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German Pages 90 [91] Year 2002
Franz-Josef M offert
Die Schuldrechtsmodernisierung
Franz-Josef Möffert
Die Schuldrechtsmodernisierung
© 2002 Alle Rechte vorbehalten RKW - Verlag Düsseldorfer Straße 40 65760 Eschborn RKW-Nr. 1444 ISBN 3-89644-191-4 Layout und Druck: RKW, Eschborn
Inhaltsverzeichnis Seite
1
Einleitung
2
Die Änderungen im Kaufvertragsrecht
10
2.1
Vereinheitlichung des Kaufrechts
10
2.2 Wann ist eine Sache mangelhaft? 2.2.1 Was ist ein Rechtsmangel? 2.2.2 Was ist ein Sachmangel? (1) Abweichung von der vereinbarten Beschaffenheit (2) Keine Eignung für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung (3) Abweichung von der gewöhnlichen Beschaffenheit (4) Sachmangel durch fehlerhafte Montage (5) Sachmangel wegen fehlerhafter Montageanleitung („IKEA-Klausel") (6) Falschlieferung oder Zuweniglieferung 2.3 2.3.1 2.3.2 2.3.3 2.3.4
Mängelansprüche des Käufers Anspruch auf Nacherfüllung Anspruch auf Rücktritt Anspruch auf Minderung Anspruch auf Schadensersatz
9
10 11 11 11 12 12 13 13 14 14 14 16 17 17
2.4 Verjährungsfristen für Mängelansprüche 2.4.1 Die neuen gesetzlichen Verjährungsfristen für Mängelansprüche 2.4.2 Reduzierung der neuen Verjährungsfristen (1) Fristenreduzierung beim Verbrauchsgüterkauf (2) Fristenreduzierung im unternehmerischen Geschäftsverkehr (3) Fristenreduzierung wenn weder ein unternehmerischer Geschäftsverkehr noch ein Verbrauchsgüterkauf vorliegt
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2.5 2.5.1 2.5.2 2.5.3 2.5.4
22 22 23 24 25
Verbrauchsgüterkauf Wann liegt ein Verbrauchsgüterkauf vor? Sonderbestimmung bei der Verjährung von Mängelansprüchen Sonderbestimmung bei der Frage der Beweislastumkehr Sonderbestimmungen für Garantien
18 18 19 19 20
5
2.5.5 Rückgriff des Unternehmers 2.5.6 Sonderbestimmung für den Versendungskauf
26 28
3
Die Änderungen im Werkvertragsrecht
29
3.1
Anwendung von Kaufvertragsrecht
29
3.2
Der Kostenvoranschlag
30
3.3 Mängelansprüche des Bestellers beim Werkvertrag 3.3.1 Vergleichbarkeit mit den Mängelansprüchen des Käufers beim Kaufvertrag 3.3.2 Das Selbstvornahmerecht des Bestellers
31 31
3.4
Verjährungsfristen für Mängelansprüche
32
4
Die Neuerungen beim Liefer-/Leistungs- und Zahlungsverzug
33
4.1
Der Eintritt des rechtlichen Verzugsfalles
33
4.2
Der Zahlungsverzug
35
4.3
Verzugszinsen (§ 288 BGB)
36
5
Änderungen im Verjährungsrecht
37
5.1
Die „regelmäßige Verjährungsfrist"
37
5.2
Die Sonderverjährungsfristen
38
5.3
Vereinbarungen über die Verjährung
39
5.4 5.4.1 5.4.2 5.4.3 5.4.4
Die „Hemmung" der Verjährung Hemmung der Verjährung durch Rechtsverfolgung Hemmung der Verjährung bei höherer Gewalt Hemmung der Verjährung bei Leistungsverweigerungsrecht Hemmung der Verjährung bei Verhandlungen
39 40 40 40 40
5.5
Der „Neubeginn" der Verjährung
41
6
Änderungen im Leistungsstörungsrecht
42
6.1
Die Pflichtverletzung
42
6.2
Das vorvertragliche Schuldverhältnis
43
6.3
Wegfall der Geschäftsgrundlage
43
6.4
Kündigung von Dauerschuldverhältnissen
44
6.5
Der Rücktritt
46
6
31
7
Einbindung von bisherigen Nebengesetzen in das BGB
47
7.1
AGB-Gesetz
47
7.2
Haustürwiderrufsgesetz
48
7.3
Fernabsatzgesetz
48
7.4
Verbraucherkreditgesetz
48
7.5
Teilzeit-Wohnrechtegesetz
49
8
Umsetzung der E-Commerce-Richtlinie
50
8.1
Pflichten im elektronischen Geschäftsverkehr
50
8.2 Neue elektronische Formvorschriften 8.2.1 Die elektronische Form 8.2.2 Die Textform
51 51 52
9
53
Handlungsempfehlungen für Unternehmen
Anhang 1: EU-Richtlinie zum Verbrauchsgüterkauf Anhang 2: EU-Richtlinie zum Zahlungsverzug Anhang 3: EU-Richtlinie zum elektronischen Geschäftsverkehr
54 68 77
7
8
1
Einleitung
Das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts trat am 01.01.2002 in Kraft. Obgleich es bereits seit vielen Jahren Bemühungen um eine neue Gestaltung der grundlegenden Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) gab, brachte den konkreten Anstoss für die Umsetzung der umfassenden Schuldrechtsreform schließlich die Europäische Union. Die Europäische Union verabschiedete drei Richtlinien, deren Inhalte innerhalb bestimmter Fristen in nationales Recht umzusetzen waren. Hierbei handelte es sich um die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie (RiL 1999/ 44/EG), die bis zum 01.01.2002 umzusetzen war. Schließlich bestand ebenfalls alsbaldiger Handlungsbedarf mit der zum 16.01.2002 umzusetzenden E-Commerce-Richtlinie (RiL 2000/31/EG). Bei der dritten EU-Richtlinie handelte es sich um die bis zum 07.08.2002 umzusetzende Zahlungsverzugsrichtlinie (RiL 2000/35/EG). Wegen ihrer grundsätzlichen Bedeutung insbesondere auch im Hinblick auf eine stets richtlinienkonforme Gesetzesauslegung befindet sich im Anhang 1 bis 3 der jeweilige EU-Richtlinientext (teilweise auszugsweise). Der Regierungsentwurf wurde vom Bundesjustizministerium Anfang Mai 2001 vorgelegt. Der Bundesrat unterbreitete über 150 Änderungsanträge. Das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz wurde schließlich - trotz erheblicher Kritik aus der Wirtschaft und aus den Hochschulen - am 11.10.2001 vom Bundestag verabschiedet und am 09.11.2001 auch vom Bundesrat abgesegnet. Die ersten käuflich zu erwerbenden Druckversionen des neuen BGB waren schließlich erst Anfang Dezember 2001 im Buchhandel verfügbar. Dies war nicht unproblematisch, da dieses neue Gesetz ja bereits zum 01.01.2002 in Kraft trat. Für alle Verträge, die ab dem 01.01.2002 geschlossen wurden, gilt das neue, zu diesem Zeitpunkt meistens noch unbekannte Recht; für alle Verträge, die bis zum 31.12.2001 noch abgeschlossen wurden, findet grundsätzlich noch das alte Recht Anwendung.
9
2
Die Änderungen im Kaufvertragsrecht
2.1
Vereinheitlichung des Kauf rechts
Als neue vertragstypische Pflicht beim Kaufvertrag ist neu geregelt, dass der Verkäufer dem Käufer die Sache frei von Sach- und Rechtsmängeln zu verschaffen hat (§ 433 Abs. 2 BGB). Früher wurden die Sach- und Rechtsmängel unterschiedlich behandelt. Jetzt wird nicht mehr differenziert. Zum kaufvertragsrechtlichen Erfüllungsanspruch gehört nunmehr die Lieferung einer mangelfreien Sache (die Sache muss frei von Sach- und Rechtsmängeln sein). Kommt der Verkäufer dieser Verpflichtung nicht nach, hat er nicht ordnungsgemäß erfüllt, so dass mögliche Ansprüche nach dem Leistungsstörungsrecht vom Käufer geltend gemacht werden können. Früher wurde hinsichtlich der Rechtsfolgen zwischen einem sogenannten Stückkauf (Kauf eines Einzelstückes) und einem Gattungskauf (Kauf eines Massenartikels) unterschieden. Nach altem Recht hatte der Käufer lediglich beim Kauf eines solchen Massenartikels die Möglichkeit der Geltendmachung einer Neulieferung, falls der Verkäufer ein mangelhaftes Produkt übergeben hatte. Jetzt wird nicht mehr zwischen Stück- und Gattungskauf unterschieden. Der Käufer hat nunmehr generell ein Recht auf so genannte Nacherfüllung. Nacherfüllung bedeutet nach Wahl des Käufers entweder die Beseitigung des Mangels oder die Lieferung einer mangelfreien Sache (§ 439 Abs. 1 BGB).
2.2
Wann ist eine Sache mangelhaft?
Als neue vertragstypische Verpflichtung hat der Verkäufer dem Käufer die Kaufsache frei von Sach- und Rechtsmängeln zu verschaffen (§ 433 Abs. 1 S. 2 BGB). Wann liegt ein Sachmangel oder ein Rechtsmangel vor? Dies ist gesetzlich geregelt.
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2.2.1
Was ist ein Rechtsmangel?
Die Sache ist frei von Rechtsmängeln, wenn Dritte in Bezug auf die Sache keine oder nur die im Kaufvertrag übernommenen Rechte gegen den Käufer geltend machen können ( § 435 Satz 1 BGB). Beispiele: Der Verkäufer A verkauft an den Käufer Β eine Sache, an der der A ein dem Β nicht mitgeteiltes Pfandrecht zu Gunsten eines Dritten bestellt hat. Der Verkäufer A verkauft an den Käufer Β eine Eigentumswohnung, die der A bereits an einen Dritten vermietet hat und er dem Β gegenüber das Mietverhältnis nicht offenbart.
2.2.2
Was ist ein Sachmangel?
Unter welchen Voraussetzungen ein Sachmangel vorliegt, ist in § 434 BGB geregelt. Nach altem Recht (§ 459 BGB a.F.) lag ein Sachmangel dann vor, wenn entweder die Sache mit einem Fehler behaftet war oder die Sache eine so genannte zugesicherte Eigenschaft nicht hatte. Diese Zweiteilung bzw. diese zwei Säulen eines Sachmangels gibt es in dieser Ausgestaltung nicht mehr; es gibt auch nicht mehr den Begriff der „zugesicherten Eigenschaft". Wenn einer der nachfolgenden in § 434 BGB beschriebenen Sachverhalte gegeben ist, liegt ein Sachmangel vor: (1) Abweichung von der vereinbarten Beschaffenheit Die Sache ist frei von Sachmängeln, wen sie bei Gefahrübergang die vereinbarte Beschaffenheit hat. Beispiele: Der Käufer Β kauft vom Verkäufer A einen PC, und zwischen den Vertragspartnern wird vereinbart, dass das Textverarbeitungssystem WORD 2.0 installiert sein muss. Der Käufer Β kauft vom Verkäufer A einen gebrauchten PKW, und zwischen den Vertragspartnern wird vereinbart, dass das Fahrzeug eine neue TÜV-Abnahme haben muss. 11
(2) Keine Eignung für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung Soweit die Beschaffenheit nicht gemäß vorstehender Ziffer (1) vereinbart ist, ist die Sache frei von Sachmängeln, wenn sie sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet. Erforderlich ist jedoch, dass der Käufer dem Verkäufer den Zweck des Kaufs mitteilt. Beispiel: Der Käufer Β kauft vom Verkäufer A einen PC und der Β teilte dem A zuvor mit, dass er den PC sogleich nach erfolgtem Kauf zur Textverarbeitung einsetzen will. Der PC muss also so konfiguriert sein, dass ein gängiges Textverarbeitungssystem installiert werden kann; falls dies nicht der Fall sein sollte, wäre der PC mangelbehaftet. Eventuell könnte sogar angenommen werden, dass der PC bereits über ein solches Textverarbeitungssystem verfügen muss. (3) Abweichung von der gewöhnlichen Beschaffenheit Soweit die Beschaffenheit weder gemäß vorstehender Ziffer (1) vereinbart ist, noch der Vertrag eine Verwendung der Sache gemäß Ziffer (2) voraussetzt ist die Sache frei von Sachmängeln, wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann. Beispiel: Der Landwirt A kauft beim Hersteller Β einen Traktor. Dieser Traktor muss sich auch ohne besondere Vereinbarung als Zugmaschine für Anhänger eignen. Unter diese Beschaffenheit hinsichtlich der so genannten gewöhnlichen Verwendung der Kaufsache fallen auch Eigenschaften, die der Käufer nach den öffentlichen Äußerungen des Verkäufers, des Herstellers oder seines Gehilfen insbesondere in der Werbung oder bei der Kennzeichnung über bestimmte Eigenschaften der Sache erwarten kann. Hierunter fallen insbesondere Beschaffenheitsangaben in Zeitungsanzeigen, Broschüren, Erklärungen auf Messe- oder sonstigen Verkaufsveranstaltungen. Solche Erklärungen, Produktbeschreibungen, Anpreisungen, etc. beispielsweise seitens des Herstellers muss sich ein Verkäu-
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fer grundsätzlich zurechnen lassen, auch wenn derartige Erklärungen nicht zum Vertragsbestandteil des Kaufvertrages deklariert werden. Beispiel: Der PKW-Hersteller A betreibt Werbung für sein neues Modell und teilt mit, dass der Durchschnittsverbrauch bei 3,0 Liter auf 100 km liegt. Der Käufer Β kauft bei dem PKW-Händler C einen solchen PKW. Im Kaufvertrag wird keine Benzinverbrauchsangabe festgelegt. Allerdings hat der Β auf Grund der Werbung durch den A die berechtigte Erwartungshaltung, dass der PKW nur 3,0 Liter verbrauchen darf. Nach dem Kauf stellt sich heraus, dass der PKW jedoch 5,0 Liter pro 100 km benötigt. Der Β kann nunmehr bei seinem Verkäufer C diesen Mangel erfolgreich reklamieren, obwohl der Kaufvertrag selbst hierüber nichts aussagt. (4) Sachmangel durch fehlerhafte Montage Ein Sachmangel ist auch dann gegeben, wenn eine vereinbarte Montage durch den Verkäufer oder dessen Erfüllungsgehilfen unsachgemäß durchgeführt worden ist. Dies gilt auch dann, wenn die Kaufsache selbst völlig mangelfrei ist, d.h., wenn ausschließlich eine unsachgemäße Montage der Kaufsache durchgeführt wird. Die Montageleistung selbst wird dadurch zur Hauptleistungspflicht des Verkäufers ernannt. Im Falle eines Montagefehlers erfolgt die Abwicklung nunmehr nach Kaufvertragsrecht und nicht mehr nach Werkvertragsrecht. Beispiele: Kauf einer Einbauküche mit gleichzeitigem Montageauftrag. Kauf und Installation einer neuen Waschmaschine. Kauf und Montage eines Heizkörpers. (5)Sachmangel wegen fehlerhafter Montageanleitung („IKEA-Klausel") Ein Sachmangel liegt bei einer zur Montage bestimmten Sache vor, wenn die Montageanleitung mangelhaft ist, es sei denn, die Sache ist letztendlich doch fehlerfrei montiert worden.
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Es spielt überhaupt keine Rolle, ob die Montageanleitung vom Hersteller oder vom Verkäufer beigefügt wurde. Sowohl in dem einen als auch in dem anderen Fall haftet der Verkäufer gegenüber dem Käufer wegen der Fehlerhaftigkeit der Montageanleitung. In diesem Fall liegt also auch dann ein Sachmangel vor, wenn die Kaufsache selbst mangelfrei ist und sich die Mangelhaftigkeit ausschließlich auf die Montageanleitung bezieht. Die bloße Existenz einer fehlerhaften Montageanleitung ist somit ausreichend. (6) Falschlieferung oder Zuweniglieferung Einem Sachmangel steht es gleich, wenn der Verkäufer eine andere Sache oder eine zu geringe Menge liefert. Nach bisherigem Recht war weder eine Falschlieferung noch eine Zuweniglieferung als Fehler oder Mangel zu qualifizieren, so dass die bisherigen Gewährleistungsbestimmungen nicht angewendet werden konnten.
2.3
Mängelansprüche des Käufers
Falls eine Sache mangelhaft ist, d.h. mit einem Sach- oder Rechtsmangel behaftet ist, können dem Käufer gegen den Verkäufer so genannte Mängelansprüche zustehen. Diese Mängelansprüche wurden nach altem Recht als so genannte Gewährleistungsansprüche bezeichnet. Diesen Begriff der „Gewährleistung" sieht jedoch das neue BGB nicht mehr vor; richtigerweise spricht man nunmehr von „Mängelansprüchen". Welche Rechte dem Käufer beim Vorliegen von Mängeln an der Kaufsache zustehen, ist in § 437 BGB geregelt. Ist die Sache mangelhaft, kann der Käufer, wenn die Voraussetzungen der jeweiligen Vorschriften vorliegen, grundsätzlich folgende Mängelansprüche geltend machen:
2.3.1
Anspruch auf Nacherfüllung
Der Käufer kann vom Verkäufer eine so genannte „Nacherfüllung" verlangen. Diesbezüglich hat der Käufer ein Wahlrecht: als Nacherfüllung kann er entweder die Beseitigung des Mangels (Nachbesserung) oder die Lieferung einer mangelfreien Sache (Ersatzlieferung) verlangen.
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Dies ist eine wichtige Neuerung im neuen Recht. Nach altem Recht gab es beim Kauf von Einzelstücken weder ein Nachbesserungsrecht noch ein Anspruch auf Lieferung einer mangelfreien Sache; lediglich beim Kauf eines Massenartikels (Gattungskauf) war früher die Lieferung einer mangelfreien Sache vorgesehen, nicht aber alternativ ein Nachbesserungsrecht. Dieser Nacherfüllungsanspruch genießt Vorrang vor den anderen Mängelansprüchen, d.h., der Käufer kann grundsätzlich erst dann zum Beispiel vom Kaufvertrag zurücktreten oder den Kaufpreis mindern oder Schadensersatz verlangen, wenn er fruchtlos den Verkäufer zur Nacherfüllung aufgefordert hat. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass eine „Nachbesserung" nach dem erfolglosen zweiten Versuch (gesetzgeberische Richtgröße!) grundsätzlich als fehlgeschlagen gelten kann (§ 440 Satz 2 BGB). Der Verkäufer hat die zum Zwecke der Nacherfüllung erforderlichen Aufwendungen, insbesondere Transport-, Wege-, Arbeits- und Materialkosten zu tragen. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die auch nur teilweise Abwälzung dieser Nacherfüllungskosten auf den Käufer beim Vorliegen eines Verbrauchsgüterkaufes (vgl. Ziffer 2.5) unwirksam ist. Der Verkäufer kann die vom Käufer gewählte Art der Nacherfüllung verweigern, wenn sie nur mit unverhältnismäßigen Kosten möglich ist. Zu beachten ist, dass nicht die Nacherfüllung insgesamt, sondern nur die vom Käufer gewählte Art (Ersatzlieferung oder Nachbesserung) verweigert werden kann. Unabhängig davon ist auch eine Abwälzung eventueller Nacherfüllungskosten auf einen Käufer dann unwirksam, wenn eine entsprechende Regelung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen verankert wird (zum Beispiel in Verkaufs- und Lieferbedingungen). Dieses Abwälzungsverbot gilt auch dann, wenn es sich bei beiden Vertragspartnern um so genannte Unternehmer (vgl. Ziffer 2.5) handelt (das heißt im früheren kaufmännischen Geschäftsverkehr). Neu ist nunmehr auch gesetzlich geregelt, dass der Verkäufer, der zum Zwecke der Nacherfüllung eine mangelfreie Sache liefert, vom Käufer die Rückgabe der mangelhaften Sache in sein Eigentum verlangen kann (§ 439 Abs. 4 BGB). Die Kosten der Rückgabe, zum Beispiel Transportkosten, sind jedoch gleichfalls vom Verkäufer zu tragen.
15
2.3.2
Anspruch auf Rücktritt
Nach altem Recht gab es das Gewährleistungsrecht des Käufers auf so genannte „Wandelung" bzw. Rückgängigmachung des Vertrages. Dieses Recht stand dem Käufer jedoch nur bei Sachmängeln, nicht hingegen bei Rechtsmängeln zu. Außerdem war Voraussetzung dafür, dass es tatsächlich zu einer Rückabwicklung des Kaufvertrages kam, dass sich der Verkäufer gegenüber dem Käufer mit der Wandelung ausdrücklich einverstanden erklären musste. Da dieses Einverständnis meistens nicht erklärt wurde, musste es in diesen Fällen vom Käufer erst einmal eingeklagt werden. Das neue Recht sieht kein Recht auf „Wandelung" mehr vor; auch der Begriff der Wandelung taucht nicht mehr auf. Statt dessen gibt es das Recht des Käufers, den Kaufvertrag durch seine einseitige Rücktrittserklärung gegenüber dem Verkäufer aufzuheben. Neu ist hierbei, dass keine Zustimmungserklärung des Verkäufers erforderlich ist; bei dem Rücktrittsrecht handelt es sich tatsächlich um ein einseitiges dem Käufer zustehendes Gestaltungsrecht. Dieser Rücktritt wegen nicht oder nicht vertragsgemäß erbrachter Leistung ist in § 323 BGB vorgesehen. Erbringt im Rahmen eines Kaufvertrages der Verkäufer eine fällige Leistung nicht oder nicht vertragsgemäß, so kann der Käufer, wenn er dem Verkäufer erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung oder Nacherfüllung bestimmt hat, vom Kaufvertrag zurücktreten. Grundsätzliche Voraussetzung für einen Rücktritt vom Vertrag ist somit, dass eine vom Käufer gegenüber dem Verkäufer gesetzte angemessene Frist zur Nacherfüllung erfolglos abgelaufen ist. Für den Verkäufer bedeutet dies, dass er jetzt noch die allerletzte Gelegenheit hat, durch eine gehörige Nacherfüllung, die wirtschaftlichen Nachteile aus einem erklärten Vertragsrücktritt abzuwenden. Einer entsprechenden Fristsetzung bedarf es jedoch dann nicht, wenn eine Nacherfüllung unmöglich geworden ist oder wenn der Verkäufer beide Arten der Nacherfüllung (Nachbesserung und Ersatzlieferung) verweigert oder eine Fristsetzung für den Käufer unzumutbar ist.
