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German Pages 196 [197] Year 1975
M. M. GUCHMANN • Die Sprache der deutschen politischen Literatur in der Zeit der Reformation und des Bauernkrieges
AKADEMIE DER W I S S E N S C H A F T E N DER DDR Zentralinstitut für Sprachwissenschaft 54
Bausteine zur Sprachgeschichte des Neuhochdeutschen Herausgegeben von Günter Feudel
M. M. GUCHMANN
Die Sprache der deutschen politischen Literatur in der Zeit der Reformation und des Bauernkrieges
A K A D E M I E - V E R L A G
1974
•
B E R L I N
Erschienen i m Akademie-Verlag, 108 Berlin, Leipziger Straße 3—4 Copyright 1974 b y Akademie-Verlag Lizenznummer: 202 • 100/282/74 Gesamtherstellung: I V / 2 / 1 4 V E B Druckerei »Gottfried Wilhelm Leibniz«, 445 G r ä f e n h a i n i c h e n / D D R • 4313 Bestellnummer: 752 3861 (2054/54) • L S V 0815 P r i n t e d in G D R EVP 26,-
Inhalt
Vorwort Kapitel
I
Die politische Literatur aus der Zeit der Reformation u n d des Bauernkrieges und die Aufgaben der Forschung Kapitel
II
Die Plugschriften als besonderer Typ des Schrifttums und ihre verschiedenen Gattungen Kapitel
51
IV
Die Differenzierung der Sprache der politischen Literatur im Hinblick auf G a t t u n g u n d Stil Kapitel
33
III
Der Einfluß lokaler F a k t o r e n auf die Differenzierung der Sprache der politischen Literatur Kapitel
11
141
V
Zur sozialen Charakteristik der Sprache der politischen Literatur Anmerkungen
.
163 175
Literaturverzeichnis Quellen
185
Sekundärliteratur
195
Vorwort zur russischen Ausgabe
Die vorliegende Monographie ist ein Teil der Forschungsarbeiten, die das Institut für Sprachwissenschaft der Akademie der Wissenschaften der UdSSR und das Zentralinstitut für Sprachwissenschaft der Akademie der Wissenschaften der D D R zum Problem 'Entstehung und Entwicklung der deutschen Nationalsprache vom 16. bis 18. J a h r h u n d e r t ' gemeinsam durchführen. I m Verlauf der Arbeit h a t t e die Verfasserin die Möglichkeit, einzelne Teile der Arbeit auf Sitzungen der Abteilung für germanische Sprachen des Instituts für Sprachwissenschaft und mit Fachleuten aus der D D R zu erörtern. Die Verfasserin dankt allen Kollegen, die zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen haben. Für die Arbeit wurden zahlreiche Erstdrucke aus Bibliotheken der UdSSR und der D D R benutzt. Die leitenden Mitarbeiter des ehemaligen Instituts für deutsche Sprache und Literatur, der Sächsischen Akademie d t r Wissenschaften und die Germanisten der Leipziger Universität haben mich bei der Arbeit in Bibliotheken in Berlin, Erfurt, Jena, Halle, Leipzig und Zwickau sehr unterstützt. Ihnen allen, besonders Prof. G. Feudel, Prof. R . Große und Dr. H. Protze ist die Verfasserin zu Dank verpflichtet. Eine bedeutende Rolle bei der Planung der gemeinsamen Arbeiten hat Akademiemitglied Theodor Frings gespielt. Die Verfasserin gedenkt dieses bedeutenden Linguisten mit Dankbarkeit. Moskau 1970
M. M. Guchmann
Vorwort zur deutschen Ausgabe
Die vorliegende Arbeit ist eine Übersetzung der Monographie H3hk HeMeqKOö JIHTEPATYPH anoxw P E ^ O P M A I I H H H K P E C T B H H C K O F I B O Ö H H , die 1970 in Moskau erschien. Die deutsche Fassung weist gegenüber der Moskauer Ausgabe nur geringfügige Veränderungen auf; sie betreffen vorwiegend einzelne Formulierungen und die Erweiterung einiger Belege. Mein Dank für die sorgfältige Übersetzung gilt neben dem Übersetzerkollektiv vor allem Dr. Gerlinde Richter vom Bereich Sprachgeschichte des Zentralinstituts für Sprachwissenschaft der Akademie der Wissenschaften der DDR, die nicht nur zahlreiche Belege und die Angaben der Bibliographie überprüfte, sondern den Gesamttext redigiert hat. Für die Aufnahme auch dieser Arbeit in die Schriftenreihe „Bausteine zur Sprachgeschichte des Neuhochdeutschen" möchte ich ihrem Herausgeber, Prof. Dr. G. Feudel, herzlich danken. NOJIHTIMECKOH
Moskau 1974
M. M. Guchmann
Kapitel I
Die politische Literatur aus der Zeit der Reformation und des Bauernkrieges und die Aufgaben der Forschung 1 Das 16. Jahrhundert spielte eine entscheidende Rolle bei der Herausbildung des sprachlichen Systems, das in der Germanistik als Neuhochdeutsch und in der sowjetischen sprachwissenschaftlichen Tradition als literarische Norm der deutschen Gegenwartssprache bezeichnet wird. Die Auswahl und Festigung der wichtigsten Strukturmerkmale der allgemeinen Literatursprache, die immer bewußter einzelnen landschaftlichen Varianten gegenübergestellt wird, die allmähliche Herausbildung syntaktischer Normen, das reicher und komplizierter werdende System der Funktionalstile — all diese Prozesse treten seit dem beginnenden 16. J a h r h u n d e r t klarer hervor. Die zunehmenden Veränderungen in den Strukturelementen wie im Funktionieren der deutschen Literatursprache hängen mit verschiedenartigen außersprachlichen Faktoren zusammen, die unmittelbar oder mittelbar auf die Sprachentwicklung eingewirkt haben. Zu den unmittelbar wirkenden Faktoren gehört die Entstehung neuer literarischer Gattungen in deutscher Sprache. I n den vorangegangenen Jahrhunderten wurde die Entwicklung des deutschen Schrifttums dadurch gehemmt, daß in der Wissenschaft, im politischen Leben, in Lehre, Erziehung und Religion hauptsächlich Latein benutzt wurde. Die Folge dieser sprachlichen Situation war nicht nur ein unentwickeltes System der Funktionalstile der schriftlichen Literatursprache, sondern auch der lexikalische Bestand und die Gesamtheit der syntaktischen Gebrauchsweisen wurden dadurch beeinflußt. Im 16. J a h r h u n d e r t ist die deutsche Sprache auf literarische Gattungen ausgedehnt, in denen ursprünglich das Latein vorherrschte. Dieses Ereignis beeinflußte vor allem die Wechselbeziehung zwischen schriftlicher Literatursprache und gesprochener Sprache; aber auch in der Schreibsprache selbst ergaben sich bedeutende lexikalische und syntaktische Veränderungen. Neue Schichten der Lexik, die hauptsächlich aus dem Lateinischen entlehnt wurde oder vorher nur der gesprochenen Sprache angehörte, fanden Eingang in die schriftliche Literatirrsprache. Durch die Entwicklung der Prosagattungen entstanden strengere syntaktische Normen. Die Bereicherung der literarischen Gattungen in deutscher Sprache und die Erweiterung der Funktionen des Deutschen waren durch gewaltige Wandlungen im gesamten gesellschaftlichen Leben Deutschlands am Ende des 15. und im ersten Viertel des 16. Jahrhunderts bedingt. Die stürmischen Ereignisse dieser Epoche bewirkten, daß in verhältnismäßig kurzer Zeit eine große Zahl von Autoren auftrat, die in deutscher Sprache schrieben und unterschiedliche literarische Gattungen benutzten, unter ihnen H a n s Sachs und Thomas Murner,
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Johannes Agricola und Philipp Melanchthon, Martin Luther und Thomas Müntzer, Ulrich von Hutten und Ulrich Zwingli, Urbanus Rhegius und Michael Stifel, Heinrich von Kettenbach und Andreas Bodenstein von Karlstadt, Martin Bucer, Johannes Cochlaeus und viele andere, die oft anonym blieben. Poesie und Prosa, Lieder, Versdialoge, verschiedene Arten von Dramen, politische, wissenschaftliche und religiöse Traktate, Predigten und Streitschriften, Romane und Volksbücher, Fabeln und informatorische Schriften, Reisebesehreibungen, Sammlungen von Sprichwörtern und Redewendungen, Chronikaufzeichnungen und polemisch-agitatorische Schriften erschienen in unterschiedlichen Ausgaben und wurden in vielen Städten Deutschlands von Zürich und Basel im Südwesten bis Lübeck und Königsberg im Nordosten gedruckt. Straßburg, Ulm, Köln, Bamberg, Nürnberg, Augsburg, München, Erfurt, Zwickau, Wittenberg, Leipzig und Dresden sind wichtige Druckzentren, in denen Hunderte von Büchern in deutscher Sprache erschienen. Der Buchdruck, von Gutenberg in der Mitte des 15. Jahrhunderts erfunden, dient in den ersten Jahrzehnten vorwiegend dem Druck lateinischer Handschriften. Schon Ende des 15. Jahrhunderts wächst die Zahl der deutschen Bücher unaufhaltsam1, wobei in der Zeit der Reformation und des Bauernkrieges eine für jene Zeit bemerkenswerte Höhe erreicht wird. Dieses reiche Material unterschiedlicher literarischer Gattungen bildet zweifellos eine äußerst wertvolle sprachliche Quelle. Bis in jüngste Zeit zeigten jedoch die Sprachwissenschaftler für den größten Teil dieses Materials wenig Interesse. Ausführlich und gründlich wurde nur die Sprache der Lutherbibel und der lutherischen religiösen Schriften untersucht. Anderen Autoren und anderen literarischen Gattungen schenkte man nicht genügend Aufmerksamkeit. Selbst die Sprache eines so fruchtbaren und vielseitigen Schriftstellers wie Hans Sachs, des Verfassers von zahlreichen Fastnachtspielen, Fabeln, Liedern usw., wurde erst in den letzten Jahrzehnten untersucht, wobei es vorläufig nur Arbeiten zur Graphematik und Lautlehre gibt. Einige Forscher beschäftigten sich mit der Sprache der Denkmäler des 16. Jahrhunderts im Zusammenhang mit der Entwicklung einzelner Kategorien 2 oder der Charakteristik der Hauptentwicklungslinien der deutschen Literatursprache.3 Man könnte einige frühere Arbeiten über die Sprache einzelner Gattungen'1 oder einzelner Autoren 5 erwähnen, doch auch sie konnten wenig an der allgemeinen Forschungslage ändern. Die bisherige Darstellung der sprachlichen Prozesse und der sprachlichen Situation des 16. Jahr hunders beruhte deshalb auf unzureichendem und einseitig ausgewähltem Material und gab keine adäquate Vorstellung von der realen sprachlichen Wirklichkeit. Diese wesentliche Lücke in den Darstellungen der deutschen Sprachgeschichte meinte der bekannte französische Germanist J. Fourquet, als er einen Aufsatz „La 'grande lacune', comment la réduire" 6 nannte. I n der Sprache des 16. Jahrhunderts sind sowohl die rein strukturellen Veränderungen unzureichend erforscht, als auch die Veränderungen, die in der Wechselbeziehung zwischen unterschiedlichen Existenzformen der Sprache bei der Herausbildung eines verhältnismäßig einheitlichen überlandschaftlichen
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T y p s der Literatursprache vor sich gehen. In der Wissenschaft herrschten bis in jüngste Zeit meist schematische Vorstellungen v o n den Prozessen, die die Herausbildung der gegenwärtigen Normen der deutschen Literatursprache hervorgerufen haben. Die komplizierten sprachlichen Verhältnisse dieser bewegten Zeit wurden nicht wiedergegeben. Der Schematismus der meisten Arbeiten, in denen die Entwicklungswege der deutschen Sprache des 16. Jahrhunderts analysiert wurden, war in hohem Maße durch den Charakter des herangezogenen Materials bedingt. Die Forscher beschäftigten sich vornehmlich mit der Sprache von Denkmälern religiösen Inhalts, vor allem mit der Sprache verschiedener Übersetzungen und Ausgaben des Alten und Neuen Testaments. So bildeten die Bibelübersetzungen Luthers die Hauptquelle für die Charakteristik der sprachlichen Prozesse in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Dadurch wurden die Entwicklung der deutschen Sprache und die Sprachverhältnisse jener Zeit einseitig und manchmal auch falsch behandelt. Statt die sprachliche Situation genauer zu analysieren, wurde oft einfach die Lutherübersetzung mit früheren Bibelübersetzungen verglichen. I n den letzten zehn bis fünfzehn Jahren gibt es jedoch unbezweifelbare Fortschritte bei der Untersuchung des Frühneuhochdeutschen. Die Arbeiten von J. Erben 7 , W . Fleischer 8 , G. Ising 9 , G. Kettmann 1 0 und P . Suchsland 11 machten es möglich, alte Schemata und erstarrte Konzeptionen zu überwinden, da neues Material herangezogen und neue Fragen gestellt wurden. Die sprachlichen Verhältnisse der sogenannten Lutherzeit sind heute viel klarer geworden, infolgedessen wird auch die Rolle Luthers richtiger bewertet. Jedoch mit Ausnahme von Erben bringen diese Arbeiten neues Untersuchungsmaterial hauptsächlich aus der Geschäftssprache. So behandelt z. B. die in ihren Schlußfolgerungen interessante Monographie von G. Kettmann die Sprache der kursächsischen Kanzlei in Wittenberg. Die Untersuchung zeigt, daß die Sprache Luthers und die der kursächsischen Kanzlei gemeinsame Strukturelemente besitzen, daß sie die gleichen Veränderungen zeigen, die oft der Sprache Luthers zugesprochen worden sind. Es herrscht dasselbe Nebeneinander von lokalen Erscheinungen ( v o m T y p oder, gleuben) und südlicheren Formen des sogenannten Gemeindeutsch (oder, glauben), dieselbe Zurückhaltung in der Wiedergabe lokaler Merkmale, z. B. der Monophthongierung ei > e oder ou > o. Die Rundung ist ebenso wie bei Luther anzutreffen, doch viel seltener als im Gemeindeutsch; die Entrundung fehlt fast völlig. Mit anderen Worten, die Sprache der kursächsischen Kanzlei und die Sprache Luthers stellen (hinsichtlich Graphematik und Lautlehre) ein und denselben T y p der Schreibsprache dar. Die Herkunft der Kanzleibeamten und Schreiber weist darauf hin, daß diese Merkmale die Schreibpraxis von Männern charakterisieren, die mit den Universitäten (Leipzig, Erfurt) verbunden waren, d. h. die Sprachpraxis einer verhältnismäßig begrenzten sozialen Schicht. Ähnliche Ergebnisse brachte auch die Analyse der Dresdner Kanzleisprache durch W . Fleischer. Obwohl die genannten Arbeiten zur Revision traditioneller Konzeptionen über die sprachlichen Prozesse des 16. Jahrhunderts beitrugen, blieben immer noch
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ganze Schichten unterschiedlicher literarischer Gattungen des S c h r i f t t u m s dieser Zeit unberücksichtigt. Die Beschreibung sprachlicher Prozesse ist jedoch desto umfassender u n d a d ä q u a t e r , je verschiedenartiger das herangezogene Untersuchungsmaterial ist, besonders wenn Probleme untersucht werden, die mit dem Funktionieren der schriftlichen Literatursprache u n d mit der Analyse der Wechselbeziehungen zwischen unterschiedlichen Existenzformen der Sprache zusammenhängen. Besondere Bedeutung gewinnt eine vielseitige Materialauswahl f ü r die Untersuchung solcher Epochen, aus denen wir keine direkten Angaben über Spielarten der mündlichen Rede besitzen (z. B. territorialer Dialekt, F o r m e n der niederen gesprochenen Sprache, mündliche F o r m der Literatursprache). Äußerst wichtig ist in diesem Zusammenhang nicht nur die Untersuchung der Sprache eines Schriftstellers wie H a n s Sachs, besonders deren Lexik u n d Phraseologie, der Sprache der wissenschaftlichen Prosa, der Volksbücher, Schwänke usw., sondern auch die Untersuchung der Sprache der persönlichen Korrespondenz von Vertretern verschiedener Gesellschaftsschichten, die sich auf die zwanziger J a h r e des 16. J a h r h u n d e r t s beziehen, d. h. auf die Zeit des Großen Deutschen Bauernkrieges u n d der Reformation. All diese Materialien warten noch auf ihre Erforscher und I n t e r p r e t e n . Hoffentlich werden die k ü n f tigen Forschungen des Bereichs Sprachgeschichte des Zentralinstituts f ü r Sprachwissenschaft diese Lücke ausfüllen.
2 Von d e n Denkmälern des 16. J a h r h u n d e r t s , die faktisch außerhalb des Gesichtsfeldes der Sprachwissenschaftler blieben, ist die politische und agitatorisch-propagandistische Literatur aus der Zeit der Reformation u n d des Bauernkrieges hervorzuheben, die in der wissenschaftlichen Tradition Flugschrift g e n a n n t wird. I m 16. J a h r h u n d e r t ist dieser Terminus nicht gebräuchlich. Er wird in gewisser Weise durch Termini wie büchlein/büchlin, seltener quatern12 ersetzt. Mit dem Terminus F l u g s c h r i f t werden Druckerzeugnisse kleinen F o r m a t s bezeichnet. Ihr U m f a n g ist unterschiedlich (von 3 oder 4 bis zu 50 oder 60 Seiten), u n d ihr I n h a l t betrifft meist Tagesereignisse. Schon E n d e des 15. J a h r h u n d e r t s werden in einigen Druckzentren Flugschriften unterschiedlichen I n h a l t s herausgegeben: Kalender u n d Almanache, Reklameverzeichnisse der Drucker, Ablaßbriefe, Lieder religiösen u n d weltlichen Inhalts. Eine besondere Gruppe stellen Flugschriften dar, die sich auf bestimmte Ereignisse beziehen. So wurde z. B. bei Zainer in Augsburg eine Flugschrift gedruckt, die Ratschläge zum Schutz vor der Pestepidemie gab. I n Leipzig bei Kachelofen erschienen Flugschriften mit Mitteilungen über verschiedene Feierlichkeiten u. ä. Die Zahl dieser informatorischen Flugschriften wuchs schnell zu Beginn des 16. J a h r h u n d e r t s . Die ursprünglich beliebteste F o r m war der Sendbrief, der über die wichtigsten Ereignisse im In- u n d Ausland berichtete. Aber bald, d. h. schon in den zwanziger J a h r e n des 16. J a h r h u n d e r t s
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wurde allgemein der Ausdruck Neue Zeitung gebraucht. Hierher gehören die Beschreibung der Festlichkeiten anläßlich des Besuchs Kaiser Karls V., die in Leipzig im J a h r e 1520 gedruckt wurde, Mitteilungen über das Erscheinen eines Kometen oder die „Neue Zeitung", die im J a h r e 1528 ebenfalls in Leipzig herauskam. Nach Charakter, Inhalt und Tendenz sind Flugschriften dieses Typs eine Art Vorläufer der Zeitungen, die im 17. J a h r h u n d e r t aufkamen und regelmäßig seit der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts erschienen. Jedoch nur ein unbedeutender Teil der Flugschriften aus den ersten Jahrzehnten des 16. J a h r hunderts diente der Information. Unter den Bedingungen des scharfen ideologischen Kampfes unterschiedlicher Gesellschaftsschichten, durch den dieser Abschnitt in der Geschichte des deutschen Volkes charakterisiert ist, gewannen die Flugschriften eine enorme Popularität, sie sind die behebteste Form der polemischen und agitatorischen Literatur geworden. Einen besonderen Auftrieb bekam dieses Schrifttum in der Zeitspanne, die aufs engste mit dem Großen Deutschen Bauernkrieg und der Reformation verbunden war. Müntzers revolutionäre politische Traktate, die Forderungen der aufständischen Bauern, der ausdrucksvolle glänzende Sendbrief eines anonymen Verfassers „An die versamlung gemayner Pawerschafft/ so in Hochteütscher Nation/ vnd vil anderer ort/ mit emporung vn auffrür entstände, ob jr empörung billicher oder vnpillicher gestalt geschehe/ vnd was sie der Oberkait schuldig oder nicht schuldig seind. gegründet auß der heyligen Gotlichen geschrifft/ von Oberlendischen mitbrüdern gütter maynung außgangen vnd beschriben", die Utopie Hergots „Von der newen Wandlung eynes Christlichen Lebens." o. O. u. J . [Leipzig (Michael Blum?) 1527], Ulrich von Huttens antipäpstliche Schriften, schließlich die zahlreichen publizistischen Werke Luthers wurden in der Form der Flugschrift veröffentlicht. Für die beschränkte Geltung der deutschen Sprache sogar zu Beginn des 16. Jahrhunderts ist bezeichnend, daß die ersten polemischen Schriften lateinisch gedruckt wurden. Unter den Verfassern befinden sich Erasmus von Rotterdam, J o h a n n Reuchlin und Ulrich von Hutten. Mit der Verschärfung des politischen Kampfes wächst die Zahl der Flugschriften in deutscher Sprache, die zum Teil aus dem Lateinischen übersetzt wurden. Darin spiegelt sich das Bestreben der Verfasser wider, auf breite Kreise der städtischen und ländlichen Bevölkerung einzuwirken. Ulrich von H u t t e n schreibt in einer seiner ersten deutschen Flugschriften 13 , früher habe er den Papst und den gesamten katholischen Klerus in lateinischer Sprache kritisiert, da er nicht wünschte, daß diese Kritik dem einfachen Volke bekannt wurde. An anderer Stelle erklärt Hutten seine Hinwendung zur deutschen Sprache mit noch größerer Bestimmtheit: Latein ich vor geschrieben hab,/ Das war eim jeden nit bekannt,/ Jetzt schrei ich an das Vaterland,/ Teutsch Nation in ihrer Sprach,/ Zu diesen Dingen Bach.u I n einer polemischen Flugschrift des bekannten Verfechters der Reformation Eberlin von Günzburg heißt es auf dem Titelblatt: Warumb doctor Luther vnd herr Virich von Hutten teütsch schriben. Wie nutz vnd not es sy sollich ding de gemeinen man für kom15. I n dieser Flugschrift weist der Verfasser mehrmals
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nachdrücklich auf die Notwendigkeit hin, deutsch zu schreiben, damit das einfache Volk die Wahrheit erfassen und begreifen könne, wer sein wahrer Freund und wer sein Feind sei. Das ist ein vrsach warumb mä alle ding in teütsch bringt zu nutz vnd hail dem teütschen land. Durch die deutsche Sprache gewannen die polemischen Flugschriften unerhörte Popularität. Karl Schottenloher n a h m an 16 , daß die ersten deutschen Flugschriften Luthers hier die entscheidende Rolle gespielt haben, da Luther die Möglichkeiten der Flugschrift als beweglichster Form der polemischen und agitatorischen Literatur richtig erkannt habe. Zweifellos wurden sehr viele Schriften Luthers in Form von Flugschriften gedruckt und nachgedruckt. Da jedoch zur gleichen Zeit auch eine Vielzahl von Flugschriften anderer Autoren erschien, die die Ideologie unterschiedlicher gesellschaftlicher Gruppen vertraten (zu nennen sind Andreas Bodenstein von Karlstadt, Heinrich von Kettenbach, Thomas Murner, Urbanus Rhegius, Thomas Müntzer, Hans Sachs, Ulrich von Hutten, Ulrich Zwingli und viele andere), ist die Frage schwer zu entscheiden, welcher Autor hier die entscheidende Rolle gespielt hat. Bekanntlich wurden die ersten drei Flugschriften mit der größten gesellschaftlichen Resonanz fast zur gleichen Zeit gedruckt. Es handelt sich um Luthers Sendbrief „An den Christlichen Adel deutscher Nation: von des Christlichen standes besserung." Wittenberg o. J . [1520], Huttens „Ein Clagschrift . . . a n a l l e s t e n d D e ü t s c h e r n a t i o n " u n d die anonyme Flugschrift „Karsthans" (Joh. Prüss, Straßburg 1521). Zudem ist diese Frage nicht so wesentlich. Wichtig ist vielmehr die einzigartige Popularität dieser politischen Literatur und die ungewöhnliche Vielfalt ihrer Gattungen. Zum Zwecke der politischen Propaganda und Agitation benutzte man Sendbrief und Predigt, satirische Verse und Lieder, Dialog und Drama, Karikaturen mit gereimten Kommentaren und politische Traktate. Hunderte von Flugschriften wurden bei den bekanntesten Druckern jener Zeit gedruckt und nachgedruckt. Basel, Zürich, Straßburg und Ulm im Südwesten, Mainz, Speyer, Bamberg, E r f u r t , Breslau, Leipzig, Wittenberg, Zwickau und Dresden in Mitteldeutschland, Augsburg und Nürnberg im Südosten waren die Zentren, in denen die meiste Literatur dieser Art erschien. Eine Flugschrift wurde oftmals von mehreren Druckern nachgedruckt. Luthers Flugschrift „An den Christlichen Adel deutscher Nation" erschien fünfzehnmal, zehnmal wurde (hauptsächlich in südwestlichen Druckereien) der populäre Dialog „Karsthans" und mehr als zwanzigmal wurden verschiedene Varianten der bekannten „Zwölf Artikel der Bauern" veröffentlicht (ausführlich dazu in Kapitel I I ) ; mehrmals druckte man die Flugschriften Kettenbachs, Karlstadts und anderer. Die Flugschriften wurden im ganzen Lande verbreitet. Man verkaufte sie auf Märkten, las sie Analphabeten vor, verteilte sie kostenlos. Der Handel mit Flugschriften auf den Märkten nahm große Ausmaße an. Davon zeugen zahlreiche Erwähnungen von Zeitgenossen und Erlasse des Kaisers, einzelner Fürsten und Stadträte, die diesen Handel verboten. Es ist z. B. bekannt, daß die „Zwölf Artikel der Bauern" auf dem Markt in Ulm verkauft wurden. Der Nürnberger Rat ließ die Verkäuferin einer Flugschrift Kettenbachs verhaften. 1521 schrieb
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der Gegner der Reformation Cochlaeus aus Frankfurt nach R o m , daß die Buchstände während der Herbstmesse mit antipäpstlichen Flugschriften überschwemmt waren. I m Frühjahr 1527 ließ der Leipziger Rat zwei Studenten festnehmen, die Kopien der Flugschrift „ V o n der newen Wandlung eynes Christlichen Lebens" verkauft hatten. Verfasser dieser Schrift war wohl der Nürnberger Drucker und Verleger Hans Hergot, einer der Nachfolger Müntzers, der 1527 in Zwickau verhaftet und bald darauf hingerichtet wurde. Von einem anderen Mitstreiter Müntzers, dem Buchhändler und Prediger Hans Hut, erfahren wir aus einem Urteil des Augsburger Magistrats, daß er Schriften Müntzers in ganz Franken, besonders aber in Würzburg, verkauft und verbreitet habe 17 . Später begab sich Hut nach Frankenhausen, wo im Frühjahr 1525 das Lager der aufständischen Bauern aufgeschlagen worden war, in der Hoffnung, hier seine Bücher abzusetzen 18 . Zum ersten Male in der deutschen Geschichte wurde die K r a f t des gedruckten Wortes erkannt. Die Vertreter unterschiedlicher politischer Gruppierungen waren bestrebt, nicht nur eigene polemische und propagandistische Schriften zu veröffentlichen, sondern auch solche von Gleichgesinnten. Bezeichnend ist in diesem Zusammenhang die Geschichte der Flugschriften „Der Bauer" und „ D e r leye" 1 9 des populären katholischen Predigers Johannes Dietenberger. Sie wurden gegen den Wunsch des Verfassers auf Bestellung des unversöhnlichen Gegners der Reformation Cochlaeus veröffentlicht, der in Vorworten dazu besonders unterstrich, daß die Flugschrift dem einfachen Volke (in den Bezeichnungen jener Zeit dem gemeine volck, gemeine man) v o n Nutzen sei. Schriftsteller und Dichter wie Thomas Murner und Hans Sachs, bedeutende Vertreter des Humanismus, unter ihnen Ulrich von Hutten und Martin Bucer, Lehrer, Universitätsprofessoren wie Philipp Melanchthon, das heißt also die Blüte der deutschen Intelligenz, aber auch Vertreter der Geistlichkeit — Kirchenfürsten, Prediger, Mönche, Äbte usw. — verfaßten polemische Flugschriften. Die K r a f t des gedruckten Wortes, seine Rolle im ideologischen K a m p f waren jedoch auch der Obrigkeit bewußt. Schon das Wormser Edikt von 1521 wandte sich hauptsächlich gegen Werke oppositioneller Kreise. Unter Androhung strengster Strafen wurden Abfassung, Druck, Verkauf und Verbreitung von Büchern verboten, die der katholischen Kirche und dem bestehenden politischen Regime feindlich waren, weil solche Bücher „böser leeren v n d exempel voll sind". I n erster Linie betraf das Verbot die Werke Martin Luthers, die nach diesem Edikt vernichtet und verbrannt werden sollten (zureyssen vnd mit öffentlichem fewr verprennen). Die tichter/ schreyberj drucket vnd maier/ auch verkeuffer vnd keuffer sollten festgenommen und bestraft werden 20 . Darauf folgten Maßnahmen gegen alle oppositionellen Schriften. Praktisch wurde eine Zensur unter der Verantwortung der Universitäten, Juristenkollegien und der kirchlichen Obrigkeit eingeführt. Die Strafmaßnahmen betrafen Autoren wie Verleger und Drucker. Die Biographien der Drucker aus der Zeit der Reformation und des Bauernkrieges enthalten viele Angaben über Verfolgungen von Seiten der geistlichen und 2 Guchmann
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besonders der weltlichen Obrigkeit 21 . Gefängnis, Ortsverweisung und wiederholte Verbote zwangen einen Teil der Drucker, den Druck der unerwünschten Literatur einzustellen. Andere Drucker gingen in die Illegalität, sie benutzten andere Druckereien und besondere Typen, die nicht als Beweis gegen einen bestimmten Drucker dienen konnten. Über das Schicksal des Nürnberger Druckers Hergot wurde oben berichtet. Auch der andere Nürnberger Drucker, Hieronymus Höltzel, hatte wegen eines Karlstadtdruckes einen Zusammenstoß mit dem Rat der Stadt und wurde aus der Stadt verwiesen. In seiner Officin sind mehrere revolutionäre Flugschriften gedruckt worden, unter ihnen „Die zwölf Artikel der Bauern", Müntzers „Hochverursachte Schutzrede vnd antwwort/ wider das Gaistloße Sanfft lebende fleysch zu Wittenberg/ welches mit verk&rter weyße/ durch den Diepstal der heiligen schrift die erbermdliche Christenheit/ alßo gätz jämmerlichen besudelt hat. Thomas Müntzer/ Alstedter/ Anno MDXXiiij" [Nürnberg 1524], wahrscheinlich auch „An die versamlung gemayner Pa wer schafft" 22 . Der Drucker Wolfgang Stockei, der in Leipzig und Dresden Druckereien besaß, stellte 1522 nach einem Verbot Herzog Georgs den Druck oppositioneller Literatur ein. Ähnlich verhielt es sich mit Valentin Schumann, einem anderen Leipziger Drucker. Der Straßburger Drucker Johann Prüss d. J. gab in seinen Drucken keinen oder einen falschen Erscheinungsort an (z. B. „gedruckt in Wittenberg"). Viele druckten oppositionelle Literatur, indem sie den Namen der Verfasser verschwiegen; so verfuhren Silvan Otmar in Augsburg und Jobst Gutknecht in Nürnberg mit den polemischen Flugschriften Luthers. Als Ergebnis dieser Maßnahmen erschienen viele Flugschriften ohne Angaben über Verfasser, Drucker und Verleger. Schottenloher stellte fest, daß von 189 im Jahre 1523 gedruckten Schriften Luthers nur bei 22 von ihnen die Herkunft angegeben war23. Unbekannt ist z. B. auch der Drucker Thomas Müntzers, der dessen Flugschriften in Allstedt gedruckt hat. Daß es Hans Reichardt, der in einem Brief Müntzers erwähnt wird, war (was auch ein Müntzer-Spezialist wie Carl Hinrichs von einer seiner Flugschriften 24 annimmt), ist eine unbewiesene Hypothese 25 . Die Typen dieser Drucke ähneln denen, die vom Leipziger Drucker Stockei (s. o.) verwendet worden sind. Nach dem Druckverbot für antipäpstliche und überhaupt oppositionelle Flugschriften eröffnete Stockei eine Filiale in Eilenburg, wo sein Sohn Jakob und der Drucker Nikolaus Widemar arbeiteten und wo dieselben Typen verwendet wurden26. Da Eilenburg nicht zum Herrschaftsgebiet Herzog Georgs gehörte, erschienen hier viele Schriften von Vertretern verschiedener oppositioneller Richtungen. Möghcherweise wurden in dieser Druckerei auch die Allstedter Flugschriften Müntzers gedruckt. Die in politischer Hinsicht schärfsten Flugschriften blieben natürlich anonym. Unbekannt ist der Verfasser der Flugschrift mit den Forderungen der aufständischen Bauern, anonym sind auch viele Flugschriften in Dialogform, darunter eine der populärsten, der „Karsthans". Auch Verfasser und Drucker der polemischen Flugschrift „An die versamlung gemayner Pawerschafft" sind nicht überliefert. Doch die Verfolgung dieser Literatur konnte kaum den Strom der
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oppositionellen Flugschriften hemmen, sondern Verfasser und Drucker wurden „geheimgehalten". Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang das Schicksal eines Verfassers polemischer Flugschriften, der unter dem Namen Locher aus München druckte. Lange Zeit nahm man an, daß Locher sein wahrer Familienname sei und daß er seine Schriften selbst gedruckt habe. Später konnte man durch die Untersuchung von Typen verschiedener Druckereien feststellen, daß die Flugschriften in Zwickau bei Jörg Gastel gedruckt worden sind. Die Person des Verfassers blieb jedoch unbekannt, da die zeitgenössischen Quellen keinerlei Nachrichten über Locher enthielten. Erst Schottenloher, der die Prozeßakten des 1524 hingerichteten revolutionären Franziskanermönchs Roth untersuchte, gelang es, aus dessen Geständnis nachzuweisen, daß Locher ein Pseudonym für Roth war. Bezeichnend ist auch ein Brief Sebastian Meyers, eines Freundes von Zwingli, vom 11.11.1522. Meyer hatte eine Flugschrift gegen den Konstanzer Bischof Hugo von Landenberg geschrieben mit dem Titel „Ernstliche ermanung des Fridens vnd Christenlicher einigkeit des durchlüchtigen Fürsten vnnd genfidigen herren, Hugonis vö Landenberg Bischoff tzü Costantz mitt Sch&ner vßlegung vnnd erkl&rung, vast trostlich vnnd nutzlich zu l&ßen, nüwlich vßgangen." o. 0 . [Augsburg?] u. J. In diesem Brief nun bittet Meyer, den Namen des Verfassers geheimzuhalten und beim Druck solche Typen zu verwenden, die nicht als Beweis gegen den Drucker dienen können. Diese Vorsichtsmaßnahmen waren unumgänglich, weil man wußte, welch schreckliche Folgen bei Aufdeckung des Namens Verfasser und Drucker erwarteten 27 . Trotz aller Verbote wurde von 1520—1526, das heißt also hauptsächlich in den Jahren nach dem Wormser Edikt, das den Druck solcher politischen Literatur verbot, die größte Zahl polemischer Flugschriften veröffentlicht. 3 Die Zahl der politischen und agitatorischen Flugschriften, die in der Zeit der Reformation und des Bauernkrieges erschienen, ist nicht einmal annähernd bekannt. Zweifellos sind einige Flugschriften nicht überliefert. Es fehlt auch ein Katalog aller in Bibliotheken und Archiven vorhandenen Flugschriften. Eine gewisse Vorstellung von ihrer Vielzahl gibt jedoch der 1925 von Paul Hohenemser zusammengestellte Katalog der Flugschriftensammlung in Frankfurt am Main28. Für 1520 bis 1530 werden einschließlich der Nachdrucke über 800 deutsche und lateinische Flugschriften zu den Zeitereignissen verzeichnet. Die Sammlung ist jedoch durchaus nicht vollständig. Es fehlen einige Werke Müntzers, die Flugschrift „An die versamlung gemayner Pawerschafft" und viele andere. Selbst diese unvollständigen Angaben lassen auf die große Verbreitung dieser Schriften schließen. Es muß aber die Eigenart des Begriffs „politische Schriften" für das 16. Jahrhundert berücksichtigt werden. 2*
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Friedrich Engels hat in seiner Arbeit „Der deutsche Bauernkrieg" die Besonderheiten der politischen Bewegungen des 15. bis 16. Jahrhunderts charakterisiert und gezeigt, daß im Mittelalter alle revolutionären, sozialen und politischen Lehren auch gleichzeitig religiöse Ketzerei sein mußten. Da die Kirche in jener Zeit als allgemeinste „Zusammenfassung und Sanktion" der bestehenden Feudalordnung erschien29, war auch die Kritik der gesellschaftlichen Verhältnisse untrennbar mit dem Kampf gegen die herrschende Kirche verbunden, und das fortschrittliche Programm, das die Reformatoren und ihre Anhänger vorlegten, wurde in der Sprache der christlichen Religion und mit systematischen Verweisen auf die Bibel erklärt. Die Wechselbeziehung zwischen rein politischen Fragen, Forderungen und Aufgaben einerseits und religiösen Motivationen andererseits bleibt in der politischen Literatur des Untersuchungszeitraums durchaus nicht gleich. Sie variiert von Flugschrift zu Flugschrift und hängt von vielen Faktoren ab, so von der Thematik der Flugschrift, von den konkreten Aufgaben, die sich der Verfasser gestellt hat, und von seinem individuellen Geschmack. Die Formen, in denen diese Elemente vereinigt werden, sind vielfältig; sie spiegeln mehr oder weniger direkt die komplizierten Prozesse des politischen und ideologischen Kampfes wider, der Deutschland damals infolge des Anwachsens der antifeudalen Kräfte erschütterte. In diesem Zusammenhang können mehrere oppositionelle Gruppierungen, die sich der Territorialgewalt der Fürsten und dem Joch der katholischen Kirche widersetzten, genannt werden. Im Verlaufe des gesamten 15. Jahrhunderts nahm die Ausbeutung der Bauern durch Adel und Geistlichkeit zu. Der Geldbedarf der herrschenden Klassen wuchs infolge ihres luxuriösen Lebensstils. Auch das stehende Heer, das damals aufkam, erforderte bedeutende Mittel. Die Hauptlast der Steuern lag auf der Bauernschaft. Lange vor den Aufständen des Bauernkrieges protestierten die Bauern in verschiedenen Gebieten Deutschlands gegen neue Formen von Verpflichtungen, gegen die Beschneidung ihrer Rechte 30 . Frondienste, Abgaben, Steuern vielerlei Art (Zins, Gült, Heugeld, Erbschatz, Getreidegült, Besthaupt usw.) wurden willkürlich erhöht und alte Abmachungen gebrochen. Es ist charakteristisch, daß die Bauernklagen gewöhnlich die Bitte enthalten, zum früheren Zustand zurückzukehren, freie Jagd, Fischfang, Allmende usw. wiederherzustellen, Forderungen, die einige Jahrzehnte später in den „Zwölf Artikeln der Bauern" wiederkehren. Wie man aus diesen Klagen ersieht, zielen die neuen Formen der Ausbeutung darauf ab, die Hörigen in Leibeigene zu verwandeln, ein Prozeß, der von Engels zweite Leibeigenschaft genannt wurde. Proteste der Bauern gegen ihre Verwandlung in Sklaven, in Eigentum des Grundherrn, erschienen schon in Klagen am Ende des 15. Jahrhunderts. Sie fanden ihren Niederschlag vor allem in den Flugschriften aus der Zeit der Reformation und des Bauernkrieges. Das Problem der persönlichen Freiheit jedes Menschen wurde ein populäres Diskussionsthema politischer Schriften jener Zeit. Die Kirchenfürsten und Klöster gingen nicht weniger schonungslos vor als der
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Adel. Zu den allgemeinen Formen feudaler Ausbeutung gehörten auch spezifische Abgaben, die alle Bauern zu entrichten hatten, ganz gleich, auf wessen Herrn Boden sie wohnten; so vor allem der Kirchenzehnt, aber auch ständige Gaben an Bettelmönche in Naturalien, schließlich Zahlungen für Begräbnisse, Beichte, Ablaß usw. Unter diesen Verhältnissen fiel der ruinierte Bauer nicht selten in die Hände von Wucherern. Unerträgliche Existenzbedingungen riefen im Laufe des ganzen 15. J a h r h u n derts lokale Bauernaufstände hervor: I m J a h r e 1431 gab es einen Bauernaufstand in der Umgebung von Worms; 1461 erhoben sich die Bauern im Hegau zum ersten Male unter dem Banner des „Bundschuh"; 1462 empörten sich Bauern und Städter des Salzburger Landes gegen ihren Bischof; 1468 erhoben sich etwa 2000 Bauern im Elsaß, 1478 gab es Bauernunruhen in Kärnten. I m J a h r e 1476 nahm die revolutionäre Bewegung unter Führung des Hirten Hans Böheim von Nikiashausen, den man auch Pauker nannte, bedeutende Ausmaße an. Zu seinen Sonntagspredigten kamen Zehntausende von Zuhörern. Er forderte die Befreiung von allen Lasten und Abgaben, t r a t gegen die Macht des Kaisers, des Papstes und der Fürsten auf. Die Aufstände wurden immer besser organisiert und umfaßten nicht nur die Bauern, sondern auch die Stadtbevölkerung. Ein klares Programm besaß der Elsässer Aufstand des Jahres 1493, dem sich auch Bürger aus den Städten anschlössen. Das Zentrum des Aufstandes war Schlettstadt, sein Kennzeichen „Der Bundschuh". Nicht weniger bedeutend war die Bundschuh-Bewegung in der Gegend von Speyer (1502). So zieht sich von der Mitte des 15. Jahrhunderts bis zum Beginn des Großen Bauernkrieges eine ununterbrochene Kette von Bauernunruhen und größeren Aufständen hin, die immer organisiertere und zielbewußtere Formen des Kampfes gegen Klerus und Adel annahmen. Bemerkenswert ist auch die Tatsache, daß sich Vertreter der Städte und des niederen Adels den Aufständischen anschlössen und sogar eine führende Rolle spielten. An der Spitze der Gruppe um Hans Böheim standen vier Adlige; im Aufstand von 1493 spielte der Bürgermeister von Schlettstadt, Hans Ullmann, eine aktive Rolle 31 . Es muß aber ausdrücklich hervorgehoben werden, daß die wichtigste revolutionäre K r a f t im Kampf gegen die Grundlagen der Feudalgesellschaft im 15. und zu Beginn des 16. J a h r h u n d e r t s die Bauernschaft bildete. Eine bedeutende Rolle in der Opposition gegen die herrschenden Klassen spielte das Bürgertum, das jedoch hinsichtlich seiner Besitzverhältnisse und politischen Ansichten nicht homogen war. Die bürgerliche Opposition im eigentlichen Sinne, die den gemäßigten Flügel der antifeudalen Strömungen darstellte, kam aus den wohlhabenden und mittleren Schichten der Stadtbevölkerung. Ihr Kampfprogramm war gegen das städtische Patriziat und vor allem gegen die katholische Geistlichkeit gerichtet. Das unerhört korrupte Verhalten der Geistlichkeit, gekennzeichnet durch Geldgier, Sittenlosigkeit und Verschwendungssucht, empörte unterschiedliche Schichten der Gesellschaft, vereinigte verschiedenartige oppositionelle Strömungen . Wahrscheinlich war die Macht der Kurienirgendwo so groß wie in Deutsch-
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land, wo eine weltliche Zentralgewalt fehlte. Die feudale Zersplitterung schwächte die Stellung des Kaisers und festigte gleichzeitig die Macht der Kirche. Um so bedeutsamer und schärfer war der Kampf gegen Papst, Kirchenfürsten, Pfaffen und Mönche. Die schärfsten polemischen Flugschriften sowie viele Spott- und Schmähschriften sind an die Adresse der Geistlichkeit gerichtet. Unter den Verfassern befinden sich nicht nur Vertreter des Bürgertums, sondern auch des niederen Adels. Einer von ihnen, Ulrich von Hutten, Teilnehmer des Kriegszugs Franz von Sickingens gegen den Bund der Territorialfürsten und Ideologe des niederen Adels, brandmarkt in einer Reihe von Flugschriften die Politik der römischenKurie. I n einer Flugschrift zählt er die „Thematik" seiner antipäpstlichen Streitschriften auf: Nämlich von de übermassigen vnzimliche/ des Bapsts gewalt/ von de verkerte stand der Statt Rom/ vö wollüstigem vnordeliche uberfluß/ vnd vnersatliche geiz der geistliche/ von der Simoneische ketzerey/ vn vnfromkeit der Curtisanen, in gemein von denen/ die wiewol Geistlich genennet sein wollen/ doch gar nit dem geist/ sonder fleischlichem wesen nach leben/ vnnd mit aller begir nach wollust des leibs trachte32. Infolge des Mißbrauchs der römischen Kurie teütsch lad aufs schedlichst vn schmeelichst beschwert vn vndertruckt wirt33. Eine nicht geringe Rolle in diesem Kampf gegen die römische Geistlichkeit spielte auch das erwachende nationale Selbstbewußtsein. H u t t e n unterstreicht mehrmals, wieviel Schaden der Papst der teutsche Nation zugefügt habe, und in einer speziellen Flugschrift zu diesem Thema gibt er eine historische Skizze über das Verhalten des Vatikans gegenüber den deutschen Kaisern 34 , das durch Intrigen, Anstiftungen zum Mord und Verrat gekennzeichnet ist. Der Verfasser schont dabei auch seinen Zeitgenossen, Papst Leo X . nicht. Doch der Kampf gegen die römische Kirche brachte eine Reihe von spezifisch theologischen Fragen auf die Tagesordnung: Ist die Beichte notwendig und die Vergebung der Sünden zulässig? Was bedeutet das Abendmahl? Ist die Taufe im Kindesalter gültig? Was bildet die Grundlage der christlichen Lehre — der Glaube oder gute Taten? I n welchem Maße muß man sich an die Lehren der Kirchenväter halten? Darf die Gemeinde ihren Pfarrer selbst wählen? Dürfen Geistliche eine Ehe eingehen? Ist die Darstellung von Heiligen erlaubt? usw. Die Behandlung rein religiöser Fragen wurde aber ständig mit der Betrachtung aktueller Probleme der Gegenwart verbunden: Ist es für einen Christen möglich, der Obrigkeit nicht zu gehorchen? Ist unter Freiheit geistige oder körperliche Freiheit zu verstehen? Kommt jede Gewalt von Gott? Dürfen geistliche Personen nach Reichtum streben? Darf das Christentum die Leibeigenschaft zulassen? I n Zusammenhang damit wurden die Vernichtung der Heiligenbilder und die Konfiszierung des Klosterbesitzes zu politischen Losungen der revolutionären Bauernschaft und des ärmsten Teiles der Stadtbevölkerung. Die Ideologie der bürgerlichen Opposition und des ihr angeschlossenen niederen Adels kam in vielen Flugschriften zum Ausdruck, die von Luther, Zwingli, Karlstadt, Kettenbach, Gengenbach, Schappeler, Sachs, Bucer, Melanchthon, Linck und vielen anderen, weniger bekannten Autoren verfaßt
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wurden. Die Ereignisse brachten es jedoch mit sich, daß bald nach dem Reichstag zu Worms (1521) eine Spaltung innerhalb der bürgerlichen Opposition heranreifte. Als Luther 1517 zum ersten Mal in Wittenberg mit seinen 95 Thesen gegen die Dogmen und die gesamte Institution der katholischen Kirche auftrat, wurde er für kurze Zeit zum Wortführer der Hoffnungen aller oppositionellen Gruppen. Friedrich Engels schrieb: Das ganze deutsche Volk geriet in Bewegung. Auf der einen Seite sahen Bauern und Plebejer in seinen Aufrufen wider die Pfaffen, in seiner Predigt von der christlichen Freiheit das Signal zur Erhebung; auf der andern schlössen sich die gemäßigteren Bürger und ein großer Teil des niederen Adels ihm an, wurden selbst Fürsten vom Strom mit fortgerissen35. Als Luther jedoch in seiner Flugschrift „An den Christlichen Adel deutscher Nation" Kaiser, Fürsten und Adel aufrief, die Kirchenreform in ihre Hände zu nehmen, stieß er damit die radikaler gestimmten Schichten ab, darunter auch Gleichgesinnte wie Karlstadt, besonders aber Müntzer, der Luther schon 1521 des Verrats an der Sache des Volkes bezichtigte. Müntzer und seine Anhänger traten in ihren agitatorischen Schriften als Ideologen der Bauernschaft und der städtischen Plebejer, der Volksreformation, auf. Die Ideen und Forderungen, die sich in den Flugschriften des revolutionären Flügels der Opposition widerspiegeln, sind gegen das Joch und die Willkür der Herrschenden gerichtet, gegen die unterschiedlichen Besitzverhältnisse, gegen die Reichen und Nichtstuer, die das Volk berauben und es verhöhnen, gegen die falschen Propheten, die das Evangelium Christi entstellen (hierzu wird auch Luther gerechnet). Müntzer bezeichnet Fürsten, Geistlichkeit, Adel und Patrizier als Feinde des Volkes und nennt sie grosse Hansen, gottlose Tyrannen, hencker und büttel. „die grundtsuppe des wuchers der dieberey und rauberey sein unser herrn und fürsten . . . So sye nun alle menschen verursachen, den armen ackerman, handtwerckman und alles, das da lebet, schinden und schaben"36. Die heftigsten Schmähungen richtete Müntzer jedoch gegen Luther, den er ständig als bruder senffteleuben vnd vater leisentredt, helhund, Eselisch fleisch, Sanftlebende fleysch zu Wittenberg usw. beschimpfte. Als Wortführer der Bauernschaft und der städtischen Plebejer ging Müntzer in seinen Schriften viel weiter als die Forderungen, die in den Flugschriften der aufständischen Bauern und verschiedenen ähnlichen Erzeugnissen enthalten waren37. Nach seiner Lehre müssen die Grundlagen der bestehenden staatlichen Ordnung schonungslos zerstört werden. Alle, die als Stütze der Gesellschaft auftreten und danach streben, die bestehenden Rechts- und Besitzverhältnisse zu bewahren, sind zu vernichten: das man die gotlosen regenten sunderlich pfaffen vnd manche tödten sol38, schrieb Müntzer in einer politischen Flugschrift. Die verderbte, sündige alte Welt, die die Gebote Christi vergessen habe, müsse zerstört werden. An ihre Stelle solle ein neues Reich, ein Gottesreich der allgemeinen Brüderlichkeit und Gleichheit treten. In der Flugschrift „Die Histori Thome Müntzers/ des anfengers der Döringischen vffrur/ seer nutzlich zulesen. Hagenaw/ durch Johannem Secerium Getruckt", die Melanchthon zugeschrieben wird, erhielt die Lehre Müntzers folgende Inter-
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pretation: das man alle Oberke.it soll todten, vnd Sölten Jurterhin alle gutter gemeyn seyn/ keyn Fürst/ kein Kunig mer sein. Dem Geist der Zeit folgend, kleidet Müntzer seine Lehre in die religiöse Sprache des frühen Christentums. Das äußert sich sogar in den Titeln von Müntzers Werken: eine Flugschrift heißt „Außlegung des andern vnterschyds Danielis deß propheten", eine zweite „Außgetrückte emplössung des falschen Glaubens der ungetrewen weit/ durchs gezeügnus des Euangelions Luce/ vorgetragen der elenden erbermlichen Christenheyt/zur innerung jres irsals." o. O. [Nürnberg (Hans Hergot)] 1524, eine dritte „Von dem getichten glawben auff nechst Protestation außgange Tome Müntzers Selwerters zu Alstet 1524". Als Epigraph in der zweiten Flugschrift wird folgendes Zitat aus den Propheten angeführt: Eyn eyserne maure wider die Kunig/ Fürsten vnd Pfaffen/vnd wider das volck/ist dargestellet/ Sie mügen streiften/ der sig ist wunderlich zum vntergang der starcken gottlosen Tyrannen39. Zur Ideenwelt Müntzers gehört auch die äußerst interessante Flugschrift Hans Hergots „Von der newen Wandlung eynes Christlichen Lebens", die wohl im J a h r e 1527, das heißt schon nach der Niederlage des revolutionären Lagers, in Leipzig gedruckt wurde und die eines der ersten Beispiele utopischer Literatur in Deutschland darstellt. Im Geiste Müntzers beschreibt Hergot das zukünftige Reich Gottes auf Erden, wo Alle ding werden kommen zu eynem gebrauch der gemeyn . . . also das sie auch werden essen aus eynem toppt/ vnd trincken aus eynem vasse/ vnnd eynem mann gehorsam seyn/ So fern es not ist zu der ehr Gottes vnnd gemeynem nutz . . . vnd es werden die leutte alle erbeyten ynn gemeyn/eyn ytzlicher wo zu er geschickt ist/ vnd was er kan/ vnd alle ding werden ynn gemeynen brauch komen/ so das es keyner besser haben wirdt denn der ander Die Flugschriften Müntzers wurden in den Jahren 1523—24 gedruckt. I n diesen Jahren, und besonders im entscheidenden J a h r 1525, richteten Luther und Melanchthon ihre Kritik nicht gegen die Papisten, sondern gegen die revolutionäre Bewegung und ihren Führer. Ihm und nicht den Vertretern des reaktionär-katholischen Lagers galten die heftigsten Angriffe 41 . Die Lehre Müntzers stellte wohl eine größere Gefahr für die besitzenden Schichten der Feudalgesellschaft dar als die Aufstände der Bauern und des ärmsten Teiles der Stadtbevölkerung. Sie bildete nicht nur eine Gefahr für Kirche und Fürsten, sondern auch für den niederen Adel, das städtische Patriziat und einen bedeutenden Teil mehr oder weniger vermögender Bürger; denn Müntzer wagte es, die Grundlagen einer Klassengesellschaft zu entlarven. Die bürgerliche Opposition und ihre Ideologen Luther, Melanchthon u n d viele ihrer Anhänger spürten die Gefährlichkeit dieser dritten K r a f t . Zudem erklangen aus dem lutherfeindlichen Lager der katholischen Reaktion immer häufiger Stimmen, die Luther beschuldigten, daß er die eigentliche Ursache aller Unruhen und Aufstände sei. Schon nach der Niederschlagung des Aufstandes im J a h r e 1525 und nach der Hinrichtung Müntzers veröffentlichte Cochlaeus die Flugschrift „Wyder die Reubischen vnd Mordischen rotten der Bawren die vnter dem scheyn des heyligen Euangelions feischlichen wider alle Oberkeit sich setzen v n d
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empören. Antwort Johannis Coclei von Wendelstein Martinus Luther Anno Domini M D X X V I Am V I dach des Brochmonets", wo er unter anderem, an Luther gewandt, schrieb: du bist in der warheit vil mer schuldig an alle dem iamer vnd Zerstörung/ dan die armen einfeltigen bawrenn/ die durch dich verfuret/ die handt hohen angelegt/ dan sie haben gemeint es soll also tzu geen/ nach deiner lere (B), und weiter, die Tätigkeit Luthers und Müntzers gegenüberstellend, behauptete Cochlaeus: Müntzer hat alleyn in Turingen rumortI du haßt alle landt Teutscher Nation vol/ rumors gemacht . . . An Mützers schreyben allein het sich niemant gekeret auch in Thüringen/ wo deyne bucher nit weren vorher gelauffen/ dan Müntzer redet vnd schreibt nit anders wie ein narr vnd vnsinnig mensche/ des mer tzu lachen dä tzu achten gewest were/. . . wo deine bucher seinem furnemen nit tzu vor den weg berait hettenn/ dan so du vil gelerter vnd geschickter bist dä Müntzer/ kannstu d\falschen vnd vfrurischen lere vill eyn besser gestalt geben/ vnd färb eins guten scheins an streychen (C). Dieselben Gedanken äußerte auch ein anderer Gegner Luthers, der behauptet, daß Pfeiffers Predigten, die Tätigkeit Müntzers und die Utopie Hergots Früchte der Lutherschen Schriften seien: Solche fruchte kommen aus der Lutherischen schrifft, Noch wil man nicht erkennen seine schedliche giffti2. Ähnliche Beschuldigungen wurden nicht nur gegen Luther gerichtet. Noch im J a h r e 1525 war Karlstadt gezwungen, die Flugschrift „Entschuldigung D . Andres Carlstads des falschen namens der auffrür/ so yhm ist mit vnrecht auffgelegt. Mit eyner vorrhede Doct. Martini Luthers." Wittemberg, 1525 zu veröffentlichen, in der er, sich auf Zeugen berufend, nachwies, daß er keine Beziehung zu den revolutionären Ereignissen in Allstedt h a t t e und Müntzer niemals unterstützt habe, sondern bemüht gewesen sei, des Müntzers fewr gleich dampffen vnd leschen (Aiiij). Angesichts dieser Situation ist anzunehmen, daß Luthers Unduldsamkeit gegenüber Müntzer, der grobe Stil und die harten Worte an die Adresse der Aufständischen von dem Bestreben geleitet waren, sich von den Handlungen des revolutionären Lagers abzugrenzen. Das haben auch Zeitgenossen Luthers ausgesprochen. Es ist des schwerds vnd zorns zeyt hie/ vnd nicht der gnaden zeyt (Fij), schrieb Luther 4 3 , indem er zu gnadenloser Gewalt aufrief: Steche/ Schlahe/ würge hie wer da kan (Fij); Den vber eynen öffentlichen auffrurigen ist ein iglicher mensch beyde ober richter vnd scharffrichter . . . vfi gedencken/ das nichts gifftigers/ schedlichers, teufflischers seyn kan/ denn eyn auffrurischer mensch/gleich als wenn man eynen tollen hund todschlahe mus. Der esel will schlege haben/ vnd der pofel will mit gewalt regirt seyn, behauptet er, sich an die Obrigkeit wendend: das wüste Gott wol/ darumb gab er der oberkeyt nicht eynen fuchsschwantz/ sondern eyn schwerd ynn die hand (Cij)44. Die in gemäßigteren Tönen gehaltene Flugschrift Melanchthons gegen die „Zwölf Artikel der Bauern" stimmt ihrem Inhalt nach völlig mit den Auffassungen überein, die für Vertreter des katholischen Lagers charakteristisch sind, besonders für die politischen Flugschriften von Cochlaeus. Melanchthon behauptet, daß jede Obrigkeit göttlicher Natur sei: das regiment sey gotts Ordnung/
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vnd Gott stehe bey den Fürsten/ ob schon eyn Fürst vnrecht thuet vnd schindet vnd schabt dich/ dennoch ist nicht recht auffrür anrichten (Bij) /l3 , und deshalb verbiete eich jeder Protest gegen die Obrigkeit: denn Gott will yn aller wellt das man der Oberkeyt gehorsam sey vnd strafft vngehorsam (ebd.). Da danach auch die Leibeigenschaft von der Obrigkeit stammt, wird die Weigerung der Bauern, leibeigen zu bleiben, als Verbrechen und Gewalt angesehen: Es ist auch eyn freuet vnd gewa.lt, das sie nicht wollen leybeygen seyn (C 2 a) usw. Schließlich spiegelte sich auch die Ideologie des katholischen Lagers, dessen Vertreter vorbehaltlos alle Dogmen der Kirche und alle Gesetze der weltlichen Obrigkeit verteidigten, in vielen Flugschriften wider. Ihre Verfasser sind J o h a n n Eck, Hieronymus Emser, J o h a n n e s Cochlaeus, Thomas Murner und weniger bekannte Autoren. Schon 1520, bald nach dem Erscheinen von Luthers Sendbrief „An den Christlichen Adel deutscher Nation", veröffentlichte Murner die •Schrift „An den Großmechtigsten vnd Durchlüchtigsten adel tütscher nation das sye den christlichen glauben beschirmen, wyder den Zerstörer des glaubens christi, Martinum luther einen verfierer der einfeltigen Christen." o. 0 . u. J . [Straßburg (Joh. Grüninger) 1520], in der die Grundgedanken von Luthers Flugschrift scharf kritisiert werden. Von diesem Moment an bricht für die nächsten Jahrzehnte die Diskussion zwischen dem katholischen Lager und der Partei Luthers nicht ab. Sie nimmt zuweilen recht scharfe Formen an, da beide Seiten sich in ihrer Ausdrucks weise nicht mäßigen und einander mit oft sogar unflätigen Schimpfworten überhäufen. Die Verfasser von Flugschriften aus dem reaktionären Lager warfen den Gegnern mehrmals die grobe Form der Polemik vor. Sage Mein lieber bruder Karlstat / wie kumpt es / das gemeiniglich / welche bruder Martin lüder46 hertzlich anhangenn / so man sie ein wenig rurt / also scheltten / lestern / vormaledeihen sehenden / spotten / zuname ¡fluchen / liegen zürnen mißbieten / drawen vnmenschlich vnd vbermasse, schrieb Johannes Fritzhans in einer gegen Karlstadt gerichteten Flugschrift 47 . Jedoch auch die Gegner Luthers legten sich in ihrer Ausdrucksweise keine Zurückhaltung auf. Unter anderem bezieht sich das auf die obengenannte Flugschrift von Murner. Die gröbsten Formen nahm die Polemik in den Schimpf- und Schmähschriften an, besonders denen in Dialogform (s. Kapitel II). Obwohl die politischen Flugschriften des untersuchten Zeitraums ihrem ideologischen Inhalt nach in drei Gruppen eingeteilt werden können, je nach der politischen Orientierung der Verfasser, ist eine solche Einteilung doch als sehr bedingt anzusehen wegen der komplizierten Wechselbeziehungen zwischen den handelnden K r ä f t e n . Die Stellung Luthers in den für den Bauernkrieg entscheidenden J a h r e n wurde bereits erwähnt. Der scharfe Kampf gegen die katholische Kirche, ihre Hierarchie und ihre Dogmen t r a t in den Hintergrund; Luther und der Papst, Städter und Fürsten vereinigten sich gegen die aufständischen Bauern und Plebejer. Außerdem gab es auch innerhalb des Lagers der gemäßigten Reformen in »dem untersuchten Jahrzehnt keine Einheit. Karlstadt polemisierte 1522—1524
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mehrmals gegen Luther über theologische Fragen, die unausbleiblich zu Fragen der politischen Strategie wurden. Nicht weniger bedeutsam waren die Meinungsverschiedenheiten zwischen Luther und Zwingli. All das zeigt sich anschaulich in einer Vielzahl von Flugschriften. Übrigens sind auch die Flugschriften, die von Vertretern des radikalen Flügels verfaßt wurden, in ideologischer Hineicht nicht einheitlich. Am revolutionärsten sind die Flugschriften Müntzers u n d die Utopie Hergots, während die Flugschriften, die Klagen und Forderungen der Bauern enthalten, viel gemäßigtere Ansichten vertreten.
