Die schönste Musik zu hören: Europäische Musiker im barocken Rom 3534239040, 9783534239047

Im 17. Jh. machten sich immer wieder Musiker aus ganz Europa auf den Weg nach Rom, um dort den italienischen Stil zu erl

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German Pages 128 [130] Year 2012

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Inhalt
Danksagung
„Weil alda die schönste music zu hören”
„Roma antiqua e moderna”: Rom als Musikmetropole des Barockzeitalters
Zwischen Landsmännern und Kollegen: Europäische Musiker und Rom
„Allein es gefiel ihm gar nicht, lange an einem Orte zu bleiben”: Motivationen für eine Reise nach Rom
„... dass ich auf diesem Gebiet nicht gerade wenig reüssiere.” – Eingliederungsmöglichkeiten in Rom
Musikalischer Stadtplan Roms
Musik und Gesellschaft am päpstlichen Hof
Kirchen und Oratorien
Adelspaläste und Gesandtschaften
Oper
Musik auf der Straße
Musiker und ihre Mäzene
Ein berühmter Sachse in Rom: Georg Friedrich Händel
Ein Kammerdiener aus Paris: Pierre de Nyert
Spanische Kastraten
Europäisches in der römischen Musikgeschichte
Bibliographie
Quellen
Nachschlagewerke
Forschungsliteratur
Personenregister
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Die schönste Musik zu hören: Europäische Musiker im barocken Rom
 3534239040, 9783534239047

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Br it ta K ägl er / Ge sa z u r N i eden

Die schönste Musik zu hören Europäische Musiker im barocken Rom

Britta Kägler, Gesa zur Nieden „Die schönste Musik zu hören“

Britta Kägler, Gesa zur Nieden

„Die schönste Musik zu hören“ Europäische Musiker im barocken Rom

Die Publikation wurde gefördert durch den Wilhelm-Weischedel-Fonds der WBG. Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung in und Verarbeitung durch elektronische Systeme. © 2012 by WBG (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), Darmstadt Die Herausgabe des Werkes wurde durch die Vereinsmitglieder der WBG ermöglicht. Redaktion: Dr. Rainer Aschemeier, Weinheim Layout, Satz und Prepress: Jung Crossmedia Publishing GmbH, Lahnau Umschlaggestaltung: Finken & Bumiller, Stuttgart Umschlagabbildung: Francesco Fieravino: Stillleben mit Zitronen und Violine. © akg-images/Erich Lessing Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Papier Printed in Germany Besuchen Sie uns im Internet: www.wbg-wissenverbindet.de

ISBN 978-3-534-23904-7 Elektronisch sind folgende Ausgaben erhältlich: eBook (PDF): 978-3-534-71307-3 eBook (epub): 978-3-534-71309-7

Inhalt „Weil alda die schönste music zu hören“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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„Roma antiqua e moderna“: Rom als Musikmetropole des Barockzeitalters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Zwischen Landsmännern und Kollegen: Europäische Musiker und Rom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 „Allein es gefiel ihm gar nicht, lange an einem Orte zu bleiben“: Motivationen für eine Reise nach Rom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 „. . . dass ich auf diesem Gebiet nicht gerade wenig reüssiere.“ – Eingliederungsmöglichkeiten in Rom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 Musikalischer Stadtplan Roms . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Musik und Gesellschaft am päpstlichen Hof . . . . . . . . . . . . . . . . Kirchen und Oratorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Adelspaläste und Gesandtschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Oper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Musik auf der Straße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Musiker und ihre Mäzene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ein berühmter Sachse in Rom: Georg Friedrich Händel . . . . . . . Ein Kammerdiener aus Paris: Pierre de Nyert . . . . . . . . . . . . . . . Spanische Kastraten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Europäisches in der römischen Musikgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . 112 Bibliographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120

Danksagung Wir danken Dr. Markus Engelhardt, Dr. Daniel Martin Feige und Alexander Wegmaier M.A. für ihre Hilfe bei der Überarbeitung des Manuskripts.