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2.3.3
Anspruch auf Minderung
Die Minderung ist in § 441 BGB geregelt. Statt zurückzutreten, kann der Käufer den Kaufpreis durch Erklärung gegenüber dem Verkäufer mindern. Bei der Minderung ist der Kaufpreis in dem Verhältnis herabzusetzen, in welchem zur Zeit des Vertragsschlusses der Wert der Sache in mangelfreiem Zustand zu dem wirklichen Wert gestanden haben würde. Die Minderung ist, soweit erforderlich, durch Schätzung zu ermitteln. Im Vergleich zum alten Recht kann der Käufer nunmehr auch die Minderung im Falle eines Rechts- und nicht nur eines Sachmangels erklären. Nach neuem Recht ist zudem grundsätzlich erforderlich, dass der Käufer zunächst dem Verkäufer eine angemessene Frist zur Nacherfüllung setzen muss, die dann auch fruchtlos abgelaufen sein muss. Insoweit finden die Ausführungen zur Fristsetzung gemäß vorstehender Ziffer 2.3.2 beim Rücktritt gleiche Anwendung.
2.3.4
Anspruch auf Schadensersatz
Wenn der Verkäufer eine mangelhafte Sache liefert, verletzt er seine vertragstypische Verpflichtung aus dem Kaufvertrag gemäß § 433 Abs. 1 Satz 2 BGB, wonach er dem Käufer die Sache frei von Sach- und Rechtsmängeln zu verschaffen hat. Dadurch entsteht dem Käufer ein Schaden, da in der Regel eine mangelbehaftete Sache einen geringeren Wert hat als eine mangelfreie Sache. Den dem Käufer dadurch entstandenen Schaden kann er gegenüber dem Verkäufer gemäß den §§ 280 ff. BGB geltend machen. Voraussetzung ist, dass der Verkäufer seine Pflicht aus dem Vertragsverhältnis verletzt hat, was regelmäßig wohl bejaht werden dürfte, da es keine Rechtfertigungsgründe für einen Verkäufer gibt, fehlerbehaftete Produkte in Verkehr zu bringen. Die Schadensersatzpflicht des Verkäufers würde nur dann entfallen, wenn er die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. Schließlich ist jedoch auch vor der Geltendmachung eines Schadensersatzanspruches erforderlich, dass der Käufer dem Verkäufer erst noch eine angemessene Frist zur Nacherfüllung erfolglos bestimmt hat. Auch hier gilt somit das Prinzip des Vorranges des Nacherfüllungsanspruches genau so wie bei dem Anspruch auf Rücktritt bzw. beim Minderungsanspruch. Wegen dieses Erfordernisses wird auf die entsprechenden Ausführungen unter obiger Ziffer 2.3.1 verwiesen.
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Der Käufer kann im übrigen auch einen entsprechenden Schadensersatzanspruch neben einem eventuell erklärten Rücktritt oder auch neben einem eventuell erklärten Minderungsanspruch geltend machen.
2.4
Verjährungsfristen für Mängelansprüche
2.4.1
Die neuen gesetzlichen Verjährungsfristen für Mängelansprüche
Wie oben bereits ausgeführt (vgl. Ziffer 2.3) gibt es nicht mehr den Begriff der „Gewährleistung"; statt dessen spricht das Gesetz nunmehr von „Mängelansprüchen" (anstatt „Gewährleistungsansprüchen"). Gleichermaßen gibt es auch nicht mehr den Begriff der „Gewährleistungsfristen"; statt dessen spricht man nunmehr von „Verjährungsfristen für Mängelansprüche". Nach altem Recht verjährten die kaufvertragsrechtlichen Gewährleistungsansprüche beim Verkauf von beweglichen Sachen in sechs Monaten von der Ablieferung, beim Verkauf von Grundstücken in einem Jahr von der Übergabe an. Die in § 437 BGB genannten Mängelansprüche (Nacherfüllung, Rücktritt, Minderung, Schadensersatz) unterliegen nach neuem Recht nunmehr wesentlich längeren Verjährungsfristen. Beim Verkauf von beweglichen Sachen - soweit es sich nicht um Baumaterialien handelt - beträgt die Verjährungsfrist 2 Jahre ab der Ablieferung der Sache (§ 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB). Hier erfolgte also eine Verlängerung der Verjährungsfrist von sechs Monaten auf zwei Jahre. Dies stellt ein nicht unerhebliches zusätzliches Risiko eines Verkäufers dar. Bei einem Bauwerk Verwendungsweise te Baumaterialien die Verjährungsfrist
und bei einer Sache, die entsprechend ihrer üblichen für ein Bauwerk verwendet worden ist - so genannund dessen Mangelhaftigkeit verursacht hat beträgt 5 Jahre (§ 438 Abs. 1 Nr. 2 BGB).
Hier ist die Besonderheit, dass für den Lieferanten von Baumaterialien nunmehr eine von sechs Monaten auf fünf Jahre verlängerte Verjährungsfrist gilt! Auch diese Verlängerung stellt ein erhebliches Risiko für die Baustofflieferanten dar. 18
Wenn also bei der Errichtung eines Einfamilienhauses der Bauunternehmer vom Bauherrn wegen eventueller Mängel über einen Zeitraum von fünf Jahren in Anspruch genommen werden kann, gilt diese Frist nunmehr gleichfalls gegenüber dem Baustofflieferanten, so dass der Bauunternehmer wegen eventueller Ansprüche des Bauherrn beim Baustofflieferanten Regress nehmen kann, falls der gerügte Mangel auf die Baumaterialien zurückzuführen ist. Diese Einbeziehung der Baustofflieferanten unter die fünfjährige Verjährungsfrist sollte hauptsächlich dem Schutz der Bauhandwerker dienen, damit diese zumindest über die Zeitachse hinweg gleichfalls im Regresswege ihre jeweiligen Baustofflieferanten in Anspruch nehmen können und sie selbst nicht auf einem Anspruch des Bauherrn quasi sitzen bleiben. Die fünfjährige Verjährungsfrist gilt natürlich auch dann, wenn der Bauherr die erforderlichen Baumaterialien direkt beim Baustofflieferanten einkauft und der Bauherr dann unmittelbar gegenüber dem Lieferanten Mängelansprüche geltend machen will.
2.4.2
Reduzierung der neuen Verjährungsfristen
Die für die Unternehmen wichtige und entscheidende Frage ist jedoch, ob und in welchem Umfang überhaupt eine eventuelle vertragliche Reduzierung der Verjährungsfristen für Mängelansprüche möglich ist. (1) Fristenreduzierung beim Verbrauchsgüterkauf Beim Verbrauchsgüterkauf (vgl. nachfolgende Ziffer 2.5) ist zwingend zu beachten, dass beim Verkauf „neuer" Sachen weder vertragsindividuell noch im Rahmen von Allgemeinen Geschäftsbedingungen eine Reduzierung der zweijährigen Verjährungsfrist für Mängelansprüche, Rücktrittsansprüche und Minderungsansprüche zulässig ist (§ 475 Abs. 2 BGB). Beispiele: Der Verbraucher A kauft bei der Firma Β einen neuen Rasierapparat. Es wird nichts über Verjährungsfristen vereinbart, so dass die gesetzliche Verjährungsfrist von 2 Jahren Anwendung findet. Der Verbraucher A kauft bei der Firma Β einen neuen Fernsehapparat. Die Parteien schließen einen schriftlichen Kaufvertrag, wobei die Allge-
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meinen Verkaufsbedingungen der Firma Β zum Vertragsbestandteil deklariert werden. Diese Verkaufsbedingungen sehen eine Verjährungsfrist für Mängelansprüche von 12 Monaten vor. Im Ergebnis ist diese vertragliche Verkürzung der Verjährungsfrist unwirksam, so dass an deren Stelle die gesetzliche Regelung mit der zweijährigen Verjährungsfrist tritt. Zu dem gleichen Ergebnis kommt man ebenfalls, wenn die Parteien vertragsindividuell eine bloß 12-monatige Verjährungsfrist vereinbaren würden. Auch eine solche vertragsindividuelle Fristverkürzung ist im Verbrauchsgüterkauf unwirksam. Lediglich beim Verkauf von „gebrauchten" Sachen ist eine Reduzierung dieser Verjährungsfrist auf ein Jahr möglich - eine weitere Verkürzung oder gar ein Gewährleistungsausschuss wie es ansonsten früher zum Beispiel beim Verkauf eines Gebrauchtwagens durch einen Händler möglich war, ist gesetzlich ausgeschlossen. Im Falle eines entsprechenden Verstoßes wäre diese Verjährungsverkürzung gesetzlich unwirksam mit der Folge, dass dann wiederum die gesetzliche Verjährungsfrist von zwei Jahren Anwendung finden würde. Beispiele: Der Verbraucher A kauf beim Gebrauchtwagenhändler Β einen gebrauchten PKW. Die Parteien schließen einen schriftlichen Kaufvertrag, in dem geregelt wird: „gekauft wie besichtigt und Probe gefahren unter Ausschluss jeglicher Gewährleistung". Diese Regelung verstößt gegen zwingendes Recht, da eine Verkürzung der Verjährungsansprüche unter ein Jahr nicht gestattet wird - auch nicht durch eine vertragsindividuelle Regelung. Die vorstehende Regelung würde sogar noch weiter gehen und jegliche Ansprüche ausschließen. Anstatt dieser unwirksamen Regelung tritt jedoch dann die gesetzliche Regelung in Kraft, so dass hier im Endergebnis dann ebenfalls die zweijährige Verjährungsfrist für Mängelansprüche gelten würde. (2) Fristenreduzierung im unternehmerischen Geschäftsverkehr Im Geschäftsverkehr zwischen einem Unternehmer zu einem anderen Unternehmer (zum Begriff des „Unternehmers" vgl. Ziffer 2.5) gilt jedoch folgende vertragliche Gestaltungsmöglichkeit : Vertragsindividuell (also nicht im Rahmen von Allgemeinen Geschäftsbedingungen) ist eine Verkürzung der Verjährungsfrist für Mängelansprüche quasi auf Null darstellbar, wobei dies lediglich dann nicht möglich ist, so-
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weit es sich um Ansprüche handelt, die auf ein arglistiges Verschweigen eines Mangels zurückzuführen sind oder wenn der Verkäufer eine Beschaffenheitsgarantie übernommen hat (§ 444 BGB). Erfolgt eine angestrebte Reduzierung der Verjährungsfrist im Rahmen von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (zum Beispiel im Rahmen der Verkaufsbedingungen des Lieferanten), so ist zwingend zu beachten, dass bei Verträgen über Lieferungen „neu" hergestellter Sachen und über Werkleistungen bei „Bauwerken" keine Verjährungserleichterung gestattet ist und im Übrigen eine weniger als ein Jahr betragende Verjährungsfrist unzulässig ist (§ 309 Nr. 8 b) ff) BGB). Unzulässig wäre es also auch im ausschließlich unternehmerischen Geschäftsverkehr, in den genannten Fällen in den Verkaufsbedingungen eine Verjährungsfrist von beispielsweise 6 oder 10 Monaten vorzusehen. Eine solche kurze Verjährungsfrist könnte nur vertragsindividuell vereinbart werden. Von diesem Verbot der Verkürzung der Verjährungsfrist im Rahmen von Allgemeinen Geschäftsbedingungen unter die genannte Jahresfrist macht der Gesetzgeber selbst folgende Ausnahme: Diese Restriktion gilt nicht für Verträge, in die Teil Β der Verdingungsordnung für Bauleistungen insgesamt einbezogen ist (VOB/B). In § 13 Nr. 4 VOB/B ist beispielsweise folgende Verjährungsfrist vorgesehen: „Ist für die Gewährleistung keine Verjährungsfrist im Vertrag vereinbart, so beträgt sie für Bauwerke und für Holzerkrankungen 2 Jahre, für Arbeiten an einem Grundstück und für die vom Feuer berührten Teile von Feuerungsanlagen ein Jahr." Nur bei der Vereinbarung dieser VOB/B „insgesamt" und nicht nur des vorgenannten § 13 VOB/B kann zumindest bei Bauwerken auch im Rahmen von Allgemeinen Geschäftsbedingungen eine Reduzierung der Verjährungsfrist unterhalb der gesetzlichen Fünfjahresfrist wirksam vereinbart werden. Wie lange dies jedoch noch möglich sein wird, bleibt abzuwarten, da auch die Verdingungsordnung für Bauleistungen den Änderungen der Schuldrechtsmodernisierung derzeit angepasst wird. (3) Fristenreduzierung wenn weder ein unternehmerischer Geschäftsverkehr noch ein Verbrauchsgüterkauf vorliegt Beim Verbrauchsgüterkauf verkauft ein Unternehmer eine so genannte bewegliche Sache an einen Verbraucher. Beim unternehmerischen Geschäftsverkehr verkauft ein Unternehmer eine bewegliche Sache an einen anderen Unternehmer. 21
Falls unbewegliche Sachen verkauft werden, liegt definitionsgemäß kein Verbrauchsgüterkauf vor. Falls ein Verbraucher eine bewegliche Sache an einen anderen Verbraucher verkauft, liegt gleichfalls kein Verbrauchsgüterkauf vor; ein solcher ist auch dann nicht gegeben, wenn ein Verbraucher eine bewegliche Sache an einen Unternehmer verkauft. In allen diesen Fällen können weiterhin im Rahmen der Vertragsfreiheit zwischen den Kaufvertragsparteien vom Gesetz abweichende Regelungen vereinbart werden. Beispiel: Ein Verbraucher verkauft an einen anderen Verbraucher seinen gebrauchten PKW zum Preis von 300,- EURO. Zwischen den Parteien können wie bisher auch Mängelansprüche ausgeschlossen werden.
2.5
Verbrauchsgüterkauf
2.5.1
Wann liegt ein Verbrauchsgüterkauf vor?
Kauft ein „Verbraucher" von einem „Unternehmer" eine bewegliche Sache, liegt ein so genannter Verbrauchsgüterkauf vor (§ 474 BGB). Wer Verbraucher und wer Unternehmer ist, ist im Gesetz geregelt. „Verbraucher" ist jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu einem Zweck abschließt der weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann (§ 13 BGB). Verbraucher sind also stets nur so genannte natürliche Personen, nicht hingegen so genannte juristische Personen; juristische Personen, wie zum Beispiel die GmbH oder die AG können also nie Verbraucher im Rechtssinne sein. Weiterhin ist erforderlich, dass der Zweck des Rechtsgeschäftes der privaten Sphäre zugerechnet werden muss. Dadurch erfolgt die Abgrenzung zur gewerblichen und selbständigen Tätigkeit. „Unternehmer" ist eine natürliche oder juristische Person oder eine rechtsfähige Personengesellschaft, die bei Abschluss eines Rechtsgeschäfts in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt. Eine rechtsfähige Personengesellschaft ist eine Personengesellschaft, die mit der Fähigkeit ausgestattet ist, Rechte zu erwerben und Verbindlichkeiten einzugehen (§ 14 BGB).
22
Der Begriff des „Unternehmers" ist weit gefasster als der Begriff des „Kaufmanns". Als Unternehmer im Rechtssinne werden auch Landwirte, Kleingewerbetreibende und freiberuflich Tätige (Rechtsanwälte, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Unternehmensberater, freie Mitarbeiter, etc.) deklariert. Auch eine bloß nebenberufliche Tätigkeit als Unternehmer ist ausreichend. Neben den juristischen Personen, wie GmbH oder AG, können auch Personengesellschaften „Unternehmer" sein, also zum Beispiel OHG, KG, die Partnerschaft im Sinne des Partnerschaftsgesetzes; auch die so genannte Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) fällt nach neuer Rechtsprechung ebenfalls darunter. Nur beim Vorliegen dieser gesetzlich klar benannten Voraussetzungen liegt ein Verbrauchsgüterkauf vor: ein Verbraucher (1. Voraussetzung) kauft (2. Voraussetzung) von einem Unternehmer (3. Voraussetzung) eine bewegliche Sache (4. Voraussetzung). Ein Verbrauchsgüterkauf liegt also nicht vor, wenn beispielsweise • ein Grundstück (unbewegliche Sache) gekauft wird • wenn ein Unternehmer von einem Unternehmer eine Sache kauft • wenn ein Unternehmer von einem Verbraucher eine Sache kauft • wenn ein Verbraucher von einem Verbraucher eine Sache kauft. Nur beim Vorliegen eines Verbrauchsgüterkaufes im rechtlichen Sinne gelten die Sonderbestimmungen der §§ 474 bis 479 BGB, die dann auch zwingend zu beachten sind.
2.5.2
Sonderbestimmung bei der Verjährung von Mängelansprüchen
Die Verjährung der in § 437 BGB bezeichneten Ansprüche kann nicht durch Rechtsgeschäft erleichtert werden, wenn die Vereinbarung zu einer Verjährungsfrist von weniger als zwei Jahren, bei gebrauchten Sachen von weniger als einem Jahr führt (§ 475 Abs. 2 BGB). Diese Restriktion gilt für die Mängelansprüche der Nacherfüllung, des Rücktrittes und der Minderung; sie gilt nicht für den Mangelanspruch des Schadensersatzes - hier sind grundsätzlich vertragliche Abweichungen möglich (§ 475 Abs. 3 BGB).
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Beim Verbrauchsgüterkauf ist somit eine vertragliche Verkürzung der Verjährungsfrist beim Verkauf von „neuen Sachen" auf weniger als zwei Jahre ausgeschlossen (zwingendes Recht!). Beim Verkauf von „gebrauchten Sachen" ist zwar eine vertragliche Reduzierung möglich, wobei jedoch ein Jahr nicht unterschritten werden darf (zwingendes Recht!). Wegen der diesbezüglichen Einzelheiten wird auf die entsprechenden Ausführungen unter Ziffer 2.4.2 verwiesen.
2.5.3
Sonderbestimmung bei der Frage der Beweislastumkehr
Üblicherweise ist der Käufer einer Sache beweispflichtig dafür, dass ein von ihm festgestellter bzw. behaupteter Mangel bereits im Zeitpunkt des Gefahrenüberganges vorhanden war. Dies ergibt sich aus § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB: Die Sache ist frei von Sachmängeln, wenn sie „bei Gefahrübergang" die vereinbarte Beschaffenheit hat. Dieser allgemeine Grundsatz wird im Verbrauchsgüterkauf durchbrochen. Zeigt sich innerhalb von sechs Monaten seit Gefahrübergang ein Sachmangel, so wird vermutet, dass die Sache bereits bei Gefahrübergang mangelhaft war, es sei denn, diese Vermutung ist mit der Art der Sache oder des Mangels unvereinbar (§ 476 BGB). Dies ist eine so genannte „widerlegbare Vermutung". Für die ersten sechs Monate gilt also zu Gunsten des Verbrauchers diese Beweislastumkehr. Sofern ein Mangel jedoch erst nach Ablauf dieser ersten sechs Monate auftritt bzw. entdeckt wird, trifft wiederum den Verbraucher die Beweislast dafür, dass der Mangel bereits bei Gefahrübergang vorhanden war. Diese Beweislastumkehr greift jedoch dann nicht, wenn die gesetzliche Vermutung mit der Art der Sache oder des Mangels unvereinbar ist, beispielsweise beim Verkauf gebrauchter Sachen oder beim Verkauf von Tieren. Diese Beweislastumkehr ist unabdingbar; sie kann also vertraglich nicht ausgeschlossen oder sonst irgendwie umgangen werden. Entsprechende Vereinbarungen wären unwirksam.
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2.5.4
Sonderbestimmungen für Garantien
Erstmals taucht der Begriff der Garantie im Gesetz auf. Bisher gab es zur „Garantie" keinerlei gesetzliche Regelungen. Nunmehr gibt es zwei gesetzlich geregelte Arten von Garantien: die Beschaffenheits- und die Haltbarkeitsgarantie (§ 443 BGB). Bei der Beschaffenheitsgarantie übernimmt der Verkäufer oder ein Dritter eine Garantie für die Beschaffenheit der Sache; bei der Haltbarkeitsgarantie übernimmt der Verkäufer oder ein Dritter die Garantie dafür, dass die Sache für eine bestimmte Dauer eine bestimmte Beschaffenheit behält. Besonderheiten zur „Garantie" gelten im Verbrauchsgüterkauf: Wenn im Rahmen eines Verbrauchsgüterkaufes der Unternehmer (Hersteller, Verkäufer oder ein sonstiger Dritter) dem Verbraucher eine „Garantie" einräumt, muss die Garantieerklärung einen Mindestinhalt aufweisen. Sie muss enthalten (1.) den Hinweis auf die gesetzlichen Rechte des Verbrauchers sowie darauf, dass sie durch die Garantie nicht eingeschränkt werden und (2.) den Inhalt der Garantie und alle wesentlichen Angaben, die für die Geltendmachung der Garantie erforderlich sind, insbesondere die Dauer und den räumlichen Geltungsbereich des Garantieschutzes sowie Namen und Anschrift des Garantiegebers (§ 477 Abs. 1 BGB). Der Garantietext soll einfach und verständlich sein. Dieses Erfordernis sollte aus eigenem Interesse vom Garantiegeber berücksichtigt werden, da ansonsten eventuelle Unklarheiten zu Gunsten des Verbrauchers und im Zweifel zum Nachteil des Unternehmers auszulegen sein dürften. Zwingend zu beachten ist auch der ausdrückliche Hinweis, dass es sich bei der „Garantie" um einen vom Unternehmer eingeräumten neben den gesetzlichen Mängelansprüchen stehenden zusätzlichen bzw. eigenständigen Anspruch des Garantiebegünstigten handelt. Der Verbraucher kann verlangen, dass ihm die Garantieerklärung in Textform mitgeteilt wird ( § 477 Abs. 2 BGB). Schließlich ist noch darauf hinzuweisen, dass die Wirksamkeit der Garantieverpflichtung nicht dadurch berührt wird, dass eine der vorstehenden Anforderungen vom Garantiegeber nicht erfüllt wird (§ 477 Abs. 3 BGB).
