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German Pages 86 [88] Year 1979
ALTDEUTSCHE
TEXTBIBLIOTHEK
Begründet von Hermann Paul Fortgeführt von G. Baesecke Herausgegeben von Hugo Kuhn Nr. 86
Die Sprüche Friedrichs von Sonnenburg Herausgegeben von Achim Masser
MAX NIEMEYER VERLAG TÜBINGEN 1979
CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Friedrich < v o n S o n n e n b u r g > : Die Sprüche Friedrichs von Sonnenburg / hrsg. von Achim Masser. Tübingen : Niemeyer, 1979. (Altdeutsche Textbibliothek ; Nr. 86) ISBN 3-484-20101-0 kart. ISBN 3-484-20100-2 Lw.
Geb. Ausgabe ISBN 3-484-20100-2 Kart. Ausgabe ISBN 3-484-20101-0 ISSN 0342-6661 © Max Niemeyer Verlag Tübingen 1979 Alle Rechte vorbehalten. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es auch nicht gestattet, dieses Buch oder Teile daraus auf photomechanischem Wege zu vervielfältigen. Printed in Germany Satz: Rothfuchs, Dettenhausen Einband: Heinr. Koch, Tübingen
Inhalt
Vorwort VII Einleitung IX 1. Das Textkorpus: Überlieferung und Echtheit. 2. Der Dichter XIV 3. Die Grundsätze dieser Ausgabe XXVIII Text
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Vorwort
Eine Neuausgabe der Sprüche Friedrichs von Sonnenburg bedarf keiner Rechtfertigung. Die vor hundert Jahren von Oswald Zingerle veranstaltete Ausgabe 1 ist schon damals wegen ihrer Unzuverlässigkeit und Irrtümer hart getadelt worden. Da Zingerle zudem ausschließlich auf F.H. von der Hagen2 fußt, dessen Text jedoch nicht selten fehlerhaft abgeschrieben hat, war im Grunde auch bei Friedrich von Sonnenburg das ehrwürdige Werk von der Hagens bislang nicht zu entbehren. Die hier vorgelegte neue Ausgabe sucht dem abzuhelfen. Friedrich von Sonnenburg ist ein interessanter, in seinen Tagen offensichtlich und nicht von ungefähr geschätzter Vertreter der fahrenden Spruchdichter der spät- und nachstaufischen Zeit. Er ist etwa auch gut im Seminar zu behandeln — die Neuausgabe will hierzu Voraussetzung und Anstoß sein. Den Herren Bibliothekaren der Universitätsbibliotheken von Heidelberg, München und Innsbruck, der Stiftsbibliothek von St. Gallen sowie der Landesbibliothek Kassel bin ich für Handschriften, Photokopien und Auskünfte verbunden. Mit Walter Salmen konnte ich die Probleme der Melodien durchsprechen. 1
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Friedrich von Sonnenburg, hrsg. von Oswald Zingerle, Innsbruck 1878. Dazu E. Sievers, PBB 5 (1878) 5 3 9 - 5 4 4 ; Ph. Strauch, AfdA 6 (1880) 5 0 - 5 9 ; K. Bartsch, Germania 25 (1880) 1 1 3 116. Verzeichnis sonstiger (Teil-)Ausgaben sowie Forschungsbibliographie bei Gisela Kornrumpf, Friedrich von Sonnenburg, Verf.-Lex., 2. Aufl. Minnesinger, Deutsche Liederdichter des zwölften, dreizehnten und vierzehnten Jahrhunderts, hrsg. von Friedrich Heinrich von der Hagen, Leipzig 1838, Bd. 2, S. 3 5 2 - 3 6 0 ; Bd. 3, S. 6 9 - 7 8 ; 7 2 6 - 7 2 8 ; 743; Bd.4, S. 6 4 7 - 6 6 0 und 717. VII
Den Teilnehmern eines im Sommersemester 1976 abgehaltenen Privatissimums und namentlich meinem Assistenten Dr. Max Silier danke ich für ihre Mitarbeit in klärenden Diskussionen. Dr. Irmtraud Albrecht half in bewährter Weise mit bei den Korrekturen. Innsbruck
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Achim Masser
Einleitung
1. Das Textkorpus: Überlieferang und Echtheit Die zu behandelnden 73 Strophen sind wie folgt überliefert: J Jenaer Liederhandschrift, Bl. 6 3 v - 7 2 v Meister vriderich von svnnenburc, 63 Strophen. 1 C Cod. Pal. Germ. 848, Große Heidelberger Liederhandschrift, 2 B1.4071 Bild und Wappen von Meist* Friderich vo SÜnenburg, B1.407 v ^409 r 26 Strophen. Außerdem B1.389r, Str.91 des Konrad von Würzburg Zugewiesenen (=J11).
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Die Jenaer Liederhandschrift, hrsg. von K.K. Müller, Jena 1896. Auf diesem Faksimile beruht die vorliegende Ausgabe. - Die Jenaer Liederhandschrift. In Abbildung hrsg. von Helmut Tervooren u. Ulrich Müller, Göppingen 1972 (auf etwa die Hälfte des Formats verkleinernde Reproduktion der Faksimileausgabe von K.K. Müller); diplomatischer Abdruck und Übertragung der Melodien: Die Jenaer Liederhandschrift, hrsg. von Georg Holz, Franz Saran u. Eduard Bernoulli, 2 Bde, Leipzig 1901 (Nachdr. Hildesheim 1966). Das in J nach Str.63 auf B1.72 noch aufgezeichnete Text- und Melodiefragment gehört nicht zu Friedrich von Sonnenburg. Die Manessische Liederhandschrift. Faksimileausgabe des Insel Verlages Leipzig 1 9 2 5 - 1 9 2 9 ; hierauf fußt: Die große Heidelberger „Manessische" Liederhandschrift. In Abbildung hrsg. von Ulrich Müller, mit einem Geleitwort von Wilfried Werner, Göppingen 1971; im Erscheinen: Codex Manesse. Die Große Heidelberger Liederhandschrift. Faksimile des Cod.Pal.Germ.848 der Universitätsbibliothek Heidelberg. Mit einem Kommentarband, hrsg. von Walter Koschorreck und Wilfried Werner, Frankfurt 1974 ff.; Die Große Heidelberger Liederhandschrift. In getreuem Textabdruck hrsg. von Fridrich Pfaff, Heidelberg 1909. IX
r a H Cod.Pal.Germ.350, zweiter Teil, 3 B1.43 b i s ^4ra (ohne Angabe des Verfassers) 5 Strophen (H 2—6 bzw. Str. 263—267 bei durchlaufender Zählung der Strophen der Handschrift). 4 a Cod.Pal.Germ.357, Kleine Heidelberger Liederhandschrift, 5 Anhang, Bl. 4 3 V ^ 4 V (ohne Angabe des Verfassers) 10 Strophen (a 4 7 - 5 6 ) . G Cod.Sangall.857, S . 6 9 3 Ds von SÜnenburg, 5 Strophen. E Universitätsbibliothek München, 2 ° Cod.ms.731, Würzburger Liederhandschrift, B1.226 r a unter (teils unechten) Strophen des Marner 1 Strophe mit der Überschrift Sßntig (= J 1 3 / C 2 5 ) .
3 Mittelhochdeutsche Spruchdichtung, früher Meistersang. Der Cod.Pal.Germ.350 der Universitätsbibliothek Heidelberg. 3 Bde. 1. Faksimile; 2. Einführung u. Kommentar von Walter Blank; 3. Beschreibung der Hs. u. Transkription von Günter u. Gisela Kochendörfer, Wiesbaden 1974. - Der zweite Handschriftenteil ist eine ursprünglich selbständige, wohl im ersten Viertel des 14.Jhs. angelegte Sammlung geistlicher Strophen (durchwegs ohne Verfasserangabe), vgl. W. Blank ebda Bd.2, bes. S.35-52 u. 104-116. 4 Zingerle (der übrigens die Heidelberger Hss. 350 und 357 durcheinanderwirft und sie als e i n e Handschrift ansieht) behauptet aus unerfindlichem Grunde auch für J 11 (= Z. IV,7; diese Ausgabe Nr. 12) eine Überlieferung in H und notiert sogar entsprechende Lesarten im Apparat. 5 Die Kleine Heidelberger Liederhandschrift. Faksimile des Cod. Pal.Germ. 357 der Universitätsbibliothek Heidelberg. Einführung von Walter Blank, Wiesbaden 1972. 6 Die aufwendige und mit Sorgfalt angefertigte Handschrift enthält: Parzival (Hs.D), Nibelungenlied und Klage (Hs.B), des Strikker Karl d. Gr. (Hs.C), Willehalm (Hs.K). Auf der ursprünglich freien letzten Seite von anderer Hand die fünf Strophen; die Überschrift nicht auf Rasur, aber so verblaßt und abgegriffen, daß genaue Lesung nicht möglich ist (evtl. auch Sfinnburg). X
K Landesbibliothek Kassel, Ms.jur.fol.25, B1.264y Magister Fridericus de Simeburg magnus, 1 Strophe. 7 In J wie C (hier nicht fehlerfrei) erfolgt die Ordnung der Strophen nach Tönen, allerdings mit unterschiedlicher Reihenfolge sowohl der Töne als auch der einzelnen Strophen innerhalb des jeweiligen Tons. J kennt drei Töne, von denen der mit den meisten Strophen an die Spitze gestellt ist; C überliefert (Str. 51 und 52 dieser Ausgabe) zusätzlich zwei Strophen eines vierten Tons. Was die Strophenreihung betrifft, so läßt ein Vergleich von C und J mehrfach Gruppen von 2 oder 3 bzw. auch von 2 + 3 Strophen hervortreten, die sich — Nachwirkung gemeinsamer Überlieferungsvorstufen — vollständig oder defekt in der jeweils anderen Handschrift wiederfinden, und zwar teils in übereinstimmender, teils in umgekehrter Abfolge. Eine Ordnung des Materials nach chronologischen oder thematisch übergreifenden Gesichtspunkten ist weder für J noch für C ersichtlich, doch sind kleinere, inhaltlich und formal als zusammengehörig ausgewiesene Gruppen durchaus vorhanden: so beispielsweise die auch anderwärts als Block überlieferten Frau-WeltStrophen J 1—9, an die sich J 10—15 geistliche Strophen anschließen, von denen wieder die ersten beiden und die drei folgenden enger beieinander stehen;sodann etwa J 27— 29 die drei auf König Rudolf bezogenen Strophen oder ganz deutlich J 57—60. Ganz abgesehen von der anonymen, anderwärts nicht bezeugten Strophe H 6 Des holdirbaumis smag gilt insgesamt für alles, was sich unter dem Namen Friedrichs von Sonnen-
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Zwölf mhd. Minnelieder und Reimreden. Aus den Sammlungen des Rudolf Losse von Eisenach von Edmund E. Stengel und Friedr. Vogt, in: Archiv f. Kulturgesch. 38 ( 1 9 5 6 ) 1 7 4 - 2 1 7 ; die Strophe Friedrichs von Sonnenburg S. 201 f. - Dazu H. Kuhn, PBB 8 0 (Tüb. 1958) 3 1 7 - 3 2 3 .