„Weil alda die schönste music zu hören“ Es gibt keinen Tag, schreibt Emmanuel de Coulanges über seinen Romaufenthalt von 1690, an dem nicht in einer der römischen Kirchen ein aufwendiges Fest gefeiert würde. Hier konnte man sicher sein, auf ganz Rom zu treffen; Diener informierten ihre Herrschaften. Der Andrang war meistens so groß, dass schon am Vorabend ein regelrechtes Wettrennen der vielen Kutschen entstand, die zur Kirche durchdringen wollten. Die Rangfolge der Kutschen war essentiell zur Verdeutlichung des eigenen Status innerhalb der römischen Gesellschaft und auch auf dem internationalen diplomatischen Parkett. Dafür reichte es, seine repräsentative Kutsche einzureihen, man musste nicht notwendig auch in ihr sitzen. Die Kirchenfassade erstrahlte durch prächtige Dekorationen in ihrem vollen architektonischen Glanz. Vor dem Eingang waren Trompeter und Trommler positioniert, um weitere Besucher anzulocken. Im Innern, wo der Blick vom Silber auf dem Hauptaltar gefangen wurde, erklang die schönste Musik der besten römischen Sänger und Instrumentalisten. Auch die Anwesenden selbst vervollständigten den Glanz der festlichen Messe; reichhaltige Blumenbouquets wurden den Kardinälen und dem hohen Adel überreicht. Die Besucher, die den meisten Aufwand trieben, brachten sich Eis und Schokolade zum Verzehr in die Kirche mit. Auch Coulanges probierte davon in Il Gesù und der Kirche der spanischen Karmeliterinnen. Während des römischen Karnevals lockten weitere musikalische und lukullische Vergnügungen. Hier wurden die Buffets mit Früchten, Konfitüren und anderen Erfrischungen zu Bällen in den großen Opernhäusern aufgefahren. Einen solchen gab Antonio Ottoboni für die römischen Damen, so wie er es aus seiner Heimatstadt Venedig kannte. Getanzt wurde im Parkett. Nach der Oper stiegen die Zuschauer über eine extra für diesen Abend angelegte Treppe in den Saal. Im selben Moment wurde von der Decke eine unendlich scheinende Zahl von Kerzen in Kristallleuchtern heruntergelassen, und die Logen wurden mit Fackeln beleuchtet. Nachdem die Tänzer im Parkett angekommen waren,

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öffnete sich der Vorhang vor einer Gruppe von Darstellern mit venezianischen Masken, die auf den Stufen eines Amphitheaters an der Bühnenrückwand Platz genommen hatten. Nun erklang Musik, die auch hier schon mit den ersten Bogenstrichen überzeugte. Der Ball endete mit einigen französischen Menuetten, die man der Prinzessin Lante, dem Prince de Turenne und den weiteren ausländischen Gästen vortanzte, die sich für die französische Mode interessierten. Im barocken Rom kam kein Fest, keine Messe, keine prächtige Theaterinszenierung ohne Musik aus. Die italienische Musik war über alle Maßen in ganz Europa als die „schönste“ und „herrlichste“ berühmt. Sie begeisterte nicht nur die römische Bevölkerung, sondern zog auch über die Grenzen der Stadt und sogar weit über die italienische Halbinsel hinaus Musiker, Fürstensöhne und Kaufleute an. Kein Adliger verzichtete auf seiner Grand Tour auf das Erlebnis einer musikalischen Darbietung in Rom, und auch in Musikerkreisen im Europa des 17. und beginnenden 18. Jahrhunderts war die römische Musik in aller Munde: „Weil alda die schönste music zu hören“, hieß es bei Maximilian Freiherr von Schurff 1718, der zwei Wittelsbacher Prinzen auf ihrer Italienreise begleitete, um die vielen Konzertbesuche mit seinen Schützlingen in römischen Kirchen zu rechtfertigen. Dass sie hier die schönste Musik zu hören bekommen haben, mögen viele andere Rombesucher ebenso empfunden haben, denn das römische Musikleben mit seinen vielen Konzerten, festlichen Messen, Opernaufführungen, Oratorien, Serenaden und privaten Musikaufführungen gab der Stadt einen ganz besonderen Reiz. Hier verdichteten sich Architektur, Kunst und Musik zu einem prachtvollen Spektakel. Nicht zuletzt deshalb war Rom oft das Hauptziel europäischer Reisender und Musiker im Barock. Um das römische Musikleben ranken sich unzählige Geschichten, ernste und heitere, wahre und fiktive, nachprüfbare und bloß erzählte. In ihnen spiegelt sich die Aura des Papstsitzes als diplomatischem Zentrum Europas, in dem sich Gesandte aller europäischen Fürsten auf künstlerisch-musikalischem Gebiet gegenseitig zu übertreffen versuchten. Andererseits konnte man hier in die Musik eintauchen, die in Roms über 300 Kirchen tagtäglich erklang. Im Folgenden geht es um die fruchtbaren Begegnungen zwischen römischen Musikern und fremden Sängern, Komponisten und Instru-

