Der Wortbestand von Flugschriften aus den Jahren der Reformation und des Bauernkrieges [Reprint 2022 ed.] 9783112618325, 9783112618318


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German Pages 280 [281] Year 1976

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Der Wortbestand von Flugschriften aus den Jahren der Reformation und des Bauernkrieges [Reprint 2022 ed.]
 9783112618325, 9783112618318

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Hannelore Winkler • Der Wortbestand von Flugschriften

AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN DER DDR

Zentralinstitut für Sprachwissenschaft

55 Bausteine zur Sprachgeschichte des Neuhochdeutschen Herausgegeben von Günter Feudel

HANNELORE

WINKLER

Der Wortbestand von Flugschriften aus den Jahren der Reformation und des Bauernkrieges

A K A D E M I E - V E R L A G • BERLIN 1975

Erschienen im Akademie-Verlag, 108 Berlin, Leipziger Str. 3—4 © 1975 by Akademie-Verlag, Berlin L i z e n z n u m m e r : 202 • 100/238/75 Gesamtherstellung: V E B Druckerei „ T h o m a s M ü n t z e r " , 582 Bad Langensalza Bestellnummer: 752 388 8 • LSV 0815 Printed in G D R EVP 3 5 , -

Meiner Mutter

gewidmet

VORWORT

Der vorliegenden Arbeit liegt eine im September 1970 von der Sektion Kulturwissenschaften und Germanistik der Karl-Marx-Universität Leipzig angenommene Dissertation A zugrunde, die für die Aufnahme in die Reihe "Bausteine zur Sprachgeschichte des Neuhochdeutschen" überarbeitet wurde. In der Dissertation wurde systematisch der Wortschatz (Substantive, Adjektive, Verben) mit den Anfangsbuchstaben A-K untersucht. Die Wörter von L - Z konnten für die Veröffentlichung nicht nachgearbeitet werden. Das mindert die Aussagekraft der Arbeit nur in geringem Maße. Die Untersuchung reiht sich neueren Arbeiten an, die auf hinreichender Materialgrundlage der Entstehung und Ausformung der deutschen Schriftsprache in der Zeit der frühbürgerlichen Revolution nachgehen, indem sie die von der gesellschaftlichen Entwicklung her stark beeinflußten sprachlichen Integrationsprozesse im Wortschatz beschreiben. Als Materialgrundlage dienen revolutionäre Flugschriften. Danken möchte ich vor allem Frau Professor Dr. Guchmann (Moskau) und Herrn Professor Dr. Fleischer (Leipzig). Frau Professor Dr. Guchmann verdanke ich die Anregung, Flugschriften als Quellen zu benutzen und auf dieser Materialgrundlage eine landschaftsvergleichende Wortschatzarbeit anzufertigen. Die konkrete Ausarbeitung der Dissertation hat in dankenswerter Weise Herr Professor Dr. Fleischer gefördert. Ihm verdanke ich wertvolle methodische Ratschläge. Für Hinweise zur Überarbeitung der Dissertation bin ich Herrn Dr. habil. Kettmann (Berlin) dankbar. Mein Dank gilt auch Herrn Professor Dr. Feudel, Zentralinstitut für Sprachwissenschaft der Akademie der Wissenschaften der DDR, Berlin, der diese Untersuchung in die Schriftenreihe des Berliner Instituts aufgenommen hat. Schließlich danke ich all denen, die mir bei der Erschließungsarbeit, die am Quellenmaterial geleistet werden mußte, geholfen haben, vor allem Herrn Dr. Benzing (Mainz) sowie den Mitarbeitern des Deutschen Wörterbuches der Brüder Grimm, Akademie der Wissenschaften der DDR, die mir viele Hinweise zur Arbeit mit Wörterbüchern gaben. Berlin im Dezember 1972

Hannelore Winkler 7

INHALT

I.

Aufgabenstellung, Methode und Darstellung

9

II.

Flugschriften als Quellen der Untersuchung

20

1. 2. 3.

Zur Quellenwahl Die Quellenlage Die Quellen

20 29 38

3.1. 3.2. 3.3.

38 58 67

m.

IV.

Druckbeschreibungen Der soziale Aspekt Der territoriale Aspekt

Analyse des Wortbestandes 1.

In Schrifttum aus dem Verbreitungsgebiet der Flugschriften gemeinsam vorhandener Wortbestand . . . .

2.

Landschaftlich gebundener Wortbestand

Schlußergebnisse

80 80 171 231

Anmerkungen

245

Verzeichnis der benutzten Literatur

253

1. 2. 3.

8

Wörterbücher Untersuchungen, neugedruckte Quellen Untersuchungen in russischer Sprache

253 255 275

I. AUFGABENSTELLUNG, METHODE UND DARSTELLUNG

1. Die vorliegende Arbeit möchte ein Beitrag zur Geschichte der deutschen Nationalsprache sein. Sie beschäftigt sich mit diesem Kernproblem neurerer sprachwissenschaftlicher Forschung, indem sie Fragen zur Herausbildung eines einheitlichen nationalen Wortschatzes beantworten hilft. Gegenstand der Untersuchung ist der Wortbestand einer Reihe von Flugschriften aus den Jahren 1521 bis 1525; ihre Aufgabe, den Wortbestand der Flugschriften in seiner Einheitlichkeit wie auch in seiner landschaftlichen Differenziertheit zu zeigen. Die Arbeit geht systematisch synchron vor. Ihre Blickrichtung ist die sich herausbildende Einheitlichkeit der deutschen Literatursprache in einem Teilbereich, dem Wortschatz. Sie gehört damit zu den wenigen Arbeiten, die nicht wie in bisheriger F o r schung zum Problem der Herausbildung der deutschen Nationalsprache auf die Erforschung der Entstehung einer einheitlichen lautlichen oder grammatischen Norm gerichtet sind und den Wortschatz nicht oder kaum berücksichtigen. Sie b e schäftigt sich allein mit dem Wortschatz und trägt dazu bei, eine Lücke in der bisherigen Forschung auszufüllen. G. Ising betont in seiner Arbeit zur Wortgeographie des 15. Jahrhunderts ausdrücklich, daß synchrone Darstellungen des Wortschatzes sowohl vor dem Einsetzen der Ausgleichsvorgänge als auch eine synchrone Behandlung der Übergänge zu einem einheitlichen Wortschatz fehlen. * Das 16. Jahrhundert gehört mit dem vorangehenden 15. und dem nachfolgenden 17. Jahrhundert zur Anfangsetappe der Herausbildung einer einheitlichen nationalen Literatursprache. Im 16. Jahrhundert spielen sich bedeutende P r o zesse im Übergang von der deutschen Nationalitätssprache zur Nationalsprache ab. Vor allem drückt sich die Verbindung zu den territorialen Mundarten noch unmittelbar aus, so daß sich die Frage der Genesis der literatursprachlichen Einheitlichkeit vorrangig als Problem der Herausbildung der territorialen Einheit der Literatursprache darbietet. So beschäftigten sich denn auch eine Reihe alter Arbeiten, die Probleme zur 9

Herausbildung eines einheitlichen Wortschatzes im 16. Jahrhundert erforschen, hauptsächlich mit wortgeographischen Gegensätzen. Sie gehen aus von dem etwa 200 Wörter umfassenden Glossar, das der Basler Buchdrucker Adam Petri im Januar 1523 seinem Abdruck der Lutherschen Sep2 temberbibel 3 voranstellte. Das Glossar wurde von oberdeutschen Druckern nachgedruckt. Diese zeitgenössischen Zeugnisse wortgeographischer Unterschiede informieren zunächst über Gegensätze zwischen der Schweizer und der ostmitteldeutschen Variante der Literatursprache. Da Augsburger und Nürnberger Drucker das Schweizer Glossar nachdruckten, legt es Gemeinsamkeiten im gesamtoberdeutschen Wortschatz im Gegensatz zum ostmitteldeutschen nahe. Außer anhand der Bibelglossare wurden Wortschatzunterschiede durch Textvergleiche der Lutherschen Bibelübersetzung mit oberdeutschen Übersetzungen 4 der Bibel gewonnen. Die Untersuchungen der Glossare bzw. die Aufstellungen von Wortschatzparallelen anhand verschiedener Bibelübersetzungen werfen an linguistischen Problemen auf: landschaftliche Wortgegensätze, durch Archaisierungsprozesse oder durch unterschiedliche stilistische Abstufungen von Wörtern zu erklärende landschaftlich unterschiedliche Wortwahl, Probleme der unterschiedlichen Gebräuchlichkeit und Häufigkeit von Wörtern sowie von Wortbedeutungen in verschiedenen Sprachlandschaften. Weiter geht die Arbeit K. von Bahders Zur Wortwahl in der frühneuhochdeutschen Schriftsprache, Heidelberg 1925. Hier wird das gesamte deutsche Sprachgebiet einschließlich des niederdeutschen Raumes berücksichtigt und die Frage nach der Rolle einzelner Sprachlandschaften im Herausbildungsprozeß der Nationalsprache gestellt. Bahder schöpft nicht nur aus den bisher üblichen Quellen. Schlußfolgerungen über die Geltung eines Wortes in einer bestimmten bzw. in mehreren Sprachlandschaften werden gezogen durch den Vergleich des betreffenden Wortes mit der bis dahin gesamten in Wörterbüchern und Einzelarbeiten aufgearbeiteten Lexik. Damit ist eine sichere Vergleichsgrundlage gewonnen. Nach 1925, dem Erscheinungsjahr der Arbeit K. von Bahders, sind in deutscher Fachliteratur Einzeluntersuchungen erschienen. Musterbeispiele sind die Abhandlungen über /Getreide/ und/Geiß/ im Deutschen Wörterbuch sowie die Arbeit F Scheidweilers über /klug/. Sie bemühen sich mehr als die älteren Arbeiten vom Einzelwort auszugehen und es in Beziehung zu setzen zu seinen landschaftlichen Synonymen. Jüngste deutsche Monographien zu Problemen des historischen Wortschatzes 10

wie die Monographie von W. Besch Sprachlandschaften und Sprachausgleich im 15. Jahrhundert, Studien zur Erforschung der spätmittelhochdeutsehen Schriftdialekte und zur Entstehung der neuhochdeutschen Schriftsprache, München 1967, und die Arbeit von G. Ising, Zur Wortgeographie spätmittelalterlicher deutscher Schriftdialekte, eine Darstellung auf der Grundlage der Wortwahl von Bibelübersetzungen und Glossaren, Berlin 1968, arbeiten neues Material auf und beschreiben Sprachzustände des 15. Jahrhunderts im ganzen deutschen Sprachgebiet. Anliegen ist ihnen vor allem die Klärung der Rolle einzelner deutscher Sprachlandschaften im Herausbildungsprozeß der Nationalsprache. W. Besch rückt gegen Th. Frings und seine Schüler, die die Rolle des Ostmitteldeutschen in ihren dialektgeographischen Arbeiten erkannten und erwiesen, die Bedeutung oberdeutscher Landschaften in den Vordergrund. Unsere Quellen gestatten nicht, zur Rolle des Niederdeutschen, von K. von Bahder ausdrücklich hervorgehoben und von G. Ising neu unterstrichen, Aussagen zu machen. Aussagen zum Anteil der ostmitteldeutschen Sprachlandschaft sowie zu ihrem Vorrang oder auch Nichtvorrang beim Werden unserer neuhochdeutschen Literatursprache zu machen, ist ein Ziel der Arbeit. 2. Um Aussagen zur Einheitlichkeit im Wortschatz machen zu können, muß untersucht werden, welche Stellung der landschaftlich begrenzt geltende Wortschatz im Gesamtwortschaft bzw. innerhalb größerer Kontexte einnimmt. In größeren Überblickswerken zur deutschen Sprachgeschichte werden die festgestellten wortgeographischen Unterschiede als illustrierende Beispiele neben 5 solchen lautlicher oder grammatischer Art gestellt. Es wird von einigen erkannten Besonderheiten im Wortschatz ausgegangen und von da aus auf die Herausbildung eines gemeindeutschen einheitlichen Wortschatzes geschlußfolgert, ohne daß der doch gewiß überwiegende einheitliche Teil des Wortschatzes in seinem Umfang herausgestellt wird. Aber ohne genaue Kenntnis des Verhältnisses zwischen Gemeinsamem und landschaftlich Differenziertem sind keine Aussagen zum Stand oder zur Herausbildung einer Einheit in diesem Teilbereich der Sprache zu t r e f fen.6 Auch eine gewiß vorhandene Eigengesetzlichkeit im Wortschatz kann so nicht herausgestellt werden. Eine Betonung der Eigengesetzlichkeit des Wortschatzes im Einigungswerk der verschiedenen sprachlichen Bereiche (Laute, Formen, Syntax, Wortschatz) ist indirekt bei Th. Frings gegeben in seiner Einschätzung, daß vor allem in den Lauten und Formen der Kern schriftsprachlichen Werdens liegt. 7 11

Um zur Beantwortung dieser Fragen beizutragen, ist es Aufgabe dieser Arbeit, den Wortschatz von Schrifttum aus den Jahren 1521 bis 1525 nicht nur nach Besonderheiten durchzugehen, sondern in seinem Verhältnis von überlandschaftlicher Einheitlichkeit und landschaftlicher Differenzierung darzustellen. Es werden die Besonderheiten exakt: ausgesondert aus dem gemeinsamen Wortschatz und dieser mit dargestellt, so daß der Hintergrund für landschaftliche Abweichungen und Unterschiede vorgeführt wird. Es wird eine systematische Untersuchung vorgelegt. Einer solchen Untersuchung muß geeignetes Material zugrunde gelegt werden. Wir verwenden Flugschriften, ein von sprachwissenschaftlicher Seite bisher kaum beachtetes Quellenmaterial. "Flugschrift" ist eine Sammelbezeichnung für O

viele literarische Genres. Die Bezeichnung ist kein Genrebegriff, sondern eine Zusammenfassung von genremäßig unterschiedlichem Schrifttum, berechtigt durch den gemeinsamen publizistischen Charakter dieser Genres. Es sind vor allem in der Reformationszeit aus aktuellem Anlaß heraus entstandene Streitschriften, die politisch-theologische Ansichten und Zielsetzungen propagierten und verbreiteten. Flugschriften sind frühes publizistisches Schrifttum, deren Merkmale von der Ausrichtung auf Massenwirksamkeit zeugen: Sie waren in hohen Auflagen verbreitet, wurden zu niedrigen Preisen in populären Editionsformen feilgeboten und rasch herausgegeben. An Popularität und Wirksamkeit stehen einige den Frühschriften Luthers nicht nach. Sie besaßen tiefgreifende soziale Wirksamkeit und massenhafte sowie territorial weitreichende Verbreitung. Diese Faktoren sind als Gradmesser für die Wirksamkeit innerhalb der Sprachprozesse dieser Epoche anzusehen. Aus der genremäßig äußerst verschiedenen Flugschriftenliteratur sind Dialoge für die Untersuchung ausgewählt worden. Als Gesprächspersonen treten in Dialogen oft Figuren auf, die in dem historischen Zeitraum um 1520 in der Realität der Literatursprache fern standen. So wurde von der Quellenwahl her einerseits auf wahrscheinlich mundartliches bzw. landschaftliches Wortgut orientiert, andererseits stehen die Dialoge durch ihren publizistischen Charakter in einer über Sprachlandschaften hinweg gehenden vereinigenden Bewegung. Um diese Charakteristika zu erarbeiten und um die Flugschriften als Quellen der Untersuchung aufzubereiten, mußte ein Kapitel der vorliegenden Arbeit speziell ihnen gewidmet werden. In diesem Kapitel ist außer Erschließungsarbeit ein Beitrag zum Thema "Sprache und Gesellschaft" - an einem historischen Beispiel gezeigt - geliefert. Es ist geschrieben in der Überzeugung, daß "neben Entwicklungen, die mit dem Wandel der Gesamtsituation (geistig, politisch, zivili12

satorisch, wirtschaftlich) zusammenhängen, immer auch solche innersprachli9 eher, sprachlich-eigenständiger Art einhergehen. " 3. Da die Quellenlage äußerst ungünstig ist, mußten die alten Originaldrucke herangezogen werden. An den in Bibliographien angegebenen Standorten konnte ich nicht arbeiten. Durch die Fernleihe konnten mir die alten Drucke nur teilweise zugänglich gemacht werden. Es wurde in Bibliotheken der DDR, und zwar in der Deutschen Staatsbibliothek Berlin, der Universitätsbibliothek Berlin, der Sächsischen Landesbibliothek Dresden, der Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt in Halle, der Universitätsbibliothek Leipzig und in der Ratsschulbibliothek Zwickau gearbeitet. ** Die Bestände dieser Bibliotheken sind in Bibliographien nicht aufgearbeitet. Am reichsten sind die Bestände der Bibliotheken in Dresden, Halle und Zwickau. Das Ergebnis der Sucharbeit war recht zufriedenstellend. Von 69 Dialogen, die in 135 Drucken in den angegebenen Bibliotheken vorhanden sind, habe ich 14 12