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bürg zusammengefunden hat, daß wir es mit einem Werk zu tun haben, bei dem — von Ausnahmen abgesehen — sichere Kriterien fehlen, um die einzelnen Strophen als echt zu bestätigen oder das Gegenteil zumindest wahrscheinlich zu machen. Die bevorzugte Thematik und das Niveau, auf dem sie abgehandelt wird, einerseits sowie die sprachliche, metrische und musikalische Form, in die sie eingekleidet wird, andererseits sind in ihrer Gefälligkeit weithin so typischdurchschnittlich, daß sie bei Bedarf und passender Gelegenheit eine Zudichtung weiterer Strophen gleicher Manier geradezu herausfordern. Auf eine Aussonderung zweifelhafter und möglicherweise unechter Strophen wird daher für die vorliegende Ausgabe bewußt verzichtet. Zingerle (vgl. F.H. von der Hagen) wertet insgesamt als unecht die Strophen J 6 - 9 , a 55, J 16, J 47 ( = Z.: J 38), J 46 (= Z.: J 47); des weiteren vgl. Ph. Strauch, AfdA 6 (1880) 54 f.: J 12, J 15, J 30, J 38 (= Z., Strauch: J 39), H 6; G. Roethe, Die Gedichte Reinmars von Zweier (1887) 132 Anm.170: H 5. Ein Problem fiir sich bildet in diesem Zusammenhang die Gruppe J 6—9/ a 52—56 mit ihren insgesamt 5 Antistrophen auf ebenso viele Strophen zum Lobe der Frau Welt, die außer in J (Str. 1 —5) auch in den Hss. CGa überliefert werden. Die deutlichen Bezüge im Inhalt wie in der sprachlichen Formulierung zwischen Lob- und Scheltstrophen sind wechselseitig, was bedeutet, daß wir von gleichzeitiger Entstehung bei einem Grundschema: Strophe(n) — Antistrophe(n) — Strophe(n) auszugehen haben. Eine eindeutige Reihung der einzelnen Strophen (diese Ausgabe Nr. 1—10) ist schwierig, und es sind mehrere Varianten denkbar; wir halten, ohne das hier näher begründen zu können, die Folge 3 - 8 - 1 - 6 - 5 - (7 + 10) - 4 - 9 - 2 für die wahrscheinlichste. 8 Es handelt sich offensichtlich um einen 8
Anders Burghart Wachinger, Sängerkrieg. Untersuchungen zur XII
mehrmaligen Schlagabtausch zwischen dem Dichter und einem (uns unbekannten) Kontrahenten, wobei wir tunlichst das Wort ,Dichterfehde' vermeiden und eher an einen Wettstreit pro et contra vielleicht als Preisaufgabe, jedenfalls aber vor Augen und Ohren des gleichen Publikums denken wollen. 9 Weder vermag die einwandfreie' Form einer Strophe ihre Authentizität zu garantieren, noch berechtigt eine Abwandlung des üblichen Schemas dazu, sie als unecht zu verdächtigen. Die der älteren Forschung geläufige Vorstellung einer vom Dichter anfänglich geschaffenen und dann durch sämtliche Strophen gleichen Tons in allen Kleinigkeiten sorgsam beibehaltenen Strophengestalt, von der sich eben der Nachahmer durch Unvermögen oder aber auch durch übersteigernde Originalitätssucht erkennbar abhebt, ist heute nicht mehr vertretbar. 10 Zumal den Verfassern strophenreicher Töne, die über Jahre benutzt wurden, ist sowohl im Bereich des Musikalischen als auch der textformalen Strophenstruktur Spielraum zuzubilligen. Ihn nutzt Friedrich von Sonnenburg beispielsweise im Komplex der Strophen J 1 - 4 7 , H 6, a 55 und C 1 zur Variation vor allem des Reimschemas im Aufgesang: zwei Drittel der Strophen haben die Bindungen Spruchdichtung des 13. Jhs., München 1973, S. 1 3 9 - 1 5 0 , der für die 10 Strophen in der von CGa vertretenen Abfolge einen kritischen Text im Anschluß an G für die Lob- und a für die Antistrophen herstellt. 9 Eine nicht auszuschließende weitere Möglichkeit ist die, daß Scheit- und Lobstrophen den gleichen Verfasser haben, der in solchem Falle als Alleinunterhalter die unterschiedlichen Ansichten zum Thema ,Frau Welt' durchgespielt hätte. 10 Auch das Vorkommen einer beim Dichter sonst unüblichen, sogar mundartfremden Reimbindung - bei Friedrich von Sonnenburg zum Beispiel Str. 16 kint : (wir) sint - beweist nicht viel, da kein Grund besteht, die gelegentliche Verwendung solcher, vielleicht .literarischen Reime' für unmöglich zu halten. XIII
a a a b | c c c b , die übrigen hingegen a a b c | d d b c . Zuweilen begegnet durchgereimter Abgesang, oder es kommen — wie in Str. 39 (J 38), einem Preis auf die Mutter Gottes — üppig schmückende Binnenreime vor. Solche Strophen deswegen als verdächtig einzustufen, besteht kein Anlaß. Wir treffen ferner auf Modifizierungen in der Regel des Auftaktes und der Senkungsfüllung sowie der Kadenzen. Was dabei das Zusammenpassen von Text und Melodie bei der Realisierung der Strophen im Vortrag angeht, so bleiben Schwankungen in der sprachlichen Füllung bis zum Umfang mehrerer Silben ohne Belang. Der Textkritiker, der hier traditionell zu bessern findet, um den vorhandenen Formprinzipien zu einer Folgerichtigkeit zu verhelfen, die im Blick auf die Vortragspraxis, in der die Strophen allein dem Publikum einst nahegebracht worden sind, überflüssig und unangemessen ist, muß sich zurückhalten. Zurückhaltung ist auch geboten, wo es um die Originalität der Lesarten verschiedener Handschriften geht. Die Frage nach dem genuinen Wort des Dichters ist wichtig, darf jedoch nicht dem Zugang zur Praxis des mittelalterlichen Literaturbetriebes hinderlich sein. Unsere Auffassungen von Echtheit und Originalität sind nicht die des Mittelalters: bis zu einem gewissen Grade kann hier — zunächst noch vom Autor selbst und sodann auch von späteren Vortragskünstlern — der Wortlaut fallweise verändert werden, ohne deshalb weniger ,echt' zu sein. Das Werk Friedrichs von Sonnenburg enthält zahlreiche Textvarianten, die als V o r t r a g s v a r i a n t e n anzusehen und entsprechend zu werten sind.
2. Der Dichter Mit unserem Wissen über Friedrich von Sonnenburg steht es wie bei den meisten der deutschen Dichter des Mittelalters: XIV
die Lebensdaten sind unbekannt, urkundliche Bezeugungen gibt es nicht, und alles, was über ihn zu vermuten ist, muß aus seinen eigenen Sprüchen gefolgert werden. Die Liederhandschriften J und C nennen ihn ,meister', und es war (und ist weithin noch immer) üblich, solche Benennung als Anzeichen .bürgerlicher' Abkunft zu werten, wie man dagegen Dichter des Typs ,her Walther von der Vogelweide' oder ,her Nithart' als — überwiegend arme — ,Adlige' einstufte. Doch ganz abgesehen von den unscharfen und von uns in aller Regel mit unzutreffenden Vorstellungen befrachteten Begriffen bürgerlich' und ,adlig' — im Bereich der hier in Frage stehenden Titulatur kommt den Angaben der Liederhandschriften kein großer Wert zu, d.h. ob jemand als her Walther von der Vogelweide oder als meister Friderich von Sßnenburg oder einfach als Rubin aufscheint, ist für die Frage nach seiner tatsächlichen Herkunft ohne Beweiskraft, und insbesondere besagen Zuerkennung oder Fehlen des Titels ,Herr' überhaupt nichts.11 Das dem Dichter in C beigelegte Wappen ist offensichtlich der Phantasie des Malers entsprungen. Von den Bemühungen, den seiner Sprache nach süddeutschen Friedrich von Sonnenburg näher zu lokalisieren, hat die bereits von F.H. von der Hagen (Minnesinger 4,647 ff.) erwogene, von O. Zingerle in der Einleitung seiner Ausgabe durch weitere Gesichtspunkte gestützte Her-
11 Zu diesem Problem zuletzt Joachim Bumke, Ministerialität und Ritterdichtung. Umrisse der Forschung, München 1976. Über den ,Stand' Friedrichs von Sonnenburg äußern sich G. Roethe, Die Gedichte Reinmars von Zweter, Leipzig 1887, S. 180 Anm. 2 2 2 ; ders., A D B 3 7 , 7 8 0 ff.; F. Grimme, Alemannia 2 2 ( 1 8 9 4 ) 3 4 - 3 6 ; A. Schulte, ZfdA 39 ( 1 8 9 5 ) 2 4 0 ; K. Bartsch, Deutsche Liederdichter des 1 2 . - 1 4 . Jhs., Nachdr. d. 4. Aufl. von 1906, Darmstadt 1966, S. L X X V ; P. Kluckhohn, ZfdA 5 2 ( 1 9 1 0 ) 152 f. u. Anm. 7; E. Thurnher, Wort und Wesen in Südtirol, Innsbruck 1947, S. 1 1 2 - 1 1 4 ; H. Rosenfeld, N D B 5 ( 1 9 6 1 ) 600.
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kunft aus dem Pustertal in Tirol Anspruch auf größte Wahrscheinlichkeit, obwohl sich kein wirklicher Beweis fuhren läßt. In Tiroler Urkunden tauchen seit dem späteren 12.Jh. nicht selten Zeugen auf, die sich de Suoneburch nennen: 1174—1181 Richhardus de Sänebürch,n 1185 Fedricus de Soneburg13 usw. Sie sind teils geistlichen Standes, teils — wie gerade die ältesten Belege eindeutig erkennen lassen — ministeriales des im Pustertal gelegenen Benediktinerinnenstiftes Sonnenburg, das noch um 1300 üblicherweise als Sßne(n)burg, daneben und später Sune(n)-, Sunburg, -burch u.a., seit dem 16. Jh. in der heutigen Namensform aufscheint. In einer Urkunde von 1205 aus Brixen über einen Vergleich zwischen den Augustiner-Chorherren des benachbarten Neustift und einem bischöflichen Ministerialen treten unter den Zeugen gleich drei Träger dieses Namens auf einmal in Erscheinung: bei den Kanonikern der (vorher und auch späterhin wiederholt vorkommende) Qlricus de Suneburg und aus der Schar der Ministerialen Fridericus de Suneburg et eius frater Pilgrimus.n Wenig später (1207— 1212) zeugen de Sconeburch [= SÜneburch] Fridericus et frater eius Wigandus;15 ein Fridericus miles de SÜneburch (personengleich mit dem Friedrich der vorgenannten Urkunde?) ist unter den Zeugen einer Verhandlung von 1227 16 Die Kette läßt sich fortsetzen.
12 Das Traditionsbuch des Augustiner-Chorherrenstiftes Neustift bei Brixen, bearb. von Hans Wagner, Wien 1954, Nr. 111. 13 Tiroler Urkundenbuch. Hrsg. von der hist. Komm, des Landesmuseums Ferdinandeum in Innsbruck. I. Abt.: Die Urkunden z. Gesch. d.dt. Etschlandes u. des Vintschgaus. Bearbeitet von Franz Huter. B d . 1 - 3 , Innsbruck 1 9 3 7 - 1 9 5 7 (= TUB), 1,1 Nr. 421. 14 TUB 1,2 Nr. 558 15 Wagner (Anm. 12) Nr. 161. 16 TUB 1,2 Nr. 891. XVI
Zunächst Burg der Grafen im Pustertal und Lurngau und Mittelpunkt der Gerichtsbarkeit in diesem Gebiet - daher der Name! —, wurde die Suonapurc 1022/39 ein (hoch-)adeliges, 1785 aufgehobenes Benediktinerinnenkloster. 17 Die heutige Szenerie rund um Sonnenburg dürfte die lokalen Gegebenheiten des Mittelalters im wesentlichen bewahrt haben: auf einem Felsrücken über der Rienz und dicht an der vom Toblacher Feld herabführenden einstigen römischen Heerstraße, über die man talauswärts ins Eisacktal und mithin nach Brixen gelangt, die (wehrhaften) Klosteranlagen; am Fuße des vor allem nach Süden zur Rienz hin steil, nach Norden hingegen sanfter abfallenden Burgfelsens eine Reihe von Amts- und Wirtschaftsgebäuden im lokkeren Halbbogen um den Hügel; nordseitig das Spital und hier im weiteren Umkreis des Klosterbezirkes etliche Güter und Ansitze, von denen einer für die sich de Suoneburg nennende Familie in Anspruch zu nehmen ist. Denn obwohl der Zusatz ,von Sonnenburg' theoretisch als reine Zugehörigkeitsbezeichnung bei allen Ministerialen des Klosters möglich ist, wenn sie in auswärtigen Urkunden als Zeugen aufgeführt werden (und also die so benannten nicht notwendig der gleichen Familie angehören müssen18), scheint doch schon zu Beginn unserer Überlieferung der Name de 17 Eine bequeme Übersicht über die Anfänge und frühe Geschichte des Klosters Sonnenburg mit Zusammenstellung der einschlägigen Literatur über Sonnenburg gibt Leo Santifaller in seinem Vorwort (S.IX-XXV) zu Karl Wolfsgruber (Hrsg.), Die ältesten Urbare des Benediktinerinnenstiftes Sonnenburg im Pustertal, Wien 1968. 18 So erscheint in 3 Urkunden aus der Zeit von 1 1 7 8 - 1 1 8 8 ein Zeuge zweimal als Wigant Speht bzw. Wigant Speste, einmal als Wigandus Speht de Suneburch. Ob er etwas mit den oben angeführten Personen, insbesondere mit dem Wigandus der Urkunde von 1 2 0 7 - 1 2 1 2 zu tun hat, ist völlig ungewiß, zumal Namen wie Friedrich, Weigand, Ulrich usw. damals in Tirol ungemein häufig sind. XVII
Suoneburg auf Leute eingeschränkt zu sein, die in dem umrissenen Klosterbereich von Sonnenburg ansässig sind bzw. von dort herstammen. So erfolgt 1187 die Ausstellung einer Urkunde in Sonnenburg ganz allgemein in presentia ... Sigardi, Rodulfi, Folcmari, Tatoldi, Pabi, Diapoldi et Fedrici gastaldionis ministerialium ecclesiae de SSanburg... ,19 wohingegen außerhalb Sonnenburgs zwei der eben angeführten Dienstmannen, als sie in einem Prozeß als Zeugen für die Rechte ihrer Äbtissin aussagen, wie folgt — und offenbar nach ihrem Ansitz — differenziert werden: (1185) Sichardus de sancto Marino et Fedricus de Soneburg.20 1204 geschieht im Kloster Sonnenburg selbst ein Rechtsakt presentibus... Conrado et Odolrico de Xoneburgo...,21 und am Ende des Jahrhunderts vermerkt das 1296 angelegte älteste Sonnenburger Urbar unter den Lehensträgern des Stiftes einen dominus Fridericus de S9nenburch22 sowie einen dominus Wigandus de Stynenburch23, dessen im einzelnen aufgezählte Äcker, Wiesen usw. sämtlich in der nächsten Umgebung des Klosters liegen.24 Die Zugehörigkeit unseres Dichters zu den Ministerialen ,von Suoneburg' ist weder durch die angeführten noch durch weitere Urkunden schlüssig zu beweisen. Man muß sich andererseits jedoch folgendes klarmachen: Die für den Dichter überlieferte Namensform25 findet, was schon Zin19 20 21 22 23 24
TUB 1,1 Nr.433. TUB 1,1 Nr.421. TUB 1,2 Nr.553. Wolfsgruber (Anm. 17) Nr.540. Ebda Nr. 549. Die frühestens 1315, spätestens 1335 (Wolfsgruber, S.XXXIV f.) angefertigte Übersetzung des Urbars gibt übrigens in diesem Fall nicht wie sonst lat. de mit von, sondern mit ze wieder: Her Weigant ze t&nenpurch; ebenso nur noch Nr.513 Theloniarius de Bozano - Der zolnaer ze Pötzen. 25 Außer den oben angeführten Hss. CJE vgl. noch Herman Damen XVIII
gerle 26 und vor ihm F.H. von der Hagen 27 mit Recht hervorgehoben haben, ihre keineswegs selbstverständliche und deshalb umso bemerkenswertere genaue Entsprechung in den zahllosen Nennungen des mittelalterlichen Sonnenburg in Tirol und nur hier. In Str.41 rühmt Friedrich von Sonnenburg einen Herrn von Rifenberc — wo er mit ihm zusammengekommen ist, kann nicht entschieden werden, doch wird man immerhin beachten wollen (worauf ebenfalls F.H. von der Hagen 28 und nach ihm Zingerle 29 bereits hingewiesen haben), daß in den fraglichen Jahrzehnten Ulrich von Reifenberg oft in Tiroler Urkunden bezeugt wird; er tritt in enge Beziehungen zu den Herren von Rodank (Burg Rodenegg bei Brixen), kennt die Herren von Taufers, und die mächtige Burg Taufers wiederum liegt nur rund 15 km von Sonnenburg entfernt. In Str. 52 sagt Friedrich von Sonnenburg, er habe an den Kämpfen König Ottokars gegen die Ungarn teilgenommen (vgl. auch unten S. XXIV). Wann und auf welchem Wege er ins Heerlager des Böhmenkönigs gelangt sein mag, weiß niemand, doch ist festzuhalten, 30 daß von den Tiroler Herren u.a. Ulrich (III.) von Taufers für die Sache Ottokars gekämpft hat und 1273 vom König sogar als Hauptmann von Kärnten eingesetzt worden ist. In Str.30 berichtet er — also der Brunecker uns jach — von einer wundersamen Erscheinung anläßlich der Krönung König Rudolfs in Aachen. Wir wissen nicht, wo diese Strophe gedichtet und bei welcher Gelegenheit sie zuerst vorgetragen worden ist. Wir wissen auch nicht, wer jener ,Brunecker' ist, in seinem bekannten Dichternachruf (unten S. XX):
der i&nenburgere. 26 27 28 29 30
Vriderich
In der Einl. seiner Ausgabe S.3. Minnesinger 4 , 6 4 6 ff. Minnesinger 4 , 6 4 9 f. In der Einl. seiner Ausgabe S.5 f. Vgl. wieder bereits Zingerle in der Einl. seiner Ausgabe S.21.