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mentalisten, die aus ganz Europa nach Italien strömten, die Anerkennung, aber auch die Schwierigkeiten, die römische Mäzene mit ihrer Musik hatten, und um die Begeisterung der Musiker, das römische Musikleben kennenzulernen und davon für ihre eigene Musizier- und Komponierweise zu profitieren.

„Roma antiqua e moderna“: Rom als Musikmetropole des Barockzeitalters Das heutige Rom ist im Prinzip das Rom der Renaissance- und vor allem der Barockzeit. Es präsentiert sich seinen Besuchern immer noch wie zu Beginn des 17. Jahrhunderts mit prächtigen Kuppeln, monumentalen Säulenfronten, geschwungenen Fassaden, Putten und Stuck. Trotz städtebaulicher Veränderungen nachfolgender Jahrhunderte prägen nach wie vor Schlüsselbauten des römischen Barock das heutige Stadtbild. Hierzu zählen zahlreiche berühmte Kirchen wie die Jesuitenkirche Il Gesù, die Theatinerkirche Sant’Andrea della Valle, deren Bau in München nachgeahmt worden ist, Santa Maria in Vallicella, bekannt unter dem Namen Chiesa Nuova, oder Sant’Agnese in Agone an der Piazza Navona. Gerade um die Piazza Navona herum entstanden seit der Renaissance in kurzer Entfernung zueinander zahlreiche sogenannte Nationalkirchen. Die deutsche Nationalkirche Santa Maria dell’Anima liegt in einer Seitenstraße der Piazza Navona, während die spanische Nationalkirche San Giacomo degli Spagnoli mit ihrer Rückseite direkt an die Piazza grenzt. Die französische und die portugiesische Nationalkirche befinden sich nur einen Steinwurf weit entfernt. Das Phänomen der Nationalkirchen, deren Messen vor allem von den jeweiligen Pilgern und Landsleuten vor Ort besucht wurden, erklärt sich zum einen aus der Notwendigkeit heraus, dass alle „Nationen“, wie die Spanier, die Franzosen und die „Deutschen“, zu denen damals auch die Flamen, Niederländer, Böhmen und selbst die Skandinavier zählten, seit dem Mittelalter Hospize für die karitative Versorgung ihrer in Rom wohnenden und arbeitenden Angehörigen sowie der zahllosen Pilger bereitstellten. „Zum Lob und Ruhm des allmächtigen Gottes . . . und zur Ehre unserer . . . Nation und Zierde der Stadt Rom“ heißt es beispielsweise in der Gründungsurkunde von Santa Maria dell’Anima. Als der Bauboom im 15. Jahrhundert sich vor allem auf das bis dahin nur schwach besiedelte Gebiet um die Piazza Navona zu konzentrieren begann, entstanden zahlreiche Kirchen nach zeitgenössisch modernem Geschmack. Die direkte Konkur-

