kein Ergebnis erbrach-
467 Scherb, 161. 468 UAF, B1/2411. Außenstelle des Landespolizeiamts bei der Polizeidirektion Freiburg i. Br. an den akademischen Disziplinarbeamten der Universität Freiburg Herrn Untersuchungsrichter I. Rosenlacher. 469 Scherb, 161. 470 UAM, G-XVI-26. Polizeidirektion München vom 10.7.1929. 471 Vgl. ebd. 472 Vgl. ebd. Rektorat an Maria Gronauer vom 18.7.1929.
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ten. Zugute gekommen war der Beschuldigten dabei, dass die „befragten Eltern (Mütter), augenscheinlich gewiegte [sic!] Kommunisten, alles bestritten und erklärt hätten, den Namen Gronauer überhaupt nicht zu kennen. […] Der Herr Referent der Polizeidirektion hatte mitgeteilt, dass nach Lage der strafgesetzlichen Bestimmungen ein Vorgehen gegen die Studierende nicht möglich sei, er teilte ferner die Auffassung, dass in der Empfangnahme eines kommunistischen Unterrichtes durch Schulkinder eine politische Betätigung der Schulkinder nicht erblickt werden könne.“473 Vor diesem Hintergrund kam schließlich auch der Senat zu dem Schluss, die „politische Betätigung eines Studierenden als solche, die gegen die Strafgesetze nicht verstößt, […] grundsätzlich nicht zum Gegenstande disziplinärer Würdigung“ zu machen, umso mehr, als die Studierende auf „ausserakademischem Boden“ gehandelt hatte und man befürchtete, mit einer Ausweitung der akademischen Disziplin auf diesen Bereich „der Angeberei innerhalb der Universität Tür und Tor“ zu öffnen: „Diese Folge schien dem Senate weit schwerer zu wiegen als alle etwaigen Vorteile eines Eingreifens.“474 Selbst als die politisch aktiv Tätige nur drei Monate später erneut Anlass zu einer möglichen, disziplinären Würdigung durch die Universität bot, da sie, wie ein Bericht der Münchner Polizeidirektion ergeben hatte, noch während des ersten laufenden Hochschulverfahrens Sprechchöre und Jugendspiele auf einer kommunistischen Antikriegskundgebung sowie ein Ferienlager für Jugendliche als Führerin geleitet hatte, sah sich der Senat nicht veranlasst, von seinem Ende Juli gefassten Beschluss abzugehen; auch dieses Mal lag kein Verstoß gegen die Strafgesetze vor.475 Für Franz Feuchtwanger, Johann van Dyck und Heinrich Degenhardt dagegen, die zeitgleich mit ihrer Kommilitonin ins Blickfeld der polizeilichen und universitären Behörden geraten waren, zogen die kommunistisch motivierten Handlungen476 mehrmonatige Festungshaftstrafen sowie eine daraus resultierende Disziplinaruntersuchung nach sich. Obwohl letztere lediglich mit
473 Ebd. Rektorat an das Staatsministerium für Unterricht und Kultus vom 13.8.1929. 474 Alle Zitate nach ebd. 475 Vgl. ebd. Senats-Niederschrift vom 14.12.1929. 476 Auf die kommunistisch motivierten Handlungen kann aus den der Dissertation zugrunde liegenden konzeptionellen Überlegungen nicht näher eingegangen werden. Zu den genauen Hintergründen vgl. ebd. Abschrift des 21-seitigen Urteils vom 14.7.1930 sowie Resi Huber: Studienfach: Standfestigkeit. Heinz Eschen. In: Deutsche Kommunistische Partei München (Hg.): Die wiedergefundene Liste. Porträts von Münchner Kommunistinnen und Kommunisten, die im antifaschistischen Widerstandskampf ihr Leben ließen. Entdeckt von Resi Huber. München 1998, 49, künftig zitiert als Huber: Studienfach. Ebenso Karl Heinz Jahnke: Aus dem antifaschistischen Widerstandskampf der deutschen Studenten. In: Ders. (Hg.): Aus dem antifaschistischen Widerstandskampf der Studenten Europas. Berlin 1959, 188.
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einer Androhung der Wegweisung von der Universität München endete und man den drei Männern aufgrund der Feststellung des Reichsgerichts, die Beschuldigten hätten aus ihrer Überzeugung heraus geglaubt, entsprechend handeln zu müssen, nur eine „custodia honesta“ auferlegt hatte, empfanden die Studenten die Vorgehensweise der LMU, welche in den außerhalb des akademischen Lebens begangenen politischen Straftaten zugleich einen Verstoß gegen die Ordnung des akademischen Lebens sah, als äußerst unangebracht. So vertrat etwa der Universitätsprofessor für Kirchen-, Staatsrecht und Gesellschaftslehre, Karl Rothenbücher, der u. a. als Beistand für Feuchtwanger vor dem akademischen Senat fungierte, durchaus die Ansicht, dass die politische Betätigung eines Studierenden, die sich außerhalb des akademischen Gebietes vollzog und nicht aus unehrenhafter Gesinnung hervorging, überhaupt nicht zum Gegenstand disziplinärer Würdigung zu machen sei, sondern es in diesem Fall bei einer „Bestrafung nach gemeinem Rechte“477 verbleiben sollte. Hintergrund für diese Überlegung war die frühere Behandlung des im Rahmen des Hitlerputsches wegen Beihilfe zu einem Hochverratsverbrechen im April 1924 zu drei Monaten Festungshaft verurteilten Jurastudenten Wilhelm Brückner. Nach Einschätzung von Rothenbücher war ihm vonseiten der LMU offenbar kein Disziplinarverfahren anhängig gemacht worden.478 Für Rothenbücher erschien es daher nur konsequent, im aktuellen Fall nicht anders zu verfahren, und dies umso mehr, als damit der Eindruck vermieden werden könne, wonach die LMU politische Straftaten je nach Parteiangehörigkeit des Täters unterschiedlich beurteile. Dass man diesem Plädoyer am Ende aber nicht folgte, verdeutlicht, dass die Situation für Kommunisten bereits vor der Machtergreifung auch in der bayerischen Landeshauptstadt nicht etwa nur von Gegnern des rechten Lagers, sondern, wie gleichermaßen in Freiburg, von den Universitäten selbst erschwert wurde. Als die ohnehin nur noch fünf Mitglieder umfassende GSS als unmittelbare Folge der gegen die drei Studenten ergangenen Disziplinarerkenntnis Ende Juli 1930 vom Akademischen Senat verboten wurde, sprach die Münchner Post in einer Anfang August erschienenen Zeitungsnotiz von einem „neuen reaktionären Streich“ der Münchner Universität: „Zur Charakteristik dieses Verbots braucht man nur daran zu erinnern, mit welcher Liebe der gleiche Senat die Hakenkreuzler auf der Universität behandelt und wie er nach wie vor ihre verbotenen Aufmärsche mit größter Nachsicht duldet.“479
477 UAM, G-XVI-26. [Karl] Rothenbücher an den Akademischen Senat vom 20.7.1930. 478 Zu den persönlichen Daten vgl. UAM, Stud-Kartei I (Brückner, Wilhelm). 479 Alle Zitate nach Ein neuer reaktionärer Streich. In: Münchner Post vom 2.8.1930, hier nach UAM, G-XVI-26.
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Der sich im darauffolgenden Sommer abspielende sog. „Nawiasky-Skandal“, bei dem der NS-Rädelsführer Gottfried Neeße – ungeachtet des Protests des Ministeriums – lediglich mit einer Verweisungsandrohung bestraft wurde, was Arno Seifert zu Recht als „Milde“480 im Gegensatz zu den wiederholt nach links gerichteten rigiden Disziplinarmaßnahmen des Senates bezeichnet481, musste diesen Eindruck noch zusätzlich verstärkt haben. Gleichzeitig war er nur ein Vorbote der nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten vorherrschenden Disziplinarpolitik an den Hochschulen. Dass es in einzelnen Fällen aber sogar zu einer kurzzeitigen Zweckgemeinschaft oppositioneller Studentengruppen kommen konnte, zeigt das Beispiel der Universität Berlin. So forderte eine ungenannte Zahl von Studentinnen Anfang der 1930er Jahre im Frauensaal der örtlichen Anatomie unter Führung der Roten Studentengruppe die Behebung verschiedener Missstände, darunter die Erhöhung der Arbeitsplätze sowie die Einrichtung eines Erfrischungsraumes für 1500 Studenten, welche im Anatomischen Institut arbeiteten. Einem Bericht im „Roten Student“ zufolge stellten sich neben sämtlichen Medizinerinnen auch die natio nalsozialistischen Studentinnen mit ihrem Namen hinter die Forderungen der kommunistischen Roten Studentengruppe: „Am nächsten Tag jedoch müssen sie nach Rücksprache mit der Sektionsleitung ihre Unterschriften zurücknehmen. Aus dem Ausschuß muß die Nationalsozialistin austreten. Begründung: Der Staat hat kein Geld (!).“482
480 Arno Seifert: In den Kriegen und Krisen des 20. Jahrhunderts. In: Laetitia Boehm/Johannes Spörl (Hgg.): Ludwig-Maximilians-Universität Ingolstadt – Landshut – München; 1472–1972. Berlin 1972, 354, künftig zitiert als Seifert. Zum „Nawiasky-Skandal“ vgl. Kapitel I, 2.2 Der Nationalsozialistische Deutsche Studentenbund (NSDStB). 481 Vgl. exemplarisch zum Verbot des „Marxistischen Studentenclubs“, der „Interessensgemeinschaft minderbemittelter Studierender“ sowie des Bulgarisch-Akademischen Volksvereins „Christo Botew“ in München im Jahr 1932 UAM, G-XVI-25. Rektorat der Universität München an das Staatsministerium für Unterricht und Kultus vom 12.12.1932 sowie Kapitel II, 1 Oppositionelle. Daneben kam es im Frühjahr 1932 durch Beschluss der Polizeidirektion München zur Ausweisung eines armenischen Chemiestudenten der LMU, welcher in der armenischen Zeitung „Chorertayin Jbayasdan“ im Juli 1931 den Kommunismus als „Allheilmittel“ für die vermeintlich ausgebeutete deutsche Arbeiterklasse pries: „Ausländer, die sich an unseren deutschen Bildungsstätten die Bildung holen, die sie in ihrer Heimat vielleicht gar nicht finden können und dann Deutschland verleumden, sind unerwünschte Gäste, die man als solche auch wird behandeln müssen.“ Bolschewist. Agent an der Universität München? In: Das Bayerische Vaterland vom 21.12.1931, hier nach UAM, G-XVI-25. 482 Von den Hochschulen. Minderbemittelte Studenten und NSDAP. In: Der Rote Student. Nr. 1. 2. Jahrgang. Berlin 1931, 47.
2.7 Religiöse Studentengruppen
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Sowohl für die LMU als auch für andere Hochschulen fanden sich in den vorhandenen Quellen und vorliegenden Forschungsarbeiten allerdings keinerlei Belege, die auf weitere, gleichartige Berührungspunkte schließen lassen. Einzig die nur wenige Male bei den Münchner AStA-Wahlen angetretene Nationale Studentinnengruppe sowie ihre Kommilitoninnen der MStG einte nachweislich kurzzeitig der gemeinsame, wenn auch am Ende unerfüllte Wunsch nach einer stärkeren Mitbestimmung an der Universität. Spätestens nach 1933 sollte dieser Wunsch endgültig zunichte gemacht werden.
2.7 Religiöse Studentengruppen Weil einschlägige Belege fehlen, lässt sich zudem nicht feststellen, ob und inwiefern etwa einzelne parteipolitische oder religiöse Gruppierungen versuchten, aufeinander Einfluss zu nehmen. Dies gilt im Besonderen für jüdische Verbindungen, deren Überlieferung sich für die LMU in einigen wenigen Namen erschöpft, darunter der Verein Deutscher Studierender jüdischen Glaubens, die Verbindung jüdischer Studenten „Jordania“, der Zweckverband der jüdischen Studierenden, die Vereinigung jüdischer Akademiker oder der jüdische Studentinnenverein Kadimah.483 Nach fragmentarischen Daten, die Thomas Schindler ermittelt hat, handelte es sich bei letztgenanntem um einen im Sommersemester 1918 gegründeten Verein zionistischer Studentinnen.484 Nach Miriam Rürup, die
483 Vgl. UAM, B-VI-26 Band 2. Handschriftliche Übersicht der Korporationsanschläge, die am 17.3.1927 abgenommen und ins Sekretariat gegeben wurden. Vgl. darüber hinaus ebd., U-II-2. Verzeichnis der im Winterhalbjahr 1921/22 an der Universität München angemeldeten studentischen Vereine sowie ebd. Verzeichnis der im Winterhalbjahr 1927/28 an der Universität München angemeldeten Studenten-Vereine. Der Verein Jüdischer Akademiker im B. J. A. (Bund jüdischer Akademiker) rief mit einem Plakat zur Wahl 1920/21 unter dem Studenten Sieghart Weichselbaum auf. Vgl. UAM, Sen. 366c/2d. Wahlaufrufs-Plakat des Vereins Jüdischer Akademiker im B. J. A. Im lokalen Hochschulalmanach für das Wintersemester 1932/33 werden gerade einmal noch Jordania sowie die Vereinigung jüdischer Akademiker aufgeführt. Vgl. Münchener Hochschulalmanach mit Vergünstigungsnachweis Winter-Semester 1932/33. München 1933, 70. Nach Angaben von Cahnmann habe es dagegen 1932 in München mit Licaria, Thuringia und Jordania drei studentische Vereinigungen gegeben. Zudem sei der Großteil der Mitglieder des Klubs demokratisch gesinnter Studenten jüdisch gewesen. Vgl. Werner J. Cahnmann: Die Juden in München 1918–1943. In: Hans Lamm (Hg.): Vergangene Tage. Jüdische Kultur in München. München, Wien 1982, 34 f. 484 Vgl. Thomas Schindler: Studentischer Antisemitismus und jüdische Studentenverbindungen 1880–1933. Nürnberg 1988, 229. Weitere zionistische Studentenverbindungen waren in Berlin der Verein zionistischer Studentinnen (Gründungsjahr 1918) sowie in Breslau der jüdisch-
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2 Politische Haltung der Studentinnen
in ihrer Dissertation über jüdische Studentenverbindungen die Frauenverbindungen bedauerlicherweise außen vorlässt, hatte der gleichnamige nationaljüdische Studentenverein Kadimah, dessen hebräischer Name doppeldeutig für „Vorwärts“ bzw. „Ostwärts“ stand, seinen Anfang 1882 in Wien genommen.485 Bereits vier Jahre später wurde in London, drei Jahre darauf an der Berliner Hochschule ein gleichnamiger Verein ins Leben gerufen; weitere Gründungen wie in München folgten.486 Einem Artikel der Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung zufolge organisierte zumindest der Club demokratisch gesinnter Studenten im Einvernehmen mit dem Syndikus des Centralvereins der Staatsbürger jüdischen Glaubens 1931 „einen „Ausspracheabend mit Gegnern“ über das Thema „Antisemitismus“.“ Zahlreiche Studierende aller Richtungen waren der durch Anschlag am Schwarzen Brett bekanntgegebenen Veranstaltung gefolgt, die ohne Störungen ablief. Vertreter verschiedener politischer Richtungen referierten dabei kurz über die Geschichte des Antisemitismus. Während die antisemischen Redner für „eine mögliche Absperrung der Juden vom Volksganzen“ plädierten, wurde in den Ausführungen des katholischen und demokratischen Sprechers auf die Oberflächlichkeit derartiger Anschauungen hingewiesen, obwohl „deren Berechtigung für gewisse Kreise des Judentums nicht von der Hand zu weisen sei. Zusammenfassend läßt sich sagen, daß die Veranstaltung des Ausspracheabends als solche eine verdienstvolle und dankenswerte Leistung des Clubs demokratisch gesinnter Studenten war, da sie nach langer Zeit zum ersten Male die Möglichkeit des Meinungsaustausches auf einem Gebiete geboten hat, auf dem die bisherige Unmöglichkeit offener Aussprache beiden Teilen nicht geringen Schaden zufügte.“487
zionistische Studentinnen-Verein (Gründungsdatum 20.5.1919) und Techija (Gründungsdatum 20.6.1919). Vgl. ebd. 485 Vgl. Miriam Rürup: Ehrensache. Jüdische Studentenverbindungen an deutschen Universitäten 1886–1937. Göttingen 2008, 86, 99 ff. Vgl. ebenso Gründung der Kadimah. Nach Mitteilungen des Ehrenburschen, Medizinalrates Dr. M. T. Schnirer, Wien. In: Ludwig Rosenhek (Hg.): Festschrift der Kadimah 1883–1933. Festschrift zur Feier des 100. Semesters der akademischen Verbindung Kadimah. Wien 1933, 16 f., sowie Harald Seewann: Zirkel und Zionsstern. Bilder und Dokumente aus der versunkenen Welt des jüdisch-nationalen Korporationswesens. Ein Beitrag zur Geschichte des Zionismus auf akademischem Boden. Graz 1990, 123 ff. Der Verein strebte die Pflege jüdischer Geschichte und Sprache, jüdischen Schrifttums sowie die Weckung nationalen Ehrgefühls und Einheitsbewusstsein an. Vgl. ebd., 8. 486 Vgl. 1890 bis 1904. Erinnerungen von Ehrenburschen Medizinalrat Dr. Isidor Schalit, Wien. In: Ludwig Rosenhek (Hg.): Festschrift der Kadimah 1883–1933. Festschrift zur Feier des 100. Semesters der akademischen Verbindung Kadimah. Wien 1933, 49 f. 487 Alle Zitate nach Otto L. Walter: Ausspracheabend mit Gegnern über das Thema „Antisemitismus“ im Klub demokratisch gesinnter Studenten. In: Bayerische Israelitische Gemeinde-
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Obwohl die organisierten Katholiken neben den Sozialisten, Kommunisten und liberalen Demokraten als weitere, gegenüber dem Nationalsozialismus lange Zeit weitgehend resistente Gruppe galten und sich an der Universität München der größte Teil der Studentenschaft zum Katholizismus bekannte488, traten Mitglieder der an der LMU existierenden religiösen Studentinnenvereine, zu denen ebenfalls die überwiegend protestantische Deutsche Christliche Vereinigung studierender Frauen (ab 1931 unter dem Namen Deutsche Christliche Studentinnenbewegung (DCSB)) gehörte489, nicht durch belegbare oppositionelle Einzelaktionen hervor.
zeitung vom 15.7.1931, hier nach http://sammlungen.ub.uni-frankfurt.de/cm/periodical/pageview/2740772 vom 5.10.2012. 488 So waren etwa im Studienjahr 1923/24 51,3 % der Münchner Universitätsstudenten katholischer, 40,9 % evangelischer, 2,8 % jüdischer Religion. Die restlichen 5 % hatten als Bekenntnis „sonstiges“ angegeben. Vgl. EAM, NL Faulhaber 6558/1. Undatierter Bericht über die religiösen und seelsorglichen Verhältnisse an den Hochschulen Münchens [ca. Sommer 1926]. Im Sommersemester 1930 belief sich der Anteil der katholischen Studenten an der LMU auf 49,4 %, der evangelischen auf 45,3 %, der jüdischen gleichbleibend auf 2,7 % und der sog. „Sonstigen“ auf 2,6 % bei einer Anzahl von 8740 Immatrikulationen. Vgl. Deutsche Hochschulstatistik. Band 5. Sommerhalbjahr 1930. Berlin 1930, 74 ff. Eine genaue, nach Fakultät und Religion der an der LMU immatrikulierten Frauen differenzierende Übersicht existiert – entgegen der Annahme Häntzschels – nicht nur für das Wintersemester 1913/14 und 1921/22 (vgl. Hans Reiner: Das bayerische Hochschulwesen in den Jahren 1913/14 und 1921/22 unter Berücksichtigung seiner Entwicklung seit 1826/27. In: Zeitschrift des Bayerischen Statistischen Landesamts. 55. Jahrgang. München 1923, 112–114), sondern in den Beständen des UAM ebenso für die Zeit vom Sommersemester 1914 bis Sommersemester 1918 sowie für das Wintersemester 1919/20. Vgl. UAM, Sen. 349c Band II. 489 Das vorletzte in den Beständen des UAM auffindbare Verzeichnis zur Weimarer Republik aus dem Wintersemester 1927/28 listet insgesamt 108 verschiedene, an der Universität München angemeldete Studentenvereine auf, zu denen neben der MStG die Deutsch-Christliche Vereinigung studierender Frauen, der katholisch-deutsche Studentinnenverein Hadwig, die karitativ für hilfsbedürftige Studentinnen tätige Akademische Elisabethen-Konferenz sowie die Marianische Studentinnenkongregation gehörten. Vgl. UAM, U-II-2. Verzeichnis der im Winterhalbjahr 1927/28 an der Universität München angemeldeten Studenten-Vereine. Der unter Mitwirkung der Rektorate und der Studentenschaft der Hochschulen im selben Halbjahr offiziell herausgegebene MHF nennt darüber hinaus den Verband Katholischer Studentinnenvereine Deutschlands und den Verein Studierender Frauen. Vgl. MHF vom Winter 1927/28, 182 f. Das letzte, in den Beständen des UAM auffindbare Verzeichnis für die Zeit der Weimarer Republik aus dem Sommersemester 1930 beinhaltet unter 109 an der LMU angemeldeten Studentenvereinen sechs Vereinigungen für Frauen (Deutsch-Christliche Vereinigung studierender Frauen, Akademische Elisabethen-Konferenz, katholisch-deutscher Studentenverein Hadwig, Marianische Studentinnenkongregation, MStG sowie die ANSt). Vgl. UAM, Sen. 365/1. Verzeichnis der im Sommerhalbjahr 1930 an der Universität München angemeldeten Studenten-Vereine. Die vorletzte offizielle Auflistung findet sich in der Ausgabe des MHF zum Wintersemester 1931/32 und listet sieben explizite Studentinnenvereine bzw. -verbände auf: V. K. St. Verband Katholischer Studentinnenvereine Deutschlands, Hadwig, Akademische Elisabethkonferenz, Marianische Studentinnen-
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Ähnlich wie die im Mai 1927 an der Friedrich-Wilhelms-Universität aufgestellte „Arbeitsgemeinschaft der Studentinnen an Berliner Hochschulen“, welche sich aus den Angehörigen verschiedener Einzelvereine sowie einigen Unorganisierten oder in der Selbstverwaltung Aktiven zusammensetzte, hatten auch in München die religiös orientierten Kommilitoninnen in den letzten Jahren der Weimarer Republik einzig durch ihren Zusammenschluss zur MStG (Deutsche-Christliche Vereinigung Studierender Frauen, Katholischer Deutscher Studentinnen-Verein Hadwig, Verein studierender Frauen, Academische Elisabeth-Konferenz, Hochland sowie einige Freistudentinnen), die als „politisches Handlungsinstrument und Koordinationsgremium“490 und damit als Interessensgemeinschaft z. B. bei Errichtung des Studentinnentagesheims dienen sollte, von sich reden gemacht. Im Rahmen des Untersuchungszeitraumes erscheint es deshalb verfehlt, von den lokalen Studentinnenvereinen generell als einem „beachtenswerten Faktor des öffentlichen und privaten gesellschaftlichen Lebens“491 zu sprechen. Darüber hinaus muss berücksichtigt werden, dass bereits Mitte der 1920er Jahre ein anonymer Bericht über die religiösen und seelsorglichen Verhältnisse an den Hochschulen Münchens zu dem Schluss kam, dass die derzeitige Form der katholischen Hochschulseelsorge – zumindest vom Gesichtspunkt des Universitätspredigers aus gesehen, so der Berichterstatter – angesichts der Größe der LMU, des „starken Wechsel(s) unter den Studierenden (Wintersport, im Sommer Bergsport, die beide sehr viele Studenten nur auf ein Semester nach München führen), bei den eigenartigen Verhältnissen an der Hochschule und unter der Studentenschaft, bei dem noch stark herrschenden Liberalismus in den führenden akademischen Kreisen der Universität und der Stadt […] unmöglich zu einem Erfolge führen“ könne, weshalb eine ganze „Kommission von Seelsorgern“
kongregation, DCSB, MStG und ANSt. Vgl. MHF vom Winter 1931/32, 293. Daneben standen den Frauen noch die Freie Vereinigung Katholischer Studierender im Verband der F. V. K. St. Vereinigung von Studenten und Studentinnen sowie der Hochland-Verband offen, welcher die Studentinnen und Studenten in getrennten Gruppen erfasste (Schreibweise jeweils nach dem Original). Ebd. 282, 288. Nach dieser Ausgabe des Hochschulführers werden derartige Angaben in einem separat zu erwerbenden Verzeichnis aufgeführt, welches allerdings nicht zur Einsicht aufgetan werden konnte. Im letzten Münchener Hochschulalmanach für das Sommersemester 1933 finden sich dagegegen noch folgende sechs Studentinnenvereine: Hadwig, Katholisch-Freistudentische Vereinigung, Verein Studierender Frauen, Deutsche Christliche Vereinigung Studierender Frauen, Hochländerinnen sowie die Marianische Studentinnen-Kongregation. Vgl. Münchener Hochschulalmanach mit Vergünstigungsnachweis. Winter-Semester 1932/33. München 1933, 66. 490 Benker/Störmer, 139. Wie Benker und Störmer unter Bezugnahme auf einen Artikel der Monatsschrift „Die Studentin“ bemerken, entstanden in den folgenden Jahren auch an anderen Universitäten des deutschen Reiches ähnliche Zusammenschlüsse. Benker/Störmer, 157, FN 63. 491 Rudolf Weiß: München und die Studentenschaft. In: MHF vom Wintersemester 1928/29, 20.
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Abhilfe schaffen sollte. Ferner sei besonders die Beteiligung weiblicher Studierender an Veranstaltungen der Kongregation sowie verschiedener religiöser Verbindungen nach eingehender Kontrolle des ungenannten Beschwerdeführers, welcher angab, selbst an den Versammlungsorten der Frauen täglich zu zelebrieren, „verschwindend“ und daher „beinahe als Kräftevergeudung“492 zu bezeichnen. So wären bereits Exerzitien für gerade einmal acht Studentinnen gehalten und manche Predigten von weniger als einem Dutzend Personen besucht worden. Inwieweit derartige Ausführungen lediglich der Unzufriedenheit bzw. Wahrnehmung einer einzelnen Person oder den tatsächlichen Gegebenheiten an der LMU entsprachen, muss vor dem Hintergrund der ungenügenden Quellensituation offenbleiben. Vergleichsweise seien hier jedoch die Befunde zu den Studentinnen der Berliner Friedrich-Wilhelms-Universität in der Weimarer Republik genannt, wonach gerade religiöse Gemeinschaften, deren Schwergewicht auf der Auseinandersetzung mit Glaubensfragen sowie auf der Bibelexegese lag, wohl allein Attraktivität auf theologisch Interessierte und konfessionell stark Gebundene ausübten, zu denen „in einer Zeit der Lockerung traditioneller religiöser Bindungen“493 nur ein geringer Teil der Frauen gehört haben dürfte. Trotzdem darf in diesem Zusammenhang nicht übersehen werden, dass schon bei den AStA-Wahlen 1918/19 konfessionell gebundene weibliche Studierende auf der Liste der Katholischen Studenten- und Studentinnenkorporationen kandidierten494, und die 14 Jahre später als Liste 5 angetretene Vereinigung Katholischer Freistudenten und Studentinnen, welche den nach Alleinherrschaft strebenden und daher zu bekämpfenden Nationalsozialisten als üblicher „Kehricht“495 erschien, die Partizipation beider Geschlechter als Wahlargument ins Feld führte: „Studentinnen! Denkt daran, daß es kein Zufall ist, daß Ihr bis jetzt auf unserer Liste allein vertreten ward!“496 In Würzburg gab dagegen etwa die Katholische Deutsche Studentenverbindung (K. D. St. V.) Hadeloga im April 1930 an, seit vier Semestern wieder zu neuem und ernstem Leben erwacht zu sein. Man habe erkannt, „daß ein Zusammenschluß katholischer Studentinnen in unserer religionsfeindlichen Zeit, in der man es allerorts versucht, eine dem
492 Alle Zitate nach EAM, NL Faulhaber 6558/1. Undatierter Bericht über die religiösen und seelsorglichen Verhältnisse an den Hochschulen Münchens [ca. Sommer 1926]. 493 Benker/Störmer, 138. 494 Vgl. Sen. 366c/2d. Ergebnis der Wahl zum Allg. Studentenausschuss der Münchner Universität zur AStA-Wahl 1918/19. 495 Vgl. ebd. Wahlplakat der Katholischen Freistudenten und Studentinnen zur AStA-Wahl 1931/32. 496 Vgl. ebd. Wahlplakat der Katholischen Freistudenten und Studentinnen zur AStA-Wahl 1932/33.
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katholischen Glauben entfremdete und unseren weltanschaulichen Grundsätzen von Sitte und Moral entgegenstehende Wissenschaft von den Kathedern zu verkünden, nötiger denn je“ sei: „Wolle es uns doch gelingen noch viel mehr, ja alle katholischen Studentinnen zu erfassen“497, so der fromme Wunsch der Philologiestudentin Elisabeth Spiegel. Spiegel hatte ein entsprechendes Schreiben ebenso direkt an Kardinal Michael von Faulhaber gerichtet wie an Vertreterinnen des Vororts des Verbandes der katholischen deutschen Studentinnenvereine Irmingard-Frankfurt. Sie sprachen von einer die Religion der katholischen Studentin „gefährdenden Atmosphäre an der heutigen Universität“498. In Freiburg wandten sich überdies die katholischen Studentinnenvereine mit einem offenen Brief in der lokalen Studentenzeitung im Sommersemester 1931 an die Mitglieder der ANSt, nachdem diese versucht hatten, ihre Kommilitoninnen für oppositionelle Hochschulpolitik zu mobilisieren: „In den letzten Tagen sprach die Asta-Kandidatin der kommunistischen Gruppe über die soziale Stellung der Frau und Studentin in der Sowjetunion. Die Arbeitsgemeinschaft nationalsozia listischer Studentinnen wandte sich daraufhin an die einzelnen katholischen Studentinnenvereinigungen mit dem Ansinnen, sie möchten sich ihrem Protest gegen die Ausführungen der Kommunistin anschließen. Wir danken den Natio nalsozialistinnen für ihre Aufforderung, geschlossen gegen den Materialismus zu kämpfen; doch wir müssen ein solches Zusammengehen ablehnen, weil die katholische Auffassung von der Stellung und Aufgabe der Frau im Volksganzen auch wesentlich von der nationalsozialistischen abweicht. Daher erklären wir hiermit öffentlich, daß wir uns ebenso entschieden gegen die Propagandaideen des Kommunismus wie des Nationalsozialismus stellen […]. Für uns katholische Studentinnen bleiben aber immer noch uneingeschränkt Gottes Gebote, d. h. das christliche Sittengesetz richtunggebend für unsere Lebensgestaltung, für den Dienst am Aufbau und Gesundung der Familie und damit unseres deutschen Vaterlandes.“499 Diese Beispiele belegen, dass in Zeiten zunehmender politischer Radikalisierung der Auflösung althergebrachter religiöser Bindungen der Versuch sowie die Bemühungen eines nicht bezifferbaren Teils der Frauen gegenüberstanden, durch erneuten Rückzug bzw. Wiederbesinnung auf religiöse Wertvorstellungen eine geistige Enklave zu schaffen.
497 Alle Zitate nach EAM, NL Faulhaber 6558/2. Elisabeth Spiegel an Kardinal-Erzbischof Dr. Michael von Faulhaber vom 8.4.1930. 498 Ebd. V. O. des Verbandes kath. dtsch. Studentinnenvereine Irmingard-Frankfurt an Kardinal Dr. v. Faulhaber vom 15.6.1930. 499 K. D. St. V. Herrad/Hochland-Caritas/Freie Vereinigung katholischer Studierender/Marianische Studentinnen-Kongregation: Offener Brief. In: Freiburger Studentenzeitung vom 9.7.1931. Vgl. dazu auch Scherb, 156.
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Selbst die in der ANSt organisierten Mitglieder zeigten sich mitunter nicht vollkommen parteitreu, wenn es um die Durchsetzung persönlicher Interessen ging. Während die Münchner ANSt-Gruppe die sozialen Nöte ihrer Geschlechtsgenossinnen zumindest im Rahmen ihrer Wahlpropaganda für den NSDStB ignorierte, kamen an den Diskussionsabenden der Arbeitsgemeinschaft der Studentinnen an Berliner Hochschulen „tatsächlich von den Sozialistinnen bis zu den Nationalsozialistinnen Studentinnen aller politischen Richtungen zu Wort“. Dieses Verhalten zeigt, dass man nachweislich zumindest an der Berliner Universität durchaus bereit war, „politische und weltanschauliche Differenzen unter den Studentinnen zugunsten einer gemeinsamen Frauenpolitik hintanzustellen“500 – eine Haltung, die sich in gleicher Weise bei ihren ortsansässigen NS-Kommilitoninnen sowie den Angehörigen der Roten Studentengruppe an der Medizinischen Fakultät wiederholte. Ungeachtet der Tatsache, dass der NSDStB in der Vergangenheit immer wieder mit seinem provokatorischen Aktionismus von sich reden gemacht und von Juni 1931 bis 1933 stets den ersten Vorsitzenden des AStA-Vorstandes an der Universität gestellt hatte, stand die Münchner Hochschulgruppe im Herbst 1932 schließlich „alles andere als glänzend da.“ Nachdem diese mit elf von insgesamt 30 AStA-Sitzen zwei Jahre zuvor auf dem Höhepunkt ihres Erfolgs angekommen war, konnte Ende 1931 nur ein weiteres Mandat hinzugewonnen werden, das bei der darauffolgenden Wahl aufgrund eines massiven Stimmenrückgangs wieder verloren ging. Trotz dieser Niederlage irrt Faust, wenn er schreibt, die Wahlbeteiligung an der LMU sei im Wintersemester 1932/33 von 93 % im Vorjahr auf 80 % gesunken. Tatsächlich zeigt ein Blick auf das Ergebnis vom 24. November 1932, dass von 8094 eingeschriebenen Studierenden 7280 ihre Stimme abgegeben hatten. Das entspricht einer Beteiligung von knapp 90 % aller an der Universität Immatrikulierten.501 Der Autor übernimmt in seiner Darstellung die fälschlicherweise in der Quelle mit 80 % bezifferte Anzahl und spricht daher für München von einer – entgegen den Tatsachen – stark sinkenden Wahlbeteiligung.502 Jedenfalls erzielte der NSDStB in der bayerischen Landeshauptstadt neben Bonn das mit Abstand schlechteste Ergebnis im Reich, d. h. rund 17 % unter dem Durchschnitt. In der Forschung wird hierfür „ein ganzes Bündel von Motiven“503 verantwortlich gemacht, darunter „die Stabilität des katholischen Wählerblockes, die
500 Alle Zitate nach Benker/Störmer, 157. 501 Vgl. UAM, Sen. 366c/2d. Wahlergebnis anlässlich der Wahlen zum AStA vom 24.11.1932. 502 Vgl. Anselm Faust: Der Nationalsozialistische Studentenbund. Band 2. Düsseldorf 1973, 114. Hervorhebung P. U. 503 Ebd., 115.
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Etablierung neuer kleiner Gruppierungen bei den AStA-Wahlen“504, die „allgemeine Popularitätskrise der NSDAP“505 oder die wahlmüde bzw. „wenig gefestigte Wählerschaft“506, welche nicht bereit war, den Parolen des NSDStB zu folgen. Durch die nur wenige Wochen später erfolgte Machtergreifung der Natio nalsozialisten am 30. Januar 1933 sollte es allerdings nicht mehr zu der Ende 1930 prophezeiten „Kaltstellung des großen Mauls“ der „durchgefallenen Hakenkreuzler“507 und damit des NSDStB an der LMU kommen. Bereits im Mai 1933 waren dagegen schon die Anschläge von im Dritten Reich unliebsamen Studentenzusammenschlüssen verschwunden, was seinen sichtbaren Ausdruck im leeren Glaskasten der sozialistischen und jüdischen Gruppen fand.508
504 Rösch, 442. 505 Grüttner, 35–42, hier 39. 506 Böhm, 57. 507 Die durchgefallenen Hakenkreuzler. In: Münchener Post vom 28.11.1930, hier nach UAM, Sen. 366c/2d. 508 Vgl. UAM, B-VI-26 Band 1. Deutschnationale Studentengruppe an das Rektorat der Universität München vom 18.5.1933.
II. Die politische und ideologische Auslese der LMU-Studentinnen im Dritten Reich
1 Oppositionelle „Du magst Dich irren, mein Lieber, wenn Du meinst, ich betrachtete die Zeitlage immer noch zu wenig soziologisch. In dieser Beziehung ist mir, seit ich wieder in München bin, mit einem Schlag vieles aufgegangen. Der Universitätsbetrieb, so sehr ich mich ihm auch fernhalte, bringt es mir eindringlich zum Bewußtsein. Am selben Abend, wie ich hier ankam, war im Lichthof der Hochschule eine natio nale Feier. Heute Abend ist schon wieder eine. Die Studenten wollen fremdrassige und „bolschewistische“ Bücher auf einem Scheiterhaufen verbrennen. In der Universität sind Anschläge, die bekanntmachen, daß jeder Dozent, jeder Student, der nicht hinter der nationalen Revolution stehe, von der Hochschule zu entfernen sei. Es genügt also nicht, den Mund zu halten. Man wird mit Gewalt in diese rabiaten Reihen gezogen.“1 Was der Münchner Philologiestudent Eugen Gottlob Winkler am 10. Mai 1933 anlässlich der Bücherverbrennung in seinem Brief an einen Freund resümierte, spiegelt die mit dem Regierungswechsel an den Hochschulen Einzug haltende Politik gegenüber den Studierenden wider. Diese bewegte sich zwischen den Extremen Auslese, Beschränkung und Indienstnahme, wobei „der Nationalsozialismus zu seiner Mystik des Blutes und des Staates jeden einzelnen gewaltsam zu bekehren sucht(e) oder ihm andernfalls die nackte Lebensmöglichkeit“2 entzog. Vor diesem Hintergrund musste nicht nur die Disziplinarpolitik des Senates gegenüber den letzten Jahren, in denen vor allem der Handlungsspielraum linker Studentengruppen massiv eingeschränkt worden war, kaum geändert werden, sondern auch der NSDStB erfuhr in seinen Boykott- und Krawallaktionen fortan keinerlei Einschränkung mehr.3 Wie einem Flugblatt kommunistischer Studenten der Universität und der TH, welche sich unter der Bezeichnung „Rote Studentengruppe“ formiert hatten, zu entnehmen ist, kam es schon unmittelbar nach der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler zu gezielten Angriffen und Herausforderungen. Sie schlugen sich in körperlichen Attacken sowie einem organisierten Überfall in der Mensa durch NS-Kommilitonen nieder und sollten einer angeblichen Äußerung von „Nazifüh-
1 Warnach, 71. Brief vom 10.5.1933. Winkler wurde nach dreijährigem Studium in München, Paris und Köln 1933 von Karl Vossler an der LMU promoviert. Vgl. Eugen Gottlob Winkler: Moderne französische Klassikeraufführungen auf Pariser Bühnen. Diss. Stuttgart 1933. Zu den persönlichen Daten vgl. auch UAM, Stud-Kartei I (Winkler, Eugen). Zur weiteren Biographie des 1912 in Zürich geborenen württembergischen Staatsangehörigen, welcher sich im Oktober 1936 durch eine Überdosis Schlafmittel das Leben nahm, siehe Warnach, 14–19. 2 Warnach, 69. Brief vom 6.5.1933. 3 Vgl. Seifert, 356. Zur Machtergreifung an der Universität München vgl. bes. Böhm, 58–84.
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rer Gengenbach“ zufolge ihre Fortsetzung im Kampf gegen „jüdisch-marxistische Provokationen“4 finden. Ungeachtet der Tatsache, dass, so Böhm, die nationalsozialistische Machtergreifung am 30. Januar im Gegensatz zu anderen Hochschulen innerhalb der Münchner Studentenschaft insgesamt keine besonderen Vorkommnisse mit sich brachte, nachdem zumindest die großen Kämpfe auf universitärem Boden bereits vor 1933 ausgetragen, die Positionen abgesteckt waren, der NSDStB wie gewohnt den Vorsitzenden des AStA stellte und sich der Großteil der Studierenden sowie zahlreiche Aktivisten aufgrund der Anfang März beginnenden Semesterferien außerdem schon nicht mehr vor Ort aufhielten5, befanden sich die Vorbereitungen zur Ausschaltung politischer Gegner im Hintergrund längst in vollem Gange. Noch bevor sich das Augenmerk gleichermaßen auf die Relegation unliebsamer „Nichtarier“ sowie auf allgemeine, geschlechtsübergreifende Zulassungsbeschränkungen bzw. spezielle Maßnahmen gegen das Frauenstudium auf der einen, ideologische Methoden zur Durchdringung, Erfassung und Indienstnahme der Studierenden auf der anderen Seite richten sollte, verfügte ein Ministerialerlass vom 18. März das mit sofortiger Wirksamkeit eintretende Verbot und damit die Auflösung aller studentischen marxistischen (sozialdemokratischen) und kommunistischen Organisationen an den bayerischen Hochschulen; darüber hinaus mussten letztere ein Verzeichnis der aktuell betroffenen sowie bereits in der Vergangenheit untersagten Studentenvereine vorlegen.6 Die Maßnahme kann als direkte Folge des im selben Monat neu eingesetzten Kultusministers Hans Schemm verstanden werden, der anlässlich seiner Begrüßungsansprache zur Dienstübernahme keinen Zweifel daran ließ, „daß die Ausmerzung aller marxistischen und lebensverneinenden Ziele und Bestrebungen aus dem kulturellen Leben Bayerns für ihn zunächst die Hauptaufgabe darstelle.“
4 UAM, G-XVI-25. Abschrift des Aufrufes der Roten Hochschulstaffel vom 2.2.1933. Bei dem Absender der Drucksache handelte es sich um die 22-jährige TH-Studentin Hella von Kahn-Albest, gegen die bis dato in „politischer Hinsicht“ nichts bekannt geworden war. Ebd. Polizeidirektion München an das Rektorat der Ludwig-Maximilians-Universität München vom 18.3.1933. 5 Vgl. Böhm, 75. An einigen Hochschulen kam es unmittelbar nach dem 30. Januar zu Störungen bzw. Unruhen und damit zu bewussten Aktionen von NS-Studenten wie bspw. dem Hissen der Hakenkreuzflagge in Würzburg, Tübingen oder Bonn. Vgl. Spitznagel, 265, Adam, 33, sowie Kuhn/Rothe/Mühlenbruch, 64. 6 Vgl. UAM, G-XVI-25. Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus an die Senate der drei Landesuniversitäten […] vom 20.3.1933.
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An der LMU waren von der sog. „Bekämpfung aller marxistischen Tendenzen auf dem Gebiete des Unterrichts und der Erziehung“7, welche sich gleichermaßen auf die Schulen erstreckte, zu diesem Zeitpunkt noch zwei studentische Verbindungen betroffen: Zum einen die unter dem Jurastudenten und ersten Vorsitzenden Hans Schwarz an den Münchner Hochschulen existierende Sozialistische Arbeitsgemeinschaft, zum anderen die Ortsgruppe München der Sozialistischen Studentenschaft Deutschlands und Österreichs, dessen Vorsitz mit Werner Goldschmidt ebenfalls ein Student aus der selben Fakultät bekleidete.8 Die GSS, der u. a. sowohl Franz Feuchtwanger als auch Maria Gronauer angehört hatten, der Marxistische Studentenklub, der Bulgarisch-Akademische Volksverein Christo Botew sowie die Interessensgemeinschaft minderbemittelter Studenten waren schon in der Vergangenheit durch das von der hiesigen Universität ausgesprochene sowie vom akademischen Senat ausgeführte Verbot kommunistischer Studentenverbindungen erfasst worden.9 Wenngleich vonseiten der Ministerien noch keinerlei offizielle Anweisungen existierten, gehörte auch die LMU ab diesem Zeitpunkt zu denjenigen Hochschulen, die – ähnlich wie bspw. Würzburg, Freiburg oder die TH Berlin10 – bereits im Frühjahr 1933 mit der Relegation Oppositioneller begannen. Dementsprechend machte Rektor Leo von Zumbusch schon im April 1933 unmissverständlich klar, dass man beabsichtige, Studierende, die kommunistischen Verbänden angehörten oder sich auf andere Art im kommunistischen Sinne betätigt hatten, vom weiteren Besuch der Münchner Universität auszuschließen. Dabei nutze man
7 Alle Zitate nach Der Systemwechsel im bayer. Kultusministerium. Dienstübernahme durch Kultusminister Schemm. In: Münchner-Augsburger Abendzeitung vom 21.3.1933, hier nach UAM, G-XVI-25. 8 Vgl. UAM, G-XVI-25. Universitäts-Rektorat an die Ortsgruppe München der Sozialistischen Studentenschaft Deutschlands und Österreichs sowie an die Polizeidirektion München vom 23.3.1933. In diesem Zusammenhang sei auf den Studenten der Volkswirtschaftslehre und später hingerichteten Widerstandskämpfer Hermann Frieb verwiesen, welcher 1932/33 der SPD beigetreten und bis zu deren Verbot im Juni 1933 Leiter der Sozialistischen Studentengruppe in München gewesen war. Zum weiteren Schicksal des 1943 in München-Stadelheim Hingerichteten vgl. Peter Steinbach/Johannes Tuchel (Hgg.): Lexikon des Widerstandes 1933–1945. München 1994, 58, sowie Hartmut Mehringer: Waldemar von Knoeringen. Eine politische Biographie. Der Weg vom revolutionären Sozialismus zur sozialen Demokratie. München, London, New York u. a. 1989, bes. 119–127, 228–237, und http://www.spd-landtag.de/downl/110FB1933.pdf vom 7.1.2009: Nationalsozialismus – Zweiter Weltkrieg – Neubeginn. Ebenso Heike Bretschneider: Der Widerstand gegen den Nationalsozialismus in München 1933–1945. München 1968, 111–121. 9 Vgl. UAM, G-XVI-25. Rektorat der Universität München an das Staatsministerium für Unterricht und Kultus vom 12.12.1932, sowie Kapitel I, 2.6 Linke Studentengruppen. 10 Vgl. Scherb, 174–182, Duden/Ebert, 457 f., Spitznagel, 274–276.
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entsprechende Informationen der Politischen Polizei und Mitgliederlisten der einzelnen Gruppierungen ebenso wie Denunziationen von Kommilitonen oder frühere Straf- bzw. Disziplinarverfahren. Zu den ersten Studenten, die von dieser Vorgehensweise betroffen und schriftlich über ihre Wegweisung in Kenntnis gesetzt worden waren, zählte neben zwei Männern auch die gebürtige Stuttgarterin Ruth Frank. Frank, die sich im Wintersemester 1928/29 für das Studium der Medizin immatrikulierte, war seit 1932 Mitglied der KPD und bekleidete mittlerweile eine Funktionsstelle. Zudem hatte ihre „rege politische Tätigkeit“11 schon mehrere Male Anlass zu polizeilichem Einschreiten geboten. An der Universität selbst geriet sie durch ihre Beteiligung als Wahlkandidatin der verbotenen Liste 9 „Antifaschistische Studenten“ im November 1932 ins Visier der akademischen Behörden: „Eine kommunistische oder „antifaschistische“ Studentenwahlgruppe trat zum ersten Male bei den Astawahlen im vorigen Jahr als Wahlwerberin auf; Listenführer und 1. Vorsitzender des vorbereitenden Ausschusses war der letzte Vorsitzende des verbotenen „Marxistischen Studentenklubs“ […]. Ihre Wahlaufrufe habe ich nicht zugelassen […], eine Werbetätigkeit dieser Liste habe ich, da eine kommunistische Werbung nicht an eine deutsche Universität gehört und ausserdem auch im Hinblick auf § 52 Abs. III Satz 2 der Satzungen nicht gestattet […]. Damit war der Anschlag der Liste am schwarzen Brett und […] die Abgabe gültiger Stimmen auf diese Liste unterbunden. Es wurden 30 Stimmen abgegeben“12. Der vertraulich gehaltene Bericht des Universitätsrektorats vom 12. Dezember 1932 gab bereits vor dem Dritten Reich eine politische Linie vor, welche die späteren Machthaber mit immer weitreichenderen Konsequenzen für die Betroffenen fortzuführen gedachten. So war es, um den „akademischen Frieden“ zu wahren, den Studierenden zudem mit Ministerialentschließung vom 18. Juni 1930 noch in der Weimarer Republik untersagt gewesen, „einzeln oder geschlossen in Parteiuniformen und mit parteipolitischen Abzeichen auf dem Boden der Hochschu-
11 UAM, Sen. 431/21. Polizeidirektion München an das Rektorat der Universität München vom 11.12.1933. Zu den persönlichen Daten vgl. auch UAM, Stud-Kartei I (Frank, Ruth). 12 UAM, G-XVI-25. Rektorat der Universität München an das Staatsministerium für Unterricht und Kultus vom 12.12.1932. Zum Wahlaufruf der Liste 9 vgl. auch UAM, Sen. 366c/2d. UniversitätsRektorat an das Staatsministerium für Unterricht und Kultus vom 22.11.1932: „Der Wahlaufruf, den ich nicht zugelassen habe, enthält beleidigende Unterstellungen, wirbt für kommunistische Betätigung der Studierenden und ruft zum Klassenkampf und zu einem innerpolitischen Zusammengehen mit der Sowjet-Union auf. Aus jedem dieser Gründe verstößt er gegen die Ordnung des akademischen Lebens, weshalb ich meine nach § 47 der Satzungen für die Studierenden erforderliche Zustimmung versagt habe.“ Eine Kopie des Wahlaufrufes befindet sich im UAM, Sen. 431/21.
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len zu erscheinen.“13 Des Weiteren wurde bestimmt, dass Vertreter studentischer Vereinigungen nur bei Hochschulveranstaltungen zugegen sein durften, wenn sie dabei von parteipolitischer Kleidung und parteipolitischen Abzeichen absahen. Ausgeschlossen von diesen Bestimmungen hatte man kleinere, d. h. weniger auffallende Abzeichen an Kleidern wie Schilder und Nadeln. Im März 1933 wurde auch diese Regelung aufgehoben, jedoch unter Ausschluss kommunistischer bzw. marxistischer (sozialdemokratischer) Organisationen. Deren Mitgliedern war es vollständig verboten, entsprechende Abzeichen oder Uniformen jedweder Größe im Bereich der bayerischen Hochschulen zu tragen.14 Damit kam der braune Zeitgeist nun selbst äußerlich endgültig und buchstäblich zum Tragen. Eine analoge Handlung stellte die Kultusministerialentschließung vom 25. Mai 1933 dar, wonach „Disziplinarstrafen wegen Handlungen, die im Kampfe für die nationale Erhebung des deutschen Volkes geschahen“15, auch ohne entsprechendes Ersuchen der Betroffenen aufgehoben, damit verbundene Eintragungen der Strafen in den Personalpapieren gelöscht und anhängige Disziplinarstrafen eingestellt wurden. Auf Antrag des Rektors kam dieses Gesetz an der LMU der Rehabilitierung von vier Männern zugute, darunter dem Jurastudenten Gottfried Neeße, dem mit Senatsbeschluss vom 25. Juli 1931 die Wegweisung von der Universität München im Zusammenhang mit den Unruhen um Professor Hans Nawiasky angedroht worden war.16 Um andernorts ein Weiterstudium zu verhindern, setzte das hiesige Universitätsrektorat bereits am 13. April 1933 sämtliche deutsche Hochschulen schriftlich davon in Kenntnis, dass die ersten Studenten aufgrund kommunistischer Aktivitäten relegiert worden seien. Selbst diejenigen unter ihnen, die wie Maria Gronauer, welche schon im Frühjahr 1932 ihre volkswirtschaftliche Diplomprüfung ablegte, mittlerweile nicht mehr an der LMU immatrikuliert waren, wurden unter Angabe sämtlicher persönlicher Daten explizit benannt, ebenso wie längst exma-
13 UAM, B-II-16 Band 2. Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus an die Senate und Rektorate der drei Landesuniversitäten […] vom 18.6.1930. 14 Ebd. Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus an die Senate und Rektorate der drei Landesuniversitäten […] vom 28.3.1933. 15 UAM, D-III-100. Niederschrift über die Sitzung des Akademischen Senates vom 28.6.1933. Vgl. dazu auch den Artikel „Aufhebung der im Kampf für die nationale Erhebung erlittenen Dienststrafen“. In: Der Beamte im 3. Reich. 1.2.1934, hier nach UAM, D-XIV-36 Band 33, sowie die Verordnung über die Gewährung von Straffreiheit vom 21. März 1933. In: RGBl. Teil I. Nr. 24. Berlin 1933, 134 f.: „§ 1. Für Straftaten, die im Kampfe für die nationale Erhebung des Deutschen Volkes, zu ihrer Vorbereitung oder im Kampfe für die deutsche Scholle begangen sind, wird Straffreiheit nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen gewährt.“ 16 Vgl. UAM, D-XIV-36 Band 33. Senats-Niederschrift vom 28.6.1933.
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trikulierte Kommilitonen, die lediglich im Verdacht kommunistischer Betätigung oder Gesinnung standen. Bis Anfang Juli wies man auf diese Weise neben Ruth Frank noch 15 Männer durch Verwaltungsverfügung weg, während 35 Studierende – darunter neun Frauen –, die größtenteils lediglich den verbotenen kommunistischen Wahlvorschlag der Liste 9 im Rahmen der AStA-Wahlen 1932/33 unterschrieben hatten, der Universität nicht mehr angehörten.17 Auch Gertrud Meier, die im selben Zeitraum in Freiburg den Wahlvorschlag der kommunistischen „Roten Studentengruppe“ als eine von insgesamt 27 Studierenden (darunter 15 Frauen) unterschrieben hatte18, konnte ihr Studium der Zahnmedizin an der LMU zunächst nicht fortsetzen. Sämtlichen Universitäten und Hochschulen war in einem Mitte Juni 1933 ergangenen Rundschreiben des badischen Rektors Mitteilung über die frühere politische Aktivität der Exmatrikulierten gemacht worden19: „Nach sofort eingeholten Erkundigungen ist diese Ausweisung mit meiner Mitgliedschaft bei der Roten Studenten-Gruppe während des Sommersemesters 1932 an der Universität in Freiburg zu erklären. Trotz meines sehr langen Sträubens habe ich mich seinerzeit doch überreden lassen, in die Gruppe einzutreten; nachdem ich jedoch merkte, mit welchen Karten dort gespielt wurde, und dass ich die kommunistischen Ideen und Anschauungen nie zu meinen eigenen würde machen können, erklärte ich zu Beginn des Wintersemesters meinen Austritt, noch dazu ich gewärtig sein musste, aus der Gruppe zwangsweise entfernt zu werden, da ich durch offene Kritik und Opposition
17 Vgl. UAM, Sen. 431/21. Undatierte Aufstellung der Studierenden, die sich während ihrer Zugehörigkeit zur Universität in kommunistischem Sinne betätigt oder ihre kommunistische Einstellung kundgegeben hatten, aber bereits im März 1933 ausgeschieden waren und somit nicht weggewiesen werden konnten [1933], sowie die Schreiben des Rektorats der Ludwig-Maximilians-Universität vom 10.4., 18.4., 8.5. und 6.7.1933 über Relegierte bzw. nicht mehr Immatrikulierte mit kommunistischem Hintergrund, zu denen folgende Studierende – hier aufgelistet nach dem Zeitpunkt ihrer Wegweisung – gehörten: Ruth Frank, Rudolf Zahn, Walter Schäffler, Sures Chandra Sen, Kurt Ehlers, Leo Philippsborn, Richard Wolfseher, Franz Ahrens, Hans Cremer, Johann (Hans) Durian, Helmut Grunicke, Fritz Adolf Mende, Herbert Nachreiner, Alfred Opitz, Rudolf Powalowski und Ignaz Stuhlreiter. In der erstgenannten, undatierten Übersicht fehlt der am 18. April 1933 relegierte Physikstudent indischer Herkunft, Sures Chandra Sen, welcher aufgrund von Bedenken gegen seine Persönlichkeit sowie dem Verdacht, „daß sein Aufenthalt in Deutschland noch anderen als wissenschaftlichen Zielen“ diene, sein Studium an der LMU abbrechen musste, weshalb Böhm wohl von insgesamt „nur“ 15, auf dem Verwaltungswege weggewiesenen Studierenden spricht. Vgl. Böhm, 137. 18 Vgl. UAM, Sen. 431/21. Abschrift der Liste „Rote Studentengruppe“ vom 12.7.1933. Bezug nehmend auf das sich im UAF befindliche Original der Vorschlagsliste spricht Scherb bei insgesamt 27 Unterschriften von 13 Frauen und 14 Männern. Vgl. Scherb, 176. 19 Vgl. UAM, Sen. 431/21. Akademisches Rektorat der Albert-Ludwigs-Universität an sämtliche deutschen Universitäten und Hochschulen vom 19.6.1933.
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starkes Missfallen erregte. Ich war froh, wieder draussen zu sein und hielt den Fall in meiner Naivität für erledigt.“ In ihrer schriftlich verfassten Rechtfertigung sprach Meier, die nach Mitteilung des Freiburger Rektorats obendrein Einladungen zu Parteiversammlungen verteilt haben sollte, außerdem davon, dass der seinerzeitige Beitritt eine große „Unbesonnheit und Entgleisung“20 dargestellt habe, dessen Tragweite ihr nicht rechtzeitig bewusst geworden sei. Wenngleich weder Belege für eine Aufhebung der nur eineinhalb Wochen zuvor auf dem Verwaltungswege ergangenen Relegation noch ein entsprechender Disziplinarakt (mehr) existieren, lässt sich anhand der Studentenkartei feststellen21, dass die gebürtige Cuxhavenerin ihr Studium bereits im Wintersemester 1933/34 fortsetzen und nur knapp eineinhalb Jahre später mit Ablegung der zahnärztlichen Prüfung im Februar 1935 sowie der Veröffentlichung ihrer Doktorarbeit „Über berufliche und gewerbliche Zahnund Kieferschäden“22 beenden konnte; im Mai desselben Jahres approbierte die Tochter eines Amtsanwaltes schließlich als Zahnärztin. Das Beispiel von Gertrud Meier verdeutlicht, dass sich die Universität München gezielt die reichsweit verbreiteten Relegationslisten anderer Hochschulen zu Nutze machte, um eine erneute Einschreibung von andernorts unfreiwillig Exmatrikulierten zu verhindern, ein Verhängnis, das zeitgleich Ingeborg Ackerknecht ereilen sollte. Die Medizinstudentin war vor ihrem Aufnahmegesuch an der LMU ebenfalls in Freiburg immatrikuliert gewesen, letztendlich jedoch zweifelsfrei relegiert worden, nachdem auch zu ihrer Person Belege für die Unterschrift des kommunistischen Wahlvorschlages sowie der werbewirksamen Ausgabe von Flugblättern eingingen.23 Dazu kam, dass die ursprünglich aus Stettin stammende junge Frau ihre vergangene oppositionelle Gesinnung bzw. Aktivität offensichtlich nicht durch politische Einfältigkeit zu erklären suchte.24 Weil man parallel dazu noch einen weiteren, ehemaligen Germanistikstudenten der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg weggewiesen hatte, muss folglich also
20 Alle Zitate nach ebd. Gertrud Meier an das Freiburger Sekretariat vom 20.7.1933. 21 Zu den persönlichen Daten vgl. UAM, Stud-Kartei I (Meier, Gertrud). 22 Gertrud Meier: Über berufliche und gewerbliche Zahn- und Kieferschäden. Diss. München 1935. Meiers Promotionsakt, aus dem sich eventuell noch genauere Informationen zu ihren letzten Semestern an der LMU herauslesen ließen, ist in den Beständen des UAM indessen nicht mehr enthalten. 23 Vgl. UAM, Sen. 431/21. Akademisches Rektorat der Albert-Ludwigs-Universität an sämtliche deutschen Universitäten und Hochschulen vom 19.6.1933, sowie ebd. Rektorat an Ingeborg Ackerknecht vom 11.7.1933. 24 Zu den persönlichen Daten vgl. UAM, Stud-Kartei I (Ackerknecht, Inge (!)).
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mindestens von 18, auf dem Verwaltungswege ergangenen Relegationen an der Münchner Universität ausgegangen werden. Noch einen Tag bevor mit einem Erlass des Preußischen Kultusministeriums vom 29. Juni 1933 schließlich der systematische Ausschluss politischer Gegner durch die Nationalsozialisten an den Hochschulen beginnen sollte, legte in München auch der Führer der Studentenschaft, Karl Helmut Patutschnick, ein im UAM nicht mehr erhaltenes Verzeichnis vor, das ebenfalls eine Anzahl missliebiger, männlicher Studierender umfasste. Diese sollten während ihrer Zugehörigkeit zur LMU ein vermeintliches Bekenntnis zur kommunistischen Weltanschauung durch Befürwortung der antifaschistischen Liste zum Ausdruck gebracht haben und deshalb vertrieben werden: „Im Auftrage des Kreisleiters Karl Gengenbach ersuche ich das Rektorat der Universität München, die aus beiliegender Liste ersichtlichen Studierenden zu überprüfen, ob sie noch an der Universität München eingeschrieben sind. […] Ich ersuche, diese Studenten von dem Besuch aller deutscher Hochschulen auszuschliessen.“25 Nachdem Gengenbach bereits bei der Einweihung des Marie-Antonie-Hauses im Mai 1931 aus seiner fremdenfeindlichen Gesinnung keinen Hehl gemacht hatte26, präsentierte sich der gerade einmal 21-Jährige an dieser Stelle erneut als „strategisch denkender Planer“27, der seine Führungsposition geschickt für Denunziationen und damit für gezielte Vorschläge zur „Auslese von Studenten und Professoren nach der Sicherheit des Denkens im deutschen Geiste“28 nutzte. Wie Harrecker am Beispiel des Doktorentzugs im Dritten Reich zeigt, an welchem der Jurastudent ebenfalls maßgeblich mit seiner Idee beteiligt war, „ausgebürgerten Exilanten die akademische Ehre abzusprechen“29, zogen derartige Vorschläge mitunter tiefgreifende, reichsweite Konsequenzen für die Hochschulen nach sich. Tatsächlich sah der Ende Juni 1933 ergangene preußische Erlass vor, sämtliche Studierende vom Studium auszuschließen, welche sich – auch ohne KPDMitglied zu sein – nachweislich in den vergangenen Jahren in kommunistischem Sinne betätigt hatten. Die Hochschulen selbst wurden dabei verpflichtet, zur Feststellung der Betreffenden die örtlichen Studentenschaften zur Mitarbeit heranzuziehen und Listen der Relegierten an alle Hochschule zu versenden, um einer neuen Einschreibung der jeweiligen Personen an anderer Stelle entgegenzu-
25 UAM, Sen. 431/21. Der Führer der Studentenschaft an das Rektorat der Universität München vom 28.6.1933. 26 Vgl. Kapitel I, 2.1 Die Radikalisierung der Studentenschaft. 27 Harrecker, 34. 28 Zwölf Sätze der Studentenschaft. In: Kalischer, 224–226, hier 225, Satz 11. 29 Harrecker, 40.
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wirken.30 Die entsprechende bayerische Entschließung erging nur zwei Wochen später: „Gegen Studierende, die sich in den letzten Jahren im kommunistischen Sinne betätigt haben und bei denen nicht bestimmte Anhaltspunkte für die Annahme vorliegen, daß es sich lediglich um jugendliche, inzwischen mit Entschiedenheit abgelehnte Verirrungen handelte, ist alsbald das Disziplinarverfahren mit dem Ziele des Ausschlusses vom Hochschulstudium durchzuführen.“31 Wie Grüttner feststellte, überzeugte die „relativ differenzierende Repressionspolitik“ offensichtlich ebenso außerhalb Preußens. So wurde nicht nur dieser, sondern sogar ein zweiter, am 9. August ergangener Erlass, der eine Ausweitung auf die Studierenden brachte, welche sich in den vergangenen Jahren „in marxistischem (kommunistischen oder sozialdemokratischen) oder sonst antinationalem Sinn“ betätigt hatten, mitunter wortwörtlich von anderen Ländern wie Bayern übernommen. Die reine Mitgliedschaft in einer politischen Partei, außer der KPD, sowie die Entrichtung von Beitragszahlungen und der Besuch von Versammlungen sollten dabei jedoch nicht als marxistische bzw. antinationale Aktivitäten gewertet werden: „Die Voraussetzungen für die Annahme einer marxistischen oder sonstigen antinationalen Betätigung sind insbesondere dann erfüllt, wenn ein Studierender in Wort, Schrift oder durch sein sonstiges Verhalten gehässig gegen die nationale Bewegung aufgetreten ist, ihre Führer beschimpft hat oder nationalgesinnte Studierende zu verfolgen, zurückzusetzen oder sonst zu schädigen versucht hat. Als besonders belastend ist dabei die Zugehörigkeit zu pazifistischen, landesverräterischen oder ähnlichen Organisationen […] anzusehen.“32 Ausgehend von dieser ministeriellen Grundlage behandelte die LMU am 20. November in einer Sitzung des Disziplinarausschusses, dem auch die beiden Jurastudenten Gengenbach und Patutschnick angehörten33, schließlich die Frage, ob 48 der insgesamt 60 ins Blickfeld geratenen Studierenden – darunter 13 Frauen –, die sich vor 1933 kommunistisch und marxistisch betätigt haben
30 Vgl. BayHStA, MK 70327. Der Preußische Minister für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung vom 29.6.1933. 31 UAM, Sen. 431/21. Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus an die Rektorate der drei Landesuniversitäten […] vom 13.7.1933. Ein Abdruck des preußischen Erlasses findet sich bei Stuchlik: Funktionäre, 80 f. 32 UAM, Sen. 431/21. Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus an die Rektorate der drei Landesuniversitäten vom 19.8.1933. 33 Zur Zusammensetzung des Disziplinarausschusses vgl. ebd. Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus an die Senate der Universitäten München […] vom 28.8.1933: „Der Disziplinarausschuß besteht aus dem Rektor, seinem Vertreter […], drei vom Rektor auf zwei Jahre benannten Mitgliedern des Lehrkörpers, darunter wenigstens einem Juristen, und zwei vom Führer der Studentenschaft auf ein Halbjahr benannten Studenten.“
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sollten, noch disziplinarrechtlich verfolgt werden könnten. Diese Überlegung resultierte aus dem Umstand, dass ein Teil der Handlungen zur Zeit der Begehung keinen Strafbestand darstellte. Darüber hinaus waren alle der knapp 50 Personen bereits nicht mehr an der hiesigen oder einer anderen Universität immatrikuliert, hatten Abgangszeugnisse bestellt oder schon im Frühjahr auf dem Verwaltungswege eine Wegweisung vom Rektor erfahren. Während bspw. der Rechtswissenschaftler Prof. Rudolf Müller-Erzbach die Ansicht vertrat, lediglich die Fälle derjenigen zu behandeln, die weiterstudieren wollten – sei doch die Universität kein Ort politischer Agitation und daher von „unsauberen Elementen freizuhalten“34 –, äußerte sich Karl Gengenbach erwartungsgemäß weitaus kritischer: „Für die Studentenschaft gebe es bei der Beurteilung der Fälle keine Objektivität. Es komme nicht darauf an, ob sich einer mehr oder weniger kommunistisch betätigt habe. Leute, die sich kommunistisch betätigt hätten, müssten unter allen Umständen von der Hochschule ausgeschlossen werden“, wenngleich er, so das Sitzungsprotokoll, damit einverstanden sei, „dass eine Bestrafung der Referendare und der im Beruf stehenden nicht mehr in Frage komme; aber die vorgesetzten Dienststellen müssten benachrichtigt werden.“35 Bis Ende Februar 1934 hatte die LMU nach eigenen Angaben schließlich 50 Disziplinarverfahren durchgeführt36, die aber keineswegs, wie Dorsch angibt37, mit 46, sondern lediglich mit sieben dauerhaften Ausschlüssen vom Hochschulstudium für fünf Männer und zwei Frauen endeten. Die Zahl bei Dorsch wurde offensichtlich unkritisch, d. h. ohne Quellenabgleich von Grüttner übernommen, der in seiner Habilitationsschrift fälschlicherweise angibt, dass 1933/34 an der Universität München 46 Studenten aus politischen Gründen vom Studium ausgeschlossen worden seien.38 Tatsächlich hatte man, wie bereits in den vorangehenden Ausführungen innerhalb dieses Kapitels gezeigt werden konnte, bis Anfang Juli 1933 nur 16 Studierende auf dem Verwaltungswege weggewiesen, während 35
34 Ebd. Niederschrift über die Sitzung des Disziplinarausschusses der Universität München vom 20.11.1933. Wie Christian Nunn nachweist, geriet der Rechtswissenschaftler mit dieser Ansicht, die auf Prävention und nicht auf Sanktion ausgerichtet gewesen war, gezwungenermaßen immer wieder in Konflikt mit NS-Studenten. Vgl. Christian Nunn: Rudolf Müller-Erzbach 1874–1959. Von der realen Methode über die Interessenjurisprudenz zum kausalen Rechtsdenken (Leben und Werk). Frankfurt am Main 1998, 126 f. 35 UAM, Sen. 431/21. Niederschrift über die Sitzung des Disziplinarausschusses der Universität München vom 20.11.1933. 36 Vgl. ebd. Rektorat an die sämtlichen deutschen Hochschulen vom 29.3.1934. 37 Peter Andreas Dorsch: Der Nobelpreisträger Heinrich Wieland und das Chemische Institut der Universität München (1925–1950). München Ms. 2000, 81, künftig zitiert als Dorsch. 38 Vgl. Grüttner, 504.
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weitere Kommilitonen bereits im März des Jahres nicht mehr an der LMU immatrikuliert gewesen waren, „sodass sie nicht mehr weggewiesen werden konnten“, auch wenn ihre Namen zur Vermeidung einer neuerlichen, auswärtigen Immatrikulation in der Folgezeit allen Hochschulen übermittelt werden sollten.39 Darüber hinaus fehlt bei Grüttner der von Böhm zu Recht erhobene explizite Einwand, wonach die Mitteilung über den Ausschluss vom weiteren Studium für die Betroffenen nicht gleichzusetzen war mit einem generellen und endgültigen Ausschluss vom Hochschulstudium, sondern durchaus die Möglichkeit zum Weiterstudium beinhaltete.40 Bei den sieben, endgültig vom Studium an sämtlichen deutschen Hochschulen Ausgeschlossenen, von denen – entgegen der Meinung Böhms – nicht nur vier, sondern alle disziplinär Belangten laut Studentenkartei im Sommersemester 1933 nicht mehr an der LMU immatrikuliert waren, handelte es sich um Ruth Frank, Annemarie Mittmann, Leo Philippsborn, Walter Schäffler, Fritz Schustermann, Franz Stettmeier und Hans Weißbrem.41 Einem Schreiben des Rektorats vom 20. Februar 1934 ist zu entnehmen, dass ursprünglich noch zwei weitere Studenten, Richard Wolfseher und Rudolf Zahn, endgültig relegiert worden waren. Während bei Wolfseher das Disziplinarverfahren nachweislich eingestellt und ein Weiterstudium damit ermöglicht wurde42, lassen sich für seinen Kommilitonen jedoch keinerlei analoge Belege erbringen. Aus diesem Grund bleibt unklar, ob die Ende März bekanntgegebene Aufstellung fehlerhaft und damit unvollständig war oder ob entsprechende Quellen allgemeinen Bestandsverlusten zum Opfer gefallen sind.43 Einen genaueren Blick auf den persönlichen Hintergrund der an der Universität Bonn unter dem Begriff der Systemgegnerinnen subsumierten „Studentinnen im sozialistisch-kommunistischen Widerstand“44 erlaubt in München neben dem Schicksal von Ruth Frank, die als erste weibliche Studierende schon vor der
39 UAM, Sen. 431/21. Undatierte Aufstellung der Studierenden, die sich während ihrer Zugehörigkeit zur Universität in kommunistischem Sinne betätigt oder ihre kommunistische Einstellung kundgegeben hatten, aber bereits im März 1933 ausgeschieden waren und somit nicht weggewiesen werden konnten [1933; Hervorhebung P. U.]. 40 Vgl. Böhm, 137. 41 Vgl. ebd., 140, sowie UAM, Stud-Kartei I (Frank, Ruth/Mittmann, Annemarie/Philippsborn, Leo/Schäffler, Walter/Schustermann, Fritz-Joachim (!)/Stettmeier, Franz/Weißbrem, Hans). 42 Vgl. UAM, Sen. 431/21. Niederschrift über die Sitzung des Disziplinarausschusses vom 17.7.1934, sowie ebd. Rektorat der Ludwig-Maximilians-Universität an die Deutschen Hochschulen vom 18.7.1934 und UAM, Stud-Kartei I (Wolfseher, Richard). 43 Seifert spricht dagegen sogar von insgesamt neun Betroffenen. Vgl. Seifert, 356. 44 Kuhn/Rothe/Mühlenbruch, 78.
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offiziellen Ministerialentschließung von der LMU auf dem Verwaltungswege relegiert worden war, auch die Geschichte der Staatswirtschaftsstudentin Annemarie Mittmann. Im Gegensatz zu ihrer Kommilitonin hatte Mittmann ihr Studium allerdings erst im Winterhalbjahr 1932/33 aufgenommen, im selben Semester jedoch ebenfalls als Wahlkandidatin der verbotenen Liste 9 „Antifaschistische Studenten“ kandidiert. Wie Frank gehörte die Beschuldigte nach Mitteilung der örtlichen Polizeidirektion gleichermaßen der kommunistischen Partei an, war aber anlässlich der „Nationalen Erhebung“ als eine „geistige Führerin der KPD“45 sogar bis Ende Mai 1933 in Schutzhaft genommen worden. Der zu ihrer Person noch vorhandene Strafakt verdeutlicht exemplarisch den vormals bei Böhm dargestellten Ablauf des universitären Disziplinarverfahrens46, über dessen Einleitung die Beschuldigte durch eine Rektoratszuschrift in Kenntnis gesetzt und zur Äußerung innerhalb von 14 Tagen aufgefordert wurde. Wie der Großteil der von dieser Maßnahme Betroffenen wies auch die gebürtige Redwitzerin den gegen sie erhobenen Vorwürf der kommunistischen Betätigung in ihrem Antwortschreiben zunächst zurück und erkundigte sich, worin genau ihr vermeintliches, gegen Sitte, Ordnung und Ehre des akademischen Lebens verstoßendes Fehlverhalten erblickt werde. Nach Auskunft des Rektors lag dieses bereits in der Unterstützung der Liste 9, sei es durch Unterschrift des Wahlvorschlages oder, wie bei der ehemaligen Studentin, durch ihren Auftritt als Wahlkandidatin. Obwohl die 21-Jährige daraufhin vorgab, sich keiner Schuld bewusst zu sein, hätte sie sich doch allein durch die Kandidatur nicht politisch betätigen können, zumal die entsprechende Aufstellung vor der AStA-Wahl verboten worden, eine antifaschistische außerdem keine kommunistische Liste sei und selbige darüber hinaus „ordnungsgemäß auf rechtlichem Wege“47 dem Rektorat vorgelegen hätte, fiel die Disziplinarerkenntnis vom 15. Februar 1934 zu Ungunsten der jungen Frau aus. Ungeachtet ihrer äußerst spitzfindigen bzw. die Hochschulvertreter nahezu bloßstellenden Verteidigungsstrategie sah der Disziplinarausschuss der LMU die hier zur Last gelegten Vorwürfe als erwiesen an: „Die Beschuldigte fungierte bei der Astawahl im November 1932 als Kandidatin der antifaschistischen Liste. Diese Liste hatte kommunistische Tendenz und wenn auch manche Unterzeichner der Liste sie nicht in diesem Sinne aufgefaßt
45 UAM, Sen. 431/21. Polizeidirektion München an das Rektorat der Ludwig-Maximilians-Universität vom 20.12.1933. 46 Vgl. Böhm, 137 f. 47 UAM, Stud-Straf-199. Annemarie Mittmann an das Rektorat der Ludwig-Maximilians-Universität München vom 27.8.1933.
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haben, so ist doch kein Zweifel, daß die Wahlkandidaten dieser Liste ausgesprochene Kommunisten gewesen sind und in der Kandidatur eine kommunistische Betätigung erblickt werden muß.“48 Erschwerend kam an dieser Stelle mit Sicherheit hinzu, dass sowohl Annemarie Mittmann als auch Ruth Frank erwiesenermaßen KPD-Mitglieder in leitender bzw. führender Funktion gewesen waren und darüber hinaus die Vorladung zu ihrer jeweiligen Disziplinarverhandlung im Frühjahr 1934 missachtet hatten. Wenngleich wenigstens Mittmann in einem aus ihrer Heimatstadt abgeschickten Schreiben vorgab, aufgrund beruflicher Tätigkeit nicht zur Verhandlung erscheinen zu können, nahm das Fernbleiben den beiden Frauen trotzdem die Option, die gegen sie erhobenen Vorwürfe durch eine persönliche Verteidigung vor Ort wenigstens doch noch partiell zu entkräften und damit dem Ausschluss vom Hochschulstudium sowie der Unmöglichkeit eines akademischen Abschlusses entgegenzuwirken. Nach einem Erlass des Reichs- und Preußischen Ministers für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung (REM) vom 3. September 1935 durften auf diese Weise Ausgeschlossene nur mit seiner Genehmigung zum Weiterstudium zugelassen werden. Der aufgrund der Strafordnung für Studenten, Hörer und studentische Vereinigungen an den deutschen Hochschulen vom 1. April des Jahres gebildete Dreierausschuss, welcher sich aus dem jeweiligen Rektor sowie dem Leiter der Dozenten- bzw. Studentenschaft zusammensetzte, war dagegen nicht berechtigt, diese Relegation aufzuheben49; wie viele Studierende von dieser Möglichkeit Gebrauch machten, lässt sich jedoch nicht bestimmen. Obwohl bspw. in Halle nur ein kommunistischer Doktorand verhaftet50, in Jena51 oder Rostock im selben Zeitraum kein einziger Student aus politischen
48 Ebd. Disziplinarerkenntnis der Ludwig-Maximilians-Universität vom 15.2.1934. 49 Vgl. UAM, D-XIV-37. Bekanntgabe des Staatsministeriums für Unterricht und Kultus vom 11.4.1935 über die Strafordnung für Studenten, Hörer und studentische Vereinigungen an den deutschen Hochschulen, sowie UAM, Sen. 431/21. Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus an die Herren Rektoren der drei Landesuniversitäten […] vom 9.9.1935. Zum REM vgl. Anne C. Nagel: Hitlers Bildungsreformer. Das Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung 1934–1945. Frankfurt am Main 2012. 50 Vgl. Henrik Eberle: Die Martin-Luther-Universität in der Zeit des Nationalsozialismus 1933– 1945. Halle 2002, 201, künftig zitiert als Eberle. Bei dem Relegierten handelte es sich um den Promotionskandidaten der Geologie Walter Kühne, der im September 1933 verhaftet und in das Konzentrationslager Lichtenburg überstellt wurde. „Er war Kommunist, hatte illegale Druckschriften verteilt und Losungen an Häuserwände geschrieben.“ Ebd. 51 Vgl. Mike Bruhn/Heike Böttner: Studieren in Jena 1933 bis 1945. Eine Fallstudie. In: Herbert Gottwald (Hg.): Zwischen Wissenschaft und Politik. Studien zur Jenaer Universität im 20. Jahrhundert. Jena 2000, 118, künftig zitiert als Bruhn/Böttner: „In Anwendung der „Verordnung zum Schutze von Volk und Staat 1933“ wurden in Jena im Wintersemester 1933/34 keine Studenten
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Gründen vom Studium ausgeschlossen wurde, was mitunter dadurch zu erklären ist, dass bspw. an letztgenannter Universität während der Weimarer Republik eine kommunistische Studentengruppe überhaupt nicht bestand52, ist es verfehlt, davon zu sprechen, die LMU habe sich der Ausschaltung oppositioneller Studierender offenbar mit „überdurchschnittlichem Eifer“53 gewidmet. Gegen diese Annahme spricht besonders, dass neben Ruth Frank gleichermaßen Leo Phi lippsborn, Walter Schäffler, Rudolf Zahn und zunächst auch Richard Wolfseher, d. h. fünf der insgesamt sieben, für immer als unfähig Befundenen, in Zukunft einer Hochschule als Studierende anzugehören, zu den 16 im Vorfeld auf dem Verwaltungswege von der LMU Weggewiesenen gehörten. Mit Annemarie Mittmann, Fritz Schustermann, Franz Stettmeier sowie Hans Weißbrem kamen also nur noch vier Kommilitonen zu den durch den hiesigen Disziplinarausschuss endgültig von jedwedem Studium Ausgeschlossenen dazu.54 Ein weiteres von insgesamt 50 anhängig gemachten Verfahren führte sogar zu einem Freispruch, ganze 40 zu einer Einstellung, darunter auch der Fall des vermeintlich linksradikalen Studenten Hans Durian, der im Sommer 1935 an der Philosophische Fakultät I. Sektion der LMU promoviert wurde.55 Damit ist dem Ergebnis Böhms zuzustimmen, wonach sich die Universität München nicht erkennbar bemüht hatte, oppositionelles Verhalten nachzuweisen, zumal die Verfahren korrekt liefen und die Bestimmungen „eher großzügig“ interpretiert wurden, umso mehr, wenn weder eine KPD-Mitgliedschaft noch eindeutige Beweise bzw. Anhaltspunkte für eine (bewusste) kommunistische Betätigung vorlagen und eine Änderung der politischen Einstellung erkennbar war.56 Auch Scherb spricht im Rahmen ihrer Untersuchung über die Freiburger Studentinnen bzw. Wissenschaftlerinnen davon, dass die politische „Säuberung“ hier nicht allzu konsequent durchgeführt wurde, weil der seit April 1933 amtierende Rektor Martin Heidegger eine eigene Richtung eingeschlagen hatte: „Entscheidend war für ihn allein die Bewährung der Betroffenen in der Gegenwart, denn es ‚sollte die Gesamtheit der Studenten und Professoren, sofern sie guten
aus politischen Gründen vom Studium ausgeschlossen. Vereinigungen mit sozialistischen, marxistischen beziehungsweise pazifistischem Charakter lösten sich bereits im Vorfeld dieser Verordnung auf.“ 52 Vgl. Grüttner, 208. 53 Dorsch, 82. 54 Böhms Feststellung, wonach acht Studierende durch den Disziplinarausschuss und wahrscheinlich noch fünf auf dem Verwaltungswege endgültig ausgeschlossen wurden, ist folglich nicht korrekt. Vgl. Böhm, 141. 55 Vgl. UAM, O-Np-WS 1935/36 A-G. Promotionsakt Hans Durian. 56 Böhm, 138 f.
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Willens war, für den Aufbruch in das neue Reich mobilisiert werden, unbeschadet ihrer […] vormaligen Verirrungen‘“. Speziell den hier zur Relegation anstehenden Frauen kam darüber hinaus zugute, dass sie ihre Verteidigungsstrategie vor dem Disziplinarausschuss größtenteils nicht auf den notwendigerweise durch öffentliche Handlung zu dokumentierenden Nachweis unablässigen Engagements für die nationalsozialistische Ordnung aufbauten. Vielmehr bedienten sie sich des patriarchalisch geprägten Bildes von der Geschlechtsgenossin als „anthropologische(s) Dummchen“57, dessen Vergehen allein auf dem genuin weiblichen Unvermögen, politische Zusammenhänge zu verstehen, basierte. Mit dieser Methode erfüllten sie, so die Historikerin, exakt den Erwartungshorizont ihrer universitären Richter, welche sich offenbar gerne überzeugen ließen. Weil an der LMU lediglich ein Teil der Studentinnen zum Vorwurf kommunistischer Betätigung Stellung bezog, lässt sich nur bedingt nachzeichnen, welche Verteidigungsstrategie die Münchnerinnen im Allgemeinen benutzten, um den Wegweisungen von der Universität bzw. den eingeleiteten Disziplinarverfahren zu begegnen. Wenngleich sich nachweislich zumindest die ehemalige Freiburger Studentin Gertrud Meier im Sinne des von Scherb konstatierten Musters erfolgreich bemüht hatte, als politisch unbedarfter Mensch zu erscheinen, und Annemarie Mittmann indessen zwecklos versuchte, die Argumente des Rektorats ad absurdum zu führen, konnte etwa Steffie Büchenbacher, die vom Sommerhalbjahr 1932 an zwei Semester an der Medizinischen Fakultät immatrikuliert gewesen war, die gegen ihre Person erhobenen Anschuldigungen durch den Verweis auf ihre nonkonforme Verhaltensweise außer Kraft setzen: „Ich habe den Aufruf seinerzeit unterzeichnet, nachdem mir versichert worden war, dass er überparteilich sei. Sowie mir bekannt wurde, dass dies nicht der Fall ist, habe ich meine Unterschrift ausdrücklich zurückgezogen und meinen Namen gestrichen, was an dem Original noch zu sehen sein muss.“58 In ähnlicher Weise äußerte sich auch Gertrud Fraenkel, die mit bestandener volkswirtschaftlicher Diplomprüfung die LMU im April 1933 verließ, während Lotte Schloss, der vorgeworfen wurde, an Veranstaltungen des marxistischen Studentenclubs teilgenommen zu haben, ihren Vater, einen promovierten Justizrat, als offiziellen Rechtsbeistand hinzuzog: „Meine Tochter und auch ich legen […] Wert darauf festzustellen, dass sie sich niemals während ihrer Zugehörigkeit zur Universität München im kommunistischen Sinn betätigt hat. Sie gehörte weder der kommunistischen Partei noch einer ihrer Hilfsorganisationen an. Sie war lediglich Mitglied der Sozialistischen
57 Alle Zitate nach Scherb, 177, 181. 58 UAM, Stud-Straf-26. Steffie Büchenbacher an das Rektorat der Universität München vom 24.10.1933.
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Studentenschaft und trat aus dieser, da sie sich in keiner Weise mehr politisch betätigen wollte, im Sommer-Semester 1931 aus und hat sich auch seit dieser Zeit keiner politischen Hochschulgruppe oder überhaupt einer politischen Gruppe mehr angeschlossen.“59 Weil das Hauptaugenmerk in der bayerischen Landeshauptstadt auf dem Ausschluss der Kommunisten und nicht, wie bspw. in Münster60 oder Berlin, gleichermaßen auf der Vertreibung sozialdemokratischer und sonstiger antinationaler Studenten lag, wurde das Verfahren auch in Fällen wie dem von Schloss eingestellt. Dazu kam, dass die gebürtige Nürnbergerin schon im Wintersemester 1931/32 ihr Studium mit der Lehramtsprüfung abgeschlossen hatte und der Fall zudem weit zurücklag.61 Wie bei der Jüdin Lotte Schloss äußerte sich bei Liesel Levy, die ihr hiesiges Medizinstudium ohne Abgangszeugnis im Mai 1933 abgebrochen und mittlerweile eine Hauslehrerstelle in Venedig angetreten hatte, ebenfalls der Vater stellvertretend zur politischen Einstellung seiner Tochter. Diese wies jegliche innere Verbundenheit des als Zweckmittel dienenden Kommunismus von sich: „Kommunistin sei sie nie gewesen. Sie habe unterzeichnet, weil sie sich damit gegen den Antisemitismus wenden wollte, sie sei Zionistin. Ihre Zugehörigkeit zur zionistischen Studentinnengruppe habe kommunistische Betätigung ohne weiteres ausgeschlossen“62, so die offiziellen Bemerkungen des Sachbearbeiters zum Fall Levy, die vermutlich auf einem nicht mehr vorhandenen Schreiben des elterlichen Fürsprechers beruhten. Obwohl entsprechende polizeiliche Erhebungen keine zusätzlichen nachteiligen Informationen über die aus Pirmasens stammende Frau zutage brachten63, erscheint es im Hinblick auf andere Universitäten dennoch erstaunlich, dass die 22-Jährige – ungeachtet ihres Auslandsaufenthaltes – nicht bereits allein aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit vorsorglich vom weiteren Studium an allen deutschen Hochschulen ausgeschlossen wurde. Das gilt umso mehr, als diese scheinbar unumwunden zugegeben hatte, ein Zeichen gegen den Antisemitismus setzen zu wollen, was im
59 UAM, Stud-Straf-271. Dr. Schloss I an das Rektorat der Ludwig-Maximilians-Universität vom 4.8.1933. 60 Vgl. Pöppinghege, 215. 61 Vgl. Grüttner, 208, sowie UAM, Sen. 431/21. Niederschrift über die Sitzung des Disziplinarausschusses der Universität München vom 30.1.1934. Zu den persönlichen Daten vgl. UAM, StudKartei I (Schloss, Lotte). 62 UAM, Sen. 431/21. Undatierte Übersicht der an der LMU durchgeführten Disziplinarverfahren wegen marxistischer oder sonst antinationaler Betätigung. 63 Vgl. ebd. Polizeidirektion München an das Rektorat der Ludwig-Maximilians-Universität München vom 20.12.1933. Zu den persönlichen Daten vgl. UAM, Stud-Kartei I (Levy, Elisabeth (!)).
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Hinblick auf die Machtergreifung und Ideologie der Nationalsozialisten doppelt schwer wiegen musste. Wenngleich zumindest Ruth Frank, Leo Philippsborn, Fritz Schustermann, Hans Weißbrem, d. h. vier der nachweislich sieben, endgültig vom Studium an allen Hochschulen von der LMU Ausgeschlossenen, Juden waren, gibt es aber selbst in diesem Zusammenhang keinerlei offizielle Belege dafür, dass die Universität München die Entfernung politischer Gegner zur Ausschaltung nichtarischer Studierender genutzt hätte, auch wenn sich unter den insgesamt 59 verdächtigen Studierenden wenigstens vier Frauen und zwölf Männer jüdischer Religion befanden64; wie Leo Philippsborn in seiner 1963 erschienenen Doktorarbeit überdies angibt, habe sich mit dem Historiker Karl Alexander von Müller 1933 sogar ein Professor der Universität München bei Kultusminister Hans Schemm für sein Verbleiben an der LMU eingesetzt.65 In Erlangen mussten dagegen mindestens acht Frauen nichtarischer Herkunft im Mai 1933 die Friedrich-AlexanderUniversität sofort verlassen, darunter sechs jüdische Mitglieder einer verbotenen, sich 1932 vor den AStA-Wahlen konstituierenden „Linken Studentengruppe“.66 In Heidelberg bewegte sich generell die Zahl der endgültig relegierten Kommunisten zwischen 30 und 4067, nach anderen Angaben lag sie bei insgesamt 49.68 In Würzburg beantragte der Führer des NSDStB wegen des Verdachts kommunistischer Betätigung im Mai 1933 ein Disziplinarverfahren. In dessen Rahmen waren auch sechs Frauen angeklagt, darunter vier Jüdinnen, die jedoch nicht vom Studium ausgeschlossen wurden.69 In Freiburg forderte der Führer der Studentenschaft im Juni 1933 den erst seit drei Wochen amtierenden Rektor auf, fünf Frauen und drei Männer zu relegieren, die aufgrund nachgewiesener politischer Betätigung im staatsfeindlichen Sinne als ungeeignet für ein weiteres Studium an einer deutschen Hochschule
64 Die genaue Anzahl konnte nicht errechnet werden, da zu einer Studentin keine Studentenkartei im UAM mehr existiert und bei zwei Kommilitonen keine Angabe über die Religionszugehörigkeit gemacht wurde. 65 Vgl. Leo Philippsborn: Carl von Noorden, ein Deutscher Historiker des 19. Jahrhunderts. Diss. Göttingen 1963, Lebenslauf, künftig zitiert als Philippsborn. 66 Lehmann: Frauenstudium, 491. Alle acht Frauen, die die Universität Erlangen verlassen mussten, wanderten aus. Vgl. ebd., 496, FN 18. 67 Vgl. Norbert Giovanni: „Wer sich nicht bewährt, wird fallen“. Maßnahmen und Grenzen nationalsozialistischer Studentenpolitik. In: Karin Buselmeier/Dietrich Harth/Christian Jansen (Hgg.): Auch eine Geschichte der Universität Heidelberg. 2. unveränderte Auflage Mannheim 1986, 297, künftig zitiert als Giovanni: Studentenpolitik. 68 Vgl. Wolgast, 62. 69 Vgl. Hessenauer, 112.
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erschienen und einige Tage vorher in Schutzhaft genommen worden waren. Zur Bekräftigung des Anliegens wurde weiterhin erklärt, dass es sich bei der überwiegenden Zahl der Verhafteten um Juden oder Halbjuden handle, die man kurze Zeit später namentlich per Aushang im Universitätsgebäude öffentlich anprangerte.70 Auch Spitznagel stellt vor dem Hintergrund der Ausschaltung jüdischer und kommunistischer Studierender die äußerst salopp formulierte These auf, wonach die Verantwortlichen in der Lage gewesen seien, „zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen“71, da sich herausstellte, dass die von der Würzburger Studentenschaft aufgelisteten 15 Kommilitonen in der Hauptsache Juden waren, die allesamt Medizin studierten. So war u. a. das Kontingent für dieses Fach an der Julius-Maximilians-Universität erst im April 1933 auf 130, an der LMU auf 345 und in Erlangen auf 98 Immatrikulationen limitiert und jüdische Neueinschreiber waren grundsätzlich ausgeschlossen worden.72 Darüber hinaus drosselte sowohl das im selben Monat erlassene, im Folgenden noch genauer darzustellende sog. „Überfüllungsgesetz“ den Anteil nichtarischer Studenten ebenso wie das „Gesetz über die Bildung von Studentenschaften an den wissenschaftlichen Hochschulen“, welches anordnete, als Mitglieder der Universität lediglich „Arier“ aufzunehmen: „Die bei einer wissenschaftlichen Hochschule voll eingeschriebenen Studenten deutscher Abstammung und Muttersprache bilden unbeschadet ihrer Staatsangehörigkeit die Studentenschaft dieser Hochschule.“73 Trotz scharfen Drängens des Würzburger Studentenführers nahm sich der Disziplinarausschuss bei der Urteilsfindung im Mai jedoch eher zurück und demonstrierte, dass die jeweiligen Hochschulen in der Praxis einen nicht unerheblichen Entscheidungsspielraum besaßen: So erhielten zwei Studierende lediglich einen einfachen, vier weitere, darunter zwei Juden, einen verschärften Verweis. Vier anderen, ebenfalls jüdischen Kommilitonen wurde die Wegweisung lediglich angedroht, allerdings mit der dringenden Empfehlung, die Universität sobald als möglich, spätestens jedoch am Ende des Sommersemesters 1933, zu verlassen. Zwei jüdische Medizinstudenten hatten ihr Abgangszeugnis schon während des Verfahrens beantragt, bei den restlichen Betroffenen wurde die
70 Scherb, 175. 71 Spitznagel, 275. 72 Vgl. Kapitel II, 2 „Volljuden“. 73 Gesetz über die Bildung von Studentenschaften an den wissenschaftlichen Hochschulen vom 22.4.1933. § 1. In: RGBl. Teil I. Nr. 40. Berlin 1933, 215. Vgl. in diesem Zusammenhang auch Christian H. Klostermann: Die akademische Selbstverwaltung in der Europäischen Union. Stuttgart, München, Hannover u. a. 1997, 107.
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Klage durch die Studentenschaftsführung vorher zurückgezogen.74 Anders als in München waren hier also schon Ende des Monats alle Relegationsverfahren gegen Studierende abgeschlossen, die sich im kommunistischen Sinne betätigt hatten, obwohl die DSt noch Mitte Juni 1933 sämtlichen Einzelstudentenschaften die Fortführung der Verfahren zur Befreiung von solchen Studenten empfohlen hatte75 und die entsprechenden bayerischen Ministerialerlasse erst im Juli und August ergehen sollten. Wie hoch der Anteil der Studierenden war, denen es auf diese Weise reichsweit unmöglich gemacht wurde, einen akademischen Abschluss zu erwerben, bleibt dennoch unklar. Nach Aribert Kraus hatte man bis zum Sommer 1933 etwa 570 aufgrund ihrer antifaschistischen Haltung von den Hochschulen bzw. Universitäten relegiert.76 Das Ergebnis findet sich gleichermaßen in anderen Darstellungen zur Universitätsgeschichte, erscheint nach Meinung von Grüttner wegen unberücksichtigter bzw. fehlerhafter Daten jedoch als wenig zuverlässig.77 Allerdings haben sich – zumindest was die LMU betrifft – auch die Angaben Grüttners als ungenau erwiesen, weshalb der von ihm errechneten Summe von 548 im Zeitraum zwischen 1933 und 1934 aus politischen Gründen vom Studium Relegierten ein gewisser Vorbehalt entgegengebracht werden muss. Ein genaueres Resultat könnte, wie im hier vorliegenden Fall, wohl nur eine individuelle Auswertung der zu jeder Hochschule verfügbaren Quellenbestände erbringen. Dabei wäre zwischen den bereits auf dem Verwaltungswege erfolgten Wegweisungen, den infolge der Ministerialerlasse verhängten Ausschlüssen von allen Hochschulen und einer Gesamtmenge der vor diesem Hintergrund ins Blickfeld der akademischen Behörden geratenen Personen ebenso zu unterscheiden wie nach dem Verhältnis der Geschlechter. Zumindest für letzteres lässt sich immerhin die u. a. bei Grüttner, Scherb, Dageförde und Steffen-Korflür zu findende Tatsache konstatieren, wonach der
74 Vgl. Spitznagel, 276, sowie BayHStA, MK 70327. Staatsministerium für Unterricht und Kultus an den Herrn Rektor der Universität München vom 23.1.1934: „An der Universität Erlangen war ein Disziplinarverfahren eingeleitet, es wurde eingestellt. An der Technischen Hochschule war 1 Verfahren anhängig, das durch Beschluß des Disziplinarausschusses eingestellt wurde. 2 weitere Fälle sind noch nicht abgeschlossen. Die phil.-theol. Hochschulen Bamberg, Dillingen, Freising, Regensburg und Passau und die Hindenburg-Hochschule für Wirtschaft und Sozialwissenschaften in Nürnberg haben Fehlanzeigen erstattet.“ 75 Vgl. Spitznagel, 276. 76 Vgl. Aribert Kraus: In der Barbarei. Universitäten und Hochschulen während der Herrschaft des deutschen Faschismus. In: Magister und Scholaren. Professoren und Studenten. Geschichte deutscher Universitäten und Hochschulen im Überblick. Leipzig, Jena, Berlin 1981, 184. 77 Vgl. Grüttner, 209.
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Anteil relegierter Frauen überproportional hoch gewesen ist bzw. diese im Verhältnis zu ihren Kommilitonen stärker betroffen waren. So verzeichnete Freiburg im Sommersemester 1933 bei 3143 Immatrikulationen einen Frauenanteil von 21 % (656) gegenüber knapp 50 % unter den insgesamt 27 zur Wegweisung Anstehenden (14 Studenten, 13 Studentinnen), während sich in der Hansestadt neben 20 Männern elf weibliche Studierende und damit 35 % zur Exmatrikulation gezwungen sahen, obwohl ihr eigentlicher Prozentsatz an der Studentenschaft der Universität Hamburg gerade einmal bei 24,96 lag.78 An der LMU befanden sich unter den ursprünglich 59 Studierenden, die sich zwischen 1933 und 1934 wegen ihrer politischen Vergangenheit verantworten mussten, 13 Frauen, also 22,03 %, während ihr Anteil an der Studentenschaft der Universität München im Sommersemester 1933 19,32 % (1572), im darauffolgenden Wintersemester 20,8 % (1845) und ein Jahr später 18,02 % (1317) betrug.79 Allerdings wäre es verfehlt, aus dieser – vergleichsweise geringen Differenz – auf eine besonders hohe politische Aktivität der Studentinnen schließen zu wollen. Stattdessen bestand das „Vergehen“ der meisten Frauen lediglich darin, einen verbotenen Wahlvorschlag unterschrieben, Veranstaltungen politischer Studentengruppen besucht oder Flugblätter und Einladungen verteilt zu haben. Das hinterlässt vielmehr den Eindruck reiner Gefälligkeiten bzw. Hilfsdienste, wie sie bspw. auch die Mitglie-
78 Vgl. ebd., 210, Scherb, 180 f., Dageförde, 93 f., sowie Steffen-Korflür, 78. Abweichende Zahlen zur Universität Hamburg finden sich sowohl bei Grüttner, der insgesamt 30 vom Studium ausgeschlossene Studenten konstatiert, sowie bei Bauer/Supplitt, 316: „Von 29 Personen (davon 9 weibliche) wurde angezeigt, daß sie per Verfahren oder nach eigenem Entschluß vom Studium an allen deutschen Universitäten ausgeschlossen worden seien […]. Die Inkriminierten waren zu einem Teil Mitglieder der ‚Roten Studentengruppe‘, in der Mehrzahl der Fälle hatten sie jedoch lediglich die Wahllisten dieser Gruppe unterschrieben. Es ist erschreckend festzustellen, mit welcher Bereitwilligkeit bereits Anfang 1933 dem damaligen Syndikus der Universität, Dr. Niemann, auf seine Bitte hin von der Studentenschaft diese Listen – die z. T. bis ins Jahr 1931 zurückreichen – zur Verfügung gestellt werden, wie zudem einer der Fachschaftsleiter erklärt, einige noch in den Fachschaften tätige Kommunisten würden demnächst angezeigt und aus der Fachschaftsarbeit entfernt werden. Im gleichen Jahre konnten es sich nationalsozialistische Studenten bereits herausnehmen, Kommilitonen, die der ‚Roten Studentengruppe‘ angehörten, am Betreten der Universität zu hindern, ohne daß dies ein disziplinarisches Nachspiel gehabt hätte“. 79 Zahlen errechnet nach Personenstand der Ludwig-Maximilians-Universität München. Sommer-Halbjahr 1933. I. Teil: Nach dem Stande vom 5. Juli 1933. II. Teil: Nach dem Stande vom 31. Mai 1933. München 1933, 151, Personenstand der Ludwig-Maximilians-Universität München. Winter-Halbjahr 1933/34. I. Teil: Nach dem Stande vom 10. Januar 1934. II. Teil: Nach dem Stande vom 30. November 1933. München 1934, 156, sowie Personenstand der Ludwig-MaximiliansUniversität München. Sommer-Halbjahr 1934. I. Teil: Nach dem Stande vom 10. Juli 1934. II. Teil: Nach dem Stande vom 1. Juni 1934. München 1934, 148.
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der der ANSt während der Weimarer Republik für ihre Kommilitonen im NSDStB leisteten. Unberücksichtigt bleibt in diesem Zusammenhang, wie viele Studentinnen und Studenten ihr Studium allein aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten aufgeben mussten, nachdem schon im Frühjahr 1933 Hochschulvergünstigungen an jüdische oder marxistische Stipendiaten nicht mehr gewährt werden durften. Adolf Hans Sotier, der zu diesem Zeitpunkt an der Universität München Medizin studierte und angesichts der Arbeitslosigkeit seines Vaters nicht in der Lage war, die anfallenden Gebühren zu bezahlen, erinnert sich: „Als ich eines Tages bei der medizinischen Fachschaft vorsprach, um die Frage weiterer Hörgeldermäßigung zu klären, brüllte mich der neue Fachschaftsleiter, ein gewisser Kramer, ein Supernazi, der sogar in SA-Uniform vor mir stand, wie ein wildgewordener Stier an: ‚Was, du studierst noch? Du gehörst ja schon längst von der Uni relegiert. Für den Sohn eines Linken, eines ehemaligen Mitarbeiters der ‚Münchener Post‘ haben wir keinen Platz an der Uni. Ich werd‘ dafür sorgen, daß du fliegst!‘“80 Wie Sotier selbst angibt, konnte er sein Studium dennoch Ende 1936 mit der Approbation abschließen, da es ausgerechnet dem Bruder Kramers, einem Arzt und Bekannten des jungen Studenten, gelungen sei, den Fachschaftsleiter umzustimmen. Wenngleich es fragwürdig erscheint, ob Letztgenannter ohne stichhaltige Beweise für eine antinationale Tätigkeit die Relegation des angehenden Mediziners herbeiführen hätte können, steht dieses Beispiel doch für die Beschneidung der studentischen Existenzberechtigung. Ihr sahen sich nach 1933 in erster Linie nichtarische und politisch unliebsame Studierende wie Leo Philippsborn ausgesetzt, der schon 1932 mit dem Gesetz in Konflikt gekommen war, weil er am Tag der Reichspräsidentenwahl in einem Münchner Wahllokal einen schwarzen Russenkittel mit Sowjetstern und damit eine verbotene Uniform getragen hatte.81 In seiner 30 Jahre nach dem endgültigen Ausschluss vom Studium an sämtlichen deutschen Hochschulen erschienenen Doktorarbeit schildert der Sohn eines Diplomkaufmannes seinen Werdegang: „Eine nach der erzwungenen Aufgabe meines Studiums in Berlin begonnene Mechanikerausbildung konnte ich, im Februar 1934 zum Verlassen des Dritten Reiches genötigt, in Holland beenden,
80 Adolf Hans Sotier: Und so hab’ ich es mitbekommen… Jugend und Studium unter NS-Herrschaft. In: Landeshauptstadt München (Hg.): Verdunkeltes München. Geschichtswettbewerb 1985/1986. Die nationalsozialistische Gewaltherrschaft, ihr Ende und ihre Folgen. Buchendorf 1987, 132. 81 Vgl. StAM, AG 42927. Urteil gegen Leo Philippsborn vom 4.6.1932. Da ein strafbarer Tatbestand nicht nachgewiesen werden konnte, wurde Philippsborn jedoch freigesprochen.
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wo ich bis 1951 geblieben bin, um dann nach Israel auszuwandern und dort fünf Jahre in einem Kibbuz und schließlich als Privatsekretär Martin Bubers zu arbeiten. 1956 nach Deutschland zurückgekehrt, war ich zunächst als Redakteur der „Neuen Ruhr Zeitung“ in Essen und als Rundfunkautor tätig, bis ich von 1957– 1959 als freier Mitarbeiter im Institut für Zeitgeschichte in München Aufnahme fand. Von 1959–1962 habe ich als Sachbearbeiter der Deutschen Forschungsgemeinschaft eine „Denkschrift Geschichte“ entworfen; seither konnte ich mich mithilfe eines mir vom Stifterverband für die deutsche Wissenschaft gewährtem Stipendiums auf die Promotion vorbereiten.“82 Auch sein Kommilitone Walter Schäffler, der ebenso wie Ruth Frank, Annemarie Mittmann, Fritz Schustermann, Franz Stettmeier, Hans Weißbrem und wahrscheinlich auch Rudolf Zahn durch die LMU vom Hochschulstudium ausgeschlossen worden war, sah sich infolgedessen gezwungen, seine akademische Ausbildung bis Kriegsende zurückzustellen: „Im Jahre 1933, nach Beendigung des 8. medizinischen Semesters, wurde ich als Antifaschist vom Hochschulstudium ausgeschlossen. In den folgenden Jahren Tätigkeit als Vertreter, Schriftenzeichner, Hilfsschlosser und zuletzt 2 Jahre als Laborant in einer hochfrequenz-technischen Firma. Von 1940 bis 1945 bei der Wehrmacht. Nach Rückkehr aus der amerikanischen Gefangenschaft 1947 Wiederaufnahme des medizinischen Studiums in München.“83 Allerdings kann an dieser Stelle u. a. aus Mangel an Quellen keine umfangreiche biographische Darstellung weiterer Lebenswege vorgenommen werden, wie sie bspw. Ditte Clemens über die kommunistische Widerstandskämpferin und Berliner Studentin Liselotte (Lilo) Herrmann84 oder Resi Huber und Karl Heinz Jahnke über den in München wohnhaften, 1938 von der SS ermordeten Medizinstudenten Heinz Eschen vorgelegt haben.85 Dennoch zeigt sich exemplarisch am
82 Philippsborn, Lebenslauf. 83 Walter Schäffler: Ein Fall von Frühmanifestation der Chorea Huntington, zugleich als Beitrag zur Frage der exogenen Auslösung. Diss. Leipzig 1956, Lebenslauf. 84 Vgl. Ditte Clemens: Schweigen über Lilo. Die Geschichte der Liselotte Herrmann. Ravensburg 1995. Neben dieser literarischen Verarbeitung von Herrmanns Lebensgeschichte vgl. exemplarisch den Lexikoneintrag zu Lieselotte [sic!] Herrmann bei Helmut Roewer/Stefan Schäfer/Matthias Uhl: Lexikon der Geheimdienste im 20. Jahrhundert. München 2003, 199 f. 85 Vgl. Huber: Studienfach, 48–51, sowie Karl Heinz Jahnke: Heinz Eschen – Kapo des Judenblocks im Konzentrationslager Dachau bis 1938. In: Wolfgang Benz/Barbara Distel (Hgg.): Dachauer Hefte. Heft 7. Solidarität und Widerstand. Dachau 1991, 25–33. Zu Heinz Eschen konnten weder die Studentenkarte noch sonstige Quellen im UAM aufgetan werden. Weitere Informationen zu seinem Leben finden sich jedoch im Archiv der KZ-Gedenkstätte Dachau, darunter der Auszug aus dem computerisierten Häftlingsregister, Gefangenennummer 4527, sowie die Erinnerungen von Alfred Eduard Laurence vom 3.7.1939: Heinz Eschen zum Gedenken. KZ-Gedenkstätte Dachau. Archiv 9394.
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Fall von Helmut Kormann, dass offenbar aber selbst die Einstellung eines Hochschulverfahrens noch Jahre später gravierende Konsequenzen nach sich ziehen konnte. Kormann stellte sich bei den AStA-Wahlen 1932/33 als Kandidat des kommunistischen Wahlvorschlages zur Verfügung, war kurzzeitig Organisationsleiter der kommunistischen Studentenfraktion (Kostufra) gewesen und durch eine handgreifliche Auseinandersetzung mit Nationalsozialisten im Studentenhaus aufgefallen. Bereits am 10. März 1933 nahm man den Sohn eines Studienrates in Schutzhaft und überführte ihn ins Konzentrationslager Dachau, aus dem er ein halbes Jahr später wegen einer Knieerkrankung entlassen wurde. Aufgrund des zwischenzeitlich von der Universität München gegen den Mathematikstudenten eröffneten Disziplinarverfahrens sah sich dieser im Frühsommer 1934 veranlasst, Belege für seine politische Zuverlässigkeit zu erbringen. Eine geschickte Verteidigungsstrategie sowie zahlreiche „Persilscheine“, die dem 23-Jährigen eine zeitweilige Verirrung seiner Gesinnung bescheinigten, führten schließlich zu einem positiven Ergebnis: „Mit Rücksicht darauf, daß Kormann sich im Sammellager Dachau ein steifes Bein zugezogen hat, durch den Einfluß eines früheren Lehrers Kommunist geworden ist und sich nach den vorgelegten Zeugnissen offenbar vom Kommunismus abgewendet hat, wird Einstellung des Verfahrens angemessen sein.“86 Obwohl Helmut Kormann sein Studium nun in München hätte fortführen können, schrieb er sich im Wintersemester 1934/35 mit Genehmigung des thüringischen Ministers für Volksbildung an der Friedrich-Schiller-Universität Jena ein. Nachdem der gebürtige Neustädter im Oktober 1939 die Lehramtsprüfung bestanden hatte, bewarb er sich erfolglos um die Aufnahme ins Referendariat: „Im Hinblick darauf, daß Sie nach Ihrer Entlassung aus dem Konzentrationslager Dachau nicht den Versuch unternommen haben, Ihre angeblich positive Einstellung zum nationalsozialistischen Staat durch aktive Mitarbeit in einer Gliederung der Partei […] unter Beweis zu stellen, sehe ich mich zu meinem Bedauern nicht in der Lage, Ihrem Gesuch um Zulassung zum Vorbereitungsdienst für das Lehramt an höheren Schulen zu entsprechen“87, so die Begründung des thüringischen Ministers für Volksbildung. Seinem Kommilitonen Richard Wolfseher, dessen ursprüngliche Relegation durch Einstellung des Verfahrens von der LMU endgültig aufgehoben worden war, wurde dagegen eine Verhaftung durch die Politische Polizei Nürnberg im Mai 1936 erneut zum Verhängnis. Wolfseher, der sich zu diesem Zeitpunkt in
86 UAM, Stud-Straf-161. Unterlagen zur Sitzung des Disziplinarausschusses vom 13.6.1934. 87 Ebd. Der Thüringische Minister für Volksbildung an Helmut Kormann vom 27.1.1940.
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Erlangen aufgehalten hatte, um sich auf das Staatsexamen in Germanistik vorzubereiten, wandte sich infolge der Ereignisse an das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus, um zu klären, ob ihm nach diesem Zwischenfall noch die Zulassung zum Examen gewährt werden würde. Wie Kormann musste jedoch auch der Philologe einen abschlägigen Bescheid hinnehmen und konnte damit seine Lehramtsprüfung nicht ablegen.88 Das Beispiel der beiden Studenten verdeutlicht die rigiden Auslesemaßnahmen der neuen Machthaber, die fehlende oder mangelnde Loyalitätsbeweise mit weitrechenden beruflichen und existenziellen Konsequenzen für die Betroffenen zu strafen wussten. Vor diesem Hintergrund erscheint es wenig verwunderlich, das bspw. allein in Bayern selbst organisierte Untergrundtätigkeiten oppositioneller Gruppen innerhalb der Arbeiterschaft ab Mitte der 1930er Jahre immer weiter an Umfang und Bedeutung verloren und eine Betätigung der früheren kommunistischen und marxistischen Organisationen nicht mehr wahrgenommen wurde.89 Diese Entwicklung lässt sich gleichermaßen an der Universität München beobachten. Hier musste man zum letzten Mal im Januar 1935 die Angelegenheit eines 1931 als Werber für die sozialistische Studentengruppe aufgetretenen Studierenden behandeln, der überdies 1932 Mitglied der Roten Studentengruppe sowie der KPD in Göttingen gewesen war. Da Heinrich Dorscheid die Universität Göttingen im Wintersemester 1932/33 verlassen hatte und durch selbige nicht mehr vom Studium ausgeschlossen werden konnte, versehentlich aber nicht auf die an allen Hochschulen im Umlauf befindlichen Relegationslisten gesetzt worden war, konnte sich der aus Sulzbach stammende Mann im Sommersemester 1933 ungehindert an der LMU einschreiben. Nachdem seine frühere kommunistische Betätigung im Juni 1934 doch noch amtlich bekannt wurde, hatte man rückwirkend auf das Sommerhalbjahr 1933 die Einschreibung für ungültig erklärt: „Nach dem Bericht des Rektors der Universität München liegen bis jetzt keine bestimmten Anhaltspunkte dafür vor, daß die kommunistische Betätigung des Dorscheid lediglich eine jugendliche, mittlerweile mit Entschiedenheit abgelegte Verirrung
88 Vgl. BayHStA, Reichsstatthalter 650/3. Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus an Richard Wolfseher vom 27.8.1936. 89 Vgl. Lage der Arbeiterschaft, Arbeiteropposition, Aktivität und Verfolgung der illegalen Arbeiterbewegung 1933–1944. Dokumente. In: Martin Broszat/Elke Fröhlich/Falk Wiesemann (Hgg.): Bayern in der NS-Zeit. Soziale Lage und politisches Verhalten der Bevölkerung im Spiegel vertraulicher Berichte. München, Wien 1977, 207–327, hier 271.
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war. Der Rektor der Universität München ist daher nicht in der Lage, das Gesuch um Aufhebung der Streichung zu befürworten.“90 Erst im Dezember 1936, also knapp zwei Jahre später, lassen sich erneut vereinzelte Zeichen kommunistischer Aktivität in Form eines anonymen Flugblattes belegen. Es beklagte den „tiefsten Verfall“ der deutschen Hochschule seit Metternich sowie den Tod der freien Forschung und rief zur sozialen und nationalen Befreiung durch die klassenlose Gesellschaft des Kommunismus auf: „Volkswirte! Die deutsche Wirtschaft ist eine Armeeintendantur. […] Juristen! Edgar Andre [sic!] ist tot. Philologen! Mit der Kritik ist der letzte Rest freier Meinung verboten. Mediziner! Nach politischen Gesichtspunkten wird sterilisiert. Chemiker! Ingenieure! Letztes Ziel eurer Arbeit sind die Giftgase und Bomber des nächsten Krieges. Zeitungswissenschaftler! Kein Deutscher vertraut mehr der deutschen Presse. Das ist die Lage, Kameraden! Die dümmsten Söhne der herrschenden Klasse dürfen durch das Geld ihrer Väter studieren. Der klügste Arbeitersohn hat keine Aufstiegsmöglichkeit, weil er kein Geld hat. Die Klassen sind verewigt. Das WHW [Winterhilfswerk/P. U.] mildert Folgen der Not, ohne die Ursachen zu sehen. Statt Kultur gab man euch Uniformen, statt Butter Kanonen.“91 Eine Weiterleitung des vor dem Eingang des Studentenwerkes aufgefundenen Aushanges an die lokale Polizeidirektion zur weiteren Veranlassung blieb jedoch offensichtlich ebenso ergebnis- bzw. folgenlos wie eine Anfrage des Zeitungswissenschaftlers Karl d’Ester, der sich im Juni 1936 bei Dekan Walther Wüst erkundigte, ob es sich bei einer von ihm betreuten Doktorandin um eine „verkappte russische Kommunistin“ handele: „Ich bitte um Rückäusserung, ob irgendwelche Bedenken bestehen, daß Frl. Kabul ihre Arbeit zu Ende führt und zur Promotion zugelassen wird“92; Wüst entkräftete diese Sorge. Vereinzelte Vorfälle wie die des Studenten Josef Basalyk, der im April des Jahres verdächtigt wurde, Kontakte mit tschechoslowakischen Kommunisten zu unterhalten93, schlugen sich dagegen nur mehr in den Akten der Politischen Polizei, nicht im Bereich der universitären Gerichtsbarkeit nieder, womit die Auslese von oppositionellen Studierenden an der LMU offiziell als abgeschlossen gelten konnte.
90 BayHStA, MK 70327. Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus an den Herrn Reichsminister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung vom 15.1.1935. Zu den persönlichen Daten vgl. UAM, Stud-Kartei I (Dorscheid, Heinrich). 91 Alle Zitate nach UAM, F-II-13 Band 11, Unterakt VIII. Undatiertes Flugblatt „Kameraden! Weitergeben!“ vom Dezember 1936. 92 UAM, O-N-5a. Studienanfragen 1935/36 G-K. Karl d’Ester an Walther Wüst vom 12.6.1936. 93 Vgl. StAM, LRA 58375. Bayerische Politische Polizei an den Herrn Vorstand des Bezirksamtes München vom 11.9.1936.
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2 „Volljuden“ Da die bisherigen Maßnahmen zur Eindämmung der Abiturienten- bzw. Studierendenzahlen, wie zum Beispiel die Aussicht, nur dann an einer höheren Lehranstalt Anstellung zu finden, wenn dies bereits beim Verlassen der Mittelschule vom Ministerium eröffnet wurde, nicht den erwünschten Erfolg gezeigt und teilweise lediglich zu einer Verschiebung innerhalb der Fächer geführt hatten94, folgten nach Regierungsantritt der Nationalsozialisten eine Vielzahl weiterer Restriktionen. Weil sich darüber hinaus auch die Länder bereits vor 1933 zu einer einheitlichen Durchführung des Hochschulzugangs veranlasst sahen, musste nach der Ländervereinbarung vom 15. Februar 1933 ab Ostern künftig eine Prüfungskommission an jeder Schule und für jeden einzelnen Abiturienten aktenmäßig feststellen, „ob ihm nach seinen menschlichen und geistigen Anlagen, seinen Neigungen und Leistungen“95 vom Studium abzuraten sei. Dass diese Methode in der Praxis nicht zwangsläufig den gewünschten Erfolg zeigte, verdeutlicht eine entsprechende Aufstellung zum Medizinstudium an der Universität München. So befanden sich zu Beginn des Sommersemesters 1933 unter 241 männlichen Gesuchstellern allein zwölf, die den entsprechenden Vermerk im Reifezeugnis führten, wonach ihnen vom Studium abgeraten worden war, während bei ihren – wenngleich zahlenmäßig auch schwächer vertretenen – potentiellen neuen Kommilitoninnen von 71 Abiturientinnen keine einzige betroffen war.96 Diejenigen, die sich trotz eines abschlägigen Bescheids immatrikulierten, konnten jedenfalls nicht mit einer wirtschaftlichen Unterstützung rechnen und sollten während ihrer ersten drei Semester einer besonderen Überwachung unterstehen, d. h. die „eigentliche Entscheidung und die damit verbundene Arbeit blieb somit bei den Hochschulen“97; die Fakultäten der LMU erklärten sich trotz kritischer Töne grundsätzlich mit dieser Regelung einverstanden. Wie Dr. Joachim Haupt, Ministerialrat im Ministerium für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung, in seiner 1933 im Rahmen der Schriftenreihe „Das Recht der nationalen Revolution“ erschienenen Abhandlung feststellte, machte die allgemeine Beschränkung des Schul- und Hochschulzuganges „besondere Anordnungen bezüglich des Anteils der Personen nichtarischer Abstammung an dem Besuch dieser Bildungsanstalten erforderlich“, schwäche der geistige und wirtschaftliche Einfluss der Fremdstämmigen doch die „einheitliche Gesinnung und
94 UAM, G-I-5 Band 2. Rektor an J. M. N. Kapteyn vom 9.3.1933. 95 RMBl. Teil I. 61. Jahrgang. Nr. 13. Berlin 1933, 112. 96 Vgl. UAM, G-I-5 Band 2. Aufstellung vom 9.5.1933. 97 Böhm, 143.
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die geschlossene nationale Kraft des deutschen Volkes und Staates. Ein Volk von Selbstachtung kann vor allem seine höheren Tätigkeiten nicht in so weitem Maße, wie es bisher in Deutschland geschehen ist, durch Fremdstämmige wahrnehmen lassen. […] Die Zulassung eines im Verhältnis zum Volksganzen zu großen Anteils Fremdstämmiger an den höheren Berufen würde als Anerkennung der geistigen Überlegenheit anderer Rassen gedeutet werden.“98 Ausgehend von dem Faktum, dass die Nationalsozialisten an der „Ausmerzung der Ueberzahl jüdischer Intellektueller aus dem Kultur- und Geistesleben“ interessiert waren, um dem „natürlichen Anrecht Deutschlands auf arteigene geistige Führung“99 gerecht zu werden, sowie der Tatsache, dass Adolf Hitler bereits im August 1928 von einer fortschreitenden „Verjudung“100 in der Kunst, den Universitäten, der Ärzteschaft sowie im Richterstand gesprochen hatte, wurde das Studium für „Nichtarier“ bereits kurz nach Regierungsantritt der neuen Machthaber durch das „Gesetz gegen die Überfüllung deutscher Schulen und Hochschulen“ vom 25. April 1933 in einem ersten Schritt reglementiert. Das sog. „Überfüllungsgesetz“, das wenige Tage vor seiner Verabschiedung noch den Titel „Gesetz gegen die Überfremdung der deutschen Schulen und Hochschulen“101 trug, beinhaltete zwei Ziele: Zum einen bezweckte es eine deut-
98 Joachim Haupt: Neuordnung im Schulwesen und Hochschulwesen. Berlin 1933, 14 f. 99 Reichskanzler Adolf Hitler und die Aerzte. In: Bayerische Ärztezeitung. Bayerisches ärztliches Correspondenzblatt. Nr. 15. 36. Jahrgang. München 1933. 100 Rede Adolf Hitlers auf der Generalmitgliederversammlung der NSDAP/NSDAV e. V. in München am 31.8.1928, abgedruckt in Dusik/Lankheit, 35–47, hier 43. Vgl. dazu auch das Schreiben Adolf Hitlers an Reichspräsident von Hindenburg vom 5.4.1933, abgedruckt in Akten zur deutschen auswärtigen Politik 1918–1945. Serie C: 1933–1937. Das Dritte Reich: Die ersten Jahre. Band I, 1. 30. Januar bis 15. Mai 1933. Göttingen 1971, 253–255, hier 253: „Die Abwehr des deutschen Volkes gegenüber der Überflutung gewisser Berufe durch das Judentum hat zwei Gründe: Erstens das ersichtliche Unrecht, das durch die unerhörte Zurücksetzung des deutschen Staatsvolkes gegeben ist. Denn es gibt heute eine ganze Reihe von Intelligenzberufen, z. B. die Berufe der Rechtsanwälte und der Ärzte, in denen an einzelnen Orten des Reiches […] das Judentum bis zu 80 % und darüber alle Stellen besetzt hält. […] Zweitens die schwere Erschütterung der Autorität des Staates, die dadurch bedingt wird, daß hier ein mit dem deutschen Volke nie ganz verwachsener Fremdkörper, dessen Fähigkeit in erster Linie auf geschäftlichem Gebiet liegt, in die Staatsstellungen drängt und hier das Senfkorn für eine Korruption abgibt, von deren Umfang man auch heute noch keine annähernd genügende Vorstellung besitzt.“ 101 Vgl. exemplarisch für diesen vielfach in der Literatur erwähnten Hinweis Albrecht Götz von Olenhusen: Die „nichtarischen“ Studenten an den deutschen Hochschulen. Zur nationalsozialistischen Rassenpolitik 1933–1945. In: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte. 14. Jahrgang. Stuttgart 1966, 177 f., künftig zitiert als Olenhusen, der sich auf die Akten des Bundesarchivs Koblenz, Reichskanzlei, R 43 II/943, 3–12, stützt und die innen- und außenpolitischen Gründe, die im Wesentlichen auf eine Vertuschungspolitik gegenüber dem Ausland hinausliefen, für die
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liche Reduzierung der Studierenden und verwirklichte damit Überlegungen, welche schon 1932 zwischen Preußen und einigen anderen Ländern angestellt worden waren. Das heißt, man knüpfte an Methoden zur Zugangsbeschränkung des Hochschulstudiums an, die bereits gegen Ende der Weimarer Republik zur Diskussion standen.102 Zum anderen folgte es einer „antijüdischen Stoßrichtung“103, indem es die Anzahl jüdischer Studierender zu beschränken suchte, auch wenn das Gesetz zunächst den Eindruck vermittelte, als sei an ihre generelle Ausschaltung nicht gedacht, nachdem § 1 allgemein die Begrenzung von Schüler- und Studentenzahlen vorsah.104 Die Landesregierungen konnten dabei sowohl die zahlenmäßigen Neuaufnahmen an den Schulen als auch an den Fakultäten festlegen, wobei für 1933 sogar die Möglichkeit bestand, die Zahl der bereits zugelassenen Schüler bzw. Studenten wieder zu senken. Demgegenüber hieß es jedoch in § 4 Abs. 1, bei den Neuaufnahmen sei darauf zu achten, dass „die Zahl der Reichsdeutschen, die […] nicht arischer Abstammung sind, unter der Gesamtheit der Besucher jeder Schule und jeder Fakultät den Anteil der Nichtarier an der reichsdeutschen Bevölkerung nicht übersteigt.“ Der Gesamtanteil der in jeder Fakultät neu aufgenommenen Reichsdeutschen nichtarischer Abstammung durfte einen auf 1,5 % festgelegten Anteil allerdings nicht überschreiten, in Hinblick auf die Gesamtfrequenz einer Universität oder Fakultät legte man zudem eine maximale Zahl von 5 % fest.105
Abänderung des Gesetzes darstellt, sowie Uwe Dietrich Adam: Judenpolitik im Dritten Reich. Düsseldorf 2003, 52 f., künftig zitiert als Adam: Judenpolitik. 102 Vgl. Clephas-Möcker/Krallmann: Studentinnenalltag, 179. Über die Forderungen nach Zulassungsbeschränkungen vor 1933 vgl. Kapitel I, 1.1 Die gesellschaftliche Haltung gegenüber den Studentinnen. 103 Adam, 86. 104 Vgl. Gesetz gegen die Überfüllung deutscher Schulen und Hochschulen. Vom 25. April 1933. § 1. In: RGBl. Teil I. Nr. 43. Berlin 1933, 225: „Bei allen Schulen außer den Pflichtschulen und bei den Hochschulen ist die Zahl der Schüler und Studenten soweit zu beschränken, daß die gründliche Ausbildung gesichert und dem Bedarf der Berufe genügt ist.“ 105 Vgl. UAM G-I-5 Band 2. Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus an die Herren Rektoren der drei Landesuniversitäten und der Technischen Hochschule München vom 21.10.1933. Als neu aufgenommen galten diejenigen Studenten, welche in der jeweiligen Fakultät, in der sie sich aufnehmen ließen, noch nicht an einer reichsdeutschen Hochschule eingeschrieben waren. In Bezug auf die Neuaufnahmen sowie die Gesamtfrequenz innerhalb der Fakultäten konnte auch noch nach Fachrichtungen differenziert werden. Vgl. Nr. 5 der ersten Verordnung zur Durchführung des Gesetzes gegen die Überfüllung deutscher Schulen und Hochschulen vom 25. April 1933. In: RGBl. Teil I. Nr. 43. Berlin 1933, 226.
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Als nichtarisch galt dabei, „wer von nicht arischen, insbesondere jüdischen Eltern oder Großeltern“106 abstammte, wobei es genügte, wenn ein Eltern- oder Großelternteil nicht arisch war. Dies war besonders dann anzunehmen, wenn ein Eltern- oder Großelternteil der jüdischen Rasse angehört hatte. Abgeschwächt wurde das Überfüllungsgesetz lediglich durch eine Ausnahmeregelung in § 4 Abs. 3. Diese sah vor, dass „Reichsdeutsche nicht arischer Abstammung, deren Väter im Weltkriege an der Front für das Deutsche Reich oder für seine Verbündeten gekämpft“107 hatten, sowie Halb- und Vierteljuden aus vor dem Inkrafttreten des Gesetzes geschlossenen Ehen nicht unter die Verordnung fielen, womit schon vor dem geläufigen Gebrauch der Bezeichnung „Mischling ersten oder zweiten Grades“ eine diesbezügliche Ausnahmeregelung getroffen worden war.108 Weil bereits vor dem offiziellen Erlass dieses Reichsgesetzes eine Mitteilung des Reichsministers des Innern erging, wonach der Neuzugang von „Nichtariern“ zu den Hochschulen beschränkt werden würde, ließ man entsprechende Studierende zunächst nur in widerruflicher Weise in einer gesonderten Liste zur Immatrikulation bzw. Kartenerneuerung an der LMU zu. Nach Ablauf der Meldefrist galt es, die Zahlen der in diesem Zusammenhang gemeldeten reichsdeutschen arischen und nichtarischen Studierenden sowie ihre Gesamtmenge in jeder Fakultät zu bestimmen, um aus dem Ergebnis die Höchstzahlen der Erstaufnahmen nach den Durchführungsbestimmungen des Überfüllungsgesetzes festlegen zu können.109 Trotz der rigiden Beschränkung der „Nichtarier“ an deutschen Hochschulen zeigte man sich mancherorts unzufrieden mit den Ausführungsbestimmungen des Gesetzes. So kritisierte bspw. der Führer der Studentenschaft an der TH zu Berlin u. a. die in § 4 getroffene Regelung, wonach 5 % nichtarische Studenten bei einer Senkung der Schüler- und Studentenzahl „restlos untragbar“ sei. Verbunden mit der Tatsache, dass Söhne von Frontkämpfern und Halbjuden in dieser Berechnung nicht eingeschlossen seien, ergäbe sich für die TH eine den bisherigen Prozentsatz von „Nichtariern“ übersteigende Situation, welche sich besonders auf Fakultäten wie Bergbau, Chemie und Maschinenbau auswirken würde: „Das Gesetz wird also zur Folge haben, dass bei einer Herabminderung der
106 Erste Verordnung zur Durchführung des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 11.4.1933. In: RGBl. Teil I. Nr. 37. Berlin 1933, 195. 107 Vgl. Gesetz gegen die Überfüllung deutscher Schulen und Hochschulen. Vom 25. April 1933. § 4. In: RGBl. Teil I. Nr. 43. Berlin 1933, 225. 108 Vgl. Olenhusen, 179. 109 Vgl. UAM, G-I-5 Band 2. Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus an die Herren Rektoren der drei Landesuniversitäten und der Technischen Hochschule München vom 21.10.1933.
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Anzahl der Juden in bestimmten Fakultäten der Universität diese zur Hochschule wandern werden.“ Zum „Schutz vor einer jüdischen Überflutung“110 bat man um eine entsprechende Änderung des Gesetzes bzw. die Erlaubnis, die vorgesehenen Prozentsätze als Höchstzahlen zu verstehen und es den einzelnen Hochschulen selbst zu überlassen, diese nach unten zu korrigieren; Halbjuden und Söhne von Frontkämpfern sollten zudem auf die Zahlen angerechnet werden können. Am chemisch-technischen Laboratorium der TH München weigerte sich bspw. die Mehrheit der Übungsteilnehmer, mit jüdischen Kommilitonen in der gleichen Gruppe zusammenzuarbeiten. Das veranlasste den Vorstand des Labors – allerdings in Unkenntnis des Überfüllungsgesetzes – zu der Auffassung, wonach die Studierenden gegenüber solchen an der Hochschule zugelassenen Juden eine „gewisse Duldung“111 zu üben hätten. An der LMU richtete sich dagegen der Führer der Studentenschaft, Karl Gengenbach, der bereits vor 1933 aus seiner fremden- bzw. judenfeindlichen Gesinnung keinen Hehl gemacht hatte112, nur zwei Tage nach Bekanntgabe des Überfüllungsgesetzes mit einer schriftlichen Stellungnahme an die Studierenden. Mit diesem Schreiben machte Gengenbach klar, dass man sowohl auf lokaler als auch auf Länderebene sämtliche antisemitischen Maßnahmen unterstützte: „Wir wissen, dass weite Kreise der Studentenschaft erregt darüber sind, dass die Säuberung an der Universität München von jüdischen Dozenten und Assistenten und von Professoren, die infolge ihrer nationalpolitischen Haltung nicht in der Lage sind, die Studierenden weiter zu unterrichten, bis heute keinen weiteren Umfang genommen hat. Ich betone deshalb hier ausdrücklich, dass die Massnahmen des Herrn Staatsministers Schemm und des Herrn Rektors und der Studentenschaft noch nicht beendet sind, sondern sich in ihrem Anfang befinden. Alle die erwähnten Amtsstellen sind gewillt und werden ihre ganze Arbeitskraft daransetzen, dass auch der letzte Dozent, Assistent oder Student von der Hochschule entfernt wird, der nicht auf die Hochschule des neuen Staates passt.“113 In Erlangen hatte man bereits 1932 in der Medizinischen Fachschaft den Beschluss gefasst, Juden, Judenstämmige sowie Ausländer nichtdeutscher Abstammung aus der Organisation auszuschließen.114
110 Alle Zitate nach BArch, NS 38/2019. Großdeutsche Studentenschaft der Technischen Hochschule zu Berlin an Gerhard Krüger vom 27.4.1933. 111 HATUM, RA C378. Chem. Techn. Laboratorium der Technischen Hochschule München an das Rektorat der Techn. Hochschule München vom 18.12.1933. 112 Vgl. Kapitel I, 2.1 Die Radikalisierung der Studentenschaft. 113 UAM, Sen. 559. Karl Gengenbach an die Studentenschaft der Universität München vom 27.4.1933. 114 Vgl. Franze, 160.
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Was die Zulassung von Ausländern und ausländischen „Nichtariern“ betraf, so enthielt das Reichsgesetz vom 25. April keinerlei Bestimmungen, weshalb die Entscheidung im Ermessen der jeweiligen Landesregierungen bzw. einzelnen Hochschulen lag. Eine Ministerialentschließung vom 26. September 1933 sah schließlich vor, Reichsausländer jüdischer Abstammung nur nach Genehmigung des Staatsministeriums für Unterricht und Kultus an den bayerischen Hochschulen zuzulassen.115 Wenngleich sich, wie Böhm zeigt, die Fakultäten offenbar auch weiterhin für eine „ausländerfreundliche Hochschulpolitik“116 aussprachen, postulierte der Führer der DSt in einem Rundschreiben vom 11. Mai 1933 eine antisemitisch motivierte Trennung von jüdischen und arischen Ausländern. Während bei erstgenannten grundsätzlich eine Abweisung erfolgen sollte, bestand bei letzteren „in allen Fällen, in denen durch ein Studium in Deutschland eine Beeinflussung in deutschfreundlichem Sinne garantiert ist, das grösste Interesse“117 an einer Aufnahme. Eine Ablehnung sollte dementsprechend nur in solchen Fächern ausgesprochen werden, bei denen die Verbreitung wissenschaftlicher Erkenntnisse im Interesse der Selbsterhaltung des Volkes im Ausland nicht wünschenswert war. Für die Universität München war außerdem noch die bereits im Vorfeld getroffene Entschließung des Staatsministeriums des Innern vom 4. April 1933 maßgebend, nach der man die Neuinskriptionen für das Medizinstudium im Sommersemester auf 345 beschränkt hatte118 und die Entscheidung über die Zulassung der Prüfungskommission für die ärztliche Vorprüfung oblag.119 Eine
115 Vgl. UAM, G-I-5 Band 2. Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus an die Rektorate der drei Landesuniversitäten […] vom 26.9.1933. 116 Böhm, 148. 117 UAM, G-I-5 Band 2. Studentenschaft der Universität München an Rudolf Einhauser vom 16.5.1933. 118 Die Sonderregelung wurde bspw. nur durch die Verordnung der Badischen Länderregierung vom 18. April 1933 übertroffen, nach der es Studenten nichtarischer Abstammung bis auf Weiteres verboten war, sich an badischen Hochschulen zu immatrikulieren. Vgl. Joseph Walk (Hg.): Das Sonderrecht für die Juden im NS-Staat. Eine Sammlung der gesetzlichen Maßnahmen und Richtlinien – Inhalt und Bedeutung. Heidelberg, Karlsruhe 1981, 14. Allerdings darf nicht übersehen werden, dass man den Badischen Erlass rund drei Wochen später wieder aufhob. 119 Vgl. Kapitel I, 1.1 Die gesellschaftliche Haltung gegenüber den Studentinnen. Einer Ende November 1934 getroffenen Ministerialentschließung zufolge sollte diese Bestimmung für Stipendiaten der Alexander-von-Humboldt-Stiftung sowie für Austauschstudenten des DAAD nicht gelten und eine mündliche oder schriftliche Abstammungserklärung von ausländischen Studierenden nicht verlangt werden. Nur im Fall eines Aufnahmeantrages in die DSt wäre die Abstammung zu prüfen gewesen. Vgl. UAM, Sen. 6 II/I. Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus an die Herren Rektoren der drei Landesuniversitäten vom 27.11.1934.
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knapp zwei Wochen später im Anschluss an diese Verordnung getroffene Bestimmung des Staatsministeriums für Unterricht und Kultus sah vor, dass die festgesetzte Höchstzahl insoweit überschritten werden durfte, als es die Gesamtzahl der Sitze – einschließlich Notsitze – in dem von den Erstsemestern zu benutzenden Hör- oder Übungssaal gestattete, welcher die geringste Menge an Plätzen hatte. Als maßgebend galt dabei der anatomische Hörsaal der LMU mit 454 Sitzmöglichkeiten, was hinsichtlich einer auf 5 % festgesetzten Menge an Überschreitungen zur Genehmigung von 476 potentiellen Neuinskriptionen führte. Allerdings wurde diese Summe am Ende bei weitem nicht ausgeschöpft, da insgesamt nur 353 – in der Quelle fälschlicherweise mit 343 angegeben – Anträge eingelaufen waren120, die allesamt zur Zulassung kamen. Davon profitierten besonders zwei Gruppen von Gesuchstellern: Zum einen zwölf Abiturienten, die einen entsprechenden Vermerk im Reifezeugnis aufwiesen, wonach ihnen vom Hochschulstudium abgeraten worden war, zum anderen sieben „Nichtarier“, die bei erstmaliger Vorlage der Gesuche sofort ausscheiden mussten. Obwohl in erster Linie diejenigen Bewerber Berücksichtigung finden sollten, welche aufgrund des Wohnorts der Erziehungsberechtigten auf den Besuch einer bayerischen Universität angewiesen waren, soweit man ihnen nicht vonseiten der Schule vom Studium abgeraten hatte, kam der zur Verbescheidung der Aufnahmegesuche eingerichtete Ausschuss zu dem Entschluss, ein derartiger Vermerk sei kein Grund für eine vorzunehmende Ausschließung. Nach Ansicht der Mitglieder konnte die Eignung zum Medizinstudium nicht bzw. lediglich äußerst bedingt aus dem Resultat des Mittelschulstudiums abgelesen werden, wie Vergleiche der Ergebnisse der Reifeprüfungen mit den medizinischen Prüfungen zeigten. Die sieben übrigen Fälle der „Nichtarier“ wurden jeweils einzeln unter Hinzuziehung des Privatdozenten der Chirurgischen Klinik, Dr. Karl Gebhardt, positiv begutachtet, der in „Zweifelsfragen hinsichtlich der Rassenzugehörigkeit“121 die ausschlaggebende Instanz darstellte; einer der Gesuchsteller wurde später vonseiten der Universität noch aus der Liste der „Nichtarier“ gestrichen, wobei der Grund für diese Entscheidung ungenannt blieb. Nachdem Gebhardt selbst keine Beanstandungen vorzubringen hatte, ließ man aktenkundig am Ende insgesamt sechs nichtarische Gesuchsteller zum Studium der Medizin zu. Das widerlegt die Vermutung Böhms, wonach selbige eine Abweisung erfuhren.122
120 So wurden 327 Gesuche von arischen Antragstellern, sieben von „Nichtariern“ sowie weitere 19 „Nichtariergesuche“ zugelassen. UAM, G-I-5 Band 2. Abschrift vom 29.6.1933. 121 Ebd. 122 Vgl. Böhm, 144, FN 167.
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Den zum Sommerhalbjahr 1932 insgesamt 558 neu in der Medizin bzw. Zahnheilkunde inskribierten Reichsdeutschen standen damit ein Jahr später nur mehr 353 Studierende der Medizin sowie 97 Studierende der Zahnheilkunde gegenüber, woraus neben einer Abweichung von 108 Einschreibungen auch eine deutliche Differenz im Hinblick auf die erlaubte, damit jedoch nicht ausgeschöpfte Höchstziffer von 476 Neuinskriptionen resultierte; die in den letzten Jahren der Weimarer Republik aufgekommene Überfüllungskrise schien sich in München mittlerweile also wieder zu entspannen. Für dieses Ergebnis sprechen gleichermaßen die Reaktionen auf die Ministerialentschließung vom 3. Mai 1933, welche die Rektorate ermächtigte, nichtarische Studenten abzuweisen, soweit in einzelnen Studienfächern die Summe der arischen Neuzugänge die verfügbaren Sitz- und Arbeitsplätze überstieg. Obwohl man in den Studiengängen Pharmazie und Zahnheilkunde eine ungenannte Zahl von „Nichtariern“ abgelehnt und widerruflich bewilligte Aufnahmen rückgängig gemacht hatte123, wurden bereits in der zweiten Hälfte des Monats im Pharmazeutischen Institut etliche Arbeitsplätze frei, zumal mehr als 20 Studierende ihren zugesicherten Platz nicht beanspruchten. Angesichts dieses Umstandes gelang es dem Institutsvorstand, sich erfolgreich gegen die Wegweisung eines im ersten Studienhalbjahr stehenden „Nichtariers“ einzusetzen. Selbst der Rektor der LMU, Leo von Zumbusch, bat in einem Bericht an das Staatsministerium für Unterricht und Kultus zum hiesigen Vollzug des Überfüllungsgesetzes darum, eine – wie sich nachträglich herausstellte – weitere nichtarische Anmeldung zu belassen, die von der Pharmaziestudentin Anneliese van Wien ausgegangen war. Wie ein Blick in die Studentenkartei des UAM zeigt, entsprach man diesem Wunsch, da die gebürtige Münchnerin israelitischer Konfession vom Sommersemester 1933 bis zur Ablegung ihrer pharmazeutischen Prüfung im Winterhalbjahr 1934/35 an
123 Einem Schreiben der Universitäts-Kanzlei zufolge befanden sich am 31.5.1933, dem Tag der äußersten Aufnahmefrist, unter den Neuaufnahmen lediglich drei Studierende nichtarischer Abstammung, darunter ein Student und eine Studentin der Zahnheilkunde (Greta Stein) sowie ein Student der Pharmazie. Vgl. UAM, G-I-5 Band 2. Universitäts-Kanzlei an Universitäts-Rektorat vom 31.5.1933. Stein, die nachweislich am 27.4.1933 aufgenommen wurde, nachdem sie mit Unterbrechung im Wintersemester 1932/33 vom Wintersemester 1931/32 bis zum Sommersemester 1932 bereits an der hiesigen Universität immatrikuliert gewesen war, legte Anfang Juli 1933 ihre zahnärztliche Prüfung ab. Nach einem weiteren Halbjahr an der LMU verliert sich ihre Spur. Vgl. UAM, Stud-Kartei I (Stein, Greta). Eine unter ihrem (Mädchen-)Namen erschienene Doktorarbeit lässt sich nicht nachweisen. Die niedrige Anzahl bestätigt die Vermutung Böhms, dass von der Anfang des Monats getroffenen Regelung, nach der „Nichtarier“ abgewiesen werden konnten, wenn ihre arischen Kommilitonen die verfügbaren Sitz- und Arbeitsplätze überstiegen, möglicherweise nur „einige wenige Studenten“ aus diesen beiden Fachbereichen berührt wurden. Vgl. Böhm, 145.
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der Universität München verblieb.124 Damit hatte sich von Zumbusch, der 1935 wegen politischer Unzuverlässigkeit von den Nationalsozialisten entlassen und rückwirkend in den vorzeitigen Ruhestand versetzt werden sollte, bewusst gegen die im § 4 Abs. 1 des Überfüllungsgesetzes fixierte Anteilszahl gewandt. Dies wog umso schwerer, als der gesetzliche Grenzwert von 1,5 % mit zwei „Nichtariern“ in der Pharmazie ohnehin überschritten worden war, was angesichts der geringen Zahl von gerade einmal 67 neu aufgenommenen Reichsdeutschen in diesem Fachgebiet allerdings eine Verdoppelung auf 3 % bedeutete.125 Dennoch bestätigen die von Zumbusch im selben Schreiben beigefügten Übersichten, die keine Aufteilung nach Geschlechtern enthalten, das bereits von Böhm konstatierte Ergebnis, wonach die zulässige Anteilszahl an den einzelnen Fachrichtungen und Fakultäten von 1,5 % bis auf diesen Ausnahmefall nicht erreicht wurde. Die Zusammenstellung des Sommersemesters 1933 ergab, dass von 1319 neu aufgenommenen reichsdeutschen Studierenden an der Universität München nur zehn, d. h. 0,76 %, „Nichtarier“ waren. Auch die auf die gesamte Studentenschaft einer Hochschule, Fakultät oder Fachrichtung angesetzte Verhältniszahl von 5 % wurde mit 1,93 %, d. h. 150 nichtarische Kommilitoninnen und Kommilitonen unter 7771 reichsdeutschen Studierenden, deutlich unterschritten. Damit mussten weder zu diesem Zeitpunkt noch im kommenden Wintersemester, welches mit der Neuaufnahme von insgesamt gerade einmal vier sog. „Volljuden“ ebenfalls keine prozentualen Übertretungen nach sich zog, Weg- oder Abweisungen von der LMU aufgrund des Überfüllungsgesetzes vom 25. April 1933 erfolgen126 – ein Ergebnis, das keine Ausnahmeerscheinung darstellte. Während bspw. auch in Erlangen das Gesetz, von dem Rektor Eugen Locher im Rückblick auf das Studienjahr 1932/33 hoffte, es würde das Gespenst der akademischen Verelendung bannen127, zahlenmäßig keine Bedeutung hatte, da Aufnahmege-
124 Vgl. UAM, Stud-Kartei I (van Wien, Anneliese). 125 Vgl. UAM, G-I-5 Band 2. Übersicht über die im Sommerhalbjahr 1933 neu aufgenommenen reichsdeutschen Studierenden (1. Halbjahr in der betreffenden Fakultät einer reichsdeutschen Hochschule) nach dem Stande vom 19.6.1933. 126 Zu den Zahlen vgl. ebd. sowie UAM, G-I-5 Band 2. Übersicht über die reichsdeutschen Studierenden im Sommerhalbjahr 1933 nach dem Stande vom 19.6.1933. Obwohl auch Böhm sich bei seinen Untersuchungen auf diese von der Universitäts-Kanzlei erstellten Tabellen bezieht, gibt er die Gesamtzahl der reichsdeutschen Neuaufnahmen mit 1379, den Anteil der „Nichtarier“ mit 0,73 % sowie die Menge der Medizinstudenten wohl versehentlich mit 399 gegenüber der in der Übersicht genannten Summe von 339 wieder. Vgl. Böhm, 146. Bei den im Sommersemester 1934 aufgenommenen Neueinschreibungen handelte es sich um drei sog. „Volljuden“ gegenüber 107 „Ariern“ in der Philosophischen Fakultät II. Sektion sowie einen jüdischen gegenüber 483 arischen Medizinstudenten. Vgl. UAM, G-I-5 Band 2. Feststellung vom 4.6.1934. 127 Vgl. Wendehorst, 210.
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suche von Juden nicht mehr vorlagen, verzeichneten nur vier Hochschulen den Ausschluss von insgesamt 49 jüdischen Studierenden. Diese waren an den Universitäten Frankfurt (30), Königsberg (12), Leipzig (2) sowie an der TH Berlin (5) immatrikuliert gewesen.128 Was dagegen bspw. aus den jüdischen Studierenden der Akademie der Bildenden Künste in München wurde, lässt sich nicht genau bestimmen. Weil die Matrikelbücher lediglich Auskunft über das Eintrittsdatum geben, bleibt unklar, ob es zu Zwangsexmatrikulationen kam.129 Übersehen werden darf in diesem Zusammenhang hingegen nicht, dass sich vor allem zwei Faktoren begünstigend auf das Gesetz auswirkten: Zum einen waren wohl auch an der LMU noch etliche Halb- und Vierteljuden eingeschrieben, welche einstweilen unter die in § 4 Abs. 3 genannte Ausnahmeregelung fielen und damit bei Berechnung der Anteils- sowie der Verhältniszahl außer Acht gelassen wurden. Zum anderen machte offenbar keine Fakultät von der in § 1 genannten Möglichkeit Gebrauch, die Studentenzahlen in dem Maße zu reduzieren, dass „die gründliche Ausbildung gesichert und dem Bedarf der Berufe genügt“130 war. Dementsprechend gab bspw. das Dekanat der Philosophischen Fakultät I an, es sei aufgrund der Vielzahl von mehr als 20 Fächern, einer stetig sinkenden Zahl von Einschreibungen und der Tatsache, wonach ein Großteil der Studierenden ohnehin kein Amt, sondern einen freien Beruf anstrebe, unmöglich, die Menge an Neuaufnahmen von vornherein zu senken.131 Zu einem vergleichbaren Ergebnis kam auch die Philosophische Fakultät II, die – ähnlich wie die Theologische – ohnehin in keinem Hörsaal ein Überfüllungsproblem verzeichnen musste und sich überdies nicht in der Lage fühlte zu beurteilen, inwieweit die Zahl der Studenten den Bedarf der betreffenden Berufe überstieg.132 Das Dekanat der Staatswirtschaftlichen Fakultät machte darüber hinaus die Auswirkungen der Arbeitsdienstpflicht sowie der schwachen Geburtenziffer der Kriegsjahre geltend, welche zusammen mit dem voraussichtlich stärkeren Bedarf an ausgebildeten
128 Vgl. Grüttner, 214. 129 Vgl. Walter Grasskamp: Die andere Akademie. Eine historische Utopie. In: Nikolaus Gerhart/Walter Grasskamp/Florian Matzner (Hgg.): 200 Jahre Akademie der Bildenden Künste München. „… kein bestimmter Lehrplan, kein gleichförmiger Mechanismus“. München 2008, 105. Ab 1935 meldete die Akademie „Nichtarier“, deren Anzahl bis 1938 zwischen ein bis zwei pro Semester betrug. Vgl. ebd. 130 Gesetz gegen die Überfüllung deutscher Schulen und Hochschulen. Vom 25. April 1933. § 1. In: RGBl. Teil I. Nr. 43. Berlin 1933, 225. 131 Vgl. UAM, G-I-5 Band 2. Dekanat der Philosophischen Fakultät I. Sektion an das Rektorat der Universität München vom 27.6.1933. 132 Vgl. ebd. Dekanat der Philosophischen Fakultät II. Sektion an das Rektorat der Universität München vom 28.6.1933.
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Volkswirten auf der einen, der in Form eines Numerus clausus durch die Staatsforstverwaltungen vorgenommenen Reglementierung auf der anderen Seite einer potentiellen Unmenge an Immatrikulationen vorbeugen würden.133 Lediglich der Tiermediziner und Professor für Physiologie und Diätetik, Johannes Paechtner, sprach trotz einer als angemessen empfundenen Summe von 80 Neueinschreibungen in den beiden letzten Jahren davon, dass die Fakultät hinsichtlich der reichsweit vorherrschenden Überfüllung des tierärztlichen Berufes bereit wäre, bestimmte Vorschläge für eine adäquate Reduzierung des Neuzugangs zu unterbreiten, sofern dies ebenfalls bei den anderen tierärztlichen Bildungsanstalten geschehe.134 Auch eine vom Badischen Kultusministerium veranlasste Umfrage ergab, dass bspw. in Freiburg keine Gefährdung des Unterrichts aufgrund von Überfüllung, sondern lediglich infolge fehlender bzw. veralteter wissenschaftlicher Ausrüstung sowie der Reduzierung finanzieller Mittel bestand. Fast alle Fakultäten nutzten daher die Gelegenheit, um sich beim Ministerium über die finanziellen, personellen und räumlichen Beschränkungen zu beschweren. Nach Olenhusen warf dieses Verhalten „ein bezeichnendes Licht auf die Bewertung, welche das „Überfüllungsgesetz“ durch die Universität erfuhr, wenn auch andererseits die Rassenfrage dabei nirgends angeschnitten wurde“135, eine Aussage, die sich gleichermaßen auf die LMU übertragen lässt. Dass die Zahl deutscher Studierender jüdischen Glaubens nach 1933 dennoch massiv zurückging und sich allein die Anzahl der Frauen unter ihnen von 1205 im Sommersemester 1932 auf 223 im Wintersemester 1933/34 an sämtlichen wissenschaftlichen Hochschulen reduziert hatte136, lag in einer Vielzahl von Entwicklungen begründet, die u. a. einen starken Rückgang der Erstimmatrikulationen bewirkten. So wurden, wie schon Olenhusen nachweisen konnte, bereits in den Schulen zahlreiche Juden nicht mehr zum Abitur zugelassen und sog. „Arier“ im Falle von Platzmangel bevorzugt, selbst wenn die nach dem Überfüllungsgesetz
133 Vgl. ebd. Staatswirtschaftliche Fakultät an das Rektorat der Universität München vom 6.7.1933. In ähnlicher Weise hatte sich bereits die Juristische Fakultät zu der ohnehin rückläufigen Zahl von Jurastudenten geäußert. Vgl. ebd. Juristische Fakultät an das Rektorat der Universität München vom 30.6.1933. 134 Vgl. ebd. Dekanat der Tierärztlichen Fakultät der Universität München an das Rektorat der Universität München vom 28.7.1933. 135 Olenhusen, 181. 136 Hartmut Titze: Das Hochschulstudium in Preußen und Deutschland 1820–1944. Datenhandbuch zur deutschen Bildungsgeschichte. Göttingen 1987, 227, künftig zitiert als Titze: Hochschulstudium.
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vorgegebene Anteilszahl noch nicht erreicht worden war.137 Außerdem kam es, wie Grüttner anhand einschlägiger Quellen belegt, zu einer Aushöhlung und Verschärfung des Gesetzes, nachdem die preußischen Hochschulen vom Kultusministerium im Juni 1933 das Recht erhielten, die Höchstgrenze von 1,5 % nach eigenem Belieben und ohne Nennung von Gründen herabzusetzen. An der Universität Greifswald führte das bspw. zur Senkung der offiziellen Höchstgrenzen der ersten Durchführungsverordnung um das Zehnfache.138 Wie die im Rahmen dieses Themenkomplexes vorhandenen Untersuchungen zeigen, trug die Vertreibung der Juden, der mit dem Überfüllungsgesetz eine erste, entsprechend der Ideologie der NSDAP schon seit langem geforderte Maßnahme im Hochschulbereich zur Verfügung stand, ebenfalls zur Verringerung der Geschlechtsgenossinnen bei, zumal diese innerhalb der jüdischen Studentenschaft traditionell eine starke Überrepräsentanz besaßen, stand doch das jüdische Bürgertum, auch das zum Christentum übergetretene, weiblicher Bildung überdurchschnittlich positiv gegenüber.139 Für die Frauen bedeutete dies eine in der Forschung vielfach konstatierte Form der doppelten Diskriminierung, die zum einen aus den rassischen, zum anderen aus den speziell gegen weibliche Studierende erfolgten Restriktionen resultierte.140 An der Universität Heidelberg genügten schon „Denunziationen und unwahre Anschuldigungen mißliebiger Bürger, die vom Universitätsdirektor eilfertig an die Polizei weitergeleitet wurden, um bei Studentinnen, die vermeintlich jüdischer Herkunft waren, Hausdurchsuchungen und Gestapoverhöre zu veranlassen.“141 Während es unter rigoroser Anwendung der Zulassungsbeschränkungen darüber hinaus zu universitären Zurückweisungen von Jüdinnen kam, die ihr Studium in Heidelberg fortsetzen wollten, verwirklichte sich das Überfüllungsgesetz vielerorts über die eigenhändige bzw. „freiwillige“ Exmatrikulation ganz automatisch. Wie eine Recherche anhand der polizeilichen Meldebögen ergab, waren an der LMU unter 189 exemplarisch herangezogenen Studentinnen im Wintersemester 1932/33142 nachweislich mindestens zwölf, die nach den Bestimmungen der Natio‑
137 Olenhusen, 180. 138 Grüttner, 215 f. 139 Bußmann, 67. 140 Vgl. dazu exemplarisch Steffen-Korflür, 77 f., sowie Huerkamp: Bildungsbürgerinnen, 162. 141 Mertens: Töchter, 105. 142 Die Studentinnen rekrutierten sich aus den Buchstaben A bis C des Verzeichnisses der Studierenden, welches sich bspw. in folgender, gedruckter Quelle befindet: Personenstand der Ludwig-Maximilians-Universität München. Winter-Halbjahr 1932/33. I. Teil: Nach dem Stande vom 31. Dezember 1932. II. Teil: Nach dem Stande vom 30. November 1932. München 1932, 85–149, Buchstaben A bis C, 85–92, sowie Nachtrag, 148.
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nalsozialisten als „Nichtarierinnen“ galten, d. h. 6,3 % bzw. jede 15. bis 16. Studentin. Zehn von ihnen hatten sich 1933 sofort von der Universität abgemeldet143, darunter die mittlerweile zur Vorsitzenden der zionistischen Studentinnenverbindung gewählte Fanny Dulberg. Dulberg, die nach Aufenthalten in Frankfurt und Stuttgart zum Wintersemester 1931/32 endgültig in die bayerische Landeshauptstadt zurückgekehrt war, um dort im Anschluss an ihr Diplomexamen bei Otto von Zwiedineck-Südenhorst zu promovieren, verlegte ihren Studienort ein Jahr später in die Schweiz, als nach Hitlers Ernennung zum Reichskanzler eine Gruppe uniformierter Nationalsozialisten unter Führung von Rudolf Heß während einer Veranstaltung des Nationalökonomen und Finanzwissenschaftlers Adolf Weber durch den großen Vorlesungssaal marschierte. Im Sommersemester 1934 schloss die Kaufmannstochter an der Universität Basel ihre Doktorarbeit zum Thema „Der Imperialismus im Lichte seiner Theorien“144 magna cum laude ab und wanderte unmittelbar danach nach Palästina aus145; die letzte der erwiesenermaßen zwölf nichtarischen Studentinnen, Tochter eines Münchner TH-Professors, verließ die Hochschule im Oktober 1935. Diejenigen Studenten nichtarischer Abstammung, welche auch weiterhin immatrikuliert blieben, sahen sich bereits seit der Weimarer Republik den Folgen eines immer schärfer werdenden Antisemitismus ausgesetzt. Der Chemiker und Nobelpreisträger Richard Willstätter, der schon 1924 seine Professur aufgegeben hatte, beschreibt diesen im Herbst 1934 in einer Retrospektive wie folgt: „In den Jahren vor meinem Rücktritt vom Lehramt begegnete ich wohl oftmals in München, an Plakatsäulen, in der Vorhalle meiner Universität, bei besonderen
143 Vgl. Hiltrud Häntzschel: Jüdische Frauen an bayerischen Universitäten. In: Hiltrud Häntzschel/Hadumod Bußmann (Hgg.): Bedrohlich gescheit. Ein Jahrhundert Frauen und Wissenschaft in Bayern. München 1997, 120. 144 Fanny Dulberg: Der Imperialismus im Lichte seiner Theorien. Diss. Basel 1936. 145 Zu den persönlichen Daten vgl. UAM, Stud-Kartei I (Dulberg, Fanny). Dazu sowie zum weiteren Lebenslauf vgl. Harald Hagemann/Claus-Dieter Krohn (Hgg.): Biographisches Handbuch der deutschsprachigen wirtschaftswissenschaftlichen Emigration nach 1933. Band 1. Adler-Lehmann. München 1999, 187–190, hier 188. Vgl. auch Hiltrud Häntzschel: Der Exodus von Wissenschaftlerinnen. ‚Jüdische‘ Studentinnen an der Münchner Universität und was aus ihnen wurde. In: Edita Koch (Hg.): Exil. Forschung, Erkenntnisse, Ergebnisse. 12. Jahrgang. Heft 2. Maintal 1992, 48, künftig zitiert als Häntzschel: Exodus: „Die im Wintersemester 1932/33 eingeschriebene Studentin Fanny Dulberg wurde als Fanny Ginor Hochschullehrerin in den Wirtschaftswissenschaften (und) in Palästina/Israel einflußreiche Regierungsbeamtin und ist immerhin einen Eintrag im Biographischen Handbuch der Emigration wert“. Hervorhebung im Original.
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Anlässen auch in den Korridoren meines Instituts, den neuartigen roten Plakaten, die das deutsche Volk zum Rassenkampf aufhetzten.“146 Letzterer führte dazu, dass schon vor Bekanntgabe des Überfüllungsgesetzes sowie den damit verbundenen Beschränkungen für Studierende jüdischer Abstammung Abiturienten wie die Leipzigerin Gertrud Fromm um ihre Immatrikulation fürchteten. Dementsprechend wandte sich die junge Frau Anfang April 1933 an die Juristische Fakultät der Universität München, um zu erfragen, ob „unter den augenblicklichen Umständen“ für sie als Jüdin noch die Möglichkeit des Jurastudiums bestünde, habe sie nach Überspringung der Unterprima doch als Beste und Jüngste das Abitur abgelegt und deshalb von ihren Lehrern sowie dem Schulleiter die dringende Empfehlung zum Belegen dieses Faches erhalten. Auch die Verdienste ihres Vaters, eines im Ersten Weltkrieges vor Verdun gefallenen promovierten Juristen und ehemaligen LMU-Absolventen, führte Fromm ausführlich an, in dem Glauben, „dass hier ein Sonderfall vorliegt, der selbst unter den veränderten gegenwärtigen Verhältnissen mir das Studium in München erlauben sollte“147; in der Studentenkartei des UAM findet sich allerdings kein Beleg dafür, dass Fromm an der hiesigen Universität immatrikuliert worden wäre. Dass es auch an der LMU nicht bei allgemeinen Bekundungen bzw. Belegen für den neuen Zeitgeist blieb, beweisen die Anschläge, mit denen jüdischen Medizinstudenten nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten „in ihrem eigenen Interesse sowie im Interesse der Wahrung von Ruhe und Ordnung geraten“ wurde, Sitzplätze erst nach Vorlesungsbeginn einzunehmen. Zudem seien die vordersten Reihen in erster Linie den übrigen Studierenden vorbehalten. Sollte der „wohlgemeinte Rat“148 keine Beachtung finden, so das vom Leiter der Münchner Medizinerschaft Scharfe unterzeichnete und von Professor Oswald Bumke im Februar 1933 gegengezeichnete Schreiben weiter, sähe man sich gezwungen, rigi-
146 Richard Willstätter: Aus meinem Leben. Von Arbeit, Muße und Freunden. Weinheim 1949, 399, künftig zitiert als Willstätter. Das Zitat findet sich auch in Ders.: Geleitwort. In: Siegmund Kaznelson (Hg.): Juden im deutschen Kaiserreich. Ein Sammelwerk. Zweite, stark erweiterte Ausgabe Berlin 1959, VIII. Zum Verhalten von Studenten und Professoren aus der Sicht des Naturwissenschaftlers und Nobelpreisträgers vgl. auch das einschlägige Kapitel zur Professur in München, Willstätter, 278–351, bes. 313, 317 f., 339 f., 342 f., 348. 147 UAM, L-N-5a, Studienanfragen ab 1930/31–1932/33. Gertrud Fromm an die Juristische Fakultät der Universität München vom 10.4.1933. 148 Abdruck des Schreibens in: Renate Jäckle: Schicksale jüdischer und „staatsfeindlicher“ Ärztinnen und Ärzte nach 1933 in München. Ergebnisse des Arbeitskreises: „Faschismus in München – aufgezeigt am Schicksal der aus ‚rassischen‘ und/oder politischen Gründen verfolgten Opfer in der Münchner Ärzteschaft“. München 1988, 13, künftig zitiert als Jäckle. Alle Zitate nach ebd.
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dere Maßnahmen zu ergreifen. In Freiburg ging eine nahezu identische – wenngleich offenbar erfolglose – Empfehlung von der Studentenschaft selbst aus, welche besonders innerhalb der klinischen Anstalten die ersten Bankreihen der Arbeits-, Demonstrations- und Vorlesungsräume ausschließlich von deutschen und ausländischen Studierenden besetzt sehen wollte – für Scherb eine zynische Vorwegnahme des Verbots für Juden, sich auf arische Parkbänke zu setzen.149 Darüber hinaus kursierten an der Universität München Gerüchte, wonach es jüdischen Medizinstudierenden verboten sei, Leichen von Nichtjuden zu sezieren, weshalb sie – nach einem Zeitungsbericht der britischen Times vom 18. April 1933 – gezwungen seien, ihre Studien an den Leichen von Juden durchzuführen.150 Obwohl das Universitätsrektorat in einer schriftlichen Stellungnahme an das Reichspropagandaministerium die Behauptung umgehend entkräftete, vermag die Meldung einen Eindruck von der antisemitischen Stimmung gegenüber jüdischen Studierenden zu vermitteln, die vielerorts ein unbeschwertes und konzentriertes Studium unmöglich machte. Darüber hinaus wurden reichsdeutsche Medizinstudierende nichtarischer Abkunft seit Mitte Oktober nicht zugelassen, soweit die für Famulaturen vorhandenen Arbeitsplätze von Kommilitonen arischer Herkunft benötigt wurden.151 Erschwerend kam außerdem hinzu, dass sowohl an marxistische als auch an jüdische Studierende reichsweit keine Hochschulvergünstigungen wie Gebührenerlass o. ä. mehr gewährt werden durften, Stipendien aus Stiftungsmitteln ausschließlich dann, wenn dies nach den jeweiligen Bestimmungen unvermeidlich war152, worunter besonders Angehörige minderbemittelter Schichten zu leiden hatten.
149 Vgl. Scherb, 185. 150 Vgl. UAM, Sen. 559. Stellungnahme des Universitäts-Rektorats vom 20.4.1933. 151 Vgl. UAM, Sen. 6a. Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus an das Rektorat der Universität München vom 10.10.1933. 152 Vgl. UAM, Sen. 559. Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus an die Rektorate der 3 Landesuniversitäten vom 19.5.1933.
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Abb. 2: Blick ins Studienbuch: Studiengebühren im Wintersemester 1942/43
Dementsprechend musste etwa die Nürnberger Jüdin Stephanie Orfali 1933 ihr zwei Jahre zuvor aufgenommenes Lehramtsstudium der Naturwissenschaften (Chemie, Physik, Biologie) in Erlangen wieder abbrechen. Die jüdische Gemeinde, die jetzt sämtliche Gelder für die Berufsausbildung angehender Emigranten und Ausreisehilfen von Kindern benötigte, konnte die bislang gewährte Unterstützung nicht mehr erbringen. Weil auch die Eltern nicht in der Lage waren, das Studium zu finanzieren, absolvierte Orfali im Sommerhalbjahr nach insgesamt fünf Semestern noch eine Art Zwischenprüfung in ihrem Hauptfach Chemie, bevor sie Sekretärin in einer jüdischen Organisation wurde und im April 1934 nach Palästina auswanderte.153 Wie Olenhusen Bezug nehmend auf eine an ihn ergangene Mitteilung angibt, seien an einigen Universitäten wie München, Frankfurt am Main oder Freiburg im Breisgau Studenten jüdischer Abstammung jedoch noch Gebührenerlasse gewährt worden, eine Aussage, die sich zumindest in den verfügbaren Quellen zur LMU nicht nachweisen lässt.154
153 Stephanie Orfali: A Jewish Girl in the Weimar Republic. Berkeley, California 1987, bes. 216– 225. 154 Vgl. Olenhusen, 184, FN 47.
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Ein weiteres Beispiel, das stellvertretend für die Verschlechterung der universitären Atmosphäre durch rassenideologische Auswüchse gelten kann, findet sich in den Quellen zum Akademischen Wohnungsamt der Münchner Hochschulen in den Beständen des UAM. Daraus geht hervor, dass das Universitätsbauamt am Eingang der studentischen Vermittlungsstelle im Sommer 1933 eine Tafel mit der Aufschrift „Die Studentenschaft wünscht Zimmerangebote nur von arischen Vermietern“ anbringen ließ, wenngleich durch „Ablehnung der Zimmer bei jüdischen Familien den Studenten manche im übrigen günstige Wohngelegenheit […], besonders im Medizinerviertel, wo der Durchschnitt der Zimmer von geringerer Wohnungskultur“155 zeugte, jedoch im Verhältnis zahlreiche bessere Räumlichkeiten jüdischer Vermieter angeboten wurden, entging. Seit Ende 1935 war es Studenten deutscher Abstammung zudem unter Androhung von Strafe verboten, bei jüdischen oder „jüdisch versippten“ Repetitoren zu hören, zumal man darin einen Verstoß gegen Würde und Ansehen der Hochschule sah156; seit März 1939 konnte Juden überdies die Benutzung der Bibliotheken untersagt werden.157 Wie die Erinnerungen ehemaliger Studierender verschiedener Hochschulen unabhängig voneinander zeigen, beteiligte sich ein Teil von ihnen ebenfalls an den alltäglichen Diskriminierungen jüdischer Kommilitonen, denen man u. a. die Inanspruchnahme der Fürsorgeeinrichtungen verwehrte: „Da sie eine gelbe Studentenkarte erhielten, waren sie zu erkennen und wurden zum Beispiel in München mehrfach aus der Mensa geworfen.“158 Neben derartigen, ins Gewalttätige übergehenden Angriffen kam es jedoch gleichermaßen zu subtileren Formen der Diskriminierung und Ächtung, die sich u. a. in der heterogenen Lebensgeschichte von Ingrid Warburg Spinelli finden: „Hamburgerin von Geburt […], Jüdin aus Schicksal, Schwedin durch die Herkunft ihrer Mutter, Engländerin durch Studium und Freundschaft, Amerikanerin im Exil und durch die politi-
155 Alle Zitate nach UAM, Sen. 365/B3. Universitätsbauamt München an die Studentenschaft der Universität München vom 22.8.1933. Hervorhebung im Original. 156 Vgl. UAM, Sen. 637. Bekanntmachung des Reichs- und Preußischen Ministers für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung vom 28.11.1935. Ende März 1936 wurde der Erlass allerdings dahingehend abgeändert, dass lediglich diejenigen Repetitoren unter das Verbot fielen, „die selbst nach § 5 der 1. Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 14. November 1935 – RGBl. I S. 1333 – Juden“ waren. HATUM, RA C469. Erlass des Reichs- und Preußischen Ministers für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung vom 25.3.1936. 157 Vgl. UAM, Sen. 909. Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus an den Herrn Generaldirektor der Bayerischen Staatsbibliothek München vom 13.3.1939. 158 Klose, 234. Klose benennt keine Quelle, stützt sich bei seiner Aussage aber offensichtlich auf den nur ein Jahr vorher erschienenen Aufsatz von Olenhusen: „So verhinderten 1933 und 1934 Studenten in München regelmäßig, daß Inhaber gelber Ausweise die Mensa benutzten“. Olenhusen, 195.
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sche Arbeit und Italienerin als Frau und Mutter.“159 Für Warburg, die nach einem zweisemestrigen Englandaufenthalt zum Studium nach Deutschland zurückkehrte, stellte sich bereits 1932 die Frage, in welche Stadt sie gehen könnte, galt doch ihr erster Studienort Heidelberg schon als „problematisch“, während etwa Hamburg zumindest bis Mitte der 30er Jahre eine „relative Festung von Toleranz und Liberalität“ gewesen sein soll: „Ab 1934 begann der Kontakt zu den anderen Studenten schon schwieriger zu werden. Eines Tages kam ein Kommilitone zu mir und sagte, ich solle es ihm nicht übelnehmen, aber er könne mich jetzt nicht mehr grüßen, sonst liefe er Gefahr, sein Stipendium zu verlieren. Ein anderes Mal stieg ich in der Universitätsbibliothek auf die Leiter, verlor das Gleichgewicht und fiel herunter. Ich hatte mir den Arm gebrochen und war wohl einen Moment lang bewußtlos. Als ich wieder zu mir kam, hatte keiner der anwesenden Studenten sich gerührt, um mir zu helfen.“160 Schon im Sommersemester 1933 beobachtete dagegen die spätere Literaturkritikerin, Schriftstellerin und außerordentliche Professorin an der Pädagogischen Hochschule Münster Isabella Rüttenauer in Berlin, wie zwei jüdische Studenten – entgegen der im Bildungsbürgertum vermuteten, „traditionelle(n) Ablehnung des „Radauantisemitismus““161 – von einer „johlenden Studentenmenge“ über das Universitätsgelände gejagt wurden: „der Blick der blassen rothaarigen Studentin zu mir herüber, diese Angst in ihr – und ich stand da in sprachlosem Entsetzen, kam ihr nicht zu Hilfe…“162 Minna Lachs, selbst Jüdin, berichtet, ebenso wie Alice Huppert, in ihren Erinnerungen von fanatisierten Burschenschaftern bzw. Couleurstudenten, die mit den Rufen „Raus, ihr feigen Saujuden, raus“, „Juda verrecke!“163 oder ‚Juden heraus!‘164 mehrere Hörsäle in
159 Ingrid Warburg Spinelli: Die Dringlichkeit des Mitleids und die Einsamkeit, nein zu sagen. Lebenserinnerungen bearbeitet von Annette Kopetzki mit einer kleinen Enzyklopädie des Antifaschismus und des Widerstandes in Europa und Amerika. Hamburg 1990, 16. 160 Alle Zitate nach ebd., 95, 98 f. Trotz derartiger Vorkommnisse gelang es der aus einem großbürgerlichen jüdischen Elternhaus stammenden Geisteswissenschaftlerin, ihre Promotion noch 1935 abzuschließen. 161 Grüttner, 226. 162 Isabella Rüttenauer: Die Zeit des Entsetzens und des kleinen privaten Glücks – ein Rückblick auf Hochschulausbildung und Familienalltag im Dritten Reich. In: Frauenforschung. Informationsdienst des Forschungsinstituts Frau und Gesellschaft. 1. Jahrgang. Heft 2. Bielefeld 1983, 25. Das Zitat dieser Aussage bei Huerkamp: Bildungsbürgerinnen, 162, ist falsch wiedergegeben. Zur Biographie Rüttenauers vgl. auch Harders, 18, sowie das in derselben Publikation erschienene Interview mit Prof. Dr. Isabella Rüttenauer vom 26.9.2003, 42–54. 163 Minna Lachs: Warum schaust du zurück. Erinnerungen 1907–1941. Wien 1986, 152 f. 164 Interview der Austrian Heritage Collection (AHC 552) am Leo Baeck Institute mit Alice Huppert, hier zitiert nach Raggam, 151.
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Wien stürmten. Der damalige Führer der Studentenschaft und Hochschulgruppenführer des NSDStB in Erlangen sowie spätere Studentenführer der LMU, Julius Doerfler, sprach in seinen unveröffentlichten Memoiren sogar davon, man habe es „durch Scharren und wenig studentische Sitten im Hörsaal“165 fertiggebracht, dass sich im Sommersemester 1934 kein jüdischer Student mehr immatrikulierte. Derartige Vorgänge setzten die ohnehin Stigmatisierten einem steigenden psychischen Druck aus, dessen Ausmaße in den bislang unbeachteten Gesuchen aus den Senatsbeständen des UAM zum Ausdruck kommen: „In der zu Anfang des Semesters verlangten ehrenwörtlichen Erklärung habe ich angegeben, daß „ein Großelternteil der Rasse nach jüdischer Abstammung war“. Infolgedessen bin ich nicht als Mitglied der deutschen Studentenschaft aufgenommen worden und erhielt einen gelben Ausweis. Da bei der inneren Einstellung weiter Kreise innerhalb u. außerhalb der Studentenschaft der Besitz eines gelben Ausweises eine Diskriminierung bedeutet, erbitte und beantrage ich die nachträgliche Aufnahme in die deutsche Studentenschaft“166. Auch Dr. Hanne (Johanna) Lenz (geb. Trautwein), die zwischen 1937 und 1941 Kunstgeschichte an der LMU studierte und aufgrund einer jüdischen Mutter als „Mischling ersten Grades“ galt, erinnert sich an die öffentliche Brandmarkung, die aus der farblich gesonderten Kennzeichnung des Dokumentes resultierte: „Wie ich anfing zu studieren, bekam ich einen gelben Studentenausweis. Das bedeutete, dass man nicht arisch sei. Und mit diesem Ausweis musste man in die Bibliotheken gehen und so. Also jeder wusste sofort, die ist jüdisch oder halbjüdisch, die da kommt.“167
165 Doerfler, 182. 166 UAM, Sen. 365/1. Luise Chrambach an den Führer der Sudentenschaft [im November 1933]. Das Ergebnis dieses Antrages ließ sich nicht nachverfolgen. 167 Patricia Reimann: Modell für den großen Roman. Hanne Lenz über ihr Leben mit dem Schriftsteller Hermann Lenz. Radiobeitrag des Bayerischen Rundfunks vom 3.6.2004. Ähnlich äußerte Lenz sich im gemeinsamen Zeitzeugeninterview vom 18.2.2005.
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Abb. 3: Studentenausweis einer „Arierin“
Dazu kam, dass der Entzug der Mitgliedschaft in der DSt an den Verlust zahlreicher Vergünstigungen wie bspw. die studentische Sozial- und Krankenversicherung gekoppelt war. In einigen Fällen dürfte das die wirtschaftliche Grundlage für ein Weiterstudium verschärft oder gar zunichte gemacht und die latent vorhandene Angst geschürt haben, in absehbarer Zeit generell nicht mehr an der Universität verbleiben zu können: „Ich weiß, dass ich, vor jedem Semester, wenn man sich neu einschreiben musste, furchtbare Angst gehabt habe, ob […] sie mich wieder weiterstudieren lassen.“168 Dass der aufgrund des Reichsgesetzes über die Bildung von Studentenschaften an den wissenschaftlichen Hochschulen vom 22. April 1933169 bedingte Ausschluss von „Nichtariern“ aus der DSt, zu denen gleichermaßen Halb- und Viertel-
168 Interview mit Dr. Hanne Lenz vom 18.2.2005. 169 Vgl. Gesetz über die Bildung von Studentenschaften an den wissenschaftlichen Hochschulen vom 22.4.1933. In: RGBl. Teil I. Nr. 40. Berlin 1933, 215.
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juden zählten170, mitunter sogar zum Verlust nationaler Identität führte, zeigt das nachfolgende Beispiel eines Studienprofessors. Ohne das Wissen seiner Tochter, die der festen Überzeugung war, der Studentenschaft bereits anzugehören, stellte er zwei ausführliche Aufnahmegesuche: „Der Ausschluß aus der Studentenschaft ist für meine Töchter (eine jüngere besucht noch das Gymnasium) gleichbedeutend mit dem aus der deutschen Volksgemeinschaft. Wenn dies einem Juden oder Judengenossen widerfährt, so kann es ihn seelisch gar nicht treffen, da er ja bereits einer anderen Volksgemeinschaft angehört. Meinen Töchtern aber, deren Eltern schon gar keine innere Beziehung zum Judentum hatten, die zeitlebens in deutscher Umgebung aufwuchsen, denen das Judentum so fremd ist wie etwa das Chinesentum, ja sogar Widerwillen einflößt, diesen also zumuten zu wollen, daß sie sich diesem Volkstum anschließen sollen, wäre geradezu absurd.“171 Trotz aller Bemühungen gelang es dem Gesuchsteller am Ende nicht, für seine Tochter, die Germanistikstudentin Liselotte Dietrich, beim Einspruchsausschuss der LMU, dem eine Vielzahl von ähnlichen Anfragen vorlagen, die Aufnahme in die DSt zu erwirken; für eine erneute Anfrage des Vaters im Dezember 1933, welche nach den Weihnachtsferien behandelt werden sollte, ist, ebenso wie für das erstgenannte Beispiel, keine endgültige Antwort dokumentiert.172 Ein Blick auf die Studentenkartei der gebürtigen Hamburgerin ergibt allerdings, dass die junge Frau im Sommersemester 1935 ihr letztes Halbjahr an der LMU verbracht hatte.173 Während sich auf der Karteikarte selbst im Bereich der Bemerkungen keinerlei Angaben über den Grund für die Exmatrikulation finden, schreibt die spätere Doktorandin im Lebenslauf ihrer 1948 erschienenen Dissertation, sie habe bis 1936 an der hiesigen Universität studiert, hätte dann aber aufgrund äußerer Umstände ihr Studium abbrechen müssen. Nach einem zweijährigen Kriegseinsatz bei einer ortsansässigen Firma, in der die junge Frau zu mathematischen Tätigkeiten herangezogen worden war, erhielt sie nach 1945 von Professor Eduard Hartl das Thema ihrer Doktorarbeit. Auf diese Weise konnte sie ihren als
170 Vgl. Olenhusen, 186: „Kamen in der praktischen Handhabung der Vorschriften anfangs gelegentlich noch Ausnahmen vor, so verlangte man ab Mitte des Jahres 1935 schließlich doch den weitaus strengeren Nachweis „arischer“ Abstammung nach den Aufnahmebestimmungen der NSDAP, die auch keine „Mischlinge“ zuließen. Sie konnten allenfalls mit Genehmigung des Führers der DSt, des REM und des Rassepolitischen Amtes der NSDAP als „Gast“ geführt werden“. Vgl. dazu UAM, Sen. 892. Erlass des Reichs- und Preußischen Ministers für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung vom 6.7.1935. 171 UAM, Sen. 365/1. Dr. W. Dietrich an den Einspruchsausschuß für die Aufnahme in die Deutsche Studentenschaft vom 11.6.1933. 172 Vgl. ebd. Rektorat an Dr. Dietrich vom 27.12.1933. 173 Zu den persönlichen Daten vgl. UAM, Stud-Kartei I (Dietrich, Liselotte).
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unmittelbare Folge der nationalsozialistischen Herrschaft unmöglich gewordenen akademischen Abschluss nachholen.174 Hartl selbst hatte sich, so das Ergebnis einer jüngeren Einzelstudie zur Person des Altgermanisten, wie der Großteil der Kollegen nach 1945 allerdings äußerst selten zu seinen Erlebnissen im Dritten Reich geäußert. Im Kontakt mit Studenten wurde die Bewältigung der unmittelbaren Vergangenheit sogar bei außeruniversitären Exkursionen und Zusammenkünften nicht thematisiert, sondern in diskretes Schweigen gehüllt, getreu des auf dem Entnazifizierungsbogen des gebürtigen Wieners formulierten Mottos: „Fragerei ist Leerlauf, lieber aufbauen!“175 Wenngleich Hartl insgesamt auch als „begrenzt angepaßter deutschnationaler Germanist“ charakterisiert werden kann, „dessen weltanschauliche Orientierung sich zeitweise der von NS-Sympathisanten annäherte, während die Begrenzung seiner Anpassungsbereitschaft, verbunden mit der Formulierung von Teilkritik, ihn phasenweise an die Gruppe der NS-Gegner heranrückte“176, gibt es speziell im Hinblick auf die Studentinnen wenigstens einen aktenkundigen Beleg dafür, dass nachweisbare antisemitische Ressentiments im Alltagsverhalten des Dozenten durchaus zurücktreten konnten: „Laut eines Spruchkammer-Referenzschreibens der katholischen Jüdin Leonie von Seuffert vom 5.12.1946 […] förderte Hartl Seufferts später in die USA emigrierte Tochter Thea während ihres Studiums in
174 Vgl. Liselotte Dietrich: Hermann von Sachsenheim. Ein Beitrag zum geistesgeschichtlichen Wandel im Spätmittelalter. Diss. München 1948. Zu den Umständen des Studiumsabbruchs vgl. auch ihre eidesstattliche Erklärung vom 22.11.1946 im StAM, K 627: „Ich studierte in den ersten Jahren der nationalsozialistischen Herrschaft an der hiesigen Universität und hatte im Sinn bei Professor Hartl den Doktor zu machen. Wie die Dinge damals lagen, sah ich mich gezwungen, Professor Hartl auf die jüdische Abstammung meiner Mutter aufmerksam zu machen. Er nahm diese Nachricht mit äußerst seltenem Takt und Feingefühl auf, suchte mich von da ab, gemeinsam mit seiner Frau, bei jeder Gelegenheit besonders zu erfreuen und nahm sich um mich, vor allem in Studiendingen, in wahrhaft väterlicher Weise an. Dies ist vor allem deshalb bemerkenswert, weil es zu einem Zeitpunkt geschah, als noch kein Ende des Dritten Reiches abzusehen war, und weil ich nicht die einzige Halbarierin war, die Professor Hartl in seine Obhut nahm. […] Die Schikanen, denen ich von Seiten der Studentenschaft ausgesetzt war, denen auch die Professoren machtlos gegenüberstanden, brachten mich damals dazu, mein Studium abzubrechen, ein Gesuch während des Krieges, es wieder aufnehmen zu dürfen, wurde vom Ministerium zweimal abgeschlagen, später hatte ich auch noch Zwangsarbeit zu leisten, sodaß ich erst nach Einzug der Amerikaner dazukam, mich mit Professor Hartl von Neuem wegen einer Doktorarbeit in Verbindung zu setzen“. 175 Stefan Hemler: Zwischen Annäherung und Distanzierung. Der Weg des deutschnationalen Germanisten Eduard Hartl durch die NS-Zeit. In: Euphorion. Zeitschrift für Literaturgeschichte. 96. Band. Heft 2. Heidelberg 2002, 224, künftig zitiert als Hemler. 176 Ebd., 248.
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den Jahren 1932–35 und trug dazu bei, daß die Borcherdt-Schülerin auch als sogenannte ‚Halbjüdin‘ noch ihr Doktorexamen ablegen konnte.“177 Eine dem Vater von Liselotte Dietrich ähnliche Argumentationsstruktur spiegelt sich darüber hinaus in den Bemühungen eines in Hannover wohnenden Tierarztes wider, dessen 20-jährige Tochter an der Medizinischen Fakultät eingeschrieben und durch Zuteilung einer gelben anstelle der braunen Studentenkarte als „Jüdin klassifiziert“ wurde, obwohl sie – ebenso wie Liselotte Dietrich – nicht aus einer rein jüdischen Familie stammte. Ihren Vater rief dies zu einer Stellungnahme vom Standpunkt der Erbbiologie sowie aus Sicht eines alten Frontsoldaten zur Änderung der Verhältnisse auf: „Ich habe Anspruch auf das Lebensrecht eines deutschen Frontsoldaten und auch auf das deutsche Lebensrecht für meine Frau und mein Kind. Ich werde bis zum letzten Atemzuge dafür eintreten, daß man mein deutsches Kind nicht als Jüdin behandelt und brandmarkt. Mein Kind hat vielmehr arische Blutströme in sich als jüdische, und ganz abgesehen davon verdienen weder ihre Eltern noch sie selbst, daß sie in Deutschland, ihrem Vaterlande, als nicht gleichberechtigt angesehen wird.“178 Lediglich im Fall einer Jurastudentin mit drei Großelternteilen rein arischer Abstammung, einem Frontkämpfer und SA-Mitglied als Vater sowie einem an der TH München als Mitglied der DSt aufgenommenen Bruder, der ebenfalls aktiv in den Reihen der SA stand, wurde der Antrag auf Austausch der gelben Studenten-
177 Ebd., 229, FN 137. Hemler nimmt hierbei auf folgenden Quellenbestand Bezug: StAM, SpKA K 627. Stellungnahme von L[eonie] von Seuffert vom 5.12.1946: „Unsere einzige Tochter Thea ist Halbjüdin, da ich, obwohl katholischer Konfession, nach den Nazigesetzen Jüdin bin. Sie studierte von 1932 bis 1935 an der hiesigen Universität Germanistik und war dabei auch Schülerin von Prof. Hartl. Obwohl diesem ihre Abstammung bekannt war, hat er sie in jeder Weise gefördert, und meine Tochter, die sich jetzt in USA befindet, hat wiederholt betont, mit welch persönlichem Interesse er sich stets ihrer angenommen und sie beraten hat. Er hat auch als Examinator massgeblich dazu beigetragen, dass sie bei der Doktorprüfung als EINZIGER „Mischling“ unter 22 Doktoranden auch als EINZIGE mit der besten Note „summa cum laude“ ausgezeichnet wurde. Eine Tatsache, die für ihr Fortkommen in Amerika von wesentlicher Bedeutung war.“ Hervorhebung im Original. In einer eidesstattlichen Erklärung vom 22.11.1946 bestätigt auch die „Halbarierin“ und ehemalige Studentin Hartls, Liselotte Dietrich, diesen Sachverhalt. Vgl. ebd. Hartl nahm diese „judenfreundliche Gesinnung“ gleichermaßen für sich selbst in Anspruch: „Fähige Studenten habe ich gefördert, ohne Rücksicht, ob sie Christen oder Juden waren; auch die jüdischen Juniors aus Amerika haben bei mir (auch nach 1933) volles Verständnis und tatkräftige Förderung gefunden.“ Stellungnahme von Dr. Eduard Hartl vom 6.2.1947. StAM, SpKA K 627. 178 Alle Zitate nach UAM, Sen. 365/1. Dr. H. Schultze an seine Magnifizenz den Rektor der Universität München vom 12.12.1933.
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karte und damit die Aufnahme in die DSt zumindest vom Führer der Studentenschaft, Sigwart Göller, explizit und nachweislich befürwortet.179 Allgemein bleibt festzuhalten, dass die Situation für „Nichtarier“ in den folgenden Monaten noch eine weitere Verschärfung erfahren sollte. Der Großteil von ihnen entschloss sich deshalb aus „freien Stücken“ für eine Exmatrikulation oder setzte sein Studium im Ausland fort, zumal auch die Berufsausübung in Deutschland für sie immer aussichtsloser erschien. Besonders erschwert wurde die Lage für jüdische Studierende dabei an den von ihnen traditionell stark frequentierten medizinischen Fakultäten, wo sich in den späten 20er und frühen 30er Jahren jeweils mehr als 5 % der Studenten und 10 % der Studentinnen zum Judentum bekannten180: „Der Reichskanzler erkannte die Not an, die im ärztlichen Stande und insbesondere unter der ärztlichen Jugend vielfach herrsche. Gerade dieser deutschen Jugend müsse Lebensraum und Arbeitsmöglichkeit durch eine tatkräftige Zurückdrängung fremdrassiger Elemente geschaffen werden.“181 Für die 20-jährige Lotte Dann, welche der lokalen Medizinischen Fakultät erst seit dem Sommersemester 1932 angehörte182, wurde daher schon bald klar, dass es sinnlos war, weiter in Deutschland zu studieren: „Vielleicht hätte ich das Studium sogar noch beenden, aber bestimmt nicht arbeiten können“183, so die jüdische Emigrantin, die zuletzt im Sommersemester 1933 an der LMU studierte, sich im nachfolgenden Halbjahr an der Universität von Turin einschrieb und im Sommer 1938 ihr Doktorexamen ablegte. Ähnliche Gedanken ereilten die später in Pittsford (USA) lebende, pensionierte Sprachlehrerin Hilde Angelkort-Bach, die zwischen 1933 und 1936 Kunstgeschichte, Archäologie und Zeitungswissenschaft in Berlin und München (Sommersemester 1933 bis Wintersemester 1933/34) studiert hatte und nach ihrer unfreiwilligen Relegation an die deutsche Universität in Prag gegangen war: „Gerade als ich anfing, mich auf meine Dissertation vorzubereiten, wurde meine persönliche Situation unangenehmer. Mein Vater wurde im ‚Stürmer‘ angegriffen, weil er mit einer Jüdin verheiratet und immer noch
179 Vgl. ebd. Nora Tillmanns an die Deutsche Studentenschaft München vom 24.2.1934. 180 Vgl. Huerkamp: Bildungsbürgerinnen, 162 f. Zu den Einschränkungen gegen den juristischen Nachwuchs, unter dem sich ebenfalls ein großer Anteil von Juden befand, vgl. Grüttner, 216 f. 181 Reichskanzler Adolf Hitler und die Aerzte. In: Bayerische Ärztezeitung. Bayerisches ärztliches Correspondenzblatt. Nr. 15. 36. Jahrgang. München 1933. 182 Zu den persönlichen Daten vgl. UAM, Stud-Kartei I (Dann, Lotte). 183 Gernot Römer: Mit tiefer Dankbarkeit blicke ich zurück. Lotte Treves, geb. Dann. In: Ders. (Hg.): Vier Schwestern. Die Lebenserinnerungen von Elisabeth, Lotte, Sophie und Gertrud Dann aus Augsburg. Lebenserinnerungen von Juden aus Schwaben. Band 1. Augsburg 1998, 158, künftig zitiert als Römer.
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Beamter in der Hauptverwaltung der Deutschen Reichsbahn war. Mein Vater war schon vorher krank gewesen, bekam einen Rückfall und starb. Ich bekam einige wenige Ausdrücke des Beileids von Seiten der Studenten. Die meisten vermieden, mich anzusehen. Als es dann zu meiner Ausweisung aus der Universität kam, war ich zum Teil erleichtert, nicht mehr unter diesem Druck zu sein. Auf der anderen Seite merkte ich endlich, dass meine Karriere als Journalist in Deutschland auch nicht mehr möglich sein würde.“184 Schon im April 1933 beendete eine Verordnung die Tätigkeit kommunistischer und nichtarischer Kassenärzte und unterband eine Neuzulassung für Letztgenannte bis auf wenige Ausnahmen.185 Noch schwerwiegender wog allerdings ein Runderlass des Preußischen Kultusministeriums vom Oktober des vorangegangenen Jahres, der künftigen Medizinern und Zahnmedizinern die Approbation versagte und die Aushändigung des Doktordiploms an den Verzicht auf die deutsche Staatsangehörigkeit oder an die Aufnahme einer festen Auslandsstelle nach dem Examen koppelte. Zwei Monate später einigten sich Vertreter der medizinischen Fakultäten während einer Konferenz im Reichsinnenministerium darauf, die Approbation jüdischer Kandidaten auf 1 % aller Approbationen zu begrenzen. Ausnahmen sollten nur erfolgen, wenn die Betroffenen versprachen, nach ihrer Promotion auszuwandern.186 Im April 1934 ergänzte man die Prüfungsordnung für Ärzte, Zahnärzte und Apotheker schließlich durch einen Zusatz, der es ermöglichte, die Zulassung zu Prüfungen sowie die Erteilung der Approbation zu unterbinden, falls berechtigte Zweifel an der moralischen oder nationalen Zuverlässigkeit des Antragstellers bestanden, insbesondere jedoch, wenn schwere sittliche oder strafrechtliche Verfehlungen vorlagen187 – ein Zusatz, der bei Grüttner außer Acht gelassen wird und dementsprechend die Behauptung, wonach es sich um eine wenig umgrenzte Formulierung handelte, die besonders überzeugten Nationalsozialisten willkür liche Handlungsspielräume eröffnet haben dürfte188, relativiert.
184 Hilde Angelkort-Bach. In: Humboldt-Universität zu Berlin: Spurensuche, 14. Zu den persönlichen Daten vgl. auch UAM, Stud-Kartei-I (Angelkort, Hilde). 185 Vgl. Neuordnung im Aerztestand. In: Bayerische Ärztezeitung. Bayerisches ärztliches Correspondenzblatt vom 15.4.1933. Zum Schicksal einer jüdischen Arztfamilie im Dritten Reich vgl. Wolfgang Benz (Hg.): Das Tagebuch der Hertha Nathorff. Berlin-New York. Aufzeichnungen 1933 bis 1945. München 1987. 186 Vgl. Grüttner, 217, Huerkamp: Bildungsbürgerinnen, 163, sowie van den Bussche, 38 f. 187 Vgl. Bekanntgabe des Staatsministeriums für Unterricht und Kultus vom 16.4.1934 Nr. VI 18158 über Änderung der Prüfungsordnung für Ärzte, Zahnärzte und Apotheker. In: Amtsblatt des Bayer. Staatsministeriums für Unterricht u. Kultus. Nr. 4. München 1934, 42 f. 188 Vgl. Grüttner, 218.
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Einer der gravierendsten nachweisbaren Fälle, in denen sich eine ehemalige Studentin der LMU schon frühzeitig der unheilvollen Trias aus Geschlecht, Religion sowie vermeintlicher Oppositionstätigkeit und damit der moralischnationalen Unzuverlässigkeit ausgesetzt sah, stellt das erstmals bei Renate Jäckle erwähnte189 und von Monika Ebert ausführlich beleuchtete Schicksal der jüdischen Medizinstudentin Leni (Helene) Oberndorfer dar.190 Die gebürtige Münchnerin, Tochter des Universitätsprofessors und Vorstandes des Pathologischen Instituts am Schwabinger Krankenhaus, Dr. Siegfried Oberndorfer191, war seit dem Sommersemester 1927 an der hiesigen Universität immatrikuliert, hatte zwei klinische Semester in Freiburg und Wien verbracht und im Dezember 1932 das Staatsexamen bestanden.192 Seit Anfang Januar 1933 arbeitete die 24-Jährige in der I. Medizinischen Abteilung des städtischen Krankenhauses links der Isar bei Geheimrat Prof. Ernst von Romberg, um ihr praktisches Jahr, das im Januar 1934 ablaufen sollte, abzuleisten. Allerdings wurde die Medizinalpraktikantin am 31. März plötzlich entlassen, nachdem nur einen Tag vorher durch den kommissarischen ersten Bürgermeister der Stadt, Karl Fiehler, ein Erlass in Kraft getreten war, wonach die Beschäftigung jüdischer Studierender und Medizinalpraktikanten fortan verboten sei. Wie Axel Drecoll am Beispiel der „Entjudung“ der lokalen Ärzteschaft zwischen 1933 und 1941 nachweisen konnte, wurde in der bayerischen Landeshauptstadt durch städtische Verfügungen die von Adolf Hitler geforderte „Säuberung“ des Ärztestandes sogar konsequenter umgesetzt, als dies durch die im Jahr der Machtergreifung erlassenen Gesetze vorgesehen war. So zielten bereits die ersten lokalen Verordnungen auf eine rasche Entfernung jüdischer Mediziner aus ihren Stellungen in städtischen Krankenhäusern, nachdem diese schon ab dem 27. März 1933 ausschließlich Patienten ihrer Glaubensgemeinschaft behandeln durften, was eine deutliche Einschränkung des Aktionsradius bedeutete. Nach der Verabschiedung des „Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ vom 11. April 1933 verstießen die Behörden sogar gegen reichsweite Vorschriften, indem sie vorgesehene Ausnahmeregelungen stillschweigend außer Acht ließen und Betroffene damit indirekt zur Emigration bzw. Aufnahme einer
189 Vgl. Jäckle: Castrillon, Helene geb. Oberndorfer. In: Dies., 58 f. 190 Vgl. Ebert: Helene Oberndorfer-Castrillon. In: Dies., 192 ff. 191 Vgl. UAM, E-II-2599. Oberndorfer war im November 1933 aufgrund seiner jüdischen Herkunft aus dem Staatsdienst entlassen worden. 192 Zu den persönlichen Daten vgl. UAM, Stud-Kartei I (Oberndorfer, Leni), sowie Leni Oberndorfer: Milz und Knochenmark bei Erythrämie. Diss. München 1933, künftig zitiert als Oberndorfer: Diss. Oberndorfer war zunächst als Studentin der Philosophie (Neuere Sprachen) an der LMU eingeschrieben gewesen.
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Tätigkeit im Ausland zwangen.193 Weil Oberndorfer, die inzwischen zum Katholizismus konvertiert war, einen Kommilitonen, den Arzt und Kolumbianer Antonio Castrillon194, geheiratet hatte, am 14. Mai 1933 jedoch ein Gesuch bei der Stadt einreichte, in dem sie angab, nach ihrer Approbation auswandern zu wollen, stimmte diese als Trägerin der Klinik einer Wiedereinstellung und damit der Vollendung des praktischen Jahres zu.195 Trotz des positiven Bescheids gelang es der jungen Frau allerdings nicht, ihre Promotion ordnungsgemäß abzuschließen. Kaum hatte sie ihre Tätigkeit – jetzt in der Kinderabteilung des Schwabinger Krankenhauses – wieder aufgenommen, wurde sie von zwei Kommilitonen denunziert. So wandte sich der Medizinstudent Max Vollkommer am 27. Mai 1933 schriftlich an das Bayerische Kultusministerium und gab an, Leni Oberndorfer-Castrillon sei für ihre Arbeitserlaubnis eine Scheinehe mit einem Ausländer katholischer Konfession eingegangen und habe überdies vorgegeben, Deutschland am Ende des Semesters verlassen zu wollen: „Der Vorfall hat in der gesamten Studentenschaft berechtigtes Aufsehen hervorgerufen. Als deren Sprecher bitte ich, die sofortige neuerliche Entlassung von Frl. Oberndorfer durchsetzen zu wollen, und begründe mein Ersuchen mit den bisherigen aktiven marxistisch-kommunistischen Betätigungen der Juden. Ich selbst habe sie vor der Revolution wiederholt vor den Kliniken Flugblätter verteilen sehen.“196
193 Vgl. Axel Drecoll: Die „Entjudung“ der Münchner Ärzteschaft 1933–1941. In: Angelika Baumann/Andreas Heusler (Hgg.): München arisiert. Entrechtung und Enteignung der Juden in der NS-Zeit. München 2004, 76 f. 194 Vgl. UAM, Stud-Kartei I (Castrillon, Antonio), sowie Antonio Castrillón H.: Über paläocerebellare Aplasie des Kleinhirns. Diss. Berlin 1933. 195 Vgl. Monika Ebert: Zwischen Anerkennung und Ächtung. Medizinerinnen der Ludwig-Maximilians-Universität in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Neustadt an der Aisch 2003, 193, künftig zitiert als Ebert. Wie den Quellen des UAM zu entnehmen ist, fragte Leni Oberndorfer außerdem nur drei Tage später, „wahrscheinlich unter besonderem Hinweis auf § 4, Absatz III des Reichsgesetzes gegen die Ueberfüllung deutscher Schulen und Hochschulen vom 25.4.1933 bei dem Personalreferenten des Stadtrates München an, ob auf Grund dieser Bestimmung ihre Wiederbeschäftigung an der I. Medizinischen Abteilung des Krankenhauses lks. d. Isar zulässig wäre. Herr Rechtsrat Dr. Hörburger teilte mir [Ernst von Romberg/P. U.] telefonisch mit, dass Herr Oberbürgermeister Fiehler der Wiedereinstellung in die I. Medizinische Abteilung des städtischen Krankenhauses lks. d. Isar zugestimmt hätte. Frau Castrillon, geb. Oberndorfer, wurde darauf am Montag, den 22. Mai, wieder als Medizinalpraktikantin im Krankenhaus lks. d. Isar eingestellt.“ UAM, E-II-2599, Unterakt „Helene Castrillon, geb. Oberdorfer“. [Ernst von] Romberg an das Rektorat der Universität vom 17.6.1933. 196 Ebd. Max Vollkommer an das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus vom 27.5.1933.
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Vollkommer unterstrich diese Aussage einige Wochen später vor dem Syndikus der Universität, indem er angab, er habe die Beschuldigte in den vergangenen Halbjahren wiederholt beim Verteilen marxistischer Flugblätter vor den Eingängen der medizinischen Institute beobachtet.197 Darüber hinaus verwies er auf einen weiteren Zeugen, den Medizinstudenten und Studienkollegen Willy Spißmann.198 Spißmann gab vor, Leni Oberndorfer im Sommer 1932 in den Reihen einer Gegenveranstaltung anlässlich eines SA-Aufmarsches gesehen zu haben: „Am Schluß dieses Demonstrationszuges marschierte eine Gruppe, anscheinend Studenten und Studentinnen, unter ihnen Frau Castrillon, damals Fräulein Oberndorfer. An der Spitze dieser Gruppe wurde ein Transparent getragen mit der Inschrift „Herein in den roten Kampfblock“ oder „Herein in die rote Kampffront“. Ich erzählte es damals meinen Kollegen, die sich dieses Vorfalles erinnerten, als Fräulein Oberndorfer nach der nationalen Revolution wieder in der I. medizinischen Klinik arbeitete.“199 Obwohl sich nicht feststellen lässt, was die beiden Männer zu dieser Verleumdung veranlasst hatte, welche die Studenten selbst bei einer persönlichen Gegenüberstellung mit der Beschuldigten im Juli 1933 aufrechterhielten, war es offenbar ihr Ziel, eine Jüdin, welche, so Stefanie Harrecker, „geltendes Ausnahmerecht in Anspruch nahm, aus der Universität zu entfernen, indem man sie politisch diskreditierte.“200 Zumindest für Vollkommer darf zudem ein deutlich antisemitisch motivierter Hintergrund vermutet werden, nachdem der angehende Arzt bereits seit dem Wintersemester 1932/33 dem NSDStB angehörte.201 Castrillon selbst stand den – nach eigenen Worten – zwei „Angebern“202 bei ihrer zwangsweisen Zusammenführung im Münchner Stadtrat im August 1933 zum ersten Mal gegenüber und glaubte, es sei höchstens denkbar, dass sie Vollkommer einmal gesehen habe. In einer nur wenige Tage später abgegebenen eidesstattlichen Versicherung erklärte Helene Castrillon, die sich einen Anwalt nahm und eine Privatklage wegen Verleumdung erheben ließ, sie habe zu keinem Zeitpunkt irgendwie politisch agiert, niemals an einer sozialistischen oder ähnlichen Straßenkundgebung teilgenommen und keine Flugblätter oder Zettel marxistischen Inhalts verteilt. Auch die im Hinblick auf ihre Eheschließung erhobenen Vorwürfe wies die junge
197 Ebd. Aussage Max Vollkommers vor dem Syndikus der Universität vom 21.6.1933. 198 Zu den persönlichen Daten vgl. UAM, Stud-Kartei-I (Spißmann, Willi (!)). 199 UAM, E-II-2599. Unterakt „Helene Castrillon, geb. Oberndorfer“. Aussage Willy Spißmanns vor dem Syndikus der Universität vom 23.6.1933. 200 Harrecker, 160. 201 Vgl. UAM, Stud-Kartei I (Vollkommer, Max). 202 Vgl. UAM, E-II-2599. Unterakt „Helene Castrillon, geb. Oberndorfer“. Erklärung vom 13.7.1933.
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Frau entschieden zurück.203 Mehrere Studienkolleginnen und -kollegen, darunter Ruth von Drygalski, Tochter des Münchner Geographie-Professors Erich von Drygalski204, stellten ihr ein Leumundszeugnis aus und bestätigten, dass sich ihre Kommilitonin stets mit Absicht von Politik ferngehalten und keinerlei Inte resse dafür gezeigt habe.205 Wenngleich die LMU den Anschuldigungen Vollkommers und Spißmanns einerseits wenig Glauben zu schenken schien, mussten sich die Männer andererseits nicht für ihre Vorwürfe verantworten. So war das vor dem Münchner Amtsgericht eingeleitete Verleumdungsverfahren einer Notiz der Abteilung Strafgericht zufolge im Herbst 1934 noch immer ohne Ergebnis geblieben und wurde schließlich im März 1935 eingestellt, nachdem die Klägerin bereits Ende August 1933 nicht mehr im Schwabinger Krankenhaus tätig war.206 Tatsächlich hatte sich Leni Castrillon in der Zwischenzeit bemüht, ihr Auswanderungsvorhaben zu beschleunigen, und deshalb bei der Medizinischen Fakultät beantragt, ihr bestandenes Staatsexamen als Rigorosum anzusehen, um vorzeitig das Doktordiplom zu erhalten. Die Fakultät unterstützte dieses Anliegen beim Bayerischen Kultusministerium, welches Anfang September 1933 seine Zustimmung gab. Voraussetzung für das auf diesem Wege ausgehändigte Dokument war jedoch eine schriftliche Erklärung, in der die Promovendin auf die Erteilung der Approbation sowie die Führung des Doktortitels in Deutschland verzichtete.207 Helene Cas trillon akzeptierte diese Bedingungen und erhielt ein Doktordiplom, welches keinerlei Unterschiede zu anderen Urkunden dieses Grades aufwies, von den kolumbianischen Behörden anerkannt wurde und ihr die im Januar 1933 magna cum laude abgeschlossene Promotion bestätigte.208 Wieder andere Frauen mussten, wie die lebensgeschichtlichen Untersuchungen Eberts über die Medizinerinnen
203 Vgl. ebd. Abschrift der eidesstattlichen Erklärung vom 18.8.1933. 204 Vgl. Ebert: Ruth Moerder geb. von Drygalski. In: Dies., 185–187, sowie UAM, Stud-Kartei I (von Drygalski, Ruth). 1934 gab Erich von Drygalski, der am 10. Januar 1949 in München starb, seinen Lehrstuhl an der LMU auf. Ebd., 185. 205 Vgl. UAM, E-II-2599. Unterakt „Helene Castrillon, geb. Oberndorfer“. Erklärung vom 9.9.1933. 206 Vgl. Ebert, 194. Ein möglicher Disziplinarakt der beiden Denunzianten, die später selbst promoviert wurden, ist in den Beständen des UAM jedenfalls nicht nachweisbar. Vgl. in diesem Zusammenhang Willy Spissmann: Über die verschiedene Entstehung von angeborenen Missbildungen. Mitteilung eines eigenartigen Falles mehrfach schwerer Mißbildung, für dessen Entstehung Involutionsvorgänge des Uterus eine Rolle gespielt haben können. Diss. Düsseldorf 1938 sowie Max Vollkommer: Die Leukämien in Südbayern innerhalb der letzten 10 Jahre, Zahlen und Schlußfolgerungen. Diss. Berlin 1935. 207 Vgl. UAM, E-II-2599. Unterakt „Helene Castrillon, geb. Oberndorfer“. Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus an das Rektorat der Universität München vom 6.9.1933. 208 Vgl. UAM, G-IX-7. Diplomnr. 17795, sowie Oberndorfer: Diss.
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an der LMU zeigen, bei einem Neuanfang im Ausland erneut Prüfungen ablegen, um eine Approbation zu erhalten. Diejenigen unter ihnen, die das 50. Lebensjahr bereits überschritten hatten, hatten darüber hinaus kaum Aussicht auf eine Anstellung.209 Nach zahlreichen Jahren medizinischer Tätigkeit, in denen sich die Emigrantin und fünffache Mutter bis zur Professorin hocharbeitete, bekam Leni Oberndorfer, wie sie sich nach der Trennung von ihrem Ehemann 1949 wieder nannte, 1954 im Zuge der Wiedergutmachung die ehedem versagte Approbation zugesprochen. Ein Jahr vor ihrem Tod am 15. Februar 1994 wurde die mittlerweile 85-Jährige und mehrfach für ihre Arbeit Ausgezeichnete in Deutschland rehabilitiert und erhielt die Urkunde für ihre Wiedereinbürgerung.210 In ihrem Nachruf würdigte man die hauptsächlich in der Pädiatrie Tätige wie folgt: „Die Deutsche und die Münchner Kinderheilkunde verliert in Leni Oberndorfer eine Kollegin, die herzhaft mit einzigartigem Engagement nicht nur ihr Leben meisterte, sondern auch deutsche Kinderheilkunde nach Südamerika getragen hat und niemals den Ursprung ihres Lebenswerkes vergaß, obwohl ihr so viel Unrecht angetan wurde.“211 Im Februar 1935 verschlechterte sich die bisherige Lage für jüdische Studierende durch eine erneute Verordnung des Reichsinnenministeriums noch mehr, da die Prüfungszulassung und Erteilung der Approbation für Apotheker, Zahnmediziner und Ärzte nun vom Nachweis arischer Abstammung abhingen und Ausnahmen lediglich aus besonderen Gründen gemacht werden sollten. Da die Betroffenen jedoch erst nach dem Staatsexamen promovieren konnten, liefen die erneuten Einschränkungen im Grunde darauf hinaus, „Nichtariern“ an den medizinischen Fakultäten jeglichen Studienabschluss vorzuenthalten212: Ab Mitte Dezember 1935 war dem Bewerber nach der Reichsärzteordnung die Bestallung grundsätzlich zu verwehren, wenn es diesem aufgrund seiner oder seines Ehepartners Abstammung unmöglich war, Beamter zu werden, und zum Zeitpunkt der Bewerbung der „Anteil der nicht deutschblütigen Ärzte an der Gesamtzahl der Ärzte im Deutschen Reich den Anteil der Nichtdeutschblütigen an der Bevöl-
209 Vgl. Ebert, 149. 210 Vgl. ebd., 194 f. 211 Theodor Hellbrügge: In memoriam Professor Dr. Leni Oberndorfer. In: Der Kinderarzt. Zeitschrift für Kinderheilkunde und Jugendmedizin. Mitteilungen des Berufsverbandes der Kinderärzte Deutschlands e. V. 25. Jahrgang. Nr. 11. Lübeck 1994, 1472. 212 Vgl. Grüttner, 217 f., Böhm, 213 f., sowie Adam: Judenpolitik, 84. Ausnahmen bei Frontkämpfern oder Vierteljuden waren nach den Ausführungsbestimmungen zwar vorgesehen, jedoch in der Praxis wohl kaum umzusetzen, da sich, so Grüttner, unter den Studierenden der Medizin in den 1930er Jahren kaum noch Frontkämpfer des Ersten Weltkrieges befunden haben dürften. Vgl. Grüttner, 218.
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kerung des Deutsches Reiches“213 überstieg; nichtarische Kandidaten der Zahnheilkunde und Medizin, die ihr Studium vor dem Sommersemester 1933 begonnen hatten, durften auch weiterhin regelmäßig zu den Prüfungen zugelassen werden. Die zahlreichen Behinderungen führten dazu, dass auch an der Universität München die Frequenz der reichsdeutschen nichtarischen Medizinstudierenden, die zudem ihr praktisches Jahr nur noch an jüdischen Anstalten ableisten durften, stetig sank. Waren im Sommersemester 1934 noch 23 zukünftige Humanmediziner immatrikuliert, was bei 2528 Immatrikulationen in diesem Fachbereich nicht einmal einem Anteil von 1 % entsprach (0,91 %), hatte sich deren Zahl im Wintersemester 1936/37 auf 15 von 2103 Einschreibungen (0,71 %) verringert214, darunter fünf Frauen von insgesamt 361 Studentinnen (1,38 %).215 Den Randnotizen der Quelle zufolge handelte es sich bei den Männern und Frauen jedoch allesamt nicht um Erstsemester, was die These stützt, wonach sich die mittelbare Wirksamkeit der Judenpolitik in erster Linie darin zeigte, dass die Menge der neu aufgenommenen „Nichtarier“ äußerst schnell abnahm und auf eine unmerkliche Größe mit nur geringem Anteil von Erstsemestern absank.216 Zahlen der Universität Hamburg, an welcher sich im Sommersemester 1937 nur noch acht, im darauffolgenden Wintersemester zwei sowie im Sommersemester 1938 sechs jüdische Erstsemester immatrikulieren ließen, bestätigen diese Behauptung217 ebenso wie Forschungsergebnisse zur Universität Köln, die in den Jahren von 1927 bis einschließlich 1932 jeweils mehr als 100, 1934 nur noch acht Einschreibungen jüdischer Studierender, darunter zwei Frauen, aufwies.218 Im April 1937 ordnete ein Erlass des REM an, Juden deutscher Staatsangehörigkeit fortan nicht mehr zur Doktorprüfung zuzulassen und keine Doktordiplome zu erneuern. Damit hatte man auch die letzte Nische für jüdische Studie-
213 Reichsärzteordnung vom 13.12.1935. In: RGBl. Teil I. Nr. 137. Berlin 1935, 1433. 214 Zu den Zahlenangaben vgl. Hartmut Titze: Wachstum und Differenzierung der deutschen Universitäten 1830–1945. Datenhandbuch zur deutschen Bildungsgeschichte. Göttingen 1995, 461. 215 Zu den Zahlen vgl. Böhm, 216, sowie UAM, Sen. 559/1. Namentliches Verzeichnis der im Winterhalbjahr 1936/37 immatrikulierten reichsdeutschen nichtarischen Studierenden der Humanmedizin vom 1.7.1936. Bei den Studentinnen handelte es sich um Friederike Erlenbach, Studentin der LMU seit dem Wintersemester 1932/33, Wera Guenther, Studentin der LMU seit dem Wintersemester 1932/33 (mit Ausnahme des Sommersemesters 1933), Elisabeth Schneidhuber, Studentin der LMU seit dem Sommersemester 1933, Irmgard Liebmann und Eva Mayer, zu denen jedoch keine Studentenkartei mehr existiert. Vgl. UAM, Stud-Kartei I (Erlenbach, Friederike/Guenther, Wera/Schneidhuber, Elisabeth). 216 Vgl. Böhm, 216. 217 Vgl. Freimark, 137. 218 Vgl. Lauf, 28, 49.
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rende, die bis 1935 bereits weitgehend von den Staatsprüfungen ausgeschlossen worden waren und auf diesem Wege einen Abschluss zu erlangen gedachten, geschlossen.219 Wenngleich die Promotion von „Mischlingen“ zu diesem Zeitpunkt noch erlaubt war, konnte jedoch in „Zweifelsfällen“220 die Entscheidung des REM eingeholt werden, weshalb selbst hier noch genügend Spielraum verblieb, um eine Ablehnung herbeizuführen. Lediglich für Ausländer, die keinem Abstammungsnachweis unterworfen waren, galten aus außenpolitischen und rechtlichen Erwägungen Sonderregelungen, sodass diese ihr Studium theoretisch zumindest bis Anfang 1937 unbehelligt beenden konnten. Wie das Protokoll der Sitzung der Medizinischen Fakultät München vom 26. Juni 1936 zeigt, war man allerdings schon viel früher nicht mehr bereit gewesen, ausländische Juden zu promovieren. Dementsprechend sollte zwar der Eingabe der jugoslawischen Staatsangehörigen Ellen Schwarz um Zulassung zum Staatsexamen, jedoch nicht ihrem damit verbundenen Wunsch nach einer Dissertation entsprochen werden. Der interne Beschluss lautete deshalb: „Cirkular an alle Dozenten darüber schicken, dass sie keine Doktor-Arbeit bekommt.“221 Im Februar 1937 herrschte schließlich auch auf einer Besprechung verschiedener Partei- und Staatsstellen Einvernehmen darüber, Studierende wie Schwarz zukünftig nicht mehr zu einem Hochschulstudium in Deutschland zuzulassen. Um unerwünschte Reaktionen des Auslandes zu vermeiden, verzichtete man aber parallel auf einen Erlass und instruierte stattdessen im Mai die jeweiligen Rektoren entsprechend.222 Noch im selben Monat machte die LMU die Immatrikulation eines südslawischen Studenten rückgängig, der sich mit gefälschtem Reife- und Leumundszeugnis eingeschrieben hatte,
219 Vgl. UAM, Sen. 559. Erlass des Reichs- und Preußischen Ministers für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung vom 15.4.1937, sowie Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus an die Herren Rektoren der 3 Landesuniversitäten und der Technischen Hochschule München vom 26.4.1937. Zu den in diesem Zusammenhang geführten Kontroversen in Partei- und Staatsbürokratie vgl. Saul Friedländer: Das Dritte Reich und die Juden. Die Jahre der Verfolgung 1933–1939. Die Jahre der Vernichtung 1939–1945. München 2008, 248–250, künftig zitiert als Friedländer. 220 UAM, Sen. 559. Erlass des Reichs- und Preußischen Ministers für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung vom 15.4.1937. 221 UAM, N-III-6. Protokoll über die Fakultätssitzung am 26.6.1936. Vgl. dazu auch Ebert, 148. 222 Vgl. Grüttner, 220. Erst nach Kriegsbeginn änderten sich die Verfügungen und es wurde bestimmt, dass seit Anfang 1940 lediglich Ausländer eingeschrieben werden durften, die eine Erklärung abgaben, wonach weder sie selbst noch ihre Ehepartner Juden waren. Ausländer, die diese Erklärung nicht abgeben konnten oder die Abgabe verweigerten, wurden nicht immatrikuliert. Vgl. UAM, Sen. 909. Mitteilung des Reichsministers für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung vom 13.2.1940.
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welche seine jüdische Religionszugehörigkeit sowie den Mädchennamen seiner Mutter verschleierten.223 Eine weitere, jedoch erst nach Kriegsbeginn in diesem Kontext durchgeführte antijüdische Maßnahme, die, so Friedländer ironisch, „wahrhaft schöpferisches Denken“224 erkennen ließ, bestand in einer Verfügung des REM vom 20. Oktober 1939. Ihr zufolge durften jüdische Autoren nur dann in Doktorarbeiten zitiert werden, wenn dies aus wissenschaftlichen Gründen nicht zu umgehen war225, auch wenn sich in der Praxis allein der Großteil der Münchner Ordinarien „in der Frage der Verwendung der Werke jüdischer Wissenschaftler nicht einschränken“226 ließ. Zudem seien die Studierenden im Sinne eines unumgänglichen Rituals genötigt gewesen, „auf den ersten und letzten Seiten einer Dissertation mit verfänglichem Thema einige nationalsozialistische Lippenbekenntnisse“227 abzulegen. Nach Elisabeth Noelle-Neumann, ehemals Studentin der Zeitungswissenschaft, Geschichte und Philosophie in Berlin, Königsberg und München, die 1940 mit einer Arbeit zum Thema „Amerikanische Massenbefragungen über Politik und Presse“228 von Emil Dovifat promoviert wurde, nannte man „diese Seiten „Packpapier“, damit die ganze Arbeit durchkommen könnte. Lew Kopelew beschrieb später einmal die gleiche Praxis aus der Sowjetunion: ‚Wir nannten diese Seiten
223 Vgl. UAM, Stud-Straf-312. 224 Friedländer, 430. 225 In der Praxis stieß diese Verordnung, mit der eine genaue Trennung nach deutschen und jüdischen Verfassern im Literaturverzeichnis verbunden war, jedoch auf ernsthafte Probleme, zumal sich die rassische Abklärung der zitierten Autoren oftmals als äußerst schwierig gestaltete. Aus diesem Grund erging im April 1940 aus Hochschulkreisen der Vorschlag, das REM „möge amtliche Verzeichnisse von jüdischen Wissenschaftlern fertigen lassen, die nicht nur bei Anfertigung von Dissertationen, sondern auch bei allen übrigen wissenschaftlichen Arbeiten herangezogen werden können.“ Heinz Boberach (Hg.): Meldungen aus dem Reich 1938–1945. Die geheimen Lageberichte des Sicherheitsdienstes der SS. Band 4: Meldungen aus dem Reich. Nr. 66 vom 15. März 1940-Nr. 101 vom 1. Juli 1940. Herrsching 1984, 979. 226 Maximilian Schreiber: Walther Wüst. Dekan und Rektor der Universität München 1935–1945. München 2008, 132, künftig zitiert als Schreiber. 227 Elisabeth Noelle-Neumann: Lehrer und Schülerin – ein Doppelporträt. In: Bernd Sösemann (Hg.): Emil Dovifat. Studien und Dokumente zu Leben und Werk. Berlin, New York 1998, 30, künftig zitiert als Noelle-Neumann: Doppelporträt. 228 Elisabeth Noelle-Neumann: Amerikanische Massenbefragungen über Politik und Presse. Frankfurt am Main 1940. Zur Rolle von Noelle-Neumanns Doktorarbeit als Basis für „drei wichtige Bezugspunkte ihres Denkens […], die sie auch später beschäftigen sollten“, vgl. Nicole Kramer: Elisabeth Noelle-Neumann. Die Demoskopin in der „Schweigespirale“. In: Theresia Bauer/ Elisabeth Kraus/Christiane Kuller u. a. (Hgg.): Gesichter der Zeitgeschichte. Deutsche Lebensläufe im 20. Jahrhundert. München 2009, 133–149, hier 138.
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am Anfang und am Ende eines Buches ‚Passepartout‘ – Passagierschein, um Botschaften durchzuschmuggeln‘.“229 Wenngleich den Erinnerungen der gebürtigen Berlinerin mit Sicherheit ein gewisser Vorbehalt entgegengebracht werden muss, zumal die spätere Gründerin des Allensbacher Instituts für Demoskopie (IfD) in der Nachkriegszeit u. a. durch ihre frühere Aktivität in NS-Studentenorganisationen – darunter als Zellenleiterin der Münchner ANSt – und durch vermeintlich antisemitische Äußerungen in ihrer Doktorarbeit sowie in der von Goebbels ab 1940 herausgegebenen Wochenzeitschrift „Das Reich“ in Kritik geraten war230, schilderte auch Dr. Marianne W., die zwischen 1940 und 1942 an der LMU studiert und eine Doktorarbeit über „mongoloide Idiotie“ verfasst hatte, im persönlichen Zeitzeugengespräch eine ähnliche Situation: „Und nun war die Doktorarbeit fertig, und ich war beim
229 Noelle-Neumann: Doppelporträt, 30. 230 Zu den persönlichen Daten von Noelle-Neumann vgl. ihren 1939 verfassten Lebenslauf unter http://gurukul.ucc.american.edu/radiowave/noelle/nnleben.htm vom 20.7.2014. Ungeachtet aller restriktiven Maßnahmen, zu denen auch das Verbot gehörte, Dissertationen im Ausland drucken zu lassen, erschienen, so Beck und Krogoll, „augenscheinlich immer wieder Arbeiten, die den Wünschen der Nationalsozialisten nicht entsprachen. Ausdrücklich und wiederholt wurde deshalb seit 1939 in allen Fällen, in denen politische Fragen berührt wurden, die Einschaltung der „Parteiamtlichen Prüfungskommission zum Schutze des NS-Schrifttums““ angeordnet. Wolfgang Beck/Johannes Krogoll: Literaturwissenschaft im „Dritten Reich“. Das Literaturwissenschaftliche Seminar zwischen 1933 und 1945. In: Eckart Krause, Ludwig Huber, Holger Fischer (Hgg.): Hochschulalltag im „Dritten Reich“. Die Hamburger Universität 1933–1945. Teil II: Philosophische Fakultät, Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät. Berlin, Hamburg 1991, 720. Für diese Anordnung lassen sich etliche Belege im Bestand der Promotionsakten der LMU ausmachen, wofür exemplarisch das nachfolgende Beispiel einer Doktorandin der Romanistik stehen mag, die im Dezember 1940 an der Philosophischen Fakultät ihre mündlichen Prüfungen bestanden hatte: „Meine Dissertation über das Thema „Das literarische Deutschlandbild Frankreichs von 1914–1940“, die von der Fakultät angenommen wurde, beabsichtigte ich […] durch Hinzunahme der noch in Frankreich während des deutsch-französischen Krieges erschienenen Neuerscheinungen auf den letzten Stand zu bringen und erst dann zu veröffentlichen. […] Nachdem ich die Überarbeitung und Ergänzung der Arbeit fertiggestellt hatte und das Manuskript dem Institut für Aussenpolitische Forschung […] in Berlin zugesandt hatte – wurde die Herausgabe verzögert, da die Zensur inzwischen Bedenken hatte, die Genehmigung zum Erscheinen der Schrift zu erteilen, da ich darin der Objektivität halber zahlreiche deutschfeindliche Äusserungen französischer Schriftsteller zitiert habe.“ UAM, O-Np-3. Trimester 1940. Hildegart H. an den Herrn Dekan der Philosophischen Fakultät, Universität München vom 28.3.1946. Da das Manuskript der Doktorarbeit kurz vor der Drucklegung beim Verlag einem Bombenangriff zum Opfer fiel, konnte selbige allerdings während des Dritten Reiches nicht mehr herausgegeben und die Promotionsurkunde nicht mehr ausgestellt werden. Erst 1958 gelang es Hildegart H., ihre Arbeit in gekürzter Form neu zu erstellen und die notwendigen Pflichtexemplare einzureichen. Vgl. ebd. [Gerhard] Rohlfs an die Philosophische Fakultät der Universität München vom 17.7.1958.
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Stemplinger [der Doktorvater/P. U.] und machte die letzte Besprechung mit ihm. Und da sagte er: „Wissen Sie, was wir vergessen haben? Da ist kein Wort drin von irgendwelchen Parteidoktrinen oder sonst was. Da müssen wir noch was anhängen.“ Also wurde an die fertige Doktorarbeit ein Satz noch angehängt. Der war also [folgendermaßen/P. U.]: Gerade im Hinblick auf Erbkrankheiten wär’s eben auch wichtig, da zu forschen und weiter zu suchen, ob es vielleicht unter die Erbkrankheiten fallen würde“.231 Weitere Beispiele dieser Art, die sich etwa im Bereich der Medizinischen Fakultät bereits in Mitte der 1930er Jahre verfassten Dissertationen finden232, verdeutlichen den nach 1933 vorherrschenden Zwang zu einem „fieberhaften politischen Bekenntnisdrang“ an deutschen Hochschulen. Er schränkte die Freiheit der Wissenschaft ebenso ein wie die akademische Freiheit der Lernenden und Lehrenden und war zugleich mit dem Versuch der Nationalsozialisten verbunden, „die Rassendoktrin auf breiter Ebene wissenschaftlich zu fundieren.“233 Der endgültige Höhepunkt in der Vertreibung jüdischer Studenten, die mit 137 Personen schon im Wintersemester 1934/35 nur mehr einen verschwindend geringen Anteil von 0,64 % aller an den deutschen Universitäten und wissenschaftlichen Hochschulen eingeschriebenen 84.629 Studierenden ausmachten234, war schließlich mit dem Pogrom vom 9. November 1938 erreicht. In dessen Folge radikalisierte sich die antisemitische Politik weiter: Reichserziehungsminister Bernhard Rust erteilte den Rektoren am 11. des Monats die telegraphische Anweisung, zur „Vermeidung von Unträglichkeiten“235 Juden die Teilnahme an Lehrveranstaltungen sowie das Betreten aller deutschen Hochschulen zu verbieten. Nur einen Tag später untersagte Rektor Philipp Broemser dem ehemaligen
231 Alle Zitate nach Interview mit Dr. Marianne W. vom 29.4.2005. 232 Vgl. exemplarisch Hildegard Richter-Heimbach: Blutgruppenbestimmung an Blutflecken. Diss. München 1934, 5: „Die Entdeckung der Blutgruppen ist nun, außer für rassenbiologische Studien, für die Medizin von großer Bedeutung“, sowie Annemarie Reusch: Über tödlichen Fruchtabtreibungsversuch durch intrauterine Einspritzung von Alaunlösung mit eigenartigen Blutveränderungen. Diss. Borna-Leipzig 1935, 1: „Von einer allgemeinen Freigabe der Schwangerschaftsunterbrechung ist im Dritten Reich keine Rede mehr; nur das Problem der eugenischen Unterbrechung ist umstritten.“ 233 Karl Dietrich Bracher: Die ideologische Gleichschaltung. Erziehung und Wissenschaft im Griff der Gleichschaltung. In: Ders.: Die nationalsozialistische Machtergreifung. Studien zur Errichtung des totalitären Herrschaftssystems in Deutschland 1933/34. I. Stufen der Machtergreifung. Frankfurt am Main, Berlin, Wien 1979, 437, 441. 234 Titze: Hochschulstudium, 227. 235 UAM, Sen. 559. Telegramm des Reichserziehungsministers an den Rektor der Universität München vom 11.11.1938. Vgl. dazu auch Die Hochschulen für Juden gesperrt. Eine Sofortmaßnahme des Reichserziehungsministers. In: VB vom 15.11.1938, hier nach UAM, Sen. 559/1.
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Jura- und jetzigen Medizinstudenten Franz Plachte die Teilnahme an Übungen und Vorlesungen sowie den Zutritt zur LMU und ihren Anstalten. Weitere inländische Juden waren zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr eingeschrieben236, ein Befund, der sich gleichermaßen für zahlreiche andere Universitäten konstatieren lässt. So verzeichnete bspw. Tübingen bereits seit dem Sommersemester keine entsprechenden Immatrikulationen mehr, während Freiburg im kommenden Halbjahr als „judenrein“237 galt, nachdem – der Untersuchung Olenhusens zufolge – der letzte jüdische Student Ende 1938 mit dem Examen abgeschlossen hatte238. Lediglich an der Universität Hamburg waren noch neun Juden, die nun ihr Studium abbrechen mussten, unmittelbar von der Maßnahme betroffen gewesen.239
3 Jüdische „Mischlinge“ Nachdem man sich in den ersten Jahren nationalsozialistischer Hochschulpolitik vor allem auf die Vertreibung jüdischer Studierender konzentriert hatte, richtete sich der Fokus in der Folgezeit verstärkt auf die sog. „Mischlinge“. Während in der Gesetzgebung zunächst von „Nichtariern“ gesprochen worden war, definierte die „Erste Verordnung zum Reichsbürgergesetz“ vom 14. November 1935, wer als Voll- oder Geltungs- bzw. Halb- oder Vierteljude und damit als „Mischling ersten Grades“ (zwei jüdische Großelternteile) oder als „Mischling zweiten Grades“ (ein jüdischer Großelternteil) galt.240 Die Frage, ob letztgenannte eine ähnliche Behandlung wie die Juden erfahren sollten, war allerdings umstritten und gehörte zu den andauernden Problemen deutscher Bürokratie.241 So wurden etwa nach einer Anordnung Hitlers studierende jüdische „Mischlinge ersten und zweiten Grades“ seit Ende Dezember 1936 doch in die DSt aufgenommen und ihre gelben in braune Ausweiskarten umgetauscht. An der LMU unterlagen dieser Änderung nach einer Aufstellung vom 16. Januar 1936 29 Stu-
236 Vgl. UAM, Sen. 142/I. Der Rektor an den Studenten der Medizin Franz Plachte vom 12.11.1938. 237 Adam, 115. 238 Vgl. Olenhusen, 190, FN 87. 239 Vgl. Giles, 107. 240 Vgl. Erste Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 14. November 1935. In: RGBl. Teil I. Nr. 125. Berlin 1935, 1333 f. 241 Vgl. Grüttner, 221.
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dierende, darunter neun Frauen, zu denen auch Hanne Lenz gehörte.242 Da es an einzelnen Universitäten offenbar sogar nach Kriegsbeginn noch üblich war, „daß für die noch zum Studium zugelassenen jüdischen Mischlinge zur Unterscheidung von den deutschblütigen Studierenden Studentenausweise besonderer Art ausgestellt wurden, die sich durch Farbe oder sonstige Kennzeichnung von den übrigen unterschieden“, erging im Februar 1940 ein Erlass, der diese Form der „Sonderbehandlung“ außer Kraft setzte, um den Betroffenen keine Schwierigkeiten durch „Einführung oder Beibehaltung von besonderen Unterscheidungsmerkmalen“243 zu machen. Obwohl man auf diesem Wege zumindest ein äußerliches Stigma abgeschafft hatte und die „Halb-“ oder „Viertelarier“ im Gegensatz zu ihren jüdischen Kommilitonen von den Zulassungsbeschränkungen des Überfüllungsgesetzes nicht betroffen waren244, verschlechterten sich ihre Berufsaussichten dennoch zusehends. So wurde etwa Medizin- oder Zahnmedizinstudenten das Doktordiplom erst ausgehändigt, wenn sie eine Festanstellung im Ausland bzw. die Aussicht darauf vorweisen konnten. Darüber hinaus erklärten sich zahlreiche Hochschullehrer grundsätzlich nicht mehr bereit, „Nichtarier“ zu promovieren, was die Suche nach einem Doktorvater erschwerte und manchen Studierenden zur Aufgabe seines Planes bewegt haben dürfte. Einige Universitäten wie bspw. Frankfurt gingen sogar so weit, „Mischlingen“ noch zu Vorkriegszeiten, genauer gesagt im Wintersemester 1938/39, die Immatrikulation zu verwehren, obwohl diese nach den Nürnberger Gesetzen nicht als Juden galten und keine entsprechenden Bestimmungen vonseiten des REM vorlagen.245 Wie verschiedene, wohl aufgrund unterschiedlicher Feststellungstermine zum Teil voneinander abweichende Aufstellungen der LMU zeigen246, ging die Gesamtzahl der nichtarischen reichsdeutschen Studenten, d. h. die Summe der
242 Vgl. UAM, Sen. 6 II/I. Der Reichs- und Preußische Minister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung an die Hochschulverwaltungen der Länder (außer Preußen und Sachsen) vom 16.12.1936, sowie ebd. Universität München an das Reichs- und Preussische Ministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung vom 16.1.1937. 243 Alle Zitate nach Zulassung von Ausländern zum Studium. In: Die deutsche Hochschulverwaltung. Sammlung der das Hochschulwesen betreffenden Gesetze, Verordnungen und Erlasse. Band 2. Berlin 1943, 386, künftig zitiert als Hochschulverwaltung. 244 Vgl. Gesetz gegen die Überfüllung deutscher Schulen und Hochschulen vom 25.4.1933, § 4 Abs. 3. In: RGBl. Teil I. Nr. 43. Berlin 1933, 225. 245 Vgl. Notker Hammerstein: Die Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main. Von der Stiftungsuniversität zur staatlichen Hochschule. Band I. 1914 bis 1950. Neuwied/Frankfurt am Main 1989, 456. 246 Vgl. dazu die differierenden Angaben bei Böhm, 217 f.