XIX
auf den sich Friedrich von Sonnenburg beruft — das Publikum hingegen vermochte offensichtlich mit diesem Namen etwas anzufangen. Örtlichkeiten (und danach Familien), die Bruneck/Brauneck u.ä. heißen, stehen zur Auswahl, und angesichts der so vagen Angaben durch den Dichter scheint jede Vermutung bare Willkür. Doch auch in diesem Fall wird man zumindest als auffällig vermerken müssen: eine halbe Wegstunde nur von Sonnenburg in Richtung Taufers ist Schloß Bruneck gelegen, eine Burg, die 1251 Bischof Bruno von Brixen hatte anlegen lassen und auf der zur Zeit der Abfassung dieser Strophe Dienstleute saßen, die man entsprechend ,von Bruneck' o.a. zubenennen mochte: ( 1 2 7 5 - 8 0 ) Ruffus de Bruneck31; (1276) Chunradus officialis in Brvneke.32 Wer die Verknüpfung des Dichters mit dem Kloster Sonnenburg bejaht, kann nun aber die Ministerialen cfe Suoneburg nicht fernhalten, oder er müßte sich anstrengen, die Alternative zu begründen. Diese würde heißen: Bauernsohn, da bei der klösterlich-landwirtschaftlichen Struktur Sonnenburgs an eine wie auch immer geartete bürgerliche' Herkunft Friedrichs von Sonnenburg nicht zu denken ist. Was den Z e i t r a u m , innerhalb dessen Friedrich von Sonnenburg lebte und dichtete, annähernd einzugrenzen gestattet, ist wenig genug: Noch zu Lebzeiten Konrads von Würzburg wird er von Herman Damen in einer ehrenvollen Zusammenstellung mit anderen Dichtern als schon dahingeschieden beklagt 33 — Konrad von Würzburg starb 31 Die Traditionsbücher des Hochstifts Brixen, hrsg. von Oswald Redlich, Innsbruck 1886, Nr.617. 32 Ebda Nr.631. 33 J Bl.l 18 v : Reymar. walter. robyn. nythart. vriderich der s'inerìbürgere, dise alle synt in todes vart. ane swere. gebe got daz sie dort leben.; vgl. HMS 3,163; nach der Ausgabe von Paul Schlupkoten, Breslau 1913, abgedruckt auch bei Günther Schweikle, Dichter über Dichter in mhd. Literatur, Tübingen 1970, Nr. 14, S. 39. XX
am
31.8.1287.
Von
den wenigen datierbaren
Strophen
lassen sich die beiden spätestens (Nr. 28 u. Nr. 29) auf 1275 festlegen. 34 Gestorben ist unser Dichter also irgendwann zwischen 1275 und 1287, wobei auch völlig o f f e n bleibt, wieviele der uns überlieferten Strophen erst in diesen Jahren abgefaßt sein mögen. Nach der anderen Seite bildet einen verläßlichen Fixpunkt Str. 59 mit ihrem Nachruf auf Kaiser Friedrich II., der am 13. Dezember 1250 in Castel Fiorentino gestorben war; die Strophe dürfte also 1251 entstanden sein. Versuche, bei der Datierung anderer Strophen noch weiter zurückzukommen, sind im Ergebnis unsicher: Str.51 preist Herzog Otto ( I I . ) von Bayern ( 1 2 3 1 29.11.1253), ist also jedenfalls vor dessen T o d abgefaßt. Bei aller topischen Panegyrik ist unverkennbar, daß der Dichter hier starken und offenbar gezielten Nachdruck auf die Darstellung Ottos als eines idealen Herrschers, der deshalb im Gedeihen seiner Kinder sichtbar gesegnet wurde, legt. Diese Hervorkehrung unverrückbarer christlicher Treue und Vorbildhaftigkeit ist vor dem Hintergrund des Bannes zu sehen, mit dem Otto wegen seines Übertritts auf die kaiserliche Seite und der Hochzeit seiner Tochter Elisabeth mit König Konrad ( 1 2 4 6 ) belegt worden war und durch den er und sein Land — der Bann wurde bis zu Ottos T o d nicht
34 Die päpstlichen Schreiben, die der Dichter hier auf seine Weise zum Nutzen Rudolfs von Habsburg popularisiert, stammen aus dem September
1274 (vgl. August Potthast, Regesta Pontifi-
cum Romanorum, Bd.2, Berlin 1875, S.1687, Nr.20929 und Nr.20931). Wann Friedrich von Sonnenburg von dem allgemeinen Rundschreiben (Str.29) Kenntnis erhalten hat, muß o f f e n bleiben; der an den König gerichtete Brief des Papstes (Str.28) wurde diesem im Februar 1275 auf dem Reichstag von Würzburg übergeben. Der Wortlaut der Schreiben bei Franz Joseph Bodmann, Codex epistolaris Rudolfi I, Leipzig 1806, Nr. X X I I u. X X I I I ; hiernach (mit kleinen Ungenauigkeiten) wiedergegeben von Ulrich Müller, Untersuchungen zur politischen Lyrik des deutschen Mittelalters, Göppingen 1974, S. 1 2 8 - 1 3 0 .
XXI
wieder aufgehoben — wachsenden geistlichen Druck zu ertragen hatten. Man wird die Strophe daher auf die Zeit nach Ottos Parteiwechsel, innerhalb dieses Abschnitts aber nicht näher festlegen können. 35 Über die in Str.65 genannten Personen haben bereits F.H. von der Hagen36 und ihm folgend 0 . Zingerle37 Auskunft gegeben. Die Königstochter Elisabeth von Ungarn (V.9) ist mit Herzog Heinrich von Bayern 1253 verheiratet, ab wann, ist nicht bekannt, doch höchstens seit zwei bis drei Jahren. 38 Der Bruder Heinrichs, Herzog Ludwig von Bayern, heiratet am 2. August 1254 Maria von Brabant (V.ll), mit der er seit 1236 verlobt war und die er bereits am 18. Januar 1256 wegen vermeintlichen Ehebruchs hinrichten läßt. Da in dieser Strophe schlicht vom (einen) Herzogshof die Rede ist, wird man sie vor die im Frühjahr 1255 erfolgte Teilung Bayerns setzen, in der V.12 genannten .Fürstin' sodann die Herzogin Agnes, die Gattin Ottos, sehen und diesen selbst als den im letzten Vers genannten milden Fürsten ansprechen dürfen. Die andere Zeitgrenze ergibt sich aus V.5—8: die bayerische Herzogstochter Elisabeth ist seit 1246 mit König Konrad verheiratet; die hier für sie gebrauchte Bezeichnung keherinne ist jedoch vor dem Tod Kaiser Friedrichs II. schlecht möglich. Damit ergibt sich für die Abfassung der Zeitraum zwischen 1251 und 1253.39 35 Zingerle stützt sich (Einl.S.14) in seiner Datierung ausschließlich auf die V. 10 f. erwähnten Herzogskinder und setzt die Strophe „um 1247" an. 36 Minnesinger 4 , 6 5 2 f. 37 In der Einleitung seiner Ausgabe S.12 f. 38 Hierzu und zum folgenden Bernhard Huesmann, Die Familienpolitik der bayrischen Herzoge von Otto I. bis auf Ludwig den Bayern ( 1 1 8 0 - 1 3 4 7 ) , Phil.Diss. München 1940, S . 7 - 1 4 . 39 Von den zwei unverheirateten Töchtern (V.13) geht später eine ins Kloster, die andere, Sophie, wird 1258 mit dem Grafen Gebhard VI. von Hirschberg verheiratet. XXII
Str.45, in der Friedrich von Sonnenburg die milte Heinrichs von Bayern (1253—1290) preist, ist kaum vor dem Regierungsantritt des (beim Tode des Vaters erst achtzehnjährigen) Herzogs, möglicherweise aber auch erst sehr viel später, in den sechziger oder siebziger Jahren, gedichtet worden; es fehlt jeder Anhalt. Völlig ungewiß ist auch, wo und wann Friedrich von Sonnenburg die Gunst Graf Friedrichs von Beichlingen erfahren hat (Str.60), zumal in den betreffenden Jahrzehnten in der Familie der Grafen von Beichlingen mehrere Angehörige den Namen Friedrich führten. 40 Überhaupt nicht zu bestimmen ist schließlich (Str. 53) ein (wiederum die Freigebigkeit herausstellender) Panegyrikus auf den künic uz Beheinlant, dem jeder Hinweis auf die Person des Böhmenkönigs — Wenzel I. (gest. 1253) oder Ottokar II. — abgeht. Für die Entstehungszeit der von düsterer Endgerichtsthematik geprägten Strophe 43 läßt sich vielleicht etwas aus V.10 sich wie diu werlt gar ane babes unde an keiserstat folgern. Zingerle (S.20 f.), der hier wieder F.H. von der Hagen folgt, nimmt als Anlaß das am 13.12.1254 (dem Jahrestag des Todes von Kaiser Friedrich II.) erfolgte Hinscheiden von Papst Innozenz IV. Doch bereits nach zwölf Tagen gab es einen neuen Papst (Alexander IV.), und für die Klage des Dichters ist da schwerlich Spielraum. Mehrere Jahre war hingegen der Stuhl Petri nach dem Tod von Clemens IV. am 29.11.1268 vakant: der Nachfolger (Gregor X.) wurde erst am 1.9.1271 gewählt. Wenn also die ,kaiserlose' Periode, unter der man allgemein litt, nach Auffassung der Zeitgenossen bis zur endlichen Wahl Rudolfs von Habsburg währte, so mochte man das jahrelange Fehlen auch eines Papstes umso deprimierender empfinden und eine solche Situation als Anzei-
4 0 Frank Baron Freytag von Loringhoven, Europäische Stammtafeln, Stammtafeln z.Gesch.d. europ. Staaten, Bd.3, Maxburg 1958, Taf.52. XXIII
chen des bevorstehenden Jüngsten Gerichts deuten. Die Abfassung der Strophe wird man daher am ehesten in diesen Jahren suchen wollen. 41 Auf festem Boden befinden wir uns noch einmal bei Str. 52. Sie bezieht sich auf einen Zug König Ottokars gegen die Ungarn im April und Mai 1271. Wir billigen dieser Strophe, in der Friedrich von Sonnenburg — nach der Rückkehr vom Schauplatz des Geschehens? — als eine Art Kriegsberichterstatter vor sein Publikum tritt und sich ihm mit den letzten Neuigkeiten empfiehlt, Aktualität zu und denken uns ihre Abfassung daher in den nächsten Wochen oder Monaten nach den geschilderten Ereignissen. Die Auseinandersetzungen, in die hier König Ottokar verwickelt ist, gehören zu den jahrzehntelangen, nach Ottokars Tod von König Wenzel II. weitergeführten Bemühungen um den Erwerb der im Südosten des Reiches gelegenen Herzogtümer und Marken. Mit dem Kriegszug des Frühjahres 1271, um den es in Str. 52 geht, wollte sich Ottokar an König Stephan von Ungarn rächen, der einen erst Mitte Oktober 1270 zwischen den beiden Königen abgeschlossenen, von Stephan aber von vornherein nicht ernst gemeinten Waffenstillstand alsbald wieder gebrochen und den Böhmenkönig in einem Hinterhalt zu fangen versucht hatte. Dieser Wortbruch, über den sich Ottokar offenbar sehr aufgebracht zeigte, 42 war für Friedrich von Sonnenburg der Anlaß für Str.27 — Mich hat eins küniges ja betrogen und dar zuo manigen man! —, mit der er (in sogleich wieder propagandistisch wirkungsvoll verwertbaren Formulierungen) der empörten Stimmung unter den Anhängern Ottokars Ausdruck gibt. Die Strophe ist zeitlich somit vor die eben besprochene Str.52 einzuord-
4 1 S o auch U. Müller (Anm. 34) S . 1 3 1 . 4 2 Man vergleiche etwa die Schilderung in der Österreichischen Reimchronik Ottokars von Steiermark (hrsg. von J. Seemüller, MGH, Dt. Chroniken 5,1,1), V . 1 0 7 0 1 - 1 0 7 2 4 und V . 1 0 7 7 1 ff.