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renz auf engstem Raum ging sogar so weit, dass die deutsche Bruderschaft im Jahr 1499 ihr erst 50 Jahre altes Gotteshaus wieder abreißen ließ, weil sie hinter den neuen und im direkten Vergleich wesentlich beeindruckenderen Nationalkirchen der Spanier und Franzosen nicht zurückstehen wollte. Die gesamte Platzanlage der Piazza Navona und ihre nähere Umgebung sowie der Vatikan selbst sind im Gefolge der Renaissance als hervorragende Beispiele der barocken Neugestaltung Roms zu betrachten. Die zahlreichen Kirchenneubauten, großzügigen Plätze und Gartenanlagen mit Brücken, Brunnen und Wasserspielen, aber auch die imposanten Adelspaläste stadtrömischer Adelsgeschlechter wie beispielsweise der Palazzo Pamphilj an der Piazza Navona, waren Ausdruck kurialer und päpstlicher Macht, denn Rom war die Stadt der Apostelfürsten, Hauptstadt des Kirchenstaates und Residenzstadt der Päpste. Der Anstoß zu einer umfassenden Umgestaltung Roms, die letztlich den Ausschlag für das vergleichsweise homogene Stadtbild und die Verbindung ganzer Gebäudekomplexe mit ihrer städtischen Umgebung gab, ist bereits den Päpsten des ausgehenden 16. Jahrhunderts zu verdanken. Allen voran ließ Sixtus V. ab den 1580er-Jahren eine Neugestaltung Roms in Auftrag geben. Zuvor hatte das mittelalterliche Rom einen ständigen Niedergang erlebt: Unzählige antike Gebäude waren zerfallen, der bauliche Zustand vieler noch bewohnter Gebäude war katastrophal. Einige Bauwerke verkamen schlicht zu Steinbrüchen, mit denen römische Bürger ihre eigenen Häuser ausbesserten. Die Bevölkerungszahl war ebenfalls drastisch zurückgegangen. Diese Misere war auf ihrem Tiefpunkt angekommen, als die Päpste im 14. Jahrhundert nach Avignon ins französische Exil gingen. Anlass waren ununterbrochene Machtkämpfe der mächtigen römischen Adelsfamilien, die den jeweiligen Papst und die Kurie nicht zur Ruhe kommen ließen. Als der Franzose Bertrand de Got schließlich als Clemens V. zum Papst gewählt wurde, verlegte er die päpstliche Residenz 1309 nach Avignon und überließ die Stadt am Tiber sich selbst. Rom und der gesamte Kirchenstaat drohten nun zwischen rivalisierenden stadtrömischen Adelsclans zerrieben zu werden. Straßen und Wasserversorgung der einst prächtigsten Stadt der Welt waren schon längst nicht mehr intakt. Erst als die Päpste aus Avignon wieder nach Rom zurückkehrten, erlebte die Stadt einen kontinuierlichen Aufstieg zu alter Pracht, deren Realisierung im 17. Jahrhundert vollendet werden konnte. Von der Ku-