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Voll-, Halb- und Vierteljuden, vor diesem Hintergrund kontinuierlich zurück. Waren im Wintersemester 1934/35 insgesamt noch 106 „Nichtarier“ (74 Männer, 32 Frauen) eingeschrieben247, so hatte sich deren Anteil im Sommersemester 1936 auf 52 (36 Männer, 16 Frauen) verringert, unter denen sich kein einziger Ersteinschreiber mehr befand.248 Obwohl seit Ende Dezember 1936 auch „Mischlinge“ in die DSt aufgenommen wurden, verzeichnet eine Übersicht der am 31. Dezember 1936 an der Universität München Immatrikulierten lediglich 33, nicht nach Geschlecht differenzierte Personen, die unter diese Kategorie fielen, sowie eine verschwindend geringe Menge von elf Juden (neun Männer, darunter ein Ersteinschreiber, zwei Frauen).249 Die folgenden Meldeverzeichnisse geben zwar keine Auskunft über die Zahl der „Mischlinge ersten und zweiten Grades“ mehr, verdeutlichen dafür aber die erfolgreiche Verdrängung ihrer jüdischen Kommilitonen. Nachdem im Sommersemester 1937 neben fünf Männern zum letzten Mal eine Jüdin, Studentin der Naturwissenschaften, eingeschrieben gewesen war250, hatte mit dem Medizinstudenten Franz Plachte im Wintersemester 1938/39 auch der letzte Mann im Rahmen der antisemitischen Verdrängungsmaßnahmen die hiesige Bildungsanstalt verlassen.251 Eine letzte Angabe zur Zahl nichtarischer Immatrikulationen der Vorkriegszeit findet sich in einer Niederschrift über die Senatssitzung vom 15. Mai 1939. Demzufolge waren noch 42 „Mischlinge ersten und zweiten Grades“ eingeschrieben, weshalb man beschloss, künftig lediglich drei bis vier von ihnen pro Semester neu aufzunehmen, wobei die Entscheidung über die Aufnahme im Einzelnen dem Rektor überlassen, in besonders komplizierten Fällen der Senat gehört werden sollte. Diese Vorgehensweise entsprach dem Wunsch des Studentenführers, der sich dafür einsetzte, dass die Münchner Universität auch „von Mischlingen gesäubert“252 wurde. Hier kam dem Rektor einer Hochschule in der Folgezeit eine bedeutende Rolle sowie ein beachtlicher Handlungsspielraum zu, weil er durch sein Votum in der Lage war, einen wesentlichen Einfluss auf die Zulassung dieser Studierenden zu nehmen.253 Seit Januar 1940 bedurften alle Gesuche von „Mischlingen“ auf Zulassung zum Studium der Genehmigung des REM, wobei den Anträgen u. a. eine persön-
247 Vgl. UAM, Sen. 892. Meldebogen vom 12.3.1935. Die Aufstellung enthält keine Angaben über die Zahl der Ersteinschreiber. 248 Vgl. UAM, Sen. 6 II/I. Aufstellung der Vollimmatrikulierten für das Sommersemester 1936. 249 Vgl. ebd. Meldeverzeichnis vom 7.1.1937. 250 Vgl. ebd. Meldeverzeichnis vom 8.6.1937. 251 Vgl. ebd. Meldeverzeichnis vom 19.12.1938. 252 UAM, D-III-106. Niederschrift über die Senats-Sitzung vom 15.5.1939. 253 Vgl. zur Rolle des „Führer-Rektors“ Schreiber, 326–334.
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liche Stellungnahme des Rektors „über die Persönlichkeit und das Aussehen“ des Bewerbers beizulegen war. „Dabei ist zu erwähnen, ob und inwieweit Merkmale der jüdischen Rasse beim Gesuchsteller äußerlich erkennbar sind“254, so die vertraulich gehaltene Verordnung des Ministeriums. Weil sich auch in der Folgezeit noch immer verhältnismäßig viele „Mischlinge ersten Grades“ bewarben und damit die Gefahr einer zu starken „Anhäufung teilweise rassefremder Elemente“ an den Universitäten bestand, erfolgte im Oktober ein weiterer Erlass, der implizierte, dass diese Studenten fortan nicht nur für ihre Ersteinschreibung, sondern auch für die Weiterführung ihres Studiums eine Genehmigung benötigten. Gleichzeitig befugte man die Rektoren, aussichtslose Gesuche von vornherein abzulehnen. Mit einer Studienerlaubnis war ausschließlich dann zu rechnen, wenn sich die Betroffenen unmittelbar vor Abschluss ihres Studiums befanden oder „ganz besondere Verhältnisse in der Person des Gesuchstellers eine Zulassung rechtfertigten“255. An einigen Hochschulen wie in Stuttgart oder Wien wurden zudem regelmäßig die Studentenschaftsführer zu einer Einschätzung angehalten. Darüber hinaus spielten die Länderministerien gelegentlich eine Rolle, sofern sie Anträge nicht ohne persönliche Stellungnahme ans REM weiterleiteten, sondern wie bspw. das Bayerische Kultusministerium die Aufnahme eines theaterwissenschaftlichen Studiums von „Nichtariern“ zu verhindern suchten.256 Die Anträge der „Mischlinge zweiten Grades“ sollten in der bisherigen Form behandelt werden, obgleich auch sie eine Erklärung darüber abgeben mussten, andernorts noch keinen Aufnahmeantrag eingereicht zu haben: „Hierbei ersuche ich zu beachten, daß selbstverständlich nicht in Frage kommt, daß eine Hochschule die Zulassung eines bestimmten Mischlings oder von Mischlingen überhaupt an ihrer Hochschule als untragbar bezeichnet, zugleich aber anderen Hochschulen zumutet. Die geringe Zahl der Mischlinge, die von mir [REM/P. U.] endgültig zugelassen werden, muß an jeder Hochschule ertragen werden.“257 Nach verschiedenen Verhandlungen und Auseinandersetzungen zwischen den maßgeblichen Dienststellen, zu denen das REM und das Oberkommando der Wehrmacht auf der einen, der Stellvertreter des Führers, Rudolf Heß, und später die Parteikanzlei unter Martin Bormann auf der anderen Seite gehörten, wurden
254 Alle Zitate nach UAM, Sen. 559/1. Runderlass des Reichsministers für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung vom 5.1.1940. 255 Ebd. Runderlass des Reichsministers für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung vom 25.10.1940. 256 Vgl. Olenhusen, 197 f. 257 UAM, Sen. 559/1. Runderlass des Reichsministers für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung vom 25.10.1940.
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die Auswahlkriterien im Sommer 1942 schließlich präzisiert.258 „Mischlinge ersten Grades“ konnten demnach lediglich studieren, wenn sie wegen „besonderer Bewährung“ aufgrund einer Entscheidung Adolf Hitlers weiter in der Wehrmacht verblieben, im Krieg eine Auszeichnung oder Beförderung wegen „Tapferkeit vor dem Feinde“ erhalten hatten bzw. erhalten hätten, wenn sie nicht „Mischling“ gewesen wären oder „wenn sie keinen Wehrdienst während des gegenwärtigen Krieges geleistet hätten, ihr früher begonnenes Studium bis Anfang 1940 beendigt gehabt oder doch Anfang 1940 unmittelbar vor dem Abschluß des Studiums gestanden hätten.“259 Ungeachtet der Tatsache, dass die nationalsozialistischen Machthaber nichtarische Frauen damit ein weiteres Mal in doppelter Weise, d. h. aufgrund ihrer Rasse und ihres Geschlechts, benachteiligten und die Option einer akademischen Ausbildung für sie unter diesen Voraussetzungen noch stärker schwand als für ihre männlichen Geschlechtsgenossen, war in jedem einzelnen Fall die Zulassung der Parteikanzlei einzuholen, die in der Praxis jedoch offenbar grundsätzlich verweigert wurde.260 Obwohl sich „Mischlinge zweiten Grades“ bis Ende 1942 mit Ausnahme medizinischer Studiengänge ohne ministerielle Stellungnahme, d. h. nur durch Befürwortung der Rektoren einschreiben konnten, wurden sie zu einer Vielzahl von Berufen und Prüfungen ebenfalls nicht mehr zugelassen.261 Diese Situation erfuhr noch im Dezember des Jahres eine wesentliche Verschärfung, als ein erneuter Erlass des REM eine Stellungnahme der zuständigen Gauleitung wegen der politischen Beurteilung verlangte. Wenngleich zwar die Entscheidung für die Zulassung zu den medizinischen Fachbereichen mit Ausnahme der Veterinärmedizin wieder auf die Rektoren zurückfiel, erwies sich die neue Verordnung in diesem Zusammenhang als nahezu unüberwindbares Hindernis für die Betroffenen: Die Einholung der Gutachten war den Universitäten jetzt zwingend vorgeschrieben und die Gauleitungen verweigerten trotz mehrfacher Mahnungen durch das REM fast vollständig nach „langer Verschleppungstaktik“ ihre Zustimmung: „Ministerium und Universitäten dienten damit jetzt nur noch als Fassaden, hinter denen die eigentliche Entscheidung bei der Partei fiel, auf die faktisch die Zulassungskompetenz übergegangen war.“262
258 Zu den Auseinandersetzungen und Entscheidungen vgl. ausführlich Olenhusen, 195–197. 259 UAM, Sen. 559/1. Runderlass des Reichsministers für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung vom 22.6.1942. 260 Vgl. Grüttner, 222. 261 Vgl. UAM, Sen. 559/1. Runderlass des Reichsministers für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung vom 22.6.1942. 262 Alle Zitate nach Olenhusen, 202.
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Vor diesem Hintergrund erscheint es wenig verwunderlich, dass die Zahl der immatrikulierten „Mischlinge“ stetig zurückging. Einer Umfrage des REM nach zu urteilen, studierten im Mai 1944 an allen wissenschaftlichen Hochschulen des Deutschen Reiches gerade einmal noch 80 „Mischlinge ersten Grades“, darunter vier Frauen, sowie 190 männliche und 134 weibliche „Mischlinge zweiten Grades“, die größtenteils in München und Wien eingeschrieben waren. Betrug ihr Anteil unter den insgesamt 85.517 Studierenden des Sommersemesters 1944 auch gerade einmal 0,47 %263, so verfügte ein im Frühsommer ergangener vertraulicher Erlass des REM, die ausnahmsweise Zulassung von „Mischlingen ersten Grades“ käme nur noch dann in Betracht, wenn sich die Gesuchsteller jahrelang vor der Machtübernahme in Unkenntnis ihrer nichtarischen Herkunft als Nationalsozialisten bewährt hatten.264 Erfüllte ein Bewerber selbst elf Jahre nach Hitlers Regierungsantritt diese unwahrscheinlichen Anforderungen, wurde er von der Parteikanzlei mit der Begründung abgelehnt, „der Einsatz für die Bewegung sei nicht so außergewöhnlich gewesen, daß er eine Ausnahme rechtfertige“265, was faktisch einem Zulassungsstopp entsprach. An der LMU war Walther Wüst bereits wenige Monate nach seiner Ernennung zum Rektor der Universität München im März 1941 mit der Hochschulpolitik gegenüber den jüdischen „Mischlingen“ beschäftigt. So lagen ihm im September des Jahres 19 Gesuche von 13 Männern (zehn „Mischlinge ersten“, drei „Mischlinge zweiten Grades“) und sechs Frauen (vier „Mischlinge ersten“, zwei „Mischlinge zweiten Grades“) vor. Sie hatten allesamt bereits vor der reichsministeriellen Genehmigungspflicht vom 5. Januar 1940 von seinen Amtsvorgängern die Erlaubnis zu Immatrikulation erhalten, waren jedoch in der Folgezeit nicht dem REM zur Zulassung zum Weiterstudium gemeldet worden. Die Ursache für dieses Versäumnis lag in der Tatsache begründet, dass erst mit Erlass vom 10. Juli 1941 explizit die Anordnung ausgesprochen wurde, wonach die Fortsetzung des Hochschulstudiums von „Mischlingen ersten Grades“ ebenfalls der Genehmigung bedurfte. Daher forderte man die Betroffenen nun umgehend auf, einen entsprechenden Antrag einzureichen266, während sie gleichzeitig angewiesen wurden, zum Wintersemester 1941/42 Exmatrikel zu nehmen.267 Wüst selbst setzte sich ausnahmslos für sämtliche Bewerber ein, indem er betonte, es würde eine beson-
263 Vgl. Grüttner, 223. 264 Vgl. UAM, Sen. 559/1. Der Reichsminister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung an die Unterrichtsverwaltungen der Länder mit Hochschulen (außer Preußen) vom 13.5.1944. 265 Olenhusen, 204. 266 Vgl. UAM, 559/1. Feststellung vom 15.5.1942. 267 Vgl. Dorsch, 293.
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dere Härte bedeuten, „wenn Mischlingen, die seinerzeit in Kenntnis ihrer Mischlingseigenschaft nach eingehender Prüfung jedes Einzelfalles ausdrücklich zum Studium zugelassen worden“ seien, „nun nach einem langdauernden Studium – in manchen Fällen unmittelbar vor Abschluß des Studiums – die Fortsetzung des Studiums verweigert würde.“268 Trotz dieses positiven Votums, das zweifelsfrei als „ganz bewusstes Eintreten“269 des Rektors für die aus rassischer Sicht „Minderwertigen“ zu verstehen ist, stellt sich wie schon im Zusammenhang mit dem Überfüllungsgesetz die Frage nach der subjektiven Wahrnehmung der Studierenden. Anders als die offizielle Gesetzgebung lässt sich diese nur marginal aus den Akten rekonstruieren. Was bedeutete es für die 19 Gesuchsteller, von Wüst persönlich auf äußerliche „Merkmale der jüdischen Rasse“270 hin begutachtet zu werden, auch wenn die zusätzlich zu den Gesuchen gegenüber dem Staatsministerium für Unterricht und Kultus erstellten Bemerkungen des Indologen den Kandidaten durchweg einen guten Eindruck bescheinigten? Dazu kam, dass ein Teil von ihnen, darunter die Chemiestudenten Valentin Freise und Karl Hofstadt, die Exmatrikulation als vorübergehendes Studienverbot wahrnahmen271, was praktisch einen Verlust von mindestens einem Semester bedeutete und zwangsweise die weitere akademische Ausbildung angesichts einer sich zunehmend verschärfenden Hochschulpolitik gegenüber „Nichtariern“ gefährdete. Während das REM alle fünf „Mischlinge zweiten Grades“, von denen drei angehende Mediziner die ministerielle Genehmigung zur ärztlichen (Vor-) Prüfung bereits erhalten hatten, sowie zwei aktuelle Wehrdienstleister schon Ende Oktober 1941 ebenso wieder zuließ wie zwei „Mischlinge ersten Grades“272, behielt man sich die Entscheidung über die anderen Fälle vor. Lediglich die Studentin der Chemie, Annelies Gebhardt, die schon im nächsten Semester ihre chemische Verbandsprüfung ablegen wollte, erhielt noch Anfang April 1942 die ausnahmsweise Erlaubnis zur Beendigung des Studiums.273
268 UAM, Sen. 559/1. Walther Wüst an das Staatsministerium für Unterricht und Kultus vom 25.9.1941. 269 Schreiber, 329. 270 UAM, Sen. 559/1. Walther Wüst an das Staatsministerium für Unterricht und Kultus vom 25.9.1941. 271 Vgl. Dorsch, 293. 272 Vgl. UAM, Sen. 559/1. Bayerisches Kultusministerium für Unterricht und Kultus an den Herrn Rektor der Universität vom 14.11.1941. 273 Vgl. ebd. Der Reichsminister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung an Dr. Gebhardt vom 2.4.1942.
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Allerdings kam es im weiteren Verlauf zu einem zusätzlichen schwerwiegenden Missverständnis, da man vonseiten des REM annahm, dass den übrigen Gesuchstellern die Fortführung ihres Studiums bis zur endgültigen Entscheidung vorläufig gestattet worden wäre.274 Aus diesem Grund bearbeitete man die Anträge ohne jegliche Dringlichkeit, derweil das Rektorat von einem anhaltenden Studienverbot ausging. Erst im Frühjahr 1942 klärte sich die Sachlage durch ein Telefongespräch Wüsts mit dem zuständigen Referenten im REM, woraufhin man die Verbliebenen auch ohne ministerielle Entscheidung einstweilen zum Weiterstudium zuließ.275 Der offizielle Bescheid ließ allerdings bis zum Januar 1943 auf sich warten: „Mit Rücksicht darauf, daß sie [die „Mischlinge“/P. U.] seinerzeit entgegen den Weisungen meiner Runderlasse […] weiter zugelassen sind und seitdem ihr Studium fortgesetzt haben, will ich unter Vorbehalt des Widerrufs gegen die weitere Zulassung zum Abschluß des Studiums keine Einwendungen erheben, um den Gesuchstellern einen Abschluß ihres schon weit fortgeschrittenen Studiums zu ermöglichen.“276 Ein weiterer Verbleib an der Universität über den erstmöglichen Abschluss hinaus, d. h. zu Promotionszwecken nach Ablegung der Diplomprüfung, kam allerdings nicht in Betracht. Wenngleich man die Studienmöglichkeiten für „Mischlinge“ auf diese Weise empfindlich eingeschränkt hatte, gelang es dennoch einem Teil der Betroffenen, die allgemeinen Zulassungsvorschriften zu umgehen, wofür nicht selten das nonkonforme Verhalten der Dozenten- bzw. Professorenschaft verantwortlich war. Als weit über München hinaus bekannt gewordenes Beispiel gilt dabei das Chemische Institut der LMU unter Nobelpreisträger Professor Heinrich Wieland, der sein Staatslabor nach Aussagen von Zeitzeugen während des Zweiten Weltkrieges zum „Refugium für viele, von Angst und Ungewißheit Beladene und Verfolgte“277 machte: „Die Kunde hatte sich verbreitet, dass es ein Institut gab, bei dem nicht das Schild „Juden unerwünscht“ an der Tür hing.“278
274 Vgl. Dorsch, 293 f., sowie UAM, Sen. 559/1. Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus an den Herrn Rektor der Universität München vom 30.4.1942. 275 Vgl. UAM, Sen. 559/1. Handschriftliche Notiz vom 27.5.1942. 276 Ebd. Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus an den Herrn Rektor der Universität München vom 29.1.1943. 277 Hildegard Hamm-Brücher, geb. 1921. In: Rüdiger vom Bruch/Rainer A. Müller: Erlebte und gelebte Universität. Die Universität München im 19. und 20. Jahrhundert. Mit einem Vorwort zur historischen Besinnung von Laetitia Boehm. Pfaffenhofen 1986, 355, künftig zitiert als Hildegard Hamm-Brücher, geb. 1921. 278 Rolf Huisgen: Erinnerungen an Heinrich Wieland und das Staatslabor in der Kriegszeit. In: Hans-Ulrich Wagner (Hg.): Hans Leipelt und Marie-Luise Jahn – Studentischer Widerstand in
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Tatsächlich hatte der Institutsleiter mehrfach seine Bereitschaft gezeigt, nichtarische Studenten unter Missachtung der gesetzlichen Anordnungen zu unterstützen und selbst Zwangsexmatrikulierte wie Valentin Freise sowie einen anderen Kommilitonen weiter im Laboratorium arbeiten und Prüfungen ablegen zu lassen. Auf diese Weise konnten die beiden Männer schon im Frühjahr 1942 ihr Vordiplomexamen ablegen, obwohl erst ein Jahr später die offizielle Wiederzulassung durch das REM erfolgte. Wieland hatte sich damit zwischenzeitlich offenbar die von der Universitäts- und Ministerialverwaltung verantwortete „Regelverwirrung“ zunutze gemacht: „Ohne sein oder deren eigenes Zutun hatten die Studenten bereits zwei Semester entgegen der Vorschriften des Reichswissenschaftsministeriums studiert (Wintersemester 1940/41 sowie Sommersemester 1941).“279 Dieses Verhalten setzte der Chemiker eigenmächtig fort, indem er es den Betroffenen ermöglichte, sogar das gesamte nächste Jahr am Institut zu verbleiben; das anschließende Halbjahr (Wintersemester 1942/43) erfolgte dann zwar ebenso ohne schriftliche Genehmigung, jedoch mit Duldung des Berliner Ministeriums und des Rektorats. Wie biographische Untersuchungen ausführlich belegen, ergaben sich die Handlungsspielräume von Heinrich Wieland aus einer Vielzahl von inner- bzw. außeruniversitären Faktoren280, zu denen u. a. das internationale Ansehen des Nobelpreisträgers, „verbunden mit ausgeprägtem Durchsetzungswillen und einem offenbar recht charismatischen Auftreten“281, gute Beziehungen zur Industrie sowie die Rückendeckung durch Rektor Walther Wüst gehörte, der die eigenmächtige und grenzüberschreitende Handhabung der Studienbestimmungen duldete.282 Dazu kam die Kriegswichtigkeit medizinischer und naturwissen schaftlicher Forschungsprojekte, was den jeweiligen Studiengängen einen „Hauch von Autonomie gegenüber den Zugriffen des Regimes“ verschaffte: „Studium wurde Privileg und Fluchtort zugleich in einer Situation massivster Einbindung in das Kriegsgeschehen“283.
der Zeit des Nationalsozialismus am Chemischen Staatslaboratorium der Universität München. München 2003, 27, künftig zitiert als Huisgen. 279 Alle Zitate nach Dorsch, 294 f. 280 Vgl. ausführlich Elisabeth Vaupel: Nützliche Netzwerke und „kriegswichtige“ Forschungsprojekte: Die Handlungsspielräume des Chemie-Nobelpreisträgers Heinrich Wieland (1877–1957) im Dritten Reich. In: Elisabeth Kraus (Hg.): Die Universität München im Dritten Reich. Aufsätze. Teil II. München 2008, 331–380, künftig zitiert als Vaupel. 281 Dorsch, 384. 282 Zur Rolle Wüsts vgl. Schreiber, 329–334. 283 Norbert Giovanni: Zwischen Republik und Faschismus. Heidelberger Studentinnen und Studenten 1918–1945. Weinheim 1990, 219, künftig zitiert als Giovanni.
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Nur durch das Zusammenspiel dieser Komponenten war es überhaupt möglich, dass sich bspw. selbst nichtarische Diplomanden, welche mit Erlass des REM vom 29. Januar 1943 eigentlich von einem Promotionsstudium ausgeschlossen worden waren, dennoch ihrer Dissertation widmen konnten. Unter ihnen befand sich auch Hildegard Brücher, die 1942 als Doktorandin und wissenschaftliche Hilfskraft ins sog. „Privatlabor“ von Heinrich Wieland aufgenommen wurde. Als die Gestapo Anfang 1943 anlässlich der Verhaftungen und Prozesse im Anschluss an die Flugblattaktion der „Weißen Rose“ bei Wieland Erkundigungen über dessen Studentin einzog, stellte sich der Chemiker schützend vor seine Doktorandin, „die schwer arbeiten müsse und überhaupt keine Zeit ‚für andere Dinge‘ hätte und außerdem für seine ‚kriegswichtigen‘ Forschungen unentbehrlich sei.“284 Entgegen der Behauptung Schreibers285 führte man Brücher an der Universität München im Sommersemester 1944 offiziell allerdings nicht mehr als immatrikulierten „Mischling ersten Grades“286, obwohl sie im Februar 1945 mit einer experimentellen Arbeit promoviert wurde287: „Im März 1945 erhielt ich – o letztes Wunder – meine Promotionsurkunde, mit talergroßem Hakenkreuz-Stempel“288. Dass Wüst, der aufgrund der Verhältnisse am Staatslaboratorium seit dem Sommer 1943 wiederholt ins Blickfeld bzw. in die Kritik der Behörden geriet289, über die Verhältnisse am Chemischen Institut Bescheid wusste, steht damit wohl außer Frage. Bei Nobelpreisträger Heinrich Wieland und seinem Schützling handelte es sich in der Tat aber weder um einen Einzelfall innerhalb der hiesigen Hochschule noch um eine Münchner Besonderheit. Vielmehr gibt es auch an anderen deutschen Universitäten Beispiele für nonkonformes Verhalten seitens der Dozentenbzw. Professorenschaft. Allein für Freiburg lassen sich zahlreiche Unternehmungen des von 1940 bis 1945 amtierenden Rektors Professor Wilhelm Süß belegen, der mehrfach versuchte, den vom Ausschluss betroffenen Frauen einen Weg zur Hochschule zu ebnen.290 „Süß kannte sicher die Erlässe aus dem Erziehungsmi-
284 Hamm-Brücher: Freiheit, 58. 285 Vgl. Schreiber, 329, FN 189. 286 Vgl. UAM, Sen. 559/1. Namentliche Liste zur Kult. Min. Entschl. Nr. VI 20534 v. 1.6.1944: „Brücher Hildegard […] Studiert noch im SS. 44 nein“. Hervorhebung im Original. 287 Hildegard Brücher: Untersuchungen an den Hefemutterlaugen der technischen Ergosteringewinnung. Diss. München 1945. 288 Hamm-Brücher: Freiheit, 71. 289 Vgl. Schreiber, 330–334. 290 Vgl. Scherb, 190.
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nisterium genau. Trotzdem unternahm er immer wieder Anläufe, um sogenannten Mischlingen den Zugang zur Albert-Ludwigs-Universität zu ermöglichen.“291 Darüber hinaus darf, so Vaupel, nicht übersehen werden, dass die an sich illegalen Doktoranden, die zwischen 1940 und 1945 im Chemischen Institut der LMU arbeiteten, nicht vollständig zum eigenen Arbeitskreis des Nobelpreisträgers gehörten, sondern in zahlreichen Fällen in den Gruppen loyaler Institutskollegen, wie dem seit 1943 an der LMU tätigen Chemieprofessor Rudolf Hüttel oder dem Leiter des Atomgewichtslabors, Professor Otto Hönigschmid, Unterschlupf gefunden hatten: „Wieland konnte die auffallend hohe Zahl „halbjüdischer“ Studenten und Mitarbeiter also auch deshalb schützen, weil diese ihn bei seiner Politik tatkräftig unterstützten oder zumindest nicht behinderten. Ihr Beitrag müsste künftig gerechterweise also noch deutlicher herausgearbeitet werden“292 – ein Fazit, das zugleich als Plädoyer für die notwendige Untersuchung der Dozenten anderer Disziplinen bzw. Fakultäten verstanden werden muss. So berichtet etwa Dr. Hanne Lenz, sie habe im Sommer 1941 den ersten Teil ihrer Doktorarbeit über einen von zwei Barockarchitekten fertiggestellt, als ihr Vater einen Brief von einem Freund, Professor in Göttingen, bekam. Dieser schrieb ihm, er hätte erfahren, dass jüdische „Mischlinge“ vom neuen Semester an nicht mehr promovieren dürften. Obwohl der Hinweis zu diesem Zeitpunkt offensichtlich keiner gesetzlichen Festschreibung oblag und „Mischlinge“ nach dem im April 1937 ergangenen Erlass des REM durchaus noch ihren Doktorgrad erwerben konnten, verständigte die Studentin der Kunstgeschichte umgehend ihren Doktorvater, Professor Hans Jantzen, über die baldige Unmöglichkeit ihres Studienabschlusses und teilte ihm mit, er bräuchte ihre Arbeit nun nicht mehr beachten: „Und dann hat er gesagt: „Ach nein, ich habs schon gelesen, und es hat mir sehr gut gefallen, und es ist ja in sich abgeschlossen, und wenn Sies schaffen, können Sie in vierzehn Tagen bei mir die Prüfung machen, die mündliche.““293 Tatsächlich bereitete weder Jantzen noch der Archäologieprofessor Ernst Buschor, der die Doktorandin im ersten Nebenfach prüfte, der späteren Ehefrau des Schriftstellers Hermann Lenz irgendwelche Probleme. Anders verhielt es sich dagegen bei dem Germanisten Herbert Cysarz, der, so die Zeitzeugin, „ein begeisterter Nazi war und der mich ganz unmögliche Sachen gefragt hat, die eigentlich gar nicht in die Germanistik hineingehörten und mich total verwirrt hatten.
291 Ebd., 190. 292 Vaupel, 332 f. 293 Ulrike Voswinckel: Die Zeit überlisten. Die autobiographischen Romane von Hermann Lenz. Manuskript zur gleichnamigen Radiosendung des Bayerischen Rundfunks. Land und Leute. München 1991, 16.
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Ich überlege mir heute noch, ob der wusste, wie es um mich stand, und mich sozusagen hinausbuxieren wollte oder ob es ein Zufall war. […] Im dritten Nebenfach konnte man ein spezielles Gebiet aussuchen, sodass man nicht die ganze Literatur vom Althochdeutsch bis zur Gegenwart parat haben musste. Ich hatte das 19. Jahrhundert gewählt und hatte das Gefühl, ich kenne mich da auch ein bisschen aus. […] Und dann hat er mich gefragt, was war Paul Heyse [deutscher Schriftsteller 1830–1914/P. U.]. Und dann habe ich angefangen zu erzählen […] über Paul Heyse und was er alles geschrieben hat und so weiter. Da hat er gesagt: „Das meine ich nicht.“ Und dann habe ich noch mal weiter, von einer anderen Seite her, über Paul Heyse geredet: „Das meine ich nicht“. Dann konnte ich nichts mehr sagen. Er aber hat gesagt: „Paul Heyse war Halbjude.“ Das war die Antwort, die er erwartete.“294 Ungeachtet ihrer fehlenden, jedoch für Cysarz kennzeichnenden „Verflechtung mit dem nationalsozialistischen Gedankengut“295 wurde Johanna Trautwein im Juli 1941 an der Philosophischen Fakultät der LMU promoviert.296 An diesem Punkt stellt sich die Frage, welche Handlungsmuster bzw. -strategien die Studierenden selbst angesichts der stetig zunehmenden Auslesemaßnahmen der Nationalsozialisten gegenüber „Nichtariern“ entwickelten, sofern sie die Ausgrenzungen nicht als gegeben akzeptierten und keinerlei Versuche zur Umgehung der Zulassungsbeschränkungen unternahmen. Wie exemplarisch am Chemischen Institut gezeigt werden konnte, waren die Betroffenen nämlich durchaus bereit, für die Fortsetzung bzw. Beendigung ihres Studiums z. B. ein – zumindest zeitweise – illegales Dasein an der Universität in Kauf zu nehmen, dessen subjektive bzw. psychische Komponente sich nur schwer ermessen lässt. Hildegard Hamm-Brücher, die nach den zeitgenössischen Bestimmungen gleichfalls als „Mischling ersten Grades“ galt und im Februar 1940 vom REM ihre Zulassung als Chemiestudentin erhalten hatte297, schreibt in ihrer Lebensbilanz, man sei aufgrund der „jugendlichen Unbekümmertheit und kameradschaftlichen Verbundenheit“ zumindest in den ersten Kriegsjahren mit den seelischen Belastungen „gut zurecht“298 gekommen. Marie-Luise Jahn, die als „Arierin“ keinerlei Zulassungsbeschränkungen unterlag und die sich zum selben Zeitpunkt an der LMU immatrikulierte, gab zudem im persönlichen Gespräch an, sie hätten sich damals nicht dafür interessiert, auf welche Weise Wieland den an sich abgewiese-
294 Interview mit Dr. Hanne Lenz vom 18.2.2005. 295 Bonk, 90. Zu Herbert Cysarz vgl. bes. ebd., 88–90, 290–321. 296 Vgl. Johanna Trautwein: Johann Jakob Herkommer (1648–1717). Diss. München 1941. 297 Vgl. UAM, Sen. 559/1. Namentliche Liste zur Kult. Min. Entschl. Nr. VI 20534 v. 1.6.1944. 298 Hamm-Brücher: Freiheit, 56.
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nen Kommilitonen zu ihrem Studium verhalf: „Wie er sich nun darum gekümmert hat, hat uns damals nicht gekümmert. Wir waren ja jung und lebten gerne.“299 Weitere Aussagen von Zeitzeugen stützen die Vermutung, dass die Geschehnisse und damit die Handlungsfreiheit am Chemischen Institut auch einer mehr oder minder bewussten Nichtwahrnehmung und Verdrängungstaktik vonseiten der Studierenden unterlagen, wofür angesichts einer totalitären Herrschaft u. a. die Angst um die Freiheit der eigenen Person eine große Rolle gespielt haben dürfte: „Aber da hat man des schon gewusst, dass der Geheimrat Wieland, dass der also dagegen war, sagen wir mal so. Des war bekannt, net, und dass da also auch Leute Hilfe bei ihm gesucht haben […]. Aber damals hat man da nicht so viel [darüber gesprochen/P. U.], da hat man, wenn man was gewusst hat, hat man’s nicht gesagt“300. Dieses Verhalten fungierte gleichzeitig als Schutzmechanismus: „Nein, es wurde nicht darüber geredet. Wir haben das rechtzeitig erkannt, dass man, wenn man Leute verbergen will und über längere Zeit verbergen will, dann muss man die als scheintot betrachten.“301 Dass eine derartige Methode auch in der Praxis erfolgreich war, wird exem plarisch an den Erinnerungen von Professor Rolf Huisgen deutlich, der 1943 unter Anleitung von Heinrich Wieland am Chemischen Laboratorium promovierte. Er bescheinigte den „Mischlingen“ selbst, sie hätten sich äußerst bedeckt gehalten, weil mit der Anzahl der Mitwisser die persönliche Gefährdung wuchs: „Ich selbst war überrascht nach dem Krieg, als viele sich „enttarnten““.302 Während ein Teil der Studentenschaft also stillschweigend zur eigenen bzw. fremden Existenzsicherung beitrug, erwiesen sich die übrigen Verhaltensweisen als äußerst unterschiedlich. Ungeachtet individueller Persönlichkeitsstrukturen, muss der Umgang der nichtarischen Studierenden mit der sich zunehmend verschärfenden Politik gegenüber „Nichtariern“ deshalb immer auch als unmittelbare Reaktion auf die aktuell vorherrschende Gesetzeslage sowie die damit verbundenen Rahmenbedingungen verstanden werden. Nachdem etwa seit Januar 1940 alle Anträge von „Mischlingen“ auf Zulassung zum Studium der Genehmigung des REM sowie einer Stellungnahme des
299 Interview mit Marie-Luise Schultze-Jahn vom 26.3.2005. 300 Interview mit Magda W. vom 27.7.2005. 301 Interview mit Fritz E. vom 28.5.2005. 302 Interview mit Prof. Dr. Rolf Huisgen vom 7.5.2005. Vgl. auch Interview mit Dr. Dr. h. c. mult. Hildegard Hamm-Brücher vom 24.5.2005: „Ich erfuhr sogar erst nach dem Krieg von einigen Kommilitonen, daß sie ebenfalls von den Nürnberger Gesetzen betroffen gewesen waren. Das wurde alles sehr diskret behandelt. Wenn man erst einmal zugelassen war und Wieland einen aufgenommen hatte, dann gab es darüber kein Aufhebens mehr, auch nicht unter den Studenten.“
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Rektors über Aussehen und Persönlichkeit des Bewerbers bedurften, ersuchte eine gerade aus dem RAD entlassene Abiturientin, „Mischling ersten Grades“, Ende des Monats um Aufnahme als Studentin an der LMU. Dem fünfseitigen Schreiben beigelegt waren nicht nur die obligatorischen Dokumente wie Schulzeugnisse oder Ahnenpass, sondern obendrein mehrere Belege für die zahlreichen Frontauszeichnungen bzw. Kriegsverdienste diverser Familienmitglieder. Ebenso hervorgehoben wurde die überdurchschnittliche Begabung der Gesuchstellerin, ihre arische Erziehung, ihre Zugehörigkeit in NS-Jugendorganisationen und die freiwillige Meldung zum Arbeitsdienst: Nur knapp drei Wochen später konnte sich die Tochter einer jüdischen Mutter an der Naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität München einschreiben.303 Während sich die Abiturientin die erforderliche Zustimmung des REM im o. g. Fall zweifelsfrei durch eine den Wertvorstellungen der Nationalsozialisten angepasste Selbstdarstellung zu sichern suchte, verweigerten andere Gesuchsteller jegliche Form der zweckgebundenen Andienung. Stattdessen versuchten sie, die für sie rigide Gesetzeslage durch bewusste Täuschungsmanöver zu umgehen. Stellvertretend sei hierfür das Beispiel von Birgit K. genannt, die sich im November 1941 als Studentin der Germanistik im zweiten Semester an der LMU einschrieb. „Als Nachweis über ihre arische Abstammung legte sie einen BDM.-Ausweis vor und eine Erklärung, daß ihr keine Umstände bekannt seien, die auf eine nichtarische Abstammung schließen ließen.“304 Tatsächlich stellte sich diese Zusicherung bei genauerer Überprüfung durch das Staatliche Gesundheitsamt ihres Heimatortes, dessen Amtsarzt die notwendige Untersuchung der jungen Frau im Hinblick auf eine von ihr angestrebte Studienbeihilfe vornehmen sollte, als Falschaussage und die 23-Jährige als „Mischling ersten Grades“ heraus. Da die gebürtige Coburgerin dementsprechend auch nicht die nach der aktuellen Gesetzeslage notwendige Zulassungsgenehmigung des REM erbracht hatte, machte Rektor Walther Wüst die Immatrikulation im April 1942 rückgängig und kündigte zugleich eine disziplinäre Würdigung der Angelegenheit an. Als sich der offenbar äußerst linientreue Amtsarzt im August des Jahres erneut an das Rektorat wandte, um in Erfahrung zu bringen, welche „Maßregeln“305 man in Bezug auf das Verhalten seiner Patientin getroffen habe, antwortete Wüst in
303 Vgl. UAM, OC-Np-WS 1944/45. Zulassungsgesuch an den Herrn Rektor der Universität München vom 26.1.1940. 304 UAM, Sen. 559/1. Der Rektor an das Staatliche Gesundheitsamt des Landkreises Saalfeld vom 8.4.1942. 305 Ebd. Staatliches Gesundheitsamt des Landkreises Saalfeld an den Herrn Rektor der Universität München vom 24.8.1942.
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der für ihn kennzeichnenden Weise knapp vier Wochen später äußerst dilatorisch und gab lediglich an, „das auf Grund der Sach- und Rechtslage Notwendigste veranlasst“306 zu haben; ein weiteres Vorgehen gegen Birgit K. war damit wohl nicht erfolgt. Ähnlich verhielt es sich bei der Chemiestudentin Annelies Gebhardt, die, wie bereits dargestellt, noch Anfang April 1942 vom REM die ausnahmsweise Genehmigung zur Ablegung des unmittelbar bevorstehenden Verbandsexamens und damit zur Beendigung ihres Studiums erhalten hatte.307 Obwohl es ihr als „Mischling ersten Grades“ nicht gestattet war, einen darüber hinaus gehenden Abschluss zu erwerben, ließ sie sich im Sommersemester 1944 als Gasthörerin an der LMU einschreiben: „Sie erreichte diese Einschreibung dadurch, dass sie dem Aufnahmebeamten ein Anmeldeblatt übergab mit der Erklärung „Arischer Nachweis erbracht durch vorliegende Urkunden.“308 Erst auf eine nicht näher verifizierbare Mitteilung hin kam es zu einer Nachprüfung der Papiere und zur Feststellung der Falschaussage. Letztere wog umso schwerer, als Gebhardt selbst noch zusätzlich durch ihre Unterschrift versichert hatte, ihr seien keinerlei Umstände bekannt, die auf eine nichtarische Abstammung schließen ließen. Obwohl davon abgesehen wurde, disziplinarisch gegen die Studentin vorzugehen, forderte man sie auf, die Universität zu verlassen, was mit der im Oktober 1944 von Heinrich Himmler angeordneten Zwangsverpflichtung für alle „Mischlinge ersten Grades“ zum Arbeitseinsatz einherging: ‚Als ich im Herbst 1944 plötzlich von meiner Doktorarbeit weggerissen werden sollte, um mit anderen Leidensgenossinnen Strassenbahnwagen zu reinigen, setzte es Dr. Hüttel nach vielen Bemühungen durch, dass ich wenigstens meine Arbeit beendigen konnte. Er versuchte auch bei vielen anderen Firmen mich durch eine anderweitige Anstellung vor dieser Degradierung zu bewahren.‘309 Tatsächlich gelang es der jungen Frau, ihre Dissertation noch im November des Jahres abzuschließen, wenngleich sie erwartungsgemäß am Ende des Wintersemesters 1944/45 nicht
306 Ebd. Der Rektor an das Staatliche Gesundheitsamt des Landkreises Saalfeld vom 19.9.1942. Eine weitere Einschreibung machte Wüst im Juni 1943 rückgängig, da die Studentin, jüdischer „Mischling zweiten Grades“, keine entsprechende Genehmigung zur Einschreibung vorgelegt und sich als rein arisch ausgegeben hatte. Vgl. UAM, D-XIV-29 Band 89. Der Rektor an Barbara T. vom 4.6.1943. Zum Fall Barbara T. vgl. ausführlicher auch Kapitel V, 4 Selbst- und Fremdwahrnehmung der Studentinnen an der Universität. 307 In den Quellen sowie in der Literatur findet sich auch die Schreibweise „Anneliese“. 308 UAM, Sen. 559/1. Feststellung zur Zulassung der Annelies Gebhard [sic!] vom 31.5.1945. 309 AGA, SprkA Hüttel. Eidesstattliche Erklärung von Anneliese Gebhardt vom 21.1.1946, hier zitiert nach Dorsch, 310.
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mehr zu Promotion zugelassen wurde und erst nach Kriegsende ihr Doktorexamen ablegen konnte.310 Wie bereits Birgit K. hatte Annelies Gebhardt ihre wahre Abstammung verborgen, um die Zulassungsbedingungen der Nationalsozialisten für nichtarische Studierende zu umgehen. Im Gegensatz zu ihrer Kommilitonin war ihr infolgedessen jedoch das schon skizzierte Zusammenspiel loyaler Institutskollegen zugute gekommen, nachdem neben Heinrich Wieland auch Rudolf Hüttel den aus seiner Position heraus gegebenen Spielraum aus persönlichem Antrieb für die rassisch Verfolgten aktiv nutzte: „Wenn man versucht, die Rollenverteilung zwischen Wieland und Hüttel zu bestimmen, so gab es wohl nicht nur einen Initiator und einen anderen, der Handlungen ausführte oder deckte. Beide können wohl in bezug auf das Engagement für „Halbjuden“ als „Team“ bezeichnet werden.“311 Zu klären wäre vor diesem Hintergrund allerdings auch, ob und inwieweit das unausgesprochene interne Zusammenspiel zwischen Lernenden und Lehrenden zusätzlich von äußeren, kriegsbedingten Folgen profitierte. Wie noch im weiteren Verlauf dieser Arbeit anhand der ANSt gezeigt werden wird, höhlten allein die zahlreichen Bombenschäden, die spätestens im Wintersemester 1944/45 selbst an der LMU nicht mehr zu übersehen waren, das Hochschulgefüge insofern aus, als neben der Zerstörung von Gebäuden u. a. ein nicht zu beziffernder Verlust an Personenakten in Kauf genommen werden musste. Im Falle Gebhardt bedeutete dies, dass zumindest ein Teil der für die Immatrikulation notwendigen Anmeldeblätter, die u. a. Vermerke über vorgelegte Urkunden enthielten, bei einem Fliegerangriff im Sommer 1944 verloren gegangen war. Aus diesem Grund ließ sich nachträglich nicht mehr nachweisen, durch welche Dokumente die Studentin ihren vermeintlichen Ariernachweis für die Zulassung erbracht haben sollte – ein Umstand, welcher der Naturwissenschaftlerin nach ihrer erfolgreichen Aufnahme als Gasthörerin zumindest einige Monate zu einer scheinbar legalen und offiziellen Daseinsberechtigung am Chemischen Institut verhalf.312
310 Vgl. UAM, OC-Np-SA und B 46-SS 48. Undatierter Lebenslauf von Annelies Gebhardt (1945/46), sowie Protokoll vom 9.9.1945. 311 Dorsch, 311. Hervorhebung im Original. 312 Inwieweit diese Existenz in letzter Konsequenz auch auf die (bewusste) Nachlässigkeit des für die Immatrikulation zuständigen Verwaltungsangestellten zurückgeführt werden kann, lässt sich nicht klären. Was etwa Heinrich Wieland betrifft, so wirft Dorsch gleichermaßen die Frage auf, ob die besondere Schutzstellung des Nobelpreisträgers eventuell auf einen besonderen persönlichen Schutz zurückzuführen sein könnte. Nach Aussage des Physikers Walther Gerlach soll der Nobelpreisträger ausschließlich durch den Syndikus der LMU, Karl Ernst Haeffner, keinerlei größere Schwierigkeiten in seinem Institut gehabt haben. Obwohl Haeffner sich nach Kriegsende durchaus als Gegner des Nationalsozialismus darstellte, der „trotz aller kriegsbedingten
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Bis zum Sommersemester 1944 hatte sich der Anteil der weiblichen und männlichen „Mischlinge“ an der LMU schließlich auf 14 Immatrikulationen, darunter drei „Mischlinge ersten Grades“ (eine Studentin), reduziert, von denen sieben Medizin (vier Studentinnen), vier Chemie, zwei Volkswirtschaft und eine Studentin orientalische Philologie studierten. Vier der insgesamt neun Männer waren nach der von Rektor Walther Wüst für das Bayerische Kultusministerium angefertigten Aufstellung aktuell zum Wehrdienst beurlaubt, ein weiterer lag im Lazarett, so dass sich – ungeachtet der illegal am Chemischen Institut verbleibenden „Nichtarier“ – unter 3965 ordentlichen Studierenden der Universität München offiziell fünf nichtarische Kommilitoninnen und vier nichtarische Kommilitonen befanden313, was einem Anteil von 0,23 % entsprach. Zwei „Mischlinge ersten Grades“, darunter die o. g. Philologiestudentin sowie ein angehender Mediziner, waren erst im Frühjahr 1944 von Wüst zugelassen worden314, obwohl dieser noch im selben Zeitraum neue Einschreibungen für das Fach Chemie kurzzeitig verweigert hatte, da das Institut nach der Verhaftung von mehreren Angehörigen aus dem weiteren Kreis der „Weißen Rose“ verstärkt unter behördlicher Beobachtung stand.315 Ein Einsatz des Rektors gerade im Umfeld des Chemischen Instituts hätte damit womöglich als „Deckung von „Hochverrat““316 verstanden werden und ernsthafte Repressalien wie die Schließung der LMU nach sich ziehen können. Wüst selbst war noch bis zum Wintersemester 1944 mit vereinzelten Zulassungsgesuchen von weiblichen „Mischlingen“ beschäftigt, die er nahezu vollständig zur politischen Beurteilung an die Gauleitung weiterleitete, welche die Unterlagen an die Parteikanzlei übergab. Nachdem Wieland ihn außerdem darauf aufmerksam gemacht hatte, dass Chemiestudierende, die sich zum Examen anmeldeten, unverzüglich dem Arbeitsamt zum Einsatz gemeldet würden, sorgte
Schwierigkeiten und trotz aller Störungsversuche von politischen Stellen eine sachliche Arbeit der Universität im Dienste der Wissenschaft und der Ausbildung der akademischen Jugend zu ermöglichen“ (UAM, Sen. 559/1. Entlastungsantrag von Karl Ernst Haeffner vom 30.4.1946) suchte, konnten, so Dorsch, weitere Anhaltspunkte für die von Gerlach zugesprochene Funktion bislang nicht gefunden werden. Vgl. Dorsch, 337 f. 313 Zu den Zahlen vgl. UAM, Sen. 111 Band II. Zusammenfassende Übersicht der Studenten im Sommerhalbjahr 1944. Nicht mit eingerechnet in die Gesamtzahl wurden hierbei die Gasthörerinnen und -hörer sowie die Studierenden anderer Münchner Hochschulen, die ebenfalls Vorlesungen an der LMU belegt hatten, wodurch sich die Summe von 3965 auf 4276 erhöhte. 314 Vgl. UAM, Sen. 559/1. Namentliches Verzeichnis der im SS. 44 zum Studium zugelassenen Mischlinge. 315 Zu den Vorgängen am Chemischen Institut vgl. Zankel: Weiße Rose. 316 Schreiber, 331 f.
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er dafür, dass die betreffenden Kandidaten noch ihre Diplomarbeiten schreiben konnten.317 Gleichzeitig genehmigte Wüst die Wiedereinschreibung von neun Studentinnen und einem Studenten, denen im Sommersemester 1944 zunächst die Fortsetzung ihres Studiums aufgrund einer allgemeinen Studienzeitbeschränkung für Chemiker auf neun Semester verweigert worden war318; noch im Februar 1945 befürwortete er überdies die Zulassung einer Diplomchemikerin und „Mischling zweiten Grades“ zur Doktorprüfung in der Naturwissenschaftlichen Fakultät.319 Ungeachtet der Tatsache, dass Erstimmatrikulationen seit September 1944 ohnehin nur mehr für die von der Wehrmacht zum Studium Beurlaubten bzw. aus der Wehrmacht entlassenen Versehrten sowie für Kriegerwitwen zulässig waren, hatte sich der Indologe während seines Rektorats wiederholt für das Weiterstudium der halb- und vierteljüdischen Studierenden eingesetzt. Anders verhielt es sich dagegen in seiner Zeit als Dekan der Philosophischen Fakultät der LMU (1935–1941). Hier zeigte er keinerlei Bereitschaft, aus der einheitlichen Linie der übrigen Münchner Dekane auszubrechen, die jüdische Studierende seit den Nürnberger Gesetzen nicht mehr zur Promotion zuließen. Aus diesem Grund lehnte Walther Wüst, ebenso wie das Bayerische Kultusministerium, im November 1936 das Promotionsgesuch der Theaterwissenschaftlerin und Germanistin Käthe Goldschmidt ab, obwohl erst ein halbes Jahr später ein genereller Erlass des REM erfolgte, Juden deutscher Staatsangehörigkeit nicht mehr zur Doktorprüfung anzunehmen und selbst Rektor Leopold Kölbl die Meinung vertrat, es könnte in diesem Fall kaum Einwendungen gegen die Zulassung geben.320 Ähnlich verhielt es sich bei der späteren Studienrätin Dr. Eva Hirschmann. Im Rahmen des Entnazifizierungsprozesses sagte Hirschmann aus, sie habe 1938 als „Mischling ersten Grades“ und Tochter eines Weltkriegsteilnehmers eine unbegründete Ablehnung ihres Promotionsgesuches erhalten und daraufhin um persönliche Vorsprache im Dekanat nachgesucht. Obwohl sie die vorgeschriebene Semesterzahl bereits vor Neuregelung der nationalsozialistischen Hochschulpolitik in München studiert hatte, soll Wüst ihr entgegnet haben: „Wer hier promoviert, bestimme ich als Dekan, und ich sage „nein“, es sei denn, Sie studieren
317 Vgl. UAM, Sen. 60. Der Rektor an den Herrn Direktor des Chemischen Universitätslaboratoriums vom 25.11.1944. 318 Vgl. ebd. Heinrich Wieland an den Herrn Rektor der Universität München vom 3.5.1944 sowie Walther Wüst an Heinrich Wieland vom 13.5.1944. 319 Vgl. UAM, Sen. 365/6. Walther Wüst an den Herrn Dekan der Naturwissenschaft. Fakultät vom 21.2.1945. 320 Zum Fall Käthe Goldschmidt vgl. Harrecker, 162 f., sowie Schreiber, 128. Zu den persönlichen Daten vgl. UAM, Stud-Kartei I (Goldschmidt, Käthe).
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hier noch einmal ein paar Jahre, damit Sie den neuen Geist an unserer Universität kennenlernen!“321 Während es Hirschmann durch Vermittlung ihres Referenten, des nichtbeamteten außerordentlichen Professors für allgemeine Religionswissenschaft, Dr. Franz Rudolf Merkel, dennoch gelang, in den Niederlanden und damit im Ausland zu promovieren, zog sich Käthe Goldschmidt zunächst in ihre Heimatstadt Hamburg zurück, wo sie eine Anstellung als Dramaturgin und Regieassistentin beim Theater des Jüdischen Kulturbundes fand: „Ende 1938 wurde das Theater zugleich mit allen jüdischen Kultur-Unternehmungen vom Reichssicherheitshauptamt verboten und mir damit jede weitere künstlerische Betätigung genommen. Ich wandte mich nunmehr der Sozialarbeit zu, die in diesen Jahren fast ausschließlich aus Alters- und Gefangenenfürsorge bestand. […] 1943 kam ich in das Konzentrationslager Terezin in der Tschechoslowakei, wo die alliierten Truppen uns am 8. Mai 1945 befreiten.“322 Erst 1948, also zwölf Jahre nach ihrem ersten Promotionsgesuch, wurde die im Dritten Reich rassisch verfolgte Käthe Goldschmidt im Deutschland der Nachkriegsjahre an der Universität München mit ihrer schon 1936 zur Annahme empfohlenen Dissertation promoviert.323 Wie viele Studentinnen sich der Stigmatisierung im Dritten Reich sowie der damit einhergehenden Verfolgungspolitik durch Exil oder gar durch Selbstmord entzogen haben, bleibt in diesem Zusammenhang ungewiss. Weiterführende Forschungen, wie sie etwa für die Universität Wien vorliegen über „„The Miracle of my survival“ – Und die Zeit nach dem Nationalsozialismus“324, stehen für die LMU immer noch aus. Überliefert ist dagegen das tragische Beispiel von Leonie Zuntz, die noch 1934 mit einem hethitologischen Thema im Fach Indogermanistik promoviert wurde, bevor sie ins Exil flüchtete und sich 1942 in London das Leben nahm.325 Dass aber selbst diejenigen, welche die Universität etwa längst mit abgeschlossener Promotion verlassen hatten, noch von den antisemitischen Exklusionsmaßnahmen betroffen waren, zeigt das Verfahren zur Aberkennung des Doktorgrades: Allein an der LMU wurde dieses in mehr als 180 Fällen erfolg-
321 StAM, SpKA K 2015. Eidesstattliche Erklärung von Dr. Eva Hirschmann vom 21.9.1949. 322 Käthe Goldschmidt: Friederike Gossmann. 1838–1906. Diss. München 1948, Lebenslauf. 323 Vgl. UAM, O-Np-SS 1948. Promotionsakt Käthe Goldschmidt. 324 Vgl. Posch/Ingrisch/Dressel, 222 ff. 325 Vgl. Adrom, 28. Weitere Schicksale und ihr Werdegang bei Häntzschel: Exodus, 43–52. Zusätzliche Informationen zum Werdegang jüdischer Studierender lassen sich marginal auch aus dem biographischen Gedenkbuch der Münchner Juden entnehmen. Vgl. Stadtarchiv München (Hg.): Biographisches Gedenkbuch der Münchner Juden 1933–1945. Band 1 (A-L). München 2003, bes. 113, 314, 603 f., sowie Stadtarchiv München (Hg.): Biographisches Gedenkbuch der Münchner Juden 1933–1945. Band 2 (M-Z). München 2007, bes. 32 f., 254 f., 318, 581 f., 823 f.
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reich in Gang gesetzt. Zwölf Schicksale von Frauen, in denen es zu einem Doktorentzug im Dritten Reich kam, sind bei Harrecker dokumentiert.326
4 ANSt-Mitglieder Wie erstmalig Pauwels, infolgedessen aber auch Steffen-Korflür oder Manns327 in ihren Untersuchungen über weibliche Studierende im Dritten Reich zeigen konnten, kam es nach der Machtergreifung sogar unter den Mitgliedern der ANSt zu einer strengen Auslese. Auf diese Weise richtete sich das nach rassischen und ideologischen Kriterien ausgerichtete Selektionsprinzip der Nationalsozialisten gleichermaßen auf die Angehörigen innerhalb der eigenen Reihen. Auslöser für diese Maßnahme war der nach den Märzwahlen von 1933 zu beobachtende Zustrom bislang unorganisierter Studentinnen, sodass sich allein in München die Anhängerschaft innerhalb eines Jahres mehr als verzehnfachte: Im Gegensatz zur Würzburger ANSt, die Ende Januar 1933 mit fünf Personen eher ein „Schattendasein“ führte, bestand die hiesige Ortsgruppe im Frühjahr bereits aus 40 Mitgliedern. Der Hochschulgruppenführer der Julius-Maximilians-Universität klagte deshalb bei der Münchner Kreisführung, dass „die ANSt in Würzburg ‚einschlafen‘ werde, ‚wenn nicht irgendetwas geschieht‘“328, und schlug vor, die Hälfte der in der bayerischen Landeshauptstadt vertretenen NS-Kommilitoninnen an den Main zu holen. Tatsächlich hatte sich deren Anteil an der LMU im August mit 85 bereits wieder mehr als verdoppelt, um im Frühjahr 1934 eine erstaunliche Zahl von 450 Frauen zu erreichen.329 Allerdings stieß diese reichsweit zu beobachtende Entwicklung, die nur durch wenige Ausnahmen gekennzeichnet war330, nicht bei allen ANSt-Funktionärinnen auf Gegenliebe, obwohl der immense Andrang angesichts der veränderten Zeitumstände durchaus als Basis für eine erfolgreiche Werbung von „empfängliche(n) Gemüter(n)“ galt: „Es ist dabei zu bedenken,
326 Vgl. den Dokumentationsteil bei Harrecker, 251 ff. 327 Vgl. Pauwels, 56, 60, Steffen-Korflür, 190 f., 195, sowie Manns, 168 f. 328 Alle Zitate nach Spitznagel, 169. 329 Vgl. Pauwels, 60. 330 Im Gegensatz dazu steht bspw. die geringe Mitgliederzahl der Bonner ANSt, der, so die Ergebnisse Höpfners, Anfang 1933 nur zwölf Mitglieder angehören. Vier Jahre später hatte sich ihre Zahl lediglich auf 50 Frauen bei einer Gesamtzahl von 413 Studentinnen an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität erhöht. Eine spezielle Erklärung dafür liefert der Autor nicht, sondern beruft sich stattdessen auf die allgemein starke Konkurrenz von NS-Frauenschaft und BDM. Höpfner, 113.
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dass nun neben den sogenannten Konjunkturrittern hauptsächlich auch solche Leute kommen werden, denen die Partei und der Führer imponieren, die aber innerlich dem Nationalsozialismus vollständig fremd gegenüberstehen und auch bis heute nichts dafür getan haben. Darum wird unsere Schulungsarbeit in erster Linie Erziehungsarbeit sein. Der alte Stamm, die Kämpfer um die Idee müssen wie bisher alles einsetzen, um aus den Neulingen auch charakterlich Nationalsozialisten zu machen.“331 Sehr zum Ärger mancher Aktivistin zeigte das Gros dieser Frauen wahrhaftig wenig politischen Enthusiasmus und legte teilweise ein Verhalten an den Tag, welches sich mitunter sogar durch Übertretung bzw. Nichteinhaltung nationalsozialistischer Glaubenssätze und Vorschriften bemerkbar machte. Dazu zählten die Säumigkeit bei der Bezahlung des Mitgliederbeitrages, die Doppelmitgliedschaft in einer religiösen Verbindung oder der Umgang mit nichtarischen Personen: „Es ist selbstverständlich mit unseren Grundsätzen nicht vereinbar, dass eins unserer Mitglieder mit solchen Menschen in näherem Verkehr steht.“332 In München schrieb sich am 25. April 1932 bspw. die Tochter von Dr. Gisela Mauermayer-Schmidt, Gisela Mauermayer, als Studentin der Naturwissenschaften an der LMU ein. Nachdem die promovierte Altphilologin bereits seit Ende der 1910er Jahre aktiv im VfFI tätig war und als 2. Vorsitzende des Akademikerinnenbundes u. a. seit 1928 dem Werbeausschuss für das Münchner Studentinnenheim angehörte333, schloss sich deren Tochter in ihrem zweiten Studiensemester, dem Winterhalbjahr 1932/33, der ANSt an334; ungefähr zeitgleich trat die Mutter der Absolventin des Humanistischen Mädchengymnasiums an der Luisenstraße der NSDAP bei. Welche Beweggründe die beiden Frauen zu diesem Entschluss veranlasst haben, darüber geben die ohnehin spärlich vorhandenen Dokumente leider keinerlei Auskunft. Was Letztgenannte betrifft, so steht immerhin fest, dass man die mittlerweile 59-Jährige im April 1935 zur ersten Vorsitzenden des VfFI ernannt hatte. Obwohl der Zeitraum zwischen 1933 bis 1937 als eine „Chronik der Auflösung“ beschrieben wird und die Vereinsarbeit in den kommenden acht Jahren
331 BArch, RSF II* 30 (a 584). 1. Rundschreiben von Dorothea Trost vom 20.4.1933. 332 BArch, RSF II* 499. Eva Nessler an Gisela Brettschneider vom 27.10.1933. Vgl. in diesem Zusammenhang auch Pauwels, 56. 333 Vgl. 100 Jahre VfFI, 99, sowie BayHStA, MK 40808. Denkschrift zur Schaffung eines Studentinnen-Club- und Wohnheimes in München vom 1.12.1928, sowie Kapitel I, 1.3 Exkurs: Das Studentinnenheim Marie-Antonie-Haus. 334 Zu den persönlichen Daten vgl. UAM, Stud-Kartei I (Mauermayer, Gisela), UAM, OC-Np-1950. Lebenslauf vom 14.6.1950, sowie die Zeitungsausschnittsammlung zu Gisela Mauermayer, StadtA Mü. ZA Pers. 332.
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vollkommen zum Erliegen kam, blieb der VfFI selbst bestehen, behielt seine Geschäftsstelle und wurde nicht aus dem Vereinsregister gelöscht. Möglicherweise ist das auf die Parteimitgliedschaft seiner Vorsitzenden zurückzuführen: „Damit hatte der Verein äußerlich den Anforderungen der Partei an die Vereine genügt.“335 Mauermayer-Schmidt selbst hatte sich dagegen – so zumindest die Erinnerung von Dr. Anna Heim-Pohlmann, die nach dem Kriegsende als zweite Vorsitzende des am 1. Februar 1947 neu lizenzierten Zusammenschlusses bestätigt wurde – bereits vom Nationalsozialismus abgewandt: „Sie war als PG [Parteigenossin/P. U.], innerlich allerdings dem Nazi-Regime längst entfremdet, Schutz und Hilfe für den Verein, ein Schutz gegen seine Auflösung. […] Eine Tochter von Frau Dr. Mauermayer wurde während der Olympiade 1936 Siegerin; das war wohl ein weiterer Grund für die Nazis, den Verein unangetastet zu lassen.“336 Wenngleich entsprechende Quellen zur Überprüfung dieser Aussage fehlen und allein die Frage, wie der VfFI der Auflösung entkam, bis heute ungeklärt zu sein scheint337, lässt sich zumindest der weitere Lebensweg von Gisela Mauermayer grob nachzeichnen. So fungierte die Studentin einerseits im Rahmen ihrer ANSt-Mitgliedschaft nachweislich mindestens im Wintersemester 1933/34 als Hochschulgruppenführerin der Universität München338 und referierte andererseits Ende Dezember 1933 sowie Anfang Januar 1934 zu den Themen „Erlebnisse im akademischen Werkhalbjahr und bei der Führerinnenausbildung von Studentinnen in den Arbeitslagern“ bzw. „Wege und Ziele der neuen Jugend“ im VfFI.339 Ob sich Mauermayer, die wie ihre Mutter NSDAP-Mitglied war, bei ihren Vorträgen primär als „studentisches Sprachrohr“ und Repräsentantin des Dritten Reiches verstand, nachdem sich nun auch für Frauen in den nationalsozialistischen Organisationen vormals nie gekannte Optionen der „Gestaltung und Eroberung öffentlicher Räume“340 boten, sie dem VfFI angesichts der beginnenden Gleichschaltungsmaßnahmen im Sinne Heim-Pohlmanns zu einer gewissen Immunität verhelfen wollte oder ihre ANSt-Mitgliedschaft als Möglichkeit begriff, auf Hoch-
335 100 Jahre VfFI, 63. 336 VfFI, Material 1933–1945. Original und Kopien. A[nna] Heim-Pohlmann: Informationen über die Arbeit des Vereins für Fraueninteressen und Frauenarbeit ab 1. Weltkrieg, o. D. 337 Vgl. 100 Jahre VfFI, 63. 338 Vgl. BArch, RSF II* 524. Bericht von Gisela Mauermayer über die ANSt Hochschulgruppe München vom 17.1.1934. 339 Vgl. VfFI, Tätigkeitsberichte 1916/1917–1936. Jahresbericht des Vereins für Fraueninteressen und Frauenarbeit München in der Zeit vom 1. Oktober 1933 bis 30. September 1934. 340 Gudrun Brockhaus: Schauder und Idylle. Faschismus als Erlebnisangebot. München 1997, 171.
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schulebene gewissermaßen die sozialfürsorgerische Tätigkeit der Mutter fortzusetzen, muss offenbleiben.341 Um diejenigen auszuschließen, die den Eindruck vermittelt hatten, der ANSt lediglich in der Hoffnung auf etwaige Vorteile beigetreten zu sein, ging man schließlich dazu über, sowohl für diese Organisation als auch für den NSDStB am 15. Januar 1934 eine zweieinhalb Monate andauernde Mitgliedersperre auszusprechen und die reichsweite Anzahl der ANSt-Registrierungen auf 1000 Mitglieder, die des NSDStB auf etwa 5000 Mann zu begrenzen342: „Im übrigen bedeutet
341 Nach vier Semestern an der LMU wechselte Gisela Mauermayer, die 1936 in Berlin Olympiasiegerin im Diskuswerfen werden sollte, an die Bayerische Landesturnanstalt (BayLtA), wo sie im Frühjahr 1937 nach Ableistung ihres Seminarjahres die Lehramtsprüfung für das Fach Turnen absolvierte und anschließend in den städtischen Schuldienst übernommen wurde. Der Universität München blieb die mehrfach ausgezeichnete Sportlerin (vgl. zu ihren sportlichen Erfolgen exemplarisch JB LMU (vom 27. Juni 1934 bis 26. Juni 1935). München 1936, 109) in dieser Zeit lediglich als Gasthörerin naturwissenschaftlicher Kurse und Vorlesungen treu, ohne dass etwas über eine weitere hauptamtliche Betätigung in der ANSt bekannt geworden wäre; nur eine undatierte, wahrscheinlich aus dem Jahr 1936 stammende Aufstellung zum Personal-Etat der ANSt führt „Mauermeyer“ [sic!] als nebenamtliche Mitarbeiterin auf. Vgl. BArch, RSF II* 300 (a 213). Personal-Etat [ca. 1936]. Ihr erklärtes Ziel war es fortan, „eines Tages auch das biologische Studium mit meinem Examen abzuschließen. Nachdem ich 1945 wegen Zugehörigkeit zur NSDAP meines Amtes enthoben worden war, nahm ich diese Bestrebungen wieder auf. Im Jahre 1947, nach erfolgter Entnazifizierung, erhielt ich von Frau Prof. Beutler das Thema zu einer Doktorarbeit.“ UAM, OC-Np-1950. Lebenslauf vom 14.6.1950. Zu diesem Sachverhalt äußerte sich Mauermayer in der Nachkriegszeit ganz offen: Vgl. StadtA Mü. ZA Pers. 332. Michael Gernandt: Geburtstagsstrauß für Gisela Mauermayer. Die Diskus-Olympiasiegerin wird 50 Jahre alt/Sie ist heute Bibliothekarin. In: SZ vom 23./24.11.1963: „An die Zeit zwischen 1945 und 1954 denkt die ehemalige Olympiasiegerin ungern zurück: ‚Ich habe bis Kriegsschluß an einem Münchner Mädchengymnasium als Turnphilologin unterrichtet. Nach der Entnazifizierung – ich war mit 18 Jahren in die Partei eingetreten – wollte ich mich zunächst an der Universität einschreiben lassen, aber die Amerikaner waren gegen die Immatrikulation.‘“ Drei Jahre später, 1950, wurde die gebürtige Münchnerin magna cum laude zum Thema „Untersuchungen über die Beziehungen zwischen Arbeitsleistung und Lebensdauer bei Arbeiterinnen der Honigbiene Apis mellifica L.“ promoviert. Vgl. Gisela Mauermayer: Untersuchungen über die Beziehungen zwischen Arbeitsleistung und Lebensdauer bei Arbeiterinnen der Honigbiene Apis mellifica L. Diss. München 1950. Vgl. in diesem Zusammenhang auch UAM, OC-Np-1950. Urkunde über die Verleihung des Doktorgrades vom 21.2.1951. In der Folgezeit arbeitete sie 20 Jahre als Chefbibliothekarin der Zoologischen Staatssammlung im Schloss Nymphenburg. Am 9. Januar 1995 verstarb Gisela Mauermayer 81-jährig in ihrer Heimatstadt. Vgl. Manfred Siering: Nachruf. Dr. Gisela Mauermayer. In: Ornithologische Gesellschaft in Bayern e. V. (Hg.): Ornithologischer Anzeiger. Zeitschrift bayerischer und baden-württembergischer Ornithologen. Band 34. Heft 2/3. München 1995, 183. 342 Vgl. BArch, RSF II* 533. Rundschreiben an die ANST-Hochschulgruppen, Anst-Fachschulgruppen, Hauptämter VI in der D. St. vom 9.4.1934: „Die Mitgliedschaft bezw. das Verbleiben in der ANST ist von den neuen Ausleseprinzipien abhängig zu machen. Da die ANST zahlenmässig im
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ANST-Mitglied sein, aktive Kämpferin für den NS werden. Keinesfalls wird eine Mitgliedschaft aus persönlichen Gründen des Fortkommens usw. unterstützt werden.“343 Um wieder eine Eliteorganisation zu werden, gehörten dem Zusammenschluss nun lediglich noch die vor dem 30. Januar 1933 eingetretenen Studentinnen als Vollmitglieder an. Alle anderen hatten sich zunächst mit dem Status der sog. „Anwärterin“ zu begnügen und mussten vor ihrer endgültigen Aufnahme eine entsprechende Bewährungszeit durchlaufen. Erst nach dieser Zeit wurde den Frauen ihr Mitgliedsbuch ausgehändigt und gleichzeitig die Anmeldung bei der Partei vorgenommen, wobei als Voraussetzung für die Aufnahme in die ANSt die Eignung der Betreffenden zu den besonderen Aufgaben des Bundes im „gemeinschaftsfördernden Sinne“344 galt.
Abb. 4: Mitgliedsbuch aus dem Jahre 1943
Reich auf 1000 Mitglieder beschränkt ist, ist strengster Massstab anzulegen.“ Hervorhebung im Original. Zum NSDStB vgl. Peter Stitz: Der CV 1919–1938. Der hochschulpolitische Weg des Cartellverbandes der katholischen deutschen Studentenverbindungen (CV) vom Ende des 1. Weltkrieges bis zur Vernichtung durch den Nationalsozialismus. München 1970, 321, künftig zitiert als Stitz. 343 BArch, RSF II* 533. Schreiben der Kreisreferentin IV (Mitteldeutschland) der ANSt und D.ST Ruth Gaensecke an die ANSt-Leiterinnen, Fachschulschaftsleiterinnen, Direktorinnen der Maidenschulen betreffend Einführung und Organisation der Fachschulschaftsarbeit vom 12.6.1934. 344 BArch, NS 38/I*80 g 43/1. Bundesbrief Nr. 1 vom S. S. 1933/Juni.
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Ausnahmen, wie etwa an der Universität Freiburg, wo sich Hochschulgruppenführerin Hedi Hagenauer für die Wiederaufnahme einer jüdischen Studentin einsetzte, nachdem diese zu den ersten Anhängerinnen des Nationalsozialismus gehört, freiwillige Hilfsdienste für die SA geleistet und sich durch den Sieg ihrer „deutsche(n) Gesinnung über die jüdische“345 ausgezeichnet hatte, müssen vor diesem Hintergrund als absolute Einzelfälle betrachtet werden. Dies gilt umso mehr, als Hagenauer selbst grundsätzlich für die strikteste Einhaltung der Bestimmungen über die Nichtaufnahme von Juden eintrat und sich aktiv um die noch bis Ende Januar 1934 andauernde Säuberungsaktion der hiesigen Gruppe kümmerte, zu der gleichermaßen die Ausstellung von Verweisen an einzelne Mitglieder aufgrund wenig linientreuer Gesinnung gehörte. Trotz diverser weiterer Unterstützungsschreiben, welche der Studierenden der Philologie u. a. eine den rassischen Maßstäben der NSDAP gemäße physische und psychische Konstitution bestätigten, wurde sie letztendlich aber nicht wieder in die ANSt aufgenommen.346 Dass die o. g. Auslesebestimmungen – zumindest an einigen Universitäten – demnach auch wirklich durchgeführt wurden, zeigt sich überdies in der späteren „Hauptstadt der Bewegung“. Einem Bericht der Hochschulgruppenführerin Gisela Mauermayer vom 17. Januar 1934 zufolge hatte die ANSt an der Universität München im Winterhalbjahr 1933/34 bis zur Mitgliedersperre einen Zuwachs von 300 Frauen zu verzeichnen, was einem aktuellen Stand von 387 Kameradinnen und Anwärterinnen entsprach: „Es war bisher infolge des ständigen Neuzuganges von Mitgliedern nicht leicht, eine geordnete Arbeitsweise durchzuführen, doch ist jetzt nach der Sperre eine gründliche Einteilung und eine energische Schulung ermöglicht“347, so Mauermayers Fazit. Bereits im Mai 1933 hatte sich etwa in Tübingen die Leiterin des Hauptamtes für Studentinnenfragen, Ruth Hilgenstock, für die Eingliederung der weiblichen Studierenden in den Aufbauprozess des Dritten Reiches ausgesprochen. Ebenso wie ihre Kommilitonen sollten auch die Frauen ihre Pflichten im neuen Staat
345 BArch, RSF II* 499. Undatierte Bestätigung von Hedi Hagenauer [ca. November 1933]. 346 Obwohl sich sogar das Amt für Außenpolitik der Freiburger Studentenschaft und die Fachschaftsvertreter der Fakultät für die Studentin aussprachen, scheiterte deren Wiederaufnahme offensichtlich an der Intervention von Reichsreferentin Gisela Brettschneider. Während sie der jungen Frau auf der einen Seite Mut zusprach, teilte sie auf der anderen Seite dem zuständigen Führer der Freiburger Studentenschaft mit, er solle in Erfahrung bringen, ob die 1932 in die NSDAP eingetretene Professorentochter noch Mitglied sei, da angeblich weitere ANSt-Mitglieder wünschten, dass man der „Nichtarierin“ auch die Parteimitgliedschaft entzöge. Vgl. Scherb, 225. 347 Vgl. BArch, RSF II* 524. Bericht von Gisela Mauermayer über die ANSt Hochschulgruppe München vom 17.1.1934. Bisherige Schulungsthemen waren „Geschichte der Bewegung, Programm, Regierungstaten der Regierung Hitler, Judenfrage, Oesterreich.“ Ebd.
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erfüllen, zu denen die politische Schulung in kleinen Arbeitsgruppen zählte. Um die Möglichkeit zur Zusammenarbeit mit anderen Universitäten zu erhalten, bat Hilgenstock den Führer der DSt, Gerhard Krüger, möglichst bald eine einheitliche, standortübergreifende Regelung für die Studentinnenorganisation zu treffen.348 Wie bereits dargestellt, wuchs die ANSt an der LMU in den folgenden Monaten auf beachtliche 450 Mitglieder an, was bei einer Summe von 1317 weiblichen Immatrikulationen im Sommersemester 1934 einem Anteil von 34,17 % entsprach349, d. h. jede dritte der vormals als überwiegend unpolitisch zu bezeichnenden Studentinnen hatte sich mittlerweile der im Wintersemester 1930/31 ins Leben gerufenen Ortsgruppe zugewandt. Damit zukünftig in zellenmäßiger Erfassung ordnungsgemäß Schulungen durchgeführt und eine entsprechende Gruppe an neuen Mitarbeitern für die kommenden Semester rekrutiert werden konnten, sah sich Ursula Neubauer, Kreisreferentin VII, allerdings gezwungen, die Summe der „Kameradinnen“ um knapp 50 % auf 230 zu reduzieren.350 Generell bleibt festzuhalten, dass die Bestrebungen der ANSt an der Universität München seit der Machtergreifung auch durch die immense Zahl weiblicher Immatrikulationen erschwert wurden, was ihre Arbeit im Vergleich zu anderen Städten um bis zu zwei Semester zurückwarf. Während sich die Arbeit an der TH umgekehrt mit der zu geringen Zahl von 80 Studentinnen und der damit fehlenden Lobby gegenüber einer Gesamtzahl von 3000 Studierenden als äußerst schwierig erwies, verzeichnete die LMU im Sommersemester 1934 2000 weibliche Immatrikulationen, von denen mehr als ein Viertel registrierte ANSt-Mitglieder waren. Nachdem die bis dato als Zelle der Universität eingegliederte Hochschulgruppe der TH in diesem Semester mit 20 Mitgliedern zum ersten Mal selbstständig arbeitete351, ermöglichte erst die Reduzierung von 450 auf 230 Kameradinnen an der Universität die ordnungsgemäße Schulung der zellenmäßig Erfassten.
348 Vgl. BArch, NS 38/2019. Ruth Hilgenstock an [Gerhard] Krüger vom 25.5.1933. 349 Zu den Zahlen vgl. Übersicht über die Studierenden im Sommer-Halbjahr 1934. In: Personenstand der Ludwig-Maximilians-Universität München. Sommer-Halbjahr 1934. I. Teil: Nach dem Stande vom 10. Juli 1934. II. Teil: Nach dem Stande vom 1. Juni 1934. München 1934, 148. 350 Vgl. BArch, RSF II* 526 (a 425). Bericht der Kreisreferentin VII vom 25.9.1934. Grüttner schreibt fälschlicherweise, die ANSt habe „230 von 450 Mitgliedern“ verloren. Tatsächlich handelte es sich jedoch um eine Reduzierung auf 230 Kameradinnen. Grüttner, 278. Hervorhebung P. U. 351 Vgl. dazu BArch, RSF II* 526 (a 425). Semesterbericht der Technischen Hochschule München über das Wintersemester 1933/34: „Die Techn. Hochschule München hatte unter Hermann Aly im Wintersemester 33/34 eine straffe Führung. Für die Mädchen galt diese Führung nur in beschränktem Maße, da wir, infolge unserer verhältnismäßig kleinen Zahl, ganz an das Hauptamt VI für Studentinnen der Universität München angegliedert waren.“
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Trotz aller Bemühungen, die Studentinnen durch diverse Aktivitäten wie bspw. Wanderungen zu einer Gemeinschaft zusammenzufassen, zeigte man sich unzufrieden mit dem Erfolg, zumal – wie an der TH – noch immer keine zuverlässige Auslese an Mitarbeiterinnen für die Folgezeit und damit für den Aufbau der Studentenschaft getroffen werden konnte. Überlegungen, die bereits auf 230 Mitglieder verkleinerte ANSt auf etwa 50 zu reduzieren, bargen jedoch die Gefahr, die übrigen Frauen gänzlich zu verlieren, wenn sich diese nicht sofort wieder in der Studentenschaft gruppenmäßig erfassen ließen. Ähnliche Schwierigkeiten hinsichtlich der Mitarbeiter- und Nachwuchsfrage konstatierte die Kreisreferentin VII neben der Handelshochschule Nürnberg352 vor allem auch für die Münchner Akademie der Bildenden Künste bzw. der Tonkunst, da eine Rekrutierung geeigneter Frauen unter „Künstlern […] noch besonders schwierig“353 sei. Weil an beiden Akademien bis zu diesem Zeitpunkt im Übrigen keine Studentenschaft gebildet worden war, mussten sich die Studentinnen dieser Anstalten soweit als möglich an den Universitätskursen beteiligen, die jedoch – im Gegensatz zu Würzburg etwa – an einem Mangel geeigneter Schulungskräfte litten: „Ausserdem haben wir besonders für die Gemeinschaftspflege sehr wenig Kräfte. Frauendienst, Sport können ordnungsgemäss pflichtmässig durchgeführt werden. In der Gemeinschaftspflege sehe ich es als Gefahr an, die Pflicht so durchzuführen wie bisher. Wir können es nur, soweit es die Zahl und die Qualität der Kräfte, die wir dazu haben, erlauben.“354 Im November 1934 verzeichnete der Kreis Bayern für
352 Vgl. ebd. Bericht von Kreisreferentin VII vom 25.9.1934: „800 Studenten sind in Nürnberg immatrikuliert, davon 20 Studentinnen. 15 in der A. N. St. Die Schwierigkeit der Arbeit ergibt sich aus diesen Zahlen. Die Mädels sind ein durchaus unerwünschtes Anhängsel […]. Die Kameradinnen sind alle […] durch ihre geringe Anzahl sehr in der Arbeit gehemmt.“ 353 Ebd. Bericht von Kreisreferentin VII vom 25.9.1934. Vgl. dazu auch den Bericht über das Sommersemester 1936 im Gau Franken, der die elf Mitglieder umfassende ANSt-Gruppe der Staatsschule für angewandte Kunst als ziemlichen „Künstlerbetrieb“ bezeichnet. BArch, RSF II* 532. Gauleitung Franken. Bericht über das Sommer-Semester 1936. Vgl. dazu ebenfalls eine Einschätzung der ANSt-Referentin Anna Küffner, die immerhin noch rund vier Jahre später zu einer ähnlich abfälligen Meinung hinsichtlich der insgesamt 47 Kameradinnen (13 Vollmitglieder, 34 Anwärterinnen) an der Akademie für angewandte Kunst in München kommt: „Im grossen und ganzen haben die Kameradinnen die Schulung recht nötig. Bei manchen macht sich eine gewisse Denkfaulheit bemerkbar, was die Arbeit nicht gerade erleichtert. Vielfach hängt das natürlich damit zusammen, dass infolge der handwerklichen Arbeit der Kameradinnen das geistige Training fehlt, das die Universitätsstudentinnen haben.“ BArch, RSF II* 540 (a 438). ANST.-Semesterbericht W. S. 1938/39. 354 Zum Zitat und zum Absatz vgl. BArch, RSF II* 526 (a 425). Bericht von Kreisreferentin VII vom 25.9.1934. Zur Indienstnahme durch Frauendienst, Pflichtsport und GPf vgl. die entsprechenden Kapitel in dieser Arbeit.
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die Universität München sowie die TH schließlich nur mehr einen Gesamtbestand von 412 ANSt-Mitgliedern, während etwa Erlangen oder Würzburg gerade einmal 26 bzw. 51, die Handelshochschule Nürnberg lediglich 12 Mitglieder vorwies.355 Auch an der Universität Freiburg äußerte sich die seit Juni 1933 als Hochschulgruppenführerin und Kreisreferentin tätige Eva Neßler kritisch, was die Mitglieder der lokalen ANSt-Gruppe betraf. So wären im Sommersemester des Jahres offensichtlich nur deshalb so viele Frauen der Vereinigung beigetreten, weil damit eine Hoffnung auf etwaige Vorteile an der Universität verbunden gewesen sei. Darüber hinaus sollte der Zusammenschluss seinem Anspruch als elitärer, nationalsozialistischer „Führungskader der Studentinnen“356 gerecht werden und nicht zu einer Massenorganisation bzw. zu einem „Unterschlupf für Konjunkturgänger“357 verkommen, umso mehr, als die Mitgliederzahl in kurzer Zeit von 14 auf 65 angestiegen war. Um nicht den Überblick zu verlieren, führte Neßler nach einer Unterredung mit dem Landesführer Baden am 30. Mai 1933 eigenmächtig, d. h. noch vor der offiziellen Säuberungsmaßnahme gegen unerwünschte ANSt-Mitglieder 1934, eine Mitgliedersperre ein. Diese sollte bis Mitte Juli andauern, war jedoch nicht vom Bundesführer genehmigt worden und musste nach Bekanntwerden sofort aufgehoben werden.358 Eineinhalb Monate später verhängte außerdem die Göttinger ANSt-Gruppe einen Aufnahmestopp, zumal die Zahl der Beitritte innerhalb kürzester Zeit von 45 auf 98 anwuchs und man sich nicht gewillt sah, zum bürgerlichen Debattierclub fernab der „Bewegung“ zu verkommen.359 Obwohl bspw. an der Hannoverschen Hochschule für Lehrerbildung erst 1937 eine ANStGruppe eröffnet werden konnte, entpuppte sich diese mit 76 Frauen sogleich als die größte des Gaues Süd-Hannover-Braunschweig. Trotz einer immensen Anzahl an weiteren Meldungen wurde hier ebenfalls vorläufig von weiteren Mitgliedschaften abgesehen, damit die bisherigen Frauen zunächst eine „eigentliche Gruppe“360 bilden konnten. Ungeachtet der zeitlich begrenzten Kontingentierung war die jeweilige Führerin also auch generell nicht verpflichtet, jede Bewerberin in die ANSt aufzunehmen bzw. in dieser zu belassen. Das galt insbesondere, wenn der berechtigte Verdacht nahelag, dass die entsprechende Studentin unfähig war, einen positiven
355 BArch, RSF II* 524. Inge Wolff an die Reichsreferentin für Studentinnen vom 20.11.1934. 356 Steffen-Korflür, 190. 357 BArch, RSF II* 536 (a 435). Eva Neßler an Gisela Brettschneider vom 30.6.1933. 358 Vgl. ebd. Bundesleitung der ANSt an Eva Neßler vom 27.6.1933. 359 Vgl. BArch, RSF II* 526 (a 425). Anmerkungen zum Lebenslauf der cand. rer. nat. Elisabeth Wippermann. (Nr. 24521) vom 27.11.1933. 360 BArch, RSF II* 532. ANSt-Semesterbericht Süd-Hannover-Braunschweig SS 36 vom 29.7.1936.
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Einfluss auf die Gemeinschaft auszuüben. Die Aufnahme konnte dann etwa ohne Angabe von Gründen verweigert werden, wobei jedoch persönliche hinter sachliche Gesichtspunkte bei der Beurteilung der Frauen zurücktreten sollten.361 So enthielt der im Sommersemester 1933 von der Bundesführung der ANSt in Berlin herausgegebene erste 17-seitige Bundesbrief die neuen Richtlinien der ANSt, die festlegten, unter welchen Voraussetzungen ein Mitgliedsausschluss als erforderlich betrachtet wurde: „Ausschluss ist notwendig bei: 1. moralischen Bedenken (Darunter fällt auch Klatschsucht!) 2. unbezähmbarer Aufsässigkeit (und dauernder negativer Kritik) 3. bewusster Interesselosigkeit (und bewusster Vernachlässigung der Beitragszahlung.)“362 Zahlreiche Quellen im Bestand der RSF des BArch Berlin belegen, dass die o. g. Optionen bei potentieller Gefährdung der Konformität durchaus angewandt wurden, wenngleich etwa für die Universität München nur ein einziger Fall ausfindig gemacht werden konnte. So teilte im Oktober 1933 der amtierende Kreisführer VII, Wolfgang Donat, der Bundesleiterin der ANSt, Gisela Brettschneider, mit, es wolle sich eine Studentin aus dem Studentenbund mit der Begründung abmelden, „dass an der Anstalt, in der sie den Winter verbringen wird, dem Kindergärtnerinnen und Hortnerinnen Seminar in Lübeck, keine A. N. St. Gruppe besteht. Die Gründung einer solchen Gruppe soll unmöglich sein, da die Führerin des B. D. M. Nordmark die in ihrem Bund organisierten Schülerinnen dieses Seminars nicht freilassen will.“363 Brettschneider, die diesbezüglich nach dem Rechten sehen sollte, befürwortete den Austritt der jungen Frau, weil ihr niemand weniger geeignet erschien, „Propaganda für den Nationalsozialismus, geschweige denn für die ANSt zu machen, als Fräulein Axt mit ihren völlig ungeklärten und unhaltbaren Anschauungen. Ich habe nur die schlechtesten Erfahrungen mit ihr gemacht und halte es im Sinne der Bewegung für wesentlich besser, wenn sie ihren Austritt aus dem Studentenbund vollzieht.“364
361 Vgl. BArch, RSF II* 536 (a 435). Bundesleitung der ANSt an Eva Nessler vom 27.6.1933. 362 BArch, NS 38/I*80 g 43/1. Bundesbrief Nr. 1 vom S. S. 1933/Juni. Hervorhebung im Original. 363 BArch, RSF II* 524. Wolfgang Donat an Gisela Brettschneider vom 21.10.1933. 364 Ebd. Gisela Brettschneider an Wolfgang Donat vom 27.10.1933. Tatsächlich hatte sich die Germanistikstudentin nach zwei Semestern an der LMU im Oktober 1933 exmatrikuliert. Vgl. UAM, Stud-Kartei I (Axt, Elli).
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Großes Interesse zeigte die ANSt dagegen an den bestehenden Studentinnenvereinen sowie ihren Verbänden. Aus diesem Grund ergingen im November 1933 erste Richtlinien des Amtes für Verbändevertretung innerhalb der DSt an alle Einzelstudentenschaften mit der Aufforderung, die jeweiligen Satzungen einzufordern und sich über die Art der Zusammentreffen sowie die Vereinsarbeit der übrigen Zusammenschlüsse zu informieren. Den Hintergrund für diese Anweisung bildete die Überlegung, wonach nicht nur unliebsame Mitglieder der ANSt ausgelesen, sondern umgekehrt gleichermaßen eine Selektion geeignet erscheinender Studentinnen aus anderen Zusammenschlüssen zur Mitarbeit in der DSt herangezogen werden sollte. Die auf diese Weise auserkorenen Frauen würden dann, so die Hoffnung der NS-Funktionäre, bestenfalls wiederum in ihren eigentlichen Gruppen im Sinne der neuen Ideologie wirken und dazu beitragen, „die in ihrer ursprünglichen Grundhaltung noch liberalistischen Verbände zu nationalsozialistischen Erziehungsgemeinschaften umzubilden.“365 Auch die unter dem obersten Grundsatz der Selektion stehenden Richtlinien des erst im Juni ergangenen Bundesbriefes beschäftigten sich in einem eigenen Punkt mit der Thematik der Neuaufnahmen. Dabei wurde besonders hervorgehoben, dass niemals geschlossene Studentinnenvereinigungen oder Bünde aufgenommen sowie organisierte bzw. unorganisierte Massenübertritte genehmigt und befürwortet werden durften. Lediglich Einzelpersonen sollten nach einer nicht näher definierten besonderen Prüfung die Aussicht auf eine Mitgliedschaft in der ANSt erhalten: „Wir dürfen auf keinen Fall unsere nat.soz. Prinzipien durch wesensfremde Elemente zersetzen lassen. Andererseits aber ist darauf Wert zu legen, dass durch beiderseits guten Willen eine fruchtbringende und kameradschaftliche Zusammenarbeit für die kommenden Semester innerhalb der D. St. gewährleistet wird.“366 Ein nur wenige Monate später herausgegebenes Schreiben präzisierte das Aufnahmeverfahren dahingehend, dass alle Anwärterinnen, die neu in die ANSt eintreten wollten, die Gruppenführerin in einem Kolloquium davon überzeugen mussten, Hitlers „Mein Kampf“ sowie das Programm der NSDAP von Alfred Rosenberg gelesen zu haben.367 Die weitere politische Schulung erfolgte in Zellen von 15 bis 20 Frauen und unterlag speziellen Richtlinien, welche die Themenbereiche „Antisemitische Strömungen am Ende des 19. Jahrhunderts“, „Der Führer“ sowie „Der Nationalsozialismus: Weltanschauung,
365 BArch, RSF II* 505 (a 407). Richtlinien des Amtes für Verbändevertretung des Hauptamtes VI der Deutschen Studentenschaft an das Hauptamt VI aller Einzelstudentenschaften vom 1.11.1933. 366 BArch, NS 38/I*80 g 43/1. Bundesbrief Nr. 1 vom S. S. 1933/Juni. 367 Vgl. ebd. Anlage zum Rundschreiben G 3 1933/34 vom 15.12.1933.
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Staatsaufgaben, Volkstumsaufgaben“368 umfasste. Für sämtliche Kameradinnen galten die hierzu angegebenen Quellen als Pflichtliteratur. Jede Gruppe hatte zudem ein Archiv mit nach Sachgebieten gesammelten Zeitungs- und Zeitschriftenartikeln, Referaten, wichtigen Gesetzen, Erlassen usw. anzulegen.369 Den organisatorischen Hintergrund für die hier favorisierte Zusammenarbeit der ANSt mit den Kommilitoninnen anderer Vereinigungen bzw. Bünde bildete das im Mai 1933 speziell für Studentinnen eingerichtete Hauptamt VI (H VI) der DSt. Nach Anweisung von Gisela Brettschneider, die Ende September 1933 von Oskar Stäbel – Reichsführer des NSDStB und nach dem Rücktritt Gerhard Krügers zugleich Führer der DSt370 – zur Leiterin dieses Amtes ernannt wurde, hatten auch die örtlichen ANSt-Leiterinnen ein lokales H VI an ihren Universitäten einzurichten. Dessen Leiterinnen wiederum sollten nach Möglichkeit aus der Schulung der ANSt hervorgegangene Studentinnen sein, deren Einsetzung durch den örtlichen Studentenschaftsführer im Einvernehmen mit der ihm unterstellten zuständigen Kreisführerin erfolgte.371 Mitte der 1930er Jahre erklärte die spätere Referentin für den Studentinneneinsatz in der Hauptstelle für den Studenteneinsatz der RSF, Luise Raulf, die Bedeutung des H VI in einem Zeitungsartikel damit, „daß die in der Weimarer Republik existierenden Zusammenschlüsse von Studentinnen egoistische Interessensvertretungen gewesen seien, die allein den Zweck gehabt hätten, ‚in ihrer Geschlossenheit besser ihre eigenen ‚Interessen‘ den Studenten und der Universität gegenüber vertreten‘ zu können. Mit dem H VI der DSt sei eine ‚Zentralstelle für alle Studentinnenangelegenheiten‘ geschaffen worden, die die ‚Selbsterziehung‘ der Studentin übernimmt und durch die die Studentin ‚als ergänzender Teil‘ in die Studentenschaft eingefügt worden sei.“372 Zuständig für die sog. „Selbsterziehung“ und damit die Erziehungs-, Schulungs- und Betreuungsmaßnahmen der Studentinnen, welche allerdings nur die
368 Ebd. Richtlinien für die politische Schulung 15.12.1933. 369 Vgl. ebd. Richtlinien für die Schulung der A. N. ST. vom 15.12.1933. 370 Stäbel wurde am 12.9.1933 zum Reichsführer der DSt berufen. „Er sorgte alsbald dafür, daß in Zukunft von der Spitze bis hinab zu den Einzelstudentenschaften zwischen NSDStB und DSt Personalunion herrschte, um Konflikte zwischen diesen beiden Stellen unmöglich zu machen.“ Stitz, 228. 371 Vgl. Pauwels, 56, sowie Manns, 176 f. 372 Manns, 177. Manns gibt an, die Äußerung der Studentin sei 1935 erfolgt, benennt aber in der entsprechenden Fußnote die Quelle wie folgt: Luise Raulf: Was soll und will das Hauptamt für Studentinnen? In: Deutsche Studenten-Zeitung vom 31.5.1934, 10. Beide Angaben haben sich jedoch als falsch erwiesen, zumal der Artikel nicht unter den angegebenen Daten in der von der Historikerin benannten Publikation erschienen ist; auch eine Überprüfung der Ausgaben im Zeitraum von Mai 1933 (Nr. 1, 1. Jahrgang) bis einschließlich 20. Juni 1935 (Nr. 17, 3. Jahrgang) führte zu keinem Ergebnis.
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„Arier“ unter ihnen betrafen, waren die nach Anordnung von Brettschneider innerhalb der lokalen H VI neu subsumierten Ämter. Sie umfassten die Bereiche Frauendienst, Arbeitsdienst, GPf, Presse und Propaganda, Sport, Wirtschaftsfragen, Politische Schulung, Auslandsdeutschtum und Verbändevertretung. Während, wie Steffen-Korflür in diesem Zusammenhang einschränkend anführt, die Abteilungen für Politische Schulung und Arbeitsdienst bzw. das lediglich an Grenzuniversitäten zu etablierende Amt für Auslandsdeutschtum vorerst keinerlei praktische Aktivitäten entwickelten, übernahmen etwa die Ämter für GPf, Frauendienst sowie das Sportamt die noch an späterer Stelle näher auszuführende Verantwortung für die Durchführung der fortan für alle weiblichen Studierenden obligatorischen außerfachlichen universitären Indienstnahme.373 Ein hemmender Einfluss auf Einrichtung und Inbetriebnahme des H VI bestand allerdings im reichsweit zu beobachtenden Problem der Ämterbesetzung, das aus dem hohen Personalbedarf an qualifizierten und damit im Sinne der NS-Funktionäre ausgebildeten Studentinnen resultierte. Während die jeweilige ANSt-Leiterin parallel, d. h. in Personalunion, das für Studentinnen verantwortliche H VI in der DSt bekleidete, waren die regionalen und lokalen Hauptamtsleiterinnen mitunter nicht mit den Führerinnen der ANSt-Gruppen an den einzelnen Universitäten bzw. den jeweiligen Gauen oder Regionen identisch, was die Notwendigkeit adäquater Mitarbeiter noch zusätzlich erhöhte. Weil darüber hinaus auch etliche langjährige Aktivistinnen die Hochschulen mittlerweile verlassen hatten, erscheint es an dieser Stelle als unabdingbare Konsequenz, dass man sich offensichtlich gezwungen sah, geeignete Führungspersönlichkeiten gleichermaßen unter den weiblichen Mitgliedern wenig NS-konformer Vereinigungen und Bünde zu rekrutieren. Als Vertreterinnen sollten sie die entsprechenden Hauptund Unterämter der DSt besetzen. Die Richtlinien für diesen Prozess, von dem man sich die beste und notwendigste Selektion unter den Studentinnen erhoffte, hatte Gisela Brettschneider in einem schriftlichen Anhang zu dem im Juni 1933 ergangenen ersten Bundesbrief explizit festgelegt. Dabei mussten sowohl rassische als auch biologische und ethische „Vollwertigkeit“ als Gesichtspunkte der Auslese ineinandergreifen. Auf diese Weise gedachte man, „zum Führen fähige und zur Verantwortung erzogene Frauen höchstmöglich zu fördern“. Allerdings
373 Vgl. Kapitel IV Die Indienstnahme der LMU-Studentinnen im Dritten Reich. Nachdem sich die Zahl der einzelnen Ämter innerhalb des H VI mit dem Amt für NSV sowie dem Referat für die Fachschulen innerhalb kürzester Zeit von neun auf elf erhöht hatte, nahm Stäbel Ende November 1933 eine rigorose Auflösung der bestehenden Struktur vor. Nur die Ämter für Frauendienst und Schulung behielten ihren bisherigen Status, während alle anderen zu Referaten innerhalb der beiden verbleibenden Einrichtungen degradiert wurden. Vgl. Steffen-Korflür, 327, FN 12, sowie BArch, NS 38/I*80 g 43/1. Rundschreiben D. St. G 3/34 vom 18.5.1934.
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sollte dieses Ziel „nicht durch liberalistisch frauenrechtlerischen „Persönlichkeitskult“, sondern durch „Erziehung der Studentinnen zu Disziplin und Unterordnung, zu Gehorsam und Pflichtgefühl, zu Arbeitseifer“, d. h. zur „Dienstbereitschaft für überindividuelle Ziele“ erfolgen: „Jede Gemeinschaftsarbeit von Studentinnen, die der Erfüllung dieser Forderungen und Ziele dient, trägt in sich die Voraussetzungen zu einer erfolgreichen Zusammenarbeit innerhalb der D. St. und wird als solche entsprechend bewertet und anerkannt. Jede Arbeit aber, die dieser Voraussetzungen entbehrt, schliesst sich zwangsweise von einer engeren Zusammenarbeit in der D. St. aus.“ Wie viele Frauen angesichts derartiger Bedingungen bereit waren, sich „in all ihrem Streben restlos einzugliedern in das neue sozialistische Gemeinschaftsbewusstsein der Nation“374, darüber geben weder die vorhandenen Quellen noch die bisherige Forschung genauere Auskunft. Nach Grüttner steht jedoch fest, dass die ANSt – im Gegensatz zu ihren männlichen NSDStB-Funktionären sowie ungeachtet ihrer Konkurrenz- bzw. Konfliktstellung zwischen BDM und NSFrauenschaft (NSF) – nicht mit starken, politisch unabhängigen Verbänden von Studenten bzw. Studentinnen konfrontiert war, „die ihrem Totalitätsanspruch im Wege standen und sich in langwierigen Auseinandersetzungen zu behaupten suchten.“375 Wenngleich neben der ANSt noch andere Studentinnenverbände bestanden, war deren Bedeutung dennoch weitaus geringer als die der männlichen Korporationsverbände. Hermann Aly, Gaustudentenbundsführer des Gaues München-Oberbayern, stellte deshalb im Dezember 1934 in einem Arbeitsbericht fest: „Die Macht der Korporationen und der Verbände ist nicht zu unterschätzen und wird uns noch manchen Kampf kosten, wenn es uns nicht gelingt, in den Verbänden Kameradschaften aufzuziehen, die als Sprengkörper wirken.“376 Keine zwölf Monate später ergänzte Aly diese Aussage um den Schluss, wonach sich die Notwendigkeit ergeben habe, „Korporationen und Verbände aufzulösen, aus der Erkenntnis, daß in diesen Gebilden studentischen Lebens ein Neuaufbau für eine nationalsozialistische Hochschule nicht möglich“377 sei.
374 Alle Zitate nach ebd. Notwendige Voraussetzungen für eine harmonische Zusammenarbeit der ANST. mit den Studentinnen-Bünden innerhalb des Hauptamtes der D. St. Anhang zum Bundesbrief Nr. 1 vom S. S. 1933/Juni. 375 Grüttner, 279. Zur Position der ANSt zwischen BDM und NS-Frauenschaft vgl. exemplarisch Steffen-Korflür, 197. 376 BArch, RSF II* 106. Hermann Aly an Ernst Wittmann vom 22.12.1934. 377 UAM, Sen. 366b/1. Hermann Aly an Professor Dr. Escherich vom 29.10.1935. Zur Auflösung katholischer Studentenverbände im Nationalsozialismus vgl. Hans Jürgen Rösgen: Die Auflösung der katholischen Studentenverbände im Dritten Reich. Bochum 1995.
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Was die Kommilitoninnen betraf, so existierten zwar am Ende der Weimarer Republik mit dem V. St. D. und dem Verband Katholischer Deutscher Studentinnenvereine (VKDSt), dem Deutschen Verband Akademischer Frauenvereine (D. V. A. F.) sowie der evangelischen Organisation der DCSB vier überregionale Zusammenschlüsse, von denen aber kein einziger mehr als 550 weibliche Studierende umfasste.378 Obwohl die Verbände insgesamt knapp 1500 Studentinnen verzeichneten, entsprach auch diese Summe gerade einmal einem Anteil von etwa 7 bis 8 % der weiblichen Studentenschaft an den deutschen Hochschulen, während zum gleichen Zeitpunkt mehr als die Hälfte der männlichen Studierenden in Korporationen organisiert war.379 Zu einem anderen Ergebnis hinsichtlich der Größenordnung kommt dagegen Pauwels. Seiner Meinung nach hätten sich die Frauen auch weiterhin durch größeres Interesse an den bestehenden bzw. vertrauten, alteingeführten und dabei im Allgemeinen konfessionellen Studentinnenvereinigungen ausgezeichnet, welche im Gegensatz zur ANSt ein geselliges und ungezwungenes Beisammensein ohne Reglementierung und Zwang anboten. Zusammenschlüsse wie etwa der VKDSt oder die DCSB seien demnach wenigstens vorerst noch „giants“380, also Riesen, im Vergleich zu der als zwergenhaft charakterisierten ANSt gewesen. Folglich hätten die NS-Studentenführer nicht einmal von der Gleichschaltung dieser Zusammenschlüsse träumen können, umso mehr, als selbige die Unterstützung der großen Mehrheit der weiblichen Studierenden besaßen und – zumindest im Fall des VKDSt – den den katholischen Verbänden gewährten Schutz des neu unterzeichneten Konkordats zwischen dem Reich Adolf Hitlers und dem Vatikan genossen.381 Bis zur Auflösung des VKDSt sowie der DCSB im Juli 1938 durch SSReichsführer Heinrich Himmler konnten beide Organisationen, so Pauwels, wei-
378 So umfassten im Jahr 1931 der V. St. D. 300, der VKDSt 548 und der D. V. A. F. 265, die DCSV Ende 1932 435 Studentinnen. Zum V. St. D., VKDSt sowie zum D. V. A. F. vgl. auch Doeberl/Scheel/ Schlink: Bürger, 589–592. Zur DCSB vgl. Karl Kupisch: Studenten entdecken die Bibel. Die Geschichte der Deutschen Christlichen Studenten-Vereinigung (DCSV). Hamburg 1964, 196–200, künftig zitiert als Kupisch. 379 Vgl. Grüttner, 279. 380 Alle Zitate nach Pauwels, 59. 381 Zum VKDSt vgl. Stitz, 205, 234, 256, 277, 360, 382 f., sowie Ulrike Hoppe: Katholische Studentinnenvereine 1909–1936. Ihr Selbstverständnis und ihre Vorstellungen vom weiblichen Lebenszusammenhang. Bonn 1990, bes. 48–50, künftig zitiert als Hoppe. Zum Reichskonkordat vgl. Ludwig Volk: Das Reichskonkordat vom 20. Juli 1933. Von den Ansätzen in der Weimarer Republik bis zur Ratifizierung am 10. September 1933. Mainz 1972, bes. 151–168. Abdruck des Konkordats zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Deutschen Reich ebd., 234–242, sowie Bekanntmachung über das Konkordat zwischen dem Deutschen Reich und dem Heiligen Stuhl vom 12.9.1933. In: RGBl. Teil II. Nr. 38. Berlin 1933, 679 ff.
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terhin einen mächtigen Einfluss auf die Universitätsstudentinnen zu Ungunsten der ANSt und dem H VI ausüben. Ein Beispiel für die Unabhängigkeit dieser konfessionellen Vereinigungen und ihre relative Immunität gegenüber dem Nationalsozialismus war dabei die öffentliche Weigerung der DCSB-Mitgliederschaft im November 1933, den sog. „Arierparagraphen“ – Eckpfeiler der antisemitischen Hochschulpolitik – zu übernehmen: „Adding insult to injury, this decision was defiantly communicated to the DSt in formal fashion. The weakness of the ANSt and Main Office VI was reflected not only in their tacit acceptance of this affront but also in their toleration of dual membership in the ANSt and the DCSB, an uncharacteristic sample of National Socialist pluralist goodwill, undoubtedly inspired by the knowledge that, given only one choice, women students were more likely to opt for the DCSB than the ANSt.“382 Obwohl selbst derartige Kompromisse offensichtlich wenig dazu beitrugen, die nationalsozialistische Integrität im Blickpunkt der Öffentlichkeit zu fördern, gaben sie der ANSt dennoch Anlass zu der Hoffnung, eine beträchtliche Anzahl neuer Mitglieder einschließlich potentieller Führungspersonen aus den Reihen konfessioneller Studentinnenverbindungen und ungebundener Freistudentinnen rekrutieren zu können. Tatsächlich aber war der Großteil der DCSB, wie die zwölf Jahre nach Pauwels und ein Jahr nach Grüttners Publikation veröffentlichten Ergebnisse von Christiana Hilpert-Fröhlich zeigen, in den Sommer- und Herbstmonaten nach der Machtergreifung vorerst grundsätzlich bereit gewesen, sich in die DSt einzugliedern und die neu zu schaffenden Aufgabenfelder innerhalb der Schulungskurse und Gemeinschaftsdienste für weibliche Studierende aktiv mitzutragen.383 Unklar war zu diesem Zeitpunkt allerdings, welche Haltung sowohl die Kreismitglieder als auch die Führung der DCSB – allen voran Reichsführerin Meta Holland – gegenüber den DSt-Statuten, speziell jedoch gegenüber dem „Arierparagraphen“ einnahmen. Wahrscheinlich ist, dass sich etliche Mitglieder in einer Art Gewissenskonflikt befanden, wie ihn die Tübinger Kreisleiterin Ruth Hilgenstock schilderte, welche „zunächst zu den engagierten Befürworterinnen einer aktiven Mitarbeit der DCSB in der DSt und einer einvernehmlichen Kooperation mit der ANSt gezählt hatte und im Sommersemester sogar Leiterin des Tübinger Studentinnenhauptamtes gewesen war“384. So sei ihr im Laufe der Auseinan-
382 Pauwels, 59. Zur Ablehnung des Arierparagraphen vgl. auch Kupisch, 199 f. 383 Vgl. Christiana Hilpert-Fröhlich: „Vorwärts geht es, aber auf den Knien“. Die Geschichte der christlichen Studentinnen- und Akademikerinnenbewegung in Deutschland 1905–1938. Pfaffenweiler 1996, 149–153, künftig zitiert als Hilpert-Fröhlich. 384 Ebd., 155.
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dersetzungen mit den ANSt-Funktionärinnen während eines Studentinnenlagers klar geworden, „daß es bei der Entscheidung für oder gegen die Mitarbeit der DCSB in der DSt letztlich um die Frage der Vereinbarkeit von Christentum und Nationalsozialismus gehe. Die ‚im Grunde einzige ausser Frage stehende Bindung‘ sei für sie als Christin und DCSBlerin die ‚Bindung durch das Gebot Gottes und die Botschaft vom Sünderheiland Jesus Christus. Diese Bindung verlangt von mir, daß ich den Kommunismus bekämpfe, aber sie verbietet mir eine Abwertung des Kommunismus; sie verlangt von mir eine Inachtnahme der von Gott uns gesetzten Erhaltungsordnung des Volkes und der Rasse; aber sie verbietet mir, die rassische Unterschiedenheit oder Gleichheit als einzige Grenze oder Grundlage einer geistigen Gemeinschaft anzusehen […]. Trotzdem also von der Seite der Nationalsozialistinnen keineswegs eine Antithese von nationalsozialistischer Weltanschauung und Christentum als bestehend aufgezeigt wurde, war doch die innere Haltung bei der Diskussion aller Fragen eine solche, daß mir eine Synthese nicht möglich zu sein scheint. Aus dieser inneren Entscheidung ergab sich die Folgerung, nicht sich aus der Arbeit überhaupt herauszustellen, aber aus der dem Geist des Nationalsozialismus verantwortlich geforderten Arbeit, praktisch aus der Arbeit des Hauptamtes.‘“385 Der Konflikt, in den Mitglieder der DCSB wie Hilgenstock gerieten, war damit also nicht Folge einer dezidierten politischen Abwendung vom Nationalsozialismus, sondern das Resultat religiöser Motive. Ungeachtet der Tatsache, dass man noch Ende November 1933 der Frage des Arierparagraphen in den einzelnen Kreisen vollkommen uneinheitlich begegnete, sprach sich ein von Meta Holland festgesetzter engerer Ausschuss von Mitgliedern – mit Ausnahme der Südgauleiterin – am Ende einstimmig gegen die Bestimmung aus, was die Vereinigung in die „Reihen der sich formierenden innerkirchlichen Opposition“386 stellte. Obwohl die Führung der DSt in Berlin der DCSB explizit mit einem Ausschluss gedroht hatte, konnten die einzelnen Kreise ihre Arbeit an den Universitäten in weitgehend unbehelligter und unerwarteter Weise fortsetzen. Dazu kam, dass sich die Studentinnenbewegung ab Herbst 1934 explizit zur Bekennenden Kirche rechnete und somit zu den protestantischen Organisationen, die das NS-Regime vorerst noch duldete. Wie die Ergebnisse von Hilpert-Fröhlich zeigen, wurde die weitere kontinuierliche Tätigkeit jedoch durch andere Faktoren massiv erschwert, allen voran die vielfältigen Pflichtprogramme für Studentinnen. Aus diesem Grund bemühten sich zahlreiche Kreise um die Abhaltung von Wochenendfreizeiten, „die ein intensiveres Arbeiten ermöglichen und zugleich mehr Raum für persönliche Begegnungen und Gespräche sowie für
385 Ebd. 386 Ebd., 159.
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Wanderungen und ähnliche Unternehmungen bieten sollten.“387 Zusammen mit den neuen Verhältnissen an den Universitäten sowie der beschränkten Zahl von Studienanfängerinnen verzeichneten nahezu sämtliche Kreise seit 1934 rückläufige Mitgliederzahlen sowie eingeschränkte Aktivitäten. Daran konnte auch die Aufhebung der bis dato existierenden Verbote von Doppelmitgliedschaften – etwa in ANSt und DCSB – nichts ändern.388 Ab 1937 verschärften sich allerdings die Maßnahmen gegen die Bekennende Kirche. Davon waren auch die sich ihr zurechnenden Organisationen wie die christliche Studentinnen- und Studentenbewegung betroffen. Trotz vereinzelter Weiterarbeit wurden sie im Sommer 1938 offiziell und endgültig durch Erlass des REM vom 9. Juni verboten. Die gemeinsame Bibelarbeit oder der Austausch über die bedrängende Kirchenlage waren davon aber nicht berührt: Viele Mitglieder der DCSV hielten unbeirrt an ihren Aktivitäten fest. Damit leisteten sie – wie etwa in Berlin – einen wichtigen Beitrag zur Entstehung der evangelischen Studentengemeinden. „Vom folgenden Semester an nannte sich der Kreis offiziell „Evangelische Studentengemeinde Berlin“ und gab sich damit jenen Namen, der sich zeitgleich auch an vielen anderen Universitäten für die gemischten Gruppen von evangelischen Studenten und Studentinnen einbürgerte, die sich seit 1938 in der Nachfolge der Kreise formierten.“389
5 Unterstützungsempfänger Die bisherigen Lokalstudien zur Geschichte weiblicher Studierender an deutschen Universitäten zeigen, dass sich die Gesamtentwicklung der Studentinnenvereine nach 1933 zwischen den von Grüttner, Pauwels und Hilpert-Fröhlich konstatierten Ergebnissen bewegt haben dürfte. Demnach übertraf bspw. die seit dem Wintersemester 1932/33 bestehende Kölner ANSt-Gruppe bereits ein Jahr später mit 105 Mitgliedern die Zahlen der lokalen konfessionellen Vereine, ein
387 Ebd., 161. 388 Vgl. ebd., 165–168. 389 Ebd., 178 f. Vgl. dazu auch Kapitel II, 6 Angehörige religiöser Studentengruppen. Vgl. da rüber hinaus Reinold von Thadden-Trieglaff: Rundbrief anlässlich der Auflösung der DCSV vom Februar 1939, hier nach Kupisch, 246: „Eine Mitgliedschaft von Studenten in einer studentischen christlichen Vereinigung ist in Zukunft freilich nicht möglich, da die Studenten verbandsmäßig nur von den Organisationen des NSDStB erfaßt werden sollen. Es ist durch die Neuordnung aber sichergestellt, daß die Verkündigung des Evangeliums unter Studenten von den damit betrauten Pfarrern weiterhin getrieben werden kann.“
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Anstieg, der lediglich durch die reichsweite Aufnahmesperre gebremst wurde.390 Die Ursache für diesen Zulauf lag jedoch nicht nur in der „allgemeinen ParteiEintrittsbewegung nach den Märzwahlen“391, sondern, wie Scherb folgerichtig erwähnt, auch in der Förderungspolitik des Studentenwerkes begründet, zumal sich mit dem Eintritt in die ANSt etwa die Chancen auf einen Gebührenerlass oder ein Stipendium verbesserten. „Darunter litten vor allem die konfessionellen Studentinnenvereine. ‚Da aber die Anteilnahme an den wirtschaftlichen Vorteilen der Universität fast ausschließlich von einer Mitgliedschaft in der ANST abhängig ist, ist es wohl zu verstehen, daß die jüngeren u[nd] auch die anderen Mitglieder unseres Vereins durch die Verhältnisse fast gezwungen werden, aus dem Verein auszutreten‘“392, so die Analyse einer sog. „Hochwachtlerin“, Mitglied des ersten konfessionellen, 1919 gegründeten Studentinnenvereins Hochwacht Köln. Dass diese Überlegung durchaus angebracht war, verdeutlicht auch die Stichprobe von Grüttner aus der Kartei des Reichsstudentenwerks. Demnach waren von 566 studierenden Darlehnsnehmern knapp 81 % Mitglied einer NS-Organisation.393 Oder um sich der Einschätzung Kunzes anzuschließen: Unterstützt wurden NSFunktionsträger, nicht Individualität.394 Tatsächlich galten nach 1933 nicht mehr allein die wissenschaftliche Begabung und wirtschaftliche Bedürftigkeit eines Antragstellers als Voraussetzungen für die Gewährung eines Stipendiums. Vielmehr wurden nur diejenigen Bewerber unterstützt, die sich überdies durch völlige körperliche und geistige Gesundheit, einen charaktervollen Lebenswandel sowie eine nationalsozialistische Gesinnung als würdig auszeichneten und letztere in Organisationen wie dem BDM oder der ANSt – welche ihrerseits berechtigt waren, geeignet erscheinende Kandidatinnen für eine Förderung beim Reichsstudentenwerk vorzuschlagen –, bewiesen hatten395; ehrenamtlichen, bedürftigen Mitarbeitern der Studentenschaften wie bspw. Kreisführern durften darüber hinaus Hörgeldermäßigungen ohne Ablegung der dafür vorgeschriebenen Prüfungen gewährt werden.396
390 Vgl. Franken, 97. 391 Scherb, 221. 392 Franken, 97. 393 Vgl. Grüttner, 147. 394 Vgl. Rolf-Ulrich Kunze: Die Studienstiftung des deutschen Volkes seit 1925. Zur Geschichte der Hochbegabtenförderung in Deutschland. Berlin 2001, 251, künftig zitiert als Kunze. 395 Vgl. BArch, RSF II* 498. Undatiertes Merkblatt für Studienförderung [ca. 1935]. Hauptförderungszweige des Reichsstudentenwerks waren die Kameradschaftsförderung, die Hochschulförderung, die Reichs- und die Darlehnsförderung. Vgl. ebd. Vgl. darüber hinaus Kunze, 211 f. 396 Vgl. UAM, 366c/3. Bayer. Staatsministerium für Unterricht und Kultus an die Rektorate der drei Landesuniversitäten vom 2.8.1933.
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Auffallend betroffen von der Vorgehensweise der neuen Machthaber waren dabei die weiblichen Angehörigen der Unterschicht, deren starker Abgang von den Universitäten explizit in der zum Sommerhalbjahr 1933 herausgegebenen Deutschen Hochschulstatistik hervorgehoben wurde.397 Angewiesen auf Unterstützungsgelder, konnten diese Frauen ihr Studium vor allem „durch die drastische Kürzung der Stipendiengelder der „Studienstiftung des deutschen Volkes“ und durch die Einschränkungen der Hilfen anderer Institutionen nicht mehr fortsetzen.“398 Die Reduzierung von Fördergeldern sollte die akademischen Bestrebungen der Abiturientinnen drastisch beschränken, was dem Wunsch des neuen Direktors der Studienstiftung, Hanns Streit, entsprach. Zusätzlich stellte sich ihnen das Problem, dass die ohnehin „umstrittene Frage der Förderung von Studentinnen“399 mit geschlechtsbezogenen Argumenten beantwortet wurde. In der Praxis bedeutete dies, dass Stipendien an weibliche Studierende nur noch bei Aufnahme eines – nach Ansicht der Nationalsozialisten – frauenadäquaten Faches wie Medizin oder Philologie vergeben werden sollten, während vor allem angehende Juristinnen oder Volkswirtinnen lediglich in Ausnahmefällen einen Anspruch auf Unterstützung besaßen.400 Zugleich ermahnte man die Kommilitonen, „ihre Arbeit auf den ‚fraulichen Lebenskreis‘ zu konzentrieren“, was sich in den als für sie geeigneten Dissertationsthemen wie „Die Geburtenfrage auf dem Lande und ihre Beeinflussung seit 1919“401 sowie in der Tatsache widerspiegelte, dass man für den berufstätigen oder alleinstehenden Teil der weiblichen Bevölkerung frauenspezifische Tätigkeiten auf dem Gebiet der sozialen, erzieherischen, pflegerischen sowie landwirtschaftlichen Berufe propagierte, in denen angeblich natürliche Fähigkeiten und mütterlicher Instinkt eingebracht werden konnten.402 Eine Förderung für Studentinnen erfolgte damit lediglich in den Studiengängen, deren Berufsziel den Geförderten
397 Vgl. K. Keller: Das Studium an den deutschen wissenschaftlichen Hochschulen im Sommer 1933. In: Deutsche Hochschulstatistik. Mit einer textlichen Darstellung. Band 11. Sommerhalbjahr 1933. Berlin 1934, 19. 398 Alle Zitate nach Weyrather, 145. 399 Mitteilungen und Nachrichten. In: Der Deutsche Student. Zeitschrift der Deutschen Studentenschaft. Septemberheft 1935, 573. 400 Vgl. BArch, RSF II* 511 (a 412). Rundbrief Nr. 3 der Deutschen Studentenschaft, Hauptamt III, Ref. Frauenarbeitsdienst vom 13.5.1936. 401 Ingrid Wittmann: „Echte Weiblichkeit ist ein Dienen“ – Die Hausgehilfin in der Weimarer Republik und im Nationalsozialismus. In: Frauengruppe Faschismusforschung: Mutterkreuz und Arbeitsbuch. Zur Geschichte der Frauen in der Weimarer Republik und im Nationalsozialismus. Frankfurt am Main 1981, 39. 402 Vgl. Harald Mattfeldt: Doppelverdienertum und Ehestandsdarlehen. Zur Reglementierung der Frauenerwerbstätigkeit am Beispiel des Nationalsozialismus. In: Hochschule für Wirtschaft
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auch zugänglich war, und allein in dem Maße, wie es dem Anteil der Frauen an den akademischen Berufsplätzen entsprach.403 Konsequenterweise sank die Zahl der durch die Studienstiftung des deutschen Volkes Begünstigten zwischen 1932 und 1934 von 470 auf 270, ihr Prozentsatz an allen Unterstützungsempfängern zwischen 1932 und 1934 von elf auf sieben404, sehr zur Freude der zuständigen Erziehungsbeauftragten, die diese Entwicklung euphemistisch als eine Wiederanpassung oder Normalisierung beschrieben, d. h. als eine Reduzierung der Stipendien für Frauen auf einen ihnen naturgemäßen Level.405 Mit Blick auf die in Kapitel I, 1, dargestellten sozioökonomischen Bedingungen während der Weimarer Republik bewertet Pauwels die Ergebnisse dieser Restriktion allerdings zu Recht als relativ unbedeutend, da bereits vor Hitlers Machtergreifung nur extrem wenige Frauen derartige Hilfeleistungen erfuhren. Im Sommer 1932 erhielten kaum mehr als 2 % aller weiblichen Studierenden öffentliche Stipendien. Zu Beginn des NS-Regimes blieb diese Zuteilung im Wesentlichen dieselbe: „A woman’s prospects for a grant in the Third Reich were thus neither better nor worse than in the last years of the Weimar Republic; both before and after 1933 were extremly slim.“406 So wurden bspw. nach Abschluss des Arbeitsdiensthalbjahres 1936 gerade einmal fünf Abiturientinnen in die Reichs-, elf in die Hochschulförderung aufgenommen, von denen überdies keine einzige ihre Erstimmatrikulation an der Universität München vornahm.407 Grüttner warnt zudem davor, den geringen Frauenanteil unter den Stipendiaten als Faktor zur Erklärung des rückläufigen Anteils der Studentinnen überzubewerten, weil insgesamt die Zahl der vom Reichsstudentenwerk unterstützten Frauen und Männer äußerst klein war.408 Tatsache ist jedoch, dass die Quote der „Unterschichtstöchter“ an den Universitäten während des Dritten Reiches noch sank, als die Zahlen der weiblichen Studierenden bereits längst wieder anstiegen. 1941 betrug der Anteil der Arbeitertöchter unter allen Studentinnen gerade einmal 0,31 %.409
und Politik Hamburg (Hg.): Karriere oder Kochtopf? Frauen zwischen Beruf und Familie. Opladen 1984, 45. 403 Vgl. BArch, RSF II* 498. Undatiertes Merkblatt für Studienförderung [ca. 1935]. 404 Weyrather, 145. Vgl. hierzu auch Pauwels, 22. 405 Vgl. Pauwels, 22. 406 Ebd. 407 Vgl. BArch, RSF II* 545. Übersicht über die in die Reichs- bzw. Hochschulförderung aufgenommenen Abiturientinnen aus dem Jahr 1936. 408 Grüttner, 118. 409 In absoluten Zahlen 97. Vgl. Weyrather, 145.
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Die Zahlen stützen die Ergebnisse Mertens’, wonach sich der Hochschulzugang im Dritten Reich „noch stärker auf die sog. „höheren Töchter“ beschränkte“, wofür zwei Ursachen erkennbar waren: „Zum einen konnten Mädchen, die in akademischen Kreisen aufgewachsen waren (bzw. ihre Eltern), den Wert einer solchen – nun nicht mehr staatlich geschätzten – Ausbildung eher erkennen. […] Zum anderen bot die Partei mit all ihren Nebenorganisationen für Karrieristen aus nicht-akademischen Familien weniger anstrengende und teure Möglichkeiten des sozialen Aufstiegs als ein Hochschulstudium.“410 Allein für München lässt sich, bezogen auf die Herkunft der weiblichen Studierenden, im Winterhalbjahr 1935/36 ein Verhältnis von 47 % Oberschichts- und 45,2 % Mittelschichtstöchtern gegenüber lediglich 7,8 % Studentinnen aus der Gruppe der Unterschicht (untere Beamte, Kleinbauern, gelernte Arbeiter, Fabrikarbeiter, ungelernte Arbeiter) konstatieren.411 Da obendrein zwischen 1800 und 1945 gerade einmal fünf, speziell zur Förderung bedürftiger Studentinnen begründete Stipendienstiftungen existierten412, erscheint es wenig verwunderlich, dass sich auch an der LMU wirtschaftlich schlecht gestellte Frauen zu einer Indienststellung für NS-Organisationen wie der ANSt bewegen ließen. Exemplarisch sei hierfür das Beispiel der Münchner Doktorandin der Naturwissenschaften Maximiliane A. genannt, die Ende 1946 im Rahmen ihrer Promotion angab, NS-Studentenbundanwärterin gewesen zu sein, „weil ich in meinem Studium auf Staatszuschüsse angewiesen war u. mir als Tochter eines Schwerbeschädigten des Weltkrieges 1914–18 Studiengebühren nur zurückerstattet wurden, wenn man formell dem NS Stud.Bund angehörte.“413 Umgekehrt konnte eine feh-
410 Alle Zitate nach Mertens: Frauenstudium, 22. Zum Vergleich: „Während im Sommersemester 1932 bei 32,1 % aller weiblichen Studierenden der Vater eine abgeschlossene Hochschulbildung besaß […], stieg die Zahl der Väter mit eigenem Hochschulstudium bis zum Wintersemester 1941 auf 34,1 % aller Studentinnen […] an.“ Ebd. 411 Vgl. Altstädter, 13. 412 Diese Stipendienstiftungen verteilten sich auf die Universitäten Berlin, Heidelberg, Rostock und Tübingen. Thomas Adam: Stipendienstiftungen und der Zugang zu höherer Bildung in Deutschland von 1800 bis 1960. Stuttgart 2008, 220. Zum Vergleich: Bereits Mitte der 1880er Jahre existierten an allen deutschen Hochschulen 340 Stiftungen unter nichtstaatlicher sowie 217 unter staatlicher Stiftungsaufsicht. Ebd., 22 f. Zur finanziellen Unterstützung weiblicher Studierender durch die bürgerliche Frauenbewegung vgl. auch Gilla Dölle: Die (un)heimliche Macht des Geldes. Finanzierungsstrategien der bürgerlichen Frauenbewegung in Deutschland zwischen 1865 und 1933. Frankfurt am Main 1997, bes. 142–168. 413 UAM, OC-Np-Winter- und Sommersemester 1946/47. Maximiliane A. im Punkt Remarks/ Bemerkungen des Fragebogens der Military Government of Germany vom 20.11.1946. Die Verwendung des Begriffes „Studentenbundanwärterin“ macht die bereits bei Steffen-Korflür problematisierte und in persönlichen Zeitzeugeninterviews bestätigte Thematik des ungenauen
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lende Betätigung im nationalsozialistischen Sinne wie im Fall der angehenden Chemikerin Herta Wulle, die im Mai 1938 um einen teilweisen Erlass ihrer Promotionsgebühren nachsuchte, gleichermaßen zu einem abschlägigen Bescheid führen: „Studentin Wulle ist bei der ANSt. nicht bekannt und kann deshalb von der Studentenführung nicht befürwortet werden.“414 Auch ihre Kommilitonin, die bereits als Studienassessorin tätige Anny Pesserl, bemühte sich anlässlich des Abschlusses ihrer Dissertation im selben Semester erfolglos um eine Ermäßigung: „Frl. Pesserl ist nicht Mitglied (der ANST.) des NS-Studentenbundes. Da sie bereits im WS. 37/38 nicht mehr immatrikuliert war, kann sie auch durch die Fachschaft nicht mehr beurteilt werden. Nachdem sie sich politisch nicht eingesetzt hat, kann ich ihr Gesuch nicht befürworten“415, so die offizielle Stellungnahme. Nahezu ironisch mutet es in diesem Zusammenhang jedoch an, dass Studentenführer Julius Doerfler in seiner Begründung zunächst versehentlich geschrieben hatte, die 28-Jährige könne durch die Fachschaft nicht mehr verurteilt werden, ein Schreibfehler, der handschriftlich durchgestrichen und entsprechend korrigiert worden war. Tatsächlich bedeutete die Verweigerung des Gebührenerlasses jedoch sowohl für Anny Pesserl als auch für Herta Wulle eine Verurteilung in dem Sinne, als man sie gewissermaßen aufgrund fehlender Regimetreue bzw. mangelnder Einsatzbereitschaft für den nationalsozialistischen Staat mit der Vorenthaltung bestimmter Sozialhilfemaßnahmen bestrafte. Nach Adam waren gerade diese Förderungs- und Unterstützungsmaßnahmen während des Studiums „eine ausgezeichnete Möglichkeit, bedürftige Studenten in den Nationalsozialistischen Studentenbund zu pressen. Diesen aktiven Bemühungen, mittels der Studienunterstützungen ein bestimmtes politisches Wohlverhalten zu maximieren, entsprachen die entgegengesetzten Versuche, durch die Verweigerung solcher Unterstützungen bestimmte Gruppierungen oder Personen vom Studium zu eliminieren.“ Für diejenigen Studierenden, die staatliche oder sonstige Hilfeleistun-
Sprachgebrauchs deutlich: „Angesichts der für Außenstehende kaum zu durchschauenden, komplizierten und zwischen 1933 und 1936 in permanentem Wandel befindlichen Beziehungen zwischen NSDStB und DSt, ‚Hauptamt für Studentinnen‘ und ANSt erscheint es verständlich, daß seinerzeitige Studentinnen in ihrer Erinnerung ‚Studentenschaft‘ und ‚Studentenbund‘ bzw. ‚Hauptamt‘ und ANSt häufig miteinander verwechseln bzw. nicht trennscharf auseinanderhalten können“, eine Feststellung, die jedoch – unter Berücksichtigung der eigenen Forschung – auch auf diejenigen Studierenden übertragen werden muss, die zwischen 1936 und 1945 imma trikuliert gewesen waren. Steffen-Korflür, 326 f., FN 7. 414 UAM, OC-Np-SS 1938. Studentenführer der Universität München an das Rektorat der Universität München vom 3.6.1938. 415 Ebd. Stellungnahme der Studentenführung der Universität München zu dem Gesuch des Fräulein Anny Pesserl vom 14.4.1938.
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gen beanspruchen mussten, bestand demnach ein „existentieller Zwang“416, sich den Gliederungen der Partei anzuschließen. Mit Blick auf die Entwicklung von Hochwacht Köln sowie die Tatsache, dass die ANSt über das H VI mittlerweile einen weitaus größeren Wirkungs- bzw. Einflussbereich als in der Vergangenheit besaß, kann somit davon ausgegangen werden, dass auch Mitglieder anderer konfessioneller Studentinnenverbindungen, die zum Teil noch vor 1933 versucht hatten, der zunehmenden politischen Radikalisierung innerhalb der Studentenschaft entgegenzuwirken, persönliche und religiöse Wertvorstellungen hinter wirtschaftlich begründete Notwendigkeiten zurückstellten. Selbst die K. D. St. V. Hadeloga der Universität Würzburg, welche noch im Frühjahr 1930 ihren erneuten Zusammenschluss als Zeichen gegen die Religionsfeindlichkeit der Zeit bekanntgegeben hatte, musste im Juli 1934 feststellen, dass sich „das Leben und die Einteilung der Studienzeit einer Studentin […] von Grund auf verändert“ hatten. „Wir stehen heute alle mitten drin im Geschehen des öffentl. politischen Lebens und mancher drohte schon im Trubel der Ereignisse und der Verpflichtungen die klare Orientierung verloren zu gehen.“417 Auch Pater Hugo Lang, der sich seit 1919 nebenamtlich um die Münchner Studentenseelsorge kümmerte, monierte im Dezember 1934 in seinem das letzte Jahr umfassenden Tätigkeitsbericht den ungünstigen religiösen Stand der Hochschuljugend. Zwar fände, so der Geistliche, „die neue Richtung in der Hochschule geschlossene Ablehnung“, doch sei der „positiv-religiöse Aktivismus nicht ebenso bedeutend wie diese Negation oder mindestens Reserve gegenüber antireligiösen Betätigungen.“418 Zu anderen Ergebnissen kommt hingegen Margret Lemberg im Rahmen ihrer Darstellung zu einer 1997 gezeigten Ausstellung über weibliche Studierende der Universität Marburg. Die lokale ANSt-Gruppe schrumpfte hier „trotz hoher Vergünstigungen für Mitglieder“419 nach dem Wintersemester 1933/34 erheblich, um erst wieder im Sommersemester 1935 mit 54 Frauen den eineinhalb Jahre zuvor verzeichneten Bestand zu erreichen. Nach Lemberg zu urteilen, hätten vor allem
416 Alle Zitate nach Adam, 107, 109. In Tübingen waren das etwa 30 % der Studenten. Besonders Unterschichtstöchter waren von den neuen Auslesebestimmungen betroffen, sofern sie sich nicht in den Dienst der NS-Gliederungen stellen wollten. Ansonsten waren partielle Zugeständnisse sowie eine gewisse „Indienststellung“ notwendig. Zur sozialen Zusammensetzung der Studentinnenschaft vgl. Helmut Cron: Die Studentin. Soziales Herkommen und Berufswahl. In: Die Frau. 45. Jahrgang. Heft 5. Berlin 1938, 249 ff. 417 EAM, NL Faulhaber 6560. K. D. St. V. Hadeloga an seine Altmitglieder im Juli 1934. 418 Ebd. Seelsorgebericht des nebenamtlichen Studentenseelsorgers Pater Hugo Lang vom 22.12.1934. 419 Lemberg, 29.
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die wöchentlichen Schulungsabende sowie die parteipolitische Indoktrination im Studentinnenheim „Bettina-Haus“ eine eher abschreckende Wirkung gehabt, welche generell noch durch das Überfüllungsgesetz vom April 1933 verstärkt worden sei. Zieht man diesbezüglich die 2002 erschienene Doktorarbeit von Holger Zinn über die Studentenschaft der Philipps-Universität Marburg zwischen 1925 und 1945 hinzu420, dann wird deutlich, dass die hiesige ANSt schätzungsweise lediglich 25 % der Studentinnen erfassen konnte und selbst im Sommer 1935 nur mehr den Eindruck einer „kleinen geselligen Runde“421 vermittelte. Wenngleich dem Historiker zuzustimmen ist, wonach über die Tätigkeit der Vereine und Korporationen, in denen sich weibliche Studierende während der Weimarer Republik engagieren konnten, im Dritten Reich bislang nur wenig bekannt ist422, stellt sich in Anbetracht der bisherigen Forschungsresultate die Frage, ob für die ANSt größtenteils nicht auch folgende, von Klinksiek im Bezug auf die NSF vertretene These gelten kann: „Neben gewissen Erwägungen der Zweckmäßigkeit (sprich Opportunismus) und der Zwangsauflösung vieler Frauenverbände“, aber auch in „Unkenntnis des verbrecherischen Charakters des Regimes, geblendet von dem sozialen Aktivismus der Organisationen glaubten sicherlich viele Frauen, hier ein passendes Betätigungsfeld gefunden zu haben.“423 Fest steht, dass sich, wie bereits dargestellt wurde, ein nicht zu beziffernder Teil der Studentinnen nach der Machtergreifung vornehmlich aus profitablen,
420 Vgl. Zinn. 421 Ebd., 421. „Ein harter Kern von Aktivistinnen schien sich in Marburg spätestens Mitte 1935 gebildet zu haben, der die Studentinnenarbeit im Eigeninteresse betrieb. Hierfür spricht besonders die inflationäre Schaffung aufwandsentschädigter Posten, so daß auf 30 Studentinnen eine Funktionärin kam. Zusätzlich bestätigt wird diese Annahme durch ein Schreiben an die Reichsleitung der A. N. St., in dem im Juni 1935 darüber geklagt wurde, daß der Gruppe in Marburg die mittleren Semester fehlen. Auch dies deutet auf einen harten Kern von Mitarbeiterinnen hin, die alle in hohem Semester waren“ (ebd.) und sich infolgedessen bereits dem Ende ihres Studiums näherten; aus diesem Grund musste die Arbeit ab 1936 von jüngeren Frauen übernommen werden, was zu einem deutlichen Rückgang der Aktivitäten der Marburger ANSt-Gruppe führte. Wahrscheinlich ist, dass zu den von Zinn als „harten Kern“ charakterisierten Mitgliedern im Frühjahr 1933 auch drei Kommilitoninnen gehörten, deren nicht-konfessionelle Studentinnenvereine sich angesichts der Gleichschaltung der Nationalsozialisten einer Selbst- bzw. Fremdauflösung ausgesetzt sahen. So gab etwa ausgerechnet diejenige Studentin Ende Mai „dem Universitäts-Sekretariat die Auflösung des „Deutsch-Akademischen-Frauenbundes“ bekannt, die zur selben Zeit schon zu den wenigen Mitgliedern der ANSt zählte. Eine zweite folgte ihr im selben Semester. Die dritte junge Frau gehörte noch 1931 dem „Marburger Studentinnenverein“ an und war schon ab 1932 Mitglied der ANSt.“ Lemberg, 30. 422 Vgl. Zinn, 421. 423 Klinksiek, 123.
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d. h. rein wirtschaftlichen Gründen für einen Beitritt in die ANSt oder eine andere NS-Organisation entschloss, um damit gewissermaßen selbst einem (aus-)erlesenen Kreis anzugehören: „Auf Bitten von Frl. dipl. chem. M. D. trat ich dem NS Bund deutscher Technik bei, weil mit der Mitgliedschaft der Bezug der Zeitschrift „Die Chemie“ verbunden war. Frl. D. konnte als Halbjüdin nicht Mitglied werden u. hatte so durch mich die Möglichkeit, die Zeitschrift zu beziehen.“424 Dieses Verhalten wird verständlich, wenn man sich die rassisch-politischen Ausleseprinzipien verdeutlicht, die ausschlaggebend für die Förderungspolitik der Nationalsozialisten waren. Was etwa den Bereich der Studienstiftung betrifft, so beschwerte sich der Führer der Studentenschaft, Gerhard Krüger, Ende Juni 1933 bei Karl Gengenbach in einem persönlichen Einschreiben über die Auswahl der Studienstiftler an der LMU, wofür stellvertretend die Charakteristik eines begünstigten, jedoch jüdischen Studenten herangezogen wurde: ‚einer der seltenen Fälle, wo ausgeprägte deutsche Art des Vaters sich ganz entschieden gegenüber der Mutter (jüdischer Abstammung) durchgesetzt hat.‘ Durch diese, so Krüger, vollkommen wertlose Art der Prüfung sei jedoch eine Säuberung und damit der Ausschluss derjenigen Studienstiftler, „die nach dem alten System ausgewählt worden sind und aus diesem Grunde für uns nicht mehr unterstützungswürdig erscheinen“425, absolut unmöglich. Auch das Beispiel der am 27. November 1926 aus Anlass des 100-jährigen Gedenkens der Verlegung der LMU von Landshut nach München gegründeten Einhundertjahresstiftung verdeutlicht, dass eine Bewilligung finanzieller Beihilfen ohne den Nachweis arischer Abstammung und regimetreuer Gesinnung im Laufe der Zeit nahezu unmöglich geworden war: „Studenten sind für Zuwendungen nur dann vorzuschlagen, wenn sie nach ihrer ganzen Persönlichkeit, ihrem menschlichen Wert und ihrer nationalen Zuverlässigkeit sowie wegen des wissenschaftlichen Geistes, in dem sie ihr Studium betreiben, besonderer Bevorzugung vor den auf gewöhnliche Studienbeihilfen angewiesenen tüchtigen Studenten würdig sind“426. Vor diesem Hintergrund gingen die in Folge positiv beschiedenen Gesuche der wirtschaftlich schlecht gestellten Studentinnen nicht selten mit einer ausführlichen Schilderung des zumeist hochschulpolitischen Engagements einher: „Ich bin seit W. S. 35/36 Mitglied der ANSt und nahm im Sommer 36 am
424 UAM OC-Np-Wintersemester 1947/48. G. F. im Punkt Remarks/Bemerkungen des Fragebogens der Military Government of Germany vom 9.5.1947. Unter Punkt „E. Membership in Organizations/E. Mitgliedschaften Nr. 58 wird der NS-Bund Deutscher Technik explizit als eine NS-Organisation aufgeführt. F. gibt hier an, der Zeitpunkt der Aufnahme sei ihr „unbek.“. Ebd. 425 Alle Zitate nach BArch, NS 38/2175. Der Führer der Deutschen Studentenschaft an Karl Gengenbach vom 29.6.1933. 426 UAM, I-VII-37. Der Rektor der Universität München an die Herren Dekane vom 28.11.1938.
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Fabrikdiensteinsatz teil. Über meine politische Arbeit in Münster gibt die anliegende Dienstbescheinigung Aufschluß. In München nahm ich in den beiden letzten Semestern an der Fachschaftsarbeit teil.“427 Eine spezielle, nicht monetäre Form der Unterstützung ergab sich für ANStMitglieder auch im Rahmen der Zulassungshöchstzahlen für die kulturell und studienmäßig attraktiven Großstadtuniversitäten, welche an der LMU erstmalig für das Sommersemester 1935 die Anzahl der Studierenden auf 5000 Personen limitierten. Nachdem dieses Kontingent vom REM noch zusätzlich um 250 Immatrikulationen erhöht worden war, sah sich die Verwaltung einem äußerst arbeitsintensiven Ausleseverfahren ausgesetzt, dessen Grundlage eine 15 Gruppen umfassende Prioritätenliste bildete. Wenngleich auch an letzter Stelle, so sollten unter den um Aufnahme nachsuchenden Frauen speziell diejenigen berücksichtigt werden, die Mitglieder der ANSt waren, da, der zeitgenössischen Begründung zufolge, „die hiesige Ortsgruppe einer Verstärkung bedarf.“428 Mit diesem Vorgehen entsprach man gleichzeitig dem Wunsch der ANSt-Reichsreferentin Liselotte Machwirth, die anlässlich der Kontingentierungsmaßnahmen im März beim hiesigen Rektor darum gebeten hatte, bei der Erneuerung der Ausweiskarten ANStMitglieder in erster Linie zu beachten und im „Interesse der nationalsozialistischen Hochschularbeit Führerinnen unter keinen Umständen abzuweisen.“429 Aus diesem Grund beantragte gleichermaßen der NSDStB die Zulassung von drei Amtsleiterinnen, welche sich ebenso an der Universität München einschreiben konnten wie sechs weitere Angehörige des Zusammenschlusses nationalsozialistischer Studentinnen.430 Handelte es sich bei dieser Summe zwar einerseits nur um eine geringe Anzahl, so wird andererseits dennoch deutlich, dass studierende NS-Aktivistinnen eine nicht von der Hand zu weisende Bevorzugung bzw. Unterstützung erfuhren, die sich bis in den Bereich der Studienanfragen niederschlug. Hier brachten Studentinnen wie Eva Theißig, die schon in der Weimarer Republik eine Funktionsstelle an der TH Dresden bekleidet hatte und im September 1935 einen Antrag auf Anerkennung der bisherigen Halbjahre als vollgültige Semester an der Universität München stellte, die politische Betätigung bewusst ins Spiel, um ihren
427 Ebd. Mathilde H. an den Herrn Rektor der Universität München vom 5.10.1939. 428 UAM, Stud-Straf-257. Bericht des Verwaltungsinspektors Dr. Burkhardt vom 17.12.1935. 429 UAM, Sen. 147 Band 2. Liselotte Machwirth an den Rektor der Universität München vom 29.3.1935. 430 Vgl. ebd. „Weiter legte ich zu den besonders zu berücksichtigenden die Gesuche der Studenten, die angaben, daß sie von der Studentenschaft oder dem Nationalsozialistischen Studentenbund oder der Arbeitsgemeinschaft nationalsozialistischer Studentinnen als Arbeitsleiter angefordert waren oder die ihre Mitarbeit bei den genannten Stellen in Aussicht stellten.“ Ebd.
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Gesuchen einen gewissen Nachdruck zu verleihen: „Obwohl ich in meinen 5 bisherigen Dresdner Semestern 3 Mal ANSt-Leiterin der Hochschulgruppe Dresden war (im WS 1932/33, im SS 1934 und SS 1935) und ebenso Schulungsleiterin der ANSt […], so glaube ich, mir auch gerade in Verbindung mit der Schulungsarbeit die Voraussetzungen für meine Prüfungsfächer angeeignet zu haben“431; da nach einem Erlass des REM vom 23. Mai 1935 ohnehin diejenigen Fächer wechselseitig komplett angerechnet wurden, welche an den verschiedenen Hochschulen voll vertreten waren432, konnte die angehende Philologin jedoch sowieso einem positiven Bescheid durch den zuständigen Dekan der Münchner Fakultät, Walther Wüst, entgegensehen. Anders verhielt es sich dagegen im Fall von Gertrud S., die im Mai 1940 erfolglos versuchte, ihre wirtschaftlichen Schwierigkeiten sowie zahlreiche freiwillige Arbeitseinsätze als Erklärung bzw. ausgleichendes Moment für den Erlass des Latinums im Rahmen ihrer bevorstehenden Promotion herauszustellen: „Bei dieser Gelegenheit erlaube ich mir darauf hinzuweisen, dass ich mich nach besten Kräften stets betätigt habe, wo ein studentischer Einsatz erforderlich war, und meine positive Haltung zu Staat und Bewegung immer wieder bewiesen habe.“433 Tatsächlich zeichnete sich diese „Haltung“ durch mehrmalige Arbeit in der NSV, Beteiligung an der Erntehilfe, an einer Fachschaftsarbeitsgemeinschaft sowie am Kriegspropagandaeinsatz der Studentenführung der Universität Köln aus, weshalb auch der Münchner Studentenführer der jungen Frau bestätigte, ihr Einsatz gehe „weit über das Mass der Pflichten eines Studenten hinaus“434, und das Gesuch der Antragstellerin nachdrücklich befürwortete. Obwohl die Studentin der Zeitungswissenschaft zudem betonte, nicht die wissenschaftliche Laufbahn einschlagen zu wollen, weil ihr bereits eine Stelle in der kulturpolitischen Schriftleitung des „Westdeutschen Beobachters“ in Köln angeboten worden sei, lehnte der Dekan, Professor Walther Wüst, die Bitte nach einem Erlass des Latinums ab: Es bestünde keine Möglichkeit, die „ohne Zweifel anerkennenswerte politische Leistung wissenschaftlich abzugelten“435. Damit folgte er einem in
431 UAM, O-N-5a. Studienanfragen 1935/36, L-Z. Eva Theißig an den Dekan der Philosophischen Fakultät der Universität zu München vom 30.9.1935. 432 Ebd. Dekan an Eva Theißig vom 4.10.1935. 433 UAM, O-N-5a. Studienanfragen 1939–42, N-Z. Gertrud S. an Walther Wüst vom 7.5.1940. 434 Ebd. Studentenführer der Universität München an den Dekan der Philos. Fakultät der Universität München vom 29.5.1940. 435 Ebd. Walther Wüst an Gertrud S. vom 10.6.1940. Dessen ungeachtet versprach Wüst allerdings, das vor diesem Hintergrund noch länger andauernde Studium der Studentin wirtschaftlich zu unterstützen und zusammen mit dem hiesigen Zeitungswissenschaftler Karl d’Ester für eine spätere Anstellung bei der Kölner Zeitung zu sorgen. Vgl. ebd.
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mehreren Ausschusssitzungen der Fakultät gefassten Entschluss, „auch in der Kriegszeit keine Senkung der Vorbedingungen und Leistungen eintreten zu lassen, da der deutsche Doktorgrad sein hohes Ansehen unbedingt beizubehalten hat.“436 Trotz dieser Entscheidung erscheint es allerdings verfehlt, davon zu sprechen, Wüst habe bei der Behandlung von Parteigenossen durchweg „eine klare Linie“ verfolgt, weil er „Vergünstigungen, bei denen der akademische Standard beeinträchtigt worden wäre, wie ein Erlass der Latinumspflicht oder bestimmter Pflichtsemester“437, im Gegensatz zu Zugeständnissen bei rein bürokratischen Angelegenheiten wie nachträglicher Inskribierung oder Prüferzuteilung nicht gewährt hätte. Wie eine umfassende Durchsicht der Studienanfragen der Philosophischen Fakultät unter dem Dekanat des späteren „Führerrektors“ zeigt, war der Indologe Walther Wüst zumindest einmal nachweislich von dieser Haltung abgewichen. Den Hintergrund für die von Wüst selbst als „Ausnahmebehandlung“438 beschriebene Vorgehensweise bildete das im März 1938 eingereichte Gesuch von Marianne vom Dahl, die nach Aufenthalten in Köln und Königsberg nun an der LMU als Studentin der Zeitungswissenschaft eingeschrieben war. Wie ihre Kommilitonin Gertrud S. sah sich vom Dahl ebenfalls aus finanziellen Schwierigkeiten gezwungen, ihr Studium rasch abzuschließen und deswegen die Verpflichtung zur Ablegung des Latinums nach Möglichkeit zu umgehen. Um den Erlass zu rechtfertigen, führte die Halbwaise aber nicht nur wirtschaftliche Motive, sondern auch die Unmöglichkeit, die erforderlichen Sprachkenntnisse während der Schulzeit zu erwerben, gesundheitliche Einschränkungen sowie die mangelnde Gelegenheit an, aufgrund einer Vollzeitbeschäftigung neben dem Studium die fehlende Zulassungsvoraussetzung zur Promotion nachzuholen: „Ihnen versichere ich hier noch einmal, dass es sich bei mir nicht um einen Fall von „Bildungsabgeneigtheit“ handelt […]. Ich bedaure es im Gegenteil sehr, dass ich durch meine Berufstätigkeit daran gehindert bin, mich mit meinem Studium und anderen Bildungsgebieten so zu befassen, wie ich möchte.“439 Als ausschlaggebendes Argument erscheinen allerdings die unter dem Punkt „Wichtige anderweitige Inanspruchnahme“ subsumierten Aufgabenbereiche der jungen Frau im Bereich des NSDStB, zu denen sämtliche praktische Einsatzge-
436 Ebd. Studienanfragen 1939–42, A-G. Stellv. Dekan an Oberleutnant Bauer vom 3.9.1940. 437 Schreiber, 125. 438 UAM, O-N-5a. Studienanfragen 1937/39, A-F. Walther Wüst an Marianne vom Dahl vom 13.4.1938. 439 Ebd. Studienanfragen 1937/39, A-F. Marianne vom Dahl an Walther Wüst vom 13.3.1938.
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biete im Bereich des Land- und Fabrikdienstes, der NSV und der Außenamtsarbeit gehörten. Darüber hinaus war vom Dahl am 1. März 1938 vom Gaustudentenführer München-Oberbayern mit der Leitung des Amtes Studentinnen sowie der Führung der ANSt-Hochschulgruppe der LMU und damit der Schulung der weiblichen Erstsemester beauftragt worden, eine öffentliche Führungsfunktion, die in ihrer Bedeutung weit über das hochschulpolitische bzw. studentische Engagement von Gertrud S. hinausging.440 Noch bevor man offiziell eine Entscheidung in dieser Angelegenheit getroffen hatte, wandte sich Marianne vom Dahl erneut an den Dekan, dieses Mal jedoch in ihrer offiziellen Eigenschaft als ANSt-Referentin der Universität. Als solche plante sie für das Sommersemester 1938 diverse Veranstaltungsabende für die Kommilitoninnen, die sie nach eigenen Angaben „nicht mit Wissen und Können aus unseren Reihen allein durchführen“441 konnte. Zwar geht aus den Quellen nicht hervor, was vom Dahl und Wüst in der für Anfang April anberaumten Zusammenkunft besprachen, jedoch teilte letzterer der ursprünglich aus Lüdenscheid stammenden Studentin nur eine Woche später mit, dass er nach eingehender Beratung mit dem Promotionsausschuss der Fakultät und in Würdigung der vorgebrachten Gründe der Befreiung vom Latinum zustimme. In Anbetracht der bereits vorgelegten Erkenntnisse, wonach der Indologe in seiner Eigenschaft als Dekan selbst hochrangigen Parteigenossen keinerlei adäquate Ausnahmen gewährte, bleibt offen, welche Punkte ihn konkret zu dieser Entscheidung veranlasst hatten, setzte er doch immerhin voraus, „dass die übrigen Bedingungen für die Promotion peinlichst eingehalten“442 würden, womit zumindest einem offensichtlichen Präzedenzfall vorgebeugt werden sollte. Nach Schreiber stand jedoch generell das fachliche Können seiner Schüler eindeutig über deren politischer Tätigkeit, wobei der „Idealfall“ für Wüst das „Zusammentreffen beider Kategorien“ dargestellt habe. Wie das Beispiel seines als „Lieblingsschüler“443 titulierten und später als Ordinarius in Erlangen tätigen Studenten Karl Hoffmann zeigt, war er unter solchen Bedingungen durchaus zu großen Zugeständnissen bereit, die von der Entlastung vom SA-Dienst bis hin zur mannigfaltigen Förderung der Dissertationsschrift des Studenten reichten. Aus diesem Grund kann Wüst wohl nur bedingt als „strenger Vertreter der
440 Vgl. ebd. 441 Ebd. Marianne vom Dahl an Walther Wüst vom 28.3.1938. 442 Ebd. Walther Wüst an Marianne vom Dahl vom 13.4.1938. 443 Alle Zitate nach Schreiber, 133.
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Studienordnung“444 bezeichnet werden, zumal akademische Standards eben durchaus mit seiner Hilfe partiell umgangen wurden. Dass sich der Dekan im Fall von Marianne vom Dahl wenig linientreu in Bezug auf die Promotionsordnung zeigte, erstaunt umso mehr, als er der Antragstellerin noch im April 1937, d. h. vor ihrer Position als ANSt-Funktionärin, erstmalig mitgeteilt hatte, der Nachweis des Latinums sei nach wie vor unerlässlich.445 Folglich wird angenommen, dass in der Person der Studentin die o. g. Komponenten begünstigend zusammenkamen: Indem sich Marianne vom Dahl nur rund zwei Wochen nach ihrem Gesuch um die Befreiung vom Latinum erneut mit einem Schreiben an Walther Wüst wandte, bewies sie das Geschick, unterschwellig und wiederholt auf ihre aktive (hochschul-)politische und außeruniversitäre Arbeit hinzuweisen, der sie sich trotz privater Schwierigkeiten intensiv und uneingeschränkt zuwandte: „(D)a ich heute ein Schreiben an Sie richte, möchte ich Sie gleichzeitig bitten um etwas, das mit meinen persönlichen Sorgen nichts zu tun hat, mir aber nicht weniger anliegt. […] Haben Sie die Güte und teilen mir mit, wenn es Ihnen ungelegen ist. Ich möchte mich nicht vergeblich in meiner Schriftleitung für die Zeit befreien lassen.“ Gleichzeitig appellierte sie wohl zu einem gewissen Grad an die Eitelkeit des Professors, wenn sie ihn explizit um seinen „geschätzten Rat“446 bat. Dass es Marianne vom Dahl vor diesem Hintergrund auch gelang, in Gegenwart Wüsts mit fachlichem Wissen zu brillieren und diesen somit für sich und ihre Angelegenheiten einzunehmen, erscheint durchaus vorstellbar, obwohl der Studentin am Ende aus diesem Umstand wohl keine Vorteile mehr erwuchsen: Eine unter ihrem (Mädchen-)Namen erschienene Dissertation lässt sich nicht nachweisen, ihr Zimmer im Studentinnenheim Marie-Antonie-Haus hatte sie zuletzt im Wintersemester 1937/38 bewohnt447, die bayerische Landeshauptstadt für einen Umzug nach Hagen verlassen.448
444 Ebd., 134. 445 Vgl. UAM, O-N-5a. Studienanfragen 1937/39, A-F. Walther Wüst an Marianne vom Dahl vom 24.4.1937. 446 Alle Zitate nach ebd. Marianne vom Dahl an Walther Wüst vom 28.3.1938. 447 Vgl. Universität München. Studenten-Verzeichnis. Winter-Halbjahr 1937/38. Nach dem Stande vom 15. Dezember 1937. München 1937. 448 Vgl. StadtA Mü., EWK 65/D 735 (v. Dahl, Marianne). Im Januar 1940 meldete sich vom Dahl erneut als Bewohnerin des Münchner Studentinnenheims an, bevor sie im März des Jahres heiratete. Vgl. ebd. Eine Doktorarbeit unter den Namen als verheiratete Ehefrau (Marianne Libbertz) konnte nicht eruiert werden.
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6 Angehörige religiöser Studentengruppen Was die von Klinksiek angesprochene Zwangsauflösung zahlreicher Frauenverbände betrifft, so hatte man an der Universität München schon im Sommersemester 1933 21 eingetragene Gruppen und Korporationen nicht mehr zugelassen: „Die Studentenschaft steht über den Parteien und Konfessionen. Parteipolitische und konfessionelle Bestrebungen sind ausgeschlossen.“449 Von der in § 2 der kultusministeriellen Bekanntmachung vom 28. April 1933 über die Bildung von Studentenschaften an den wissenschaftlichen Hochschulen in Bayern festgelegten Bestimmung waren auch die DCSB, die (Akademische) Elisabethen-Konferenz sowie der katholische Studentinnenverein Hadwig betroffen.450 Was die jüdischen Studenten- und Akademikervereine anbelangt, so wurden in München am 12. Mai 1933 das Wohlfahrtsamt der Israelitischen Kultusgemeinde sowie 54 jüdische Vereine und andere Organisationen auf antinationale Zwecke bzw. staatsfeinliches Material untersucht, darunter die „Jüdische Studentinnengruppe München in der Zist“ [zionistische Studentengruppe/P. U.], der man jede weitere Vereinstätigkeit untersagte bzw. die Auflösung eröffnete.451 Eine Weiterführung dieses Zusammenschlusses, wie sie nach Sichtung des beschlagnahmten Materials durch das Staatsministerium des Innern einzig der jüdischen Studentenverbindung „Licaria“ gewährt wurde, lässt sich für die Studentinnengruppe nicht nachweisen.452 Am 18. Juli 1933 erging darüber hinaus eine Weisung des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus, wonach sich die noch existierenden jüdischen Studentenverbindungen im Laufe des Semesters aufzulösen hatten. Sollten diese sich weigern, so gedachte man sie „wegen Gefährdung der akademischen Disziplin zu verbieten.“453
449 Bek. d. Staatsmin. f. Unt. u. Kult. v. 28.4.33. Nr. V 15822 über die Bildung von Studentenschaften an den wissenschaftlichen Hochschulen in Bayern, § 2. In: Amtsblatt des Bayer. Staatsministeriums für Unterricht und Kultus. Nr. 4. München, 12.5.1933, 45. 450 Vgl. BArch, NS 38/2186. Die Studentenschaft der Universität München an den Führer der Deutschen Studentenschaft vom 31.5.1933. Schreibweise der Vereine nach der Quelle. 451 Vgl. BayHStA, Reichsstatthalter 432/4. Dr. Neumeyer an General Ritter von Epp vom 13.5.1933, sowie Baruch Z. Ophir/Falk Wiesemann: Geschichte und Zerstörung der jüdischen Gemeinde in München 1918–1945. In: Hans Lamm (Hg.): Vergangene Tage. Jüdische Kultur in München. München, Wien 1982, 472. 452 Vgl. BayHStA, Reichsstatthalter 432/4. Staatsministerium des Innern an den Reichsstatthalter von Bayern vom 13.7.1933. 453 HATUM, RA C378. Bayer. Staatsministerium für Unterricht und Kultus an die Senate der 3 Landesuniversitäten […] vom 18.7.1933.
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Während Hadwig München nach Hoppe zufolge im Laufe des Jahres 1935 wohl aufgrund von Mitgliedermangel endgültig einging454, finden sich sowohl die DCSB als auch die (Akademische) Elisabethen-Konferenz nach Abschluss des Reichskonkordates im offenbar letzten existierenden Verzeichnis des UAM aus dem Sommerhalbjahr 1935 über die im Dritten Reich an der LMU angemeldeten Studentenvereine ebenso wieder wie die Congregatio Mariana Academica (Marianische Studentinnenkongregration) und die ANSt.455 Mit Blick auf die Untersuchung der christlichen Studentinnen- und Akademikerinnenbewegung von Christiana Hilpert-Fröhlich stellt sich an dieser Stelle exemplarisch die Frage, welche Position der Münchner Kreis der DCSB vor bzw. nach Verweigerung seiner Zulassung im Mai 1933 zur Studentenschaft der LMU bzw. zur ANSt eingenommen hatte, um, ähnlich wie in Erlangen456, zumindest die Anfangsjahre des Nationalsozialismus zu überstehen. Vonseiten der DSt in Berlin wurde indessen noch im Mai 1934 darüber Klage geführt, dass die schon im Sommer 1933 geforderte „Arbeit der Hauptämter VI in und über die Verbände bis jetzt hinter anderen wichtigen Aufgaben zurückgestellt worden“ sei, weswegen man die unumgängliche Erfordernis betonte, sich nun auch diesem Bereich zuzuwenden, „denn die Studentinnenverbände treten als Gemeinschaft stärker als Freistudentinnen in die Oeffentlichkeit und müssen deshalb unser volles Einverständnis ihrer Arbeit haben oder nach unseren Zielen beeinflusst werden.“457 Ein Arbeitsbericht des H VI der DSt für das Wintersemester 1933/34 wiederum spricht von rund 80 bestehenden Studentinnenvereinigungen, die teilweise zu Verbänden zusammengeschlossen seien. Dazu kämen einige rein lokal bedingte Vereinigungen ohne Anschluss an einen Verband. „In der Verbändearbeit zeigten sich im wesentlichen kaum Schwierigkeiten. Einzig und allein die katholischen Studentinnenvereine verursachten einige Mühe. Die gesamte Arbeit und Schulung der Verbände wurde von einzelnen, besonders dazu beauftragten A. N. St.-Mitgliedern überwacht. Ausserdem fand eine Schulung der Studentinnenvereine zusammen mit den Studentenkorporationen statt
454 Vgl. Hoppe, 49, 71, FN 81. 455 Vgl. UAM, Sen. 366/3. Verzeichnis der im Sommerhalbjahr 1935 an der Universität München angemeldeten Studenten-Vereine. Ansprechpartnerin der Marianischen Studentinnenkongregation war die Germanistikstudentin Johanna Stadler, die seit dem Sommersemester 1932 an der LMU studierte, jedoch ihren Geburts- und Heimatsort in München hatte und u. a. wohl deswegen nicht im Studentinnenheim Marie-Antonie-Haus wohnte. Vgl. ebd. sowie UAM, Stud-Kartei I (Stadler, Johanna). 456 Vgl. Lehmann: Frauenstudium, 492. 457 BArch, NS 38/I*80 g 43/1. Anlage I zum Rundschreiben G 3/34 vom 18.5.1934.
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unter Aufsicht des Verbändeamtes des N. S. D. St. B.“458, so der Bericht. An der Universität Freiburg äußerte sich Eva Neßler dementsprechend kritisch über die katholische-deutsche Studentinnenvereinigung Herrad, deren Referatsthemen die ANSt-Leiterin sehr bedenklich stimmten. Alle Vorträge schienen lediglich bzw. hauptsächlich vom Blickwinkel des Katholizismus, jedoch nicht vom Deutschtum aus besprochen worden zu sein: „Ich weiss nicht, ob man die jungen Semester dieser ausschliesslich katholischen Beeinflussung überlassen soll, gerade da wir doch auch die politische und vor allem nationalsozialistische Erziehung der Studentinnen erstreben.“459 Da umfassende Forschungsergebnisse für die bayerische Landeshauptstadt ausstehen, kann – ungeachtet der Ablehnung des Arierparagraphen – lediglich über eine zweckmäßige Indienststellung der DCSB spekuliert werden, die die Weiterexistenz der Gruppe erlauben bzw. sichern sollte. Für diese Möglichkeit spricht, dass u. a. in Erlangen oder Berlin, wo kein Verbot der Doppelmitgliedschaft in DCSB und ANSt bestand, Angehörige des christlichen Zusammenschlusses sogar in führenden Ämtern innerhalb der Schulungen oder Gemeinschaftspflegedienste an den Universitäten mitwirkten. Wurden die evangelischen Studentinnen mancherorts in keinerlei Weise von den NS-Kommilitonen kontrolliert bzw. kaum beachtet, kam es an einigen Hochschulen zu recht engen Verbindungen: „So wurde das Verhältnis zwischen DCSB und ANSt in Tübingen und Königsberg als ‚sehr gut‘ beschrieben. Die Marburger DCSB nahm sogar direkt an der politischen Schulungsarbeit der ANSt teil.“460 Analog der bereits für die Weimarer Republik gemachten Feststellung, wonach es in Einzelfällen außerdem zu einer Zweck- bzw. Interessensgemeinschaft oppositioneller Studentengruppen kommen konnte461, resümiert HilpertFröhlich mit Blick auf die NS-Zeit, es habe ebenfalls für zahlreiche DCSBlerinnen, die keineswegs mit dem Nationalsozialismus sympathisierten, bedeutende Berührungspunkte mit der ANSt gegeben, welche eine Zusammenarbeit legitimierten. Wichtigstes Verbindungsglied war dabei die aktuelle Hochschulpolitik, die selbst bei regimetreuen Aktivistinnen auf deutlichen Unmut stieß, „(d)enn die ersten Ansätze einer regelmäßigen Studentinnenarbeit fallen gerade in eine Zeit, in der das Frauenstudium selbst ganz grundsätzlich in Frage gestellt zu
458 BArch, NS 38/I* 81g 556/2. Arbeitsbericht des Hauptamtes VI der D. St. für das Wintersemester 1933/34. 459 BArch, RSF II* 536 (a 435). Eva Nessler an Gisela Brettschneider vom 22.3.1934. 460 Hilpert-Fröhlich, 161. 461 Vgl. Kapitel I, 2.6 Linke Studentengruppen.
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sein scheint.“462 Vor diesem Hintergrund „ergab sich die nachgerade paradoxe Situation, daß in der DCSB die Auffassung vertreten wurde, man müsse die ANSt wegen der umstrittenen Studentinnenfrage gegen die Anfeindungen aus den eigenen Reihen ‚unterstützen und nicht einfach als Rivalin betrachten‘“463 – ein sozial begründeter Aktivismus, wie ihn Klinksiek auch für die Geschlechtsgenossinen in der NSF beschreibt. Insgesamt bleibt festzuhalten, dass DCSB-Mitglieder über die Konstituierungsphase der ANSt hinaus an zahlreichen lokalen Studentinnenhauptämtern leitende Aufgaben übernahmen. Erst die strengen Auslesemaßnahmen sowie die zeitweilige Mitgliedersperre im Jahre 1934 veränderten die Konstellation insofern, als man sich vonseiten des christlichen Zusammenschlusses erhoffte, ‚daß eine Reihe Studentinnen, die das Gemeinschaftsleben in der ANSt nun kennengelernt haben, durch die Neubildung der ANSt nicht mehr darin bleiben können, Anschluss in einem anderen suchen.‘464 Diese Überlegung machte sich gleichermaßen unter den Nationalsozialistinnen breit: „Eventuell werden wir durch das Prinzip der Verkleinerung der Anst (jedenfalls in kath. Gegenden sicherlich) das Studentinnenverbindungswesen wieder fördern. Denn einige Mädel brauchen anscheinend irgendwelche Fittiche. Man kann das aus den Antworten schliessen, die man auf die Frage bekommt, warum ein Mädel in die ANST will oder warum sie drin ist. Für die ANST oft erschütternd zu hören!!“465. Auch Gertrud Faßhauer sprach in ihrer zeitgenössischen Arbeit über die Erscheinungen des Gruppenlebens weiblicher Studierender davon, das für den Eintritt in eine Gruppe bestimmende Moment sei zunächst, „sozial gesehen eine Heimat“466 vorzufinden, weshalb Mann zuzustimmen ist, wonach die Generation der ANSt-Studentinnen nach 1933 „nicht mehr die ‚alten Kämpferinnen‘ der Bewegung“467 gewesen seien. Nachdem im Frühjahr 1935 die bis zu diesem Zeitpunkt bestehenden Verbote der Doppelmitgliedschaften endgültig von der seit 1. Dezember 1934 amtierenden Reichsleiterin des H VI der DSt und der ANSt, Lieselotte Machwirth, aufgehoben worden waren, erhoffte man sich vonseiten der DCSB-Führung die Eröffnung neuer Aufgabenbereiche und Einsatzmöglichkeiten ‚in dem Staat und Volk, in
462 Anna Kottenhoff: Aufgaben und Ziele der Studentinnenarbeit. In: Reichsfrauenführung (Hg.): Deutsches Frauenschaffen. Jahrbuch der Reichsfrauenführung. Dortmund 1938, 82. 463 Hilpert-Fröhlich, 162. 464 EZA 34/5d. Klara Schlink an die Gau- und Kreisleiterinnen vom 3.12.1934, hier zitiert nach Hilpert-Fröhlich, 167. 465 BArch, RSF II* 499. Komm. Kreisreferentin VI Südwestdeutschland an Gisela Brettschneider vom 25.6.1934. 466 Faßhauer, 111. 467 Manns, 168.
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das Gott uns gestellt hat.‘468 Tatsächlich nahmen verschiedene Mitglieder bereits in mehreren Städten verantwortliche Funktionen in der ANSt wahr wie bspw. in Marburg, wo sowohl die Hauptamtsleiterin als auch die Landesdienstleiterin Angehörige des christlichen Zusammenschlusses waren, während vier weitere Mitglieder, unter ihnen die Kreisleiterin, im Kameradschaftshaus für weibliche Studierende wohnten. Auch in München wurde als sog. „Briefablagestelle“ im Verzeichnis der im Sommersemester 1935 an der LMU angemeldeten Studentenvereine für die DCSB als Adresse das in der Kaulbachstraße 49 befindliche Marie-Antonie-Haus genannt.469 Ansprechpartnerin war hier die aus Landshut stammende Studentin der Germanistik, Erna Meyer, die sich im Mai 1931 imma trikuliert hatte und der DCSB laut Studentenkartei seit dem Sommersemester 1934 angehörte.470 Mit Blick auf die Marburger Kommilitoninnen sowie die noch im weiteren Verlauf dieser Arbeit darzustellende Entwicklung des ursprünglich als Tagesstätte im Wintersemester 1928/29 konzipierten Wohnheims, welches nach der Machtergreifung mehr und mehr in den Einflussbereich der ANSt geriet, muss deshalb dem hiesigen Kreis der DCSB, welchem man noch im Mai 1933 die Zulassung an der Universität verwehrt hatte, ebenfalls ein gewisser Grad an existenziell begründetem Opportunismus bescheinigt werden. Zusammenfassend lässt sich damit festhalten, dass einerseits die Entwicklung der ANSt gesicherte Arbeitsmöglichkeiten und gewisse Freiräume für die im H VI engagierten religiösen Studentinnen schuf, sich andererseits aber die Hoffnung auf einen großen Zustrom neuer Mitarbeiter nicht erfüllte, wofür eine im Sommer 1935 groß angelegte Kampagne zur gezielten Mitgliederwerbung spricht. Aus diesem Grund scheinen, so Christiana Hilpert-Fröhlich, starke Zweifel an der These Pauwels geboten, wonach die ANSt im Verhältnis zur DCSB ein „Zwerg“ gewesen sei, der die Konkurrenz gefürchtet habe, ein Einwand, den gleichermaßen Michael Grüttner teilt.471 Unberücksichtigt bleibt diesbezüglich jedoch, dass Pauwels aber lediglich davon spricht, die ANSt sei zumindest vorerst472, in einer
468 Klara Schlink an alle Gau- und Kreisleiterinnen vom April/Mai 1935, hier zitiert nach Hilpert-Fröhlich, 167. 469 Vgl. UAM, Sen. 366/3. Verzeichnis der im Sommerhalbjahr 1935 an der Universität München angemeldeten Studenten-Vereine. 470 Vgl. UAM, Stud-Kartei I (Meyer, Erna). Im Oktober 1935 legte Meyer ihre Lehramtsprüfung ab und verließ die LMU. Im Wintersemester 1933/34 verbrachte darüber hinaus die Medizinstudentin Edda Neele, die 1936 die Leitung der DCSB übernahm, ein Semester an der Universität München. Vgl. Hilpert-Fröhlich, 165. Zu den persönlichen Daten vgl. überdies UAM, Stud-Kartei I (Neele, Edda), sowie Edda Neele: Ueber induziertes Irresein. Diss. Göttingen 1937, Lebenslauf. 471 Vgl. Grüttner, 279, FN 156. 472 Vgl. Pauwels, 59.
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zahlenmäßig schwächeren Position gewesen. Mit Blick auf die ersten nationalsozialistischen Ortsgruppen sowie die Mitgliederzahlen der vier überregionalen religiösen Zusammenschlüsse weiblicher Studierender Anfang der 1930er Jahre ist diese Behauptung durchaus nicht von der Hand zu weisen, verzeichnete doch allein die Akademische Elisabethen-Konferenz am Ende des Sommersemesters 1930 in München 23 Studentinnen, während die lokale ANSt-Gruppe ihre Arbeit im Wintersemester 1930/31 mit insgesamt neun Kameradinnen begann.473 Dessen ungeachtet spricht sich Hilpert-Fröhlich offensichtlich zu Recht dagegen aus, „die ANSt-Führung habe die Doppelmitgliedschaft nur deshalb nicht konsequent verboten, weil erwartet wurde, daß ein Großteil der Studentinnenschaft der DCSB den Vorzug geben würde“, zumal die hier skizzierte Entwicklung zeigen konnte, dass die Entscheidung mancher Studentin für die DCSB vielmehr aus der bewussten Beschränkung bzw. Reduzierung der ANSt-Mitgliedschaft resultierte. Als maßlos überschätzt gelte – angesichts der Mitgliederentwicklung sowie der existentiellen Krise zahlreicher Kreise – darüber die Behauptung, der DCSB habe zusammen mit dem VKDSt zu Ungunsten der ANSt sowie des Studentinnenhauptamtes einen bedeutsamen Einfluss innerhalb der Studentinnenschaft besessen, weshalb die Hamburger Studentin Klara Schlink, Leiterin der DCSB zwischen November 1933 und Dezember 1935, die Vereinigung im Oktober 1934 „nachgerade als „Nichts“ gegenüber der mächtigen ANSt charakterisierte. Im Widerspruch zu Pauwels‘ Behauptung steht ebenso die Äußerung der DCSB-Führung vom Sommer 1934, ein beachtlicher Teil der Mitglieder werde bei einem fortbestehenden Verbot der Doppelmitgliedschaft auf Dauer der ANSt den Vorzug geben. Dies betreffe nicht nur jene DCSBlerinnen, die aus innerer Überzeugung und „mit ganzem Herzen Nationalsozialistinnen“ waren, sondern auch diejenigen Mitglieder, die Behinderungen im Studium oder im beruflichen Fortkommen befürchteten, falls sie sich der ANSt nicht anschließen würden.“474 Aufgrund fehlender Mitgliederlisten lässt sich allerdings nicht sagen, wie hoch der Anteil derjenigen Frauen war, die nach dem Verbot bzw. der Auflösung ihrer alten Vereine, ähnlich wie in Marburg oder Köln, einen Wechsel in andere Zusammenschlüsse wie die NS-Organisation der Studentinnen vornahmen. Lediglich Stiefel zieht für die Universität Jena anhand eines Vergleichs der namentlich geführten Mitgliederlisten den vorsichtigen Rückschluss, wonach sich die ANSt etwa einen Verein wie den Deutsch Akademischen Frauenbund „allmählich einverleibt“ habe – „wie dies ähnlich auch für den Siegeszug des
473 Zu den Zahlen vgl. Doeberl/Scheel/Schlink: Bürger, 984, sowie Kapitel I, 2.4 Die Lokalisierung der Münchner ANSt-Gruppe. 474 Alle Zitate nach Hilpert-Fröhlich, 168. Zu den Äußerungen Pauwels vgl. ders., 59.
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NS-Studentenbundes gegenüber den Burschenschaften beschrieben wird.“475 Der Deutsch Akademische Frauenbund selbst wurde im Sommersemester 1934 aufgelöst. Insgesamt bleibt offen, ob die bestehenden konfessionellen Verbindungen (DCSB, Akademische Elisabethen-Konferenz, Marianische Studentinnenkongregation) in München nach 1933 innerhalb der Studentenschaft noch ebenso eine große Rolle gespielt haben, wie dies bspw. in Freiburg der Fall war. Während etwa gleichermaßen in Köln der im November 1933 aus den eigentlich seit 1920 getrennten Studentinnenvereinen zum weiteren Bestand hervorgegangene Zusammenschluss Hochwacht-Gisela am 1934 erlassenen Verbot für nicht natio nalsozialistische Vereine bzw. Vereinigungen, neue Mitglieder zu werben, finanziell und persönlich litt476 und Hadeloga Würzburg am 30. November 1935 aufgelöst wurde477, widerstanden an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg mindestens bis zum Winterhalbjahr 1935/36 bzw. Sommersemester 1936 die Studentinnenverbindung Herrad sowie die konfessionell gebundene Frauenkorporation Hochland-Caritas sämtlichen Gleichschaltungsmaßnahmen. Dabei war insbesondere Herrad den Nationalsozialisten in zweifacher Weise zuwider, hatte sich „doch diese Gruppe von Frauen nicht nur das verhasste Bekenntnis zur katholischen Kirche auf ihre Fahnen geschrieben, sondern beanspruchte zusätzlich sämtliche Insignien männlicher Burschenherrlichkeit für sich.“478 Dieses Verhalten veranlasste den Freiburger Studentenschaftsführer Heinrich von zur Mühlen zu einer entsprechenden Beschwerde bei der Leiterin des Berliner Hauptamtes VI der DSt, Gisela Brettschneider, die sich umgehend an die zuständige Kreisreferentin wandte: „Ich bitte, sofort mit den betreffenden Vorsitzenden in Verbindung zu treten und sie darauf hinzuweisen, dass das Chargierverbot seit Anfang des Semesters durch Rundschreiben […] für alle deutschen Studentinnen-Vereine von mir durchgegeben worden ist, und sie sich daher danach zu richten hätten. […] Ich bitte, die Vorgänge in der Vereinigung „Herrad“ genauestens zu kontrollieren und dafür Sorge zu tragen, dass nicht noch einmal eine Beschwerde des Studentenschaftsführers hier eingeht, andernfalls ich nichts dagegen tun kann, wenn Herr von zur Mühlen die „Herrad“ auflöst.“479
475 Stiefel, 293. 476 Vgl. Franken, 99 f. Hochwacht-Gisela existierte nur noch bis zum Sommersemester 1936. Vgl. ebd., 100. Zu dem Verbot für nicht nationalsozialistische Vereinigungen gehörte auch die Gründung neuer Vereine auf lokaler Ebene. Vgl. Hoppe, 40. 477 Vgl. Hoppe, 72, FN 81. 478 Scherb, 219. 479 BArch, RSF II* 499. Gisela Brettschneider an Eva Nessler vom 13.12.1933. Wenige Wochen nach diesem Zwischenfall legte von zur Mühlen seine Ämter als Studentenschaftsführer und
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Rund viereinhalb Jahre später hatten sich auch derartige Probleme endgültig erledigt, nachdem SS-Reichsführer und Chef der Deutschen Polizei im Reichsministerium des Innern, Heinrich Himmler, mit Erlass vom 20. Juni 1938 alle katholischen Studenten- und Akademikervereinigungen mit sofortiger Wirkung auflöste; die evangelischen Organisationen folgten einen Monat später.480 In den Akten des UAM finden sich die Zusammenschlüsse der Studentinnen – Hadwig, Verein studierender Frauen, Deutsche Christliche Vereinigung Studierender Frauen (ab 1931 DCSB), Marianische Studentinnen-Kongregation sowie der bis dato in den überlieferten Akten unerwähnt gebliebene Verein der Hochländerinnen – ein letztes Mal in einer 38 Verbindungen umfassenden Liste wieder. Als Anlage zur Durchführung der Verfügung über die Auflösung der katholischen Studenten- und Akademikerverbände wurde sie im Sommer 1938 an die Gestapo von der LMU übergeben.481 Wie Hilpert-Fröhlich am Beispiel der DCSB nachweist, führten etliche Mitglieder ihre Arbeit an den Hochschulen dennoch unbeirrt weiter, indem sie die Bibelarbeit unter Leitung von Studentenpfarrern fortsetzten und sich über die bedrängte kirchliche Lage austauschten. Auf diese Weise leisteten sie einen wesentlichen Beitrag zur Entstehung der evangelischen Studentengemeinden, die sich seit 1938 als Nachfolge der einzelnen Kreise an zahlreichen Universitäten formierten und aus gemischten Gruppen von evangelischen Studierenden
Hochschulgruppenführer des NSDStB nieder, nachdem die von ihm verhängte Suspension einer Korporation (Ripuaria/Freiburg) nur vier Tage später vom Reichsführer DSt und NSDStB, Oskar Stäbel, infolge des Reichskonkordats aufgehoben wurde, „obwohl nach dem Schreiben des Reichsführers diese ‚wegen bewußter Schädigung unserer nationalsozialistischen Bewegung‘ aufgelöst werden sollte.“ Für von zur Mühlen war damit die eigene Autorität „an der schwarzreaktionären Universität Freiburg“ völlig zerstört. Stitz, 261. Ähnlich äußerte sich auch der Rektor der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, der Philosoph Martin Heidegger: ‚Dieser öffentliche Sieg des Katholizismus gerade hier darf in keinem Falle bleiben. Es ist eine Schädigung der ganzen Arbeit, wie sie zur Zeit größer nicht gedacht werden kann. […] Man kennt katholische Taktik immer noch nicht. Und eines Tages wird sich das schwer rächen.‘ Rüdiger Safranski: Ein Meister aus Deutschland. Heidegger und seine Zeit. Durchgesehene Ausgabe München, Wien 1995, 317. 480 Vgl. BayHStA, Reichsstatthalter 650/3. Verbot der katholischen Studenten- und Altakademi kerverbände vom 20.6.1933 und Verbot der evangelischen Studentenvereinigungen vom 22.7.1938, sowie Stitz, 382 f. 481 Vgl. UAM, Sen. 746. Geheime Staatspolizei, Staatspolizeileitstelle München an den Herrn Rektor der Universität München vom 30.7.1938. Das Schrifttum der aufgelösten Korporationen sollte nach einem Runderlass vom Dezember 1935 an die Hochschulbibliotheken überwiesen und für geschichtliche sowie für Sippen-Forschung erhalten bleiben. Vgl. Hochschulverwaltung, 358: Schrifttum der aufgelösten Korporationen.
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bestanden.482 Nachdem schon Hoppe davon gesprochen hatte, mit dem Erstarken völkisch-antisemitisch orientierter Hochschulgruppen sei ein Rückzug der in der Hochschulpolitik aktiv gewesenen VKDSt-Vereine ins „interne Vereinsleben“483 bzw. in die katholische Vereinsarbeit erfolgt, belegen nun auch die neuesten Studien zur Geschichte der Universität München, dass das religiöse Leben nach 1933 dennoch niemals vollkommen aufhörte. Stattdessen kam es zu einer stetigen Verlagerung in den Bereich der Hochschulseelsorge, deren Veranstaltungen stark frequentiert wurden. So führte etwa die Katholische Hochschulgemeinde in der Kaulbachstraße unter Pater Franz Josef Müller SJ sowie Pater Friedrich Kronseder SJ ein vielfältiges Programm mit Vorträgen und Ausflügen durch. Wenngleich alles sehr vorsichtig gemacht worden sei, um nicht aufzufallen, waren die Mitglieder „durchaus auch willens, neue Studentinnen für die Hochschulgemeinde zu gewinnen. Beim Sport, der damals für alle Studenten und Studentinnen Pflicht war, hielten wir nach katholischen (vom Knien abgewetzten) Knien Ausschau. In den großen Kirchen wurden nach dem Sonntagsgottesdienst Leute, die nach Student ausschauten, gefragt, ob sie nicht zu den Veranstaltungen in der KB [Katholische Hochschulgemeinde/P. U.] kommen wollten. Als Bekenntnis für den Glauben konnte man damals mit Recht die Teilnahme an der großen Fronleichnams-Prozession werten“484, die bis in den Krieg hinein stattfand. Dennoch
482 Vgl. Hilpert-Fröhlich, 178 f., Eberhard Müller: Widerstand und Verständigung. Fünfzig Jahre Erfahrung in Kirche und Gesellschaft 1933–1983. Stuttgart 1987, 47, sowie den Rundbrief anlässlich der Auflösung der Deutschen Christlichen Studentenvereinigung (DCSV) vom Februar 1939, abgedruckt bei Kupisch, 244–246, hier 245 f.: „Von großer Sorge waren wir freilich erfüllt, als durch den Erlaß des Reichsführers SS und Chefs der deutschen Polizei vom 22. Juli 1938 die DCSV und ihre AF-Verbände aufgelöst, das Vermögen sichergestellt und jegliche Fortführung ihrer Arbeit verboten wurde. Schien es doch, als ob zumindest an Orten, wo keine Studentenpfarrämter bestehen, damit jegliche Verkündigung des Evangeliums unter Studenten unmöglich gemacht sei. Um so dankbarer sind wir, daß inzwischen eine Neuordnung der christlichen Studentenarbeit erfolgt ist, durch die die Verkündigung des Evangeliums unter Studenten weiterhin ermöglicht wird. Eine Mitgliedschaft von Studenten in einer studentischen christlichen Vereinigung ist in Zukunft freilich nicht möglich, da die Studenten verbandsmäßig nur von den Organisationen des NSDStB erfaßt werden sollen. Es ist durch die Neuordnung aber sichergestellt, daß die Verkündigung des Evangeliums unter Studenten von den damit betrauten Pfarrern weiterhin getrieben werden kann.“ 483 Hoppe, 50. 484 Anneliese Goebel: Studium in München während des Krieges. In: Christophorus. Nr. 1, 34. Jahrgang. München 1989, 14. „(M)an sagte aus Tarnungsgründen: ich gehe in die „KB“. Das war ein Kürzel für die Hochschulgemeinde, welche in der Kaulbachstraße daheim war.“ Ebd. Auch Catharina B. erinnerte sich im Zeitzeugengespräch daran, „Werbung“ für die Katholische Hochschulseelsorge gemacht zu haben: „Und […] dass es geheißen hat, […] man soll in verschiedene Kirchen in die Gottesdienste gehen und schauen, ob man da vielleicht Leute sieht, die auch
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weist Grüttner zurecht darauf hin, dass sich auch unter gläubigen Katholiken oftmals das „Phänomen der doppelten Loyalität“ zeigte, also der Versuch, „die Treue zur katholischen Kirche und das aktive Bekenntnis zum Nationalsozialismus miteinander in Einklang zu bringen“485. Auch der sog. „Kernkreis“ der Münchner Hochschulgemeinde hatte offenbar keinerlei aktiven Widerstand gegen die Nationalsozialisten betrieben. „Vielmehr war man so eingestellt, daß man das Ende der Naziherrschaft abwarten wollte, um dann ein entsprechendes glaubenstreues und katholisches Leben auch nach außen hin entfalten zu können. Aber selbstverständlich war diese katholische Hochschulgemeinde ein entschiedener Gegner der Nazis.“486 Noch im Juni 1942 schrieb Professor Dr. Hans Rheinfelder per Postkarte an zwei der befragten Zeitzeuginnen: „Sehr verehrtes Fräulein Sauermann, haben Sie vielen Dank für Ihren freundlichen Fronleichnamsgruß. Übrigens habe wohl ich mehr Grund, auf unsere Münchner Studentenschaft stolz zu sein. Wollen wir gemeinsam stolz darauf sein, daß wir unserem Herrn das Geleite geben dürfen und bitten wir ihn, daß wir so durch die Fährnisse der kommenden Zeit gut hindurch wandern können. Beste Grüße Ihnen und Fräulein Bader Ihr Wandergefährte Professor Dr. Hans Rheinfelder.“487 Als einziger Professor der Universität nahm der Romanist wohl noch 1944 an der Prozession teil, wobei er von den Ordnungskräften fotografiert wurde.488 Gertraud Lehner, die von 1940 bis 1944 an der LMU Romanistik und Altphilologie bei ihm sowie bei seinen Kollegen Gerhard Rohlfs und Kurt Huber studierte, erinnert sich, dass Erstgenannte permanent überwacht und über längere Zeit dienstenthoben waren. Um ungestört sprechen zu können, verabredete sie sich mit Professor Rheinfelder manchmal frühmorgens in einer Münchner Kirche.489 Darüber hinaus trafen sich einige Stu-
im Hörsaal sind und die dann ansprechen. Und ich habe da ein paar Leute gewonnen auf die Weise, die später mir sehr gedankt haben, dass sie den Kontakt zu dieser Gruppe bekommen hatten.“ Interview mit Catharina B. vom 3.5.2005. Zu den geistlichen Aktivitäten in der Kaulbachstraße vgl. auch Waibel, 14. Zur Studenten-Maiandacht ebd., 20–22. 485 Grüttner, 440. 486 Klaus Goebel: Ein Vorwort. Vorwort zu den Erinnerungen seiner Ehefrau Anneliese Goebel. Unveröffentlichtes Manuskript. Kopie im Privatbesitz P. U. 487 Hans Rheinfelder an Philomena Sauermann vom 15.6.1942. Kopie im Privatbesitz P. U. 488 Vgl. Theodor Engl. 1925–1985. Lieselotte Engl, geb. 1918. In: Rüdiger vom Bruch/Rainer A. Müller: Erlebte und gelebte Universität. Die Universität München im 19. und 20. Jahrhundert. Mit einem Vorwort zur historischen Besinnung von Laetitia Boehm. Pfaffenhofen 1986, 362, künftig zitiert als Engl. Waibel schreibt dagegen, als „der Fronleichnamstag herankam, wurde eine öffentliche Prozession verboten. Angeblich wegen der Fliegergefahr, hieß es. Man durchschaute diese Maßnahme sofort.“ Waibel, 31 f. 489 Zu Gertraud Lehner vgl. http://www.romanistinnen.de/frauen/lehner.html vom 20.7.2014.
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dierende im Geheimen und versuchten, jeweils in kleineren Kreisen zu wirken: „Die erzwungene Konzentration religiöser Tätigkeit im Verborgenen führte so zu bewussterem, vertiefterem Gebets- und Glaubensleben.“490 Als Studentenpfarrer Pater Müller im Zusammenhang mit dem Attentat vom 20. Juli 1944 verhaftet wurde, hielten Studentinnen mithilfe von Kassibern, welche sie in Lebensmittelpaketen ins Gefängnis schmuggelten, mit ihm Kontakt.491
Abb. 5: Die Katholische Hochschulgemeinde im Juli 1945 mit Pater Rösch (links) und Pater Müller
490 Claudia Angelika Leistritz: Von den Anfängen der Katholischen Hochschulseelsorge bis zur Errichtung der Katholischen Hochschulgemeinde 1900 bis 1947. In: Franz Xaver Bischof (Hg.): Katholische Hochschulseelsorge zwischen Akzeptanz und Ablehnung. Zur Geschichte der Katholischen Hochschulseelsorge an der Ludwig-Maximilians-Universität München 1927 bis 2007. München 2008, 40. Zur Entwicklung der Katholischen Hochschulseelsorge an der LMU vgl. ebd. 491 Vgl. Bußmann, 73.
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7 (Gesundheitlich) Untaugliche
7 (Gesundheitlich) Untaugliche Eine weitere, von Böhm als „ideologisch motiviert“492 bezeichnete, ansonsten in der Literatur weitestgehend außer Acht gelassene Selektionsmethode wurde mit den „Richtlinien für die gesundheitliche Auslese zum Hochschulstudium“ vom 16. Dezember 1935 geschaffen: „Entsprechend den Aufgaben der Hochschulen des nationalsozialistischen Staates, nicht nur Arbeitsstätten eng umgrenzter Fachwissenschaften zu sein, sondern Stätten geistiger, charakterlicher und politischer Bildung zur Heranreifung eines erbgesunden, geistig und körperlich zur Führung geeigneten akademischen Nachwuchses“, zeigte es sich, dem in den Richtlinien ausgeführten Zweck des Erlasses zufolge, als unabdingbar, „die Auslese für das Hochschulstudium auch nach gesundheitspolitischen Gesichtspunkten zu treffen.“493 An der LMU hatte sich bereits 1924 der damalige Rektor angesichts der zunehmenden Bedürftigkeit der Studierenden sowie der ungenügenden Wirtschaftshilfen für eine derartige Form der Studentenauslese ausgesprochen. Man dürfe, so von Kraus, „auch davor nicht zurückschrecken, unheilbar kranke Studenten (Tuberkulose) auszuscheiden. Nur kräftigen, leistungsfähigen jungen Männern gehöre die Zukunft.“494 Die Richtlinien dürften besonders bei einem Teil der ANSt-Funktionärinnen auf große Gegenliebe gestoßen sein. Wie Steffen-Korflür nachweist, waren von Gisela Brettschneider und einigen ihrer Mitstreiterinnen schon im Herbst 1933 umfassende Pläne zur ethischen und biologischen Selektion der Studentinnen entwickelt worden, um Volksgemeinschaft und Staat überflüssige Investitionen in die Ausbildung sittlich oder eugenisch Minderwertiger zu ersparen und eine positive Auswahl der Wertvollsten zu betreiben. Obwohl man bereits Besprechungen mit Medizinprofessoren über Möglichkeiten und Grenzen einer auf ärztlichen Untersuchungen basierenden Auslese der weiblichen Studierenden geführt hatte, gelang es jedoch offenbar bedachteren Kommilitoninnen, die Reichsleiterin von ihrem Plan abzubringen und sie davon zu überzeugen, dass der Pflichtsport eine geeignetere Methode zur Verbesserung des sittlichen und körperlichen Befindens der Frauen darstelle.495
492 Vgl. Böhm, 210. 493 Richtlinien für die gesundheitliche Auslese zum Hochschulstudium. In: DWEV. Jahrgang 2. Heft 3. Berlin 1936, 58. 494 UAM, Sen. 135d Band II. Protokoll der 12. außeramtlichen Konferenz der Rektoren der Deutschen Universitäten und Hochschulen in Jena am 14.3.1924. 495 Vgl. Steffen-Korflür, 212 f. Vgl. dazu auch Weyrather, 156, derzufolge Brettschneider im Rahmen einer gesundheitspolitischen Untersuchung auch alle Frauen vom Studium ausschließen wollte, die keine Jungfrauen mehr waren.
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An der LMU waren dagegen bereits 1921 ärztliche Untersuchungen (Abteilung Gesundheitsdienst und Krankenfürsorge) eingerichtet und im Sommer 1925 für alle männlichen und weiblichen Ersteinschreiber, die sich noch keinem medizinischen Check an einer anderen Hochschule unterzogen hatten, pflichtmäßig festgesetzt worden. Hintergrund dieser Einrichtung war der – durch Kriegs- bzw. Nachkriegszeit mit ihren ungenügenden Ernährungs- und Hygieneverhältnissen sowie durch zum Teil schwere körperliche, werkstudentische Arbeit bedingte – schlechte Gesundheitszustand der vielfach an Tuberkulose leidenden Studierenden. Aus diesem Grund rief der Verein Studentenhaus zwei Jahre später sogar eine eigene Beratungsstelle für die hochinfektiöse Lungenkrankheit ins Leben, die Erkrankten Ernährungsbeihilfen oder Zuschüsse für Heilbehandlungen gewährte; eine pflichtmäßige Röntgendurchleuchtung der Neuzugänge ergänzte seit dem Sommersemester 1929 die Aufnahmeuntersuchung496: „Wir hatten bis dahin akustisch pro Semester eine bis höchstens drei ihren Trägern unbekannte Tuberkulosen gefunden, fanden nunmehr aber zwölf offene, ‚inapperzepte‘ (0,5 %), ihren Trägern unbekannte Lungentuberkulosen zuzüglich 0,2 % geschlossene kurbedürftige Erkrankungen oft erstaunlicher Schwere.“497 Die Zahl der auf diese Weise Erfassten betrug bis zum Wintersemester 1933/34 etwa 18.000. Obwohl sich nach der statistischen Erhebung des DAB noch im Wintersemester 1927/28 rund ein Viertel aller Studentinnen als „nicht ganz gesund“498 bezeichnete, stieß der Zwang zur medizinischen Kontrolle, welcher an die Aushändigung der bei der LMU hinterlegten Papiere sowie der Ausweiskarte für das neue Halbjahr gekoppelt war, bei einem Teil der Frauen auf deutliche Ablehnung, die infolgedessen ganz entschieden „ihre Stimme dagegen ins Feld führten.“499
496 Vgl. UAM, Sen. 836/2. Tuberkulose-Beratungsstelle des Vereins Studentenhaus München an die Landesversicherungsanstalt von Oberbayern vom 5.2.1929. Zur Entwicklung der Gesundheitsfürsorge mit zum Teil jedoch leicht abweichenden Semester- bzw. Jahresangaben gegenüber den ungedruckten Quellen vgl. Gesundheitsfürsorge. Die pflichtmäßige ärztliche Untersuchung der Studierenden. In: JB LMU 1925/26 (vom 27. Juni 1925 bis 26. Juni 1926). München 1926, 90–92. 497 Die Pioniertat: Vor 50 Jahren fing es an. Ausschnitt aus dem Ärztemagazin Selecta vom 26.11.1979, 4492, hier nach StWM, Ordner Nr. 3. Der Artikel basiert auf einem Brief von Dr. Balder Kattentidt, ehemaliger Medizinstudent der LMU in der Weimarer Republik und seit 1923 mit dem Aufbau eines Studentischen Gesundheitsdienstes im Rahmen des Vereins Studentenhaus München betraut. 498 Anna Schönborn: Zur wirtschaftlichen Lage der deutschen Studentinnen. In: Studentenwerk. Zeitschrift der studentischen Selbsthilfearbeit. Berlin, Leipzig 1929, 81. Zur statistischen Erhebung des DAB vgl. Kapitel I, 1.2 Die wirtschaftliche Situation der Studentinnen. 499 UAM, Sen. 836/2. Der Allgemeine Studentenausschuss der Universität München an das Rektorat der Ludwig-Maximilians-Universität München vom 17.4.1929.
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Den Anlass für die stellvertretend vonseiten der MStG in der Bayerischen Hochschulzeitung öffentlich vorgebrachten Vorwürfe bildeten diverse, wiederholt aufgedeckte Missstände. Unter ihnen sorgten besonders anthropologische Körpermessungen sowie der Stempel im Studentenausweis mit dem Hinweis „gesundheitlich untersucht“ für Erregung: „Er führte für verschiedene Kommilitoninnen zu peinlichen Mißverständnissen, da er die Beziehung zu einem ähnlichen Stempel auf der Kontrollkarte der Prostituierten nahelegt und sowohl das Gefühl der deutschen Studentin für Ehre und Anstand verletzt als auch die gerechtfertigte Entrüstung Außenstehender hervorruft.“500 Tatsächlich hatten die Beschwerdeführerinnen, die sich mit ihrem Anliegen sogar an den Domprobst wandten501, Erfolg, und das Rektorat genehmigte die Tilgung des Stempels, nachdem das Kultusministerium bereits im Vorfeld der Forderung nach Aufhebung der zwangsmäßigen physischen Messungen nachgekommen war: „Die beiden Studentinnen, die als erste die Eingabe unterzeichnet hatten, wurden darauf zu dem damaligen Rektor zitiert, der ihnen in ungnädiger Weise eröffnete, sachlich sei zwar gegen ihre Eingabe nichts einzuwenden, und es sei auch zuzugeben, daß Mißgriffe vorgekommen seien, aber wegen des ungebührlichen Tons der Eingabe hätten sie eine Disziplinarstrafe verdient, von der man jedoch absehen wolle aus Rücksicht auf den jugendlichen Affekt, in dem sie gehandelt hätten.“502 Ein weiterer Änderungswunsch der MStG, die sich – im Gegensatz zu einzelnen, offenbar nicht organisierten LMU-Studentinnen – trotz der harschen Reaktion des Rektorats nicht in ihrem Selbstbewusstsein und damit in ihren Wün-
500 Alle Zitate nach Münchener Studentinnengemeinschaft. In: BHZ vom 2.3.1926. 501 Vgl. EAM, NL Faulhaber 6558/2. Anonymes Schreiben an den Domprobst vom 18.1.1926, hinter dem jedoch – mit Blick auf den Inhalt – eine Vertreterin der sich aus mehreren Mitgliedern religiöser Studentinnenverbindungen sowie einigen Freistudentinnen zusammensetzenden MStG vermutet werden darf: „Und nun das Empörendste, sehr verehrter Herr Domprobst. Die ärztlich untersuchten Damen erhalten auf ihren Ausweiskarten einen Stempel mit dem Vermerk „gesundheitlich untersucht“. Sie werden wissen, verehrter Herr Domprobst, daß in den meisten Städten die Prostituierten einen ähnlichen Vermerk auf ihrem Ausweis stehen haben. […] Eine Studentin erzählte mir, wie sie sich geschämt habe, als sie in einem Hotel bei einer polizeilichen Kontrolle genötigt war, diesen Ausweis dem Beamten vorzulegen. Eine andere sagte mir, als sie ihren Ausweis mit diesem Stempel erhielt, habe sie voll Entsetzen den Arzt, der ihn ihr übergab, gefragt: ‚Und so etwas wagen Sie mir zu geben?‘ Die höhnische Antwort habe gelautet: ‚Nun, Sie scheinen ja in solchen Dingen bewandert zu sein.‘“ 502 Ebd.
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schen erschüttern ließ503, zielte außerdem auf die Möglichkeit, der allgemeinen, obligatorischen Pflichtuntersuchung an der Universität ein hausärztliches Attest bei einem Mediziner bzw. einer Medizinerin seiner Wahl gleichzusetzen. Erst knapp eineinhalb Jahre später, im Sommerhalbjahr 1928, oblag die pflichtmäßige Untersuchung der Studentinnen generell einer Fachärztin für Innere Medizin, die nunmehr von zwei weiblichen Hilfskräften unterstützt wurde.504 Als Auslöser für diese Vorschläge darf somit zweifelsfrei die bei Benker und Störmer genannte Überlegung anzusehen sein, wonach Mitarbeiterinnen der Fürsorge- und Wirtschaftsämter sowie verschiedene Studentinnen- bzw. Akademikerinnenvereine wie der Deutsche Philologinnen-Verband505 es im Interesse einer besseren Gesundheitsfürsorge als dringend notwendig erachteten, Ärztinnen der Krankenkassen einzusetzen, um die Hemmschwelle zu mildern, die selbst Erkrankte bisweilen von einem Arztbesuch abhielt.506 Obwohl das weibliche Geschlecht aufgrund der durchschnittlich günstigeren Lebensbedingungen im Allgemeinen einen besseren Gesundheitszustand aufwies als das männliche507, wog ihr zögerliches Verhalten dennoch umso schwerwiegender, als einer Besprechung an der LMU über die ärztliche Hochschulfürsorge vom Mai 1929 zufolge vor allem Frauen hinsichtlich einer Tuberkuloseerkrankung zu den besonders Gefährdeten zählten.508 Die in diesem Zusammenhang angedachte Röntgendurchleuchtung der Brustorgane, welche sich als äußerst geeignetes Mittel zum Nachweis der Infektion erwiesen hatte, sollte deshalb gleichermaßen auf den weiblichen Teil der Studentenschaft Anwendung finden, wobei auf Wunsch jeder Einzelnen auch in diesem Fall eine Medizinerin herangezogen werden konnte; in Berlin wurde diesem Anliegen ebenfalls ein Jahr später entsprochen. Wie sinnvoll diese Entscheidung und wie ausgeprägt das Sittlichkeitsempfinden auch der Studentinnen späterer Jahre teilweise war, wird anhand einer Beschwerde gegen den Vertrauensarzt der Universität, Dr. Franz B., deutlich,
503 Vgl. ebd.: „Als ich mehrere Studentinnen, die sich bei mir scharf beschwerten, fragte: ‚Warum legen Sie keine Beschwerde ein?‘, bekam ich die einmütige Antwort: ‚Nach den mit der Eingabe gemachten Erfahrungen wagen wir das nicht.‘“ 504 Vgl. Gesundheitsfürsorge. In: JB LMU 1927/28 (vom 27. Juni 1927 bis 26. Juni 1928). München 1929, 96. 505 Vgl. UAM, P-II-35 Band 1. Deutscher Philologinnen-Verband an das Kuratorium der Universität München vom 24.11.1930. 506 Vgl. Benker/Störmer, 66 f. 507 Vgl. Gesundheitsfürsorge. In: JB LMU 1930/31 (vom 27. Juni 1930 bis 26. Juni 1931). München 1932, 110. 508 Vgl. UAM, Sen. 836. Vormerkung vom 3.5.1929.
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der im Rahmen der Pflichtuntersuchung die Verordnung missachtet hatte, Studentinnen von einer Ärztin untersuchen zu lassen. Da die zuständige Kollegin erkrankt war, nahm der Mediziner entsprechend der Gesundheitsordnung die allgemeine vollständige Körperuntersuchung an rund 25 Frauen im Dezember 1937 persönlich vor, jedoch nicht, ohne diese nach eigener Aussage über die Situation informiert zu haben. Zwei Monate später erging an den Rektor der LMU das Schreiben einer erregten Mutter, deren Tochter an dem Termin teilgenommen hatte: „Die jungen Mädchen mussten, nachdem im Vorzimmer die Personalien aufgenommen waren, sich in ein anderes Zimmer begeben, ein jüngerer Arzt forderte dann meine Tochter auf, sich vollständig nackt vor ihm auszuziehen, […] es war weder ein Wandschirm noch eine weibliche Assistenz in dem Zimmer dabei. Dann wurde meine Tochter von dem Arzt aufgefordert, nackt, ohne jede Bekleidung sich auf ein Ruhebett zu legen, die Beine hochzustellen & zu spreizen. Der Arzt besichtigte die Geschlechtsteile, wenn er auch nicht körperlich untersuchte. […] Natürlich hätte meine Tochter & auch die anderen zur Untersuchung Befohlenen den Arzt ablehnen können, aber 1. konnten sie ja nicht an eine solch unerhörte Art der Untersuchung denken & 2. sind junge Menschen oft zu scheu, um sich zu wehren.“509 Um zu verhindern, dass auch das Schamgefühl anderer Kommilitoninnen in derart schwerer Weise verletzt werde, forderte die sichtlich Empörte die Einleitung einer entsprechenden Untersuchung sowie die direkte Aufklärung durch den vermeintlichen Täter selbst. Eine derartige Vorgehensweise rief sowohl vonseiten des behandelnden Arztes als auch vonseiten seiner Ehefrau tiefste Entrüstung hervor, sah man doch in den als Verleumdung begriffenen Vorwürfen beinahe eine versuchte Vergewaltigung intendiert. Dieser Umstand veranlasste Dr. B. zu der Erklärung, dass es sich bei der Darstellung um die „Ausgeburt einer unreif-kindischen oder schmutzigen Phantasie“ handele, zumal die vorgenommenen Reihenuntersuchungen nichts weiter als eine schematische Angelegenheit seien: „Es ist immerhin denkbar, dass ein sicher mehr unreifer als zartfühlender Mensch, gewissermassen erschrocken über das jugendliche Aussehen des immerhin bald 36 Jahre zählenden Arztes, jeder Einzelheit der Untersuchung mit Argwohn begegnet, – ja dieser seelische Vorgang mag sich in einer bestimmten Sorte von Menschen bis zur Unterschiebung unsauberer Gedankengänge versteigen. Mag man sich ein solches Verhalten noch einem sich in der Pubertät
509 UAM, P-II-35 Band 2. L. Haas-Görz an den Rektor der Universität München vom 21.2.1938. Hervorhebung im Original.
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befindlichen Backfisch verzeihen –, unmöglich aber ist es bei einer 22jährigen Studentin.“510 Obwohl das Studentenwerk München in einem Bericht zu dem Vorfall Stellung nahm und zugestehen musste, dass der Vertrauensarzt gegen die Verordnung verstoßen hatte, weibliche Studierende ausschließlich Geschlechtsgenossinnen anzuvertrauen, stellte sich Geschäftsführer Dr. Eduard Friedel grundsätzlich vorbehaltlos hinter den Beschuldigten, zumal dieser in seiner siebenjährigen Tätigkeit niemals Anlass zu einem derart schweren Vorwurf gegeben hatte. Gleichzeitig sah man von einer zeugenschaftlichen Vernehmung weiterer, potentiell betroffener Studentinnen ab, um daraus resultierenden, für das Studentenwerk schadhaften Gerüchten vorzubeugen, betonte jedoch das zweifelsfrei rücksichtsvolle Verhalten des lokalen Gesundheitsdienstes in Bezug auf das Sittlichkeitsempfinden der Frauen: „An verschiedenen Studentenwerken in Deutschland werden diese Untersuchungen durch die Ärzte der Hochschulkliniken durchgeführt, ohne dass dabei Beanstandungen irgendwelcher Art vorkommen. Ich kann mich genau erinnern, dass dieses Zugeständnis, dass Studentinnen durch Frauen untersucht werden, bei der Einführung der Pflichtuntersuchungen damals gemacht worden ist, um die heute so bewährte Pflichtuntersuchung und Pflichtdurchleuchtung allgemein durchzusetzen. Von München aus ging diese Bewegung, und München war in dieser Beziehung immer Vorkämpfer und vorbildlich. Diese Einrichtung wurde beibehalten und wird auch in Zukunft beibehalten werden. Ich betone noch einmal, dass strenge Anweisung gegeben wurde, damit in Zukunft Studentinnen nur von Ärztinnen untersucht werden“511; ein im Mai des Jahres von Studentinnen der Akademie für angewandte Kunst erneut vorgebrachter Protest gegen die weitere Anstellung von Franz B. fand schließlich kein Gehör mehr.512 Wie eine von Friedel im Wintersemester 1925/26 unter den Studentinnen veranstaltete Umfrage zeigte, hielten 82,5 %, d. h. die überwiegende Mehrheit, den Zwang zur pflichtmäßigen ärztlichen Untersuchung jedoch von Anfang an für berechtigt, während sich nur 15 % dagegen aussprachen und 2,5 % aller Befragten bei Erfüllung gewisser Voraussetzungen – zu denen die Beseitigung anfänglicher Missstände gehört haben dürfte – Einverständnis zeigte.
510 Alle Zitate nach ebd. Franz B. an Eduard Friedel vom 3.3.1938. 511 Ebd. [Eduard] Friedel an den Vorsitzenden des Verwaltungsrates des Studentenwerkes München Pg. Professor Dr. Kölbl, Rektor der Universität vom 3.3.1938. 512 Ebd. Weibliche Studierende der Akademie für angewandte Kunst an das Rektorat der Universität München vom 19.5.1938.
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Obwohl vergleichbare Zahlen für die Studenten fehlen, ist anzunehmen, dass selbige der Untersuchung wohl tendenziell noch positiver gegenüberstanden, nachdem, anders als bei ihren Kommilitoninnen, wohl nicht von einem gleichgearteten Schamgefühl gegenüber den Ärzten auszugehen ist, selbst wenn einzelne unter ihnen, wie der Theologiestudent Franz B., aufgrund angeblich wiederholter, familiärer „Durchleuchtungsschäden“ und persönlichen „fortwährende(n) Weinen(s)“513, von diesem Part entbunden werden musste: „Zwar ist die Ansicht des Herrn B., dass bei der Durchleuchtung, wie sie hier gehandhabt wird, irgendein Schaden auftreten könnte, absolut irrig. Herr B. scheint aber eine psychisch sehr labile Persönlichkeit zu sein. Ein Zwang würde deshalb nur psychische Komplikationen im Gefolge haben.“514 Ab dem Wintersemester 1932/33 hatten sich schließlich auch diejenigen neu zugehenden Studierenden, die bereits an einer Mittel- oder Hochschule bzw. von einem Privatarzt untersucht worden waren, der Pflichtdurchleuchtung zu unterziehen, sofern man diese nicht bei einer früheren medizinischen Begutachtung vorgenommen hatte. Diese Verpflichtung ging auf die Initiative des Vereins Studentenhaus zurück, nachdem die meisten Hochschulen noch immer keine Röntgenuntersuchung durchführten.515 Die Befunde selbst wurden in einen zu archivierenden Gesundheitsbogen eingetragen, Kranke und Krankheitsverdächtige zur weiterführenden, kostenfreien Behandlung in die Kliniken etc. überwiesen.516 Eine nach Machtantritt der Nationalsozialisten vom Reichsminister des Innern übermittelte und empfohlene Musterordnung, welche den Rektoren mit Ministerialentschließung vom 22. Dezember 1933 zuging, übernahm im Wesentlichen die pflichtmäßige Untersuchung in ihrer bisherigen Form517, weitete sie aber auf sämtliche Studierende im ersten und fünften Semester aus. Aufgabe dieser Einrichtung war es nun, „1. den gesunden Studenten zu erfassen, 2. den kranken
513 UAM, Sen. 836/2. Protokoll zur Vorladung des Theologiestudierenden Franz B. vom 30.4.1932. 514 Ebd. Leiter der pflichtmäßigen ärztlichen Untersuchung an den Herrn Syndikus der Universität Herrn Oberregierungsrat Dr. Einhauser vom 3.5.1932. 515 Vgl. ebd. Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus an das Rektorat der Universität München vom 1.8.1932 sowie Gesundheitsfürsorge. In: JB LMU 1931/32 (vom 27. Juni 1931 bis 26. Juni 1932). München 1932, 110 f. 516 Vgl. UAM, Sen. 836. Rektorat der Universität München an Dr. E. A. Allen, Division of Student Health, Howard University vom 13.8.1931. 517 Vgl. ebd. Musterordnung des studentischen Gesundheitsdienstes vom 3.11.1933, § 2, Pflichtuntersuchung: „Die Pflichtuntersuchung besteht mindestens in einer Durchleuchtung des Brustkorbes und in einer allgemeinen Körperuntersuchung, die mit Urinuntersuchung verbunden ist. Wo die Möglichkeit gegeben ist, soll auch eine genaue Untersuchung des Gebisses, Sehprüfung und Nasen- und Ohrspiegelung vorgenommen werden.“
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Studierenden dem Gesundheitsdienste der Studentenwerke zuzuführen, 3. den für den Hochschulnachwuchs unerwünschten Studierenden auszusondern.“518 Wer sich der Untersuchung, die seit dem Sommerhalbjahr 1934 dem SA-Hochschulamt unterstand, widersetzte, wurde nicht zum Studium bzw. zu seiner Weiterführung zugelassen, Befreiungen, etwa von studierenden Klosterschwestern, waren ausgeschlossen, Studentinnen sollten, soweit möglich, wiederum durch weibliche Ärzte untersucht werden.519 Mit diesen Bestimmungen leitete der Staat die Ausrichtung des studentischen Gesundheitsdienstes auf die nationalsozialistische Gesundheitspolitik ein, d. h. „Auslese für das Hochschulstudium nach gesundheitlichen und rassegesundheitlichen Gesichtspunkten (Pflichtuntersuchung), Durchdringung der studentischen Jugend mit dem nationalsozialistischen Gedankengut der Erbgesundheitslehre, Pflege des Gesundheitszustandes des Einzelnen als eines hohen Gemeinschafts- und Eigenwertes.“520 Mit anderen Worten: „Der studentische Gesundheitsdienst muß an erster Stelle arbeiten für die Auslese, die Stärkung und Mehrung der begabten Schicht unseres Volkes.“521 Ohne genauer auf die Umsetzung der neuen Politik an der LMU einzugehen, seien zumindest die nachteiligen Auswirkungen für die Versicherten erwähnt, die sich als Folge der vom Deutschen Studentenwerk e. V. in Dresden ausgearbeiteten Musterordnung sowie der Tatsache ergaben, dass die bis dato an den bayerischen Hochschulen existierenden akademischen Krankenkassen von Beginn des Sommersemesters 1934 an in die Verwaltung der örtlichen Studentenwerke überführt wurden. So mussten zukünftig 30 % der Kosten für Krankenhausaufenthalt und Operation bzw. Untersuchung und Behandlung in den Universitäts- und Polikliniken selbst aufgebracht, vor jeder Inanspruchnahme ärztlicher Hilfe ein Krankenschein in Höhe von 25 Pfennig gelöst werden. Darüber hinaus konnte
518 Ebd. Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus vom 20.3.1934. Der Gesundheitsdienst beim Studentenwerk München umfasste folgende Abteilungen: „1. Krankenfürsorge für minderbemittelte Studierende, 2. Tuberkuloseberatungsstelle für alle Studierenden, 3. Allgemeine Gesundheitsuntersuchungen für nicht mehr der Pflichtuntersuchung unterstehende Studierende, 4. Pflichtuntersuchung aller ersten und aller fünften Halbjahre, 5. Akademische Krankenkasse, 6. Akademische Unfallversicherung.“ Vgl. Gesundheitsfürsorge. In: JB LMU 1934/35 (vom 27. Juni 1934 bis 26. Juni 1935) München 1936, 104. 519 UAM, P-II-35 Band 2. Der Reichsminister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung an das Studentenwerk München e. V. vom 5.9.1934. 520 Gesundheitsfürsorge. In: JB LMU 1934/35 (vom 27. Juni 1934 bis 26. Juni 1935). München 1936, 105. 521 Gesundheitsfürsorge. In: JB LMU 1933/34 (vom 27. Juni 1933 bis 26. Juni 1934). München 1935, 107.
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eine freiwillige Mitgliedschaft nicht mehr erfolgen. Das bedeutete, dass für die gesamte Jungakademikerschaft (z. B. Medizinalpraktikanten oder Referendare) keine billige Versicherungsoption mehr bestand.522 Für Minderbemittelte trat über den Leistungsbereich der Akademischen Kasse hinaus freiwillig die Abteilung „Krankenfürsorge“ (Nahrungszulagen, Gewährung von Diättischen, Zahnbehandlungen etc.) des Studentenwerks ein, wobei Anträge zur teilweisen oder vollständigen Deckung der Restkosten nur dann Aussicht auf Erfolg hatten, wenn Selbsthilfe tatsächlich unmöglich war. Gleichzeitig sollte bei Erholungskuren, die erfahrungsgemäß häufig für Studentinnen beantragt wurden, eine ausführliche Begründung über die Notwendigkeit des Kuraufenthaltes sowie eine Angabe der Krankheitsursache erfolgen, da sonst der Antrag keine Bearbeitung erfuhr. Dies galt umso mehr, als zweifelhafte finanzielle Aufwendungen im Gesundheitsdienst „vom Standpunkt der Volksgemeinschaft aus“ nicht zu verantworten waren: „Es ist nicht unsere Aufgabe, kränkliche und schwächliche Studentinnen in Berufe gelangen zu lassen, die von gesunden besetzt werden können.“523 Die Grundgedanken der Neuregelung resultierten aus der Überlegung, wonach lediglich das Notwendigste versichert wurde und jedem Studierenden damit ein Teil der entstehenden Kosten zufiel. Die „Ausnützung der Akademischen Krankenkasse durch unnötige hohe Beanspruchung schädigt den Kameraden und ist mit studentischer Ehre nicht vereinbar“, so die offizielle Bestimmung, welche die im Mai 1934 neugegründete „Akademische Krankenkasse beim Studentenwerk München“524, die das Vermögen der bisherigen Akademischen Krankenkasse der Münchner Hochschulen übernommen hatte, durch Anschlag am Schwarzen Brett verkündete. Ab dem Sommersemester 1935 durften Studierende für das zweite und sechste Semester zudem nur dann immatrikuliert werden, wenn sie durch eine Bestätigung des zuständigen Studentenwerks nachwiesen, im vorhergehenden Halbjahr der medizinischen Kontrolle nachgekommen und gesund zu sein, d. h. nicht an einer ansteckenden Krankheit zu leiden oder offenkundig unter das Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses zu fallen.525
522 Vgl. UAM, Sen. 836. Niederschrift über die am 21.4.1934 im großen Sitzungssaale des Staatsministeriums für Unterricht und Kultus abgehaltene Besprechung über die Neuordnung des studentischen Gesundheitsdienstes. 523 BArch, RSF II* 530 (a 429). Rundschreiben Nr. 282/34, Anlage 2 vom 10.7.1934. 524 UAM, Sen. 836. Bestimmungen für die Leistungen der Akademischen Krankenkasse beim Studentenwerk München vom 15.5.1934. 525 Vgl. UAM, Sen. P-II-35 Band 2. Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus an die Herren Rektoren der 3 Landesuniversitäten vom 2.3.1935 sowie Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus an die Herren Rektoren der 3 Landesuniversitäten […] vom 26.4.1935.
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Negativ für die Studierenden hatte sich in diesem Zusammenhang auch ein neuer Erlass des REM vom November 1935 ausgewirkt, nach dem jeder Pflichtuntersuchte eine entsprechende Erklärung zu unterzeichnen hatte, die die jeweiligen bzw. bereits früher behandelnden Ärzte, sofern von diesen eine ergänzende Auskunft zur Krankengeschichte und Untersuchung gefordert wurde, von ihrer gesetzlichen Schweigepflicht gegenüber Hochschule, Studentenwerk und den Ärzten des Amtes für Volksgesundheit der NSDAP entband. Damit waren neben den Medizinern auch der jeweilige Rektor sowie der Leiter des Gesundheitsdienstes im Studentenwerk jederzeit über einzelne Befundaufnahmen informiert526, die bislang unter den „Schutz des Dienstgeheimnisses“527 fielen. Bei einer Verweigerung der Unterschrift konnte die Pflichtuntersuchung weder durchgeführt noch der betreffende Studierende zur Neueinschreibung im kommenden Semester zugelassen werden.
Abb. 6: Bestätigung der Pflichtuntersuchung im Studentenausweis 1941
526 Vgl. ebd. Der Reichs- und Preußische Minister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung an den Herrn Rektor der Universität München vom 14.4.1937 sowie die dazugehörige Beilage der von den Pflichtuntersuchten zu unterzeichnenden Erklärung. Vgl. ebenso Hanns Streit: Der studentische Gesundheitsdienst an den Hoch-, Kunst- und Fachschulen. In: DWEV. Jahrgang 2. Heft 6. Berlin 1936, 28. 527 Gesundheitsfürsorge. In: JB LMU 1925/26 (vom 27. Juni 1925 bis 26. Juni 1926). München 1926, 92.
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Wie ein Schreiben des Jurastudenten Adolf Niedhammer, der sich mit seiner Kritik an der Verordnung direkt an die verantwortliche Behörde gewandt hatte, zeigt, nahmen zahlreiche Kommilitonen den Verlust des Persönlichkeitsrechtes jedoch stillschweigend in Kauf und unterschrieben die Erklärung, „um etwaigen Unannehmlichkeiten aus dem Wege zu gehen.“528 Schon im Wintersemester 1935/36 setzte man die mit Erlass vom 29. Januar 1934 übermittelte Musterordnung durch die Richtlinien für die gesundheitliche Auslese zum Hochschulstudium wieder außer Kraft. Wenngleich die Pflichtuntersuchung grundsätzlich keine Änderungen erfuhr, sondern lediglich Erstimmatrikulierte ab dem Sommersemester 1936 bereits zu einer Voruntersuchung am Heimatort antreten mussten, enthielt die neue, reichsweit für alle Hochschulen gültige Verordnung genaueste Auslesekriterien, wobei zwischen einer dauernden und unbedingten bzw. einer dauernden und bedingten Untauglichkeit sowie einer zeitlichen Untauglichkeit differenziert wurde. Erstere lag u. a. im Falle von Erbkrankheiten vor, welche die geistige Leistungsfähigkeit beeinträchtigten bzw. aufgrund ihrer Prognose die jeweilige Person berufsunfähig machten wie bspw. Schizophrenie oder „bei dauernder Scheu und Mangel an Willen zu Leibesübungen, körperlicher Härte und Einsatzbereitschaft.“529 Wer nicht unter die unbedingten Ausschlussbestimmungen fiel, konnte trotzdem vom Hochschulstudium suspendiert werden, sofern geistige oder körperliche Schäden vorlagen, die eine vollständige Ausbildung und spätere Berufsausübung nicht ausreichend gewährleisteten, z. B. bei schwerem Nierenleiden (bedingte Untauglichkeit). Als zeitlich untauglich galten diejenigen, deren Verbleib an der Universität aufgrund einer ansteckenden Krankheit wie der offenen Lungentuberkulose oder eines ekelerregenden, körperlichen Leidens bis zur Genesung nicht geduldet werden konnte. Beim Verdacht auf Untauglichkeit war zunächst ein ausführliches Gutachten einer Fachklinik vom Vertrauensarzt der Hochschule einzuholen, dessen Kosten der Untersuchte tragen musste. Anhand des Dokuments entschied „1. bei unbedingter Untauglichkeit der Rektor der Hochschule auf Vorschlag des Vertrauensarztes, 2. bei bedingter Untauglichkeit eine Kommission, die sich aus dem Rektor, dem Vertrauensarzt und einem vom Amt für Volksgesundheit der NSDAP.
528 UAM, P-II-35 Band 2. Adolf Niedhammer an das Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung vom 2.4.1937. 529 Richtlinien für die gesundheitliche Auslese zum Hochschulstudium. In: DWEV. Jahrgang 2. Heft 3. Berlin 1936, 58. Dazu kamen ferner schwere, unheilbare organische Nerven- und Gehirnkrankheiten, die mit Störungen des Charakters und der Intelligenz einhergingen (z. B. Multiple Sklerose), hochgradige Psychopathie, die eine geordnete Berufsausbildung und Lebensführung nicht mehr ermöglichten, sowie schwere körperliche Missbildungen, die ebenfalls eine spätere Berufsausübung nicht erwarten ließen. Ebd.
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beauftragten Arzt zusammensetzt(e).“530 Bei zeitlichem Ausschluss wurde die Entscheidung für die Dauer des aktuellen Semesters auf Vorschlag des Vertrauensarztes wiederum vom Rektor der Universität getroffen, der dem Betroffenen während der Zeit der Beurlaubung zugleich das Betreten der Hochschulräume zu Studienzwecken zu verbieten hatte. Eine Berufung gegen die jeweilige Entscheidung konnte beim Reichserziehungsministerium eingelegt werden, welches im Einvernehmen mit dem Reichsstudentenwerk sowie dem Amt für Volksgesundheit der NSDAP den endgültigen Beschluss fällte. Dieselben Instanzen waren überdies ermächtigt, bei nachweisbarer, überdurchschnittlicher geistiger Begabung in Ausnahmefällen die Zulassung zum Studium – eventuell unter Festlegung des Faches – zu bewilligen; eine Förderung aus öffentlichen Mitteln war damit freilich ausgeschlossen.531 Aufgrund fehlender Statistiken lässt sich jedoch nicht feststellen, wie oft Studierende an der LMU von einem dauerhaften oder zeitlichen bedingten Ausschluss betroffen waren. Wie das in den Akten des BayHStA befindliche Beispiel des Abiturienten Josef H. zeigt, der im März 1935 die Reifeprüfung am humanistischen Gymnasium in Landshut erfolgreich absolvierte, schufen die Richtlinien für die gesundheitliche Auslese zum Hochschulstudium zumindest einen weiteren Erlass, auf dessen Grundlage im Zweifelsfall eine Einschreibung mit staatlicher Legitimation mühelos verweigert werden konnte. In der Angelegenheit von Josef H., der seinen Ausgleichsdienst im Studentenwerk München abgeleistet hatte, bestand die ursprüngliche Problematik zunächst lediglich in der Tatsache, dass ihm vom Amt für Arbeitsdienst der DSt in Berlin aus ungenannten Gründen das für die Einschreibung an einer Hochschule notwendige Pflichtenheft verweigert worden war. Weil allgemeine Vorschriften über die Versagung dieses Dokumentes zum Zeitpunkt des Immatrikulationsvorhabens fehlten und der junge Mann bei einer persönlichen Vorladung überdies keinen positiven Eindruck hinterlassen hatte, bat Rektor Leopold Kölbl das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus um eine entsprechende Entschließung hinsichtlich der Zulassung zum Studium.532 Dieses reagierte zwar prompt, berief sich bei seiner Entscheidung allerdings weniger auf die von Kölbl angesprochenen Punkte als auf die schlechte Physis von H.: „Angesichts der vorliegenden Gutachten über den
530 Ebd., 58 f. 531 Vgl. ebd., 59. Vgl. dazu auch BArch, RSF II* 532. Ernst Heinrich: Die gesundheitliche Auslese an den deutschen Hochschulen, o. D. 532 Vgl. BayHStA, MK 40628. Leopold Kölbl an das Staatsministerium für Unterricht und Kultus vom 10.12.1935.
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Gesundheitszustand des Gesuchstellers Josef H. besteht kein Bedenken dagegen, daß seine Aufnahme als Studierender bis auf weiteres abgelehnt wird.“533 Ein weiterer Fall, der in den Strafakten des UAM dokumentiert ist, zeugt einerseits von der grundsätzlichen Bereitschaft auch des Gesundheitsdienstes des Münchner Studentenwerks, den Richtlinien über die gesundheitliche Auslese zu entsprechen. Anderseits verdeutlicht er aber die mitunter schwerfällige bzw. langwierige Umsetzung der Vorgaben. So hatte etwa die Pflicht- sowie eine nachfolgende Facharztuntersuchung der Medizinstudentin Elsa M. ergeben, dass es sich bei der Westpreußin um einen „schwerstpsychopathischen Menschen“534 handelte, weshalb die mittlerweile 53-Jährige in Rücksprache mit dem Reichsstudentenwerk vom Hochschulstudium ausgeschlossen werden sollte. Gemäß Ziffer 3 der o. g. Richtlinien musste für das sog. „Ausschlussverfahren“ indessen vorab noch ein ausführliches Gutachten einer Fachklinik vom Vertrauensarzt der Hochschule eingeholt werden. Obwohl die psychiatrische Abteilung des städtischen Krankenhauses München-Schwabing einen entsprechenden, achtseitigen medizinischen Befund der früheren Volksschullehrerin vorlegte, wurde die abschließende Beurteilung durch den Mangel an objektiven Unterlagen über die bisherige Krankengeschichte der Studentin, die beschränkten zeitgenössischen Untersuchungsmethoden von Erbkrankheiten sowie die Kürze der Beobachtungsdauer erschwert. Der konstruiert wirkende Befund bezog sich deshalb in erster Linie auf die sichtbaren Verhaltensweisen der Patientin: „Nach dem Ergebnis unserer Beobachtung neigen wir also doch eher dazu, dass M. verschiedene, wahrscheinlich milde schizophrene Schübe durchgemacht hat und jetzt noch Defekte davon aufweist. Wir würden also von einer verschrobenen autistischen Psychopathin sprechen, da das Ausmass der Auffälligkeiten ausserordentlich gross ist. Eine absolut sichere Entscheidung lässt sich allerdings nicht treffen. Jedenfalls ist, praktisch gesehen, das von uns gefundene Bild einer Schizophrenie gleich zu erachten.“535 Im Gegensatz zum Vertrauensarzt der Universität München, der unter Verweis auf die zur dauernden und unbedingten Untauglichkeit zählende Psychopathie umgehend beantragte, die gebürtige Löbauerin vom Hochschulstudium auszuschließen, bekundete Philipp Broemser, der Leopold Kölbl im Wintersemester als Rektor der LMU abgelöst hatte, seine Zweifel, ob die Suspendierung aufgrund
533 Ebd. Staatsministerium für Unterricht und Kultus an den Herrn Rektor der Universität München vom 29.1.1936. 534 UAM, Stud-Straf-197. Eduard Friedel an den Herrn Rektor der Universität München vom 27.8.1938. 535 Ebd. Gutachten über die Studierende der Medizin Elsa M. vom 21.10.1938.
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des Gutachtens gerechtfertigt sei, und beantragte daher eine weitere Stellungnahme der Universitäts-Nervenklinik.536 Elsa M. selbst bezeichnete sich dagegen in einem Schreiben an Broemser als vollkommen leistungsfähig und gesund und bat darum, ihr zusätzliche Unkosten, die durch neue Untersuchungen entstünden, zu ersparen, das Verfahren zu beenden sowie gleichzeitig der sofortigen Exmatrikulation zu entsprechen.537 Weil die Gesuchstellerin jedoch mehrere Aufforderungen, zur weiteren, neurologischen Abklärung zu erscheinen, im Folgenden ignorierte, konnte ihr – gemäß den Bestimmungen über das hier eingeleitete, schwebende Ausschlussverfahren – indessen kein Abschlusszeugnis ausgestellt werden. Die inzwischen nach Freiburg Verzogene hielt das nicht davon ab, einen Rechtsanwalt zu konsultieren. Im Hinblick auf die Tatsache, dass seine Mandantin nicht zu einem nochmaligen Besuch in der bayerischen Landeshauptstadt zu bewegen war, bat dieser den Geheimen Medizinalrat Oswald Bumke, Professor für Psychiatrie und Neurologie, um Äußerung, ob er das Gutachten der psychiatrischen Abteilung des Krankenhauses München-Schwabing für voll ausreichend halte, um einen Ausschluss gemäß den Richtlinien für die gesundheitliche Auslese vom Hochschulstudium vorzunehmen. Andernfalls würde der Jurist das Verfahren einstellen und die Universität Freiburg, an welcher sich die Frau einzuschreiben gedachte, von der Sachlage unterrichten.538 Tatsächlich sah sich Bumke am Ende nicht in der Lage, aufgrund der vorliegenden Akten ein Urteil über die Studentin abzugeben, weshalb es dem Direktor der Freiburger Universitätsklinik anheimgestellt bleiben sollte, ein endgültiges Gutachten herbeizuführen. Auch Philipp Broemser, der auf Vorschlag des Vertrauensarztes bei unbedingter Untauglichkeit in seiner Funktion als Rektor grundsätzlich zu einer Entfernung der bzw. des Betreffenden von der Hochschule berechtigt gewesen wäre, fühlte sich nicht imstande, eine Entscheidung zu treffen. Schlussendlich erklärte er sich bereit, das gewünschte Abgangszeugnis auszustellen.539 Trotz dieser zunächst positiv scheinenden Wendung gelang es Elsa M. jedoch nicht, als ordentliche Studierende der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg aufgenommen zu werden, nachdem sich herausgestellt hatte, dass ihr Vorbildungsnachweis, ein 1904 erworbenes Zeugnis der Prüfungskommission für Lehrerinnen in Marienwerder, gemäß einer Entscheidung des Reichswissenschaftsministers weder ein vollgültiges Reifezeugnis darstellte noch die Berech-
536 Ebd. Philipp Broemser an Herrn Geheimrat Dr. Bumke vom 2.11.1938. 537 Ebd. Elsa M. an den Herrn Rektor vom 24.11.1938. 538 Vgl. ebd. Rechtsanwalt Dr. Kröber an Geheimrat Dr. Bumke vom 21.12.1938. 539 Vgl. ebd. Philipp Broemser an Rechtsanwalt Dr. Kröber vom 3.1.1939.
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tigung zum Medizinstudium gewährte. In München hatte man sie dagegen unter Berücksichtigung des Umstandes, dass sie vorab an drei Universitäten (Hamburg, Greifswald, Breslau) immatrikuliert gewesen war und die ärztliche Vorprüfung in Hamburg bestanden hatte, zugelassen.540 Weil die Möglichkeit bestand, wonach sie nun anderweitig um Aufnahme nachsuchen würde, informierten sowohl der Münchner als auch der Freiburger Rektor in einem entsprechenden Rundschreiben vorab sämtliche deutsche Universitäten über diesen Fall. Eine derartige Vorgehensweise muss umso bitterer für die Studentin gewesen sein, als diese schon in der Vergangenheit gezwungen gewesen war, ihr Studium aus wirtschaftlichen Gründen zu unterbrechen. Dazu kam, dass man ein im August 1932 bei der damaligen Hochschulbehörde der Hansestadt Hamburg eingereichtes Gesuch um Zulassung zur ärztlichen Prüfung aufgrund Zweifel an der geistigen Haltung der Frau ebenfalls abgelehnt hatte, nachdem sie der Aufforderung, ein amtsärztliches Zeugnis beizubringen, wiederum nicht nachgekommen war.541 Dass sich Elsa M. überraschenderweise Ende März 1939 doch noch zur Untersuchung an der Universitäts-Nervenklinik München einfand, mag – in Anbetracht der prekären Gesamtsituation – auf eine gewisse Verzweiflung oder gar Naivität zurückzuführen sein. Für diese Annahme spricht, dass die im August 1885 Geborene, ungeachtet des negativen Urteils von Oswald Bumke, der die Untersuchte trotz fehlender, endgültiger Diagnose aufgrund zahlreicher, krankhafter Züge als „ganz ungeeignet“542 für ein Hochschulstudium hielt und für einen Ausschluss plädierte, im Wintersemester 1939/40 ihre Immatrikulation in Göttingen wiederum mit rechtlicher Unterstützung vorzunehmen gedachte. Im Februar 1940 wandte sich die ehemalige Angehörige der LMU, die ihren Wohnort mit Tangermünde/Elbe angab, von Wien aus noch einmal schriftlich an den Syndikus der Universität München mit der Bitte, ihr die Exmatrikel zu bescheinigen543; nach diesem Zeitpunkt verliert sich ihre Spur. Obwohl die Geschehnisse um Elsa M. keineswegs als Normalfall gelten dürfen, zeigt sowohl ihr Beispiel als auch das des Abiturienten Josef H., wie sehr die Durchführung der Richtlinien für die gesundheitliche Auslese zum Hochschulstudium – ähnlich der Vergabe des Pflichtenheftes beim Arbeitsdienst durch die Lagerführerin544 – an das Urteil einzelner, entscheidungsbefugter Instanzen bzw.
540 Vgl. ebd. Der Rektor der Universität München an sämtliche deutsche Universitäten, die Medizinischen Akademien in Düsseldorf und Danzig vom 1.4.1939. 541 Vgl. ebd. Staatsverwaltung der Hansestadt Hamburg, Hochschulwesen, an den Herrn Rektor der Universität München vom 5.4.1939. 542 Ebd. Oswald Bumke an den Herrn Rektor der Universität München vom 30.3.1939. 543 Ebd. Elsa M. an den Herrn Syndikus vom 6.2.1940. 544 Vgl. Kapitel III, 3.2 Pflichtmäßiges Diensthalbjahr und Ausgleichsdienst.
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Personen gebunden war, darunter das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus, der Rektor oder Vertrauensarzt. Obwohl schon das mehrseitige Gutachten der psychiatrischen Abteilung des städtischen Krankenhauses München-Schwabing im Oktober 1938 kein eindeutiges Ergebnis im Hinblick auf eine mögliche Schizophrenie der Begutachteten lieferte, sondern selbiger am ehesten noch Defekte aufgrund verschiedener, milder schizophrener Züge zugesprochen wurden, nahm Rektor Philipp Broemser die zweifelhafte Beurteilung nicht zum Anlass, um den endgültigen Ausschluss der Studentin zu legitimieren. Dies erscheint umso verwunderlicher, wenn man bedenkt, dass der Physiologe nur einen Monat später im Rahmen seiner Rektoratsübernahme von den negativen Folgen einer vormals liberalistischen Weltanschauung sprach, welche sich u. a. im Bereich der medizinischen Forschung und ihrer zunehmenden Konzentration auf die Behandlung des Einzelnen gezeigt hätten: „Daß diese Sorge für das einzelne Individuum keineswegs immer mit dem Interesse des ganzen Volkes gleichlautend ist, geht am deutlichsten aus der übertriebenen Pflege Erbkranker, Idioten und Minderwertiger im Zeitalter des Liberalismus hervor. Hier hat der Nationalsozialismus eine entscheidende Umstellung gebracht, indem er die Erhaltung und Schaffung eines gesunden Volkes in den Vordergrund gestellt hat.“545 Auch wenn der Redner aus Zeitgründen die Studierenden selbst nur am Rande streifte, betonte er doch die „naturgemäß besonders wichtige Auswahl“ derselben, die mit zum „Ideal einer hochblühenden nationalsozialistischen Hochschule“546 beitragen werde. Diese Einstellung trifft – auch im Hinblick auf die vorausgegangenen Worte – auf den letzten von insgesamt vier Verhaltenstypen zu, welche Dieter Langewiesche in einer Ringvorlesung über die Haltung Tübinger Hochschullehrer gegenüber dem NS-Staat in seinen Anfängen aufgestellt und als „identifizierende Selbstgleichschaltung durch fachwissenschaftliche Vorausplanung nationalsozialistischer Programme und Praxis“547 definiert hat. Trotz der vollkommen im Sinne der neuen Machthaber angelegten Rede unterschied sich Broemser bei der Beurteilung des Gesundheitszustandes von
545 Ph[ilipp] Broemser: Über die Aufgaben der Hochschule im nationalsozialistischen Reich. Ansprache zur Rektoratsübernahme gehalten am 9. Dezember 1938. München 1939, 11. 546 Ebd., 14 f. 547 Dieter Langewiesche: Die Universität Tübingen in der Zeit des Nationalsozialismus: Formen der Selbstgleichschaltung und Selbstbehauptung. In: Geschichte und Gesellschaft. Zeitschrift für Historische Sozialwissenschaft. 23. Jahrgang. Göttingen 1997, 622. Bei den übrigen drei Verhaltenstypen handele es sich, so Langewiesche um „1. Fachwissenschaftliche und institutionelle Selbstbehauptung durch Distanz zur Politik; 2. illusionäre Selbstgleichschaltung; 3. nachholende Selbstgleichschaltung.“ Ebd., 621 f.