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2.5.5
Rückgriff des Unternehmers
Der Unternehmer kann beim Verkauf einer neu hergestellten Sache von seinem Lieferanten Ersatz der Aufwendungen verlangen, die der Unternehmer im Verhältnis zum Verbraucher nach § 439 Abs. 2 BGB zu tragen hatte, wenn der vom Verbraucher geltend gemachte Mangel bereits beim Übergang der Gefahr auf den Unternehmer vorhanden war (§ 478 Abs. 2 BGB). Bei dieser Vorschrift handelt es sich um eine völlig neue Anspruchsgrundlage, die es dem Letztverkäufer ermöglicht, einen Aufwendungsersatzanspruch gegenüber seinem direkten Lieferanten geltend zu machen. Geltend gemacht werden können nur die erforderlichen und tatsächlich entstandenen Aufwendungen, die der Letztverkäufer gegenüber dem Verbraucher im Rahmen der Nacherfüllung nach § 439 Abs. 2 BGB erbringen musste. Hierbei handelt es sich um die zum Zweck der Nacherfüllung erforderlichen Aufwendungen, insbesondere Transport-, Wege-, Arbeitsund Materialkosten. Erbringt jedoch der Letztverkäufer dem Verbraucher (also seinem Vertragspartner gegenüber) darüber hinaus gehende Leistungen aus reinen Kulanzgründen, so können diese Kulanzaufwendungen nicht gegenüber seinem Lieferanten geltend gemacht werden. Der Rückgriffsanspruch ist auch nur dann gegeben, wenn es sich um den Verkauf einer „neuen Sache" handelt; beim Verkauf von „gebrauchten Sachen" findet dieser Aufwendungsersatzanspruch keine Anwendung. Auch die oben unter Ziffer 2.5.3 erläuterte Sonderbestimmung zur Beweislastumkehr findet hier im Falle des Rückgriffes ebenso Anwendung. Innerhalb der ersten sechs Monate wird zu Gunsten des Letztverkäufers vermutet, dass die Sache im Zeitpunkt der Ablieferung vom Lieferanten an den Letztverkäufer mangelhaft war, wobei diese Sechsmonatsfrist erst im Zeitpunkt des Gefahrenübergangs an den Verbraucher beginnt. Dieser Aufwendungsersatzanspruch kann vertraglich zwischen Lieferanten und Letztverkäufer abweichend vom Gesetz geregelt werden. Es handelt sich nicht um zwingendes Recht. Eine entsprechende vertragliche Abweichung ist allerdings nur dann zulässig, wenn der Lieferant dann
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auch dem Letztverkäufer einen so genannten gleichwertigen Ausgleich einräumt. Wie ein solcher „gleichwertiger Ausgleich" aussehen kann, bleibt dem Einzelfall und der künftigen Beurteilung der Rechtsprechung überlassen. Belastbare Empfehlungen können hierzu derzeit nicht gegeben werden. Schließlich ist noch darauf hinzuweisen, dass dieser Rückgriffsanspruch nicht nur in der Rechtsbeziehung vom zunächst betroffenen Letztverkäufer zu seinem Lieferanten gilt, sondern auch auf alle übrigen Käufer in der Lieferkette gegen die jeweiligen Verkäufer entsprechende Anwendung findet (§ 478 Abs. 5 BGB). Der Rückgriffsanspruch kann somit gegebenenfalls zurückgreifen bis zum Hersteller eines fehlerhaften Produktes, so dass der Verursacher eines Mangel und dadurch auch der tatsächliche Verursacher der entstandenen Aufwendungen im Rahmen eines Nacherfüllungsanspruches mit den Aufwendungen belastet werden kann. In der Praxis dringend zu beachten ist außerdem die unter Kaufleuten nach § 377 HGB geforderte unverzügliche Verpflichtung zur Untersuchung der gelieferten Ware sowie, wenn sich ein Mangel zeigt, die unverzügliche Rüge- bzw. Anzeigeverpflichtung. § 478 Abs. 6 BGB weist ausdrücklich darauf hin, dass dieses Erfordernis weiterhin auch im Rahmen eines möglichen Rückgriffsanspruches zu beachten ist. Versäumt der Letztverkäufer oder ein sonstiger Anspruchsteller in der Lieferkette diese Rügeobliegenheit, so gilt die gelieferte Ware als genehmigt und ein möglicher Aufwendungsersatzanspruch nach § 478 Abs. 2 BGB könnte dann nicht mehr durchsetzbar sein. Der Aufwendungsersatz- bzw. Rückgriffsanspruch verjährt in zwei Jahren ab Ablieferung der Sache. Allerdings tritt die Verjährung frühestens zwei Monate nach dem Zeitpunkt ein, in dem der Unternehmer die Ansprüche des Verbrauchers erfüllt hat. Diese Ablaufhemmung endet spätestens ab fünf Jahren (!) nach dem Zeitpunkt, in dem der Lieferant die Sache dem Unternehmer abgeliefert hat. Dadurch wird zwar der jeweilige Käufer in der Lieferkette geschützt, da seine Ansprüche gegenüber seinem Vorlieferanten so lange nicht verjähren können, bis er nicht potentielle Nacherfüllungsansprüche seines Käufers erfüllt hat und seit dem nicht wenigstens zwei Monate verstrichen sind. Der jeweilige Unternehmer bzw. Letztverkäufer bleibt also nicht auf möglichen Mängelansprüchen sitzen, wenn er die Ware auf Lager kauft
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oder über einen gewissen Zeitraum keine entsprechenden Verkäufe tätigen kann: sein Vorlieferant kann sich quasi nicht aus der Verjährungsfrist retten. Aus dieser Verjährungsfrist wird der jeweilige Rückgriffsverpflichtete erst nach Ablauf von fünf Jahren entlassen. Im Ergebnis bedeutet dies ein gegebenenfalls nicht oder nur sehr schwer kalkulierbares Risiko über die doch enorme Laufzeit von faktisch fünf Jahren, denn während dieser Fünfjahresfrist kann ihn sein direkter Vertragspartner stets mit möglichen Mängelansprüchen konfrontieren.
2.5.6
Sonderbestimmung für den Versendungskauf
Unter § 447 Abs. 1 BGB ist der Gefahrenübergang beim Versendungskauf geregelt: „Versendet der Verkäufer auf Verlangen des Käufers die verkaufte Sache nach einem anderen Ort als dem Erfüllungsort, so geht die Gefahr auf den Käufer über, sobald der Verkäufer die Sache dem Spediteur, dem Frachtführer oder der sonst zur Ausführung der Versendung bestimmten Person oder Anstalt ausgeliefert hat." Danach erfolgt also bereits bei Übergabe der Kaufsache an die Transportperson der Gefahrenübergang auf den Käufer. Geht während des Transports die Sache verloren oder wird sie beschädigt, so handelt es sich hierbei um ein potentielles Risiko des Käufers, da bereits der Gefahrenübergang erfolgt ist; der Verkäufer kann unbeschadet des Verlustes oder der Beschädigung seinen Kaufpreis ungekürzt vom Käufer beanspruchen. Da eine solche Rechtsfolge gerade im Versandhandel zu unerträglichen Ergebnissen führen kann, bestimmt § 474 Abs. 2 BGB, dass diese Regelung des § 447 BGB nicht beim Verbrauchsgüterkauf gilt. Danach ist es somit im Verbrauchsgüterkauf so, dass Gefahrenübergang erst bei Übergabe der verkauften Sache an den Käufer erfolgt; bis zu diesem Zeitpunkt trägt der Verkäufer die Gefahr des zufälligen Untergangs oder der Verschlechterung bzw. Beschädigung der Sache.
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3
Die Änderungen im Werkvertragsrecht
3.1
Anwendung von Kaufvertragsrecht
Die nach altem Recht noch recht komplizierte und zum Teil unübersichtliche Unterscheidung zwischen der Herstellung so genannter „vertretbarer" und „nicht vertretbarer" Sachen, um damit die Frage beantworten zu können, ob Werkvertragsrecht oder Kaufvertragsrecht Anwendung findet, entfällt nach neuem Recht. Das neue Recht trifft eine klare Aussage, wann Werkvertragsrecht (§§ 631 - 651 BGB) und wann Kaufvertragsrecht (§§ 433 - 480 BGB) auf den jeweiligen Einzelfall anzuwenden ist. Auf einen Vertrag, der die Lieferung herzustellender oder zu erzeugender beweglicher Sachen zum Gegenstand hat, finden die Vorschriften über den Kauf Anwendung (§ 651 Satz 1 BGB). Hier wird nicht mehr unterschieden zwischen vertretbaren und nicht vertretbaren Sachen, d.h., die Lieferung herzustellender Massenprodukte fallen genauso unter das Kaufvertragsrecht wie beispielsweise die Entwicklung einer kundenspezifischen Individualsoftware. Zu beachten ist, dass die Weiche zur Anwendung des Kaufvertragsrechts gestellt wird, wenn Gegenstand des Vertrages die Lieferung einer „beweglichen Sache" ist. Dadurch ist gleichfalls die Aussage getroffen, dass die Herstellung unbeweglicher Sachen (ζ. B. eines Gebäudes) oder die Herstellung nicht-körperlicher Sachen (ζ. B. Planungsleistungen) oder eine bloße Reparaturleistung im Ergebnis nicht dem Kaufvertragsrecht, sondern dem Werkvertragsrecht unterliegen soll. Insgesamt ist festzustellen, dass vor allen Dingen hinsichtlich der Mängelansprüche sowie hinsichtlich der Verjährung von Mängelansprüchen eine nahezu fast identische Angleichung zu den Vorschriften des Kaufvertragsrechts erfolgt ist, so dass im Wesentlichen auf die Ausführungen unter Ziffer 2 zu verweisen ist.
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Im Werkvertragsrecht selbst werden hauptsächlich nur noch die werkvertragstypischen Punkte geregelt (zum Beispiel: Abschlagszahlungen, Abnahme der Werkleistung, Mitwirkungspflichten des Besteller, Kostenanschlag, etc.).
3.2
Der Kostenvoranschlag
Eine Regelung über den Kostenvoranschlag (der Gesetzgeber spricht von „Kostenanschlag") findet sich in § 650 BGB. Diese Vorschrift wurde durch das neue Recht nicht verändert. Hier ist beispielsweise geregelt, dass im Falle einer zu erwartenden Überschreitung des Kostenvoranschlags der Werkunternehmer dem Besteller hierüber unverzüglich Anzeige zu machen hat. Bisher gab es jedoch keine Regelung darüber, ob ein Kostenvoranschlag zu vergüten ist. Nunmehr ist neu geregelt, dass ein Kostenvoranschlag im Zweifel nicht zu vergüten ist (§ 632 Abs. 3 BGB). Will der Werkunternehmer dem gegenüber einen Kostenvoranschlag nur gegen entsprechende Vergütung erteilen, hat er hierüber zuvor mit seinem Vertragspartner eine Vereinbarung zu treffen. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass eine entsprechende Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (zum Beispiel in Reparaturbedingungen), wonach generell von einer Vergütungsverpflichtung für die Erteilung von Kostenvoranschlägen auszugehen ist, im Zweifel unwirksam ist. Die Parteien sollen gehalten sein, eine ausdrückliche Vereinbarung über eine mögliche Kostentragungsverpflichtung zu treffen.
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3.3
Mängelansprüche des Bestellers beim Werkvertrag
3.3.1
Vergleichbarkeit mit den Mängelansprüchen des Käufers beim Kaufvertrag
Der Gesetzgeber hat im neuen Recht im Wesentlichen eine Angleichung der Mängelansprüche des Werkvertragsrecht an die Mängelansprüche des Kaufvertragsrechts herbeigeführt. Auf folgenden wichtigen Unterscheidungspunkt ist hinzuweisen: Sowohl im Kauf- als auch im Werkvertragsrecht steht dem Käufer bzw. dem Besteller der so genannte Anspruch auf Nacherfüllung zu. Der wesentliche Unterschied besteht jedoch darin, dass das Wahlrecht zwischen der Art der Nacherfüllung (Nachbesserung oder Ersatzlieferung bzw. -herstellung) beim Werkvertragsrecht dem Werkunternehmer (§ 635 Abs. 1 BGB) und nicht dem Besteller, beim Kaufvertragsrecht hingegen dem Käufer (§ 439 Abs. 1 BGB) zusteht.
3.3.2
Das Selbstvornahmerecht des Bestellers
Der Besteller kann wegen eines Mangels des Werks nach erfolglosem Ablauf einer von ihm zur Nacherfüllung bestimmten angemessenen Frist den Mangel selbst beseitigen und Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangen, wenn nicht der Unternehmer die Nacherfüllung zu Recht verweigert (§ 637 Abs. 1 BGB). Der Besteller kann von dem Unternehmer für die zur Beseitigung des Mangels erforderlichen Aufwendungen Vorschuss verlangen (§ 637 Abs. 3 BGB). Dieser Anspruch auf Geltendmachung eines Vorschusses für die entstehenden Selbstvornahmeaufwendungen ist nunmehr erstmals gesetzlich verankert. Dieser Anspruch war bislang lediglich von der Rechtsprechung anerkannt.
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3.4
Verjährungsfristen für Mängelansprüche
Nach altem Recht verjährten die Gewährleistungsansprüche bei beweglichen Sachen in 6 Monaten, bei Arbeiten an einem Grundstück in einem Jahr und bei Bauwerken in fünf Jahren (§ 638 BGB a.F.). Nunmehr verjähren die Mängelansprüche bei einem Bauwerk und bei einem Werk, dessen Erfolg in der Erbringung von Planungs- und Überwachungsleistungen hierfür besteht in fünf Jahren (§ 634 a Abs. 1 Nr. 2 BGB). Der zweijährigen Verjährungsfrist unterliegen Mängelansprüche bei einem Werk, dessen Erfolg in der Herstellung, Wartung oder Veränderung einer Sache oder in der Erbringung von Planungs- oder Überwachungsleistungen hierfür besteht (§ 634 a Abs. 1 Nr. 1 BGB). Auch hier erfolgte also im Wesentlichen ein Gleichklang mit den Verjährungsvorschriften des Kaufvertragsrechts.
32
4
Die Neuerungen beim Liefer-/Leistungsund Zahlungsverzug
4.1
Der Eintritt des rechtlichen Verzugsfalles
Im Gesetz ist nunmehr unter § 286 BGB erweitert geregelt, wann bzw. unter welchen Voraussetzungen der Schuldner einer Lieferung oder Leistung oder ein Zahlungsverpflichteter rechtlich in Liefer-, Leistungs- oder Zahlungsverzug geraten kann. Ist für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt (zum Beispiel: 15.12.2002 oder 51 Kalenderwoche 2002) und erbringt der Schuldner seine Leistung nicht, so kommt er automatisch mit Ablauf der kalendermäßigen Zeitbestimmung rechtlich in Verzug. Seitens des Gläubigers ist dann keine Mahnung, Reklamation oder sonst irgendeine Handlung mit dem Ziel der „Inverzugsetzung" erforderlich. Ist für die Leistung keine kalendermäßige Zeitbestimmung vereinbart worden, sondern nur ein so genannter Fälligkeitszeitraum (zum Beispiel: Lieferung in 10 Tagen oder Zahlung 30 Tage netto), so ist nach Ablauf der Fälligkeit seitens des Gläubigers noch die Erhebung einer Mahnung erforderlich; erst mit dem Zugang der Mahnung kommt dann der Schuldner rechtlich in Verzug. Hier fehlt es also an einem gewissen Automatismus, mit dem der Schuldner in Verzug geraten kann. Neu in das Gesetz aufgenommen wurde nunmehr der automatische Eintritt des Verzugsfalles bei der bloßen Bestimmbarkeit eines kalendermäßigen Termins: Eine Mahnung seitens des Gläubigers ist auch dann nicht erforderlich, wenn der Leistung ein Ereignis vorauszugehen hat und eine angemessene Zeit für die Leistung in der Weise bestimmt ist, dass sie sich von dem Ereignis an nach dem Kalender berechnen lässt. Beispiele: Lieferung 10 Tage nach Erhalt eines Abrufes. Der Zeitpunkt des Erhalt des Abrufes ist kalendermäßig fixierbar, hinzu kommen rechnerisch noch 10 Tage, so dass sich der Lieferungszeitpunkt genau ermitteln lässt, d.h., er ist klar bestimmbar.
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Zahlung innerhalb von 14 Tagen ab Rechnungsdatum. Das Rechnungsdatum ist gleichfalls kalendermäßig fixierbar, so dass unter rechnerischer Berücksichtigung des Zahlungsziels von 14 Tagen der Zahlungszeitpunkt klar bestimmbar ist. Zur Vervollständigung ist noch anzumerken, dass eine Mahnung seitens des Gläubigers auch dann nicht erforderlich ist, wenn der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert. Auf eine Mahnung kann schließlich auch dann verzichtet werden, wenn aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen der sofortige Eintritt des Verzugs gerechtfertigt ist (zum Beispiel: Notfallsituationen). Wegen der Rechtsfolgen des Verzuges ist auf den neuen § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB zu verweisen: „Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen." Diesen Schaden kann der Gläubiger als Verzögerungsschaden neben der Leistung vom Schuldner verlangen. Schließlich kann der Gläubiger vom Schuldner auch Schadensersatz anstatt der Leistung verlangen. Im Vergleich zum bisherigen Recht ist hierbei jedoch neu geregelt, dass der Gläubiger dem Schuldner lediglich eine Frist zur Erbringung der verzögerten Leistung setzen muss. Verstreicht dann diese gesetzte Frist erfolglos, kann der Gläubiger anstatt der Leistung Schadensersatz verlangen. Der Gläubiger kann damit aus dem Vertragsverhältnis aussteigen und ein Deckungsgeschäft beim Wettbewerber des Schuldners vornehmen. Eventuelle Zusatz- oder Mehrkosten wären dann vom Schuldner als Schadensersatzleistung zu zahlen. Nach altem Recht war hierfür jedoch zwingend erforderlich, dass der Gläubiger dem Schuldner eine angemessene Frist mit einer so genannten Ablehnungsandrohung setzte. Bei dieser Ablehnungsandrohung handelte es sich quasi um den letzten Warnschuss. Ein solcher Warnschuss ist heute nicht mehr erforderlich, da das neue Recht keine Ablehnungsandrohung mehr kennt.
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4.2
Der Zahlungsverzug
Wichtige Neuerungen gab es jedoch hauptsächlich bei dem Zahlungsverzug. Quasi als Auffangtatbestand wurde unter § 286 Absatz 3 BGB die so genannte „30-Tage-Regelung" aufgenommen. Zwar gab es bereits durch das so genannte Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen seit Mai 2000 eine vergleichsweise Regelung, diese war jedoch aufgrund eines Formulierungsfehlers unbrauchbar. Die neue „30-Tage-Regelung" lautet: Der Schuldner einer Entgeltforderung kommt spätestens in Verzug, wenn er nicht innerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit und Zugang einer Rechnung oder gleichwertigen Zahlungsaufstellung leistet; dies gilt gegenüber einem Schuldner, der Verbraucher ist, nur, wenn auf diese Folgen in der Rechnung oder Zahlungsaufstellung besonders hingewiesen worden ist. Es treten also die Rechtsfolgen des Verzuges automatisch ein, ohne dass der Gläubiger noch irgend etwas zu unternehmen braucht. Insbesondere ist nicht erforderlich, dass er den Schuldner mahnt. Allerdings kann der Gläubiger die Rechtsfolgen des Zahlungsverzuges bereits zeitlich früher (vor Ablauf der 30 Tage) herbeiführen, wenn er den Schuldner nach Fälligkeit mahnen würde. Es sei nochmals besonders darauf hingewiesen, dass die Rechtsfolgen der 30-Tage-Regelung gegenüber einem Verbraucher nur dann greifen, wenn der Verbraucher auf diese Folgen in der Rechnung oder in der Zahlungsaufstellung ausdrücklich hingewiesen wurde. Hat der Gläubiger den Hinweis vergessen, treten die Rechtsfolgen des Zahlungsverzugs aufgrund der 30-Tage-Regelung gegenüber dem Verbraucher nicht ein. Hat der Gläubiger bereits im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses oder im Zeitpunkt der Leistungserbringung den Verbraucher auf diese besonderen Rechtsfolgen hingewiesen, treten die gewünschten Rechtsfolgen aus der 30Tage-Regelung ebenfalls nicht ein. Es ist zwingend notwendig, dass gegenüber einem Verbraucher der entsprechende Hinweis ausdrücklich in der Rechnung oder Zahlungsaufstellung erfolgt. Grundsätzlich hat der Gläubiger den Zugang der Rechnung bzw. Zahlungsaufstellung sowie den Zugang verzugsbegründender Mahnungen darzulegen und zu beweisen. Meistens kann ein solcher Beweis nicht erbracht werden, da es nicht den üblichen Geschäftsgepflogenheiten entspricht, Rechnungen und Mahnungen per Einschreiben mit Rückschein zu versenden.