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rie wurde geplant, Rom als Mittelpunkt der katholischen Welt und als angestammten Regierungssitz des Kirchenstaates so prachtvoll wieder aufzubauen, dass dagegen sogar die antike Tradition Roms zu verblassen beginnen sollte. Die Päpste wollten mit einem Fanal aus Frankreich zurückkehren. Auf diese Art und Weise entstand mit geradezu hektischer Bautätigkeit eine einzigartige Stadtanlage. Den Anfang machte ein neues Wegenetz. Einzelne Straßen, die wie die Via Giulia teilweise schnurgerade angelegt wurden, verbanden Stadtviertel miteinander, die nun überhaupt erst wieder neu besiedelt wurden. Hinzu kamen Aquädukte, die bereits in der Antike Süßwasser aus den umliegenden Seen in die Stadt geleitet hatten und nun wieder über zwanzig öffentliche Brunnen versorgten. Der Architekt Domenico Fontana (1543–1607) begann außerdem damit, die sieben Hauptkirchen der Ewigen Stadt, die ein christlicher Pilger innerhalb eines Tages zu Fuß besuchen musste, um Ablässe zu erhalten, möglichst geradlinig miteinander zu verbinden. Im 16. Jahrhundert war diese frühchristliche Tradition neu belebt worden, sodass insbesondere zu Karneval und an Ostern, in den Heiligen Jahren, aber auch in den warmen Sommermonaten und im Herbst, unzählige Pilger zunächst den Petersdom besuchten und anschließend zu den Kirchen Sankt Paul vor den Mauern, San Sebastiano bei den Katakomben, in die Lateranbasilika sowie nach Santa Croce in Gerusalemme, Sankt Laurentius vor den Mauern und Santa Maria Maggiore weiterzogen. Nicht nur die Verbesserung der Infrastruktur an sich zeigt bereits in aller Deutlichkeit, wie wichtig auswärtige Besucher für die päpstliche Stadt waren; die Bedeutung der Baumaßnahmen wurde auch dadurch unterstrichen, dass der Papst einige Großbaustellen mehrmals im Monat persönlich besuchte, um sich vom Fortgang der Arbeiten zu überzeugen. Rom hat durch alle Jahrhunderte hindurch eine so starke Anziehungskraft auf Fremde ausgeübt wie keine andere Stadt. Nicht nur Fürsten machten sich mit ihrem Gefolge auf den Weg, um dem Papst ihre Aufwartung zu machen. Kardinäle, Bischöfe, Äbte, aber auch Mönche, einfache Kleriker, Handwerker, Händler, Musiker und Pilger aus allen Bevölkerungsschichten waren auf der Via Francigena auf dem Weg nach Süden, um zumindest einmal im Leben ein paar Tage in der Ewigen Stadt zu verbringen. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts betraten die meisten Fremden, die aus dem Norden nach Rom kamen, das Stadtgebiet

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durch die Porta del Popolo und nahmen die Via di Ripetta entlang des Tiberufers in Richtung Petersplatz. Die barocke Stadt konzentrierte sich nicht auf ein Zentrum, sondern auf mehrere innerhalb der Stadt, unter denen zumindest der Petersplatz ab der Mitte des 17. Jahrhunderts als der größte sakrale Barockplatz eine Vorrangstellung einnahm. Gian Lorenzo Bernini (1598–1680) entwarf vor dem Petersdom Mitte des 17. Jahrhunderts den berühmten von Kolonnaden eingefassten Bereich. Hinter der engen Bebauung des Borgo-Viertels öffnete sich anders als im heutigen Stadtbild der Petersplatz ganz unvermutet. Die beiden Reihen dorischer Säulen säumten das zunächst ungepflasterte Gelände um den Obelisken, den Domenico Fontana bereits im Jahr 1586 hatte aufstellen lassen. Die Kolonnaden verbinden nicht nur eine der wichtigsten Pilgerstätten der Christenheit mit der Stadt, sondern sie werden oft mit zwei sich öffnenden Armen verglichen. Der Architekt Bernini hat ihre allegorische Bedeutung selbst in Worte gefasst. Ihm zufolge stehen die Kolonnaden für eine mütterlich umarmende Geste, die alle Katholiken, die den Platz betreten, empfangen und im Glauben stärken, die Ketzer und Häretiker jedoch erneut mit der Kirche vereinen und die Ungläubigen zum wahren Glauben bekehren soll. Der Petersplatz steht damit in mehrerer Hinsicht stellvertretend für den Prototyp des Barockplatzes. Im Gegensatz zu geschlossenen Platzanlagen der vorherigen Jahrhunderte zeichneten sich die Neuerungen der Barockzeit vor allem dadurch aus, dass sich die Plätze nun mit ihrer Umgebung zu verbinden begannen und eine Erweiterung eines Kirchengebäudes oder eines Palastes darstellten. Gleichzeitig ist der Vatikan mit dem Petersplatz Sinnbild des Zentrums des Kirchenstaates schlechthin: hier war der päpstliche Hof. Allerdings muss man sich bewusst machen, dass der Kirchenstaat des 16., 17. und 18. Jahrhunderts keineswegs mit dem heutigen Bild einer vor allem aus zölibatär lebenden Männern zusammengesetzten Gesellschaft des Vatikans gleichgesetzt werden darf. Der päpstliche Hof war damals keineswegs eine reine Männerdomäne, sondern ähnelte vielmehr dem Hof in Wien genauso wie anderen europäischen Fürstenhöfen. Auch in Rom waren Frauen Teil der höfischen Gesellschaft. Lediglich zwei Besonderheiten unterschieden die päpstliche Monarchie von anderen Dynastien: zum einen der Wahlcharakter und zum anderen die geistlich-weltliche Doppelfunktion des Papsttums. Mit jedem neuen Konklave gelang es