Dialoge, nachgewiesen in 50 Drucken, für diese Untersuchung ausgewählt. Die vom Material her gegebenen Möglichkeiten für die" landschaftlich vergleichende Betrachtungsweise sind in folgender Weise abgesteckt: Das Verbreitungsgebiet der Flugschriften ist gekennzeichnet durch die Städte Erfurt, Eilenburg, Wittenberg und Jena im mitteldeutschen Osten, durch Nürnberg, Bamberg und Würzburg in Ostfranken, durch Augsburg im Südosten und Straßburg, Basel und Zürich im Südwesten des deutschen Sprachgebietes. Da ich keine Dialoge aufgefunden habe, die in westmitteldeutschen Städten gedruckt worden sind, und auch das Niederdeutsche ausgeklammert ist, gibt die Quellengrundlage nicht die Möglichkeit, der Verbreitung der Wörter über das ganze deutsche Sprachgebiet hinweg nachzugehen. Es sind aber doch Sprachräume erfaßt, die eine wesentliche Rolle bei den lexikalischen Ausgleichsvorgängen spielten. In den Druckorten sind auch Nachdrucke hergestellt worden, darunter einige anhand von Vorlagen, die aus weit entfernten Orten stammen. In den Nachdrucken sind Änderungen am Wortschatz zu erwarten. Unsere sprachliche Analyse geht vom Erstdruck, der oft der Urdruck sein 13 wird, aus. Es darf zunächst angenommen werden, daß die als Quellen benutzten Drucke (in der Tabelle S. 68 die jeweils mit A bezeichneten), im Wortbestand südwestliche (Karsthans, Wegsprech, Schweizer Bauer), südöstliche (Schultheiß, Altmütter lein) und 13

ostmitteldeutsche (Vater-Sohn, Münzerischer Schwärmer, Christ-Jude, Wallfahrt, Prior) Färbung zeigen. Ein zwischen dem Südosten und dem mitteldeutschen Osten vermittelndes Bild ist zu erwarten im Fuchs-Wolf-Dialog und in der Schrift vom Barfussermönch. Eine Anpassung an die heimische Variante der Literatursprache und entsprechende Änderungen am Wortschatz sind in den Nachdrucken zu erwarten, die direkt oder indirekt anhand von Vorlagen aus Druckorten hergestellt worden sind, in denen eineandere Literatursprachevariante zu Hause ist. Aus solchen Nachdrucken ist ersichtlich, ob der landschaftlich gebundene Wortbestand der fremden Literatursprachevariante durch Wörter der heimischen Literatursprachevariante ersetzt wird oder ob er ganz oder teilweise unverändert übernommen wird. Durch die Verbreitung eines Druckes mit Elementen eines fremden Wortbestandes zusammen mit der Verbreitung anderer Drucke, mit anderer landschaftlicher Färbung im selben Sprachgebiet kommt es zu einer Ausdehnung der ursprünglichen Verbreitungsgebiete der Literatursprachevarianten. Das aber ist Voraussetzung zu einer späteren Vereinheitlichung des Wortbestandes. Die Möglichkeit, solche Prozesse zu untersuchen, bietet das Material. Es kann festgestellt werden: 1. die landschaftliche Färbung des Wortbestandes in Erstdrucken, deren Druckorte auf Gebieten liegen, in denen drei landschaftliche Varianten der Literatursprache heimisch sind; 2. wie sich der Wortbestand unterscheidet in Drucken, deren Ausgangsorte liegen a) im Südwesten und die nachgedruckt wurden im Südosten und mitteldeutschen Osten (Karsthans); b) im Südosten und die nachgedruckt wurden im Südwesten, in Nürnberg und Bamberg sowie im mitteldeutschen Osten (Schultheiß), in Nürnberg und im mitteldeutschen Osten (Altmütterlein); c) in Nürnberg und die nachgedruckt wurden im Südosten und im mitteldeutschen Osten (Fuchs), im Südosten (Barfussermönch), im mitteldeutschen Osten (Schwabacher Kasten); d) wahrscheinlich im mitteldeutschen Osten und nachgedruckt wurden im Südosten (Münzerischer Schwärmer). 4. Methodisch geht die linguistische Untersuchung folgendermaßen vor: Es wurden alle in den Dialogen vorkommenden Verben, Substantive und Adjektive mit dem Anfängsbuchstaben von A - K exzerpiert. Wegen der Fülle der Wortbelege 14

mußte diese Einschränkung getroffen werden. Wünschenswert wäre die vollständige Erfassung der hauptbedeutungstragenden Wortarten gewesen. Die zweite Hälfte des Alphabets - in der Dissertation nicht bearbeitet - konnte leider nicht nachgearbeitet werden. Da es nicht nur landschaftlich begrenzt geltende Wörter, sondern auch landschaftlich gebundene Wortbedeutungen gibt, ist jedes Wort in seinen auftretenden Bedeutungen bestimmt worden. Die Wortbedeutungen wurden ermittelt aus den Kontexten der Wörter in meinen Quellen, die verglichen wurden mit den Bedeutungsbestimmungen in Wörterbüchern, denen umfangreiches historisches Belegmaterial zugrunde liegt. Sie wollen nur Orientierungen sein, sie können keinesfalls Bedeutungsbestimmungen in einem fehlenden frühneuhochdeutschen Wörterbuch ersetzen. Manchen Wörtern sind vereinfachende Bedeutungsangaben beigegeben worden, um umständliche Definitionen zu vermeiden. So ist z.B. die Bedeutung / h a l s / , /gülden/, /kotbauch/ nicht definiert, sondern in Häkchen eingeschlossen: ' Körperteil', ' Münze', ' Schimpfwort für Mensch' an die Stelle sonstiger Bedeutungsangaben gesetzt. An jedes Wort in einer bestimmten Bedeutung ist die Frage gerichtet worden, ob es im Verbreitungsgebiet der Flugschriften in der Zeit um 1520 allgemein vorhanden war oder nur geographisch begrenzte Geltung hatte. Eine solche Analyse setzt den Vergleich des exzerpierten Wortmaterials mit dem sonstigen frühneuhochdeutschen Wortschatz in der Zeit der Verbreitung unseres Schrifttums voraus. Als Vergleichsgrundlage dienen in dieser Arbeit vor allem Wörterbuchbelege. Mir standen zur Verfügung die großen Mundartwörterbücher mit historischen Belegen, die es vor allem zum Oberdeutschen gibt (Schweizer Idiotikon, Fischer, Schm eller Frommann), Wörterbücher mit lokalisier- und datierbaren Belegen aus dem ganzen deutschen bzw. hochdeutschen Raum (Lexer, Deutsches Wörterbuch, Rechtswörterbuch) sowie kleinere spezielle Wörterbücher mit historischen Belegen (Schmidt und Martin-Lienhart für das Elsaß, Dietz für Luther). Der mitteldeutsche Osten ist schlechter aufgearbeitet als die oberdeutschen Gebiete. Hier stützt sich die Untersuchung auf Dietz, die Lutherkartei und das Archiv des Deutschen Wörterbuchs. Alte zeitgenössische Wörterbücher (Maaler, Dasypodius, Frisius, Trochus, Zeninger) sind ebenfalls herangezogen worden. Vornehmlich für die Buchstaben A - C hat mir das Archivmaterial des Deutschen Wörterbuchs gute Dienste geleistet. Wo Belege aus dem Archiv des Deutschen Wörterbuchs angegeben werden, sind sie nach der Zitierweise dieser Arbeitsstelle angeführt. Die Zitierweise ist mit Hilfe des Quellenverzeichnisses zum Deutschen Wörterbuch zu entschlüsseln. 15

Alle Formen der Schriftlichkeit einer Landschaft, soweit sie lexikographisch aufgearbeitet sind, wurden herangezogen. Ab und an - aber nicht generell, da der Wortschatz zu beweglich ist - war der Vergleich mit dem Stand der modernen Mundart aufschlußreich. Generell sind die Karten des Deutschen Wortatlasses herangezogen worden. Zusätzliche Kriterien ergaben sich aus Wortersetzungen und alten Glossierungen bestimmter Wörter in der oben genannten alten Literatur zu landschaftlichen Wortgegensätzen. Schließlich konnte ich mich in wenigen Fällen auf Vorarbeiten zur Bestimmung des Geltungsbereichs einzelner Wörter stützen. Ausgangspunkt und Grundlage bilden aber immer historische Direktbelege aus Wörterbüchern. Nun wäre es müßig gewesen, sämtliche Wörter solcher Analyse zu unterwerfen. Die genetische Einheit der landschaftlichen literatursprachlichen Varianten ergibt von vornherein eine Übereinstimmung im Grundwortschatz des Deutschen. Die Frage ist nur, wie weit diese Übereinstimmung zu einem bestimmten Zeitpunkt, zu dem es noch keine einheitliche nationale Literatursprache gab, reichte. In jedem ausgewerteten Dialog anzutreffende Wörter sind daher nicht überprüft worden. Es sind: alt, arm, bleiben, bringen, böse, denken, ding, ende, faren, finden, folgen, frei, füren, geben, gen, geist, geistlich, gemein, glaube, glauben, gleubig, got, groß, gut, haben, halten, heilig, her, herz, hoch, hören, kind, klein, kumen, kraft, kunst, kurz sowie die Modalverben. Sicher ist die landschaftliche Übereinstimmung von vornherein umfangreicher anzusetzen, um aber bei jedem Wort sicher zu gehen und den Hintergrund für Unterschiede in seiner Gesamtheit plastischer zu fassen, sind sonst systematisch alle Wörter in den auftretenden Wortbedeutungen durchgegangen. Nicht in jedem Dialog zu belegen waren ca. 2. 600 deutsche Wörter. Die Vergleichsgrundlage - hauptsächlich Wörterbuchbelege - ist nicht problemlos. Es sondern sich nur Wörter aus, deren Nichtvorhandensein in einigen Sprachlandschaften absolut ist. Häufigkeitsrelationen, die ein Übergewicht im Gebrauch bei landschaftlich geschiedenen Synonymen zeigen würden, konnten nicht erarbeitet werden. Die Arbeit zeigt nur an einigen Stellen Unterschiede in der Gebräuchlichkeit von Wörtern. Auf sie konnte dort verwiesen werden, wo es Vorarbeiten gab. Die Aussagen dieser Arbeit beziehen sich auf den Wortbestand, das Wortinventar der oben genannten Sprachlandschaften. Andere Unterschiede im Wortschatz - unterschiedliche Häufigkeit, verschiedene Anwendung eines Wortes mit gleicher Bedeutung für eine bestimmte Sache oder einen Sachverhalt (onomasiologische Nichtübereinstimmung), landschaftliche Unterschiede in der stilistischen 16

Wertung eines Wortes, landschaftlich geschiedene grammatische Verwendungsweise - können mit der angewandten Methode nicht behandelt werden. Die Arbeit ist eine semantische Wortbestandsuntersuchung. Sie macht einen ersten Schritt zur Beantwortung von Fragen des Problemkomplexes ' Einheitlichkeit im Wortschatz'. Die Einheitlichkeit im Wortschatz wird von der Grundlage her, von dem gemeinsamen bzw. unterschiedlichen Vorhandensein von Wörtern in bestimmten Bedeutungen angegangen. Das berechtigt sowohl die Forschungslage als auch das Problem ' Herausbildung der neuhochdeutschen Einheitlichkeit': gemeinsames Wortinventar ist die Grundlage für einen Ausgleich in der Gebräuchlichkeit eines Wortes und für seine gleiche stilistische Wertung. Ein weiteres Problem erwächst aus der Vergleichsgrundlage: die punktuelle synchrone Betrachtungsweise. Die frühneuhochdeutsche Sprachperiode ist zwar in vielen historisch angelegten Wörterbüchern mit aufgearbeitet, aber das Fehlen eines frühneuhochdeutschen Wörterbuchs macht sich doch insofern bemerkbar, als,nicht in jedem Fall ein Vergleich eines Wortes aus den Flugschriften von 1521 bis 1525 mit dem anderen Schrifttums nur aus dem gleichen schmalen Zeitabschnitt möglich ist. Folgende Gesichtspunkte erlauben, ein Wort in einer bestimmten Bedeutung in bestimmten Sprachlandschaften als vorhanden anzusehen: Nachweise aus den Jahren 1521-1525; Nachweise sehr nahe vor dieser Zeit und bald nach 1530, so daß sich eine durchgehende Belegreihe ergibt; in seltenen Fällen Nachweise aus mittelhochdeutscher Periode und nach 1530. In den beiden letzteren Fällen darf mit Sicherheit angenommen werden, daß bei weiterer Aufarbeitung des Wortschatzes aus frühneuhochdeutscher Periode diese Wörter auch für die Zeit von 1521 bis 1525 belegt werden. Trotzdem liegt hier ein Unsicherheitsfaktor. E r muß aber in Kauf genommen werden, soll beim jetzigen Forschungsstand eine systematische Untersuchung für einen umfangreichen Teil des frühneuhochdeutschen Wortbestandes durchgeführt werden. 5. In der Darstellung ist der Wortbestand, der sich im Verbreitungsgebiet der Flugschriften als generell vorhanden erwies, in einer alphabetisch geordneten Wortliste zusammengefaßt. Die Wortliste enthält: ein Lemma, die Bedeutungsangabe(n) und den/die Beleg(e). Das Lemma ist in normalisierter frühneuhochdeutscher Form angesetzt. Richtlinien für die Stichwortwahl waren die von Götze im Vorwort zu seinem Glossar 17

14 aufgestellten Grundsätze. Schwierigkeiten bei der Ansetzung eines Stichwortes machten Wortgruppen, die in heutiger Sprache Komposita sind. Sie sind in der Wortliste als solche angesetzt, obwohl sicher oft nur eine syntaktische Fügung vorliegt. Hingewiesen ist aber unter dem Grundwort immer auf das unter dem Lemma eines Kompositums abgehandelte Wort, um sämtliche Belege für ein Wort zusammenführen zu können. Die Bedeutungsangaben sind als Orientierungen bei der Überprüfung der landschaftlichen Geltung eines Wortes bzw. einer Wortbedeutung benutzt worden. Die Belegstellen sind nach Seite und Zeile angegeben. Bei nicht neugedruckten Schriften ist die alte Bogenzählung beibehalten. Für die Seiten, die keine Zählung besitzen, sind von mir Hochzahlen gesetzt: also Aij ist die Bezeichnung für die Seite, die der mit Aij vom Drucker bezeichneten folgt. Um die Arbeit nicht zu sehr aufzuschwemmen, ist pro Dialog jedes Wort in einer Wortbedeutung nur einmal in die Wortliste aufgenommen. Der Beweis, daß es sich um überlandschaftliches Wortgut handelt, wird nicht mit aufgeführt. Die Beweise hätten die Arbeit auf eine enorme Seitenzahl anwachsen lassen. Sie sind mit der beschriebenen Methode jederzeit zu erbringen und von jedem nachprüfbar. Nur dort, wo sich ein von mir überprüftes Wort bzw. eine Wortbedeutung als überall vorhanden entgegen früheren Feststellungen (vor allem die C. Frankes) herausstellte, ist der Beweis angeführt. Aus dem so dargestellten überlandschaftlichen Wortbestand sonderten sich aus: Einzelbelege, okkasionelle Bildungen und der landschaftlich gebundene Wortbestand. Die Einzelbelege - sie sind oft wertvolle E r s t - oder Frühnachweise - sind 15

in der Dissertation nachzuschlagen. Okkasionelle Bildungen, etwa /ekind/ für ein in der Ehe geborenes Kind sind in die Wortliste des überlandschaftlichen Wortbestandes mit aufgenommen. E s sind Bildungen, die von den über landschaftlichen Grundwörtern semantisch nicht isoliert und somit in jeder Landschaft jederzeit bildbar waren. Der landschaftlich gebundene Wortbestand ist in Wortartikeln dargestellt. Hier sind alle vorkommenden Belege mit Kontext angeführt. Den Belegen folgt der Beweis, daß es sich um geographisch nur begrenzt geltendes Wortgut handelt. Als Kriterien sind angesehen worden: Positive bzw. negative Nachweise in modernen lexikographischen Arbeiten. Ein Negativnachweis ist schwerer zu erbringen als der positive Beleg. Wir meinen aber doch, daß der behandelte Wortschatz' so weit lexikographisch aufgearbeitet ist, daß ein fehlender Nachweis in einer Landschaft, der reich18

licher Überlieferung in anderen Landschaften gegenübersteht, Aussagekraft hat. In einigen Fällen scheint uns, daß bei gründlicherer Aufarbeitung des Nürnberger Raums und Sachsens und Thüringens weitere Positivbelege erbracht werden können. Dann verschiebt sich das Bild weiter zugunsten des einheitlich vorhandenen Wortbestandes, eine umgekehrte Verschiebung ist nicht möglich. Dieses Kriterium ist das Hauptkriterium. Zusätzliche Kriterien sind: Zeitgenössische Zeugnisse, und zwar die Wortglossierungen in den oberdeutschen Bibelglossaren sowie Wortersetzungen in Nachdrucken, die in anderen Sprachlandschaften als die Vorlage angefertigt wurden. Wertvoll, wenn auch nicht immer zutreffend, waren hier die Überprüfungen in der oben angeführten alten linguistischen Literatur, die Aussagen der Arbeiten von A. Schutt und H. Byland. Wenn sie auch nicht ganz so unzuverlässig sind wie die Feststellungen C. Frankes, überprüft mußten auch sie werden. Allein die Auswertungen des Deutschen Wörterbuchs in einigen Wortartikeln erwiesen sich als immer zutreffend. Oft gibt es ein Synonym des landschaftlichen Wortes in anderen Landschaften. Es ist aber, bevor landschaftliche Dubletten aufgestellt werden können, immer erst zum Einzelwort zu arbeiten. Wenn z.B. ein oberdeutscher Drucker /heuchler/ einer ostmitteldeutschen Vorlage durch /gleißner/ ersetzt, darf man daraus nicht einfach schließen, daß das Ostmitteldeutsche nur /heuchler/, das Oberdeutsche nur /gleißner/ hätte. Vielmehr ist /heuchler/ nur ostmitteldeutsch, /gleißner/ aber im gesamten Verbreitungsgebiet der Flugschriften anzutreffen. Die Wortersetzung geht zunächst nur auf das Wort, das nicht in den Abdruck übernommen wird. Ein zwar nicht immer zutreffendes, aber doch ein zu berücksichtigendes Kriterium ist der Stand der modernen Mundart. Die Mundart bewahrt öfter alte historische Zustände, und ergibt sich in der modernen Mundart eine nur landschaftliche Verbreitung eines Wortes, ist hier ein Anhaltspunkt für eine entsprechende oder ähnliche geographische Geltung in historischer Zeit gegeben. Daher sind solche Feststellungen des Deutschen Wortatlasses, P. Kretschmers sowie des Deutschen Wörterbuchs mit berücksichtigt worden. Schließlich sind spezielle Arbeiten zur historischen Wortgeographie ausgewertet worden.

19

II. FLUGSCHRIFTEN ALS QUELLEN DER UNTERSUCHUNG

1. Zur Quellenwahl Das der Untersuchung zugrunde liegende Material soll aus Quellen gewonnen werden, die zwei wesentliche Tendenzen der Sprachentwicklung im 16. Jahrhundert möglichst deutlich widerspiegeln: 1.1. Ein wesentlicher Schritt auf dem Wege zur Entwicklung einer einheitlichen nationalen Literatursprache und ihrer Funktion, als einheitliches Kommunikationsmittel der gesamten nationalen Sprechergemeinschaft zu dienen, wird in der Epoche der Reformation und des Bauernkrieges dadurch erreicht, daß die Literatursprache die Isolierung von der gesprochenen Sprache, die im 15. Jahrhundert für sie noch charakteristisch war, überwindet und sich gesprochener Sprache bedeutend annähert. 1 Die Volkstümlichkeit der Sprache Luthers ist von besonderer Bedeutung, weil sich in ihr eine veränderte soziale Funktion der Literatursprache ausdrückt. Die soziale Basis der Literatursprache hat hier eine bedeutende Aus2

weitung erfahren. Daher sind solche Schriftdenkmäler von besonderem Interesse, die an Volkstümlichkeit der Sprache Luthers gleich- oder doch nahekommen. 1.2. Um 1520 gibt es keine einheitliche deutsche Literatursprache. Die Literatursprache wird, entsprechend ihrem lokalen, noch nicht das gesamte nationale Sprachgebiet umfassenden Anwendungsbereich repräsentiert durch verschiedene regionale Literatursprachevarianten. Sprachliche Unterschiede zwischen den Literatursprachevarianten sind landschaftsgebunden und werden von den Mundarten, die der entsprechenden Variante der Literatursprache zugrunde liegen, gestützt und bestimmt. In der Reformations- und Bauernkriegszeit wird der Prozeß der Vereinheitlichung der Literatursprache durch außersprachliche, von der gesellschaftlichen Entwicklung her gegebene Mittel in besonders hohem Maße vorangetrieben: Druckerzeugnisse und mit ihnen die Literatursprachevariante, in der sie verfaßt sind, werden über ihr enges Heimatgebiet hinaus verbreitet, also über ihren ursprünglichen Geltungsbereich hinaus wirksam. Bekannt ist vor allem die weite Verbreitung von Werken Luthers. Sie ist für die Herausbildung einer einheitlichen 20

deutschen Literatursprache ebenso wesentlich wie die Volkstümlichkeit seiner Sprache. Zeigt sich in der Volkstümlichkeit seiner Sprache die Ausweitung der sozialen Basis der Literatursprache, so spiegelt sich hier die Ausweitung ihres territorialen Anwendungsbereichs, in Ansätzen die Erfassung des gesamtnationalen Sprachgebiets. Aber nicht nur Werke Luthers fanden weite Verbreitung und nicht nur die ostmitteldeutsche Literatursprachevariante wurde über ihr enges Heimatgebiet hinaus wirksam. Überkreuzungen und landschaftlicher Austausch sind für die Sprachsituation um 1520 charakteristisch. Um sie zu erfassen, müßte daher - in den möglichen Grenzen, und sicher oft auch erst auf der Grundlage von Untersuchungen der Sprache nur einer Landschaft - landschaftsvergleichend gearbeitet werden. Volkstümliches, weit verbreitetes Schrifttum stellen Flugschriften der Reformations- und Bauernkriegszeit dar. Einige in Dialogform abgefaßte Flugschriften sind die Quellen der vorliegenden Untersuchung. Von der älteren Sprachforschung sind Flugschriften aus der Reformations- und Bauernkriegszeit fast unbeachtet geblieben. Zwar hat sie an der Erschließung dieser Literatur durch Editionen mitgearbeitet, Quellen für selbständige sprachliche Untersuchungen waren Flugschriften jedoch nicht. Die Neuausgaben, sofern sie nicht von Literarhistorikern besorgt wurden, waren vor allem als Vorarbeiten für die literargeschichtliche Wertung dieses Schrifttums gedacht. Nur in einer Reihe von Dissertationen und Aufsätzen wurden kleinere sprachliche Analysen vorgenommen. Diese Arbeiten beschäftigen sich mit einem häufig auftretenden Merkmal der Flugschriften, ihrer Anonymität. Sie versuchen, die ungenannten Verfasser zu ermitteln. Aber auch die Aufhellung der Anonymität einzelner Schriften sollte ebenso wie ihre Neuausgabe Vorarbeit für ihre literargeschichtliche Ein3 Ordnung und Wertung sein. Die sprachlichen Analysen sind dieser im Ziel nicht 4

linguistischen Aufgabenstellung untergeordnet. Auf die sprachgeschichtliche Bedeutung der Flugschriften des 16. Jahrhunderts haben in jüngster Zeit A. Schirokauer und nachdrücklich M. M. Guchmann hingewiesen. A. Schirokauer sieht sie als wichtigen Teil der sprachlichen Umwelt g

Luthers an. M. M. Guchmann unterstreicht ihren hohen Wert als Quellenmaterial für die Untersuchung der Herausbildung und Entwicklung der deutschen Nationalc Sprache.