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Elsa M. von seinem Kollegen Oswald Bumke, der sich mit aller Vehemenz für eine Relegation aussprach, wenngleich er ebenso zugeben musste, nach einer einmaligen Besprechung keine endgültige Diagnose stellen zu können.548 Doch auch Bumke verfolgte bei seinen Beurteilungen scheinbar keine klare Linie. Als er nachweislich noch mindestens 1944 ein ärztliches Gutachten über die als arbeitsund ausgleichsdienstuntauglich befundene Murnauerin Eva W. abgeben sollte, deren Pflichtuntersuchung die Diagnose Multiple Sklerose ergeben hatte, konstatierte er, der von ihm feststellbare Befund reiche zu Bestätigung der Krankheit nicht aus. Bestehe diese jedoch, so der Mediziner, dann „würde es sich um einen ganz leichten Fall handeln, der nicht als unheilbar angesehen werden könnte und zu Störungen der Intelligenz und des Charakters aller menschlichen Voraussicht nach nicht führen würde. Eine Untauglichkeit zum Hochschulstudium liegt nach meiner Überzeugung also nicht vor.“549 Paradoxerweise blieb ausgerechnet der positive Bescheid für Eva W. ohne Folgen – aus unbestimmten Gründen hatte sich die junge Frau zum Wintersemester 1944/45 nicht an der LMU eingeschrieben, so dass es keinen Anlass zu weiteren Maßnahmen gab.550 Inwieweit die ungleichen Verhaltensweisen der beiden Männer als kennzeichnend für den jeweiligen Charakter und seine individuelle Ausprägung von Regimetreue gelten dürfen, lässt sich anhand dieser Einzelbeispiele selbstverständlich nicht entscheiden und muss weiteren Studien zur Person der Betreffenden vorbehalten bleiben, obgleich sich etwa Bumke in seinen 1952 erschienenen Erinnerungen als Gegner des Dritten Reiches darstellte.551 Nach Ernst Nolte zu urteilen, der die Typologie des Verhaltens der Hochschullehrer im Dritten Reich untersuchte, reihte sich der Mediziner damit in die sog. „Mittelgruppe der „reinen Wissenschaftler““ ein, die „je nach den Umständen bald an den Bereich der Ver-
548 Vgl. UAM, Stud-Straf-197. Oswald Bumke an den Herrn Rektor der Universität München vom 30.3.1939. 549 UAM, P-II-35 Band 4. Der Rektor an den Gesundheitsdienst beim Studentenwerk vom 7.7.1944. 550 Vgl. ebd. Notiz des Rektors vom 16.1.1945. Wahrscheinlich unterlag Eva W. den Auslesebestimmungen zum totalen Kriegseinsatz. Vgl. Kapitel VI, 3 Totaler Kriegseinsatz. 551 Vgl. Bumke, 145 f.: „Sie [die Nationalsozialisten/P. U.] hatten ja das Mitleid aus ihrem Sprachschatz und aus ihren Köpfen – von Herzen kann man nicht reden –, sie hatten das Mitleid auch den Kranken gegenüber verbannt. Sie wollten die Krankheiten beseitigen, indem sie die Kranken auszurotten versuchten. […] Seit 1933 hatte ich nichts mehr zu „führen“; ich mußte froh sein, wenn man mich nicht hinderte, im Stillen meine Kranken auf meine Art zu betreuen, den Geist meiner Klinik zu bewahren und aus den Studenten wirkliche Ärzte zu machen […]; jede Möglichkeit, Einfluß zu nehmen, war mir genommen; öffentlich gegen staatliche Maßnahmen auftreten konnte ich nicht. […] Und was für mich galt, hat für alle Gegner des Nationalsozialismus gegolten.“
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treter aktiver Mitarbeit, bald an denjenigen des verhüllten oder unverhüllten Widerstandes“552 zu grenzen schienen. Dennoch zeigt sich, dass die neuen Richtlinien den Rektoren und Gutachtern ein Mittel zur Verfügung stellten, welches diese vor dem Hintergrund der übrigen Ausleseverfahren als weiteres Exklusionsinstrumentarium nutzen konnten, um die Zusammensetzung der Studentenschaft nach nationalsozialistischen Gesichtspunkten auszurichten: „Die Arbeit des Gesundheitsdienstes dient dem Ziel, die deutsche Hochschule durch eine gründliche Auslese nach gesundheitlichen, rassehygienischen, charakterlichen und erbbiologischen Gesichtspunkten vor dem Zuzug ungeeigneter Studenten zu bewahren.“553 Dass es dabei im Ermessens- bzw. Handlungsspielraum, d. h. mitunter in der Persönlichkeit des Einzelnen lag, ab wann etwa die Formalkriterien zur Durchführung eines Ausschlussverfahrens bei dauernder und unbedingter Untauglichkeit als erbracht galten, wird am Beispiel von Elsa M. und Eva W. deutlich. Was die Zeitzeugen betrifft, so fand sich kein Gesprächspartner, dessen Immatrikulation aus gesundheitlichen Gründen verweigert oder rückgängig gemacht werden musste. Andere, wie die Volkswirtschaftsstudentin T. N., die an einer starken und bereits deutlich sichtbaren Seitverbiegung der Wirbelsäule litt (Skoliose), konnte sich ebenso problemlos einschreiben wie ihre Kommilitonin, die Chemiestudentin Magda W. Sie hatte zu Beginn ihres Studiums einen Arm bei einem Unfall verloren und wurde dennoch nicht als untauglich ausgeschlossen: „Also ich hab’ einfach weiterstudiert. Aber wie lang ich da jetzt krank war, das weiß ich nicht. Das habe ich vergessen. Ich war da 19 oder so und […] meine Eltern und meine Bekannten, die haben immer gesagt „erstaunlich“. Ich habe gesagt „Ich will weitermachen. Mutti, das schaff’ ich“, und hab’ meine Mutter immer getröstet, „das schaff ich schon.“ Also ich hab’ dann sofort weiterstudiert, sobald es ging.“554 Beim Großteil der Befragten fehlten Erinnerungen an die Pflichtuntersuchung allerdings fast vollständig555 oder stellten sich als unpräzise heraus, was
552 Ernst Nolte: Zur Typologie des Verhaltens der Hochschullehrer im Dritten Reich. In: Aus Politik und Zeitgeschichte. Beilage zur Wochenzeitschaft Das Parlament. B 46/65. 17. November 1965, 10 f. 553 Hanns Streit: Das Reichsstudentenwerk. In: DEWV. Jahrgang 1. Heft 18. Berlin 1935, 168. 554 Interview mit Magda W. vom 27.7.2005. 555 Vgl. exemplarisch Interview mit Gertraud S. vom 26.5.2005: „Ja, […] man hat eine Schuluntersuchung gehabt und da war auch eine Pflichtuntersuchung. Also das hat man eigentlich nicht irgendwie registriert“ sowie Interview mit Philomena Sauermann vom 12.3.2005: „Genauso auch die ärztliche Untersuchung, man hat sie ein paar Mal gehabt, Pflichtuntersuchung. Aber das weiß ich nicht mehr genau, wie das gelaufen ist.“
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bspw. den genauen Ablauf betraf: „Ich weiß nicht mehr wie oft, aber jedenfalls die Pflichtuntersuchungen, das weiß ich noch. Da hat ein junger Arzt der chirurgischen Klinik, der hat diese Untersuchungen auch durchgeführt. […] Ich glaube, dass man da bald jedes Vierteljahr, jedes neue Semester zu der Untersuchung musste.“556 Lediglich Gesprächspartner, für die die Angelegenheit nicht ergebnislos geblieben oder mit einer Besonderheit verbunden gewesen war, konnten sich selbige deutlicher ins Gedächtnis rufen: „Also […] wissen Sie, ich halte die Pflichtuntersuchung gar nicht für schlecht. Bei meinem Mann kam bei der Pflichtuntersuchung heraus, dass er TB [Tuberkulose/P. U.] hatte, gell.“557 Bei der späteren Medizinerin Dr. Paula S. war dagegen im Rahmen des ersten Termins eine Kurzsichtigkeit festgestellt worden, weshalb die an alternativer Heilkunde Interessierte in der Folgezeit begann, erfolgreich „eine Art Augenübungen“ zu machen. Im Rahmen der zweiten medizinischen Untersuchung konnte die Ärztin schließlich feststellen, „dass die Augen besser geworden waren. Dadurch kann ich mich noch erinnern. Das andere weiß ich schon gar nicht mehr.“558 Einem Schreiben der Abteilung Studentische Krankenversorgung im Studentenwerk München zufolge hatten die Münchner Studierenden die Änderungen innerhalb der neuen Gesundheitsordnung im Wesentlichen begrüßt, weil sie eine freie Arzt- und Zahnarztwahl ermöglichten und überdies zur gewünschten Vereinheitlichung aller Hochschulkrankenkassen Deutschlands beitrugen. Selbst die Notwendigkeit der 30 %igen Selbstbeteiligung rief – den offiziellen Angaben gemäß – keinen deutlichen Widerspruch der Betroffenen hervor. Sie schienen sich überdies daran gewöhnt zu haben, in Falle ärztlicher Konsultation einen Krankenschein lösen zu müssen. Auch vonseiten des Rektorats hieß es, dass keine Klagen bekannt geworden seien, wenngleich man mit dem Dekan der Meinung war, die durch den Ausschluss der Ferienversorgung sowie der Ski- und sonstigen Unfälle entstandene Lücke innerhalb der studentischen Krankenfürsorge baldmöglichst schließen zu müssen.559 Tatsächlich kristallisieren sich aufgrund der Quellen aber einige Punkte heraus, die die Studierenden zur Kritik am studentischen Gesundheitsdienst veranlassten. So wandte sich eine anonyme Gruppe im Juni 1936 schriftlich an das Rektorat der Universität und beklagte u. a., dass die Pflichtuntersuchung nur unter fortlaufender Eile und langen Wartezeiten stattgefunden habe und über-
556 Interview mit Dr. Johanna K. vom 22.8.2005. 557 Interview mit Dr. Berta R. vom 23.4.2005. 558 Alle Zitate nach Interview mit Dr. Paula S. vom 31.3.2005. 559 Vgl. UAM, Sen. 836. Der Rektor der Universität an das Staatsministerium für Unterricht und Kultus vom 16.7.1936.
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dies an eine Auskunft in gesundheitlichen Angelegenheiten vom behandelnden Arzt nicht zu denken gewesen sei. Obwohl schon im Juli 1935 der Wunsch nach einem „Hochschularzt“560 laut geworden war und die aktuellen Verfasser drohten, die Missstände dem Amt für Volksgesundheit zu melden sowie eine genaue Rechenschaft über die Verwendung der Semesterbeiträge durch die Studentenschaft zu fordern, gab der Prorektor der LMU, Tiermediziner Prof. Wilhelm Ernst, sein deutliches Desinteresse zu verstehen: „Ich lege auf die Weiterbehandlung der Eingabe keinen Wert, weil sie namenlos ist.“561 Ähnlich verhielt es sich mit dem Vorschlag der Arbeitsgemeinschaft ausländischer Studentinnen, die aus ungeklärten Gründen darum baten, die ärztliche Beratung der Kommilitoninnen einer Ärztin zu übertragen, wie es gleichermaßen an den meisten Auslandsuniversitäten der Fall sei.562 Der Stellungnahme des Studentenwerks München an das Rektorat nach zu urteilen, existierte offiziell jedoch keine derartige Arbeitsgemeinschaft. Zudem mussten sich ausländische Studentinnen der Pflichtuntersuchung, die bei Frauen ohnehin durch eine Ärztin durchgeführt wurde, nicht unterziehen, da es genügte, wenn sie eine ärztliche Bestätigung erbrachten, wonach sie frei von einer ansteckenden Krankheit waren: „Einer anonymen Arbeitsgemeinschaft ausländischer Studentinnen gegenüber, die ‚aus bestimmten Gründen‘ Vorschläge zu machen versucht über Dinge, die sachlich sauber geordnet liegen“563, sah sich Studentenwerksleiter Eduard Friedel demnach nicht veranlasst, Auskunft zu erteilen.
560 Ebd. Eine Anregung der Studentenschaft an das Rektorat der Universität München vom Juli 1935. 561 Vgl. UAM, P-II-35 Band 2. [Wilhelm] Ernst an den Leiter des Studentenwerks München vom 4.6.1936. Hervorhebung im Original. 562 Vgl. UAM, Sen. 836. Der Rektor der Universität an das Studentenwerk München vom 25.8.1938. 563 Ebd. [Eduard] Friedel an das Rektorat der Universität München vom 19.9.1938.
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Abb. 7: Bestätigung einer Pflichtuntersuchung aus dem Jahre 1943
Bis in die letzten Kriegsjahre hinein dominieren in den weiteren Quellen zur LMU Listen der Studierenden, die nicht zur Pflichtuntersuchung erschienen waren. Gemäß den amtlichen Bestimmungen durfte eine Exmatrikulation oder Wiedereinschreibung jedoch erst dann erfolgen, wenn dieser Termin nachgeholt worden war. Offiziellen Zahlen zufolge führte das Reichsstudentenwerk 1940 insgesamt 26.413 Pflichtuntersuchungen in 28 Dienststellen durch, darunter an 8790 Studentinnen.564 Nach Kriegsende war geplant, auch die gesundheitspolitische Erziehung der Studentinnen in den ANSt-Gruppen speziellen Vertrauensärztin-
564 Vgl. Rudolf Brüning: Soldat und Student. Das Reichsstudentenwerk als Mittler. In: MNN vom 23.1.1942, hier nach UAM, Sen. 365/2. Vgl. ebenso Otto Reise (Hg.): Reichsstudentenwerk. Bericht über die Arbeit im Kriege. Zum zwanzigjährigen Bestehen des Reichsstudentenwerks im Auftrage des Reichsstudentenführers SS Brigadeführer Dr. G. A. Scheel. 8. und 9. Folge der Kurzberichte aus der Arbeit des Reichsstudentenwerks. Berlin 1941, 115. Eine Tabelle listet die Zahl der nach der Tauglichkeitstabelle festgestellten Fehler in fünf sich zum Teil überschneidenden Kategorien auf. Danach galten 10.096 Studentinnen als tauglich, 607 als bedingt bzw. evtl. tauglich, 251 als bedingt tauglich, 489 als bedingt bzw. evtl. untauglich sowie 81 als untauglich. Die hieraus resultierende Summe von 11.524 Studentinnen weicht um 2734 Studentinnen von der offiziellen Anzahl der Untersuchten ab (8.790). Die Differenz ergibt sich womöglich aus den
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nen im studentischen Gesundheitsdienst zu übertragen, um „die Lebensführung der Mädchen, das Verhältnis von Arbeit und Erholung, Ernährungsfragen, ihre Einstellung zum Rauchen usw. maßgebend zu beeinflussen.“565 Im März 1944 musste man die Kontrolle der Wehrmachtsangehörigen auf die Durchleuchtung des Brustkorbes beschränken, da ein gründlicher Check wegen Einziehung des Arztes zum Gesundheitsamt unmöglich geworden war. Studierende, die sich stationär im Lazarett befanden, wurden darüber hinaus nicht zur Brustkorbdurchleuchtung vorgeladen und waren vollkommen von der Untersuchung befreit.566 Nur wenige Monate später, im Sommersemester 1944, konnte die Pflichtuntersuchung bei einem Teil der untersuchungspflichtigen Studierenden nicht mehr vorgenommen werden, da die entsprechenden Räumlichkeiten einen Fliegerschaden erlitten hatten. Aus diesem Grund bat das Studentenwerk München darum, den Betroffenen bei der Neueinschreibung keinerlei Schwierigkeiten zu bereiten. Diejenigen, die sich fernimmatrikulieren ließen, sollten zudem keine Zählblätter der Pflichtuntersuchung mehr erhalten, da sie ohnehin nicht untersucht wurden. Im Januar 1945 führte ein Totalschaden in der Abteilung Gesundheitsdienst des Studentenwerks schließlich zur vollständigen Einstellung der Untersuchung. Weil auch die Tuberkulosefürsorgestelle schwer geschädigt war, konnten darüber hinaus keine Röntgendurchleuchtungen durchgeführt werden.567
sich überschneidenden Kategorien, wodurch manche der Frauen vermutlich in zwei Kategorien geführt worden waren. 565 Dr. Romann: Die gesundheitliche Betreuung. Gesunde Studentinnen! In: DB vom 17.12.1940. 566 Vgl. UAM, P-II-35 Band 2. Studentenwerk München an Sekretariat der Universität München vom 6.3.1944. 567 Vgl. ebd. Studentenwerk München an Sekretariat der Universität München vom 6.10.1944 sowie Studentenwerk München an Sekretariat der Universität München vom 22.1.1945.
III. Die Beschränkung der LMU-Studentinnen im Dritten Reich
1 Hochschulreifevermerk Waren durch das „Gesetz gegen die Überfüllung deutscher Schulen und Hochschulen“ sowie die am selben Tag veröffentlichte Durchführungsverordnung jüdische Studierende als „erste Gruppe der Bevölkerung“ betroffen gewesen, gegen die man eine „numerisch konkrete Aufnahmesperre“1 verhängt hatte, so bestimmte ein auf Anordnung des Reichsinnenministers Wilhelm Frick Ende Dezember 1933 festgelegter Numerus clausus, dass reichsweit nur mehr 15.000 Abiturienten des Jahrgangs 1934 die Hochschulreife zuerkannt werden sollte. Nachdem der Höchstsatz auf die einzelnen Länder aufgeschlüsselt wurde, entfielen bspw. auf Preußen 8984, auf Sachsen 1339, auf Hamburg 398 und auf Bayern 1670 mögliche Studienplätze.2 Das entsprach nicht annähernd 45 % aller bayerischen Abiturienten.3 Einer Anordnung Hans Schemms zufolge sollte das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus dabei für jede einzelne Anstalt die Zahl der Abiturienten bestimmen, denen die Hochschulreife zuerkannt werden durfte, wobei die Selektion der Schüler dem Anstaltsvorstand oblag. „Die Schülerinnen und die nichtarischen Schüler und Schülerinnen“4 hatten zudem im gesamten Auswahlprozess „besonders erkenntlich“ gemacht zu werden. Auf diese Weise wurden Frauen und Juden wiederholt als vornehmliche Gruppen derer gekennzeichnet, die es im Rahmen der nationalsozialistischen Politik von den Hochschulen zurückzudrängen bzw. auszuschalten galt. Das Abiturzeugnis selbst erfuhr insgesamt eine Degradierung zu einem reinen Abschlusszeugnis, welches nicht mehr von vornherein die Zugangsberechtigung zur Hochschule implizierte5, sondern von deutlichen Bestrebungen gekennzeichnet war, Schulabgänger ohne Hochschulreife auf praktische Berufe zu verweisen. Für jüdische Schüler gestaltete sich die akademische Situation dagegen noch aussichtsloser, nachdem allein 1934 von 846 nichtarischen Abiturienten gerade einmal 60 den Hochschulreifevermerk und damit die Genehmigung für ein Studium erhielten.6
1 Alle Zitate nach Steffen-Korflür, 77. 2 Vgl. RMBl. 62. Jahrgang. Nr. 2. Berlin 1934, 16. 3 Vgl. HATUM, RA C 383. Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus an die Herren Rektoren der drei Landesuniversitäten […] vom 26.1.1934. Der Anteil der Abiturientinnen durfte die nach den Richtlinien des Reichsministeriums des Innern zugewiesene Zahl im Land um nicht mehr als zehn Prozent überschreiten. Ebd. 4 Ebd. Hervorhebung im Original. 5 Vgl. Böhm, 148 f. 6 Vgl. Grüttner, 215.
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1 Hochschulreifevermerk
Über die Form der Sondierung schreibt Weyrather, es sei nunmehr auch ein schulisches Sondergutachten erforderlich gewesen7, d. h. wer die Hochschulreife zugesprochen bekam, sollte durch das Urteil eines sog. „Reifeprüfungsausschusses“8 entschieden und etwa in Preußen durch externe Stellungnahmen von außerschulischen Stellen – darunter die Gauleitung der NSDAP – ergänzt werden.9 Maßstäbe für die Auslese waren dabei geistige und körperliche Reife, Charakter sowie nationale Zuverlässigkeit.10 Die Vergabe in Sachsen kann dabei als stellvertretendes Beispiel gelten: Sämtliche Abiturientinnen und Abiturienten hatten sich unter Leitung eines staatlichen Psychologen auf seelische Weite, Charakter, Tiefe und Reife hin begutachten zu lassen, die Resultate wurden anschließend in Punkten dargestellt. Während man die männlichen Schulabgänger noch mit 153 Punkten zuließ, mussten ihre Geschlechtsgenossinnen wenigstens 163 erzielen, wodurch die Bestrebungen des NS-Regimes offensichtlich wurden, Frauen den Zugang zum Studium zu erschweren bzw. zu verwehren. In Marburg war neben den o. g. Voraussetzungen außerdem ein mit der Note „gut“ bestandenes Abitur notwendig, während in Hamburg unter den Mädchen jeweils die zwei besten Schülerinnen der Klasse die Hochschulreife erhielten.11 Auch im Gau München-Oberbayern kamen führende Parteivertreter im Dezember 1934 zu dem Schluss, Zweck der Hochschulreife müsse sein, „den deutschen Hochschulen die besten Kräfte aus der jungen Generation zu bringen, die geistig, charakterlich, weltanschaulich und körperlich die beste Auslese darstellen.“ Die entsprechende Beurteilung des Schülers sollte dabei durch den Klassenlehrer erfolgen, wobei eine weltanschauliche Prüfung ausdrücklich abgelehnt wurde, „da Weltanschauung nicht durch Intelligenzfragen geprüft werden kann, sondern nur durch Haltung“, welche wiederum extern durch die HJ kontrolliert werden sollte. „Die Hochschulreife spricht ein Vertrauensmann des N. S. Lehrer-
7 Weyrather, 143. 8 Prof. Dr. Metzner: Die Gestaltung der Hochschulreife. In: DWEV. Jahrgang 1. Heft 18. Berlin 1935, 63. 9 Vgl. Karl Dietrich Bracher/Gerhard Schulz/Wolfgang Sauer (Hgg.): Die nationalsozialistische Machtergreifung. Studien zur Errichtung des totalitären Herrschaftssystems in Deutschland 1933/34. II. Gerhard Schulz. Die Anfänge des totalitären Maßnahmenstaates. Köln, Opladen 1974, 242, künftig zitiert als Bracher/Schulz/Sauer. 10 Vgl. RMBl. 62. Jahrgang. Nr. 2. Berlin, 16, sowie Prof. Dr. Metzner: Die Gestaltung der Hochschulreife. In: DWEV. Jahrgang 1. Heft 18. Berlin 1935, 63. 11 Vgl. Dageförde, 95.
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bundes (bewährter Nationalsoz.) aus, der den Umständen entsprechend auch in Personalunion mit dem Direktor der Lehreranstalt verbunden sein kann.“12 Inwieweit diese Regelungen in der Praxis konsequent durchgeführt wurden, muss allerdings dahingestellt bleiben. Am humanistischen Gymnasium in München-Pasing erhielten 1934 bspw. 17 von 28 Abiturienten die entsprechende Zulassung, die den Schulen nach einem bestimmten Schlüssel im ganzen Reich zugeteilt wurde. Hanne Lenz wiederum, die nach ihrem Abitur am Schwabinger Maximiliansgymnasium 1935 das Studium der Kunstgeschichte an der Universität München aufnahm, berichtete über die an ihrer Schule erfahrene Art der Auslese: „Wie ich in der achten Klasse Gymnasium war, da gab es einen Numerus clausus für die Zulassung zum Studium an der Universität. Und da musste man sich anstrengen, dass man gute Noten hatte, denn bis zu so und so viel Notendurchschnitt durfte man studieren. Und in der neunten Klasse habe ich das auch geschafft. Also unabhängig vom Nationalsozialismus war das eine Sache, um die Universitäten nicht zu sehr anwachsen zu lassen. Und ich habe so einen Notendurchschnitt gehabt, dass ich hätte studieren können, aber in dem Moment ist dieser Paragraph wieder gestrichen worden. Also von der Seite gab es für mich keine Schwierigkeiten“13. Welche Bedeutung allerdings die „nationale Zuverlässigkeit“ haben konnte, die ausdrücklich als ein Kriterium bei der Begutachtung der Schulabsolventen vom Reichsinnenministerium angeordnet worden war, wird anhand einer von Astrid Dageförde befragten Zeitzeugin deutlich. Obwohl die Marburgerin das notwendige, mit „gut“ vorzuweisende Abitur erreicht hatte, wurde ihr die Hochschulreife aufgrund einer unbedachten Äußerung über den plötzlichen, politischen Gesinnungswandel ihres Direktors zum Verhängnis: ‚Und dann erlebten wir ja 1933, […] daß ein großer Teil dieser vorher so guten Demokraten also dann stramme Nazis wurden. […] Der Schuldirektor gehörte dazu, und der wollte natürlich seinen Posten nicht verlieren, und […] dem habe ich mal so vor […] der Klasse gesagt, vor einem Jahr hätte er ja noch was ganz anderes gesagt zu irgendeinem Punkt. Das war natürlich furchtbar dumm von mir‘.14 Tatsächlich erhielt die junge Frau, deren Mutter darüber hinaus öffentlich mit den Kommunisten sympathisierte, nach ihrer Einschreibung an der Universi-
12 Alle Zitate nach BArch, RSF II* 106. Hermann Aly an den Reichsamtsleiter Derichsweiler vom 14.12.1934. 13 Interview mit Dr. Hanne Lenz vom 18.2.2005. Zum Pasinger Gymnasium vgl. Doris Barth/ Bernhard Möllmann/Bernd-Michael Schülke: Zeugnisse. Das Humanistische Gymnasium in Pasing. Die Vorgeschichte des Karlsgymnasiums und des Max-Planck-Gymnasiums 1910–1955. Buch zur Ausstellung in der Pasinger Fabrik vom 1. bis 17. Mai 1992. München 1992, 151 f., hier 152. 14 Interview Nr. 21, 2–4, hier zitiert nach Dageförde, 97.
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tät die Meldung des örtlichen Gauleiters, sie sei wegen politischer Unzuverlässigkeit nicht zum Studium zugelassen, was direkt auf eine entsprechende Aussage des ehemaligen Schulleiters zurückzuführen war. Lediglich durch persönliche Vorsprache beim Gauleiter sowie einer im Sinne der Partei zurechtgelegten Argumentationsstrategie, wonach ein Medizinstudium zum Dienst am Volk angestrebt werde, gelang es der Interviewpartnerin noch, den Vermerk über die Hochschulreife zu erhalten. Dieser wurde als gesonderte schriftliche Bescheinigung neben dem Reifezeugnis ausgehändigt. Letzteres durfte dementsprechend weder einen gesonderten Vermerk über die Zuerkennung noch über die Versagung der Hochschulreife enthalten.15 Nachdem vergleichbare Beispiele oder Statistiken für andere Universitäten fehlen, lässt sich allerdings kaum beurteilen, wie vielen Schülern in diesem Zusammenhang der Weg an die Hochschulen verwehrt blieb. Während Dageförde und Jarausch davon ausgehen, dass sicher zahlreiche Studierwillige, die selbst Mitglied kommunistischer oder sozialistischer Jugendverbände gewesen waren bzw. deren Eltern sich politisch hervorgewagt und sich dabei als „Nonkonformisten“16 gezeigt hatten, an dieser Hürde scheiterten, kommt Grüttner zu dem Ergebnis, es könne nicht von einer „rigorosen politischen „Auslese“ im Sinne des Nationalsozialismus“17 gesprochen werden. Als Begründung führt er eine Beschwerde der NSDStB-Führung an, wonach bei Vergabe des Hochschulreifevermerks, der ohnehin nur den Abiturientenjahrgang 1934 betraf, in zahlreichen Fällen allein nach der Abschlussnote geurteilt worden sei. Aus diesem Grund verweigerte man den Vermerk sogar aktiven Mitgliedern der Hitlerjugend (HJ) mit dürftigen Schulleistungen. Wesentlich schlechter waren dagegen allerdings die Abiturientinnen gestellt, denen selbst der Hochschulreifevermerk noch keinen Platz an der Universität garantierte. So begrenzte der Erlass des Reichsinnenministeriums die Zahl der Studienanfänger nicht nur allgemein auf maximal 15.000, sondern enthielt auch eine besondere Passage zur Zurücksetzung des weiblichen Geschlechts, welches lediglich 10 % des gesetzlich fixierten Höchstwertes, d. h. eine Gesamtmenge von 1500 Studentinnen ausmachen durfte. Diese Quote wurde anschließend auf die einzelnen Länder im Verhältnis zu ihrer Einwohnerzahl verteilt, womit Bayern – nach Preußen mit 899 – das „größte“ Kontingent der Abiturientinnen mit 167 Bewilligungen erhielt. Im Vergleich zum Studienjahr 1932/33, in dem sich der
15 Vgl. RMBl. 62. Jahrgang. Nr. 2. Berlin 1934, 17. 16 Konrad H. Jarausch: Säuberung, Elitebildung und Akademikermangel. In: Ders.: Deutsche Studenten 1800–1970. Frankfurt am Main 1984, 179, künftig zitiert als Jarausch: Säuberung. 17 Grüttner, 238.
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Neuzugang an Studentinnen in Bayern noch auf 387 beziffern ließ, bedeutete dies einen immensen Verlust von 57 %.18 Obwohl Mohr zuzustimmen ist, wonach Frauen „verschärft, aber nicht ausschließlich“19 vom Überfüllungsgesetz betroffen waren, spricht Weyrather zu Recht von einem „geschlechtsspezifischen Numerus Clausus“20, der die Studentinnen eindeutig diskriminierte und damit verdeutlichte, dass die neue Regierung bestrebt war, die Anzahl weiblicher Immatrikulationen drastisch zu reduzieren. So hatte Frick schon zweieinhalb Monate vor Bekanntgabe der Bestimmung in einem Erlass vom 27. Oktober 1933 die Feststellung getroffen, dass die Bemessung des – zu diesem Zeitpunkt noch mit 15 % bezifferten – Anteils an Schülerinnen, denen die Hochschulberechtigung erteilt werde, eine ‚etwas stärkere Einengung als bei den Knaben‘ bedeute. Dennoch sei darauf aufmerksam zu machen, dass ‚hier die Massenerscheinungen in einem ungleich rascheren Ausmaße nach Zahl und Zeit sich entwickelt haben. Von 1926–1933 ist die Zahl der Abiturientinnen auf das Fünffache angestiegen; betrug damals der weibliche Anteil an der Gesamtabiturientenzahl 10 v. H., ist er z. Zt. bereits auf über 35 v. H. gestiegen.‘21 Ungeachtet der Tatsache, dass die Entwicklung der Studentinnenzahlen damit jedoch nicht analog verlief und der Anteil weiblicher Immatrikulationen bereits im Wintersemester 1931/32 um mehr als 25 % zurückgegangen war, erschien dem Reichsinnenminister die festgesetzte Menge von 2250 Schülerinnen, die eine Studienberechtigung erhalten sollten, als angemessen, in Anbetracht der Berufssituation jedoch im Zweifelsfall zu hoch als zu niedrig, weshalb eine weitere Senkung der Höchstzahl für die kommenden Jahre vorbehalten blieb.22 Mit Blick auf die bereits in der Weimarer Republik festzustellenden Ressentiments gegen das Frauenstudium bekundeten zahlreiche männliche Studenten und Professoren, die schon vor 1933 weibliche Studierende als unliebsame Eindringlinge betrachtet hatten, ihre Zustimmung. Eine Hamburger Tageszeitung frohlockte nach Bekanntgabe der neuen Verordnung: ‚Der weibliche Intelligenzler-Typus, der mit Hornbrille bewaffnet als ‚Gleichberechtigung‘ forderndes
18 Vgl. Frauenstudium in Zahlen. In: Studentenpressedienst. Amtlicher Pressedienst des Reichsstudentenführers. Folge 11. München 1937, 6, hier nach UAM, Sen. 366c/5. 19 Wilma Mohr: Frauen in der Wissenschaft. Ein Bericht zur sozialen Lage von Studentinnen und Wissenschaftlerinnen im Hochschulbereich. Freiburg im Breisgau 1987, 20. 20 Alle Zitate nach Weyrather, 143. 21 Reichsminister des Innern in einem Brief an die Unterrichtsministerien der Länder vom 27.10.1933, hier zitiert nach Dageförde, 95. 22 Vgl. ebd.
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Wesen den Schrecken bildete, wird verschwinden.‘23 Ein anderer Teil der Kritiker, wie der Münchner Kunsthistoriker Hans Jantzen, welcher sich Zeitzeugenerinnerungen zufolge „in gewisser Hinsicht […] skeptisch“ gegenüber den Leistungen der Mädchen zeigte, versuchte dagegen mit scheinbar praktischen Überlegungen der Studierwilligkeit der Frauen entgegenzuwirken: „Da wurde schon mal gesagt: „Meine Damen, überlegen Sie sich’s doch, ob Sie das lange Studium der Kunstgeschichte auf sich nehmen wollen. Sie heiraten ja doch!“24 Sogar in dem 1934 veröffentlichten vierten Heft der Zeitschrift „Die Frau“, welche sich in ihren aktuellen Beiträgen bemühte, an die positiven Optionen anzuknüpfen, „die für eine sinnvollere Auslese und für eine bessere Formung und Bindung des Frauenstudiums sich zu eröffnen scheinen“25, sprach man davon, dass dem „Übel“26 der in den letzten Jahren zu zahlreich an die Universitäten strömenden Frauen nun entsprechend begegnet werde. Obwohl die Autorinnen des Organs des Bundes der deutschen Frauenvereine auf diese Weise „der eigenen Verdrängung noch Argumentationshilfe lieferten“27, fühlten sich die Herausgeberinnen, Gertrud Bäumer und Frances Magnus-von Hausen, offenbar verpflichtet, unterschiedliche Meinungen in der unter dem Thema „Zur Krisis des Frauenstudiums“ erschienenen Ausgabe zu vereinen: „Sie möchten an diesem Problem, das für die künftige Bedeutung und Wirkung der Frau im deutschen geistigen Leben so entscheidend ist, eine Mitarbeit leisten, wie sie ja immer wieder gefordert worden ist: positive Kritik – und dadurch vor allem denen helfen, die sich heute – in einer Zeit des Aufbruchs – durch den Druck einer unsicheren Lage doppelt belastet fühlen müssen: den Studentinnen und der weiblichen Jugend selbst.“28 Wie Jutta Seeger festgestellt hat, „führte der Versuch, die alte Frauenbewegung in die Arbeit des Nationalsozialismus einzubauen, zu einer Auseinanderset-
23 „Gegen die Überfüllung der deutschen Hochschulen“. In: Hamburger Nachrichten vom 29.12.1933, hier zitiert nach Michael Grüttner: “Ein stetes Sorgenkind für Partei und Staat“. Die Studentenschaft 1930 bis 1945. In: Eckart Krause/Ludwig Huber/Holger Fischer (Hgg.): Hochschulalltag im „Dritten Reich“. Die Hamburger Universität 1933–1945. Teil I: Einleitung. Allgemeine Aspekte. Berlin, Hamburg 1991, 212. 24 Interview mit Dr. Adriane H. vom 1.8.2005. 25 Gertrud Bäumer/Frances Magnus-von Hausen: Zur Krisis des Frauenstudiums. In: Die Frau. 41. Jahrgang. Heft 4. Berlin 1934, 193, künftig zitiert als Bäumer/Magnus-von Hausen. 26 Kara Lenz-von Borries: Frauenstudium und Auslese. In: Die Frau. 41. Jahrgang. Heft 4. Berlin 1934, 204. 27 Monika Meister: “… lieber dem Führer ein Kind schenken…“. Die Vertreibung der Frauen aus den Universitäten und akademischen Berufen. Manuskript zur gleichnamigen Radiosendung des Bayerischen Rundfunks. Land und Leute. München 1989, 15. 28 Bäumer/Magnus-von Hausen, 193.
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zung mit der Weltanschauung, den Ideen, mit der praktischen Organisation und Gesetzgebung des neuen Regimes“29, wenngleich auch der Aktualitätsbezug der Publikation in den Kriegsjahren entscheidend abnahm und eine Konzentration auf historische und literarische Themenkreise, d. h. auf unverfängliche Gebiete, erfolgte. Auf diese Weise sicherte man u. a. die Existenz der Zeitschrift bis zum allgemeinen Publikationsverbot durch die Reichspressekammer im August 1944. Was den Hochschulreifevermerk betrifft, so wurde die Durchführung der Verordnung, die erstmals im Sommersemester 1934 zur Anwendung kam, entgegen den Erwartungen jedoch „eher lax“30 gehandhabt. Galt nicht nur der Begriff der „nationalen Zuverlässigkeit“ als wenig präzise und damit als ungeeignet, eine konsequente politische Selektion im Sinne der Nationalsozialisten zu gewährleisten, so erhielten darüber hinaus anstelle der geplanten 1500 knapp 1700 Abiturientinnen den Hochschulreifevermerk, was einem Prozentsatz von 12,5 % aller Studienanfänger gegenüber den vorgesehenen 10 % entsprach31; 774 von ihnen nahmen tatsächlich ein Studium auf.32 Ein Grund für die lockere Handhabung des Überfüllungsgesetzes könnte sein, dass nicht einmal die drastisch gesenkten Zulassungsquoten vollständig ausgeschöpft und etliche Studienplätze deshalb nicht beansprucht wurden. Wie Adam feststellte, wurden im Sommersemester 1934 lediglich 11.774 von 15.000 zur Verfügung stehenden Plätzen besetzt, während 22 % frei blieben.33 Dies zeigt, dass manch einer wohl von seinem ursprünglichen Plan, ein Hochschulstudium aufzunehmen, abgekommen war. So berichtet etwa die 1914 geborene Ursula Kretschmar im Lebenslauf ihrer medizinischen Doktorarbeit, sie habe Ostern 1934 ihre Reifeprüfung am Mädchengymnasium Dresden-Neustadt abgelegt, infolge der Überfüllung der Hochschulen jedoch zunächst von einem Studium abgesehen, um Fürsorgerin zu werden. Nach dem Besuch der wirtschaftlichen Frauenschule, der Ableistung des halbjährigen Arbeitsdienstes sowie einem knapp einjährigen Säuglingspflegerinnenkurs war die Tochter eines Oberstudiendirektors zunächst bis Februar 1937 als Säuglingspflegerin in einem Kinderheim tätig, bevor sie an Ostern desselben
29 Jutta Seeger: Das Wesen der deutschen allgemeinen Frauenzeitschrift unter besonderer Berücksichtigung von „Die Frau“ 1893–1944. Diss. Berlin 1952, 77. 30 Grüttner, 115. 31 Vgl. Pauwels, 21. Die verhältnismäßig „laxe“ Handhabung des Gesetzes belegt Grüttner anhand des Statistischen Jahrbuches für das Deutsche Reich (1935), wonach sich unter 16.489 Abiturienten, die letztlich den Hochschulreifevermerk bekamen, 1.933 Frauen befanden, was einem Prozentsatz von 11,7 entsprach; gleichwohl bedeutete dies, dass lediglich 17,8 % von 10.843 Abi turientinnen die Erlaubnis erhielten, ein Hochschulstudium zu beginnen. Vgl. Grüttner, 115 f. 32 Vgl. Mertens: Töchter, 96. 33 Vgl. Adam, 96, FN 84.
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Jahres an der Universität Leipzig ihr Medizinstudium aufnahm, welches sie 1941 mit einer Dissertation über „Basedow und Fertilität“34 beendete. Bereits Anfang Februar 1935, rund ein Jahr nach dem Inkrafttreten, wurden daher nicht nur Numerus clausus und Hochschulreifevermerk durch das neu gegründete Reichserziehungsministerium wieder außer Kraft gesetzt35, sondern auch die Zulassungsbeschränkung für Frauen und damit die „10 %-Hürde für weibliche Erstsemester“36 aufgehoben. Folglich widerlegen die von Pauwels und Grüttner vorgelegten Ergebnisse die Auffassung, wonach lediglich 1.500 von 10.000 Frauen des Abiturjahrgangs 1934 ein Studium aufnehmen durften,37 und sprechen überdies gegen die Annahme, die um 60 % gesunkene Zahl weiblicher Studierender während des Dritten Reiches sei ausschließlich auf den „geschlechtsspezifischen Numerus Clausus“ von 1933 zurückzuführen.38 Die Bestimmung, dass für den Zugang zur Hochschule künftig kein besonderes Zeugnis mehr notwendig war, galt jedoch nicht rückwirkend. Abiturienten des Jahres 1934 mussten dieses daher nach wie vor erbringen bzw. nachträglich beim Bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus um diese Bescheinigung nachsuchen. Die Anträge sollten dabei wohlwollend gewürdigt werden. Allerdings war eine Berücksichtigung nur möglich, wenn der Gesuchsteller Gewähr für seine politische Zuverlässigkeit bot, kein Unterkommen in einem Beruf gefunden hatte und über die Betätigung im Arbeitsdienst bzw. der Vorbereitung auf einen Beruf ein befriedigendes Zeugnis nachwies. „Nichtarier konnten nachträglich nicht mehr berücksichtigt werden. Von der öffentlichen Bekanntgabe der Möglichkeit der nachträglichen Verleihung der Hochschulreife an die Abiturienten 1934 ist abzusehen“39, so das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus.
34 Vgl. Ursula Kretschmar: Basedow und Fertilität. Diss. Dresden 1941. 35 Vgl. Hochschulstudium. In: DWEV. Jahrgang 1. Heft 4. Berlin 1935, 69 f. 36 Grüttner, 116. Vgl. auch Pauwels, 29. 37 Vgl. Clephas-Möcker/Krallmann: Studentinnenalltag, 179. 38 Vgl. Ingrid Schmidt-Harzbach: Kampf ums Frauenstudium – Studentinnen und Dozentinnen an deutschen Hochschulen. In: Gruppe Berliner Dozentinnen (Hgg.): Frauen und Wissenschaft. Beiträge zur Berliner Sommeruniversität für Frauen. Juli 1976. Berlin 1977, 45. 39 UAM, Sen. 147 Band 2. Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus an die Herren der drei Landesuniversitäten […] vom 7.3.1935.
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2 Höchstziffernregelung Wie einem Bericht des Amtsblatts des Reichsministeriums für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung und der Unterrichtsverwaltungen der Länder aus dem Jahr 1935 zu entnehmen ist, hatten sich bei der Zuteilung der Hochschulreife allerdings schon rein formal betrachtet diverse Schwierigkeiten ergeben. Diese bestanden u. a. in der ungleichmäßigen Handhabung des Erlasses in den einzelnen Ländern sowie der Abwanderung nichtarischer Abiturienten an ausländische Universitäten. Darüber hinaus war die Gesamtzahl der Studierenden wesentlich stärker zurückgegangen als erwartet. Die Verantwortlichen sahen sich deswegen veranlasst, eine indirekte Verbesserung der Zulassungspolitik vorzunehmen, jedoch ohne dabei den Eindruck zu vermitteln, als sei eine Korrektur der bisherigen Vorgehensweise zwingend erforderlich.40 Aus diesem Grund verfügte das REM in den folgenden Studiensemestern lediglich Zulassungshöchstzahlen für die kulturell und studienmäßig attraktiven Großstadtuniversitäten, eine Maßnahme, die „weniger eine bildungspolitische als vielmehr eine infrastrukturelle und kommunalpolitische Dimension“ darstellte. Die Studierenden sollten auf diese Weise „gleichmäßiger auf das Reichsgebiet verteilt und gleichzeitig die wirtschaftlichen Ausfälle des massiven Studierendenrückgangs für den Mittelstand der kleineren, oft stark universitär strukturierten Gemeinden abgemildert werden“41. Obendrein rechtfertigte man die neue Regelung von offizieller Seite als wissenschaftsökonomische Maßnahme, um „die deutschen Studenten aus der Großstadt hinauszuführen in die kleineren und mittleren Hochschulstädte zu intensiver Arbeit“42 und um wieder ein möglichst enges Verhältnis zwischen Lehrenden und Lernenden herzustellen. Die großen, gut ausgebauten Institute der Großstadthochschulen sollten zudem den höheren Semestern, besonders den Doktoranden, zu intensiver wissenschaftlicher Tätigkeit vorbehalten bleiben. Tatsächlich darf hinter dem Verteilungsversuch wohl die Abneigung der Nationalsozialisten gegen große Universitäten bzw. Fakultäten vermutet werden, in denen die Studierenden leichter der politischen Kontrolle durch Parteiorgane entgehen konnten.43 Einer Aktennotiz aus dem BArch ist zu entnehmen, dass
40 Vgl. Ministerialrat Professor Dr. Metzner: Die Gestaltung der Hochschulreife. In: DWEV. Jahrgang 1. Stimmen aus Praxis und Wissenschaft. (Nichtamtlicher Teil). Berlin 1935, 63–65, sowie Adam, 96. 41 Alle Zitate nach Mertens: Töchter, 96 f. 42 DWEV. Jahrgang 1. Heft 7. Berlin 1935, 112. 43 Vgl. Cornelius Heinrich Meisiek: Evangelisches Theologiestudium im Dritten Reich. Frankfurt am Main u. a. 1993, 115 f., künftig zitiert als Meisiek.
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bereits Mitte Januar 1934 die Frage der Kontingentierung der Großstadtuniversitäten im Raum stand, an welcher neben den Dozenten vor allem die Studentenschaft ein Interesse zeigte. Eine Zahl von etwa 5000 Studierenden stellte das Maximum für die Erfassung durch den Studentenschaftsführer dar, verbunden mit dem Bewusstsein, dass „Riesenhochschulen“44 nicht übersehen und zweckentsprechend geführt werden konnten. Für München sah der erstmals für das Sommersemester 1935 verfügte Erlass, der lediglich auf Ausländer keine Anwendung fand, eine Festsetzung der Studentenhöchstziffer von 5000 vor45. Entgegen der Einschätzung des REM, wonach die Ziffern unter Berücksichtigung der allgemein zurückgehenden Studentenzahlen etwa 10 % unter dem für das Sommersemester 1935 zu erwartenden Besuch lagen, bedeutete die Kontingentierung besonders für die LMU einen massiven Eingriff in die akademische Freizügigkeit. Diese zeigte sich praktisch in einem schweren Einbruch der offiziellen Studentenfrequenz von 8065 Studierenden im Wintersemester 1934/35 auf 5480 im nachfolgenden Halbjahr, wobei allein die Anzahl der Studentinnen um rund 35 % von 1558 auf 1016 gesunken war.46 Selbst die vom REM verfügte Belassung der bereits über die Höchstzahl hinausgehenden Immatrikulationen sowie die Genehmigung eines zusätzlichen Kontingents von 150 Studierenden zum Ausgleich von potentiellen Härten stellten für die Universität München, die allein im vorangegangenen Sommersemester 1527 Neuaufnahmen verzeichnete, keine spürbaren Erleichterungen dar.47 Auch das lokale Studentenwerk zeigte sich äußerst unzufrieden mit dieser Regelung, befürchtete man doch einen Einnahmeausfall von mindestens 47.000 RM sowie eine daraus resultierende untragbare Einschränkung der Fürsorgemaßnahmen. Letztere wurden insbesondere dadurch erschwert, dass bei der Auswahl
44 BArch, NS 38/2006. Aktennotiz vom 15.1.1934. 45 Zum Vergleich siehe DWEV. Jahrgang 1. Heft 7. Berlin 1935, 112: Berlin 5600, Frankfurt a. M. 1400, Köln 2300, Leipzig 3100, Hamburg 1600, Münster 2500, Technische Hochschulen Berlin 1800, München 1800, Dresden 1400. 46 Vgl. Übersicht über die Zahl der Studierenden im Winter-Halbjahr 1934/35. In: Personenstand der Ludwig-Maximilians-Universität München. Winterhalbjahr 1934/35. I. Teil: Nach dem Stande vom 20. Januar 1935. II. Teil: Nach dem Stande vom 30. November 1934. München 1935, 155, sowie UAM, Sen. 147/1. Übersicht über die Zahl der Studierenden vom Sommer-Halbjahr 1935. Böhm weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass nach außen gegebene Zahlen aufgrund verschiedener Stichtage jedoch teilweise von internen Angaben der Verwaltung abweichen, weshalb sich für das Sommersemester 1935 keine genauen Zahlen feststellen lassen. Böhm, 211, FN 20. 47 Vgl. BayHStA, MK 40628. Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus an den Herrn Reichs- und Preußischen Minister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung vom 28.3.1935.
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der Aufnahmeanträge in erster Linie bedürftigen, ortsansässigen Gesuchstellern das Studium in ihrer Heimat-Universität ermöglicht werden sollte, womit „einerseits die Beiträge für das Fürsorgewesen weitaus geringer waren als in früheren Jahren, andererseits aber die Anforderungen an die Unterstützungskassen die gleichen blieben.“48 Dazu kam ein deutlich spürbarer Verwaltungsaufwand, welcher u. a. aus den nach zahlreichen amtlichen Vorschriften sowie den eigenen Interessen der Hochschulen veranschlagten Kriterien bei der Neuaufnahme resultierte. Verschärft wurde die Gesamtsituation noch zusätzlich durch Konflikte mit der Studentenschaft, die politische Aspekte wie Teilnahme am Ostsemester oder freiwilligen Werkhalbjahr, Mitgliedschaft im Kameradschaftshaus oder alte Parteigenossenschaft als unzureichend beachtet sah. Stattdessen hatte die Universitätsverwaltung den „Bedürfnissen und der besonderen Situation einzelner Fakultäten und Fächer in völlig sachlicher und unpolitischer Weise“49 Rechnung getragen, wie eine interne, 15 Gruppen umfassende Prioritätenliste zeigt.50 Diese Vorgehensweise entsprach der gegenüber den Rektoren der kontingentierten Hochschulen ausgesprochenen Ermächtigung, auf den Bedarf bzw. das Fassungsvermögen der Kliniken und Institute Rücksicht zu nehmen, womit von einer schematischen Bemessungsgrundlage der Studentenzahlen Abstand genommen worden war.51 Dementsprechend wurden an erster Stelle Theologen berücksichtigt, zumal die Fakultät zu den kleinsten gehörte und die Bischöfe die Studenten ohnehin verstärkt auf geistliche Lyzeen schickten. Der Staat aber müsse, so die Begründung, daran interessiert sein, dass katholische Priester ihren Gesichtskreis durch ein Universitätsstudium erweitern. Den dritten Platz bekleideten dagegen bspw. Studierende der Tiermedizin, nachdem die Anzahl der Neuaufnahmen im Sommersemester 1934 gegenüber den früheren Semestern um mehr als die Hälfte zurückgegangen war. Von einer „Zusammenballung“ in dieser Fakultät konnte deshalb nicht die Rede sein. Vielmehr führte die Reduzierung nun paradoxerweise eine Überfüllungssituation an anderen Hochschulen wie Hannover herbei, weshalb das Münchner Dekanat dafür plädierte, die Aufhebung der gesetzlich fixierten Zulassungsbeschränkung zu erwirken. Hierdurch wäre es, so der Geheime Regie-
48 UAM, Sen. 147/1. Rektorat der Ludwig-Maximilians-Universität München an das Staatsministerium für Unterricht und Kultus vom 17.7.1935. 49 Böhm, 212. 50 Vgl. UAM, Stud-Straf-257. Bericht des Verwaltungsinspektors Dr. Burkhardt vom 17.12.1935. Ein verkürzter Abdruck der Liste findet sich bei Böhm, 212, FN 23. 51 Vgl. Regierungsassessor Dr. Heinrich: Die Kontingentierung der Großstadt-Hochschulen. In: DWEV. Jahrgang 2. Heft 6. Berlin 1936, 59.
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rungsrat Anton Stoß, Professor für Anatomie, Histologie und Entwicklungsgeschichte, auch angesichts des zunehmenden Nachwuchsmangels auf diesem Gebiet möglich, einen „gesunden Ausgleich“52 von Immatrikulationen an den tierärztlichen Fakultäten bzw. Hochschulen zu erzielen; ähnliche Überlegungen stellten die Juristische sowie die Philosophische Fakultät I. und II. Sektion an. Weitere kritische Töne wurden zudem aus studentischen Kreisen laut. Nachdem man 1935 den gesamten Abiturientenjahrgang sowie zahlreiche ältere Semester – vor allem die im Vorjahr aufgrund der Inanspruchnahme durch das SA-Hochschulamt Zurückgestellten – zum Arbeitsdienst herangezogen hatte, reichten die verfügbaren Einsatzorte nicht mehr aus. Aus diesem Grund wurde die Mehrheit der arbeitsdienstwilligen Studierenden bereits wegen geringer physischer Mängel als für den Dienst bedingt einsatzfähig erklärt und bis zum Winterhalbjahr zurückgestellt, womit sich die Betroffenen aber weder jetzt noch im kommenden Semester einschreiben konnten. Diese Verhältnisse lösten eine „heftige Mißstimmung, ja Verbitterung“ aus, sei doch, so das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus, im Rahmen der zu erbringenden großen Aufbauarbeit „gerade auf die freudige Mitarbeit der heranwachsenden akademischen Jugend seit jeher mit Recht der größte Wert gelegt worden“, weshalb alles geschehen müsse, „um berechtigten Klagen den Grund zu entziehen.“53 Dem Anliegen entsprechend, ließ das REM daraufhin eine Erhöhung des Zusatzkontingents von 150 auf 250 zu und genehmigte die erstmalige Einschreibung von Abiturienten, die aufgrund der maximalen Auslastung vom Arbeitsdienst zurückgewiesen werden mussten.54 Keine Aussicht auf eine Aufnahme bestand dagegen für nichtarische Gesuchsteller, wie das Beispiel der Großkaufmannstochter Elsa Soyka zeigt. Nachdem die LMU den vormals auf 5000 Studierende angesetzten Grenzwert ohnehin nicht einhalten konnte, musste die gebürtige Nürnbergerin israelitischer Konfession, die im Februar 1935 ihre Reifeprüfung mit fast ausschließlich hervorragenden Noten bestanden hatte, einen abschlägigen Bescheid hinnehmen. Ihr Vorhaben, an der Universität München ein Studium der englischen und französischen Sprache aufzunehmen, welches die junge Frau mit der Staatsprüfung sowie einer daran anschließenden Promotion abzuschließen gedachte, war angesichts
52 UAM, Sen. 147/1. Dekanat der Tierärztlichen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München an das Rektorat der Universität München vom 9.7.1935. 53 BayHStA, MK 40628. Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus an den Herrn Reichs- und Preußischen Minister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung vom 28.3.1935. 54 Vgl. UAM, Stud-Straf-257. Bericht des Verwaltungssekretärs Dr. Burkhardt vom 17.12.1935.
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des starken Andrangs von Studierwilligen unmöglich.55 Da offensichtlich nur wenige Einzelfälle dieser Art überliefert sind, lässt sich nicht überprüfen, wie viele Frauen und Männer keinen Platz an einer der kontingentierten Großstadthochschulen erhielten. Fest steht jedoch, dass auch die Höchstziffernregelung – ebenso wie schon das Überfüllungsgesetz – dazu beitrug, unliebsame Zielgruppen schrittweise von einem Studium und damit vom akademischen Arbeitsmarkt fernzuhalten, wenngleich sich ein Teil von ihnen gezwungenermaßen an einer kleineren Hochschule eingeschrieben haben mag. Für die übrigen Studierenden bedeutete vor allem die späte allgemeine Bekanntgabe des Erlasses über die Festlegung von Studentenhöchstziffern am 23. März 1935, also zwei Tage vor Beginn der Einschreibung, eine besondere Pro blematik. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich schon etliche Abiturienten bzw. Studenten in München, die bereits Zimmer gemietet bzw. diverse Auslagen in Form von Fahrgeld etc. vorgenommen hatten. Angesichts der veränderten Gesetzeslage waren sie nun jedoch kurzfristig gezwungen, die Stadt zu verlassen und die Aufnahme an einer anderen, kleineren Universität zu versuchen.56 Insgesamt standen den im Normalfall zu erwartenden 1500 bis 2000 Neuzugängen57 im Sommersemester 1935 etwa 1300 schriftliche und 200 bis 300 mündliche Aufnahmegesuche entgegen, von denen nur 480 berücksichtigt werden konnten. Rund 1100 Gesuche mussten abgelehnt werden. Bereits zu diesem Zeitpunkt lagen jedoch schon wieder 1350 Gesuche für das nachfolgende Wintersemester vor, welche sich internen Schätzungen zufolge am Ende der eigentlichen Frist wohl auf bis zu 3000 belaufen würden. Dabei war der hohe Zustrom von Studierenden nicht nur die Folge eines reichhaltigen Fächer- und Lehrangebotes, sondern wurde auch durch das geistige und kulturelle Klima der Stadt begünstigt. Obwohl die Münchner Universität neben Berlin zur größten deutschen Lehranstalt zählte und die Kollegs dementsprechend voll besetzt waren, „so daß man immer andere Nachbarn hatte, wenn man nicht zu irgendeiner Bekanntengruppe gehörte“58, standen der Anonymität des Hörsaals das gesellige Theater- und Musikleben sowie die Nähe zu den Bergen gegenüber: ‚Das erste klinische Semes-
55 Vgl. BayHStA, MK 40628. Else Soyka an das Bayerische Ministerium für Unterricht und Kultus vom 23.3.1935, sowie Abschrift des Reifezeugnisses der Städtischen Mädchen-Oberrealschule in Nürnberg vom 15.3.1935. 56 Vgl. UAM, Sen. 147/1. Rektorat der Ludwig-Maximilians-Universität München an das Staatsministerium für Unterricht und Kultus vom 17.7.1935. 57 Vgl. UAM, Stud-Straf-257. Bericht des Verwaltungssekretärs Dr. Burkhardt vom 17.12.1935. 58 Barbara Lauck: Ärztin – Hausfrau – Unternehmerin. In: Isolde Tröndle-Weintritt/Petra Herkert (Hgg.): „Nun gehen Sie hin und heiraten Sie!“. Die Töchter der Alma Mater im 20. Jahrhundert. Freiburg im Breisgau 1997, 260, künftig zitiert als Lauck.
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ter war Kiel, dann München. Da kam das Skilaufen dran […]. München mit dem Fasching und allem, das haben wir, obwohl wir sehr knapp mit Geld waren, alles mitgemacht.‘59 Auch Görtemaker schreibt in ihrer Biografie über Margret Boveri, die ab dem Wintersemester 1925/26 an der LMU immatrikuliert war, das Interesse der Studentin für die Universität sei zu diesem Zeitpunkt noch begrenzt gewesen, während sie das kulturelle Großstadtleben mit Begeisterung wahrnahm. An ein zielstrebiges Studium sei unter diesen Umständen nicht mehr zu denken gewesen.60 Grundsätzlich war es sowohl für Frauen und für Männer wahrscheinlich leichter, sich außerhalb des Hochschulgeländes Freiräume zu schaffen und Bekanntschaften zu knüpfen. „Vor allem in Schwabing gab es ein ausgeprägtes Studentenmilieu mit Kneipen, Tanzbars und privaten Festen, das den nationalsozialistischen Normen und Vorstellungen einer disziplinierten, gleichgeschalteten Jugend zuwiderlief“61; viele der beliebten Treffpunkte gruppierten sich in den Straßen rund um das Hauptgebäude, wie der „Alte Simpl“ in der Türkenstraße oder der „Serenissimus“ gegenüber der Akademie der Künste, „mit einer von unten beleuchteten, todschicken gläsernen Tanzfläche.“62 Selbst Studierende, die – wie die einstige Volkswirtschaftsstudentin Elisabeth K. oder die spätere Juristin Lisa P. – ihr Studium erst nach 1939 aufnahmen, betonen die besondere (Friedens-)Stimmung der Stadt, die „eigentlich das Eldorado“63 für so manche studierwillige Abiturientin dargestellt habe: „München haftete ja schon immer so ein besonderer Ruf an, nicht. Das Oktoberfest gab’s ja dann im Krieg nicht mehr, aber vorher schon. Und dann […] vor allem das Schwabinger Leben – Künstlerleben.“64 In der Adalbertstraße existierte hinter der Kneipe „Papa Steinicke“ ein dazugehöriges Clubheim, in welchem noch bis in die 1940er Jahre Jazzveranstaltungen stattfanden. SS-Angehörigen war dagegen der Besuch untersagt, weshalb es von nationalsozialistischer Seite aus hieß, die Mehrheit der in diesem Lokal permanent verkehrenden Gäste seien über die heutzutage vorherrschenden Verhältnisse hinaus ‚mißvergnügte Schwabinger ‚Künstler‘ und Intellektuelle mit ihrem Anhang sowie zahlreiche Studenten und Studentinnen.‘ Zudem wäre bekannt, dass es in der bayerischen Landeshauptstadt nur wenige Lokale gebe, in welchen
59 Dr. V. 2/53, hier zitiert nach Cohors-Fresenborg, 72. 60 Vgl. Görtemaker, 34. 61 Marion Detjen: „Zum Staatsfeind ernannt“. Widerstand, Resistenz und Verweigerung gegen das NS-Regime in München. München 1998, 199, künftig zitiert als Detjen. 62 Behrens, 35. 63 Interview mit Elisabeth K. vom 26.6. und 9.7.2005. 64 Interview mit Lisa P. vom 10.5.2005.
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‚in solch absolut überwiegender Zahl ausgesprochene Gegner des heutigen Staates verkehren.‘65 Darüber hinaus bescheinigen etliche Studierende der ehemaligen „Hauptstadt der Bewegung“, sie habe mindestens noch bis Kriegsbeginn „gewisse Grundelemente der „liberalitas bavariae““66 gezeigt: „München war zwar die Urheberstadt des Nationalsozialismus, aber die Münchner waren ja immer in der Beziehung etwas, sagen wir mal, nachhinkend.“67 Selbst Ausländer fühlten, so die ehemalige Studentin der Staatswissenschaften, Barbara Schütz-Sevin, „dass das Leben dort im ganzen einen besseren Begriff von deutscher Art bot“68, was sicherlich auch mit der Größe der Stadt zusammenhing, „die vielleicht verhinderte, einander so in den Topf zu gucken“, wie das in kleineren Orten möglich war: „München kam mir noch viel normaler vor. […] In München hatte das Leben gewissermassen nicht aufgehört, zumindest auf den ersten Blick. Es heisst ja auch ganz allgemein die „Stadt der Gegenbewegung“ und soll, zusammen mit Berlin, das wegen seiner ausländischen diplomatischen Vertretungen ein wenig auf seinen Ruf – zumindest in der Öffentlichkeit – achten muss, der Ort sein, wo man noch am unangefochtendsten leben kann.“69 Eigene Interviews mit Zeitzeugen bestätigen das hier angesprochene Lebensgefühl, wonach die bayerische Landeshauptstadt durchaus „viele Möglichkeiten des Flüchtens aus der Beobachtung“ geboten habe, während dagegen Berlin „zu nah am politischen Zentrum“ gewesen sei: „Was wir hier in München auch sehr genossen haben: Wir konnten mit dem Fahrrad nach Innsbruck fahren, oder wo wir auch hinwollten. Und konnten wandern und konnten in der freien Natur sein und da konnten wir reden, wie wir wollten. […] Das ganze Leben in München war für Studenten einmalig frei. […] Ich glaube nicht, dass man in einer Kleinstadt so ungeschoren davon gekommen wäre wie gerade in der Großstadt München.“70 Während vereinzelte Universitäten wie Tübingen oder die an der Ostsee befindlichen Hochschulorte Greifswald, Kiel, Königsberg und Rostock nach Glaser als sog. „Sommeruniversitäten“ galten71, hielt München mit seiner Nähe zu den verschiedenen See- und Berglandschaften zu allen Jahreszeiten ein abwechslungsreiches Sport- bzw. Freizeitprogramm bereit, so dass, wie bereits
65 BDC, OSS Dyckerrhoff, Hans. Gaugericht Mainfranken (Rinck) an Reichsführer SS (SS-Gericht) vom 24.7.1939, hier zitiert nach Dorsch, 248. 66 Behrens, 21. 67 Interview mit Dr. Maria-Veronika D. vom 28.4.2005. 68 Schütz-Sevin, 284 f. 69 Ebd., 289. 70 Interview mit Dr. Marianne W. vom 29.4.2005. 71 Vgl. Glaser, 148.
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Rudolf Weiß vom Verkehrsverband München und Südbayern in einem Bericht des lokalen Hochschulführers zum Wintersemester 1928/29 schreibt, „der Wassersportler an den Seen im Südwesten und im Isartal, der Bergsteiger im Klettergarten im Süden, der Maler im Dachauer und Erdinger Moos im Norden, der Waldfreund und Botaniker im Osten Münchens, der Naturfreund und der für Schönheit Empfängliche […] überall auf seine [sic!] Rechnung“72 kamen. Auch vonseiten des Rektorats bediente man sich einer heimatbezogenen Argumentation, die zuerst vom Professor für Zivilprozessrecht und deutsches bürgerliches Recht, Wilhelm Kisch, angewandt worden war73, um das mangelnde Bedürfnis nach Studentenhöchstziffern zu begründen. Der Schwerpunkt lag dabei selbstverständlich auf der politischen Bedeutung: „München vermag als Stadt der Bewegung dem politischen und weltanschaulichen Denken des Studenten, als größte Kunststätte des Reichs der Allgemeinbildung große und wichtige Eindrücke zu vermitteln.“ Als weitere Gründe führte man die Gebirgsnähe sowie die hiermit verbundene Durchführung hochalpiner Sportarten ebenso an wie die Tatsache, dass die z. T. weltberühmten wissenschaftlichen Anstalten der LMU Gefahr liefen zu veröden, sollte die Zahl der Studenten weiter absinken. Dies „hieße die deutsche Wissenschaft schwer schädigen und totes Kapital schaffen. Für die wissenschaftliche Ausbildung und die körperliche Ertüchtigung bietet die Großstadt durch ihre kostspieligen Einrichtungen weit mehr Gelegenheit als die kleinstädtische Universität, manche Wissenschaften (Zeitungswissenschaft u. Kunstgeschichte) werden fast nur an großstädtischen Hochschulen gelehrt.“74 Trotz der geschickt angelegten Begründung wurde die Quote für die LMU vom REM für das Wintersemester 1935/36 lediglich von 5000 auf 5400 erhöht, während die Universität Berlin zeitgleich eine Vergrößerung ihres Anteils um 1300 Studierende auf insgesamt 6900 erfuhr. Berücksichtigt werden sollten diejenigen Antragsteller auf Neuaufnahme, zu denen alte Kämpfer der NSDAP, Angehörige der Wehrmacht sowie Studenten gehörten, die zwei oder mehr Semester an einer sog. „Grenzlanduniversität“ (Königsberg, Danzig, Breslau) studiert hatten. Davon abgesehen hatten schriftliche Gesuche in der Reihenfolge des Eingangs Beachtung zu finden.75
72 Rudolf Weiß: München und die Studentenschaft. In: MHF vom Wintersemester 1928/29, 23. 73 Vgl. UAM, Sen. 147/1. Wilhelm Kisch an den Herrn Rektor der Universität München vom 9.7.1935. 74 Ebd. Rektorat der Ludwig-Maximilians-Universität München an das Staatsministerium für Unterricht und Kultus vom 17.7.1935. 75 Vgl. UAM, Sen. 6a. Bekanntmachung vom 14.9.1935. Ausgenommen von der Höchstziffer waren Reichsausländer sowie Studierende, die im Sommersemester 1935 beurlaubt waren.
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Da mittlerweile bereits 2000 Gesuche eingelaufen waren und sich das Münchner Rektorat gezwungen sah, beim gegenwärtigen Stand der Immatrikulationen erneut über 1000 Bewerber abzuweisen, wandte sich Prorektor Leopold Kölbl umgehend an das Staatsministerium für Unterricht und Kultus mit der Bitte, mit Blick auf die Reichshauptstadt für eine adäquate Anhebung der Studentenhöchstziffer zu plädieren.76 Einer im Januar 1936 verfassten Aufstellung zufolge hatten sich im laufenden Halbjahr letztendlich etwa 3650 Abiturienten und Studierende beworben, von denen 2050 einen abschlägigen Bescheid erhielten. Weil sich unter den 1600 bewilligten Bewerbern jedoch nur 1000 einschreiben ließen, blieb man mit insgesamt 4716 reichsdeutschen Studierenden schließlich noch unter dem offiziellen Grenzwert von 5400, eine Summe, die selbst unter Hinzuziehung der 491 Ausländer, die nicht von der Beschränkung betroffen waren, unerreicht geblieben wäre.77 Einen Monat später erging zudem eine Anweisung, wonach neben den bisher vorrangig zu bearbeitenden Antragstellern auf Neuimmatrikulationen fortan auch aktive Mitglieder nationalsozialistischer Verbände oder zur Promotion angenommene Doktoranden zur o. g. Gruppe zählten sowie diejenigen, die zwei Semester an einer nicht kontingentierten Universität immatrikuliert gewesen waren und nun an ihre Stammhochschule zurückkehren wollten. Darüber hinaus ermächtigte man die Rektoren, eine Prüfung der Verhältnisse bei denjenigen Studenten vorzunehmen, die länger als drei Semester an der gleichen Großstadthochschule eingeschrieben waren. Sollten diese nicht in der Lage sein, zwingende Gründe für einen weiteren Verbleib zu benennen, so konnte ihnen das Studienbuch eingezogen und eine Exmatrikulation nahegelegt werden78; entsprechende Fälle lassen sich für die LMU allerdings nicht nachweisen. Die Ursache für diese Zurückhaltung mag in der Tatsache begründet gewesen sein, dass die Universität München bereits zum Sommersemester 1936 keine Abweisungen mehr vornehmen musste, nachdem der maximalen Anzahl von 5200 möglichen Einschreibungen nur 4291 Studierende gegenüberstanden. Schwieriger gestaltete sich dagegen offenbar die Situation für „Nichtarier“. Trotz der großen Differenz an Immatrikulationen gelang es der Halbjüdin Paula Kelle-
76 Vgl. UAM, Sen. 147/1. Leopold Kölbl an das Staatsministerium für Unterricht und Kultus vom 17.9.1935. 77 Vgl. ebd. Rektorat der Ludwig-Maximilians-Universität an das Staatsministerium für Unterricht und Kultus vom 24.1.1936. Böhm spricht in diesem Zusammenhang von 4771 reichsdeutschen Studenten, jedoch ohne die Quelle für diese Angabe zu benennen. Vgl. Böhm, 213. 78 Vgl. UAM, Sen. 147/1. Der Reichs- und Preußische Minister für Wissenschaft, Unterricht und Volksbildung an die Herren Rektoren der Universitäten Berlin, Leipzig, Köln, Frankfurt, München, Münster, Hamburg […] vom 26.2.1936.
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rer nicht, in diesem Halbjahr ihre erstmalige Zulassung zum Hochschulstudium an der LMU vornehmen zu lassen. Angeregt durch eine umfangreiche Sammlung des Vaters wollte die junge Frau ihren Schwerpunkt auf die orientalische Numismatik legen in der Zuversicht, nach Abschluss des Studiums bei einem als Professor tätigen Verwandten in Kairo Anstellung zu finden. Obwohl der aktuelle Rektor, der Geologe Professor Leopold Kölbl, das Gesuch befürwortend durch das Staatsministerium für Unterricht und Kultus an den REM zur Überprüfung weiterleiten ließ, verweigerte man die Erstimmatrikulation ohne Angabe von Gründen. Einer handschriftlichen Notiz auf dem Gesuch der Abiturientin ist allerdings zu entnehmen, dass selbige wegen ihrer Eigenschaft als Halbjüdin offenbar nicht in den RAD aufgenommen wurde. Aus diesem Grund könne, so der Inhalt der Randbemerkung, die Zulassung kaum befürwortet werden, „da hierin eine wohl nicht zu rechtfertigende Bevorzugung gegenüber den arischen Studenten läge.“79 Tatsächlich konnten „Nichtarier“ (einschließlich „Dreiviertel-“, „Halb-“ und „Viertel-Nichtarier“) nach Maßgabe der Bestimmungen des Überfüllungsgesetzes vom 25. April 1933 (§ 4 Abs. 3)80 sowie einer Kultusministerialentschließung vom 21. Oktober 1933 (Nr. V 39661) auch ohne Arbeitsdienst zum Studium zugelassen werden81, bis durch das Reichsarbeitsgesetz vom 26. Juni 1935 ohnehin eine staatsrechtliche Verankerung für den Ausschluss von „Nichtariern“ vom Arbeitsdienst erfolgte.82 Wer als Person nichtarischer Abstammung galt, bestimmten dabei die Richtlinien des Reichsministers des Innern vom 8. August 1933, die auch Halbjuden bzw. „Mischlinge ersten Grades“ wie Paula Kellerer einschlossen.83 Nachdem sich die Begründung direkt neben der Signatur des Staatsministeriums für Unterricht und Kultus befindet, mag an dieser Stelle die Überlegung ange-
79 BayHStA, MK 40628. Paula Kellerer an das Rektorat der Universität München vom 7.3.1936. Auffallend ist, dass sich die Randnotiz auf dem Gesuch direkt neben der maschinenschriftlichen Signatur des Staatsministeriums für Unterricht und Kultus befindet, welche das Schreiben der Abiturientin sowie die Befürwortung des Rektorats mit der Bitte um Entscheidung an den Reichsund Preußischen Minister für Erziehung und Volksbildung weitergeleitet hatte. 80 Vgl. Kapitel II, 2 „Volljuden“. 81 Vgl. UAM, G-I-5 Band 2. Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus an die Herren Rektoren der Universitäten […] vom 3.4.1935. 82 Vgl. Reichsarbeitsdienstgesetz vom 26.6.1935, § 7. In: RGBl. Teil I. Nr. 64. Berlin 1935, 770: „Zum Reichsarbeitsdienst kann nicht zugelassen werden, wer nichtarischer Abstammung ist oder mit einer Person nichtarischer Abstammung verheiratet ist.“ 83 Vgl. Richtlinien zu § 1a Abs. 3 des Reichsbeamtengesetzes in der Fassung des Gesetzes vom 30. Juni 1933 (RGBl. Teil I. Nr. 74. Berlin 1933, 433) vom 8. August 1933, 1 (1): „Als nicht arisch gilt, wer von nicht arischen, insbesondere jüdischen Eltern oder Großeltern abstammt. Es genügt, wenn ein Elternteil oder ein Großelternteil nicht arisch ist. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn ein Elternteil oder ein Großelternteil der jüdischen Religion angehört hat.“
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bracht sein, dass sich das bayerische Staatsministerium bzw. einige seiner Mitarbeiter „gerade in der weitgehenden Durchsetzung nationalsozialistischer Ziele als recht selbständig“84 erwiesen und durch entsprechende Interventionen mitunter zur Gruppe derer gehörten, die mit ihrem Verhalten zu einer stillschweigenden Verschärfung der bisherigen Zulassungsvoraussetzungen beitrugen. So legte bspw. ein Erlass des Badischen Kultusministeriums vom 13. November 1934 fest, dass die Immatrikulation neben wissenschaftlicher und persönlicher Eignung eine ‚nach Abstammung und Betätigung engere Beziehung zum Deutschtum‘85 voraussetze, eine unpräzise Formulierung, welche den Rektoren großen Spielraum bei der Behandlung jüdischer Abiturienten eröffnete. Wie ein Vergleich mit § 4 des Überfüllungsgesetzes vom 25. April 1933 zeigt, erfuhren die Zulassungsbedingungen damit aber eine erhebliche Verschärfung, die deutlich von einer „antisemitischen Tendenz“86 zeugte und die Entscheidung über die erforderliche Auswahl den jeweiligen Hochschulen überließ: „Willkürentscheidungen eifriger oder auch nur ängstlicher Rektoren war damit Tür und Tor geöffnet.“87 Allerdings lässt sich, so von Olenhusen, nicht feststellen, ob man bspw. an der badischen Universität Freiburg in der Folgezeit bei Neuimmatrikulationen oder durch Senkung der Studentenziffern dementsprechende Beschränkungen vornahm. Diese Annahme sei jedoch angesichts der „allgemeinen Säuberungswelle und der allenthalben mindestens kollaborativen Anpassung auch der Universitäten […] nicht von der Hand zu weisen“88. Auch das Beispiel von Paula Kellerer, die sich – anders als Elsa Soyka – aufgrund nachlassender Studentenzahlen zwar nicht mehr den unmittelbaren Folgen maximaler Kontingentierung, wohl aber einer deutlichen Bevorzugung von nach politischen und damit regimeentsprechenden Gesichtspunkten ausgewählten Antragstellern gegenübersah, trägt deutliche Züge einer antisemitischen Stoßrichtung. Ob die Handhabung ihres Gesuches jedoch stellvertretend für die gängige Praxis eines einzelnen, nach persönlichen Interessen agierenden NS-treuen Staatsdieners oder gar eines ganzen Ministeriums war, muss aufgrund unzureichender Fallbeispiele offenbleiben, wenngleich zumindest die nationalsozialistische Umstrukturierung auf dem Personalsektor des Bayerischen Kultusministeriums in den ersten Monaten nach Machtübernahme als erwiesen
84 Olenhusen, 182. 85 FUA XIV/2, 18. Erlass des Badischen Kultusministeriums vom 13.11.1934, Nr. A 27237, hier zitiert nach Olenhusen, 183. 86 Ebd. 87 Grüttner, 216. 88 Olenhusen, 183.
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gilt89; dass derartige Praktiken, gesetzliche Vorschriften mittels interministerieller Anordnungen zu unterlaufen, zur Regel wurden, stellt für Adam dagegen ein erwiesenes Ergebnis auf dem Gebiet der Judengesetzgebung dar.90 Darüber hinaus steht fest, dass die LMU auch in der Folgezeit das bis zum Sommersemester 1938 auf 4800 Einschreibungen begrenzte Kontingent nicht annähernd mehr ausschöpfen konnte, zumal die Studentenziffern seit dem Wintersemester 1935/36 weiter hinter den angeordneten Höchstzahlen zurückblieben. „Das ist zum Teil auf die Festsetzung der Höchstziffern – viele Studenten haben es in der Meinung, die Universität München sei überfüllt und die Aufnahme sei daher ungewiß, unterlassen, sich um die Einschreibung zu bewerben –, zum Teil auf den allgemeinen Rückgang der Zahl der Studenten zurückzuführen“91, wie einem Bericht des Rektors Philipp Broemser im Januar 1939 zu entnehmen ist. Eingebunden in den reichsweiten „zyklischen Abschwung der Studentenzahl“92, welcher sich auch an den Großstadtuniversitäten bemerkbar machte, wurden die vom Ministerium angesetzten Limitierungen oftmals von der tatsächlichen Entwicklung überholt. So führt etwa Grüttner das Beispiel der Berliner Universität
89 Vgl. Hermann Rumschöttel: Geschichte des bayerischen Kultusministeriums von der Errichtung bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs. In: Bayerisches Staatsministerium für Unterricht, Kultus, Wissenschaft und Kunst (Hg.): Tradition und Perspektive. 150 Jahre Bayerisches Kultusministerium. München 1997, bes. 85–90, hier 87. 90 Vgl. Adam: Judenpolitik, 53. Wie eine Übersicht der an der LMU eingeschriebenen „Mischlinge ersten Grades“ zeigt, war es Paula Kellerer jedoch spätestens im Wintersemester 1936/37 gelungen, als Studierende der Philosophischen Fakultät I. Sektion und Mitglied der Deutschen Studentenschaft aufgenommen zu werden. Vgl. UAM, Sen. 6 II/I. Namentliches Verzeichnis der an der Universität München immatrikulierten jüdischen Mischlinge 1. und 2. Grades – Mitglieder der Deutschen Studentenschaft – vom 21.1.1937. 91 UAM, Sen. 147 Band 2. Rektorat der Ludwig-Maximilians-Universität München an den Herrn Staatsminister für Unterricht und Kultus in München vom 18.1.1939. Die beigefügte Übersicht verdeutlicht die massive Differenz zwischen der festgesetzten Höchstziffer und der tatsächlichen Zahl der eingeschriebenen reichsdeutschen Studenten an der Universität München: „Halbjahr Zahl der eingeschriebenen Festgesetzte Weniger (–) oder mehr reichsdeutschen Studenten Höchstziffer (+) als die Höchstziffer Sommer- 1935 5604 5250 + 354 Winter- 1935/36 4785 5400 – 615 Sommer- 1936 4298 5200 – 902 Winter- 1936/37 4577 5000 – 423 Sommer- 1937 4063 -------Winter- 1937/38 4523 4800 – 277 Sommer- 1938 4013 4800 – 787 Winter- 1938/39 4329 --- - - - - -“ 92 Jarausch: Säuberung, 177.
3.1 Freiwilliger Arbeitsdienst und freiwilliges Werkhalbjahr
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an, deren Rektor bereits 1937 konstatierte, die „Kontingentierungspolitik“93 habe die Entwicklung der hiesigen Studentenzahlen nur marginal beeinflusst, zumal die tatsächliche Menge der Studienbewerber nahezu immer unter dem offiziellen Höchstwert geblieben sei. Die zum Wintersemester 1938/39 angeordnete Aufhebung der praktisch sinnbzw. wirkungslos gewordenen Studentenhöchstziffer für Großstadtuniversitäten, welche in München schon zweieinhalb Jahre vor Außerkraftsetzung keine Wirkung mehr zeigte, war damit nur mehr das indirekte „Eingeständnis einer verfehlten Politik“94.
3 Arbeitsdienst 3.1 Freiwilliger Arbeitsdienst und freiwilliges Werkhalbjahr Der Aufhebung des Gesetzes gegen die Überfüllung deutscher Schulen und Hochschulen und damit auch der Zulassungsbeschränkung für Frauen folgten jedoch schnell neue Erlasse der Nationalsozialisten, die den Zugang männlicher und weiblicher Studierender zur Universität erschwerten oder zumindest hinausschoben. Während das „Überfüllungsgesetz“ nach Meinung von Adam in studentischen Kreisen durchaus noch auf Verständnis stoßen konnte, zumal es „sowohl die Gefahr eines akademischen Proletariats zu verhindern als auch dem latenten Antisemitismus der Studentenschaft zu entsprechen“95 suchte, stand man den folgenden Anordnungen bereits wesentlich skeptischer gegenüber. Anstoß der Kritik war die Pflicht eines studentischen Arbeitsdienstes. Wie bereits Lilli Marawske-Birkner in ihrer 1940 unter Leitung von Geheimrat Prof. Adolf Weber mit „sehr gut“ bewerteten Doktorarbeit an der Staatswirtschaftlichen Fakultät der LMU über den weiblichen Arbeitsdienst, Stefan Bajohr 1980 oder unlängst Kiran Klaus Patel in seiner 2003 veröffentlichten Dissertation zum Thema des deutschen und amerikanischen Arbeitsdienstes in den Jahren des Dritten Reiches zeigten, lässt sich die Idee eines nationalen Pflichtdienstes auf sozialem Gebiet für junge Frauen bis ins ausgehende 18. Jahrhundert zurückverfolgen. So reichte Therese Cabarrus-Fontenay dem französischen Nationalkonvent 1794 eine Denkschrift zur Einrichtung der Frauendienstpflicht in der Armen-
93 Grüttner, 239. 94 Böhm, 213. 95 Adam, 87.
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und Krankenpflege ein.96 Die Forderungen nach einer Arbeitsdienstpflicht für Männer wurden dagegen erst im Rahmen des Versailler Vertrages laut, wobei in erster Linie an eine Kompensation der bzw. ein Äquivalent für die abgeschaffte Wehrplicht gedacht war, d. h. die einzelnen Arbeitspläne sollten gezielt auf die Verteidigung des Landes ausgerichtet werden.97 Die weitere Diskussion um die Einführung eines weiblichen Arbeitsdienstes, die Lore Kleiber ausgehend von den Forderungen bürgerlicher Frauenrechtlerinnen – welche die Idee ursprünglich als Pendant zur bestehenden Wehrpflicht verstanden –, dargestellt hat98, verdeutlicht den zunehmend arbeitsökonomischen Hintergrund dieser Überlegungen, die fortan beide Geschlechter gleichermaßen betrafen. So sahen sich Reichskanzler Heinrich Brüning und sein Kabinett angesichts der unaufhaltsamen wirtschaftlichen Depression zu einem wesentlichen Zugeständnis an die hauptsächlich vonseiten der antirepublikanischen Rechten erhobenen Forderungen nach einer Arbeitsdienstpflicht gezwungen. Dieses Entgegenkommen fand seinen Niederschlag in der „Zweiten Verordnung des Reichspräsidenten zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen“ vom 5. Juni 1931, welche die Grundlage für einen Freiwilligen Arbeitsdienst (FAD) schuf. Teilnahmeberechtigt waren Empfänger von versicherungsmäßiger Arbeitslosen- oder Krisenunterstützung bzw. Jugendliche, die aufgrund ihres niedrigen Alters noch keinen Anspruch auf diese Hilfe erworben hatten. Die überwiegende Mehrheit der Langzeitarbeitslosen, die überhaupt nicht gefördert wurden, schloss man auf diese Weise ebenso aus wie kommunale Wohlfahrtsempfänger und Erwerbstätige. Dem auf 20 Wochen beschränkten Aufenthalt im FAD lagen Betätigungen wie bspw. Boden- oder Verkehrsverbesserungen sowie die Bewirtschaftung von Kleingarten- und Siedlungsland zugrunde. Sie sollten garantieren, dass auch die
96 Vgl. Lilli Marawske-Birkner: Der weibliche Arbeitsdienst. Seine Vorgeschichte und gegenwärtige Gestaltung. Diss. Leipzig 1942, 23 f., künftig zitiert als Marawske-Birkner, sowie den dazugehörigen Promotionsakt im UAM, M-Np-WS 41/42, SS 42. Vgl. darüber hinaus Stefan Bajohr: Weiblicher Arbeitsdienst im „Dritten Reich“. Ein Konflikt zwischen Ideologie und Ökonomie. In: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte. 28. Jahrgang. Heft 3. Stuttgart 1980, 331–357, hier 332, künftig zitiert als Bajohr, und Kiran Klaus Patel: „Soldaten der Arbeit“. Arbeitsdienste in Deutschland und den USA 1933–1945. Göttingen 2003, 33, künftig zitiert als Patel. 97 Vgl. Wolfgang Benz: Vom freiwilligen Arbeitsdienst zur Arbeitsdienstpflicht. In: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte. 16. Jahrgang. 4. Heft. Stuttgart 1968, 317–346, hier 317, künftig zitiert als Benz. 98 Vgl. Lore Kleiber: „Wo ihr seid, da soll die Sonne scheinen!“ – Der Frauenarbeitsdienst am Ende der Weimarer Republik und im Nationalsozialismus. In: Frauengruppe Faschismusforschung: Mutterkreuz und Arbeitsbuch. Zur Geschichte der Frauen in der Weimarer Republik und im Nationalsozialismus. Frankfurt am Main 1981, 188–214, künftig zitiert als Kleiber.
3.1 Freiwilliger Arbeitsdienst und freiwilliges Werkhalbjahr
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Allgemeinheit von der neuen Einrichtung profitierte.99 Schwieriger gestaltete sich die Situation dagegen für weibliche Arbeitsdienstwillige, für die sich kaum geeignete Einsatzbereiche fanden. Deshalb ging man dazu über, diese hauptsächlich zu „unproduktiven Handlangertätigkeiten“100 wie Putzen oder Kochen in Männerlagern heranzuziehen. Der Anreiz für Frauen, sich freiwillig zu melden, war daher eher gering, zumal derlei Aufgaben auch privat verrichtet werden mussten und somit keine Fortbildungsmöglichkeit im Sinne einer beruflichen Perspektive bestand.101 Da den Arbeitslosen im FAD durch die Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung die bisher gewährte Arbeitslosen- bzw. Krisenunterstützung in unveränderter Höhe und Dauer weitergezahlt oder alternativ ein Betrag von bis zu zwei RM pro Kopf und Wochentag gewährt wurde, sprechen Benz und Patel von einem im Wesentlichen sozialpädagogisch ausgerichteten Ansatz. Er sollte vor allem „zielgenaue Hilfe für ohnehin staatlich unterstützte Arbeitslose sein und die psychischen und arbeitsethischen Folgen von Erwerbslosigkeit bekämpfen“102 helfen; erst die Wiederaufnahme einer regulären Beschäftigung im freien Vertragsverhältnis zog die vorzeitige Entlassung aus dem Dienst nach sich. Wenngleich ein besonderer finanzieller Anreiz des FAD in der Tatsache gelegen haben mochte, wonach die Unterstützung auch für diejenigen Arbeitslosen weiter gezahlt werden konnte, die innerhalb der auf rund fünf Monate angesetzten Dienstzeit ihren Anspruch eigentlich schon erschöpft hatten, darf nicht übersehen werden, dass erst mit der durch Brünings Nachfolger, Reichskanzler Franz von Papen, vorgenommenen Neuordnung des FAD vom 16. Juli 1932 die ökonomische Komponente der Einrichtung deutlicher hervortrat. So war fortan
99 Vgl. Arbeitslosenhilfe und Krisenfürsorge. In: RGBl. Teil I. Nr. 22, Berlin 1931, 295, sowie Patel, 51 f., und Kleiber, 190. 100 Bajohr, 335. „Träger der Arbeit konnten nur Körperschaften des öffentlichen Rechts und solche Vereinigungen oder Stiftungen sein, die gemeinnützige Ziele verfolgten sowie solche Vereinigungen, die Gruppen von Arbeitsdienstwilligen zwecks Durchführung des FAD für die eingangs genannten Arbeiten zusammenfaßten; auf Erwerb gerichtete Unternehmen waren von der Trägerschaft ausgenommen.“ Johannes Steffen: Notstandsarbeit, Fürsorgearbeit, Pflichtarbeit, Freiwilliger Arbeitsdienst. Die öffentlich geförderte bzw. erzwungene Beschäftigung in der Weimarer Republik – 1918/19 bis 1932/33 –. Bremen 1994, 83, hier nach http://www.sozialpolitik-portal.de/ uploads/sopo/pdf/1994/1994-06-00-Steffen-oeffentlich-gefoerderte-Beschaeftigung-1918-1933.pdf vom 14.8.2014, künftig zitiert als Steffen. 101 Vgl. Henning Köhler: Arbeitsdienst in Deutschland. Pläne und Verwirklichungsformen bis zur Einführung der Arbeitsdienstpflicht im Jahre 1935. Berlin 1967, 144, künftig zitiert als Köhler, sowie Kleiber, 196. 102 Patel, 53. Vgl. dazu auch Benz, 324.
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3 Arbeitsdienst
der förderungsfähige Personenkreis nicht mehr allein auf Unterstützungsempfänger der Arbeitslosen- und Krisenunterstützung beschränkt, sondern umfasste alle männlichen und weiblichen Deutschen zwischen 18 und 25 Jahren, wobei der Aufenthalt im FAD jedoch nicht mehr auf die Unterstützungsdauer von Arbeitslosen- und Krisenunterstützung angerechnet wurde; die Einsatzzeit selbst konnte bei volkswirtschaftlich wertvollen Aufgaben auf 40 Wochen verlängert werden.103 Wenige Monate später, im November des Jahres, ergingen außerdem genauere Erläuterungen über die Arbeitsbereiche des weiblichen FAD. Friedrich Syrup, Präsident der Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung, der seit Juli ebenfalls Reichskommissar des FAD war, „erklärte nun ‚Dienstleistungen für Hilfsbedürftige‘ zum besonderen Inhalt des weiblichen Arbeitsdienstes. Dabei handelte es sich ‚vor allem um das Erhalten und Pflegen von Sachgütern, das Umwandeln alter Gegenstände für neuen Gebrauch und um hauswirtschaftliche Leistungen für Dienstwillige oder Notleidende‘“104. Vor dem Hintergrund der Etablierung des FAD im Juni 1931 gewann auch der Gedanke eines freiwilligen studentischen Arbeitsdienstes an Interesse, dessen Organisation und Durchführung das Studentenwerk bzw. Ämter der Studentenschaft zuständigkeitshalber übernehmen sollten.105 Ähnlich wie die Universität Tübingen, die schon früh die Bestrebungen der Regierung Brüning hinsichtlich des Aufbaus eines Arbeitsbeschaffungsprogramms durch Gründung des Tübinger Bundes für freiwilligen Arbeitsdienst zu fördern gedachte106, unterstützte auch die LMU ein von den Studentenschaften der bayerischen Hochschulen (Kreis VII der DSt) auf ihre Kosten eingerichtetes Lager für FAD in Arrach bei Kötzing (Bayerischer Wald)107. Sie gewährte einen finanziellen Zuschuss in Höhe von 1800 RM und setzte extra einen Arbeitsausschuss ein – bestehend aus dem studentischen Leiter der TH, einem Dozenten sowie einem Vertreter des Wirtschaftskörpers des Vereins Studentenhaus. Allerdings stieß dieses Vorhaben nicht überall auf Gegenliebe, zumal die DSt eine Umlage von 1 RM pro Kopf der Münchner Studierenden verfügt hatte. Angesichts der prekären finanziellen Notlage der Studentenschaft wurde dies höhnisch betrachtet, und das umso mehr, als damit die „äußerst bedürftigen
103 Vgl. Patel, 54, Kleiber, 191, Marawske-Birkner, 188, Steffen, 85, sowie die Verordnung über das Inkrafttreten der Verordnung über den FAD vom 16. Juli 1932. In: RGBl. Teil I. Nr. 53. Berlin 1932, 392–395. 104 Bajohr, 335. 105 Vgl. ausführlich dazu Köhler, 233–237. 106 Vgl. Adam, 87. 107 Vgl. dazu Zur Errichtung eines Amtes für Arbeitslager. In: BHZ vom 21.1.1932, hier nach UAM, Sen. 843.
3.1 Freiwilliger Arbeitsdienst und freiwilliges Werkhalbjahr
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Geldbeutel der akademischen Jugend zugunsten reaktionärer Ziele“108 einer mittlerweile von den Nationalsozialisten durchdrungenen DSt nach Meinung der Beschwerdeführer geschwächt werden sollten. Nachdem sich jedoch die Mehrheit der Studentenvertreter gegen diesen Plan ausgesprochen und auch das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus eine Erhöhung der Zwangsbeiträge abgelehnt hatte109, nahm man von dieser Idee Abstand und genehmigte für das Sommersemester 1933 lediglich einen Zuschlag zum AStA-Beitrag bis zum Höchstbetrag von 30 Pfennig. Er war an die Kreisleitung abzuführen und für die innerhalb des Kreises VII betriebenen Arbeitslager für Abiturienten und Studenten zu verwenden.110 Während des achtwöchigen Lagers, das am 1. August 1932 mit 120 bayerischen Studenten und 60 Arbeitslosen seinen Betrieb mit dem Bau eines Wirtschaftsweges aufnahm111, beteiligten sich u. a. rund 90 Studenten der LMU sowie 20 bzw. 40 der Universitäten Erlangen und Würzburg.112 Des Weiteren zeigte sich die örtliche Studentenschaft grundsätzlich bereit, einsatzbereite Mitglieder zu den von der Landeshauptstadt geplanten Lagern abzustellen, nachdem im September 1932 schon 1800 arbeitslose Jugendliche im sog. „Jugenddienst“ beschäftigt und nun entsprechende Vorbereitungen für Arbeitsdienstwillige im Alter von 21 bis 25 Jahren in Angriff genommen worden waren. Sie sahen auch die Möglichkeit vor, Studentinnen in weiblichen Gruppen aufzunehmen.113 Wie groß der Anteil der Studierenden war, die von dieser Möglichkeit Gebrauch machten, lässt sich allerdings nicht sagen, wobei ihre Gesamtzahl im FAD eher als gering bezeich-
108 Studenten gegen Arbeitslager. In: Münchener Post vom 1.3.1932, hier nach UAM, Sen. 843. 109 Vgl. UAM, Sen. 843. Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus an den Kreis VII (Bayern) der deutschen Studentenschaft in München vom 8.2.1932. 110 Vgl. ebd. Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus an die Rektorate der drei Landesuniversitäten vom 5.4.1933. 111 Vgl. UAM, Sen. 368/5 Band 1. Studentenschaft der Universität München an das Rektorat der Universität München vom 20.8.1932, und Studentenschaft der Universität München an den Stadtrat der Landeshauptstadt München, Wohlfahrts- und Jugendamt vom 29.9.1932, sowie UAM, Sen. 843. Kreis 7 (Bayern) der deutschen Studentenschaft an Geheimrat Prof. Dr. Demoll vom 9.7.1932. 112 Vgl. UAM, Sen. 843. Kostenvorschlag für die Arbeitslager Arrach vom 22.6.1932. 113 Vgl. UAM, Sen. 368/5 Band 1. Stadtrat der Landeshauptstadt München, Wohlfahrts- und Jugendamt an das Rektorat der Ludwig-Maximilians-Universität München vom 6.9.1932. Vgl. dazu auch Marawske-Birkner, die davon spricht, dass München im Dezember 1932 60.000 Arbeitslose hatte, darunter 20.000 Jugendliche (13.000 Männer, 7000 Frauen). 3500 von ihnen konnten zu diesem Zeitpunkt im sog. „Münchner Jugenddienst“ beschäftigt werden, eine Unterabteilung der Nothilfe 1931/32, welche sich die Durchführung des FAD zur Aufgabe gemacht hatte. MarawskeBirkner, 201 f.
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3 Arbeitsdienst
net werden muss und sich bis zum Oktober 1932 erst auf rund 2000 Teilnehmer belief.114 Die nur wenige Monate später bekannt gewordene Unternehmung der Reichsregierung zur Einführung eines pflichtmäßigen akademischen Werkhalbjahres zwischen Abitur und Immatrikulation führte schließlich zu einer auf Mitte Dezember 1932 veranschlagten Besprechung mit den Landesregierungen, denen auch eine Stellungnahme der LMU vorlag. Der Bericht, der das Ergebnis mehrerer Sitzungen eines aus Dozenten und Studierenden bestehenden Senatsausschusses enthielt, befürwortete das Vorhaben grundsätzlich. Dennoch wurde das Werkjahr nicht primär als Lösung gegen die Überfüllungskrise verstanden, sondern als erster „Anfang einer weitgreifenden und tiefreichenden Bewegung mit dem Ziele, die reifere Jugend wieder in einen nationalen Dienst zu stellen“. Auf diese Weise dachte man bereits vor dem Machtantritt der Nationalsozialisten erneut an eine erzieherische und wehrpolitische Funktion: „Grundlegend wichtig ist die Erkenntnis, dass speziell die wirtschaftliche, sittliche und arbeitspolitische deutsche Jugendnot grossenteils die Folge der einseitigen Entwaffnung Deutschlands, der erzwungenen Abschaffung von Wehrpflicht und Heeresdienst ist, sowie von der weiteren Erkenntnis, dass der Vorschlag eines akademischen Werkjahrs (Werkhalbjahrs) deutlich in den Rahmen weiterer Bestrebungen gehört (allgemeine Arbeitsdienstpflicht, pflichtmässiger Jugendsport usw.), deren gemeinsame Absicht ist, für die uns genommene Dienstzeit der ganzen männlichen Jugend einen Ersatz zu finden, der die gesundheitlichen, staatsbürgerlichen, volkspädagogischen Werte wiederbringt, die im alten Heere ebenso wichtig waren wie die im engeren Sinn militärische Ausbildung.“115 Weibliche Absolventen sollten, solange sich keine mögliche Eingliederung bzw. nützliche Beschäftigung für sie fand, allerdings ebenso wenig herangezogen werden wie körperlich Untaugliche. Bereits wenige Wochen später, im Januar 1933, führte die Reichsregierung das – zu diesem Zeitpunkt noch freiwillige – Werkhalbjahr ein. Sämtliche an Ostern des Jahres entlassenen Abiturienten wurden zu einem Arbeitsdienst vom 19. April bis 30. September aufgerufen, wobei die letzten eineinhalb von insgesamt knapp sechs Monaten auf die Ausübung von Geländesport entfielen. Gemäß den Durchführungsbestimmungen war nun jedoch auch den Abiturientinnen offiziell Gelegenheit gegeben, ein auf 20 Wochen beschränktes freiwilliges Werkhalbjahr in vorwiegend geschlossenen Diensten zu absolvieren, d. h. in Arbeitslagern, in denen man die komplette Zeit zusammenlebte und wohnte. Der Schwerpunkt sollte dabei auf jenen Einsatzstellen liegen, welche Bekleidungshilfe, Ernäh-
114 Vgl. Köhler, 235. 115 Alle Zitate nach UAM, Sen. 368/5 Band 1. Vgl. in diesem Zusammenhang auch Böhm, 284 f.
3.1 Freiwilliger Arbeitsdienst und freiwilliges Werkhalbjahr
349
rungsfürsorge und Landbearbeitung für Bedürftige in einer Maßnahme verbanden oder auf andere Weise einen Wechsel zwischen landwirtschaftlicher und hauswirtschaftlicher Dienstleistung ermöglichten.116 Einer Aufstellung des Landesarbeitsamts Bayern zufolge standen allerdings im April 1933 für die Zuteilung von Abiturienten insgesamt 30 Lager mit 655 Plätzen, für Abiturientinnen dagegen nur vier Lager mit 35 möglichen Plätzen im bayerischen Raum zur Verfügung.117 In ihrer Autobiographie schreibt die ehemalige Lehramtsstudentin und Schriftstellerin Luise Rinser, die 1934 ihre Staatsprüfung an der LMU ablegte, sie sei im März 1933 mit zwei anderen Junglehrerinnen von der bayerischen Regierung zur Teilnahme an einem Lager des FAD im Bayerischen Wald „beordert“ worden: „Ich sagte zu. Immer war ich auf Neues erpicht, auch wenn es mein Studium wiederum störte.“ Zusammen mit einer Gruppe von etwa fünfzig anderen Arbeitsdienstleistenden, darunter Arbeiter, Studenten, Junglehrer sowie fünf Frauen für die Küche, sollte ein Schullandheim in Maibrunn gebaut werden: „Das war Arbeitsbeschaffung für die dortigen arbeitslosen Jugendlichen, und es war Erziehung der Studenten zur Gemeinschaft mit den Arbeitern.“
Abb. 8: Theaterspiel im RAD-Lager Münnerstadt 1939
116 Vgl. UAM, Sen. 368/5 Band 1. Durchführung des freiwilligen Werkhalbjahres. Beilage zum Reichs-Arbeitsmarkt-Anzeiger Nr. 3 vom 8.2.1933. Im Gegensatz zu den Männern fiel der Geländesport bei den Frauen weg. 117 Vgl. ebd. Vorläufige Übersicht der für die Zuteilung von Abiturienten in Frage kommenden Arbeitsdienstlager vom April 1933.
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3 Arbeitsdienst
Rinser übernahm dabei den schwerpunktmäßig für Frauen vorgesehenen ernährungsfürsorglichen bzw. hauswirtschaftlichen Dienst: „Die Zeit im Lager war einfach schön. Wir hatten ein hartes Leben: früh auf, Hunderte von Broten gestrichen zum Mitnehmen für die Arbeitenden, Frühstück bereitet, danach gespült […], danach die Zimmer geputzt, das späte Mittagessen vorbereitet, Einkäufe gemacht, Essen gekocht, aufgetragen, abgespült, Abrechnungen gemacht… Der Tag war voll. Aber es gab auch freie Stunden, in denen wir sangen, Theater spielten, redeten. Es gab natürlich auch heftige Diskussionen politischer Art. Die Geister schieden sich immer klarer. […] Am 1. Mai, dem Tag der Arbeit, wurde unser Lager, gegründet auf Unstaatlichkeit und Freiwilligkeit, zum Reichsarbeitsdienstlager erklärt.“118
3.2 Pflichtmäßiges Diensthalbjahr und Ausgleichsdienst Als überragend wichtiger Programmpunkt der neuen Regierung wurde der bisherige Grundsatz der Freiwilligkeit somit bald aufgegeben. Im Juli 1933 ordnete der Reichsinnenminister eine zehnwöchige Arbeitsdienstpflicht für alle reichsdeutschen männlichen Studenten an, die sich im ersten bis einschließlich vierten Semester befanden und Mitglieder der DSt waren. Aufgrund dieser Regelung durfte im Sommersemester 1934 kein Student im vierten bis sechsten Semester sein Studium fortsetzen, der seiner Pflicht nicht genügt hatte.119 Wie zahlreiche Erlebnisberichte im Bestand des BArch sowie einzelne, im Rahmen von Dissertationen verfasste Lebensläufe detailliert belegen, gehörten zu diesem Zeitpunkt unter den Kommilitoninnen vor allem nationalsozialistisch gesinnte Frauen zu den wenigen erwiesenen Anhängerinnen des für sie bis dato noch immer freiwilligen Werkhalbjahres, darunter die spätere Referentin für Arbeitsdienst und Landdienst der DSt, Ruth Pagel120: „Im Sommer-Semester 1933 trat ich in die Arbeitsgemeinschaft Nationalsozialistischer Studentinnen (A. N. St.) ein und verbrachte in Kitzeberg bei Kiel die Zeit von August bis Oktober 1933 im Freiwilligen
118 Alle Zitate nach Luise Rinser: Den Wolf umarmen. Frankfurt am Main 1981, 295–297. 119 Vgl. UAM, Sen. 368/5 Band 1. Die Durchführung der studentischen Arbeitsdienstpflicht 1934. Befreit war u. a., wer schon vor Einführung der studentischen Arbeitsdienstpflicht wenigstens zehn Wochen am Stück in einem geschlossenen Lager Dienst geleistet und darüber eine amtliche Bescheinigung vorgelegt hatte. Zu den Schwierigkeiten der Umsetzung bzw. Unterbringung der Studenten in den Arbeitsdienst vgl. ebd. Die Durchführung der studentischen Arbeitsdienstpflicht 1934 oder die Zusammenfassung bei Böhm, 286 f. 120 Vgl. BArch, NS 38/I* 82g 486. Undatierter Bericht von Ruth Pagel über den Arbeitsdienst im Landjugendheim Finkenkrug [ca. Ende 1933].
3.2 Pflichtmäßiges Diensthalbjahr und Ausgleichsdienst
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Arbeitsdienst.“121 Auch unter den von Astrid Dageförde im Rahmen ihres Hamburger Forschungsprojektes befragten ehemaligen Studentinnen befand sich nur eine, „nach eigenem Bekunden ‚Nationalsozialistin seit 1930‘, die sich während des Studiums aus eigenem Antrieb an der Einrichtung eines AD-Lagers [Arbeitsdienst-Lagers/P. U.] beteiligte“122. Ihre Motive für den sogar gleichermaßen als Pflicht für Abiturientinnen und Studentinnen propagierten Einsatz entstammten, nach Kleiber, „einer romantischen „Zurück-zur-Natur“-Strömung“123 und dem Bedürfnis, körperliche Arbeit zu verrichten. Parallel hinzu kamen die in der NS-Propaganda versuchte Aufwertung von Handarbeit sowie die Blut-und-Boden-Ideologie. Andere weibliche Studierende wiederum meldeten sich für einen Einsatz, „um im Reich Adolf Hitlers als deutsche Frau nicht abseits zu stehen, und, wenn auch mit bescheidenen Kräften, dem Volk zu dienen.“124 Gerade als Angehörige der Universität hatten sie gleichwohl das Gefühl, für das, was sie wollten, kämpfen zu müssen: „(D)ie Aufgabe der Studentin ist eine ganz besondere im Arbeitsdienst: sie muss den Weg zu den Herzen der Kameradinnen finden, muss ihnen zeigen, dass wir dieselben Volksgenossen sind wie sie, dass es keine Standesunterschiede gibt innerhalb des Volkes und vor unserem Führer. Und da müssen wir auch darauf verzichten können, etwas Besonderes sein zu wollen, uns hervorzutun, bessern und führen zu wollen.“125 Tatsächlich zeugt ein weiterer Teil der Berichte dagegen von – schon bei Kleiber anhand der 1934 öffentlich publizierten Darstellungen126 aus der Frühphase des Arbeitsdienstes konstatierten – „erheblichem Standesdünkel“, fühlten sich manche der Abiturientinnen bzw. Studentinnen doch offensichtlich als „nationalsozialistische Elite“127 und sahen daher auf die übrigen Lagerinsassinnen herab: „Wir haben in unserem Lager (Siedlerschule) vier Studentinnen aus dem Rheinland (Universität Bonn) und vier Abiturientinnen (Oldenburg, Münster, Paderborn). Die Einstellung dieser Dienstwilligen ist gut, mit den besten
121 UAM, OC-Np-SS 1937. Undatierter Lebenslauf von Ingeborg Mönch [WS 1936/37]. 122 Steffen-Korflür, 343, FN 203. 123 Kleiber, 198. 124 BArch, NS 38/I* 82g 486. Bericht von cand. med. Anna-Elisabeth Grimsinski über ihre Arbeitsdienstzeit im Arbeitslager Petkus bei Luckenwalde, o. D. [1934]. 125 Ebd. Anonymer, undatierter Bericht „Als Studentin im Arbeitsdienst!“ [1934]. 126 Vgl. Berichte von deutschen Abiturientinnen über ihre Erfahrungen im freiwilligen Arbeitsdienst. In: Deutsche Mädchenbildung. Zeitschrift für das gesamte höhere Mädchenschulwesen. 10. Jahrgang. Heft 2. Leipzig, Berlin 1934, 52–73, künftig zitiert als Deutsche Mädchenbildung. 127 Kleiber, 205.
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Vorsätzen wollen sie die sozialen Gegensätze im Lager durch Kameradschaftsgeist überbrücken. Trotzdem ist bei ihnen, vielleicht unbewusst, Verständnislosigkeit für die Volksgenossinnen aus den einfachsten Kreisen vorhanden, so dass es ungewollt zu Absonderungen in der Freizeit kommt.“128 Die seitens der Lagerführerin vorgenommene Einschätzung der Position der Studentinnen und Abiturientinnen zum Gemeinschaftsleben im Lager wiederholte sich in anderen Stellungnahmen: „Die Mitarbeit am Gemeinschaftsleben des Lagers war sehr verschieden. Guter Wille war überall vorhanden, aber die Kraft zur Überwindung der sozialen Unterschiede reichte nur bei wenigen aus. Zu sehr lockte der Austausch der gegenseitigen Erfahrungen aus der Schule, zu gross war im Anfang der Stolz auf das erreichte Abitur.“129 Einer im Februar 1934 vonseiten der DSt mit Billigung des Reichsministeriums des Innern veranlassten Verkündigung zufolge mussten fortan neben den Abiturienten auch alle Abiturientinnen mit Studiumsabsicht, die Ostern 1934 die Schule verließen, vor ihrer Immatrikulation ein Diensthalbjahr in der Zeit von Mai bis September 1934 oder von November 1934 bis März 1935 ableisten, d. h. mehr als fünf Jahre früher, bevor im September 1939 eine allgemeine Arbeitsdienstpflicht für junge Frauen eingeführt wurde130; Juden waren dagegen nicht
128 BArch, NS 38/I* 82g 486. Undatierte Abschrift. Bericht aus Taubenteich. Die Stellung der Studentinnen und Abiturientinnen zum Gemeinschaftsleben im Lager [ca. September 1933]. 129 Ebd. Undatierte Abschrift. Bericht aus dem Heidehof. Wie bewähren sich die Werkhalbjahrsabiturientinnen im F. A. D.? [ca. September 1933]. 130 Vgl. Bajohr, 351, sowie Verordnung über die Durchführung der Reichsarbeitsdienstpflicht für die weibliche Jugend vom 4.9.1939. In: RGBl. Teil I. Nr. 170. Berlin 1939, 1693. Eine allgemeine Arbeitsdienstpflicht für Männer im Alter von 18 bis 25 Jahren war bereits mit dem Reichsarbeitsdienstgesetz vom 26. Juni 1935 verkündet worden. Vgl. Reichsarbeitsdienstgesetz. In: RGBl. Teil I. Nr. 64. Berlin 1935, 769–772. Obwohl laut § 1, Abs. 2, sämtliche „jungen Deutschen beiderlei Geschlechts“ verpflichtet waren, „ihrem Volk im Reichsarbeitsdienst zu dienen“, enthielt § 9 die Einschränkung, wonach „Vorschriften über die Arbeitsdienstpflicht der weiblichen Jugend […] besonderer gesetzlicher Reglung vorbehalten“ (ebd., 769 f.) blieben, welche durch die „Erste Verordnung zur Durchführung und Ergänzung des Reichsarbeitsdienstgesetzes“ vom 27. Juni 1935 in § 5 getroffen wurden: „Der Reichsarbeitsdienstführer trifft für den Freiwilligen Frauenarbeitsdienst die zur Vorbereitung der Arbeitsdienstpflicht der weiblichen Jugend erforderlichen Maßnahmen.“ RGBl. Teil I. Nr. 64. Berlin 1935, 772. Wie Marawske-Birkner zeigen konnte, wurde diese Tatsache von der Vorlage zu dem erwähnten Gesetz damit begründet, dass zur sofortigen Durchführung der weiblichen Arbeitsdienstpflicht noch die finanziellen und organisatorischen Voraussetzungen fehlten: „(E)rst nachdem die Organisation des freiwilligen Arbeitsdienstes für die weibliche Jugend richtig ausgebaut sei, könne man auch für die weibliche Jugend die Arbeitsdienstpflicht einführen. Da der weibliche Arbeitsdienst in den ersten Jahren seines Bestehens bis zum 26. Juni 1935 einem häufigen Wechsel in bezug auf seine Verwaltung und Führung ausgesetzt war, so ist es ohne weiteres verständlich, daß der Einführung der weiblichen Dienstpflicht
3.2 Pflichtmäßiges Diensthalbjahr und Ausgleichsdienst
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zum RAD zugelassen.131 Hinsichtlich des organisatorischen Ablaufs wurden die Schulabsolventinnen von den Landesstellen des Deutschen Frauenarbeitsdienstes im März aufgefordert, sich unter Einreichung eines Lebenslaufes samt Lichtbild sowie eines amtsärztlichen Gesundheitszeugnisses, welches ihre Diensttauglichkeit bescheinigte, zu melden. Anschließend erfolgte die Einberufung in ein Arbeitsdienstlager132; wer aufgrund körperlicher Einschränkungen nicht herangezogen wurde, musste seine „Einsatzbereitschaft“133 seit 1935 durch Teilnahme am studentischen Ausgleichsdienst unter Beweis stellen. „Dieser Weg ist notwendig aus der Erkenntnis, daß jede Arbeit, auch die Arbeit auf der Hochschule nur getan werden kann aus dem Wissen um die Lebensnotwendigkeiten unseres Volkes. Dies Wissen bekommen die Mädel aus der täglichen Arbeit im Arbeitsdienst. Nur Mädel, die hier die Aufgabe erkennen und an der Arbeit nicht versagen, sollen danach das Studium beginnen“134, so ein zeitgenössischer Bericht über das Arbeitsdiensthalbjahr der Abiturientinnen. Die Erfassung durch den Arbeitsdienst, die Männer und Frauen mittlerweile in gleichem Maße betraf, erschwerte nicht nur eine Überbelegung der Universitäten, sondern diente auch dem „ideologischen Dogma von der „Volksgemeinschaft““135, indem er den Studierenden, nach Klinksiek, die Möglichkeit gab, ihre „Verbundenheit mit dem deutschen Volk praktisch unter Beweis zu stellen.“136 Grüttner kommt zu einem ähnlichen Ergebnis, wenn er u. a. über
ein Organisationsaufbau vorangehen mußte“, so die Autorin in ihrer Doktorarbeit. MarawskeBirkner, 226. Vgl. in diesem Zusammenhang auch Konstantin Hierl: Begründung zum Reichsarbeitsdienstgesetz (Juni 1935). In: Herbert Freiherr von Stetten-Erb (Hg.): Konstantin Hierl. Ausgewählte Schriften und Reden. 2. Band. München 1941, 207: „Für die sofortige Durchführung der allgemeinen Arbeitsdienstpflicht auch der weiblichen Jugend fehlen allerdings zur Zeit noch die organisatorischen und wohl auch die finanziellen Voraussetzungen. Die Organisation des Freiwilligen Arbeitsdienstes der weiblichen Jugend muß erst so ausgebaut werden, daß sie das erste, sichere Gerippe für die allgemeine Arbeitsdienstpflicht bilden kann, wie das bei dem Arbeitsdienst der männlichen Jugend schon der Fall ist. Dazu ist noch eine Reihe von Jahren nötig.“ 131 Jüdische „Mischlinge“ konnten zudem nicht Vorgesetzte im RAD sein. Vgl. Die jüdischen Mischlinge im Arbeitsdienst. In: Frankfurter Zeitung vom 29.3.1937, hier nach UAM, Sen. 368/5. 132 Vgl. BArch, RSF II* 541 (a 439). Undatiertes Rundschreiben an die Landesstellenleiterinnen des Deutschen Frauenarbeitsdienstes und die studentischen Referentinnen bei den Landesstellen [1934]. 133 H. Warschke: Der studentische Ausgleichsdienst des Jahres 1935. Sinn und Aufgabe des Ausgleichsdienstes. In: DSt. Wissen und Dienst. Die Deutsche Studentenschaft. 9. Jahrgang. Nr. 3. Berlin 1936, 6, hier nach UAM, Sen. 366c/5. 134 Ruth Pagel: Das Arbeitsdiensthalbjahr der Abiturientinnen. In: DSt. Pressedienst. Die Deutsche Studentenschaft. 8. Jahrgang. Nr. 4. Berlin 1935, 4, hier nach UAM, Sen. 366c/5. 135 Adam, 88. 136 Klinksiek, 43. Hervorhebung im Original.
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die Bedeutung des Arbeitsdienstes schreibt, dieser sei wohl der konsequenteste Versuch der Nationalsozialisten gewesen, ihre „diffuse Volksgemeinschaft“137 praktisch umzusetzen, wofür exemplarisch die Aussage des Arbeitsdienstführers Konstantin Hierl aus dem Jahre 1933 steht: „Es gibt kein besseres Mittel, die soziale Zerklüftung, den Klassenhaß und den Klassenhochmut zu überwinden, als wenn der Sohn des Fabrikdirektors und der junge Fabrikarbeiter, der junge Akademiker und der Bauernknecht im gleichen Rock bei gleicher Kost den gleichen Dienst tun als Ehrendienst für das ihnen allen gemeinsame Volk und Vaterland.“138 Äußerlich wurde der „gleiche Rock“ durch die Einheitskleidung sichtbar, für die stellvertretend folgendes Beispiel einer weiblichen Arbeitsdienstleistenden aus dem Jahre 1941 genannt sei: „Einkleidung: Kornblumenblaues RAD-Kleid, rotes Kopftuch, Schnürschuhe, „beißende“ Wollstrümpfe, einige Schürzen, braune Ausgehuniform und brauner RAD-Hut.“139
Abb. 9: Catharina B. in Ausgehuniform im Reichsarbeitsdienst 1941
137 Grüttner, 227. 138 Konstantin Hierl: Der Arbeitsdienst, die Erziehungsschule zum deutschen Sozialismus. Programmatische Ausführungen von Oberst Hierl anläßlich seiner Ernennung zum Staatssekretär für den Arbeitsdienst an die Presse am 1. Mai 1933. In: Herbert Freiherr von Stetten-Erb (Hg.): Konstantin Hierl. Ausgewählte Schriften und Reden. 2. Band. München 1941, 96. 139 Helmer: Erlebnisse, 2.
3.2 Pflichtmäßiges Diensthalbjahr und Ausgleichsdienst
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Tatsächlich erschien zumindest einem Teil der Frauen die Tatsache, „dass man mit den anderen Schichten zusammenkam“ und nach Jahren theoretischer Schulbildung „richtig draußen im Leben“140 stand, rückblickend betrachtet als „nicht uneindrucksvoll und eigentlich ganz interessant“141, während so mancher Mann in erster Linie die körperlich oftmals schwere Arbeit als wichtigen Teil der Entwicklung begriff, habe man sich doch vom „zarten Kerlchen zu einem kräftigen Burschen entwickelt“142. Die Frauen dagegen betonten des Öfteren, trotz der anstrengenden Tätigkeiten erheblich an Gewicht zugenommen zu haben: „Also ich habe, glaube ich, im Arbeitsdienst dreißig Pfund zugenommen, 15 Kilo. Ich bin hier [in München/P. U.] aus dem Zug gestiegen, meine Mutter hat gesagt: Bist du denn überhaupt noch mein Kind?“143 Folgt man den Ausführungen Pauwels, dann zeigt sich, dass das öffentlich propagierte Bild vom Leben der Arbeitsmaiden im Allgemeinen wohl keineswegs als idyllisch oder gar als einträglich bezeichnet werden kann. Die Aussicht auf sechs Monate in einem spartanischen Arbeitslager weit weg von zu Hause, auf harte Feldarbeit bei einer Bauern- oder Siedlerfamilie, unerbittliche Disziplin und minimalen Komfort war zweifellos ein gewaltiges Abschreckungsmittel für viele junge Frauen, die normalerweise eine akademische Laufbahn eingeschlagen hätten. Dazu kamen Gerüchte über die angeblich vorherrschende sexuelle Freizügigkeit in den Lagern, weshalb sich viele besorgte Eltern die Frage stellten, ob das Risiko einer unerwünschten Schwangerschaft nicht ein zu hoher Preis war
140 Interview mit Luise S. vom 14.5.2005. 141 Interview mit Sigrid H. vom 17.3.2005. Vgl. dazu auch das Interview mit Dr. Anneliese I.-S. vom 11.7.2005: „Positiv war, dass ich in Verhältnisse reingekommen bin und Dinge gelernt habe, die ich sonst nie erlebt hätte. Ich habe zum Beispiel vier Wochen lang einer Familie mit fünf Kindern geholfen, wo der Mann eingezogen war. […] Aber das […] war einfach ein Einstieg in soziale Verhältnisse, der mir sonst nie gelungen wäre“. 142 Interview mit Dr. Herbert G. vom 1.8.2005. „Da haben wir mit dem Spaten erst immer zehn Kilometer marschieren müssen zur Baustelle hin. Wenn Sie die Autobahn kennen zwischen Aibling und Rosenheim, da fährt man durch ein Moorgebiet. Und da fließt auch ein Fluss durch, der Kaltenbach oder die Kalten. Der heißt nicht [nur] so, der ist auch so. Und als wir am 4. April 1938 mit undichten Gummistiefeln in den kalten Bach gestiegen sind, da hätten wir alle krank werden können. Aber die Begeisterung für die Aufgabe, die man da hatte, die hat dazu geführt, dass wir das alles ausgehalten haben. […] Und mit Begeisterung haben wir diesen Bach kultiviert, und das hatte zur Folge: Anstelle eines großen Viadukts über das Moor musste man bloß eine relativ kleine Brücke bauen.“ Ebd. 143 Interview mit Gisela R. vom 14.4.2005. Vgl. dazu auch Deutsche Mädchenbildung, 52: „Fast alle Mädchen haben trotz der sehr schweren Arbeit im Laufe des Sommers – zum Teil recht erheblich – an Gewicht zugenommen.“
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für das Recht zu studieren.144 Die Töchter selbst sahen dem Arbeitsdienst zum Teil mit „großer Angst“145 entgegen.
Abb. 10: Die spätere Jurastudentin Lisa P. (rechts) im RAD Münnerstadt 1939
Wie der Einsatz erlebt wurde, hing letztlich jedoch auch davon ab, wie sich das Verhältnis zu der Familie gestaltete, in welcher die Arbeitsmaid eingesetzt war. Während sich bei einigen durchaus ein „sehr nettes Verhältnis“146 entwickeln konnte, blieb bei anderen nur die Erinnerung bestehen, „schamlos ausgenützt“147 worden zu sein: „Der Dienst bei den Bauern war unterschiedlich. Der erste Bauer, wo ich war, da musste ich im dunklen Keller sitzen und Kartoffeln schneiden – das war im Mai – nach Augen. Denn die Kartoffeln wurden gepflanzt. Und jedes Stück, was gepflanzt wurde, musste ein oder zwei Augen haben. Das war eine mühsame Sache. Und das Mittagessen bei dem Bauern war ziemlich schmutzig.
144 Vgl. Pauwels, 23. 145 Interview mit Lisa P. vom 10.5.2005. 146 Interview mit Gisela R. vom 14.4.2005. 147 Interview mit Rita S. vom 27.4.2005.
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Das hat mir nicht gefallen. Aber bei den nächsten Bauern war es eigentlich sehr nett.“148 Andere Frauen entgingen nur mit Glück der zumeist schweren Arbeit bei den Landwirten. So berichtet bspw. die spätere Studentin der Kunstgeschichte, Hanne Lenz, über ihren sechsmonatigen Einsatz im Jahre 1937, der anfänglich aus Erntediensten sowie der Haushaltshilfe bei einer kinderreichen Familie in Eichstätt bestand: „Aber ich hatte das Glück, dass das Haus, in dem wir wohnten, ein altes Klostergebäude, gerade erst hergerichtet und umgebaut wurde. Ich hatte eine gewisse Erfahrung im Anstreichen, weil mein Vater ein Segelboot hatte, das wir immer selber jeden Winter picobello hergerichtet haben. Und so hatte ich da eine gewisse Erfahrung und deswegen wurde ich eingeteilt, um die Fenster in diesem Haus zu streichen. Da waren so unendlich viele Fenster, dass mein ganzer Arbeitsdienst damit draufgegangen ist. Das war natürlich sehr angenehm, denn ich war allein und konnte mir die Arbeit einteilen.“149 Trotz derartiger Ausnahmen dominierte nach Grüttner jedoch das Gefühl, „sich in einer fremden Lebenswelt zu bewegen, in der andere, nicht unbedingt anziehende, Regeln und Wertvorstellungen vorherrschten“150, die Hildegard Hamm-Brücher in ihrer Lebensbilanz regelrecht als militärähnlich bezeichnet: „Die neun Monate im Arbeitslager waren wirklich gräßlich. Obgleich ich […] spartanische Lebensbedingungen (wie allmorgendliche Dauerläufe, eiskaltes Waschwasser, strenge Haus- und Hofdienste usw.) kannte, nun wurde es geradezu paramilitärisch: Wir schliefen in großen Sälen in Doppelstockbetten auf Strohsäcken, schufteten tagsüber acht Stunden auf einsamen, bitterarmen Bauernhöfen und halfen dort bei der Ernte. Gegen den Durst gab es verdünntes Essigwasser und gegen den Hunger tagtäglich Klöße mit Soße für alle gemeinsam aus einer großen Schüssel. Nach Rückkehr ins Lager gab es Schulung in NS-Ideologie, inklusive Rassenlehre, Singsang, Appelle, paramilitärischen Drill wie Spind-Kontrollen, Antreten, Ausrichten, Gleichschrittüben und vieles mehr. Gelegentlich gab es auch Schikanen wie Urlaubssperre oder die Abordnung zu besonders harten Bauern.“151
148 Interview mit Dorothee B. vom 7.6.2005. 149 Interview mit Dr. Hanne Lenz vom 18.2.2005. 150 Alle Zitate nach Grüttner, 233. 151 Hamm-Brücher: Freiheit, 48, 50.
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3 Arbeitsdienst
Abb. 11: Bettenmachen im Reichsarbeitsdienstlager
Auch Professor Rolf Huisgen, ehemaliger Schüler und Nachfolger des Nobelpreisträgers Heinrich Wieland, äußerte in einem persönlichen Gespräch ähnliche Gedanken an seine Zeit im Arbeitsdienst. Für den späteren Chemiker ging diese mit einer Lungenentzündung als Folge eines Nachtmarsches zu Ende: „Der halbjährigen Reichsarbeitsdienstpflicht kam ich mit dem Ziehen von Entwässerungsgräben im hessischen Ried nach. Diese Arbeit war schon gekoppelt mit paramilitärischer Ausbildung, was mir wenig zusagte.“152
152 Interview mit Prof. Dr. Rolf Huisgen vom 7.5.2005.
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Abb. 12: Führungsnote „Sehr gut“
Da die Abiturientinnen und Abiturienten hinsichtlich der Immatrikulationsberechtigung allerdings auf eine entsprechende Beurteilung ihrer (Arbeits-) Haltung angewiesen waren, schuf der Dienst ein Abhängigkeitsverhältnis beider Geschlechter von ihrem Lagerpersonal und fungierte damit als Bewährungsprobe und voruniversitärer Auswahlmechanismus formeller Art. So konnte das Pflichtenheft doch bspw. mit der Begründung verweigert werden, noch im ‚liberalistischen Fahrwasser‘153 zu schwimmen. Das bedeutet, die Arbeitsleistung jedes Einzelnen wurde am Dienstende bewertet, wobei man sich bereits mit der Führungsnote „genügend“ für die Aufnahme eines Studiums disqualifizierte.154 Diese Methode veranschaulicht, dass der Arbeitsdienst nicht allein der Volksgemeinschaft, sondern auch der Disziplinierung und Kontrolle diente155 und damit seine „Multifunktionalität“ bewies, indem die „arbeitsmarktpolitische Aufgabe, der Überfüllungskrise der Hochschulen durch ein Umsteuern der Jugend auf nichtakademische Berufe entgegenzuwirken, mit den politischen Aufträgen der
153 B. A. Koblenz, NS-Mischbestand 253 – d/56, hier zitiert nach Köhler, 260. 154 Vgl. Pauwels, 23. 155 Vgl. Klinsiek, 43.
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3 Arbeitsdienst
Auslese, Überwachung und Indoktrination“156 nach 1933 gekoppelt wurde. Mit anderen Worten: „Das übergeordnete Ziel der Lager für „Volksgenossen“ bestand darin, sie in der Gruppe das Erlebnis einer nationalsozialistischen „Volksgemeinschaft“ erfahren zu lassen, in der der Einzelne sich dem Ganzen unterwerfen, körperliche Leistungsbereitschaft entwickeln und in einem militärischen Sinn diszipliniert werden sollte.“157 Aus NS-Sicht war Lagererziehung damit die „Umformung vom Ich zum Wir.“158 Diejenigen, die sich bewährt hatten und zu studieren beabsichtigten, erhielten nach Ableistung ihrer Einsatzzeit aber grundsätzlich das sog. „Pflichtenheft der Deutschen Studentenschaft“159.
Abb. 13: Pflichtenheft für Abiturientinnen des Arbeits-Diensthalbjahres 1935 (Außenseite)
Zusammen mit dem Abiturzeugnis, dem Nachweis arischer Abstammung, einem Gesundheitszeugnis sowie, wenn möglich, dem Mitgliedsbuch einer NS-Organisation war es verpflichtend für die Aufnahme an allen deutschen Hochschulen. Dort wurde das Pflichtenheft anschließend eingesetzt, um jederzeit die Beteili-
156 Patel, 132. 157 Marc Buggeln/Michael Wildt: Lager im Nationalsozialismus. Gemeinschaft und Zwang. In: Bettina Greiner/Alan Kramer (Hgg.): Die Welt der Lager. Zur „Erfolgsgeschichte“ einer Institution. Hamburg 2013, 183, künftig zitiert als Buggeln/Wildt. 158 Kiran Klaus Patel: Volksgenossen und Gemeinschaftsfremde. Über den Doppelcharakter der nationalsozialistischen Lager. In: Christoph Jahr/Jens Thiel (Hgg.): Lager vor Auschwitz. Gewalt und Integration im 20. Jahrhundert. Berlin 2013, 317. Hervorhebung im Original. 159 UAM, Sen. 6a. Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus an die Herren der 3 Landesuniversitäten vom 12.3.1935.
3.2 Pflichtmäßiges Diensthalbjahr und Ausgleichsdienst
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gung der einzelnen Studenten an Pflichtversammlungen, Fachgruppentreffen, Auslandsarbeit, NSDStB bzw. ANSt, Sport- und Lagerveranstaltungen etc. überprüfen zu können.
Abb. 14: Pflichtenheft für Abiturientinnen des Arbeits-Diensthalbjahres 1935 (Innenseite)
Wie weitere Interviews mit Zeitzeugen verdeutlichen, spielte in diesem Zusammenhang die Person der Lagerführerin sowie deren weltanschauliche bzw. politische Gesinnung eine bedeutende Rolle: „Wir hatten eine sehr unangenehme Führerin, die vor allem die Abiturientinnen nicht mochte, und das war also nicht ganz einfach.“160 Selbst retrospektiv gehört die Zeit im Arbeitsdienst für einen Teil der Befragten daher noch zu den „allerschlimmsten Erfahrungen“ im Leben, wofür stellvertretend das extreme Beispiel der späteren Germanistikstudentin Maria H. stehen mag: „Unsere Führerin war strafversetzt zu uns und wurde auch von uns weiter strafversetzt, weil die Bauern in dem Dorf gesagt haben: „Wenn sie sie noch einmal auf der Straße treffen, hetzen sie die Hunde auf sie.“ Sie hat uns so schikaniert, dass eine absichtlich vor einen fahrenden Zug gefahren ist mit dem Rad. Und dann war sie eben so lieb und sagte: „Ach, unser Sensibelchen, die Maria, die kann die blutigen Kleider mal waschen.“ […] Wir mussten dann alle zu ihr ins Zimmer gehen, und da hatte sie die Bibel. Und wir mussten schwören bei der Bibel, dass wir dieses Vorkommnis niemand verraten. Und eine Arbeitsmaid hat den Schwur geleistet, aber nicht gehalten. Und da kam die Sache dann ins
160 Interview mit Ruth O. vom 30.4.2005.
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3 Arbeitsdienst
Rollen. Aber ich war nach dem Ende des Arbeitsdienstes so mit den Nerven fertig, wie ich’s mir heute gar nicht mehr vorstellen kann.“161 Auch Catharina B., die sechs Monate in einem ehemaligen Männerlager in Frauenau im Bayerischen Wald untergebracht war, sprach, nach ihren Eindrücken befragt, davon, dass dies das Jahr ihres „schrecklichsten Erlebnisses“ gewesen sei, wofür neben unhygienischen Zuständen bei den Bauersfamilien, Frühsport, Fahnenappell, Erschwernis des sonntäglichen Gottesdienstbesuches und politischer Schulung stetige Strafdienste – bspw. für die falsche Anordnung der Zahnbürste im Gemeinschaftsduschraum – verantwortlich waren: „Also ich bin schikaniert worden im Arbeitsdienst. Und zwar […] gab’s ja eine Maidenoberführerin, die sog. „MOF“, eine Maidenunterführerin, die „MUF“. Dann gab’s eine, die für die Wirtschaft zuständig war, und dann eine für das Verwaltungsmäßige. Und die Verwaltungsmäßige, das war etwas vom Derbsten und Primitivsten, was man sich denken kann. Und die haben ja natürlich gern dann an den Abiturientinnen sich ausgelassen, gell. Es ist immerhin erstaunlich, dass ich in der Zeit, obwohl ich ja leicht zunehme und immer so Richtung Barock war in der ganzen Gestalt, dass ich da 14 Pfund abgenommen habe in einem halben Jahr vor lauter Kummer eigentlich.“162 Die Erinnerungen der späteren Hausfrau auf der einen sowie der Studiendirektorin auf der anderen Seite zeigen, dass – entgegen der Annahme Grüttners – die weiblichen Arbeitsdienstleistenden trotz ihrer durchaus als individuell zu bezeichnenden Tätigkeiten bei verschiedenen Familien den potentiellen Schikanen der Arbeitsdienstführerinnen nicht weniger ausgesetzt waren als die Geschlechtsgenossen ihren männlichen Vorgesetzten, wenngleich der „Typ des selbstherrlichen Tyrannen“163 sicherlich nicht den Regelfall darstellte. Vielmehr hatte bei anderen Abiturientinnen, wie der früheren Chemiestudentin MarieLuise Jahn, im Gegenteil insbesondere das annehmbare Wesen der Lagerleiterin dazu beigetragen, die generell als Belastung empfundenen Lebensumstände besser zu akzeptieren: „(I)ch war es nie gewöhnt, ständig mit vielen Menschen zusammen zu sein. Das empfand ich als belastend, dass ich nie einen Raum für mich hatte. Das war eigentlich das Wichtigste, obgleich ich es sehr gut hatte. Es war ein aufgelassenes Landgut mit viel Platz. Wir wohnten im Gutshaus, hatten einen See vor dem Haus. Und die Führerin war auch nicht so eine Narzisse, nicht so nationalsozialistisch. Die hat viel mit uns gesungen, auch Kanons, also nicht
161 Alle Zitate nach dem Interview mit Maria H. vom 14.9. und 5.10.2005. 162 Interview mit Catharina B. vom 3.5.2005. 163 Grüttner, 234.
3.2 Pflichtmäßiges Diensthalbjahr und Ausgleichsdienst
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nur NS-Lieder. Ich fand nur – ich bin ja nicht kräftig, nie gewesen – körperliche Arbeit schwer.“164
Abb. 15: Wenig Privatsphäre: Schlafsaal im RAD-Lager Münnerstadt
Nicht selten ergaben sich für die Frauen aus der ungewohnten physischen Belastung gesundheitliche Probleme, so dass bspw. „die Hormonentwicklung, die Umstellung, Periode usw. alles im Eimer war auf Deutsch gesagt. […] Und ich hab’ mit diesem Theater zwei Jahre umeinander getan, bis des also einigermaßen wieder in Ordnung war.“165 Als sich im November 1940 ein Vater für das unflätige Verhalten seiner an der LMU studierenden Tochter, die sich im häuslichen Bereich durch angebliche Kraftausdrücke den Ärger eines Nachbarn zugezogen hatte, im Rahmen einer universitären Vorladung rechtfertigen musste, gab der Studienprofessor zu Protokoll, sein Kind leide an den Folgeerscheinungen des halbjährigen
164 Interview mit Dr. Marie-Luise Schultze-Jahn vom 26.3.2005. Zum hier erwähnten Mangel an Privatsphäre vgl. auch Deutsche Mädchenbildung, 53: „Am schwersten war es, sich daran zu gewöhnen, vom frühen Morgen bis zum späten Abend mit über 40 jungen Mädchen aus den verschiedensten Berufen […] zusammenzuleben und nachts mit 20 Menschen in einem Raum zu schlafen, kurzum, kaum eine Stunde am Tag allein für sich zu sein, wo man es bisher gewohnt war, seine eigenen Interessen in ruhigen Stunden zu leben.“ 165 Interview mit Elisabeth Ka. vom 2.7.2005.
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3 Arbeitsdienst
Arbeitsdienstes, welche sich in „Menstruationsstörungen mit Blutwallungen zum Kopf“ zeigten und zu einem „Zustand dauernder Gereiztheit“166 geführt hätten. Die Medizinstudentin Helga L. wiederum bestätigte, sich beim Arbeitsdienst eine etwas derbere Sprache als üblich angewöhnt zu haben, sei doch während der sechs Monate so mancher, nicht gerade anständiger Ausdruck gefallen.167 Trotz aller Erklärungsversuche endete die mehrere Seiten an Schriftwechseln umfassende Angelegenheit schlussendlich in der Einleitung eines Hochschulstrafverfahrens gegen die junge Frau. Nach eingehender Zeugenvernehmung sah man im Gebrauch der zur Diskussion stehenden Schimpfworte ein einer deutschen Studentin unwürdiges Verhalten168, das gegen die akademischen Satzungen verstieß und daher nach der Strafordnung für Studenten, Hörer und studentische Vereinigungen an den deutschen Hochschulen vom 1. April 1935 mit einem schriftlichen Verweis bestraft werden musste.169 1940 erschien an der Medizinischen Fakultät der LMU sogar eine Dissertation zum Thema der sog. „Arbeitsdienstamenorrhoe“170. Deren Autorin, die gebürtige Augsburgerin Irmentrud Behr, beschäftigte sich anhand von Erhebungen in neun Frauenarbeitsdienstlagern der Lagergruppe München mit den Ursachen für das Ausbleiben der Menstruation sowie dessen Folgen. Den auf diese Weise insgesamt 451 untersuchten Maiden gemeinsam war das Tätigkeitsgebiet für alle Lager, welches sich gleichermaßen in Berichten von Zeitzeuginnen widerspiegelt und kennzeichnend für das Aufgabenfeld der arbeitsdienstpflichtigen Frauen jener Jahre ist: „Außendienst beim Bauern, soziale Hilfe bei kinderreichen, weniger wohlhabenden Familien und Innendienst, das ist Hausdienst und Beschäftigung in Lagerküche, -waschküche und -nähstube.“171
166 UAM, Stud-Straf-178. Abschrift vom 4.11.1940. 167 Ebd. Niederschrift vom 29.1.1941. 168 Vgl. ebd. Der Rektor an das Staatsministerium für Unterricht und Kultus vom 29.4.1941. Vgl. auch ebd. Niederschrift über die Sitzung des Dreierausschusses am 25.4.1941: „Der Dreierausschuss habe die Sache eingehend beraten und sehe es aufgrund der Zeugenaussage als erwiesen und erschwerend an, dass von einer Studentin ungewöhnliche Schimpfworte gegen ihr nahestehende Familienangehörige in einer Weise gebraucht worden seien, dass sie der Öffentlichkeit bekanntgeworden seien.“ 169 Vgl. UAM, D-XIV-37. Stück 4b der Strafordnung für Studenten, Hörer und studentische Vereinigungen an den deutschen Hochschulen vom 1.4.1935. 170 Irmentrud Behr: Über Arbeitsdienstamenorrhoe (Erhebungen in den Frauenarbeitsdienstlagern der Lagergruppe 133, München). Diss. München 1940, künftig zitiert als Behr. 171 Ebd., 13.
3.2 Pflichtmäßiges Diensthalbjahr und Ausgleichsdienst
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Abb. 16: Lisa P. bei der Gartenarbeit im RAD 1941
Behr kommt in diesem Zusammenhang zu dem Ergebnis, dass ihre Untersuchung in den oberbayerischen Standorten das auch reichsweit verhältnismäßig häufig auftretende Symptom der temporären Arbeitsdienstamenorrhoe bekräftigt, welche vor allem durch die Konstitution bzw. Kondition der einzelnen Frauen sowie die besonderen Lebensumstände im Rahmen der Einsatzstellen bedingt war.
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3 Arbeitsdienst
Abb. 17: Lisa P. beim Holzmachen im RAD 1941
Auffallend ist dabei jedoch der deutlich hervortretende gynäkologische Befund unter Schülerinnen und Abiturientinnen, welcher 47 % dieser Gruppe kennzeichnete, während etwa die Hausangestellten, Arbeiterinnen, Sportlehrerinnen oder Verkäuferinnen unter den weiblichen Arbeitsdienstleistenden mit 27 % bis 36 % wesentlich weniger von der genannten Problematik betroffen waren. Das zeitgenössische Ergebnis bestätigt die anhand der von Astrid Dageförde mit ehemaligen Arbeitsmaiden und späteren Studentinnen geführten Interviews aufgestellte These Grüttners, wonach zwischen den Abiturientinnen einerseits und dem Rest des Lagers andererseits oftmals von Beginn an eine „Kluft“172 vorherrschte. Allerdings war diese nicht nur durch die unterschiedliche soziale Herkunft, die mitunter recht verschieden ausgestaltete Lebenserfahrung oder Status erwartung bedingt, sondern auch durch den Umstand, wonach Erstgenannte in den meisten Fällen keine Erfahrung in physisch schwerer Arbeit hatten. Darüber sei, so Behr, besonders bezüglich der Schülerinnen und Abiturientinnen festzustellen, dass „geistig tätige Frauen und Mädchen viel leichter einem Ovulationsstillstand ausgesetzt sind als rein körperlich angestrengte Frauen.“ Wenngleich sich nicht ergründen ließ, wie diese Tatsache zu erklären sei, stellte
172 Grüttner, 234.
3.2 Pflichtmäßiges Diensthalbjahr und Ausgleichsdienst
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die Doktorandin des Professors für Geburtshilfe und Gynäkologie, Otto Eisenreich, die Vermutung an, die äußeren Reize würden „durch das sehr empfindliche Nervensystem augenblicklich registriert und vom Ovar als dem feinsten Reagens im Organismus mit einer Hemmung der Ovulation beantwortet“173, wofür die heutige, gesicherte Erkenntnis um den Zusammenhang zwischen langanhaltenden psychischen und bzw. oder physischen Anstrengungen und dem Ausbleiben der Regelblutung steht.174 Vor allem die seelische Belastung, der sich eine Vielzahl von Frauen angesichts der Aufgabe ihres häuslichen Privatlebens zugunsten von primitiven Massenunterkünften und Lagerleben ausgesetzt sahen, welches in zahlreichen Fällen durchaus als eine nicht der „natürlichen Weiblichkeit konforme Betätigung“175 empfunden worden sein mag, konnte bis zur Rückkehr in die gewohnte Umgebung zu körperlichen Anomalien führen.
Abb. 18: Ein Reichsarbeitsdienstlager in Frankenthal
173 Alle Zitate nach Behr, 28. 174 Vgl. Menstruationsstörungen. Amenorrhoe – Ausbleiben der Regelblutung. http://www. frauenaerzte-im-netz.de/de_menstruationsstoerungen-amenorrhoe_412.html vom 20.10.2008. 175 Behr, 34.
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3 Arbeitsdienst
Wenngleich auch die geführten Zeitzeugengespräche erneut belegen, dass das Ende des Einsatzes von den jungen Frauen überwiegend mit Erleichterung aufgenommen wurde176, vermochten die als positiv empfundenen Rahmenbedingungen aber durchaus dazu beitragen, die abgeleisteten Monate zumindest im Nachhinein als „recht gut“177 bzw. „nützlich“ und „lehrreich“178, d. h. als „schöne Zeit“179, zu empfinden, riefe es doch keinerlei Schäden hervor, „wenn man mal eine Mistgabel in der Hand gehabt hat.“180 Darüber hinaus entstammte sogar manche, bis ins hohe Alter anhaltende Freundschaft aus den Monaten im Arbeitsdienst: „Und mit der Bauernfamilie, wo ich gearbeitet habe, bin ich in der vierten Generation befreundet und fahre demnächst zur Erstkommunion der einen Urenkelin von den Bauern, wo ich gearbeitet habe.“181 Insgesamt stellten die studentischen Einsätze, die oftmals weit entfernt vom Wohn- oder Hochschulort abzuleisten waren, eine Möglichkeit der Erprobung „der Mobilisierung und Mobilität von Studentinnen und späteren hochqualifizierten Frauen“ dar, d. h. sie sollten sich daran gewöhnen, auch fernab ihres Heimatortes arbeiten und leben zu können: „a) zur Versorgung des ländlichen Gebietes mit Fürsorge- und Lehrkräften (Ärztinnen, Lehrerinnen); b) im Kriege als politisch zuverlässige Aufbaukräfte in den besetzten Gebieten.“182 Tatsächlich hatten zahlreiche Abiturientinnen das Gefühl, dass ihren – gemäß den 1934 erlassenen Ausführungsbestimmungen über die Durchführung der Arbeitsdienstpflicht183 – persönlichen Wünschen für den Einsatz in einer bestimmten Gegend Deutschlands zumeist nicht entsprochen wurde: „Wir wurden an sich möglichst dort hingeschickt, wo unsere Konfession nicht vertreten war. Ich hatte mich nach Westfalen gemeldet, weil ich in der Verwandtschaft viele Westfalen hatte. Und dann dachte ich: Mal ein bisschen was anderes und katholisch sind die Leute
176 Vgl. Steffen-Korflür, 241. 177 Interview mit Luise S. vom 14.5.2005. 178 Alle Zitate nach Interview mit Dr. Laura Z. vom 1.6.2005. 179 Interview mit Lisa P. vom 10.5.2005. 180 Interview mit Elisabeth Ka. vom 2.7.2005. 181 Interview mit Anna-Margret J. vom 2.4.2005. Vgl. dazu auch Interview mit Philomena Sauermann vom 12.3.2005: „Das Lager befand sich in der nördlichen Oberpfalz […]. Der kleine Ort hieß Floß. Jetzt noch habe ich Verbindung mit jemandem aus einer Bauernfamilie, wo ich arbeitete. Die ist so alt wie ich und ist jetzt allerdings in einem Altenheim. Ich war ein paar Jahre immer wieder zum Urlaub dort. Ich habe die Landschaft geliebt, ich habe die Leute geliebt, diese Oberpfälzer, es war schön.“ 182 Alle Zitate nach Manns, 193. 183 BArch, RSF II* 541 (a 439). Ausführungsbestimmungen über die Durchführung der Arbeitsdienstpflicht der Abiturienten und Abiturientinnen von Ostern 1934 vom 23.2.1934.
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auch. Aber ich kam ganz in den Osten, nämlich in den Bereich von Bückeburg. Und das war eigentlich schon gar nicht mehr richtig Westfalen.“184 Während allgemein der „Typ des freien Studenten ‚in nicht allzu ferner Zeit‘ verschwinden sollte“185, wurde der obligatorische Arbeitsdienst für Abiturientinnen mit Studiumsabsicht von den Machthabern als ein großartiges neues Erziehungs- und Sozialexperiment begrüßt, d. h. die Abiturientin sollte ein Stück Leben sehen, das anders war als das, aus dem sie kam: „Im Arbeitsdienst steht sie draußen und sieht hinein in das Leben der deutschen Bauernfrau, der Siedlerfrau, in das Leben der Fabrikarbeiterfamilie.“186 Auf diese Weise wurde Deutschlands zukünftigen Akademikerinnen u. a. Respekt vor manueller Arbeit beigebracht, was selbigen gleichzeitig zu einem Gegenmittel gegen die Überdosis an Intellektualismus verhalf, denen sie voraussichtlich an der Universität ausgesetzt sein würden187: „Hochschule nationalsozialistischer Erziehung zur richtigen Arbeitsauffassung und Volksverbundenheit im Geiste einer gemeinsamen Weltanschauung zu sein, ist nach dem Willen und den Worten des Führers das große Ziel des Arbeitsdiensts der weiblichen Jugend nicht minder als der männlichen Jugend.“188 Allerdings kann eine derartige Rhetorik nicht über die eigentliche Zielsetzung der Nationalsozialisten hinwegtäuschen, Frauen nach wie vor den Zugang zu höheren Bildungseinrichtungen zu erschweren, verbunden mit der Hoffnung, einzelne würden im Arbeitsdienst zu der Erkenntnis gelangen, für praktische Berufe doch besser geeignet zu sein als zum Studium.189 Auch Patel kommt zu dem Ergebnis, dass das Regime den Arbeitsdienst mit der parallelen Ausdehnung des „Zwangscharakters“190 in öffentlichen Äuße-
184 Interview mit Dr. Dorothee B. vom 7.6.2005. Vgl. dazu auch das Interview mit Dr. Isolde D. vom 30.6.2005: „Ich war im nördlichsten Zipfel von Westfalen, nähe Kreis Lübbecke. Und zwar habe ich mich an sich an die Nordsee gemeldet, weil ich schon gewusst habe, nach dem Norden werde ich nicht so oft gehen. Mich hat es immer mehr nach dem Süden gezogen. An die Nordsee bin ich dann nicht gekommen“. 185 Adam, 88. 186 Wilhelmine Dreißig: Frauenarbeitsdienst und Frauenstudium. In: DSt. Wissen und Dienst. Die Deutsche Studentenschaft. 9. Jahrgang. Nr. 22. Berlin 1936, 10, hier nach UAM, Sen. 366c/5. 187 Pauwels, 22. 188 Konstantin Hierl: Arbeitsdienst der weiblichen Jugend und land- und hauswirtschaftliches Pflichtjahr (1938). In: Herbert Freiherr von Stetten-Erb (Hg.): Konstantin Hierl. Ausgewählte Schriften und Reden. 2. Band. München 1941, 277. 189 Vgl. Wilhelmine Dreißig: Frauenarbeitsdienst und Frauenstudium. In: DSt. Wissen und Dienst. Die Deutsche Studentenschaft. 9. Jahrgang. Nr. 22. Berlin 1936, 10, hier nach UAM, Sen. 366c/5. 190 Patel, 131.
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3 Arbeitsdienst
rungen zwar nicht mehr mit der Überfüllung der Hochschulen begründete, aber dennoch als Methode begriff, um Abiturienten von einem potentiellen Studium abzubringen, wenngleich die Erlebnisse der ehemaligen Arbeitsdienstleistenden mehrheitlich die schon 1932 im Rahmen des akademischen Werkjahres angestellten Überlegungen bestätigen: „Die Tätigkeit der Jungstudenten im Werkjahr wird nur keinen Abiturienten endgültig vom Studium ableiten, sondern wird im Gegenteil, insbesondere durch Vermittlung näherer Kenntnis der Handarbeitsberufe, manchen jetzt Schwankenden davor abschrecken, sich noch in einem so späten Lebensjahre einem solchen bisher ungewohnten Berufe zuzuwenden.“191 Wie schon der Erlass des „Überfüllungsgesetzes“ 1933 konnte die Einführung des Arbeitsdienstes letztendlich jedoch ebenfalls nicht in vorgesehener Weise praktiziert werden. Während im Frühjahr 1934 ca. 1.400 Abiturientinnen mit Hochschulreife ihrer Arbeitsdienstpflicht nachkamen, kam es 1935 in Folge der Aufhebung der weiblichen Zulassungsquotierung zu einer Verdoppelung der studierwilligen Abiturientinnen auf über 3.000.192 Da nur eine begrenzte, für den großen Andrang aber ungenügende Anzahl von Einsatzstellen zur Verfügung stand, wurde bereits im Sommer 1934 nur ein Teil der Mädchen, die ihren Abschluss gemacht hatten, zum Arbeitsdienst einberufen; etwa vierhundert gewährte man im Herbst die Immatrikulation, ohne dass diese ihren Dienst abgeleistet hatten. Um überhaupt allen Abiturientinnen die Ableistung zu ermöglichen, dabei jedoch die „Begrenzung des Kontingentes der „Intellektuellen“ im Frauenarbeitsdienst“193 auf 20 % zu berücksichtigen, musste die allgemeine Dienstzeit 1935 auf 13 Wochen verkürzt werden. Einige Studentinnen konnten erst nach einer sechsmonatigen Wartezeit im Oktober des Jahres antreten, womit aber zumindest die Studiumserlaubnis für das Sommersemester 1935 verbunden war194: „Ich musste ja auch Arbeitsdienst machen. Allerdings nur ein Vierteljahr die Abiturientinnen. Und ich habe ja Ostern, damals hat man ja Ostern Abitur gemacht, also ’35, und bin sofort eingezogen worden nach Schönwald bei Selb, wo ich also erstens einmal bei einem Bauern habe arbeiten müssen und zwei-
191 Das akademische Werkjahr. In: Bayerischer Kurier vom 13.10.1932, hier nach UAM, Sen. 368/5. 192 Vgl. Mertens: Töchter, 109. 193 BArch, RSF II* 545. Die Deutsche Studentenschaft, Reichsführung an Carl Lieberwirth vom 18.7.1935. 194 Vgl. Pauwels, 23, sowie UAM, Sen. 366c/5. Rundschreiben Arbeitsdienst 2/1935 der Deutschen Studentenschaft, Amt für Arbeitsdienst vom 15.4.1935. Dieses Rundschreiben widerlegt die Behauptung Grüttners, wonach Studentinnen, die eine halbjährige Wartepause bis zur Ableistung des RAD vorfanden, somit auch ihr Studium erst nach sechs Monaten antreten konnten. Vgl. Grüttner, 228.
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tens bei einer Familie, wo der Mann in einer Porzellanfabrik war. […] Und erst im Wintersemester konnte ich anfangen zu studieren.“195 Auch Ingeborg G., die an der Münchner Akademie der Tonkunst im Hauptfach Orgel studierte, erinnerte sich an ihre verkürzte Einsatzzeit in Nordbayern: „Wir Abiturienten oder Abiturientinnen von 1935 hatten das Glück, dass wir nur ein, jedenfalls in Bayern, nur ein Vierteljahr Arbeitsdienst machen mussten, weil nicht erwünscht war, dass zu viele Abiturientinnen in das gleiche Lager kamen.“196 Trotz dieser Maßnahme blieb es aber auch weiterhin unmöglich, alle Bewerberinnen aufzunehmen. 1935 konnten im Südwesten Deutschlands nur 45 von insgesamt 240 Abiturientinnen angenommen werden. Dies bedeutete, dass die Mehrheit der Abiturientinnen, für die kein Platz vorhanden war, einfach von ihrem Dienst entbunden wurde und sich sofort an einer Universität ihrer Wahl einschreiben konnte.197 Weitere 140 absolvierten reichsweit ihren Arbeitsdienst in Form eines sog. „Studentischen Ausgleichsdienstes“, der in der Hauptsache aus der Mitarbeit im Hilfswerk „Mutter und Kind“ der NSV bestand und für die jungen Frauen gedacht war, die aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen von der Schwerarbeit in den Arbeitslagern befreit waren198: „Meinen Ausgleichsdienst leistete ich im NSV-Mütterheim Deutenhofen, am NSV-Gauamt München und an der erbbiologischen Abteilung der Heil- und Pflegeanstalt Kartause [sic!]/ Regensburg ab.“199
195 Interview mit Dr. Elisabeth P. vom 17.4. und 10.12.2005. 196 Interview mit Ingeborg G. vom 18.8.2005. 197 Vgl. Pauwels, 23. 198 Vgl. [Wilhelmine] Dreißig: Der Ausgleichsdienst der Abiturientinnen. In: DSt. Wissen und Dienst. Die Deutsche Studentenschaft. 9. Jahrgang. Nr. 3. Berlin 1936, 8, hier nach UAM, Sen. 366c/5. 199 Maria Eder: Die physiologischen Probleme bei Hermann Lotze. Diss. München 1944, 96. Zur damaligen Regensburger Heil- und Pflegeanstalt vgl. auch Gregor Babaryka: Der „Hungererlaß“ des Bayerischen Staatsministeriums des Innern vom 30.11.1942 im historischen Kontext unter besonderer Berücksichtigung der Heil- und Pflegeanstalt Karthaus-Prüll in Regensburg. Diss. München 2001, bes. 46 ff. Weiterführende Literaturhinweise finden sich ebd., 161 ff.
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3 Arbeitsdienst
Abb. 19: Ausgleichsdienst in der Kreisamtsleitung der NSV Regensburg
3.2 Pflichtmäßiges Diensthalbjahr und Ausgleichsdienst
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Auch NS-Jugendheimstätten200, Kindergärten201, die Betreuung von sog. „asozialen Familien bzw. Frauen mit Kindern“202 oder gar der Dienst in einer Abteilung für Sexualvergehen203 gehörten zu den Einsatzorten bzw. Aufgabenbereichen; des Weiteren die Universitäten selbst, wie das Beispiel der LMU zeigt. Hier forderte man Studentinnen und Studenten Mitte der 1940er Jahre zur halbjährigen Ableistung im Rektorat an, um dem kriegsbedingten Mangel an Angestellten entgegenzuwirken und Mehrarbeiten durch Betreuung der im Heere stehenden Studierenden bzw. durch die Fernimmatrikulationen vorübergehend aufzufangen. Einige Studentinnen wurden vor diesem Hintergrund sogar für mehrere Wochen vom Kriegseinsatz zurückgestellt und ersetzten fehlendes Personal im Rahmen der Einschreibung für das Wintersemester 1944/45.204 Wieder andere waren zur Büroarbeit in amtlichen Stellen „für vordringliche Landesverteidigungs- und staatswichtige Aufgaben eingesetzt“205, darunter in den Dienststellen des Reichsministers der Luftfahrt und Oberbefehlshabers der Luftwaffe oder des REM. Bis Februar 1936 hatte man für dienstuntaugliche Abiturienten rund 2500 Plätze in Landwirtschaftsbetrieben, der DAF und anderen Einrichtungen geschaffen, seit 1938 wurden die Männer schließlich zu Tätigkeiten im Rahmen der Kriegsvorbereitung herangezogen.206 Wie die Erinnerungen der späteren Studentinnen erstmals zeigen, kam es allerdings durchaus vor, dass auch der Ausgleichsdienst den Betroffenen mitunter eine ähnlich schwere Arbeit abverlangte wie der Einsatz im Arbeitsdienst: „Da bin ich untersucht worden […] und da hat sich herausgestellt […], dass ich eine Rhythmusstörung des Herzens hätte […], und dass ich für den StudentenAusgleichsdienst [anzutreten habe/P. U.], dass ich also von der Kasernierung ausgeschlossen bin, dass ich aber von früh bis abends einen Dienst verrichten muss. Und da musste ich von früh um sieben bis am Nachmittag um sechs in
200 Vgl. Lebenslauf von Dorothea Vlach in ihrer Doktorarbeit: Zur Frage einer Wandlung der Aortenlues in den letzten 20 Jahren. Diss. München 1943. 201 Vgl. Lebenslauf von Ida Ruhsam in ihrer Doktorarbeit: Die Zahnheilkunde in Österreich bis 1920. Diss. München 1945. 202 Interview mit Irmgard H. vom 9.6.2005. 203 Vgl. Interview mit Dr. T. N. vom 16.5.2005: „(D)a war ich in der Abteilung für Sexualvergehen zwischen Jugendlichen oder von Erwachsenen zu Jugendlichen. Und da war eine Juristin als Geschäftsstellenleiterin, und wir haben halt dann die Akten in die Hand gekriegt zur Bearbeitung.“ 204 Vgl. die entsprechenden Dokumente im UAM, Sen. 624/13. Ausgleichsstudenten zur vorübergehenden Beschäftigung. 205 Der studentische Ausgleichsdienst. In: Frankfurter Zeitung vom 7.5.1941, hier nach UAM, D-XVII-53. 206 Vgl. Patel, 139 f.
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3 Arbeitsdienst
einem NSV-Kindergarten arbeiten, noch dazu draußen in Haar. Ich habe in der Kaiserstraße gewohnt […]. Und habe als Helferin der echten Kindergärtnerin – wir waren drei solche Ausgleichsstudentinnen – also die groben Arbeiten verrichtet: Die Fußböden schrubben und die Milch kochen und die Milch holen. Und mir ist [sic!] unvergesslich diese schweren metallenen Milchkannen. Also, es war genauso wie im Arbeitsdienst. Ich weiß, dass ich sogar Fieber gekriegt habe am Anfang von dieser Anstrengung, denn man ist ja aus der Schule gekommen.“207 Auch die nach ihrem Studium als Pianistin und Musiklehrerin tätige Erika W. betonte – Bezug nehmend auf ihren sechsmonatigen Einsatz als Hilfskraft in einem Münchner Kindertagesheim – die lange Arbeitszeit im Ausgleichsdienst: „Da musste man aber präsent sein von morgens sieben bis abends sechs. Und weil da Kinder so lange drin bleiben mussten, bis die Eltern sie abgeholt haben.“208 Diese Umstände schürten den Ärger der Frauen und führten dazu, dass der Ausgleichsdienst, ebenso wie der Arbeitsdienst, oftmals als überflüssiges Hindernis im Vorfeld der Ausbildung galt, dessen Existenz die körperlich ohnehin Beeinträchtigten nur mehr zusätzlich benachteiligte. Zeitgenössische Fürsprecher betonten indessen in erster Linie den ideellen Wert dieser Einrichtung: „Der Ausgleichsdienst gibt den arbeitsdienstuntauglichen Abiturienten einen gewissen inneren Halt durch das Bewußtsein, daß sie, die ja nicht wie ihre gesunden Kameraden durch Arbeitsdienst und Wehrdienst gehen können und somit eine Ehrenpflicht dem Volk gegenüber erfüllen, […] bewiesen haben, daß auch sie imstande sind, werteschaffende Arbeit zu leisten“209; in der Praxis wurde dies wohl von den wenigsten Betroffenen so empfunden. Insgesamt zeugen Berichte verschiedener Einzelstudentenschaften in diesem Kontext von der deutlichen Ablehnung, mit welcher man der Institutionalisierung des Arbeitsdienstes vielerorts begegnete. Obwohl bspw. die Universität Halle die Meinung vertrat, der Einsatz der Abiturienten im Diensthalbjahr stelle die wichtigste und zwingend notwendige Vorbedingung für die Realisierung des vom Nationalsozialismus geforderten Typus des „politischen Studenten“ dar, war etwa aus Köln zu vernehmen, besonders Studenten der höheren Semester würden die neue Verordnung zumeist als lästige Pflicht empfinden. Ähnlich lässt sich nachweislich u. a. auch für die Universitäten Rostock oder Kiel konstatieren, die in ihren bisherigen Erfahrungen dahingehend konform gingen,
207 Interview mit Annemarie L. vom 11.4.2005. 208 Interview mit Erika W. vom 18.5.2005. 209 Eine politische Forderung! Sinn des studentischen Ausgleichsdienstes. In: Studentenpressedienst. Amtlicher Pressedienst des Reichsstudentenführers. Folge 6. München 1937, 3, hier nach UAM, Sen. 366c/5.
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wonach die Erwartungen nicht vollständig erfüllt worden seien: „Von Seiten der Wohnkameradschaften wird berichtet, daß der Arbeitsdienst an den einzelnen Studenten vorübergegangen ist, ohne sie für die kommenden Aufgaben tiefer geformt zu haben.“210 Die einzelnen Fakultäten der Universität München zeigten sich dagegen uneinheitlich, was die Wirkung des Dienstes auf die physische bzw. sonstige Verhaltensweise der Abiturienten von 1934 betraf. Während etwa das Dekanat der Medizinischen Fakultät verlauten ließ, „dass irgendwelche wissenschaftlichen oder haltungsmässigen Veränderungen an dem neuen Abiturientenjahrgang von Seiten der Dozenten nicht wahrgenommen werden konnten“211, sprach man seitens der Tierärztlichen Fakultät von einer günstigen Entwicklung, die sich hauptsächlich im gehobenen Interesse sowie in gesteigerten Leistungen zeige.212 Was die Betroffenen selbst anbelangt, wird anhand der verfügbaren Quellen zumindest unter den arbeitsdienstpflichtigen Studenten an der LMU ein wachsender Unmut sichtbar, der aus widersprüchlichen Verfügungen bzw. der ungleichen Behandlung der Männer resultierte und verschiedentlich sogar zu Demonstrationen führte.213 So waren nach den Ausführungsbestimmungen des Amtes für Arbeitsdienst der DSt zu Beginn des Wintersemesters 1934/35 an den Universitäten alle Studenten im ersten bis siebten Semester zur Ableistung eines sechsmonatigen Arbeitsdienstes vom 1. April bis 30. September 1935 verpflichtet worden. Das bedeutete, dass kein Student sein Studium beginnen bzw. im zweiten bis achten Semester fortführen konnte, der den Dienst nicht abgeleistet hatte oder von ihm befreit worden war. Zurückstellungen für die als tauglich Befundenen fanden nicht statt, Befreiungen konnten nur auf Grund besonderer Voraussetzungen erfolgen. Zu diesen zählten die ärztlich testierte Dienstuntauglichkeit oder eine besondere wirtschaftliche Notlage. Weitere Gründe waren das Erreichen der Altersgrenze von 25 Jahren am 1. April 1935 oder eine langjährige, unabkömmliche Betätigung in der nationalsozialistischen Bewegung.214 Da die vorhandenen
210 Alle Zitate nach BArch, NS 38/2191. Die Regelung des Dienstes an den deutschen Hochschulen. Denkschrift zum Erlaß RU I 50007 vom 21.6.1934. 211 UAM, Sen. 368/5 Band 1. Das Dekanat der Medizinischen Fakultät an das Rektorat der Ludwig-Maximilians-Universität München vom 25.3.1935. 212 Ebd. Dekanat der Tierärztlichen Fakultät München an das Rektorat der Universität München vom 2.3.1935. 213 Vgl. dazu ausführlich Böhm, 291 f. 214 Vgl. UAM, Sen. 6a. Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus an die Herren Rektoren der 3 Landesuniversitäten vom 12.3.1935, sowie UAM, Sen. 368/5. Bekanntgabe des Staatsministeriums für Unterricht und Kultus vom 26.1.1935 Nr. V 4091 über die studentische Arbeitsdienstpflicht. In: Bayrischer Regierungsanzeiger Ausgabe 29/24 vom 29.1.1935. Abiturientin-
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Lager jedoch wie bei den Frauen nicht ausreichten, um alle in Frage kommenden Abiturienten bzw. Studenten aufzunehmen, sah sich das Amt für Arbeitsdienst per Eilrundschreiben gezwungen, für das Sommersemester 1935 weitere Ausnahmen zuzulassen und diejenigen Studenten des ersten bis siebten Semesters zu befreien, die in den letzten Semesterferien durch das SA-Hochschulamt erfasst waren oder wegen Überfüllung der Plätze zurückgestellt wurden. Nachdem der Führer der Münchner Studentenschaft, Sigwart Göller, diese Richtlinien in einer Vollversammlung verkündet hatte, traf nur einen Tag später über den Gau-Arbeitsdienstreferenten die Mitteilung ein, nach welcher die Befreiung der vom SA-Hochschulamt Erfassten nur erfolgte, sofern sie dem Abiturientenjahrgang 1932 oder vorher angehörten. Alle Studenten, die seinerzeit das freiwillige Werkhalbjahr nicht absolviert hatten, waren arbeitsdienstpflichtig.215 Mit Blick auf die Aussagen der Zeitzeuginnen bestätigt sich in diesem Zusammenhang die nachfolgende These Pauwels, welche angesichts unüberschaubarer und stetig wechselnder Verfügungen jedoch nicht ausschließlich für die Situation der Frauen angebracht ist: „The introduction of the Arbeitsdienst served to lengthen the period of time before a woman could graduate and find employment, thus increasing the considerable financial sacrifice associated with university studies and disheartening those for whom such studies already loomed as an inordinately long and difficult proposition.“216 Auch die weitere interne Entwicklung des Arbeitsdienstes zeigt, dass dieser in der Praxis wohl weniger ein ernst zu nehmendes Hindernis war, das den Zugang zur Hochschule tatsächlich erschwerte, als vielmehr eine „Erledigung“217, die hinter sich gebracht werden musste, mehr noch ein im Allgemeinen als lästige Pflicht empfundener Faktor, der den Zeitraum zwischen Abitur und Studienbeginn bzw. Studium und Examen (unnötig) verlängerte. So ist einem Schreiben
nen des Jahrgangs 1935 oder früher wurden hinsichtlich der Ableistung des Arbeitsdienstes wie die Abiturienten behandelt. Damit traf der Erlass nur diejenigen Frauen, die zu Beginn des Sommersemesters noch nicht immatrikuliert waren. Bereits eingeschriebene weibliche Studierende waren nicht mehr verpflichtet, den Arbeitsdienst nach den Ende Januar im o. g. Regierungsanzeiger publizierten Bestimmungen abzuleisten. Vgl. UAM, 368/5 Band 1. Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus an die Herren Rektoren der drei Landesuniversitäten […] vom 13.2.1935. Von den Frauen waren nur diejenigen von dem Erlass betroffen, die bei Beginn des Sommersemesters 1935 noch nicht immatrikuliert waren. 215 Vgl. UAM, Sen. 368/5 Band 1 sowie BArch, RSF II* 191. Sigwart Göller an den Reichsführer der Deutschen Studentenschaft Andreas Feickert vom 14.2.1935. 216 Pauwels, 23. 217 Vgl. Lebenslauf der Zahnmedizinerin Wilhelmine Sommer in ihrer Doktorarbeit: Über Epulis. Diss. München 1942.
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des REM vom 26. Oktober 1936 zu entnehmen, dass das Pflichtenheft seit Beginn des Monats für die Männer fortgefallen war. Eintragungen über die Führung im Arbeitsdienst hatten bei der Immatrikulation künftig im Wehr- bzw. Arbeitsdienstpass überprüft zu werden218, in welchem man seit Ende 1937 allerdings keine Führungsnoten mehr vermerkte. Stattdessen schickte das REM fortan allen Rektoren Namenlisten derjenigen Abiturienten, die im Einsatz lediglich mit „genügend“ oder schlechter bewertet worden waren. Gleichzeitig wurden die Leiter der Universitäten angewiesen, die Einschreibung der Aufgelisteten zunächst auszusetzen und unverzüglich die Einsichtnahme in die vom Arbeitsdienst an das REM übermittelten Beurteilungsbogen vorzunehmen. Dem endgültigen Entscheid über die Zulassung sollte jedoch nicht allein die vorliegende Beurteilung, sondern auch der persönliche Eindruck zu Grunde liegen, „der gegebenenfalls im Laufe eines Semesters als Gasthörer, das später angerechnet werden kann, zu gewinnen ist.“219 Anfang September 1942 galt diese Regelung auch für Abiturientinnen.220 Wie Grüttner in diesem Zusammenhang zuzustimmen ist, erfuhren die Kompetenzen des Arbeitsdienstes auf diese Weise eine starke Einschränkung, zumal die „Entscheidung über die Zulassung der Arbeitsdienstleistenden von den RADFührern auf die Rektoren übergegangen“ war. Selbst Abiturienten, die negativ aufgefallen waren, konnten jetzt auf die Bewilligung ihrer Immatrikulation hoffen, war es doch kaum zu erwarten, dass die Rektoren die Bewertungen der Führer unkritisch übernehmen würden.221 Wie hoch der Anteil der Frauen und Männer war, die aufgrund ihrer Beurteilung als gefährdet für die Aufnahme an der Universität galten, lässt sich nicht konsequent beantworten. Eine erstmals im Dezember 1937 vonseiten des REM vorgelegte Liste beinhaltet gerade einmal die Namen von 22 mit „genügend“ beurteilten Männern. Nachdem einer von ihnen nachträglich noch ein mit der Note „gut“ bewertetes Führungszeugnis vorlegen konnte, blieben lediglich 21 Abiturienten übrig, was einem verschwindend geringen Anteil von 0,30 % der 6877 männlichen Erstsemester an den Hochschulen
218 UAM, Sen. 6a. Der Reichs- und Preußische Minister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung an die Unterrichtsverwaltungen der Länder mit Hochschulen – außer Preußen – vom 26.10.1936. 219 UAM, Sen. 368/5 Band 1. Runderlass des Reichs- und Preußischen Ministers für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung vom 20.12.1937. 220 Vgl. UAM, D-XVII-53. Runderlass des Reichsministers für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung vom 7.12.1942. 221 Zum Zitat und zum Absatz vgl. Grüttner, 237.
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im Wintersemester 1937/38 entsprach222; im Sommersemester 1938 galten sogar nur drei Abiturienten (0,06 %) als unwürdig für ein Studium, im Januar 1942 nur mehr zwei223 – das waren 0,10 % der rapide von 7625 im 3. Trimester 1940 auf 1906 im Wintertrimester 1941 gefallenen Neuzugänge an Männern224; im September 1943 teilte der REM per Rundschreiben den Namen einer weiteren, einzelnen Abiturientin mit.225 Obwohl ein Schreiben der DSt vom Juli 1935 explizit auf die gestiegene Anzahl der Abiturientinnen hinweist, denen auf Grund ihrer Haltung das Pflichtenheft verweigert wurde226, finden sich etwa im Verordnungsblatt RSF vom Februar 1937 einzig fünf Abiturientinnen, die der Arbeitsdienstpflicht nicht genügt hatten und deshalb nicht immatrikuliert werden sollten. In den Akten des UAM sind gerade einmal die Namen von zwei weiblichen Arbeitsdienstleistenden vermerkt, die im Sommerhalbjahr 1942 lediglich mit „genügend“ beurteilt worden waren.227 Über den Grund für diese geringe Anzahl können nur Vermutungen angestellt werden: Entweder fügten sich die Frauen im Allgemeinen noch stärker in die von ihnen verlangte (Arbeits-)Haltung im Dienst als die Männer, oder die Lagerführerinnen selbst erwiesen sich als tendenziell eher nachsichtig, wenn es um die endgültige Beurteilung – selbst zweifelhafter Fälle – ging. Für letztere Annahme sprechen vor allem vereinzelte Quellen des BArch. Sie zeigen, dass etwa die 1935 aufgrund der Engpässe in den Einsatzorten auf 13 Wochen herabgesetzte Dienstzeit als nicht ausreichend für eine ausführliche Bewertung der Abiturientinnen empfunden wurde, zumal das Urteil für die Zukunft der Betroffenen durchaus von Bedeutung war.228 Andere Führerinnen wiederum versuchten trotz ihrer als „hart“ beschriebenen Linie dennoch bewusst einen objektiven Maßstab bei der
222 Vgl. UAM, Sen. 368/5 Band 1. Runderlass des Reichs- und Preußischen Ministers für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung vom 20.12.1937. 223 UAM, D-XVII-53. Runderlass des Reichsministers für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung vom 12.1.1942. 224 Zu den Erstsemesterzahlen vgl. Reichsminister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung (Hg.): Zehnjahres-Statistik des Hochschulbesuchs und der Abschlußprüfungen. Band I: Hochschulbesuch. Berlin 1943, 330 f. 225 Vgl. UAM, D-XVII-53. Rundschreiben des Reichsministers für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung vom 1.9.1943. 226 BArch, RSF II* 545. Rundbrief Nr. 23 der Deutschen Studentenschaft, Amt für Arbeitsdienst vom 20.7.1935. 227 Vgl. Verordnungsblatt RSF. Nr. 3. München 1937, 19, sowie UAM, D-XVII-53. Runderlass des Reichsministers für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung vom 20.3.1943. 228 Vgl. BArch, RSF II* 498. Deutscher Frauenarbeitsdienst Frauenstadt an die Vertrauensstudentin des Deutschen Frauenarbeitsdienstes vom 24.7.1935.
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Vergabe der Pflichtenhefte anzulegen229, weshalb eine Verweigerung des Dokuments wohl nur selten vorkam. Wieder andere Schulabgängerinnen konnten im Einzelfall sogar von einer positiven Haltung im Arbeitsdienst sowie dem Engagement der Führerin profitieren, wie das Beispiel der im Kreis Heilsberg geborenen Gertrud H. verdeutlicht. Obwohl sie die Reifeprüfung nur mit „genügend“ bestanden und deshalb die Hochschulreife nicht zugesprochen bekommen hatte, sprach sich die Referentin für Arbeitsdienst nach einer Fahrt durch die Lager des ostpreußischen Frauenarbeitsdienstes positiv für die junge Frau aus: „Nach meinem persönlichen Eindruck und nach dem Urteil der Lagerführerin und der Kameradinnen ist sie durchaus geeignet, zur Hochschule für Lehrerinnenbildung nach Beuthen zu gehen. G. H. ist ein frisches, aufgewecktes Mädel mit sehr gesunden Ansichten und, obwohl sie Katholikin ist, mit durchaus nationalsozialistischer Haltung. – Deshalb wäre es sehr zu wünschen, dass sie Volksschullehrerin wird“230. In einem der wenigen nachweisbaren Fälle, in denen ein Studierender tatsächlich relegiert wurde, musste demnach offenbar wenigstens die bei Patel konstatierte Kombination aus Ungeschicklichkeit, deviantem Verhalten und politischer Nonkonformität zusammenkommen.231 Folglich war der Arbeitsdienst am Ende wohl nur für die Studienkandidatinnen eine ernst zu nehmende Selektionsinstanz, welche, so Steffen-Korflür, Stipendien oder anderweitige Vergünstigungen in Anspruch nehmen wollten bzw. mussten. „Für diesen Personenkreis stellte die „Führung“ im Arbeitsdienst tatsächlich ein „positives“ Auslesekriterium dar, während – inkonsequenterweise – im Falle bessergestellter Abiturientinnen ein unauffälliges, angepaßtes Verhalten ausreichte, um die Immatrikulationsmöglichkeit zu gewährleisten.“232 Nach Patel funktionierte jedoch der Arbeitsdienst selbst als Bewertungssystem nicht, was sich, trotz öffentlicher Bekundungen, u. a. bei der Vergabe von Stipendien zeigte. „Der Hauptgrund für das Zurückbleiben hinter den selbst gesetzten Erwartungen liegt einmal mehr in der Inkompetenz des unteren Führungspersonals, dem seit 1933 vorgeworfen wurde, unfähig für die Evaluation der Studenten zu sein. […] Hierl, der das Problem erkannte, lehnte es 1935 deswegen ab, seine Führer allein über die „Studierwürdigkeit“ entscheiden zu lassen.
229 Vgl. ebd. Deutscher Frauenarbeitsdienst Ratibor an die Landesstelle für Deutschen Frauenarbeitsdienst in Schlesien vom 20.7.1935. 230 Ebd. Hauptamt für Studentinnen, Amt für Arbeitsdienst an das Amt für Erzieher b. d. Gauleitung Ostpreussen d. N. S. D. A. P. Königsberg/Pr. vom 31.8.1935. 231 Vgl. Patel, 157. 232 Steffen-Korflür, 243 f.
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Fortan erstellte der RAD lediglich ein unverbindliches Gutachten für das Reichserziehungsministerium über die Abiturienten.“233 Die hier konstatierte Unfähigkeit des Systems wird exemplarisch auch an der Universität München deutlich, wo noch im Februar 1936 die Beurteilungen der Arbeitsmaiden große Schwierigkeiten bereiteten. Demgemäß trafen die entsprechenden Unterlagen entweder überhaupt nicht ein oder wurden von Frauen übermittelt, die sich keineswegs an der LMU immatrikuliert hatten. „Die Ursache hierfür dürfte in der Unentschlossenheit der Abiturientinnen hinsichtlich der Wahl ihres Studienortes und auch in der Begrenzung der Zahl der Studierenden an den einzelnen Hochschulen liegen“234, so die Begründung der stellvertretenden Hauptamtsleiterin VI. Sie ist symptomatisch für die sich mitunter sogar gegenseitig hemmenden Auslese- bzw. Beschränkungsmaßnahmen der Nationalsozialisten, die zwar vordergründig den „Konformitätsdruck“235 erhöhten, entgegen den Vorstellungen der Verantwortlichen – wie bspw. im Falle der Höchstziffernregelung – jedoch von den tatsächlichen Gegebenheiten überholt wurden: Ungeachtet aller Bestimmungen dürfte also am Ende nicht von jedem weiblichen Erstsemester eine entsprechende Charakteristik vorgelegen haben. Veränderungen und Revisionen erfuhren Arbeits- und Ausgleichsdienst schließlich auch während des Zweiten Weltkrieges. Nach einer Verfügung des REM vom 8. September 1939 war bis auf Weiteres kein Nachweis über die Ableistung von RAD oder Ausgleichsdienst als Vorbedingung für die Aufnahme eines Studiums zu erbringen. Einen Monat später wurden zahlreiche Studierende aus Arbeitsdienst und Wehrmacht im Oktober entlassen, um sich noch im laufenden Vorlesungsbetrieb einschreiben bzw. ihr Studium fortsetzen zu können. Falls die vorhandenen Plätze an den Hochschulen für die Neuankömmlinge nicht ausreichten, sollten zusätzliche für die Teilnahme geschaffen oder Doppelvorlesungen durchgeführt werden.236 Die ehemalige Medizinstudentin Dr. Johanna K.
233 Patel, 157. 234 BArch, RSF II* 535 (a 434). Semesterbericht des Hauptamtes VI der Studentenschaft der Universität München vom 24.2.1936. 235 Patel, 157. 236 Vgl. UAM, Sen. 368/5. Schnellbrief des Reichsministers für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung vom 8.9.1939, sowie ebd. Schnellbrief des Reichsministers für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung vom 10.10.1939. Siehe in diesem Zusammenhang auch Kapitel V Die Indienstnahme der LMU-Studentinnen im Krieg sowie die Aussage von Hildegard Hamm-Brücher, die ebenfalls frühzeitig aus dem RAD zum kriegswichtigen Studium der Chemie entlassen wurde. Interessant ist auch die zeitgenössische Einschätzung eines Medizinstudenten: „Das letzte Bravourstücken von ihm [Rust/P. U.] daß er im Heer und Arbeitsdienst bekanntmachen ließ, daß alle, die Medizin studieren wollten, frei kämen. Die Folge war, daß der Andrang noch viel
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erinnert sich: „Und da [im RAD/P. U.] war ich ein halbes Jahr und sollte am 1. September, ja, am 1. September entlassen werden zum Studium. Und dann kam der Krieg, und da hat man uns dann noch zum Proben abgestellt für den Reichsparteitag, der dann nicht stattfand, nach Nürnberg. Und dann brach der Krieg ja inzwischen aus, und dann hatten wir uns alle schon irgendwo in Lazaretten in Polen gesehen. Aber ich kam dann wieder ins Lager zurück, und die anderen Mädchen mussten ein Jahr bleiben. Ich konnte aber dann nach vier Wochen als Studentin entlassen werden. Und so kam ich halt ein bisschen später zum Studium, nachdem das Semester schon angegangen war. Aber es hat jedenfalls noch geklappt.“237 Bei einem Teil der Abiturientinnen stellte sich zudem eine gewisse Form von Zweckoptimismus ein, indem sie ihre Studienpläne nach der Möglichkeit ausrichteten, früher aus RAD bzw. Wehrmacht entlassen zu werden: „Und dann […] fing ja der Krieg an, und dann hieß es, ja, der Arbeitsdienst wird verlängert. Nur die, die Medizin studieren, dürfen sofort nach Hause. Aber ich hab’s nicht fertiggebracht zu sagen, ich studiere Medizin. Und dann hieß es ja, ein paar Wochen später, wer also Lehrerin werden will, der kann zum 1. November dann entlassen werden. Und da wurde ich dann entlassen, und habe ich mir gedacht, also Lehrerin wollte ich eigentlich früher schon werden, mach ich’s doch mal.“238 Dementsprechend konstatierte der Sicherheitsdienst der SS vermehrt Meldungen aus dem Reich, wonach zahlreiche Mediziner im ersten Semester, nachdem sie durch
größer wurde als er ohnehin schon ist. In Marburg allein sollen 800 Erstsemester sein. Es studiert heute jeder mögliche + unmögliche Mensch männlichen + weiblichen Geschlechts Medizin. Sie ist anscheinend für viele Männer die einzige Möglichkeit, zu etwas zu kommen + für viele Frauen aus vielen durchsichtigen Gründen ebenfalls die letzte Rettung. Ich brauche nur um mich zu blicken + ich sehe genug, so viel, daß ich meine Augen am liebsten manchmal nicht mehr auf(lassen) machen möchte. Der Durchschnittsmediziner steht menschlich + leider auch geistig auf einer bedauerlich tiefen “Höhe“. Von einer “Auslese“ – das Wort ist heute wie so viele Schlagwort geworden + ein solcher Bluff – ist bei uns nicht mehr die Rede. Die meisten haben einen Horizont wie ein Fußball“. Josef Gieles an seine Eltern vom 15.11.1939. In: Heinrich Kanz (Hg.): Josef Gieles: Studentenbriefe 1939–1942. Widerständiges Denken im Umfeld der Weißen Rose. 2., durchgesehene Auflage Frankfurt am Main, Berlin, Bruxelles 2013, 45, künftig zitiert als Kanz. 237 Interview mit Dr. Johanna K. vom 22.8.2005. Vgl. dazu auch das Interview mit Dr. Laura Z. vom 1.6.2005, die als angehende Medizinstudentin ebenfalls früher aus dem RAD entlassen wurde: „Aber ich erinnere mich, […] im September […] war Kriegsbeginn, und im Oktober durfte ich heim. Und die anderen mussten bis Weihnachten bleiben“. 238 Interview mit Lisa P. vom 10.5.2005. Später sattelte die Studentin jedoch auf Jura um. Auch im Folgejahr wurde eine Regelung über das frühere Ausscheiden von Arbeitsmaiden mit Studiumsabsichten aus dem RAD getroffen. Vgl. hierzu UAM, Sen. 368/5. Erlaß des Reichsarbeitsführers vom 11.7.1940 über die vorzeitige Entlassung von Abiturientinnen. WJ.-D. Nr. 55/40.
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Aufnahme des Studiums vom Arbeitsdienst in der Wehrmacht befreit worden waren, zum kommenden Trimester in ihr eigentliches Studiengebiet und damit in eine andere Fakultät wechseln wollten.239 Durch den starken Andrang waren die Medizinische Fakultät der LMU sowie die chemische Abteilung der TH im ersten Kriegstrimester vollkommen überfüllt. So studierten an den neun nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges geöffneten medizinischen Fakultäten zahlenmäßig 35 % mehr als an den 30 geöffneten im Semester zuvor240: „Und dann war […] also die Uni […] voll, übervoll. Und wir saßen also buchstäblich auf den Stufen in den Hörsälen und haben da auf den Knien mitgeschrieben. Und es waren also wenig Mädchen drunter, aber die Soldaten alle in Uniform, die Mediziner, die hat man zur Medizin vorzeitig beurlaubt vom Militär. Und die konnten also dann Studium machen in Militäruniform.“241 Ein Semester später galt dieser Zustrom nach wie vor als ungebrochen, sodass die Anzahl der ersten Semester an einzelnen Hochschulen ebenso groß war wie die der übrigen zusammen.242 Probleme bereitete jedoch nicht nur die im Oktober ergangene Regelung. Auch die nur eine Woche nach Kriegsausbruch unternommene Initiative des REM erwies sich, so Grüttner, rasch als „glatter Fehlschlag“243. Nachdem sich bereits 1939/40 abgezeichnet hatte, dass der Krieg die Nachwuchskrise in den akademischen Berufen weiter verstärken würde und das Ausbildungsniveau der Studierenden u. a. durch die außerfachliche Indienstnahme stetig sank, wollte man die angehenden Akademiker während ihrer Ausbildung von überflüssigem Ballast befreien: „Da haben sie natürlich, weil die jungen Leute, die jungen Männer alle weg waren, da haben sie natürlich gesagt: „Um Gottes Willen, wir brauchen ja Leute, die studieren, studiert haben, und die dann die jungen Männer, wenn sie weg, nicht da sind, ersetzen können unter Umständen.“ Also da war die Möglichkeit, ohne Arbeitsdienst zu studieren. Das war aber einmal nur. Also dieses
239 Heinz Boberach (Hg.): Meldungen aus dem Reich 1938–1945. Die geheimen Lageberichte des Sicherheitsdienstes der SS. Band 3: Berichte zur innenpolitischen Lage Nr. 15 vom 13. November 1939-Nr. 25 vom 6. Dezember 1939. Meldungen aus dem Reich Nr. 26 vom 8. Dezember 1939-Nr. 65 vom 13. März 1940. Herrsching 1984, 526, künftig zitiert als Boberach 3. 240 Vgl. Heinz Boberach (Hg.): Meldungen aus dem Reich 1938–1945. Die geheimen Lageberichte des Sicherheitsdienstes der SS. Band 2: Jahresbericht 1938 des Sicherheitshauptamtes. 1. Vierteljahreslagebericht 1939 des Sicherheitshauptamtes. Berichte zur innenpolitischen Lage. Nr. 1 vom 9. Oktober 1939-Nr. 14 vom 10. November 1939. Herrsching 1984, 391, 431 f., künftig zitiert als Boberach 2. 241 Interview mit Dr. Johanna K. vom 22.8.2005. 242 Vgl. Boberach 3, 717. 243 Grüttner, 373. Zum Rest des Absatzes vgl. ebd., 373 f.
3.3 Kriegshilfsdienst als Verlängerung der Dienstzeit
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eine Semester 1940. Später war’s dann immer wieder.“244 Allerdings zeigte sich RAD-Führer Konstantin Hierl nicht bereit, die zukünftigen Studierenden aus seinem Machtbereich zu entlassen. Obgleich selbst der Reichsstudentenführer die Anordnung des REM billigte, stieß Hierl bei Hitler auf offene Ohren: Bereits im Februar 1940 musste der Reichserziehungsminister die Wiedereinführung der Arbeitsdienstpflicht in einem neuen Runderlass ankündigen.
3.3 Kriegshilfsdienst als Verlängerung der Dienstzeit Viel schwerwiegender für die Studentinnen wog jedoch ein Führererlass, den Hierl im Juli 1941 erwirken konnte. Dieser sah vor, dass „vor allem das deutsche Mädel und die deutsche Frau noch einen zusätzlichen Beitrag zum Kampf des deutschen Volkes und seinem Sieg leisten“245 und nach Abschluss ihres Dienstes weitere sechs Monate Kriegshilfsdienst absolvieren könne – „eine Verlängerung“, die den Beginn des Studiums immer weiter hinauszögerte: „Ein Jahr, insgesamt ein Jahr. Und die Abiturientinnen wurden dann [nach dem RAD/P. U.] nach Salzburg versetzt und nicht in eine Munitionsfabrik, wie uns angedroht wurde, sondern wir waren dann beim Reichsstatthalter. […] Da haben wir Büroarbeit gemacht“246, eine Tätigkeit, für die Dienststellen der Wehrmacht sowie Behörden vorgesehen waren. Zu den weiteren Einsatzorten zählten Krankenhäuser und andere gesundheitliche bzw. soziale Einrichtungen oder hilfsbedürftige Familien; in der Praxis erfolgte aber eine zunehmende Verlagerung in die Rüstungsindustrie: „Und während dieser „Dienstzeit“ – hat man es ja genannt – wurde der Arbeitsdienst verlängert um ein halbes Jahr Kriegshilfsdienst. Dann
244 Interview mit Burgl D. vom 7.4.2005. Die ehemalige Studentin der Volkswirtschaft nutzte die kurzeitige Verordnung infolge als Schlupfloch, um sich dem RAD dauerhaft zu entziehen: „Sie haben auch immer wieder gesagt: „Was ist mit dem Arbeitsdienst?“ Habe ich gesagt: „Ja, ja, mache ich alles, mache ich alles schon noch.“ Und das ging also ewig. Bei jeder Einschreibung habe ich gezittert, dass sie sagen: „Jetzt müssen Sie aber.“ Da saß immer irgendeiner von der Partei natürlich dabei bei diesen Einschreibungen. Da habe ich gesagt: „Ja, das mache ich schon, das mache ich schon.“ Dann habe ich es wieder nicht gemacht. Und dann war ich so weit, dann habe ich gesagt: „Jetzt kann ich nicht, jetzt habe ich mich zum Examen angemeldet.“ „Ja, aber dann nachher.“ „Ja, ich mach das schon noch. Ich mach das schon noch.“ Und dann war ich schon 25, und da konnte man nicht mehr. Da habe ich gesagt: „Ich bin aber schon 25.“ Da war das vorbei. Ich glaube, ich bin die einzige Studentin, die nie einen Arbeitsdienst gemacht hat.“ Ebd. 245 H. S.-E.: Der Einsatz im Kriegshilfsdienst des Reichsarbeitsdienstes der weiblichen Jugend. Besprechung mit Vertretern von Partei, Staat und Behörden. In: VB vom 27.8.1941, hier nach UAM, D-XVII-53. 246 Alle Zitate nach Interview mit Ruth O. vom 30.4.2005.
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3 Arbeitsdienst
musste ich also noch ein halbes Jahr bleiben. Aber nachdem ich da in der kurzen Zeit so 20 Kilo zugenommen hatte, hat also mein Vater darauf gedrungen und hat das auch durchgesetzt, dass ich nach München kam für das letzte halbe Jahr. Da war ich dann bei der Post, beim Luftschutzwarndienst. […] Na ja, das war ja die Zeit, wo die Fliegerangriffe angegangen sind. Da war reihum Dienst, mal war es von acht bis zwölf und einmal von zwölf bis acht, und dann eine Nacht von acht bis acht. Und da musste man eigentlich nur so Proben am Telefon immer machen: Keine Vorkommnisse oder was. Also wir haben praktisch sehr wenige Alarmmeldungen damals gehabt. Zum Glück, es war ja der Winter ’41. Aber man musste dort schlafen und konnte dann einen Tag freihaben. […] Nach diesem Kriegshilfsdienst sollte man verpflichtet werden, bei der entsprechenden Stelle zu bleiben. Aber dann hat man sich doch durchgerungen zu sagen: „Die studieren wollen, können studieren.“ Aber das war bis zuletzt im Zweifel, und dann habe ich also angefangen im Sommersemester, ’42 war das dann, ja.“247 Nach 1940 erfolgten stetig weitere Erlasse, die sowohl die Ableistung von Arbeits- bzw. Ausgleichsdienst als auch die des Kriegshilfsdiensts regelten und wiederholt Ausnahmeregelungen für Angehörige bestimmter Gruppen beinhalteten. So galten bspw. Abiturientinnen der Geburtsjahrgänge 1921 und älter sowie Angehörige jüngerer Jahrgänge, die vor dem 22. September 1939 im Flugmelde-, Luftschutzwarn- oder im Sicherheits- und Hilfsdienst eingesetzt worden waren, seit März 1941 vom Nachweis der RAD-Ableistung vor Studiumsbeginn befreit.248 Im Entwurf einer neuen Musterordnung für den RAD war dagegen vorgesehen, jüdischen „Mischlingen zweiten Grades“ den Entscheid „Heranziehung“ zuzustellen, diese aber als überzählig nicht einzuberufen. Ebenso wie „fremdblütige Mischlinge 2. Grades“249 sollten sie deshalb den studentischen Ausgleichsdienst ableisten. Unter den Frauen wurden vor allem Kriegerwitwen und Mütter mit Kindern gefördert: Beiden Gruppen wurde die Ableistung des RAD vor Studienantritt im Februar 1942 erlassen.250 Im Laufe der Zeit setzte man das Alter, bis zu welchem zukünftige Studierende ihrer Indienstnahme nachkommen mussten, schrittweise herab. Galt
247 Interview mit Gertraud B. vom 27.7.2005. 248 Vgl. UAM, D-XVII-53. Anrechnung von Dienstzeiten im Flugmeldedienst usw. auf die Verpflichtung zur Ableistung des Reichsarbeitsdienstes. Runderlass des Reichsministeriums für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung vom 28.3.1941. Zu weiteren Regelungen vgl. ebd. Schnellbrief des Reichsministers für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung vom 24.4.1941 über die Zulassung von Abiturienten des Geburtsjahrganges 1923 zum Studium. 249 UAM, D-XVII-53. Rundschreiben des Reichsministers für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung vom 9.6.1942. 250 Vgl. Huerkamp: Bildungsbürgerinnen, 91.
3.3 Kriegshilfsdienst als Verlängerung der Dienstzeit
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zunächst die Vollendung des 23. Lebensjahrs vor Antritt des Studiums als Grenze, so wurden angehende Studentinnen und Studentinnen seit Februar 1942 bereits zwölf Monate früher, ab Sommer 1944 schon mit Vollendung des 21. Lebensjahres ohne Nachweis des abgeleisteten Arbeits- oder Ausgleichsdienstes zur Hochschule zugelassen.251 An der LMU profitierten allein von der 1942 ergangenen Herabsetzung 288 Studentinnen und 68 Studenten.252 Abiturienten von Ostern 1943, die 1926 und früher geboren worden waren, durften mit Rücksicht auf die besonderen Kriegsverhältnisse ihr Studium ohne vorherigen RAD bis zu ihrer pflichtmäßigen Heranziehung aufnehmen, allerdings längstens zwei Semester.253 Zukünftige Pharmaziestudentinnen konnten außerdem zuerst ihr zweijähriges Praktikum in einer Apotheke ableisten. Anschließend wurden sie weitere zwölf Monate in einer Notdienstapotheke verpflichtet, ein Zeitraum, der als Ausgleichsdienst galt.254 Arbeitsdienstuntaugliche Abiturientinnen, die vor Vollendung ihres 22. Lebensjahres mit dem Studium beginnen wollten und aus gesundheitlichen Gründen als untauglich vom RAD freigestellt bzw. nachträglich entlassen worden waren, mussten im letzten Kriegsjahr einen einjährigen Ausgleichsdienst antreten. Als Dienstzeitraum galt der 15. April 1944 bis 31. März 1945 im Rahmen des Hilfswerks Mutter und Kind.255 Diejenigen Frauen, die am 30. September 1944
251 Vgl. UAM, D-XVII-53. Runderlass des Reichsministeriums für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung vom 20.6.1941 über den Arbeits- und Ausgleichsdienst der Studierenden, sowie ebd. die beiden Runderlasse des Ministeriums vom 20.2.1942 und 3.6.1944 über die Altersgrenze für die Zulassung zum Studium ohne Reichsarbeitsdienst oder Studentischen Ausgleichsdienst. 252 Vgl. ebd. W[alther] Wüst an das Bayer. Staatsministerium für Unterricht und Kultus vom 29.5.1943. 253 Studium vor dem Reichsarbeitsdienst. In: Frankfurter Zeitung vom 12.4.1943, hier nach UAM, D-XVII-53. 254 Vgl. UAM, Sen. 624/13. Undatiertes Merkblatt der Reichsstudentenführung, Sozialpolitisches Amt, aus dem Jahr 1943. 255 Arbeitsdienstuntaugliche Abiturientinnen. In: MNN vom 1.3.1944, hier nach UAM, Sen. 368/5. Vgl. in diesem Zusammenhang auch Studentischer Ausgleichsdienst verlängert. In: Deutsche Allgemeine Zeitung vom 1.9.1943, hier nach UAM, D-XVII-53: „Der Reichserziehungsminister hat in seinem Erlaß vom 6. Juli 1943 angeordnet, daß die Dauer des Studentischen Ausgleichsdienstes auf ein Jahr verlängert wird. Die Verlängerung der Dienstzeit erfolgt jedoch nur für die Studenten, die ab Sommersemester 1943 ein Hochschulstudium aufgenommen haben bzw. seit dem 15. April 1943 bereits ihren Studentischen Ausgleichsdienst ableisten und vorher noch nicht studiert haben. Bei den Studenten, die bereits vor dem Sommersemester 1943 im Hochschulstudium gestanden haben, wird von einer Verlängerung des Studentischen Ausgleichsdienstes abgesehen. Soweit diese Studenten z. Z. im Einsatz stehen, erfolgt ihre Entlassung zum 15. Oktober 1943, so daß sie im Wintersemester 1943/44 ihr Hochschulstudium fortsetzen können.“
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3 Arbeitsdienst
regulär ihren Ausgleichsdienst beendet gehabt hätten, hatten eine Verlängerung auf unbestimmte Zeit zu akzeptieren.256 Abgesehen von der Regelung, wonach Erstimmatrikulationen ab September 1944 ohnehin nur mehr für die von der Wehrmacht zum Studium Beurlaubten bzw. aus der Wehrmacht entlassenen Versehrten sowie für Kriegerwitwen zulässig sein sollten, sollte diese Gruppe während des Dritten Reiches also kein Studium mehr aufnehmen können. Dasselbe gilt für die Arbeitsmaiden, die ab April 1944 für einen Einsatz in der Luftverteidigung vorgesehen waren: Nach einem entsprechenden Führerlass vom 8. des Monats umfasste die Dienstzeit für diese Frauen mit eineinhalb Jahren sechs Monate mehr als die eigentliche Dienstzeit von je sechs Monaten Reichsarbeits- und Kriegshilfsdienst. Durch das Ende des Zweiten Weltkrieges im Mai 1945 war jedoch diese Verlängerung am Ende hinfällig geworden.
256 Vgl. UAM, Sen. 624/13. Amt Ausgleichsdienst, Universität München, an den Rektor vom 10.10.1944.
IV. Die Indienstnahme der LMU-Studentinnen im Dritten Reich
„Zwei Grundsätze hatten im Wintersemester 1933/34 zu der Forderung geführt, in der Deutschen Studentenschaft das Hauptamt für Studentinnen auszubauen: Das Wissen um die Notwendigkeit, jede Studentin in das Aufbauwerk des Dritten Reiches einzureihen, damit sie gliedhaft gebunden in den Herzschlag ihrer Volksmitte wieder lerne, als Teil im Geschehen der Volkheit mitzufühlen und mitzuwirken. Seit drei Semestern wird jede Studentin in den ersten Studiensemestern im Rahmen des Studentinnendienstplanes erfaßt, der von ihr regelmäßig Sport, Mitarbeit in der NS.-Volkswohlfahrt bzw. im Winterhilfswerk, intensive Ausbildung in Luftschutz, erster Hilfe oder Nachrichtenwesen und den politischen Einsatz in den gemeinschaftstragenden Werten unseres Volkstums verlangt. Die Schwierigkeit bestand anfangs weniger in der organisatorischen Einreihung aller Studentinnen als in der Aufgabe, allen bewußt werden zu lassen, daß Dienst stets nur als solcher zu werten ist, wenn er aus innerstem Wollen und aus der Bindung zur Gemeinschaft wird. – Diese Einstellung zu schaffen, war die Aufgabe der Arbeitsgemeinschaft nationalsozialistischer Studentinnen (ANSt.) im N. S. D. Studentenbund und all der ersten und älteren Semester, die im Arbeitsdienst oder Landdienst zu Nationalsozialistinnen mit dem glühenden Willen zum Einsatz geworden waren.“ 1935 publizierte Ruth Gaensecke, Pressereferentin in der Reichsführung des NSDStB, in der von Ernst Krieck herausgegebenen Zeitschrift „Volk im Werden“ einen Beitrag über die „Entwicklung des Frauenstudiums und seine Aufgabe im heutigen Staat“1. In diesem Artikel beschrieb die ANSt-Funktionärin die mit Machtergreifung der Nationalsozialisten einsetzende Indienstnahme der Studentinnen, die – ebenso wie ihre Kommilitonen – seit dem Wintersemester 1933/34 eine Vielzahl außerfachlicher Verpflichtungen ableisten mussten. Hatte man mit § 1 des Gesetzes über die Bildung von Studentenschaften an den wissenschaftlichen Hochschulen Juden aus der DSt ausgeschlossen2, so stellte § 2 des Erlasses der rassenideologischen Auslese die Integration bzw. Vereinnahmung der arischen Studierenden an den Universitäten konträr gegenüber: „Die Studentenschaft […] hat mitzuwirken, daß die Studenten ihre Pflichten gegen Volk, Staat und Hochschule erfüllen.“3 Die nur wenige Tage später erschienene kultusministerielle Bekanntmachung präzisierte die Bestimmung und legte fest, dass die Studentenschaft fortan für die „Erziehung der Studenten zur Wehrhaftigkeit
1 Alle Zitate nach Ruth Gaensecke: Die Entwicklung des Frauenstudiums und seine Aufgabe im heutigen Staat. In: Volk im Werden. 3. Jahrgang. Heft 2. Leipzig 1935, 114 f. 2 Vgl. Kapitel II, 2 „Volljuden“. 3 Vgl. Gesetz über die Bildung von Studentenschaften an den wissenschaftlichen Hochschulen vom 22.4.1933. § 2. In: RGBl. Teil I. Nr. 40. Berlin 1933, 215.
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IV. Die Indienstnahme der LMU-Studentinnen im Dritten Reich
und zur Einordnung in die Volksgemeinschaft durch Wehr- und Arbeitsdienst und Leibesübungen“4 verantwortlich sei. Auf diese Weise dienten die Studentenschaften nicht nur als Instrument zur Organisation der bereits im Sinne des Nationalsozialismus aktiv gewordenen Studierenden, sondern auch zur „Disziplinierung der Abseitsstehenden“ und der „Einübung in Gehorsam“5 – für das Studium an den Universitäten eine bis dato nicht bekannte Tugend. Während mit dem H VI im Mai 1933 eine gesonderte Einrichtung innerhalb der DSt zur Regelung der Studentinnenangelegenheiten geschaffen worden war, hatte die ANSt die nationalsozialistische Ausrichtung der weltanschaulich-politischen Erziehung der Frauen zu verantworten.6 Als Untergliederung des NSDStB verfolgte sie das Ziel, „die „Macht“ (Erlangung der höchstmöglichen Verfügungsund Kontrollberechtigung) über die Studentinnenschaft unter weitgehender Zurückdrängung der pluralistischen studentischen Organisationen sowie eine möglichst hochgradige strukturelle und bewußtseinsmäßige Vereinheitlichung zu erreichen“7; nach der Machtergreifung kontrollierten und vereinnahmten die ANSt-Mitglieder das neu eingerichtete H VI sowie die übrigen weiblichen Referate in den anderen Ämtern der DSt. In München wurde zum ersten Mal für das Sommersemester 1934 ein lokales H VI im Personenstandsverzeichnis der LMU aufgeführt, das unter Leitung der Philologiestudentin Marianne Schuster stand.8 Wie bereits in Kapitel II, 4, dargestellt wurde, hatte die ANSt jedoch zunächst mit personellen Schwierigkeiten zu kämpfen, weshalb man sich gezwungen sah, gleichermaßen unter den weiblichen Mitgliedern wenig NS-konformer Vereinigungen und Bünde geeignete Führungspersönlichkeiten zu rekrutieren, die als ihre Vertreterinnen die entsprechenden Haupt- und Unterämter der DSt einnehmen sollten. Dazu kam der äußerst ineffiziente und konfliktträchtige Dualismus staatlicher und parteilicher Instanzen, der sich in anhaltenden Machtkämpfen zwischen der DSt, als Vertretung der Gesamtheit der Studierenden einerseits,
4 Bek. d. Staatsmin. f. Unt. u. Kult. v. 28.4.33. Nr. V 15822 über die Bildung von Studentenschaften an den wissenschaftlichen Hochschulen in Bayern, § 3. In: Amtsblatt des Bayer. Staatsministeriums für Unterricht und Kultus. Nr. 4. München, 12.5.1933, 45. 5 Dietmar Willoweit: Nationalsozialistische Hochschul- und Wissenschaftspolitik in Bayern. In: Bayerisches Staatsministerium für Unterricht, Kultus, Wissenschaft und Kunst (Hg.): Tradition und Perspektive. 150 Jahre Bayerisches Kultusministerium. München 1997, 159. 6 Vgl. Steffen-Korflür, 186. 7 Manns, 189. 8 Vgl. Personenstand der Ludwig-Maximilians-Universität München. Sommer-Halbjahr 1934. I. Teil: Nach dem Stande vom 10. Juli 1934. II. Teil: Nach dem Stande vom 1. Juni 1934. München 1934, 8.
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und dem NSDStB, als politische Organisation und Parteigliederung andererseits, niederschlug. Anfang November 1936 wurden sowohl der NSDStB bzw. die ANSt als auch die DSt bzw. das H VI der neu gegründeten RSF unterstellt. Das sog. „Amt für Studentinnen“ ersetzte das H VI und die ANSt und stellte organisatorisch sowie arbeitsmäßig ein Amt innerhalb der RSF dar.9 Als Eliteorganisation blieb die ANSt jedoch auch innerhalb dieses Amtes für nationalsozialistische Studentinnen bestehen. Dies bedeutete, dass Nichtmitglieder fortan lediglich als der DSt zugehörig galten und alle Aktivitäten, die bislang vom H VI organisiert worden waren, jetzt vom Amt Studentinnen der RSF gehandhabt wurden.10 Da auf allen Ebenen der RSF grundsätzlich Personalunion zwischen Studentenschafts- und Studentenbundsfunktionären herrschte, verschmolzen die Posten der Referentinnen für Studentinnen und ANSt-Referentinnen allmählich im Rahmen der Studentenschaft, bis sie kaum noch zu unterscheiden waren. Nachdem sich die Einrichtung des H VI sowie die damit verbundenen Aktivitäten an manchen Hochschulen aufgrund der personellen Schwierigkeiten sowie des Widerstandes einzelner Studentenschaftsführer bis zum Wintersemester 1933/34 verzögert hatten, schuf das erste Reichsschulungslager der Deutschen Studentinnen die organisatorischen Voraussetzungen zur Verwirklichung der neuen Institution. Rund 130 Studentinnen versammelten sich im Oktober 1933 für zehn Tage auf der thüringischen Leuchtenburg, um sich auf ihre Aufgaben als zukünftige Hauptamtsleiterinnen bzw. -referentinnen vorzubereiten.11 Unter Führung von Gisela Brettschneider, die erst kurze Zeit vorher als Reichsleiterin des H VI der DSt eingesetzt worden war12, erarbeiteten die Frauen ein obligatorisches Programm für die politische Erziehung der weiblichen Studierenden sowie entsprechende Richtlinien für die Tätigkeitsbereiche der einzelnen Ämter innerhalb des H VI. An der LMU bat die Hochschulgruppenführerin im Juni 1934 auf lokaler Ebene darum, den Hörsaal 217 jeden Montag für die zweistündigen Schulungsabende der ANSt zu erhalten.13 Ein erstmalig für das Wintersemester 1933/34 von Brettschneider herausgegebener Plan legte die Arbeit in Grundzügen fest und sah vor, dass sich alle Studentinnen des ersten bis sechsten Semesters neben dem Frauendienst (Luft-
9 Vgl. Gustav Adolf Scheel: Die Reichsstudentenführung. Arbeit und Organisation des deutschen Studententums. Berlin 1938, 10 f. 10 Vgl. Pauwels, 68. 11 Vgl. Steffen-Korflür, 188. 12 Vgl. Kapitel II, 4 ANSt-Mitglieder. 13 Vgl. UAM, Sen. 746/94. Annelise Eitel an das Rektorat der Univ. München vom 2.6.1934.
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IV. Die Indienstnahme der LMU-Studentinnen im Dritten Reich
schutz, Nachrichtendienst, Sanitätskurs) in der NSV betätigten. Zur Teilnahme am Pflichtsport inklusive einer Monats- sowie einer mehrtägigen Semesterwanderung sollten die Erst- bis Viertsemester, zur GPf (Volkstanz, Volkslied, Heimatkunde, Heimatdichtung) die Erst- und Zweitsemester14, nach einer früheren Verfügung auch die Studentinnen des dritten Semesters herangezogen werden.15 Dokumentiert wurde die regelmäßige Beteiligung im Pflichtenheft, dessen Aushändigung an die erfolgreiche Ableistung des Arbeitsdienstes gebunden war.16
Abb. 20: Auszug aus dem Pflichtenheft einer Münchner Studentin Mitte der 1930er Jahre (LMU)
Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass das umfangreiche Programm Anfang November ohne vorherige Information der Kultusminister herausgegeben wurde. Erst drei Wochen später informierte das Hauptamt für Studentinnen die Ministerien per Rundschreiben über die Aktivitäten und bat um eine entsprechende Verfügung, durch welche die Veranstaltungen von der Universitätsbehörde als testatpflichtig gelten sollten. Noch im Dezember war allerdings lediglich der Pflichtsport vom Preußischen Kultusministerium anerkannt worden – ein Faktum, das man schlichtweg ignorierte, indem das Pflichtprogramm für weibliche Studierende unbeirrt weitergeführt wurde. „Schließlich war die distanzierte Haltung der Ministerien in der studentischen Öffentlichkeit nicht bekannt gewor-
14 BArch, NS 38/I* 80g 43/1. Die Deutsche Studentenschaft. Hauptamt für Studentinnen. An die Leiterinnen des Hauptamtes VI der Studentenschaften! Rundschreiben G 2 1933/34 vom 1.11.1933. 15 Ebd. Die Deutsche Studentenschaft. Hauptamt für Studentinnen. Anlage zum Rundschreiben G 2 1933/34. Nr. 1. Allgemeine Richtlinien für die Ausbildung der Studentinnen im Frauendienst vom 28.10.1933. Höhere Semester konnten sich auch freiwillig weiter an der GPf beteiligen. 16 Vgl. ebd. Die Deutsche Studentenschaft. Hauptamt für Studentinnen. An die Leiterinnen des Hauptamtes VI der Einzelstudentenschaften. Rundschreiben G 3 1933/34 vom 15.12.1933.
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den, und die DSt konnte zur Recht darauf vertrauen, daß die Kultusminister sie nicht öffentlich desavouieren würden. Eine Verpflichtung der Studentinnen, Bescheinigungen über die absolvierten Kurse beim Examen vorzulegen, war freilich nicht zustande gekommen. Damit entfiel ein wichtiges Druckmittel.“17 Mit Blick auf die im April 1933 gesetzlich fixierte Indienstnahme der Studierenden wird im Folgenden untersucht, inwiefern und in welchem Umfang die Studentinnen an der Universität München von den neuen Maßnahmen betroffen waren. Während Böhm die außerwissenschaftlichen Verpflichtungen sowie die politische Schulung der Studenten in den ersten Jahren des Dritten Reiches an der LMU ausführlich dargestellt hat18, steht eine kohärente Untersuchung der Münchner Kommilitoninnen nach wie vor aus. Dieses Defizit erscheint umso bedeutsamer, als mittlerweile feststeht, dass die Durchführung des Pflichtprogrammes für Studentinnen zumindest an einigen Standorten auf erhebliche Schwierigkeiten stieß. Diese resultierten aus den spezifischen Unzulänglichkeiten der einzelnen Universitäten, zu denen neben dem Desinteresse der weiblichen Studentenschaft gleichermaßen fehlende Lehr- bzw. Schulungskräfte oder mangelnde Räumlichkeiten gehörten. Der Realisierung einer „neue(n) Frauenerziehung“, die Gisela Brettschneider der – ihrer Ansicht nach – bislang nicht vorhandenen bzw. falsch verstandenen Frauenbildung entgegensetzen wollte, waren damit von Anfang an vielfältige Grenzen gesetzt: „Das neue Bildungsziel, dem auch unser Studium zu dienen hat, geht vom Volksganzen aus, es gilt durch Betonung der fraulichen und völkischen Werte die Hochwertigkeit der deutschen Staatsbürgerin zu erreichen. Die Männer müssen uns dabei helfen, solche Ziele aufzustellen, durch die wir Studentinnen die Kräfte und Fähigkeiten der deutschen Frau steigern und mehren. So werden wir erreichen, dass wir uns – wenn auch in verschiedenen Ebenen – so doch in gleicher Höhenlage wie der Mann entfalten können. Und mit der Erreichung der gleichen Höhenlage hat die Frauenfrage aufgehört, zu existieren.“19
17 Grüttner, 79. 18 Vgl. Böhm, 281–354. 19 Alle Zitate nach BArch, RSF II* 505 (a 407). Die Studentin im dritten [sic!] Reich. (Gespräch mit Gisela Brettschneider) vom Dezember 1933.
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1 Einführung außer- und inneruniversitärer Pflichten 1933
1 Einführung außer- und inneruniversitärer Pflichten 1933 1.1 Pflichtsport 1.1.1 Freiwillige Leibesübungen vor 1933 Hatte Anfang der 1930er Jahre die Idee eines freiwilligen studentischen Arbeitsdienstes an Interesse gewonnen20, so war auch die Pflege der freiwilligen Leibesübungen bereits in der Weimarer Republik ein Anliegen der deutschen Hochschulen gewesen. Ein Bericht des Münchner Leiters der akademischen Leibesübungen, des sog. „Akademischen Turn- und Spielleiters“, zeigt, dass man an der LMU ebenfalls das Ziel verfolgte, vielseitige Gelegenheiten für sportliche Aktivitäten zu schaffen. Auf diese Weise sollte eine möglichst große Anzahl Studierender zu körperlicher Ertüchtigung animiert werden, da „bei dem völligen Fehlen eines von manchen Seiten nicht gewünschten und bis jetzt im Gegensatz zu den preussischen Bestimmungen ministeriell nicht verfügten Zwanges“21 noch keinerlei Pflichtmäßigkeit bestand. Als praktischer Anreiz dienten der regelmäßige Übungsbetrieb (Turnen, Gymnastik, Leichtathletik, Schwimmen etc.), die Abhaltung besonderer Kurse und Lehrgänge (Boxen, Fechten, Skilauf etc.), die finanzielle Unterstützung anderweitiger, von Studierenden ausgeführter Aktivitäten wie die Mitgliedschaft in einem Turn- bzw. Sportverein und die Veranstaltung von Vorlesungen bzw. Werbevorträgen zum Thema Leibesübungen. Als Übungsstätten standen neben der Hochschulturnhalle an der Ludwigstraße 14, dem Hochschulsportplatz Freimann sowie einer angemieteten Turnhalle auch stundenweise überlassene städtische und staatliche Plätze und Hallen zur Verfügung; nebenamtliche Lehrkräfte wurden für Frauenturnen und -schwimmen, für Jiu-Jitsu, Boxen und Sportfechten eingesetzt. Zudem konnten die Studentinnen und Studenten kostenlos auf die sportärztlichen Untersuchungs- und Beratungsstellen der Münchner Hochschulen zurückgreifen.22 Schon zu Beginn der 1920er Jahre versuchte man an der LMU ein Einvernehmen darüber zu erzeugen, dass als Kompensation für die durch den Ver-
20 Vgl. Kapitel III, 3.1 Freiwilliger Arbeitsdienst und freiwilliges Werkhalbjahr. 21 Alle Zitate nach UAM, P-II-18. Akadem. Turn- u. Spielleiter München an das UniversitätsSekretariat München vom 11.4.1929. 22 Vgl. ebd.
1.1 Pflichtsport
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sailler Vertrag verbotene allgemeine Wehrpflicht ein adäquater Ersatz geschaffen werden müsste: „Das einzige zur Verfügung stehende Mittel ist möglichst ausgedehnte Pflege von Leibesübungen aller Art, insonderheit von Turnen und Sport. Vor allem der Sportbetrieb ist geeignet, nicht nur die Körperausbildung zu fördern und die Gesundheit, Kraft und Gewandtheit zu heben, sondern auch die Entschlusskraft und Willensfestigkeit zu stählen. Aus diesem Grunde wird die Forderung nach intensivstem Sportbetrieb gleichmässig seitens der staatlichen und akademischen Behörden wie seitens der Studentenschaft erhoben.“23 Zuständig für alle die Leibesübungen betreffenden Fragen waren seit 1920 die aus Vertretern der Studenten und Professoren bestehenden Ausschüsse für Leibesübungen. In Erlangen rief der AStA der Studentenschaft die Studierenden 1920 zu reger physischer Betätigung auf. In München stellte der gemeinsame Ausschuss der Universität sowie der TH nachweislich Anfang 1921 einen ersten Antrag an die akademischen Senate der beiden Hochschulen auf Einführung eines vorlesungs- bzw. übungsfreien Nachmittages in der Wochenmitte. Dieser sollte einem Haupthindernis in der praktischen Ausübung des Sportbetriebes, dem Mangel an notwendiger Zeit, entgegenwirken, nachdem schon in der Vergangenheit aus studentischen Kreisen ähnliche Anregungen ergangen waren.24 Tatsächlich gehörte das Freihalten bestimmter Zeiten ebenso zu den anhaltenden Diskussionspunkten wie etwa die ungenügenden finanziellen Mittel oder die unzureichenden Sportstätten; diese Defizite traten durch die Größe von Universität und TH noch zusätzlich hervor.25
23 UAM, P-II-46 Band 1. Vom gemeinsamen Ausschuss für Leibesübungen an den Senat der Universität, den Senat der technischen Hochschule, das Direktorium der Handelshochschule, sämtliche in München vom 8.1.1921. 24 Wie einem Schreiben der LMU vom Dezember 1920 zu entnehmen ist, wurden aus studentischen Kreisen schon früher Anregungen auf Freihaltung eines Spielnachmittags in der Wochenmitte von sämtlichem akademischen Unterricht laut. Vgl. UAM, P-II-18. Rektorat an seine Magnifizenz den Herrn Rektor der Universität Jena vom 1.12.1920. Bereits sechs Jahre zuvor sollte nach Beschluss des Senats eine Stiftung zur Förderung der Leibesübungen an der Universität München mit einem Kapital von 5.000 Mark errichtet werden. Nachdem der Stiftungszweck aufgrund der geringen Jahreserträgnisse nicht mehr erfüllt werden konnte, wurde die „Stiftung zur Förderung der Leibesübungen“ am 1. April 1960 aufgehoben. Vgl. UAM, VA-B III 97. Rektorat der Ludwig-Maximilians-Universität München an den Liquidator des ehemaligen Vereins „Münchener Studentenhaus“ Herrn o. ö. Universitätsprofessor, GehHofrat Dr. Alois Knoepfler vom 23.7.1914, sowie ebd., Universität München vom 8.6.1967. 25 Vgl. exemplarisch UAM, P-II-26 Band 5. Niederschrift über die Sitzung des Gemeinsamen Ausschusses der Universität und der Technischen Hochschule München für Leibesübungen vom 23.1.1928.
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1 Einführung außer- und inneruniversitärer Pflichten 1933
Was die Studentinnen betrifft, so hatte die MStG Ende 1926 einen erfolgreichen Antrag an den Senat der Universität gestellt, die Leitung der freiwilligen Leibesübungen für Frauen durch eine weibliche Kraft durchführen zu lassen.26 Im Sommersemester 1930 mussten für das Frauenturnen schließlich höhere Personalmittel bereitgestellt werden, da durchschnittlich 170 Teilnehmerinnen einer einzigen, nebenamtlichen Turnlehrerin gegenüberstanden. Weitere notwendig gewordene Hilfskräfte sollten verhindern, „dass das Frauenturnen in Misskredit komme und eingehe.“27 Nachdem die DSt sowie viele Einzelstudentenschaften Anfang der 1920er Jahre die pflichtmäßige Einführung der Leibesübungen gefordert hatten und Preußen 1925 die regelmäßige, zweisemestrige Teilnahme für einen Teil der Studierenden verbindlich machte, setzte die Auseinandersetzung um den studentischen Pflichtsport an der LMU erneut ein.28 Auch die deutsche Rektorenkonferenz befasste sich 1927 mit dieser Thematik. In der bayerischen Landeshauptstadt musste man sich dagegen noch im selben Jahr eingestehen, dass man „in Bezug der Ausgestaltung des Betriebes der Leibesübungen sehr weit zurück ist und auch alle zur Zeit im Gang befindlichen Maßnahmen selbst für die Gegenwart gänzlich ungenügend sind“29. Nach übereinstimmender Meinung der Fakultäten sollte insgesamt aber auch in Zukunft jeglicher Zwang im Hinblick auf die körperliche Ertüchtigung der Studierenden vermieden werden.30 Anders verhielt es sich dagegen bei der Studentenschaft der Universität München, die schon seit 1923 die pflichtmäßige Einführung der Leibesübungen forderte. Mit der Begründung, dass nahezu an sämtlichen deutschen Hochschulen der Pflichtsport eingeführt worden sei, zahlreiche bayerische Studierende ihre körperliche Ausbildung vernachlässigten und die Teilnahme an den Leibesübungen vaterländische Pflicht sein müsse, stellte sie am 6. März 1929 an den
26 Vgl. UAM, P-II-26 Band 2. Niederschrift über die Sitzung des Gemeinsamen Ausschusses der Universität und Technischen Hochschule München für Leibesübungen vom 17.1.1927. 27 UAM, P-II-26 Band 10. Niederschrift über die Sitzung des Gemeinsamen Ausschusses der Universität und Technischen Hochschule München für Leibesübungen vom 23.6.1930. 28 Vgl. UAM, P-II-36 Band 1. Bericht zur Einführung der pflichtmässigen Leibesübungen in München vom 20.11.1927. Die regelmäßige Teilnahme über zwei Semester an den akademischen Leibesübungen musste in Preußen bei der Prüfung für das höhere Lehramt sowie bei der Vorprüfung für Ingenieurfächer nachgewiesen werden. Vgl. ebd. Um den Studierenden bei einem Hochschulwechsel keine Schwierigkeiten zu bereiten, wurde die freiwillige Teilnahme an sportlichen Aktivitäten an der LMU mit einem entsprechenden Vermerk im Abgangszeugnis bestätigt. 29 Ebd. Mollier an Eure Magnificenz vom 5.12.1927. 30 Vgl. ebd. Abschrift der eingegangenen Bemerkungen vom 6.3.1928 sowie ebd. Rektorat an den Herrn Rektor der Universität Halle vom 20.4.1928.
1.1 Pflichtsport
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Senat der LMU den im AStA einstimmig verabschiedeten Antrag, die Leibesübungen an den bayerischen Hochschulen ab dem Sommersemester 1929 pflichtmäßig für alle Fakultäten einzuführen. Als Voraussetzung für ein Testat sollten 24 Übungsstunden pro Semester abgeleistet werden.31 Wie eine Rundfrage des Rektorats vom März des Jahres ergeben hatte, wurde an 29 von insgesamt 45 deutschen Hochschulen zumindest ein Teil der Studierenden zu pflichtmäßigen Leibesübungen herangezogen, während die Universitäten in Bayern, Hessen, Baden und Hamburg noch keine entsprechende Regelung vorsahen.32 Auch der Akademische Turn- und Spielleiter, Studienrat Emil Riess, machte sich die Argumentation der Studentenschaft zunutze und plädierte dafür, angesichts organisatorischer, räumlicher und personeller Schwierigkeiten bei der Einführung des Pflichtsportes zunächst gruppenweise vorzugehen und nicht alle Studierenden sofort zu erfassen. Seiner Ansicht nach konnten besonders die physisch schwächeren Studenten von einem geregelten Sportprogramm profitieren: „Sie verbummeln heute körperlich vollkommen, aber gerade ihre Erfassung erscheint notwendiger als alles andere.“ Was etwa die Frage mangelnder Übungsstätten betraf, plädierte Riess dafür, durch verstärkte Inanspruchnahme und Miete weiterer Turnhallen sowie dem Ausbau des Hochschulsportplatzes für einen entsprechenden Ausgleich zu sorgen. Auch sollte eine Frauengarderobe in den zur Hochschulturnhalle gehörenden, jedoch extern besetzten Räumen eingerichtet werden: „Mit dieser Regelung wäre im Betrieb der Leibesübungen der Zustand erreicht, der an der überwiegenden Zahl der deutschen Hochschulen bereits besteht.“33 Anfang März 1931 wiederholte die Studentenschaft der Münchner Universität ihren bereits zwei Jahre zuvor gestellten Antrag. Prüfungszulassungen sollten demnach lediglich bei Nachweis einer mindestens zweisemestrigen Beteiligung
31 Vgl. ebd. Die Studentenschaft der Universität München an einen hohen Senat der Universität München z.Hd. Sr. Magnifizenz Herrn Geheimrat Prof. Dr. Bumke vom 6.3.1929. 32 Vgl. ebd. Pflichtmäßige Leibesübungen an deutschen Hochschulen. Ergebnis der Rundfrage des Universitäts-Rektorates München vom 9. März 1929. Kein Zwang zu sportlicher Ertüchtigung bestand überdies an der Technischen Hochschule Braunschweig, den Forstlichen Hochschulen Eberswalde, Hannover und Münden, den Landwirtschaftlichen Hochschulen Berlin und BonnPoppelsdorf, den Tierärztlichen Hochschulen Hannover und Berlin sowie an der Akademie Braunschweig. Ebd. 33 Alle Zitate nach ebd. Bericht über die Pflichtmässigen Leibesübungen an den Münchener Hochschulen vom 3.7.1929. Die Hauptträger des Hochschulsports waren nach wie vor die Korporationen, die ihre Mitglieder entsprechend verpflichteten.
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an den Leibesübungen erfolgen.34 Obwohl im darauffolgenden Frühjahr auch der Vorsitzende des Deutschen Hochschulverbandes um eine entsprechende Stellungnahme bat, konnte die LMU noch immer keine endgültige Regelung vorweisen. Allerdings ist – mit Blick auf das Antwortschreiben des Rektorats – Böhm zuzustimmen, wonach mittlerweile zumindest ein „allgemeiner Konsens“35 über die Notwendigkeit der sportlichen Ertüchtigung zu herrschen schien: „Die pflichtmäßige Teilnahme an den Leibesübungen für alle Studierenden ist erwünscht. Bei uns ist beabsichtigt, gruppenweise vorzugehen und zwar soll zunächst mit der Gruppe der Lehramtswärter begonnen werden.“36 Tatsächlich ließ das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus ab dem Wintersemester 1932/33 ein gemeinsames Akademisches Institut für Leibesübungen (IfL) für Universität und TH errichten. Träger des Instituts wurde die LMU, die Verwaltung führten beide Hochschulen gemeinsam. Aufgabe des IfL war die Zusammenfassung sämtlicher Einrichtungen zur Pflege der Leibesübungen der Studierenden und damit die praktische Ausbildung und körperliche Erziehung derselben.37 Obwohl personelle, räumliche und zeitliche Schwierigkeiten nach wie vor einen hemmenden Einfluss ausübten, zeigte man sich vonseiten des Ausschusses für Leibesübungen optimistisch, dass mit Beginn des Sommersemesters 1933 der pflichtmäßigen Durchführung der Leibesübungen nun keinerlei Hindernisse mehr im Wege stehen würden.38
1.1.2 Einführung des Pflichtsports 1933 „Der Sieg des nationalsozialistischen Gedankens hat auch die akademischen Leibesübungen zu neuem Leben erweckt. Endlich, und doch, kaum vier Wochen nach der Machtergreifung durch die nationale Regierung, ist auch in Bayern die Sportpflicht zunächst für die im 1. Halbjahr stehenden Studierenden angeordnet worden.“39
34 Vgl. ebd. Studentenschaft der Universität München (Asta) an das Rektorat der Universität München vom 4.3.1931. 35 Böhm, 294. 36 UAM, P-II-36 Band 1. Rektorat der Universität München an den Herrn Vorsitzenden der Deutschen Hochschulen vom 19.2.1932. 37 Vgl. UAM, P-II-24 Band 1. Bayer. Staatsministerium für Unterricht und Kultus an den Senat der Universität München, der Technischen Hochschule München vom 26.9.1932. 38 Vgl. UAM, P-II-36 Band 1. Hygienisches Institut an das Universitäts-Rektorat vom 19.4.1933. 39 JB LMU 1932/33 (vom 27. Juni 1932 bis 26. Juni 1933). München 1934, 116.
1.1 Pflichtsport
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Wie Hajo Bernett bereits Mitte der 1960er Jahre in seiner Dokumentation über Theorie und Organisation der nationalsozialistischen Leibeserziehung dargestellt hat, leitete die Machtübernahme durch Adolf Hitler für Hochschulen und Schulen eine neue Entwicklung ein. Ausgangspunkt war die schon in „Mein Kampf“ von Hitler niedergeschriebene Wertordnung, welche die bislang vernachlässigte charakterliche und körperliche Ausbildung bewusst an den Anfang jeder Erziehung stellte und sie zur Basis der nationalsozialistischen Erziehung überhaupt erhob.40 Sowohl Kultusminister Hans Schemm als auch die Studentenschaft und das Rektorat der LMU zeigten sich „von Herzen“41 erfreut, bedeutete die nationale Erhebung doch, „dass den von der Universität schon seit Jahren gestellten Anträgen entsprechend nunmehr endlich die Pflichtmässigkeit der Leibesübungen“42 kommen würde. Bereits am 28. April 1933 verordnete das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus für alle im Sommersemester neu eintretenden männlichen Erstsemester die Teilnahme an Leibesübungen, wobei besonders wehrsportliche Übungsformen im Umfang von wenigstens einer wöchentlichen Übungszeit zur Pflicht gemacht wurden.43 Nach einer Mitte Mai ergangenen Ergänzung mussten die Studenten eine Stunde Turnen sowie zwei Stunden wehrsportliche Übungen pro Woche ableisten.44 Die ebenfalls dreistündige Sportpflicht der Kom-
40 Vgl. Hajo Bernett: Nationalsozialistische Leibeserziehung. Schorndorf bei Stuttgart 1966, 108 f. Vgl. in diesem Zusammenhang exemplarisch Adolf Hitler: Mein Kampf. Eine Abrechnung. 1. Band. München 1925, 267: „Vor allem muß in die bisherige Erziehung ein Ausgleich zwischen geistigem Unterricht und körperlicher Ertüchtigung treten. […] Man hat bei unserer Erziehung vollkommen vergessen, daß auf die Dauer ein gesunder Geist auch nur in einem gesunden Körper zu wohnen vermag.“ Vgl. auch Mein Kampf, 2. Band, 42: „Der völkische Staat muß […] von der Voraussetzung ausgehen, daß ein zwar wissenschaftlich wenig gebildeter, aber körperlich gesunder Mensch mit gutem, festem Charakter, erfüllt von Entschlußfreudigkeit und Willenskraft, für die Volksgemeinschaft wertvoller ist als ein geistreicher Schwächling. Ein Volk von Gelehrten wird, wenn diese dabei körperlich degenerierte, willensschwache und feige Pazifisten sind, den Himmel nicht erobern, ja nicht einmal auf dieser Erde sich das Dasein zu sichern vermögen.“ 41 UAM, P-II-36 Band 1. Die Studentenschaft der Universität München an das Rektorat der Universität München vom 19.4.1933. 42 Ebd. Rektorat an das Staatsministerium für Unterricht und Kultus vom 21.4.1933. 43 Vgl. Bek. d. Staatsmin. f. Unt. u. Kult. v. 28.4.33 Nr. V 17155 über Pflege der Leibesübungen an den Hochschulen. In: Staatsanzeiger vom 2./3.5.1933, hier nach UAM, P-II-36 Band 1. Die Durchführung dieser Anordnung oblag den akademischen Instituten für Leibesübungen im Zusammenwirken mit den Studentenschaften. 44 Vgl. Bek. d. Staatsmin. f. Unt. u. Kult. v. 18.5.33 Nr. V 22163 über Pflege der Leibesübungen an den Hochschulen. In: Staatsanzeiger vom 20.5.1933, hier nach UAM, P-II-36 Band 1.
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militoninnen umfasste „allgemeine Körperschule“45 sowie einen Sanitätskurs, der teilweise beim Roten Kreuz absolviert werden konnte. Nach einem Aufruf des hiesigen Hochschulamts für Wehrdienst hatten sich die Studentinnen der Münchner Hochschulen am 17. Mai zur Festlegung der Übungszeiten in der TH zu melden; Befreiungen und Beurlaubungen sollten grundsätzlich nicht möglich sein.46 Die an der LMU studierenden Ordensfrauen im ersten Semester wurden verpflichtet, die Übungen durch Teilnahme an besonderen, unter Leitung staatlich geprüfter Turnlehrerkräfte im Kloster der Schulschwestern am Anger einzurichtenden Gymnastikkursen von mindestens einer Wochenstunde abzuleisten; an den für weibliche Erstsemester eingeführten Sanitätskursen hatten sich die Ordensfrauen ebenfalls zu beteiligen.47 Die Ordenskleriker wiederum mussten nach einer Entschließung des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus vom 28. August 1933 ebenso am Turnunterricht in den Akademischen Instituten für Leibesübungen teilnehmen, wobei ein höherer Umfang von drei Übungszeiten pro Woche vorgesehen war; von den wehrsportlichen Übungen waren sie dagegen befreit.48 Schon im August des Jahres 1933 erfuhren die Leibesübungen in Übereinstimmung mit der Regelung anderer deutscher Länder eine Ausweitung auf die Studierenden der ersten beiden Semester. Während man es bei den männlichen Mitgliedern der DSt bei der zuletzt verfügten Verpflichtung von einer Wochenstunde Turnen und zwei Stunden Wehrsport beließ, wurde die wehrsportliche Komponente bei Nichtmitgliedern der DSt durch zwei Übungszeiten im Turnen, bei sämtlichen Studentinnen durch den Unterricht in Gesundheitspflege und erster Hilfeleistung ersetzt. Als Teilnahmebestätigung galt ein Zeugnis des Vorstands des IfL. Für die seit dem Sommersemester 1933 immatrikulierten Studierenden war diese Bestätigung Voraussetzung zu allen landesrechtlich geregelten Prüfungen, einschließlich der Diplomprüfungen, sofern nicht eine entsprechende Befreiung vorlag. Befreit von der Teilnahme waren dagegen körperlich Behin-
45 BayHStA, MK 40309. Bericht des Instituts für Leibesübungen über die akademischen Leibesübungen an der Universität und Technischen Hochschule München im Winterhalbjahr 1932/33 und Sommerhalbjahr 1933. 46 Vgl. Böhm, 295. Nach Böhm zeigte sich der „intendierte wehrpolitische Charakter des Kurses“ bereits darin, dass selbiger im Rahmen der vom Bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus verfügten und damit verpflichtenden Wehrausbildung des ersten Semesters Pflicht sein sollte. Böhm, 295 f., FN 157. 47 Vgl. UAM, P-II-44. Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus an die Arbeitsgemeinschaft der Frauenklöster in Bayern vom 30.5.1933. 48 Vgl. ebd. Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus an die Herren Rektoren der 3 Landesuniversitäten vom 7.12.1933.