XXIV
nen. 43 Über Str.30, in der die wundersame Kreuzeserscheinung während der Krönung König Rudolfs in Aachen (24. 10.1273) kolportiert wird (vgl. oben S. XIX), gelangen wir zu den bereits erwähnten letzten datierbaren Strophen 28 und 29. Damit ist zugleich auch schon alles gesagt, was sich über die Orte, an denen sich Friedrich von Sonnenburg im Laufe seines Lebens aufgehalten, sowie über die Gönner, die er gehabt haben mag, aus seinen Sprüchen herauslesen läßt: wir erfahren so gut wie nichts. Einzig der bayerische Herzogshof tritt ein wenig heraus, doch auch hier hören wir nichts über Art und Dauer der Beziehungen; daß er sich später (ab wann? wie lange?) unter den Truppen König Ottokars aufgehalten hat, sagt Friedrich von Sonnenburg selbst. Dazwischen liegen viele Jahre. Wohin ihn seine Wanderungen geführt haben mögen, bleibt im Dunkeln. 44 Wenn er (Str.60) den Grafen von Beichlingen rühmt, so muß er deswegen nicht in Mitteldeutschland gewesen sein; er kann dem Herren auch anderswo begegnet sein und bei solcher Gelegenheit einen Gunsterweis erhalten haben. 45 Über vier Spruchtöne verfügt unser Dichter, von denen er einen bevorzugt, die er im übrigen jedoch offensichtlich nebeneinander verwendet. 46 Ihr Bau ist nicht eben aufwen43 Es war also verfehlt (F.H. von der Hagen, nach ihm Zingerle), in der Strophe einen Ausdruck der Abkehr Friedrichs von Sonnenburg von König Ottokar zu sehen. 44 Die geographischen Grenzpunkte in Str.55 besagen so viel und so wenig wie bei anderen Dichtern. 45 Man denke z.B. nur an die Angabe der Österr. Reimchronik V.10840 ff., bei den oben zu Str.52 erwähnten Kämpfen sei König Ottokar durch den Landgrafen von Thüringen sowie durch Hilfstruppen des Markgrafen von Meissen unterstützt worden. 46 Das erhellt aus den oben besprochenen Zeitansätzen, so spärlich sie auch sind: Man vergleiche nur Str.51 und 52 (die beiden einzigen in dem hier gebrauchten Ton überlieferten), die rund 20 Jahre auseinanderliegen. Str. 52 ist hingegen annähernd gleichXXV
dig, und unkompliziert sind auch die zugehörigen Melodien. Variationen in den Reimbindungen wurden bereits erwähnt (oben S.XIIIf.); andere als im jeweiligen Schema geforderte Kadenzen begegnen gelegentlich, doch nicht zweifelsfrei (so Str.59). Auftakt aller Verse ist die Regel, die jedoch vielfach gebrochen wird. Das metrische Schema bedarf keiner weiteren Erläuterung:
I. (Str. 1 - 5 0 ) 1 7 8 4 3
v v v v
a oder a b c
5 7 v d 8 v d 4 v b 3 v c ====== 7 v e 107 v e 8 v f 7 v f
III. (Str. 5 3 - 6 0 ) a a a b
1
c c c b === d d e e
5
4 v a 4 kl b 8 kl c
4 v a 4 kl b 8 kl c ====== 4 v d 4 kl e 4 v d 10 4 kl e 4 4 4 4
v kl v kl
f g f g
zeitig mit Str.27; Str.51 gehört statt dessen in die Jahre der (in jeweils anderem T o n gedichteten) Strophen 65 und 5 9 usw. Die von Zingerle (S.16) behaupteten „zwei Perioden" sind Willkür und auch weder durch thematische noch formale Gründe zu stützen.
XXVI
II. (Str. 51-52)
IV. (Str. 61-73)
1 4 V a 4 V a 4 V b 6 kl c
1
4 4 4 3
5 4 V d 4 V d 4 V b 6 kl c
5
4 V c 4 kl b 4 v a 3 v d
4 V e 10 6 kl f 4 V e 8 kl f 4 kl g 4 V h 15 4 V h 8 kl g
10
15
v kl v v
a b c d
4 4 4 4
v kl v kl
e f e f
4 3 4 7
v v v v
g h g h
Friedrich von Sonnenburg spricht viel von der Lage, vor allem auch von der materiellen Not der Gehrenden, denen er sich selbst, und zwar ohne Einschränkung zuzählt; er betont ihre Anständigkeit, ihr moralisches Recht, guot zu erbitten, sagt, daß die rechte kunst richer gäbe wirdic, daß sie gotes böte und heilic sei; er preist die Freigebigkeit und schilt den Geiz der Herren; er ist empfindlich gegenüber vermeintlichen Unhöflichkeiten und fällt andererseits mit groben Worten über Leute her, die ihn, wenn er anklopfte, nicht gut genug behandelt haben. Hinter allem steht das beschwerliche Los eines Mannes, der sein Leben jahraus jahrein, heute hier und morgen dort mit dem bestreiten muß, was ihm die flüchtige Gunst des Augenblicks an XXVII
,milte' beschert. Die Kunst Friedrichs von Sonnenburg — nie zu anspruchsvoll im Niveau, zuweilen eher hausbacken - geht nach Brot, ist ganz seinen Existenzbedingungen erwachsen und nimmt Bedacht auf das, was ein fahrender Spruchdichter im Angebot haben muß: Lob und Schelte; Moralisch-Didaktisches; Strophen zur Reichten Unterhaltung' und solche zum Nachdenken; Neuigkeiten und Politisches; religiöse Sprüche für hohe Kirchenfeste und alle Gelegenheiten - zur Interpretation ist in dieser Einleitung kein Raum.
3. Die Grundsätze dieser Ausgabe Will sich der Herausgeber nicht von seinem subjektiven Ermessen zu einer — vor allem einmal ihm selbst einleuchtenden — wohlgefälligen Umordnung des Überlieferten (verbleiten lassen, wird er sich bei der Textgestaltung an der von den Handschriften gebotenen Ordnung auszurichten haben, auch wenn sie vielleicht schwer zu begreifen ist. O. Zingerle hat sich — auch hierin ohne rechte Begründung (vgl. in der Einl. seiner Ausgabe S.16 f.; 45) F.H. von der Hagen folgend — an C orientiert, obgleich C nur wenig mehr als ein Drittel aller Strophen überliefert. Zingerles Text mußte so zwangsläufig zu einer ziemlich willkürlichen Mischung aus C und J werden, die schon damals nicht zu rechtfertigen war. Die hier vorgelegte neue Ausgabe will dem Benutzer das unter dem Namen Friedrichs von Sonnenburg überlieferte Textkorpus geschlossen und in Anlehnung an die Gestalt vorführen, in der es sich uns in der wichtigsten Handschrift darbietet. Deshalb hält sich die Anordnung des Textes ausnahmslos an die von J gebotene Strophenfolge; die vergleichsweise wenigen in J nicht vertretenen Strophen werden an jenen Stellen eingefügt, die ihnen vom eigenen ÜberXXVIII
lieferungszusammenhang her zukommen. Näheres ist der nachstehenden Konkordanz zu entnehmen. 47 Diese Ausgabe
Zingerle
1. J 1 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12.
J J J J J J J J
2 3 4 5 6 7 8 9
J 10 J 11
C 22 C 21 c 19 c 20 c 18
a a a a a a a a a a
51 50 48 49 47 56 52 53 54 55
c 23 c Bl.
G5 G4 G2 G3 G 1
H 2
IV,5 IV,4 IV,2 IV,3 IV, 1 IV,5 IV,5 IV,5 IV,5 IV,5 IV,6 IV,7
e a b c d
389 r 13. 14.
J 12 J 13
15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22.
J J J J J J J J
14 15 16 17 18 19 20 21
c 25 c 24
E Bl. 226 r a
H4 H 3
IV,8 IV,9 IV,10 IV, 11 IV, 11 a IV,14 IV,15 IV,16 IV,17 IV, 18
47 Die in J eingetragene Numerierung der Strophen ist ungenau, und die in dieser Ausgabe als J 63 gezählte letzte Strophe hat dort die Nummer 61; die von mir vorgenommene Zählung stimmt mit der von G. Holz im diplomatischen Abdruck (oben Anm. 1) gebrauchten überein. XXIX
23. 24. 25. 26. 27. 28. 29. 30. 31. 32. 33. 34. 35. 36. 37. 38. 39. 40. 41. 42. 43. 44. 45. 46. 47. 48. 49. 50.
J J J J J J J J J J J J J J J J J
22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 48
J J J J
39 40 41 42
J J J J J
43 44 45 46 47
H 5 H 6
C 1 C 2
IV,19 IV,20 IV,21 IV,22 IV,23 IV,24 IV,25 IV,26 IV,27 IV,28 IV,29 IV,30 IV,31 IV,32 IV,33 IV,34 IV,35 IV,36 IV,3 7 IV,3 8 IV,39 IV,40 IV,12 IV,13 IV,41 IV,42 IV,42 a IV,34 a
48 Die am unteren Rande von B1.69r von späterer Hand nachgetragene Strophe Eyn wort ob allen Worten was ist von F.H. von der Hagen (Minnesinger 3,75) als Str.38 gezählt worden; nach dem Vorgang von G. Holz bringe ich sie nach den übrigen Strophen dieses Tons als J 47. XXX
51. 52. 53. 54. 55. 56.
J J J J
48 49 50 51
57. 58. 59. 60.
J J J J
52 53 54 55
61. 62. 63. 64. 65. 66. 67. 68. 69. 70. 71. 72. 73.