Sie hat auch erstmalig eine kurze sprachliche Analyse einiger Flug-

schriften, in die Untersuchung sprachlicher Entwicklungsprozesse 7 1970 legte der ersten eingeschlossen Hälfte des 16. Jahrhunderts, geliefert. sie eine Monogra21

phie zur politischen Literatur aus der Epoche der Reformation und des Bauernkrieges vor, die hauptsächlich Flugschriften gewidmet ist. Da diese Darstellung bei Abschluß der Arbeiten an der vorliegenden Schrift nicht vorlag, konnte sie nicht mehr mit ausgewertet werden. Im Anschluß an M. M. Guchmann betont N. Semenjuk die Bedeutung von Flugblättern und Streitschriften der Reformation für das Studium der Genesis literatursprachlicher Normen, da sie eine Art von Literatur darstellen, die durch ihre Popularität mit dazu beitrugen, daß Schrift g tum allmählich in alle Bereiche eindrang. In dieser Arbeit sind Flugschriften das erste Mal Quellen einer linguistischen Einzeluntersuchung. Von Literaturwissenschaftlichern, Historikern, Theologen und Zeitungsgeschichtlern sind Flugschriften mehr als von Linguisten beachtet worden. Sie haben zur Erschließung dieses Schrifttums beigetragen und durch Neuausgaben, Einschätzungen sowie Einzelforschungen vor allem dem ersten Kapitel dieser Untersuchung vorgearbeitet. 9 Da unsere Untersuchung auf linguistisch fast unerforschten Quellen beruht, heben wir einige charakteristische Merkmale der Flugschriften im folgenden kurz hervor. Das erklärt unsere Quellenwahl besser und auch die Auswahl der der linguistischen Untersuchung zugrundeliegenden Schriften aus der gesamten Flugschriftenliteratur näher. Und nicht zuletzt werden dadurch Voraussetzungen für die linguistische Untersuchung geschaffen. Als besondere Art deutschen Schrifttums kommen Flugschriften vereinzelt im 15. Jahrhundert a u f . 1 0 Bedeutende Flugschriften des 15. Jahrhunderts sind die 1476 in Augsburg gedruckte Reformation des Kaisers Sigismund, die Reformschrift Teutscher Nation Notdurft und die seit 1488 in lateinischen und deutschen Ausgaben gedruckten Weissagungen des Astrologen Johannes Lichtenberger. Im ersten J a h r zehnt des 16. Jahrhunderts entstand der Oberrheinische Revolutionär. Es sind sozialpolitische Reform Schriften mit stark prophetischen Zügen, getragen von schwärmender Sehnsucht nach einer durchgreifenden gesellschaftlichen Umgestaltung. Sie vertreten Ideale, die von den unmittelbaren Lebensinteressen der Mehrheit der Gesellschaft weit entfernt waren. Die Flugschriften des 16. Jahrhunderts gehen nicht nur auf diese Vorläufer zurück. Sie sind Flugblättern sehr verwandt, die es ebenfalls schon im 15. Jahrhundert gab. Das Flugblatt war ein anonymer, mit einem Bild, meist einem Holz-

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schnitt, geschmückter Einblattdruck, dessen volkstümlich kurzer, oft gereimter Text schnell vorgelesen werden konnte und leicht einprägsam war. Er gab nützliche Belehrung oder berichtete Aufsehenerregendes. Das Flugblatt war auf den Alltag des gemeinen Mannes ausgerichtet. Solche Blätter wurden zu niedrigen Preisen verkauft und sprachen durch ihre Aufmachung und ihren Inhalt dem Schrifttum fernstehende Menschen an. Hier übernimmt Schrifttum eine soziale Funktion, die bisher vor allem gesprochene Sprache, etwa die Predigt, leistete: in Klassen und sozialen Schichten zu wirken, die vom Bildungsprivileg ausgeschlossen waren. Die Flugschriften aus der Reformationszeit sind oft erweiterte Flugblätter. In ihnen ist die soziale Funktion des Flugblatts mit dem religiös-politischen Inhalt der Flugschrift aus der vorausliegenden Zeit vereint. Sie wollen nicht mehr nur Bedürfnisse von Kirche, Staat und Wissenschaft befriedigen, sondern in kleiner, operativer Form sozial tief wirksames Schrifttum des Tages sein. Flugschriften und Einblattdrucke sind neben brieflichen Korrespondenzen Vorläufer unserer heutigen periodischen Zeitungen und Zeitschriften. Um 1517 erhöht sich ihre Zahl, in ihrer Mehrzahl gehören sie jedoch in die Jahre 1520 bis 1525. Nach 1525 erscheinen nur noch wenige. Es fehlt eine vollständige bibliographische Erfassung dieser Schriften, so daß genaue Zählungen nicht existieren. Die Gesamtzahl der in den Jahren 1517 bis 1525 erschienenen Flugschriften wird auf 2000 bis 3000 geschätzt. ** Außer Zweifel steht, daß sie zur Reformations- und Bauernkriegszeit in einer außerordentlich hohen Gesamtzahl verbreitet waren, Massenliteratur darstellten. Viele Schriften wurden mehrmals und in verschiedenen Gebieten nachgedruckt. Eine Übersicht, aus der hervorginge, in welchem Maße der Nachdruck zur Verbreitung von Flugschriften beigetragen hat, gibt es nicht. Er muß eine bedeutende Rolle gespielt haben. Das geht aus den beiden folgenden Beispielen hervor. Luthers Schrift Von der Freiheit eines Christenmenschen war in 19 hochdeutschen Auflagen verbreitet. Sie wurden gedruckt in Wittenberg, Leipzig, Zwickau, Augsburg, 12

Straßburg und Basel.

Die Zwölf Artikel der Bauern von 1525 sind in 23 Drucken

nachgewiesen, der Text ist uns außerdem in 7 Abschriften überliefert. Die Drucke sind in Augsburg, Rothenburg, Regensburg, Nürnberg, Wittenberg, Erfurt, Zwickau, 13 Breslau und Basel hergestellt worden. Drucke beider Schriften wurden in drei verschiedenen Sprachlandschaften hergestellt, im mitteldeutschen Osten, im Südosten und im Südwesten des hochdeutschen Sprachgebiets. 23

Auswertungen des Umfangs und der territorialen Verbreitung von Flugschriften können nur auf der Grundlage genauer Angaben zu einer Vielzahl solcher Schriften vorgenommen werden. Wir gehen im Kapitel "Die Quellen" der zahlenmäßigen, territorialen und sozialen Verbreitung der von uns als Quellen benutzten Flugschriften nach, weil sich von solchen Angaben her die Wirkungsmöglichkeit dieses Schrifttums im Herausbildungsprozeß der deutschen nationalen Literatursprache umreißen läßt. Die Masse der Flugschriften gehört in die Jahre 1520 bis 1525. Historisch sind diese Jahre von den Ereignissen der Reformation und des Bauernkrieges 14 geprägt. Reformation und Bauernkrieg bilden zwei verschiedene Etappen innerhalb einer Bewegung, der deutschen frühbürgerlichen Revolution. Um 1520 hatte die Bewegung eine neue Phase erreicht. Sie besaß ein theoretisches Fundament mit einem daraus abgeleiteten, fest umrissenen sozialpolitischen Programm, das jetzt verwirklicht werden sollte, und sie hatte sich ausgeweitet zu einer breiten Volksbewegung. Die sich widerstreitenden, sehr verschieden gerichteten Interessen der gesellschaftlichen Gruppierungen im zersplitterten Deutschland waren zusammengefaßt durch die Ausrichtung des Kampfes auf den Hauptgegner, die römische Kirche, das internationale Zentrum des Feudalsystems. Das Programm der antirömischen Opposition hatte Luther 1520 in drei Flugschriften (An den christlichen Adel deutscher Nation; Von der babylonischen Gefangenschaft der Kirche; Von der Freiheit eines Christenmenschen) dargelegt. Die Opposition gegen Rom umfaßte Fürsten, den niederen Adel, die bürgerliche Intelligenz, das Städtebürgertum, die niedere Geistlichkeit und vor allem auch die Klassen und sozialen Schichten, die an den Privilegien der mittelalterlichen Ständegesellschaft keinen Anteil hatten, die große Masse der Ausgebeuteten: die unteren Schichten der Stadtbevölkerung, die noch halbbäuerliche Arbeiterschaft der frühen Manufakturbetriebe und als Mehrheit der Bevölkerung die Bauern. Der Kampf um die Beseitigung der ökonomischen, politischen und ideologischen Herrschaft der römischen Kirche war gemeinsames Anliegen aller oppositionellen Geseilschaftskräfte. Über den Inhalt der gemeinsam erstrebten politischen und sozialen Erneuerung des gesamten gesellschaftlichen Lebens gab es keine einheitlichen Auffassungen. Hier durchkreuzten sich die Klasseninteressen, so daß gleichzeitig mit der Ausweitung der Bewegung die Klassendifferenzierung einsetzte. Vom bürgerlich-reformatorischen Lager hob sich, zwar mühsam und nur annähernd, aber doch immer deutlicher, das bäuerlich-plebejische Lager ab. 24

1522/23 wird durch den niedergeschlagenen Adelsaufstand der niedere Adel als selbständige politische Kraft aus der einheitlichen Bewegung ausgeschlossen. Das Bündnis zwischen dem reformatorischen Bürgertum und den bäuerlich-plebejischen Massen zerbricht aber erst endgültig 1525. Die aufständischen Bauernheere sind in Schwaben, Franken, dem Elsaß und Thüringen zum Ende des Jahres 1525 geschlagen. Damit findet die revolutionäre Aktivität breiter Volksmassen ihren Abschluß. Nicht nur die bäuerlich-plebejische Richtung innerhalb der frühbürgerlichen Revolution ist besiegt, auch die bürgerlich reformatorische Bewegung hat ihre gesellschaftliche Breite verloren. Das ist, sehr knapp skizziert, der historische Hintergrund der Flugschriftenliteratur. In Flugschriften und mit ihrer Hilfe wurde der Klassenkampf beider revolutionärer Gruppierungen gegen das feudale Gesellschaftssystem und ihre Repräsentanten, die römische Papstkirche, wie auch der Kampf zwischen den beiden revolutionären Parteien in seiner ideologischen Form ausgetragen. So umfassend der politische Klassenkampf war, so breit wurde er auch ideologisch geführt. 1520 bis 1525 wurden religiöse, politische und soziale Probleme der Bewegung öffentlich, unter unmittelbarer Teilnahme der ausgebeuteten Masse des Volkes diskutiert. Der Kampf der ideologischen Repräsentanten der beiden gesellschaftlichen Hauptgruppierungen, des Ideologen der bürgerlich-reformatorisehen Partei, Luther, und der bäuerlich-plebejischen, Münzer, wird mit Hilfe von Flugschriften geführt. Aktuelle Geschehnisse werden zum Anlaß genommen, um in scharfer Polemik die eigenen Zielsetzungen darzulegen und für sie die Masse des Volkes, den gemeinen Mann, zu gewinnen. Die Flugschriftenliteratur trägt ausgesprochen publizistischen Charakter und ist in dieser Hinsicht ein Vorläufer unserer modernen Zeitungen, die erst im 17. Jahrhundert aufkommen. Politische und theologisch bedeutsame Probleme wurden im Mittelalter vom Klerus und seinen Theoretikern oder von den weltichen hohen Feudalmächten in lateinischer Sprache beraten. In deutscher Sprache in breiter Öffentlichkeit, unter Einbeziehung des gemeinen Mannes religiöse, politische, soziale Fragen aufzuwerfen und in allen ihren Aspekten zu diskutieren, war etwas völlig Neues im gesellschaftlichen Leben. Neu war auch die Zweckbestimmung, die hier Schrifttum übernahm: polemische Massen- und Agitationsliteratur zu sein. Die deutsche Literatursprache hat sich hiereinen neuen Anwendungsbereich erobert. Sietritt auf in der Funktion einer publizistischen Agitations- und Propaganda spräche innerhalb 15 breiter Volkskreise. Damit ist ein wichtiger Schritt in der Herausbildung des

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"polyfunktionellen Charakters (für alle Bereiche des Lebens geltend)" dernen nationalen Literatursprache getan.

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der mo-

Die ZweckbeStimmung der Flugschriften erklärt sich aus der revolutionären Bewegung. Die Gewinnung der schon politisch aktiven Teile des Volkes für bürgerlich-reformatorische oder bäuerlich-plebejische Ziele und die weitere Einbeziehung von Volksmassen in den politischen Kampf, ihre Mobilisierung, war eine Existenzfrage der Revolution. Der gemeine Mann, der schritt- und leseunkundig war, bildete die Sturmtruppen der Bewegung. Er mußte gewonnen werden, sowohl von der von Luther angeführten Partei a l s auch für die Münzersche Richtung, sollte die Erneuerung des gesellschaftlichen Lebens Wirklichkeit werden. Das wirkt zurück auf die Sprache. Für die Autoren der Flugschriften bestand ein objektiver Zwang, volkstümlich zu schreiben, anders wurde der Inhalt ihrer Schriften nicht massenwirksam. Daher verringert sich in dieser Literatur ebenso wie in Luthers Bibelübersetzung der bislang bedeutende Abstand zwischen geschriebener Literatursprache und gesprochener Alltagspraxis des Volkes. Hier liegt ein wichtiger Ansatzpunkt für die Entwicklung der sozialen Haupteigenschaft einer modernen Literatursprache, Kommunikationsmittel des ganzen Volkes zu sein. Der neue Anwendungsbereich wirkt sich auf die sprachliche Formung der Flugschriften aus. Es wird eine größere Nähe zur gesprochenen Sprache angestrebt. In den einzelnen Schriften ist diese Tendenz jedoch in unterschiedlichem Grade realisiert. Schablonenhafte Wendungen und Latinismen einerseits und umgangssprachliche, sogar unflätig-grobe Elemente, mundartliche Färbung und Affektgeladenheit der Sprache auf der anderen Seite sind in verschiedenem Grade vertreten. Der Einfluß des Kanzleistils und des religiösen Übersetzungsschrifttums 17 macht sich unterschiedlich stark bemerkbar. Nicht überall gelingt eine einfache, schlichte Wortwahl. Wieweit es gelingt, in einer volkstümlichen Sprache zu schreiben, ist abhängig von der sprachlichen Meisterschaft des Verfassers, von der Tradition, in der er durch Herkunft und Ausbildung steht. Außerdem beeinflußt das Genre und die T r a dition, mit der es als Kunstform verbunden ist, die sprachliche Formung der Schriften. Flugschriften stellen kein einheitliches Genre dar. E s sind öffentliche Sendschreiben, Privatbriefe, Traktate, erzählende Berichte, Spruchgedichte, Edikte, Mandate, Parodien auf die kirchliche Messe oder auf Heiligenlegenden, Ausle-

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gungen bildlicher Darstellungen, ensembleartige Szenenstücke, Lieder oder auch politische Thesen. Ein sehr beliebtes Genre war der Dialog. Die Grenzen zwischen den einzelnen Gattungen sind oft fließend, so wird z . B . die Dialogform nicht immer durchgehalten. Innerhalb eines Dialogs gibt es dann abhandlungsartige Partien, die solchen Umfang annehmen können, daß sie den Dialog fast sprengen. Als Kunstform hat der Dialog in seinen ab 1521 erscheinenden volkstümlichen Vertretern eine neue literarische Qualität erreicht. Der volkstümliche Reformationsdialog geht zurück auf den von Humanisten neu entdeckten antiken Dialog im Stil des Lukian. Vor allem Hutten und Erasmus verfaßten satirische, an das antike Vorbild angelehnte Dialoge. Sie waren ursprünglich in lateinischer Sprache geschrieben, wurden aber ab 1521 häufig ins Deutsche übersetzt. Weniger verwandt ist dem volkstümlichen Reformationsdialog der althergebrachte lehrhafte Dialog platonisch-ciceroianischer Herkunft, auf den die mittelalterlichen Schülergespräche zurückgehen und die, meist lateinsprachig, auch noch zur Reforma18 tions- und Bauernkriegszeit als starke literarische Strömung vertreten waren. Beide literarische Strömungen beeinflußten den deutschsprachigen Dialog. Die Beeinflussung zeigt sich in der Handhabung der dialogischen Form, vor allem im Auftreten allegorischer, antiker oder biblischer Figuren und in stark latinisierender Sprache. In den besten Dialogen wird jedoch eine große Eigenständigkeit gegenüber der lateinsprachigen Tradition erreicht. Meist dort, wo die dialogische Einkleidung von der Personenwahl her sprachliche Volkstümlichkeit geradezu erzwingt. Das ist dann der Fall, wenn der Verfasser in lebendigem Wechselgespräch Handwerker, Bauern, Laienprediger und Mönche volkstümlicher Orden vorführt. Solche Schriften sind unsere Quellen. Ein häufiges Merkmal von Flugschriften, das ihre Auswertung außerordentlich erschwert, ist ihre Anonymität. Angaben über Verfasser, Drucker, Erscheinungsort und -jähr fehlen ganz oder teilweise auf den Drucken. Die Schriften waren revolutionäre und daher oftmals verbotene Literatur, nach der gefahndet wurde. Die Drucker schützten sich vor Maßregelungen dadurch, daß sie die Flugschriften anonym ausgehen ließen oder Angaben fingierten. So signierte der Drucker Erlinger in Bamberg von ihm gedruckte Schriften mit Aegidius Fellen19 fürst, Coburg.