4 Das Aufblühen der politischen, agitatorischen und polemischen Literatur in der Zeit der Reformation und des Bauernkrieges zeugt von einer ungewöhnlichen Intensität des gesellschaftlichen Lebens, von einer erstaunlichen Zuspitzung der politischen Aktivität. Breiteste Kreise des Volkes wurden in religiöse und politische Dispute einbezogen. Strittige Fragen wurden nicht nur in Kirchen und in Universitäten (vgl. die Dispute Ecks mit Luther) diskutiert, sondern auch auf Marktplätzen, wo vor einer vieltausendköpfigen Menge Prediger auftraten, die verschiedenartige religiös-politische Strömungen verkörperten. Die Verfasser der politischen Flugschriften, zu welchem Lager sie auch gehörten, wandten sich an breite Schichten des Volkes, suchten Unterstützung bei unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen. Die Schärfe der erörterten Fragen und deren Aktualität begünstigten ein schnelles, beinahe sprunghaftes Aufblühen der politischen Literatur in Form von Flugschriften, da es keine periodische Presse gab. Die Flugschrift wurde eine Waffe des politischen Kampfes und der Information. Zum ersten Male wird die deutsche Sprache eine Sprache der Agitation und Propaganda unter den breiten Volksmassen. Dies konnte nicht ohne bedeutenden Einfluß auf die deutsche schriftliche Literatursprache bleiben, deren Entwicklung — zumal im vorangegangenen Jahrhundert — trotz der großen Entfaltung der literarischen Gattungen, im wesentlichen getrennt von der gesprochenen Sprache verlief. Dieser Prozeß zeigte sich unter anderem in einer gewissen Archaisierung der Schreibsprache, in der Wahl lexikalischer und syntaktischer Mittel, die häufig von den Entwicklungstendenzen der mündlichen Sprache weit entfernt waren. Schablonen und Formeln, die oft nach lateinischen Mustern geschaffen worden waren, begünstigten eine gewisse „Erstarrung" der Schreibsprache. Das System der Sprachstile wurde vorwiegend durch die Kanzlei- und Geschäftssprache, durch die Sprache der religiösen Übersetzungsliteratur bestimmt, in denen strenge Regeln galten. Die gedruckten Rhetoriken sanktionierten Muster, die in den Kanzleien und Schreibschulen entstanden waren. Die Bibeldrucke und die vielfältige religiöse Literatur fixierten vor allem die stilistischen Mittel, die sich in der Tradition der deutschen Bibel herausgebildet hatten, obwohl in der religiösen Massenliteratur auch einige Tendenzen zur Annäherung an mündliche Sprachformen zu beobachten sind. Die weltliche Überset-
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Zungsliteratur schließlich benutzte vorwiegend entweder alte Schablonen oder ahmte sklavisch lateinische Muster nach, wobei sie sich der Interlinearübersetzung näherte. Das Erscheinen der umfangreichen politischen Agitationsliteratur mußte auch den erstarrten Formen der schriftlichen Literatursprache neues Leben einhauchen. Die aktuelle Thematik widersprach den alten Sprachschablonen und erstarrten Formeln. Dadurch fanden Sprachschichten, die früher außerhalb des Schrifttums existierten oder nur als Fixierung einer gewissen mündlichen Praxis ins Schrifttum gelangten (vgl. z. B. die Predigten J o h a n n Geilers von Keisersberg), Eingang in die Literatur, bereicherten die Schreibsprache und wirkten in hohem Grade auf deren Entwicklung ein. Gleichzeitig aber hat die Analyse des Materials gezeigt, daß der Sprache der Flugschriften eine große stilistische Vielfalt eigen war, die durch vielerlei Faktoren bedingt gewesen ist, wobei sich verschiedene Tendenzen in der Entwicklung der Schreibsprache, ihres grammatischen Baus und ihres lexikalischen Bestandes widerspiegelten. Deshalb stellen die politischen Flugschriften dieser bewegten Zeit nicht nur wichtiges historisches Material dar, sondern sie sind auch eine äußerst wertvolle Quelle bei der Untersuchung der sprachlichen Situation in Deutschland zu Beginn des 16. Jahrhunderts. Es wurde schon gesagt, daß die Sprachwissenschaftler die Sprache der Flugschriften bisher nicht gebührend beachtet haben. Alfred Götze und Otto Clemen, die bedeutendsten Kenner der Sprache des Buchdrucks jener Zeit, beschäftigten sich hauptsächlich mit der Edition der Flugschriften und mit Textkritik. Ein Musterbeispiel solcher philologischen Arbeit bilden die Editionen Götzes, besonders seine Ausgabe der „Zwölf Artikel der Bauern" 4 8 , die 1953 von L. E. Schmitt erneut herausgegeben wurden 49 . Die Historiker, die das Material der Flugschriften als historische Quelle heranzogen, interessierten sich wenig für sprachliche Probleme; selbst in den Fällen, wo der Verfasser einer anonymen Flugschrift festgestellt werden mußte, berücksichtigte man das sprachliche Material nicht. Das frappierendste Beispiel einer solchen Praxis ist die anhaltende Diskussion über die Autorschaft einer so populären Flugschrift wie die „Zwölf Artikel der Bauern". Als vermeintlichen Verfasser n a n n t e man Balthasar Hubmaier, Christoph Schappeler, Sebastian Lotzer und sogar Müntzer, d. h. Persönlichkeiten aus unterschiedlichsten Gegenden Deutschlands. Schappeler und sein Schüler Lotzer waren im Südwesten Deutschlands beheimatet. Schappeler stammte aus St. Gallen und war Prediger in Memmingen; in seiner Sprache (vgl. die Flugschrift „Verantwortung vnnd auflösung etlicher vermeintter Argument." o. O. [Augsburg (Melchior Ramminger)] u. J., die in Kapitel I I I und IV sprachlich analysiert wird) treten ziemlich klar Elemente der alemannischen Lexik zutage, obwohl diese Flugschrift vom Augsburger Drucker Ramminger gedruckt wurde. Der bekannte Prediger Hubmaier aus Waldshut im südlichen Schwarzwald war mit der Schweiz verbunden, während die Sprache Müntzers zur ostmitteldeutschen Variante der Schreibsprache gehört. Der Schluß, daß Müntzer nicht der Verfasser dieser Flugschrift sein könne, wurde nur auf Grund der Inhalts-
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a n a l y s e gezogen. 50 E s ist bezeichnend, daß sogar Schottenloher in seinen Arbeiten den sprachlichen Charakteristika wenig Beachtung schenkt. I n der interessanten Abhandlung über die Frage, wer der geheimnisvolle Locher aus München ist, der Verfasser einer Gruppe antipäpstlicher Flugschriften, spricht Schottenloher die V e r m u t u n g aus, d a ß Locher, R o t h u n d K e t t e n b a c h ein u n d dieselbe Person seien, wobei die grammatische, stilistische u n d lexikalische Analyse der Sprache völlig ignoriert wird 5 1 . Die Herausgeber der Reihe „Flugschriften aus d e n ersten J a h r e n der Reform a t i o n " verwerteten n u r gelegentlich sprachliche Charakteristika. So b e r u h t z. B. im Vorwort zum „Karsthans" die Suche n a c h dem Verfasser auf der sprachlichen Analyse 5 2 , dasselbe gilt f ü r die F r a g e nach dem Verfasser der Flugschrift „Ein cleglichs gesprech geschähen nit weit von Trient vff der R o m e r Straß/ von einem A p t / Curtisanen vnd de Teüfel/ wider den f r o m m e n P a b s t Adrianü." o. 0 . [Basel (Pamphilus Gengenbach) 1522]. 53 Weder Historiker nach Sprachwissenschaftler h a b e n sich also speziell mit der Sprache der Flugschriften beschäftigt. Dieses S c h r i f t t u m wird gewöhnlich nicht einmal erwähnt, wenn m a n die Sprache dieser Zeit charakterisiert. Eine Ausn a h m e bildet außer der Monographie der Verfasserin „Der Weg zur deutschen Nationalsprache" 5 4 die Skizze „Frühneuhochdeutsch" des amerikanischen Germanisten A. Schirokauer 5 5 , in der die Sprache der polemischen Flugschriften aus der Zeit der Reformation u n d des Großen Bauernkrieges summarisch als sozial niedrige Sprachschicht charakterisiert wird, die dem späteren Grobianism u s ähnelt. E i n e solche einseitige Charakteristik der Sprache der polemischen L i t e r a t u r berücksichtigt nicht die gattungsmäßige Vielfalt der politischen Flugschriften, die in gewissem Maße auch die stilistische Uneinheitlichkeit ihrer sprachlichen F o r m bedingt h a t (s. Kapitel II). Zudem war — unabhängig von der G a t t u n g — der Grad des Eindringens von Elementen der niederen Umgangssprache, von Dialektismen, volkssprachlicher Lexik u n d Phraseologie in die Flugschriften durchaus nicht überall gleich. Deshalb k a n n eine summarische Charakteristik der Flugschriften nicht die Spezifik ihrer sprachlichen F o r m widerspiegeln. Man m u ß also feststellen, d a ß die Sprache der politischen Literatur des Untersuchungszeitraums faktisch weder zur Charakteristik der sprachlichen Situation jener Zeit herangezogen, noch ü b e r h a u p t speziell erforscht wurde. D a r a u s ergibt sich die Aufgabenstellung dieser Arbeit u n d die Auswahl des Materials. Die politische Literatur der zwanziger J a h r e des 16. J a h r h u n d e r t s zeichnet sich durch eine besondere Vielschichtigkeit a u s ; gattungsmäßige Vielfalt, sozialpolitische u n d territoriale Differenzierung h a b e n dazu beigetragen, was sich in hohem Grade auch auf die Ungleichartigkeit ihrer sprachlichen F o r m ausgewirkt h a t . Die Sprachanalyse der Flugschriften erlaubt es, die Art des sprachlichen Variierens, durch die gattungsmäßigen u n d stilistischen Besonderheiten bedingt, zu erforschen, was f ü r die Geschichte der deutschen Sprache äußerst wichtig i s t ; denn die stilistische Differenziertheit u n d der Charakter der stilistischen Normen sind f ü r jene Zeit noch nicht untersucht worden. D a andererseits die
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Flugschriften in verschiedenen Gebieten Deutschlands geschrieben und gedruckt worden sind, müßten sich in ihnen auch die in dieser Zeitspanne gebräuchlichen landschaftlichen Varianten der Sprache widerspiegeln. So muß die Analyse zeigen, ob sich hier auseinanderstrebende oder vereinheitlichende Tendenzen abzeichnen. Schließlich ist zu berücksichtigen, daß die Verfasser der politischen Literatur selbst unterschiedlichen sozialen Schichten angehörten und sich wiederum an unterschiedliche Gesellschaftsschichten wandten, was die Frage nach der sozialen Differenzierung der Sprache der politischen Literatur aufwirft. Die Spezifik des Untersuchungsmaterials selbst hat also dazu geführt, den Problemkreis der Herausbildung der sprachlichen Einheit und des Systems der Funktionalstile der Literatursprache hervorzuheben. In den Vordergrund ist die Untersuchung der sprachlichen Variationsmöglichkeiten und der sie bedingenden Faktoren gestellt worden: landschaftliche Differenzierung, die durch die Gattung bedingte stilistische und die soziale Schichtung, individuelle Besonderheiten von Verfasser und Drucker bzw. Verleger. Wesentlich ist dabei sowohl die Analyse jedes einzelnen dieser Faktoren als auch ihrer Wechselwirkungen in bezug auf die unterschiedlichen sprachlichen Ebenen. Der zweite Problemkreis betrifft den gemeinsamen sprachlichen Kern, der das invariante System der schriftlichen Literatursprache bildet und damit später zur Basis der Normierungsprozesse wird. Mehr als Spezialfrage kann man die Charakteristik der Sprache der politischen Literatur in ihrem Verhältnis zu den anderen Gattungen fassen, wodurch ihre Stellung im gemeinsamen System der Existenzformen der Sprache jener Zeit bestimmt werden sollte. Die Problematik hat auch die Auswahl des Materials bedingt. Aus der Gesamtmasse des gesichteten Materials (mehr als 400 Flugschriften) mußte eine repräsentative Auswahl getroffen werden, die für die Besonderheiten von Gattung, Stil, landschaftlicher Zugehörigkeit und sozial-politischem Inhalt genügend Fakten zur Lösung der genannten Aufgaben bot. So wurden ungefähr 150 Flugschriften mit einem Gesamtumfang von mehr als 2500 Seiten ausgewählt. Dieses Material ist je nach Umfang der Flugschriften und Aufgabenstellung teils vollständig, teils in Ausschnitten analysiert worden: bei lautlich-graphischen, morphologischen und lexikalischen Erscheinungen wurde das gesamte Material untersucht, bei syntaktischen Modellen wurden in Texten von mehr als 20 Seiten Ausschnitte von 5 bis 10 Seiten untersucht, in den übrigen Fällen wurde auch hier die gesamte Flugschrift analysiert. Von den ausgewählten Flugschriften sind mehr als die Hälfte Erstdrucke, die übrigen stammen aus textkritischen Editionen wie z. B. aus der Reihe „Flugschriften aus den ersten Jahren der Reformation", die unter der Gesamtleitung von O. Clemen erschienen ist oder aus der Reihe „Neudrucke deutscher Literaturwerke des 16. und 17. Jahrhunderts" usw. 56 Die von Otto Schade herausgegebene Sammlung „Satiren und Pasquille aus der Reformationszeit" 57 wurde nicht benutzt, da der Text sehr modernisiert ist; einige Flugschriften, die in dieser Sammlung enthalten sind, wurden jedoch in Erstdrucken oder in original-
Politische Literatur und Aufgaben der Forschung
getreueren Editionen herangezogen. Ausgewählt sind Flugschriften aus den J a h r e n 1519—1529, d. h. aus dem Jahrzehnt der schärfsten sozialen Konflikte. Dieses Jahrzehnt spielte auch die größte Rolle in der Entwicklung der deutschen politischen Literatur. Die meisten politischen Flugschriften erschienen in den Jahren 1520-1525. Außerdem mußten Texte von Verfassern aus unterschiedlichen Dialektgebieten sowie Drucke unterschiedlicher Zentren ausgewählt werden. Diese Auswahl wurde dadurch erschwert, daß nur in einem Teil der Flugschriften Verfasser, Druckort und Drucker angegeben sind. Zu den 80 Flugschriften, bei denen der Verfasser genannt ist, konnte man mit gewissem Vorbehalt auch die Flugschriften hinzurechnen, bei denen die Autorschaft durch Forschungen einiger Generationen von Philologen festgestellt wurde; ähnlich wurde auch bei den Druckorten verfahren. Zu den Autoren, deren Flugschriften in der Arbeit untersucht werden, gehören: Johannes Agricola, Matthias Bienwald, Johannes Brenz, Johannes Cochlaeus, Johannes Dietenberger, J o h a n n Eberlin von Günzburg, J o h a n n Eck, Hieronymus Emser, Johannes Fabri, Johannes Fritzhans, Kaspar Guttel, Hans Hergot, Nikolaus Herman, Sebastian Hofmeister, Ulrich von Hutten, Andreas Bodenstein von Karlstadt, Heinrich von Kettenbach, J o h a n n Lachmann, J o h a n n Lange, Johann Locher (Pseudonym), Martin Luther, Ägidius Mechler, Philipp Melanchthon, Thomas Müntzer, Thomas Murner, Urbanus Rhegius, Hans Sachs, Michael Sattler, J a k o b Schorr, Balthasar Stanberger, Michael Stifel, Thomas Stör, Werdt, Wolfgang Wulfer, Ulrich Zwingli. Hierher gehören wohl noch einige Autoren, denen folgende Flugschriften zuzuschreiben sind: Martin Bucer, „Gesprech biechlin neüw K a r s t hans". o. 0 . u. J . [Straßburg (Matthias Schürer} 1521]; Sebastian Meyer, „Ernstliche ermanung des Fridens . . ., Hugonis vö Landenberg Bischoff t z ü Costantz"; Pamphilus Gengenbach, „Ein cleglichs gesprech geschähen nit weit von Trient"; Johannes Römer, „Ein schöner Dialogus von den vier grosten beschwernüß eins jeglichen pfarrers nach sag eines sonderlichen verß hernach geschriben." o. 0 . u. J . [Schlettstadt (Lazarus Schürer)? 1521] und Christoph Schappeler, „Verantwortung vnnd auflösung etlicher vermeintter Argument". Die genannten Autoren sind mit unterschiedlichen Gebieten Deutschlands verbunden: Zürich: Zwingli und Hofmeister, Basel: Gengenbach, Hall in Schwaben: Brenz, Bern: Meyer, Ulm: Kettenbach, Straßburg: Murner, Heilbronn: Lachmann, Eßlingen in Württemberg: Stifel, Staufen im Breisgau (später verschiedene Zentren): Sattler, Mainz und Worms: Römer, Schlettstadt und Heidelberg: Bucer, F r a n k f u r t am Main: Cochlaeus, Augsburg: Rhegius, Wien: Fabri, Nürnberg: Sachs, Hergot, Werdt, ostmitteldeutsche Zentren: Luther, Müntzer, Stör, Mechler, Karlstadt, Emser, Melanchthon, Bienwald u. a» Auf diese Weise kann ein Bild von den regionalen Besonderheiten der Sprache der politischen Literatur in den meisten Gebieten Deutschlands gegeben werden; nicht erfaßt sind nur die Gebiete um Köln und Trier und das gesamte Niederdeutsche. Die anonymen Flugschriften ergänzen ihrerseits dieses Bild nicht
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Sprache der politischen Literatur
selten durch scharf ausgeprägte landschaftliche Besonderheiten. Die Druckzentren, in denen die Werke erschienen, liegen ebenfalls in unterschiedlichen Gebieten. Das Untersuchungsmaterial repräsentiert folgende Zentren: Zürich (Zwingli, Hofmeister, anonyme Flugschriften), Basel (öcolampadius, Gengenbach), Straßburg (Murner, viele Anonyma, Hutten, Dietenberger), Schlettstadt (Anonyma), Speyer (Lachmann, Hutten, Anonyma), Mainz (Fabri), Hagenau (Melanchthon), Ingolstadt (Eck), Bamberg (Kettenbach, Stör, Sachs), Augsburg (Brenz, Kettenbach, Werdt, Hutten, viele anonyme Flugschriften, darunter die „Zwölf Artikel der Bauern"), Nürnberg (Müntzer, Anonyma), E r f u r t (Mechler, Hutten, Anonyma), Leipzig (Hergot, Fabri, Wulfer), Dresden (Emser), Altenburg (Linck), Allstedt (Müntzer), Wittenberg (Luther, Karlstadt, Anonyma).
Kapitel
II
Die Flugschriften als besonderer Typ des, Schrifttums und ihre verschiedenen Gattungen 1 Ungeachtet dessen, daß in der untersuchten Zeit alle Gattungen des Schriftt u m s in der politischen Literatur verwendet wurden und daß diese Tatsache in hohem Maße ihre stilistische u n d sprachliche Vielfalt bedingt hat, gibt es einige typische Charakteristika, die allen oder den meisten politischen Flugschriften eigen sind. Das wichtigste Charakteristikum ist ihre Aktualität, der mehr oder weniger unmittelbare Zusammenhang mit dem Zeitgeschehen und nicht selten ihr direktes Ansprechen konkreter Persönlichkeiten oder bestimmter gesellschaftlicher Kreise. So erscheint z. B. kurz nach der Niederlage der aufständischen Bauern bei Frankenhausen die Flugschrift „Ein gloubwirdig/ vnd warhafftig vnderricht wie die Dhoringischen Pawern vor Franckenhawßen/ vnd bey de Stett Franckenhawßen vnd Molhawßen erobert worden MDXXV", in der erwähnt wird, daß die Ereignisse koum vor dreyen wochen stattfanden. Der Autor will über die Aufeinanderfolge der Ereignisse in der Entwicklung der revolutionären Bauernbewegungen in Thüringen und über die Position der sich bekämpfenden Seiten informieren, damit die warheit an tag kome/ vnnd ein itzlicher vnparteyischer leserj bey im selbst ermessen mög. Ob die schuld der Fürsten oder der Pawren gewest/ ist dis nachuolged gloubwirdig vnderricht . . . yn truck gebracht worden. Die objektiv-chronikhafte Form der Darlegung ist hier insofern trügerisch, als sich eine scharfe Verurteilung der aufständischen Bauern und besonders Thomas Müntzers wie ein roter Faden durch die ganze Flugschrift zieht. Müntzer wird als eyn auffrurischer/ vorfurischer vnd ketzerischer p f a f f e bezeichnet. Nach der Hinrichtung Balthasar Hubmaiers, des Anführers der aufständischen Bauern im Klettgau, wird in den nächsten Monaten die Flugschrift „Vrsach warumb der widertewffer Patron vnd erster anhenger Doctor Balthasar Hübmair zu Wien auff den zehenden Tag Martii Anno 1528 verbrant sei" gedruckt. Eine Serie von Flugschriften Luthers und Melanchthons steht ebenfalls mit den Ereignissen des Jahres 1525 in Zusammenhang und ist in diesem J a h r geschrieben. Die Verurteilung Müntzers und seine Hinrichtung veranlaßten Luther zu der Flugschrift „Ein Schrecklich geschieht vn gericht Gotes vber Thomas Müntzer". Damals wurde in Hagenau auch die Flugschrift „Die Histori Thome Müntzers/ des anfengers der Döringischen vffrur", die Melanchthon zugeschrieben wird, gedruckt. Unmittelbar mit Ereignissen bei Heilbronn ist die Flugschrift des Heilbronner Predigers J o h a n n Lachmann verbunden, was sich sogar in der Überschrift widerspiegelt: „Drey Christlihe ermanung an die Baüwerschafft/ die zwü/ ehe sie vor Weynßperg gezogen/ von jrem fürnemen abzustehen. Die dritt/ nach der Grewsenlichen t h a t t e zu Weynßperg verloffen 3 Guchmann
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Sprache der politischen Literatur
zügeschickt von Johan Lachamon Predicanten zü Haylpron." Speyer (Jakob Fabri) o. J . [1525]. Unglaubliche Grausamkeiten gegenüber den aufständischen Bauern seitens des Würzburger Bischofs Konrad und des Markgrafen Kasimir von Brandenburg-Ansbach waren der Anlaß für die Flugschrift von Johannes Brenz, Priester aus Schwäbisch Hall, mit dem Titel „Won Milterung/ der Fürsten gegen/ den aufrurisché Bauré durch/ Johänem Brentz./ Ecclesiasten zu schwebischen Hall." o. 0 . [Augsburg (Simpert Ruff)] 1525, usw. Aus den antipäpstlichen Flugschriften fallen zwei durch ihre Aktualität und ihren konkreten Bezug besonders auf. Die erste, eine anonyme Schrift „Von Der rechten Erhebung Bennonis eyn sendbriff. J . N." o. 0 . [Wittenberg (Hans Luft)], wurde 1524 gedruckt. Anlaß waren Ereignisse in der kleinen Stadt Buchholz, die durch die Kanonisierung und nochmalige Beisetzung des ehemaligen Meißner Bischofs hervorgerufen wurden. Diese Ereignisse hatten Empörung und Proteste gegen die katholische Kirche unter dem aufgeklärtesten Teil der Bevölkerung Sachsens zur Folge. Studenten veranstalteten einen Karnevalszug, der die Prozession bei der Beisetzung der Reliquien des Bischofs parodierte. Die zweite Flugschrift, ebenfalls anonym, „Verhör vß Acta vor dem Byschoff von Meysßen kegen dé Byschoff tzu der Lochaw", wurde 1522 gedruckt. Sie beschreibt das Verhör eines Priesters aus dem sächsischen Städtchen Lochau durch den Meißner Bischof, das in Zusammenhang mit den in diesem Jahr beginnenden Repressalien gegen einige Priester stattfand. Bezeichnend für die Bedingungen, unter denen damals Flugschriften erschienen, ist u. a. die Tatsache, daß unmittelbar nach der anonymen Flugschrift, die die Kanonisierung des neuen Heiligen lächerlich machte, Hieronymus Emser, der Gegner Luthers, einen polemischen Traktat zur Verteidigung der Kanonisierung veröffentlichte, in dem er sich gleichzeitig gegen die lutherische Strömung wandte: „Wyder das wild Geyffernd Eberschwein Luthern/ So ynn dem weyngartté des Herren der krefften wúlet/ grabet/ vfi sich vnderstehet mit seynem besodeltenn Rüssel vmbzustoßen die Canonización Diui Bennonis vnd aller heyligen ehr erbietung zu vertilgen MDXXiiij". In diesem Titel allein kommt schon der zeitbedingte Grobianismus zum Ausdruck. Bei dieser Aufzählung von Flugschriften zu aktuellen Ereignissen kann auch das Gedicht „Ain new Gedicht wie die gaystlichait zü Erffordt in Dhüringen Gesturmbt ist worden kurtzweylig zü lesen." o. 0 . [Augsburg (Melchior Ramminger)] 1521, erwähnt werden. Die Aktualität der Flugschriften, die die Forderungen der aufständischen Bauern vorbringen (s. u.), ist in gleichem Maße in einer anonymen Flugschrift offenkundig mit dem Titel „An die versamlung gemayner Pawerschafft". In dieser Flugschrift werden so brisante politische Probleme behandelt wie „Ob ayn Gemayn jr Oberkait möge entsetzen oder nit" (Kapitel VII); „Welche Oberkait/ ob die angeborn/ oder die erweit auff eyn zeyt/ für die ander zü erkiesen" (Kapitel V); „Wer ayn auffrúrer soll gescholten werden" (Kapitel I X ) ; „Was jamer vnd trubsal gemayner pawrschafft begegen würde/ wo sy sich selbs veruntreweten" (Kapitel X) usw. Aber gleichzeitig werden in dieser Flugschrift,
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in den Forderungen der Bauern und in einer Reihe von Flugschriften, die die religiösen und juristischen Grundlagen der Leibeigenschaft, die Rechte und Pflichten der geistlichen und weltlichen Macht, die Pflichten der Untertanen u. ä. unter verschiedenen Gesichtspunkten betrachten, die Probleme von einem allgemeineren und grundsätzlichen Aspekt aus behandelt 5 8 . Ähnlichen Charakter haben die unterschiedlichen Gattungen angehörenden antipäpstlichen Flugschriften, die nicht auf bestimmte Ereignisse und Tatsachen Bezug nehmen, sondern offen die Politik der Päpste, die Lasterhaftigkeit, Habsucht, Gewinnsucht der Geistlichkeit geißeln 59 . Eine große Gruppe unter den aktuellen Flugschriften bilden auch solche politische Schriften, die eine Antwort auf konkrete Äußerungen des Gegners enthalten. Viele Flugschriften erschienen als Antwort auf einen bestimmten Auftritt Luthers. Eine der ersten von ihnen war Thomas Murners „An den Großmechtigsten vnd Durchlüchtigsten adel tütscher nation das sye den christlichen glauben beschirmen, wyder den Zerstörer des glaubens christi, Martinum luther einen verfierer der einfeltigen Christen", deren Erscheinen durch die Veröffentlichung von Luthers Sendbrief „An den Christlichen Adel deutscher Nation" veranlaßt wurde. Auch die antilutherischen Flugschriften von Cochlaeus, Emser, Eck und vielen anderen hingen zusammen mit konkreten Auftritten Luthers; sie erschienen als Antwort auf seine gedruckt e n Flugschriften 6 0 . Das gilt auch für die Flugschrift Ecks gegen Zwingli 61 und eine Reihe von Flugschriften Zwingiis gegen Fabri 6 2 . Nicht selten drucken diese polemischen Flugschriften politische Äußerungen des Gegners wörtlich ab. Luther druckte in seiner Flugschrift gegen Müntzer vier Briefe Müntzers ab, die vom Standpunkt Luthers aus die für die Kirche und Gesellschaft gefährlichen Ansichten ihres Verfassers bestätigten. Cochlaeus polemisiert in der Flugschrift „Wyder die Reubischen vnd Mordischen rotten der Bawren" auf folgende Weise gegen L u t h e r : Luthers Äußerungen aus den einzelnen Flugschriften werden vollständig angeführt, wodurch bewiesen wird, daß Luther seine anfänglichen Ansichten schnöde verraten hat. Außerdem wird jeder Satz durch Cochlaeus widerlegt. Dadurch nimmt die Flugschrift äußerlich den Charakter eines polemischen Dialogs an. Dieses Verfahren wandte Eck in seinen Flugschriften gegen Zwingli ebenso an, wie Emser und Luther in ihren Polemiken. Manchmal druckte der Opponent die Schrift des Gegners sogar vollständig a b und ging erst dann zur Widerlegung über. In Meyers „Ernstliche ermanung", mit der scharfen Polemik gegen den Konstanzer Bischof, wird zu Anfang die deutsche Übersetzung des vom Bischof verfaßten lateinischen Sendbriefs gegeben, und danach wird in einem zweiten Teil jeder Satz des bischöflichen Sendbriefs kritisch untersucht und entlarvt. Dieser zweite Teil beginnt mit den W o r t e n : Summarium der schödlichen tödtlichen gyfften, so in disern Mandat vergriffen, vff das du frummer Christ dich dar vor wissest zu hüten das du nitt gyfft für brott essest63. Eine andere Flugschrift enthält die Antwort auf Murners Gedicht „Ain new lied von dem vndergang des Christlichen glaubens Doct. Murner. jn Brüder Veiten t h o n " ; die Antwort ist betitelt „Ain ander lied D a r wider vom auffgang der Christenhait in D. Mur. Veiten thon". Beide Gedichte 3*
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sind in eine Flugschrift eingefügt. Murner beklagt im ersten Gedicht den Verfall der alten ethischen Werte, die Schwächung der Macht, das Anwachsen der Rebellion: Der kayser ist kein aduocatj gar hin ist sein gewalt . . . wee armer christenheyt/ wa vndertheny brachtetl vnd herschafft nider leit . . . Wer itzt zu mal kä liegen/ veracht all oberkayt. Das zweite Gedicht verspottet Murner als einen Menschen, der in der Vergangenheit über Gauner geschrieben hat (Anspielung auf sein Werk „Schelmenzunft") und nicht fähig ist, höhere Werte wie Glaube, Macht, Freiheit zu beurteilen; er soll es solchen Männern überlassen, wie es der frumm Luther, der frumm von Hutten/ dar bey auch Melanchthon sind. Oft hat sich auch Luther dieses polemischen Mittels bedient. Z. B. wird seiner Flugschrift „Zwey keyserliche . . gepott den Luther betreffend" der Text des kaiserlichen Erlasses beigefügt, in dem er der Häresie beschuldigt wird und Druck, Verkauf und Verbreitung seiner Bücher verboten werden (s.o. S. 17); diesem Text folgt ein Vor- und Nachwort Luthers, das die einzelnen P u n k t e des Erlasses widerlegt. Manchmal erstreckt sich die Polemik zwischen den Gegnern auf eine ganze Reihe von Flugschriften, von denen jede einzelne die Antwort auf die vorangegangene Schrift des Gegners darstellt. Als Beispiel k a n n eine Reihe polemischer Flugschriften Luthers und Emsers dienen. Schon 1521 hat Emser eine Flugschrift gegen Luthers Sendbrief „An den Christlichen Adel" unter folgendem Titel veröffentlicht: „Wyd' das vnchristenliche buch Martini Luthers Augustiners/ an den Tewtschen Adel außgangen Vorlegung Hieronymi Emser an gemeyne Hochlöbliche Teutsche Nation"; auf dem Einband war ein Ziegenbock (das Wappen Emsers) abgebildet und darunter die Unterschrift Hut dich der bock stoßt dich. Damit wurde gleichsam die Serie Emser — Luther eröffnet. I n einer Antwort schrieb L u t h e r : Lieber Bock stoß mich nicht; der Spitzname „Bock" wurde zum ständigen Epitheton in den Flugschriften gegen Emser, vgl. folgende Flugschriften Luthers: „Auff des bocks zu Leypczik Antwort D. M. Luther", wo widerlegt wird, daß Luther während des Disputs mit Eck gesagt h a b e : ich hab das spiel nyt yn gottis namen angefangen/ es sol auch nyt ynn gottes namen außgan, und „Ein Warnung an den Bock Emser. R . S. M. Lieber Bock stoß mich nicht", im gleichen J a h r erschienen, wo eben diese Redewendung gebraucht wurde. Emser seinerseits publizierte in den folgenden J a h r e n weitere Flugschriften, darunter „Emßers bekentnis/ das er den titel auff Luthers Sendbrieff a n den K6nig zu Engelland gemacht/ vnd das yhm Luter den verkert/ vnd zu mild gedewt h a t " . Gedruckt zu Dreßden durch Wolfgang StSckel. Die Veröffentlichung dieser Flugschrift hatte folgende Ursache: Emser übersetzte Luthers lateinischen Sendbrief an den König von England ins Deutsche, u m sein Verhalten gegenüber dem Kaiser, den Königen und Fürsten anzuprangern und ihn bei den breiten Massen zu verleumden. Darauf beschuldigte ihn Luther der Sinnentstellung des Urtextes und der Entstellung des Titels der Flugschrift. I n seiner Antwort nun bringt Emser den vollständigen Text des Sendbriefs u n d gibt Kommentare, in denen Luther des Verrats und der Feigheit bezichtigt wird. Schließlich erscheint 1525 eine Flugschrift von Emser in Versen mit dem
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folgenden Gedichtanfang als Titel: „Der bock tritt frey auff disen plan Hat wyder Ehren nyt gethan wie sehr sie yn gescholden han Was aber Luther fuer ein man Vnd wilch ein spil er gfangen an Vnd nun den mantel wenden kan Nach dem der wind thut eynher ghan Findstu in disem büchlin stan." MDXXV. Als eine solche Serie von Flugschriften ist auch die Polemik zwischen Andreas Karlstadt und Johann Fritzhans erschienen. 1520 wurden in Wittenberg beim Drucker Johann Grunenberg zwei Flugschriften Karlstadts gedruckt: „Von vormugen des Ablas wider bruder Franciscus Seyler parfuser ordens Andres Carolstat Dott." Gedruckt zu Wittenbergk durch Johan Grunenberg, 1520 und „Von geweychtenn Wasser vnd saltz Dott. Andreas Carlstatt wider den vnvirdieten Gardian Franciscus Seyler." Gedruckt zu Wittenbergk durch Johann Grunenberg, 1526. Auf die zweite antwortete Fritzhans mit der Flugschrift „Von dem geweichten Wasser widder Andream bodenstein von Karlstadt". Darauf antwortete Karlstadt seinerseits mit „Antwort Andres Bo. von Carolstad Doctor: geweicht wasser belangend: wider einen bruder Johan Fritzhans genant: holtzuger ordens." Auch in Fällen, in denen sich eine Flugschrift nicht unmittelbar auf bestimmte Ereignisse oder Schriften bezog, wurde ihr aktueller Bezug nicht selten durch Anspielungen auf bestimmte unlängst geschehene Ereignisse hergestellt. So findet sich z. B. im „Karsthans" (1521) schon zu Beginn eine Anspielung auf Murners „brüderliche ermanung", ebenso auf „Die geuchmat", 1519 veröffentlicht. Erwähnt werden in demselben Dialog auch der Leipziger Disput, bei dem Luther gegen Eck aufgetreten ist, der bekannte Streit Reuchlins, in dessen Verlauf er den Sieg über einen Günstling des Papstes errang, die Verbrennung der Werke Luthers 1520 in Mainz usw. In Bucers „Gesprech biechlin neüw Karsthans" erwähnt Karsthans, daß sich Hutten auf der Burg Franz von Sickingens versteckt hielt. Er äußert Befürchtungen über Huttens Schicksal im Zusammenhang mit der Politik Kaiser Karls V. Den zeitgenössischen Hintergrund bilden auch häufige Erwähnungen bekannter Persönlichkeiten jener Zeit. In der anonym erschienenen Flugschrift „Ain schöner dialogus Vnd gesprech zwischen aim Pfarrer vnd aim Schulthayß, betreffend allen übel Stand der gaystlichen. Vnd boß handlung der weltlichen. Alles mit geytzigkayt beladen." o. 0 . u. J . [Augsburg (Melchior Ramminger) 1521] erwähnt der Pfarrer die Auftritte von Luthers Gegnern Eck und Murner und seinen Anhängern Karlstadt, Erasmus von Rotterdam, Öcolampadius und anderen. Den gleichen Effekt hat die Einführung von Zeitgenossen als handelnde Personen in die Dialoge; so treten Murner, Luther, Franz von Sickingen im „Karsthans" und im „Gesprech biechlin neüw Karsthans" auf, Erasmus von Rotterdam und Johannes Fabri im „Gesprech büchlein, von einem Bawern, Belial, Erasmo Rotterodam vnd doctor Johann Fabri, kürtzlich die warheyt anzeygend, was Eraßmum vnd Fabrum zü Verleugnung des gots worts beweget hatt" 64 . Es ist bezeichnend für den Charakter dieser politischen Literatur, die inhaltliche Aktualität, ihren Bezug auf Ereignisse, Erwartungen und Stimmungen
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jener Zeit, d a ß auch die e r w ä h n t e n historischen Geschehnisse oder Persönlichkeiten wiederum auf die Gegenwart hin orientiert waren. Was den oppositionellen Ideen entsprach, zog die Aufmerksamkeit auf sich und wurde verarbeitet. I n den Vordergrund schob sich deshalb die Gestalt des tschechischen Nationalhelden J a n Hus. Die tschechischen national-revolutionären Bewegungen zogen die Aufmerksamkeit der verschiedenen oppositionellen Gruppen, besonders des radikalen Flügels auf sieh. Nicht zufällig wandte sich Müntzer, als er 1521 gezwungen war, Zwickau zu verlassen, wo er f ü r kurze Zeit einer Gemeinde vorgestanden hatte, nach Prag. E r rechnete damit, dort materielle u n d ideologische Unterstützung zu finden. U n d obwohl sich diese H o f f n u n g e n nicht erfüllten, da sich das tschechische B ü r g e r t u m zu dieser Zeit spaltete, und die städtischen Patrizier, die in P r a g herrschten, a n einer revolutionären Prop a g a n d a durchaus nicht interessiert waren, ist allein die Tatsache der Reise Müntzers nach Prag bemerkenswert. I n Prag predigte er nicht nur, sondern veröffentlichte in den Kirchen einen Anschlag in Tschechisch, Deutsch u n d Latein 6 5 . Die Werke von Hus, seinen Anhängern u n d Nachfolgern wurden übersetzt u n d erschienen ebenfalls als Flugschriften. H u s ' N a m e begegnet in politischen Schriften verschiedener G a t t u n g e n . I n den oppositionellen Flugschriften zeichnet sich immer die Richtigkeit seiner Ansichten u n d die Berechtigung seiner Forderungen ab, während er in den Flugschriften des reaktionär-katholischen Lagers als Inbegriff der Häresie, als Verteidiger einer falschen Lehre erscheint. So schädlich u n d gefährlich erschien der katholischen Kirche das E r b e von Hus, daß J o h a n n e s Fabri, der spätere Bischof von Wien, K a p l a n u n d Berater König Ferdinands, 1528 eine besondere Flugschrift veröffentlichte mit dem Titel „Wie sich J o h a n n i s Hußs/ der Picarder/ vnd J o h a n n i s v ö wessalia/ Leren vnd buecher mit Martino L u t h e r vergleichen. Beschrieben durch Doctor J o h a n n F a b r i . " Gedruckt tzu Leyptzik/ durch Valten Schuman des iarß 1528. Besonders populär waren die N a m e n der historischen K ä m p f e r gegen das P a p s t t u m in den Flugschriften Ulrichs von H u t t e n und seines Kreises. I m „Gesprech biechlin neüw K a r s t h a n s " werden neben Hus auch Ger9on aus Frankreich, J o h a n n von Wessel, Savonarola u n d der Taboritenführer J a n 2izka e r w ä h n t ; im lateinischen „Monitor secundus" b e k a n n t e sich H u t t e n mit aller Bestimmtheit besonders zu den Ansichten J a n 2izkas.
2 Aktualität u n d Zeitgebundenheit dieser politischen Literatur h a b e n jedoch keine stilistische Einheit geschaffen. I m Gegenteil, der aktuelle politische I n h a l t konnte, wie in den folgenden Kapiteln erörtert werden soll, eine nicht nur literarisch, sondern auch sprachlich unterschiedliche Gestaltung bekommen, die durch einen ganzen Komplex von F a k t o r e n bedingt war. Zweifellos waren die Bedingungen, unter denen die Flugschriften erschienen, die schnelle Reaktion auf
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Tagesereignisse, die diesen Typ der politischen Literatur auszeichnete, für die sprachliche Form nicht günstig. Die Einfühlung in die Wahl der Worte, der Phraseologie und der syntaktischen Wendung, die die sorgfaltige Arbeit Luthers an der deutschen Bibelübersetzung auszeichnen, konnte hierbei offensichtlich keine Anwendung finden. Außerdem t r a t e n nicht selten Autoren auf, die in der deutschen Sprachkunst nicht sehr geübt waren. Spontaneität des Ausdrucks und Ungeschliffenheit der Sprache kommen in der politischen Literatur oft vor. Jedoch gibt es auch in dieser Hinsicht keine absolute Gleichheit. I m Gegenteil, die literarische Gattung, der Stil des Autors und sein Bildungsgrad, seine schöpferischen Potenzen und seine individuelle Meisterschaft relativieren die oben gemachte Aussage. Interessantes Vergleichsmaterial liefert die erwähnte Flugschrift „Ain new lied von dem vndergang des Christlichen glaubens", in der zwei Lieder veröffentlicht worden sind: eins von Murner, das andere von einem unbekannten Autor (wahrscheinlich von Stifel). Murners Lied zeichnet sich nicht nur durch polemische Treffsicherheit, sondern auch durch ein gewisses Pathos und Bildhaftigkeit aus. Die minsten sein ietz al gelertj der vor nie beten kundt/ kain ler auff erden ye gehörtjdörfft nie auff thö sein müd/die und' fechten alle die zierdd' Christenheit. Wir sein alle Pfaffen worden/ baid weiber vnnd die man/ wie wol wir hand kein orden/ kain weyhe genommen an/ die stiel ston auff den benckenf der wagen vor de roß/der glaub wil gar versencken/ der grund ist bodenloß. Danach wird eine anschauliche Darstellung des revolutionären Umschwungs in der Ideologie des Volkes gegeben, der nach Meinung Murners an die natürliche gesellschaftliche Ordnung r ü h r t . I n seinem Sendbrief gegen Luther „An den Großmechtigsten . . adel" schreibt er: worumb gehören die stül vnder die benck, darumb gehört auch der nidern, vnder sein obren66. Der Stil des Antwortliedes (dessen Verfasser vermutlich Stifel war) ist typisch für eine bestimmte Schicht der polemischen Literatur, ebenso der Spott über den Familiennamen Murner, der an die umgangssprachliche Benennung des Katers erinnert: Er wer da haim wol bliben: mit seinem larue gschwantzf bey nacht auff decher gstigen: gleych wie ain andre katz; vn hette lassen bliben die rechte götlich kunst: vonn Schelmen soll er schreibenn da ist er in der zunfft. Es wäre jedoch falsch anzunehmen, daß die sprachliche Gestalt bei dieser Art der deutschen Literatur überhaupt keine Rolle gespielt hat. Ihre gesellschaftliche Funktion erforderte eine besondere Wahl der sprachlichen Mittel. Diese betraf aber nicht den lautlich-graphischen oder grammatischen Aspekt, nicht die Trennung der schriftlich-literarischen von der umgangssprachlichen Lexik, noch den Ausschluß dialektal begrenzter Einheiten, sie war vielmehr bestimmt durch das Streben nach maximaler Ausdruckskraft, leichter Verständlichkeit, Wirksamkeit, Überzeugungskraft. Das waren neue Aufgaben für das deutsche Schrifttum, ebenso wie die Sphäre neu war, in der man die deutsche Sprache zu verwenden begann. Die Versuche gingen in verschiedene Richtungen. Einerseits versuchte ein bestimmter Kreis von Autoren die Erfahrungen der lateinischen Disputations-
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literatur zu nutzen, andererseits wandte man sieh den verschiedenen Schichten der gesprochenen deutschen Sprache zu, der Schatzkammer volkstümlicher Redensarten und Sprichwörter, dem Wortschatz der niederen gesprochenen Sprache und der Mundart. Diese beiden Elemente werden in der Sprache der politischen Literatur in größerem Umfang verwendet und vereinigen sich oft in ein und derselben Flugschrift (s. Kapitel IV). Die Kriterien der Auswahl waren durch viele Ursachen bestimmt, z. B. durch die Thematik der Flugschrift, ihre Gattung, das Bildungsniveau des Autors, den Adressaten. Daraus erklärt sich auch die stilistische Vielfalt. Auf diesem bunten Hintergrund heben sich einige polemische Mittel ab, die unabhängig von der Gattung und von den politischen Ansichten verwendet werden und den Stil der Flugschriften beeinflussen. Eins ist die breite Benutzung der Bibel, d. h. des Alten und Neuen Testamentes und der Schriften der Kirchenväter. Die Bibel war in jener Zeit die beliebteste Waffe des ideologischen Kampfes. Die Bibelzitate werden oft in das sprachliche Gewebe der Flugschriften eingewoben und bilden einen untrennbaren Bestandteil des Textes, siehe z. B. die Rede Franz von Sickingens in der Flugschrift „Gesprech biechlin neüw Karsthans": udewöl es dartzü kommen, das leider yetzundt mer geacht würt, was die Bapst gestifft, dann was Christus selbs mit seinem mund geredt vnd die Apostel geredt vnd geschriben haben. Vnd würt dem Bapst mit grosserer forcht dann gott selbs gedienet. Das halten vnd treyben die pfaffen vnnd verkeren die rechten heiligen geschrifft mit iren menschlichen, ja wol teüfelischen Decreten. Darum schreybt Paulus von in zu, den Rhomern: „Sie haben die warheit gottes verwandelt in lügen vnnd haben mer gedient der creatur dann dem schöpffer"67 und weiter: Wiewol ich mich selbs beduncken laß, es sey schon die zeyt, dass sie sollen gestrafft werden. Dann es schickt sich allenthalben dartzü, muß auch sein, es geschehe langsam oder bald. Das nymm ich ab bey dem gotswort, das er sagt Matth, am vij: „Ein yeder bäum, der nit frucht bring*, würt abgehauwen vnd insfeüwer geworffen". Aber mir ist anders nit zu sinn, dann es sey vmb die zeyt, wie von der Sant Johans der teuffer sagt Matt, am dritten: „Es ist schon yetzund die agst an den bäum gelegt". Wil mich nun gott auch zu sollichem brauchen oder nit, bin ich bereit, sein götlich gebot züerfüllen68. Mit endlosen Zitaten füllt Karsthans seine Rede 69 . Eine ebenso intensive Verwendung von Zitaten findet sich in anderen Dialogen70. Dieses Verfahren war aber auch sonst weit verbreitet. Bei Müntzer verwandeln sich die Zitate oft in Verweise und Paraphrasen, z. B.: Da wirdt die recht arte HerodisJ des weltlichen regiments erklert/ wie der heylig Samuel. 1. Regum/ am. 8. mit dem rechten durchleuchtichsten Hosea am. 13. weyssagt/ Gott hat die herren vnd Fürsten in seynem grymm der weit gegeben/ vnd er will sie in der erbitterung wider weg thün71. Und in einer andern Flugschrift: Es ist der allergröst greüel auff erden, das nyemant der dürfftigen not sich wil annemen. Dyegrossen machens, wie sye wollen, wie Job, am 41., beschreibt12. In den „Zwölf Artikeln der Bauern" dagegen werden die Verweise und Zitate am Rand gemacht; der zweite Artikel beginnt mit den Worten: Zum andern nach dem der recht Zehat auff gesetzt ist im alten Testament und im Neuen als erfüldt, nichts
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destminder wollen wir den rechte korn zehat gern gebe . . .; am R a n d ist v e r m e r k t : Wie dann die ganntz Epistel zu den Hebr. saget13. Als eine Variante könnte man noch ein Beispiel aus der populären Flugschrift „Eyn Sermon gepredigt vom Pawren zu Werdt bey Nürnberg, am Söntag vor F a ß n a c h t / von dem Freyen willen des Menschen" I m MDXXIiij J a r Gedruckt zu Erffort yn der Permenter gassen Zum ferbe faß. Anno MDXXiiij a n f ü h r e n : Wißt ir nit was geschrieben stat. . . Die geng des mans werden geschickt von dem herre/ wan welcher mensch mag verneme seyne weg ij Pauli zu den Philip am andern. Got ist der yn euch wirckt. . . Herr ich weiß das nit yst des menschen seyn weg/ noch ist ym gewalt des mans/ das er leydt seyne genge vnd gehe. Darumb der Prophet Dauid zu Gott schreyet vn bitt. Herr lass meyne genge yn deinem steig/ auff das meyne fußstappfen nit werden bewegt. I n vielen polemischen Flugschriften Luthers u n d in denen seiner Gegner sowie in den politischen Flugschriften Müntzers werden biblisches Zitat oder Paraphrase unabhängig von der verwendeten Gattung als Hauptargument zur Widerlegung der Aussage des Gegners oder zur Bekräftigung der eigenen Ansichten gebraucht. F ü r Müntzer waren die Bibelzitate und die Zitate aus den Propheten die wichtigste Waffe in seinem ideologischen Kampf gegen d a s herrschende Regime und seine Adepten. Verweise auf einen biblischen Text, sowie ständiges Zitieren von Bibelstellen waren also eins der verbreitetsten Stilmittel der politischen Literatur. So schrieb z. B. Murner, als er sich gegen Luthers Aussagen über die Lage der staatlichen und kirchlichen Obrigkeit äußerte: Wilt weiters den weltlichen stat, vber den geistlichen bewegen, als ob sie solche cristliche rüt die Sünden zu strafen billich an den geistlichen brücken mögen vnd selten . . . Ist es ein cristliche rüt, sol man sie cristlich vnd nit vffrürig noch mörderisch brücken, sunder nach der leren cristi. Mathei. IViij. vnd Luce. XVij. Es folgt ein Zitat aus dem Evangelium 7 4 . Luther verwendete diese Mittel sogar in der mitMelanchthon verfaßten Streitschrift „Deuttung der czwo grewliche figuren Bapstesels czu Rom vnd Munchkalbs zu Freyberg". I n einigen Flugschriften sind gewisse Unterschiede zwischen den syntaktischen Gesetzmäßigkeiten des Grundtextes und den eingefügten Zitaten zu beobachten, wobei der Grundtext neuere Tendenzen der sprachlichen Entwicklung widerspiegelt. Obwohl die verschiedensten Flugschriften diese häufige Verwendung von Bibel- und Kirchenväterzitaten aufweisen und sie also nicht gattungsbedingt ist, fehlt dieses Stilmittel in einer Reihe von Flugschriften, z. B. in den Flugschriften „Ein gloubwirdig . . . vnderricht", „Zwey keyserliche . . . gepott", „Uertrag zwische dem lobliche Bundt zu Schwaben/ vnnd den zwayen hauffen vnd versamlung der Pawern am Bodensee vnnd Algew." Anno M D X X V ; auch in einigen Dialogen, z. B. in „Hie kompt ein Beüerlein zu einem reichen Burger von der güldt, den wucher betreffen, so kumpt ein Pfaff auch darzu vnd dar nach ein münch, gar kurtzweylich zu lesen." o. 0 . u. J . [Straßburg (Joh. Prüss) um 1522], in Liedern mit politischer Thematik, in den meisten Werken H u t t e n s . I n manchen Fällen ist das Fehlen dieses Stilmittels durch die thematische
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Spezifik der Flugschrift bedingt, in anderen durch die G a t t u n g (ein Liedtext eignete sich offensichtlich nicht zum Einfügen biblischer Zitate), oder auch durch individuelle Neigungen des Autors. So war H u t t e n beispielsweise nicht gewillt, die Autorität der Religion zur Bekräftigung seiner politischen Ansichten heranzuziehen. Eine b e k a n n t e Ausnahme ist seine Flugschrift „Ein demütige ermanung a n ein gemeine stat W o r m ß " , die 1522 erschien u n d häufige Verweise auf •die Bibel e n t h ä l t . Dieses Stilmittel ist historisch bedingt. Einerseits ist es mit der deutschen Predigt v e r k n ü p f t , wobei der Einfluß eines so populären Predigers wie Geiler von Keisersberg (1445—1510), dessen Predigten in der T a t als rhetorisches Vorbild dienen k o n n t e n , besonders hervorzuheben ist. Geiler geißelte alle a n Unglück und A r m u t des einfachen Volkes Schuldigen ohne Rücksicht auf ihre soziale Stellung 75 . Seine Predigten wurden in den 20er J a h r e n des 16. J a h r h u n d e r t s mehrfach nachgedruckt, d a die in ihnen enthaltene Kritik an den Sitten der zeitgenössischen Gesellschaft u n d besonders die E n t l a r v u n g der Wucherer u n d bestimmter Schichten der Geistlichkeit mit den oppositionellen Strömungen der verschiedenen sozialen Kreise übereinstimmten. Andererseits zeigte sich auch der Einfluß der lateinisch geschriebenen theologischen Literatur u n d ihrer stilistischen Mittel. Diskussionen in lateinischer Sprache erlangten in jenen J a h r e n ein immer größeres Ausmaß u n d spielten eine bedeutende Rolle im kulturellen Leben des Landes. Als Beispiel k a n n m a n auf den b e r ü h m t e n Streit J o h a n n Reuchlins mit Pfefferkorn verweisen, der nicht nur in Deutschland ein weites Echo f a n d . Das zweite charakteristische Stilmittel ist die häufige Verwendung von Redensarten u n d Sprichwörtern. I h r Gebrauch ist vor allem aus L u t h e r s Sprache b e k a n n t , aber keine individuelle Besonderheit von ihm. Schon in Geilers Predigten, der Verständlichkeit, Anschaulichkeit und Überzeugungskraft anstrebte, werden sie häufig verwendet 7 6 . Am verbreitetsten sind sie jedoch in der politischen Literatur der untersuchten Zeit, in Dialogen u n d Sendbriefen, Trakt a t e n u n d Predigten. U n t e r den Redensarten u n d Sprichwörtern finden sich sowohl bis auf den heutigen Tag erhaltene als auch seltenere, Vgl.: Zeit bringt roseri11; biß euch ein broten taub inß maul flieg™; der blinden mauß spilen79; nach der altten geygen tantzenm; Ein ytzlich vogel singt wie in der Schnabel gewachsen isi81; er hat pfil im kocher82; Das kalb schlecht syner rauter gern nach83; Durch die finger zu gesehen84; Sich wie schücht dieflädermuß das liech/ vn isset aber so gern Spack vnd 618ä; Am gesang hört mann wol, was für ein vogel ist86; die frücht verrathen den baüm, er sey als gleyßnerisch von bletter wie er woll87; ein reüdig schaff befleckt ein gantzen huffen88. Häufig, insbesondere bei Cochlaeus, ist die Redensart Leus ins pelz setzen a n z u t r e f f e n . Wie aus den a n g e f ü h r t e n Beispielen ersichtlich, werden R e d e n s a r t e n u n d Sprichwörter in d e n T e x t von Flugschriften verschiedener G a t t u n g e n u n d in stilistisch nicht gleichartige Werke eingefügt. Die Flugschriften „ K a r s t h a n s " , „Dyalogus Der Außgelauffen Münch" von Linck, K e t t e n b a c h s „ E y n gesprech - . . mit aim . . . mütterlin", „Disputation zwischen einem Chorherren v n d
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Schuchmacher" von Hans Sachs und schließlich „Dialogus oder gesprech büchlin herrn Virichs von Hutten, die Anschawenden genant." o. 0 . u. J . [Straßburg (Joh. Schott) 1521] repräsentieren die im 16. J a h r h u n d e r t verbreitete Gattung der Dialogliteratur (s. u.), wobei die oben genannten Dialoge in stilistischer Hinsicht keineswegs gleichartig sind, mehr noch, die Sprache des „Karsthans" und des „Dialogus" von H u t t e n gehören völlig entgegengesetzten Stilschichten a n ; Lachmanns „Drey Christlihe ermanung" und die anonyme Flugschrift „An die versamlung gemayner Pawerschafft" sind politische Traktat-Sendschreiben, ein Beispiel der Agitationsliteratur, die Streitschrift „Ein kurtzer begriff" und die farbenreiche Erzählung über die Ereignisse in Inlanz (Hofmeister, „Acta und handlung") stellen schließlich ihrerseits verschiedene Gattungen des Schrifttums dar. Zwar könnte man vielleicht mit Vorbehalt behaupten, daß in der Dialogliteratur, besonders in den Werken, die dem Fastnachtspiel nahestehen, Sprichwörter und Redensarten etwas häufiger begegnen, doch sind sie keine zielbewußte Nachahmung der Volkssprache, sondern allgemein verbreitetes Ausdrucksmittel der Literatursprache jener Zeit, wie es der Gebrauch bei Cochlaeu8 und H u t t e n zeigt. Zu den gattungsneutralen Erscheinungen sind auch einige Elemente des Wortschatzes zu zählen, die f ü r die Sprache der polemischen Literatur spezifisch sind. Eine Besonderheit des lateinischen und des deutschen polemischen Stils war die Verwendung nicht nur scharfer und grober, sondern auch den Gegner beleidigender und demütigender Worte und Ausdrücke im Streit. Eines dieser polemischen Mittel ist die absichtliche Verdrehung des Vor- oder Zunamens des Gegners. So haben a. B. die Anhänger Luthers ständig den Familiennamen seines Gegners Murner verdreht. Der Name Murner wurde in Murnarr umgewandelt 8 9 . Nicht weniger verbreitet war die Verdrehung des Familiennamens Eck in Geck90, Kettenbach nennt die Gegner Luthers in der Flugschrift „Ein Sermon wider des bapsts kuchen prediger zü Vlm, die dan gepredigett vnd gelogen haben, der Bapst vn prelaten mügen das Euangelium verwandeln oder verandern, vnd sonderlych wider Petter Nestler, der die leut auch leeret, sy sollen glauwben, Was der Bapst vnnd Prelatten glawben." o. 0 . [Augsburg (Melchior Ramminger)] 1523 91 Geckisten oder Eckysten. Der Name Cochlaeus wurde in Kochleffel umgeändert 9 2 . Luthers Gegner ihrerseits änderten seinen Familiennamen in 'Luder'. 1522 wurde in Leipzig eine Flugschrift Wolfgang Wulfers mit dem Titel „Wid' die vnselige auffrure Merten Luders von Wolffgango Wulffer vn andern christgleubige euch zw Wittenberg/ tzugeschriben" gedruckt. Emser gebraucht diese Namensform häufig in seinen polemischen Flugschriften. Ein ähnliches Wortspiel wird mit den Namen der antiken Philosophen getrieben. Besonders oft wird der Name Aristoteles zu Narrestoltile verdreht, da man in der aristotelischen Philosophie eine Stützefür dietheologische Konzeption der römischen Kirche sah 93 . Dieses Stilmittel wird auch bei den Bezeichnungen für geistliche Würdenträger verwendet, z. B. Die Bischoff / ja beiß Schoff9; vgl. auch die Verdrehung fiscal zu frißgar95 und bei Kettenbach das Wortspiel Seid jr Aposteln? Ja Apostaten („Ein Sermon wider des bapsts kuchen prediger") u. ä. Die christliche
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Gemeinschaft, die Gemeindemitglieder und nicht selten das ganze Volk werden im Evangelium u n d in den Schriften der Kirchenväter als Herde Christi bezeichnet. I n den antipäpstlichen Flugschriften u n d auch in der oppositionellen Literatur unterschiedlicher politischer Orientierung wird die römische Geistlichkeit oft als reißender Wolf, der eine Schafherde frißt, charakterisiert 9 0 . Die Analyse der Flugschriften zeigt aber, daß dieses Stilmittel nicht von allen Autoren verwendet wird. Es fehlt in den Flugschriften von Cochlaeus, Hutten, Rhegius u n d Melanchthon. Dies hängt von dem gesamten Stil jeder einzelnen Flugschrift ab. So ist es offensichtlich, daß der Stil der Schmähschriften und Satiren besonders günstig für die Anwendung solcher Sprachmittel war, obwohl auch in den Flugschriften dieser Gattung ziemlich bedeutende Unterschiede existierten. Die satirischen Schriften H u t t e n s verkörpern eine andere Stilschicht als solche Pamphlete wie „Ain schoner dialogus Cüntz v n n d der Fritz" oder „Ein Frag vnd Antwort von zweyen brudern, was f ü r ein seltzames Thier zü Nürenberg gewesen im Reychßtag nechst vergange, geschickt von Rom zü beschawen das Teutsch landt" o. 0 . u. J . [Nürnberg (Jobst Gutknecht) 1524]. Entsprechende Unterschiede sind auch in dem Teil von Lexik und Phraseologie zu beobachten, die gewöhnlich als stilistische Vorläufer des Grobianismus betrachtet werden 97 . Oben (S. 43) wurde bemerkt, daß man im 16. J a h r h u n d e r t nicht nur in der deutschen polemischen Literatur, sondern auch in der lateinischen bedenkenlos grobe Wörter benutzte und gewagte Situationen beschrieb. Als Beispiel können solche lateinisch geschriebenen Werke dienen wie „Eccius Dedolatus" oder „Epistolae obscurorum virowim", die zweifellos den Stil der deutschen politischen Literatur beeinflußt haben. Der Charakter dieser besonderen Schicht des polemischen Wortschatzes und der Phraseologie, der Grad ihrer Annäherung an die untersten Schichten der niederen gesprochenen Sprache und ihr Umfang hängen in nicht geringem Maße vom gesamten Stil der Flugschrift ab. Wir beschränken uns hier auf verhältnismäßig wenige Beispiele, denn diese Fragen werden ausführlicher in Kapitel IV untersucht. Die Flugschriften von Cochlaeus gegen Luther zeichnen sich durch einen scharfen Ton aus, der nicht selten in Beschimpfung übergeht: Luther wird nicht nur als stolz, hochmütig vnd vnbestendig9& charakterisiert, sondern auch als schwetzig, lugenhaftig, vnstet, . . . vnuerschempt und abtrünnig99 und seine Lehre als teuflische lere, ketzerische lere, lausige fryheit. F ü r die Phraseologie der politischen Literatur ist hier die bildhafte Wendung typisch sollest dein lausige fryheit in deiner kutten daheimbd behalte haben. Soltest nit die lauß dem volck an den peltz gesetzt habennm. Noch gröber ist der polemische Ton Emsers u n d Müntzers. Emser nennt Luther das wild Geyffernd Eberschwein, Müntzer bezeichnet ihn als Ertzbube, pott des teüffels, Eselisch fleisch, Doctor Lugner, das geistlose Sanftlebende fleysch zu Wittenberg. I n einer großen Gruppe antipäpstlicher Flugschriften herrscht derselbe polemische Ton. Melanchthon nennt in „Figur des . . . Bapsts" die gesamte katholische Geistlichkeit hurn volck vnd mastsew. Nicht weniger grob ist die Sprache bei Kettenbach, der nicht selten
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vulgäre Schimpfwörter b e n u t z t : dieRömischen stalbüben vnd linsenscheisseri0i, m 103 die baalitesse plerer , dreck vnnd laymen des Bapsts . I n der anonymen Flugschrift „An die versamlung gemayner P a wer schafft" werden die Priestei die Baalpfaffen genannt, der Papst die rot hür von Babilonien. Besonders verbreitet sind solche Beschimpfungen in einer bestimmten Gruppe polemischer Dialoge, die eigentlich daran Schuld tragen, daß diese Ausdrucksweise oft als typisch für die Sprache der Flugschriften insgesamt erklärt wurde 104 . Indessen fehlt in einer Reihe politischer Flugschriften gerade diese Schicht der Lexik und Phraseologie, insbesondere in den chronikartigen Flugschriften vom T y p „Ein gloubwirdig . . . vnderricht", in den Flugschriften, die Forderungen der Bauern enthalten: „Dye Grundtlichen Vnd rechten haupt Artickel/ aller Baurschafft", „Handlung Artickel vnd Instruction", „Uertrag zwische dem . . . Bundt zu Schwaben/ vnnd den zwayen hauffen . . . der Pawern am Bodensee vnnd Algew", in der Utopie Hergots, in vielen Flugschriften verschiedenen Inhalts, einschließlich solcher polemischer Werke wie „Ein Christlich Predig wider die vnchristlichen Empörung", in den deutschen polemischen Schriften Huttens, einschließlich seiner übersetzten Dialoge. H u t t e n meidet Grobianismen und den Wortschatz der niederen gesprochenen Sprache und bleibt gewöhnlich im Rahmen der literarischen Sprachform, nicht nur in der historisch-politischen Flugschrift über die Haltung der römischen Kurie gegenüber den deutschen Kaisern „Ain Anzaygung/ wie allwegen sich die Romischen Bischoff oder Bapst gegen den Teutschen Kaysern gehalten haben", sondern auch in dem scharf polemischen Sendbrief „Ein Clagschrift". So schrieb er z. B. in seiner „Clagschrift" beim Aufzählen der Thematik seiner polemischen Werke: von dem übermässigen vnzimlichej des Bapsts gewalt, von de verkerte stand der Statt Rom, vö wollüstigem vnordeliche uberfluß/ vnd vnersätliche geiz der geistliche, von der Simoneische ketzerey vn vnfromkeit der Curtisanen. I m Stil der hohen P a t h e t i k geißelt H u t t e n schonungslos die höhere Geistlichkeit: die . . . teütsch Nation mit allein durch abnemung vn beraubung ires geldes vn zeitlicher guter beschädigt/ sond' auch durch böß exempel vnd beispil/ so sie vö Rom herauß bringen/ an gemeinen sitte verkert vnd geergert wirt . . . Durch dieser fleiß regiert der aberglaub/ vn bleibt die wore gottes eer außgeschlossen. Durch dise seind die bäpst dohien behertziget worde das sie die warhafftig euangelischen geschrifft/ des merteils vertruckt/ vn etliche gesetz allein zu ire gewin vnd eigenutz beschritten haben. Die ätzen den Römische geltschlundt vnd speisen den vnersattlichen geitzworml der hie vnsere väterliche guter verschlindt . . . Dise habe es dohin bracht/ das vns die Bäpst eine strick angelegt/ den wir . . . nitrier auffknüpffen mögen/ Dieses seind die bösen anr eitzer/zu schaden des vatterläds gebore, diß seind des Römische tisches weideleütf die für vn für der selbige fresserey zu jage. Auch in den Dialogen (vgl. z. B. „Dialogus oder gesprech büchlin") bleibt er im großen und ganzen im R a h m e n des literarischen Stils. Somit hing die Einbeziehung von Elementen der niederen gesprochenen Sprache nicht immer von der Gattung der Flugschrift ab. Der individuelle Geschmack der Autoren, der durch viele Faktoren bedingt war (durch ihre
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Bildung, ihr soziales Milieu), die gesellschaftlichen Schichten, für die eine Flugschrift geschrieben war, bestimmten die gesamte stilistische Richtung der Flugschrift, den größeren oder geringeren Einfluß der Lexik und Phraseologie der niederen gesprochenen Sprache einerseits, der schriftlichen literarischen Traditionen und Muster der lateinischen Prosa andererseits. All das bewirkte eine bedeutsame Differenzierung in Sprache und Stil der politischen Literatur (s. Kapitel IV) trotz der charakteristischen Merkmale, die die Sprache der politischen Literatur von der Sprache anderer Typen des Schrifttums unterscheiden.
3 Eines der charakteristischen Merkmale der politischen Literatur aus der Zeit der Reformation und des Bauernkrieges ist die Vielfältigkeit der Gattungen. Unter den ausgewerteten Flugschriften befinden sich Predigten und Sendbriefe, chronikartige Aufzeichnungen und Traktate, Mitteilungen und Dialoge, Komödien, Versdichtungen und Lieder. Jede dieser Gattungen hat ihre literarische Tradition, die zum Teil Form und Aufbau des Werkes bestimmt, ungeachtet dessen, daß neue gesellschaftliche Funktionen erfüllt werden sollen. Nach der Art der Behandlung der brennenden zeitgenössischen Probleme kann die ganze Masse der untersuchten Flugschriften mit Vorbehalt in zwei Gruppen eingeteilt werden. Zur ersten Gruppe gehören satirische Schriften, hauptsächlich Streitschriften, zur zweiten Schriften ernsten Inhalts. In der ersten Gruppe nehmen Komödien in Dialogform einen führenden Platz ein, obwohl es auch Versdichtungen gibt (vgl. „Das Bapstum mit seynen gliedern"), Lieder (vgl. das oben angeführte Lied gegen Murner) und verschiedene Prosagattungen, einschließlich der Predigten (vgl. „Ein vnderred des Bapsts vnd seiner cardinelen", Melanchthons „Figur des . . . Bapsts" und Melanchthon und Luther, „Deuttung der czwo grewliche figuren", „Absag/ oder vhed schrifft", „Ein Predig vom Wolff zu de Gensen" und einige Flugschriften Kettenbachs u. a.). Zur zweiten Gruppe gehören an erster Stelle Prosaformen, Sendbriefe, Predigten, Sermone, Traktate, chronikartige Aufzeichnungen, nur wenige Dialoge (vgl. „Verhör vn Acta"). Auch in dieser Gruppe gibt es Lieder. Einige Flugschriften lassen sich keiner bestimmten Gattung zuordnen, wie beispielsweise die „Zwölf Artikel der Bauern", „Handlung Artickel vnd Instruction", Luther, „Ein Schrecklich geschieht" oder Karlstadt, „Vrsachen das And. Carolstat ein zeyt still geschwigen gedruckt zu Jhen im Doringen durch Michel Büchfürer M D X X i i j . " Unter den vielen Gattungen erfreuten sich Dialoge, Predigten, Sendbriefe und Traktate größter Popularität. In den politischen Dialogen überschneiden sich zwei Traditionen: Die Tradition des klassischen Dialogs (besonders groß ist der Einfluß Lukians), die sich früher in den Schuldialogen oder den sogenannten thematisch-theoretischen Dialogen widerspiegelte und Form und Stil der lateinisch geschriebenen Polemiken der Humanisten bestimmte. Von hier aus drang sie in den deutschen
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Dialog ein. Die zweite Tradition — Volkstradition — ist mit dem Fastnachtspiel v e r k n ü p f t 1 0 5 . Interessant ist, d a ß Lukian nicht n u r H u t t e n beeinflußte, der direkt auf ihn als seine Quelle verweist, sondern auch Sachs, der im wesentlichen die Tradition des Volksdramas fortsetzt. Andererseits läßt sich in dem lateinischen Dialog „Eccius Dedolatus", der 1520 erschienen ist, u n d auch in den „Inspicientes" H u t t e n s , die im selben J a h r veröffentlicht wurden, der "Übergang zur aktuellen politischen Thematik feststellen: E s t r e t e n handelnde Personen auf, die a m zeitgenössischen politischen Leben teilnehmen. Beeinflussen einerseits die Traditionen des lateinischen Dialogs einige deutsche politische Flugschriften, so dringen andererseits Traditionen des Fastnachtspiels, z. B. die W a h l handelnder Personen aus den niederen Gesellschaftsschichten, in den lateinischen Dialog der Humanisten ein (vgl. den in diesem Zusammenhang bezeichnenden lateinischen Dialog „Henno"). Einer besonders großen Beliebtheit erfreute sich die Dialogform von 1520 bis 1525, d. h. in der Zeit der schärfsten sozialen Konflikte. U n t e r den Humanisten als den Verfassern lateinischer Dialoge spielten Ulrich von H u t t e n und E r a s m u s von R o t t e r d a m eine f ü h r e n d e Rolle. Zwischen 1518 u n d 1520 wurden H u t t e n s Dialoge „Febris p r i m a " , „Febris secunda", „Vadiscus" u n d „Inspicientes" veröffentlicht; schon 1521 erschienen sie in deutscher Sprache unter dem Titel „Gespräch büchlin herr Virichs von H u t t e n " . Hier wurde zum ersten Mal „Gesprächbüchlin" als U b e r s e t zung des lateinischen dialogus gebraucht. Diese Bezeichnung wird sofort allgemein gebräuchlich u n d neben „Gesprech", „Frag u n d A n t w o r t " , „ R e d " verwendete F a s t gleichzeitig wird 1521 mit dem „Gespräch büchlin" H u t t e n s ebenfalls in Straßburg bei Prüss der deutsche Dialog „ K a r s t h a n s " gedruckt, der schnell eine ungewöhnliche Popularität erlangte u n d dem eine Reihe ähnlicher Dialoge folgte. I m „ K a r s t h a n s " verflochten sich zum ersten Mal deutlich die beiden erwähnt e n Traditionen. D a s zeigt sich bereits in der Wahl der Personen. Zusammen mit Murner, L u t h e r , K a r s t h a n s und einem S t u d e n t e n t r i t t auch eine handelnde Person des klassischen Dramas, Merkur, auf, der zudem n u r lateinisch spricht. Neben zahlreichen Zitaten aus der Bibel und den Kirchenvätern steht der W o r t schatz der niederen gesprochenen Sprache, in die Schimpfwörter u n d Obszönit ä t e n einbezogen werden. Neben Elementen des traditionellen Syntaxgebrauchs der Übfersetzungsliteratur stehen syntaktische Konstruktionen, die den N o r m e n der Umgangssprache nahestehen. Eine ähnliche Vereinigung verschiedener stilistischer Normative begegnet auch in Predigten u n d Sendbriefen (s. Kapitel IV) u n d wird gewissermaßen typisch f ü r die Publizistik jener Zeit. W a s speziell den „ K a r s t h a n s " betrifft, so ist der Titel wie auch die Einbeziehung des K a r s t h a n s als handelnde Person sehr bezeichnend f ü r die soziale Orientierung vieler Autoren der politischen Literatur. Hans Karst oder Karsthans bezeichnet einen Bauern, der auf dem Feld mit einer H a c k e {Karst) arbeitet. Das W o r t wurde zur kollektiven Bezeichnung der Bauernschaft und — umfassender — der ärmeren Bevölkerungsschichten ü b e r h a u p t gebraucht. W e n n noch Geiler von Keisersberg diese Gestalt zur Kennzeichnung eines groben,
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ungehobelten Menschen verwendete, so bekommt Karsthans in der oppositionellen Literatur der Reformation einen neuen sozialen Inhalt. Luther schrieb in einem Brief an Melanchthon 1521, daß es in Deutschland noch Karsthansen gibt, auf die er sich stützen könne 106 . Murner warf Luther besonders seine Verbindung mit den Karsthansen vor. I n den oppositionellen Flugschriften bildet 'Karsthans' das Symbol des Volkes, das für Gerechtigkeit k ä m p f t und den gesunden Verstand und einfachen Glauben verkörpert, die der scholastischen Lehre und Sophistik der offiziellen Kirche entgegengestellt werden. 1521 wurde in Zürich die Flugschrift „Die göttliche Mühle" (Verfasser H a n s Füeßli) gedruckt, die unter anderem den folgenden Vierzeiler enthielt: Karsthans seinen flegel noch hat:/ der die heilig gschrift iez auch verstat./ Welt man in betriegen wie vor, so ist er so ein grober tor,/ Er schlüge mit dem flegel dreinim. I n Bucers Dialog „Gesprech biechlin neüw Karsthans" (1521) tritt Karsthans auch als handelnde Person auf. Außerhalb der Dialoge erscheint er in zwei Flugschriften, die J o h a n n Locher zugeschrieben werden: „Ein Claglicher Sendtbrief des Baurnveyndts zu Karsthannsen seynem Pundtgenossen Gedruckt durch J o h a n n Locher von München" [Gastell, Zwickau] und „Ein vngewonlicher vnd der Ander Sendtbrieff des Baurnveyndts zu Karsthannsen Der doch nit allein wider y n n / Sunder der Gantzen Christenhayt entgegen ist. Gedruckt durch J o h a n n Locher von München." [Gastell, Zwickau]. Der Bauer wird zur beliebten handelnden Person vieler Flugschriften, vgl. „Hie kompt ein Beüerlein zu einem reichen Burger von der güldt, den wucher betreffen", Stanbergers „Dialogus zwischen Petro vnd eynem Bawrn"; „Eyn gesprech zwyschen vyer Personen wye sie eyn getzengk haben, von der Walfart ym Grimmetal, was für vnradt odder büberey, dar aus entstanden sey." o. 0 . u. J . [Erfurt (Wolfgang Stürmer) 1523/4]. I n der scharfen satirischen Flugschrift „Ein Lüstigs Gesprech der Römischen Pfaffen vnd Lutherischen Baurn. Romanus Pasquillus" erscheint schon eine ganze Gruppe von Bauern. I n einer Reihe von Flugschriften tritt der Bauer sogar als angeblicher Autor auf. So lautet der Titel einer westoberdeutschen Flugschrift: „Der gestryfft Schwitzer Baur, Diß büchlin hat gemacht ein Baur auß dem Entlibuch wem es nit gefall der küß im die brüch", in einer andern heißt es: Das hat betracht ein armer Paur der weder lesen noch schreyben kan. Bezeichnend ist auch, d a ß der beim Volk sehr beliebte Prediger Werdt in Bauernkleidung a u f t f a t . Die Flugschrift „Eyn Sermon gepredigt vom Pawren zu Werdt" wurde mehrmals gedruckt, vor allem in E r f u r t , Nürnberg und Augsburg. I n den meisten Dialogen erscheint unter den handelnden Personen oft ein Vertreter der unteren Klassen; außer dem Bauern ist es der 'Handwerksmann' („Eyn gesprech zwyschen vyer Personen"), der 'Löffelmacher' („Ayn freuntlich gesprech/ zwyschen ainem Barfusser Münch/ auß der Prouynz Osterreych/der Obseruantz/ vnd aine Löffelmacher/ mit namen Hans StSsser gar lustig zü lessen/ vnnd ist der recht grundt."), der 'Schuhmacher' (Sachs, „Disputation zwischen einem Chorherren vnd Schuchmacher"), der 'Weber' („Ain hüpsch Gesprechbiechlin/ von ainem Pfaffen vn ainem Weber/ die züsamen komen seind auff der Straß, waß sy für
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red/ frag/ vnnd antwort/ gegen ainander gebraucht haben/ des Euangeliums vnd anderer Sache halben." 1524.) usw. Besonders charakteristisch für den sozialen Aspekt dieser Flugschriften ist es, daß gerade diese handelnden Personen progressive Ansichten vertreten; sie entlarven erfolgreich die Gegner Luthers und der Reformation und diskutieren grundlegende Probleme. Die Diskrepanz zwischen der Sprache dieser Personen und ihrer sozialen Stellung gab nicht selten Anlaß zu Spott seitens der Gegner. Als Widersacher einer gerechten Lösung und der Normen des wahren Christentums erscheinen gewöhnlich Wucherer, Mönche, die höhere Geistlichkeit, Höflinge und auch Feinde Luthers (s. o.). Die Zahl der handelnden Personen ist unterschiedlich, von zwei (vgl. Stanberger, „Dialogus zwischen Petro vnd eynem Bawrn"; „Ein Frag vnd Antwort von zweyen brudern"; „Eynn Dialogus . . . zwischen einem Vatter vnnd Sun"; „Ain schöner dialogus Cuntz vnnd der Fritz" und viele andere) bis zu acht oder zwölf Personen. Im „Karsthans" sind die handelnden Personen Merkur, Murner, Luther, Karsthans, ein Student; in Römers „Ein schöner Dialogus von den . . . beschwernüß" sind es unter anderem ein Priester, ein Junker, ein Mönch, die Magd des Priesters, ein Rusticus, ein Vicarius, die Ehefrau des Junkers, ein Romanist; im „Kögel spil", einem Dialog in Versen, nehmen unter anderem Luther, Hutten, Melanchthon, Erasmus von Rotterdam, Meister Cünrat, Meister Bastian, Meister Ulrich Zwingli, der Papst, der Kaiser, ein Bischof und der Schultheiß von Obereßlingen an der Diskussion teil. Schließlich treten in der Parodie in Versen „Ein Lustigs Gesprech der Römischen Pfaffen vnd Lutherischen Baurn" (auf dem Titelblatt als Pseudonym Romanus Pasquillus) folgende Personen auf: ein Mesner, ein Priester, die Köchin des Priesters, der Chorherr, eine schöne Köchin, 'der fruesser oder Messer', eine alte Pfarrfrau, ein Abt, ein Probst, ein Mönch, vier Bauern und ein Richter (mit der Bemerkung „anstelle des Henkers"). Viele Dialoge stellen eine echte, für das Theater bearbeitete Handlung dar, wie z. B. die zuletzt erwähnte Flugschrift, die zahlreiche Bühnenanweisungen des Autors enthält, z. B.: Darauff volgt ein Trostliche vermanung sampt einem schönen gebeth zweyer frummen Pawrn ( A 2) oder: Hernach volgt ein christlich Gebet eines rechten frommen Liebhahers Göttlichs wort, wobei angeordnet wird, daß das bekannte Lied Luthers „Ein feste bürg ist vnser Gott ein guete wehr vnd waffen" zu singen ist (E 2). Ebenfalls zu diesem Typ gehört Römers „Ein schöner Dialogus von den . . . beschwernüß", teilweise auch „Karsthans" und Sachs' „Disputation". Andere Dialoge verwenden die Dialogform zur Entwicklung von Thesen, mit denen die gegnerische Konzeption widerlegt werden soll, vgl. z. B. Lincks „Dyalogus Der Außgelauffen Münch" und Stanbergers „Dialogus zwischen Petro vnd eynem Bawrn", „Ain schöner dialogus Vnd gesprech zwischen aim Pfarrer vnd aim Schulthayß" und schließlich Bucers „Gesprech biechlin neüw Karsthans". In diesen Dialogen, die den Traditionen des Volksdramas fernstehen, zeigt sich der Einfluß der lateinischen Humanistendialoge besonders stark. Nicht zufällig sind unter den erschlossenen Autoren die Namen so bekannter Humanisten wie Bucer, Hutten, Römer und anderer anzutreffen. 4 Ouchmann
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Andere beliebte Gattungen waren Sendbrief (oder Sendschreiben) und Predigt, die einander in Inhalt und stilistischen Besonderheiten sehr nahe stehen. Viele polemische Flugschriften erschienen in Form von Sendbriefen. Schottenloher hat in seiner vielfach zitierten Arbeit gezeigt, daß im Laufe von fünf Jahren (1520—1525) über 50 Sendbriefe gedruckt worden sind. Ihre Adressaten waren entweder bestimmte soziale Gruppen der Feudalgesellschaft (vgl. die Flugschriften Luthers u n d Murners, die an den Adel gerichtet waren, die Flugschrift Huttens „Ein C l a g s c h r i f t . . . an alle stend Deutscher nation", die anonyme Flugschrift „An die versamlung gemayner Pawerschafft", „Drey Christlihe ermanung an die Baüwerschafft" von Lachmann und Luthers „Eyn Sendebrieff") oder der Adressat war eine bestimmte Person (vgl. die Flugschriften Luthers an K u r f ü r s t Friedrich, Müntzers an den Herzog von Sachsen, Emsers gegen Luther und Luthers gegen Emser, die Flugschriften Zwingiis gegen Fabri und die Flugschrift Ecks gegen Zwingli). Das Wort 'Sendbrief' braucht nicht im Titel zu stehen, vgl. „An die versamlung gemayner Pawerschafft" oder auch Cochlaeus' „Wyder die . . . rotten der Bawren". Die letzte Flugschrift stellt faktisch einen Sendbrief an Luther dar. Die dieser Gattung nahestehende Predigt (Sermon) hat keinen Adressaten, und deshalb fehlen auch die Elemente des umgangssprachlichen Briefstils, die mit der Anrede einer zweiten Person zusammenhängen. Dennoch besteht auch bei der Predigt die Möglichkeit, die Pathetik mit den Elementen der gesprochenen Sprache zu verbinden, was in der deutschen Predigt seit Berthold von Regensburg, besonders aber bei Geiler von Keisersberg zur Tradition geworden ist. Der Traktat, die dritte Prosagattung, lehnt sich mehr an die Traditionen lateinischer Traktate und an den deutschen Kanzleistil an (vgl. den Traktat Langes „Uonn gehorsam", Schappelers „Verantwortung vnnd auflosung", Hermans „Eyn Mandat Jhesu Christi an alle seyne getrewen Christen." o. O. [Wittenberg (Nickel Schirlentz)] 1524 usw.). I m übrigen gibt es auch hier in stilistischer Hinsicht nicht immer scharfe Grenzen, die eine Prosagattung von der anderen exakt trennen (s. Kapitel IV). Die übrigen Gattungen der politischen Literatur (chronikartige Aufzeichnungen, Versdichtungen und Lieder) bewahren die Besonderheiten dieser Gattungen aus früherer Zeit, und es besteht keine Notwendigkeit, in diesem Zusammenhang im einzelnen auf sie einzugehen.