J 56
J J J J J J J
57 58 59 60 61 62 63
C 16 C 17
111,1 111,2
C 14 C 15
11,4 11,5 11,6 11,1
C 12 C 13
11,2
11,3 11.7 11.8 C C C C C
3 4 5 6 8
C 9 C 11 C 10
C 7 C 26
K 544
1,1 1,2 1,3 1,4 1,6 1,10 1,7 1,9 1,8 1,11 1,12 1,5 1,13
Es wird aus den oben (S.XIV) angeführten Gründen in dieser Ausgabe sehr bewußt davon abgesehen, mit textkritischen Mitteln und unter Bevorzugung bald der Lesart der einen bald der einer anderen Handschrift den authentischen, vom Dichter so formulierten Wortlaut herzustellen, zumindest aber stets der .besseren Überlieferung' den Vorrang einzuräumen. Vorrang erhält vielmehr auch hier J, der — ausgenommen die 10 nur anderwärts überlieferten XXXI
Strophen — als Leithandschrift für das gesamte Textkorpus so lange gefolgt wird, wie das von ihr Überlieferte sinnvoll ist und nicht sprachliche, logische und ähnliche Griinde zu Eingriffen zwingen. Der von J gebotene Text zeigt weithin volle ,Schreibformen' ohne Rücksicht auf die Erfordernisse des metrischen Schemas: es war gegebenenfalls Sache des Vortragskünstlers, den bereitgestellten Wortlaut in Melodie und Rhythmus einzupassen.49 Der Herausgeber sollte hier nicht durch die Herstellung eines ideal geglätteten Textes die tatsächlichen Verhältnisse verschleiern, wiewohl sich andererseits ein zu enges Festhalten an der handschriftlichen Überlieferung verbietet. So empfiehlt sich ein Kompromiß, vor allem zum Nutzen des Anfängers: Die hier vorgelegte Ausgabe ist zunächst einmal bemüht, die Zufälligkeiten der Handschrift zu beseitigen, desgleichen grobe, die Skansion der Verse erschwerende Unebenheiten auszugleichen. In dieser Absicht erfolgen zuweilen Zusammenziehungen wie erz < er iz Hs. usw.; sie scheinen im Apparat (s.u.) nicht auf. Der in der Handschrift schwankende (zumeist die zweisilbige Form bevorzugende) Gebrauch von unde ist derart vereinheitlicht, daß vor konsonantisch anlautendem Folgewort je nach metrischer Erfordernis und oder unde, vor Vokal hingegen (wo in aller Regel der Hiat zu meiden ist) durchwegs unde geschrieben wird. Handschriftliche Formen wie gegen, gelobet, gesaget usw. sind auch da belassen, wo dem alternierenden Vers Kontraktionen, Synkope usw. bequemer gewesen wären — in der mittelalterlichen Praxis blieb es dem jeweiligen Benutzer (Vortragenden) anheimgestellt, sich so oder so zu entscheiden. Ähnlich ist es mit Versen wie 31,10 der gebur verkiuset got und [vnde Hs.] gewinnet sündicli49 Vgl. bereits Karl Bartsch, Untersuchungen zur Jenaer Liederhandschrift, Leipzig 1923, bes. S. 1 7 - 1 9 . XXXII
chez guot: hier wird der Dichter in heimatlicher Weise gbur, gwinnet gesprochen (und vorgetragen!) haben; ein anderer mochte bur sagen (steht so auch V.2 der gleichen Strophe) und winnet — eine verbindliche und allzeit unveränderliche Regelung gab es nicht. Die graphischen Eigenheiten der für den hergestellten Text wichtigen Handschriften sind bekannt und bedürfen deshalb hier keiner Erörterung; in dem von uns gebotenen Text ist die Schreibung in üblicher Weise normalisiert, wobei -ic, -icheit usw. dem durchgängigen Gebrauch von J entspricht. Die jeweils am Beginn der Stollen von Auf- und Abgesang gesetzten Großbuchstaben folgen der in J üblichen Weise der Auszeichnung. Die nach modernen Gesichtspunkten gegebenen Interpunktionszeichen wurden bewußt sparsam verwendet. Abkürzungen der Handschriften wurden stillschweigend aufgelöst, einige wenige zweifelhafte Fälle im Apparat festgehalten; die Angaben des Apparats erfolgen durchwegs in der Schreibform der Handschriften. Im übrigen ist einer klaren Beschränkung auf das für die Zwecke dieser Ausgabe Wesentliche der Vorzug vor einer platzraubenden Berücksichtigung auch des Nebensächlichen gegeben worden. Graphisches wurde nur im Falle möglicher Mehrdeutigkeit vermerkt; Rasuren, Korrekturen, kleinere Schreibfehler usw. sind nur insoweit angegeben, als sie für den Text von Bedeutung sein können. Nicht notiert sind im Apparat — ausgenommen bei eventueller Reimposition-Unterschiede der Handschriften in Fällen wie den folgenden: da/dar; dan/den; wan/wen, wenne usw.; Umlaut oder kein Umlaut; wunniclich; wunnenclich; künic; kuninc (so J regelmäßig); Verneinungspartikel en/ne; kontrahierte und nicht kontrahierte Formen wie han/haben, gegen/gein, gesaget/geseit; ferner ze/zuo; vor/vür, vur; die = diu; bei der Substantivflexion etwa unterschiedliche Formen im Plural wie kint, kinde, kinder oder Schwanken zwischen XXXIII
starker und schwacher Flexion im Singular, z.B. 46,8 der mynnen site J / der rriine site C\ flektierte oder unflektierte Formen bei Adjektiv und Possessivpronomen sowie Schwankungen zwischen starker und schwacher Adjektivflexion. Nicht festgehalten und in unserem Text nach grammatischem Normalgebrauch ausgeglichen sind schließlich die in J wie C vorkommenden verschiedenen Formen für die 1.-3 .PL bei den Verben. Die in Text und Apparat seiner Ausgabe an zahllosen Stellen unrichtigen Angaben Zingerles habe ich grundsätzlich nicht berücksichtigt, doch sind jene Fälle belangvoller Textbesserungen vermerkt, in denen ich die Lösung F.H. von der Hagens (= Ha.) oder Zingerles (= Zi.) übernehmen konnte bzw. zu gleicher Entscheidung gelangt bin. Was meine Übertragung der drei überlieferten M e l o d i e n 5 0 angeht, so hat sie dokumentierenden Charakter und hält sich an das in J Überlieferte. Sie verzichtet insbesondere auf eine problematische Taktierung, und aus grundsätzlichen Erwägungen verzichtet sie auch darauf, kleine Differenzen in der Notierung wiederkehrender Phrasen zu beseitigen und so die wiederholenden Melodieteile ausgleichend aufeinander abzustimmen.51 50 Ohne Wert ist die meistersingerische Zuweisung in der Kolmarer Liederhandschrift (B1.5261) einer weiteren Melodie an Friedrich von Sonnenburg: In Cunrads von wirczburg nachtwyse. Alij dicunt esse In frider von suneburg suße don. Die Kolmarer Liederhandschrift der Bayerischen Staatsbibliothek München (cgm 4997). In Abbildung hrsg. von Ulrich Müller, Franz Viktor Spechtler u.Horst Brunner, 2 Bde, Göppingen 1976; Paul Runge, Die Sangesweisen der Colmarer Handschrift, Leipzig 1896 (Nachdr. Hildesheim 1965); Karl Bartsch, Meisterlieder der Kolmarer Handschrift, Stuttgart 1862 (Nachdr. Hildesheim 1962), S.52, Nr.557. - Zu Problemen der Melodien von J zuletzt Erdmute Pickeroth-Uthleb, Die Jenaer Liederhandschrift. Metrische u. musikalische Untersuchungen, Göppingen 1975. 51 Melodieübertragungen wie etwa die von Bernoulli und Saran XXXIV
Der Benutzer muß wissen: Für die Melodien der Jenaer Liederhandschrift insgesamt ist eine — schwer abzuschätzende — redaktionelle Tätigkeit des Notators in Rechnung zu stellen. Darüber hinaus ist die überlieferte Einzelmelodie grundsätzlich nur als Gerüst zu begreifen, das dem Vortragskünstler in der konkreten Situation der Darbietung dieser oder jener Strophe eine ganze Reihe von Möglichkeiten zur tonalen und phraseologischen Modifizierung offen ließ, die er nach seinen Vorstellungen, vor allem nach seiner Kunstfertigkeit und jedenfalls nach dem auch, was eventuelle textlich-metrische Unterschiede der einzelnen Strophen erforderten, verwirklichen konnte. Die für Friedrich von Sonnenburg aufgezeichneten Melodien sind deutlich vom Notator auf den ihm bereits vorliegenden Text der Strophen J 1, J 48 und J 56 abgestimmt und deshalb — auch in der Übertragung dieser Ausgabe! — uneingeschränkt nur als Melodiegerüst eben dieser drei Strophen gültig. Im übrigen ist die Druckanordnung bemüht, die Melodiestrukturen überschaubar zu machen.
(Anm. 1) Bd.2, Nr. XXIII oder Ronald J. Taylor, The Art of the Minnesinger, Cardiff 1968, 1 , 2 0 - 2 2 (vgl. 2, 2 6 - 3 1 ) führen in die Irre.
XXXV
J 1, Bl. 6 3
mäß
So
wol
$
dir
des
s
So
wol
Daz k v m p t
Da
A-ne
dir
daz
von
tzf
got
Vrou werlt von
werlt
ich
gote
ge - ber
nye
gote
so
daz
vnd
wol
hivte
vnd
hy - me) - ri - che
ouch
du
men-schen
dir
von
ym - mer
noch
be
me - re
- sit
- zen
dir.
mich.
kyn - de
vnd o u c h von d y r
wir
nye
keyn
sü - le
syn
dem
göt
ge-scach.
wtrde
vnd
e
men - sehen vn - der
wol.
sol.
5
10
5
1 So wol dir werlt, so wol dir hiute unde iemer mere wol! so wol dir des daz ich daz himelriche noch besitzen sol! daz kumt von gote unde ouch von dir, dar zuo gebaere du mich. Ane got nie menschen kinde nie kein guot ge schach, ane dich nie menschen ouge got noch nie kein liep gesach. einvaltic mensche, hoere mir, got leret selbe dich:
J 1 C 22 a 51 G 5
Er lert dich du solt eren den vater und die muoter din — sich, tuostu daz, von dir diu werlt muoz unbescholten sin. Vro werlt, von gote unde ouch von dir wir solhe wirde unde ere han, daz alle creatiure sint dem menschen undertan. 2 Genuoge liute sprechent so sie haben sich abegetan der werlde, daz noch nie geschach noch niemer mensche erziugen kan deheine stunde naht noch tac noch niemer keine zit: Man tuot sich vries lebenes wol unde ouch der Sünden abe —
J 2 C 21 a 50 G 4
1, 1 O wol dir (zweimal) CG. 2 so] o CG, och a. 3 k u m t ] ist CGa. 5 got] dich CGa; des menschen a. 6 noch an dich des a; ougen Ja; got G; lib J. 8 selbe] selte G. 9 den fehlt CGa; die fehlt CGa. 10 sich fehlt G, vn Ca. 11 solhe] sulen J. 2, 1 Ich hSie dike spreche so die CGa; habent G. 2 de doch nie CG, das doch noch nie a. 3 die keyne J, dechaine G, de hen a, en heine C. 4 enheine C. 5 lebendes J, lebenes C, leben a; lebenes G.
1
10
5
ane got unde ane der werlde küele, ir werme unde ouch ir labe kein mensche leben niht gemac. noch wenne er tot gelit, Der mensche muoz zer werlde hie vleisch und gebeine lan und dar nach ewiclich der lip mit sament der sele erstan Da si iemer me an ende lebent in ewiclicher ewicheit — vro werlt, al solhe staete hat got selbe an dich geleit! 3 So wol dir gotes wundertal, ich mein dich, tiure J 3 weit! C19 got nimt und hat uz dir genomen al siner a 48 hoehsten vröuden gelt: G 2 die sine hohen menscheheit, die edelen muoter sin, Gar alle gotes heiligen hat got uz dir genomen! werlt, waerstu niht waz waere uns got, wer waere ze gotes riche komen? waz waere liep, waz waere leit din dinster liehter schin? Du zarte gotes garte, in dem got wunder wunders hat
6 k?le vn och ir C; kvle werme vnde ir/. 7 gelebe niema niht enmag Ca, niemen niht geleben mach G. 8 ioh G; wenner tot / , swene er tot C, swenne tot Ga. 9 der menschen a; m9s der w s lte Ca; er muz der werlde G; tzv der J; gebeine] leben a. 10 vnde iem s endeliche a; stan / . 11 d s also iem s mvs an ende wesen in a; lebet an / . 12 alsolich ere a; dich] üch CGa. 3, 1 O wol CG; wundertal] vnder tan/. 2 nimt] meinet C; aller C; alre sin s höhten a. 6 werlt fehlt G; were du / . waz] wer G. 8 dv winst s C, div vinster G, din vinster lieht erschein a. 9 in] a n / ;
2
10
erwundert unde erbuwet manige tiure wundersat — Die himelschen Jerusalem man noch uz dir gezieret wol, uz dir al sine koere werdent sines lobes vol!
4
5
10
Ir lobet alliu gotes were! so lert der künic Davit. da von swer dich beschiltet werlt, der schiltet got, deist ane strit! got inz vergebe, des ist not, si sint unwise erkant. Der werlde ob aller gotes beschaft diu werdicheit beschiht, daz man hie wuocher alle tage ob aller himele hoehe siht, da sich got birget in ein brot in siner priester hant. Alda zehant diu erde hat den himel überstigen. al solher gäbe sint die hohen engele gar verzigen: Sine mugen niht den gotes sun dem vater geopfern alse wir. vro werlt, die ere habe wir von gote unde ouch von dir!
J 4 C 20 a 49 G3
wunder w u n d e r / . 10 gewund s t vn erbvwe CG (ei- < g e - G), gebuen vnd durbuwen manig w n d s tvre sat a. 11 man] er CGa; vol zieret CGa. 12 sines] dines J. 4 , 1 lobt gar alle CGa; lernet J. 2 beschiltet] beschelte C- schiltet] schelte a. 3 inz] ez yn J; das ist not a, des ist in not G. 5 geschaft C; geschiht Ca. 6 hie] ir CGa; alle tagen obe allen tagen (getilgt) himelen h o h e a . 7 da] so G; ein] sin CGa. 8 a n 9 den] die CG. 11 ne fehlt Ga. 12 also lieh ere wir han a.
3
5
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5 Schulte ich gotes hohiu wunderwerc, an diu er hat geleit uz aller siner almehticheit ere unde manige werdicheit, so schülte ich gotes sa zehant an der gescheite sin. Schülte ich im sine vlize und siniu werc und siniu wort, schülte ich dar uz er hat genomen al siner hoehsten vröuden hört, so würde ich sunder sin bekant in der unwitze min. Von der, uz der, in der, mit der gezieret und gekleit er sine hohen goteheit hat mit siner menscheheit Daz ist diu werlt, die scheltent sie! an der ist wandelbaeres niht wan swa des menschen kinder hant mit argen Sünden pfliht!
J 5 C 18 a 47 G 1
6
5
Diu werlt von rehte wirt bescholten verre deste J 6 mer, a 56 daz sich geruochte kleiden got mit ir an aller schulde ser und si des niht erkennen wil, daz er si geeret hat. Sit daz der himele koere müezen uz ir werden vol,
5, 2 ere fehlt C. 3 got za zehant C, got ie sazehant Ga. 5 sine vlis C, sine vlis a; und siniu werc] und fehlt CGa. 8 in] a n / ; vnwissende C. 9 beziert vn becleit a. 12 des] div CG, der a. 6, 1 Diu] V (Initiale nicht ausgeßhrtj a. 2 vz ir geivchte cleide got an aller schulden sere a. 5 vz ir noch mvsen a. 6 tzeme Ja; an
4
so zaeme ir daz an hohen eren unde an saelicheite wol, daz si begienge niht so vil toetlicher misse tat! Wil si betrahten niht daz got mit ir bekleidet wart 10
unde ane sünde wuohs uz ir nach menschelicher art, So tuot si als ein fulez mos daz einen vrischen brunnen birt und daz doch selbe niht gevrischet noch gereinet wirt! 7 Man schiltet got noch siniu wunderwerc dar
J7
umbe niht,
a 52
ob man der werlde bresten unde grozer missewende giht: got leite an si vil starken vliz, nu wirt si leider kranc; 5
Da von der schepfer ist unschuldic ob sin hantgetat mit willen swachet wan er si schone unde wol gebildet hat. si worhte an allen itewiz sin wiser vürgedanc; Sit nam si von ir selben abe, also tete Lucifer,
10
der was ouch gotes wunderwerc: sit wart verschepfet er,
eren vnde an hoher selikeit wol a. Rande mit Verweiszeichen
a.
7 - 9 sovil - betrahten niht am
9 von ir a.
11 als] sam a,
12 vnde es
doch selbe a, vnde daz daz selbe J. 7, 1 Man] An (Initiale
nicht ausgeßhrtj
6 sit er wnnencliche si gebildet a. wrkut a.
9 Sit] do a; alsam a.
a.
2 hrehten a.
3 leit a.
7 si worhte mit Zi., syn wort J, si
10 ouch fehlt a; enschephet a.
5
Durch sine schult wart er ein swarzer tiuvel uz eime engele fin — seht, strafe ich den, da mite mac got niht bescholten sin!