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1515 war von Papst Leo X. eine allgemeine kirchliche Zensur eingeführt worden. Im Juni 1520 wurden mit dem päpstlichen Bann gegen Luther und die im Mai 1521 folgende weltliche Acht gegen ihn auch seine Schriften und die seiner Anhänger verboten. In Augsburg mußten die Buchdrucker 1515, 1520 und 1523 schwören, 20

daß sie keine Schmähschriften drucken würden. Die Wiederholungen der Maßnahme zeigen, daß die Drucker sich nicht an ihren Eid hielten. Auf dem Reichstagsabschied von 1524 wurde geboten, den 21 Namen des Autors, die Stadt und die Jahreszahl auf den Drucken zu nennen. Aufgrund dieser allgemeinen Zensur ging man gegen die Drucker und auch gegen ihre Erzeugnisse vor. 1521/22 suchte der Leipziger Stadtrat Johann Rauh, genannt Grunenberger, ohne seiner habhaft zu werden. In der Schweiz wurde der Buchdrucker Adam Petri bestraft. In katholischen Gebieten, in Worms, Köln, 22 Mainz und München wurden Flugschriften oft in der ganzen Auflage vernichtet. 1521 wurden in Nürnberg einige hundert Stück einer wiedertäuferischen Schrift beschlagnahmt. 23 1525 war in Nürnberg für fremde Hausierer - sie vertrieben 24 oft Flugschriften - eine Besichtigung ihrer Ware vorgeschrieben. Besonders streng ging man gegen Schriften der radikaleren, münzerschen Richtung vor. 1524 wurde in Nürnberg eine Münzerschrift eingezogen und dem Drucker, Johann Hergot, eine Geldstrafe auferlegt. Den Nürnberger Drucker Hieronymus Höltzel, der ebenfalls eine Münzerschrift gedruckt hatte, kerkerte man ein. Im Dezember 1524 erließ der Vogt von Ansbach ein Verbot, "bei Straf Leibs oder Guts" keine Schriften von Karlstadt, Münzer oder den Anhängern der "alstetter Sect" zu verkaufen oder zu verbreiten. Aus Allstedt wurde der Drucker Münzers verbannt. Und noch 1527 wurde in Leipzig der Nürnberger Buchführer Hans Hergot hingerichtet, 25 der Drucker und Anhänger Münzers war. Die Verfasser blieben nicht nur aus Furcht vor Maßregelungen anonym. Sie strebten nach Volkstümlichkeit und publizierten ihre Schriften oft im Namen von e Laien. 26 So heißt es im Titel des Dialogs vom Schweizer Bauern "Diß buchlin hat gemacht ein Baur auß dem Entlibuch". Das sollte die Schrift bei Bauern popu27 lärer machen. Solche Schriften, die, wie die Zwölf Artikel der Bauern, kollektive Erfahrungen und Bestrebungen ausdrücken, haben, ähnlich wie das Volkslied, keinen individuellen Verfasser. Hier ist allgemein Bekanntes und Erkanntes aufgeschrieben worden und es wäre eher der Name eines Schreibers zu nennen gewesen als der eines Verfassers. Auch hat die Anonymität Traditionen. Die Verfasser der auf S. 22/23 genannten Flugschriften blieben bis auf die Prophezeiungen 28

des Johann Lichtenberger ungenannt. Flugblätter sind immer anonym gedruckt worden. Die Aufhellung der Anonymität, die zeitliche Einordnung der Schriften, die Ermittlung von Drucker und Druckort und des Verfassers, ist Teil der Erschließung dieses Schrifttums. Es gehört als Problem mit zur Quellenlage.

2. Die Quellenlage Die Flugschriften der Reformations- und Bauernkriegszeit sind weder bibliographisch vollständig erfaßt noch durch Neudrucke hinreichend erschlossen. Aus dem publizistischen Charakter dieses Schrifttums ergeben sich Probleme, die seine Erschließung sehr erschweren. Da Flugschriften in einer außerordentlich hohen Anzahl verbreitet waren, bietet allein schon die Erfassung der Masse Schwierigkeiten. Die einzelnen Schriften wurden oft nachgedruckt, so daß eine Schrift in mehreren Drucken über weite Gebiete verteilt war. Zur Erfassung der Schriften in ihrer Gesamtheit tritt so das Prblem, die jeweilige Schrift in allen Drucken nachzuweisen. Das ist nicht nur schwer wegen der weiten lokalen V e r teilung. Flugschriften sind nicht vollständig überliefert, es sind sicher nicht alle Titel auf uns gekommen und auch nicht Exemplare jedes Nachdrucks. Sie wurden durch zeitgenössische Verfolgungen dezimiert. Viel ist auch verlorengegangen, weil es fliegende Schriftchen, eben "Flugschriften" waren. Sie waren keine Kostbarkeiten, die sorgfältig aufbewahrt wurden, sondern billig zu erwerben, dazu gemacht, rasch gelesen zu werden und von Hand zu Hand zu gehen. Heute kann oft von einem Druck nur noch ein Exemplar nachgewiesen werden. Die Überlieferung ist nicht an einigen überschaubaren Aufbewahrungsorten konzentriert, sondern über das ganze Netz von Bibliotheken und anderen Aufbewahrungsstätten für Schrifttum des 16. Jahrhunderts, in Museen und Kunstsamm28

lungen, verteilt und selbst in den Bibliothekskatalogen nicht immer voll erfaßt. Um also sicher sämtliche überlieferten Drucke einer Schrift nachweisen zu können, müßten systematisch die Kataloge aller Aufbewahrungsstätten durchgegangen w e r den, in einigen Fällen darüber hinaus die Bestände. Es gibt verständlicherweise keine Bibliographie aller Flugschriften, die aus so umfassenden Vorarbeiten e r wachsen ist, sondern nur einige wenige vollständige Nachweise zu Einzelschriften. Die großen bibliographischen Verzeichnisse sind unvollständig, und arbeitet man 29

nicht an Schriften, für die es spezielle bibliographische Vorarbeiten gibt, müssen langwierige Nachforschungen zur Überlieferung angestellt werden. Ein weiteres Problem liegt in der häufigen Anonymität sowohl der Flugschriften als auch der einzelnen Drucke. Da der Verfasser der Schriften ebenso wie der Drucker, der Druckort und das Erscheinungsjahr der Drucke oft nicht genannt werden, bieten die Drucke keine anderen Unterscheidungsmerkmale zu ihrer bibliographischen Erfassung als die Titelgestaltung und die Beschreibung der Verzierungen des Titelblatts, meist einer Titelbordüre oder eines Holzschnittes. Bei der Titelgestaltung sind die originalgetreue Orthographie, die alten Interpunktions- und Kürzungszeichen und der Zeilenschluß kennzeichnend. Das heißt, eine bibliographische Erfassung ist nur durch Druckbeschreibungen möglich. Durch solche Druckbeschreibungen sind die Drucke in der Mehrzahl voneinander zu unterscheiden. In Einzelfällen weisen erst Abweichungen im Innern ein Druckexemplar gegenüber einem anderen Exemplar mit gleicher Titelgestaltung als 29 ein Exemplar eines anderen Druckes aus. Da meist auch das Erscheinungsjahr nicht angegeben ist, muß schon bei der bibliographischen Erfassung vieler Flugschriften die Forschung einsetzen; denn die zeitliche Einordnung der Schriften ist notwendige Voraussetzung ihrer Erfassung. Um einen Überblick über die in Dialogform abgefaßten Flugschriften zu bekom men, wurden die großen Gesamtbibliographien für gedrucktes Schrifttum des 16. Jahrhunderts benutzt. Spezielle Verzeichnisse für Dialoge gibt es nicht. Die vollständigsten Bibliographien geben Arbeiten, die vor hundertfünfzig bis hundert Jahren entstanden sind. Das älteste umfassendste und heute noch benutzte Verzeichnis der alten Drucke bietet G.W. Panzer in seinen Annalen der älteren teutschen Literatur mit Zusätzen und in zwei Teilen, 1788-1805 erschienen. Panzer hat die 1733-39 erschienenen Titelsammlungen Th. Sinceris und J. Ch. G. Jahns, 1755-1758 erschienen, mit ausgewertet. Die nach Panzers Annalen e r schienenen Arbeiten K.W. L. Heyses (1854) undW. von Maitzahns (1875) verwertet E. Weller, der 1864-1885 in seinem Repertorium typographicum mit zwei Supplementbänden eine Bearbeitung und Erweiterung der Panzerschen Annalen vorlegte. Einzelne vervollständigende Zusätze zu Panzer und Weller geben K. Goedeke im zweiten Band der zweiten Auflage (Dresden 1886) des Grundrisses 30 zur Geschichte der deutschen Dichtung aus den Quellen und A. Kuczyhski im Thesaurus libellorum, Leipzig 1870-74. Panzers Angaben sind oft ungenau. Er gibt die alte Orthographie der Titel nicht immer originalgetreu wieder und kennzeichnet nicht die Zeilenschlüsse. 30

Nur ausnahmsweise sind die Aufbewahrungsorte der Schriften angegeben, indem er hin und wieder "in meiner Sammlung" oder "in der Scheurlschen Bibliothek" anmerkt. Heyse, Maitzahn und Kuczyfiski geben keine Standorte an, Goedeke nur gelegentlich. E. Weller dagegen, dessen Titelangaben auch genauer sind, verzeichnet die Aufbewahrungsorte. Er hat die Bestände Schweizer, österreichischer und heute westdeutscher Bibliotheken ausgewertet: Zürich, Wien, München, Nürnberg, Ulm, Bamberg, Augsburg. Goedeke verweist außer auf diese Bibliotheken hin und wieder auf Göttingen und Dresden. In unserem Jahrhundert ist eine Bibliographie des Flugschriftenbesitzes der Stadtbibliothek Frankfurt am Main: P. Hohenemser, Flugschriften Sammlung G. Freytags, Frankfurt am Main 1925, erschienen und der von F. Ritter heraus»

gegebene Gesamtkatalog der elsässischen Drucke des 16. Jahrhunderts der Universitäts- und Landesbibliothek Straßburg, Straßburg 1934-1957, der Flugschriften mit aufnimmt. An der bibliographischen Erschließung ist sonst nur durch Einzelarbeiten zu bestimmten Flugschriften weitergearbeitet worden. Diese Einzelbibliographien sind meist mit der Herausgabe von Schriften verbunden. Die Bibliographien gaben mir, da in ihnen Bestände von Bibliotheken aufgearbeitet sind, die heute auf westdeutschem, französischem, Österreichischemund Schweizer Boden liegen, zunächst weiter nichts als einen Überblick über den Umfang der Dialogliteratur und die oft ungenauen Titel der Schriften. Die Drucke an den angegebenen Standorten zu benutzen, war nicht möglich. Zudem ist es äußerst fraglich, ob die Standortangaben Wellers von 1885 noch zutreffen. Auch hier muß überprüft werden. Von dem so gewonnenen Überblick über den Umfang der Dialogliteratur aus war ersichtlich, daß die vorhandenen Neudrucke nur eine geringe Anzahl der Schriften erschließen. In Dialogform abgefaßte Flugschriften sind zusammen mit Schriften anderer Genres in Sammlungen veröffentlicht, in der dreibändigen Ausgabe O. Schades, Satiren und Pasquille aus der Reformationszeit, Hannover 1856 ff.; in der ab 1877 erscheinenden Reihe Neudrucke deutscher Literaturwerke des 16. und 17. Jahrhunderts wurden nur drei Dialoge, in den Nr. 62, 183-188 und 282-284, veröffentlicht. Als Nr. 62 gab L. Enders 1886 den Dialog zwischen Luther und der Botschaft aus der Hölle heraus, 1902 die Schrift: Mich wundert, daß kein Geld im Land ist, von Eberlin von Günzburg. Diese beiden Dialoge sind ebenso wie die von O. Schade veröffentlichten nicht kritisch ediert und konnten für diese Untersu31

chung nicht als Quellen dienen. Nr. 282-84 ist eine kritische Ausgabe des NeuKarsthans, 1930 von E. Lehmann besorgt. 1906 begann O. Clemen vier Bände Flugschriften aus den ersten Jahren der Reformation herauszugeben. Die ersten Hefte erschienen in Halle, die späteren ab 1907 bis 1911 (Heft lo des ersten Bandes und Bd. 2-4) in Leipzig. 1921 setzte O. Clemen die Sammlung fort als: Flugschriften aus der Reformationszeit in Facsimiledrucken. Neue Folge der Flugschriften aus den ersten Jahren der Reformation, Leipzig 1921. Die von O. Clemen und seinen Mitarbeitern (H. Barge, A. Götze, W. Haupt, W. Lücke, P. Kalkoff, F. Luther u . a . ) besorgten Ausgaben sind die philologisch besten. Es sind kritische Editionen oder nicht normierte Wiedergaben der frühneuhochdeutschen Texte. 1931 legte A. E. Berger einen Auswahlband Flugschriften der Jahre 1520 bis 1525 vor: Die Sturmtruppen der Reformation, Deutsche Literatur in Entwicklungsreihen, Bd. 2 der Reihe Reformation. Berger normalisiert sprachlich. Neu ist die von W. Lenk besorgte Sammlung: Die Reformation im zeitgenössischen Dialog, Berlin 1968. Sie gibt 12 Dialoge, erstmals nicht mit anderen Genres zusammengestellt, aus den Jahren 1520 bis 1525 nach Originaldrucken wieder. Leider werden auch hier, wie schon in den anderen nach Schade erschienenen Sammlungen schon öfter herausgegebene Schriften abgedruckt, so daß einige Schriften bis zu viermal ediert und andere immer noch nicht wiedergedruckt sind. Einige Dialoge sind einzeln ediert worden. Sie sind im Anhang von Dissertationen veröffentlicht, wie der Karsthans von H. Burckhardt, Freiburg 1910, und das Appostolicum in den Beiträgen zu den Flugschriften L. Spenglers, Gießen 1939, von O. Tyszko. Die kritische Ausgabe des Schultheiß-Dialogs in: Archiv f ü r Reformationsgeschichte 4 (1906/07) war Teil der Habilitationsschrift A. Götzes. Als Einzelschrift steht noch allein: Der Arnauer Wegsprech, eine protestantische Streitschrift aus dem Jahre 1525, veröffentlicht von A. Bernt und K.W. Fischer, Trautenau 1924. Außerdem ist der Schnaphan-Dialog von K. Schottenloher und E. Voß abgedruckt, der von L. Enders herausgegebene Eberlin-Dialog ist als Faksimiledruck von G. Freytag veröffentlicht. Als Quellen für diese Arbeit waren normierte Ausgaben, also alle von O. Schade und A. E. Berger herausgegebenen Stücke sowie die beiden von L. Enders veröffentlichten Dialoge nicht verwendbar. Die Zahl der kritischen Editionen war zu gering, als daß sie allein als Materialgrundlage ausgereicht hätten. Originalgetreue Neudrucke konnten zwar als Quellen dienen, wo aber mehrere alte Druckausgaben existieren, hätte ohne Heranziehung der alten Drucke auf Abweichungen

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hin verzichtet werden müssen. Auch sollte möglichst aus dem Vorhandenen eine Auswahl getroffen werden. Gesichtspunkte bei der Auswahl waren: I. Die Dialoge sollten volkstümlich-populäre Massenliteratur repräsentieren. 1. Sie sollten der lateinischen Tradition möglichst selbständig gegenüberstehen. Ubersetzungen aus dem Lateinischen

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kamen deshalb nicht in Betracht.

Die auftretenden Gesprächspersonen sollten eine Anlehnung an das Lateini32 sehe nicht begünstigen. Disputationen zwischen Theologen , Gespräche historischer Persönlichkeiten mit allegorischen Figuren (etwa Sickingen 33 34 Petrus oder Gespräche zwischen Allegorien (Christus- Christianus ) dienen nicht als Quellen. 2. Sie sollten ferner Wechselrede in möglichst lebendiger Prosa bieten. Es schieden solche Schriften aus, die nur teilweise dialogisch gehalten 35 sind oder kein eigentliches Wechselgespräch bieten, wie Akten von Ver36 37 hören , der Kinderkatechismus , die einem Sitzungsmanuskript ähnliche 38 Unterredung zwischen dem Papst und seinen Kardinälen . IL Die Sprache der Dialoge sollte in gleichem Umfang mehrere hochdeutsche L i teratursprachevarianten vertreten und weite Verbreitung gefunden haben. Unter den nicht anonym ausgegangenen Drucken und den Schriften mit ermitteltem Drucker fanden sich keine westmitteldeutschen Drucke. E s waren vier Druckzentren zu erkennen: im Südwesten Basel und Straßburg, im Südosten Augsburg, im Ostfränkisehen Nürnberg, Bamberg und Würzburg, im mitteldeutschen Osten Wittenberg und Erfurt. Daher sind Dialoge ausgewählt worden, die folgende Voraussetzungen erfüllen: 1. Sie repräsentieren in diesen Gebieten heimische Literatursprachevarianten, so weit das vom bloßen Lesen her und von vertrauenswürdigen Hinweisen aus zu ersehen ist. So belegt das Schweizer Idiotikon 11, 2142 /gestreift/ im Sinne von ' gelehrttuerisch', ' überheblich' aus dem Dialog vom Schweizer Bauern und 4, 804 /durchneusen/ in der Bedeutung ' durchsuchen', ' durchstöbern' aus dem Karsthans und spricht diese Dialoge somit als schweizerisch an. Das Altmütterlein wertet das Schwäbische Wörterbuch aus: Fischer 5, 938 belegt /schlicken/ in der Bedeutung ' schlucken' aus dieser Quelle. 2. Sie sollten ferner in möglichst vielen Drucken überliefert sein. Die Drucke sollten in mehr als nur einer Sprachlandschaft hergestellt worden sein. 33