Kapitel
III
Der Einfluß lokaler Faktoren auf die Differenzierung der Sprache der politischen Literatur
Es ist hinlänglich bekannt, daß es in der schriftlichen Literatursprache des 16. Jahrhunderts landschaftliche Varianten gab, die in einem gewissen Grade die Differenzierung der Literatursprache des vorangegangenen Jahrhunderts bewahrten. Darüber haben insbesondere A. Socin 108 und W. Henzen 109 gearbeitet, in den letzten Jahren am ausführlichsten M. M. Guchmann 110 . Jedoch blieben viele Fragen wegen des begrenzten und manchmal auch zufällig herangezogenen Materials ungenügend erforscht. Außerdem beschränkten sich viele Forscher auf eine bescheidene Zahl von Unterscheidungsmerkmalen einzelner landschaftlicher Varianten, wobei sie meist innerhalb der lautlich-graphischen Systeme blieben. Der in der vorliegenden Monographie untersuchte Typ des Schrifttums, der sich in verschiedenen Gebieten Deutschlands herausgebildet hat, erlaubt eine objektivere und konkretere Untersuchung dieser Problematik, da er viele Gattungen umfaßt, aber dennoch einen Literaturtyp darstellt. Die landschaftlichen Unterschiede der Literatursprache und speziell der Sprache der politischen Literatur sind durch zwei Faktoren bedingt: 1. durch die Sprachpraxis des Druckers (falls Drucker und Verleger nicht eine Person waren, muß auch mit dem sprachlichen Einfluß des Verlegers gerechnet werden und natürlich besonders mit dem des Korrektors) und 2. durch landschaftliche Besonderheiten der Sprache des Autors. Die Wechselwirkung dieser Faktoren bedingt auch die Kompliziertheit des landschaftlichen Variierens in der Sprache der politischen Literatur. Die Sprache einer Flugschrift kann vermutlich von beiden Faktoren abhängen, wobei sie eine eigenartige Abbildung zweier sich überschneidender Systeme darstellt. I n diesem Zusammenhang gehört es zur Aufgabe des vorliegenden Kapitels, nicht nur die landschaftlichen Unterschiede der Sprache der politischen Literatur und den Grad der Intensität des landschaftlichen Variierens in bezug auf die verschiedenen Sprachebenen herauszuarbeiten, sondern nach Möglichkeit auch den Einfluß des Druckers (Verlegers) als eines normierenden Faktors in der Entwicklung der schriftlichen Literatursprache zu untersuchen.
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Sprache der politischen Literatur Abschnitt 1 Die Rolle des Druckers bei der lokalen Differenzierung der Sprache der politischen Literatur 1
Bei der Untersuchung der Rolle der Druckpraxis dieses oder jenes Zentrums wäre es am aufschlußreichsten und am einfachsten, Handschrift und Druck zu vergleichen, wie das z. B . in einer Reihe von Arbeiten zur Sprache Luthers 111 und Sachs' 1 1 2 getan wurde. Diese Arbeiten brachten interessante Ergebnisse, da sie Normierungstendenzen in der Praxis der Druckzentren aufzeigten. Leider konnte jedoch diese Methode auf die Sprache der politischen Literatur nicht angewendet werden, da wir — von sehr wenigen Ausnahmen abgesehen (s. unten) — nicht über handschriftliches Material verfügen. Die Handschriften der politischen Flugschriften sind in ihrer überwiegenden Mehrzahl offenbar noch im Laufe der stürmischen Ereignisse des 16. Jahrhunderts von den Behörden vernichtet worden, wie das bei einigen Handschriften und Briefen Müntzers der Fall ist, oder sie wurden von den Autoren und Druckern selbst vernichtet, so daß wir bestenfalls eine handschriftliche Kopie aus jener Zeit besitzen. Möglicherweise blieb ein Teil handschriftlicher Flugschriften in entsprechenden deutschen Archiven erhalten, jedoch erwies sich unsere Suche in den Archiven der D D R als ergebnislos. Deshalb mußte für die Klärung der Rolle des Druckers bei der landschaftlichen Differenzierung der Sprache eine andere Vergleichsmethode angewendet werden. Am aufschlußreichsten war unter diesen Bedingungen 1. der Vergleich verschiedener Drucke des gleichen Textes, 2. der Vergleich von Drucken verschiedener Autoren bei dem gleichen Drucker, 3. der Vergleich verschiedener Werke eines Autors, von unterschiedlichen Druckern gedruckt. Nur ergänzend wurden die wenigen erhaltenen Handschriften einbezogen und mit den Drucken verglichen. In einem Kommentar zu den Neuauflagen der Flugschriften versuchte Alfred Götze seine aus dem Studium mittelalterlicher Handschriften gewonnene Erfahrung auf die Analyse der anonymen Versflugschrift „Kögel spil gebracttiziert auß dem yeczigenzwytracht des glaubens." o. O. u. J . [Augsburg (Melchior Ramminger) 1522] anzuwenden, die sich durch Merkmale verschiedener Dialekte auszeichnet 113 . Drucker war der Augsburger Melchior Ramminger, jedoch zeigt die Sprache dieses Denkmals deutlich Verbindungen zur Schweiz. Durch die Analyse des Reims will Götze die Gesetzmäßigkeiten der Sprache des Autors und die „Verbesserungen" des Druckers herausfinden, wobei er von der These ausgeht, „daß zwischen Verfasser und Drucker räumlich und damit auch mundartlich ein weiter Abstand ist" 1 1 4 . Führen wir einige Beispiele aus dem Aufsatz Götzes an. Die kontrahierte Form von haben der 3. P. PI. Präs. Ind. Akt. hond 'sie haben' ist durch den Reim als Form des Dichters belegt. Die analoge kontrahierte Form der 1. P. PI. begegnet gleichfalls im Text, aber nicht im
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Reim; sie wird von Götze in das System der Sprache des Dichters einbezogen, während die unkontrahierten (nach Götze „fremden") Formen haben, habent aus dem Text des Autors gestrichen werden. Auf Grund des Reimes frumm : Concilium schätzt Götze die überlieferte Form from als vom Drucker hineingesetzt ein; sie wäre dem Dichter fremd. Da die gerundeten und entrundeten Formen niemals aufeinander reimen, werden die Schreibungen kögel statt kegel, küsten statt kisten als Besonderheiten der Sprache des Druckers betrachtet. Das Fehlen eines Merkmals des Plurals im Neutrum kynd 'Kinder', das durch den Reim synd: kynd belegt ist, wird als Form des' Autors definiert. Der Plural kind-er dagegen wird als Verbesserung des Druckers angesehen. Götze nimmt an, daß Ramminger bis zu 400 Verbesserungen vornahm. Ihm werden alle Diphthongierungen zugeschrieben, die gerundeten Formen, die Beseitigung der Synkope im Präfix ge- (gestalt statt gstalt), die Schreibung von o statt u in fromm, kommen usw. Zweifellos ist Götzes Versuch von großer Bedeutung für die Bestimmung der Rolle des Druckers und des Verhältnisses zwischen seinem landschaftlichen Modell der deutschen Literatursprache und dem des Dichters. Das Bild ist in Wirklichkeit jedoch komplizierter, als es sich in der Abhandlung Götzes darstellt. I n einer Reihe von Fällen bestätigt der Reim die Existenz dialektaler Varianten in der Sprache des Dichters. So weisen die in den Reimen vorhandenen dialektalen Varianten sägen / sagen 'sagen', von denen sagen nur für die Schweiz charakteristisch ist, sagen dagegen weit verbreitet war, wie auch die kontrahierte (dialektal begrenztere) und die nichtkontrahierte (verbreitetere) Form des Verbs lon/lassen 'lassen' oder die im Reim verwendete Form des Partizips gewesen statt des südwestlichen gsin (vgl. Hofmeister, „Acta und handlung", Zürich) offensichtlich darauf hin, daß die Sprache des Autors eine breitere Grundlage h a t t e als seine Heimatmundart oder die auf ihr basierende Schreibsprache. Deshalb ist es bedeutend komplizierter, die Formen des Autors von denen des Druckers zu trenne». I n diesem Zusammenhang kann man vor allem feststellen, daß z. B. das Verhältnis von u/o in solchen Wörtern wie fromm, kommen bei den Schweizer Verfassern ein ziemlich buntes Bild ergibt. I n Zwingiis in Zürich gedruckten Schriften begegnen from, fromen ziemlich häufig (vgl. „Die dritte geschrifft"). Die gleiche Form fromer kommt in der Züricher Flugschrift Hofmeisters „Acta und handlung" vor 115 , andererseits ist für die Druckpraxis Rammingers o in Wörtern des Typs fromm gerade nicht typisch, was aus der Analyse seiner Drucke (s. weiter unten) hervorgeht. Der Hinweis ist schwerlich gerechtfertigt, daß die gerundeten Formen der Handschrift dem Einfluß des Druckers zugeschrieben werden müssen, da sie dem oberalemannischen Gebiet fremd wären. I n Wirklichkeit sind diese Formen in der Literatur aus Schweizer Städten, die bei Schweizer Druckern gedruckt wurde, nicht so selten, vgl. zwüschen statt zwischen in Hofmeisters „Acta und handlung", wüssen statt wissen (ebd.) 116 . Auch andere Thesen von Götze veranlassen zu kritischen Bemerkungen. Zweifelhaft ist der Ausschluß der Form habend (3. P. PI.) aus dem Text des Dichters allein mit der Begründung, daß sie im Reim nicht
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begegnet (und keine südalemannische Form sei; vgl. das Prinzip ghabt im Reim mit trabt). Auch diese Form ist neben der kontrahierten in Züricher Drucken Zwingiis gebräuchlich (vgl. „Die dritte geschrifft"). Schließlich sind die Überlegungen Götzes bezüglich der synkopierten und nichtsynkopierten Formen des Präfixes ge- ungenau, da faktisch für alle Schweizer Drucke die Verwendung beider Varianten charakteristisch ist, vgl. bei Zwingli geschrifft, gelert, genennet, gethon, aber ggeben, gschickt, gsessen, gschrifft usw. und bei Hofmeister Gespräch, geschehen, gehandelt, gewonheit, aber gwalt, gfare, vnglert, gmeynd usw. Demnach waren jene landschaftlichen Dubletten, die Götze als eine Vermischung von Formen des Autors und des Druckers ansieht, in hohem Maße der südwestlichen Variante der Literatursprache eigen, die in der Tradition der Züricher Drucker vertreten war. Da im 15. und noch mehr im 16. Jahrhundert die Sprache des Schrifttums nirgends mit dem Dialekt identisch war und überall die Existenz von Dubletten zu beobachten ist, die durch die Einbeziehung fremder dialektaler Formen in diese oder jene landschaftliche Variante der Literatursprache bedingt sind, gibt es faktisch keine Berechtigung für die Annahme, daß der Autor des „Kogel spil" a l l e Besonderheiten des Heimatdialekts bewahrte. Folglich ist die Anwendung solcher Methoden, um die Sprache des Autors von der des Druckers abzugrenzen, eigentlich nicht berechtigt, um so mehr, als dabei von Götze kein umfangreiches Vergleichsmaterial herangezogen wird. Besondere Beachtung verdient in diesem Zusammenhang die Position der neuen Diphthonge in der untersuchten Flugschrift. Die Züricher Drucker dieser Zeit halten an den alten Monophthongen fest, wodurch sie sich von den Druckern Basels und noch mehr von denen Straßburgs unterscheiden, die die diphthongierten und nichtdiphthongierten Formen nebeneinander verwendet haben (hierbei überwiegen in dem einen Teil der Flugschriften die nichtdiphthongierten, im anderen dagegen die diphthongierten Formen, s. unten). Es fallen die sowohl im „Kogel spil" als auch in anderen Schweizer Flugschriften (vgl. die von Pamphilus Gengenbach gedruckten Baseler Flugschriften) vorhandenen sogenannten hyperkorrekten Formen vom Typ neut < nüt auf, die alemannische Negationsform für nichts117. Im „Kogel spil" reimt neut mit leut, wobei natürlich der Reim nüt: lüt rekonstruiert wird. Es taucht die Frage auf, wer die hyperkorrekte Form „verschuldet" hat. Stammt sie vom Drucker, der lüt in leut veränderte und mechanisch nüt in neut, oder vom Autor, der bestrebt war, die ihm fremden Diphthonge zu bezeichnen und analog ü > eu in nüt änderte 1 Der Umstand, daß diese Erscheinung keine ausschließliche Besonderheit des „Kögel spil" ist, sondern auch in den Drucken Gengenbachs vorkommt und in den wohl von ihm verfaßten Schriften, macht die Annahme wahrscheinlich, daß diese Form eine der verbreiteten hyperkorrekten Formen der südwestlichen Variante der Literatursprache war. Andererseits k a n n sich aber gerade in der Häufigkeit der bezeichneten neuen Diphthonge der Einfluß des Druckers äußern. Wir haben speziell deshalb die von Götze auf die Sprache des „Kogel spil"
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angewandten Methoden der Analyse und die daraus gewonnenen Schlußfolgerungen untersucht, um zu zeigen, wie kompliziert das Problem der Abgrenzung der Sprache des Autors von den durch den Drucker hineingetragenen Elementen ist, wenn eine einzelne anonyme Handschrift untersucht wird, über deren Autor nichts bekannt ist, und wenn kein weiteres Vergleichsmaterial herangezogen wird. I n diesem Zusammenhang ist es notwendig, auf folgendes hinzuweisen. Obwohl in diesem Kapitel als bestimmende Faktoren f ü r die landschaftliche Differenzierung der Sprache der politischen Literatur nicht nur die landschaftlichen Besonderheiten der Sprache des Autors, sondern auch die Praxis des Druckers herausgearbeitet werden sollen, gehört es keineswegs zur Aufgabe dieser Arbeit, jede Flugschrift unter diesem Aspekt zu untersuchen. Es geht einerseits darum, die Druckerpraxis als einen bestimmenden Faktor in der E n t wicklung der schriftlichen Literatursprache unter Benutzung der oben bezeichneten Methodik zu studieren, andererseits die Formen der landschaftlichen Differenzierung als einer bekannten Größe unter Berücksichtigung des gegenseitigen Einflusses der verschiedenen Traditionen der schriftlichen Literatursprache global zu untersuchen.
2 Unter den Arbeiten, die der Druckersprache der Reformation und des Bauernkrieges gewidmet sind, ist die Untersuchung Alfred Götzes hervorzuheben 118 , in der nicht nur grundlegende Mitteilungen über jeden Drucker enthalten sind, sondern in Ansätzen auch Angaben zur Sprache der Drucke gemacht werden, die sich auf lautlich-morphologische Besonderheiten des Textes beziehen 119 . Selbst wenn man sich auf das in dieser Arbeit angeführte Material beschränkt, zeigen sich zwei wichtige Elemente ziemlich klar: 1. Ganz offensichtlich besteht ein Unterschied zwischen der Sprache des Druckers und den sprachlichen Gesetzmäßigkeiten des entsprechenden Dialektgebietes. Insbesondere spiegeln die bei den Straßburger Druckern vorkommenden diphthongierten Formen nicht die örtlichen sprachlichen Prozesse wider, sondern sind dem Einfluß der Drucker andrer Zentren zuzuschreiben, vor allem dem Einfluß Augsburgs. Die z. B. in Basel neben den südwestlichen gon, ston vorkommenden östlichen Formen geen, steen beruhen nicht auf Ausstrahlungen des gesprochenen Dialekts, sondern auf dem Einfluß des Schrifttums. Die von dem Wittenberger Drucker Lotter verwendete (seltene) Schreibung ue < mhd. uo (vgl. Luthers Sendbrief „An den Christlichen Adel") spiegelt gleichfalls keine dialektalen Besonderheiten Sachsens wider, da hier schon im 13. J a h r hundert die Tendenz zur Monophthongierung der alten Diphthonge aufkommt. Wenn man die Isoglossen vergleicht, die einerseits auf einer Dialektkarte und andererseits auf der Verallgemeinerung der Druckersprache verschiedener Zentren fußen, so fallen diese keineswegs zusammen. Es muß deshalb
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bei der Untersuchung des Einflusses der Druckersprache auf die regionalen Differenzen in der Sprache des politischen Schrifttums stets berücksichtigt werden, daß hier lokale Traditionen der schriftlichen Literatursprache vorliegen, die historisch nicht selten mit bestimmten Schreibschulen verbunden sind und keine unmittelbare Widerspiegelung eng begrenzter dialektaler Besonderheiten dieses oder jenes Gebietes geben. 2. Dadurch wird auch das Fehlen einer völligen Übereinstimmung in der Sprache der Drucker ein und desselben Zentrums teilweise erklärt (s. weiter unten). Die von Götze gemachten Angaben vermitteln nur eine annähernde Vorstellung von der Verteilung der lautlich-graphischen, morphologischen und einiger lexikalischer Varianten auf die Druckzentren. Für die Aufgaben, die der vorliegenden Untersuchung gestellt sind, war das Material von Götze wenig ertragreich. Nach den oben aufgestellten methodischen Prinzipien wurde eine vergleichende Analyse von verschiedenen Drucken des gleichen Textes durchgeführt. Zu diesem Zweck wurden fünf Drucke einer Flugschrift Huttens, mehrere Drucke der „Zwölf Artikel der Bauern" und mehrere Drucke des „Karsthans" ausgewählt. Die antipäpstliche Flugschrift Huttens „Ain Anzaygung/ wie allwegen sich die Römischen Bischoff oder Bäpst gegen den Teütschen Kaysern gehalten haben" wurde 1521 in Augsburg bei Sigmund Grimm und Marx Wirsung gedruckt, im gleichen Jahr in Worms bei Hans Werlich und in Erfurt bei Matthes Maler. Das genaue Datum der beiden anderen Drucke, des bei Johann Schott in Straßburg und des bei Johann Eckhardt in Speyer hergestellten Drucks, ist unklar. Möglicherweise gehören diese Drucke ebenfalls ins Jahr 1521 (Straßburger Druck) oder aber ins Jahr 1522 (Speyrer Druck). Der auswählende Vergleich des Textes der fünf Drucke wird in einer Tabelle gegeben mit der Reihenfolge: Spalte I Augsburger Druck (von Sigmund Grimm) Spalte I I Erfurter Druck Spalte I I I Straßburger Druck Spalte IV Wormser Druck Spalte V Speyrer Druck Tabelle I
II
ainer B&lig wurdt auß ainem maisten küpt
eyner selig wirdt auß ainen —
küpt
III
IV
V
Vorwort einer selig würt vß einem minsten kompt
eyner selig wurdt auß ainem maistn kompt
eyner selig wurdt auß einem meisten kompt
Einfluß lokaler Faktoren a u f die Sprache der politischen Literatur I darnach frembden günnen maisten wider-noch hinfüro in der leng Etlich gethane anzaygt
II darnach frembden gunnen wider-noch hinfüro in der leng etlich gethane anzaygt
III
IV
V
darnoch frömbden gönnen minsten
darnach frembden günen maistn weder-noch hinfürter in der leng etliche gethane angezaigt
darnach frembde güden meisten weder-noch hinfürter in der leng etliche gethane angezaigt
do mugn der listig bapst son seine mal darnach gewonen vergossen gewest auß dem staub gehabt gottfürchtig auffgeworffen darnach etliche stedt hülff auffrür gethan auff gemein nutz sein geweist gewest were diemütigkait darin der from ltaiser
do muge d' listig bapst son sein mal darnach gewonen v'gossen gewest vß de staub gehabe gotfurchtig vffgeworffen. darnach etlich stedt hilff auffrur gethorl vff gemein nutz. sein
hinfürter in der lenge etliche gethone angezöigt A iij Do do do mügen mugen mögen der listig der listig der listig Bapst bapst Bapst sun seinen sun seinen sün — mol mal darnach darnoch darnach gewunnen gewunnen gewunen vergossen was vergossen was vergossen gewest auß dem staub auß dem staub vß dem staub gemacht gemacht gehabt gotzfürchtig gotfurtig gottsförchtig auffgeworffen auffgeworffen vffgeworffen darnach darnach darnoch etliche S t 6 t t etliche S t e t etliche stett hülff hülff hilff aufrür vffrür auffrür gethan gethann gethonn auff auff vff gemayn nutz gemayn nutz gemejn nutz sein sein sein gewest ist gewest ist gewest gewesenn gewest gewesen demietickait demietickeyt demütigkeit darin dar in darin der frum der frum der from kayser keyßer kayser
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gewest were demütigkeit darin der from keiser
I n einigen Fällen gibt es a u c h kleine Abweichungen im T e x t . I m Augsburger und E r f u r t e r D r u c k mit fast identischem T e x t sind einige E r g ä n z u n g e n im V e r gleich zu den anderen D r u c k e n festzustellen, im großen und ganzen bestellen a b e r keine textlichen Abweichungen und a u c h keine bedeutenden U n t e r s c h i e d e in der L e x i k und Morphologie. Die Hauptbesonderheiten zeigen sich im L a u t l i c h Graphischen. Sie sind a m größten und a m festesten im S t r a ß b u r g e r D r u c k , wo
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die alten Monophthonge in v f f ( —) und vß( —) erhalten sind; häufig sind die Fälle des Übergangs von a > o, vgl. mol, darnoch, dorin im Unterschied zu mal, darnach, darin der anderen Drucke. Bezüglich der Verteilung von u und o haben der Augsburger und der Erfurter Druck in allen Fällen u, vgl. küpt 'kommt', sun, gotzfürchtig/gotfurtig, günnen/gunnen, mügen/mugen, gewunnen, frum, im Unterschied zum Straßburger Druck, der gönnen, kom.pt, gotsförchtig, from hat und zum Wormser Druck, in dem kompt, son, froin, gewonen, aber günen, mügn, gottfürchtig vorkommen, und zum Speyrer Druck, der die gleiche Verteilung von u und o wie der Wormser Druck hat. Auch die Wiedergabe der Rundung ist zu beachten. Nur der Augsburger Druck hat die gerundete Form Stött 'Städte', in allen anderen Drucken wird die ungerundete Form bewahrt; die gerundete Form hülff erscheint im Augsburger, Erfurter und Wormser Druck, während der Straßburger und der Speyrer Druck hilff bewahren. Die gerundete Form wurdt/würt erscheint in allen Drucken außer dem Erfurter. Nur der Straßburger Druck enthält gerundete Varianten in solchen Wörtern wie frömbden, in den anderen Drucken steht frembden, angezöigt statt angezeigt. Es gibt Unterschiede in der Verteilung von ai/ei, ay/ey. Obwohl die Schreibung ai neben ei, ey in allen Drucken vertreten ist, wird sie konsequent zur Abgrenzung der alten und neuen Diphthonge vornehmlich im Augsburger Druck verwendet. Bei der Apokope gibt es keine großen Abweichungen, vgl. das Fehlen des Endungs-e in den Pluralformen stött, stet, stett usw., das fehlende -e im Nom. des fem. Substantivs hülff und entsprechende Varianten. Nur unbedeutende Abweichungen werden in den attributiven Wortgruppen (d. h. Substantiv mit Adjektivattribut) beobachtet, vgl. in allen Drucken gemein nutz, d . h . es steht die kurze (endungslose) Form des Adjektivs; in der Wortverbindung etliche Stött bewahrt das Attribut beim Substantiv PI. das Endungs-e in allen Drucken, mit Ausnahme des Speyrer Druckes. Dasselbe Attribut in Verbindung mit einem zweiten Attribut etliche gethane hat nur im Augsburger und Erfurter Druck keine Endung, in den übrigen Drucken ist die Form etliche vertreten. Bei der näheren Analyse der Sprache jedes Drucks fällt die besondere Ähnlichkeit zwischen dem Augsburger und dem Erfurter Druck auf, wobei der Erfurter Druck nicht eines der spezifischen Merkmale der ostmitteldeutschen Variante der Literatursprache enthält: keinen Übergang von u > o, keine spezifischen Formen einzelner Lexeme; trotz der Behauptung Götzes in der oben zitierten Arbeit kommt in Malers Druck die Schreibung ai vor usw. Es ist charakteristisch, daß auch der Straßburger Druck weder geschlossene Diphthonge noch altes undiphthongiertes % enthält. Mit anderen Worten, die Drucker gingen in den angeführten Drucken von den für sie üblichen und charakteristischen Gesetzmäßigkeiten ab. Natürlich erhebt sich die Frage, ob das durch die Sprache des Autors oder aber durch die Besonderheiten des Erstdrucks der untersuchten Schrift bestimmt war, der in hohem Maße als Muster f ü r die übrigen Drucke diente. Die Antwort auf diese Frage kann erst nach der Analyse des gesamten herangezogenen Materials gegeben werden.
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Außerordentlich interessant ist das Material der verschiedenen Drucke der „Zwölf Artikel der B a u e r n " . Götze 120 weist in seiner Untersuchung ü b e r die b e r ü h m t e Flugschrift nach, daß 1525 über 20 Drucke erschienen waren u n d außerdem 7 handschriftliche Kopien erhalten sind. Einige Drucke u n d H a n d schriften bringen einen leicht veränderten T e x t . Der Augsburger Druck Melchior Rammingers wird f ü r die ursprüngliche R e d a k t i o n gehalten, f ü r die unmittelbare oder mittelbare Quelle aller übrigen Varianten. Die Flugschrift ist nachgedruckt worden: in Augsburg bei J o h a n n Schönsperger, in Basel bei Andreas Cratander, in Nürnberg bei J o b s t Gutknecht u n d bei Hieronymus Höltzel, in Straßburg bei J o h a n n Schott, in Regensburg bei Paul Kohl (zwei Drucke), in E r f u r t bei Matthes Maler (zwei Drucke), in Zwickau bei J ö r g Gastel, in Wittenberg bei Nickel Schirlentz und bei J o h a n n Grunenberg (zwei Drucke), in Breslau bei Adam Dyon, in R o t h e n b u r g bei Conrad K e r n . Die Drucker einiger Drucke sind unbekannt, davon sind vermutlich zwei D r u c k e (nach der angenommenen Nomenklatur A, E r l i ) in Nürnberg, einer in Basel gedruckt worden. Der Vergleich der verschiedenen Drucke auf Grund des Materials, das Götze zusammengetragen h a t , erlaubt es, die Besonderheiten der einzelnen D r u c k e herauszustellen und die Prinzipien festzulegen, die als Ursache der in die s p ä t e r e n Drucke hineingetragenen Veränderungen gedient haben. Der G r u n d t e x t (Rammingers Druck) bietet ein Nebeneinander von g e r u n d e t e n (wölcks, vielleücht, plutvergüssen, erwölen, innholt, wollen/wellen) u n d e n t r u n d e t e n Formen, wobei die E n t r u n d u n g relativ häufig ist: vgl. kinden 'könnt e n ' , gegrindt 'gegründet', beschitzen 'beschützen', verkindt ' v e r k ü n d e t ' , yeben 'üben', zegeherendt 'zugehörend', einbiessen 'einbüßen', ablesen 'ablösen', briederlich, aber auch brüderlich, außzureytten 'auszurotten'. Viele N a c h d r u c k e beseitigen mehr oder weniger konsequent sowohl E n t r u n d u n g als auch R u n d u n g . Die Nürnberger Drucke Gutknechts u n d Höltzels bringen künde/künden, gegrünt/gegründt, verkündet, brüderlich/brüderlich, gehörend/zügehorendt, außzüreüten/auß züreutten. Analoge Veränderungen finden sich im Baseler D r u c k Cratanders: künden, gegründt, verkündt, bruderlich, würdig zü gehörend, außreüten, vgl. auch den möglicherweise in Basel erschienenen Druck (C 122 ), sowie den Zwickauer u n d Straßburger Druck, wo die gleiche Tendenz beobachtet werden k a n n . I m Straßburger Druck werden viele E n t r u n d u n g e n von ü u n d ö beseitigt. Andererseits ist die R u n d u n g im Zwickauer Druck, im Wittenberger Druck Grunenbergs (nicht bei Schirlentz) u n d — wenn auch inkonsequent — im Nürnberger Druck Höltzels beseitigt. E s stellen sich auch Unterschiede in Synkope und Apokope heraus. Der Erstdruck gibt z. B. das P r ä f i x ge- in zwei Varianten ge-/g- wieder, wobei ge- die häufigere Variante ist: geschrifft, gesetzt, gestalt, gehandelt, genad, gewalt usw., gbegegnet in gmain neben gemain, in gnugsamer, vgl. auch die synkopierte F o r m korsarn < gehorsam. I m Zwickauer Druck ist gmain in gemeyn geändert, gnugsamer in genügsamer, korsam in gehorsam; demgegenüber ist im Baseler D r u c k die Zahl der synkopierten Formen größer, es erscheinen gschrifft, gwild, e wird
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auch in Verbformen synkopiert, vgl. gericht(et), erfüldt, verkindt(et), erfindtB u n t ist auch das Bild der apokopierten und der nichtapokopierten F o r m e n . I m E r s t d r u c k sind die apokopierten F o r m e n charakteristisch für den Plural der Substantive, v g l . f e y n d , leüt, thyer, frücht, dyenst, Satzung; im Singular der f e m . Substantive herrschen sie v o r : gnad, vrsach, leer, kirch, sach, lieb (aber auch liebe) usw. I m Zwickauer Druck wird ziemlich konsequent e a n bzw. eingefügt: vgl. feynde, gegründet, erfüllet usw. Ähnlich ist es bei den attributiven Wortgruppen, wo es schwierig ist, allgemeine Gesetzmäßigkeiten festzustellen. Die Distribution von d j t ist in den verschiedenen Drucken unterschiedlich. I m Zwickauer Druck z. B. bleibt d nach Sonoren erhalten {ld, rd, nd) im U n t e r schied zum Augsburger Druck, wo sich in diesen Verbindungen t gefestigt hat. Unterschiedlich ist auch die Distribution von a / o: I m E r s t d r u c k hand, im Baseler Druck hond; Erstdruck söl, oder — Zwickauer Druck sal, ader; E r s t d r u c k war — Breslauer Druck wor; E r s t d r u c k da, dar, nach — Zwickauer Druck do, dor, noch usw. Es variiert die Distribution von u / o: im E r s t d r u c k dominiert u, o f i n d e t sich nur in sond' 'sondern' und kommen, deshalb wurden geändert: Erstdruck antwurt in antwort im Wittenberger (Grunenberg), Regensburger u n d Breslauer Druck; E r s t d r u c k sunst in sonst im Regensburger D r u c k ; Erstdruck trutz in trotz im Straßburger Druck; E r s t d r u c k müg, müge in mög, mögen im N ü r n berger Druck (Höltzel) usw. E s werden einzelne Verbformen v e r ä n d e r t : geyt des Erstdrucks wird gibt im Zwickauer u n d Wittenberger (Grunenberg) Druck, seyn wird sind im Zwickauer und Baseler Druck, stat wird östliches steet im Regensburger, Breslauer und in den Nürnberger Drucken. Auch die Personalendungen des Verbs werden v e r ä n d e r t ; hier ist die Distribution der synonymen Formen jedoch ziemlich vielfältig. I m E r s t d r u c k bei Ramminger z. B. erscheinen die Personalendungen des Plurals in den Varianten -nt / -n: vgl. 3. P . PI. nemen (Einl. 5^3), Antwurte (Einl. 12), auffbömen (Einl. 28), haben (6, 7), aber nachuolgent (1,1), hettendt (11,8), habend (5, 3), hand (11, 7) usw. Der Breslauer Druck h a t nachuQlgen, der Nürnberger (Höltzel) ketten, haben, dagegen ä n d e r t der Baseler müge (Einl. 35) in müged. E s gibt auch vereinzelte Veränderungen in der Lexik, vgl. tagwercker (8,8), das in der Ausgabe E (Nürnberg? 1 2 4 ) in taglöner geändert wird, und es gibt Abweichungen in der Wortstellung, manchmal auch in den syntaktischen K o n s t r u k tionen ; so wird z. B. das Dativ-Verhältnis dem herren dienst im Straßburger Druck in der herren dienst geändert. Die Variantenanalyse der verschiedenen Drucke der „Zwölf Artikel der B a u e r n " erlaubt es, zwei Gruppen von Erscheinungen herauszuarbeiten: 1. I n den Drukken stehen synonyme Formen nebeneinander, aber ihre Distribution ist bei den einzelnen Lexemen nicht gleich. Das bezieht sich auf die behandelten Personalendungen des Verbs, auf die apokopierten F o r m e n , obwohl die mitteldeutschen Drucke im allgemeinen weniger Fälle von Apokope wiedergeben. Diese Ab-
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•weichungen sind oft unabhängig von den lokalen Besonderheiten der gesprochenen Sprache des Gebietes, in dem sich dieses oder jenes Druckzentrum befindet. 2. Die Abweichungen sind bedingt durch das Vorhandensein territorialer Varianten in der Literatursprache selbst, z. B. sol / sal, oder / oder, genent / genant, vgl. auch welche und milche (Zwickau), die Distribution M/O usw. Zugleich verdient wie beim Vergleich der fünf Drucke der Flugschrift Huttens das Fehlen oder die äußerste Begrenztheit einiger fester lokaler Merkmale in bestimmten .Zentren Aufmerksamkeit. So zeichnet sich der Straßburger Druck durch das fast völlige Fehlen undiphthongierter Formen aus, die doch für dieses Druckzentrum typisch sind (s. unten). Diese Beobachtung trifft auch auf den Baseler Druck sowie auf den Druck C' zu, vorausgesetzt, daß dieser Druck wirklich zur Baseler Drucktradition 125 gehört. Es ist charakteristisch, daß die Nachdrucke auch in ihrer Graphematik die Traditionen der entsprechenden Druckzentren gleichsam sprengen. In den Baseler Drucken von Cratander fehlt gewöhnlich die Schreibung aii26, im Nachdruck der „Zwölf Artikel" wird sie nicht nur häufig angewendet, sondern sie steht auch dort, wo im Erstdruck andere Grapheme (ei, ey) verwendet werden. Von großem Interesse ist das Verhältnis der verschiedenen Drucke zu den gerundeten und entrundeten Formen. Die gerundeten Formen sind voll und ganz aus dem Zwickauer Druck entfernt, teilweise auch aus dem Nürnberger Druck Höltzels; sie sind in einer Reihe von Drucken erhalten, und zwar nicht selten entgegen den persönlichen Gewohnheiten des Druckers. Umgekehrt werden, wie schon oben festgestellt, die entrundeten Formen mehr oder weniger konsequent in •den meisten Drucken beseitigt. Indessen ist bekannt, daß die Entrundung im 16. Jahrhundert in den hochdeutschen Dialekten — mit Ausnahme des mittelund ostfränkischen, des südlichen thüringischen und hochalemannischen Dialekts — eine große Verbreitung erfuhr; folglich kann die Beseitigung der entrundeten Formen im Straßburger und Breslauer Druck und in den Wittenberger Drucken nicht dialektalen Differenzen zugeschrieben werden. Außerdem ist die Entrundung in den verschiedenen Drucken Rammingers nicht gleich häufig durchgeführt. In Schappelers Traktat „Verantwortung vnnd auflösung" sind Fälle mit Entrundung sehr selten, vgl. mechten, aber auch mochten, möcht, buchern, buchlein, rümen, füren, müssen, lügen, mündtlich, verkündung, füncklein, künig, münch, ergründet, könn (Konj.), erlösung usw. Es ist bemerkenswert, daß in einigen handschriftlichen Varianten der Forderungen der Bauern die Entrundung häufig vorkommt. Der in der Korrespondenz des schwäbischen Hauptmanns Artzt 127 angeführte Text des Vertrages der Bauern, seinem Inhalt nach dem Text der anonymen Flugschrift „Handlung Artickel vnd Instruction" sehr ähnlich (die Handschrift trägt die Überschrift „Handlung und artickl so furgenomen worden auf aftermontag nach der althfaßnacht von allen häufen und raten so sich zusamen verpflicht habend in dem namen der heiligen untzertheilten trivaltikheit"), hat eine bedeutende Zahl entrundeter Formen: gietter 'Güter', ybel 'übel', critzer 'Kreuzer', miessen 'müssen', unbetriebet 'unbetrübt', briederlich liebe, herte 'hörte', verlimdet 'verleumdet', verbietet 'verhütet'. An-
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dererseits sind Fälle von Entrundung nicht nur in der gedruckten Flugschrift („Handlung Artickel vnd Instruction"), sondern auch in einer anderen handschriftlichen Variante 1 2 8 nur vereinzelt anzutreffen. Vermutlich wurde die Entrundung, ähnlich wie einige andere Erscheinungen (z. B. die Monophthongierung der Diphthonge ei, ou (au) in helge < heilige, globen < glouben, beme < bäume, die zwar in verschiedenen Dialekten weit verbreitet ist, aber in den ostmitteldeutschen, Augsburger, Straßburger und Baseler Drucken nur sporadisch erscheint oder wie der Übergang von d > au in Schwaben), von den Druckern und einigen Autoren als ein Lautwandel aufgefaßt, der dem System der schriftlichen Literatursprache widerspricht. Deshalb wird zu klären sein, ob die Einbeziehung landschaftlicher Merkmale oder deren Fehlen in der Sprache der gedruckten Flugschriften nicht nur von den Besonderheiten dieses oder jenes Dialektgebietes oder der lokalen schriftlichen Tradition, sondern auch von der sozialen Schichtung der Sprache abhängig ist. Die sozial bewertenden Kriterien überschichten die lokalen differenzierenden Merkmale. Die Vermischung der Vokale der gerundeten und entrundeten Reihe rief eine nichtorganische Rundung hervor, wie sie im einzelnen in den entsprechenden Drucken der „Zwölf Artikel der Bauern" zu beobachten ist. Es ist charakteristisch, daß in der Handschrift von „Handlung Artickel vnd Instruction" neben zahlreichen entrundeten Formen auch Bildungen begegnen wie künd < kind, göben < geben. Vielleicht können diese gerundeten Formen als hyperkorrekte Varianten betrachtet werden. So f ü h r t der Vergleich der verschiedenen Drucke der „Zwölf Artikel der Bauern" und der Flugschrift Huttens zu der Annahme, daß die Nachdrucke weder die Sprache des Erstdrucks wiedergeben, noch das vollständige Zeichensystem des betreffenden Druckzentrums. Offensichtlich fand in diesen Fällen ein eigenartiges gegenseitiges Durchdringen zweier verschiedener Drucktraditionen statt. Wenn diese Vermutung gerechtfertigt ist, so müßte sich im Ergebnis die Buntheit und Instabilität der unterschiedlichen Merkmale der verschiedenen Druckzentren noch verstärken (s. unten und Kapitel V). Als dritte Quelle für den Vergleich verschiedener Drucke ein und desselben Werkes wird „Karsthans" ausgewählt. Er wurde zuerst in Straßburg durch Johann Prüss gedruckt, bald darauf erschienen Nachdrucke: in Straßburg bei Johann Prüss und außerdem bei Wolfgang Köpfel; in Augsburg bei Jörg Nadler, Melchior Ramminger, Simprecht Ruff und wohl auch bei Silvan Otmar; in Basel bei Adam Petri (2 Drucke) und Pamphilus Gengenbach. Der Text des Erstdrucks wie auch die anderen Augsburger Flugschriften zeichnen sich durch einen bestimmten Komplex lautlich-graphischer, lexikalischer und morphologischer Merkmale aus; besonders im Wortschatz zeigen sich Erscheinungen, die offensichtlich südlich vom elsässischen Dialektgebiet beheimatet sind 129 . Charakteristisch scheint die Vermischung diphthongierter und nichtdiphthongierter Formen zu sein: seiner zeit, dein, schreidt, leüten, euch,
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aber min zügnis, sin 'sein' (Verb), glich, bur, tüffel, üwer usw., wobei ein und dasselbe Lexem in diphthongierter und nichtdiphthongierter Form a u f t r i t t : tüffel/ teüffel, üch/euch, sin/sein usw. Der Augsburger Druck J o h a n n Nadlers beseitigt die nichtdiphthongierten Formen mit wenigen Ausnahmen (es bleibt v f f , latinisch, ertrich), die alten geschlossenen Diphthonge ou, ei werden in au, ai (ay) geändert; diese Veränderungen sind mit einigen Unterschieden auch für die anderen Augsburger Drucke charakteristisch. Von den Baseler Druckern bemüht sich nur Gengenbach, die alten Monophthonge zu beseitigen. Aber wie fremd seinem Sprachempfinden und seiner Druckpraxis die neuen Diphthonge sind, ist aus den hyperkorrekten Formen nateurlich 'natürlich', geschreiben 'geschrieben' zu ersehen. I n den einzelnen Drucken ist außerdem die Verteilung der gerundeten und entrundeten Formen bei den einzelnen Lexemen unterschiedlich.
3 Der Vergleich verschiedener Werke ein und desselben Autors in verschiedenen Druckzentren und bei verschiedenen Druckern soll die oben gemachten Angaben ergänzen. Als Ausgangsmaterial wurden Schriften Heinrichs von Kettenbach ausgewählt, die in Bamberg bei Georg Erlinger und in Augsburg bei Melchior Ramminger und anderen gedruckt wurden, in Allstedt und Nürnberg gedruckte Werke Thomas Müntzers, Werke Johann Ecks, die in Ingolstadt und Wittenberg gedruckt wurden, und J o h a n n Fabris, in Mainz und Leipzig gedruckt. Leider ist uns nichts über den Geburtsort Kettenbachs bekannt, über seine Kindheit und Jugend und seinen Ausbildungsgang, noch über Verbindungen zu irgendwelchen Universitäten. Nach seinen Werken zu urteilen, erhielt Kettenbach eine solide theologische Ausbildung. Er kennt nicht nur die Bibel und die Kirchenväter, sondern auch die Scholastik und das kanonische Recht, die Schriften Thomas von Aquins und Duns Scotus'. Das einzige, was über ihn bekannt ist, ist sein Aufenthalt im Franziskanerkloster zu Ulm 1521, wo sich auch der bekannte Anhänger Luthers Johann Eberlin von Günzburg aufhielt. Die veröffentlichten Flugschriften Kettenbachs sind typisch für die antipäpstliche Literatur. Kettenbachs Werke sind vor allem mit Ulm verbunden: „Eyn gesprech . . . mit aim . . . mütterlin von Vlm" (gedruckt in Augsburg); „Ein Sermon bruoder Heinrichs vonn Kettenbach zu der loblichen statt Vlm zu eynem valete: das ist zu der letze." o. 0 . [Bamberg (Georg Erlinger)] u. J . ; „Ein sermon wider des bapsts kuchen prediger zu Vlm" (gedruckt in Augsburg bei Ramminger). Nach Kettenbachs eigenen Worten zu urteilen, mußte er Ulm verlassen und in die Verbannung gehen, wie es in jenen Jahren oft Predigern erging, die gegen die offizielle Kirche und ihr Oberhaupt auftraten. Seine Spur verliert sich danach, neue Flugschriften von ihm wurden nicht veröffentlicht. Es ist bekannt, daß er mit Franz von Sickingen Verbindung hatte, wenn vielleicht auch nur indirekt.
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Möglicherweise hat sich die Zerschlagung der Ritterheere auch auf sein Schicksal ausgewirkt 13°. Daraus geht hervor, daß Kettenbach keinerlei Verbindung zu einem bestimmten Dialektgebiet nachgewiesen werden kann, weder durch direkte, noch durch indirekte Hinweise. Es liegt nur die Sprache seiner Flugschriften vor, die hervorragende Beispiele polemischer Literatur der Zeit der Reformation und des Bauernkrieges sind. Aber die Flugschriften, die bei verschiedenen Druckern und in verschiedenen Zentren gedruckt wurden, lassen kein einheitliches System der Sprache des Autors erkennen, wobei das Fehlen der Homogenität nicht alle sprachlichen Ebenen charakterisiert. Wenn man von stilistischen Besonderheiten des erwähnten Dialogs „Eyn gesprech . . . mit aim . . . mütterlin" absieht, in dem es ziemlich viele Elemente der Syntax der gesprochenen Sprache gibt — besonders in der Sprache der Gesprächspartnerin Kettenbachs —, sind Lexik, Phraseologie und individuelle stilistische Besonderheiten (s. Kapitel IV) in den verschiedenen Flugschriften stabil. Stark variabel sind die lautlich-graphischen und teilweise die morphologischen Merkmale. Besonders fällt der Unterschied in den Flugschriften hinsichtlich der Diphthongierung auf. Die Augsburger Drucke bewahren nur in vereinzelten Fällen die alten Monophthonge: erdtrych, syder 'seitdem', duckmüsse 'Duckmäuser' („Ein sermon wider des bapsts kuchen prediger"); syn, zyt, erdtrich,fynd („Eyn gesprech . . . mit aim . . . mütterlin"). Die Bamberger Drucke bei Erlinger zeichnen sich dagegen durch ungeordnete Vermischung diphthongierter und nichtdiphthongierter Formen aus: syn reich, mein reich, aber auch rych; zeitlich, zeit, aber auch der zyt, syner zyten; spyß, aber auch speiß; bleyben, aber blybt, bey, beicht, aber wyber, glych, wyß usw. („Verglychüg"). I n der letzten Flugschrift überwiegt gewissermaßen der Diphthong, was die statistische Analyse beweist. I n „Ein Sermon . . . zu der . . . statt Vlm" überwiegen dagegen die nichtdiphthongierten Formen: sy 'sei', zyt, spyß, mynem, glyßnery, lyb, pyn, schryben, wyn, bychten usw.; vgl. v f f , vß, daruß, huß, tüfelisch, lüt, aber auch teuffei, leüt und Creutz, heüser. Von den alten Monophthongen ist in den Bamberger Drucken das i am festesten. I m übrigen wird in den verschiedenen Flugschriften unterschiedlich verfahren. Fast völlig dominieren die diphthongierten Formen in der dritten Flugschrift „Ein Practica practiciert, auß der heyigen Bibel vff vil zükunfftig jar", die 1523 ebenfalls in Bamberg von Erlinger gedruckt wurde. Die Entrundung ist sowohl in den Augsburger als auch in den Bamberger Ausgaben begrenzt durchgeführt: bei Ramminger, Augsburg („Ein Sermon wider des bapsts kuchen prediger") wyrde (Konjunktiv), frayntlich; im zweiten Augsburger Druck („Eyn gesprech . . . mit aim . . . mütterlin") dreme 'Träume', schlicken 'schlucken', syessen; yber im Bamberger Druck („Verglychüg") und auch spirt 'spürt', kechin 'Köchin'. Es heben sich spezifische regionale Formen ab: die Vermischung der Schreibweise g und j im Bamberger Druck, die auf spirantische Aussprache des g hindeutet, vgl. ghenn 'jenen', crälyn 'Kräglein', margen 'Marien' („Ein Sermon . . . zu der . . . statt Vlm"); das mitteldeutsche
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keufft („Verglychüg"), vollbrengen, bronn, verbrinnen („Ein Sermon . . . zu der . . . statt Vlm"); unerwartetes teuffen bei Ramminger (Augsburg) und köstiget 'kasteiet' im zweiten Augsburger Druck (s. o.). Bezüglich der Morphologie zeichnen sich alle Drucke durch eine beachtliche Variabilität der Flexionsformen aus; das spiegelt sich vor allem bei der Bildung der Verbalendungen im Plural wider. Bei Ramminger (Augsburg) steht in der 1. P. PI. -en; in der 2. P . PI. -nt, -t, -en: jr haissent, ir sehet, jr verderbet, jr legt, jr sprechen, jr mainen, jr reden; in der 3. P. PI. -en. I m zweiten Augsburger Druck („Eyn gesprech . . . mit aim . . . mütterlin") dominiert -en in allen drei Personen, obwohl in der 2. P . PI. -(e)t und -nd begegnen: hat jr,jr habt, fragt jr, sagt jr, leßt jr, woltjr, vgl. auch: jr sehen den leser aber hörend in nit (65, 12). Analog verhält es sich auch mit der Imperativform im Plural: nemmet hin vnd eessen (66, 8) und Nemmen hin vnd trincken all darauß (66, 9). Die große Variabilität der Personalendungen, besonders die parallele Verwendung der Varianten in der 2. P. PI. und beim Imperativ kennzeichnete die Tradition der Augsburger Drucker schon im 15. Jahrhundert 1 3 1 . Die Bamberger Drucke unterscheiden sich, was die Personalendungen betrifft, nur wenig von den Augsburger Drucken. Die Untersuchung isolierter Verbformen bestätigt ebenfalls die Ähnlichkeit der verschiedenen Drucke. Das P a r t . Perf. des Verbs sein hat in den Augsburger Drucken die Form geweßt; in den Bamberger Drucken erscheint in der Regel dieselbe Form, daneben aber auch gewesen („Verglychüg"). I n den Bamberger Drucken werden seind und sind parallel gebraucht, im Unterschied zu den Augsburger Drucken, wo seynjseynd dominiert und sind fehlt. Die Augsburger Drucke haben gon, im Imperativ aber geet hin und auch vergeen, steen in der 3. P. PI.; die Bamberger hingan, aber gee 'geh'. I n all diesen Drucken fällt die Ungebräuchlichkeit der kontrahierten Verbformen von lassen, gehen usw. auf. I m Wortbildungssystem stehen in den Drucken beider Städte ebenfalls zwei verschiedene landschaftliche Varianten nebeneinander, vgl. die Situation beim Abstraktsuffix -nisf-nus: I n den Augsburger Drucken steht gezeugknis, verhenknis, gespenstnis neben verdamptnus, gedechtnus. So erscheinen im wesentlichen Unterschiede konsequent nur bei der Wiedergabe der alten Monophthonge, bei allem übrigen gibt es keine Systematik, die Unterschiede betreffen eher die Distribution synonymer Formen und nicht die normalisierende Auswahl der konkurrierenden Varianten. Besonders fällt in den Augsburger Drucken das Fehlen oder die Isoliertheit der schwäbischen Formen sowohl im Verbalsystem als auch im lautlichen Bereich auf, z. B. bei stan, gan und han in diesen Drucken, die meistens durch östliche Varianten verdrängt sind; auch fehlt das schwäbische au < ä usw. I m übrigen spiegeln sich auch hier Tendenzen wider, die noch f ü r das Augsburger Gemeindeutsch des XV. Jahrhunderts charakteristisch waren und sich speziell als Folge der territorialen Lage Augsburgs an der Trennungslinie zwischen dem südwestlichen (schwäbischen) und südöstlichen (bairischen) Gebiet erweisen 132 . Die Frage nach dem Grund f ü r die Beibehaltung der Monophthonge in den 5 Guchmann
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meisten Bamberger Drucken der Schriften Kettenbachs macht die Annahme wahrscheinlich, daß sich hier die Sprachbesonderheiten des Autors widerspiegeln. Diese Annahme gründet sich auf folgende Überlegungen: 1. Vereinzelte nichtdiphthongierte Formen gibt es auch in den Augsburger Drucken Kettenbachs, obwohl die Drucker dieses Zentrums in den zwanziger Jahren gewöhnlich konsequent die diphthongierte Schreibweise bringen. 2. Andererseits fehlen in den Bamberger Drucken anderer Autoren (Sachs, Schwalb, s. unten) die alten Monophthonge. Auch die mitteldeutschen Einsprengsel vom Typ teuffen in den Augsburger Drucken gehen wahrscheinlich auf das Konto der Sprache des Autors. Das Fehlen stärkerer Unterschiede in den Drucken der Schriften Kettenbachs aus verschiedenen Städten ist auch durch die Ähnlichkeit der schriftlichen literarischen Traditionen Augsburgs und Bambergs bedingt. Eine Ausnahme scheint trotz der Wiedergabe der alten Monophthonge das Fehlen der Schreibweise ai, aj in den Bamberger Drucken und vor allem die fehlende Konsequenz in der Kennzeichnung der alten Diphthonge uo, üe, ie zu sein. Der Vergleich der verschiedenen Drucke Ecks, insbesondere der Wittenberger einerseits und der Ingolstädter andererseits zeigt, daß nur der Traktat „Des heiigen Concilij tzu Costentz . . . entschuldigung", der in Leipzig bei Martin Landsberg gedruckt ist, eine Reihe von Merkmalen der ostmitteldeutschen Variante der Literatursprache hat 133 . Große Abweichungen im Sprachsystem der verschiedenen Drucker treten auch beim Vergleich zweier Traktate eines anderen Gegners Luthers, des bekannten Vertreters der katholischen Kirche, Johann Fabri, auf. Der erste, „Christenliche ableynung des erschr6ckenlichenyrsal/so Caspar schweckfelden in der Schlesy/ wyd' die warheyt des hochwirdigen Sacraments leibs vn blüts Christi/ auffzürichten vnderstädenn hat", ist 1529 in Mainz bei Johann Schöffer gedruckt, der zweite, „Wie sich Johanniß Hußs . . . vnd Johannis vö wessalia/ Leren . . . mit Martino Luther vergleichen", 1528 in Leipzig bei Valentin Schumann. Die Sprache des ersten, in Mainz gedruckten Traktats erscheint als eine etwas gemäßigte Form des Augsburger Gemeindeutsch; die alten Diphthonge werden konsequent gekennzeichnet: zu, berüffung, blümen, sticken, mütter (vgl. jedoch die hyperkorrekten Formen nun, gebürt); sueß, diener, Hecht. Entsprechend der Augsburger Tradition werden die alten Längen mit wenigen Ausnahmen konsequent als Diphthonge wiedergegeben, vgl. Basilius schreibet, doch Ciprianus schribet. Die Apokope der unbetonten Vokale entspricht ebenfalls den herrschenden Regeln der Augsburger Variante, vgl. den Plural der Substantive wolff, füchs, schwantz, den Nom. Sg. der Feminina kirch, erdt, Seül, aber wüste.. Die Intensität der Apokope kommt auch in der Struktur der Wortgruppe zum Ausdruck: der gemeyn verstandt, das außerweit faß, der verborgen schätz, etlich listig füchs, aber die schöne blümen. Im Unterschied zur Augsburger Tradition fehlt die Synkope des -c- beim Präfix ge-, deshalb gericht, gemeyn usw. Daa. Suffix -nißj-nuß, -nüß tritt in beiden Varianten auf. Der Druck wurde sorgfältig
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ausgeführt, was überhaupt für Schöffer charakteristisch ist, bei dem unter anderem auch die Beschlüsse des Reichstags gedruckt wurden. I m zweiten Traktat dagegen wird äußerst inkonsequent verfahren und nicht nur in der Graphematik. I m Unterschied zur Mainzer Ausgabe ist hier eine Vermischung der alten Monophthonge und neuen Diphthonge zu beobachten: sy 'sei', sin, glich, triben, schribt, by, aber zeit, schreibet, bey; vß, v f f , thusent, bruch 'Brauch', grusamlich,fegfur, aber fegkfewr. Der alte Diphthong ou ist in glaub, ouch bewahrt, daneben aber auch, glauben. Es ist die für die Augsburger Tradition charakteristische Schreibung ay, ai belegt und zugleich der Lautwandel i < e in ich wird 'ich werde', der eher für die mitteldeutsche schriftliche Tradition charakteristisch ist. Das dialektale mir 'wir' wird neben ivir gebraucht. Landschaftlich eng begrenzt ist auch die Form tzwuschen, die Verwendung des g zur Bezeichnung der Sonans, vgl. dryg 'drei', syg 'sei'. Alle aufgezählten Besonderheiten fehlen im Druck des ersten Traktats. Es ist vollkommen klar, daß so frappierende Unterschiede nicht in der Sprache ein und desselben Autors vorhanden sein konnten; sie sind offensichtlich die Folge des Einflusses der Traditionen von zwei verschiedenen Druckern. Dabei muß man erwähnen, daß sich bei Schumann der Sprachusus der ostmitteldeutschen Drucke nicht konsequent widerspiegelt (s. unten). Auch in der Sprache der Werke Müntzers, die in Allstedt und Nürnberg erschienen sind, lassen sich Unterschiede feststellen. I n Allstedt wurden vermutlich folgende Flugschriften von Müntzer veröffentlicht : 1. „Protestation odder empietung Tome Müntzers vö Stolberg am H a r t z seelwarters zu Alstedt seine lere betreffende/ vnd tzum Anfang von dem rechten Christenglawben/ vnnd der taufe. Alstedt, MDXXiiii"; 2. „Deutsch Euangelisch Messe etwann durch die Bepstische pfaffen im latein zu grossem nachteyl des Christen glaubens vor ein opffer gehandelt/ vnd itzt vorordent in dieser ferliche zeyt zu entdecken den grewel aller abgStterey durch solche mißbreuche der Messen langezeit getriben. Thomas Müntzer, Alstedt MDiiij"; 3. „Von dem getichten glawben auff nechst Protestation außgange Tome Müntzers Selwerters zu Alstet. Alstedt MDXXiiij"; 4. „Außlegung des andern vnter/ schyds Danielis deß pro/ pheten gepredigt auffm schloss zu/ Alstet vor den tetigen thewren/ Herzcogen vnd Vorstehern zu/ Sachsen durch Thomä Müntzer diener des/ wordt gottes/ Alstedt/ MDXXiiij". I n Nürnberg wurden zwei Flugschriften Müntzers gedruckt: 1. „Hochverursachte Schutzrede/ vnd antwwort/ wider das Gaistloße Sanfft/ lebende fleysch zu Wittenberg/ welches/ mit verkärter weyße/ durch den Diepstal der heiligen schrift/ die erbermbdliche Chri/stenheit/ alßo gätz jämmerlichen/ besudelt hat/ Thomas Müntzer/ Alstedter/ Anno MDXXiiij" und 2. „Außgetrückte emplössung des falschen Glawbens der vngetrewen/ weit durchs gezeügnus des Euangelions Luce/ vorgetragen der elen-/den erbermlichen C h r i s t e n = h e y t / zur innerung/ jres jrsals . . . Thomas Müntzer mit dem hammer./ Mülhausen, MDiiij." 5*
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Wie schon (S. 18) erwähnt wurde, ist der Allstedter Drucker unbekannt geblieben. Doch die Sprache der Allstedter Flugschriften Müntzers steht der Sprache seines „Anschlag zu Prag" (handschriftliche Überlieferung) 134 und seiner Briefe ziemlich nahe. Was die Nürnberger Flugschriften anbetrifft, so ist die erste bei Höltzel gedruckt worden 135 , der Drucker der zweiten war vermutlich Hergot, der oben erwähnte Verfasser einer ersten Utopie in deutscher Sprache 136 . Sowohl in den Allstedter Drucken, als in Müntzers Briefen kommen die alten Diphthonge wo, üe nur vereinzelt vor: vgl. wuetten, blutt in „Deutsch Euangelisch Messe". Dagegen ist in dem Nürnberger Druck von Höltzel der Diphthong wo regelmäßig durch ü vertreten, ebenso wie üe durch ü. Bemerkenswert ist, daß in dieser Flugschrift die alten Diphthonge sogar stabiler als in anderen Drucken Höltzels sind. I n der zweiten Nürnberger Flugschrift kommen die „falschen" Diphthonge oft vor, vgl. sün. In den Allstedter Drucken und in Müntzers Briefen sind die Digraphe ai, aj völlig ungebräuchlich. Bei Höltzel, der hier der Augsburger Schreibtradition folgt, wurde der alte Diphthong stabil durch ai, aj bezeichnet, obwohl in diesem Fall nicht selten auch ei, ej vorkommen: vgl. heyligen, gütigkeyt. Die zweite Nürnberger Flugschrift folgt dem Usus der Allstedter Drucke. Der Übergang von b zu p ist in den Allstedter Flugschriften, sowie in Müntzers Briefen durch wenige Beispiele belegt: gepot, ap, bei Höltzel aber ist er eine recht produktive Erscheinung: pin, pesser, pundt, piß, pawrn, gepot, plint/blindt usw.; die zweite Nürnberger Flugschrift schließt sich auch in diesem Fall dem Allstedter Usus an. Ostmitteldeutsche Merkmale, die für Müntzers Sprache und die Allstedter Drucke seiner Flugschriften so typisch waren, z. B . der Umlaut vor den Labialen mgleubt, der Übergang von o > a in adder, nach 'noch', ap 'ob', der Übergang von e > ¿in wilche, wider 'weder', hirschest, Mich, die Formen brengen, wu bleiben den Nürnberger Drucken fremd, sie werden durch andere, die der südöstlichen Schreibtradition eigen waren, ersetzt. Auch in der Wortbildung sind ähnliche Tendenzen bemerkbar: Müntzers Formen vor-, zu-, -niß werden durch die Varianten ver-, zer-, -nuß ersetzt. Somit wird in den Nürnberger Drucken, besonders konsequent bei Höltzel, der Usus des ostmitteldeutschen Schrifttums, dem Müntzer und der Allstedter Drucker folgten, durch einen anderen, landschaftlich weniger gebundenen Usus ersetzt.
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Aus dem angeführten Material geht hervor, daß, obwohl der Einfluß des Druckers auf die Sprache der politischen Flugschriften unbestritten ist, bedeutende Unterschiede im Grad dieses Einflusses bestehen. In bezug auf verschiedene Sprachebenen oder Aspekte ist die Intensität dieses Einflusses nicht gleich; am stärksten wirkt er sich auf der lautlich-graphischen Ebene aus, die Lexik dagegen bleibt fast unberührt. Aber auch bei verschiedenen Druckern und sogar in verschiedenen Drucken ein und desselben Druckers realisiert sich dieser Einfluß in verschiedenen Formen und mit ungleicher Intensität.
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4 Der Charakter des Verhältnisses der Sprache des Autors zur Sprache des Druckers wird noch deutlicher beim Vergleich verschiedener Erzeugnisse ein und desselben Druckers, wobei gleichzeitig der Grad der Stabilität der sprachlichen Unterscheidungsmerkmale eines bestimmten Druckers erörtert werden kann. Was die Stabilität und allgemeine Gültigkeit der sprachlichen Merkmale der Drucker einer Stadt oder eines Gebietes und damit ihre lokale Spezifik angeht, so erfordert diese Aufgabe einen breiteren Vergleich; in der vorliegenden Arbeit wird er jedoch nur im Bereich der politischen Literatur durchgeführt. I m folgenden werden einige Drucke Melchior Rammingers miteinander verglichen und darüber hinaus auch Erzeugnisse anderer Augsburger Drucker, Drucke Erlingers in Bamberg, Fabris in Speyer, Prüss' in Straßburg sowie auch anderer Straßburger Drucker, Buchfürers und Malers in Erfurt, aber auch anderer ostmitteldeutscher Drucker. Von Rammingers Drucken werden außer den oben untersuchten „Zwölf Artikeln der Bauern" und der Flugschrift Kettenbachs „Ein Sermon wider des bapsts kuchen prediger" in die Analyse einbezogen: 1. Schwalb, „Beclagung aines leyens genant Hanns schwalb über vil mißbreüch Christliches lebens, vnd darin begriffen kürtzlich von Johannes Hußsen." o. 0 . [Augsburg (Melchior Ramminger)] 1521; 2. „ A i n schöner dialogus Vnd gesprech zwischen aim Pfarrer v n d aim Schulthayß, betreffend allen übel Stand der gaystlichen, Vnd böß handlung der weltlichen" (1521); 3.„Ain new Gedicht wie die gaystlichait zu Erffordt in Dhüringen Gesturmbt ist worden . . . M D X X I " ; 4. Schappeler, „Verantwortung vnnd auflosung" und 5. „ K o g e l spil". Der Vergleich aller Drucke Rammingers ergab folgende für alle gemeinsame Merkmale. I m lautlich-graphischen System: 1. Häufige Bezeichnung des alten ei durch ai, aj und (aber nicht in allen Flugschriften gleich konsequentes) Bestreben, die Schreibung des alten und des neuen Diphthongs abzugrenzen. 2. Fast völliges Fehlen der alten Monophthonge mit Ausnahme ganz vereinzelter Bezeugungen in der Flugschrift Kettenbachs und der von Schwalb. 3. Der alte Diphthong uo wird durch ü bezeichnet: zu, thün, hüben, güt, demüt, blüt, auffrüren, schulet usw.; es begegnet aber auch uo als u, bei Schappeler gut, plut sowie auch uo als o, vgl. thon in den „Zwölf Artikeln der Bauern" (3, 12) und in „ A i n schöner dialogus . . . zwischen aim Pfarrer vnd aim Schulthayß", aber daneben auch thün, vgl. die „Zwölf Artikel der Bauern" (7, 12). Der Diphthong üe wird durch ü, ue bezeichnet: gemütjgemuet, rümen, buchern/ büechern, müßt, behuet, diemütign, brüderlicher, güeter usw. 4. Die Distribution des M/O, Ü/Ö ist nicht ganz gleich, in den „Zwölf Artikeln der Bauern" kommen Formen mit o selten v o r : sond, komen, aber auch kummen; bei Schappeler fromm/frumm, sone/sun 'Sohn', forchten, kommen/kummen, immer könnten; bei Schwalb sonder/sunder, kommen¡kummen, forcht, aber sun, sünst; bei Kettenbach sonn 'Sonne', aber sun 'Sohn', kommen. 5. Der Übergang a > o ist in den verschiedenen Flugschriften Rammingers mit
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unterschiedlicher Intensität verbreitet. So ist in den „Zwölf Artikeln der Bauern" «erhalten in stat, hat, aber one, abston. Dagegen gibt es in „Ain schöner dialogus . . . zwischen aim Pfarrer vnd aim Schulthayß" die Formen hond, gon/gat, gan, stond, aber stat, kromladen, verstand, abgon, gethon 'gethan'; bei Schwalb foder 'Vater', gethon, verston. So spiegelt sich dieser Übergang bei Ramminger weniger intensiv (nur in einer kleineren Wortgruppe) und weniger konsequent wider als in den Straßburger und Baseler Drucken (s. unten). Es ist interessant, daß sich auch hier in der üblichen Weise die Stabilität der bestehenden Schreibtradition zeigt: auch die meisten Augsburger Drucker des 15. Jahrhunderts, mit Ausnahme Zainers, geben diesen Lautwandel nur sehr spärlich wieder, sie fassen ihn offensichtlich als Besonderheit der sozial niedrigeren Sprachschichten auf 1 3 7 . 6. Die Entrundung wird in allen durchgesehenen Drucken Rammingers wiedergegeben, aber in unterschiedlichem Umfang. In den „Zwölf Artikeln der Bauern" wird die Entrundung in einer großen Gruppe von Lexemen realisiert, bei Kettenbach und auch in den anderen Flugschriften sind die Bezeugungen vereinzelt, mit Ausnahme des Dialogs „Ain schöner dialogus . . . zwischen aim Pfarrer vnd aim Schulthayß", wo fiert, wirffei, beryempt/berümpt, pfryenden 'Pfründen', ryerent, fylli, freynd vorkommen. 7. Ein annähernd gleiches Verhältnis ist auch bei der Rundung zu beobachten, am verbreitetsten ist sie in den „Zwölf Artikeln der Bauern" und im Dialog (vgl. in den „Zwölf Artikeln" die oben S. 59 angeführten Beispiele, im Dialog oltern, künder, nörent, mör, erkückend, öpffel); in den übrigen Flugschriften kommen vereinzelte Beispiele vor: bei Schwalb blützen, zül, ernörten, künd, bei Schappeler würdt 'wird', würken, verwürft. Vereinzelte Fälle von Monophthongierung fallen auf; in den „Zwölf Artikeln" auffpömen 'aufbäumen', in „Ain new Gedicht" bämen, bei Kettenbach dröm 'Traum', im Dialog lofft, durchloffen (Part. Perf.). Ebenfalls ziemlich vereinzelt ist der Wandel au < ä bezeichnet: grauffen 'Grafen' (Dialog). 8. Die Apokope bietet ein ziemlich buntes Bild. In den „Zwölf Artikeln" hat der Nominativ Sg. der Feminina Formen mit und ohne e, liebe (2mal)/lieb, stund, rede, leer, gnad, sach, wobei die Variante ohne -e bedeutend stabiler ist. Der Nominativ Sg. der schwachen Maskulina lautet herr, mensch, frydjfriede; im Plural wird die Endung gewöhnlich apokopiert. Fem. Substantive auf -e (kirch, leer, sorg, mär, stund, meß, vrsach, krön) treten im Dialog nur in der apokopierten Form auf (untersucht wurden die ersten fünf Seiten). Der Plural der Maskulina Cardinal, bischoff hat ebenfalls die apokopierte F o r m ; bei dem schwach deklinierten fürsten ist die alte Endung erhalten. I n der Flugschrift Kettenbachs bewahrt herre manchmal das Endungs-e neben der apokopierten Form. Nicht typisch für die Drucke Rammingers ist die Synkope beim Präfix ge-. In den „Zwölf Artikeln" sind solche Formen nur vereinzelt, im Dialog kommen insgesamt nur neun synkopierte Formen auf Dutzende nichtsynkopierter, wobei Parallelformen häufig sind, vgl. gwesen/gewesen, gsundjgesund, gsatzjgesatz, gleych/ geleych, glaub/gelaub, ghort/gehort; bei Schwalb begegnen gierten, gwalt; in „Ain new Gedicht" gbot, geschickt, gwalt, geschwind, bei Kettenbach gsprech, gstalt, glaub. So wird die Synkope in Rammingers Drucken gewöhnlich durch eine
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begrenzte Gruppe von Lexemen vertreten. 9. Ein gewisser Usus charakterisiert die Struktur der nominalen Wortgruppen mit einem Adjektiv als Attribut. Übereinstimmend mit diesem Usus, der nicht nur in Augsburger Drucken belegt ist, wird die apokopierte kurze (endungslose) Form des Adjektivs regelmäßig nach dem bestimmten Artikel in Verbindung mit Substantiven aller drei Genera verwendet, während nach dem unbestimmten Artikel (mit Ausnahme der Wortgruppen mit neutralen Substantiven) die volle (flektierte) Form dominiert. I n den „Zwölf Artikeln der Bauern", wo dieser Typ der Wortgruppen überhaupt selten vorkommt, ist die Verwendung der Kurzform nach dem bestimmten Artikel bei Substantiven aller drei Genera charakteristisch: der erst Artikel, das hailig Euangeli (Akk.), die hailig geschrifft. Nach dem unbestimmten Artikel steht die volle F o r m : ain gantze gemain, kayn armer man. F ü r den Plural lassen sich wegen des dürftigen Materials keine Schlußfolgerungen ziehen. I m Dialog dominiert im Singular nach dem bestimmten Artikel die Kurzform, im Plural festigt sich -en: die armen menschen, die abgestorbenen Stifter. I n der umfangreichen Flugschrift Schappelers („Verantwortung vnnd auflösung") steht nach dem bestimmten Artikel bei mask. Substantiven immer die kurze Form des Adjektivs. Die gleiche Norm charakterisiert auch die Wortgruppe mit neutr. Substantiv, beim Femininum kommt auf 13 Wortgruppen mit der kurzen Form des Adjektivs eine mit der vollen Form nach dem Demonstrativpronomen : dise christenliche Ordnung. Nach dem unbestimmten Artikel u n d den Pronomen sein, mein, dein, kein steht bei mask. und fem. Substantiven konsequent die volle F o r m : ein öffentlicher widerstand, ein newe leer. Bei den Neutra haben von 8 Wortgruppen 6 die kurze Form und nur zwei die volle: sein heiligs wort, ein weltlichs swert. I m Plural hat das Adjektiv die Endung -e oder -en (9mal), nur in einem Beispiel steht die kurze F o r m : die schwach bawfellig lugen. Wenn der Artikel bei neutr. Substantiven im Singular fehlt, erscheint gewöhnlich die kurze F o r m : weltlich regiment, bei fem. Substantiven ist die kurze wie die volle Form möglich: weltlich oberkeit, lange zeyt. Entsprechend ist es auch bei den mask. Substantiven. I m Plural schließlich ist die Endung -e regelmäßig: frume, erbare weiber, erdichte werck; in Beispielen mit mehreren Adjektiven konnten beide Formen benutzt werden, vgl. grosse reiche obern vnd gnedig herrn. In der Morphologie zeigen sich bedeutende Unterschiede bei der Bildung der Personalendungen. I m Dialog begegnet auf den ersten fünf Seiten die 3. P. PI. 37mal, davon 27mal die Endung -nd, lOmal -en; die 2. P. PI. und der Imperativ werden 26mal belegt, davon 14mal -nd, 12mal -t; die 1. P. PI. schließlich begegnet 3mal, davon einmal mit -nd und zweimal mit -en. I n den „Zwölf Artikeln" wird die 1. P . PI. 39mal gebraucht, davon 35mal mit -en, einmal mit -nd, der Rest ist endungslos; die 3. P. PI. 40mal, davon 34mal mit -en, 6mal mit -nd. Die zahlenmäßigen Unterschiede in diesen Flugschriften sind zweifellos frappierend, besonders hinsichtlich der Merkmale der 3. P. PI., wo das Verhältnis der Endungen -nd und -en völlig entgegengesetzt ist.