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Derartige Beweisschwierigkeiten werden nicht selten von den Schuldnern ausgenutzt, indem sie dann im Ernstfall vortragen, sie hätten zu keinem Zeitpunkt eine Rechnung bzw. Mahnung erhalten oder der Zeitpunkt des Rechnungszuganges sei nicht mehr nachvollziehbar. Diese Behauptung kann nunmehr nicht mehr wirksam als bloße Schutzbehauptung vorgetragen werden. § 286 Absatz 3 Satz 2 BGB führt dazu folgendes aus: „Wenn der Zeitpunkt des Zugangs der Rechnung oder Zahlungsaufstellung unsicher ist, kommt der Schuldner, der nicht Verbraucher ist, spätestens 30 Tage nach Fälligkeit und Empfang der Gegenleistung in Verzug."
4.3
Verzugszinsen (§ 288 BGB)
Eine Geldschuld ist während des Verzuges zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz. Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher (vgl. Ziffer 2.5) nicht beteiligt ist (also zum Beispiel im unternehmerischen Geschäftsverkehr), beträgt der Zinssatz für Entgeltforderungen sogar acht Prozentpunkte über dem Basiszinssatz. Bei diesen Verzugszinssätzen handelt es sich stets um einen Mindestschaden, der dem Gläubiger zusteht, auch wenn ihm überhaupt kein entsprechender Zinsschaden entstanden sein sollte. Der Basiszinssatz beträgt zur Zeit 2,57 % (Stand: Mai 2002). Gemäß § 247 Absatz 1 BGB kann sich dieser Basiszinssatz zwei Mal pro Kalenderjahr verändern und zwar zum 1. Januar und zum 1. Juli eines jeden Jahres. Die Deutsche Bundesbank hat den jeweils dann geltenden Basiszinssatz im Bundesanzeiger bekannt zu geben. Auskunft über den jeweils aktuellen Basiszinssatz kann man nicht nur über allgemeine Publikationen erhalten, sondern zum Beispiel auch über das Internet (www.bundesbank.de oder www.basiszinssatz.de). Neben diesem gesetzlichen Verzugszinssatz kann der Gläubiger gegebenenfalls auch aus einem anderen Rechtsgrund höhere Zinsen verlangen. Auch ist die Geltendmachung eines weiteren Schadens nicht ausgeschlossen.
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5
Änderungen im Verjährungsrecht
Die neuen verjährungsrechtlichen Vorschriften finden sich hauptsächlich in den §§ 194-218 BGB. Daneben gibt es noch eine Reihe von Sonderverjährungsvorschriften, die es zu beachten gilt. Warum ist die Kenntnis über die Verjährungsregeln wichtig? Nach Eintritt der Verjährung ist der Schuldner berechtigt, die Leistung zu verweigern.
5.1
Die „regelmäßige Verjährungsfrist"
Die so genannte „regelmäßige Verjährungsfrist" beträgt drei Jahre. Dies ist eine grundlegende Änderung, da die regelmäßige Verjährungsfrist nach dem alten Recht dreißig Jahre betrug. Die regelmäßige Verjährungsfrist gilt für alle vertraglichen und gesetzlichen Ansprüche, soweit im jeweiligen Einzelfall nichts Abweichendes geregelt ist. Unter Berücksichtigung des Beginns der Verjährung wird jedoch diese regelmäßige Verjährungsfrist relativiert. Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Beispiel: Am 01.04.2002 verursacht A einen Verkehrsunfall, bei dem der PKW des Β beschädigt wird. Falls der Β keine Maßnahmen ergreifen würde, würden seine Schadensersatzansprüche nach dem 31.12.2005 verjähren. Aufgrund der Abhängigkeit des Verjährungsbeginns von der Kenntnis der zugrundliegenden Umstände sowie über die Person des Schuldners könnte dies im Einzelfall gegebenenfalls dazu führen, dass der Verjährungslauf erst nach erheblichem Zeitablauf beginnen würde. Um dieses zeitlich unbestimmte Risiko zu limitieren, wurden in § 199 Absätze 2 bis 4 BGB so genannte Maximal- oder Höchstfristen eingeführt. Nach der Verstreichung
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dieser Höchstfristen tritt auf jeden Fall die Verjährung ein, sofern keine verjährungshemmende oder -unterbrechende Maßnahmen vom Gläubiger ergriffen wurden. Die wichtigsten Maximalfristen betragen: 30 Jahre bei Schadensersatzansprüchen, die auf der Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit beruhen. 10 Jahre bei sonstigen Schadensersatzansprüchen (zum Beispiel wegen Eigentumsverletzung) sowie bei Nichtschadensersatzansprüchen (zum Beispiel wegen vertraglicher Erfüllungsansprüche oder wegen bereicherungsrechtlicher Ansprüche).
5.2
Die Sonderverjährungsfristen
Die regelmäßige Verjährungsfrist greift nur dann, wenn keine Sonderverjährungsfrist für den jeweiligen Einzelfall im Gesetz vorgesehen ist. Auf folgende wichtige Sonderverjährungsfristen sei beispielhaft hingewiesen: Ansprüche auf Übertragung des Eigentums an einem Grundstück sowie auf Begründung, Übertragung oder Aufhebung eines Rechts an einem Grundstück oder auf Änderung des Inhalts eines solchen Rechts sowie die Ansprüche auf die Gegenleistung verjähren in zehn Jahren (§ 196 BGB). In 30 Jahren verjähren, soweit nicht ein anderes bestimmt ist, Herausgabeansprüche aus Eigentum und anderen dinglichen Rechten, familienund erbrechtliche Ansprüche, rechtskräftig festgestellte Ansprüche, Ansprüche aus vollstreckbaren Vergleichen oder vollstreckbaren Urkunden und Ansprüche, die durch die im Insolvenzverfahren erfolgte Feststellung vollstreckbar geworden sind (§ 197 Abs. 1 BGB). Soweit es sich bei diesen Ansprüchen jedoch um regelmäßig wiederkehrende Leistungen oder Unterhaltsleistungen oder um künftig fällig werdende regelmäßig wiederkehrende Leistungen handelt, tritt an die Stelle der Verjährungsfrist von 30 Jahren wiederum die regelmäßige Verjährungsfrist. Auf die Sonderverjährungsfristen bei Mängelansprüchen im Kaufvertragsund Werkvertragsrecht ist nochmals besonders hinzuweisen (vgl. dazu die Ausführungen unter den Ziffern 2.4 und 3.4).
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5.3
Vereinbarungen über die Verjährung
Im Rahmen der allgemeinen Vertragsfreiheit sind grundsätzlich weiterhin Vereinbarungen zwischen Vertragsparteien über Verjährungserleichterungen oder Verjährungserschwerungen zulässig. Allerdings sind hierbei regelmäßig zwingend insbesondere folgende gesetzgeberische Grenzen zu berücksichtigen: Neu ist nunmehr die Möglichkeit, die Verlängerung der Verjährung bis zu einer Höchstfrist von dreißig Jahren zu vereinbaren (§ 202 Abs. 2 BGB). Die Verjährung kann bei Haftung wegen Vorsatzes nicht im Voraus durch Rechtsgeschäft erleichtert werden (§ 202 Abs. 1 BGB). Beim Verbrauchsgüterkauf sind die besonderen Restriktionen des § 475 Abs. 2 BGB zu beachten (vgl. die Ausführungen unter Ziffer 2.4.2). Soll eine Erleichterung der Verjährung im Rahmen von Allgemeinen Geschäftsbedingungen erfolgen sind die Klauselverbote des § 309 Nr. 7 Buchstaben a) und b), Nr. 8 Buchstaben a) und b) Doppelbuchstabe ff) BGB sowie des § 307 BGB zu beachten.
5.4
Die „Hemmung" der Verjährung
Die Hemmung der Verjährung bewirkt folgendes: Der Zeitraum, während dessen die Verjährung gehemmt ist, wird in die Verjährungsfrist nicht eingerechnet (§ 209 BGB). Mit dem neuen Recht wurden einige neue Hemmungstatbestände geschaffen. Andere Umstände, die bislang nach altem Recht zu einer „Unterbrechung" der Verjährung führten, werden nun gleichfalls der Hemmungswirkung untergeordnet. Auf die wichtigsten Hemmungsgründe wird wie folgt stichwortartig hingewiesen:
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5.4.1
Hemmung der Verjährung durch Rechtsverfolgung
- durch Erhebung einer Klage; - durch Zustellung des Mahnbescheids im Mahnverfahren; - durch Zustellung einer Streitverkündung; - durch Zustellung des Antrags auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens; - durch die Zustellung des Antrags einer einstweiligen Verfügung; - durch die Zustellung des Antrags einer einstweiligen Anordnung; - durch die Zustellung des Antrags auf Erlass eines Arrestes; - durch den Beginn des schiedsrichterlichen Verfahrens; - weitere Hemmungsgründe sind unter § 204 BGB aufgeführt. In diesen Fällen der Rechtsverfolgung endet die Hemmung sechs Monate nach der rechtskräftigen Entscheidung oder anderweitigen Beendigung des eingeleiteten Verfahrens.
5.4.2
Hemmung der Verjährung bei höherer Gewalt
Die Verjährung ist gehemmt, solange der Gläubiger innerhalb der letzten sechs Monate der Verjährungsfrist durch höhere Gewalt an der Rechtsverfolgung gehindert ist.
5.4.3
Hemmung der Verjährung bei Leistungsverweigerungsrecht
Die Verjährung ist gehemmt, solange der Schuldner auf Grund einer Vereinbarung mit dem Gläubiger vorübergehend zur Verweigerung der Leistung berechtigt ist.
5.4.4
Hemmung der Verjährung bei Verhandlungen
Schweben zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger Verhandlungen über den Anspruch oder die den Anspruch begründenden Umstände, so ist die Verjährung gehemmt, bis der eine oder der andere Teil die Fortsetzung der Verhandlungen verweigert. Die Verjährung tritt hierbei frühestens drei Monate nach dem Ende der Hemmung ein.
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5.5
Der „Neubeginn" der Verjährung
Nach dem alten Recht sprach man von der „Unterbrechung" der Verjährung; mit dem neuen Recht wurde dieser Begriff der „Unterbrechung" ersetzt durch den neuen Begriff des „Neubeginns" der Verjährung. Die meisten alten Unterbrechungsgründe wurden nunmehr zu Hemmungstatbeständen qualifiziert (vgl. Ziffer 5.4). Auf folgenden wichtigen Tatbestand eines so genannten Neubeginns der Verjährung ist besonders hinzuweisen: Die Verjährung beginnt erneut, wenn der Schuldner dem Gläubiger gegenüber den Anspruch durch Abschlagszahlung, Zinszahlung, Sicherheitsleistung oder in anderer Weise anerkennt, oder eine gerichtliche oder behördliche Vollstreckungshandlung vorgenommen oder beantragt wird.
41
6
Änderungen im Leistungsstörungsrecht
6.1
Die Pflichtverletzung
Der neue zentrale Begriff ist die so genannte „Pflichtverletzung". § 280 BGB trägt die Überschrift „Schadensersatz wegen Pflichtverletzung". § 280 Abs. 1 BGB lautet wie folgt: „Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat." Unter den Begriff der Pflichtverletzung kann nunmehr jede Art der Verletzung einer Pflicht fallen: die geschuldete Leistung wird überhaupt nicht oder mit Verzug oder schlecht erbracht. Auch eine Verletzung der Verpflichtung zur Rücksichtnahme hinsichtlich der Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Vertragspartners fällt genau so darunter wie die Verletzung von bloßen Nebenpflichten. § 280 Abs. 1 BGB stellt somit nach dem neuen Recht eine einheitliche Anspruchsgrundlage für Schadensersatzansprüche auf Grund von unterschiedlichen Pflichtverletzungen dar. Nach altem Recht bestandene Regelungslücken werden damit geschlossen, entwickelte Rechtsprechungsgrundsätze wurden in Gesetzestext gegossen (so zum Beispiel das Rechtsinstitut der „positiven Forderungsverletzung"). Der Schuldner ist nur dann schadensersatzpflichtig, wenn er die Pflichtverletzung auch zu vertreten hat. Zu beachten ist hierbei, dass hierfür nicht der Gläubiger beweispflichtig ist, sondern der Schuldner ist darlegungs- und beweispflichtig, dass er die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. Diese Beweislastreglung gilt nunmehr für alle Arten von Pflichtverletzungen.
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6.2
Das vorvertragliche Schuldverhältnis
Nach altem Recht gab es keine gesetzliche Vorschrift zur Regelung eines so genannten vorvertraglichen Schuldverhältnisses. Deshalb wurde früher zur Schließung dieser Regelungslücke das Rechtsinstitut der „culpa in contrahendo" („cic") entwickelt. Nunmehr regelt der neue § 311 Abs. 2 und 3 BGB: „(2) Ein Schuldverhältnis mit Pflichten nach § 241 Abs. 2 entsteht auch durch 1. die Aufnahme von Vertragsverhandlungen, 2. die Anbahnung eines Vertrags, bei welcher der eine Teil im Hinblick auf eine etwaige rechtsgeschäftliche Beziehung dem anderen Teil die Möglichkeit zur Einwirkung auf seine Rechte, Rechtsgüter und Interessen gewährt oder ihm diese anvertraut, oder 3. ähnliche geschäftliche Kontakte. (3) Ein Schuldverhältnis mit Pflichten nach § 241 Abs. 2 kann auch zu Personen entstehen, die nicht selbst Vertragspartei werden sollen. Ein solches Schuldverhältnis entsteht insbesondere, wenn der Dritte in besonderem Maße Vertrauen für sich in Anspruch nimmt und dadurch die Vertragsverhandlungen oder den Vertragsschluss erheblich beeinflusst." Diese gesetzliche Regelung gewinnt insbesondere im Hinblick auf die nicht seltene Schaffung so genannter vertragsähnlicher Vertrauensverhältnisse grundlegende Bedeutung. Stichworte in diesem Zusammenhang sind vor allen Dingen: Vertragsverhandlungen; der grundlose Abbruch bisheriger Verhandlungen, obwohl der künftige Auftraggeber den Vertragsabschluss als sicher hin gestellt hat; Möglichkeiten des Ersatzes eventueller Aufwendungen, die im berechtigten Vertrauen auf den künftigen Auftrag und im Interesse des künftigen Auftraggebers getätigt wurden. Vor diesem Hintergrund gewinnen vielleicht künftig die Begriffe „Absichtserklärung", „Letter of Intent" („LOI"), „Nomination Letter", Memorandum of Understanding" eine eventuell stärkere Beachtung.
6.3
Wegfall der Geschäftsgrundlage
Auch das bisherige von der Rechtsprechung entwickelte Rechtsinstitut des so genannten „Wegfalls der Geschäftsgrundlage" fand nunmehr Eingang in das Gesetz. Neu ist die deshalb folgende Regelung des § 313 BGB mit der Überschrift „Störung der Geschäftsgrundlage":
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„(1) Haben sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, so kann Anpassung des Vertrags verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann. (2) Einer Veränderung der Umstände steht es gleich, wenn wesentliche Vorstellungen, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, sich als falsch herausstellen. (3) Ist eine Anpassung des Vertrags nicht möglich oder einem Teil nicht zumutbar, so kann der benachteiligte Teil vom Vertrag zurücktreten. An die Stelle des Rücktrittsrechts tritt für Dauerschuldverhältnisse das Recht zur Kündigung." Es ist bei dieser Vorschrift dringend darauf hinzuweisen, dass die strengen Anforderungen, die die Rechtsprechung bisher bei der Anwendung dieses Rechtsinstituts zugrunde gelegt hat, weiterhin unverändert auch Maßstab für die Anwendbarkeit des § 313 BGB sind.
6.4
Kündigung von Dauerschuldverhältnissen
Bisher gab es nur vereinzelt gesetzliche Vorschriften, die die Kündigung bei Dauerschuldverhältnissen aus wichtigem Grund regelten, wie zum Beispiel die Kündigungsmöglichkeiten bei der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (§ 723 BGB), bei der Miete (§ 554a BGB) und beim Dienstvertrag (§ 626 BGB). Bei anderen Dauerschuldverhältnissen (zum Beispiel: Franchising, Belegarztvertrag, Projektsteuerungsvertrag, Ratenlieferungsvertrag, Verwahrungsvertrag, Versicherungsvertrag, Leasingvertrag, etc.) gab es keine gesetzlichen Regelungen, die es einem Vertragspartner ermöglichten, die regelmäßig langfristig angelegten Verträge vorzeitig, nämlich außerordentlich, aus wichtigem Grund zu kündigen. Gleichwohl wurde von der Rechtsprechung ein solches außerordentliches Kündigungsrecht aus wichtigem Grund anerkannt. Die dabei entwickel-
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ten Rechtsgrundsätze wurden nunmehr in folgendem § 314 BGB unter der Überschrift „Kündigung von Dauerschuldverhältnissen aus wichtigem Grund" festgeschrieben: „(1) Dauerschuldverhältnisse kann jeder Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur vereinbarten Beendigung oder bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. (2) Besteht der wichtige Grund in der Verletzung einer Pflicht aus dem Vertrag, ist die Kündigung erst nach erfolglosem Ablauf einer zur Abhilfe bestimmten Frist oder nach erfolgloser Abmahnung zulässig. § 323 Abs. 2 findet entsprechende Anwendung. (3) Der Berechtigte kann nur innerhalb einer angemessenen Frist kündigen, nachdem er vom Kündigungsgrund Kenntnis erlangt hat. (4) Die Berechtigung, Schadensersatz zu verlangen, wird durch die Kündigung nicht ausgeschlossen." Auf folgende zwei formale Aspekte sei besonders hinzuweisen: Nach § 314 Abs. 2 BGB ist erst das erfolglose Verstreichen einer Abmahnung oder einer zu setzenden Abhilfefrist erforderlich, bevor die Kündigung ausgesprochen werden kann. Eine entsprechende Abmahnung oder Fristbestimmung ist nur dann entbehrlich, wenn • der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert, • der Schuldner die Leistung zu einem im Vertrag bestimmten Termin oder innerhalb einer bestimmten Frist nicht bewirkt und der Gläubiger im Vertrag den Fortbestand seines Leistungsinteresses an die Rechtzeitigkeit der Leistung gebunden hat oder • besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen den sofortigen Rücktritt rechtfertigen. Schließlich ist die so genannte Verwirkungsfrist gemäß § 314 Abs. 3 BGB zu beachten, wonach eine Kündigung nur binnen einer angemessenen Frist nach Kenntnis des Kündigungsgrundes möglich ist. Was unter der Angemessenheit einer solchen Frist zu verstehen ist, bleibt dem jeweils zu beurteilenden Einzelfall überlassen.
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6.5
Der Rücktritt
Nach altem Recht gab es keine vereinheitlichte Vorgehensweise, wenn ein Vertragspartner wegen einer Störung eines Vertragsverhältnisses vom Vertrag zurücktreten wollte. Hinsichtlich der Rücktrittsvoraussetzungen gab es für unterschiedliche Fallvarianten differenzierte Anspruchsvoraussetzungen sowie Unterscheidungen bei der Beurteilung der jeweiligen Schwere der Leistungsstörung. Auch bei den Rechtsfolgen kam man zu unterschiedlichen Ergebnissen. Durch die §§ 323 ff. BGB wurden nunmehr die Voraussetzungen bzw. Anforderungen an den Rücktritt vereinheitlicht.
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Einbindung von bisherigen Nebengesetzen in das BGB
Bisher eigenständige Gesetze wurden textlich mit einigen wenigen Modifizierungen voll in das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) integriert, so dass es ab dem 01.01.2002 diese bisherigen eigenständigen Gesetze nicht mehr als Nebengesetze gibt, sondern diese nunmehr als Paragrafen des BGB zu zitieren sind. Es handelt sich hierbei insbesondere um die bisherigen folgenden Nebengesetze: Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB-Gesetz), Gesetz über den Widerruf von Haustürgeschäften und ähnlichen Geschäften (Haustürwiderrufsgesetz), Fernabsatzgesetz, Verbraucherkreditgesetz, Teilzeit-Wohnrechtegesetz.
7.1
AGB-Gesetz
Die bisherigen Vorschriften des AGB-Gesetzes wurden nunmehr als neue §§ 305 bis 310 in das BGB integriert. Auf die wesentlichen Neuerungen wird wie folgt hingewiesen: Der sachliche Anwendungsbereich des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen erstreckt sich nunmehr erstmals auch auf Arbeitsverträge, so dass künftig das Arbeitsrecht gleichfalls der so genannten AGBKontrolle unterliegt. Eine äußerst wichtige Neuerung findet sich in § 309 Nr. 7 a) BGB, wonach ein Haftungsausschluss oder eine Haftungsbegrenzung für Körperschäden auch im Falle von leichter Fahrlässigkeit nicht mehr im Rahmen von Allgemeinen Geschäftsbedingungen zulässig ist: „Auch soweit eine Abweichung von den gesetzlichen Vorschriften zulässig ist, ist in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam ein Ausschluss oder eine Begrenzung der Haftung für Schäden aus der Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit, die auf einer fahrlässigen Pflichtverletzung des Verwenders oder einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Pflichtverletzung eines gesetzlichen Vertreters oder Erfüllungsgehilfen des Verwenders beruhen."
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Diese Neuerung ist dringend bei allen Verkaufsbedingungen, Lieferungsbedingungen, Reparaturbedingungen, Montagebedingungen, Mietvertragsbedingungen, etc. in der jeweiligen Haftungsbegrenzungsklausel zu berücksichtigen; anderenfalls besteht das grundsätzliche Risiko der völligen Unwirksamkeit der Haftungsregelung. Neu aufgenommen wurde in § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB ein bisheriger Rechtsprechungsgrundsatz, wonach Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen „klar und verständlich" sein müssen (Transparenzgebot).