Dieser Forderung konnte nicht streng nachgegangen werden. Nicht jede Flugschrift ist in Orten verschiedener Sprachlandschaften gedruckt worden. Vor allem sind Nachdrucke von in ostmitteldeutschen Städten gedruckten Dialogen spärlich. Da die ostmitteldeutsche Literatursprachevariante aber in gleichem Umfang vertreten sein sollte wie etwa die schweizerische, mußten zum Teil Dialoge als Quellen benutzt werden, die nur in einem Druck überliefert sind. III.Da die Drucke eines Dialogs auf Abweichungen im Wortschatz hin miteinander verglichen werden sollten, mußten sie möglichst vollständig in Bibliotheken der DDR vorhanden sein, oder, wo das nicht der Fall war, durch die Fernleihe aus westdeutschen Bibliotheken zugänglich gemacht werden können. IV.Die ausgewerteten Schriften sollten einen gewissen Mindestumfang des Wortschatzes besitzen. Ein bedeutender Teil der Dialoge ist nur drei bis sieben Seiten lang. Dialoge, die nicht wenigstens 10 Seiten lang sind, wurden nicht berücksichtigt, auch, 39 wenn sie die anderen Kriterien erfüllen V. Der gesamte zu untersuchende Wortbestand sollte so umfangreich wie möglich sein, aber doch ein zu bewältigendes Maß nicht übersteigen. Ausgewertet wurden 14 Dialoge, von denen 50 Drucke nachgewiesen sind. Ihr Wortbestand umfaßt etwa 103. 700 Wörter. Als Quellen dienen 1. historisch kritische Ausgaben; 2. Fotokopien von Flugschriften aus dem Bestand der im ersten Kapitel aufgeführten Bibliotheken; 3. wo nach Neudrucken zitiert wird, sind sie anhand der alten Drucke auf ihre Originaltreue hin überprüft worden. Um sämtliche nachgewiesenen Drucke zur Auswertung heranziehen zu können, sind bei den ausgewerteten Dialogen in den angegebenen Bibliotheken nicht vorhandene Druckausgaben ergänzend aus anderen Bibliotheken beschafft worden, sofern nicht Lesarten verzeichnende Ausgaben als Quellen benutzt werden konnten. Außer der Materialsicherung war eine weitere Voraussetzung für die Untersuchung die Aufhellung der Anonymität der Drucke. Die Anonymität umfaßt die Angabe des Erscheinungsjahres, des Druckers und des Druckorts sowie die Nennung des Verfassers. Von den ausgewerteten 14 Dialogen nennen drei einen Verfasser: Kettenbach für das Altmütterlein, Hans Bechler von Scholbrunnen für den Fuchs-Wolf-Dialog 34

und Balthasar Stanberger für die Prior-Schrift. Nur über Kettenbach sind uns we40 nige historische Zeugnisse zur Biographie bekannt. Von den 14 Dialogen sind in den Jahren 1521 bis 1525 50 nachweisbare Drucke erschienen. Das Druckjahr ist auf einem Viertel der Drucke (vierzehnmal) angegeben (Wegsprech A, Schultheiß I, Fuchs-Wolf A, B, C, D, E, F, Altmütterlein B, Schwabacher Kasten B, C, Christ-Jude A, Münzerischer Schwärmer A, B), der Drucker nennt sich dreimal (Michael, Buchfuhrer, Vater-Sohn A und Hans 41 Hoß von Brawn Wegsprech A und B). Die Angabe zum Wegsprech ist fingiert,

so daß

von 50 Drucken bis auf einen Fall der Drucker ungenannt bleibt. °Die Nennung des Druckers wie auch die des Verfassers ist eine große Ausnahme. Ebenso selten wird der Druckort bekanntgegeben (nur auf Vater-Sohn A ist / E r f f u r d t / und auf dem Münzerischen Schwärmer A /Wittemberg/ aufgedruckt, /Arnaw an der Elb in B§hem/ auf A und B des o Wegsprechs sind wieder fingiert). Die Mehrzahl der ausgewählten Dialogdrucke ist somit völlig anonyme Literatur, am ehesten wird noch das Druckjahr angegeben. Verfasser, Drucker und Druckort bleiben fast immer ungenannt. Die Abfassungszeit des Dialogs, der Drucker und damit der Druckort sowie das Erscheinungsjahr des Drucks sind in den meisten Fällen sicher zu ermitteln. Die o Abfassungszeit ergibt sich aus inhaltlicher Bezugnahme auf historische Zeit- und Tagesereignisse, einem charakteristischen Merkmal von Flugschriften. Drucker, Druckort und Erscheinungsjahr des Drucks sind zu ermitteln durch vergleichende Untersuchungen von Schrifttypen, Titeleinfassungen, bildlichen Beigaben und Wasserzeichen anonym erschienener Drucke mit denen nicht anonymer Drucke und durch Heranziehung historischer Fakten über die Existenz von Druckereien zu bestimmter Zeit an bestimmten Orten. Zwischen der Abfassungszeit der Schrift und der Erscheinungszeit der Drucke lag in der Regel nur eine geringe Zeitspanne. Der Reformationszeit nicht mehr angehörige spätere Nachdrucke lassen sich sicher aus denen bis 1525 erschienenen Drucken aussondern. Es ist zwar sehr mühsam, die Drucke zu datieren und zu lokalisieren, aber doch aufgrund außersprachlicher Mittel möglich. Bei den meisten Drucken der Dialoge konnte auf Forschungsergebnisse zur zeitlichen Einordnung und zur Druckerermittlung aufgebaut werden. Wo die Angaben noch nicht ermittelt waren, verdanke ich sie Herrn Dr. J. Benzing, Mainz, dem ich Fotokopien der fraglichen Druckausgaben zuschicken durfte. Bei Nachdrucken entsteht die Frage nach dem Textverhältnis. In den Fällen, wo es bisher nicht erforscht worden ist, konnte ich die Lücken nicht schließen. 35

Viel Mühe hat die Forschung auf die Ermittlung der anonymen Verfasser verwandt. Von den vierzehn ausgewählten Dialogen sind elf mit ungenanntem Verfasser gedruckt worden. In sieben von ihnen gibt es Untersuchungen zur Verfasserermittlung, nämlich zu: Karsthans, Wegsprech, Schultheiß, Schwabacher Kasten, Barfussermönch, Christ-Jude, Wallfahrt. Bemerkungen gibt es auch zum Verfasser des Fuchs-Wolf-Dialogs, der, zwar genannt, aber historisch nicht erwiesen ist. Methodisch gehen alle diese Untersuchungen auf A. Götze zurück, der überzeugt war, die Ermittlung der ungenannten Autoren sei "mit Sicherheit erreichbar. Denn in den meisten Fällen ist es möglich, durch Beobachtung der Mundart einer Flugschrift ihre Heimat, aus der individuellen Eigenheit ihrer Sprache Bildung und Interessen ihres Verfassers, aus dem sachlichen Inhalt der Schrift ihre Parteistellung und den besonderen Anlaß ihrer Entstehung genau zu bestimmen, aus der typographischen Einzeluntersuchung und aus der Biographie der zunächst in Betracht kommenden Persönlichkeiten geben sich zumeist so viel weitere Anhaltspunkte, daß in der Regel der Verfasser mit Sicherheit nachgewiesen werden 49

kann. " Die Ergebnisse der Untersuchungen lassen Bedenken gegen die Methode entstehen. Dort, wo sich verschiedene Forscher bemühten, den Verfasser eines Dialogs auszumachen, wurden auch verschiedene Ergebnisse vorgelegt und heftig umstritten, so beim Wegsprech, als dessen Verfasser A. Götze Urban Rhegius "erwies", P. Merker dagegen Vadian, außerdem beim Karsthans, Fuchs-Wolf und Barfussermönch. Vorsichtigere und sorgfältig Argumente abwägende Arbeiten kommen zu keinem sicheren Ergebnis, so O. Tyszko beim Fuchs -Wolf-Dialog, K. Schottenloher für die Schrift vom Barfussermönch und den Dialog vom Schwabacher Kasten. Das bisher als sicher angesehene Ergebnis der Dissertation H. Burckhardts, Verfasser des Karsthans sei Vadian, lehnt neuerdings W. Näf 43 von der Kenntnis der Biographie Vadians her ab. Unsere Bedenken erhärten sich beim genaueren Betrachten der Anwendung der Götzeschen Methode. Das soll am Beispiel der Autorenbestimmung des SchultheißDialogs gezeigt werden, dieA. Götze selbst vornahm 44 und deren Ergebnis, Ver45 fasser sei der Elsässer Martin Butzer, als gesichert gilt. Die mundartliche Färbung des Dialogs ergibt sich für A. Götze aus der Übereinstimmung einer Reihe von 46 Wörtern und Wendungen mit der modernen Mundart eines geborenen Schlettstätters. Es wird also unbedenklich der historische Wortbestand bzw. Wortgebrauch mit dem Stand der modernen Mundart gleichgesetzt. 36

So weit die aufgeführten sprachlichen Erscheinungen den von uns behandelten Wortbestand (Substantive, Adjektive, Verben mit den Anfangsbuchstaben von A - K) betreffen, haben wir sie an der historischen Überlieferung überprüft. Es betrifft /bekümern/ 'betrüben', 'besorgt machen'; /bereiten/ 'zubereiten', ' zurüsten'; /kramladen/ ' Kaufladen'; /ime/ 'Biene'; /aufschlag/ ' Mehrforderung bei Preisen' ; /blöderer/ ' S c h w ä t z e r ' / g e l e b e n / mit Genitiv 'von, nach etwas leben'. Das letzte Wort soll, da es in originalen Butzerschriften vorkommt, für Butzers Verfasserschaft sprechen. ^ Davon sind in historischen alemannischen, schwäbischen bairisehen und ostmitteldeutschen Quellen nachgewiesen: /bekümern/, /bereiten/, /kramladen/, /aufschlag/, /geleben/. Diese Wörter bzw. Wortbedeutungen sind in unserer Wortliste des einheitlichen Wortbestandes aufgenommen, die Beweise ihrer überlandschaftlichen Geltung s. dort. Sie besitzen keine Beweiskraft für eine bestimmte mundartliche Färbung der Schultheiß-Schrift. /Geleben/ ist so häufig, daß sein Vorhandensein bei Butzer und in dieser Schrift nichts besagt. /Ime/ und /blöderer/ sind im Oberdeutschen weit verbreitet und nur dem Ostmitteldeutschen fremd. Die von A. Götze für die elsässische Mundart in Anspruch genommenen Wörter und Wortbedeutungen sind also in der Mehrzahl außer in elsässischen in schweizerischen, schwäbischen, bairischen und ostmitteldeutschen Quellen nachgewiesen. Die landschaftlich gebundenen/ime/, /blöderer/ sind nur dem Ostmitteldeutschen fremd. Auch diese Wörter weisen also nicht speziell ins Elsaß. A. Götze spricht als eng mundartlich an, was nicht eng mundartlich ist. Es fehlt die Überprüfung an der historischen Gesamtüberlieferung. Sicher spiegelt sich hierin der damalige (1906) Forschungsstand. Unsystematische Arbeitsweise wird dort sichtbar, wo persönliche Eigenheiten Butzers angeführt werden, die ebenso wie inhaltliche Übereinstimmungen des Dialogs mit echten Butzerschriften, Butzers Verfasserschrift beweisen sollen. Persönliche Eigenheiten sollen die Wendungen /der Papst und sein Anhang/, /Siebent und Dreißigst/ sein. 49 Im Wegsprech 29, 26/27 kommt vor /des bapst o vnd sein gantzen anhangs/; im Barfussermönch Aiij 8/9 /von den Antichristen den Bepsten vnd jren anhengern/; Christ-Jude 398,15 wird vom /anhangk/ des Antichrists gesprochen. /Siebent und Dreißigst/ stehen in der Wallfahrt 149, 27/28 ebenso nebeneinander wie im Schultheiß-Dialog 17, 19. Auch /gernecht/ und /geprenge/® 0 sind Allgemeingut, s. die Wortliste. Ebenso beweisen die angegebenen inhaltlichen Übereinstimmungen nichts. Im 37

Schultheiß-Dialog 19,9 und 26,13 werden die Fürsten gebeten, den Geistlichen überflüssige Pfünden zu nehmen. Im Prior-Dialog Bij* wird abgehandelt, daß Landbesitz den Fürsten gebühre, im Gespräch über die Wallfahrt 155 wird in dem Ausruf "O yhr frommen deutschen Fürsten vnd yhr frommen Reychstet, secht in die sach, treybt sie auß" Bezug genommen auf die ungerechte Besitzverteilung im Hinblick auf die klösterlichen Güter. Wir sind nicht alle Argumente Götzes durchgegangen. Die Proben aus dem Wortbestand der Flugschrift, der ihre Mundart bezeugen soll und die Wörter, Wendungen und inhaltlichen Partien, die Eigenheiten Butzers sein sollen, genügen, um unsere Bedenken gegen die Ergebnisse von Arbeiten zu rechtfertigen, die mit dieser Methode ungenannte Verfasser der Dialoge ermittelten. Unsere Arbeit baut auf Forschungsergebnissen zur zeitlichen Einordnung, zur Druckerermittlung und zur Feststellung des Textverhältnisses der Drucke auf. Sie sieht die Dialoge nach wie vor als Flugschriften unbekannter Verfasser an. Sicheres Ergebnis der Arbeiten zur Verfasserermittlung ist uns nur, daß die ungenannten Autoren zu den geistigen Führern der Reformation gehörten, die sich zwar öfter als Bauern und Handwerker ausgaben, sich aber durch den Inhalt, die theologischen Argumentationen, den Gebrauch nicht eingebürgerten lateinischen Wortgutes, durch lateinisch flektierte Wörter wie auch durch das Verfassen der Flugschriften selbst als Angehörige der Intelligenz und als lutherisch gesinnte Reformatoren ausweisen.

3.

Die Quellen

Aus der Quellenlage und dem Forschungsstand ergibt sich die Notwendigkeit, bibliographische Angaben zu den untersuchten Schriften zusammenzustellen. Sie werden gegeben in Form von Druckbeschreibungen. Die Beschreibungen der Drucke jedes ausgewerteten Dialogs bilden den ersten Abschnitt und die materialmäßige Grundlage für die beiden nächsten Abschnitte, die sich mit der Wirkungsmöglichkeit der Dialoge im Herausbildungsprozeß einer einheitlichen nationalen deutschen Literatursprache in sozialer und territorialer Hinsicht beschäftigen. 3.1.

Druckbeschreibungen

Die Druckbeschreibungen bringen folgende Angaben: 38

1. Angaben der Originaldrucke: a) Die Titel aller nachweisbaren Drucke in originalgetreuer Orthographie. Nur s und f sind nicht geschieden. Bei der Titelbeschreibung bedeutet / / Zeilenschluß und , gibt ein / des Druckes innerhalb der Zeile wieder; b) Angaben der alten Drucke über den Drucker und den Druckort, das E r scheinungsjahr und den Verfasser. Fehlen diese Angaben ganz oder teilweise, ist von mir vermerkt: o.O.J. Dr. u. Verf. (= ohne Ort, Jahr, Drucker und Verfasser). 2. Bibliographische Nachweise der Drucke und Ermittlungen der Forschung zu den einzelnen Drucken: a) das Marginale, unter dem der Druck bei Panzer (P) und Weller (W) nachgewiesen ist; b) waren die Drucke in den von mir besuchten Bibliotheken vorhanden, sind heutige Standorte angegeben mit den entsprechenden Bibliothekssignaturen; c) den von der Forschung ermittelten Drucker und den Druckort. 3. Ermittlungen der Forschung zur Schrift: a) wo mehrere Drucke vorhanden sind, zum Textverhältnis; b) zur Abfassungszeit des Dialogs; c) zur Verfasserfrage. Weiterhin wird unsere Quelle angegeben und Neudrucke, sofern sie existieren. Um nicht die alten umständlichen Titel zitieren zu müssen, ist jedem Dialog eine kurze Bezeichnung vorangestellt. In Klammern steht das Sigle, das bei Stellenangaben verwendet wird. Die zur Unterscheidung der Drucke benutzten Buchstaben A, B, C usw. folgen den Druckbezeichnungen in den genannten Bibliographien der Drucke. Nur dort, wo die Drucke einer Schrift von bisheriger Forschung nicht zusammengestellt und benannt worden sind, stammen sie von mir. In keinem Fall sagen die Buchstaben etwas über das Textverhältnis aus. Karsthans (K) Drucke: A

Karsthans o. O. J. Dr. u. Verf. P -, W 1433 Druck von Johann Prüß d. J. in Straßburg Vorhanden in Dresden: Hist. eccl. E 376,26, in Zwickau: 17. 9.1. /40 39

B

Karsthans o. O. J . Dr. u. Verf. P W 1433 51

C

Druck von Johann Prüß d. J. in Straßburg Karst Hanns o. O. J. Dr. u. Verf. P W 1439

D

Druck von Jörg Nadler in Augsburg Karsthans o.O. J . D r . u . Verf. P W 1437

E

F

G

H

J

40

52 Druck von Matthes Maler in Erfurt Vorhanden in Zwickau: 20. 8.18/42 Karsthans o. O. J. Dr. u. Verf. P Zusätze 1005e, W 1441 Druck von Adam Petri in Basel Karsthans o. O. J. Dr. u. Verf. P W 1435 Druck von Adam Petri in Basel Karsthans o. O. J. Dr. u. Verf. P W 1436 Druck von Pamphilius Gegenbach in Basel KArsthans mit vier / / Personen so vnder inen selbs / / ain geSprech vnd red Halten, o. O. J. Dr. u. Verf. P Zusätze 1005b, W 1438 Druck von Melchior Ramminger in Augsburg Karsthanns mit vier / / Personen so vnder jnen selbs / / ain gesprech vnd red halten, o. O. J. Dr. u. Verf. P W 1440 Druck von Simprecht Ruff in Augsburg

K

Dise seind die fünff, so vnder jnen, / / selbst ain gesprech vnd red halten, mit namen. Murner, / / Karsthans. Studens. Luther, vnd Mercurius. Gar kurtzweylig, / / vnd lustig zu lesen. o.O. J.Dr.u. Verf. P W 1434 Augsburger Druck, wohl von Silvan Otrrjar

Das Textverhältnis: A ist Erstdruck und Vorlage für B, B Vorlage für C, D, E und K, E diente als Vorlage für F, G und H, H war Vorlage für J. 53 Zur Schrift: Eine genaue Bibliographie für jeden Druck bietet Burckhardt 52 ff. Er hat auch die Drucker ermittelt. Der Dialog ist 1521 abgefaßt worden. 54 Verfasser des Karsthans ist nach Burckhardt der Schweizer Joachim von Watt 55 (Vadianus). Vor Burckhardt ist der Dialog mehrfach Elsässern zugeschrieben worden: Matthias Zell, Johann Lapidus, Nikolaus Gerbel und auch Martin Butzer. 56 Burckhardts Verfasserermittlung wurde von der Forschung als gesichert angese57 hen, obwohl schon 1927 T. Schieß Bedenken gegen Vadian als Autor des Karst hans aussprach. 58 Neuerdings hat der Biograph Vadians, Werner Näf, die Verfasserschaft des Schweizer Humanisten abgelehnt. 59 Quelle ist die kritische Ausgabe der Schrift durch H. Burckhardt, Karsthans, phil. Diss., Freiburg i. Br. 1910, die dem Urdruck A folgt und Lesarten für die neun übrigen erhaltenen Drucke gibt. Neudrucke: Der Dialog ist außer in der von uns als Quelle benutzten kritischen Ausgabe noch einmal durch Burckhardt herausgegeben in der Sammlung Flugschriften aus den ersten Jahren der Reformation, hg. von O. Clemen, Bd. 4, S. 52 ff. Neugedruckt ist er durch A. E. Berger, Die Sturmtruppen der Reformation, Leipzig 1931, S. 100 ff. und durch W. Lenk, Die Reformation im zeitgenössischen Dialog, Berlin 1968, S. 67 ff. Wegsprech (W) Drucke: A

Eyn wegsprech gen Regenspurg / / z8, / / ynß Concillium, zwischen eynem Bischoff / / Hurenwirt, vnd KSntzen seinem knecht.

41

am Schluß: Gedruckt zu Arnaw an der Elb in B§hem / / durch Hans Hoß von Brawn. / / Anno. M. D. XXV. o. Verf. P W Drucker und Druckort sind fingiert 60 61

B

C

Druck von Christof Froschauer in Zürich Vorhanden in Dresden: Hist. eccles. E 380,22 Ein Wegsprech gen Regenspurg zu, ynß Concilium, zwischen eynem Byschoff Hurenwirt, vnd K&itzen seinem knecht. am Schluß: Gedruckt zu Arnaw an der Elb jn Böhem, durch Hans Hoß von Brawn, Anno. M. D. XXV. o. Verf. P 2941 Dieser Druck ist in den von mir besuchten Bibliotheken nicht vorhanden. Er konnte auch vom Suchdienst der Deutschen Staatsbibliothek Berlin nicht beschafft werden. cn Der Titel ist hier angegeben nach P. Merker . Da Merker wie auch Panzer die Zeilenschlüsse nicht kennzeichnen, fehlen sie hier. Drucker und Druckort sind fingiert, der tatsächliche Drucker nicht festgestellt. 6 3 Der Hurenwirt. / / Eins Hurenwirts, aber doch Schrifft//lich, gesprech, mit eim onerkanten Bischoff, wie sie on=//gefer gen Trient auffs Concilium zureisen im feldt / / z8samen kommen. o. O. J. Dr. u. Verf. P 2941 erwähnt Druck von Jacob Cammerlander in Straßburg64 65

Das ist eine 20 Jahre später entstandene Neufassung des Wegsprechs, die der Vorlage frei gegenübersteht, mit umfangreichen Ergänzungen und Abänderungen. Vorhanden in Dresden: Hist. eccles. E 380,34 und in Zwickau: 17.12.1. / 6 Textverhältnis: A ist primär gegenüber B. 66 67

Zur Schrift: Das Wegsprech ist 1524 abgefaßt worden. Als Verfasser hat A. Götze den Augsburger Domprediger Urban Rhegius erweisen wollen. 68 42

Dem widersprach P. Merker, der den Schweizer Vadian für den Autor hielt.