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I n den übrigen Flugschriften sind ebenfalls Unterschiede in der Verteilung von Varianten der Personalendungen zu beobachten. Es ist offensichtlich, daß solche großen Unterschiede in den Drucken ein und desselben Druckers nicht auf seine eigene Praxis zurückzuführen sind. Hier kommen die individuellen Besonderheiten der verschiedenen Autoren, die möglicherweise durch deren lokale Bindungen bedingt waren, zum Ausdruck. Folglich spielte hier bei der Bildung morphologischer Merkmale der normierende oder normalisierende Einfluß des Druckers keine große Rolle. Auch hinsichtlich der Konjugation der unregelmäßigen Verben zeigen die einzelnen Flugschriften wesentliche Unterschiede. So hat z. B. der Dialog nur die südwestlichen Formen gan, stan138, und in den „Zwölf Artikeln" begegnet n u r stat, abston, während in den Flugschriften Kettenbachs und bei Schwalb als typische Formen geen, steen erscheinen. Bemerkenswert sind in diesem Zusammenhang vereinzelte mitteldeutsche Einsprengsel in Flugschriften, deren Verfasser offensichtlich mit diesem Gebiet verbunden waren. I n der Flugschrift „Arn new Gedicht" wird mitteldeutsches sal durch den Reim gemael:sal (59 : 60) bestätigt; der Rückumlaut in vmbgekart stützt sich auf den Reim art (25 : 26). Aber andererseits werden auch die kontrahierten Formen, die für dieses Gebiet nicht typisch sind, durch den Reim bestätigt, vgl. lan: an, das westliche stat durch den Reim mit hat. Auch das dialektale mir statt wir tritt hervor. Ähnliche Erscheinungen charakterisieren die Flugschrift Schwalbs. Auch hier wird mir statt wir gebraucht, ebenso ist die Verwendung von oder in der Bedeutung 'aber' eine mitteldeutsche Besonderheit. Ungeachtet dessen, daß der Text immer sun 'Sohn' hat, bestätigt der Reim sun: tron deutlich, daß die Form des Autors son war. Obwohl die Graphematik dieser Flugschriften dieselben Züge zeigt wie die anderen Drucke Rammingers, kommen die Besonderheiten des Originals in einigen isolierten Formen ziemlich deutlich zum Ausdruck. Ein Vergleich der Drucke Rammingers mit denen anderer Augsburger Drucker erlaubt es, bei der Bezeichnung der alten Diphthonge, bei der Verbindung von Entrundung und Rundung, beim Charakter der Apokope allgemeine Merkmale zu beobachten, aber gleichzeitig kommen auch die spezifischen Besonderheiten der Sprache des Autors manchmal sogar recht stark zum Ausdruck. Die Flugschrift von Brenz, „Won Milterung / der Fürsten gegen / den aufrürische Baure", wurde bei Simprecht Ruff in Augsburg gedruckt. Der Autor, Geistlicher in Schwäbisch Hall, h a t t e Bindungen nicht nur zu Württemberg, sondern auch zu Südfranken. Die Sprache der Flugschrift weist ziemlich deutlich fränkische Merkmale auf: Den Umlaut in waschen, widerruf jung, außfünderung; den Wandel z > s: geswungen, die frikative Aussprache des g: schlecht 'schlägt', die Form oder, einige lexikalische Besonderheiten, z. B. unverstandene in der Bedeutung 'unverständige'. Daneben ist aber auch, wie in den anderen Augsburger Flugschriften, der für das Alemannisch-Schwäbische charakteristische Typ der fem. Substantive auf i < % vertreten: erenuesty, vgl. im oben angeführten Dialog jylli, sowie auch alle jene lautlich-graphischen Erscheinungen, die sich als wichtigste Merkmale der Sprache der Augsburger Drucker herausgestellt h a t t e n .
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Bei dem Versuch, eine allgemeine Charakteristik der Augsburger Druckersprache zu geben, sind die verschiedenen Ebenen voneinander abzugrenzen. Am stabilsten waren zweifellos die lautlich-graphischen Merkmale. Vor allem sie erlauben es, von der Existenz eines nichtkodifizierten Usus der Augsburger Buchdrucker in der untersuchten Zeit zu sprechen. I n einigen Erscheinungen erlangte dieser Usus überlandschaftlichen Charakter und beeinflußte das Schriftt u m anderer Gebiete (wie z. B. bei den neuen Diphthongen oder der Verbreitung des Wandels von ou > au). Aber zugleich t r e t e n Merkmale einer anderen u n d zwar mitteldeutschen Tradition nicht nur bei Brenz („Won Milterung/ der F ü r s t e n " , bei Simprecht R u f f gedruckt) auf, sondern auch in Flugschriften, die bei Bamminger gedruckt worden sind und von Autoren stammen, die zu Mitteldeutschland in Beziehung standen. Das zeugt offensichtlich von einer relativen Instabilität des Usus der Augsburger Drucker. Anders verhält es sich mit den morphologischen Merkmalen. Hier herrscht eine große Variabilität, so d a ß die Suche nach Normierungstendenzen vergeblich wäre.
5 Die Sprache der Drucke aus Bamberg und Speyer ist nicht stabil. I n Bamberg druckte lediglich Erlinger Bücher in deutscher Sprache, aber nur wenige (die Bemerkung Götzes, daß Erlinger n u r lateinische Bücher gedruckt habe, s t i m m t nicht). Die Tätigkeit dieses Druckers wird hier an drei Flugschriften Kettenbachs, einer F l u g s c h r i f t von Stör u n d einer von Sachs untersucht. 1. Wie bereits erwähnt, besteht einer der Unterschiede zwischen den Bamberger u n d Augsburger Drucken K e t t e n b a c h s in der relativen Stabilität der alten Monophthonge. I n der Flugschrift „Verglychüg", nach 0 . G e m e n 1523 in Bamberg bei Erlinger gedruckt, ist das Verhältnis zwischen den nichtdiphthongierten u n d den diphthongierten Formen auf den ersten vier Seiten folgenderm a ß e n : Die F o r m e n mit Diphthong ei/ey begegnen 33mal, die mit langem Vokal n u r 12mal; dazu folgende Beispiele: syn reich, syn (VeTh)/sein, zyt/zeyt, rychjreich, drey, besonders häufig findet sich der Monophthong in sin, rych, syn (Verb). Auf den vier untersuchten Seiten k a m e n auch vff u n d auff vor (je zweimal), außerdem darauff, auß (immer so). Der Diphthong eu ist durchweg belegt. Folglich m u ß m a n feststellen, d a ß n u r i relativ regelmäßig erscheint. Ein etwas anderes Verhältnis bietet sich bei der Analyse von K e t t e n b a c h s „Ein Sermon . . . zu der . . . s t a t t Vlm", ebenfalls von Erlinger gedruckt. Hier ist der Diphthong ci/ey n u r 6mal belegt, F o r m e n mit Monophthong dagegen 27mal, d a r u n t e r auch synen, glichen, fryheit, fyrn, zyt, beschnyden, spyß, syt 'seid', das Suffix -lin usw. Auf 15 Wortformen mit nichtdiphthongiertem ü k o m m t n u r eine mit dem Diphthong au, d a r u n t e r sind nichtdiphthongierte F o r m e n wie vff (mehrfach belegt), huß (mehrfach), ü dagegen erscheint in fast
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allen Fällen als eu, vgl. leüt, euch (mehrfach). Schließlich belegt die dritte Flugschrift „Ein Practica" in einem vergleichbaren Textausschnitt 49mal Wortformen mit dem Diphthong ei/ey, darunter bleyben, leyden, mein, sein, dein, zeyt, schreyb, veind, reych, leib, bey, weysen (PI.) 'der Weise', fleyß usw. ; nichtdiphthongierte Formen erscheinen lediglich 4mal : beschryben und das Diminutivsuffix -lin (3mal). Was die übrigen alten langen Vokale angeht, so erscheint w 2mal in v f f ; allerdings finden sich daneben auch zweimal a u f f , und einmal steht der Diphthong im Präfix, vgl. auffgang; schließlich erscheint û stets als eu: leut, deutschen, euch (vielfach), euwer. Somit ist der Grad der Stabilität der alten Monophthonge in den drei von Erlinger in Bamberg gedruckten Flugschriften Kettenbachs äußerst unterschiedlich. Am stabilsten sind die Monophthonge in der zweiten Flugschrift („Ein Sermon . . . zu der . . . statt Vlm"), weniger stabil in der ersten („Verglychüg"). I n der dritten Flugschrift ist, abgesehen von vereinzelten Reliktformen, die Diphthongierung durchgeführt. Es ist charakteristisch, daß auch in den beiden anderen Flugschriften (Sachs, „Disputation" und Stör, „Ein christliche vermanung Thoman Störs an den erbarn weisen Anthonium Thürler gestellet. Das er in den wercken d' lieb (wie angefangë) bestendigklich verharren wôl"), die ebenfalls von Erlinger gedruckt wurden, die alten Monophthonge faktisch fehlen (mit Ausnahme von gezuglcnus bei Stör). Folglich läßt sich bei der Bezeichnung der Diphthongierung in den Drucken Erlingers keine Einheitlichkeit feststellen. I n welchem Maße diese Divergenzen auf Kosten der Sprache der unterschiedlichen Verfasser oder Korrektoren in Erlingers Druckerei gehen, kann nicht entschieden werden. Da sich jedoch in den Drucken e i n e s Verfassers, nämlich Kettenbachs, keine Einheitlichkeit in der Wiedergabe der Diphthongierung zeigt, wird die Annahme wahrscheinlich, daß das durch die Druckpraxis Erlingers selbst und möglicherweise auch durch den Einfluß der unterschiedlichen Sprachgewohnheiten seiner Korrektoren bedingt war. 2. Die Wiedergabe der alten Diphthonge uo, üe ist einheitlicher. I n den oben erwähnten Flugschriften Kettenbachs entspricht uo = û und üe — w; doch wird der Diphthong keineswegs immer bezeichnet. I n „Verglychüg" dominiert û, û, vgl. bûben, gût, zu, müß, trug, plût ; daneben begegnet auch das einfache u in zu, gutt, thun, ersuchet. Konsequenter erscheint û, obwohl sein Lautwert unklar bleibt, da diese Form sowohl einen Diphthong als auch einen Monophthong bezeichnen kann. I m „Sermon . . . zu der . . . statt Vlm" erscheinen û und û regelmäßig: hüben, zu, muß, flüch, gnûg, mitbrûder, gut; u vereinzelt in zu, buch; û in müßten, verfürt, betrügt, füren; üe in berüefft. Schließlich dominieren in der dritten Flugschrift Kettenbachs („Ein Practica") ebenfalls ü, û, obwohl auch vereinzelte Formen mit u anzutreffen sind: thun, thut. I n den Drucken der beiden anderen Verfasser kann man eine geringere Konsequenz beobachten. Bei Sachs finden sich Schreibungen wie gut, thun, ruffen/rüffen, suchen usw. 3. Die Entrundung wird nur recht spärlich wiedergegeben. I n den Flugschriften Kettenbachs erscheint yber 'über', biechlin, drern 'Träume', bei Sachs spirt
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'spürt', kechin 'Köchin', biechlein. Die Intensität der Rundung variiert etwas. Bei Kettenbach begegnen Formen wie hör 'Heer', Mors („Ein Sermon . . . zu der . . . statt Vlm"), bei Sachs hülft, würdt 'wird', bei Stör wür 'wir'. 4. Interessant sind die Unterschiede im Verhältnis von u/o, ü/ö; vgl. in „Ein Practica" Kettenbachs kompt, kommen, brommen, (im Reim mit kommen), bron, fromen, sonder, konig, in „Ein Sermon . . . zu der . . . statt Vlm" kommen, sun, summer, nur fromm, forcht; in der „Verglychüg" künig, konig, sonder; bei Sachs kummt, aber kommen, künnen, sunder/sonder, sonst, forcht. Lediglich fromm und jorcht erweisen sich als stabil. 5. I n den Flugschriften Kettenbachs treten Formen des Typs keufft hervor, weiterhin brengen, bieben 'bleiben', verbrinnen, die vorwiegend in den mitteldeutschen Gebieten vorkommen. 6. Eine gemeinsame Besonderheit aller Drucke ist die Wiedergabe der spirantischen Aussprache des g und die Vermischung von gjch/j, vgl. bei Kettenbach ghen 'jenen', margen 'Marien' („Ein Sermon . . . zu der . . . statt Vlm"), bei Sachs nagst 'nächst', kreygen 'krähen', 'krächzen', weich 'weihe'. 7. Die Reduktion ist teilweise weniger intensiv als in den augsburgischen Drucken, allerdings begegnen bei Kettenbach synkopierte Formen wie gnant 'genannt', gnüg/genüg, gwalt/gewalt. Bei Sachs gibt es solche Formen nicht, es sind jedoch — wie auch in den anderen Drucken Erlingers — Formen des P a r t . Perf. ohne ge- äußerst unterschiedlicher Verbalstämme belegt, vgl. bei Sachs wir hant euch p f i f f e n vnd jr hant nit tantzt, wir hant euch clagt vnndjr hant nit geweint (211, 12-13). I m morphologischen System verdient die Bildung der Verbalformen Beachtung. Die Verben haben, geen, steen, sein erscheinen in einigen Varianten, dasselbe gilt für die Personalendungen des Plurals. In der Flugschrift „Verglychüg" entsprechen die kontrahierten und die vollen Formen des Verbs haben dem heutigen Paradigma, sein hat in der 3. P. PI. die Varianten synd/seind/sein, in der 1. P. PI. seyn, in der 2. P . PI. syt. gehen erscheint mit den Varianten hyngan/vergeen, und im Imperativ gee. Die Personalendungen werden auf folgende Weise gebildet : auf 12 Seiten Text ist die 3. P. PI. 34mal belegt, in allen Formen hat sich nur -enj-n gefestigt. Die 1. P. PI. ist 3mal belegt, und auch hier hat sich die Form auf -en durchgesetzt. I n der 2. P . PI. konkurrieren drei Endungen, -t, -nt, -en, deren zahlenmäßiges Verhältnis sich wie folgt darstellt: in dem untersuchten Textabschnitt begegnet diese Form 20mal, davon mit der Endung -t lOmal, -ent 6mal, -en 4mal. I n „Ein Sermon . . . zu der . . . statt Vlm" zeigt sich dasselbe Bild. Das Paradigma von haben entspricht dem heutigen Gebrauch, lediglich die 2. P . PI. hat abweichend die Endung -en. Bei sein zeigt die 3. P. PI. die Varianten synd/sin, bei absoluter Dominanz der ersten Variante (11 von 12 Bezeugungen); die 2. P . PI. hat syt/seyt (4mal); die Form der 1. P. PI. ist nur einmal bezeugt als synn. I n der Konjugation des Plurals Präsens findet sich schließlich in der 3. Person die Form -en, die 2. Person ist nicht bezeugt. I n der dritten Flugschrift („Ein Practica") sind dieselben Besonderheiten mit wenigen Ausnahmen erhalten. Am wichtigsten sind zahlenmäßige Unterschiede
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in der Verteilung der Varianten bei der 2. P . PI. Hier herrscht die Endung -t; von 28 Belegen zeigen nur zwei die Endung -en, alle anderen die Endung -f. Es ist charakteristisch, daß in den Nachdrucken dieser Flugschrift in anderen Druckzentren -t mehrfach durch -en ersetzt wurde 139 . So kommt zu den bereits erwähnten lautlich-graphischen Besonderheiten der Flugschrift „Ein Practica" die besondere Bildung der 2. P . P I . , da in den anderen Flugschriften Kettenbachs (s. oben) das Verhältnis anders war. In der Gruppe der unregelmäßigen Verben hat stehen die Form stan, und für den Infinitiv des Verbs haben wird außer der vollen Form auch die kontrahierte han gebraucht. Bei Sachs erscheinen die Verben haben, geen, steen, sein in mehreren Varianten. haben ist in der 1. P. PI. im untersuchten Textabschnitt 3mal belegt, davon einmal han wir, einmal haben wir, einmal hant wir; die 2. P . PI. ist 13mal belegt, davon 8mal hant/handt/hand und 5mal habt; die 3. P. PI. findet sich 9mal, davon 7mal haben und zweimal hant/handt. gehen hat sowohl beim Simplex als auch bei den zusammengesetzten Bildungen Formen vom Stamm geen (9mal), von gän 2mal; stehen begegnet nur 6mal in Formen von steen. Folglich spielen bei diesen beiden Verben die östlichen Varianten eine führende Rolle. Noch größer ist die Variation im Paradigma von sein. In der 1. P . PI. ist 3mal sein wir belegt und einmal seindt wir, in der 2. P. PI. steht seyt in 4 Fällen, 3mal seindt/seyt und einmal sind, in der 3. P. PI. erscheint 5mal sein, 2mal seind und 6mal sind. Bei einer derartigen Verteilung der konkurrierenden Formen ist es schwer, dominierende Varianten zu nennen. Ein etwas anderes Bild bietet das Paradigma der Verben im Plural Präsens: Die 1. P. PI. ist 27mal belegt, 24mal zeigt sie die Endung -(e)n, 2mal die Endung -nd (hant, seind), mit Endungsreduktion findet sich nur ein Beispiel. Die 2. P . PI. und der Imperativ der 2. P. PI. sind 136mal belegt, davon 121mal mit der Endung -t, 13ma lmit -nd und zweimal mit -n. Die Formen der 3. P . PI. verteilen sich wie folgt: -nd erscheint lediglich in der Konjugation des Verbs sein häufig (seindjsind), auch zweimal bei hant/handt, außerdem ist -nd bei zwei weiteren Verben belegt. Die gebräuchliche Endung in der 3. P. PI. ist -en, 71 mal belegt, haben und sein einbezogen. Der Vergleich der verbalen Paradigmen in den verschiedenen vcn Erlinger gedruckten Flugschriften zeigt, daß in der Konjugation des Verbs haben bei Sachs die kontrahierten Formen im Plural bewahrt werden im Unterschied zu Kettenbachs Flugschriften. In der Konjugation von sein zeigen sämtliche Flugschriften annähernd dasselbe Bild. Bei den Personalendungen dominiert in allen Flugschriften die Endung -en in der 3. P . PI. als allgemeine Norm, teilweise auch in der 1. P. PI. Bei der Bildung der 2. P. PI. zeigen sich bestimmte Unterschiede in der Verteilung der konkurrierenden Endungen -t, -en, -nd. Ähnlich wie es im System der lautlich-graphischen Merkmale Unterschiede bei der Wiedergabe der Diphthongierung gibt, so daß verschiedene Drucke des Bamberger Druckers unterschiedliche Stufen der Verdrängung der alten Monophthonge durch die neuen Diphthonge wiedergeben, so zeigt auch im morphologischen System die Bildung sowohl der Formen von haben als auch der 2. P. PI.
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große Unterschiede. Offensichtlich kann man konsequente Normierungstendenzen in der Druckpraxis Erlingers nicht beweisen. Die Praxis der Drucker aus Speyer wird an 3 Drucken von J a k o b Fabri untersucht: 1. „Gesprech büchlein/ von eynem Bawern" 1 4 0 ; 2. „Absag/ oder vhed schrifft", beide 1524 gedruckt, und 3. die 3 Sendbriefe von Lachmann, „Drey Christlihe ermanung" 1525. Diese drei Schriften sind durch Aktualität und politische Schärfe gekennzeichnet. Der Inhalt des „Gesprech büchlein/ von eynem Bawern" hängt zusammen mit dem Nürnberger Reichstag 1524, nach dem sich eine strenge Scheidung auch unter den Humanisten vollzog.Die Sendbriefe Lachmanns stehen unmittelbar in Zusammenhang mit den Ereignissen des Bauernkrieges in Franken (Heilbronn). Die gegen den Papst gerichtete Streitschrift „Absag/ oder vhed schrifft" wird Erasmus Alberus zugeschrieben, ebenso das „Gesprech büchlein/ von eynem Bawern" 1 4 1 . Sprachlich sind diese Flugschriften relativ einheitlich, ungeachtet natürlich ihrer Unterschiede bezüglich der Gattung. Die erste ist ein Dialog, an dem vier Personen teilnehmen, die zweite, dem Umfang nach kleiner, ist eine Streitschrift und die dritte ein Sendbrief an die Bauern der in der Umgebung von Heilbronn liegenden Dörfer. Wenn von einer relativen sprachlichen Einheitlichkeit gesprochen wurde, so bezieht sich das auf Graphematik, Lautlehre und Morphologie; die lexikalisch-stilistischen und syntaktisch-stilistischen Besonderheiten einer jeden Flugschrift werden dabei nicht in Betracht gezogen. Der Grad der Verbindlichkeit der Druckernormen kann hier durch den Vergleich des Drucks des ersten Sendbriefs von Lachmann mit der erhaltenen Handschrift illustriert werden 142 (vgl. weiter unten). I m lautlich-graphischen System ergeben sich folgende Merkmale. 1. Eine konsequente Wiedergabe der Diphthongierung erfolgt nur bei sehr wenigen Ausnahmen, bei Lachmann vff neben au ff, vffgangen, vffrür, im „Gesprech büchlein/ von eynem Bawern" v f f , darvff, vffrur. 2. Der alte Diphthong uo wird im Druck von Lachmann „Drey Christlihe ermanung" ziemlich konsequent bezeichnet, im Gegensatz zu üe, vgl. güt, aber guter, muß, aber müssen, klug, thün, füßstapffen, aber süß, berümen, brüder. Eine große Gruppe hyperkorrekter Formen mit ü deutet möglicherweise auf den Einfluß einer fremden Tradition hin, vgl. nün (oft), nütz, dulden, würde, tügent. I m „Gesprech büchlein/ von eynem Bawern" wird ebenso mehr oder weniger konsequent uo durch ü wiedergegeben: buch, gut, thün usw., obwohl in diesen Wortformen auch einfaches u begegnet. Dazu gibt es wie in Lachmanns „Drey Christlihe ermanung" eine große Gruppe von Wortformen mit „falschem" ü: nü, nur, dü, künst, kümm, verbüntnus und — sogar nicht nur einmal — Lüter. üe erscheint nur einmal in gmüet 'Gemüt'. I n „Absag/oder vhed schrifft" erscheint kein üe, ü ist belegt in zu, mütwillen und — wie auch in anderen Drucken Fabris — in nur, dü und sogar in Hüß. Somit ist das „falsche" ü eine feste Besonderheit des Speyerschen Druckers. 3. Der Übergang a > o ist nur vereinzelt bezeugt, vgl. aber die Namensform Lachamon im Titel („Drey Christlihe ermanung . . . von J o h a n Lachamon").
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4. Auch der Übergang o > a ist außerordentlich selten, vgl. im „Gesprech büchlein/ von eynem Bawern" nach 'noch', warzu 'wozu', darab 'darob'. 5. I m Unterschied zu den Augsburger Drucken u m f a ß t die Entrundung im „Gesprech büchlein/ von eynem Bawern" nur eine kleine Gruppe: betribt, gmiet (vgl. oben gmüet), abtrinnige. Zur Einschätzung dieser Erscheinung ist bemerkenswert, daß im „Gesprech büchlein/ von eynem Bawern" entrundete Formen hauptsächlich in der Sprache des Bauern begegnen. Die Rundung ist bei Lachmann durch würfft 'wirft', zuschückt/zuschickt, schuck 'schicke' (eine Form des Verfassers, die vom Drucker in schücke verbessert wurde), im „Gesprech büchlein/ von eynem Bawern" durch gebütt ich 'gebiete', hürtten 'Hirten' vertreten. 6. Die Verteilung von u/o umfaßt verschiedene Gruppen von Wörtern. I m „Gesprech büchlein/von eynem Bawern" sonst, konig, forcht, förchten, sonder, dörffen, komptjkum.pt, kumm, stets kommen und frumm, aber auch außropffen 'ausrupfen'; bei Lachmann son, sonder, dörffen, kommen, fdreht, aber fürchtet, stets künig, künigin; in „Absag/ oder vhed schrifft" steht die typisch mitteldeutsche Form Mönch. Eine spezifische Besonderheit der Sprache Lachmanns ist das Präfix on- anstelle von vn-: onfrid, onwirdiger, ongegründt, onuerbrendt, onuerwundt, onglauben. I n zwei Fällen ändert der Drucker on- in vn-: vnfried, vnglauben (im ersten Sendbrief), behält aber onwirdiger, ongegründt usw. bei. Diese Variante begegnet auch noch im Straßburger Druck des „Karsthans", vgl. onividertriblich = unwidertrieblich, und in einigen ostmitteldeutschen Drucken. 7. Sporadisch wird in den Flugschriften spirantische Aussprache des g bei der Vermischung der Schreibung von g und ch wiedergegeben, vgl. bei Lachmann negsten 'nächsten', aber schlecht 'schlägt'. 8. Die Reduktion der unbetonten Silben ist äußerst uneinheitlich. Das gilt besonders von der Apokope. I n vortoniger Stellung, speziell im Präfix ge-, wird das unbetonte e häufig (keineswegs jedoch stets) synkopiert. I m • „Gesprech büchlein/ von eynem Bawern" finden sich: gwalt, ghorsam, gthan, gfallen, gmüet, gschriben, aber gewest, gewesen, geschlecht. Bei Lachmann ist die Synkope so gut wie nicht vertreten. Das Endungs-e bleibt häufig erhalten: a) beim mask. Substantiv herre (Lachmann); b) beim fem. Substantiv lere („Gesprech büchlein/ von eynem Bawern"), aber sorg, eer, lieb, räch (Lachmann); c) Plural der Substantive freünde, schlege, aber auch wie bei den Augsburger Druckern „falsches" e bei brüdere (Lachmann); d) im Konjunktiv were, geschehe, nemme (Lachmann), anzeyge, würde, lege, wolle, beschehe usw. („Gesprech büchlein/ von eynem Bawern"), aber auch schreib, sing, sag, wöll usw. („Gesprech büchlein/ von eynem Bawern"), wer, werd, geh, würd usw. (Lachmann); e) in der 1. P. Sg. Ind. ich sihe, höre, warne (Lachmann), aber trag, bit usw.; im „Gesprech büchlein/ von eynem Bawern" dominieren die apokopierten Formen; im Silbeninneren ist e in einigen Fällen erhalten: nennet, reutet, prediget, sammlet, vnderweyset (Lachmann), lallet, keret, entsetzet, werdet, bleibet, achtet, geschmidet, bewerbt usw. („Gesprech büchlein/ von eynem Bawern"). I n anderen Fällen wird es synkopiert, wobei manchmal auch der Endkonsonant mit verschwindet:
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veracht, todt, werdt (ihr) (Lachmann), bewegt, beschiehtt („Gesprech büchlein/ von eynem Bawern"). Das Bemühen des Druckers, die Apokope zu meiden, zeigt sich in Veränderungen, die am Text des Lachmannschen Sendbriefs vorgenommen wurden. I n Lachmanns Handschrift steht schleg, der Drucker setzt schlege, bei Lachmann Schuck 'schicke' (Konjunktiv), der Drucker hat schücke, bei Lachmann gehorsam, beim Drucker gehorsame. 9. Wollte man in Verbindung mit der Reduktion der Endung versuchen, die Struktur des Adjektivs in attributiven Wortgruppen zu erklären 143 , so erhielte man ein äußerst inkonsequentes Bild: vgl. das heylige wort, aber der gläubig mensch, der klug Paulus und das heylig wort, die Christliche geystliche freyheit, die eusserliche fleyschliche freyheit, aber die heydnish öberkeit, christliche tügent, aber brüderlich warnung etc. (Lachmann). I m Unterschied zu den Augsburger Drucken beispielsweise, wo nach dem bestimmten Artikel in Wortgruppen dieses T y p s die kurze Form des Adjektivs ziemlich konsequent gebraucht wird, werden hier sowohl die kurze als auch die volle Form verwendet, was in bezug auf das allgemeine System der apokopierten und der nichtapokopierten Formen die Instabilität der Endsilben begünstigte. Von den morphologischen Erscheinungen werden die Paradigmen der Verben haben, sein, stehen, gehen und die Bildung der Personalendungen im Plural des Indikativs und Konjunktivs berücksichtigt. Die Konjugation des Verbums haben entspricht dem heutigen Paradigma im Hinblick auf das Verhältnis z w i schen den vollen und den kontrahierten Formen. I n der Konjugation der Verben gehen und stehen und ihrer Präfixbildungen dominiert eindeutig die östliche Variante, vgl. bei Lachmann geen, vffgeen, vergeen, widersteen, steet ab,, besteen; im „Gesprech büchlein/ von eynem Bawern" heimgen, vmbgehn, gehen wir, get, stet. Was sein betrifft, so wird bei Lachmann in der 2. P . P I . als einzige Form seidt gebraucht, in der 1. P . PI. seyn/seynd, in der 3. P . PI. sein; im „Gesprech büchlein/ von eynem Bawern" in der 2. P . PI. sein, in der 3. P . PI. sein/ seind, als Part. Perf. die Formen gewest/gewesen. Kompliziert sind die Verhältnisse innerhalb des Systems der Personalendungen im Plural. I m „Gesprech büchlein/ von eynem Bawern" begegnet die 1. P . PI. 16mal, immer mit der Endung -en; die 2. P . PI. 13mal, immer mit der Endung -t und die 3. P . PI. 12mal, mit der Endung -en. Mit anderen Worten, hier entspricht die Struktur der Verbalformen des Plurals dem heutigen Paradigma. I n den Sendbriefen Lachmanns indessen ist die Situation völlig anders, die Unterschiede liegen in der Bildung der 2. P . PI. des Indikativs und Imperativs. Hier konkurrieren die Endungen -t und -ent. Auf insgesamt 12 Seiten Lachmanntext fanden sich 45 Formen für die 2. P . PI., davon zeigen 15 die Endung -nd, 29 die Endung -t und lediglich ein Beleg die Endung -n. Folglich zeichnet sich der Druck von Lachmanns Sendbriefen durch Stabilität der Endung -nd in der 2. P . PL aus. Man kann jedoch diesen Unterschied schwerlich auf das K o n t o der Sprache Lachmanns setzen. Das Material seines ersten (sehr kurzen) Sendbriefs zeigt, daß der Drucker in einem Falle -t in -nt ändert; bei Lachmann steht sucht, im Druck Suchent. Der Unterschied zeigt sich auch in der
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Auswahl der Varianten des Suffixes -niß/-nuß. Bei Lachmann findet sich nur -niß (verdamniß, zeügnyß, kümmernyß), im „Gesprech büchlein/ von eynem Bawern" nur -nus (gezeugnus, wagnus, bekantnus, verhencknus). Somit zeigen sich bei relativer Einheitlichkeit der lautlich-morphologischen Merkmale in den Drucken Fabris ziemliche Unterschiede im verbalen Paradigma und in der Wortbildung. Besondere Aufmerksamkeit verdient die Tatsache, daß Korrekturen des Druckers nicht folgerichtig sind; das zeigt sich nicht nur in den vereinzelten Änderungen der apokopierten Formen in nichtapokopierte wie schleg/schlege und sogar gehorsame, vn < an, sondern auch im Ersatz (allerdings nur einmal) der Endung der 2. P. Pl. -t durch -ent bei äußerst häufigem Nebeneinander beider Endungen sogar in einem Satz, vgl. bei Lachmann: machent ein schandt deckel darauß, Nennet euch Christlich brüder (440, 30); fallent jr got in sein gewalt, beräupt jn seiner Göttlichen eer (440, 23). Der sporadische Charakter dieser Änderungen weist offensichtlich auf das Fehlen strenger Richtlinien für diese Kategorie in der Praxis der Drucker aus Speyer hin.
6 Die für die Analyse ausgewählten Straßburger Drucke wurden bei folgenden Druckern veröffentlicht: 1. Bei J o h a n n Grüninger: Murner, „An den Großmechtigsten . . . adel", 1520, 2. bei Martin Flach: Hutten, „Ein Clagschrift", 1520 (s. Kapitel II), 3. bei Matthias Schürer: Bucer, „Gesprech biechlin neüw Karsthans", 4. bei Johannes Schott: Hutten, „Dialogus oder gesprech büchlin", 5. wohl auch bei Schott: Stifel, „Von der Christförmigen, rechtgegründten leer Doctoris Martini Luthers, ein überuß schön kunstlich Lyed, sampt seiner neben vßlegung. J n brüder Veiten thon." o. O. u. J . [Straßburg (Joh. Schott)? 1522]. Bei J o h a n n Prüss die Dialoge 6. „Karsthans" und 7. „Hie kompt ein Beüerlein". Somit werden sieben Straßburger Flugschriften untersucht, deren Verfasser zum Teil unbekannt geblieben sind. Die Flugschriften gehören unterschiedlichen Gattungen an. Die ersten beiden sind Sendbriefe mit scharf ausgeprägter politischer Tendenz; die dritte, vierte, sechste und siebente sind Dialoge, allerdings sehr unterschiedliche (s. Kapitel IV). Die Schrift Stifels schließlich kann am ehesten zu den religiös-politischen Traktaten gerechnet werden. Die vergleichende Analyse der Sprache der Straßburger Drucke beginnt mit dem lautlich-graphischen System, wobei dieselben Gesichtspunkte wie bei der Untersuchung der Augsburger Drucke berücksichtigt werden. 1. Bei der graphischen Wiedergabe der alten Monophthonge zeichnen sich die Straßburger Drucke durch beträchtliche Vielfalt aus. I n Murners Schrift bewahrt Grüninger eine für die Straßburger Drucker charakteristische Mischung von alten Monophthongen und neuen Diphthongen: lüt/leut, dein reich/ kunigkrich, findt 'Feind', isen, zwiflan, tütscher ¡deutscher, süwhirt, nüwe, früntlich, v f f , bruch 'Brauch'. Diese Erscheinung ist keineswegs Ergebnis eines Durchein-
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anders von Gesetzmäßigkeiten zweier sprachlicher Systeme, dem System des Autors und dem des Druckers. Sie wurzelt vielmehr in der schreibsprachlichen Tradition Straßburgs, in der das Auftreten der neuen Diphthonge das Ergebnis des Einflusses der Augsburger Drucker war. In diesem Zusammenhang ist die inkonsequente Wiedergabe der neuen Diphthonge in den privaten Briefen Grüningers kennzeichnend144; wie in vielen Straßburger Drucken schreibt er nüw, aber auch Newe, Mein neben myn und lyden 'leiden', tütsch, üch, hüß, luten usw. Allerdings ist dieses für die elsässische schreibsprachliche Tradition typische Merkmal nicht in allen Straßburger Drucken erhalten. Dieser Tradition stehen die Drucke von Prüss am nächsten, obwohl es auch hier keine Einheitlichkeit gibt. Im „Karsthans" ist die Zahl der nichtdiphthongierten Formen beachtlich groß; auf den ersten 5 Seiten sind die nichtdiphthongierten Formen 85mal belegt, die neuen Diphthonge dagegen kommen nur in 10 Fällen vor; im zweiten Dialog „Hie kompt ein Beüerlein" (s. oben) ist dieses Verhältnis umgekehrt: in einem Text gleichen Umfangs begegnen 86 diphthongierte Formen und nur 11 nichtdiphthongierte, wobei es sich im wesentlichen um die Präpositionen vff und vß handelt. Somit fehlt in der Druckpraxis von Prüss ein einheitliches Prinzip in der graphischen Wiedergabe der neuen Diphthonge der südöstlichen schriftlichen Literaturtradition. Was die übrigen Straßburger Drucker angeht, so fehlen in der von Schürer gedruckten Flugschrift „Gesprech biechlin neüw Karsthans" die nichtdiphthongierten Formen fast ganz, allerdings mit Ausnahme der Präpositionen (Präfixe) vff, vß und des Suffixes -lin (einmal hus, einmal schrybt, vgl. jedoch den „falschen" Diphthong in kriegszeug 'Kriegszug'). Nach augsburgischem Vorbild werden die neuen Diphthonge auch im Straßburger Druck von Huttens „Ein Clagschrift" konsequent gekennzeichnet. Hier begegnen nur vereinzelt nichtdiphthongierte Formen: vff, frunde, aber auch freündt. Ebenso bewahrt Huttens von Schott gedruckter „Dialogus oder gesprech büchlin" die Schreibung der Monophthonge nur in wenigen Wörtern, hauptsächlich in vff und vß sowie im Suffix -lin, d. h. in schwach betonter Stellung. Wollte man jedoch annehmen, daß auch die Flugschrift Stifels von Schott gedruckt worden sei, so würde sich zeigen, daß sich bei diesem Drucker in verschiedenen Drucken unterschiedliche graphische Prinzipien widerspiegeln. In Stifels Flugschrift begegnen wyßheit, din (einmal), gryffen, erdtrich, verglychen, lyhen, bliben 'bleiben', triben 'treiben', lut, vff, vß, luter, vnsuberkeit, schuhen 'scheuen', neben zeit, mein, sein, reich, leib, bleibt, schreibt, teuffei usw., d. h. die alten Monophthonge sind ziemlich stabil. Die Straßburger Drucker folgen also gleichsam zwei verschiedenen Tendenzen. In der einen Flugschriftengruppe erscheinen gegen die lokale Tradition und nach dem Augsburger Modell der schriftlichen Literatursprache konsequent •die Diphthonge; in der anderen dagegen ist der Status der Straßburger schriftlichen Literatursprache aus dem 15. Jahrhundert bewahrt. 2. Beständiges Merkmal des graphischen Systems der Straßburger Drucker ist auch die fehlende Unterscheidung zwischen ai und ei, wie sie für die Augsburger Drucker charakteristisch war. 6
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3. Bei der Wiedergabe der alten Diphthonge uo, üe macht sich erneut ein Unterschied bemerkbar. Grüninger gibt konsequent uo als ü im Sendbrief Murners wieder : zw, vffrûren, thûn, güt, keyserthüm, rüwen, füßstapffen, mûter. Bei Prüss im „Karsthans" stehen gesucht, zu, rüm, thüt, gut, mùst, schul, buch, aber auch thut; außerordentlich häufig sind auch hyperkorrekte Formen, besonders kûmpt, sün; üe findet sich in büechern, sueß, hüeten 'Hüte', daneben steht aber auch büchlin. I m Dialog „Hie kompt ein Beüerlein" (auch von Prüss gedruckt) findet sich der Übergang von uo > u: gutz jar, gutt, muß; üe in füert, aber andererseits müsst. I n dem von Schürer gedruckten „Gesprech biechlin neüw Karsthans" von Bucer erscheint uo als ü: gütter, zù, thû, hochmût, sûcht, schuch, ru, anhüben usw. ; üe als û: betrùglichen, berûmen, gemût, brüderlich, grüß. Bei Flach (Hutten, „Ein Clagschrift") wird uo als w wiedergegeben in zu, thûnd, ausschlügen, such usw. ; aber auch hyperkorrekte Formen sind anzutreffen wie nütz, üe erscheint als u in gemûter, gûttige, guter usw. I n beiden Drucken Schotts verteilt sich die Schreibung der alten Diphthonge wie folgt: in H u t t e n s „Dialogus oder gesprech büchlin" erscheint uo als ü: fürman, niderschlüg, zü, gute, blütvergiessung, auffrür, thün, müsten, müt (daneben steht jedoch die hyperkorrekte Form sün) ; üe als û in füren, genüget, büchlin, vngûtig, verwüsten. I n Stifels Flugschrift dagegen wechselt die Schreibung ü mit u: thüt/thut, lügen. 4. Bei der Wiedergabe des alten geschlossenen Diphthongs ou, dem das südöstliche au entspricht, zeigen die Straßburger Drucker eine große Vielfalt. E s dominiert au, sporadisch (in den einen Flugschriften häufiger, in anderen seltener) erscheinen ou, o. I n Grüningers Druck von Murners Flugschrift „An den Großmechtigsten . . . adel" findet sich auf 10 Seiten (S. 3 - 7 und 38-43) 33mal au (häufig in auch, glaub, kauffen, aber auch haupt), einmal ou in zoum, ebenfalls einmal o in geloben. I n den Drucken von Prüss ist das Verhältnis anders. I m „Karsthans" begegnet auf den ersten 10 Seiten 13malaw, z. B. in auch, glauben, gauch usw., 14mal ou, unter anderem in ouch, gouch, verlouffen, glouben usw. I n „Hie kompt ein Beüerlein" fehlen ou und o gänzlich, d. h. es siegte die Augsburger Tradition. Vielleicht liegt das am gesamten System der Merkmale dieser Flugschrift, da auch andere lokale Züge in ihrer Sprache äußerst selten sind, vgl. das Verhältnis der diphthongierten zu den nichtdiphthongierten Formen. Bei Schürer ist auch au die dominierende Form. Auf den ersten 10 Seiten begegnet au 28mal, ou und o dagegen nur je einmal (verloffen und rouben). I n Schotts Druck von H u t t e n s „Dialogus oder gesprech büchlin" sind in dem untersuchten Abschnitt 18 Formen mit au und nur eine mit ou belegt. Diese Formen mit ou sind auch in der Flugschrift Stifels selten. Somit hebt sich der „Karsthans" hinsichtlich der Stabilität des alten Diphthongs ou unter den übrigen Straßburger Drucken unbestreitbar ab. Allerdings kann diese Besonderheit k a u m auf Kosten des Druckers gehen, da die andere Flugschrift („Hie kompt ein Beüerlein") desselben Druckers eine andere Verteilung von au und ou hat (s. oben). 5. Wie in den Augsburger Drucken stehen in der Sprache der Flugschriften aus Straßburg Rundung und E n t r u n d u n g nebeneinander, wobei die Häufigkeit
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jeder Erscheinung in den verschiedenen Flugschriften variiert. I m Druck Grüningers (Murner) sind entrundete Formen sehr häufig: gemiet, vffrierigen, verfieren, verfierer, kinnen 'können', ieben, demietig, biechlin, briederlichen, hippenbiebsche 'Spaßvogel', brieder. I m „Karsthans" ist die E n t r u n d u n g ebenfalls häufig belegt: neyw, winschen, virginnen 'vergönnen', lignet, feir (daneben auch feur), biechlin, minich 'Mönch', kindt 'könnt', pritigam 'Bräutigam', aber auch prütigam usw. Die zweite, ebenfalls bei Prüss gedruckte Flugschrift („Hie kompt ein Beüerlein") enthält eine einzige entrundete F o r m : derffen 'dürfen'. I n dem von Schürer gedruckten „Gesprech biechlin neüw Karsthans" fehlt die E n t r u n d u n g ebenso wie in Schotts Druck von H u t t e n s „Dialogus oder gesprech büchlin" (eine Erscheinung, die für die Sprache H u t t e n s in den verschiedenen Drucken charakteristisch ist) im Unterschied zu Schotts Druck der Flugschrift Stifels, wo die Entrundung in einer beachtlichen Gruppe von Wörtern belegt ist: trieben, fledermeyß, beriert, beriemen, fyegen 'sich fügen', ginden 'gönnten'. Somit zeichnet sich in einigen Straßburger Drucken ebenso wie in den Drucken aus Augsburg deutlich das Bemühen ab, die Entrundung zu meiden. Das kann m a n in den Werken H u t t e n s beobachten, im „Gesprech biechlin neüw Karsthans" (der Verfasser ist ebenfalls Humanist) und in „Hie kompt ein Beüerlein". Möglicherweise ist diese Tendenz den Autoren und nicht den Druckern zuzuschreiben. Teilweise sind das dieselben Flugschriften, in denen sich die Tendenz zum Verzicht auf lokal begrenzte Formen zeigt, nämlich zum Verzicht auf die alten Monophthonge i, u, ü, aber auch auf ou, 6. Gerundete Formen begegnen in allen Straßburger Drucken in einer begrenzten Gruppe von Wörtern; vgl. bei Murner erwölet, voürt; im „Karsthans" wöllich, sprüchwort, würt; bei Stifel wärt, das mör, büt 'bitte', zöigt 'zeigt', grösslich 'gräßlich'; in Huttens „Dialogus oder gesprech büchlin" wör, reüter, würtschaft; im „Gesprech biechlin neüw Karsthans" die ziemlich verbreitete Form zwüschen. Die R u n d u n g wird nicht als eine Erscheinung angesehen, die der schriftlichen Literatursprache und ihrem Usus fremd ist, und wohl deswegen gibt es keine großen Unterschiede in ihrer Wiedergabe bei den verschiedenen Druckern Straßburgs. 6. Der in den verschiedenen Dialektgebieten weitverbreitete Übergang von ä > o ist in den Straßburger Drucken ziemlich verbreitet, vgl. bei Grüninger verston < verstan, gethon < gethan, somen, wor 'wahr', gon < gan usw. Im „Karsthans" finden sich noch 'nach', sproch < sprach, Stroßburg, worheit, domit < damit, verston; in der Flugschrift Stifels mol, noch, bestrofft, kon ' K a h n ' , gnod 'Gnade', klor 'klar' (stets), ploget 'plagt', schmoch vnd roch, vndergon; bei Schott in H u t t e n s „Dialogus oder gesprech büchlin" stehen schoff 'Schafe', somen 'Same', doran, woffen, gedocht 'gedacht' usw. Am verbreitetsten sind die Formen do, dorin, doran, ston, gon, thon, noch. 7. Die Verteilung von M/O, Ü/Ö schwankt bei den verschiedenen Druckern wie das auch in anderen Druckzentren der Fall ist. I n der Flugschrift Stifels finden wir ober 'über', frommen, sonder, sonn, forcht, kompt¡kumpt, worgen 'würgen', bronnen/brunnen, aber sun/sün, vnmüglich neben vermögen, fürchtet; im „Karst6*
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hans" forcht, kom/kum, kommenfkummen, sontag, mögenn, sün/son/sun, antwort, aber auch antwurt, sunst, brunnen, künig; im „Gesprech biechlin neüw Karsthans" sontag, komm, volkommen, forcht, aber münch, sunst, sun, sunder, frummen; im „Dialogus" H u t t e n s dorstig, sonne, kompt, mögen usw. 8. Besonders beachtet werden muß die Wiedergabe der spirantischen Aussprache des g in der Schreibung: schlecht 'schlägt', aber auch g = j: kesting mich zu kasteien, mügt zu müejen, die im „Karsthans" verbreitete Schreibung sygfsy 'sei', vgl. auch licht 'liegt', lach 'lag' in „Hie kompt ein Beüerlein". 9. Die Reduktion der unbetonten Silben unterscheidet die Straßburger Drucke nicht von den Drucken aus Augsburg. I n vortoniger Stellung erfaßt die Synkope verschiedene Wörter, so bei Grüninger gleich, glauben, gnüg/genüg, aber gewalt; in der Flugschrift Stifels finden sich gwalt, bdeutet, glich, gsatz, gfider; im „Karsthans" giert, gwaltjgewalt, gbrucht 'gebraucht' usw. Besondere Beachtung verdient die Apokope. I n Grüningers Druck (Murner) erscheinen die apokopierten und die nichtapokopierten Formen nebeneinander, vgl. die fem. Substantive eyl, bitt, sach, frod 'Freude', meß, h i l f f , red, end, aber auch liebe, ere; den Plural leüt, fünd, stück, bischoff, knecht, hend, aber süne 'Söhne'. Im Verbalsystem ist die Endung der 1. P . Sg. bald erhalten, bald reduziert: Ich sihe vnd greiff (S. 53); im Konjunktiv sind Varianten besonders häufig: werd/werde, sencke, verleihe, zerstör¡zerstöre, geng usw. I n der geschlossenen Silbe in den Formen der 3. P . Sg. und des P a r t . Perf. dominieren die nichtsynkopierten Endungen erkennet, verursachet, gemachet, gestellet, fieret, sperret, verachtet, aber geantwurt. Analoge Erscheinungen können auch in anderen Drucken beobachtet werden, vgl. schlang, red, katz, sünd, sprach, ler bei Prüss im „Karsthans", aber liebe, ereler und sogar völly; im Plural gens, kopff usw. I m Verbalsystem ist die Reduktion hier intensiver als bei Grüninger. Bei Schott in der Flugschrift Stifels haben die fem. Substantive sowohl die vollen als auch die apokopierten Formen, wobei die ersteren — wie auch in anderen Drucken — nur vereinzelt sind: liebe, aber hitz, erd, kirch usw.; e wird auch beim mask. Substantiv der schwachen Deklination apokopiert: herr, mensch, bot. I m Verbalsystem herrschen in der 1. P. Sg. die reduzierten Formen, in der 3. P . Sg. und beim P a r t . Perf. konkurrieren beide F o r m e n : befestiget, verwüstet, liebet, leret, verdammet, antwortet, aber auch veracht, vffgericht. Der Unterschied in der Intensität der Reduktion im Verbal- und Nominalsystem verdient Beachtung. Als allgemeine Tendenz läßt sich eine größere Intensität der Apokope im Nominalsystem beobachten (allerdings mit Ausnahme der abstrakten Feminina vom Typ fulli); im Konjunktiv beispielsweise ist die Häufigkeit der nichtapokopierten Formen mit auslautendem -e bedeutend größer als bei den fem. Substantiven. Besonders deutlich ist dieser Unterschied in Schotts Druck von H u t t e n s „Dialogus oder gesprech büchlin", wo bei den Verbformen -e fest ist: kenne ich, verstehe ich, syhe ich/syh ich, bitte ich, ich achte, begere ich, ich lobe, ich bevelhe, treybe ich, füre. Die apokopierten Formen sind vereinzelt: ich glaub, ich sprich. 10. I n gewissem Maße bewahrt die in Beziehung zur Apokope stehende Bildung der attributiven Wortgruppen dieselben Gesetzmäßigkeiten, die auch die
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Augsburger Drucke zeigen. Nach dem bestimmten Artikel und dem Demonstrativpronomen herrschen beim Substantiv in allen drei Genera die kurzen Formen; nach dem unbestimmten Artikel die vollen. Im Plural kommen Doppelformen mit den Endungen -e und -en vor. Aber in den Straßburger Flugschriften stehen auch nach dem bestimmten Artikel in den Wortgruppen mit fem. Substantiv Formen auf -e, z. B. in der Flugschrift Stifels die verborgene hitz, die menschliche zunge neben die geistlich haltung, die gantz weit neben die gantze weit, die christenlich kirch; andererseits ist auch nach dem unbestimmten Artikel die kurze Form möglich, vgl. ein geistlich man neben ein grosser man, ein jrummer geistlicher herr („Karsthans"), ein verrümpt gelert man (ebd.). Ziemlich üblich ist die kurze Form in den Wortgruppen mit einem neutr. Substantiv: ein fry concilium, ain trügentlich thier, ein heimlich stuck („Karsthans"). I m morphologischen System sind die Bildung der Verbalendungen des Plurals aller drei Personen und die Paradigmen der Verben haben, sein, stehen und gehen zu beachten, d. h. also die charakteristischen lokalen Merkmale. Die Verteilung der Varianten der Personalendungen ist in den Straßburger Flugschriften wie auch in den Augsburger Drucken nicht völlig einheitlich. I n Murners „An den Großmechtigsten . . . adel", bei Grüninger gedruckt, begegnet auf 15 Seiten Text die 1. P. PI. 15mal, davon 12mal auf -en und 3mal auf -ent, die 3. P. PI. 19mal, davon 11 mal auf -en und 8mal auf -ent, eingeschlossen drei Beispiele mit seind. Folglich dominieren in beiden Fällen die Formen auf -en (obwohl es auch Bildungen mit der Endung -nd gibt). I m „Karsthans", bei Prüss gedruckt, erscheint die 3. P. PI. auf den ersten 10 Seiten 44mal, davon 35mal mit -en, 9mal mit -nd (nursiwrf); die 1. P. PI. 4mal, immer mit -en; die 2. P. PI. I n d . und I m p . 40mal, davon 30mal -en und 8mal -nd (lediglich bei sind/seind und hand), 2mal -et. Somit ist in dieser Flugschrift bei der 2. P. PI. -en vorherrschend. I n der Flugschrift „Hie kompt ein Beüerlein", ebenfalls von Prüss gedruckt, ist die 1. P . PI. 12mal belegt, ausschließlich mit der Endung -en; die 2. P. PI. begegnet 33mal, davon nur 8mal mit -en, 12mal mit -nd (darunter 2mal seindt), 13mal mit -t (2mal hapt, 3mal wolt). Folglich kann man hier im Unterschied zum „Karsthans", wo -en in der 2. P. PI. vorherrscht, ein entgegengesetztes Verhältnis beobachten: Es dominiert -nd, -en steht an dritter Stelle. Schließlich haben von den 17 Bezeugungen der 3. P. PI. 11 die Endung -en, die übrigen -nd. Dabei ist aber wesentlich, daß diese Endung lediglich in seindt begegnet. Im „Gesprech biechlin neüw Karsthans" (Seite 90—95) findet sich die 1. P. PI. dreimal, nur mit der Endung -en; die 2. P. PI. 25mal, davon 15mal auf -nd (-nt), und lOmal auf -t (darunter sind Formen wie habt, wolt, werdt), auf -en kommt sie überhaupt nicht vor. Die Formen der 3. P. PI. begegnen 57mal, davon 50mal auf -en und 7mal auf -nd, darunter 4mal seindt. I m „Dialogus oder gesprech büchlin" H u t t e n s (von Schott gedruckt) erscheint die 1. P. PI. 8mal mit der Endung -n (in einem Ausschnitt von 5 Seiten), die 2. P. PI. l m a l mit der Endung -t, die 3. P. PI. 76mal, davon 66mal auf -en und lOmal auf -nd (darunter 5mal seind). Wie das Material zeigt, dominiert -en in der 1. und 3. P . PI. in allen Straß-
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burger Flugschriften, obwohl die Endungen -en und -nd in den verschiedenen Flugschriften verschieden häufig vorkommen (vgl. für die 3. P. PI. 11/8, 35/9, 11/6, 50/7, 66/10). Völlig andere Verhältnisse zeigen sich beim Vergleich der Formen der 2. P. PI. Drei konkurrierende Endungen verteilen sich auf verschiedene Weise in den einzelnen Flugschriften. Bei Prüss herrscht im „Karsthans" (ausgenommen seindt) -en; -t kommt 2mal vor, -nd spielt eine untergeordnete Rolle. In seiner zweiten Flugschrift „Hie kompt ein Beüerlein" ist das Verhältnis anders: -nd und -t nehmen hier die führende Rolle ein; -en ist am seltensten belegt und fehlt im „Gesprech biechlin neüw Karsthans" (von Schürer gedruckt) völlig. Hier sind, wie auch in der zweiten von Prüss gedruckten Flugschrift, die beiden anderen Formen stabil. Unter diesen Bedingungen kann man kaum die Wirkung einheitlicher normierender Tendenzen innerhalb verschiedener Druckereien der Stadt Straßburg oder gar innerhalb eines Druckzentrums voraussetzen. Die Formen des Verbs sein sind auch in mehreren Varianten vertreten. Im „Karsthans" hat die 3. P. PI. die Varianten sind (synd)/syn, bei absoluter Vorherrschaft von sind; die 2. P. PI. seind (einmal), sind (5mal). Folglich hat sich in dieser Flugschrift die moderne Form der 3. P. PI. auf den ersten Platz geschoben. In „Hie kompt ein Beüerlein", der zweiten von Prüss gedruckten Flugschrift, dominiert in denselben Personen eine andere Form, nämlich seindt; sind fehlt überhaupt. Im „Dialogus oder gesprech büchlin" Huttens und in Bucers „Gesprech biechlin neüw Karsthans" ist die Form seindt stabil. Demnach ist die große Häufigkeit der Variante sind eine individuelle Besonderheit des „Karsthans", die offensichtlich einer Erklärung bedarf. Die Verteilung der Varianten der Verben ganjgeen, stan/steen ist ziemlich vielfältig. Bei Stifel und Murner herrscht die westliche Variante. Im „Karsthans" (S. 67—77) sind nur die Formen stot, ston, verston usw. belegt, ebenso nur gang 'geh', gon, gat, Ich gang 'ich gehe'. In der Flugschrift „Hie kompt ein Beüerlein" sind umgekehrt die Formen gent, geen, aber auch beston belegt. Im „Gesprech biechlin neüw Karsthans" erscheinen beide Varianten. I n dem zur Analyse ausgewählten Abschnitt sind Wortformen von geen lOmal, von gan 3mal belegt (vgl. gang, gang hin, yn gat), von steen 8 Wortformen, von stan nur eine, stat. Beide Varianten sind auch im „Dialogus oder gesprech büchlin" Huttens (Drucker Schott) vertreten. Folglich stehen beide Varianten, die westliche und die östliche, in der Sprache der Straßburger Drucke nebeneinander. Nur der „Karsthans" bildet eine Ausnahme. Da gan, stan alemannische Varianten sind und gerade diese Formen die lokale Tradition des untersuchten Gebietes widerspiegeln, ist die Einbeziehung von geen, steen aus anderen Dialekten die Folge von Ausstrahlungen, die für die schriftliche Literatursprache typisch sind und in diesem Fall auf dem Einfluß südöstlicher Zentren beruhen. I n der Verteilung der vollen und der kontrahierten Formen des Verbs haben stehen die Straßburger Flugschriften der heutigen Norm nahe. Im „Gesprech biechlich neüw Karsthans" hat die 1. P . Sg. die feste Form hab, die 2. P. Sg. hast, die 3. hat; im Plural kommt die volle Form haben in allen drei Personen vor,
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diese Form ist auch im Infinitiv und P a r t . Perf. fest, haben und gehabt; im „Karsthans" sind die zusammengezogenen Formen stabiler: in der 1. P . Sg. steht neben ich hab (vielfach) auch ich han; im Infinitiv werden beide Varianten gebraucht, in der 2. P. PI. ir hand, in der 3. hant/haben. I n der Flugschrift „Hie kompt ein Beüerlein" begegnet die kontrahierte Form einmal in der 1. P. Sg. neben ich hab; im Infinitiv und im Plural erscheinen nur haben. I m „Dialogus oder gesprech büchlin" Huttens wird die kontrahierte Form im Infinitiv und in der 3. P . Sg. bewahrt, im Plural erscheint nur die volle Form. Wenn man annimmt, daß die kontrahierten Formen vorwiegend auf der alemannischen Tradition beruhten, so ist ihr Zurücktreten unter dem Druck der vollen Formen Zeugnis für den intensiven Einfluß der schriftlichen Tradition einer anderen Variante oder anderer Varianten der Literatursprache. Es fällt auch der seltene Gebrauch anderer kontrahierter Formen in der politischen Literatur Straßburgs auf. I n den meisten Flugschriften werden in reichem Maße nur die kontrahierten Formen von lassen verwendet: lan/lon, lot. Eine Ausnahme bildet die gereimte Flugschrift Murners „Ain new lied", deren Drucker nicht genannt wird, in der außer lath 'läßt' auch geseit 'gesagt', dreyt 'trägt', niderleit 'niederlegt' belegt sind. Aus dem Material der Straßburger Drucke erhellt, daß die Aussonderung einer Gesamtheit von stabilen lautlich-graphischen und morphologischen Merkmalen, die alle Drucke dieser Stadt charakterisieren könnten, schwierig ist. Von 10 Erscheinungen der lautlich-graphischen Ebene, die für die vergleichende Analyse ausgewählt worden sind, war die Nichtunterscheidung von ai/ei bei der Bezeichnung alter und neuer Diphthonge (ai < ei, ei < i) allgemein, in den meisten Drucken fehlt die Schreibung ai überhaupt. Zu den stabilen Merkmalen der Straßburger Drucke kann man auch rechnen, daß in einer beträchtlichen Gruppe von Lexemen der Übergang von ä > o und die gerundeten und entrundeten Formen gekennzeichnet wurden. Hier muß aber betont werden, daß diese Merkmale nicht als differenzierende Kennzeichen des Modells der Straßburger Drucker dienen können, da sie auch die Drucke anderer Städte charakterisieren, vgl. das über die Sprache der Drucker von Augsburg, Bamberg und Speyer Gesagte. Was den alten Diphthong ou betrifft, so schließt sich hier die Mehrzahl der Drucke (Ausnahme „Karsthans") der südöstlichen Tradition an, indem sie ou durch au ersetzen. Ähnliche Tendenzen machen sich auch in bezug auf die alten Monophthonge bemerkbar. Wenn im 15. Jahrhundert für die Straßburger Drucke das Nebeneinander heimischer nichtdiphthongierter Formen und südöstlicher diphthongierter Formen charakteristisch war, so schlägt sich in der untersuchten Periode in einer Reihe von Drucken eine verstärkte Tendenz zur Absage an die heimischen Traditionen nieder. Als Ergebnis eines eigenartigen Kampfes der alten Tradition mit neuen Tendenzen entstand eine gewisse Vielfalt und Instabilität in der Bezeichnung der neuen Diphthonge. I n gewisser Weise zeichnet sich auch die Wiedergabe der Apokope in den Straßburger Drucken durch dieselbe Unregelmäßigkeit aus.
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Im morphologischen System macht sich die Konkurrenz verschiedener Varianten, die zum Nebeneinander von mehreren Varianten in einem Druck führt, vielleicht noch deutlicher bemerkbar (vgl. 3 Varianten der Personalendung der 2. P. PI.). In Zusammenhang damit zeigen sich nach den wesentlichen Parametern besonders deutlich in Straßburg zwei Gruppen von Flugschriften. Zur ersten Gruppe gehören solche Flugschriften, die durch eine der betreffenden regionalen Tradition eigene Gesamtheit von Merkmalen charakterisiert werden („Karsthans", Murner, „An den Großmechtigsten . . . adel"). Zur zweiten Gruppe gehören Flugschriften, die sich dem Augsburger Usus anschließen (Huttens Schriften, Bucers „Gesprechbiechlin neüw Karsthans", „Hie kompt ein Beüerlein").
7 Unter den vielen ostmitteldeutschen Drucken der politischen Literatur wurden zur vergleichenden Analyse Flugschriften ausgewählt, die Erscheinungsort und möglichst den Namen des Verlegers angeben oder bereits genau identifiziert worden sind. Diese Gruppe von Flugschriften wurde in Erfurt/Jena, Leipzig, Dresden, Wittenberg und Allstedt gedruckt. Mit der Angabe Erfurt/Jena wurden, drei Flugschriften bei Michael Buchfürer hergestellt, der 1522 in Erfurt und seit 1523 in Jena arbeitete. Von Erfurter Drucken wurden noch zwei bei Wolfgang Stürmer gedruckte Flugschriften und eine bei einem unbekannten Drucker veröffentlichte Flugschrift analysiert. Mit der Angabe Leipzig wurden drei Flugschriften ausgewählt; eine wurde offensichtlich bei Michael Blum gedruckt, eine bei Valentin Schumann und eine bei einem unbekannten Drucker. Mit der Angabe Dresden standen uns zwei Flugschriften zur Verfügung, eine von Wolfgang Stockei hergestellt, die andere nennt keinen Drucker, wurde aber offensichtlich auch bei ihm gedruckt. Drei Flugschriften wurden in Allstedt ohne Angabe des Druckers hergestellt, fünf in Wittenberg, unter ihnen eine bei Hans Lufft, eine bei Nickel Schirlentz und drei bei unbekannten Druckern. Die Praxis der ostmitteldeutschen Druckzentren wird auf drei Ebenen untersucht : 1. Vergleichende Analyse der Drucke eines Druckers, wobei speziell Drucke von Buchfürer und Stürmer untersucht werden. 2. Analyse der Druckpraxis verschiedener Drucker einer Stadt. 3. Untersuchung der Frage, ob schon ein für die Druckpraxis aller ostmitteldeutschen Zentren geltender sprachlicher Usus existierte. Die drei Flugschriften Buchfürers gehören verschiedenen Gattungen an. Die erste stammt aus der Feder von Karlstadt, dem ursprünglichen Anhänger und späteren Gegner Luthers, „Vrsachen das And. Carolstat ein zeyt still geschwigen" (1523), ein Sendbrief an Gesinnungsgenossen. Die zweite und dritte sind Dialoge: „Dialogus zwischen Petro vnd eynem Bawrn" von Stanberger aus Weimar, der Verfasser des zweiten Dialogs „Eynn Dialogus ader gesprech zwischen einem Vatter vnnd Sun" (1523) ist unbekannt.
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Bei der vergleichenden Analyse der Drucke der ostmitteldeutschen Städte werden dieselben Parameter gewahrt, wie bei der Untersuchung der Drucke anderer Städte, jedoch mit einigen Zusätzen (s. unten). Lautlich-graphische Merkmale: 1. Bei Michael Buchfürer herrschen in den untersuchten Drucken die neuen Diphthonge vor, die alten Monophthonge werden in einer kleinen Gruppe von Wörtern bewahrt: erdtrich, gecrutziget bei Stanberger im „Dialogus zwischen Petro vnd eynem Bawrn"; erdtrich wird auch in „Eynn Dialogus . . . zwischen einem Vatter vnnd Sun" belegt. Es ist kennzeichnend, daß ü auch in den Präpositionen auf, aus konsequent als au erscheint (aber bei Karlstadt kommen vereinzelte vff vor) und % auch im Diminutivsuffix als ei, schefflein (immer), aber mörlin 'Märlein'. 2. Der alte Diphthong ei, ey erscheint selten als ai, folglich markiert die Schreibung die Unterschiede zwischen den alten und neuen Diphthongen nicht. In der Wiedergabe der alten Diphthonge uo > ü/ü/u, üe > ü, ü ist in den Drucken Buchfürers ein Schwanken zu beobachten, das von einem Übermaß an hyperkorrekten Formen begleitet wird, z. B. in „Eynn Dialogus . . . zwischen einem Vatter vnnd Sun" gut (häufig), aber auch gut, guten, rüffen, muß ¡mußt¡müßt, füßschemel, zu (häufig), aber auch zu, thün (häufig), aber auch thuntj thüet, Brüder, suchen (ohne w); hyperkorrekte Formen sind nü, du, Türken, münch, würt, gefült, kaüffest usw. Diese häufigen Fälle fehlerhafter Kennzeichnung des u als ü sind wohl eine Folge des Zusammenstoßes einer fremden Schreibtradition mit den Besonderheiten des heimischen Lautsystems. Der alte Diphthong uo wurde ebenso wie üe im ostmitteldeutschen Dialektgebiet noch im 14. J a h r hundert zum Monophthong. Das Graphem ü aber war im 16. J a h r h u n d e r t mit der Tradition der augsburgischen Drucker und mit dem Gebrauch der kaiserlichen Kanzlei verbunden. Der Erfurter Drucker substituierte es in seinem Bestreben, die lokalen neuen Monophthonge durch das Graphem ü zu ersetzen, inkonsequent und sogar verkehrt. So wurde es auch für kurzes u verwendet; ebenso wurde ü nicht nur für das alte üe, sondern auch für ü gebraucht. Völlig analoge Erscheinungen charakterisieren auch Stanbergers Dialog, vgl. zu/zu, dartzu, brüder, guter, aber blut, thut; die hyperkorrekten Formen Fürsten, für usw., vgl. auch bei Karlstadt stül/stuels, zü, brüder, fuesse, das hyperkorrekte nü. 3. Die gerundeten und entrundeten Formen sind in den Drucken Buchfürers durch einzelne Wörter vertreten; bei Karlstadt freidigkeit, in derselben Flugschrift ist die gerundete Variante nur in wurdt/württ/würt/wurt 'wird', lasset 'läßt', im „Dialogus zwischen Petro vnd eynem Bawrn" in wurfft 'wirft', mörlin 'Märlein' belegt. 4. Die Verteilung von u/o, ü/o ist etwa gleichmäßig in allen drei Flugschriften; vgl. in „Eynn Dialogus . . . zwischen einem Vatter vnnd Sun" sun/son, kumbt, kum, aber kömbstu, kommen (Part. Perf.), können, dörffen, forchten, förcht 'Furcht', sonst, ober 'über', mögen, aber vnmüglich, fromm/frumm; bei Stanberger ich kumm, kumbstu, aber das Part, kommen, möge, aber mugen, forchten, könig, dorffen 'dürfen', entröstet 'entrüstet', jedoch nicht sonst, sondern sunst.