7.2
Haustürwiderrufsgesetz
Unter der Überschrift „Besondere Vertriebsformen" wurden die Vorschriften des bisherigen Haustürwiderrufsgesetzes nahezu unverändert in das BGB unter den §§ 312 ff. aufgenommen. Unter welchen Voraussetzungen ein entsprechendes „Haustürgeschäft" vorliegt, ist nunmehr in § 312 Abs. 1 BGB definiert.
7.3
Fernabsatzgesetz
Gleichfalls unter der Überschrift „Besondere Vertriebsformen" wurden die Vorschriften des bisherigen Fernabsatzgesetzes in das BGB unter den §§ 312 b ff. aufgenommen. Unter welchen Voraussetzungen ein entsprechender „Fernabsatzvertrag" vorliegt, ist nunmehr in § 312 b Abs. 1 BGB definiert. Die Definition der maßgeblichen „Fernkommunikationsmittel" findet sich jetzt in § 312 b Abs. 2 BGB.
7.4
Verbraucherkreditgesetz
Das bisherige Verbraucherkreditgesetz wurde im Anschluss an das Kaufvertragsrecht ab den §§ 491 ff. in das BGB integriert. Der entsprechende Anwendungsbereich sowie die Ausnahmen sind in § 491 BGB definiert. Die notwendigen Formerfordernisse sowie Vertragsinhalte eines entsprechenden Verbraucherdarlehensvertrages sind in § 492 BGB festgeschrieben.
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7.5
Teilzeit-Wohnrechtegesetz
Auch das bisherige Teilzeit-Wohnrechtegesetz wurde textlich in das BGB übernommen, wobei jedoch dieser Regelungsteil einen eigenständigen Titel mit der Überschrift „Teilzeit-Wohnrechteverträge" mit den §§ 481 bis 487 BGB erhalten hat. Inhaltlich hat sich gleichfalls kaum eine Änderung vollzogen.
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8
Umsetzung der E-Commerce-Richtlinie
8.1
Pflichten im elektronischen Geschäftsverkehr
Der neu geschaffene § 312 e BGB beinhaltet die wichtigsten Grundaussagen der Vertragspflichten im elektronischen Geschäftsverkehr, die folgendermaßen skizziert werden: Bedient sich ein Unternehmer zum Zwecke des Abschlusses eines Vertrags über die Lieferung von Waren oder über die Erbringung von Dienstleistungen eines Tele- oder Mediendienstes (Vertrag im elektronischen Geschäftsverkehr), hat er dem Kunden 1. angemessene, wirksame und zugängliche technische Mittel zur Verfügung zu stellen, mit deren Hilfe der Kunde Eingabefehler vor Abgabe seiner Bestellung erkennen und berichtigen kann, 2. den Zugang von dessen Bestellung unverzüglich auf elektronischem Wege zu bestätigen, 3. die Möglichkeit zu verschaffen, die Vertragsbestimmungen einschließlich der Allgemeinen Geschäftsbedingungen bei Vertragsschluss abzurufen und in wiedergabefähiger Form zu speichern, 4. nachfolgende Informationen rechtzeitig vor Abgabe von dessen Bestellung klar und verständlich mitzuteilen (vgl. § 3 der Verordnung über Informationspflichten mit dem Titel Kundeninformationspflichten des Unternehmers bei Verträgen im elektronischen Geschäftsverkehr): 4.1 Informationen über die einzelnen technischen Schritte, die zu einem Vertragsschluss führen, 4.2 Informationen darüber, ob der Vertragstext nach dem Vertragsschluss von dem Unternehmer gespeichert wird und ob er dem Kunden zugänglich ist, 4.3 Informationen darüber, wie er mit den unter obiger Ziffer 1. zur Verfügung gestellten technischen Mittel Eingabefehler vor Abgabe der Bestellung erkennen und berichtigen kann,
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4.4 Informationen über die für den Vertragsschluss zur Verfügung stehenden Sprachen, 4.5 Informationen über sämtliche einschlägigen Verhaltenskodizes, denen sich der Unternehmer unterwirft, sowie die Möglichkeit eines elektronischen Zugangs zu diesen Regelwerken. Wichtig ist zu wissen, dass sich die in § 312 e BGB festgeschriebenen Pflichten nicht nur auf Verträge zwischen Unternehmern und Verbrauchern bezieht, sondern auch bei Unternehmerverträgen zugrunde zu legen sind.
8.2
Neue elektronische Formvorschriften
Es gibt unterschiedliche gesetzlich festgeschriebene Formvorschriften, wie zum Beispiel die Schriftform (§ 126 BGB), die so genannte vereinbarte Form (§ 127 BGB), den gerichtlichen Vergleich (§ 127 a BGB), die notarielle Beurkundung (§ 128 BGB), die öffentliche Beglaubigung (§ 129 BGB). Neu hinzu gekommen ist die so genannte „elektronische Form" (§ 126 a BGB) und die so genannte „Textform" (§ 126 b BGB).
8.2.1
Die elektronische Form
„(1) Soll die gesetzlich vorgeschriebene schriftliche Form durch die elektronische Form ersetzt werden, so muss der Aussteller der Erklärung dieser seinen Namen hinzufügen und das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur nach dem Signaturgesetz versehen. (2) Bei einem Vertrag müssen die Parteien jeweils ein gleichlautendes Dokument in der in Absatz 1 bezeichneten Weise elektronisch signieren." (§ 126 a BGB). Der praktische Anwendungsfall ergibt sich gleichfalls aus dem Gesetz: Die so genannte „schriftliche Form" kann durch die elektronische Form ersetzt werden, wenn sich nicht aus dem Gesetz etwas anderes ergibt. Bei der so genannten schriftlichen Form ist ansonsten grundsätzlich eine eigenhändige Unterschrift erforderlich.
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8.2.2
Die Textform
„Ist durch Gesetz Textform vorgeschrieben, so muss die Erklärung in einer Urkunde oder auf andere zur dauerhaften Wiedergabe in Schriftzeichen geeignete Weise abgegeben, die Person des Erklärenden genannt und der Abschluss der Erklärung durch Nachbildung der Namensunterschrift oder anders erkennbar gemacht werden." (§ 126 b BGB). Beispiele: Telefaxmitteilungen, nicht signierte E-Mails.
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Handlungsempfehlungen für Unternehmen
Aufgrund der umfangreichen und tiefgreifenden Änderungen im Schuldrecht sind folgende stichwortartigen Maßnahmen als innerbetriebliche Anregungen zu empfehlen: •
Kauf einer neuen Textausgabe des Bürgerlichen Gesetzbuches;
• Analyse, ob die neuen Vorschriften des Verbrauchsgüterkaufes Anwendung finden; •
Überarbeitung aller Allgemeinen Geschäftsbedingungen (Verkaufsbedingungen, Lieferbedingungen, Reparaturbedingungen, Montagebedingungen, Wartungsbedingungen, Mietvertragsbedingungen, Einkaufsbedingungen, etc.);
•
Überprüfung und ggf. Überarbeitung aller Standardverträge (Lieferverträge, Entwicklungsverträge, Forschungsverträge, Werkzeugerstellungsverträge, Qualitätssicherungsvereinbarungen, Geheimhaltungsvereinbarungen, Rahmenlieferverträge, etc.);
• Analyse, ob durch verlängerte Verjährungsfristen für Mängelansprüche und/oder durch die Anwendung der Verbrauchsgüterkaufvorschriften ggf. zusätzliche Risiken entstehen; • Analyse der Möglichkeiten einer eventuellen Abwälzung dieser zusätzlichen Risiken auf Versicherer und/oder Subunternehmer bzw. Zulieferanten; •
Eventuell sind Nachverhandlungen im Einkaufsbereich erforderlich;
•
Prüfung der Bildung von eventuellen Rückstellungen;
• Berücksichtung der neuen Verjährungsfristen; • Detaillierte Neuüberprüfung von Einkaufsbedingungen der Kunden; • Durchführung innerbetrieblicher Schulungsmaßnahmen.
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Anhang 1: Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter
DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, insbesondere auf Artikel 95, auf Vorschlag der Kommission, nach Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses, gemäß dem Verfahren des Artikels 251 des Vertrags, aufgrund des vom Vermittlungsausschuss am 18. März 1999 gebilligten gemeinsamen Entwurfs, in Erwägung nachstehender Gründe: (1) Nach Artikel 153 Absätze 1 und 3 des Vertrags leistet die Gemeinschaft durch die Maßnahmen, die sie nach Artikel 95 des Vertrags erlässt, einen Beitrag zur Erreichung eines hohen Verbraucherschutzniveaus. (2) Der Binnenmarkt umfasst einen Raum ohne Binnengrenzen, in dem der freie Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital gewährleistet ist. Der freie Warenverkehr betrifft nicht nur den gewerblichen Handel, sondern auch Privatpersonen. Dies bedeutet, dass es den Verbrauchern aus einem Mitgliedsstaat möglich sein muss, auf der Grundlage angemessener einheitlicher Mindestvorschriften über den Kauf von Verbrauchsgütern im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedsstaats frei einzukaufen. (3) Die Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über den Kauf von Verbrauchsgütern wiesen Unterschiede auf; dies hat zur Folge, dass die einzelstaatlichen Absatzmärkte für Verbrauchsgüter uneinheitlich sind und bei den Verkäufern Wettbewerbsverzerrungen eintreten können.
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(4) Dem Verbraucher, der die Vorzüge des Binnenmarkts dadurch nutzen möchte, dass er sich Waren in einem anderen Mitgliedsstaat als in seinem Wohnsitzland beschafft, fällt eine fundamentale Aufgabe bei der Vollendung des Binnenmarkts zu; es muss verhindert werden, dass neue künstliche Grenzen entstehen und die Märkte abgeschottet werden. Die Möglichkeiten der Verbraucher haben durch die neuen Kommunikationstechnologien, die einen leichten Zugang zu den Vertriebssystemen in anderen Mitgliedsstaaten oder in Drittländern bieten, deutlich zugenommen. Ohne eine Mindestharmonisierung der Bestimmungen über den Verbrauchsgüterkauf könnte die Weiterentwicklung des Warenkaufs mit Hilfe der neuen Fernkommunikationstechniken behindert werden. (5) Die Schaffung eines gemeinsamen Mindestsockels von Verbraucherrechten, die unabhängig vom Ort des Kaufs der Waren in der Gemeinschaft gelten, stärkt das Vertrauen der Verbraucher und gestattet es ihnen, die durch die Schaffung des Binnenmarkts gebotenen Vorzüge besser zu nutzen. (6) Schwierigkeiten der Verbraucher und Konflikte mit den Verkäufern haben ihre Ursache vor allem in der Vertragswidrigkeit von Waren. Infolgedessen erweist sich eine Angleichung der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften über den Verbrauchsgüterkauf in dieser Hinsicht als geboten. Eine solche Angleichung darf jedoch nicht die Bestimmungen und Grundsätze des innerstaatlichen Rechts über die Regelung der vertraglichen und außervertraglichen Haftung beeinträchtigen. (7) Waren müssen vor allem vertragsgemäß sein. Der Grundsatz der Vertragsmäßigkeit kann als gemeinsames Element der verschiedenen einzelstaatlichen Rechtstraditionen betrachtet werden. Im Rahmen bestimmter einzelstaatlicher Rechtstraditionen ist es möglicherweise nicht möglich, sich allein auf diesen Grundsatz zu stützen, um ein Mindestmaß an Verbraucherschutz zu gewährleisten. Insbesondere im Rahmen solcher Rechtstraditionen könnte es nützlich sein, zusätzliche innerstaatliche Bestimmungen vorzusehen, um den Verbraucherschutz für den Fall zu gewährleisten, dass die Parteien sich entweder nicht auf spezifische Vertragsklauseln geeinigt haben oder aber Vertragsklauseln vorgesehen oder Vereinbarungen getroffen haben, aufgrund deren die Rechte des Verbrauchers unmittelbar oder mittelbar außer Kraft gesetzt oder eingeschränkt werden. Soweit sich diese Rechte aus dieser Richtlinie ergeben, sind solche Vertragsklauseln oder Vereinbarungen für den Verbraucher nicht bindend.
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(8) Um die Anwendung des Grundsatzes der Vertragsmäßigkeit zu erleichtern, ist es sinnvoll, eine widerlegbare Vermutung der Vertragsmäßigkeit einzuführen, die die meisten normalen Situationen abdeckt. Diese Vermutung stellt keine Einschränkung des Grundsatzes der Vertragsfreiheit dar. In Ermangelung spezifischer Vertragsklauseln sowie im Fall der Anwendung der Mindestschutzklausel können die in dieser Vermutung genannten Elemente verwendet werden, um die Vertragswidrigkeit der Waren zu bestimmen. Die Qualität und die Leistung, die der Verbraucher vernünftigerweise erwarten kann, hängen unter anderem davon ab, ob die Güter neu oder gebraucht sind. Die in der Vermutung genannten Elemente gelten kumulativ. Ist ein bestimmtes Element aufgrund der Umstände des betreffenden Falls offenkundig unanwendbar, so behalten die übrigen Elemente der Vermutung dennoch ihre Gültigkeit. (9) Der Verkäufer muss dem Verbraucher gegenüber unmittelbar für die Vertragsmäßigkeit der Güter haften. Dieser klassische Grundsatz ist in den Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten verankert. Der Verkäufer muss allerdings nach Maßgabe des innerstaatlichen Rechts den Hersteller, einen früheren Verkäufer innerhalb derselben Vertragskette oder eine andere Zwischenperson in Regress nehmen können, es sein denn, dass er auf dieses Recht verzichtet hat. Diese Richtlinie berührt nicht den Grundsatz der Vertragsfreiheit in den Beziehungen zwischen dem Verkäufer, dem Hersteller, einem früheren Verkäufer oder einer anderen Zwischenperson. Die einzelstaatlichen Rechtsvorschriften bestimmen, gegen wen und wie der Verkäufer Regress nehmen kann. (10) Bei Vertragswidrigkeit eines Gutes muss der Verbraucher das Recht haben, die unentgeltliche Herstellung des vertragsgemäßen Zustands des Gutes zu verlangen, wobei er zwischen einer Nachbesserung und einer Ersatzlieferung wählen kann; anderenfalls muss er Anspruch auf Minderung des Kaufpreises oder auf Vertragsauflösung haben. (11) Zunächst kann der Verbraucher vom Verkäufer die Nachbesserung des Gutes oder eine Ersatzlieferung verlangen, es sei denn, dass die Abhilfen unmöglich oder unverhältnismäßig wären. Ob eine Abhilfe unverhältnismäßig ist, müsste objektiv festgestellt werden. Unverhältnismäßig sind Abhilfen, die im Vergleich zu anderen unzumutbare Kosten verursachen; bei der Beantwortung der Frage, ob es sich um unzumutbare Kosten handelt, sollte entscheidend sein, ob die Kosten der Abhilfe deutlich höher sind als die Kosten einer anderen Abhilfe.
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(12) In Fällen von Vertragswidrigkeit kann der Verkäufer dem Verbraucher zur Erzielung einer gütlichen Einigung stets jede zur Verfügung stehende Abhilfemöglichkeit anbieten. Die Entscheidung über die Annahme oder Ablehnung des betreffenden Vorschlags bleibt dem Verbraucher anheimgestellt. (13) Um es dem Verbraucher zu ermöglichen, den Binnenmarkt zu nutzen und Verbrauchsgüter in einem anderen Mitgliedsstaat zu erwerben, sollte empfohlen werden, dass der Hersteller von Verbrauchsgütern, die in mehreren Mitgliedsstaaten verkauft werden, im Interesse des Verbrauchers dem Verbrauchsgut eine Liste mit mindestens einer Ansprechadresse in jedem Mitgliedsstaat, in dem die Ware vertrieben wird, beifügt. (14) Die Bezugnahmen auf den Zeitpunkt der Lieferung bedeuten nicht, dass die Mitgliedsstaaten ihre Vorschriften über den Gefahrübergang ändern müssen. (15) Die Mitgliedsstaaten können vorsehen, dass eine dem Verbraucher zu leistende Erstattung gemindert werden kann, um der Benutzung der Ware Rechnung zu tragen, die durch den Verbraucher seit ihrer Lieferung erfolgt ist. Die Regelungen über die Modalitäten der Durchführung der Vertragsauflösung können im innerstaatlichen Recht festgelegt werden. (16) Gebrauchte Güter können aufgrund ihrer Eigenart im allgemeinen nicht ersetzt werden. Bei diesen Gütern hat der Verbraucher deshalb in der Regel keinen Anspruch auf Ersatzlieferung. Die Mitgliedsstaaten können den Parteien gestatten, für solche Güter eine kürzere Haftungsdauer zu vereinbaren. (17) Es ist zweckmäßig, den Zeitraum, innerhalb dessen der Verkäufer für Vertragswidrigkeiten haftet, die zum Zeitpunkt der Lieferung des Gutes bestanden, zu begrenzen. Die Mitgliedsstaaten können ferner eine Frist vorsehen, innerhalb deren die Verbraucher ihre Ansprüche geltend machen können, sofern diese Frist nicht vor Ablauf von zwei Jahren ab dem Zeitpunkt der Lieferung endet. Wird in innerstaatlichen Rechtsvorschriften für den Beginn einer Frist ein anderer Zeitpunkt als die Lieferung des Gutes festgelegt, so darf die Gesamtdauer der in den innerstaatlichen Rechtsvorschriften festgelegten Frist einen Zeitraum von zwei Jahren ab dem Zeitpunkt der Lieferung nicht unterschreiten.
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(18) Für den Fall einer Nachbesserung oder einer Ersatzlieferung sowie für den Fall von Verhandlungen zwischen dem Verkäufer und dem Verbraucher über eine gütliche Regelung können die Mitgliedsstaaten gemäß ihren innerstaatlichen Rechtsvorschriften gegebenenfalls die Hemmung oder Unterbrechung des Zeitraums während dessen Vertragswidrigkeiten offenbar werden müssen, und der Verjährungsfrist vorsehen. (19) Den Mitgliedsstaaten sollte die Möglichkeit eingeräumt werden, eine First festzusetzen, innerhalb deren die Verbraucher den Verkäufer über Vertragswidrigkeiten unterrichten müssen. Die Mitgliedsstaaten können ein höheres Niveau des Verbraucherschutzes gewährleisten, indem sie keine derartige Verpflichtung einführen. In jedem Fall sollten die Verbraucher für die Unterrichtung des Verkäufers über das Vorliegen einer Vertragswidrigkeit überall in der Gemeinschaft über einen Zeitraum von mindestens zwei Monaten verfügen. (20) Die Mitgliedsstaaten sollten vorbeugende Maßnahmen ergreifen, damit eine solche Unterrichtungsfrist die Verbraucher bei grenzüberschreitenden Käufen nicht benachteiligt. Alle Mitgliedsstaaten sollten die Kommission über ihre in Bezug auf diese Bestimmung gewählte Lösung unterrichten. Die Kommission sollte die Auswirkungen der unterschiedlichen Anwendung dieser Bestimmung auf die Verbraucher und den Binnenmarkt beobachten. Informationen über die von einem Mitgliedsstaat gewählte Lösung sollten den übrigen Mitgliedsstaaten, den Verbrauchern und den Verbraucherorganisationen gemeinschaftsweit zugänglich gemacht werden. Daher sollte im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften eine Übersicht über die Lage in allen Mitgliedsstaaten veröffentlicht werden. (21) Bei bestimmten Warengattungen ist es üblich, dass die Verkäufer oder die Hersteller auf ihre Erzeugnisse Garantien gewähren, die die Verbraucher gegen alle Mängel absichern, die innerhalb einer bestimmten Frist offenbar werden können. Diese Praxis kann zu mehr Wettbewerb am Markt führen. Solche Garantien stellen zwar rechtmäßige Marketinginstrumente dar, sollten jedoch den Verbraucher nicht irreführen. Um sicherzustellen, dass der Verbraucher nicht irregeführt wird, sollten die Garantien bestimmte Informationen enthalten, unter anderem eine Erklärung, dass die Garantie nicht die gesetzlichen Rechte des Verbrauchers berührt.
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(22) Die Vertragsparteien dürfen die den Verbrauchern eingeräumten Rechte nicht durch Vereinbarung einschränken oder außer Kraft setzen, da dies den gesetzlichen Schutz aushöhlen würde. Dieser Grundsatz hat auch für Klauseln zu gelten, denen zufolge dem Verbraucher jede zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bestehende Vertragswidrigkeit des Verbrauchsguts bekannt war. Der dem Verbraucher aufgrund dieser Richtlinie gewährte Schutz darf nicht dadurch geschmälert werden, dass das Recht eines Nichtmitgliedstaats als das auf den betreffenden Vertrag anzuwendende Recht gewählt worden ist. (23) Die diesbezüglichen Rechtsvorschriften und die Rechtsprechung der Mitgliedsstaaten zeugen von dem zunehmenden Bemühen, den Verbrauchern ein hohes Schutzniveau zu gewährleisten. Angesichts dieser Entwicklung und der zu erwartenden Erfahrung mit der Durchführung dieser Richtlinie kann es sich als notwendig erweisen, eine stärkere Harmonisierung in Erwägung zu ziehen, die insbesondere eine unmittelbare Haftung des Herstellers für ihm zuzuschreibende Mängel vorsieht. (24) Die Mitgliedsstaaten sollten auf dem unter diese Richtlinie fallenden Gebiet strengere Bestimmungen zur Gewährleistung eines noch höheren Verbraucherschutzniveaus erlassen oder beibehalten können. (25) Entsprechend der Empfehlung der Kommission vom 30. März 1998 betreffend die Grundsätze für Einrichtungen, die für die außergerichtliche Beilegung von Verbraucherrechtsstreitigkeiten zuständig sind, können die Mitgliedsstaaten Einrichtungen schaffen, die eine unparteiische und effiziente Beschwerdebehandlung im nationalen und grenzüberschreitenden Rahmen gewährleisten und die von den Verbrauchern als Vermittler in Anspruch genommen werden können. (26) Zum Schutz der Kollektivinteressen der Verbraucher ist es angebracht, diese Richtlinie in das im Anhang der Richtlinie 98/27/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Mai 1998 über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen enthaltene Richtlinienverzeichnis aufzunehmen.