69

K. Schottenloher unterstützte P. Merker in dessen Kritik der Ausführungen Götzes, hielt aber die Zuweisung einer Gruppe von Schriften, darunter auch 70 dieser, an Vadian für nicht gesichert. Quelle ist der originalgetreue Neudruck von A in: Der Arnauer Wegsprech, eine protestantische Streitschrift aus dem Jahre 1525, veröffentlicht von A. Bernt und K W . Fischer, Trautenau 1924. Neugedruckt ist der Dialog durch O. Schade, Satiren und Pasquille aus der Reformationszeit, Bd. 1, Hannover 1856, 159 ff. Druckvorlage Schades ist ein unvollständiges Exemplar von A, er druckt danach 4 Bogen und benutzt dann B. Schweizer Bauer (SB) Drucke: A

Der gestryfft Schwitzer Baur / / Diß bSchlin hat gemacht ein Baur auß dem Entlibuch, / / Wem es nit gefall der küß im die bruch. / / o. O. J. Dr. u. Verf. P -, W 2077 71 Druck von Pamphilius Gengenbach in Basel Vorhanden in Halle: Ji 3429 und Halle, vormals Wernigerode: Hc 381 sowie in Dresden: Hist. eccles. E 372,46 B Der gestryfft Schwitzer Baur / / Diß bSchlin hat gemacht ein Baur auß dem Entlibuch, / / Wem es nit gefall der küß im die bruch. o. O. J. Dr. u. Verf. P 1582 Diesen Druck habe ich nicht gefunden. Er ist in den von mir besuchten Bibliotheken nicht vorhanden und konnte auch nicht vom Suchdienst der Deutschen Staatsbibliothek Berlin nachgewiesen werden. Das Textverhältnis ist nicht untersucht. 72 Zur Schrift: Der Dialog ist 1522 entstanden. Der Verfasser ist unbekannt. Die Schrift wurde nicht neugedruckt. Quelle ist eine Fotokopie des Hallenser Exemplars Hc 381 von Druck A.

43

Schultheiß (S) Drucke: A

B

C

Ain schSner dialog® / / Un gesprech zwischen aim Pfar=/rer vnd aim Schulthayß, betreffend allen übel/Stand der gaystlichen. Und b8ß handlüg / / der weltlichen. Alles mit geytzig=/kayt beladen, o. O. J. Dr. u. Verf. P 1218 Druck von Melchior Ramminger in Augsburg Vorhanden in Halle: an Jg 3022-8° (Jf 3292) und in Dresden: Hist. eccles. E 374,10 Ain schSner dialog® / / Vnd gesprech zwischen aim Pfar=// rer vnd aim Schulthayß, / / betreffend allen übel Stand// der geistlichen. / / Vnnd bSß handlüg der weltlichen. Alles mit geytzig=//kayt beladen, ec. o. O. J. Dr. u. Verf. P 1220 Druck von Melchior Ramminger in Augsburg Vorhanden in Halle: Ji 3180a Eyn schöner Dialogus vnd ge=//sprech Zwischen eym Pfarrer vnd eym / / Schultheyß, betreffend allen ubelstand der geyst=//lichen, vnd bSßhandlung der weltlichen. / / Alles mit geytzigkeyt belade, o. O. J. Dr. u. Verf. P -, W 1728

D

Druck von Hieronymus Höltzel in Nürnberg Vorhanden in Dresden: Hist. eccles. E 374,14 Ain schSner Dialogus vnnd ge=//Sprech zwischen eim Pfarrer vnd eim Schultheyß, / / betreffend allen übel Stand der geistlichen. / / Vnd bSß handlüg der weltlichen. / / Al=//les mit geytzigkeit beladen ec. o. O. J. Dr. u. Verf. P W 1725 Vermutlich ein Straßburger Druck Vorhanden in Dresden: Hist. eccles. E 374, 8

44

E

F

G

H

J

Eyn schöner dialogus vn gesprech / / zwischen Sim Pfarrer vnd eym Schultheß, betreffendt / / alle vbel des Stands d' geystlichen. Vn bSß / / handlung der weltlichen. Alles / / mit geytzigkeyt belade, ec. o. O. J. Dr. u. Verf. P 1222 Druck von Johann Knappe in Erfurt Ain schSner Dia//logus. Vn gesprech zwischen aim Pfarrer / / vn aim Schulthaiß, betreffend allen / / übel, stand der gaistlichen. V n n d / / b8ß handlüg der weltlichen. Al=//les mit geytzigkayt beladen, o. O. J. Dr. u. Verf. P 1221 Druck von Hans Schönsperger in Augsburg Vorhanden in Zwickau: 17. 9.1./36 und in Dresden: Hist. eccles. E 374,12 Eyn schöner Dialogus vnd gesprech / / twzischen eim Pfarrer vnd eim Schulthayß, betreffend allen / / ubel Stand der geystlichen. Vnnd b8ß handlung der / / weltlichen. Alles mit geytzigkeit beladenn. o. O. J. Dr. u. Verf. P -, W Druck von Nikolaus Widemar in Eilenburg Vorhanden in Leipzig: in Libri sep. A 2007 (Nr. 22) Ain schöner dialogus Unnd ge=//Sprech zwischen aim Pfarrer vn / / aim Schulthayß, betreffend alln übel Stand der / / gaistlichn. Vnd bSß handlung der welt//lichen. Alles mit geytzigkait / / beladen, o. O. J. Dr. u. Verf. P -, W 1726 Druck von Jörg Nadler in Augsburg Ain schöner Dialogus vn//de gesprech tzwischen eym P f a r r e r v n n d / / eym Scnulthayß, betreffendt allen vbel stand der / / Geystlichen. Vnd bSß handlung der Weltlichen. / / Alles myt der Geytzigkeit beladenn. ec. am Ende: Vollend im jar. MD. XXI

K

L

M

N

46

o.O. Dr. 11. Verf. P 1219, W 1727 Druck von Pamphilius Gengenbach in Basel Eyn schöner Dialogus vnnd gesprech / / Zwischen eim Pfarrer vnnd eim Schulhayß, betreffend / / allen übelstand der geistlichen, vnd boßhand=//lung der weltlichenn. Alles mit / / geytzigkeit beladenn. o.O. J. Dr. u. Verf. P -, W 186 (Suppl.) 73 Druck von Georg Erlinger in Bamberg Vorhanden in Dresden: Hist. eccles. E 374,16 Dialogus das / / ist ein gesprech oder rede, zwischen / / zweien. Einem Pfarrer vnd ei=//ne Schultheiß, antzeigende / / geistliches vnd weltli//ches stands übel han//lüg, war zu allein / / geytzigkeit sie / / zwinget, o. O. J. Dr. u. Verf. P W 1724 Druck von Valentin Curio in Basel Eyn schöner dialogus vnd / / gesprech zwische eym P f a r / / r e r vn eim Schulthes be//treffendt alle vbel des / / stands d' geystlichen / / vnd boß handlüg / / der weltlichen / / alles mit / / geyczig//keyt bele=//cten. o. O. J. Dr. u. Verf. P -, W 1729 Druck von Nickel Schirlentz in Wittenberg Vorhanden in Dresden: Hist. eccles. E 374,17 Ain schSner Dialogus vnd / / straffred von dem Schulthaiß von g a y ß = / / d o r f , m i t seinem schuler, wid' den Pfarrer da selbst vn seine / / helffer in beyweßen der fierer vn etlich nachbaure des / / dorffs, antreffendt allen mangel vnd geytz / / gaystlich vnd weltlichs Stands, ec. o. O. J. Dr. u. Verf. P 1223, W 1731 Druck von Melchior Ramminger in Augsburg Vorhanden in Dresden: Hist. eccles. E 374,6

Textverhältnis: A ist Erstdruck und Vorlage für B, B Vorlage für die Drucke CDEFGHJKLM,

N steht durch umfangreiche Zusätze allein.

74

Zur Schrift: eine Bibliographie zu jedem Druck bringt A. Götze. E r hat auch ' 75 die Drucker ermittelt. 76 Der Dialog ist 1521 entstanden. 77 Als Verfasser ermittelte A. Götze den Elsässer Martin Butzer. Die Verfasserermittlung wird heute als gesichert angesehen. R. Stupperich nimmt in78 seiner 1960 erschienenen Ausgabe der Frühschriften Butzers den Dialog auf, 79 auch W. Lenk hält sie für wahrscheinlich. Quelle ist die von A. Götze besorgte kritische Ausgabe: A. Götze, Martin Butzers Erstlingsschrift, in: Archiv für Reformationsgeschichte 4 (1906/07) 7 ff. Neudrucke: R. Stupperich druckt in: Martin Bucers Deutsche Schriften, Bd. 1, Gütersloh und Paris 1960, 445 ff. die kritische Ausgabe A. Götz es ab. Der Dialog ist außerdem neugedruckt durch O. Schade, Satiren und Pasquille aus der Reformationszeit, Bd. 2, Hannover 1863, 135 ff. und durch W. Lenk, Die Reformation im zeitgenössischen Dialog, Berlin 1968, 128 ff. Schades Druckvorlage ist Druck D, Druckvorlage Lenks Druck A. Altmütter lein (A) Drucke: A

Eyn gesprech Bruder Hainrich von / / Kettenbach mit aim fromen alte mut//terlin von Ulm von etlichen zufeilen / / und anfechtung des altmuterlin auf / / wellyche anttwurt gegeben von Bru//der Hainrich o.O. J . u. Dr. P 1915, W 2466 Augsburger Druck Vorhanden in Dresden: Hist. eccles. E 273, 36

B

Eyn gesprech bruder Hain=//richs vö Kettenbach mit aim / / fromen altmüterlin von Ulm / / von etlichen zufein und anfe=//chtung des altmütterlin, auff / / welche antwort gegebn von / / bruder Hainrich. Im J a r M. D. XXiij. o.O. u. Dr. P 1913, W 2465

47

Druck von Jobst Gutknecht in Nürnberg Vorhanden in Dresden: Hist. eccles. E 273,34 C

Ein gesprech bruder Hein//richs von Kettenbach mit aim / / frommen altmutterlein von / / Ulm von etliche zufein vn / / anfechtüg des altmut=//terlein o. O. J . u. Dr. P 1914 Druck von Matthes Maler in Erfurt Vorhanden in Halle, Hauptbibliothek der Franckeschen Stiftungen (ehemals Waisenhausbibliothek): 64. B. 15

Textverhältnis: Der Erstdruck A ist Vorlage für B , B Vorlage für C.

80

Zur Schrift: Eine genaue Bibliographie für die drei Drucke gibt O. Clemen, 81 von ihm stammt auch die Ermittlung der Drucker. Autor des Dialogs ist der in den Titeln aller drei Drucke genannte Heinrich von Kettenbach. Aus unserem Wissen über seinen Lebenslauf läßt sich nicht auf eine zu erwartende Lokalfärbung der Sprache dieser Schrift schließen. Wir wissen nicht, ob er in Kettenbach in der Oberpfalz oder in Kettenbach in Hessen geboren wurde. 1521 ist er in Ulm, muß aber Ende 1522 Kloster und Stadt wegen seiner revolutionären Schriften verlassen. Unseren Dialog hat er 1523 verfaßt. E s 82 ist unbekannt, wo er in diesem Jahr lebt und nach 1523 verliert sich jede Spur. Daraus ergeben sich als vage Anhaltspunkte, daß der Geburtsort Kettenbachs auf wmd. Mundartgebiet gelegen hat und daß er sich im schwäbischen Raum aufgehalten hat. Quelle ist die kritische Ausgabe bei O. Clemen, Flugschriften aus den ersten Jahren der Reformation, Bd. 2, Leipzig 1907, 55 ff. Fuchs-Wolf (F) Drucke: A

Ein Gesprech eyneß Fuchs / / vnd Wolfis, so die andern Fuchs vnd wSlff auff den / / Stayger waldt zusamen geschickt, sich zu / / vnder reden, wo vnd wie die beyde / / parthey den wintter sich halte / / vnnd neren wSllen. / / M. D.XXiiij am Ende: Gedicht durch Hanß Bechler vo Scholbrunnen.//

48

B

o. O. u. Dr. P 2561 Druck von Hans Hergot in Nürnberg Vorhanden in Berlin, Deutsche Staatsbibliothek: Flugschr. 1524, lb Ein Gesprech aines / / Fuchs vnd Wolfs so die andere / / Füchs vnd wSlff auff den stayger / / waldt zusamen geschickt, sich z8 under / / reden wa vnd wie die bayde par//tey den winnter sich halten / / vnnd nSren wellen. / / MDXXim

C

am Ende: Gedicht durch Hans bechler von scholbrunnen. / / o. O. u. Dr. P W 2781 Druck von Melchior Ramminger in Augsburg Vorhanden in Berlin, Deutsche Staatsbibliothek: Flugschr. 1524, la Ein Gesprech aines / / Fuchs vnd Wolfs so die andere / / Füchs vnd wSlff auff den stayger / / waldt zusamen geschickt, sich zu vnder / / reden wa vnd wie die bayde par//tey den winntter sich halten / vnnd nSren wellen.// MDXXim.

am Ende: Gedicht durch Hans bechler von scholbrunnen.// o. O. u. Dr. Dieser Druck hat dieselbe Titelgestaltung wie B, ist aber ein anderer Druck, wie die Abweichungen im Inneren des Textes beweisen. Weller unterscheidet die beiden Drucke nicht. W 2781

D

Druck von Melchior Ramminger in Augsburg Vorhanden in Berlin, Deutsche Staatsbibliothek: Flugschr. 1524,1 Einn Gesprech eynes Fuchs vnnd / / Wolfis, so die andernn Fuchs vnnd Wolff auff denn / / Stayger waldt zusamen geschickt, sich zu / / vnder redenn, wo vnnd wie die beyde / / parthey den wintter sich halte unnd neren wollen. / / M. D.XXiiij am Ende: Gedicht durch Hanß Bechler von Scholbrunen. / / o. O. u. Dr. W, Suppl. 1,409

49

E

F

G

Druck von Johann Lobmeyer in Würzburg Vorhanden in Berlin, Deutsche Staatsbibliothek: Flugschr. an 1521,3 Eyn Ge Sprech eynes Fuchß, vnnd / / Wolfis, so dye andern F§chß vnnd wSlff, auff denn / / Stayger waldt zcu samenn geschickt, sich z c u / / vnder reden, wo vnndwye dye beyde / / parthey den winter sich halten, / / vnnd neren willen. / / M. D. XXiiij am Ende: Gedycht durch Hanß Bechler von Scholbrunnen. o.O. u. Dr. P -, W Druck von Matthes Maler in Erfurt Vorhanden in Berlin, Deutsche Staatsbibliothek: Flugschr. 1524, lc Eyn Gesprech eynes / / Fuchs, vnnd wolffs, so dye andern / / F§chß vnd wSlff auff den Stayger waldt zu samen / / geschyckt, sich zu vnder reden, wo vnd wye die / / beyde parthey den Wintter sich halten, / / vnnd nerenn wSllen. M. D. XXiiij. am Ende: Gedycht durch Hanns Bechler von Scholbrunnen. o.O. u. Dr. W, Suppl. 11,504 Druck von Matthes Maler in Erfurt Vorhanden in Zwickau: 16.11.15/58 Eyn Gesprech eynes / / Fuchs vnd wolffs, so die an=//dern F§chs vnd wSlff auff den Stayger//wald zusamen geschickt, sich z8 vn=//terreden, wo vnd wie die bey=//de partheyen, den winter / / sich halten vnd ne=//ren wSllen. am Ende: Gedicht durch Hans Bechler von Scholbrunnen. o.O.J. u. Dr. P W 2782

Druck von Friedrich Peypus in Nürnberg Vorhanden in Berlin, Deutsche Staatsbibliothek: Flugschr. 1524, ld 83 Textverhältnis: nach O. Tyszko ist A der Erstdruck, das Verhältnis der Texte untereinander steht nicht fest. Zur Schrift: Die Bibliographie mit den Druckerermittlungen hat K. Schottenloher geliefert. 84 50

Oer sich als Verfasser nennende Hans Bechler von Scholbrunnen ist historisch 85 nicht mehr zu erweisen. Die Forschung nahm an, daß es sich um einen fingierten Namen handelt und versuchte auch hier, einen Autor nachzuweisen. P. Kalkoff schrieb diesen Dialog Lazarus Spengler zu. 86 Dem widersprachen 87 N. Paulus, P. Joachim sen, W. Friedensburg, C. Clemen und E. Reicke. 88

Auch Schottenloher sprach sich dagegen aus. O. Tyszko, der die Verfasserfrage zuletzt behandelt hat, sieht im Verfasser einen Nürnberger, weist aber nach, daß für die Verfasserschaft Spenglers zu wenig Umstände sprechen, um 89 sie als bewiesen betrachten zu können. Quelle ist eine Fotokopie des Druckes A aus der Berliner Staatsbibliothek. Neugedruckt ist der Dialog von O. Schade, Satiren und Pasquille aus der Reformationszeit, Bd. 2, Hannover 1863, 60 ff. Schades Druckvorlage ist Druck A. Barfussermönch (B) Drucke: A

B

Eyn freüntlichs gesprech, zwischen / / eynem Parfusser münch, auß der Prouintz Oster =//reich, der Obseruantz, vnd einem L§ffelmacher, mit namen, Hans StSsser, / / gar lustig zulesen, vnd ist / / der recht grundt. o. O. J. Dr. u. Verf. P -, W Druck von Hieronymus Höltzel in Nürnberg Vorhanden in Dresden: Hist. eccles. E 375,20 und in Halle: Vg 458 Ayn freuntlich gesprech, zwyschen ainem / / Barfusser Münch, auß der Prouyntz Oster=//reych der Obseruantz, vnd aine Löffel//macher, mit namen Hans Stösser / / gar lustig zu leesen, vnnd ist / / der recht grundt. o. O. J. Dr. u. Verf. P -, W 1776 Augsburger Druck von Heinrich Steiner

90 B hält sich eng an seine Vorlage, den Druck A. Er ist in den von mir besuchten Bibliotheken nicht vorhanden und konnte auch vom Suchdienst der Deutschen Staatsbibliothek Berlin nicht ausfindig gemacht werden. 91 Textverhältnis: A ist Vorlage von B.