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nicht können, sondern kunnen; bei Karlstadt semder, vermögen 'im Stande sein', aber auch vermugen, zörnen 'zürnen', dörfft, forcht¡furcht, forchtsam. 5. Die Monophthongierung der Diphthonge ou > o, ei > S findet sich in diesen Drucken nicht. 6. Der Übergang von ä > o schlägt sich nur in vereinzelten Lexemen nieder, vgl. dorin, doher (Karlstadt), gethon, mol („Eynn Dialogus . . . zwischen einem Vatter vnnd Sun"). 7. Der Übergang von o > a, der an eine bestimmte Gruppe von Wörtern gebunden und so charakteristisch für das mitteldeutsche Gebiet ist, erscheint in den untersuchten Flugschriften ziemlich regelmäßig. I n „Eynn Dialogus . . . zwischen einem Vatter v n n d Sun" immer ader 'oder', immer salt, sal 'sollen'. Bei Stanberger werden die Formen ader, nach 'noch', wagt 'wogt', sal/sol, warinne 'worin', ab 'ob', bei Karlstadt ap, ader¡oder, nach/noch, aber soll verwendet. 8. Auch die Verteilung von e/i zeigt charakteristische mitteldeutsche Züge, vgl. wider — nach 'weder — noch' bei Stanberger, gelidert 'geledert' in „Eynn Dialogus . . . zwischen einem Vatter vnnd Sun", brengt 'bringt' in allen drei Flugschriften, werdt 'wird' in beiden Dialogen. 9. Der mitteldeutsche Übergang von ö > ü, o > u betrifft eine kleine Gruppe von Wörtern: bei Stanberger wu < wo, dunnern < donnern, puch < poch 'poche', für < for 'vor'; in „Eynn Dialogus . . . zwischen einem Vatter vnnd Sun" wue 'wo'; bei Karlstadt furtfaren. 10. Vereinzelte Fälle des Übergangs von e > ä sind belegt: Lahe 'Löwe' bei Karlstadt, lawe 'Löwe' bei Stanberger. Die Form lare < lere („Eynn dialogus . . . zwischen einem Vatter vnnd Sun" und Karlstadt) wird wohl durch Verbalformen mit Rückumlaut gestützt, vgl. bei Karlstadt z. B. gelart oder vngelart. 11. Sehr sporadisch wird der Übergang von au > eu wiedergegeben, gleubtenj glauben („Eynn Dialogus . . . zwischen einem Vatter vnnd Sun"). 12. Die spirantische Aussprache des g veranlaßt Schreibungen wie gene 'jene' („Eynn Dialogus . . . zwischen einem Vatter vnnd Sun" und bei Stanberger), die jedoch vereinzelt auftreten. 13. Der Sprache aller drei Flugschriften gemeinsam ist auch die Apokope, allerdings ist sie weniger intensiv als in den Augsburger oder in den Straßburger Drucken. I m Nominativ der fem. Substantive des Typs lere, rede, sunde, genade wird das Endungs-e oft nicht apökopiert, obwohl auch apokopierte Formen vorkommen: lar, sund, die schlang usw. I m Nominativ der mask. Substantive sind apokopierte Formen üblich: glaub, fryd, daneben wird in der schwachen mask. Deklination in beiden Dialogen die Form mensche, bei Stanberger auch name, same gebraucht, aber knab. I m Nominativ der neutr. Substantive steht hertze (Stanberger). I m Plural der Substantive ist die Apokope jedoch ziemlich intensiv: in allen drei Flugschriften schaff 'Schafe', vgl. auch geitzige wolff, grosse brieff bei Stanberger; feindt, aber Bischoffe, schaffe neben schaff in „Eynn Dialogus . . . zwischen einem Vatter vnnd Sun" usw. Mit der Apokope steht die Form des attributiven Adjektivs in einem gewissen Verhältnis, jedoch sind in den Flugschriften Buchfürers keine wesentlichen Ab-
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weichungen von den Gesetzmäßigkeiten zu beobachten, die die südlicheren Drucke charakterisieren. Wesentlich schwächer wirkt sich die Apokope im Verbalparadigma aus; die nichtapokopierten Formen der 1. P . Sg. sind im Indikativ recht häufig: ich mercke vnd hoffe, höre, Varste usw. bei Stanberger, aber auch hab, hör, bit usw.; in „Eynn Dialogus . . . zwischen einem Vatter v n n d Sun" ich meine, höre, erkenne, gehe, aber hab ich, hoff ich; im Konjunktiv sende, gehe, gesche, ernere usw. I m morphologischen System ist das Yerbalparadigma ziemlich stabil. I m Plural des Indikativs ist das System der Merkmale der Literatursprache der Gegenwart bereits vollkommen fest geworden: -en in der l . u n d 3. P . PL, -t in der 2. P. PL, nur vereinzelt sind die Formen der 3. P . Pl. auf -nd: thunt. Die Verben stehen und gehen sind durch Verbalformen von steen und geen vertreten, eine Ausnahme bildet der Imperativ stand auff bei Stanberger. Die Verbalformen von sein haben folgende Varianten: in der 3. P . Pl. seind/sein (auch in der 1. P . PL), in der 2. P. Pl. seit/sein. Wie in den Straßburger Drucken hat der Imperativ die Form biß 'sei' /bißt 'seid', das Partizip gewest/gewesen. Das Paradigma des Verbs haben fällt mit dem Paradigma der Gegenwartssprache zusammen, sporadisch erscheinen kontrahierte Formen im Infinitiv und im Plural: wir han bei Stanberger, han 'haben'. Verben mit Rückumlaut sind genant, gelart, gesatzt. Kontrahierte Formen sind selten: gesayt 'gesagt'. I m Wortbildungssystem herrscht das Suffix -niß vor, Fälle mit -nuß sind vereinzelt, vgl. zwancknus 'Zwang' bei Stanberger; lokalen Charakter hat das Präfix zu-, das zer- entspricht: zubrochen = zerbrochen, vgl. die Kontamination zu- und zer- in „ E y n n Dialogus . . . zwischen einem Vatter vnnd Sun": zurgehen = zergehen, von den Präfixformen vor-/ver- überwiegt vor-. So zeichnet sich die Sprache der untersuchten Flugschriften Buchfürers nicht nur durch große Einheitlichkeit aus, sondern auch durch fast völliges Fehlen von Variierung, wenn man die graphischen Schwankungen in der Bezeichnung der alten Diphthonge uo, üe nicht zählt. Mehr oder weniger gleichmäßig ist auch die Wiedergabe der spezifisch mitteldeutschen Besonderheiten (Übergang o > a, die Verteilung von u/o, der Übergang o~> u, die Lexeme mit i < e usw.). Die beiden in E r f u r t bei Wolfgang Stürmer gedruckten Flugschriften „Eyn gesprech zwyschen vyer Personen" und Mechler, „Apologia oder schutzrede Egidy Mechlery pfarners tzu Sanct Bartholomeus tzu Erffort." E r f u r t [Wolfgang Stürmer] o. J . knüpfen sprachlich an die Drucke Buchfürers an. I m lautlich-graphischen System wird das bei den wesentlichsten Merkmalen sichtbar. 1. Die neuen Diphthonge werden in beiden Flugschriften konsequent wiedergegeben, vereinzelte Ausnahmen sind erdtrich, vermurt 'vermauert' in „Eyn gesprech zwyschen vyer Personen". 2. Wie in Buchfürers Drucken werden die alten Diphthonge uo, üe uneinheitlich wiedergegeben, in „Eyn gesprech zwyschen vyer Personen" tzu, guter, brüder, büberey, aber thun, trugen usw.; bei Mechler büben/buben, huren, tzu, aber gude 'gute'. 3. Gerundete und entrundete Formen sind selten, vgl. in „Eyn gesprech zwyschen vyer Personen" bösser 'besser', wör 'Wehr', wurd.
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4. Bezüglich der Distribution von u/o, Ü/Ö erscheint o a ist seltener als in Buchfürers Drucken, oder ¡oder, salt/solt, ab 'ob' (bei Mechler), nach 'noch'. 7. Der Übergang von o > « i s t in beiden Flugschriften in der Form wu vertreten, aber auch su 'so' erscheint bei Mechler. 8. Der Übergang von au/eu vor Labialen ist bei Mechler durch die Form teufft < taufft belegt. 9. Die Apokope ist intensiver als in den Drucken Buchfürers durchgeführt. Im morphologischen System des Verbalparadigmas sind größere Unterschiede zwischen beiden Flugschriften zu beobachten. Bei Mechler, wo die mitteldeutschen Besonderheiten mehr hervortreten, entspricht das System der Personalendungen völlig dem der Gegenwartssprache. In „Eyn gesprech zwyschen vyer Personen" gibt es vereinzelte Formen auf -nt. Die Verben gehen und stehen folgen in der ersten Flugschrift der östlichen Variante, in der zweiten Flugschrift sind vereinzelte westliche Formen belegt, z. B . vmbgat 'umgeht'. Verben mit Rückumlaut sind in der ersten Flugschrift durch die Formen bedackte 'bedeckte', vorkart 'verkehrt' belegt. In dieser Flugschrift gibt es auch keine kontrahierten Formen wie z. B . leyt 'legt' in „Eyn gesprech zwischen vyer Personen". Im Wortbildungssystem Mechlers erscheinen konsequenter mitteldeutsch vor- und -niß, während in der anderen Flugschrift auch ver- gebräuchlich ist: verklagen, verspielt, aber vorstanden, vorblendet und neben bekentnis bekentnus, ergernus, jedoch gibt es in „Eyn gesprech zwyschen vyer Personen" auch das spezifisch ostdeutsche Präfix tzü-, das zer- entspricht,. tzüstört 'zerstört'. Die zusätzlich herangezogene Flugschrift des Geistlichen J o h . Lange, ebenfalls 1523 in Erfurt von einem unbekannten Drucker gedruckt, „Uonn gehorsam", steht sprachlich den untersuchten Erfurter Drucken sehr nahe, aber mit einigen Abweichungen. Es fehlt die Kennzeichnung des alten Diphthongs uo, dafür wird u gesetzt, zu, muß usw. Der Umfang der Apokope entspricht den Erfurter Drucken. Vereinzelte Formen des Typs milche, nach 'noch', das Präfix vor- und dieselbe Struktur des Verbparadigmas werden belegt. Abweichungen vom System der Merkmale, die für Buchfürers Drucke charakteristisch sind, sind selten. Insgesamt kann man ein mehr oder weniger einheitliches Sprachmodell in den Druckereien Erfurts feststellen, dem die einzelnen Drucker folgten. Dadurch unterscheiden sich die Erfurter Drucker von denen anderer Städte, besonders von denen Straßburgs und Bambergs. Möglicherweise machte sich der Einfluß
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eines solchen wissenschaftlichen und kulturellen Zentrums wie des Studium Generale unmittelbar bemerkbar, das auf die Sprachpolitik der Erfurter Kanzlei und der Drucker schon im 15. Jahrhundert eingewirkt hat. Die Leipziger Drucker sind durch drei Flugschriften vertreten: 1. Johannes Fabri, „Wie sich Johannis Hußs . . . vnd Johannis vö wessalia/Leren . . . mit Martino Luther vergleichen", 1528 gedruckt bei Valentin Schumann, 2. Hans Hergot, „Von der newen Wandlung", wohl von Michael Blum 1527 gedruckt und 3. Wolfgang Wulfer, „Wid' die vnselige auffrure Merten Luders" (1522). Unter den genannten Schriften treten die sprachlichen Besonderheiten der von Schumann gedruckten Flugschrift hervor. I m Unterschied zu den übrigen Leipziger Drucken und auch zu den Drucken der anderen ostmitteldeutschen Städte sind hier die alten Monophthonge stabiler, vgl. fegfur, aber auch fegkfewr, schribt/ schreibet, beliben 'bleiben', sine 'sein', zit, aber auch zeyt, win, triben, rych 'reich', thusent, nüwen, bruch usw. Die Formen mit alten Monophthongen überwiegen bei weitem gegenüber denen mit neuen Diphthongen. Folglich fehlt hier eines der grundlegenden Merkmale der ostmitteldeutschen Drucke, nämlich das Nebeneinander von neuen Monophthongen und neuen Diphthongen. Aber auch die anderen ostmitteldeutschen Besonderheiten fehlen entweder völlig oder treten nur in einzelnen Formen auf. Das betrifft beispielsweise den Übergang o > a, der nur in ader belegt ist, und den vereinzelten Ubergang u > o. Gleichzeitig findet sich, nach dem Vorbild besonders der Augsburger Drucker, die Wiedergabe des alten Diphthongs ei als ai, ay (ainigkeit, aigne, allain, ayn, maynung), aber im Unterschied zu den Augsburger Druckern wird nicht zwischen alten und neuen Diphthongen getrennt, vgl. z. B. ein, kein neben ayn oder die Wiedergabe des neuen Diphthongs durch ay in layder. Andererseits herrschen auch im morphologischen System nichtmitteldeutsche F o r m e n : I n der 3. P. PI. -nt, im Part. Perf. des Verbums sein gewesen, in der 3. P . PI. sind. I m ganzen spiegelt das sprachliche Substrat der Flugschrift eher Elemente südwestdeutscher Tradition wider, wohl durch die sprachlichen Eigentümlichkeiten des Autors bedingt. Der Einfluß des Druckers auf die Sprache der Flugschrift war in diesem Fall unbedeutend. Die beiden anderen Flugschriften fügen sich mit ihrer Sprache in die schriftliche Tradition der ostmitteldeutschen Kulturzentren ein und zeigen nur unbedeutende Unterschiede. I m lautlich-graphischen System: 1. Konsequent ist das Nebeneinander von neuen Diphthongen und neuen Monophthongen, mit Ausnahme einzelner Fälle: Bei Wulfer ist die Form vff gebräuchlich, bei Hergot finden sich einzelne Wörter mit der Kennzeichnung des alten Diphthongs wo/we, vgl. fluer 'Flur', fuesse 'Füße'. 2. u > o in einer großen Gruppe von Wörtern, vgl. bei Wulfer son, sonder, königlich, bei Hergot dörffe, vergönnen, sondere. 3. Der Übergang o > a: nach (Hergot), ab (Wulfer), ader (Wulfer). 4. Formen des Typs naw 'neu', aber auch newen, drauet 'droht' (Wulfer). 5. Der Ubergang o > u: wue 'wo' (Wulfer), wulte 'wollte' (Hergot). 6. Der Übergang au > eu: gleubjglaub, heubt/haubt (Hergot).
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7. e statt i findet sich nicht nur in brengen (Wulfer, Hergot), sondern auch in schrefftgelerten (Hergot). 8. Einzelne Fälle der Monophthongierung von ei: bede < beide, gestlich < geistlich, send < seind (Wulfer). 9. Die Wiedergabe der spirantischen Aussprache des g, z. B. schlahen. 10. Die Begrenztheit der R u n d u n g : würfe 'wirf' (Wulfer). 11. Die Art der Apokope ist typisch für die mitteldeutsche Tradition. 12. Die Form des attributiven Adjektivs, d. h. das Verhältnis zwischen den kurzen und den vollen Formen, zeichnet sich wie auch in anderen mitteldeutschen Drucken durch die Möglichkeit aus, nach dem bestimmten Artikel oder dem Demonstrativpronomen volle Formen zu verwenden: der heylige geyst, die gantze weit, das erweite vnd aller höchste gutt (Hergot), obwohl nicht weniger häufig in diesen Fällen die kurze Form gebraucht wird: der heylig geyst, die toll weit, das gemeyn volck. Wesentlich jedoch ist das Erscheinen der Formen mit -e nach dem bestimmten Artikel, also des Bildungsmodells, das in den Augsburger Drucken fehlt. Hierin stimmen die Leipziger Drucke mit den Speyerschen, Straßburger und Erfurter Drucken überein. I m morphologischen System entspricht die Struktur des Verbparadigmas dem heutigen Stand. I n der Konjugation von haben erscheint in der l . P . Sg. neben ich hab auch ich han. Die Verben stehen, gehen folgen der östlichen Variante. I n beiden Flugschriften erscheint das Verbalpräfix zer- als zu-: zuschlagen 'zerschlagen' (Hergot), tzustoren 'zerstören' (Wulfer). Bei aller Gemeinsamkeit der sprachlichen Züge beider Drucke bewahrt die Flugschrift Wulfers mehr spezifisch lokale Erscheinungen, vgl. naiv, drauet, aber auch die Monophthongierung ei > e; Id in halden, aide, Formen mit Rückumlaut des Typs ausgedacht. Möglicherweise ist der weniger lokale Charakter der Sprache Hergots nicht auf die Praxis des Druckers zurückzuführen, sondern auf die lang andauernden Verbindungen des Autors mit Nürnberg, wo er seine Druckerei hatte. E r m u ß t e sie aufgeben, als er ins Exil ging. Der Dresdner Drucker Wolfgang Stockei hat vorwiegend die politischen Traktate und polemischen Flugschriften Emsers gedruckt. Von den vier untersuchten Flugschriften geben nur zwei den Erscheinungsort an, und nur eine von ihnen nennt auch den Drucker. Beide Dresdner Flugschriften, 1. „Emßers bekenntnis" und 2. „Das man der heylige bilder yn den kirche nit abthon/ noch vnehren soll/ v n n d das sie yn der schrifft nynderst verbotte seyn. Geben zu Dresden Anno XXij.", zeigen dieselben mitteldeutschen Besonderheiten wie die Drucke aus Erfurt und Leipzig. Auf der gemeinsamen Grundlage des Nebeneinanders von neuen Monophthongen und neuen Diphthongen, des Übergangs des Diphthongs ou > au (neben relikthaften Bildungen des Typs fruntlich, glouben, ouch, ouge [zweite Flugschrift]) treten lokale Formen auf: naw 'neu' in beiden Flugschriften, Lawen 'Löwen' (erste Flugschrift), trawe (zweite Flugschrift) ; meh 'mehr', oder. I n Emsers antilutherischer Flugschrift „Wyder das wild Geyffernd Eber Schwein Luthern" ist wiederum die Form naw (nawen Testament) verwendet worden, vgl. auch oder, sal, heubt und besodeltenn 'besudelt',
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geschmückte 'geschmückte' mit o, ö < u, ü nicht vor Nasal oder r, sondern vor Verschlußlaut. Die mitteldeutschen Formen treten auch in den übrigen Drucken Stöckels 145 ziemlich deutlich auf. Abgesehen davon, daß Stockei in München geboren wurde, die Universität zu E r f u r t absolvierte, arbeitete er lange Zeit (etwa 30 Jahre) in Leipzig und siedelte danach nach Dresden über. Die Wittenberger Drucker schließen sich weitgehend dem ostmitteldeutschen Modell an. Zu den Wittenberger Flugschriften, die für die Untersuchung ausgewählt wurden, gehören 1. Die Streitschrift „Von Der rechten Erhebung Bennonis" (1524), gedruckt bei Hans Lufft, 2. der populäre Traktat Nikolaus Hermans „Eyn Mandat Jhesu Christi" (1524), zuerst durch Nickel Schirlentz gedruckt, dann in 18 Neuauflagen im Verlauf von mehr als 30 Jahren wiederabgedruckt, darunter in Breslau bei Adam Dyon, in Wittenberg bei Melchior Lotter, in Straßburg bei Johannes Schwan, in Zwickau bei Jörg Gastel, in Bamberg bei Georg Erlinger usw., 3. Luthers Sendbrief „An den Christlichen Adel", zuerst 1520 durch Melchior Lotter gedruckt und 4. eine Reihe Wittenberger Drucke ohne genauere Angabe des Druckers. Die drei ersten Flugschriften, von drei verschiedenen Druckern gedruckt, werden durch folgende Merkmale charakterisiert, die sie mit den übrigen mitteldeutschen Drucken gemeinsam haben. I n der kurzen Streitschrift „Von Der rechten Erhebung Bennonis" finden sich nicht nur das Nebeneinander von neuen Diphthongen und neuen Monophthongen, sondern auch einzelne mitteldeutsche Varianten, wie gonstig, heubt, wilche und spat 'spät', die typisch sind für die Druckerpraxis der mitteldeutschen Städte. Sie alle treten auch in den übrigen Wittenberger Drucken auf. I n bezug auf die Diphthongierung finden sich einzelne nichtdiphthongierte i beim Diminutivsuffix -lin, vgl. Luthers Flugschrift, aber auch in solchen Wörtern wie latinisch (auch bei Luther). Die alten Diphthonge uo, üe werden gewöhnlich als Monophthonge wiedergegeben, einzelne ue = uo begegnen im Sendbrief Luthers (stuel) sowie in seinen anderen Flugschriften; im Druck von Schirlentz gütig, fuß 'Fuß'. Der Diphthong ou wird völlig konsequent zu au. Entrundung und Rundung sind auf einen engen Kreis von Wortformen beschränkt. I n Lotters Druck erscheint Wirtzburg; bei Schirlentz schündet 'schindet', wurd. Der Übergang u > o, ü > ö ist seltener als in den Erfurter Drucken, in Lotters Druck kunig, frum, mugen, durffen, munch, doch sonst, sonder; bei Schirlentz son, roten 'Ruten', konig, vmbsonst, Mönich. Der Übergang au > eu begegnet in keuffen, gleuben, teufft, heubt neben kauffen, glauben im Sendbrief Luthers. Dieselben Wörter mit denselben Schwankungen sind auch für den Druck von Schirlentz charakteristisch, ebenso der Übergang e > i in wilche (in beiden Schriften); aber bei Schirlentz findet sich auch welche, bei Luther hirschafft. Gewöhnlich erscheinen die Formen brengen 'bringen', für 'vor', bei Luther vbrigkeit 'Obrigkeit', das Präfix vorstatt ver-, zu- statt zer-. In den genannten Drucken fehlen solche mitteldeutschen Formen wie sal, ader, jedoch bei Luther dach 'doch', wartzu 'wozu', wa 'wo'.
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Gemeinsame Gesetzmäßigkeiten wie z. B. die Behandlung der alten Diphthonge und Monophthonge, die Stabilität der einzelnen lokalen mitteldeutschen Varianten sind auch für die übrigen Wittenberger Drucke typisch. In Karlstadts „Entschuldigung" (Wittenberg 1525) sind bezeugt glewb, wilcher, wider 'weder', hewbdman; einzelne entrundete Formen wie Wirtzburg/ Wurtzburg Jraidig 'freudig'. Im Unterschied zu den erstgenannten Flugschriften steht vereinzelt sal neben sol. In den Flugschriften Luthers, die sich auf die Ereignisse des Bauernkrieges beziehen („Eyn Sendebrieff" und „Ermanunge zum fride"), sind die lokalen Varianten glewbt, hyrschet, wilcher üblich. Es treten auch ader/odder, forcht auf. Die Intensität der Apokope und die damit verbundene Form des Adjektivs in den attributiven Wortgruppen sind nicht stabil. Bei Schirlentz z. B. findet sich beim fem. Substantiv liebe, aber gnad, ausrede, aber straff, sewl; beim mask. Substantiv friede, aber glaub, im Plural freunde, leutte, wolffe, knechte, stette, aber auch amptleut, wolff. Bei Luther in Lotters Druck ist die Apokope im Nominalsystem ziemlich verbreitet: tauff, straff, aug, kirch, sund, aber seele, kirche, sunde; im Plural brieffe, kunige, aber die feynd, die stuck, die kunig usw. Etwas stabiler ist das -e im absoluten Auslaut der Verbformen, besonders im Konjunktiv, bei Luther ich rede, thue; er wolle, stieße, were, bleybe, gebe, leyde usw. I n geschlossener Silbe kann das -e bewahrt werden: geyrret, seiiget, samlet, eylet, aber auch gelert, vertrawt; bei Luther in Lotters Druck drewet, leret, kleydet, dienet, heysset, aber geredt, tregt usw. I n den attributiven Wortgruppen werden bei Schirlentz wie auch in den übrigen mitteldeutschen Drucken nach dem bestimmten Artikel nicht nur kurze Formen verwendet das christlich volck, der lebendig söhn Gottes, sondern auch volle Formen, das eyngenomene schlos, der listige feynd, der lebendige söhn Gottes. I n Lotters Druck sind beide Varianten möglich, die weltlich vbirkeit, das weltlich schwert, das schendlich teuffelisch regiment (Akkusativ), das deutsch landt, der heylig nam, das bloß schalckhafftig wortlin, die gemeynist vnnd grossist Straß, aber das berumptiste Concilium, das falsche lugenhaftige schrecken, die öffentliche warheyt. I m morphologischen System tritt in Lotters Druck das Paradigma des Verba sein im Plural hervor: 1., 2., 3. P . sein, P a r t . Perf. gewesenfgewest, insbesondere auch die westliche Variante der Verben gehen und stehen, so vmbgan (3. P . PL), bestan (Infinitiv). I n den Wittenberger Flugschriften finden sich wie in den übrigen ostmitteldeutschen Drucken Formen der 3 . P . Sg. P r ä t . des Typs fund, h u l f f , sung. Offenbar sind sie nicht durch Rundung bedingt, sondern durch die Ausweitung der Pluralformen auf den Singular. Das vorgeführte Material erlaubt ein Urteil über den Grad der Vereinheitlichung in der Sprachpraxis der Wittenberger Drucker, die der Tradition der kurfürstlich-sächsischen Kanzlei sehr nahe stand (Weiteres s. Kapitel V) 146 . Die Allstedter Drucke sind durch Schriften Müntzers vertreten. Aus seinen Flugschriften sind für die Untersuchung in diesem Abschnitt ausgewählt worden: 1. „Protestation odder empietung" (1524), 2. „Deutsch Euangelisch Messe" (1524), 3. „Außlegung des andern vnterschyds Danielis deß propheten" (1524).
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Da diese Schriften von e i n e m Autor stammen und offenbar von demselben Drucker gedruckt worden sind, stellt sich das Problem der Stabilität der Gesamtheit der charakteristischen Merkmale bei diesem Material nicht. I n diesem Falle ist der Grad der Invarianz in der Sprache der ostmitteldeutschen Drucke von Interesse. Die gemeinsame lautlich-graphische Grundlage ist gewahrt. Wie in den meisten Drucken dieses Gebietes (mit Ausnahme des Druckes von Schumann, der oben beschrieben wurde) ist das Nebeneinander von neuen Diphthongen und neuen Monophthongen ziemlich konsequent durchgeführt; nur einzelne Ausnahmen kommen vor, so in der ersten Flugschrift früntlich, yfer 'Eifer', in der zweiten einzelne Kennzeichnungen von ue, üe: wueten, blüett. Entrundete Formen sind vereinzelt belegt: krymmet 'krümmt'. Der Übergang u > o, ü > ö ist in einer ziemlich großen Gruppe von Wörtern — und nicht nur vor Nasalen, sondern auch vor r (eine Gesetzmäßigkeit des thüringischen Dialektgebiets) — vert r e t e n : so in der ersten Flugschrift sonder, son, abtrönig 'abtrünnig', frommer, bekömem 'bekümmern', möge, dorfenn, erworgen 'erwürgen', born; in der zweiten Flugschrift sone, sonder/ sunder, dörftigen, wortzeln 'wurzeln', görttel 'Gürtel'; in der dritten Flugschrift sonne, sone, sonder, kernig, dörfft, wortzeln, vorkörtzet 'verkürzt', korzen 'kürzen', zörne 'zürne'. Der Übergang e > i: I n der ersten Flugschrift wilche, wider 'weder'; in der zweiten Flugschrift wilche, hirschest, kilch; in der dritten Flugschrift wilche, wider. Der Übergang au > eu: I n der ersten Flugschrift teuffen, gleuben, heubt, gepewet 'gebaut', erbewbunge ' E r b a u u n g ' ; in der zweiten und dritten Flugschrift gleube. Der Übergang d > 6 ist begrenzt: dobey, do, dorin. Ebenso begrenzt ist der Übergang o > a: ab, selten ader, häufiger odder, gewöhnlich soll, sol. Vereinzelt ist der Übergang 6 > ü: wue 'wo', vereinzelt die Monophthongierung des Diphthongs vrlob. Ähnlich wie in den Drucken der anderen Städte erscheint die spirantische Aussprache des g in der Schreibung g/h, vgl. in der zweiten Flugschrift rügen 'ruhen', schlahen 'schlagen'. Als wesentlichstes Merkmal der Allstedter Drucke ist die sehr geringe Wiedergabe der Apokope zu nennen; Feminina: tauffe, weise, lere, gemeyne, sonne, salbe; Maskulina: herre, mensche (aber auch herr, mensch), glaube/glaub, afterglawbef affterglawb, geselle, narre oder thore, fride/frid, vgl. die Formen mit „falschem" -e vom Typ sone 'Sohn', aber auch auferstehunge, vorgebunge, versuchunge; den Plural knechte, leute und die hyperkorrekte Form brudere; in der 1. P. Sg. des Verbs erkenne, trinke, siehe, gleube, stosse usw., ebenso im Konjunktiv der 3. P . Sg. Damit stehen auch die Formen des attributiven Adjektivs in Zusammenhang. I n keinem der untersuchten Drucke ist die Verwendung der vollen Formen nach dem bestimmten Artikel oder dem Demonstrativpronomen so verbreitet wie in den Flugschriften Müntzers, vgl. in der ersten Flugschrift die arme grobe Christenheyt, der heyige Lucas, das ewige licht; in der dritten Flugschrift die gantze predig, die getichte heilickeit, die christliche kirche, die christliche gemein, die gantze weit, die allerklerste weyßheit, das heuchlische entschuldigen, das gemeyne volck, der auffgerichte eckstein, der wäre stein, der zarte söhn gottis, der selbige heiige geyst usw. Wortgruppen mit der kurzen Form sind in diesen Fällen sehr selten. 7
Guchmann
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Dadurch steht die Sprache der Allstedter Drucke in dieser Beziehung der gegenwärtigen Norm am nächsten. Im morphologischen System bewahren die Allstedter Drucke konsequent die Besonderheiten, die in den übrigen ostmitteldeutschen Drucken hervorgetreten sind. Auch im Wortbildungssystem herrschen die Präfixe vor- (ver-), zu- (zer-) und das Suffix -niß. Verallgemeinert man das analysierte Material der ostmitteldeutschen Drucke, so müssen zwei wichtige Momente hervorgehoben werden. 1. In keinem anderen Gebiet gab es so viele Druckzentren wie hier: Erfurt, Zwickau, Jena, Leipzig, Dresden, Eilenburg, Wittenberg, Breslau. Die Konzentration der Druckzentren ist bedeutend größer als im Westmitteldeutschen, im Südwesten und im Südosten. Außerdem wurde in diesen Zentren ein großer Teil der politischen Literatur gedruckt. Nur Straßburg und Augsburg können mit den ostmitteldeutschen Zentren auf diesem Gebiet konkurrieren. 2. I m wesentlichen tritt in den ostmitteldeutschen Drucken ein System einheitlicher Merkmale hervor. Unterschiede ergeben sich im Grad der Intensität einzelner Erscheinungen, d. h. die Drucke unterscheiden sich durch den Umfang der Gruppen von Wörtern, an denen einzelne lokale Erscheinungen bemerkbar waren, vgl. die Realisierung des Ubergangs u > o, ü > ö in E r f u r t und Allstedt auf der einen und in Wittenberg auf der anderen Seite oder die Realisierung des Übergangs o > a in den verschiedenen ostmitteldeutschen Zentren. Wie in den übrigen Städten ist auch in den ostmitteldeutschen die Freiheit der Variierung bewahrt, die insbesondere durch das Zusammentreffen der eigenen und der fremden schriftlichen Tradition bedingt ist. Aber in den ostmitteldeutschen, besonders den Wittenberger und Allstedter Drucken betrifft die Varianz vorzugsweise nicht die Massenerscheinungen, sondern eine begrenzte Gruppe von Wortformen. Die Struktur der regelmäßigen Verbparadigmen folgt einem einheitlichen Modell, die meisten der häufigen lautlich-graphischen Merkmale werden nicht oder kaum variiert. Die Varianz ist intensiv in einer Reihe von Erscheinungen, die an kleine Gruppen von Lexemen gebunden sind, vgl. den Übergang u > o, e > i, i > e, 6 > u, au > eu. Nur im äußersten Südwesten, in Zürich, zeigt sich in den Drucken der politischen Literatur eine vergleichbare Situation.
8 Die Analyse der Praxis der schweizerischen Druckzentren ergibt infolge des Charakters der Drucke, die zur Verfügung standen, nur ein ziemlich undifferenziertes Bild. Die Züricher Drucke werden durch eine große Geschlossenheit charakterisiert und durch eine geringe Zahl an Varianten. Die Praxis der verschiedenen Drucker stimmt fast überein, wie auch aus dem Material ersichtlich wird, das Götze 147 anführt. Am produktivsten war der Züricher Drucker Christoph Froschauer. E r
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druckte alle Schriften Zwingiis, aber auch die Protokolle und Beschlüsse des Stadtrates. Typisch für die Sprache der politischen Schriften Zwingiis und anderer Schweizer Reformatoren ist das konsequente Fehlen der Diphthongierung in den Züricher Drucken, d. h. ein absolutes Beibehalten der alten Monophthonge %, u, ü . I n den für die Analyse herangezogenen Flugschriften sind praktisch keine diphthongierten Formen bezeugt. Es wurden folgende Flugschriften herangezogen: 1. Zwingli, „Die dritte geschrifft" (1526); 2. Zwingli, „Welche Vrsach gebind zu ufrüren welches die waren vfrürer sygind/ vnd wie man zü Christlicher einigkeit vnd fryden komen möge/ durch Huldrych Zuinglin zü Zürich." MDXXV. Getruckt durch Christophorum Froschouer zü Zürich.; 3. Hofmeister, „Acta und handlung" (1526); 4. „Acta oder geschieht wie es vff dem gesprech d. 26. 27. vnnd 28 tagen Wynmonadts in der Christenlichen statt Zürich/ vor eim Ersame gseßnen großen vn kleine R a d t ouch in by sin mer dan 500 priestern/ vnd vil anderer biderber lüten/ ergangen ist. Anbetreffend die gotze vnd die Meß." Anno M D X X I I I jar. Getruckt in der Christenlichen statt Zürich/ durch Christophorü Froschouer. Die alten Diphthonge werden regelmäßig als w und u wiedergegeben. Der alte Diphthong ou geht nicht in au über: glouben, ouch, louffend usw. Der "Übergang von ä > ö ist ziemlich regelmäßig. Die Entrundung fehlt praktisch. Die R u n d u n g {müssen 'wissen', zwüschen 'zwischen', krücht 'kriecht') umfaßt eine begrenzte Gruppe von Wörtern. Der Übergang von u > o ist eingeschränkt auf die Stellung vor Nasalen, aber auch in diesem Falle erscheint er nur bei bestimmten Lexemen: fromm, sonder, sonst. Besondere Merkmale charakterisieren Synkope und Apokope. I n vortoniger Silbe, insbesondere beim Präfix ge-, wird e oft synkopiert: gwalt, vnglert, gmeynd, gfaren, gmeiner (bei Hofmeister), gsagen, glycher, ggeben, gsessen, gschrift (bei Zwingli); aber daneben stehen auch nichtsynkopierte F o r m e n : gehandlet, geschehen, gefüert, gewonheyt (ebenfalls bei Hofmeister), gelert, geprediget, getruckten, zugeschickt, geschrifft, gethon (bei Zwingli). Die Apokope des auslautenden -e ist ziemlich verbreitet, ausgenommen das Endungs-el~y der fem. Substantive des Typs lieby, fully. Aber in allen Züricher Drucken sind in geschlossener Silbe unbetonte i, o neben synkopiertem e vertreten: versichrot, sichorsten, kreftigosten, wenigost, sygind 'seien' (bei Zwingli); zerstorind, verachtind, zerrissind (bei Hofmeister); daneben erscheint auch -end: predigend, singend (Hofmeister), habend, mögend, kümend (Zwingli). I m Verbalparadigma in der 1., 2. und 3. P. PI. Präs. Ind. Akt. erscheint als feste Endung -nd. Die Verben gehen, stehen treten nur in der westlichen Variante auf, bei haben mischen sich zwei Paradigmen, das kontrahierte und das volle. I m Wortbildungssystem tritt die Variante -lej-lin als Diminutivsuffix auf, -nuß als Suffix für Abstrakta. Bestimmt gibt es auch in diesen Drucken gewisse Varianten, ken im Grad der Apokope, das Schwanken hinsichtlich der betonten Vokals in geschlossenen Endsilben, die Konkurrenz im Plural. Aber im ganzen, und besonders im Vergleich zu den 7*
vgl. das SchwanQualität des unhabend und hand Drucken anderer
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Städte, ist die Sprache der Züricher Drucke der polemischen Literatur besonders einheitlich, und es fehlen lautlich-graphische und morphologische Varianten. Die Tradition der alemannischen Variante der Literatursprache, die durch eine Reihe von Drucken des 15. J a h r h u n d e r t s repräsentiert wird, erhält sich mit erstaunlicher Stabilität, auch zur Zeit der Reformation und des Bauernkrieges, obgleich hier nicht alle Dialektbesonderheiten des südalemannischen Gebiets widergespiegelt wurden (vgl. z. B. den Wandel k > kch, der völlig fehlt). Im allgemeinen kann gesagt werden, daß diese Einheitlichkeit der Sprache der politischen Literatur bedingt wird durch eine gewisse Abgeschlossenheit und Isolierung nicht nur der Sprache des südalemannischen Schrifttums, sondern auch des südalemannischen Dialekts, der keine Innovationen kannte, die mit dem Einfluß des Fränkischen verbunden waren. Die geographische und politische Isolation der schweizerischen Städte verhinderte das Eindringen der Isoglossen sowohl aus den fränkischen Dialekten als auch aus der fränkischen Variante der schriftlichen Literatursprache, was für das elsässische Gebiet und sein politisches und kulturelles Zentrum Straßburg so charakteristisch war. Schon in Basel wird von den Besonderheiten der alemannischen Variante der Literatursprache abgewichen, ungeachtet dessen, daß diese Stadt nach der Niederlage des schwäbischen Städtebundes in den Verband der Eidgenossenschaft einging. Dieses Abweichen zeigt sich im Eindringen der „fremden" Merkmale in die Sprache der politischen Literatur, wodurch sich die Variierungsmöglichkeit vergrößerte. Zwei untersuchte Baseler Flugschriften gestatten ein Urteil über die hier entstandenen Variierungsmöglichkeiten. Dies sind: 1. Der von Pamphilus Gengenbach 1522 gedruckte und wohl auch verfaßte Dialog „Ein cleglichs gesprech geschahen nit weit von Trient", 2. die originelle, Pamphilus Gengenbach zugeschriebene, ebenfalls von ihm gedruckte Streitschrift „Ein kurtzer begriff wie der Schultheiß vii die gemein deß dorffs Fridhusen . . . erweit haben ein schöffel irs dorffs mit namen Hans Knüchel". Das Einströmen von fremden Formen erscheint vor allem in der inkonsequenten Wiedergabe der alten Monophthonge %, u, ü. Obwohl im Dialekt des untersuchten Gebietes neue Diphthonge fehlen, erscheinen sie sporadisch in den genannten Drucken Gengenbachs, vgl. in der ersten Flugschrift: by mynem fründ, aber zu gleicher weiß, minem reich, sein leer, aber sin stroff, din/dein, dryldrey, üch/euch, üwerjeüwer, tütsch/teutsch, tüffeljteüffel; in der zweiten Flugschrift erscheinen Diphthonge in mein, sein, leüt, eüwer. Der heimische Diphthong ou steht neben „fremdem" au: ougen, erloubt, frow, glouben, aber auch glauben (zweite Flugschrift), tausen, auch, glaub (erste Flugschrift). Hinsichtlich anderer lautlich-graphischer Erscheinungen bewahren diese Flugschriften die heimischen Traditionen. Das betrifft 1. den Übergang von ä > o, vgl. stroß 'Straße', jor 'Jahr', stroff 'Strafe', rot 'Rat', war 'wahr', frog 'Frage', abgon 'abgehen', gethon 'getan' usw. in der ersten Flugschrift; jor, moß 'Maß', dodurch 'dadurch', gerotschlagt 'geratschlagt', gnod 'Gnade', sproch 'Sprache', worlich 'wahrlich'
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usw. in der zweiten Flugschrift; 2. die sporadische Wiedergabe der Monophthongierung der Diphthonge ei, au vom Typ hellgosten 'heiligsten', pen 'Pein' (zweite Flugschrift); 3. die Rundung, die in den genannten Flugschriften ziemlich oft erscheint, vgl. nüßt 'genießt', verlürt 'verliert', verlühen 'verliehen', würcken 'wirken', bösseres 'besseres' (zweite Flugschrift), mar 'Meer', würst 'wirst', lüff 'lief' (erste Flugschrift); 4. die allerdings nicht konsequente Beibehaltung der alten Vokale in unbetonten Endsilben des Typs helligost, wüsti 'Wüste', bätlery 'Bettlerei', liebi 'Liebe', obwohl in diesen Formen auch reduziertes -e möglich ist (erste Flugschrift). I m morphologischen System sind alte heimische Formen stabil, obwohl auch einzelne konkurrierende überlandschaftliche Einheiten vorhanden sind. So bewahren z. B. die kontrahierten Paradigmen der Verben stehen, gehen konsequent die südwestliche Variante ston, gon. Das Verb haben hat im Plural die Formen han/hand, aber auch ir haben (zweite Flugschrift), in der 1. P. Sg. han und hab (ebd.), in der 2. P. Sg. habest (erste Flugschrift). Die beiden Konjugationsvarianten des Verbs haben stehen nebeneinander, was schon Ernst Müller1,58 in bezug auf die Basler Schreibsprache festgestellt hat. Die kontrahierten Formen beruhen auf dem alemannischen Usus, während die vollen das Ergebnis der Ausstrahlung aus anderen Gebieten sind, vorwiegend infolge des Einflusses auf die Schreibsprache. Noch deutlicher erscheint der Unterschied zwischen den Züricher und Basler Drucken in der Bildung der Pluralendungen des Präs. I n d . Im Unterschied zu den Züricher Drucken, in denen im Plural in allen drei Personen die Endung -nd dominierte, was auch der alemannischen Norm entspricht (vgl. noch die Formenbildung des Plurals in den Werken des Berner Dichters, Politikers und Reformators Nikiaus Manuel [„Der Ablaßkrämer. 1525"], wo -nd in allen Personen des Plurals erhalten wird), erscheinen in Basel hier Doppelformen, die bis zu einem gewissen Grade das Eindringen der Differenzierung in den Plural fördern, vgl. in der zweiten Flugschrift Wissend ir aber, was ir begeren (243, 15), wo nach Augsburger Muster in einem Satz die Formen -nd (heimisch) und -en (eingedrungen) auftreten, vgl. auch ir meinend, gond, sorgend und ir hören, müssen, haben, glauben, hoffen. In der ersten Flugschrift erscheint -en auch in der 1. und 3. P. PL: wir haben, sy haben, vgl. z. B. Sie wellen den pfaffen nüt me geben vnd gend der armen gar nütz (22, 5—7). Deutlich wird der lokale Charakter der Sprache der in Basel gedruckten politischen Literatur auch in dem Umfang der kontrahierten Verbformen: seitest 'sagtest', gend 'gebend', keir 'keiner', gen 'gegen' (erste Flugschrift); geleit 'gelegt', seite 'sagte', gend 'gebend', lond 'lassend', sond 'ihr sollt' (zweite Flugschrift). I n noch größerem Maße tritt dieser lokale Charakter in der Wortwahl auf: lugen, losen, kilche, nüt 'nicht', nütz 'nichts', irtung 'Irrung', har 'her', schaffei usw. Auf dem Hintergrund dieser lokalen Schicht heben sich wiederum konkurrierende Formen ab, wie kirche neben alemannisch kilche, hören neben losen usw. Auch im Wortschatz zeichnen sich somit zwei Gruppen von Erscheinungen a b : lokal begrenzte und gemeindeutsche Lexik — die letzte
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als Ergebnis des Einflusses anderer deutscher Sprachgebiete und anderer schriftlicher Traditionen. Besonders deutlich tritt der überlandschaftliche Charakter beim gesamten lateinischen Wortschatz zutage, der umfangreich in der Sprache der politischen Literatur vertreten ist (vgl. Kapitel IV). *
Die Untersuchung der Rolle verschiedener Druckzentren bei der territorialen Gliederung der Sprache der politischen Literatur und die Analyse der Stabilit ä t im Auftreten unterschiedlicher Merkmale bei verschiedenen Druckern erlauben es, gewisse Schlußfolgerungen zu ziehen. Vor allem muß man die Ungleichartigkeit der Verhältnisse hervorheben, die sich aus der Analyse ergeben. Man kann sagen, daß die Gewohnheiten dieses oder jenes Druckzentrums die Sprache der politischen Literatur beeinflußt haben, jedenfalls in lautlich-graphischer und in morphologischer Hinsicht. Der Vergleich verschiedener Drucke derselben Schrift und auch verschiedener Werke ein und desselben Verfassers hat diese Abhängigkeit recht deutlich gezeigt. Aber zugleich zeigte sich, daß beim Nachdruck der Charakter der Änderungen und ihre Intensität schwanken. So bedeutete der Nachdruck einer Flugschrift durch einen anderen Drucker nicht immer die Übernahme aller Besonderheiten der Drucktradition des Zentrums, das den fremden Druck nachdruckte. Nicht selten blieben die Besonderheiten des Erstdruckes erhalten, wie das aus dem Vergleich der fünf Drucke einer Schrift Huttens hervorging. In diesem Zusammenhang sind auch einige andere Materialien interessant: Kettenbachs Flugschrift „Ein Practica", die wir oben untersucht haben, ist in Bamberg bei Erlinger erschienen. Der Nürnberger und der Straßburger Nachdruck zeigen in einer Reihe von Fällen Veränderungen, z. B. in der 2. P . PI. -en statt -t: Ir habet > haben (Nürnberg, Straßburg), forchtet > forchte (Nürnberg, Straßburg), Ir sprechet > sprechen (Nürnberg; Straßburg hat nicht geändert). I n einigen Fällen bleibt -t erhalten. Konsequenz ist bei diesen Veränderungen nicht herauszufinden. Die Flugschrift „Verhör vn Acta", in Wittenberg bei J o h a n n Grunenberg 1522 erschienen, ist deutlich dialektal gefärbt. Die Nachdrucke beseitigen diese regionalen Erscheinungen, wie z. B. aber in der Bedeutung 'oder' (73, 10), wur statt wo (82, 10), ändern aber ir lasset in lassent, lassen (75, 19), let in laßt, sal einmal in sol, sonst bleibt sal erhalten. Vielleicht sind in diesem Zusammenhang auch folgende Tatsachen aufschlußreich: Die Meyer zugeschriebene polemische Flugschrift „Ernstliche ermanung" ist — wie schon in Kapitel I I angeführt — so aufgebaut, daß am Anfang der Sendbrief des Bischofs abgedruckt wird, danach folgt der polemische Kommentar, der das Verhalten und die Politik der katholischen Geistlichkeit entlarvt. Jeder P u n k t des Kommentars beginnt mit einem Zitat aus dem bischöflichen Sendbrief. Beim Vergleich dieser Zitate mit dem Text des Sendbriefs zeigen sich nicht im Inhalt, wohl aber in der Form bedeutende Unterschiede.
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Das Original hat der maß (288, 10), das Zitat der moß (297,26), „ „ „ frommen (288,17), „ „ frummen (299,1), neulich, ernewert (300,20), „ „ nüwlich, ernüwert, laut (300,22), „ „ lutt, stets wirt, „ „ wurt, „ „ „ sonder, fürgenommen, „ „ sunder, fürgenummen. Der Vergleich dieser beiden Reihen zeigt, daß im Original die neuen Diphthonge wiedergegeben werden, während der Autor die Zitate konsequent in die alemannische Variante der Literatursprache „übersetzt", und zwar bedeutend konsequenter als die meisten Verleger bzw. Drucker. Wenn der Vergleich von verschiedenen Drucken ein und derselben Schrift ebenso wie der Vergleich von Schriften ein und desselben Verfassers, die in verschiedenen Zentren erschienen sind, ein sehr buntes Bild ergibt und allgemeine Schlüsse erschwert, so trifft das in noch größerem Maße auf die Analyse der Sprache verschiedener Autoren zu, die in ein und derselben Stadt gedruckt worden sind. Nicht nur Straßburger und Bamberger, sondern sogar Augsburger Drucke geben kein homogenes Bild. Dabei geht es in diesem Fall z. B. nicht so sehr um den unterschiedlichen Grad solcher nichttypischen Erscheinungen wie Rundung oder Entrundung, sondern um die Existenz entgegengesetzter Gesetzmäßigkeiten, wie die Beibehaltung alter Monophthonge und ihre Diphthongierung, unterschiedliche Formen der Paradigmen der athematischen Verben, unterschiedliche Bildung der Verbalendungen. Die Abweichungen beziehen sich also auf wichtige strukturelle Merkmale der Sprache. Zweifellos hing der Umfang der Variierung in hohem Maße vom Zusammentreffen verschiedener schreibsprachlicher Traditionen ab, aber auch davon, daß viele Erscheinungen der Umgangssprache wie die Entrundung, der Übergang von ä > o und auch bestimmte andere regionale Erscheinungen nur in Auswahl in die Schreibsprache gelangten, wobei die Prinzipien dieser Auswahl nicht konstant waren, weil weder ein strenges Auswahlsystem existierte, noch eine konsequente Abgrenzung zwischen der Umgangssprache und der schriftlichen Literatursprache bestand. Dazu war der Personalbestand an Druckern und Korrektoren, die zweifellos die führende Schicht in der Verlegerpraxis darstellten, weder im Hinblick auf dieses oder jenes Dialektgebiet, noch in bezug auf das kulturelle Niveau homogen. Alle diese Faktoren beeinflußten in bedeutendem Maße die Sprachpraxis der verschiedenen Druckzentren. Sie waren auch letzten Endes die Ursache jener Buntheit und Inkonsequenz, die auch in der Sprache der politischen Literatur auftreten. Wie die Erforschung der sprachlichen Praxis der bedeutendsten Wittenberger Drucker lutherischer Schriften gezeigt hat, gab es selbst dort keine strenge Konsequenz 149 . Vor allem wurde bezüglich des unbetonten -e inkonsequent bei den durchgeführten Verbesserungen verfahren (der Drücker verbessert in einem Fall leybe in leyb, heubte in heubt, in anderen Fällen dagegen leyb in leybe, weyb in weybe). Auch bei solchen spezifisch landschaftlichen Formen wie hirrschaft, wilcher, rigel 'Regel' wird in einigen Fällen das lutherische hirrschaft, rigel in
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herrschaft, regel verbessert, in anderen Fällen das handschriftliche welcher in wilcher. Deshalb erscheinen nicht selten Unterschiede zwischen handschriftlichen und gedruckten Varianten als Ergebnis der Überlagerung zweier gleichermaßen inkonsequenter, variantenreicher Modelle, der sprachlichen Systeme des Autors und des Verlegers (Druckers, Korrektors). In Zusammenhang damit ist auch folgendes wesentlich. Der Drucker verändert vorwiegend die Schreibweise einzelner Wortformen, das betrifft den lautlichgraphischen und den morphologischen Aspekt. Der Ersatz von Lexemen kommt seltener vor. Deshalb spiegelt die Wortwahl in größerem Maße als die Schreibweise der Wortformen die Besonderheiten der Sprache des Verfassers wider. Die Betrachtung der Rolle der Druckzentren bei der Gestaltung der Sprache der politischen Literatur bedeutet durchaus nicht, daß die spezifischen Besonderheiten der Sprache des Verfassers überhaupt nicht berücksichtigt werden müssen. Im Gegenteil, der wesentliche und wichtigste Faktor der lokalen Differenzierung der Sprache der politischen Literatur bleibt der Usus des Autors. Wie z. B. die Analyse der Sprache der politischen Flugschriften Kettenbachs gezeigt hat, muß das Nebeneinander alter Monophthonge und neuer Diphthonge, das sich am deutlichsten in den Bamberger Drucken widerspiegelt, wo keine Tradition von der Art des Augsburger Gemeindeutsch vorhanden war, auf das Konto der Sprache des Autors gesetzt werden. Unter den Drucken von Prüss fällt wegen ihrer geringen Variierung und ihrer relativen Einheitlichkeit zweifellos die Flugschrift „Hie kompt ein Beüerlein" auf. Der Verfasser des Dialogs ist unbekannt; wahrscheinlich handelt es sich um einen Vertreter des deutschen Humanismus. Sein Sprachgebrauch zeigt eine gewisse Einheitlichkeit, vor allem durch das Fehlen intensiver Variierung. Durch ihre Einheitlichkeit heben sich auch die ersten Drucke der deutschen politischen Flugschriften H u t t e n s ab, wie bereits dargelegt worden ist. Die Spezifik von Sprache und Stil des Verfassers erklärt ebenso die relative Einheitlichkeit der Sprachform in den Dialogen „Gesprech biechlin neüw Karsthans" und „Ain schöner dialogus . . . zwischen aim Pfarrer vnd aim Schulthayß"; der erste Dialog erschien bei Schürer in Straßburg, der zweite bei Ramminger in Augsburg. Vermutlich war ihr Verfasser der Reformator und Humanist Martin Bucer. Der Bildungsgrad des Verfassers, der in gewissem Maße das Niveau der sprachlichen Meisterschaft bestimmte, schränkte die Anzahl der Varianten ein und die gesamte Instabilität, die der schriftlichen Tradition einiger deutscher Gebiete eigen waren. Daraus folgt, daß auch in diesen Fällen der Usus des Autors das entscheidende Moment war. Andererseits kann man annehmen, daß der Grad des Abweichens der Sprache des Autors von der des Verlegers bzw. Druckers auch den Charakter der Variation beeinflußte, den quantitativen Aspekt des Auftretens von Doppelformen. Der Vergleich der in Allstedt und Nürnberg gedruckten Flugschriften Müntzers hat gezeigt, daß die Unterschiede nicht so bedeutend waren. Der Nürnberger Druck beseitigte nur einige lokal eng begrenzte ostmitteldeutsche Merkmale. In den Allstedter Drucken fehlt z. B. bis auf wenige Ausnahmen (vgl. S. 97) die
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Kennzeichnung der alten uo, üe. Das wird auch in der Kopie der Handschrift Müntzers beibehalten, die in der kurfürstlichen Kanzlei angefertigt worden ist 150 . Die Nürnberger Ausgabe hat ü, ü, obgleich zahlreiche Schwankungen und hyperkorrekte Formen auf den mechanischen Charakter dieses Ersatzes hinweisen. Bei den Nürnberger Druckern herrschte bei dieser Schreibung keine strenge Konsequenz: I n der Flugschrift „Grundtliche vnterrichtung/ eins erbern R a t s der Statt Nürmberg/ Welcher gestalt/ jre Pfarrher vn Prediger in den Stetten vn auff dem Land/ das volck/ wider etliche verfürische lere der Widertauffer/ in jren predigen auß heyliger Gütlicher schrifft/ zum getreülichste ermanen vnnd vnterrichten sollen", 1525 in Nürnberg erschienen, steht ziemlich oft uo neben u, wobei der Monophthong offensichtlich die reale Lautung der Sprache des betreffenden Gebietes widerspiegelt. Analoge Erscheinungen treten sowohl in den Handschriften wie auch in den Drucken von Sachs auf. 1 5 1 Spezifisch für den Nürnberger Druck von Höltzel ist auch die konsequentere Durchführung der Apokope. I n den Allstedter Drucken wird der unbetonte Vokalismus in größerem Umfang erhalten als selbst in den Wittenberger (vgl. oben). Der Nürnberger Druck belegt dagegen reduzierte Formen wie glaub, end, ler, ztisag usw., in dem abgrund, zu müt. Er bewahrt u in sunj sün, sporadisch in sunst, während in den Allstedter Drucken immer son, sonder, sonst steht. Der Nürnberger Druck hat immer wurtzeln, kurtz usw., die Allstedter Drucke dagegen wortzeln, kortzen usw. Der Nürnberger Druck benutzt nicht die den Allstedter Drucken eigenen Schreibungen gleubt (immer), ader (auch in den Allstedter Drucken selten), brengen, wilcher, wu; in den Allstedter Drucken dann 'denn' und wann 'wenn'. Der Nürnberger Druck gibt moderne Formen. Die 3. P. PI. des Verbs sein heißt in den Allstedter Drucken seint, vereinzelt sind, im Nürnberger Druck sind. Das Präfix vor-/ver- der Allstedter Drucke erscheint im Nürnberger Druck immer als ver-. Die Allstedter Drucke stehen den graphischen Gewohnheiten und den strukturellen Besonderheiten der Sprache Müntzers zweifellos näher, wie das seine Briefe und die einzige auf uns gekommene eigenhändig geschriebene Handschrift Müntzers, „Der Prager Anschlag" (vom 1. 11. 1521) 152 , zeigen (s. oben S. 68). Aber die Abweichungen zwischen dem Nürnberger Druck und der Allstedter „Norm" betreffen hauptsächlich lautlich-graphische Gewohnheiten. Sie sind nicht sehr bedeutend, was sich gewissermaßen aus der Ähnlichkeit der Sprachpraxis in Nürnberg und in den ostmitteldeutschen Städten erklärt, aber auch aus der weitgehenden Übereinstimmung der strukturellen Besonderheiten der Sprache des Autors und der Sprache der Drucker. So erklärt sich offenbar ebenfalls die geringe Zahl der Varianten in den Drucken beider Druckzentren. Noch wichtiger ist, daß verschiedene Drucke die stilistischen Besonderheiten des Verfassers bewahren, seinen Wortschatz, seine Phraseologie und seine Syntax (s. weiter unten), d. h. der „Geist" des Werkes wird nicht verletzt. Die letzten Bemerkungen können auch auf Drucke anderer Verfasser bezogen werden, die in verschiedenen Zentren gedruckt worden sind, so z. B. auf die
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Schriften Kettenbachs und Ecks, Huttens und Luthers und anderer. Die detaillierte Erforschung des lautlich-graphischen und des morphologischen Systems eines Autors wie Luther hat gezeigt, daß Schwankungen und Variierung besonders für die Sprache der frühen Werke kennzeichnend sind. Sie waren nicht nur das Ergebnis der Überlagerung zweier sprachlicher Modelle (des Modells des Autors und des Modells des Verlegers/Druckers), sondern sie waren der Sprache des Autors und des Verlegers/Drückers eigen, was eben eine Besonderheit der schriftlichen deutschen Literatursprache jener Zeit war. Die Sprache der Wittenberger Drucker und Luthers eigene Sprache stimmten in ihren lautlich-graphischen und morphologischen Kennzeichen ziemlich weit überein, da sie sich auf dieselbe schriftliche Tradition stützten. Die gründliche Analyse der kurfürstlich-sächsischen Kanzleisprache hat nicht zufällig eine weitgehende Übereinstimmung zwischen dem sprachlichen Usus dieser Kanzlei und den strukturellen Besonderheiten der Sprache Luthers gezeigt. In dieser Hinsicht unterschied sich die Sprache der politischen Literatur offenbar nur wenig von anderen Gattungen des Schrifttums. Der Vergleich der Sprache der politischen Literatur mit der Sprache anderer Gattungen wird das präzisieren (vgl. Kapitel V). Abschnitt 2 Lokale Besonderheiten der Sprache der politischen Literatur 1 Die Analyse der Sprachpraxis der Drucker in Augsburg, Bamberg, Speyer, Straßburg, Erfurt, Allstedt, Leipzig, Dresden und Wittenberg als den Hauptzentren, in denen politische Literatur gedruckt wurde, zeigt die Gesamtheit bestimmter Strukturmerkmale, die den Drucken dieser Zentren eigen sind. Die Untersuchung der lautlich-graphischen und der morphologischen Besonderheiten der dort gedruckten politischen Literatur deckt ein beständiges Nebeneinander von zwei Schichten in der Sprache dieses literarischen Typs auf. Die eine Schicht bezieht Erscheinungen des Dialektgebiets ein, in dem sich das entsprechende Zentrum befindet und hat deshalb einen deutlich ausgeprägten lokalen Charakter (vgl. z. B. die Festigkeit der alten Monophthonge in den Drucken der westlichen Städte oder die Formen wilche, hirrschaft in den Drucken der ostmitteldeutschen Städte). Die andere Schicht erscheint als Projektion „fremder" schriftlicher literarischer Traditionen, die genetisch zwar auch mit bestimmten Dialektgebieten verbunden sind, aber durch Ausbreitung auf andere Territorien den Charakter überlandschaftlicher Merkmale erhalten haben, so z. B. die neuen Diphthonge, die schon am Ende des 15. Jahrhunderts im Schrifttum weit verbreitet waren und weit über die Grenzen ihres ursprünglichen Verbreitungsgebietes hinausgingen. Diese beiden genannten Schichten wirkten in unterschiedlichem Maße auf die Sprache der politischen Literatur eines Druckzentrums ein. I n einigen Zentren, z. B. in
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Zürich, herrschten Erscheinungen der ersten Schicht vor, in anderen, z. B. in den meisten Wittenberger Drucken, spielen Erscheinungen der zweiten Schicht eine bedeutende Rolle. Das System der Differenzierungsmerkmale, die die Sprache der Drucker der einzelnen Städte auszeichnen, ist vor allem historisch bedingt durch die heimische Tradition der schriftlichen Literatursprache. Der Vergleich der Praxis der Druckzentren in der Zeit der Reformation und des Bauernkrieges mit der Sprache der Drucke derselben Städte im letzten Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts zeigt keine wesentlichen Veränderungen in der Gesamtheit der lautlich-graphischen und der morphologischen Merkmale. Es genügt in diesem Zusammenhang, sich auf das Material über die Sprache der Drucker des 15. Jahrhunderts zu berufen, das in der Arbeit angeführt worden ist, die der Herausbildung der deutschen nationalen Literatursprache gewidmet ist. 153 Bezeichnend ist, daß einige Straßburger Drucke die Praxis beibehalten, die sich einige Jahrzehnte früher herausgebildet hat. Das bezieht sich besonders auf die gleichzeitige Verwendung heimischer alter Monophthonge und „fremder" neuer Diphthonge. Auch das Nebeneinander von heimischen und südöstlichen Varianten in den ostmitteldeutschen Drucken setzt eine Tradition fort, die für diese Drucke noch am Ende des 15. Jahrhunderts charakteristisch ist. Tatsächlich ändern sich nur die quantitativen Verhältnisse, wodurch eine geringere Variationsbreite und ein stärkeres Hervortreten der allgemeinen Isoglossen begünstigt wurden (s. weiter unten). Für die Untersuchung der lokalen Differenzierung der Sprache der politischen Literatur und die objektive Klärung des Grades dieser Differenzierung ist es sehr wichtig, das Verhältnis zwischen den lokalen Besonderheiten und den allgemeinen Erscheinungen richtig einzuschätzen. Der vorliegende Abschnitt stellt einen Versuch dar, zur Lösung dieser Aufgabe beizutragen. Da im ersten Abschnitt die lautlich-graphische und die morphologische Praxis einzelner Druckzentren beschrieben worden ist, soll in diesem Abschnitt zur Beschreibung der lautlich-graphischen und der morphologischen Isoglossen übergegangen werden, die die lokale Differenzierung der schriftlichen Literatursprache widerspiegeln. Ergänzend zum Material des ersten Abschnitts wird hier der Wortschatz herangezogen. Indem wir zur vergleichenden Betrachtung der lokalen Differenzierung der Sprache der politischen Literatur übergehen, müssen die wesentlichen Kategorien jener Summe von Merkmalen bestimmt werden, mit deren Hilfe das Ausmaß, der Grad der lokalen Differenzierung untersucht wird. Dabei werden z. T. sprachgeographische Methoden benutzt, da die Isoglossen, die die territoriale Verbreitung einer Erscheinung zeigen, es erlauben, Zonen zu bestimmen, in denen lokale Erscheinungen, die zu verschiedenen Dialektgebieten gehören, nebeneinander bestehen und wo folglich lokale Unterschiede, die innerhalb der Grenzen der schriftlichen Literatursprache existieren, fast oder völlig aufgehoben werden. In solchen Fällen zeichnen sich die Komponenten einer zukünftigen Einheit der schriftlichen Literatursprache ab.
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Aber im Unterschied zur Sprachgeographie werden hier die Isoglossen nicht auf einer K a r t e verwertet (was technisch große Schwierigkeiten bereiten würde), da für die Ziele der vorliegenden Arbeit nicht die territoriale Verbreitung der einzelnen Erscheinungen maßgebend war, sondern der Grad der Unterschiede und der Umfang der Gesamtheit der unterschiedlichen Merkmale, die die Sprache der politischen Literatur in mehrere lokale Subsysteme gliedern. Eine untergeordnete, aber nicht geringe Rolle spielt auch die Klärung der Frage, ob bestimmte Differenzierungsmerkmale gesetzmäßig alle zu dieser oder jener sprachlichen Ebene gehörenden Einheiten erfassen, oder ob sie sich nur auf eine bestimmte Gruppe jeder Ebene beschränken. Von diesem Standpunkt aus ist der Status der südöstlichen Diphthongierung und des mitteldeutschen Übergangs u > o grundsätzlich verschieden: die Diphthongierung in den südöstlichen Drucken erfaßt alle möglichen Einheiten und kann als Widerspiegelung eines Lautgesetzes der Schreibsprache bezeichnet werden. Die Senkung von u > o in den ostmitteldeutschen Drucken dagegen ist wie die Hebung o > u oder e > i eher als Variierung einzelner Lexeme zu betrachten. Die Unterschiede im morphologischen System, die einerseits das Gesamtparadigma des Verbs und andererseits nur die unregelmäßigen Paradigmen betreffen, sind ebenfalls nicht gleichwertig. Im letzten Fall handelt es sich nicht um Variation allgemeiner morphologischer Merkmale, sondern eher um Variation von W o r t formen, die ein einzigartiges Paradigma bilden. Für die Analyse der Unterschiede, die lautlich-graphische Erscheinungen sowie Wortbildung und Flexion betreffen, werden im wesentlichen die gleichen Merkmale benutzt wie im ersten Abschnitt: 1. Die Wiedergabe der alten Monophthonge i, ü, ü sowie 2. der alten Diphthonge uo, üe. 3. Die Entwicklung des alten Diphthongs ou. 4. Die Wiedergabe von ü, ö im Zusammenhang mit Rundung (Labialisierung) und Entrundung (Delabialisierung). 5. Die Senkung u > o, i > e und die Hebung o > u, e > i. 6. Die Verteilung von a/o in Wörtern vom Typ sal, ader. 7. Die Unterschiede im Grad der Stabilität des unbetonten Vokalismus. Hier wird das Verhalten des unbetonten -c in vortoniger Stellung und der unbetonten Vokale im Auslaut untersucht (Synkope und Apokope). Aus der Gesamtheit der flektierten Formen werden nur einige ausgewählt, der Nom. Sg. der fem. Substantive vom Typ lere, genade, liebe, der Nom. Sg. der mask. Substantive vom Typ herre, mensche, glaube, friede; der Grad der Apokope des -e im Nom. PI.; die Apokope des -e bei der 1. P. Sg. Präs. I n d . Akt. und bei der 3. P. Sg. des Konjunktivs. 8. In Zusammenhang mit dem Problem des unbetonten Vokalismus wird auch die Verteilung der kurzen (endungslosen) Form und der Form auf -e bei attributiv gebrauchten Adjektiven untersucht. Von den morphologischen Merkmalen werden analysiert: 1. Das System der Verbalendungen im PI. Präs. Ind. Akt.
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2. Das Paradigma der Verben haben, sein, stehen, gehen. 3. Die Verteilung der Varianten der Präfixe ver-Jvor-, zer-Jzu-; der Suffixe -nußj-niß und der Diminutiv Suffixe. 2 i, ü, ü I neue Diphthonge ei (ey) ~ ai (ay), au, eü Nach der Art der Wiedergabe der alten Monophthonge kann man die Drucke der politischen Literatur in drei Gruppen einteilen: 1. Flugschriften, in denen die Diphthongierung gekennzeichnet ist und alte Monophthonge entweder ganz fehlen oder mit einzelnen Wortformen vertreten sind, wie z. B. erdtrich, das den Monophthong bewahrt in Drucken, in denen die neuen Diphthonge sonst völlig vorherrschen (vgl. von den ostmitteldeutschen Drucken den Dialog „Eyn gesprech zwyschen vyer Personen", die Flugschriften Stanbergers und andere); yfer 'Eifer' in Müntzers „Außlegung", fruntlich bei Müntzer, aber auch in der polemischen Flugschrift Emsers („Das man der heylige bilder . . . nit abthon . . . soll"); v f f , vß 'auf, aus' in verschiedenen Schriften (vgl. Karlstadt, „Vrsachen", in J e n a gedruckt, die in Leipzig erschienene Flugschrift Wulfers „Wid' die vnselige auffrure" und eine Reihe andere ostmitteldeutsche Drucke, die Straßburger Flugschrift „Hie kompt ein Beüerlein", den Straßburger Druck des Sendbriefs „Ein Clagschrift "von H u t t e n usw.); oder das Diminutivsuffix -lin, das in ostmitteldeutschen und in denjenigen Straßburger Drucken begegnet, die die Diphthongierung sonst regelmäßig durchführen. Besonders häufig ist die Variante -lin in buchlin. I n verschiedenen ostmitteldeutschen Flugschriften treten auch andere vereinzelte nichtdiphthongierte Formen auf, ebenso in denjenigen Straßburger Flugschriften, in denen die Diphthongierung ziemlich konsequent gekennzeichnet ist, und weiter in einzelnen Augsburger Drucken (vgl. Schwalb, „Beclagung aines leyens"). I n der polemischen Flugschrift von Cochlaeus „Wyder die . . . rotten der Bawren", die viele mitteldeutsche Besonderheiten aufweist (z. B. in kortz = vor kurtzem, milchen, irst 'erst'; die Bezeichnung der Länge durch i, e in mermails 'mehrmals', kloister 'Kloster', Roem 'Rom'), treten auch einzelne nichtdiphthongierte Formen a u f : fryhe.it neben frey. Zu dieser ersten Gruppe werden alle Drucke aus Augsburg und Speyer, die ostmitteldeutschen, ein Teil der Bamberger (vgl. oben) u n d eine bestimmte Gruppe der Straßburger Drucke gezählt, außerdem eine große Gruppe anonymer Flugschriften, deren Druckort unbekannt ist, z. B. der Dialog „Ayn freuntlich gesprech zwyschen ainem Barfüsser Münch . . . vnd aine Loffelmacher" und eine Reihe anderer Flugschriften, deren sprachliche Merkmale den Augsburger Druckern nahestehen. Zur ersten Gruppe gehört also die Mehrzahl der untersuchten Flugschriften, einschließlich der wichtigen politischen Flugschriften, die die Forderungen der Bauern enthalten, der Schriften Müntzers, Melanchthons, Huttens, Ecks, Emsers, Karlstadts, Luthers und anderer.