5
10
8 Diu werlt ist ein garte da got inne brechen sol daz wunnicliche loup daz siner vröuden sal bestecket wol, doch ist daz war daz si ze vil unnutzer boume treit. E daz ze himelriche werde ein muskatris bekant so wirt vil manic bilsenast der tiefen helle uz ir gesant! ez ist ein ungelichez spil von den zwein vür geleit: Si kan des boesen wunder und des guoten Kitzel pflegen, des mac ir tugent ir missetat vil kume widerwegen. Ein hac der alze manigen dorn und lützel rosen uf sich ladet, des vruhten hilfet niht so wol so vil sin kratzen schadet. 9 Ob man die werlt niht sol bescheiten umbe ir missetat,
J 8 a 53
J 9 a 54
12 seht fehlt a; bestrafe ich den do v o n a . 8, 1 Diu] V (Initiale nicht ausgeßhrt) a. 2 lob Ja. 3 doch wisset das si gar ze vil a. 5 ze himel vs ir werde a. 6 so] e a; pynsel ast J; ir fehlt J. 7 e z ] i r a . 8 den fehlt a; zwen J, zwien a. 9 boesen] argen a; lützel] wenig a. 10 tugent] tvgen a. 12 des vrucht die helfet J; wol] vola. 9,1 Ob] b (Initiale nicht ausgeßhrt)
6
a; mvhte schelten vnd ir a.
5
10
so möhte man si strafen doch durch daz si manigen bresten hat: si lidet alter unde vrost, durst, hunger, siechetagen. Ir selbes schult hat ir gevüeget langez ungemach: daz in den apfel Eva beiz daz schuof daz si noch schriet ach! si muoz mir durch die snoeden kost den wisen missehagen. Der angeborne wandel den si von Adame treit, der schuof do daz erleschen muoz daz lieht der werdicheit. Nu sprechet ob si denne iht wol von warer schult ze schelten si, sit nieman ane bresten lebet ist er ouch Sünden vri!
10
5
Swer von der werlde seit an ir si wandelbaeres a 55 niht wan swa der menschen kinder hant mit argen houbetsünden pfliht, der wil ir niht bescholten han und schiltet si doch gar! Waz sol man schelten mer an ir wan sünderich getat? swaz meines die getuont die si gevruhtet und gewuochert hat, den hat ir selbes lip getan: si warf den samen dar,
2 möhte] solte a. 4 siechetage J. 5 ir hat gebr?uet werendes vngemacha. 7 si] die ir schnöde a. 8 myssehage J. 9 D e r ] i r f l . 10 der machet das ir loschen kan a; der hohen werdicheit J. 11 ob si niht ze schelten wol von waren schulden si a. 12 ist | ioch a. 10, 1 wer mit ausgespartem Raum fir Initiale a. 2 svnden höbet
7
10
Dar uz die wuohsen die mit schulde an ir gevallen sint! diu werlt ist anders niht wan menschen unde menschen kint; Swa menschen kinder sündent, da beget diu werlt vil Sünden arc — warumbe schülte man an ir niht dise unvuore starc?
11 Got herre an anegenge got unde ouch an ende J 10 gar, C 23 almehtic künic, der megede kint und herre ob al- H 2 ler engel schar, din lop nie menschen sin durchgreif noch kein din hantgetat. Der endelosen hoehe ein dach du herre almehtic
5
bist der grundelosen tiefe ein bodem, durch alle sinne ein sehender list, umbe alle wite ein ganzer reif, der doch niht endes hat. Da enzwischen hastu alliu dinc erkant unde ouch erzalt. waz du erkennen, wizzen wilt dar obe ist din gewalt. Din ist daz dinster, din ist daz lieht, din ist der tot, du bist daz leben: du herre ob allen tugenden, du mäht ewic ere uns geben.
10
svnden phlit a. 9 schulden a. 10 wand mensche a. 11, 1 uon anegege H. 2 ob] ubir H; al d s C, alle H. 5 dag H. 8 der doch] du i c h C, der auch H. 9 zwische C, dar inne / / ; bekant vn och gezalt C, gemachit unde gezalt H. 10 swe C, swaz H; unde wilt H; da ofJ. 11 du vinst s vn de lieht C, du hast daz finstir und daz lieht H. 12 dugindin hoch H.
8
12 Got herre an anegenge unde ouch an ende al-
J 11
mehtic got,
C Bl.
du iemer vröuden gebender dinen lieben, heilic
389 r
Sabaot! lop si dir, edele got, gesaget uz al den sinnen min 5
Der unzallicher eren und der hohen werdicheit, die du mit aller diner kraft, mit voller wirde hast geleit uf die gelopten reinen maget, die edelen muoter din. A I diner wisheit wunderwerc hastu volbraht an ir
10
mit aller diner almehticheit nach aller diner gir, Und hast si so gehoehet, herre, ob allen himelen unde erden wit, daz si dir selbe vröude unde allen dinen lieben git! 13 Man hat, man sol unde ich wil gern Maria pri-
J 12
sen dich, wan du Jesum gebaere des diu werlt gemeine vröuwet sich. hilf, reine rose in himelrich, mir Sünden riehen man, 5
Sit du des hast gewalt der alliu dinc geschaffen hat; sam du nie maget zer werlde brahte uns also edele tiure sat,
1 2 , 2 dinen l i e b e n ] d y n l e b e n / ; heilige C. 5 vn och der C. le braht C.
12
d i r ] die
6 m y t alle J, vz aller C.
3 dir h o h e m g o t t e C.
9 v o l gebracht J, dv hast vol-
11 dv hast C; erhShet C; vber alle himel vn erde C.
J.
9
din kint din, vrouwe, niht enlat noch niht gelazen kan. Nu wis gemanet vrouwe der hoehsten siben vröude din, durch dine barmherzicheit tuo mir genade schin, Bite unde mane din kint vür mich dar zuo vür al die kristenheit, swaz ich unz her gesündet han daz ist mir, vrouwe, leit.
10
14 Uns zeiget der geloube daz an anegenge si diu maget mit ir kinde her gewesen ie der gotheit bi in gotes vorgedahticheit an sehende zaller zit. Ouch hat uns wol gewaeret des diu hohe trinitas, daz si an anegenge her mit gote in siner gotheit was. von schulden sint ir ere breit, ir lop hoch unde wit, Die er von anegenge her mit aller siner kraft gehoehet und geheret hat über alle sin geschaft, So daz si siner hoehe und siner edele wol dar zuo gezam, daz er do sine menscheheit von der vil edelen nam.
5
10
J 13 C 25 E Bl. 226ra H 4
14, 1 bezeichint H; ans fehlt H. 2 ie her gewesin H, geweset e J. 3 vorbedehtekeit CH, bedehtikeit E. 5 Ouch hat] daz ist H; beweret daz EC, bewerit mit der hohin Trinitas H. 6 her] ie here H, gar CE; in d s gotheite ie was CE, in der godeheide was H. 9 von] an E; sit sie ane anegenge god mit sinir kraft H, Die her gehoet vnde geheret hat myt alle syner kraft J. 10 geeret E; erhohit unde geerit H, geeret vnde gesetzet ho vber J; syne JHE. 11 siner edele] sine eren C; du hast sie also erhohit herre ubir hiemil unde Sbir erden wit H. 12 vnde daz er syne daz sie dir selbe froude unde allin dinin liebin git H.
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5
10
15 Ein lop nach gote daz hoehste suln wir geben J 14 der reinen maget, C 24 diu über der endelosen hoehe vol genaden ist H3 betaget, unde under der tiefe grundelos si voller saelde gienc. Die endelosen wite diu ouch ende nie gewan di si al umbe unde umbe vienc; ir sin unde ouch ir wisheit san do si got ze einer muoter kos und si den umbe vienc, Den alliu dinc an breite, an lenge niht umbe grifen mugent, den umbe greif diu reine al eine Maria voller tugent. Muoter der erbarmung, vrouwe, unzallich sint din ere breit, und muoter aller tugende unde ein kafs aller heilicheit.
16 Wer sprichet nu der sünder wort gegen got und gotes kint?
J 15
1 5 , 1 Ein fehlt CH; ez hoeste J; der hohin med H. 2 über] ob C, obe H; hohe in vol C; betaget] bedet H. 3 unde fehlt C. 4 si volle C, ir folle H. 5 Die endelose J, die endelosin H, d s endelose C; och < n o c h / , doch H. 6 - 9 umme fieng. den alle d i n g H . 6 si vmb vn vmbe alvmbe greif ir sin ob aller wisheit zan C. 7 aldo C; zemvt s C. 9 Den al div werlt J; lenge] wide H; grifen < b e g r i f e n J, niht begrifen C, niht vmme uahin en mogin H. 10 vmmefieng H; vollu C, folle H. 11 barmvnge eyn vrouwe J; frauwe din lob ist unzalich breit H. 12 und fehlt H; aller tugent J, manig s tvgende C; kristenhey t J.
11
5
10
daz tuo, Maria, durch din burt sit daz wir dir bevolhen sint! Maria, muoter unde meit, der Sünder troesterin, hilf uns, vrist uns daz wir gebüezen unde riuwe enpfan, swen wir an der lesten stunt alsament vor gerihte stan bescheine uns dine barmherzicheit, vil süeze künigin, So wirt din lop gevüllet daz von dir geschriben ist. behüete uns vor der helle und vor des argen tiuvels list Und sprich ze dime kinde: „vater, sun, heiliger geist du bist, vergip dem Sünder sündic leben, vil süeze Jesu Krist." 17 Ez ist dem ungelobeten man gar inniclichen leit daz man den biderben vür in lobet, sin lop mit sänge machet breit — den haz den er dan zuo im treit, den sol er wol verklagen! Biderber man nu gunne im schänden als er wol
5
J 16
kan dien, du solt den boesen tragen haz und dich zuo den besten zien! unvuore soltu gerne vlien vor im und la dir sagen, Boeses gesellen (daz prüeve ich) wirt man an eren kranc. 16, 2 din mit Ha., Zi., die / . 5 vnz daz J. 17, 5 kan dien] gan die J; als er dir wol gan die Ha., Zi. 7 vlie J. 10 sy biderber J.
12
6 tzie J.
10
5
10
biderber man, nu sich dich vür und merke an disen sanc: La du den boesen bosheit pflegen und ziuch dich zu den werden man — daz ist ein lere daz ich dich niht baz geleren kan. 18 Waz sol mir richiu kunst sint ich der saelde niht J 17 enhan? waz sol mir sanges kraft sit man mich des niht wil geniezen lan? ich muoz der warheit abe stan und liegen umbe guot! Sit ich bi rehter kunst bin gäbe und guotes also bloz, so wil ich serer liegen denne müge einer min genoz. swelch herren milte nie verdroz hat gegen mir argen muot. Daz ungelücke unde unreht daz mac ich wol gote klagen: man git unkünste baz wan kunst — daz muoz mir missehagen! Swelch herre unkünste hilfet und lat kunst beliben in der not, der herre ist ewiclichen verloren unde an eren tot. 19 In al der werlde habent rehte vürsten kunst vür guot, diu kunst kan vürsten eren unde vröuwet wol der herren muot,
18, 7 herren mit Ha., Zi., swelich herre J. hat/. 1 9 , 2 vürsten mit Ha., Zi., die vürsten J.
J 18
8 hat mit Ha., Zi., daz
13
diu kunst den edelen sanfte tuot, kunst hat got selben wert. Diu kunst ist heilic da von muoz si got sin undertan, diu kunst diu nimt durch got umbe ere guot von manigen werden man; got undiet künste niht engan, undiet niht künste gert. Diu rehte kunst ist gotes böte unde ist dar zuo sin kneht: ir vürsten, heren, gebet durch got durch kunst, so tuot ir reht! Diu kunst ist werdic richer gäbe, diu kunst ist gotes barmicheit — ir rehten edelen, gebet durch kunst, ezn wirt iu niemer leit!
5
10
20 Gedenke, mensche, waz du bist und waz du wer- J 19 den muost, gedenke an got mit warer riuwe, daz ist diner sele ein trost; gedenke daz dir hat gelost sin marter und sin tot, Gedenke daz din schepfer dich uz erden gemachet hat, gedenke daz er dinen lip zer erden wider werden gedenke wie dir Sünde an stat, gedenke ouch an die not, Die got durch dich unde al die sine an dem kriuze erleit. dar an gedenke, mensche, und la din arme kündicheit,
5
10
20, 10 an mit Verweiszeichen übergeschr. J; din mit Ha., Zi., fehlt J.
14
Gedenke, mensche, hie also daz dort der sele werde rat: diu stige diu ist worden breit, diu zuo der helle gat!
5
10
21 Ein vrouwe ist starc, schoene unde kranc unde J 20 ist da bi gar alt, diu vrouwe ist wis, diu vrouwe ist tump, der vrouwen trüge ist manicvalt, diu vrouwe hat vil grozen gewalt, diu vrouwe wunder tuot, Diu vrouwe vröuwet unde unvröuwet maniger muoter kint, diu vrouwe ist kluoc, vür ir kluocheit ist aller vrouwen list ein wint, kein vrouwe weder e noch sint gewan so swinden muot; Diu vrouwe ist wunderlich gebildet, ir ist niht gelich, ir buch ist stal, ir rücke ist bli, ir vüeze vederen rieh Der vrouwen namen, meister, rat, den tiuvel hat si ze e genomen, die vrouwen hat uns got gegeben ze schaden und ze vromen. 22 Diu werlt diu boeset nu von tac ze tac, daz sich ich wol; diu werlt ist leider al gemeine valsches unde untriuwen vol —
J 21
12 mit Ha., Zi., die stige die synt worden breit die J. 2 1 , 3 groze walt J. 6 mit Ha., Zi., ir klucheit ist vör aller f < a l len^ J. 10 viederen / . 11 vntrat J.