1.1 Pflichtsport
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derte und Frontkämpfer des Ersten Weltkrieges. Ordenskleriker hatten anstelle der wehrsportlichen Übungen in verstärktem Umfang am Turnunterricht teilzunehmen. Darüber hinaus konnte der Rektor im Benehmen mit dem Führer der Studentenschaft eine vollständige oder teilweise Befreiung bewilligen.49 Auch die Durchführung der Hochschulwettkämpfe gehörte zu den Aufgaben des Hochschulsportes und umfasste im Winterhalbjahr Handball, Fechten, Geräteturnen, Herbstwald-, SA-Gelände- und Skimannschaftslauf, im Sommer Faustball, Ortssinn-Lauf, Schwimmen, Leichtathletik, Tennis sowie SA-Fünfkampf. In die jährlichen Hochschulsportfeste wurden Massenvorführungen eingebaut, wobei erstmals im Juli 1934 Studentinnen werbend an die Öffentlichkeit traten.50 Im Sommersemester 1935 wurden etwa die Münchner Hochschulmeisterschaften in Leichtathletik nicht wie bislang in Form eines größeren Hochschulsportfestes, sondern als einfache Ausscheidungswettkämpfe für die deutschen Hochschulmeisterschaften in Jena ausgeführt. Außer der späteren Olympiasiegerin im Diskuswerfen, ANSt-Mitglied Gisela Mauermayer, die von NS-Studentinnen immer wieder als großes Vorbild für den Studentinnensport genannt wurde, erzielten die hiesigen Vertreter jedoch keine überragenden Leistungen. Ähnlich gestaltete sich die Situation bei den Juniorenwettkämpfen im Sommerhalbjahr 1936, wo sich 25 Studenten und fünf Studentinnen trotz guter Leistung nicht in den vordersten Reihen positionieren konnten, während sich ihre Kommilitonen zuvor bei den Deutschen Hochschulmeisterschaften im Skilauf in Oberammergau hervorgetan hatten – ein sich wiederholendes Ergebnis der Münchner StudentenSkiläufer.51 Als Gisela Brettschneider, Reichsleiterin der ANSt und Leiterin des H VI der DSt, im Wintersemester 1933/34 erstmals einen Plan für die Indienstnahme der Studentinnen vorgelegt hatte, mussten diese nach der Entschließung des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus in ihren ersten beiden Studiensemestern bereits drei Übungszeiten pro Woche, davon eine im Turnen,
49 Vgl. Entschl. des Staatsmin. f. Unt. u. Kult. vom 28.8.33 Nr. V 34315 über Leibesübungen der Studierenden. In: Staatsanzeiger vom 1.9.1933, hier nach UAM, P-II-36 Band 1. Zu den weiteren Befreiungsmöglichkeiten für Studenten vgl. ebd. 50 Vgl. BayHStA, MK 40309. Bericht des Instituts für Leibesübungen über die akademischen Leibesübungen an der Universität und Technischen Hochschule München im Winterhalbjahr 1933/34 und Sommerhalbjahr 1934 vom 3.8.1934. 51 Vgl. ebd. Bericht des Hochschulinstituts für Leibesübungen München über die akademischen Leibesübungen an den Münchener Hochschulen im Winterhalbjahr 1934/35 und Sommerhalbjahr 1935 vom 18.7.1935 sowie BayHStA, MK 40310. Bericht des Hochschulinstitutes für Leibesübungen München über die akademischen Leibesübungen an den Münchener Hochschulen im Winterhalbjahr 1935/36 u. Sommerhalbjahr 1936 vom 11.7.1936.
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absolvieren. Allerdings korrelierte die Landesbestimmung mit dem Erlass der Reichsleitung, welche die Teilnahme der weiblichen Erst- bis Viertsemester am Pflichtsportprogramm beinhaltete und damit deutlich über die ministeriellen Anordnungen hinausging: „In den Richtlinien des Amtes für Sport der Deutschen Studentenschaft (Hauptamt für Studentinnen) ist vorgesehen, daß die Studentinnen wöchentlich zwei Stunden Leibesübungen im Rahmen des Sportbetriebes der Hochschule belegen, hierzu soll wöchentlich eine Stunde freie Leibesübungen bei Vereinen usw. treten.“52 Letztere erhielten die Berechtigung, die Teilnahme im Pflichtenbuch zu bestätigen, wobei während des gesamten Studiums nach Möglichkeit vier Bescheinigungen dieser Art erwünscht waren. Ruder-, Rad-, Paddel-, Kletter- oder Skitouren konnten antragsweise unter Hinzufügung eines ausführlichen Berichtes angerechnet werden. Ziel des zweistündigen Wochenunterrichts war nicht die Spezialisierung auf einem Gebiet, sondern eine allgemeine Körperausbildung, die im Wintersemester mit Gymnastik (Körperschule und rhythmische Gymnastik sowie Gymnastik mit verschiedenen Geräten wie Ball, Kugel oder Seil), Laufschule, natürlichem Geräte- und Bodenturnen, Schwimmen und leichtathletischen Übungen fünf Bereiche umfasste.53 Die Grundlage für einen derartigen Übungsbetrieb bildeten die von Dr. Edith von Lohlöffel erarbeiteten „Leitsätze für die körperliche Erziehung der Studentinnen an deutschen Hochschulen“54. Nach Ansicht der Berliner Ärztin und Mitarbeiterin in der Deutschen Hochschule für Leibesübungen war „die lebenswillige, kräftige und arbeitsfrohe Frau, die auch in harten Zeiten ihre Aufgaben als Arbeitsgefährtin wie als Hausfrau und Mutter“ erfüllen konnte, das Ziel der Frauenbildung. Obwohl man die „Angleichung der Geschlechter und Übergeistigung (Intellektualisierung) der Frau“ im Nationalsozialismus vielfach als überwunden betrachtete bzw. betrachten wollte, sollte diese Entwicklung nun allerdings nicht durch ein „weichliches, „allzu weibliches“ Frauenideal“ abgelöst werden. Aus diesem Grund sprach sich von Lohlöffel für die Unentbehrlichkeit des Sportes aus, der u. a. zu Recht als notwendiger Ausgleich für bewegungsarme Berufsarbeit oder die zunehmend technisierte Hausarbeit galt. Um umgekehrt gesundheitliche Risiken wie bspw. die Überbelastung von Gelenken und Muskeln oder Gefahren für die persönliche Entwicklung, d. h.
52 UAM, P-II-36 Band 1. Bayer. Staatsministerium für Unterricht und Kultus an die Herren Rektoren der 3 Landesuniversitäten und der Technischen Hochschule München vom 16.11.1933. 53 BayHStA, MK 40561. Die Deutsche Studentenschaft. Hauptamt für Studentinnen. Anlage zum Rundschreiben G 2 1933/34. Nr. 1. Richtlinien des Amtes für Sport. Abschrift vom 28.8.1933. 54 [Edith] von Lohlöffel: Leitsätze für die körperliche Erziehung der Studentinnen an deutschen Hochschulen. In: Die Ärztin. Monatsschrift des Bundes Deutscher Ärztinnen e. V. 10. Jahrgang. Heft 4. Berlin 1934, 118–121.
1.1 Pflichtsport
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„übermäßige Willens- und Verstandesbetonung im Sport und Geräteturnen, übermäßige Gefühlsbetonung in Ausdrucksgymnastik und Tanz“, zu vermeiden, lehnte die Medizinerin einen einseitigen Sport-, Turn- oder Gymnastikbetrieb kategorisch ab. Die körperliche Erziehung der Studentin hatte vielmehr aus einer Mischung von willens- und gefühlsbetonten Leibesübungen zu bestehen, wozu Sport (Schwimmen, Rudern, Paddeln, Reiten, Fechten), Alpinistik und Turnen auf der einen, Gymnastik, Wandern und Tanz auf der anderen Seite gehörten. Zur Bekämpfung und Prävention verschiedener Krankheiten wie Tuberkulose, Blutarmut oder grippaler Infekte war außerdem ein besonderes Augenmerk auf die Freiluftbetätigung zu richten, die z. B. in Form von Wintersport oder Freiluftspielen stattfinden konnte. Während von Sportarten wie Fußball, Rugby oder Boxen aufgrund der erhöhten Unfallgefahr für die spezifisch weibliche Konstitution mit ihrer kleineren Körpergröße oder dem geringeren Gewicht abzusehen war, sollten besonders mehrtätige Wanderungen in schonender Weise die physische Entwicklung fördern und zu „einfachen Lebensformen (Lagerleben) und zur Erdverbundenheit“ zurückführen: „Erforderlich für eine planmäßige Körperbildung sind wöchentlich 3 Übungszeiten für 4 Semester; 2 Übungsstunden sollten der allgemeinen Durchbildung vorbehalten bleiben, 1 Wochenstunde wahlfrei sein. Ferner sind 2–3 Wandertage, nach Möglichkeit verbunden mit Zeltlager, in jedem der 4 Semester notwendig“55, so die Forderungen von Lohlöffels. Aufgrund der Diskrepanz, die durch die auf dieser Basis von der Reichsleitung der Studentinnen herausgegebenen Richtlinien aufgetreten war, erkundigte sich das Ministerium bei den jeweiligen Rektoren der drei Landesuniversitäten sowie der TH München, ob es möglich sei, die Leibesübungen noch im laufenden Semester in dem geforderten Umfang von zwei wöchentlichen Übungszeiten im Hochschulsportbetrieb durchzuführen. Anstelle der ministeriell verfügten Zeiten in Gesundheitspflege und erster Hilfeleistung sollte dann ggf. nur mehr eine Übungszeit in diesen beiden Fächern stehen. Wie eine Rücksprache mit Karl Kißkalt, Leiter des Gemeinsamen Ausschusses für Leibesübungen, sowie der Hochschulgruppenführerin Gisela Mauermayer ergab, bestand die Option, die Durchführbarkeit von drei Wochenstunden Leibesübungen wenigstens für das erste und zweite Semester zu sichern. Zu diesem Zweck hatten sich die Betroffenen an mindestens einer Stunde Leibesübungen zu beteiligen, die von Lehrkräften des IfL durchgeführt wurde. Die zweite Stunde konnte ebenfalls vor Ort im Rahmen des allgemeinen freien Gesamtbetriebes der Leibesübungen absolviert werden, die dritte Übungseinheit (freie Leibesübungen) auch in externen Vereinen. Eine Übertragung der durch das H VI der DSt erlassenen Bestimmun-
55 Alle Zitate nach ebd., 120.
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gen auf die Kommilitoninnen des dritten und vierten Semesters sah man als möglich an, sofern das IfL durch die Errichtung des lokalen SA-Hochschulamtes eine Entlastung erfahren würde.56 Letzteres sollte zukünftig den Wehrsport und die vormilitärische Erziehung der Kommilitonen während des Semesters, die gesamte Ausbildung in Sonderkursen und Lagern sowie die bislang von den Studentenschaften besorgte Ausbildung im Geländesport übernehmen.57 Ablehnend reagierte Kißkalt dagegen auf die angedachte Einschränkung der außersportlichen Übungszeiten: „Ich habe […] in Bezug auf die Leibesübungen nichts hinzuzufügen. Dagegen würde ich die in Aussicht genommene Verkürzung des Unterrichtes der Studentinnen, die hoffentlich zukünftige Mütter sind, in Gesundheitspflege und erster Hilfe, einschliesslich häuslicher Krankenpflege und Diät für unrichtig halten“58, eine Auffassung, die der Rektor der TH München ebenfalls uneingeschränkt teilte. Eine Umfrage hatte ergeben, dass auch an den Akademischen IfL der Universitäten Würzburg und Erlangen notfalls weitere Unterrichtsstunden für weibliche Studierende eingerichtet werden konnten. Dennoch gab das Staatsministerium für Unterricht und Kultus in einem Schreiben an das Hauptamt für Studentinnen der DSt zu bedenken, dass Unterrichtsverwaltungen und Hochschulen eine reibungslose Zusammenarbeit wesentlich durch Bekanntgabe der „Wünsche bezüglich Gestaltung des Betriebs der Leibesübungen jeweils rechtzeitig vor Semesterbeginn“59 erleichtert werden würde. Die grundsätzliche Bereitschaft zur Kooperation hatte man damit jedoch offiziell bekundet, eine ablehnende oder ignorante Haltung durch männliche Funktionsträger lässt sich für die LMU in diesem Zusammenhang nicht belegen. Entgegen den Erwartungen brachte die Errichtung des SA-Hochschulamtes in München keinerlei Erleichterungen mit sich, da dieses nur über eine kleine Turn-
56 Vgl. BayHStA, MK 40561, sowie UAM, P-II-36 Band 1. Institut für Leibesübungen an der Universität und der Techn. Hochschule München an das Rektorat der Ludwig-Maximilians-Universität München vom 28.11.1933. 57 Zur Errichtung des Reichs-SA-Hochschulamtes und der lokalen Ämter vgl. UAM, P-II-83 Band 1. Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus an die Herren Rektoren der 3 Landesuniversitäten und der Technischen Hochschule München vom 26.10.1933, sowie ebd. SA der NSDAP, SA-Hochschulamt München an das Rektorat der Universität München vom 5.12.1933. Zur Übernahme des Wehrsports durch das SA-Hochschulamt ab dem Wintersemester 1933/34 vgl. zudem Böhm, 299–301. 58 BayHStA, MK 40561. Karl Kisskalt in der Abschrift seiner Stellungnahme vom 30.11.1933. 59 BArch, RSF II* 530 (a 429), sowie BayHStA, MK 40561. Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus an das Hauptamt für Studentinnen der Deutschen Studentenschaft vom 3.1.1934.
1.1 Pflichtsport
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halle verfügte und deshalb nach wie vor auf die Einrichtungen und das Personal des IfL zurückgreifen musste. Aus diesem Grund wurden die vom SA-Hochschulamt erfassten Studenten der ersten drei Semester zur sportlichen Ausbildung von zwei Wochenstunden im Sommersemester 1934 weiterhin dem IfL zugeteilt. Was die Kommilitoninnen betrifft, so bestimmte ein neuer Arbeitsplan des H VI der DSt vom 18. Mai, dass die Studentinnen des ersten bis vierten Semesters wöchentlich zwei Stunden Leibesübungen absolvieren mussten. Dazu kam für die Erstsemester eine pflichtmäßige sowie eine freiwillige Wochenstunde Gymnastik, für die Zweit- bis Viertsemester eine freiwillige Stunde Leibesübungen. Letztere hatten sich zudem an Wanderungen zu beteiligen, die ab dem fünften Semester – jedoch unter Wegfall der übrigen Sportnachweise – verpflichtend wurden.60 Die monatliche Pflicht- sowie die mehrtägige Semesterwanderung wurden damit aus dem obligatorischen Pensum der drei ersten Studiensemester gestrichen. Nach Steffen-Korflür zu urteilen war dies auf die ablehnende Haltung der Studentinnen zurückzuführen, die kein Interesse an den ganztägigen Märschen hatten, welche mangels freier Termine auch noch am Wochenende stattfanden. Die Neigung, sich auf gesundheitliche Probleme oder Unpässlichkeit zur Umgehung der Teilnahmepflicht zu berufen, nahm, so die Historikerin, offenbar bei diesem Part des Pflichtsportprogramms besonders zu.61 Einem Arbeitsbericht des H VI der DSt für das Wintersemester 1933/34 ist zu entnehmen, dass die Umsetzung der pflichtmäßigen Monatswanderung nach ihrer Einführung aus wirtschaftlichen Gründen sowie aufgrund von ungünstigen Witterungsverhältnissen zunächst noch vereinzelt Schwierigkeiten bereitete.62 Nur einen Tag nach den o. g. Instruktionen erging auch vom hiesigen IfL an das Rektorat der LMU ein Entwurf für die Bekanntmachung über die pflichtmäßige Teilnahme an Leibesübungen. Den weiblichen Studierenden der Universität München war damit die regelmäßige Betätigung an drei Wochenstunden während ihrer ersten vier Semester verbindlich gemacht worden, jedoch ohne die Aufforderung zu freiwilligen, sportlichen Aktivitäten. Der Nachweis über die Pflichtausbildung musste dabei für eine Stunde an der BayLtA an der Maßmannstraße erfolgen, für eine zweite innerhalb der Übungszweige, die im Rahmen des IfL angeboten wurden. Die dritte Einheit konnte auch durch körperliche Ertüchti-
60 Vgl. BArch, NS 38/I* 80g 43/1. Deutsche Studentenschaft. Hauptamt f. Studentinnen. Rundschreiben D. St. G 3/34 vom 18.5.1934. 61 Vgl. Steffen-Korflür, 215. 62 Vgl. BArch, NS 38/I* 81g 556/2. Arbeitsbericht des Hauptamtes VI der D. St. für das Wintersemester 1933/34.
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gung bei lokalen Turn- und Sportvereinen, durch Wanderungen oder dergleichen abgegolten werden.63 Da Rektor Karl Escherich diese Bekanntmachung am 24. Mai, also erst sechs Tage nach dem Rundschreiben aus Berlin, zum offiziellen Anschlag freigegeben hatte, wird die in der Forschung vertretene These unterstützt, wonach auch die LMU zu einer unbestimmten Anzahl von Universitäten gehörte, die reichsweite Anweisungen mitunter nicht in die Praxis umsetzten.64 Einschränkend muss allerdings hinzugefügt werden, dass die Vorgaben des IfL nicht maßgeblich von den Anordnungen des H VI der DSt abwichen, sondern im Gegenteil für weibliche Zweit- bis Viertsemester drei anstelle von zwei pflichtmäßigen Wochenstunden Leibesübungen veranschlagten; lediglich die Viert- und Fünftsemester erfuhren eine Erleichterung, da sie in München vom Wandern ausgenommen waren.65 Durch die sog. „Neuorganisation der vaterländischen Ausbildung der Studierenden“66 sowie die Einführung des pflichtmäßigen studentischen Arbeitsdienstes waren auch die bisherigen Regelungen endgültig überholt, die sportliche Grundausbildung allein dem IfL übertragen worden. Im Wintersemester 1934/35 hatten alle weiblichen und männlichen Studierenden der ersten drei Semester wöchentlich drei Übungszeiten abzuleisten, davon eine in körperlicher Grundausbildung und eine in einer freigewählten Sportart beim IfL. Die dritte Einheit konnte gleichermaßen außerhalb des Instituts in Vereinen oder bspw. durch Teilnahme am Bergsteigen oder an Skikursen abgeleistet werden, eine Möglichkeit, den Zugriff der Nationalsozialisten partiell zu umgehen: „Da waren wir im Akademischen Sportclub. Und die Nazis, die damals dort sich anmaßten, was zu machen, die hatten keine Ahnung. […] Die Nazis verstanden unter Sport Wehrsport. Und dann haben wir denen gesagt: „Also, wenn es bei euch was wird, ihr kriegt keine Leute. Die merken, die Sportler, sofort, um was es geht.“ Und
63 Vgl. UAM, P-II-83 Band 1. Bekanntmachung über die pflichtmässige Teilnahme der Studierenden an Leibesübungen vom 19.5.1934. Zur Geschichte der BayLtA vgl. Krombholz, 475–498. 64 Vgl. Grüttner, 285. 65 Mit einem Rundschreiben der DSt vom November 1934 setzte die Sportreferentin des Berliner Hauptamtes für Studentinnen, Else Reimann, mehrtägige Wanderlager bzw. Ruder-, Paddel- und Skifahrten für die weiblichen Erst- bis Fünftsemester fest. Inwieweit diese Richtlinien an der LMU umgesetzt wurden, lässt sich jedoch nicht sagen. Vgl. BArch, NS 38/I* 80g 43/1. Richtlinien für die körperliche Erziehung der Studentin vom 21.11.1934. 66 UAM, P-II-83 Band 1. Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus an die Herren Rektoren der drei Landesuniversitäten […] vom 24.10.1934. Nach einem Erlass des REM vom 20.12.1934 wurde lediglich die Sportpflicht der Pharmaziestudierenden auf zwei Semester beschränkt, da diese erst nach mehrjähriger Praxis und damit in höherem Lebensalter das Studium aufnahmen. Vgl. UAM, P-II-36 Band 2. Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus an die Herren Rektoren der drei Landesuniversitäten vom 12.3.1935.
1.1 Pflichtsport
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dann sind die Studenten alle zu uns in den A. S. C., den Akademischen Sportclub München gekommen. Die Studenten waren, wie ich, an allen deutschen Schulen mit wichtigem Sport aufgewachsen: Fußball, Handball, Schwimmen, Skisport, Reiten, Tennis. Das gab es bei uns, und bei uns war Überfüllung. Bei den Nazis gähnende Leere. Und da wurde das anerkannt als Testat. […] Die haben uns zu unserer großen Überraschung Testate machen lassen, die anerkannt wurden.“67 Auch der Einsatz im Arbeitsdienst befreite nicht von der Teilnahme am Pflichtsport, dessen Nachweis weiterhin Voraussetzung für die Zulassung zu staatlichen und akademischen Prüfungen war. Obwohl durch die allgemeine Ausdehnung der Sportpflicht zahlenmäßig mehr Studierende erfasst werden konnten als bisher, zeigt eine Auswertung des IfL, dass im Wintersemester 1933/34 sowie im Sommersemester 1934 gegenüber dem vorhergegangenen Berichtsjahr keine Steigerung der Gesamtteilnehmer an den Übungszeiten eingetreten war. Besonders hemmend hatte sich dabei die vielfältige Beanspruchung der Studenten durch zahlreiche andere Verpflichtungen wie etwa die politische Schulung durch das SA-Hochschulamt oder die Studentenschaften ausgewirkt, was einen geregelten Sportbetrieb erschwerte. Lediglich beim Studentinnenturnen ergab sich – im Gegensatz zum Studententurnen – eine Zunahme der Übungszeiten um 50 %, wenngleich damit weder der seltenere Pflichtbesuch der Kommilitonen noch deren Ausfall an freiwilliger sportlicher Aktivität ausgeglichen werden konnte. Die Übungszeiten der Frauen wiederum waren mit durchschnittlich rund 100 Teilnehmerinnen für eine effektive Arbeit viel zu hoch.68 An der LMU scheiterte die reibungslose Umsetzung des neuen Pflichtsportprogrammes für weibliche Studierende demnach weniger an der mangelnden Zusammenarbeit mit den Vertreterinnen des H VI oder dem Widerstand einzelner Institutionen bzw. Personen, sondern vielmehr an den unzureichenden räumlichen und personellen Kapazitäten. Eine Rundfrage bei der Staatlichen Akademie der Tonkunst, der Akademie der Bildenden Künste, der Staatsschule für angewandte Kunst und der Staatslehranstalt für Lichtbildwesen in München hatte ergeben, dass im Wintersemester 1933/34 auch den Schülern bzw. Studierenden
67 Interview mit Fritz E. vom 28.5.2005. Ähnlich verhielt sich die Situation in Berlin. Trotz großer Teilnehmerzahlen am Hochschulsport waren zahlreiche Studenten hier nicht an der Universität, sondern in lokalen Sportvereinen organisiert, darunter besonders Angehörige aus sozial starken Familien. Vgl. Rückl, 130. 68 Vgl. BayHStA, MK 40309. Bericht des Institutes für Leibesübungen über die akademischen Leibesübungen an der Universität und Technischen Hochschule München im Winterhalbjahr 1933/34 und Sommerhalbjahr 1934 vom 31.8.1934, sowie JB LMU für das Jahr 1933/34 (vom 27. Juni 1933 bis 26. Juni 1934). München 1935, 107 f.
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dieser Einrichtungen noch keine oder lediglich ungenügende Gelegenheit zur Pflege von Leibesübungen und Geländesport von den Anstalten aus gegeben war, obwohl die Absicht bestand, die Leibesübungen allgemein und damit gleichfalls für Studentinnen als Pflichtfach einzuführen.69 Darüber hinaus hatte man sich bemüht, die Beschaffenheit des Hochschulsportplatzes Freimann schon zu Beginn der 1930er Jahre mit Hilfe des FAD zu verbessern. Trotz aller Bestrebungen, die Übungsstätten adäquat zu erweitern, konnte etwa noch im Sommersemester 1934 der unabdingbare Neubau einer größeren Hochschulturnhalle nicht nennenswert gefördert werden. Aus diesem Grund musste eine nahezu durchgängige Belegung und größtmöglichste Ausnutzung der Halle von sechs Uhr morgens bis 22 Uhr abends erfolgen.70 Im Wintersemester 1934/35 hatte sich die räumliche Situation so verschärft, dass man sich gezwungen sah, den Gesamtbetrieb der Leibesübungen für die weiblichen Studierenden an die BayLtA zu verlegen.71 An eine reibungslose Durchführung des Betriebes bei Beibehaltung des bisherigen Sportpensums war demnach vorerst nicht zu denken gewesen72, auch, weil es zur „Erzwingung dieser Pflicht“ bislang an „durchgreifenden Maßnahmen“ fehlte: „Die Androhung der seinerzeitigen Zurückweisung von den Prüfungen, wie sie seitens verschiedener Länderregierungen ausgesprochen wurde, schreckt Viele nicht und wird erst in einigen Semestern wirksam werden, wenn die ersten übungspflichtigen Studierenden zur Prüfung kommen werden.“73
69 Vgl. BayHStA, MK 40309. Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus vom 27.1.1934. 70 Vgl. JB LMU 1932/33 (vom 27. Juni 1932 bis 26. Juni 1933). München 1934, 118. 71 Vgl. UAM, P-II-36 Band 1. Institut für Leibesübungen an der Universität und der Technischen Hochschule München an das Rektorat der Ludwig-Maximilians-Universität vom 9.11.1934. 72 Vgl. BayHStA, MK 40309. Bericht des Institutes für Leibesübungen über die akademischen Leibesübungen an der Universität und Technischen Hochschule München im Winterhalbjahr 1933/34 und Sommerhalbjahr 1934, sowie JB LMU 1933/34 (vom 27. Juni 1933 bis 26. Juni 1934). München 1935, 110. 73 Alle Zitate nach BayHStA, MK 70141. Bayer. Staatsministerium für Unterricht und Kultus an den Herrn Reichsminister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung vom 28.11.1934.
1.2 Frauendienst
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1.2 Frauendienst „Vom Winter-Semester 1933/34 ab sind die vom Amt für Frauendienst veranstalteten Lehrgänge für „Luftschutz“, „Erste Hilfe“ und „Nachrichtenwesen“ Pflicht für alle Studentinnen vom 1.–6. Semester.“74 Am 28. Oktober 1933 erließ Gisela Rothe, Leiterin des Amtes für Frauendienst des H VI der DSt, die ersten Richtlinien für die Ausbildung der Studentinnen im Frauendienst. Diese beinhalteten, dass vor dem Eintritt ins siebte Semester die Teilnahme an jeweils vier Doppelstunden umfassendem Unterricht in Luftschutz, Erster Hilfe und Nachrichtenwesen nachgewiesen werden musste. Wie einem Schreiben des Akademischen Wissenschaftlichen Arbeitsamtes an die Universität München zu entnehmen ist, hatte man schon 1932 begonnen, einen umfangreichen Luftschutz für das Deutsche Reich einzurichten. Zugelassen werden sollte jeder Studierende nach dem vierten Semester zu Beginn oder zum Ende der Ferien, wobei die Hochschulen um einen Ersatz der entstehenden Fahrkosten gebeten wurden. Als Ausbildungsstätte für die einwöchigen Gasschutzlehrgänge war an das Schloss Oranienburg gedacht worden, als Teilnehmer kamen in erster Linie angehende Chemiker, Pharmazeuten sowie Bauingenieure in Frage.75 Bereits im Wintersemester 1932/33 hatte jedoch ohnehin ein Lehrgang im Gasschutz für Studierende stattgefunden, an dem sich auch studentische Angehörige der LMU beteiligen konnten. Wie Rektor Leo von Zumbusch vollkommen richtig mutmaßte, war zukünftig mit einer Betonung der Gasschutzlehrgänge zu rechnen, weshalb sich die Entsendung von Studierenden an externe Ausbildungsstätten ohnehin erübrigte.76 Waren für die im ersten Jahr der nationalsozialistischen Herrschaft eingerichteten Nachrichtenkurse – soweit sie nicht aus Studentenkreisen genommen werden konnten – Mitarbeiter der Technischen Nothilfe, der Wehrverbände, der Polizei, Reichswehr oder aus Marinevereinen einzusetzen, so leiteten Ärzte des Roten Kreuzes, der Mediziner- und NS-Ärzteschaft die Ausbildung in Erster Hilfe. Für den Luftschutz sollten Fachkräfte der Technischen Nothilfe oder des Reichsluftschutzbundes herangezogen werden, wobei erwünscht war, entsprechend vorgebildetes Lehrpersonal aus der Studentenschaft selbst zu gewinnen. An jeder
74 BArch, RSF II* 505 (a 407). Die Deutsche Studentenschaft. Hauptamt für Studentinnen. Anlage zum Rundschreiben G 2 1933/34. Nr. 1. Allgemeine Richtlinien für die Ausbildung der Studentinnen im Frauendienst vom 28.10.1933. 75 Vgl. UAM, D-XVII-89 Band 1. Akademisches Wissenschaftliches Arbeitsamt an Sr. Magnifizenz den Herrn Rektor der Universität München vom 20.12.1932. 76 Vgl. ebd. Stellungnahme zum Luftschutz von Leo von Zumbusch vom 1.2.1933.
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1 Einführung außer- und inneruniversitärer Pflichten 1933
Hochschule hatte im Hauptamt für Studentinnen eine mindestens im Luftschutz ausgebildete Referentin für Frauendienst ernannt zu werden, welche die gesamte Organisation des Frauendienstes, darunter die Einrichtung der Lehrgänge und die Beschaffung von Unterrichtsräumen, übernahm. An größeren Universitäten wie München oder Berlin musste diese Referentin wiederum drei Mitarbeiterinnen ernennen, die jeweils für einen Bereich des Frauendienstes verantwortlich waren und einmal wöchentlich an ihre Vorgesetzte berichteten.
Abb. 21: Bescheinigung über die Teilnahme an Luftschutz-Lehrgängen
Während der Luftschutz Vorträge über Luftgefahren, die Behandlung chemischer Kampfstoffe, praktische Schutzmaßnahmen und Übungen unter Einsatz der Gasmaske zum Inhalt hatte, lag der Fokus beim Nachrichtenwesen auf dem Erlernen des Morsens sowie dem marinemäßigen Winken. Nachdem weibliche Anhänger der Münchner NS-Hochschulgruppe bereits im Sommer 1929 dem DFO beigetreten waren und einen Sanitätskurs mit entsprechendem Ausbildungsprogramm organisiert hatten77, mussten seit Ende August 1933 sämtliche bayerische Studentinnen der ersten beiden Semester am Unterricht in Erster Hilfe teilnehmen. Mit
77 Vgl. Kapitel I, 2.3 Die Arbeitsgemeinschaft Nationalsozialistischer Studentinnen (ANSt).
1.2 Frauendienst
411
den nur acht Wochen später erscheinenden Bestimmungen des H VI wollte man schließlich auch reichsweit endgültig dafür sorgen, „dass die deutsche Studentin bei jedem Unglücksfall, der in ihrer Nähe geschieht, sachgemäss zufasst.“78 Vier Doppelstunden zu den Themen Anatomie und Physiologie, zu verschiedenen Verletzungen wie Blutungen oder Verbrennungen, Verletzungen am Skelett sowie zu Gassanitätsdienst und Verbände bildeten die dafür notwendige Grundlage. Besonders interessierten und geeigneten Teilnehmerinnen bot sich im Anschluss die Möglichkeit, die bisher erworbenen Kenntnisse der Ersten Hilfe freiwillig zu vertiefen, um im Ernstfall den Sanitätstrupps der Hochschule, dem Luftschutzund Polizeirevier oder dem Heere zugeteilt zu werden. Der wehrpolitische bzw. kriegsvorbereitende Charakter des von Pauwels als „sort of paramilitary training of women students“79 bezeichneten Frauendienstes war damit von Anfang an nicht zu übersehen gewesen. Während die Übernahme des Pflichtsportprogrammes für weibliche Studierende an der LMU in Kooperation mit dem H VI der DSt erfolgte, schien der vorgesehene Frauendienst zunächst partiell auf Widerstand zu stoßen. Als Ursache lassen sich allerdings weder der für etliche Universitäten belegte Mangel an kompetenten Instrukteuren noch die zum Teil unbefriedigende Zusammenarbeit mit den zahlreichen Organisationen bzw. Institutionen nachweisen, aus deren Reihen man die Lehrkräfte rekrutieren wollte.80 Wie Reichsleiterin Gisela Brettschneider von der Universität München erfahren haben wollte, lehnte vielmehr das Kultusministerium eine Schulung im Nachrichtenwesen mit der angeblichen Begründung ab, diese würde für die Studentinnen zeitlich eine stärkere Inanspruchnahme bedeuten als der entsprechende Dienst für die Kommilitonen. In einem Schreiben an Kultusminister Hans Schemm betonte Brettschneider deshalb bereits im Dezember 1933, die bayerischen Universitäten seien damit die einzigen, die nicht schon seit Beginn des Wintersemesters den gesamten Frauendienst pflichtmäßig für die Erst- bis Sechstsemester durchführen würden. Ihrer Ansicht nach kam eine Überbelastung der Betroffenen in keinem Fall in Frage, da sich die drei Lehrgänge im Nachrichtenwesen auf drei bis vier Monate verteilen ließen und man demzufolge von jeder Teilnehmerin wöchentlich nur eine Doppelstunde für die gesamte Ausbildung verlangte: „Deshalb möchten wir Sie, sehr verehrter Herr Minister, höflich bitten, Ihr Ministerium dahingehend anzuweisen,
78 BArch, RSF II* 505 (a 407). Die Deutsche Studentenschaft. Hauptamt für Studentinnen. Anlage zum Rundschreiben G 2 1933/34. Nr. 1. Allgemeine Richtlinien für die Ausbildung der Studentinnen im Frauendienst vom 28.10.1933. 79 Pauwels, 88. 80 Vgl. Steffen-Korflür, 206 f.
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1 Einführung außer- und inneruniversitärer Pflichten 1933
dass den Studentinnen der bayerischen Universitäten bei der Durchführung des Nachrichtenwesens keine Schwierigkeiten zu machen sind.“81 Obwohl nach einem Erlass des Reichsministers des Innern vom 8. Dezember 1933 Schreiben der DSt von grundsätzlicher Bedeutung den Unterrichtsverwaltungen der Länder mitzuteilen waren, gab das Bayerische Staatsministerium noch im Januar 1934 an, keine Kenntnis von den Maßnahmen zur Erziehung der Studentinnen im Sinne von Stück 4e der Mustersatzung für die Studentenschaften erhalten zu haben. Diese beinhaltete, die Erziehung der Studenten zur Wehrhaftigkeit sowie zur Einordung in die Volksgemeinschaft durch Wehr-, Arbeitsdienst und Leibesübungen vorzunehmen.82 Tatsächlich belegt ein Dokument im Bestand des BayHStA, dass die entsprechenden Richtlinien des Arbeitsplanes schon am 23. November 1933 zur Genehmigung ergangen waren. „Wir bitten das Kultusministerium […], an die Herren Rektoren und Dekane der einzelnen Universitäten und Hochschulen eine Verfügung zu erlassen dahingehend, dass die von uns eingeführten Pflichtveranstaltungen und Aufgaben von der Universitätsbehörde als testatpflichtig anerkannt werden. […] Um im Sinne des nationalsozialistischen Staates die notwendige Auslese unter den weiblichen Studierenden der Hochschulen immer mehr zu verwirklichen“83, bat man besonders darum, das nach dem Arbeitsdienst ausgehändigte Pflichtenheft bei einer Examensmeldung mit zu berücksichtigen.
81 BayHStA, MK 40561. Gisela Brettschneider an Hans Schemm vom 12.12.1933. 82 Vgl. Mustersatzung für die Einzelstudentenschaften an den wissenschaftlichen Hochschulen in Bayern. In: Amtsblatt des Bayer. Staatsministeriums für Unterricht und Kultus. Nr. 4. München, 12.5.1933, 50–54, hier 50. 83 BayHStA, MK 40561. Die Deutsche Studentenschaft. Hauptamt für Studentinnen an das bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus vom 23.11.1933.
1.2 Frauendienst
413
Abb. 22: Pflichtenheft aus dem Jahr 1941
Wenngleich das H VI der DSt im Januar 1934 das Schreiben erneut nach München gesandt hatte, entschloss sich Gisela Rothe, noch zu Beginn des folgenden Monats persönlich in die Landeshauptstadt zu reisen, um durch mündliche Verhandlungen die erfolgreiche Arbeit der bayerischen Studentinnen wenigstens ab dem kommendem Halbjahr zu gewährleisten.84 Tatsächlich wurde das Nachrichtenwesen erst im Sommersemester 1934 an der hiesigen Universität pflichtmäßig
84 Vgl. ebd. Die Deutsche Studentenschaft. Hauptamt für Studentinnen an das bayerische Kultusministerium vom 29.1.1934.
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1 Einführung außer- und inneruniversitärer Pflichten 1933
angesetzt, obwohl die Leiterin des H VI schon im Januar des Jahres – und damit parallel zu den Bemühungen Rothes – um kostenlose Überlassung des Hörsaals 207 zur Durchführung eines Kurses für Studentinnen von 20 bis 21 Uhr beim Rektorat angefragt hatte.85 Im Juni des Jahres bat Marianne Schuster, H VI der Studentenschaft der Universität München, ebenfalls um Bereitstellung eines Saals. Jeden Dienstag sollte hier von sieben bis acht Uhr morgens der obligatorische Luftschutzkurs für Studentinnen abgehalten werden.86 Allerdings lief die praktische Umsetzung von Nachrichtenwesen und Luftschutz an der LMU den ursprünglichen Forderungen des H VI der DSt zuwider, das den gesamten Frauendienst für weibliche Erst- bis Sechstsemester einschließlich Sanitätskurs bereits seit dem Wintersemester 1933/34 zur Pflicht machen wollte. Aufgrund der etwas verspäteten Einführung des Nachrichtenwesens und der damit verbundenen Fülle von Studentinnen, die nun für den Dienst in Frage kamen, war es nicht möglich, mehr als zwei Grundkurse in sechs Doppelstunden mit Prüfung abzuhalten. Eine Fortbildung in den Semesterferien konnte, bedingt durch die örtlichen Verhältnisse und die Tatsache, dass sich die Betreffenden nicht am Hochschulort befanden, ebenso wenig durchgeführt werden wie im Bereich des Luftschutzes, der als theoretische und praktische Grundausbildung in kleineren Gruppen über mehrere Stunden hin angelegt war. Den Studentinnen wurde daher nahegelegt, sich bei den jeweiligen Ortsgruppen des Reichluftschutzbundes in ihren Heimatorten zu melden. Lediglich der Sanitätskurs, der eine Grundausbildung und eine Weiterführung umfasste, fand ohne weitere Einschränkungen sowie mit einer abschließenden Gruppenprüfung an der Chirurgischen Klinik unter Prof. Hubert Gebele statt; eine praktische Weiterführung in sieben Doppelstunden mit abschließender Prüfung wurde durch die Hilfe einiger Assistenzärzte ermöglicht.87 Mit dem am 18. Mai 1934 herausgegebenen neuen Arbeitsplan des H VI der DSt erfuhr auch der Frauendienst eine Revision. Entgegen der Angabe SteffenKorflürs stellte man diesen Dienst nun allerdings nicht ab dem dritten88, sondern bereits ab dem zweiten Studiensemester auf eine fakultative Basis, jedoch mit der Option, freiwillig auf einem der drei Spezialgebiete Sanitätskurs, Luftschutz oder Nachrichtenwesen weiterzuarbeiten. Lediglich die weiblichen Erstsemester
85 Vgl. UAM, Sen. 366c/2h. Inge Wolff an das Rektorat der Universität München vom 2.1.1934. 86 Vgl. UAM, D-XVII-89 Band 1. Marianne Schuster an das Rektorat der Universität München vom 9.6.1934. 87 Vgl. BArch, RSF II* 526 (a 425). Semesterbericht des Hauptamtes VI der Universität München vom 30.7.1934. 88 Vgl. Steffen-Korflür, 195.
1.3 Gemeinschaftspflege (GPf)
415
waren damit zur Teilnahme an den einzelnen Kursen verpflichtet.89 Wie das Amt für Frauendienst des H VI der DSt in Berlin im Februar 1935 jedoch ernüchtert feststellen musste, hatten die Studentinnen auch wenige Monate später „die unbedingte Notwendigkeit ihrer praktischen Vorbereitung für einen Einsatz im Dienst ihres Volkes noch nicht voll erkannt“. Trotz einer Reduzierung des Programms im Vorjahr zögerten die Frauen die freiwillige Beteiligung an den Fortbildungslehrgängen hinaus, sodass im Falle einer „schlagartigen Einsatznotwendigkeit“ nicht ausreichend Hilfskräfte zur Verfügung gestanden hätten. Aus diesem Grund verpflichtete Gisela Rothe, Leiterin des Amtes für Frauendienst, jede Studentin bis zum 8. Semester zur Beteiligung an einem Fortbildungslehrgang aus den Bereichen Luftschutz, Erster Hilfe oder Nachrichtenwesen. Unentschuldigtes oder nicht beurlaubtes Fernbleiben sollte mit einem entsprechenden Eintrag im Pflichtenheft vermerkt werden. Im Endeffekt dokumentierte dies jedoch nichts anderes als das Unvermögen des H VI, die weiblichen Studierenden durch Überzeugungsarbeit für eine freiwillige Ausbildung „zum Schutze ihres Landes“90 zu gewinnen. An der LMU kam zudem erschwerend hinzu, dass weder genügend Personal noch ausreichende Gerätschaften für Luftschutz- und Erste-Hilfe-Kurse zur Verfügung standen: „Die in der Angelegenheit bestehend. Schwierigkeiten, in erster Linie die grosse anderweitige Arbeitsbelastung der in Betracht kommenden Dozenten und weiterhin das völlige Fehlen von Lehr-, Demonstrations- und Uebungsgerät nebst Gasübungsraum, welches in sehr hoher Stückzahl beschafft werden müsste“91, waren auch im Sommersemester 1935 noch nicht behoben.
1.3 Gemeinschaftspflege (GPf) „Die Universität ist kein Aufenthalt für lebensferne, nervöse Streber, sondern eine Bildungsstätte lebensfrischer, körperlich und geistig gesunder Führer. […] Das Amt für Gemeinschaftspflege entstand aus der Erkenntnis, dass die deutsche Studentin aus der Verwurzelung in einer Gemeinschaft mehr Kräfte für ihre Eigenart zu holen vermag als lediglich aus abgeschlossener Schreibtischarbeit. Die Arbeit in Gemeinschaftskreisen ist kein Zeitverlust, sondern hilft den traditionellen
89 Vgl. BArch, NS 38/I* 80g 43/1. Deutsche Studentenschaft. Hauptamt f. Studentinnen. Rundschreiben D. St. G 3/34 vom 18.5.1934. 90 Alle Zitate nach BArch, NS 38/I* 80g 43/1. Die Deutsche Studentenschaft. Hauptamt für Studentinnen. Amt für Frauendienst. Rundschreiben VI/H 2/1935 vom 18.2.1935. 91 UAM, D-XVII-89 Band 1. Das Dekanat der Medizinischen Fakultät an das Bayr. Staatsministerium für Unterricht und Kultus vom 29.5.1935.
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1 Einführung außer- und inneruniversitärer Pflichten 1933
„Wissenschaftskater“ der mittleren Semester zu überwinden. Sie stellt gleich wie der Arbeitsdienst, der Frauendienst und das Kameradschaftshaus das notwendige Gleichgewicht her zur Schreibtischarbeit der langen Ausbildungsjahre.“92 Neben Pflichtsport und Frauendienst wollte man die Studentinnen während ihrer ersten drei Semester fortan auch zur GPf heranziehen, deren Amt sich in vier Arbeitskreise gliederte: Volksmusik (besonders Volkslied93), Volkstanz im Sinne von Gemeinschaftstanz, d. h. weg vom Paar- bzw. individualistischen Tanz94, Literatur und bildende Kunst sowie Soziologie, Geographie, Biologie usw. In den Gemeinschaftskreisen sollten die Teilnehmerinnen mit dem „Heimatboden ihrer Ausbildungsstätte vertraut werden und verwachsen“95, wobei die Ausgestaltung der vier Kreise den einzelnen Universitäten überlassen blieb. Ziel der GPf war es, vor allem die jüngeren Semester einander näherzubringen, den Kameradschaftsund Gemeinschaftsgeist unter ihnen zu pflegen und zu fördern sowie die Freistudentinnen zu erfassen.96 Für die erstmalige Durchführung im Wintersemester 1933/34 ordnete Ruth Strehl, Reichsleiterin bzw. -referentin für Wohnheime und GPf im H VI der DSt, an, auf bereits bestehende universitäre Einrichtungen wie geologische Exkursionen, heimatkundliche Literaturvorlesungen oder Volkstanzzirkel zurückzugreifen. Sie mussten einmal wöchentlich im Sinne der neuen Richtlinien durchgeführt werden. Jede Studentin war berechtigt, ihre Wahl innerhalb der vier Arbeitskreise selbstständig zu treffen, den höheren Semestern wurde nahegelegt, sich freiwillig einzugliedern. Als Nachweis der regelmäßigen, aktiven Teilnahme stellte das
92 BArch, RSF II* 505 (a 407). Die Deutsche Studentenschaft. Hauptamt für Studentinnen. Amt für Gemeinschaftspflege. Anlage zum Rundschreiben G 2 1933/34. Nr. 1. Richtlinien des Amtes für Gemeinschaftspflege im Hauptamt VI der D. St. von (November) 1933. 93 Vgl. BArch, NS 38/I* 80g 43/1. Die Deutsche Studentenschaft. Hauptamt für Studentinnen. Rundschreiben G 1/1934 vom 8.5.1934. Anlage III. Richtlinien für Volksliedsingen. Zum Volksliedsingen an den Universitäten gehörten u. a. das gemeinsame Singen meist einstimmiger Volkslieder, Stilunterschiede der einzelnen Jahrhunderte und das Ansetzen einer Melodielehre. 94 Vgl. ebd. Die Deutsche Studentenschaft. Hauptamt für Studentinnen. Rundschreiben G 1/1934 vom 8.5.1934. Anlage II. Richtlinien für den Volkstanz. „Im Volkstanz liegen gemeinsames Erleben, Aktivierung jedes Einzelnen. Er führt zurück zum volklichen Empfinden; er lehrt uns sich einfügen, einordnen und sich zu konzentrieren. Und wenn er nichts weiter wäre als Unterhaltung, Anregung, Kräftespender durch Freude, immer stände er als Förderer der Gemeinschaft.“ Ebd. 95 BArch, RSF II* 505 (a 407). Die Deutsche Studentenschaft. Hauptamt für Studentinnen. Amt für Gemeinschaftspflege. Anlage zum Rundschreiben G 2 1933/34. Nr. 1. Richtlinien des Amtes für Gemeinschaftspflege im Hauptamt VI der D. St. von (November) 1933. 96 Vgl. BArch, NS 38/I* 81g 556/2. Arbeitsbericht des Hauptamtes VI der D. St. für das Wintersemester 1933/34.
1.3 Gemeinschaftspflege (GPf)
417
H VI am Semesterende eine ausführliche Bescheinigung aus. Darüber hinaus war geplant, monatlich einen Heimabend sowie semesterweise einen öffentlichen Abend in größerem Rahmen mit Darbietungen aus den verschiedenen Arbeitskreisen wie Sprechchöre oder Laienspiele zu veranstalten. Aktive Teilnahme an Heimabenden war erwünscht, an öffentlichen Semesterabenden verpflichtend.97 Während etwa die Arbeit von Pauwels wie auch die auf seine Ergebnisse in weiten Teilen rekurrierende Dissertation Steffen-Korflürs die GPf als Bestandteil des neuen Pflichtprogramms nicht ausführlicher untersuchen, gibt Manns an, die GPf sei 1934 auf dem Reichsschulungslager als „spezifisches, die theoretische politische Schulung ergänzendes Schulungsgebiet der weiblichen ‚Eigenart‘“98 auf den Hochschulen eingeführt worden. Wie ein Vergleich mit den schon Ende 1933 von Strehl erlassenen Richtlinien zeigt, wurde die GPf und mit ihr die Liebe zur Heimatkultur aber bereits im Jahr zuvor als sichere Grundlage für jedwede politische Schulung verstanden.99 Nachdem die ersten Aufgaben noch relativ vage formuliert waren, präzisierte man im Mai 1934 die Richtlinien des vergangenen Wintersemesters und legte Freizeitgestaltung und kulturelle Schulung als Inhalte der GPf fest. Letztere sollte dabei jedoch „nicht durch passive Kunstbetrachtung aller Art, sondern durch aktive Gestaltung“ sowie „durch die schlichteste Grundform aller Künste erreicht werden: Das Lied wird gesungen oder auf Blockflöten und anderen Instrumenten gespielt; das Märchen, Gedicht, der Kinderreim wird gesprochen; das Laienspiel wird aufgeführt; der Volkstanz getanzt usf.“ Die einheitliche Durchführung war ab dem Sommersemester geplant, wobei für die weiblichen Erstsemester Bewegung (rhythmische Gymnastik), die Zweitsemester Musik (Volksliedkreis oder Instrumentengruppe) und die Drittsemester Schulung durch Muttersprache (Sprechchor, Laienspiel, Volksmärchen) angesetzt wurde. Vom vierten Semester
97 Vgl. BArch, RSF II* 505 (a 407). Die Deutsche Studentenschaft. Hauptamt für Studentinnen. Amt für Gemeinschaftspflege. Anlage zum Rundschreiben G 2 1933/34. Nr. 1. Richtlinien des Amtes für Gemeinschaftspflege im Hauptamt VI der D. St. von (November) 1933. Darüber hinaus verwies Strehl die Arbeitsgemeinschaften auf die Ausgestaltung der monatlichen Pflichtwanderung und sah vor, dass heimatkundlich gefestigte Gruppen zukünftig auf die GPf weiterer Kreise einwirkten, besonders jedoch auf den FAD. Zur Schulung späterer Arbeitsdienstführerinnen sollte ihrer Ansicht nach in jedem Fall der Bereich der GPf gehören. Vgl. ebd. 98 Manns, 224. 99 Vgl. BArch, RSF II* 505 (a 407). Die Deutsche Studentenschaft. Hauptamt für Studentinnen. Amt für Gemeinschaftspflege. Anlage zum Rundschreiben G 2 1933/34. Nr. 1. Richtlinien des Amtes für Gemeinschaftspflege im Hauptamt VI der D. St. von (November) 1933: „Die heimatkundliche Arbeit in den Gemeinschaftskreisen ersetzt nicht die politische Schulung, sie läuft neben ihr, oder teilweise ihr voran.“
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1 Einführung außer- und inneruniversitärer Pflichten 1933
ab begannen die Pflichtwanderungen, denen als Aufgabe die heimatkundliche Schulung der Frauen oblag (Bauernhaus, Dorfanlage, Landschaft usw.). Nach der bewusst schlicht gehaltenen Schulung über zwei Jahre hinweg sollte folglich „jede Studentin für deutsche Kultur zu mindesten geöffnet sein, […] zu mindesten fähig sein, echte deutsche Kultur vom Kitsch zu unterscheiden.“100 Die auf diese Weise „erworbene politische Geschmacksprägung“101 würden die Frauen, so die Hoffnung der Nationalsozialistinnen, im Idealfall später im familiären und beruflichen Kreise oder bei ihren studentischen (Plicht-)Einsätzen an die Bevölkerung weitergeben. Parallel zu Pflichtsport und Frauendienst erfuhr auch die GPf im Zuge des vom H VI der DSt geänderten Arbeitsplanes, der nur zehn Tage nach den neuen Richtlinien erschienen war, eine Reduzierung. So hatten die Studentinnen ihre Beteiligung nur noch während der ersten drei Semester nachzuweisen, während die nachfolgenden Pflichtwanderungen offiziell keinerlei Erwähnung mehr fanden. Stattdessen konnte die GPf ab dem vierten Semester nun in freiwilligen Arbeitsgemeinschaften bis zum Ende des Studiums fortgeführt werden. Die gravierendste Änderung hatte man jedoch „mit der weitesten Möglichkeit des Ausscheidens Widerwilliger und Untauglicher“102 geschaffen: Damit wurde die Teilnahme der Erst- bis Drittsemester an der GPf im Grunde auf eine freiwillige Basis gestellt. Obwohl, nach Aussage von Ruth Strehl, sämtliche ANSt-Führerinnen des Kreises Bayern der DSt hinter diesen Richtlinien standen, musste sich die Natio nalsozialistin massive Kritik durch Kreisführer Wolfgang Donat gefallen lassen. Der promovierte Geisteswissenschaftler103 monierte, dass eine zwangsmäßige, semesterweise Aufstellung die einzelnen Zweige der GPf erfassen sollte: „Sie wissen, dass ich das pflichtmässige Treiben dieser ausserordentlich wertvollen Dinge nie begrüssen kann. Ich würde aber noch ein gewisses Verständnis dafür aufbringen, wenn Sie jedes Mädel ihren Zweig der Gemeinschaftspflege aussuchen liessen, um dann zu sagen, wer nicht mitmacht, gehört nicht auf die Hochschule. Dafür hätte ich Verständnis, obwohl ich grundsätzlich bedaure, dass man meine kulturellen Fragen als Kriterium der Auslese nehmen will; aber wenn Sie nun immer dazu übergehen, wie es in dem unglaublichen Rundschreiben vom
100 Alle Zitate nach BArch, NS 38/I* 80g 43/1. Die Deutsche Studentenschaft. Hauptamt für Studentinnen. Rundschreiben G 1/1934 vom 8.5.1934. 101 Zur Bedeutung der GPf vgl. ausführlich Manns, 224–230, hier 226. 102 BArch, NS 38/I* 80g 43/1. Deutsche Studentenschaft. Hauptamt f. Studentinnen. Rundschreiben D. St. G 3/34 vom 18.5.1934. 103 Vgl. Wolfgang Donat: Die Anfänge der burschenschaftlichen Bewegung an der Universität Kiel (1813–1833). Diss. Berlin 1934.
1.3 Gemeinschaftspflege (GPf)
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8.5.34 geschehen ist, dann kann ich da einfach nicht mehr mit. […] Ich hätte mich mit diesen ganzen Dingen nicht noch einmal an Sie gewandt, denn ich stehe doch auf dem Standpunkt – das sollen die Mädels allein ausmachen! Unterstützen und bestätigen kann ich aber nicht, was ich persönlich für falsch motiviert halte. (Durch Pflichtveranstaltungen entsteht keine neue Kultur!).“104 Wenngleich sich Donat trotz aller Einwände grundsätzlich für die Unabhängigkeit des H VI aussprach, bat er Strehl dennoch um eine Revision zukünftiger Rundschreiben. Anlass für diese Bitte war die als Teil der GPf festgelegte rhythmische Gymnastik, die in Form der sog. „Bodegymnastik“ durchgeführt werden sollte und auf den 1881 in Kiel geborenen Dr. Rudolf Bode zurückging.105 In der Weimarer Republik galt Bode, der 1922 in die NSDAP eingetreten war, als einer der einflussreichsten „Gymnastiksystemgründer“. Studiert hatte er bei dem Völkerpsychologen und Mediziner Wilhelm Wundt sowie bei dem Völkerpsychologen und Begründer der „Leipziger Schule“, Felix Krüger, dessen Interesse hauptsächlich auf die Entwicklung einer „Ganzheitspsychologie“ ausgerichtet war. „Mit diesem Schwerpunkt und seiner musikalischen Ausbildung klang“, so der Sporthistoriker Bernd Wedemeyer-Kolwe, „Bodes künftige Tätigkeit zwischen Musik, Rhythmischer Gymnastik, Psychologie und völkischer Erziehung bereits im Studium an.“106 Im Dritten Reich fungierte Rudolf Bode schließlich als Leiter der Fachschaft Gymnastik und Tanz des Reichsverbands Deutscher Turn-, Sport- und Gymnastiklehrer und gehörte zu denjenigen Vertretern, die auf der „kulturellen Überlegenheit der Deutschen (Rhythmischen) Gymnastik“ beharrten. Letztere sollte „zur grundlegenden Leibesübung des neuen Staates erhoben werden“.107 In dem am 8. Mai 1934 vom H VI der DSt ergangenen und von Ruth Strehl mitunterzeichneten Rundschreiben sprach man der Bodegymnastik zu, sie habe die Hauptforderungen erfüllt, die an eine derartige Körperschulung gestellt werden müssten: „(S)ie hat den nationalsozialistischen Gedanken der Totalität schon im Bewegungsleben des Körpers zu verwirklichen versucht, als dieser Gedanke noch keine politische Verwirklichung finden konnte. Die erstrebte Einheit des Bewe-
104 BArch, NS 38/I* 81g 556/1. W[olfgang] Donat an Ruth Strehl vom 10.6.1934. 105 Zum Geschichte des Bode-Bundes vgl. http://www.bode-bund.de vom 21.8.2009. Für Bode stand die Ausdrucksgymnastik zwischen Sport und Tanz. Zur ihrer Vorschule gehörten neben Entspannungs- und Spannungsübungen Schreiten, Laufen, Springen und Hüpfen, zur Ausdrucksgymnastik selbst reine Schwungübungen (Kreisbewegungen) sowie angewandte Schwungübungen (Zielbewegungen). Vgl. Rudolf Bode: Ausdrucksgymnastik. Mit dreihundertsechzig Übungen und zwanzig Bildtafeln. 5. Auflage München 1933. 106 Alle Zitate nach Bernd Wedemeyer-Kolwe: „Der neue Mensch“. Körperkultur im Kaiserreich und in der Weimarer Republik. Würzburg 2004, 98, künftig zitiert als Wedemeyer-Kolwe 107 Ebd., 415.
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gungsbildes macht sie in besonderem Masse geeignet, für den Neubau deutscher Kultur die körperlichen Voraussetzungen zu geben.“108 Donat wandte sich gegen die Zuschreibung dieser Eigenschaften, die für ihn eine „Beleidigung der natio nalsozialistischen Idee“ darstellten, umso mehr, als Ruth Strehl ebenfalls als langjährige Parteianhängerin und Frontkämpferin der NS-Ideologie galt: „Der eine lässt sich den Schädel einschlagen und der andere tanzt rhythmisch. Das soll dasselbe sein? Da komme ich nicht mehr mit!“109, so das Fazit des Kreisführers. Tatsächlich war selbst die NS-Regierung nicht bestrebt, Rhythmische Gymnastik und Turnen gesondert zu fördern. Obwohl die nationalsozialistische Sportführung auf die physische Hebung der rassischen Volksgemeinschaft zielte, setzte sie verstärkt „auf (individuell erwerbbare) Eigenschaften wie Leistung, Effektivität und Kraft sowie auf gesunde und gestählte, wenn auch „wesensgemäße“ Männer- und Frauenkörper.“ Für die Rhythmische Gymnastik ergab sich dabei noch zusätzlich das Problem der Geschlechterfrage. Traditionell wurde diese Disziplin mehrheitlich von Frauen ausgeübt, „wobei die Rhythmiker(innen) ihren organizistischen [sic!] Konzepten vermeintlich weibliche Bezüge wie Natur, Rhythmus und Bewegung zuschrieben“ und deshalb der Meinung waren, „Rhythmische Gymnastik sei die einzige mögliche, weil „natürliche“ Leibesübung für Frauen.“ Obwohl das NS-Sportkonzept gleichermaßen auf die Polarisierung der Geschlechter ausgerichtet war, kamen für das gesunde, kräftige und widerstandsfähige Leitbild der Frau durchaus Leibesübungen in Betracht, die eine leistungssteigernde Wirkung ohne die Gefahr der Vermännlichung beinhalteten. Sogar der Leistungssport erfuhr keine vollkommene Ablehnung, sodass neben Leichtathletik, Turnen, Gymnastik, Schwimmen und Sportspielen ebenso Tennis oder etwa Segelfliegen ausgeübt wurden: „Die weiblichen Körper- und Sportkonzepte des Nationalsozialismus unterschieden sich damit von den Entwürfen der völkisch orientierten Rhythmischen Gymnastik, die aufgrund ihrer allzu unrealistischen Daseinsvorstellung im „Dritten Reich“ kaum eine Chance zur Umsetzung hatten.“110 Aller Kritik zum Trotz verharrte Wolfgang Donat auf seinem grundsätzlichen Standpunkt zur Arbeit des H VI und gab an, Kreisreferentin Ursula Neubauer keine Hindernisse bei ihrer Tätigkeit in den Weg legen zu wollen. Die Übertragung des politisch-nationalsozialistischen Totalitätsgedankens auf das kulturelle Gebiet
108 BArch, NS 38/I* 80g 43/1. Die Deutsche Studentenschaft. Hauptamt für Studentinnen. Rundschreiben G 1/1934 vom 8.5.1934. Anlage I. Richtlinien für rhythmische Gymnastik. 109 BArch, NS 38/I* 81g 556/1. W[olfgang] Donat an Ruth Strehl vom 10.6.1934. 110 Alle Zitate nach Wedemeyer-Kolwe, 415 f.
1.3 Gemeinschaftspflege (GPf)
421
erschien ihm jedoch nach wie vor als Irrsinn: „Das erscheint mir doch gerade das wesentlichste an der Kunst, dass hier der einzelne Künstler aus dem Verantwortungsbewusstsein gegenüber der Nation aus eigener Kraft schafft, während in der Politik allein der Führer bestimmt. […] Nach wie vor […] widerspreche ich dem Satz, dass man auf dem Gebiet des Tanzes Dinge erreicht haben will, um die wir in den letzten 14 Jahren so hart und schwer haben kämpfen müssen. Sie können Gemeinschaftspflege pflichtmässig treiben, so viel Sie wollen, mir soll alles recht sein, wenn Sie dann nur nicht behaupten, damit die Grundlage einer neuen Deutschen Kultur zu schaffen“111. Zumindest in Bayern lässt sich damit für die GPf keine weitere, grundlegende Gegenwehr durch männliche Funktionäre nachweisen. Kreisreferentin Ursula Neubauer gab noch im Sommersemester 1934 die Namen der zuständigen Referentinnen und Fachkräfte für GPf in München, Würzburg, Erlangen und Nürnberg an das H VI in Berlin durch. Während etwa in Nürnberg aufgrund der äußerst geringen Zahl von insgesamt 18 weiblichen Studierenden – darunter gerade einmal ca. fünf Erst- bis Drittsemester – die GPf innerhalb der 15 Studentinnen umfassenden ANStGruppe durchgeführt wurde, existierten an der Universität München mit Sprache und Bewegung, Singkreis I und II, Volkstanzkreis sowie Heimatkunde I und II sechs Arbeitskreise. Trotz der Leitung durch Fachkräfte und Studentinnen sowie durch die ehemalige Kreisreferentin Ursula Schultz (Singkreis II) war es Neubauer dennoch nicht möglich gewesen, eine eigentliche Referentin für GPf zu ernennen, deren Ableistung erst im Sommersemester 1934 an der LMU zur Pflicht gemacht worden war112: „Die beiden Mädels, die mir geholfen haben bei der Einrichtung des Gemeinschaftskreises, versagen organisatorisch ziemlich, deshalb geht es vorläufig noch unter meiner Oberleitung.“113 Damit stellte sich auch an der LMU die bereits in Kapitel II, 4, ausführlich erwähnte Problematik der Ämterbesetzung. Sie resultierte aus dem großen Mangel an entsprechend qualifiziertem Personal und Kräften und verzögerte bzw. hemmte die reibungslose Umsetzung des neuen Pflichtprogrammes.114 In Erlangen hatte man dagegen mit Luitgard Eisermann lediglich eine Referentin für GPf eingesetzt, da infolge der äußerst niedrigen Anzahl von Studentinnen ohnehin nur ein Singkreis unter Leitung eines Privatdozenten eingerichtet werden konnte. Interessentinnen am
111 BArch, NS 38/I* 81g 556/1. W[olfgang] Donat an Ruth Strehl vom 9.7.1934. 112 Vgl. BArch, RSF II* 526 (a 425). Semesterbericht des Hauptamtes VI der Universität München vom 30.7.1934. 113 Ebd. Ursula Neubauer an die Referentin für Gemeinschaftspflege an der Deutschen Studentenschaft, Hauptamt VI vom 6.7.1934. Vgl. dazu auch BArch, NS 38/I* 81g 556/1. Ursula Neubauer an Ruth Strehl vom 28.6.1934. 114 Vgl. Kapitel II, 4 ANSt-Mitglieder.
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Volkstanz mussten auf das entsprechende Angebot beim BDM zurückgreifen, welches von allen weiblichen Erst- bis Drittsemestern angenommen wurde. In München beantragte Marianne Schuster, H VI der Studentenschaft der Universität, schließlich im Dezember 1934 die Überlassung eines Hörsaal vom 16. Januar 1935 an. Jeden Mittwochnachmittag sollte hier der einstündige Heimatkundekreis der pflichtmäßigen GPf für Studentinnen abgehalten werden.115
1.4 NS-Volkswohlfahrt (NSV) Einen weiteren Punkt, der beweisen sollte, dass die von den nationalsozialistischen Machthabern propagierte Volksgemeinschaft nicht nur eine „demagogische Phrase“116 war, stellten die Pflichtaufgaben der Studentinnen im Rahmen der NSV dar. Nach dem von Gisela Brettschneider im Wintersemester 1933/34 an die Leiterinnen des H VI der Studentenschaften verschickten Rundschreiben mussten sich die weiblichen Erst- bis Sechstsemester an sozialer Arbeit im Rahmen des Winterhilfswerks (WHW) beteiligen.117 Die alljährlich von den Natio nalsozialisten angeordnete Spenden- und Sammelaktion wurde unter Einbeziehung verschiedenster Parteiorganisationen von der NSV durchgeführt. Der Ertrag sollte ausgewählten Hilfsbedürftigen unter Ausschluss von Juden und vermeintlich Erbkranken zugutekommen.118 Den Richtlinien des Amtes für NSV gemäß umfasste die Arbeit die Sammlung und Wiederinstandsetzung von Altkleidern, Spielzeug und dergleichen sowie die sog. „Brockensammlung“. Nach Möglichkeit hatten die Frauen an jedem Schulungsabend Kohle, Holz oder ähnliches Feuerungsmaterial mitzubringen, welches anschließend durch einen studentischen Arbeitskreis an einzelne Familien zur Verteilung kam. Letztere wurden dem Kreis durch die NSV zugewiesen
115 Vgl. UAM, Sen. 366c/2h. Marianne Schuster an das Rektorat der Universität München vom 15.12.1934. 116 Grüttner, 284. 117 Vgl. BArch, NS 38/I* 80g 43/1. Die Deutsche Studentenschaft. Hauptamt für Studentinnen. An die Leiterinnen des Hauptamtes VI der Studentenschaften! Rundschreiben G 2 1933/34 vom 1.11.1933. 118 Vgl. Hilde Kammer/Elisabet Bartsch: Lexikon des Nationalsozialismus. Begriffe, Organisationen und Institutionen. Reinbek bei Hamburg 1999, 287 f. Nach Angaben der Verantwortlichen betrugen die Einnahmen des WHW bereits 1933/34 358 Millionen RM, im Winter 1942/43 sogar 1595 Millionen. Aus den – wenngleich nur unregelmäßig – veröffentlichten Abrechnungen des WHW geht jedoch hervor, dass die Gelder zunehmend für die laufende NS-Wohlfahrtsarbeit unter besonderer Berücksichtigung der NSV verwendet wurden. Vgl. ebd., 288.
1.4 NS-Volkswohlfahrt (NSV)
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und unterstanden der Patenschaft ausgewählter Studentinnen, die sich während des gesamten Wintersemesters für die Wohlfahrtstätigkeit verpflichten mussten. Um die Ausstattung mit den notwendigsten Bedarfsartikeln zu gewährleisten, war die jeweilige Betreuung nach Möglichkeit den gesamten Winter mit den gleichen Kräften durchzuführen: „Sie wissen dann am besten, was gegeben worden ist u. was noch fehlt.“119 Für die Kinder sah man überdies monatlich wenigstens einen Spielnachmittag vor. Allein von der Universität Berlin wurden auf diese Weise rund 150 Familien unterstützt.120 Darüber hinaus sollten „geeignete Studentinnen“, die ihre Arbeit im „nationalsozialistischen Sinn“ erfüllten und im Vorfeld von einer aus der ANSt hervorgegangenen Referentin bestimmt worden waren, aktiv in den NSV-Küchen mitarbeiten: „Selbstverständlich werden auch diese Studentinnen aus der A. N. St. gewählt, da in dieser Gemeinschaft die richtige Basis für die im kommenden Semester zu leistende Arbeit bereits vorhanden ist“121, so Annetraut Otto, Leiterin des Amtes für NSV. Die Vorgaben für die NSV-Arbeit der weiblichen Studierenden zeigen, dass im Gegensatz zu Pflichtsport, Frauendienst und GPf der Fokus hier in größerem Maße auf den im Sinne der Nationalsozialisten als zuverlässig und damit linientreu geltenden Studentinnen lag. Ähnlich wie bei der GPf versuchte man diese Frauen als Multiplikatoren der NS-Ideologie zu instrumentalisieren. Im „sozialistischen Geiste“122 sollten sie nicht nur auf Hochschulebene, sondern auch in der als Keimzelle des Staates bzw. Volkes verstandenen Familie wirken: „Neben der materiellen Versorgung spielte die möglichst unauffällige politische Beeinflussung eine grosse Rolle“123, so der reichsweite Arbeitsbericht für das Wintersemester 1933/34. Abgesehen von den im Rahmen der NSV betreuten Familien fühlte sich das H VI der DSt jedoch auch für weitere sozial benachteiligte Gruppen verantwort-
119 BArch, NS 38/I* 80g 43/1. Deutsche Studentenschaft. Hauptamt für Studentinnen. Anlage zu Rundschreiben G 3/1933/34 vom 15.12.1933. 120 Vgl. BArch, NS 38/I* 81g 556/2. Arbeitsbericht des Hauptamtes VI der D. St. für das Wintersemester 1933/34. 121 Alle Zitate nach BArch, NS 38/I* 80g 43/1. Die Deutsche Studentenschaft. Hauptamt für Studentinnen. Anlage zu G 2/1933–34. Nr. 1. Richtlinien des Amtes für N. S. Volkswohlfahrt vom 6.11.1933. Den Kunstschülerinnen wollte man außerdem Gelegenheit zum Entwurf und Verkauf einer Postkarte geben, deren Erlös zu 25 % die notwendigen Geldmittel für den Wohlfahrtsarbeitskreis und die Materialkosten der Näh- und Flickarbeiten, die Familienunterstützung etc. sichern sollte; die restlichen 75 % waren insgesamt der NSV zur Verfügung zu stellen. Vgl. ebd. 122 BArch, RSF II* 505 (a 407). Die Studentin im dritten [sic!] Reich. (Gespräch mit Gisela Brettschneider) vom Dezember 1933. 123 BArch, NS 38/I* 81g 556/2. Arbeitsbericht des Hauptamtes VI der D. St. für das Wintersemester 1933/34.
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1 Einführung außer- und inneruniversitärer Pflichten 1933
lich. So bat Gisela Brettschneider in einem Anfang Dezember 1933 erfolgten Rundbrief um Geld- und Sachspenden für 80 bedürftige österreichische Studenten in München. Die einzelnen Kreisreferentinnen hatten dabei für die Übergabe der Sach- bzw. Geldspenden von sämtlichen Universitäten an die Leiterin des Münchner H VI, Gisela Mauermayer, zu sorgen. Darüber hinaus war an die Organisation einer besonderen Veranstaltung gedacht, deren Reinertrag ebenfalls als direkte Hilfsmaßnahme Verwendung finden sollte.124 Wie ein ergänzendes Schreiben der Leipziger Kreisreferentin an die Hauptamtsleiterinnen des Kreises IV zeigt, übernahmen die Frauen auf diese Weise die schon vor 1933 partiell eingenommene Rolle als subalterne Hilfsdienstleister: „(S)ammelt bei jeder Gelegenheit. Bei allen Veranstaltungen stellt eine Kameradin auf, die für die oesterreichischen Studenten fordert. Wir wollen unsere Ehre einsetzen, die Kameraden nicht allein zu lassen.“125 Besonders die in der ANSt organisierten Studentinnen machten sich im konkreten Fall die Unterstützung der Männer zur Aufgabe. Einem Bericht Mauermayers zufolge stellten sie zu Weihnachten 1933 65 Pullover und etwa ebenso viele Paar Handschuhe, Pulswärmer, Socken und ähnliche Kurzwaren in Eigenarbeit an der LMU her126, während etwa die Göttinger ANSt-Hochschulgruppe ein „Liebesgabenpaket“127 für die Kommilitonen in die bayerische Landeshauptstadt schickte. Im November 1934 befanden sich mit 150 Hilfsbedürftigen nahezu doppelt so viele österreichische Studenten in Deutschland in Not, sodass schließlich sogar der REM für entsprechende Unterstützung bei den Hochschul- und Universitätsrektoren bat.128 Allein in München hatten daraufhin 20 von ihnen in Kameradschaftshäusern bei freier Verpflegung und Taschengeld durch das lokale Studentenwerk untergebracht zu werden.129 Knapp ein halbes Jahr, nachdem die ANSt-Mitglieder der LMU ihre Spenden übergeben hatten, brachte das im Mai 1934 vom H VI der DSt herausgegebene
124 Vgl. BArch, RSF II* 505 (a 407). Rundschreiben von Gisela Brettschneider vom 2.12.1933. 125 BArch, RSF II* 533. Ursula Schmidt an die Hauptamtsleiterinnen des Kreises IV vom 7.12.1933. Zu den subalternen Hilfsdiensten der NS-Studentinnengruppen vor der Machtergreifung vgl. Kapitel I, 2.3 Die Arbeitsgemeinschaft Nationalsozialistischer Studentinnen (ANSt). 126 Vgl. BArch, RSF II* 524. Bericht von Gisela Mauermayer über die ANSt Hochschulgruppe München vom 17.1.1934. 127 BArch, RSF II* 526 (a 425). ANST Hochschulgruppe Göttingen an die Kreisreferentin für Studentinnen Fräulein Ursula Schmidt vom 26.1.1934. 128 Vgl. HATUM, RA C900. Der Reichsminister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung an die Herren Rektoren der deutschen Universitäten und Hochschulen vom 7.11.1934. 129 Vgl. ebd. Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus an den Herrn Vorstand des Studentenwerkes München e. V. vom 23.11.1934.
1.4 NS-Volkswohlfahrt (NSV)
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Rundschreiben auch im Bereich der NSV eine deutliche Veränderung im Arbeitsplan mit sich. So waren die weiblichen Erst- bis Drittsemester fortan von diesem Teil des Pflichtprogrammes entbunden und mussten sich dafür erst ab dem vierten Semester mindestens einmal wöchentlich zur Verfügung stellen.130 Nur einen Monat später erging ein weiteres Schreiben, in welchem – merklich verspätet – die Richtlinien für die Sommerarbeit festgelegt wurden. Diese sahen eine verstärkte Werbung für den freiwilligen Einsatz in der NSV vor, der zukünftig auch die Wöchnerinnenpflege im Rahmen des Hilfswerkes „Mutter und Kind“ umfassen sollte. Den Nationalsozialisten schien diese Arbeit besonders geeignet, um „die Opferfreudigkeit und die Tüchtigkeit der deutschen Studentin zu beweisen“, wobei jedoch „unter allen Umständen nur ganz zuverlässige Studentinnen, für deren Charakter und für deren nationalsoz. Gesinnung unbedingt gebürgt“131 werden konnte, einzusetzen waren, was den Dienst im Endeffekt auf linientreue ANSt-Mitglieder beschränkte.132 Tägliche Kinderbetreuung, Haushaltshilfe und die seit dem Winter fortgesetzte Familienbetreuung ergänzten die Einsatzgebiete der weiblichen Studierenden; für die Aufbringung der notwendigen Geldmittel konnten Sammlungen unter Einwilligung des NSV-Kreisamtsleiters veranstaltet werden. Dem Bericht des Gaustudentenbundführers des Gaues München-Oberbayern, Hermann Aly, vom 22. Dezember 1934 zufolge, führten die Studentinnen dementsprechend neben sehr aktiver NSV-Arbeit eine Nikolausfeier mit Kindern der ärmsten Familien durch, die als großer Erfolg zu verbuchen gewesen sei. „Ich glaube“, lautete die Einschätzung Alys, „dass es hier in München gelungen ist, alle verfügbaren Kräfte zu sammeln und für das Winterhilfswerk einzuspannen.“133 Nach einem von den Studentenschaften der Universität und der TH herausgegebenen Merkblatt anlässlich der Immatrikulation zum Wintersemester 1934/35 hatte sich immerhin jede Münchner Studentin dem WHW im Rahmen der NSV zur Verfügung zu stellen.134
130 Vgl. BArch, NS 38/I* 80g 43/1. Deutsche Studentenschaft. Hauptamt f. Studentinnen. Rundschreiben D. St. G 3/34 vom 18.5.1934. 131 Ebd. Deutsche Studentenschaft. Hauptamt f. Studentinnen. Rundschreiben D. St. G 5/34 vom 18.6.1934. 132 Vgl. hierzu auch BArch, RSF II* 499. Der Reichsorganisationsleiter. N. S. D.-Studentenbund. Reichs-A. N. St.-Referentin im N. S. D. St. B. Rundschreiben A. N. St. 3/34 vom 15.12.1934. Hier wurden die Richtlinien für die Mitarbeit der ANSt in der NSV, insbesondere beim WHW, noch einmal konkretisiert. 133 BArch, RSF II* 106. Gaustudentenbundsführer des Gaues München-Obb. an den Beauftragten Süd des N. S. D. St. B.-Führers Pg. Ernst Wittmann vom 22.12.1934. 134 Vgl. Böhm, 336.
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Ein Mitte Februar 1935 herausgegebenes Rundschreiben an die NSV-Referentinnen der örtlichen H VI bekräftigte erneut den weitgehend zwanglosen, im Sommer sogar vollkommen freiwilligen Charakter der NSV-Arbeit. Lediglich beim Eintreten besonderer Umstände wie einer speziellen Hilfsaktion war die NSVReferentin berechtigt bzw. verpflichtet, alle Studentinnen und damit auch die politisch wenig Zuverlässigen zur Mitarbeit heranzuziehen. Als langfristiges Ziel wollte man die NSV-Arbeit dagegen allmählich auf die Ferienzeit ausdehnen, um eine plötzliche Unterbrechung der als notwendig verstandenen Betätigung nach Semesterende zu vermeiden. Für erbbiologische Erhebungen der NSV sollten zudem „fachlich tüchtige und politisch unbedingt zuverlässige“135 Medizinstudentinnen herangezogen und eine dementsprechende Zusammenarbeit mit den Ämtern für Volksgesundheit eingeleitet werden.
1.5 Fachschaftsarbeit „Die politische Linie der neuen Frau ist angedeutet durch unsere Betätigung im Dienste des Luftschutzes. Aber auch in der Berufsarbeit selbst sind wir unablässig bemüht, die nationalsozialistische Weltanschauung zu vertiefen, in den Fachschaften der einzelnen Fakultäten arbeiten wir hier gemeinsam mit den Studenten: die Juristen bearbeiten das neue Recht, die Philosophen forschen in der germanischen Kultur, überall belebt die nationalsozialistische Weltanschauung alte Wissensformen und macht sie sich dienstbar.“136 Auf Grundlage der Erziehungsarbeit der Studentinnen in den ersten drei Studienhalbjahren baute die sog. „Fachschaftsarbeit“ auf. Diese sollten die Frauen gemeinsam mit den Kommilitonen in den jeweiligen Arbeitsgemeinschaften innerhalb ihrer Fachschaften bzw. innerhalb ihrer die Fachschaften gleicher Studienziele und Berufe zusammenfassenden Fachgruppen betreiben. Mitglieder der jeweiligen Fachschaft waren alle Studentinnen und Studenten, sofern sie der DSt angehörten. Ein Ausschluss aus der Fachschaft zog den Ausschluss aus der DSt sowie aus der Hochschulgemeinschaft nach sich. Verstanden sich die sich nach dem Ersten Weltkrieg konstituierenden Fachschaften als Interessenvertretung der Studierenden für organisatorische oder inhaltliche Verbesserungen des Studiums, wurden sie nach 1933 als weiteres
135 BArch, NS 38/I* 80g 43/1. Die Deutsche Studentenschaft. Hauptamt für Studentinnen. Amt für NSV. Rundschreiben Nr. VI/H 3/1935 vom 18.2.1935. 136 BArch, RSF II* 505 (a 407). Die Studentin im dritten [sic!] Reich. (Gespräch mit Gisela Brettschneider) vom Dezember 1933.
1.5 Fachschaftsarbeit
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Erziehungsinstrument mit Politik und wissenschaftlich-fachlicher Arbeit umfassendem Inhalt missbraucht. Ihre Aufgabe bestand darin, „die Studenten mit den weltanschaulichen Implikationen ihres Fachgebietes vertraut zu machen und sie dazu zu bringen, an Grundfragen der Wissenschaft und ihres erstrebten Berufs vom nationalsozialistischen Standpunkt aus heranzugehen und wissenschaftliche Arbeit auf der Grundlage der nationalsozialistischen Weltanschauung zu betreiben.“137 Auf diese Weise wollte man bei den angehenden Akademikern im Rahmen von fachlichen Einsätzen, Arbeitsgemeinschaften, Vortrags- und Schulungsabenden, Fachschaftsfesten, Exkursionen oder Wochenendlagern eine nationalsozialistische Wissenschafts- und Berufsauffassung ausbilden, d. h. man arrangierte „Vorträge, Seminartreffen. Also nicht im Sinn eines Vorlesungsseminars, sondern wöchentliche Zusammenkünfte usw.“138 Präzisiert wurden die Aufgaben der Fachschaften in einem Rundschreiben der DSt vom 20. August 1933. Das Schreiben enthielt die Richtlinien für den Aufbau der neuen Einheiten bzw. den Umbau bereits existierender ähnlicher Einrichtungen und ließ keinen Zweifel daran, dass es sich bei der Fachschaftsarbeit nicht nur um ein weiteres Instrument studentischer Indienstnahme, sondern auch um ein Mittel der Auslese handelte: „1. a) Hinwirken auf ein lebendiges Verhältnis wissenschaftlicher Zusammenarbeit zwischen Student und Hochschullehrer. b) Durchführen von Boykottmassnahmen gegen Professoren, die an einer deutschen, d. h. politischen Hochschule nicht Lehrer sein können. c) Mitwirkung und Mitentscheidung bei der Auslese der Studenten für diese Hochschule. d) Mitentscheidung bei Berufung von Hochschullehrern (Die „negative Instanz“ als Ziel). 2. a) Durchführung einer dem künftigen Beruf entsprechenden Studienreform (Vorschläge und Mitentscheidung bei der Aufstellung des Studienplanes). b) Schaffung eines unmittelbaren Verhältnisses zum Beruf durch lebendige Begegnung mit schon aktiv im Beruf stehenden Volksgenossen aller innerhalb eines bestimmten Berufsgebietes liegenden Berufsarten, nicht nur der akademischen. […] 3. Aufstellen eines Dienstplanes gemeinsam mit der örtlichen Führung der politischen Bünde bzw. der Kameradschaften des Kameradschaftshauses
137 Böhm, 316. 138 Interview mit Elisabeth Ka. vom 2.7.2005.
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zur Erfassung der gesamten Studentenschaft durch politische Erziehung und Fachschaftsarbeit. 4. a) Studien- und Berufsberatung […] b) Laufende Mitwirkung und Mitentscheidung im Studienbetrieb und bei der Hochschulverwaltung (bei der Verwaltung der Institute und Seminare, der Aufstellung des Stundenplanes und als Sprecher in Fakultäten und im Senat […]) 5. a) Mitwirkung und Mitentscheidung bei Kolleggeldererlass und Einzelfürsorge. b) Schaffung besonderer eigener Hilfseinrichtungen (Hilfsbüchereien, Apparaturen, Leihsammlungen usf.). 6. Teilnahme an der freien Volksbildung in Arbeiter-Unterrichtskursen und Volkshochschulen.“139 An der LMU waren, ebenso wie an der Universität Würzburg, hingegen noch 1933 nicht alle Fächer bzw. Fachgebiete durch Fachschaften vertreten140, auch wenn Karl Gengenbach, Leiter des Kreises Bayern der DSt, bereits im Herbst des Jahres für die Schaffung von Gemeinschaften sowie eine persönliche Erziehung der Studierenden plädiert hatte.141 Erst im Sommer 1935 existierten an der LMU mit der Volkswirtschaftlichen, Rechtswissenschaftlichen, Forstwissenschaftlichen, Katholisch-Theologischen, Kulturwissenschaftlichen, Medizinischen und Naturwissenschaftlichen Fachschaft sieben große, in etwa den Fakultäten entsprechende Fachschaften samt Unterabteilungen, deren Leitung die nationalsozialistischen Studenten an sich zu bringen versuchten. Analog zur Ämterbesetzung innerhalb des H VI mangelte es auch hier an ausreichend geschultem Führungspersonal. Die Arbeit hatte deshalb zunächst oftmals von den bisherigen oder von neu berufenen, allerdings in erster Linie nicht politisch agierenden Leitern durchgeführt zu werden. Nach Aussage des Leiters des Amtes für Wissenschaft der Studentenschaft der LMU existierten im März 1934 an der Universität München zahlreiche Fachschaften, unter deren Angehörigen sich kein einziger alter Nationalsozialist befand. Aus diesem Grund mussten für nahezu die Hälfte
139 BArch, NS 38/2175. Die Deutsche Studentenschaft. Hauptamt für Politische Erziehung. Amt für Wissenschaft. Rundschreiben zum Fachschaftsdienst vom 20.8.1933. 140 Vgl. BArch, NS 38/2019. Studentenschaft der Universität München (Asta) an die Deutsche Studentenschaft, Amt für Wissenschaft vom 26.5.1933. So fehlten an der LMU u. a. eine Historische sowie eine Kunstgeschichtliche Fachschaft. Zur Universität Würzburg vgl. ebd. Tätigkeitsbericht des Amtsleiters für Wissenschaft für Mai und Juni 1933 vom 17.7.1933. 141 Vgl. UAM, G-I-5 Band 1. Anregungen der Kreisleitung Bayern der Deutschen Studentenschaft vom September 1933.
1.5 Fachschaftsarbeit
429
aller Leiter Leute bestimmt werden, die erst nach der Machtergreifung zu Parteianhängern geworden waren, während die älteren Kameraden oftmals vor dem Ende ihres Studiums standen und entsprechender Nachwuchs aus den Reihen der HJ nur marginal vorhanden war.142 Abgesehen von einigen „ungestümen politischen Vorstößen“143, wie etwa verschiedenen Reformvorschlägen für das Studium, verlief die Fachschaftsarbeit vorerst also relativ ruhig und weitgehend sachlich, ein lokales Ergebnis, das gleichwohl keine Allgemeingültigkeit für die Arbeit der Studentinnen besitzt. Wie Pauwels und infolgedessen ebenso Steffen-Korflür als auch Manns nachgewiesen haben, lehnten die in den ersten Fachschaftsgruppen aktiven Studenten die Anwesenheit von Frauen vielerorts entschieden ab, sabotierten ihre Teilnahme und versuchten, die Kommilitoninnen in eigene Gruppen abzudrängen. Letzteres erwies sich jedoch als schwierig, da nur wenige Fachbereiche ausreichend Studentinnen vorwiesen, um rein weibliche Gemeinschaften einzurichten. „This created problems from the start, particularly since in 1933 and early 1934 both NSDStB and DSt leaders, were still very much intoxicated by the ultramisogynic SA spirit.“144 Dementsprechend beklagte sich die Leiterin des Leipziger H VI schriftlich bei Reichsleiterin Gisela Brettschneider über die lokale Organisation an ihrer Universität, die eine Trennung der entsprechenden Fachschaften in neun Gruppen vorsah. Dabei sollte die erste bis siebte Gruppe jeweils die männlichen Erst- bis Siebtsemester zur besseren Erfassung für SA und Wehrsport versammeln, die achte die Studentinnen für Kochen, Nähen oder die Schulung von Frauendienst bzw. Frauenaufgaben und die neunte Gruppe die ausländischen Studierenden. Beschäftigten sich die Kommilitonen der Gruppen eins bis sieben nun bspw. in Jura mit Fragen zum römischen Recht im NS-Staat oder der germanischen Rechtsauffassung, so kanzelte man die Kommilitoninnen mit der vermeintlichen „Ueberflüssigkeit geistiger Frauenbildung“145 ab; auch in Berlin wurde lediglich eine einzige Arbeitsgemeinschaft für alle Studentinnen unter der Themenstellung „Kochen“ eingerichtet.
142 Vgl. BArch, NS 38/2293. Die Studentenschaft der Universität München an das Amt für Wissenschaften der Deutschen Studentenschaft vom 12.3.1934. 143 Böhm, 321. Zu den Reformvorschlägen vgl. ebd., 321 f. 144 Pauwels, 74. Zu den auf Pauwels basierenden Ergebnissen vgl. Steffen-Korflür, 223 f., sowie Manns, 258, bes. FN 315: „Bis zum Niedergang der SA, den der „Röhm-Putsch“ und die Auflösung des SA-Hochschulamtes dokumentiert, wird die Beteiligung von Frauen an der Fachschaftsarbeit von den SA-Studenten weitgehend sabotiert.“ 145 BArch, RSF II* 505 (a 407). Inge Rather an Gisela Brettschneider vom 9.12.1933.
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Eine weitere Möglichkeit, um die Studentinnen von der Arbeit der Studenten auszuschließen, wird am Beispiel der Universität Königsberg deutlich, wo man die Fachschaftsarbeit kurzerhand in die SA-Kameradschaftshäuser verlagerte, deren Zutritt allein den männlichen Geschlechtsgenossen vorbehalten war. Angesichts dieser Bedingungen fielen die Frauen durch vermehrte Abwesenheit auf, ein Verhalten, welches noch zusätzlich durch den fehlenden Teilnahmezwang verstärkt wurde.146 Obwohl selbst das H VI Mitte Dezember 1933 die eigentlich zweigeschlechtliche Zusammensetzung der Arbeitskreise betonte und das Ausgliedern der Studentinnen mit Rückendeckung von Reichsführer Oskar Stäbel als „vollkommen unzulässig“147 kritisierte, verzögerte sich deren Fachschaftsarbeit faktisch um mehrere Monate. Ein Vierteljahr später, am 13. Februar 1934, erhielten die Fachschaften mit Stück sieben der Verfassung der DSt die Aufgabe, „die Studenten auf den pflichtbewußten, uneigennützigen Dienst in ihrer künftigen Berufsgemeinschaft vorzubereiten.“148 Aufgaben und Formen präzisierte man in einem nur wenige Tage später an die Ämter für Wissenschaft der Einzelstudentenschaften gerichteten Rundschreiben, wonach die Studierenden künftig ab ihrem ersten Semester einer Fachschaft angehörten. Die eigentliche Fachschaftsarbeit für die auf diese Weise Erfassten sollte etwa ab dem vierten Semester einsetzen, um Fachliches mit Politischem zu verbinden. Nach Manns zu urteilen existierten vor dem Sommersemester 1934 keine entsprechenden Arbeitsgemeinschaften von Frauen an den Universitäten149, während Steffen-Korflür die Anfänge weiblicher Fachschaftsarbeit sogar erst auf das Wintersemester 1934/35 datiert.150 Tatsächlich belegt der Bericht des H VI der DSt für das Wintersemester 1933/34 einen starken Mangel an vorgebildeten und geeigneten Hilfskräften, weshalb die Fachschaften lediglich an einzelnen Universitäten eine spezielle
146 Vgl. Pauwels, 75. 147 BArch, NS 38/I* 80g 43/1. Deutsche Studentenschaft. Hauptamt für Studentinnen. Amt für Schulung. Anlage zum Rundschreiben G 3/1933/34 vom 15.12.1933. Hervorhebung im Original. 148 RMBl. Zentralblatt für das Deutsche Reich. 62. Jahrgang. Nr. 7. Berlin 1934, 77. 149 Vgl. Manns, 259, bes. FN 320. So existierten an der Universität Berlin im Sommersemester 1934 zwei Arbeitsgemeinschaften mit den Themen „Kulturelle Aufgaben der Frau“ sowie „Frauenarbeit und Frauengesundheit“. Für jeden Fachschaftsarbeitskreis war eine nationalsozialistische Studentin mit fundierten Fachkenntnissen als Fachschaftswartin einzusetzen, die die Mitarbeit aller weiblichen Studierenden zu überprüfen und sie in sämtlichen Angelegenheiten zu vertreten hatte. Vgl. BArch, NS 38/I* 80g 43/1. Deutsche Studentenschaft. Hauptamt für Studentinnen. Amt für Schulung. Anlage zum Rundschreiben G 3/1933/34 vom 15.12.1933. 150 Vgl. Steffen-Korflür, 223 f. In Königsberg richteten zu diesem Zeitpunkt 15 Studentinnen der höheren Semester einen Lehrdienst ein und versuchten sich in der Organisation einer wissenschaftlichen Studien- und Berufsberatung der ostpreußischen Abiturientinnen. Ebd., 224.
1.5 Fachschaftsarbeit
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Arbeitsrichtung festsetzen und diese erfolgreich beginnen konnten. „Erst nach Teilnahme einiger besonderer ausgewählter Studentinnen an den verschiedenen Reichsfachschaftslagern und der jetzt planmässigen Organisation durch das Amt für Wissenschaft“ sollte es, so Brettschneider, ab dem Sommersemester 1934 möglich sein, „auf diesem Gebiet mit grösserem Erfolg zu arbeiten.“151 Auch an der Universität München gibt es Hinweise darauf, dass sich die Fachschaftsarbeit der Studentinnen merklich verzögerte. So beinhaltet der lokale Semesterbericht des H VI aus dem Sommer 1934 nur Angaben zur GPf sowie zum Frauendienst. Wenngleich zudem eine politische Schulung der weiblichen Erst- bis Drittsemester von der Studentenschaft gemeinsam mit den Kommilitonen in Form von pflichtmäßigen Vorträgen, Arbeitsgemeinschaften u. a. durchgeführt worden war152, fehlen konkrete Hinweise auf eine systematische und konsequente Fachschaftsarbeit der Frauen ebenso wie auf deren Teilnahme an den Arbeitsgruppen der Männer. Knapp ein Jahr später, Anfang Juli 1935, hatten auch die Studentinnen der TH München noch keinerlei Aktivitäten in diesem Sinne durchgeführt153, und ANSt-Reichsleiterin Liselotte Machwirth gab noch im Oktober, und damit drei Monate später, an, man würde ohnehin erst mit der eigentlichen Fachschaftsarbeit beginnen.154 Lediglich die Medizinische Fachschaft der Universität stieß bereits im Frühjahr 1935 mit ihren praxisbezogenen Anteilen bei Studentinnen auf Interesse, die sich mit Mutterschafts-, Säuglings- und Eheberatung, Wohlfahrtspflege und Schulfürsorge sowie der Diätküche beschäftigten.155 Dieses Beispiel bestätigt das Ergebnis Böhms, wonach Umfang und Art der Fachschaftsarbeit wohl lokal sehr unterschiedlich waren. Die Bemühungen der ANSt, die reichsweit hohe Anzahl der Medizinstudentinnen für die Organisation rein weiblicher Fachgruppen zu nutzen, scheinen demnach weniger erfolgreich gewesen zu sein: “Even in 1935, nearly 4,000 women continued to study in all medical faculties combined, avera-
151 BArch, NS 38/I* 81g 556/2. Arbeitsbericht des Hauptamtes VI der D. St. für das Wintersemester 1933/34. 152 Vgl. BArch, RSF II* 526 (a 425). Semesterbericht des Hauptamtes VI der Universität München vom 30.7.1934, sowie Kapitel IV, 3.5 Politische Schulung. 153 Vgl. BArch, RSF II* 535 (a 434). Hauptamt VI Studentinnen. Bericht zum Sommer-Semester 1935 vom 1.7.1935. 154 Vgl. BArch, RSF II* 524. Liselotte Machwirth an Inge Wolff vom 19.10.1935. 155 Vgl. Manns, 259 f., sowie Aus den medizinischen Fachschaften. München. In: Der Jungarzt. Zeitschrift der Deutschen Mediziner. 3. Folge. W. S. 1934/35. Heft 8. Leipzig 1934, 48. Dazu auch Arbeitsgemeinschaft „Diätküche, mit praktischer Ausrichtung von Rezepten für den Arbeiterhaushalt“. Aus der Medizinischen Fachschaft München, Leitung cand. med. H. Franke. In: Der Jungarzt. Zeitschrift der Deutschen Mediziner. 4. Folge. S. S. 1935. Heft 11. Leipzig 1935, 121 f.
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1 Einführung außer- und inneruniversitärer Pflichten 1933
ging approximately 150 per university. Great efforts on the part of the ANSt resulted in the organization of female medical faculty groups in number of places, but even some big universities, such as Munich, experienced difficulties or failed altogether in their attempts to launch medical “faculty work” for women students.”156 Generell blieben an der LMU schon ab dem Sommersemester 1934 regelmäßig bestimmte Stunden von Übungen und Vorlesungen für Studierende ab dem vierten Semester offen. „Die medizinische Fachschaft, die z. B. 1935 insgesamt 400 Studenten in kleinen Arbeitsgemeinschaften erfaßte, nahm mehr Stunden in Anspruch und ließ bestimmte Zeiten bevorzugt für Vorlesungen mit politischem Einschlag freihalten.“157 Insgesamt blieb das Verhältnis von pflichtmäßiger und freiwilliger Indienstnahme im Unklaren, vor allem, was die Wahrnehmung innerhalb der Studentenschaft betraf. Während ein Merkblatt von LMU und TH zum Wintersemester 1934/35 die Studierenden der DSt ab dem vierten Semester zur Teilnahme an Fachschaftsversammlungen und Arbeitsgemeinschaften verpflichtete158, war sämtliche Fachschaftsarbeit nach einem Erlass des REM vom 15. Mai 1935 weiterhin freiwillig.159 Als Auslese- und Kontrollinstrument galt diese jedoch als erwünscht, besonders bei der Bewilligung von Stipendien und Vergünstigungen wie Hörgeldermäßigungen160: „Es hat sicher so einen Zusammenschluss [d. h. Fachschaftsarbeit/P. U.] gegeben, ja. Das hat’s auch in der Nazizeit gegeben. […] Vielleicht für solche, vielleicht für solche, die irgendwie Stipendien beantragt hatten oder so. Die haben natürlich dort mehr funktionieren müssen“161, zumal in München die politische Beurteilung der Studierenden der Fachschaft, die Überprüfung der wirtschaftlichen Lage dem Studentenwerk unterlag.162 In der bayerischen Landeshauptstadt wurden Studierende ab dem vierten Semester zumindest bis zum Sommer 1934 nur zu Beginn und zum Ende des Halbjahres zusammengerufen. Die übrige Fachschaftsarbeit ruhte in kleinen, freiwilligen Arbeitsgemeinschaften: „Die Studentenschaft hat grösstes Interesse daran, dass der wissenschaftliche Betrieb unter ihren Veranstaltungen, auch
156 Pauwels, 75. 157 Böhm, 324. 158 Vgl. ebd. 159 BayHStA, MK 40804. Der Reichs- und Preußische Minister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung. Abdruck zu Nr. V 26105 vom 15.5.1935. 160 Vgl. Kapitel II, 5 Unterstützungsempfänger. 161 Interview mit Dr. Ingeborg W.-K. vom 14.7.2005. 162 Vgl. UAM, Sen. 142/III. Der Rektor an den Herrn Rektor der Universität Münster vom 19.8.1936, sowie ebd. Der Gaustudentenführer an die Fachschaften der Universität München vom 8.12.1936.
1.6 Exkurs: Die Umgestaltung des Studentinnenheims Marie-Antonie-Haus
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wenn sie zwangsmässig sind, nicht leidet. Sie hat ausdrücklich eine Zwangsmitarbeit in den Fachschaften abgelehnt, eine freiwillige Mitarbeit in den Arbeitsgemeinschaften […] wird begrüsst.“163 Die Reichs-ANSt-Referentin verfügte dagegen bereits im Oktober 1935 in ihren Richtlinien, dass sich Kameradinnen, sofern sie nicht als Amts- oder Zellenleiterinnen gebraucht wurden, vom vierten bis achten Semester vollkommen der Fachschaftsarbeit zu widmen hatten, wobei die jeweilige Fakultät bestimmend für die Bildung der Zellen war.164 Analog zu dem Versuch, die angehenden Medizinerinnen in reinen Frauengruppen zusammenzufassen, waren damit primär NS-Studentinnen zur Mitarbeit verpflichtet worden: “In most cases, participation was virtually limited to the same dedicated ANSt members whose efforts also sustained the other tottering initiatives of the Nazi women student leaders.”165 Solange also ein äußerer Zwang fehlte, wurde die weibliche Fachschaftsarbeit primär von ANSt-Kameradinnen getragen. Nach Steffen-Korflür zeigten diese zunächst kaum ein Interesse daran, ihre wissenschaftliche Tätigkeit im Dienst des nationalsozialistischen Aufbauwerks unnötig zu erschweren und weltanschaulich wenig zuverlässige oder das Dritte Reich ablehnende Studentinnen zur Mitarbeit zu drängen.166
1.6 Exkurs: Die Umgestaltung des Studentinnenheims Marie-Antonie-Haus „Eine andere Frage von Bedeutung ist die Mitwirkung der Studentinnen an unseren Hochschulen. […] In der Fachschaftsarbeit ist […] die Teilnahme von Studentinnen meistens durchaus möglich. Daneben hat ja die Führung der Studentinnen noch einen besonderen Frauendienst und eine selbständige weibliche Schulung begründet, ferner schaffen sich die Studentinnen in Wohnheimen ihre eigenen Erziehungsgemeinschaften.“167
163 UAM, Sen. 365/8. Studentenschaft der Universität München an das Rektorat der Universität München vom 19.6.1934. 164 Vgl. BArch, RSF II* 499. Amt N. S. D.-Studentenbund. Reichs-A. N. St.-Referentin. Rundschreiben A. N. St. 12/35 vom 31.10.1935. 165 Pauwels, 75. 166 Vgl. Steffen-Korflür, 225. 167 BArch, NS 38/2293. Die Wissenschaft in der Erziehung des Deutschen Studenten. Zwiegespräch über Wissenschaft mit [Heinz] Zähringer vom 8.2.1934. Hervorhebung im Original. Dipl.Ing. Heinz Zähringer war zu diesem Zeitpunkt der Stellvertreter von Reichsführer Dr. Oskar Stäbel, der vorläufig selbst das Hauptamt I für politische Schulung übernommen hatte, und von
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Ergänzend zur bisher beschriebenen Indienstnahme weiblicher Studierender im Dritten Reich sei an dieser Stelle die vom H VI der DSt als „Gemeinschaftshaus“168 bezeichnete Einrichtung des Studentinnenwohnheims genannt. War das als Mischung aus politischer Wohngemeinschaft, Männerbund und Kaserne verstandene Konzept des Kameradschaftshauses nach der Machtergreifung als Instrument zur charakterlichen, physischen, politischen bzw. fachlich-politischen Erziehung der männlichen Erst- bis Drittsemester sowie als Möglichkeit zur Einbeziehung bislang nicht erfasster Freistudenten entwickelt worden169, begannen Ende 1933 an einzelnen Hochschulorten auch die Vereinnahmung und Besetzung bestehender Studentinnenwohnheime als neue Indoktrinations- bzw. Inklusionsmittel.170 Allerdings wollte man die Frauen auf diese Weise weder kasernieren noch ihnen ein „bequemes Leben im Stil eines Mädchenpensionats“171 bereiten, wie Ruth Strehl, Reichsleiterin bzw. -referentin für Wohnheime und GPf (Sachgebiete kulturelle Schulung und Freizeitgestaltung) im Juni 1934 schriftlich gegenüber Wolfgang Donat betonte. Dass das Interesse an sämtlichen, reichsweit bestehenden Heimen jedoch weiter zurückreichte, wird aus einem Rundschreiben an die Leiterinnen der Kreise I bis VII im Juli 1933 deutlich. Bereits hier wurde vonseiten der ANSt um Auskunft gebeten, „ob und wo in den einzelnen Universitätsstädten Studentinnenheime vorhanden sind, die sich evntl. als Studentinnenwohnheime herrichten liessen.“172 Darüber hinaus sollte mitgeteilt werden, wo Informationen über die finanzielle Situation der betreffenden Einrichtungen erhältlich seien und welcher Verwaltungskörperschaft bzw. Behörde diese unterlägen. Nach Angaben Strehls konnten durch die intensive und erfolgreiche Arbeit der Referentinnen bereits im Wintersemester 1933/34 einige neue Studentinnenwohnheime geschaffen werden, darunter in Kiel, Hamburg, Freiburg und Göttingen. Im Fokus lagen zudem die bereits bestehenden Einrichtungen in Breslau, Leipzig, Marburg und München, die allerdings noch nicht dem „neuen Typus“
Juni bis Juli 1934 kommissarischer Führer der DSt. Vgl. dazu auch Michael Hacker: Studenten im Dritten Reich. Teil 2. In: Academicus. Wintersemester 2004/2005, 46, hier nach http://www. alemannia-bonn.de/fileadmin/user_upload/downloads/NS-Studenten2-Academicus2-2004.pdf vom 1.1.2010. 168 BArch, NS 38/I* 81g 556/2. Arbeitsbericht des Hauptamtes VI der D. St. für das Wintersemester 1933/34. 169 Zum Konzept und zur Entwicklung des Kameradschaftshauses vgl. Grüttner, 260–276, zur lokalen Umsetzung in München vgl. Böhm, 327–333. 170 Vgl. Manns, 274 f. 171 BArch, NS 38/I* 81g 556/1. Ruth Strehl an [Wolfgang] Donat vom 21.6.1934. 172 BArch, RSF II* 536 (a 435). Rundschreiben an sämtliche Kreisführerinnen vom 16.7.1933.
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Wohnheim entsprachen. So stand auch das lokale Heim allen Studentinnen offen, die Mitglieder der Münchner Studentenschaften waren, sich den Ausweis geholt und eine Semestergebühr in Höhe von 2,50 RM entrichtet hatten.173 Erst im kommenden Semester sollten die Einrichtungen „durch die Besetzung mit neuen Führerinnern ihrer inneren Anlage nach verändert“174 und im Sinne der ANSt umgestellt werden. Die Zahl der Bewohnerinnen hatte man allgemein auf 35 Frauen begrenzt, wobei man nicht nur Studentinnen, sondern mitunter auch Arbeiterinnern aufnehmen wollte. Für die Heimleitung war jeweils eine ältere Studentin mit freier Wohnmöglichkeit vorgesehen, teilweise unter Hinzuziehung einer arbeitslosen Gewerbe- oder Hauswirtschaftslehrerin. Der festgelegte Mietpreis betrug durchschnittlich 30 bis 35 RM, einschließlich Kaffee und Abendessen. Was die Indienstnahme der Heimbewohnerinnen betraf, so finden sich direkte Analogien zur Kameradschaftserziehung der Studenten, die sich innerhalb der Kameradschaftshäuser und Wohngemeinschaften ihrer Verbindungen einem penibel geregelten Betrieb gegenübersahen: „Aufstehen 5h30 bezw. 6h, anschliessend Frühsport, Frühstück, ab 7h30 frei für das Studium bis zum Mittagessen. […] Mittagstisch 12h30 oder 1h30 […]. Ab 2h bis 7h30 abends frei für das Studium. Die politische Schulung innerhalb der Kameradschaftserziehung findet selten abends statt, meist jedoch gleich nach dem Frühsport, dadurch, dass ganz kleine Absätze aus den Werken der Führer oder deutscher Dichter und Denker gelesen werden und sich daran eine kleine Aussprache schliesst.“ Der sog. „Zapfenstreich“ war überwiegend auf 23 Uhr, samstags auf zwei Uhr, am Sonntag auf 24 Uhr festgesetzt. Eine Verlängerung konnte in begründeten Einzelfällen (Vorträge, Kino, Theater) und bei entsprechend guter „Haltung“175 im Kameradschaftshaus erfolgen. Für die Studentinnen hieß es dagegen Aufstehen um 6.30 Uhr, pflichtmäßige Teilnahme an der Morgengymnastik sowie gemeinsames Frühstück. Anschließend ganztägig frei für das Studium bis zum Abendessen um 19.30 Uhr. Im Gegensatz zu ihren Kommilitonen musste lediglich ein Abend pro Woche von sämtlichen Heimbewohnerinnen für irgendeine der eingerichteten Arbeitsgemeinschaften kultureller Art freigehalten werden. Etwa alle vier Wochen fand
173 Amtlicher MHF. Winter 1933/34. Herausgegeben im Auftrag der Münchener Studentenschaften vom Studentenwerk München. München 1934, 126 f. 174 Alle Zitate nach BArch, NS 38/I* 81g 556/2. Arbeitsbericht des Hauptamtes VI der D. St. für das Wintersemester 1933/34. 175 Alle Zitate nach UAM, Sen. 365/8. Die Studentenschaft der Universität München an das Rektorat der Universität München vom 19.6.1934.
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mit Einladungen an verschiedenste Persönlichkeiten und Organisationen (Studenten, Professoren, Vertreter der HJ, des Jungvolkes, des Kampfbundes für deutsche Kultur sowie der Berufsverbände, aber auch namhafte Künstler oder Märchen- und Sagensammler) ein gemeinsamer Abend im Heim statt. Für das Marie-Antonie-Haus findet sich diesbezüglich nur mehr ein Beleg im Bestand des HATUM – ungeachtet der Tatsache, wonach derartige Zusammenkünfte im Wesentlichen ohnehin von den einzelnen Arbeitsgemeinschaften der Frauen in Form von Tänzen, Liedern, Laienspielen etc. gestaltet werden sollten. So erging im April 1935 an den Rektor der hiesigen TH, Prof. Dr. Otto Schmidt, und dessen Frau eine Einladung vom Vorsitzenden des Studentenwerks, Reinhard Demoll, sowie der Vertrauensstudentin Ilse Prölß zum ersten Heimabend des Semesters im Studentinnenheim in der Kaulbachstraße. Den Vortrag des Abends hatte der Zoologe Demoll mit dem Thema „Instinkt und Intelligenz im Tierreich“176 selbst übernommen. Eine abschließende Regelung hinsichtlich der Studentinnenheime betraf die Semesterferien, in denen die Einrichtungen der NSV als Erholungsstätte für junge Mütter zur Verfügung standen; ein – wenngleich geringer – Teil der Studentinnen hatte sich dementsprechend bereits während vergangener Ferien für die Mütterschulung im Auftrag der NSV eingesetzt.177 Im Juni 1934 versicherte Kreisführer Wolfgang Donat schließlich in einem Schreiben an Reichsreferentin Ruth Strehl, alles zu tun, um in der Frage des Studentinnenheims „auch hier in München voranzukommen.“ Dieses positive, für Strehl als „kleines Zeichen“ gesetzte Signal galt umso mehr, als der sichtlich um die Tätigkeit der Funktionärin Bemühte einen „ausserordentlich positiven Eindruck“ des Kieler Studentinnenheims bei einem eigens dafür initiierten Besuch vor Ort gewonnen hatte. Ob die Umwandlung des Marie-Antonie-Hauses in eine ANSt-Unterkunft möglich wäre, vermochte er allerdings nicht zu beurteilen: „Ich weiss lediglich, dass dieses Heim auf Grund einer Stiftung besteht, auf deren Bestimmungen selbstverständlich Rücksicht genommen werden muss.“178 Befürchtungen Strehls, der im Oktober 1933 als studentischer Leiter des Studentenwerks München ernannte, bis Ende 1936 tätige Wolfgang Pusch179 sei ein grundsätzlicher Gegner des Studentinnenheims, wiegelte Donat dagegen ab.
176 Vgl. HATUM, RA C900. [Reinhard] Demoll und Ilse Prölss an Otto Schmidt vom 6.4.1935. Zu den persönlichen Daten vgl. UAM, Stud-Kartei I (Prölß, Ilse). 177 Zum Dienstbetrieb im Studentinnenwohnheim vgl. BArch, NS 38/I* 81g 556/2. Arbeitsbericht des Hauptamtes VI der D. St. für das Wintersemester 1933/34. 178 BArch, NS 38/I* 81g 556/1. W[olfgang] Donat an Ruth Strehl vom 10.6.1934. 179 Zu den persönlichen Daten des Studenten der Staatswissenschaften vgl. UAM, Stud-Kartei I (Pusch, Wolfgang). Am 24.11.1936 wurde Pusch als Leiter gelöscht. Es folgte Dr. Julius Doerfler,
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Vielmehr stünde dieser auf dem Standpunkt, eine neue wirtschaftliche Belastung des Studentenwerks müsse vermieden werden, womit offensichtlich auf den Betrieb bzw. (Aus-)Bau oder Erwerb eines zusätzlichen ANSt-Heims neben der bereits existierenden, maßgeblich von James Loeb geförderten Unterkunft angespielt wurde; eine Umwandlung letztgenannter Einrichtung nach Ideologie der neuen Machthaber schien damit wahrscheinlicher geworden. Wie die weiteren Ausführungen des Briefes zeigen, war man vonseiten des H VI trotz aller Anstrengungen dennoch äußerst unzufrieden mit der Situation. Aus diesem Grund musste sich Kreisführer Wolfgang Donat gegen die Beanstandung von Ruth Strehl zur Wehr setzen, unlängst einen Vortrag vor dem Forum des Münchner Studentinnenheims und nicht vor nationalsozialistischen Studentinnen gehalten zu haben. Dieser Vorwurf unterstreicht, dass die aktuell im Marie-Antonie-Haus lebenden bzw. verkehrenden Frauen nicht dem zukünftig erwünschten Bild von Bewohnerinnen entsprachen, eine Ansicht, welche die ANSt-Reichsleiterin und Leiterin des H VI der DSt teilte: „Gisela Brettschneider wirft mir an den Kopf, dass ich vor Jüdinnen und Ausländerinnen, nicht für die Deutschen Studentinnen eingetreten sei.“ Tatsächlich befände sich jedoch, so Donat, unter den Heimbewohnerinnen weder eine einzige Jüdin noch sei eine Ausländerin bei der Veranstaltung zugegen gewesen, höchstens eine Amerikanerin, die bereits seit einigen Semestern in Deutschland studiere.180 An der Universität Leipzig gab sich die ANSt auf den ersten Blick toleranter und begrüßte 1936 die Anwesenheit einer amerikanischen Austauschstudentin im Wohnheim, zumal diese sich voller Freude in die Gemeinschaft gestellt und in zahlreichen Diskussionen, vor allem über die Auffassung von Wissenschaft und Rasse, „zu einer Klärung unseres Denkens“ beigetragen habe. Ungeachtet der Tatsache, dass die Amerikanerin zudem an sämtlichen politischen Fragen inte ressiert gewesen sei und von alleine einschlägige nationalsozialistische Literatur gelesen habe, sprach man ihr letztendlich aber doch ein „tieferes Verständnis“ für die „rassische Anschauung“181 ab, sodass in den wesentlichen Punkten die unterschiedlichen Ansichten bestehen geblieben seien. Während etwa in Breslau bereits im Wintersemester 1933/34, in Göttingen im Sommersemester 1934 entsprechende Unterkünfte für weibliche Studierende
Gauamtsleiter München. Vgl. Auszug aus dem Vereinsregister des Amtsgerichts München, Denisstr., Buch-Nr. VR Bd I Mü II, hier nach StWM, Ordner Nr. 3. 180 BArch, NS 38/I* 81g 556/1. W[olfgang] Donat an Ruth Strehl vom 10.6.1934. 181 Alle Zitate nach BArch, RSF II* 532. Bericht über die Arbeit der ANSt im NSDStB an der Universität Leipzig im Sommer-Semester 1936.
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zur Verfügung standen182, rang die Münchner ANSt auch eineinhalb Jahre nach der Machtergreifung um ein in ihrem Sinne geführtes bzw. entsprechend besetztes Studentinnenheim. Zeitgleich verabschiedete sich Ruth Strehl überraschend von ihrer Funktionsstelle als Reichsreferentin für Wohnheime, allerdings nicht, ohne vorab den Leiter des Deutschen Studentenwerkes e. V., Dr. Hanns Streit, über die Schwierigkeiten in der bayerischen Landeshauptstadt zu informieren. Streit reagierte in derselben Weise wie Donat, zumal er ebenfalls keine Kenntnis davon hatte, inwieweit in der Angelegenheit des Münchner Studentinnenheims umgehend eingegriffen werden konnte. Entsprechende Berichte über das Heim sollten daher zunächst von Kreisreferentin Ursula Neubauer vermittelt werden183, während Strehl selbst die Einrichtung eines lokalen Heims bereits als sichergestellt betrachtete: „Sicherlich war der Sturm in München nötig, denn so schnell hätte ich sonst kein Kameradschaftshaus in München durchgesetzt.“184 Den Quellen des BArch zufolge bereiteten die Bemühungen, das Marie-Antonie-Haus im Sinne der ANSt umzufunktionieren, zunächst jedoch nicht weiter ausgeführte „Schwierigkeiten“ vor Ort. Aus diesem Grund versuchte Inge Wolff, Hauptamtsleiterin VI im Kreis Bayern der DSt, Kreis-ANSt-Leiterin in Bayern und Leiterin des H VI der Münchner Studentenführung185, mehr über die wirtschaftlichen Bedingungen sowie etwaige, außenpolitisch bedeutsame Abmachungen bezüglich der Stiftung sowie der Gründung des Heims zu erhalten. Um überflüssigen Ärger zu vermeiden und „in keiner Weise in München durchblicken zu lassen“, dass man vonseiten des H VI versuchte, an derartige Informationen zu kommen, bat Wolff Studentenwerksleiter Hanns Streit recht freimütig, er selbst möge von sich aus einen entsprechenden Bericht über die Verhältnisse anfordern und diesen anschließend an sie zurückleiten: „Es muss hier mit äusserster Vorsicht erst mal die Sachlage geklärt werden, ohne unnötig Stunk zu erregen. Ausserdem möchte ich Sie fragen, ob Sie in dieser oder Anfang der nächsten Woche noch einmal nach Berlin kommen, sonst würde ich mich entschliessen, nach Dresden zu kommen, um das Rundschreiben mit Ihnen noch einmal persönlich durchzusprechen, das ich Sie herauszugeben bitten möchte“186. Der Gedanke, der dem schon einen Monat später veröffentlichten Rundschreiben des Deutschen Studentenwerks vom Juli 1934 zugrunde lag, verstand sich als die nun erstmals schriftlich fixierte Aufgabe sämtlicher Studentenwerke,
182 Vgl. Manns, 274 f. 183 Vgl. BArch, RSF II* 530 (a 429). Hanns Streit an [Ruth] Strehl vom 11.6.1934. 184 BArch, NS 38/I* 81g 556/2. [Ruth Strehl] an Ursula Neubauer vom 16.6.1934. 185 Vgl. Manns, 335. 186 BArch, RSF II* 530 (a 429). I[nge] W[olff] an Dr. Streit vom 19.6.1934.
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„diejenigen Studentinnenwohnheime, auf die sie Einfluß haben, sowie auch ähnliche Einrichtungen anderer Kreise der Hochschule im Einvernehmen mit dem Hauptamt VI zu Kameradschaftsheimen zu entwickeln, wie sie von der Führung der deutschen Studentinnen gewünscht werden und erprobt sind, oder sie aufzulösen.“ Demnach oblag dem H VI der Einzelstudentenschaft die Auswahl, Erziehung und Führung der Heiminsassen, während sich das jeweilige örtliche Studentenwerk um die anfallenden Vertrags-, Verwaltungs- und Bewirtschaftungsfragen des Objektes kümmerte. Analog zu den Kameradschaftshäusern der Studenten wurde empfohlen, die bislang in Fragen des Kameradschaftsheims aufgeschlossenste und aktivste Studentin als Abteilungsleiterin des Studentenwerkes und Vertrauensstudentin für das Heim heranzuziehen. In „recht verstandener Abwandlung der Kameradschaftshausidee“187 sollten die Studentinnen in den Wohnheimen fortan entsprechend ihrer nationalsozialistischen Bestimmung aufwachsen bzw. erzogen werden. Eine Unterstützung für Heime, die nicht die Garantie boten, dass ihre Bewohner im Geist der neuen Ideologie erzogen würden, sollte dagegen nicht mehr befürwortet werden.188 Die ursprüngliche Idee des Marie-Antonie-Hauses, minderbemittelten und begabten Studentinnen eine günstige Unterkunft ohne Rücksicht auf Partei und Konfession zu verschaffen, war damit zugunsten des Versuchs, „den Gedanken des Kameradschaftsheims für Studentinnen weiter durchzusetzen“189, außer Kraft gesetzt worden und entsprach der auf Reichsebene ohnehin schon im Frühjahr 1933 begonnenen Gleichschaltung des gesamten studentischen Hilfswerks: So hatte der Hochschulinspektor des NSDStB, Gerhard Krüger, bereits im Februar 1933 Innenminister Wilhelm Frick eine umfassende Denkschrift mit konkreten Vorschlägen zur Umgestaltung des Deutschen Studentenwerks e. V. vorgelegt, in dessen Folge etwa eine reichsweit einheitliche Satzung für die Wirtschaftskörper an den einzelnen Hochschulorten entworfen wurde. Der Verein Studentenhaus München e. V. musste sich fortan „Studentenwerk München e. V. (Wirtschaftsamt der Münchner Studentenschaft)“ nennen, wobei seine Einrichtungen jüdischen und national unzuverlässigen Studierenden nun nicht mehr zugänglich waren.190
187 Alle Zitate nach ebd. Rundschreiben Nr. 282/34 an die Studentenwerke. Anlage 1. Wohnheime für Studentinnen vom 10.7.1934. 188 Vgl. ebd. Liselotte Machwirth an das Reichsstudentenwerk Berlin-Charlottenburg [ca. 1934]. „Rein konfessionelle, von Ordensschwestern geleitete Heime mögen der Fürsorge und Obhut der Kirche empfohlen werden.“ Ebd. 189 BArch, RSF II* 530 (a 429). Rundschreiben Nr. 282/34 an die Studentenwerke. Anlage 1. Wohnheime für Studentinnen vom 10.7.1934. 190 Vgl. Diem, 64 f.
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Nur drei Tage nach dem Versand des Rundschreibens vom Juli 1934 scheint auch in München der Grundstein für die Gleichschaltung des Marie-AntonieHauses gelegt worden zu sein. Einem Dankschreiben von Inge Wolff an einen Mitarbeiter des Deutschen Studentenwerks ist zu entnehmen, dass aufgrund des „klaren und für uns so sehr wertvollen Rundschreibens bereits alles sehr glatt gegangen“ sei und die Mädchen nun schon äußerst eifrig dabei wären, geeignete Kameradinnen für das Heim auszuwählen. „Im Wesentlichen wird nicht viel geändert, wenn man nicht allerdings […] die geistige und stilmässige Umstellung als immerhin wesentlich betrachten will“191, womit auf die Neugestaltung nach den in diesem Kapitel dargestellten nationalsozialistischen Maßstäben angespielt wurde.
2 Abwehrhaltung der LMU-Studentinnen gegenüber Indienstnahme Im Fragebogen zu ihrem Entnazifizierungsverfahren gab Ruth Strehl nach Kriegsende an, sie hätte die Arbeit in der Reichsleitung der DSt im Dritten Reich freiwillig niedergelegt, da sie bereits damals ‚Einblicke in die willkürliche und übersteigerte Haltung der Führung‘192 bekommen habe. Über ihr Motiv, sich im Juli 1932 für die ein Jahr später erfolgte Aufnahme in die Partei zu melden, sind allerdings keine persönlichen Äußerungen überliefert. Nach Sielke Salomons Untersuchung zur Lebensgeschichte der promovierten Lehrerin liegt die einzige Erklärung in Form eines sog. „Persilscheines“ vor, der 1945 für die gebürtige Ostpreußin ausgestellt wurde. Laut Verfasser des Dokuments
191 BArch, RSF II* 530 (a 429). I[nge] W[olff] an Herrn Thomas vom 13.7.1934. Doerfler spricht in seinen unveröffentlichten Erinnerungen davon, man habe zwei Jahre später den seit längerer Zeit bestehenden Plan eines Studentinnenwohnheims realisiert, „und es war nicht nur für Herrn Dr. Friedel [Geschäftsführer Studentenwerk München/P. U.], sondern auch für mich schon ein Hochgefühl der Freude und Genugtuung, wie wir Ende 1936 das Studentenwohnheim einweihen konnten.“ Doerfler, 257. Ob damit tatsächlich ein weiteres, zweites Heim oder die endgültige Umgestaltung des Marie-Antonie-Hauses im nationalsozialistischen Sinne gemeint war, lässt sich leider nicht eruieren. 192 StAHH 221-11 Staatskommissar für Entnazifizierung, Ed 7782, Blatt 28. Anhang zum Fragebogen von Dr. Ruth Strehl vom 12.6.1945. Fragebogen zum Entnazifizierungsverfahren, 2, hier zitiert nach Sielke Salomon: „… die zeitlebens einen eigenen Weg gegangen ist“. Dr. Ruth Strehl (1906–1967). In: Ulrike Hoppe (Hg.): „… und nicht zuletzt Ihre stille Courage“. Hilfe für Verfolgte in Hamburg 1933–1945. Hamburg 2010, 167.
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hätte Strehl ihm einst erklärt, aus „sozialem Empfinden“ zur Partei gelangt zu sein, jedoch „sehr schnell das wahre Gesicht des nationalen Sozialismus erkannt und ihre Ansicht geändert“ zu haben. Hintergrund für diesen Gesinnungswandel sei – neben negativen Erfahrungen im NSDStB und im Arbeitsdienst – ein einjähriger Aufenthalt als Austauschassistentin in England gewesen. Beim Versuch, die Versetzung nach London als bewusste Entscheidung zu deuten, aus dem räumlichen Abstand ihr Verhältnis zum NS zu klären sowie zur Völkerverständigung beizutragen, komme, so Salomon, im Entnazifizierungsbogen durch den Moduswechsel vom Passiv zum Aktiv jedoch „ein Widerspruch in der Selbstwahrnehmung – hier Fremd- und dort Selbstbestimmung – zum Ausdruck“193. Dieser könne die Gegensätzlichkeit der Bewusstseinslage der jungen Frau während ihres Auslandsaufenthaltes ebenso wie eine Selbsttäuschung zum Zeitpunkt des Entnazifizierungsverfahrens widerspiegeln. Zieht man die im Zusammenhang mit dem Münchner Studentinnenheim überlieferten Quellen hinzu, tritt auch die Kritik an der Arbeit der ehemaligen NS-Funktionärin als möglicher Grund für die Abkehr von Partei und Ideologie stärker hervor. Nachdem die seit Oktober 1933 als Reichsleiterin bzw. -referentin für Wohnheime und GPf (Sachgebiete kulturelle Schulung und Freizeitgestaltung) im H VI der DSt Tätige bereits massive Beanstandung hinsichtlich ihrer Vorstellungen von GPf erfahren hatte, musste sie sich zugleich über die Neueinrichtung und Umformung des Marie-Antonie-Hauses nach nationalsozialistischen Grundsätzen mit Kreisführer Wolfgang Donat auseinandersetzen.194 Hinzu kam, dass Ruth Strehl nicht nur im studentischen Leiter des lokalen Studentenwerks, Wolfgang Pusch, sondern auch im Vorsitzenden des Studentenwerks München, dem Pathologen Dr. Gustav Borger, einen Widersacher vermutete.195 Zudem waren ihr sogar „aus diesem Heim heraus Angriffe entgegengetreten“196,
193 Alle Zitate nach Sielke Salomon: „… die zeitlebens einen eigenen Weg gegangen ist“. Dr. Ruth Strehl (1906–1967). In: Ulrike Hoppe (Hg.): „… und nicht zuletzt Ihre stille Courage“. Hilfe für Verfolgte in Hamburg 1933–1945. Hamburg 2010, 167, 169, künftig zitiert als Salomon. 194 Zu den Auseinandersetzungen vgl. Kapitel IV, 1.3 Gemeinschaftspflege (GPf), und 1.6. Exkurs: Die Umgestaltung des Studentinnenheims Marie-Antonie-Haus. 195 Gustav Borger war 1923 in München promoviert worden (Experimentelle Untersuchungen über den Eintritt und Ablauf der Entzündung bei Gefässlähmung. Diss. München 1923) und hatte sich neun Jahre später als Assistent am Pathologischen Institut der LMU habilitiert (Über die proteolytischen Enzyme der menschlichen Milz und ihre qualitativen und quantitativen Veränderungen bei verschiedenen Krankheiten. Zugleich ein Beitrag zur quantitativen Autolyse des Milzgewebes. Berlin 1932). Dort war er von 1935 bis 1938 als Konservator, anschließend hauptamtlich als Leiter des Amtes Wissenschaft in der Reichsdozentenführung tätig. Vgl. Böhm, 603. 196 BArch, NS 38/I* 81g 556/1. W[olfgang] Donat an Ruth Strehl vom 10.6.1934.
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darunter „aus dem Kreise alter nationalsozialistischer Studentinnen“197. Gegenüber Donat erwähnte Strehl überdies einen nicht personalisierbaren Brief, in dem die Studentinnenarbeit in München als „liberalistisch“ bezeichnet wurde, womit der Vorwurf bestand, „weit hinter den anderen Universitäten“ zu stehen: „Gisela Brettschneider hatte auf dem Münchner Führerring zu der damaligen ANSTführerin Gisela Mauermayer geäußert, daß die ANST München am wenigsten geleistet hätte. Gis. Mauermayer gab dies mir gegenüber genauso zu wie Inge Wolf [sic!], die auf dem Waginger Lager wörtlich sagte: Ich weiß sehr wohl, daß die Arbeit in München in vielem zurück ist, das hat aber zum großen Teil an alten ANSTkameradinnen gelegen, die sich nie einsetzten und immer erst hinterher Kritik zu üben wußten.“198 Der „Wall von Widerstand“, dem sich Ruth Strehl ausgesetzt sah, wurde begleitet von großen Selbstzweifeln sowie der Frage, ob „Erziehung zu überpersönlichen Zielen für die Frau“ wirklich möglich sei. Die Reichsreferentin wähnte sich von einem Netz an „Intrigen ringsum u. a. mehr“ umgeben, obwohl ihrer Ansicht nach das Amt der Wohnheimleiterin zu den schwersten und verantwortungsvollsten innerhalb des H VI zählte und sie sich aufgrund der (vermeintlichen) Widrigkeiten stets „an einen kleinen Mast Stolz“199 zu klammern suchte. Ungeachtet aller Bemühungen zeigt sich damit an der Figur der NS-Funktionärin und der Durchführung ihrer Aufgaben erneut, dass die forcierte Indienstnahme der Studierenden nach 1933 in vielen Bereichen nur zögerlich vorankam. So waren etwa die Studentinnen in der Frage des Kameradschaftshauses offenbar nur schwer von der neuen „Marschrichtung“ des Dritten Reiches zu überzeugen und zeigten keinerlei Kooperationsbereitschaft. Dementsprechend musste selbst Wolfgang Donat als Kreisführer Bayern zugeben, „in der Erziehungsarbeit der Studentenschaft noch lange nicht da“ zu sein, „wo es sich unsere kleinsten Hoffnungen erträumt hatten.“200 Dieses Ergebnis wird gestützt durch einen Bericht der Kreisreferentin Ursula Neubauer, welche die Verhältnisse in der Münchner Studentenschaft als „an sich so schwierig“ bezeichnete. Was die Frage des Kameradschaftshauses betraf, wäre mit dem hiesigen Studentinnenheim „nichts anzufangen“ gewesen und Verhandlungen unmöglich, weshalb man sich auf die Suche nach einem Haus bzw. externen Stockwerk für ungefähr 20 Bewohnerinnen begeben hätte: „Etwas schwierig wird es sein die Mittel zusammenzukriegen, weil die Rektoren und Pro-
197 Ebd. [Wolfgang] Donat an Ruth Strehl vom 9.7.1934. 198 Ebd. Ruth Strehl an [Wolfgang] Donat vom 21.6.1934. 199 Alle Zitate nach ebd. 200 Ebd. [Wolfgang] Donat an Ruth Strehl vom 9.7.1934.
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fessoren der Studentenschaftsarbeit ziemlich negativ entgegenstehen. Es muss aber klappen“201, so Neubauers Fazit. Wie das vorangegangene Kapitel zeigen konnte, war die Umwandlung des Marie-Antonie-Hauses im nationalsozialistischen Sinne letztendlich jedoch erst nach dem Mitte Juli 1934 ergangenen Rundschreiben des Deutschen Studentenwerks möglich geworden. Strehl selbst führte dieses Ergebnis unmittelbar auf ihren Einsatz und den damit verbundenen „Sturm in München“ zurück, ohne den es ihrer Meinung nach nicht so schnell zur Durchsetzung des Kameradschaftshauses in der bayerischen Landeshauptstadt gekommen wäre: „Dr. Streit schrieb mir sehr nett, er wird sich mit ganzer Kraft für uns einsetzen und an Herrn Pusch schreiben, bzw. ein Rundschreiben an alle Studentenwerksführer über Kameradschaftsarbeit herausgeben.“202 Inwieweit sich die von ihrem Neffen sowie einer späteren Schülerin als ‚Hyper203 NS‘ und 180-prozentige Nationalsozialistin Charakterisierte durch ihr Engagement sowie ihre „durchaus elitäre und selbstherrliche Attitüde“204 nicht nur die potentielle Kritik ihrer männlichen, sondern gleichermaßen die ihrer weiblichen Kollegen zuzog, darüber lassen die Quellen nur Vermutungen zu. Überliefert ist jedoch ein Briefwechsel zwischen Ruth Strehl und Ursula Neubauer, in dem die Kreisreferentin nachdrücklich betonte, zum Wintersemester 1934/35 ein Kameradschaftshaus in München zu haben, und ihre Verstimmung auf ein vorangegangenes Schreiben Strehls zum Ausdruck brachte: „Ich war etwas deprimiert durch Deinen Brief. Nötig war er in der Form nicht. Du weißt genau, wie ich zu Dir und Deiner Arbeit stehe.“205 Rund einen Monat später, am 3. Juli 1934, und damit nur eine Woche vor dem Versand des Rundschreibens an die Studentenwerke, wandte sich mit Gisela Brettschneider auch die ANSt-Reichsleiterin und Leiterin des H VI der DSt mit deutlichen Worten an ihre Reichsreferentin für Wohnheime und GPf: „Bezüglich des Münchener Studentinnenwohnheims bitte ich, nichts mehr zu unternehmen. Die Sache wird von mir persönlich auf einem vollkommen anderen Wege jetzt geregelt. Ich bitte Dich einzig und allein um eine evtl. Gründung eines Studentinnenwohnheims, das von Donat beabsichtigt wird, zu kümmern, nicht aber mehr um dieses.“206
201 Ebd. Ursula Neubauer an Ruth Strehl vom 28.6.1934. 202 Alle Zitate nach BArch, NS 38/I* 81g 556/2. Ruth Strehl an Ursula Neubauer vom 16.6.1934. 203 FZH, WdE 419F. Transkript des Interviews von Jens Michelsen mit Ruth Held vom 4.4.1996, 11, hier zitiert nach Salomon, 166. 204 Ebd., 184. 205 BArch, NS 38/I* 81g 556/2. Ursula Neubauer an Ruth Strehl vom 7.6.1934. 206 Ebd. Gisela Brettschneider an Ruth Strehl vom 3.7.1934.
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Ob Brettschneiders Aufforderung noch das gewünschte Ergebnis zeigte, muss offenbleiben, da sich Strehl bereits im Monat zuvor von ihrer Funktion als Reichsreferentin für Wohnheime verabschiedet hatte. Studentenwerksleiter Hanns Streit kommentierte das wie folgt: „Es tut mir leid, nach der verhältnismässig kurzen Zusammenarbeit, die erst künftig voll nutzbar geworden wäre, die Verbindung zu Ihnen wieder zu verlieren. Ich werde aber auch Ihrer Nachfolgerin jederzeit gern bei der Durchführung ihrer schönen und schweren Aufgabe behilflich sein.“207 Ob darüber hinaus, wie von Ruth Strehl in ihrem Entnazifizierungsbogen angegeben, die ‚willkürliche und übersteigerte Haltung der Führung‘208 oder die möglicherweise damit umschriebene Kritik an ihrem Engagement für den NS Anlass für die Amtsniederlegung war, lässt sich ebenfalls nicht zweifelsfrei feststellen. Nach Salomon scheint Strehls Verhältnis zu ihrer Arbeit und zu anderen Menschen „von einem stark ausgeprägten Über-Ich, einem hohem Pflichtbewusstsein, (abgewehrten) Schuldgefühlen und einem ständigen Rechtfertigungsdruck bestimmt gewesen zu sein“, verbunden mit einer „Affinität zu autoritären Ideologien“209. Nach einer späteren Selbstcharakteristik neigte die 1967 Verstorbene zu einer bedrohlichen Radikalität, die das ständige Bemühen um das rechte bzw. angemessene Maß nach sich zog. Nur so ließe sich schließlich erklären, warum die ehemalige NS-Funktionärin nach ihrem Englandaufenthalt zum Katholizismus konvertierte und sich für verfolgte Juden einsetzte – eine „Klammer zwischen den beiden so unterschiedlichen, von ihr jedoch mit gleicher Inbrunst vertretenen Weltanschauungen“210. Was die Münchner Studentinnen betrifft, so bleibt festzuhalten, dass eine nicht bezifferbare Anzahl unter ihnen die von den Nationalsozialisten betriebene Indienstnahme ihrer Person als unangemessen empfand und den neuen außerfachlichen Verpflichtungen und Erziehungskonzepten wie der Neuausrichtung des Marie-Antonie-Hauses nur widerwillig bis ablehnend begegnete. Wenngleich die Darstellung der Pflichtprogramme gezeigt hat, dass höhere Semester weniger stark beansprucht wurden als ihre jüngeren Kommilitoninnen, häuften sich die Beschwerden der Frauen über die an sie gestellten Ansprüche, die oftmals als oktroyiert und „nicht als Ansatzpunkt für eine reformierte nationalsozialistische Universität verstanden“211 wurden: „Die organisierte Erziehung wurde zur prakti-
207 BArch, RSF II* 530 (a 429). Hanns Streit an [Ruth] Strehl vom 11.6.1934. 208 Salomon, 167. 209 Ebd., 183, 171. 210 Ebd., 181. 211 Barbara Vogel: Anpassung und Widerstand. Das Verhältnis Hamburger Hochschullehrer zum Staat 1919 bis 1945. In: Eckart Krause/Ludwig Huber/Holger Fischer (Hgg.): Hochschulalltag
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schen, geistigen wie körperlichen Einübung in ein militärisches, in dynamischen völkischen Ideologien befangenes Kollektivdasein und hierdurch zum Instrument eines von Grund auf inhumanen Totalitarismus, der nichts von Menschen wissen, sondern ihn nur für die eigene Sache mit Beschlag belegen, ihn binden oder zerstören wollte.“212 So äußerte sich schon Ende 1933 Else Labuda aufgebracht über das Studium ihrer Tochter, die als angehende Medizinerin ein Deputat von 58 Wochenstunden absolvieren musste, darunter alleine 15 für Sport, Luftschutzkurse, GPf, Winterhilfe und politische Schulung. Nach Ansicht der Mutter bliebe den Studierenden u. a. keine Zeit mehr für die Vorbereitung medizinischer Präparate oder gar des Vorphysikums, worüber die Professoren wenig erbaut seien: „Wir […] erziehen nur gehetzte und dadurch oberflächliche Menschen, die nichts gründlich zu Ende führen können.“213 Den Angehörigen des Münchner Universitätsinstituts für Pharmazeutische und Lebensmittelchemie sowie des Chemischen Laboratoriums der Bayerischen Akademie der Wissenschaften stellte sich dagegen etwa das Problem, wie sie den Nachweis über ihre regelmäßige, praktische Tätigkeit im Labor erbringen sollten. Mit Ministerialerlass vom 28. Juli 1933 hatten die bayerischen Hochschulen den Mittwochnachmittag sowie den Samstag von Vorlesungen und Übungen freizuhalten, die von Studierenden des ersten und zweiten bzw. ersten bis vierten Semesters besucht werden mussten.214 Mit diesem Erlass entsprach man dem „dringenden Ersuchen“215 der Kreisleitung Bayern der DSt, welche auf diese Weise die staatspolitische und wehrsportliche Schulung der Studierenden noch vor der akademischen Ausbildung sichern wollte.216 In der Praxis erwies sich dieser Erlass mitunter als schwierig, da sich der Ausfall der Arbeitsstunden nicht immer adäquat und problemlos kompensieren ließ. Am Chemischen Laboratorium sollten daher wenigstens die Studentinnen die Mitt-
im „Dritten Reich“. Die Hamburger Universität 1933–1945. Teil I: Einleitung. Allgemeine Aspekte. Berlin, Hamburg 1991, 57. 212 Bracher/Schulz/Sauer, 243. 213 BArch, NS 38/2001. Else Labuda an den Herrn Rektor vom 6.12.1933. 214 UAM, P-II-46 Band 1. Vgl. Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus an die Rektorate der drei Landesuniversitäten […] vom 28.7.1933. 215 UAM, P-II-46 Band 2. Bayer. Staatsministerium für Unterricht und Kultus an den Herrn Führer der Brigade 86 der SA. München vom 20.12.1933. 216 UAM, P-II-46 Band 1. Universitäts-Institut für pharmazeutische- und Lebensmittel-Chemie an das Dekanat der Philosophischen Fakultät II. Sektion der Universität vom 30.9.1933.
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woch- bzw. Samstagsgruppe weiterhin besuchen können sowie diejenigen Kommilitonen, die ihrer Wehrsportpflicht bereits genügt hatten.217 Ähnlich gestaltete sich die Situation für die Studenten der Medizin, deren Präparierübungen an der Münchner Anatomie im Vergleich zu anderen Universitäten ohnehin auf eine äußerst beschränkte Stundenzahl zusammengefasst worden waren. Eine Freigabe einzelner Stunden hätte sich demzufolge negativ auf die Sicherung der notwendigen anatomischen Kenntnisse unter den angehenden Ärzten ausgewirkt218; wie aus einem Bericht des Rektorats hervorgeht, berücksichtigte die LMU jedoch derartige Unzulänglichkeiten und ließ Ausnahmen von der Forderung nach Freihaltung bestimmter Vorlesungs- und Übungszeiten zu.219 Infolgedessen zeigte man sich auch vonseiten der Dozentenschaft unzufrieden mit der starken Beanspruchung der Studienzeit durch außerfachliche Verpflichtungen. Als vorgeschlagen wurde, die Vorlesungszeiten herabzusetzen, trat der Münchner Professor für Experimentalphysik, Walther Gerlach, entschieden gegen eine derartige Entwicklung auf. Im Juni 1934 reichte er eine formelle Beschwerde ein, wonach durch unregelmäßige Unterbrechungen infolge Arbeitsdienst oder politischer Tätigkeit die Arbeitsqualität der Studenten und Assistenten am Institut leide. Studienanfänger seien, so Gerlachs Protest, nicht in der Lage, versäumte Vorlesungen aufgrund zu vieler Fehlstunden nachzuholen. Fortgeschrittene Studenten könnten dagegen ihrer abendlichen Arbeit im Laboratorium nicht mehr nachkommen, da sie an unzähligen Versammlungen teilnehmen
217 Vgl. ebd. H[einrich] Wieland an das Rektorat der Universität München vom 2.10.1933. Vgl. dazu auch ebd. Universitäts-Institut für pharmazeutische- und Lebensmittel-Chemie an das Dekanat der Philosophischen Fakultät II. Sektion der Universität vom 30.9.1933: „Die Studierenden des Institutes sind zum grössten Teil Pharmazeuten, von denen etwa die Hälfte weiblichen Geschlechtes sind, ferner Lebensmittelchemiker mit verhältnismässig hoher Semesterzahl (8–12). Für beide Arten von Studierenden schreibt die reichsrechtliche Prüfungsordnung Nachweis über regelmässige Laboratoriumstätigkeit […] vor. Aus diesem Grund, und vor allem für die weiblichen Studierenden, muss das Institut auch an den Mittwoch Nachmittagen Gelegenheit zur praktischen Laboratoriumsarbeit geben.“ 218 Vgl. ebd. Anatomische Anstalt an das Dekanat der Medizinischen Fakultät vom 23.10.1933. 219 Vgl. ebd. Rektorat an Ministerium vom 4.11.1933. Entgegenkommen herrschte überdies im Rahmen der Pflichtsportregelung, sodass Studierende, die sich im Sommersemester 1935 im vierten Semester befanden und den Nachweis der Leibesübungen noch nicht oder lediglich unzureichend erbracht hatten, bedingte Aufnahme an der Universität fanden. Die ausstehenden Leistungen ließen sich im vierten Halbjahr nachholen, um damit unbedingt aufgenommen zu werden. Vgl. UAM, P-II-36 Band 2. Entwurf vom 29.3.1935.
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müssten.220 Einem Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus zufolge soll der Naturwissenschaftler zudem die Belastung der Studenten durch den SA-Dienst kritisiert haben, die ihnen keinerlei Zeit mehr für geistige Dinge ließe. Einige unter ihnen seien am Semesterende weinend zu ihm gekommen und hätten darum gebeten, die Prüfung auf den Beginn des nächsten Halbjahres zu verschieben, da sie physisch überlastet wären.221 Im Juni 1934 richteten Studenten der Münchner Hochschule und Universität sogar ein anonymes Gesuch an das Kultusministerium, in welchem sie um „ganz beträchtliche Dienstminderung“ beim SA-Hochschulamt baten: „Die Nervenkraft der Studenten ist teilweise soweit gebrochen, dass sich Selbstmordgedanken eingeschlichen haben.“222 Während die reichsweite Haltung der männlichen Studierenden zur Überbeanspruchung durch SA, NSDStB und DSt auf Basis zahlreicher Quellen untersucht ist223, wurden die Reaktionen der Kommilitoninnen auf die mit der Machtergreifung einsetzende Indienstnahme in der bisherigen Forschung ausgeklammert oder lediglich nachrangig behandelt. Im offiziellen Arbeitsbericht des H VI der DSt für das Wintersemester 1933/34 spricht Gisela Brettschneider den Studentinnen zwar eine „gewisse Belastung“ zu, allerdings nur dort, „wo die Organisation noch nicht so zuverlässig arbeitete, wie es vorgesehen war“. Die Haltung der Frauen sowie „ihr wachsendes Interesse und ihre Freude an den einzelnen Uebungen“ hätten dagegen jedoch ausreichend bewiesen, „dass sie im allgemeinen nicht – wie immer noch einzelne, unerziehbare Freistudentinnen – diese
220 Vgl. Alan D. Beyerchen: Wissenschaftler unter Hitler. Physiker im Dritten Reich. Köln 1980, 103 f. 221 Vgl. BayHStA, MK 70141. 222 Alle Zitate nach BayHStA, MK 40562. Studenten der Hochschule und Universität an das Kultus-Ministerium vom 9.6.1934. 223 Vgl. exemplarisch Grüttner, 245–260, sowie für die LMU Böhm, 336–354. Auch Adam konstatiert für die Universität Tübingen erhebliche Beschwerden des Lehrkörpers angesichts des vollkommen überfüllten Dienstplanes des SA-Hochschulamtes sowie der Rücksichtslosigkeit der studentischen SA-Führer gegenüber universitären Belangen. Vgl. Adam, 90. Ähnlich stellte sich die Situation u. a. an den Universitäten Bonn (vgl. Höpfner, 131 f.) oder Münster (vgl. Meisiek, 146–148) dar. Angesichts etlicher weiterer, in der Literatur befindlicher Stimmungsberichte, irrt Meisiek jedoch, wenn er in diesem Zusammenhang zu dem Schluss kommt, es handele sich bei den Verhältnissen in Münster um eine „zeitweise extreme Zuspitzung“, die anderenorts „nicht diese Brisanz“ erreichte. Seine These stützt er auf die Befragung ehemaliger Studenten der Universitäten Erlangen, Greifswald und Bonn, die – abgesehen von dem oftmals als lästig empfunden Dienst – keine Parallelen zur Situation in Münster feststellen konnten. Diese Art der Ergebnissicherung macht den unbedingt kritischen Umgang mit „Oral History“, d. h. die damit verbundene erforderliche Hinzuziehung weiterer Quellen, deutlich.
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Pflichten als unangenehme Belastung und Beschränkung ihrer Freizeit betrachten, sondern von dem neuen Bewusstsein der Volksverantwortlichkeit sie als selbstverständliche Leistungen der an der Hochschule studierenden Frau erfüllen.“ Als Beleg führte Brettschneider die Arbeitsberichte der einzelnen Hauptämter an, die eine gute Durchführung der Pflichtprogramme und damit den „Erfolg auf dem Wege der Erziehung der Studentin zur volksverbundenen und tätigen Nationalsozialistin“224 erkennen lassen würden. Wenngleich die Leiterin des Hauptamtes VI der DSt einerseits die auch am Beispiel der LMU herausgearbeiteten Organisationsmängel und Schwierigkeiten bei der Umsetzung der Pflichtprogramme anerkannte225, negierte sie andererseits etwaige, darüber hinausgehende Missstände nahezu vollständig. Dabei zeigte sich gerade in der Folgezeit an Personen wie Lieselotte Brandt oder den Bewohnerinnen des Marie-Antonie-Hauses, dass ANSt-Mitglieder ebenso wie die von Brandt als „Freistudentinnen“ bezeichneten unorganisierten Frauen Kritik an den neuen Anforderungen übten: „Das Sommersemester [1934/P. U.] ist ein hartes Semester gewesen. Neben dem Studium häufen sich die Pflichten: Fachschaftsabende; Arbeitsgemeinschaften „Über Rassen“ fanden bei der Hitze ausgerechnet mittags um zwei statt. Drei Abende in der Woche waren von vornherein besetzt: Sanitätskurs, Gasschutz und Nachrichtenwesen. Wir haben viel gelernt und werden im nächsten Krieg die Brandbomben in der hohlen Schürze auffangen können. Die angenehmste der Pflichten ist die Gymnastik, Ertüchtigung für die Frau! Viermal wöchentlich früh um sieben! Aber das macht Freude!“226 Während die Münchner Kunststudentin Eva Jantzen in ihrem Tagebucheintrag den obligatorischen Sportstunden durchaus ein positives Moment abgewinnen konnte, kam für die Durchführung erschwerend hinzu, dass sich etwa der in Freimann gelegene Hochschulsportplatz zu weit außerhalb der Stadt befand, um einen kontinuierlichen und zahlenmäßig hohen Besuch zu sichern: „Die schwache Frequenz des Hochschulsportplatzes zu Leibesübungen und Leichtathletik ist eben darauf zurückzuführen, dass mit einer kurzen Übungszeit entweder eine teure Zu- und Abfahrt oder 1 1/2 Stunden Marsch verbunden ist.“227 Der ehemalige Chemiestudent Fritz E. erinnert sich, dass diese Situation unter den Studierenden für wenig Motivation sorgte: „Sie müssen sich immer vorstel-
224 Alle Zitate nach BArch, NS 38/I* 81g 556/2. Arbeitsbericht des Hauptamtes VI der D. St. für das Wintersemester 1933/34. 225 Vgl. insgesamt Kapitel IV Die Indienstnahme der Studentinnen im Dritten Reich. 226 Tagebucheintrag von Eva vom 4.9.34. In: Eva Jantzen/Merith Niehuss (Hgg.): Das Klassenbuch. Geschichte einer Frauengeneration. Reinbek bei Hamburg 1997, 69. 227 UAM, P-II-58. Major a. D. Brand vom 13.6.1933.
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len, da müssen sie ja mit dem Rad auf den Sportplatz fahren. Wenn sie nun in der Nähe der Universität [wohnten/P. U.], da ging es ja noch. Aber bei uns, die wir in der Luisenstraße gewohnt haben, dann mussten wir uns aufs Fahrrad setzen und mussten bis nach Freimann fahren. Da fahren sie fast 20 oder 30 Minuten Rad. Es gab ja keine U-Bahn, und mit der Tram-Bahn, den wenigen… Und dann gab es auch gar kein hinterher Abduschen oder so etwas, sondern dann haben sie die verschwitzten Kleider angezogen und mussten mit dem Rad wieder die 20 Minuten zurückfahren.“228 Auch der Führer der Studentenschaft, Sigwart Göller, sprach in diesem Zusammenhang von einem steten „Angriffspunkt“ in der Kritik der Betroffenen: „Der Hochschulsportplatz ist von der Universität aus in 50 Minuten zu Fuss zu erreichen, mit dem Rad in 20 Minuten, mit der Strassenbahn in 30 Minuten. Es handelt sich also hier niemals um volle 2 Stunden Sport, sondern in Wirklichkeit um 3–3 ½ Stunden Beanspruchung.“229 Als störend bzw. beeinträchtigend wurden somit auch die über die ganze Stadt verteilten Räumlichkeiten bzw. Institutionen der Universität empfunden, welche einen erhöhten Organisations- und Zeitaufwand nach sich zogen: „So siedelte ich im Mai 1932 nach München über, wo ich […] in der Görresstraße 38 ein Zimmer bewohnte. Medizinstudent in München zu sein war zu jener Zeit, abgesehen von allem andern, ein Training für Radrennfahrer. Die Vorlesungen wurden in verschiedenen, ziemlich weit auseinanderliegenden Instituten gehalten, aber die Zeiten trugen dem nicht Rechnung. So war ein Fahrrad unentbehrlich. Wenn die Vorlesung in der Anatomie zuende war, stand an der Kreuzung Schillerstraße/ Bahnhofsplatz ein Schutzmann; und wenn dieser sich gestattete, die Ausfahrt aus der Schillerstraße in dem Moment zu sperren, in dem die Medizinstudenten auf ihren Rädern, einigen wenigen Motorrädern und womöglich ein oder zwei Autos daherkamen, dann entstand ein Höllenlärm von Fahrradglocken, Hupen und Gebrüll, der ihn schnell überzeugte, daß er einen fast unverzeihlichen Fehler gemacht hatte. So rasten wir von Anatomie zu Chemie, zu Physik etc.“230 – ein Zustand, der sich auch in späteren Jahren nicht ändern sollte, wie die Erinnerun-
228 Interview mit Fritz E. vom 28.5.2005. 229 Alle Zitate nach BArch, NS 38/2191. Allgemeiner Bericht von Sigwart Göller über die Aufgaben und die Belastung, die heute einem Studenten in den einzelnen Semestern auf der Hochschule speziell der Münchener Hochschule gestellt werden [ca. Juni 1934]. 230 Römer, 155. Selbst in kleineren Universitätsstädten wie Heidelberg konnte sich die Situation ähnlich gestalten. Vgl. dazu Schütz-Sevin, 107, die über die wöchentliche Pflichtdienstzeit der Studentinnen von etwa 22 Stunden schreibt: „Alle Berechnungen sind gemacht ohne An- und Abwege, wo man durchschnittlich selbst in einem kleinen Ort wie Heidelberg meist doch eine halbe Stunde dazurechnen muss, da vieles nicht in der Universität stattfand, und man deshalb den Dienst nicht anschließend an Vorlesungen legen konnte.“
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gen einer ehemaligen Medizinstudentin zeigen: „Täglich Rennerei bzw. Straßenbahnfahrt zur Uni (Physik), zum Chemischen Institut (Sophienstrasse) und zur Anatomie (Pettenkoferstrasse).“231 Insgesamt liegen für die Anfangsjahre des Dritten Reiches nur vereinzelte Stimmungsberichte und Zeitzeugenaussagen von ehemaligen Studierenden der LMU vor. Zusammen mit den wenigen Semesterberichten des lokalen H VI ergeben sie allerdings ein heterogenes Stimmungsbild über die Haltung der Studentinnen. Während etwa 32 von ihnen nach offiziellen Angaben der NS-Funktionärinnen im Anschluss an den Frauendienst im Sommersemester 1934 freiwillig einen Samariterinnenkurs beim Roten Kreuz abschlossen232, zeigten sich andere nach Einschätzung der Kreisreferentin und Hauptamtsleiterin VI besonders am Volkstanz als Teil der GPf nur mäßig interessiert: „(D)ie Leute sagen, sie wollten das lieber dem bayerischen Bauern überlassen, sie würden sich doch nur blamieren“233, ein Verhalten, welches unter Umständen aber auch eine Reaktion auf die Haltung der Kommilitonen darstellte: „Bei der Einführung der Gemeinschaftsgruppen für Volkstanz zeigten sich anfänglich grosse Schwierigkeiten. Vor allem aber waren es die Studenten, die diese Einführung besonders bespöttelten.“234 In ihrem Forschungsbericht zur Universität Hamburg 1933–1945 kommt Astrid Dageförde zu dem Schluss, dass etwa der Pflichtsport „in der Erinnerung durchweg positiv bewertet“ wurde. Zwar sei für einige der Frauen der damit verbundene Zwang ein Übel gewesen, „heute aber als durchaus notwendig“235 bezeichnet worden, weil sie freiwillig keine Bereitschaft zum Sporttreiben gezeigt hätten. Obwohl die Quellenlage nur einen dürftigen Blick auf die Haltung der Münchner Studentinnen erlaubt, können selbst Dagefördes Ergebnisse lediglich bedingt für einen Vergleich bzw. als stellvertretendes Moment für die Stimmung der weiblichen Studierenden herangezogen werden. Die Historikerin differenziert nicht ausreichend zwischen den einzelnen Phasen der zwölfjährigen NS-Herrschaft, die unterschiedliche Reaktionen der Studentenschaft auf die verschiedenen Stufen der Einführung, Umsetzung und Modifizierung der Pflichtprogramme zeigen würde. Darüber hinaus erfolgt die Wertung der verschiedenen Maßnahmen retrospektiv, d. h. nach „Auskünften der Zeitzeuginnen“236, was eine mög-
231 Helmer: Erlebnisse, 8. 232 Vgl. BArch, RSF II* 526 (a 425). Semesterbericht des Hauptamtes VI der Universität München vom 30.7.1934. 233 BArch, RSF II* 524. Inge Wolff an Gisela Brettschneider vom 28.11.1933. 234 BArch, NS 38/I* 81g 556/2. Arbeitsbericht des Hauptamtes VI der D. St. für das Wintersemester 1933/34. 235 Alle Zitate nach Dageförde, 159. 236 Ebd.
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liche Beschönigung oder gar Verharmlosung von zeitgenössisch durchaus als unangenehm empfundenen Sachverhalten intendiert. So berichtet die K. D. St. V. Hadeloga der Universität Würzburg in einem Rundschreiben an seine Altmitglieder und Vereinsschwestern von der hohen Belastung der Studentinnen durch die umfangreiche Indienstnahme sowie der damit verbundenen Schwierigkeit, freie Zeit für die Zusammenkunft der Gemeinschaft zu erübrigen: „Das Leben und die Einteilung der Studienzeit einer Studentin haben sich von Grund auf verändert. Wir stehen heute alle mitten drin im Geschehen des öffentl. politischen Lebens und mancher drohte schon im Trubel der Ereignisse und der Verpflichtungen die klare Orientierung verloren zu gehen […]; leider konnten wir nur alle 14 Tage zusammenkommen. An den übrigen Wochentagen sind wir Studentinnen anderweitig – pflichtmässig – beansprucht. Zwei Abende sind mit Sanitätskurs belegt, ein Abend gehört den Luftschutzübungen und dem Gaskurs; ausserdem kam in diesem Semester als Neuheit der Nachrichtenkurs hinzu. […] Ein fünfter Abend musste für die Sportstunden freigehalten werden, einmal in der Woche müssen wir schon früh um 3/4 6 Uhr am Sanderrasen antreten. Daneben sind für alle Studentinnen eine Reihe Pflichtwanderungen vorgeschrieben (Halbtags- und ganztägige Wanderungen). Sehr oft fanden auch die Fachschaftsbesprechungen und Arbeitsgemeinschaften der einzelnen Fakultäten noch zur Abendzeit statt. […] Langeweile kennen wir bestimmt nicht mehr.“237 Wie allgemeine Untersuchungen zum Frauenstudium im Dritten Reich zeigen, stand dem geforderten anspruchsvollen Pflichtprogramm in den Anfangsjahren der NS-Herrschaft aber besonders die mangelhafte Realisierung gegenüber. Nur an wenigen Orten ließen sich die Anweisungen tatsächlich ausführen und waren selbst dann des Öfteren nur unzureichend umgesetzt: „The reason for this fiasco was simply that most women students decided they had better things to do during their leisure time, and they ignored the instructions of their Nazi leaders.“238 Ermöglicht wurde dieses Verhalten in erster Linie durch die fehlende Befugnis des H VI, eigene Verordnungen praktisch durchzusetzen. Die Erziehungsministerien der einzelnen Länder beschäftigten sich nicht vor Ende November 1933 mit der Forderung, den Pflichtcharakter der neuen außeruniversitären Aufgaben anzuerkennen, und zögerten ihre Antwort größtenteils hinaus. Diejenigen Frauen, die sich vor den Erlassen drückten, konnten daher einstweilen nicht problemlos bestraft werden. Besonders Studentinnen aus höheren sozialen Schichten verhielten sich häufig abwartend und ließen es ebenso wie zahl-
237 EAM, NL Faulhaber 6560. Rundschreiben der K. D. St. V. Hadeloga Universität Würzburg vom Juli 1934. 238 Pauwels, 58.
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reiche Examenskandidatinnen darauf ankommen, ob die Missachtung des neuen Pflichtprogramms entsprechende Sanktionen nach sich ziehen würde. Neben den Studienanfängerinnen tendierten demgegenüber eher Stipendiatinnen und Töchter aus Familien, in denen ein Studium noch ungewöhnlich gewesen war, dazu, den Anordnungen Folge zu leisten. Eine weitere, kleinere Gruppe von Kommilitoninnen lehnte aus religiösen, politischen oder im weiteren Sinne weltanschaulichen Überlegungen eine Beteiligung an den von der NS-Ideologie geprägten Aktivitäten ab, solange diese nicht zwingend vorgeschrieben waren.239 Erschwerend für das H VI und seine Vertreterinnen kam hinzu, dass neben dem Fehlen ministerieller Anordnungen auf lokaler Ebene sowohl die Mitglieder des NSDStB als auch die Dekane und Rektoren der einzelnen Fakultäten bzw. Universitäten einer Zusammenarbeit mit den Geschlechtsgenossinnen oftmals abweisend gegenüberstanden. Erst 1934, als mit der Gründung des REM die systematische Zentralisierung der staatlichen Hochschulpolitik begann240, konnten auch die weiblichen Funktionäre auf eine Stärkung ihrer Position hoffen. So war mit der Leitung des REM der preußische Kultusminister Bernhard Rust betraut worden, der schon Ende 1933 den obligatorischen Charakter der durch das H VI verfügten Pflichten anerkannt hatte. Die lokalen Hauptämter wiederum bemühten sich während des nachfolgenden Sommersemesters mit unterschiedlichem Erfolg, den mittlerweile bereits erheblich modifizierten Arbeitsplan umzusetzen. Um ein lokales Bild von der Inanspruchnahme der Studierenden sowie den Auswirkungen auf den Unterrichtsbetrieb zu bekommen, forderte das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus am 6. Juni 1934 die Hochschulen zu einer Stellungnahme auf.241 Die eingehenden Berichte bestätigten überwiegend die große Belastung der Studierenden, wobei die Professoren besonders die mehrtägigen Lagerübungen der jüngeren Studenten während des Semesters bemängelten. Weitere Kritikpunkte waren die organisatorische Zersplitterung der von verschiedenen Stellen angeordneten Veranstaltungen, die vom SA-Dienst belegten Abendstunden sowie der damit verbundene Rückgang regelmäßig erscheinender, aufmerksamer Vorlesungsteilnehmer. Um einen reibungslosen und ungestörten Studienbetrieb zu gewährleisten, sollten die Lageraufenthalte fortan in die Ferien fallen, die vaterländische Ausbildung nach Möglichkeit auf den Samstag verlegt und ein einheitliches Zusammenarbeiten von Studenten-
239 Vgl. ebd. sowie Steffen-Korflür, 189. 240 Zur Einrichtung des REM vgl. Böhm, 181–184. 241 Vgl. UAM, Sen. 365/8. Bayer. Staatsministerium für Unterricht und Kultus an die Herren Rektoren der 3 Landesuniversitäten und der Technischen Hochschule vom 6.6.1934.
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schaft, NSDStB und SA-Hochschulamt erwirkt werden.242 Bei Beibehaltung der bisherigen Dienstordnung würde man, so die Befürchtung, andernfalls „in den nächsten Jahren ein durchaus mangelhaft ausgebildetes Akademiker-Material von den Universitäten entlassen“243. Nachdem auch das REM am 21. Juni von den Rektoren sämtlicher Hochschulen einen Bericht über die Schwierigkeiten durch Heranziehung der Studenten im laufenden Semester angefordert hatte244, legte das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus seinerseits eine umfassende Stellungnahme in Berlin vor. Diese beruhte sowohl auf Angaben der LMU als auch der TH München, während für die Universitäten Würzburg und Erlangen genauere Auskünfte fehlten. Als Hauptgrund für die zum Schaden ihrer wissenschaftlichen Ausbildung übermäßig Beanspruchten sah man jedoch weniger das gesamte Ausmaß der studentischen Indienstnahme als vielmehr die Zuständigkeit verschiedener Einrichtungen an und empfahl deshalb vor jedem Semesterbeginn „die gemeinsame Aufstellung eines genauen Zeitplanes unter maßgebender Beteiligung des Rektors als des für die wissenschaftliche und politische Gesamthaltung der Studierenden der Unterrichtsverwaltung verantwortlichen Führers der Hochschule.“ Die Verlegung der geländesportlichen Ausbildung in Ferienlager war ebenso gewünscht wie die Befreiung der in Ausbildung der SA-Hochschulämter stehenden Studierenden von jeglichem sonstigen SA-Dienst und die weitgehende Diensterleichterung älterer Studierender für wissenschaftliche Arbeit. Die politische und wehrsportliche Ausbildung sollte auf Samstag und damit auf einen Wochentag zusammengelegt werden, „wenn nicht überhaupt dem Werkhalbjahr ein weiteres ganz dieser Ausbildung zu widmendes Halbjahr angeschlossen werden kann, sodaß dann die Studierenden, abgesehen von kurzen Übungen während der Ferien, während ihrer Studienzeit auf der Hochschule sich ganz der wissenschaftlichen Arbeit widmen könnten.“245 Eine explizite Empfehlung, welche die Entlastung der Studentinnen von außeruniversitären Pflichten hätte herbeiführen können, wurde dagegen nicht ausgesprochen.
242 Vgl. ebd. Dekan Müller an das Rektorat der Universität München vom 28.6.1934. 243 Ebd. Dekan v. Wettstein an das Rektorat der Universität München vom 28.6.1934. Zu den weiteren Reaktionen einzelner Professoren bzw. Stellungnahmen der Fakultäten vgl. ebd., BayHStA, MK 40562, sowie Böhm, 338–340. 244 Vgl. BArch, NS 38/2191. Der Reichsminister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung an 1. die Herren Rektoren der Preußischen Universitäten […], 2. die Unterrichtsverwaltungen der Länder mit Universitäten und Hochschulen vom 21.6.1934. 245 Alle Zitate nach BayHStA, MK 40562. St. M. f. Unt. u. Kult. an den Herrn Reichsminister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung vom 26.7.1934. Hervorhebung im Original.
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Ein nur rund zwei Wochen später von der Münchner Studentenschaft verfasstes Schreiben bestätigte die Wahrnehmung des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus, wonach das „Grundübel“ in der „Überorganisation“246 der verschiedenen Einrichtungen von SA-Hochschulamt (politische Erziehung bzw. Schulung, Sport, Geländeausbildung), Kameradschaftshaus, Studentenschaft und Fachschaft lag. Als unmittelbare Folgen galten der unnötige Zeitverlust, ein Übermaß an Ausweisen, Schriftverkehr und Kartotheken, ein unverhältnismäßig großer Verwaltungsapparat sowie zeitliche und inhaltliche Überschneidungen mit Studium und Schulung. Beklagt wurde zudem die „antiintellektuelle Ausrichtung“247 des SA-Hochschulamtes, dessen politische Erziehungsmaßnahmen sich durch einen unflätigen Tonfall gegenüber den jungen Männern auszeichneten: „Im allgemeinen ist noch zu sagen, dass die Ausdrücke […] wie „Arschloch“, „Wichsgriffel“, „Wenn der Schwanz steht, ist der Verstand im Arsch“, „Ihr liegt ja da wie Arschficker“, „Ficken, Vögeln“, „Wichsen“ und alle fünf Minuten „Scheisse“ bestimmt nicht dazu angetan sind, den Ernst der ganzen Arbeit zu kennzeichnen, und geben der Kritik an der Führerpersönlichkeit weiten Raum.“248 Wie das Schreiben von Lieselotte Brandt an Reichsführer Oskar Stäbel im November 1933 zeigt, verhielten sich aber auch manche ANSt-Funktionärinnen nicht weniger abfällig gegenüber weiblichen Studierenden: „Ist es Befehl, dass Amtsleiterinnen usw. die anderen Studentinnen anpöbeln, wenn sie nur um kleinen Rat fragen? Ich finde, die Kameradschaft auch der Amtsleiterin soll sich dadurch zeigen, dass sie immer den feinen Ton der Frau behält.“249 Obwohl sich reichsweit die Beschwerden der Universitäten über Kompetenzstreitigkeiten, die vielfältige Indienstnahme der Studierenden sowie den daraus resultierenden Rückgang des Leistungsniveaus häuften, reagierte das REM zunächst mit einem mehr als „recht unverbindlichen“250 Erlass – nach Roegele „ein niederschmetterndes Eingeständnis der Ohnmacht all derer“, welche „an der Universität um den Geist bemüht“251 geblieben waren: „Um eine Beunruhigung zu vermeiden, bestimme ich, dass die Studierenden, die im laufenden Semester infolge stärkerer Beanspruchung durch Leibesübungen, SA.-Sport, Arbeitsdienst und nationalpolitische Schulung verhindert waren, Vorlesungen und Übungen
246 Alle Zitate nach BArch, NS 38/2191. Abschrift vom 5.7.1934. 247 Grüttner, 254. 248 BArch, NS 38/2191. Abschrift vom 5.7.1934. Auch der Rektor der Kieler Universität beschwerte sich beim REM über den derben Ton, der im Umgang mit den ersten drei Semestern vom SAHochschulamt an den Tag gelegt wurde. Vgl. Grüttner, 254. 249 BArch, RSF II* 499. Lieselotte Brandt an Dr. Stäbel vom 28.11.1933. 250 Böhm, 341. 251 Roegele, 163.
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in der erforderlichen Regelmäßigkeit zu besuchen, bezüglich der Erteilung der Testate nicht schlechter gestellt werden dürfen als die übrigen Studierenden.“252 Wie aufgebracht die Stimmung zu diesem Zeitpunkt jedoch allein schon unter den Studierenden der bayerischen Landeshauptstadt war, verdeutlichen zahlreiche Quellen zur sog. „Münchener Studentenrevolte“253, die mit der Störung einer Pflichtveranstaltung der Juristischen Fachschaft im Juni 1934 begann. So wurde der in Sturmbannführeruniform erscheinende Kreisführer Wolfgang Donat mehr als zehn Minuten mit einem „langen Geheul, Getrampel, Gepfeife“ empfangen und bei seiner Rede durch bewussten Beifall an falscher Stelle von den Zuhörern provoziert, die etwa auf die Kritik, unter ihnen befänden sich wohl die wenigsten Nationalsozialisten vor 1933, anhaltend klatschten. Zu weiteren Unmutsbezeugungen und Missfallensäußerungen kam es überdies gegen den stellvertretenden Gauleiter Otto Nippold, dessen Rede über „Das Führerproblem im Dritten Reich“ bei den Hörern auf eisiges Schweigen stieß. Erst als der Referent „auf die teilweisen Fehler zu sprechen kam, die bei dieser raschen Entwicklung zwangsläufig eintraten, bekundeten die Studenten durch lebhaften Beifall ihre ablehnende Haltung gegen dieses Führerproblem.“254 Die Beispiele, welche grundsätzliche Kritik an der NS-Studentenpolitik verdeutlichen und „durchaus als Formen begrenzten studentischen Widerstands gegen einzelne Maßnahmen des Systems zu verstehen sind“255, ließen sich fortsetzen und gipfelten in öffentlichem Protest auf Plakaten und Flugblättern an der Universität: „Kameraden! Täglich wächst die Empörung und Erbitterung über die Knebelung der studentischen Freiheit! Überlegt! Seid Ihr auf der Universität, um Euch von Studentenbonzen schikanieren zu lassen oder um das Erbe der deutschen Wissenschaft anzutreten? Seid Ihr auf der Universität um unproduktive Fachschaften mitzumachen oder um zu studieren? Ihr schimpft auf den organisierten Zwang! Schimpfen bessert nicht! In Eurer Macht steht es, den Terror des SA-Hochschulamtes und der Organisation zu brechen, die sich anmassend Studentenschaft nennt! Wer ist die Studentenschaft? Das sind wir! Die Hochschule gehört uns, nicht dem SA-Hochschulamt! Besinnt Euch auf Eure Kraft, darum: passiven Widerstand am 3. Juli 1934. Niemand erscheint an diesem Tage in den Hörsälen, Seminaren und zum studentischen Dienst. Nieder das SA-Hochschul-
252 UAM, Sen. 365/8. Bayer. Staatsministerium für Unterricht und Kultus an die Herren Rektoren der 3 Landesuniversitäten vom 10.7.1934. 253 Grüttner, 255. 254 Alle Zitate nach BArch, NS 38/2191. Bericht über die Vorkommnisse allgemein auf der Universität in der Zeit 5. Juni bis 2. Juli 1934 und besonders über den „Fall Mitteis“ vom 3.7.1934. 255 Böhm, 342.
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amt, nieder die Fachschaften, nieder die Studentenbonzen, es lebe die studentische Freiheit, Dienstag, den 3. Juli bleibt die Hochschule leer. Weitersagen!“ Andere Plakate forderten sogar den Tod der „Bonzen im Braunhemd“, die Absetzung des Führers der Studentenschaft oder nahmen direkten Bezug auf den Konflikt um den unlängst aus Heidelberg berufenen Staatsrechtler Heinrich Mitteis. Die Studenten hatten sich wiederholt solidarisch mit dem Dozenten gezeigt, der bei der Studentenführung als „typischer Intellektueller und Liberalist“256 galt und mit öffentlicher Ablehnung seiner Person bedacht wurde: „Wir lassen uns Mitteis nicht nehmen. Der Rektor steht zu uns. Auf zur Protestkundgebung gegen all diese Unterdrückung der wirklichen Geistigkeit.“257 Die Aufforderung, der Universität fernzubleiben, sowie diverse Handgreiflichkeiten in Vorlesungen gehen über passiven Widerstand hinaus. Daneben ist der zeitgenössischen Einschätzung Sigwart Göllers zuzustimmen, der die Haltung der Studierenden auf den Fall Mitteis wie folgt charakterisierte: Letztere würden, so der Studentenschaftsführer der LMU, die Auseinandersetzungen heranziehen, „um offiziell überhaupt gegen unser gesamtes nationalsozialistisches Gedankengut versteckt zu rebellieren.“258 Die am Konflikt um Heinrich Mitteis Beteiligten nutzten seine umstrittene Person als Folie, vor deren Hintergrund „nicht nur gegen die Studentenschaftsführung, sondern gegen die augenblickliche Staatsführung überhaupt in Opposition“ getreten werden konnte, wie auch der Kreis Bayern der DSt bemerkte. Als Unruheherd vermutete man „bestimmte Korporationskreise“ oder „politisch-katholische Kreise“, wobei letztere bei einem Mann mit Beziehungen zur obersten SA-Führung zusammengelaufen seien. Dieser war jedoch im Rahmen der Niederschlagung des sog. „Röhm-Putsches“ ums Leben gekommen, was unter den vermeintlichen Drahtziehern an der Münchner Universität offenbar für Ruhe gesorgt hatte: „Jedenfalls sind Anschläge, Provokationen und Demonstrationen seit dem nicht mehr erfolgt“259, so der Bericht der DSt. Insgesamt lässt sich nicht sagen, inwieweit die Aufrufe zum Widerstand bis dato befolgt worden waren, wenngleich schätzungsweise 60 % der Studierenden gegen die zwangsweise Indienstnahme ihrer Person opponiert hatten und
256 BArch, NS 38/2191. Bericht über die Vorkommnisse allgemein auf der Universität in der Zeit 5. Juni bis 2. Juli 1934 und besonders über den „Fall Mitteis“ vom 3.7.1934. Zu Mitteis vgl. auch die auf den Quellen des BArch basierenden Ausführungen von Böhm, 345–348, und Grüttner, 255–257. 257 Alle Zitate nach BArch, NS 38/2191. Bericht über die Vorkommnisse allgemein auf der Universität in der Zeit 5. Juni bis 2. Juli 1934 und besonders über den „Fall Mitteis“ vom 3.7.1934. 258 Alle Zitate nach ebd. 259 Alle Zitate nach BArch, NS 38/2191. Kreis Bayern der Deutschen Studentenschaft an [Heinz] Zaeringer [sic!] vom 13.7.1934.
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der Druck von Flugblättern an der LMU nach Grüttner sogar auf die Beteiligung organisierter Gruppen schließen lasse.260 Dennoch zeigen die Vorfälle, dass derartiger Widerstand vorstellbar war, und, so Böhm, von einem Großteil lediglich aus „verständlichen Rücksichten“261 nicht geleistet wurde. Als am 11. Juli 1934 die Reichsführerin für Studentinnen, Gisela Brettschneider, an der TH zu sämtlichen Studentinnen der Münchner Hochschulen sprach, stand fest, dass auch die studierenden Frauen das widerständige Verhalten ihrer Kommilitonen unterstützten. Den Angaben einer fassungslosen Münchner Studentenfunktionärin zufolge, wurden die „sehr feinen und inhaltsreichen Ausführungen von einem grossen Teil der Studentinnen nicht verstanden, oder bewusst missverstanden. Die Mehrzahl der Studentinnen trat von vornherein in eine Opposition, die furchtbar hässlich wirkte“262, weshalb die „Führerin oft zur Ruhe mahnen musste.“ Für die Berichterstatterin war dies ein deutliches Zeichen, „wieviel an innerem Erfassen noch notwendig ist, um die Mädels zu einer richtigen Stellung als Studentinnen im neuen Staat zu bringen.“263 Das „Symptom der ersten großen Loyalitätskrise“264, die das NS-Regime mit der Münchner Studentenrevolte im Frühjahr 1934 erlebte und die hauptsächlich aus der erzwungenen Indienstnahme der Studierenden resultierte, führte sowohl zu strukturellen als auch zu personellen Erneuerungen im Machtapparat. Im Zuge des sog. „Röhm-Putsches“ wurden etwa Ende Oktober die SA-Hochschulämter aufgelöst, womit endgültig eine Quelle permanenter Beunruhigungen verschwand, was die „durch Dilettantismus und ideologischen Übereifer gespeisten Eingriffe in den Hochschulbetrieb“265 mildern sollte. Die SA-Ausbildung wurde durch eine sportliche Grundausbildung ersetzt, nach der alle weiblichen und männlichen Studierenden der ersten drei Semester fortan wöchentlich drei Übungseinheiten ableisten mussten. Ebenfalls zeitgleich, im Wintersemester 1934/35, hatte man den sich wiederholt durch widersprüchliche Verfügungen auszeichnenden Arbeitsdienst an den Universitäten für sämtliche Studenten im 1. bis 7. Semester vor Studienbeginn bzw. Eintritt ins 2. bis 8. Semester zur Pflicht gemacht. Die studentischen Verpflichtungen waren damit zwar nicht aufgehoben, jedoch im Vergleich zu den vorherigen Semestern sichtbar reduziert und klarer strukturiert worden.
260 Vgl. Grüttner, 257. 261 Böhm, 348. 262 BArch, NS 38/RSF II 70. Monatsbericht der Technischen Hochschule München vom 30.7.1934. 263 Alle Zitate nach ebd. Semesterbericht der Technischen Hochschule München vom 30.7.1934. 264 Grüttner, 257. Zu den strukturellen und personellen Änderungen vgl. ebd., 258–260. 265 Adam, 92 f.
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Was die personellen Veränderungen betraf, so musste Oskar Stäbel im Mai 1934 die Führung der DSt, im Juli die des NSDStB abgeben. Die DSt-Nachfolge trat der ehemalige Hamburger NSDStB-Hochschulgruppenführer Andreas Feickert, Stäbels Amt im Studentenbund der bisherige Kreisführer West und neue Reichsführer Albert Derichsweiler an. Obwohl die Personalunion zwischen DStund NSDStB-Leitung damit beendet war, verständigten sich Feickert und Derichsweiler darauf, die Leiterin der ANSt auch in Zukunft als Leiterin des Amtes für Studentinnen amtieren zu lassen. Allerdings forderte Derichsweiler Gisela Brettschneider, die seit Februar 1933 Reichsleiterin der ANSt und seit September 1933 zugleich Leiterin des H VI der DSt gewesen war, am 1. Oktober 1934 zu Niederlegung ihres Amtes im NSDStB auf. Seiner Einschätzung nach hatte Brettschneider die Profilierung der ANSt über die Wahrnehmung ihrer Aufgaben in der DSt vernachlässigt. Nur zwei Monate später trat die approbierte Zahnärztin Liselotte Machwirth, welche 1936 an der LMU promoviert werden sollte, die Nachfolge an. Die Medizinerin hatte schon am 27. Oktober die Führung des H VI übernommen: „Am 1. Dezember 1934 wurde ich als Reichsreferentin der NS.-Studentinnen in die Reichsleitung der NSDAP. nach München berufen.“266 Wichtiger als dieser personelle Wechsel war, so Steffen-Korflür, jedoch die mit Umstrukturierung des NSDStB einhergehende Neuaufteilung der Aufgabenbereiche zwischen H VI und ANSt. Nach dem Willen Albert Derichsweiler sollten NSDStB und ANSt wieder Eliteorganisationen werden und die politische Erziehung der Studierenden verantworten. Noch bevor Reichsminister Bernhard Rust diesen Anspruch förmlich billigte, wurde sowohl für den NSDStB als auch für die ANSt am 15. Januar 1934 eine zweieinhalb Monate andauernde Mitgliedersperre ausgesprochen und die reichsweite Anzahl der Registrierungen auf 5000 Mann bzw. 1000 ANSt-Mitglieder begrenzt; lediglich die noch vor dem 30. Januar 1933 eingetretenen Studentinnen gehörten dem Zusammenschluss als Vollmitglieder an, während alle anderen zunächst eine Bewährungszeit als Anwärterinnen durchlaufen mussten.267 Ende Dezember 1934 fand schließlich die erste Arbeitstagung des H VI der DSt unter seiner neuen Leiterin Lieselotte Machwirth statt. Sie gab einen allgemeinen Überblick über die Aufgaben des H VI, welches nach der Neuordnung zwischen DSt und NSDStB die Bereiche Frauendienst, NSV, Sport, Fachschaftsarbeit, Auslands- und Grenzlandarbeit, Presse, Arbeits- und
266 Liselotte Machwirth: Ueber den Einfluß der Ernährung auf die Rachitis. Diss. München 1936, Lebenslauf (29). Zum Absatz insgesamt vgl. Steffen-Korflür, 194 f. 267 Vgl. Kapitel II, 4 ANSt-Mitglieder.
3.1 Pflichtsport
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Landdienst umfasste, während die ANSt im NSDStB die Gebiete Schulung, Kulturarbeit sowie Wohnheimfragen betreute.268 In der Zwischenzeit hatte man sich auch an der Universität München bemüht, die im April 1933 gesetzlich fixierte Indienstnahme der Studierenden praktisch umzusetzen. Nachdem schon im Mai 1934 ein erheblich modifizierter, d. h. deutlich reduzierter Arbeitsplan für die Frauen erschienen war, wurde das Pflichtprogramm „(n)ach den Erfahrungen der letzten Semester“ erneut herabgesetzt, womit auf den nicht mehr zu leugnenden Unmut auch der Studentinnen über die Belastung durch außerfachliche Pflichten angespielt wurde. Der neue Arbeitsplan vom 1. März 1935 sah nur noch innerhalb der ersten drei Semester Pflichtdienste für weibliche Studierende in den Bereichen Sport, Volkstums- und NSVArbeit sowie Frauendienst vor. Danach überließ man es der Einzelnen selbst, sich freiwillig auf allen vier Gebieten weiter zu betätigen. Die gesamte Studentinnenarbeit wurde damit „mehr auf das Prinzip der Freiwilligkeit umgestellt, um einerseits einen konzentrierten wissenschaftlichen Studiengang zu gewährleisten und andererseits die Studentinnen durch Entlastung im Gesamt-Dienstplan den Einsatzgebieten zuzuführen, in denen sie – gemäss Begabung und innerer Freude freiwillig mitarbeitend – mehr leisten können als in einem zersplitterten Pflichteinsatz auf mehreren Gebieten.“269
3 Modifikation außer- und inneruniversitärer Pflichten ab 1934/35 3.1 Pflichtsport Die Neuregelung des Pflichtsportprogrammes für Studentinnen basierte auf der Hochschulsportordnung (HSO) vom 30. Oktober 1934. Diese war bereits im Wintersemester 1934/35 in Preußen in Kraft getreten und wurde im Sommersemester 1935 für die bayerischen Hoch- und Fachschulen übernommen.270 In sieben Abschnitten regelte sie u. a. die Grundausbildung der Erst- bis Drittsemester, den
268 Vgl. UAM, 366c/5. Arbeitsbesprechung des Hauptamtes VI mit den Kreisreferentinnen. In: Hauptamt für Aufklärung und Werbung (Hg.): Die Deutsche Studentenschaft. Nachrichtendienst vom 11.1.1935. 269 Alle Zitate nach BArch, NS 38/I* 80g 43/1. Rundschreiben VI/H 6/1935 vom 1.3.1935. 270 Vgl. BayHStA, MK 40309. Bayer. Staatsministerium für Unterricht und Kultus an die Herren Rektoren der drei Landesuniversitäten […] vom 13.3.1935.
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3 Modifikation außer- und inneruniversitärer Pflichten ab 1934/35
freiwilligen Sportbetrieb der älteren Studierenden sowie das Wettkampfwesen. Mit der Durchführung der HSO hatte man die Akademischen IfL beauftragt. Diese Vorgehensweise beendete den in der Vergangenheit vorherrschenden Einfluss verschiedener Ämter auf die sportliche Indienstnahme der Studierenden und festigte die Stellung des hiesigen IfL, das fortan für die LMU, TH, Akademie der Bildenden Künste, Akademie der Tonkunst, Staatsschule für angewandte Kunst, Fakultät für Brauerei in Weihenstephan der TH, Philosophisch-Theologische Hochschule Freising, Bayerische Staatslehranstalt für Lichtbildwesen und die Höhere technische Staatslehranstalt München sowie für die Staatslehranstalt für Gartenbau und Blumenzucht Freising zuständig war.271 Zum 1. April 1937 wurde die BayLtA aufgrund organisatorischer und struktureller Gründe aufgelöst und die vorhandenen Einrichtungen bzw. Baulichkeiten sowie das gesamte Personal mit wenigen Ausnahmen in das 1932 neugeschaffene Münchner Hochschulinstitut für Leibesübungen (HfL) überführt.272 Dieses war fortan unmittelbar dem Bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus unterstellt, womit man dem erweiterten Aufgabenbereich des Instituts Rechnung trug.273 Die HSO selbst verpflichtete alle der DSt angehörigen Studentinnen und Studenten zu einer sportlichen Grundausbildung von drei bis vier Wochenstunden während ihrer ersten drei Semester. Als Nachweis regelmäßiger und erfolgreicher Teilnahme diente eine sog. „Grundkarte“, welche als Ausweis beim Hochschulwechsel fungierte und Zulassungsvoraussetzung für das weitere Studium ab dem vierten Semester war. Die Voraussetzung galt als erfüllt, sobald 150 von insgesamt 200 möglichen Punkten erreicht worden waren. In diesem Falle wurde ein Hochschulabzeichen verliehen, das aus den Anfangsbuchstaben der jeweiligen Hochschule bestand und als Stoffabzeichen zum Sportanzug getragen wurde.274
271 Vgl. ebd. Bericht des Hochschulinstituts für Leibesübungen München über die akademischen Leibesübungen an den Münchener Hochschulen im Winterhalbjahr 1934/35 und Sommerhalbjahr 1935 vom 18.7.1935. Daneben übte das IfL die fachliche Aufsicht über den Betrieb der Leibesübungen an den phil.-theol. Hochschulen in Dillingen, Passau und Regensburg sowie der theologischen Kurse bei St. Stefan in Augsburg aus. Vgl. BayHStA, MK 40310. Institut für Leibesübungen an der Universität und der Technischen Hochschule München an das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus vom 12.11.1935. 272 Vgl. Krombholz, 473, 498. 273 Vgl. BayHStA, MK 40310. Institut für Leibesübungen an der Universität und der Technischen Hochschule München an das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus vom 12.11.1935. 274 Vgl. Hochschulsportordnung. In: DWEV. Jahrgang 1. Heft 1. Berlin 1935, 8.
3.1 Pflichtsport
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Abb. 23: Grundkarte zum Eintritt ins 4. Studiensemester
Der Nachweis der erfüllten Grundausbildung als Zulassungsvoraussetzung für das Weiterstudium hatte erstmals von den Studierenden erbracht zu werden, die im Wintersemester 1935/36 ins vierte Studiensemester eintraten275: „Ach ja,
275 Vgl. BayHStA, MK 40309. Bayer. Staatsministerium für Unterricht und Kultus an die Herren Rektoren der drei Landesuniversitäten […] vom 4.5.1935. Bei einem Universitätswechsel durften Studierende nach dem dritten Semester nur dann zur Immatrikulation zugelassen werden, wenn sie die erfolgreiche Teilnahme an der Grundausbildung nachweisen konnten. Vgl. UAM, P-II-36 Band 2. Der Reichs- und Preußische Minister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung an
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den Pflichtsport, das war auch so eine Sache. Also da mussten wir ja dann […] so Punkte sammeln. Und wenn man den Pflichtsport nicht gemacht hat, dann konnte man nicht ins vierte Semester.“276 Zu den Übungseinheiten der Studentinnen gehörten im ersten Semester Gymnastik und Tanz, Prüfungsturnen, Geländelauf und -wettkampf, im zweiten Fünfkampftraining (100- und 2000-Meter-Lauf, Hoch- und Weitsprung, Kugelstoßen), Leistungsprüfung im Fünfkampf und militärische Elemente wie Prüfungs- und Kleinkaliberschießen, eine Disziplin, die bereits Mitte der 1920er Jahre Zugang zum studentischen Übungsbetrieb gefunden hatte und im Zuge der stärkeren wehrpolitischen Ausrichtung der Leibeserziehung im Nationalsozialismus einen höheren Stellenwert einnahm. Das darauffolgende Studienhalbjahr sah Mannschaftskampfspiele in Form von Handball einschließlich dreier Wettspiele sowie Rettungs- und Prüfungsschwimmen für Frauen vor, die ebenso wie ihre Kommilitonen durch die neu hinzugekommene Prüfungspflicht einem stärkeren „Nachdruck“277 zur Ableistung der Disziplinen als bisher ausgesetzt waren. Ein gewisses Entgegenkommen zeigte das REM lediglich gegenüber den angehenden Pharmazeuten. Weil sie erst nach mehrjähriger Praxis und damit in höherem Alter ihr Studium begannen, wurde die Sportpflicht nach einem Erlass vom 20. Dezember 1934 für diese Gruppe auf zwei Semester beschränkt.278 Vollständig befreit waren dagegen Angehörige weiblicher Ordensgesellschaften, während ihre männlichen Ordensbrüder an den Leibesübungen nach Maßgabe der HSO teilnehmen mussten.279 Verringert wurde der Druck zur Ableistung nach einer Bestimmung im März 1935, wonach Studierende, die im Sommer 1935 im vierten Halbjahr standen und ihrer Pflicht zu Leibesübungen nicht oder nicht genügend nachgekommen waren, bedingt aufgenommen werden und versäumte Leistungen im aktuellen Halbjahr
die Herren Rektoren der Preußischen Universitäten und Technischen Hochschulen, die Unterrichtsverwaltungen der Länder mit Hochschulen vom 28.7.1936. 276 Interview mit Dr. Helmtrud G. vom 18.7.2005. 277 BayHStA, MK 40309. Bericht des Hochschulinstituts für Leibesübungen München über die akademischen Leibesübungen an den Münchener Hochschulen im Winterhalbjahr 1934/35 und Sommerhalbjahr 1935 vom 18.7.1935. 278 Vgl. UAM, P-II-36 Band 2. Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus an die Herren Rektoren der drei Landesuniversitäten vom 12.3.1935. 279 Vgl. ebd. Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus an die Herren Rektoren der 3 Landesuniversitäten […] vom 23.5.1935. Juden und Dreivierteljuden, die in das Kontingent der an deutschen Hochschulen zugelassenen Juden fielen, waren von der dreisemestrigen Grundausbildung an den HfL auszuschließen. Die Teilnahme am freiwilligen Sportbetrieb war ihnen dagegen möglich. Vgl. ebd. Rundschreiben des Reichs- und Preußischen Ministers für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung vom 10.5.1937.
3.1 Pflichtsport
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zur unbedingten Aufnahme nachgeholt werden konnten.280 Für diejenigen, die die Grundausbildung zu diesem Zeitpunkt bereits absolviert und eine sportärztliche Bescheinigung über ihre körperliche Eignung erbracht hatten, bestand die Möglichkeit zum freiwilligen Sportbetrieb ab dem vierten Semester. Jetzt waren auch ungewöhnlichere und kostenintensivere Übungsarten wie Fechten bzw. Florett, Rudern, Tennis oder Sportschießen an den Hochschulen anzubieten, bei ausreichender Beteiligung und Deckung der Unkosten außerdem Schwerathletik und Ringen, Selbstverteidigung, Gymnastik und Tanz, Eislauf, Reiten und dergleichen. Was den Reitsport anbetrifft, so bot sich den hiesigen Studierenden mit der Bayerischen Reitschule AG und der Münchner Tattersall GmbH im Gegensatz zu anderen Hochschulen schon vor 1933 ein breites Angebot, das auf reges Interesse stieß. Während die Zahl der studentischen Reiter im Wintersemester 1932/33 noch mit 120 Männern und 40 Frauen beziffert wurde, hatte sich die Teilnehmerzahl im darauffolgenden Sommerhalbjahr mit 320 Männern und 107 Frauen mehr als verdoppelt.281 Der freiwillige Schwimmbetrieb musste dagegen nach einer Anordnung vom März 1935 im Wintersemester ausfallen, weil in München mit dem Müllerschen Volksbad nur ein Hallenbad existierte und die zur Verfügung stehende Zeit für das Pflichtschwimmen gebraucht wurde. Lediglich im Sommersemester sollte die freiwillige Beteiligung in den Vordergrund treten. Ähnlich gestaltete sich die Situation in Erlangen, wo die Durchführung des Schwimmunterrichts im Winter mangels eines Hallenbades, im Sommer aufgrund zu niedriger Wassertemperaturen im Röthelheimbad Schwierigkeiten bereitete. Wo Übungsstätten für die im ersten Semester vorgeschriebene allgemeine Körperausbildung (Hallenturnen) sowie die Boxschule für Studenten bzw. Gymnastik und Tanz für Studentinnen fehlten, konnten nach Maßgabe des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus die beiden Einheiten ohne Beanstandung zeitlich zusammengefasst werden.282 Die Anordnung zeigt, dass in der bayerischen Landeshauptstadt der Mangel an Räumlichkeiten nach wie vor einer vollständigen und reibungslosen Umset-
280 Vgl. ebd. Entwurf des Rektorstellvertreters vom 29.3.1935. Nach diesen Bestimmungen wurde bis zum Kriegsausbruch mit geringfügigen Abweichungen verfahren. Vgl. Krombholz, 516. 281 Vgl. Indra Schöller: Die Universitätsreitschule München von ihrer Gründung im Jahre 1927 bis zur Schenkung an die Universität München. In: Elisabeth Kraus (Hg.): Die Universität München im Dritten Reich. Aufsätze. Teil I. München 2006, 108 f., künftig zitiert als Schöller. Zur „Pflege des Reitsports an der Tierärztlichen Fakultät“ auch Goebel, 103–105. 282 Vgl. BayHStA, MK 40309. Bayer. Staatsministerium für Unterricht und Kultus an die Herren Rektoren der drei Landesuniversitäten […] vom 13.3.1935. Zu Erlangen vgl. Krombholz, 529.
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zung der Pflicht- und Freiwilligenprogramme gegenüberstand.283 Dieses Manko führte bis zum Wintersemester 1937/38 zu erheblichen Schwierigkeiten, nachdem das einzige Hallenschwimmbad der Stadt mit seinen kleinen und stets überfüllten Räumlichkeiten nicht nur den Ansprüchen der Bevölkerung, sondern auch dem Besuch durch Volks- und Fachschulen, Verbänden der Wehrmacht und der Parteiorganisationen zu genügen hatte und sich als vollkommen unzureichend für die Durchführung des Schwimmbetriebes, besonders des Rettungsschwimmens, erwies.284 Ähnlich verhielt es sich mit den sonstigen Übungsstätten, weshalb die Münchner Studentinnen schon vor Übernahme der HSO im Sommersemester 1935 vollständig auf die Einrichtungen der BayLtA angewiesen waren und die gesamte Sportpflicht weiterhin nur unter größtmöglicher Ausnutzung der Hochschulturnhalle und damit ohne Berücksichtigung des Vorlesungsbetriebes erfolgte. Im Wintersemester verschärfte sich die Situation aufgrund generell höherer Neueinschreibungen zusätzlich. Der für Fußball- und Handballspiele herangezogene Hochschulsportplatz konnte bspw. nicht ganzjährig aufgesucht werden, da die Sanitäreinrichtungen nur für den Sommerbetrieb ausgerichtet, d. h. ungenügend isoliert waren. Das machte eine Nutzung des Platzes bei kühleren Temperaturen unmöglich.285 Besonders deutlich traten die Missstände bei der Geländelaufprüfung im Februar 1938 am Hochschulsportplatz hervor, der weder die Option bot, persönliche Wertsachen ordnungsgemäß zu sichern, noch ausreichend Umkleidemöglichkeiten besaß: „Es sollte nicht mehr vorkommen, dass eine größere Zahl von Teilnehmern gezwungen ist, sich im Freien, insbesondere im Winter, umzukleiden, die Kleider im Freien aufzubewahren und im Freien auch den Aufruf zum Wettkampf abzuwarten. Die Gelegenheit zum Waschen hatte nur ein Teil der Studierenden.“286 Eine Entspannung des Übungsbetriebes trat erst ab dem Wintersemester 1937/38 und damit rund viereinhalb Jahre
283 Vgl. BayHStA, MK 40309. Bayer. Staatsministerium für Unterricht und Kultus an die Herren Rektoren der drei Landesuniversitäten […] vom 13.3.1935. 284 Vgl. ebd. Bericht des Hochschulinstituts für Leibesübungen München über die akademischen Leibesübungen an den Münchener Hochschulen im Winterhalbjahr 1934/35 und Sommerhalbjahr 1935 vom 18.7.1935 sowie ebd., MK 40312. Bericht des Hochschulinstituts für Leibesübungen München über die akademischen Leibesübungen an den Münchener Hochschulen im Winterhalbjahr 1937/38 vom 18.8.1938. 285 BayHStA, MK 40309. Bericht des Hochschulinstituts für Leibesübungen München über die akademischen Leibesübungen an den Münchener Hochschulen im Winterhalbjahr 1934/35 und Sommerhalbjahr 1935 vom 18.7.1935. 286 BayHStA, MK 40312. Bericht des Hochschulinstituts für Leibesübungen München über die akademischen Leibesübungen an den Münchener Hochschulen im Winterhalbjahr 1937/38 vom 18.8.1938.
3.1 Pflichtsport
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nach Einführung der Leibesübungen für männliche Erstsemester am 28. April 1933 ein287, nachdem die Anlagen der mittlerweile in das HfL überführten BayLtA herangezogen werden konnten. Da diese im Begriff waren, vom Sommersemester 1938 an durch Abgang des letzten hauptamtlichen Turnlehrerkurses vollständig frei zu werden, war „eine recht günstige Aufteilung des gesamten Sportbetriebes zu erwarten.“288 Ähnlich wie bei den Übungsstätten verhielt sich die Situation bei den Lehrkräften, die ein starkes Defizit an Personal aufwies. Die Durchführung des umfassenden Pflichtsportbetriebes sowie die Erweiterung des Arbeitsbereiches des HfL machten eine Erhöhung der Anzahl von ordentlich angestellten Hochschul assistenten dringend notwendig. 1939 wurde bspw. die 25-jährige Olympiasiegerin Christl Cranz, die im Sommersemester 1936 den Sportunterricht für Frauen als Assistentin am HfL Freiburg übernommen hatte, für den Lehrbetrieb des HfL sowie den Pflichtsport der Studentinnen nach München abgeordnet, da die Kriegsstellenbesetzung nur mehr drei weibliche Lehrkräfte vorwies. Bis zu ihrer Rückkehr nach Freiburg im Jahr 1940 gehörte sie zum Team der Lehr- und Hilfskräfte des hiesigen Institutes: „Die Gisela Mauermayer ist mir in ewiger Erinnerung und die Christl Cranz. Wir mussten Pflichtsport machen. Und bei der Christl Cranz jede Woche einmal in der Universitätsturnhalle […]. Und da war ich bei der zugeteilt. Die Gisela Mauermayer, diese Diskuswerferin, die war am LuisenGymnasium als Turnlehrerin eingesetzt. Und bei der Christl Cranz hatten wir also Universitätssport und die hat uns gezwiebelt. Also ich sollte immer den Handstand machen, den ich nicht zusammengebracht habe. Und das war furchtbar. Ich habe dann ein ärztliches Zeugnis beigebracht, dass ich vom Turnen befreit war auch ein paar Semester.“289 Andere Disziplinen wie das Kleinkaliberschießen wurden durch Fachkräfte wie den Schießsportleiter der BayLtA, einem Major a. D., und dessen Hilfskräften durchgeführt: „’35 bin ich für den Luftschutz auch ausgebildet worden. […] Aber
287 Vgl. Kapitel IV, 1.1.2 Einführung des Pflichtsports 1933. 288 BayHStA, MK 40312. Bericht des Hochschulinstituts für Leibesübungen München über die akademischen Leibesübungen an den Münchener Hochschulen im Winterhalbjahr 1937/38 vom 18.8.1938. 289 Interview mit Dr. Johanna K. vom 22.8.2005. Zur Kriegsstellenbesetzung vgl. BayHStA, MK 40313. Hochschulinstitut für Leibesübungen an den Herrn Reichsminister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung vom 21.9.1939. Zur Assistentenzeit von Christl Cranz und der geteilten Aufnahme bei den Kommilitoninnen, die zwischen Begeisterung und Ablehnung schwankte, vgl. Scherb, 213. Zum Lebenslauf von Christl Cranz-Borchers vgl. Robert Wistrich: Wer war wer im Dritten Reich: Anhänger, Mitläufer, Gegner aus Politik, Wirtschaft, Militär, Kunst und Wissenschaft. München 1983, 44 f.
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was nicht drin steht [im Pflichtenheft/P. U.], das ist die Ausbildung als Schießerin. […] Mit dem großem Gewehr. Da waren Soldaten dabei. Das war also in einer Kaserne. […] Liegend freihändig, stehend freihändig und aufgelegt. Und da mussten wir auf eine Scheibe schießen. Und da ist eingetragen worden, wie viele Punkte wir hatten.“290 Ähnliche Erinnerungen finden sich bei Dr. Helmtrud G., die ihr Studium drei Jahre später, im Wintersemester 1938/39, begann: „Also die ersten drei Semester war der Pflichtsport, musste man seine Punkte einsammeln. Und da gehörte auch dann noch Kleinkaliberschießen dazu. Also da war ein Feldwebel, der einen da so eingewiesen hat, also liegend, freihändig liegend, aufgelegt“291. Maria H., die von 1942 bis 1943 Germanistik, Geschichte und Kunstgeschichte an der LMU studierte, erinnerte sich, „dass man ziemlich hart rangenommen wurde und dass man auch dem Schießen nicht entgehen“ konnte. „Ich kann mich noch besinnen, dass ich mal auf dem Boden lag und neben mir ein Unteroffizier, der mir mit krummen Händen zeigte, wie man mit dem Gewehr umgeht.“292 Nach Angaben der Erstgenannten, einer ehemaligen Studentin der Zeitungswissenschaft, hatte man die Ableistung des Kleinkaliberschießens jedoch nicht im Pflichtenheft testiert. Die Aussage bestätigte sich bei Überprüfung des noch immer in ihrem Privatbesitz befindlichen Dokumentes. Dieser Umstand spricht dafür, dass die Indienstnahme der Studierenden keineswegs einer allumfassenden Kontrolle unterlag und nach wie vor Möglichkeiten zur Umgehung bereithielt. So kam es etwa an der Universität Erlangen besonders zu Beginn der pflichtmäßigen Leibesübungen zu Schwierigkeiten, nachdem das Universitätsamt den Studierenden weder bei der Einschreibung noch bei der Prüfungszulassung die Sporttestate abverlangte. Im Rahmen der von Astrid Dageförde geführten Interviews berichtete eine Hamburger Zeitzeugin sogar, sie sei vom zuständigen Kursleiter gebeten worden, „für die folgende Prüfungsstunde schon Scheiben für diejenigen zu schießen, die den Anforderungen nicht genügen würden.“293 Ein ähnliches Leistungsbild zeichnet der Bericht des HfL München vom 18. Juli 1935. Demnach waren die Prüfungsergebnisse etlicher Studentinnen beim Kleinkaliberschießen auffallend schlecht, was für die „geringe Eignung des weiblichen Geschlechts für den Schießsport“294 spräche. Das REM dagegen wollte von
290 Interview mit Dr. Elisabeth P. vom 17.4.2005. 291 Interview mit Dr. Helmtrud G. vom 18.7.2005. 292 Interview mit Maria H. vom 14.9. und 5.10.2005. 293 Dageförde, 159. Zu Erlangen vgl. Krombholz, 528. 294 BayHStA, MK 40309. Bericht des Hochschulinstituts für Leibesübungen München über die akademischen Leibesübungen an den Münchener Hochschulen im Winterhalbjahr 1934/35 und Sommerhalbjahr 1935 vom 18.7.1935.
3.1 Pflichtsport
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derartigen Pauschalisierungen nichts wissen und sah im Kleinkaliberschießen vielmehr eine Übungsdisziplin, die aufgrund ihres „rein sportlichen Charakters“ sowohl von Männern als auch von Frauen ausgeübt werden konnte. Letztere würden diesen Teil des Pflichtsportprogramms „keineswegs als unweiblich empfinden“295, sondern ihn im Gegenteil mit Begeisterung und Freude ausführen. Weil zudem die Ergebnisse der Studentinnen nach dem aus den preußischen IfL zugegangenen Berichten so gut und Benachteiligungen weiblicher Studierender bei Leistungsprüfungen aufgrund entsprechend herabgesetzter Anforderungen nicht zu erwarten seien, wurde ein Ersatz des Kleinkaliberschießens durch eine Ausbildung in Gasschutz und Nothilfe nicht erwogen. Tatsächlich zeigen die Interviews Dagefördes, dass zumindest ein Teil der Studentinnen zunehmend solche Sportarten präferierte, die einen offenen Widerspruch zum ideologisch fixierten NS-Bild vom Wesen der Frau bildeten: ‚Ich habe nur zwei Semester Leibesübungen gemacht. Im dritten Semester war ich in den Ferien krank gewesen und hatte ein Attest, was mir furchtbar leid tat, es wurde nämlich Kleinkaliberschießen angeboten, und ich hätte es gern mal getan. Einfach weil man sonst als Frau an solcherlei Dinge nicht rankam‘296. Die Bereitschaft für diese Aktivität basierte, so Steffen-Korflür, folglich nur in den wenigsten Fällen auf dem Wunsch, es den männlichen Geschlechtsgenossen in kriegerischer Hinsicht gleichzutun, wenngleich etwa an der LMU schon vor 1933 die Schießkurse in der Landesturnanstalt so stark besucht waren, dass zur Durchführung eine finanzielle Zuwendung nötig gewesen war.297 Die meisten Studentinnen nutzten vielmehr die Gelegenheit zum Schießenoder Fechtenlernen in dem Bewusstsein, während ihres Studiums ein einmaliges, sich voraussichtlich niemals wiederholendes Angebot ungewöhnlicher Sportarten zu haben.298 Eine kritische Auseinandersetzung mit dem kriegsvorbereitenden Charakter dieser Ertüchtigungen scheint dabei größtenteils nicht erfolgt zu sein, weshalb zu Recht von einer unreflektierten Haltung der weiblichen Studierenden gegenüber dem Pflichtsport gesprochen werden kann.299 In den o. g. Zeitzeugenaussagen zum Kleinkaliberschießen an der Universität München wurde jedenfalls nicht die Übung als solches, sondern lediglich der damit verbundene
295 Alle Zitate nach UAM, P-II-58. Der Reichs- und Preußische Minister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung an das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus vom 27.6.1935. 296 Interview Nr. 17, 13, hier zitiert nach Dageförde, 159. 297 Vgl. UAM, Sen. 366c/2t. Halbjahres-Bericht des Amts für Leibesübungen der Studentenschaft der Universität München für das Winter-Halbjahr 1931/32. 298 Vgl. Steffen-Korflür, 216. 299 Vgl. ebd., 212.
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3 Modifikation außer- und inneruniversitärer Pflichten ab 1934/35
Anfahrtsweg von einer Interviewpartnerin kritisiert: „Und das war saublöd deswegen, weil man um sechs Uhr in der Früh da sein musste. Da musste ich also mit der ersten Trambahn fahren“300. In den wahlfreien Stunden wandte sich der Großteil weiblicher Studierender, so Steffen-Korflür, den Wettkampfsportarten zu. Neben Leichtathletik und Rasensport bevorzugten sie auch hier ausgefallenere Arten wie Tennis, Reiten oder Rudern, die in der ursprünglichen Konzeption des Pflichtsports eine marginale Rolle gespielt hatten. Das Wettkampfwesen als solches regelte Abschnitt III der HSO, wobei zwischen örtlichen (internen) Wettkämpfen, Wettkämpfen einzelner Hochschulen untereinander, Kreismeisterschaften und Deutschen Hochschulmeisterschaften sowie zwischen internationalen Wettkämpfen und Meisterschaften unterschieden wurde.301 Unter dem Eindruck der Olympischen Spiele in Berlin 1936 ging der Trend verstärkt zum Wettkampf. Die Studentinnen organisierten eigene Sportfeste und setzten, so Steffen-Korflür, ihre erstmalige Teilnahme an Hochschulsportfesten gegen männliche Widerstände durch.302 Anlässlich der Deutschen Studentenskimeisterschaften in Oberammergau im Februar 1938 führte die Gau-ANSt-Referentin sogar eine Gemeinschaftsfahrt unter Beteiligung von etwa 100 Studentinnen durch, wobei unklar bleibt, ob sich die Frauen aktiv an den Meisterschaften beteiligten oder lediglich als schmückendes Beiwerk fungierten: „Auf diese Weise wurden die Deutschen Studentenmeisterschaften ein Erfolg, da tatsächlich auch eine entsprechende Anzahl von Zuschauern am letzten Tag anwesend war, die die Siegerehrung weiterhin abends am Marktplatz und den grossen Fackelzug in Oberammergau zu einer Kundgebung der Studenten werden liessen. […] Auch die ANST. hielt einen wohlgelungenen Kameradschaftsabend ab, bei dem die Gattin des Gauleiters Adolf Wagner anwesend war.“303
300 Interview mit Dr. Elisabeth P. vom 17.4.2005. 301 Vgl. Hochschulsportordnung. In: DWEV. Jahrgang 1. Heft 1. Berlin 1935, 9. Zum Wettkampfwesen der Studierenden vgl. auch Wolfgang Buss: Die Entwicklung des Deutschen Hochschulsports vom Beginn der Weimarer Republik bis zum Ende des NS-Staates – Umbruch und Neuanfang oder Kontinuität? Göttingen 1975, 170 f., künftig zitiert als Buss. 302 Zum Thema „Wettkämpfe, Meisterschaften und Leistungsprinzip als Bestandteil des NSHochschulsports unter besonderer Berücksichtigung der Bedeutung der Olympischen Spiele von 1936“ vgl. Buss, 269–322. 303 BArch, RSF II* 118. Gaustudentenführung München-Oberbayern an den Reichsstudentenführer G[ustav] A[dolf] Scheel vom 8.3.1938.
3.1 Pflichtsport
469
Wenngleich die Historikerin vor diesem Hintergrund zu dem Ergebnis kommt, die Institutionalisierung des universitären Frauensportes sei folglich mit einer Aufwertung weiblichen Selbstbewusstseins einhergegangen und die meisten Studentinnen hätten die „wahrscheinlich nie wiederkehrende Gelegenheit zur Ausübung ‚exotischer‘ Sportarten“304 genutzt, war die freiwillige Ableistung derselben mit Einführung der HSO sowohl an der LMU als auch an den Universitäten Würzburg und Erlangen dennoch erheblich zurückgegangen. Hatte die sportliche Indienstnahme durchaus zu einem strafferen Unterrichtsbetrieb geführt und mussten ANSt-Mitglieder an einzelnen Universitäten wie München zumindest in den Kriegsjahren sogar ein zusätzliches Pensum absolvieren305, so spielte sich der über den Pflichtsport hinausgehende allgemeine Studenten- bzw. Hochschulsport in „bescheidenem Rahmen“306 ab.
304 Steffen-Korflür, 216. 305 Vgl. Interview mit Paula K. vom 9.6.2005, die die parallele Existenz von Pflicht- und ANStSport bestätigte. „Ja, mussten wir machen, sowohl Pflichtsport wie auch den ANSt-Sport […]. Und […] Gymnastik haben wir da gemacht bei einer Tänzerin, ehemaligen Tänzerin. Und die hat uns unverschämt behandelt. […] „Die längste Leitung hat die Akademikerin“, hat sie immer gesagt. Und […] wenn man gesprochen hat, hat sie gesagt: „Sie nehmen Ihre Karte und gehen.“ Also sozusagen man hat dann keinen Stempel gekriegt. Bis ich dann gesagt hab’: „Also wir sind doch kein Kindergarten.““ 306 Krombholz, 530. Vgl. zu Würzburg und Erlangen ebd. Noch im Winterhalbjahr 1934/35 waren hingegen v. a. die Unterrichtsstunden in Selbstverteidigung und Boxen in München „besonders gut besucht“ gewesen. BayHStA, MK 40309. Bericht des Hochschulinstituts für Leibesübungen München über die akademischen Leibesübungen an den Münchener Hochschulen im Winterhalbjahr 1934/35 und Sommerhalbjahr 1935 vom 18.7.1935. Zum zusätzlichen Sportpensum der ANSt-Mitglieder vgl. Steffen-Korflür, 217 f. Zum ANSt-Sportnachmittag an der LMU vgl. exemplarisch BArch, RSF II* 533. Trimesterbericht des 2. Trimesters 1940 über die ANST Arbeit im Gau München – Oberbayern vom 5.9.1940.
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3 Modifikation außer- und inneruniversitärer Pflichten ab 1934/35
Abb. 24: Undatierte Sportkarte der ANSt
Obwohl das hiesige HfL unter den 20 Angeboten auch Fechten und Hockey enthielt und seit dem Wintersemester 1934/35 sogar den Segelflugbetrieb aufgenommen hatte, erfreute sich lediglich die Abhaltung von Skigymnastik und -kursen einer größeren Beliebtheit, was primär den norddeutschen Studierenden geschuldet war. Selbst die Einführung einer freiwilligen Sportkarte für Studierende höherer Semester ab Winterhalbjahr 1935/36 konnte dem „seit Jahren zu beobachtenden Rückgang der freiwilligen sportlichen Beteiligung“ nicht durch die ersehnte Teilnehmersteigerung begegnen: „Für die kommenden Semester wird daher gerade diesem Zweig der akademischen Leibesübungen ein besonderes Augenmerk zuzuwenden sein, um durch weitgehende Förderung und Unterstützung
3.1 Pflichtsport
471
dem Gedanken einer regelmässigen und dauernden körperlichen Betätigung wieder Geltung zu verschaffen.“307 Überlegungen, die gesamten außerfachlichen Aufgaben der Studierenden als hemmendes Moment für freiwillige, über das Pflichtprogramm hinausgehende Aktivitäten verantwortlich zu machen, wurden nicht angestellt. Lediglich der Bericht des HfL für das Wintersemester 1933/34 und Sommerhalbjahr 1934 sprach der übermäßigen Beanspruchung der Studenten durch zahlreiche andere Verpflichtungen eine hemmende Wirkung auf die Sportstunden aus.308 „Eine spontane, aus dem plötzlichen Verlangen nach Bewegung herauskommende sportliche Betätigung war kaum möglich, jedenfalls nicht innerhalb des offiziellen Sportbetriebes.“309 Selbst die Gau-ANSt-Referentin und aktive Sportlerin Ruth Bergholtz kritisierte noch 1939 „die ewige „NurPunktejägerei““310 der Studentinnen beim Pflichtsport, welcher aus technischen Gründen nicht innerhalb der ANSt-Gruppen durchgeführt wurde, aber auch, weil man ihn in seiner jetzigen Form ablehnte und daher nicht mit einbeziehen wollte; die Einrichtung eines eigenen Gymnastikkurses für weibliche Studierende scheiterte indessen an zu wenigen Teilnehmerinnen. Belege für eine erfolgreiche Umsetzung von Bergholtz‘ Plan, in Zusammenarbeit mit dem HfL wenigstens in München „eine andere Form der Grundausbildung zu schaffen“311, existieren nicht. Zumindest nach Angaben des HfL erwies sich dagegen schon der freiwillige Sportbetrieb des Winterhalbjahres 1937/38 als „recht erfreulich“, weil „viele Studierende die Vorzüge einer geregelten sportlichen Betätigung aus dem Pflichtsportbetrieb erkannten und sich weiterhin freiwillig den Leibesübungen widmeten.“312 Allerdings wurde diese Aussage nicht mit entsprechenden Teilnehmerzahlen belegt, sondern nur auf die mit 322 männlichen sowie 258 weiblichen Teilnehmern nach wie vor gut besuchten 32 Skikurse bzw. -veranstaltungen
307 Alle Zitate nach BayHStA, MK 40310. Bericht des Hochschulinstitutes für Leibesübungen München über die akademischen Leibesübungen an den Münchener Hochschulen im Winterhalbjahr 1935/36 u. Sommerhalbjahr 1936 vom 11.7.1936. 308 Vgl. BayHStA, MK 40309. Bericht des Instituts für Leibesübungen über die akademischen Leibesübungen an der Universität und Technischen Hochschule München im Winterhalbjahr 1933/34 und Sommerhalbjahr 1934 vom 3.8.1934. 309 Buss, 169. 310 BArch, RSF II* 540 (a 438). Semesterbericht: Wintersemester 1938/39 der Gaustudentenführung München-Oberbayern vom 4.3.1939. 311 Ebd. 312 BayHStA, MK 40312. Bericht des Hochschulinstituts für Leibesübungen München über die akademischen Leibesübungen an den Münchener Hochschulen im Winterhalbjahr 1937/38 vom 18.8.1938.
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verwiesen. Lediglich für den Übungsbetrieb im Wintersemester 1942/43 liegen exakte Zahlen vor, wobei gerade einmal 49 Studentinnen freiwillig, 661 pflichtmäßig am Sportprogramm teilnahmen.313 Tatsächlich standen der Teilnahme an bestimmten (freiwilligen) Sportarten mitunter jedoch ganz einfache, pragmatische Gründe entgegen: „Sonst haben wir noch Sport nachweisen müssen. Wir hätten wählen können zwischen Leichtathletik, Fechten und Kleinkaliberschießen. Aber ich habe gesagt: Was soll ich mit dem Schießen machen, was soll ich mit dem Fechten machen? Das andere ist einfacher, man braucht zudem nur ein Turnhöserl; das andere hätte einen Haufen Geld gekostet. Da musste man bis in die Maßmannstraße […], Richtung Dachauer Straße. Das waren 20 Minuten Fußweg dahin. Manchmal ließ ich’s ausfallen.“314 Insgesamt stellt sich die Frage, inwieweit die Münchner Studentinnen vorhandene Schlupflöcher nutzten, um dem Pflichtsport zu entgehen. Bei Dageförde gaben einige Gesprächspartnerinnen an, nicht an den Übungseinheiten teilgenommen zu haben, was größtenteils auf persönlicher Unlust am Sporttreiben bzw. Unwillen gegenüber sämtlichen Verpflichtungen beruht habe.315 In den selbst geführten Interviews empfanden andere wiederum den Pflichtsport sogar retrospektiv als vertane Zeit und hatten daher versucht, sich selbigem durch „Ausreden“316 oder durch Aneinanderreihung mehrerer Einheiten bzw. Übungsstunden, die jeweils einen Punkt ergaben, möglichst rasch zu entledigen: „Es störte einen in der Zeit. Man sollte jede Woche gehen. Und man hat halt sich so rumgedruckst, dass man zwei Stunden hintereinander [absolvierte/P. U.], dann bekam man zwei Stempel. Und wenn sie’s [die Übungsleiterin/P. U.] nicht merkte, dann hat man noch einen dritten Stempel bekommen und dann hat man’s sehr schnell gehabt. Weil man’s einfach als Zeitverschwendung empfand.“317 Andere zeigten nur ein Mindestmaß an Einsatz, wie die Erinnerungen von Dr. Timm Weski an die Studienzeit seiner verstorbenen Mutter im Wintersemester 1936/37 und Sommersemester 1937 in München verdeutlichen: „Schwimmen
313 Vgl. BayHStA, MK 40317. Hochschulinstitut für Leibesübungen an das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus vom 16.4.1943. Analog verhält es sich mit den Statistiken zum regulären Pflichtsportbetrieb, da entsprechende Nachweise von jedem Hochschulinstitut erst ab dem Sommersemester 1937 erbracht werden mussten. Vgl. Krombholz, 516. Trotzdem lagen auch ab diesem Zeitpunkt nicht von jedem Semester Berichte vor. Zur Entwicklung der Teilnehmerzahl der Studentinnen am Pflichtsport zwischen dem Wintersemester 1933/34 (326) und dem Wintersemester 1942/43 (661) vgl. ebd. 314 Interview mit Philomena Sauermann vom 12.3.2005. 315 Vgl. Dageförde, 160. 316 Interview mit Dr. Elisabeth P. vom 17.4.2005. 317 Interview mit Dr. Berta R. vom 23.4.2005.
3.1 Pflichtsport
473
im Müllerschen Volksbad mit Hochtauchen eines Ziegelsteins, der drei Mal hochgehoben werden musste, bevor er wieder fallen gelassen wurde. Außerdem 45 Minuten Brustschwimmen. Obwohl meine Mutter eine leidenschaftliche Schwimmerin war, hat sie dies gehasst. Beim Streckenschwimmen hat sie immer versucht unter den Sprungbrettern, auf denen die Aufsicht stand, zumindest einen halben Zug auf der Seite zu machen. […] (I)n Heidelberg […] hatte meine Mutter auf jeden Fall Pistolenschießen und Dauerlauf. Bei letzterem haben einige beschissen, da sie unter einer Neckarbrücke gewartet haben, bis die anderen auf dem Rückweg wieder vorbeikamen.“318 Andere gingen sogar dazu über, die Grundkarte nach der Übungseinheit stellvertretend für ihre Kommilitoninnen abstempeln zu lassen: „Also das weiß ich noch, da […] mussten wir dann hinterher ja antreten, also Karten abgeben, die wurden gestempelt. Und hinterher mussten wir antreten und einzeln die dann wieder abholen. Und da hab’ ich für zwei andere die auch abgeholt. Also [ich hatte/P. U.] mehr Angst wie sonst was, wenn das rausgekommen wär.“319 Dass diese Angst durchaus berechtigt war, belegt ein Disziplinarverfahren der LMU gegen die Medizinstudenten Heinrich Schürrle und Hans Traut im August 1936. Weil Schürrle nach eigenen Angaben durch Vorbereitung seines Latinums keine Zeit zur Ableistung der erforderlichen Sportpunkte gefunden hatte, hatte sein Kommilitone unter dem Namen des Säumigen stellvertretend die Übungsstunde im HfL besucht, die mit Ableistung der SA-Sportabzeichenprüfung zusammengefallen war. Wiederholte Fragen nach seiner Identität beantwortete er mit Vorlage einer auf den Namen Schürrle ausgestellten Straßenbahnkarte. Wenige Tage später legte er jedoch vor dem zuständigen Übungsleiter ein Geständnis ab. Das veranlasste den Direktor des HfL München zu einem Bericht an den Rektor der Universität, der ein Disziplinarverfahren gegen die beiden Männer einleitete. Weil letztere sich jedoch äußerst reumütig und geständig zeigten und Schürrle zudem bekundete, er habe aus der Täuschung keine Vorteile für die Sportprüfung ziehen, sondern lediglich seine Anwesenheit bekunden wollen, beließ es Leopold Kölbl bei einer ernstlichen Verwarnung.320
318 Schriftliche Auskunft von Dr. Timm Weski vom 18.6.2005. 319 Interview mit Elisabeth K. vom 26.6. und 9.7.2005. 320 Vgl. UAM, D-XIV-31 Band 6. Zum Ende 1933 gestifteten und im Februar 1935 mit Ergänzungen versehenen SA-Sportabzeichen vgl. Buss, 249 f.: „Das SA-Sportabzeichen war […] ähnlich wie die gesamte Wehr- und Geländesportschulung eine Vielseitigkeitsauszeichnung, bei der gezielt wehrertüchtigende Übungen in den Mittelpunkt gestellt wurden und die somit eindeutig der Vorbereitung auf einen späteren Wehrdienst bzw. der Erhaltung der Wehrkraft diente.“ Ebd., 250. Konsequenterweise wurde es am 19. Januar 1939 von Hitler in „SA-Wehrabzeichen“ umbenannt.
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Während die vorübergehende Täuschung in diesem Fall durch einen falschen Ausweis ermöglicht wurde, wirkten auch nachgiebige Kontrollen wie die Prüfung des Pflichtenheftes einer regelmäßigen Teilnahme der Frauen entgegen und förderten im Umkehrschluss deren Abwesenheit. „Noch etwas wurde offiziell verlangt, drei Semester Sport, wonach man eine bestimmte Punktzahl erreichen mußte (sonst wäre man auch für die Kunst untauglich gewesen). Diese Sportstunden sind mir in grauslicher Erinnerung: Winters im Dunkeln zum Maßmannplatz in aller Früh, hungrig, kalt, auch die Turnhalle kalt. Im Sommer sollte ich in der Mittagshitze mehrere Runden drehen, Schnell- oder Dauerlauf, ich weiß nicht mehr; jedenfalls wurde ich ohnmächtig, und dann brauchte ich nicht mehr hin, und dann hat niemand mehr nach meinen Punkten gefragt.“321 Inwieweit die ehemalige Studentin der Akademie der Bildenden Künste die erforderliche Mindestzahl von 150 Punkten zum Weiterstudium im 4. Semester eventuell schon erreicht hatte und deshalb nicht mehr weiter kontrolliert wurde, lässt sich allerdings nicht nachprüfen. Fest steht dagegen, dass „besonders im 3. Semester viele Teilnehmer auf Grund ihrer guten Leistung während der 2 vorangegangenen Semester schon nahe an die zur Ausstellung der Grundkarte (erfüllte Sportpflicht) notwendige Mindestpunktzahl von 150 herangekommen waren und deshalb auf besonders gute Leistungen im letzten Semester verzichten konnten“322, weshalb etwa im Wintersemester 1937/38 nach offiziellen Angaben nur 87 % der Studenten und 71 % der Studentinnen die in den letzten Wochen des Studienhalbjahres abgenommenen Leistungsprüfungen für den Pflichtsport bestanden hatten. Diese Aussage stützt die These, wonach man versuchte, sich der sportlichen Indienstnahme schnell zu entledigen. Hinweise, dass die Unterschreitung der Mindestleistungen an der LMU zum Ausschluss vom Studium geführt hätte, fehlen hier jedoch ebenso wie bei den Untersuchungen Steffen-Korflürs zum Frauenstudium im Dritten Reich.
321 Marianne Lüdicke: Erinnerungen. Prien 1998, 58. Vgl. auch Interview mit Lisa P. vom 10.5.2005: „Aber dann hat kein Mensch das kontrolliert. Also da ist man dann weggeblieben.“ 322 BayHStA, MK 40312. Bericht des Hochschulinstituts für Leibesübungen München über die akademischen Leibesübungen an den Münchener Hochschulen im Winterhalbjahr 1937/38 vom 18.8.1938.
3.1 Pflichtsport
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Abb. 25: Befreiung vom Pflichtsport, attestiert auf der Grundkarte
Nach der HSO konnten teilweise oder vollständige Befreiungen vom Pflichtsport grundsätzlich bei gesundheitlichen Beeinträchtigungen aufgrund eines sportärztlichen Zeugnisses durch den Direktor des IfL, in anderweitigen besonderen Fällen nach Anhörung des Letztgenannten durch den Rektor der Hochschule erfolgen: „Irgendwie muss ich aber dann krank geworden sein oder das Bein oder
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was verletzt haben. Die allerletzten Punkte, habe ich dann gesagt, ich kann das vom Sportarzt aus nicht machen, das ist also dann akzeptiert worden.“323 Laut Steffen-Korflür machten viele Studentinnen von der Möglichkeit Gebrauch, sich von der Teilnahme am Sport durch Vorlage ärztlicher Atteste dispensieren zu lassen. Insbesondere den oftmals aus Ärztefamilien stammenden Medizinstudentinnen hätten sich zahlreiche Optionen eröffnet, die Sportstunden aufgrund faktischer bzw. aus Gefälligkeit attestierter gesundheitlicher Einschränkungen zu umgehen324 – eine These, die sich durch Zeitzeugenaussagen von ehemaligen Münchner Studentinnen stützen lässt: „Genauso, wie man die ersten drei Semester seine Sportpunkte erwerben musste, mens sana in corpore sano. Und wenn man die nicht beigebracht hat, dann hätte man auch nicht weiterstudieren dürfen, was ja auch ein Gesichtspunkt ist, nicht. Warum soll ich nicht studieren, wenn ich nicht so hoch springen kann wie vorgeschrieben ist usw. […] An einem habe ich mich gedrückt im mittleren Semester und habe mir ein ärztliches Zeugnis beschafft. Und das erste und das dritte habe ich gemacht.“325 Kontinuierliche und genaue Statistiken über die Anzahl der Befreiungen liegen allerdings nicht vor. Einzig der Bericht des HfL über die akademischen Leibesübungen an den Münchner Hochschulen vom Wintersemester 1935/36 und Sommersemester 1936 kommt zu dem Schluss, dass gesundheitlich bedingte Befreiungen in unverhältnismäßig großer Anzahl ausgesprochen werden mussten.326 Der nachfolgende Leistungsreport beziffert die Menge erstmals mit 34 Studentinnen, was immerhin knapp 9 % und damit nahezu jeder zehnten, vom HfL betreuten Studentin entsprach. Da dieses Ergebnis jedoch auf eine größere Zahl von Skiunfällen zurückzuführen war, kann davon ausgegangen werden, dass es sich lediglich um zeitlich bedingte Genesungsphasen handelte.327 Insgesamt muss gesagt werden, dass Befreiungen nach Maßgabe des REM aufs Äußerste zu begrenzen waren, weshalb jüngere, unverheiratete Studenten „nur
323 Interview mit Dr. Helmtrud G. vom 18.7.2005. 324 Vgl. Steffen-Korflür, 214 f. 325 Interview mit Annemarie L. vom 11.4.2005. 326 Vgl. BayHStA, MK 40310. Bericht des Hochschulinstitutes für Leibesübungen München über die akademischen Leibesübungen an den Münchener Hochschulen im Winterhalbjahr 1937/38 vom 18.8.1938. 327 Vgl. ebd. Bericht des Hochschulinstitutes für Leibesübungen München über die akademischen Leibesübungen an den Münchener Hochschulen im Winterhalbjahr 1935/36 u. Sommerhalbjahr 1936 vom 11.7.1936. Acht Teilnehmer wurden vom Rektor der LMU von ihrer Sportpflicht entbunden. Vgl. ebd.
3.1 Pflichtsport
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in ganz besonderen Ausnahmefällen“328 dauerhaft und endgültig von der Sportpflicht ausgenommen wurden. Eine dauerhafte Befreiung war nur bei höherem Lebensalter möglich, wenn der Studierende verheiratet war oder durch eigene Arbeit wesentlich zum Unterhalt unmittelbarer Angehöriger beitrug. Besonders für mittellose Studentinnen wie die angehende Medizinerin Anna Elisabeth Ferst erschwerte diese Verordnung ein konzentriertes und zügiges Studium. Aufgrund besonderer Familienverhältnisse suchte sie im Oktober 1937 erfolglos um Erlass des Pflichtsportes nach: „Mein Vater […] ist 68, meine Mutter beinahe 70 Jahre alt. Infolge ihres vorgerückten Alters ist meine Mutter nicht mehr so rüstig, daß sie die Hausarbeit alleine verrichten kann. Es kommt hinzu, daß meine beiden Brüder, die in ihrer Assessorenzeit stehen, in der elterlichen Familie leben. Dadurch erwächst meiner Mutter ein Arbeitsaufwand, dem sie allein nicht mehr gewachsen ist; ich mußte sie schon bisher in der Hauswirtschaft unterstützen. Fremde Haushaltshilfe kommt für uns aus finanziellen Gründen nicht in Frage. Außerdem möchte ich noch anführen, daß ich dieses Semester 34 Wochenstunden belegen werde. Weniger zu hören ist mir nicht möglich, da ich infolge des Alters meiner Eltern und infolge der finanziellen Schwierigkeiten gezwungen bin, in möglichst kurzer Zeit mein Studium zu beenden.“329 Aufgrund der restriktiven Bestimmungen schlagen sich entsprechende Gesuche von LMU-Studentinnen in den Quellen nur vereinzelt nieder und waren dann primär wirtschaftlich begründet. Dennoch führten etwa Vertreter des Reichs erziehungsministeriums bei einer Tagung der Direktoren der Hochschulinstitute „lebhaft Klage über die zu zahlreichen Befreiungen“330, was auch den Direktor des Münchner HfL grundsätzlich zu einer gewissen Zurückhaltung gegenüber positiven Bescheiden zwang. In den wenigen Fällen, bei denen sich sowohl das IfL als auch das Rektorat der LMU zu Ausnahmen bereit erklärten, wurde der Pflichtsport lediglich gestundet oder auf ein Mindestmaß beschränkt.331
328 UAM, P-II-36 Band 2. Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus an den Herrn Rektor der Universität vom 13.5.1936. Hervorhebung im Original. 329 UAM, P-II-36 Band 4. Anna Elisabeth Ferst an das Rektorat der Universität München vom 21.10.1937. 330 Ebd. Hochschulinstitut für Leibesübungen an den Herrn Rektor der Universität München vom 20.4.1937. 331 Studenten bis einschließlich Jahrgang 1914, die 1934/35 freiwillig den erstmalig eingeführten Heeresdienst abgeleistet hatten, konnten ein bis zwei Semester auf die Grundausbildung angerechnet werden. Vgl. UAM, P-II-36 Band 4. Hochschulinstitut für Leibesübungen an den Herrn Rektor der Ludwig-Maximilians-Universität vom 28.12.1936. Olympiakandidaten konnten auf Antrag des Reichssportführers vom Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und
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So unterstützte das IfL bspw. im November 1935 das Gesuch einer Volkswirtschaftsstudentin auf vorläufige Befreiung von den pflichtmäßigen Leibesübungen. Als Begründung hatte die junge Frau angegeben, aus finanzieller Notwendigkeit heraus eine Stelle als Sekretärin angetreten zu haben, ohne welche niemals an ein Studium zu denken gewesen sei. „Entgegenkommenderweise gestatteten mir meine Chefs, dass ich, auch im Interesse meiner besonderen Berufsausbildung, mit dem Studium beginne. […] So wie es mir meine Zeit einigermassen gestattet, besuche ich die vorgeschriebene Mindestzahl der Vorlesungen und kann sogar ausnahmsweise auch 1 Stunde am Vormittag weg, wenn ich dafür das Versäumte anderweitig einhole. Nun muss ich Sie bitten, mir meine sportlichen Pflichten zu erlassen. Sie werden verstehen, dass ich als Berufstätige ohnehin schon sehr in Anspruch genommen bin und meine wenige Freizeit möchte ich ganz dem Studium widmen, da sich sonst die hohen Studienkosten nicht rentieren.“332 Wenngleich die Entscheidung des Rektors nicht überliefert ist, war zumindest das HfL damit einverstanden, dem Antrag stattzugeben. Die versäumten Stunden mussten dennoch während des vierten Semesters nachgeholt werden, eine weitere Verschiebung der Sportpflicht des zweiten und dritten Studienhalbjahres auf höhere Semester fand keine Zustimmung.333 Auch während des Krieges war die „sportliche Ertüchtigung der studierenden Jugend […] von größter Bedeutung“334, wurde gerade „auf die körperliche Ertüchtigung der Studenten ein ganz besonderer Wert gelegt“335. Allerdings kam es allein dadurch zu Beeinträchtigungen im Pflichtsportbetrieb, dass nahezu sämtliche männliche Lehrkräfte, einschließlich des Direktors des HfL, zur Wehrmacht einberufen worden waren. Die Studierenden sahen sich neben den o. g. finanziellen Schwierigkeiten nun primär noch mit dem Problem eingeschränk-
Volksbildung von der Grundausbildung befreit werden. Vgl. Hochschulsportordnung. In: DWEV. Jahrgang 1. Heft 1. Berlin 1935, 7. 332 UAM, P-II-36 Band 4. Rosemarie Schlink an das Hochschulinstitut für Leibesübungen vom 26.11.1935. 333 Vgl. ebd. Hochschulinstitut für Leibesübungen an den Herrn Rektor der Ludwig-Maximilians-Universität vom 3.12.1935. 334 UAM, P-II-46 Band 2. Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus an den Herrn Rektor der Universität München vom 17.5.1940. 335 Ebd. [Julius] Dörfler [sic!] an den Herrn Rektor der Universität München vom 19.3.1940. Vgl. dazu auch Harald Oelrich: „Sportgeltung – Weltgeltung“. Sport im Spannungsfeld der deutschitalienischen Außenpolitik von 1918 bis 1945. Münster 2003, 566, künftig zitiert als Oelrich: „Der Sport war nach Kriegsbeginn nicht von einschneidenden Maßnahmen betroffen. Im Gegenteil, die Reichsstudentenführung legte gerade aufgrund der militärischen Anforderungen, welche in absehbarer Zeit auf die Studenten zukamen, verstärkt Wert auf eine intensive körperliche Ausbildung.“
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ter bzw. erschwerter Verkehrsverbindungen konfrontiert. Dieser Umstand veranlasste das HfL zu flexibleren Übungszeiten, um die Pflichtteilnahme nach Anordnung des REM einigermaßen reibungslos beibehalten zu können.336 Im Juni 1940 ordnete das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus an, dass künftig der Mittwochnachmittag ab 14 Uhr von sämtlichen Übungen und Vorlesungen freizuhalten sei, um einen geregelten Sportbetrieb durchzuführen sowie die Arbeit der Kameradschaften und ANSt-Gruppen zu ermöglichen.337 Mit Fortschreiten des Krieges und zunehmender Bombardierung wurde auch diese Regelung hinfällig. Im Dezember 1943 teilte Rektor Walther Wüst den Dekanen der Universität München mit, dass der Mittwochnachmittag nicht mehr freigehalten werden müsse und keine Vorlesungen im Hauptgebäude nach 17 Uhr stattfinden sollten.338 Während der Betrieb in Erlangen und Würzburg im Krieg nahezu vollständig eingestellt, das HfL Würzburg im Wintersemester 1939/40 geschlossen und der Pflichtsport in Erlangen bereits ab dem Wintersemester 1938/39 aufgrund Beschlagnahme der Institutsräume notdürftig auf Fußball, Handball sowie auf Geländelauf reduziert wurde, führte man den Studentinnensport in München weiter. Selbst der im Wintersemester 1934/35 aufgenommene Segelflugbetrieb konnte behelfsmäßig fortgesetzt werden, während man etwa die Planungen von Sportstätten bereits am 2. Oktober 1942 stilllegte.339 Bis in die ersten Kriegsjahre wurden dagegen an zahlreichen Hochschulen noch Sportfeste unter Beteiligung der Studentinnen durchgeführt. Im Juli 1941 versammelten sich bspw. in Darmstadt rund 1000 Teilnehmerinnen bei den von der RSF durchgeführten Reichswettkämpfen der Studierenden. Hatten diese bislang jeden Sommer zusammen mit den Kommilitonen stattgefunden, waren sie infolge der kriegsbedingten Verhältnisse nun auf die weiblichen Studierenden beschränkt worden, da die Studenten an der Front standen.340 Umrahmt wurden
336 Vgl. UAM, P-II-36 Band 4. Hochschulinstitut für Leibesübungen an den Herrn Rektor der Universität München vom 21.11.1939. 337 Vgl. P-II-46 Band 2. Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus an die Herren Rektoren der Universität München und der Technischen Hochschule München […] vom 25.6.1940 sowie ebd. [Kurt] Schmelzer an den Herrn Rektor der Universität München vom 12.5.1941. 338 Vgl. ebd. Kanzlei A an die Herren Dekane vom 4.12.1943. 339 Vgl. Krombholz, 474, 519. In Erlangen waren die entsprechenden Räume aufgrund einer Kraftfahrzeugbeschaffungskommission sowie durch Einlagerung von 10.000 Zentnern Getreide durch die BayWa beschlagnahmt worden. Dieser Zustand änderte sich auch im Krieg nicht. Vgl. Krombholz, 529. 340 Vgl. Oelrich, 573, sowie UAM, P-II-74 Band 1. Der Reichsminister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung an die nachgeordneten preußischen und Reichsdienststellen der Wissenschaftsverwaltung mit Hochschulinstituten für Leibesübungen, die Herren Direktoren der Hochschulinstitute für Leibesübungen vom 19.6.1941. Die Reichswettkämpfe gingen auf die
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die Kämpfe weitgehend von kulturellen Veranstaltungen. Zudem nahmen verschiedene ausländische Studentinnenabordnungen aus 14 Nationen teil: „Die Gemeinsamkeit der Veranstaltung barg aber keine Gleichstellung der grundsätzlichen Auffassung vom Wesen der Leibesübungen für Frauen und Männer in sich. Man wußte vielmehr immer um die Verschiedenheit des fraulichen und des männlichen Leibeserziehungsideals, die der Führer einmal auf die Formel gebracht hat: ‚Wir müssen mutige Männer und anmutige Frauen erziehen.‘ […] In diesem Jahr gebot der Krieg, die Reichswettkämpfe der Studenten ausfallen zu lassen. Die Studentinnen traten allein zu ihren Meisterschaften an. Das war Grund genug, sich noch mehr als bisher auf das weibliche Leibeserziehungsideal zu besinnen, seine Merkmale besonders herauszustellen“. Gemäß dieser Prämisse urteilte etwa DB über die deutsche Meisterin im Speerwerfen: „Hier ist zunächst der Rekord-Speerwurf der Münchener Studentin Inge Plank zu nennen, die mit 45,90 Meter eine neue Jahresweltbestleistung für 1941 aufstellte. Noch viel mehr als dieser eine Wurf wiegt aber die Tatsache, daß alle Würfe von Inge Plank gleichmäßig gut und weit waren und daß sie mehrere Male mit vollendeter Leichtigkeit und nicht mit verzerrtem Kampfausdruck im Gesicht die 45-Meter-Grenze überwarf“341; ihre Kommilitonin, Oda Wick, belegte in der Leichtathletik den dritten Platz beim Diskurswerfen, eine weitere LMU-Angehörige den vierten beim 80-Meter-Hürdenlauf.342 Die Ergebnisse führten dazu, dass auch den Studentinnen künftig eigene Veranstaltungen und Reichswettkämpfe zuerkannt werden sollten, um derartige Leistungen noch besser herausstellen zu können. Sowohl Reichserziehungsminister Rust als auch Reichsstudentenführer Scheel verkündeten daher, in Zukunft alljährlich eigene Sonderveranstaltungen für die Frauen stattfinden zu lassen; inwieweit dieses Vorhaben mit Voranschreiten des Zweiten Weltkrieges umgesetzt wurde, lässt sich an dieser Stelle nicht weiter verfolgen. Nach Oelrich wurden die anlässlich der Sportveranstaltungen für deutsche Studentinnen im Juli angekündigten internationalen Wettbewerbe
bereits am 30. Oktober 1934 in Preußen in Kraft getretene HSO zurück (Abschnitt III, A IV 2). Vgl. ebd. sowie den entsprechenden Abschnitt der im Sommersemester 1935 für die bayerischen Hoch- und Fachschulen übernommenen Hochschulsportordnung. In: DWEV. Jahrgang 1. Heft 1. Berlin 1935, 9: „Als Hauptveranstaltung („Deutsche Hochschulmeisterschaft“) gilt die am Ende des Sommersemesters auszutragende Meisterschaft in Leichtathletik und Schwimmen.“ 341 Alle Zitate nach Mutige Männer – anmutige Frauen! In: DB vom 30.7.1941, hier nach http:// www.izwtalt.uni-wuppertal.de/sites/default/files/files/Forschung/Rammer/Wolff/Wolff_mutige_ Maenner-anmutige_Frauen.pdf vom 11.5.2014. 342 Vgl. Glanzvoller Verlauf der Studentinnen-Reichswettkämpfe. In: VB vom 28.7.1941, hier nach UAM, P-II-74 Band 1.