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2. Flugschriften, in denen die alten Monophthonge vorherrschen. Nur in den Züricher Drucken der Schweizer Zwingli und Hofmeister werden die Monophthonge konsequent wiedergegeben. Der in Augsburg gedruckte Traktat Schappelers „Verantwortung vnnd auflösung" unterscheidet sich dagegen in dieser Hinsicht nicht von anderen Augsburger Drucken. An die Traditionen der alemannischen Variante schließen sich die Schriften des Berner Schriftstellers Nikiaus Manuel an. Was die Baseler Drucke betrifft, so herrscht hier ein Nebeneinander alter Monophthonge und neuer Diphthonge, wobei das zahlenmäßige Verhältnis sehr variabel ist. Deshalb werden diese Flugschriften hauptsächlich zur dritten Gruppe gezählt. 3. Flugschriften, in denen alte Monophthonge und neue Diphthonge erscheinen. Ihre Sprache ist sehr bunt hinsichtlich alter und neuer Formen. Hierher stellt sich eine Gruppe Straßburger Drucke, unter ihnen die polemische Flugschrift Murners „An den Großmechtigsten . . . adel", der „Karsthans" und einige andere. Hierher können auch die Schriften Gengenbachs gestellt werden, ebenso die sehr interessante anonyme Flugschrift „Der gestryfft Schwitzer Baur" mit unbekanntem Druckort, sowie eine Schrift Johannes Fabris „Wie sich J o hannis Hußs . . . Leren . . . mit Martino Luther vergleichen", ein Leipziger Druck von Schumann, und schließlich einige Bamberger Drucke der Flugschriften von Kettenbach. Der Vergleich dieser drei genannten Gruppen zeigt ein zahlenmäßig starkes Übergewicht der ersten Gruppe. Das erklärt sich aus einer Reihe von Ursachen: a) Die neuen Diphthonge sind immer mehr zu einem Merkmal der schriftlichen Literatursprache in den meisten Gebieten des mittleren und südlichen Deutschlands geworden, wobei die Diphthongierung in der Schreibsprache auch Gegenden erfaßte, in deren Mundart sich noch alte Monophthonge erhalten haben (vgl. die Gruppe der Straßburger Drucke, in denen die neue Gesetzmäßigkeit gesiegt hat), b) Der überwiegende Teil der politischen Literatur wurde in Gebieten geschrieben und gedruckt, in denen die neuen Diphthonge dominierten. Müntzer, Luther, Melanchthon, Karlstadt, Emser, Agricola hatten durch ihre Tätigkeit Beziehungen zu Mitteldeutschland, H u t t e n zu E r f u r t und Leipzig, Bucer zum Südosten, Rhegius zu Augsburg, Cochlaeus zu Franken, Brenz zu Schwaben. Die Hauptmasse der politischen Literatur wurde, ungeachtet ihres Entstehungsortes, in den Zentren gedruckt, in denen die neuen Diphthonge zum festen Bestandteil der Schreibsprache gehörten. Ein interessantes Beispiel ist die Flugschrift, die außer einem Gedicht Stifels gegen Murner auch ein Lied Murners gegen das oppositionelle Lager enthält (vgl. „Ain new lied von dem vndergang des Christlichen glaubens"). Murners Verse zeigen keine undiphthongierten Formen im Unterschied zu vielen seiner Prosaschriften, die in Straßburg gedruckt worden sind. Andererseits sind die vielen undiphthongierten Formen in den handschriftlichen Varianten des Vertrags der Bauernhaufen mit den Vertretern der Feudalmacht im Unterschied zum gedruckten Text desselben Vertrags in der Flugschrift „Handlung Artickel vnd Instruction",
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deren Druckort u n d Drucker aber u n b e k a n n t geblieben sind, bemerkenswert. Das Eindringen der neuen phonetischen Norm in die schriftliche Literatursprache der alemannischen Städte (Straßburg u n d Basel) zeugt von der Umgestaltung der alten regionalen Gesetzmäßigkeit in die „ N o r m " der hochdeutschen schriftlichen Literatursprache. Der alte Gegensatz der lokalen Varianten der Literatursprache 1) mit alten Monophthongen u n d 2) mit neuen Diphthongen behält seine Gültigkeit nur bei einer relativ kleinen Gruppe von Schweizer D r u k ken. I n ihnen werden die alten Mpnophthonge zu charakteristischen Kennzeichen eines lokal engbegrenzten, sogar provinziellen Charakters der Schreibsprache. Unter diesen Bedingungen spiegelt die Variationszone, hauptsächlich durch Straßburg u n d Basel vertreten, das Nebeneinander von heimischer Tradition, die in den Besonderheiten der lebendigen Sprache des entsprechenden Gebietes verwurzelt ist, und „ f r e m d e m " Usus, der über das Schrifttum entlehnt wurde, wider. uo (ue, ü), üe (ü)/u,
ü
I m Unterschied zu den oben untersuchten Erscheinungen ergibt die Wiedergabe dieser beiden alten Diphthonge keine deutliche lokale Gliederung der Literatursprache. Die Isoglosse ist nicht durchgehend u n d die Sprache einzelner Schriften äußerst inkonsequent. Dazu kompliziert die graphische Vielfalt das Bild noch mehr, denn uo k o n n t e durch ü, ue, ü wiedergegeben werden, wobei die beiden letzten Digraphe gleichzeitig noch f ü r üe u n d ü stehen konnten. Obgleich auf Grund der Untersuchung der Reflexe der alten uo, üe auch drei Gruppen von Flugschriften unterschieden werden können, t r i t t innerhalb der einzelnen Gruppen eine viel größere Instabilität auf. 1. Flugschriften, in denen die alten Diphthonge konsequent gekennzeichnet werden, wobei diese nicht gleichzeitig als Wiedergabe von einfachem u, ü in der Schrift erscheinen. Zu dieser Gruppe gehören Flugschriften, die in Zürich oder anderen Schweizer S t ä d t e n gedruckt sind oder zu ihnen in Beziehung stehen (außer den Schriften Zwingiis und Hofmeisters gehört hierher auch die oben erwähnte Flugschrift Meyers gegen den Konstanzer Bischof „Ernstliche erm a n u n g " u n d „Der gestryfft Schwitzer Baur"), Baseler Drucke, die meisten Straßburger Drucke, alle Augsburger Drucke u n d eine große Anzahl von Flugschriften ohne genauen Ortsvermerk. 2. Flugschriften, in denen alte Diphthonge fehlen oder nur mit einzelnen zufälligen F o r m e n vertreten sind. Zu dieser Gruppe gehören Schriften aus W i t t e n berg, Leipzig, Dresden, Allstedt und einige E r f u r t e r Drucke. I n den Flugschriften Luthers fehlt die Kennzeichnung uo, ü; vereinzelt sind Fälle der Kennzeichnung üe, v g l . f u e l e n 'fühlen', stuel, auch bei Müntzer: wueten 'wüten', bluet 'blüht' („Deutsch Euangelisch Messe"), in Hergots „Von der newen Wandlung" (Leipziger Druck): fuessen ' F ü ß e n " , aber auch fluer ' F l u r ' ; in „Ein gloubwirdig . . .
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vnderricht" ifueßvolck; in einigen Flugschriften Karlstadts finden sich vereinzelte Fälle mit ü; in Melanchthons „Eyn schrifft" erscheint ü überhaupt nicht, u in muge, guldin als Bezeichnung des Umlauts; in den Erfurter Drucken fehlt nur bei Schirlentz die Wiedergabe der alten uo, üe. Zwei Flugschriften von Cochlaeus, der hauptsächlich in F r a n k f u r t am Main tätig war, dessen Schriften aber von verschiedenen Druckern gedruckt wurden, zeigen einen Unterschied in der Wiedergabe der alten Diphthonge: Die Flugschrift gegen die aufständischen Bauern „Wyder die . . . rotten der Bawren" muß zur zweiten Gruppe gerechnet werden, während im Sendbrief an Luther „Antwort . . . auff Martin Luth. freueliche Apellatiö" ü, u ziemlich konsequent gekennzeichnet werden. 3. Eine große Gruppe bilden die Schriften, in denen uo, üe inkonsequent wiedergegeben werden und in denen eine große Zahl „falscher" Diphthonge vorhanden ist. Zu dieser Gruppe werden die meisten Drucke aus Bamberg, Speyer und E r f u r t gerechnet und einige Flugschriften, die mit Straßburg verbunden sind. Folglich stehen der relativ kleinen Gruppe nur ostmitteldeutscher Autoren und ostmitteldeutscher Drucke, bei denen die alten Diphthonge uo, üe durch Monophthonge verdrängt worden sind, zwei Gebiete gegenüber: eins, in dem die alten Diphthonge in der Schrift konsequent wiedergegeben werden, und ein zweites, in dem die unterschiedlichen Merkmale beider Gebiete nebeneinanderstehen und in dem sich gleichsam der lokale Gegensatz von selbst aufhebt. Die Variationszone schließt im Westen Straßburg (obwohl nur in wenigen Flugschriften), Bamberg und Speyer (teilweise), im Osten E r f u r t ein. Das konsequente Nebeneinander von neuen Diphthongen und neuen Monophthongen, das so charakteristisch für die orthoepische Norm der gegenwärtigen Literatursprache ist, war in unserem Untersuchungszeitraum nur für die schriftliche Literatursprache eines sehr begrenzten Gebietes Deutschlands typisch, nur für die Sprache der Flugschriften aus den ostmitteldeutschen Städten. I n welchem Umfang die Besonderheiten der Schreibsprache des Gebietes, das oben als Variationszone bezeichnet worden ist, vom Kampf alter und neuer Formen in seiner gesprochenen Sprache abhängig waren, ist schwer zu entscheiden, weil •die Chronologie dieses Prozesses nicht genau feststeht.
ou / au / 6 / eu Die Wiedergabe des alten Diphthongs ou ergibt in der Sprache der politischen Literatur zwei Typen von Isoglossen. Als wichtigste konkurrierende Varianten erscheinen ou/au. 6 ist nur mit einzelnen Beispielen vertreten; eu schließlich ist .stellungsbedingt; es begegnet nur vor Labialen und ist eine besondere Form des Umlauts. Die Verteilung der beiden Hauptvarianten gliedert die Sprache der politischen Flugschriften im wesentlichen in zwei Zonen: 1. Flugschriften, in denen
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die alte Variante ou herrscht, obgleich vereinzelt au auftritt. Hierher gehören die Baseler und Züricher Drucke der Schweizer Autoren. 2. Flugschriften, in denen die alte Variante völlig fehlt oder selten vorkommt und au herrscht. Zu ihnen gehören die Bamberger, Speyerschen, Augsburger, viele Straßburger und die meisten ostmitteldeutschen Drucke ostmitteldeutscher Autoren, obgleich vereinzelte Formen, wie ouch (Melanchthon), glauben, ouge, ouch (eine in Dresden gedruckte Flugschrift von Emser) in ostmitteldeutschen Drucken angetroffen werden. Eine ganz kleine Gruppe bilden die Flugschriften, in denen beide Varianten fast gleichberechtigt nebeneinander stehen, wie z. B . im „Karsthans" (in Straßburg bei Prüss gedruckt). Hierher gehört bis zu einem gewissen Grade auch die bereits erwähnte Flugschrift Emsers und einige andere. Von den beiden möglichen Varianten oujau herrscht in der hochdeutschen Variante der schriftlichen Literatursprache offensichtlich au, und zwar auch in der Literatur jener Zentren, die zum Dialektbereich der Monophthongierung dieses Diphthongs gehören (vgl. das thüringisch-sächsische Gebiet). Diese Tatsache beweist, daß auch bei dieser Erscheinung die qualitative Umgestaltung eines früher regionalen südöstlichen Merkmals in ein Merkmal der schriftlichen Literatursprache verschiedener Landschaften stattfand. 6 begegnet vereinzelt in einigen Straßburger Drucken (vgl. wyroch 'Weihrauch' im „Karsthans"), in Flugschriften Kettenbachs (vgl. drem = troum 'Traum' mit folgender Entrundung); geloffen erscheint in einigen ostmitteldeutschen und Nürnberger Flugschriften. eu vor Labialen ist eine spezifische Besonderheit der ostmitteldeutschen Drucke; teuffen, gleuben, heubt, keufft charakterisieren die Sprache der Flugschriften Luthers, Müntzers, Melanchthons, Emsers, Karlstadts und anderer Autoren. Wie in der wissenschaftlichen Literatur bekannt ist, begegnen nicht nur bei Luther, sondern auch bei anderen Autoren daneben nichtumgelautete Formen, vgl. bei Müntzer nebeneinander gleuben — glauben, khauff — kheuffen, bei Melanchthon gewöhnlich glaub neben glewben, in der von Schirlentz (Wittenberg) gedruckten Flugschrift Hermans „Eyn Mandat Jhesu Christi" keufft, gleubt neben glauben, versauffen usw. Außerhalb der ostmitteldeutschen Druckzentren erscheinen einzelne Formen auch in den Drucken anderer Städte, vgl. z. B . teufft in Bucers „Gesprech biechlin neüw Karsthans". Das eu in den ostmitteldeutschen Drucken erklärt sich nicht nur als regionale Besonderheit, sondern ist positionsbedingt. Auch hier tritt au als Konkurrent der regionalen Variante auf; es bekam immer mehr eine überlandschaftliche Geltung.
Die Wiedergabe von o In der Sprache der politischen Literatur zeigt die Mehrzahl der Druckzentren den Übergang d > 6; lokale Unterschiede werden in einem größeren oder kleiS
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neren Häufigkeitsindex dieser Formen ausgedrückt. Man kann drei Gruppen von Flugschriften unterscheiden: 1. Flugschriften, in denen Formen mit o oft vorkommen. Davon werden große Schichten des Wortschatzes und der Wortformen erfaßt. Sie sind charakteristisch für Schweizer Drucke von Schweizer Verfassern, bei denen Formen mit o < ä vorherrschen (vgl. oben die Analyse der Schweizer Verfasser und Drucke). 2. Flugschriften, in denen diese Formen entweder völlig fehlen oder nur vereinzelt bezeugt sind. Zu dieser Gruppe gehören vor allem die ostmitteldeutschen Drucke, in denen öfter als in anderen Wörtern o begegnet in do, dorin, dormitte, dovor, one. Bei Emser in der Versflugschrift „Der bock tritt frey auff" werden im Reim hon, abgethon verwendet, Müntzer gebraucht dornach, on, einmal Öle 'Ale'; in dem von Stürmer gedruckten Dialog „Eyn gesprech zwyschen vyer Personen" begegnet gedockten 'gedachten', in der Flugschrift „Verhör vn Acta" außer do, on auch nhomen 'Name', bei Luther in „An den Christlichen Adel" hot usw. Die Drucke dieses Gebiets stellen folglich eine „Zone des Erlöschens" des Übergangs von ä > o dar. Zu den ostmitteldeutschen Flugschriften stellen sich auch die Speyerschen und ein Teil der Bamberger Drucke, in denen Formen mit 6 selten sind. 3. Anders verhält es sich mit den Straßburger und teilweise mit den Augsburger Flugschriften. I n den Straßburger Flugschriften ist diese Erscheinung sehr unterschiedlich bezeugt. I n Huttens Flugschriften erscheint o recht spärlich, nicht öfter als in den ostmitteldeutschen Drucken, in seinem Sendbrief „Ein Clagschrift" steht neben do, mol 'mal' darumb, dadurch. I m „Karsthans" aber und bei Stifel („Von der . . . leer . . . Luthers") ist dieser Übergang so häufig belegt, daß fast der Stand der Schweizer Verfasser erreicht wird, vgl. z. B. im „Karsthans" Stroßburg, verston, sprach, worheit, domit, do, lot 'läßt', gon 'geht', thon 'getan', stot 'steht' usw.; daneben aber auch lat, lan 'lassen', han; bei Stifel mol, worheit, do, lossen, sprochen, ploget 'plaget', geoffenbort 'geoffenbart', noch 'nach', hör 'Haar', schmoch vnd roch 'Schmach und Rache' usw. I n Straßburg werden also von einigen Autoren (vor allem von Hutten) diese Formen, die offensichtlich als Formen der niederen Sprachschicht aufgefaßt worden sind, bewußt vermieden. Die Sprache des „Karsthans" und der Flugschrift Stifels gehört folglich zu einer anderen Stilsphäre als die Sprache der deutschen Werke H u t t e n s (s. Kapitel IV). Auch in Augsburger Flugschriften variiert die Häufigkeit der Formen mit o, wie bereits gezeigt worden ist, doch ist 6 viel seltener belegt als bei den Straßburger Druckern. Ein Teil der Straßburger und der Augsburger Flugschriften bildet also eine dritte, eine „Übergangs"gruppe, in der Formen mit ä und solche mit ö als zwei gleichberechtigte Varianten nebeneinander erscheinen, wobei diese Straßburger Drucke sich mehr der Praxis der Schweizer nähern, die Augsburger aber der der ostmitteldeutschen Drucker. Die Zusammenfassung der aus der Analyse der Sprachpraxis verschiedener Druckzentren gewonnenen Ergebnisse zeigt, daß
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die Isoglosse ä / 6 die Sprache der politischen Literatur der alemannischen Städte (Straßburg mit wenigen Ausnahmen eingeschlossen) von den sprachlichen Gesetzmäßigkeiten der mitteldeutschen Literatursprache abgrenzt.
Die Wiedergabe von ü, ö, Rundung und Entrundung Die Wiedergabe dieser Prozesse in der schriftlichen Literatursprache hängt nicht nur von der lokalen, sondern auch von der sozialen Gliederung der Schreibsprache ab. Wie durch die Analyse der Sprachpraxis der Augsburger und Straßburger Drucker gezeigt worden ist, spiegelt sich die Entrundung durchaus nicht gleichmäßig in den verschiedenen Flugschriften wider. Bei Verfassern wie Hutten und Bucer begegnen nur vereinzelte entrundete Formen. I m Unterschied zur oben untersuchten Diphthongierung z. B., die als Merkmal von überlandschaftlichem Charakter zum nichtkodifizierten System der schriftlichen Literatursprache gehörte, wurde die Entrundung offenbar sogar in den Gebieten, in denen sie in der gesprochenen Sprache weit verbreitet war (Augsburg, Straßburg, ostmitteldeutsche Zentren), als Erscheinung der sozial niedrigen Sprachschicht angesehen und deshalb in die Literatursprache mit Vorbehalt aufgenommen. Die Kompliziertheit der lokalen Unterschiede läßt eine territoriale Gliederung der Sprache der politischen Literatur unter dem Gesichtspunkt des Vorhandenseins oder Fehlens dieser Erscheinung nicht zu, selbst wenn man dieselben Vorbehalte berücksichtigte, die bei der Analyse anderer Erscheinungen gemacht worden sind. Rundung und Entrundung hatten unterschiedliche Verbreitungen in der Sprache der politischen Literatur und eine unterschiedliche territoriale Ausbreitung. Nur in einer relativ kleinen Gruppe von Augsburger und Straßburger Flugschriften (vgl. oben) sind beide Merkmale durch eine ziemlich große Anzahl von Wortformen vertreten. I m alemannischen Gebiet (das Elsaß ausgenommen), wo die Entrundung besonders in den umgangssprachlichen Formen fehlte, geben auch die politischen Flugschriften keine entrundeten Formen, obwohl Ausnahmen möglich sind, vgl. z. B. inbrinstigkeit in Meyers „Ernstliche ermanung". Gerundete Formen werden dagegen von Schweizer Verfassern und Druckern ziemlich häufig gebraucht: zwüschen, wüssen 'wissen', mör, lüff 'lief, schädlich 'schädlich', wolcher 'welcher', würt 'Wirt', hörschen 'herrschen', bössern 'bessern'. In Straßburg und Augsburg haben die Schriften, in denen die Entrundung schwach vertreten ist, gerundete Formen, deren Anzahl von Flugschrift zu Flugschrift variiert; in Huttens Dialog z. B. würtschaft, wör, hör 'Heer'. In den dem Münchner Reformator Locher zugeschriebenen Flugschriften, die wohl von Gastel in Zwickau gedruckt sind 154 , treten entrundete Formen vereinzelt auf: dirf wir 'wir dürfen', gewist 'gewußt'. I n den in Bamberg und Speyer gedruckten Flugschriften sind Rundung und E n t r u n d u n g in der 8*
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Mehrzahl der Fälle durch vereinzelte Formen vertreten, eine gewisse Ausnahme bildet die Speyersehe Flugschrift „Gesprech büchlein/ von eynem Bawern". In den ostmitteldeutschen Drucken ist der Gebrauch entrundeter und gerundeter Formen am seltensten; in Wittenberger Drucken ostmitteldeutscher Verfasser erscheinen vereinzelte entrundete Wortformen, z. B.fraidig, Wirtzburg bei Karlstadt, erwirge in Melanchthons Schrift „Figur des . . . Bapsts" usw. Völlig vereinzelt sind auch gerundete Formen; öfter als andere erscheinen würdt/wurt, in einem von Buchfürers Drucken morlin. Bemerkenswert ist, daß in Müntzers Briefen gerundete Formen viel öfter vorkommen. So stellt die Sprache der Flugschriften der ostmitteldeutschen Verfasser, die in den thüringischen und sächsischen Zentren gedruckt worden sind, eine „Zone des Erlöschens" dieser Erscheinungen in der Schreibsprache dar, die sich hinsichtlich der Rundung deutlich unterscheidet von der Tradition der alemannischen Zentren (Straßburg eingeschlossen) und von Augsburg, hinsichtlich der Entrundung aber von der Praxis in Straßburg und Augsburg. Die Bamberger und Speyerschen Flugschriften bilden gleichsam eine Übergangszone und neigen mehr zur Praxis der ostmitteldeutschen Flugschriften. Man kann auch feststellen, daß Entrundung und Rundung im Unterschied zu den Erscheinungen, die mit den alten Monophthongen und den alten Diphthongen verbunden sind, in keiner lokalen Variante der schriftlichen Literatursprache den ganzen Wortschatz, sondern nur einen Teil desselben betrafen, wobei es nicht die gleichen Lexeme waren, so daß zusätzlich Varianten einzelner Wortformen entstanden. Die Verteilung von u/o, ü/ö, i/e in Zusammenhang mit den Prozessen der Senkung und Hebung kurzer Vokale Die Varianten u/o, Ü/Ö, i/e sind stellungsbedingt. Außerdem werden die einzelnen lexikalischen Einheiten sehr ungleichmäßig erfaßt. Die angegebenen Varianten hängen genetisch mit zwei entgegengesetzten Tendenzen zusammen: mit der Senkung von u >o, ü > ö, i > e und der Hebung von o > u, ö > ü und e > i, wobei das Schwergewicht auf der Senkung liegt. Die Hebung war lexikalisch sehr begrenzt, so daß einige Forscher diese Formen als hyperkorrekt betrachteten. In diesem Zusammenhang ist es wichtig zu beachten, daß auch in den Formen der gesprochenen Sprache die Senkung in den Gebieten, in denen sie durchgeführt wurde, mit unterschiedlicher Intensität verlief und stellungsbedingt war. In den Flugschriften wird das Verhältnis von u/o, ü/ö und i/e ziemlich inkonsequent widergespiegelt. Das gilt auch für andere Sprachdenkmäler.
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u/o, ü/ö Die Senkung von u > o und ü > ö spiegelt sich am stärksten bei den ostmitteldeutschen Autoren wider, obgleich sich die Isoglossen, die einzelne Lexeme umfassen, weit nach Westen erstrecken, bis zum Alemannischen. So z. B. erscheinen bei Schweizer Autoren Formen wie fromm neben frumm, können, mögen. Unter den Straßburger Drucken hebt sich Stifels „Von der . . . leer . . . Luthers" durch relativ viele Formen mit o ab, vgl. fromm, bronnen, sonder, sonn 'Sonne', vermögen, worgen 'würgen', ober 'über'. Das scheint jedoch eine Besonderheit der Verfassersprache zu sein. I n anderen Straßburger Flugschriften begegnen vereinzelte Formen (wenn man forcht nicht rechnet, da hier o anderer Herkunft ist), so o in Sontag, son neben sun („Karsthans"). I n „Hie kompt ein Beüerlein" steht ober 'über' neben vber, in Huttens „Dialogus oder gesprech büchlin" wonderlich. Auch in den Augsburger Flugschriften erscheinen vereinzelte Formen: sonderj sunder, sonn 'Sonne', sonst = sunst, fromm/frum (nur bei Schappeler), sone/sun (Schappeler), darob 'darüber', son, könig (Brenz). Ein unterschiedliches Bild ergibt die Analyse der Bamberger und Speyerschen Drucke, wo diese Erscheinung in verschiedenen Flugschriften durchaus nicht gleichmäßig vertreten ist, vgl.: brommen 'brummen', bron, sonder, könig, frommen bei Kettenbach („Ein Practica"), aber künig/konig in einer anderen Flugschrift desselben Autors. Im ganzen steht die erste Flugschrift den ostmitteldeutschen Drucken näher. I n der Bamberger Flugschrift von Sachs, „Disputation", stehen nebeneinander sonder!sunder, sonst, zörnt, darob. In dem Speyerschen Dialog „Gesprech büchlein/ von eynem Bawern" sonst, könig, sonder, dörffen, außropffen, aber frumm; bei Lachmann, „Drey Christlihe ermanung", son, sonder, dörffen, aber künig, künigin. Auch in den ostmitteldeutschen Flugschriften war der Übergang u > o, ü > ö bei den einzelnen Verfassern und in den einzelnen Druckzentren nicht gleich. Er tritt sehr selten auf im Leipziger Druck der Utopie Hergots „Von der newen Wandlung", in den meisten Flugschriften Emsers, aber auch in den Wittenberger Drucken, Luthers Schriften eingeschlossen (vgl. in „An den Christlichen Adel" kunig, frummen). Am verbreitetsten ist die Senkung in Müntzers Sprache und in einigen Erfurter Drucken: bei Müntzer fromm/frumm, son, sonderjsunder, bekömern 'bekümmern', gorttel, wortzelen, born, kortzen, zörne 'zürne', wörmlein, erworgen 'erwürgen', noer 'nur', mönch, möge, wobei die Senkung von u > o, ü > övoir häufiger ist, während vor Nasalen beide Varianten auftreten (hier handelt es sich offenbar um thüringische Besonderheiten). Folglich geben die Isoglossen u/o, ü/ö keine deutliche landschaftliche Gliederung. Die Unterschiede betreffen vor allem die Zahl der lexikalischen Einheiten, aber auch die Stellung im Wort: Die Senkung von w> o, ü > ö vor Nasalen ist in allen benutzten Drucken der politischen Literatur zu verzeichnen, von Zürich und Straßburg im Westen bis Wittenberg und Leipzig im Osten. Aber diese allgemeine Linie teilt sich auf in eine Vielzahl von Teilisoglossen, die die
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Verbreitung von M/O, Ü/Ö bei einzelnen Lexemen zeigen. Nicht überein stimmen die Isoglossen münch/mönch und künig/könig, sunst/sonst und sunder/ sonder, sun/son und sunn/sonn, frumm/fromm und brummen/brommen; das Nebeneinander der Doppelformen erschwert noch in größerem Maße die Gliederung. Andererseits ist die Senkung von u > o, ü > ö vor r und anderen Nichtnasalen in den verschiedenen Schriften auch nicht gleichmäßig vertreten. Die Senkung vor r wurde vor allem in der Sprache derjenigen ostmitteldeutschen Flugschriften wiedergegeben, die mit den westlichen Gebieten dieses Territoriums verbunden sind, d. h. sie ist regional äußerst begrenzt. Dazu ist in den ostmitteldeutschen Drucken auch eine große Anzahl von Doppelformen anzutreffen, vgl. die obengenannten bei Müntzer, aber auch son/sun, sonst/sunst, sonder/sunder in den Drucken Buchfürers usw. Mit anderen Worten, sogar innerhalb dieser begrenzten Gruppe von Wörtern ist die Senkung von u > o, ü > ö nicht konsequent durchgeführt. Hier kommt offenbar der Einfluß zweier Faktoren zum Ausdruck: 1. Dieser Lautwandel wurde nicht von anderen lokalen schriftlichen Traditionen gestützt (Augsburg eingeschlossen); 2. E r erfaßte nur einen Teil des Wortschatzes, der in den verschiedenen Denkmälern noch unterschiedlich war. Noch seltener sind Fälle der Senkung von i > e. Wenn man die Form brengen 'bringen' nicht rechnet, in der keine Senkung vorliegt, und die nicht nur in den ostmitteldeutschen Flugschriften sehr verbreitet war, sondern auch in Drucken anderer Zentren begegnete (vgl. volbrengen in einem Bamberger Druck einer Flugschrift Kettenbachs), bleiben nur einzelne Beispiele übrig: wessen 'wissen' im Bamberger Druck der „Disputation" von Sachs, schreftgelerten im Leipziger Druck von Hergots Utopie, send 'sind' in dem Leipziger Druck „Wid' die vnselige auffrure" von Wulfer, werd 'wird' in einer Reihe von Flugschriften, einschließlich des Straßburger Drucks von Stifels „Von der . . . leer . . . Luthers." Dieser Prozeß, der das große Dialektgebiet Mitteldeutschlands erfaßt, wurde faktisch nicht in der Sprache der politischen Literatur widergespiegelt.
o/u, e/i Diese Isoglossen, die sich nur auf eine begrenzte Lexemgruppe beziehen, unterscheiden die Sprache der politischen Literatur der ostmitteldeutschen Drucke von den Drucken aller anderen Zentren. Die Hebung e > i, die am häufigsten in den Lexemen wilche 'welche', hirschet 'herrscht', wider 'weder' auftritt, ist in den meisten ostmitteldeutschen Flugschriften belegt, die Schriften Müntzers, Melanchthons, Luthers, Emsers, Karlstadts und anderer eingeschlossen. Bei einigen Verfassern tritt sie auch in weiteren Lexemen auf, so bei Müntzer Mich 'Kelch'. I n einigen Flugschriften (z. B. in denen von Karlstadt) erscheint neben wilche auch welche, d. h. eine regional begrenzte Form wird durch eine verbreitetere ersetzt.
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Die Hebung von o > u ist ebenso begrenzt. Sie erscheint in vor > für (Müntzer, Luther, Karlstadt); da jedoch für bei Müntzer, und nicht nur bei ihm, zu for wird, stehen beide Formen nebeneinander; furt 'fort' (Luther, „Ermanunge zum fride"), furtfaren (Karlstadt), wulte 'wollte' (Hergot), pucht 'pocht' (Melanchthon), dunnern (Stanberger, „Dialogus zwischen Petro vnd eynem Bawrn"). Hierher gehört auch die Hebung von o > u, die in Wörtern wie su 'so' (Mechler, „Apologia oder schutzrede") begegnet und wu 'wo', eine Form, die in einer Reihe ostmitteldeutscher Flugschriften gebräuchlich war. Das Isoglossenbündel, das die Verbreitung von M/O, M/Ö, e/i in der Sprache der politischen Literatur darstellt, vereinigt Erscheinungen unterschiedlicher territorialer Ausbreitung. Die einen, die Folge der Senkung von u > o, ü > ö vor Nasalen sind, treten in den Flugschriften aller Zentren hervor, jedoch in den verschiedenen Drucken durchaus nicht gleichmäßig. Die anderen, z. B. die Senkung von u > o vor r oder die Hebung von e > i, sind nur in ostmitteldeutschen Drucken und auch hier nicht gleichmäßig und nur bei einzelnen Lexemen bezeugt.
o/a Auch diese Isoglosse charakterisiert eine begrenzte Gruppe mitteldeutscher Flugschriften und betrifft nur eine geringe Anzahl von Wörtern: ader (beiMüntzer, Emser, in „Wid' die vnselige auffrure" von Wulfer, bei Stanberger, „Dialogus zwischen Petro vnd eynem Bawrn", in den Drucken Buchfürers und in einigen Flugschriften Luthers, auch in den Drucken aus Speyer); neben ader wird in diesen Flugschriften auch oder benutzt (Müntzer, Luther); ader begegnet nicht in allen ostmitteldeutschen Flugschriften: bei Hergot, „Von der newen Wandlung", steht nur oder, bei Emser erscheint in den einen Schriften nur ader, in anderen oder, bei Melanchthon ist ader nicht gebräuchlich, bei Karlstadt oder und aber = ader, in der Flugschrift „Verhör vn Acta" ader, aber = oder. Die Mischung aber¡oder ist für eine Reihe von Drucken charakteristisch. Sie erscheint z. B. sogar in Rammingers Drucken. In „Ain schöner dialogus . . . zwischen aim Pfarrer vnd aim Schulthayß" steht oder in der Bedeutung 'aber'; ader begegnet auch in einem Augsburger Druck der Flugschrift von Brenz („Won Milterung der Fürsten"). Sal/soll wechseln am häufigsten. Bei Müntzer ist die Form sol sehr fest, sal wird selten gebraucht im Unterschied zu Mechlers „Apologia oder schutzrede" (in E r f u r t von Stürmer gedruckt), wo sal vorherrscht. I n der Versflugschrift „Ein Warnung an den Bock Emser" begegnen im Reim beide F o r m e n : wol: sol; sal: vberal; dach 'doch' bei Luther in „An den Christlichen Adel". Am häufigsten ist der Gebrauch von ah 'ob', nach 'noch', der weit verbreitet ist in Erfurter, Allstedter und Wittenberger Drucken. Nur diese beiden Wörter weichen nicht vor ihren Konkurrenten ob und noch zurück, die in der politischen Literatur anderer Zentren gebraucht werden. Die umfangreichste Gruppe von Lexemen mit a < o ist in Stanbergers „Dialogus zwischen Petro vnd eynem Bawrn" (gedruckt von Buchfürer) nachzuweisen: ab, sal, ader, nach, wagt.
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Lokale Besonderheiten bei der Apokope u n d Synkope Für die vergleichende Analyse werden aus der ganzen Vielfalt der Stellungsmöglichkeiten eines unbetonten Vokals nur das Präfix ge- und die Vokale im absoluten Wortauslaut ausgewählt. Die lokale Differenzierung betrifft diese beiden ausgewählten Erscheinungen in unterschiedlichem Maße und in unterschiedlicher Form. I n bezug auf die Synkope im Präfix ge- nehmen die Schweizer und die ostmitteldeutschen Flugschriften eine entgegengesetzte Stellung ein. Die in der Sprache der schweizerischen Flugschriften vorherrschende Form ist g-: gsessen, ggeben, gschrijt, obwohl es daneben auch nichtsynkopierte Formen gibt (s. S. 99). I n den ostmitteldeutschen Drucken dagegen bilden synkopierte Formen die Ausnahme (vgl. bei Luther gnug in „An den Christlichen Adel", bei Emser gloffen); sie sind aber belegt in Müntzers handschriftlich überliefertem „Prager Anschlag", vgl. gsagt, ghort, gwesen, glassen, gschichte, gnommen, gsetz, seltener genommen. An die Praxis der ostmitteldeutschen Autoren und Drucker schließen sich die Bamberger und Speyrer Drucke an. Augsburg und z. T. auch Straßburg bilden (mit gewissen Vorbehalten) mit den Schweizer Drucken ein gemeinsames Gebiet. Folglich ergeben sich durch die Varianten ge-Jg- in der Sprache der politischen Literatur zwei Verbreitungsgebiete: eins, in dem beide Varianten produktiv sind, wobei g- sogar eine führende Stellung einnimmt, und ein anderes, in dem g- die Ausnahme bildet und ge- dominiert. Die Isoglosse stimmt mit den Grenzlinien anderer lautlich-graphischer Varianten fast überein. Bedeutend komplizierter ist die lokale Differenzierung der Apokope. Besonders interessant ist hier ein Vergleich der ostmitteldeutschen Drucke mit Drucken anderer Zentren, weil in der wissenschaftlichen Literatur dieMeinung vorherrscht, daß in der ostmitteldeutschen schriftlichen Tradition -e im absoluten Wortauslaut fest ist. I n der Sprache der politischen Literatur wird das jedoch in einer so absoluten Form nicht bestätigt. 1. Die Apokope wird in den verschiedenen Wortformen mit unterschiedlicher Intensität durchgeführt a) im Sg. der Substantive, b) im PI. der Substantive, c) in der 1. P. Sg. Präs. des Indikativs, d) in der 1. und 3. P. Sg. Präs. des Konjunktivs. Eine ganz besondere Kategorie bilden die kurzen und vollen Formen des Adjektivs in attributiven Wortgruppen. 2. Bei der Apokope läßt sich keine lokale Gliederung vornehmen. I n diesem Zusammenhang wurden folgende Drucke vergleichend analysiert: Druckort Augsburg: „Ain schöner dialogus . . . zwischen aim Pfarrer vnd aim Schulthayß"; Straßburg: Hutten, „Dialogus oder gesprech büchlin", „Karsthans", Murner, „An den Großmechtigsten . . . adel"; Bamberg: Sachs, „Disputation"; Wittenberg: Luther, „An den Christlichen Adel"; E r f u r t : „Eynn Dialogus . . . zwischen einem Vatter vnnd Sun" und Allstedt: Müntzer, „Außlegung des andern vnterschyds Danielis". I n jeder Flugschrift wurde ein Text mit einem Gesamtumfang von 4000—5000 Wörtern (einschließlich Hilfswörtern) ausgewählt. Unten werden die Ergebnisse in Zahlen angegeben.
Einfluß lokaler Faktoren auf die Sprache der politischen Literatur
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Die Augsburger Flugschrift („Ain schöner dialogus . . . zwischen aiin P f a r r e r vnd aim Schulthayß"). Der Nom. Sg. der fem. Substantive vom Typ seel, Straß,, red ist mit 23 Formen vertreten, von denen 21 ohne e, 2 mit e im Auslaut belegt sind: liebe, weye. Der Nom. Sg. der mask. Substantive vom Typ herr, will steht immer ohne e; der Dat. Sg. der mask. und neutr. Substantive ist mit 7 Wortformen vertreten, immer ohne Endungs-e; der Plural der Substantive aller drei Geschlechter ohne Endungs-e, insgesamt 18 Wortformen. I m System der Verbalformen dominieren gleichfalls die apokopierten Formen. 1. P. Sg. Präs. I n d . : 10 Wortformen, alle ohne e, im Konjunktiv von 8 Wortformen 7 ohne e, eine mit eAuf dem Hintergrund einer so weitgehenden Apokope heben sich fylli 'Fülle' und spitli 'Spitze' ab, die alemannische Wortbildungsvarianten bewahren. Die Straßburger Flugschriften. 1. H u t t e n : Der Nom. Sg. der fem. S u b s t a n tive: 8 Wortformen, davon 7 ohne e, eine mit e, gütte; Nom. Sg. der mask. u n d neutr. Substantive will, gepürg; Dat. Sg. der mask. und neutr. Substantive: 11 Wortformen, alle ohne e; Nom. PI. aller drei Geschlechter: immer ohne e, insgesamt 19 Wortformen. Fester ist in dieser Flugschrift e im verbalen Paradigma.. 1. P . Sg. Präs. I n d . : 11 Wortformen, davon 8 mit, 3 ohne e; im Konjunktiv sind von 12 Wortformen 7 mit e und 5 ohne e (alle Fälle mit wer 'wäre') belegt2. „Karsthans": Nom. Sg. der fem. Substantive: 13 Wortformen, alle ohne e;. Nom. Sg. der mask. Substantive: herr, mensch, bub, nam, gesell ohne e; D a t . Sg. der mask. und neutr. Substantive: 7 Wortformen, alle ohne e. e fehlt auch in der 1. P . Sg. Präs. Ind. (6 Wortformen) und im Konjunktiv (3 Wortformen). H i n sichtlich der Häufigkeit der Apokope schließt sich diese Flugschrift an Augsburger Drucke an. Wie in der Augsburger Flugschrift ist die alemannische Form Völly 'Fülle' vertreten. 3. Murner: Nom. Sg. der fem. Substantive: von 21 W o r t formen 17 ohne e, 4 mit e, darunter dreimal ere, einmal lere; Nom. Sg. der maskSubstantive: her, frid, glaub; Dat. Sg. der mask. und neutr. Substantive: 9 Wortformen, alle ohne e; der Nom. PI. aller drei Geschlechter hat von 25 Wortformen nur süne 'Söhne' mit e. Etwas andere Ergebnisse zeigt das verbale Paradigma: von 35 Wortformen im Konjunktiv haben nur 19 kein e, d. h. es sind 16 nichtapokopierte Formen bezeugt; in der 1. P . Sg. Präs. Ind. hat von 4 belegten Formen eine das e beibehalten. Die Bamberger Flugschrift (Sachs). Nom. Sg. der fem. Substantive: von 15 Belegen einer mit e, pürde 'Bürde'; Nom. Sg. der mask. Substantive: her, mensch;: Dat. Sg. der mask. und neutr. Substantive: von 24 Wortformen bewahren 2 er am tage, im jare; Nom. PI. aller drei Geschlechter: von 17 Wortformen eine mit e, bischoue. Eine ebenso intensive Apokope ist auch im verbalen Paradigma vorhanden. In der 1. P. Sg. Präs. Ind. hat von 8 bezeugten Formen nicht eine er im Konjunktiv ist von 9 Formen nur eine mit e belegt. Die Erfurter Flugschrift („Eynn Dialogus . . . zwischen einem Vatter vnnd. Sun"). Nom. Sg. der fem. Substantive: von 12 Wortformen bewahren 8 e, 4 sind ohne e; Nom. Sg. der mask. Substantive: herre, aber frid, glaub, gesell~ Dat. Sg. der mask. und neutr. Substantive: von 17 Wortformen haben 3 e, wege, dem tysche, doctore; Nom. PI. der mask. und neutr. Substantive: von 8 Wort-
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formen haben 2 e, hunde, schaffe. 1. P. Sg. Präs. I n d . : von 17 Wortformen bewahren 8 e, im Konjunktiv von 5 Formen 4. Die Wittenberger Flugschrift (Luther). Nom. Sg. der fem. Substantive: von 24 Wortformen sind 17 ohne e, 7 mit e; Nom. Sg. der mask. und neutr. Substantive: mensch, aug; Dat. Sg. der mask. und neutr. Substantive: 10 Wortformen, alle apokopiert; Nom. PI. der mask. Substantive: von 17 Wortformen 7 mit e, darunter Bepste, aber auch Bepst, kunige, aber auch leunig, Bischoffe, aber auch Bischoff; Nom. PI. der neutr. Substantive: 3 Wortformen ohne e. I m verbalen Paradigma bewahrt in der 1. P. Sg. Präs. I n d . von 6 Wortformen nur eine e, dagegen sind im Konjunktiv von 27 Wortformen 22 mit e enthalten. I n den anderen Flugschriften von Luther (vgl. „Ermanunge zum fride" und „Eyn Sendebrieff") ist das e in der 2. P . Sg. des Imperativs ziemlich fest, z. B. hawe, Schlahe, steche, würge. Die Allstedter Flugschrift (Müntzer). I m Nom. Sg. der fem. Substantive bewahren von 20 Wortformen 18 e; Nom. Sg. der mask. Substantive: herre, aber mensch, p f a f f ; Nom. Sg. der neutr. Substantive: auge, ore, das gesichte 'Erscheinung'; im Dat. der mask. und neutr. Substantive haben von 29 Wortformen 18 e; im Nom. PL der fem. Substantive haben von 6 Wortformen alle das Endungs-e; im Nom. PI. der mask. Substantive sind von 15 Wortformen 14 mit e bezeugt; im Nom. PI. der neutr. Substantive bewahren von 7 Wortformen 2 e. Danach ist die Apokope bei Müntzer im Nominalsystem bedeutend seltener, nicht nur im Vergleich zu den Augsburger und Straßburger Drucken, sondern auch zu den Erfurter und Wittenberger Flugschriften. Die nichtapokopierten Formen überwiegen im Nom. Sg. der fem. Substantive, im PI. der mask. Substantive und im Dat. Sg. der mask. und neutr. Substantive. Im verbalen Paradigma dominieren in der 1. P. Sg. Präs. I n d . die apokopierten Formen, während im Konjunktiv von 12 Wortformen 10 e bewahren. Zusammenfassend kann man feststellen, daß die Apokope im Nominalsystem und bei den Verbalformen am intensivsten in der Augsburger Flugschrift, im Straßburger „Karsthans" und in der Bamberger Flugschrift durchgeführt wird; nichtapokopierte Formen fehlen hier entweder völlig oder sind nur ein- bis zweimal belegt. I n den beiden anderen Straßburger Flugschriften ist die Apokope in den Nominal- und Verbalformen ziemlich unterschiedlich; in den Verbalformen ist im Unterschied zum Sprachgebrauch der ersten Gruppe der Flugschriften die Apokope schwächer belegt. Das interessanteste Material ergab die sprachliche Analyse der Flugschriften aus den ostmitteldeutschen Zentren. I m Wittenberger Lutherdruck und in der Erfurter Flugschrift ist die Apokope im Nominalsystem ziemlich stark: im Dat. Sg. der mask. und der neutr. Substantive gibt es nur apokopierte Formen, im PI. der mask. Substantive überwiegen die apokopierten Formen bei weitem. Ähnliche Gesetzmäßigkeiten zeigen sich im Nom. der fem. Substantive. Hier zeigt sich offenbar der Einfluß der südlichen Tradition der schriftlichen Literatursprache. Am festesten ist das -e im Auslaut bei Müntzer. Wenn man die Apokope des Endungs-e in der Sprache der Augsburger Drucke und bei Müntzer als zwei entgegengesetzte Modelle betrachtet,
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so bilden die Gesetzmäßigkeiten der Lutherschen Flugschrift und der Erfurter Flugschrift neben Straßburger Drucken eine Skala von Übergangsstufen. Das wird auch durch die Formen des attributiven Adjektivs bestätigt. Von den verschiedenen Typen attributiver Wortgruppen wurde der Typ Adjektiv -f- Substantiv im Nominativ Singular mit unbestimmtem und bestimmtem Artikel ausgewählt. Wesentlich ist hier das Verhältnis zwischen den kurzen (endungslosen) Formen des Adjektivs und der Form auf -e. I n der Augsburger Flugschrift, in der diese Wortgruppen im untersuchten Text selten sind, wird nach dem bestimmten Artikel nur die kurze Form verwendet, nach dem unbestimmten Artikel beim fem. Substantiv in 5 Fällen die Konstruktion des Typs ain seltzame kirch, beim mask. Substantiv zweimal die Form des starken Adjektivs auf -er, beim neutr. Substantiv einmal die kurze Form, einmal die Form auf -e. Demnach wird die Form auf -e nur beim fem. Substantiv, und zwar nach dem unbestimmten Artikel verwendet. Hier herrscht dieser Typ vor. Von den Staßburger Flugschriften ist Huttens Dialog so arm an diesen attributiven Wortgruppen, daß es unmöglich ist, Grundtendenzen festzustellen. I m „Karsthans" sind die Gesetzmäßigkeiten der Sprache der Augsburger Flugschrift ähnlich, wobei nach dem bestimmten Artikel beim fem. Substantiv nur die kurze Form verwendet wird, nach dem unbestimmten Artikel die volle, und im Maskulinum und Neutrum beide Varianten: ein fromm Christ und Ein hochspitziger mann, ein trügentlich thier und ain köstlichs . . . buchlin. Bei Murner wird nach dem bestimmten Artikel die volle Form nur bei fem. Substantiven konsequent angewendet. Nach dem unbestimmten Artikel begegnen nur Wortgruppen mit mask. und fem. Substantiven, und dabei wurde in beiden Fällen die volle Form verwendet. In der Bamberger Flugschrift ist die Situation etwa gleich, nur mit der Ausnahme, daß die volle Form auf -e nach dem bestimmten Artikel auch bei mask. Substantiven vorkommt: der lutherische geist (allerdings selten). I n der Sprache der Erfurter Flugschrift herrschen die gleichen Gesetzmäßigkeiten, jedoch wird die Form des Adjektivs auf -e nach dem bestimmten Artikel nur bei fem. Substantiven bewahrt: dye gantze weit. Schließlich haben im Wittenberger Luthertext von 5 Belegen mit dem bestimmten Artikel beim fem. Substantiv 4 die kurze F o r m ; beim mask. und neutr. Substantiv dominiert auch die kurze Form. Bei Wortgruppen mit dem unbestimmten Artikel erscheint die Form auf -e nur bei den attributiven Adjektiven mit fem. Substantiven regulär, während bei den Neutra die kurze Form konstant bewahrt wird. Folglich kommt auch hier Luther dem Augsburger Vorbild ziemlich nahe, ebenso die Erfurter Flugschrift, da die Form des Adjektivs auf -e nur in Wortgruppen mit fem. Substantiv nach unbestimmtem Artikel fest ist. Die Sprache Müntzers unterscheidet sich auch in dieser Beziehung stark und kommt der modernen Norm nahe. Für Müntzers Stil ist die häufige Verwendung attributiver Wortgruppen kennzeichnend. I n dem untersuchten Text gibt es 32 Wortgruppen mit dem bestimmten Artikel, davon 14 mit fem., 13 mit mask. und
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Sprache der politischen Literatur
5 mit neutr. Substantiven. I n allen 32 Fällen wird die volle Form auf -e verwendet. Entsprechend wird nach dem unbestimmten Artikel beim mask. Substantiv immer die Form auf -er gebraucht, beim fem. -e, und nur bei neutr. Substantiven ist die kurze Form bezeugt. I n diesem Zusammenhang verdient die Struktur der Wortgruppen in Mechlers „Apologia oder schutzrede" Beachtung. Wie oben (S. 92) festgestellt, wird dieser Traktat durch allgemein stark ausgeprägte ostmitteldeutsche Merkmale charakterisiert. I m Verhältnis zwischen den Formen auf -e und den kurzen Formen des Adjektivs zeigt sich eine große Übereinstimmung mit den Normen der Sprache Müntzers. Von 12 attributiven Wortgruppen mit dem bestimmten Artikel (7 mit fem., 2 mit mask. und 3 mit neutr. Substantiven) haben alle die Adjektivform auf -e. Somit verlaufen die Isoglossen, die 1. die Intensität der Apokope und 2. das Verhältnis zwischen den kurzen und den vollen Formen des attributiven Adjektivs in dem untersuchten Typ widerspiegeln, parallel und geben keine deutliche areale Gliederung, obwohl die Augsburger Drucke und einige Straßburger Drucke sich nach dem Intensitätsgrad der Apokope und der Stabilität der kurzen Adjektivform abheben. Die mitteldeutschen Flugschriften, einschließlich der in Bamberg und Speyer gedruckten, zeigen Schwankungen, mit Ausnahme der kleinen Gruppe der Erfurter und Allstedter Flugschriften, die sich durch eine schwache Apokope auszeichnen.
3 Die morphologischen Isoglossen lassen auch nicht in allen Fällen eine landschaftliche Gliederung der Sprache der politischen Literatur erkennen. Das Isoglossenbündel, das die Verteilung der Varianten der Personalendungen angibt, ist ziemlich kompliziert untereinander verflochten: 1. P . PI. Präs. Ind. Akt. -nt/-en 2. P. PI. Präs. Ind. Akt. -w au, einige Formen der verbalen Paradigmatik), die anderen aber werden unter Beibehalt u n g des regionalen Status immer mehr an die Peripherie gedrängt, oder sie verschwinden ganz (Entrundung, omd. urilche, ader, heubt). Eine große Rolle spielen hierbei Elemente der sozialen Auswahl, das sozial höhere „Prestige"
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Sprache der politischen Literatur
der einen Form gegenüber einer anderen. Dabei entstehen immer deutlicher Bündel von Isoglossen verschiedener Ebenen, die die Sprache der Flugschriften der verschiedenen Zentren verbinden. Sie bilden die Grundlage der künftigen literarischen Norm der deutschen Nationalsprache.
Kapitel
IV
Die Differenzierung der Sprache der politischen Literatur im Hinblick auf Gattung und Stil 1 Ungeachtet einiger allgemeiner stilistischer Merkmale, die die Sprache der politischen Literatur auszeichneten (vgl. Kapitel II), war die Vielfalt dieser Sprache, die sich in einem weiten Fächer der Variierung ausdrückte, nicht nur durch lokale Faktoren bedingt, sondern auch durch gattungsstilistische Differenzierung. Am wesentlichsten ist dabei die Wechselwirkung zwischen der gesprochenen Sprache und ihren Varianten einerseits und den Traditionen der schriftlichen Literatursprache andererseits. Ein mehr oder minder großer Einfluß beider Existenzformen der Sprache macht sich in Wortwahl, Phraseologie und bei der Anwendung verschiedener funktionell synonymer Varianten bemerkbar. Der Unterschied tritt auch im Vorhandensein oder Fehlen bestimmter Stilmittel hervor, z. B. Wiederholungen, Antithesen, in der Art der Epitheta, in stärkerer oder geringerer Bildhaftigkeit der Sprache, die sich auf die Wahl von Metaphern, Vergleichen usw. auswirkt. Elemente der gesprochenen Sprache und der schriftlichen Literatursprache können sich in zweifacher Form auswirken: einmal als organische Komponente der Sprache der politischen Literatur (vgl. unten zur Sprache Kettenbachs, Müntzers, Karlstadts, Cochlaeus' und anderer) und zum anderen als Element der Stilisierung (vgl. unten über die Sprache der Dialoge). Die stilistische Differenzierung der Sprache der politischen Flugschriften beruht nur zum Teil auf der durch die Gattung bedingten Differenzierung dieses Typs des Schrifttums. Zweifellos unterscheidet sich der Stil der chronikartigen Mitteilungen (vgl. „Ein gloubwirdig . . . vnderricht") oder der im Kanzleistil geschriebenen Bauernklagen von der Sprache eines großen Teils der Dialogflugschriften ziemlich stark, so daß man den Einfluß der Gattung auf die Wahl der Stilmittel nicht leugnen kann. Aber wie schon (Kapitel II) erwähnt, schlägt sich die Gattungsspezifik nicht immer in gleicher Weise im Sprachstil eines Werkes nieder. Die Gattungsspezifik war keineswegs der einzige und durchaus nicht immer der entscheidende Faktor für die stilistische Differenzierung. Deshalb kann man die Analyse der stilistischen Besonderheiten der Sprache der politischen Literatur nicht einfach auf Gattungsunterschiede gründen. Es haben hier zu viele unterschiedliche, für die damalige Zeit schwer greifbare Faktoren Anteilgehabt. Die Ergebnisse der Analyse werden daher nicht nach Gattungen gegeben, sondern nach bestimmten ausgewählten Merkmalen (Parameter), allerdings unter Einbeziehung der Frage nach dem Verhältnis zwischen Gattung und stilistischer Differenzierung in die Untersuchung.
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Sprache der politischen Literatur 2
Die stilistischen Unterschiede machen sich im Grad der Einbeziehung von Elementen der Umgangssprache (des alltäglichen und saloppen Wortschatzes) und in ihrem Verhältnis zu den Fremdwörtern bemerkbar. Hierbei muß man beachten, daß weder der saloppe Wortschatz noch Wortschatz und Phraseologie der Umgangssprache auf Redewendungen und Sprichwörter beschränkt sind, von denen bereits die Rede war. Ebensowenig handelt es sich nur um obszönen Wortschatz, der für eine bestimmte Gruppe von Dialogen besonders typisch ist, worauf ebenfalls hingewiesen wurde. Zur Umgangssprache gehören z . B . solche Wendungen wie do mit vff („Karsthans"); Was gylt er? Er gilt zwen Pfenning („Ain schöner dialogus von zwayen gutten gesellen genant Hanns Tholl. vnnd Claus Lamp. sagendt vom Antechrist vnd seynen jungern." o. 0 . u. J . [1523]); Was du vnß nüwer mär seitest? (Gengenbach, „Ein cleglichs gesprech"), vgl. auch das anologe was sagt ir newer mär („Ain schöner dialogus . . . zwischen aim Pfarrer vnd aim Schulthayß", S. 128); Wo halt jr müt hin? („Ain hüpsch Gesprechbiechlin von ainem Pfaffen vn ainem Weber"); Ich wil dest gmecher gon, so mugen wir mit aynander schwetzen, so wirdt vns die weyl destkürzer (ebd.); Was sagt man gutts zu dübingen („Ain schöner dialogus Cüntz vnnd der Fritz"). Einen mehr literarischen Stil der gesprochenen Sprache stellen die Begrüßungen im Dialog „Gesprech biechlin neüw Karsthans" von Bucer dar: Grüß euch gott, juncker Frantz! Danck dir gott, mein frommer Karsthans. Was bringst du vns neüwes? (S. 91). Ihrem Wesen nach sind die angeführten Phraseologismen natürlich durch die Gattung des Dialogs motiviert. Keineswegs von der Gattung der Flugschrift abhängig ist eine Gruppe von Lexemen, die prahlerische Reden, Schwätzerei, unbegründete Behauptungen bezeichnen und die weite Verbreitung in Dialogen, Sendbriefen, in Satiren und sogar in Traktaten finden, vgl. beppern (Stifel), schloderentz („Karsthans"), die tollen plerrer (Kettenbach), geplerr (Karlstadt), blern (Schwalb), plappern (Sachs, „Disputation"); in der Flugschrift gegen Fabri („Die dritte geschrifft") schreibt Zwingli: hab jnn für einen so gar verschlampten vppigen Schwätzer nit gehept; ploderer (Gengenbach, „Ein cleglichs gesprech"), bochendt 'sie prahlen' („An die versamlung gemayner Pawerschafft"); boldern/poltern 'schimpfen' (Stifel; „An die versamlung gemayner Pawerschafft"; Lachmann, „Drey Christlihe ermanung"). Offensichtlich mit der Gaunersprache in Verbindung steht der Ausdruck wescht er dohin 'er schwatzt' („Eynn Dialogus . . . zwischen einem Vatter vnnd Sun"), beutelsamen 'Geld' (wörtlich 'Samen aus dem Beutel'). al(e)fanz 'Gauner, Komödiant, Betrüger', das erst zu Beginn des 16. Jahrhunderts in die Schreibsprache eingedrungen ist (vgl. Sachs, „Ein wunderliche Weissagung/ von dem Bapstumb/ wie es yhm bis an das ende der werlt gehen soll/ ynn figuren odder gemeide begriffen/ gefunden zu Nurmbberg/ yn Cartheuser-
Differenzierung der Sprache im Hinblick auf Gattung und Stil
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kloster/ vnd ist seer alt. Ein vorred Andreas Oslanders/ Mit gutter verstendtlicher auslegung/ durch gelerte leut verklert. Wilche/ H a n s Sachs yn Deudsche reymen gefasset vnd dar zu gesetzt hat. I m MDXXvij J a r e " Die Römisch Babilonisch braut mit ihrer practick vnd finantzen, Mit yhren tücken vnd alfantzen), gehört zu derselben Sprachschicht. Kettenbach wendet in einem seiner Traktate dieses Wort in der Paarformel alfentz vnnd betriegerey an. Beide Wörter treten als Synonyme auf, obwohl sie zu unterschiedlichen Stilschichten gehören. Es ist bezeichnend, daß Luther dieses Wort in seinen Flugschriften zwar ziemlich oft verwendet, aber kein einziges Mal in der Bibelübersetzung. 168 Zur niederen Schicht der gesprochenen Sprache gehören auch vnjlat, vnflatsche. Campe brandmarkt das Wort als pöbelhaft. 1 6 9 1572 wird es in der Rechtssprechung zu denjenigen Wörtern gezählt, für deren Gebrauch man Strafe zahlen mußte. In der Zeit der Reformation ist es jedoch ziemlich weit verbreitet, vgl. solche Flugschriften wie Herman, „Eyn Mandat Jhesu Christi", die politischen Flugschriften Müntzers und den Traktat Störs „Ein christliche vermanung". Wie alefantz und die anderen angeführten Wörter wird es im polemischen Stil verwendet. Eine auffallende Metapher ist die Bildung hippenbiebsche (Murner, „An den Großmechtigsten . . . adel") zu hippenbub (vgl. hüppenbüb bei Meyer, „ E r n s t liche ermanung") 'einer, der auf der Straße mit Gebäck handelt' (hippe 'Waffel'). Gewöhnlich waren das Jungen, die sich nicht durch Sanftheit und Höflichkeit auszeichneten, sondern gern Radau machten. 1 7 0 Diese Bildung wurde von verschiedenen Autoren als Schimpfwort verwendet; sie entspricht etwa 'Rowdy', 'Radaumacher'. Sachs („Disputation") verwendet eine ähnliche Bildung holhypbub und davon abgeleitet außgeholhipt und holhüppel, vgl.: Wie hat er den allerheyligsten vatter, den Bcibst . . . vnd vns wirdige herren auß geholhipt, wie ein holhypbub (S. 197); in Langes Traktat „Uonn gehorsam" wird holhipler mit derselben Bedeutung wie holhypbub gebraucht. Aufschlußreich sind auch Wörter der Gaunersprache. Murner gebraucht im Sendbrief „An den Großmechtigsten . . . adel" die F o r m jufestu von jaufen 'spötteln', jauf 'grober Scherz', das Verb ist aus der Gaunersprache entlehnt (vgl. auch erschmorotzen 'Geld auslegen' [„Karsthans"]; beutelsamen 'Geld'). Murner benutzt in seinen politischen Flugschriften überhaupt gern den saloppen Wortschatz und ist in seinen Ausdrücken nicht wählerisch. Wie bereits erwähnt (Kapitel II), werden Elemente der Umgangssprache u n d der saloppen Sprache besonders häufig in den Dialogen verwendet. Neben vielen Sprichwörtern und sprichwörtlichen Redewendungen (deren Häufung in einigen Dialogen, z. B. im „Karsthans", als Stilisierung ä la Volkssprache betrachtet werden kann) werden häufig grobe und obszöne Ausdrücke verwendet. I n einigen Dialogen, z. B. „Ein Lüstigs Gesprech", z. T. in „Eynn Dialogus . . . zwischen einem Vatter vnnd Sun" und in Römers „Ein schöner Dialogus von den . . beschwernüß" herrscht geradezu eine Vorliebe für obszöne Schimpfwörter, Zweideutigkeiten und schlüpfrige Wortspiele der saloppen Sprache. Man kann in diesen Fällen von einer gewissen stilistischen Manier sprechen, die nach Effekt hascht und dem nicht allzu erlesenen Geschmack des Lesers der damaligen Zeit
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entspricht. Diese Elemente der saloppen Sprache sind aber kein Mittel zur sprachlichen Charakterisierung des Bauern oder Handwerkers, wie das in einigen späteren Werken der Fall ist. I m Dialog „Ein Lüstigs Gesprech" benutzen alle Personen Schimpfwörter und vulgäre Ausdrücke; es gibt auch keine stilistischen Unterschiede in der Sprache der handelnden Personen im „Karsthans". I n den politischen Dialogen fehlt demnach die stilistische Abgrenzung in der Sprache der Vertreter unterschiedlicher sozialer Gruppen. Das ist in gewissem Maße ein Beweis für das Fehlen bewußter stilistischer Normen bei den Autoren. Ähnlich zu bewerten ist die Vermischung verschiedener stilistischer Ebenen, die so charakteristisch für die Sprache der meisten politischen Flugschriften ist (vgl. unten). Wie schon erwähnt, ist die Einbeziehung der groben Phraseologie und des obszönen Wortschatzes nur in einer sehr begrenzten Gruppe politischer Dialoge zu beobachten. Elemente des groben saloppen Wortschatzes fehlen völlig in Bucers „Gesprech biechlin neüw Karsthans", in den Dialogen Huttens und anderer; sie sind demnach keine allgemeine stilistische Besondeiheit dieser Gattung. Auch in anderen Gattungen der politischen Literatur sind die Autoren in ihren Ausdrücken nicht wählerisch, wenn sie ihre politischen Gegner kritisieren und entlarven, obwohl sie allzu vulgäre Ausdrücke vermeiden. Beschränken wir uns auf einige Beispiele. Melanchthon schreibt in seiner Flugschrift „Figur des . . . Bapsts", einem Kommentar zu einer Karikatur, die eine Figur mit einem Eselskopf, einer weiblichen Brust und mit mehreren Armen und Beinen darstellt: Der Eselskopff bedeut den Bapst. Der weybisch leib vnd brüst bedeut des Bapst Corper j das seind Cardinal/ Bischoff/ pfaffen/ monch/ Studenten vnnd der gleichen hurn volck vnd mastsew, so in fleischlichem wollust leben (Aij.). Die beliebte Bezeichnung für den römischen Papst, die rote hur von Babylon, findet sich in vielen oppositionellen Flugschriften. Kettenbach, der sich an die Vertreter der höheren Geistlichkeit wendet, nennt diese Enndtchristlichen Blippenblapperer 'antichristliche Schwätzer', lugenhaftige büben („Ein Sermon wider des bapsts kuchen prediger"), baalitesse pierer („Ein Sermon . . . zu der . . . statt Vlm"), weibische Zodomitische hüben („Verglychüg"). Der Verfasser der Flugschrift „An die versamlung gemayner Pawerschafft" nennt die Priester und Grundherren Baalspfaffen, kotzende Hunde. — Warumb setzet jr euch nitt mit gewalt wider die reyssendt wolff, grossen dieb vnd reüber, als dann sindt die papisten? schreibt Kettenbach in seiner Flugschrift „Verglychüg" (S. 146) und wirft dem deutschen Adel vor, daß er sich fürchtet vor der münch schwetzen, alfantzer vnd schrifft verkörer (ebd. 147). Am Ende der Flugschrift „Das Bapstum" heißt es Nun frümer christj hastu geschaut Von Babilon die seltzam brawt Den Antichrist/ mit seym geschwürm Seyn groß hoff gesind das schnödt gewürm Wann Johannes nenndt dise seckten In Appocalipsis hewschrecken. Luther nennt in „An den Christlichen Adel" die römische Geistlichkeit gewurm vnd schwurm, die päpstliche Kurie ein hurhauß vbir alle hurhewßer und den Papst Julian blutseuffer. Mich verdreusset, schreibt er, das wir solch vnuorschampt, grobe, tolle lugen müssen ym
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geystlichen recht leßen vnd leren. Die ganze antipäpstliche Literatur verwendet diesen Wortschatz unabhängig von der Gattung. Rhegius schreibt aus diesem Anlaß in seiner polemischen Flugschrift „Widder den neuen irsall Thomas Müntzers D. Andreas Karlstadt vn anderer Schwärmer des Sacraments halben/ Warnung D. Urbani Regij zu Augspurg prediger." M D X X V : Mit solcher vnuerschapte calumnien beschuldigen die Lutherische stets die alten christlichen Priesterschafft, vn heiyssen die abtrünnige/ meyneydigen/ trewlosen/ gotlosen/ halsstarrigen/ ketzerische/ antichristischen vorleuffer/ die antichristen vorfurer/ vorleyther/ seelmorder. Ähnlich schreiben auch andere Autoren des katholischen Lagers. Wie bereits erwähnt, ist aber auch hier eine gewisse stilistische Differenzierung zu beobachten; bei Hutten, Herman oder Schwalb und in einer Reihe anderer politischer Flugschriften fehlt eine ähnliche Phraseologie. Noch geringere Zurückhaltung in der Wahl der sprachlichen Mittel übten manche Autoren in Flugschriften gegen die Bauern und in Streitschriften gegeneinander. Lieben brüder, schreibt Karlstadt in „Vrsachen", wen einem vber seinen hals ein Moab oder ein Babilonischer knecht kömpt/ so ist es schwer das er sich in schultiger messigkeit kege jhm erzeig/ vn vor holhippelischem fluchen vnd vormaledeyhung enthalte (Aij). Und sie enthielten sich tatsächlich nicht. Zahllos sind die Epitheta, die von Müntzer für Luther erfunden wurden, den er am häufigsten Lugner nennt (vgl. Kapitel II, S. 44). O Doctor Lügneri du tückischer Fuchs, schreibt Müntzer in seiner Antwort auf Luthers Beschuldigung, die dieser in seiner Flugschrift „Eyn brieff an die Fürsten zu Sachsen von den auffrurischen geyst." Wittemberg 1524 ausgesprochen hat. Der außgesch&mbte Münch, gottloßes Wittenbergisches fleisch, der schwartze kulkrabe, der schmeichelnde schelrn zu Wittenberg nennt der beleidigte und von den Behörden verfolgte Müntzer Luther in seiner Flugschrift „Hochverursachte Schutzrede". Aber nicht weniger scharf ist Murner gegen Luther; er nennt ihn hofnarr, noch häufiger einfach nur narr („An den Großmechtigsten . . . adel"). Über die Schimpfnamen, mit denen sich Luther und Emser bewerfen, ist bereits gesprochen worden (Kapitel II). Was den Stil der Flugschriften Luthers gegen Müntzer und die aufständischen Bauern betrifft, so wollen wir uns auf einige Beispiele beschränken. I n der Flugschrift „Ermanunge zum fride" schreibt Luther über die aufständischen Bauern: der hellen vnd teuffels banden; vnd thun wie die rasenden hunde; als treulose/ meyneydige/ lugenhafftigen/ vngehorsamen büben/ (Eiiij); die öffentlichen strassenreuber vn morder. Zur erbarmungslosen Vernichtung der aufständischen Bauern aufrufend, behauptet er, das nichts gifftigersf schedlichers/ teuffelischers seyn kan/ denn eyn auffrurischer mensch/ gleich als wenn man eynen tollen hund todschlahe mus (Eiiij). Mit denselben Ausdrücken wird gegen Müntzer vorgegangen, der zu der Zeit in Mühlhausen predigte: der ertzteuffel/der zu Molhusen regirtl vnd nichts denn raub/ mord blutvergissen anrieht (Eiiij). Denselben Stil behält Luther auch in anderen Flugschriften bei, in denen er sich für Repressalien gegen die Bauern einsetzt, vgl. „Eyn Sendebrieff", wo eine Reihe von "Formulierungen" einer früheren Flugschrift wiederholt wird, z. B. so sind sie öffentlich trewlos/ meineidige/ vngehorsame/ auffrurische diebe/ reuber/ morder vnd gottes 10
Guchmann
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lesterer. Die Sitten der christlichen Welt hart kritisierend, schreibt Müntzer in der Flugschrift „Protestation": das wir Christen der gätzen werlt/vnflatige hefen/ gätz vn gar gefressen haben/ also gantz auch/ dz sie vns auch aus vnserrn halsse heßlich vnerkenntlich stincken, wobei er grobe Ausdrücke nicht vermeidet.