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HABEN FOLGENDE RICHTLINIEN ERLASSEN: Artikel 1 Geltungsbereich und Begriffsbestimmungen (1) Zweck dieser Richtlinie ist die Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedsstaaten zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter zur Gewährleistung eines einheitlichen Verbraucherschutz-Mindestniveaus im Rahmen des Binnenmarkts. (2) Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck a) „Verbraucher" jede natürliche Person, die im Rahmen der unter diese Richtlinie fallenden Verträge zu einem Zweck handelt, der nicht ihrer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit zugerechnet werden kann; b) „Verbrauchsgüter" bewegliche körperliche Gegenstände, mit Ausnahme von - Gütern, die aufgrund von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen oder anderen gerichtlichen Maßnahmen verkauft werden, - Wasser und Gas, wenn sie nicht in einem begrenzten Volumen oder in einer bestimmten Menge abgefüllt sind, - Strom c) „Verkäufer" jede natürliche oder juristische Person, die aufgrund eines Vertrags im Rahmen ihrer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit Verbrauchsgüter verkauft; d) „Hersteller" den Hersteller von Verbrauchsgütern, deren Importeur für das Gebiet der Gemeinschaft oder jede andere Person, die sich dadurch, dass sie ihren Namen, ihre Marke oder ein anderes Kennzeichen an den Verbrauchsgütern anbringt, als Hersteller bezeichnet; e) „Garantie" jede von einem Verkäufer oder Hersteller gegenüber dem Verbraucher ohne Aufpreis eingegangene Verpflichtung, den Kaufpreis zu erstatten, das Verbrauchsgut zu ersetzen oder nachzubessern oder in sonstiger Weise Abhilfe zu schaffen, wenn das Verbrauchsgut nicht den in der Garantieerklärung oder in der einschlägigen Werbung genannten Eigenschaften entspricht;
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f) „Nachbesserung" bei Vertragswidrigkeit die Herstellung des vertragsgemäßen Zustands des Verbrauchsgutes. (3) Die Mitgliedsstaaten können festlegen, dass unter „Verbrauchsgütern" keine gebrauchten Güter zu verstehen sind, die in einer öffentlichen Versteigerung verkauft werden, bei der die Verbraucher die Möglichkeit haben, dem Verkauf persönlich beizuwohnen. (4) Als Kaufverträge im Sinne dieser Richtlinie gelten auch Verträge über die Lieferung herzustellender oder zu erzeugender Verbrauchsgüter. Artikel 2 Vertragsmäßigkeit (1) Der Verkäufer ist verpflichtet ,dem Verbraucher dem Kaufvertrag gemäße Güter zu liefern. (2) Es wird vermutet, dass Verbrauchsgüter vertragsgemäß sind, wenn sie a) mit der vom Verkäufer gegebenen Beschreibung übereinstimmen und die Eigenschaften des Gutes besitzen, das der Verkäufer dem Verbraucher als Probe oder Muster vorgelegt hat; b) sich für einen bestimmten vom Verbraucher angestrebten Zweck eignen, den der Verbraucher dem Verkäufer bei Vertragsschluss zur Kenntnis gebracht hat und dem der Verkäufer zugestimmt hat; c) sich für die Zwecke eignen, für die Güter der gleichen Art gewöhnlich gebraucht werden; d) eine Qualität und Leistungen aufweisen, die bei Gütern der gleichen Art üblich sind und die der Verbraucher vernünftigerweise erwarten kann, wenn die Beschaffenheit des Gutes und gegebenenfalls die insbesondere in der Werbung oder bei der Etikettierung gemachten öffentlichen Äußerungen des Verkäufers, des Herstellers oder dessen Vertreters über die konkreten Eigenschaften des Gutes in Betracht gezogen werden. (3) Es liegt keine Vertragswidrigkeit im Sinne dieses Artikels vor, wenn der Verbraucher zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses Kenntnis von der Vertragswidrigkeit hatte oder vernünftigerweise nicht in Unkenntnis darüber sein konnte oder wenn die Vertragswidrigkeit auf den vom Verbraucher gelieferten Stoff zurückzuführen ist. 61
(4) Der Verkäufer ist durch die in Absatz 2 Buchstabe d) genannten öffentlichen Äußerungen nicht gebunden, wenn er •
nachweist, dass er die betreffende Äußerung nicht kannte, und vernünftigerweise nicht davon Kenntnis haben konnte,
• nachweist, dass die betreffende Äußerung zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses berichtigt war, oder • nachweist, dass die Kaufentscheidung nicht durch die betreffende Äußerung beeinflusst sein konnte. (5) Ein Mangel infolge unsachgemäßer Montage des Verbrauchsgutes wird der Vertragswidrigkeit gleichgestellt, wenn die Montage Bestandteil des Kaufvertrags über das Verbrauchsgut war und vom Verkäufer oder unter dessen Verantwortung vorgenommen wurde. Das gleiche gilt, wenn das zur Montage durch den Verbraucher bestimmte Erzeugnis vom Verbraucher montiert worden ist und die unsachgemäße Montage auf einen Mangel in der Montageanleitung zurückzuführen ist. Artikel 3 Rechte des Verbrauchers (1) Der Verkäufer haftet dem Verbraucher für jede Vertragswidrigkeit, die zum Zeitpunkt der Lieferung des Verbrauchsgutes besteht. (2) Bei Vertragswidrigkeit hat der Verbraucher entweder Anspruch auf die unentgeltliche Herstellung des vertragsgemäßen Zustands des Verbrauchsguts durch Nachbesserung oder Ersatzlieferung nach Maßgabe des Absatzes 3 oder auf angemessene Minderung des Kaufpreises oder auf Vertragsauflösung in Bezug auf das betreffende Verbrauchsgut nach Maßgabe der Absätze 5 und 6. (3) Zunächst kann der Verbraucher vom Verkäufer die unentgeltliche Nachbesserung des Verbrauchsgutes oder eine unentgeltliche Ersatzlieferung verlangen, sofern dies nicht unmöglich oder unverhältnismäßig ist. Eine Abhilfe gilt als unverhältnismäßig, wenn sie dem Verkäufer Kosten verursachen würde, die • angesichts des Werts, den das Verbrauchsgut ohne die Vertragswidrigkeit hätte,
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• unter Berücksichtigung der Bedeutung der Vertragswidrigkeit und • nach Erwägung der Frage, ob auf die alternative Abhilfemöglichkeit ohne erhebliche Unannehmlichkeiten für den Verbraucher zurückgegriffen werden könnte, verglichen mit der alternativen Abhilfemöglichkeit unzumutbar wären. Die Nachbesserung oder die Ersatzlieferung muss innerhalb einer angemessenen Frist und ohne erhebliche Unannehmlichkeiten für den Verbraucher erfolgen, wobei die Art des Verbrauchsgutes sowie der Zweck, für den der Verbraucher das Verbrauchsgut benötigte, zu berücksichtigen sind. (4) Der Begriff „unentgeltlich" in den Absätzen 2 und 3 umfasst die für die Herstellung des vertragsgemäßen Zustands des Verbrauchsgutes notwendigen Kosten, insbesondere Versand-, Arbeits- und Materialkosten. (5) Der Verbraucher kann eine angemessene Minderung des Kaufpreises oder eine Vertragsauflösung verlangen, - wenn der Verbraucher weder Anspruch auf Nachbesserung noch auf Ersatzlieferung hat oder - wenn der Verkäufer nicht innerhalb einer angemessenen Frist Abhilfe geschaffen hat oder - wenn der Verkäufer nicht ohne erhebliche Unannehmlichkeiten für den Verbraucher Abhilfe geschaffen hat. (6) Bei einer geringfügigen Vertragswidrigkeit hat der Verbraucher keinen Anspruch auf Vertragsauflösung. Artikel 4 Rückgriffsrechte Haftet der Letztverkäufer dem Verbraucher aufgrund einer Vertragswidrigkeit infolge eines Handelns oder Unterlassens des Herstellers, eines früheren Verkäufers innerhalb derselben Vertragskette oder einer anderen Zwischenperson, so kann der Letztverkäufer den oder die Haftenden innerhalb der Vertragskette in Regress nehmen. Das innerstaatliche Recht bestimmt den oder die Haftenden, den oder die der Letztverkäufer in Regress nehmen kann, sowie das entsprechende Vorgehen und die Modalitäten.
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Artikel 5 Fristen (1) Der Verkäufer haftet nach Artikel 3, wenn die Vertragswidrigkeit binnen zwei Jahren nach der Lieferung des Verbrauchsgutes offenbar wird. Gilt nach dem innerstaatlichen Recht für die Ansprüche nach Artikel 3 Absatz 2 eine Verjährungsfrist, so endet sie nicht vor Ablauf eines Zeitraums von zwei Jahren ab dem Zeitpunkt der Lieferung. (2) Die Mitgliedsstaaten können vorsehen, dass der Verbraucher den Verkäufer zur Inanspruchnahme seiner Rechte über die Vertragswidrigkeit binnen zwei Monaten nach dem Zeitpunkt, zu dem er die Vertragswidrigkeit festgestellt hat, unterrichten muss. Die Mitgliedsstaaten unterrichten die Kommission über ihre bezüglich dieses Absatzes gewählte Lösung. Die Kommission überwacht die Auswirkungen dieser den Mitgliedsstaaten eingeräumten Möglichkeit auf die Verbraucher und den Binnenmarkt. Die Kommission erstellt bis zum 7. Januar 2003 einen Bericht über die von den Mitgliedsstaaten bezüglich dieses Absatzes gewählte Lösung. Dieser Bericht wird im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlicht. (3) Bis zum Beweis des Gegenteils wird vermutet, dass Vertragswidrigkeiten, die binnen sechs Monaten nach der Lieferung des Gutes offenbar werden, bereits zum Zeitpunkt der Lieferung bestanden, es sei denn, diese Vermutung ist mit der Art des Gutes oder der Art der Vertragswidrigkeit unvereinbar. Artikel 6 Garantien (1) die Garantie muss denjenigen, der sie anbietet, zu den in der Garantieerklärung und der einschlägigen Werbung angegebenen Bedingungen binden. (2) Die Garantie muss - darlegen, dass der Verbraucher im Rahmen der geltenden innerstaatlichen Rechtsvorschriften über den Verbrauchsgüterkauf gesetzliche Rechte hat und klarstellen, dass diese Rechte von der Garantie nicht berührt werden;
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in einfachen und verständlichen Formulierungen den Inhalt der Garantie und die wesentlichen Angaben enthalten, die für die Inanspruchnahme der Garantie notwendig sind, insbesondere die Dauer und den räumlichen Geltungsbereich des Garantieschutzes sowie Namen und Anschrift des Garantiegebers.
(3) Auf Wunsch des Verbrauchers muss diesem die Garantie schriftlich zur Verfügung gestellt werden oder auf einem anderen dauerhaften Datenträger enthalten sein, der dem Verbraucher zur Verfügung steht und ihm zugänglich ist. (4) Die Mitgliedsstaaten, in denen das Verbrauchsgut in Verkehr gebracht wird, können, soweit dies mit den Vorschriften des Vertrags vereinbar ist, für ihr Gebiet vorschreiben, dass die Garantie in einer oder in mehreren Sprachen abzufassen ist, die der jeweilige Mitgliedsstaat unter den Amtssprachen der Gemeinschaft auswählt. (5) Werden für eine Garantie die Anforderungen der Absätze 2, 3 oder 4 nicht erfüllt, so berührt dies in keinem Fall die Gültigkeit dieser Garantie; der Verbraucher kann sie weiterhin geltend machen und ihre Einhaltung verlangen. Artikel 7 Unabdingbarkeit (1) Vertragsklauseln oder mit dem Verkäufer vor dessen Unterrichtung über die Vertragswidrigkeit getroffene Vereinbarung, durch welche die mit dieser Richtlinie gewährten Rechte unmittelbar oder mittelbar außer Kraft gesetzt oder eingeschränkt werden, sind für den Verbraucher gemäß dem innerstaatlichen Recht nicht bindend. Im Fall gebrauchter Güter können die Mitgliedsstaaten vorsehen, dass der Verkäufer und der Verbraucher sich auf Vertragsklauseln oder Vereinbarungen einigen können, denen zufolge der Verkäufer weniger lange haftet als in Artikel 5 Absatz 1 vorgesehen. Diese kürzere Haftungsdauer darf ein Jahr nicht unterschreiten. (2) Die Mitgliedsstaaten treffen die erforderlichen Maßnahme, damit dem Verbraucher der durch diese Richtlinie gewährte Schutz nicht dadurch vorenthalten wird, dass das Recht eines Nichtmitgliedsstaates, als das auf den Vertrag anzuwendende Recht gewählt wird, sofern dieser Vertrag einen engen Zusammenhang mit dem Gebiet der Mitgliedsstaaten aufweist. 65
Artikel 8 Innerstaatliches Recht und Mindestschutz (1) Andere Ansprüche, die der Verbraucher aufgrund innerstaatlicher Rechtsvorschriften über die vertragliche oder außervertragliche Haftung geltend machen kann, werden durch die aufgrund dieser Richtlinie gewährten Rechte nicht berührt. (2) Die Mitgliedsstaaten können in dem unter diese Richtlinie fallenden Bereich mit dem Vertrag in Einklang stehende strengere Bestimmungen erlassen oder aufrechterhalten, um ein höheres Schutzniveau für die Verbraucher sicherzustellen. Artikel 9 Die Mitgliedsstaaten ergreifen geeignete Maßnahmen zur Unterrichtung der Verbraucher über das innerstaatliche Recht, mit dem diese Richtlinie umgesetzt wird, und rufen, falls angebracht, Berufsorganisationen dazu auf, die Verbraucher über ihre Rechte zu unterrichten. Artikel
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Der Anhang der Richtlinie 98/27/EG wird wie folgt ergänzt: „10. Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter (Abi. L171 vom 7.7.1999, S. 12)." Artikel 17 Umsetzung (1) Die Mitgliedsstaaten setzen die Rechts- und Verwaltungsvorschriften in Kraft, die erforderlich sind, um dieser Richtlinie spätestens ab dem 1. Januar 2002 nachzukommen. Sie setzen die Kommission unverzüglich davon in Kenntnis. Wenn die Mitgliedsstaaten diese Vorschriften erlassen, nehmen sie in den Vorschriften selbst oder durch einen Hinweis bei der amtlichen Veröffentlichung auf diese Richtlinie Bezug. Die Mitgliedsstaaten regeln die Einzelheiten der Bezugnahme.
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(2) Die Mitgliedsstaaten teilen der Kommission den Wortlaut der innerstaatlichen Rechtsvorschriften mit, die sie auf dem unter diese Richtlinie fallenden Gebiet erlassen. Artikel 12 Überprüfung Die Kommission überprüft die Anwendung dieser Richtlinie spätestens zum 7. Juli 2006 und legt dem Europäischen Parlament und dem Rat einen bericht vor. In dem Bericht ist unter anderem zu prüfen, ob Veranlassung besteht, eine unmittelbare Haftung des Herstellers einzuführen; der Bericht ist gegebenenfalls mit Vorschlägen zu versehen. Artikel 13 Inkrafttreten Diese Richtlinie tritt am Tag ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften in Kraft. Artikel
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Diese Richtlinie ist an die Mitgliedsstaaten gerichtet.
Geschehen zu Brüssel am 25. Mai 1999. Im Namen des Europäischen Parlaments Der Präsident J. M Gil-Robles
Im Namen des Rates Der Präsident H. Eichel
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Anhang 2: Richtlinie 2000/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. Juni 2000 zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr Amtsblatt EG Nr. L 200 vom 08/08/2000 S. 35-38
DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, insbesondere auf Artikel 95, auf Vorschlag der Kommission, nach Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses, gemäss dem Verfahren des Artikels 251 des Vertrags, aufgrund der vom Vermittlungsausschuss am 4. Mai 200 gebilligten gemeinsamen Entwurfs, in Erwägung nachstehender Gründe: (1) In seiner Entschließung zum Integrierten Programm für die KMU und das Handwerk forderte das Europäische Parlament die Kommission auf, Vorschläge zur Behandlung des Problems des Zahlungsverzugs zu unterbreiten. (2) - (6) Vom Abdruck wurde abgesehen-. (7) Den Unternehmen, insbesondere kleinen und mittleren, verursachen übermäßig lange Zahlungsfristen und Zahlungsverzug große Verwaltungs- und Finanzlasten. Überdies zählen diese Probleme zu den Hauptgründen für Insolvenzen, die den Bestand der Unternehmen gefährden, und führen zum Verlust zahlreicher Arbeitsplätze. (8) In einigen Mitgliedsstaaten weichen die vertraglich vorgesehenen Zahlungsfristen erheblich vom Gemeinschaftsdurchschnitt ab. (9) Die Unterschiede zwischen den Zahlungsbestimmungen und -praktiken in den Mitgliedsstaaten beeinträchtigen das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes. (10) Dies hat eine beträchtliche Einschränkung des Geschäftsverkehrs zwischen den Mitgliedsstaaten zur Folge. Es widerspricht Artikel 14 des Vertrags, da Unternehmer in der Lage sein sollten, im gesamten Binnen-
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markt unter Bedingungen Handel zu treiben, die gewährleisten, dass grenzüberschreitende Geschäfte nicht größere Risiken mit sich bringen als Inlandsverkäufe. Es käme zu Wettbewerbsverzerrungen, wenn es für den Binnen- und den grenzüberschreitenden Handel Regeln gäbe, die sich wesentlich voneinander unterscheiden. (11) Aus den jüngsten Statistiken geht hervor, dass sich die Zahlungsdisziplin in vielen Mitgliedsstaaten seit Annahme der Empfehlung vom 12. Mai 1995 im günstigsten Falle nicht verbessert hat. (12) Das Ziel der Bekämpfung des Zahlungsverzugs im Binnenmarkt kann von den Mitgliedsstaaten nicht ausreichend verwirklicht werden, wenn sie einzeln tätig werden; es kann daher besser auf Gemeinschaftsebene erreicht werden. Diese Richtlinie geht nicht über das zur Erreichung dieses Ziel Erforderliche hinaus. Sie entspricht daher insgesamt den Erfordernissen des Subsidiaritäts- und des Verhältnismäßigkeitsprinzips nach Artikel 5 des Vertrags. (13) Diese Richtlinie ist auf die als Entgelt für Handelsgeschäfte geleisteten Zahlungen beschränkt und umfasst weder Geschäfte mit Verbrauchern noch die Zahlung von Zinsen im Zusammenhang mit anderen Zahlungen, ζ. B. unter das Scheck- und Wechselrecht fallenden Zahlungen oder Schadensersatzzahlungen einschließlich Zahlungen von Versicherungsgesellschaften. (14) Die Tatsache, dass diese Richtlinie die freien Berufe einbezieht, bedeutet nicht, dass die Mitgliedsstaaten sie für nicht unter diese Richtlinie fallende Zwecke als Unternehmen oder Kaufleute zu behandeln haben. (15) Diese Richtlinie definiert zwar den Begriff „vollstreckbarer Titel", regelt jedoch weder die verschiedenen Verfahren der Zwangsvollstreckung eines solchen Titels noch die Bedingungen, unter denen die Zwangsvollstreckung eines solchen Titels eingestellt oder ausgesetzt werden kann. (16) Zahlungsverzug stellt einen Vertragsbruch dar, der für die Schuldner in den meisten Mitgliedsstaaten durch niedrige Verzugszinsen und/oder langsame Beitreibungsverfahren finanzielle Vorteile bringt. Ein durchgreifender Wandel, der auch eine Entschädigung der Gläubiger für die ihnen entstandenen Kosten vorsieht, ist erforderlich, um diese Entwicklung umzukehren und um sicherzustellen, dass die Folgen des Zahlungsverzuges von der Überschreitung der Zahlungsfristen abschrecken.