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in Basketball, Handball und Hockey wegen der Kriegsereignisse nicht mehr umgesetzt.343 Noch 1941, d. h. sechs Jahre nach Übernahme der HSO, gab eine Mitarbeiterin der sportärztlichen Untersuchungsstelle der Universität Berlin an, die Durchführung des Pflichtsportes stoße zunehmend auf Schwierigkeiten. Die Mehrheit der Studentinnen sei im Durchschnitt körperlich schlecht ausgebildet und stünde dem Sport ablehnend gegenüber. Weibliche Zweit- und Drittsemester seien, so Dr. med. habil. Auguste Hoffmann, gar zu ihr gekommen und hätten angegeben, nichts von der sportlichen Indienstnahme gewusst zu haben. „In welchem numerischen Verhältnis die Gruppe der dem Sport ablehnend gegenüberstehenden Studentinnen zu der Gruppe jener Frauen stand, ‚die bei sehr ungünstigen körperlichen Anlagen sich rührend und unermüdlich abmühen und die geforderten Leistungen dann doch nicht ganz erreichen‘, geht indessen weder aus Hoffmanns Ausführung noch aus sonstigen verfügbaren Dokumenten hervor.“344 Fest steht jedoch, dass sich die Hauptamtsleiterin VI der Universität München schon fünf Jahre zuvor, im Februar 1936, für zwei Wochenstunden Sport über sechs Semester hinweg ausgesprochen hatte: „4 Stunden Sport in der Woche sind neben den anderen Verpflichtungen (Frauendienst, A. N. St.) der Studentinnen eine sehr grosse Belastung. Es ist auch sicherlich besser für die Studentinnen, wenn sie länger Sport treiben.“345 Auch der Jahreslagebericht des Sicherheitsdienstes der SS von 1938 musste feststellen, dass die körperliche Ertüchtigung bei einem Großteil der Studenten als Belastung galt.346 Insgesamt lässt sich sagen, dass der Sportbetrieb bei den Münchner Studentinnen auf geteilte Meinungen stieß. Während die einen „nicht sehr beeindruckt“347 davon waren und andere sich „in der Zeit“348 gestört fühlten, gab es durchaus gegenteilige, positive Stimmen: „Ich habe es nicht als Pflichtsport empfunden, weil ich gerne Sport getrieben habe. Ich weiß, dass ich anfangen wollte zu fechten. Und irgendwo habe ich mal Handball gespielt.“349 Bei den Befragten bestand somit eine Diskrepanz im subjektiven Empfinden, wie sie bereits die Hauptamtsleiterin der Universität Bonn und ehemalige ANSt-Schulungsleiterin der TH München in ihrem Arbeitsbericht über das Wintersemester
343 Vgl. Oelrich, 573. 344 Steffen-Korflür, 220. Vgl. dazu auch Manns, 240. 345 BArch, RSF II* 535 (a 434). Hauptamtsleiterin VI an das Hauptamt VI der Deutschen Studentenschaft vom 26.2.1936. 346 Vgl. Boberach 2, 142. 347 Interview mit Dr. Isolde D. vom 30.6.2005. 348 Interview mit Dr. Berta R. vom 23.4.2005. 349 Interview mit Dr. Brigitte Maria K. vom 19.7.2005.
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1935/36 beschrieben hatte: „Es ist halt wie bei allem, die Mädels, die Freude am Sport haben, machen ihn gern und treiben womöglich neben der Grundausbildung noch freiwilligen Sport, ich kenne eine ganze Reihe, die dies tun. Diejenigen natürlich, für die der Sport ein lästiger Zwang ist, geben ihrem Zorn dadurch Ausdruck, dass sie sagen, man sei für alles andre zu müde und vollkommen überlastet.“350 Im Vergleich zur sonstigen Beanspruchung durch Schulungen, Fachvorträge o. ä. wurde der Pflichtsport aber generell als weniger bzw. gar nicht belastend empfunden und stieß – wie in Frankfurt – mitunter sogar auf Zustimmung: „(E)in bisschen Sport haben wir ja gerne gemacht, ja. Also wir sind nicht ungern in diese Sportveranstaltungen gegangen. Nur es durften hinterher nicht immer noch Vorträge sein“351 – eine Aussage, die sich in ähnlicher Form in einem anderen Zeitzeugeninterview wiederholt: „Ja, also ich meine, ich hab’s ja immer gern mit Sport gehabt […] als zu irgendwelchen […] Veranstaltungen. Wenn, dann war es gleich wieder eine Pflicht-NS-Veranstaltung, wo’s hingehen musst oder wo man sagen konnte: Na ja, gehen wir mal nicht. Das ist bloß wieder NS, ein Vortrag oder was, wo man nix hat davon.“352 Nach Steffen-Korflür wurden alle am Pflichtsport oder den besonderen ANStSportveranstaltungen Beteiligten „objektiv belastet und in ihrer Konzentration auf die fachlichen Aspekte des Studiums beeinträchtigt.“ Aufgrund des scheinbar unpolitischen und von Weltanschauungen freien Charakters des Sportes sei es kaum einer Studentin in den Sinn gekommen, sich dieser Verpflichtung aus „im weitesten Sinne ‚politisch‘ motivierten Gründen zu widersetzen.“353 Dabei übersieht die Historikerin allerdings, dass die körperliche Ausbildung und Ertüchtigung im NS erheblich aufgewertet worden war. Diejenigen Frauen, die nach 1936 an die Hochschulen kamen und nicht nur in der Schule, sondern auch während ihrer Pflichtmitgliedschaft beim BDM den Sport als Erziehungsinstrument erlebt hatten, empfanden die studentische Inanspruchnahme aufgrund ihrer Sozialisation nicht mehr als ungewöhnlich: „Das war selbstverständlich. Wir waren es schon gewöhnt. Wir waren Befehlsempfänger von früh bis nachts. Denn selbst an der Schule mussten die, die also nicht in die Hitlerjugend, in den BDM gingen, [da mussten/P. U.] die Eltern erklären, warum nicht usw. Und das konnte sehr schädlich sein für den Beruf des Vaters oder so. […] Und man war von da schon
350 BArch, RSF II* 535 (a 434). Bericht über die Arbeit des Hauptamtes VI der D. St. Bonn im W. S. 1935/36. 351 Interview mit Dr. Marianne W. vom 29.4.2005. Zu Frankfurt vgl. Stuchlik, 69. 352 Interview mit Elisabeth Ka. vom 2.7.2005. 353 Alle Zitate nach Steffen-Korflür, 222.
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gewöhnt, dass man jede Woche einmal Dienst hat […]. Also erstaunt hat uns gar nichts mehr. Wir waren in dem Drill so drin.“354 Dieser Drill und damit der Sportbetrieb nahm die LMU-Studentinnen noch wenige Monate vor Kriegsende in Anspruch. In München erging Mitte März 1943 eine Einladung des HfL zum Semester-Schlussturnen der Pflichtsportstudentinnen und der Sportlehrerinnenausbildung. Die eineinhalbstündigen Vorführungen (Laufen und Federn, Schwingen, Hüpfen bzw. Reifen- und Schleuderballgymnastik, Turnen am Stufenbarren, Bodenturnen, Volkstanz) wurden zu Gunsten des WHW gezeigt.355 Ähnlich gestaltete sich die Aufrechterhaltung des Lehrbetriebs in Hamburg, wo die Studentinnen noch bis in die letzten Kriegsjahre hinein Gausportwettkämpfe zu Semesterende veranstalteten, zum letzten Mal nachweisbar für Juli 1944.356 Für das Sommersemester 1944 mit Übungsbeginn am 2. Mai sah der Pflichtsport für die hiesigen Studentinnen des ersten und zweiten Semesters Leichtathletik, für die des dritten Semesters Schwimmen oder Mannschaftsspiel vor. Die Grundkarte sollte erst ausgestellt werden, wenn der Nachweis über das Schwimmen sowie über zusätzlichen ANSt-Sport erbracht worden war. Bei einer achtmaligen Teilnahme an der entsprechenden Übungsart galt die Sportpflicht als erfüllt; soweit erforderlich mussten in der Prüfung mindestens acht Punkte erreicht werden. Der freiwillige Sportbetrieb konnte dagegen nur bei einer ausreichenden Beteiligung durchgeführt werden und umfasste für die weiblichen Studierenden Deutsche Gymnastik, Leichtathletik, Schwimmen, Basketball, Hockey, Geräteturnen sowie Florettfechten über die ANSt-Gruppen.357 Erst im Juli 1944 stellte man den Unterrichts- und Sportbetrieb mit Zustimmung des Kultusministeriums aufgrund massiver Fliegerschäden am HfL bis auf weiteres ein, nachdem der erste von sechs Luftangriffen das Institut bereits Anfang Oktober 1943 getroffen hatte.358 Bei der Wiedereröffnung der Hochschulen im Jahr 1946 war der Hochschulsport – so Goossens – zunächst noch nicht gestattet.359
354 Interview mit Annemarie L. vom 11.4.2005. 355 Vgl. UAM, P-II-37. Einladung des Hochschulinstituts für Leibesübungen vom 15.3.1943. 356 Vgl. Michael Joho: Hochschulsport und Sportwissenschaft an der Hamburger Universität in der Zeit des Nationalsozialismus. In: Eckart Krause/Ludwig Huber/Holger Fischer (Hgg.): Hochschulalltag im „Dritten Reich“. Die Hamburger Universität 1933–1945. Teil I: Einleitung. Allgemeine Aspekte. Berlin, Hamburg 1991, 292. 357 Vgl. UAM, Immatr. 147/1, 1941–44. Merkblatt über die Leibesübungen im Sommer-Semester 1944. 358 Vgl. BayHStA, MK 40319. Hochschulinstitut für Leibesübungen an das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus vom 27.7.1944, Krombholz, 503. 359 Vgl. Goossens, 74. Bereits 1947 seien jedoch, so der Autor, wieder Hochschulmeisterschaften der Zonen durchgeführt worden.
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3.2 Frauendienst Nachdem schon im Mai 1934 eine deutliche Revision und damit eine Reduzierung des Frauendienstes nach Maßgabe des H VI der DSt stattgefunden hatte360, brachte die nur zehn Monate später erlassene Neuordnung lediglich marginale Veränderungen mit sich. Laut Arbeitsplan vom März 1935 hatten die Studentinnen im ersten (Ableistung der drei Grundkurse oder sofortige Intensivausbildung) und zweiten Semester (Intensivausbildung, wo noch nicht vorhanden) pflichtmäßig zwei Wochenstunden zu belegen. Die fakultative Basis hatte sich damit wieder um ein Studienhalbjahr nach hinten verschoben. Erst die weiblichen Drittsemester konnten sich fortan freiwillig auf einem der drei Gebiete Sanitätskurs, Luftschutz oder Nachrichtenwesen weiter betätigen, waren dann aber zur Arbeit in den Organisationen verpflichtet, in denen sie die Abschlussprüfung ihrer Intensivausbildung abgelegt hatten.361 Ab dem vierten Semester beruhte die Beteiligung vollständig auf der Entscheidung jeder Einzelnen. Damit war offenbar auch die nur kurze Zeit vorher ergangene Anweisung Gisela Rothes hinfällig geworden, alle Studentinnen bis zum achten Semester zur Beteiligung an einem Fortbildungslehrgang heranzuziehen. Im Oktober 1935 wurde die Frauendienstarbeit erneut in einigen Punkten geändert, um sie „allgemein den Erfordernissen der Zeit noch enger“362 anzupassen, eine Anspielung auf das „Gesetz für den Aufbau der Wehrmacht“363 vom 16. März 1935. Vor diesem Hintergrund hätten die NS-Studentinnen, laut Manns, besonders das am 21. Mai 1935 erscheinende „Wehrgesetz“ begrüßt, welches im Abschnitt I (§ 1, Abs. 3) jeden Deutschen beiderlei Geschlechts zur Dienstleistung für das Vaterland verpflichtete. Dieser Paragraph stieß auf breite Genugtuung, da sich aus ihm interpretieren ließ, dass Männer und Frauen im Kriegsfall für den restlosen Einsatz geschult bzw. bereit sein mussten, d. h. gleiche Rechte und Pflichten besaßen.364 Dementsprechend wies man etwa die speziell auf dem Gebiet des Luftschutzes gründlich ausgebildeten Studentinnen explizit darauf hin, sich auch nach Abschluss ihrer Ausbildung den örtlichen Untergliederungen des Reichsluftschutzbundes zum praktischen Einsatz (Hauswart, Laienhelferin etc.) bzw. zu
360 Vgl. Kapitel IV, 1.2 Frauendienst. 361 Vgl. BArch, NS 38/I* 80g 43/1. Die Deutsche Studentenschaft. Hauptamt f. Studentinnen. Rundschreiben VI/H 6/1935 vom 1.3.1935. 362 BArch, NS 38/I* 80g 43/2. Die Deutsche Studentenschaft. Hauptamt VI. Amt für Frauendienst vom 29.10.1935. 363 RGBl. Teil I. Nr. 28. Berlin 1935, 375. 364 Vgl. Manns, 246.
3.2 Frauendienst
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Ausbildungs- und Organisationstätigkeiten zur Verfügung zu stellen. Auch im Nachrichtenwesen hatte sich, so ein Rundschreiben des Amtes für Frauendienst vom Oktober 1935, die Notwendigkeit ergeben, die bislang mit männlichem Personal besetzten Stellen oder hauptamtlich von Frauen ausgeführten Tätigkeiten mit Laienkräften zu besetzen. Unverändert blieb dagegen die Grundausbildung in Erster Hilfe, wenngleich die Meldung zur Samariterinnenausbildung ausnahmslos von Parteiangehörigen (BDM, ANSt) erfolgten durfte: „Die enge Verbindung des Roten Kreuzes mit der Wehrmacht und die Verantwortung, die ihm von der Partei für den Ausbau der Organisation weiblicher Hilfskräfte übertragen worden ist, machen es erforderlich, dass der Nachwuchs des RK [Roten Kreuzes/P. U.] nur von Menschen gestellt wird, deren nationalsozialistische Haltung gewährleistet ist.“365 Sei es aus sachlichem Interesse, sei es aufgrund der Überlegung, dass „die „freiwillige“ Weiterarbeit im „Frauendienst“ eine mit dem geringsten Aufwand verbundene symbolische Loyalitätsbekundung darstelle, oder sei es aufgrund der Furcht vor Sanktionen“366: Ende 1937 hatten von 8247 Studentinnen an allen deutschen Fach- und Hochschulen 2687 in Erster Hilfe, 779 im Luftschutz und 420 im Nachrichtenwesen, d. h. insgesamt rund 45 %, eine Weiterbildung absolviert und sich über das Mindestmaß hinaus auf einen möglichen Ernstfall vorbereiten lassen. Für Pauwels erklärt sich die Erste Hilfe als eindeutig favorisiertes Tätigkeitsgebiet aus der Tatsache, dass etwa ein Zertifikat wie das der Schwesternhelferin Teilzeitbeschäftigungen eröffnete und zukünftige Berufsaussichten verbesserte bzw. förderte.367 Die Zahl der weiblichen Studierenden, die in den Frauendienstkursen nützliche Kenntnisse und Fähigkeiten für ihr Alltagsleben erwerben wollten, überwog damit die Gruppe derjenigen, die sich im Rahmen der Luftschutz- oder Nachrichtendienstausbildung bewusst auf einen möglichen Einsatz im Ernstfall vorbereiteten. Die Interviews von Dageförde bestätigen dieses Ergebnis: „Eine Frau, die ihre kranke Mutter pflegte, erlebte vor allem die ErsteHilfe-Ausbildung als gute Fundierung ihrer Betreuungstätigkeit. Eine andere gab an, daß die Ausbildung zur Helferin ihr in ihrem angestrebten Beruf als Lehrerin gute Dienste bei Klassenfahrten und Wanderungen geleistet habe.“368
365 BArch, NS 38/I* 80g 43/2. Die Deutsche Studentenschaft. Hauptamt VI. Amt für Frauendienst vom 29.10.1935. Lediglich Studentinnen, die am 11.10.1935 bereits mit einer Samariterinnen-Ausbildung begonnen hatten, fielen nicht unter diese Regelung. Vgl. ebd. 366 Steffen-Korflür, 210. 367 Vgl. Pauwels, 90. 368 Dageförde, 161.
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Grundsätzlich wurde die Arbeit im Frauendienst seit Mitte der 1930er Jahre wesentlich durch eine kontinuierlich anwachsende Zahl von Studienanfängerinnen begünstigt, die schon beim BDM oder Arbeitsdienst Grundkurse in Erster Hilfe oder Luftschutz belegt hatten: „Dann wollte ich sagen, dass man schon in der Schule, vor der Universität, habe ich immer schon Luftschutzdienst machen müssen. Da war ich schon in der Landesgruppen-Luftschutzschule München. Da habe ich einen Lehrgang machen müssen, schon im BDM als Schüler noch, acht Tage lang. Und dann […], das steht auch im Pflichtenheft, bin ich mehrmals im Luftschutz ausgebildet worden. Damals als Schüler war ich dann Landesgruppen luftschutzhilfslehrerin.“369 Weil ordnungsgemäß mit einer Prüfung abgeschlossene Kurse seit 1937 vom Amt für Studentinnen anerkannt und im Pflichtenheft testiert wurden, konnte sich das Amt für Frauendienst primär auf die Durchführung weiterbildender Veranstaltungen anstelle der Grundschulungen konzentrieren.370 Pauwels spricht indessen sogar davon, der Frauendienst sei aufgrund der Ausbildung in BDM oder Arbeitsdienst während des Krieges lediglich eine fiktive Verpflichtung gewesen.371 Nach Angaben der Diplomvolkswirtin Mathilde Betz, die im Januar 1937 die Nachfolge von Gisela Rothe als Leiterin der Abteilung Frauendienst übernommen hatte372, betrug der Gesamtausbildungsstand im Dezember 1937 für die weiblichen Erstsemester sämtlicher Fach- und Hochschulen etwa 9000, von denen sich ca. 30 % für die freiwillige Weiterarbeit im Deutschen Roten Kreuz, Reichsluftschutzbund oder im Nachrichtenwesen entschieden hätten.373 Steffen-Korflür weist in diesem Zusammenhang jedoch zu Recht darauf hin, dass das von Betz verwandte Attribut „freiwillig“ vollkommen unangebracht gewesen ist und der Einsatz somit keineswegs zu einer „selbstverständlichen Pflicht“374 geworden war, wie es die NS-Presse verkündete. So waren seit Oktober 1936 alle Medizinstudentinnen gezwungen, beim Examen einen Nachweis über ihre Verpflichtung als Schwesternhelferin des Deutschen Roten Kreuzes zu erbringen – ein Erlass des REM, der den kontinuierlichen Zustrom angehender Medizinerinnen und damit
369 Interview mit Catharina B. vom 3.5.2005. 370 Vgl. BArch, RSF II* 515 (a 416). Reichsstudentenführung Archiv. Vereinbarung über die Zusammenarbeit zwischen dem BDM und der ANST. vom 25.2.1937, sowie Steffen-Korflür, 210 f. 371 Pauwels, 109. 372 Vgl. Verordnungsblatt RSF. Nr. 3. München 1937, 22. 373 Vgl. Frauendienst. In: DB vom 14.6.1938. Manns datiert die Zahlen entgegen dem Bericht auf das Frühjahr 1938. Vgl. Manns, 247. 374 Frauendienst. In: Student im Bereich Süd. Beilage der „Bewegung“ für die Gaue: MünchenObb., Schwaben, Bayerische Ostmark, Franken, Mainfranken vom 6.12.1938.
3.2 Frauendienst
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die hohe Beteiligung an den Weiterbildungskursen in Erster Hilfe sicherte.375 Das umfangreiche Ausbildungsprogramm fasst Hendrik van den Bussche wie folgt zusammen: „im ersten Semester: acht Stunden Erste Hilfe; in den darauffolgenden Ferien oder im zweiten Semester: 32 Stunden Samariterinnenausbildung beim Roten Kreuz; im siebten Semester: drei Monate Krankendienst im Krankenhaus mit dem Zeugnis einer Rot-Kreuz-Helferin als Abschluß.“376 Nach dem Physikum hatten die Medizinstudentinnen Aufgaben im Luftschutzsanitätsdienst im Rahmen der Fachschaftsarbeit zu übernehmen. In einem diesbezüglichen Erlass von Oktober 1936 kündigte das REM an, die Luftschutzsanitätsausbildung und -tätigkeit zur Voraussetzung für die Prüfungszulassung zu machen, was in der Bestallungsordnung für Ärzte (BOfÄ) von 1939 (§ 5, Abs. 3) auch geschah. So veröffentlichte das REM am 21. Februar 1939 eine neue Studienordnung für das Studienfach Humanmedizin, die am 1. April des Jahres in Kraft trat. Die gesetzliche Grundlage für diese Ordnung bildete die am 17. Juli 1939 vom Reichsministerium des Innern veröffentlichte BOfÄ. Die neue Ordnung sah „eine einheitliche wehrpolitische und beruflich-praktische Ausbildung“377 vor, weshalb weibliche Medizinstudierende vor Beginn ihres Studiums „einen halbjährigen Krankenpflegedienst“378 nachweisen mussten. Aufgrund dieser Verordnung verzögerte sich die Einschreibung erneut, sofern man nicht – wie bspw. die ehemalige Studentin Ingeborg Q. – vom Arbeitsdienst befreit gewesen war: „Ich habe keinen Arbeitsdienst gemacht, weil ich aus gesundheitlichen Gründen das nicht konnte. Dadurch konnte ich dann nach dem Krankenpflegedienst mich gleich einschreiben.“ Mit anderen Worten: „Ich habe ’39 Abitur gemacht und habe dann ein halbes Jahr Krankenpflegedienst machen müssen“379. Nach Ableistung der sechs Monate wurden die Frauen dem Bereitschaftsdienst des Deutschen Roten Kreuzes oder der HJ zugeteilt, um während des Studiums Einsätze im Luftschutzsanitätsdienst zu übernehmen und „in Notzeiten“ bereits an dem ihnen „in der Landesverteidigung“ zugewiesenen Platz zu stehen, „die junge Medizinerin als
375 Vgl. Steffen-Korflür, 210. 376 Van den Bussche, 80. Vgl. dazu auch UAM, D-XVII-89 Band 1. Ausbildung der weiblichen Medizinstudierenden im Luftschutzsanitätsdienst vom 31.10.1936. 377 Anordnung WF 27/40: Betr.: Arbeitsanweisungen über den Dienst der weiblichen Medizinstudierenden im DRK und im Gesundheitsdienst des BDM (zum § 5 Abs. 3 der Bestallungsordnung für Ärzte vom 17.7.1939). In: Verordnungsblatt RSF. Nr. 10. München 1940, Blatt 26. 378 Interview mit Dr. Anneliese H. vom 21.5.2005. Wie einem Schreiben des Rektors der LMU vom September 1940 zu entnehmen ist, genügte nach einem Runderlass des Reichsministers des Innern vom 11.1.1940 bis auf Weiteres ein dreimonatiger Krankenpflegedienst. Vgl. Rektorat der Universität München an das Staatsministerium für Unterricht und Kultus vom 10.9.1940. 379 Interview mit Dr. Ingeborg Q. vom 27.5.2005.
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Schwesternhelferin, die ältere als Hilfsärztin, jede nach ihrem Alter und ihrem Können.“380 Auch was den Luftschutz betraf, herrschten seit dem Wintersemester 1937/38 schärfere Bedingungen vor, nachdem Reichsstudentenführer Scheel sowie der Präsident des Reichsluftschutzbundes, Generalleutnant von Roques, eine Vereinbarung zur Erfassung und Ausbildung der „Studentin mit Stahlhelm“381 unterzeichnet hatten. Diese waren fortan im ersten Semester zum Besuch eines Lehrgangs in der Allgemein- und in der Fachausbildung der Selbstschutzkräfte verpflichtet und konnten sich – falls sie ihr Wissen auf dem Gebiet des Luftschutzes vertiefen wollten – zum Amtsträger im Reichsluftschutzbund ausbilden lassen.382 Ab Frühjahr 1938 wurden außerdem zum Ausgleichsdienst gemeldete, dauernd arbeitsdienstuntaugliche Studenten und Abiturienten mit Studiumsabsicht in die entsprechende Landesgruppenluftschutzschule überwiesen.383 Knapp ein halbes Jahr nach Kriegsbeginn sowie der überwiegend verspäteten Wiederaufnahme des Lehrbetriebes erfuhr die Frauendienstausbildung an Universitäten und Technischen Hochschulen insgesamt eine Neuordnung: „In einer ernsten, von großen geschichtlichen Ereignissen geprägten Zeit nehmen wir heute unsere Arbeit an den Hochschulen wieder auf. Während deutsche Männer draußen unsere Freiheit und Ehre verteidigen, werden wir unserem Anteil gemäß in der ewigen Tradition deutschen Frauentums die innere Wehrhaftigkeit des deutschen Volkes mit starkem und entschlossenem Willen tragen und unter Beweis stellen“384, so Anna Kottenhoff, Reichs-ANSt-Referentin und Leiterin des Amtes Studentinnen. Der „inneren Wehrhaftigkeit“ gemäß hatte jede deutsche Studentin jetzt ihren Nachweis über die Teilnahme an einem Sanitätskurs mit 20 Doppelstunden zu erbringen. Diejenigen, die keinen Kurs im Arbeits-
380 Alle Zitate nach Ro.: Das Deutsche Rote Kreuz und die Medizinstudentin. In: DB vom 14.5.1940. Dieser Krankenpflegedienst war, so van den Bussche, „ursprünglich eine studentische Forderung, die auch vielfach im Rahmen von Arbeitsgemeinschaften der NS-Fachschaften durchgeführt worden war“. Van den Bussche, 136. Laut BOfÄ von 1939 verteilte die Fachschaft die entsprechenden Plätze, was entsprechende politische Bevorteilungen nach sich gezogen haben sollte. 381 Mathilde Betz: Studentin mit Stahlhelm. In: DB vom 20.4.1937. 382 Vgl. Eine Vereinbarung. Studentinnen im Reichsluftschutzbund. In: DB vom 2.1.1938. Im Wintersemester 1941/42 wurde, so Manns, sogar erstmalig eine kleine Anzahl ausgleichsdienstpflichtiger Abiturientinnen beim Reichsluftschutzbund in einer Gruppenluftschutzschule ausgebildet und anschließend in Vierergruppen als Luftschutzlehrerinnen auf dem Land eingesetzt. Diese Zahl stieg im ersten Halbjahr 1942 auf 500. Vgl. Manns, 249. 383 Vgl. UAM, D-XVII-89 Band 1. Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus an die Herren Rektoren der 3 Landesuniversitäten […] vom 14.5.1938. 384 Anna Kottenhoff: Kameradinnen, deutsche Studentinnen! In: DB vom 3.10.1939.
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dienst abgeleistet hatten, mussten ihn im Studium nachholen. Zu diesem Zweck richteten die Frauendienstreferentinnen der Hochschulen im Einvernehmen mit dem Deutschen Roten Kreuz spezielle Kurse für die Säumigen ein, deren Ableistung im Pflichtenheft festgeschrieben wurde. Studentinnen der Kulturwissenschaften wiederum hatten zudem an einem der Luftschutzkurse teilzunehmen mit anschließender Mitarbeitspflicht im Reichsluftschutzbund. Eine besondere Regelung erfuhren die weiblichen Studierenden naturwissenschaftlicher Fächer (Mathematik, Physik, Chemie, Biologie), angehende Juristinnen, Volkswirtinnen, Betriebs- und Zeitungswirtschaftlerinnen, Architektinnen, Ingenieurinnen und Technikerinnen. Sie mussten bis zum Beginn ihres vierten Trimesters einen drei- bis vierwöchigen Fabrikdiensteinsatz anstelle der üblichen Frauendienstkurse Luftschutz und Nachrichtenwesen absolvieren, jedoch unter Beibehaltung der Sanitätsausbildung. „Nach Beendigung des pflichtmäßigen Fabrikdiensteinsatzes, der Arbeiterinnen einen zusätzlichen bezahlten Urlaub gewährt, verpflichten sich die Studentinnen für den Sonderdienst. Der Sonderdienst (fachgemäßer Einsatz in lebenswichtigen Betrieben) kann als Praktikum angerechnet werden.“385 Nur ein Vierteljahr später, im Mai 1940, wurde die als Teil der Frauendienstausbildung eingeführte „Fabrikdienstpflicht der Studentinnen“386 auch auf angehende Dolmetscherinnen ausgeweitet. Auf diese Weise wollte man dem Arbeitskräftemangel sowie der hohen Beanspruchung der Arbeiterinnen in den Betrieben begegnen. Der Neuaufbau des Frauendienstes in Form des mehr auf den praktischen Einsatz bezogenen Fabrikdienstes löste die bisher gängige Grundausbildung ab; ein Hinweis zur Beibehaltung der Sanitätsausbildung erfolgte nicht mehr. Ungeachtet der tatsächlichen Beanspruchung der Studentinnen vertrat zumindest Kottenhoff die Meinung, dass jedes Studium den Frauen genügend Freizeit für den Beweis ließe, der Volksgemeinschaft in jeglicher Form zu dienen387: „Es ist selbstverständlich, daß in diesen ersten Monaten das Schwergewicht jeder örtlichen Arbeit bei denjenigen Aufgaben liegt, die unmittelbar durch den Krieg bedingt werden. Dazu gehört insbesondere der Einsatz unserer Studentinnen im DRK. [Deutschen Roten Kreuz/P. U.], im Flugmeldewesen, im Luftschutz und im Sonderdienst, d. h. der Einsatz der Studentinnen als Fachkräfte in
385 Anordnung Stn. 1/40: Betr.: Neuordnung der Frauendienstausbildung an Universitäten und Technischen Hochschulen. In: Verordnungsblatt RSF. Nr. 2 vom 5.2.1940, Blatt 1. Vgl. auch Einführung pflichtmäßigen Fabrikdienstes für Studentinnen. In: DB vom 19.3.1940. 386 K-Befehl RSF. 31/40: Betr.: Fabrikdienstpflicht der Studentinnen. In: Verordnungsblatt RSF. Nr. 5 vom 20.5.1940, Blatt 31. Zum Fabrikeinsatz der Studentinnen vgl. auch Kapitel V, 2.1 Der Fabrik- und Landdienst vor 1940, sowie die nachfolgenden Kapitel. 387 Vgl. Anna Kottenhoff: Kameradinnen, deutsche Studentinnen! In: DB vom 3.10.1939.
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der kriegswichtigen Industrie.“388 Auch das Zentralorgan des NSDStB, „Die Bewegung“, hob das „Schaffen der Studentinnen während des Krieges“ hervor, die überall, wo Hilfe erforderlich sei, einspringen und handeln würden: „Und mehr, als es jede offizielle Anerkennung heute und in Zukunft je vermöchte, beglückt sie jener schon zu erstem Beginn des Krieges in den einzelnen Gauen aufklingende Ruf: ‚Hier müssen Studentinnen her!‘“389 Im Gau München-Oberbayern hatte man in den Ferien des 2. Trimesters „80 Kameradinnen der naturwissenschaftlichen Fächer, der Rechts-ZeitungsVolkswirtschafts-Betriebswirtschafts- und Techn. Fakultät zum Fabrikdienst herangezogen“390, während die Medizinerinnen des ersten bis achten Semesters beim Sanitätskurs und als Laienhelferinnen ihren Einsatz ableisteten. Einige Kommilitoninnen wiederum waren zeitgleich ganztägig beim Flugmeldedienst beschäftigt. Der Trimesterbericht über die ANSt-Arbeit vom September 1940 aus dem BArch Berlin gibt letztmalig Auskunft über die lokale Umsetzung des Frauendienstes im Zweiten Weltkrieg, wobei lediglich die im Sinne des Dritten Reiches organisierten Studentinnen Berücksichtigung finden. Darüber hinaus wurde nicht zwischen Universität, TH München, Hochschule für Lehrerbildung, Akademie der Tonkunst, der Bildenden Künste sowie der Akademie für angewandte Kunst differenziert, was eine genaue Analyse für die einzelnen wissenschaftlichen Einrichtungen unmöglich macht. Fest steht jedoch, dass an der LMU im 2. Trimester 1940 14 ANSt-Gruppen existierten, die mittlerweile einen Großteil der weiblichen Studierenden umfassten. Da die Mitgliedschaft im Gegensatz zu den Anfangsjahren der Vereinigung nicht mehr per se auf Freiwilligkeit beruhte, bleibt fraglich, ob die Frauen der offiziellen Berichterstattung entsprechend die oktroyierten Aufgaben tatsächlich mit Begeisterung annahmen. Während die Akademie der Bildenden Künste im April 1936 lediglich neutral vermeldete, die eingerichteten Sanitätskurse sowie der Luftschutz- und Nachrichtenkurs seien besucht worden391, kommt schon der Arbeitsbericht der Bonner Studentenschaft für das Wintersemester 1935/36 zu dem Schluss, dass es um das Engagement der Studentinnen nicht gut bestellt sei: „Es ist hier in der Mitarbeit so: wo ein Muss dahinter steht, (siehe Sanitätskurs!),
388 Anna Kottenhoff: Auch die Studentin steht in der inneren Front. In: DB vom 2.1.1940. 389 Alle Zitate nach Pflichten der Studentin. In: DB vom 5.12.1939. 390 BArch, RSF II* 533. Trimesterbericht des 2. Trimesters 1940 über die ANST Arbeit im Gau München-Oberbayern vom 5.9.1940. 391 Vgl. BArch, RSF II* 532. Akademie der Bild. Künste, München. Semesterbericht vom April 1936.
3.2 Frauendienst
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geht’s, -- sobald es „freiwillig“ heisst, hapert es.“392 Ein ähnliches Stimmungsbild ergibt sich für die Universität Köln. Hier wollte man die Arbeit der weiblichen Studierenden lieber verstärkt auf Freiwilligkeit basieren lassen, sofern nicht die Erfahrung gezeigt hätte, dass sich gewisse Kreise der Studentinnenschaft niemals zu einer freiwilligen Betätigung bewegen ließen.393 In Heidelberg ging man 1939 sogar so weit, Vorschläge für die Verlegung des Frauendienstes in die Zeit vor dem Studium zu machen, z. B. als Ausbildung im Arbeitsdienst. „Die Frauendienstarbeit an der Hochschule könnte sich dann auf den Sondereinsatz und auf solche Gebiete beschränken, auf denen die Studentin ihre Kräfte im Ernstfall noch nutzbringender anwenden könnte.“394 Nahezu im selben Zeitraum beklagte auch die Münchner Akademie für angewandte Kunst „ziemliche Schwierigkeiten“395, die bei der Durchführung aufgetreten seien. Die Studentinnen hätten sich zwar zu den Kursen angemeldet, seien dann aber nicht erschienen. Wenngleich Grüttner anhand der von Dageförde geführten Zeitzeugeninterviews zu dem Ergebnis kommt, der Großteil der (Hamburger) Studentinnen habe am Frauendienst teilgenommen, weisen die reichsweiten Arbeitsberichte der ANSt-Referentinnen darauf hin, dass es sich bei den dargelegten Ausnahmen keineswegs um „Einzelfälle“396 handelte. Selbst eine im Wintersemester 1938/39 offiziell vom Amt Studentinnen der Universität Köln herausgegebene Broschüre über die Aufgaben des Amtes im NSDStB thematisierte die vorherrschende Abneigung: „Im allgemeinen werden Luftschutz- und noch mehr der große Sanitätskurs von den Studentinnen lediglich als zusätzliche und zeitraubende Belastung empfunden, deren tieferen Sinn sie nicht einzusehen vermögen.“397 Auch die Indienstnahme durch anderweitige, neue Pflichten ließ die freiwillige bzw. weiterführende Betätigung im Frauendienst in den Hintergrund treten. An der Universität Erlangen lief bspw. der im Wintersemester 1938/39 gestartete Sanitätskurs noch das ganze nachfolgende Sommersemester hindurch, während neue Kurse zu diesem Zeitpunkt nicht begonnen wurden. „Für den Sonderdienst konnten
392 BArch, RSF II* 535 (a 434). Bonner Studentenschaft. Hauptamt für Wissenschaft. Fachschaft der Mediziner. Abteilung: Kliniker. Arbeitsbericht des W. S. 35/36 vom 24.2.1936. 393 Vgl. ebd. Die Studentenschaft der Universität Köln. Amt: Hauptamt 6. An die Deutsche Studentenschaft. Hauptamt für Studentinnen vom 29.6.1935. 394 BArch, RSF II* 540 (a 438). Der Studentenführer der Universität Heidelberg. Gau Baden. Arbeitsbericht des Amtes Studentinnen für das Winter-Semester 1938/39 vom 16.2.1939. 395 Ebd. Akademie f. angew. Kunst, München. ANST.-Semesterbericht W. S. 1938/39. 396 Grüttner, 286. 397 BArch, RSF II* 540 (a 438). Amt Studentinnen der Universität Köln (Hg.): Über die Aufgaben des Amtes Studentinnen im Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbund. Winter-Semester 1938–39, 7.
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wir heuer niemanden werben, was wohl hauptsächlich der Erntehilfeeinsatz ausmachte“398, lautete das Fazit des Semesterberichtes. Nachdem Reichsstudentenführer Scheel Anfang 1940 noch zusätzlich die sog. „Dienstplicht“ verkündet hatte, nach der sich primär Erst- bis Drittsemester mindestens acht Stunden pro Monat für weitere Arbeitseinsätze zur Verfügung stellen mussten, dürften sich Desinteresse und Teilnahmslosigkeit weiter verschärft haben.399 Entgegen kamen den Studentinnen schließlich die im Krieg auftretenden organisatorischen Mängel, welche die reibungslose Durchführung des Frauendienstes verhinderten. Sowohl Manns als auch Steffen-Korflür konnten nachweisen, dass die Umsetzung von Kursen und Schulungen in einigen Städten am Mangel ausgebildeter Lehrkräfte scheiterte.400 An der LMU fanden dagegen nachweislich mindestens bis zum Sommersemester 1943 wiederholt mehrtägige Grundkurse des Deutschen Roten Kreuzes statt, für deren Abhaltung Rektor Walther Wüst kostenfrei großräumige Hörsäle zur Verfügung stellte.401 Zudem kam das lokale Studentinnenamt im Februar 1943 einer Aufforderung des Generalkommandos des Wehrbezirkes VII nach, sämtliche Studentinnen der Universität zu einem Vortrag über die Nachrichtenhelferinnen des Heeres zusammenzurufen.402 Im Juli des Jahres sprach darüber hinaus die Kreisfrauenwalterin der DAF zu den weiblichen Studierenden über die Aufgaben innerhalb des Fabrikdienstes.403 Mit Fortschreiten des Krieges wurde schließlich auch an der LMU die Abhaltung von Veranstaltungen merklich erschwert. Da die Luftschutzvorkehrungen den Betrieb im Hauptgebäude nach 17 Uhr nur mehr in deutlich reduziertem Umfang zuließen, musste auf weniger stark frequentierte Zeiten wie etwa die Morgen- und Samstagvormittagsstunden oder komplett auf ein anderweitiges Gebäude ausge-
398 BArch, RSF II* 532. Studentenführung Erlangen. Amt Studentinnen. Semesterbericht SS. 39 vom 14.7.1939. 399 Vgl. Kapitel V, 2 Die Einführung der studentischen Dienstpflicht. 400 Vgl. Manns, 249, sowie Steffen-Korflür, 212. 401 Der letzte Beleg für einen Semestereröffnungsappell der DRK-Studentinnen-Bereitschaft datiert auf November 1943. Vgl. UAM, Sen. 135a/3 Band III. Deutsches Rotes Kreuz. Kreisstelle München-Stadt. Studentinnenbereitschaft an das Hohe Rektorat der Universität München vom 20.7. und 5.11.1943. 402 Vgl. UAM, Sen. 135a/3 Band II. Studentenführung der Universität München an seine Magnifizenz Herrn Rektor der Universität München vom 26.1.1943. Nach Manns wurden Studentinnen im Krieg „als Führerinnen von Gruppen von ‚Nachrichten-Mädels‘ eingesetzt.“ Als Führerin deutscher Na.-Mädel im Westen. Feldpostbrief der Kameradin Käte-Lene Vieg. In: Hans Ochsenius (Hg.): Hamburger Studentenbuch. Hamburg 1941, 129, hier zitiert nach Manns, 251, FN 286. 403 Vgl. UAM, Sen. 135a/3 Band III. Gaustudentenführung München-Oberbayern an den Herrn Rektor der Universität München vom 9.7.1943.
3.2 Frauendienst
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wichen werden.404 Die Teilnehmerinnen sahen sich dadurch im Zweifelsfall schon um sieben Uhr früh bzw. auch am Wochenende zum Besuch von Lehrgängen, Kursen oder Vorträgen gezwungen. Wieder andere Termine wurden entgegen allen Schutzvorkehrungen selbst 1944 noch vereinzelt in den Abendstunden abgehalten, darunter eine Großveranstaltung der ANSt „über die politische Lage mit besonderer Berücksichtigung des derzeitigen Frontgeschehens“405 sowie ein Vortrag vor Jung- und Altkameradinnen vom Hauptschriftleiter des Völkischen Beobachters. Obwohl die Stadt besonders seit Sommer 1942 andauernd von schweren Luftangriffen heimgesucht wurde, wog die Notwendigkeit, die Indoktrination der Frauen auch oder gerade in Kriegszeiten aufrechtzuerhalten, offenbar schwerer als die für den Ernstfall getroffenen lebenserhaltenden Sicherheitsmaßnahmen: „Wir müssen den Termin leider trotz aller luftschutzmässigen Bedenken so spät festlegen, da die meisten Kameradinnen bis 19 Uhr Vorlesungen haben.“406 Auf die polizeilich verfügte Verpflichtung, die erforderlichen Vorkehrungen zu treffen, wurde indessen besonders hingewiesen, um im Falle eines Fliegeralarms die Schutzsuchenden in die Luftschutzräume der Kellergewölbe führen zu können.407
Abb. 26: Der entsprechende Luftschutzraum wurde individuell zugewiesen
404 Vgl. ebd. Der Rektor der Universität München an die Verwaltungsakademie München e. V. vom 17.11.1943. 405 Vgl. ebd. Studentenführung der Universität München an das Rektorat der Universität München vom 20.1.1944. 406 Ebd. Gaustudentenführung München-Oberbayern an das Rektorat der Universität München vom 24.4.1944. 407 Zu den Luftschutzräumen der LMU vgl. Schreiber, 287 f.
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Damit bei einem Luftangriff über Fernsprech- und Meldedienst die erforderlichen Rettungsmaßnahmen eingeleitet und anschließende Brandwachen geleistet werden konnten, hatte die Universitätsleitung bereits unmittelbar nach Kriegsbeginn einen Luftschutzdienst in Zusammenarbeit mit dem Leiter des Universitätsbauamtes eingerichtet mit der Aufgabe, nachts das Hauptgebäude sowie die über München verteilten Institute und Kliniken zu bewachen.
Abb. 27: Luftschutzdienst der Studentinnen an der LMU
Zur Koordination wurden Betriebsluftschutzleiter in den entsprechenden Gebäuden eingesetzt. Die Teilnehmer am Luftschutzdienst mussten bereit sein, jeden achten Tag ab 13 Uhr für 24 Stunden im Universitätsgebäude Dienst zu tun. Der Besuch von Vorlesungen und Seminaren im Hause sollte dadurch jedoch keine Behinderung erfahren. Bei ruhiger Lage konnte ein Teil der Diensthabenden über Nacht entlassen werden.408
408 Vgl. UAM, D-XVII-89 Band 1. Der Vorstand des Universitäts-Bauamts München als Luftschutzleiter an die Studentenführung der Universität München vom 18.9.1939.
3.2 Frauendienst
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Für den Luftschutzsanitätsdienst waren Studentinnen als Laienhelferinnen zu gewinnen, von denen zur Betriebszeit in jedem Institut zwei einsatzbereit sein mussten. Die Luftschutzleiter waren angehalten, „in jeder Besetzungsgruppe kameradschaftliche Verbundenheit zu wecken und zu pflegen […] zum richtigen Zusammenwirken im Gefahrfalle“409. Daneben hatten sich die Hilfskräfte den übernommenen Aufgaben ernsthaft verpflichtet zu fühlen und den Wachdienst pünktlich einzuhalten. Fernbleiben und Stellvertretung ohne vorherige Erlaubnis waren nicht gestattet. Zum Tragen kamen diese Bestimmungen allerdings erst Ende November 1940. Bis dato hatte der Luftschutzwachdienst im Universitätsgebäude lediglich aus einem Beamten, Angestellten oder Arbeiter der Universitätsgefolgschaft bestanden. Dieser musste nach Anweisung des Luftschutzreviers über Nacht zur Entgegennahme telefonischer Mitteilungen in der Hausverwaltung anwesend sein und sich bei Alarm mit den Hausbewohnern an der Abwehr von Bränden und dergleichen beteiligen. Da sich die Anzahl einsatzfähiger, männlicher Kräfte durch Einberufungen und Krankheitsfälle jedoch stark verringerte und das Polizeipräsidium zudem eine permanente sechsköpfige Brandwache anordnete, dehnte man den zu beteiligenden Personenkreis auf Professoren, Dozenten, wissenschaftliche Assistenten und Hilfskräfte aus. „Wir hatten […] regelmäßig Luftschutzdienst. Da musste man abends antreten und ist in einen Schutzanzug gehüllt worden. […] Und haben auf Feldbetten also die Nacht verbracht. Und wenn Alarm gewesen wäre, da haben wir aufrumpeln müssen, uns bereithalten, dass wir hinauf müssen und notfalls, wenn Brandbomben eingeschlagen hätten, löschen. Und da habe ich […] meiner Freundin, mit der gleichzeitig ich Dienst gemacht habe, […] gesagt: „Du, höher wie in den ersten Stock gehen wir auf gar keinen Fall, wenn’s brennt oder so.“ Und auch der ältere Professor, der da die Aufsicht über uns gehabt hätte, war also sehr zögerlich, dass er da ausgerückt wäre oder so. Wir waren heilfroh, wenn das immer vorbei war, ohne Angriff.“410 Von den insgesamt sechs Wachdienstschicht-Teilnehmern waren jeweils vier mit Studierenden zu besetzen, deren Heranziehung sowohl mit dem Luftschutzgesetz (§ 2) und der ersten Durchführungsverordnung (§ 1) als auch mit der studentischen Dienstpflicht begründet wurde. In sieben Nacht- und drei Halbtags-
409 Ebd. Der Vorstand des Universitätsbauamtes als Luftschutzleiter an die Herren Vorstände der medizinischen und naturwissenschaftlichen Institute u. Anstalten der Universität München vom 20.9.1939. 410 Interview mit Annemarie L. vom 11.4.2005.
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schichten teilte man auf diese Weise wöchentlich insgesamt 60 Personen ein.411 Die Studentinnen konnten nun die im Frauendienst erworbenen Kenntnisse auf dem Gebiet des Luftschutzes unter Beweis stellen: „(W)ir mussten noch gelegentlich Nachtwache im Institut machen. […] Falls da eine Brandbombe reinfiel, war die möglichst schnell mit viel Sand zu löschen. Es waren überall Sandeimer da. Wenn die Bomben fielen, kam ja keine Feuerwehr“412, ebenso wenig wie für die anschließenden Aufräumarbeiten: „Die großen Angriffe kamen […], nachdem ich mein Hauptstudium beendet hatte. Also nur da draußen im Botanischen Garten kann ich Ihnen sagen, dass es eben da gekracht hat, und wir dann eingesetzt wurden, um die Splitter aus den Kakteen rauszuholen.“413 Eine weitere Zeitzeugin gab an, per Rufbereitschaft zu ihrem Einsatz beordert worden zu sein: „Ja, und wir mussten dann auch Einsatz nach einem Fliegerangriff machen. Aber nur kurz. Wir Studentinnen mussten nachts […] ans Telefon kommen: „Da brennt’s!“ Da musste ich rein zur Universität. Ich hatte 35 Minuten Fußweg. Hinter der Uni in der Amalienstraße hat das Gasthaus neben der großen Unibuchhandlung gebrannt. Da musste man Eimer schleppen, ich weiß nicht wie lange, zwei Stunden oder mehr, dann durfte man heimgehen. […] Und dann wurde noch einmal [angerufen/P. U.], als die Akademie gebrannt hat. Da bin ich auch reingekommen, aber die haben gesagt: „Nein, wir haben jetzt zu viele Leute. Sie können wieder heimgehen.“ Und danach ist man nicht mehr gerufen worden. Das waren die zwei einzigen Einsätze, die ich da gemacht habe.“414 Da Studentinnen und Studenten in der vorlesungsfreien Zeit ihrer Dienstleistung in Rüstungsbetrieben nachkamen, wurden ab Ende Juli 1941 auch die an der Universität tätigen ledigen weiblichen „Gefolgschaftsmitglieder“ sowie die Verheirateten bis zum Jahrgang 1886 verstärkt herangezogen, sofern sie nicht für Familie und Haushalt sorgen mussten. Darüber hinaus machte man den ehemals ausgleichsdienstpflichtigen Studierenden, die zum größten Teil im Luftschutz-
411 Vgl. UAM, D-XVII-89 Band 1. Umlaufschreiben zum Luftschutzwachdienst im Universitätsgebäude München vom Samstag, den 14. Dezember 1940 an, vom 12.12.1940, sowie ebd. Der Vorstand des Universitäts-Bauamts München als Betriebsluftschutzleiter durch das Luftschutzrevier 3 an das Polizeipräsidium München vom 18.1.1941. Zum Luftschutzgesetz vom 4.7.1935 vgl. RGBl. Teil I. Nr. 69. Berlin 1935, 827 ff. Zur 1. Durchführungsverordnung vom 4.5.1937 (RGBl. Teil I. Nr. 58. Berlin 1937, 559) vgl. http://www.inarchive.com/page/2011-02-18/http://www.bunker-siegen.de/ hp/index.php?option=com_content&view=article&id=49&Itemid=59 vom 3.8.2014. 412 Interview mit Dr. Marie-Luise Schultze-Jahn vom 26.3.2005. 413 Interview mit Dr. Berta R. vom 23.4.2005. 414 Interview mit Philomena Sauermann vom 12.3.2005.
3.2 Frauendienst
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dienst ausgebildet worden waren, den weiteren Einsatz zur Bedingung für die Anerkennung der An- und Rückmeldung ab dem Wintersemester 1941/42.415 Unter Führung eines Wachhabenden, d. h. überwiegend eines Professors, Dozenten oder Angestellten der Universität, wurden in der Folge allerdings nicht bis zu zehn416, sondern bis zu 18 und mehr Personen zum Luftschutzwachdienst im Universitätsgebäude abgestellt; von ihnen waren mitunter rund die Hälfte bis drei Viertel Studentinnen.417 Die spätere promovierte Juristin Dr. Luzie Karola Friedmann, die vom Wintersemester 1941/42 bis zum Wintersemester 1942/43 an der Universität München studierte, erinnert sich: „Etwa vor Weihnachten hatte ich eine Aufforderung erhalten, mich für eine Nacht zur Luftschutzwache in der Universität einzufinden. Wir saßen dann etwa zehn bis zwölf weibliche und halb so viele männliche Studenten einige Stunden in einem Raum im Erdgeschoß zusammen. […] Es […] herrschte eine gedrückte Stimmung, als wir gegen Mitternacht unsere Schlafquartiere aufsuchten. Die kleinere Gruppe, die Männer, gingen unters Dach und wir in den Keller, wo entsprechend doppelstöckige Pritschen aufgestellt waren. Eine von uns hatte Routine in deren Benutzung und außerdem war sie mit allem ausgestattet, was man zur Übernachtung in einer fremden Unterkunft braucht. Sie übernähme freiwillig die Wache, sagte sie, weil sie das Stipendium, auf das sie angewiesen sei, gestrichen bekomme habe, da sie zu ihrer jüdischen Freundin gehalten habe, als diese in Schwierigkeiten gekommen war. Für jede Wache bekäme man eine Vergütung. Wir anderen hatten damit gar nicht gerechnet. (Als ich am nächsten Tag mein Wachgeld beim Hausmeister abholte, kam sie auch um das ihre; ich gab ihr dann draußen das meine dazu (2,40 RM etwa) und war peinlich überrascht, wie sie sich darüber freute.)“418
415 Vgl. UAM, D-XVII-89 Band 1. Der Vorstand des Universitätsbauamts als Betriebsluftschutzleiter für das Universitätsgebäude an sämtliche Teilnehmer am Luftschutz-Wachdienst im Universitätsgebäude vom 25.6.1941, sowie ebd. Abdruck des Runderlasses des Reichsministeriums für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung vom 1.8.1941 zum Luftschutzdienst der ehemals ausgleichsdienstpflichtigen Studenten. 416 Vgl. Schreiber, 289. 417 Vgl. UAM, D-XVII-91 Band 1. Namensliste 51 für den Luftschutzwachdienst in der Universitäts-Hausverwaltung vom 8.2.1943, sowie ebd. Namensliste 52 für den Luftschutzdienst in der Universitäts-Hausverwaltung vom 22.2.1943 sowie die nachfolgenden Listen in diesem Akt. 418 Schreiben von Dr. Luzie Karola Friedmann vom 12.4.2005. Hervorhebung im Original. Eine ähnliche Aussage für den pragmatisch motivierten Einsatz findet sich auch im Interview mit Dr. Berta R. vom 23.4.2005: „Wir mussten immer von Zeit zu Zeit Feuerwache halten nachts. Und da traf ich mehrmals eine Studentin, die eigentlich nirgends mehr wohnte. Und die sagte, ja, sie kriegt auch kein Stipendium […]. Und sie trägt Zeitung aus und sie meldet sich freiwillig, um Feuerwache zu halten, damit sie nachts einen Unterschlupf hat.“
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Ungeachtet der Tatsache, dass das sog. „Zehrgeld“ im April 1944 für einen werktäglichen Wachdienst immerhin 1,50 RM, für einen Wochenend- oder Feier tagsdienst sogar 3 RM zuzüglich je 0,50 RM Kleiderabnützungsgeld betrug419, kam es bei den Diensten wiederholt zu Unregelmäßigkeiten. So erschienen bestellte Wachen nicht oder schickten unrechtmäßige Vertreter zum Einsatz, obwohl sich etwa Studierende nur durch Studierende des gleichen Geschlechts vertreten lassen konnten und eine Verletzung der Dienstpflicht eine Haft- und bzw. oder Geldstrafe nach sich ziehen konnte. „Ich weiß nur, dass nachher, bei meinem letzten Semester, Wachdienst in der Uni war. Feuerwache, oder wie das geheißen hat, Luftschutzwache. Also da hat man Einsatz gemacht. […] Und wenn dann Alarm gewesen wäre, hätte man da sein müssen. Aber ich habe das nicht erlebt. Nur das eine Mal, wo ich nicht reinkommen konnte, weil ich keine Fahrmöglichkeit gehabt habe. Da habe ich angerufen und gesagt, ich komme nicht. Und da sind Bomben gefallen. Ob sie in der Uni gefallen sind, weiß ich nicht. Aber in Schwabing sind sehr viele gefallen. Also da habe ich auch Glück gehabt. Am Schluss war es so, dass man auch zur Uni über solche Trümmerberge gegangen ist.“420 Nachdem die Gaustudentenführung im Oktober 1942 bekannt gegeben hatte, die Einberufung der Luftschutzpflichtigen aufgrund mangelnder Arbeitskräfte an die LMU übergeben zu müssen, ließ Rektor Walther Wüst ein Plakat aushängen, auf dem er den Luftschutzdienst in den Universitätsanstalten als „Ehrenpflicht eines jeden Studierenden“ bezeichnete: „Ich erwarte, daß den Anordnungen der Luftschutzleiter gewissenhaft Folge geleistet wird. Gegen jeden, der seine Luftschutzdienstpflicht säumig oder überhaupt nicht erfüllt, werde ich mit unnachsichtlicher Strenge vorgehen“421, was neben polizeilichen Zwangsmitteln die Einleitung eines Hochschulstrafverfahrens meinte. Nach Ansicht Wüsts sollte die Heimat in ihrem Bereich ebenso ihre Pflicht erledigen wie die Front. Als die Direktion der Kinderklinik im Februar 1943 sechs Studentinnen meldete, die unentschuldigt dem Luftschutzwachdienst ferngeblieben waren, beließ es der Rektor nicht bei leeren Drohungen. Als Vorsitzender des Strafausschusses eröffnete er ein Hochschulstrafverfahren gegen die angehenden Medizinerinnen, von denen zwei jedoch bereits nach kurzer Überprüfung eingestellt wurden. Während sich eine der beiden bei
419 Vgl. UAM, D-XVII-91 Band 1. Der Vorstand des Universitätsbauamts als Luftschutzobmann für den Universitätsbereich an die Universitätskliniken, Institute und Dienststellen vom 24.4.1944. 420 Interview mit Dr. Brigitte Maria K. vom 19.7.2005. 421 UAM, D-XVII-91 Band 2. Aushang des Rektors der Universität vom 18.11.1942.
3.2 Frauendienst
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ihrer Vorladung glaubhaft auf eine telefonische Krankmeldung berufen konnte, gab die andere zu Protokoll, sie habe sich am versäumten Tag unwohl gefühlt und darüber den Termin vergessen. Zugute kam der Studentin, dass sie sich in der Zwischenzeit beim stellvertretenden Betriebsluftschutzleiter der Universität, Prof. Erwin Koschmieder, unter Hinweis auf ihre unmittelbar bevorstehende Niederkunft entschuldigt hatte. Die übrigen Frauen wurden jedoch allesamt mit einem schriftlichen Verweis bestraft. Weder die einfältige Rechtfertigung, man habe sich „fernmündlich bei der Klinik vom Luftschutzdienst entschuldigen“422 wollen, aber im Telefonbuch die Nummer nicht gefunden, noch eine im Vorfeld angekündigte Abwesenheit vom Hochschulort wurden im Einzelfall als Gründe für das Nichterscheinen akzeptiert. Vielmehr erblickte man im Verhalten der vier Delinquentinnen eine grobe Verletzung der studentischen Pflichten und drohte im Wiederholungsfall mit einer schwereren Strafe, was eine Wegweisung von der Universität implizierte. Obwohl sich in diesem Zusammenhang letztlich keine Relegationen feststellen lassen, ging Walther Wüst doch konsequent gegen jegliche Form der Disziplinlosigkeit vor. „Dem Rektor lag daran, mit diesem Exempel die Disziplin in seiner Universität, die zum Schutz aller „Gefolgschaftsglieder“ unbedingt nötig war, zu garantieren.“423 Weil sich die Geschäftsstelle der Gaustudentenführung bis zur Zerstörung im Sommer 1944 in der Schellingstraße befand, war es bis dato ohnehin noch relativ einfach, bei Bombeneinschlägen Hilfe für die LMU zu erhalten: „Ich habe via Gaustudentenführung gleich gestern Studentinnen zur Hilfe beigezogen, manche kamen auch von selber, und für heute sind alle Studierenden durch die Zeitung aufgerufen. So dürften die Bücher wohl doch zu retten sein – wenn nicht ein neuer Angriff kommt. Das Durcheinander allerdings ist toll. Durch die Erschütterung sind einige Regale umgefallen u. wir haben nun germanistische, historische u. kunsthistorische Bücher in schönster Eintracht durcheinanderliegen. Sämtliche Assistentinnen sind nur mehr in Hosen u. über u. über schmutzig zu sehen.“424 Wüst selbst sprach wiederholt seine schriftliche Anerkennung für Helferinnen und Helfer aus, die sich bei Aufräum-, Bergungs- und Rettungsarbeiten in Instituten und Gebäuden besonders ausgezeichnet bzw. bewährt hatten: für Schreiber eine gezielte Maßnahme, um vor allem Arbeiter und Angestellte sowie
422 UAM, D-XIV-29 Band 52. Niederschrift der von den Delinquentinnen vorgebrachten Äußerungen vom 11.2.1943. 423 Schreiber, 290. 424 Hildegunde Prütting in einem Schreiben an Professor Otto Höfler vom 14.7.1944. Abgedruckt in: Volkskunde an der Münchner Universität 1933–1945. Zwei Studien von Eva Gilch und Carmen Schramka mit einem dokumentarischen Beitrag von Hildegunde Prütting. München 1986, 70, künftig zitiert als Prütting.
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das wissenschaftliche Personal der Universität zu den aus dem Luftkrieg erwachsenden Aufgaben zu motivieren.425 Gertraud S., die im Juli 1944 bei einem Brand „tapfer und trotz aller Rauchentwicklung und Gefahren treu“426 mitgeholfen hatte, Bücher, Akten, Bilder und sonstiges Inventar aus dem Deutschen Seminar zu bergen, wurde zudem mit einem besonderen Orden für ihren Verdienst an der Heimatfront ausgezeichnet: „Ich habe da zufällig dann […] für die Löschdienste an der Uni das Kriegsverdienstkreuz bekommen ohne Schwerter.“427
Abb. 28: Dankschreiben von Rektor Walther Wüst für Bergungsarbeiten im Deutschen Seminar
425 Vgl. Schreiber, 295. 426 UAM, D-XVII-90. Otto Basler an Euer [sic!] Magnifizenz vom 22.7.1944. Hervorhebung im Original. 427 Hierbei handelte es sich um das Kriegsverdienstkreuz 2. Klasse. Interview mit Gertraud S. vom 26.5.2005. Nachdem Hitler sich seit 1937 das Recht zur Verleihung des Kriegsverdienstkreuzes persönlich vorbehalten hatte, wurde es über die Gauleitung bzw. seit Januar 1945 über den Reichsverteidigungskommissar und das Bayerische Kultusministerium an den Rektor weitergegeben. Vgl. Schreiber, 296.
3.3 Volkstumsarbeit (VTA)
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Die förmliche Belobigung des Rektors ging der Philologiestudentin Ende Oktober zu428, während die NS-Zeitung „Die Bewegung“ die damalige Gau-ANSt-Referentin München-Oberbayern zeitgleich für ihre „besondere Bewährung bei den Terrorangriffen“429 in den Bildern des Monats würdigte. Wüst selbst erhielt die Auszeichnung 2. Klasse aufgrund seines selbstlosen Einsatzes für den Erhalt der LMU während des Luftkrieges im Sommer 1944 im Sitzungssaal des Bayerischen Kultusministeriums.430
3.3 Volkstumsarbeit (VTA) „Für die Volkstumsarbeit gelten heute andere Voraussetzungen als vor 3 Semestern. – Galt es damals, alle Studentinnen in möglichst intensiver Arbeit unseren Volkstänzen, Volksliedern und den gemeinschaftsbildenden Formen Sprechchor und Laienspiel überhaupt wieder zu erschliessen, so gilt es heute, den Willen zu dieser Arbeit, den die jungen Studentinnen aus dem BDM. und dem Arbeitsdienst mitbringen, die Ueberzeugung von der Notwendigkeit dieses politischen Einsatzes und das schon vorhandene Können im 1. Semester zu vertiefen, in freiwilliger Weiterarbeit ab 2. Semester und in der Zusammenarbeit mit BDM., NSFrauenschaft, Arbeitsdienst, NSBO. [Nationalsozialistische Betriebszellenorganisation/P. U.], im Landdienst, in der Grenzlandarbeit, auf Dorfwochen, in Lagern etc. einzusetzen.“431 Nachdem man die Teilnahme der Erst- bis Drittsemester an der GPf im Mai 1934 im Grunde auf eine freiwillige Basis gestellt hatte432, sah die Neuordnung im Arbeitsplan des H VI im darauffolgenden Frühjahr den pflichtmäßigen Einsatz weiblicher Erstsemester im Umfang von zwei Wochenstunden vor. Unter Leitung von Referentinnen und Fachkräften wollte man die Frauen auf den Gebieten Tanz, Spiel, Lied, Brauchtum und Festgestaltung zu „Führerinnen“433 erziehen,
428 Vgl. UAM, D-XVII-90. Walther Wüst an [Gertraud] Höpfl vom 21.10.1944. 429 Bilder des Monats. DB vom Oktober 1944. 430 Vgl. Schreiber, 297. 431 BArch, NS 38/I* 80g 43/1. Die Deutsche Studentenschaft. Hauptamt für Studentinnen. Amt für Volkstumsarbeit an die Referentinnen für Volkstumsarbeit in den Hauptämtern VI d. D. St. Rundschreiben VI/H 5/1935 vom 1.3.1935. 432 Vgl. ebd. Deutsche Studentenschaft. Hauptamt f. Studentinnen. Rundschreiben D. St. G 3/34 vom 18.5.1934 sowie Kapitel IV, 1.3 Gemeinschaftspflege (GPf). 433 Ebd. Die Deutsche Studentenschaft. Hauptamt für Studentinnen. Amt für Volkstumsarbeit an die Referentinnen für Volkstumsarbeit in den Hauptämtern VI d. D. St. Rundschreiben VI/ H 5/1935 vom 1.3.1935.
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die das erworbene Wissen innerhalb ihres zukünftigen Lebensbereiches weitergeben sollten. Ab dem zweiten Semester sollten sich möglichst viele Studentinnen indessen freiwillig einbringen, d. h. einen praktischen Einsatz in Zusammenarbeit mit anderen Organisationen leisten. Die Auswahl der Einsatzorte blieb der Referentin für Volkstumsarbeit in Übereinstimmung mit ihrer Hauptamtsleiterin überlassen, um den lokalen Notwendigkeiten und Gegebenheiten Rechnung zu tragen.434 Hintergrund dieser Änderungen war das sich wandelnde Bild der GPf, die seit 1935 nur mehr als zweckmäßig verstanden wurde, wenn sie eine Ausrichtung auf die Gemeinschaft aller Volkskreise hin erfuhr. Der veränderten Aufgabe entsprechend nannte man das „Amt für Gemeinschaftspflege“ ab dem Sommersemester des Jahres in „Amt für Volkstumsarbeit“ um. Die neuen Richtlinien sahen vor, die ehemals einseitig auf der Sprecherziehung der 1985 verstorbenen Rezitatorin, Sprachpädagogin und Literaturwissenschaftlerin Vilma Mönckeberg435 basierende Volkstumsarbeit (VTA) auf eine politisch schlichte und klare Arbeit umzustellen. Nicht die Heranbildung von Fachkräften der Sprecherziehung, sondern die Vermittlung deutschen Sprachgutes stand jetzt im Vordergrund. Darüber hinaus fiel – neben den heimat- bzw. volkskundlichen Wanderungen – die Verpflichtung zu einer bestimmten Gymnastikart fort, da die körperliche Erziehung der Studentinnen ohnehin durch die IfL stattfand. Als zentrale Forderung für die gesamte Arbeit galt, nur Fachkräfte mit eindeutig nationalsozialistischer Haltung heranzuziehen.436 Im Oktober 1935 führte Reichs-ANSt-Referentin Liselotte Machwirth schließlich zwei Lager für diejenigen Kameradinnen durch, die im Wintersemester die VTA innerhalb ihrer Hoch- oder Fachschulgruppe verantworteten. Bis zu zwei Wochen kamen 70 von ihnen im Gau Sachsen bzw. Halle-Merseburg zusam-
434 Vgl. ebd. Die Deutsche Studentenschaft. Hauptamt f. Studentinnen. Rundschreiben VI/ H 6/1935 vom 1.3.1935. 435 Vgl. ebd. Die Deutsche Studentenschaft. Hauptamt für Studentinnen. Rundschreiben G 1/1934 vom 8.5.1934. Anlage IV. Richtlinien für kulturelle Schulung durch die Muttersprache: „Von allen Kulturerscheinungen eines Volkes ist die Sprache die national gebundenste – die Sprache scheidet die Völker ganz eindeutig voneinander. Zur inneren Wehrhaftmachung gehört darum eine ganz intensive Pflege deutschen Sprachguts, denn dieses verankert die Muttersprache mehr im Herzen der Nation als die Umgangssprache, die das Sprachgefühl allzu leicht abnutzt und auslaugt.“ Zu Mönckeberg vgl. http://www.munzinger.de/search/portrait/Vilma+M% C3 %B6nckeberg+Kollmar/0/2937.html vom 20.7.2014. 436 Vgl. BArch, NS 38/I* 80g 43/1. Die Deutsche Studentenschaft. Hauptamt für Studentinnen. Amt für Volkstumsarbeit an die Referentinnen für Volkstumsarbeit in den Hauptämtern VI d. D. St. Rundschreiben VI/H 5/1935 vom 1.3.1935. Die weiteren Inhalte der Richtlinien befassten sich mit organisatorischen Dingen.
3.3 Volkstumsarbeit (VTA)
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men.437 Noch im selben Monat verschickte Machwirth ein Rundschreiben, welches die aktuellen Richtlinien für die Arbeit der ANSt enthielt. Im Gegensatz zu den „Freistudentinnen“, die nur während ihres ersten Semesters zur VTA verpflichtet waren, mussten ANSt-Mitglieder bis zu ihrem dritten Semester VTA oder NSV-Arbeit leisten. Dazu kam die Teilnahme an Schulungen und Sport innerhalb der ersten drei, die Absolvierung des Frauendiensts innerhalb der ersten zwei Semester: „Die A. N. St. gliedert sich in Zellen (Arbeitsgemeinschaften) von 8–10 Kameradinnen. In den ersten drei Semestern sind diese Zellen Schulungszellen mit der Aufgabe, nationalsozialistische Weltanschauung zu schulen. Sie haben ausserdem alle eine praktische Aufgabe: Volkstumsarbeit oder N. S. V.-Arbeit.“438 Diese Aufgabe war bestimmend für die Zusammenstellung der Zellen zu Semesterbeginn, d. h. es existierten Schulungszellen mit NSV-Arbeit oder mit Fabrik- bzw. Landdienst als praktische Arbeit. Die vormalige stellvertretende und spätere Gau-Fabrikdienstreferentin Ilse Westphalen, die ihr viertes und fünftes Studiensemester an der LMU verbrachte, erinnerte sich 1984 in einem Interview: „Es gab in München die sogenannten Zellen. Das waren solche, die sich für Fa‑ brikdienst oder für Landdienst oder für NSV-Arbeit interessierten. Und man traf sich dann im Semester je nach dem, ob man die Zeit hatte.“439 Erstgenannte Zellen erklären sich aus dem damaligen Verständnis der VTA: Diese wurde nicht als Selbstzweck, sondern als eine auf den praktischen bzw. politischen Einsatz in Fabrik- und Landdienst hinzulenkende Tätigkeit verstanden, wie schon das Rundschreiben vom März 1935 an die Referentinnen für VTA in den H VI der DSt gezeigt hatte440 und die NS-Presse bekräftigte: „Die musische Erziehung, die die ANSt. einmal nur für sich begonnen hatte, wurde bald ganz in den Dienst dieser Einsatzarbeit gestellt. Die Studentin beschäftigt sich sehr ernsthaft mit dem Liedgut und Sprechgut, sie kann heute wirklich wieder Märchen erzählen, denn sie hat heute auch wieder eine Zuhörerschaft von Kindern, denen sie deutsche Märchen nahebringen muß. Darüber hinaus bastelt sie, spielt sie Kasperltheater
437 Vgl. BArch, RSF II* 499. Amt N. S. D.-Studentenbund. Reichs-A. N. St.-Referentin. Rundschreiben A. N. St. 10/35 vom 27.6.1935. 438 Ebd. Amt N. S. D.-Studentenbund. Reichs-A. N. St.-Referentin. Rundschreiben A. N. St. 12/35 vom 31.10.1935. 439 UHH, HBfUG. Interview mit Ilse Westphalen vom 4.12.1984, 37, künftig zitiert als Westphalen. Westphalen war zuständig für die Universität und die Hochschulen, betraut mit der Werbung für den Fabrikdienst, mit der Vorbereitung der sich freiwillig meldenden Studentinnen während des Semesters und der Leitung des Einsatzlagers an dessen Ende. Vgl. ebd., Anhang. Zur Person, 2. Vgl. dazu auch Kapitel V, 2 Die Einführung der studentischen Dienstpflicht, sowie die nachfolgenden Kapitel. 440 Vgl. das Zitat zu Beginn dieses Kapitels.
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und kann sie durchaus auch volkstanzen“441 – jedoch nicht immer zur Freude der einzelnen: „Ich weiß, wir hatten Räume […], wo wir also mit lächerlichen Handarbeiten [beschäftigt wurden/P. U.], unterbrochen mit nationalen Gesängen – Volkslieder haben eine große Rolle gespielt. Ich kann Lieder, von denen heute gar kein Mensch mehr etwas weiß“442. Als Multiplikatoren im sozialen und erzieherischen Bereich sollte sich bei den weiblichen Studierenden „über die Betonung des kulturell und rassisch definierten „Deutschtums“ das subjektive Wir-Gefühl mit den „Grenz- und Auslandsdeutschen“ entwickeln und fundamentieren.“443 Folglich galt die Semesterarbeit dem Erlernen von Volkstänzen und -liedern, deutschem Märchen- und Sagengut, Stegreifspielen etc. für den o. g. Einsatz. Wo bereits eine Verbindung mit der Stadt (Fabrikdienst) oder dem Land (Landdienst) aufgenommen worden war, war diese durch gemeinsame VTA während des Semesters weiter auszubauen, z. B. durch DAF-Abende oder -Schulungen. „Die gesamte Volkstumsarbeit hat sich den landschaftlichen Gegebenheiten einzugliedern. Bodenständige Sitten, Bräuche und Volkskunst sollen alle in dieser Arbeit eingesetzten Kameradinnen kennen. Aus der Volkstumsarbeit heraus sind neue Wege in der nationalsozialistischen Feiergestaltung anzustreben“444, so der Plan der ANSt. Was die VTA an der Universität München betrifft, so lässt sich die lokale Umsetzung nur marginal nachzeichnen, auch wenn die lokale Referentin schon im April 1935 erfolgreich um Überlassung eines Hörsaals für die VTA der Studentenschaft nachsuchte.445 Einem Zeitungsartikel vom 15. November 1938 zufolge konzentrierte sich die Arbeit im Gau München-Oberbayern – mit allein elf ANStGruppen an der LMU – systematisch auf den Einsatz in Land- und Fabrikdienst. Neben der eigentlichen Erziehung wurden auch Koch- und Säuglingspflegekurse in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Frauenwerk durchgeführt, um die Studentinnen entsprechend vorzubereiten: „Dann wurden wir zu einem Kurs verpflichtet für Säuglingspflege. Das weiß ich noch gut, mit so einer Puppe in einer Wiege. Das waren immer so Pflichtsachen, die man machen musste“446 und die
441 Nicht Eigenleben, sondern Mitarbeit! In: DB vom 7.12.1937. 442 Interview mit Annemarie L. vom 11.4.2005. 443 Manns, 234. 444 BArch, RSF II* 499. Amt N. S. D.-Studentenbund. Reichs-A. N. St.-Referentin. Rundschreiben A. N. St. 12/35 vom 31.10.1935. 445 Vgl. UAM, Sen. 135a/3 Band I. Senta Schulz an das Rektorat der Universität München vom 9.4.1935. 446 Interview mit Philomena Sauermann vom 12.3.2005.
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bis in die Kriegsjahre andauerten.447 Zeitgleich hatte sich eine ANSt-Gruppe der LMU „öfters mit Kameraden zusammengefunden, um bei fröhlichem Lied ebenfalls Weihnachtsgeschenke für die Bauernkinder der Bayerischen Ostmark zu basteln. Und die Kameradinnen und Kameraden, die im letzten Jahr im Einsatz in der Ostmark draußen waren, fuhren vor Weihnachten hinaus zu „ihren“ Bauernkindern, um im Rahmen einer kleinen Weihnachtsfeier sie dann zu bescheren.“448
Abb. 29: Bestätigung über einen zweitägigen Mütterschulungs-Lehrgang
Wie Steffen-Korflür gezeigt hat, stießen die neuen Aufgaben besonders bei den Studienanfängerinnen auf wenig Begeisterung. Fragen nach der Notwendigkeit der Landdienstarbeit wurden laut, zumal die jungen Frauen gerade erst
447 Auch Dr. Dorothee H. legte im Zeitzeugeninterview Bestätigungen über einen zweitägigen, 14-stündigen Mütterschulungs-Lehrgang beim Deutschen Frauenwerk, Kreisstelle München, im Juli 1942 (siehe Abb. 29) sowie über einen zweitägigen Sonderkurs zum Thema „Heimgestaltung“ im März 1943 vor. Interview mit Dr. Dorothee H. vom 12.6.2005. Kopien der Bestätigungen im Privatbesitz P. U. 448 R. B.: Junge Studentin – Reihe Dich ein! Der Ruf der Arbeitsgemeinschaft nationalsozialistischer Studentinnen. In: Student im Bereich Süd. Beilage der „Bewegung“ für die Gaue: München-Obb., Schwaben, Bayerische Ostmark, Franken, Mainfranken vom 15.11.1938.
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aus Arbeitsdienst und BDM kamen und sich an der Universität erneut mit einer umfassenden Indienstnahme konfrontiert sahen.449 Verstärkt wurde die Abwehrhaltung durch eine Vereinbarung vom Mai 1935, nach der jedes studierende BDMMädel Dienst in der ANSt zu tun hatte. Aufgrund dieser Regelung verlor die im Januar 1934 erlassene Mitgliedersperre der ANSt an Bedeutung, sodass diese erneut einen schubartigen Zuwachs verzeichnen konnte.450 Auch wenn Schulung und Kontrolle vor diesem Hintergrund an die Kapazitätsgrenze der Organisation stießen und die Fülle der Neuanmeldungen bspw. an der Universität Würzburg mangels organisatorischen Vermögens im Wintersemester 1935/36 liegen blieb, verschärfte sich der Druck zur Beteiligung in den ANSt-Zellen und zum Einsatz im Rahmen sonstiger Aktivitäten fortan erheblich. Hing es bis dato weitgehend von den jeweiligen lokalen Verhältnissen wie dem Engagement der Funktionärinnen oder dem persönlichen Geschick ab, eine über die minimale Indienstnahme hinausgehende Beanspruchung zu vermeiden, war der Großteil der weiblichen Erstsemester aufgrund ihrer BDM-Zugehörigkeit jetzt verpflichtet, „im Zeitpunkt der Meldung beim örtlichen Studentenführer und der Immatrikulation oder Einschreibung bei der Hoch- oder Fachschulbehörde Mitglied einer ANSt.-Kameradschaft“451 zu werden. Der Eintritt hing damit nicht länger vom persönlichen Ermessen ab, sondern geriet vielmehr zu einem Automatismus, dem sich zu widersetzen eine bewusste Entscheidung gegen die formelle Registrierung forderte. Da nur wenige Frauen zu einem derartigen Affront bereit waren und die ANSt überdies auf weitere Erfassungsmethoden wie die Durchführung von Lagern zurückgriff452, stieg die Anzahl ihrer Mitglieder unter den Studentinnen ab 1936 kontinuierlich an. Nachdem 1938 nur 38,7 % aller Münchner Universitätsstudentinnen Vollmitglieder oder Anwärterinnen gewesen waren, hatte sich der Prozentsatz im Wintersemester 1938/39 deutlich erhöht: Bei einer Gesamtzahl von 637 weiblichen Immatrikulationen entfielen 414 auf den NSDStB. „In diesem Semester waren also 66,4 % aller Studentinnen in der ANSt
449 Steffen-Korflür, 202. 450 Vgl. BArch, RSF II* 499. Amt N. S. D.-Studentenbund. Reichs-A. N. St.-Referentin. Rundschreiben A. N. St. 13/35 vom 21.11.1935. 451 BArch, RSF II* 515 (a 416). Vereinbarung über die Zusammenarbeit zwischen dem BDM und der ANST. vom 25.2.1937. 452 Vgl. Kapitel IV, 3.9 Lager.
3.3 Volkstumsarbeit (VTA)
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erfasst.“453 Reichsweit wurde die Zahl der in der ANSt Registrierten im Wintersemester 1937/38 mit über 80 % angegeben.454
Abb. 30: Anwärterkarte für die Aufnahme in den NSDStB aus dem Jahr 1941
Um zu verhindern, dass Studentinnen und Studenten sich der Indienstnahme und Kontrolle an der Universität durch einen permanenten Hochschulwechsel entzogen, verfügte Reichsminister Bernhard Rust am 18. Februar 1937 die Einrichtung der sog. „Stammhochschule“. Vom kommenden Sommersemester an waren alle Studierenden, die sich erstmalig immatrikulierten, verpflichtet, bis zum dritten Semester an der ersten Hochschule zu verbleiben. Auf diese Weise wollte man der zwischen einzelnen Hochschulverwaltungen und (ANSt-)Apparaten häufig nur unzureichend funktionierenden Kommunikation entgegenwir-
453 Vgl. BArch, RSF II* 540 (a 438). Semesterbericht: Wintersemester 1938/39 der Gaustudentenführung München-Oberbayern vom 4.3.1939. Dem Bericht der Gau-ANSt-Referentin liegt offenbar ein Rechenfehler zugrunde. Nimmt man die in der Akte angegebenen Zahlen, so sind rund 65 % von insgesamt 637 Studentinnen, also 414, in der ANSt der LMU und nicht wie angegeben 66,4 %. Nimmt man diesen Prozentsatz als Grundlage, so wären knapp 423 von insgesamt 637 Frauen erfasst gewesen. 454 Vgl. Herta Mieszinski: Arbeitsbericht der ANSt. In: DB vom 14.6.1938.
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ken. Daneben kam es mitunter zu zeitlichen Verzögerungen bei der Erfassung am neuen Studienort, die oftmals von der Größe bzw. Überschaubarkeit sowie dem daraus resultierenden Verwaltungsaufwand des jeweiligen Ortes abhing. So berichtet Barbara Lauck über ihren Wechsel von der Universität München nach Königsberg: „In Königsberg konnte ich nicht so leicht in der Masse verschwinden und bekam erst mal die Aufforderung, gefälligst in den Nationalsozialistischen Studentenbund (NSDStB) einzutreten.“455 In anderen Städten wie bspw. Jena sorgte – im Gegensatz zur LMU – schon die räumliche Nähe sämtlicher Universitätsgebäude „für eine gewisse Überschaubarkeit und soziale Kontrolle, die innerhalb des Hochschulalltags herrschte.“456 Durch die Einrichtung der Stammhochschule sollte die politische und weltanschauliche Schulung und Erziehung aller deutschen Studenten erfüllt werden457, nachdem die Erziehung in den studentischen Kameradschaften bis Ende der 1930er Jahre vor allem an großen Universitäten auf Schwierigkeiten stieß.458 Nur eine Woche nach Rusts Beschluss, am 25. Februar 1937, bekräftigten BDM und ANSt noch einmal ihr Abkommen, wonach BDM-Mitglieder mit Beginn des Studiums an einer deutschen Fach- oder Hochschule für die ersten drei Semester Mitglied einer ANSt-Kameradschaft wurden. Ab dem vierten Semester gab man die Frauen, sofern sie keine Amtsträgerinnen waren, wieder zur Dienstleistung im BDM frei.459 Durch die enge Zusammenarbeit der Organisationen wollte man die einheitliche Ausrichtung der gesamten Mädchen- und Frauenarbeit gewährleisten: „Der eigentliche Sinn des Abkommens liegt ja gerade darin, die wissenschaftliche Leistungsfähigkeit der Studentin zu fördern, indem wir ihr die Wege bei ihrer politischen Arbeit ebnen. So geht in Zukunft das deutsche Mädel durch den BDM., durch den Arbeitsdienst, und, soweit es studiert, drei Semester durch die Erziehungsgemeinschaft der ANSt., um erst danach wieder in den BDM. als Führerin zurückzukehren und nach Beendigung des Studiums in die Frauenschaft überführt zu werden. […] Durch die gemeinsame Arbeit von BDM. und ANSt. hoffen wir, die Voraussetzungen geschaffen zu haben, um die Erziehung unserer jungen Ärztinnen, Lehrerinnen, Rechtswahrerinnen usw. bestmöglichst durchführen zu können.“460
455 Lauck, 262. Hervorhebung im Original. 456 Bruhn/Böttner, 112. 457 Vgl. Otto Kreppel: Die Stammhochschule ist da! In: DB vom 2.3.1937. 458 Vgl. Boberach 2, 140. 459 BArch, RSF II* 515 (a 416). Vereinbarung über die Zusammenarbeit zwischen dem BDM und der ANST. vom 25.2.1937. 460 Inge Wolff: Zum Abkommen mit dem BDM.: Mädel an der Hochschule. In: DB vom 9.3.1937.
3.3 Volkstumsarbeit (VTA)
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Während des Krieges bekam die VTA einen praktischen Nutzen in den besetzten Ostgebieten. In den Semesterferien wurden deutsche Kindergärten und Schulen von freiwillig im „Osteinsatz“ arbeitenden Studentinnen aufgebaut und in wechselnder Besetzung betreut.461 So arbeiteten bspw. einige von ihnen als Lehrerinnen in den Umsiedlungslagern im östlichen Warthegau, um polnisch sprechenden Kindern und Jugendlichen die deutsche Sprache beizubringen. In Schulen und Kindergärten versuchte man die Sprache über die in der VTA erworbenen Kenntnisse deutscher Märchen, Kinder- und Volkslieder zu vermitteln. 1940 stellt das Amt Studentinnen der RSF sogar ein Sonderschulungsheft zusammen, das praktische Anweisungen und Anregungen für diese Arbeit enthielt. In dem reich bebilderten, mit zeichnerischen Anleitungen und Noten versehenen Heft wurden die bisherigen Erfahrungen zum Einsatz der Studentinnen in Kindergärten gesammelt, darunter zu den Themen Selbstbasteln von Spielzeug, Beschäftigungen für Regentage, Finger- und Redespiele, Rede- und Auszählverse, Märchenspielen und -erzählen etc. Bei der Zusammenstellung war man von dem Erfahrungsgrundsatz ausgegangen, wonach der direkte Weg zu Herz und Seele des Dorfes über die Kinder ginge. Was diese sprachen, sangen, lernten und übten, würde das Dorfleben durchdringen, dessen „unbestechlicher Spiegel“462 der Kindergarten sei, so die Ansicht der NS-Funktionärinnen. Soweit noch Zeit zur Vorbereitung der Kindergartenhelferinnen vorhanden war, sollten zusätzliche Maßnahmen ergriffen werden, die zum Großteil auf die als vorbildlich empfundene Arbeit der lokalen ANSt zurückgingen. „Die Münchener Kameradinnen hatten ihre Kindergarten-Einsatzstudentinnen vorerst einmal zusammengefaßt zu einem theoretischen Vortrag durch eine geprüfte Kindergartenschwester. Der gemeinsamen eingehenden Besichtigung aller Einrichtungen eines vorbildlichen Kindergartens folgte dann ein persönlicher „Anschauungsunterricht“, bei dem je zwei und zwei der Studentinnen einen arbeitenden Kindergarten besuchten, der Leiterin erst einmal still zuschauten, um dann praktisch versuchsweise selbst die ersten im Anfang noch ein wenig unsicheren Schritte auf diesem neuen Boden zu wagen. Der Erfolg hat auch hier die Richtigkeit des eingeschlagenen Weges bewiesen. Wir haben damit die erste Unsicherheit noch in der Gemeinschaft am Hochschulort überwunden und sie somit für den eigentlichen Einsatz ausgelöscht“463, so das Fazit der Berichterstattung im Zentralorgan des NSDStB.
461 Zum Osteinsatz vgl. Elizabeth Harvey: „Der Osten braucht Dich!“ Frauen und nationalso zialistische Germanisierungspolitik. Hamburg 2010, künftig zitiert als Harvey. 462 Aus Erntehilfe und Landdienst. Kindergarteneinsatz der Studentinnen. In: DB vom 23.7.1940. 463 Ebd.
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Darüber hinaus hatten die Münchnerinnen zur Beschaffung von Bastelmaterial einen Aufruf in der örtlichen Tagespresse geschaltet und um alle Arten von Abfallholz, Papier, Pappe, Garn-, Stoff- und Wachstuchresten, Korken, Draht, Farben und sonstige Materialien gebeten. Der Erfolg sei nicht vorauszusehen gewesen, die Frauen hätten die Spenden mit Handwagen zusammenholen müssen; der lokale Aufruf wurde damit eine reichsweite Empfehlung für sämtliche Gaue. Als eine der wenigen Quellen zur LMU bestätigt auch der Bericht des zweiten Trimesters 1940 die hier beschriebene VTA der ANSt im Gau München-Oberbayern. Diese war zum angegebenen Zeitpunkt primär auf die Vorbereitungen für die Durchführung von Dorfgemeinschaftsabenden im Rahmen des Landdiensteinsatzes ausgerichtet, wozu die Einübung von Liedern, Laienspiel, Gemeinschaftstänzen und Scharaden zählten. Allerdings kam es anschließend nicht in allen Fällen zur Nutzung des Erlernten, da die Gruppen im Einsatzgebiet selbst aus nicht genannten Gründen auseinandergerissen werden mussten. Jede von ihnen hatte zudem Spielzeug für die Kindergärten des Warthegau-Einsatzes gebastelt. Das Material dafür war aus der Münchner Bevölkerung zusammengekommen. Darüber hinaus wurden – ebenso wie bei den Kommilitoninnen der Akademie der Bildenden Künste sowie der Akademie der angewandten Kunst – drei Kasperletheater mit jeweils zehn bis zwölf Puppen geschnitzt bzw. in Pappmaché gearbeitet. Eine ANSt-Gruppe arbeitete, wie DB bereits im Juli berichtet hatte, Vorschläge für die Schulungshefte zum Thema Kindergartenarbeit aus.464 Dass selbst derartige, vordergründig unspektakuläre Tätigkeiten die von Elizabeth Harvey beschriebene Germanisierungspolitik der Nationalsozialisten in Polen unterstützten465, scheint den Frauen allerdings nicht bewusst gewesen zu sein: „Einmal haben wir – das war eigentlich ganz nett – aus Pappmaché Kasperlefiguren gebastelt. Das war dann an sich harmlos.“466 „Praktische Anleitungen für den Landdienst“ gab es in derselben Ausgabe der DB auch mit Blick auf den als „kulturpolitische Aufgabe“ verstandenen Dorfabend. Dieser führte die Erwachsenen zu gemeinsamen Volkslied und Volkstanz, zu Kasperletheater, Stegreif-, Bewegungs- und Laienspiel sowie zum als Abschluss der Einsatzzeit stattfindenden Kreisfest zusammen: „Es ist an sich
464 Vgl. BArch, RSF II* 533. Trimesterbericht des 2. Trimesters 1940 über die ANST Arbeit im Gau München-Oberbayern vom 5.9.1940, sowie ebd. Studentenführung der Akademie der Bildenden Künste an die Gau-ANST-Referentin Ingrid Burchard vom 23.7.1940 und Studentenführung Akademie für angewandte Kunst München an die Gau-Anst-Referentin Ingrid Burchard vom 18.7.1940. 465 Vgl. Harvey. 466 Interview mit Philomena Sauermann vom 12.3.2005.
3.4 NSV-Arbeit
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nicht verwunderlich, daß wir gerade in diesem Jahr des Krieges so eingehend noch einmal auf die kulturpolitische Arbeit während des Landdienst-Einsatzes hinweisen. Wir setzen zum Teil in Gebieten ein, die erst vor Jahresfrist durch das deutsche Schwert dem Reich wiedergegeben wurden, in denen heute bereits der innere Aufbau, der jedem militärischen Siege unerläßlich folgen muß, begonnen hat.“467 Neben der Kulturarbeit und dem Einsatz im Landdienst sollten die Frauen zudem eine in vielen Dörfern des Ostens noch fehlende BDM-Gruppe gründen und versuchen, geeignete Führerinnen ausfindig zu machen und zu schulen. Gleichzeitig hatte die völkische Kulturarbeit die Aufgabe, die sog. „Auswüchse der Zivilisation“ zu bekämpfen und Fremdeinflüsse wie bspw. Amerikanismen aus den kulturellen Aktivitäten der dörflichen und städtischen Jugend zu verdrängen. So bestand die Vorstellung, „eine eigentlich über lange Zeit wachsende „Volkskultur“, durch Schulung und Erziehung normiert, aufbauen zu können“468, in der Annahme, diese würde sich etwa in der Landbevölkerung in praktisch angewandtes Brauchtum verwandeln bzw. verwandeln lassen.
3.4 NSV-Arbeit Im Gegensatz zu Frauendienst und VTA blieb die NSV-Arbeit auch nach der Neuordnung im Arbeitsplan des H VI freiwillig. Lediglich in Ausnahmefällen sollte, wie bereits Mitte Februar 1935 beschlossen469, ein Pflichteinsatz anberaumt werden.470 Allerdings hatte dieser Beschluss nur bis zum Wintersemester des Jahres Bestand. Das Abkommen zwischen BDM und ANSt sowie die Richtlinien für die ANSt-Arbeit vom Oktober 1935 dehnten die Indienstnahme zwangsläufig auf den überwiegenden Teil der Studentinnen aus.
467 Alle Zitate nach Renate Kalb: Praktische Anleitungen für den Landdienst: Der Dorfabend, eine kulturpolitische Aufgabe. In: DB vom 23.7.1940. Beim sog. „Kreisfest“ kamen die Studierenden mit ihren Bauern und Nachbarn an einem zentral gelegenen Ort des Kreises zusammen. Nachdem die Dorfgruppenführer mit der studentischen Mannschaft die Erfahrungen des abgeschlossenen Einsatzes besprochen und zukünftige Vorschläge und gebietsabhängige Richtlinien fixiert hatten, begann das gemeinsame Fest mit den Bauern. Im Rahmen eines kurzen politischen Schlussappells sprachen noch einmal die Kreisbeauftragten von Staats- und Parteistellen. Vgl. ebd. 468 Alle Zitate nach Manns, 236. 469 Vgl. BArch, NS 38/I* 80g 43/1. Die Deutsche Studentenschaft. Hauptamt für Studentinnen. Amt für NSV. Rundschreiben Nr. VI/H 3/1935 vom 18.2.1935, sowie Kapitel IV, 1.4 NS-Volkswohlfahrt (NSV). 470 Vgl. ebd. Die Deutsche Studentenschaft. Hauptamt f. Studentinnen. Rundschreiben VI/ H 6/1935 vom 1.3.1935.
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Im Gegensatz zu den Kommilitoninnen früherer Jahrgänge mussten sie, wie die vorangegangenen Ausführungen zeigen konnten, künftig während der ersten drei Semester Volkstums- oder NSV-Arbeit leisten. Grüttners Einordnung der NSVArbeit in diejenigen Aktivitäten, die seit 1935 im Allgemeinen ANSt-Angehörigen vorbehalten waren, ohne die – an dieser Stelle notwendige – Berücksichtigung der gezielten Mitgliedersicherung sowie seine These, die Belastung durch außer universitäre Pflichten habe sich ab diesem Jahr „deutlich verringert“471, greifen daher entschieden zu kurz. Da etwa die Hälfte aller Studentinnen dem BDM angehörte, wurde ein Großteil der weiblichen Erstsemester bei konsequenter Durchführung des Abkommens automatisch in die ANSt eingegliedert, „a bureaucratic stroke of the pen, so that the majority undoubtedly turned out to be indifferent, if not reluctant, recruits.“472 Andererseits endete, wie Grüttner richtig konstatiert, der Anspruch auf die politische Erziehung der Frauen nach drei Studiensemestern, weshalb die meisten von ihnen der Arbeitsgemeinschaft anschließend wohl lediglich noch als „Karteileichen“473 angehörten. Der Semesterbericht der Hochschule für Lehrerbildung in Würzburg verdeutlicht diese Einschätzung exemplarisch: „Die Kameradinnen des 4. Semesters haben an den regelmässigen Schulungsabenden der ANST nicht mehr teilgenommen.“474 Die Grundlage für den Einsatz der weiblichen Studierenden in der NSV bildete ein Rundschreiben vom Dezember 1934475, welches, abgesehen von marginalen Ergänzungen, nach wie vor Gültigkeit besaß. Als Hauptpunkte für die Mitarbeit in der NSV hatte man sieben Bereiche festgelegt, die keine „Verweichlichung und Verwöhnung“ der Betreuten nach sich ziehen sollten, sondern auf das Ziel ausgerichtet waren, die Familie als „Keimzelle des Volkes […] wieder zu befähigen, ihre Aufgaben in Zukunft aus eigener Kraft erfüllen zu können.“476 Dazu gehörte die Betätigung einzelner Kameradinnen als permanente Helferinnen der örtlichen NSV, der Einsatz bei wöchentlichen Pfund- oder Monatssammlungen, die Sammlung von Bekleidung und Spielzeug samt Instandsetzung sowie die Einrichtung von Näh- und Bastelgruppen bzw. Mitarbeit in den NSV-Nähstuben, die
471 Grüttner, 286. 472 Pauwels, 68. 473 Grüttner, 354. Wer es schaffte, der ANSt in den ersten drei Semestern zu entgehen, hat folglich niemals etwas von dieser Einrichtung mitbekommen. 474 BArch, RSF II* 532. Semesterbericht S. H. 1939. Studentenführung H. f. L. Würzburg. Amt Studentinnen vom 15.7.1939. 475 Vgl. BArch, RSF II* 499. Der Reichsorganisationsleiter. N. S. D.-Studentenbund. ReichsA. N. St.-Referentin im N. S. D. St. B. Rundschreiben A. N. St. 3/34 vom 15.12.1934. 476 BArch, RSF II* 499. Amt N. S. D.-Studentenbund. Reichs-A. N. St.-Referentin. Rundschreiben A. N. St. 12/35 vom 31.10.1935.
3.4 NSV-Arbeit
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Unterstützung in Küchen bzw. Lese- und Wärmestuben der NSV und schließlich die Familien- und Kinderbetreuung (Spielenachmittage mit Kindern der von der NSV betreuten Familien). Die letzten beiden Punkte waren besonders zuverlässigen und damit linientreuen NS-Kameradinnen vorbehalten. Ziel war es, die Eltern der betreuten Familien durch sorgsam gestaltete Elternabende zu erfassen und die Mütter subtil zur Teilnahme an den Schulungskursen der NSF zu bewegen: „Es darf keinerlei Druck ausgeübt werden. Mit viel Takt müssen wir überzeugen und mitreissen.“477 Diejenigen Studentinnen, die nicht der ANSt angehörten, konnten sich selbstverständlich freiwillig an der NSV-Arbeit beteiligen, waren dann jedoch zweckmäßigerweise einzusetzen wie bspw. bei Sammlungen. Allerdings mussten die NS-Studentinnen schon sehr früh erkennen, dass die Frauen der permanenten Indienstnahme durch außeruniversitäre Pflichten und mit ihr den neu aufgenommenen Inhalten abwehrend gegenüberstanden. Aus diesem Grund beschränkten sie bspw. ihre Aktivitäten in der NSV auf ein Minimum und liefen, wie etwa in Freiburg, gerade einmal mit der Sammeldose durch die Stadt.478 Bereits Anfang Februar 1935 hatten Gaustudentenbundführer Hermann Aly und Sigwart Göller, Führer der Studentenschaft der LMU, ein Schreiben an das Staatsministerium für Unterricht und Kultus gerichtet, in dem sie sich über die Haltung der Studenten bei einer zweitägigen Sammlung zu Monatsbeginn beschwerten. Während 3599 Freiwillige ausnahmslos erschienen seien, waren von den 1743 pflichtmäßig zur einwandfreien Durchführung einberufenen Studenten etwa 1000 unentschuldigt weggeblieben. Die Studentenschaftsführung sah in diesem Verhalten eine Nichtachtung ihrer gesamten Arbeit für das WHW und monierte die mangelnde Kameradschaft. Gleichzeitig wies man auf die Verpflichtung der Studenten gegenüber der Volksgemeinschaft hin und bat das Ministerium um Zustimmung, die Säumigen am Ende des Semesters zu einer Abgabe von zehn RM an die NS-Organisation anzuhalten. Andernfalls sollte eine Neueinschreibung im kommenden Semester in München nicht erfolgen dürfen.479 Zieht man in diesem Zusammenhang die Erinnerungen von Barbara SchützSevin hinzu, bestätigt sich das Bild, wonach sich die Studierenden der Indienst-
477 Ebd. Der Reichsorganisationsleiter. N. S. D.-Studentenbund. Reichs-A. N. St.-Referentin im N. S. D. St. B. Rundschreiben A. N. St. 3/34 vom 15.12.1934. 478 Vgl. Scherb, 214. 479 Vgl. BayHStA, MK 40804. Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei. Studentenbundführung des Gaues München-Oberbayern an das Staatsministerium für Unterricht und Kultus vom 5.2.1935.
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nahme entzogen. Inoffiziell würde das die zwangsweise Verpflichtung derselben zur Sammlung für das WHW erklären: „In dieser Hinsicht hatte ich ein deprimierendes Erlebnis in München. Es war der Stolz der Studentenschaft in der [Weimarer/P. U.] Republik gewesen, für die Notleidenden zu sammeln und eine kleine Wohlfahrtspflege für sich zu organisieren. An einem Sonntag war auch von den Studenten der Republik in München gesammelt worden. In ihren Korporationsmützen hatten sie auf der Strasse gestanden, sich selber dann auch um die Verteilung der eingebrachten Gaben, der gesammelten abgelegten Kleider, der Esswaren, Kohlen und des Geldes gekümmert. Es herrschte Selbstverwaltung, über die sich jeder freute. 1934/35 wurde in München wieder die Studentenschaft aufgerufen, aber diesmal selbstverständlich von den N. S. Obwohl ich sehr beschäftigt war mit der Vorbereitung auf das Examen, wusste ich um diese Tradition der Studentenhilfe und schrieb mich […] am letzten Tage der Listenauflage ein. Zu meinem masslosen Erstaunen fand ich auf diesen Listen, die ungefähr eine Woche oder 10 Tage ausgelegen hatten, für den Sonnabend 3 und für den Sonntag 5 Namen von Freiwilligen. Es war ein Skandal. […] Den N. S. war es natürlich furchtbar peinlich. Das musste vertuscht werden. Man konnte doch nicht hinter den Ergebnissen und der Einsatzbereitschaft der Republik zurückstehen. So wurde befohlen. Und dann las man von der ausserordentlichen Aufopferung und dem Volksbewusstsein der Studenten, die in hellen Scharen wie nie zuvor erschienen waren. Das stimmt schon. Fragte sich nur, wie man es erreicht hatte.“480 Um den Einsatz der Münchner Studierenden zu erreichen, berichtete man etwa im Wintersemester 1936/37 offiziell von der seit fünf Semestern bestehenden Studentenbundsarbeitsgemeinschaft WHW-NSV, deren Mitglieder in den vergangenen Winterhalbjahren angeblich jeden Morgen Nägel verkauft und wöchentlich Hochschulsammlungen abgehalten hatten. „Sie versuchten unermüdlich zu beweisen, daß auch der Student ein Glied der Volksgemeinschaft ist, daß er sich nicht zu gut dünkt, dem mittellosen Volksgenossen zu helfen.“481 Auf diese Weise
480 Schütz-Sevin, 109 f. Zu Sammlungen der Studierenden vor 1933 vgl. exemplarisch UAM, Sen. 366c/2t. Bericht über das Winterhalbjahr 1931/32 gegeben von der Studentenschaft der Universität München. Mitte Februar hatte die Studentenschaft die Studentinnen und Studenten zum zweiten Mal zur Beteiligung an einer durch die Reichswehr sowie die Landespolizei im Auftrag des städtischen Wohlfahrtsamtes München duchgeführten Sammlung aufgerufen. Zwischen dem 15. und dem 27. Februar wurden auf diese Weise 709 von ihnen zur Winternothilfesammlung abgestellt. 481 Im Dienst der Gemeinschaft. In: DB. Münchener Hochschulnachrichten. Student in München. Nachrichtenblatt des Gaustudentenbundes München-Oberbayern und der Münchner Studentenschaften vom 25.11.1936.
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wollte man eine in der bayerischen Landeshauptstadt noch nie da gewesene Sammlung mit vierstelliger Teilnehmerzahl auf die Beine stellen, nachdem sich etwa die Studentinnen im Februar 1936 nicht am Sammeltag des Studentenbundes und damit an der Reichsstraßensammlung für das WHW beteiligt hatten und der Einsatz zu einem späteren Termin aus organisatorischen Gründen unmöglich gewesen war.482 Über den Ausgang der „Werbeaktion“ konnte allerdings nichts in Erfahrung gebracht werden. Fest steht jedoch, dass zwei im Februar 1938 dokumentierte Vorhaben scheiterten, darunter eine gemeinsame Weihnachtstraßensammlung mit der HJ, die aus unerklärlichen Gründen ablehnend auf das Vorhaben reagierte.483 Eine weitere, zweiwöchige Listensammlung für das Deutsche Rote Kreuz führten die Studentinnen und Studenten im Juli 1940 durch. Diese Sammlung erfolgte über die Kameradschaft und Gruppen der ANSt und getrennt davon über die Dienstgemeinschaften der DSt.484 Auch die Zeitzeugeninterviews lassen keine Stringenz in der Durchführung der Sammelaktionen erkennen, wenngleich die Gesprächspartnerinnen sich ausschließlich an diesen Teil der NSV-Arbeit erinnerten: „Ja, beim Winterhilfswerk haben wir eine Sammelbüchse in die Hand gedrückt bekommen und mussten rumgehen.“485 Für eine Spende habe es, so der Fokus in einem anderen Rückblick, schöne Holzanhänger gegeben. „Die hat man dann am Christbaum aufgehängt. […] Zum Beispiel kleine Figuren oder ein Schaukelpferd und solche Sachen; waren wirklich entzückend.“ In welchem Rahmen bzw. von welcher Stelle die ehemalige Studentin der Zeitungswissenschaft zu ihrem Einsatz beordert wurde, vermochte sie allerdings nicht mehr zu sagen, „anlässlich von einer Vorlesung wahrscheinlich, das weiß ich nicht mehr. Jedenfalls eines weiß ich, dass während des Sammelns sind oben Flieger geflogen rauf in den Süden: „Da oben fliegt unser Winterhilfswerk.“ […] Aber das hätte man wahrscheinlich auch nicht sagen dürfen.“486
482 Vgl. BArch, RSF II* 499. Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei. Reichsleitung. Reichsstudentenbundsführung. Eilbrief vom 29.1.1936, sowie Studenten sammeln! In: DB vom 29.1.1936. 483 Vgl. BArch, RSF II* 118. Gaustudentenführung München-Oberbayern an den Reichsstudentenführer G[ustav] A[dolf] Scheel vom 8.3.1938. Zum Ausfall der Studentinnensammlung vgl. Sen. UAM, 503/1. Leiterin des H VI an die Kanzlei der Universität München vom 11.2.1936, sowie ebd. Die Münchner Studentenschaften an die Rektoren der Hochschulen und an die Direktoren der Fachschulen München vom 14.2.1936. 484 Vgl. Die Studenten des Gaues München-Obb. opfern für die verwundeten Kameraden. In: DB vom 6.8.1940. 485 Interview mit Anna-Margret J. vom 2.4.2005. 486 Interview mit Dr. Elisabeth P. vom 17.4.2005.
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Nachdem keine der Befragten andere Aufgaben innerhalb der NSV-Arbeit thematisierte, stellt sich die Überlegung, ob die Münchner Studentinnen analog zu ihren Freiburger Kommilitoninnen die NSV-Tätigkeiten so weit als möglich zu umgehen suchten, d. h. kein Interesse an einer über die Sammlungen hinausgehenden Mitwirkung zeigten oder innerhalb ihrer dreisemestrigen Indienstnahme der VTA den Vorzug gaben. Einem Bericht aus DB zufolge sollen sich im Gau München-Oberbayern zumindest im Wintersemester 1935/36 rund 270 Kameradinnen freiwillig für die Arbeit der ANSt zur Verfügung gestellt haben. Hierzu zählten die Familien- und Erwerbslosenbetreuung, die Betreuung von Kindern arbeitsloser Frauen sowie die Hilfe von Medizinerinnen beim Sprechstudentendienst. In der Weihnachtszeit hatte man zudem einen Kindernachmittag im Studentenhaus unter Mitwirkung der Studentinnen veranstaltet, während andere unter ihnen in einer NSV-Ortsgruppe beim Packen von Weihnachtspaketen sowie der Anfertigung von Spielzeug und Kleidungsstücken für die Bescherung der betreuten Landdienstbauern in der Bayerischen Ostmark halfen: „Heute ist es längst selbstverständlich geworden, daß die Studentin nicht nur in Hörsälen und Instituten arbeitet, sondern daß sie überall da zu finden ist, wo sie als Frau am Aufbauwerk unseres Führers mithelfen kann.“487 Allerdings sprechen verschiedene Punkte gegen die scheinbare Selbstverständlichkeit, mit der sich sämtliche weibliche Studierende in den Anfangsjahren des Dritten Reiches in den Dienst der ANSt gestellt haben sollen. So wurde vor Mai 1935 nicht jedes BDM-Mitglied bei Aufnahme eines Studiums automatisch in die studentische NS-Organisation überführt und zur Indienstnahme bis zum vierten Semester verpflichtet. Dazu kam, dass erst mit dem Gesetz über die Hitlerjugend vom 1. Dezember 1936488 die bis dato formell freiwillige Mitgliedschaft im Bund verpflichtend wurde und dessen Angehörige an der Universität also frühestens ab dem Wintersemester 1936/37 unweigerlich zur Dienstableistung in die ANSt eintreten mussten. Nach Angaben des Berichtes über das Wintersemester 1938/39 gehörten von 637 LMU-Studentinnen gerade einmal 192 dem BDM an, was lediglich einem Anteil von rund 30 % entsprach.489 Wechselnde Bestimmungen hatten überdies für den vollkommen freiwilligen Charakter der NSV-Arbeit im Sommersemester 1935 gesorgt490, weshalb anzunehmen ist, dass es sich bei
487 Die Gruppen melden. Hier helfen Studentinnen. Bericht über die NSV.-Arbeit der ANSt. des Gaues München-Oberbayern im WS. 1935/36. In: DB vom 15.4.1936. 488 Gesetz über die Hitlerjugend. In: RGBl. Teil I. Berlin 1936, 993. 489 Vgl. BArch, RSF II* 540 (a 438). Semesterbericht: Wintersemester 1938/39 der Gaustudentenführung München-Oberbayern vom 4.3.1939. 490 Vgl. Kapitel IV, 1.4 NS-Volkswohlfahrt (NSV).
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den freiwilligen Kameradinnen im Wintersemester 1935/36 primär um überzeugte Regimeanhängerinnen handelte bzw. um Frauen, deren soziales Engagement sofort als eine charakteristische Eigenschaft für den neu definierten Typus der Studentin im Dritten Reich verstanden wurde. Eine entsprechende Formulierung im o. g. Arbeitsbericht bestätigt diese These: „Die Arbeit der ANSt. ist kein starres System an zu erledigenden Pflichten – die nationalsozialistische Studentin nimmt so tiefen Anteil am Leben, an den Sorgen und Nöten ihres Volkes, daß sie wache Augen dafür hat, wo ihre Hilfe gerade notwendig gebraucht wird, im Landdienst oder Siedlerdienst beim Bauern, in der Fabrik, in Nähstuben, Volksküchen usw.“491 Insgesamt lassen sich nicht nur die Sammelaktionen, sondern auch die übrigen Bereiche der studentischen NSV-Arbeit für die Universität München lediglich bruchstückhaft nachzeichnen. Noch im November 1938 blickte man im Gau München-Oberbayern auf die Betreuung bedürftiger, kinderreicher Familien in den vergangenen Semestern zurück, wobei die entsprechenden Kameradinnen den betreffenden Ortsgruppen von der Hilfsstelle „Mutter und Kind“ zugeteilt worden waren.492 Nach den Richtlinien der ANSt vom Dezember 1934 war diese Aufgabe jedoch nur besonders zuverlässigen und damit linientreuen NS-Kameradinnen vorbehalten.493 Deshalb muss offenbleiben, ob – und wenn ja, in welcher Form – die in diesem Sinne weniger zuverlässigen Kommilitoninnen ebenfalls Tätigkeiten übernommen hatten. Dazu kam, dass die im November 1938 eingesetzte Gau-ANSt-Referentin Ruth Bergholtz sich entschlossen hatte, im Wintersemester 1938/39 bewusst von der Mitarbeit der Münchner Studentinnen in der NSV abzusehen. Während bspw. zeitgleich in Heidelberg zwölf Kameradinnen in der Familienbetreuung arbeiteten494, war es nach Ansicht von Bergholtz zwecklos, die hiesigen Frauen drei bis vier Stunden pro Woche auf diesem Gebiet einzusetzen. Weil die zu betreuenden Familien mitunter an der Peripherie der Stadt wohnten, hätten die Kameradinnen überdies wenigstens eine Stunde Fahrtzeit auf sich nehmen müssen. Aus diesen Gründen wurde der NSV-Einsatz der
491 Die Gruppen melden. Hier helfen Studentinnen. Bericht über die NSV.-Arbeit der ANSt. des Gaues München-Oberbayern im WS. 1935/36. In: DB vom 15.4.1936. Hervorhebung P. U. 492 Vgl. R. B.: Junge Studentin – Reihe Dich ein! Der Ruf der Arbeitsgemeinschaft nationalsozialistischer Studentinnen. In: Student im Bereich Süd. Beilage der „Bewegung“ für die Gaue: München-Obb., Schwaben, Bayerische Ostmark, Franken, Mainfranken vom 15.11.1938. 493 Vgl. BArch, RSF II* 499. Der Reichsorganisationsleiter. N. S. D.-Studentenbund. ReichsA. N. St.-Referentin im N. S. D. St. B. Rundschreiben A. N. St. 3/34 vom 15.12.1934. 494 Vgl. BArch, RSF II* 540 (a 438). NSV-Semester Bericht vom 13.2.1939.
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Studentinnen vorerst nicht durchgeführt495: „Auf eine Mitarbeit in der NSV. habe ich im Einverständnis der Gau-ANSt. Referentin bewusst verzichtet, da wir ihre Aussichts- und Zwecklosigkeit einsahen bei Studentinnen, die immer nur jeweils für einige Monate am Hochschulorte wohnen.“496 Gleichzeitig beklagte auch die Leiterin des Amtes Studentinnen und ANStReferentin in Heidelberg, dass die Kameradinnen ihre Arbeit im Allgemeinen zwar gerne verrichten würden, die Indienstnahme durch die NSV jedoch auf Dauer zu belastend wäre und eher vom BDM getragen werden müsste. Auf diese Weise würden Kräfte für solche Arbeitsgebiete frei, die für weibliche Studierende wesentlicher seien und von diesen besser geleistet werden könnten.497 Wenngleich die letzte Gau-ANSt-Referentin München-Oberbayern im Zeitzeugengespräch angab, sich gegen Ende des Krieges vollkommen auf kulturelle Aktivitäten beschränkt und keine NSV-Arbeit ausgeführt zu haben498, war die Studentinnenschaft im Laufe der Zeit jedoch mehr und mehr zur „Manövriermasse“ anderer nationalsozialistischer Einrichtungen geworden, indem man – je nach ideologischer Notwendigkeit – bilaterale Abkommen zwischen DSt und diesen abschloss. Nach 1933 begann sich mit dem Konsolidierungsprozess der Bewegung die soziale Arbeit der weiblichen Studierenden inner- und außerhalb der Hochschulen zunehmend mit den politischen Projekten diverser NS-Organisationen zu verflechten. „Für die aktiven NS-Studentinnen und die gesamte Studentinnenschaft bedeutet(e) das, zum einen potentiell mit dem System der aktiven Parteigliederungen (DAF, NSV, SS, HJ, NSF etc.) in Verbindung zu stehen, d. h. in die Strukturen der „sozialpolitisch“ arbeitenden Verbände vertraglich eingebunden zu sein und als einzelne Person oder Gruppe ein qualifiziertes, verfügbares Arbeitskräftereservoir für andere Organisationen darzustellen.“499 Als solches sollten sich die ANSt-Gruppen der örtlichen Hochschulen während des Semesters neben der NSV-Arbeit den Ortsgruppen der NSF zur sozialen, kulturellen und politischen Mitarbeit in (Jugend-)Gruppen oder dem Frauenamt der DAF für soziale Betreuungsarbeit zur Verfügung stellen, wie Reichs-ANSt-Referentin Anna Kottenhoff unmittelbar nach Kriegsbeginn verkündet hatte.500 Bewusst oder unbewusst stellte man sich mit derart externen
495 Vgl. ebd. Semesterbericht: Wintersemester 1938/39 der Gaustudentenführung MünchenOberbayern vom 4.3.1939. 496 Ebd. ANSt. der Studentenführung Universität München. Bericht über das WS. 1938/39. 497 Vgl. ebd. Der Studentenführer der Universität Heidelberg. Gau Baden. Arbeitsbericht des Amtes Studentinnen für das Winter-Semester 1938/39 vom 16.2.1939. 498 Vgl. Interview mit Gertraud S. vom 26.5.2005. 499 Alle Zitate nach Manns, 185. 500 Vgl. Anna Kottenhoff: Kameradinnen, deutsche Studentinnen! In: DB vom 3.10.1939.
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Hilfsdiensten ganz in den Sinne der nationalsozialistischen Geschlechterideologie, wonach sich Frauen besonders gut für helfende, heilende oder erzieherische Tätigkeiten eigneten501 und die Studentin ab 1939 Dienst in der „inneren Front“ tat: „Es ist selbstverständlich, daß in diesen ersten Monaten das Schwergewicht jeder örtlichen Arbeit bei denjenigen Aufgaben liegt, die unmittelbar durch den Krieg bedingt werden. […] Hierzu gehört auch die soziale Hilfsbereitschaft, der sich unsere Studentinnen zur Verfügung stellen: die Mithilfe in der NSV., bei der Betreuung von Kriegskindergärten oder bei der Betreuung von Familien, deren Väter im Felde sind, hierzu gehört ferner die Nachbarschaftshilfe und der freiwillige Fabrikdienst, der einer urlaubsbedürftigen Mutter zugute kommt.“502 Trotz intensiver Bemühungen scheiterte die hier propagierte Zusammenarbeit mit den örtlichen Gruppen der NSF in München deutlich. Ungeachtet der Versuche von Ingrid Burchard, Gau-ANSt-Referentin und vorletzte Leiterin des Amtes Studentinnen, griff die NSF nur vereinzelt auf die mehrfach angebotene Hilfe bzw. Bitte um Zusammenarbeit zurück. Im Gegensatz zur Universität Jena, die bereits seit 1932 ein offensichtlich „unkompliziertes Verhältnis“ zur NSF unterhielt und die sozialen Tätigkeiten seit 1934 im Rahmen „der stärkeren Gewichtung studentischer Dienste“503 mehr und mehr ausbauen konnte, wurde die Unterstützung der lokalen Studentinnen kaum in Anspruch genommen. Unter Verweis auf den geringen Nutzen einer stundenweisen Betreuung hatte man die ANSt-Kameradinnen weder zur Nachbarhilfe eingesetzt noch zu gemeinsamen Abenden heran gezogen. Die Akademie für angewandte Kunst wiederum nahm ihrerseits im Sommersemester 1940 keine Verbindung mit der NSF auf504, die Hans-SchemmHochschule für Lehrerbildung München-Pasing unterhielt – abgesehen von zwei Ausnahmen – nur schlechte Verbindungen mit den für den Hochschulbereich in Frage kommenden Ortsgruppen.505 Allerdings bekam selbst die Jenaer ANSt ihre geringe Bedeutung innerhalb der NSF zu spüren, „wenn sie es wagte, ihre Gruppe eigenmächtig über den unmittelbaren Bereich der Universität hinaus zu vergrößern. Dies war der Fall, als die ANSt am Ausbildungsinstitut der Technischen Assistentinnen in Jena eine eigene Fachschulgruppe gründen wollte, was schließlich daran scheiterte, daß die dortigen Auszubildenden bereits alle in der NS-Frauenschaft organisiert
501 Vgl. Pauwels, 41. 502 Anna Kottenhoff: Auch die Studentin steht in der inneren Front. In: DB vom 2.1.1940. 503 Stiefel, 302. 504 Vgl. BArch, RSF II* 533. Studentenführung Akademie für angewandte Kunst München. Arbeitsbericht Sommersemester 1940. 505 Vgl. ebd. Der Studentenführer Hans-Schemm-Hochschule für Lehrerbildung München Pasing an die Gau-ANST-Referentin Ingrid Burchard. Semesterbericht SS. 1940 vom 24.7.1940.
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waren und von einer weiteren Mitgliedschaft in einer neuen NS-Frauenorganisation nichts wissen wollten.“506 Ähnlich gestaltete sich die Situation an der Universität Freiburg, wo die ANSt während der gesamten Kriegszeit versuchte, den aktiven Einsatz der weiblichen Studierenden an der Heimatfront zu organisieren, obwohl die einzelnen Organisationen wenig Entgegenkommen zeigten.507 Als erfolgreicher erwies sich die Zusammenarbeit von ANSt und NSF dagegen auf dem Gebiet der Kriegsfürsorge, die offiziell mit dem Lazarettsingen Berliner Musikstudentinnen Ende 1939 begann.508 Darüber hinaus fungierten die den Frontsoldaten im Krieg als vermeintliche „Kameradinnen“ an die Seite gestellten Frauen als mildtätige Gastgeberinnen von „geschmackvoll ausgerichteten bunten“509 Zusammenkünften für verletzte Studenten: „Zahlreich und guter Stimmung sind die Gäste gewesen, die von der Gaustudentenführung zu einem TeeNachmittag im Studentenhaus vereinigt wurden und zu denen sich u. a. Kreisleiter Lederer und der Rektor der Universität München Prof. Dr. Wüst gesellten. An der Programmgestaltung hatten Anteil H. Münch und H. Endreß mit gesanglichen Proben ihres Könnens, Schülerinnen der Meisenbachschule mit einigen Tänzen, brillante Geigensoli […] und Klavierbeiträge. […] Anschließend gab es liebevoll gereichten Tee und Gebäck und eine angenehme, angeregte Plauderstunde. Jeder Teilnehmer erhielt ein stattliches Liebesgabenpaket.“510 Auch die ANSt-Gruppen der Universität Erlangen luden die Verwundeten aus den Lazaretten wiederholt ins Studentenhaus zu Veranstaltungen ein.511 Das Beispiel des Münchner Tee-Nachmittags spiegelt das Bemühen der ANSt wider, ihre Arbeit ab 1939 verstärkt auf die Bedürfnisse des Krieges umzustellen. „Neben die traditionellen Gruppenaktivitäten politischer, kultureller oder sozialpolitischer Art trat die Beteiligung an den obligatorischen Arbeitseinsätzen, am Kriegspropagandaeinsatz und am „Facheinsatz Ost“ sowie die Betreuung von Frontsoldaten. Dazu gehörte die Versendung von Feldpostpäckchen an Westwallarbeiter und Soldaten, ein Beitrag zur moralischen Aufrüstung der Front“512, wie ihn auch die hiesigen Studentinnen leisteten: „Die Traditionskompanie des Gaues München-Oberbayern Feldpostnummer 02307 D wurde mit Päckchen und Feldpostbriefen versorgt. Ausserdem wurden 100 Westwallarbeiter mit Päckchen beschenkt und mit Briefen bedacht. Viele Kameradinnen betreuen nun schon seit
506 Stiefel, 302. 507 Vgl. Scherb, 236. 508 Vgl. Studentinnen geben Rechenschaft. Oktober bis Dezember 1939. In: DB vom 6.2.1940. 509 Alle Zitate nach „Versehrte Studenten als Gäste ihrer Kameradinnen“. In: VB vom 3.2.1944. 510 Alle Zitate nach Versehrte Studenten als Gäste. In: MNN vom 4.2.1944. 511 Vgl. Franze, 371. 512 Grüttner, 409.
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3 Semestern dieselben unbekannten Soldaten regelmässig“513, während sich die TH erst seit kurzem dieser Aufgabe angenommen hatte.514 Ähnliche Stimmungsberichte finden sich für andere Universitäten wie bspw. Marburg, wo die Kommilitoninnen einen identischen praktischen Kriegseinsatz leisteten und sich in Sonderdiensten um Verwundete sowie Kriegsblinde in den Lazaretten kümmerten und Päckchen an die Frontstudenten schickten.515 Als Dankeschön für ihre Dienste bekamen die Münchner Studentinnen im Januar 1940 ein Feldpostpaket von der Front. Dieses enthielt u. a. einen selbstgebastelten Bunker mit sorgfältig ausgeführter Inneneinrichtung nach Abbild der zahlreich an Deutschlands Westgrenzen stehenden Schutzräume.516 Auch Catharina B. erinnerte sich an eine „Arbeitsgemeinschaft wissenschaftliche Feldpostbetreuung“, die darin bestanden habe, „dass wir halt Briefe geschrieben haben einmal an die Soldaten. Und dann hat, die [zuständige ANStReferentin/P. U.] habe ich persönlich gekannt, hat mir dann halt das Zeugnis geschrieben, damit ich eines habe. Aber da hat man schon Feldpost gemacht, aber sonst nix. Es war also gar nicht viel. […] Nein, das waren einfach Mitteilungen, wie’s uns geht oder irgendein Informationsmaterial, aber natürlich auch „Stolz über die Truppen“ und so Zeug hat man schon schreiben müssen, gell. Ich hab’ mir wirklich gar nichts gedacht dabei, gell.“517 Ein Vergleich mit dem Studienbuch der späteren Studiendirektorin zeigt, dass im Mai 1944 tatsächlich nur eine vierstündige Schreibarbeit für Feldpost testiert wurde, womit sich der als Sonderdienst deklarierte Kriegseinsatz auf diesem Gebiet zeitlich in Grenzen hielt. Diejenigen Soldaten, die aufgrund ihrer Verletzung in Lazaretten zur Genesung untergebracht waren, erfuhren zudem Unterstützung in Form von Werkar-
513 BArch, RSF II* 533. Trimesterbericht des 2. Trimesters 1940 über die ANST Arbeit im Gau München-Oberbayern vom 5.9.1940. Vgl. dazu Münchener Studentinnen betreuen Soldaten zur Kriegsweihnacht 1940. In: Student im Bereich Süd. Beilage der „Bewegung“ für die Gaue: München-Obb., Schwaben, Bayerische Ostmark, Franken, Mainfranken vom 17.12.1940: „Auch in diesem Kriegswinter 1940 haben es sich die Studentinnen des Traditionsgaues München-Oberbayern zur Aufgabe gemacht, die Verbindung zwischen Front und Heimat besonders zu stärken. Zum Weihnachtsfest 1940 versenden die Studentinnen an 1000 Soldaten, die an der Front stehen, ihre Feldpostpäckchen und ihre Weihnachtsgrüße.“ 514 Vgl. BArch, RSF II* 533. Studentenführung Technische Hochschule München. Semesterbericht vom 12.7.1940. 515 Vgl. Gerhard Aumüller/Kornelia Grundmann/Esther Krähwinkel u. a. (Hgg.): Die Marburger Medizinische Fakultät im „Dritten Reich“. München 2001, 518, künftig zitiert als Aumüller/ Grundmann/Krähwinkel. 516 Vgl. M. Betz: Ein Bunker, den das Amt Studentinnen einnahm. In: DB vom 6.2.1940. 517 Interview mit Catharina B. vom 3.5.2005.
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beitsnachmittagen, die unter ärztlicher Aufsicht standen. Seit Mai 1940 arbeiteten ANSt-Kameradinnen in den Münchner Lazaretten zweimal pro Woche nachmittags mit den Verwundeten und gaben den genesenden Soldaten Werkunterricht.518 „Die Soldaten stellten handwerkliche Arbeiten in Leder, Ton oder Holz her und wurden von den eingesetzten Studentinnen in der Bearbeitung des Materials und in der Ausschmückung unterwiesen.“519 Hintergrund dieser Aktivitäten war nicht nur, eine Beschäftigung bzw. Unterhaltung für Verwundete zu schaffen, sondern die in ihrer Fingerfertigkeit oftmals Beeinträchtigten auch in dem Vertrauen zu bestärken, später erneut eine Berufstätigkeit aufnehmen zu können; wieder andere Frauen besuchten die Bettlägerigen, um ihnen vorzulesen oder Besorgungen zu erledigen. Die Lazarettbetreuung, welche zusammen mit dem Volksbildungswerk des Amtes Kraft durch Freude sowie dem Oberkommando der Wehrmacht aufgebaut wurde, konnte für die jungen Frauen jedoch eine immense Belastung darstellen, etwa, wenn sich der Soldat in die Studentin verliebte: „Ja, ich hab’ zum Beispiel einen blinden Studenten betreut ein Semester lang. Dann habe ich das abgegeben, weil’s mir einfach seelisch zu viel wurde, weil der gemeint hat, also da ist mehr dahinter als bloß Studienbetreuung, und hab’ jemand andern gebeten, das zu übernehmen.“520 Ähnliche Erfahrungen musste auch Luise S. machen, die abwechselnd mit einer anderen jungen Frau einen 20-jährigen Kriegsblinden betreute. „Des war ein Metzgersohn aus Schwabing. […] Und des hab’ ich nachher gesehen, der hat sich in sie verliebt gehabt, und sie hat natürlich des auch net wollen. Dann hat’s eben gemeint, dass wir uns einmal [aushelfen/P. U.], weil, die waren ja nur auf die Sprache angewiesen, net. Und der hat sich, meiner Ansicht nach, sie hatte eine sehr nette Aussprache, hat sich in ihre Sprache verliebt. Nein, dann hat’s geheißen, ich soll der halt helfen, und dass ich mich manchmal mit ihm beschäftige. Mei, und dann nach ein paar Tagen […] hat’s geheißen, ob ich nicht komme, ich soll, die haben keine Bäder gehabt, ich soll ihn zum Baden führen. Jetzt hab’ ich auch net gewusst – kein Mensch hat mir was gesagt, wie ich mich da verhalten soll. Soll ich mit ihm hineingehen, soll ich ihm alles herrichten und soll dann draußen warten? Oder soll ich mit reingehen, geniert er sich? Nein, also ich hab’s dann so gemacht und […] hab’ ihm alles hergelegt und hab’ ihm alles gesagt und
518 Vgl. I. B.: Zuversicht und Mut! In: DB vom 22.10.1940. 519 BArch, RSF II* 533. Trimesterbericht des 2. Trimesters 1940 über die ANST Arbeit im Gau München-Oberbayern vom 5.9.1940. 520 Interview mit Gertraud S. vom 26.5.2005.
3.5 Politische Schulung
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hab’ gewartet. Des hat er nicht erwartet, er hat gemeint wahrscheinlich, dass ich mit reingehe. Und dann haben’s mich nimmer eingeladen, Gott sei Dank.“521
3.5 Politische Schulung Die veränderten Rahmenbedingungen verpflichteten den Großteil der Studentinnen aber nicht nur zu Volkstums- und NSV-Arbeit, sondern schufen auch die Vo‑ raussetzungen für eine politisch-weltanschauliche Schulung künftiger Studienanfängerinnen, welche bis zu diesem Zeitpunkt lediglich in den Reihen der ANSt stattgefunden hatte. So hatten sich die lokalen Mitglieder nach eigenen Angaben bereits vor 1933 intensiv mit Rassenhygiene beschäftigt, „die im WS 32/33 nach einem sehr guten Plan, bei dessen Aufstellung […] das hiesige Rassenamt in dankenswerter Weise half, in der Münchner Hochschulgruppe behandelt“ worden war. Dieser Plan umfasste sechs Schulungsabende, von der allgemeinen Einführung bis hin zum Thema „Rasse – Stil – Kunst“. Die beiden übrigen Schulungsgebiete beinhalteten „Politisches“ sowie die „Frauenbewegung“522, zu denen bislang jedoch nur Einzelerfahrungen vorlagen. Darüber hinaus war man sich etwa bei letztgenanntem Bereich nicht über die exakte Fragestellung sowie die damit einhergehende Empfehlung entsprechender Schulungsliteratur im Klaren. Weitere Inhalte waren im Wintersemester 1933/34 die „Geschichte der Bewegung, Programm, Regierungstaten der Regierung Hitler, Judenfrage“523 und Österreich gewesen. Auch der im selben Semester herausgegebene Arbeitsbericht des H VI der DSt zeigt, dass die Referentinnen für Schulung sich bis dato nahezu ausschließlich auf die intensive Anleitung der ANSt-Mitglieder beschränkten und notwendige Schulungsleiterinnen erst in den kommenden Semestern durch vorbereitende Lager herangezogen werden mussten. „Mit Ausnahme von wenigen politischen Schulungsbriefen, die zur Unterstützung der Wahlpropaganda für alle Studentinnen herausgegeben wurden, konnte auf dem Gebiet der Schulung aller Studentinnen noch verhältnismässig wenig geschehen. Das aber vor allem deshalb“,
521 Interview mit Luise S. vom 14.5.2005. 522 Alle Zitate nach BArch, NS 38/I* 81g 556/1. Eli [sic!] Axt an die Bundesleitung der ANSt. vom 14.7.1933. 523 BArch, RSF II* 524. Bericht von Gisela Mauermayer über die ANSt Hochschulgruppe München vom 17.1.1934.
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so der Bericht, „weil die Studentinnen meist schon zur Teilnahme an den politischen Schulungen der Studenten verpflichtet waren.“524 An der LMU war eine geordnete Durchführung in den ersten Semestern nach der Machtergreifung aufgrund der permanenten Mitgliederzugänge ohnehin unmöglich gewesen.525 Immerhin hatte die Universität München, analog zur Berliner Studentenschaft526, schon ab dem Wintersemester 1933/34 den Mittwochnachmittag für eine staatspolitische Schulung von Vorlesungsveranstaltungen für Erst- und Zweitsemester freigehalten. In den darauffolgenden beiden Semestern musste jeweils von Dienstag bis Donnerstag der Zeitraum von 18 bis 19 Uhr für die politische Grundschulung reserviert werden, die vor allem die von der Kameradschaftserziehung nicht betroffenen Studenten der ersten drei Semester erfassen sollte. Dementsprechend konnte München im Sommersemester 1934 vermelden, neben sechs Abendvorträgen für die weiblichen und männlichen Erst- bis Drittsemester eine politische Schulung durchgeführt zu haben.527 Die Schulungen des Studentenbundes fanden dagegen jeweils samstagvormittags statt und umfassten noch im Wintersemester nur NSDStB-Angehörige. Der Grund dafür lag primär am Fehlen eines freien Tages bzw. Nachmittages und damit am Zeitmangel der Betroffenen.528 Was die Studentinnen betrifft, so hatte man es sich zum ausdrücklichen Ziel gemacht, sämtliche Erstsemester freiwillig zur Mitarbeit zu bewegen und die gesamte weibliche Studentenschaft der politischen Überzeugungsarbeit zu unterwerfen. Auf diese Weise sollten möglichst viele unter ihnen zu Nationalsozialistinnen mit ausgezeichneten Führungsqualitäten herangezogen werden.529 Die Schulung folgte dabei einem dreisemestrigen Plan, welcher die Themen „Volk und Rasse“, „Volk und Staat“ sowie „Die Partei als Willensträgerin des
524 BArch, NS 38/I* 81g 556/2. Arbeitsbericht des Hauptamtes VI der D. St. für das Wintersemester 1933/34. Hervorhebung im Original. 525 Vgl. Kapitel II, 4 ANSt-Mitglieder. 526 Die Studentenschaft der Universität Berlin hatte bereits im Wintersemester 1933/34 vier Wochenstunden politische Schulung für Studentinnen und Studenten für die „jüngsten Semester“ festgelegt. BArch, NS 38/2001. Gisela Brettschneider an Else Labuda vom 16.12.1933. 527 Vgl. BArch, NS 38/2191. Die Regelung des Dienstes an den deutschen Hochschulen. Denkschrift zum Erlaß RU I 50007 vom 21.6.1934. Vgl. dazu auch BArch, RSF II* 526 (a 425). Semesterbericht des Hauptamtes VI der Universität München vom 30.7.1934: „Die politische Schulung der 1.–3. Semester wurde von der Studentenschaft gemeinsam mit den Studenten gemacht. Es wurden pflichtmässige Vorträge, Arbeitsgemeinschaften usw. angesetzt.“ 528 Vgl. BArch, RSF II* 106. Hermann Aly an Ernst Wittmann vom 22.12.1934. 529 Vgl. Manns, 215.
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Volkes“530 umfasste, wenngleich im Wintersemester 1935/36 nur Thema eins für die ersten beiden, Thema drei für das dritte Semester angesetzt wurde. Als Grundlage dienten monatlich zugestellte Schulungsbriefe, die etwa im Sommersemester 1935 zum Thema „Volk und Staat“531 eine „typisch bürgerlich-konservative Geschichtskonstruktion“532 vom Ursprung des Germanentums bis zum Preußenstaat widerspiegelten und die „Interpretation des NS-Staates als die endliche Verwirklichung des germanischen Staates anboten: „1) Die germanische Welt 2) Der Einbruch von Christentum und römischem Staatsgedanken 3) Der universalistische Staatsgedanke des Mittelalters 4) Der preussische Staat (das Werden des Zweiten Reiches) 5) Der nationalsozialistische Staat.“533 Ergänzt wurden die Briefe durch entsprechende Literaturlisten. An der Universität Würzburg, wo die politische Schulung zunächst von den Fachschaften durchgeführt wurde, war man bereits im Sommersemester 1933 voller Vorfreude auf die Semester, „die bereits die harte Schule des Arbeitsdienstes mitgemacht und gehorchen gelernt“ hatten. Würde „dann noch ein grosser Teil der politischen Schulung allmählich in die Universitäten verlegt“, dann könnte, so die Hoffnung, „auch die Fachschaft zu ihrer Hauptaufgabe kommen: Aufbau der Hochschule im neuen Wissenschaftsgeist.“534 Bevor daran jedoch überhaupt gedacht werden konnte, waren etwa in der bayerischen Landeshauptstadt zu Beginn des Schulungsbetriebes zwei Schwierigkeiten zu überwinden. Zum einen verbot der Gau München-Oberbayern die Schulung zum Thema „Volk und Rasse“, solange nicht mit dem dafür gestellten Referenten Heinz Kürten, persönlicher Ordinarius an der LMU (Innere Medizin, Erblehre, Rassenhygiene) und hiesiger Gauamtsleiter für Rassenpolitik, sowie dem Rassenpolitischen Amt eine entsprechende Regelung getroffen worden war. Zum anderen verfügten die Studentinnen nicht über eigene Schulungskräfte. Dieser Umstand wog umso schwerer, als sich auch die Gaustudentenbundsführung nicht in der Lage sah, etwa auf der Universität 200 Frauen entsprechend zu unterweisen. Um beide Probleme zu lösen, veranlasste man Kürten, eine Arbeitsgemeinschaft sämtlicher Schulungsleiter mit Austausch über aktuelle Fragestellungen der Rassenpolitik durchzuführen. Die Frauen in den kleineren Gruppen wurden in die Arbeitsgemeinschaft
530 BArch, RSF II* 499. Amt N. S. D.-Studentenbund. Reichs-A. N. St.-Referentin. Rundschreiben A. N. St. 12/35 vom 31.10.1935. 531 Ebd. Schulungsbrief der A. N. St. für das S. S. 1935. (1. Folge). 532 Manns, 221. 533 BArch, RSF II* 499. Schulungsbrief der A. N. St. für das S. S. 1935. (1. Folge). Vgl. auch die übrigen Schulungsbriefe in diesem Akt. 534 BArch, NS 38/2019. Tätigkeitsbericht des Amtsleiters für Wissenschaft für Mai und Juni 1935 vom 17.7.1933.
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eingeteilt, was schulungsmäßig betrachtet offenbar zu guten Ergebnissen führte. Für die Universität wiederum übernahm ein Mitglied des Studentenbundes eine Arbeitsgemeinschaft, wo allerdings lediglich die zukünftigen Schulungsleiterinnen ihrer Aufgabe gemäß instruiert wurden.535 Nahezu zeitgleich, im Dezember 1934, bekräftigte auch die ANSt in einem Rundschreiben die politische und weltanschauliche Ausbildung als ihre Hauptaufgabe: „zunächst Schulung in unseren eigenen Reihen und dann, wenn wir über die geeigneten Kräfte verfügen, auch im Rahmen der D. St. bezw. D. F. [Deutsche Frauenschaft/P. U.].“536 Geschult werden sollte wie früher in kleinen Gruppen, jedoch mit dem Unterschied, dass die Frauen das Programm nun gemeinsam mit dem NSDStB hatten. Die Schulungsbriefe der Partei mit einem entsprechenden Anhang für die Studenten wurden den einzelnen Schulungsstellen monatlich zugstellt.537 Für die jeweiligen Zellenleiterinnen organisierte man – analog zu den Volkstumslagern – zwischen Juli und Oktober 1935 sechs verschiedene mehrtägige Lehrgänge, an deren Ende rund 200 ausgebildete Kameradinnen stehen sollten.538 Auf diese Weise wurden die Inhalte der politischen Schulung zunehmend vereinheitlicht und die „(s)ystematische Durchdringung aller deutschen Studentinnen mit den Ideen der neuen Staats- und Volkspolitik“539 vorangetrieben. Die ehemalige Philologiestudentin Annemarie L. erinnerte sich an ihre abendlichen Treffen mit der ANSt sowie an „Gastvorträge von irgendwelchen überzeugten Parteimenschen, die uns also da haben noch weiterbringen wollen in dieser Weltanschauung. Was wir uns gedacht haben, ist auf einem anderen Blatt gestanden natürlich. Wir haben in einer seltsamen Schizophrenie gelebt, weil wir das, was wir gedacht und daheim gesprochen haben, ja tagsüber nicht haben aussprechen können. Denken ja, aber äußern oder so, das wäre sehr gefährlich gewesen, hat man besser nicht getan.“540
535 Vgl. BArch, RSF II* 106. Hermann Aly an Ernst Wittmann vom 22.12.1934. Zur Vita von Heinz Kürten vgl. Michael Grüttner: Biographisches Lexikon zur nationalsozialistischen Wissenschaftspolitik. Heidelberg 2004, 103. 536 BArch, RSF II* 499. Rundschreiben A. N. St. 1/34 vom 12.12.1934. 537 Vgl. hierzu auch die Schulungsbriefe der ANSt im BArch, RSF II* 499. Exemplarisch „Schulungsbrief der A. N. St. für das S. S. 1935. (1. Folge). Thema: Volk und Staat. (Der weltanschauliche Kampf des Germanentums in der Geschichte, betrachtet unter dem Staatsgedanken.).“ Ebd. 538 Vgl. BArch, RSF II* 499. Amt N. S. D.-Studentenbund. Reichs-A. N. St.-Referentin. Rundschreiben A. N. St. 8/35 vom 28.5.1935. 539 BArch, NS 38/I* 80g 43/1. Bundesführung der Arbeitsgemeinschaft Nationalsozialistischer Studentinnen! Bundesbrief Nr. 1 vom S. S. 1933/Juni. 540 Interview mit Annemarie L. vom 11.4.2005.
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Allen Bemühungen zum Trotz gewann die mit einzelnen Schulungsabenden des Studentenbundes bzw. der Studentenführung sowie mit Vorträgen ausgefüllte Form der politischen Schulung keinerlei größere Bedeutung. Nach Böhm lag dies jedoch nicht nur an der NS-Ideologie selbst, am Mangel qualifizierter Referenten sowie an der bald zutage tretenden Ineffizienz derart direkter Indoktrinationsversuche. Vielmehr zeigte sich, dass neben den zahlreichen weiteren Verpflichtungen der Studierenden tatsächlich kaum noch Zeit blieb für zusätzliche Schulungen und Überschneidungen mit anderen Pflichtveranstaltungen zur Tagesordnung gehörten.541 Der „Wirkungsgrad der politischen Erziehung“542 war damit an der LMU bis 1935 lediglich mäßig erfolgreich, zumal dessen zeitlicher und organisatorischer Aufwand in einem deutlichen Missverhältnis zum erzielten Ergebnis stand. Die anfängliche Euphorie zahlreicher Studierender wich zusehends einer spürbaren Ernüchterung, „einer deutlichen Resignation, ja sogar einer gewissen Renitenz“543, die parallel an zahlreichen anderen Universitäten wie Tübingen merklich hervortrat. Für München zeugen überdies die internen Stimmungsberichte der Jahre 1934 und 1935 von einem offensichtlichen, dem Versuch der Ideologisierung und Politisierung entgegenlaufenden Desinteresse: „Es ist in der Studentenschaft eine ungeheure Gleichgültigkeit und politische Naivität zu finden, die die Arbeit erschwert.“544 Die Masse der Studenten sei durch politische Instinktlosigkeit und Lethargie gekennzeichnet, „die durch die dauernden unklaren Verhältnisse auf dem gesamten Gebiete der Hochschule dazu geführt haben, dass die gesamte Studentenschaft jegliches Interesse am politischen Leben, am kulturellen Leben und an der studentischen Arbeit verloren“545 habe. Diese Gleichgültigkeit wirkte sich sogar bei Parteigenossen aus und machte selbstverständlich auch vor den Studentinnen nicht Halt. Obwohl primär kulturelle Aktivitäten das Innenleben der ANSt kennzeichneten und sich die politische Schulung im Wesentlichen auf Referate sowie Diskussionen von Zeitungsartikeln konzentrierte, reagierten die weiblichen Studierenden überwiegend ablehnend bzw. passiv auf derartige Bemühungen546:
541 Vgl. Böhm, 334 f. 542 Ebd., 349. 543 Adam, 166. „Auch in Tübingen schien die Studentenschaft des weltanschaulichen Überangebots überdrüssig geworden zu sein.“ Ebd. 544 BArch, RSF II* 106. Hermann Aly an Ernst Wittmann vom 22.12.1934. Dazu auch ebd. [Hermann] Aly an den Reichsamtsleiter des Studentenbundes vom 7.5.1935: „Die politischen Arbeitsgemeinschaften sind schlechter besucht als die übrigen“. 545 BArch, RSF II* 109. Hermann Aly an [Ernst] Wittmann vom 6.7.1935. 546 Vgl. Grüttner, 349–351, mit Blick auf Würzburg, sowie Pauwels, 71.
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„Dann musste man ja zur ANSt, Arbeitsgemeinschaft Nationalsozialistischer Studentinnen. Und, das darf ich sagen, ich hatte eine nette, anständige Führerin. […] Meine Freundin und ich, wir haben die Abende oft geschwänzt: „Wir haben wieder arbeiten müssen, an unserer Zulassungsarbeit oder an Referaten.“ Da hat sie gesagt: „Ja, aber wenn ihr damit fertig seid, müsst ihr wieder kommen.“ Und dann hat man einfach einen Zeitungsbericht übernommen, damit man ein bisschen seine Pflicht erfüllt hat, und hat von der Woche berichtet, wohin sich die Front im Westen bewegt hat oder wo unsere Soldaten überall kämpften.“547 Noch im Wintersemester 1938/39 kam die ANSt-Referentin der Münchner Akademie für angewandte Kunst zu dem Ergebnis, dass die Kameradinnen die Schulung überwiegend recht nötig hätten. „Bei manchen macht sich eine gewisse Denkfaulheit bemerkbar, was die Arbeit nicht gerade erleichtert. Vielfach hängt das natürlich damit zusammen, dass infolge der handwerklichen Arbeit der Kameradinnen das geistige Training fehlt, das die Universitätsstudentinnen haben.“548 Das Gleiche galt nach Aussage der Gau-ANSt-Referentin Ruth Bergholtz auch für die Studentinnen der Hans-Schemm-Hochschule für Lehrerbildung in MünchenPasing, vor allem, da diese konfessionell sehr stark gebunden waren. „Besonders die actia catholica hat hier ein fruchtbares Betätigungsfeld. So wohnen in Pasing ein grosser Teil der Mädels im Institut der englischen Fräulein (katholisch), schon deswegen, da in Pasing ein grosser Zimmermangel herrscht und die Studentinnen im katholischen Heim viel billiger wohnen können. So wäre in Pasing die erste Voraussetzung für eine nationalsozialistische Erziehungsarbeit die Schaffung eines nationalsozialistischen Studentinnenheims.“549 Etwa zeitgleich monierte die Erlanger Schulungsreferentin Magda Ecknigk, wie wenig die Studentinnen den Inhalt von „Mein Kampf“ vor Augen hätten. Auch die innere Anteilnahme an der Unterrichtung über Arbeitertum und geschichtliche Entwicklung ließe zu wünschen übrig, vermutlich, weil der Bereich bereits zu oft von anderen Parteigliederungen in allen möglichen Schulungen durchgesprochen worden sei. Aus diesem Grund stellte Ecknigk die für sich sprechende Überlegung in den Raum, eine Schulung abzuhalten, die sich einzig mit für Studentinnen besonders geeigneten Themen beschäftigte550: Geschichtlichen und politischen Inhalten wurde damit im Grunde die Wirksamkeit für die politische
547 Interview mit Philomena Sauermann vom 12.3.2005. 548 BArch, RSF II* 540 (a 438). ANST.-Semesterbericht W. S. 1938/39. Akademie f. angew. Kunst, München. 549 Ebd. Sonderbericht über die H. f. L.-Pasing vom 4.3.1939. 550 Vgl. BArch, RSF II* 532. Bericht über die politische Schulung im Wintersemester 1938/39 vom 24.2.1939.
3.5 Politische Schulung
529
Arbeit bei Frauen abgesprochen. Da mitunter die ANSt-Referentinnen selbst nur ein rudimentäres Wissen über bzw. mangelndes Verständnis für das NS-Gedankengut besaßen, die politische Schulung dem konservativen Rollenbild der Frau nicht entsprach und ihnen überdies wertvolle Zeit für das Fachstudium entzog, erlitten „die NS-Studentinnen mit der ‚politisch-wissenschaftlichen Schulung‘ weitgehend einen ‚Schiffbruch‘“551. Auch Interviews mit ehemaligen LMU-Studentinnen stützen die bisherigen Ergebnisse: „Ich musste an verschiedenen Veranstaltungen teilnehmen, zum Teil also parteigebundene Sachen, und das haben wir immer sehr ungern gemacht.“552 Zahlreiche Gesprächspartnerinnen gaben dagegen an, „nicht ungern“ an anderen Verpflichtungen wie Sportveranstaltungen teilgenommen zu haben, nur „durften hinterher nicht immer noch Vorträge sein.“553 Ähnlich äußerte sich die spätere Gymnasiallehrerin Elisabeth K., wenngleich es in ihrer Erinnerung insgesamt „auch nicht so viele Veranstaltungen“ waren. „Wenn, dann war es gleich wieder eine Pflicht-NS-Veranstaltung, wo’sd hingehen musst oder wo man sagen konnte: Na ja, gehen wir mal nicht. Das ist bloß wieder NS, ein Vortrag oder was, wo man nix hat davon“554 bzw. gleich „auf Durchzug“555 schaltete, wie es einige Mädchen schon während ihres politischen Unterrichts im Arbeitsdienst getan hatten. „Ich weiß, wir mussten immer wieder mal zusammenkommen. Und dann wurde wahrscheinlich über irgendwelche Themen geredet. Aber großen Eindruck hat’s mir nicht gemacht.“556 Dieses passive Verhalten mag ein Grund dafür sein, warum die politische Schulung – retrospektiv betrachtet – teilweise kaum eine Rolle im Leben der (angehenden) Studentinnen gespielt zu haben scheint. „Ich weiß, dass ich keinerlei politische Indoktrination gekriegt hatte, weder beim Arbeitsdienst noch [später/P. U.]. Zumindest ist das nicht hängen geblieben bei mir“557, war
551 Manns, 217. 552 Interview mit Ruth O. vom 30.4.2005. 553 Interview mit Dr. Marianne W. vom 29.4.2005. Die durchaus vorhandene Akzeptanz bestimmter Pflichtdienste für (angehende) Studentinnen unter Ablehnung politischer Inhalte findet sich auch in anderen Zusammenhängen: „Also das muss ich sagen, es würde niemandem schaden, einmal irgendwo […] in der Gemeinschaft zu leben und vor allem mal bisschen Bauernarbeit oder auch die Fabrikeinsätze […], das würde nix schaden. Also wenn man diese NS-Schulung weglässt, sondern eben die Leute da einsetzt und am Abend irgendwelche Freizeitgestaltung.“ Interview mit Elisabeth Ka. vom 2.7.2005. 554 Interview mit Elisabeth Ka. vom 2.7.2005. 555 Interview mit Sigrid H. vom 17.3.2005. 556 Interview mit Dr. Berta R. vom 23.4.2005. 557 Interview mit Anneliese G. vom 22.4.2005.
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nur „so ein Geratsch“. Zwar habe man bei den Zusammenkünften der ANSt „eine Bergtour mal gemacht“, aber das „Politische war eigentlich so gut wie Null.“558 Wichtig ist in diesem Zusammenhang jedoch zu unterscheiden, auf welchen Zeitraum sich die Aussagen der Gesprächspartnerinnen beziehen. So orientierte sich die rein politische Schulung bereits 1935 verstärkt auf ihre Anwendbarkeit in der politischen Praxis, nachdem in der Einsatzpolitik der Land- und Fabrikdienst als feste Einrichtungen studentischer Indienstnahme etabliert worden waren559, während mit Fortschreiten des Zweiten Weltkrieges die politische Erziehungsarbeit ohnehin immer mehr zum Erliegen kam. Bereits im März 1938 plante die stellvertretende Gau-ANSt-Referentin des Gaues München-Oberbayern, Ruth Bergholtz, die Inhalte der Schulungsarbeit für das nächste Semester. Diese sollten als Vorbereitung für den praktischen Einsatz der Studentinnen in Land- und Fabrikdienst in der Bayerischen Ostmark fungieren. „Folgender Weg soll uns dazu führen: 1. Behandlung a) rein weltanschaulicher Fragen, b) einiger spezieller Fragen, ohne die unsere Aufgabe in der Bayerischen Ostmark nicht gesehen werden kann, wie: Grenz- und Auslandsdeutschtum, Vierjahresplan, Rassenpolitik. 2. Landdienstschulung: a) allgemein: Grosser Überblick über die geschichtliche Entwicklung Deutschlands, daraus Ostfrage entwickelt, b) spezielle Verhältnisse der Bayer. Ostmark als unserem Einsatzgebiet.“560 Dementsprechend standen in der hiesigen Gaustudentenführung die Monate Juli und August 1938 ganz „im Zeichen des Einsatzes.“561 Im Wintersemester 1938/39 wurde die Schulung reichsweit unter dem Thema „Arbeitertum“ durchgeführt, wozu das Amt für Studentinnen der RSF eigene Schulungsbriefe als Vorbereitung für den Fabrikdiensteinsatz herausgegeben hatte. Obwohl sich die Gruppenführerinnen an der Universität München mit der Umsetzung und Ausgestaltung große Mühe zu geben schienen und sogar „die Mädels teilweise recht eifrig mitmachten“, hielt man den Schulungsabend „doch noch nicht für ganz richtig und endgültig“562 und wollte daher im kommenden Semester nicht näher ausgeführte Neuregelungen treffen. Während des Zweiten Weltkrieges wurden die Inhalte der politischen Schulung rasch an die veränderten gesellschaftlichen Verhältnisse angeglichen. Das aktuelle Kriegsgeschehen bekam mehr Aufmerksamkeit, die kulturelle Schulung
558 Alle Zitate nach Interview mit Paula K. vom 9.6.2005. 559 Vgl. Manns, 218, sowie Steffen-Korflür, 202 f. Zu den Inhalten der politischen Schulung vgl. Manns, 218–224. 560 BArch, RSF II* 344 (a 250). Rutt [sic!] Bergholtz an K. Kracke vom 8.3.1938. 561 BArch, RSF II* 118. Stimmungsbericht für Monat Juli und August 1938 vom 3.9.1938. 562 BArch, RSF II* 540 (a 438). ANSt. der Studentenführung der Universität München. Bericht über das WS. 1938/39.
3.5 Politische Schulung
531
mehr Gewicht aufgrund von steigenden Teilnehmerzahlen in Fabrik- und Landdienst.563 Anna Kottenhoff, Reichs-ANSt-Referentin und Leiterin des Amtes Studentinnen, versuchte auch nach dem September 1939 die Kontinuität der ANStGruppen aufrechtzuerhalten. Diese sollten mindestens einmal pro Woche einen gemeinsamen Abend durchführen, wobei aktuelle politische Fragestellungen unter stärkster Berücksichtigung der geschichtlichen Entwicklung im Vordergrund zu stehen hatten. „Die Schulung hat keinen lehrmäßigen, sondern den persönlichen Charakter eines Gedankenaustausches zu tragen. Sie soll unsere politische und weltanschauliche Haltung wissensmäßig festigen. Sie soll aber zugleich Ausdruck einer Gemeinschaft sein, die dem Ernst und der Größe unserer Zeit mit starkem Herzen und in dem Bewußtsein für größte Pflichten begegnet.“564 Um die Weiterarbeit der ANSt-Gruppen zu sichern, wurden umfangreiche Richtlinien erlassen, die primär auf die organisatorisch einwandfreie Erfassung der Frauen zielten. Dazu versuchte man u. a., alle jemals aktiv gewesenen Mitglieder gleich welcher Funktion für den gestiegenen Bedarf an Gruppenführerinnen und Mitarbeiterinnen zu reaktivieren. Darüber hinaus sollten alle Gruppen, die während des Krieges den Lehrbetrieb einstellen mussten, bis zur Rückkehr an ihre Stammhochschule in der neuen Hochschulstadt in eigenen Gemeinschaften zusammengefasst werden. Betroffen von dieser Regelung war bspw. die Universität Freiburg mit ehemals fünf ANSt-Gruppen von durchschnittlich je 20 Kameradinnen. 31 von ihnen waren an die LMU gewechselt und wurden dort zu zwei neuen Gast-ANSt-Gruppen vereint. Sofern Angehörige einer geschlossenen Hochbzw. Fachschule an der Gastschule zahlenmäßig nicht zur Bildung einer eigenen Gruppe in der Lage waren, hatten sie mit Kommilitoninnen anderer, vorübergehend nicht geöffneter Schulen zusammenzutreten. Eine Erfassung in verschiedenen Gastgruppen sollte keinesfalls erfolgen. „Diese Anordnung wird gegeben, um den inneren Zusammenhalt, die Gemeinschaft der jeweiligen ANSt.-Gruppe auch über die augenblicklich schwierigen Verhältnisse hin zu garantieren. […] Es darf unter keinen Umständen zu einem Bruch innerhalb der Gruppenarbeit oder auch nur zu einer Entfremdung unter den Kameradinnen der Gruppe kommen. […] Den ANSt.-Gruppen ist heute mehr denn je die Möglichkeit gegeben, Stärke und Festigkeit ihrer Gemeinschaft unter Beweis zu stellen. Wir wissen: „Die Kraft der Gemeinschaft ist unüberwindlich!“ Es soll letzte Verpflichtung und höchstes Ziel jeder ANSt.-Kameradin sein, an dieser Gemeinschaft zu bauen, sie zum Maßstab werden zu lassen für jedes Tun. Nur in ihr, dem Ausgangspunkt aller Arbeit wurzelnd, aus ihr immer wieder Kraft und neue Impulse zu verantwor-
563 Vgl. Manns, 223. 564 Anna Kottenhoff: Kameradinnen, deutsche Studentinnen! In: DB vom 3.10.1939.
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tungsfreudigem Handeln empfangend, von ihr in jedem Augenblick bestimmt – nur so wird jede Kameradin bereit sein zum letztmöglichen, heute von jedem geforderten Einsatz für jene größere Gemeinschaft, die uns alle umschließt, für unser Volk!“565 Im Gau München-Oberbayern bestanden, im Gegensatz zum Frühjahr 1939 mit 26, im zweiten Trimester 1940 mittlerweile ganze 41 ANSt-Gruppen, darunter allein 14 an der LMU. Der Schwerpunkt der politischen Schulung lag jetzt auf der Vorbereitung des Landdiensteinsatzes. Um die Durchführung von Dorfgemeinschaftsabenden zu ermöglichen, übten die Studentinnen nicht nur die im Rahmen der VTA vorgesehenen Lieder, Laienspiele, Gemeinschaftstänze und Scharaden566, sondern nahmen zudem an einem Vortragsabend über Rassenund Fremdarbeiterfragen durch die Beauftragte für Rassenfragen in der GauFrauenschaftsleitung teil.567 Einem Bericht der Hauptstelle Frauen- und Mädelarbeit des Rassenpolitischen Amtes bei der Gauleitung München-Oberbayern vom Mai 1940 lässt sich entnehmen, dass mit der ANSt eine Vereinbarung über die pflichtmäßige rassenpolitische Schulung aller durch sie erfassten jüngeren Semester getroffen wurde. Die in der Mütterschule durchgeführten Veranstaltungen umfassten in zweimal zwei intensiven Schulungsvorträgen insgesamt 150 Studentinnen. „Eine weitere rassenpolitische Schulung wurde für die weiblichen Studentinnen der Hans-Schemm-Hochschule für Lehrerbildung angesetzt, bei welcher alle dortigen weiblichen Studentinnen erfasst wurden, nämlich 400.“568 Konkrete Inhalte der Schulungen waren u. a. Lichtbilder zur Bevölkerungsentwicklung, bevölkerungspolitische Abbildungen aus Otto Helmuts „Volk in Gefahr“, in dem der Wissenschaftler behauptete, Deutschland schlittere in eine Krise, wenn es seine Geburtenrate nicht steigere, sowie Köpfe von Abgeordneten („Mischling“, „Nordischer“).569 Die weibliche politische Schulung begrenzte folglich ihre Inhalte nur zum Teil auf traditionelle Frauenthemen, sondern ging auch auf Bereiche ein, welche das rationale Verständnis nationalsozialistischer Kriegsund Wirtschaftspolitik bei den weiblichen Studierenden fördern sollten.570 Im Gau Sachsen konnte die Gruppenarbeit an den meisten Hoch- und Fachschulen jedoch schon im zweiten Trimester 1940 aufgrund von Kohle- und
565 Die Weiterarbeit der ANSt.-Gruppen. In: DB vom 17.10.1939. 566 Vgl. Kapitel IV, 3.3 Volkstumsarbeit (VTA). 567 Vgl. BArch, RSF II* 533. Trimesterbericht des 2. Trimesters 1940 über die ANST Arbeit im Gau München-Oberbayern vom 5.9.1940. 568 Vgl. StAM, NSDAP 145. Bericht der Hauptstelle Frauen- und Mädelarbeit des Rassenpolitischen Amtes bei der Gauleitung München-Oberbayern für den Monat Mai 1940 vom 26.6.1940. 569 Vgl. StAM, NSDAP 145. Tätigkeitsbericht für Juni 1940 von Dr. Hertha von Nes vom 25.6.1940. 570 Vgl. Manns, 223 f.
3.5 Politische Schulung
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Raummangel überhaupt nicht mehr oder nur in äußerst bescheidenem Umfang stattfinden.571 Tatsächlich hatte auch die Münchner ANSt im selben Zeitraum Einschränkungen bei ihrer lokalen Arbeit hinzunehmen, da ihr keine eigenen Räumlichkeiten zur Verfügung standen. Während das Amt Studentinnen der DSt der LMU sowie des Gaues München-Oberbayern seine Zimmer bis zum Sprengbombeneinschlag im Juli 1944 seit 1936 in der Schellingstraße 10 hatte572, mussten die jeweiligen Gruppen ihre Abende in Häusern der Kameradschaften der Universität bzw. der TH abhalten: „Ja, Schellingstraße 10. Da konnte man also durch den Hinterhof gleich rüber von der Uni aus; war recht praktisch. Die Studentenführung war dann alles ausgebombt am Schluss.“573 Schon 1933 hatte die Leipziger Kreisreferentin für Studentinnen den Gedanken eines Schulungsheims in Deutschland aufgeworfen, in welchem ganzjährig Kurse für die Gesellschaftspflege innerhalb des Volkes erfolgen sollten.574 Seit 1937 bemühte sich auch die lokale ANSt um ein geeignetes Heim. Mangelnde finanzielle Mittel machten aber bspw. die Anmietung eines Studenten-Gartenhauses in der Leopoldstraße im Juli des Jahres unmöglich.575 Bereits im Herbst 1937 stellte Gaustudentenführer Doerfler der Münchner ANSt in Aussicht, sie könne jederzeit Gesellschaftsräume im Studentinnenheim Marie-Antonie-Haus in der Kaulbachstraße für Veranstaltungen nutzen.576 Während man nun offenbar vorerst auf die Weiterverfolgung eines eigenen Heims verzichtete, nahm der Mangel an geeigneten Räumlichkeiten in der unmittelbaren Folgezeit beständig größere Ausmaße an: „Das Fehlen eines ANSt-Heimes für die Münchner Hochschulen macht sich immer deutlicher negativ bemerkbar.“577 Diese Situation erschwerte die Arbeit der Frauen, die nie vollständig zusammenkommen konnten. Ähnliche Stimmen wurden auch von anderen Standorten laut. Nach Meinung der Leiterin des Amtes Studentinnen, ANSt-Führerin Gerda Brix, würde etwa die Kameradschaft innerhalb der Würzburger ANSt „durch einen eigenen Raum“ nicht nur „wesentlich
571 Vgl. Steffen-Korflür, 204, sowie Manns, 218. 572 Vgl. BayHStA, MK 40805. [Ernst] Boepple an das Staatsministerium der Finanzen vom 15.2.1938, sowie ebd. [Julius] Doerfler an von Jan vom 10.6.1940. Zum Sprengbombeneinschlag vgl. ebd. Geiger an Walther Wüst vom 25.8.1944. 573 Interview mit Gertraud S. vom 26.5.2005. 574 Vgl. BArch, RSF II* 505 (a 407). Kreisreferentin für Studentinnen an Reichsreferentin für Studentinnen vom 9.12.1933. 575 Vgl. BayHStA, MK 40808. Max Köglmaier an [Ernst] Boepple vom 20.7.1937. 576 Vgl. ebd. Handschriftliche Notiz zum Betreff: Studentenwerk München; Heim des NS.=Studentinnenbundes vom 6.9.1937. 577 BArch, RSF II* 540 (a 438). Semesterbericht: Wintersemester 1938/39 der Gaustudentenführung München-Oberbayern vom 4.3.1939.
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gefördert“, sondern die „Mädels würden sich viel besser kennen lernen, wenn sie manchmal ungezwungener beieinandersitzen könnten und auch einmal über wissenschaftliche oder persönliche Dinge reden könnten.“578 In Heidelberg wiederum musste ein bestehendes Heim aufgrund entzogener finanzieller Mittel zum Ende des Sommersemesters 1938 sogar vollkommen aufgegeben werden. Versuche, andere Unterkünfte wie alte Verbindungshäuser zu übernehmen, scheiterten ebenfalls an wirtschaftlichen Gründen, sodass sich die örtlichen ANSt-Gruppen mit Ausweichquartieren wie dem D. A. G.-Klubheim, der Mensa oder Wohnungen einzelner Mitglieder behelfen mussten, wobei sie „des öfteren nach Belieben ausgewiesen wurden und auf der Straße standen“ sowie vor der Alternative, „die ANSt.-Arbeit hier solange ruhen zu lassen, bis eine Lösung gefunden ist.“579 Auch in München musste man – mit finanzieller Unterstützung des Studentenführers der LMU – im Wintersemester 1938/39 zwei externe Räume des Studentenhauses für die Gruppen der Universität mieten, da die Abhaltung der Gruppenabende in der Kaulbachstraße unmöglich geworden war. Die wenigen Aufenthaltsräume dort mussten für die Heimbewohnerinnen frei bleiben580: „Bei dieser Gelegenheit möchte ich nicht versäumen zu bemerken, dass auch für die Gruppenabende bedeutend bessere Bedingungen geschaffen worden waren dadurch, dass der Studentenführer uns Räume zu unseren Schulungen zur Verfügung stellte. Trotzdem ist der Mangel eines Hauses oder Heimes nach wie vor zu spüren.“581 Während das Haus der Außendeutschen Studierenden nur in Ausnahmefällen und mit großer Mühe bereitgestellt werden konnte, kam das Studentinnenheim Marie-Antonie-Haus in der Kaulbachstraße ebenfalls nur marginal als Ausweichquartier in Frage, zumal die dortigen Aufenthaltsräume von den Bewohnerinnen selbst beansprucht wurden: „Aber es war alles freiwillig, konnten wir ja gar nicht zur Pflicht machen, weil wir ja so kleine Räume bloß hatten. Also wer kam, der kam.“582 Lediglich eine gute Verbindung zur Leiterin dieses Heims ermöglichte es, die Teehalle des Hauses für äußerst beengte
578 BArch, RSF II* 536 (a 435). Arbeitsbericht des Amtes Studentinnen und der Arbeitsgemeinschaft nationalsozialistischer Studentinnen an der Universität Würzburg. S. S. 1938 vom 1.7.1938. 579 BArch, RSF II* 540 (a 438). Arbeitsbericht des Amtes Studentinnen für das Winter-Semester 1938/39 vom 16.2.1939. In der Tat gab es im Wintersemester 1938/39 weder in Heidelberg noch im gesamten Gau Baden ein Studentinnenwohnheim. Vgl. ebd. Elisabeth Hofmann an Anna Kottenhoff vom 24.2.1939. 580 Vgl. BArch, RSF II* 540 (a 438). Semesterbericht: Wintersemester 1938/39 der Gaustudentenführung München-Oberbayern vom 4.3.1939. 581 BArch, RSF II* 540 (a 438). ANSt. der Studentenführung der Universität München. Bericht über das WS. 1938/39. 582 Interview mit Gertraud S. vom 26.5.2005.
3.5 Politische Schulung
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Gemeinschaftsabende zu nutzen: „Aber auf die Dauer ist dies auch ein unhaltbarer Zustand, denn man kann hier nur kleinere Abende veranstalten, da nur 60–70 Personen in diesem Raume gemütlich Platz haben. Zu unserem Gemeinschaftsabend vor Weihnachten konnten wir nicht mal alle in ANSt-Gruppen erfassten Kameradinnen der Universität einladen, einfach aus Platzmangel. Aus dem gleichen Grunde sind solche Abende mit unseren älteren ANSt-Kameradinnen nicht durchführbar“583; ermutigt durch das rege Interesse von Anna Wagner, Ehefrau des damaligen Gauleiters Wagner, an der Arbeit der ANSt sowie ihrer Präsenz an allen Veranstaltungen gab man sich jedoch der Hoffnung hin, für München endlich ein ANSt-Heim zu bekommen. Die unklare Verwendung des Begriffs „Heim“ wirft die Frage auf, ob Inge Wolffs Hoffnungen, das Marie-Antonie-Haus 1934 in ein Kameradschaftshaus der ANSt umzuwandeln, verfrüht waren. Es ist nicht eindeutig, ob es sich bei dem noch im Wintersemester 1938/39 ausstehenden Heim um eine Unterkunft im Sinne eines Versammlungs- bzw. Schulungshauses oder – wie es Haide Manns interpretiert – um ein „Wohnheim“ handelt.584 Manns nimmt hierbei ebenfalls Bezug auf den entsprechenden Semesterbericht von Ruth Bergholtz, der jedoch nur ein fehlendes ANSt-, nicht ein Wohn-Heim beklagt.585 Im Hinblick auf die weiteren Ausführungen des Berichtes, in dem es vor allem um die Schwierigkeit geht, Gemeinschaftsabende abzuhalten, kann allerdings davon ausgegangen werden, dass die Münchner ANSt-Gruppe nur mehr ein geeignetes Versammlungs-, nicht ein Wohnhaus vermisste. Ausführungen über die Arbeit der Organisation im Gau München-Oberbayern im Folgejahr unterstützen diese Vermutung. So hatte die Münchner ANSt im 2. Trimester 1940 immer noch keine eigenen Räumlichkeiten zur Verfügung. Da es im Rahmen der Hausgemeinschaft in den Kameradschaftshäusern zu nicht näher ausgeführten Schwierigkeiten kam, bemühte man sich, zum 3. Trimester 1940 eigene Zimmer für die ANSt-Gruppen bzw. doch noch einen permanenten Schulungsraum innerhalb des Studentinnenheims zu erhalten.586 Mit diesem Vorhaben war gleichzeitig der Wunsch verbunden, „endlich eine Tradition“ in die Arbeit der Organisation zu bekommen,
583 Vgl. BArch, RSF II* 540 (a 438). Semesterbericht: Wintersemester 1938/39 der Gaustudentenführung München-Oberbayern vom 4.3.1939. 584 Vgl. Manns, 274, v. a. FN 393: „So hat die große ANSt-Gruppe in München auch 1939 noch kein Wohnheim.“ 585 Vgl. dazu BArch, RSF II* 540 (a 438). Semesterbericht: Wintersemester 1938/39 vom 4.3.1939, 4. 586 Vgl. BArch, RSF II* 533. Trimesterbericht des 2. Trimesters 1940 über die ANST Arbeit im Gau München-Oberbayern vom 5.9.1940, sowie ebd. Amt Studentinnen. Semesterbericht II. Trimester 1940 vom 2.7.1940.
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welche sich überdies durch feste Gruppenformen sowie dazugehörige Namen herausbilden und das Gemeinschaftsgefühl stärken sollte.587 Selbst der eigens am Mittwochnachmittag eingerichtete Gruppensport, „der leider noch nicht die gewünschte Begeisterung fand“588, sowie etliche angesetzte Wanderungen und Fahrten zielten darauf, einer möglichen äußeren und inneren Zersplitterung entgegenzuwirken. Auch die von der ANSt an der Akademie für angewandte Kunst geleiteten Gruppenabende hatten extern in Räumen der Kameradschaft „Andreas Hofer“ stattzufinden589, während an der Hans-Schemm-Hochschule für Lehrerbildung München-Pasing lediglich kahl eingerichtete Hörsäle und Seminare zur Verfügung standen, „die nur sehr notdürftig ihren Zweck erfüllten. Erst nach einer persönlichen Rücksprache der Gau-ANSt.-Referentin mit Herrn Professor Dr. Suchenwirth gelang es, auf Widerruf, die im 3. Stock der Hochschule gelegene leerstehende Wohnung für die ANST sicherzustellen. Durch eine weitere Bemühung gelang es dann der Gau-ANST-Referentin für die Ausgestaltung dieser Räume einen Beitrag von 1000.-- von der Gauleitung der NSDAP. zu bekommen.“590 Neben Malerarbeiten wurde das Geld für den Kauf von Gardinen und Tischdecken verwendet; Tische und Stühle stellte das Studentenwerk zur Verfügung. 1941 konnte die Funktionärin und Leiterin des Amtes Studentinnen einen weiteren Etappensieg für sich verbuchen. Ein unmittelbar an Staatsminister Adolf Wagner eingereichtes Gesuch zur Sicherung des ANSt-Schulungsheims wurde positiv mit einem Zuschuss von 8480 RM aus Mitteln des Hörgelderlassfonds beschieden; ein entsprechender Betrag sollte fortan im Haushalt des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus als Zuschuss für das Heim untergebracht werden.591 Spätestens im Sommersemester 1942, also knapp ein Jahrzehnt nach der Machtergreifung und rund drei Jahre nach Kriegsbeginn, verfügte die ANSt mit
587 BArch, RSF II* 533. Amt Studentinnen. Semesterbericht II. Trimester 1940. München vom 2.7.1940. Vgl. dazu auch BArch, RSF II* 533. Trimesterbericht des 2. Trimesters 1940 über die ANST Arbeit im Gau München-Oberbayern vom 5.9.1940: „Jede Gruppe beschäftigte sich mit der Frage der Namensgebung für die einzelnen Gruppen und führte eine Gemeinschaftsstunde unter diesem Gesichtspunkte durch. Im Anschluss daran beantragten die Gruppen zum größten Teil die Verleihung des Namens. Da die Formulare zum Namensantrag noch nicht in unseren Händen sind, konnten diese Anträge noch nicht weitergeleitet werden.“ 588 Ebd. Amt Studentinnen. Semesterbericht II. Trimester 1940 vom 2.7.1940. 589 Vgl. dazu ebd. Studentenführung Akademie für angewandte Kunst München. Arbeitsbericht Sommersemester 1940 vom 18.7.1940. 590 Ebd. Semesterbericht SS. 1940 vom 24.7.1940. 591 Vgl. UAM, StudW 199 II. Der Rektor der Universität München an das Bayer. Staatsministerium für Unterricht und Kultus vom 14.7.1941, sowie BayHStA, MK 70244. Bayer. Staatsministerium für Unterricht und Kultus an den Herrn Rektor der Universität München vom 26.5.1941.
3.5 Politische Schulung
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einem von insgesamt sieben Wohnheimen des lokalen Studentenwerks schließlich über eigene Räumlichkeiten in der bayerischen Landeshauptstadt: „Das ANSt.-Heim, München, Sternwartstraße 24, […] ist für die politische Schulungsund Zellenarbeit der A. N. St. (Arbeitsgemeinschaft nationalsozialistischer Studentinnen) durch den Gauleiter den Münchener Studentinnen, zusammengefaßt in der Gaustudentenführung München-Oberbayern, zu Verfügung gestellt worden.“592 Über die politische Erziehungsarbeit nach 1940 schreibt Steffen-Korflür, diese sei – aus Kohle- bzw. Raummangel wie in Tübingen oder München oder da sich kriegswichtigere Aufgaben nach vorne drängten – „weitgehend zum Erliegen“593 gekommen. Inwieweit diese These auch auf die LMU zutrifft, lässt sich nur schwer überprüfen. Zeitzeugengespräche mit ehemaligen Studentinnen der Kriegsjahre lassen den Schluss zu, dass politische Inhalte durchaus zugunsten kultureller zurückwichen: „’42 […] im Wintersemester habe ich angefangen. Und damals musste man, sonst konnte man nicht studieren, in NS-Studentenbund. Das wurde einem mit den Einschreibpapieren [unterbreitet/P. U.]. Und ich habe da nur angenehme Erinnerungen. Unsere Leiterin da von der Gruppe, die wir bildeten, also acht, neun Leutchen kamen dann einmal im Monat zusammen, […] die hieß Reininghaus. Und die kannte ich irgendwie schon früher und von der wusste ich also, dass sie „anti“ war. Meine Mitwirkung, das waren zwei Vorträge, die hatte ich in der Oberstufe vom Gymnasium, hatte ich die gehalten schon. Das eine über Verdi, Verdi und sein Leben und seine [Musik/P. U.]. Ich bin ein großer Opernfan, meine Mutter war’s auch schon. Und da habe ich also über Verdi und dann über Clara und Robert Schumann [referiert/P. U.], also die zwei Vorträge. […] Wir haben nichts Politisches gemacht, überhaupt nichts. Wir sind dem Zwang sozusagen geschickt ausgewichen.“594 Allerdings kommt Birgit Pauls zu dem Ergebnis, der Mythos Verdi habe „im Verlauf seiner Konjunkturen einen reichlichen Fundus für künftige Anschlußmöglichkeiten als Identifikationspotential für nationale Werte angesammelt.“595
592 Universität München. Vorlesungsverzeichnis für das Sommersemester 1942. München 1942, 12. Vgl. auch Universität München. Vorlesungs-Verzeichnis für das Wintersemester 1943/44. München 1943, 14. Dem Studentenwerk München wurde zum Betrieb des Schulungsheims für das Rechnungsjahr 1942 die Gewährung eines Zuschusses bis zu einem Höchstbetrag von 10.000 RM in Aussicht gestellt. Vgl. BayHStA, MK 70244. Bayer. Staatsministerium für Unterricht und Kultus an den Herrn Rektor (Verwaltungsausschuß) der Universität München vom 29.8.1942. 593 Steffen-Korflür, 204. 594 Interview mit Gudrun P.-S. vom 19.5.2005. 595 Birgit Pauls: Giuseppe Verdi und das Risorgimento. Ein politischer Mythos im Prozess der Nationenbildung. Berlin 1996, 317.
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Allein 1926 deutete ein Autor den Inhalt der Oper „Die Macht des Schicksals“ im Völkischen Beobachter „als Vergegenwärtigung des ‚Rasseproblems im ganzen menschlichen Leben‘. In den Jahren, während Clemens Krauß am Münchner Nationaltheater dirigierte, war Verdis in deutscher Sprache aufgeführten Opern ein wahrer Triumphzug in der sogenannten „Hauptstadt der Bewegung“ beschieden, die mitten auf der „Achse Rom-Berlin“ lag.“596 Regelmäßig saßen im Publikum auch der Münchner Gauleiter Adolf Wagner und weitere führende Nationalsozialisten. Im Auftrag von Reichsminister Goebbels fand hier im Februar 1941 sogar eine „Verdi-Festwoche“ statt, welche als Ausdruck gemeinsamer ideeller Bindungen zwischen den faschistischen Ländern Deutschland und Italien mit Verdi als stetem Bindeglied gewertet wurde. Im Januar 1942 lässt sich noch ein bebilderter Vortrag über die Entwicklung der Ostgrenze sowie das Schicksal der Siedlergruppen im Warthegau im Rahmen der ANSt-Schulungsarbeit an der LMU nachweisen. Im Mai 1943 sprach Hauptschriftleiter Dr. Ernst Meunier zu den Studierenden über die weltpolitische Lage.597 Wenngleich zahlreiche „ANSt-Referentinnen und Gruppenleiterinnen die politische Schulung allmählich in den Hintergrund gedrängt“ und „Schulungsprogramme sogar kurzerhand über Bord geworfen“ zu haben scheinen, wenngleich also „ein allgemeiner Prozeß der Entpolitisierung auch innerhalb der ANSt beobachtet werden konnte und dort vermutlich sogar weiter fortgeschritten war als bei den männlichen Mitgliedern des NSDStB“598, zeigten sich die Inhalte der gemeinsamen Treffen wohl nur selten vollkommen frei von nationalsozialistischen Implikationen. Wie schon die Bastelarbeiten im Rahmen der VTA gezeigt haben599, nahmen die Studentinnen diese nur nicht unbedingt bewusst wahr: „Und das war, glaube ich, unser Fehler überhaupt: Wir waren kritiklos. Wir waren eine ganze Generation, die kritiklos das akzeptierte, was uns von oben als richtig serviert worden ist.“600 Bestimmte Bestandteile dieser Politik wurden „gar nicht als evident „politisch“ wahrgenommen, sondern waren für viele fester Bestandteil ihres Selbstverständnisses.“601 Neben der eigenen Reflexionsfähig-
596 Ebd., 316. 597 Vgl. UAM, Sen. 135a/3 Band II. Ingrid Burchard an das Rektorat der Universität München vom 21.1.1942, sowie ebd. Ingrid Hetzel an den Herrn Rektor der Universität München vom 11.5.1943. 598 Grüttner, 351 f. 599 Vgl. Kapitel IV, 3.3 Volkstumsarbeit (VTA). 600 Interview mit Gertraud S. vom 26.5.2005. 601 Berit Schallner: Repressionen, Restriktionen, Vorschriften: Kölner Studierende im Visier des Regimes. In: Margit Szöllösi-Janze (Hg.): Zwischen „Endsieg“ und Examen. Studieren an der
3.5 Politische Schulung
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keit hing es aber gleichzeitig von der Person der Zellenleiterin ab, inwieweit und in welcher Intensität einzelne Schulungsinhalte ideologisch ausgestaltet und vermittelt wurden: „Und ich weiß nur, dass dann die Zuständige eine Medizinerin war, ein ganz ein nettes Mädchen. Und da waren wir beisammen in einem Raum und haben Klavier gespielt und gesungen, irgendwelche Frühlingslieder, keine Spur von Nationalsozialismus, es ist überhaupt kein politisches Wort gesprochen worden. Dann haben wir gezahlt und dann sind wir gegangen.“602 Das Amt Studentinnen der RSF selbst gab nachweislich noch bis zum Sommersemester 1944 entsprechende Schulungsbriefe für die ANSt-Gruppen heraus, zuletzt eine über 40 Seiten starke Schrift, in deren Vorwort Adolf Hitler die Bedeutung der Frau als Lebensgefährtin und Arbeitsgenossin des Mannes hervorhob: „Wir kennen keine Männerrechte und keine Frauenrechte, wir kennen für beide Geschlechter nur ein Recht, das zugleich die Pflicht ist, für die Nation gemeinsam zu leben, zu arbeiten und zu kämpfen.“603 Weitere Themen waren u. a. „Der geistige und kulturelle Anteil der Frau an der Gestaltung völkischen Lebens“, „Gedanken von Helene Lange zum Krieg und Einsatz der Frau“604 sowie ein ausführlicher Bericht aus der ANSt-Arbeit. Auf mehreren Arbeitstagungen im Frühjahr 1944 in Seeshaupt hatte man sich zum Zweck der einheitlichen Ausrichtung aller ANSt-Referentinnen zusammengefunden und um dazu beizutragen, „in der Führerinnenschaft das Gefühl des gemeinsamen Weges und Zieles im politischen Auftrag der ANSt. zu verstärken.“605 Gleichzeitig setzte die ANSt eine Großveranstaltung im Auditorium Maximum der LMU an, bei der die Anwesenden einen Überblick über die politische Lage unter besonderer Berücksichtigung des Frontgeschehens erhalten sollten.606 Im Interview mit der letzten Gau-ANSt-Referentin München-Oberbayern gab diese dagegen an, man habe „keine so großen politischen Ambitionen gehabt, sondern es war also auch schon, dass man irgendwie einen Zusammenhalt hat“ und sich um diejenigen kümmerte, denen es – etwa bedingt durch die Kriegsfolgen – schlecht ging: „Ja, da kamen die Studenten mit allen möglichen Pro
Universität Köln 1943–1948. Brüche und Kontinuitäten. Nümbrecht 2007, 27, künftig zitiert als Schallner. 602 Interview mit Catharina B. vom 3.5.2005. 603 Adolf Hitler: Ein Wort des Führers über die Frau. In: Amt Studentinnen der RSF (Hg.): Die ANSt-Gruppe. Folge 1. S. S. 1944, 1. 604 Vgl. Amt Studentinnen der RSF (Hg.): Die ANSt-Gruppe. Folge 1. S. S. 1944, 3–15, 19–26. 605 Aus der Arbeit der ANSt. In: Amt Studentinnen der RSF (Hg.): Die ANSt-Gruppe. Folge 1. S. S. 1944, 33. 606 Vgl. UAM, Sen. 135a/Band III. Die Gau-ANST-Referentin und Leiterin des Amtes Studentinnen an das Rektorat der Universität München vom 20.1.1944.
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blemen. Erstens was soll ich studieren oder auch mit Wohnungsproblemen und Familienproblemen. Ich weiß, einmal hatten wir mal eine, die war dann schwanger, ja, nicht, dann hat man also für die gesorgt.“ Ansonsten habe man sich, so die ehemalige Philologiestudentin, „eigentlich auf die kulturellen Aktivitäten beschränkt, mit der NSV hatten wir gar nichts zu tun. […] Wir haben also überhaupt nicht politisch gearbeitet. Das ist keine Ausrede, sondern das ist also wirklich so gewesen. Das war rein kulturelle Arbeit“607, zu der u. a. ein Vortrag des Kunsthistorikers Hans Jantzen vor den Studentinnen der ANSt-Gruppen im März 1943 über süddeutsche Barockarchitektur gehörte. Drei Monate später fand ein Konzert der ANSt von Kommilitoninnen der Akademie der Tonkunst im Brunnenhof bzw. im Herkulessaal der Residenz statt.608 Auch die von Dageförde mit ehemaligen ANSt-Funktionärinnen geführten Interviews liefern ein ähnliches Ergebnis. So nannten die Frauen als Begründung für ihre Tätigkeit ihr „soziales Engagement“609, obwohl eben diese Komponente und mit ihr der darauf beruhende subjektive Einsatz in Wirklichkeit die Diktatur festigten und den Eroberungskrieg vorbereiteten. Am 6. Dezember 1944 sprach Gertraud S. über die Arbeit der ANSt im vorletzten Kriegssemester, bevor in einem gemeinsamen Rundgespräch die Einzelheiten erarbeitet werden sollten. In ihrer Rede ging die damalige Gau-ANSt-Referentin zunächst noch einmal auf die grundsätzlichen Aufgaben der ANSt und damit auf ihre Sinngebung und Zielsetzung ein. „Ich fühle mich dazu umso mehr berechtigt, ja verpflichtet, als ich gerade in den letzten Tagen wieder erleben mußte, daß hier von seiten der Kameraden noch viel Verkennen und Voreingenommenheit liegt. Ich gebe offen zu, daß wir selbst daran wohl die meiste Schuld tragen, weil eben vieles, was wir hier als rosige Theorie malen, in der Praxis noch keineswegs in Erscheinung getreten ist.“610 Die relativ offen angesprochene Kritik an den Studentinnen stützt die vorangegangenen Ergebnisse, wonach der Großteil der weiblichen Studierenden der Indienstnahme durch die ANSt desinteressiert bis ablehnend gegenüberstand. Die „besondere Betonung der kulturellen Arbeit“ wurde indessen tatsächlich als ein von den allgemeinen Zielen der Frauenarbeit in den übrigen Organisationen abweichender Schritt verstanden. „Dort steht an erster Stelle die politische Arbeit
607 Alle Zitate nach Interview mit Gertraud S. vom 26.5.2005. 608 Vgl. UAM, Sen. 365/2. Traudl Höpfl an das Rektorat der Universität München vom 1.3.1943, sowie ebd. Ingrid Hetzel an den Herrn Rektor der Universität München vom 21.6.1943. 609 Dageförde, 173. 610 Rede von Gertraud S. vom 6.12.1944. Kopie im Privatbesitz P. U., künftig zitiert als G ertraud S.: Rede.
3.5 Politische Schulung
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in einfacher Angleichung an die Ausrichtung der männlichen Gliederungen. […] Ich glaube aber, dass wir heute unter den neuen Voraussetzungen, die die Massnahmen des totalen Krieges mit sich gebracht haben, unsere Studentinnenarbeit noch mehr als bisher auf den kulturellen Sektor verlagern müssen, um hier sowohl den Kameraden als auch uns selbst den Ausgleich zu schaffen für das, was uns durch die Schließung der Konzertsäle und der Bühne verloren ging.“ Da kurz zuvor – im Rahmen des totalen Kriegseinsatzes – im November 1944 die ersten Münchner Studentinnen geschlossen für eine kriegswichtige Dienststelle verpflichtet worden waren611, sollte sich die Arbeit in diesem Semester in zwei Teile aufspalten: „einmal die Betreuung der Studentinnen, die fern von der Hochschule im Einsatz stehen, zum anderen in der Erziehungsarbeit an denen, die noch auf der Hochschule verblieben sind. Gerade in dieser Zeit, die auch an unsere Frauen […] letzte Anforderungen stellt, scheint es mir doppelt wichtig, die Studentinnen, die leider durch einen gewissen Hang zu einem, ich möchte fast sagen, Überindividualismus gekennzeichnet sind, führungsmässig fest in der Hand zu haben und sie, wenn auch keineswegs in sehr bewusster Betonung – denn dann würden sie sich wahrscheinlich gleich von vornherein unserer Arbeit verschliessen – in die Bahnen zu lenken, in denen sie haltungsmässig wirklich als Führungskräfte sich bewähren können.“ Da die Referentin annahm, dass von den Frauen eine zeitliche Belastung neben ihrem Studium kaum noch im bisherigen Umfang gefordert werden konnte, wollte man den Kern der ANSt-Arbeit nur mehr auf einen Führungskreis konzentrieren. Dieser sollte die Ausgestaltung einiger Abende für die weiblichen Studierenden an der Hochschule, für die versehrten Kameraden und besonders auch die Betreuung eingesetzter Kommilitoninnen tragen. Bis zuletzt versuchte man die Indienstnahme der Studentinnen auf diese Weise nach aktuellen Bedürfnissen auszurichten, indem man bspw. die bereits im Rahmen der NSV-Arbeit verrichteten Tätigkeiten wie die Betreuung Versehrter in den Mittelpunkt stellte. Unter dem Deckmantel der kulturellen Arbeit, womit an der LMU zugleich die Weiterführung der Musik- und Instrumentalgruppe bzw. Neuentstehung der Theatergruppe verbunden war, instrumentalisierte man die weibliche Studentenschaft, um „auf diese Art den neuen Gegebenheiten unseres Hochschullebens am besten gerecht (zu) werden und der Erreichung unserer Ziele so am nähesten (zu) kommen.“612 Pläne bzw. Vorschläge für die personelle Nachfolge in den eigenen Reihen habe es zu diesem Zeitpunkt allerdings nicht mehr gegeben, so die ANSt-Referentin der LMU im Zeitzeugeninterview – „so weit hat man über-
611 Vgl. Kapitel VI, 3 Totaler Kriegseinsatz. 612 Alle Zitate nach Gertraud S.: Rede.
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haupt nicht gedacht. Da war’s dann schon so, dass man wirklich bloß noch an morgen gedacht hat.“613 Ein Blick in das Personen- und Vorlesungsverzeichnis der Universität München für das Sommersemester 1945 zeigt, dass bei Redaktionsschluss zumindest für das Amt Studentinnen noch keine Kommilitonin als Nachfolgerin von Doris Braden, Leiterin im Wintersemester 1944/45, benannt worden war.614
3.6 Fachschaftsarbeit „Die Fachschaftsarbeit soll das revolutionäre Gewissen in den Wissenschaften sein. Der Student des Arbeitsdienstes, des SA-Dienstes und des Kameradschaftshauses will nichts mehr von dem veralteten „Kollegbetrieb“ wissen. Vom 4. Semester an, also auf der Grundlage der politischen Schulung, erfolgt die studentische Fachschaftsarbeit. In Vorträgen geben uns erfahrene Leute aus der Praxis einen Begriff vom zukünftigen Beruf. Vor allem aber versuchen wir Studenten uns in Form von Arbeitsgemeinschaften über die Forderungen des Nationalsozialismus an jede Wissenschaft und an jeden Beruf klar zu werden. Diese Arbeitsgemeinschaften werden von Studenten, Assistenten und jungen Dozenten geleitet.“615 Nachdem die Quote der ANSt-Mitglieder aufgrund des im Mai 1935 mit dem BDM getroffenen Abkommens kontinuierlich anstieg und die Fachschaftsarbeit im Oktober desselben Jahres für alle Mitglieder ab dem vierten Semester zur Pflicht geworden war616, erhöhte sich die Anzahl der dadurch in Dienst genommenen Studentinnen automatisch. Die Beteiligung an den Arbeitsgemeinschaften der verschiedenen Fakultäten verlor auf diese Weise zunehmend den Charakter der Freiwilligkeit. Wie eine Auswertung der Berichte über die konkrete Durchführung an einzelnen Universitäten zwischen 1936 und 1939 zeigt, kamen die Frauen ihrer Verpflichtung zur Fachschaftsarbeit jedoch in unterschiedlicher Weise nach. Neben überfachlichen weiblichen Arbeitsgemeinschaften in Kooperation mit berufstätigen Akademikerinnen arbeiteten sie sowohl in rein weiblichen als auch in
613 Interview mit Gertraud S. vom 26.5.2005. 614 Vgl. Universität München: Personen- und Vorlesungs-Verzeichnis für das Wintersemester 1944/45. München 1944, 76, sowie Universität München: Personen- und Vorlesungs-Verzeichnis für das Sommersemester 1945. München 1945, 77. 615 BArch, NS 38/2293. Die Wissenschaften in der Erziehung des Deutschen Studenten. Zwiegespräch über Wissenschaft vom 8.2.1934. 616 Zum Abkommen zwischen BDM und ANSt vgl. Kapitel IV, 3.3 Volkstumsarbeit (VTA), zur Fachschaftsarbeit ab dem vierten Semester vgl. ebd., 1.5 Fachschaftsarbeit.
3.6 Fachschaftsarbeit
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gemischten Gruppen mit den Kommilitonen. Während etwa in München und Berlin die Einrichtung ausschließlich von Studentinnen besetzter Arbeitsgruppen aufgrund der Größe der Universitäten sogar in Fächern wie Volkswirtschaft oder Chemie möglich war, hatten sie an kleineren Universitäten wie Würzburg – mit Ausnahme der Medizinerinnen – kaum Gelegenheit, sich mit spezifischen Frauenthemen wie Familienrecht, Bevölkerungspolitik, Haus- und Volkswirtschaft, Säuglingssterblichkeit o. ä. auseinanderzusetzen617: „Gesonderte Fachschaftsarbeit der Studentinnen wurde nicht geleistet; sie wurde überall gemeinsam mit den Kameraden durchgeführt“618, hieß es gleichermaßen im Bericht über das Wintersemester 1938/39 aus Erlangen. Während das H VI der Studentenschaft der TH München im Sommersemester 1935 noch keine eigentliche Fachschaftsarbeit durchgeführt hatte619, konnte man zeitgleich an der LMU bereits weibliche Arbeitsgemeinschaften von drei Fachschaften verwirklichen; in anderen Fachschaften wurde dagegen von weiblichen Studierenden noch keinerlei entsprechende Arbeit geleistet, da für die Leitung zu wenige geeignete Kameradinnen vorhanden waren. So veranstalteten die Juristische und Volkswirtschaftliche Fachschaft gemeinsam pro Woche eine zweistündige Arbeitsgemeinschaft „Wohlfahrtspflege im Dritten Reich“ unter der Leiterin einer sozialen Frauenschule. Teilnehmerinnen waren elf Studentinnen, darunter sieben ANSt-Kameradinnen, die sich in verschiedenen Vorträgen und Referaten u. a. mit den wichtigsten Maßnahmen der Sozialpolitik seit dem Ende des 19. Jahrhunderts auseinandersetzten. Abgerundet wurden die Zusammenkünfte durch eine Besichtigung der Schwachsinnigenanstalt Schönbrunn bei Röhrmoos, womit man Exkursionen als Bestandteil und Form lokaler Fachschaftsarbeit mitunter bis in die späten Kriegsjahre hinein Rechnung trug: „Und ich bin erstaunt, weil ich das nun grad ’43, ’44 nachgelesen habe, wir waren ’44 noch zehn Tage in Wien mit dem Strafrechtsprofessor, und dann mit dem Germanische-Rechtsgeschichte- und Neuere-Rechtsgeschichte[-Seminar/P. U.] sind wir von Kufstein bis
617 Vgl. BArch, RSF II* 532. Arbeitsbericht S. S. 1939 vom 20.7.1939: „Rein weibliche Arbeitsgemeinschaften fanden nur bei den Medizinerinnen statt.“ Ebenso BArch, RSF II* 536 (a 435). Arbeitsbericht des Amtes Studentinnen und der Arbeitsgemeinschaft nationalsozialistischer Studentinnen an der Universität Würzburg S. S. 1938 vom 1.7.1938: „Eine überfachliche Arbeitsgemeinschaft der Studentinnen fand nicht statt. Die Kameradinnen beteiligten sich alle an gemischten Arbeitsgemeinschaften mit Ausnahme einer medizinischen Arbeit.“ Zu den Sondergebieten der Studentinnenarbeitsgemeinschaften vgl. Anna Kottenhoff: Wissenschaftserziehung der Studentin als Sondererziehung. In: DB vom 27.4.1937. 618 BArch, RSF II* 532. Studentenführung Erlangen. Amt Studentinnen. Bericht über das W. S. 38/39 vom 25.2.1939. 619 Vgl. BArch, RSF II* 535 (a 434). Semesterbericht zum Sommersemester 1935 vom 1.7.1935.
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Wien gefahren. Dann haben wir Gefängnisse besucht in verschiedenen Städten, und das war immer ganz toll. Ich erinnere mich an Wien, und das hat komischerweise der Studentenbund bezahlt. Wir mussten ganz wenig dafür zahlen, haben in tollen Hotels gewohnt, sind in Wien ins Theater gegangen, ins Burgtheater usw. Und das war alles bestens organisiert, ja. […] Und dann haben wir hier in München rum Jugendgefängnisse besichtigt, dann Heilbronn auch. Und dann noch mit dem Professor von Schwerin rechtsgeschichtliche Orte besucht, also die Bedeutung hatten, wo Ausgrabungen waren usw., die auch für die Rechtsgeschichte wichtig waren. Aber das war eigentlich immer eine ganz herrliche Sache. Zwei Mal im Jahr wurde so was [organisiert/P. U.], und so Kurzbesuche von Gefängnissen und Einrichtungen, die waren öfters, so alle drei, vier Monate schon, ja.“620
Abb. 31: Bestätigung über die Exkursion der Biologischen Fachschaft im Sommer 1943
620 Interview mit Lisa P. vom 10.5.2005. Vgl. auch Interview mit Dr. Irmingard H. vom 16.6.2005: „Ja, also eben bei den Botanikern oder Zoologen [haben wir/P. U.] eben diese Exkursionen gemacht.“
3.6 Fachschaftsarbeit
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Im Rahmen der Kulturwissenschaften leitete die stellvertretende Hauptamtsleiterin VI, Maria Mühlbauer, im Sommersemester 1935 selbst eine Arbeitsgemeinschaft mit zwölf ANSt-Kameradinnen – „ein Novum in der kulturwissenschaftlichen Fachschaft, da es hier noch nie eine Arbeitsgemeinschaft speziell für Studentinnen gab. Ich wählte das Thema „Familie und Ehe bei den (vorchristlichen) Germanen“. Ich dachte mir das so, dass ungefähr durch vier Semester eine Reihe von Arbeitsgemeinschaften hindurch geht, in deren Verlauf die Stellung und Leistung der deutschen Frau behandelt wird, angefangen bei den Germanen […] bis zu den Fragen, die uns Frauen heute der Nationalsozialismus stellt.“621 Für die Medizinische Fachschaft der Universität München ließ sich erst in der Mitte des Sommersemesters 1935 eine ANSt-Kameradin als Referentin aufstellen, die lediglich Vorbereitungen für eine intensive Arbeit im Winter treffen konnte. Aus diesem Grund beteiligten sich die angehenden Medizinerinnen nur an den allgemeinen Fachschaftsarbeitsgemeinschaften mit besonderem Interesse an der biologischen sowie der bereits in Kapitel IV, 1.5, erwähnten Diätküchen-Arbeitsgemeinschaft. In anderen Fachschaften wurde von den Studentinnen dagegen noch keine selbstständige Arbeit geleistet, weil es an der LMU an geeigneten Leiterinnen mangelte. Während männliche bzw. gemischte Arbeitsgruppen von Assistenten, überwiegend jüngeren Dozenten oder Studenten geleitet wurden, die sich als wissenschaftliche Mitarbeiter entsprechendes Personal herangezogen hatten, standen die Arbeitsgemeinschaften der Kommilitoninnen zumeist unter Leitung von ANSt-Funktionärinnen und anderen linientreuen Studentinnen fortgeschrittener Semester.622 Bereits im nachfolgenden Wintersemester 1935/36 hatte man an der Universität München neben der Medizinischen auch für die Juristische Fachschaft eine Referentin eingesetzt. Für alle Fachschaften bestanden überdies Arbeitsgemeinschaften, an denen sich die Studentinnen beteiligen konnten bzw. sollten. Da die Teilnahme daran freiwillig war, war die Anzahl der Mitarbeitenden allerdings nicht besonders groß.623 Neun Arbeitsgemeinschaften des Außenamtes mit Inhalten wie „Deutschtum in Nordosteuropa“ und „Koloniale Fragen“ hatten insgesamt gerade einmal 33 Teilnehmerinnen gefunden, von denen 66 % der ANSt angehörten. Einzelne Gemeinschaften wie „Landesplanung in der Ostmark“ und
621 BArch, RSF II* 535 (a 434). Bericht Sommerhalbjahr 1935, Hauptamt VI der Studentenschaft der Universität München vom 29.6.1935. 622 Vgl. Steffen-Korflür, 227. Einem internen Stimmungsbericht des NSDStB zufolge seien, so Böhm, jedoch vom Sommer 1935 an sämtliche Fachschaften in München von NSDStB-Mitgliedern besetzt gewesen. Vgl. Böhm, 326. 623 Vgl. BArch, RSF II* 535 (a 434). Semesterbericht des Hauptamtes VI der Studentenschaft der Universität München vom 24.2.1936.
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„Organisationsform des Deutschtums“624 waren dabei ausschließlich von ANStKameradinnen besucht worden. Die Pläne für die besondere Fachschaftsarbeit bei den Medizinerinnen hatte man – trotz der Vorbereitungen im Sommersemester – zu kurz anberaumt, weshalb diese aus vielerlei technischen Gründen scheiterten. Wie einem Briefwechsel mit der Reichsgruppenreferentin für Medizin zu entnehmen ist, wusste selbst die aktuelle medizinische Fachschaftsreferentin der LMU „keine rechten Wege“625 für die Arbeit in München, die außerdem an finanziellen Schwierigkeiten krankte. Zumindest ein Teil der Kameradinnen beschäftigte sich immerhin freiwillig in den Arbeitsgemeinschaften mit Themen wie „Fragen über menschliche Erbbiologie“, „Sterilisationsgesetz“ und „Arzt in der Sozialversicherung“. Acht Studentinnen standen in Bereitschaft zur Mitarbeit im BDM, d. h. zur Hilfe für Ärztinnen bei Untersuchungen und Kursen. Wieder andere nahmen an einem Samariterinnenkurs vom Roten Kreuz teil, arbeiteten in einem Volksheim als Helferinnen oder im Rahmen der Diätküche. Darüber hinaus war eine Teilnahme Einzelner in der Bayerischen Ostmark in den Semesterferien im Hinblick auf den Reichsleistungskampf über Säuglingsernährung, -sterblichkeit und dergleichen Themen geplant626, aus denen im Nachgang auch entsprechende Dissertationen enstanden.627 Bereits im Wintersemester 1936/37 präsentierte sich die Medizinische Fachschaft München jedoch mit einem deutlich umfangreicheren Plan für die Arbeitsgemeinschaften, deren Basis „immer das Fachliche und Richtpunkt stets die nationalsozialistische Weltanschauung“ sein sollte. Dieser Prämisse gemäß existierten Gemeinschaften zum „Arzt in der Sozialversicherung“, zu Ernährungsfragen, Wehrhygiene oder „Geschlechtskrankheiten und Volksgesundheit“ neben Gruppenthemen wie „Rasse und Vererbung“ (Erbpathologie, -biologie und -krankheiten). Hatten sich angehende Mediziner der Universität Heidelberg
624 Ebd. Semesterbericht WS 1935/36. Auslandsreferat im Hauptamt VI vom 8.2.1936. 625 BArch, NS 38/2322. Reichsgruppenreferentin f. Medizin an Ursula Gruber vom 6.1.1936. Zu den finanziellen Problemen vgl. ebd. Antwortschreiben von Ursula Gruber vom 13.3.1936. 626 Vgl. BArch, RSF II* 535 (a 434). Bericht von der Fachschaftsarbeit der Medizinerinnen in München vom 11.2.1936, sowie BArch, NS 38/2322. Ursula Gruber an die Reichsgruppenreferentin für Medizin vom 28.4.1936. 627 Vgl. exemplarisch Ursula Romann: Hygienische Untersuchungen als Beitrag zur Bekämpfung der Säuglingssterblichkeit in der Bayerischen Ostmark. Diss. Berlin 1940, 4: „Die vorliegende Arbeit ist in ihrer Art nach nicht erstmalig. Ihre Feststellungen schließen sich an Untersuchungen an, welche in gleicher Weise im Herbst 1936 von einer Medizinerinnengruppe der Studentenführung München in Waldmünchen, Furth, Cham und Kötzing angestellt wurden, also in der sich nördlich an die diesmal aufgesuchten Bezirke anschließenden Gegend der Bayrischen Ostmark.“
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schon Monate vorher mit der Erstellung von Personallisten jüdischer Dozenten für ein entsprechendes Handbuch befasst, so behandelten nun auch die Münchner unverhohlen antisemitische Themen: „Mit dem verderblichen Einfluß des Juden in der Medizin beschäftigt sich eine Gruppe unter dem Thema „Der Jude als Arzt“.“628 Der Bearbeitung zahlreicher thematischer Schwerpunkte standen die praktischen Einsatzgebiete gegenüber, „einmal, um den Dienst am deutschen Volk allen Studenten vor Augen zu führen, zum anderen, um zu vermeiden, daß ehrgeizige Streber unsere Arbeitsgemeinschaft als eine Art Zusatzkolleg für sich in Anspruch nehmen.“629 Während bspw. eine Gruppe von Studentinnen in Grenzbezirksämtern Erhebungen über die Säuglingssterblichkeit in Abhängigkeit von hygienischen Bedingungen anstellte, arbeiteten andere in Gesundheitsamt und NSV und halfen bei volksschulärztlichen Reihenuntersuchungen, der Säuglingsund Tuberkulosefürsorge, der ärztlichen Betreuung der Berufsschüler, in der sportärztlichen Beratungsstelle, der Volks- und Ortshygiene sowie in der Eheberatung. Nach einem zwischen dem BDM und der RSF geschlossenen Abkommen vom Mai 1937 wurde schließlich der in der vorlesungsfreien Zeit erfolgende Einsatz bei BDM-Untersuchungen u. ä. von der RSF als der üblichen Fachschaftsarbeit gleichwertig angerechnet und testiert. Da die Medizinstudentinnen hierbei zudem praktische Erfahrungen sammeln konnten, freie Verpflegung und Unterkunft sowie etwaigen Reisekostenersatz erhielten, erschien eine derartige Form der Arbeit durchaus als attraktiv.630 Weil im Rahmen der Themenstellung dieser Doktorarbeit nicht ausführlich auf die lokale Fachschaftsarbeit einzelner Fakultäten eingegangen werden kann, sei exemplarisch auf die allgemeine Darstellung van den Bussches zum medizinischen Schulungsprogramm der Studierenden verwiesen. Schwerpunkte dieser Arbeitsgemeinschaften bildeten in sämtlichen Fachschaften Rassenkunde- und -hygiene. Als für Frauen geeignete Betätigungsfelder galten Sportmedizin, Arbeit im Rassenpolitischen Amt, Säuglingspflegekurse, Ernährungsfragen und Reichsmütterdienst. Nach van den Bussche ist der Erfolg dieser extracurricularen Tätigkeiten indessen noch geringer als bei den Kommilitonen gewesen. „Soweit
628 Alle Zitate nach Kramer: Arbeitsplan der Medizinischen Fachschaft München. In: Student in München. Nachrichtenblatt des Gaustudentenbundes München-Oberbayern und der Münchener Studentenschaften vom 9.12.1936. Zur Universität Heidelberg vgl. Manns, 259. 629 Alle Zitate nach Kramer: Arbeitsplan der Medizinischen Fachschaft München. In: Student in München. Nachrichtenblatt des Gaustudentenbundes München-Oberbayern und der Münchener Studentenschaften vom 9.12.1936. 630 Vgl. Steffen-Korflür, 229. Zu Aufgaben der Medizinstudentinnen im Luftschutzsanitätsdienst im Rahmen der Fachschaftsarbeit vgl. Kapitel IV, 3.2 Frauendienst.
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gegeben, dürfte die Attraktivität aller dieser Arbeitsgemeinschaften wesentlich mitbedingt gewesen sein durch die unüblichen Sozialformen (Student und Dozent als „gleichberechtigte Kameraden“), dem Exkursions- und Lagercharakter vieler AG’s, die stark berufspraktische Ausrichtung und die reformpädagogische, projektstudiumsähnliche Konzeption dieser Veranstaltungen.“631
Abb. 32: Hitlers Berghof am Obersalzberg
In ihren Erinnerungen schildert auch Elisabeth Noelle-Neumann, die im Wintersemester 1936/37 zum Studium der Zeitungswissenschaft nach München kam, die praktischen Tätigkeiten im Rahmen der Fachschaft: „Als Zellenleiterin begründete ich eine Arbeitsgemeinschaft mit etwa 14 anderen Studentinnen zum Thema „Presseanalyse“. Wir trafen uns einmal in der Woche in dem Blockhaus, das ich in Obermenzing bewohnte, und nahmen dort beispielsweise die journalistischen Stilformen durch, beschrieben die Unterschiede zwischen Glossen, Kommentaren, Leitartikeln, Reportagen usw. […] In diese Zeit fällt auch meine Begegnung mit Hitler. An einem schönen Tag beschlossen meine Mitstudentinnen der ANST-Gruppe und ich, einen Ausflug in die Berge zu unternehmen und dabei auch den Obersalzberg zu besichtigen, wo Hitler und andere Nazigrößen
631 Van den Bussche, 88.
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ihre Häuser gebaut hatten. […] Das Gelände um Hitlers Berghof war selbstverständlich abgesperrt, man konnte aber drum herum wandern und aus einiger Entfernung auf die Häuser schauen. […] Plötzlich stand Hitler vor seinem Berghof und grüßte die abwärts wandernden Menschenschlangen. Als wir, die Studentinnen aus München, etwa seine Höhe erreicht hatten, kam von oben ein Adjutant gelaufen. Er sagte zu uns: „Der Führer will euch begrüßen.“ Wir scherten aus der Menschenschlange aus und folgten ihm zum Berghof. Da stand auch schon Hitler und begrüßte uns mit Handschlag. Er fragte: „Wollt ihr Tee mit mir trinken?“ Das fanden wir natürlich ganz aufregend, und so wurden wir auf die Terrasse geführt, wo es Tee und Kuchen gab. Hitler nahm mich am Arm und führte mich an die Brüstung, von der aus man ins Salzburger Land nach Österreich sah. Er sagte zu mir: „Ich frage mich oft, ob es mir wohl so gehen wird wie Moses, der das Gelobte Land sah, aber nicht selbst erreichte.“ Zwei Jahre später kam der Anschluß Österreichs an Deutschland.“632
Abb. 33: Münchner Studentinnen zu Besuch auf Hitlers Berghof am Obersalzberg im Sommer 1937
Unter dem Titel „24 Mädel beim Führer“ veröffentlichten auch die Münchner Hochschulnachrichten einen bebilderten Zeitungsartikel zum Besuch auf dem Obersalzberg im Juni 1937. Dem Artikel zufolge und entgegen der Darstellung Noelle-Neumanns versuchten die Studentinnen bei ihrem zweitägigen Ausflug mit Übernachtung jedoch gezielt Kontakt mit Adolf Hitler aufzunehmen: „Wenn
632 Elisabeth Noelle-Neumann: Die Erinnerungen. München 2006, 51 f., künftig zitiert als Noelle-Neumann.
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in der vergangenen Woche ANSt.-Führerinnen zusammenkamen, dann hatten sie immer untereinander zu flüstern. Das Wort „Obersalzberg“ kehrte immer wieder […] – und dann stand ein Plan fest, der Hand und Fuß hatte. […] Wir hatten eine Decke mitgebracht, für die eines unserer Mädel einen Preis im Reichsberufswettkampf bekommen hatte. […] Rasch formen wir einen sauberen Block. An der Spitze das Mädel mit dem Geschenk für den Führer. Weiße Bluse, schwarzer Rock“ – die Uniformierung der ANSt-Kameradinnen – „deren größter Wunsch auf dem Obersalzberg in Erfüllung gegangen ist.“633 Auch Timm Weski erinnert sich an die Teilnahme seiner Mutter, die zu jener Zeit an der LMU studierte. „Die Studentinnen des Kunsthistorischen Instituts (?) [Anmerkung Timm Weski/P. U.] machten 1937 einen Ausflug nach Berchtesgaden und wanderten zum Obersalzberg. Dort standen sie und blickten nach oben und fragten sich, ob Hitler wohl anwesend wäre. Kurze Zeit später erschien ein sehr schicker SS-Mann und teilte den Studentinnen mit, dass Hitler die Damen gerne zum Tee einladen würde. Das Teetrinken fand auf der Terrasse statt, wo sie von smarten SS-Leuten in weißen Affenjäckchen bedient wurden. Hitler entschuldigte sich, dass er wegen der Sonne den Hut aufbehalten müsste. Er deutete auf Österreich in der Ferne und meinte ungefähr: „Da liegt es nun und ich kann nicht hin.“ Die Studentinnen drucksten rum, da keiner wusste, wie man Hitler anreden sollte: Herr Hitler, Herr Reichskanzler, Herr Reichspräsident? Die zündende Eingebung hatte die spätere Frau Noelle-Neumann, indem sie Hitler mit „Mein Führer“ titulierte.“634 In diesem Zusammenhang muss hinzugefügt werden, dass die Mutter des Interviewpartners jedoch keine Studentin der Zeitungswissenschaft gewesen ist und der Artikel selbst explizit von „ANSt-Führerinnen“ spricht. Aus diesem Grund sei die Überlegung angebracht, inwiefern sich an der Exkursion primär NS-Studentinnen verschiedener Studiengänge beteiligten, zumal die Masse der Studierenden – dies zeigen die vorangegangenen Ausführungen zur LMU ebenso wie die einschlägige Forschungsliteratur – nicht zur freiwilligen Mitarbeit in der Fachschaften bereit gewesen war.635 Lokale Initiativen sollten deshalb dazu beitragen, einen vollkommenen Zerfall der Fachschaftsarbeit zu verhindern. So wandte sich der Führer der Studentenschaft an der Universität Berlin im Juli 1935 an das REM mit der Bitte, den Druck auf die Studierenden wieder zu erhöhen.
633 J. W.: 24 Mädel beim Führer. In: Münchner Hochschulnachrichten. Student in München. In: DB vom 22.6.1937. 634 Schriftliche Auskunft von Dr. Timm Weski vom 18.6.2005. 635 Vgl. exemplarisch Böhm, 326, Dageförde, 162, Grüttner, 332 f., Steffen-Korflür, 225, van den Bussche, 84.
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Gemäß den präsentierten Vorschlägen verfügte ein neuer Erlass am 12. Februar 1936, dass alle Mitglieder der DSt fortan bei ihrer Meldung zur Abschlussprüfung nach Möglichkeit zwei Scheine über die Teilnahme an der Fachschaftsarbeit vorzuweisen hatten.636 Auf Anregung des Leiters der Kulturwissenschaftlichen Fachschaft an der LMU war bei allen Kandidaten, die ihre Mitarbeit nicht genügend nachweisen konnten, bei der Examensprüfung ein strengerer Maßstab anzulegen.637 Obwohl van den Bussche zu dem Ergebnis kommt, 1937 und 1938 seien die „Erfolgsjahre der organisierten Fachschaftsarbeit“638 gewesen, und obwohl diese durch die Einbeziehung zahlreicher Hochschullehrer und Assistenten Teil eines „normalen Lehrbetriebes“ zu werden schien, „kränkelten die Fachschaften auch in den folgenden Jahren weiter vor sich hin“639, beteiligten sich Studierende oftmals „daran nur, soweit es eben notwendig war. Ich meine, man konnte sich auch nicht zerreißen“640. An der Universität Würzburg nahmen im Sommersemester 1938 lediglich 44 Studentinnen an den laufenden Arbeitsgemeinschaften im Bereich Kultur-, Rechts- und Naturwissenschaft sowie Medizin teil. Das entsprach einem Satz von 27 %, wobei einzelne Gemeinschaften sogar nur mit jeweils einer
636 Vgl. Grüttner, 333. 637 Vgl. UAM, O-Np-SS 1936 B-H. W[alther] Wüst an W. v. Kloeber vom 19.6.1936. Vgl. dazu auch StAM, SpKA K 2015. Rudolf v. Ficker an den Generalkläger beim Kassationshof im Bayer. Staatsmin. f. Sonderaufgaben vom 10.9.1948 über die politische Haltung und Tätigkeit von Walther Wüst: „In nicht weniger als vier Fällen erging von seiner Seite [Walther Wüst/P. U.] die schriftliche Anweisung an mich, Studierende, welche als politisch nicht einwandfrei denunziert worden waren, besonders streng zu prüfen. Als ich einem derselben, der später bei Stalingrad fiel, wegen seiner ausgezeichneten Leistungen die Note „sehr gut“ gab, fand es Dr. Wüst für geboten, seinem Zweifel darüber Ausdruck zu verleihen, ob ich denn den Studierenden tatsächlich sehr streng geprüft hätte? Solche „Anweisungen“ mussten daher von ängstlichen Prüfern dahin ausgelegt werden, dass die Leistungen der Rigorosanten weniger nach den wissenschaftlichen Fähigkeiten, als nach der politischen Zuverlässigkeit zu bewerten seien.“ Wüst selbst verwehrte sich gegen diesen Vorwurf, wobei sich sein Anwalt auf verschiedene eidesstattliche Erklärungen berief. Vgl. ebd. Peter Hecker an die Hauptkammer München vom 20.7.1949. 638 Van den Bussche, 97. 639 Grüttner, 335. Ähnlich verhielt es sich mit den in der Literatur kaum erwähnten, als freiwillig geltenden und über mehrere Tage andauernden „Politischen Fachgemeinschaften“, eine, so Steffen-Korflür, „Art von nationalsozialistischem ‘Studium Universale‘, in dessen Rahmen Themen wie ‘Das Zeitalter der Befreiungskriege‘ oder ‘Das Zeitalter Bismarcks‘ aus einer möglichst umfassenden, sämtliche damit befaßten Wissenschaftsdisziplinen einbeziehenden Perspektive betrachtet werden sollten.“ Steffen-Korflür, 230. Die Teilnehmerinnen waren vornehmlich ANStAktivistinnen bzw. -Funktionärinnen. Vgl. dazu auch Dageförde, 163. 640 Interview mit Elisabeth Ka. vom 2.7.2005.
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Teilnehmerin besetzt waren.641 Die Philologinnen der Universität Heidelberg hatten dagegen selbst im Wintersemester 1938/39 aufgrund ihrer geringen Zahl keine eigene Arbeitsgemeinschaft.642 Aufgrund dieser Missstände verschärften einige Universitäten ihre Zugangsbestimmungen. In Hamburg setzte der Studentenführer durch, die Rückmeldung nach dem dritten Semester mit Beginn des Wintersemesters 1937/38 von der Meldung zur Fachschaftsarbeit abhängig zu machen.643 In Erlangen wurden Exmatrikulation und Examenszulassung von einer regelmäßigen Teilnahme an der in Zellen gegliederten Fachschaftsarbeit abhängig gemacht – ein erneuter Versuch, die komplette Studentenschaft der politischen Erfassung und ideologischen Kontrolle zu unterwerfen.644 Befragt nach dem Sinn und Zweck der Fachschaft antwortete eine ehemalige Philologiestudentin der LMU entsprechend: „Alles in der Hand haben, nicht. […] Ja, und halt alles erfasst haben und Papierkram und jeden am Wickel haben, nicht, falls man ihn braucht.“645 Ungeachtet aller Maßnahmen scheint ein Teil der Studierenden trotzdem nichts von den Fachschaften gewusst noch in ihnen mitgearbeitet zu haben. „Jedenfalls erinnern sich ehemalige Studentinnen, die ich befragte, nicht daran“, so Dageförde. „Selbst wenn in dem einen oder anderen Fall eine Erinnerungslücke angenommen werden kann, kann vermutet werden, daß damals Mittel und Wege gesucht und gefunden wurden, sich der Fachschaftsarbeit zu entziehen.“646 Auch die Interviews mit ehemaligen LMU-Studentinnen liefern ein ähnliches Bild: „Fachschaft? Den Begriff erinnere ich […] nicht. Wahrscheinlich gab’s den – gab’s schon, gab’s schon, aber er ist mir entfallen. Er ist mir entfallen.“647 Während die einen sich weder die Existenz noch die Veranstaltungen der Fachschaften ins Gedächtnis rufen konnten648, wussten andere „nur noch den Namen“649, jedoch
641 Vgl. BArch, RSF II* 536 (a 435). Arbeitsbericht des Amtes Studentinnen und der Arbeitsgemeinschaft nationalsozialistischer Studentinnen an der Universität Würzburg S. S. 1938 vom 1.7.1938. 642 Vgl. BArch, RSF II* 540 (a 439). Arbeitsbericht des Amtes Studentinnen für das Winter-Semester 1938/39 vom 16.2.1939. 643 Vgl. Dageförde, 162. 644 Vgl. Franze, 206. 645 Interview mit Gertraud B. vom 27.7.2005. 646 Alle Zitate nach Dageförde, 163. 647 Interview mit Dr. Adriane H. vom 1.8.2005. 648 Vgl. exemplarisch Interviews mit Prof. Dr. Dr. Marika Geldmacher-von Mallinckrodt vom 28.7. und 7.12.2005, Dr. Irmtraud H. vom 14.6.2005, Maria H. vom 14.9. und 5.10.2005, Dr. Dorothee H. vom 12.6.2005, Dr. Anneliese I.-S. vom 11.7.2005, Lieselotte T. vom 9. und 21.7.2005 sowie Dr. Marie-Luise Schultze-Jahn vom 26.3.2005. 649 Interview mit Dr. Dorothee B. vom 7.6.2005.
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nichts von einzelnen Aktivitäten: „Da gab’s auch einen Fachschaftsleiter, der nicht besonders in den Vordergrund getreten ist. Da erinnere ich mich an gar nichts“650, zumal es, wie bei der politischen Schulung, „eben sehr verschieden“ war, „wie’s die einen gemacht haben.“651 Allerdings muss bei derartigen Aussagen erneut die Studienzeit der Einzelnen Berücksichtigung finden. Wie schon die Auswertung der schriftlichen Quellen gezeigt hat, hing die Indienstnahme durch die Fachschaftsarbeit von wechselnden Bestimmungen sowie der tatsächlichen Umsetzbarkeit an einzelnen Standorten ab. Für ehemalige Studentinnen wie Dr. Maria-Veronika D., die von 1929 bis 1934 Medizin an der Universität München studierte und damit nur mehr kurze Zeit unter dem NS-Regime immatrikuliert war, spielten Fachschaftssitzungen verständlicherweise noch keinerlei Rolle. „Da kann ich mich wirklich nicht erinnern, nein, nein, nein. Ich weiß nur, dass es so Paukkurse gab, wo die Leute sich aufs Examen vorbereitet haben. Aber Fachschaftssitzungen, ne, haben wir nicht gehabt, ne.“652 Für Dr. Elisabeth P., die ihr zeitungswissenschaftliches Studium erst 1935 antrat, gestaltete sich der studentische Alltag dagegen bereits anders: „Es hat bei uns eine Fachschaft gegeben, Fachschaft für Zeitungswissenschaft, und da mussten wir ja auch Arbeiten machen. Die sind benotet worden, ganz normal wie eben eine andere Seminararbeit“ mit Themen wie „Pressepolitik des Nationalsozialismus.“ Und da ist als Referat: „Die Aufgabe des Leitartikels“. Ob ich das geschrieben habe oder gesagt, das weiß ich nicht mehr. Dann habe ich noch gehabt: […] „Frau und Presse“ hat das geheißen. Und das Referat: „Die NS-Frauen-“, vielleicht „-warte.“ Wobei ich mich dann immer durchgeschwindelt habe, ohne irgendeine Verbeugung zu machen. Dann zum Beispiel […] über die Berliner Börsenzeitung. Das heißt „Die Qualität der Berliner Börsenzeitung“. […] Aber das schließt nicht aus, dass man es wertfrei hat machen können. Sagen wir mal so. Dann das ist „Pressestatistik“, das ist auch „Berliner Börsenzeitung“ […]. Und das ist „Die Gauzeitungen der NSDAP“. Da habe ich die schlechteste Note gekriegt. Also das ist vorgeschrieben gewesen einfach. Das hat man machen müssen. […] Das musste ich bis zum Ende des dritten Semesters haben.“653
650 Interview mit Gertraud B. vom 27.7.2005. 651 Interview mit Dr. Irmingard H. vom 16.6.2005. 652 Interview mit Dr. Maria-Veronika D. vom 28.4.2005. 653 Interview mit Dr. Elisabeth P. vom 17.4.2005, die hier ihre Seminarscheine bzw. das Studienbuch als Erinnerungshilfe heranzog.
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3.7 Reichsberufswettkampf Von 1935/36 bis 1938/39 stellte man die Tätigkeiten der Fachschaften mit dem Reichsleistungskampf der DSt mehr und mehr in den Dienst des Reichsberufswettkampfes (RBWK), um dem arischen Studierenden jeglichen Semesters die Möglichkeit zu geben, „seine wissenschaftlichen Fähigkeiten zu erproben und zu festigen.“654 Die Arbeit der studentischen Teilnehmer sollte sich dabei mit zeitgenössischen, dringenden Fragen und deren Lösungen beschäftigen, „nicht in weltfremden und abstrakten Abhandlungen erschöpfen. Sie soll vielmehr unmittelbar für die Praxis des Lebens verwertbar sein.“ Die fünf Zentralaufgaben des ersten Wettkampfes lauteten dementsprechend „„Das Deutsche Dorf“, „Der Betrieb als Einheit“, „Der Einfluß der Juden in Wissenschaft und Kunst“, „Die völkische Idee als kulturell gestaltende Kraft“ und „Die Bauten Adolf Hitlers“.“ Ein Jahr später stellte man den RBWK unter den Leitsatz „Die Lebensordnung des deutschen Volkes“ und bildete 16 Sparten mit umfassenden Rahmenthemen wie „Volksgeschichte“ und „Die deutsche Seefahrt“655, aus denen nach freier Wahl eine Aufgabe zur Bearbeitung in (gemischten) Gruppen oder durch Einzelpersonen herausgesucht werden konnte. Mit speziell für Frauen ausgeschriebenen Rahmenthemen wie Hauswirtschaft und Heimgestaltung sowie der Bildung rein weiblicher Arbeitsgruppen sollten Studentinnen angesprochen und für ihrem Geschlecht entsprechende Themenstellungen sensibilisiert werden.656 Nach Angaben des Jahrbuchs der Reichsfrauenführung hatte eine Gruppe von Medizinerinnen der Universität München beim RBWK 1937/38 eine der drei besten Arbeiten mit ihrer „Hygenische(n) Untersuchung der Ursachen der Säuglingssterblichkeit in der Bayerischen Ostmark“ eingereicht und gezeigt, „daß sich die geistig arbeitende Frau den Fragen der Frau besonders nahe fühlt.“657
654 Reichsstudentenführung (Hg.): Der 3. Reichsberufs-Wettkampf der deutschen Studenten. München 1937, 11. Zum RBWK vgl. Buss, 261 f. 655 Alle Zitate nach Artur Axmann: Der Reichsberufswettkampf. Berlin 1938, 356 f. Die Bewertung erfolgte in fünf Stufen, angefangen von „sehr wertvoll“ bis „unbrauchbar“. Vgl. ebd., 360– 362, künftig zitiert als Axmann. 656 Vgl. Manns, 263, Axmann, 359, sowie Auch die Studentinnen kämpfen mit. In: DB vom 15.6.1937. 657 Anna Kottenhoff: Aufgaben und Ziele der Studentinnenarbeit. In: Reichsfrauenführung (Hg.): Deutsches Frauenschaffen. Jahrbuch der Reichsfrauenführung. Dortmund 1938, 85 f. Vgl. dazu auch Wissenschaftlicher Einsatz der Münchner Mediziner. Dorfuntersuchungen in der Bayerischen Ostmark. In: Student im Bereich Süd. Beilage der „Bewegung“ für die Gaue: München-Obb., Schwaben, Bayerische Ostmark, Franken, Mainfranken vom 6.12.1938, hier nach
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Veröffentlichungen der RSF und weiteren Materialien zufolge sandten 1935/36 rund 12.500, in den Jahren danach mehr als 14.000 Teilnehmer ihre Arbeiten zur Bewertung durch Mitarbeiter der RSF und anderer Parteistellen sowie durch ausgewählte Hochschullehrer und politisch zuverlässige Wissenschaftler ein; die LMU verzeichnete im Dezember 1936 eine Teilnehmerzahl von 147 Meldungen im zweiten Reichsberufswettkampf.658 Wie Grüttner nachgewiesen hat, waren die offiziellen Zahlen über die Teilnahme der Hochschulstudenten jedoch augenscheinlich aus Propagandagründen „stark übertrieben“659. So nahmen am ersten Reichsberufswettkampf der deutschen Studenten 1935/36 gerade einmal 3738 Hochschulstudenten teil. 2173 unter ihnen studierten an einer Universität, 100 davon an der hiesigen. Mit – gemessen an der Gesamtmenge der Hochschulteilnehmer – gerade einmal 2,7 % hob sich die Anzahl der LMU-Angehörigen deutlich von kleineren Universitäten wie bspw. Gießen ab, wo Studentenführer immer „besonders rigoros auftreten“660 und Teilnahmequoten von mehr als zehn Prozent der Studentenschaft erreichen konnten. Allerdings nahm das Engagement der Universitätsstudenten am RBWK ohnehin tendenziell ab, was sich sowohl am Rückgang der von ihnen eingereichten Arbeiten als auch an der starken Zunahme von Fachschülern bemerkbar machte. Rückschlüsse auf die ideologische Befindlichkeit der deutschen Studierenden anhand der abgelieferten Beiträge zu ziehen, ist aufgrund der schwachen Resonanz somit kaum möglich. Da der Wettkampf jedoch freiwilliger Natur
IfZ, Z 1114: „Die Fachgruppe Medizin der Universität München führt seit fünf Jahren eine Arbeitsgemeinschaft durch, deren Aufgabe der wissenschaftliche Einsatz in den gesundheitlich schwer bedrohten Gebieten der Bayerischen Ostmark ist. In den ersten Jahren ihres Bestehens führte diese Arbeitsgemeinschaft vordringliche allgemein-hygienische Erhebungen, so Untersuchungen über die hygienischen Zustände und Probleme der Heimarbeiter, die Frage der Trinkwasserversorgungen, der ungemein hohen Säuglingssterblichkeit usw. durch. Aufbauend auf den Erfahrungen dieser ersten Arbeiten ging man dazu über, nicht nur eine enge gesundheitliche Frage, sondern in Zusammenarbeit mit Kameraden anderer Fakultäten allgemein umfassende Untersuchungen über die Lebensbedingungen und die Lebensweise durchzuführen. Im letzten Jahre wurde zum ersten Male eine Dorfuntersuchung mit diesem Ziele unter Leitung des jetzigen Sachbearbeiters Dorfuntersuchungen der Reichsstudentenführung angestrebt. Daß diese Arbeit einwandfrei gelöst wurde, beweist ihre Bewertung im studentischen RBWK. 1937/38, aus dem sie als reichsbeste Arbeit und Gausieger München-Oberbayern hervorging. In diesem Jahre dehnten wir die Fragestellung der „Dorfuntersuchungen“ weiter aus, wir wählten ein größeres, aber raumpolitisch und landschaftlich geschlossenes Gebiet als Arbeitsbereich.“ 658 Vgl. Axmann, 364, sowie UAM, P-II-75 Band 1. Übersicht über die Meldungen im Reichsberufswettkampf vom 18.12.1936. 659 Grüttner, 339. 660 Ebd.