15
vro werlt, daz ich daz sprechen sol, daz tuot mir iemer we! Diu werlt hat sich gekrenket sere nu bi minen tagen, diu werlt diu wirt noch boeser vil, hoere ich die wisen liute sagen, vro werlt, ich muoz an iu verzagen, ir smelzet sam der sne, Vro werlt, ir kunnet liep von leide scheiden, daz ist war, vro werlt, ir kunnet lieben unde leiden hie und dar, Vro werlt, ir sit hie sur, dort siieze, kündic, stolz und vil gemeit, vro werlt, ir gebet ze lone amme ende ein jamerlichez leit!
5
10
23 Triuwe und warheit lasters meil ich waene nie J 22 gewan, triuwe und warheit zierent wol ein reinen werden, biderben man, triuwe unde warheit meren kan der werlde werdicheit; Triuwe und warheit diu zwei sint ouch ein vil riche wat, triuwe und warheit armen und den riehen edellichen stat,
5
triuwe und warheit swer die hat des lop wirt wit und breit; Triuwe und warheit gebent in himelriche grozen solt, 22, 11 mit Ha., Zi., kvndich vnde stoltz J.
16
10
triuwe und warheit bezzer sint den silber oder golt, Triuwe und warheit got der kristenheit gemeine hat gegeben, triuwe und warheit winnent wol daz ewicliche leben.
24
5
10
Die vürsten und die herren möhten gerne milte J 23 wesen, diu milte quam von gote erst, hoere ich an manigen buochen lesen: durch milte wolte er niht genesen, durch milte starp er tot. Diu milte git hie herren ere und dort daz himelrich, der milte solten pflegen die wol gebornen — daz waere edellich; swer milte pfligt der vriet sich vür iemer wernder not. Diu milte ist guot vür laster und vür schänden swer sie hat, diu milte ist guot vür Sünden und vür maniger missetat, Diu milte ziuhet hin ze gote unde ist zer werlde ein saelicheit — durch got sit milte, so ist iu dort sin himelrich bereit!
25 Swer mich unwirdiclichen setzet in dem huse sin J 24 und wil daz ich in wirdicliche setze in dem sänge min, so würd mir groz unwitze schin — wie möhte daz geschehen? 17
5
Swa der juncherre oder der lecker den herren min verstat und git mir sinen boesen win, die boesten spise die er hat, dar zuo diu ros ungezzen lat — da muoz ich adel spehen! Sin kezzelkrut, sin spisebrot, sin boesen zuberwin, diu bringe er vür die hunde hin oder aber vür diu swin! Wil er von mir han richez lop der sich gegen mir also versiht? des riet mir der von Nif unde ander guote meister nicht!
10
26 Ich bin in al der werlde ein gast — also stet nu min leben, der wirt der müeze saelic sin der sinen gruoz mir wol tar geben! swelch wirt nach eren welle streben, der merke minen rat: Von eines edelen wirtes munde ein grüezen tuot mir wol; so mir der wirt, zehant min herze ist me den tusent vröuden vol. durch reht ein wirt niht duzen sol, wie wol ez im anstat. Des wirtes lieplich sehen daz vröuwet minen senenden muot, der wirt der müeze saelic sin, der daz mit willen tuot;
5
10
25, 6 und] e r / .
7 mit Zi., die ios.se vngegezzen J.
yf/. 26, 2 gruoz mit Ha., Zi., gz J.
18
6 den] wen J.
J 25
12 Nif mit Zi.,
7 druzen J.
Des wirtes zorn tuot mir unde allen gesten inniclichen we — ir edelen wirte hüetet iuch daz iu daz iht gesche!
5
10
27 Mich hat eins küniges ja betrogen und dar zuo J 26 manigen man! swelch künic ja ze neine werden lat, daz stet im übel an! swelch ja nein meinet daz enkan niht werden rehtez ja. Ein warez ja stet künigen wol unde ist ze eren guot; gelogenz ja daz krenket künige unde entvröuwet mir den muot! swer ja spriht unde schiere ez tuot, der wirt in eren gra. Wie zimt den hohen künigen daz ir ja ze neine wirt? ein valschez ja vil selten ieman lop unde ere birt! Ein ja gegeben und daz gehalten daz ist rehter künige tat, er hat kein ere swer sin ja ze neine werden lat!
28
5
Ich horte des babes brieve lesen, sus was diu bo- J 27 teschaft: „der aller liebeste unser sun gegrüezet si mit voller kraft, mit ganzer liebe unzwivelhaft an allen underlaz! Künic von Rome Ruodolf, künftic keiser offenbar, 27,6 vntvreuwet J, unfröuwet Zi. 10 eman J. 28,4 alle/. 5 rodolb/. 6 mit Zi., daz were dv kvnync e nante 19
daz wir dich künic e nanten niht daz quam von hohen rate dar, dir beide ze nutze unde ane var, vür war so wizze daz. Wir laden dich zer wihe, williclich sin wir bereit, die kröne unde alle keiserliche wirdicheit Enpfa von uns, vil lieber sun, so du erste maht in kurzen tagen ciin houbet kröne uf erden sol ob allen künigen tragen!"
10
29 Der babes allen kristen vürsten brieve hat gesant: J 28 Tiutschen, Walhen, Winden, pfaffen, leien, swie si sint genant, den riehen künigen in ir lant, nahen, verre und wit; Uf alliu hus, in alliu dorf unde ouch in alle stete, allen meistern schribet er sin hoch gebot und sin gebete: nie babes künic so liep enhete sit künic Karies zit. Er schribet in daz sie ze herren sulen iemer han den künic von Rom Ruodolf unde im mit triuwen bi gestan; Er si ein künftic keiser, swer in irret oder wider stat, daz in der babes niht vür einen rehten kristen hat.
5
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10 die] wie J. 11 Die vntfa J. 29, 1 kristenen J. 9 mit Zi., sie sulen tz? herren J. dolfe / .
20
10 rome ro-
5
10
5
30 Si vragent wie der künic von Rome Ruodolf mir J 29 behage er behaget mir als er sol sit daz er got behagete an dem tage dor in ze vogete (als ich iu sage) gap aller kristenheit; Unde als er got behagete (also der Brunecker uns jach, daz er und manic tusent man ansihticliche wol ansach) ze Ache überm münster daz geschach: hoch, lanc, wit unde breit Ein schoene kriuze swebete ob im die wile daz er saz gekroenet und die wihe enpfienc — hie bi so weiz ich daz, Daz in got durch der vürsten munt uns zeinem vogete hat erweit, nu si er dir, almehtic got, in dinen vride gezelt. 31 Der edele, wol geborne man nach eren gerne J 30 stat, so minnet ouch von art ein bur die schände und dar zuo schänden rat. dem gebure ist wol mit missetat daz ist in angeborn; Der edele man der vlizet sich an zuht, an wirdicheit — swen der gebur schelcliche tuot so ist er vro und vil gemeit; der edele man nach eren streit,
30, 7 tzv ache vber den mvnstere J. 9 der wile J.
21
diu ere hat im gesworn. Des edelen mannes triuwe und milte gote sanfte tuot, der gebur verkiuset got und gewinnet sündiclichez guot; Der edele man der tar sin guot durch got der rehten künste geben, - seht! — so wil von art ein bur nach schalkes lobe iemer streben!
10
32 Sit vro und vröut iuch algemeine dirre saelicheit: J 31 hiute ist ein kint geborn ze tröste uns, daz wil wenden unser leit! sin kraft ist groz, wit unde breit, gar vil daz kint vermac. Gebenediet si des kindes muoter unde ir lip, gelobet und geret müeze sin diuz kint truoc maget und niht wip! ez ist der werlde leitvertrip, daz in ir libe lac, Der kiuschen megede von der got hiute ist und wart geborn. enwaere sin nativitas wir waeren gar verlorn! Got du bist guot unde also guot daz diner güete ist niht gelich, durch diner bürte willen hilf uns an daz himelrich!
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10
33 Zuht und maze stent den vrouwen unde mannen J 32 wol: er saelic man, si reinez wip der herze ist zuht und maze vol! 32, 11 daz mit Verweiszeichen
22
iibergeschr. J.
5
10
5
zuht und maze haben sol swer lop erwerben wil. Swa zuht ist und diu maze niht da ist diu zuht verlorn; diu maze hat ze ir die zuht vür einen staeten vriunt erkorn. vro zuht, vro maze, iuch hant versworn der wol gebornen vil. Hie vor do sach man hohe herren zuht und maze pflegen, nu hant der zweier die jungen und die alten sich bewegen. Ein islich herre ist ane ere hat er der zuht und maze niht; swer zuht und maze ist gerne holt, der hat mit gote pfliht. 34 Si jehent daz diu erge nie enwünne milten muot, J 33 so hoere ich sagen die wisen daz diu schäme si da wider guot: diu erge swaz si schänden tuot, dest schäme süenaerin. Diu erge briuwet ungevuocheit — seht, daz ist ir spil, so ist diu werde schäme truric wa man schalcheit triben wil; diu erge diu hat bosheit vil, nach schänden stet ir sin; Diu erge diu kan blecken, sin wan über sich nie dach,
33, 7 vrouwe tzucht v8r maz J. 3 4 , 4 des i s t / . 9 sie ne wan nye vber sich dach J. hie synt J
12 mit Zi., die
23
10
5
10
so kan diu schäme decken wol swaz lasters ie geschach; Diu erge enwan an zühticlichen dingen noch nie keinen teil, sam gert der herze schäm niht die sint sunder ere geil. 35 Nu vraget junge unde alte, vraget waz man von J 34 iu sage, vraget waz den werden wisen werdicliche an iu behage, waz si an iu schelten naht und tage — vragt des, daz ist min rat, Sit daz uns got selbe hat mit vrage vür getragen: er vragete sine junger wie man sin gedaehte bi den tagen; den vraget unde lat iu sagen ere unde missetat. Der alle danken weiz dar zuo ouch hoeret unde siht, der vraget uns durch lere, doch durch sine dürfte niht. Die menige vraget sunder die der lip sich nie von tugenden schiet, niht vraget die der munt nie werdiclichen rat geriet! 36 Ich rate in daz si vragen — des entuont si waerlieh niht,
35, 6 sine junger mit Ha., Zi., synen ivngeren J. fehlt J. 36, 1 daz mit Zi., da J. 5 der slange J.
24
7 vch/.
J 35
9 ouch
5
die man in houbetsünden weiz unde ouch in houbetschanden siht! min rat si dunket gar ein wiht sam er ze niht entüge! Si tuont also diu slange: so diu erst vernimt daz blat, ein ore legt si uf einen stein, daz ander si verschupfet hat mit dem zagele an der stat daz siz niht hoeren müge — Sus wellent si niht hoeren rehte lere und rehten
10
rat noch wizzen waz diu werlt von in redet und ze sagene hat. Ir muotwille dringet si u f also lasterbaere site da mite si gote unmaeren sich unde ouch den Hüten mite.
5
37 Nu sage an oren druosel wanne vülstu dinen sac? J 3 6 din zunge dorret swan si niht getriegen noch geleilen mac! möhtu doch viren einen tac den selber got gebot! Ich sage dir orenslupfel waz dir doch ze jungst geschiht, swanne ein herre sprichet: „stant hin dan, du valscher boesewiht, jone hoeret dich min ore niht!" so stestu schamerot. So wirt din vederlesen swach und wenken reht alsam
37, 2 gelyllen J. schr. J.
6 stan J.
11 ouch mit Verweiszeichen überge-
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10
din tritelvuoz, din obedach, din zunge diu wirt lam; So kumt ein schür unde ouch ein hagel daz boeset dines mundes gelt — noch volge mir geselle, vriunt, und buwe ein bretervelt! 38 Daz alter suln die jungen eren durch ir saelicheit, J 3 7 daz alter hat die barme, ez machet gotes unde eren strazen breit, swelch alter sünde in riuwen treit, daz alter han ich wert. Daz alter wil ich gerne prisen, hat ez edelen muot, daz im si leit ob ie sin jugent gewünne sündiclichez guot. swelch alter guotiu werke tuot, daz alter heiles gert. Daz alter sol diemüetic sin und rehtes glouben vol, daz alter ist gereht swelch alter tuot nach boesem wol. Daz alter sol got minnen und sol hie der werlde gar vergeben ir alten lazet haz und nit so habet ir rehtes leben!
5
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39 Uz einem worte wuohs ein got,
deriegeweJ38 sen was, H 5 er wart ouch mensche sunder spot, do sin diu reine maget genas, da von der himel erliuhtet wart, 39, 1 der doch ie wesinde was H.
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2 ouch fehlt H.
4 volzieret mit
5
10
5
diu werlt volzieret gar. In sorgen wäre wir betaget,
in sünden her geborn, ein Eva diu het uns verjaget, wir solten alle sin verlorn. daz hat Maria sint verkart, der quam ein engel dar, Er sprach: „ave genaden volle, got der ist mit dir." wir gedenken Gedeones wolle, des geloube wir, Der si hie vor vor maniger zit mit himeltouwe gar begoz, ir tugende ob allen vrouwen lit, nie maget wart ir genoz. 40 Des holderboumes loup hat ein unadelichen H6 smac, dar uz ein siieziu bluome dringet, diu dar in verborgen lac, der ich wol iegesliche wac hin uf die kristenheit. Nu lobe wir got von himele daz si gewahsen ist uz den vil argen juden, die bediutent uns den vulen mist. ez was von got ein guoter list daz diu jüdischeit
Ha., Zi., wol t z i e r e t / . 10 yedeones vSlle/. 3 - 1 2 H: des ist der hiemil lobis uol. die werlit durchlShtit gar. wir wflrdin in arg s zit geborn. mid iamere her bedet. wir warin alle gar verlorn, daz hatte uns Eue vor betet, daz widir wante Maria ein wort daz quam aldar. aue Maria hiemilfrauwe. din sSn enbudit dir. du hohe gebSrt du gebiude nar. in deme glaube lebe wir. daz er dich uor in manigir zit. mit hiemildauwe begoz. d8 rose obe allir engele shar. nie magit wart din genoz. 40, 1 loup mit Zi., smag H. 2 s8zir H. 5 gewashin H. 9 f. gebar
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10
Gebar die edelen bluomen gemeit, diu dort gezieret hat den himel unde hie die erden mit vil richer wat, Rehte also der holderbaum schone überzogen stat dem man des lobes giht, unde doch sin loup ze niht vervat!