51

Zur Schrift: Die Bibliographie zusammengestellt und die Drucker ermittelt hat 92 K. Schottenloher. 93 Der Dialog wurde 1524 verfaßt. 94 A. Götze versuchte als Verfasser Urban Rhegius nachzuweisen. Rhegius (1489-1541) ist gebürtiger Alemanne. Er wurde in Langenargen am Bodensee geboren. Er studiert anfangs in Freiburg, verläßt das alemannische Sprachgebiet und hält sich nun in schwäbischem Gebiet auf, in Ingolstadt, wo er sein Studitim 95 fortsetzt, und in Augsburg. Dagegen hielt O. Clemen den Wittenberger Büchsenmeister Georg Motschidler für den Autor 96 und K. Schottenloher schlägt als Verfasser Hans Sachs, Andreas Osiander oder auch einen namentlich unbekannten, aus Bozen entflohenen Franzis97 kaner vor. Es lassen sich also auch für diesen Dialog aus der Diskussion um den Verfasser keine Anhaltspunkte für eine bestimmte sprachliche Lokalfärbung der Schrift gewinnen. Quelle ist eine Fotokopie des Dresdner Exemplars Hist. eccles. E 375,20 von Druck A. Die Schrift ist nicht neugedruckt. Schwabacher lösten (SK) Drucke: A

B

Eyn gesprech, von dem gemay=//nen Schwabacher Rasten, als durch b r u , / / d e r Hainrich, Knecht Ruprecht, / / Kemerin, Spuler, vn jrem / / Maister, des Handt=//wercks der Wül//len T8chma//cher. o. O. J. Dr. u. Verf. P 2579 Druck von Hieronymus Höltzel in Nürnberg Vorhanden in Dresden: Hist. eccles. E 375,16 Eyn gesprech von dem / / gemeynen Schwabacher kästen, als / / durch Bruder Heynrich, Knecht Ruprecht, Kemerynn, / / SpSler, vnnd yhrem Meyster, des Handtwercks der / / wSllen Thuchmacher. / / Anno M. D.XXiiij. o. O. Dr. u. Verf. P -, W 2887

52

C

Druck von Matthe s Maler in Erfurt Vorhanden in München: P. O.germ. 235/12 Ein gesprech, von dem gemeynen / / Schwabacher Kasten, als durch brader Heynrich, / / Knecht Ruprecht, Kemerin, Spuler vnd jrem / / Maister, des Handtwercks der Wul=//len Tuchmacher. / / Anno. M. D. XXiiij. o. O. Dr. u. Verf. P -, W 2886 Druck von Hans Knappe in Erfurt Vorhanden in Weimar: 40,3:54, 2

Textverhältnis: B ist ein Nachdruck von A,

das Verhältnis zu C ist nicht

untersucht. Zur Schrift: Bibliographie und Druckerermittlung der Drucke A und B stammen 98 von K. Schottenloher. Druck C kennt Schottenloher nicht. Die Bestimmung des Druckers verdanke ich J . Benzing, Mainz. Zur Verfasserfrage vermerkt Schottenloher, daß der Dialog Hans Sachs sehr nahe stände. 99 Quelle ist eine Fotokopie des Dresdner Exemplars von Druck A. Neudruck bei O. Schade, Satiren und Pasquille aus der Reformationszeit, Bd. 3, Hannover 1863, 196 ff. Vorlage dieses Neudrucks ist Druck C. Tier zu Nürnberg (T) Drucke: A

Ein Frag vnd Antwort von zweyen brudern, was / / fur ein seltzames Thier zu Nurenberg gewesen / / im Reychßtag nechst vergangi, geschickt / / von Rom z8 beschawen das Teutsch landt. o. O. J . Dr. u. Verf. P 2422 (?), W 2879 Druck von Jobst Gutknecht in Nürnberg Vorhanden in Zwickau: 16.11.15/56

Zur Schrift: Den Drucker ermittelte O. Clemen, er gibt auch eine genaue Bibliographie des D r u c k e s . 1 0 0

53

Der Dialog wurde 1524 abgefaßt. 1 0 1 Über den Verfasser ist nichts bekannt. Quelle ist der von O. Clemen besorgte Neudruck des Druckes A in: Flugschriften aus den ersten Jahren der Reformation, Bd. 1, Halle 1906, 175 ff. Münzerischer Schwärmer (M) Drucke: A

B

Ein nutzlicher Di=//alogus odder gesprechbuch=//lein zwischen einem Muntze=//rischem Schwermer vnd einem / / Euangelischen frumen Baw=//ern, Die straff der auffru=// rischen Schwermer zu / / Franckenhausen ge=//schlagen, belan=//gende. Wittemberg / / 1525. am Schluß: Gedruckt zu Wittemberg durch Hans Lufft. o. Verf. P 2755 Vorhanden in Halle: Ji 3342, Nr. 2 und: Vc 1798, in Zwickau: 16. 9.16./37 Ain nützlicher Dialogus oder ge=//sprechbuchlein, zwischen aine Münze=//rischen Schwermer vn aine Eua//gelische frumen Bauern, Die / / straff der auffrurischen / / Schwermer z8 / / Francken =//hausen geschlagen, belangende.// M. D.XXV. o.O. Dr. u. Verf. P 2756, W 3371 Druck von S. Grimm in Augsburg Vorhanden in München: Eur. 4° 332/25a

Das Textverhältnis ist nicht untersucht. Zur Schrift: Die Feststellung des Druckers von B verdanke ich J. Benzing, Mainz. Über den Autor ist nichts bekannt. Quelle ist eine Fotokopie des Hallenser Exemplars Ji 3342, Nr. 2 von Druck A. Der Wittenberger Druck weist ostmitteldeutsche Besonderheiten auf, die teilweise im Augsburger Druck erhalten sind, daher ist der ostmitteldeutsche Druck als Quelle gewählt worden. Neudruck: Der Anfang dieser Flugschrift (Aiij-Aij 1 30) ist abgedruckt in: Peter Haarers Beschreibung des Bauernkrieges 1525. Nebst einem Anhang: 54

Zeitgenössisches über die Schlacht bei Frankenhausen. Hg. von G. Droysen, Halle 1881, 16 ff. Vater-Sohn (V) Drucke: A

Eynn Dialogus ader ge//sprech zwischen einem / / Vatter vnnd Sun dye / / Lere Martini Luthers vnd süst a n / / d e r e Sachen des Christlichen glaub//ens belangende, am Schluß: Gedruckt zu Erffurdt durch Michael / / Buchfurer zu der weinrebe vff / / dem Nunnensacke. o. J. u. Verf. P -, W 2394 Vorhanden in Halle: Vg 444 und in Halle, vormals Wernigerode: Nc 239, in Dresden: Hist. eccles. E 374,41, in Zwickau: 20. 8.18./41 und: 16.11.10./31

Zur Schrift: Zur Bibliographie s. O. Clemen, der auch den Drucker feststellte. 103 Abfassungsjahr des Dialogs ist 1523. Über den Verfasser ist nichts bekannt.

102

Quelle ist der Neudruck durch O. Clemen in: Flugschriften aus den ersten Jahren der Reformation, Bd. 1, Halle 1906, 25 ff. Neugedruckt ist der Dialog durch W. Lenk in: Die Reformation im zeitgenössischen Dialog, Berlin 1968, 151 ff. O. Clemen hat den Dialog ins Neuhochdeutsche übersetzt. Die Übersetzung ist abgedruckt in: Neue Mitteilungen aus dem Gebiet historisch-antiquarischer Forschungen, Bd. 21, H. 1, Halle 1901, 74 ff. Christ-Jude (C) Drucke: A

Ein gesprech auff das kurtzt zwuschi / / eynem Christen vn Juden, auch eynem Wyrthe sampt / / seynem Haußknecht, den Eckstein Christum / / betreffendt, so noch Gütlicher schrifft / / abkunterfeyt ist, wie alhie bey / / gedruckt figur auß / / weyßet. am Ende: 1524. o. O. Dr. u. Verf. 55

B

P 2567 Druck von Michael Buchführer in Jena Vorhanden in Halle: Ji 3196, in Zwickau: 24. 8.15. / 5 und in Dresden: Hist. eccles. E 375,14 Ein gesprech aufls kurtzt / / Zwuschen einem Christen vnd Juden / / auch einem Wyrth sampt seinem Haußknecht, / / den Ecksteinn Christum betreffend, so JJ noch Gütlicher schrifft abkunter=//feyt ist, wie alhie beyge=//druckte figur auß=//weyßet. o. O. J. Dr. u. Verf. P -, W 292 (Suppl. I) Es handelt sich um eine nicht vor 1530 nachgedruckte Ausgabe von Johann Aich in Köln. Vorhanden in Nürnberg, Germanisches Museum: Scheurl 562/487. 8,1

Textverhältnis: A ist primär. Zur Schrift: Den Drucker von A hat H. Haupt bestimmt, er gibt auch eine Biblio104 graphie für beide Drucke, konnte aber den Drucker von B nicht ermitteln. Die Feststellung des Druckers und die untere Grenze der Erscheinungszeit, die diesen Druck aus der Zeit der Reformation und des Bauernkriegs heraushebt, verdanke ich J. Benzing, Mainz. Der Dialog ist 1524 abgefaßt worden. 105 Der Autor ist unbekannt. Er sei, sachlichen Hinweisen zufolge, in Nürnberg geboren, meint H. Haupt. Quelle ist der von H. Haupt herausgegebene Neudruck von Druck A in: Flugschriften aus den ersten Jahren der Reformation, Bd. 1, Halle 1906, 387 ff. Wallfahrt (Wa) Drucke: A

56

Eyn gesprech zwyschen vyer Personen / / wye sie eyn getzengk haben, von der Walfart ym Grim=//metal, was für vnradt odder bSberey, / / dar aus entstanden sey. o. O. J. Dr. u. Verf. P W 2090 Druck von Wolfgang Stürmer in Erfurt

B

Vorhanden in Halle: Yb 2090 QK und in Zwickau: 20. 8.18/25 Eyn gesprech zwyschen / / vyer Personen, wie sie ein gezengk / / haben, von der walfart ym Grimetal, was / / für vnradt odder buberey, dar auß / / entstanden sey. o. O. J. Dr. u. Verf. P -, W 2090 (nicht von Druck A unterschieden) Druck von Matthes Maler in Erfurt Vorhanden in Zwickau: 16.11.12/6 107

Textverhältnis: A ist Vorlage für B . 1 1 Zur Schrift: Eine genaue Bibliographie der beiden Drucke mit Ermittlung 108 der Drucker gibt O. Clemen. 109 Die Erscheinungszeit des Druckes von Stürmer ist 1523 oder 1524. Vage Vermutungen über den anonymen Verfasser spricht O. Clemen aus. Es kämen die Erfurter Johann Lang oder auch Ägidius Mechler in Frage, auch sei an Eberlin von Günzburg als Autor zu denken. Quelle ist die von O. Clemen besorgte Neuausgabe nach Druck A im Bd. 1 der Flugschriften aus den ersten Jahren der Reformation, Halle 1906, 141 ff. Neugedruckt wurde der Dialog durch W. Lenk in: Die Reformation im zeitgenössischen Dialog, Berlin 1968, 179 ff. Eine neuhochdeutsche Übersetzung von O. Clemen ist abgedruckt in: Neue Mitteilungen aus dem Gebiet historischantiquarischer Forschungen, Bd. 21, H. 1, Halle 1901, 65 ff. Prior (P) Drucke: A

Ein Dialogus oder gesprech zwische / / einem Prior, Leyenbruder vn Bettler dz wort gottes belanget / / Gemacht durch Baltasar / / Stanberger zu Weimar in dem Fürstliche / / schloß, dem armen leyen zu trost. o. O. J. u. Dr. P -, W 2273 Druck von Michael Buchführer in Erfurt Vorhanden in Dresden: Hist. eccles. E 352,2, in Leipzig: in Libri sep. A 2006 (Nr. 14) und in Zwickau: 17. 9. 9./9

57

Zur Schrift: Die Ermittlung des Druckers verdanke ich J. Benzing, Mainz. Die Abfassungszeit der Schrift ist 1522. 1 1 1 Zum Verfasser, Baltasar Stanberger, gibt es keine biographischen Zeugnisse. Stanberger hat jedoch noch zwei weitere Flugschriften verfaßt, die ebenfalls bei Buchführer in Erfurt erschienen sind, 112 den Dialog zwischen Petrus und einem Bauern aus dem Jahre 1523 und ein 113 Sendschreiben an den Erfurter Drucker aus demselben Jahr. Quelle ist eine Fotokopie des Dresdner Exemplars. 3.2. Der soziale Aspekt Die Ausweitung der sozialen Basis der Literatursprache - sie wird zunehmend volkstümlicher - ist verbunden mit einer größeren Verbreitung von Schrifttum überhaupt. Um die Wirkungsmöglichkeit unserer Quellen im Herausbildungsprozeß der nationalen deutschen Literatursprache umreißen zu können, stellen wir zunächst ihre zahlenmäßige Verbreitung fest. Zu berücksichtigen ist nicht nur die Anzahl der Drucke, in der ein Dialog verbreitet war, sondern auch die Auflagenhöhe der Druckausgaben. Die Auflagenhöhe pro Druck betrug 1000 bis 1500 Exemplare. Diese Zahlen sind historisch belegt. Ein Zeitgenosse, Cochläus, schreibt in einem Brief von 1537, Flugschriften seien meist in Auflagen von 1000 bis 1500 Exemplaren ge113a druckt worden. Mit diesen Zahlenangaben eines Zeitgenossen stimmt eine Schätzung P. Roths überein. Er schloß aus alten Akten, die eine Beschlagnahmung von mehreren hundert Stück einer Flugschrift 114 behandeln, auf eine Gesamt auflage für Flugschriften von etwa 1000 Stück. Veranschlagen wir bei unseren Quellen eine Auflagenhöhe von 1000 Exemplaren pro Druck, so ergeben sich folgende Verbreitungsziffern: Dialog Zahl der nachgewiesenen Mindestanzahl der überlieferten Drucke Exemplare, in der die Dialoge verbreitet waren 10 10. 000 Karsthans Weg Sprech 2 2. 000 Schweizer Bauer 2 2. 000 Schultheiß 13 13. 000 3 Altmütterlein 3. 000

58

Dialog

Fuchs-Wolf Barfussermönch Schwabacher Kasten Tier zu Nürnberg Münzerischer Schwärmer Vater-Sohn Christ-Jude Wallfahrt Prior

Zahl der nachgewiesenen Mindestanzahl der überlieferten Drucke Exemplare, in der die Daloge verbreitet waren 7 2 3 1 2 1 1 2 1

7.000 2.000 3.000 1.000 2.000 1.000 1.000 2.000 1.000

Insgesamt waren diese 14 Dialoge in den Jahren von 1521 bis 1525 in wenigstens 50.000 Exemplaren verbreitet. Fügen wir diese 14 Schriften ein in die gesamte Flugschriftenliteratur, von der wir 69 in Dialogform abgefaßte Schriften mit 115 insgesamt 133 Drucken nachweisen können, die somit in etwa 133.000 Exemplaren verbreitet waren, und wieder nur einen Teil der gesamten Flugschriftenliteratur darstellen, so erhält man ein Bild von dem Ausmaß dieses Schrifttums zur Zeit der Reformations- und Bauernkriegskämpfe. Die Bedeutung dieser Flugschriften ist auch aus dem Vergleich der Auflagenhöhe einzelner Dialoge mit zwei der bedeutendsten Flugschriften dieser Jahre, der Schrift Luthers, Von der Freiheit eines Christenmenschen (in 19 hochdeutschen Drucken überliefert), eine der Programm Schriften der nationalen antirömischen Opposition, und der Programmschrift der Bauern, der Artikel von 1525 (in 23 hochdeutschen Drucken überliefert), ersichtlich. Der Karsthans und der Schultheiß-Dialog erreichen mit 10 bzw. 13 Druckauflagen jeweils etwa die Hälfte der Auflagenhöhe der beiden Programmschriften. 116 Die Gesamtzahl der gedruckten Titel von 2000 bis ßOOO Stück, die häufig hohe Anzahl der Druckausgaben und die Auflagenhöhe der Drucke zeigen, daß Flugschriften massenhaft verbreitet waren. Die Ziffern sind erstaunlich hoch im Vergleich zur Verbreitung von Schrifttum im vorangegangenen Jahrhundert, vor Erfindung des Buchdrucks und auch noch in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Die Potenzen des Buchdrucks werden hier genutzt. Flugschriften, und als Vertreter der breiten Flutwelle von Kampf- und Streitschriften, die sich über das Land ergoß, die 14 ausgewählten Dialoge, haben 59

teil an dem bedeutenden Aufschwung, den deutsches gedrucktes Schrifttum seit 117 1519 nimmt. Sie bezeichnen mit den gewaltigen Fortschritt, der zur Reformationszeit in der Verbreitung deutschen Schrifttums erreicht wird. Das hohe Ausmaß der schriftsprachlichen Kommunikation ist eine Voraussetzung für die Wirkung schriftsprachlicher Äußerungen auf soziale Kreise, die bisher kaum oder gar keine direkte Beziehung zu Schrifttum hatten. Die aus der gesellschaftlichen Entwicklung entspringende Notwendigkeit, den gemeinen Mann in den politischen Kampf noch stärker und umfassender einzubeziehen und ihn in seinem Kampf zu beeinflussen, haben wir oben ganz allgemein 118

dargelegt. Die veränderte gesellschaftliche Situation schafft eine veränderte Situation der literatursprachlichen Kommunikation. Das Ziel der in Flugschriften niedergelegten sprachlichen Äußerungen war es, in der Masse des Volkes zu wirken. Darauf war ihr zahlenmäßiger Umfang eingestellt und auch der Vertrieb. Flugschriften wurden auf belebten Straßen und Plätzen, vor Kirchentüren, in Herbergen und Wirtshäusern, auf Messen und Märkten für wenige Pfennige feilgeboten. /Vmbtreger/ zogen hausierend mit ihnen umher, geregelter Ladenverkauf spielte im Vertrieb dieser Schriften keine Rolle. Die /vmbtreger/ waren entweder selbst kleinere Buchdrucker oder Buchbinder, auch Formschneider, die die Holzschnitte, die fast jede Flugschrift schmückten, anfertigten, oder fest angestellte Agenten größerer Buchdrucker, umherziehende Krämer, die Buden und Stände hatten und die Schriften meist auf eigene Rechnung vertrieben. Zuweilen vinterhielten sie Zwischenhändler. 119 Auf diese Art wurden die Schriften breiten Schichten des Volkes zugänglich ge120

macht und weit über das Land verstreut. F. Quetsch schreibt: "In den zwanziger Jahren . . . hatten sich die Zeitungen und zeitungsartige Flugblätter derart vermehrt, daß sie auch in den von 121 den Verkehrsstraßen weit abgelegenen Gegenden keine Seltenheit mehr waren. " Die angestrebte Massenwirksamkeit muß sich aber vor allem aus den Schriften selbst nachweisen lassen, soll die sprachliche Auswirkung betrachtet werden. Wir untersuchen daher die soziale Orientierung der Dialoge genauer. Die in den Dialogen auftretenden Gesprächspersonen sind nach ihrer sozialen Stellung benannt, so daß sich aus den Personenbezeichnungen eine knappe soziale Charakterisierung der Gesprächsteilnehmer ergibt. Wir geben eine Aufstellung der Gesprächsteilnehmer und fügen hinter die Personenbezeichnungen, sofern sie nicht schon für sich selbst sprechen, kurze e r läuternde Angaben hinzu, die dem Inhalt der Dialoge entnommen sind: 60

Karsthans

Karsthans, Bauer und Dorfvogt; Student, Sohn des Karsthans, studiert Theologie; Murner; Luther; Mercurius, allegorische, den Gesprächsverlauf in lateinischer Sprache kommentierende Figur.