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war und mit dem „Willen zur Mitarbeit am Aufbau des nationalsozialistischen Staates“661 gleichgesetzt wurde, stand eine Beteiligung wohl lediglich für überzeugte Nationalsozialisten zur Debatte.662 Für diese Überlegung sprechen auch die statistischen Angaben der LMU zum ersten RBWK. So hatten sich Ende 1935 108 Studierende gemeldet, von denen 90 %, und damit der Großteil der NSDAP oder ihren Gliederungen sowie rund 50 % dem NSDStB als Mitglieder angehörten. Gerade einmal 15 der 108 Teilnehmer waren Frauen, was das Ergebnis Dagefördes zur Beteiligung der Hamburger Studentinnen am RBWK auf München übertragbar macht: „Die Vorkriegsstudentinnen, die von den Reichsberufswettkämpfen wußten, nahmen nur vereinzelt daran teil“663, obwohl Reichssiegerarbeiten etwa gebührenfrei als Dissertationen angenommen wurden.664 So schreibt die im November 1937 am Institut für Arbeitsmedizin der LMU promovierte Medizinerin Irene Ultsch, die zu den Teilnehmern des ersten RBWK gehörte, im Vorwort ihrer Dissertation: „Im Jahre 1935 untersuchte ich im Rahmen einer Fachschaftsarbeit die sozial-hygienischen Verhältnisse eines Bezirks der Bayerischen Ostmark und reichte die Ergebnisse unter dem Titel „Die hygienischen und wirtschaftlichen Verhältnisse bei den Webern in der Bayerischen Ostmark“ zum ersten Reichsberufswettkampf ein. Diese Arbeit wurde mit einem 1. Preis ausgezeichnet. Durch Erweiterung des Themas und eingehendere Bearbeitung der einzelnen Abschnitte entstand nachstehende Doktorarbeit.“665
661 UAM, P-II-75 Band 1. Runderlass des Reichs- und Preußischen Ministers für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung vom 2.11.1935. 662 Vgl. Grüttner, 337, sowie Steffen-Korflür, 233. 663 Dageförde, 164. „Die Einführung von geschlechtsspezifischen Sonderprüfungen in ‚Hauswirtschaft‘ und ‚Sport‘, denen sich die am ersten ‚studentischen Leistungskampf‘ beteiligten Frauen zu unterziehen hatten, war“, so Steffen-Korflür, „ein weiterer Grund dafür, daß Frauen im Winter 1935/36 lediglich 5–6 % aller studentischen Teilnehmer ausmachten und damit deutlich unterrepräsentiert waren.“ Steffen-Korflür, 234. Vgl. dazu auch Pauwels, 77. 664 Vgl. UAM, D-X-25 Band 2. Der Leiter des Amtes Wissenschaft und Facherziehung an den Rektor der Universität München vom 20.8.1937. Auch die Fakultäten der LMU stellten, mit Ausnahme der juristischen, jährlich eine Preisaufgabe. Aufgabenlösungen, denen dieser Preis zuerkannt wurde, wurden ebenfalls als Dissertationen angenommen. Der Verfasser selbst erhielt überdies auf Antrag einen Druckkostenzuschuss aus Mitteln des Staatshaushaltes. Vgl. ebd. Der Rektor der Universität München an die Reichsstudentenführung, Amt Wissenschaft und Facherziehung vom 20.7.1937. 665 Irene Ultsch: Sozialhygiene und Gesundheitsverhältnisse im Bezirk Wegscheid (Bayerische Ostmark). Eine medizinische Topographie der Webergemeinden im Bezirk Wegscheid. Diss. München 1938, 1. Das Thema ihrer Gemeinschaftsarbeit beim RBWK lautete „Die Heimarbeitergrenzdörfer und die bayerische Ostmark“. Vgl. UAM, P-II-75 Band 2. Statistische Übersicht über die Meldungen zum Reichsleistungskampf vom 28.11.1935. Im Personen- und Vorlesungsverzeichnis für das Winterhalbjahr 1935/36 sowie das nachfolgende Sommerhalbjahr findet sich
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Darüber hinaus konnten die örtlichen Studentenschaften die Beteiligung am RBWK als freiwilligen politischen Einsatz besonders auf dem Fachschaftsschein vermerken und damit die politische Einsatzbereitschaft und -fähigkeit des Betreffenden bestätigen666 – ein Pluspunkt, wenn es um die Vergabe von Vergünstigungen wie Gebührenerlass oder Stipendien ging. Elisabeth Noelle-Neumann erinnert sich: „1989, ich war gerade Gastprofessorin an der Universität von Chicago, erhielt ich Post von der Universität in Osnabrück. Im Zuge wissenschaftlicher Arbeiten über die Nazizeit war eine Arbeit anläßlich des studentischen Reichsberufswettkampfes vom Winter 1936/37 entdeckt worden, die offenkundig ich geschrieben hatte, um mich für das Stipendium [nach Amerika/P. U.] zu qualifizieren: eine Abhandlung über die Leitartikel der Deutschen Allgemeinen Zeitung. […] Anders als in Königsberg arbeitete ich im Wintersemester 1936/37 nahezu ununterbrochen. […] Mir war klar geworden, daß ich nur mit einer besonderen Leistung die Chance hatte, das DAAD-Stipendium für 1937/38 zu bekommen.“667 Für Sieger des RBWK galt ohnehin, dass sie ihre Einsatzbereitschaft und Leistungsfähigkeit bewiesen hatten und deren Würdigkeit bei Gesuchen um Gebührenerlass unter Prüfung der Bedürftigkeit „ohne weiteres zu bejahen“668 war. Dessen ungeachtet setzten sich auch beim letzten studentischen RBWK 1938/39 von 132 Studentinnen der Universität Würzburg gerade einmal acht, aus Halle ganze fünf von 58 Kommilitoninnen aktiv ein. Im gesamten Gau MünchenOberbayern beteiligten sich lediglich zwei Gruppen von ANSt-Kameradinnen, darunter die ANSt-Gruppe der Akademie für angewandte Kunst mit dem Thema „Das Kleid als Kulturschöpfung“ sowie eine Gruppe der Akademie für Tonkunst mit dem „Komponieren von Liedertexten“669. Hinweise auf eine Beteiligung der LMU-
eine Übersicht der elf Fachgruppen, die zur studentischen Fachgemeinschaft für Landesplanung an den Münchner Hochschulen mit dem Arbeitsgebiet „Bayerische Ostmark“ gehörten, darunter Medizin, Forstwirtschaft und Sprachforschung. Eine weitere Gruppe (Biologie) war im Aufbau. Vgl. Universität München. Personen- und Vorlesungsverzeichnis für das Winterhalbjahr 1935/36 und das Sommerhalbjahr 1936. München 1935, 11. 666 Vgl. UAM, P-II-75 Band 1. Rundschreiben W 17/1936 der Deutschen Studentenschaft, Hauptamt für Wissenschaft, an die Rektoren aller Hochschulen vom 25.9.1936. Ein ergänzendes Schreiben legte zudem fest, dass der im Wintersemester 1935/36 durchgeführte Reichsleistungskampf der DSt als Fachschaftsarbeit anerkannt wurde, sofern die Arbeiten keine negative Bewertung erfahren hatten. Vgl. ebd. Rundschreiben W 20/1936 der Deutschen Studentenschaft, Hauptamt für Wissenschaft, an die Rektoren aller Hochschulen vom 30.9.1936. 667 Noelle-Neumann, 46 f., 52. 668 UAM, P-II-75 Band 1. Der Reichs- und Preußische Minister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung an die Herren Rektoren der deutschen Hochschulen vom 3.6.1937. 669 Vgl. BArch, RSF II* 540 (a 438). Semesterbericht: Wintersemester 1938/39 der Gaustudentenführung München-Oberbayern vom 4.3.1939. Die Deutsche Meisterschule für Mode, welche nicht
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Studentinnen sowie auf eine damit von Böhm konstatierte, „zu beobachtende Aktivierung […] der sog. Wissenschaftsarbeit“670 finden sich nicht: „Hier war der Spielraum, d. h. die Freiwilligkeit dieser Leistung so deutlich, daß nur diejenigen, die mit dem Nationalsozialismus politisch übereinstimmten, sich aufgefordert fühlten, den Aufruf zur Teilnahme am RBW Folge zu leisten“671, d. h. „(t)he qualitative performance of women students was again far from impressive“672; beim vierten RBWK von Mai 1938 bis April 1939 hatten sich gerade einmal zwei Wettstreitgruppen aus dem Gau München-Oberbayern beteiligt. Auch scheinen die Teilnehmerinnen der LMU keine weiteren größeren Erfolge für sich behauptet zu haben, während bspw. vier Würzburger Kommilitoninnen 1938 Reichssiegerinnen mit einer aus der Fachschaftsarbeit erwachsenen „Dorfuntersuchung zur Säuglingshygiene“673 wurden. Lediglich beim vorletzten RBWK 1938/39 hatte die Universität München einen Reichssieger in der Sparte „Rechtswissenschaft“ mit einer siebenköpfigen Mannschaft gestellt.674 Die Mehrheit der Kriegsstudentinnen wiederum hatte, wie die eigenen Zeitzeugeninterviews bestätigen, die Wettkämpfe nicht bewusst wahrgenommen, umso weniger, da die Durchführung des fünften studentischen RBWK 1939/40 seit Kriegsbeginn ruhte. An seine Stelle und als Teil der studentischen Dienstpflicht trat der sog. „Kriegspropagandaeinsatz“ und Kriegsleistungskampf der deutschen Studenten, „dem der Reichsstudentenführer die Erarbeitung sachlicher Argumente auf allen Gebieten der geistigen Auseinandersetzung, des sozialen Lebens, der Wirtschaft, der Kultur und der Technik gegen […] Feindstaaten zum Ziel gestellt“675 hatte. Dementsprechend fertigte die Fachgruppe Medizin bspw. Schilderungen über Elend und Hunger in England an, während Kommilitonen der Wirtschaftswissenschaften von der dortigen Umstellung der Äcker zu Brachland zugunsten der
der Deutschen Fachschulschaft angehörte und an der daher keine ANSt bestand, bearbeitete ebenfalls das Thema „Das Kleid als Kulturschöpfung“. Vgl. ebd. 670 Böhm, 326. 671 Dageförde, 164. Zu Würzburg und Halle vgl. Steffen-Korflür, 236. 672 Pauwels, 79. 673 Manns, 266, und van den Bussche, 97. Vgl. dazu – sowie zu den Reichssiegerinnen weiterer Universitäten und Hochschulen anderer Jahrgänge – Steffen-Korflür, 235. 674 Vgl. UAM, P-II-75 Band 1. Karl Hans Ertl an [Philipp] Broemser vom 31.5.1939. Das Thema der Arbeit lautete „Die Vererbung des landwirtschaftlichen Grundbesitzes im rechtsrheinischen Bayern vor und nach dem Reichserbhofgesetz“. Ebd. Ein Hinweis auf die Beteiligung von Studentinnen findet sich nicht. 675 UAM, P-II-75 Band 1. [Fritz] Kubach an [Philipp] Broemser vom 19.4.1940. Vgl. dazu auch Pauwels, 111 f.
3.7 Reichsberufswettkampf
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Reichen berichten und „im Kampf gegen die britische Intrige und Weltverhetzung ungeheuer wertvolles Material liefern konnte(n).“676 Trotz vehementer Propaganda handelten, so Manns, nun sogar die NS-Studentinnen überwiegend nach persönlichen Vorlieben und zeigten kaum mehr Interesse an der ANSt-Gruppen- bzw. Fachschaftsarbeit, während die durch Desinteresse gekennzeichnete Haltung der Durchschnittsstudentin gegenüber spezifischer studentischer Wissenschaftsarbeit auch nach Ausbruch des Krieges unverändert blieb677: ‚Da aber seit Kriegsanfang fast die gesamte Fachschaftsarbeit, die die Mädel zusammenhielt, durch den Kriegsleistungskampf abgelöst worden ist, war eine derartige Entwicklung vorauszusehen. An dem ewigen Bücherdurcharbeiten und Zusammentragen von Material haben die Mädel keine rechte Freude, weil sie ja nie zu Auswertungen kommen. Ausserdem arbeitet doch jede für sich allein und liefert ihre Ergebnisse der Beauftragten für den Kriegsleistungskampf ab.‘678 Neben der Tatsache, dass der RBWK an der LMU wie auch an anderen Universitäten nicht dazu beigetragen hat, den Anklang der Fachschaftsarbeit in der Studentenschaft zu erhöhen679, ihre Umsetzung anhaltende organisatorische Schwierigkeiten bereitete und offenbar nur große Fakultäten weibliche Arbeitsgemeinschaften bilden konnten, wurde die bislang betriebene Form der Fachschaftsarbeit – analog zum RBWK – schon unmittelbar nach Kriegsbeginn mit wenigen Ausnahmen beendet. So beschloss bspw. die Leitung der im Mai 1939 von Reichsfachgruppe Medizin in Reichsfachgruppe Volksgesundheit umgetauften Organisation im April 1940, die Fachschaftsarbeit der Studentinnen auf ihren Einsatz im Roten Kreuz und BDM zu beschränken, die Teilnahme an den Kursen des Reichsmütterdienstes bis Kriegsende zurückzustellen und von weiteren Arbeiten zum Reichsberufswettkampf abzusehen. Auf diese Weise wollte man die durch Einteilung in Trimester ohnehin starke Beanspruchung der Frauen reduzieren.680 Beibehalten wurde dagegen im Wesentlichen offenbar die theoretische Konzeption der NS-Fachschaftsarbeit, d. h. Arbeitsgemeinschaften zu Themen wie Dorf- oder Betriebsuntersuchung der HJ bzw. des BDM sollten weitergeführt werden. Wenngleich einzelne dieser Projekte wohl noch zur Durch-
676 Die studentische Arbeit im Kriegsjahr 1940. Rückschau auf Leistung und Einsatz des deutschen Studententums im Jahre der Entscheidung, im Kampf zweier Welten. In: DB vom 31.12.1940. 677 Vgl. Manns, 267, sowie Steffen-Korflür, 238. 678 BArch, RSF II* 533. Bericht über die ANSt-Arbeit des Gaues Berlin im II. Trimester 1940 vom 5.8.1940, hier zitiert nach Manns, 267. 679 Vgl. Grüttner, 340. 680 Vgl. Tagung der Studentinnen in der Fachgruppe Volksgesundheit. In: DB vom 14.5.1940. Zum Reichsberufswettkampf vgl. Kapitel IV, 3.7.
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führung kamen, ist anzunehmen, dass Umfang und Zahl im Vergleich zur Vorkriegszeit deutlich geringer waren. Abkommandierungen und Einberufungen machten zudem ein kontinuierliches Arbeiten unmöglich. So gab der Neugermanist Herbert Cysarz 1941 die Mitgliederzahl der Germanistischen Fachschaft an der Universität München mit 450 an. Ein Jahr später war diese bereits auf 250 zusammengeschrumpft.681 In zahlreichen Fachschaften stellten die Frauen ein Drittel der Studierenden und erhielten Leitungsfunktionen aufgrund der Abwesenheit der Männer.682 „Für die reale Tätigkeit und die „Erfolge“ einer Fachgruppe Medizin dürfte folgender „Bericht“ der Fachgruppe Medizin in Hamburg im SS 44 eher repräsentativ sein: ‚Insbesondere hat sich die Volksgesundheit mit ihren Skripten, der Einführung einer Bücherei und der Durchführung eines Mensabetriebes […] hervorgetan.‘“683 Auch Getraud S., die ihr Studium im Sommersemester 1941 an der LMU begann, berichtete, dass man sich in der Fachschaft Geschichte primär auf organisatorische denn auf fachinterne Tätigkeiten konzentrierte: „Ja, und in Geschichte war das damals der spätere Doktor Wolfgang Z. […] Ja, das war schon eine halbpolitische Funktion, weil ich noch weiß, der Wolfgang Z. hatte wahnsinnig Angst nach dem Krieg, man könnte ihm irgendwie einen Haken draus drehen, dass er der Fachschaftsleiter war, hat dann mit x Argumenten, mit Tabellen und Gott weiß was für seine Entnazifizierung gearbeitet. Dabei hat niemand danach gefragt. Na ja, […] erstes Semester haben die beraten, was sie am besten belegen, wie man am besten mit den Bibliotheken umgeht und solche Dinge. Also es war schon eine sinnvolle Sache die Fachschaftsleiter, ja.“684 Mit Beginn des Zweiten Weltkrieges nahm insgesamt die Intensität universitätsinterner Fachschaftsarbeit zugunsten der Organisation kriegswichtiger oder volkspolitischer Einsätze wie in der Rüstungsindustrie oder dem Facheinsatz Ost ab685, rückte auch unter Studentinnen geistes-, kultur- und naturwissenschaftlicher Fächer der Facheinsatz an die Stelle der ehemaligen Form der Fachschaftsarbeit.686 Wie ein Semesterschein der LMU-Fachgruppe Naturwissenschaft vom
681 Vgl. Bonk, 80 f. 682 Vgl. dazu UAM, D-XVII-53. Anordnung 17/43 vom 14.5.1943. „Auch die Heranziehung von Studentinnen ist unbedingt notwendig, nachdem ein hoher Prozentsatz der Studierenden von der weiblichen Jugend gestellt wird. Deshalb ist in jeder Fachgruppe, der Studentinnen angehören, eine ANSt. Studentin als Fachgruppenreferentin einzusetzen“, hieß es in einer Anordnung vom Mai 1943 an die lokalen Fachgruppen- und Fachschaftsleiter. 683 Zum Absatz und zum Zitat vgl. van den Bussche, 158 f., sowie Steffen-Korflür, 231 f. 684 Interview mit Gertraud S. vom 26.5.2005. 685 Vgl. Manns, 261. 686 Vgl. Steffen-Korflür, 232.
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Wintersemester 1943/44 exemplarisch belegt, beschäftigte sich die abgehaltene Arbeitsgemeinschaft dementsprechend mit dem Thema wissenschaftliche Feldpostbetreuung687.
Abb. 34: Semesterschein der Fachgruppe Naturwissenschaft
Die Medizinstudierenden waren dagegen in ihren Ferien permanent in kriegswichtigen Betrieben oder bspw. im Sanitätsdienst bei der Versorgung und Bergung von Bombenopfern eingesetzt, sofern sie nicht obligate Praxisabschnitte
687 Vgl. Semesterschein der Fachgruppe Naturwissenschaft (Abb. 34) von Catharina (Käthe) B. vom 3.5.1944. Kopie im Privatbesitz P. U.
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ableisteten688: „Da mussten wir Einsätze machen. […] Also wir mussten in Lazaretten und Krankenhäusern arbeiten. […] Vom Studium war des verpflichtend. Und da konnte man sich aber irgendwie anfordern lassen und aussuchen, so zum Beispiel, dass man zu Hause wohnen konnte und dann am Ort gearbeitet hat. […] Also erholt hat man sich eigentlich wenig. […] Man hat also sehr viel verlangt, auch nebenbei noch. Wir […] Medizinerinnen mussten Einsätze machen zum Beispiel im Lazarett. Wir mussten Schwestern vertreten übers Wochenende“689. Gefragt nach ihren wichtigsten Tätigkeiten in den vorlesungsfreien Zeiten antwortete eine ehemalige LMU-Studentin der Jahre 1939 bis 1944 analog: „Arbeit in der Kinderlandverschickung, Famulaturen, Prüfungsvorbereitung“, wobei erstgenannte Tätigkeit in der Oberpfalz stattfand. „In Nabburg hieß das, glaube ich. Ja, die Hauptarbeit dort war das Entlausen. Habe ich damals gelernt“690, während andere Kommilitoninnen beim Roten Kreuz für die Bevölkerung „nachts Brote streichen“691 mussten oder in „Hitlerjugendlager als medizinische Betreuung mit konnte(n). Und das war sehr schön. Da konnte ich natürlich in den Ferien in die Jugendherbergen mit und musste mal so Wunden versorgen oder so was.“692 Noch im Mai 1943 wandte sich Gaustudentenführer Dr. Hans Walter Berg schriftlich an die Fachgruppen- und Fachschaftsleiter und fasste die Aufgaben jeder Fachgruppe sowie Fachschaft zusammen. Dazu zählten u. a. die fachliche, wissenschaftliche und berufliche Selbsterziehung und Betreuung der Versehrten, Studienurlauber und Kommandierten sowie die entsprechende Betreuung der Frontstudenten. Weitere Punkte bildeten die „Durchführung der politischen, fachlichen, wissenschaftlichen und beruflichen Erziehung der Zivilstudenten und Studentinnen (Arbeitsgemeinschaften, Fach- und Wissenschaftseinsatz, Kriegsleistungskampf) und die „Durchführung des Berufspraktischen Ausbildungsdienstes, insbesondere in den Fachgebieten, für welcher dieser in den neuen Studienordnungen als Aufgabe der studentischen Fachgruppe festgelegt“ worden war. Eine „restlose Besetzung der Ämter“ wurde dabei als „unbedingt notwendig“693 für eine produktive Arbeitsweise in den Fachschaften angesehen. Mit seinem Schreiben kam Berg einer in der Forschungsliteratur überwiegend außer Acht gelassenen Verordnung des Reichsstudentenführers nach. Diese sah vor, die durch den bisherigen Kriegsverlauf zurückgestellten spezifischen studen-
688 Vgl. van den Bussche, 159. 689 Interview mit Paula K. vom 9.6.2005. 690 Interview mit Dr. Dorothee B. vom 7.6.2005. 691 Interview mit Dr. Paula S. vom 31.3.2005. 692 Interview mit Dr. Johanna K. vom 22.8.2005. 693 Alle Zitate nach UAM, D-XVII-53. Anordnung 17/43 vom 14.5.1943.
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tischen Arbeitsbereiche wieder verstärkt und erweitert durchzuführen. Hierbei wollte man möglichst alle Studierenden, jedoch besonders wehrmachtsangehörige Studenten sowie die große Zahl der Studentinnen erneut in Fachgruppen erfassen und sie in beruflicher, wissenschaftlicher und fachlicher Hinsicht an das NS-Gedankengut heranführen. Als geeignete Maßnahmen und Aufgaben galten u. a. Vortrags- und Kulturveranstaltungen sowie Fachgruppenappelle zu Semesterbeginn und -ende: Um möglichst viele Studierende für die studentische Arbeit zu gewinnen, hatten Fachgruppenleiter und Studentenführer einnehmend und überzeugend über die kommende bzw. geleistete Arbeit zu sprechen. Zur Leitung der Fachgruppenarbeit waren bei den Studenten in erster Linie Versehrte, bei den Studentinnen ANSt-Kameradinnen heranzuziehen.694 Entsprechend dieser Verordnung hob der Völkische Beobachter noch im vorletzten Kriegsjahr die vielfältige Wissenschaftsarbeit der Studierenden im Gau München-Oberbayern als einen „im tiefsten Grunde Dienst am völkischen Leben“695 heraus. So hätten vor allem frontgeschädigte Soldaten diesem Zweig der studentischen Arbeit ein neues Gesicht verliehen und kriegsversehrte Studenten der LMU wertvolle Vorschläge an die Reichsführung weitergeleitet. Exemplarisch seien hier die Arbeitsgemeinschaften der Fachgruppe Naturwissenschaften genannt, deren wissenschaftliche Ergebnisse im Rahmen der Feldpostbetreuung an die Front geschickt wurden. Die Fachschaft Theaterwissenschaft der Universität München sollte dagegen als Akademische Spielschar im Rahmen des studentischen Kriegseinsatzes vor Rüstungsarbeitern und verwundeten Soldaten auftreten. Wie erfolgreich die Appelle sowie die daraus resultierende Fachgruppenarbeit in der Praxis tatsächlich waren, lässt sich in der Regel kaum mehr nachvollziehen. So hatte etwa der Leiter der Fachschaft Chemie noch Ende 1943 angegeben, es würde zurzeit keine Fachschaftsarbeit durchgeführt werden.696 Die ehemalige Medizinstudentin Paula K. erinnerte sich an einen Fachschaftsappell im Jahr
694 Vgl. Studentische Facherziehung und Wissenschaftsarbeit im Wintersemester 1943/44. In: Verordnungsblatt RSF. Nr. 10/11. München 1943, 10 f. Zu den weiteren Aufgaben und Maßnahmen zählten „1. Studienführung, insbesondere aller jungen Semester und aller Versehrten […]. 2. Studienbetreuung aller wehrmachtsangehörigen Studenten […]. 3. Arbeitsgemeinschaften über fachlich-wissenschaftliche und Berufsfragen […] 4. Berufspraktischer Ausbildungsdienst“. Ebd. Weder bei Grüttner, Dageförde noch bei Manns und Steffen-Korflür finden sich Hinweise auf das Bemühen der Nationalsozialisten, die Wissenschafts- und Facharbeit in den letzten Kriegsjahren wieder aufleben zu lassen. 695 Dr. S.: Studentische Wissenschaftsarbeit. Die Arbeitsgemeinschaft der Fachgruppen an der Münchener Universität. In: VB vom 6.7.1944, hier nach UAM, Sen. 988. 696 Vgl. UAM, OC-Np-WS 1943/44. Der Leiter der Fachschaft Chemie an die Studentenführung der Universität München vom 7.10.1943.
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1944, der ganz im Zeichen des totalen Kriegseinsatzes stand. Entgegen der offiziellen Berichterstattung in der Zeitung, habe dieser jedoch wenig Euphorie unter den Studierenden hervorgerufen: „(D)a gab’s einen sog. „Fachschaftsappell“. Und auf einmal, sonst hat man über die Burschenschaften immer geschimpft, auf einmal hat man da gesungen „Burschen heraus, lasset es schallen von Haus zu Haus“. Und da hat der Gaustudentenführer gesagt: „Ja, Ihr habt also die Bereitschaft der männlichen Studenten […] zum Fronteinsatz und die Studentinnen [dazu/P. U.], dass die in die Rüstung gehen“, ja. Ohne uns zu fragen […]. Und in der Zeitung stand dann „Minuten anhaltender Beifall“. Überhaupt nicht wahr. […] Die meisten sind dagesessen, haben gar nichts gemacht. Weil, wie gesagt, einfach über uns weg zu verfügen, da […] hätte man uns fragen können.“697 Obwohl man an der Verordnung festhielt, den Ausbau der Arbeitsgemeinschaften zu verstärken und dabei besonders die Beteiligung der Frauen und mit ihr die politische und erzieherische Betreuung derselben zu erhöhen, blieb die Teilnahme freiwillig.698 Dieser Umstand mag ein Grund dafür gewesen sein, warum ehemalige Studentinnen wie Isolde D. kaum noch Bezug zur Fachschaftsarbeit hatten, auch wenn diese von offizieller Seite als „beste Form“699 für das Interesse der Studierenden an geistiger Auseinandersetzung verstanden wurde: „Also ich habe eigentlich nichts davon gemerkt, von der Fachschaft, also nicht viel. Organisiert worden ist in der Richtung überhaupt nicht so viel. Dazu waren eben keine Möglichkeiten. Es waren eben keine normalen Zustände. Das muss vorher auch anders gewesen sein, wie die Leute so von der Zeit vor dem Krieg erzählt haben.“700 Ein weiterer, hier genannter Punkt, betrifft die selbst im Verordnungsblatt RSF nicht zu umgehende Tatsache, wonach „die Durchführung von Arbeitsgemeinschaften während des Krieges aus äußeren Mängeln sehr eingeschränkt werden“ musste. Ungeachtet der Bemühungen, dieser Einschränkung im Wintersemester 1943/44 „eine stärkstmögliche Ausweitung entgegenzusetzen“701, machten die Folgen des Krieges auch vor der Universität München nicht halt. Wenngleich die ANSt noch im April 1944 eine Arbeitstagung am Starnberger See durchführte, in deren Mittelpunkt die Erörterung der aktuell in den Arbeitsge-
697 Interview mit Paula K. vom 9.6.2005. 698 Vgl. Wissenschafts- und Facharbeit im Wintersemester 1943/44. In: Verordnungsblatt RSF. Nr. 10/11. München 1943, 29. 699 Vgl. ebd. 700 Interview mit Dr. Isolde D. vom 30.6.2005. 701 Alle Zitate nach Wissenschafts- und Facharbeit im Wintersemester 1943/44. In: Verordnungsblatt RSF. Nr. 10/11. München 1943, 29.
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meinschaften der Fachgruppen behandelten Themen stand702, war der Studienalltag bereits deutlich von den Kriegsfolgen gezeichnet: „Es war ja [schwer/P. U.], weil ja alles, schon alles immer durcheinander ging, wegen dieser Bombenangriffe usw., nicht. Das war ja dann ’44 unerträglich bald, nicht.“703 Die zunehmenden Zerstörungen durch den Luftkrieg führten dazu, dass Ausweichquartiere für den akademischen Unterricht besorgt werden mussten. Seminare und Vorlesungen fanden teilweise sogar in den Wohnzimmern einzelner verbliebener Professoren statt, während Archivalien, Bücher und wissenschaftliche Geräte in ganz Bayern ausgelagert und in Sicherheit gebracht wurden: „Bis 43 ging es mit dem Studieren, das Institut war nur geringfügig zerstört. Dann kamen die großen Angriffe, und dann haben wir sehr viel in den Keller verlagert. Nach 44 wurde das Institut total zerstört, und dann sind wir nach Weilheim, in die Realschule ausgelagert worden, dem ‚Privat-Labor‘ von Prof. Wieland, wie wir es damals nannten.“704 An einen geregelten, fakultätsübergreifenden Lehrbetrieb war unter derartigen Bedingungen jedoch ebenso wenig zu denken wie an eine umfassende Ausweitung der Arbeitsgemeinschaften. Dazu kamen die erhebliche Beschränkung der Studiengenehmigungen ab 1944 sowie die Proklamation des totalen Kriegseinsatzes. Neben Versehrten, Examenssemestern und Ausländern blieben an den Hochschulen nun hauptsächlich Studierende kriegswichtiger Fachrichtungen zurück. Erstimmatrikulationen waren lediglich noch für Versehrte und Kriegerwitwen zulässig, während selbst Medizinstudierende ihr Studium unterbrechen mussten, sofern sie nicht kurz vor dem Physikum standen oder schon sechs Fachsemester studiert hatten.705 Die Bereitschaft, sich unter den erschwerten Studienbedingungen des Zweiten Weltkrieges freiwillig und aktiv an den Arbeitsgemeinschaften der Fachschaften zu beteiligen, darf somit als verschwindend gering eingestuft werden. Als Anlass für ein geselliges Beisammensein fungierten Fachschaften an der LMU jedoch durchaus bis in die letzten Kriegsjahre, wie die handschriftliche, mit Foto-
702 Vgl. Die Wissenschaftsarbeit der Studentinnen. In: DB vom Mai 1944 sowie Kapitel IV, 3.9 Lager. 703 Interview mit Elisabeth K. vom 26.6. und 9.7.2005. 704 Studentenwerk München (Hg.): Eine Zeitzeugin. Fragen an Dr. Hildegard Hamm-Brücher. Chemie contra Arbeitsdienst. In: Dass. (Hg.): 75 Jahre Studentenwerk München. „Wo geht’s hier zum Studentenhaus?“. München 1995, 27. 705 Vgl. Grüttner, 425. Studierende anderer naturwissenschaftlich-technischer Fächer, Studenten der Zahnmedizin, Pharmazie und Forstwissenschaft durften ihr Studium, ebenso wie Lehramtsstudenten, nur fortführen, wenn sie bereits mindestens drei Fachsemester vorweisen konnten. Vgl. ebd. sowie Kapitel VI, 3 Totaler Kriegseinsatz.
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grafien bebilderte Chronik des Seminars für Klassische Philologie der Universität München zeigt. Noch im Juni 1944 waren Studentinnen und Studenten mit ihren Professoren zu einem Fachschaftsabend mit verschiedenen heiteren und musikalischen Darbietungen im Strandbad Seeshaupt, im März 1945 zu einem Abend im Studentenheim an der Sternwartstraße zusammengekommen. Nur wenige Wochen vor der Einstellung des Universitätsbetriebes im April 1945 bemühten sich die Studierenden jenseits von Luftangriffen, Zerstörungen und permanenten Alarmen um ein gewisses Maß an Normalität, um ein „gemütliche(s) Zusammensein in engerem Kreis“706, aus dem lebenslange Bindungen wachsen konnten: „Und diese sog. „Fachschaften“ […], die halten zum Teil heute noch zusammen.“707
3.8 Studentinnenheim „Das Wohnheim der A. N. St. soll das, was wir im Arbeitsdienst an Gemeinschaftserziehung und -erlebnis erhalten haben, vertiefen und soll die Studentin an die Aufgaben heranführen, die ihr als geistig führender Frau innerhalb der Ordnung des nationalsozialistischen Staates erwachsen. Wir brauchen diese Stätte, um unsere A. N. St.-Arbeit wirkungsvoll in den Mittelpunkt unserer gesamten Hochschularbeit zu stellen, um den jungen Studentinnen die klare Ausrichtung in gemeinsamer Arbeit geben zu können.“708 Im Wintersemester 1933/34 beherbergte eine Breslauer Wohnung das erste Kameradschaftshaus für Berufstätige und Studentinnen, welche eine Zelle im Aufbau des NS-Staates bilden wollten.709 Bereits im Wintersemester 1934/35 konnte die ANSt in zehn Universitätsstädten Wohnheime verzeichnen, die organisatorisch betrachtet eine ANSt-Zelle bildeten, „eine wirkliche „Arbeitsgemeinschaft Nationalsozialistischer Studentinnen“.“ Im Gegensatz zur restlichen ANSt bot die sog. „Wohnheimkameradschaft“710 den Vorzug größerer Geschlossenheit,
706 Chronik des Seminars für Klassische Philologie. Universität München 1941. Kopie im Privatbesitz P. U., künftig zitiert als Chronik Klassische Philologie. Vgl. dazu auch Jula Kerschensteiner: Die Chronik des Seminars für Klassische Philologie der Universität München in den Kriegsjahren 1941–1945. Ein Rückblick. In: Werner Suerbaum (Hg.): Eikasmos. Quaderni Bolognesi di Filologia Classica. IV/1993. Festgabe für Ernst Vogt zu seinem 60. Geburtstag am 6. November 1990. Erinnerungen an Klassische Philologen. Bologna 1993, 71–74. 707 Interview mit Elisabeth Ka. vom 2.7.2005. 708 BArch, RSF II* 499. Rundschreiben A. N. St. 2/35 vom 5.2.1935. 709 Vgl. Manns, 275. 710 Alle Zitate nach BArch, RSF II* 499. Rundschreiben A. N. St. 2/35 vom 5.2.1935.
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innerhalb derer die Bewohnerinnen Anregungen und Erweiterungen durch Angehörige anderer Fakultäten sowie durch politisch-kulturelle Schulung erhalten sollten. Darüber hinaus waren eine Zusammenarbeit mit anderen NS-Frauenorganisationen, das Hinzuziehen führender deutscher Künstler, die Pflege von Hausmusik und ähnliche Aktivitäten vorgesehen. Auf diese Weise würde sich, so die Absicht der ANSt, der Dienstplan organisch in den Tageslauf einfügen und sich immer die gleiche Gemeinschaft bereitfinden, an deren Spitze eine von der örtlichen ANSt-Referentin eingesetzte und ihr unmittelbar untergeordnete Leiterin stand. Allerdings kämpften die bestehenden Einrichtungen mit finanziellen Schwierigkeiten, was eine entsprechend rigorose Werbung notwendig machte: Zur aktiven Mitgestaltung wurden diejenigen, die dazu in der Lage waren, ab dem Sommersemester 1935 angehalten, in eines der reichsweit insgesamt zehn vorhandenen Heime zu ziehen und dafür gegebenenfalls sogar einen Wechsel der Universität in Kauf zu nehmen711; studierende BDM-Angehörige wiederum sollten hier bevorzugt Unterkunft finden.712 Neben Freiburg, Erlangen, Tübingen, Marburg und Leipzig hatte die ANSt Anfang 1935 fünf weitere Wohnheime in Halle, Göttingen, Köln, Hamburg und Kiel. Das Münchner Marie-Antonie-Haus wurde in der offiziellen Auflistung vom Jahresbeginn dagegen nicht erwähnt. Dieser Umstand legt die Vermutung nahe, dass die im Sommersemester 1934 begonnene, stilmäßige und geistige Umstellung des Hauses nach nationalsozialistischen Maßstäben zu diesem Zeitpunkt noch nicht zu einem vollkommen befriedigenden Abschluss gekommen, das Heim noch nicht unter Leitung der ANSt geraten war.713 Doch auch an anderen Standorten gestaltete sich die Umsetzung schwierig. Obwohl etwa Leipzig als eine der ersten Städte über ein im Sinne der ANSt geleitetes Wohnheim verfügte, suchte man selbst 1936 weiterhin nach einer geeigneten Wohnheimleiterin, zumal die Diensthabende aufgrund ihres jungen Alters „den Mädels nur Kameradin unter Kameradinnen“, nicht aber politischer Orientierungs- und Mittelpunkt sein konnte: „Zu Anfang des Semesters stellten wir in einer Aussprache heraus, dass das tägliche Zusammenleben nur dann sinnvoll ist, wenn wir es nützen zu einer gegenseitigen Klärung unserer weltanschaulichen Haltung, aus der heraus die Gemeinschaft des Heimes kein Selbstzweck, sondern Vorbereitung zur Erfüllung
711 Vgl. ebd. 712 Vgl. BArch, RSF II* 515 (a 416). Vereinbarung über die Zusammenarbeit zwischen dem BDM und der ANST vom 25.2.1937. 713 Vgl. Kapitel IV, 1.6 Exkurs: Die Umgestaltung des Studentinnenheims Marie-Antonie-Haus.
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der politischen Aufgaben ist.“714 In Halle war das Studentinnenheim indessen im Sommersemester 1936 gerade einmal mit fünf Frauen belegt, sodass kein Heimbetrieb durchgeführt werden konnte und der Einrichtung aufgrund von Nachwuchsmangel im Laufe der nachfolgenden Ferien die Schließung bevorstand.715 Anders gestaltete sich dagegen die Situation in München. Wie ein Bericht aus dem Geschäftsjahr 1937/38 zeigt, waren sowohl im Sommersemester 1937 als auch im darauffolgenden Wintersemester im Studentinnenheim in der Kaulbachstraße 83 Plätze belegt. Mit dieser hohen Besetzung ging man weit über die ursprünglich von der ANSt ins Auge gefasste Zahl von 35 Bewohnerinnen hinaus.716 Darüber hinaus hatte man einen größeren Gemeinschaftsraum zu einem Schlafraum mit zehn Betten zur Aufnahme von durchreisenden Studentinnengruppen umgestaltet.717 Begründet wurde die Anziehungskraft des Marie-Antonie-Hauses „vor allem durch die günstige Lage und schöne wie zweckmässige Einrichtung“718, die schon bei der Eröffnung im Mai 1931 auf große positive Resonanz gestoßen war und sich von den gängigen Untermietszimmern deutlich abhob: „Also, ich habe natürlich nur bei wenigen die Zimmer gesehen. Aber ich hatte eine Studienkollegin, die aus Württemberg war und die ein ganz winziges Zimmer hatte über einer Garage, wo man sich kaum umdrehen konnte, so klein war das, denn sie hatte nicht viel Geld. Dann habe ich das Zimmer gesehen, das mein Mann hatte, der auch wenig Geld hatte, aber für den das Wohnen ungeheuer wichtig war und der lieber woanders gespart hat. Der hatte ein sehr hübsches Zimmer in der Schackstraße. So war es halt verschieden, was einer zahlen konnte oder wollte“719 oder wie sich das Verhältnis zu den Vermietern gestaltete. Während die ehemalige Medizinstudentin Dorothee B. ihr erstes Quartier aufgrund des Vorwurfs verließ, Silberbesteck gestohlen zu haben und ihr im Sommersemester keine Lampe im Zimmer erlaubt wurde, um Strom zu sparen720, hatten sich andere „wenigstens einen Tee kochen dürfen, gell, Eiswasser machen dürfen. Aber das war ja schon
714 Alle Zitate nach BArch, RSF II* 532. Bericht über die Arbeit der ANSt im NSDStB an der Universität Leipzig im Sommer-Semester 1936. 715 Vgl. ebd. A. N. St.-Semesterbericht des Gaues Halle-Merseburg vom Sommer-Semester 1936. 716 Vgl. Kapitel IV, 1.6 Exkurs: Die Umgestaltung des Studentinnenheims Marie-Antonie-Haus. 717 Vgl. Reichsstudentenwerk. Kurzberichte aus der Arbeit des Jahres 1937. 5. Folge, 51. 718 HATUM, RA C900. Bericht über die Tätigkeit der Deutschen Akademischen Auslandsstelle München e. V. im Geschäftsjahr 1937/38 (1.4.1937–31.3.1938). 719 Interview mit Dr. Hanne Lenz vom 18.2.2005. 720 Vgl. Interview mit Dr. Dorothee B. vom 7.6.2005.
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was, nicht“721, im Gegensatz zu den bescheidenen Studentenbuden mit „Ofenheizung, Waschschüssel und manchmal mit einer Toilette auf halber Treppe.“722 Im Studentinnenheim in der Kaulbachstraße gab es dagegen auf jedem Stockwerk eine Küche sowie ein Bad, was die Bewohnerinnen „ziemlich autark“723 und das Wohnen im Gegensatz zu anderen Heimen sehr komfortabel machte: „(I)ch hab’ in Metz in einem Studentinnenwohnheim gewohnt. Das hat mir gelangt, mein Gott. […] Ich hab’ im dritten Stock gewohnt, und im Parterre war die Küche mit soundso viel Kochgelegenheiten. Dann hab’ ich mir den Kopf waschen wollen, hab’ ich ein Wasser da unten heiß gemacht, bis ich raufgekommen bin, war das Wasser kalt gewesen. Na, das war also schlimm.“724 Im Marie-AntonieHaus waren sogar die Zimmer selbst mit einem Waschbecken ausgestattet und variierten je nach Preis in ihrer Größe: „Ja, es waren also im Allgemeinen Einzelzimmer, und auf jedem Stockwerk war ein Dreierzimmer. Und da waren zum Beispiel die drei Ottonen, das waren drei Schwestern aus Schlesien, die haben da zusammengehaust, nicht. Aber im Allgemeinen waren es Einzelzimmer in verschiedenen Größen um 40 Mark. […] Und um 60 Mark schon ein bisschen größer, und um 80 Mark war’s dann mit Terrasse, also war’s ganz vornehm. Da konnte man dann runterschauen in diesen Garten von diesem katholischen Orden, der im Gregorianum war. Das war also dann sehr luxuriös“725, auch im Preis, der sich deutlich von den mit etwa 40 Mark angegebenen Mindestkosten für eine normale Studentenbehausung in München unterschied.726 Durch seinen Komfort hob sich das Marie-Antonie-Haus von so manchen Studentenbuden und möblierten Zimmern ab, wie sie der Großteil der Studierenden privat „in Haushalten oder in Familien oder bei älteren Damen“727, die Männer „oft in den Häusern von ihren
721 Interview mit Catharina B. vom 3.5.2005. Eine andere Gesprächspartnerin hatte das Glück gehabt, während ihrer Semester in Marburg bei einem Lehrer-Ehepaar zu wohnen, „wo die Frau sehr nett war. Die besaß einen kleinen Garten und hat mir einen ganzen Stachelbeerstrauch für mich alleine zur Benützung zugeteilt. Ich weiß noch, dass mir einmal ein Stück Fleisch schlecht geworden war. Das hat sie in mangansaures Kali getaucht. Eigentlich ein Gift, aber sie hat es damals benützt, damit ich es noch essen kann. Auf diese Weise hat sie mir geholfen.“ Interview mit Dr. Sigrid B. vom 22.3.2005. 722 Behrens, 22. 723 Interview mit Gertraud S. vom 26.5.2005. 724 Interview mit Dr. T. N. vom 16.5.2005. 725 Interview mit Gertraud S. vom 26.5.2005. 726 HATUM, RA C900. Vgl. Lebenshaltungskosten eines Studierenden in München vom April 1933. 727 Interview mit Lisa P. vom 10.5.2005. Vgl. auch das Interview mit der späteren Pianistin und Musiklehrerin Erika W. vom 18.5.2005, deren Kommilitonen sich als Untermieter zudem mit dem Problem konfrontiert sahen, nicht auf ihren Instrumenten üben zu können: „Aber viele haben
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Verbindungen“728 bewohnte, sofern sie nicht in der Stadt beheimatet waren bzw. kostengünstig bei Verwandten unterkommen konnten: „Ja, aber ich mein, ich war eben daheim. Ich mein, meine Mutter wäre mir schön gekommen, wenn ich gesagt hätte: „Ich schlaf jetzt dort.“ Die hätte gesagt: „Ist Dir nimmer mehr gut genug?““729 Nach Huerkamp könnten allgemein auch die bereits in Kapitel I, 1.3, dargestellten größeren Probleme weiblicher Studierender bei der Zimmersuche ein Grund dafür gewesen sein, warum traditionell ein höherer Prozentsatz unter ihnen im Haushalt der Eltern wohnte als bei den Kommilitonen.730 Anders gestaltete sich die Situation selbstverständlich bei den aus zahlreichen Ländern kommenden Ausländerinnen, die bis zur Hälfte der Bewohnerinnen ausmachten und die attraktive und günstige Wohnmöglichkeit im Marie-Antonie-Haus zu schätzen wussten: “The Studentinnenheim was cheap, 60 marks a month. There was a cafeteria with a plat du jour, with meat for one mark, without meat sixty pfennig.”731Allein im Sommersemester 1937 verteilte sich die Belegung des Heims neben Deutschland auf 17 Nationen, darunter China, USA, Italien, Tschechoslowakei, Norwegen und Österreich: „Wir hatten aber da auch ausländische Studentinnen. Ich entsinne mich an drei bildschöne Iranerinnen von irgendeinem Atashi oder was, ich weiß es nicht mehr. Dann hatten wir relativ viele, ich glaube, es waren sechs oder sieben Däninnen, deren Brüder bei der SS waren. Die haben da studiert. Es waren noch ein paar aus dem Iran da. Also das kann ich jetzt nicht mehr präzise [sagen/P. U.], aber es war also ein sehr offener Zusammenhalt.“732 Technisch und organisatorisch wurde das Heim vom hiesigen Studentenwerk, hinsichtlich der ausländischen Bewohnerinnen durch die Deutsche Akademische Auslandsstelle München e. V. betreut. Neben Berlin studierten Ausländer im Dritten Reich vor allem in der bayerischen Landeshauptstadt, die 1937
dann so in Untermiete-Zimmern wohnen müssen. Und das war eigentlich die Wohnform für Studenten. Da gab’s so alte Damen, die große, ehemalige Wohnungen hatten, die sie nicht mehr brauchten: Kinder waren fort, Ehemann vielleicht schon nicht mehr am Leben. Und dann haben die zwei, drei Zimmer an Studenten vermietet und die auch ein bisschen mit Frühstück versorgt. Und die Musikstudenten haben’s natürlich insofern schwerer gehabt, weil sie üben mussten. Und weil da natürlich viel Verdruss auch damit verbunden war, wenn ich einen Musikstudenten habe, der vier Stunden am Tag Klavier übt, ja. Bei Geige üben geht’s noch, das hört man kaum durch. Das waren die Probleme dieser Studentenfakultät.“ 728 Interview mit Erika W. vom 18.5.2005. „Die hatten da auch oft zwei, drei Studentenzimmer in diesen alten Schwabinger Nobelvillen, ja.“ Ebd. 729 Interview mit Dr. Irmingard H. vom 16.6.2005. 730 Vgl. Huerkamp: Bildungsbürgerinnen, 133. 731 David Pryce-Jones: Unity Mitford: A Quest. London 1976, 102. 732 Interview mit Gertraud S. vom 26.5.2005.
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einen Anteil von zehn Prozent verzeichnen konnte. Das NS-Regime selbst hatte von Beginn an sein großes Interesse an studentischen Auslandskontakten bekundet, sodass Organisationen des Studentenaustausches wie etwa der DAAD auch nach 1933 ihre Arbeit fortführen und teilweise sogar ausbauen konnten. Einem Zeitungsartikel von 1938 zufolge konnten im Haus rund 95 Studentinnen untergebracht werden, von denen durchschnittlich bis zu 50 Deutsche waren.733 Warum das NS-Regime ein derart großes Interesse an den ausländischen Studierenden zeigte, wird am Beispiel des Münchner Peruhauses sichtbar. Das lokale Förderprogramm bot peruanischen Studierenden in den Jahren 1934 bis 1940 neben einer preiswerten Wohnmöglichkeit eine umfangreiche Betreuung und intendierte die Möglichkeit, Fremde für eigene Zwecke zu vereinnahmen. Allerdings sollte aus diesen Kontakten niemals ein Kulturtransfer entstehen, nachdem die Organisatoren des Studentenaustausches eine gegenseitige (Völker-)Verständigung für vollkommen unmöglich hielten. Gemäß des bereits in den 1920er Jahren von DAAD-Programmatikern entwickelten Konzeptes der kulturellen Begegnung stand jedoch nicht die Überwindung des Nationalismus im Vordergrund. Vielmehr war an eine internationale Zusammenarbeit unter Wahrung und Anerkennung nationaler Eigenarten bei der „Abgrenzung durch Austausch“734 gedacht: „Studierende im Ausland sollten dementsprechend weniger als Individuen handeln denn als Repräsentanten ihres Volkes“, d. h. „die Begegnung mit den „Fremden“ geschah nicht mit dem Ziel, Fremdheit abzubauen, sie sollte vielmehr die Fremdheit anderer Gesellschaften und deren je andere Kultur erst bewusst machen.“735 Obwohl einige ausländische Studentinnen offenbar nicht einsahen, „warum sie sich von ihren Mitstudentinnen von der Grösse und der alleinigen Herrlichkeit der Deutschen und ihrer Rasse überzeugen […] und sich viel Geschimpfe über die Minderwertigkeit anderer Länder gefallen lassen sollten“736, war es in München dennoch gelungen, „manche wertvolle Ausländerin an besonders
733 Vgl. Dr. Bauersfeld (Leiter des Außenamtes der RSF.): Entwicklung der Deutschen Akademischen Auslandsstelle München 1934–1938. In Student im Bereich Süd. Beilage der „Bewegung“ für die Gaue: München-Obb., Schwaben, Bayerische Ostmark, Franken, Mainfranken vom 20.12.1938, hier nach IfZ, Z 1114. 734 Kramer: Fremde, 246. Dieses Konzept besaß auch nach 1933 in seinen wesentlichen Grundgedanken Gültigkeit, wenngleich der Terminus „Nation“ durch „Volk“ ersetzt wurde. Vgl. ebd., 248. Vgl. in diesem Zusammenhang auch Kramer, 123–180. 735 Kramer: Fremde, 248. 736 Schütz-Sevin, 284.
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wesentlichen Arbeiten zu beteiligen“737 wie bspw. an der NSV. Möglich war dies laut internen Berichten durch eine neue Heimleiterin geworden, nachdem die Arbeit zuvor aus verschiedensten Gründen wiederholt Schwierigkeiten gemacht hatte. Als Nachfolgerin Dr. Veronika von Steins, die München im Februar 1933 verließ, leitete Elsa Freiin von Lersner das Marie-Antonie-Haus.738 Der Erinnerung Schütz-Sevins zufolge sei ihre Stellung und Arbeit im Dritten Reich jedoch höchst prekär gewesen. „Man hatte sie ursprünglich völlig entlassen wollen, weil sie keine N. S. war, hatte dann aber, wie so oft, herausgefunden, dass es ohne sie nicht recht gehen würde, dass es zumindest einer langen Einarbeit einer Parteigenossin bedürfte, und ausserdem Frau Lersner viel Ansehen bei ausländischen Gästen hatte, die vielleicht nicht mehr München besuchen würden, wenn sie ihre Stellung aus politischen Gründen verlöre – kurz, man beliess sie als Verwalterin und Leiterin und setzte ihr dafür aber eine Studentin als politische Führerin vor die Nase.“739 Einem undatierten Dokument aus der „Entwicklung der Deutschen Akademischen Auslandsstelle München von 1934–1938“ nach zu urteilen, war es „der neuen Heimleiterin seit nunmehr 1 ½ Jahren gelungen, eine sehr erfreuliche Kameradschaft zwischen Deutschen und Ausländerinnen herzustellen“740. Ob der Bericht allerdings noch die Bemühungen Lersners heraushob, ist unklar. Bereits im Mai 1937 war die damals 39-Jährige von München nach Offenbach gezogen. Wer in den anschließenden Monaten, d. h. bis 1938 und damit bis zur Erstellung des Dokuments, die Leitung des Marie-Antonie-Hauses übernahm, ist unklar. Spätestens im Wintersemester 1938/39 war hierfür mit Dr. Ursula Aurich, die 1935 an der Philosophischen Fakultät in Berlin promoviert worden war, jedoch endgültig eine Parteigenossin verantwortlich.741
737 HATUM, RA C900. Die Entwicklung der Deutschen Akademischen Auslandsstelle München von 1934–1938. Studentinnenheim. 738 Vgl. StadtA Mü., EWK 65/L 282 (Lersner, Freiin von Elsa), sowie http://gedbas.genealogy. net/person/ancestors/1125750742 vom 3.8.2014. Das hier angegebene Geburtsdatum (21.7.1897) stimmt mit den Daten aus der EWK überein. Nach Angabe der Webseite starb Freiin von Lersner im Alter von 78 Jahren in Frankfurt am Main. 739 Schütz-Sevin, 283. 740 HATUM, RA C900. Die Entwicklung der Deutschen Akademischen Auslandsstelle München von 1934–1938. Studentinnenheim. 741 Vgl. BArch, RSF II* 540 (a 438). Semesterbericht: Wintersemester 1938/39 der Gaustudentenführung München-Oberbayern vom 4.3.1939. Zur Promotion vgl. Ursula Aurich: China im Spiegel der deutschen Literatur des 18. Jahrhunderts. Berlin 1935. Nachdruck Nendeln/Liechtenstein 1967.
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Heimleiterin und Vertrauensstudentin gestalteten das Leben von deutschen und ausländischen Studentinnen im Marie-Antonie-Haus „möglichst kameradschaftlich“742, was entsprechend den ANSt-Richtlinien besonders durch monatliche Heimabende zum Ausdruck kam. Darüber hinaus wurden offene kulturelle Veranstaltungen wie Musikabende oder Lesungen mit nationalsozialistischem Impetus organisiert: „Und dann […] haben wir uns, glaube ich, teilweise, aber das war also höchstens bis ’43, dann nicht mehr, einmal im Monat getroffen. Und dann war ein Angebot im Studentinnenheim zum Beispiel Dichterlesungen, die Ina Seidel kam. Wer kam denn noch? Ja, […] also es kamen etliche Schriftsteller“743, von denen vermutet werden darf, dass diese dem Nationalsozia lismus zumeist nahestanden. So hatte selbst die versöhnende christliche Ethik, welche Ina Seidel – die auch in Göttingen Gast im Kameradschaftshaus der ANSt gewesen war – in mehreren Gedichten feierte, die Lyrikerin und Erzählerin nicht davor bewahrt, „in den Jahren des Dritten Reiches vom deutschen Gott und von deutscher Erde zu singen und auch den „Führer“ gebührend zu preisen.“744 Adolf Hitler nannte sie wegen der Huldigung seiner Person unter den sechs wichtigsten Schriftstellern der Gottbegnadeten-Liste (Führerliste).745 Die Besucherinnen selbst nahmen den nationalsozialistischen Hintergrund derartiger Unterhaltungsangebote, die sich auch in den Schulungsbriefen der ANSt niederschlugen, jedoch nicht unbedingt wahr: „Ja, ein Studentinnenwohnheim war in der Kaulbachstraße. Da bin ich mitunter hinüber. Da waren oft recht interessante Vorträge, die nichts mit Partei oder Weltanschauung oder sonst wie zu tun hatten, sondern auch über Literatur usw. Und da habe ich die eigentlich ein bisschen beneidet, die fern ihrer Familien haben da wohnen dürfen aus einer anderen Stadt. Und so interessant sich auch gleich haben weiterbilden können, und die Eltern nicht geschaut haben, wann
742 HATUM, RA C900. Bericht über die Tätigkeit der Deutschen Akademischen Auslandsstelle München e. V. im Geschäftsjahr 1937/38 (1.4.1937–31.3.1938). 743 Interview mit Gertraud S. vom 26.5.2005. 744 Ina Seidel. In: Walter Jens (Hg.): Kindlers Neues Literaturlexikon. Studienausgabe. Sc-St. Band 15. München 1988, 133. Nach 1945 klagte sich Seidel, obwohl die Monographien dieses Thema „taktvoll verschweigen“, ihrer Haltung wegen selbst an und bezeichnete sich als eine dieser Idioten. Ebd. 745 Vgl. Seidel, Ina. In: Ernst Klee: Das Kulturlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. Überarbeitete Ausgabe Frankfurt am Main 2009, 507 f., künftig zitiert als Klee.
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man nachts heimkommt oder so. Obwohl die mussten auch einpassieren, ganz davon abgesehen.“746 Beruft man sich auf die Schilderungen weiterer Zeitzeuginnen, so herrschten in der Tat gewisse Regeln vor, wie sie im Wintersemester 1933/34 im Rahmen des Dienstbetriebes für Studentinnenheime festgelegt worden waren.747 Neben gemeinsamen Mahlzeiten, Morgengymnastik, wöchentlicher Teilnahme an einer Arbeitsgemeinschaft sowie vierwöchentlichen Heimabenden hatten sich die Frauen besonders an das Verbot von Herrenbesuch zu halten: „Ja, da war also eine Heimleiterin, die war vom Studentenwerk angestellt, eine sehr prüde, ältere Dame. […] ’43, glaube ich, wollte ich nach Cottbus fahren, jemand besuchen. Und ein Kommilitone hat gesagt, und der Zug ging sehr früh, er holt mich in der Früh ab. Und ich hatte einen schweren Koffer, und da war eine Glastür, und der sah, wie ich mit dem Koffer die Treppe runterkomme und ist durch und hat den Koffer abgenommen. Und da hat die Heimleiterin das gesehen. Da hat sie mich zur Schnecke gemacht und gesagt: „Hinter die Glastüre!“ Also es war tabu. Wir hatten einen großen Aufenthaltsraum unten, da durften wir Herrenbesuche bis zehn Uhr empfangen.“748 Diese Regelung galt allerdings auch für andere Einrichtungen. Dr. Anneliese H., die zu Zeiten ihres Medizinstudiums in dem von Englischen Fräulein geleiteten Heim für Studentinnen und berufstätige Frauen St. Elisabeth in der Hans-Sachs-Straße wohnte, erinnert sich: „Also für Herrenbesuch war ein Extrazimmer da, durfte man nicht aufs Zimmer nehmen. Da waren noch strenge Sitten, obwohl das schon mal jemand gebracht hat. So ist das nicht aufgefallen, wenn man nicht dauernd Herrenbesuch gehabt hat“749, wenngleich man sich vorstellen könne, „was da für Ängste vorhanden waren“750. Aufgrund der „etwas strengeren Sitten“751 sowie des sog. „Kuppelparagrafens“ untersagten private Vermieter umgekehrt aber gleichermaßen jeglichen Damenbesuch: „Als Student hatte man seine Bude, die in vielen Fällen von Kriegerwitwen des Ersten Weltkrieges vermietet wurden, von denen man oft mütterlich versorgt und betreut wurde. Diese Buden waren jedoch nicht „sturmfrei“, d. h., weiblicher Besuch nach 22 Uhr war strengstens verboten oder führte zu
746 Interview mit Annemarie L. vom 11.4.2005. Zu den Schulungsbriefen der ANSt vgl. exem plarisch den Beitrag von Ina Seidel in Amt Studentinnen der RSF (Hg.): Die ANSt-Gruppe. Folge 2. W. S. 1943/44, 1. 747 Vgl. Kapitel IV, 1.6 Exkurs: Die Umgestaltung des Studentinnenheims Marie-Antonie-Haus. 748 Interview mit Gertraud S. vom 26.5.2005. Vgl. auch Schubart, 67: „Auf den Etagen war Herrenbesuch nicht gestattet, Besucher wurden in der Aufenthaltshalle empfangen.“ 749 Interview mit Dr. Anneliese H. vom 21.5.2005. 750 Interview mit Irmgard H. vom 9.6.2005. 751 Interview Elisabeth Ka. vom 2.7.2005.
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Kündigungen“752, wie auch Marie-Luise Jahn und ihr damaliger Freund Hans Leipelt des Öfteren erfahren mussten: „Ich ging lieber jeden Abend mit Hans im Englischen Garten spazieren, anstatt zu pauken. Wir nutzten wirklich jede freie Minute. Was unter anderem zur Folge hatte, dass wir häufig unsere Untermietzimmer wechseln mussten. Denn es galt ja strikt die Regel, den Herrenbesuch bis spätestens 22 Uhr fortzuschicken. An diese Regel haben wir uns natürlich nie gehalten. Und so kam es immer wieder zu Kündigungen. Wir fanden das ständige Umziehen recht amüsant. Es gab genügend freie Zimmer, auch in Schwabing, wo wir unbedingt wohnen wollten.“753
Abb. 35: LMU-Studierende: Hanne Trautwein und Hermann Lenz im Englischen Garten 1938
Untermieter wie die Studentin der Kunstgeschichte, Hanne Trautwein, konnten sich dagegen durchaus das Vertrauen ihrer Vermieter verdienen: „Also ich kann da nur eine Anekdote erzählen. Mein Mann [der damalige Freund/P. U.] hat mal
752 Behrens, 22. 753 Marie-Luise Schultze-Jahn: „… und ihr Geist lebt trotzdem weiter!“ Widerstand im Zeichen der Weißen Rose. Berlin 2003, 20, künftig zitiert als Schultze-Jahn.
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hier gewohnt, ganz in der Nähe, in der Destouchesstraße, glaube ich, war das. […] Die Frau […], die Vermieterin, hat gleich am ersten Tag gesagt, also Damenbesuch sei strikte verboten. Und ein paar Tage später hat diese Vermieterin meinen Mann und mich auf der Straße gesehen. Und dann hat sie am nächsten Tag zu meinem Mann gesagt: „Also, wenn das die Dame ist, mit der ich Sie gestern gesehen habe, die können Sie schon mal mitbringen.“754 Einen anderen Blick auf das Studentinnenheim Marie-Antonie-Haus liefern die autobiographischen Aufzeichnungen von Barbara Schütz-Sevin. Die spätere Journalistin schreibt in ihrem unveröffentlichten Manuskript, sie habe ihr Studium in Heidelberg aufgrund oppositionellen Verhaltens nicht fortsetzen können. Nachdem man ihr bereits mit dem Entzug des Stipendiums der Studienstiftung des Deutschen Volkes gedroht hatte, griff die junge Frau die letzte ihr angebotene Option auf und verließ die Stadt: „Man hätte aber jetzt genug und wollte mich nicht länger in Heidelberg lassen. Einen Ausweg würden sie [die Studienstiftung/P. U.] mir noch gnädigst lassen, dass ich in ein Kameradschaftshaus ginge, unter Bewachung und fort. Da noch wenige Kameradschaftshäuser für Studentinnen existierten, sollte ich nach München gehen, wo ein Teil des Studentinnenheims als solches organisiert sei. […] Eine ernstere Bestrafung, ein Hinauswerfen aus der Studienstiftung in diesem Augenblick war aber auch für sie nicht ratsam. Das hätte viel Staub aufgewirbelt in einer so kleinen Universität […]. Das viel einfachere Mittel war: Entfernen, sie den Menschen aus den Augen bringen einmal […] und vor allen Dingen meine Verbindungen durchbrechen. Hier, in Heidelberg, das wussten sie, konnte ich gefährlich werden. In München kannte ich keine Seele. Es war nicht so einfach unter ihrer Wachsamkeit neue Kontakte mit oppositionellen Kräften herzustellen. Meine Aktivitäten wären unterbunden. Und das Kameradschaftshaus würde schon seine Aufgabe erfüllen.“755 Laut Vorschrift der Studienstiftung musste sich die junge Frau in München sofort beim „Kameradschaftshaus für Frauen“ melden, welches Teil des ursprünglichen Studentinnenheims in der Kaulbachstraße gewesen sei. „Das Heim bestand an sich weiter, vor allem der ausländischen Gäste wegen, die bei ihrer Studentenzeit nicht den Eindruck erhalten sollten, dass viel Zwang bestünde. Ein anderer Teil aber wurde als Kameradschaftshaus benutzt, d. h. es gab hier einzelne Insassen, die unter politischer Bewachung standen, alle Aktivitäten und Schulungsabende mitmachen mussten usw.“756 Mit ihrer Charakterisie-
754 Interview mit Dr. Hanne Lenz vom 18.2.2005. 755 Schütz-Sevin, 196 f. 756 Ebd.
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rung schreibt Barbara Schütz-Sevin der Institution Studentinnenheim im Dritten Reich die Funktion einer Haftanstalt für einzelne Bewohnerinnen zu, was sich durch weitere Quellen weder stützen noch widerlegen lässt. Dennoch habe es all den „kleinen Ärger“ gegeben, „den man sich nur ausmalen kann: das Überwachen, die N. S. Appelle, Post wurde durchgesehen, es wurde gehorcht. […] Ich musste verschiedene Zeiten zu Hause zubringen und dann die üblichen vielen Schulungen. Aber es war doch nicht so schlimm wie etwa der Arbeitsdienst, weil ich wusste, dass ich morgen wieder auf einige Stunden aus dem Gefängnis herausdürfte.“757 Die Autorin übersieht bei ihren Erinnerungen allerdings, dass die bereits Ende 1933 begonnene reichsweite Vereinnahmung und Besetzung bestehender Studentinnenwohnheime als neues Indoktrinationsmittel bzw. als Erziehungsund Inklusionsinstanz auch in München stetig voranschritt, wozu allein die Neubesetzung der Leitung nach politischen Kriterien gehörte: „Diese Dinge haben sich dann so überschnitten. Man hat nicht mehr gewusst, ist das jetzt noch dieses oder jenes. Denn die Partei und diese Verwaltungen, die haben ja das dann so an sich gezogen alles.“758 Tatsächlich rückten die Einrichtungen durch ihren Dienstbetrieb in die Nähe der Kameradschaftshäuser mit einem penibel geregelten Tagesablauf, was internen Berichten nach zu deutlichem Unmut führte im Gegensatz zum Beginn dieser Einrichtungen: „Die Erziehung in den studentischen Kameradschaften stößt an den großen Universitäten vielfach noch auf Schwierigkeiten. Die Reichsstudentenführung hat ein Abweichen von ihrem ursprünglichen Plan, nach dem alle Studenten im NS StB [sic!] erfaßt werden sollen, gestattet und wünscht lediglich eine möglichst hundertprozentige Zusammenfassung aller ersten bis dritten Semester in den studentischen Kameradschaften. Der Südwesten des Reiches meldet hier die vollzogene Eingliederung von 95 % der ersten bis dritten Semester, der Südosten 85 % und der Osten 80 %. Gerade an den größeren Hochschulorten wird von den Studenten immer wieder geltend gemacht, daß man von ihnen nach einer 2 1/2-jährigen Dienstzeit eine derartige straffe Unterstellung, wie sie die Kameradschaft verlange, nicht erwarten könne. Insgesamt ist bei den jungen Studenten die Tendenz zu beobachten, sich möglichst von jeder Art der politischen Betätigung fernzuhalten und nach den „verlorenen“ 2 1/2 Jahren schnellstens den Abschluß des Studiums zu erreichen.“759
757 Ebd., 345. 758 Interview mit Annemarie L. vom 11.4.2005. 759 Boberach 2, 140.
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Auch unter zahlreichen weiblichen Studierenden stieß der Betrieb auf wenig Zustimmung. Viele von ihnen betrachteten die Heime mit einer gewissen Skepsis und bedauerten die Bewohnerinnen, von denen sie annahmen, sie hätten kaum Freizeit. „Sie sind der Ansicht, daß Studentinnen kein Kameradschaftshaus wie die Männer brauchen, weil das nicht ihrem Wesen als Frau entspreche.“760 Als Gegenprogramm zum liberalen Ideal freier Privatexistenz stellten die Wohnheime im Nationalsozialismus mehr und mehr ein weiteres Mittel zur Indienstnahme weiblicher Studierender sowie zur Herausbildung späteren Führungspersonals dar. Nicht ohne Grund sollten BDM-Angehörige deshalb angehalten werden, nach Möglichkeit in den ANSt-Wohnheimen zu leben.761 Die Leiterin des Wohnheims war ferner von ihrer zuständigen ANSt-Führerin angewiesen, BDM-Angehörige zur Beratung und Mitarbeit bei der Ausgestaltung des Heims und Festlegung des Wochenplanes bzw. der Heimordnung heranzuziehen.762 Dementsprechend bemängelte etwa die Gau-ANSt-Referentin Benner-Müller, dass im – bei Frauen sehr beliebten – Frankfurter Studentinnenheim das Gesellschaftliche zu sehr betont werde: „Dieses wolle sie durch die Hereinnahme von jüngeren Semestern und der Einrichtung eines wöchentlichen politischen Abends korrigieren, ‚da es sich bei den Heimkameradinnen ja um solche handelt, die einmal als Führerinnen herausgestellt werden sollen‘“763, ein Ziel, das die Leipziger ANSt bereits 1935 öffentlich postuliert hatte: „Wer tatkräftig in der ANSt. mitarbeitet – vor allem die örtliche ANSt-Referentin –, soll im Heim wohnen, um die Zusammenarbeit zwischen Haus und ANSt. zu sichern, und wer aus BDM. und Arbeitsdienst neu zu uns kommt, soll erneut beweisen, daß er fähig und gewillt ist, der Gemeinschaft sein Bestes zu geben und auch später in unserem besonderen Arbeitsgebiet führend zu stehen.“764 Eine Auswertung der lokalen Studentenverzeichnisse nach Namen und Adressen der Studentinnen zwischen dem Winterhalbjahr 1930/31 und dem Sommerhalbjahr 1945 belegt, dass auch das Münchner Wohnheim kontinuierlich mit aktiven Funktionärinnen belegt war: Schon im Sommersemester 1933
760 Manns, 276. 761 Vgl. Abkommen mit dem BDM. In: DB vom 2.3.1937. 762 Vgl. Vereinbarung über die Zusammenarbeit zwischen dem BDM. und der ANSt. In: DB vom 9.3.1937. 763 Manns, 278. 764 Hilde Bartels: So wohnen wir/Studentinnenwohnheim der ANSt. In: DB vom 6.11.1935. Vgl. dazu auch die Martin-Luther-Universität Halle, BArch, RSF II* 533. Hauptamt für Studentinnen. Tätigkeitsbericht für November 1934: „Aus dem Arbeitsdienst kommend werden die Mädel im Wohnheim in fester Gemeinschaft erzogen zu der Arbeit und den Pflichten der nationalsozialistischen deutschen Studentin.“
3.8 Studentinnenheim
579
gehörte dazu die Germanistikstudentin Elli Axt, die jedoch Ende des Jahres aus dem Studentenbund austreten wollte.765 Eine andere Bewohnerin, Rotraut Sperk von Naehrich, die im Juli 1935 offiziell als Gau-ANSt-Referentin für den Gau München-Oberbayern bestätigt wurde, wohnte hier von November 1934 bis März 1935, nachdem sie zuvor u. a. im Studentinnenwohnheim in der Königinstraße 69 gemeldet gewesen war.766 Auch die spätere Journalistin Marianne vom Dahl, die im März 1938 vom Gaustudentenführer mit der Leitung des Amtes Studentinnen sowie der Führung der ANSt-Hochschulgruppe der LMU beauftragt worden war und im Frühjahr desselben Jahres bei Rektor Walther Wüst um die Befreiung vom Latinum nachgesucht hatte767, verbrachte immerhin zwei Semester im Marie-Antonie-Haus.768 Weitere Bewohnerinnen der Kaulbachstraße 49 stellten im Sommersemester 1941 Fides von Gontard769, Leiterin des Amtes Studentinnen der LMU, ebenso wie Marianne Rockstroh dar, die von Gontards Position im Anschluss übernahm.770 Während ihrer gesamten fünf Semester in München, vom 3. Trimester 1939 bis einschließlich zum ersten Trimester 1941, wohnte die Medizinstudentin und vorletzte Gau-ANSt-Referentin Ingrid Burchard im Studentinnenwohnheim.771 Sie war es auch, die ihrer Nachfolgerin, Gertraud Höpfl, zu einem Wohnheimplatz ab dem Wintersemester 1941/42 verhalf, nachdem im
765 Vgl. Personenstand der Ludwig-Maximilians-Universität München. Sommer-Halbjahr 1933. I. Teil: Nach dem Stande vom 5. Juli 1933. II. Teil: Nach dem Stande vom 31. Mai 1933. München 1933 sowie Kapitel II, 4 ANSt-Mitglieder. 766 Vgl. Personenstand der Ludwig-Maximilians-Universität München. Winter-Halbjahr 1934/35. I. Teil: Nach dem Stande vom 20. Januar 1935. II. Teil: Nach dem Stande vom 30. November 1934. München 1935 sowie StadtA Mü., EWK 65/S 355 (Sperk v. Naehrich, Rotraut). 767 Zu vom Dahl vgl. Doerfler, 347. 768 Vgl. Universität München. Studenten-Verzeichnis. Sommer-Halbjahr 1937. Nach dem Stande vom 1. Juni 1937. München 1937 und Universität München. Studenten-Verzeichnis. Winter-Halbjahr 1937/38. Nach dem Stande vom 15. Dezember 1937. München 1937. 769 Vgl. Universität München. Studenten-Verzeichnis. Sommer-Halbjahr 1941. Nach dem Stande vom 31. Mai 1941. München 1941. 770 Rockstroh studierte vom Sommersemester 1941 bis Sommersemester 1942 Geographie, Deutsch und Geschichte in München und beendete ihr Studium mit einer Promotion an der Eberhard-Karls-Universität zu Tübingen 1944. Vgl. Marianne Rockstroh: Der württembergische Hopfenbau. Seine Verbreitung und seine natürlichen und wirtschaftlichen Grundlagen. Diss. Tübingen 1944. Im Studentinnenheim wohnte sie in ihren beiden letzten Münchner Semestern. Vgl. Universität München. Studenten-Verzeichnis. Winter-Halbjahr 1941/42. Nach dem Stande vom 31. Januar 1942 und Universität München. Studenten-Verzeichnis. Sommer-Halbjahr 1942. Nach dem Stande vom 15. Juni 1942. München 1942. 771 Vgl. Universität München. Studenten-Verzeichnis. III. Trimester 1939. Nach dem Stande vom 15. November 1939. München 1939 bis Universität München. Studenten-Verzeichnis. Trimester 1941. Nach dem Stande vom 20. Februar 1941. München 1941.
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3 Modifikation außer- und inneruniversitärer Pflichten ab 1934/35
Heim selbst „natürlich also einfach nicht so viel Zimmer zur Verfügung“ standen: „Ich bin damals wirklich reingekommen, weil diese damalige ANSt-Referentin einen Narren in [sic!] mir gefressen hat.“772 Die Liste der Bewohnerinnen, die ANSt-Mitglieder waren und eine Funktionsbzw. Führungsposition hatten, ließe sich sicherlich fortführen. Dafür wäre jedoch im ersten Schritt ein Abgleich der Namen mit der Studentenkartei der LMU erforderlich, um Auskunft über eine existierende ANSt-Mitgliedschaft zu erhalten. Dies ist jedoch nicht möglich, da die Kartei nur bis 1935 im Bestand des UAM und damit lediglich bis zu diesem Jahrgang für die Forschung zugänglich ist. Dessen ungeachtet lässt sich festhalten, dass es 1941 im Münchner Studentinnenheim zu einer Zäsur kam, die Maria-Theresia W. in ihrem Gesuch um Zulassung zur mündlichen Doktorprüfung aus dem Jahre 1946 beschreibt. Die angehende Juristin gab an, bereits 1938 Schwierigkeiten bei Ablegung ihrer Referendarsprüfung gehabt zu haben, weil sie weder in der Partei noch in einer ihrer Gliederungen gewesen sei. Fehlende politische Zuverlässigkeit habe damals nicht nur ihre Ernennung zur Gerichtsreferendarin um einige Monate verzögert, sondern auch Auswirkungen auf ihren Wohnheimplatz im Marie-Antonie-Haus gehabt. „Aus dem gleichen Grunde mußte ich ganz plötzlich, ohne Einhaltung der Kündigungsfrist, im Jahre 1941 aus dem Studentinnenheim München, Kaulbachstr. 49, ausziehen, das nun nur noch ANST-Mitgliedern und Parteiangehörigen vorbehalten bleiben sollte.“773 Ein Vergleich zwischen dem Vorlesungsverzeichnis der Universität München für das erste Trimester 1941 und dem für das Sommersemester 1941 bestätigt diese Aussage. Stand das Studentinnenwohnheim zunächst noch „allen deutschen und ausländischen Studentinnen als Wohn- und Aufenthaltsheim zur Verfügung“774, waren es ein Semester später nur mehr die „A. N. St.-Kameradinnen und ausländischen Studentinnen“775. In Frankfurt wurde nach Angaben von Stuchlik bereits im April 1940 ein Wohnheim der ANSt eingerichtet.776 Offen bleibt, ob auch das reichsweite Wohnungsproblem sowie der starke Zustrom von Studierenden bei der Beschränkung eine Rolle spielten. Konstatierte das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus Anfang
772 Interview mit Gertraud S. (geb. Höpfl) vom 26.5.2005. 773 Gesuch von Dr. iur. Maria-Theresia W. um Zulassung zur mündlichen Doktorprüfung vom 13.6.1946. Originaldokument im Besitz von Theresa Leippert-Dirr, Pöcking. Kopie im Besitz P. U. 774 Universität München: Vorlesungsverzeichnis für das Trimester 1941. München 1940, 9. 775 Universität München: Vorlesungsverzeichnis für das Sommersemester 1941. München 1941, 8. Hervorhebung P. U. 776 Vgl. Stuchlik, 153.
3.8 Studentinnenheim
581
1933 ein „Überangebot an Studentenzimmern“777, bereitete die „Frage der Studentenwohnungen“778 im Frühjahr 1941, den geheimen Lageberichten des Sicherheitsdienstes der SS nach zu urteilen, deutliche Schwierigkeiten. So waren etwa die Kameradschaftshäuser als Wohnstätten nahezu vollkommen ausgefallen, weil sie entweder nicht bewirtschaftet werden konnten oder von der Wehrmacht belegt waren. Der Großteil der Hochschulstädte meldete einen Mangel möblierter Zimmer sowie einen beträchtlichen Anstieg der Mieten trotz Preisstoppverordnungen wie bspw. in Würzburg. Hier musste der Wohnungsnot der Studenten mit Hilfe des Kriegsleistungsgesetzes durch Beschlagnahme geeigneter Zimmer begegnet werden: „Die Frage der Studentenwohnungen bietet weiterhin ein ungelöstes Problem und wächst sich allmählich zur Kardinalfrage des Studiums überhaupt aus. In Königsberg sei es z. B. mit den größten Schwierigkeiten verbunden gewesen, ausreichende Wohnungsmöglichkeiten zu schaffen. Zahlreiche Studenten seien nach anderen Hochschulstädten abgewandert. Aus Innsbruck ist eine größere Zahl von Studenten wieder abgereist, da es ihnen nicht möglich war, ein möbliertes Zimmer zu finden. In München habe die Wohnungsnot geradezu groteske Formen angenommen. […] In Graz wurde an der TH ein Auffanglager eingerichtet, mangels geeigneter Wohnungen sind jedoch zahlreiche Studenten wieder abgereist.“779 Leider werden die „grotesken Zustände“ an dieser Stelle nicht weiter präzisiert. Dennoch liegt es nahe, dass die Entscheidung, künftig ausschließlich ANStMitglieder im Marie-Antonie-Haus aufzunehmen, auch durch die ökonomischen Rahmenbedingungen begründet war. „Große Schwierigkeiten bereitete besonders in Wien und München die Unterkunftsfrage. Aus München wird gemeldet, daß die dortigen sehr schlechten Wohnungsverhältnisse zu einer erheblichen Verstimmung der Kriegsteilnehmer-Studenten geführt haben, die erklärten, daß sie nach 3 1/2 oder 4 Jahren Dienstzeit bei der Wehrmacht, Bunker- und Barackenzeit beim Feldheer und den Strapazen der Feldzüge nun endlich einmal ein „Heim“ erwartet hätten und nicht wieder ein Massenquartier, in dem sie untergebracht werden mußten. Mit Mißbilligung sei von den Fronturlaubern darauf hin-
777 UAM, G-I-5 Band 2. Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus an den Senat der Universität München vom 4.1.1933. 778 Vgl. Heinz Boberach (Hg.): Meldungen aus dem Reich 1938–1945. Die geheimen Lageberichte des Sicherheitsdienstes der SS. Band 7: Meldungen aus dem Reich Nr. 180 vom 22. April 1941Nr. 211 vom 14. August 1941. Herrsching 1984, 2510, künftig zitiert als Boberach 7. 779 Heinz Boberach (Hg.): Meldungen aus dem Reich 1938–1945. Die geheimen Lageberichte des Sicherheitsdienstes der SS. Band 9: Meldungen aus dem Reich Nr. 247 vom 18. Dezember 1941Nr. 271 vom 26. März 1942. Herrsching 1984, 3323, künftig zitiert als Boberach 9. Hervorhebung im Original.
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3 Modifikation außer- und inneruniversitärer Pflichten ab 1934/35
gewiesen worden, daß andererseits von den in München studierenden Ausländern zahlreiche Zimmer besetzt seien, die nun den Kriegsteilnehmer-Studenten verlorengingen.“780 Gertraud S., die seinerzeit einen Platz im Studentinnenwohnheim durch Unterstützung ihrer Vorgängerin, der zweitletzten Gau-ANSt-Referentin, erhalten hatte, gab im Zeitzeugengespräch an, man hätte in den Kriegsjahren immer versucht, „vor allem für Notfälle“ Platz zu schaffen. „Oder auch dann kamen ja da schon die ersten verwitweten Frauen, und dann haben wir versucht, dass die reinkommen, dass die nicht irgendwo anonym wohnen müssen, sondern ein bisschen eingebettet sind.“781 1942 hatte überdies das lokale Studentenwerk fünf Wohnheime für Versehrte mit einer Kapazität von 210 Plätzen für Studenten eingerichtet.782 Ein weiteres Erholungsheim für studentische Kriegsteilnehmer bestand seit 1940 in Seeshaupt am Starnberger See im Hause des Studentenwerks München.783 Für Frauen gab es ähnliche Bestrebungen bspw. in Marburg, die als erste Universitätsstadt ein Heim für studierende Kriegerwitwen zur Verfügung gestellt hatte, in welchem zehn weibliche Personen während des Studiums mit ihren Kindern wohnen konnten. Das Studentenwerk hatte dafür ein Haus zur Verfügung gestellt und sorgte während der Abwesenheit der Mütter für die Kinderbetreuung.784 Im Winter 1944/45 sollte aber auch das Marie-Antonie-Haus dem Kriegsgeschehen zum Opfer fallen. Nachdem die Einrichtung abgebrannt war, mussten die Bewohnerinnen in ein Ausweichquartier umziehen.785 Gemäß des 1941 gefassten Beschlusses, neben Ausländerinnen zukünftig ausschließlich ANSt-Kameradinnen aufzunehmen, blieben damit also lediglich rund drei Jahre, in denen das Münchner Studentinnenheim verstärkt eine politische Funktion innehatte und als Ort der Gemeinschaftserziehung mit inhaltlicher Fortführung des Arbeits-
780 Heinz Boberach (Hg.): Meldungen aus dem Reich 1938–1945. Die geheimen Lageberichte des Sicherheitsdienstes der SS. Band 10: Meldungen aus dem Reich Nr. 272 vom 30. März 1942-Nr. 301 vom 20. Juli 1942. Herrsching 1984, 3795, künftig zitiert als Boberach 10. 781 Alle Zitate nach Interview mit Gertraud S. vom 26.5.2005. 782 UAM, Sen. 365b/2. Versehrten-Wohnheime für Studenten. Reichsleiter Bouhler sprach über den Zweck der Einrichtung. In: VB vom 18.12.1942. 783 Vgl. Ein Erholungsheim für studentische Kriegsteilnehmer. In: DB vom 31.12.1940. 784 Vgl. Kornelia Grundmann/Esther Krähwinkel/Helmuth Remschmidt/Gerhard Aumüller: Die Medizinische Fakultät während des Krieges. In: Gerhard Aumüller/Kornelia Grundmann/Esther Krähwinkel u. a. (Hgg.): Die Marburger Medizinische Fakultät im „Dritten Reich“. München 2001, 499, künftig zitiert als Marburger Medizinische Fakultät. 785 Vgl. Kapitel VI, 4 Zerstörungen und Zusammenbruch.
3.8 Studentinnenheim
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dienstes genutzt werden konnte.786 Im Vergleich zu zahlreichen anderen Heimen, die bspw. wie in Freiburg oder Hamburg schon kurz nach ihrer Eröffnung aufgrund fehlender Bewohner geschlossen bzw. aufgelöst werden mussten787, setzte sich das Marie-Antonie-Haus damit immer noch deutlich von der Situation in anderen Städten ab. Obwohl der Kampf um die Errichtung eines Wohnheims für weibliche Studierende in der Hansestadt bereits 1924 mit einem Spendenaufruf begonnen hatte, wurde in Hamburg erst im Juni 1934 ein Heim unter dem Namen „Karin Göring“ eröffnet und durch Gisela Brettschneider eingeweiht. Bereits im ersten Jahr machte dieses jedoch deutliche Verluste, weil es in den Ferien nicht zu belegen und selbst während des Semesters nur unzureichend mit Bewohnerinnen besetzt war. Aus diesem Grund löste man die Einrichtung bereits im September 1935 wieder auf und beschloss, ein kleineres Haus als Studentinnenheim weiterzuführen. Da selbst hierfür nur fünf Frauen gewonnen werden konnten, erfolgte im März 1936 die endgültige Auflösung. Von den von Dageförde befragten ehemaligen Studentinnen hatte – wenig überraschend – demnach keine jemals von der Existenz eines Hamburger Studentinnenwohnheims gehört. Ohnehin sei die Idee eines Studentinnenwohnheims für die Befragten nicht attraktiv gewesen: „Alle, die die Möglichkeit hatten, zwischendurch ein oder mehrere Semester in anderen Städten zu studieren, fanden es sehr angenehm, eine ‚eigene Bude‘ zu haben, in der sie das Alleinleben genießen wollten. Nur eine der Befragten hatte überhaupt einmal für ein Semester in einem Studentinnenwohnheim gelebt“788. Ein ähnliches Ergebnis lässt sich für München festhalten. Abgesehen von dem anhaltenden Platzmangel sowie der Tatsache, dass die lokale ANSt erst im Sommer 1942 Räumlichkeiten für ihre Schulungs- und Zellenarbeit erhielt789, wohnte ein Teil der Frauen nach Angaben der Studentenverzeichnisse ebenfalls nur ein bis zwei Semester in der Kaulbachstraße 49, was einer politischen Breiten- bzw. Massenwirkung zuwiderlief. Vor diesem Hintergrund bleibt fraglich, wie stark die Indoktrination der weiblichen Studierenden an diesem Ort möglich gewesen war und ob die Wohnheime damit in jedem Fall als „Orte der
786 Vgl. Zitat zu Beginn dieses Kapitels: „Das Wohnheim der A. N. St. soll das, was wir im Arbeitsdienst an Gemeinschaftserziehung und -erlebnis erhalten haben, vertiefen“. BArch, RSF II* 499. Rundschreiben A. N. St. 2/35 vom 5.2.1935. 787 Vgl. Steffen-Korflür, 329, FN 31. Ebenso Michael Grüttner: “Ein stetes Sorgenkind für Partei und Staat“. Die Studentenschaft 1930 bis 1945. In: Eckart Krause/Ludwig Huber/Holger Fischer (Hgg.): Hochschulalltag im „Dritten Reich“. Die Hamburger Universität 1933–1945. Teil I: Einleitung. Allgemeine Aspekte. Berlin, Hamburg 1991, 215, künftig zitiert als Grüttner: Sorgenkind. 788 Vgl. Dagförde, 147. 789 Vgl. Kapitel IV, 3.5 Politische Schulung.
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3 Modifikation außer- und inneruniversitärer Pflichten ab 1934/35
intensivsten Schulungsmöglichkeit von Studentinnen“790 anzusehen waren. Dazu kam, dass auch die ausländischen Mitbewohnerinnen unbewusst ihren Beitrag zur Aufweichung der starren Heimregeln und zur Erweiterung des persönlichen Horizonts leisteten. Zwar seien diese, so Schütz-Sevin, „entweder wirklich uninteressiert“ gewesen „und deswegen nach Deutschland gekommen – weil sie einfach den Wechsel nicht begriffen, oder sie waren derart naiv, dass sie zwar wussten, dass ausländische Zeitungen etwa für uns verboten waren, da man sie ihnen aber natürlich nicht verbieten konnte und wollte, diese Sache nicht so tragisch nahmen und meinetwegen ganz heiter einem die Treppe herunterriefen: „O Barbara, soll ich Dir die Times jetzt bringen?“ Man tat natürlich alles im Heim, um ihnen diese Schwierigkeiten nicht zu verdeutlichen, denn man wollte ihnen doch den Eindruck geben, dass alles „ganz frei“ bei uns war.“791 Wie viele der Bewohnerinnen das Marie-Antonie-Haus aufgrund eines gefühlten Übermaßes an Indienstnahme und Indoktrination zugunsten eines selbstständigen Lebens in einer sog. „Bude“ verließen, lässt sich dabei nicht feststellen. Dass sich die örtlichen ANSt-Referentinnen seit 1935 mit aller Kraft für die Gestaltung und den Bestand der Wohnheime einsetzen sollten, spiegelt für Steffen-Korflür jedoch die unter weiblichen Studierenden vorherrschende Ablehnung des in diesen Einrichtungen kultivierten Lagergeistes wider.792 Wenngleich, so die Historikerin, „das Leben in derartigen Heimen die Perspektive auf eine Funktionärskarriere in NS-Frauenorganisationen eröffnete und angesichts der“ – abgesehen von München – „niedrigen Kosten speziell für Töchter einkommensschwacher Familien in manchen Fällen die einzige Möglichkeit zur Realisation eines Studiums bot, litten die ANSt-Kaderschmieden unter mangelnder Auslastung. Die Aussicht auf die Unterbringung in Mehrbettzimmern ohne geschützten Privatbereich und ein total verplantes Leben unter ständiger Kontrolle schreckten die meisten Studentinnen ab.“793 Obwohl das Marie-Antonie-Haus im Gegensatz zu den Ergebnissen Steffen-Korflürs im Dritten Reich weder an einer Unterbesetzung noch an einer drohenden Schließung litt, stellte die klassische Untermiete für den Großteil der Studierenden nach wie vor die gängige Wohnform dar.794 Die
790 Manns, 171. 791 Schütz-Sevin. 346. 792 Vgl. Steffen-Korflür, 329, FN 31. 793 Ebd., 192. 794 Vgl. exemplarisch Interview mit Lisa P. vom 10.5.2005: „(A)uch die Studenten, die männlichen, die haben alle in Untermiete gewohnt. Das hat immer 30 Mark im Monat gekostet. Die haben in Haushalten oder in Familien oder bei älteren Damen […] ein Zimmer gehabt, und da wohnten sie, ja.“ Ebenso Interview mit Dr. Adriane H. vom 1.8.2005: „Ja, im Studentenwohnheim kannte ich eigentlich kaum jemand. Also meine Bekannten wohnten eigentlich immer privat, so
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Erfassung über nationalsozialistisch ausgerichtete Heime dürfte allein deswegen insgesamt betrachtet eher gering gewesen sein: „Studentenwohnungen, das war von vornherein für uns nicht erschwinglich, da haben wir gar nicht angefragt. Wir haben also eine Bude praktisch gesucht“795, d. h. „die Studenten, mit denen ich so zusammen war, die haben halt privat irgendwo gewohnt. Das war damals viel üblicher als heute.“796 Zumindest bis zum Zweiten Weltkrieg, wo „die Wohnungsnot ja sowieso so groß war“ und der „Wohnraum sowieso sehr eingeschränkt“797 aufgrund der zahlreichen Bombenschäden, gestaltete es sich „(n)icht übermäßig“798 schwer, geeignete Unterkünfte zu finden. Diese wurden u. a. über Mundpropaganda oder durch das studentische Wohnungsamt der Universität vermittelt: „Wenn man einige Tage vor Semesterbeginn nach München kam, waren an vielen Häusern in der Umgebung von Universität und TH Schilder mit der Aufschrift „Zimmer zu vermieten“ zu finden, d. h. Probleme mit Zimmern gab es damals nicht.“799 Dementsprechend erscheint es nicht verwunderlich, dass viele Studentinnen nichts von der Existenz des Marie-Antonie-Hauses wussten. Obwohl sich dieses ebenso wie das Hamburger Karin-Göring-Heim in unmittelbarer Nähe zur Universität befand, waren die Frauen bei einem Studium in ihrer Heimatstadt nicht darauf angewiesen, sich näher mit Wohnmöglichkeiten außerhalb des eigenen Elternhauses zu beschäftigten.800 Aus diesem Grund hatten unter den Befragten zahlreiche keine Erinnerung daran oder im Rahmen der Zeitzeugengespräche „zum ersten Mal gelesen, dass es in der Kaulbachstraße eines gab. Es hat Studentinnenwohnheime gegeben, das weiß ich, auch in Schwabing. Aber ich weiß nicht mehr, wie sie hießen.“801 Wieder andere sagten aus, Studentinnenwohnheime habe es „damals gar nicht in dem Sinn“802 gegeben: „Weiß ich gar nicht,
wie ich.“ Ergänzend auch Interview mit Dr. Hanne Lenz vom 18.2.2005: „Also die Studenten, die ich kannte, die haben alle ein möbliertes Zimmer gehabt, mehr oder weniger schön. […] Was das Studentenwohnheim betrifft, kann ich mich nicht erinnern, dass irgendjemand darüber geredet oder drin gewohnt hätte.“ 795 Interview mit Catharina B. vom 3.5.2005. 796 Interview mit Dr. Berta R. vom 23.4.2005. 797 Interview mit Marianne K. vom 25.5.2005. 798 Interview mit Gertraud B. vom 27.7.2005. 799 Behrens, 22. 800 Vgl. Dageförde, 147. 801 Interview mit Dr. Marie-Luise Schultze-Jahn vom 26.3.2005. 802 Interview mit Dr. Johanna K. vom 22.8.2005. Vgl. auch Interview mit Rita S. vom 27.5.2005: „Zimmer, Heime gab’s keine. Ich habe immer gesagt, ich schreibe einen Roman „Das Leben einer Untermieterin“. Ich war eben damals zuerst in Zorneding, und dann, nach dem Krieg, habe ich in der Königinstraße gewohnt. Das war eine Bekannte von der Familie, und da habe ich halt
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wann die errichtet worden sind, ob’s die damals schon so gegeben hat. Sicher keine Studentinnenwohnheime. Studentenwohnheim ist möglich, aber nicht Studentinnenwohnheim. Kann ich mich nicht erinnern, wirklich nicht. Dazu waren es im Verhältnis zu wenige wahrscheinlich.“803 Auch andere Gesprächspartnerinnen konnten sich eine entsprechende Unterkunft nicht ins Gedächtnis rufen, wohl aber „verschiedene Studentenwohnungen, in der Clemensstraße, in der Ohmstraße und in der Amalienstraße.“804 Wo die Frage nach dem Marie-Antonie-Haus Assoziationen hervorrief, dominierte das nicht unberechtigte Gefühl einer für die breite Masse nicht zugänglichen Einrichtung: „Ja, da wohnte mal eine Studentin, eine Mitstudentin, das Marie-Antonie-Haus. Ja, das war ein ganz nettes, nettes Haus. Aber ich mein, ich selber war nie drin, nich. Es kann auch sein, dass da nicht alle hereinkamen“805, und man wusste, „wie schwierig es war, da einen Platz zu kriegen“806, von dem zweifelhaften Ruf einmal abgesehen: „Aber ich hörte, da waren auch solche drinnen, die sehr Nazi waren, wenn ich mich nicht täusche.“807 1942, als die Beschaffung von Wohnraum für Studierende immer größere Schwierigkeiten bereitete, wurden alle Heime des Studentenwerks Münchens mit Ausnahme des Marie-Antonie-Hauses für verwundete, zum Studium abkommandierte Studenten frei gemacht.808 Ein Aufruf des Studentenwerks an die Bevölkerung zur Bereitstellung von Wohnraum erschien in den Zeitungen sowie als Werbelichtbild in den Filmtheatern. Darüber hinaus wurde in Aussicht gestellt, Studentinnen nicht endgültig, sondern lediglich bedingt zu immatrikulieren. Im Falle eines Wohnungsmangels für Wehrmachtsurlauber wollte man sie auf dieser Grundlage an eine andere Universität verweisen können, sofern sie keine zwingenden Gründe für einen Verbleib in München hatten.809
so ein Dachzimmer gehabt. Es war an sich eine super Villa, jeder hat gefunden: „Toll, wie du lebst.“ Gell, so. Und nicht heizbar. Ich konnte nicht aus dem Fenster schauen, weil es also mit Eisblumen zugedeckt war. Ich habe im Bett meine Examensvorbereitungen getätigt, so in dem Stil ging das da.“ 803 Interview mit Dr. Maria-Veronika D. vom 28.4.2005. 804 Interview mit Dr. Brigitte Maria K. vom 19.7.2005. 805 Interview mit Dr. Felicitas von S. vom 24.6.2005. 806 Interview mit Dr. Isolde D. vom 30.6.2005. 807 Interview mit Philomena Sauermann vom 12.3.2005. 808 Vgl. Zimmer für Frontstudenten gesucht. In: VB vom 26.10.1942, hier nach UAM, Sen. 365/2. 809 Vgl. UAM, Sen. 365/2. W[alther] W[üst] an das Staatsministerium für Unterricht und Kultus vom 5.11.1942.
3.9 Lager
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3.9 Lager „Das „Lager“ besitzt im Nationalsozialismus einen besonderen Stellenwert für das Funktionieren des Systems. Es ist sowohl ein Instrumentarium, um die speziell dafür Ausgelesenen darin intensiv aus- und gleichrichten, als auch die zur Auslese Einberufenen beobachten und kontrollieren zu können, bzw. die Entscheidung über Förderung oder Fallenlassen des Einzelnen herbeizuführen. […] Die Methode der Absonderung vom Alltag und vom gewohnten Umfeld soll die politische Schulung und Ausbildung der dort konzentrierten, als Multiplikatoren geltenden Studierenden effektivieren.“810
Abb. 36: Auslese lager in Seeshaupt (Studienförderung) Anfang der 1940er Jahre
810 Manns, 272. Vgl. dazu auch Hans von Tiesenhausen: Über studentische Schulungslager. In: Der Deutsche Student. Zeitschrift der Deutschen Studentenschaft. Märzheft Breslau 1934, 174–178.
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Wie Brigitte Steffen-Korflür und Haide Manns gezeigt haben, begannen sich leitende ANSt-Funktionärinnen bereits in den frühen 1930er Jahren zu hochschulpolitischen Zwecken wie der Schulung künftiger Führerinnen in Lagern zu versammeln. Darüber hinaus beteiligten sich NS-Studentinnen an speziell für weibliche Studierende veranstalteten Ausleselagern für die Studienförderung des Reichsstudentenwerks sowie an der Durchführung von Semesterantritts- und -abschlusslagern zur Neugewinnung aktiver Mitglieder.811 Mussten Abiturientinnen mit Studiumsabsicht seit 1934 ihren Einsatz in Arbeitsdienstlagern ableisten812, fand im Mai desselben Jahres für Studentinnen des ANSt-Kreises Bayern das erste gemeinsam gestaltete Schulungslager in Waging am See statt. Mit allein acht Zellenführerinnen sowie vier weiteren Funktionärinnen kam der Großteil der Teilnehmerinnen von der Universität München. Die übrigen 15 Teilnehmerinnen gehörten der Kreisleitung, der TH, der Akademie der Bildenden Künste, der Staatsschule für angewandte Kunst und der Akademie der Tonkunst München an sowie den Universitäten Würzburg und Erlangen, dem Ohmpolytechnikum Nürnberg und der Nürnberger Staatsschule für angewandte Kunst. Eine weitere Teilnehmerin war aus Augsburg angereist.813 Das Lager wurde als Beginn und Ansatz der zentralen Arbeit in den derzeit bestehenden sieben Hoch- und sechs Fachschulgruppen des Kreises Bayern verstanden.814 Während des fünftägigen Aufenthaltes im dortigen SA-Heim, welches die Frauen „durch seine Primitivität […] sofort den richtigen Lagergeist finden liess“815, sollte den Kameradinnen in erster Linie das Ziel der ANSt vor Augen
811 Vgl. Steffen-Korflür, 192–194, sowie Manns, 272 f. Zum Ausleselager des Reichsstudentenwerks vgl. Das Reichsstudentenwerk teilt mit: Ausleselager für Abiturientinnen und Studentinnen. In: Der Deutsche Student. Zeitschrift der Deutschen Studentenschaft. Dezemberheft. Hamburg 1935, 727 f.: „Die Auslese der Abiturientinnen und Studentinnen, die von Schule, Hochschule, Studentenwerk und von den Vertrauensstudentinnen des Amtes für Arbeitsdienst der Deutschen Studentenschaft zur Förderung durch das Reichsstudentenwerk und die ihm angeschlossenen Studentenwerke vorgeschlagen waren, fand Ende Oktober in einem achttägigen Lager in Blankenburg i. Thür. statt.“ Ebd., 727. Hervorhebung P. U. Vgl. ebenso Dr. A. C.: Auslese und Förderung der Studentinnen. In: DB vom 6.2.1940. 812 Vgl. Kapitel III, 3.2 Pflichtmäßiges Diensthalbjahr und Ausgleichsdienst. 813 Vgl. BArch, RSF II* 526 (a 425). Bericht über Schulungslager der Studentinnen des Kreises VII in Waging am See vom 14.6.1934. Wenige Tage später veranstaltete das H VI zusammen mit dem Grenzlandamt der Münchner Studentenschaft ein Grenz- und außenpolitisches Schulungslager für eine Betätigung der weiblichen Studierenden in der Auslandsarbeit. Vgl. BArch, RSF II* 526 (a 425). Bericht von Kreisreferentin VII vom 25.9.1934. 814 Vgl. BArch, RSF II* 526 (a 425). Bericht von Kreisreferentin VII vom 25.9.1934. 815 Ebd. Bericht über Schulungslager der Studentinnen des Kreises VII in Waging am See vom 14.6.1934.
3.9 Lager
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geführt werden: „dass wir die Aufgabe haben, das Bild der geistig arbeitenden Frau von allem Liberalismus und allem verzerrten Frauentum“ zu befreien und dadurch den Weg zur Deutschen Frau zu finden, „die geistig arbeitet und ihre Frauenaufgabe auch in dieser geistigen Arbeit sieht.“816 Unterstützt durch die DSt sowie Kreisführer Dr. Donat, der sich positiv für das Frauenstudium aussprach, konnten verschiedene führende Berliner Kameradinnen für Referate und Abendgestaltung gewonnen werden, darunter die Reichsreferentin für GPf, Dr. Ruth Strehl, und die aktuelle Kreisreferentin Bayern, Ursula Neubauer. Allen Rednerinnen gemeinsam war die Betonung einer neuen nationalsozialistischen Studentinnen- und Frauengeneration, die vor allem durch Gemeinschafts- und Kameradschaftsgeist die Grundlage für eine erfolgreiche Erfüllung ihrer Aufgaben in der gesamten Volksgemeinschaft zu schaffen hatte: „Es war deutlich zu merken, dass in Ruth Strehls Schulung dem grössten Teil der Mädels zum ersten Mal überhaupt das Ziel unserer Studentinnenarbeit an den Hochschulen und in der A. N. St. aufging“, dass „hier zum ersten Mal Dinge gesagt wurden, die überhaupt Grundlage für unsere Arbeit sein müssen“817 wie politische Schulung und GPf, das Kameradschaftshaus und seine Gestaltung oder der Arbeitsdienst. Nachdem ANSt- und DSt-Funktionärinnen erstmals im Frühjahr 1934 in einzelnen Kreisen der DSt zu Schulungslagern zusammengekommen waren, hatte die Einrichtung lokaler, halbjährlicher Reichslager als fester Teil der Funktionärinnenausbildung – mit kurzzeitiger Unterbrechung zu Beginn des Zweiten Weltkrieges – Bestand.818 Unter Beteiligung populärer Referenten übten die Teilnehmerinnen einige Tage lang u. a. die Gestaltung von Sprechchören oder ließen sich über Richtlinien für die politische Schulung und kulturelle Arbeit kommender Semester unterrichten.819 Einem Bericht der LMU vom 26. Februar 1936 ist zu ent-
816 BArch, RSF II* 515 (a 416). Studentinnen gestalten ihr erstes Schulungslager. Bericht vom 30.5.1934. 817 BArch, RSF II* 526 (a 425). Bericht über Schulungslager der Studentinnen des Kreises VII in Waging am See vom 14.6.1934. 818 Vgl. Bekanntmachungen des Amtes Studentinnen. Reichsschulungslager der ANSt. In: DB vom 19.9.1939. Ebenso Kameradinnen, deutsche Studentinnen! In: DB vom 3.10.1939. 819 Vgl. Steffen-Korflür, 193, sowie entsprechende Zeitungsartikel in DB, darunter Reichslager der ANSt. für musische Erziehung und Kulturarbeit auf der Jugendburg Stahleck am Rhein. In: DB vom 19.4.1938. Ebenso Grundlegende Erkenntnisse aus den Lagern der ANSt. Um die Einheit des geistigen und kulturellen Frauenschaffens. In: DB vom 25.4.1939. Ebd. Studentinnen schreiben vom Reichslager. Vgl. daneben auch die entsprechenden Dokumente im BArch, darunter exemplarisch NS 38/I* 80g 43/2. Rundschreiben der Deutschen Studentenschaft, Amt für Studentinnen, an die Kreisreferentinnen, Amtsleiterinnen VI, vom 21.9.1935, sowie speziell für München BArch, RSF II* 533. Trimesterbericht des 2. Trimesters 1940 über die ANST Arbeit im Gau München-Oberbayern vom 5.9.1940: „Die Grundlager der ANST Gruppenarbeit im 2. Trimester 40
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nehmen, dass bereits zu Beginn des Wintersemesters geplant war, künftig auch alle Erstsemester in einem dreitägigen Lager zu erfassen, „um sie auf die Bedeutung ihres Studiums und besonders auf die Pflichten, die sie als Studentinnen ihrem Volke gegenüber haben, hinzuweisen; eine Werbung für den N. S. D. St. B. sollte damit verbunden werden.“820 Damit nahm die Universität München die erst eineinhalb Jahre später offiziell erfolgte Anweisung vorweg, Abiturientinnen, die im Sommerhalbjahr 1937 ihren Arbeitsdienst abgeleistet hatten und im Herbst ihr Studium an einer Universität, Hoch- oder Fachschule aufnehmen wollten, pflichtmäßig in ANSt-Einführungslagern der örtlichen Gruppen zu versammeln.821 Dennoch verzichteten Universitäten wie Würzburg oder Leipzig sogar nach dieser Verordnung aufgrund der geringen Zahl von Kameradinnen im ersten Semester mitunter auf ein entsprechendes Lager.822 Aus finanziellen Gründen musste auch das verfrühte Vorhaben der LMU durch eine Vollversammlung ersetzt werden, bei der einzelne Referentinnen der DSt sowie des NSDStB über ihre Arbeitsgebiete sprachen. In Berlin organisierte die Leiterin des H VI dagegen schon Ende 1935 erfolgreich zwei Semesteranfangslager für Studentinnen, um die Frauen persönlich kennenzulernen.823 In Bonn nahmen im selben Zeitraum 37 von 87 weiblichen Erstsemestern an einem Einführungslager in der Jugendherberge Godesberg teil.824 Um die Studentinnen so vollständig wie möglich zu erfassen, bediente man sich weiterer, flankierender Maßnahmen. Nicht nur in den Lagern wurde Druck auf die Frauen ausgeübt, sondern auch auf universitärem Boden. Die entsprechende Vorgehensweise bei der angestrebten Indienstnahme sei hier ergänzend dargestellt. Seit 1937 ging die ANSt wie der männliche Teil des NSDStB schließlich dazu über, systematisch weibliche Studierende anzusprechen, die sich neu immatrikuliert hatten. Auf diese Weise wurden zahlreiche von ihnen bei Studienbeginn
bildete ein 3-tägiges Lager im Gau-Schulungshaus in Seeshaupt […], an dem die Referentinnen und die Gruppenführerinnen der Hochschulen teilnahmen.“ 820 BArch, RSF II* 535 (a 434). Semesterbericht des Hauptamtes VI der Studentenschaft der Universität München vom 24.2.1936. 821 Vgl. ANSt. Einführungslager für erste Semester. In: DB vom 28.9.1937 sowie Amt Studentinnen. Anordnung Stn. 21/37. Betr.: ANSt.-Einführungslager für erste Semester. In: Verordnungsblatt RSF. Nr. 20. München 1937, 118. 822 Vgl. BArch, RSF II* 536 (a 435). Arbeitsbericht des Amtes Studentinnen und der Arbeitsgemeinschaft nationalsozialistischer Studentinnen an der Universität Würzburg S. S. 1938 vom 1.7.1938, sowie ebd. Semesterbericht SS 38, Amt Studentinnen, Universität Leipzig. 823 Vgl. BArch, RSF II* 535 (a 434). Arbeitsbericht des H. A. VI Berlin vom W. S. 35/36. 824 Vgl. ebd. Bericht über die Arbeit des Hauptamts VI der D. St. Bonn im W. S. 1935/36.
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gewissermaßen automatisch in die ANSt aufgenommen.825 Wie dieser Prozess in der Praxis ablief, veranschaulicht ein Semesterbericht der Universität Leipzig. Seit dem Wintersemester 1937/38 erfasste man die Frauen bei der Neu- bzw. Wiederimmatrikulation direkt in den betreffenden Hörsälen. Während der gesamten Meldefrist war durchgängig eine Beauftragte des Amtes Studentinnen vor Ort, um den entsprechenden Personalbogen ausfüllen zu lassen. Mit dieser Vorgehensweise gelang es, alle Universitätsstudentinnen zu 100 % einzugliedern. Um darüber hinaus die größtmögliche Teilnahme an Gesamtappellen oder Veranstaltungen der Studententage zu gewährleisten, griff die Leipziger ANSt – wie ihre Münchner Kommilitoninnen zu Beginn der 1930er Jahre826 – auf Einzelbenachrichtigungen anstelle öffentlicher Aushänge zurück, die immer die Gefahr bargen, nicht (rechtzeitig) gelesen zu werden: „Wir haben so erreicht, dass die Kameradinnen meist alle erschienen oder entschuldigt gefehlt haben.“827 Obwohl vergleichbare lokale Berichte fehlen, sprechen Erinnerungen von Zeitzeugen dafür, dass auch an der LMU eine gezielte Registrierung der Studentinnen stattfand: „Und ich ging dann also zum Einschreiben mit einer Regensburger Freundin. […] Also und der erste Stand in dem großen Saal, wo man sich in die diversen Fächer eintragen sollte, war die ANSt, Arbeitsgemeinschaft Nationalsozialistischer Studentinnen. So, die haben wir natürlich übergangen. […] Und wo wir’s probiert haben – nichts ist gegangen: „Waren Sie schon bei der ANSt?“ „Nein.“ Nichts, wir konnten uns nicht eintragen. Den ganzen Vormittag haben wir das probiert, dann haben wir beraten, also probieren wir es mal morgen nochmal. Aber das war dasselbe. Da habe ich gesagt, es bleibt uns nichts anderes übrig, also wir müssen halt zu der ANSt gehen. Da sind wir eingetragen worden, ich meine, das war ja eine nationalsozialistische Organisation.“828 Mit dieser Vorgehensweise stand die Universität München allerdings keineswegs alleine da, wie vergleichbare Berichte anderer Hochschulen zeigen, darunter der der ehemaligen Medizinstudentin Hedwig Wallis über ihre Ersteinschreibung an der Universität Hamburg im Januar 1941: „Wir standen in Schlangen […] vor der Quästur. Bevor wir den Schalter erreichten, wurden wir zwangsweise an einigen Tischen vorbeigelenkt. Am ersten mußte man nachweisen, welchen Gliederungen der NSDAP man angehörte. Am zweiten wurde uns ein Eintrittsgesuch in den Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbund unter die Nase gehal-
825 Vgl. Grüttner, 355. 826 Vgl. Kapitel I, 2.4 Die Lokalisierung der Münchner ANSt-Gruppe. 827 BArch, RSF II* 536 (a 435). Semesterbericht SS 38, Amt Studentinnen, Universität Leipzig. 828 Interview mit Anneliese G. vom 22.4.2005. Zur „aufdringliche(n) Werbung für die ANST“ in München vgl. auch Waibel, 10.
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ten: „Ohne Beitritt keine Einschreibung“, hieß es. Am dritten Tisch wurde man in gleicher Weise gezwungen, eine nazistische Studentenzeitschrift zu abonnieren, Herausgeber der „Reichsjugendführer“. Erst dann durfte man sich einschreiben. Ob diese Verfahren in irgendeiner Weise rechtens waren, das heißt, durch Gesetze oder Verordnungen gedeckt, fragten wir nicht. Zu viele Leute in den typischen Ledermänteln der geheimen Staatspolizei standen in der Vorhalle herum, als daß man sich zu widersetzen wagte. Ich bin allerdings mit Hilfe konsequenter Lügerei und Bummelei über den erzwungenen Anwärterstatus im Studentenbund nicht hinausgekommen.“829 Ab dem Frühjahr 1935 hatte man an sämtlichen Hochschulen ein einheitliches Karteiwesen eingeführt, um umfangreiche Personalangaben ersichtlich zu machen. Die Einheitskarten waren verschiedenfarbig angelegt, wobei rot für weibliche, grün für männliche Mitglieder der DSt stand. Anstelle der Karte mussten die Studierenden selbst jetzt handschriftlich einen Meldebogen ausfüllen, dessen Daten anschließend durch Sekretariatsbeamte oder studentische Hilfskräfte sorgfältig geprüft und auf das erstgenannte Dokument übertragen wurden. Die bisherige Studentenschaftskartei der DSt ging an die Hochschulverwaltungen über. Weil die neue Bearbeitungsweise einen erhöhten Personen- und Durchgangsverkehr mit sich brachte, sollte für die Umsetzung genügend Bewegungsfreiheit sowie ein ungehinderter Zu- und Abgang geschaffen werden. Dazu
829 Hedwig Wallis: Medizinstudentin im Nationalsozialismus. In: Ursula Weisser (Hg.): 100 Jahre Universitäts-Krankenhaus Eppendorf 1889–1989. Tübingen 1989, 401. Wallis’ mangelnde Bemühungen, über den sog. Status als „Anwärter“ im NSDStB hinauszukommen, blieben jedoch nicht ohne Folgen: „So erhielt ich meine mit 6 Reichspfennigen frankierte offene Postkarte, wonach ich mich da und da und dann und dann beim Gaustudentenführer zu melden hätte. Bestes Bürokratendeutsch: Zweck der Unterredung Doppelpunkt ‚Überprüfung Ihrer politischen Zuverlässigkeit‘. Ich bekam furchtbare Angst. Ich las zum ersten Mal „Mein Kampf“ von Adolf Hitler sowie „Der Mythus des 20. Jahrhunderts“ von Alfred Rosenberg und fühlte mich damit der gängigen Dialektik halbwegs gewachsen.“ Glücklicherweise zieht die Unterredung keine unangenehmen Konsequenzen nach sich, da der anwesende Vertreter des Gaustudentenführers in der Vergangenheit beim gemeinsamen Arbeiten im Präpariersaal den politischen Witzen der Medizinstudentin tatenlos zugehört hatte. „Auf meine erstaunte Frage angesichts seiner goldbetreßten Uniform: ‚Wie kommen Sie denn zu diesem Posten, Herr Sowieso?‘ erschrak er, saß doch eine spitzelnde Protokollantin dabei. Ehe ich mehr und Decouvrierenderes hätte sagen können, diktierte er ihr, daß er mich kenne und daß an meiner politischen Zuverlässigkeit keine Zweifel bestünden.“ Ebd., 403. Vgl. in diesem Zusammenhang auch Lauterer-Pirner/Schepers-S.-W., 116: „Elisabeth W. machte 1934 in Heidelberg Abitur und immatrikulierte sich 1936 an der Universität. Sie war der Ansicht, daß alle Studentinnen und Studenten Mitglied im nationalsozialistischen Studentenbund (NSDStB) werden müßten, und da sie nach ihrer Immatrikulation „automatisch“ im Büro des NS-Studentenbundes landete, schrieb sie sich, ohne viel nachzudenken, auch in dessen Mitgliederlisten ein.“
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zählten Räume mit besonderen Zugangs- und Ausgangstüren.830 Eine ehemalige Medizinstudentin meinte sogar sich an eine Perronsperre bei der Einschreibung im LMU-Hauptgebäude zu erinnern: „Aber etwas weiß ich noch, wie wir uns einschreiben haben müssen, da haben wir durch eine Perronsperre gehen müssen. Und da haben wir dann unseren Ausweis herzeigen müssen und dann haben wir uns einschreiben sollen in den Nationalsozialistischen Studentenbund. Und dann durch die nächste Perronsperre durchgehen und den Zettel abliefern. Da hat meine Freundin gesagt: „Du, unterschreibst du das?“ Da hab’ ich gesagt: „Na, ich mag net.“ Hat’s gesagt: „Du, dann unterschreib ich auch nicht.“ Und dann sind wir beide mit nicht unterschriebenem Zettel da durchgegangen und sind schleunigst auf und davon.“ Die fehlende Mitgliedschaft blieb jedoch ohne Konsequenzen für die spätere Ärztin, die vor Kriegsende nur ein Semester studieren konnte und nicht mehr an den Veranstaltungen der ANSt teilnahm: „Und zum Glück, muss ich sagen, sind die Bomben dann so gefallen, dass man das hat bestimmt nimmermehr deswegen nachkontrollieren können.“831 Die ANSt selbst hatte schon im Rahmen der Einrichtung der RSF die Anweisung erhalten gehabt, alle Abiturientinnen, die sich neu immatrikulierten, zu erfassen und als Anwärterinnen in die eigenen Reihen aufzunehmen. Nach der Mitgliedschaftsordnung des NSDStB, die – entgegen den Angaben Manns – nicht am 1. November 1937832, sondern ein Jahr später von Reichsstudentenführer Gustav Adolf Scheel erlassen wurde, wurden die ANSt-Gruppen als Äquivalent zu den Kameradschaften der nationalsozialistischen Studenten und damit als NS-Gemeinschaften für Studentinnen eingestuft. Letztere erhielten auf diese Weise verwaltungsmäßige Selbstständigkeit und hatten ebenso wie ihre Kommilitonen eine Buch- und Kassenführung einzurichten.833 Wie die Einschreibung an der Universität München in der Praxis ablief, beschreibt Elisabeth Hiller in ihren Erinnerungen: „Ein versiertes älteres Semester gab mir auf Fragen die Auskunft, daß man sich […] vormittags ab 8 Uhr um die Immatrikulationspapiere anzustellen habe. Ich tat, wie mir geraten, und fand mich am folgenden Tag der unvorstellbaren Flut eines von Datenschutz nicht angekränkelten Papierkrieges gegenüber. Überall standen die Studentinnen und die wenigen Studenten herum, schrieben und füllten aus, bis in den letzten Winkel ihrer Person ausgeforscht,
830 Vgl. UAM, Sen. 6a. Organisation der Deutschen Hochschulen. Anweisungen eins bis drei zur Raum- und Personalfrage, Übernahme der Studentenschaftskartei und zur Einführung des Meldebogens vom 10.4.1935. 831 Interview mit Dr. Mathilde D. vom 9.7.2005. 832 Vgl. Manns, 174. 833 Vgl. Anordnung RKV. 22/40: Betr.: Verwaltungsmäßige Erfassung der ANST-Gruppen. In: Verordnungsblatt RSF. Nr. 3/40. München 1940, Blatt 9.
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auch nach politischen Tätigkeiten, ja, man wollte sogar wissen, ob man Braut eines SS- oder SA-Mannes sei.“834 Ähnlich schildert Gertraud Pretl, die wie Hiller zu Kriegszeiten studierte, ihre Immatrikulation an der LMU für die Fächer Deutsch, Geschichte und Erdkunde: „(U)nd zwar bin ich als erste gleich in den Nationalsozialistischen (Deutschen) Studentenbund geraten, aus Versehen. Ich sehe mich noch in dem riesigen AudiMax, Sie kennen es sicher. Und der war Tisch am Tisch und dazwischen, zwischen den anderen drin, war diese […] vom NSDSTB. Und ich meine gut, da hast ein Haufen von Formulare [sic!] gekriegt, das war höchst verwirrend und da bin ich halt von Tisch zu Tisch gegangen, habe überall ein Formular abgegeben und unterschrieben. Also mir war nicht klar, dass ich dem Studentenbund beigetreten bin“835, ebenso wenig wie Rita S.: „Das war ’43, Ostern, im Großen Hörsaal. Da saßen die so hintereinander mit ihren Formularen, und ich kann mich erinnern, einer der ersten Fragen nach den Personalien war: „Bei welcher nationalsozialistischen Organisation waren Sie?“ Habe ich gesagt: „Bei keiner.“ Und dann haben die sofort ein Formular rausgenommen und damit war man automatisch Mitglied von der ANSt.“836 Nach Angaben von Böttner regelte eine interne Dienstanweisung der RSF das Verfahren, mit dem man widerstrebende Studierende in den NSDStB zwang. Zusammen mit den Immatrikulationspapieren wurde demnach jedem Erstsemester ein entsprechendes Anmeldeformular ausgehändigt. Diejenigen, die sich nicht automatisch meldeten, hatten ihre Weigerung schriftlich darzulegen. Der örtliche Studentenführer erließ anschließend eine dienstliche Vorladung, bei der die Gründe noch genauer erfragt wurden.837 Wie die lokalen Beispiele zeigen, bedrängten Münchner ANSt-Funktionärinnen ebenso wie ihre Freiburger Kolleginnen nachweislich besonders weibliche Erstsemester bei ihrer Immatrikulation und vermittelten den Eindruck, als sei eine Mitgliedschaft bei der ANSt ab dem ersten Semester verpflichtend838: ‚Gleich zu Beginn des 1. Semesters kam der Moment, da wurden wir von UNI und TH zusammengerufen. Eine Studentenführerin fragte jede einzelne von uns, in
834 Hiller, 162. 835 Pretl, 28 f. 836 Interview mit Rita S. vom 27.4.2005. 837 Vgl. Böttner, 269. 838 Wie im ANSt-Kapitel gezeigt wurde, galten die Frauen jedoch zunächst als „Anwärterinnen“ und mussten vor ihrer endgültigen Aufnahme eine entsprechende Bewährungszeit durchlaufen. Erst danach wurde ihnen ihr Mitgliedsbuch ausgehändigt und die Parteianmeldung vorgenommen. Zu Freiburg vgl. den Vortag von Ute Scherb zum Thema „ANSt (Arbeitsgemeinschaft Nationalsozialistischer Studentinnen)“ unter http://timms.uni-tuebingen.de/Player/PlayerFlow/ UT_20040526_001_rvfrauen_0001 vom 13.4.2016.
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welche der Gruppen der Nationalsozialistischen Studentenschaft sie eintreten wolle.‘839 Unter den Studierenden sorgte die einer Überrumplungstaktik gleichkommende Vorgehensweise jedoch nicht nur für Verwirrung. Besonders die von der Wehrmacht beurlaubten Studenten klagten häufig darüber, „daß die zur Einschreibung erforderlichen umfangreichen Formalitäten einen zu großen Zeitaufwand verlangten, der mit dem Bestreben, die kurze zur Verfügung stehende Zeit möglichst nutzbringend mit wissenschaftlicher Arbeit auszufüllen, nicht in Einklang zu bringen sei (Braunschweig, München, Stettin). Als Folge davon seien viele Formulare derart flüchtig und unleserlich ausgefüllt worden, daß sie zum mindesten für die Zwecke der Studentenführung großenteils unbrauchbar seien. In Studenten- und Dozentenkreisen werde immer wieder der Wunsch nach Vereinfachung der Einschreibung laut, da der derzeitige Aufwand an Fragebogen und auszufüllenden Papieren eine erhebliche Belastung der Verwaltung darstelle und viel Zeit in Anspruch nehme (Braunschweig, München, Greifswald).“840 Ein dreiseitiger Wegweiser aus dem UAM für die Neuaufnahme als Student und die Erneuerung der Ausweiskarte im Wintersemester 1941/42 verdeutlicht den umfangreichen Immatrikulationsprozess. So hatten weibliche und männliche Angehörige der DSt neben Lebenslauf und Foto folgende Dokumente vorzulegen bzw. abzugeben, um das Dienstsiegel der Studentenführung und damit die Freigabe zur Einschreibung zu erhalten: Führungszeugnis der Dienststelle bzw. Vorlage des Wehrpasses oder Ausgleichsdienstes (Arbeitsdienstpflicht ab Jahrgang 1917), Nachweis über den Rüstungseinsatz im Sommersemester 1941 bzw. Befreiungsschein, Gliederungsbogen und Gliederungsausweis der NSDAP, Fachschaftskarte und Fragebogen der Fachgruppe Volksgesundheit (Medizinstudierende), Meldeblatt für Studierende (Dienstpflicht) sowie den Nachweis über die Bestellung der Zeitschrift „Die Bewegung“.
839 Gundi Feilner über ihre Einschreibung an der TH München im Herbst 1937, hier zitiert nach Fuchs: TH, 173. 840 Boberach 10, 3792, 3795.
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Abb. 37: Bescheinigung der Studentenführung über die Befreiung vom Rüstungseinsatz
Bei Auslandsdeutschen war darüber hinaus die Mitgliedskarte vom Bund Außendeutscher Studierender mit gültigem Semesterstempel Pflicht. Eine weitere Sonderregelung galt für die Studentinnen, welche sich am ANSt-Tisch melden und drei zusätzliche Dokumente abgeben mussten: Meldebogen für weibliche Studierende, Dienstpflichtbogen und Empfang des Dienstpflichtbefehls für Erst- bis Drittsemester und Vorlage des NSDStB-Mitgliedbuches (vorläufiger Ausweis) für die Angehörigen der ANSt.841
841 Vgl. UAM, Immatr. 147/1, 1941–44. Wegweiser für die Neuaufnahme als Student und die Erneuerung der Ausweiskarte im Wintersemester 1941/42. Beim Meldebogen galt nur für die ANSt auch die Abgabe der monatlichen Beitragseinstufung der ANSt. Zum Erwerb der „Bewegung“ vgl. Bekanntmachungen des Amtes Studentinnen. Bezug „Die Bewegung“. In: DB vom 19.9.1939: Als offizielles Organ des Deutschen Studententums verstand man die Zeitung als Verbindung zwischen den Mitgliedern des NSDStB sowie den Angehörigen der DSt. Darüber hinaus sollte sie als einziges Mitteilungsblatt eine enge Fühlungnahme zwischen Studentenführung und Studierenden gewährleisten. „Wir sehen es daher als Pflicht jeder Studentin an, die „Bewegung“ weiter zu beziehen bzw. neu zu bestellen. Die Gau-ANSt.-Referentinnen und die ANSt.-Referentinnen der für die Immatrikulation zugelassenen Hochschulen weisen die Studentinnen noch einmal nachdrücklich auf den unbedingt notwendigen Weiterbezug bzw. eine Neubestellung der „Bewegung“ hin!“
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Die NS-Funktionärinnen profitierten schon frühzeitig von der Erfassung und Indienstnahme der an die Hochschulen kommenden Frauen. Während im Mai 1937 lediglich 29,7 % der Münchner gegenüber 54,9 % der Berliner und 47,1 % der Hamburger Hochschulstudentinnen eine ANSt-Mitgliedschaft vorweisen konnten, waren – wie bereits in Kapitel IV, 3.3, erwähnt – schon 1938 38,7 % aller lokalen Universitätsstudentinnen Vollmitglieder oder Anwärterinnen der ANSt. Bereits im Wintersemester 1938/39 hatte sich ihr Prozentsatz weiterhin deutlich erhöht: Bei einer Gesamtzahl von 637 weiblichen Immatrikulationen entfielen 414 auf den NSDStB. „In diesem Semester waren also 66,4 % aller Studentinnen in der ANSt erfasst.“842
Abb. 38: Ahnenaufstellung zum Nachweis der arischen Abstammung aus dem Jahr 1942
842 Vgl. BArch, RSF II* 540 (a 438). Semesterbericht: Wintersemester 1938/39 der Gaustudentenführung München-Oberbayern vom 4.3.1939. Hier sei erneut darauf hingewiesen, dass dem Bericht der Gau-ANSt-Referentin offenbar ein Rechenfehler zugrunde liegt. Nimmt man die in der Akte angegebenen Zahlen, so sind rund 65 % von insgesamt 637 Studentinnen, also 414, in der ANSt der Münchner Universität und nicht wie angegeben 66,4 %. Nimmt man diesen Prozentsatz als Grundlage, so wären insgesamt knapp 423 von insgesamt 637 Frauen erfasst gewesen. Zu den Zahlen in Berlin und Hamburg vgl. Kuhn/Rothe/Mühlenbruch, 65.
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Begünstigend auf die Mitgliederzahlen hatten sich nach Angaben der Gau-ANStReferentin zum Semesterbeginn 1938/39 zwei Kurzlager in Seeshaupt ausgewirkt, an denen alle weiblichen Erstsemester der LMU erstmals pflichtmäßig teilnehmen mussten. Insgesamt wurden 20 Erfassungslager mit 96 weiblichen und 785 männlichen Erstsemestern durchgeführt, die im Gau München-Oberbayern studierten und Unterricht über die Aufgaben des NSDStB sowie die Mission des deutschen Studententums erhielten. In den Lagern selbst war die beeindruckende Zahl von 145 Mitarbeitern und zwölf Mitarbeiterinnen tätig, die die auf kleine Gruppen aufgeteilten Studierenden betreuten. Ziel war es dabei nicht, jeden einzelnen unter ihnen nur zu erfassen, sondern persönlich anzusprechen und ernsthaft für die Arbeit der studentischen NS-Organisationen zu begeistern843: „(F)ür uns war der Erfolg offensichtlich, einmal, indem viel mehr junge Studentinnen als in früheren Semestern sich für die ANSt. entschieden, zum anderen, indem wir sofort mit allen jungen Kameradinnen in persönlichen Konnex kamen, und die Arbeit innerhalb der Gruppen sofort beginnen konnte.“844 Darüber hinaus wurden auf der zweitägigen Veranstaltung sämtliche Fragen im Zusammenhang mit Studium und Universität erörtert und die Teilnehmerinnen karteimäßig direkt für den Frauendienst erfasst. Durch die sofortige Einteilung in die verschiedenen Kurse erhöhte sich die Beteiligung und Verpflichtung an den Kursen des Reichsluftschutzbundes und Deutschen Roten Kreuzes quasi zwangsläufig.845 Ähnlich erfolgreich gestaltete sich das eintägige Eröffnungslager der Universität Erlangen, welches einen Einblick in die Funktion der ANSt-Gruppe ermöglichte: Von den insgesamt neun Studentinnen traten sieben Frauen eine Mitgliedschaft an.846 Dem Vorteil direkter Kontaktmöglichkeit, welche neben der Karteierfassung gleichzeitig eine erste Auslese von potentiellem Nachwuchs für spätere Führungspositionen beinhaltete, stand jedoch im Einzelfall auch die negative Registrierung einzelner Teilnehmerinnen gegenüber. Eine Philologin führte im Zeitzeugeninterview an, aufgrund ihrer katholischen Weltanschauung sowie ihres energischen Eintretens für die Klosterschulen in Gegenwart einer angehenden ANSt-Funktionärin nicht zum Auslandsstudium zugelassen worden zu sein. Ihre Vermutung gründete sie auf die Tatsache, dass eine spätere Nachfrage beim
843 Vgl. BArch, RSF II* 118. Bericht über den Monat Oktober/November 1938 der Gaustudentenführung Mü-Obb. vom 6.12.1938. 844 BArch, RSF II* 540 (a 438). ANSt. der Studentenführung Universität München. Bericht über das WS. 1938/39. 845 Vgl. ebd. Semesterbericht: Wintersemester 1938/39 der Gaustudentenführung MünchenOberbayern vom 4.3.1939. 846 Vgl. BArch, RSF II* 532. Studentenführung Erlangen. Amt Studentinnen. Bericht über das W. S. 38/39 vom 25.2.1939.
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Auswärtigen Amt Berlin ergeben habe, als „politisch nicht zuverlässig“847 geführt worden zu sein. Zudem habe besagte NS-Studentin nachweislich die Gestapo auf die Spur einer befreundeten Kommilitonin geführt, die sich später unerlaubt in der Schweiz aufhielt und ebenfalls bei der damaligen Diskussion im Einführungslager zugegen gewesen war. Fest steht, dass mit Wirkung vom Wintersemester 1935/36 allen Austauschgesuchen eine entsprechende Beurteilung des Antragstellers durch die Hauptamtsleiterin VI beizufügen war848, die die Studierenden nach einem persönlichen Kennenlernen zu charakterisieren hatte. Anschließend teilte man die Frauen nach Ländern in Schulungsgruppen ein, um sie auf den Aufenthalt im Ausland vorzubereiten. In München wurden im gleichen Semester insgesamt 21 Urlaubsgesuche eingereicht, von denen 14 befürwortet, zwei abgelehnt und fünf zum Zeitpunkt des Semesterberichtes noch nicht entschieden worden waren. Zwei Ausreiseanträge, die, so Auslandsreferentin Maria Müllbauer, mit Sicherheit einen negativen Bescheid erfahren hätten, wurden wieder zurückgenommen und sind daher in der Gesamtzahl von 21 Anträgen (davon ANSt 15 %) nicht enthalten; eine Begründung für die fraglose Zurückweisung lieferte Müllbauer allerdings nicht.849 Eine fehlende Mitgliedschaft in der ANSt oder einer anderen Gliederung der Partei verhinderte im Zweifelsfall offensichtlich ein Auslandssemester, da die Bewerber im Vorfeld nicht auf politische Zuverlässigkeit geprüft werden konnten: „Die alte Sehnsucht nach einem Auslandsaufenthalt suchte ich […] doch noch zu
847 Interview mit Anneliese G. vom 22.4.2005. Wie die Strafakten des UAM zeigen, kam dem Urteil der ANSt-Führerinnen durchaus ein großes Gewicht zu. So wurde etwa eine Germanistikstudentin der LMU aus dem NSDStB entlassen, nachdem sie sich abfällig über den RAD geäußert und zudem ein schlechtes Zeugnis über ihre nationalsozialistische Weltanschauung von der zuständigen ANSt-Gruppenführerin erhalten hatte. Vgl. UAM, Stud-Straf-157. 848 Vgl. dazu BArch, NS I* 80g 43/2. Rundschreiben des Hauptamts für Studentinnen vom 4.11.1935, sowie BArch, RSF II* 524. Liselotte Machwirth an Gisela Rothe vom 31.8.1935. ReichsANSt-Referentin Machwirth vertrat dagegen die Ansicht, „dass man in einem kurzen Lager kaum die Menschen vollständig beurteilen kann. Weit aufschlussreicher dürfte das Urteil der örtlichen Hauptamtsleiterin VI., bezw. der A. N. St.-Referentinnen sein, die die betr. Kameradin aus der Arbeit heraus weit gründlicher beurteilen kann, als das in einem Lager möglich ist. Wenn dazu noch das Urteil des Fachschaftsleiters, bezw. der Fachschaftsreferentin kommt, dürfte das Ganze ein abgerundeteres Bild geben, als es in einem kurzen oder auch längeren Lager gegeben werden kann.“ 849 Die Urlaubsgesuche verteilten sich wie folgt: Je ein Gesuch für Holland, Belgien, USA, Italien und Ungarn, je zwei Gesuche für Frankreich und Österreich, vier Gesuche für die Schweiz sowie sieben für England. Vgl. BArch, RSF II* 534 (a 433). Semesterbericht WS 1935/36. Auslandsreferat im Hauptamt VI. München vom 8.2.1936. Zum Vergleich: Im Sommerhalbjahr 1935 suchten 28 Studentinnen beim Außenamt um einen Auslandsurlaub nach, zwei davon wurden abgewiesen. Vgl. BArch, RSF II* 534 (a 433). Nachmeldung zum Semesterbericht vom 4.7.1935.
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verwirklichen, mit dem Gesuch um Genehmigung eines Studiums in Perugia. Wie kaum anders zu erwarten, mißglückte das, da ich nach wie vor nirgends organisiert war und dann auch beim Studium in Deutschland nicht der Arbeitsgemeinschaft nationalsozialistischer Studentinnen (ANST) beitrat.“850 Studierende, die ins Ausland gehen wollten, mussten sich ferner einer entsprechenden Schulung bzw. Vorbereitung durch das Außenamt ihrer Heimatuniversität unterziehen, damit „draußen das Deutschtum sauber vertreten“851 wurde. Zukünftig konnte also kein deutscher Studierender mehr an einer ausländischen Hochschule zugelassen werden, der nicht schon ein halbes Jahr zuvor durch diese Schulung erfasst worden war, so die Selbstdarstellung der als Amt der Studentenschaft eingerichteten Institution: „Im zweiten Semester wollte ich in Wien studieren. Das ging nicht ohne weiteres, man brauchte eine besondere Genehmigung und mußte dazu ein einwöchiges Lager besuchen, in dem die Eignung für ein Studium in Österreich festgestellt werden sollte. Am Ende erfuhr ich, daß ich nicht zugelassen sei. […] Für das Wintersemester 1936/37 nahm ich mir München vor. In den NS-Studentenbund war ich bei meiner Immatrikulation 1935 in Berlin nicht eingetreten, jetzt aber, nachdem mir die Zulassung zum Studium in Wien verweigert worden war, wurde ich nachdenklich. Immerhin hatte ich ja einen Antrag auf ein DAAD-Stipendium für USA laufen. Im Sommersemester 1936 meldete ich mich in Königsberg als Anwärter für die Mitgliedschaft in der ANST – Arbeitsgemeinschaft nationalsozialistischer Studentinnen –, der weiblichen Variante des NS-Studentenbundes, an“852, so Elisabeth Noelle-Neumann in einer autobiographischen Aufzeichnung. Darüber hinaus beteiligte sie sich mit einer wissenschaftlichen Arbeit am RBWK 1936/37, um die Qualifikation für das Stipendium zu erhalten.853 Im Natio-
850 Irmgard Höß: Studien und Berufsaussichten in turbulenter Zeit. In: Hartmut Lehmann/Otto Gerhard Oexle (Hgg.): Erinnerungsstücke. Wege in die Vergangenheit. Rudolf Vierhaus zum 75. Geburtstag gewidmet. Wien, Köln, Weimar 1997, 104, künftig zitiert als Höß. 851 Universität München. Personen- und Vorlesungsverzeichnis für das Winterhalbjahr 1935/36 und das Sommerhalbjahr 1936. München 1935, 10. 852 Elisabeth Noelle-Neumann: Über den Fortschritt der Publizistikwissenschaft durch Anwendung empirischer Forschungsmethoden. Eine autobiographische Aufzeichnung. In: Arnulf Kutsch/Horst Pöttker (Hgg.): Kommunikationswissenschaft – autobiographisch. Zur Entwicklung einer Wissenschaft in Deutschland. Opladen 1997, 39. 853 Noelle-Neumann: Doppelporträt, 20 f. Noelle-Neumann macht hier neben ihrer Beteiligung am Reichsberufswettkampf auch den möglichen Einfluss ihres späteren Doktorvaters Emil Dovifat bei der Zuteilung des Stipendiums geltend: „(E)s war auf keinen Fall der Einfluß von Dovifat, der mich bewog, mich um ein Austauschstipendium für Amerika zu bewerben. Aber offenbar hatte er Einfluß auf die Entscheidung, daß ich tatsächlich eines der kostbaren sechs Austauschstipendien nach USA für das Studienhalbjahr 1937/38 erhielt. Als diese Entscheidung
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nalsozialismus bedeutete das, sich als charakterlich und rassisch einwandfreien Vertreter des Dritten Reiches zu präsentieren, nachdem der Deutsche Akademische Auslandsdienst „unter nationalsozialistischer Ägide zu einem Instrument kultureller Propaganda im Sinne der Ideologie umfunktioniert“854 worden war: Sein Präsident war gleichzeitig Amtsleiter im Außenpolitischen Amt der Partei. Die Schulung für auserwählte Studierende fand in sog. „Arbeitsgemeinschaften“ statt, die im Wintersemester 1935/36 bzw. Sommersemester 1936 Probleme des angloamerikanischen Kulturkreises ebenso wie die rechtliche Stellung deutscher Volksgruppen oder das Deutschlandbild im Spiegel der Auslandspresse behandelten.855 Franz Ronneberger, der im Laufe des Wintersemesters 1934/35 die Leitung des Außenamtes an der LMU übernommen hatte, schrieb rückblickend in einem 1944 verfassten Lebenslauf, in dieser Dienststelle habe die ‚Zusammenfassung und Lenkung des gesamten politischen und wissenschaftlichen Einsatzes der deutschen Studentenschaft in Südosteuropa‘856 stattgefunden. Obwohl sich Fälle wie der vom Auslandsstudium ausgeschlossenen ehemaligen Münchner Studentin in den im BArch eingesehenen Akten weder niedergeschlagen haben noch das entsprechende Schreiben des Auswärtigen Amtes im Besitz der Zeitzeugin auffindbar war, lassen sich – auch angesichts der Verfah-
fiel, studierte ich in München, und Dovifat selbst hat mir nie etwas darüber gesagt, wie es zu der Auswahl kam. Aber jemand erzählte mir, daß er zu dem Gremium gehörte, das in Berlin die Entscheidung traf.“ Zur Äußerung Dovifats siehe ebd., 30 f. 854 Angela Schwarz: Die Reise ins Dritte Reich. Britische Augenzeugen im nationalsozialistischen Deutschland (1933–39). Göttingen 1993, 88. 855 Vgl. Universität München. Personen- und Vorlesungsverzeichnis für das Winterhalbjahr 1935/36 und das Sommerhalbjahr 1936. München 1935, 10 f. 856 Franz Ronneberger: Lebenslauf vom 3.7.1944. BArch, BDC/REM, Bl. 4615 f., hier zitiert nach Peer Heinelt: Portrait eines Schreibtischtäters. Franz Ronneberger (1913–1999). In: m&z. 2–3/2002, 94. Zum Prozess von Auslandsreisen und -studium vgl. Die Reichsstudentenführung gibt bekannt: Betrifft: Auslandsreisen und Auslandsstudium. In: DB vom 3.8.1937. Auch in MNN vom 5.8.1937 unter dem Titel „Auslandsreisen von Studenten. Genehmigung der Reichsstudentenführung nötig“, hier nach UAM, 475/1. Noch 1942 bemühte man sich um einen strengeren Maßstab bei Auslese derjenigen Studierenden, die ins Ausland gehen wollten. Zukünftig sollte keiner von ihnen mehr zugelassen werden, der nicht mindestens ein halbes Jahr aktiv in der Arbeit des Außenamtes der Gaustudentenführung tätig gewesen war. Auch wurde kritisiert, dass die Beurteilungen von ANSt-Gruppen und Kameradschaften über Studentinnen und Studenten mit Wunsch nach einem Auslandsstudium überwiegend unbrauchbar und nichtssagend seien, weshalb die auslesende Dienststelle keinen aussagekräftigen Eindruck von den Betreffenden erhielt. Das Außenamt der Gaustudentenführung sah sich daher gezwungen, selbst auf Basis eingehender Beobachtungen die Aufgeschlossenheit der Frauen und Männer gegenüber außenpolitischen Fragen zu prüfen sowie zu beurteilen. Vgl. UAM, OC-N-5c. Anordnung 5/42. Betr.: Auslandsstudium, Mitarbeit im Aussenamt der Gaustudentenführung vom 12.12.1942.
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rensweise bei Immatrikulationen – Überlegungen anstellen, wonach die ANSt auf subtile Druckmittel zur Indienstnahme der Frauen zurückgriff. Die Semesterantrittslager waren dabei offenbar die am besten institutionalisierte Methode, um immer höhere Anteile der Studentinnenschaft einzugliedern und abweichendes oder individuelles Verhalten zu erschweren bzw. zu verhindern: „Ich weiß bloß, dass für die Erstsemester jedes Jahr so eine Versammlung einberufen wurde da am Starnberger See, Sankt Heinrich, glaube ich, war’s, oder Seeshaupt. Das weiß ich nicht mehr genau. Und da wurde also die Werbetrommel, d. h., na ja, die Reklametrommel gerührt. Und da musste man öffentlich – jeder wurde aufgerufen – sagen, ob man beitritt oder nicht. […] Und da war ich dabei und ich bin mir selber sehr mutig vorgekommen, weil ich mich getraut habe zu sagen: „Ich trete dem NS-Studentenbund nicht bei.“857 1937 hatte das Studentenwerk München in Seeshaupt am Starnberger See im Auftrag der Gaustudentenführung München-Oberbayern das Kurheim bzw. Strandbad Lido vom Bayerischen Torfwerk Kayser und Co erworben, ein 1 3/4 Hektar großes Grundstück mit Hotelgebäude, großer Strandhalle und 100 Meter Seeufer. Neben der Durchführung von Kameradschaftspflege sowie der Einrichtung eines reichsweiten Erholungsheims für Studenten sollte das Anwesen zu einem Lager für Studierende ausgebaut werden, „zunächst für die Münchener, dann für die übrigen Hochschulen des Landes, schliesslich auch zur Verfügung der Reichsstudentenführung und in näherer Zukunft liegt auch die Möglichkeit, das Lager den Dozenten usw. zur Verfügung zu stellen.“858 Auch eine Segelschule für Studierende wurde ins Leben gerufen: „Die Segelschule startete, und es entwickelte sich damit auch neben den ganzen sportlichen Veranstaltungen wie im Winter die Skiwettkämpfe innerhalb der Universitäten und Technischen Hochschule, jetzt im Sommer ein reges Kameradschaftsleben in Seeshaupt am Starnberger See, an der Südspitze des Sees gelegen. Es kam zu der festen Anstellung eines Segellehrers, wir hatten ungefähr 4 oder 5 Boote, und dabei lernte ich dann auch die Studentinnen näher kennen, die im Studentenbund tätig waren“859, so Julius Doerfler. Um die geplanten Studentenlager mit politischer und sportlicher Schulung in vollem Umfang durchführen zu können, erwarb das Studentenwerk im selben
857 Interview mit Gertraud B. vom 27.7.2005. 858 BayHStA, MK 40802. Studentenwerk München e. V. an das Staatsministerium für Unterricht und Kultus vom 16.10.1937. Um zusätzliche finanzielle Mittel zu erhalten, wurde der Hotel- bzw. Gaststättenbetrieb vom Studentenwerk für zahlende Privatgäste und erholungsbedürftige Studenten weitergeführt. 859 Doerfler, 268.
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Jahr zusätzlich ein zehn Hektar großes Parkgrundstück aus Privatbesitz mit direktem Anschluss an den ersten Grund.860 Studentenwerk und Studentenbund legten auf den Erwerb dieses Besitzes besonderen Wert. Erst auf dem erweiterten Gelände war die Durchführung von geplanten Studentenlagern in vollem Umfang möglich, in denen die jüngeren Semester der Münchner Hochschulen je eine Woche untergebracht und sportlich wie politisch geschult werden sollten.861 Im Laufe der nachfolgenden Jahre errichtete man auf dem ehemaligen TorfwerksGelände eine Gauschule, die gleichzeitig 30 Hotelbetten, ein Gemeinschaftslager von 40 Betten, eine moderne Küche zur Verpflegung von bis zu 400 sowie einen Schulungsraum für bis zu 100 Personen enthielt. Der Betrieb galt im Gau München-Oberbayern als „ein nicht mehr wegzudenkender Erziehungsfaktor im Rahmen der politischen Erziehung und Ausrichtung der deutschen Studenten und Studentinnen“862 und symbolisierte bzw. ergänzte die Indoktrination und Indienstnahme des akademischen Nachwuchses außerhalb der hochschulinternen Ausbildung: „Man ist eingeführt worden in das Leben an der Hochschule. Das war in Seeshaupt […]. Und da hat man uns halt gesagt, was es für Vorlesungen gibt und Seminare. Wissen Sie, wir hatten ja gar keine Ahnung gehabt, wie’s an der Uni zugeht. Mir hat man bloß gesagt: „An der Uni kannst du immer ausund eingehen, da brauchst du keine Schulaufgaben machen, und wenn du mal nicht gehst, macht es auch nichts“, gell. Wir haben keine Ahnung gehabt, und das war das Einführungslager. Und da […] haben’s wahrscheinlich auch gesagt, dass es den Studentenbund gibt und dass man wahrscheinlich reingehen soll. […] Das hat sich nur Einführungslager genannt. Aber das war ein Nachmittag, das war praktische Information über die Universität, wo man auch fragen konnte, wo die uns eben gesagt haben, wie’s da zugeht. Weil wir sind da völlig [ahnungslos gewesen/P. U.]. Wissen Sie, damals haben noch wenig Leute studiert, relativ wenig am Land, gell. Bei mir hat in Peißenberg kaum jemand studiert gehabt. Die Ärzte, die wir haben, und die Pfarrer, aber sonst niemand, gell. […] Da waren wir bestimmt schon ein paar Wochen an der Uni, sind wir schon umeinandergetappt. […] Ich glaube, dass bei der Einführung gesagt worden ist, wir sollen da reingehen. Und voraussichtlich haben wir uns da gemeldet.“863
860 Vgl. BayHStA, MK 40802. Auszug aus dem Kaufvertrag vom 11.12.1937. 861 Vgl. UAM, StudW 199 II. St. M. f. Unt. u. Kult. an den Herrn Reichs- u. Preuss. Minister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung vom 5.11.1937. 862 BayHStA, MK 40802. Gaustudentenführung München-Oberbayern an das Bayer. Staatsministerium für Unterricht und Kultus vom 29.7.1942. 863 Interview mit Catharina B. vom 3.5.2005.
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Schenkt man entsprechenden Persilscheinen ehemaliger Studierender Glauben, so gehörte es mit zur politischen Beeinflussung, missliebige Angehörige des Lehrkörpers wie den Historiker Götz Freiherr von Pölnitz in den Lagern zum Diskussionspunkt zu machen: „Die Frage seiner politischen Haltung war schon Gegenstand in einem Einführungslager der Münchner ANST, das ich zu Beginn meines Studiums 1941 mitmachen musste. Die Referentin anerkannte zwar die formale Loyalität des Herrn Dr. v. Pölnitz, betonte aber vom nationalsozialistischen Standpunkte aus, dass sie, im Gegensatz zu anderen Historikern, dieser Loyalität nicht trauen könne.“864 Was die Studierenden selbst betraf, leistete die verstärkte Institutionalisierung der Lager der weiblichen und männlichen Indienstnahme unmittelbaren Vorschub. So wurden alle Erst- und noch nicht vom NSDStB erfassten Zweitsemester zu Beginn des ersten Trimesters 1940 auf Befehl des Reichsstudentenführers in Einführungslager der Studentenführung der Universität München einberufen. Hier erhielten sie eine entsprechende Teilnahmebescheinigung, die sie erst zur Immatrikulation berechtigte.865 Allein zu Beginn des zweiten Trimesters 1940 wurden auf diese Weise drei je zweitägige Einführungslager für weibliche Erstsemester in Seeshaupt durchgeführt, um die Frauen mit Aufgaben und Sinn des Studentenbundes vertraut zu machen sowie sämtliche praktische Fragen des studentischen Einsatzes zu klären866: „Ich war gerade dem Arbeitsdienst entronnen und freute mich auf den Beginn der Studien, da wurden alle Erstsemester zur einführenden Schulung nach Seeshaupt abkommandiert. Hier der aufschlußreiche, zornige Brief an meine Eltern: 28. September 1940. ‚In Seeshaupt hat es geregnet, der See war ziemlich stürmisch. Der Betrieb so ähnlich wie im RAD: Betten, in denen schon vorher andere geschlafen hatten, die Referate einfach grausig. Das nennt man dann akademische Freiheit, […] nichts wie Zwang, Freiheit nicht um fünf Pfennig! Nicht einmal auf der Uni läßt man uns in Ruh!‘ Es folgt die Erklärung des teuflisch raffiniert ausgeklügelten Zwangssystems: ‚In der deutschen Studentenschaft sind alle von selber. Daneben existiert noch ein Studentenbund, der ANST (Allgemeiner Natio
864 BayHStA, MK 55055. Abschrift der schriftlichen Darlegungen von Amalie Stahl vom 28.3.1946. Einer weiteren Zeugenerklärung zufolge wurde von Pölnitz in seinen Vorlesungen permanent bespitzelt und überwacht, während NS-Studentinnen und ANSt-Führerinnen über seinen Unterricht berichteten. Vgl. ebd. Abschriften der Zeugenerklärung von Ernst Deuerlein über Dr. Götz Freiherr von Pölnitz vom 9.4.1946. 865 Vgl. UAM, Sen. 147 Band 3. Studentenführung der Universität München an den Syndikus der Universität vom 4.1.1940. 866 Vgl. BArch, RSF II* 533. Amt Studentinnen. Semesterbericht II. Trimester 1940 vom 2.7.1940.
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nalsozialistischer Studentenbund [sic!]).867 Der Sinn des Lagers war nur, uns in diesen Club aufzunehmen, was angeblich freiwillig ist. Ich habe mich noch nicht gemeldet. Gründe für den Eintritt wären: 1. Man kann nicht ins Ausland ohne ANST, auch wenn man das Studium selbst bezahlt. 2. Man bekommt ermäßigte Karten für Theater und Konzert nur noch mehr über den ANST. 3. Bei Hörgeldprüfungen und dergleichen werden ANST-Mitglieder bevorzugt. Dagegen spricht: 1. Zwei Stunden wöchentlich ist Kameradschaftsabend zu besuchen. 2. Eine Stunde Sport im ANST, neben den allgemeinen 1 1/2 Stunden Pflichtsport! 3. Beitrag entrichten, je nach Geld von zu Hause. Dieser Dienst dauert die ersten drei Semester, dann wird man Altkameradin und braucht nur noch einmal im Monat hin. Ist man nicht dabei, kann man während des Semesters an einem Nachmittag irgendwohin geschickt werden und dort helfen müssen. In Ernte- und Fabrikdienst müssen alle, ob dabei oder nicht, nur bleiben Mitglieder im Heimatgau, während man sonst ins Protektorat kommt. Außerdem muß jeder einen Rotkreuzkurs zweimal wöchentlich abends ableisten. Wann soll man denn da studieren? Zu was sind wir denn auf der Uni? Schreibt bitte gleich, was soll ich machen? In den Club gehen und abends immer wegbleiben oder nicht? Das Essen in Seeshaupt war mau! Herzliche Grüße Gigi, en rage! (wütend!)‘ Die Frage an die Eltern war utopisch, es blieb gar nichts anderes übrig, als dem ANST beizutreten. Ein aufbewahrtes Pflichtenheft bestätigt für das 3. Trimester 1940 und das 1. und 2. Trimester 1941 die Teilnahme an der Gruppenarbeit, für das Wintersemester 1941/42 eine unregelmäßige Teilnahme als Altkameradin in der Gruppe. Unterschrieben: Uhlemann, Gaureferentin.“868 Für die Arbeit der ANSt an den einzelnen Universitäten bzw. Hochschulen war ein derart rigoroser Expansionskurs allerdings nicht immer vorteilhaft, „weil
867 An dieser Stelle zeigt sich der mitunter schwierige und daher notwendigerweise kritische Umgang mit Memoiren bzw. Autobiographien. In der DSt waren nicht alle Studenten automatisch, wie in Kapitel II, 2, gezeigt worden ist. Darüber hinaus stand die Abkürzung „ANST“ im Dritten Reich nicht für den „Allgemeinen Nationalsozialisten Studentenbund“, sondern für die sog. „Arbeitsgemeinschaft Nationalsozialistischer Studentinnen“, kurz ANSt. 868 Hiller, 167 f.
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die Bemühungen, aus der ANSt eine politisch homogene, einsatzfreudige Gruppierung zu machen, dadurch erheblich erschwert wurden. Dies gilt gerade für die Universität Würzburg, an der traditionell viele katholische Studentinnen immatrikuliert waren.“869 Ein Sonderbericht über die Hans-Schemm-Hochschule für Lehrerbildung in München-Pasing bestätigt die These Grüttners. Obwohl die Studentinnen zu Beginn 1939 fast zu 100 % in der ANSt erfasst waren, ließ sich diese äußerliche Tatsache nicht unbedingt auf eine innere Bereitschaft zur freiwilligen Mitarbeit zurückführen: „Die Mädels melden sich zur ANSt, einfach weil sie müssen, die Schulleitung verlangt dies.“870 Auch Scherb kommt in ihrer Untersuchung über die Universität Freiburg zu dem Urteil, dass sich die hiesigen „ANStlerinnen längst nicht mehr derart linientreu“ verhielten wie in den ersten Jahren der NS-Herrschaft. So zeigte sich die zuständige Gau-ANSt-Referentin im Februar 1939 äußerst unzufrieden mit der Arbeit der Frauen. „Anscheinend fußte deren Mitgliedschaft in der ANSt nun nicht mehr auf politischer Überzeugung, sondern war entweder die automatische Folge früherer BDM-Zugehörigkeit, hing mit den Förderungsbedingungen des Studentenwerks zusammen oder beruhte auf dem weit verbreiteten Missverständnis, dass jede deutsche Studentin bei ihrer Immatrikulation auch in die Parteiorganisation einzutreten habe.“871 Die Mitgliedschaft in einer der zahlreichen Arbeitsgruppen entsprach demnach nicht zwangsweise einer radikal NS-konformen Einstellung. Selbst Katharina Schüddekopf, die sich später im Kreis der „Weißen Rose“ bewegte, gehörte während ihrer ersten drei Semester an der Universität zur ANSt.872 Wieder andere Frauen ließen sich aus reiner Sympathie oder aber aus sozialpraktischen Gründen für die Arbeitsgemeinschaft anwerben, wie das Beispiel von Fides von Gontard zeigt, Volkswirtschaftsstudentin und seit 1941 Leiterin des Amtes Studentinnen der LMU. Ursprünglich zwischen dem Beruf der Buchhändlerin oder der Fürsorgerin schwankend, entschied sich die Abiturientin für letzteren, obwohl sie sich nach eigenen Angaben kaum dazu berufen fühlte: „Ich war auch nicht durch die Jugendbewegung dazu motiviert, die ich ziemlich intensiv mitgemacht hatte.“873 Ausschlaggebend dürfte wohl eher der Umstand gewesen sein, dass die Eltern ihrer Tochter aufgrund politischer Bedenken strikt verboten, den Arbeits-
869 Grüttner, 355. 870 BArch, RSF II* 540 (a 438). Sonderbericht über die H. f. L.-Pasing vom 4.3.1939. 871 Scherb, 225. 872 Vgl. Pauwels, 108. 873 Fides v. Gontard und Olga Büren. In: Sabine Hering/Edith Kramer (Hgg.): Aus der Pionierzeit der Sozialarbeit. Elf Frauen berichten. Weinheim, Basel 1984, 114, künftig zitiert als Gontard/ Büren.
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dienst abzuleisten, auch wenn dieser der 19-Jährigen – solange er noch freiwillig gewesen war – als durchaus sinnvolle Angelegenheit erschien, „vor allem, wenn man auf eine menschlich aufgeschlossene Leitung traf.“874 Die verwehrte Gelegenheit sinnvoll, d. h. im weitesten Sinne wohl sozial tätig gewesen zu sein, sowie ein gewisses Maß an jugendlicher Trotzreaktion mögen letzten Endes jedoch den Ausschlag für den Beruf der Fürsorgerin und gegen die Buchhandelslehre gegeben haben. Nach Abschluss der durch den Kriegsbeginn verkürzten Ausbildung wurde von Gontard sofort dienstverpflichtet und entschied sich im Rahmen der Auswahlmöglichkeiten für die Stelle als Betriebsarbeiterin in einer Heeresmunitionsanstalt.875 Unzufrieden mit ihrem Aufgabenbereich, der u. a. in der Kontrolle der aus allen Gesellschaftsschichten zum Einsatz herangezogenen Frauen bestand, und beseelt von dem Wunsch, später erneut in die Industrie zu gehen, gab sie die Stelle bereits nach einem Jahr auf und schrieb sich an der Universität ein: „1940 habe ich in München angefangen, Volkswirtschaft zu studieren. Das Studium befriedigte mich aber nicht sehr, weil ich mich zunehmend mehr für Soziologie interessierte. Soziologische Fragen wurden aber damals in München weitgehend ausgeklammert. So nahm ich die Bitte der „Arbeitsgemeinschaft nationalsozialistischer Studentinnen“ an, ihnen mit meiner einschlägigen Vorbildung zu helfen. Es waren Menschen, die mir gefielen, da habe ich mitgemacht.“876 Auch die offenbar letzte ANSt-Referentin der LMU gab im Zeitzeugeninterview an, mehr zufällig aktives Mitglied geworden zu sein: „Damals gehörte, ich weiß nicht, ob Sie den Starnberger See kennen, Seeshaupt, und der Lido, gehörte
874 Ebd. 875 Die Aufgabe einer Betriebsarbeiterin kam der Funktion einer Vertrauensfrau gleich, eingesetzt und bestimmt von dem im August 1934 geschaffenen Frauenamt der DAF. Als „Interessensvertreterin“ dieser Angestellten war die Vertrauensfrau alleinige Vertreterin für sämtliche weibliche Belange innerhalb der jeweiligen Firma, zu denen u. a. der Mutterschutz gehörte. Nachdem von Gontard eine – wenn auch kriegsbedingt verkürzte – Ausbildung vorzuweisen hatte, kann davon ausgegangen werden, dass sie in der Heeresmunitionsanstalt als sog. „Soziale Betriebsarbeiterin“, eingesetzt in Firmen mit mehr als 250 beschäftigten Frauen, die Aufgaben einer Vertrauensfrau übernahm. „Während die übrigen Vertrauensfrauen offenbar nur eine kurze Schulung mitmachten und nebenamtlich tätig waren, musste die Soziale Betriebsarbeiterin neben der Kenntnis der betrieblichen Arbeit eine sozial- und arbeitspädagogische Ausbildung vorweisen, die sie befähigen sollte, ‚dem Betriebsführer und dem Vertrauensrat in der Sorge um das Wohl der Gefolgschaft helfend zur Seite‘ zu stehen.“ Klinksiek, 111 f. Dass im nationalsozialistischen Staat trotz aller gegenteiligen Beteuerungen damit immer auch die Erfassung bzw. ideologische Durchdringung der Angestellten verbunden war, spiegelt sich in von Gontards Begründung wider, die Stelle aufzugeben und sich an der Universität einzuschreiben. 876 Gontard/Büren, 115.
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damals dem Studentenwerk […]. Und da waren immer Einführungstage, Samstag, Sonntag, oder das weiß ich jetzt nicht mehr genau, für die Studentinnen. So bin ich in die ANSt gekommen. Ich war also auch bei diesem Einführungstag für die Erstsemester und da hat mich dann die damalige Uni-ANSt-Referentin angesprochen, ob ich nicht mitarbeiten wollte. Später hat sie mir gesagt: „Du hast so ein tolles Kleid angehabt, das hat mir imponiert“, und da hat sie mich deshalb [angesprochen/P. U.] – also lächerlich direkt, wie man in was reinrutscht. Aber wer nicht in die ANSt ist, ist halt nicht in die ANSt. Es waren also sehr viele, die nicht dabei waren.“877 Obwohl man den sowohl auf dem Papier als auch in der Praxis sicherlich nur bedingt zu Kontrollierenden mit der verstärkten Institutionalisierung von Lagern und einer direkten Erfassung bei der Immatrikulation beizukommen versuchte, ist Manns zuzustimmen, wonach sich weder quantitative Angaben über die wirkliche Anzahl von Aktivistinnen noch über diejenigen Studentinnen machen lassen, die sich Pflichtveranstaltungen möglicherweise entzogen oder gar verweigert haben. Wenngleich ANSt-Gruppen Mitgliederstatistiken während einiger Semester geführt und zur Auswertung an die RSF weitergeleitet haben, waren in den im BArch eingesehenen Akten keinerlei amtliche Quellen auffindbar. Ähnlich verhält es sich mit der Entwicklung der Mitgliederzahlen. Sie können ebenfalls nur ansatzweise dargestellt werden, zumal diesbezügliche Nachweise nicht konsequent erbracht bzw. herausgegeben wurden.878 Vielmehr finden sich in den Quellen schon in den ersten Jahren der NS-Herrschaft immer wieder entsprechende Rundschreiben des Hauptamtes für Studentinnen mit Aufforderungen und Mahnungen, Semesterberichte pünktlich einzureichen und den permanenten Verzögerungen entgegenzuwirken.879 Gertraud S., ehemalige ANStFührerin der Universität München, bestätigte diesen Sachverhalt, wonach nur unregelmäßig bzw. niemals Listen über Mitglieder geführt worden seien und es zudem weder Beitragserhebungen noch Ausweise gegeben habe: „Somit konnten wir auch keinerlei Kontrolle ausüben.“880 Entgegen der Aussage von Gertraud S. gab es jedoch im Pflichtenheft Abschnitte für den Nachweis der ANSt-Tätigkeit, darunter Ein- und Austrittsdatum sowie Teilnahmefelder für Gruppenarbeit.881
877 Interview mit Gertraud S. vom 26.5.2005. 878 Manns, 33. 879 Vgl. dazu bspw. BArch, NS I* 80g 43/2. Rundschreiben Nr. 5 VI/H – 1936 des Hauptamts für Studentinnen. Berlin vom 18.7.1936, sowie BArch, RSF II* 532. Gertraud Lübbe an die ReichsANST-Referentin Dr. Anne [sic!] Kottenhoff vom 1.7.1939: „Trotz mehrfacher Mahnung habe ich noch nicht von allen Hochschulen des Gaues die Semesterberichte erhalten.“ 880 Getraud S. in einem Brief an P. U. vom 27.5.2005. 881 Vgl. Abb. 39.
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Wie konsequent diese Felder ausgefüllt wurden und wie stark die Anwesenheit der Einzelnen kontrolliert wurde, hing primär jedoch immer von der Sorgfalt und dem Pflichtbewusstsein der jeweiligen ANSt-Funktionärin ab: „Ich glaube, ich war ein- oder zweimal dort. Die hat’s eigentlich nur mehr dem Namen nach gegeben. Wir waren da auch nie gequält und gar nichts, ist auch nie kontrolliert worden, ob wir drin sind, gell.“882
Abb. 39: Auszug aus einem Pflichtenheft der 1940er Jahre
Noch im Frühjahr 1939 erfolgte die Erfassung der neu an die Hochschulen kommenden Studierenden in der Gauschule Seeshaupt. Daneben belegte man Schloss Schwindegg bei Mühldorf, ein Renaissance-Wasserschloss etwa 60 Kilometer östlich von München, das jedoch 1944 als Lazarett für die NS-Organisation Todt in Beschlag genommen wurde.883 In mehreren Erfassungslagern ließen sich so hunderte Männer und Frauen in zwei- bis dreitägigen Gemeinschaftslagern aufnehmen, zu denen auch angehende Studenten der Meisterschule für Buchdrucker, der Gartenbauschule Weihenstephan, der Akademie für Tonkunst und
882 Interview mit Catharina B. vom 3.5.2005. 883 Vgl. hierzu http://www.chronik-schloss-schwindegg.de vom 3.1.2012.
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der TH gehörten. Obwohl die Immatrikulationen an der LMU im Sommersemester 1939 nur gering waren und die Zahl der angehenden Mediziner unter ihnen überwog, musste die Studentenführung dennoch sechs Lager zu je 50 Erstsemestern abhalten. Für die Studentinnen fand das Einführungstreffen dagegen am 12. und 13. April in Seeshaupt statt.884 Wie ein Auszug aus dem Monatsbericht der Gaustudentenführung München-Oberbayern zeigt, hielt ein Vertreter der RSF zum Abschluss der Lager eine Ansprache zu den Studierenden über „unsere Weltanschauung“885. Das passenderweise als „Erfassungslager“ bezeichnete Zusammentreffen männlicher Erstsemester beschreibt ein Propagandabericht vom Juni 1939: „Nun war es also endlich geschafft. Arbeits- und Wehrdienst lagen hinter mir. Jetzt konnte ich mich mit ganzer Kraft dem Studium widmen. Auch jener Berg von Vordrucken und Fragebogen, der dem angehenden Studenten ausgehändigt wird, war glücklich bewältigt. […] Da brachte mir eines Tages der Briefbote eine Einberufung der Studentenführung der Universität München zu einem zweitägigen Kameradschaftstreffen auf Schloß Schwindegg bei Mühldorf. Weitere Angaben über Sinn und Bedeutung dieses Treffens waren in dem Einberufungsschein nicht enthalten […]. Aber es konnte sich meiner Meinung nach nur um eines jener Lager handeln, die wir alle in irgendeiner Form schon einmal mitgemacht hatten, und die uns wegen des unpersönlichen und strengen Tones, der dort vorherrschte, nicht gerade in der angenehmsten Erinnerung waren.“ Im weiteren Verlauf der Schilderung wird der zwanglose Charakter des Zusammentreffens betont, welches unverhohlen als Propagandaveranstaltung für die Kameradschaften des NSDStB diente: „Zu dieser Kerntruppe des Führers zu gehören, muß die höchste Ehre für jeden Studenten sein.“ Verschiedene Arbeitsgemeinschaften mit Angehörigen Münchner Kameradschaften sowie diverse Vorträge und eine Feierstunde mit Musik und Lesungen von Kriegserzählungen hatten genügt, „die Menschen, die dort versammelt waren, zu beeindrucken. […] Wir waren alle mit einer gewissen Zurückhaltung nach Schwindegg gekommen in der Erwartung, dort eine Atmosphäre des Zwanges anzutreffen. Wir verließen Schwindegg unter dem Eindruck des Rufes, der dort an uns erging. Wir, die Erstsemester 1939, sind bereit, an der Aufgabe, die dem deutschen Studententum gestellt ist, mitzuarbeiten. Ja, wir sind stolz darauf, im Dienst an der
884 Vgl. F. K.: Studentenerziehung durch Auslese. In: DB vom 18.4.1939. 885 BArch, RSF II* 47. Reichsstudentenführung. Akten-Vermerk vom 5.5.1939. Zur Schulung auf dem Wasserschloss vgl. auch Doerfler, 257: „Dort konnten Kameradschaftsführer während der Wochenenden Kurse durch das Amt Politische Erziehung der Reichsstudentenführung, aber auch durch mich und meine Mitarbeiter bekommen.“
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Gemeinschaft an einer Stelle eingereiht zu werden, die jedem von uns die Entfaltung seiner besten Kräfte erlaubt. Deshalb werden wir in den Kameradschaften des NSDStB zu finden sein.“886 Im Juni 1939 nahm u. a. auch der Mailänder Studentenführer eine Einladung zum Treffen mit Gaustudentenführer Doerfler in Seeshaupt an, da gerade diese vollkommen neuartige Einrichtung als „beispielgebend auf dem Wege zur Erstellung geeigneter studentischer Erziehungsanlagen“887 angesehen wurde. Dies galt umso mehr, als NS-Funktionäre nicht müde wurden zu betonen, dass der Großteil der anfänglich skeptischen männlichen Erstsemester nach dem Besuch der Einführungslager ihre Mitarbeit in den Kameradschaften erklären würde: „Es ist immer wieder eigenartig, wenn man als Lagerleiter vor dem Strandbad steht und dem langen Zug von Zivilisten entgegensieht – erstsemestrige Studenten, die vor der Immatrikulation nach Seeshaupt befohlen wurden. Man fühlt geradezu die Opposition und den Widerwillen schon von weitem. […] Als sie nach einem fröhlichen Kameradschaftsabend die Erlebnisse des ersten Tages überschlafen hatten, ihnen am nächsten Tage ein Bild unserer Kameradschaften aufgezeigt worden war, waren sie zum größten Teil grundsätzlich bereit, in unseren Reihen mitzuarbeiten.“888 Wenngleich die „wandlungsfähige“ Anlage überdies als Besprechungs- und Versammlungsort – etwa für die Durchführung der Erntehilfe sowie für Lager der ANSt-Gruppenführerinnen und Kameradschaftsführer – diente, und sämtliche Erst- und Zweittrimester noch im ersten Kriegstrimester 1940 in Einführungslagern erfasst wurden889, fungierte das Areal am Starnberger See zunehmend als Erholungsort für studentische Kriegsteilnehmer. Als Vorsitzender des Reichsstu-
886 Alle Zitate nach Erstsemester im Erfassungslager. In: DB vom 6.6.1939. 887 Tag der Kameradschaft. Großkundgebung der Studentinnen. In: DB vom 27.6.1939. Hervorhebung P. U. 888 Einführungslager in Seeshaupt. In: Student im Bereich Süd. Beilage der „Bewegung“ für die Gaue: München-Obb., Schwaben, Bayerische Ostmark, Franken, Mainfranken vom 20.2.1940. Angeblich seien in einem Lager 100, in den übrigen 70 bis 90 % der Studenten in die Kameradschaften eingetreten. Vgl. ebd. 889 Zur Durchführung der Erntehilfe vgl. Wille und Weg. In: DB vom 20.8.1940, zu den ANStund Kameradschaftslagern exemplarisch Julius Doerfler: Die politische Arbeit im Kriege. In: Student im Bereich Süd. Beilage der „Bewegung“ für die Gaue: München-Obb., Schwaben, Bayerische Ostmark, Franken, Mainfranken vom 7.5.1940 sowie ANSt.-Lager des Gaues MünchenOberbayern. In: Student im Bereich Süd. Beilage der „Bewegung“ für die Gaue: München-Obb., Schwaben, Bayerische Ostmark, Franken, Mainfranken vom 21.5.1940. Was die Erfassung der Trimester betrifft, sei auf folgenden Artikel verwiesen: Hans Höfle: Das erste Trimester 1940. In: Student im Bereich Süd. Beilage der „Bewegung“ für die Gaue: München-Obb., Schwaben, Bayerische Ostmark, Franken, Mainfranken vom 23.1.1940.
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dentenwerks hatte Reichsstudentenführer Gustav Adolf Scheel in Seeshaupt im Hause des Studentenwerks München ein Erholungsheim durch den Gesundheitsdienst des Reichsstudentenwerks einrichten lassen. Für einen Zeitraum von vier bis sechs Wochen gewährte man ausgewählten Studenten hier einen Freiaufenthalt zur gesundheitlichen Kräftigung. Der erste Erholungsaufenthalt mit 24 überwiegend verwundeten Teilnehmern wurde mit Beginn der Weihnachtsferien 1940 eröffnet.890 Seit Kriegsbeginn wurde das Strandbad Seeshaupt primär als Gaustudentenführerschule sowie als Erholungsheim für aus der Wehrmacht entlassene verwundete Studenten verwendet. Aufgrund der Anerkennung durch die Wehrmacht stand der Hotelbetrieb des Bades in erster Linie erholungsbedürftigen männlichen Studierenden zur Verfügung und erhielt dieselben Zuteilungen wie bspw. Kurlazarette. Finanziell betrachtet bedeutete dies dennoch eine deutliche Belastung für das Studentenwerk, da mit den gesundheitlich angeschlagenen Männern kein Gewinn erwirtschaftet werden konnte und entsprechende Zuschüsse geleistet werden mussten.891 Nennenswerte Einnahmen ergaben sich lediglich durch die Vermietung von Hotel und Lager für befreundete Parteigliederungen, darunter an die Wehrmacht (Luftwaffe) zur Heranbildung von Luftnachrichtenhelferinnen im Frühjahr 1943.892 In den Lagern fanden dagegen nach wie vor die Schulungskurse des Studentenbundes, der HJ sowie des IfL statt.893 Noch im April 1944 führte die ANSt in Seeshaupt eine Arbeitstagung der Referentinnen für Wissenschaft und Facherziehung an den wissenschaftlichen Hochschulen durch.894 Im September des Jahres fand darüber hinaus sogar ein Reichslager für die Gruppenführerinnen der ANSt statt. Ziel war es, die lokalen Führerinnen mit dem kompletten Bereich studentischer Arbeit vertraut zu machen und ihnen Arbeitsmaterial sowie geistige Anregungen für die Gestaltung und Durchführung der Gruppenarbeit zu geben: „Da ein großer Teil der Studentinnen im WS. 1944 nicht an die Hochschulen zurückkehrt, sondern in den Kriegseinsatz gehen wird, muß sich die Arbeit der ANSt. an den Hochschulen den neuen Gegebenheiten anpassen. Aus diesem Grunde galt diesmal das erste Lager […] grundsätzlichen Besprechungen mit den ANSt.-Referentinnen der wis-
890 Vgl. Ein Erholungsheim für studentische Kriegsteilnehmer. In: DB vom 31.12.1940. 891 Vgl. BayHStA, MK 40802. Gaustudentenführung München-Oberbayern an das Bayer. Staatsministerium für Unterricht und Kultus vom 29.7.1942. 892 Vgl. ebd. Walther Wüst an das Staatsministerium für Unterricht und Kultus in München vom 15.2.1943 sowie ebd. [Eduard] Friedel an das bayer. Staatsministerium für Unterricht und Kultus vom 2.4.1943. 893 Vgl. ebd. [Eduard] Friedel an [Emil] Klein vom 10.8.1943. 894 Vgl. Die Wissenschaftsarbeit der Studentin. In: DB vom Mai 1944.
3.9 Lager
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senschaftlichen Hochschulen, die einen Plan für die Weiterführung der örtlichen Arbeit brachten.“ Die weiteren Lager waren zur einheitlichen Ausrichtung der Gruppenführerinnen gedacht, deren Arbeit grundsätzlich gleichbleiben, jedoch durch Einbeziehung der im Kriegseinsatz stehenden weiblichen Studierenden Änderungen erfahren musste. Aus diesem Grunde stand die praktische Arbeit in diesen Lagern im Vordergrund, d. h. erstmals wurde hier „auch Werkarbeit durchgeführt, um vor allem den Studentinnen, die im totalen Kriegseinsatz stehen und unter Umständen auch gruppenweise eingesetzt werden, Anregungen z. B. für die Ausgestaltung von Räumen in Einsatzlagern, Herstellung von Gebrauchsgegenständen usw. zu geben.“895 Entsprechende Semestereinführungslager für Studierende dürften demgegenüber aber spätestens mit Beginn des totalen Kriegseinsatzes für Studentinnen und Studenten auch in München nicht mehr stattgefunden haben, nachdem die Studiengenehmigungen drastisch beschränkt worden waren und lediglich Angehörige kriegswichtiger Fachrichtungen, Kriegerwitwen, Versehrte und Examenssemester an Universität und Technischen Hochschulen zurückblieben. Diese These wird gestützt durch einen Zeitungsartikel im Völkischen Beobachter, wonach im Mai 1944 für die Erstsemester der hiesigen Hochschulen ein Einführungstag von der Gaustudentenführung München-Oberbayern „zum Zwecke einer totalen Erfassung“896 durchgeführt wurde. Im Rahmen der neuen Einrichtung machte man die Studentinnen und Studenten in den Häusern der lokalen Kameradschaften des NSDStB innerhalb eines Tages mit den Problemen des Studiums und ihren Verpflichtungen als angehende Akademiker vertraut. Nach diesem Eröffnungsreferat sprachen die Amtsleiter der Gaustudentenführung sowie die ANSt-Referentinnen über ihre Aufgabengebiete. Vertreter der einzelnen Fachrichtungen, Kameraden des NSDStB und die ANSt standen jeweils zur persönlichen Beratung zur Verfügung.897 Die Speicher und Abstellräume in Seeshaupt nutzte man mit Fortschreiten des Luftkrieges stattdessen als Lagerstätte für wichtige Einrichtungsgegenstände des Studentenwerks. Im April 1945 wurde das Strandbad schließlich als Luftwaffenlazarett belegt und nach Einzug der amerikanischen Truppen für die Aufnahme kranker KZ-Häftlinge in Anspruch genommen. Nach Abzug der Truppen
895 Alle Zitate nach Aufgaben der Studentin. In: DB vom August 1944. 896 UAM, Sen. 738/1. Gaustudentenführung München-Oberbayern an den Herrn Rektor der Universität München vom 23.3.1944. 897 Vgl. hp.: Das Studium beginnt. Einführungstag der Erstsemester. In: VB vom 25.5.1944, hier nach UAM, Sen. 365/2.
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zogen Studenten, die keine Unterkunft in München fanden, in das leer stehende Haus ein.898
898 Vgl. BayHStA, MK 40802. Aufstellung über das vom Studentenwerk München verlagerte Eigentum im Hotel Strandbad Seeshaupt vom 18.12.1945, sowie ebd. Der Bürgermeister der Gemeinde Seeshaupt an Town Mayor vom 6.6.1946. Ebd. Auch Studentenwerk München, Angelegenheit UNRRA vom 8.7.1946. Zum Strandbad Seeshaupt vgl. ebenso Goossens, 143: „Nach mehrfachen Beschlagnahmungen durch Besatzungsmacht und Flüchtlingskommissariat bei Entwendung großer Teile des gesamten beweglichen Inventars steht dieses Heim seit März 1947 wieder im Wesentlichen für erholungsbedürftige Studenten zur Verfügung.“
V. Die Indienstnahme der LMU-Studentinnen im Krieg
1 Der Aufschwung des Frauenstudiums Obwohl bei Kriegsbeginn am 1. September 1939 zunächst alle deutschen Hochschulen geschlossen wurden, nahmen auf dem Territorium des „Altreichs“ schon am 11. September die Universitäten Berlin, München, Jena, Leipzig und Wien ihre Arbeit erneut auf. Am 1. Oktober, als der Krieg gegen Polen im Wesentlichen bereits abgeschlossen war, folgte die Wiedereröffnung der Universitäten in Königsberg, Breslau, Göttingen, Erlangen und Marburg. Kurze Zeit später öffnete auch die Universität Halle abermals ihre Tore. An den restlichen Universitäten begann der Vorlesungsbetrieb am 8. Januar.
Abb. 40: LMU-Studierende im Zweiten Weltkrieg, Rückseite Hauptgebäude (Amalienstraße)
Zwischen „Hörsaal und Front“ – um die Formulierung Grüttners zu übernehmen – bildete sich schließlich eine neue Studentenschaft heraus, die sich in fünf verschiedene Kategorien unterteilen lässt: „1. jugendliche Anfangssemester, denen die Einberufung noch bevorstand, 2. eine rasch wachsende Zahl von Studentinnen, 3. zum Studium abkommandierte Studenten, zumeist Medizinstudenten, 4. Wehrmachtsangehörige, die kurzzeitig für eine Fortsetzung ihres Studiums beurlaubt worden waren, und 5. eine sich rasch vergrößernde Gruppe
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von Kriegsversehrten.“1 Bedeutende Veränderungen lassen sich vor allem in der zweiten Gruppe und damit bei den weiblichen Studienaufnahmen konstatieren. Ihr Anteil war nach Beginn des Krieges im Herbst 1939, als sich durch die Wehrmachtseinberufungen die Anzahl der Universitätsstudenten auf 28.696 verringerte, sprunghaft auf 18,9 % gestiegen2: „Im Frühjahr 1939 hatte ich mit meinem Studium der Biologie an der Münchner Universität begonnen. Die anfänglich noch „normalen“ Verhältnisse, d. h. daß die Männer in der Überzahl waren, gab es bald nicht mehr.“3 Fragt man in diesem Zusammenhang nach den Gründen für den Anstieg der Studentinnen, so ist bereits vor Kriegsbeginn eine „einschneidende Veränderung“4 des Frauenstudiums zu berücksichtigen. Angesichts des sich im Rahmen der Zulassungsbeschränkung für Frauen abzeichnenden Akademikermangels im Jahre 1935 wurden Eltern von Abiturientinnen schon im September 1936, d. h. mit der Veröffentlichung des Vierjahresplans, „auf den Frauenseiten des „Völkischen Beobachters“ aufgefordert, notfalls Opfer zu bringen, um talentierten Töchtern ein Studium zu ermöglichen. Ein Jahr später ermunterte Reichserziehungsminister Rust die Oberschülerinnen öffentlich, ein Hochschulstudium aufzunehmen.“5 Verbunden mit dem Hinweis, die Erfordernisse des Vierjahresplans hätten die Ansicht, ein Hochschulstudium für Frauen sei aussichtslos, überholt6, warben seit 1938 sowohl RSF als auch Reichsstudentenwerk unter Abiturientinnen intensiv für die Aufnahme eines Hochschulstudiums.7 Der Schwerpunkt lag dabei besonders auf den naturwissenschaftlichen Fächern, die als Vorbereitung auf einen beruflichen Einsatz in der Industrie oder Forschung
1 Alle Zitate nach Grüttner, 361. Zu den fünf verschiedenen Studentengruppen kamen außerdem noch etliche tausend Wehruntaugliche hinzu. Vgl. ebd. sowie den Aufsatz des Historikers über die Studentenschaft 1930 bis 1945, in dem der Autor im Rahmen der Wiedereröffnung der Hamburger Universität am 8. Januar 1940 lediglich vier anstelle der hier angeführten fünf Kategorien von Studenten unterscheidet. Grüttner: Sorgenkind, 222. 2 Vgl. Weyrather, 159. 3 Ingrid Roth. Ein erfülltes Leben. In: Isolde Tröndle-Weintritt/Petra Herkert (Hgg.): „Nun gehen Sie hin und heiraten Sie!“. Die Töchter der Alma Mater im 20. Jahrhundert. Freiburg im Breisgau 1997, 230, künftig zitiert als Roth. 4 Jörg Paulsen: Zur Geschichte der Soziologie im Nationalsozialismus. Oldenburg 1988, 78. 5 Grüttner, 120. 6 Vgl. Weyrather, 159. 7 Vgl. Grüttner, 120. Vgl. dazu das Beispiel der Leiterin des Amtes Studentinnen in der RSF, Anna Kottenhoff, die sich vor allem um die Studentinnen der medizinischen, geisteswissenschaftlichen und juristischen Fächer bemühte, damit diese nach ihrem Hochschulabschluss in Organisationen der Nationalsozialisten arbeiteten; „für diejenigen, die Naturwissenschaften studierten, waren sogar schon Stellen in der Industrie vorhanden.“ Weyrather, 159.
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galten. Da man von einer starken Ausweitung der Aufgabengebiete der chemischen und physikalischen Industrie ausging, sollten die Studentenwerke Studierende gezielt auf den immensen Nachwuchsbedarf in den Fächern Chemie und Physik hinweisen und gegebenenfalls sogar einen entsprechenden Wechsel auf diese Gebiete empfehlen.8 Erleichterung versprachen in diesem Zusammenhang zwei Erlasse vom August desselben Jahres, die den Zugang zur Universität für „Begabte ohne Reifezeugnis“9 ermöglichten. Neben einer Begabtenprüfung auf Vorschlag einer urteilsfähigen Person bestand die Möglichkeit der Sonderreifeprüfung, die jedoch nur zum Studium für bestimmte Fächer berechtigte. Die Zahl der durch diese Maßnahme gewonnenen Studentinnen war allerdings sehr gering: Lediglich vier Frauen studierten im Sommersemester 1939, ohne ein Reifezeugnis erworben zu haben.10 Angesichts dieser kleinen Gruppe kommt dem Werdegang der am 18. März 1912 als sechstes Kind eines Buchhändlers geborenen Lotte Wölfle besondere Bedeutung zu. Obwohl die Absolventin der höheren Mädchenschule das Reifezeugnis durch einen Übertritt in die neunklassige Mittelschule erwerben wollte, wurde ihr dieser Wunsch verwehrt, da sie „zur Mithilfe in dem nach München verlegten elterlichen Geschäft bestimmt war.“11 Im Zeitzeugengespräch erinnerte sich die gebürtige Freisingerin, die nach 1945 zu den einflussreichsten deutschen Antiquarinnen zählte, an ihren (Um-)Weg zum Studium: „Ja, ich […] habe praktisch zuerst die Schule in Freising besucht bei den Armen Schulschwestern. Das war eine Höhere Mädchenschule. Allerdings haben wir da auch eine ganze Menge auch von Buchhaltung und Stenographie und diesen Dingen mitbekommen. Aber das hat mir nicht genügt und ich wollte immer aufs Gymnasium gehen. Aber meine Eltern hatten ein Vorurteil, dass man mit Buben zusammen wäre. Und außerdem war Freising ja da sehr konservativ und sehr rückständig, darf ich auch sagen, so dass also da das nicht möglich war. Dann zogen wir nach München, und […] zunächst hatte mein Vater mit mir etwas anderes vorgehabt. […] Da hätte ich eine Nähschule besuchen sollen, was mir gar nicht gelegen hat. Und mein Bruder war da, hat mich sehr unterstützt und hat gesagt: „Nein, nein, du machst
8 Bußmann, 75 f., sowie UAM, OC-N-5a-b. Der Reichs- und Preußische Minister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung an die Hochschulverwaltungen der Länder – außer Preußen – vom 17.8.1937. 9 Klinksiek, 44. 10 Vgl. Mertens: Töchter, 99. 11 Lotte Wölfle: Beiträge zu einer Geschichte der deutschen Zeitungstypographie von 1609– 1938. Versuch einer Entwicklungsgeschichte des Umbruchs. Diss. München 1943, Lebenslauf, künftig zitiert als Wölfle.
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eine Lehre für den Buchhandel, und du gehst dann zum Vater ins Geschäft.“ Und so war’s auch.“12 Nach einer dreijährigen Lehrzeit von 1928 bis 1931 blieb die junge Frau schließlich bis 1938 als Antiquariatsgehilfin tätig. Paradoxerweise sollte trotzdem der ihr „zudiktierte Wirkungskreis durch die Mannigfaltigkeit der Interessengebiete und durch den Verkehr mit Sammlern und wissenschaftlichen Schriftstellern reiche geistige Anregung und Belehrung“ bieten: „Durch studienmässig betriebene Lektüre und Fachkurse sowie von 1935 ab durch den Besuch von Vorlesungen an der Universität über Zeitungswissenschaft, Geschichte und Volkswirtschaft als Gasthörerin suchte ich meine praktische Tätigkeit mit einem gründlichen Wissen zu unterbauen. Herr Univ. Prof. Dr. Karl d’Ester und Herr Geheimrat Prof. Dr. Otto v. Zwiedineck-Südenhorst gestatteten mir die Teilnahme an Seminaren und Übungen und setzten sich auch weitgehendst persönlich zur Förderung meiner wissenschaftlichen Bestrebungen ein, als ich Zugang zu einem ordentlichen Studium über die Begabtenprüfung anstelle des Abiturs anstrebte.“ 1938 legte Wölfle ihre Prüfung im Staatsministerium für Unterricht und Kultus ab und wurde eine „ordentliche Studierende“13 der Universität München: „Und da hatte ich dann Kontakt mit den Professoren der Uni, die ja seinerzeit noch sehr viel mehr sich um die Erwerbung von Büchern gekümmert hatten. […] Und da entstand dann bei mir die Meinung, ich sollte eigentlich da die Vorlesungen besuchen. Und habe [das/P. U.] auch dann erreicht, die waren mir sehr gewogen. Und hatte dann eben die Möglichkeit, ein reguläres Studium zu erwerben, nachdem ich dann die Begabtenprüfung gemacht habe. […] Und dann hatte ich also einen regulären Zugang zum Studium und habe das dann auch genutzt.“14 Der Kurswechsel in der Zulassungspolitik zur Hochschule machte sich auch im Bereich der Studienstiftung bemerkbar. Aufgrund des zunehmenden Mangels an akademisch ausgebildeten Frauen in nahezu allen Berufen revidierte die Stiftung ihre frauenfeindliche Haltung und ging dazu über, insgesamt mehr Stipendien an weibliche Studierende zu vergeben. Infolgedessen stieg ihre Zahl an allen Förderungen von 6,3 % (1937) auf 10,7 % (1938).15 Darüber hinaus sollten die Verantwortlichen innerhalb der Studienberatung Abiturientinnen fortan nicht mehr
12 Interview mit Dr. Lotte Roth-Wölfle vom 11.5.2005. 13 Alle Zitate nach Wölfle, Lebenslauf. 14 Interview mit Dr. Lotte Roth-Wölfle vom 11.5.2005. 15 Vgl. Pauwels, 29 f. Aufgrund diverser Überlegungen zur Bevölkerungspolitik wurde zudem beschlossen, Studentinnen noch in anderer Form zu unterstützen. „From 1937 onwards, a fiftymark ‘delivery allowance’ (Entbindungshilfe) was paid to every female student, married or not, who gave birth to a child.“ Ebd., 30. Zur weiteren Entwicklung weiblicher Förderungen im Krieg siehe ebd., 98.
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von einem Studium abraten, sondern auf bestimmte Studienfächer hinlenken.16 Neben den Stipendien der Stiftung erfuhren die Frauen eine weitere finanzielle Unterstützung durch Gründung der von Scheel initiierten sog. „Vorstudienausbildung“ im Jahre 1942. Ziel des Reichsstudentenführers war es, Frauen im Alter von 20 bis 32 Jahren auszuwählen, deren finanzieller Hintergrund ihnen im Normalfall ein Studium unmöglich machte, und diese zwei Jahre lang auf Kosten der RSF zu schulen mit der Absicht, ihnen beim Erwerb der Hochschulreife behilflich zu sein. In der Folge sollten die Frauen sich für ein Fach ihrer Wahl imma trikulieren können. Die ersten Kandidatinnen wurden im Juli des Jahres vom Studentinnenbüro der RSF ausgewählt – 20 junge Frauen begannen schließlich im Herbst ihre ersten Unterrichtskurse. Weitere 50 folgten ein Jahr später.17 Neben der Ärztin galt die Wissenschaftlerin nun als kriegswichtiger Beruf für Frauen, weshalb man naturwissenschaftliche Forschungen auf etlichen Gebieten förderte und Naturwissenschaftlerinnen in entsprechende Projekte der Wehrmacht einbezog.18 Folgerichtig stieg die Zahl der Studentinnen im Bereich der Naturwissenschaften nach Ausbruch des Krieges an. Neben der gezielten Studienlenkung war dies vermutlich auch auf eine gewisse Abkehr von den geisteswissenschaftlichen Fächern zurückzuführen, die eher als ideologisch aufgeladen galten.19 Um den Anteil weiblicher Hochschulabsolventen zu erhöhen, kam es 1939 im Übrigen zu einer Neuregelung des Arbeitsdienstes. „Dem offiziellen (rein wirtschaftspolitischen) Interesse nach Steigerung des Frauenanteils entsprechend,
16 Weyrather, 159. „Das Studentenwerk schrieb 1941 zur Studienberatung, daß die Abiturientinnen auf ‚für den weiblichen Berufseinsatz vorbestimmte Gebiete‘ hingelenkt werden sollten, […] fügte aber geradezu zynisch hinzu: ‚Freilich darf das nicht so verstanden werden, daß der Einsatz der Mädchen auf ganz bestimmte Ausbildungszweige beschränkt werden soll. Eine bestimmte Begrenzung dieser Art wäre angesichts der Vielseitigkeit des Lebens immer ein Unrecht.‘ Die Studentinnen sollten sich in jedem Fach ‚entsprechend den tatsächlichen Verhältnissen‘ auf ein ‚besonders für Frauen geeignetes Gebiet‘ vorbereiten.“ Ebd. 17 Vgl. Pauwels, 98. 18 Vgl. Bußmann, 76. 19 Vgl. Adam, 191 f. Für den Frauenanteil in den einzelnen Studienfächern während des Krieges siehe Weyrather, 148 f.: „In den naturwissenschaftlichen Fächern an den Universitäten (Chemie, Physik, Mathematik und Geologie) stieg ihr Anteil an der Gesamtheit der Studierenden von 10,8 % 1939 auf 63,5 % 1943 und lag damit über ihrem durchschnittlichen Anteil an allen Fächern, der an den Universitäten 1943 44,5 % betrug. An den Technischen Universitäten stieg ihr Anteil in demselben Zeitraum von 1,9 % auf 23,5 %, in absoluten Zahlen von 271 auf 2087, blieb aber weit unter dem Durchschnitt. Ähnlich war es in Jura, wo sich der Studentinnenanteil immerhin von 2,5 % 1939 auf 16,4 % 1944 erhöhte, in absoluten Zahlen bedeutete das allerdings nur eine Steigerung von 151 auf 561. In Medizin, dem Fach, in dem sie schon vor dem Krieg am stärksten vertreten waren, erreichten die Studentinnen nur einen Prozentsatz von 35,9 % 1943, obwohl ihre Zahl von 1939 bis 1943 von 3352 auf 14 078 stieg und sich damit vervierfachte.“
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brauchten die Studentinnen ab diesem Zeitpunkt zum Arbeitsdienst nicht mehr vor dem Studienbeginn anzutreten, sondern sie konnten die Ableistung auf die Semesterferien bzw. sogar auf das Ende des Studiums verschieben.“20 Klinksiek sieht darin einen Versuch zur Beschleunigung des Studiums, indem der Beginn vorgezogen wurde. „Die ‚fertige‘ Akademikerin konnte dann noch einmal gezielt in die Gemeinschaft eingeordnet – oder gezielt an einen Arbeitsplatz gestellt werden.“21 Im September des Jahres wurde vom REM verfügt, dass auch der Nachweis über eine pflichtgetreue Arbeit im Kriegshilfsdienst bis Ostern 1940 zum Abitur führte.22 Die Münchner Germanistikstudentin Maria Schweiger gehörte zu diesem Abiturjahrgang, der ohne Abschlussprüfung sofort zum Kriegshilfsdienst antreten musste: „Durch Erlaß des Kultusministeriums vom Sept. 1939 wurde unser Jahrgang bei Kriegsbeginn aus der Schule zum Arbeitsdienst entlassen und bekam im Frühjahr 1940 das Reifezeugnis. Vom 30. Oktober bis 31. März 1940 leistete ich den Arbeitsdienst im Reichsarbeitsdienstlager 13131 Mindelheim ab.“23 Obwohl, wie sie in einem Interview sagt, das Fach nicht ihrem Wunsch entsprach, nahm Hildegard Hamm-Brücher die Chance wahr, frühzeitig aus dem Arbeitsdienst zum kriegswichtigen Studium der Chemie entlassen zu werden: „Bevor ich 1939 an ein Studium denken konnte, mußte ich nach meinem Abitur […] meine ‚Arbeitsdienstpflicht‘ in einem ‚Maidenlager‘ im Vogtland absolvieren. Eines Tages Anfang Dezember verkündigte die Lagerführerin beim Morgenappell, daß sich Abiturientinnen, die Medizin oder Chemie studieren wollten, melden sollten. Ich trat ohne zu zögern vor und wurde nach neun Monaten Arbeitsdienst umgehend entlassen.“24 Als Halbjüdin musste Hamm-Brücher, die hoffte, mit ihrem „ohne besondere Neigung“25 ergriffenen „Parkstudium“26 von anderen Kriegseinsätzen verschont zu bleiben, jedoch eine Sondergenehmigung des Institutsleiters, Professor Heinrich Wieland, einholen. Erst mit seiner Zustimmung wurde sie als ordentliche Studierende der LMU zugelassen. Das Beispiel der späteren FDP-Politikerin zeigt, dass es selbst für „Nichtarier“ unter bestimmten Bedingungen möglich war, während der Zeit des Dritten Reiches die Universität zu besuchen. Dabei sind es in erster Linie die Erforder-
20 Mertens: Frauenstudium, 19. 21 Klinksiek, 46. 22 Vgl. Clephas-Möcker/Krallmann: Selbstverwirklichung, 143. 23 Maria Schweiger: Paris im Erlebnis der deutschen Dichter von Herder bis R. M. Rilke (Wanderungen und Wandlungen). Diss. München 1943, Lebenslauf. 24 Ich bin so frei. Hildegard Hamm-Brücher im Gespräch mit Sandra Maischberger. München 2003, 132. 25 Hamm-Brücher: Freiheit, 54. 26 Hildegard Hamm-Brücher, geb. 1921, 354.
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nisse des Krieges gewesen, die dem Einzelnen im Wissenschaftsbetrieb zugutekamen, da der „Eigenwert des Studiums und der funktionale Wert akademischer Qualifikationen […] neu verkoppelt“27 wurden. Hamm-Brücher erinnert sich an das Staatslabor als „ein Refugium für viele, von Angst und Ungewißheit Beladene und Verfolgte. […] Alles in allem war es eine durch und durch heile wissenschaftliche Welt höchster Anforderungen […]. Bis in die Mitte des Krieges wurden seitens der Nazis keinerlei Einbrüche verübt“28. Trotzdem muss die Schlussfolgerung Bußmanns, nach der sog. „Mischlinge“ in seltenen Fällen Fächer wie Chemie oder Physik beim Nachweis wehrmachtsrelevanter Schwerpunkte weiterstudieren konnten29, um einen wichtigen Punkt ergänzt werden. Oftmals war auch das couragierte Verhalten von Professoren verantwortlich dafür, dass an sich unerwünschte Studierende weiterhin an der Universität bleiben konnten. Für die junge Hildegard Brücher, die das Chemiestudium, „mangels anderer Möglichkeiten“ in erster Linie als „strenge Pflichtübung“30 begriff, entpuppte sich das Chemische Staatsinstitut unter Geheimrat Wieland mehr als „eine in sich geschlossene, vom Nazi-Ungeist nicht infizierte Welt der naturwissenschaftlichen Forschung und Lehre.“31 Als die Gestapo Anfang 1943 anlässlich der Verhaftungen und Prozesse im Anschluss an die Flugblattaktion der Weißen Rose bei Wieland Erkundigungen über dessen Studentin einzog, stellte sich der Chemiker schützend vor seine – nunmehr sogar – Doktorandin, „die schwer arbeiten müsse und überhaupt keine Zeit ‚für andere Dinge‘ hätte und außerdem für seine ‚kriegswichtigen‘ Forschungen unentbehrlich sei.“32 Selbst als sog. „Mischlingen ersten Grades“ im selben Jahr offiziell die weitere Immatrikulation versagt wird, konnten Brücher und mit ihr rund 25 weitere Halbjuden als Gäste am Chemischen Institut in München tätig bleiben. Obwohl insgesamt der Anteil der Studentinnen bereits ein Jahr vor Kriegsbeginn leicht anstieg, lässt sich erst 1940 von einer Zunahme der Frauen an den Universitäten und damit von einer eindeutigen und relativen Erhöhung weiblicher Immatrikulationen sprechen33: „Neben der verbesserten Arbeitsmarktlage,
27 Giovanni, 219. 28 Hildegard Hamm-Brücher, geb. 1921, 354–356. 29 Alle Zitate nach Bußmann, 76. 30 Hamm-Brücher: Freiheit, 54. 31 Hildegard Hamm-Brücher, geb. 1921, 354. 32 Hamm-Brücher: Freiheit, 58. 33 Bedeutende Veränderungen lassen sich vor allem in der zweiten Gruppe und damit bei den weiblichen Studienaufnahmen konstatieren, deren Prozentsatz sich kriegsbedingt 1940 auf über 40 % und ein Jahr später auf 59 % aller Neuimmatrikulationen erhöhte. Vgl. Mertens: Frauenstudium, 18. In München stieg der Frauenanteil unter den Studierenden bis 1943 auf 45 Prozent
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der veränderten Haltung von Staat und Partei sowie der starken Zunahme der Abiturientinnen […] trug offensichtlich auch der Krieg selber zum Aufschwung des Frauenstudiums bei.“34 Laut Grüttner haben dabei zwei unterschiedliche Motive eine Rolle gespielt. Zum einen brachte der Zweite Weltkrieg „ein hohes Maß an existentieller Unsicherheit in die Lebensplanung gerade jener jungen Frauen, die ihre Zukunft in erster Linie als Ehefrau und Mutter sahen. Je länger der Krieg dauerte, desto größer wurde die Ungewißheit, ob ihre Ehemänner, Verlobten oder Freunde jemals von der Front zurückkehren würden.“35 Aus diesem Grund erschien auch den nach wie vor einem traditionellen Rollenbild verschriebenen Frauen eine qualifizierte, akademische Ausbildung wichtiger als je zuvor. Zum anderen weist der Historiker nach, dass auf Seiten der Professoren, diverser Parteistellen sowie der ANSt zu Recht vollkommen andere Gründe für den überraschenden Zustrom des weiblichen Geschlechts an die Hochschulen vermutet wurden, wofür exemplarisch die Aussage einer Berliner ANSt-Funktionärin im August 1940 steht: ‚Bei etwa 20–30 % der Studentinnen der 1.–3. Semester hat man – zumindest an der Universität – das Gefühl, daß sie nur zur Hochschule gekommen sind, um nicht irgendwo dienstverpflichtet zu werden; von einem innerlichen Getriebenwerden zum Studium kann nicht die Rede sein‘.36 Hatte schon die Tatsache, dass der Hochschulbesuch im Zweiten Weltkrieg für zahlreiche eingeschriebene Frauen nur ein Notbehelf gewesen sei, der weder ganz ernst gemeint noch ernst genommen wurde, den Missmut der zuständigen Stellen in Staat und Partei hervorgerufen, so wurde besonders der damit einhergehende Anstieg des Frauenstudiums von einem Teil der Professoren mit Unbehagen beobachtet. Einige von ihnen forderten sogar die Wiedereinführung des Numerus clausus für Studentinnen. Umgekehrt beklagten sich dagegen die Münchner Wehrersatzdienststellen über die mangelnde Wehrfreudigkeit der männlichen Studierenden. Die Zahl der freiwilligen Meldungen sei äußerst gering, 80 bis 90 % der Einzuberufenden ließen sich zurückstellen mit der Begründung, ihr Studium noch nicht beendet zu haben. Zudem hätten sich auf die Verfügung des Reichsarbeitsministers hin, wonach Studierende der Chemie, Medizin oder ähnlicher Fächer frühzeitig aus dem Arbeitsdienst zum Studium entlassen werden, eine auffallend große Anzahl junger Männer diesen Fakultäten zuge-
an. „1943/44 studieren an deutschen Hochschulen über 28000 junge Frauen – so viele, wie nie zuvor.“ Bußmann, 76. Vgl. dazu auch Weyrather, 159. 34 Grüttner, 121. 35 Ebd. 36 StAWü, RSF/NSDStB II* 533 a 432. Bericht der Gau-ANSt-Referentin von Berlin über die ANStArbeit im II. Trimester 1940 vom 5.8.1940, hier zitiert nach Grüttner, 121.
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wandt in der Hoffnung, damit den Wehrdienst umgehen zu können. Aus diesem Grund bat das Stellvertretende Generalkommando die Rektoren der Münchner Hochschulen, in geeigneter Form auf die Studenten einzuwirken, damit „sie dem Vaterland in seinem schweren Kampf freiwillig und freudig mit der Waffe dienen und beweisen“, dass sie „getreu alter Tradition in erster Linie berufen sind, die Führerschaft der Jugend zu übernehmen.“37 In seinem Antwortschreiben versicherte Rektor Philipp Broemser, bei „jeder sich nur bietenden Gelegenheit“ auf die Studenten Einfluss zu nehmen, betonte aber u. a., es sei bei Dekanen und Hochschullehrern wiederholt zu Klagen gekommen, wonach Freiwilligenmeldungen von den Wehrmachtsstellen nicht entgegengenommen worden waren. Was die Zurückstellungsanträge anbelange, so längen diese in der Tatsache begründet, dass die meist wirtschaftlich schlecht gestellten Studenten an einem schnellen Abschluss ihres Studiums ohne unmittelbare Unterbrechung vor dem Examen interessiert seien. Das gelte umso mehr, als ein großer Teil der Armee aktuell nicht unmittelbar zu Kampfhandlungen herangezogen, sondern nur im Bereitschaftsdienst sei oder anderweitig in der Garnison verwendet werde: „Die Studenten glauben bei dieser gegenwärtigen militärischen Lage, ihre Kraft zunächst so einsetzen zu dürfen, dass sie ihr Studium vollenden“, zumal die Herausbildung eines akademischen Führernachwuchses ohnehin dem Interesse des Reiches gleichkomme. Ganz im Sinne der Zeit betonte Broemser am Ende seiner Argumentation geschickt, dass sowohl er als auch seine Mitarbeiter fest davon überzeugt seien, „dass dann, wenn die Armee unmittelbar zu Kampfhandlungen eingesetzt wird, bei der deutschen akademischen Jugend alle anderen Überlegungen und Rücksichten zurücktreten werden und dass der deutsche Akademiker wieder so wie 1914 der Stand sein wird, der allen anderen voran sein Leben als Soldat in den Dienst des Vaterlandes stellen wird.“ Tatsächlich waren dem Rektor die Beobachtungen von Vertretern des RAD nicht entgangen, die einen auffälligen Anstieg in den medizinischen und naturwissenschaftlichen Fakultäten beobachtet hatten und der Masse der Arbeitsdienstpflichtigen, die damit unter der „Firma Student“ liefen, ein echtes Interesse am Studium absprachen. Broemser erneuerte deshalb an dieser Stelle sein Versprechen, der akademischen Jugend unablässig vor Augen zu führen, „dass der Dienst als Soldat des Reiches für sie allererste Pflicht“38 sei. Dem Privileg, während des Krieges studieren zu dürfen, standen in der Praxis aber ohnehin
37 UAM, D-XVII-14. Stellv. Generalkommando VII. A. K. (Wehrkreiskommando VII) an den Herrn Rektor der Universität München vom 3.1.1940. 38 Alle Zitate nach UAM, D-XVII-14. Philipp Broemser an das stellv. Generalkommando VII A K (Wehrkreiskommando VII) vom 31.1.1940.
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die steigenden außeruniversitären Einsätze auf den unterschiedlichsten Gebieten gegenüber.
2 Die Einführung der studentischen Dienstpflicht „Die nationalsozialistische Erziehung in der ANSt. erstreckt sich heute auf sämtliche studentische Arbeitsgebiete. Ihr Kernpunkt ist die politische und kulturelle Erziehung in den ANSt.-Gruppen, weiterhin die soziale Arbeit, der Einsatz im Land- und Fabrikdienst, der Frauendienst, die Außenarbeit und die Wissenschafts- und Facharbeit im Reichsberufswettkampf.“39 Hatte die Studentenschaft schon seit Beginn der NS-Herrschaft eine umfangreiche Indienstnahme und politische Indoktrination durch zahlreiche außeruniversitäre Verpflichtungen erfahren, so wurden die Studierenden ab 1940 außerdem zu Tätigkeiten im Rahmen des studentischen Kriegseinsatzes verpflichtet. Hintergrund dieser Verordnung war die Anfang des Jahres von Reichsstudentenführer Scheel eingeführte „studentische Dienstpflicht“. Sie sah einen Arbeitseinsatz von mindestens acht Stunden pro Monat für die Angehörigen der ersten drei Semester vor und betraf Mitglieder des NSDStB ebenso wie Unorganisierte. Soweit Studierende nicht den ANSt-Gruppen bzw. Kameradschaften angehörten, wurden sie in Dienstgemeinschaften für die Durchführung kriegswichtiger Aufgaben zusammengefasst. Zu den Einsatzmöglichkeiten gehörten u. a. sog. „Stoßarbeiten“, für die erforderliche Arbeitskräfte fehlten (Entladung von Lebensmitteltransporten und Kohlenzügen sowie landwirtschaftliche Tätigkeiten), der Einsatz im Reichsluftschutzbund, im Deutschen Roten Kreuz, der Technischen Nothilfe sowie zu Wachen in kriegswichtigen Instituten.40 Allerdings variierte die Umsetzung dieser Anweisung von Hochschule zu Hochschule. Während bspw. in Erlangen die Studierenden kaum zum Einsatz kamen, mussten etwa die Studentenschaften im Gau München-Oberbayern Kohlen schippen, Luftschutzwachen in den Gebäuden von TH und Universität abhalten oder Kleiderkarten verteilen. Angehende Mediziner waren darüber hinaus beim Roten Kreuz eingesetzt, während die Studentenschaft der TH die Technische Nothilfe organisierte. Zahlreiche ihrer Kommilitoninnen und Kommilitonen in Halle, Leipzig und anderen Universitäten arbeiteten zudem ohne
39 Tag der Kameradschaft. Großkundgebung der Studentinnen. In: DB vom 27.6.1939. 40 Vgl. Hans Höfle: Das erste Trimester 1940. In: Student im Bereich Süd. Beilage der „Bewegung“ für die Gaue: München-Obb., Schwaben, Bayerische Ostmark, Franken, Mainfranken vom 23.1.1940.
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Entgelt als Hilfsschaffner bei der Straßenbahn oder als Arbeitskräfte in einer Munitionsfabrik.41 Die ANSt-Kameradinnen im hiesigen Gau hatten überdies Schreibarbeiten sowie organisatorische Dinge innerhalb der Vorbereitung der Erntehilfe und des Landdienstes zu erledigen42, was die ANSt-Referentin und Leiterin des Amtes Studentinnen der Hans-Schemm-Hochschule für Lehrerbildung München-Pasing zu entsprechender Kritik veranlasste: „Die studentische Dienstpflicht wurde zu Beginn dieses Semesters noch schärfer organisiert (Bereitschaft, Nachrichtenübermittlung usw.), ich sehe aber gerade darin, daß sie bis jetzt nicht zu einer zweckentsprechenden Anwendung gekommen ist, eine große Gefahr für den Erfolg unserer ganzen Arbeit, denn zum Schluß werden auch die strengsten Maßnahmen und Vorschriften von den Studentinnen nicht mehr ernst genommen und nicht mehr beachtet. Man dürfte gerade mit dieser Einrichtung nicht Konjunktur treiben, und die Studentinnen auf Grund der studentischen Dienstpflicht zu Schreibarbeiten usw. in den Gau schicken.“43 Neben den primär zum Füllen von Personallücken gedachten Einsätzen umfasste die studentische Dienstpflicht jedoch gleichermaßen Tätigkeiten von politischer Relevanz. Dazu gehörte auf der einen Seite insbesondere der studentische Facheinsatz Ost, der die Intensität der universitätsinternen Fachschaftsarbeit zugunsten der Organisation kriegswichtiger oder volkspolitischer Einsätze in den Hintergrund rückte. Tausende von Studierenden wurden im Rahmen des Facheinsatzes Ost mobilisiert, um in ihren Semesterferien volksdeutsche Siedler aus Osteuropa zu betreuen. Hierunter fiel u. a. die Um- bzw. Ansiedlung deutscher Bevölkerungsgruppen im besetzten Westpolen, dem sog. „Wartheland“, und mit ihr der Einsatz von angehenden Medizinerinnen in Kindergärten oder zukünftigen Lehrerinnen in Grundschulen.44 Auf der anderen Seite stand der später auch als Kriegsleistungskampf bezeichnete, 1939 von der RSF initiierte Kriegspropagandaeinsatz, den die Münchner Studentinnen ebenfalls nachweislich ableisteten.45
41 Für München vgl. ebd., für die anderen Universitäten bzw. Hochschulen Grüttner, 375 f. 42 Vgl. BArch, RSF II* 533. Trimesterbericht des 2. Trimesters 1940 über die ANST Arbeit im Gau München – Oberbayern vom 5.9.1940. 43 Ebd. Semesterbericht. SS. 1940. Hans-Schemm-Hochschule für Lehrerbildung MünchenPasing vom 24.7.1940. 44 Vgl. Grüttner, 377, Oelrich, 566, sowie Pauwels, 114–117. 45 Vgl. Kapitel IV, 3.4 NSV-Arbeit.
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Abb. 41: Befreiungsantrag vom Kriegseinsatz der DSt aus dem Jahr 1944
Als besonders belastend entpuppten sich für den Großteil der Studierenden jedoch die jährlichen Arbeitseinsätze während der Semesterferien. Erschwerend kam hinzu, dass sich die RSF zur möglichst restlosen Erfassung seit 1941 nicht mehr allein auf den eigenen Apparat und die eigene Autorität verließ, sondern die offizielle Dienstverpflichtung der jungen Frauen und Männer durch den Reichsarbeitsminister, seit 1942 durch den Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz erfolgte. Die Arbeitsämter sprachen die Dienstverpflichtung der Einzelnen aus und kontrollierten zugleich, ob diese ihre Tätigkeit tatsächlich aufnahmen. Da allen Teilnehmern schriftliche Bestätigungen über ihre geleistete Arbeit ausgestellt wurden, konnten sich die Betreffenden – sofern sie nicht den Ausnahmeregeln etwa für Examenssemester unterlagen – Einsätzen nur schwer entziehen. Dementsprechend schrieb Sophie Scholl am 6. Juni 1942 in einem Brief an ihre Familie: „Wegen des Rüstungseinsatzes war ich schon auf der Studentenführung, aber eine Befreiung ist aussichtslos. Selbst Studentinnen mit besten Beziehungen, Töchter von heute leitenden Männern, kommen nicht weg, ob der
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Grund dringend ist oder nicht, spielt gar keine Rolle. Ich kann mich höchstens bis September zurückstellen lassen, das tu ich natürlich.“46
2.1 Der Fabrik- und Landdienst vor 1940 Nachdem die RSF in den Sommerferien 1940 zudem eine einmonatige Erntehilfspflicht für die Studierenden aller Hoch- und Fachschulen verkündet hatte, verstärkte sich die zeitliche Indienstnahme mit der ab 1941 in vollem Umfang durchgeführten Dienstpflicht erheblich. Studentinnen und Studenten wurden, falls sie nicht für andere kriegswichtige Aufgaben freigestellt worden waren, jetzt zu zehn bzw. acht Wochen Arbeitseinsatz in der Rüstungsindustrie verpflichtet. Während der von der Propaganda vermittelte Eindruck, dass die Studierenden und vor allem die Studentinnen bereitwillig ihre Arbeitskraft in vorlesungsfreien Zeiten zur Verfügung stellten, den nationalsozialistischen Machthabern als Demons tration von Volksverbundenheit und Garant des sozialen Friedens galten47, kam es gerade auf Seiten der Frauen oftmals zu einer völligen körperlichen und seelischen Überforderung. In einem Brief an den Dekan seiner Fakultät kritisierte z. B. der Tübinger Historiker Heinrich Dannenbauer die permanenten Eingriffe vollkommen unzuständiger Stellen in den internen Universitätsbetrieb und „bestand darauf, ‚daß die Universität nicht ein Reservoir von unbeschäftigten, jederzeit für jedermann zur Verfügung stehenden Müßiggängern‘ sei“48. Tatsächlich kennzeichneten die als idealistische Taten gerühmten und ideologisch legitimierten Einsätze den Wandel „der relativ spontanen innerstudentischen Mobilisierung zu Beginn dieser nationalsozialistischen „Dienste““49. Wie Steffen-Korflür und Manns ausführlich gezeigt haben, befürworteten einige wenige – überwiegend – ANSt- bzw. NS-Studentinnen schon Mitte der 1930er Jahre einen studienbegleitenden Einsatz von weiblichen Studierenden in Fabrikund Landdienst.50 Bereits 1934 nahmen Königsberger Studentinnen für sich in
46 Inge Jens (Hg.): Hans Scholl. Sophie Scholl. Briefe und Aufzeichnungen. Durchgesehene Ausgabe Frankfurt am Main 2003, 257, künftig zitiert als Jens. Einem Brief an die Eltern vom 17.6.1942 lässt sich entnehmen, dass dieser Plan am Ende nicht aufging. Vgl. ebd., 352. Zum gesamten Absatz vgl. Grüttner, 377–379. 47 Kohler, 250. 48 Adam, 195. 49 Manns, 200. 50 Vgl. dazu sowie für die folgenden Abschnitte Steffen-Korflür, 246 ff., sowie Manns, 191 ff., bes. 199–209.
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Anspruch, einen freiwilligen Fabrikdienst durchgeführt zu haben.51 Auf diese Weise wollte man überlasteten Arbeiterinnen einen bezahlten Sonderurlaub ermöglichen, während ihre Vertreterinnen Gelegenheit erhielten, „das Leben und Schaffen einer Arbeiterin kennen zu lernen und sich damit in das Denken und Fühlen einer Arbeiterin versetzen zu können.“52 Anderen Quellen zufolge fand der erste Fabrikdiensteinsatz im Februar 1935 in München und Königsberg statt.53 Als einziger Zeitzeugenbericht über die Reaktionen der Frauen sowie für ein beschränktes lokales Stimmungsbild kann in diesem Zusammenhang ein Interview mit der seinerzeitigen Gau-Fabrikdienstreferentin Ilse Westphalen vom Dezember 1984 herangezogen werden, die ab dem Sommersemester 1936 zwei Semester in München studierte. Ihrer Aussage nach fühlten sich die freiwilligen Einsatzleistenden „der – heute würde man wahrscheinlich „der Gesellschaft“ sagen – damals sagte man „dem Staat“ verantwortlich. Und wir hatten immer das Gefühl, daß wir nie nur für uns selbst arbeiteten, sondern auch einem größeren Ganzen dienten.“54 Nach Angaben von Westphalen meldeten sich in München zum Fabrikdienst immer viel mehr weibliche als männliche Studierende. Zudem habe es hier ein gemeinsames Fabrikdienstlager gegeben: „Aber ich möchte auch sagen, das ist eine Frage, kann man sich in die Situation einer Arbeiterin hineinversetzen, kann man sich gleichzeitig für den Betrieb interessieren, was wird da eigentlich produziert und wie wird es produziert, und wer leitet das, und wie ist die Stellung der Einzelnen darin. So etwas liegt Frauen vielleicht mehr als Männern.“55 1935 institutionalisierten und organisierten weitere Studentinnen über das H VI der DSt in Zusammenarbeit mit dem Frauenamt der DAF, der NSV und NSF den als Sonderdienst deklarierten Fabrikdienst, der weitgehend an ihren Hoch-
51 Vgl. Wir wollen helfen… In: DB vom 20.11.1935. Manns spricht von sieben Leipziger Studentinnen, die bereits 1934 einen freiwilligen, auf das ganze Reich verteilten Fabrikdienst durchgeführt haben sollen. Vgl. Manns, 201 f. Steffen-Korflür datiert die Initiative der Königsberger Studentinnen dagegen auf das Frühjahr 1935, also auf die Erscheinungsweise des Artikels in Der Bewegung zurück. Vgl. Steffen-Korflür, 251 f. 52 BArch, RSF II* 319 (a 233). Reichsstudentenführung. Hauptstelle f. stud. Einsatz. Referentin f. stud. Einsatz an die Gau-A. N. St.-Referentin von Düsseldorf vom 18.7.1936. 53 Vgl. Gisela Rothe: Studentin im Fabrikdienst. In: Der Deutsche Student. Zeitschrift der Deutschen Studentenschaft. Septemberheft Hamburg 1935, 560. 54 Westphalen, 48. Westphalen war für das Sommersemester 1936 sowie das anschließende Wintersemester nach München gefahren und wurde hier im 4. Semester stellvertretende, im 5. Semester Gau-Fabrikdienstreferentin. Damit hatte sie in München und anschließend in Hamburg bis April 1938 auch die Verantwortung für die Lagerdurchführung inne. Vgl. ebd., Anhang. Zur Person, 15. 55 Westphalen, 29.
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schulorten abgeleistet werden konnte. Analog zu den Vorgaben für die NSVArbeit waren jedoch nur ANSt-Studentinnen und damit politisch linientreue Frauen in die Fabriken zu entsenden56: „Der Fabrikdienst ist Aufgabenbereich der A. N. St. Einzusetzen sind A. N. St.-Kameradinnen. Nur ausnahmsweise können auch andere Studentinnen am Fabrikdienst teilnehmen, doch nur dann, wenn sich die Fabrikdienstreferentin für sie verbürgt. Nationalsozialistische Haltung ist Vorbedingung für das Gelingen dieser Arbeit. Die Bewerberinnen müssen sowohl in charakterlicher und weltanschaulicher Hinsicht als auch in Bezug auf ihre körperliche Tüchtigkeit und Handfertigkeit gründlich ausgesucht werden. Die Studentinnen, die an ihrem Heimatort zum Einsatz kommen, sind besonders sorgfältig auszuwählen.“57 Als Gründe für den gruppenweisen Einsatz der Teilnehmerinnen im Fabrikdienst und ihre Zusammenfassung im Lager wurden drei Punkte angeführt: „a) Die Studentin soll in der Fabrik nicht als einzelne Idealistin erscheinen, sondern als Glied einer Gruppe nationalsozialistischer Studentinnen. b) Die Studentin soll mit all den Eindrücken, die ihr die Arbeit in der Fabrik gibt, nicht allein gelassen werden, und damit zum Grübeln kommen, sondern im Lager die Möglichkeit der Aussprache besitzen. c) Die Studentin erhält durch den Gemeinschaftseinsatz nicht nur Einblick in ihre Fabrik, sondern auch in eine Vielzahl anderer Betriebe.“58 Folgt man den Ausführungen Steffen-Korflürs, so lässt sich der mangelnde Wille zur Ausweitung des Fabrikdienstes auf breitere Kreise der Studentinnenschaft auf zwei Gründe zurückführen. Zum einen konnte der Ausschluss der nicht in der ANSt Organisierten die verhältnismäßig geringen Teilnehmerzahlen am Dienst legitimieren, der im Frühjahr 1934 mit etwa 30 Studentinnen und Studentinnen begonnen hatte.59 Zum anderen wollte man mit der Begrenzung auf politisch zuverlässige Frauen verhindern, dass Arbeiterinnen in unerwünschter Weise beeinflusst oder Berichte über Missstände in den Fabriken öffentlich wurden. Stattdessen sollte das Auftreten der weiblichen Studierenden an den Einsatzor-
56 Vgl. Kapitel IV, 3.4 NSV-Arbeit. 57 BArch, RSF II* 499. Rundschreiben A. N. St. 14/35 vom 13.12.1935. 58 Ebd. Rundschreiben A. N. St. 3/36 vom 12.5.1936. Hervorhebung im Original. Gegen ein gemeinschaftliches Lager mit den Kameraden war grundsätzlich nichts einzuwenden, jedoch sollte dieses nur in Einzelfällen durchgeführt werden. Ein gemeinsames Schlusslager war zur Auswertung der Erfahrungen im Fabrikdienst vorgesehen. Vgl. ebd. 59 Vgl. Frühjahrseinsatz des Landdienstes der Deutschen Studentenschaft. In: DSt. Wissen und Dienst. Die Deutsche Studentenschaft. 9. Jahrgang. Nr. 9. Berlin 1936, 12, hier nach UAM, Sen. 366c/5.
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ten „der Verbreitung der „Volksgemeinschafts“-Ideologie unter den Arbeiterinnen dienen und gleichermaßen den Eindruck erwecken, daß „die Studentin“ eine vom Nationalsozialismus überzeugte „Volksgenossin“ sei.“60 Was die Zusammenfassung in Lagern betrifft, so bestätigen die Erinnerungen der ehemaligen GauFabrikdienstreferentin Ilse Westphalen die unter dem zweiten Punkt genannte Begründung der ANSt, wonach Studentinnen im Lager die Eindrücke des Dienstes besser verarbeiten können sollten: „Wir, die wir den eigenen Einsatz hinter uns hatten, waren größtenteils ohne Vorbereitung und Verbindung untereinander gewesen und befanden uns abends nach der Arbeit mit unseren Fragen und Problemen allein. Wir waren uns klar darüber, daß die, die uns folgen würden, besser vorbereitet sein mußten, um mit dem auf sie Einstürmenden fertigzuwerden und den Arbeiterinnen sachlich zuverlässige Antworten geben zu können. Also: Am besten Fabrikdienstarbeit vom Lager aus!“61 Schon im Frühjahr 1936 plante Inge Wolff einen zwei- bis vierwöchigen Einsatz von Naturwissenschaftlerinnen in verschiedenen Rüstungsbetrieben, allen voran zukünftige Physikerinnen und Chemikerinnen. Die Auswahl der Frauen hatte in Zusammenarbeit mit dem naturwissenschaftlichen Fachschaftsleiter zu erfolgen; zur Beurteilung der Zuverlässigkeit waren die Hochschulgruppenführerin der ANSt und die Frauendienstreferentin heranzuziehen. Als Einsatzorte bzw. geeignete Betriebszweige kamen hauptsächlich Revisionsarbeit von Kleinmetallteilen, chemische und mechanische Laborarbeit sowie die Tätigkeit im Zeichenbüro in Frage62, ab 1937 auch die Lagerverwaltung. In diesem Jahr wiederholte man die Sondereinsätze für politisch besonders zuverlässige ANSt-Mitglieder, wobei in erster Linie Naturwissenschaftlerinnen (Chemie, Physik, Mathematik), Studentinnen der Technik und angehende Volkswirtinnen in Betracht gezogen wurden. Die Einsatzdauer betrug nun vier bis sechs Wochen und sollte in Betrieben in der Kurmark, in Mecklenburg und Baden erfolgen.63 Auf Anregung der Reichs-ANSt-Referentin und Leiterin des Amtes Studentinnen hatte man auf diese Weise also versucht, die freiwilligen und zunächst noch unentgeltlichen Fabrikeinsätze in Zusammenarbeit mit dem langjährigen Betriebsführer in der Rüstungswirtschaft, Dr.-Ing. Albert Wolff, in Rüstungs-
60 Steffen-Korflür, 253. Tatsächlich trugen die Auswahl der Fabrikdienstteilnehmerinnen und deren Kontrolle durch die restlichen Gruppenmitglieder sowie die Fabrikdienstreferentin in Kombination mit der vorab erfolgten Schulung ausreichend dazu bei, „daß die Studentinnen in den Betrieben weder Unruhe noch „Klassenkampfgedanken“ schürten.“ Ebd., 254. 61 Anhang zum Interview mit Westphalen, 15. 62 Vgl. BArch, NS 38/I* 80g 43/2. Rundschreiben Nr. VI/H 3 – 1936 vom 13.5.1936. 63 Vgl. BArch, NS 38/I* 80g 594. Reichsstudentenführung. Amt Studentinnen an die ANSt-Referentin der Studentenführung einer hier nicht spezifizierten Universität vom 25.5.1937.
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betriebe zu verlagern. In Werkstätten wollte man die Frauen dafür schulen, im Ernstfall Aufsichts- und Kontrollposten in den Betrieben übernehmen zu können. Allerdings erwiesen sich diese Sondereinsätze für besonders zuverlässige ANStMitglieder als wenig erfolgreich. Lediglich 120 Studentinnen wurden zwischen 1936 und dem Frühjahr 1938 gegen volle Bezahlung in vier Werken der Deutschen Waffen- und Munitionsfabriken eingesetzt. Trotzdem irrten noch im Herbst 1938 zahlreiche Teilnehmerinnen des Sondereinsatzes tagelang in Berliner Werken umher, bevor sie Einsatzort und Unterkunft fanden.64 Nach Angaben der RSF sollen im Sommer 1936 in 23 Gauen des Reiches insgesamt 350 Studentinnen und 750 Studenten mit einer Mindestzeit von 14 Tagen eingesetzt gewesen sein.65 Was die Situation in München betrifft, so hatten sich im Sommer 1936 gerade einmal vier Studentinnen66, im Sommer 1937 zwei weibliche Studierende der Chemie für einen Fabrikeinsatz in Karlsruhe, eine für Berlin sowie fünf Frauen für Lübeck gemeldet. Unter ihnen befand sich Diplomvolkswirtin Mathilde Betz, die im Januar 1937 Nachfolgerin von Gisela Rothe als Leiterin der Abteilung Frauendienst geworden war67, sowie die NS-Funktionärin Renate Kalb, die in der NSV mitarbeitete und 1939 zur Leiterin der Hauptstelle Schulung im Amt Studentinnen der RSF ernannt werden sollte.68 An der politischen Zuverlässigkeit der ausgewählten Frauen dürfte somit wenig Zweifel bestanden haben. Im ersten Kriegstrimester 1940 wurde der bis dato freiwillige Fabrikdienst für weibliche Studierende schließlich verbindlich in den Frauendienst eingegliedert.69 Wenngleich der Fabrikdienst seine Funktion als sozialer Einsatz nicht vollkommen verlor, arbeiteten die Studentinnen nun verstärkt in Betrieben besetzter Ostgebiete (Warthegau) oder als zusätzliche, bezahlte Kräfte in der Rüstungsindustrie, vereinzelt auch im Flugzeugbau. Analog zum Fabrikdienst ging auch der ebenfalls als Ernte- oder Bauerndienst bezeichnete Landdienst auf besonders engagierte studentische Funktionärinnen einzelner Hochschulen zurück. War ein vergleichbarer Einsatz von Studierenden
64 Vgl. Manns, 202 f., sowie Steffen-Korflür, 256. 65 Vgl. BArch, RSF II* 332 (a 245). Reichsstudentenführung. Amt: Politische Erziehung an die Deutsche Arbeitsfront vom 16.2.1937. 66 Vgl. BArch, NS 38/I* 80g 594. Einsatz im Sommer 36. Meldungen zum Rundschreiben VI/H Nr. 3 – 1936. 67 Vgl. ebd. Anlage zum Schreiben von Inge Wolff an A. Wolff vom 18.6.1937 sowie ebd. M[athilde] B[etz] an die Deutschen Waffen u. Munitionsfabriken vom 16.9.1937. Zu Mathilde Betz vgl. Kapitel IV, 3.2 Frauendienst. 68 Vgl. BArch, NS 38/I* 80g 594. Anlage zum Schreiben von Inge Wolff an A. Wolff vom 28.6.1937. Zu den biographischen Angaben vgl. Manns, 334. 69 Vgl. Kapitel IV, 3.2 Frauendienst.
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in ländlichen Gebieten schon in der Weimarer Republik von der ArtamanenBewegung organisiert worden, so nahmen im Sommer 1933 nur wenige Studentinnen an den von Studentenschaft und Studentenbund propagierten zehnwöchigen Ernteeinsätzen teil. Im Sommer 1934 organisierte bspw. das Amt für Arbeitsdienst der DSt an der Universität Marburg einen Bauerndienst für rund 40 weibliche Studierende in Zusammenarbeit mit dem Kreisbauernführer. Doch erst 1935 richtete die Studentenschaft innerhalb des Amtes für Arbeitsdienst ein eigenes Referat für Bauern- und Siedlerdienst ein. In Angelegenheiten des Landdienstes für Studentinnen arbeitete dieses nun mit den jeweiligen Arbeitsdienstreferentinnen zusammen. Im Sommer 1937 war es erstmals möglich, neben dem achtwöchigen Landdienst eine vierwöchige Erntehilfe abzuleisten, damit sich auch die Fachschüler mit ihren kürzeren Ferien für diesen Einsatz engagieren konnten.70 Die Beteiligung blieb dennoch bescheiden und erreichte 1936 die Summe von 1620, 1938/39 die Gesamtzahl von etwa 3000 Männern und Frauen am Studentischen Landdienst, wobei Letztgenannte in der Minderheit blieben. Lediglich 26 % und damit 852 der 3263 im Sommer 1937 eingesetzten Personen waren weiblichen Geschlechts.71 Im Landdienst betätigten sich die Teilnehmerinnen im Gesundheitsamt, unterstützten die Fürsorgerin bei Hausbesuchen von Kranken und Pflegekindern sowie bei der Mütterberatung, halfen bei der Errichtung von Erntekindergärten sowie der Ernte in der Ostmark. Als Hilfe für die Bauersfrau beteiligten sich die Studentinnen an der Haushaltsführung sowie der Kindererziehung, an der Versorgung der Tiere und der Arbeit am Garten: „In Untergrafenried war eine Stelle mit zwei Mädchen besetzt, um den noch werktags schulpflichtigen Kindern die Arbeit abzunehmen. Der Bauer war vor 1933 abgebrannt, infolgedessen verschuldet und um den Hof gekommen. Er sitzt nun als Pächter auf seinem früheren Eigentum und bewirtschaftet den nun 40 Tagewerk grossen Hof mit seiner Frau und den kleinen Kindern.“72 Wie beim Einsatz der Kameradinnen im Rahmen der NSV wurde auch diese Hilfe als direkte Möglichkeit verstanden, Einfluss auf die Unterstützten, d. h. in diesem Fall auf die Bauersfrauen zu nehmen, und damit erzieherisch zu wirken: „Der Student hilft draußen auf dem Feld, er packt mit an in Hof und Stall, er wird so zum Kameraden des Bauern, der ihn dann wohl dies und das fragt, wo er nicht Bescheid weiß. So kann er ihm dann vom Führer erzäh-
70 Vgl. Studentin und Erntehilfe. In: Studentenpressedienst. Amtlicher Pressedienst des Reichsstudentenführers. Folge 9. München 1937, 9, hier nach UAM, Sen. 366c/5. 71 Vgl. Harvey, 64. Abweichende Zahlen bei Grüttner, 342. 72 BArch, RSF II* 487 (a 389). Bericht über den Landdiensteinsatz im Bezirksamt Waldmünchen vom Sommer 1936.
2.2 Die Reaktionen der Studentinnen auf die studentische Dienstpflicht
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len, von Deutschland, von dem Kampf, den unser Volk zu führen hat […]. Die Studentin muß all das auch, aber für sie kommen noch mehr Aufgaben hinzu: Sie hat die Möglichkeit, durch ein gutes Beispiel die Frau des Bauern zu überzeugen, daß etwa eine größere Sauberkeit auf dem Hof, im Stall oder in der Küche von großem Nutzen für sie sein könnte. Sie kann auf Fehler in der Kindererziehung aufmerksam machen, sie kann zeigen, wie sich da und dort die Arbeit der Bäuerin vereinfachen ließe, wie man etwa die Wohnungseinrichtung geschmackvoller gestalten könnte und vieles andere mehr.“73 Das notwendige Fundament für den praktischen bzw. politischen Einsatz in Land- und Fabrikdienst schuf das in den Schulungszellen im Rahmen der VTA erworbene Wissen74: „Im Semester wurden mit Kurzreferaten [für den Fabrikdienst/P. U.] erarbeitet: die Entstehung der Industrie, die Arbeiterbewegung und die Gewerkschaften im 19. Jahrhundert, die Entstehung der SPD, Bismarcks Sozialistengesetze, seine Sozialgesetzgebung, die Entstehung der KPD und ihre Folgen, die Ziele des Nationalsozialismus, die Aufgaben und die Rechte der Frau. – Aber diese Doppelstunde pro Woche war bei allem, was die Studentinnen damals für ihr Studium und im Rahmen des Studentenbundes zu leisten hatten, ziemlich schwer unterzubringen. In einigen Fällen wurde daher darauf verzichtet und die „Schulung“ auf die ersten beiden Tage des Lagers verlegt, nachdem gemeinsam ein musterhaft geführter Betrieb besichtigt worden war.“75
2.2 Die Reaktionen der Studentinnen auf die studentische Dienstpflicht Die Reaktionen der Studentinnen auf Fabrik- und Landdienst und damit auf die studentische Dienstpflicht weisen Analogien zu den aus dem Arbeitsdienst resultierenden Eindrücken und Erlebnissen auf. Während die NS-Presse die Opferbereitschaft der Studierenden herausstellte, die durch ihre harte Arbeit wie Fami-
73 Die Studentin im Landdienst. In: DB vom 17.5.1938. Vgl. hierzu auch BArch, RSF II* 540 (a 438). Amt Studentinnen der Universität Köln (Hg.): Über die Aufgabe des Amtes Studentinnen im Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbund. Winter-Semester 1938–39, 8 f. In dieser Broschüre wird nach Fabrik- und Landeinsatz unterschieden, wobei Letztgenannter sich in eine vierwöchige Erntehilfe sowie einen mehr als zweimonatigen Landdienst aufteilte. 74 Vgl. Kapitel IV, 3.3 Volkstumsarbeit (VTA). Vgl. dazu auch Manns, 208. Zur Schulung für den Fabrikdienst vgl. auch BArch, RSF II* 499. Rundschreiben A. N. St. 3/36 vom 12.5.1936. 75 Anhang zum Interview mit Westphalen, 15.