3 Der Einfluß der gesprochenen Sprache war jedoch nicht auf den Wortschatz und die Phraseologie der saloppen Sprache beschränkt; er war vielfältiger. In vielen Sendbriefen und Predigten an einzelne Personen oder an bestimmte Volksgruppen, z. B. an die Bauernschaft (vgl. „An die versamlung gemayner Pawerschafft" oder Lachmanns „Drey Christlihe ermanung an die Baüwerschafft"), an die Fürsten (z. B. Brenz, „Won Milterung der Fürsten"), an den Adel (z. B. Luther, „An den Christlichen Adel" usw.), sind Wendungen der gesprochenen Sprache, die eigentlich dem Dialog eigen sind, ziemlich häufig. Elemente aus dem freundschaftlich-intimen Briefstil, die unmittelbare Anrede des Gesprächspartners, werden übernommen, so daß der Sendbrief, die Predigt und sogar der Traktat die Form eines inneren Dialogs annehmen. I n der Form eines solchen inneren Dialogs sind die antilutherische Flugschrift von Cochlaeus, die Sendbriefe Müntzers, die Flugschrift Murners usw. geschrieben. So erklärt sich die Einbeziehung der 2. Person: Demnach sprichst du (Murner), Du aber kumbst mit eyner newen geygen vnd lerest (Rhegius gegen Karlstadt). I n der Flugschrift „An die versamlung gemayner Pawerschafft" r u f t der Autor, sich an die Bauern wendend, aus: Siha, siha herzlieber knöpfleter bundschüch/ Ein großer Teil der Flugschrift, die viele Aufrufe zu Einheit und Standhaftigkeit enthält, ist wie eine direkte Anrede an das aufständische Volk aufgebaut. Lieben bruder (Karlstadt), lieber Karsthans („Ein Claglicher Sendtbrief . . . zu Karsthannsen") sind feste formelhafte Anfänge vieler Sendbriefe und Predigten. Nemeth czu herczen lyben Bemen, schreibt Müntzer im „Prager Anschlag". Nicht selten war eine solche Anrede ironisch gemeint, z. B. in einer Flugschrift Fritzhans' gegen Karlstadt: Sage mein lieber bruder Karlstat/ wie kumpt es/ das gemeiniglich/ welche bruder Martin lüder herzlich anhangenn/ so man sie ein wenig rurt/ also scheltten lestern/ vormaledeien. Ebenfalls ironisch ist die von Rhegius verwendete Anrede Mein Karlstadt, lieber Bock stoß mich nicht, schreibt Luther gegen Emser; auch Müntzer flicht in die Polemik mit Luther direkte Anreden ein: Hast du nit gelesen du hochgelerter bübe ? wie got durch Esaiam sagt („Schutzrede" 90), oder Schäme dich du Ertzbübe (ebd. 91) und Doctor Lügneri du tückischer Fuchs (ebd. 101). Cochlaeus, der die Flugschriften Luthers gegen die Bauern kritisiert, r u f t aus: du falscher fursten heuchler. — Ojr lieben gekrönten Esel schreibt Kettenbach im „Sermon wider des bapsts kuchen prediger". Diese stilistische Manier trägt in die Sendbriefe, Predigten und sogar in die Traktate ein umgangssprachliches Element hinein und nähert diese Gattungen in gewisser
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Weise dem Dialog an. Andererseits haben jedoch nicht immer solche Anreden des Gesprächspartners oder gewisser Volksgruppen den vertraut-intimen Charakter, vgl. den tragisch-verräterischen Aufruf Luthers in „Ermanunge zum fride": Drumb lieben herren loset hie/ rettet hie/ helfft hie/ Erbarmet euch der armen Leute/ Steche/ Schlahe/ würge/ hie wer da kan (Fij). Die Einbeziehung umgangssprachlicher Strukturen trug zu einer wesentlichen Vergröberung des Stils „hoher" Literatur wie eben der Sendbriefe, Predigten und Traktate bei. Zu dieser stilistischen Schicht tendieren auch einige typische Stilmittel der bildlichen Rede. So wird im Traktat Stifels („Von der . . . leer . . . Luthers") in den Erörterungen über die Tugenden und Leidenschaften folgender Vergleich gebraucht: Dann der lust ligt so tyeff etwan begraben in dem hertzen des menschen, das er weniger mag entpfunden werden dann die hitz in dem vngeleschten kalck . . . Das hertz des menschen ist böß vnd verfarlich, das niemants mag vßgründen dann gott. Aber zu, der zeit der anfechtung, so der alt Adam syeht bequemlicheit seinen duck züerzöigen, so kurnpt härfür, das vor so tyeff lang verborgen lag. Also ist es auch mit dem kalck, so darin würt gegossen wasser, do erzöiget sich erst die verborgene hitz. Doch würt die hitz säfftlich vnd still getödtet durch das öl. Also würt auch die böß neygung des lusts vnnd des zorns stilligklichen gedempt durch die gnad (303). Besonders häufig verwendet Müntzer ähnliche Vergleiche, z. B.: wie die hornaffen thun oder die grossen brumfliegen; auf Luther bezogen schreibt er: du steigst in prunnj wie der fuchs in den eymer trath/ vnd fraß die vischej darnach locket er dem vnsinnigen wolff in den prunn in andern eymer/ so feret er empöre/ vnd der wolff bleibet darunder („Schutzrede", S. 96). Diese Vergleiche, die an Gleichnisse aus der Bibel erinnern, erschienen in verschiedenartigsten Bildern. I m Dialog „Ayn freuntlich gesprech zwyschen ainem Barfüsser Münch . . . vnd aine Löffelmacher" wird zusammen mit festen Metaphern (verirrten schaflein für 'Volk' und reyssende zuckende wolfe f ü r 'Geistlichkeit') das Bild des Tanzbären verwendet, den der Bärenführer an der Kette hält: so pfeiffen sy/ so muß dan der armselig ber nach in tantze Will er aber nit hupffen/ schlegt man jn mit ayner gaysei vnder die zote. Also habtjr vns auch than . . . wolte wir nit hupffen/ nach eweren menschelichen tandt merenj so bran das feur in allen gassen. Da blitzt vnd haglet jr dan mit ewern Endtchristlichen pabstischen bannen. Vgl. auch „Ain schöner dialogus . . . zwischen aim Pfarrer vnd aim Schulthayß", wo es von den katholischen Geistlichen heißt: So laufft er f luchs in die kirchen wie ain wolff in schaff stal . . . am morgen sieht er wie ain abgestochner kalbs köpf (131). Die Thematik vieler politischer Flugschriften begünstigte die Anwendung des Wortschatzes der Umgangssprache. In den Dialogen werden gern Einzelheiten aus dem täglichen Leben der Geistlichkeit, des Adels, seltener der Bauernschaft dargestellt. Folgendermaßen wird das Verhalten der höheren Geistlichkeit in Bucers „Gesprech biechlin neüw Karsthans" beschrieben: züvoran in Teutschland, da sie all fürstlichen stand füren, vnd reyten ist ir arbeit, vff dem geiagt vmbziehen oder aber krieg füren . . . Aber ir rüw ist, mit schönen frawen sich belustigen, bancket vnd däntz halten, ins bad geen, im bret spilen. . . Sie ligen vnd sitzen auch gern 10*
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vff pflaumfedem vnd weichen küssen, behencken sich mit gold, sylber, edelgestein vnd der gleychen cleinoter, essen vnnd trincken wol vnd überflüssigklich (95). I n „Eyn gesprech zwyschen vyer Personen" beklagt sich ein Bauer über den Schaden, den das Volk durch die vielen kirchlichen Feiertage h a t : Do gehett mann tzüm weynn, auff dye Kyrch weych, tzüm tantz, tzüm spyll, yhns frawen hauß, do verspylt eynner vnnd vertrincktt, was ehr dye gantzenn wochen hertiglich gewunnen hat, dar nach hawen vnd schlagenn sie sich eyn ander, das sol got gedyentseyn (187). Zu einer ganz anderen stilistischen Schicht gehört der Wortschatz der revolutionären Bewegung und der Forderungen der Bauern. Dieser Wortschatz erscheint in unterschiedlichen Flugschriften (vgl. einerseits die Flugschrift „Handlung Artickel vnd Instruction", die dem Kanzleistil nahesteht, andererseits die mehrfach erwähnte Flugschrift „An die versamlung gemayner Pawerschafft", die sich durch stilistische Meisterschaft auszeichnet); er kennzeichnet die Nöte der Bauern, ihre Pflichten und schweren Belastungen. Zum fünften seyen wir auch beschwert der holtzung halb, dän vnsere herschafften habend jnenn die höltzer alle allain geaignet, vn wän der arm man was bedarffmüß ers vmb zway geldt kauffen (42), lesen wir in den „Zwölf Artikeln der Bauern". Hergot beschreibt die Not der Bauern in seiner Utopie „Von der newen Wandlung" folgendermaßen: die Bawrn haben das leder gefressen/ sie müssen die kue betzalen/ vnd habens duppel betzalt/ vnnd steht mitten auff dem marckt das yederman datzu kommen kanj saugt fluxj yhr schrefftgelertenf vnnd lernt den adel das er der kue nichts ynn dem ewtter lasI vnd die milch gar aus sauge/ auff das die iungen nichts finden/ . . . es sterben schier weyb vnnd kind (61). Eine ins einzelne gehende Beschreibung der verschiedenen landwirtschaftlichen Arbeiten, die für die Bauern unerträglich geworden waren, gibt der Sendbrief „An die versamlung gemayner Pawerschafft" ( B l ) : Got mag in seiner gerechtigkait diß grewlich Babilonisch gefencknuß nit geduldenj daß wir armen also söllent vertriben sein/jre wysen ab zumayen vnd züheuwen/ die äcker züpawen/ den flachß darein zusehen/ wider herauß rauffen! raffeln/ rößlen/ weschenj prechen/ vnd spinnen/ . .. auch erbsal klawben/ moren vn spargen zübrechen. Dieser Wortschatz und diese Redensarten sind vornehmlich in Sendbriefen, Predigten, zum Teil auch in Traktaten (Hergot) belegt, darüber hinaus in Flugschriften, die keiner bestimmten Gruppe angehören. Wie das in Auswahl angeführte Material zeigt, ist die Beziehung zwischen Stil und Gattung bei den politischen Flugschriften keineswegs eindeutig. Korrektive stellen die Besonderheiten des Individualstils dar, die durch viele Faktoren bedingt sind. 4 Eine Besonderheit der Sprache der politischen Literatur ist die Vereinigung von Elementen verschiedener Stile. Das ist auch einer der Gründe für die negative Einschätzung der Literatur der Reformation und des Bauernkrieges durch Schirokauer.
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Außer den Elementen der verschiedenen Schichten der Umgangssprache finden in der Sprache der politischen Literatur auch diejenigen Schichten des Wortschatzes und der Phraseologie ihren Niederschlag, die der religiösen lateinischen Literatur entstammen, vom kanonischen Recht bis zur scholastischen Philosophie, aber auch stilistische Besonderheiten der traditionellen Rhetoriken. Manchmal erscheinen diese unterschiedlichen Elemente (der Umgangssprache und der religiösen lateinischen Literatur) nebeneinander in einer Flugschrift, ja in einem Absatz. I n der Sprache der politischen Literatur gibt es vielfältige lateinische Elemente. I n einigen Schriften werden in den Text ganze lateinische Ausschnitte eingeflochten. So spricht im „Karsthans" Merkurius vorwiegend lateinisch; in anderen Dialogen begrüßen die Teilnehmer einander lateinisch, vgl. bei Sachs, „Disputation", S. 197: S c h u s t e r : Bonus dies, Köchin! K e c h i n : Semper quies! usw. Manchmal werden die lateinischen Antworten im Munde der Bauern verstümmelt (z. B. in den Anreden des Karsthans in der Flügschrift „Karsthans" oder des Vaters in „Eynn Dialogus . . . zwischen einem Yatter vnnd Sun"). In Römers „Ein schöner Dialogus von den . . . beschwernüß" verwendet der Geistliche in seinen entlarvenden Reden gegen den Klerus lange lateinische Zitate. In allen diesen Flugschriften wird daneben grober salopper Wortschatz verwendet. Dieses Nebeneinander ist auch außerhalb der Dialoge anzutreffen. Eine Ausnahme bilden nur solche Flugschriften wie die „Zwölf Artikel der Bauern", die Erzählung von der Niederlage der Bauern bei Frankenhausen („ Ein gloubwirdig . . . vnderricht"), die Flugschriften Luthers gegen die aufständischen Bauern und einige andere. Vergleichsweise wenig entlehnte Wörter finden sich in der propagandistischen politischen Flugschrift „An die versamlung gemayner Pawerschafft", wo außer weit verbreiteten Entlehnungen wie person, Cantzler, prophetisiert, yuristrey, tyranney die Verwendung von serui 'Sklaven' auffällt: recht Habt jr bißher haubtrecht geben/ sindjr leib aygen gewesen/ somustjrfürterhyn serui werde/ nichts ayges mer haben/ weder an leyb noch an gut/ alles nach Thürckischer art wirt man euch vettkauffen/ wie dz vich/ roß/ vnnd ochsen (D l b — D 2 a ). Bei Müntzer begegnen hauptsächlich allgemein übliche und daher dem Verständnis breiter Schichten der Bevölkerung zugängliche entlehnte Wörter wie fundamet, ceremonien, regirt, jantasei, die passion, aber auch visirlich 'offensichtlich', glossieren 'auslegen'. Anders bei Emser, Kettenbach, Schwalb und besonders Schappeler. Die Mehrzahl dieser Autoren verwendet den lateinischen Wortschatz häufig bei paarweise angeordneten Synonymen, vgl. bei Emser widerholen od' repetirn; bei Kettenbach Von dem gewissen oder conscientzen; concubyn oder hürn; bei Schwalb Exampel oder beyspil. Sie verwenden lateinische Ausdrücke, obwohl das Deutsche eigene hat, so Emser alle seyn argument repetirn auflösen/ vn scheinbarlich machen; Kettenbach arguieren sy vnd sprechen („Ein Sermon wider des bapsts kuchen prediger"); in eternum (ebd.); concordiere, absoluieren, degradiren, Tu ora supplex („Verglychüg" 132) usw. Bei Kettenbach, in Hermans „Eyn Mandat Jhesu Christi" und bei Luther gibt es vielfache Verweise auf das kanonische Recht. Doch am interessantesten in dieser Hinsicht ist Schappelers
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Traktat „Verantwortung vnnd auflosung". Schappeler hat an den Verhandlungen mit den Bauernhaufen (vgl. die Unterschriften in der Flugschrift „Handlung Artickel vnd Instruction") teilgenommen. Möglicherweise hat er auch die Einleitung zu den „Zwölf Artikeln der Bauern" geschrieben. Sein Traktat ist gegen die Dogmen der katholischen Kirche gerichtet und verficht die Lehre der neuen Religion, die den Menschen geistig von den alten Ketten befreien soll. Seine Schrift muß man als ein philosophisch-politisches Werk ansehen, das sich nicht an die breiten Massen wendet, wie z. B. die Flugschriften Kettenbachs, Müntzers und der Sendbrief „An die versamlung gemayner Pawerschafft", sondern es ist an die Geistlichkeit verschiedener Richtungen und an die Vertreter der kirchlichen Philosophie und Politik gerichtet. Dadurch erklärt sich auch, daß Schappeler nicht nur die bei anderen Autoren politischer Flugschriften bezeugten Fremdwörter argument, argumentirn, opinion, argirn, regiern, disputieren, scribenten verwendet, sondern auch doctrin,prescription, probieren in der Bedeutung 'beweisen' und schließlich die für das Kirchenlatein spezifischen Wörter fulminirn 'stark fluchen', Exorbitantz. Bei ihm kann man von der Verwendung spezifischer Kirchenjargonismen sprechen, die seinem Traktat eine besondere Stilfärbung verleihen. So wurden zwar in den meisten Flugschriften lateinischer Wortschatz und lateinische Phraseologie verwendet, aber ihr Zweck und ihre Funktion in der Sprache verschiedener Flugschriften waren keineswegs gleich. Da sie in einigen Fällen eine bestimmte ironische Färbung bekamen, dienten sie gewissermaßen als zusätzliches sprachliches Mittel zur Diskreditierung der katholischen Kirche und aller mit ihr verbundenen Bräuche und Gewohnheiten. In anderen Flugschriften waren sie ein traditionelles Stilmittel, jene literarische Schablone, die die Sprache dieses neuen Schrifttums veredeln sollte, indem sie die Elemente der niederen gesprochenen Sprache, die zusammen mit der neuen Thematik in die schriftliche Literatursprache eingedrungen waren, neutralisierte. Es ist wichtig für die Charakterisierung der Vielfalt des Sprachstils der Flugschriften, daß die Verwendung dieser lexikalischen Schicht keine isolierte Erscheinung ist, die wie eine Insel über die Wogen der Umgangssprache emporragt. Sie hängt mit dem Typ von Vergleichen, die nicht der Alltagssprache entnommen sind, zusammen, z. B. bei Hutten („Ein demütige ermanung"): So wöllent euch an sie nit leeren/ sonder gegen jren Antchristischen predigen/ gleych als gegen der Sirenen gesanngk Vlysses/ eüwer oren verstopffen; bei Müntzer: dann der gotlosen gestalt ist vber alle müssen schon vnnd listig/ wie die schöne korn blume vnter den gelben ehern des weytzes („Außlegung", S. 9); oder bei Herman („Eyn Mandat Jhesu Christi"): Darnach müsset yhr geschüet seyn an eweren füssen mit rüstung des Euangelions, das ist: yhr solt ewer gedancken, affect odder willen mit dem Euangelio schüen, auff das yhr durch dieselbigen jus zum argen nicht geleyttet werdet (271). Sie hängt auch mit der Gesamtheit der Stilmittel zusammen, die für die lateinischen Rhetoriken typisch waren. Das drückt sich im übertriebenen Gebrauch von Synonymen, in der Anhäufung von Epitheta und in einem bestimmten Typ von Wiederholungen aus. Das Material wird in Auswahl angeführt.
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I m Unterschied zur gesprochenen Sprache hat hier die Anrede den Charakter der Emphase, vgl. Kettenbach, „Verglychüg": 0 Babst, 0 bischoff, 0 hohe schulenn, O münch, 0 pfaffen, gedenckt, wie ir so grossen mutwillenn, freuel, schalkheit vnd gwalt trybt mit dem christlichen Martino luther (147); ebenso :0 christlicher adell, jr wagent etwann leyb vnnd leben vmb einer deinen sach willenn . . O thüt ewer augenn auff (ebd. 146—147); im „Gesprech biechlin neüw Karsthans": O almechtiger ewiger gott vnnd herrß, wie hast du es so gar gut mit uns armen sündern auff disem erdtreych vnd eilend gemeynt, vnnd wie gar würt dir mit gevolget (111); ähnlich auch in „Eyn gesprech zwyschen vyer Personen" und in anderen Flugschriften. Für die Tradition derartig geformter Sprache sind wohl die gleichlautenden Satzanfänge innerhalb eines Absatzes besonders typisch, z. B. bei Hutten, „Ein Clagschrift" (B): Dise atzen den Romische geltschlundt . . . dises seind die bösen anreitzer . . . diß seind des Romische tisches weidleut. Diß seind die kunstreichen werckmeister aller böser sünd; ebd. (B l b ) : Hab ich ye vnsers vatterlands preiß gewürcket/ ir wollt euch doch auch mein gerucht beuolhe lassen sein. Hab ich ye vnsers vatterlands preys gewürcket/ ir wöllent euch doch über mein anfechte erbarme. Hab ich ye eüwere eer geweitert/ so wollet doch yetz mein heil nit verlassen. Auf die gleiche Weise werden viele Absätze in den Werken Kettenbachs aufgebaut, vgl. aus der „Verglychüg": Sihe an, o fromme riterschaft Teütsches lands, wie die welschen pfaffen so lanng euch, ewer Keyser, ewer Künig, ewer fürsten, ewch selber geeffet vnd benart haben an leyb, seel, eern vnd gut! Sehend, wie ir all zu knechten . . . syt worden! Sehet an (146). Dieses Stilmittel benutzt auch der Autor der Flugschrift „An die versamlung gemayner Pawerschafft": habt jr biß her ewer gütter müge vmbzeünen vor de. gewilde/ dz must jr nun mer offen lassen steen/ hatt man euch die äugen darüb außgestochen/ so wirt man euch fürtter spissen. Habt jr bißher haubtrecht geben/ sind jr leib aygen gewesen/ so must jr fürterhyn recht serui werde (D l b — D 2 a ). Vgl. auch aus der Flugschrift von Cochlaeus gegen Luther „Wyder die . . . rotten der Bawren": soltest dein lausige fryheit in deiner kutten da heymbd behalte haben. Soltest nit die leuß dem volck an den peltz gesetzt haben. Soltest nit den Keyser eyn Madensack/ vnd die fursten vnzuchtlich Narren, Maulaffen/ vnsinnige vnd rasende wueterer vnd Tyrannen geheissen haben. Diesem Stilmittel, das eine emotionale Verdichtung des Ausdrucks ermöglicht, ähneln einige Konstruktionen bei Lachmann („Drey Christlihe ermanung"): Auß eynem wolff macht er ein lemlein, auß eynem tyrannen ein freüntlichen, friedlichen menschen, auß eynem zenkischen, hederischen ein tügentsamen vnd langmütigen, auß eynem pochischen vnd empörischen ein gedültigen in allen widerwertigen Sachen vnd bürden (442—443). I n diesem Beispiel wird der syntaktische Parallelismus durch den vollen semantischen Parallelismus, der in ein und demselben Typ von Gegenüberstellung besteht, gestützt. Diese syntaktisch-stilistischen Verfahren des Textaufbaus, die sich zweifellos in der deutschen Prosa unter dem Einfluß des Lateinischen entwickelt haben, sind typisch in der politischen Literatur für Gattungen wie Sendbrief, Traktat und Predigt. Sie sind vor allem für Hutten, Kettenbach, Lachmann, den ano-
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nymen Autor der Flugschrift „An die versamlung gemayner Pawerschafft" und Cochlaeus kennzeichnend. Müntzer benutzt sie nicht. Luther und Murner vermeiden in den politischen Flugschriften die Mittel der lateinischen Rhetorik. Der sachliche Ton der Bauernforderungen in verschiedenen Flugschriften und die chronikalischen Aufzeichnungen über Ereignisse des Bauernkrieges waren auch nicht der geeignete Hintergrund für die Entfaltung der Rhetorik. Im wesentlichen müßte sich wohl der Gebrauch der beschriebenen Stilmittel der Schreibsprache vorwiegend auf den feierlichen Stil und die „hohen" Gattungen beschränken. Aber die Spezifik der Sprache der politischen Literatur besteht gerade darin, daß sie die lateinischen Termini des kirchlichen Sprachgebrauchs mit dem obszönen Schimpfwortschatz zusammenfügt. Der saloppe Wortschatz geht in die rhetorischen Schemata ein (vgl. das Beispiel aus der antilutherischen Flugschrift von Cochlaeus), die auch in der Sprache von Flugschriften verwendet wurden, die umgangssprachliche Lexik und Phraseologie gebrauchten (vgl. die anonyme Flugschrift „An die versamlung gemayner Pawerschafft"). Die Unvereinbarkeit dieser Stilmittel mit der zeitgemäßen Thematik muß jedoch von einigen Autoren empfunden worden sein. Sie haben diese Stilmittel deshalb nicht benutzt. Auch die Anhäufung von Epitheta und der reichliche Gebrauch von sinnverwandten Wortreihen sind Stilmittel der lateinischen Rhetorik. Sie sind vorwiegend in Sendbriefen, Predigten und Traktaten angewendet worden, wobei verschiedene Autoren hier verschiedenartige stilistische Gewohnheiten zeigen. Am weitesten geht Lachmann in seinem Sendbrief an die Bauern („Drey Christlihe ermanung"), vgl. eine Reihe von Epitheta: der almechtig, ewig, barmhertzig, günstig gott; diesse vffrürischen, emporischen eygennütze, geyttig menschen (443) oder die Anhäufung der sinnverwandten Wörter in vnglaüben, zanck, v f f l a ü f f , emporung, vnfried, todtschlag, neydt, haßs, zorn, geyttigkeit, frembde gütter begeren (434). Auch Müntzer verwendet häufig mehrere Epitheta: der eilenden/ armen iamerlichen/ durfftigen groben zurfallen Christenheit. Hier sind die ersten vier Adjektive faktisch synonym („Protestation"), oder die gantze tolle vnsinnige, fantastische weit („Gezeugnus des ersten Capitels des Euangelions Luce"). Charakteristisch sind Reihen sinnverwandter Wörter und Epitheta auch f ü r Hermans „Eyn Mandat Jhesu Christi": darzu mich ewern helffer, heyland, mitler, seligmacher, erloser . . . verkyset (264); Ich byn ewer firmament, befestigung, erlöser vnd seligmascher (269); das ewre feynd mit gewalt das landt eynnahmen, euch fingen, hyngen, schunden, schleyfften, branten (269) usw. Einige bilden sogar eine Art fester Formeln: auwffrür, vnfryd, emborung; diemüttigkait, senfftmüttigkait vnd langkmütigkeit. Seltener als z. B. Lachmann oder Müntzer greift Schwalb zu diesem Stilmittel, vgl. der falsch, geytzig verkert glaub. Luther verwendet im Sendbrief „An den Christlichen Adel" nur äußerst sparsam Epitheta, noch seltener Epithetareihen. Die Sprache dieser Schrift ist ziemlich trocken und sachlich, die Mittel der bildlichen Rede werden selten benutzt. Anders verhält es sich mit seinen Flugschriften gegen die Bauern; hier
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h a t die Emotion den Gebrauch traditioneller Mittel der agitatorischen Rede bed i n g t : so sind die öffentlich trewlos/ meyneydige / vngehorsame
auffrurische
diebe/
reuber/ mòrder vnd gottes lesterer („Eyn Sendebrieff" F), vgl. auch den b e k a n n t e n A u f r u f : hawe/ steche/ würge) Schlahe dreyn (ebd. Ciij) oder Drumb lieben herren loset hie/ rettet hiej helfft hie (ebd. Fij). Andererseits sind diese Stilmittel auch f ü r die Dialoge nicht typisch. 5 F ü r die Ü b e r p r ü f u n g der gattungsbedingten stilistischen Differenziertheit der Sprache der politischen Literatur wurden zusätzlich drei Erscheinungen ausgewählt : 1. die Partizipialfügungen als vorwiegend schreibsprachliche Elemente, 2. das Verhältnis zwischen den beiden Typen attributiver Wortgruppen (Genit i v a t t r i b u t ) des Vaters Haus und das Haus des Vaters u n d 3. die R a h m e n k o n struktion im H a u p t - u n d Nebensatz. I n der wissenschaftlichen Literatur war die Meinung verbreitet, d a ß F ü g u n g e n mit dem Partizip Präsens schon im 16. J a h r h u n d e r t Elemente archaisierender Sprache oder der Übersetzungsliteratur seien, die unter dem starken Einfluß, des Lateinischen 1 7 1 stand. Dieser S t a n d p u n k t bedarf der Präzisierung. E s ist recht interessant, daß die Partizipialfügung oft in der Überschrift einer F l u g schrift erscheint: „ E y n n Dialogus . . . zwischen einem Vatter v n n d Sun, dye Lere Martini L u t h e r s vnd sunst andere Sachen des Christlichen glaubens belangende", „Gesprech büchlein/ von eynem Bawern/ Belial/ Erasmo R o t e r o d a m / v n d doctor J o h a n Fabri/ kürtzlich die warheyt anzeygend", „Ain schöner dialogus Vnd gesprech zwischen aim Pfarrer v n d aim Schulthayß, betreffend allen übel Stand der gaystlichen". Das ist vorwiegend f ü r die Dialoge typisch, deren Überschriften sich überhaupt durch eine ausführliche Inhaltsangabe auszeichnen und manchmal sogar Reklame enthalten („gantz kürtzlich zu lesen"), doch a u c h in den Schriften Müntzers wird sie in der Überschrift verwendet: „Protestation odder empietung Thome Müntzers vö Stolberg a m H a r t z seelwarters zu Alstedt seine lere betreffende". Wichtiger ist aber, d a ß die Fügung mit dem P a r t i z i p Präsens ü b e r h a u p t ziemlich oft in den verschiedenen Gattungen der politischen Literatur verwendet wird. Man k a n n 3 unterschiedliche Fälle im Gebrauch dieser F ü g u n g n e n n e n : 1. den Gebrauch des Partizips im Bibelzitat selbst, also in einem f ü r den Verfasser eigentlich „fremden" T e x t ; 2. den Gebrauch des Partizips als Einführungswort vor dem Bibelzitat; 3. den Gebrauch des Partizips im Text des Autors, unabhängig vom Bibeltext. Diese Fügung k o m m t häufig in verschiedenen Gattungen in Bibelzitaten vor. E s ist anzunehmen, d a ß die Tradition der alten Bibelübersetzungen zum Fortbestehen dieser syntaktischen Konstruktion beigetragen h a t . Nicht weniger gebräuchlich ist die Verwendung des Partizips als E i n f ü h r u n g s wort zu einem Bibelzitat, vgl. z. B. Bucer, „Gesprech biechlin neüw K a r s t h a n s " :
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nemlich in der ersten Epistel Sant Peters am anderen capitel, do er also anzeigt sprechend . . . (S. 88), dann folgt ein Zitat; ähnlich bei Sachs, „Disputation": Christus verpeuts Mathey am VI., sprechend... (S. 201). Außerhalb der Dialogliteratur kommt es vor in den Flugschriften bei Müntzer, Luther, Murner, vgl. Müntzers „Hochverursachte Schutzrede": wie Paulus seine Corinthier warnet sagende . . . (S. 87) oder „Gezeugnus des erstenn Capitels des Evangelions L u c e " : ires glaubens ankunfft . . . vorgetragen hat, sagende: . . . (S. 61). Dementsprechend wird diese Fügung nicht nur bei Müntzer, sondern auch bei andern Autoren am häufigsten mit den Verben sagen, sprechen belegt. Der Gebrauch der Partizipialfügung außerhalb der Bibelzitate, unabhängig von ihnen, im Text des Verfassers, ist nicht sehr verbreitet und wohl durch den Stil der einzelnen Flugschriften bedingt. Produktiv sind Nominalfügungen mit dem Partizip Präsens im Traktat „Beclagung aines leyens" von Schwalb, und zwar nicht nur mit dem Partizip von sagen und sprechen: ewer vngeferbtelieb, aus lautherem gegenwertigenn glaubenn flyssende (387); in den spruchenn Salomonis folgende (388) usw. Bei Schwalb kommen sogar für die damalige Zeit nicht produktive Wortverbindungen des Partizips Präsens mit Formen des Verbs sein vor: ich vermerkende byn, ein Beweis für eine gewisse Künstlichkeit und Altertümlichkeit seines Stils. Hutten gebraucht in seinen Schriften ähnliche syntaktische Modelle, so z. B . in „Ein Clagschrift": Denn als ich den Rhein wider aufgezogen, seynd mir etliche von Rom kommend begegnet (S. Aiij). Auch bei Müntzer kommt die Fügung nicht nur in Verbindung mit Bibelzitaten, wenn auch mit dem Partizip von sagen vor; in der Flugschrift „Hochverursachte Schutzrede" schreibt er: wie mich dann durch solicher vndterschaidt der Doctor Lügner/ zum teüffel machen will/ mit seinen schrifft gelerten sagende (S. 84). Verschiedene Autoren gebrauchen dieses syntaktische Modell in verschiedenen Gattungen, obwohl ziemlich selten; so schreibt z. B . Melanchthon im Kommentar zu der seltsamen Figur des Esels („Figur des . . . Bapsts"): dann die lcirch. solt dhein äußerlich/ fleischlich haubt haben/ sonder allein christü jm gaist vnd glaube/ regierende in den hertzen der glaubigen (Aiij.) Melanchthon gehört zu den Prosaschriftstellern, die häufig Schablonen des Kanzleistils benutzen; seine Sprache ist äußerst trocken und nüchtern, sogar in den propagandistischen Flugschriften gegen die aufständischen Bauern (vgl. S. 25). In Stanbergers „Dialogus zwischen Petro vnd eynem Bawrn" heißt es : Es kam eins mals, wie man in Actis 3 findt, ein armer zu mir, etwas von mir begerende (170). Bei Lachmann („Drey Christlihe ermanung") tritt das Partizip Präsens in zwei morphologischen Varianten auf (das Partizip Präsens hat im 15./16. Jahrhundert zwei Endungsvarianten: -nd und -n): schick ich euch hie . . . ein Copiam, Abermals euch all hertzlich bitten als freüntlich nachpaüwern vnd brüder in dem herren, Solch vffbrechen, Rotten vnd empörung vnderlassen (435). Die Partizipialfügung mit sagendt ist in dieser Flugschrift mehrmals belegt. I n gewisser Weise kann sie derselben stilistischen Schicht zugerechnet werden wie die für diese Flugschrift charakteristische Anhäufung von Epitheta und die übertriebene Verwendung von Synonymen.
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Schließlich ist eine Vorliebe für einleitende Partizipialfügungen (das Partizip Präsens eingeschlossen) im Sendbrief des Bischofs von Konstanz zu beobachten (in Meyer, „Ernstliche ermanung"). Der Sendbrief des Bischofs ist ursprünglich lateinisch geschrieben und erst später ins Deutsche übersetzt worden. Der Einfluß des lateinischen Originals auf die deutsche Übersetzung macht sich nicht nur bei den Partizipialfügungen bemerkbar: So wir nun sehen die Christenlich kilch (versamlung der Christglöbigen begriffend) vß bößlicher fürderung des benider fridens vnd vß spreytter alles vnradts mit erschrockenlichen zankischen vffrür bewegt. Zusammenfassend kann man sagen, daß die mehr oder weniger häufige Verwendung der Fügung nicht durch die literarische Gattung bedingt ist, sondern vor allem durch Anlehnung an traditionelle syntaktische Modelle der Schreibsprache, die häufig lateinische Konstruktionen nachahmen. Die beschränkte Verwendung dieser Fügungen läßt sie als traditionelle Schablone der Schreibsprache erscheinen, insbesondere da vorwiegend nur bestimmte Lexeme eingesetzt werden können. Ihre Verwendung im Vorwort zu den „Zwölf Artikeln der Bauern" widerspricht dieser Behauptung nicht, da die Traditionen der Kanzleiprosa gerade in dieser Einleitung ziemlich spürbar werden: Es seyn vil wider christe, die yetzüd vö wegen der versainleten Baurschafft, das Euangelion zu schmehn vrsach nemen, sagent . . . (S. 39). Das Partizip steht hier auf einer Ebene mit den Elementen des Kanzleistils von wegen der, vrsach nemen. Die stilistische Uneinheitlichkeit verschiedener Flugschriften ein- und derselben Gattung war bereits mehrfach Gegenstand der Erörterung in den entsprechenden Kapiteln dieser Arbeit. Uneinheitlich ist auch die Verwendung der Fügungen mit dem Partizip Präsens. Die Einteilung der Flugschriften in zwei Gruppen, in eine Gruppe, in der diese Fügung gebräuchlich ist, und in eine andere, in der sie äußerst selten belegt wird oder völlig fehlt, ist von der Differenzierung nach Gattungen unabhängig. Fast in jeder Gattung sind beide Gruppen vertreten. Die Fügung mit Partizip Präsens fehlt natürlich in Flugschriften, die dem Sprachgebrauch der Kanzleiprosa und den Schablonen der deutschen Bibelübersetzung, in deren Spiache die Fügung sehr gebräuchlich war, fernstehen. Sie fehlt in Heigots „Von der newen Wandlung", im Dialog "Hie kompt ein Beüer lein", und sie ist selten in den politischen Flugschriften Luthers (im Unterschied zu seiner Bibelübersetzung). Hutten dagegen verwendet sie — in seinem bewußten Streben, die deutsche Prosa nach lateinischen Vorbildern zu entwickeln — in politischen Traktaten, Sendbriefen und Dialogen. Die Fügung mit dem Partizip Präsens war in der untersuchten Periode der deutschen Sprachgeschichte kein grammatischer Archaismus. Sie war vielmehr eine periphere Bildung in der Schreibsprache; ihre Anwendung zeugt vielfach von einer Nachahmung des Lateinischen, vgl. die Beispiele aus dem Sendbrief des Bischofs von Konstanz (Meyer, „Ernstliche ermanung") und aus dem Trakt a t Schwalbs („Beclagung aines leyens"). Sie macht das Unvermögen, sich der Mittel der Muttersprache zu bedienen, deutlich.
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Sprache der politischen Literatur 6
I n den meisten untersuchten Flugschriften finden sich zwei Konstruktionsmodelle des Genitivattributs, 1. des vaters son und 2. son des vaters. Das erste Modell fehlt lediglich in Lachmanns „Drey Christlihe ermanung ". Die Unterschiede zeigen sich vor allem in der relativen Häufigkeit beider Modelle in den einzelnen Flugschriften, aber auch darin, welche Konstruktion von den Autoren für die verschiedenen Arten von Substantiven bevorzugt wird. Es wurde oft die Meinung vertreten, daß die Voranstellung des Attributs an bestimmte Lexeme gebunden ist, und daß die Tendenz besteht, die Voranstellung vor allem dann zu verwenden, wenn eine Personenbezeichnung als Attribut erscheint, besonders häufig, wenn es sich dabei um einen Eigennamen handelt 1 7 2 . Diese These wird durch den Gebrauch in den Flugschriften in gewissem Grade bestätigt. Allerdings muß präzisiert werden. Insbesondere ist zu beachten, daß in allen Flugschriften nach beiden Modellen absolut identische Wortfügungen gebildet werden können. Bei Hergot wird beispielsweise sowohl dienst Gottes als auch Oots dienst verwendet; bei Schappeler sowohl gottes wort als auch wort gottes, vgl. dann das wort gottes ist nit darumb gottes wort (18), Luthers lere und lere Christi; bei Sachs gottes geboten und die gebot gottes, Luthers frucht und das biechlein Martini Luthers; bei Müntzer, „Außlegung" wort gotis, gotis wort, Gottis freunde, aber feinde gottis usw. Bei Müntzer, Sattler, Sachs, Murner, Schappeler und im „Karsthans" ist in diesem Fall das nachgestellte Attribut sehr häufig bezeugt. „Karsthans": gewalt Christi, die mensclienwerdung Christi, vrteil gottes, wort Christi, weißheit der menschen, artickel vnd meinung der lerer vnd doctoren; bei Murner der tod der erwürdigen veter, die gab Constantini, in dem namen gots; bei Sattler dienst Gottes, tempel Gottes, brauch der Apostel, sun deß menschen; bei Müntzer dieser text Danielis, die mutter Christi, zur zeyt Heeremi, von treumen der menschen, der kopff des zarten pfaffen, schaffe gottis, der söhn gotis; bei Sachs gesetz des herren, reich gottes, wort gottes, geyst gottes, das biechlein Martini Luthers; bei Schappeler Worten Petri, die meng der menschen, muter gottes, der spruch Hieremie, wort gotes, geist gotes usw. In den Flugschriften gibt es auch einzelne Beispiele, in denen das vorangestellte Attribut keine Person bezeichnet, vgl. bei Melanchthon in der Flugschrift gegen die aufständischen Bauern des wassers flut, in dem Traktat Hermans („Eyn Mandat Jhesu Christi") des gantzen christlichen königreichs Verlust, bei Schappeler der zeyt lenge, bei Luther der gloßen eine, der stucklein viel mehr, zu solches grewlichs weßens besserung, im „Karsthans" des glaubens warheit. Wichtig ist aber, daß analoge Bildungen, in denen das vorangestellte Attribut keinePerson bezeichnet, nicht produktiv sind. Die Voranstellung ist typisch für Attribute, die eine handelnde Person darstellen. Im Gegensatz dazu kann in das zweite Modell faktisch jedes Nomen eingesetzt werden. Daraus erklärt sich auch seine vorherrschende Verwendung. Die relative Häufigkeit beider Modelle bei den einzelnen Autoren ist unterschiedlich. Es folgen einige Beispiele.
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Differenzierung der Sprache im Hinblick auf Gattung und Stil 1. Modell Hergot, Von der newen Wandlung Schappeler, Verantwortung vnnd auflösung Sachs, Disputation Müntzer, Außlegung (S. 5—15) Murner, An den Großmechtigsten . . . adel (S. 3 3 - 4 3 ) Karsthans (S. 8 0 - 9 0 ) Luther, An den Christlichen Adel (S. 2 2 - 3 2 )
28 Belege 87 24 „ 13 5 11 23
„
2. Modell 45 Belege 176 „ 47 60 31 36 21
„
Wie diese Zahlenangaben zeigen, ist bei Luther das vorangestellte Attribut häufiger. Die umgekehrten Verhältnisse finden sich im Sendbrief Murners, wo das erste Modell nur in Einzelfällen erscheint. Selten ist es auch bei Müntzer (unter 20%) und auch im „Karsthans" (etwas über 20%). Der Norm Luthers stehen Hergot mit etwa 40% und Schappeler mit 33% am nächsten. Somit ist die Verteilung der beiden Modelle ziemlich differenziert. Dabei muß man berücksichtigen, daß das erste Modell besonders häufig in der Sprache der Bibel belegt ist. Bei Sachs beziehen sich 7 von 24 Belegen auf Bibelzitate. Es ist interessant, daß in einem Bibelzitat Moses stül steht, aber stül Mosi im Text von Sachs. Man darf annehmen, daß das stilistisch neutrale nachgestellte Attribut dem Usus der Umgangssprache näher stand, während das vorangestellte Attribut eine archaisierende Form der Schreibsprache darstellt. Es wird besonders in den festen Mustern der religiösen Prosa verwendet. Luther gebraucht in seinem Sendbrief „An den Christlichen Adel" das vorangestellte Attribut jedoch nicht nur in gewöhnlichen Formeln wie in gottis dienst, gotis ere, der menschen gewalt, sondern auch in solchen Verbindungen wie des Bapst odder Cardinel gesind, wo das umgangssprachliche gesind gleichsam in Konflikt mit der Konstruktion gerät.
7 Zum Schluß der Analyse der stilistischen Differenziertheit in der Sprache der Flugschriften sei auf eine Gruppe von Erscheinungen eingegangen, die mit der Entwicklung der syntaktischen Normen der schriftlichen Literatursprache zusammenhängen. Vor allem verdient die Entstehung einer festen Wortfolge im Zusammenhang mit den Gesetzmäßigkeiten der sogenannten Rahmenkonstruktion Beachtung, durch die sich die syntaktische Norm der deutschen Literatursprache von den übrigen germanischen Literatursprachen unterscheidet. Bekanntlich war der Status der Rahmenkonstruktion in der Schreibsprache des 16. Jahrhunderts etwas anders als in der Sprache der klassischen deutschen Literatur. Obwohl unbestritten ist, daß der Rahmen sowohl im Hauptsatz als auch im Nebensatz existierte, gab es im 16. Jahrhundert daneben syntaktische Varianten wie den unvollständigen Rahmen mit Anschluß einer größeren oder kleineren Zahl von
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Satzgliedern an das rahmenschließende Glied, vgl. z. B. Luther („An den Christlichen Adel") das haben die Romer auch gesucht mit dem eyde (S. 24), oder Lachmann („Drei Christlihe ermanung") Dje gnad Oottes werd in euch gemert zu allen zeytten (S. 434); es können auch mehrere Glieder außerhalb des Rahmens stehen: Gengenbach („Ein cleglichs gesprech") auß der liebe vnd nit vmbs galt (S. 22); oft kommt auch die Kontaktstellung von Elementen, die sich potentiell zur Bildung der Rahmenkonstruktion eignen, vor, vgl. bei Hergot („Von der newen Wandlung") Aller adel hat gesehen mit sampt allen Fürsten/ Oottes Gewalt vnnd macht (S. 61). Im Nebensatz betrifft die Variierung auch die Reihenfolge der Komponenten des Rahmens. In der heutigen Norm erscheint im Nebensatz eine andere Reihenfolge der Komponenten, die den Rahmen bilden, als im Hauptsatz. Im Hauptsatz steht der finite Teil des Prädikats stets an zweiter Stelle, während er im Nebensatz den Rahmen schließt. Die übrigen Elemente des Prädikats stehen im Nebensatz unmittelbar vor dem finiten Teil. I n der Sprache des 16. Jahrhunderts liegt ein ähnlich ausgebildetes Modell der Wortfolge vor, jedoch bestehen daneben weitere Varianten. So stehen z. B. im Nebensatz alle Komponenten des Prädikats am Satzende und bilden auf diese Weise den Schluß des vollen Rahmens, aber die Reihenfolge der Komponenten ist dieselbe wie im Hauptsatz, z . B . das man sie jn alttenn schusselkorben heym müst tragenn („Eynn Dialogus . . . zwischen einem Vatter vnnd Sun", S. 157). Beide Möglichkeiten liegen auch im Nebensatz mit unvollständigem Rahmen und Anschluß einzelner Satzglieder an das rahmenschließende Glied vor oder wenn die Komponenten des Prädikats nicht am Satzende, sondern in Kontaktstellung stehen, vgl. Kettenbach („Eyn gesprech . . . mit aim . . . mütterlin") das man sant Peter geen Rom hat bracht auß der weit (S. 60). Auf diese Weise wurden durch die Besonderheiten der Wortfolge im Nebensatz die Voraussetzungen für eine zusätzliche Variierung geschaffen. Das Fehlen strenger Normen für die Wortfolge, die Möglichkeit der Variierung schufen eine günstige Basis für eine Differenzierung der Sprache der politischen Literatur in bezug auf gattungsstilistische und individualstilistische Merkmale. Die syntaktischen Normen der deutschen Sprache, zu denen auch eine strenge Einhaltung der Rahmenkonstruktion gehört, haben sich vorwiegend in der Schreibsprache herausgebildet. Diese Normen werden in der alltäglichen Umgangssprache weniger streng eingehalten; selbst in der heutigen Literatursprache sind Abweichungen zugelassen. Das Verhältnis zwischen den Strukturen, die in der Folgezeit als Normen kodifiziert wurden, und den übrigen Varianten, die im Laufe der sprachlichen Entwicklung ausgeschieden sind, spiegelt in gewisser Weise den Kampf zwischen den stilistischen Besonderheiten der Schreibsprache und denen der alltäglichen Umgangssprache wider. Im Hauptsatz dominiert in den meisten Flugschriften der vollausgebildete oder der unvollständige Satzrahmen mit Anschluß einer geringen Zahl von Satzgliedern an das rahmenschließende Glied. Im Bamberger Druck von Störs „Ein christliche vermanung" herrscht der vollausgebildete Satzrahmen; er wird in 34 Sätzen belegt. Das gleiche gilt für Gengenbachs „Ein cleglichs ge-
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Sprech", f ü r die Flugschriften H u t t e n s , f ü r „Verhör vn A c t a " aus dem östlichen Deutschland, f ü r H e r m a n s „Mandat Jhesu Christi", Meyers „Ernstliche ermanung", f ü r Luther u n d Müntzer, für viele Dialoge, d a r u n t e r „Gesprech büchlein/ von eynem Bawern", „Hie kompt ein Beüerlein", „Dialogus zwischen P e t r o v n d eynem B a w r n " von Stanberger usw., d. h. f ü r Flugschriften unterschiedlicher Autoren, die in verschiedenen Zentren gedruckt worden sind. I n dieser Gruppe wird der Satzrahmen nur in wenigen Fällen gesprengt, indem meist nur ein Satzglied an das rahmenschließende Glied angeschlossen wird. D a s k a n n ein einzelnes Wort oder auch eine W o r t g r u p p e sein, vgl. z. B. in Stanbergers „Dialogus zwischen Petro vnd eynem B a w r n " : Karsthans vnnd Flegelhans werden eins mals kommen mit jrem ablas (177) 173 ; bei L u t h e r : das haben die Romer auch gesucht mit dem eyde („An den Christlichen Adel" 24); in „ E y n gesprech zwyschen vyer Personen": muß er eyn eyd schweren dem bischoff (185); in H u t t e n s „Ein demütige e r m a n u n g " : Ich werd jr traüren verwände in freüd/ vn iverd sie tröste/ vnd frulich machen vöjrem schmerze; ebd.: Werden nichts vermögen wider ein vesten stanthaftige glauben. Eine ganze syntaktische Gruppe wird in K e t t e n b a c h s Flugschriften besonders o f t an das rahmenschließende Glied angeschlossen: jr sollen nit wissen die haimliche wort der mesß („Eyn gesprech . . . mit aim . . . m u t t e r lin" 66). Die Kontaktstellung der K o m p o n e n t e n des P r ä d i k a t s ist in den aufgezählten Flugschriften selten, vgl. aber bei Müntzer: Vnd wirt straffen die sanfftmutige der Erden in billigkeit („Deutsch Euangelisch Messe"). Die Vorherrschaft des vollständigen Satzrahmens wird besonders deutlich a n h a n d einer statistischen Übersicht; bei Stör k o m m t auf 34 Belege mit vollständigem Satzrahmen im Hauptsatz kein einziger mit unvollständigem Satzr a h m e n ; bei H e r m a n finden sich 15 H a u p t s ä t z e mit vollständigem R a h m e n u n d nur ein Beleg mit Nachstellung des Objektes; in „Verhör vn Acta" kommen auf 43 Belege f ü r den vollständigen Satzrahmen nur 3 mit Nachstellung; im Dialog Stanbergers stehen 125 Sätzen mit vollem Satzrahmen nur 10 mit unvollständigem R a h m e n , u n d zwar mit Nachstellung eines Satzgliedes gegenüber; im „Gesprech biechlin neüw K a r s t h a n s " (S. 91—100) ist der volle R a h m e n 83mal belegt, der unvollständige 7mal, wobei außerhalb des R a h m e n s umfangreiche G r u p p e n vorkommen, z. B. ir solt nit besitzen gold noch sylber noch gelt an eüwern gürteln (94); im Dialog „Hie k o m p t ein Beüerlein" ist der volle Satzrahmen in 33 Fällen vertreten, in 4 Fällen ist er durch die Wortfolge der K o m p o n e n t e n gesprengt, z. B. ich wolt rat haben geschafft gegen dem beüerlein, ich hab es aber nit zu wegen konen bringen (S. 145), der unvollständige begegnet in 6 Fällen. Bei H u t t e n entfallen in „Ein demütige e r m a n u n g " auf 50 Fälle mit vollem Satzr a h m e n 12 mit Nachstellung; meistens wird ein Satzglied nachgestellt. E s gibt jedoch noch eine weitere Gruppe von Flugschriften, wie beispielsweise die Utopie Hergots, Stifels „Von der . . . leer . . . Luthers", den T r a k t a t Schwalbs („Beclagung aines leyens"), wo der unvollständige Satzrahmen u n d selbst die Kontaktstellung der Prädikatselemente ziemlich fest sind. Bei Stifel („Von d e r . . . leer . . . Luthers") entfallen z. B. auf 12 Sätze mit vollem R a h m e n 18 mit unvollständigem R a h m e n , 9 mit Kontaktstellung der K o m p o n e n t e n des Prädikats,
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z. B . will ich nennen disen enget; wo seindt bliben seine feind? Durch leiblich trubseligkeit, die do ist das gröste glück des geists, würt gereiniget die statt meiner wonung (292). Bei Hergot („Von der newen Wandlung") wird die Rahmenkonstruktion sehr häufig nicht eingehalten: Auch werden sie haben eyn haws . . . Sie werden anruffen vnnd anbetten Gott . . . Sie werden tragen eyn kleyd (55). Auch bei der Wortfolge im Nebensatz zeigt sich ein gleiches Verhältnis, obwohl die Verteilung der verschiedenen Varianten hier komplizierter und diffiziler ist. Im Sendbrief-Traktat Störs („Ein christliche vermanung"), der zur ersten Gruppe gehört und wo der volle Satzrahmen im Hauptsatz herrscht, ist im Nebensatz die Endstellung des Prädikats nach dem Muster — Verbum infinitum -(- Verbum finitum — in 58 Fällen belegt; daneben gibt es 5 Belege mit der Anordnung des Prädikats nach dem Muster — Verbum finitum + Verbum infinitum — und 11, in denen das Verbum finitum wie im Hauptsatz an zweiter Stelle steht. Besonders häufig kommt Zweitstellung in solchen syntaktischen Strukturen vor, in denen zwei Nebensätze vorliegen, die durch ein beiordnendes Wort miteinander verbunden sind: . . . das sy nit nach hohem, ding trachten, auch nitt hoffenn auff den vngewyssenn reichtumb (389). Hier wird der zweite Nebensatz, der durch die adverbiale Konjunktion auch angeschlossen ist, nach dem Muster eines Hauptsatzes gebildet. Diese Erscheinung ist für die untersuchte Zeit fast die Norm. Sie begegnet in den verschiedensten Gattungen und bei den unterschiedlichsten Verfassern. Ähnlich verhält es sich mit der Variierung der Wortfolge des Nebensatzes bei Herman. Hier ist die Endstellung des Prädikats 48mal belegt, davon 5mal nach dem Muster — Verbum finitum + Verbum infinitum —. Der unvollständige Satzrahmen begegnet 12mal und die Wortfolge nach dem Vorbild des Hauptsatzes (Zweitstellung des Verbum finitum) 13mal. Mit anderen Worten: 43mal erscheint die Nebensatzkonstruktion, die schließlich zur literarischen Norm wurde (Endstellung des finiten Verbs), 30mal wird eine andere Konstruktion verwendet. Auch in anderen Flugschriften dieser Gruppe ist die Variierung der Wortfolge im Nebensatz häufiger als im Hauptsatz; dennoch sind die Unterschiede nicht so groß wie bei Stör oder Herman. Im Dialog Gengenbachs („Ein cleglichs gesprech") ist die Endstellung des Prädikats im Nebensatz entsprechend dem zur Norm gewordenen Muster in 40 Fällen bezeugt, aber 8mal folgt die Wortstellung dem Muster — Verbum finitum + Verbum infinitum —. I n einer Reihe von Fällen fehlt der Satzrahmen, und das Prädikat steht an zweiter Stelle (10 Belege): die Joannes sach in der wüsti (19). Zu ihnen kommt eine Gruppe von Beispielen mit unvollständigem Satzrahmen, vgl. da durch ir dann mit mir besitzen das hollisch laben (23). Im Dialog Stanbergers („Dialogus zwischen Petro vnd eynem Bawren") kommen auf 128 Belege des Grundmodells {Endstellung des finiten Verbs) lediglich 6 Belege mit umgekehrter Reihenfolge, 12 Belege mit Nachstellung. Im Sendbrief Huttens an Worms („Ein demütige ermanung") stehen 48 Belegen des Grundmodells 2 mit umgekehrter Wortfolge und 3 mit Nachstellung gegenüber. (Die Nichteinhaltung der Wortfolge in Textstellen, die nicht vom Autor verfaßt, sondern aus der Bibel übernommen
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sind, verdient besondere Beachtung.) In diesen Flugschriften hat also das Grundmodell der Wortfolge des Nebensatzes das Übergewicht. Die Gruppe von Flugschriften, die im Hauptsatz fast gleichberechtigt verschiedene Varianten der Wortfolge nebeneinander bezeugt, hat auch im Nebensatz feste unterschiedliche Varianten. In Stifels Flugschrift („Von der . . . leer . . . Luthers") ist das „Grund"muster24mal vertreten, 12mal die Endstellung desPrädikats nach dem Muster — Verbum finitum + Verbum infinitum —, 29 Belege mit unvollständigem Rahmen; 22mal ist der Nebensatz nach dem Muster des Hauptsatzes gebaut. Es stehen also 24 Belege nach dem „Grund"muster neben 63 Belegen einer anderen Bildung des Nebensatzes, vgl.: was ich ettwan erfaren hab von betrübten gewissen vnd von innerlichem weynen ettlicher menschen (291); die do sitzen vffdem erdtrich vnd ober allen heyden. Somit kann festgestellt werden, daß in der Sprache der untersuchten Flugschrift der Status des Satzrahmens sowohl im Hauptsatz als auch im Nebensatz schwankend ist. Bei Schwalb kommen auf 61 Beispiele für den vollen Satzrahmen 32 Beispiele mit unterschiedlichen Abweichungen. Nicht geringer ist die Variierung der Wortfolge im Nebensatz auch bei Hergot. Bei dieser relativen Freiheit in der Wortfolge können also zwei Gruppen von Flugschriften unterschieden werden. Für die erste Gruppe ist die Dominanz des Modells charakteristisch, das schließlich zur verbindlichen Norm wurde. Die Stabilität dieses Modells war im Hauptsatz und im Nebensatz unterschiedlich; der Nebensatz wies mehr Varianten auf, und das schwächte die Position des Grundmodells. Zu dieser ersten Gruppe gehören Flugschriften verschiedener Gattungen, hauptsächlich von Vertretern des öffentlichen Lebens geschrieben, von Theologen, Gelehrten, Schriftstellern. Sie erschienen in verschiedenen Druckzentren, so daß lokale sprachliche Unterschiede keine Rolle spielen. Der Grad der Stabilität und die Zahl der Varianten schwankt aber von Autor zu Autor und von Flugschrift zu Flugschrift. In Melanchthons Streitschrift gegen den Papst finden sich im Hauptsatz nur 2 Beispiele mit unvollständigem Rahmen; im Nebensatz kommen auf 22 Belege mit Endstellung des Prädikats 3 mit Nachstellung mehrerer Satzglieder. Bei Rhegius, „Von leybeygenschafft", entfallen im Hauptsatz auf 15 Beispiele mit vollem Rahmen 6 mit Nachstellung verschiedener Satzglieder. Die Variierung zeigt sich hier auch darin, daß nach wann in einem Fall die Wortfolge des Hauptsatzes mit Kontaktstellung der Komponenten des Prädikats auftritt, in einem anderen Fall dagegen die Satzgliedstellung wie im Nebensatz mit Endstellung des Prädikats verwendet wird. Im Nebensatz sind 33 Beispiele mit Endstellung des Prädikats belegt und 13 Fälle mit Nachstellung verschiedener Satzglieder. I m Dialog „Ayn freuntlich gesprech/ zwyschen ainem Barfüsser Münch... vnd aine Löffelmacher" wird im untersuchten Abschnitt in 37 Hauptsätzen der volle Rahmen verwendet, während der unvollständige Rahmen überhaupt nicht bezeugt ist. Im Nebensatz ist das Verhältnis 3 7 : 2. Die Autoren der zweiten Gruppe der Flugschriften unterscheiden sich in ihrer Thematik und ihrer Bildung. Während die Sprache der Utopie Hergots literarische Unerfahrenheit, ja sogar eine gewisse Hilflosigkeit zeigt, ist der Stil Stifels bis zu einem gewissen Grade ein Beispiel für die Sprache des religiös-politischen 11
Guchmann
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Traktats, doch ist kennzeichnend, daß in diesem Traktat landschaftsgebundener Wortschatz gebraucht wird und daß lateinischer Wortschatz spärlich begegnet. Die in der Schreibsprache zugelassenen Unterschiede in der Wortfolge stehen nicht in unmittelbarer Beziehung zu den stilistischen Besonderheiten der Sprache der verschiedenen politischen Flugschriften, obwohl wie gesagt, bei solchen Meistern der politischen Flugschrift wie Luther, Cochlaeus, Hutten, Herman die Variationsbreite der Wortfolge bedeutend geringer ist als bei solchen Autoren wie Stifel und Hergot. Versuche, die Unterschiede in der Behandlung der Wortfolge auch als lokale Differenzierung zu erklären, wären vergeblich.
8 Die wesentlichsten Besonderheiten der Sprache der Flugschriften sind durch den scharf polemischen und auf Agitation gerichteten Inhalt dieses Schrifttums bedingt. Die Wahl der sprachlichen Mittel entsprach der Form der Polemik und Agitation dieser Zeit sowohl in deutscher als in lateinischer Sprache. Die These von der für die Sprache der Flugschriften spezifischen Verbindung unterschiedlicher Stilmittel, die einerseits auf der gesprochenen Sprache basieren und sehr derbe Schichten des Wortschatzes der niederen gesprochenen Sprache einbeziehen und andererseits aus der Tradition der Schreibsprache hervorgegangen sind, ist nur in allgemeiner Hinsicht richtig. Sie spiegelt nur die Spezifik der Sprache der führenden Gruppe der Flugschriften wider (Müntzer, Luther, Kettenbach, eine Reihe anonymer Autoren), deren Inhalt wohl besonders scharf und deren sprachliche Form lebhaft und leidenschaftlich ist. Offensichtlich macht sich gerade in dieser Gruppe der politischen Flugschriften der Einfluß der deutschen Predigttradition, die sich im Verlaufe vieler Jahrzehnte und besonders bei solchen glänzenden Rednern wie Geiler von Kaisersberg herausgebildet hat, bemerkbar. Die Sprache dieser Predigten enthält unterschiedliche Stilelemente, die von der niederen gesprochenen Sprache bis hin zur hohen Pathetik reichen. Sie ist der Vorläufer der stilistischen Vielfalt und Buntheit, die für die Sprache der wichtigsten Gruppe der politischen Flugschriften kennzeichnend ist. Außerhalb dieser Gruppe stehen einerseits die Dialoge vom Typ „Hie kompt ein Beüerlein", wo offenkundig das Element der gesprochenen Sprache vorherrscht, und andererseits die Flugschriften Huttens und einiger anderer Humanisten, die hauptsächlich durch Stilmittel charakterisiert werden, die sich in der Schreibsprache der „hohen" literarischen Gattungen herausgebildet haben. Eine besondere Gruppe bilden schließlich die chronikartigen Aufzeichnungen über Ereignisse des Großen deutschen Bauernkrieges, die Bauernklagen und Flugschriften, die Verträge zwischen den aufständischen Bauern u n d dem Adel enthalten. Die der Tradition der Kanzleisprache verhafteten Flugschriften dieser letzten Gruppe können nur äußerst bedingt zur Publizistik dieser unruhigen Zeit gezählt werden. Der polemische Inhalt ist hier in den festen Rahmen der Kanzleitradition eingeschlossen.