Weg Sprech

Hurenwirt, Besitzer eines Bordells; Kunz, sein Knecht, war früher Kammerdiener eines Bischofs und Chorschüler; Bischof. Bauer; Mönch, Dominikaner. Schultheiß, Dorfgastwirt; Pfarrer eines Dorfes. Altmütter lein, nicht näher charakterisierte alte Frau aus einem Dorf; Bruder Heinrich, Prediger.

Schweizer Bauer Schultheiß Altmütterlein

Fuchs-Wolf Barfussermönch

Fuchs, steht allegorisch für den niederen Adel; Wolf, vertritt die Raubritter. Barfussermönch, Franziskaner; zweiter Mönch, Franziskaner; Löffelmacher Hans Stößer, Handwerker in einem Dorf.

Schwabacher Kasten

Kämmerin; Knecht Ruprecht; Spuler; Meister; alle beschäftigt mit der Herstellung wollenen Tuches; Bruder Heinrich, "außgelaufener" Mönch.

Tier zu Nürnberg Vater-Sohn

Klaus, Bauer; Ulrich, Bauer. Vater, Bauer; Sohn, Sohn des Bauern, hat ein Theologie Studium beendet.

Münzerischer Schwärmer Christ-Jude

Wolf Schwärmer, Bauer; Bauer. Christ, Angehöriger der Intelligenz, er will sich vom Studium des Rechts dem der Theologie zuwenden; Jude, Reisender; Wirt, Besitzer einer Dorfschänke; Hausknecht, Knecht des Wirts.

Wallfahrt Prior

Handwerker; Bauer; Pfaffe, Angehöriger der niederen Geistlichkeit; Mönch, Franziskaner. Prior, Klostervorsteher; Laienbruder, ehemaliger weltlicher Handwerker; Bettler.

61

Die Gesprächspersonen repräsentieren bestimmte reale Gesellschaftskräfte. Es ist typisch für die Personenwahl, daß Angehörige der geistlichen Stände mit Laien im Gespräch gezeigt werden. Vertreter der hohen Geistlichkeit und zugleich Repräsentanten der ausbeutenden Grundklasse, der Feudalherren, sind der Bischof im Wegsprech und der Prior im gleichnamigen Dialog. Die unterste Stufe der geistlichen Feudalhierarchie, die Mönche, sind vertreten im Schweizer Bauern, im Barfussermönch, im Wallfahrtsdialog. Zum plebejischen Teil der Geistlichkeit, der außerhalb der feudalen Hierarchie der Kirche steht und keinen Anteil an den kirchlichen Reichtümern hat, gehört der Dorfpfarrer im Schultheiß-Dialog, der Prediger Bruder Heinrich im Altmütterlein und der "außgelaufene" Mönch und jetzige Prediger, Bruder Heinrich, im Schwabacher Kasten. Die soziale Schicht der Intelligenz, ebenfalls außerhalb der kirchlichen Feudalhierarchie stehend, aber aufgrund der "Oberherrlichkeit der Theologie auf dem 122

ganzen Gebiet der intellektuellen Tätigkeit" der Kirche zugeordnet, wird vertreten durch Murner und Luther im Karsthans, dem Christen im Christ-JudeDialog, dem Theologie Studenten im Karsthans und dem Sohn im Vater-Sohn-Gespräch, die beiden letzteren kommen aus bäuerlichen Verhältnissen. Diese Personen haben bis auf Murner keine feudale Klassenbindung. Alle anderen Personen sind Angehörige weltlicher Stände. Der aufständische niedere Adel, die unterste Schicht der weltlichen Feudalherren, wird im Fuchs-Wolf-Dialog durch die beiden Tierfiguren vertreten. Der Wolf steht für den demoralisiertesten Teil des niederen Adels, für die Raubritter. 123 "Die große exploitierte Masse der Nation: die Bauern" wird repräsentiert durch den Vater im Vater-Sohn-Gespräch, die Titelfigur im Schweizer Bauern, durch Klausund Ulrich aus dem Tier-Dialog, von den beiden Gesprächspartnern im Münzerischen Schwärmer, dem Bauern im Wallfahrt-Gespräch und durch das Altmütterlein. Von der Masse der Bauern etwas abgehoben ist der Dorfvogt Karsthans, der Schultheiß, der dörfliche Wirt im Christ-Jude-Dialog sowie der Vater im Vater-Sohn-Gespräch. Sie sind aufgrund ihres Amtes, ihres Berufs oder nur einfach deshalb, weil sie ihren Sohn zur Universität schicken können, durch Besitz etwas privilegiert, verbleiben aber im dörflich-agrarischen Bereich. Nicht agrarisch, sondern gewerblich tätig sind die auftretenden Handwerker. Das Handwerk hatte sich noch nicht völlig vom Dorf gelöst. Daher haben auch der Löffelmacher im Barfussermönchdialog, der Handwerker im Gespräch über 62

die Wallfahrt und der im kirchlichen Bereich als Handwerker arbeitende Laienbruder im Priordialog noch eine starke Bindung zur Bauernschaft. Wie das Handwerk nicht vom Land geschieden war, war die frühe, aus dem Handwerk hervorgegangene Manufakturindustrie noch nicht scharf vom Handwerk abgegrenzt. In das Milieu früher industrieller Produktion, der Tuchherstellung, führt der Dialog vom Schwabacher Kasten. Er zeigt den bürgerlichen Meister mit seinem Zunftprivileg und den unprivilegierten Knecht Ruprecht, die Kämmerin und den Spuler. Sie gehören einerseits zur plebejischen Opposition, haben aber gleichzeitig aufgrund der historischen Perspektive der bürgerlichen Produktionsweise durchaus die Möglichkeit, ins Bürgertum aufzusteigen. Etwas abseits steht die stark satirisch angelegte Figur des Hurenwirts. Er ist durch Besitz privilegiert und hat Umgang mit lumpenproletarischen Elementen. Sein Knecht Kunz steht aufgrund seiner vorherigen Tätigkeiten der Intelligenz nahe. Lumpenproletarische Züge trägt der Bettler im Prior-Dialog. Vergleichen wir diese Repräsentanz mit der Gesamtheit der damals existierenden Klassen und sozialen Schichten, ist eine Orientierung auf ganz bestimmte Gesellschaft skräfte offensichtlich. Repräsentanten der ausbeutenden Oberschichten sind kaum vertreten. Es fehlen weltliche Fürsten und die feudal privilegierten städtischen Patrizier. Nur zwei Gesprächspartner gehören zur hohen Geistlichkeit, eine Person ist eine nahezu stumme Figur (der Bischof im Wegsprech). Alle anderen Gesprächsteilnehmer gehören Klassen und sozialen Schichten an, die an den revolutionären Bewegungen aktiv teilnahmen. Auch eine Orientie124 rung auf den aufständischen niederen Adel ist nicht typisch. Es sind in der Mehrzahl auch keine Vertreter des Kerns des aufsteigenden Bürgertums, Kaufleute, Manufakturunternehmer, Geldverleiher. Zur Intelligenz des aufsteigenden Bürgertums gehören die Autoren der Dialoge. Hinter den Gesprächsteilnehmern stehen vielmehr die Unterschichten der Klassendifferenzierung um 1520, die Unterschichten der alten feudalen Klassendifferenzierung, Mönche und Bauern, und die sich in die feudale Hierarchie einkeilenden, noch unscharf vom Bauerntum abgehobenen und wenig festumrissenen Gesellschaftskräfte, die sich parallel mit der neu entstehenden kapitalistischen Produktionsweise zum Bürgertum entwickeln: der Dorfvogt, der Schultheiß, der Dorfwirt, die Handwerker, die in der frühen Manufaktur Beschäftigten, der Hurenwirt, sowie soziale Schichten mit nicht-feudaler Klassenbindung, plebejische Teile der 63

Geistlichkeit und die Reformation unterstützende Teile der Intelligenz. Kurz, die Autoren konzentrieren sich auf den gemeinen Mann und ihm, aufgrund ihrer Herkunft (Mönche, Prediger, Theologiestudenten), ihrer Lebenslage (die auftretenden Mönche sind Bettel- oder Predigermönche, die den volkstümlichen Orden der Franziskaner oder Dominikaner angehören; die Prediger) nahestehende Gesellschaft skr äfte. Anliegen der Dialoge ist es, in diese Klassen und sozialen Schichten des Volkes die bürgerlich-reformatorische Ideologie hineinzutragen, ihr Ziel, den gemeinen f

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Mann für diese Ideologie und damit für bürgerlich-reformatorische Ziele zu gewinnen. Die offene Hauptstoßrichtung ist das katholisch-reaktionäre Lager. Die revolutionäre, über bürgerliche filteressen hinausgehende Interpretation der bürgerlich-reformatorischen Ideologie im bäuerlich-plebejischen Lager, die Kampfrichtung nach links, ist direkt gegeben im Karsthans S. 95 f. und S. 104 f . , im Wegsprech S. 28 ff., im Christ-Jude-Dialog S. 407 und im Vater-Sohn-Gespräch S. 33. Frühkommunistisches Gedankengut, in unentwickelten und nur anklingenden Formen ist enthalten im Münzerischen Schwärmer und im Schwabacher Kasten. Im Gespräch eines evangelischen frommen Bauern mit einem in der Schlacht bei Frankenhausen geschlagenen, Münzer anhängenden Bauern werden Argumente der bäuerlich-plebejischen Münzerschen Richtung direkt aufgenommen. Der Historiker M. Steinmetz hält diesen Dialog daher für eine kaschierte Streitschrift.des münzerisehen Lagers. Der Hintergrund aller vierzehn Schriften ist die revolutionäre, maßgeblich von Volksmassen getragene Bewegung, die, einig im Kampf gegen die Feudalordnung, sich nur annähernd in zwei Lager schied. Die Flugschriften stehen der Bewegung sehr nahe, so daß sie als Schriften aus der Zeit der Reformation und des Bauernkrieges besser gekennzeichnet sind als durch die Bezeichnung bürgerlich-reformatorische oder einfach reformotorische Schriften. Diese Bezeichnungen geben vor allem die Zielrichtung ihrer Agitation an, unsere Bezeichnung deutet auf den historischen Hintergrund, der nicht nur-vom bürgerlich-reformatorischen Kampf geprägt war und von dem aus die Wendung der Schriften an den gemeinen Mann gesehen werden muß. Der in den Dialogen geführte Kampf um die Gewinnung des gemeinen Mannes ist der Kampf um den Sieg der bürgerlich-revolutionären Bewegung. Die Auseinandersetzung mit herrschenden feudal-kirchlichen Einrichtungen, Gebräuchen und Auffassungen, mit religiös-politischen Ideen wird nicht als Kampf gegen Vertreter der kirchlichen Feudalhierarchie vorgeführt. Die Gegner bürgerlich-reformatori64

scher Auffassungen sind kaum Parteigänger des katholisch-reaktionären Lagers aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu feudalen Ausbeuterklassen, - das trifft nur beim Bischof im Wegsprech, dem Prior im gleichnamigen Dialog sowie bei Murner in der Karsthans schritt zu -, sondern Gesellschaftskräfte, die aufgrund ihrer objektiven Klassenstellung für die bürgerliche Bewegung gewonnen werden konnten und mit der allgemeinen Verbreitung revolutionärer, religiös-politischer Ideen und der anschwellenden sozialen Bewegung auch gewonnen wurden, so der Student im Karsthansdialog, der Mönch im Schweizer Bauern, der Pfaffe, der Mönch und der Bauer im Gespräch über die Wallfahrt, der Hurenwirt im Wegsprech, das Altmütter lein, der Löffelmacher im Barfusserdialog, der Vater im Gespräch mit seinem Sohn, der Wirt im Christ-Jude-Dialog, der Pfarrer im Schultheißgespräch, die Kämmerin im Schwabacher Kasten. Die Gegner der reformatorischen Wortführer in den Dialogen sind potentielle Bündnispartner. Ihre objektiven Klasseninteressen stimmen mit denen des Bürgertums in seinem antifeudalen Kampf überein, ohne sich immer mit ihnen zu decken, die objektiven Interessen bäuerlich-plebejischer Kräfte führten über bürgerliche Ziele hinaus, was an den genannten Stellen sichtbar wird. Nicht nur die Angesprochenen, die Gegner, auch die Sprecher der Reformation, die Anhänger, sind von den Autoren in der Masse des Volkes angesiedelt, so daß der ideologische Kampf des Bürgertums gegen den Feudalismus völlig in die Masse des Volkes verlegt wird. Daher kommen die Anhänger und Wortführer der Reformation in den Dialogen aus denselben sozialen Schichten und Klassen wie die Gegner. Es sind der Bauer Karsthans, weit weniger der nur anfangs anwesende Luther im Karsthansdialog, im Wegsprech Kunz, der Schweizer Bauer und der Schultheiß aus den gleichbenannten Dialogen, der Prediger Bruder Heinrich im Altmütterleindialog, der Meister und der Bruder Heinrich im Schwabacher Kasten, im Barfussermönch die Titelfigur, der Sohn im Gespräch mit seinem Vater, der Christ im Gespräch mit dem Juden, der Bauer aus dem Münzerischen Schwärmer, der Handwerker im Wallfahrtsdialog, der Laienbruder im Priordialog. Die Personenwahl und damit die Verlegung des ideologischen Kampfes des Kerns des Bürgertums gegen die Feudalordnung in Klassen und soziale Schichten, deren antifeudaler Kampf die ökonomische und politische, weniger die ideologische Form des Klassenkampfes war, ist ein von den Autoren bewußt angewandtes Mittel, um umso mehr im Volks zu wirken, es umso mehr im antifeudalen Kampf führen zu können. Das beweisen die Titel der Dialoge. In ihnen werden die Gespräch spersonen immer und vorrangig genannt, da s Gesprächsthema daneben oder 65

auch gar nicht. Es fehlt ganz in den Titeln vom Wegsprech, Schweizer Bauer, B a r fussermönch und Schwabächer Kasten. Das beweisen auch direkte Identifizierungen der Autoren mit Gesprächspersonen. So will der Schweizer Bauer den Dialog geschrieben haben, was ausdrücklich auf dem Titel vermerkt und im Beschluß noch einmal unterstrichen ist, den Christ-Jude-Dialog will der zuhörende Hausknecht gleich nach Beendigung des Gespräches, das somit als tatsächlich stattgefunden ausgegeben wird, aufschreiben. Der Inhalt der ideologischen Angriffe gegen "die Stellung der Kirche a l s der

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allgemeinsten Zusammenfassung und Sanktion der bestehenden Feudalherrschaft" deren Ideologie Theologie war und deren Sprache Latein, und die von den Autoren getroffene Personenwahl wirkt sich widersprüchlich auf die sprachliche Formung der Dialoge aus. Es sprechen Bauern und Handwerker mit Predigern und Mönchen. Ihr wirklicher Sprachbereich ist gesprochene Sprache, die der Laien weitgehend Mundart. Sie haben am Bildungsprivileg keinen oder nur geringen Anteil, Bauern konnten weder lesen noch schreiben. Aber der Inhalt ihrer Gespräche ist eine komplizierte theologische Auseinandersetzung. Daher muß der Bauer, von dessen Warte aus der Autor spricht, in bestimmten inhaltlichen Partien besonders stark von seiner eigentlichen Sprache abgehen, er muß mit genauer Bibelkenntnis ausgerüstet w e r den, ihm werden auch gelehrte lateinische Wendungen in den Mund gelegt. So ist ein Gebrauch lateinischen und lateinisch beeinflußten Wortschatzes in den Dialogen geradezu notwendige Folge. Hier zeigt sich der wirkliche sprachliche Abstand zwischen den. Autoren und ihren Figuren. Der Widerspruch zwischen der sozialen Ansiedlung der Figur und ihrer Argumentation und ihrer Sprache ist so offensichtlich, daß er, um die angestrebte Wirkung der Schrift in ungelehrten Kreisen trotz dieser "Unechtheit" zu erreichen, motiviert wird. Der Schweizer Bauer ist einfach bibelkundig, der Schultheiß erklärt seine Bibelkenntnis: "waz ich red, kumpt auß meim schüler, Ich kann weder schreyben noch leßen" (S 15, 7/8), der Vater im Gespräch mit seinem Sohn kann lesen und ein wenig Latein (V 33, 22), ebenso wird dem lutherischen Bauern in» Münzerischen Schwärmer Lesefähigkeit gegeben Q (Ciiij 7) oder es wird, da die soziale Ansiedlung der Figur durch ihre im Gespräch bewiesene Gelehrsamkeit unwahrscheinlich geworden ist, noch einmal ausdrücklich unterstrichen, daß die Figuren tatsächlich Laien sind. Der Löffelmacher im B a r fussermönchdialog will ein "vngelerter handtwercker" (B Ciij 19) sein, der Handwerker im Gespräch über die Wallfahrt behauptet von sich "ich bin ein ley vnd ein handtwerks man vnd byn meyn tag nye auff keynn schull kommen" (Wa 153, 30 ff.). 66

So finden sich in den Texten lateinische Einsprengsel, noch nicht eingebürgerte lateinische Fremdwörter, sogar eine Reihe von Erstbelegen. Latein spielt in der Sprache der Dialoge eine Rolle. Es hebt aber nicht das Bestreben nach volkstümlichem Ausdruck und volkstümlichem Stil auf. Die Tendenz, geschriebene Sprache gesprochener anzunähern, ist durchgehend und in starkem Maße vorhanden. Wo Anliegen, sprachliche und künstlerische Meisterschaft des Autors zusammentreffen, volkstümliche Personen in lebendigem Wechselgespräch gezeigt werden, besonders dort, wo sie in Affekt geraten, wird eine für diese Zeit maximale Nähe zur gesprochenen Sprache in der Literatursprache erreicht. Dort, wo sich widersprechende Partien finden, ist nicht nur eine weniger gute sprachliche Meisterschaft des Autors zu sehen. Wir haben versucht zu erklären, daß hinter diesen Widersprüchen in der sprachlichen Formung der Dialoge objektiv-gesellschaftliche Ursachen stehen. 3.3. Der territoriale Aspekt Die Wirkungsmöglichkeit, die die Dialoge im sprachlichen Austauschprozeß zwischen den einzelnen Landschaften hatten, umreißen wir von ihrer regionalen Verbreitung her. Wir stellen die Drucke in einer Tabelle nach ihrem Herausgabeort zusammen und fassen sie in vier Gruppen, in südwestdeutsche, südostdeutsche, ostfränkische und ostmitteldeutsche. Diese geographischen Benennungen sind zusammenfassende Bezeichnungen für Drucke, die in Orten bestimmter geographisch zusammengehöriger Gebiete hergestellt wurden, sie sagen nichts über die Sprache der Dialoge aus. Die Tabelle zeigt die regionale Verbreitung der Flugschriftendialoge in der Zeit von 1521 bis 1525. Nach 1525 erschienene Nachdrucke sind nicht aufgenommen. Sie sind in den Druckbeschreibungen vermerkt. Die Jahreszahlen hinter den Dialogtiteln bedeuten das von der Forschung ermittelte Abfassungsjahr, Jahreszahlen hinter den Einzeldrucken das auf dem Originaldruck angegebene Erscheinungsjahr. Die Druckorte liegen im Südwesten (Zürich, Basel, Straßburg), im Südosten (Augsburg), im Ostfränkischen (Nürnberg, Bamberg, Würzburg) und im mitteldeutschen Osten (Erfurt, Eilenburg, Jena, Wittenberg) des hochdeutschen Sprachgebiets. Von den Druckorten aus läßt sich das Verbreitungsgebiet der Flugschriften abstecken.

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