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lienmitglieder in den bäuerlichen Gemeinschaften behandelt würden76, wirkte die Realität des Landlebens durch abweichende Begriffe von Ordnung und Sauberkeit oder die Primitivität der Unterkünfte auf zahlreiche Frauen schockierend. Dazu kam, dass die ersten Landdienstleistenden besonders von den Kleinbauern aus Misstrauen abgelehnt wurden und sich für eine Unterbringung in den Dörfern nahezu aufdrängen mussten.77 Ein Bericht über den Landdiensteinsatz in Waldmünchen, an dem sich auch zwei Münchner Studentinnen beteiligten, fasst diese Problematik exemplarisch wie folgt zusammen: „Wo zum ersten Mal Landdienst durchgeführt wird, ist dieser Einzeleinsatz durch zwei Gründe bedingt. Es ist nämlich häufig je Dorf nur eine Stelle frei zu bekommen, da die Bauern unter dem Eindruck stehen, es handle sich um eine Abwanderung der Kinderlandverschickung der NSV. Der andere Grund ist der, dass der Landdienst selbst erst einige Klarheit über die Verhältnisse des Dorfes braucht, um zu wissen, bei welchen Bauern einzusetzen ist.“78 Erst in der Folgezeit nahmen die Kleinlandwirte die unentgeltliche Arbeit als Selbstverständlichkeit und häufig ohne jegliche Anerkennung oder symbolischen Dank hin. Zudem war die ländliche Bevölkerung wenig an einer weltanschaulichen oder kulturellen Beeinflussung durch die VTA der angehenden Akademikerinnen interessiert. „Allenfalls jene Gruppen enthusiastischer ANSt-Mitglieder, die die Mitwirkung am Aufbau der „Volksgemeinschaft“ zu einem Lebensinhalt machten“, fühlten sich, so Steffen-Korflür, „von Schilderungen einer ‚tagaus, tagein, morgens um 5 Uhr, wenn der Frühnebel noch über den Feldern lag,‘ beginnenden Feldarbeit zum Einsatz im Landdienst angespornt.“79 Ähnlich gestaltete sich die Situation im Fabrikdienst. Auch hier standen die Erlebnisse der Einsatzteilnehmerinnen oftmals im Widerspruch zu der von der NS-Presse propagierten uneigennützigen und dabei beglückenden Arbeit der Studentinnen in Bauernhof und Fabrik.80 So führte etwa die Bekanntschaft mit der Denk- und Lebensweise der Arbeiterinnen häufig dazu, dass die Unterschiede zwischen ihnen und den intellektuellen Studentinnen wie schon im RAD deutlich in Form von Missgunst und Neid hervortraten: „Aber im Allgemeinen war uns diese Arbeit [RAD/P. U.] völlig fremd. Wir mußten zunächst von den Bauern lernen und wollten das, was sie von uns erwarteten, auch leisten. Und in der
76 Vgl. dazu exemplarisch den bebilderten Zeitungsartikel Und keiner ist da, der feige verzagt… Münchener Studenten im Landdienst. In: DB vom 12.2.1936. 77 Vgl. hierzu die entsprechenden Erfahrungsberichte im BArch, RSF II* 487 (a 389). 78 Ebd. Bericht über den Landdiensteinsatz im Bezirksamt Waldmünchen vom Sommer 1936. 79 Steffen-Korflür, 249. Zum Desinteresse der Bauern vgl. auch Grüttner, 342. 80 Vgl. exemplarisch Kameradin und Studentin… in Bauernhof und Fabrik! In: DB vom 27.1.1937.
2.2 Die Reaktionen der Studentinnen auf die studentische Dienstpflicht
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Fabrik war es ja ähnlich, daß wir zunächst die Unterlegenen waren. Allmählich natürlich stellte sich heraus, daß man, sagen wir mal, andere Interessen hatte. Ich fragte fortwährend, was war dies, und warum wird das getan. „Du mußt nicht so viel fragen!“, hat eine mal zu mir gesagt. „Das muß ich, ich will doch verstehen, was sich hier tut.“ Und dabei wurde natürlich der Unterschied klar. Die lebten viel enger als wir. […] Ich fand, daß wir aus dem gemeinsamen Arbeiten mit den Arbeiterinnen heraus […] weiter kamen im Verständnis für sie, aber auch umgekehrt, in der Erkenntnis ihrerseits, daß wir als Studentinnen ihnen zwar helfen wollten, daß wir aber eigentlich etwas anderes waren.“81 Ob sich auf Basis dieser Arbeitskameradschaft rasch eine Freundschaft zwischen den Frauen entwickelte, darf damit zu Recht bezweifelt werden.82 Analog zum Arbeitsdienst waren die weiblichen Studierenden in der Fabrik zudem einer ungewohnt harten körperlichen Arbeit ausgesetzt. Sehr frühes Aufstehen im Lager und die Fahrt zu den entsprechenden Betrieben bedeuteten für die Studentinnen mitunter einen 14-Stunden-Tag, die allabendlichen Schulungen bis auf drei freie Abende einschließlich des Sonntags nicht mitgerechnet: „Ich berichtete z. B. an 3 Abenden über die Entwicklung der Arbeiterdichtung, d. h. die über Arbeiter und die von Arbeitern […] und las Gedichte und aus ihren Romanen, worüber wir dann sprachen. Zum anderen hatte ich sachkundige Referenten gewonnen […], die über die Zusammenhänge von wirtschaftlicher Gesamtlage, Investitionen, Produktion, Absatz, Umsatz und Gewinn, Lohnsystem und Gründe für die Abzüge sprechen und Fragen sachkundig beantworten konnten. Gelegentlich kam es allerdings vor, daß eine der Studentinnen, müde nach anstrengender Tagesarbeit, dabei sanft entschlief und erst durch fröhliches Gelächter der anderen geweckt werden mußte.“83 Weil das Wochenende darüber hinaus mit gemeinsamen Aktivitäten der Fabrikdienstgruppen belegt war, blieb während des Einsatzes kaum Zeit für die Beschäftigung mit dem eigentlichen Studium. Immerhin gab es nach manchen Lagern als Belohnung eine von KdF gestiftete Busfahrt wie bspw. von München aus ins Geigenbauerndorf Mittenwald.84 Wenngleich entsprechende Berichte und Zeitzeugenaussagen von weiblichen Studierenden über die Anfangsjahre des lokalen Fabrik- und Landdienstes fehlen, belegen interne Berichte, dass sich auch an der hiesigen Universität zu Beginn wohl primär nur einige wenige aktive ANSt-Mitglieder sowie vereinzelte
81 Westphalen, 17, 40. 82 Vgl. dazu sowie zum Alltag der Studentinnen im Fabrikdienst ausführlicher Steffen-Korflür, 255. 83 Westphalen: Anhang. Zur Person, 16. 84 Vgl. ebd., 16 f.
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Studentinnen freiwillig an den Einsätzen beteiligten. Nachdem eine unbezifferte Anzahl Münchner Studenten bereits im Sommer 1934 sowie an Ostern des Folgejahres einen Einsatz in Ostpreußen, Pommern oder in der Kurmark mitgemacht hatte, führte das Außenamt der Studentenschaft der LMU nachweislich auch im Sommersemester 1935 wiederholt „einen 6-wöchentlichen Landdiensteinsatz in der Batschka durch mit einer Gruppe von 15 ausgesuchten und geschulten Leuten, davon 8 A. N. St. Kameradinnen.“85 Nach Aussage des Leiters des Außenamtes, Franz Ronneberger, hatten die Erfahrungen der großen Jugoslawien- und Bulgarienfahrt in den letzten Semesterferien gezeigt, dass die Verbindung von Auslands- und wissenschaftlicher Arbeit einen gemeinsamen Höchstwert ergebe. Dabei sollte sich die studentische Arbeit jedoch keineswegs nur auf das Erlebnis allein sowie das Sammeln von Eindrücken beschränken. Um die Kosten und Mühen einer derartigen Fahrt zu rechtfertigen sowie aus dem Gedanken heraus, „dass die volksdeutschen Gebiete Jugoslaviens [sic!] den Einsatz von nationalsozialistischen deutschen Studenten geradezu fordern, um sich in ihrem Volkstumskampf behaupten zu können, ist die Idee der Landhilfe entstanden. Fünfzehn Kameraden und Kameradinnen werden seit 1 1/2 Semestern in jeder Hinsicht politisch und wissenschaftlich geschult. Sie sollen sodann in etwa vier der besonders bedrohten Dörfer der Batschka bei Bauern Unterkunft finden und in der Landwirtschaft arbeiten. Ihre Aufgabe besteht darin, vornehmlich die Jugend dieser Dörfer um sich zu sammeln und ihnen durch Haltung und Vorbild das Erlebnis des Nationalsozialismus zu vermitteln.“86 Als vertrauensbildende Maßnahmen wurden die in der GPf bzw. VTA erworbenen Fähigkeiten auf dem Gebiet der Laienspiele, Volkslieder und -tänze empfohlen. Die wissenschaftliche Aufgabe bestand darin, die soziologischen, sozialen, völkischen und wirtschaftlichen Verhältnisse in der Batschka zu untersuchen und die Ergebnisse im Rahmen eines geplanten Volkstumsatlasses zu verwerten.87
85 Vgl. Gau München-Oberbayern: Studenten in der Bayerischen Ostmark. Erinnerungen eines alten Landdienstlers aus den Jahren 1935–1937. In: DB vom 11.7.1939. Zum Zitat vgl. BArch, RSF II* 535 (a 434). Bericht Sommerhalbjahr 1935, Hauptamt VI der Studentenschaft der Universität München vom 29.6.1935. Hervorhebung P. U. Vgl. dazu auch BayHStA, 70244. 52-seitiger Bericht des Aussenamtes der Studentenschaft der Universität München über den Landdiensteinsatz in Batschka und Banat in den Sommerferien Juli/August 35. 86 BayHStA, MK 40804. [Wolfgang] Pusch/[Franz] Ronneberger an Herrn Ministerialrat Freiherr von Stengel vom 6.6.1935. 87 Vgl. dazu auch Manns, 207: 1938 nutzten 130 Berliner Studentinnen der Hoch- und Fachschulen ihren mehrwöchigen Einsatz in der Grenzmark, um Unterlagen für eine wissenschaftliche Fragestellung zu sammeln. Diese lautete, „warum die Bauersfrau mit ihren Arbeitsaufgaben
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Eine weitere Gruppe von 30 LMU-Studentinnen kam parallel auf Werbung der Landdienstreferentin zusammen, um sich bereits während des Semesters in gemeinsamen Abenden auf die Arbeit in der Bayerischen Ostmark, der Grenzmark, in Ostpreußen und Schlesien vorzubereiten, darunter elf ANSt-Mitglieder.88 Weitere sechs Frauen sollten nach Auskunft von Franz Ronneberger im Sommer 1936 im Landdienst im Banat eingesetzt werden.89 An der TH München, die ohnehin eine geringere Anzahl von weiblichen Immatrikulationen zu verzeichnen hatte, verpflichtete sich außer der Leiterin des H VI, Thilde Dressel, keine einzige Studentin noch überhaupt eine weitere Münchnerin während der Semesterferien 1935 zum Landdienst und damit für die volksdeutsche Arbeit in Rumänien; immerhin drei Kommilitoninnen arbeiteten bereits an raumwirtschaftlichen Untersuchungen in der Bayerischen Ostmark.90 Selbst drei Jahre später, im Wintersemester 1938/39, hatten sich an der TH von 48 deutschen Studentinnen, darunter 29 ANSt-Mitglieder, nur drei Kameradinnen für den Land-, eine für den Fabrikdienst gemeldet91, während man an der Staatlichen Akademie der Tonkunst vorgab, letztgenannten Dienst aufgrund der Kürze der Ferien nicht durchführen zu können.92 An der Universität Erlangen beteiligten sich im Sommer und Herbst 1938 sechs bzw. drei Frauen an Fabrik- bzw. Landdienst; im Frühjahr 1939 hatten sich gerade einmal drei Freiwillige zum studentischen Einsatz gemeldet.93 Für Thilde Dressel kam erschwerend hinzu, dass sie nicht mehr als zehn RM zu den Gesamtkosten des Einsatzes beitragen konnte: „Es war schon ausserordentlich schwer, die Erlaubnis meiner Eltern zum Landdienst zu bekommen, da ich mir als Werkstudent in den Ferien das Kolleggeld zum nächsten Semester verdienen sollte. Aber dass ich noch Geld von meinen Eltern erhalte, ist unmöglich. Doch konnte ich mir in der letzten Wochen durch Adressen schreiben Rm 10.- ver-
überlastet sei und warum sie dem „Haus“ und der Kindererziehung so stark entzogen würde, um auf dem Felde eine Arbeitskraft zu ersetzen.“ 88 Vgl. BArch, RSF II* 535 (a 434). Bericht Sommerhalbjahr 1935, Hauptamt VI der Studentenschaft der Universität München vom 29.6.1935. 89 Vgl. BArch, RSF II* 536 (a 435). Reichsstudentenbundsführung. Abtlg. Studentinnen an Hilde Busse vom 25.3.1936. 90 Vgl. BArch, RSF II* 535 (a 434). Semesterbericht der Technischen Hochschule München zum Sommersemester 1935 vom 1.7.1935, sowie BArch, RSF II* 536 (a 435). Teilnehmerliste am Schulungslager der A. N. St., Landdienst Rumänien 1935. 91 BArch, RSF II* 540 (a 438). Semesterbericht der Technischen Hochschule München vom Wintersemester 1938/39 vom 20.2.1939. 92 Vgl. ebd. Semesterbericht der Anst-Gruppe der Staatl. Akademie der Tonkunst vom 22.2.1939. 93 Vgl. BArch, RSF II* 532. Studentenführung Erlangen. Amt Studentinnen. Bericht über das W. S. 38/39 vom 25.2.1939.
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dienen und freue mich, wenigstens diesen kleinen Beitrag stellen zu können.“94 Auch bei den Kommilitonen war die Forderung nach einem mehrwöchigen, unentgeltlichen Einsatz oftmals nicht zu erfüllen, da sie auf einen Verdienst als Werkstudenten in den Ferien angewiesen waren.95 Der Erinnerung Westphalens zufolge gab es in den Fabrikdienstlagern jedoch sicherlich einige, die „nicht aus ideellen Gründen, sondern weil sie für vier Wochen Unterkunft und Verpflegung hatten, und dafür da nicht selbst zu bezahlen brauchten, ein solches Lager mitmachten“, auch wenn sie hierfür „andererseits ein Stück privaten Daseins opfern mußten.“96 Diese Aussage bestätigt eine Auflistung der Einsatzleistenden vom Sommer 1936. Alle vier von der LMU gemeldeten Frauen gaben an, nur in der Nähe ihres Heimatortes gegen entsprechende Entschädigung tätig werden zu können, da sie wirtschaftlich schlecht gestellt waren.97 Einen weiteren Beleg bildet der umfangreiche Schriftwechsel zwischen Mathilde Betz und der Betriebsgemeinschaft der Deutschen Waffen- und Munitionsfabriken, die in einer Art Pilotprojekt schon 1937 Studentinnen in Rüstungsbetrieben einsetzten. So hatte ein Teil von ihnen fälschlicherweise angenommen, eine Bezahlung für die Tätigkeit zu erhalten und erst vor Ort von der unentgeltlichen Arbeit erfahren. Weil sich zwei Frauen in einer derart wirtschaftlich schlechten Lage befanden, die ihnen selbst bei Zusicherung freier Unterkunft und Verpflegung einen Einsatz unmöglich gemacht hätte, machte sich Mathilde Betz persönlich für eine Ausnahme und damit für eine finanzielle Entschädigung stark.98 Eine hiesige Chemiestudentin hatte ihre Tätigkeit sogar vorzeitig aufgegeben mit der Begründung, mangels finanzieller Mittel nicht weiter bleiben zu können: „Fräulein Marquardt hat angegeben, es fiele ihr nicht ein, umsonst zu arbeiten, zumal das Geld, das für andere weibl. Gefolgschaftsmitglieder sein sollte, von der Firma gar nicht ausgezahlt würde. […] Letzten Endes ist ja die Studentenschaft durch derartige Elemente, die – ohne sich vorher vergewissert zu haben – Verleumdungen in die Welt setzen, beson-
94 BArch, RSF II* 536 (a 435). Thilde Dressel an Liselotte Machwirth vom 9.7.1935. 95 Vgl. BArch, RSF II* 118. Gaustudentenführung München-Oberbayern. Stimmungsbericht Monat Mai und Juni 1938 vom 19.7.1938. 96 Westphalen: Anhang. Zur Person, 15. 97 Vgl. BArch, NS 38/I* 80g 594. Einsatz im Sommer 36. Meldungen zum Rundschreiben VI/H Nr. 3 – 1936. 98 Vgl. exemplarisch ebd. Deutsche Waffen- und Munitionsfabriken A. G. an die Reichsstudentenführung vom 12.7.1937 sowie ebd. M[athilde] B[etz] an die Deutschen Waffen- u. Munitionsfabriken vom 21.7.1937.
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ders geschädigt“99, so ein Schreiben der Deutschen Waffen- und Munitionsfabriken an Mathilde Betz. Auch die Teilnahme am Landdienst erfolgte nicht immer aus idealistischen Motiven, wurde diese doch in der Anfangsphase als Äquivalent für den nachträglich zu absolvierenden RAD gewertet. Darüber hinaus bestand die Möglichkeit, sich den Fabrik- sowie in bestimmten Fällen ebenso den Landdienst als Berufspraktikum anrechnen zu lassen.100 Die weitere Entwicklung des Landdienstes ist in direktem Zusammenhang mit dem Fabrikdienst zu sehen. Für beide kann – ebenso wie für den Einsatz in der NSV – stellvertretend der Zwischenbericht der Universität Berlin vom Wintersemester 1935/36 herangezogen werden: „Zum Fabrikdienst melden sich nur wenige, die nicht A. N. St.-Kameradinnen sind, ebenso zum Landdienst. Auch die Beteiligung an der N. S. V. Arbeit war ausserhalb der A. N. St. schwach.“ Mit anderen Worten: „Alles und jedes muss bescheinigt werden und nichts wird um des eigentlichen Zweckes willen getan“101 und die „Einsatzbereitschaft der Studentinnenschaft erwies sich als recht gering“. Um „erst einmal das Verantwortungsgefühl zu wecken, ohne das nie eine gute Aufbauarbeit möglich sein wird“102, und „um einen Kern gewillter und vorgeschulter Landdienstleute zu schaffen, die über die Arbeitshilfe hinaus noch von Aufgaben wissen, die man völkische oder näher: volkstumspolitische nennen mag“103, griffen die Universitäten schließlich auf studentische Lager, Schulungen in ANSt-Gruppen und Kameradschaften sowie auf gezielte Werbung unter den Studierenden in Form von Aushängen, direkter Ansprache und Versammlungen zurück. Auch das Studentinnenheim Marie-Antonie-Haus stellte dafür Räumlichkeiten wie seinen Gartensaal zur Verfügung.104 Schenkt man den entsprechenden Stimmungs- und Semesterberichten der Gaustudentenführung München-Oberbayern sowie der lokalen Universitäten bzw. Hochschulen Glauben, zeigten diese Methoden durchaus Erfolg. Waren
99 Ebd. F. Humboldt an Mathilde Betz vom 17.9.1937. Entsprechende Quellen bzw. Ergebnisse zu den Nachforschungen Betz‘, mehr über die Behauptungen der Studentin und damit über die Sachlage zu erfahren, sind im BArch nicht dokumentiert. 100 Vgl. Grüttner, 342 f. 101 Alle Zitate nach BArch, RSF II* 535 (a 434). Arbeitsbericht des H. A. VI. Berlin vom W. S. 35/36. 102 Alle Zitate nach ebd. Semesterbericht der kom. Hauptamtsleiterin VI der Universität Hamburg vom 7.7.1935. 103 Ebd. Bericht über die Landdienstschulung der Universität Göttingen vom Winter-Semester 1935/36. 104 Vgl. Anschlag an alle Hoch- und Fachschulen, Kliniken, und Institute Gau München-Obb. betreffend Fabrikdienst vom Wintersemester 1936/37 im Anhang des Interviews mit Westphalen.
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bspw. im Frühjahr 1938 etwa 80 Studentinnen und Studenten des Gaues München-Oberbayern in Münchner Betrieben sowie im Grenzbezirk der Bayerischen Ostmark eingesetzt und lediglich sieben Meldungen für den Landdiensteinsatz in den Sommerferien 1938 erfolgt105, gingen zum Ende des Wintersemesters 1938/39 allein 140 Meldungen von Frauen zum Fabrikdienst für das kommende Frühjahr ein: Ein „Erfolg, der zweifellos nur auf die gute Arbeit in den ANSt-Gruppen zurückzuführen ist“106, so das Fazit der Gau-ANSt-Referentin. Nur wenige Monate später, im Januar und Februar 1939, sprach man bereits von nicht weniger als hundert Studentinnen und etwa hundert Studenten, die sich für das Frühjahr zum Fabrikeinsatz gemeldet hatten, um einem Arbeiter kostenlos einen vierwöchentlichen Urlaub zu verschaffen: „Diese Angelegenheit war seit zwei Jahren im Aufsteigen begriffen und hatte mit der diesjährigen Teilnehmerzahl den ersten sichtbaren Erfolg unserer Kameradschaftserziehung gezeigt.“107 Ungeachtet aller Erfolgsmeldungen darf hierbei jedoch nicht übersehen werden, dass es folglich also auch an der Universität München bzw. im Gau selbst schon frühzeitig einer „zähen medialen und persönlichen Werbearbeit“108 bedurfte, um die Studierenden für die verschiedenen Dienste zu gewinnen. Wie Steffen-Korflür rekurrierend auf die Interviews von Dageförde mit ehemaligen Hamburger Studentinnen schlussfolgert, hatten Letztgenannte wohl oftmals das Gefühl, „es sei notwendig, „irgendwo“ einmal mitzuwirken, um möglichen Sanktionen vorzubeugen.“ Dieses Verhalten lässt darauf schließen, „daß mit der vorhergehenden ‚eifrigen Werbung in der A. N. ST. und in den Fachschaften‘ zumindest ein gewisser sozialer Druck verbunden war.“109 Umgekehrt sanken die Teilnehmerzahlen offenbar umgehend, sobald die entsprechende Propaganda vernachlässigt wurde: „Lediglich die Studentinnen an der Universität haben stark bei ihrer Einsatzmeldung nachgelassen. […] Da die Herausgabe der Termine und Bedingungen für die Erntehilfe derart spät ergingen, war es im Gau München-Obb. nicht mehr möglich, hier wie im vergangenen Jahr mit einer grosszü-
105 Vgl. BArch, RSF II* 118. Gaustudentenführung München-Oberbayern. Stimmungsbericht für den Monat Februar 1938 vom 8.3.1938, sowie ebd. Gaustudentenführung München-Oberbayern. Stimmungsbericht für den Monat März 1938 vom 13.4.1938. Zum Landdiensteinsatz 1938 vgl. BArch, RSF II* 540 (a 438). Semesterbericht: Wintersemester 1938/39 der Gaustudentenführung München-Oberbayern vom 4.3.1939. 106 BArch, RSF II* 540 (a 438). Semesterbericht: Wintersemester 1938/39 der Gaustudentenführung München-Oberbayern vom 4.3.1939. 107 BArch, RSF II* 47. Auszug aus dem Arbeitsbericht Gaustudentenführung München-Oberbayern für die Monate Januar und Februar 1939 vom 31.3.1939. 108 Manns, 200. 109 Alle Zitate nach Steffen-Korflür, 250.
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gigen Werbung einzusetzen“110, die in Form von Plakaten, Zeitungsaufrufen und „vor allem durch eine grosse Versammlungswelle“111 an sämtlichen Münchner Hochschulen erfolgt war. Bereits 1937 waren im hiesigen Gau deutliche Schwierigkeiten bei der Durchführung aufgetreten. So hatte es auf der einen Seite überhaupt „ungeheure Anstrengungen gekostet, die Leute zur Meldung für die Erntehilfe zu bewegen.“112 Auf der anderen Seiten lähmten mangelnde bzw. unzureichende Kommunikation, Kompetenzstreitigkeiten zwischen dem Einsatzreferenten des Gaues München-Oberbayern und der Gaustudentenführung Bayerische Ostmark sowie organisatorische Probleme die reibungslose Umsetzung und mit ihr einen geregelten Betrieb: „(A)ber schließlich im besonderen ist München kein Zwerggau […] und seine Studenten sind deswegen nicht so leicht zu überblicken.“113 Etliche Stellen der Kreisbauernschaften mussten deshalb am Ende unbesetzt bleiben, weil ein großer Teil der gemeldeten Studierenden nicht für eine entsprechende Stelle eingeteilt worden war, darunter nahezu 800 Frauen. Ein Teil der Frauen konnte alternativ in einem sog. „Erntekindergarten“ beschäftigt werden, ein Einsatz, der dem lokalen Gaueinsatzreferenten als vollkommen gleichwertiges Pendant zur Arbeit in Fabrik- und Landdienst sowie der NSV galt.114 Ironischerweise kam auch der mit 140 Meldungen im Wintersemester 1938/39 als Erfolg postulierte dreiwöchige Fabrikeinsatz der Münchner Studentinnen, von denen allein 40 lokal eingesetzt werden sollten, am Ende nicht zustande. Obwohl sich das Frauenamt der DAF schon mit den Betriebsleitern wegen einer Beurlaubung der abzulösenden Arbeiterinnen in Verbindung gesetzt hatte, musste der in Lagerform geplante Einsatz nur zwei Tage vor Beginn endgültig abgesagt werden, weil die DAF keinerlei finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt hatte. Dieser Umstand wog umso schwerer, da die Münchner Studentinnen den Einsatz „schon aus Prestigegründen“115 unbedingt durchführen wollten und
110 BArch, RSF II* 118. Gaustudentenführung München-Oberbayern. Stimmungsbericht Monat Juli und August 1938 vom 3.9.1938. 111 BArch, RSF II* 487 (a 389). Zwischenbericht über den Verlauf des Grosseinsatzes der Münchner Studentenschaft in der Erntehilfe der Bayer. Ostmark vom 16.8.1937. 112 Ebd. Abschrift Studentenbundführung in der Gauleitung München-Oberbayern an die Gaustudentenführung Bayerische Ostmark vom 16.6.1937. 113 Ebd. Abschrift [Gaustudentenführung München-Oberbayern] an die Gaustudentenführung Bayerische Ostmark vom 26.6.1937. 114 Ebd. Zwischenbericht über den Verlauf des Grosseinsatzes der Münchner Studentenschaft in der Erntehilfe der Bayer. Ostmark vom 16.8.1937. 115 BArch, RSF II* 540 (a 438). Semesterbericht: Wintersemester 1938/39 der Gaustudentenführung München-Oberbayern vom 4.3.1939.
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man vonseiten der ANSt bereits 1936 auf die Schwierigkeiten bei der praktischen Durchführung des Fabrikdienstes aufmerksam gemacht hatte: „1. in Bezug auf die gemeinsame Unterbringung der Kameradinnen während des Einsatzes. 2. in Bezug auf die Finanzierung der Lager“116, die grundsätzlich durch eine Kontaktaufnahme mit der DAF geklärt werden sollte. Nach Meinung der Gau-ANSt-Referentin hatte sich außerdem der zuständige Einsatzreferent zu spät und ohne den notwendigen Druck mit den entsprechenden Stellen in Verbindung gesetzt: „Der abgesetzte Einsatz ist für uns umso bitterer, als die meisten Studentinnen schon über ihre Ferien disponiert hatten und die von ihnen abzulösenden Arbeiterinnen bereits von ihren Betriebsleitern zu KdF-Erholungsfahrten abgemeldet waren. Ich glaube, es bedarf keiner näheren Erklärung, daß sich der in letzter Minute abgesetzte Einsatz auch auf die Einsatzfreudigkeit unserer Studentinnen im Landdienst sehr negativ auswirken wird. […] Aber ein Gutes hatte der abgesetzte Fabrikdienst doch: fachlich wie politisch geeignete Kameradinnen, die sich für den Fabrikdienst gemeldet hatten, habe ich für den Sonderdienst verpflichtet“117 und damit zum fachgemäßen Einsatz in lebenswichtigen Betrieben.118 Auch an der Hans-Schemm-Hochschule für Lehrerbildung in MünchenPasing kämpfte Gau-ANSt-Referentin Ruth Bergholtz mit ähnlichen Problemen. Obwohl hier Meldungen von 85 Studentinnen – darunter 60 Erstsemester – zum Fabrikdienst in den Osterferien 1939 eingegangen waren, zeigte sich die Funktionärin wenig erfreut. Ihrer Meinung nach war diese Anzahl weniger auf echte Motivation, sondern auf die Tatsache zurückzuführen, dass der Fabrikdienst im Gegensatz zum Landdienst nur drei Wochen dauerte. Darüber hinaus hatte sich das Gerücht verbreitet, sämtliche Studentinnen der Hochschule müssten in den studentischen Einsatz gehen. Aus diesem Grund meldeten sich wohl nicht nur gleichermaßen politisch wenig zuverlässige Frauen, sondern auch ungenü-
116 BArch, RSF II* 499. Rundschreiben A. N. St. 3/36 vom 12.5.1936. 117 BArch, RSF II* 540 (a 438). Semesterbericht: Wintersemester 1938/39 der Gaustudentenführung München-Oberbayern vom 4.3.1939. Hervorhebung im Original. 118 Vgl. Herta Miedzinski: Studentinnen berichten: Kriegstakt der Maschinen… In: DB vom 6.2.1940: „Dieser jüngste Zweig in der Ausbildung im Frauendienst ist zum schönsten und erfolgreichsten Einsatzgebiet geworden. Auf den vierwöchigen Fabrikdienst, der die Studentinnen mit der Arbeit und dem Betrieb vertraut machen soll, baut sich in den anschließenden Ferien der zweite fachgemäße Einsatz auf: die Juristinnen gehen in die Sozial- und Rechtsabteilung, die Volkswirtinnen in die Lohn- und Einkaufsbüros, die Chemikerinnen und Physikerinnen in die Laboratorien, die Ingenieurinnen und Technikerinnen in die Fabrikation. Während die Studentinnen im ersten Einsatz unentgeltlich arbeiten und so der Arbeiterin, deren Platz sie einnehmen, einen zusätzlichen bezahlten Urlaub verschaffen, werden sie im zweiten und dritten Einsatz bezahlt, um für Unterkunft und Verpflegung, die ihnen im ersten Einsatz von Frauenschaftsmitgliedern und Werk gestellt werden, selbst sorgen zu können.“ Ebd.
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gend geschulte Erstsemester, was Bergholtz grundsätzlich ablehnte. „Was dabei herauskam, zeigen zum Teil die Berichte des Landdiensteinsatzes unseres Einsatzreferenten (Sommer 38)“.119 Wie Auswertungen interner Quellen der RSF belegen, war die Einsatzfreudigkeit und damit die Zahl der Freiwilligen, die einen Teil ihrer Semesterferien im Fabrik- oder Landdienst verbrachten, nicht nur in München bedeutend kleiner als von der NS-Propaganda suggeriert. So beteiligten sich 1934 insgesamt lediglich 330, in den zwei folgenden Jahren 1900 bzw. 2500 Studierende am Landdienst. Noch wesentlich geringer fiel 1936 das Ergebnis für den Fabrikdienst mit 1100 Teilnehmern aus. Insgesamt hatten sich in diesem Jahr also 3600 Frauen und Männer unentgeltlich am studentischen Einsatz beteiligt, was gerade einmal einem Prozentsatz von fünf aller an den deutschen Hochschulen eingeschriebenen Studierenden entsprach. Vor diesem Hintergrund entschloss sich die neue RSF unter Gustav Adolf Scheel, verstärkt Druck auf die Studentinnen und Studenten auszuüben. Die 1937 veröffentlichten „Richtlinien für die Kameradschaftserziehung“ legten fest, dass etwa Kameradschaftsmitglieder nur nach vorheriger Bewährung im Einsatz in den NSDStB aufgenommen werden durften. Ältere Studenten sollten dagegen von einer außeruniversitären Indienstnahme weitgehend freigestellt werden, um sich auf die wissenschaftliche Arbeit konzentrieren zu können. Nach Grüttner ist es – analog zu den Ergebnissen Steffen-Korflürs – vermutlich auf den steigenden Druck zurückzuführen, dass die Teilnehmerzahlen schon 1937 merklich in die Höhe gingen, wofür bei den Frauen auch die an dieser Stelle nicht erwähnten „Werbemaßnahmen“ der ANSt verantwortlich waren. Der Großteil der Teilnehmer in Fabrik- oder Landdienst kam jedoch von kleineren Hoch- oder Fachschulen, wo es für die Einzelnen im Gegensatz zu den großen Universitäten weitaus schwieriger war, in der Anonymität der Masse unterzutauchen.120 Im Sommer 1939 unternahm die RSF schließlich erstmals den Versuch, die deutschen Studierenden vollständig für einen Arbeitseinsatz in der Landwirtschaft zu mobilisieren. Nachdem die polnische Regierung unter dem Eindruck der zunehmenden deutsch-polnischen Spannungen beschlossen hatte, die zuvor vereinbarte Entsendung von 90.000 Saisonarbeitern als Hilfskräfte beim Einbringen der Ernte in Deutschland zu untersagen, bat Himmler SS-Oberführer Scheel, ersatzweise 25.000 Studenten bereitzustellen. Daraufhin proklamierte Scheel unverzüglich die allgemeine „Erntehilfspflicht für alle Mitglieder der Deutschen Studentenschaft“, sofern sie nicht Ausländer bzw. „Nichtarier“ waren. Der vier-
119 BArch, RSF II* 540 (a 438). Sonderbericht über die H. f. L.-Pasing vom 4.3.1939. 120 Vgl. Grüttner, 342–344.
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wöchige Einsatz sollte bereits am 15. Juli und damit zwei Wochen vor Ende des Sommersemesters, in Bayern ab dem 22. Juli beginnen, da die Erntearbeiten hier aufgrund klimatischer Bedingungen später anfingen.121 Denjenigen, die ohne Entschuldigung dem Einsatz fernblieben, drohte man, weder das aktuelle Semester anzurechnen noch eine Neueinschreibung bzw. Rückmeldung im kommenden Semester zu gewähren oder sie zu Prüfungen zuzulassen.122 Mit diesem Verhalten maßte sich die RSF allerdings Kompetenzen an, die ihr kaum zustanden. „Entsprechend gereizt reagierte das REM, das bemüht war, außeruniversitäre Belastungen der Studentenschaft in Grenzen zu halten, um die akademische Nachwuchsknappheit nicht noch weiter zu vergrößern.“ Ein Erlass des Ministeriums vom 6. Juni 1939 beschränkte die Erntehilfe und damit die vorzeitige Entlassung hauptsächlich auf jüngere Semester. Der Lehrbetrieb selbst sollte ordnungsgemäß bis Semesterende abgehalten werden.123 Nur zehn Tage später kündigte ein weiterer Erlass an, das REM werde keinerlei Zwangsmaßnahmen gegen Studierende ergreifen, die sich der Teilnahme an der Erntehilfe ohne schwerwiegenden Grund zu entziehen versuchten. „Charakteristisch für die halbherzige Vorgehensweise des REM war indes der Verzicht auf eine Veröffentlichung dieser Erlasse“124, weshalb die meisten Studentinnen und Studenten nichts von ihrer Existenz erfuhren. Dass dies an einigen Universitäten jedoch anders war, ist in der bisherigen Forschung ausführlich dargestellt worden. Besonders in Bonn, aber auch in Freiburg und München kam es auf Informationsveranstaltungen zur Erntehilfe zu massiven Unruhen und Störungen, die angeblich sogar mit Internierungen von Studierenden im Konzentrationslager Dachau endeten.125 Die ehemalige Medizinstudentin Siegrid H. erinnerte sich: „Und da […] haben sie 20.000 Studenten
121 Vgl. UAM, Sen. 6a. Bayer. Staatsministerium für Unterricht und Kultus an die Herren Rektoren der 3 Landesuniversitäten vom 14.6.1939. Vgl. in diesem Zusammenhang auch Fr.: 25000 Studenten im Landdienst. In: DB vom 13.6.1939 sowie Studentischer Landdienst Sommer 1939. In: DB vom 20.6.1939. 122 UAM, D-XVII-52. Aufzeichnungen über das Ergebnis der Besprechung am 15.6.1939 wegen der studentischen Erntehilfe vom 15.6.1939. 123 Vgl. UAM, Sen. 6a. Der Reichsminister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung an die Unterrichtsverwaltungen der Länder mit Hochschulen (außer Preußen), die Reichsstudentenführung in München vom 6.6.1939. 124 Alle Zitate nach Grüttner, 344 f. Zum Erlass vgl. UAM, Sen. 6a. Der Reichsminister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung an die Herren Rektoren der deutschen, wissenschaftlichen Hochschulen […] vom 16.6.1939. 125 Vgl. Ulrich von Hassell: Die Hassell-Tagebücher 1938–1944. Aufzeichnungen vom Andern Deutschland. Berlin 1988, 105. In den Studentenstrafakten des UAM finden sich diesbezüglich keine Hinweise.
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nach Ostpreußen geschickt, um die Ernte einzubringen. Und da weiß ich noch, dass der […] Baldur von Schirach, der hat also da im Chemiehörsaal […] eine Mordsrede gehalten, wollte uns die Sache schmackhaft machen. Wir haben so lange getrampelt, um den rauszuekeln, der konnte seine Rede nicht halten. Aber das war die einzige Widerstandsmöglichkeit, die wir hatten oder die wir wahrgenommen haben. Wir mussten natürlich trotzdem fahren.“126 Ähnliche Störaktionen gab es auch an der TH, wo sich Studenten im Sommersemester 1939 im Chemie-Hörsaal versammeln mussten, um Instruktionen zur Erntehilfe von entsprechenden NSDStB-Funktionären zu erhalten. „Dazu kam es allerdings nicht, weil gegnerische Studenten zwischen der Tafel und dem Vorlesungstisch einige Ampullen mit Merkaptan auf den Boden gelegt hatten, die dann von den Marschstiefeln der Uniformierten zertreten wurden. Da […] konnte ich nun erleben, wie die strammen SA-Mäner wegen des penetranten Gestanks den Hörsaal in panikartiger Flucht verließen.“127 Auf zwei großen Studentenversammlungen in der LMU und in einem Hörsaal der Frauenklinik rebellierten die Studierenden so stark gegen die unerhörte Freiheitsberaubung durch die Erntehilfspflicht, dass Gaustudentenführer Doerfler sich nur mit Mühe Gehör verschaffen konnte: „Zum erstenmal [sic!] erlebte ich deutliche Proteste von seiten der Studentenschaft. Kurz bevor ich den Saal betrat, war ein ziemliches Geschrei und Tumult mit Rufen: ‚Unerhört‘ – ‚Freiheitsberaubung‘ usw.“128 Entsprechende Plakate der Studentenführung, die zu Informationsveranstaltungen und zum Einsatz aufriefen, wurden mit abfälligen Bemerkungen wie „Schickt die Bonzen in die Erntehilfe!“129 versehen. Ein anonymer Anschlag, der im Treppenhaus der Chirurgischen Universitätsklinik gefunden wurde, prangerte in Form eines Schmähgedichtes die Arbeit auf dem Land an: „Der Bauernsohn geht in die Stadt Er hat das Kuhmistleben satt SS Verfügungstruppe! Das Ist für ihn der richtge Spass Zu hause reift die Ernte schon Wer erntet für den Bauernsohn? Natürlich selbstverständlich der Student An dem gehts immer raus am End
126 Interview mit Sigrid H. vom 17.3.2005. Zu den Unruhen in Bonn vgl. BArch, NS 38/2281. Abschrift eines Schreibens an die Geheime Staatspolizei, Dienststelle Bonn, vom 29.6.1939, Höpfner, 140. 127 Behrens, 32. 128 Doerfler, 281 f., hier 281. 129 UAM, XVII-52. Handschriftlicher Zettel mit Parole.
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Der dumme Kerl der wehrt sich nicht Geht brav Aufs Land ihn kümmerts nicht Dass er im Urlaub kaum für Geld Schuften muss und dass verfällt Arbeitszeit und Arbeitsleistung Für die Prüfungsvorbereitung. […] Wir sollten immer nur verstehen Und für andre Dienst versehen Uns aber hilft kein Volksgenosse Wir sind am End stets dumme Rosse.“130
Die Gaustsudentenführung versuchte dagegen, das ablehnende Verhalten der Studierenden herunterzuspielen und betonte, „dass es nur in drei bis vier Versammlungen leichte Widerstände zu überwinden gab, die vor allem durch den Massenbesuch dieser Versammlungen zustande kamen, da hier der eine oder andere glaubte, in der Masse nicht erkannt zu werden. Sämtliche Versammlungen endeten jedoch mit einem Beifall der Mehrzahl der Studierenden. Der Einsatz wurde mit Unterstützung des Bayr. Staatsministeriums für Unterricht und Kultus durch Einberufungsbefehle vorbereitet, sodass heute abschliessend festgestellt werden kann, dass kein Student, der nicht beurlaubt war, der Erntehilfe fernblieb. […] Nicht weniger als viertausend Studenten und Studentinnen des Gaues Mü.-Obb. gingen in die Erntehilfe und in den Landdienst.“131 Nach den Demonstrationen unter arbeitsdienstpflichtigen Studenten der LMU sowie den in öffentlichem Protest gipfelnden Unmutsbezeugungen infolge der studentischen Indienstnahme Mitte der 1930er Jahre, machten die Münchner Studierenden ihrer Missstimmung über die Beanspruchung zu außeruniversitären Diensten nun erneut Luft. Diese Stimmung stand symptomatisch für die geringe Begeisterung, mit der Studentinnen und Studenten auf die Verkündung der Erntehilfspflicht 1939 reagierten. Gleichzeitig erklärt sie die zahlreichen Anträge auf Beurlaubung u. a. wegen wirtschaftlicher Gründe, Krankheit oder Examen sowie die schlichte Ignoranz, mit der Betroffene auf entsprechende Schreiben zur Teilnahme von der Studentenführung reagierten.132 Letztere war
130 Ebd. Anlage des Schreibens des Direktors der Chirurgischen Universitäts-Klinik an den Herrn Dekan der Medizinischen Fakultät vom 26.6.1939 (Orthografie und Zeichensetzung nach Original). Zu den Protesten in München vgl. ausführlich Grüttner, 346–348. 131 BArch, RSF II* 47. Auszug aus dem Monatsbericht der Gaustudentenführung München-Obb. für die Monate Juni bis August 1939 vom 22.9.1939. 132 Als Entschuldigungsgründe galten: „1. Gestellungsbefehl für die Wehrmacht. 2. Krankheit. […] 3. Abschluß- oder Staatsprüfung. 4. Arbeit auf dem elterlichen Hof. […] 5. Finanzielle Notla-
2.2 Die Reaktionen der Studentinnen auf die studentische Dienstpflicht
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gerade an großen Universitäten oftmals personell nicht in der Lage, die zahlreichen Anträge auf Beurlaubung zu überprüfen, weshalb sich genügend Schlupflöcher zur Entziehung der Erntehilfspflicht auch ohne große Proteste ergaben und sich 1939 nicht einmal 30 % aller Universitätsstudenten an diesem Dienst beteiligten.133 Alle in diesem Rahmen eingeleiteten Verfahren gegen säumige Teilnehmer wurden zudem von der RSF auf dem Gnadenwege eingestellt, nachdem das REM Strafmaßnahmen in einem Erlass ausdrücklich abgelehnt hatte.134 Lediglich in Einzelfällen, in denen eine Teilnahme an der Erntehilfe deutlich aufgrund einer staatsfeindlichen Haltung verweigert wurde, sollten disziplinarische Maßnahmen erwogen werden.135
Abb. 42: Kriegseinsatzpass für die studentische Erntehilfe 1940
ge, die den Studenten zur Werkarbeit“ veranlasste. UAM, D-XVII-52. Aufzeichnungen über das Ergebnis der Besprechung am 15.6.1939 wegen der studentischen Erntehilfe vom 15.6.1939. 133 Vgl. Grüttner, 349. 134 Vgl. BArch, RSF II* 488. Rundschreiben der Reichsstudentenführung. Amt Politische Erziehung vom 4.10.1939. Zum Absatz vgl. Grüttner, 348. Zu den wenigen LMU-Studierenden, die ihrer Ernteeinsatzpflicht nicht nachgekommen waren, vgl. die entsprechenden Dokumente im UAM, D-XVII-52. 135 Vgl. UAM, D-XVII-52. Rundschreiben des Reichsministers für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung vom 6.9.1939.
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2 Die Einführung der studentischen Dienstpflicht
Der RSF zufolge haben 1940 insgesamt 47.000 Studierende sämtlicher Hoch- und Fachschulen am Ernteeinsatz, 2700 Studentinnen am Fabrikdienst teilgenommen. Stellt man dieser Zahl jedoch die Gesamtmenge der an allen wissenschaftlichen Hochschulen des Deutschen Reiches verzeichneten Immatrikulationen von 50.300 gegenüber, sind die Angaben wohl stark übertrieben. Auswertungen von lokalen ANSt-Semesterberichten ergeben, dass etwa 50 bis 70 % der weiblichen Studierenden im Sommer 1940 am Kriegseinsatz teilnahmen.136 Im Gau München-Oberbayern sollen 1939 über 3000 Studentinnen und Studenten zur Erntehilfe nach Ostpreußen und zum Landdienst ins Protektorat gefahren sein, weitere 1000 zur entsprechenden Mitarbeit auf den elterlichen Höfen. Im Sommer 1940 waren einem Zeitungsbericht der Münchner Neuesten Nachrichten zufolge 750 Studentinnen und Studenten im Protektorat zum Land-, 1200 zum Erntedienst im hiesigen Gau eingesetzt.137 Im zweiten Trimester 1940 nahmen insgesamt 240 ANSt-Kameradinnen am Landdiensteinsatz teil, weitere 16 waren in den Warthegau gefahren. 80 Kameradinnen der naturwissenschaftlichen Fächer sowie der Rechts-, Zeitungs-, Volkswirtschafts-, Betriebswirtschaftlichen und Technischen Fakultät wurden im Rahmen des Frauendienstes zur Fabrikarbeit in den Trimesterferien herangezogen.138 Bei einer Anzahl von 914 immatrikulierten Studentinnen ergab das insgesamt einen Satz von rund 37 %.139 Sofern lokale Berichte von Teilnehmerinnen an Land- bzw. Ernteeinsätzen vorliegen, spiegeln sie wiederholt die bereits im Arbeitsdienst gemachten Erlebnisse hinsichtlich der (hygienischen) Lebensumstände sowie der unmittelbaren Tätigkeiten bei den Bauern wider. So beschrieb die ehemalige Münchner Germanistikstudentin Lore Walb in einem Tagebucheintrag vom August 1940 ihren Landdienst in Mähren wie folgt: „Mit Otten habe ich gerade das große Los gezogen für den Landdienst. Ich kam bei dem „Sklavenmarkt“ zur Familie Johann B., ein Ehepaar in den 30er Jahren, zwei Jungens von 6 und 5 Jahren. Die Leute
136 Vgl. Grüttner, 378 f. 137 Zu den Zahlen für 1939 vgl. F. K.: Wir bergen die deutsche Ernte! Die Studenten des Gaues München-Oberbayern zur Erntehilfe abgefahren. In: DB vom 25.7.1939 sowie Ascan Libbertz: Gau München-Oberbayern vom Ernteeinsatz zurück. Unsere Studenten haben gearbeitet! Ein Bericht vom Einsatz des Studententums des Gaues München-Oberbayern in den Einsatzgebieten Ostpreußens. In: DB vom 29.8.1939. Zu den Zahlen für 1940 vgl. Sophie Rützow: Alle Fakultäten auf dem Feld und im Stall. 1950 Münchner Studierende sind heuer im Landdienst und in der Erntehilfe eingesetzt. In: MNN vom 25.8.1940, hier nach UAM, D-XVII-52. 138 Vgl. RSF II* 533. Trimesterbericht des 2. Trimesters 1940 über die ANST Arbeit im Gau München – Oberbayern vom 5.9.1940. 139 Vgl. Zusammenfassende Übersicht der Studenten im II. Trimester 1940. In: Universität München. Personen- und Vorlesungsverzeichnis für das III. Trimester 1940. München 1940, 136.
2.2 Die Reaktionen der Studentinnen auf die studentische Dienstpflicht
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sind sehr nett. Besonderes Glück habe ich mit meiner Unterbringung, ich habe ein helles, freundliches Zimmer mit 2 Betten, für mich allein (das Haus ist neu). […] Wie gut ich es mit meinem „Einzelzimmer“ habe, das erkannte ich sehr bald, denn die Jungens schlafen fast alle mit dem Bauernpaar zusammen oder mit der ganzen Familie. Und das wäre mir sehr unangenehm. […] Das größte Manko ist die Waschgelegenheit. Die Waschschüssel muss ich erst eine Viertelstunde bearbeiten, bevor ich sie benützen kann. […] In diesen zwei Wochen war die Arbeit noch nicht ganz so doll, denn die Ernte fängt ja erst nächste Woche an, dann ist die Hälfte der Zeit schon vorbei. Ich habe es sehr gut, ich schlafe bis kurz nach 8 Uhr, denn im Stall brauche ich gar nichts zu helfen. Ich war schon öfters auf dem Feld, im Heu, beim Kleeheu, Mistbreiten […]. Die Erfahrungen des R. A. D. sind mir jetzt wieder ganz wertvoll, ich weiß doch gleich, wie eine Arbeit angepackt wird.“140 Auch die Medizinerin Sigrid H. erinnerte sich im Zeitzeugeninterview an das Gefühl, von den Gutsbesitzern zusammen mit einer Kommilitonin „so wie auf dem Sklavenmarkt rausgesucht“ worden zu sein. Beim nachfolgenden Einsatz auf einem Hof in Rastenburg habe man jedoch nur den erweiterten Haushalt übernehmen müssen: „Beeren pflücken, Essen aufs Feld tragen usw. Wir haben keine Erntearbeit geleistet. Und die haben uns, ich glaube, fünf Mal Taschengeld gezahlt in der Woche und haben uns an jedem Wochenende empfohlen, wo wir hinfahren sollten. Und ich hab’s immer sehr positiv empfunden, dass ich Ostpreußen noch gesehen habe.“141 Irene Maria Stoess-Misslbeck, die 1940 zwei Trimester an der LMU immatrikuliert war und im Sommer am Ernteeinsatz in Iglau teilnahm, gefielen dagegen „die Sudetendeutschen, die an der deutschen Karlsuniversität in Prag studierten. Die Korporationen waren erst kürzlich abgeschafft worden und sie hatten studentischen Auslandsunterricht genossen, in studentischer Tradition gelebt. Wir mußten Flachs raufen und bekamen braune Hände. Doch am Ende konnten wir nach Prag fahren, unsere erste Millionenstadt. München war damals ein Dorf dagegen.“142 Im Gegensatz zu Kommilitoninnen, die im Umkreis von München – etwa zum Hopfenpflücken hinter Ingolstadt oder auf einem „städtischen Gut in Fröttmaning zu Erntearbeiten“143 – herangezogen wurden, kamen Frauen wie Irene Maria
140 Tagebucheintrag von Lore Walb vom 7.8.1940. In: Lore Walb: Ich, die Alte – ich, die Junge. Konfrontation mit meinen Tagebüchern 1933–1945. Berlin 1998, 191 f., künftig zitiert als Walb. 141 Interview mit Sigrid H. vom 17.3.2005. 142 Als Studentin in München. Erinnerungen von Irene Maria Stoess-Misslbeck. Unveröffentlichte Erinnerungen April 2005. Kopie im Besitz P. U. 143 Interview mit Dr. Friederike S. vom 21.4.2005. Zum Hopfenpflücken vgl. Interview mit Dr. Dr. h. c. mult. Hildegard Hamm-Brücher vom 24.5.2005.
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2 Die Einführung der studentischen Dienstpflicht
Stoess-Misslbeck oder Lore Walb bei ihren Einsätzen fernab der Heimat teilweise zum ersten Mal „mit einem fremden Volk zusammen, wenn auch der Boden hier deutsch ist, deutsch gesprochen wird, daneben wird doch auch mal tschechisch gesprochen, 5 Häuser im Dorf sind tschechisch. […] Interessant ist, was die Bauern über den Anschluß des Protektorats zu Deutschland erzählen. Hier haben sie allerdings nicht so viel mitgemacht wie in Nordmähren, dort waren die Tschechen viel aggressiver. Im vorigen Jahr haben unsere Studenten in Stannern die Schule wieder deutsch gemacht, d. h. die Tschechen vertrieben.“144 Wie Walb jedoch Jahrzehnte später in der Auseinandersetzung mit ihren Aufzeichnungen feststellen musste, belegt das Tagebuch ihr seinerzeit „kritikloses Einverständnis mit Hitlers Eroberungspolitik“ und ihre „Unkenntnis historisch-politischer Tatbestände. […] In meiner deutschen Engstirnigkeit konnte ich mir nicht vorstellen, daß nicht alle Deutschen Heimweh nach Großdeutschland hatten“. Angesichts der ereignisreichen Einsatzzeit als Studentin trat der politische Impetus aber selbst im hohen Alter noch deutlich in den Hintergrund: „Persönlich gesehen verdankte ich dem Landdienst in Mähren das schönste Gruppenerlebnis meiner Studienzeit und, weil oft im Mittelpunkt studentischer Aufmerksamkeit, die Stärkung meines Selbstwertgefühls.“145 Wenngleich eine umfangreiche Analyse über den Einsatz von Studentinnen in Land- bzw. Erntedienst weiteren Studien vorbehalten bleiben muss, ist davon auszugehen, dass eine kritische Auseinandersetzung mit dem politischen Antrieb dieser Indienstnahme bei einem Großteil der Frauen nicht erfolgte. Die mit dem Einsatz verbundene Option, die deutsche Wehrbereitschaft zu realisieren und den Wehrwillen der deutschen Frau gegenüber dem Feind zu demons trieren146, dürfte damit primär eine Wunschvorstellung der NS-Funktionärinnen gewesen sein. Sowohl in den für München durchgeführten Interviews als auch in den entsprechenden zeitgenössischen Berichten stehen allgemeine Rahmenbedingungen und Herausforderungen während der Einsatzzeit sowie das Leben fernab der Heimat im Mittelpunkt: „Wie gesagt, ’40 Ostern habe ich angefangen, und dann haben wir im ersten Jahr Trimester gehabt, die aber wie’s Semester gezählt haben, d. h. also drei in einem Jahr. Das haben sie allerdings dann wieder sein lassen. Und nach diesem ersten Trimester, also Ostern ging’s an bis in den Sommer 1940, dann war ein zehn Wochen langer Einsatz, Ernteeinsatz für alle, also Buben, Mädchen. Und zwar ging da also ein Sonderzug in die Tschechei rein mit vielen, vielen Wägen, gell. Und […] an verschiedenen Orten wurden wir aus-
144 Tagebucheintrag von Lore Walb vom 7.8.1940. In: Walb, 193. 145 Alle Zitate nach ebd., 194. 146 Vgl. Anna Kottenhoff: Deutsche Studentin! Kameradin! In: DB vom 20.6.1939.
2.3 Die Erweiterung der studentischen Dienstpflicht ab 1941
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geladen. Und ich war also im letzten Ende südlich von Brünn, wie hieß das, Eger, Eger, Brünn, ich glaube, Brünn. Zuerst Eger, dann Brünn. […] Und da also zehn Wochen Ernteeinsatz. Also die Leute, zu denen ich kam, [da/P. U.] war er Postbote, und die Frau war also eigentlich für den Hof halt da, und eine alte Großmutter war noch da. Und ich musste dann im Ehebett schlafen. Zuerst wollten’s mich bei der alten Großmutter [lassen/P. U.], und die hat so gestunken, gell. Eine Nacht, und dann habe ich gesagt. „Also da kann ich nicht bleiben.“ Dann habe ich neben dem Ehepaar geschlafen zehn Wochen. […] Ja, also das war ein Doppelbett schon, gell. Ich habe sozusagen im „Graberl“ geschlafen, Wahnsinn. Und da war man den ganzen Tag halt auf dem Feld, gell. Wie gesagt, ’40. Wir sollten natürlich auch, das habe ich auch noch in Erinnerung, zugleich werben für diesen Nationalsozialismus usw.“147
2.3 Die Erweiterung der studentischen Dienstpflicht ab 1941 „Wenn wir als deutsche Studenten nun mitten im Kriege darangehen, eine studentische Dienstpflicht zu verkünden, so schliessen wir also an beste Traditionen deutschen Studententums an. Wieder wird ein Zustand für alle Studenten zur Pflicht, der schon seit Beginn des Krieges als freiwilliger Einsatz vorhanden war. Hier dürfen die vielen Kriegsarbeiten hervorgehoben werden, die in den Hochschulstädten von den Studenten freiwillig übernommen worden sind. Wenn wir jetzt die studentische Dienstpflicht verkünden, so verfolgen wir damit das Ziel, alle Studenten im Krieg zu erfassen, durch die Dienstpflicht eine Auslese der besten Kräfte zu ermöglichen und allen die Gelegenheit zu geben, sich zu bewähren.“148 Nachdem der Sommer 1940 nicht nur „den Übergang vom „freiwilligen“, an sozialpolitische und ideologische Intentionen gebundenen „Fabrikdienst“ früherer Jahre zu einem an der Steigerung der Produktion orientierten Arbeitseinsatz“149 markierte, sondern auch der Landdienst in Form der Erntehilfspflicht endgültig seinen fakultativen Charakter verloren hatte, beanspruchte der studentische Kriegseinsatz die Studierenden in den folgenden zwei Jahren zeitlich noch weitaus stärker. So wurden die Studentinnen im Juni 1941 für zehn, die Studenten
147 Interview mit Anneliese G. vom 22.4.2005. 148 UAM, Sen. 368/5. Gustav Adolf Scheel: Dienstpflicht für jeden Studenten. Die Aufgabe und Durchführung der studentischen Dienstpflicht. Anlage zum Schreiben von Gustav Adolf Scheel an Philipp Broemser vom 18.3.1940. 149 Steffen-Korflür, 259.
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für acht Wochen zum Arbeitseinsatz in der Rüstungsindustrie sowie zu weiteren kriegswichtigen Aufgaben verpflichtet, sofern sie keine Freistellung für andere kriegswichtige Tätigkeiten vorweisen konnten. Der Einsatz sollte entsprechend der beruflichen Vorbildung der Studierenden erfolgen und zur Beseitigung des Arbeitskräftemangels in der Rüstungsindustrie dienen. Nach einer Anordnung des Reichsapothekenführers mussten sich angehende Pharmazeuten beiderlei Geschlechts für die Sicherung der Arzneimittelversorgung in Form eines Vertretungsdienstes zur Verfügung zu stellen. Rund 2000 Kommilitoninnen und Kommilitonen, die sich bereits im vorangegangenen Land- bzw. Erntehilfsdienst bewährt hatten, waren für Arbeiten im Fach-, Siedlungs- und Betreuungseinsatz in den neugewonnenen Gebieten des Reiches vorgesehen. 19.400 Frauen und Männer verbrachten auf diese Weise im Sommer 1941 den überwiegenden Teil ihrer Semesterferien allein im Rüstungseinsatz: „Diesen unliebsamen Zeitverlusten während des Semesters folgte bald eine massive Beeinträchtigung unseres studentischen Lebens: der Rüstungseinsatz während der Sommerferien, abzuleisten jedes Jahr, mit Ausnahme der Ferien unmittelbar vor dem Examen. Begründung: Arbeit für den Endsieg um geringes Entgelt, da eine Arbeiterin, für die man eingesetzt wurde, ihren bezahlten Urlaub bekam. […] Da in Augsburg beheimatet, wurde ich der Firma Messerschmitt AG., Werk 4, Haunstetten, zugeteilt. Ohne die Vorlage eines Zeugnisses über abgeleisteten Rüstungsdienst war eine Immatrikulation für das nächste Semester unmöglich. […] Eine freundliche ältere Vorarbeiterin […] wies mich in meine Tätigkeit ein, eine geisttötende, stumpfsinnige und langweilige Arbeit.“150
150 Hiller, 169 f. Zum Einsatz in der Rüstungsproduktion ab 1941 vgl. auch UAM, Sen. 365/2. Rüstungseinsatz der deutschen Studenten. Abschrift aus „Hochschulkorrespondenz“ Nr. 160 vom 11.7.1941.
2.3 Die Erweiterung der studentischen Dienstpflicht ab 1941
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Abb. 43: Bestätigung über den Einsatz bei der Messerschmitt GmbH 1943
2.000 weibliche Studierende gingen in den Fabrikdienst, während weitere Studenten ihre Dienstpflicht beim Roten Kreuz, bei der Organisation Todt, der Reichsbahn und diversen anderen Einsatzorten ableisteten. Der offiziellen Bilanz zufolge waren damit 1941 knapp 34.000 Studierende im Kriegseinsatz tätig gewesen, allein in den Sommerferien 1942 bei einem achtwöchigen Einsatz in der Rüstungsindustrie bereits 29.000151; erleichternd hatte sich in diesem Jahr jedoch der Umstand ausgewirkt, wonach persönliche Einsatzwünsche der Studierenden weitmöglichst berücksichtigt werden sollten und auswärtige Einsätze fernab von Heimat- und Studienort zu vermeiden waren. Gegen Studierende, die sich nachweislich vor der Indienstnahme drückten, sollte „angesichts der Kriegsverhältnisse gegebenenfalls auch vor der schärfsten Strafe nicht zurückgeschreckt werden.“152
151 Zu den Zahlen für die Kriegstrimester 1940/41 vgl. Werkkalender der deutschen Studentin. In: DB (Ausgabe Süd) vom 22.4.1941, hier nach IfZ, Akz. 8342/93, MZ 197/2. Zum Absatz insgesamt Grüttner, 380. Abweichende Zahlen dagegen bei Steffen-Korflür, 262. 152 UAM, D-XVII-53. Schnellbrief des Reichsministers für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung vom 22.6.1942. Die Famulatur wurde in den Kriegseinsatz einbezogen. Für Studierende
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Nachdem bereits 1942 eine Reihe von Studierenden durch örtliche Arbeitsämter mitten im Semester dienstverpflichtet und somit zur Unterbrechung des Studiums gezwungen worden war, ordnete die RSF jedoch im Mai 1943 an, sie im Bedarfsfall sogar während der Vorlesungszeit erneut bis zu zwölf Stunden wöchentlich einzusetzen. Noch bevor ein entsprechendes Rundschreiben der RSF im November des Jahres fortan jeglichen Arbeitseinsatz in dieser Zeit verbot, hatte etwa in Heidelberg der Großteil der jüngeren Semester im Sommer entsprechende Einsätze ableisten müssen.153
Abb. 44: Befreiungs-Bescheinigung vom Kriegseinsatz der DSt 1943
Einer großangelegten Umfrage des REM zufolge wurde der studentische Kriegseinsatz an der LMU im Sommersemester 1943 allerdings nur vereinzelt durchgeführt. Während etwa die Tierärztliche, Philosophische und Staatswissenschaftliche Fakultät „Fehlanzeige“ meldeten und bei den Juristen keine besonderen
technischer Fachrichtungen, die noch keine Pflichtpraxis absolviert hatten, war der Einsatz in Praktikantenstellen vorgesehen. Vgl. ebd. Zum Kriegseinsatz 1942 vgl. auch ebd. Merkblatt für den Kriegseinsatz der Deutschen Studentenschaft 1942. 153 Vgl. Grüttner, 382.
2.3 Die Erweiterung der studentischen Dienstpflicht ab 1941
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Vorkommnisse zu berichten waren154, war der Kriegseinsatz im Rahmen der Naturwissenschaftlichen Fakultät etwa lediglich im Fach Pharmazeutische Chemie „reibungslos und ohne wesentliche Störung des Semesterbetriebs abgewickelt“ worden. „In den übrigen Fächern kam Kriegseinsatz während des Semesters nicht in Frage.“155 Die weiblichen Medizinstudierenden hatten dagegen ihren Kriegseinsatz als Schwesternhelferinnen beim Roten Kreuz mit entsprechendem Bereitschaftsdienst bzw. als Auszubildende im Sanitätsdienst beim BDM ohne nachteilige Auswirkung auf das Studium ableisten müssen.156 Wie die Gaustudentenführung München-Oberbayern ergänzend mitteilte, sei während des Semesters zwar wiederholt mit dem Luftgau über die Heranziehung von Studentinnen als Flakhelferinnen verhandelt worden. Jedoch hatten sich die zuständigen Militärbehörden zu dieser zeitlich begrenzten Verwendung nicht entschließen können.157 Obwohl man an anderen Universitäten den akademischen Nachwuchs während des Lehrbetriebs sogar von außeruniversitären Arbeitseinsätzen verschont hatte, ignorierten manche Studentenführer selbst die Ende 1943 ergangene Beschränkung und verpflichteten die Studentinnen und Studenten wie in Frankfurt zu entsprechenden Tätigkeiten. Nicht verifizierbaren Zahlen zufolge sollen sich 1943 beim neunwöchigen Kriegseinsatz der DSt – ohne Berücksichtigung der Medizinerinnen – 9850 Studentinnen beteiligt haben.158
154 Vgl. UAM, D-XVII-53. W[alther] W[üst] an den Herrn Reichsminister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung vom 30.9.1943. Vgl. auch die entsprechenden Einzelschreiben der Fakultäten in diesem Akt. 155 Ebd. Der Dekan der Naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität München an den Herrn Rektor der Universität München vom 10.8.1943. Warum in den übrigen Fächern kein Einsatz erfolgte, geht aus dem Schreiben nicht hervor. 156 Vgl. ebd. Der Dekan der Medizinischen Fakultät der Universität München an den Herrn Rektor der Univers. München vom 14.8.1943. Vgl. dazu auch Der Kriegseinsatz der Studenten. In: Frankfurter Zeitung vom 4.7.1943, hier nach UAM, D-XVII-53: „Für den Facheinsatz Medizin ist für die vorklinischen Semester ein Krankenpflegedienst und ein Fabrikdienst, für die klinischen Semester ein Einsatz im Roten Kreuz und im hilfsärztlichen Dienst vorgesehen. Im Krankenpflegedienst kann gleichzeitig die Vorpraxis für das Medizinstudium abgeleistet werden. Die Studentinnen werden als Schwesternhelferinnen des Deutschen Roten Kreuzes verwendet. Der Fabrikdienst wird nach der kürzlich erlassenen Ergänzung der Reichsärzteordnung für diese Studienrichtung in Gesundheitsbetrieben oder gesundheitsnahen Betrieben, besonders in der pharmazeutischen Industrie, in Laboratorien, Instituten und Apotheken abgeleistet.“ 157 Vgl. UAM, D-XVII-53. Gaustudentenführung München-Oberbayern an den Herrn Rektor der Universität München vom 27.9.1943. Nach Angaben der Gaustudentenführung war an den Hochund Fachschulen des Gaues kein Kriegseinsatz während des Sommersemesters 1943 durchgeführt worden. Vgl. ebd. 158 Zum Absatz vgl. Grüttner, 382, zu den Zahlen für 1943 Steffen-Korflür, 262.
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Abb. 45: Bestätigung über den Studentischen Kriegseinsatz 1943
Die Zahlen spiegeln die Bemühungen der RSF um eine möglichst vollständige Erfassung der Studierenden wider, die auch in den letzten Kriegsjahren ihren Einsatz ableisteten. 1943 und 1944 mussten Studentinnen und Studenten während der Semesterferien erneut neun bzw. acht Wochen in der Rüstungsindustrie, der Landwirtschaft oder in anderen Bereichen unter größtmöglicher Berücksichtigung ihrer Studienfachrichtung tätig werden: „Die deutschen Studenten und Studentinnen treten auch in diesem Jahr in der vorlesungsfreien Zeit zwischen Sommer- und Winterhalbjahr zur Ableistung ihres Kriegseinsatzes an. Das ist in diesem schweren Kriege für sie eine selbstverständliche Verpflichtung geworden, der sie Jahr für Jahr in dem Bewußtsein nachkommen, damit einen
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ihren Kräften angemessenen Beitrag zur Erringung des Sieges zu leisten.“159 Ausgenommen von dieser Indienstnahme waren diejenigen, die bereits zweimal während ihrer Semesterferien am studentischen Kriegseinsatz teilgenommen hatten, befreit waren oder der Wehrmacht bzw. dem RAD angehörten. Teilnehmerzahlen für diese zwei Jahre liegen allerdings nicht vor. Steffen-Korflür sieht darin einen Beleg für die schwache Frequentierung der Einsätze durch die Studentinnen, die man vermutlich nicht auch noch mit konkreten Angaben über die Teilnehmerzahl dokumentieren wollte.160
3 LMU-Studentinnen zwischen Ablehnung und Akzeptanz „Wie in den vorhergehenden Jahren setzt sich das deutsche Studententum, soweit es sich zum Studium in der Heimat befindet, für wichtige Aufgaben ein. Die Studenten und Studentinnen der Münchner Hochschulen befinden sich seit zwei Wochen beim Einsatz, in erster Linie in der Rüstungsindustrie. Darüber hinaus wurden die Mediziner und Medizinerinnen für ärztliche Hilfsdienste in Lazaretten und Krankenhäusern eingesetzt. Ueberall tun sie ihre Pflicht und stellen freudig ihre vorlesungsfreie Zeit zur Verfügung, die sie sonst für die Lösung wichtiger wissenschaftlicher Aufgaben und zur Festigung des im Semester erarbeiteten Vorlesungsstoffes benötigt haben.“161 Auch nach 1939 wurde die NS-Presse nicht müde, mit Propagandatexten und -bildern die Einsatzbereitschaft der Studierenden zu unterstreichen, die sich mit Kriegsbeginn einer verstärkten außeruniversitären Indienstnahme ausgesetzt sahen. Tatsächlich verschärfte die Überbelastung der angehenden Akademiker mit fachfremden Aufgaben jedoch u. a. den stetig zu beobachtenden Rückgang des Leistungsniveaus. So musste selbst der Sicherheitsdienst der SS in seinen Meldungen vom Sommer 1942 feststellen, dass die „leistungs- und bildungs‑ mäßigen Lücken der Studierenden […] nicht zuletzt auch in dem Mangel der für das Studium unbedingt erforderlichen Zeit begründet“ lagen. „Vor allem werde bedauert, daß man die Ferien nicht mehr wie früher zur Vertiefung seines Wissens und zur Überarbeitung des in den Semestern gehörten Stoffes verwen-
159 UAM, D-XVII-53. Richtlinien über die Durchführung des deutschen Kriegseinsatzes 1944. 160 Vgl. Steffen-Korflür, 263. 161 Die Ferienarbeit der Studenten. In: MNN vom 21.4.1942, hier nach UAM, D-XVII-53. Hervorhebung P. U.
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den könne, da diese Ferien seit Jahren in steigendem Maße für praktische Einsätze in Anspruch genommen würden. Zahlreiche Stimmen aus der Hochschullehrerschaft besagen, daß man bei aller Würdigung des ideellen Wertes dieser praktischen Einsätze nicht außer Acht lassen dürfe, daß der Studierende in der Hauptsache zu studieren habe und daß seine Belastung mit hochschulfernen Arbeiten ihn von seiner eigentlichen Pflicht ablenken und damit die Leistungshöhe mindern müsse. In allen Universitätsstädten seien, so wird berichtet, dem Fabrikdienst der Studenten usw. auffallend bebilderte Zeitungsartikel gewidmet162, während das Studium, die eigentliche Arbeitsdienstpflicht der Studenten, nicht entsprechend beachtet werde. Hier zeige es sich, wie sehr der Sinn des Studiums als eine geistige Arbeitspflicht verkannt werde.“163 Das bei Eberle konstatierte „Zurückschrauben von Ansprüchen“164 in den Studieninhalten kann daher wohl eher als teilweise unbewusste Herabsetzung der Prüfungsanforderungen verstanden werden.165 Auf diese Weise wollten die Professoren nicht nur dem nach wie vor bestehenden Akademikermangel, sondern auch dem aufgrund der Belastung mit fachfremden Aufgaben und physischen Kriegsfolgen sinkenden Leistungsniveau der Studierenden entgegenwirken. In einem Rückblick schreibt der Münchner Theaterwissenschaftler Artur Kutscher: „Die Universität veränderte ihr Gesicht. […] Die Zahl der Hörer verringerte sich bedenklich. Viele der zurückgebliebenen Studenten waren schwächlich und krank; die vom Felde heimgekehrten verwundet, verstümmelt, taub und blind; die Studentinnen überwogen bei weitem. Alle aber waren sie wenig bei der Sache.“166 Interviews mit ehemaligen Studentinnen der Universität Hamburg verdeutlichen die enormen körperlichen und seelischen Belastungen, die sich vor allem aus den Rüstungsdiensten ergaben und gleichermaßen ihre süddeutschen Kommilitoninnen betrafen. Dazu gehörten die ungewohnt schwere Arbeit mit körper-
162 Vgl. hierzu exemplarisch den Artikel Alle Fakultäten auf dem Feld und im Stall. 1950 Münchner Studierende sind heuer im Landdienst und in der Erntehilfe eingesetzt. In: MNN vom 25.8.1940, hier nach UAM, D-XVII-52. Weitere einschlägige Artikel ebd. sowie im UAM, D-XVII-53. 163 Heinz Boberach (Hg.): Meldungen aus dem Reich 1938–1945. Die geheimen Lageberichte des Sicherheitsdienstes der SS. Band 11: Meldungen aus dem Reich Nr. 302 vom 23. Juli 1942-Nr. 331 vom 2. November 1942. Herrsching 1984, 4284 f., künftig zitiert als Boberach 11. Hervorhebung im Original. 164 Eberle, 216. 165 Vgl. Grüttner, 385 f. 166 Artur Kutscher. 1878–1960. In: Rüdiger vom Bruch/Rainer A. Müller: Erlebte und gelebte Universität. Die Universität München im 19. und 20. Jahrhundert. Mit einem Vorwort zur historischen Besinngung von Laetitia Boehm. Pfaffenhofen 1986, 262.
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lichen Belastungen bis hin zum Kreislaufkollaps167, wie sie die Frauen schon im RAD erfahren hatten: „Den Mädchen geht es nicht besser. Sie müssen v. Ferien zu Ferien in irgendeinen Dienst, ein Köder fürs Volk, weiter nichts. Eine Bekannte, die jetzt ihr theoretisches Examen in Musik macht und bestimmt anderes zu tun hätte, muß auch 8 Wochen in eine Pulvermühle. Daß das für die Hände aber auch für den ganzen weiblichen Körper nicht besonders zuträglich ist, kann man sich gut vorstellen. Hier in München sind interessante Doktorarbeiten über diese Fragen geschrieben worden, bes. den weiblichen Arbeitsdienst, die noch interessantere Ergebnisse gebracht haben. So einfach ist das alles nicht, wie es sich d. Laie vorstellt“168, selbst wenn es nur um das mit den Einsätzen verbundene frühe Aufstehen ging: „Ja, das war da draußen bei BMW. Die Arbeiterinnen waren ganz reizend, sehr hilfsbereit. Die haben halt gemerkt, wir sind Studentinnen und haben von nichts eine Ahnung. Auch die Vorarbeiter haben uns geholfen, waren auch sehr nett alle. […] An sich war es unangenehm bei BMW, […] diese Bolzen da, es war eine unangenehme Halle mit furchtbarem Lärm. […] Da war ja auch eine Studentin, die das Ganze organisierte. Die war so eine Art „Studentenführerin“, aber eben das Unangenehme, eher das Unangenehme. Aber die hat uns dort empfangen, und dann wurde man nach einer Liste ja verteilt in die einzelnen Abteilungen. Wir waren, wie viele waren wir denn bei BMW? Vielleicht zehn oder zwölf, und jede war in irgendeiner besonderen Abteilung. Und ich war, wie gesagt, da bei den Bolzen vorne, an der Revolverdrehbank gesessen. Furchtbar, es ist gar nicht so einfach gewesen. Aber ich meine, man lernt das ja auch nicht so leicht und so schnell. […] Das war eben genau in den Osterferien. Das waren, ich glaube, zehn Tage oder so was. […] Um sieben Uhr in der Früh ging das an. Ich wollte das gleich betonen. BMW ist ja ganz da unten, und ich bin also sicher um halb sieben schon an der Trambahn gestanden, weil ich wahrscheinlich um halb sechs Uhr aufgestanden bin, nicht, was für mich furchtbar ist.“169 Daneben litten die weiblichen Studierenden hochschulübergreifend nicht nur am überwiegenden Verlust ihrer Semesterferien, sondern im Besonderen auch unter der monotonen Arbeit: „Und […] ich habe dann […] in der Pause […] mit den Leuten gesprochen. Und da haben die gesagt: „Mein Gott“, ich weiß
167 Vgl. Interview mit Dr. Berta R. vom 23.4.2005: „Ja, in den Semesterferien waren wir im Kriegseinsatz. Ich war bei Deckel und habe dort entgratet und solche Sachen gemacht. […] Das heißt Stücke, die aus der Presse kamen, nochmal kontrollieren, ob sie in Ordnung sind. Und wenn dann irgendwelche unsauberen Stellen waren, in Ordnung bringen. […] Ja, und […] dann hatte ich mir mal so einen Kreislaufkollaps geholt. Und dann war ich eine Ferien […] beurlaubt davon.“ 168 Josef Gieles an seine Eltern vom 6.6.1941. In: Kanz, 149. 169 Interview mit Burgl D. vom 7.4.2005.
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noch, die eine Arbeiterin hat gesagt: „Ich habe eigentlich nur noch einen Traum und einen Wunsch, dass ich einmal nicht mehr an der Maschine stehen muss und dass ich einmal daheim bleiben darf bei meiner Familie und nie mehr in die Fabrik gehen muss.“ Und das war also schon sehr bedrückend.“170 Für Frauen wie Dr. Friederike S., die ihren siebenmonatigen Kriegshilfsdienst im direkten Anschluss an den Arbeitsdienst ableisten musste, trat die Gleichförmigkeit der Beschäftigung in der Fabrik nun besonders stark hervor: „Das [der RAD/P.U] war eigentlich nicht so schlimm. Wir haben ja hier auch eben den großen Garten gehabt und wir haben also im Garten gearbeitet. Und da habe ich es nicht so schlimm gefunden, bei den Bauern da auf dem Feld mitzuhelfen oder so. Das war nicht so schlimm wie die Munitionsfabrik dann, wo man also so eine sture Arbeit machen musste, Pulver wiegen, und wo ich das eigentlich so erlebt habe, was so eine sture Arbeit bedeutet. Ich habe später oft daran gedacht. Wir haben da wirklich am Montag früh schon die Stunden gezählt, wie lange wir jetzt in dieser Woche wieder arbeiten müssen. Und das war im Arbeitsdienst natürlich eine abwechslungsreiche Beschäftigung. Also nicht so schlimm wie dann diese Zeit in der Munitionsfabrik“171, welche die Studentinnen mit verschiedenen Methoden zu überwinden suchten: „Wir haben auch Schichtdienst gehabt, also eine Woche Nachtdienst und eine Woche eben Tagdienst. Na ja, aber ich habe mir dann immer irgendwelche Gedichte rausgeschrieben, die ich mir dann auf meine Maschine gelegt habe, und dann im Laufe des Tages habe ich dann immer irgendwie Mörike-Gedichte oder so gelernt, und dann war das auch gar nicht so öde, die Maschinenarbeit.“172 Auch Sophie Scholl beklagte sich in Briefen an Freunde wiederholt über ihren eintönigen Einsatz in einem Rüstungsbetrieb, in dem sie – als Vorbedingung für die Erlaubnis, ihr Studium im Wintersemester 1942/43 an der LMU fortsetzen zu dürfen – einen mehrwöchigen Kriegshilfsdienst ableisten musste: „Ich habe jetzt noch einige Wochen in der Fabrik zu arbeiten. Das ist eine schrecklich seelenund lieblose Beschäftigung, den ganzen Tag an der Maschine die ewig gleiche Bewegung zu machen, die nichts von einem verlangt außer Konzentration, aber ein dressierter Affe, wenn er so dumm wäre und sich dazu bewegen ließe, könnte dies auch. Körperlich müde und seelisch angeödet kehrt man abends heim.“173
170 Ebd. 171 Interview mit Dr. Friederike S. vom 21.4.2005. 172 Interview mit Anneliese G. vom 22.4.2005. 173 Sophie Scholl an Fritz Hartnagel im August 1942. In: Jens, 265. Vgl. dazu auch ebd., 266. Sophie Scholl an Lisa Remppis vom 2.9.1942: „Meinen Fabrikdienst finde ich entsetzlich. Diese geist- und leblose Arbeit, dieser reine Mechanismus, dieses winzige Stückchen Teilarbeit, deren Ganzes uns unbekannt ist, deren Zweck mir schrecklich ist, sie greift nicht nur körperlich an,
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Als ähnlich monoton, „sonderbar“, „blöd“ und sogar „tödlich“174 erlebte ein Teil der ehemaligen LMU-Studentinnen jedoch auch Pflichteinsätze fernab von Maschinen- oder Munitionsarbeit wie bspw. in Bibliotheken oder im Büro, wo zum Teil „keine Arbeit da war“175 und die Frauen etliche „Stunden da absitzen“176 mussten: „Also da […] war ich dann drei, allerdings nur drei Wochen, im Büro in Regensburg. Auf die Weise habe ich Büroarbeit auch kennengelernt. Die haben mir also so Akten zum Aufarbeiten gegeben. […] So, und die haben mir in der Früh dann gesagt, was ich jetzt im Laufe des Tages machen soll. Und dann habe ich mich erstens einmal schon gewundert, also gut, das ist meinetwegen um acht Uhr angegangen, dass die Damen im Büro dann zuerst einmal noch gemütlich die Blumen gegossen, ein bisschen Zeitung gelesen haben und na ja, dann ist es langsam losgegangen. Und um zwölf Uhr war Mittagspause, und die sind zehn vor zwölf schon an der Tür gestanden, mit dem Handtascherl da. Und ich habe dann mittags, habe ich schon immer alles verarbeitet gehabt für den Tag. Und dann haben sie mir sehr bald gesagt „Ja, das geht nicht.“ Ich müsste mir das einteilen. […] Ja, damit ich auch was vor mir habe, wenn jetzt eine Kontrolle kommt, gell. Na ja, gut, ich habe mir dann sehr bald wieder meine Kolleghefte mitgenommen und so, und gleichzeitig das eine und das andere. Aber ich habe mir gedacht, ja, um Gottes Willen. Ein Leben lang in ein Büro, das möchte ich ja wirklich nicht.“177 Im Gegensatz zur Schreibtischarbeit kam in den Fabriken zur Monotonie des Tagesablaufs je nach Einsatzort außerdem die Unterbringung in großen Schlafräumen mit Frauen niedriger Gesellschaftsschichten dazu: „Ich bin einmal in einer Waffenfabrik gewesen und einmal in einer Munitionsfabrik in Kraiburg. […] Da war man in Bunkern untergebracht, schlafen tat man woanders in großen Sälen. Und um mich rum waren nur, in meinem Bunker zum Beispiel, nur Prostituierte, die außerordentlich nett waren.“178 Als weitaus erschwerender erwiesen sich im Fabrikalltag aber die Gefahren und Risiken, die sich für die Studentinnen aus den Aufgaben selbst ergaben wie bspw. bei der Pulvermischung, der Prüfung der Flakmunition oder der „Streichung der Zündkerzen für die Kartuschen“: „Das sind so […] Büchsen, so groß, ja, wie soll ich sagen – wie meinetwegen eine Ananasdosenbüchse in etwa oder ein bisschen größer. Und […] die hatten unten ein
sondern vor allem seelisch. Auch der ewige Maschinenlärm, das erschreckende Geheul der Freizeitsirene, dies entwürdigende Bild des Menschen an der Maschine, als hätten sie ihn in ihrer vollen Gewalt, tragen nicht zu einer Stärkung der Nerven bei.“ 174 Alle Zitate nach Interview mit Irmgard H. vom 9.6.2005. 175 Interview mit Philomena Sauermann vom 12.3.2005. 176 Interview mit Irmgard H. vom 9.6.2005. 177 Interview mit Anneliese G. vom 22.4.2005. 178 Interview mit Maria H. vom 14.9. und 5.10.2005.
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Loch und die sind mit Pulver [gefüllt worden/P. U.], die anderen haben zum Teil so Pulversäckchen nähen müssen, das sind so drei-, viererlei. Und die sind da reingeschichtet worden. Und unten musste der Zünder dann reingedreht werden und der darf natürlich nicht festgedreht werden, denn wenn der einen Schlag kriegt, dann geht ja das Ganze in die Luft. Und wir haben diese Zünder streichen müssen.“179 Darüber hinaus zählten Rüstungsbetriebe zu den bevorzugten Zielen feindlicher Luftangriffe. Nach Steffen-Korflür sei zudem die Verletzung von Arbeitsschutzbestimmungen mit Voranschreiten des Krieges zur Gewohnheit geworden, weshalb der Rüstungsdienst im Gesamten bei einer nicht absehbaren Zahl von Fällen sogar zu einer traumatischen Erfahrung werden konnte.180 Die Auswertung der Aussagen ehemaliger Münchner Studentinnen liefert folglich nahezu identische Ergebnisse wie die Analyse der Erinnerungen ihrer norddeutschen Kommilitoninnen und bestätigt die These Steffen-Korflürs, wonach der Großteil der zu den Rüstungs- bzw. Kriegseinsätzen verpflichteten Frauen durch diese Indienstnahme „in ähnlicher Weise beansprucht wurde, wie dies die Befragung der Hamburger Zeitzeuginnen ergab.“181
179 Interview mit Dr. Ingeborg W.-K. vom 14.7.2005. Zur Prüfung der Flakmunition vgl. Interview mit Dr. Dorothee H. vom 12.6.2005: „Das war in der oberen Schleißheimerstraße die Bremsen AG, Süddeutsche Bremsen AG. Und da musste Flakmunition sehr sorgfältig geprüft werden. Jeder hatte so einen Maßstab. Ich musste [sie/P. U.] immer in so einen Ring stecken, damit sie nicht zu dick war. Man wendet die Patronen, man konnte das auseinandersprengen und [das konnte/P. U.] Menschenleben kosten. Das war schon wichtig, dass das kontrolliert wird.“ 180 Vgl. Steffen-Korflür, 261. 181 Ebd., 264.
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Abb. 46: Zeugnis über den Einsatz bei MAN 1941
Die u. a. bei Agfa, BayWa, BMW, Gummi Metzler, I. G. Farben, Linde, MAN, Süddeutsche Bremsen AG, der Telefonfabrik Reiner sowie der ehemaligen Friedrich Deckel AG eingesetzten Münchnerinnen erinnerten sich gleichermaßen an „Akkordarbeit mit Zwangsarbeiterinnen“182, an die Beschäftigung als unbezahlte Lagerarbeiterin183 oder an Fabriken, wo „alles Mögliche gedreht, gefräst und
182 Interview mit Dr. Dr. h. c. mult. Hildegard Hamm-Brücher vom 24.5.2005. 183 Vgl. Interview mit Gertraud B. vom 27.7.2005.
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gebohrt“184 wurde: „Also ich kenne alle alten Fabriken hier in München, soweit sie noch stehen, von innen, weil sie damals umgestellt wurden auf Rüstung. Ich habe bei Gasmasken, Volksgasmasken, im Akkord die Schnauzen appliziert beim Gummi Metzler auf der Schwanthaler Höhe und beim Alois Zettler, in der Holzstraße, Elektronik. Da haben wir Funkgeräte, ohne zu wissen, was wir da machen, so verlötet und dergleichen. Und bei Hoffmann Hebezeuge draußen in der Hofmannstraße, da war ich sogar – habe ich Glück gehabt – im Schreibbüro eingesetzt. Also es hat schöne Plätze gegeben. Das Schlimmste war der Gummi Metzler, weil der Geruch ist einem auf dem Körper geblieben, bis auf die Haut von dem warmen Gummi. Und nachts ist dann keine Trambahn mehr gegangen […]. Und ich habe dann zu Fuß heimgehen müssen nach der Spätschicht, von der Schwanthaler Höhe heim in die Kaiserstraße. Und da habe ich doch gute 40 Minuten gebraucht zu Fuß. […] Und meine Mutter war entsetzt über meinen Gummigeruch, den ich mitgebracht habe. Also das waren unsere Ferien. Man ist auch bezahlt worden als ungelernte Hilfskraft. Es waren 32 Pfennig in der Stunde oder 34 Pfennig. Man kann sich das so ausdenken, dass ein Wecken Brot damals 40 Pfennige gekostet hat, ein Kilo Brot. Also man hat ungefähr für ein Brot eine Stunde gearbeitet.“185
Abb. 47: Bestätigung über den Einsatz bei der Süddeutschen Bremsen AG 1942
184 Interview mit Dr. Brigitte Maria K. vom 19.7.2005. 185 Interview mit Annemarie L. vom 11.4.2005.
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Eine Volkswirtin und ehemalige Studentin der LMU sprach davon, in Naturalien für ihre Tätigkeit entschädigt worden zu sein, was kriegsbedingt eine besondere Kostbarkeit darstellte: „Wir hatten so Faltschachteln, wo die Weihnachtskerzen eingepackt sind. […] Ja, beim Gautzsch habe ich eine Entschädigung bekommen, aber ich glaube, nicht für das Kerzen einpacken, sondern da kam der Herr Gautzsch persönlich mal zu uns und hat gesagt: „Ich habe eine große Bitte, Ihr packt ja hier die Kerzen ein usw. Mir ist ein Arbeiter ausgefallen, und wir müssen eigentlich ein Wachs durch eine Maschine durchtreiben für Zähne, um das in Mund zu tun, wo die Zähne sind.“ Und die anderen haben gesagt nein, das habe ich nicht und das mache ich nicht. Dann habe ich gesagt: „Mir ist das ganz gleich, was ich tue.“ Ich war mit einer Studentin zusammen dort. Und die eine hat das reingetan und die andere hat gedreht, dann haben wir es wieder andersrum gemacht. Und dafür haben wir dann – das war ein Traum – ein Glas Honig gekriegt. Das war etwas so Kostbares. Das habe ich aber vorher nicht gewusst. Aber da hat er sich dafür bedankt. […] Den Honig, den habe ich nach Hause gebracht. Da waren wir glückselig, dass wir einen Honig hatten. Na, was denken Sie! Mein Gott, das war ja ein Wunder. Man hat ja keinen Honig gekriegt.“186 Auch wenn ein Teil der Studentinnen im Rahmen der Fabrikeinsätze erstmals ihr eigenes Geld verdiente, „nicht viel, aber immerhin“187, „wohl mehr ein Taschengeld“188, und retrospektiv sogar vereinzelt von einer einmaligen Erfahrung gesprochen wurde189, bedeutete die studentische Dienstpflicht für den Großteil der Befragten eine unfreiwillige und zeitraubende Erweiterung ihrer bisherigen Indienstnahme, die ohne größere Gegenwehr abzuleisten war: „Ich weiß bloß, dass es ein endloser Zirkus war, jedes Semester immer die gleichen Sachen: Arbeitsdienst, Ferieneinsatz dann, das mussten wir alles genau belegen. […] Und ich meine, wir waren ja in dieser Zeit, wie soll ich sagen, groß geworden. Wir haben ja gewusst, dass hilft nichts, du musst, nicht. […] Ich war im Heeres-
186 Interview mit Burgl D. vom 7.4.2005. 187 Interview mit Erika W. vom 18.5.2005. 188 Interview mit Gisela R. vom 14.4.2005. 189 Vgl. exemplarisch Interview mit Anneliese G. über ihren zehnwöchigen Einsatz in einer Munitionsfabrik in Wasseralfingen bei Aalen vom 22.4.2005: „Und ich muss sagen, es reut mich nicht, weder der Arbeitsdienst noch dieser Einsatz in der Fabrik. Denn wann hätte man sonst so eine Möglichkeit gehabt. Natürlich ist es eine öde Arbeit gewesen, also man stand auch die ganze Zeit an der Maschine und hat also seine [Arbeit gemacht/P. U.], was weiß ich, da war die Dreherei und da war jene. Und die Arbeiterinnen damals, die waren voll Hochachtung […], dass wir das genauso schnell können wie sie, und dann sind sie mit weiß Gott welchen Anliegen gekommen, gell. Wirklich, mit medizinischen und mit familiären usw. Es war irgendwie schon eine ganz nette Sache.“
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zeugamt München. […] Da war ich im ersten Jahr als Lagerarbeiterin beschäftigt und zwar ohne Bezahlung. Das waren, glaube ich, sechs Wochen. Da bekam eine der dortigen Arbeiterinnen bezahlten Urlaub. Und wir waren sog. „Ehrendamen“, hat das geheißen. Und da wurden wir auch erst bewundert, dass wir als Ehrendame kommen. Habe ich gesagt: „Ja, das tue ich nicht freiwillig, ich muss““190, d. h. die Inanspruchnahme durch die zahlreichen außeruniversitären Pflichten wurde „als notwendig angesehen. Man hat es nicht mit großer Begeisterung getan“191, wie die Propagandaberichte der Nationalsozialisten Glauben machen wollten: „Die Verbundenheit der Studentinnen mit Arbeit und Werk klingt durch alle Berichte: ‚… daß ich weitermachen und mein Studium zunächst nicht fortsetzen werde, ist wohl selbstverständlich. Kunstgeschichte ist ja eine absolut nicht dringliche Angelegenheit, im übrigen wäre es mir auch jetzt unmöglich, da in München zu leben.‘“192 Positivere Äußerungen zum studentischen Kriegseinsatz finden sich indessen tendenziell eher bei Studierenden, die – wie angehende Mediziner oder Naturwissenschaftler – entsprechend ihrer Vorbildung und ihren fachlichen Qualifikationen bspw. in Krankenhäusern oder bei kriegswichtigen Forschungsprojekten studienbezogen eingesetzt werden und aus der Praxis lernen konnten. Ein weiterer Pluspunkt ergab sich, wenn etwa der Rüstungseinsatz, ungeachtet der Art dieser Tätigkeit, auf die nach den akademischen Prüfungsordnungen vorgeschriebene Praxis angerechnet wurde.193 Dr. Marie-Luise Schultze-Jahn erinnerte sich: „Wir mussten allerdings in den Semesterferien einen Pflichteinsatz machen. Der konnte in der Fabrik sein. Und da hatte ich Bekanntschaft mit einem Professor, der selber Beziehungen zu der chemischen Fabrik hatte; der brachte mich da unter. Es war die Diamalt-Fabrik. Ich musste, soweit ich mich erinnere, einfache, chemische Analysen durchführen. Das war absolut normal. Insofern bin ich an nichts Unangenehmes geraten.“194 Umgekehrt machten sich auch die
190 Interview mit Gertraud B. vom 27.7.2005. 191 Interview mit Gisela R. vom 14.4.2005. 192 Herta Miedzinski: Studentinnen berichten: Kriegstakt der Maschinen… In: DB vom 6.2.1940. Zu den Propagandaberichten vgl. auch Herta Miedzinski: Das Geschenk der 650000 Arbeitsstunden. Von den Fabrikeinsätzen der deutschen Studentinnen. In: DB vom 17.12.1940. 193 Vgl. UAM, D-XVII-53. Rundschreiben des Reichsministers für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung vom 15.11.1941. 194 Interview mit Dr. Marie-Luise Schultze-Jahn vom 26.3.2005. Vgl. auch Interview mit Dr. Dr. h. c. mult. Hildegard Hamm-Brücher vom 24.5.2005: „Bei Agfa habe ich etwa vier Wochen lang rein chemisch mit Gelatinesachen gearbeitet – Filmrollen und derartiges. Es waren normale, chemische Produktionen, darunter Tests für neue Filme.“
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Fabriken das Wissen der Studierenden zunutze und forderten wiederholt geeignete Kräfte an.195 Den betroffenen Frauen damit eine grundsätzliche Belastung durch die außeruniversitären Einsätze absprechen zu wollen, wäre jedoch mit Sicherheit verfehlt, da auch sie jedes Semester die Absolvierung des umfangreichen Pflichtprogramms nachweisen mussten: „Ja, also ich hab’s nicht an mir erlebt, dass mir was gefehlt hat. Aber ich habe ein paar Verzweifelte [gesehen/P. U.]: „Oh Gott, jetzt habe ich das vergessen.“ Die mussten am nächsten Tag nochmal antanzen. Das war im Audimax, waren da auf diesen Sitzen diese Stände aufgebaut, und da wurde das genau immer durchgefieselt. Und zwar aparter Weise nicht nur beim ersten Mal, dass man das alles nachweisen musste, sondern jedes Semester immer wieder den ganzen Schamass von vorn, nicht.“196 Wie die Interviews mit ehemaligen Studentinnen der LMU zeigen, wurden die Einsätze somit vielfach als unabdingbare Notwendigkeit akzeptiert. Das bedeutet, „man hat es halt gemacht, weil man es hat müssen.“197 Abweichende Bewertungen zum studentischen Pflichteinsatz während der Semesterferien lassen sich beim Facheinsatz Ost verzeichnen. Wie Elizabeth Harvey in ihrer seit 2010 auch auf Deutsch vorliegenden Arbeit nachgewiesen hat, beschränkten sich diese aber nicht allein auf Zustimmung.198 Anhand ausführlicher Quellenstudien und Zeitzeugendokumente zeigt Harvey die unterschiedlichen Beweggründe für die Teilnahme an Einsätzen in Polen sowie die Reaktionen auf die dort gemachten Erfahrungen auf. So bot der in der Regel bis 1939 freiwillige Landdienst in Grenzlandgebieten besonders für NS-Studentinnen die Möglichkeit, in Arbeitskreisen Kontakte zu Gleichgesinnten zu pflegen und das eigene Wissen zu überprüfen: „Zusammen mit Fragen des „Deutschtums im Ausland“ – die Anlass waren für Reisen nach Jugoslawien oder Rumänien, wo es zu Begegnungen mit der deutschsprachigen Bevölkerung kam, oder für heimliche Agitationseinsätze in Österreich vor dem „Anschluss“ –, bot die Grenzlandarbeit einen Fokus sowohl für deren wissenschaftliche Arbeit als auch für Aktivitäten in der Arbeitsgemeinschaft nationalsozialistischer Studentinnen (ANSt).“199 Nach 1940 war der Facheinsatz Ost Bestandteil der studentischen Dienstpflicht, d. h. die Frauen konnten wählen, mit Siedlern im besetzten Polen statt
195 Vgl. exemplarisch UAM, D-XVII-53. Institut für Ernährung u. Heilpflanzenkunde der Deutschen Versuchsanstalt für Ernährung u. Verpflegung G. m. b. H. – Werk Dachau – an Walther Wüst vom 22.6.1943. 196 Interview mit Gertraud B. vom 27.7.2005. 197 Interview mit Philomena Sauermann vom 12.3.2005. 198 Vgl. Grüttner, 383, sowie Harvey. 199 Harvey, 79.
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in der Landwirtschaft oder in einer Fabrik zu arbeiten. Dieser Umstand erleichterte die Rekrutierung von weiblichen Teilnehmern und kam den Bemühungen der ANSt entgegen, die im Sommer 1940 am Start des Studentinneneinsatzes im Warthegau involviert war.
Abb. 48: Bestätigung über den Osteinsatz der DSt in Argenau 1942
Insgesamt 345 weibliche Studierende nahmen gemäß ihren Fähigkeiten und Disziplinen zu diesem Zeitpunkt am Programm Facheinsatz Ost teil, leiteten Kindergärten (64) und betreuten Siedler (203); 78 Lehramtsstudentinnen bauten Dorfschulen auf.200 Wenngleich Pauwels im Gegensatz zu Harvey mit 375 Studentinnen von einer höheren Teilnehmerinnenanzahl für das Jahr 1940 spricht, bleibt die Tatsache unverändert, dass insgesamt nur wenige Frauen im Rahmen des Osteinsatzes tätig waren: „The Osteinsatz was conceived as an elitist undertaking, a privilege granted a few deserving individuals.“ Ob es sich bei ihnen in der Hauptsache um vollkommen überzeugte NS-Studentinnen handelte, darf aller-
200 Vgl. ebd., 129.
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dings bezweifelt werden.201 Wie Harvey in ihrer umfangreichen Untersuchung gezeigt hat, gab es eine Vielzahl von Motiven für den Einsatz in Polen. Die Chance auf beruflich relevante Erfahrungen war dabei nur ein Faktor für die Teilnahme, die gleichermaßen Neugierde auf Abwechslung bzw. Unbekanntes hervorrief sowie höhere Pauschalen für den Lebensunterhalt versprach als bei Tätigkeiten in der Landwirtschaft oder Industrie. Erinnerungen wie die der ehemaligen Gau-ANSt-Referentin München-Oberbayern bestätigen diese Punkte: „Im ersten Semester war ich in der MAN hier, im Strömungsversuchsfeld, im zweiten Semester, Sommerferien waren das immer, war ich im Warthegau. Das ist also im heutigen Polen. Erst im Kindergarten und dann in einer Internatsschule. Da habe ich eben meinen Horror auch vor Lehrern bekommen, weil da musste ich dann einfach aus dem Stegreif Englisch und Geographie geben, und ich war immer so schnell fertig mit meinem Stoff. Also da habe ich gedacht, ne, ich gehe nie in den Schuldienst. […] Wir mussten Kriegseinsatz leisten. Und das war also verschieden. Es waren also, sagen wir mal, vier, fünf Sachen, Projekte geboten, und man konnte sich melden. Und neugierig wie ich war, habe ich mich zu dem Osteinsatz gemeldet. […] Ich bin dann mit einer zweiten Augsburgerin, die ist dann nach Litzmannstadt gekommen, und ich bin eben zu diesem Kindergarten östlich von Posen gekommen. […] Und es war für mich eine – ja, schon, landschaftlich eine große Erfahrung. Diese Ebene, ich war ja das gar nicht gewöhnt und dachte, das kann ich nicht packen, und war zum Schluss fasziniert.“202 Da für die Universität München mit einzelnen Zeitzeugenaussagen nur marginale bzw. unzureichende Quellen zum Facheinsatz Ost vorliegen, ist ein ausführlicher Vergleich mit den Ergebnissen Harveys an dieser Stelle nicht möglich. Dennoch spiegelt sich selbst in den wenigen existierenden Erinnerungen ehemaliger LMU-Studentinnen die Freude auf den – zum Teil wiederholten – Einsatz im Osten sowie die unterschiedliche Konstruktion und Reflektion der individuellen Biographie wider.
201 Zu den Zahlen und zum Zitat vgl. Pauwels, 116. Zu seiner These der „truly convinced National Socialist women students“ ebd., 116 f. 202 Interview mit Gertraud S. vom 26.5.2005. Zum Absatz vgl. Harvey, 128 f. Nach 1940 war es, so Harvey, schwieriger, die Rekrutierungsziele und mit ihr den Bedarf an Studierenden zu erfüllen. Eine Begründung für diese Entwicklung liefert die Historikerin allerdings nicht. Vgl. ebd. Zum Lehrerinneneinsatz vgl. auch Pauwels, 114 f.
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Abb. 49: Arbeitsbuch von Gisela R. inkl. Bestätigung des Osteinsatzes
„Manche hielten es für notwendig, ihre damalige Akzeptanz bestimmter Ideen oder Anweisungen zu kommentieren, auch in selbstkritischer Form“203, wie die Volkswirtin und spätere Mitarbeiterin beim Diakonischen Werk Gisela R.: „Also der Osteinsatz war freiwillig. […] Man konnte sich zum Osteinsatz melden. Wo man sich da gemeldet hat? Wissen Sie, das ist alles so lange her, das weiß man alles nicht mehr so. […] ’43 war ich im damaligen Warthegau. Und da sind wir […] in Elsenau, das hieß früher polnisch Wongrowitz, sind wir untergebracht gewesen. Und dann hatten wir in dem kleinen Kreisstädtchen, da ist mir der Name jetzt entfallen, da war dann eine Dienststelle und die haben uns dann ausgesandt. Dann haben wir die Bauern, die alles Umsiedler-Bauern waren, [betreut,/P. U.] die kamen aus Bolinien und Bessarabien und so, und die haben alle dort die Höfe von den Polen in Besitz genommen oder sind dort hingesetzt worden. Heute frage ich mich auch […], warum hat man da sich nicht mal überlegt, wo sind die anderen eigentlich geblieben. Es ist so vieles, wo man sich heute selber nicht mehr begreift. Man versteht sich einfach nicht mehr. Das war einfach
203 Harvey, 137.
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selbstverständlich. Die waren da, und zu denen sind wir hingefahren und haben also aufgenommen, was die für Wünsche hatten und was sie gebraucht haben, und haben das wieder weitergemeldet. Sie wurden also sozusagen betreut von uns, nicht. Und das nächste Jahr war ich dann, da war ich ja dann schon ein höheres Semester, da war ich im Statistischen Amt in Krakau. Da war ich ein ganzes Vierteljahr. Und dort haben wir also wirklich eben fachgerecht gearbeitet. Da habe ich als Praktikantin gearbeitet und habe also Krakau sehr lieben gelernt. Das ist eine wunderschöne Stadt.“204 Wieder andere Frauen neigten, wie schon bei den Aussagen zum Fabrikdienst, „eher dazu, es für selbstverständlich zu halten, dass sie das, was ihnen aufgedrängt und eingeprägt wurde, weder in Frage stellen noch dagegen opponieren konnten“205, obwohl sie mit ihrem Einsatz die Rassen- und Germanisierungspolitik des Regimes aktiv unterstützen. So berichtete eine spätere Gymnasiallehrerin und ehemalige Studentin der LMU von ihrem zweimonatigen Landdienst-Betreuungseinsatz im Sommer 1941 in Butzen im Kreis Colmar: „Das war die Umsiedlung der Bessarabien-Deutschen. Die kamen mit Pferdewagen und Gepäck an und mussten in die Höfe hinein, wo in der Nacht die Polen verjagt worden waren. Und dann sagten sie: „Was sollen wir denn da? Da ist ja niemand!“ „Ja, das gehört Ihnen jetzt. Gehen Sie mal schnell in den Stall und melken Sie die Kühe. Die brau-
204 Interview mit Gisela R. vom 14.4.2005. Vgl. in diesem Zusammenhang auch das Interview mit Gertraud S. vom 26.5.2005: „Und dann habe ich da das erste Mal, ja, […] das habe ich kritisch hinterfragt, da waren also Lehrer an dieser Hauptschule, in der ich dann war. Das war ein Internat, weil das so verstreute Gemeinden waren. Die Kinder waren die ganze Woche über da. Und diese Lehrer hatten alle sehr schöne Wohnungen, waren lauter Lehrer vom Reich, wie man damals sagte, haben mich eingeladen der Reihe nach, und waren alle also in tollen Wohnungen, toll möbliert. Und da habe ich also mal ganz harmlos gefragt: „Sie haben eine tolle Wohnung.“ Und da haben die dann gesagt, ja, das sind Wohnungen, die also von Polen oder Juden zurückgelassen wurden. Und deshalb hab’ ich mir gedacht, da würde ich mich nicht wohlfühlen. […] Und dann hat mich empört auch damals, […] dann […] haben wir [die Einsatzleistenden/P. U.] uns getroffen so aus der Umgebung […]. Und dann haben wir uns am Wochenende immer getroffen. Und man fuhr also mit dem Zug hin und da fuhren etliche Wagen, und da gab’s immer einen, ich hab’ gar nicht aufgepasst, erster, zweiter, dritter und vierter Klasse. Und dann bin ich halt, weil der vor mir stand, in die vierte Klasse. Und dann kam der Schaffner rein und sagte: „Da können Sie nicht rein, das ist der Wagen für die Polen.“ Das waren so Dinge, die einem da erst bewusst wurden, die man also so im Reich selbst ja nicht erlebt hat, und die mich schon also sehr geschockt haben. Während im Kindergarten waren also auch Kinder von Polen. So viel ich heute, ich kann’s nicht beschwören, annehme, vielleicht von Polen, die blond waren. Denn die Kinder waren alle blond, diese polnischen, die wir hatten; sehr nette Kinder. Aber ich habe dann gehört […], dass ein großer Teil der Lehrer dann von den Polen liquidiert worden ist, wie der Krieg zu Ende war.“ 205 Harvey, 137.
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chen Sie.“ Also den Leuten war das sehr schwer. Die machten sich vielleicht gar nicht klar, mit was für einer Brutalität die Menschen in der Nacht dann da rausgeschafft wurden. […] Also wir haben das alle, glaube ich, sehr als – die Jungs waren im Feld, und wir hatten auch was zu tun, nicht. Und wir haben das nicht so sehr hinterfragt.“206 Wieder andere, wie die ehemalige Leiterin des Amtes Studentinnen der LMU, Fides von Gontard, gaben sogar an, „in sich selbst ein Abschirmsystem“ gehabt zu haben: „Ich erinnere mich, während eines Fabrikeinsatzes in Lodz dort am Bretterzaun des Ghettos entlanggegangen zu sein. Bis auf einen Schauder ließ ich nichts an mich heran, was da geschah.“207 Versucht man die Reaktionen der Münchner Studentinnen auf die Beanspruchung durch die studentische Dienstpflicht zu analysieren, so lassen sich keinerlei Abweichungen zu Kommilitoninnen anderer Universitäten in der Bewertung der studentischen Dienstpflicht erkennen. Trotz der Widerwilligkeit, mit der diese aufgenommen wurde, ist Grüttner zuzustimmen, dass es kollektive Proteste gegen die verstärkte Inanspruchnahme während des Krieges nicht gegeben zu haben scheint. Dennoch lässt sich dieser Befund kaum als Ausdruck erhöhter Einsatzbereitschaft werten.208 Das gilt auch für die LMU, wo sich die Missbilligung der zunehmenden außeruniversitären Tätigkeiten im Wesentlichen in spontanen Unmutsbezeugungen nichtorganisierter Frauen und Männer äußerte: „Ich weiß nur einen Führer, dass der mit Vornamen „Sepp“ geheißen hat […]. Und dass ich mit dem Schwierigkeiten gehabt habe, beinahe mit dem Heimtückegesetz. Denn der Mann hat ganz richtig erkannt, ich war voller Zorn, dass ich schon wieder zum Gummi Metzler sollte in den Ferien. Und habe mich dazu hinreißen lassen, den Mann zu fragen, wo er arbeitet in den Semesterferien, genau wissend, dass der nirgendwo arbeitet, weil er ja die übergeordnete Verwaltung und alles hat machen müssen. Und der hat natürlich diesen Braten auch gleich gerochen, blöd war der ja nicht, und hat mich angefahren: „Stellen Sie keine solchen Fragen, die Ihnen zum Nachteil gereichen können nach dem Heimtückegesetz nämlich. Wo ich arbeite, geht Sie gar nichts an“ usw. Und wenn ich noch weitermache in der Richtung, dann finde ich mich an einem Ort, wo es schlimmer ist als beim Gummi Metzler. Also ich habe sofort vorgezogen, den Mund zu halten, und er hat dann sogar eine, wie will ich’s denn sagen, wie Kundgebung einberufen im Audimax, wo er einen Vortrag gehalten hat, dass da also Stimmen laut werden gegen die Studentenführer, wo die arbeiten usw. Und also dargelegt hat, dass sie schon das Ihre tun für den Endsieg und was weiß ich noch alles. Und eine Kolle-
206 Interview mit Dr. Dorothee H. vom 12.6.2005. 207 Alle Zitate nach Gontard/Büren, 115. 208 Vgl. Grüttner, 383.
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gin namens Rattenhuber, die war auch verwickelt in den Fall, die hat auch eine so freche Frage gestellt gehabt.“209 Bei der Aussage der Zeitzeugin sowie dem im UAM dokumentierten Fall der Philosophiestudentin Hedwig Rattenhuber handelt es sich um zwei der wenigen Belege für Unmutsbezeugungen einzelner LMU-Studentinnen im öffentlichen Raum. Rattenhuber hatte beim Amtsleiter der Gaustudentenführung MünchenOberbayern, Sepp Miller, im Frühjahr 1942 um Befreiung vom Rüstungseinsatz nachgesucht, um auf dem landwirtschaftlichen Erbhof der Eltern mitarbeiten zu können. Der Aussage Millers zufolge war der Antrag bereits grundsätzlich genehmigt worden: „Ich erklärte ihr, daß es sehr schwer möglich sei, Kräfte für landwirtschaftliche Mitarbeit freizugeben. Ich tat das, um ihr zu zeigen, daß es nicht ganz selbstverständlich ist, daß sie befreit wird. Dabei fiel sie mir ins Wort: „Das ist Unsinn.“ Ich habe sie gebeten, sich vorsichtiger auszudrücken. Frl. Rattenhuber erklärte darauf, das sei ihr gleich, wenn sie nicht befreit werde, werde sie nicht antreten.“ Im darauffolgenden Wortwechsel soll Rattenhuber dem Amtsleiter entgegnet haben, er gehöre an die Front, woraufhin dieser vorgab, nun keine Entbindung von Rüstungseinsatz vorzunehmen: „Frl. Rattenhuber wußte nicht, daß ich ihre Befreiung schon ausgesprochen hatte. Sie mußte aus meiner Rede den Eindruck haben, daß sie nicht befreit wird. Frl. Rattenhuber: Ich war der Auffassung, daß man mich nicht befreien wollte; darüber war ich empört.“210 Nach Antrag des Syndikus wurde das Hochschulstrafverfahren jedoch ausgesetzt, weil man zuerst das Verfahren der Studentenschaft abwarten und anschließend eine Entscheidung über die Person Rattenhubers ohne neuerliche Verhandlung treffen wollte. Da Quellen zum weiteren Ablauf im UAM nicht erhalten sind, kann in diesem Zusammenhang nur auf die Aussage der Zeitzeugin und Kommilitonin Bezug genommen werden, wonach die Angelegenheit letztlich ohne Folgen blieb: „Und wir waren aber froh, dass wir nicht weitere Unannehmlichkeiten gehabt haben.“211 Auch der ehemaligen Medizinstudentin Paula K. wurde mit einem Hochschulstrafverfahren gedroht, nachdem sie um einen anderen Termin für die Ableistung von Schreibarbeiten gebeten hatte: „Und dann hab’ ich mich entschuldigt, hab’ ich gesagt, ich hab’ nicht gesagt, ich komme nicht, sondern ich hab’ gesagt: „Ich möchte einen anderen Termin haben. Ich hab’ am Nachmittag meinen Präparier-
209 Interview mit Annemarie L. vom 11.4.2005. 210 Alle Zitate nach UAM, D-XIV-38. Niederschrift über die Sitzung des Dreier-Ausschusses der Universität vom 11.3.1943. Hochschulstrafverfahren gegen die Studierende der Philosophie Hedwig Rattenhuber. 211 Interview mit Annemarie L. vom 11.4.2005.
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kurs und da muss ich ein wichtiges Testat machen.“ Und da sagte die Sekretärin, die am Telefon war: „Sie kommen, Sie kommen am Donnerstag, Heil Hitler“, hat aufgehängt. […] Und dann hat der Gaustudentenführer mir einen Brief geschrieben: „Sie haben es nicht für nötig gehalten zu kommen und kommen Sie da und da in meine Sprechstunde. Und sollten Sie wieder nicht kommen, bin ich leider gezwungen, ein Hochschulstrafverfahren gegen Sie einzuleiten.“ […] Und ich bin dann zu ihm gegangen und hab’ gesagt: „Des ist ungerecht. Also meine Kommilitonen, die haben alle gesagt, so lassen wir uns nicht behandeln.“ Und dann hat er gesagt: „Ja, die Soldaten, ja, die sind draußen.“ Dann hab’ ich gesagt: „Ja, des ist mir gut bekannt. Ich habe als Rotkreuzschwester eineinhalb Jahre schon gearbeitet und des ist mir also sehr gut bekannt.“ „Ja, da sind Sie nicht die einzige.“ Dann hab’ ich gesagt: „Natürlich nicht. Also es wäre schlimm, wenn ich die einzige wäre. Aber ich weiß also des schon und ich bin ein anderes Mal gerne bereit, aber jetzt den Präparierkurs…“ Sagt er: „Haben Sie den nie versäumt?“ Dann hab’ ich gesagt: „Nein, ich hab’ ihn nie versäumt. Können Sie jederzeit nachfragen.““ Der Ausgang der Geschichte zeigt, dass es sich wohl nur primär um ein öffentliches Druckmittel handelte. „Da bin ich dann rein, das war also eine vollkommen überflüssige Geschichte. […] Propagandaschriften musste man da banderolieren und mit der Feldpostnummer versehen. Des war also alles. Na ja, das hab’ ich dann gemacht. Und damit war die Geschichte erledigt.“212 Mit dem Ausschluss aus dem NSDStB bestrafte das Rechts- und Gerichts amt der RSF in Berlin dagegen im Sommer 1941 eine Germanistikstudentin der LMU. Die 20-Jährige war im Juli 1940 zu kriegswichtigen Arbeiten im Fliegerhorst Erding eingesetzt und im benachbarten Arbeitsdienstlager Eichenkofen untergebracht worden. Dort äußerte sich die junge Frau in Gegenwart von Kameradinnen abfällig über den RAD und das „Affentheater“ des morgendlichen Flaggenhissens. Im Gegensatz zu Rattenhuber und ihren Kommilitoninnen musste sich die Philologin daraufhin in ihrer Position als Anwärterin des Studentenbundes verantworten, in welcher sie – nach Meinung des Rechts- und Gerichtsamtes – das Ansehen des NSDStB schwer gefährdet hatte. Dies galt umso mehr, als sie „im Arbeitsdienstlager mit Recht als Vertreterin der Studentenschaft schlechthin angesehen“ wurde und „deshalb dort einen völlig negativen Eindruck vom heutigen Studententum“ vermittelte. Ihre Worte hätten, so der Beschluss, „von grosser Verständnislosigkeit für Sinn und Zweck einer Flaggenehrung und damit für die Lebensformen nationalsozialistischer Gemeinschaften“213 gezeugt. Erschwerend
212 Interview mit Paula K. vom 9.6.2005. 213 Alle Zitate nach UAM, Stud-Straf-157. Beschluss des Rechts- und Gerichtsamtes der Reichsstudentenführung vom 14.6.1941.
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kam hinzu, dass auch die Münchner Gruppenführerin der ANSt, der die gebürtige Westfälin zwei Semester lang unterstand, ihre Einstellung zum Nationalsozialismus rein negativ beurteilte und sie auf den kommissarischen Gaustudentenführer bei der Vernehmung einen ungünstigen Eindruck machte. Mit dem Ausschluss aus dem NSDStB wollten die Verantwortlichen offensichtlich ein Exempel statuieren, das keinen Zweifel an der unbedingten Vorbildfunktion von Angehörigen der NS-Gliederungen auf allen Ebenen des studentischen Daseins ließ. Die Studentin selbst hatte die LMU bei der Urteilsverkündigung jedoch schon seit mehr als einem halben Jahr durch Wechsel an eine unbekannte neue Hochschule verlassen, womit eine abschreckende Breitenwirkung der Exklusionsmaßnahme ausgeschlossen werden kann. Ein weit über die Grenzen Münchens hinaus bekannt gewordenes Beispiel für die Unmutsbezeugungen weiblicher Studierender ist dagegen die sog. „Gies ler-Rede“. Hintergrund dieser Rede war das 470-jährige Jubiläum der Universität, welches mit verschiedenen Festivitäten im Rahmen einer Universitätswoche begleitet wurde, darunter die Gründungsfeier am 13. Januar 1943 im Deutschen Museum. Der erstmals in vollem Umfang von Sönke Zankel dargestellte Ablauf sowie die Reaktionen der Beteiligten konnten durch Hinzuziehung zahlreicher Zeitzeugenaussagen sowie verschiedener, bislang unveröffentlichter Quellen aus Privatbesitz noch einmal bedeutend erweitert bzw. beleuchtet werden. Zu einer der wichtigsten Quellen zählen dabei ein unmittelbar nach der Teilnahme entstandener zeitgenössischer Brief einer ehemaligen Studentin sowie die schriftlichen und mündlichen Erinnerungen von Gertraud S., die direkt in die Organisation der Abendveranstaltung eingebunden war.214
3.1 Giesler-Rede als Ventil für weiblichen Protest Um einen angemessenen Auftakt der Universitätswoche zu inszenieren und sämtliche Plätze im Kongresssaal des Deutschen Museums zu füllen, sorgte man dafür, dass auch die Studierenden an der abendlichen Großkundgebung teilnahmen. Im Gegensatz zu den anderen Veranstaltungen, die ohne Absprache mit dem NS-Studenten- bzw. Dozentenbund organisiert worden waren, griff man für die
214 Vgl. Zankel: Weiße Rose, 98 ff., und Gedächtnisprotokoll von Gertraud S. zu den Vorfällen im Januar 1943 in München vom 19.9.1991. Kopie im Privatbesitz P. U., künftig zitiert als Gertraud S.: Gedächtnisprotokoll.
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Eröffnungsveranstaltung auf die Unterstützung von Gauleitung und Studentenbund zurück.
Abb. 50: Einladung zur Münchener Universitätswoche im Januar 1943
Die „Studentenführung wurde ziemlich kurzfristig verständigt und sollte den Saal vollbekommen. Deshalb wurden die Studentenkompanien abkommandiert und um die Tribüne mit 600 Plätzen mit Studentinnen zu füllen, verband man die Teilnahme mit einem Pflichttestat“215. Gertraud S., die damals einen Pflichtdienst in der Studentenführung absolvierte, wurde hierbei die Aufgabe übertragen, die vollständige Besetzung zu arrangieren: „Da wurde mir gesagt: ‚Unten sitzen die ganzen Studentenkompanien, da ist es voll. Aber oben sind 600 Plätze, die müssen auch gefüllt werden.‘ Und ich wusste, wenn ich das bloß aushänge, da kommt ja kein Mensch, nicht. Und […] wir mussten so drei Pflichteinsätze im Semester machen. […] Und dann habe ich also einen Aushang gemacht, das gilt
215 Gertraud S.: Gedächtnisprotokoll. Zu den allgemeinen Vorbereitungen vgl. auch Maximilian Schreiber: Die Ludwig-Maximilians-Universität und ihre Jubiläumsfeiern in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. In: Elisabeth Kraus (Hg.): Die Universität München im Dritten Reich. Aufsätze. Teil I. München 2006, 479–504, bes. 493–502.
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als Pflichteinsatz, die Teilnahme; man kriegt dann den Stempel. Und habe also vorne eine hingesetzt mit einem Stempel, die hat dann in diese Pflichteinsatzbücher das reingestempelt, dass die da waren. Dadurch habe ich die Plätze voll bekommen“216 und die Studentinnen zur Veranstaltung: „Man musste irgendwelche drei Stempel haben. Man hatte so einen Studentenausweis und da gehörte eben auch so eine Großveranstaltung wie die Veranstaltung im Deutschen Museum dazu. Und weil ich noch so einen Stempel brauchte, sind wir dann da in das Deutsche Museum gegangen zu der Ansprache des Gauleiters.“217 Die Aussage von Gertraud S. erscheint glaubwürdig, zumal für eine andere, drei Tage später im Rahmen des Jubiläums stattfindende Feier in der großen Aula der Universität ebenfalls die Anweisung herausgegeben wurde, mit Hilfe der Studentenführung die komplette Besetzung der Galerie sicherzustellen. Die weiblichen Studierenden sollten dabei in „einheitlicher Kleidung“218 in der ersten Reihe Platz nehmen. Als Bestätigung für ihren „Pflichteinsatz“ erhielten alle Studentinnen, die sich im Kongresssaal einfanden, ein personalisiertes Papierdokument, welches ihnen die Teilnahme bescheinigte: „Die Studentin […] hat am 13.1.1943 bei der Kundgebung im Festsaal des Deutschen Museums teilgenommen.“
Abb. 51: Bestätigung über die Teilnahme an der Kundgebung im Deutschen Museum 1943
216 Interview mit Gertraud S. vom 26.5.2005. 217 Interview mit Dr. Dorothee H. vom 12.6.2005. So ebenfalls bei anderen Zeitzeugen. Vgl. zudem Dr. Luzie Karola Friedmann über die Rede des Gauleiters. Undatierte und unveröffentlichte Notiz der Erinnerungen an die Flugblattaktion der Geschwister Scholl. Kopie im Privatbesitz P. U., künftig zitiert als Friedmann: „Sicher war nur ein Teil der Studenten gekommen, meistens mehr oder weniger notgedrungen, um nicht irgendwelche „kriegswichtigen Dinge“ leisten zu müssen. Begeisterung kam jedenfalls keine auf.“ 218 UAM, D-X-54 Band 2. Anweisung für den Besuch der 470-Jahr-Feier vom 8.1.1943. Vgl. dazu auch Doerfler, 325: „Oben hatten die Studentinnen der ANST Platz genommen. Alle waren sie in weißen Blusen erschienen. […] Unten alle die jungen Männer in ihren feldgrauen Uniformen, oben die Studentinnen.“
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Einem Vernehmungsprotokoll Kurt Hubers durch die Gestapo München zufolge mussten sich auch die Frontsoldaten die Teilnahme an der Veranstaltung bestätigen lassen219, ‚ein schlechthin undiskutierbares Vorgehen‘220. Sowohl die Erinnerungen von Julius Doerfler als auch Gespräche mit Zeitzeugen stützen diese Aussage: „Die einzelnen Kompanien hatten Zettel bekommen, und jeder, der das Deutsche Museum im Gleichschritt in Zweierreihen betrat, mußte seinen Namen mit Kompanie auf den Zettel geschrieben haben und in eine bereitgestellte große Kiste, die von der Gaubereitschaft vorbereitet war, hineinwerfen.“221 Das bedeutete: „Wir waren erfasst, weil wir waren als Studienurlauber […] in Studentenkompanien erfasst und hatten Anwesenheitspflicht. Des wurde auch kontrolliert.“222 Denjenigen, die keinen Stempel hätten, wurde gedroht, sie könnten sich im nächsten Semester an keiner deutschen Universität einschreiben. Obwohl es keinerlei Hinweise darauf gibt, dass diese Sanktion überhaupt in einem Fall in die Tat umgesetzt worden wäre, und einige der Anwesenheitspflicht bewusst trotzten223, rief die gesamte Organisation bereits im Vorfeld große Verstimmung unter den Kommilitonen hervor, die „natürlich alle sauer“ waren, zumal „sie also doch nicht freiwillig dahin sind.“224 Bei den abgeordneten Studenten kam erschwerend hinzu, dass diese bereits vor der eigentlichen Veranstaltung im Deutschen Museum in Kompanien auf dem Königsplatz antreten mussten. „Dann wurde Lieder singend zum Deutschen Museum, also durch ganz München, marschiert. Dauer: Allein von der Aufstellung bis zum Deutschen Museum 3 Stunden.“225 Die Verärgerung über die unter dem Druckmittel der Strafandrohung ausgesprochene Anwesenheitspflicht muss umso größer gewesen sein, als man das Gros der Studierenden bei den übrigen Feierlichkeiten
219 Vgl. Michael C. Schneider/Winfried Süß: Keine Volksgenossen. Studentischer Widerstand der Weißen Rose. München 1993, 31 f. 220 Kurt Huber, hier zitiert nach Clara Huber: Rückblick auf vier Jahrzehnte. In: Dies. (Hg.): „… der Tod … war nicht vergebens“. Kurt Huber zum Gedächtnis. München 1986, 16. 221 Doerfler, 324. 222 Interview mit Franz G. vom 20.4.2005. So ähnlich auch Dr. Werner P. in einem Brief an P. U. vom 28.4.2005: „Zur Gauleiter-Kundgebung waren die Studenten-Kompanien befohlen.“ 223 Vgl. Marie-Luise Schultze-Jahn: Erinnerungen an unsere Widerstandsarbeit 1942/43 in München. In: Schultze-Jahn, 23: „Allen Studenten war befohlen worden, an der Veranstaltung im Kongreßsaal des Deutschen Museums teilzunehmen – Grund genug für mich, mich zu widersetzen und nicht hinzugehen.“ 224 Interview mit Gertraud S. vom 26.5.2005. Vgl. dies.: Gedächtnisprotokoll: „Sitzordnung: die ersten Reihen Prominenz von der Universität, der Studentenführung usw., dann unten nur männliche Studenten, vornehmlich in Uniform (Studentenkompanie der Mediziner), auf der Tribüne die Studentinnen. Kaum ein Teilnehmer also freiwillig anwesend.“ 225 Doerfler, 324.
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zum 470-jährigen Jubiläum der Universität schlichtweg übergangen hatte: „Und da waren die Studenten schon vergrätzt, weil bei diesen ganzen Feierlichkeiten waren also Studenten fast nicht erschienen, vielmehr nicht eingeladen, sondern bloß Prominente. […] Da hat man damals schon bei uns gesagt „Herrgott, die könnten uns doch auch einladen.“226 Einem Brief aus dem Privatbesitz von Anneliese Knoop-Graf zufolge seien den Studierenden für die Teilnahme an der Veranstaltung sogar Konzertkarten versprochen worden, eine Zusage, die später aber zugunsten der Fronturlauber zurückgenommen wurde. Ein derartiges Verhalten konnte sicherlich dazu beitragen, den Ärger der Studentinnen und Studenten noch zu vergrößern.227 Offensichtlich hatten die Verantwortlichen innerhalb der Studentenführung nicht mit der Möglichkeit gerechnet, wonach es bereits vor der eigentlichen Veranstaltung zu lautstarken, öffentlichen Unmutsbezeugungen kommen könnte. Die ehemalige Studentin der Philologie, Philomena Sauermann, erinnert sich, dass sie und eine Kommilitonin schon auf dem Weg zum Deutschen Museum ziemlich erbost gewesen seien: „Ja, wir waren spät dran und haben auch furchtbar geschimpft, dass wir da jetzt gezwungen sind, da noch hinzufahren. Die Straßenbahnen waren dick voll, wir sind gestanden. Da hat meine Freundin gesagt: „Schimpf nicht so laut, es ist gefährlich!“228
Abb. 52: Zeitzeugin Philomena Sauermann als Studentin
226 Interview mit Gertraud S. vom 26.5.2005. 227 Vgl. Zankel, 358. In den selbst durchgeführten Zeitzeugeninterviews finden sich diesbezüglich jedoch keine Angaben. 228 Interview mit Philomena Sauermann vom 12.3.2005.
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Tatsächlich mehrten sich zu diesem Zeitpunkt wohl schon die kritischen Stimmen. So schreibt Gertrud S. in einem Gedächtnisprotokoll, der Bruder des Gauleiters, Architekt Hermann Giesler, hätte kurz vor dem Auftakt der Veranstaltung ein „Gespräch von zwei Studentinnen mitangehört, die sich beklagten, daß sie jetzt den Gauleiter anhören müßten, statt etwas Intelligenteres zu unternehmen.“229 Und weiter im persönlichen Zeitzeugengespräch: „Und der ist zu seinem Bruder und hat ihm das sofort gemeldet. Dass der Gauleiter dann natürlich nicht erfreut zu uns kam, ist klar, nicht.“230 Wenngleich sich derlei Aussagen nicht anhand weiterer Quellen belegen lassen, gab, so Zankel, auch der anwesende Polizeipräsident und Leiter der Polizeiabteilung im Bayerischen Staatsministerium des Innern, München, Friedrich-Karl Freiherr von Eberstein, in einer eidesstattlichen Erklärung an, ein Teil der Studentinnen, die auf der Empore saßen, hätten ihre Verstimmung über die Vorgehensweise der Studentenführung bereits während der Eröffnungsrede des Gaustudentenführers Julius Doerfler kundgetan.231 Dem Gedächtnisprotokoll von Gertraud S. zufolge verschärfte sich die gesamte Situation noch zusätzlich durch die verspätete Ankunft von Paul Giesler im Kongresssaal: „Alle Versammelten waren leicht am Kochen wegen der Warterei“232; die zum Teil bereits merklich angespannte Stimmung ist aufmerksamen Beobachtern sicherlich nicht entgangen. Doerfler, der vor seinen einführenden Worten erst einmal dem Gauleiter für sein Erscheinen dankte, widmete sich im Anschluss ausführlich den an der Front stehenden Studenten und gab einen Überblick über das politische Studententum der letzten 150 Jahre. In seinen Erinnerungen beschreibt der NS-Funktionär seine Rede wie folgt: „Ich sprach, wie mit Giesler abgesprochen, über den „politischen Studenten“, der heute bei dem schweren Ringen an den Fronten eine
229 Gertraud S.: Gedächtnisprotokoll. 230 Interview mit Gertraud S. vom 26.5.2005. Es ist äußerst fraglich, ob es sich bei diesen beiden Studentinnen um Philomena Sauermann und ihre Kommilitonin handelte. Vgl. dazu auch die apologetischen Erinnerungen von Hermann Giesler, in denen sich indessen kein Hinweis auf eine Rückmeldung durch den Bruder findet: Ein anderer Hitler. Bericht seines Architekten Hermann Giesler. Erlebnisse, Gespräche, Reflexionen. Stegen am Ammersee 7. Auflage 2005, künftig zitiert als Hermann Giesler. Eine kritische Auseinandersetzung mit „Ein anderer Hitler“ findet sich in der Dissertation von Michael Früchtel: Der Architekt Hermann Giesler, Leben und Werk (1898–1987). München 2008, 349–354. 231 Vgl. Zankel, 358. Zankel bezieht sich auf eine undatierte eidesstattliche Erklärung von Friedrich-Karl Freiherr von Eberstein im StAM (Staatsanwaltschaften 17439/3, Anlage 4). Ein Schriftstück mit diesem Inhalt existiert in dem genannten Bestand allerdings nicht, lediglich eine eidesstattliche Erklärung (Abschrift) vom 16.8.1951. 232 Gertraud S.: Gedächtnisprotokoll. „Gießler [sic!] erschien in Begleitung seines Bruders. Wir erhoben uns, ich kann mich aber nicht erinnern, daß es Ovationen gegeben hätte.“ Ebd.
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ganz besondere Aufgabe habe. Meine Rede wurde kühl aufgenommen. Ich fühlte eine deutliche Reservation unter den 1.200 Soldaten. Sie waren verärgert, daß sie da hinbefohlen worden waren.“233 Danach wandte er sich an die Studentinnen, denen er – so die Berichterstattung der Presse – anerkennende Worte für ihre Kriegsdiensteinsätze aussprach234 und sie gleichzeitig ermahnte, wie ihre Kommilitonen als „politische Aktivisten“ hervorzutreten. „Auch sie müßten heute den Kriegsnotwendigkeiten in jeder Weise Rechnung tragen.“235 Inwieweit sich die Zeitungen hier einer euphemistischen Berichterstattung bedienten, muss selbstverständlich dahingestellt bleiben. Neuere Forschungsergebnisse lassen vermuten, dass Doerfler versuchte, die schon leicht aufgewühlte Zuhörerschaft – allen voran die Studierenden – durch ein bewusst autoritäres Auftreten zur Ruhe zu bringen. Einem zeitgenössischen Brief nach zu urteilen, bezeichnete er die Studentinnen als ‚geistige Wühlmäuse‘236, die hofften, sich durch ein Studium dem Kriegseinsatz entziehen zu können. Die an sie herangetragenen Forderungen sollten sie demnach „nicht als Zumutungen empfinden, sondern den Fabrikdienst ruhig auf sich nehmen.“237 Es ist davon auszugehen, dass derartige Worte die negative Stimmung im Saal noch weiter geschürt haben, bevor nach einem musikalischen Zwischenspiel durch den Gaumusikzug der NSDAP der Gauleiter und Führer der Bayerischen Landesregierung, Paul Giesler, ans Rednerpult trat. „Er hatte natürlich auch als alter Parteiredner gemerkt, daß hier noch kein Fluidum war, und so begann er ziemlich theatralisch erst vom Frontkämpfer zu sprechen und suchte so, die Studenten auf seine Seite einzustimmen.“238 Giesler sprach sogleich von zwei Überraschungen, die er an diesem Abend erlebt habe: „Die eine, eine freudige, seien die vielen Fronturlauber“239, der Anblick der „herrlichen Jugend in feldgrauer Uniform“240, die immerhin etwa Dreiviertel der Plätze im Saal einnahmen. Giesler würdigte die soldatischen Leistungen der jungen Männer, die nun
233 Doerfler, 325. 234 Münchener Universitäts-Woche. Gauleiter Giesler sprach zu den Studenten. In: MNN vom 14.1.1943, hier nach UAM, D-X-54 Band 19. 235 Jungakademiker im feldgrauen Rock. Gauleiter Giesler vor der Studentenschaft. Auftakt der Münchner Universitätswoche. In: MNN vom 14.1.1943, hier nach UAM, D-X-54 Band 19. 236 Brief von Marianne an ihre Eltern vom 15.1.1943. Im Privatbesitz Anneliese Knoop-Graf, Brühl, hier zitiert nach Zankel, 359. 237 Zankel, 359. 238 Doerfler, 326. 239 Brief von Catharina B. an Frau Stefanie vom 16.1.1943. Kopie im Privatbesitz P. U., künftig zitiert als Brief an Frau Stefanie. 240 Gertraud S.: Gedächtnisprotokoll.
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für einige Monate die Möglichkeit hätten, ihren bereits an der Front gezeigten Einsatzwillen im Studium zu demonstrieren. „Diese Elogen nervten uns Mädchen schon ziemlich.“241 Was die zweite Überraschung anbelange, nämlich die vielen Studentinnen, so wisse der Gauleiter nicht, ob diese ebenfalls erfreulich sei. Über die nun folgenden Ausführungen liegen – wie auch über die gesamte Veranstaltung – unterschiedliche Berichte vor. Am bekanntesten ist die offensichtlich auf Zeitzeugenberichte gestützte Formulierung, Giesler habe die Studentinnen an dieser Stelle aufgefordert, sich nicht an den Universitäten herumzutreiben, sondern dem Führer lieber ein Kind zu schenken. Denjenigen Mädchen, die nicht hübsch genug seien, einen Partner zu finden, wollte er einen seiner Adjutanten bereitstellen.242 Unter Hinzuziehung der – wenn auch spärlich vorhandenen – zeitgenössischen Dokumente muss jedoch von einem weniger zugespitzten bzw. drastischen Wortlaut ausgegangen werden. So wandte sich die damalige LMU-Studentin Catharina B. drei Tage nach der Festveranstaltung schriftlich an eine ehemalige Lehrerin. Ihr noch unmittelbar unter dem Eindruck des Geschehens entstandener Bericht legt ein direktes und detailliertes Zeugnis von den Ereignissen im Deutschen Museum ab. Dem Brief zufolge führte der Gauleiter die große Zahl weiblicher Studierender auf Folgendes zurück: „1. auf übergroßen Ehrgeiz, 2. auf den Versuch, im Hörsaal oder Labor das sogenannte Glück zu machen, und denen wünsche er sehr bald einen Mann voll Saft und Kraft; 3. hätte nun mancher Herr Papa und manche Frau Mama an ihrer Tochter plötzlich eine große Begabung entdeckt, um sie vor dem Arbeitsamt zu schützen.“243 Auch Doerfler erinnert
241 Ebd. 242 Vgl. exemplarisch Richard Hanser: Deutschland zuliebe. Leben und Sterben der Geschwister Scholl. Die Geschichte der Weißen Rose. München 1982, 231, Christian Petry: Studenten aufs Schafott. Die Weiße Rose und ihr Scheitern. München 1968, 99, künftig zitiert als Petry, sowie Harald Steffahn: Die Weiße Rose. 3. Auflage Reinbek bei Hamburg 1993, 100. Zu einer nahezu identischen Aussage ließ sich, der Erinnerung einer Zeitzeugin Anfang der 1980er Jahre zufolge, auch Gauleiter Sprenger in einem für Frankfurter Studentinnen pflichtmäßig angesetzten Vortrag hinreißen: „Der Gauleiter Sprenger, ‚der dann, ich weiß nicht mehr genau, wievieltes Semester ich damals war, der dann erklärt hatte, es ginge nicht, wir wären ja doch, die wir studiert hatten, eine gewisse Elite und es gehe nicht an, daß wir nun nicht für den Bevölkerungszuwachs etwas täten. Es wurde also erwartet, daß wir dem Führer ein Kind schenkten. (…) Und dann wurde damals in diesem einen Vortrag, an den ich mich erinnere, gesagt, wenn wir dazu nicht bereit wären, könne man uns nicht weiter zum Studium zulassen. Das wurde allerdings nicht praktiziert…‘“ Stuchlik, 149. Hervorhebung im Original. 243 Brief an Frau Stefanie. Die Formulierung „einen Mann voll Saft und Kraft“ findet sich auch in einem Rechtsanwaltsschreiben aus dem Jahre 1953 in der Strafsache gegen den Inspektor und Leiter der Münchner Gestapo, Oswald Schäfer, wieder. Vgl. StAM, Staatsanwaltschaften 17439/3.
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sich an eine weniger drastische Formulierung: „Er sagte ungefähr: ‚Die heutigen Studentinnen, meine Damen da oben, Sie meine ich nicht, sondern [die/P. U.], die immer nicht da sind, wer studiert denn heute alles? Ich muß da einmal ein wahres Wort sprechen. Viele, die sich vor dem Arbeitsdienst drücken wollen, die glauben, einen Schatz im Hörsaal zu finden, ich wünsche Ihnen allen einen kraftstrotzenden Mann, aber zur Zeit geht es doch darum, daß sich auch die Frau zum Arbeitseinsatz stellt und nicht darum, daß man plötzlich Kunstfertigkeiten bei den Kindern braver Eltern entdeckt, die dann unbedingt auf eine Kunstschule müssen. In Wirklichkeit entzieht man sich so geschickt dem Arbeitsamt, und es gelingt dabei noch, sich einen Mann zu angeln.‘“244 Einen nahezu identischen Wortlaut beinhaltet der Brief einer „Marianne“ an ihre Eltern, ein Schreiben, das in der Sammlung von Anneliese Knoop-Graf entdeckt wurde und auf den 15. Januar 1943 datiert ist: „Ironisch verhöhnte er [Giesler/P. U.] die Eltern, die ‚überraschend die Begabung ihrer Töchter‘ entdeckt hätten, um sie dem Studium, statt dem Zufall zuzuführen. Die anderen Studentinnen würden ‚ihr Glück im Hörsaal suchen‘ und Giesler wünschte ihnen, ‚dass sie es möglichst bald ‚in Gestalt eines Mannes mit Kraft und Saft‘ finden sollten.‘“245 Beide Briefe entstanden unabhängig voneinander und enthalten keinen Hinweis auf die später in der einschlägigen Literatur vorherrschende Wiedergabe der sog. „Giesler-Rede“, wonach die Studentinnen dem Führer lieber ein Kind schenken sollten als zu studieren. Daher ist es eher unwahrscheinlich, dass der Gauleiter zu den dort zitierten Formulierungen griff, während sich eine bzw. beide Frauen vielleicht nicht im Saal befanden, wie Zankel mutmaßt.246 Obwohl Giesler dessen ungeachtet sogar die „vorbildliche Haltung“247 von Studenten und Studentinnen im Rüstungseinsatz gelobt und allen ernsthaft Studierenden seine Anerkennung gezollt haben soll, begann nunmehr ein „Dröhnen im Deutschen Museum“248, ein „fürchterliches Gescharre“249 auf der Empore, an
Rechtsanwälte Dr. Alfred Hohl und Dr. Fritz Hamann an das Schwurgericht beim Landgericht München I vom 3.2.1953. 244 Doerfler, 326. 245 Brief im Privatbesitz Anneliese Knoop-Graf, Brühl, hier zitiert nach Zankel, 359. 246 Vgl. Zankel, 360. Den Aussagen Schultze-Jahns zufolge sei ihr damaliger Freund Hans Leipelt ebenfalls bei der Giesler-Rede anwesend gewesen und habe die Äußerungen des Gauleiters mitstenographiert. Über den Verbleib der vermeintlichen Mitschrift konnte jedoch nichts in Erfahrung gebracht werden. Auch die bisherige Literatur gibt dazu keine Auskunft. Vgl. Interview mit Dr. Marie-Luise Schultze-Jahn vom 26.3.2005. 247 Helmut Haffner: Die Münchener Universitätswoche. In: DB vom 6.2.1943. 248 Doerfler, 326. 249 Brief an Frau Stefanie.
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dem sich auch die unten plazierten Männer mit ihren Stiefelsohlen beteiligten. Diese Art der Missfallensäußerung, die im ersten Moment noch als „verständliche akademische Reaktion“250 hätte abgetan werden können, wurde jedoch schnell durch die sich im weiteren Verlauf überschlagenden Ereignisse überholt. Der ehemalige Student Theo Pirker berichtet in einem Interview, dass bereits kurz nach den Diffamierungen einige der in der ersten Reihe Sitzenden – hoch dekorierte und verwundete Soldaten bzw. Offiziere – ihre Krücken nahmen und geräuschvoll aus dem Saal gingen, woraufhin der Festredner vollkommen konsterniert war.251 Sicher ist, dass schon zu diesem Zeitpunkt ein Teil der Frauen, die an den Türen saßen, demonstrativ die Empore verließen, um draußen im Vorraum durch Klopfen an die Wand weiter zu protestieren. Philomena Sauermann erinnert sich: „Da der hohe Würdenträger unsere Ehre in aller Öffentlichkeit verletzt und beschimpft hatte, verließ ich – stand ich doch fest gepreßt an eine Tür – als Protest mit anderen den Raum; erst hatten wir noch kräftig mit den Füßen gescharrt. Im ganzen Saal herrschte eine unerhört aufgeregte Stimmung.“252 Nach einer kurzen Besprechung kehrten die Studentinnen wieder in den Saal zurück, weil sie vermuteten, auf dem Gang von der Gestapo beobachtet zu werden. Dr. Luzie Karola Friedmann erinnerte sich, dass die Veranstaltung „dann schnell und ziemlich frostig zu Ende“253 ging. Catharina B. schreibt, die Rede des Gauleiters sei schließlich unter Pfiffen und Zwischenrufen im „banalsten Heil-Hitler-Stil“ beschlossen worden, wenn auch ohne „Beifall an Stellen, wo er direkt darauf wartete“. Ihr lakonischer Kommentar: Das „war wegen der vielen hohen „Viecher“ sehr peinlich!“254 Über den weiteren Ablauf des Geschehens liegen unterschiedliche Aussagen vor. Gertraud S. gibt an, der Bruder des Gauleiters, Hermann Giesler, habe noch vor Ende des Festaktes den Polizeipräsidenten Friedrich-Karl Freiherr von Eberstein alarmiert, der sämtliche Ausgänge im Foyer schließen ließ, um die Studentinnen am Verlassen des Gebäudes zu hindern. Hermann Giesler selbst schreibt in seinen Erinnerungen, sein Bruder Paul habe von Eberstein die Anweisung gegeben, „die Gänse schnattern und laufen“ zu lassen, während „dessen PolizeiOrgane die Namen derer notierten, die sich betroffen gefühlt hatten und empört
250 Gertraud S.: Gedächtnisprotokoll. 251 Vgl. Theo Pirker über „Pirker“. Ein Gespräch. In: Martin Jander: Theo Pirker über Pirker. Marburg 1988, 48, künftig zitiert als Pirker. 252 Philomena Sauermann: „Unser „Aufstand“ im Dritten Reich. Der 13. Januar 1943. Undatierter Erinnerungsbericht. Kopie im Privatbesitz P. U., künftig zitiert als Sauermann: Aufstand. Hervorhebung im Original. 253 Friedmann über die Rede des Gauleiters. 254 Brief an Frau Stefanie.
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taten.“255 Nach einer eidesstattlichen Erklärung von Freiherr von Eberstein sei Giesler selbst sofort nach Ende der Veranstaltung zu ihm gegangen und habe dem Polizeipräsidenten befohlen, „die Demonstranten namentlich festzustellen und zu verhaften“. Schließlich ordnete der Gauleiter an, sämtliche im Gebäude anwesenden Studentinnen solange festzuhalten, „bis sich die Rädelsführerinnen gemeldet hätten.“256 Doerfler schreibt in seinen Erinnerungen, er selbst habe nicht daran gedacht, etwas zu tun, und von Eberstein von einer Sperrung der Ausgänge abgeraten. Dessen ungeachtet habe der Polizeipräsident jedoch selbige eingeleitet, was auch den Angaben von Gertraud S. entsprechen würde: „Giesler auf die Frage von Eberstein: ‚Ach, lassen Sie doch die paar dummen Gänse.‘ Von Eberstein: ‚Gauleiter, hier sehe ich den Beginn einer Revolution. Heute die Studenten, morgen die Arbeiter. Als Polizeichef muß ich um Erlaubnis bitten, eingreifen zu können.‘ Giesler: ‚Dann tun Sie, was Sie für Ihre Pflicht halten.‘“257 Insgesamt spitzte sich die Lage unaufhörlich zu. Der Großteil der Studenten hatte den Saal inzwischen verlassen. Zahlreiche Studentinnen bewegten sich, teilweise in Begleitung ihrer Kommilitonen, gleichfalls in Richtung Ausgang. Dort wartete aber bereits der Sicherheitsdienst, der die weiblichen und männlichen Studierenden ‚in einer geradezu unhöflichen, ungebührlichen und sehr herausfordernden Art mit Handgreiflichkeiten‘ trennte. Die Frauen wurden in den Saal zurückgedrängt, während man versuchte, die Studenten in einem beleidigenden Tonfall sowie mit körperlichem Einsatz zum Verlassen des Deutschen Museums anzuhalten. Die Reaktionen darauf dokumentiert ein Erinnerungsbericht eines Beteiligten vom 14. Januar 1943: ‚Dies liess ich mir nicht gefallen und wehrte gleich ab, indem ich meinen Angreifer zu Boden warf. Dies war für viele das Zeichen das Gleiche zu tun und so kam es zu tätlicher Auseinandersetzung zwischen uns und dem Gaubereitschaftsdienst.‘ Die Studenten waren jedoch nicht nur über die Behandlung der Studentinnen empört, sondern fühlten sich gleichermaßen in ihrer Soldaten- und Offiziersehre deutlich gekränkt. Die Handgreiflichkeiten zwischen Ordnungskräften und Studierenden nahmen offenbar
255 Hermann Giesler, 315. 256 StAM, Staatsanwaltschaften 17439/3. Eidesstattliche Erklärung (Abschrift) von FriedrichKarl Freiherr von Eberstein vom 16.8.1951. Vgl. dazu auch StAM, SpKA K 2015. Eidesstattliche Erklärung von Dr. Karl Alexander von Müller vom 27.10.1949: „Im Januar 1943 war ich bei der Versammlung im Deutschen Museum zugegen, in welcher Gauleiter Giesler die Studentinnen beleidigte […]. Rektor und Syndikus der Universität waren natürlich ebenfalls anwesend, ich hatte aber den Eindruck, daß die einsetzenden Verfolgungsmaßnahmen, die zeitweilige Sperrung aller Ausgänge und die dann folgenden ersten Verhaftungen, vom Gauleiter selbst, bezw. der Polizei veranlaßt wurden.“ 257 Doerfler, 326 f., hier 327. Zankel, 316.
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ein derartiges Ausmaß an, dass nach dem Bericht zu urteilen Polizei und Gestapo anrückten, die jedoch sofort aus dem Deutschen Museum herausgedrängt wurden. Als die Studenten das Gebäude später verlassen wollten, versuchten die polizeilichen Einheiten einige von ihnen festzunehmen, ‚was wir‘, so der weitere Inhalt des Dokuments, ‚dadurch zu hindern versuchten, dass wir sie einfach durch einen Schlag umlegten.‘258 Elisabeth K. bestätigte im Zeitzeugengespräch mit ihren Erinnerungen den Ablauf der Situation: „Und das nahm dann solche Formen an, und wie es dann aus war, da war inzwischen der Sicherheitsdienst gekommen, dann war alles abgesperrt usw. Und wir wurden also festgehalten. Und dann kam der Studentenführer, ja, es sollten sich die melden, die den Krach gemacht hatten. Da stürmten alle da um ihn rum, da wusste er wieder nicht, was er machen sollte. Und nicht nur er, und wir standen so an der Grenze. Also ich habe da noch so eine Gruppe da dann kommandiert, da sind wir sogar durchgebrochen. Da waren die ganz erstaunt, diese Sicherheitskräfte. Aber wir sind dann natürlich zurückgegangen, weil es war ja überall abgesperrt.“259 Während ein Großteil der Studenten den Saal bereits verlassen hatte, wurden die nachdrängenden Kommilitoninnen schließlich von der Polizei zurückgehalten und mussten im Parterre des Festsaals Platz nehmen, „wo es nun furchtbar rebellisch zuging“260 und der Raum vor Erregung förmlich vibrierte.261 Die Gau-ANSt-Referentin Dr. Ingrid Hetzel versuchte die aufgebrachten Frauen zu beruhigen, indem sie argumentierte, die Anschuldigungen Gieslers hätten sich nur auf Einzelne bezogen. Im Anschluss forderte sie die Studentinnen auf, die Konsequenzen daraus zu ziehen und ihre „Stellung als Frau nicht durch Protest, sondern durch die Tat in Form guter Examina etc. zu rechtfertigen und zu behaupten suchen.“262 Diese Empfehlung entsprach durchaus dem gängigen Bild, das
258 Zu den Zitaten vgl. StAM, K 3847 (Paul Buhl). Abschrift einer Meldung über die Protestkundgebung im Deutschen Museum von u. a. Josef R. vom 14.1.1943, hier zitiert nach Zankel, 361. Zum Absatz vgl. ebenso Zankel, 361. Die vom Autor herangezogene Abschrift befindet sich aus ungeklärten Gründen nicht (mehr) im Spruchkammerakt 3847 des StAM. Zu Buhl existiert zwar ein weiterer Akt im StAM unter der Signatur K 3842, jedoch ebenfalls ohne das genannte Dokument (Akteneinsicht P. U. am 21.8.2014). 259 Interview mit Elisabeth K. vom 26.6. und 9.7.2005. 260 Brief an Frau Stefanie. 261 Vgl. Sauermann: Aufstand. Vgl. auch Doerfler, 327. 262 Brief an Frau Stefanie.
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die ANSt im Hinblick auf die Studentin propagierte263; allerdings war es in dieser Situation weniger dazu angetan, die Lage zu entschärfen. Schwerwiegender wog vielmehr, dass Gaustudentenführer Doerfler in den weiblichen Unmutsbezeugungen ein politisches Vergehen sah. Seiner Meinung nach hätten die Studentinnen nicht aufgrund ihrer angegriffenen Ehre protestiert, sondern ein deutliches Zeichen gegen die Partei setzen wollen. Wütend beschimpfte er die Anwesenden und forderte die Meldung derjenigen, die die Empore verlassen hatten. Sowohl Gertraud S. als auch Catharina B. berichten, zur großen Verwunderung der Umstehenden hätten sich daraufhin nahezu alle Studentinnen gemeldet, obwohl davon auszugehen ist, dass sich zumindest ein kleiner Teil der „Demonstrantinnen“ bereits nicht mehr unter ihnen befand, da die Türen nicht während der gesamten Rede abgesperrt gewesen waren: „Wir sagten, dass wir alle dieselbe Ansicht besäßen und gemeinsam unsere Namen abgäben.“264 Eine ehemalige Architekturstudentin der TH stützt diese Behauptung mit ihrer eidesstattlichen Erklärung aus dem Jahr 1947. Auch sie gibt an, eine größere Anzahl Frauen habe nach den Beleidigungen „ostentativ“ den Saal verlassen, wobei sich aber nach dem Eingriff der Polizei mehr Studentinnen stellten, „als vorher weggegangen waren.“265 Es ist äußerst fraglich, ob man daraufhin tatsächlich wahllos „die Hübschesten“266 unter ihnen herausgesucht und die anderen hinausgeworfen hatte. Wahrscheinlicher ist, dass sich die wahren „Übeltäterinnen“ überhaupt erst zu erkennen gaben, als ihnen Straffreiheit zugesichert worden war und sich ihre Kommilitoninnen nach und nach mit ihrer Meldung solidarisch zeigen wollten. Letztendlich hielt man 22 Studentinnen, von denen 17 der Universität, vier der TH und eine der Akademie der Bildenden Künste angehörten, fest und schickte die übrigen aus dem Saal. Vor dem Museum wurden diese von den Studenten empfangen, die während der gesamten Zeit auf ihre Kommilitoninnen gewartet hatten und nun im Sprechchor lauthals die Freigabe der restlichen Frauen forderten.267
263 Vgl. Manns, 300: „Den gesellschaftlichen Wert der Frauen wollen sie [die NS-Studen tinnen/P. U.] durch vorbildliche und politisch verwertbare Studienleistungen nachdrücklich betonen.“ 264 Brief an Frau Stefanie. 265 DMM, NL 133/069. Eidesstattliche Erklärung von Margarete Norkauer vom 10.1.1947. 266 Interview mit Gertraud S. vom 26.5.2005. 267 Vgl. exemplarisch Interview mit Dr. Alois O. vom 13.4.2005: „Und dann sind wir da draußen auf der Ludwigsbrücke gestanden, so ein Haufen, und haben also da gegrölt: „Wir wollen unsere Weiber wiederhaben.“ So u. a. auch in den Berichten von Catharina B., Gertraud S., Philomena Sauermann sowie bei Petry, 99.
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Doerfler versuchte, die aufgebrachte Menge zu beruhigen, kam jedoch kaum zu Wort. Sein Zugeständnis, die Studentinnen am nächsten Morgen freizulassen, wurde mit wütenden „Pfui“-Rufen und Auspfeifen quittiert. Selbst die Androhung des Studentenführers, schießen zu lassen, sollte sich die Versammlung nicht binnen einer Viertelstunde aufgelöst haben, wurde konsequent ignoriert. Als Doerfler in seiner Eigenschaft als militärischer Befehlshaber erneut den Befehl zur Räumung gab und auf entsprechende Konsequenzen für die (Front-) Studenten verwies, soll es verschiedenen Quellen zufolge zu einem körperlichen Übergriff gegen ihn gekommen sein. Während man den Angreifer sofort abführte, verschwand der Großteil der noch anwesenden Frauen und Männer, letztere vor allem, um nicht wegen Gehorsamsverweigerung belangt zu werden.268 Zusammen mit einigen Kommilitonen zog die aufgebrachte Menge in Richtung Innenstadt weiter und begann, alte Studentenlieder anzustimmen: „(I)ch weiß noch, wie ich auf la-la-la – Oh, alte Burschenherrlichkeit – gesungen habe, weil ich den Text gar nicht gekonnt habe. Und dann, wenn man stehengeblieben ist, haben einen die Leute vom Überfallkommando angeschoben: Nicht stehen bleiben, weitergehen!“269 In nahezu euphorischer Stimmung seien Studenten noch die ganze Nacht durch München gestreift und hätten über das Ereignis diskutiert: „Heute hieße das wohl demonstrieren. Für uns kam das alles ganz spontan, ohne Lenkung, so wie die Reaktion auf Gieslers beleidigende Angriffe“270, d. h. „das war nun natürlich eigentlich nicht unbedingt eine Anti-Nazikundgebung, gell, oder Demonstration, sondern nur eine, wenn man will, Demonstration gegen diese Unverschämtheit da. Erstens, was der da denen erzählt, und zweitens, dass sie die jetzt da nicht rauslassen wollen, und das zog sich dann also ziemlich lang in die Nacht hinein hin. […] Und die wussten dann selber nicht, was sie machen sollten. Das kam denen völlig unverhofft, dass da jemand Protest
268 Vgl. dazu Gertraud S.: Gedächtnisprotokoll: „Plötzlich ergriff ihn [Dr. Doerfler/P. U.] ein kleiner Student in Uniform von hinten: ‚Kameraden, jetzt haben wir eine Geisel.‘ Der Übereifrige wurde abgeführt.“ Catharina B. schreibt in ihrem Brief sogar von zwei Studenten, die den Studentenführer angegriffen hätten. Allerdings räumt sie ein, dies nicht selbst gesehen zu haben, weil sie zu weit hinten gestanden sei: „(D)och weiß ich dies nur von den Vorstehenden, allerdings von glaubwürdiger Seite“. Brief an Frau Stefanie. Doerfler selbst schreibt in seinen Erinnerungen, er sei plötzlich von hinten von einem Mann umfasst worden, der ihn in die Menge habe stoßen wollen. Vgl. Doerfler, 328. 269 Pretl, 33. Vgl. dazu auch das Videointerview mit Pretl aus dem Jahr 1998: http://www.youtube.com/user/GDN1940bis1949?feature=watch vom 27.5.2012. 270 Gertraud S.: Gedächtnisprotokoll. Unbestätigt ist die Erinnerung von Catharina B., es habe zudem noch Verhaftungen am Marienplatz und Stachus gegeben. Vgl. Brief an Frau Stefanie.
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erheben könnte. Also die wurden behalten, ein paar kamen sogar weg, kamen aber in derselben Nacht wieder heim.“271 Tatsächlich waren in der Zwischenzeit auch die 22 festgehaltenen Studentinnen zum Hinterausgang geführt und von bereitstehenden Polizeiwagen ins Wittelsbacher Palais und damit in den Sitz der Gestapozentrale gebracht worden. Dort mussten sie sich einem intensiven Verhör unterziehen, mit dessen Hilfe man nachweisen wollte, dass der Protest gegen den Gauleiter geplant war: „Und wie ich dann zu dem einen Beamten rein bin, saß er da und ich gegenüber. Er hatte meinen Ausweis vor sich liegen, verlangte meine Personalien, wie das üblich ist. Er wollte eben unbedingt wissen, dass das Ganze von uns ausgegangen ist, dass das ein bewusster Aufstand war gegen den Führer, gegen das Regime und was weiß ich. Und dann habe ich gesagt: „Nein, das war’s nicht“ und habe das Alte wiederholt. Das war ein Hin und Her, fast ein Kreuzverhör. Die wollten einfach jemanden Schuldigen finden: „Ja, Sie sind als erste raus!“ „Ja“, sag ich, „ich bin ja auch an der Tür gestanden.“ „Dann haben Sie das angezettelt. Das war ein Aufruhr!“ Die haben wirklich gemeint, wir haben eine Revolution machen wollen. An das haben wir gar nicht gedacht gehabt, natürlich“272, auch wenn es vereinzelt als „herrlich“ bezeichnet wurde, „dass in aller Öffentlichkeit einmal jemand was gegen den Hitler“273 sagte. Ein ehemaliger Angehöriger der Studentenkompanie, der ebenfalls ins Deutsche Museum befohlen worden war, gab auf Befragen hin an, man habe nach der Veranstaltung sogar eine Anzahl von Kameraden wahllos ins Polizeipräsidium gebracht. Bei der Vernehmung hätten auch diese übereinstimmend die Ereignisse dahingehend abgeschwächt, dass es sich lediglich „um eine Art „Hörsaalreaktion“ gehandelt habe, wie wenn man an dem Vortrag eines Professors etwas aussetzen wollte“274; alle Studenten seien bis zum Abend wieder freigekommen. Schließlich musste auch der Inspektor und Leiter der Münchner Gestapo, Oswald Schäfer, einsehen, dass es sich bei dem Ereignis im Deutschen Museum nicht um einen „Komplott“275, eine „organisierte Demonstration“276 oder „Anti-Nazikundgebung“, sondern um einen spontanen „Protest gegen diese Frechheit und
271 Interview mit Dr. Alois O. vom 13.4.2005. 272 Interview mit Philomena Sauermann vom 12.3.2005. 273 Pretl, 33. 274 Dr. Werner P. in einem Brief an P. U. vom 28.4.2005. 275 Doerfler, 330. 276 StAM, Staatsanwaltschaften 17439/3. Eidesstattliche Erklärung (Abschrift) von FriedrichKarl Freiherr von Eberstein vom 16.8.1951.
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gegen das Einsperren“277, d. h. „um eine verständliche, spontane Reaktion auf die unglaublichen Ausführungen Gieslers“278 handelte. Alle Studentinnen wurden jedenfalls weder polizeilich noch von der Justiz belangt und bereits in derselben Nacht entlassen, wenn auch mit dem Hinweis, sie hätten mit ihren Köpfen zu haften, sollte in München morgen eine Revolution ausbrechen. Allerdings blieb selbst eine zweite aufgrund angeblicher Differenzen bei den nächtlichen Verhören ausgesprochene Vorladung für die Gestapo ohne Ergebnis. Obwohl man die Frauen von polizeilicher bzw. juristischer Seite also nicht belangte, hatten sich diese doch gemäß der Strafordnung für Studenten, Hörer und studentische Vereinigungen an den deutschen Hochschulen zu verantworten: „Pflichtwidriges Verhalten verletzt die Gemeinschaft und wird unbeschadet gerichtlicher Verfolgung durch Hochschulstrafen geahndet.“279 Praktisch bedeutete dies, dass gegen jede der Unruhestifterinnen ein Hochschulstrafverfahren eröffnet wurde. Entgegen der üblichen Handhabung, wonach der jeweilige Rektor den Vorgang einleitete und den Rechtsrat (Universitätsrat) mit den notwendigen Ermittlungen betraute, ließ in diesem Fall der Reichswissenschaftsminister selbst das Verfahren durch sog. „Sonderbeauftragte“ führen, um eine Entscheidung treffen zu können.280 Sein Urteil wurde den 22 Betroffenen mit Strafbescheid vom 12. Februar 1943 in der Universität eröffnet: „Anlässlich der Rede des Gauleiters des Traditionsgaues München – Oberbayern am 13.1.1943 im grossen Festsaal des Deutschen Museums in München haben mehrere Studentinnen die akademische Zucht und Ordnung auf das schwerste verletzt, indem sie ihr Missfallen an einigen Ausführungen des Gauleiters auf ungehörige Weise zum Ausdruck brachten, in demonstrativer Form den Saal verliessen und zum Teil auch auf den Gängen vor dem Saal ruhestörenden Lärm verursachten. An dieser Demonstration waren Sie zusammen mit anderen Studentinnen beteiligt. Sie haben durch dieses Verhalten gröblich gegen die akademische Disziplin verstossen und das Ansehen der Hochschule und Studentenschaft auf das schwerste gefährdet. Straferschwerend fiel ins Gewicht, dass Sie sich diese Entgleisung zuschulden kommen liessen bei einer grossen akademischen Feier vor einer Anzahl geladener Gäste und während einer Rede des Hoheitsträgers der Partei im Gau München-Oberbayern. Es besteht
277 Alle Zitate nach Interview mit Dr. Alois O. vom 13.4.2005. 278 StAM, Staatsanwaltschaften 17439/3. Eidesstattliche Erklärung (Abschrift) von FriedrichKarl Freiherr von Eberstein vom 16.8.1951. 279 UAM, D-XIV-37. Stück 3 der Strafordnung für Studenten, Hörer und studentische Vereinigungen an den deutschen Hochschulen vom 1.4.1935. 280 Ebd. Vgl. Stück 24 der Strafordnung für Studenten, Hörer und studentische Vereinigungen an den deutschen Hochschulen vom 1.4.1935.
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kein Zweifel darüber, dass dieses Verhalten an sich die schwerwiegendsten Folgen nach sich ziehen müsste und es wurde daher die Entfernung von der Hochschule ernstlich erwogen. Als strafmildernd kam demgegenüber in Betracht, dass Sie die in Frage kommenden Handlungen in einer gewissen Erregung und jugendlichen Unbesonnenheit begingen und sich auf Aufforderung des Gaustudentenführers freiwillig als Beteiligte meldeten. Unter Berücksichtigung aller dieser Umstände erschien die Strafe des Verweises als ausreichend und schuldangemessen.“281 Weil mindestens die 17 Studentinnen der Universität als Anwärter oder ordentliche Mitglieder dem NSDStB angehörten und ihr Verhalten als für geeignet befunden war, „dessen Ansehen zu schädigen“282, wurde ihr Vergehen gleichzeitig nach der Dienststrafordnung des NSDStB behandelt.283 Der Begründung des Ministeriums folgend belangte man die Beschuldigten jedoch auch von dieser Stelle aus nur mit einem strengen Verweis. Entgegen dem Versprechen Doerflers war die Aktion der Studentinnen somit zwar nicht völlig straffrei geblieben, hatte letzten Endes allerdings keine wirklich schwerwiegenden Konsequenzen nach sich gezogen. Lediglich der Reichswissenschaftsminister ließ ausdrücklich darauf hinweisen, dass bei der kleinsten erneuten Verfehlung mit der Relegation von der Hochschule gerechnet werden müsse284: „Da wurden wir in einem Hörsaal der Universität von Professoren und anderen Persönlichkeiten, natürlich der Partei, streng ermahnt: wie schlimm unser Vergehen sei, so daß man unsere Entfernung von der Hochschule und die Einweisung in eine Rüstungsfabrik ernsthaft erwogen habe. Bei einem geringeren Vergehen ähnlicher Art müßten wir das Studium aufgeben. Wegen mildernder Umstände also gab es diesmal nur einen strengen Verweis.“285
281 UAM, D-XIV-29 Band 88. Strafbescheid des Reichsministers für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung vom 12.2.1943. 282 Beschluss des NSD-Studentenbund/Deutsche Studentenschaft gegen Philomena Sauermann vom 12.2.1943. Kopie im Privatbesitz P. U. 283 Vgl. Stück 14 (1) der Dienststrafordnung des NSD.-Studentenbundes (DOStB.). In: Verordnungsblatt RSF. Nr. 14. München 1937, 74: „Strafbare Handlungen von Angehörigen der Deutschen Studentenschaft, die zugleich Mitglieder oder Anwärter des NSD.-Studentenbundes sind, sind grundsätzlich nach der Dienststrafordnung des NSD.-Studentenbundes zu behandeln.“ 284 Vgl. UAM, D-XIV-29 Band 88. Strafbescheid des Reichsministers für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung vom 12.2.1943. 285 Sauermann: Aufstand.
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Abb. 53: Beschluss gegen die Studentin Philomena Sauermann
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Auch die festgenommenen Soldatenstudenten wurden nach eintätiger Haft im Gestapogefängnis wieder entlassen286 und selbst der vermeintliche Angreifer, der versucht hatte, den Studentenführer zu attackieren, erhielt auf Intervention Doerflers nur eine Arreststrafe.287 Mehrere Zeitzeugen berichten überdies, Giesler habe sich in der Zwischenzeit um eine Versöhnung mit den zukünftigen Akademikern bemüht. Während er Mitglieder der Studentenkompanie zu einem Trink abend ins Hofbräuhaus einlud, wo es unter unbegrenztem Alkoholausschank zu regelrechten „Verbrüderungsszenen“288 mit dem spendablen Gastgeber gekommen sein soll, entschuldigte sich der Gauleiter für seine Diffamierungen gegenüber den Studentinnen einige Zeit später bei der ANSt. Er räumte ein, sich in den Worten vergriffen zu haben, verärgert durch das von seinem Bruder mitangehörte Gespräch der zwei Frauen.289 Auch Petry und Preis schreiben unter Bezug auf eine Zeitzeugin, dass Giesler sich für seine Rede entschuldigt habe. Allerdings sei dies im Rahmen einer zweiten, Ende Januar einberufenen Versammlung geschehen, bei welcher der Gauleiter auch damit drohte, die Studenten in den Front-, die Studentinnen in den Rüstungseinsatz zu schicken, falls es keine Ruhe geben
286 Vgl. dazu Pirker, 48, sowie Dr. Werner P. in einem Brief an P. U. vom 28.4.2005: „Alle waren bis zum Abend wieder frei.“ Dies mag auch daran gelegen haben, dass man mit Festnahme der Soldatenstudenten einen „ganzen Jahrgang Mediziner kaputt gemacht“ hätte, wie Dr. Alois O. im Zeitzeugengespräch vom 13.4.2005 mutmaßte. Ähnliche Überlegungen finden sich bei Schubart, 74, sowie bei Pirker, 48: „Wir saßen in der ersten Reihe mit anderen dekorierten und zusammengeschossenen Landsern und Offizieren. […] Man konnte ja nicht dekorierte, verwundete Landser an die Wand stellen. Sie trauten sich nicht“. 287 Vgl. Gertraud S.: Gedächtnisprotokoll. 288 Dr. Werner P. in einem Brief an P. U. vom 28.4.2005. Vgl. auch Zankel, 364, sowie Wolfgang Bugs: Unternehmen Aesculap. Die Studenten-Kompanien der Wehrmacht 1939–1945. Osnabrück 1995, 39: „Einmal im Monat gab es einen Kameradschaftsabend [für die Münchner Studentenkompanie/P. U.], meist im „Platzl“ oder im „Hofbräuhaus“. Hier kam es auch im März 1943 zur „Aussöhnung“ mit Gauleiter Paul Giesler nach der Krise um die „Weiße Rose“, wofür die Studenten eine Dekade Wehrsold an das Kriegs-Winterhilfswerk opfern mußten.“ Darüber hinaus ebenfalls die Quelle im UAM, Sen. 365/2. Der Gaupropagandaleiter München-Oberbayern an seine Magnifizenz Herrn Prof. Dr. Wüst vom 26.3.1943: „Gauleiter Paul Giesler hat für die in München befindlichen fünf Kompanien Wehrmachtsstudenten für Samstag, den 27. März 1943, […] im Festsaal des Hofbräuhauses einen Kameradschaftsabend mit Unterhaltungsprogramm angesetzt.“ Ebenso bei Doerfler, 343 ff. 289 Vgl. Gertraud S.: Gedächtnisprotokoll. Dr. Berta R. erinnerte sich im Zeitzeugengespräch, ihrem Vater von der Giesler-Rede erzählt zu haben, der daraufhin einen Beschwerdebrief an die Universität schrieb. Dieser sei jedoch unbeantwortet geblieben: „Er fand, die Studentinnen studieren, um zu studieren, und nicht, um Männer da zu fangen usw.“ Interview mit Dr. Berta R. vom 23.4.2005.
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sollte.290 Doerfler selbst gibt an, sich im Rahmen der großen Studentenversammlung zu den Vorfällen um die Geschwister Scholl gleichzeitig studentenfreundlich und nahezu verständnisvoll zu den Vorfällen im Deutschen Museum geäußert zu haben.291 Die Befürchtungen von Catharina B., die als repräsentativ für die Stimmung unter den Kommilitonen gelten dürfen, die verhafteten Studenten kämen vor ein Kriegsgericht bzw. zu einer Strafkompanie an die Front, waren am Ende also trotz aller Drohungen ebenso unbegründet gewesen wie ihre Angst, es könnte insgesamt ein abschreckendes Exempel statuiert werden.292 Nach Angabe von Philomena Sauermann habe man jedoch in der Folgezeit einen Spitzel auf sie angesetzt, um mehr über ihre politische Gesinnung zu erfahren: „Mir ist öfter ein Student in Soldatenkleidung begegnet. Der hat auch meinen Weg rausfahren müssen. Er war in einem Lazarett in Schwabing. Der ist auch ein paar Mal in der Straßenbahn neben mir gesessen. Einmal hat er gesagt: „Darf ich Sie begleiten.“ Da habe ich gesagt: „Warum nicht.“ Er hat mich in die Mottlstraße begleitet. Und hat einmal die Frage gestellt: „Was halten Sie vom Führer?“ Nun wusste ich Bescheid – ich war stets mit Recht vorsichtig, habe nur Belangloses [erzählt/P. U.], vom Studium und Alltägliches. Und dann habe ich gesagt, „ja“, das war immer so eine Ausrede, „Hitler hat die Autobahn gebaut und durch die Rüstung natürlich unseren Leuten Arbeit gegeben. Die Arbeitslosigkeit war ja schlimm.“ Das war immer das Thema. Und dann habe ich versucht, ein anderes Thema wieder anzuschneiden, vom Studium und so. Und dann – in der Studentenführung sind wir einmal sehr beschimpft worden – habe ich ihn im Büro sitzen sehen an der Schreibmaschine. Da wusste ich, der ist ein Spitzel und war auf mich angesetzt. Das wurde mir nun bewusst.“293
3.2 Offizielle Reaktionen auf die Giesler-Rede Um jegliches Aufsehen zu vermeiden, war auch die gleichgeschaltete Presse sehr darum bemüht, der breiten Öffentlichkeit das Geschehen im Deutschen Museum nach Möglichkeit vorzuenthalten. Die bereits im Vorfeld der Münche-
290 Vgl. Petry, 100, sowie Kurt Preis: München unterm Hakenkreuz. Die Hauptstadt der Bewegung: Zwischen Pracht und Trümmern. München 1980, 192. 291 Vgl. Doerfler, 340. Diese Rede habe ihm, so Doerfler, eine Vorladung zum Münchner SSGericht sowie die Amtsenthebung eingebracht, weil man in seiner Rede u. a. ein ungebührliches Verhalten gegen die Staatssicherheit gesehen habe. Vgl. ebd., 341 ff. 292 Brief an Frau Stefanie. 293 Interview mit Philomena Sauermann vom 12.3.2005.
3.2 Offizielle Reaktionen auf die Giesler-Rede
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ner Universitätswoche zwischen dem Syndikus der Universität und dem Leiter der Nachrichtenstelle der Bayerischen Landesregierung bis ins Detail festgelegte Berichterstattung ignorierte den Zwischenfall konsequent294, charakterisierte die Ausführungen Gieslers als eine „mit Beifall aufgenommene Rede“, die auf „lebhaften Widerhall“295 gestoßen sei, oder verharmloste seine Worte mit der Formulierung, die „hohen Schulen sollen […] keine Rettungsstationen für solche höheren Töchter sein, die sich den Pflichten des Krieges entziehen wollen.“296 Diejenigen, „die ohne Talent und Eignung den ernsthaft Studierenden den Platz im Hörsaal und das möblierte Zimmer“ wegnahmen, hatte man, so die offizielle Berichterstattung, damit „deutlich gekennzeichnet“297 und gleichzeitig Ursachen für vereinzelte „Kriegserscheinungen des Hochschullebens […] mit herzhafter Konsequenz“298 enthüllt. In den Worten einer ehemaligen Studentin: „Die Gies ler-Rede wurde ausführlich in der Presse gewürdigt, aber die durch die Zensur verfärbten Berichte über die Ereignisse der Nacht wurden wohl nur noch von den Hundertprozentigen für bare Münze genommen.“299 Allen Versuchen zum Trotz sprachen sich die Ereignisse jedoch rasch herum, eine Tatsache, die auch Doerfler nicht ignorieren konnte: „Dieser Tumult vor dem Deutschen Museum wie auch das Trampeln der Studentinnen im Deutschen Museum hatten natürlich in München die Gerüchteküche angeheizt und riesige Wellen geschlagen: Gauleiter Giesler wäre angegriffen worden. Mich hätten die empörten Studenten in die Isar geworfen.“300 Irmgard Höß entsinnt sich an ihre nur einen Tag später stattfindende Vorlesung bei Claudius Freiherr von Schwerin, der über die Verfassung in Frühzeit und Mittelalter las und nur wenige Studenten um sich versammelte. Obwohl der Dozent seinen überschaubaren Hörerkreis dem Namen nach zwar nicht kannte, waren ihm doch die Gesichter vertraut, weshalb er feststellte: ‚Offenbar sind einige meiner Hörerinnen von der gestrigen
294 Vgl. Interview mit Erika W. vom 18.5.2005: „Aber in den Zeitungen stand dann nichts zu lesen, denn das hätte dann vielleicht andere auch aufgeputscht. Es war dann nur Mund-zuMund-Propaganda. Also ich erinnere mich nicht, dass ich nachträglich was gelesen hätte darüber.“ 295 Jungakademiker im feldgrauen Rock. Gauleiter Giesler vor der Studentenschaft. Auftakt der Münchner Universitätswoche. In: MNN vom 14.1.1943, hier nach UAM, D-X-54 Band 19. 296 Gauleiter Giesler an die Studentenschaft. Der Krieg macht nicht halt vor den hohen Schulen. In: VB vom 15.1.1943, hier nach UAM, D-X-54 Band 19. 297 Ebd. So auch die Münchener Zeitung vom 15.1.1943: Gauleiter Giesler zu Studentenschaft, hier nach UAM, D-X-54 Band 19. 298 Die Münchener Universitätswoche. In: DB vom 6.2.1943. 299 Schubart, 75. 300 Doerfler, 331.
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Veranstaltung noch nicht zurückgekehrt!‘301 Vier Wochen später debattierte man selbst an der Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin in einer Fakultätssitzung der Mediziner über die Rede des Gauleiters.302 Insgesamt gibt es nur wenige Belege dafür, dass Professoren in irgendeiner Weise direkt Stellung zu dem Ereignis nahmen, obwohl bspw. auch der Historiker Professor Karl Alexander von Müller – wie er 1949 eidesstattlich erklärte – beim „ersten öffentlichen Widerspruch der Studentenschaft“303 zugegen war. Dokumentiert ist allerdings das offene Eintreten des Dozenten der TH, Professor Alwin Seifert, der sich sowohl vor dem Lehrkörper als auch seinen Hörern gegenüber positiv über die „tapfere Haltung“304 der Frauen äußerte. Obwohl der Diplomarchitekt nicht an der Kundgebung teilgenommen hatte und nur durch seine Sekretärin über den Vorfall Bescheid wusste, bekundete er gegenüber dem Bruder des Gauleiters Paul Giesler, Generalbaurat Hermann Giesler, seine Sympathie für die Studentinnen. Seifert gab an, die Haltung der Mädchen habe ihm imponiert, die erst den Saal beleidigt verlassen, sich danach aber wie „richtige Mannsbilder“ geschlossen gestellt hatten, wenn es darum ginge, für eine sichtbar „falsche Handlung einzustehen“305 und „Farbe zu bekennen.“306 Nach Angaben seiner Sekretärin „habe der Gauleiter ausgeführt, daß ein bestimmter Prozentsatz der Studentinnen studiere, weil es Mode sei, ein anderer, um sich vor der Arbeit zu drücken, ein bestimmter Teil, um sich einen Mann zu verschaffen und jener Teil, der wirklich ernsthaft arbeite, nehme den Studenten jetzt und später den Platz weg.“307 Giesler war erbost über die Sympathiebekundung Seiferts, der es obendrein wagte, über die kurze Zeit später erfolgte Berichterstattung ausländischer Rundfunksender zu sprechen308; damit hatte sich der Vorfall auch jenseits universi-
301 Claudius Freiherr von Schwerin, hier zitiert nach Höß, 105 f. 302 Vgl. Zankel, 364, sowie Dorsch, 250. 303 StAM, SpKA K 2015. Eidesstattliche Erklärung von Karl Alexander von Müller vom 27.10.1949. 304 DMM, NL 133/069. Eidesstattliche Erklärung von Margarete Norkauer vom 10.1.1947. 305 DMM, NL 133/052. Alwin Seifert an Paul Giesler vom 28.7.1943, 2. Vgl. dazu: Alwin Seifert: Ein Leben für die Landschaft. Düsseldorf 1962, 148. 306 DMM, NL 133/068. Alwin Seifert an Hanns Döllgast vom 27.5.1945. 307 DMM, NL 133/052. Alwin Seifert an Paul Giesler vom 28.7.1943. 308 Ebd.: „Prof. Giesler erzählte mir daraufhin, daß in der Kaulbachstraße in München ein Sender ausgehoben worden sei, den ein russischer Offizier in englischen Diensten betrieb. Ich fragte daraufhin Prof. Giesler, wie es dann möglich sei, daß inzwischen schon wieder ‚die Geschichte mit den Studentinnen‘ schon am nächsten Tag im englischen Rundfunk behandelt worden sei.“ Vgl. auch Interview mit Franz G. vom 20.4.2005: „(D)es kam noch am selben Abend über Radio Beromünster in der Schweiz […]: Aha, da rührt sich was. So ungefähr aha, also es ist offenbar nicht alles Nazi“ sowie Interview mit Dr. Alois O. vom 13.4.2005: „Und da haben danach
3.2 Offizielle Reaktionen auf die Giesler-Rede
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tärer Kreise schnell verbreitet309. Seiferts nach eigenen Angaben gleichermaßen „vielseitige wie beharrliche Widersetzlichkeit“ und seine Angewohnheit, „„entgegengesetzte“ Ansichten unverhohlen zu äußern“310, sollten jedoch in letzter Konsequenz entsprechend quittiert werden: Unmittelbar vor der Ernennung entzog man dem als ungeeignet für den Lehrstuhl an einer deutschen Hochschule Deklarierten eine ordentliche Professur, obwohl dieser nach Ernst Klee zur Gottbegnadeten-Liste der wichtigsten Architekten des NS-Staates gehört hatte311: „Als Begründung für die Ablehnung wurde von dem damaligen Gauleiter Giesler ebenso wie von dem Reichsstudentenführer Scheel angegeben, daß ich mir durch das Eintreten für die gegen ihren Gauleiter meuternden Studentinnen den Lehrstuhl verscherzt habe.“312 Wenngleich also regimetreue Anhänger wie die Gebrüder Giesler oder die Laborangestellte Hilde Scheibe das Verhalten der „17jährigen Rotznasen“, die
die ausländischen Sender zum Teil gesagt, ja, da hat’s was gegeben.“ Vgl. zudem die Radio-Rede von Thomas Mann an die deutschen Hörer für BBC London am 27.6.1943, in welcher der Schriftsteller Bezug auf die Ereignisse im Deutschen Museum sowie die Flugblatt-Aktion der Weißen Rose nimmt, hier zitiert nach Günter Wirth: Bekenntnisse eines Politischen. Thomas Manns Radioreden. In: Weimarer Beiträge. Zeitschrift für Literaturwissenschaft, Ästhetik und Kulturtheorie. 16. Jahrgang. Heft 1. Berlin, Weimar 1970, 90: ‚Jetzt ist die Welt aufs tiefste bewegt von den Vorgängen an der Münchner Universität, wovon die Nachricht durch schweizer und schwedische Blätter, erst ungenau, dann mit immer ergreifenderen Einzelheiten, zu uns gedrungen ist. Wir wissen nun von Hans Scholl, dem Überlebenden von Stalingrad, und seiner Schwester, von Adrian Probst, dem Professor Huber und all den anderen; von dem österlichen Aufstande der Studenten gegen die obszöne Ansprache eines Nazi-Bonzen im Auditorium maximum, von ihrem Märtyrertod unterm Beil, von der Flugschrift, die sie verteilt hatten, und worin Worte stehen, die vieles gut machen, was in gewissen unseligen Jahren an deutschen Universitäten gegen den Geist deutscher Freiheit gesündigt worden ist‘. Allerdings weist die Rede des Exilanten einige Ungenauigkeiten auf, so etwa, wenn er die sog. „Giesler-Rede“ auf die Osterzeit datiert und den Ort des Geschehens ins Auditorium Maximum der Universität verlegt. Wahrscheinlich ist, dass Mann hierbei die Protestaktion im Deutschen Museum aufgrund unzureichender Kenntnis bzw. ungenauer Darstellung in der Auslandspresse mit den Ereignissen um die Geschwister Scholl sowie mit der Studentenversammlung nach Verhaftung und Hinrichtung der Mitglieder geistig vermengt. 309 Vgl. Ruth Andreas-Friedrich: Der Schattenmann. Tagebuchaufzeichnungen 1938–1945. Berlin 1983, 105. 310 DMM, NL 133/072. Alwin Seifert an den Vorprüfungsausschuß im Geschäftsbereich des Staatsministeriums für Unterricht und Kultus o. D., 8. Das hier vorliegende Gesuch um Wiederherstellung der 1943 von der Parteikanzlei abgelehnten Berufung wurde zeitlich als Ergänzung zu einem Schreiben vom August 1946 verfasst. 311 Vgl. Seifert, Alwin. In: Klee, 508 f. 312 HATUM, PA Alwin Seifert. Alwin Seifert an Professor Dr. e. h. Robert Vorhoelzer vom 2.11.1949.
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„unter Protesten die Aula verließen und plötzlich fast alle ihre männlichen Kollegen auf ihrer Seite hatten“313, missbilligten, erinnern sich ehemalige Studierende, dass sie in den darauffolgenden Tagen und Wochen von verschiedensten Stellen meist positiv auf den Festabend angesprochen worden sind: „(M)ir verhalfen diese Vorgänge im Sommer 1943 zu einer riesigen Schüssel mit Schmalznudeln […]: Wir mußten als Kriegseinsatz während der Semesterferien einen Dialektatlas von Tirol erstellen. Noch oben im Obernberger Tal beim Brenner stellte ich mich als Studentin der Uni München vor. Da meinte die Bäuerin: ‚Ja, ihr habt doch euren Gauleiter in die Isar g’schmissen; da komm her und iß ebbas!‘ So wachsen Gerüchte!“314 Aller Bemühungen zum Trotz musste der Sicherheitsdienst der SS im Frühjahr 1943 feststellen, dass über die Tätigkeiten gegnerischer Kreise gemunkelt wurde, was zu einer Beunruhigung der Bevölkerung führte. „So wird in verschiedenen Gebieten des Reiches ‚von größeren Demonstrationen Münchner Studenten‘ gesprochen, ferner erzählt man sich von Schmier- und Flugzettelpropaganda marxistischen Inhalts an öffentlichen Gebäuden in Berlin und anderen Städten. Einige Meldungen heben die Beobachtung hervor, daß die Bevölkerung solchen Erscheinungen offenbar nicht mehr so viel eigene Aktivität entgegensetze wie früher, z. B. teilweise nicht mehr so prompt für die Entfernung von hetzerischen Schriften usw. Sorge trage oder Flugblätter nicht mehr sofort abgebe, sondern lese und z. T. weitergebe.“315 Genau derartige Gerüchte sowie die damit verbundene „Mund-Propaganda“ galt es indessen zu vermeiden, da sie u. a. die Gefahr bargen, negative Stimmen innerhalb der Bevölkerung zu unterstützen. Dass diese Sorge nicht unberechtigt war, zeigte im weiteren Verlauf die Widerstandsaktion der Weißen Rose. So glaubte die Gruppe, in der Niederlage von Stalingrad ein Signal für den kommenden Zusammenbruch des NS-Regimes zu erkennen. Der Fall von Stalingrad Anfang Februar sowie die Ereignisse im Deutschen Museum
313 StAM, NSDAP 11. Hilde Scheibe an eine nicht näher benannte Verwandte im Frühjahr 1943. Dieser Brief stellt einen der wenigen verfügbaren zeitgenössischen Stimmungsberichte dar. 314 Gertraud S.: Gedächtnisprotokoll. Vgl. auch Interview mit Erika W. vom 18.5.2005: „(D)a war in der Residenzstraße, da, wo jetzt das Café Haag ungefähr ist, war ein so ein kleines, italienisches Restaurant. Und da haben wir ab und zu gegessen, einmal so Spaghetti oder so was; noch vielleicht gekriegt gegen Marken. Und da haben wir uns unterhalten über den gestrigen Abend. Und dann sagt der Kellner: „Seid Ihr dabei gewesen?“ […] Dann haben wir gesagt: „Ja, wir waren da drin.“ Dann hat er gesagt: „Dann braucht Ihr mir heute keine Marken geben, kriegt Ihr das Essen so.“ Das waren so die kleinen Scherze, gell.“ 315 Vgl. Heinz Boberach (Hg.): Meldungen aus dem Reich 1938–1945. Die geheimen Lageberichte des Sicherheitsdienstes der SS. Band 13: Meldungen aus dem Reich Nr. 363 vom 1. März 1943Nr. 386 vom 30. Mai 1943. Herrsching 1984, 4944.
3.2 Offizielle Reaktionen auf die Giesler-Rede
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wurden zum Thema ihres sechsten Flugblattes, das die Geschwister Scholl am 18. Februar vormittags in den Lichthof der Universität warfen – eine Aktion, die sie das Leben kosten sollte: „Gauleiter greifen mit geilen Späßen den Studentinnen an die Ehre. Deutsche Studentinnen haben an der Münchener Hochschule auf die Besudelung ihrer Ehre eine würdige Antwort gegeben. Deutsche Studenten haben sich für die Kameradinnen eingesetzt und Stand gehalten. Das ist ein Anfang zur Erkämpfung unserer freien Selbstbestimmung, ohne die geistige Werte nicht geschaffen werden können.“316 Die gesamte Vorgehensweise der Verantwortlichen war – nach den übereilt vorgenommenen Verhaftungen – aus diesem Grund zunehmend auf Deeskalation ausgerichtet. Bormann und Himmler, die man bereits 24 Stunden später über die Ereignisse informiert hatte, ordneten an, die polizeilichen Maßnahmen zurückzunehmen.317 Letzterer wandte sich nur zwei Tage nach dem Vorfall direkt an den SS-Obergruppenführer von Eberstein sowie an den Chef des Amtes IV der Gestapo, Heinrich Müller, und gab an, dass sich sowohl Reichsstudentenführer Scheel als auch Gaustudentenführer Doerfler um die Sache kümmern „und die Dinge nach außen für jetzt und für die kommende Woche in Ordnung bringen“ würden. Lediglich eine „SD-mäßige Feststellung nach den Urhebern der Demonstration“318 sollte erfolgen, weil man hinter den Drahtziehern katholische und reaktionäre Kreise vermutete; die Gestapoverhöre mit den Studentinnen erbrachten den gegenteiligen Beweis. Selbst der Rektor der Universität München, Professor Walther Wüst, soll sich noch im Kongresssaal des Deutschen Museums gegen die Festnahme der Studentinnen ausgesprochen und später beim Reichsstudentenführer Scheel sowie beim Reichserziehungsministerium für eine milde Behandlung derselben eingesetzt haben.319 Dem Fürsprecher war sehr daran gelegen, die LMU in der Öffentlich-
316 Kurt Huber. 1893–1943. In: Rüdiger vom Bruch/Rainer A. Müller: Erlebte und gelebte Universität. Die Universität München im 19. und 20. Jahrhundert. Mit einem Vorwort zur historischen Besinnung von Laetitia Boehm. Pfaffenhofen 1986, 314. Vgl. auch Günther Kirchberger: Die „Weiße Rose“. Studentischer Widerstand gegen Hitler in München. München 1980, 19 f. Vgl. dazu das Kapitel „Deutsches Museum und Scholl-Schmorell-Kreis“ bei Zankel, 364–366, sowie ebd., 391 ff. „Das sechste Flugblatt: Appell an die Studierenden“. 317 Zu Bormann vgl. Grüttner, 124, FN 118. 318 Fernschreiben Heinrich Himmlers vom 15.1.1943. Abgedruckt in: Helmut Heiber (Hg.): Reichsführer!… Briefe an und von Himmler. Stuttgart 1968, 183. Heiber bezieht das Dokument fälschlicherweise auf die Flugblattaktion der Weißen Rose. 319 Vgl. StAM, SpKA K 2015. Eidesstattliche Erklärung von Dr. Heinz Gollwitzer vom 29.4.1947, sowie Protokoll der öffentlichen Sitzung am 2., 3. und 4. November 1949. Hier erneut die Aussage von Gollwitzer sowie von Professor Mariano San Nicolò.
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keit positiv zu präsentieren, vor allem, weil schon seit Anfang 1942 von kriegsbedingten Universitätsschließungen die Rede war.320 Ungläubig hatte er sich deshalb bereits im Jahr vor den Feierlichkeiten schriftlich an seinen Kameraden im Reichswissenschaftsministerium, Professor Dr. Mentzel, gewandt. Für Wüst war es unvorstellbar, dass etwa die Ausbildung der von der Wehrmacht abkommandierten Studenten der Medizin und Naturwissenschaften oder das Studium der Kriegsverwundeten unterbrochen werden sollten.321 Obwohl Mentzel ihn hinsichtlich der Schließung einzelner Hochschulen beruhigte, musste er darauf hinweisen, dass die stark rückläufige Frequenz der Studierenden im kommenden Semester sowie die militärische Einziehung von Hochschullehrern und Assistenten die Zusammenlegung einzelner Fakultäten notwendig machen könnte.322 Um die Aufrechterhaltung des universitären Betriebes zu gewährleisten, bedurfte es jedoch einer angemessenen Zahl von Immatrikulationen. Wüst wusste, dass eine als „politisch unzuverlässig“ geltende Studentenschaft den Fortbestand der Universität noch zusätzlich gefährden konnte, umso mehr, als auch unter Studentenkreisen Gerüchte über die universitäre Entwicklung zu hören gewesen waren.323 Angesichts des Zwischenfalls im Deutschen Museum musste er deshalb versuchen, sowohl der negativen Aufmerksamkeit durch einflussreiche Parteikreise als auch der aufgebrachten Stimmung unter den Kommilitonen entgegenzuwirken.324
320 Nach Angaben von Doerfler soll auch von Eberstein im Zusammenhang mit den Tumulten im Deutschen Museum sowie den nachfolgenden Widerstandsaktionen der Weiße Rose wiederholt dafür plädiert haben, die Universität zu schließen. Vgl. Doerfler, 331, 334. 321 Vgl. UAM, D-I-13 Band 6 UA II. Der Rektor der Universität München an den Herrn Ministerialdirektor Professor Dr. Mentzel vom 17.2.1942. 322 Vgl. ebd. Ministerialdirektor Professor Dr. Mentzel an Herrn Professor Dr. Wüst vom 18.3.1942. 323 Vgl. ebd. Der Rektor der Universität München an den Herrn Ministerialdirektor Professor Dr. Mentzel vom 25.3.1942. 324 Auch vonseiten des Reichswissenschaftsministeriums war man offenbar bemüht, jegliche weitere Unruhe innerhalb der Münchner Studentenschaft zu vermeiden. Entgegen der in Stück 16 der Strafordnung für Studenten, Hörer und studentische Vereinigungen an den deutschen Hochschulen festgelegten Regelung, verzichtete man neben einem entsprechenden Eintrag in die Papiere der Studentinnen auf den 14-tägigen öffentlichen Aushang der Strafe. Vgl. UAM, D-XIV-29 Band 88. Der Reichsminister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung an den Herrn Rektor der Universität in München vom 4.3.1943.
4 Selbst- und Fremdwahrnehmung der Studentinnen an der Universität
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4 Selbst- und Fremdwahrnehmung der Studentinnen an der Universität Die Stimmung unter den immatrikulierten Frauen und Männern hatte sich ohnehin seit Kriegsbeginn deutlich verschlechtert und bot führenden Stellen somit seit geraumer Zeit Anlass zu scharfer Kritik. Wie ein Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus zeigt, missbilligte man schon im Dezember 1939 das in verschiedenen Hochschulen an den Tag gelegte Verhalten der Studenten. Aus diesem Grund wies der Staatsminister die zuständigen Rektoren an, die Wahrung der Disziplin mit allen Mitteln der akademischen Zucht zu garantieren und im Einzelfall auch vor Relegationen nicht zurückzuschrecken.325 Das zur Rüge Anlass gebende Verhalten resultierte zu einem Großteil aus der sich seit Kriegsbeginn veränderten Zusammenstellung der Studentenschaft, die sich u. a. in der deutlichen Zunahme des Frauenstudiums äußerte. Zahlreiche Kritiker vermuteten hinter dieser Entwicklung weniger den Wunsch nach einem ordentlichen Studium als vielmehr den Versuch, eine Dienstverpflichtung in der Rüstungsindustrie zu umgehen. Obwohl der starke Anstieg des Frauenstudiums aufgrund des Mangels an akademischem Nachwuchs sowie der großen Lücken unter den Männern als „durchaus zweckmäßig“ anerkannt wurde, kommt der SD-Bericht für das Sommersemester 1942 dennoch zu folgendem Schluss: „Man könnte sich bei wohlwollender Beurteilung des Eindrucks nicht erwehren, daß ein immerhin beträchtlicher Teil der Studentinnen das Studium ergriffen habe, um dadurch eine Befreiung vom Kriegseinsatz zu erreichen, wobei vor allem das Medizinstudium beliebt sei, da die weiblichen Studenten der Medizinischen Fakultät weitgehendst von der Dienstverpflichtung entlastet seien. Diese ‚Flucht vor der Fabrik in die Hörsäle‘ werde aus dem mangelhaften Eifer geschlossen, mit dem das Studium von vielen Studentinnen betrieben werde.“326 Verstärkt wurde diese Entwicklung durch eine im Januar 1943 erlassene Verordnung, wonach sich sämtliche nicht Erwerbstätige weiblichen Geschlechts zwischen 17 und 45 Jahren zum Arbeitseinsatz zu melden hatten: Im Sommersemester desselben Jahres überstieg die Flut der weiblichen Neuimmatrikulationen selbst die Anzahl der im Sommer 1939 an allen Hochschulen „Großdeutschlands“ zusammen studierenden Frauen.327 Allerdings lässt sich nicht feststellen, wie viele Studentinnen sich lediglich an der Universität einschrieben, um einem
325 UAM, D-XIV-36 Band 0. Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus an die Herren Rektoren der Universitäten und der Technischen Hochschule München vom 8.12.1939. 326 Boberach 10, 3957. 327 Vgl. Grüttner, 122. Zum Stichwort Dienstverpflichtung seit 1943 siehe Winkler, 125.
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Arbeitseinsatz zu entgehen. Überliefert ist bspw. der Fall der Medizinstudentin Barbara T., die im Mai 1943 offiziell vom Arbeitsamt München wegen Aufnahme eines Studiums zurückgestellt wurde.328 Insgesamt belebte die neue Verordnung den Unmut der vergangenen Jahre vielerorts erneut, insbesondere, weil bereits in den vergangenen Semestern hochschulübergreifend das angeblich unreife und alberne Benehmen der Studentinnen beklagt wurde, die in der Universität lediglich einen Heiratsmarkt erblicken würden und größtenteils niemals die Absicht hätten, zu einem Abschluss zu gelangen: „Die Zahl der Studentinnen ist weiterhin angestiegen. Im Verhältnis der Studenten- zur Studentinnenzahl wirkt sich dieses Ansteigen infolge des Absinkens der Zahl der Studenten noch stärker aus. Die Universität Berlin hat beispielsweise unter den Studierenden 33 % Studentinnen, […] München 45 % […]. Die hohe Zahl der weiblichen Studierenden wird vereinzelt als ungesund empfunden (z. B. Braunschweig). Es wird die Ansicht vertreten, daß Töchter aus finanziell bessergestellten Kreisen im Studium eine Verlegenheitsbeschäftigung bis zur Heirat sähen (Breslau) und daß sich Mädchen auf diesem Wege einer für die Gesamtheit nützlicheren Dienstverpflichtung entzögen.“329 Gestützt durch Berichte in einigen nach Kriegsende veröffentlichten Professorenmemoiren und durch Selbstaussagen mancher Studentinnen lässt sich die These, wonach zumindest „ein Teil der im Krieg neu immatrikulierten Studentinnen vor allem
328 Barbara T. immatrikulierte sich im Sommersemester 1943 an der LMU als Studentin der Medizin und versicherte, keine Umstände zu kennen, „durch die sie als nicht rein arisch im Sinne der Aufnahmebestimmungen der NSDAP. zu gelten hätte.“ UAM, D-XIV-29 Band 89. Der Rektor der Universität München an sämtliche deutsche Hochschulen vom 26.6.1943. Die nachträgliche Überprüfung ihres Ahnennachweises, der keine Urkunden für die Abstammung der Großmutter mütterlicherseits enthielt, ließ allerdings keinen Zweifel daran, dass die junge Frau als „Mischling zweiten Grades“ galt. Eine persönliche Vorladung beim Syndikus ergab zudem, dass die Beschuldigte um diese Tatsache wusste, zumal schon ihr Bruder an der Universität München studiert hatte und als jüdischer „Mischling“ eingestuft worden war. Da T. keine Genehmigung für ihre Einschreibung vorweisen konnte, machte Rektor Walther Wüst die Immatrikulation sofort rückgängig und informierte sämtliche deutschen Hochschulen, um der Abiturientin die erneute Aufnahme eines Studiums unmöglich zu machen. Zu Barbara T. vgl. auch Kapitel II, 3 Jüdische „Mischlinge“. 329 Vgl. Boberach 10, 3957. Zum Zitat vgl. Boberach 7, 2508 f. Vgl. dazu ebenfalls UAM, Sen. 135d Band I. Die Maßnahmen zum totalen Kriegseinsatz im Bereich der wissenschaftlichen Hochschulen und die gegenwärtige Lage der Hochschulen. Abschrift des auf der Dienstbesprechung der Rektoren in Posen am 14.12.1944 gehaltenen Referats von Regierungsdirektor Kock vom 30.12.1944. Auch hier wurde davon gesprochen, dass „der Zustrom von Studentinnen eine ganz besondere Zunahme“ im Rahmen der totalen Mobilmachung 1943 erfahren habe, „was die Vermutung nahelegt, daß sich gerade unter diesen Studentinnen viele befinden, die vor einem anderen Arbeitseinsatz in das Studium geflüchtet sind.“
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das Ziel verfolgte, einer Dienstverpflichtung in der Rüstungsindustrie zu entgehen, […] also recht gut belegen.“330 Hermann Giesler, Bruder des Gauleiters Paul Giesler, erinnerte sich, dass genau diese Umstände den mentalen Hintergrund für den Eklat bei der Eröffnungsveranstaltung zur 470-Jahr-Feier der LMU bildeten: „Kurz nach Stalingrad, Anfang Februar 1943, sprach mein Bruder als Gauleiter in München auf einer großen Studentenversammlung im Deutschen Museum. Aus verschiedenen Gründen war das veranlaßt: Universitäts- und Hochschul-Lehrkörper und die Studentenschaften hatten auf Mißstände hingewiesen. […] Ferner hatte sich die Studentenschaft darüber beschwert, daß junge Studentinnen, statt Kriegsdienst zu leisten, selbst die Plätze der Versehrten und Rekonvaleszenten für sich beanspruchten. Das bezog sich auch auf die Mediziner-Lehrgänge, deren Teilnehmer dafür frontbeurlaubt waren.“331 Aufgrund des anhaltenden Zustroms sowie der günstigen Aussichten in der Wehrmacht bzw. der allgemein für Mediziner bestehenden Berufschancen betrug der Anteil der Medizinstudenten in München 1940 mehr als 50 %. Gleichzeitig stieg die Zahl der weiblichen Studierenden weiter an, weshalb an der LMU im 3. Trimester des Jahres 1300 Frauen 2500 Männern gegenüberstanden.332 Der Höchststand wurde jedoch im Sommersemester 1943 mit 2176 Studentinnen gegenüber 2100 Studenten erreicht.333
330 Zum Zitat und für Zahlenmaterial zur Anzahl der Studentinnen vgl. Grüttner, 122 f. Auch wenn es, so der Autor, vermutlich nur eine Minderheit gewesen ist, die sich aus derartigen Gründen einschrieb, war die „Flucht in die Hörsäle“ doch in erster Linie ein Zeichen dafür, dass die Anzahl der Frauen, die sich bereit erklärte, „persönliche Opfer für eine siegreiche Beendigung des Krieges zu bringen, […] sehr gering war“ und sie damit „keineswegs nur ein passives Objekt nationalsozialistischer Herrschaftsansprüche“ darstellten. Stattdessen bemühten sie sich mit Erfolg, ihre persönlichen Bedürfnisse und Interessen gegenüber den Verhaltenszumutungen des nationalsozialistischen Regimes durchzusetzen. Wieder ein anderer Teil der Frauen ergriff das Studium aus Existenzangst. Das war den Staats- bzw. Parteistellen nicht entgangen: „Der verstärkte Zuzug von Frauen zu geisteswissenschaftlichen und literarischen Vorlesungen wird in verschiedenen Fällen als Versuch angesehen, das Studium dem Frauenkriegseinsatz vorzuziehen und ihm auf diese Weise zu entgehen […]. Andererseits wird berichtet, daß eine Anzahl von Studentinnen verheiratet ist, daß ihre Männer an der Front stehen und sie aus Besorgnis davor, daß ihre Männer fallen könnten, noch einen Beruf erlernen wollen.“ Boberach 9, 3321. 331 Hermann Giesler, 314 f. 332 Vgl. Heinz Boberach (Hg.): Meldungen aus dem Reich 1938–1945. Die geheimen Lageberichte des Sicherheitsdienstes der SS. Band 5: Meldungen aus dem Reich Nr. 102 vom 4. Juli 1940Nr. 141 vom 14. November 1940. Herrsching 1984, 1765, sowie ders.: Meldungen aus dem Reich 1938–1945. Die geheimen Lageberichte des Sicherheitsdienstes der SS. Band 6: Meldungen aus dem Reich Nr. 142 vom 18. November 1940-Nr. 179 vom 17. April 1941. Herrsching 1984, 2139, künftig zitiert als Boberach 6. 333 Bayerisches Statistisches Landesamt, 47.
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Neben der gleichermaßen skeptischen Haltung führender Nationalsozialisten und zahlreicher Soldatenstudenten334 fiel es ebenso einigen Professoren nach wie vor schwer, die veränderte Struktur der Studentenschaft zu akzeptieren oder gar ihre Ansichten über studierende Frauen zu revidieren. In einem Schreiben an seinen im Felde befindlichen späteren Assistenten Franz Eser klagt der 1939 als Nachfolger von Arnold Sommerfeld auf den Lehrstuhl für Theoretische Physik berufene Wilhelm Müller: „Augenblicklich sieht es ziemlich traurig aus in der Universität, da fast keine Hörer übrig geblieben sind, nur Hörerinnen, die ja natürlich den Studenten nicht gleichwertig sind.“335 Im Gegensatz dazu steht ein Tagebucheintrag der Münchner Studentin Lore Walb, für die sich das „wahre Gesicht des Krieges“ zwar auch in den wenigen, aber dabei vor allem „lebenslänglich beschädigten jungen Männern“ widerspiegelt: „München, 3. Oktober 1940. […] Auch diesmal sind fast nur Jüngelchen in unserem Gesichtskreis – an der Uni – keine jungen Männer. Wie schön wäre alles, wenn Frieden wäre! […] Oh, er ist gräßlich, dieser Krieg! Unser aller Jugend leidet darunter. In der Uni sieht man nun schon die Studenten mit den zerschossenen Beinen – grauenhaft – so junge Menschen!“336 Während bspw. der Dozent für Deutsche Philologie, Erich Gierach, seine Hörerinnen mitunter direkt aufforderte, besser einen Putzlumpen in die Hand zu nehmen337, ignorierte der Hygieniker Karl Kißkalt weibliche Anwesende konsequent: „(I)n seinen Vorlesungen adressierte er nur die Männer mit ‚Kommilitonen‘ – die ‚Innen‘ existierten für ihn nicht.“338 Sein – so ein ehemaliger Medizinstudent – „bekanntestes Bonmot“, das in seiner unverblümten Doppelsinnigkeit sicherlich dazu angetan war, manche Studentin zu beschämen, lautete: „Münchner Wasser zu chlorieren, hieße, der Venus von Milo einen Büstenhalter umzulegen.“339
334 Vgl. BArch, NS 38/2066. Der Reichsstudentenführer. Stabsführer. Th/Si. Rundbrief Nr. 8 vom 1.12.1942. „Auch dem ausserordentlichen Zuwachs von Studentinnen steht der Frontstudent häufig mit Skepsis gegenüber. Wir geben ihm darin insofern recht, als wir aus dem Kriegseinsatz und der Semesterarbeit wissen, dass es vielfach kein echter Berufswunsch war, der Studentinnen an die Hochschule geführt hat.“ 335 StAM, SpKA K 1218. Wilhelm Müller an Fr[anz] Eser vom 24.11.1941. 336 Walb, 200 f. 337 Interview mit Philomena Sauermann vom 12.3.2005. 338 Roth, 232. Eine ähnliche Erfahrung mit einem Dozenten machte eine ehemalige Studentin der TH München bei ihrem auswärtigen Semester in Berlin. „(W)enn der reinkam, das war so ein ziemlich hoher Hörsaal, so fast wie bei einer Tribüne ähnlich, und dann saß noch eine außer mir da und dann sagte er: „Guten Morgen, meine Herren. Ach so, Frauen sind auch hier.“ Das werde ich nie vergessen.“ Interview mit Dr. Anneliese I.-S. vom 11.7.2005. 339 Dr. Werner P. in einem Brief an P. U. vom 28.4.2005.
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Auch Schalom Ben-Chorin – alias Fritz Rosenthal – berichtet von im ostpreußischen bzw. bayerischen Gemisch vorgetragenen „Schnaderhüpfeln“ und äußerst „gewagten Wirtinnenversen“, mit denen der Münchner Theaterwissenschaftler Artur Kutscher liebend gerne seine Hörerinnen schockierte. „Er gab sich dabei stets einen streng-wissenschaftlichen Habitus und brachte Zitate dieser Art als literarhistorische Illustration.“ Wenngleich Ben-Chorin selbst an der Ernsthaftigkeit derartiger Aussprüche zweifelt, finden sich in seinen Jugenderinnerungen doch mehrere Anspielungen auf das geselligheitere Wesen des aufgrund seiner zahlreichen Exkursionen als ‚Reiseonkel der Universität‘ Titulierten, der selbst begeistert an den Kostümfesten der Studierenden teilnahm, „um, wie er sich altfränkisch ausdrückte, ‚das Tanzbein zu schwingen‘. Seine Wahl fiel dabei nicht selten auf die hübschesten Studentinnen, denen er im Kolleg nicht immer vorurteilslos begegnete. Zu seinen Lehrsätzen gehörte die Definition, Studentinnen seien entweder geschlechtslose Geisttiere oder geistlose Geschlechtstiere.“340 Unabhängig vom Verbreitungsgrad derartiger Verhaltensweisen scheinen diese die Atmosphäre an der Universität zum gegenwärtigen Zeitpunkt allerdings kaum noch nachhaltig geprägt zu haben. Im Gegensatz zur Vorkriegszeit hatten die Studentinnen der Kriegsgeneration keinen Grund, sich als Außenseiter zu fühlen, sondern gehörten zum festen Bestandteil der Studentenschaft: „(D)as war schon zu Zeiten, wo eine Frau gewusst hat, was sie wert ist, gell. Ich meine bei solchen, die vielleicht vier, fünf Jahre älter sind, da wäre das noch ein Kunststück gewesen. Aber bei uns war das nicht“341, da „waren ja total andere Verhältnisse“ – auch aus dem Blickwinkel der Männer: „(D)a waren viele Frauen da, nicht, viele Frauen. Und denen hat man weiter auch, bis auf so dumme Sprüche, hat man denen auch weiter eigentlich nichts getan. […] Da ging’s ja nicht darum, was man wird und ob man einmal Geld verdient. Da hat man überhaupt gar nicht dran gedacht, sondern da ging’s ums Studium. Innerhalb vom Studium haben [sic!] die doch keine Konkurrenz gewesen. Die sind halt auch mit dringesessen und haben da mitgetan, nicht.“342 Die ehedem stark propagierten studien- bzw. berufseinschränkenden Maßnahmen mussten angesichts der Tatsache, dass ein Großteil der im Kriegseinsatz stehenden Studenten und Altabiturienten nicht mehr von der Front zurückkehren würde, stetig zurückgenommen werden. Für die Frauen war Realität, dass sie in vielen gesellschaftlichen Bereichen die Männer ersetzt hatten und in zahlrei-
340 Alle Zitate nach Schalom Ben-Chorin: Jugend an der Isar. Gütersloh 2001, 80 f. 341 Interview mit Dr. T. N. vom 16.5.2005. 342 Interview mit Dr. Alois O. vom 13.4.2005.
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chen Studienfächern die Mehrheit stellten343: „Diskriminiert? Nö, wir waren ja auch in der Überzahl, wissen Sie, die paar haben uns nix machen können.“344 Dieses Wissen stärkte das eigene Selbstbewusstsein und führte dazu, frauenverachtendem Verhalten im Studienalltag wenig Bedeutung zuzumessen. Diejenigen Studentinnen, welche sich bei der Zeitzeugenbefragung konkret an diskriminierende Situationen erinnerten, schwächten ihre Erlebnisse oftmals als zeittypische, gängige Phrasen ab oder entschuldigten diese im Einzelfall mit der schwierigen Lage der Kriegsheimkehrer: „Der Professor Distel, werde ich nie vergessen: Wir machen eine Exkursion und zwar trigonometrische Untersuchungen in Geografie […], also haben wir uns dort in Olching getroffen und waren ja mein Gott, waren ja nicht so viel, ein Dutzend Leute vielleicht und gut die Hälfte waren Frauen. Dann hat er gesagt: ‚Die Damen mit ihrem Getrippele und Getrappele stören mich, die gehen hinten nach!‘ Dann muss man sich das Getrippele vorstellen, […] 1943 […] war das oder was, ja 1943 könnte auch schon 1944 gewesen sein. Jedenfalls […] angezogen waren wir also grauenhaft, möglichst warm und dicke Schuhe, also von wegen Getrippele und Getrappele. Aber wir haben uns daran gewöhnt, dass […] die Frauen einfach die Blöden sind, viel dümmer als die Männer und […] mein Gott, […] beim Professor Machatschek, das […] war sogar eine Berühmtheit damals, auch Geograf, […] wenn eine Frau eine Seminararbeit vorgetragen hat, dann hat er hinterher mit seinem Assistenten das herunter geputzt, bis nichts mehr übrig geblieben ist, hat er nie bei einem Mann gemacht. Nur muss man sagen, dass die Männer natürlich alle irgendwie Kriegsgeschädigte waren, also so schwer verwundet und da haben sie […] Hemmungen gehabt“345. Andere Gesprächspartnerinnen wiederum führten abfällige Äußerungen von Dozenten im Besonderen auf das fortgeschrittene Alter der Herren zurück: „(E)s gab schon mal bei den älteren Professoren […] irgendeine spitze Bemerkung in der Vorlesung. Aber das war an sich auch selten. Aber bei den Prüfungen und so sind wir in gar keiner Weise benachteiligt worden. Irgendwie mal was abgekriegt hat man schon mal, gerade von den älteren Herren, die sich ja wohl schlecht daran gewöhnen konnten, dass da so viele [Studentinnen waren/P. U.]. Vor allen Dingen so viele Mädchen gingen ihnen dann doch auf die Nerven“346. Abgesehen von der Tatsache, dass auffallend viele Interviewpartner dem Professor für Erdkunde, Dr. Fritz Machatschek, eine frauenfeindliche Haltung
343 Vgl. Dageförde: Emanzipation, 264. 344 Interview mit Elisabeth Ka. vom 2.7.2005. 345 Pretl, 34. Interpunktion nach dem Original. 346 Interview mit Gisela R. vom 14.4.2005.
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nachsagten347, darf angenommen werden, dass ein Teil der Studentinnen den Soldatenstudenten äußerst ablehnend gegenübergestanden hatte. Rita S., die seit Ostern 1943 Philologie an der LMU studierte, gibt an, man habe die wenigen Männer in ihrer Fakultät von vornherein für „Drückeberger“ gehalten. Allerdings zeigen die weiteren Aussagen, wie sehr derartige Bewertungen bisweilen von dem persönlichen Hintergrund und nicht von den realen Gegebenheiten motiviert waren: „Logischerweise, wir hatten ja alle unsere Brüder und unsere Freunde und so im Feld, und dann studiert da einer und verliert keine Zeit. Und die anderen hängen die Zeit hin und ihr Leben und alles.“348 Diese Einschätzung wird umso verständlicher, wenn man berücksichtigt, dass die spätere Gymnasiallehrerin ihren einzigen Bruder, einen Studenten der Forstwissenschaft, ebenfalls an der Front verloren hatte. Der persönliche Verlust überlagerte die Tatsache, dass es sich bei den Kommilitonen – sofern sie nicht kurzfristig beurlaubt oder abkommandiert worden waren – größtenteils um jugendliche Erstsemester handelte, die auf ihre Einberufung warteten, sowie um eine sich stetig vergrößernde Gruppe Kriegsversehrter.349 An ein von der militärischen Entwicklung unabhängiges Studium war somit für sie alle nicht mehr zu denken gewesen.
347 Vgl. stellvertretend die beiden Aussagen einer ehemaligen Studentin und eines Studenten. Interview mit Catharina B. vom 3.5.2005: „Aber der Herr Professor Machatschek hat zum Beispiel […] bei Referaten gesagt […]: „Ach, ist das langweilig. Wenn Sie wollen, können Sie nebenbei Ihre Fingernägel putzen, das interessiert uns gar nicht.“ Da haben also Leute auch geweint, so hat man Angst gehabt; vor dem haben wir Angst gehabt.“ So ähnlich im Interview mit Dr. Herbert G. vom 1.8.2005: „Ja, da gab’s viele weibliche Studenten. Als ich 1941 studierte, waren ja außer ein paar Kriegsverwundeten, die oft noch in Uniform erschienen […], die als halbe Krüppel daherkamen, waren es fast nur Mädchen, und gerade in der Geographie. Aber das war das Kuriosum: Der Professor Machatschek, der mochte die Mädchen nicht, hat das auch denen spüren lassen. Und als ich dann mich meldete zu einem Seminarvortrag – ich war ja völlig unbedarft, man geht da rein, und der frägt: „Ja, Sie sind jetzt im 5. Semester, wer macht bei den Übungen einen Vortrag? Wer will sich melden?“ Wie beim Militär: Alle halten sich ganz schön still. Der dumme G. [der Interviewpartner/P. U.] meldet sich. „Ja, so, Sie waren Soldat. Sie sind Soldat?“ „Jawohl, Herr Professor.“ „Ja, wo waren Sie denn zuletzt?“ „In Griechenland.“ „Ah, wollen Sie einen Vortrag über die Peleponnes halten?“ „Jawohl, Herr Professor.“ […] So, schön. Ich war der erste, der da bei den Übungen und Seminaren einen Vortrag halten musste. Habe ich gemacht, eineinhalb Stunden lang. Und der Machatschek sagte: „Warum klatschen Sie so wenig? Sehen Sie, meine Damen und Herren, so geht das auch. Ein junger Student und der hält einen ordentlichen Vortrag.“ Sehr gut natürlich, gell. Bin ich also sofort aufgefallen bei Machatschek. Und die Mädchen, die sind ganz klein geworden. Die hat er nicht mögen. Da waren sicher gute Studentinnen dabei. Aber es war das Vorurteil natürlich. Der war noch von der alten Schule.“ 348 Interview mit Rita S. vom 27.4.2005. 349 Vgl. Grüttner, 361. Daneben studierten noch etliche Wehruntaugliche.
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Trotz dieses Umstandes waren derartige Vorurteile nach 1939 Bestandteil des universitären Alltags, weil in der Praxis tatsächlich eine Vielzahl von Prüfungsund Studiumserleichterungen für Kriegsteilnehmer in Kraft traten350: „Und nun wurde ich eingezogen am 1. September 1939 und wurde Oberfähnrich. Und dann wurde ich Leutnant in Düren, und dann hat der Professor, der Geheimrat [Nobelpreisträger Heinrich Wieland/P. U.], uns ein Schreiben geschickt: „Wir können euch zurückholen für eine gewisse Zeit. Und wir haben Anweisung von oben, euch Erleichterung bei der Ablegung des sogenannten „Abschlussexamens“ zu machen.“ Und da bin ich dann für zwei Monate von der Truppe noch mal rausgezogen worden, die in Frankreich, Belgien schon war. […] Und dann habe ich in München mein zweites Verbandsexamen gemacht. Und da muss ich […] also sagen, wohlwollend war das. […] Ich meine, böswillige Leute haben natürlich damals gesagt: „Das ist ja ein Witz. Wenn da einer in Uniform erscheint, da kann der Professor einen Soldaten, der von der Front kommt und ein Examen macht, den kann der gar nicht durchfallen lassen. Der sollte lieber gleich mit dem ins Hofbräuhaus gehen.“351 Im Oktober 1942 kritisierte der SD-Bericht diejenigen Hochschullehrer scharf, die ihre Leistungsmaßstäbe insbesondere bei Kriegsteilnehmern bewusst herabsetzten, obwohl eine derartige Nachsicht angeblich von den „Prüflingen vielfach als unangenehme Begünstigung gegenüber den übrigen Studierenden abgelehnt“352 würde. Doch auch der Rektor der Universität München brachte in seinen Erstsemesterbegrüßungen wiederholt das hohe Ansehen der Soldatenstudenten zum Ausdruck und zeichnete sie mit entsprechenden Privilegien aus. So legte Wüst im Dezember 1942 in einem Beschluss fest, dass entsprechend gekennzeichnete Plätze in der ersten Sitzreihe für körperlich erheblich eingeschränkte Studenten zu reservieren waren. Erst nach Ankunft des Vortragenden konnten die freien Sitze von anderen Studierenden eingenommen werden.353 In der Praxis führte dies dazu, dass sich einzelne Frauen oftmals ihren Platz in den ohnehin stark besuchten naturwissenschaftlichen und medizinischen Veranstaltungen
350 Zu den verschiedenen Erleichterungen vgl. Hochschulverwaltung, 455–471: Vergünstigungen und Sonderförderung für studierende Kriegsteilnehmer sowie Grüttner, 386. 351 Interview mit Fritz E. vom 28.5.2005. 352 Boberach 11, 4283 (2.10. bis 5.10.1942). 353 Vgl. UAM, D-XVII-26. Der Rektor der Universität München Walther Wüst an die Hausinspektion sowie an die Herrn Dekane der Medizinischen und Naturwissenschaftlichen Fakultät vom 9.12.1942. Auffällig ist hierbei, dass die Anweisung neben der Hausinspektion lediglich an die Dekane der Medizinischen bzw. Naturwissenschaftlichen Fakultät erging, was erneut auf die Kriegswichtigkeit der zu diesen Fakultäten gehörenden Fächer sowie auf die besondere Förderung und Berücksichtigung derselben hinweist.
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nahezu erkämpfen mussten: „Und mein erster Eindruck in der Anatomie war, dass wir mühsam hinter diesen Soldaten über die Bänke springen mussten, um uns irgendwie einen Platz zu ergattern, weil eigentlich alles voll gedrängt von Soldaten war“354, d. h. „es waren Amputierte oder solche, die eben zum Studium beurlaubt waren, die wegen einer Verletzung nimmer frontfähig waren. Die haben natürlich überall den Vorrang gehabt, einen Platz zum Beispiel […], die Hörsäle waren ziemlich überfüllt, und da haben natürlich die Frontteilnehmer […] ihren Platz gehabt, die waren belegt.“355 Die universitätsinterne Regelung kann als stellvertretend für die besonders privilegierte Stellung der Medizinstudenten gelten, welche aus dem anhaltenden Ärztemangel resultierte. Nachdem im Wintersemester 1939 Arbeitsdienstleistende beiderlei Geschlechts sowie Wehrmachtsangehörige auf Antrag zum kriegswichtigen Studium der Medizin entlassen werden konnten, stellte diese Gruppe endgültig den größten Anteil unter den Studenten dar. Im Gegensatz zu ihren Kommilitoninnen wurden die Männer jedoch seit April 1941 eingezogen und zum Studium abkommandiert.356 Als Wehrmachtsangehörige waren sie in sog. „Studentenkompanien“ zusammengefasst und in einzelnen Universitätsstädten wie München zumindest teilweise kaserniert. Abgesehen von regelmäßig stattfindenden Appellen sowie der Pflicht zur militärischen Ausbildung durfte die Stadt nur mit einem Urlaubsschein verlassen werden; ein öffentliches Auftreten nach 22 Uhr hatte zu unterbleiben, gelegentliche Kontrollen des Hauptfeldwebels über den steten Besuch des Kollegs waren hinzunehmen. Trotz alledem lag der Vorteil dieses Status sowohl in der Besoldung als reguläre Offiziersanwärter als auch in der Tatsache, dass sich diese Studenten bis auf Sanitätsdienste und Lehrgänge in den Semesterferien sowie eine sechsmonatige Frontbewährung während der Ausbildung dem Militärischen weitgehend entziehen konnten. Eine zweite Gruppe unter den Soldatenstudenten bildeten die für das Studium beurlaubten Soldaten. Anders als die Angehörigen der Studentenkompanie bedeutete das Studium während des Krieges für die Soldatenstudenten „in der Regel ‚bestenfalls eine Unterbrechung des Kriegsdienstes‘, wie ein ehemaliger Hamburger Student berichtete.“357 Da diese „Unterbrechungen“ jeweils nur ein Semester umfassten, hatten sie jedoch kaum einen positiven Effekt auf den akademischen
354 Interview mit Dr. Dorothee B. vom 7.6.2005. 355 Interview mit Paula K. vom 9.6.2005. 356 Teilweise wurden auch Studenten der Meteorologie, Pharmazie, technischen Wissenschaften und der Veterinärmedizin auf diese Weise erfasst. Vgl. Grüttner, 362. 357 Ebd., 364.
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Nachwuchsmangel. Ihr vorrangiges Ziel war es vielmehr, die Verbindung zwischen Hochschulen und Eingezogenen aufrechtzuerhalten.358 Dessen ungeachtet berichteten neben München zahlreiche Universitäten einhellig über die „denkbar besten Erfahrungen“, die man im Wintersemester 1941/42 mit den Fronturlaubern gemacht habe. Diese hätten sich, so der SD-Bericht vom 4. Juni 1942, „zum überwiegenden Teil durch einen außergewöhnlichen Arbeitseifer und Ernst ausgezeichnet, und, gereift durch das Kriegserleben, auch in ihrer sonstigen Haltung vorteilhaft von den ungedienten Studenten mit ihrer häufig noch schülerhaften Einstellung abgehoben. Trotz teilweise langer Abwesenheit von der Heimat hätten die Studenten ihren Urlaub keineswegs als eine willkommene Gelegenheit betrachtet, sich von den Anstrengungen der Front auszuruhen, sondern sie seien sich ihrer Aufgabe durchaus bewußt gewesen. Dozenten äußerten sich vielfach dahingehend, daß sie in ihrer teilweise langjährigen Tätigkeit kaum eine so pflichtbewußte und in ihrer Haltung vorzügliche Hörerschaft gehabt hätten wie die Fronturlauber.“359 Wenngleich sicherlich ein Großteil dankbar war, dem unmittelbaren Kriegsgeschehen wenigstens für eine Zeit zu entrinnen, erscheint es doch äußerst zweifelhaft, ob die Fronturlauber in ihrem Pflichtbewusstsein und ihrer Arbeitshaltung ihren übrigen Kommilitonen uneingeschränkt voraus waren. Selbstaussagen ehemaliger Studenten und zeitgenössische Einschätzungen liefern ein höchst unterschiedliches Bild, was die „Studierfreudigkeit“ beiderlei Geschlechter betrifft. Während einige Soldaten, die vom Kriegsgeschehen an die Universität kamen, wissbegierig und fleißig wie „ausgetrocknete Schwämme“360 gewesen sein sollen, machten sich bei anderen Fronturlaubern bzw. den zum nebendienstlichem Studium Abkommandierten durchaus „Drückebergereien“361 bemerkbar. So berichtet bspw. Hubert Furtwängler, er habe sein Staatsexamen – abgesehen von mangelnder Zielstrebigkeit – wahrscheinlich auch deswegen so lange hinausgezögert, da der Abschluss des Studiums den Einsatz an der Front nach
358 Ab 1941 war es selbst Abiturienten, die ihr Studium noch nicht begonnen hatten, möglich, Studienurlaub zu beanspruchen. Vgl. insgesamt Grüttner, 361–369, hier 364. 359 Boberach 10, 3793. Hervorhebung im Original. 360 Interview mit Dr. Friederike W. vom 13.5.2005. 361 Kanz, 260. Josef Gieles an seine Eltern vom 26.11.1942. Vgl. dazu auch Krönig/Müller, 25: „Ein Medizinstudent der Jahre 1943 bis 1945 in Heidelberg, der als Schwerverwundeter dort im Lazarett lag und studierte, berichtet, daß die in Studentenkompanien zusammengefaßten Kommilitonen ihr eigenes Leben führten, wenig Kontakte zu den anderen hatten und daß um diesen Weg, dem Frontdienst wenigstens für längere Zeitabschnitte zu entgehen, ein leichter Geruch von Drückebergerei gewesen sei.“
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sich zog.362 Den Verantwortlichen war derartiges Verhalten nicht entgangen, weshalb den Angehörigen der Studentenkompanie München im Frühjahr 1942 in einem einstündigen Appell eröffnet wurde, Sabotage der Wehrmacht würde schwer bestraft werden. Dazu zählte bspw. im Examen einen sog. „Schwanz [zu/P. U.] machen“363, also durchzufallen, obwohl der Eindruck bestand, der Kandidat hätte nach seinen Fähigkeiten bestehen können. Über die nicht näher benannten Folgen einer derartigen Täuschung sowie über den Strafappell schreibt der Medizinstudent Josef Gieles an seine Eltern, die Methoden würden „immer drakonischer, die Schrauben immer enger angezogen (wenn man sie zu fest anzieht, bekommen sie übrigens ein sog. ewiges Gewinde, d. h. leiern sich durch + halten nicht mehr!).“364 Gieles metaphorische Umschreibungen deuten auf die bereits in der Forschung belegte Tatsache hin, wonach einige Studenten den Dienstanordnungen mit der Zeit nicht mehr den notwendigen Ernst entgegenbrachten und versuchten, verschiedene Maßnahmen zu umgehen.365 Dazu gehörte auch, sich der vorschriftsmäßigen Übernachtung in der Kaserne zu entziehen, wozu in München ohnehin nur eine Minderheit bereit war, wie einem Brief von Hans Scholl an seine Mutter zu entnehmen ist: „Ich schlafe immer noch in meinem Zimmer, bis jetzt hat’s noch niemand gemerkt. Ich glaube, in der Kaserne schläft höchstens noch der 3. Teil. Wenn das der Spieß wüßte, er könnte nachts nicht ruhig schlafen.“366 Verständlich wird dieses Verhalten vor dem Hintergrund, dass das beengte Zusammenleben in den Kasernen dem konzentrierten wissenschaftlichen Arbeiten oftmals zuwiderlief, was manchem Dozenten berechtigten Anlass zur Kritik gab: „Die Professoren haben unserem Kompagniechef geklagt, daß d. Wissenstand d. Soldatenstudenten eine bisher nie erreichte Tiefe habe. Der Chef ist sich über die Gründe nicht ganz klar. Ich schon!!“367 Der im Oktober 1942 veröffentlichte SD-Bericht bestätigte das an allen deutschen Hochschulen absinkende Leistungsniveau. Die Beteiligung der Studierenden an Kolloquien und Übungen, schriftliche Arbeiten sowie Prüfungsergebnisse hatten einen immensen Tiefstand erreicht, elementarste Grundkenntnisse fehlten. Zudem ließ auch die Einstellung zum Studium vielfach nicht den notwendigen Ernst erkennen: ‚In München traf ich schon 1938 Ausnahme-Verhältnisse
362 Kanz, 294. Anmerkung zum Brief vom 3.12.1941. Vgl. dazu auch van den Bussche, 154, 156. 363 Kanz, 216. Josef Gieles an seine Eltern vom 29.4.1942. 364 Ebd. 365 Vgl. Grüttner, 363. 366 Jens, 69. 367 Kanz, 217. Josef Gieles an seine Eltern vom 29.4.1942.
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an. Das forscherliche Interesse der überanstrengten Studierenden beschränkte sich auf Vereinzelte, allerdings nicht ganz Wenige, darunter vorerst zur Hälfte Ausländer‘368, die nicht denselben Bestimmungen und Verpflichtungen wie ihre deutschen Kommilitoninnen und Kommilitonen unterlagen. Auf Hochschul ebene lag diese Entwicklung vor allem in der Belastung durch außeruniversitäre Verpflichtungen begründet, die sich bis in die Ferien zogen und kaum Zeit zur eigenen Vertiefung des in den Semestern gehörten Stoffes ließen.369 Obwohl eine vollständige Erfassung der Studentenschaft nicht gelungen ist, belegen Aussagen ehemaliger Studentinnen, die ihr Studium nach Ausbruch des Krieges begonnen haben, eine erhebliche Beanspruchung durch hochschulferne Aufgaben: „Wir waren Befehlsempfänger von früh bis nachts.“370 Philomena Sauermann, die nach der Festveranstaltung im Deutschen Museum festgenommen wurde, erinnert sich, dass die weiblichen Zuhörer angesichts ihrer umfangreichen Pflichteinsätze tief empört auf die Kritik von Paul Giesler reagierten, wonach sich die Frauen mit ihrer Immatrikulation u. a. dem Kriegseinsatz entziehen wollten: „Denn wir studierten wirklich mit großem Pflichtbewußtsein und hatten stets unseren vierwöchigen Ferieneinsatz geleistet. (Ich selber unterrichtete in einer Klasse der Volksschule, arbeitete in einer riesigen Gemeinschaftsküche für Rüstungsarbeiter, dann in einem Heereszeugamt in der Reinigung von Gasmasken, die von der Front hereinkamen, und anschließend in einem Büro des gleichen Betriebes in Ingolstadt.)“371 Hatten Studentinnen – und Studenten – in der Vergangenheit also wiederholt gegen die zunehmende Indienstnahme durch außeruniversitäre Pflichten aufbegehrt, richtete sich der Protest im Rahmen der Giesler-Rede gegen die Tatsache, dass der Gauleiter den Frauen durch seine Worte die Belastung durch fachfremde Aufgaben absprach und nur die Männer für ihren Fronteinsatz lobte.372
368 SdA NL Herbert Cysarz, C17, 3a. Cysarz: Literaturwissenschaftliche Schriften (Selbstzeugnis von 1956), 7, hier zitiert nach Bonk, 300. 369 Auch die Verkürzung des Studiums in zahlreichen Fachgebieten und der durch Einberufungen geschwächte Lehrkörper waren wesentlich am Absinken des Niveaus beteiligt. Vgl. Boberach 11, 4281–4285. Vgl. dazu exemplarisch für die LMU UAM, OC-III-30. Niederschrift über die [naturwissenschaftliche/P. U.] Fakultätssitzung am 28.7.1941: „Einig sind alle Anwesenden über den Leistungsrückgang der Studierenden. Als Gründe hiefür kommen hauptsächlich mangelnde Vorbildung durch die verkürzte Schulzeit sowie der praktisch völlige Fortfall der Ferien in Frage.“ 370 Interview mit Annemarie L. vom 11.4.2005. 371 Sauermann: Aufstand. Vgl. hierzu Kapitel V, 2 Die Einführung der studentischen Dienstpflicht, sowie die nachfolgenden Kapitel. 372 Vgl. im Gegensatz dazu die apologetischen Erinnerungen von Hermann Giesler, der den Wortlaut der NS-Presse übernimmt und es vermeidet, die Worte seines Bruders zu wiederholen:
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Wenngleich es während des Zweiten Weltkrieges durchaus zu einer Modifizierung der Hochschulpolitik wie etwa dem „Zurückschrauben von Ansprüchen“373 in den Studieninhalten, der erstmaligen Vergabe einer wissenschaftlichen Hilfskraftstelle an eine Studentin am Göttinger Institut für Altertumskunde im März 1940 sowie der Tatsache kam, dass unter den Anforderungen des Krieges die ideologische Beeinflussung in den Vorlesungen immer geringer wurde374, stand dem vergrößerten Bewegungsspielraum der studierenden Frauen nun die verstärkte Inanspruchnahme durch außeruniversitäre Pflichten gegenüber. Darüber hinaus klagten sie und ihre Kommilitonen über die finanzielle Belastung durch die während der Trimesterregelung dreimal jährlich anfallenden Hochschulgebühren sowie über den Verlust der Ferien. Abgesehen von der Prüfungsvorbereitung bzw. Verarbeitung des Lehrstoffes sowie der allgemeinen Erholung nutzten besonders minderbemittelte Teile der Studentenschaft die freie Zeit zu notwendigen Tätigkeiten als Werkstudent.375
„Ich habe sowohl Einsicht in die Zuschriften und Berichte gehabt, die meinem Bruder zugegangen waren, als auch die Veranstaltung im Deutschen Museum erlebt. Ich konnte mir deshalb ein Urteil bilden. Nicht mein Bruder hatte die Studentinnen beleidigt, vielmehr fühlten sich einige von diesen ‚Töchtern aus guten und beziehungsreichen Häusern‘ beleidigt, weil die Wahrheit gesagt wurde. Es mögen unter den tausend ein knappes Dutzend auf der Galerie gewesen sein, die Anstoß nahmen und den Saal verlassen wollten.“ Hermann Giesler, 315. 373 Eberle, 216. 374 Vgl. Adam, 193. 375 Vgl. Boberach 3, 516.