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(17) Die angemessene Entschädigung für die Beitreibungskosten ist unbeschadet nationaler Bestimmungen festzulegen, nach denen ein nationales Gericht dem Gläubiger zusätzlichen Schadensersatz für den durch den Zahlungsverzug eines Schuldners entstandenen Verlust zusprechen kann, wobei auch zu berücksichtigen ist, dass diese entstandenen Kosten schon durch die Verzugszinsen ausgeglichen sein können. (18) Diese Richtlinie berücksichtigt das Problem langer vertraglicher Zahlungsfristen und insbesondere das Vorhandensein bestimmter Gruppen von Verträgen, für die eine längere Zahlungsfrist in Verbindung mit einer Beschränkung der Vertragsfreiheit oder ein höherer Zinssatz gerechtfertigt sein kann. (19) Der Missbrauch der Vertragsfreiheit zum Nachteil des Gläubigers sollte nach dieser Richtlinie verboten sein. Falls eine Vereinbarung in erster Linie dem Zweck dient, dem Schuldner zusätzliche Liquidität auf Kosten des Gläubigers zu verschaffen, oder falls der Generalunternehmer seinen Lieferanten und Subunternehmern Zahlungsbedingungen aufzwingt, die auf der Grundlage der ihm selbst gewährten Bedingungen nicht gerechtfertigt sind, können diese Umstände als Faktoren gelten, die einen solchen Missbrauch darstellen. Innerstaatliche Vorschriften zur Regelung des Vertragsabschlusses oder der Gültigkeit von Vertragsbestimmungen, die für den Schuldner unbillig sind, bleiben von dieser Richtlinie unberührt. (20) Die Folgen des Zahlungsverzuges können jedoch nur abschreckend wirken, wenn sie mit Beitreibungsverfahren gekoppelt sind, die für den Gläubiger schnell und wirksam sind. Nach dem Grundsatz der Nichtdiskriminierung in Artikel 12 des Vertrags sollten diese Verfahren allen in der Gemeinschaft niedergelassenen Gläubigern zur Verfügung stehen. (21) Es ist wünschenswert, dass sichergestellt ist, dass Gläubiger einen Eigentumsvorbehalt auf nichtdiskriminierender Grundlage in der ganzen Gemeinschaft geltend machen können, falls der Eigentumsvorbehalt gemäß den anwendbaren nationalen Vorschriften, wie sie durch das internationale Privatrecht bestimmt werden, rechtswirksam ist. (22) Die Richtlinie sollte den gesamten Geschäftsverkehr unabhängig davon regeln, ob er zwischen privaten oder öffentlichen Unternehmen oder zwischen Unternehmen und öffentlichen Stellen erfolgt, wobei zu berücksichtigen ist, dass letztere in großem Umfang Zahlungen an Unternehmen leisten. Sie sollte deshalb auch den gesamten Geschäftsverkehr zwischen Generalunternehmern und ihren Lieferanten und Subunternehmern regeln. 70
(23) Artikel 5 dieser Richtlinie schreibt vor, dass das Beitreibungsverfahren für umstrittene Forderungen innerhalb eines kurzen Zeitraums im Einklang mit den nationalen Rechtsvorschriften abgeschlossen wird, verlangt jedoch nicht, dass die Mitgliedsstaaten ein besonderes Verfahren einführen oder ihre geltenden gesetzlichen Verfahren in bestimmter Weise ändern. HABEN FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN: Artikel
1 Anwendungsbereich
Diese Richtlinie ist auf alle Zahlungen, die als Entgelt im Geschäftsverkehr zu leisten sind, anzuwenden. Artikel 2 Begriffsbestimmungen Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck 1. „Geschäftsverkehr" Geschäftsvorgänge zwischen Unternehmern oder zwischen Unternehmen und öffentlichen Stellen, die zu einer Lieferung von Gütern oder Erbringung von Dienstleistungen gegen Entgelt führen; „öffentliche Stelle" jeden öffentlichen Auftraggeber oder Auftraggeber im Sinne der Richtlinien über das öffentliche Auftragswesen (92/ 5O/EWG, 93/36/EWG,93/37/EWG und 93/38/EWG); „Unternehmen" jede im Rahmen ihrer unabhängigen wirtschaftlichen oder beruflichen Tätigkeit handelnde Organisation, auch wenn die Tätigkeit von einer einzelnen Person ausgeübt wird; 2. „Zahlungsverzug" die Nichteinhaltung der vertraglich oder gesetzlich vorgesehenen Zahlungsfrist; 3. „Eigentumsvorbehalt" die vertragliche Vereinbarung, nach der der Verkäufer bis zur vollständigen Bezahlung Eigentümer des Kaufgegenstands bleibt; 4. „von der Europäischen Zentralbank auf ihre Hauptrefinanzierungsoperationen angewendeter Zinssatz" den Zinssatz, der bei Festsatztendern auf diese Operationen angewendet wird. Wurde eine Hauptrefinanzierungsoperation nach einem variablen Tenderverfahren durchgeführt, so bezieht sich dieser Zinssatz auf den marginalen Zinssatz, der sich aus diesem Tender ergibt. Dies gilt für Begebungen mit einheitlichem und mit variablem Zinssatz;
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5. „vollstreckbarer Titel" Entscheidungen, Urteile oder Zahlungsbefehle eines Gerichts oder einer anderen zuständigen Behörde, nach denen eine Zahlung unverzüglich oder in Raten zu leisten ist und mit denen der Gläubiger seine Forderung gegen den Schuldner im Wege der Zwangsvollstreckung beitreiben kann; hierzu gehören auch Entscheidungen, Urteile oder Zahlungsbefehle, die vorläufig vollstreckbar sind und dies auch dann bleiben, wenn der Schuldner dagegen einen Rechtsbehelf einlegt. Artikel 3 Zinsen bei Zahlungsverzug (1) die Mitgliedsstaaten stellen folgendes sicher: a) Zinsen gemäss Buchstabe d) sind ab dem Tag zu zahlen, der auf den vertraglich festgelegten Zahlungstermin oder das vertraglich festgelegte Ende der Zahlungsfrist folgt. b) Ist der Zahlungstermin oder die Zahlungsrist nicht vertraglich festgelegt, so sind Zinsen, ohne dass es einer Mahnung bedarf, automatisch zu zahlen: i. 30 Tage nach dem Zeitpunkt des Eingangs der Rechnung oder einer gleichwertigen Zahlungsaufforderung beim Schuldner oder ii. wenn der Zeitpunkt des Eingangs der Rechnung oder einer gleichwertigen Zahlungsaufforderung unsicher ist, 30 Tage nach dem Zeitpunkt des Empfangs der Güter oder Dienstleistungen, oder iii. wenn der Schuldner die Rechnung oder die gleichwertige Zahlungsaufforderung vor dem Empfang der Güter oder Dienstleistung erhält, 30 Tage nach dem Empfang der Güter oder Dienstleistungen, oder iv. wenn ein Abnahme- oder Überprüfungsverfahren, durch das die Übereinstimmung der Güter oder Dienstleistungen mit dem Vertrag festgestellt werden soll, gesetzlich oder vertraglich vorgesehen ist und wenn der Schuldner die Rechnung oder die gleichwertige Zahlungsaufforderung vor oder zu dem Zeitpunkt, zu dem die Abnahme oder Überprüfung erfolgt, erhält, 30 Tage nach letzterem Zeitpunkt. c) Der Gläubiger ist berechtigt, bei Zahlungsverzug Zinsen insoweit geltend zu machen, als er i. seine vertraglichen und gesetzlichen Verpflichtungen erfüllt hat und ii. den fälligen Betrag nicht rechtzeitig erhalten hat, es sei denn, dass der Schuldner für die Verzögerung nicht verantwortlich ist. d) Die Höhe der Verzugszinsen („gesetzlicher Zinssatz"), zu deren Zahlung der Schuldner verpflichtet ist, ergibt sich aus der Summe des Zins-
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satzes, der von der Europäischen Zentralbank auf ihre jüngste Hauptrefinanzierungsoperation, die vor dem ersten Kalendertag des betreffenden Halbjahres durchgeführt wurde, angewendet wurde („Bezugszinssatz"), zuzüglich mindestens 7 Prozentpunkten („Spanne"), sofern vertraglich nichts anderes bestimmt ist. Für Mitgliedsstaaten, die nicht an der dritten Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion teilnehmen, ist der Bezugszinssatz der entsprechende Zinssatz ihrer Zentralbank. In beiden Fällen findet der Bezugszinssatz, der am ersten Kalendertag in dem betreffenden Halbjahr in Kraft ist, für die folgenden sechs Monate Anwendung. e) Der Gläubiger hat gegenüber dem Schuldner Anspruch auf angemessenen Ersatz aller durch den Zahlungsverzug des Schuldners bedingten Beitreibungskosten, es sei denn, dass der Schuldner für den Zahlungsverzug nicht verantwortlich ist. Bei diesen Beitreibungskosten sind die Grundsätze der Transparenz und der Verhältnismäßigkeit im Hinblick auf den betreffenden Schuldbetrag zu beachten. Die Mitgliedsstaaten können unter Wahrung der genannten Grundsätze einen Höchstbetrag für die Beitreibungskosten für unterschiedliche Schuldhöhen festlegen. (2) Für bestimmte, in den nationalen Rechtsvorschriften zu definierende Vertragsarten können die Mitgliedsstaaten die Frist, nach deren Ablauf Zinsen zu zahlen sind, auf höchstens 60 Tage festsetzen, sofern sie den Vertragsparteien die Überschreitung dieser Frist untersagen oder einen verbindlichen Zinssatz festlegen, der wesentlich über dem gesetzlichen Zinssatz liegt. (3) Die Mitgliedsstaaten bestimmen, dass eine Vereinbarung über den Zahlungstermin oder die Folgen eines Zahlungsverzugs, die nicht im Einklang mit Absatz 1 Buchstaben b) bis d) und Absatz 2 steht, entweder nicht geltend gemacht werden kann oder einen Schadensersatzanspruch begründet, wenn sie bei Prüfung aller Umstände des Falles, einschließlich der guten Handelspraxis und der Art der Ware, als grob nachteilig für den Gläubiger anzusehen ist. Bei der Entscheidung darüber, ob eine Vereinbarung grob nachteilig für den Gläubiger ist, wird unter anderem berücksichtigt, ob der Schuldner einen objektiven Grund für die Abweichung von den Bestimmungen des Absatzes 1 Buchstaben b) bis d) und des Absatzes 2 hat. Wenn eine derartige Vereinbarung für grob nachteilig befunden wurde, sind die gesetzlichen Bestimmungen anzuwenden, es sei denn, die nationalen Gerichte legen andere, faire Bedingungen fest.
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(4) Die Mitgliedsstaaten sorgen dafür, dass im Interesse der Gläubiger und der Wettbewerber angemessene und wirksame Mittel vorhanden sind, damit der Verwendung von Klauseln, die als grob nachteilig im Sinne von Absatz 3 zu betrachten sind, ein Ende gesetzt wird. (5) Die in Absatz 4 erwähnten Mittel schließen auch Rechtsvorschriften ein, wonach Organisationen, die ein berechtigtes Interesse daran haben, kleine und mittlere Unternehmen zu vertreten, oder die offiziell als Vertreter solcher Unternehmen anerkannt sind, im Einklang mit den nationalen Rechtsvorschriften die Gerichte oder die zuständigen Verwaltungsbehörden mit der Begründung anrufen können, dass Vertragsklauseln, die im Hinblick auf eine allgemeine Verwendung abgefasst wurden, grob nachteilig im Sinne von Absatz 3 sind, so dass die angemessene und wirksame Mittel anwenden können, um der Verwendung solcher Klauseln ein Ende zu setzen. Artikel 4 Eigentumsvorbehalt (1) Die Mitgliedsstaaten sehen im Einklang mit den anwendbaren nationalen Vorschriften, wie sie durch das internationale Privatrecht bestimmt werden, vor, dass der Verkäufer bis zur vollständigen Bezahlung das Eigentum an Gütern behält, wenn zwischen Käufer und Verkäufer vor der Lieferung der Güter ausdrücklich eine Eigentumsvorbehaltsklausel vereinbart wurde. (2) Die Mitgliedsstaaten können Vorschriften verabschieden oder beibehalten, die bereits vom Schuldner geleistete Anzahlungen betreffen. Artikel 5 Beitreibungsverfahren
für unbestrittene Forderungen
(1) Die Mitgliedsstaaten tragen dafür Sorge, dass ein vollstreckbarer Titel unabhängig von dem Betrag der Geldforderung in der Regel binnen 90 Kalendertagen ab Einreichung der Klage oder des Antrags des Gläubigers bei Gericht oder einer anderen zuständigen Behörde erwirkt werden kann, sofern die Geldforderung oder verfahrensrechtliche Aspekte nicht bestritten werden. Dieser Verpflichtung haben die Mitgliedsstaaten im Einklang mit ihren jeweiligen nationalen Rechts- und Verwaltungsvorschriften nachzukommen. (2) Die jeweiligen nationalen Rechts- und Verwaltungsvorschriften müssen für alle in der Europäischen Gemeinschaft niedergelassenen Gläubiger die gleichen Bedingungen vorsehen.
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(3) In die Frist des Absatzes 1 von 90 Kalendertagen sind nachstehende Zeiträume nicht einzubeziehen: a. die Fristen für Zustellung b. alle vom Gläubiger verursachten Verzögerungen, wie etwa der für die Korrektur von Anträgen benötigte Zeitraum. (4) Dieser Artikel berührt nicht die Bestimmungen des Brüsseler Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen. Artikel 6 Umsetzung (1) Die Mitgliedsstaaten erlassen die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften, um dieser Richtlinie vor dem 8. August 2002 nachzukommen. Sie setzen die Kommission unverzüglich davon in Kenntnis. (2) Die Mitgliedsstaaten können Vorschriften beibehalten oder erlassen, die für den Gläubiger günstiger sind als die zur Erfüllung dieser Richtlinie notwendigen Maßnahmen. (3) Bei der Umsetzung dieser Richtlinie können die Mitgliedsstaaten folgendes ausnehmen: a. Schulden, die Gegenstand eines gegen den Schuldner eingeleiteten Insolvenzverfahrens sind, b. Verträge, die vor dem 8. August 2002 geschlossen worden sind und c. Ansprüche auf Zinszahlungen von weniger als 5 €. (4) Die Mitgliedsstaaten teilen der Kommission den Wortlaut der wichtigsten innerstaatlichen Rechtsvorschriften mit, die sie auf dem unter diese Richtlinie fallenden Gebiet erlassen. (5) Zwei Jahre nach dem 8. August 2002 überprüft die Kommission unter anderem den gesetzlichen Zinssatz, die vertraglich vorgesehenen Zahlungsfristen und den Zahlungsverzug, um die Auswirkungen auf den Geschäftsverkehr zu ermitteln und die praktische Handhabung der Rechtsvorschriften zu beurteilen. Die Ergebnisse dieser Überprüfung und anderer Untersuchungen werden dem Europäischen Parlament und dem Rat mitgeteilt, erforderlichenfalls zusammen mit Vorschlägen zur Verbesserung dieser Richtlinie.
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Artikel
7 Inkrafttreten
Diese Richtlinie tritt am Tag ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft in Kraft. Artikel 8 Adressaten Diese Richtlinie ist an die Mitgliedsstaaten gerichtet. Geschehen zu Luxemburg am 29. Juni 2000. Im Namen des Europäischen Parlaments
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Anhang 3: Richtlinie 200/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr" - „e-commerce Richtlinie") Amtsblatt Nr. L 178 vom 17/07/2000 S. 0001 - 0 0 1 6
DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION HABEN FOLGENDE RICHTLINIEN ERLASSEN: KAPITEL I ALLGEMEINE BESTIMMUNGEN Artikel
1 Zielsetzung und Anwendungsbereich
(1) Diese Richtlinie soll einen Beitrag zum einwandfreien Funktionieren des Binnenmarktes leisten, indem sie den freien Verkehr von Diensten der Informationsgesellschaft zwischen den Mitgliedsstaaten sicherstellt. (2) Diese Richtlinie sorgt, soweit dies für die Erreichung des in Absatz 1 genannten Ziels erforderlich ist, für eine Angleichung bestimmter für die Dienste der Informationsgesellschaft geltender innerstaatlicher Regelungen, die den Binnenmarkt, die Niederlassung der Dienstanbieter, kommerzielle Kommunikationen, elektronische Verträge, die Verantwortlichkeit von Vermittlern, Verhaltenskodizes, Systeme zur außergerichtlichen Beilegung von Streitigkeiten, Klagemöglichkeiten sowie die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedsstaaten betreffen. (3) Diese Richtlinie ergänzt das auf die Dienste der Informationsgesellschaft anwendbare Gemeinschaftsrecht und lässt dabei das Schutzniveau insbesondere für die öffentliche Gesundheit und den Verbraucherschutz, wie es sich aus Gemeinschaftsrechtsakten und einzelstaatlichen Rechtsvorschriften zu deren Umsetzung ergibt, unberührt, soweit die Freiheit, Dienste der Informationsgesellschaft anzubieten, dadurch nicht eingeschränkt wird. (4) Diese Richtlinie schafft weder zusätzliche Regeln im Bereich des internationalen Privatrechts, noch befasst sie sich mit der Zuständigkeit der Gerichte.
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(5) Diese Richtlinie findet keine Anwendung auf a. den Bereich der Besteuerung b. Fragen betreffend der Dienste der Informationsgesellschaft die von den Richtlinien 95/46/EG und 97/66/EG erfasst werden, c. Fragen betreffend Vereinbarungen oder Verhaltensweisen, die dem Kartellrecht unterliegen, d. die folgenden Tätigkeiten der Dienste der Informationsgesellschaft: - Tätigkeiten von Notaren oder Angehörigen gleichwertiger Berufe, soweit diese eine unmittelbare und besondere Verbindung zur Ausübung öffentlicher Befugnisse aufweisen; - Vertretung eines Mandanten und Verteidigung seiner Interessen vor Gericht; - Gewinnspiele mit einem einen Geldwert darstellenden Einsatz bei Glücksspielen, einschließlich Lotterien und Wetten. (6) Maßnahmen auf gemeinschaftlicher oder einzelstaatlicher Ebene, die unter Wahrung des Gemeinschaftsrechts der Förderung der kulturellen und sprachlichen Vielfalt und dem Schutz des Pluralismus dienen, bleiben von dieser Richtlinie unberührt. Artikel 2 Begriffsbestimmungen Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck a. „Dienste der Informationsgesellschaft" Dienste im Sinne von Artikel 1 Nummer 2 der Richtlinie 98/34/EG in der Fassung der Richtlinie 98/48/ EG; b. „Diensteanbieter" jede natürliche oder juristische Person, die einen Dienst der Informationsgesellschaft anbietet; c. „niedergelassener Diensteanbieter" ein Anbieter, der mittels einer festen Einrichtung auf unbestimmte Zeit eine Wirtschaftstätigkeit tatsächlich ausübt; Vorhandensein und Nutzung technischer Mittel und Technologien, die zum Anbieten des Dienstes erforderlich sind, begründen allein keine Niederlassung des Anbieters; d. „Nutzer" jede natürliche oder juristische Person, die zu beruflichen oder sonstigen Zwecken einen Dienst der Informationsgesellschaft in Anspruch nimmt, insbesondere um Informationen zu erlangen oder zugänglich zu machen; e. „Verbraucher" jede natürliche Person, die zu Zwecken handelt, die nicht zu ihren gewerblichen, geschäftlichen oder beruflichen Tätigkeiten gehören;
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f. „kommerzielle Kommunikation" alle Formen der Kommunikation, die der unmittelbaren oder mittelbaren Förderung des Absatzes von Waren und Dienstleistungen oder des Erscheinungsbilds eines Unternehmens, einer Organisation oder einer natürlichen Person dienen, die eine Tätigkeit in Handel, Gewerbe oder Handwerk oder einen reglementierten Beruf ausübt; die folgende Angaben stellen als solche keine Form der kommerziellen Kommunikation dar: - Angaben, die direkten Zugang zur Tätigkeit des Unternehmens bzw. der Organisation oder Person ermöglichen, wie insbesondere ein Domain-Name oder eine Adresse der elektronischen Post; - Angaben in Bezug auf Waren und Dienstleistungen oder das Erscheinungsbild eines Unternehmens, einer Organisation oder Person, die unabhängig und insbesondere ohne finanzielle Gegenleistung gemacht werden; g. „reglementierter Beruf" alle Berufe im sinne von Artikel 1 Buchstabe d. der Richtlinie 89/48/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 über eine allgemeine Regelung zur Anerkennung des Hochschuldiplome, die eine mindestens dreijährige Berufsausbildung abschließen, oder im Sinne von Artikel 1 Buchstabe f. der Richtlinie 92/51/EWG des Rates vom 18. Juni 1992 über eine zweite allgemeine Regelung zur Anerkennung beruflicher Befähigungsnachweise in Ergänzung zur Richtlinie 89/48/ EWG; h. „koordinierter Bereich" die für die Anbieter von Diensten der Informationsgesellschaft und die Dienste der Informationsgesellschaft in den Rechtssystemen der Mitgliedsstaaten festgelegten Anforderungen, ungeachtet der Frage, ob sie allgemeiner Art oder speziell für sie bestimmt sind. i. Der koordinierte Bereich betrifft vom Diensteanbieter zu erfüllende Anforderungen in Bezug auf - die Aufnahme der Tätigkeit eines Dienstes der Informationsgesellschaft, beispielsweise Anforderungen betreffend Qualifikationen, Genehmigung oder Anmeldung; - die Ausübung der Tätigkeit eines Dienstes der Informationsgesellschaft, beispielsweise Anforderungen betreffend das Verhalten des Diensteanbieters, Anforderungen betreffend Qualität oder Inhalt des Dienstes, einschließlich der auf Werbung und Verträge anwendbaren Anforderungen, sowie Anforderungen betreffend die Verantwortlichkeit des Diensteanbieters. ii. Der koordinierte Bereich umfasst keine Anforderungen wie - Anforderungen betreffend die Waren als solche; - Anforderungen betreffend die Lieferung von Waren;
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- Anforderungen betreffend Dienste, die nicht auf elektronischem Wege erbracht werden. Artikel 3 Binnenmarkt (1) Jeder Mitgliedsstaat trägt dafür Sorge, dass die Dienste der Informationsgesellschaft, die von einem in seinem Hoheitsgebiet niedergelassenen Diensteanbieter erbracht werden, den in diesem Mitgliedsstaat geltenden innerstaatlichen Vorschriften entsprechen, die in den koordinierten Bereich fallen. (2) Die Mitgliedsstaaten dürfen den freien Verkehr von Diensten der Informationsgesellschaft aus einem anderen Mitgliedsstaat nicht aus Gründen einschränken, die in den koordinierten Bereich fallen. (3) Die Absätze 1 und 2 finden keine Anwendung auf die im Anhang genannten Bereiche. (4) Die Mitgliedsstaaten können Maßnahmen ergreifen, die im Hinblick auf einen bestimmten Dienst der Informationsgesellschaft von Absatz 2 abweichen, wenn die folgenden Bedingungen erfüllt sind: a. Die Maßnahmen i) sind aus einem der folgenden Gründe erforderlich: - Schutz der öffentlichen Ordnung, insbesondere Verhütung, Ermittlung, Aufklärung und Verfolgung von Straftaten, einschließlich des Jugendschutzes und der Bekämpfung der Hetze aus Gründen der Rasse, des Geschlechts, des Glaubens oder der Nationalität, sowie von Verletzungen der Menschenwürde einzelner Personen, - Schutz der öffentlichen Gesundheit, - Schutz der öffentlichen Sicherheit, einschließlich der Wahrung nationaler Sicherheits- und Verteidigungsinteressen, - Schutz der Verbraucher, einschließlich des Schutzes von Anlegern; ii) betreffen einen bestimmten Dienst der Informationsgesellschaft, der die unter Ziffer i) genannten Schutzziele beeinträchtigt oder eine ernsthafte und schwerwiegende Gefahr einer Beeinträchtigung dieser Ziele darstellt; iii) stehen im Verhältnis zu diesen Schutzzielen.