41 Der den von Rifenberc alrest ze eime zwie maz, J 39 daz snoede lop wol riches riehen tugenden was vil gar ze laz: er solte im han geteilet baz des boumes einen ast! Sit daz man sine hohe tugent ze holze mezzen sol, so mac man in geliehen zeime ganzen eren boume wol vol tugende unde schänden hol, dem ere nie gebrast. Noch groezer den ein zederboum, daz ist mir worden kunt, mit zwin und esten ane zal, mit wurzeln wol gesunt, Der schänden schür, der schänden rife kein Undinge in krenken mac, er rilich reret riche vruht den gernden naht und tac.
5
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42 Owe dir sündicliches guot wie rehte liep du bist! J 40 guot, swer din gert des herze kunnen muoz doch manige valsche list! dan uz die edelin blumin gemeit. die dort den hiemil gezierit hat. H. 10 vil fehlt H. 12 dem man sa richis lobes H. 4 1 , 9 den ] wenne J, 10 zwin mit Zi., zwi J.
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5
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owe dir guot, wie vil der ist die durch dich sint verlorn! Guot, bi den biderben milten armen da wiltu niht sin, guot, zuo den gar verschämten kargen dar stuont ie der wille din! guot git in liehten valschen schin, die tugende hant versworn. Guot, jo ruochstu niht, wie lesterlichen man dich wint? guot, durch dich manic tusent sele zuo der helle brint! Guot, du kumst und verest hin niht anders den ein goukelspil — guot, hie muoz des tiuvels sin swer din ane ere hat vil!
43
5
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Der suonestac wil schiere komen, ir leien seht J 41 iuch vür! sich müezen liebe vriunde scheiden vor des himelriches tür. unreht gewalt waz ich din spür nu in der kristenheit: Seht wie die pfaffen algemeine werbent umbe guot, si machent reht ze unrehte swer in dar umbe iht ze liebe tuot, uf giticheit so stet ir muot — daz la dir wesen leit! Vil süezer got, durch dine reinen heren hantgetat sich wie diu werlt gar ane babes unde an keiser stat!
42, 5 da ne (getilgt) w i l t u / . 9 wynt < w y n n e t 7 . brinnet J. 12 swer din hat an ere vil J.
10brint
v 8 r livs J; dv flühest de frünt dv dienest de" fluch C. 14 viege salde vnere J, veigest sele vn ere C. 5 8 , 4 dar] d a / . 9 Der] Dar/.
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da ez der sele wirret. So hat daz golt den sin betrogen und muotwiln sines herzen, Und hant die pfaffen niht gelogen er lide ouch dort den smerzen!
60
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Der wol gelobete Vriderich, J 55 der graf von Bichelingen, der groze, hohe in wirdicheit, der eren sageraere, Sin lop daz wil ich williclich uz reinem sinne singen. ein spitzic lop daz dünne ist daz sol im sin unmaere: Werdez lop er dienen kan mit willegebenden henden. Lastermasen er nie gewan, er ist an allen enden Gar ane valsch unde ane meil, er pfliget vil rehter milte — Mit sime lobe bin ich geil, so ich die valschen schilte! 61 Got herre an anegenge got unde iemer got an ende, drivaltic und doch niht wan ein in diner magenkraft, Din schoene ob aller schoene schein mit almehtiger hende, über alliu dinc ist din gebot mit voller meisterschaft, Du alles heiles überheil
C3
59, 3 liden J; arebeit J. 6 bereit J. 7 die nachtr. übergeschr. J. 8 gar nachtr. übergeschr. J. 13 ne hant > hant /. 60, 3 sageraere mit Zi., sage were J. 5 reynen J. 7 v8r dienen J.
41
J 56, B1.71 r - 7 1 v
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10
15
5
10
15
und guot ob aller güete, Din volliu tugent ane meil ob aller tugende ie blüete. Untoetlich künic der ewicheit, heiliger alpha et o, Wis unser vride vür alliu leit und hilf uns daz wir iemer sin mit den gevröuten vro! 62 Sich, gotes tohter, wiltu mich niht mieten, küniginne, so sage ich waz ein hoher man mit dir begangen hat: Er nam sich dir ze dienen an in minniclicher minne, er warp ez tougen wider dich — do taete du swes er bat. Dir gienc sin bete und siniu wort durch oren und durch ougen, AI dar quam siner vröuden hört ze dir geslichen tougen: Er was dir minniclichen bi mit warheit sunder spot, Doch weiz ich diner hulde dri, der du verholne pflaege, und was des Gabriel din bot.
C4 K 544
6 1 , 1 0 guot mit Ha., Zi., got C. 62, 2 koniginnen K. 8 swes] waz K. 9 f. Dir gieng sin wort und sine werk / yn oren und yn ougen K. 12 ze dir fehlt K; geslichen harte touge K. 13 Die minne waz da nahe bie K. 14 svnd s svnd s C. 15 Noch K\ holden K. 16 böte AT.
43
63 Nu merke hoch und edele man, wer dir an dime rate wol umbe al dine ere zeme, da man dir raten sol: Ze rehte soltu volgen deme, der sich vruo unde spate vor schänden selbe vrien kan, der zimt ze rate wol. Der uf von guoten dingen nimt und minnet got unde ere, Der selbe wol ze rate zimt und anders nieman mere. Wie solte er raten eren rat, der ere niht enpfliget Unde ouch niht got vor ougen hat?
5
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J 56 C5
des rat den Sünden noch den schänden niemer angesiget! 64 Swa so der hohe edel man gemachet unde enruochet, an dem beiiget hoher muot, erwelket vrechiu tat; In vliuhet ere und swindet guot, sin volc die vremden suochet so hie so dort swa'z vinden kan daz wirde unde ere hat. Klim an die hoehe, hohiu vruht, ir helfet helde erstigen!
5
10
C6
63, 1 Nu fehlt C. 2 dich J. 4 dich J. 5 d e m / . 6 vro J, fruie C. 8 de C. 9 von] an C. 12 and s keine C. 13 sol d s C. 14 ere C. 15 ouch] doch C. 64, 3 beiiget < geliget C. 4 mit Zi., erwelket vreche C.
44
15
5
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15
Wis manlich, milte, minne zuht, so muoz dir hochvart nigen. Lihtsenfte wenic nu vervat gegen vrechheit sunder zorn. Wol merke wie diu werlt nu stat: bistu niht manlich unde vrech sost ere und guot verlorn! 65 Ahi wie werdiclichen stat der hof in Peierlande, enkeiner me so werdiclich in al der kristenheit! Da wonet diu keiserinne rieh in eren sunder schände, diu künigin von Rome hat da ganze werdicheit, Des kiiniges kint uz Ungerlant in wirden lobeliche, Diu herzoginne von Brabant, dar zuo diu vürstin riche, Zwo megede, die ir töhter sint, da bi ir undertan Vil edel vrouwen, megede, ir kint — dannoch so lat man swer dar wil ze des vürsten brote gan!
C8
66
5
„Wem sol ich die almuose geben daz ich si wol bewende?" sprach sante Peter ane schämen gegen dem vil waren Krist. Er sprach: „swer dir in mime namen 65, 15magetC.
J 57
16 dar] d s C.
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recke sine hende, dem gip" — don schiet er uz kein leben, der got almehtic ist. Sit daz er nieman uz beschiet, kristen, iuden, heiden, Und geben hiez do aller diet, diu wort hant mich bescheiden: Swen ich mit ere und vorhten bite umbe ein geringez guot, Si liegent, teilet erz mir mite, die sprechent, daz ez sünde si ob er mir liebe tuot.
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67 Swer giht, die guot den gernden geben die möhtenz also maere dem tiuvel stozen in den munt, der liuget nides vaz. Diu wise gernder ist mir kunt: si hazzent offenbaere untriuwe, unvuore, unrehtez leben — mit gote erziuge ich daz: Si gernt durch got des man in git und wünschent ane lougen Den gebenden heiles ze aller zit, si habent got vor ougen, Si enpfahent gotes lichnamen und hant ze Kriste pfliht; Ouch kunnen si sich Sünden schämen
5
10
15
J 58 C9
66, 4 kegen den J. 13 mit Zi., myt eren vnde myt J. 67, 1 die] daz J; gernden] w s enden (mitgetilgtem w) C. 2 der m^chtez J. 4 nides] iudes C. 5- 8 vntruwe vnföre vnrehtes lebe, si hasset offenb s re. die wisen g s nde dast mir kvnt. an got so züge ich das C. 5 Die wisen J. 6 die J. 9 Si gernt] Die geben J, si gebet C. 16 bittent vmb C; des tSt C.
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und bitten vlir die kristenheit - desn tuot kein tiuvel niht!
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5
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15
Swer giht, der guot umbe ere gebe daz der sich sünde sere, der liuget oder ez siindet der der aller meist da git. Den kristen, juden so git er den heiden, merket mere, dem ketzer ouch swie schade er lebe guot unde guote zit. Vünf sinne, saelde, sele, lip git er uns, vröude an kinden; Er git uns guot, gar liebiu wip — sus gebende er sich lat vinden. Swaz lebendic ist daz hat für war von siner gäbe daz leben,
J 59 C 11
Er git sin himelriche gar der rehten diet — umbe ere sin kan er so rilich geben!
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5
Swer giht, der guot umbe ere neme daz der sich sere sünde — nein! al die dar lebendic sint die nement umbe ere guot! Wie sint si liigenaere so blint, des si got min urkünde,
J 60 C 10
68, 1 umbe] dvr C. 2 sich der C; svndige J. 3 oder] ald s C. 5 Den] de C; so] den J. 7 dem] den J, de C. 9 sele vñ lib C. 10 vreuden kynden J. 11 rihtöm wisheit vñ liebù wib C. 12 lat er sich C. 13 f. Vfir war swaz lebendich ist. daz hat J. 15 sin] de C; gar] dort J. 16 dvrh ere sin svs kan er rilich gebe C. 69, 1 umbe] dvr C. 2 sich der C. 3 da J, dir C. 4 umbe] durh
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ob ez iemanne widerzeme ze nemenne — ez entuot; Wan der sin alze vil genimt, daz ist sünde und schände. Ze nemenne nieman missezimt in himele, in wage, uf lande — Swer nimt ze vil, nu wizzet daz, daz ist der sele ein slac, Daz tuot nieman den gites vaz die uf der erden nieman wol mit guote vüllen mac!
10
15
70 Ein heilic man enliuget niht, ein heilic man niht nidet, ein heilic man niht milte wert der erge ist doch ze vil! Ein heilic man die sele nert, ein heilic man wol lidet, ob ieman guot bi im geschiht, des ich gelouben wil. Guot man den niht verteilen sol, der sich an sine schulde Mac reiniclichen bringen wol an unsers herren hulde; . Guot man mit saelden hat gepfliht, daz ist mir rehte kunt — „Du lecker, loter, boesewiht, du schalc": in siner predige sprach nu unsers herren munt!
5
10
J61
C. 7 missezeme C. 9 alze] a l t z ? / , ze C. 11 ez neman J; ze rehte als es d s diet gezimt C. 12 zehimel vf wage C. 13 nu fehlt J. 15 es t$t och niht wä C. 16 die niema vf d s erde hie mit g9te erfülle C. 70, 3 weret J.
48
5
10
15
5
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71 Git got, mac got, ist got ein got hilf got mir got erkennen, wie got von got sich got verstal und got ein got doch was; Got sante uns got durch got ze tal, got hiez got nach uns nennen; got mensche wart durch gotes gebot, von got Davit daz las, Wie got durch got vergoz sin bluot durch got nach gotes rate: Daz tete got, wen got was guot, daz got got volgte drate; Haete got gegen got iht me gegert den got durch got da tete, Des haete got got vil wol gewert: got tete durch got des got bat got durch got nach gotes gebete. 72 Mich wundert wie dem herren si, der sich bi richer gülte bescheiten unde vluochen lat und daz sin dienestman Bi im so hochgelobeter stat. ob man in gerne schulte, so ist er schänden alse vri, daz in doch nieman kan Bescheiten noch den herren niht geloben mit lobe waeren. Er muoz sich schämen so man in siht
71, 1 G e b e t / 7 2 , 2 gulde J. 3 vii im flvche C. 6 sculde J. 8 de in niemä enkan C.
J 62
J 63 C7
5 vor im so wol gelobt s C. 9 Hesehelten J. 10 lobe di
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geunminnet unde unmaeren. Zehant da muoz betrüebet sin des biderben heldes muot, Sich wandelt siner varwen schin und muoz sich sines herren schämen so'r lesterlichen tuot.
15
73 Ich sünge gerne hübschen sanc und seite ouch guote maere und haete ouch hübscher vuoge pfliht, swa ich bi liuten bin. Min munt iu allen des vergiht, daz ich wol hübscher waere, und haete ich hübschen habedanc ich haete ouch wisen sin. Ich sünge ouch wol von minnen liet und von des meien touwen, Wie kume sich liep von liebe schiet, ein vriunt von siner vrouwen. Diz sünge ich allez unde ouch me — nu laze ichz umbe daz : Zuht tuot den edelen jungen we und hübscher sanc, und tuot in schelten wip bi wine baz!
5
10
15
were C. 13 Zehant] bename C. h s zen C. 73, 11 sich mit Zi., ich C.
50
14 heldes] manes C.
C 26
16 herren]