VI. Totale Mobilmachung und Niedergang – LMU‑Studentinnen 1943–1945
1 Ausmerzaktion ungeeigneter Studierender Wenngleich einige Wissenschaftspolitiker der NSDAP die Ansicht vertraten, etwa 90 % der Studenten und vor allem die Studentinnen müssten im Zuge der totalen Mobilmachung nach der Schlacht von Stalingrad in den allgemeinen Arbeitseinsatz überführt werden, blieb das Frauenstudium zunächst unangetastet: „Da der noch verfügbare Nachwuchs – trotz der Zunahme des Frauenstudiums – nicht ausreicht, um den in allen akademischen Berufen immer mehr steigenden kriegswichtigen Nachwuchsbedarf zu decken, ist auch im Hinblick auf die totale Mobilmachung aller Kräfte des deutschen Volkes für Aufgaben der Reichsverteidigung die intensive und möglichst schnelle Ausbildung der staatspolitisch und kriegswirtschaftlich nutzvollste und somit richtige kriegswichtige Einsatz dieses Nachwuchses. Der Generalbevollmächtigte für den Arbeitseinsatz wird deshalb von einem allgemeinen Aufruf der Studierenden zur Meldung für den Arbeitseinsatz absehen.“1 Obwohl die Fortführung des Hochschulstudiums diskutiert wurde, erklärte es ein von Adolf Hitler eingesetzter Dreierausschuss im März 1943 als kriegswichtiges Ziel, den noch verfügbaren akademischen Nachwuchs durch intensive Ausbildung so schnell als möglich voll beruflich einsatzfähig zu machen. Der große Mangel an Akademikern ließ es nicht zu, die Studierenden in den allgemeinen Arbeitseinsatz zu schicken. Sämtliche Hochschulen waren daher angehalten, den Lehrbetrieb fortzusetzen, sofern Dozenten auch weiterhin zur Verfügung standen2; an der Universität München konnte etwa an der Naturwissenschaftlichen Fakultät ein potentieller Mangel an Lehrpersonal in sämtlichen Fällen durch die Heranziehung älterer Semester zur Assistenz in den Anfängerübungen überbrückt werden.3 Um dennoch zahlreiche Kräfte für den Einsatz zu gewinnen, beschloss man im selben Monat die sog. „Ausmerzaktion ungeeigneter Studierender“. Diejenigen, die unter den erhöhten Kriegsanforderungen wegen ihrer Haltung und
1 UAM, D-XVII-53. Schnellbrief des Reichsministers für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung über den Einsatz der Studierenden der deutschen Hochschulen für Aufgaben der Reichsverteidigung vom 22.3.1943. 2 Vgl. ebd. Schnellbrief des Reichsministers für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung über die Durchführung des Lehrbetriebes an den deutschen wissenschaftlichen Hochschulen im Kriege vom 26.3.1943. Der Dreierausschuss setzte sich aus dem Chef des Oberkommandos der Wehrmacht, Wilhelm Keitel, dem Chef der Reichskanzlei, Hans Heinrich Lammers, sowie Martin Bormann als Leiter der Parteikanzlei zusammen. Vgl. Grüttner, 415. 3 Vgl. UAM, D-XVII-53. Dekanat der Naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität in München an den Herrn Rektor der Universität München vom 20.4.1943.
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Leistung ungeeignet für ein Studium erschienen, sollten zwangsweise beurlaubt und für den Arbeitseinsatz gemeldet werden. Die Aktion richtete sich primär gegen Studentinnen und Studenten deutscher Staatsangehörigkeit, die schon ein Studium abgeschlossen hatten und ein Zweitstudium betrieben, sowie gegen Studierende, die nicht an einem schnellen Abschluss ihres Studiums und der baldigen Aufnahme eines Berufs interessiert waren, sondern durch ihre Immatrikulation in erster Linie einem Arbeitseinsatz in der Rüstungsindustrie entgehen wollten. Damit leitete das NS-Regime noch vor dem totalen Kriegseinsatz im Herbst 1944 eine vorletzte Auslese der Studentenschaft unter dem Zeichen totalitärer Herrschaft ein. Bei der in den kommenden Semestern laufend zu wiederholenden Überprüfung hatten die Verantwortlichen besonders schnell sowie unter Anlegung eines strengen Maßstabes vorzugehen.4 Angesichts der stetigen Zunahme des Frauenstudiums sollten v. a. die weiblichen Studierenden einer besonderen Strenge und Gründlichkeit unterliegen.5 Hochschullehrer und Studentenführer erhielten die Aufforderung, die Namen der als ungeeignet Geltenden dem Arbeitsamt mitzuteilen. Die Entscheidung zum Einsatz, die keine Strafmaßnahme im Sinne der Hochschulstrafordnung, sondern eine Beurlaubung vom Studium nach sich zog, oblag einem aus dem Rektor, dem zuständigen Dekan sowie dem Gaustudentenführer bestehenden Ausschuss. „Um bei der Durchführung der Ausmerzaktion nicht von Zufällen auszugehen, […] sondern um die systematische Erfassung aller jener Elemente zu ermöglichen, deren Existenz an der Hochschule, jedenfalls im Kriege, nicht zu verantworten ist“, wies Gaustudentenführer und Dreierausschussmitglied Hans Walter Berg sogar die Fachgruppen- und Fachschaftsleiter an, diejenigen Studierenden namentlich zu nennen, die weder in der Kameradschafts- noch in der Fachschaftsarbeit standen. Als Grundlage für die „Sichtung der ungeeigneten Elemente“6 kamen neben langer Studienzeit und Studienwechsel sowie mangelnder Teilnahme an Übungen, Vorlesungen und Fachschaftsarbeiten nun auch politische Aspekte in Frage, d. h. konkret die ungenügende Betätigung in den Kameradschaften, Gliederungen oder sonstigen NS-Organisationen.
4 Vgl. ebd. Schnellbrief des Reichsministers für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung über den Einsatz der Studierenden der deutschen Hochschulen für Aufgaben der Reichsverteidigung vom 22.3.1943. Vgl. hierzu auch ebd. Schnellbrief des Reichsministers für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung über die Überprüfung der Studierenden vom 30.4.1943. 5 Vgl. UAM, D-XVII-63. Schnellbrief des Reichsministers für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung über die Überprüfung der Studierenden vom 20.7.1943. 6 Alle Zitate nach UAM, D-XVII-53. Der K.-Gaustudentenführer München-Obb. an die Fachgruppen- und Fachschaftsleiter vom 14.5.1943. Hervorhebung P. U.
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Wie erfolgreich diese Anordnung in der Praxis war, muss allerdings dahingestellt bleiben. Das gilt ebenso für den bereits in Kapitel IV, 3.7, dargestellten Versuch, die durch den bisherigen Kriegsverlauf stark zurückgestellten spezifischen studentischen Arbeitsbereiche innerhalb der Fachschaften wieder verstärkt und erweitert durchzuführen – ein Anliegen, welches Berg im Kontext der Ausmerze erneut postulierte.7 Fest steht jedoch, dass das Ergebnis, trotz der positiven Reaktionen, mit der die Hochschullehrer die Ausmerzaktion aufgenommen haben sollen, insgesamt eher dürftig blieb. Von 43.115 Studierenden – mit Ausnahme der von der Wehrmacht zum Studium abkommandierten und beurlaubten Studenten – wurden gerade einmal 250 und damit 0,6 % der DSt unfreiwillig exmatrikuliert und den Arbeitsämtern zur Verfügung gestellt, darunter allein 106 in Berlin. Auf der Rektorenkonferenz in Salzburg im August 1943 teilte man mit, 99,5 % aller Zivilstudierenden hätten den erhöhten Anforderungen des Krieges entsprochen. Zudem seien die Studentinnen besonders streng überprüft worden, wenngleich man darauf hinwies, dass das Frauenstudium dennoch vollkommen bejaht werde.8 Auch der SD bezeichnete die Ausmerze vor diesem Hintergrund im Januar 1944 als einen Fehlschlag, da Professoren und Dozenten bei der Durchführung nicht den erforderlichen strengen Maßstab an den Tag gelegt hätten, sondern äußerst milde verfahren seien. Dazu kam, dass es die hohe Anzahl von Studierenden wie etwa in den medizinischen Kollegs der LMU den Dozenten unmöglich machte, ein Urteil über das Niveau und den Leistungsstand der einzelnen Hörer abzugeben. Lediglich die Universitäten in Berlin, Freiburg, Frankfurt am Main, Graz und Innsbruck meldeten in der Folge also mehr als elf Studierende. Hervorzuheben sei aber dennoch die „erzieherische Wirkung“9 der Aktion gewesen, die zahlreiche Studierende zu einem intensiveren Studium veranlasst habe. Die Hoffnung, die Überprüfung werde einen Teil der „Fluchtstudentinnen wohl wieder beseitigen oder zu brauchbaren Mitgliedern der Hochschulgemeinschaft
7 Vgl. ebd. sowie Kapitel IV, 3.6 Fachschaftsarbeit. 8 Marburger Medizinische Fakultät, 513. 9 Heinz Boberach (Hg.): Meldungen aus dem Reich 1938–1945. Die geheimen Lageberichte des Sicherheitsdienstes der SS. Band 16: SD-Berichte zu Inlandsfragen vom 27. Dezember 1943 (Rote Serie)-20. April 1944 (Weiße Serie). Berichte an die Parteikanzlei vom Januar 1944. Meldungen aus den SD-Abschnittsbereichen vom 4. Februar 1944. Bericht an den Reichsschatzmeister der NSDAP vom 23. März 1944–13. April 1944. Herrsching 1984, 6275, künftig zitiert als Boberach 16. Hervorhebung im Original. Zu den Zahlen vgl. Grüttner, 416.
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machen“10, hatte sich damit aber nicht erfüllt. Um als ungeeignet geltende Frauen und Männer zukünftig bereits vor der Immatrikulation vom Studium abzuhalten, sollte sich etwa die Studentenführung entsprechende Daten wie die Beurteilungen der ANSt zunutze machen, die im Vorfeld in Ausleselagern oder Einzelberatungen gesammelt worden waren.11 Wohl wissentlich „übersehen“ wurde im diesem Zusammenhang, dass die Studentinnen während ihres Studiums einfach größtenteils fleißig gearbeitet hatten. Ausgehend von den eigenen Interviews gilt damit auch für die LMU das schon von Dageförde formulierte Fazit: „Waren es bei denen einen die knappen finanziellen Verhältnisse, die für einen Gebührenerlaß die Ablegung der sogenannten „Fleißprüfungen“ erforderten, war es bei anderen der Zwang, die Eltern durch hervorragende Leistungen von der Richtigkeit der Studienentscheidung zu überzeugen. Während des Krieges war es dann vor allem der Wunsch, bei Kriegsende einen Studienabschluß und eine Berufsausbildung vorweisen zu können.“12 An der Universität München hatte Rektor Walther Wüst bis Januar 1944 folglich weniger als elf Studentinnen und Studenten zum Arbeitseinsatz gemeldet. Unvollständige Aufstellungen zur Überprüfung der Studierenden zwischen Dezember 1943 und Juli 1944 zeigen, dass insgesamt 96 Studierende ins Visier geraten waren, darunter Neueinschreiber, höhere Semester und Personen über 40 Jahre.13 Wie viele von ihnen ihr Studium am Ende unterbrechen mussten, lässt sich aus den Akten nicht genau ablesen, wenngleich zwölf Einzelfälle, darunter die von sieben Frauen, genauer dokumentiert sind: Jeweils drei von ihnen wurden ermahnt bzw. zum Arbeitseinsatz gemeldet, während die Entscheidung in einem Fall ausgesetzt wurde.14 Einer Sitzung des Akademischen Senats ist zu entnehmen, dass manche Studenten selbst nach der Exmatrikulation noch als Doktoranden in Instituten verblieben, ohne bspw. als Gasthörer eingeschrieben zu sein, und damit in keiner rechtlichen Bindung zur Universität standen.15
10 UAM, Sen. 135 Band 1. W[ilhelm] Süss: Die gegenwärtige Lage der deutschen Wissenschaft und der deutschen Hochschulen. Referat, gehalten auf der Rektoren-Konferenz in Salzburg am 26.8.1943. 11 Vgl. Boberach 16, 6276. 12 Dageförde: Emanzipation, 264. 13 Vgl. die entsprechenden Listen im UAM, D-XVII-63, darunter Überprüfung der Studierenden vom 1.7.1944, die allerdings nur die Nachnamen von A bis K enthält. 14 Vgl. dazu die entsprechenden Quellen im UAM, D-XVII-53, D-XVII-58, D-XVII-63 und D-XVII-64. Von den fünf Männern meldete man drei zum Einsatz, sperrte einen anderen fürs Weiterstudium und eröffnete gegen einen weiteren ein Hochschulstrafverfahren. Vgl. ebd. 15 Vgl. UAM, D-III-110. Niederschrift über die Sitzung des Akademischen Senats vom 30.6.1943.
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Im Sommer sowie im Spätherbst 1943 waren zwei angehende Medizinerinnen sowie eine Studentin der Volkswirtschaft mit einer Ermahnung davongekommen. Letztere hatte angegeben, im ersten Semester nicht sehr intensiv studiert zu haben, nun aber gezwungen zu sein, dieses Studium zu Ende zu führen. Ihre Überlegung, auf das ihr mehr liegende Fach Kunstgeschichte umzusatteln, habe der Vater mit dem Verweis auf die Bedeutung eines praktisch ausgerichteten Studiums revidiert.16 Im Dezember desselben Jahres meldete Wüst eine Frau zum Arbeitseinsatz, die bis dato zehn Semester Medizin studiert hatte, ohne die ärztliche Vorprüfung bestanden zu haben. Dennoch hatte ihr das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus im Einverständnis mit dem Reichsministerium des Innern erst im April die Wiederaufnahme des Studiums genehmigt, was Gaustudentenführer Hans Walter Berg massiv missbilligte. Ihm erschien es unverständlich, welche Gründe das Ministerium dazu bewogen hatten, einerseits einer Studentin im Fall eines derartigen Versagens das Recht zum Weiterstudium zu gewähren. Andererseits würde vom Dreierausschuss erwartet, alle fachlich nicht überdurchschnittlich begabten Studierenden für die Dauer des Krieges einem zweckmäßigen Arbeitseinsatz zuzuführen: „Sollte es nicht gelingen, die Alexander [Name der betreffenden Studentin/P. U.] zum Arbeitseinsatz zu bringen, lehne ich in Zukunft jede weitere Meldung zur Ausmerze, die auf fachliche Gesichtspunkte zurückzuführen ist, ab, da es ungerecht wäre, in dieser Angelegenheit mit zweierlei Maßstäben zu messen“17, so Bergs Fazit. Die Sorge des Gaustudentenführers blieb unbegründet. Nach der Intervention des Rektors musste die betroffene Studentin die Durchführung ihres Studiums „bis zum Wiedereintritt normaler Verhältnisse“18 verschieben. Ende 1943 verweigerte Walther Wüst einer Studentin die weitere Einschreibung im Fach Medizin, da diese bereits vor 15 Jahren ein erstes Philologiestudium mit der Promotion abgeschlossen hatte. Ihr Wunsch, Ärztin zu werden und damit ihren als Heilpraktiker tätigen Mann zukünftig wissenschaftlich unterstützen zu können, wurde nicht als zwingender Grund für ein Zweitstudium anerkannt.19 Von 51 ermittelten Personen im Frühjahr 1944 wurden zehn exmatrikuliert, da sie ihr Zweitstudium ebenfalls nicht ausreichend begründen konnten. Bei
16 Vgl. D-XVII-53. Abschrift über die Sitzung des Überprüfungsausschusses der Universität München gemäss Erlass des Reichsministers für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung vom 22.3.1943 – W J 900/43 – am 30.6.1943. 17 UAM, D-XVII-64. [Hans Walter] Berg an den Herrn Rektor der Universität München vom 25.11.1943. 18 Ebd. Der Rektor an Margarete A. vom 27.12.1943. 19 Zur Absage Wüsts vgl. ebd. W[alther] W[üst] an Hildegard K. vom 14.12.1943, zur weiteren Vita der Gesuchstellerin die entsprechenden Schreiben in diesem Akt.
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31 Studierenden, die über 40 Jahre alt waren, hielt die Überprüfung zu diesem Zeitpunkt noch an.20 Mitte des Jahres kam eine weitere Frau hinzu, die ihr Physikum absichtlich hingezogen hatte, weil sie dem Willen des Vaters entsprechend Medizin anstelle von Zahnheilkunde studierte.21 Unter den Überprüften befanden sich auch Studierende, die bereits nicht mehr immatrikuliert waren oder einen Wechsel des Studienfachs in Betracht gezogen hatten. In Fällen wie der Medizinstudentin Rita W., die sich beim Praktizieren als nicht besonders begabt gezeigt hatte, wogen die kriegsbedingten Entwicklungen jedoch schwerer als die Anordnung zum strengen Durchgreifen. Angesichts des vorherrschenden Ärztemangels sah man von Letzterem sowie der damit verbundenen Meldung beim Arbeitsamt ab22, obwohl Gaustudentenführer Berg für eine rigide Handhabung plädierte: „Sie erscheint auf Grund ihrer Gesamthaltung, vor allem ihres Auftretens (unangenehm auffällig geschminkt und gekleidet) und ihrer absoluten Interesselosigkeit an der studentischen Arbeit geeignet, die Studentenschaft in ihrer Gesamtheit in der Öffentlichkeit in Mißkredit zu bringen. Das ganze Auftreten der Studentin lässt an ihrer Eignung für den ärztlichen Beruf grundsätzlich Zweifel aufkommen. Auf jeden Fall hat sie in dieser ernsten Zeit, an der sie keinen Anteil nimmt, auch kein Recht zum Studium.“23 Aller Nachdrücklichkeit Bergs zum Trotz, der auch in einer Reihe weiterer Fälle ein scharfes Vorgehen im Rahmen von Ausmerzanträgen forderte, verhielt sich Wüst zurückhaltender, beließ es zumeist bei mündlichen Ermahnungen und forderte die Betreffenden oftmals lediglich auf, „sich ihrer Pflichten gegenüber dem deutschen Volke nachdrücklich bewußt zu werden“24 sowie „dem Studium mit größtem Fleiß zu obliegen.“25 Wie schon im Rahmen der Giesler-Rede war er darum bemüht, möglichst viele Studentinnen und Studenten an der Universität zu halten, um die Aufrechterhaltung der universitären Ausbildung sowie
20 Vgl. UAM, D-XVII-63. Rektorat an Ministerium vom 21.2.1944. 21 Vgl. UAM, D-XVII-58. Niederschrift über die Sitzung des Überprüfungsausschusses der Universität München am 30.6.1944. 22 Vgl. UAM, D-XVII-53. Abschrift der Niederschrift über die Sitzung des Überprüfungsausschusses der Universität München gemäss Erlass des Reichsministers für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung vom 22.3.1943 – W J 900/43 am 30.6.1943. 23 UAM, D-XVII-64. [Hans Walter] Berg an den Herrn Rektor der Universität München vom 1.6.1943. 24 Vgl. UAM, D-XVII-53. Abschrift der Niederschrift über die Sitzung des Überprüfungsausschusses der Universität München gemäss Erlass des Reichsministers für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung vom 22.3.1943 – W J 900/43 am 30.6.1943. Zu weiteren Anträgen durch Hans Walter Berg vgl. die entsprechenden Dokumente im UAM, D-XVII-64. 25 UAM, D-XVII-64. Niederschrift über die Sitzung des Überprüfungsausschusses im Rektorat der Universität am 23.11.1943.
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das Fortbestehen der LMU zu gewährleisten.26 Strenger zeigte sich der Rektor dagegen bei Studierenden, die ohne zwingende Gründe ein Zweitstudium aufgenommen hatten. Aufgrund der strikten Weisungen des Reichsministeriums mussten diese zum Arbeitseinsatz gemeldet werden – eine Anordnung, die auch Walther Wüst nicht ignorieren konnte: „Maßgebend für diese Entscheidung war der Umstand, daß Schmidt keine zwingenden Gründe für die Durchführung des zweiten Studium angeben konnte und daß er bei Beginn des zweiten Studiums bereits im 42. Lebensjahr stand. Da er bis zum Abschluß des medizinischen Studiums fast 50 Jahre alt würde, wäre eine volkswirtschaftlich ersprießliche Berufsausübung nicht mehr zu erwarten“27, so die Begründung für eine Beurlaubung vom Studium. Die erst im Frühjahr 1943 ins Leben gerufene Ausmerzaktion wurde allerdings bereits im Herbst 1944 von den Zeitumständen überholt. So hatte die Universitätskanzlei noch im Juli des Jahres die gesamte Studentenkartei nach Frauen und Männern überprüft, die die Gesamtsemesterzahl um mehr als zwei Semester über die Mindeststudienzeit ihres zuletzt studierten Faches überschritten hatten. Schon am 14. September 1944 erging jedoch der Erlass zum totalen Kriegsein satz, der ohnehin nur mehr einer überschaubaren Gruppe von Studierenden das (Weiter-)Studium erlaubte.28 Eine gesonderte Auslese wie die Ausmerzaktion war damit bereits nach eineinhalb Jahren überflüssig geworden.
2 Die Phase der Agonie Im Februar 1944 wandte sich der REM u. a. an die LMU mit der Bitte, erneut die Zahlen über die zum Arbeitseinsatz gemeldeten Studentinnen und Studenten zu übermitteln. Anlass für diese Aufforderung waren die durch einen Fliegerangriff vollständig vernichteten Akten und Aufzeichnungen bei der Organisationsstelle des Amtes Wissenschaft, was eine Übersicht über den aktuellen Stand der Einsatzleistenden unmöglich machte.29
26 Vgl. Schreiber, 338. 27 Vgl. UAM, D-XVII-64. Der Rektor an das Bayer. Staatsministerium für Unterricht und Kultus vom 21.12.1943. 28 Vgl. UAM, D-XVII-63. Syndikus der Universität München an die Kanzlei B vom 1.7.1944. 29 Vgl. ebd. Rundschreiben des Reichsministers für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung vom 28.2.1944.
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Abb. 54: LMU-Studierende im Zweiten Weltkrieg auf dem Universitätsgelände
Das Schreiben des REM steht stellvertretend für die Schwierigkeiten, die sich mit Voranschreiten des Krieges durch die zunehmenden Luft- bzw. Fliegerangriffe ergaben. Im Juli des Jahres waren zahlreiche Universitäten und Hochschulen bereits so stark beschädigt, dass es zunächst vollkommen unklar blieb, ob der Lehrbetrieb vor Ort überhaupt fortgeführt werden konnte: „Doch, einmal war’s Labor kaputt. Das war schon ’44 bei den Juli-Angriffen. Da war’s Labor hauptsächlich, des hat man aber dann wieder ein bisschen herrichten können. Und dann war der Hörsaal […] halt ohne Fenster und ohne Dach […], aber er war noch da. Und im Winter, weiß ich noch, der Bleyer hat seine Pelzmütze, seine Mütze aufgehabt und einen Mantel an. Und wir haben halt auch einen Mantel […] angehabt. Es war ja nix mehr geheizt und gar nix.“30 Neue Räumlichkeiten mussten beschafft und Studierende für Aufräumarbeiten eingesetzt werden, weshalb Unterbrechungen der regulären Arbeit sowie erschwerte Prüfungsbedingungen an der Tagesordnung waren. In einem Brief an ihre Eltern vom 25. April 1944 schreibt die ehemalige Medizinstudentin Anneliese Helmer: „Letzte Nacht hatte ich bis 1 Uhr gelernt und wollte um 5 Uhr wieder
30 Interview mit Luise S. vom 14.5.2005.
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aufstehen (Anatomieprüfung am 25.4.44!). Hatte gerade das Licht ausgemacht, dann kam Fliegeralarm. Und wie es zugegangen ist! Angriff hauptsächlich mit Brandbomben. Ganz furchtbar. […] Um 2.45 Uhr war Entwarnung. Draussen war alles glutrot, alles brannte. Schlafen konnte ich jetzt nicht mehr, so habe ich noch gelernt und bin um 8 Uhr früh zum Prüfungstermin in die Anatomie gegangen. Wir waren alle (Prüfungsgruppe) mit den Nerven fertig und hätten am liebsten geheult. Als wir bereits in der Anatomie waren, rief erst der Prüfungsprofessor Dabelow an, ob überhaupt Prüflinge da seien, er müßte erst seinen Zimmerbrand löschen, käme aber dann. Nach längerem Warten kam bereits wieder Fliegeralarm. Wir waren völlig „entnervt“. Die Prüfung ist dann doch gut vorübergegangen“31. Nach Fliegerschäden hemmte der Mangel an Arbeitskräften und Baustoffen oftmals die Aufräumungs-, Bergungs- bzw. Instandsetzungsarbeiten. Gleichzeitig erschwerten sie die Durchführung von Baumaßnahmen für dringend benötigte Ausweichstellen und verlangsamten das Fortschaffen von Bergungsgut.32 Nachdem schon im Juli 1944 italienische und russische Arbeiter einer Münchner Maschinen- und Zahnradfabrik für Aufräumungs- und Bergungsarbeiten im Universitätsgebäude eingesetzt worden waren, erließen Rektor Walther Wüst und Gaustudentenführer Berg im August folgenden Aufruf an die Studentenschaft: „Jetzt gilt es, Eure in schöner Zeit fest gegründete Liebe und Treue zu unserer Münchner Universität durch die Tat zu beweisen! Alle helfen mit an ihrem Wiederaufbau und tragen damit einen Teil ihrer Dankesschuld dafür ab, daß sie in dieser schweren Zeit ihr Studium fortsetzen können.“33 In der Praxis bedeutete dies, dass jede Studentin und jeder Student – von wenigen Ausnahmen abgesehen – einen eintägigen Arbeitseinsatz im Rahmen der Wiederinstandsetzung der LMU ableisten musste. Die Einsatzbestätigung fungierte als Voraussetzung für den Erhalt der Fahrbescheinigung, der Exmatrikel sowie der Wiedereinschreibung im kommenden Wintersemester. Im September 1944 bat man sogar um den Einsatz von Kriegsgefangenen zur Räumung von Mauertrümmern am Universitätsinstitut für Pharmazeutische- und Lebensmittelchemie.34 In den Folgemonaten schritt der Zerstörungsprozess allerdings derart stark voran, dass oftmals selbst die Nutzung der Ersatzräume nicht mehr in Frage
31 Helmer: Erlebnisse, 9 f. 32 Vgl. UAM, D-XVII-90. Kurzbericht zum Schnellbrief des R. M. f. W. E. V. v. 24.6.1944 WA 793/44 betreffend die Universität München. 33 Studenten und Studentinnen! Aufforderung zum Arbeitseinsatz. In: MNN vom 2.8.1944, hier nach UAM, D-XVII-53. Zum Einsatz der Arbeiter vgl. Walther Wüst an die Maschinen- und Zahnradfabrik Carl Huth vom 31.7.1944. 34 UAM, D-XVII-90. [Benno] Bleyer an den Herrn Kommandeur f. d. Kriegsgefangenen-Einsatz im Wehrkreis VII vom 23.9.1944.
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kam. Permanente Angriffe und Bombenalarm bewirkten zudem auch dort eine andauernde Störung des Unterrichts, wo sie keine direkten Schäden verursachten, etwa durch das Aufsuchen der Luftschutzräume während einer Vorlesung oder Übung35: „Mal sind die Bomben rein, da war links hinten das Treppenhaus, wenn man am Lichthof vorbeigeht, ganz zusammengebrochen. Man konnte nicht mehr raufgehen. Man musste die andere Seite nehmen. In den Hörsälen waren die Fenster heraus. Da hat man Eisenöfen reingesetzt, es war kalt, es konnte nur ein bisschen geheizt werden. Mit dem Mantel ist man drinnen gesessen. Und da hat es natürlich auch reingezogen, kalt war’s. Und dann waren wir noch so kindisch: Einmal hat es Alarm gegeben, dann sind wir in das Forstwissenschaftliche Institut in die Amalienstraße in den Luftschutzkeller geführt worden, da waren wir froh, weil die Vorlesung so langweilig war. Da habe ich lachend gesagt: „Jetzt sind wir schon wie die Schüler.“ Ein Schüler freut sich, dass jetzt der Unterricht ausfällt. Da waren wir noch so kindisch. Ja, da war einiges noch kaputt, im Lichthof, glaube ich, auch.“36 Den Bemühungen um einen normalen Universitätsbetrieb stand zudem schon seit etwa 1941 der Mangel an Fachliteratur im Buchhandel entgegen. Junge Studierende im Bereich der Gerichtsmedizin konnten daher bspw. nicht auf ein die aktuelle Gesetzgebung berücksichtigendes Lehrbuch zurückgreifen. Stattdessen mussten sie mit als überholt geltenden Büchern arbeiten, die vor der NS-Herrschaft geschrieben worden waren – eine unfreiwillige Abkehr von der nationalsozialistischen Ideologie. Wie es in einem Schnellbrief des REM hieß, stellte der Mangel „die erfolgreiche Durchführung eines Studiums überhaupt in Frage.“37 Dasselbe galt gleichermaßen für die unzureichende Versorgung mit sonstigem Unterrichtsmaterial: „Meine Doktorandenzeit wurde zusehends anstrengender und schwerer. Mehr als einmal fürchtete ich zu scheitern. […] Fast alles – vom Glasblasen für die Versuchsanordnungen bis zur nicht mehr funktionierenden Mikrowaage –, alles, was es nicht mehr gab, mußte improvisiert werden. Kostbare Instrumente und Bücher mußten nachts in den Luftschutzkeller gebracht,
35 Vgl. Grüttner, 416 f. Zu den Luftschutzräumen der LMU vgl. Schreiber, 287 f. 36 Interview mit Philomena Sauermann vom 12.3.2005. 37 UAM, D-XVII-62. Schnellbrief des Reichsministers für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung vom 19.6.1943. Zur Lehrbuchfrage im Bereich der Gerichtsmedizin vgl. Heinz Boberach (Hg.): Meldungen aus dem Reich 1938–1945. Die geheimen Lageberichte des Sicherheitsdienstes der SS. Band 14: Meldungen aus dem Reich Nr. 387 vom 31. Mai 1943. SD-Berichte zu Inlandsfragen vom 7. Juni 1943 (Blaue Serie)-9. September 1943 (Weiße Serie). Meldungen aus den SDAbschnittsbereichen vom 25. Juni 1943–9. Juli 1943. Herrsching 1984, 5503, künftig zitiert als Boberach 14.
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nach und nach verpackt, schließlich ‚evakuiert‘“38, Lehreinheiten mit alternativen Mitteln abgehalten werden, da die Materialbeschaffung für Übungen und Vorlesungen zunehmend Schwierigkeiten bereitete: „Professor Broemser in der Vorlesung über Eiweißstoffe, ein Ei zeigend: „Schauen Sie genau hin – ich habe meiner Frau das letzte Kalkei aus dem Keller gestohlen – Sie werden keine Eiweißreaktionen mehr sehen können…““39 Grund für die ungenügende Ausstattung der Studierenden mit notwendiger Literatur war neben der Auslagerung von Druckerzeugnissen, der beschränkten Papierzuteilung an Verleger sowie der kriegsbedingten Zerstörung von Druckereien und Verlagen die von staatlicher Seite forcierte Herstellung politischer Bücher und Broschüren. Aus diesem Grund führte das Reichsstudentenwerk im Sommer 1943 eine Sammlung von wissenschaftlichen Fachbüchern mit Unterstützung der lokalen Studentenwerke durch, die den Bestand am Ende in ihre wissenschaftlichen Leihbüchereien zur Vermeidung von Versorgungsengpässen integrieren sollten. Aufgerufen waren sowohl Professoren und Dozenten als auch die Hinterbliebenen gefallener Studenten, Bücher aus ihren eigenen Beständen zu stiften. Rektor Walther Wüst machte die Aktion an der LMU durch Plakatanschläge sowie ein entsprechendes Rundschreiben an sämtliche Hochschuldozenten publik.40 Eine massive Einschränkung der Forschungs- und Studienmöglichkeiten resultierte darüber hinaus aus den zwischen 1942 und 1945 durch Bombenangriffe reichsweit beschädigten (Universitäts-)Bibliotheken. An der LMU zerstörten Brand- und Sprengbomben im Sommer 1944 nicht nur den überwiegenden Teil des Hauptgebäudes, sondern auch den Flügel an der Ludwigstraße mitsamt der Universitätsbibliothek und zahlreichen Instituten; am 16. Juli wurden selbst die im Keller geborgenen Bestände der Bibliothek durch einen Angriff vernichtet.41 Die Beschädigungen bzw. Zerstörungen machten eine ausreichende Versorgung mit Lehrbüchern und damit Studium und Forschung nahezu unmöglich. Gleichzeitig brachten sie den Leihverkehr ab 1943 zum Erliegen, wofür exemplarisch die Anmerkungen in Paula Fischers Dissertation über „Pater Frank“ stehen mögen. Die am 9. August 1917 in Neuburg an der Donau geborene Doktorandin schildert im Vorwort ihrer Arbeit die Unmöglichkeit, Zugang zu allen benötigten Materialien in Form von Quellen und allgemeiner Literatur zu bekommen: „Die
38 Hamm-Brücher: Freiheit, 61. 39 Interview mit Dr. Dorothee B. vom 7.6.2005. Zum Problem der Materialbeschaffung in München vgl. auch Boberach 3, 1050. 40 Vgl. UAM, D-XVII-62. Studentenwerk München an [Walther] Wüst vom 7.6.1943. 41 Vgl. Chronik Klassische Philologie.
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Archivalien, die Angaben über Pater Frank enthalten könnten, sind weit zerstreut und durch die kriegsbedingte Lage nicht alle zugänglich. So ist das General landesarchiv Karlsruhe für die Benützung gesperrt, ebenso können zur Zeit die einschlägigen Akten (Gesandtenberichte) des Französischen Nationalarchivs nicht zur Verfügung gestellt werden und die Bestände des Geheimen Staatsarchivs sind wegen Fliegergefahr in Sicherheit gebracht.“ Darunter seien auch die „meisten Werke der Handschriftenabteilung der Staatsbibliothek München“42, die sich im Luftschutzkeller befänden. Nachdem ein Luftangriff im Frühjahr 1943 die Bayerische Staatsbibliothek schwer getroffen hatte, waren rund 500.000 Bände – darunter 120.000 Dissertationen – und damit knapp 23 % des Gesamtbestandes zerstört worden.43 Zusammen mit den umfassenden Auslagerungen konnte diese Bibliothek nicht mehr genutzt werden und wurde geschlossen. Die Universitätsbibliothek, die nach dem Brand der Staatsbibliothek für sämtliche wissenschaftliche und kulturelle Arbeiten Münchens mit einem Bestand von etwa einer Millionen Bänden den Hauptmittelpunkt darstellte, hatte einen Verlust von 160.000 Büchern zu verzeichnen.44 Weil auch der Buchhandel die Versorgung mit Lehrbüchern nicht mehr sicherstellen konnte, griffen die Studierenden verstärkt auf Aufzeichnungen der einzelnen Vorlesungen zurück, obwohl diese mitunter sehr lückenhaft und oberflächlich waren. Diese wurden von Kommilitonen im Rotaprintverfahren angefertigt und innerhalb kürzester Zeit vervielfältigt und ausgegeben45: „Da hat man zum Teil dann so Skripten gekriegt, hat man kaufen können, so maschinengeschriebenes Zeug. Und Bücher, mein Gott, das war eine Gaudi, bis man das [hatte/P. U.].“46 An der LMU hatten schon seit den ersten großen Angriffen auf die Stadt im Sommer 1942 großangelegte Auslagerungen von Archivalien, Büchern und wissenschaftlichen Geräten in über ganz Bayern verstreute Ausweichräume begonnen. Zweifellos trug die fieberhafte Verlagerung großer Mengen von Büchern in Klöster, Schlösser, Kellergewölbe oder stillgelegte Bergwerke auf der einen Seite dazu bei, das Ausmaß der Zerstörungen zu begrenzen: Allein das Seminar für Klassische Philologie und Alte Geschichte musste die Hälfte seiner Bibliothek
42 Paula Fischer: Pater Frank. Diss. München 1944, 1. 43 Vgl. Hans Halm: Die Schicksale der Bayerischen Staatsbibliothek während des Zweiten Weltkrieges. In: Rupert Hacker (Hg.): Beiträge zur Geschichte der Bayerischen Staatsbibliothek. München 2000, 309–314, bes. 312. 44 Zur Universitätsbibliothek vgl. UAM, D-XVII-91 Band 2. Der Rektor der Universität München an die Wehrmacht-Kommandantur München I b L, Standort-Luftschutzleitung vom 22.5.1943. 45 Vgl. UAM, Sen. 720. Reichsschrifttumskammer an das Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung vom 22.6.1944. Abschrift vom 24.7.1944. 46 Interview mit Dr. Anneliese Helmer vom 21.5.2005.
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einbüßen, was einer Größenordnung von 71 Kisten entsprach.47 Auf der anderen Seite bewirkten die mitunter vollkommen planlosen Rettungsaktionen, dass Bibliotheken nach und nach arbeitsunfähig wurden und wichtige Materialien bis Kriegsende nicht mehr zur Verfügung standen. So lagerte allein die Universitätsbibliothek bis April 1944 104 Bücherkisten im Schloss Stauffeneck bei Bad Reichenhall ein. Angesichts der zahlreichen Luftangriffe hatten etliche Institutsleiter angefangen, Bestände in Sicherheit zu bringen oder auf andere individuelle Weise zu schützen: „Ich fuhr 1944 mit dem Rad durch aufgerissene Straßen und wahre Totenviertel von Nymphenburg zur Uni und saß dort manche Stunde im Keller. Als die Sirenen wieder einmal „Entwarnung“ verkündeten, nahm mein Französisch-Professor meine Freundin und mich mit zurück zum Romanischen Seminar und schenkte jeder aus der Bücherei ein Werk: ‚Bevor alles zugrund‘ geht‘, sagte er. So kam ich zum „Petit Larousse“.“48 Im Juni 1944 galt die Bergung von Bücherbeständen der Universitätsbibliothek sowie der Instituts-, Seminarund Klinikbüchereien als weitgehend durchgeführt, wofür zahlreiche, an vielen Orten des Gaues München-Oberbayern verstreute Räume in Anspruch genommen worden waren.49 Um einen zentralen Nachweis über die Verlagerungen zu haben, richtete Wüst an der Universität München eine feuergeschützte Kartei ein. Auf diese Weise sollte verhindert werden, dass sich Buchbestände nach Kriegsende nicht mehr auffinden ließen.50 Weil diese zum Teil mehrere Wochen und Monate zu Sicherungsorten unterwegs, in Kisten oder Stapeln verschwunden oder infolge von Bombeneinwirkungen nur mehr eingeschränkt zugänglich waren, beschleunigten die eingeleiteten Maßnahmen den schleichenden Zusammenbruch des Hochschulbetriebs in der Endphase des Zweiten Weltkrieges allerdings noch weiter.51
47 Vgl. Chronik Klassische Philologie. Zu den Auslagerungen der Universitätsbibliothek München vgl. UAM, D-XVII-93. Übersicht der Bergungsorte vom 11.6.1945. 48 Christel Leitzke: Die Familie gab uns immer wieder Kraft. In: Landeshauptstadt München (Hg.): Lesebuch zur Geschichte des Münchner Alltags. Jugendbilder. Geschichtswettbewerb 1987 Kindheit und Jugend in München. München 1989, 115. Zur Auslagerung einzelner Seminare und Institute vgl. exemplarisch Thomas Beckh: Das Institut für Ägyptologie der LMU München im Nationalsozialismus. In: Elisabeth Kraus (Hg.): Die Universität München im Dritten Reich. Aufsätze. Teil I. München 2006, 249–297, bes. 285–287. Zur Auslagerung der Universitätsbibliothek vgl. UAM, D-XVII-93. Universitätsbibliothek an den Herrn Rektor der Universität München vom 6.10.1945. 49 Vgl. UAM, D-XVII-90. Kurzbericht zum Schnellbrief des R. M. f. W. E. V. v. 24.6.1944 WA 793/44 betreffend die Universität München. 50 Vgl. Schreiber, 298, oder UAM, Sen. 590/1. Bericht von Geiger vom 4.7.1944. Zum genauen Auslagerungsprozess an der Universität München vgl. Schreiber, 297–303. 51 Vgl. Boberach 16, 6254–6258, sowie Grüttner, 418.
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In einem Schreiben vom Juli 1944 schildert die ehemalige Lehramtsstudentin und seinerzeitige Assistentin des Volkskundlers Otto Höfler, Hildegunde Prütting, wie sie nach einem Angriff mit Unterstützung der Gaustudentenführung Studentinnen zu Aufräumarbeiten heranzog: „So dürften die Bücher wohl doch zu retten sein – wenn nicht ein neuer Angriff kommt. Das Durcheinander allerdings ist toll. Durch die Erschütterung sind einige Regale umgefallen u. wir haben nun germanistische, historische u. kunsthistorische Bücher in schönster Eintracht durcheinanderliegen.“52 Auch Examenskandidaten wie bspw. Doktoranden waren immer häufiger gezwungen, von ihren ursprünglichen Arbeitsplänen abzukommen und unvollständige Ergebnisse abzuliefern: „Leider hat die allerjüngste Gestaltung der Zeitverhältnisse es unmöglich gemacht“, klagt die Historikerin Else Mayer im Vorwort ihrer Dissertation, „eine Ausführung des Themas vorzulegen, wie ich sie mir gedacht hatte. Diese Schwierigkeiten gehen nicht nur in mehr oder minder kleinere Einzelheiten hinein, wie die Unmöglichkeit, stets bibliographisch richtige Literaturangaben zu bieten, sondern sie lassen weiter augenblicklich nur die Vorlage eines ersten Teiles zu, während ich die beiden anderen nur nachgangsweise, ganz kurz und skizzenhaft andeuten kann“53. Wieder andere hofften, bestehende Mängel zu einem späteren Zeitpunkt beheben zu können: „Lücken waren nicht zu vermeiden, vielleicht wird mir nach siegreicher Beendigung des gegenwärtigen Krieges Gelegenheit gegeben, Ergänzungen zu machen“54. Wie Auswertungen der Promotionsgutachten zeigen, reagierten die Professoren – analog zu ihrem Verhalten im Rahmen der Ausmerzaktion – mit Voranschreiten des Zweiten Weltkrieges tendenziell nachsichtig auf die teilweise mangelhaften Leistungen der Prüflinge, die ihre Abschlussarbeiten oftmals nur unter erschwerten Bedingungen und mit erheblichem Zeitdruck fertigstellen konnten: „Die Zitierweise von Büchertiteln und Belegen sowie andere Äusserlichkeiten (z. B. die Interpunktion!) lassen mancherlei zu wünschen übrig, was bei der Eile
52 Prütting, 70. Vgl. ebd: „Gaustudentenführung: regelte den kriegsbedingten Einsatz der Studierenden; die männlichen Studenten waren ja – wenn nicht schwerverwundet – normalerweise an der Front. Die Studentinnen mußten zum Ausgleich einspringen, wenn irgendwo Hände gebraucht wurden […]. Die Geschäftsstelle der Gaustudentenführung lag in der Schellingstraße; deshalb war es relativ einfach, Hilfe für die Uni zu bekommen.“ 53 Else Mayer: Die Pfälzereinwanderung nach Altbayern zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Vo raussetzungen, Tatsachen, Wirkungen. Diss. München 1945, III. 54 Hilde Lange: Das europäische Handwerk in Deutschsüdwest- und Deutschostafrika vor dem Weltkriege. Diss. München 1942, 3.
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durchaus verzeihlich und überhaupt unwesentlich ist.“55 Dies galt umso mehr, wenn Studentinnen aufgrund der kriegsbedingten Umstände noch zusätzlich unter einer „in dieser Zeit vielfach hervortretenden Abnahme der Arbeitskraft“56, dem „Verlust ihres Bräutigams“57 an der Front oder ganz einfach unter der Tatsache litten, dass sich Untersuchungen und Analysen angesichts von unbenutzbaren Instituten, Seminaren und Laboratorien lediglich unvollständig durchführen ließen: „Leider konnten nur wenige Analysen des reinen Materials durchgeführt werden, da die Zerstörung des Laboratoriums durch Fliegereinwirkung die Vollendung der Arbeit verhinderte. Doch zeigen die erzielten Resultate, dass die Methode vollständig beherrscht wurde und die noch etwa erwünschten Beleganalysen in wenigen Wochen zuverlässig geliefert worden wären.“58 Aus Angst vor Zerstörung und Verlust hatten etliche Studierende ihre Studienunterlagen deshalb oftmals permanent bei sich: „Meine kostbaren, in monatelangen Destillations- und Reinigungsprozessen aus Zentnern von Hefe gewonnenen winzigen und wenigen „Kryptosterin“-Kristalle […] trug ich Tag und Nacht in einem Stoffsäckchen um den Hals. Meine Notizen für meine Doktorarbeit trug ich gleichfalls bei mir oder verwahrte sie bei Abwesenheit aus München im Luftschutzkeller.“59 Gerade bei Arbeiten, „deren Fertigstellung im Interesse des Nachwuchses als ganz besonders kriegswichtig angesehen“60 wurden, bemühte man sich nach einem Fliegerangriff unmittelbar um einen betriebsfähigen Zustand zur sofortigen Wiederaufnahme der Tätigkeiten. Das galt bspw. für das Physikalische Institut der Universität München, welches u. a. mit kriegswichtiger Forschung im
55 UAM, O-Np-SS 1943-WS 1946/47. Gutachten von Prof. Koschmieder über die Doktorarbeit von Ursula P. vom 28.2.1945. Zur Ausmerzaktion und dem Verhalten der Professoren und Dozenten vgl. Kapitel VI, 1 Ausmerzaktion ungeeigneter Studierender. 56 UAM, OC-Np SS 1944-WS 1944/45. K. Suessenguth im Votum informativum zur Doktorarbeit von Anneliese S. vom 21.1.1945. 57 Ebd. K. Suessenguth im Votum informativum zur Doktorarbeit von Marilies L. vom 11.12.1944. 58 UAM OC-Np-SS 1944-WS 1944/45. O. Hönigschmid im Votum informativum zur Doktorarbeit von Liselott J.-G. vom 27.4.1945. 59 Hamm-Brücher: Freiheit, 61. Vgl. dazu auch Hiller, 270: „Die Nächte vor dem Examensterminen am 29. und 30. März 1944 verbrachte ich im Keller zwischen meinen zwei Koffern, die ich jedesmal vier Stockwerke hinunterschleppte. Im einen waren die Kleidungsstücke, den anderen hatte ich mit Büchern vollgepackt, in der Meinung, wenn ich sie nicht mehr besäße, dann sei auch das Examen hinfällig, ein Blick auf Vergessenes wäre dann nicht mehr möglich.“ Ebenso Interview mit Dr. T. N. vom 16.5.2005: „Man hat ja seine ganzen Unterlagen dauernd mitgenommen in einer Aktentasche. Und alles, was zum Studium war, das hab’ ich mitgetragen, gell.“ 60 UAM, Y-V-3 Band 3 (Unterakt VII). Walther Gerlach an den Herrn Rektor der Universität München vom 17.3.1943.
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Auftrage des Reichsluftfahrtministeriums sowie des Oberkommandos der Kriegsmarine betraut war. Abgesehen von der unzureichenden Versorgung mit Lebensmitteln und der wachsenden Wohnungsnot, die sich – so Grüttner – bereits relativ früh bemerkbar machte, d. h. schon bevor im Frühjahr 1942 die schweren Angriffe der angloamerikanischen Luftwaffe auf deutsche Städte einsetzten61, wurde die Gesamtsituation ferner durch die zunehmende Zerstörung der Hochschulgebäude selbst erschwert. War bereits im Frühjahr 1943 das Physikalische Institut bis auf den Grund niedergebrannt und die medizinischen Kliniken und Institute durch Angriffe im Herbst des Jahres beschädigt worden, so erinnerte sich der Chemiker Professor Rolf Huisgen analog: „Beginnend mit dem Herbst 1943 brannte das Institut bei diversen Bombenangriffen Stück für Stück aus. Zwar konnten die Zeitschriftenbände noch gerettet werden, aber dann griff der Brand auf die Monographienkollektion über. Die verbrannte und konnte damals nicht mehr wiederbeschafft werden. Danach war alles mehr auf Improvisation eingestellt. Ab Sommer 1944 war an ernsthafte Arbeit kaum noch zu denken. Bei Bombenexplosionen in der Nähe flogen jedes Mal die Scheiben heraus. Erstaunlicherweise wurde immer Glas wieder nachgeliefert. Allerdings war der Kitt furchtbar schlecht, sodass die Scheiben beim nächsten Angriff noch weniger widerstanden. Wir haben viele, viele Stunden im Luftschutzkeller verbracht, wo es zuweilen ziemlich kräftig bebte und der Staub von der Decke rieselte.“62 Ganze Institute wurden ausgelagert, Seminare und Vorlesungen fanden teilweise sogar in den Wohnzimmern einzelner verbliebener Professoren statt: „Berve zum Beispiel, der Historiker, der hat in seiner Wohnung, d. h. die Wohnung seines Schwiegervaters, gelesen, weil damals die Uni schon so zerdeppert war, und wir waren auch nicht so sehr viele. Da hat man halt, das war in der Clemensstraße eine große Altwohnung, da hat man sich halt da getroffen.“63 Einem lokalen Statusbericht vom November 1944 zufolge hatten Bombenangriffe an der Universität München mittlerweile einen Teil des Hauptgebäudes sowie nahezu den gesamten Flügel an Ludwig- und Adalbertstraße zerstört. Darüber hinaus waren der Flügel an der Amalienstraße und der Mitteltrakt
61 Vgl. Grüttner, 420. Zur Wohnungsnot der Studierenden vgl. auch UAM, Sen. 365/2. Schnellbrief des Reichsministers für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung vom 26.9.1942, sowie BayHStA, MK 70244. Obergebietsführer Emil Klein an Ratsherrn Pg. Wolfrum vom 17.3.1942. So wurden im Wintersemester 1941/42 1600 Zimmer für Studierende in München benötigt, denen nur 600 Zimmer gegenüberstanden. 62 Interview mit Prof. Dr. Rolf Huisgen vom 7.5.2005. Zum Physikalischen Institut vgl. UAM, D-XVII-90. Dr. Haeffner an Oberfeldwebel Limmer vom 24.3.1943. 63 Interview mit Gertraud B. vom 27.7.2005.
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mit dem Großen Hörsaal in Mitleidenschaft gezogen worden: „Am 13. Juli 1944 erreichte mich folgender Brief meiner Freundin Hildegard Hofmiller, aus Rosenheim: Liebe Gigi! […] Unser ganzes Leben ist mit einem Mal zusammengestürzt. Ich war beim 2. Angriff in der Uni. Als ich heimkam, brannte die Georgenstraße lichterloh, und wir begannen zu räumen. Es sah grausig aus. Beim 3. Angriff aber wirkte alles Vorhergehende harmlos. Ich war wieder in der Uni, und es sah nicht aus, als ob wir lebend herauskämen. Aber was war alle Angst gegen das Bild, das uns erwartete. Aus allen Fenstern prasselten die Flammen. Beim Speerträger ein Meer von Feuer. Gigi, einen lieben Menschen sterben sehen, kann nicht viel ärger sein als unsere liebe Alma mater in Flammen aufgehen sehen. Wenig in meinem Leben hat so furchtbar weh getan. Es ist ja nicht deshalb, weil unsere Arbeitsstätte verbrannt ist, nein, es ist ja der Beginn der Katastrophe, das Ende unseres wirklichen Lebens. Denn das alles kommt nie wieder. Wir löschten bis nachmittag 5 Uhr unser Seminar, nur ein kleiner Trakt anschließend steht noch, vielleicht auch einiges vom Amalientrakt. Es ist, vorsichtig ausgedrückt, nicht völlig unmöglich, den Betrieb wieder einzurichten. Aber es wird lange dauern, und was ist bis dahin? […] Das Viertel von unserer Uni bis zur Danziger Freiheit ist in seiner ganzen Ausdehnung bis mindestens Schleißheimer Straße, meist noch weiter hinaus, zerstört. Amalien-, Adalbert-, Schelling-, Georgen-, Leopold-, Franz-Joseph-Straße zählen zu den Schlimmsten. In München kam ich noch kaum zur Besinnung. Aber jetzt, daheim, meine ich, es nicht ertragen zu können.“64
Abb. 55: LMU-Studierende im Zweiten Weltkrieg in der Amalienstraße
64 Hiller, 273.
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Insgesamt wiesen jedoch hauptsächlich Verwaltungs- und Repräsentationsräume Beschädigungen auf, während die zum großen Teil erhaltenen Seminarräume und Hörsäle der Universität wieder in Funktion waren. Bis zur provisorischen Instandsetzung des Hauptgebäudes im Oktober 1944 stand die Gisela-Oberschule in der Arcisstraße als Ausweichquartier für zahlreiche Institute und Seminare zur Verfügung. Tatsächlich konnte die LMU ihren Betrieb im Wintersemester 1944/45 erneut aufnehmen, nachdem man den Großteil der Schäden zumindest behelfsmäßig repariert und betroffene Anstalten ausgelagert hatte.65 Als Folge der Auswirkungen des Luftkrieges rechnete das REM mit einem verstärkten Zugang an einzelnen Hochschulen. Aus diesem Grund wiederholte man 1944 die bereits im Frühjahr des Vorjahres erlassene Bestimmung, wonach Studierende in einzelnen Fachrichtungen nur entsprechend der ausreichenden Anzahl von Lehr- und Hilfskräften sowie Arbeitsplätzen aufgenommen werden und die Rektoren nach Bedarf Zulassungshöchstzahlen für einzelne Fachrichtungen erlassen sollten. Clephas-Möcker und Krallmann sprechen in diesem Zusammenhang zu Recht von einem erneuten „Kurswechsel in der Hochschulzulassungspolitik“66, da im Zuge von Bombenschäden sowie der Einberufung von Lehrpersonal erneut von einer „Überfüllung einzelner Hochschulen“ und der Beschränkung der Studentinnen durch das REM die Rede war: „Bei einer Beschränkung der Zahl der Neuzulassungen liegt es durchaus im Sinne meiner Anordnungen, wenn hierbei die weiblichen Studierenden zuletzt berücksichtigt werden und aus der Gesamtzahl der sich Meldenden in geeigneter Weise eine Auswahl getroffen wird.“67 Für die LMU finden sich allerdings keinerlei Hinweise, die spezielle Zulassungsbeschränkungen gegen Studentinnen erkennen lassen würden, zumal man sich insgesamt nicht gezwungen sah, einschränkende Anordnungen hinsichtlich der Kapazität vorzunehmen. Lediglich an der Medizinischen Fakultät wurden Bedenken gegen eine mögliche, beträchtlich über den Durchschnittsstand anwachsende Zahl von Studierenden durch den Ausfall anderer Universitäten laut. Die Philosophische Fakultät wiederum meldete, eine zusätzliche Aufnahme über den normalen Zugang hinaus könnte in den großen Staatsprüfungsfächern Deutsche und Englische Philologie, Geschichte sowie Zeitungswis-
65 Vgl. UAM, D-I-13 Band 6 (UA II). W[alther] Wüst an Generalgouverneur Reichsminister Dr. Frank vom 23.11.1944, sowie Schreiber, 290 f., 298. 66 Clephas-Möcker: Studentinnenalltag, 183. 67 Alle Zitate nach UAM, D-XVII-63. Schnellbrief des Reichsministers für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung vom 17.3.1944. Ausgenommen davon waren lediglich die im Rahmen der Sanitätsdienstausbildung im weiblichen RAD studierenden Angehörigen des weiblichen Arbeitsdienstes. Vgl. ebd.
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senschaft kaum noch erfolgen. Eine geschlechterspezifische Einschränkung oder Auslese war an dieser Stelle aber in keinem Fall in Erwägung gezogen worden.68 Anders sah es dagegen bspw. in Marburg aus. Hier standen im Sommersemester 1944 Zulassungsbeschränkungen für Medizinstudentinnen zur Diskussion. Um die Fakultät zu entlasten, regte man an, einen Teil der Frauen in den klinischen Semestern für ein Halbjahr zu beurlauben.69 Was die Indienstnahme betrifft, so zeichneten sich mit Fortschreiten des Krieges zwei entgegengesetzte Entwicklungen für die Frauen ab. Auf der einen Seite standen die zahlreichen Zusatzbelastungen im Rahmen der studentischen Dienstpflicht sowie die massive Erschwerung des universitären und privaten Alltags infolge der Angriffe. Auf der anderen Seite trugen paradoxerweise gerade Letztgenannte auch dazu bei, die Indienstnahme der Studierenden allmählich und schrittweise zu reduzieren, wie das Beispiel des Hochschulinstituts für Leibesübungen für München stellvertretend zeigt. So wurde etwa die alte Turnhalle an der Maßmannstraße bereits im April 1942 von der Wehrmacht beschlagnahmt. Auf Veranlassung des Reichsministers sollten hier die für die Frontsoldaten gesammelten Grammophone samt Platten gelagert und anschließend ihrem von den Spendern gewünschten Zweck zugeführt werden.70 Anfang Oktober 1943 hatte ein erster Luftangriff das lokale HfL getroffen und die Verwaltung zerstört, welche anschließend in die Turnhalle an der Ludwigstraße umzog. Zwei weitere Bombardierungen im Juli und September 1944 vernichteten bzw. beschädigten verschiedene Anlagen, Spielflächen und Gebäude schwer oder vollständig, sodass Unterrichts- und Sportbetrieb mit Zustimmung des Kultusministeriums bis auf Weiteres geschlossen wurden. Die Sportstudentinnen des laufenden Semesters setzte man zu Räumungsarbeiten ein. Während die Ausbildung der Turn- und Sportlehrerinnen in der Folgezeit ins Dantestadion verlegt werden konnte, lag diese Übungsstätte für die Studentinnen der Universität zu weit entfernt, weil deren pflichtmäßige Leibeserziehung in den freien Mittagsstunden durchgeführt
68 Vgl. ebd. W[alther] W[üst] an den Herrn Reichsminister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung vom 1.4.1944. Vgl. ebenso die Schreiben der einzelnen Fakultäten in diesem Akt. 69 Vgl. Aumüller/Grundmann/Krähwinkel, 499. 70 Vgl. BayHStA, MK 40317. Hochschulinstitut für Leibesübungen München an das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus vom 13.8.1943. Erst im Herbst 1943 machte man die Turnhalle wieder frei. Vgl. ebd. Wehrmacht-Kommandantur München an das Hochschulinstitut für Leibesübungen vom 30.9.1943.
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werden musste. Alle anderweitig geeigneten Behelfsräume waren dagegen zerstört.71 Aus diesem Grund versuchte das HfL ersatzweise den Turnsaal der Reichspostdirektion bis zur Instandsetzung der Hochschulturnhalle in der Maßmannstraße zu erhalten: „Der Saal der Reichspost ist durch den eigenen Betriebssport belegt, z. Teil auch durch Tennisgruppen während der Mittagsstunden. Solche zahlenmässig kleine Gruppen möchte ich vor allem bitten im Interesse der Gesamtleibeserziehung der Studierenden vorübergehend zurückzutreten, da sonst der großen Zahl der Studierenden keine Möglichkeit geboten werden kann, ihre Sportpflicht zu erfüllen“72, so das HfL in einem Schreiben an das Bayerische Kultusministerium. Eine direkte Anfrage des Ministeriums beim Präsident der Reichspostdirektion wurde jedoch aus verschiedenen Gründen abschlägig beschieden, u. a., weil „betriebsfremde Kräfte“73 nicht ohne ein gut funktionierendes Kontrollsystem aufgenommen werden konnten. Für die LMU-Studentinnen reduzierte diese Absage die Indienstnahme durch außeruniversitäre Tätigkeiten wie den Pflichtsport damit um einen ersten Punkt. In der Praxis bedeutete dies besonders für die Erst- bis Drittsemester eine Entlastung, die als Angehörige der DSt gemäß der HSO während ihrer ersten drei Semester eine sportliche Grundausbildung von drei bis vier Wochenstunden zu absolvieren hatten: die zeitliche Belastung durch den ANSt-Sport sowie – die im Krieg noch erschwerte – Hin- und Rückfahrt zu den Übungsstätten nicht mitgerechnet. Ebenfalls nahezu erschöpft dürften damit auch die Möglichkeiten zum freiwilligen Sportbetrieb ab dem vierten Semester gewesen sein, zumal bspw. Einrichtungen wie die Universitätsreitschule im April 1944 bei einem Bombenangriff gänzlich zerstört und während des Krieges nicht mehr instand gesetzt wurden.74 Dem HfL selbst verblieben nach insgesamt sechs Luftangriffen im letzten Kriegsjahr nur noch das leicht beschädigte Gebäude an der Ungererstraße 216 sowie alle dort vorhandenen Geräte. Weil fast alle Räumlichkeiten verloren gegangen waren, versuchte man wenigstens den Wassersport der Studierenden unter Hinzuziehung eines gepachteten Grundstücks in Starnberg weiter zu
71 Vgl. BayHStA, MK 40318. Hochschulinstitut für Leibesübungen München an das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus vom 27.7.1944, sowie ebd. Hochschulinstitut für Leibesübungen München an das Landesbauamt München vom 14.11.1944. 72 Ebd. Hochschulinstitut für Leibesübungen München an das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus vom 24.11.1944. 73 Ebd. Der Präsident der Reichspostdirektion an den Herrn bayer. Staatsminister für Unterricht und Kultus vom 5.12.1944. 74 Vgl. Schöller, 119. Dazu kam, dass die Universitätsreitschule schon seit 1939 zur Ausbildungsstätte der SA-Reitergruppen geworden war. Vgl. ebd., 73.
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betreiben.75 Ein für die Durchführung des Versehrtensports in Aussicht gestellter Raum in einer ehemaligen Schule war dagegen schon seit einiger Zeit von der Universitätsbibliothek geräumt worden, wie Rektor Walther Wüst im Dezember 1944 feststellte. Wegen Fenster- und Dachschäden konnte dieser während der kalten Jahreszeit aber ohnehin nicht benützt werden; die vorhandene Heizanlage war nicht in Betrieb.76
3 Totaler Kriegseinsatz Obwohl die Universitäten sich darauf konzentrierten, ihre Aufgaben gleichermaßen unter den erschwerten Bedingungen des Krieges zu erfüllen, und der Reichserziehungsminister im März 1943 erneut seine Grundsatzentscheidung bekräftigt hatte, wonach alle deutschen Hochschulen ihren Lehrbetrieb aufrechterhalten sollten, „zwang die sich schnell verschlechternde Frontlage den REM zu einer baldigen Revision seiner Versprechungen.“77 Praktisch bedeutete dies eine drastische Beschränkung der Studiengenehmigungen ab 1944, die mit einer Sperrung der Erstimmatrikulationen an den wissenschaftlichen Hochschulen einherging. Nach einem Erlass des REM vom September 1944 durften sich lediglich noch Kriegerwitwen, die nicht meldepflichtig für den Arbeitseinsatz waren, sowie Versehrte für ein Studium einschreiben. Alle Studentinnen und sämtliche nicht der Wehrmacht angehörenden Studenten der ersten bis dritten Fachsemester wurden für den totalen Kriegseinsatz bereitgestellt und mussten die Hochschulen verlassen: „(I)ch hatte noch Glück, ich war im vierten Semester, glaube ich, schon – dann kam die Verfügung, dass alle bis zum dritten Semester aufhören müssen. Und da war ich also nicht mehr betroffen. Und meine Freundinnen aus der Schule, da waren viele Medizinerinnen dabei, und die mussten halt dann ins Krankenhaus abwandern. Aber uns hätte man in die Munitionsfabrik gesteckt, was denn sonst. Philologen kann man zu nichts brauchen.“78 Der Einsatz der weiblichen Studierenden erfolgte im Wesentlichen in der Rüstungsfertigung. Nach Ansicht der Nationalsozialisten handelte es sich bei ihnen
75 Vgl. in diesem Zusammenhang BayHStA, MK 40318. Bericht über die Kriegsschäden des Hochschulinstituts für Leibesübungen vom 14.8.1945. Zum HfL im Krieg ebenso Krombholz, 503–505. 76 Vgl. BayHStA, MK 40311. W[alther] Wüst an den Herrn Staatsminister für Unterricht und Kultus vom 28.12.1944. 77 Adam, 198. 78 Interview mit Gertraud B. vom 27.7.2005.
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um junge, qualifizierte Arbeitskräfte, die entsprechend ihrer Intelligenz sowie ihrem Alter besonders gut einsetzbar waren und bei denen zugleich das Verständnis für die Notwendigkeit dieser Maßnahme vorausgesetzt werden konnte. Im Gegensatz zu zahlreichen älteren meldepflichtigen Frauen galten die angehenden Akademikerinnen als mobil, im Unterschied zu den bspw. überwiegend sehr jungen Haushaltsschülerinnen als äußerst leistungsfähig. Dazu kam, dass zumindest ein Teil von ihnen schon einen freiwilligen Fabrikeinsatz abgeleistet hatte und damit eine angelernte Kraft darstellte.79 Auch die ehemalige LMUStudentin der Kunstgeschichte Ruth O. erinnerte sich, dass das Studium 1944 „als Luxusstudium geschlossen“ wurde und man lediglich die Wahl zwischen Heimat- und Hochschulort für verschiedene Kriegsdienstarbeiten hatte: „Und ich bin dann nach Hause gegangen zu meinen Eltern und habe […] in einem Krankenhaus gearbeitet, denn ich hatte während des Krieges eine Diphtherie bekommen und da hat es geheißen, ja, also wahrscheinlich bin ich überhaupt nicht einsatzfähig für irgendeine Munitionsfabrik. Und da bin ich zu einem Arzt gegangen, und da hat der gesagt: „Ich brauche eine Sekretärin. Wie wär’s mit Ihnen?“ Und da bin ich dann da gewesen.“80 Ausgenommen von der Selektion waren die kriegswichtigen Fächer Ballistik, Mathematik, Physik, Fernmelde- und Hochfrequenztechnik. Studierende der Rechts- und Staatswissenschaften, Wirtschafts- und Auslandswissenschaften, der Landwirtschaft, Architektur, Theologie sowie der Fächer der philosophischen Fakultäten mit Ausnahme der Naturwissenschaften durften ihr Studium nur dann fortsetzen, wenn sie bis 1. Mai 1945 ihre Abschlussprüfung ablegen konnten oder bereits im Sommersemester 1944 nachweislich das Berufsziel Lehramt hatten. Auch der Großteil der angehenden Mediziner war von der Auslese für den totalen Kriegseinsatz betroffen: „Nach dem ersten Semester, also nach dem ersten klinischen, konnte man ja nicht mehr weiterstudieren, da war alles kaputt, und da habe ich dann eine Einberufung zur Wehrmacht gekriegt. Also echt zur Ablösung von Sanitätsdienstgraden. Mit Erkennungsmarke, Feldpostnummer usw. Und musste dann rauf nach Danzig. Und da war bereits Rückzug und alles. Und zum Schluss sind wir auf Usedom gelandet, und da waren die Russen außenrum schon, haben uns eingeschlossen. Das waren also scheußliche Sachen, was man da so erlebt hat. 14 Tage in einem Güterwagen, ohne Waschen, ohne – also furchtbares Zeug. Jetzt musste ich da Narkosen machen, keine Ahnung, der Sanitäter hat einen eingewiesen; die Sanitäter, die haben ja da ein bisschen Erfahrung
79 Vgl. L. B.-H.: Der Einsatz der Studenten. In: Deutsche Allgemeine Zeitung vom 16.9.1944, hier nach UAM, D-XVII-66. 80 Alle Zitate nach Interview mit Ruth O. vom 30.4.2005.
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gehabt schon, gell. Keine Ahnung von dem ganzen Praktischen: Bluttransfusionen machen. Wenn man sich das heute vorstellt, nein, also da könnte ich ja selber schon gleich ausflippen. Wenn man heute sich vorstellt – ungelernt und so dann dran hinlassen, an solche Sachen! Aber das war ja das Seelische schon. Bei Amputationen, man hat das Bein in der Hand… Oh Gott, oh Gott, nein, was man da so mitgemacht hat in jungen Jahren.“81 Studierende, die nach Entscheidung des Arbeitsamtes selbst aus gesundheitlichen Gründen zeitweise oder dauerhaft nicht arbeitseinsatzfähig waren, konnten ihr Studium dagegen fortsetzen. Als Maßstab galten hierbei die mit Erlass vom 16. Dezember 1935 genehmigten Richtlinien für die gesundheitliche Auslese zum Hochschulstudium.82 Allerdings geben die Quellen keine Auskunft darüber, wie viele Frauen und Männer auf dieser Grundlage auch nach dem totalen Kriegseinsatz weiter an der LMU bleiben konnten. Das Gleiche gilt für diejenigen unter ihnen, die trotz ihres Arbeitseinsatzes noch Zeit und Kraft für den Besuch einzelner Vorlesungen im Umfang eines Gasthörers fanden. Ihr Anteil dürfte jedoch allein angesichts der umfassenden Dienstverpflichtung verschwindend gering gewesen sein.83 Für eine nicht verifizierbare Gesamtzahl von Personen ergab sich ein potentielles Schlupfloch zur Umgehung der Verpflichtung aber gerade durch den Kriegszustand, der den Organisations- und Verwaltungsapparat des NS-Regimes ins Wanken brachte. So war etwa im November 1944 ein Teil der für den totalen Kriegseinsatz bereitgestellten, von den Hochschulen den Gauarbeitsämtern gemeldeten Studierenden noch nicht von den Arbeitsämtern zum Einsatz herangezogen worden. Wegen kriegsbedingter Gründe konnte die weitere Erfassung bzw. der Einsatz in den betreffenden Bezirken nicht durchgeführt werden.84 Nach Angaben von Gertraud B. sei dementsprechend sogar die Verkündung des totalen
81 Interview mit Dr. Anneliese Helmer vom 21.5.2005. Zum Einsatz von Hochschulstudierenden und zu den Ausnahmen bei den Medizinstudierenden vgl. UAM, D-XVII-66. Rundschreiben des Bayerischen Staatsministers für Unterricht und Kultus vom 13.9.1944, sowie ebd. Schnellbrief des Reichsministers für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung vom 14.9.1944. 82 Vgl. UAM, D-XVII-66. Rundschreiben des Reichsministers für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung vom 24.10.1944, sowie Kapitel II, 7. 83 Vgl. dazu die entsprechende Bestimmung des Reichsministers für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung über die Behandlung von Gasthörern und nebenberuflich Studierenden vom 20.11.1944 im UAM, D-XVII-66. 84 Vgl. ebd. Rundschreiben des Reichsministers für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung vom 25.11.1944. Bei einer weiteren Meldung an das Münchner Gauarbeitsamt vom Januar 1945 vergaß Wüst, die entsprechende Liste der Studierenden beizulegen. Vgl. ebd. Der Rektor der Universität an das Gau-Arbeitsamt vom 3.1.1945 sowie das Antwortschreiben des Amtes vom 22.1.1945.
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Kriegseinsatzes an der Universität vonstattengegangen: „Das ging eigentlich alles ganz heimlich, still und leise. Ich meine, da ist ja doch dann auch die sonst ja sehr gut funktionierende Organisation ein bisschen zusammengebrochen. Da hat schon nichts mehr so recht gestimmt, nicht.“85 Im Dezember 1944 meldete Rektor Walther Wüst schließlich sieben Studentinnen, die sich für das Wintersemester eingeschrieben hatten, da sie trotz Meldung beim Arbeitseinsatz noch nicht herangezogen worden waren.86 Wie Scherb anhand von Einzelfällen nachgewiesen hat, gab es zudem Kommilitoninnen, die die Aufforderung zur Dienstverpflichtung schlichtweg ignorierten. So hatte bspw. die Geisteswissenschaftlerin Hildegard Koellreutter schon ein Semester in München inoffiziell studiert, bevor sie sich zum Winterhalbjahr 1943/44 in Freiburg einschrieb. Zwei Semester gelang es ihr hier, die Universität unbehelligt zu besuchen, bis sie im Herbst 1944 zum Kriegsdienst verpflichtet wurde. „Sie reagierte einfach nicht auf die Einberufung und hatte damit Erfolg, denn spätestens nach dem Luftangriff auf Freiburg verloren die Behörden – Arbeitsamt wie DSt – den Überblick über ihre ‚Kundinnen‘.“87 Mit ähnlichen Problemen kämpfte gleichermaßen die LMU, wo Gaustudentenführer Berg zeitgleich auf Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Studentenkartei aufmerksam machte. Eine schlechte Führung und ungenaue Angaben hatten dazu beigetragen, dass mehrere Studenten, die unter die Arbeitseinsatzbestimmungen fielen, nicht erfasst worden waren und umgekehrt.88 Während sich ein – am Ende wohl überschaubarer – Teil der Studierenden dem totalen Kriegseinsatz folglich aufgrund von Ausnahmebestimmungen, gesundheitlichen Beeinträchtigungen, organisatorischen Mängeln oder durch bewusstes Widersetzen entzog, ersuchten andere offiziell um Fortsetzung ihres Studiums und Befreiung vom Arbeitseinsatz. Exemplarisch sei hierfür das Beispiel der Medizinstudentin Burga R. genannt, die sich im September 1944 schriftlich an den Dekan ihrer Fakultät wandte. R. hatte Ende 1943 die Begabtenprüfung bestanden und sich im darauffolgenden Wintersemester an der LMU eingeschrieben. Obwohl sie bereits zum frühestmöglichen Termin das Vorphysikum absolvierte, war es ihr nach den Ausnahmebestimmungen für ein Weiterstudium nicht möglich, bis zum 1. Mai 1945 das Physikum abzulegen. Da die 38-Jährige jedoch lediglich drei weitere Monate für dieses Ziel benötigte, hatte sie sich eine umfas-
85 Interview mit Gertraud B. vom 27.7.2005. 86 Vgl. UAM, D-XVII-66. Walther Wüst zu Einlauf Nr. 4078/I vom 7.12.1944. 87 Scherb, 236. 88 Vgl. UAM, D-XVII-66. Gaustudentenführung München-Oberbayern an den Herrn Syndikus der Universität München vom 22.9.1944.
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sende Argumentationskette zurechtgelegt: „Bei der Beurteilung meines Falles bitte ich berücksichtigen zu wollen, dass ich nicht mehr zu diesen jungen Jahrgängen um die 20 herum gezählt werden kann, die gleich ihren Alterskameradinnen aus anderen Berufen in die Rüstungsbetriebe gehen sollen. Ich habe nach Auflösung meiner Ehe bereits einen mehr als siebenjährigen Dienst im Gesundheitsamt Berchtesgaden hinter mir, und war auf freiwillige Meldung 1 1/2 Jahre im Osteinsatz im Gesundheitsamt Bielsk tätig. Ferner wurde denjenigen, welche die Begabtenprüfung bestehen, also als reife Menschen zum Studium kommen, jede Förderung von Amts wegen zugesichert. Dass es mir sehr ernst ist, mein Studium baldmöglichst zu beenden, möge daraus ersichtlich sein, dass ich trotz Fehlens der Obersekunda und Prima das Vorphysikum zum frühestmöglichen Termin bestand. In meinem Alter von 38 Jahren wiegt jedes halbe Jahr, das ich etwa aussetzen müsste, unvergleichlich viel schwerer als bei einer Zwanzigjährigen. Schliesslich muss ich anführen, dass mein kriegsbedingter Kräftezustand mir wohl alle geistige, aber nicht alle körperliche Arbeit möglich macht. Dass ich niemals versucht habe, mich mit Ausflüchten von einer Verpflichtung dem Vaterlande gegenüber zu drücken, beweist mein freiwilliger Osteinsatz sowie mein Einsatz in der Partei als Kassenleiterin und im Luftschutz als Lehrerin für Erste Hilfe. Ich wiederhole daher meine Bitte, mir die Genehmigung zur Fortsetzung des Studiums vorerst bis zum Physikum erteilen zu wollen, damit mir danach ein fachlicher Einsatz sicher ist, auf dem ich weiterbauen kann.“89 Ein Antwortschreiben auf dieses Anliegen scheint nicht (mehr) zu existieren, ein Vermerk auf dem Gesuch lässt vermuten, dass die Bittstellerin dennoch zum Arbeitseinsatz gemeldet wurde.90 Ungeachtet der Meinung des REM, Rust, der sich „noch im Spätsommer 1944, als unter Goebbels die letzten Anstrengungen zur totalen Dienstverpflichtung gemacht wurden, […] gegen einen Arbeitseinsatz von Studentinnen und Oberschülerinnen, die ‚eine letzte Reserve für Berufe mit höherer Schulbildung‘ darstellten“91, wehrte, mussten von insgesamt 41.210 Studentinnen des Sommersemesters 1944 ganze 26.403 und damit rund 64 % die Universitäten verlassen.92 Allein die Münchner Universität meldete laut einer Aufstellung vom
89 Ebd. Burga R. an den Dekan der Medizinischen Fakultät vom 23.9.1944. 90 Vgl. ebd.: „Arb. Gemeldet 6.XII.44“. Vgl. auch die weiteren, offenbar unbeantworteten bzw. nicht berücksichtigten Gesuche in diesem Akt. 91 Winkler, 125. 92 Vgl. UAM, Sen. 135d Band I. Die Maßnahmen zum totalen Kriegseinsatz im Bereich der wissenschaftlichen Hochschulen und die gegenwärtige Lage der Hochschulen. Abschrift des auf der Dienstbesprechung der Rektoren in Posen am 14.12.1944 gehaltenen Referats von Regierungsdirektor Kock vom 30.12.1944.
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3 Totaler Kriegseinsatz
13. September 1944 1267 Frauen sowie 279 Männer und damit 1546 Studierende zum Kriegseinsatz. Der Großteil der weiblichen Studierenden kam dabei aus den Studienfächern Medizin (424) und Philosophie (401).93 Nach einer wenige Tage später erfolgten Aufstellung waren sogar 1292 von insgesamt 1899 Studentinnen gemeldet worden – mit 68 % also nahezu drei Viertel von ihnen und 4 % mehr als der reichsweite Durchschnitt.94 Rund eineinhalb Monate später gab der Völkische Beobachter bekannt: „Im Rahmen des totalen Kriegseinsatzes wurden gestern in den Räumen der Gaustudentenführung die ersten Münchener Studentinnen im geschlossenen Einsatz für neue kriegswichtige Aufgaben verpflichtet. Im Rahmen eines kurzen Appells verabschiedete die Gau-ANSt-Referentin Traudl Höpfl die erste geschlossene Gruppe, die für eine kriegswichtige Dienststelle ausgewählt wurde. Mit der neuen Aufgabe, so führte die Referentin aus, nehmen die Kameradinnen für unbestimmte Zeit Abschied von der Hochschule.“95 Folgt man den Gesprächsauswertungen von Clephas-Möcker und Krallmann, so wurde der erzwungene Abbruch des Studiums sowie die damit verbundene Dienstverpflichtung von den meisten Frauen zwar „bedauert, jedoch als Notwendigkeit akzeptiert: ‚[…] Es war totaler Kriegseinsatz, und man nahm es hin, man nahm eben vieles damals hin.‘“96 Die Interviews mit ehemaligen Studentinnen der Universität München weisen dieselbe Tendenz auf. Auch wenn die totale Dienstverpflichtung mitunter bereits „erwartet“97 worden war, galt das Ende des Studiums durchaus als „schon sehr deprimierend.“98 Dazu kam, dass der Fortbestand der Universitäten in ihrem bisherigen Umfang mit Beginn des totalen Kriegseinsatzes generell zur Debatte stand. So plante das Reichswissenschaftsministerium auf Anordnung der Parteikanzlei, diese vollständig stillzulegen oder einzelne Fakultäten zu schließen und sie zum Teil an bestimmten Universitäten zusammenzulegen. Vom Wintersemester 1944/45 an sollten acht Hochschulen vollkommen geschlossen werden, um noch mehr Räume, Material und Arbeitskräfte für den totalen Kriegseinsatz freizumachen. Weitere Pläne zielten darauf ab, an 63, ab dem Sommersemester 1945 zusätzlich an 39 Fakultäten den Lehrbetrieb einzustellen sowie an 75 Fakultäten auf das fünfte und höhere Semester zu beschränken.
93 Vgl. UAM, D-XVII-66. Aufstellung der zum Einsatz gemeldeten Studierenden vom 13.9.1944. 94 Vgl. ebd. Aufstellung der zum Einsatz gemeldeten Studierenden vom 21.9.1944. 95 VB vom 2.11.1944, hier nach UAM, D-XVII-66. 96 Clephas-Möcker/Krallmann: Selbstverwirklichung, 151. 97 Interview mit Paula K. vom 9.6.2005. 98 Interview mit Dr. Friederike S. vom 21.4.2005.
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Auch die LMU war von der Verlagerung des Universitätsbetriebs an kleinere und damit weniger luftkriegsgefährdete Städte betroffen. Nach einem Erlass des Reichswissenschaftsministeriums vom 12. Oktober 1944 sollten – wie an zahlreichen anderen Hochschulen – die gesamte Philosophische, Staatswirtschaftliche und Rechtswissenschaftliche Fakultät, die Naturwissenschaftliche für Studierende der ersten mit vierten Semester und die Medizinische Fakultät für Erst- bis Dritt- sowie Fünft- bis Siebtsemester stillgelegt werden.99 Bekanntermaßen ließ Rektor Walther Wüst im Folgenden kein Mittel unversucht, um eine Änderung dieser Entscheidung herbeizuführen. Auf der einen Seite stützte er sich auf eine schlüssige Argumentationslinie, die u. a. den wehrmäßig geringen Gewinn bei einer Schließung der Universität heraushob. Auf der anderen Seite mobilisierte Wüst seine weitreichenden Beziehungen, darunter zu Paul Giesler, der in seiner Funktion als Gauleiter während des Krieges nach einer Anordnung Hitlers große Machtfülle auf sich vereinte. In einem Schreiben wandte sich dieser direkt an den Reichskanzler, um einen Führerentscheid zu erwirken. Weil sich auch weitere Gauleiter wie Fritz Sauckel in Thüringen unmittelbar beschwerten und für den Erhalt der Universitäten starkmachten, war der Einsatz schnell erfolgreich: Auf Anweisung von Hitler wurde die Verfügung des Reichswissenschaftsministeriums außer Kraft gesetzt. „In der Parteikanzlei war man zu der Überzeugung gekommen, dass der Einsatz von ein bis zwei Millionen Erwerbslosen für den totalen Kriegseinsatz ausreiche und es nicht notwendig sei, diese Zahl noch zu erhöhen und ‚damit die geistige Wirksamkeit unseres Volkes ohne Grund zu dezimieren‘.“100
4 Zerstörungen und Zusammenbruch Obwohl die LMU ihren Betrieb zum Wintersemester 1944/45 und damit den einheitlichen Vorlesungsbeginn mit leichter Verzögerung am 14. November wieder aufnehmen konnte101, war an einen geregelten Ablauf jedoch kaum noch zu denken. Ständige Luftangriffe sowie die damit verbundenen Verwüstungen, aber auch die anhaltende Kälte und permanente Alarme brachten das Hochschulleben nach und nach zum Erliegen, private Probleme nahmen zusehends mehr
99 Vgl. UAM, D-XVII-66. Schnellbrief des Reichsministers für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung vom 12.10.1944, sowie UAM, D-III-111. W[alther] Wüst an Paul Giesler vom 21.10.1944. 100 Schreiber, 283. Zur Verhinderung der Schließung vgl. ausführlich ebd., 277–285, sowie UAM, D-XVII-66. Der Rektor an G[ustav] A[dolf] Scheel vom 17.10.1944. Gründe gegen die Stilllegung. 101 Vgl. UAM, D-III-111. Niederschrift über die Sitzung des akademischen Senates vom 2.11.1944.
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Raum ein: „Also ich muss sagen, an die Vorlesungen kann ich mich kaum mehr erinnern. Das war alles so chaotisch, und eben auch die häuslichen Sorgen waren zu groß. Die haben sich so in den Vordergrund gedrängt.“102 Erstaunlich ist dabei, wie sehr man sich dennoch überall um einen Rest von Normalität bemühte. Durch Aufräumarbeiten, Instandsetzungen, Auslagerungen und Einrichtungen neuer Lesesäle mit Handbüchereien, aber auch durch UK-Stellungen, Fernbetreuung und Ferienkurse für die bei der Wehrmacht eingesetzten Studenten wurde die akademische Lehre, für Wüst die „innere Lebenskraft unserer Hochschule“103, bis in die letzten Monate und Wochen des Zweiten Weltkrieges – wenngleich oftmals provisorisch – aufrechterhalten: „Der Teil an der Amalienstraße war am Schluss ja ziemlich zerschmissen. Da mussten wir dann – wurde auch testiert – Schutt räumen. Und ich kann mich noch erinnern, in dem letzten Kriegswinter, das war ja so kurz vor dem Ende, und da hatten wir im Parterre noch so einen Seminarraum zur Verfügung gestellt gekriegt, wo die Vorlesung [stattfand/P. U.] – und zwar waren das lateinische Stilübungen bei Fingerle, dem späteren Stadtschulrat. Da war ein kleines Kanonenöfferl drin gestanden, und das hat man dann geheizt mit Brettern, die man von irgendwelchen zerbombten Räumen von den Regalen sich da organisiert hat. Und der Dozent hat dann zwischendurch gesagt: „Jetzt machen wir Pause, dann hupfen’s ein bisschen rum, dass Sie nicht so frieren.““104 Wie die Chronik des Seminars für Klassische Philologie zeigt, wurden sogar noch im Ferieneinsatz 1945 Texte zu Feldpostbriefen für die Wehrmachtsfernbetreuung von Studentinnen zusammengestellt und vervielfältigt.105 Allen Bemühungen zum Trotz ließ sich der Zusammenbruch des universitären Betriebs und mit ihm das Ende der studentischen Indienstnahme nicht aufhalten. War etwa die Staatliche Akademie der Tonkunst am 26. Januar 1945 durch ministerielle Ver-
102 Interview mit Dr. Friederike S. vom 21.4.2005. Vgl. dazu Interview mit Dr. Ingeborg W.-K. vom 14.7.2005, die aufgrund der Zerstörungen Skihosen an der Universität trug: „Es war ja hundekalt. […] Wir sind auch in der Skihose gegangen. Es war ja offen, waren ja die Fenster kaputt. Und mit dem Wintermantel und der Skihose ist es ja viel wärmer.“ 103 UAM, D-I-13 Band 6 (UA II). W[alther] Wüst an Generalgouverneur Reichsminister Dr. Frank vom 23.11.1944. 104 Interview mit Gertraud B. vom 27.7.2005. Zu den UK-Stellungen bzw. zur Fernbetreuung sowie den Ferien- bzw. Zwischenkursen für Wehrmachtsstudenten an der LMU vgl. Schreiber, 303–311 und 319–327, sowie die einschlägigen Dokumente im UAM, D-XVII-58. Wie entsprechende Teilnehmerlisten zeigen, nahmen etwa an den Ferienkursen der Philosophischen Fakultät ebenfalls zahlreiche Studentinnen teil. Vgl. ebd. 105 Vgl. Chronik Klassische Philologie.
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fügung bereits endgültig stillgelegt worden106, büßte die Universität München bis zum Kriegsende 80 % ihrer Gebäude und Kliniken ein.107 Im Sommer 1944 waren die der Studentenführung der LMU überlassenen Geschäftsräume im universitätseigenen Haus Schellingstraße 10 unbenutzbar geworden.108 Im November des Jahres war nahezu der gesamte Flügel des Hauptgebäudes an der Ludwigstraße den Spreng- und Brandbomben zum Opfer gefallen. Der Flügel an der Amalienstraße sowie der Mitteltrakt mit dem großen Hörsaal hatten Treffer abbekommen, während das Studentenhaus vollkommen zerstört, die Studentenführung ins Zoologische Institut in der Luisenstraße ausgelagert wurde.109 Die medizinischen Universitätsinstitute wiesen Anfang 1945 schwere Beschädigungen auf und konnten allein aufgrund des Materialmangels in absehbarer Zeit nicht wiederhergestellt werden. Lediglich der Krankenbetrieb ließ sich in bescheidenem Umfang in den Kellern wieder aufnehmen, während selbst an einen Pro-forma-Unterricht für die Münchner Medizinstudierenden nicht zu denken war.110 Die Ausbildung der noch an der Akademie zugelassenen Studierenden hatte man dagegen zwischenzeitlich an die musikwissenschaftlichen Institute der Universitäten verlegt.111
106 Vgl. Alfons Ott: Richard Trunk. Leben und Werk. München 1964, 49. 107 Vgl. Ursula Huber: Die Universität München – Ein statistischer Bericht über den Fortbestand nach 1945. In: Friedrich Prinz (Hg.): Trümmerzeit in München. Kultur und Gesellschaft einer deutschen Großstadt im Aufbruch 1945–1949. München 1984, 156, künftig zitiert als Huber: Universität München, sowie Werner Höfner: Zur Situation Münchner Krankenanstalten während des Zweiten Weltkrieges und in den Jahren des Wiederaufbaus. Diss. München 1979, 85–105. 108 Vgl. BayStA, MK 40805. Universitäts-Bauamt München an den Herrn Rektor der Universität vom 25.8.1944. 109 Vgl. UAM, D-I-13 Band 6 (UA II). W[alther] Wüst an Generalgouverneur Reichsminister Dr. Frank vom 23.11.1944, sowie UAM, D-XVII-91 Band 1. Zusammenstellung der Schäden, die durch die Luftangriffe vom 11. bis mit [sic!] 21. Juli 1944 im Geschäftsbereich des Universitätsbauamts München verursacht worden sind, vom 26.7.1944. Zur Studentenführung vgl. UAM, Sen. 365/2. Studentenführung der Universität an das Sekretariat der Universität München vom 1.2.1945. 110 Vgl. UAM, D-XVII-90. Dekanat der Medizinischen Fakultät München an seine Magnifizenz vom 8.1.1945. 111 Vgl. Stephan Schmitt: Die Staatliche Hochschule für Musik – Akademie der Tonkunst in der Zeit des Nationalsozialismus. In: Ders. (Hg.): Geschichte der Hochschule für Musik und Theater München von den Anfängen bis 1945. Tutzing 2005, 372.
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Abb. 56: Geheimrat Prof. Dr. Heinrich Wieland nach der Bombardierung seines Labors in München
Am 7. Januar 1945 erfolgte ein nächtlicher Doppelangriff auf die Stadt, der als einer der schwersten Bombardierungen gilt. Mit zwei Großangriffen und einem Einsatz von über 645 Lancaster- sowie neun Mosquitos-Bombern wurde nicht nur die totale Verwüstung vor allem der Münchner Altstadt vollendet112, sondern auch das Studentinnenheim zur Hälfte zerstört, welches den Frauen als Wohnund Versammlungshaus gedient hatte: „Studentinnenwohnheime? Ja, in der Kaulbachstraße, an des kann ich mich erinnern. Da war eine Kommilitonin von uns, sie hat dort gewohnt. Des ist aber dann kaputt gegangen auch, des ist bombardiert worden.“113 Der ehemalige Altbau, d. h. das Vordergebäude an der Kaulbachstraße, brannte bis auf die Kellerdecke aus, der Neubau, also das Rückgebäude, überstand Brand- und Luftdruck bis auf die Balkenlage des Dachstuhls über dem 4. Stock unversehrt.114 Während vom Seitenflügel der Dachstuhl mit Dachgeschoss ausgebrannt war, blieben wenigstens die darunterliegenden
112 Vgl. Hans-Günter Richardi: Bomber über München. Der Luftkrieg von 1939 bis 1945, dargestellt am Beispiel der „Hauptstadt der Bewegung“. München 1992, 413 f. 113 Interview mit Paula K. vom 9.6.2005. 114 Vgl. BayHStA, MK 70638. Bestandsaufnahme von [Franz] Treppesch vom 15.1.1948, sowie Scherer: Studentinnenheim, 349.
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Stockwerke mit etwa 50 Zimmern – abgesehen vom durchdringenden Regenwasser – noch gut erhalten. Pläne für einen Notdachstuhl, die diese Räume wieder bewohnbar machen sollten, konnten gegen Ende des Krieges offenbar nicht mehr umgesetzt werden.115 In ihren autobiographischen Erinnerungen beschreibt Inge Schubart die starken Beschädigungen, die das Marie-Antonie-Haus durch diesen Angriff erlitt. Mit bloßen Händen packten die Studentinnen phosphorsprühende Stabbrandbomben und warfen sie zum Fenster hinaus. Dennoch war der dritte Stock des Gebäudes am Ende vollkommen zusammengebrochen, der Flur verschüttet und die Eisenblechspinde der Frauen aufgrund der Hitzeeinwirkung zusammengeschmolzen. Nachdem die restlichen Bewohnerinnen in den ersten Nächten auf geretteten Matratzen im noch erhaltenen Kellerteil kampiert hatten, konnten sie – nach Angabe von Schubart – in ein von der Partei beschlagnahmtes Haus in der Gaußstraße in München-Bogenhausen ziehen. Die Behelfsunterkunft sei für elf von ihnen, die nirgendwo anders unterkamen, durch Gau-ANSt-Referentin Traudl Höpfl organisiert worden.116 Wie eine Übersicht über die Studentenwohnheime im Vorlesungsverzeichnis des Wintersemesters 1944/45 zeigt, besaß das Studentenwerk München tatsächlich ein Heim in der Gaußstraße 1117, während die ehemalige Gau-ANSt-Referentin selbst im Zeitzeugeninterview zudem von der Veterinärstraße als Ausweichadresse sprach: „Wir wohnten damals interimsweise in der Veterinärstraße im zweiten Stock eines Hauses, hatten vom Studentinnenheim einen gusseisernen Ofen […] mit rüber genommen. Mit dem konnten wir heizen und wohnten zu acht in einem Zimmer. […] Also wir hatten diese Wohnung, aber da war eine Zentralheizung, die natürlich nicht ging, kriegsgemäß. Im Studentinnenheim ging die auch schon lang nicht mehr, bevor das Heim kaputt war. Da hatten wir dann so Elektroöfchen. Und dann sagte mir jemand: „Ja, im Studentinnenheim stehen doch noch so Keramiköfen im Altbau, die könnten wir doch da rüber befördern.“ […] Das war eine leere Wohnung, und man wurde dann immer, […] von der Stadt aus war das wahrscheinlich, wurde man verteilt in irgendwelche Wohnräume, nicht. Wir wohnten dann später […] also zu acht in dem einen Raum, das geht ja
115 Vgl. StadtA Mü., Baureferat 78/5 Band 244. Abschrift Dezernat 7/D 2 zum Gegenstand Kaulbachstr. 49 vom 9.2.1945, sowie ebd. E. Kurt Hintz an den Oberbürgermeister der Landeshauptstadt München, Wohnungs- und Siedlungsreferat, vom 25.5.1946. 116 Vgl. Schubart, 101–105. 117 Vgl. Universität München: Personen- und Vorlesungsverzeichnis für das Wintersemester 1944/45. München 1944, 15.
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auf die Dauer nicht, dann hat man uns eine Wohnung, die leer war, weil die Leute evakuiert waren, in der Borstei zugewiesen.“118 Erst 1950 wurde der zerstörte Teil des Marie-Antonie-Hauses wieder instand gesetzt und um einen Erweiterungsbau mit neuen Wohngelegenheiten für über 60 Studentinnen versehen.119 Nachdem auch die Abteilung Gesundheitsdienst des Münchner Studentenwerks im Januar 1945 einen Totalschaden aufgrund von Angriffen erlitten hatte, musste die bis dato aufrechterhaltene Pflichtuntersuchung ebenfalls eingestellt werden.120 Bereits vorher war jedoch schon die Bitte ergangen, nicht untersuchten Wehrmachtsangehörigen keine Schwierigkeiten zu machen. Die Listen derjenigen, die nicht zur Untersuchung antraten, waren in der Zwischenzeit immer größer geworden. Die umfangreiche Indienstnahme und Auslese sowie Beschränkung der Studierenden hatte somit auch an der LMU – abgesehen von der allgemeinen Kriegsdienstverpflichtung – im letzten Kriegsjahr ihr Ende gefunden. Die Bemühungen der Professoren, ihren Studierenden einen Abschluss zu ermöglichen, hielten dagegen bis unmittelbar vor Kriegsende an: „Unser Examen war auf die letzten Apriltage 1945 angesetzt, ich glaube, auf den 23.4. Wir Wirtschaftswissenschaftler waren ca. ein Dutzend Examenskandidaten, die jetzt die Panik überfiel: Zu dieser Zeit wäre ja München schon eingenommen oder zum Zwecke der Verteidigung der Stadt geräumt gewesen. Ein paar von uns rannten am Dienstag nach Ostern zu unseren Professoren wegen Vorverlegung des Termins der Diplomprüfung auf sofort! Einer schickte uns zum anderen, die Telefone funktionierten zeitweilig nicht, und schließlich eröffnete uns Prof. Adolf Weber, dass sich die Kollegen geeinigt hätten, die Prüfung (Beginn) auf Montag, den 8.4.45 anzuberaumen, wenn, ja wenn es uns (Kandidaten) gelänge, alle Kandidaten nachweislich zu verständigen, was uns, unter dem Druck der Angst, gelang, bis auf 2 Leute, die in Buchlohe wohnten. Dorthin konnte man mit der Bahn nicht mehr kommen, weil Buchlohe eben am Vortag (oder kurz zuvor) bombardiert worden war (der Bahnhof war Eisenbahnknotenpunkt). Telefonieren ging auch nicht. Da radelte jemand von uns nach Buchlohe und die beiden Leute waren verständigt. Unser schriftliches Examen begann am Montag, dem 9.4.45 und endete
118 Interview mit Gertraud S. vom 26.5.2005. Nach Angaben von Schubart, 127, wurde das „Behelfs-Studentinnenheim“ nach Kriegsende von den Amerikanern beschlagnahmt. Ob es sich dabei jedoch um die Wohnung in der Borstei handelte, ist unklar. 119 Vgl. BayHStA, MK 70608. Arbeitsgemeinschaft der Bayerischen Studentenwerke und Studentenhilfen an Franz Treppesch vom 2.5.1950. 120 Vgl. UAM, P-II-35 Band 2. Studentenwerk München an das Sekretariat der Universität München vom 22.1.1945.
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mit der Ausfertigung der Diplome am 13.4.45“121. Ähnlich gestaltete sich die Situation in Berlin. Obwohl die Rote Armee kurz vor der Stadt stand, wurden hier noch am 20. April Promotionsurkunden ausgestellt.122 Erst in der letzten Aprilwoche stellte man den lokalen Universitätsbetrieb aufgrund des bevorstehenden Einmarsches der Amerikaner ein, bevor die Stadt München am 30. April 1945 den amerikanischen Truppen übergeben wurde: „Ab Anfang September wurden als Erstsemester nur noch Kriegsversehrte und Kriegerwitwen zugelassen, ferner Examenssemester wie ich. Von der Dissertationsarbeit bis zur Gesundheitsgefährdung gehetzt, habe ich dieses Ende nur noch am Rande miterlebt. Meine im Herbst eingereichte Arbeit wurde noch im normalen Verfahren begutachtet und blieb im Original erhalten. […] Mein Rigorosum bei Müller mußte ich im März 1945 in seinem Bombenfluchtwohnsitz bei Fürst Henckel-Donnersmarck in Rottach-Egern ablegen. Auf der Bahnreise dorthin geriet mein Zug hinter Deisenhofen in einen Tieffliegerangriff. Lehmann prüfte in seiner mit Klosterspenden möblierten Münchner Notwohnung. Der Dekan brachte dann den Text der Doktorurkunde mit Fahrrad unter dem schon hörbaren Kanonendonner der auf München vordringenden Erdkämpfe bis zur Druckerei. Das Blatt wurde noch mit Hakenkreuz-Siegel ausgedruckt, aber vom ersten kommissarischen Rektor der Besatzungszeit Rehm (bis Januar 1946) neben diesem (!) Siegel unterschrieben. Im September 1945 kam es schließlich in meine Hände.“123
121 Dr. T. N. in einem Schreiben an P. U. am 60. Jahrestag der Diplomverleihung vom 13.4.2005. 122 Vgl. Harders, 30. 123 Wolfgang Zorn: Studium der Geschichte im Geschichtserleben vor und nach Kriegsende. In: Hartmut Lehmann/Otto Gerhard Oexle (Hgg.): Erinnerungsstücke. Wege in die Vergangenheit. Rudolf Vierhaus zum 75. Geburtstag gewidmet. Mit Beiträgen von Karl Otmar Freiherr von Aretin, Karl Dietrich Bracher, Fritz Fellner, Iring Fetscher, Klaus Friedland, Irmgard Höß, Walther Hofer, Erich Kosthorst, Annelise Thimme, Eberhard Weis, Karl Ferdinand Werner und Wolfgang Zorn. Wien, Köln, Weimar 1997, 263. Vgl. auch den Bericht der ehemaligen Doktorandin Ingrid Roth, die noch wenige Tage vor dem Einmarsch der Amerikaner am 16. April 1945 „im wahrsten Sinne des Wortes zur Doktor-Prüfung“ schritt: „Ich bin an diesem Tag von Nymphenburg zum Medizinerviertel am Beethoven-Platz, zum Zoologischen Institut am Bahnhof, zur Wohnung von Professor Jakobs und wieder zurück nach Nymphenburg marschiert. Die erste mündliche Prüfung war bei Professor C. von Faber, der zu diesem Zeitpunkt bereits marschgerecht ausgerüstet war. Die zweite Prüfung nahm der Hygieniker Kisskalt ab. […] Die dritte Station war der Zoologe Jakobs [sic!]. Er kam vom Volksturm, um mich zu prüfen. Zuletzt prüfte mich mein Doktorvater [der Botaniker Reinhard Orth/P. U.]. Dann ging ich allein über die Felder zur Wohnung meiner Großmutter am Waldfriedhof zurück. Am nächsten Tag waren die Amerikaner da und machten es sich in Großmutters Küche gemütlich, während wir im Keller saßen. Glücklicherweise zogen sie bald wieder ab.“ Roth, 232.
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Das mit 1265 Studierenden geplante, vom 16. April bis 15. August 1945 angesetzte Sommersemester konnte nicht mehr durchgeführt werden.124 Auf Anordnung der amerikanischen Militärregierung musste die LMU am 14. Mai sämtliche Tätigkeiten einstellen.125
124 Vgl. UAM, Sen. 111 Band II. Undatierte Übersicht der Studierenden im Sommerhalbjahr 1945 mit letztem Eintrag vom 26.4.1945, sowie UAM, Sen. 147 Band 3. Rundschreiben des Reichsministers für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung vom 14.3.1945. 125 Vgl. Ludwig-Maximilians-Universität (Hg.): Ludwig-Maximilians-Universität München. München 1995, 120.
Zusammenfassung Die wissenschaftliche Untersuchung des Frauenstudiums hat zu „eigenartigen, irreführenden Ergebnissen“1 geführt. So versuchte besonders Pauwels nachzuweisen, „daß der Nationalsozialismus trotz seiner Propaganda und der gegen das Frauenstudium gerichteten Maßnahmen und Gesetze nicht in der Lage war, auf die progressive Entwicklung des Frauenstudiums Einfluß zu nehmen.“2 Pauwels gehört damit zu jenen Historikern, die die These vertreten, wonach „der Faschismus als ‚antiquierte‘ Bewegung nicht nur vergeblich versuchte, die ‚Modernisierung der Gesellschaft‘ aufzuhalten, sondern daß sie im Gegenteil unter seiner Herrschaft schneller voranschritt, […] sich also das Frauenstudium relativ unbeeinflußt weiterentwickelte.“3 Ein Vergleich der absoluten und relativen Studentinnenzahlen von 1932 und 1944 scheint diese Behauptung zu stützen: Noch nie studierten bis dato in der Geschichte des Frauenstudiums derartig viele Frauen wie 1944: 28.378 und damit 49,5 % aller Studierenden. Allein an der LMU lag ihr Anteil im Wintersemester 1943/44 bei 45,2 %. Allerdings ist Weyrather zuzustimmen, die in diesem Zusammenhang die Fragen aufwirft, was der kurzfristige Anstieg des Studentinnenanteils im Zweiten Weltkrieg für eine Bedeutung hatte und welche langfristigen Folgen Propaganda und Politik der Nationalsozialisten gegen das Frauenstudium nach sich zogen.4 Wie die Auswertung der bisherigen Forschungsbemühungen zeigt, ging es den nationalsozialistischen Machthabern vornehmlich darum, die deutsche Universität von Grund auf zu reglementieren. Ob Überfüllungsgesetz oder Arbeitsdienst, Pflichtenheft oder die Kürzung von Unterstützungsgeldern – alle Einrichtungen bzw. Erlasse der Nazis dienten in der Hauptsache der Reduzierung der Studentinnen sowie dem Ausschluss unerwünschter Personen beiderlei Geschlechts: „Der Nationalsozialismus war eine Ausgrenzungsgesellschaft“5 – auch auf Hochschulebene. Darüber hinaus nutzte die NS-Regierung die Universität ganz gezielt zur Verbreitung ihrer Propaganda, wobei sie auf ihren organisatorischen Apparat zurückgriff, wie das Beispiel der ANSt verdeutlicht. Als verlängerter Arm und damit als Sprachrohr der Partei sah die ANSt ihr vorrangiges Ziel darin, weibliche Studierende im Sinne der nationalsozialistischen Konzeption vom „Wesen der
1 Weyrather, 131. 2 Ebd. Vgl. hierzu auch Pauwels, 136. 3 Weyrather, 131. 4 Vgl. ebd. Zu den Zahlen für München vgl. die Statistik bei Ebert, 231. 5 „Einen solchen Ort hatte München bislang nicht“. Interview mit Winfried Nerdinger. In: SZ vom 26.7.2012.
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Zusammenfassung
Frau“ zu erziehen. Die ideologische Beschränkung der Frauen auf ihre angeblich ursprüngliche, eigentliche Rolle in Familie und Haushalt war dabei Bestandteil eines staatserhaltenden Weltbildes, das keine individuellen Ansichten neben der eigenen duldete. Daraus ergibt sich ein klarer Gegensatz zu einem wesentlichen Kennzeichen einer modernen, demokratischen Gesellschaft: dem Pluralismus. Statt eines einheitlichen, verbindlichen Weltbildes garantiert die pluralistische Gesellschaft eine Vielzahl von Auffassungen, Interessen und Wertvorstellungen und ermöglicht es dem Einzelnen, eigene Vorlieben und Ansichten zu artikulieren und sich für sie einzusetzen. Genau diese Freiheit aber, die Freiheit der individuellen Lebensgestaltung und damit auch der selbstverantwortlichen und uneingeschränkten Aufnahme eines Hochschulstudiums, war im Dritten Reich nicht gegeben: „Nationalsozialistische Erziehung der Studenten bedeutete in erster Linie eine radikale Einschränkung der „Freiheit“ des einzelnen Studenten oder studentischer Verbindungen […]. Nicht der einzelne Student als Individuum war von Bedeutung, sondern der Student als Adressat und Objekt politisch-pädagogischer Indoktrination.“6 Auf nahezu sämtlichen Gebieten versuchte man, Spontanität und Bewegungsspielraum der zukünftigen Akademiker einzuengen bzw. zu kontrollieren7, „also man hat gar nicht so ein freies Leben gehabt, wie man [es/P. U.] sonst [in der/P. U.] Studentenzeit hat.“8 Um dies zu gewährleisten, wurden die traditionellen Einrichtungen und Apparate „unter neuen Zielsetzungen benützt, sie wurden entsprechend politisiert, dem Führerprinzip unterworfen und von politischen Überwachungs- und Kontrollinstanzen begleitet und gelenkt“9 – ein Ergebnis, das sich unmittelbar auf die Situation der Münchner Studentinnen übertragen lässt. Wie u. a. die Untersuchung des Marie-Antonie-Hauses von seiner Einweihung im Jahre 1931 bis zu seiner Bombardierung im Januar 1945 gezeigt hat, gerieten die Hochschulen nach 1933 in den „Sog einer ideologischen Umgestaltungsdynamik“10, die praktisch in sämtlichen Bereichen des universitären Lebens einsetzte – vom Sportprogramm über die Fachschaftsarbeit bis hin zur Gesundheitsuntersuchung. Den Nationalsozialisten spielte hier in die Hände, dass der institutionelle Rahmen auf lokaler Ebene in vielen Punkten längst vorhanden war, was vordergründig nur mehr eine
6 Stuchlik, 101. 7 Vgl. Adam, 110, sowie Helmut Böhm: Die Universität München nach 1933. In: Lothar Mertens (Hg.): Politischer Systemumbruch als irreversibler Faktor von Modernisierung in der Wissenschaft? Berlin 2001, 27, künftig zitiert als Böhm: Universität München nach 1933. Ebenso Giovanni: Studentenpolitik, 298. 8 Interview mit Dr. Anneliese Helmer vom 21.5.2005. 9 Böhm: Universität München nach 1933, 89. 10 Dorsch, 58.
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ideologische Aushöhlung und Aufladung nach eigenen Gesichtspunkten notwendig machte. Aktivisten bzw. Funktionäre wie der ehemalige Jurastudent Karl Gengenbach verkörperten in diesem Zusammenhang schon vor der Machtergreifung den Vertreter eines auf Auslese und Beschränkung ausgerichteten Systems, das die Universität als Organisation und mit ihr die Angehörigen für seine Zwecke instrumentalisieren und mobilisieren wollte. Zugleich stand Gengenbach stellvertretend für die wachsende Fremden- und Judenfeindlichkeit, die zusammen mit den Maßnahmen zur Eindämmung weiblicher Berufstätigkeit bereits das (hochschul-)politische Klima der ausgehenden Weimarer Republik geprägt hatte. Die Studentinnen selbst bewegten sich in einem perfiden Spannungsfeld aus zunehmender gesellschaftlicher Etablierung auf der einen und aufkommender Ablehnung auf der anderen Seite, dem ein jahrelanges, unermüdliches und vor allem wechselhaftes Tauziehen um ihre Person folgen sollte. Diesem Tauziehen und damit den hochschulpolitischen Entwicklungen traten die Frauen scheinbar überwiegend passiv gegenüber. So verbindet sich mit dem Bild der Studentin im Dritten Reich gemeinhin die Vorstellung, sie hätte sich primär bemüht, den umfangreichen Erziehungsmaßnahmen sowie der vielfältigen Indienstnahme sportlicher und politischer Art so gut es ging zu entkommen11: „the majority of the women students remained aloof and inactive.“12 Selbsteinschätzungen zufolge versuchten weibliche Studierende überwiegend, sich aus der Zwangsorganisation herauszuhalten, und berichten heute, sie hätten sich vor allem gedrückt und möglichst wenig Arbeit bzw. Zeit in die Erledigung der Pflichten investiert.13 Auch zeitgenössische Einschätzungen kamen schon in den 1930er Jahren zu dem Schluss, die neu immatrikulierten Kommilitonen würden sich jeder politischen Stellungnahme enthalten und seien ausschließlich auf ihr intensives Studium konzentriert.14 Das Interesse an außerfachlicher und politischer Betätigung wird demnach in der Forschung grundsätzlich als gering eingestuft. Dies gilt umso mehr, nachdem der Krieg den studentischen Alltag zusehends bestimmte und sich die Frauen einerseits verstärkt in den privaten Bereich zurückzogen, andererseits am schnellen Abschluss ihres Studiums arbeiteten.15
11 Vgl. Deinert, 351. 12 Pauwels, 64. Vgl. auch ebd., 139: „Their general mood was one of apathy and indifference to the slogans of National Socialism.“ 13 Vgl. Fuchs: TH, 223. Ebenso Adam, 105, Kohler, 251, und Clephas-Möcker/Krallmann: Studentinnenalltag, 180 f., sowie die entsprechenden Äußerungen der Interviewpartner in dieser Arbeit. 14 Vgl. Boberach 2, 141. 15 Vgl. Schallner, 28 ff., sowie Rückl, 135.
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Diese Tendenz lässt sich gleichermaßen an der LMU beobachten. Dennoch wäre es verfehlt, eine Typologie der Münchner Studentin zu entwerfen, die sich primär zwischen den Kategorien „Gleichgültigkeit“ und „politisches Desinteresse“ bewegt, ohne die spezifischen Studienbedingungen vor Ort in den Blick zu nehmen. Eine derartige Zuschreibung würde bedeuten, den unmittelbaren Einfluss zu ignorieren, den die lokale Umsetzung der reichsweiten Gesetzgebung auf das Verhalten der Studierenden hatte. Um eine eindimensionale Perspektive zu vermeiden, müssen die Reaktionen der Frauen auf Auslese, Beschränkung und Indienstnahme im Dritten Reich zudem in Abhängigkeit vom Zeitpunkt ihrer Immatrikulation betrachtet werden. So verlief die Neugestaltung der Hochschule nach nationalsozialistischen Grundsätzen an der Universität München nicht immer reibungslos. Vor allem in den Anfangsjahren existierten die notwendigen Rahmenbedingungen für eine umfassende Indienstnahme nicht. Die scheinbare Tatenlosigkeit der Studentinnen resultierte in dieser Phase paradoxerweise also auch aus einem institutionellen Mangel: Fehlendes, qualifiziertes (Führungs-)Personal, unzureichende Räumlichkeiten, Geldsorgen, Kompetenzstreitigkeiten und logistische Hindernisse stellen nur einige Faktoren dar, die ihrer Einbindung zuwiderliefen und mitunter schon in der Weimarer Republik zutage getreten waren. Das Beispiel der (freiwilligen) Leibesübungen verdeutlicht dies exemplarisch. Die Diskussion um personelle Kapazitäten, ungenügende finanzielle Mittel, mangelnde Sportstätten, Ausweichquartiere etc. zieht sich wie ein roter Faden von den 1920er Jahren bis zum Ende der 1930er Jahre. Diese Schwierigkeiten verhinderten einen effektiven Übungsbetrieb ebenso wie eine vollständige Erfassung, obwohl das Bayerische Staatsministerium noch vor dem Erlass von Gisela Brettschneider, ehemalige Reichsleiterin der ANSt und Leiterin des H VI der DSt, eine Anordnung über die pflichtmäßigen Übungszeiten für Erst- und Zweitsemester herausgegeben hatte. Zwar war die LMU also grundsätzlich zur Umsetzung des Pflichtsports bereit, jedoch erwiesen sich die Größe der Universität und mit ihr die hohe Anzahl weiblicher Studierender noch als zusätzlicher Hemmschuh. Die Bedeutung, die man dem Sport zumaß, wurde am Ende folglich von der Realität vor Ort überholt. Weil zu Beginn überdies kein engmaschiges Netz disziplinarischer Art existierte, stellte sich zahlreichen Betroffenen überhaupt nicht die Frage, ob und inwieweit sie sich aktiv einbringen wollten. Ihre Untätigkeit war in diesem Fall vielmehr systembedingt und nicht auf eine bewusste, individuelle Entscheidung zurückzuführen. Die Beispiele für diese Wechselwirkung ließen sich fortsetzen. Auf dem Gebiet des Frauendienstes kam zu den oben genannten Punkten hinzu, dass das Kultusministerium zunächst eine Schulung im Nachrichtenwesen ablehnte, weil die zeitliche Belastung für die weiblichen Kommilitonen als stärker erachtet
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wurde als bei den Männern. Dies verzögerte die Einführung eines Dienstes, der im Nachhinein nicht mehr allen Studentinnen angeboten werden konnte – unabhängig von deren eigener Präferenz. Zudem führte sich das System mitunter ad absurdum, etwa wenn die Teilnahme an der GPf für Erst- bis Drittsemester mit der Möglichkeit des Ausscheidens Untauglicher und Widerwilliger auf eine freiwillige Basis gestellt wurde. Ein einseitiger Interaktionsprozess ergab sich auch im Rahmen der NSV, die – ebenso wie die Fachschaftsarbeit – primär linientreue Mitglieder und weniger die breite Masse im Visier hatte. Da selbst ANSt-Kameradinnen kaum an der Mitarbeit der übrigen Kommilitoninnen interessiert waren, erforderte der fehlende Teilnahmezwang per se keine größeren, persönlichen Zugeständnisse, bedingten sich ausbleibende Aktion und Reaktion wiederholt. Undurchsichtige und zum Teil widersprüchliche Verordnungen auf Reichs- und lokaler Ebene sowie entsprechende Propaganda sorgten für Unsicherheit innerhalb der Studentenschaft: So blieb zum Beispiel das Verhältnis von freiwilliger und pflichtmäßiger Teilnahme wie bei der Fachschaftsarbeit oder beim Erntedienst im Unklaren. Vor diesem Hintergrund erscheint es nicht verwunderlich, dass selbst aus den Reihen der ANSt im Sommer 1934 Stimmen laut wurden, wonach München in der Studentinnenarbeit in vielen Punkten weit zurück sei. Dies führte man u. a. auf das Verhalten alter Kameradinnen aus den eigenen Reihen zurück, obwohl sich in der bayerischen Landeshauptstadt schon Ende der 1920er Jahre die ersten Anhängerinnen des Nationalsozialismus zusammengeschlossen und freiwillig für verschiedene Dienste zur Verfügung gestellt hatten. Dennoch nahmen in den darauffolgenden Jahren die Klagen über die hohe Fluktuationsrate innerhalb der Mitgliederschaft, über Organisationsprobleme, Personalmangel, geringe Einsatzbereitschaft, finanzielle Probleme und fehlenden Nachwuchs stetig zu. Im Rahmen des studentischen Wahlkampfs erwiesen sich die hiesigen NS-Studentinnen als wirklichkeitsfremd und ignorierten die tatsächlichen Probleme, die den Hochschulalltag zahlreicher Kommilitoninnen bestimmten, wie etwa materielle Schwierigkeiten. Weil etliche Funktionärinnen der ersten Stunde die LMU bei Machtergreifung längst verlassen hatten, viele Frauen der ANSt in der Folgezeit lediglich in der Hoffnung auf etwaige Vorteile beigetreten waren und es nach 1933 zu einer strengen Auslese unter den Mitgliedern der NS-Organisation kam, fehlte in München neben dem notwendigen institutionellen Rahmen eine erkennbare bzw. ausreichende Riege an „Leuchtturmfiguren“, um die Neugestaltung der Universität nach nationalsozialistischen Grundsätzen zügig und konsequent voranzutreiben. Die organisatorische Zersplitterung der Veranstaltungen sowie die unterschiedliche Zuständigkeit verschiedener Einrichtungen wirkten sich gleichermaßen negativ aus: „In der Überorganisation konnten sich viele organisa-
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tionsfrei halten.“16 Eine Vorreiterrolle nahm die LMU auf diese Weise nicht ein, da „eine Kluft zwischen förmlicher Gleichschaltung und wirklicher Umsetzung“17 bestand. Vieles hing, um ein Ergebnis von Steffen-Korflür zu übernehmen, auch hier „von den lokalen Verhältnissen und den Persönlichkeiten der einzelnen Funktionsträger ab.“18 Erst im Wintersemester 1938/39 habe man – so ein interner Bericht – etwa auch die lokale ANSt-Arbeit „zum ersten Male seit langem unter normalen, geordneten Verhältnissen beginnen“ können, wenngleich längst nicht alle Semesterziele erreicht worden waren. Als Begründung wurde die „chronische Inanspruchnahme“ der Studentinnen durch Kunst, Wissenschaft, Sport etc. aufgeführt, das „Absacken während der „vorigen Ära“ und die damit eingerissene Disziplinlosigkeit und Schlaksigkeit, die sich überhaupt in München gar zu gerne breit“19 gemacht hätte. Ein sinnvoller, planmäßiger Aufbau der Kulturarbeit und der musischen Erziehung war bis dato bspw. ebenso wenig möglich gewesen wie eine engere Zusammenarbeit mit anderen Organisationen. Dennoch darf dieses Ergebnis nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich das Klima unaufhaltsam veränderte. Weibliche Studierende sahen sich trotz der institutionellen Mängel nach 1933 einem bis dato unbekannten Zugriff auf ihre Person ausgesetzt, den es so in der Weimarer Republik nicht gegeben hatte: Den Versuchen, die Anzahl ihrer Immatrikulationen zu regulieren, oder den Diskussionen über das Studium jüdischer Kommilitonen – d. h. den definitiv schon in den 1920er Jahren erkennbaren Formen der Auslese und Beschränkung – standen bislang keine strikten Maßnahmen zur außerfachlichen Einbindung gegenüber. Das gilt auch, obwohl die Universität München frühzeitig Initiativen wie den FAD unterstützt oder die Studentenschaft seit 1923 die pflichtmäßige Einführung der Leibesübungen gefordert hatte. Zu den organisatorischen Schwierigkeiten gesellte sich folglich ein spürbarer Widerwille der Studentinnen gegen die ungewohnte Einschränkung ihrer studentischen Freiheit, eine Haltung, welcher man durch die weltanschaulich-politische Erziehung der ANSt entgegenwirken wollte. Allerdings sprach sich Lieselotte Brandt, ehemalige ANSt-Leiterin der LMU20 und – nach eigenen Worten – „älteste Nationalsozialistin“ der Universität Freiburg, bereits im November 1933 in einem Brief an Reichsführer Oskar Stäbel gegen die vorherrschende universitäre Erziehung weiblicher Studierender aus:
16 Klose, 241. 17 Deinert, 351. 18 Steffen-Korflür, 94. 19 Alle Zitate nach BArch, RSF II* 540 (a 438). ANSt. der Studentenführung Universität München. Bericht über das WS. 1938/39. 20 Vgl. Kapitel I, 2.5 Die Konsolidierung der Münchner ANSt-Gruppe.
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„Ich höre derartig viele Klagen von Seiten fast sämtlicher Studentinnen, dass das nicht gut auslaufen kann. Wir werden von A bis Z überanstrengt. Der Erfolg davon ist, dass die Studentin eine nervöse, überspannte, abgearbeitete Frau wird und dadurch nicht mehr das werden kann, was sie soll, nämlich eine deutsche Frau und Mutter. Wir wollen doch schliesslich den Nationalsozialismus keinem aufoktroyieren, sondern jeden dazu überzeugen. Viele Studentinnen sagten mir, sie kämen dadurch wieder vom Nationalsozialismus ab, was man den Frisch überzeugten gar nicht so übelnehmen kann. […] Man muss doch berücksichtigen, dass diese Studentinnen die Hauptzeit ihres Studiums in der alten Zeit absolviert haben, in der es so etwas nicht gab.“21 Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass die Kritik an der Mehrfachbelastung im Sommer 1934 in der „Münchener Studentenrevolte“ gipfelte. Auch Frauen brachten hier ihre Unzufriedenheit offen zum Ausdruck und trugen auf diese Weise dazu bei, dass die Nationalsozialisten den hochschulpolitischen Kurs korrigierten und die außerfachlichen Belastungen reduzierten. Ein neuer Arbeitsplan verpflichtete nur mehr die ersten drei Semester zu verschiedenen Diensten, mit der Option, anschließend weiterhin aus eigenem Antrieb tätig zu sein. Eine auf Freiwilligkeit und Begeisterung basierende Mobilisierung der Studentinnen blieb an der LMU jedoch bis Kriegsende ebenso aus wie deren vollständige Erfassung. Vier Gründe spielten dabei besonders zusammen. Erstens setzten sich die Probleme bei der Umsetzung der einzelnen Pflichtprogramme bis Kriegsbeginn weitgehend fort. Selbst engagierte ANSt-Mitglieder wurden in ihrem Aktionismus mitunter durch lokalspezifische Besonderheiten unfreiwillig gebremst, als bspw. die örtlichen Gruppen der NSF die angebotene Hilfe und Bitte um Zusammenarbeit ausschlugen. Zweitens nutzten die Münchner Studentinnen wie ihre Kommilitoninnen anderer Universitäten gezielt diejenigen Schlupflöcher aus, die sich aus den Ambivalenzen des NS-Systems und den Diskontinuitäten im Bereich der Hochschulpolitik, im Krieg durch die zunehmende Desorganisation und die unaufhaltsame Einstellung der Pflichtveranstaltungen ergaben. So propagierte man einerseits den ‚gesunden Volkskörper‘, andererseits stand in der universitären Praxis faktisch allen Abiturientinnen
21 Alle Zitate nach BArch, RSF II* 499. Lieselotte Brandt an Dr. Stäbel vom 28.11.1933. In einem Brief an ANSt-Reichsleiterin Gisela Brettschneider wiegelte die aktuelle Leiterin der Freiburger ANSt, Hedi Hagenauer, Brandts Vorwürfe jedoch als unbegründete „Wühlarbeit“ ab: „Unsere hiesige ANST.-Gruppe ist durchaus in Schwung, meine Kameradinnen stehen durchaus in allen Punkten hinter mir […]. Nur eine Klicke [sic!] von 4 Mitgliedern der ANSt., die von Liselotte [sic!] Brandt angeführt ist, macht seit Beginn des Semesters hintenherum gegen alles, was in der Gruppe geschieht, Opposition und versucht, unsere jüngeren, neuen Kameradinnen zu verhetzen.“ Ebd. Hedi Hagenauer an Gisela Brettschneider vom 16.12.1933.
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(und Abiturienten) trotz des „Geredes über eine ‚positive Auslese‘ anhand weltanschaulich-nationalsozialistischer Kriterien“22 das Studium nahezu unbeschränkt offen. Nicht einmal physische Leistungsfähigkeit, wie sie der oftmals körperlich anstrengende Arbeitsdienst erforderte, war eine wirkliche Zulassungsvoraussetzung. Diejenigen, die den Arbeitsdienst aus gesundheitlichen Gründen nicht ableisten konnten, hatten immer noch die Möglichkeit, am Ausgleichsdienst teilzunehmen. Da in der Regel die Studienabsicht für die Schulabgänger den einzigen Grund darstellte, weshalb sie sich den Anstrengungen des Arbeitsdienstes überhaupt unterzogen, war die Zahl derjenigen, welche nach 13 oder 26 Wochen Arbeitslager ihre Studienabsicht aufgaben und sich für einen anderen Beruf entschieden, überdies sehr gering. In der Regel fühlten sich die Abiturientinnen in ihrem Wunsch, die Universität zu besuchen, eher bestärkt und waren am Ende des Dienstes erst einmal froh, wieder draußen zu sein.23 Das belegen auch die zahlreichen Meldungen für die als kriegswichtig erachteten Studiengänge, womit die Frauen eine Verlängerung ihrer Einsatzzeit pragmatisch unterwanderten. Am Beispiel des Arbeitsdienstes wird folglich nicht nur das partielle Auseinanderklaffen zwischen staatlich angestrebter Politik und universitärer Praxis deutlich, sondern auch, dass der Nationalsozialismus weder alles lückenlos regeln wollte noch konnte, und das umso weniger, je größer der Standort einer Hochschule wie etwa München war; fehlende Testate in den Pflichtenheften ehemaliger LMU-Studentinnen, eine mangelnde Anwesenheitskontrolle sowie die Befreiung vom Pflichtsport durch Vorlage ärztlicher Atteste sind nur einige Beispiele dafür. Sogar das Geschlechterverhältnis wurde in letzter Konsequenz von der Größe des Standorts beeinflusst: „Es hing eben nicht nur von dem Anteil von Studentinnen ab, wie diese von ihren Kommilitonen behandelt wurden, ebensowenig nur von der Fakultät, an der die Frauen studierten. […] Je kleiner die Universitätsstadt und je stärker das lokale studentische Verbindungswesen, desto frauenfeindlicher das Klima. Studierende Frauen zogen daher im allgemeinen die Großstadtuniversitäten vor“24. Dieser Punkt könnte auch erklären, warum sich der allgemeine Rückgang des Frauenstudiums an der LMU – als zweitgrößter Universität des Reiches – kaum bemerkbar machte und es bis 1935/36 keine signifikanten Veränderungen gab. Der Prozentsatz der überwiegend in der Medizinischen und Philosophischen Fakultät I und II eingeschriebenen Frauen bewegte sich vor und nach 1933 zwischen 18 und 20 % und lag somit leicht über dem Durchschnitt sämtlicher Uni-
22 Huerkamp: Bildungsbürgerinnen, 83. 23 Vgl. ebd., 84. 24 Ebd., 156.
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versitäten: Ein allgemeiner Rückgang des Frauenstudiums nach Machtergreifung der Nationalsozialisten machte sich auf lokaler Ebene nicht bemerkbar. Erst ab dem Sommersemester 1937 sank der Anteil weiblicher Immatrikulationen prozentual betrachtet um circa 2 %, bis er in der Kriegszeit eine außergewöhnliche Höhe von teilweise 50 % erreichte.25 Ein weiterer, dritter Punkt, der die Indienstnahme und Mobilisierung der gesamten Studentenschaft existentiell beeinflusste, lag in der veränderten Zusammensetzung der Studierenden. Nach Bruhn und Böttner kam es bereits 1935 und 1936 zu einem Generationswechsel an den Hochschulen. „Der „natio nalsozialistische Kernkader“ der Studierenden der frühen 1930er Jahre verließ nach dem Examen die Universität. Die neue Studentengeneration wurde, anders als ihre Vorgänger, bereits im Nationalsozialismus durch Schule, Hitlerjugend, Wehrdienst und Arbeitsdienst sozialisiert.“26 Das bedeutet, sie hatten „nicht mehr den Übergang von der „liberalistischen“ Universität Weimarer Zuschnitts zur Hochschule im Dritten Reich“27 erlebt, sondern wurden direkt mit den Anforderungen des Dritten Reichs konfrontiert, waren durch eine geschlossene „Kette von Sozialisationsinstanzen“28 entsprechend „gedrillt“ und hatten sich an das Gefühl „gewöhnt“, „von Anfang an beim Wickel“ gepackt worden bzw. fremdbestimmt zu sein: „Und, ich meine, wir waren ja in dieser Zeit, wie soll ich sagen, groß geworden. Wir haben ja gewusst, das hilft nichts, du musst, nicht.“29 Wenngleich Dienste und Pflichten zunehmend ihre Prägung hinterließen und die Frauen den politischen Impetus dahinter selbst zu Kriegszeiten oftmals nicht wahrnahmen, erscheint es dennoch verfehlt, davon zu sprechen, diese Generation habe sich grundsätzlich durch „Passivität“30 ausgezeichnet. So ist einerseits davon auszugehen, dass sich reflexionsverhindernde Momente ab 1939 zusätzlich noch durch die äußeren Einwirkungen verstärkten, die den Einzelnen mehr und mehr auf sich selbst und die Sicherung seiner alltäglichen Existenz zurückwarfen: „(M)an hatte so mit dem Kriegsalltag zu kämpfen, dass man wirklich nicht mehr viel fragte, sondern man hat nur immer gerade das gesehen, was man zu bewältigen hatte.“31 Dass Dissens und resistente Kräfte in der Studentenschaft – etwa in religiösen Verbindungen – nach wie vor existierten und sich spontan artikulieren konnten, bewiesen andererseits allerdings nicht nur die
25 Vgl. Böhm, 221 f. 26 Alle Zitate nach Bruhn/Böttner, 110 f. 27 Meisiek, 149. 28 Giovanni: Studentenpolitik, 299. 29 Alle Zitate nach Interview mit Gertraud B. vom 27.7.2005. 30 Alle Zitate nach Bruhn/Böttner, 110 f. 31 Interview mit Gisela R. vom 14.4.2005.
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erstmals von der Indienstnahme erfassten Studierenden bei der Münchner Studentenrevolte, sondern auch ihre Kommilitonen späterer Semester beim Erntehilfeeinsatz 1939 oder bei der Giesler-Rede 1943 – und das, obwohl sich der Druck zur Beteiligung an den außerfachlichen Aktivitäten zunehmend erhöhte. Hatte das Zusammenspiel aus lokalen Verhältnissen und persönlichem Geschick gepaart mit dem jeweiligen Engagement der Funktionäre die persönliche Beanspruchung im besten Fall auf ein Minimum schrumpfen lassen, hebelten reichsweite Vereinbarungen wie die automatische Überführung von BDM-Mitgliedern in die ANSt einen Großteil der eigenen Ermessensgrundlage wieder aus. Hohe Mitgliederzahlen deuteten folglich keinesfalls auf „ein starkes politisches Engagement“32 hin, sondern waren das Ergebnis geschickter Hochschulpolitik – ein vierter Grund, warum sich nicht von einer freiwilligen und auf Begeisterung fußenden Mobilisierung der Frauen sprechen lässt. Dem Zustand von 1935, wo nach Angaben einer Zeitzeugin „alles noch in Schwebe“ gewesen sei, und „diese Pflichtsachen […] nicht so heftig“33 waren, wusste man im Laufe der Zeit ebenso auf lokaler Ebene zu begegnen: „Das war ja alles programmiert und geplant.“34 Bereits im Frühjahr 1936 plante man die Erfassung sämtlicher Erstsemester in einem dreitägigen Lager, d. h. eineinhalb Jahre, bevor eine entsprechende Anordnung der RSF erging. Obwohl nachweislich auch die Universitäten in Berlin und Bonn zu den Pionieren auf diesem Gebiet zählten, ist aufgrund fehlender Vergleichsuntersuchungen nur eine individuelle Analyse für München möglich. Gezielte Landkäufe und Baumaßnahmen sowie das Zusammenspiel von Studentenwerk und Studentenbund sollten aus dem lokalen Anwesen Seeshaupt eine reichsweite Einrichtung zur „nationalsozialistischen Formierung“35 machen, ein Renommeeprojekt, das bereits für erstes Interesse aus dem Ausland sorgte. Der Krieg und mit ihm der Wandel zum Erholungsort sowie seine Funktion als Lagerstätte machten dieses Vorhaben allerdings zunichte. Als Indoktrinationsmittel steht das Münchner Lager jedoch stellvertretend für eine Form der studentischen Mobilisierung, die in den wenigsten Fällen auf Freiwilligkeit und Begeisterung basiert haben dürfte. Vielmehr griffen die Funktionäre zu verschiedensten Maßnahmen innerhalb und außerhalb des universitären Bodens, um die Indienstnahme, Erfassung und Auslese der Frauen auf subtile Weise so weit als möglich zu erzwingen. Davon profitierte auch die Münchner ANSt. Sie sicherte sich eine steigende Mitgliederzahl seit jeher durch
32 Böttner, 273. 33 Interview mit Dr. Elisabeth P. vom 17.4.2005. 34 Interview mit Dr. Helmtrud G. vom 18.7.2005. 35 Buggeln/Wildt, 201.
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entsprechende „Werbemaßnahmen“, in der Weimarer Republik durch Aushänge oder direkte Ansprache der Kommilitoninnen, später zusätzlich im Rahmen der externen Semesterantrittslager sowie durch interne Veranstaltungen an der Universität, darunter die Registrierung bei der Immatrikulation. Wo – wie in diesen Fällen – ein ausgeklügelter institutioneller bzw. organisatorischer Rahmen und eine ausreichende Anzahl an Personal aufeinandertrafen, wo gezielte Ansprache und sozialer Druck zusammenkamen, fiel es den Frauen wesentlich schwerer, sich der Indienstnahme und damit der „Mobilisierungsdiktatur“36 des Nationalsozialismus bewusst und aus freien Stücken zu entziehen: „Dann musste man in die ANSt […]. Da musste man rein. Es hat geheißen: Wer nicht reingeht, darf kein Examen machen. Und ich habe ja studiert, damit ich einmal mein Brot verdienen kann, gell, darum wäre das gar nicht gegangen.“37 Wenngleich die Betroffenen innerlich also ablehnend, desinteressiert oder teilnahmslos gewesen sein mögen38 und es der ANSt nicht gelang, eine neue studentische Lebensform zu etablieren, hatte man sie doch äußerlich mobilisiert und den gewünschten Studentinnentypus augenscheinlich geschaffen. Eine systemstabilisierende Wirkung lässt sich an dieser Stelle nicht absprechen.39 Wo Frauen sich als mehr oder weniger „stille Bundesgenossinnen“40 erwiesen, unterstützten sie zwangsläufig das NS-System. Die Zweifel Bruhns, „inwieweit die von den oktroyierten Kundgebungen der Studentenschaft getragene politische Kultur auch tatsächlich dem Lebensgefühl und der inneren Haltung der Studierenden entsprochen hat“41, konnten für München nachweislich an vielen Stellen ausgeschlossen werden. Die äußere Gleichschaltung und „Zwangspolitisierung von oben“ führten nicht nur „zu einer weitgehenden Entpolitisierung von unten“42, sondern auch von innen. „Die Fülle der Arbeiten […], die nichts mit dem eigenen Fache zu tun hatte, stumpfte [einen/P. U.] völlig ab und jeder Geist der Freiwilligkeit hörte auf.“43 Dass mit dieser Einstellung nicht zwingend eine ablehnende oder widerständige Haltung oder gar „Fundamentalopposition“44 verbunden war, wurde in der bis-
36 Ebd., 200. 37 Interview mit Catharina B. vom 3.5.2005. 38 Vgl. Pauwels, 139. 39 Vgl. Klinksiek, 123. 40 Christina Thürmer-Rohr: Die postmoderne These vom „Tod der Geschichte“. Feminismus und der Holocaust. In: Ortrun Niethammer (Hg.): Frauen und Nationalsozialismus. Historische und kulturgeschichtliche Positionen. Osnabrück 1996, 31. 41 Bruhn, 235. 42 Grüttner: Sorgenkind, 229. 43 Schütz-Sevin, 108. 44 Dorsch, 223.
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herigen Forschung ebenso wiederholt herausgearbeitet45 wie die Tatsache, dass ein an die Öffentlichkeit dringender Widerstand wie im Fall der Geschwister Scholl die Ausnahme war46, d. h. die „LMU war nicht widerständiger als andere Universitäten“47. Die Aussagen ehemaliger Münchner Studierender stützen
45 Vgl. u. a. Grüttner, 360; Stuchlik, 129; ebenso Hopp, 61, die schreibt, die zunehmende Konformität mit dem nationalsozialistischen Regime sei durch „stillschweigende Akzeptanz“ geprägt gewesen. 46 Vgl. u. a. Adam, 201, Grüttner: Sorgenkind, 225 f., sowie die zeitgenössische Einschätzung zur Haltung der Rechtsstudenten, die als stellvertretend für die Stimmung unter den Studierenden gelten kann: „Die Studentinnen treten politisch kaum hervor. Insgesamt überwiegt nach den Meldungen der Eindruck der politischen Interesselosigkeit und einer betont kritischen Einstellung. […] Bei den Studenten herrsche schließlich auch eine Abneigung gegen Veranstaltungen, in denen eine allgemeine politische Schulung geboten werde. Die allgemeine politischweltanschauliche Schulung, die sich oft darauf beschränkt habe, fertige Ergebnisse in propagandistischer Form zu übermitteln, habe die Studenten unbefriedigt gelassen und werde ihren besonderen geistigen Bedürfnissen nicht gerecht. Ein gewisser Widerwille gegen allgemeine politisch-weltanschauliche Einwirkung sei bei den Studenten daher unverkennbar. […] Es liegen nach den Meldungen jedoch keine Anzeichen dafür vor, daß dieser äußerlich in einer politisch gleichgültigen und indifferenten Haltung der Rechtsstudenten zum Ausdruck kommende Zustand allgemein auf gegnerische Tendenzen zurückgeht.“ Boberach 14, 5418. 47 Martin Thurau: Campus München: Neue Publikationen zur NS-Geschichte der Ludwig-Maximilians-Universität. Hochschule unterm Hakenkreuz. Der Historiker Hans-Michael Körner über die Anfälligkeiten der Akademikerschaft, über innere Emigration und das lange Schweigen nach 1945. In: SZ vom 27.9.2006. Zu den Geschwistern Scholl vgl. Interview mit Dr. Alois O. vom 13.4.2005 über die Kundgebung an der Universität München, die im Anschluss an die Festnahme der Geschwister Scholl einberufen wurde: „Jedenfalls mussten wir halt da einen Tag oder zwei später zur Uni zu einer Kundgebung. Und da kam dann so ein „Goldfasanhahn“, haben wir immer gesagt, und hat sich also aufgeführt über diese Verräter […]. Und zum Schluss hat er gesagt: „Was sagt Ihr dazu?“, nicht. Und dann hat der gemeint, wir schreien jetzt alle: „Ja, hängt sie auf“ und die „bösen Leute“. Ich kann Ihnen sagen: Eisige Stille, eisige Stille. Also da hätte die berühmte Stecknadel fallen können. Und der war also völlig platt […]. Er hat kein Gegen gekriegt, gell, also keinen Widerspruch, nein, aber auch keiner hat was gesagt, nicht. Einfach Totenstille, nicht. Und dann […] sind die Gesichtszüge entgleist und dann hat er eine Zeit lang gebraucht, dann wusste er jetzt nicht, was er recht tun sollte. Dagegen war man nicht, dafür auch nicht, dann hat er halt weiter geschimpft. […] Also diese Kundgebung, das war typisch, wie’s bei uns zuging. Und da kommt etwas gleich, wie wir gestimmt waren. Ja, erstens wollten wir studieren, zweitens haben wir gesagt „ja, das ist doch völlig aussichtslos“, und drittens, wie soll ich sagen – ich habe später einmal den Spruch erfunden: Im Krieg gibt es nur ein Gesetz, nämlich ihn zu überleben. Und das haben wir nicht wörtlich gesagt damals, aber gedacht hat’s jeder von uns. Das waren ja lauter Studiker und Leute, gell. Und da hat eben jeder sich so verhalten, dass er nicht auffällt, nichts dagegen [sagen/P. U.], weil’s sonst Ärger gibt und nicht dafür, weil er sonst womöglich einvernahmt wird, und sollte da was werden, wo jeder dachte „ich bin doch nicht blöd und mach da den Funktionär“, nicht. Ja, das war also die Stimmung. […] Und also mit den Scholls […], natürlich hat man ein paar Tage später erfahren, dass die sie umgebracht haben,
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dieses Ergebnis: „Wobei ich sagen muss, ich gehöre nicht zu denen, die heute, wenn Sie heute rumhören, sind sie ja alle dagegen gewesen; das ist ja höchst merkwürdig. Und ich war nicht dagegen. Ich war keinesfalls dagegen wie viele andere auch nicht. Und darum habe ich auch vieles einfach als selbstverständlich empfunden. Ich war elf Jahre, als Hitler an die Macht kam. Mein Vater war altes Parteimitglied, der war also schon immer für Hitler gewesen. Er war allerdings ein sehr unpolitischer Mensch. Meine Mutter hat oft gesagt: „Heinz, geh‘ doch mal zu so einer Versammlung“, schon wie die noch gar nicht [an der Macht waren/P. U.]. „Ach, ich mag die Vereinsmeierei nicht.“ Er hat also brav seinen Beitrag gezahlt, war aber nachher doch sehr stolz, mit seinem Ehrenzeichen rumlaufen zu können. Das war das Parteiabzeichen, was so einen goldenen Kranz da noch herum hatte. Und darum habe ich nie was anderes gesehen und gehört. Und das gehörte für mich einfach zum Leben, nicht.“48 Dieses Gefühl sowie die Tatsache, dass das Frauenstudium in der zweiten Hälfte des Dritten Reiches „zu einer kaum mehr reflektierten Selbstverständlichkeit wurde“49 und die Vorkriegsverhältnisse größtenteils oder sogar vollkommen unbekannt waren, trugen dazu bei, dass frauenspezifische Zulassungsbeschränkungen nicht (länger) im Bewusstsein der Einzelnen waren bzw. wahrgenommen wurden. Obwohl der steigende Arbeitskräftebedarf, der hohe Anteil weiblicher Immatrikulationen und die ökonomischen Schwierigkeiten vor allem in den Kriegsjahren eine rasche Revidierung der NS-Hochschulpolitik bewirkten, kann – entgegen der Meinung Schoenbaums – in diesem Zusammenhang jedoch nicht von einer positiven Veränderung der „wirtschaftlichen Stellung der deutschen Frau“ oder gar von einem Status „relativer Gleichberechtigung“50 gesprochen werden. Vielmehr ist den Ausführungen Winklers zuzustimmen, die in der steigenden Anzahl von Studentinnen und der rein quantitativen Zunahme der Frauenarbeit
muss man schon sagen. Und was war man dann? Ja, man hat gesagt, was denkt man davon, was hätte ich getan? Man war natürlich bedrückt, aber vielleicht, muss ich direkt sagen, gar nicht einmal so, nicht, weil man da also nicht teilgenommen hatte, sondern weil man sich gar nichts anderes erwartet hat. Man wusste doch, wie’s zugeht. […] Da war also […] ein Stillschweigen. Jeder wollte durchkommen, jeder wollte nach Hause, jeder wollte studieren, jeder wollte nicht anecken. Man hat sich buchstäblich, so gut es ging, unsichtbar gemacht. Man fiel nicht gut auf, sonst hätten einen die zu irgendeinem Posten kassiert, und man fiel nicht schlecht auf, nicht, sonst hätte man Dings gekriegt, Studium abgebrochen ganz schnell, nicht. Jetzt haben wir halt geschaut, dass wir den Schwanz einziehen, muss ich schon gleich sagen, und ja nicht auffällt und so mitrollt und versucht, zu überleben, nicht.“ Die Haltung des Interviewpartners spiegelt sich in zahlreichen anderen Gesprächen mit ehemaligen Studentinnen der LMU wider. 48 Interview mit Gisela R. vom 14.4.2005. 49 Steffen-Korflür, 160. 50 Alle Zitate nach Schoenbaum, 241.
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weder eine Kompensation für den Verlust an tatsächlichen Emanzipationschancen noch einen Beitrag zur Modernisierung sieht, zumal das nationalsozialistische Regime den Frauen „auf ‚legale‘ Weise […] jeglichen Aufstieg oder Zugang zu höheren Positionen mit leitenden, verantwortlichen Funktionen“51 verbot. Der weibliche Teil der Bevölkerung diente „nach wie vor in qualifizierten Berufen und Positionen als befristeter Lückenbüßer, solange nicht genug männliche Aspiranten zur Verfügung standen – quasi als ‚akademisches Reserveregiment‘ ohne Anspruch auf den Einsatz.“52 Wenn sich überhaupt einige Modernisierungselemente erkennen lassen, dann standen diese nach 1933 eindeutig unter dem „Primat der Politik“53, hatten systemerhaltenden Charakter und wirkten nach Kriegsende nicht unmittelbar weiter, zumal das Dritte Reich nicht einmal die Fähigkeit bewiesen hatte, „auf mittlere Sicht ein Fortbestehen der Gesellschaft in ihren wesentlichen Strukturen“54 zu sichern. Die These, wonach objektiv frauendiskriminierende Bestimmungen subjektiv sogar von den Vorkriegsstudentinnen nicht als derartige empfunden worden sein sollen, und dies selbst dann nicht, wenn sie persönlich davon betroffen waren55, muss jedoch in zweifacher Hinsicht korrigiert bzw. spezifiziert werden. Wie bei der Indienstnahme lässt sich das Verhalten der Studentinnen auch vor dem Hintergrund von Auslese und Beschränkung nicht monokausal erklären, traten doch die verschiedenen Modi ihrer Reaktionen im Gegenteil deutlich hervor. Wie sich besonders im Bereich der Stipendien gezeigt hat, waren weibliche Studierende durchaus zu aktiver bzw. vorauseilender Indienststellung und einer präventiven Anpassung bereit. Wenn es um die Wahrung oder Durchsetzung persönlicher Interessen ging, präsentierten sich die Betroffenen bei Bedarf als kluge Taktiker und Strategen. Den Frauen, die sich bei der Inanspruchnahme von Hilfeleistungen in den 1920er Jahren passiv verhalten hatten, standen die Kommilitoninnen gegenüber, die sich nach 1933 bewusst NS-Organisationen wie der ANSt anschlossen, weil ihr Opportunismus die Chancen auf eine wirtschaftliche Unterstützung bzw. Förderung erhöhte. Dass mit diesen „förderlichen
51 Winkler, 65, 125. 52 Ebd., 125. Vgl. auch Böttner, 284, die den Begriff der „Modernisierung“ in diesem Kontext als verfehlt empfindet: „Frauen waren für die nationalsozialistische Kriegsmaschinerie lediglich Mittel zum Zweck, da sie die einzige verbliebene Quelle zur Deckung des benötigten Wirtschaftsnachwuchses repräsentierten.“ 53 Böhm: Universität München nach 1933, 92. 54 Michael Prinz/Rainer Zitelmann (Hgg.): Nationalsozialismus und Modernisierung. 2., durch ein Nachwort ergänzte Auflage Darmstadt 1994, 357. 55 Vgl. Dageförde, 107.
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Anpassungsleistungen“56 natürlich auch ein existentieller Zwang verbunden sein konnte, darf hierbei selbstverständlich nicht verschwiegen werden. Die Anträge zum Erlass des Latinums oder die wirtschaftlichen Überlegungen im Rahmen der Fabrikdienst-Teilnahme belegen dies und erklären zeitgenössische Meldungen, wonach „sich in den gegenwärtigen Ausleselagern generell diese „krampfhaften Bemühungen“ zeigen würden, als eindeutig „weltanschaulich ausgerichtet“ zu gelten.“57 Die Studierenden wussten, welche Haltung von ihnen erwartet wurde, und arbeiteten durch ihre vorauseilende Indienststellung an einem systemkonformen Selbstbild mit, was sie zu Mitläuferinnen und Nutznießerinnen des Systems machte. Sobald ihre persönlichen Interessen tangiert wurden, nahmen die Studentinnen einschränkende bzw. diskriminierende Maßnahmen zwangsweise wahr, wenngleich diese nicht in jedem Fall geschlechtsspezifisch, sondern wie bei der Auslese Oppositioneller gegen Männer und Frauen gerichtet waren. Die Universität München hatte den Handlungsspielraum linker Studentengruppen schon vor der Machtergreifung eingeschränkt und führte diese Linie noch vor dem offiziellen Erlass des Preußischen Staatsministeriums vom Juni 1933 über den systematischen Ausschluss politischer Gegner unbeirrt fort. Obwohl sich die LMU dabei nicht erkennbar um den Nachweis oppositionellen Verhaltens kümmerte und in der Praxis ihren Handlungsspielraum beim Hochschulverfahren zugunsten der Studierenden nutzte, und obwohl am Ende nur ein geringer Teil der weiblichen Studierenden persönlich Stellung bezog: Die wenigen Beispiele belegen, dass die Studentinnen aktiv versuchten, den gegen sie erhobenen Vorwürfen mit verschiedenen Strategien zu begegnen, und das selbst in Fällen, in denen sie ihr Studium bereits abgeschlossen hatten. Wenn Zeitzeuginnen in Interviews mit Historikern also berichten, es seien „ihnen als Frauen keine konkreten Schwierigkeiten während des Studiums entstanden“58, gilt dies nur, sofern man die verschiedenen Gruppen von Studentinnen außer Acht lässt, wie sie in der vorliegenden Arbeit anhand der Variablen „Auslese“ und „Beschränkung“ untersucht worden sind. Darüber hinaus ist es falsch zu sagen, dass „die Mehrheit der weiblichen Studierenden die gegen Frauen gerichteten Maßnahmen überhaupt nicht als solche wahr(nahm)“59, wenn man nur diejenigen befragte, die sich problemlos an den Hochschulen immatrikulieren konnten und gleichzeitig jene nicht berücksichtigt, denen trotz Studienwunsches keine Einschreibung möglich war.
56 Bruhn/Böttner, 119. 57 Boberach 6, 2094. 58 Stuchlik: Funktionäre, 72. 59 Steffen-Korflür, 118.
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In der Vorkriegszeit profitierten die Frauen u. a. von der lockeren Handhabung des Überfüllungsgesetzes oder der Größe der LMU, die, ungeachtet der Höchstziffernregelung, bereits im Sommersemester 1936 keine Abweisungen bei den Einschreibungen mehr vornehmen musste – eine externe Selbstregulierung, die auf dem allgemeinen Rückgang der Studierenden fußte und eine Ausschöpfung des begrenzten Kontingents überflüssig machte. Diejenigen Abiturientinnen, die nicht unter die administrativen Einschränkungen gefallen waren, konnten also tatsächlich relativ ungehindert ein Studium aufnehmen, sofern sie nicht Teil jener heterogenen Studentenschaft waren, die es aufzulösen und gleichzuschalten galt. Eine bedeutende Zielgruppe stellten dabei die sog. „Nichtarierinnen“ dar. Sie unterlagen einer doppelten Form der Diskriminierung, die aus den rassischen und den gegen Studentinnen erfolgten Maßnahmen restriktiver Art resultierten. Trotzdem ist es in vorliegendem Zusammenhang erstaunlich, dass sich selbst im Nationalsozialismus ein „Resistenzpotential von Kunst und Wissenschaft“ herausbilden konnte. Detjen verweist auf eine Reihe von Wissenschaftlern und Künstlern, die die Freiheit von Forschung, Lehre und künstlerischer Produktion gegen den Totalitätsanspruch des Staates „zum Teil sehr erfolgreich verteidigte.“60 Nicht nur in privaten Netzwerken, sondern auch an den Universitäten entstanden so Nischen, in denen man – frei von ideologischen Zugriffen – die Möglichkeit hatte, Meinungen verhältnismäßig ungezwungen auszutauschen. Ohne die Existenz derartiger Nischen hätte sich bspw. weder die Widerstandsgruppe der Weißen Rose noch das bis weit über München hinaus bekannte und heute als „besonders resistent gegenüber den nationalsozialistischen Ansprüchen“61 geltende Chemische Institut unter Heinrich Wieland ausbilden können. Im Bereich von Auslese und Beschränkung hingen die Reaktionen der Betroffenen demnach ebenfalls von einem umfangreichen Wechselspiel verschiedener Faktoren ab – analog zur Indienstnahme der Studierenden. Waren es hier u. a. der institutionelle Rahmen, finanzielle oder organisatorische Gründe gewesen, die an der LMU unmittelbar auf die Pläne der Nationalsozialisten eingewirkt hatten, so trat bei der lokalen Umsetzung der reichsweiten Juden-Gesetzgebung besonders der Einfluss verschiedener Personen bzw. Entscheidungsträger deutlich hervor. Während sich etwa Karl Gengenbach erneut als Sprachrohr für die antisemitischen Bestrebungen präsentiert hatte, höhlten andere Universitätsangehörige wie Rektor Walther Wüst die Vorschriften durch ihr individuelles Ver-
60 Alle Zitate Detjen, 223. 61 Ebd., 224.
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halten aus und eröffneten Raum für dezentrale Entscheidungen.62 Sein Talent als „Krisenmanager“63, mit dem er es verstand, die mehrfach diskutierte Schließung der Universität zu verhindern, sowie sein Bestreben, den Betrieb trotz des Krieges aufrechtzuerhalten, wirkten unmittelbar auf den Hochschulalltag der Münchner Studentinnen ein. Weitere Beispiele für die Bedeutung des personellen Einflusses auf den Alltag der Studierenden wurden u. a. im Bereich des Arbeitsdienstes oder der Pflichtuntersuchung herausgearbeitet. Sie können als Anregung verstanden werden, bei zukünftigen Untersuchungen noch stärker die Rolle des zwischenmenschlichen Beziehungsgeflechts ins Visier zu nehmen. Dass diskriminierende bzw. „antifeministische Zielvorgaben in dem für das Regime typischen Konflikt zwischen Ideologie und Realität häufig den ‚Sachzwängen‘ geopfert wurden“64, um den Systemerhalt zu gewährleisten, darf hierbei nicht vergessen werden: „Im Rückblick ist es immer wieder frappierend festzustellen, wie unvorhersehbar und auch zufällig während des Krieges die Entscheidungen für „Halb-“ oder „Viertelarier“ ausfielen. Nie durfte man sich sicher fühlen, ob und wie lange Gunst oder Ungunst der braunen Herrscher über Freiheit oder Verhaftung, Studium oder Kriegseinsatz anhielten.“65 Obwohl sich vereinzelt Schlupfwinkel und Nischen auftaten und ein Teil der Betroffenen mit Täuschungsmanövern, angepasster Selbstdarstellung und zweckgebundener Andienung eine Auslese ihrer Person umgehen konnte, litten zahlreiche Studierende massiv unter Ausgrenzung und Diffamierung, und das mitunter bis über das Dritte Reich hinaus. Wer in dieser Zeit sein Studium nicht beenden konnte, kämpfte oftmals noch Jahre später um seinen akademischen Abschluss. Dimitri Stein, der 1942 sein Diplom an der TU Berlin im Bereich Elektrotechnik erwarb, wurde etwa vor Kriegsende nicht mehr promoviert, da er als „Mischling ersten Grades“ galt. Ein weiterer Anlauf Anfang der 50er Jahre scheiterte am Desinteresse der Hochschule. Erst 65 Jahre später, im November 2008, fand die Verteidigung seiner Dissertation aus dem Jahr 1943 in der deutschen Hauptstadt statt.66 Auch für München lassen sich im Bestand der Promotionsakten aus dem UAM zahlreiche Beispiele dafür finden, wie das Zusammenspiel aus vorkriegs- und kriegsbedingten Faktoren akademische Karrieren beendete, hemmte oder verzögerte. So konnte ein Teil der Studentinnen und Studenten zunächst aus rassischen Gründen bis hin zur Schutzhaft, später infolge von
62 Vgl. Deinert, 351. 63 Schreiber, 354. 64 Huerkamp: Akademikerinnen, 331. 65 Hamm-Brücher: Freiheit, 52. 66 Vgl. Doktor nach 65 Jahren. Dimitri Stein. In: DIE ZEIT vom 20.11.2008.
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Kriegsdienst67, wegen fehlender Verkehrsverbindungen68, finanzieller Schwierigkeiten oder aufgrund des Verlusts von Unterlagen69 ihren Abschluss während des Dritten Reiches nicht mehr erwerben. Selbst nach 1945 gestaltete sich die Situation problematisch, da diverse Archive noch Ende der 1940er Jahre nicht zugänglich und die Benutzungsmöglichkeiten für ungedruckte Quellen und Literatur stark eingeschränkt waren.70 Für die Professorenschaft stellte sich nun die Frage, in welcher Weise man ehemaligen Doktoranden wie der Jüdin Käthe Goldschmidt etwa hinsichtlich der Prüfungen begegnen sollte71, vor allem, da ein nicht zu beziffernder Teil der Betroffenen unter dem Eindruck der psychischen und physischen Belastungen der vergangenen Jahre stand. Zu ihnen gehörte auch die 1919 geborene Physikerin Isolde D., die sich noch 1939 an der LMU immatrikulierte und zwei Jahre später zur Gruppe der 19 „Mischlinge“ zählte, die von Rektor Walther Wüst zur Weiterführung ihres Studiums auf Merkmale der jüdischen Rasse hin untersucht wurden.72 Trotz ihrer jüdischen Herkunft gelang es Isolde D. durch den Erlass des REM vom 29. Januar 194373, ihr Studium fortzusetzen und an einem Wehrmachtsprojekt mitzuarbeiten.74 Wie bei ihrer Kommilitonin, der Theaterwissenschaftlerin Goldschmidt, erfolgte die Promotion der später am Physikalischen Institut tätigen Assistentin jedoch erst nach dem Ende der nationalsozialistischen Herrschaft. Das 1946 von ihrem Doktorvater, Professor Eduard Rüchardt, verfasste Gutachten über die Dissertation lässt nur erahnen, welchen Repressalien
67 Vgl. UAM, M-N-5a (AB). Walter B. an die Quästur der Philosoph. Fakultät Universität München vom 24.5.1946. 68 Vgl. UAM, M-N-5a (M). Helga M. an Sr. Spektabilität dem Dekan der Staatsw. Fakultät vom 21.9.1948. 69 Vgl. UAM, O-N-5a 1939–42. Studienanfragen H-W. Hanna L. an das Dekanat der Philosophischen Fakultät der Universität München vom 17.3.1945. 70 Vgl. dazu das Gutachten von Prof. Spindler über die Doktorarbeit von Roswitha Gräfin A. vom 29.2.1949, 3, im UAM, O-Np SS 1949: „Die Anfertigung der vorliegenden Arbeit durch die Doktorandin hat mir erneut gezeigt, mit welchen Schwierigkeiten heute, vier Jahre nach Kriegsende, die namentlich in neuerer Geschichte Promovierenden in München immer noch zu rechnen haben. Nachdem die Staatsbibliothek nicht entleiht, ist es der Verfasserin nur durch jahrelange Bemühungen gelungen, sich die reichhaltige Literatur für ihr Thema zu verschaffen. Auch in den Archiven begegnete sie dauernd großen Hemmnissen. Die Benützungsmöglichkeiten einzelner Aktenstücke mußte sie sich förmlich erkämpfen.“ 71 Vgl. dazu Kapitel II, 3 Jüdische „Mischlinge“. 72 Vgl. UAM, Sen. 559/1. Walther Wüst an das Staatsministerium für Unterricht und Kultus vom 25.9.1941. 73 Vgl. ebd. Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus an den Herrn Rektor der Universität München vom 29.1.1943. 74 Vgl. Bußmann, 81.
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die Studentin in der Vergangenheit ausgesetzt gewesen sein muss: „Ich empfehle der Fakultät wärmstens die Annahme dieser Arbeit als Dissertation. […] Fräulein D. hat ihr Diplom-Examen mit Note 2 bestanden, wurde aber als Halbarierin von der Promotion ausgeschlossen. […] In Anbetracht der vielen Bedrängungen, die Fräulein D. während langer Jahre ertragen musste, sie wurde zeitweilig zu schweren körperlichen Arbeiten mit unwürdiger Behandlung ausgehoben, bitte ich die Fakultät dringend, meinem Vorschlag zuzustimmen.“75 Obwohl Isolde D. ihre akademische Graduierung vollendete und nach Kriegsende an der Universität München maßgeblich zum Wiederaufbau von Lehre und Forschung beitrug, gelang es in einem Gespräch mit der Zeitzeugin nicht, mehr über ihr 1993 bei Bußmann dargestelltes Schicksal und damit über ihren Status als sog. „Mischling ersten Grades“76 zu erfahren. War es am Chemischen Staatslaboratorium u. a. dem Stillschweigen der Institutsangehörigen zu verdanken, dass an sich rassisch unerwünschte Studentinnen und Studenten ihr Studium dennoch fortsetzen konnten, fungiert das partielle Schweigen über die eigene Biographie an dieser Stelle selbst nach mehr als 60 Jahren nicht nur als Schutz-, sondern auch als Verdrängungsmechanismus, welcher seine Berechtigung aus der traumatischen Stigmatisierung durch die nationalsozialistische Rassenideologie erfährt. Insgesamt lässt sich also festhalten, dass besonders zwei der in dieser Arbeit zugrunde gelegten Variablen, nämlich Auslese und Beschränkung von Studierenden, über das Dritte Reich hinaus weiterhin Bestand hatten – größtenteils als unmittelbare Folge bzw. Nachwirkung des Nationalsozialismus. Bei der Wiedereröffnung der LMU am 1. April 1946 sahen sich 6000 Studierende – darunter 2500 Frauen – nur zwölf Hörsälen gegenüber, das Lehrangebot war lückenhaft und „die Erwartungen, die die Gesellschaft im allgemeinen, die heimkehrenden Kriegsteilnehmer und die blutjungen Studienanfänger und -anfängerinnen an die akademische Bildung stellten, waren recht ungleich. Im Vordergrund stand die Suche nach einem Studienplatz überhaupt und die nackte Notwendigkeit, so rasch als möglich durch einen Abschluß in irgendeinem mehr oder minder zukunftsträchtigen Fach zu einer beruflichen Existenz zu kommen.“77 Zusammen mit der vorherrschenden Wohnungs- und Nahrungsmittelnot, der fehlenden
75 UAM, OC-Np-SA und B 46-SS 48. Bericht über die Dissertation von Isolde D. vom 8.6.1946, ebenso abgedruckt bei Bußmann, 81. 76 Vgl. Bußmann, 81. 77 Engl, 365. Vgl. auch Weyrather, 162: „Nach 1945 sorgten die Zerstörungen des Krieges dafür, daß die Zahl der Studienplätze sehr begrenzt war. Viele Universitäten waren geschlossen, bei ihrer Wiedereröffnung gab es fast in jedem Fach einen engen Numerus clausus. Studenten und Studentinnen mußten sich neu um einen Studienplatz bewerben. Weil zuerst die Kriegsteilneh-
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Aussicht auf einen Werkstudentenplatz und finanzielle Unterstützung wurde der Hochschulbesuch zu einer reinen Überlebenskunst78, für die stellvertretend folgendes Beispiel steht: „Gerda H. ist Flüchtling. Nach einem vergeblichen Versuch, in Hamburg unterzukommen, hat sie sich nach München gewandt. Sie bekommt unter unendlichen Schwierigkeiten die Zulassung zum Studium, ihre Studienkameraden „organisieren“ ihr ein Zimmer. Da sie alles verloren hat, […] muß sie ihr Studium selbst verdienen. Sie versucht mit ihrem Dolmetscherexamen eine Abendbeschäftigung bei den Amerikanern zu bekommen. Vergeblich. Schließlich kommt sie auf einen anderen Gedanken: Blut zu spenden. Sie „spendet“ einmal im Monat, bekommt dafür 30 Mark und eine Lebensmittelzulage. Die Lebensmittelkarte verkauft sie wieder. […] Sonstige Einnahmen kommen unregelmäßig aus kleinen „Geschäften“. Ihre alten Kleider hat sie bereits verhamstert, einen Bezugsschein bekam sie nicht. Die Belastung ist groß. Dazu die ewig magere Gasthauskost.“79 Noch im Sommersemester 1948 waren 70 % der Studenten unternährt, während fast die Hälfte von ihnen weder ausreichende Kleidung noch Geld für Fachbücher besaß. Mindestens 20 % verdienten ihr Geld als Werkstudenten, 15 % der Münchner Studierenden litten an Tuberkulose. Bis zum Wintersemester 1948/49 existierte ein studentischer Bautrupp, dessen Ableistung für einen Teil der Studierenden eine Zugangsvoraussetzung zum Studium darstellte und ältere Semester an die pflichtmäßige Indienstnahme vor 1945 erinnert haben dürfte. So war nach einem Aufruf vom Juni 1946 jede Studentin und jeder Student des ersten bis vierten Semesters zu insgesamt 100 Arbeitsstunden verpflichtet.80 Obwohl gleichermaßen Firmen sowie entsprechende Fachkräfte am Wiederaufbau der Universität mitwirkten, hatte man die Kriegsschäden im Hauptgebäude erst Ende der 50er Jahre weitgehend beheben können.81 Angesichts der schlechten Berufsaussichten lebte die Debatte um eine Beschränkung des Frauenstudiums erneut auf. So schreibt Goossens etwa in seiner 1948 an der Staatswissenschaftlichen Fakultät der LMU eingereichten Doktorarbeit über den Umgang mit Studentinnen: „Nun wird es immer Frauen geben, die sich nur immatrikulieren, um auf der Universität ihren Mann zu suchen. Falls
mer ein Recht auf einen Studienplatz hatten, mußten viele Studentinnen jahrelang warten, bis sie ihr Studium fortsetzen konnten.“ 78 Vgl. Bußmann, 79. 79 M. von Eynern: Wie lebt die Studentin heute? In: Der Regenbogen. Zeitschrift für die Frau. 3. Jahrgang. Heft 3. München 1948, 6. 80 Vgl. Huber: Universität München, 160. Zum sog. „Studentischen Ehrendienst“ vgl. UAM, Sen. 473. Aufruf an die Studenten und Studentinnen der Universität vom 12.6.1946. 81 Vgl. Boehm: Kulturleben, 373.
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man diese Kategorie vom Studium während des starken Andrangs zur Hochschule ausschalten könnte, wäre wohl nichts dagegen einzuwenden. Praktisch sind aber hierfür keine Möglichkeiten gegeben. (Man kann schließlich nicht von jeder Studentin verlangen, daß sie bei der Immatrikulation unterschreibt, keinen Studenten zu heiraten.)“82 Obwohl der Studienausschuss für Hochschulreform im gleichen Jahr in seinem Gutachten die Gleichstellung weiblicher und männlicher Studierender betonte, „wurden die Studentinnen bis zu Beginn der sechziger Jahre in den Gutachten und Schriften zu den Reformen der Hochschule nicht erwähnt“83 und sahen sich stattdessen der insbesondere im Bildungssektor erfolgreichen Lancierung einer rückschrittlichen Geschlechterideologie ausgesetzt. Dementsprechend schildert Roth ihr Vorhaben, sich nach Beendigung der wissenschaftlichen Assistentenstelle am Botanischen Institut in München 1957 zu habilitieren: „Als ich nochmals einen Vorstoß bei Renner wegen der Habilitation machte, war die kategorische Antwort: ‚Sie sind gut […], Ihre Arbeiten sind gut […] und Sie sind mir von meinem Vorgänger empfohlen worden […], aber Sie sind eine Frau und wir haben genügend männlichen Nachwuchs.‘ Das Blatt hatte sich gewendet: Die in den Kriegsjahren und in der unmittelbaren Nachkriegszeit von Frauen übernommenen Aufgaben mußten nun wieder den Männern zurückgegeben werden. Noch nicht einmal die Behauptung Renners, es sei genügend männlicher Nachwuchs da, stimmte. Denn wie viele Millionen Männer waren im Krieg gefallen.“84 Als Folge der nicht nur in der Münchner Studentenpresse jahrelang geführten Auseinandersetzung über das Frauenstudium hielt schließlich sogar eine stetig wachsende Zahl von Frauen „wissenschaftliches Denken und ‚Weiblichkeit‘ für unvereinbar.“85 Der Anteil weiblicher Studierender an der LMU sank bis 1949/50 auf rund 12 % und bewegte sich damit auf einem Niveau, das bereits in den 20er Jahren erreicht worden war. Nachdem die Entwicklung des Frauenstudiums durch den
82 Goossens, 45. Hervorhebung im Original. Nach Abwägung aller Punkte im Zusammenhang mit dem Frauenstudium kommt Goossens jedoch zu der Schlussfolgerung, „daß die Hochschulen in den nächsten Jahrzehnten, selbst wenn man wollte, nicht auf das Frauenstudium verzichten könn(t)en.“ Ebd., 47. 83 Metz-Göckel, 14. 84 Roth, 236. Die Rede ist hier von Professor Otto Renner aus Jena, der 1948 die Direktorenstelle des Botanischen Instituts in München übernahm, „wohl hauptsächlich, um später im Westen pensionsberechtigt zu sein, denn er war damals schon etwa 70 Jahre alt. Er hielt nicht viel von Frauen und war dafür bekannt, daß er prinzipiell keiner Frau ein ‚Summa cum laude‘ in der Promotion gab.“ Ebd. 234. 85 Bußmann, 82.
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Nationalsozialismus in Deutschland drei Jahrzehnte zurückgeworfen wurde86, erreichten die Studentinnen erst Anfang der 60er Jahre wieder eine Beteiligung von 27 % der Immatrikulationen an den deutschen Hochschulen.
86 Vgl. Weyrather, 162.
Abkürzungsverzeichnis Abb. Abbildung Abs. Absatz ALU Arbeitslosenunterstützung ANSt Arbeitsgemeinschaft Nationalsozialistischer Studentinnen Allgemeiner Studentenausschuss AStA BArch Bundesarchiv Bayerisches Hauptstaatsarchiv BayHStA Bayerische Landesturnanstalt BayLtA Bayerische Hochschulzeitung BHZ Deutscher Akademikerinnenbund DAB Deutscher Akademischer Austauschdienst DAAD Deutsche Arbeitsfront DAF Die Bewegung. Zentralorgan des NSD-Studentenbundes DB Deutsche Christliche Studentinnenbewegung DCSB Deutscher Frauenorden DFO Die Frau. Monatsschrift für das gesamte Frauenleben unserer Zeit. Die Frau Organ des Bundes Deutscher Frauenvereine Die Studentin. Eine Monatsschrift Die Studentin Deutsches Museum München, Archiv DMM Deutsche Studentenschaft DSt Deutscher Verband Akademischer Frauenvereine D. V. A. F. Deutsche Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung. Amtsblatt des DWEV REM und der Unterrichtsverwaltungen der Länder Archiv des Erzbistums München und Freising EAM Ebd./ebd. Ebenda/ebenda Freiwilliger Arbeitsdienst FAD FN Fußnote Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg FZH GPf Gemeinschaftspflege GSS Gemeinschaft Sozialistischer Studierender HATUM Historisches Archiv der Technischen Universität München HfL Hochschulinstitut für Leibesübungen HJ Hitlerjugend H VI Hauptamt VI/Hauptämter VI HdBG Haus der Bayerischen Geschichte, Augsburg HSO Hochschulsportordnung Institut für Leibesübungen IfL IfZ Institut für Zeitgeschichte JB LMU Jahrbuch der Ludwig-Maximilians-Universität K. D. St. V. Katholische Deutsche Studentenverbindung LMU Ludwig-Maximilians-Universität München MHF Münchener Hochschulführer MNN Münchner Neueste Nachrichten Ms. Manuskript
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Abkürzungsverzeichnis
Münchener/Münchner Studentinnengemeinschaft MStG NL Nachlass NS Nationalsozialismus/nationalsozialistisch Nationalsozialistischer Deutscher Studentenbund NSDStB Nationalsozialistische Frauenschaft NSF Nationalsozialistische Volkswohlfahrt NSV ohne Datierung o. D. ohne Jahr o. J. Petra Umlauf P. U. RAD Reichsarbeitsdienst Reichsminister/Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und REM Volksbildung RGBl Reichsgesetzblatt RM Reichsmark RMBl Reichsministerialblatt Radikalsozialistische Arbeitsgemeinschaft RSAG RSF Reichsstudentenführung SS Sommersemester Staatsarchiv Hamburg StAHH Stadtarchiv München StadtA Mü. Staatsarchiv München StAM Stud-Kartei Studenten-Kartei Studentenwerk München StWM Süddeutsche Zeitung SZ Technische Hochschule TH Technische Universität München TUM Universitätsarchiv Freiburg UAF Universitätsarchiv München UAM Universität Hamburg, Hamburger Bibliothek für Universitätsgeschichte UHH, HBfUG Völkischer Beobachter VB Verordnungsblatt RSF Verordnungsblatt des Reichsstudentenführers. Befehle des Reichsstudentenführers und Anordnungen der Amtsleiter der Reichsstudentenführung/Verordnungsblatt des Reichsstudentenführers. Befehle des Reichsstudentenführers. Anordnungen des Reichskassenverwalters. Anordnungen und Bekanntgaben der Amtsleiter der Reichsstudentenführung Verein für Fraueninteressen e. V. VfFI Vgl./vgl. Vergleiche/vergleiche VKDSt Verband der Katholischen Deutschen Studentinnenvereine VTA Volkstumsarbeit Verband der Studentinnenvereine Deutschlands V. St. D. WHW Winterhilfswerk WS Wintersemester
Abbildungsverzeichnis Abb. 1 Abb. 2 Abb. 3 Abb. 4 Abb. 5 Abb. 6 Abb. 7 Abb. 8 Abb. 9 Abb. 10 Abb. 11 Abb. 12 Abb. 13 Abb. 14 Abb. 15 Abb. 16 Abb. 17 Abb. 18 Abb. 19 Abb. 20 Abb. 21 Abb. 22 Abb. 23 Abb. 24 Abb. 25 Abb. 26 Abb. 27 Abb. 28 Abb. 29 Abb. 30 Abb. 31 Abb. 32 Abb. 33 Abb. 34 Abb. 35 Abb. 36 Abb. 37 Abb. 38 Abb. 39 Abb. 40 Abb. 41 Abb. 42 Abb. 43 Abb. 44
Studentenausweis: Privatbesitz P. U. Studienbuch: Privatbesitz Elisabeth Ka. Studentenausweis: Privatbesitz Philomena Sauermann NSDStB-Mitgliedsbuch: Privatbesitz Catharina B. Foto: Privatbesitz Dr. Klaus Goebel Ausschnitt Studentenausweis: Privatbesitz Philomena Sauermann Bestätigung Pflichtuntersuchung: Privatbesitz Rita S. Foto: Privatbesitz Lisa P. Foto: Privatbesitz Catharina B. Foto: Privatbesitz Lisa P. Foto: Privatbesitz Lisa P. RAD-Ausweis: Privatbesitz Dr. Klaus Goebel Pflichtenheft außen: Privatbesitz Ingeborg G. Pflichtenheft innen: Privatbesitz Ingeborg G. Foto: Privatbesitz Lisa P. Foto: Privatbesitz Lisa P. Foto: Privatbesitz Lisa P. Foto: Privatbesitz Dr. Barbara Rott Bestätigung Ausgleichsdienst: Privatbesitz Dr. T. N. Ausschnitt Pflichtenheft: Privatbesitz Dr. Elisabeth P. Bescheinigung Luftschutz-Lehrgänge: Privatbesitz Catharina B. Pflichtenheft: Privatbesitz Catharina B. Grundkarte: Privatbesitz Elisabeth Ka. Sportkarte: Privatbesitz Dr. Dorothee H. Grundkarte: Privatbesitz Catharina B. Luftschutz-Führungskarte: Privatbesitz Catharina B. Luftschutzkarte: Privatbesitz Catharina B. Dankschreiben: Privatbesitz Gertraud S. Bestätigung Mütterschulungs-Lehrgang: Privatbesitz Dr. Dorothee H. Anwärterkarte NSDStB: Privatbesitz Catharina B. Bestätigung Arbeitsgemeinschaft: Privatbesitz Elisabeth Ka. Foto: Privatbesitz Dr. Timm Weski Fotos: Privatbesitz Dr. Timm Weski Semesterschein: Privatbesitz Catharina B. Foto: Privatbesitz Dr. Hanne Lenz Foto: Privatbesitz Dr. T. N. Bescheinigung Befreiung Rüstungseinsatz: Privatbesitz P. U. Ahnennachweis: Privatbesitz Dr. T. N. Auszug Pflichtenheft: Privatbesitz Elisabeth Ka. Foto: Privatbesitz Dr. T. N. Befreiungsantrag Kriegseinsatz: Privatbesitz Dr. T. N. Kriegseinsatzpass: Privatbesitz Elisabeth Ka. Bestätigung Messerschmitt GmbH: Privatbesitz Dr. T. N. Befreiungs-Bestätigung: Privatbesitz Elisabeth Ka.
778 Abb. 45 Abb. 46 Abb. 47 Abb. 48 Abb. 49 Abb. 50 Abb. 51 Abb. 52 Abb. 53 Abb. 54 Abb. 55 Abb. 56
Abbildungsverzeichnis
Bestätigung Studentischer Kriegseinsatz: Privatbesitz Dr. Dorothee H. Zeugnis MAN: Privatbesitz Gertraud S. Bestätigung Süddeutsche Bremsen AG: Privatbesitz Dr. Dorothee H. Bescheinigung Osteinsatz: Privatbesitz Gertraud S. Auszug Arbeitsbuch: Privatbesitz Gisela R. Einladungskarte: Privatbesitz Gertraud S. Teilnahmebestätigung: Privatbesitz Dr. T. N. Foto: Privatbesitz Philomena Sauermann Beschluss: Privatbesitz Philomena Sauermann Foto: Privatbesitz Dr. T. N. Foto: Privatbesitz Dr. T. N. Foto: Privatbesitz Fritz E.
Quellen- und Literaturverzeichnis 1 Ungedruckte Quellen Archiv der Ludwig-Maximilians-Universität München (UAM) Akten des Akademischen Senats Allgemeiner Bestand (Sen.) 6 II/I; 6a; 60; 111 Band II; 135a/3 Band I; 135a/3 Band II; 135a/3 Band III; 135d Band I; 135d Band II; 142/I; 142/III; 147/1; Immatr. 147/1, 1941–44; 147 Band 2; 147 Band 3; 197 Band 1; 199; 199 Band 1; 199 Band 5; 349c Band II; 365/1; 365/2; 365/6; 365/8; 365a/4; 365b/2; 365/B3; 366b/1; 366c/2d; 366c/2h; 366c/2m; 366c/2t; 366/3; 366c/3; 366c/5; 368/5; 368/5 Band 1; 431/21; 473; 475/1; 503/1; 559; 559/1; 624/13; 637; 688; 720; 738/1; 746; 746/56; 746/94; 749; 836; 836/2; 843; 892; 909; 988 Teilbestand B B-II-16 Band 2; B-VI-26 Band 1; B-VI-26 Band 2 Teilbestand D D-I-13 Band 6 (UA II); D-III-100; D-X-25 Band 2; D-X-54 Band 2; D-X-54 Band 19; D-XIV-29 Band 88; D-XIV-31 Band 6; D-XIV-36 Band 0; D-XIV-36 Band 33; D-XIV-37; D-XIV-38; D-XVII-14; D-XVII-26; D-XVII-52; D-XVII-53; D-XVII-58; D-XVII-62; D-XVII-63; D-XVII-64; D-XVII-66; D-XVII-89 Band 1; D-XVII-90; D-XVII-91 Band 1; D-XVII-91 Band 2; D-XVII-93 Teilbestand F F-II-13 Band 11, Unterakt VIII Teilbestand G G-I-5 Band 1; G-I-5 Band 2; G-IX-7. Diplomata-Nr. 17795; G-XVI-25; G-XVI-26; G-XVI-28; G-XVI-34 1 Fasc. Teilbestand P P-II-18; P-II-24 Band 1; P-II-26; P-II-26 Band 2; P-II-26 Band 5; P-II-26 Band 10; P-II-31; P-II-35 Band 1; P-II-35 Band 2; P-II-35 Band 4; P-II-36 Band 1; P-II-36 Band 2; P-II-37; P-II-44; P-II-46 Band 1; P-II-46 Band 2; P-II-58; P-II-74 Band 1; P-II-75 Band 1; P-II-75 Band 2; P-II-83 Band 1 Teilbestand I I-VII-37 Teilbestand U U-II-2 Teilbestand Y Y-V-3 Band 3 (Unterakt VII) Studentenwerk (StudW) 199 II Akten des Verwaltungsausschusses (VA) B III 97
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Quellen- und Literaturverzeichnis
Personalakten des Akademischen Senats (E-II) 2599 Personenbezogene Einzelfallakten (Sen-II) 23 Disziplinarakten der Studenten (Stud-Straf) 26; 157; 161; 178; 197; 199; 215; 257; 271; 312 Studenten-Kartei I (Stud-Kartei I) Akten der Medizinischen Fakultät Sitzungsprotokolle (D-III) 100; 106 (1939); 110 (1943); 111 (1944) Sitzungsprotokolle (N-III) 6 (1935–37) Akten der Juristischen Fakultät Studienanfragen L-N-5a Ab 1930/31–1932/33 Promotionsakten (L-Np) SS 1948-WS 1948/49 Akten der Staatswirtschaftlichen Fakultät Studienanfragen M-N-5a (AB); M-N-5a (M) Promotionsakten (M-Np) SS 1926; WS 1926/27, B-L; WS 41/42, SS 42 Akten der Philosophischen Fakultät Studienanfragen O-N-5a 1935/36, G-K; 1935/36, L-Z; 1937/39, A-F; 1939–42, A-G; 1939–42, H-W; 1939–42, N-Z Promotionsakten (O-Np) WS 1928/29, A-W; SS 1932 B-W; SS 1935, L-W; WS 1935/36, A-G; SS 1936 B-H; 3. Fachsemester 1939 B-W; 3. Trimester 1940; SS 1943-WS 1946/47; SS 1948; SS 1949 Akten der Naturwissenschaftlichen Fakultät Allgemeines (OC-N) 5a-b; 5c Promotionsakten (OC-Np) SS 1937; SS 1938; WS 1943/44; SS 1944-WS 1944/45; WS 1944/45; SA und B 46-SS 48; Winterund Sommersemester 1946/47; Wintersemester 1947/48; 1950 Sitzungs-Protokolle (OC-III) 30
1 Ungedruckte Quellen
781
Bayerisches Hauptstaatsarchiv München (BayHStA) Akten des Kultusministeriums (MK) 40309; 40310; 40311; 40312; 40313; 40317; 40318; 40559; 40561; 40562; 40628; 40792; 40798; 40802; 40803; 40804; 40805; 40807; 40808; 40809; 55055; 70141; 70244; 70327; 70608; 70638 Reichsstatthalter Epp 1933–45 (Reichsstatthalter) 432/4; 650/3
Staatsarchiv München (StAM) NSDAP 11; 145 Akten der Polizeidirektion München (Pol. Dir.) 2707; 5574 Akten der Spruchkammer (SpKA) Karton (K) 627; 1218; 2015; 3842; 3847 Akten der Staatsanwaltschaft (Staatsanwaltschaften) 17439/3; 21981 Akten des Amtsgerichts München, Abteilung Strafgericht (AG) 42927 Landratsämter (LRA) 58375
Stadtarchiv München (StadtA Mü.) Baureferat 78/5 Band 244 Bürgermeister und Rat 306/3a Einwohnermeldekartei (EWK) 65/B 102; 65/B 441; 65/D 735; 65/F 166; 65/G 318; 65/G 379; 65/G 634; 65/L 245; 65/L 282; 65/M 402; 65/S 240; 65/S 355 Lokalbaukommission (LBK) 4981 Zeitungsausschnittsammlung – Personen (ZA Pers.) 332
Historisches Archiv der Technischen Universität München (HATUM) Rektoratsakten (RA) C378 C383 C469
782
Quellen- und Literaturverzeichnis
C900 Personalakten (PA) Alwin Seifert
Architekturmuseum der Technischen Universität München Sammlung Carl Sattler (Projekt: Studentinnenheim Marie-Antonie-Haus)
Studentenwerk München (StWM) In nummerierten Ordnern zusammengefasste Materialien (Nr.) 1; 3; 8; 11; 14; 15
Archiv des Deutschen Museums München (DMM) Nachlass (NL) 052; 133/068; 133/069 (Alwin Seifert); 133/072
Institut für Hochschulkunde an der Universität Würzburg (IfH) Literatur zur Hochschulkunde (Lokalkennzeichen: 880) Sammlung ungebundener Druckwerke: Flugblätter
Institut für Zeitgeschichte München (IfZ) Akz. 8093/91, Ms 583. Barbara Schütz-Sevin: Nacht über Heidelberg. O. O. 1940 Akz. 8342/93, MZ 197/2. Die Bewegung 1938–1942 Ms 799. PSG III – Krieg 1941–45: Dr. Anneliese Helmer: Erlebnisse einer Medizinstudentin im 2. Weltkrieg Z 1114, Die Bewegung, 1936, Juni,-1939, Januar
Archiv des Erzbistums München und Freising (EAM) Nachlass Kardinal Faulhaber (NL Faulhaber) 6553; 6558/1; 6558/2; 6558/3; 6560; 6711
Archiv der Akademie der Bildenden Künste München Personalakte Rosemarie Taubert
1 Ungedruckte Quellen
783
Verein für Fraueninteressen München (VfFI) Hauptverband Bayerischer Frauenvereine 1930–1938. Originalmaterial Tätigkeitsberichte 1916/1917–1936 Material 1933–1945
KZ-Gedenkstätte Dachau Archiv 9394 Computergestützte Dokumentation: Häftlinge. Objektart: Gefangenenliste – laufende Nummerierung: 3961
Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde (BArch) NS 38/I* 80g 43/1; NS 38/I* 80g 43/2; NS 38/I* 80g 594; NS 38/I* 81g 556/1; NS 38/I* 81g 556/2; NS 38/I* 82g 486; NS 38/2001; NS 38/2006; NS 38/2019; NS 38/2066; NS 38/2175; NS 38/2186; NS 38/2191; NS 38/2281; NS 38/2282; NS 38/2293; NS 38/2322 RSF II* 30 (a 584); RSF II* 47; RSF II* 70; RSF II* 106; RSF II* 109; RSF II* 118; RSF II* 191; RSF II* 300 (a 213); RSF II* 319 (a 233); RSF II* 332 (a 245); RSF II* 344 (a 250); RSF II* 487 (a 389); RSF II* 488; RSF II* 498; RSF II* 499; RSF II* 501 (a 403); RSF II* 505 (a 407); RSF II* 511 (a 412); RSF II* 515 (a 416); RSF II* 524; RSF II* 526 (a 425); RSF II* 530 (a 429); RSF II* 532; RSF II* 533; RSF II* 535 (a 434); RSF II* 536 (a 435); RSF II* 540 (a 438); RSF II* 541 (a 439); RSF II* 545
Universitätsarchiv Frankfurt am Main (UA FfM) Abt. 158 Nr. 638
Universitätsarchiv Freiburg (UAF) B1/2411 Promotionsakten B54/3975
Universität Hamburg, Hamburger Bibliothek für Universitätsgeschichte (UHH, HBfUG) Interview mit Ilse Westphalen vom 4.12.1984 Studierendenkartei
784
Quellen- und Literaturverzeichnis
Haus der Bayerischen Geschichte Augsburg (HdBG) Wortprotokoll des Zeitzeugeninterviews mit Gertraud Pretl vom 27.6.2000
Dokumente aus Privatbesitz B., Catharina: Brief an Frau Stefanie vom 16.1.1943. Kopie im Privatbesitz P. U. Beschluss des NSD-Studentenbund/Deutsche Studentenschaft gegen Philomena Sauermann vom 12.2.1943. Kopie im Privatbesitz P. U. Chronik des Seminars für Klassische Philologie. Universität München 1941. Kopie im Privatbesitz P. U. Goebel, Klaus: Ein Vorwort. Vorwort zu den Erinnerungen seiner Ehefrau Anneliese Goebel. Unveröffentlichtes Manuskript. Kopie im Privatbesitz P. U.
Zeitzeugeninterviews/Gesprächsprotokolle (chronologisch aufgeführt nach Interview-Datum/Studieninformationen nach Angaben der Zeitzeugen und – soweit möglich – eigenen Ergänzungen) Dr. Hanne Lenz, Studentin der Kunstgeschichte (Nebenfächer: Archäologie, Germanistik, Philosophie) an der LMU vom Sommersemester 1935 bis Sommersemester 1941, vom 18.2.2005 Philomena Sauermann, Studentin der Philologie (Deutsch, Geschichte, Englisch) an der LMU vom Sommersemester 1941 bis Wintersemester 1944/45, vom 12.3.2005 Sigrid H., Studentin der Medizin an der LMU vom Wintersemester 1938/39 bis Sommersemester 1943, vom 17.3.2005 Dr. Sigrid B., Studentin der Medizin, Kunstgeschichte und Klassischen Archäologie von 1936 bis zu ihrer Promotion 1943 (Berlin) in Freiburg im Breisgau, Königsberg, München, Marburg, Göttingen, Wien und Berlin, vom 22.3.2005 Dr. Marie-Luise Schultze-Jahn, Studentin der Chemie an der LMU von 1940 bis 1943, vom 26.3.2005 Dr. Paula S., Studentin der Medizin an der LMU von 1931 bis 1933 (vier Semester) sowie von 1941 bis 1942 (Physikum), 1944 Famulatur an der Medizinischen Universitäts-Poliklinik München, Wintersemester 1946/47 Staatsexamen an der LMU, vom 31.3.2005 Anna-Margret J., Studentin der Volkswirtschaft an der LMU von 1942 bis 1943, vom 2.4.2005 Burgl D., Studentin der Volkswirtschaft (zunächst zwei Semester Neuphilologie) an der LMU von 1940 bis 1944, vom 7.4.2005 Annemarie L., Studentin der Philologie (Nebenfächer: Geschichte, Italienisch) an der LMU von 1940 bis 1944, vom 11.4.2005 Dr. Alois O., Student der Medizin an der LMU von 1942 bis 1944, vom 13.4.2005 Gisela R., Studentin der Volkswirtschaft an der LMU vom Sommersemester 1941 bis 1944 (Sommersemester 1943 Studium in Freiburg im Breisgau), vom 14.4.2005 Dr. Elisabeth P., Studentin der Zeitungswissenschaft an der LMU von 1935 bis 1940, vom 17.4. und 10.12.2005
1 Ungedruckte Quellen
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Franz G., Student der Philologie (Romanistik, Kunstgeschichte, Theaterwissenschaft) an der LMU von 1940 bis 1941 sowie von 1946 bis 1948/49, vom 20.4.2005 Dr. Friederike S., Studentin der Medizin an der LMU 1944 sowie ab dem Sommersemester 1946, vom 21.4.2005 Anneliese G., Studentin der Philologie (Deutsch, Geschichte, Französisch) von 1940 bis 1943 (1941 ein Semester in Freiburg im Breisgau), vom 22.4.2005 Dr. Berta R., Studentin der Naturwissenschaften (Biologie, Chemie, Geographie) an der LMU von 1940 bis 1944, vom 23.4.2005 Rita S., Studentin der Neuphilologie (Englisch, Französisch, Geschichte) an der LMU von 1943 bis 1944 sowie von 1946 bis 1948, vom 27.4.2005 Dr. Maria-Veronika D., Studentin der Medizin an der LMU von 1931 bis 1934 (Studienbeginn 1929 in Heidelberg mit Zwischenstationen in München und Freiburg; Sommersemester 1931 ärztliche Vorprüfung in Heidelberg bestanden, danach Besuch der LMU für klinische Studien. Dezember 1934 ärztliche Staatsprüfung in München, 1935 Dissertation veröffentlicht), vom 28.4.2005 Dr. Werner P., Student der Medizin an der LMU 1940 (zwei Trimester) sowie vom Sommersemester 1942 bis Wintersemester 1944/45 und 1946/47, in einem Brief an P. U. vom 28.4.2005 Dr. Marianne W., Studentin der Medizin an der LMU von 1940 bis 1942, vom 29.4.2005 Ruth O., Studentin der Kunstgeschichte (Nebenfächer: Archäologie, Psychologie) an der LMU von 1942 bis 1944, vom 30.4.2005 Catharina B., Studentin der Philologie (Deutsch, Geschichte, Erdkunde) an der LMU vom Wintersemester 1941 bis 1946 mit Unterbrechung durch das Ende des Zweiten Weltkrieges, vom 3.5.2005 Prof. Dr. Rolf Huisgen, Student der Chemie an der LMU von 1939 bis 1943, vom 7.5.2005 Lisa P., Studentin der Rechtswissenschaften an der LMU von 1940 bis 1943 (mit einem Semester Englisch und Französisch), vom 10.5.2005 Dr. Lotte Roth-Wölfle, Studentin der Zeitungswissenschaft (Nebenfächer: Geschichte, Volkswirtschaft) an der LMU von 1938 bis 1943, vom 11.5.2005 Dr. Friederike W., Studentin der Philologie (Deutsch, Geschichte, Kunstgeschichte, später noch Soziologie und Englisch) an der LMU von 1943 bis 1944 sowie von 1946 bis 1948, vom 13.5.2005 Luise S., Studentin der Pharmazie an der LMU von 1942 bis 1945, vom 14.5.2005 Dr. T. N., Studentin der Volkswirtschaft an der LMU von 1942 bis 1944 (Sommersemester 1942 in Heidelberg, 1944 ein Semester in Wien), vom 16.5.2005 Erika W., Studentin des Faches Klavier solistisch an der Musikhochschule München ca. 1941 bis 1944 sowie von 1946 bis 1948, vom 18.5.2005 Gudrun P.-S., Studentin der Pharmazie an der LMU vom Wintersemester 1942 bis 1945, vom 19.5.2005 Dr. Anneliese Helmer, Studentin der Medizin an der LMU vom Sommersemester 1942 bis 1944 (ärztliche Vorprüfung; nach dem fünften Semester Einberufung zur Wehrmacht) sowie von Ende 1946 bis 1948 (Staatsexamen und Promotion 1948), vom 21.5.2005 Dr. Dr. h. c. mult. Hildegard Hamm-Brücher, Studentin der Chemie an der LMU von 1940 bis 1945, vom 24.5.2005 Marianne K., Studentin der Philologie (Deutsch, Geschichte, Englisch) an der LMU 1944, vom 25.5.2005
786
Quellen- und Literaturverzeichnis
Gertraud S., Studentin der Philologie (Deutsch, Geschichte) an der LMU vom Sommersemester 1941 bis zum Wintersemester 1944/45, vom 26.5.2005 Dr. Inge Q., Studentin der Medizin an der LMU vom dritten Trimester 1940 bis zum Physikum im Februar 1942 (mit klinischen Semestern in Greifswald, Innsbruck und München sowie Famulatur in einem Lazarett in Krakau; infolge zweijähriger, krankheitsbedingter Bettlägerigkeit Staatsexamen erst im Frühjahr 1947, Promotion 1948 in München), vom 27.5.2005 Fritz E., Student der Chemie an der LMU von 1933 bis 1939, vom 28.5.2005 Dr. Laura Z., Studentin der Medizin an der LMU von 1939 bis 1941 (Physikum), nach Geburt ihrer beiden Söhne (1942 und 1944) Abschluss des Studiums sowie Ablegung des Staatsexamens im Winter 1945/46, vom 1.6.2005 Dr. Dorothee B., Studentin der Medizin an der LMU von 1939 bis 1944 (mit Unterbrechung von einem klinischen Semester in Heidelberg und zwei Semestern in Freiburg), vom 7.6.2005 Irmgard H., Studentin der Philologie (Deutsch, Geschichte, Französisch) an der LMU von ca. 1940 bis 1942, vom 9.6.2005 Paula K., Studentin der Medizin an der LMU von 1943 bis 1944, vom 9.6.2005 Dr. Dorothee H., Studentin der Philologie (Deutsch, Geschichte, Englisch) an der LMU von 1942 bis 1943 (drei Semester, anschließend Wechsel nach Marburg), vom 12.6.2005 Dr. Irmtraud H., Studentin der Medizin an der LMU vom Wintersemester 1942/43 bis 1945 (Staatsexamen und Promotion 1946 bzw. 1948 in Frankfurt), vom 14.6.2005 Dr. Irmingard H., Studentin der Biologie (Nebenfächer: Botanik, Zoologie) an der LMU von 1941 bis 1944 (1940 drei Trimester an der TH München eingeschrieben, davon zwei für Mathematik und Physik sowie eines für Botanik und Zoologie), vom 16.6.2005 Dr. Felicitas von S., Studentin der Kunstgeschichte (mit Übungen und Vorlesungen in Archäologie, Pädagogik, Geschichte und Philosophie) an der LMU im Sommersemester 1928, vom Sommersemester 1930 bis Wintersemester 1932 sowie im Wintersemester 1934/35 (dazwischen Studium an den Universitäten Berlin und Freiburg), vom 24.6.2005 Elisabeth K., drei Semester Studentin der Volkswirtschaft an der LMU um 1943 (mit weiteren Studienaufenthalten in Heidelberg und Jena), vom 26.6. und 9.7.2005 Dr. Isolde D., Studentin der Physik an der LMU von 1939 bis 1946, vom 30.6.2005 Elisabeth Ka., Studentin der Medizin an der LMU 1939 sowie Studentin der Naturwissenschaften an der LMU von 1940 bis 1944, vom 2.7.2005 Lieselotte T., Studentin der Volkswirtschaft an der LMU von 1943 bis 1945, vom 9.7. und 21.7.2005 Dr. Mathilde D., ein Semester Studentin der Medizin an der LMU 1944, vom 9.7.2005 Dr. Anneliese I.-S., Studentin der Volkswirtschaft an der TH München im Wintersemester 1942/43, vom 11.7.2005 Dr. Ingeborg W.-K., ein Semester Studentin der Medizin an der LMU im Jahr 1944 (Fortsetzung und Abschluss des Studiums nach 1946), vom 14.7.2005 Dr. Helmtrud G., Studentin der Medizin an der LMU vom Wintersemester 1938/39 bis 1943 (mit Studienaufenthalten in Freiburg im Breisgau und Wien), vom 18.7.2005 Dr. Brigitte Maria K., Studentin der Zeitungswissenschaft (Nebenfächer: Kunstgeschichte, Archäologie) an der LMU von Herbst 1940 bis Sommer 1942 sowie im Wintersemester 1944/45 (dazwischen Studienaufenthalte in Italien und Wien), vom 19.7.2005 Gertraud B., Studentin der Philologie (Latein, Griechisch, Französisch) an der LMU vom Sommersemester 1942 bis Wintersemester 1944/45 (Staatsexamen nach 1945), vom 27.7.2005
1 Ungedruckte Quellen
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Magda W., Studentin der Chemie an der LMU im Zweiten Weltkrieg bis ca. 1943 (mit einem auswärtigen Semester in Freiburg im Breisgau), vom 27.7.2005 Prof. Dr. Dr. Marika Geldmacher-von Mallinckrodt, Studentin der Chemie an der LMU vom Sommersemester 1942 bis Sommersemester 1944, vom 28.7. und 7.12.2005 Dr. Herbert G., Student der Geographie (Nebenfächer: Geologie, Biologie, Geschichte) an der LMU ab 1940 mit kriegsbedingten Unterbrechungen (Abschluss 1949), vom 1.8.2005 Dr. Adriane H., Studentin der Kunstgeschichte (Nebenfächer: Archäologie, Philosophie) an der LMU von 1936 bis 1940 (mit Studienaufenthalten in Berlin, Wintersemester 1937, sowie zwei darauffolgenden Semestern in Freiburg im Breisgau; ab Sommersemester 1942 Studentin der Universität Würzburg), vom 1.8.2005 Ingeborg G., Studentin der Musikwissenschaft mit Hauptfach Orgel an der Akademie der Tonkunst von 1935 bis 1939 sowie Studentin der Schulmusik an der LMU vom Wintersemester 1943 bis Sommersemester 1944, vom 18.8.2005 Dr. Johanna K., Studentin der Medizin an der LMU von 1939 bis 1945, vom 22.8.2005 Maria H., Studentin der Philologie (Germanistik, Geschichte, Kunstgeschichte, zuvor ein Semester Medizin) an der LMU von 1942 bis 1943, vom 14.9. und 5.10.2005
Unveröffentlichte Dokumente und Erinnerungen Doerfler, Julius: Erinnerungen – Erlebnisse – Kämpfe in meinem Leben. Unveröffentlichtes Manuskript, o. D. Kopie im Privatbesitz P. U. Friedmann, Luzie Karola Dr.: Rede des Gauleiters. Undatierte und unveröffentlichte Notiz der Erinnerungen an die Flugblattaktion der Geschwister Scholl. Kopie im Privatbesitz P. U. Rheinfelder, Hans an Philomena Sauermann vom 15.6.1942. Postkarte. Kopie im Privatbesitz P. U. Stoess-Misslbeck, Irene Maria: Als Studentin in München 1940. Unveröffentlichte Erinnerungen April 2005. Kopie im Privatbesitz P. U. Sauermann, Philomena: Unser „Aufstand“ im Dritten Reich. Der 13. Januar 1943. Undatierter Erinnerungsbericht. Kopie im Privatbesitz P. U. S., Gertraud: Brief an P. U. vom 27.5.2005 S., Gertraud: Gedächtnisprotokoll zu den Vorfällen im Januar 1943 in München vom 19.9.1991. Kopie im Privatbesitz P. U. S., Gertraud: Rede vom 6.12.1944. Kopie im Privatbesitz P. U. W., Maria-Theresia: Gesuch um Zulassung zur mündlichen Doktorprüfung vom 13.6.1946. Originaldokument im Besitz von Theresa Leippert-Dirr, Pöcking. Kopie im Privatbesitz P. U.
Rundfunkbeiträge Reimann, Patricia: Modell für den großen Roman. Hanne Lenz über ihr Leben mit dem Schriftsteller Hermann Lenz. Radiobeitrag des Bayerischen Rundfunks vom 3.6.2004
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Quellen- und Literaturverzeichnis
Internet Lehner, Gertraud: Leben und Schaffen, Veröffentlichungen, Dokumente, Ergänzungen, hier nach http://www.romanistinnen.de/frauen/lehner.html vom 20.7.2014 Noelle, Elisabeth: Lebenslauf, hier nach http://gurukul.ucc.american.edu/radiowave/noelle/ nnleben.htm vom 20.7.2014 Pretl, Gertraud: Videointerview aus dem Jahr 1998, hier nach http://www.youtube.com/user/ GDN1940bis1949?feature=watch vom 27.5.2012
2 Gedruckte Quellen Zeitungen/Zeitschriften/Periodika Akademischer Beobachter. Kampfblatt des Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbundes, ab 1930 Die Bewegung. Zentralorgan des NSD-Studentenbundes Akten zur deutschen auswärtigen Politik 1918–1945. Serie C: 1933–1937. Das Dritte Reich: Die ersten Jahre. Band I, 1. 30. Januar bis 15. Mai 1933. Göttingen 1971 Amtlicher Münchener Hochschulführer Amtsblatt des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus Amt Studentinnen der RSF (Hg.): Die ANST-Gruppe Die Ärztin. Monatsschrift des Bundes Deutscher Ärztinnen e. V. Bayerische Ärztezeitung. Bayerisches ärztliches Correspondenzblatt Bayerische Hochschulzeitung. Amtsblatt der Studentenschaften Münchens Bayerische Israelitische Gemeindezeitung, ab Heft 15 (1.8.1937) Jüdisches Gemeindeblatt, 1925–1937, hier nach http://sammlungen.ub.uni-frankfurt.de/cm/periodical/titleinfo/ 2727810 vom 5.10.2012 Bayerische Staatszeitung/Bayerische Staatszeitung und Bayerischer Staatsanzeiger Boberach, Heinz (Hg.): Meldungen aus dem Reich 1938–1945. Die geheimen Lageberichte des Sicherheitsdienstes der SS. Band 1 bis 18. Herrsching 1984/85 Der Kinderarzt. Zeitschrift für Kinderheilkunde und Jugendmedizin. Mitteilungen des Berufsverbandes der Kinderärzte Deutschlands e. V. Der Deutsche Student. Zeitschrift der Deutschen Studentenschaft Der Jungarzt. Zeitschrift der Deutschen Mediziner Der Regenbogen. Zeitschrift für die Frau Der Rote Student Deutsche Hochschulstatistik Deutsche Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung, Amtsblatt des Reichsministeriums für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung und der Unterrichtsverwaltungen der Länder DSt. Wissen und Dienst. Die Deutsche Studentenschaft Die Frau. Monatsschrift für das gesamte Frauenleben unserer Zeit. Organ des Bundes Deutscher Frauenvereine Die Studentin. Eine Monatsschrift Die Welt Donaukurier
2 Gedruckte Quellen
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Dusik, Bärbel/Lankheit, Klaus A. (Hgg.): Hitler. Reden, Schriften, Anordnungen. Februar 1925 bis Januar 1933. Band III. Zwischen den Reichstagswahlen Juli 1928-September 1930. Teil 1: Juli 1928-Februar 1929. München, New Providence, London u. a. 1994 Freiburger Studentenzeitung Jahrbuch der Ludwig-Maximilians-Universität Kalender der reichsdeutschen Universitäten und Hochschulen Münchener Hochschulalmanach Münchner Merkur Münchner Neueste Nachrichten Personenstand der Ludwig-Maximilians-Universität München Personen- und Vorlesungs-Verzeichnis (Universität München)/Vorlesungsverzeichnis (Universität München) Reichsfrauenführung (Hg.): Deutsches Frauenschaffen. Jahrbuch der Reichsfrauenführung Reichsstudentenwerk. Kurzberichte aus der Arbeit des Jahres Süddeutsche Zeitung Studentenwerk. Zeitschrift der studentischen Selbsthilfearbeit Völkischer Beobachter. Kampfblatt der nationalsozialistischen Bewegung Großdeutschlands Volk im Werden. Zeitschrift für Kulturpolitik
Gesetzestexte Die deutsche Hochschulverwaltung. Sammlung der das Hochschulwesen betreffenden Gesetze, Verordnungen und Erlasse. Band 2. Berlin 1943 Reichsgesetzblatt, Teil I und II Reichsministerialblatt. Zentralblatt für das Deutsche Reich Verordnungsblatt des Reichsstudentenführers. Befehle des Reichsstudentenführers und Anordnungen der Amtsleiter der Reichsstudentenführung. Ab 1939: Verordnungsblatt des Reichsstudentenführers. Befehle des Reichsstudentenführers. Anordnungen des Reichskassenverwalters. Anordnungen und Bekanntgaben der Amtsleiter der Reichsstudentenführung
Doktorarbeiten Aurich, Ursula: China im Spiegel der deutschen Literatur des 18. Jahrhunderts. Berlin 1935. Nachdruck Nendeln/Liechtenstein 1967 Borger, Gustav: Experimentelle Untersuchungen über den Eintritt und Ablauf der Entzündung bei Gefässlähmung. Diss. München 1923 Brandt, Lieselotte: Der Pubertätskropf in Danzig. Vergleichende pathologisch-anatomische und klinische Untersuchungen am chirurgischen Material der Danziger Klinik. Diss. Lahr in Baden 1935 Brücher, Hildegard: Untersuchungen an den Hefemutterlaugen der technischen Ergosteringewinnung. Diss. München 1945 Dietrich, Liselotte: Hermann von Sachsenheim. Ein Beitrag zum geistesgeschichtlichen Wandel im Spätmittelalter. Diss. München 1948
790
Quellen- und Literaturverzeichnis
Donat, Wolfgang: Die Anfänge der burschenschaftlichen Bewegung an der Universität Kiel (1813–1833). Diss. Berlin 1934 Dulberg, Fanny: Der Imperialismus im Lichte seiner Theorien. Diss. Basel 1936 Eckl, Karoline: Erfahrung bei der Behandlung diabeteskranker Kinder. Diss. München 1940 Eder, Maria: Die physiologischen Probleme bei Hermann Lotze. Diss. München 1944 Fischer, Paula: Pater Frank. Diss. München 1944 Gengenbach, Karl: Ständegedanke und Verwaltungseinheit. Reform der Staats- und Verwaltungsgrundlagen in den Plänen des Frhr. vom Stein. Diss. Ochsenfurt am Main 1940 Goldschmidt, Käthe: Friederike Gossmann. 1838–1906. Diss. München 1948 Grote, Gertrud: Die Erzählkunst Ricarda Huchs und ihr Verhältnis zur Erzählungskunst des 19. Jahrhunderts. Diss. Berlin 1931 Kretschmar, Ursula: Basedow und Fertilität. Diss. Dresden 1941 Lange, Hilde: Das europäische Handwerk in Deutschsüdwest- und Deutschostafrika vor dem Weltkriege. Diss. München 1942 Machwirth, Liselotte: Ueber den Einfluß der Ernährung auf die Rachitis. Diss. München 1936 Mauermayer, Gisela: Untersuchungen über die Beziehungen zwischen Arbeitsleistung und Lebensdauer bei Arbeiterinnen der Honigbiene Apis mellifica L. Diss. München 1950 Mayer, Else: Die Pfälzereinwanderung nach Altbayern zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Voraussetzungen, Tatsachen, Wirkungen. Diss. München 1945 Meier, Gertrud: Über berufliche und gewerbliche Zahn- und Kieferschäden. Diss. München 1935 Meier, Martha: Über die Häufigkeit der Rektalgonorrhoe bei Frauen. Diss. München 1930 Neele, Edda: Ueber induziertes Irresein. Diss. Göttingen 1937 Oberndorfer, Leni: Milz und Knochenmark bei Erythrämie. Diss. München 1933 Philippsborn, Leo: Carl von Noorden, ein Deutscher Historiker des 19. Jahrhunderts. Diss. Göttingen 1963 Pischel, Barbara: Die thüringische Glasbläserei. Eine volkskundliche Untersuchung über Geschichte und Wesen einer thüringischen Volkskunst. Diss. Weimar 1936 Reusch, Annemarie: Über tödlichen Fruchtabtreibungsversuch durch intrauterine Einspritzung von Alaunlösung mit eigenartigen Blutveränderungen. Diss. Borna-Leipzig 1935 Richter-Heimbach, Hildegard: Blutgruppenbestimmung an Blutflecken. Diss. München 1934 Rockstroh, Marianne: Der württembergische Hopfenbau. Seine Verbreitung und seine natürlichen und wirtschaftlichen Grundlagen. Diss. Tübingen 1944 Romann, Ursula: Hygienische Untersuchungen als Beitrag zur Bekämpfung der Säuglingssterblichkeit in der Bayerischen Ostmark. Diss. Berlin 1940 Ruhsam, Ida: Die Zahnheilkunde in Österreich bis 1920. Diss. München 1945 Schäffler, Walter: Ein Fall von Frühmanifestation der Chorea Huntington, zugleich als Beitrag zur Frage der exogenen Auslösung. Diss. Leipzig 1956 Schweiger, Maria: Paris im Erlebnis der deutschen Dichter von Herder bis R. M. Rilke (Wanderungen und Wandlungen). Diss. München 1943 Sommer, Wilhelmine: Über Epulis. Diss. München 1942 Spissmann, Willy: Über die verschiedene Entstehung von angeborenen Missbildungen. Mitteilung eines eigenartigen Falles mehrfach schwerer Mißbildung, für dessen Entstehung Involutionsvorgänge des Uterus eine Rolle gespielt haben können. Diss. Düsseldorf 1938 Trautwein, Johanna: Johann Jakob Herkommer (1648–1717). Diss. München 1941
2 Gedruckte Quellen
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3 Zeitgenössische Literatur bis 1945
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Schultze-Jahn, Marie-Luise: „… und ihr Geist lebt trotzdem weiter!“ Widerstand im Zeichen der Weißen Rose. Berlin 2003 Sotier, Adolf Hans: Und so hab’ ich es mitbekommen… Jugend und Studium unter NS-Herrschaft. In: Landeshauptstadt München (Hg.): Verdunkeltes München. Geschichtswettbewerb 1985/1986. Die nationalsozialistische Gewaltherrschaft, ihr Ende und ihre Folgen. Buchendorf 1987, 130–132 Stahlberg, Alexander: Die verdammte Pflicht. Erinnerungen 1932 bis 1945. Frankfurt am Main 1987 Theodor Engl. 1925–1985. Lieselotte Engl, geb. 1918. In: Rüdiger vom Bruch/Rainer A. Müller (Hgg.): Erlebte und gelebte Universität. Die Universität München im 19. und 20. Jahrhundert. Mit einem Vorwort zur historischen Besinnung von Laetitia Boehm. Pfaffenhofen 1986, 359–374 Waibel, Elisabeth: Studentin im Bombenhagel. München im Kriegsjahr 1944. Winzer 2009 Walb, Lore: Ich, die Alte – ich, die Junge. Konfrontation mit meinen Tagebüchern 1933–1945. Berlin 1998 Wallis, Hedwig: Medizinstudentin im Nationalsozialismus. In: Ursula Weisser (Hg.): 100 Jahre Universitäts-Krankenhaus Eppendorf 1889–1989. Tübingen 1989, 399–404 Warburg Spinelli, Ingrid: Die Dringlichkeit des Mitleids und die Einsamkeit, nein zu sagen. Lebenserinnerungen bearbeitet von Annette Kopetzki mit einer kleinen Enzyklopädie des Antifaschismus und des Widerstandes in Europa und Amerika. Hamburg 1990 Warnach, Walter (Hg.): Eugen Gottlob Winkler. Briefe 1932–1936. Bad Salzig 1949 Willstätter, Richard: Aus meinem Leben. Von Arbeit, Muße und Freunden. Weinheim 1949 Willstätter, Richard: Geleitwort. In: Siegmund Kaznelson (Hg.): Juden im deutschen Kaiserreich. Ein Sammelwerk. Zweite, stark erweiterte Ausgabe Berlin 1959, VII-XI Zorn, Wolfgang: Studium der Geschichte im Geschichtserleben vor und nach Kriegsende. In: Hartmut Lehmann/Otto Gerhard Oexle (Hgg.): Erinnerungsstücke. Wege in die Vergangenheit. Rudolf Vierhaus zum 75. Geburtstag gewidmet. Wien, Köln, Weimar 1997, 249–270
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4 Literatur ab 1945
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Erste Durchführungsverordnung zum Luftschutzgesetz vom 4. Mai 1937, hier nach http:// www.inarchive.com/page/2011-02-18/http://www.bunker-siegen.de/hp/index.php? option=com_content&view=article&id=49&Itemid=59 vom 3.8.2014 Forschen, lehren, aufbegehren. 100 Jahre Frauenstudium an der TU München. Pressemitteilung vom 23.5.2005, hier nach http://portal.mytum.de/pressestelle/pressemitteilungen/news_ article.2005-05-19.5850692585 vom 20.7.2014 Hacker, Michael: Studenten im Dritten Reich. Teil 2. In: Academicus. Wintersemester 2004/2005, 46, hier nach http://www.alemannia-bonn.de/fileadmin/user_upload/ downloads/NS-Studenten2-Academicus2-2004.pdf vom 1.1.2010 Jung, Michael: Literaturübersicht Hochschulen im Nationalsozialismus, hier nach http:// www.uni-hannover.de/imperia/md/content/webredaktion/universitaet/geschichte/ literaturuebersicht_neu.pdf vom 22.8.2014 Karl Scharnagl 1924–1933 – 1945–1948, hier nach http://www.muenchen.de/Rathaus/dir/ stadtspitze/buergermeister/100572/scharnagl.html vom 20.7.2008 Literaturübersicht Hochschulen im Nationalsozialismus, hier nach http://www.clio-online.de/ site/lang__de/ItemID__27392/mid__10327/85/default.aspx vom 22.8.2014 Menstruationsstörungen. Amenorrhoe – Ausbleiben der Regelblutung, hier nach http://www. frauenaerzte-im-netz.de/de_menstruationsstoerungen-amenorrhoe_412.html vom 20.10.2008 Mönckeberg-Kollmar, Vilma, deutsche Rezitatorin, Sprachpädagogin und Literaturwissenschaftlerin. Internationales Biographisches Archiv 26/1985 vom 17.6.1985, hier nach http://www.munzinger.de/search/portrait/Vilma+M%C3%B6nckeberg+ Kollmar/0/2937.html vom 20.7.2014 Mutige Männer – anmutige Frauen! In: DB vom 30.7.1941, hier nach http://www.izwtalt. uni-wuppertal.de/sites/default/files/files/Forschung/Rammer/Wolff/Wolff_mutige_ Maenner-anmutige_Frauen.pdf vom 11.5.2014 Nationalsozialismus – Zweiter Weltkrieg – Neubeginn, hier nach http://www.spd-landtag.de/ downl/110FB1933.pdf vom 7.1.2009 Raggam, Michaela: Jüdische Studentinnen an der Medizinischen Fakultät in Wien, hier nach http://www.eforum-zeitgeschichte.at/1_01a4.html vom 1.11.2013 Scherb, Ute: ANSt (Arbeitsgemeinschaft Nationalsozialistischer Studentinnen), hier nach http://timms.uni-tuebingen.de/Player/PlayerFlow/UT_20040526_001_rvfrauen_0001 vom 13.4.2016 Schloss Schwindegg. Eine Chronik vom Initiator des ehem. Vereins zur Erhaltung von Schloss Schwindegg, hier nach http://www.chronik-schloss-schwindegg.de vom 3.1.2012 Schmaltz, Florian: Rezension zu: Noyan Dinçkal/Detlev Mares: (Hgg.): Selbstmobilisierung der Wissenschaft. Technische Hochschulen im „Dritten Reich“. Darmstadt 2009. In: H-Soz-u-Kult vom 25.10.2010, hier nach http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/ rezensionen/2010-4-059 vom 21.7.2014 Steffen, Johannes: Notstandsarbeit, Fürsorgearbeit, Pflichtarbeit, Freiwilliger Arbeitsdienst. Die öffentlich geförderte bzw. erzwungene Beschäftigung in der Weimarer Republik – 1918/19 bis 1932/33 –. Bremen 1994, 83, hier nach http://www.sozialpolitik-portal.de/uploads/ sopo/pdf/1994/1994-06-00-Steffen-oeffentlich-gefoerderte-Beschaeftigung-1918-1933.pdf vom 14.8.2014 Vorfahren von Elsa von Lersner, hier nach http://gedbas.genealogy.net/person/ancestors/ 1125750742 vom 3.8.2014
Personenregister A Ackerknecht, Ingeborg 183 Ahrens, Franz 182 Aly, Hermann 4, 262, 269, 325, 425, 513, 524, 526, 527 André, Etkar 201 Angelkort-Bach, Hilde 225, 226 Aurich, Ursula 572 Axt, Elli 265, 523, 579 B Bäumer, Gertrud 58, 59, 62, 328 Basalyk, Josef 201 Baum, Vicki 71, 72, 73 Beck, Friedrich 77, 82, 85, 88, 93, 107, 108, 109 Behr, Irmentrud 364, 365, 367 Ben-Chorin, Schalom 707 Benner-Müller, Annemarie 578 Berg, Hans Walter 562, 720, 723, 724, 727, 742 Bergholtz, Ruth 471, 517, 528, 530, 535, 644 Berve, Helmut 734 Betz, Mathilde 486, 488, 633, 640, 641 Beutler, Ruth 259 Bismarck, Otto von 551, 635 Bleyer, Benno 726, 727 Bode, Rudolf 419 Bonhoeffer, Dietrich 130 Borger, Gustav 441 Bormann, Martin 240, 701, 719 Boveri, Margret 37, 84, 336 Braden, Doris 542 Brandt, Lieselotte 150, 151, 152, 154, 155, 448, 454, 758, 759 Brettschneider, Gisela 257, 261, 264, 265, 267, 268, 289, 290, 293, 298, 391, 393, 401, 411, 412, 422, 423, 424, 426, 429, 431, 437, 442, 443, 444, 447, 448, 450, 457, 458, 524, 583, 756, 759 Brix, Gerda 533 Broemser, Philipp 236, 310, 311, 313, 342, 558, 625, 653, 729 Brückner, Wilhelm 165
Brüning, Heinrich 344, 345 Buber, Martin 198 Büchenbacher, Steffie 191 Bumke, Oswald 63, 110, 215, 311, 312, 314, 397 Burchard, Ingrid 510, 519, 538, 579 Buschor, Ernst 247 C Cabarrus-Fontenay, Therese 343 Castrillon, Antonio 228 Chomse, Irma 90 Cranz, Christl 465 Cremer, Hans 182 Cysarz, Herbert 247, 248, 560, 714 D Dabelow, Adolf 727 Dahl, Marianne vom 284, 285, 286, 579 Damm, Marie von 124 Dann, Lotte 225 Dannenbauer, Heinrich 629 Degenhardt, Heinrich 162, 164 Demoll, Reinhard 347, 436 Dengler, Anneliese 159 Derichsweiler, Albert 325, 458 Dietrich, Liselotte 222, 223, 224 Dirlmeier, Franz 70 Distel, Ludwig 708 Doerfler, Julius 37, 220, 278, 436, 440, 478, 533, 579, 602, 610, 611, 647, 679, 680, 682, 683, 684, 685, 687, 688, 689, 690, 691, 693, 695, 696, 697, 701, 702 Donat, Wolfgang 265, 418, 419, 420, 421, 434, 436, 437, 438, 441, 442, 443, 455, 589 Dorscheid, Heinrich 200, 201 Dovifat, Emil 234, 600, 601 Dressel, Thilde 639, 640 Drygalski, Erich von 230 Drygalski, Ruth von 230 Duisberg, Johanna 86 Dulberg, Fanny 214 Durian, Hans 182, 190
818
Personenregister
Dyck, Johann van 162, 164 Dyroff, Anton 117 E Eberstein, Friedrich-Karl Freiherr von 682, 686, 687, 691, 692, 701, 702 Eckl, Karoline 64 Ecknigk, Magda 528 Ehlers, Kurt 182 Einhauser, Robert 63, 145 Einhauser, Rudolf 63, 111, 207, 304 Eisenreich, Otto 367 Eisermann, Luitgard 421 Erlenbach, Friederike 232 Ernst, Wilhelm 317 Eschen, Heinz 164, 198 Escherich, Karl 269, 406 Eser, Franz 706 d’Ester, Karl 201, 283, 620 F Faßhauer, Gertrud 92, 290 Faulhaber, Michael von 46, 103, 172 Feickert, Andreas 376, 458 Ferst, Anna Elisabeth 477 Feuchtwanger, Franz 160, 161, 162, 164, 165, 179 Fiehler, Karl 227, 228 Fingerle, Anton 746 Fischer, Paula 729, 730 Fraenkel, Gertrud 191 Franck, Marianne 131, 133, 134, 135, 136, 137, 138, 143, 145, 147, 148 Frank, Ruth 180, 182, 187, 188, 189, 190, 193, 198 Frankenburger, Luise 159 Freise, Valentin 243, 245 Freudenhammer, Alfred 115 Frick, Wilhelm 323, 327, 439 Frieb, Hermann 179 Friedel, Eduard 51, 121, 303, 310, 317, 440, 612 Friedmann, Luzie Karola 497, 679, 686 Frieß, Hermann 123, 124 Fromm, Gertrud 215 Funk, Karola 93 Furtwängler, Hubert 712
G Gaensecke, Ruth 260, 389 Gallmeister, Hildegard 120, 149 Gebele, Hubert 414 Gebhardt, Annelies 243, 251, 252 Gebhardt, Karl 208 Geiß, Anny 94 Geldmacher-von Mallinckrodt, Marika 552 Gengenbach, Karl 107, 108, 112, 113, 178, 184, 185, 186, 206, 281, 428, 755, 768 Gerlach, Walther 252, 253, 446, 733 Gieles, Josef 381, 661, 712, 713 Gierach, Erich 706 Giesler, Hermann 682, 686, 687, 698, 705, 714, 715 Giesler, Paul 682, 683, 684, 685, 686, 687, 688, 690, 692, 695, 697, 698, 699, 705, 714, 745 Glauning, Hans 115 Goebbels, Joseph 106, 115, 140, 141, 157, 235, 538, 743 Gödde, Heinrich 46, 76 Göller, Sigwart 225, 376, 449, 456, 513 Göring, Karin 583 Goldschmidt, Käthe 254, 255, 770 Goldschmidt, Werner 179 Gontard, Fides von 579, 606, 607, 674 Goossens, Franz 8, 483, 614, 772, 773 Gottschewski, Lydia 85, 116 Gronauer, Maria 162, 163, 164, 179, 181 Grote, Gertrud 71, 72, 119 Grube, Hedwig 114, 115 Grunicke, Helmut 182 Günther, Hans F. K. 136 Guenther, Wera 232 Gumbel, Emil Julius 144 H Haeffner, Karl Ernst 252, 253, 734 Hagenauer, Hedi 261, 759 Hamm-Brücher, Hildegard 11, 37, 244, 246, 248, 249, 357, 380, 565, 622, 623, 651, 665, 668, 729, 733, 769, 785 Hansen, Rose 108 Hartl, Eduard 222, 223, 224 Haupt, Joachim 202, 203 Hecht, Hannah 73
Personenregister
Heidegger, Martin 190, 294 Heim-Pohlmann, Anna 258 Helmer, Anneliese 37, 354, 450, 726, 727, 730, 741, 754, 785 Helmut, Otto 532 Herrmann, Liselotte 198 Heß, Rudolf 214, 240 Hetzel, Ingrid 538, 540, 688 Hewel, Centamaria 122 Heyse, Paul 248 Hierl, Konstantin 353, 354, 369, 379, 383 Hildebrandt, Hans 111, 151 Hilgenstock, Ruth 261, 262, 271, 272 Hiller, Elisabeth 37, 593, 594, 605, 654, 733, 735 Hiller, Lotte 136, 137 Himmler, Heinrich 152, 251, 270, 294, 645, 701 Hirschmann, Eva 254, 255 Hitler, Adolf 1, 21, 38, 64, 106, 113, 114, 116, 125, 127, 140, 150, 152, 157, 158, 177, 189, 203, 214, 225, 227, 237, 241, 242, 261, 266, 270, 276, 351, 383, 399, 447, 473, 500, 523, 539, 548, 549, 550, 554, 573, 592, 652, 676, 682, 686, 691, 696, 701, 719, 745, 765 Höfler, Otto 499, 732 Hönigschmid, Otto 247 Höpfl, Gertraud 501, 540, 579, 744, 749 Höß, Irmgard 600, 697, 751 Hoffa, Luzie 60, 61 Hoffmann, Auguste 481 Hoffmann, Karl 285 Hofmiller, Hildegard 735 Hofstadt, Karl 243 Holland, Meta 271, 272 Huber, Hermann 108 Huber, Kurt 37, 296, 680, 699, 701 Huber, Resi 164, 198 Huch, Ricarda 72, 95 Hüttel, Rudolf 247, 251, 252 Huisgen, Rolf 244, 249, 358, 734, 785 Huppert, Alice 219 J Jacobs, Werner 751 Jakubaschk, Ingeborg 149
819
Jansen, Eva 71, 83 Jantzen, Eva 448 Jantzen, Hans 247, 328, 540 K Kahn-Albest, Hella von 178 Kalb, Renate 511, 633 Kattentidt, Balder 299 Kauffmann, Brigitte 159 Keitel, Wilhelm 719 Kellerer, Paula 339, 340, 341, 342 Kiesselbach, Luise 95, 99 Kisch, Wilhelm 338 Kißkalt, Karl 60, 403, 404, 706, 751 Kleist-Retzow, Ruth von 130 Knoblauch, Elisabeth 55, 67, 68, 81 Knoop-Graf, Anneliese 681, 683, 685 Kölbl, Leopold 254, 303, 309, 310, 339, 340, 473 Koellreutter, Hildegard 742 Koglin, Elly 114, 115 Kopelew, Lew 234 Kopittke, Luise 140, 142, 156 Kormann, Helmut 199, 200 Koschmieder, Erwin 499, 733 Kottenhoff, Anna 290, 488, 489, 490, 518, 519, 531, 534, 543, 554, 608, 618, 652 Kraus, Carl von 298 Krauß, Clemens 538 Kretschmar, Ursula 329, 330 Krieck, Ernst 389 Kronseder, Friedrich 295 Krüger, Felix 419 Krüger, Gerhard 206, 262, 267, 281, 439 Küffner, Anna 263 Kühne, Walter 189 Künoldt, Helene 114, 115 Künsberg, Eberhard Freiherr von 111, 145, 146, 147 Kürten, Heinz 525, 526 Kutscher, Artur 660, 707 L Labuda, Else 445, 524 Lachs, Minna 219 Lammers, Hans Heinrich 719 Lang, Hugo 96, 98, 279
820
Personenregister
Lange, Helene 539 Langer, Anneliese 121 Lauck, Barbara 335, 508 Lehner, Gertraud 296 Leipelt, Hans 2, 244, 575, 685 Lenz, Hanne 120, 220, 221, 238, 247, 248, 325, 328, 357, 568, 575, 576, 585, 777, 784 Lenz, Hermann 220, 247, 575 Lersner, Elsa Freiin von 572 Lessing, Theodor 144 Levy, Liesel 192 Lexer, Erich 63 Liebmann, Irmgard 232 Locher, Eugen 210 Loeb, James 99, 100, 109, 437 Loeb, Marie Antonie 99 Lohlöffel, Edith von 402, 403 Ludwig I., König von Bayern 1 M Machatschek, Fritz 708, 709 Machwirth, Liselotte 282, 290, 431, 439, 458, 502, 503, 599, 640 Magnus-von Hausen, Frances 328 Mann, Thomas 699 Marawske-Birkner, Lilli 343, 344, 346, 347, 352, 353 Marschall, Arnold 122, 123, 124 Mauermayer, Gisela 257, 258, 259, 261, 401, 403, 424, 442, 465, 523 Mauermayer-Schmidt, Gisela 94, 257, 258 Mayer, Else 732 Mayer, Eva 232 Meier, Gertrud 182, 183, 191 Meier, Martha 117, 118 Mende, Fritz Adolf 182 Mentzel, Rudolf 702 Merkel, Franz Rudolf 255 Merkel, Heinrich Georg 80, 81 Meunier, Ernst 538 Meyer, Erna 291 Miller, Sepp 674, 675 Mitteis, Heinrich 455, 456 Mittmann, Annemarie 187, 188, 189, 190, 191, 198 Mönckeberg, Vilma 502
Montez, Lola 1 Mosler, Hedwig 69 Müllbauer, Maria 599 Müller, Franz Josef 295, 297 Müller, Heinrich 701 Müller, Hermann von 77 Müller, Karl Alexander von 19, 70, 193, 687, 698 Müller, Wilhelm 706 Müller-Erzbach, Rudolf 186 N Nachreiner, Herbert 182 Nau, Maria 135, 140, 145, 146, 147, 148, 149, 157, 158 Nawiasky, Hans 111, 112, 117, 166, 181 Neele, Edda 291 Neeße, Gottfried 112, 166, 181 Neßler, Eva 257, 264, 265, 289, 293 Neubauer, Ursula 262, 420, 421, 438, 442, 443, 589 Niedhammer, Adolf 308 Niemann, Kurt 196 Nippold, Otto 455 Noelle-Neumann, Elisabeth 234, 235, 548, 549, 550, 557, 600 O Oberndorfer, Helene 227, 228, 229, 230, 231 Oberndorfer, Siegfried 227 Obrig, Ilse 118, 119, 120 Opitz, Alfred 182 Orfali, Stephanie 217 Orth, Reinhard 751 Otto, Annetraut 423 P Paechtner, Johannes 212 Pagel, Ruth 350, 353 Panther, Roswitha 126, 127, 129, 158 Papen, Franz von 345 Patutschnick, Karl Helmut 184, 185 Pesserl, Anny 278 Philippsborn, Leo 182, 187, 190, 193, 197, 198 Pinder, Wilhelm 69, 70 Pirker, Theo 686, 695 Pischel, Barbara 46, 147, 148, 149
Personenregister
Plachte, Franz 237, 239 Plank, Inge 480 Pölnitz, Götz Freiherr von 604 Pompeckj, Josef Felix 63 Powalowski, Rudolf 182 Pretl, Gertraud 38, 40, 594, 690, 691, 708 Probst, Adrian 699 Prölß, Ilse 436 Prütting, Hildegunde 499, 732 Pusch, Wolfgang 436, 441, 443, 638 R Rattenhuber, Hedwig 675, 676 Raulf, Luise 267 Rehm, Albert 751 Rehm, Harald 156 Reimann, Else 406 Reinartz, Anna 93 Renner, Otto 773 Rheinfelder, Hans 296 Riess, Emil 397 Rinser, Luise 349, 350 Rockstroh, Marianne 579 Rösch, Augustin 297 Rohlfs, Gerhard 235, 296 Romberg, Ernst von 227, 228 Rompel, Josef 58, 67, 105 Ronneberger, Franz 601, 638, 639 Roques, Karl von 488 Rosenberg, Alfred 105, 106, 107, 152, 266, 592 Roth, Ingrid 618, 706, 751, 773 Rothe, Gisela 409, 413, 414, 415, 484, 486, 599, 630, 633 Rothenbücher, Karl 117, 161, 165 Rüchardt, Eduard 770 Rühle, Gerd 150 Rüttenauer, Isabella 219 Rust, Bernhard 236, 380, 452, 458, 480, 507, 508, 618, 743 S Sattler, Carl 98, 99, 100 Sauckel, Fritz 745 Sauermann, Philomena 296, 315, 368, 472, 496, 504, 510, 528, 586, 663, 669, 681,
821
682, 686, 688, 689, 691, 693, 694, 696, 706, 714, 728, 777, 778, 784 Schäfer, Oswald 684, 691 Schäffler, Walter 182, 187, 190, 198 Scharnagl, Karl 51, 56 Scheel, Gustav Adolf 318, 391, 468, 480, 488, 492, 515, 593, 612, 621, 626, 645, 653, 699, 701, 745 Scheibe, Hilde 699, 700 Schemm, Hans 178, 179, 193, 206, 323, 399, 411, 412, 519 Scherpenbach, Grete 124 Schirach, Baldur von 125, 126, 127, 129, 130, 131, 133, 135, 137, 141, 150, 647 Schlink, Klara 290, 291, 292 Schloss, Lotte 191, 192 Schmidt, Otto 436 Schneidhuber, Elisabeth 232 Scholl, Hans 1, 629, 699, 713 Scholl, Sophie 1, 41, 628, 629, 662 Schubart, Inge 37, 574, 695, 697, 749, 750 Schuberth, Else 125, 126, 128, 132 Schüddekopf, Katharina 606 Schürrle, Heinrich 473 Schütz-Sevin, Barbara 37, 38, 337, 449, 513, 514, 571, 572, 576, 577, 584, 763 Schultz, Ursula 149, 421 Schultze-Jahn, Marie-Luise 2, 244, 248, 249, 362, 363, 496, 552, 575, 585, 668, 680, 685, 784 Schumann, Clara 537 Schumann, Robert 537 Schuster, Marianne 390, 414, 422 Schustermann, Fritz 187, 190, 193, 198 Schwarz, Ellen 233 Schwarz, Hans 179 Schweiger, Maria 622 Schwerin, Claudius Freiherr von 544, 697, 698 Seidel, Ina 573, 574 Seifert, Alwin 37, 698, 699 Sen, Sures Chandra 182 Seuffert, Leonie von 223, 224 Seuffert, Thea von 223, 224 Sikorski, Hans 61, 75 Sommer, Hanna 124 Sommerfeld, Arnold 706
822
Personenregister
Sotier, Adolf Hans 197 Soyka, Elsa 334, 341 Sperk von Naehrich, Rotraut 579 Spiegel, Elisabeth 172 Spißmann, Willy 229, 230 Sprenger, Jakob 684 Stadler, Johanna 288 Stäbel, Oskar 267, 268, 294, 430, 433, 454, 458, 758, 759 Stahlberg, Raba 130, 131, 133, 134, 135, 139, 140, 141, 142, 150 Stahlberg, Walter 141 Stein, Dimitri 769 Stein, Greta 209 Stein, Veronika Freiin von 85, 86, 100, 572 Stern, Irene 37 Stettmeier, Franz 187, 190, 198 Stoess-Misslbeck, Irene Maria 651 Stoß, Anton 334 Strasser, Gregor 114, 125 Strehl, Ruth 416, 417, 418, 419, 420, 421, 434, 436, 437, 438, 440, 441, 442, 443, 444, 589 Streit, Hanns 275, 307, 315, 438, 443, 444 Studentkowski, Werner 115 Stuhlreiter, Ignaz 182 Suchenwirth, Richard 536 Süß, Wilhelm 246, 722 Syrup, Friedrich 346 T Tempel, Wilhelm 113, 114, 115, 116, 125, 151 Theißig, Eva 135, 136, 282, 283 Tillmanns, Robert 74, 75 Traut, Hans 473 U Ultsch, Irene 556 V Veltheim, Hildegard von 86, 101 Verdi, Giuseppe 537, 538 Vollkommer, Max 228, 229, 230 Vossler, Karl 37, 70, 117, 177 W Wädlich, Mathilde 132
Wagner, Adolf 64, 468, 535, 536, 538 Wagner, Anna 535 Walb, Lore 650, 651, 652, 706 Wallis, Hedwig 591, 592 Warburg Spinelli, Ingrid 218, 219 Weber, Adolf 214, 343, 750 Weichselbaum, Sieghart 167 Weiß, Rudolf 53, 170, 338 Weißbrem, Hans 187, 190, 193, 198 Weski, Timm 472, 473, 550, 777 Wessely, Karl 61, 63 Westphalen, Ilse 503, 630, 632, 635, 637, 640, 641 Wick, Oda 480 Wieland, Heinrich 186, 244, 245, 246, 247, 248, 249, 252, 253, 254, 358, 446, 565, 622, 623, 710, 748, 768 Wien, Anneliese van 209, 210 Willstätter, Richard 214, 215 Winkler, Eugen Gottlob 85, 177 Winkler, Franz 99 Wölfle, Lotte 619, 620, 785 Woesler, Maria 159 Wolf, Irmgard 132 Wolff, Albert 632, 633 Wolff, Emmy 72 Wolff, Inge 264, 414, 431, 438, 440, 442, 450, 508, 535, 632, 633 Wolfseher, Richard 182, 187, 190, 199, 200 Wünsch, Anneliese 111 Wüst, Walther 201, 234, 242, 243, 244, 245, 246, 250, 251, 253, 254, 283, 284, 285, 286, 385, 479, 492, 498, 499, 500, 501, 520, 533, 551, 579, 586, 612, 657, 669, 695, 701, 702, 704, 710, 722, 723, 724, 725, 727, 729, 731, 736, 737, 739, 741, 742, 745, 746, 747, 768, 770 Wulle, Herta 278 Wundt, Wilhelm 419 Z Zähringer, Heinz 433, 456 Zahn, Rudolf 182, 187, 190, 198 Zahn-Harnack, Agnes von 81, 88, 89, 95, 101, 109 Zander, Elsbeth 128 Zettler, Alois 666
Personenregister
Zumbusch, Leo von 150, 179, 209, 210, 409 Zuntz, Leonie 255 zur Mühlen, Heinrich von 293, 294
823
Zwiedineck-Südenhorst, Otto von 70, 71, 214, 620