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b. Der Mitgliedsstaat hat vor Ergreifen der betreffenden Maßnahmen unbeschadet etwaiger Gerichtsverfahren, einschließlich Vorverfahren und Schritten im Rahmen einer strafrechtlichen Ermittlung, - den in Absatz 1 genannten Mitgliedsstaat aufgefordert, Maßnahmen zu ergreifen, und dieser hat dem nicht Folge geleistet oder die von ihn getroffenen Maßnahmen sind unzulänglich; - die Kommission und den in Absatz 1 genannten Mitgliedsstaat über seine Absicht, derartige Maßnahmen zu ergreifen, unterrichtet. (5) Die Mitgliedsstaaten können in dringlichen Fällen von den in Absatz 4 Buchstabe b. genannten Bedingungen abweichen. In diesem Fall müssen die Maßnahmen so bald wie möglich und unter Angabe der Gründe, aus denen der Mitgliedsstaat der Auffassung ist, dass es sich um einen dringlichen Fall handelt, der Kommission und dem in Absatz 1 genannten Mitgliedsstaat mitgeteilt werden. (6) Unbeschadet der Möglichkeit des Mitgliedsstaates, die betreffenden Maßnahmen durchzuführen, muss die Kommission innerhalb kürzestmöglicher Zeit prüfen, ob die mitgeteilten Maßnahmen mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sind; gelangt sie zu dem Schluss, dass die Maßnahme nicht mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist, so fordert sie den betreffenden Mitgliedsstaat auf, davon Abstand zu nehmen, die geplanten Maßnahmen zu ergreifen, bzw. bereits ergriffene Maßnahmen unverzüglich einzustellen. KAPITEL II GRUNDSÄTZE Abschnitt 1 Niederlassung und Informationspflichten Artikel 4 Grundsatz der Zulassungsfreiheit (1) Die Mitgliedsstaaten stellen sicher, dass die Aufnahme und die Ausübung der Tätigkeit eines Anbieters von Diensten der Informationsgesellschaft nicht zulassungspflichtig ist und keiner sonstigen Anforderung gleicher Wirkung unterliegt. (2) Absatz 2 gilt unbeschadet der Zulassungsverfahren, die nicht speziell und ausschließlich Dienste der Informationsgesellschaft betreffen oder die in den Anwendungsbereich der Richtlinie 97/13/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. April 1997 über einen gemeinsamen Rahmen für Allgemein- und Einzelgenehmigungen für Telekommunikationsdienste fallen.
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Artikel 5 Allgemeine Informationspflichten (1) Zusätzlich zu den sonstigen Informationsanforderungen nach dem Gemeinschaftsrecht stellen die Mitgliedsstaaten sicher, dass der Diensteanbieter den Nutzern des Dienstes und den zuständigen Behörden zumindest die nachstehend aufgeführten Informationen leicht, unmittelbar und ständig verfügbar macht: a) den Namen des Diensteanbieters; b) die geographische Anschrift, unter der der Diensteanbieter niedergelassen ist; c) Angaben, die es ermöglichen, schnell mit dem Diensteanbieter Kontakt aufzunehmen und unmittelbar und effizient mit ihm zu kommunizieren, einschließlich seiner Adresse der elektronischen Post; d) wenn der Diensteanbieter in ein Handelsregister oder ein vergleichbares öffentliches Register eingetragen ist, das Handelsregister, in das der Diensteanbieter eingetragen ist, und seine Handelsregisternummer oder eine gleichwertige in diesem Register verwendete Kennung; e) soweit für die Tätigkeit eine Zulassung erforderlich ist, die Angaben zu zuständiger Aufsichtsbehörde; f) hinsichtlich reglementierter Berufe: gegebenenfalls der Berufsverband, die Kammer oder eine ähnliche Einrichtung, dem oder der der Diensteanbieter angehört, die Berufsbezeichnung und der Mitgliedsstaat in der sie verliehen worden ist; eine Verweisung auf die im Mitgliedsstaat der Niederlassung anwendbaren berufsrechtlichen Regeln und Angaben dazu, wie sie zugänglich sind; g) in Fällen, in denen der Diensteanbieter Tätigkeiten ausübt, die der Mehrwertsteuer unterliegen, die Identifikationsnummer gemäß Artikel 22 Absatz 1 der sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über die Umsatzsteuer - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage. (2) Zusätzlich zu den sonstigen Informationsanforderungen nach dem Gemeinschaftsrecht tragen die Mitgliedsstaaten zumindest dafür Sorge, dass, soweit Dienste der Informationsgesellschaft auf Preise Bezug nehmen, diese klar und unzweideutig ausgewiesen werden und insbesondere angegeben wird, ob Steuern und Versandkosten in den Preisen enthalten sind. 82
Abschnitt 2 Kommerzielle Kommunikationen Artikel 6 Informationspflichten Zusätzlich zu den sonstigen Informationsanforderungen nach dem Gemeinschaftsrecht stellen die Mitgliedsstaaten sicher, dass kommerzielle Kommunikationen, die Bestandteil eines Dienstes der Informationsgesellschaft sind oder einen solchen Dienst darstellen, zumindest folgende Bedingungen erfüllen: a) Kommerzielle Kommunikationen müssen klar als solche zu erkennen sein; b) die natürliche oder juristische Person, in deren Auftrag kommerzielle Kommunikationen erfolgen, muss klar identifizierbar sein; c) soweit Angebote zur Verkaufsförderung wie Preisnachlässe, Zugaben und Geschenke im Mitgliedsstaat der Niederlassung des Diensteanbieters zulässig sind, müssen sie klar als solche erkennbar sein, und die Bedingungen für ihre Inanspruchnahme müssen leicht zugänglich sein sowie klar und unzweideutig angegeben werden; d) soweit Preisausschreiben oder Gewinnspiele im Mitgliedsstaat der Niederlassung des Diensteanbieters zulässig sind, müssen sie klar als solche erkennbar sein, und die Teilnahmebedingungen müssen leicht zugänglich sein sowie klar und unzweideutig angegeben werden. Artikel 7 Nicht angeforderte
kommerzielle
Kommunikationen
(1) Zusätzlich zu den sonstigen Anforderungen des Gemeinschaftsrechts stellen Mitgliedsstaaten, die nicht angeforderte kommerzielle Kommunikation mittels elektronischer Post zulassen, sicher, dass solche kommerziellen Kommunikationen eines in ihrem Hoheitsgebiet niedergelassenen Diensteanbieters bei Eingang beim Nutzer klar und unzweideutig als solche erkennbar sind. (2) Unbeschadet der Richtlinien 97/7/EG und 97/66/EG ergreifen die Mitgliedsstaaten Maßnahmen um sicherzustellen, dass Diensteanbieter, die nicht angeforderte kommerzielle Kommunikation durch elektronische Post übermitteln, regelmäßig sog. Robinson-Listen konsultieren, in die sich natürliche Personen eintragen können, die keine derartigen kommerziellen Kommunikationen zu erhalten wünschen, und dass die Diensteanbieter diese Listen beachten.
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Artikel 8 Reglementierte
Berufe
(1) Die Mitgliedsstaaten stellen sicher, dass die Verwendung kommerzieller Kommunikationen, die Bestandteil eines von einem Angehörigen eines reglementierten Berufs angebotenen Dienstes der Informationsgesellschaft sind oder einen solchen Dienst darstellen, gestattet ist, soweit die berufsrechtlichen Regeln, insbesondere zur Wahrung von Unabhängigkeit, Würde und Ehre des Berufs, des Berufsgeheimnisses und eines lauteren Verhaltens gegenüber Kunden und Berufskollegen, eingehalten werden. (2) Unbeschadet der Autonomie von Berufsvereinigungen und -Organisationen ermutigen die Mitgliedsstaaten und die Kommission die Berufsvereinigungen und -Organisationen dazu, Verhaltenkodizes auf Gemeinschaftsebene aufzustellen, um zu bestimmen, welche Arten von Informationen im Einklang mit den in Absatz 1 genannten Regeln zum Zwecke der kommerziellen Kommunikation erteilt werden können. (3) Bei der Ausarbeitung von Vorschlägen für Gemeinschaftsinitiativen, die erforderlich werden könnten, um das Funktionieren des Binnenmarktes im Hinblick auf die in Absatz 2 genannten Informationen zu gewährleisten, trägt die Kommission den auf Gemeinschaftsebene geltenden Verhaltenskodizes gebührend Rechnung und handelt in enger Zusammenarbeit mit den einschlägigen Berufsvereinigungen und -Organisationen. (4) Diese Richtlinie findet zusätzlich zu den Gemeinschaftsrichtlinien betreffend den Zugang zu und die Ausübung von Tätigkeiten im Rahmen der reglementierten Berufe Anwendung. Abschnitt 3 Abschluss von Verträgen auf elektronischem Weg Artikel 9 Behandlung von Verträgen (1) Die Mitgliedsstaaten stellen sicher, dass ihr Rechtssystem den Abschluss von Verträgen auf elektronischem Wege ermöglicht. Die Mitgliedsstaaten stellen insbesondere sicher, dass ihre für den Vertragsabschluss geltenden Rechtsvorschriften weder Hindernisse für die Verwendung elektronischer Verträge bilden noch dazu führen, dass diese Verträge aufgrund des Umstandes, dass sie auf elektronischem Wege zustande gekommen sind, keine rechtliche Wirksamkeit oder Gültigkeit haben.
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(2) Die Mitgliedsstaaten können vorsehen, dass Absatz 1 auf alle oder bestimmte Verträge einer der folgenden Kategorien keine Anwendung findet: a) Verträge, die Rechte an Immobilien mit Ausnahme von Mietrechten begründen oder rübertragen; b) Verträge, bei denen die Mitwirkung von Gerichten, Behörden oder öffentliche Befugnisse ausübenden Berufen gesetzlich vorgeschrieben ist; c) Bürgschaftsverträge und Verträge über Sicherheiten, die von Personen außerhalb ihrer gewerbliche, geschäftlichen oder beruflichen Tätigkeit eingegangen werden; d) Verträge im Bereich des Familienrechts oder des Erbrechts. (3) Die Mitgliedsstaaten teilen der Kommission mit, für welche der in Absatz 2 genannten Kategorien sie Absatz 1 nicht anwenden. Die Mitgliedsstaaten übermitteln der Kommission alle fünf Jahre einen Bericht über die Anwendung des Absatzes 2, aus dem hervorgeht, aus welchen Gründen es ihres Erachtens weiterhin gerechtfertigt ist, auf die unter Absatz 2 Buchstabe b) fallende Kategorie Absatz 1 nicht anzuwenden. Artikel
10 Informationspflichten
(1) Zusätzlich zu den sonstigen Informationspflichten aufgrund des Gemeinschaftsrechts stellen die Mitgliedsstaaten sicher, dass - außer im Fall abweichender Vereinbarungen zwischen Parteien, die nicht Verbraucher sind - vom Diensteanbieter zumindest folgende Informationen klar, verständlich und unzweideutig erteilt werden, bevor der Nutzer des Dienstes die Bestellung abgibt: a) die einzelnen technischen Schritte, die zu einem Vertragsabschluss führen; b) Angaben dazu, ob der Vertragstext nach Vertragsabschluss vom Diensteanbieter gespeichert wird und ob er zugänglich sein wird; c) die technischen Mittel zu Erkennung und Korrektur von Eingabefehlern vor Abgabe der Bestellung; d) die für den Vertragsabschluss zur Verfügung stehenden Sprachen. (2) Die Mitgliedsstaaten stellen sicher, dass - außer im Fall abweichender Vereinbarungen zwischen Parteien, die nicht Verbraucher sind - der Diensteanbieter alle einschlägigen Verhaltenskodizes angibt, denen er sich unterwirft, einschließlich Informationen darüber, wie diese Kodizes auf elektronischem Weg zugänglich sind. 85
(3) Die Vertragsbestimmungen und die Allgemeinen Geschäftsbedingungen müssen dem Nutzer so zu Verfügung gestellt werden, dass er sie speichern und reproduzieren kann. (4) Die Absätze 1 und 2 gelten ausschließlich durch den Austausch von elektronischer Post oder durch damit vergleichbare individuelle Kommunikation geschlossen werden. Artikel
77 Abgabe einer Bestellung
(1) Die Mitgliedsstaaten stellen sicher, dass - außer im Fall abweichender Vereinbarungen zwischen Parteien, die nicht Verbraucher sind - im Fall einer Bestellung durch einen Nutzer auf elektronischem Wege folgende Grundsätze gelten: -
Der Diensteanbieter hat den Eingang der Bestellung des Nutzers unverzüglich auf elektronischem Wege zu bestätigen ; - Bestellung und Empfangsbestätigung gelten als eingegangen, wenn die Parteien, für die sie bestimmt sind, sie abrufen können.
(2) Die Mitgliedsstaaten stellen sicher, dass - außer im Fall abweichender Vereinbarungen zwischen Parteien, die nicht Verbraucher sind - der Diensteanbieter dem Nutzer angemessene, wirksame und zugängliche technische Mittel zur Verfügung stellt, mit denen er Eingabefehler vor Abgabe der Bestellung erkennen und korrigieren kann. (3) Absatz 1 erster Gedankenstrich und Absatz 2 gelten nicht für Verträge, die ausschließlich durch den Austausch von elektronischer Post oder durch vergleichbare individuelle Kommunikation geschlossen werden. Abschnitt 4 Verantwortlichkeit der Vermittler Artikel
72 Reine Durchleitung
(1) Die Mitgliedsstaaten stellen sicher, dass im Fall eines Dienstes der Informationsgesellschaft, der darin besteht, von einem Nutzer eingegebene Informationen in einem Kommunikationsnetz zu übermitteln oder Zugang zu einem Kommunikationsnetz zu vermitteln, der Diensteanbieter nicht für die übermittelten Informationen verantwortlich ist, sofern er a) die Übermittlung nicht veranlasst, b) den Adressaten der übermittelten Informationen nicht anwählt und c) die übermittelten Informationen nicht auswählt oder verändert.
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(2) Die Übermittlung von Informationen und die Vermittlung des Zugangs im Sinne von Absatz 1 umfassen auch die automatische kurzzeitige Zwischenspeicherung der übermittelten Informationen, soweit dies nur zur Durchführung der Übermittlung im Kommunikationsnetz geschieht und die Information nicht länger gespeichert wird, als es für die Übermittlung üblicherweise erforderlich ist. (3) Dieser Artikel lässt die Möglichkeit unberührt, dass ein Gericht oder eine Verwaltungsbehörde nach den Rechtssystemen der Mitgliedsstaaten vom Diensteanbieter verlangt, die Rechtsverletzung anzustellen oder zu verhindern. Artikel
13 Caching
(1) Die Mitgliedsstaaten stellen sicher, dass im Fall eines Dienstes der Informationsgesellschaft, der darin besteht, von einem Nutzer eingegebene Informationen in einem Kommunikationsnetz zu übermitteln, der Diensteanbieter nicht für die automatische, zeitlich begrenzte Zwischenspeicherung verantwortlich ist, die dem alleinigen Zweck dient, die Übermittlung der Information an andere Nutzer auf deren Anfrage effizienter zu gestalten, sofern folgende Voraussetzungen erfüllt sind: a) Der Diensteanbieter verändert die Informationen nicht; b) der Diensteanbieter beachtet die Bedingungen für den Zugang zu der Information ; c) der Diensteanbieter beachtet die Regeln für die Aktualisierung der Information, die in weithin anerkannten und verwendeten Industriestandards festgelegt sind; d) der Diensteanbieter beeinträchtigt nicht die erlaubte Anwendung von Technologien zur Sammlung von Daten über die Nutzung der Information, die weithin anerkannten und verwendeten Industriestandards festgelegt sind; e) der Diensteanbieter handelt zügig, um eine von ihm gespeicherte Information zu entfernen oder den Zugang zu ihr zu sperren, sobald er tatsächliche Kenntnis davon erhält, dass die Information am ursprünglichen Ausgangsort der Übertragung aus dem Netz entfernt wurde oder der Zugang zu ihr gesperrt wurde oder ein Gericht oder eine Verwaltungsbehörde die Entfernung oder Sperrung angeordnet hat. (2) Dieser Artikel lässt die Möglichkeit unberührt, dass ein Gericht oder eine Verwaltungsbehörde nach den Rechtssystemen der Mitgliedsstaaten vom Diensteanbieter verlangt, die Rechtsverletzung abzustellen oder zu verhindern. 87
Artikel
74 Hosting
(1) Die Mitgliedsstaaten stellen sicher, dass im Fall eines Dienstes der Informationsgesellschaft, der in der Speicherung von durch einen Nutzer eingegebenen Informationen besteht, der Diensteanbieter nicht für die im Auftrag eines Nutzers gespeicherten Informationen verantwortlich ist, sofern folgende Voraussetzungen erfüllt sind: a) Der Anbieter hat keine tatsächliche Kenntnis von der rechtswidrigen Tätigkeit oder Information, und, in Bezug auf Schadensersatzansprüche, ist er sich auch keiner Tatsachen oder Umstände bewusst, aus denen die rechtswidrige Tätigkeit oder Information offensichtlich wird, oder b) der Anbieter wird, sobald er diese Kenntnis oder dieses Bewusstsein erlangt, unverzüglich tätig, um die Information zu entfernen oder den Zugang zu ihr zu sperren. (2) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Nutzer dem Diensteanbieter untersteht oder von ihm beaufsichtigt wird. (3) Dieser Artikel lässt die Möglichkeit unberührt, dass ein Gericht oder eine Verwaltungsbehörde nach den Rechtssystemen der Mitgliedsstaaten vom Diensteanbieter verlangt, die Rechtsverletzung abzustellen oder zu verhindern, oder dass die Mitgliedsstaaten Verfahren für die Entfernung einer Information oder die Sperrung des Zugangs zu ihr festlegen. Artikel
15 Keine allgemeine Überwachungspflicht
(1) Die Mitgliedsstaaten erlegen Anbietern von Diensten im Sinne der Artikel 12, 13 und 14 keine allgemeine Verpflichtung auf, die von ihnen übermittelten oder gespeicherten Informationen zu überwachen oder aktiv nach Umständen zu forschen, die auf eine rechtswidrige Tätigkeit hinweisen. (2) Die Mitgliedsstaaten können Anbieter von Diensten der Informationsgesellschaft dazu verpflichten, die zuständigen Behörden unverzüglich über mutmaßliche rechtswidrige Tätigkeiten oder Informationen der Nutzer ihrer Dienste zu unterrichten, oder dazu verpflichten, den zuständigen Behörden auf Verlangen Informationen zu übermitteln, anhand deren die Nutzer ihres Dienstes, mit denen sie Vereinbarungen über die Speicherung geschlossen haben, ermittelt werden können.
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Kapitel IV Schlussbestimmungen Artikel 22 Umsetzung (1) Die Mitgliedsstaaten setzen die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften in Kraft, um dieser Richtlinie vor dem 17. Januar 2002 nachzukommen. Sie setzen die Kommission unverzüglich davon in Kenntnis. (2) Wenn die Mitgliedsstaaten die in Absatz 1 genannten Vorschriften erlassen, nehmen sie in den Vorschriften selbst oder durch einen Hinweis bei der amtlichen Veröffentlichung auf diese Richtlinie Bezug. Die Mitgliedsstaaten regeln die Einzelheiten der Bezugnahme. Artikel 23 Inkrafttreten Diese Richtlinie tritt am Tag ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften in Kraft. Artikel 24 Adressaten Diese Richtlinie ist an die Mitgliedsstaaten gerichtet. Geschehen zu Luxemburg am 8. Juni 2000.
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Zum Autor Studium der Rechts- und Wirtschaftswissenschaften, Rechtsreferendariat in Heidelberg, vier Jahre im kaufmännischen Vertriebswesen im Großanlagengeschäft in internationalem Konzern in Mannheim tätig, sechs Jahre Leiter der Rechts-, Vertrags- und Patentabteilung in einem internationalen F+ Ε-Unternehmen in Frankfurt am Main, parallel dazu mehrere Jahre Lehrbeauftragter an der FH Worms (Fachbereich Handel) auf den Gebieten Produkthaftung und Technologietransfer, seit 1995 Rechtsanwalt in Hockenheim mit den Schwerpunkten Vertragsrecht, Produkthaftung, Technologietransfer. Regelmäßige Durchführung von Seminar- und Vortragsveranstaltungen zu diesen Themen. Veröffentlichungen:
Der Forschungs- und Entwicklungsvertrag, 2. Auflage 2001 (C.H.Beck-Verlag),
Vertragsrecht und Allgemeine Geschäftsbedingungen, 2001 (RKW-Verlag),
Produkthaftung, 2001 (RKW-Verlag) sowie zahlreiche Buchbesprechungen in juristischen Fachzeitschriften.
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