Kapitel V
Zur sozialen Charakteristik der Sprache der politischen Literatur 1 Bei aller stilistischen Vielfalt der Sprache der politischen Literatur und trotz der zahlreichen Elemente der Umgangssprache, die der Sprache vieler Flugschriften eigen waren, stellt die Sprache der politischen Literatur insgesamt eine Realisation der Schreibsprache dar. Es wäre falsch, sie als unmittelbare Widerspiegelung der gesprochenen Sprache der Volksmassen zu betrachten. Die Autoren der meisten Flugschriften hatten die Universität besucht, klassische Sprachen und Literaturen, mittelalterliche Philosophie und Theologie studiert. Viele von ihnen lehrten an Universitäten, arbeiteten in Kanzleien oder übten eine verlegerische Tätigkeit aus. Sämtliche Dokumente zu Ereignissen des Großen deutschen Bauernkrieges (z. B. „Die 10 Memminger Artikel", „Die sieben Artikel von Schlatt am Randen" 1 7 4 und auch Artikel der Bauern, die sich bei Fulda versammelt hatten 1 7 5 usw.) sind mehr oder weniger aus den Kanzleien hervorgegangen. Es ist schwer zu sagen, wie stark die zahllosen Bauernklagen aus Oberschwaben, dem südlichen Schwarzwald und Mitteldeutschland in den Kanzleien bearbeitet wurden, bevor auf ihrer Grundlage die bekannten Dokumente aus der Zeit des Bauernkrieges entstanden. Auf jeden Fall sind diese Dokumente bestimmt Ergebnisse einer sprachlichen Bearbeitung, sie zeigen äußerst charakteristische Züge des Kanzleistils 176 . Selbstverständlich ist die Bearbeitung bei veröffentlichten Dokumenten, wie beispielsweise bei den „Zwölf Artikeln der Bauern" oder bei dem Vertrag „Handlung Artickel vnd Instruction" noch stärker, da diese Dokumente durch Drucker und Korrektor eine weitere "Überarbeitung erfahren haben. Uns sind die Autoren dieser beiden Flugschriften nicht bekannt. Zeitgenossen schreiben die Autorschaft oder doch wenigstens eine 'Redaktion' der „Zwölf Artikel der Bauern" dem Lehrer und Prediger Dr. Balthasar Hubmaier zu, der führend an den Bauernaufständen im südlichen Schwarzwald und in den angrenzenden Gebieten beteiligt war und 1528 in Wien hingerichtet wurde. Diese Information enthält die Flugschrift: „Ursach warum der widertewffer Patron und erster anhenger Doctor Balthasar Hübmair zu Wien auff den zehenden tag Martii Anno 1528 verbrant sei" 177 von Johannes Fabri, in der es über die Artikel der Bauern heißt: der selbigen artickel acht bletter ßo Doctor Balthasar mit eigner hand geschriben/ die übrigen sint durch andere geschriben/ doch durch ihn gebessert. Ähnliches wird auch im Prozeßprotokoll Hubmaiers mitgeteilt: Item mehr hat er bekant/ wie er den Bavoern Artickel/ ßo yhm von yhnen aus dem höre zukommen seind/ dieselbigen yhnen erweitert vnd außgelegt,78. Es ist möglich, d a ß diese Mitteilungen nicht ganz stimmen. Man darf vermuten, daß auch Schappeler Ii*
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Sprache der politischen Literatur
an der Abfassung der „Zwölf Artikel" beteiligt war, es wird angenommen, daß er Verfasser der Einleitung war; denn neben anderen steht seine Unterschrift unter dem Dokument, das in der Flugschrift „Handlung Artickel vnd Instruction" veröffentlicht wurde. Wenn auch die Frage der Autorschaft der „Zwölf Artikel" in ihrer gedruckten Fassung nicht genau beantwortet werden kann, so steht doch außer Zweifel, daß der Autor die traditionellen Formen der Schreibsprache gut beherrschte. Folglich findet sich auch in diesen politischen Flugschriften keine unmittelbare Widerspiegelung von Elementen der gesprochenen Sprache. Aber auch in den Flugschriften und Dialogen, die der Tradition der Fastnachtspiele am nächsten stehen (wie beispielsweise „Karsthans" oder „Ein Lüstigs Gesprech"), sind Elemente der gesprochenen Sprache und des saloppen Wortschatzes eigentlich Stilmittel (dazu gehört auch der absichtlich übertriebene Gebrauch vulgärsprachlicher Formen) und keine Widerspiegelung lebendigen Sprachgebrauchs der breiten Massen. Somit gehört die Sprache der politischen Literatur in all ihrer territorialen und stilistischen Vielfalt zur schriftlichen Literatursprache. Eine grundsätzliche Frage bei der Bestimmung ihrer sozialen Spezifik ist deshalb ihr Verhältnis zu den territorialen Dialekten als den herrschenden Formen der gesprochenen Sprache dieser Zeit und zur Sprache anderer Typen des Schrifttums. Da solche Abarten der gesprochenen Sprache des 16. Jahrhunderts wie das in den Städten gesprochene saloppe Deutsch und die städtische Halbmundart nur wenig untersucht sind, kann dieses Material leider nicht in die Analyse der sozialen Spezifik der Sprache der politischen Literatur einbezogen werden. 2 Das Material der vorangegangenen Kapitel, insbesondere die Analyse der lokalen Differenzierung (Kapitel III), hat sowohl die fehlende Übereinstimmung zwischen den lokalen Varianten der Sprache der politischen Literatur und den Dialektgebieten des 16. Jahrhunderts als auch die mehr oder weniger konsequente Ablehnung eng begrenzter dialektaler Formen hinreichend gezeigt. Obwohl sich diese Tendenz in der Sprache der verschiedenen Flugschriften nicht mit gleicher Intensität zeigt — hier spielen verschiedene Faktoren eine Rolle (die Tradition der schriftlichen Literatursprache eines bestimmten Gebietes oder Zentrums, die Sprachpraxis des Verfassers oder des Druckers und in geringerem Maße Besonderheiten der Gattung) —, kann man doch vom überlandschaftlichen Charakter der Sprache der politischen Literatur als einem der wichtigsten Merkmale ihrer sozialen Charakteristik sprechen. Das schließt das Nebeneinander von landschaftlich begrenzten Merkmalen (denen Besonderheiten eines gewissen Dialektgebietes zugrunde liegen) und von Isoglossen, die über die örtliche Schreibtradition hinausgehen und Verbindung zu Schreibtraditionen anderer Zentren aufweisen, ein (ausführlicher im Kapitel III). Die Loslösung vom territorialen Dialekt und der daraus resultierende über landschaftliche Cha-
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rakter der Sprache der politischen Literatur werden somit in zwei Formen sichtbar: 1. in der Auswahl lokaler Merkmale und 2. im Ersatz lokaler sprachlicher Erscheinungen durch solche „fremder" Schreibtraditionen. Beide Tendenzen zeigen sich auf allen sprachlichen Ebenen, am intensivsten aber beeinflussen sie das lautlich-graphische Subsystem. I n der Auswahl und Aufnahme gewisser lokaler Merkmale und dem Ausschluß anderer spiegelt sich nicht nur die soziale Bewertung bestimmter Stilmittel, die Bewertung von Wörtern und Redewendungen wider, sondern auch von Einheiten anderer Ebenen wie Graphematik, Phonetik und Morphologie. Ausgeschlossen wurden die Elemente, die für die Schreibsprache ungeeignet schienen und die dem System der Sprache eines überlandschaftlichen Typs widersprachen. Die Kriterien der Auswahl der lautlich-graphischen und zum Teil der morphologischen Merkmale waren mitunter strenger als die Auswahlkriterien des Wortschatzes und der Phraseologie. Die Monophthongierung von ei und ou, die in unterschiedlicher Form verschiedene deutsche Dialekte erfaßte, spiegelt sich fast überhaupt nicht in der Sprache der politischen Literatur wider. Die Entrundung wird in vielen Flugschriften bewußt vermieden, offenbar wird sie als eine Erscheinung bewertet, die dem Status der Schreibsprache widerspricht. Der Kampf gegen die alten Monophthonge der gesprochenen Sprache in Straßburg und Basel, gegen die alte Variante des Diphthongs ou in Mitteldeutschland usw. ist das Resultat einer bestimmten sozialen Bewertung dieser Erscheinungen im Rahmen der nichtkodifizierten Normen der Schreibsprache des 16. Jahrhunderts. Auf dieselbe Weise ist auch die seltene Widerspiegelung solcher mitteldeutscher Erscheinungen wie z. B. der Übergang von m > o, i > e, o > «, e > i zu erklären. Mit dem Ausschluß lokal eng begrenzter Merkmale steht die Aufnahme von territorial weiter verbreiteten Erscheinungen in Korrelation, die ihrerseits zur Entstehung des überlandschaftlichen Charakters der Sprache der politischen Literatur beitrugen. Die in Kapitel I I I gegebenen Isoglossen illustrieren den offensiven Charakter derjenigen sprachlichen Merkmale, die aus unterschiedlichen Gründen ihren lokal eng begrenzten Charakter verloren haben. Das Übermaß hyperkorrekter Formen im lautlich-graphischen System der Sprache der politischen Literatur ist die Folge des Zusammentreffens von lokalen sprachlichen Traditionen mit Formen anderer Schreibtraditionen, die aus bestimmten historischen Gründen eine besondere soziale Wertung erhielten: Die politische, ökonomische und kulturelle Bedeutung der Zentren, in denen sich diese „fremden" Schreibtraditionen entwickelt hatten, spielte hier eine führende Rolle. Ein Beispiel ist das Augsburger Gemeindeutsch, das sich am Ende des 15. J a h r h u n d e r t s herausbildete und unter Maximilian I. zur herrschenden Norm der Sprache der kaiserlichen Kanzlei wurde. Das Eindringen von Elementen der Augsburger Literatursprache in die Schreibsprache der fränkischen Städte wie Bamberg, Würzburg, Speyer und der ostmitteldeutschen Städte E r f u r t , Leipzig, Jena, Dresden, Wittenberg war eine der vielen Formen des Vorrückens südlicher Elemente nach Mitteldeutschland. I n den ostmitteldeutschen Zentren
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war dieser Prozeß mit einer Vermischung von Dialektformen verbunden, bedingt durch die Siedlerströme, die aus den verschiedenen Gebieten des Altlandes gekommen waren. Diese Vorgänge trugen zum Ausgleich scharfer dialektaler Unterschiede in der städtischen Koine dieses Gebietes bei 179 . Somit war der Einfluß der Augsburger Variante der Literatursprache in Mitteldeutschland eine Form des komplizierten Prozesses der „Veroberdeutschung", die mit unterschiedlicher Intensität verschiedene Existenzformen der deutschen Sprache dieses Gebiets erfaßte. Was den Südwesten anbetrifft, so muß hier die Verdrängung lokaler Formen aus der Sprache der politischen Literatur vollends durch das soziale Prestige der Augsburger Variante erklärt werden. I n diesem Zusammenhang verdienen die überlandschaftlichen Züge im Gemeindeutsch selbst Beachtung, das nicht nur stark ausgeprägte lokale Besonderheiten vermied, sondern das auch den Einfluß mitteldeutscher Gesetzmäßigkeiten, insbesondere auf die Bildung der finiten Verbformen im Plural des Präsens zeigt. Offensichtlich kann die in einigen Augsburger Flugschriften beobachtete Verminderung der Endsilbenreduktion ebenfalls mitteldeutschem Einfluß zugeschrieben werden. Übrigens spiegelt auch in den ostmitteldeutschen Denkmälern das gelegentliche Fehlen der Endsilbenreduktion keineswegs lokale Gesetzmäßigkeiten wider, da die Apokope im Ostmitteldeutschen ziemlich verbreitet war. Bis zu einem gewissen Grade äußern sich hier wie auch in einer Reihe anderer Fälle archaisierende Tendenzen der schriftlichen Literatursprache, die bedingt sind durch eine gewisse Stabilität der Schreibtradition der entsprechenden Gebiete und durch ihre bewußte Distanzierung von Gesetzmäßigkeiten der gesprochenen Sprache, die für Neuerungen eher offen ist. Wenn insgesamt gesehen die soziale Charakteristik der Sprache der politischen Literatur vor allem durch ihre Zugehörigkeit zur überlandschaftlichen schriftlichen Literatursprache bestimmt ist, so wird andererseits eine gewisse soziale Schichtung innerhalb dieses Typs des Schrifttums sichtbar. Das in den vorangegangenen Kapiteln angeführte Material gestattet die Annahme, daß nicht nur bei der Auswahl lexikalisch-phraseologischer Einheiten verschiedene Autoren unterschiedliche Kriterien anwenden, sondern auch bei der Auswahl lautlich-graphischer Gesetzmäßigkeiten. Die Sprache Huttens (seine Dialoge mit einbezogen) ist auf allen sprachlichen Ebenen, auch bei lautlich-graphischen Erscheinungen, durch andere Auswahlkriterien charakterisiert als beispielsweise die Sprache Stifels. Huttens Sprache ist das Muster einer geformten, ja fast normierten schriftlichen Literatursprache der „hohen Gattungen". Stifels Sprache dagegen ist ein Beispiel für den Variantenreichtum und die Instabilität der lautlich-graphischen Ebene, ein Beispiel für die Vielschichtigkeit der stilistischen Mittel, die die Sprache vieler Werke der politischen Literatur von der Sprache anderer Typen des Schrifttums unterscheiden (s. unten). Die Unterschiede in den Auswahlkriterien für sprachliche Erscheinungen und Stilmittel, die Unterschiede im Grad der stilistischen Geformtheit der Sprache hängen hauptsächlich von zwei Faktoren a b : 1. von der sozialen Schicht, für
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die eine Flugschrift bestimmt war, also vom Adressaten, vom potentiellen Leser oder Hörer; 2. vom Autor der Flugschrift, von der sozialen Schicht, der er angehörte, von seiner Allgemeinbildung. Dadurch zeigt sich in der Sprache der Flugschriften indirekt die politische Einstellung des Verfassers. Eine unmittelbare Abhängigkeit des Sprachstils von der politischen Thematik der Flugschrift würde man allerdings vergeblich suchen. Die Sprache einer großen Gruppe antipäpstlicher Flugschriften unterschiedlicher Verfasser und Gattungen, aber mit gemeinsamer Thematik, zeigt eine erstaunliche Vielfalt an Stilformen, Aus Wahlprinzipien für expressive Mittel, polemischen Verfahren usw. Die Flugschriften Huttens, die unterschiedlichen Gattungen angehören, von ihm deutsch geschrieben oder aus dem Lateinischen übersetzt wurden, sind sprachlich geformt, im Variieren begrenzt, lautlich und morphologisch verhältnismäßig einheitlich und dem Augsburger Gemeindeutsch ziemlich nahe. Sie sind sprachlich kompliziert, aber relativ exakt in den syntaktischen Strukturen, die verschiedenen Stilebenen werden in ihnen nicht vermischt. Der Autor verzichtet auf Elemente der niederen gesprochenen Sprache (Vulgarismen) und beachtet die Regeln der lateinischen Rhetorik. Für Huttens Stil waren die Klassiker des Altertums Vorbild. Er gehörte zum oppositionellen niederen Adel und schrieb vor allem für die ihm in Geisteshaltung und sozialer Stellung nahestehenden gesellschaftlichen Kreise. Obwohl sich Hutten in einigen seiner deutsch verfaßten Sendbriefe an die gesamte deutsche Nation wandte (an alle stend Deutscher nation), sind doch in Wirklichkeit der Adel und das mittlere Bürgertum, die Intelligenz und oppositionelle Schichten der Geistlichkeit die wirklichen Adressaten und nicht die städtischen Plebejer und die Bauern. Einen anderen stilistischen Aufbau hat die antipäpstliche Flugschrift „Verantwortung vnnd auflösung etlicher . . . Argument" von Schappeler. Wortwahl {viele Latinismen), Phraseologie, komplizierte Syntax und Aufbau der Argumentation zeigen, daß diese Flugschrift von einem gebildeten Geistlichen verfaßt ist. Adressaten sind vornehmlich in scholastischer Philosophie geschulte Geistliche. An breitere Gesellschaftsschichten wenden sich Autoren wie Kettenbach, Zwingli, Stifel u. a. in ihren antipäpstlichen Flugschriften. Die meisten von ihnen sind ehemalige Mönche oder volkstümliche Prediger. Gerade für diese Gruppe von Flugschriften ist typisch: die Vermischung der Stilebenen und die Verwendung von Elementen der niederen gesprochenen Sprache, um größere Verständlichkeit und Expressivität zu erreichen, auch ein mehr oder weniger bewußtes Abweichen von den Regeln der Schreibsprache, was zum Kennzeichen der Sprache des größten Teils polemischer Literatur wird. Tatsächlich stehen sich bei allen individuellen Besonderheiten des Stils Luther, Karlstadt, Meyer und Müntzer in dieser Hinsicht nahe, trotz ihrer unterschiedlichen politischen Ansichten. Bei Müntzer aber spiegelt sich mit besonderer Deutlichkeit das stilistische Vorgehen des Volkspredigers und Agitators wider, der sich an die ärmsten Schichten des deutschen Volkes wendet. Die Expressivität wird nicht nur durch grobe
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Wörter erreicht, sondern durch den Reichtum an Epitheta, Bildhaftigkeit, Wiederholungen, vielfältige Anreden an die Hörer, d. h. durch Elemente, die auch der gesprochenen Sprache eigen sind. Schon in seinem „Prager Anschlag" tritt die Nähe zur Umgangssprache im Charakter der verwendeten Vergleiche deutlich hervor :Sye seyn nyt wye dye Kenne, dye umb ore kinder her gheth unde sye warm macht, schreibt Müntzer über den Klerus, und weiter: teyln auch nicht dye gutten natur gots wort (das da lebet yn allen auszwelten menschen) in dye herczen, wye eyne mutter gibt milch eynem kinde; meynen es sey gnuck, das es yn buchrn sey gescrybn unde sye es so roch mugen rauszer speyghen wye der storch dye frösze den iungen ins nest. Wenn man diese bildhafte Sprache den Stilmitteln, insbesondere den Metaphern in der verfeinerten Prosa Huttens gegenüberstellt, zeigt sich ganz deutlich ein Unterschied, der durch das unterschiedliche soziale Milieu, in dem beide Verfasser politisch tätig waren, bedingt ist. In der Handschrift des „Prager Anschlags" und in Müntzers Briefen von 1520—1522 fällt der Reichtum an lokalen Formen wie dusz, ore, hulf, tul 'toll', sporeth 'spürt', zwatczen 'schwatzen', frösze, nerryszen, nör 'nur', nummer auf. Diese Formen fehlen in späteren gedruckten Flugschriften und auch in ihren handschriftlichen Varianten. Gerade diese frühe Flugschrift steht hinsichtlich ihrer syntaktischen Irregularitäten auf einer Ebene mit den Flugschriften Hergots, Stifels u.a., die sich nicht nur von der Prosa Luthers und Huttens beträchtlich unterscheiden, sondern auch von vielen Dialogen und Traktaten aus verschiedenen Gegenden Deutschlands. Die soziale Schichtung zeigt sich hier recht deutlich. Aber auch in der Sprache der Flugschriften aus dem katholischen Lager lassen sich gewisse Abstufungen feststellen: E c k und Fabri sind der lateinischen Syntax und den Traditionen der Kanzleisprache verpflichtet. Cochlaeus steht in vielem der normierten Syntax Huttens nahe, obwohl er häufig Wendungen und Sprichwörter dei gesprochenen Sprache verwendet, um größere Ausdruckskraft und Verständlichkeit zu erreichen. Besonders häufig verwenden diese Stilmittel Emser, Murner, E c k und Cochlaeus. Sie gehörten zu der Gruppe von Klerikern, die die herrschende Ideologie vertrat und besonders eng mit der Politik der höheren Geistlichkeit und der Fürsten verbunden war. Ungeachtet dessen kann man im Stil dieser Gruppe nicht nur Unterschiede, sondern sogar direkt entgegengesetzte Tendenzen feststellen. Die Sprache der Flugschriften, die unmittelbar mit den Bauernbewegungen zusammenhängen, zeigt eine Reihe von Zügen, die unabhängig von der Gattung immer wiederkehren: der äußerst seltene Gebrauch von Latinismen, die relativ einfachen syntaktischen Konstruktionen selbst in den Flugschriften, die der Urkundensprache nahestehen (so die „Zwölf Artikel der Bauern"), die Verwendung des umgangssprachlichen Wortschatzes. Diese Züge finden sich in der Sprache der „Zwölf Artikel", in den Sendbriefen Lachmanns, im Sendbrief „An die versamlung gemayner Pawerschafft", bei Haferitz, einem Schüler Müntzers, bei Hergot und schließlich in Flugschriften Müntzers selbst. Gerade darin zeigt sich ihr Streben nach Verständlichkeit und Eingängigkeit. So nähern sich sti-
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listisch ziemlich unterschiedliche Schriften einander, obwohl ihre Autoren verschiedenen politischen Lagern angehörten: Auch in Luthers Flugschriften gegen Müntzer und in seinen scharfen Sendbriefen gegen die Bauern finden wir diesen Komplex von Unterscheidungsmerkmalen wieder, die bei jedem Autor durch individuelle stilistische Besonderheiten bereichert werden. Die soziale Schichtung wird gleichsam überlagert von der individuellen Eigenart des Verfassers, ein Umstand, der es nicht zuläßt, in der Analyse nach einem allgemeinen Schema zu verfahren. 3 Die Zurückführung der Sprache der politischen Literatur auf die schriftliche Literatursprache erfordert eine Präzisierung des Verhältnisses zwischen der Sprache der' Flugschriften und der Sprache anderer Typen des Schrifttums. Unterschiede in der Wortwahl und in der Phraseologie bedürfen keiner besonderen Präzisierung. Die Thematik der Flugschriften und ihr polemischer, agitatorischer Charakter drücken sich — verglichen mit anderen Typen des Schrifttums — auch in ihrer Sprache aus. So verwendet Luther z. B. in seiner Bibelübersetzung keine Wörter aus dem saloppen Wortschatz, obwohl er sich ständig um sprachliche „Volkstümlichkeit" bemüht hat, gebraucht sie jedoch ausgiebig in seinen polemischen Flugschriften. Murner wiederum ist in seinen politischen Schriften sehr viel zurückhaltender beim Gebrauch landschaftlichen Wortschatzes als in einem satirischen Werk wie der „Narrenbeschwörung" 180 . Die Sprache der politischen Literatur hat, wie es die Untersuchung ihres Stils zeigt, einerseits Beziehungen zur Sprache der Volksdramen und der deutschen Predigt, andererseits zur Tradition der Kanzleisprache und der Ubersetzungsliteratur. Allerdings bleibt die Frage unbeantwortet, wie sich die lautlichgraphischen und morphologischen Auswahlprinzipien in der politischen Literatur und in den übrigen Typen des Schrifttums zueinander verhalten. Die Erforschung dieses Problems muß die soziale Charakteristik der Sprache der politischen Literatur ergänzen und die Normierungsprozesse präzisieren, die sich in dieser Sprache widerspiegeln. Zur Untersuchung wird Material aus den ostmitteldeutschen städtischen Kanzleien herangezogen, in dem dieselben Prozesse zu beobachten sind, und Briefe von Zeitgenossen zu den Ereignissen des Großen deutschen Bauernkrieges. Es wurden Materialien aus der kursächsischen Wittenberger und aus der Dresdener Kanzlei ausgewählt, die Kettmann bzw. Fleischer bearbeitet haben, da in diesen Städten — besonders in Wittenberg — viele Flugschriften gedruckt wurden, die in dieser Arbeit ausgewertet worden sind. Insbesondere werden die lokal begrenzten Erscheinungen der ostmitteldeutschen Variante der Literatursprache untersucht. Zu ihnen gehören: a) das Nebeneinander von neuen Diphthongen und neuen Monophthongen, b) die Monophthongierung von ei und ou, c) der Übergang e > a, d) der Übergang o > a
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in einer Gruppe von Wörtern, e) der Übergang w > o, i > e, e > i, o > u. I n beiden Abschnitten des Kapitels I I I wurden diese lautlichen Veränderungen detailliert untersucht. Wie das Material der beiden Kanzleien zeigt, ist der Verzicht auf lokale Besonderheiten in der Kanzleisprache größer als in den ostmitteldeutschen Drucken, besonders in denen aus Wittenberg und Dresden. Nur das Nebeneinander von neuen Diphthongen und neuen Monophthongen bleibt als konstantes Merkmal dieser Variante fest. I n der kursächsischen Kanzlei werden die alten i, ü, ii zwischen 1520 und 1530 fast überall als Diphthonge geschrieben 1 8 1 ; vereinzeltes nichtdiphthongiertes u (in v f f , darvff:) ist durch die unbetonte Stellung in den Präpositionen und Präfixen bedingt. Die alten Diphthonge uo und üe werden meistens monophthongiert; die Schreibung ue = uo und ue = üe findet sich nur vereinzelt: fueß, guet, gemuet182. Das gilt auch für die Wittenberger Flugschriften, allerdings in geringerem Maße als für die Erfuiter Drucke. Die Monophthongierung von ei > e und von ou > o, die nur sehr selten in den Wittenberger Drucken begegnet, fehlt hier völlig 1 8 3 . Der Übergang i > ä fehlt. Der Übergang o > a ist seltener als in den ostmitteldeutschen Flugschriften: ab = ob begegnet in der behandelten Zeit nur einmal, öfter dagegen oder, sal. Die Vermischung von oder und aber ist nur einmal belegt 1 8 4 ; sie begegnet aber in verschiedenen Flugschriften, vor allem in ostmitteldeutschen. Viel seltener als in den Flugschriften ist der Übergang u > o in der Kanzleisprache,der hauptsächlich vor Nasalen und in denselben Wortgruppen wie in der Gegenwart bezeugt ist 1 8 3 . Der Kanzleisprache fehlt der Übergang e > i in welche, der in den Wittenberger Flugschriften verbreitet ist; nur einmal (1527) ist der Übergang von i > e in weder bezeugt. Nach 1520 verschwindet die in den ostmitteldeutschen Flugschriften vorherrschende Form brengen aus der kursächsischen Kanzlei 1 8 6 . Auch der Umlaut au > eu vor Labialen (keufft, teufft, heupt, gleubt) wird in der Kanzleisprache nicht wiedergegeben (s. S. 113); in den ostmitteldeutschen Drucken ist er weit verbreitet. Zusammenfassend kann festgestellt werden, daß in der kursächsischen Kanzlei die Abwendung von der lokalen Tradition viel weiter ging als in den ostmitteldeutschen Flugschriften und daß in Zusammenhang damit die südöstliche Schreibtradition auf die Kanzlei einen bedeutend größeren Einfluß ausübte; sie verdrängte in einer Reihe von Fällen die lokalen Formen völlig oder schränkte ihre Häufigkeit stark ein (vgl. den Übergang e > i, u > o, das Fehlen des Umlauts vor Labialen). Diese Prozesse reduzierten die Variationsbreite und vereinheitlichten die Schreibsprache. Mit der Wiedergabe lokaler Besonderheiten stehen die Wittenberger Flugschriften dem Usus der städtischen Kanzleien viel näher; denn deren Sprache bewahrte lokale Besonderheiten 1 8 7 neben „fremden" Formen und war deshalb weniger genormt als die Sprache der kursächsischen Kanzlei. Die Frage nach der sozialen Schichtung der Schreibsprache in Wittenberg ist Thema einer anderen Arbeit K e t t m a n n s 1 8 8 . E r untersucht die Schreibpraxis von Vertretern unterschiedlicher Berufe, von Kanzleibeamten, Gelehrten, Drukkern und Korrektoren und versucht nachzuweisen, daß der Grad der Stabilität,
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die Variationsbreite und die Intensität des Einflusses lokaler Besonderheiten von der Zugehörigkeit zu verschiedenen sozialen Schichten der Wittenberger Bevölkerung abhängen. Bei der schmalen sozialen Basis der Schreibsprache in dieser Zeit wird unter sozialer Schichtung einerseits eine Einteilung nach dem Beruf und andererseits nach dem Bildungsgrad verstanden. Aber selbst bei Druckern und Korrektoren ist es kaum möglich, eine sprachliche Schichtung herauszuarbeiten und allgemeine Schlußfolgerungen über eine solche detaillierte soziale Schichtung der Schreibsprache in Wittenberg zu ziehen. Auch die bewußte Beschränkung auf den geschäftlichen und privaten Briefwechsel lassen die Schlußfolgerungen nicht überzeugend erscheinen. Es ist jedoch unbestritten, d a ß die dialektale Färbung der Schreibsprache, ihre Variationsbreite von der Auffassung über die Spezifik der schriftlichen Literatursprache, von der Auffassung ihrer Aufgaben und Ziele und ihrer stilistischen Grenzen und folglich vom Bildungsniveau des Verfassers überhaupt abhängen. Die Sprache der meisten politischen Flugschriften hat nicht den genormten und einheitlichen Charakter erreicht, den die kursächsische Kanzleisprache besitzt; demnach hat sie andere soziale Grundlagen. Ihre Autoren und Drucker waren — mit wenigen Ausnahmen — keine Verfechter einer so konsequenten und zielstrebigen Sprachpolitik wie die führenden Kanzleibeamten. Das beruht insbesondere darauf, daß die Sprache eines großen Teils der politischen Literatur der gesprochenen Sprache nähersteht, und zwar nicht den territorialen Dialekten, sondern der lokal gefärbten städtischen Koine. I m Unterschied zur kursächsischen Kanzlei hat die Sprache der Dresdener städtischen Kanzlei im allgemeinen mehr lokale Besonderheiten bewahrt und steht lautlich-graphisch der Sprache der ostmitteldeutschen, besonders der Dresdner Drucke nahe 1 8 9 . Interessantes Material für die Frage nach der sozialen Basis der Sprache der Flugschriften bietet der private Briefwechsel. Die Sprache der Briefe Müntzers — wie schon in der Literatur festgestellt — unterscheidet sich von der seiner gedruckten Werke durch eine kräftigere lokale Färbung. Am interessantesten ist jedoch der Vergleich der Sprache des privaten Briefwechsels, der sich auf Ereignisse des Bauernkrieges bezieht. Eine Analyse von Briefen aus dem R a u m Würzburg, Bamberg und Fulda läßt drei Typen des Briefstils erkennen: 1. Die Sprache der Briefe von niederen Beamten, die stark dialektgefärbt ist; sie h a t nicht diphthongierte F o r m e n ; siln, wiln 'sollen, wollen'; den endungslosen Infinitiv; seig 'sie', kint ich 'könnt ich'; viele entrundete Formen, so im Brief von „Amtmann Tham von Herda zu Kaltennordheim" vom 20. April 152519°. Thams Briefe zeigen auch solche Eigenheiten der gesprochenen Sprache wie Unvollständigkeit und Irregularität der Satzstruktur: Als ich in ampt komen bin befund ich die sach got hab lob, das noch ganz wol zustet; und sinerlig das ampt Nordheim befind ich als fromme lut, sal anders lütten zu glauben seig usw. Aber auch die Sprache des Sendbriefs des Grafen von Stein vom 25. April 1525 191 sowie die Sprache vieler anderer Adliger ist nicht gewandter, da sie die Schreibsprache nicht beherrschten. 2. Die Sprache vom Typ der Kanzleisprache, die nur wenige
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landschaftliche Züge zeigt. 3. Die Sprache der Briefe des Koadjutors J o h a n n von Fulda (beispielsweise der Brief vom 15. April 1525) 192 , ein Muster des geformten Briefstils jener Zeit. Die Sprache der politischen Literatur kann mit den letzten beiden Typen der Sprache des privaten Briefwechsels verglichen werden, aber nicht mit dem ersten. 4 Im 16. J a h r h u n d e r t und vor allem zur Zeit der Reformation und des Bauernkrieges gab es keine Vorstellungen von einem System kodifizierter Normen. Die Aussagen der Grammatiker (sogar noch in der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts) sind der beste Beweis dafür 1 9 3 . Indessen sind Normierungsprozesse, die der Kodifizierung einer einheitlichen Norm vorangingen, in der Sprache der politischen Literatur trotz der großen Variationsbreite erkennbar. Sie waren die Triebkraft bei der Auswahl lautlich-graphischer, morphologischer und lexikalischer Merkmale, die eine der Besonderheiten einer jeden Literatursprache ist. Normierungsprozesse bewirkten auch die Ausgleichstendenzen, die sich in den Isoglossen der schriftlichen Literatursprache der Flugschriften zeigen. Sie sind die Grundlage für die Beseitigung landschaftlicher Gegensätze in bestimmten Teilen des Sprachsystems und für die allmähliche Herauslösung eines festen Kerns aus der Vielfalt der verschiedenen Varianten. Eben dieser Kern bildete schließlich die Basis der zukünftigen einheitlichen literatursprachlichen Norm. Die Dialektik dieses komplizierten Prozesses besteht darin, daß in den frühen historischen Etappen Vereinheitlichungstendenzen zusätzliche Varianten hervorgerufen haben, da die Herausbildung von überlandschaftlichen Isoglossen nicht mit einem Mal zum Verschwinden lokal eng begrenzter Formen geführt h a t . Und gerade dieser Stand der historischen Entwicklung fand in der Sprache der politischen Literatur seinen Niederschlag. Normierungsprozesse hängen hauptsächlich von zwei Faktoren a b : Von der sozialen Basis und vom Niveau der Vereihheitlichungstendenzen. I n der untersuchten Zeit nehmen mehr oder weniger bewußt bestimmte Schichten der städtischen Intelligenz an den Normierungsprozessen teil, Universitätsprofessoren, Kanzleibeamte, Drucker und Korrektoren. Der Vergleich der Flugschriften Melanchthons, Agrícolas, Luthers und Karlstadts mit denen von Müntzer und Haferitz zeigt große Unterschiede im Gebrauch von lokalen Formen. Bei der ersten Gruppe handelt es sich um einzelne feste Bildungen, die auch in den Kanzleien von Wittenberg und Dresden verwendet werden und wohl auch für die städtische Koine dieser Zentren typisch sind. Bei der zweiten Guppe (besonders in den frühen Flugschriften Müntzers) geht es um zahlreiche deutlich dialektale Bildungen, sowohl lautlich-graphische als auch lexikalische. Die Unterschiede in der Syntax sind nicht geringer. Bei der ersten Gruppe zeigen sich Tendenzen einer festen Wortfolge, obwohl sie nicht die strenge Norm der folgenden J a h r hunderte erreicht (s. S. 161); in der zweiten Gruppe dagegen entspricht die Wort-
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folge stets dem Typ der aufgelockerten syntaktischen Strukturen in den Flugschriften Stifels und einiger anderer Verfasser, denen die sprachliche Verfeinerung fehlte. Wie kompliziert jedoch die Verflechtung der verschiedenen Tendenzen ist, zeigt sich am Beispiel der attributiven Wortgruppen mit Adjektiven. Hier war gerade Müntzer Wegbereiter einer konsequenten und strengen Norm, die fast mit der heutigen übereinstimmt. Will man die soziale Basis dieser Normierungsprozesse untersuchen, die sich in den Flugschriften widerspiegeln, muß man zu den lexikalisch-stilistischen Unterschieden zurückkehren. In Deutschland gab es im 15. und 16. J a h r h u n d e r t keine kodifizierte Norm, die die lexikalisch-stilistische Auswahl regulierte; es h a t t e sich kein theoretisch durchdachtes Stilsystem des Deutschen herausgebildet. Doch die Rhetoriker des ausgehenden 15. Jahrhunderts und die Traditionen der lateinischen Prosa und des Kanzleistils schufen gewisse mehr oder weniger feste Vorstellungen von einer lexikalisch-stilistischen Auswahl je nach der literarischen Gattung. Der Sprachgebrauch in den „ernsten" Gattungen unterschied sich streng von dem der Satire, der Komödie usw. Das gilt sogar für die Werke ein und desselben Schriftstellers. Unter den Bedingungen der höchsten Steigerung des ideologischen und politischen Kampfes wurde die gewohnte Schichtung der Lexik und des Stils zerstört, was zu einer „Profanierung" der Sprache des Traktats, der Predigt und des Sendbriefes führte. Elemente der alltäglichen Umgangssprache sprengten die alten Regeln. Dieser Prozeß führte nicht nur zur Einbeziehung grober Ausdrücke, die nicht zu festen Elementen eines literatursprachlichen Stils werden konnten; er wirkte sich auf den verschiedenen Ebenen des sprachlichen Systems aus. Politische Antagonisten wie Luther und Müntzer nahmen in dieser Beziehung o f t ähnliche Positionen ein, die Tendenzen der kommenden Entwicklung der Literatursprache widerspiegeln. Bei den einzelnen Autoren der Flugschriften liefen die lautlich-graphischen Normierungsprozesse nicht unmittelbar parallel mit der lexikalisch-stilistischen Auswahl. Zwei Gebiete sind bei diesen Ausgleichsprozessen entscheidend gewesen: der Südosten mit Augsburg als Zentrum und die ostmitteldeutschen Städte. Der Südwesten dagegen t r a t immer mehr zurück. Die Frage, welches der beiden Gebiete die führende Rolle gespielt hat, wurde unlängst von vielen Autoren erneut gestellt 194 . I n diesem Zusammenhang ist wieder der besondere Status der Sprache der politischen Literatur in Ostmitteldeutschland zu unterstreichen, wobei die wechselseitige Wirkung beider Varianten der Literatursprache unbestritten bleibt. Lautliche und morphologische Merkmale der kommenden gesamtnationalen Norm treten in der Sprache der Autoren und Drucker Ostmitteldeutschlands deutlich hervor. Die Variation ist auf eine nicht sehr große Zahl von Wörtern, die auch keine stabilen lokalen Formen aufweisen, beschränkt. Die lexikalischen Isoglossen erfordern eine detaillierte Untersuchung, die es dann erlauben wird, die wirkliche territoriale Schichtung des Wortbestandes der deutschen Sprache des 16. Jahrhunderts zu erkennen. Ohne Zweifel gab es auch hier Prozesse der Wechselwirkung zwischen beiden Gebieten. Wenn man die füh-
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rende Rolle der ostmitteldeutschen Variante der Literatursprache bei der Bildung der einheitlichen nationalen Norm charakterisieren will, so muß man besonders betonen, daß sich diese Variante schon in der Zeit vor der Reformation und vor dem Bauernkrieg herausgebildet hat, und zwar auf der Grundlage des konsequenten Verzichts auf lokal eng begrenzte Merkmale unter dem Einfluß der Wechselwirkung verschiedener Schreibtraditionen 1 9 5 einerseits und auf der Grundlage der städtischen Koine andererseits.
Anmerkungen
1
M. M. G u c h m a n n , Der Weg zur deutschen Nationalsprache. I n s Deutsche übert r a g e n u n d wissenschaftlich bearbeitet v. G. Feudel. T. 2: Berlin 1969, S. 66. 2 Besondere E r w ä h n u n g verdient in diesem Z u s a m m e n h a n g das W e r k v o n V. G. Admoni, Pa3BHTHe CTpyKTypH npeaJioweHHH B nepiioa cfiopMiipoBamifl HeivieijKoro HaiiHOHantHoro H3HKa. Leningrad 1966. 3 M. M. G u c h m a n n , Weg, a. a. O., T. 2, K a p i t e l V I I I u n d I X . 4 Vgl. die Bibliographie bei G. Eis, Mittelalterliche F a c h l i t e r a t u r . S t u t t g a r t 1969. 5 Vgl. z. B. E . H a r t m a n n , Beiträge zur Sprache Albrecht Dürers. Halle 1922. 6 J e a n F o u r q u e t , L a „grande lacune" — Comment la réduire, in: Beiträge zur Sprachwissenschaft, Volkskunde u n d Literaturforschung. W . Steinitz . . . dargeb r a c h t . Berlin 1965, S. 108-115. 7 J o h . E r b e n , Grundzüge einer S y n t a x der Sprache L u t h e r s . Berlin 1954. Derselbe, L u t h e r u n d die neuhochdeutsche Schriftsprache, in: Deutsche Wortgeschichte. H g . v. F . Maurer u. F . Stroh. 1 : Berlin 21959, S. 4 3 9 - 4 9 2 . 8 Wolfgang Fleischer, F r ü h n e u h o c h d e u t s c h e Geschäftssprache u n d neuhochdeutsche N o r m , in: P B B (Halle/S.) 88 (1967) 107-246. 9 Gerhard Ising, Ausgleichsvorgänge bei der Herausbildung des schriftsprachlichen deutschen Wortschatzes, in: Niederdeutsches W o r t 5 (1965) 1—20. Derselbe, Zur Wortgeographie spätmittelalterlicher deutscher Schriftdialekte. Berlin 1968. I I . 10 G. K e t t m a n n , Die kursächsische Kanzleisprache zwischen 1486 u . 1546. Berlin 1967. 11 P e t e r Suchsland, Die Sprache der J e n a e r R a t s u r k u n d e n . E n t w i c k l u n g v o n L a u t e n u n d F o r m e n von 1317 bis 1525. Berlin 1968. 12 Vgl. Cochlaeus, „Antwort J o h . Coch. auff Martin L u t h , freueliche Apellatiö A n n o 1520 vö b a b s t vff ein zû k ü n f f t i g Concilium" [1524], wo der T e r m i n u s mehrf a c h b e n u t z t ist; a u ß e r d e m L u t h e r , „Auff des bocks zu Leypczick A n t w o r t D. M. L u t h e r . W i t t e m b e r g 1521": Des Emßers quatern an den Stier tzu Wittenberg hab ich . . . empfangen. 13 E i n Clagschrift des H o c h b e r ü m t e n v n d E r n u e s t ë h e r r n Virichs vö H u t t e n gek r ô n e t e n P o e t e n v n Orator a n alle stend Deütscher n a t i o n , o. O. u. J . [ S t r a ß b u r g (Martin Flach) 1520]. 14 Zitiert n a c h K a r l Schottenloher, F l u g b l a t t u n d Zeitung. Berlin 1922, S. 67. 15 E y n klägliche klag an dë christliche Römischen K a y s e r Carolum/ vö wegë D o c t o r L u t h e r s v n d Virich/ v o n H u t t e n . [1521]. 16 Schottenloher, F l u g b l a t t , a. a. O., S. 60. 17 Christian Meyer, Zur Geschichte der Wiedertäufer in Oberschwaben. in: Zeitschrift des Historischen Vereins f ü r Schwaben u n d N e u b u r g . Augsburg 1 (1874) 252f. 18 E b d . , S. 239. 19 Dietenberger, J o h . , Der B a u e r Obe die Christen mügen durch iere g ù t e n werck d a s hymelreich verdienen. J o h a n n e s dietenberger. Getruckt zu S t r a ß b u r g d u r c h J o h .
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Anmerkungen
Grienynger/ als m a n zalt n a c h d ' g b u r t C h r i s t i / t a u s e n t f ü n f f h u n d e r t v n n d vierundzwentzig iar. Vnderrede des Priesters v n d des B a u r e n . Derselbe, Der leye. Obe der gelaub allein selig m a c h t . G e t r u c k t im iar 1524. 20 Zitiert n a c h der Flugschrift „Zwey keyserliche uneynige v n d wyderwertige g e p o t t den L u t h e r b e t r e f f e n d I m J a r 1524", wo der volle W o r t l a u t des E d i k t s a n g e f ü h r t wird. 21 Vgl. die kurzen Biographien der Drucker bei Alfred Götze, Die hochdeutschen Drucker der R e f o r m a t i o n s z e i t . S t r a ß b u r g 1905. 22 S. K a r l Schottenloher, H a n s Sachs u n d H i e r o n y m u s Höltzel. in: Beiträge z. Bibliotheks- u. Buchwesen. P . Schwenke . . . gewidmet. Berlin 1913, Sp. 254; vgl. a u c h Josef Benzing, Die B u c h d r u c k e r des 16. u n d 17. J a h r h u n d e r t s . Wiesbaden 1963, S. 331. 23 Schottenloher, F l u g b l a t t , a. a. O., S. 76. 24 Vgl. T h o m a s Müntzer, Politische Schriften. Mit K o m m e n t a r hg. v. C. Hinrichs. Halle 1950. ( = Hallische Monographien 17). S. 4. 25 Vgl. dazu d a s Vorwort in: T h o m a s Müntzer, Politische Schriften, Manifeste, Briefe 1524/25. Eingel., k o m m e n t i e r t u. hg. v. M. Bensing u. B. Rüdiger. Leipzig 1970. 26 Vgl. ebd. 27 Vgl. F l u g s c h r i f t e n a u s den ersten J a h r e n der R e f o r m a t i o n , hg. v. O. Clemen. 4: Leipzig 1911, S. 279-280. 28 P a u l Hohenemser, F l u g s c h r i f t e n s a m m l u n g G u s t a v F r e y t a g . F r a n k f u r t / M . 1925. 29 Friedrich Engels, Der deutsche Bauernkrieg, in: K a r l Marx, Friedrich Engels, Werke. 7: Berlin (Dietz) 1964, S. 343. 30 Vgl. das in der Arbeit von M. M. Smirin, OiepKH iiCTopioi nojnmwecKoü 6opb6ti B TepMaHHH nepefl Pecfiopiviamieii. Moskau 1952 [ d t . : Deutschland vor der R e f o r m a t i o n (dt. v. J . Nichtweiß). Berlin o. J . (1955)] in K a p i t e l I I a n g e f ü h r t e Material; weiter: Heinz K a m n i t z e r , Zur Vorgeschichte des Deutschen Bauernkrieges. Berlin o. J . (1953), S. 1 4 - 2 1 . 31 K a m n i t z e r , Vorgeschichte, a. a. O., S. 55—58. 32 E i n Clagschrift, A i. 33 Ebd. 34 Ain Anzaygung/wie allwegen sich die Romischen Bischoff oder B ä p s t gegen den Teütschen K a y s e r n gehalten h a b e n / d u r c h hern Vlrichen v o n H u t t e n a u f f d a s k ü r t z e s t / a u ß Cronicken v n Historien gezogen/Kay. Maie, f ü r zubringen, o. O. u. J . [Augsburg (Sigmund Grimm) 1521]. 35 Friedrich Engels, Bauernkrieg, a. a. O., B d . 7, S. 348. 36 Schutzrede, in: Politische Schriften, Manifeste, Briefe 1524/25. Eingel., k o m m e n tiert u. hg. v. M. Bensing u. B. Rüdiger. Leipzig 1970, S. 149. 37 Gemeint sind: 1. D y e Grundtlichen V n d rechten h a u p t / Artickel aller B a u r s c h a f f t v n n d / Hyndersessen der Gaistlichen v n Weltlichen o b e r k a y t e n , von wölchen sy sich beschwert vermainen. o. O. u. J . [Augsburg (Melchior R a m m i n g e r ) 1525]. 2. H a n d l u n g Artickel v n d I n s t r u c t i o n so f u r g e n o m e sein worden von allen R o t t e n v n d h a u f f e n der B a w r e n / so sich zusamen verpflicht haben, o. O. 1525. 38 Außlegung des a n d e r n v n t e r s c h y d s Danielis deß p r o p h e t e n gepredigt a u f f m schlos zu Alstet. Allstedt 1524, S. 27. 39 emplössung, S. 31. 40 Von der newen Wandlung, S. 53f.
Anmerkungen 41
177
Vgl. L u t h e r s Sendbrief a n den sächsischen K u r f ü r s t e n u n d seine Flugschriften „Ein Schrecklich geschieht v n gericht Gotes vber T h o m a s Müntzer/ darin G o t t öffentlich desselbigen geyst l u g e n s t r a f f t v n d v e r d a m m t Mart. L u t h e r , 1525", „ E r m a n u n g e z u m fride a u f f die zwelff artickel der B a w r s c h a f f t y n n Schwaben A u c h widder die reubischen v n d mordischen r o t t e n der a n d e r n b a w r e n M a r t h i n L u t h e r W i t t e n b e r g P s a l m . Seyne t ü c k werden y h n selbs t r e f f e n V n d seyn m u t will/ wird vber y h n ausgehen. 1525", „ E y n Sendebrieff von d e m h a r t e n buchlin widder die b a u r e n Martinus L u t h e r . W i t t e m b e r g 1525". Melanchthon schrieb a u ß e r der F l u g s c h r i f t „ E y n schrifft Philippi Melanchthon widder die artikel der Bawrs c h a f f t " wohl a u c h „Die H i s t o r i Thome Müntzers". 42 Aus d e m sozialen u n d politischen K a m p f , hg. v. A. Götze u. L. E . S c h m i t t . Halle 1953, S. 47. 43 E r m a n u n g e zum fride. 44 E y n Sendebrieff. 45 E y n schrifft . . . widder die artikel der B a w r s c h a f f t . 46 E i n beliebtes Verfahren in der polemischen L i t e r a t u r war die b e w u ß t e Veruns t a l t u n g des F a m i l i e n n a m e n s des Gegners; in F l u g s c h r i f t e n der Gegenreformat o r e n w u r d e der F a m i l i e n n a m e L u t h e r s gewöhnlich in Luder 'Wollüstling', ' P r o s t i t u i e r t e ' v e r ä n d e r t (genauer dazu K a p i t e l I I ) . 47 Von d e m geweichten Wasser widder A n d r e a m bodenstein von K a r l s t a d t doctor zu W i t t e n b e r g . 48 Die zwölf Artikel der B a u e r n 1525. Kritisch hg. v. A. Götze, in: Historische Vierteljahrschrift 5 (1902) 1 - 3 3 . 49 Die zwölf Artikel der B a u e r n von 1525. Kritisch hg. v. A. Götze, in: Aus d e m sozialen u n d politischen K a m p f , hg. v. A. Götze, u. L. E . S c h m i t t . Halle 1953. ( = F l u g s c h r i f t e n a u s der Reformationszeit 20). 50 E s wird j e t z t a n g e n o m m e n , d a ß Lotzer der Verfasser dieser F l u g s c h r i f t ist, die E i n l e i t u n g aber h a b e Schappeler geschrieben. 51 K a r l Schottenloher, Der Münchner B u c h d r u c k e r H a n s Schobser 1500—1530. Mit einem A n h a n g : W e r ist J o h a n n Locher v o n München? München 1925. 52 H e r b e r t B u r c k h a r d t , Einleitung z u : K a r s t h a n s (1521). hg. v. H . B u r c k h a r d t . Leipzig 1910. ( = F l u g s c h r i f t e n a u s den ersten J a h r e n der R e f o r m a t i o n , B d . 4, H e f t 1). 53 Vgl. d a s Vorwort zu dieser Flugschrift, wo a n g e n o m m e n wird, d a ß P a m p h i l u s Gengenbach der A u t o r ist (Flugschriften a u s den ersten J a h r e n der R e f o r m a t i o n B d . 3, S. 8). ®4 M. M. G u c h m a n n , Weg, a. a. O., T. 2, S. 125ff. 55 Arno Schirokauer, F r ü h n e u h o c h d e u t s c h , in: D e u t s c h e Philologie i m Aufriß, hg. v. W . S t a m m l e r . 1: Berlin 21957, S. 901 f. 56 Alle Quellen werden bei der ersten E r w ä h n u n g m i t vollem Titel a n g e f ü h r t ; außerd e m werden sie vollständig u n d alphabetisch i m Quellenverzeichnis a u f g e f ü h r t . « H a n n o v e r 21863. I I I . 58 Vgl. Rhegius, Von leybeygenschafft odder knechtheit, Wie sich H e r r e n v n n d eygen lewt/ christlich h a l t e n sollen . . . D u r c h D . U r b a n ü R e g i u m zu Augspurg geprediget. 1525; die a n o n y m e Flugschrift „Ein Christlich Predig wider die vnchristlichen E m p ö r u n g v n n d vngehorsam/ etlicher v n t e r t a n e / So sie i t z t v n t e r d e m scheyn des Euangelions v n n d christenlicher F r e y h e i t / o n g r u n d wider Gott/sein heyligs w o r t / Vnd ir selbs Eere/ Glubd v n d Ayde f ü r n e m e n n " u n d Lange, U o n n 12
Guchmann
178
Anmerkungen
gehorsam der Weltliche oberkeit/ v n d de a u ß g ä g e kloster leute/ ein schützred a n Doctor A n d r e a s F r o w i n . D . J o h ä n i s Lagen Ecclesiastes zu E r f u r d t , M D X X i i j . 59 Vgl. d a r u n t e r : „ K a r s t h a n s " u n d Bucer, „Gesprech biechlin n e ü w K a r s t h a n s " sowie zahlreiche andere Flugschriften in Dialogform, die Streitschriften Melanc h t h o n s „Figur des antichristlichen B a p s t s vii seiner Synagog", „ D e u t t u n g der czwo grewliche figuren. Bapstesels czu R o m v n d Munchkalbs zu F r e y b e r g y n n Meyssen f u n d e n . P h i l i p p u s M e l a n c h t h o n D . Martinus L u t h e r . W i t t e m b e r g , M D X X i i j " ; die a n o n y m e n Streitschriften „Ein Predig v o m Wolff zu de Gensen kürtzweylig zu lesen M D X X i i i j " , „ D a s B a p s t u m mit seynen gliedern gemalet v n d beschryben gebessert v n d g e m e h r t " [1526], „Ein v n d e r r e d des B a p s t s v n d seiner cardinelen wie im zu t h u n sey/vnd d a s wort gottes v n d e r zu t r u c k e n e y n yeglicher sich d a r a u f f zu bedencken, 1526", „Absag/ oder vhed s c h r i f f t / D e s Hellischen F ü r s t e n n Lucifers/ Doctor Martin L u t h e r ietzt zü g e s a n d t . " o. O. u. J . [Speyer ( J a k o b Fabri) 1524], a u ß e r d e m die (Anm. 34) e r w ä h n t e Flugschrift H u t t e n s usw. 60 Vgl. die o b e n g e n a n n t e F l u g s c h r i f t von Cochlaeus u n d auch a n d e r e Schriften v o n ihm, z. B. „ A n t w o r t " . 61
E c k , J o h . , Die falsch o n w a r h a f t i g , verfurisch Leer Virich zwingli v o n zvrch, dvreh doctor J o h a n E c k e n außzogen. G e d r u c k t zu I n g o l s t a t . I m J a r M D X X V I . 62 Vgl. z. B . Die d r i t t e geschrifft H u l d r y c h Zuinglins/ wider J o a n s e n F a b e r / ü b e r d a s erdicht büchlin/ dz er N ü w z y t u n g genennet/ v n d i m H ö w m o n a t h a t lassen v ß g o n M D X X V I . Geben zü Zürich. 63 Flugschriften a u s den ersten J a h r e n der R e f o r m a t i o n , B d . 4, H e f t 5, S. 321. 64 Zitiert n a c h d e m N a c h d r u c k in: Die R e f o r m a t i o n im zeitgenössischen Dialog. B e a r b . u. eingel. v. W . L e n k . Berlin 1968. 65 Zu Müntzers Lebzeiten w u r d e dieser Anschlag n i c h t veröffentlicht, aber er ist in mehreren handschriftlichen Fassungen erhalten, vgl. die kürzere deutsche F a s sung, v o n Müntzer eigenhändig geschrieben, in: T h o m a s Müntzers Briefwechsel, hg. v. H . B ö h m e r u. P . K i r n , S. 139ff. u n d die erweiterte F a s s u n g , v o n einem seiner A n h ä n g e r aufgezeichnet, erstmals u n m i t t e l b a r n a c h der H a n d s c h r i f t h g . v. E . W o l f g r a m m . 66 Murner, An den Großmechtigsten . . . adel, S. 24. 67 Bucer, Gesprech biechlin n e ü w K a r s t h a n s , S. 100. 68 E b d . , S. 101. 69 K a r s t h a n s , z. B . S. 79. 70 Vgl. auch Sachs, D i s p u t a t i o n zwischen eüiem Chorherren v n d S c h u c h m a c h e r , d a r i n n d a s wort g o t t e s v n n d ein recht Christlich wesen v e r f o c h t e n w ü r t . o. O. 1524 [Erstdruck: B a m b e r g (Georg Erlinger)] u n d Stanberger, Dialogus zwischen P e t r o v n d e y n e m B a w r n , d a r i n n e angezeigt w u r d t , wie m a n a u ß P e t r o einen J u d e n g e m a c h t h a t , v n d nie sie ken R o e m k o m m e n . E r f u r t (Michael B u c h f ü r e r ) 1523. 71 emplössung, S. 39. 72 Schutzrede, in: T h o m a s Müntzer, Politische Schriften, Manifeste, Briefe 1524/25. Eingel., k o m m e n t i e r t u. hg. v. M. Bensing u. B. R ü d i g e r . Leipzig 1970, S. 148. 73 Vgl. die Ausgabe v o n Götze, Halle 1953, S. 40. 74 Murner, A n d e n Großmechtigsten . . . adel, S. 13; vgl. a u c h S. 39, 41, 45, 46 u n d 47. 75 Vgl. I r m g a r d Weithase, Zur Geschichte der gesprochenen deutschen Sprache. 1: Tübingen 1961, S. 41—44 u n d C. Schmidt, Ueber d a s P r e d i g e n in den L a n d e s -
Anmerkungen
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sprachen während des Mittelalters, in: Theologische Studien und Kritiken. Hamburg 1846. H e f t 2, S. 294. 76 Weithase, Geschichte, a. a. O., S. 51 und Geilers von Kaisersberg ausgewählte Schriften nebst einer Abhandlung über Geilers Leben . . . von Philipp de Lorenzi. 1: Trier 1881, S. 74. 77 Sachs, Disputation, S. 211. 78 Ein kurtzer begriff wie der Schultheiß v n die gemein deß dorffs Fridhusen vff dem gnoden barg, gemeinlich erkant vnd erweit haben ein schöffel irs dorffs mit namen H a n s Knüchel, dz der selbig an stat ihres Pfarrers sol verkünden vnd predige die Ewägelische leer vnd de wäg der säligkeit, biß zu der zu k u n f f t irers Pfarrers, o. O. u. J . [Basel (Pamphilus Gengenbach) 1523], S. 246. 79 Kettenbach, E y n gesprech Brüder Hainrich von Kettenbach mit aim fromen alte mütterlin von Vlm. o. O. [Augsburg] 1523, S. 59 so Ebd., S. 67. 81 Linck, Dyalogus Der Außgelauffen Münch Wentzeslaus Linck Ecclesiastes zu Aldenburgk. Gedruckt in der Fürstlichen Stadt Aldenburgk durch Gabriel K a n t z : I m Tausent F ü n f f h u n d e r t vnd im X X V Jare. Bijj. 82 Karsthans, S. 89. 83 Ebd. 84 Cochlaeus, Antwort, (Vorwort). 85 Hofmeister, Acta und handlung des gesprächs/ so von allen Priestern der Tryen Pündten im M D X X V I jar vff Mentag v n Zynstag nach der heyligen I I I künigen tag zü Inlantz im grawen P u n d t vß Ansehung der Pundtsherren geschehen durch Sebastian Hofmeyster von Schaffhusen verzeichnet. D a t u m zü Zürich am Mäntag nach Sebastianus tag im jar MDXXVI. 86 Lachmann, Drey Christlihe ermanung, S. 444. 87 Ebd. 88 Römer, Ein schöner Dialogus von den . . . beschwernüß, S. 68. 89 So im „Karsthans" (S. 67), wo Murner wie ein erboster Kater miauend und zischend erscheint. Vgl. auch das Antwortgedicht auf Murners Lied „Ain new lied von dem vndergang des Christlichen Glaubens", das oben angeführt wurde. 90 Vgl. „Ain schöner dialogus Cüntz vnnd der Fritz Die brauchen wenig witz E s gild vmb sy ain klains So seinds der sach schon ains Sy redent gar on traueren Vn sind gut luthrisch bauren", wo von Junckherr Eck oder Geck die Rede ist; im „Karsthans" wird geükus (lat. gauchius) verwendet unter dem Einfluß des lateinischen Dialogs „Eccius Dedolatus". 9 1 S. 38. 92 Vgl. „Gesprech büchlein/ von eynem Bawern", hg. v. Clemen, S. 334. 93 Kettenbach, Ein Sermon wider des bapsts kuchen prediger, S. 33; vgl. auch Thomam von Coquin in „Eynn Dialogus ader gesprech zwischen einem Vatter vnnd Sun dye Lere Martini Luthers vnd sunst andere Sachen des Cristlichen glaubens belangende." E r f u r t (Michael Buchfürer) o. J . [1523], S. 156. 94 An die versamlung gemayner Pawerschafft. 95 Römer, Ein schöner Dialogus von den . . .beschwernüß, S. 86. 96 Vgl. Kettenbach, Verglychüg des aller heiligsten herrn v n vatter des Bapsts, gegen dem seltzem fremden gast in der Christenheyt genant Jesus, der in kurtzer zeyt 12*
180
Anmerkungen.
w i d e r u m b in t e u t s c h l a n d t ist körnen, v n d j e z u n d t wid' wil in E g i p t e n l ä d t als ein verachter bey vnns. o. O. [Bamberg (Georg Erlinger)] 1523, S. 146: warumb setzet jr euch nitt mit gewalt wider die reyssendt wolff . . . die papisten. Besonders o f t begegnet dieses Bild in den F l u g s c h r i f t e n Müntzers. 97 Vgl. Schirokauer, F r ü h n e u h o c h d e u t s c h , a. a. O., S. 901 f. i des T y p s irste, von u > o vor r u n d anderen Konsonanten vom T y p kortz, schlösset, den U m l a u t des au vor Labialen in keuffen, heubt usw. 188 K e t t m a n n , Soziologie, a. a. O., S. 353-366. 189 Fleischer, Geschäftssprache, a. a. O. «o Akten zur Geschichte des Bauernkriegs, 1,1, S. 136ff., N r . 185. 191 Ebd., 1,1, S. 257ff., Nr. 339; S. 313, Nr. 413 (Graf Philipp zu Solms a n seinen Sekretär J o h a n n Gryffen): konst, em, Stillung, geplondert, geschrebn usw. 192 Ebd., 1,1 S. 56ff., Nr. 86. 193 Ausführlicher bei Guchmann, Weg, a. a. O., T. 2, S. 173-175. 194 Werner Besch, Sprachlandschaften u n d Sprachausgleich im 15. J a h r h u n d e r t . Studien zur Erforschung der spätmittelhochdeutschen Schreibdialekte u n d zur E n t s t e h u n g der neuhochdeutschen Schriftsprache. München 1967, S. 340—363. 195 Guchmann, Weg, a. a. O., T. 2, S. 155.
Literaturverzeichnis
Quellen Absag/ oder v h e d s c h r i f f t / Des Hellischen F ü r s t e n n Lucifers/ D o c t o r Martin Lutherietzt zü gesandt, o. O. u. J . [Speyer ( J a k o b F a b r i ) 1524], hg. v. O. Clemen. Leipzig 1909 ( = F l u g s c h r i f t e n a u s den ersten J a h r e n der R e f o r m a t i o n , B d . 3, H e f t 7). Acta oder geschieht wie es vff dem gesprech d. 26. 27. v n n d 28 tagen W y n m o n a d t » in der Christenlichen s t a t t Zürich/ vor eim E r s a m e gseßnen großen v i kleine R a d t ouch in b y sin m e r d a n 500 priestern/ v n d vil a n d e r e r biderber l ü t e n / ergangen ist. A n b e t r e f f e n d die götze v n d die Meß. A n n o M D X X I I I jar. G e t r u c k t in d e r Christenlichen s t a t t Zürich/ durch Christophorü Froschouer. A k t e n zur Geschichte des Bauernkriegs in Mitteldeutschland. B d . 1,1: hg. v. O. Merx. Aalen 1964; B d . 1,2: hg. v. G. F r a n z . Leipzig u . Berlin 1934. Albertus, L a u r e n t i u s Ostrofrancus, Teutsch G r a m m a t i c k oder S p r a c h k u n s t . Aug u s t a e vindelicorum e x u d e b a t Michael Manger. M D L X X I I I . Alveldt, Augustin, W i d e r den Wittenbergischen A b g o t t M. L u t h e r , 1527. Die zwölf Artikel der B a u e r n von 1525 s. h a u p t Artickel. Artzt, Ulrich, Die Correspondenz des schwäbischen B u n d e s h a u p t m a n n s Ulrich A r t z t v o n Augsburg a. d. J . 1524 u n d 1525. hg. v . W . Vogt, in: Zeitschrift des Historischen Vereins f ü r Schwaben u n d N e u b u r g . Augsburg 6 (1879) 281 ff., 1 (1880) 233 ff., 9 (1882) l f f . Ain schöne außlegung ü b e r d a s götlich gebeet V a t t e r unser. D a s v n s Gott selbs gelernet h a t . Daz h a t b e t r a c h t Ain armer P a u r der weder lesen noch schreyben kart gar hüpsch u n d nutzlich. 1522. D a s B a p s t u m m i t seynen gliedern gemalet v n d beschryben gebessert v n d g e m e h r t . [1526], Der g e s t r y f f t Schwitzer B a u r Diß büchlin h a t g e m a c h t ein B a u r a u ß d e m E n t l i b ü c h wem es nit gefall der k ü ß im die brüch. E i n k u r t z e r b e g r i f f « . Gengenbach, P a m p h i l u s . H i e k o m p t ein Beüerlein zu einem reichen Burger von der güldt, den Wucher bet r e f f e n , so k u m p t ein P f a f f auch darzu v n d d a r n a c h ein m ü n c h , g a r kurtzweylich. zu lesen, o. O. u. J . [ S t r a ß b u r g (Joh. Prüss) u m 1522]. in: Die R e f o r m a t i o n im zeitgenössischen Dialog. Bearb. u. eingel. v . W . L e n k . Berlin 1968, S. 141—145. Brenz, J o h . , W o n Milterung/ der F ü r s t e n gegen/ den a u f r ä r i s c h e B a u r e durch / J o h ä n e m B r e n t z . / Ecclesiasten zu schwebischen Hall. o. O. [Augsburg (Simpert R u f f ) ] 1525. hg. v. G. Bossert. Leipzig 1908 ( = F l u g s c h r i f t e n a u s d e n ersten J a h r e n der R e f o r m a t i o n , B d . 3, H e f t 4). [Bucer, Martin], Geprech biechlin neüw K a r s t h a n s . o. O. u. J . [ S t r a ß b u r g (Matthias Schürer) 1521]. in: Die R e f o r m a t i o n im zeitgenössischen Dialog. Bearb. u. eingel. v. W . Lenk. Berlin 1968, S. 9 1 - 1 2 7 . E y n Clag v n d b i t t der deutsche Nation an den almechtigen g o t t v m b erloszüg außd e m gefencknis des Antichrist.
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Literaturverzeichnis
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Ableinung der verantwurtung Bürgermeisters vnnd Rats der Stat Costentz sy vnd jrr Luttherisch predieanten betreffend. Ingolstadt [Peter Apianus] o. J . [1526?]. Wider den Gotzlesterer vnnd Ketzer Cunraten Son, genant Rotenacker. o. O. u. J . [Ingolstadt (Peter Apianus) 1527]. Emser, Hieron., Emßers bekentnis/ das er den titel auff Luthers Sendbrieff an den Konig zu Engelland gemacht/ vnd das yhm Luter den verkert/ vnd zu mild gedewt hat. Gedruckt zu Dreßden durch Wolfgang Stöckel. — Das man der heylige bilder yn den kirche nit abthon/ noch vnehren soll/ vnnd das sie yn der schrifft nynderst verbotte seyn. Geben zu Dresden Anno X X i j . — Der bock tritt frey auff disen plan Hat wyder Ehren nyt gethan wie sehr sie yn gescholden han Was aber Luther fuer ein man Vnd wilch ein spil er gfangen an Vnd nun den mantel wenden kan Nach dem der wind thut eynher ghan Findstu in disem buchlin stan. M D X X V . — Wyder das wild Geyffernd Eberschwein Luthern/ So ynn dem weyngartte des Herren der krefften wület/ grabet/ vn sich vnderstehet mit seynem besodeltenn Rüssel vmbzustoßen die Canonizacion Diui Bennonis vnd aller heyligen ehr erbietung zu vertilgen. MDXXiiij. — Wyder den falschgenanten Ecclesiasten/ vn warhaftigen Ertzketzer Martinum Luther Emsers getrawe vn nawe Vorwarnung mit bestendiger Vorlegung aus bewerter/ vnd canonischer schrifft. Gedruckt in der Fürstlichen Stadt Dresden MDXXIIIj. Von Der rechten Erhebung Bennonis eyn sendbriff. J . N. o. O. [Wittenberg (Hans Luft)] 1524. hg. v. A. Götze. Halle 1906 ( = Flugschriften aus den ersten Jahren der Reformation, Bd. 1, Heft 5). Fabri, Joh., Christenliche ableynung des erschröckenlichen yrsal/ so Caspar schweckfelden in der Schlesy/ wyd' die warheyt des hochwirdigen Sacraments leibs vn blüts Christi/ auffzürichten vnderstädenn hat, Mentz, 1529, J . Schoffer. — Ein freintliche geschrifft/ Doctor Johann Fabri/ an Virich Zwingly maister zü Zürich. [1519]. — Wie sich Johannis Hußs/ der Picarder/ vnd Johannis vö wessalia/ Leren vnd buecher mit Martino Luther vergleichen. Beschrieben durch Doctor Johann Fabri. Gedruckt tzu Leyptzik/ durch Valien Schuman des iarß 1528. Förstemann s. Urkundenbuch. Ein Frag vnd Antwort von zweyen brüdern, was für ein seltzames Thier zu Nürenberg gewesen im Reychßtag nechst vergange, geschickt von Rom zü beschawen dasTeutschlandt. o. O. u. J . [Nürnberg (Jobst Gutknecht) 1524]. hg. v. O. Clemen. Halle 1906 ( = Flugschriften aus den ersten Jahren der Reformation, B d . 1, Heft 5). Franck, Sebastian, Chronica, Zeytbuch vnd geschychtbibel. Straßburg 1531. Fritzhans, Joh., Von dem geweichten Wasser widder Andream bodenstein von Karlstadt doctor zu Wittenberg. Ein kurz Gedicht so nüwlich ein Pur Doctor M. Luther unnd siner leer zu lob und synen widerwertigen zu Spott gemacht hat. Ain new Gedicht wie die gaystlichait zü Erffordt in Dhüringen Gesturmbt ist worden kurtzweylig zü lesen, o. O. [Augsburg (Melchior Ramminger)] 1521. hg. v. W. Lücke. Leipzig 1907 ( = Flugschriften aus den ersten Jahren der Reformation, Bd. l , H e f t 9). Ein neues Gedicht des da spricht nach des Luthers Lehre. [Gengenbach, Pamphilus], Ein kurtzer begriff wie der Schultheiß vn die gemein deß
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dorffs Fridhusen vff dem gnoden bärg, gemeinlich e r k a n t v n d erweit h a b e n ein schoffel irs dorffs mit n a m e n H a n s Knüchel, dz der selbig a n s t a t ires P f a r r e r s sol v e r k ü n d e n v n d predige die Ewägelische leer v n d de wag der s&ligkeit, biß zu der zu k u n f f t irers P f a r r e r s , o. 0 . u. J . [Basel (Pamphilus Gengenbach) 1523]. hg. v. A. Götze. Halle 1906 ( = Flugschriften a u s den ersten J a h r e n der R e f o r m a t i o n , Bd. 1, H e f t 6). [—] E i n cleglichs gesprech geschähen nit weit von Trient vff der R o m e r s t r a ß / von einem A p t / Curtisanen v n d de Teüfel/ wider den f r o m m e n P a b s t A d r i a n ü . o. O. [Basel (Pamphilus Gengenbach)] 1522. hg. v. A. Richel. Leipzig 1908 ( = Flugschriften a u s den ersten J a h r e n der R e f o r m a t i o n , B d . 3, H e f t 1). Zwey keyserliche uneynige v n d wyderwertige gepott den L u t h e r b e t r e f f e n d I m J a r 1524. E i n cleglichs gesprech s. Gengenbach, P a m p h i l u s . A y n freuntlich gesprech/ zwyschen ainem Barfüsser M ü n c h / a u ß der P r o u y n z Osterreych/ der Obseruantz/ v n d aine Löffelmacher/ mit n a m e n H a n s Stösser gar lustig zü lessen/ v n n d ist der recht g r u n d t . E i n Lüstigs Gesprech der Römischen P f a f f e n v n d Lutherischen B a u r n . R o m a n u s Pasquillus. E y n gesprech zwyschen vyer Personen wye sie eyn getzengk haben, von der W a l f a r t y m Grimmetal, was f ü r v n r a d t odder b ü b e r e y , dar aus e n t s t a n d e n sey. o. O. u. J . [ E r f u r t (Wolfgang Stürmer) 1523/4]. in: Die R e f o r m a t i o n im zeitgenössischen Dialog. Bearb. u. eingel. v. W . Lenk. Berlin 1968, S. 179-196. Gesprech büchlein, von einem Bawern, Belial, E r a s m o R o t t e r o d a m v n d doctor J o h a n n F a b r i , kürtzlich die w a r h e y t anzeygend, was E r a ß m u m v n d F a b r u m zu Verleugnung des gots worts beweget h a t t . o. O. u. J . [Speyer ( J a k o b F a b r i ) 1524], in: Die R e f o r m a t i o n im zeitgenössischen Dialog. B e a r b . u. eingel. v. W . Lenk. Berlin 1968, S. 2 1 5 - 2 2 3 . Gesprech büchlein/ von e y n e m B a w e r n / Belial/ E r a s m o R o t e r o d a m / v n d doctor J o h a n F a b r i / kürtzlich die w a r h e y t anzeygend/ was E r a s m ü v n F a b r ü zu Verleugnung des gots worts beweget h a t . o. O. u. J . [Speyer ( J a k o b F a b r i ) 1524]. hg. v. O. Clemen. Halle 1906 ( = Flugschriften aus den ersten J a h r e n der Reform a t i o n , B d . 1, H e f t 8). Ain hüpsch Gesprechbiechlin/ von ainem P f a f f e n v n ainem W e b e r / die züsamen komen seind auff der s t r a ß , w a ß sy f ü r r e d / frag/ v n n d a n t w o r t / gegen a i n a n d e r g e b r a u c h t h a b e n / des Euangeliums v n d anderer sache halben. 1524. Gesprech biechlin neüw K a r s t h a n s s. Bucer, Martin. Teutsch G r a m m a t i k oder S p r a c h k u n s t s. Albertus, Laurentius. Grunbach, Argula v., E i n Brief an den F ü r s t e n Friedrichen, 1524. Guttel, Caspar, Schutzrede widder eczliche v n g e t z e m b d t e freche C l a m a n t e n / wilche die Euangelischen lerer schuldigen/ wie d a s sie eynen newen Glawben predigen . . . /gestellet v n gepredigt/ zu A r n s t a d t / durch Caspar Guethell/ Augustiner/ von E y ß l e b e n , 1522. Haferitz, Simon, E i n Sermö v o m F e s t der heyligen drey Konig gepredigt durch Simonem H a f e r i t z zu Alstet M D X X i i i j . H a n d l u n g Artickel v n d I n s t r u c t i o n so furgenome sein worden von allen R o t t e n v n d h a u f f e n der B a w r e n / so sich zusamen verpflicht haben, o. O. 1525. D y e G r ü n d l i c h e n V n d rechten h a u p t / Artickel aller B a u r s c h a f f t v n n d / Hyndersessen der Gaistlichen v n Weltlichen o b e r k a y t e n , von wolchen sy sich beschwert ver-
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Literaturverzeichnis
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Ein Christlich Predig wider die vnchristlichen E m p ö r u n g v n n d vngehorsam/ etlicher v n t e r t a n e / So sie itzt vnter dem scheyn des Euangelions v n n d christenlicher Freyheit/ on grund wider Gott/ sein heyligs w o r t / Vnd ir selbs Eere/ Glübd v n d Ayde f ü r n e m e n n . Ein Predig vom Wolff zu de Gensen kürtzweylig zu lesen MDXXiiij. Bhegius, Urbanus, Eine tröstliche Disputation. E r f u r t 1526. — Widder den neuen irsall Thomas Müntzers D . Andreas K a r l s t a d t v n anderer Schwürmer des Sacraments halben/ warnung D . U r b a n i Regij zu Augspurg prediger. M D X X V . — Von leybeygenschafft odder knechtheit. Wie sich Herren v n n d eygen lewt/ christlich halten sollen . . . Durch D. U r b a n ü Regium zu Augspurg geprediget. 1525. [Römer, Joh.], Ein schöner Dialogus von den vier grösten beschwernüß eins jeglichen pfarrers nach sag eines sonderlichen verß hernach geschriben. o. O. u. J . [Schlettstadt (Lazarus Schürer)? 1521]. hg. v. W . Lücke. Leipzig 1908 ( = Flugschriften aus den ersten J a h r e n der Reformation, B d . 3, H e f t 2). Sachs, Hans, Disputation zwischen einem Chorherren v n d Schuchmacher, darinn das wort gottes v n n d ein recht Christlich wesen verfochten w ü r t . o. O. 1524 [Erstdruck: Bamberg (Georg Erlinger)], in: Die Reformation im zeitgenössischen Dialog. Bearb. u. eingel. v . W . Lenk. Berlin 1968, S. 197-214. — E i n wunderliche Weissagung/ von dem B a p s t u m b / wie es y h m bis an das ende der werlt gehen soll/ y n n figuren odder gemeide begriffen/ gefunden zu N u r m b b e r g / y n Cartheuserkloster/ v n d ist seer alt. Ein vorred Andreas Osianders/ Mit g u t t e r verstendtlicher auslegung/ durch gelerte leut verklert. Wilche/ H a n s Sachs y n Deudsche reymen gefasset v n d dar zu gesetzt h a t . I m M D X X v i j J a r e . Sattler, Michael, Brüderlich vereynigung etzlicher kinder Gottes sieben Artickel betreffend. J t e m E y n sendtbrieff Michael Satlers in eyn gemeyn Gottes, o. O. u . J . [1527], hg. v. W. Köhler. Leipzig 1908 ( = Flugschriften aus den ersten J a h r e n der Reformation, Bd. 2, H e f t 3). [Schappeler, Christoph], Verantwortung vnnd auflösung etlicher vermeintter Argument, o. O. [Augsburg (Melchior Ramminger)] u . J . hg. v. A. Götze. Leipzig 1908 ( = Flugschriften aus den ersten J a h r e n der Reformation, B d . 2, H e f t 4). Schnöwyl, Joh., Der Blinden fürer bin ich gnennt D e m der sich selber blindt erk e n n t . Von J o h a n n Schnöwyl von Straßburg armer vndertheniger Burger, MDXXVT. Schorr, J a c o b , Radschlag vber den Lutherischen handel dem Durchleuchtigen hochgebornen F ü r s t e n v n d Herren/ herrn Ludwigen Pfalzgrauen b e y m R h e y n e Hertzogen y n n Beyren/ v n grauen zu Veldentz zu weylend furgenomen Speyerischen Reych/tage/ gemacht durch seyner F . G. Landschreyber. Guttenberger Gemeynschaft J a c o b Schorren, M D X X V . Schwalb, Hans, Beclagung aines leyens genant H a n n s schwalb über vil mißbreüch Christliches lebens, v n d darin begriffen kürtzlich von J o h a n n e s Hußsen. o. O. [Augsburg (Melchior Ramminger)] 1521. hg. v. W . Lücke. Halle 1907 ( = Flugschriften aus den ersten J a h r e n der Reformation, B d . 1, H e f t 9). E y n Sendebrief der bruder aus Behem die m a n n bis hieher Pickarten vnnd Waldenser genant an den grossmechtigen herrn Luwig Vngerischen vnde Behemischen K6nig gesant im iar 1525. E y n newer Sendbrieff von den boßen geystlichen geschickt zu y h r e m rechten erbherren. Anno M D X X j . 3 Guchmann
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Literaturverzeichnis
E y n recht Christlich. Sende Brieff v n e r b i t t u n g / der B r u d e r a u s B e h e m A n n alle stende des R e y c h s / so a u f f den gemeynen l a n d t t a g zu P r a g versamlet gewest a m t a g der bekerung des heyligen P a u l i . I m iar 1526. E y n Sermon gepredigt v o m P a w r e n zu W e r d t b e y Nürnberg, a m Söntag vor F a ß n a c h t / v o n d e m F r e y e n willen des Menschen I m M D X X I i i j J a r Gedruckt zu E r f f o r t y n der P e r m e n t e r gassen Z u m ferbe f a ß . Anno M D X X i i i j . Etliche Sprüche a u s den der L u t h e r v o n eygenen b e k e n t n u s v e r d ü m e t wirth. Stanberger, Balthasar, E i n Dialogus oder gesprech zwische einem Prior/ Leyenb r u d e r v n B e t t l e r dz wort gottes belanget gemacht durch B a l t a s a r Stanberger zu W e i m a r in dem Fürstlichen/ schloß dem a r m e n leyen zü t r o s t . — Dialogus zwischen P e t r o v n d e y n e m B a w r n , darinne angezeigt w u r d t , wie m a n a u ß P e t r o einen J u d e n gemacht h a t , v n d nie sie ken R o e m k o m m e n . E r f u r t (Michael B u c h f ü r e r ) 1523. in: Die R e f o r m a t i o n im zeitgenössischen Dialog. B e a r b . u. eingel. v. W . Lenk. Berlin 1968, S. 168-178. Stifel, Michael, Von der Christförmigen, rechtgegründten leer Doctoris Martini L u t h e r s , ein ü b e r u ß schön kunstlich Lyed, s a m p t seiner n e b e n vßlegung. J n b r ü d e r Veiten t h o n . o. O. u . J . [ S t r a ß b u r g (Joh. Schott) ? 1522]. hg. v. W . Lücke. Leipzig 1909 ( = Flugschriften aus den ersten J a h r e n der R e f o r m a t i o n , B d . 3, H e f t 7). Stör, T h o m a s , E i n christliche v e r m a n u n g T h o m a n Störs, an den e r b a r n weisen A n t h o n i u m Thürler gestellet. D a s er in den wercken d' lieb (wie angefange) besten digklich v e r h a r r e n wöl. o. O. [Bamberg (Georg Erlinger)] 1524. hg. v. O. Clemen. Leipzig 1909 ( = Flugschriften a u s den ersten J a h r e n der R e f o r m a t i o n , B d . 3, H e f t 7). E i n v n d e r r e d des B a p s t s v n d seiner cardinelen wie im zu t h u n sey/ v n d das wort gottes v n d e r zu t r u c k e n e y n yeglicher sich d a r a u f f zu bedencken, 1526. E i n gloubwirdig/ v n d w a r h a f f t i g vnderricht wie die Dhoringischen P a w e r n vor F r a n c k e n h a w ß e n / u n d b e y de S t e t t F r a n c k e n h a w ß e n v n d Molhawßen erobert worden M D X X V . F ü r u n d wider den U n t e r r i c h t des Luthers. Leipzig. Grundtliche v n t e r r i c h t u n g / eins erbern R a t s der S t a d t N ü r m b e r g / Welcher gestalt jre P f a r r h e r v n Prediger in den S t e t t e n v n a u f f dem L a n d / das volck/ wider etliche verfürische lere der W i d e r t a u f f e r / in jren predigen a u ß heyliger Gütlicher s c h r i f f t / z u m getreülichste e r m a n e n v n n d v n t e r r i c h t e n sollen, [1525]. U r k u n d e n zur Geschichte des Bauernkrieges u n d der Wiedertäufer, hg. v. H . B ö h m e r . Berlin 1933. Neues U r k u n d e n b u c h zur Geschichte der evangelischen K i r c h e n r e f o r m a t i o n , hg. v. K . E . F ö r s t e m a n n . B d . 1.: H a m b u r g 1842. V e r a n t w o r t u n g v n n d auflösung etlicher v e r m e i n t t e r A r g u m e n t s. Schappeler, Christoph. Verhör v n A c t a vor dem Byschoff v o n Meysßen kegen de Byschoff t z u der L o c h a w . o. O. u. J . [Wittenberg (Joh. Grunenberg) 1522]. hg. v. H . Barge. Halle 1906 ( = F l u g s c h r i f t e n aus den ersten J a h r e n der R e f o r m a t i o n , B d . 1, H e f t 2). An die versamlung g e m a y n e r P a w e r s c h a f f t / so in H o c h t e ü t s c h e r N a t i o n / v n d vil anderer o r t / mit e m p ö r u n g v n a u f f r ü r e n t s t ä n d e , ob jr e m p ö r u n g billicher oder vnpillicher gestalt geschehe/ v n d was sie der Oberkait schuldig oder nicht schuldig seind. gegründet a u ß der heyligen Götlichen geschrifft/ von Oberlendischen m i t b r ü d e r n g ü t t e r m a y n u n g a u ß g a n g e n v n d beschriben.
Literaturverzeichnis
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Uertrag zwische dem löbliche Bundt zu Schwaben/ vnnd den zwayen hauffen vnd versamlung der Pawern am Bodensee vnnd Algew. Anno MDXXV. Ein wunderliche Weissagung s. Sachs, Hans. Wulfer, Wolfgang, Wid' die vnselige auffrure Merten Luders von Wolffgango Wulffer vii andern christgleubige euch zw Wittenberg/ tzugeschriben. Leipzig 1522. Zwingli, Ulrich, Dye ander antwurt/über etlich vnwarhaft/vnchristenlich antwurtten die Egg vff der disputation ze Baden gegeben hat/ Mit einer vorred an ein lobliche Eydgnosschaft. Durch Huldrich Zuingli. Getruckt Zürich, durch Johannsen Hager j m M D X X V I jar. — Die dritte geschrifft Huldrych Zuinglins/ wider Joansen Faber/ über das erdicht büchlin/ dz er Nüwzytung genennet/ vnd im Howmonat hat lassen vßgon MDXXVI. Geben zu Zürich. — Welche Vrsach gebind zu ufrüren welches die waren vfrürer sygind/ vnd wie man zü Christlicher einigkeit vnd fryden komen möge/ durch Huldrych Zuinglin zü Zürich. MDXXV. Getruckt durch Christophorum Froschouer zü Zürich.
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