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einer anderen Familie und ihrer Klientel, den Papst zu stellen. In der Musikförderung taten sich vor allem Maffeo Barberini, der spätere Papst Urban VIII., als „größter Kunstpapst des 17. Jahrhunderts“ und Giulio Rospigliosi, der spätere Clemens IX., hervor. Letzterer hatte bereits als Kardinal zahlreiche Libretti für die römische Oper geschrieben, die dann von namhaften Musikern vertont worden waren. Die feudalherrschaftliche Struktur hingegen war die gleiche wie in ganz Europa. Zum römischen Hof gehörten aristokratische Familien wie die Barberini, Pamphilj, Massimo, Odescalchi oder Borghese, die einflussreiche Ämter innehatten und deren Familienmitglieder Bischofsmützen und Kardinalshüte sammelten. Ihnen ging es darum, Macht und Einfluss der Familie zu vergrößern. Strategische Mittel waren die gleichen wie überall: der Ausbau und die Pflege eines personellen Netzwerks gehörten zu den wichtigsten; Kunstpatronage und Bestechung waren andere. Während weltliche Herrscherdynastien den Thron allerdings über viele Generationen hinweg vererben konnten, gelangte nach einem frankophilen Papst in der Regel ein Nachfolger auf den Stuhl Petri, der zur Faktion der Spanier zählte. Dementsprechend hoch war das diplomatische Aufkommen am Papstsitz, zu dem sowohl der französische König als „Re Christianissimo“, als auch der spanische „Re Cattolico“ und der Herrscher des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation ihre Vertreter entsandten. Jeder Papst versuchte daher, während seines Pontifikats möglichst viele Bauten zu errichten, das Familienwappen in der Stadt sichtbar zu machen und aufwendige Feste und Feiern mit Prunk und Luxus zu veranstalten. Die beste Umschreibung für das Lebensmotto der Barockzeit hat Peter Hersche mit der Formulierung gefunden, dass insbesondere „Muße und Verschwendung“ bezeichnend für die Epoche gewesen seien. Doch was ist mit dem allgegenwärtigen Begriff „Barock“ überhaupt gemeint? Der Begriff wurde ursprünglich im 18. Jahrhundert abwertend verwendet, weil man mit der Bezeichnung, etwas sei „barock“, schlicht eine Abweichung vom Herkömmlichen meinte. Im Zeitalter der Aufklärung galt all das als barock, was als überladen empfunden wurde und das Ideal der Klarheit störte. Erst im Laufe des 19. Jahrhunderts, das sich bis heute als hartnäckig wirkmächtig erweist, setzte sich „Barock“ als – wertneutrale – Epochenbezeichnung durch. Während mit den Begriffen „Vormoderne“ oder „Frühe Neuzeit“ der gesamte Zeitraum vom ausge-

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henden Mittelalter bis zur Moderne, also der Zeitraum vom 16. bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts oder von Martin Luther bis zu Napoleon, bezeichnet wird, umfasst das sogenannte Barockzeitalter nur einen Bruchteil davon. In etwa ist die Zeit von 1600 bis 1750 gemeint. Wie bei allen Periodisierungen lässt sich hier jedoch keine trennscharfe Grenze festlegen. Der Begriff „Barock“ dient in erster Linie zur schnellen Verständigung. Sobald es um Details der musikalischen Entwicklung im 17. und beginnenden 18. Jahrhundert geht, wird es jedoch schwierig, „den Barock“ von der ihn umgebenden Zeit abzugrenzen. Musikalische Charakteristika wie der Generalbass, das Konzert oder die musikalische Affektsprache reichen nicht aus, um eine vermeintlich spezifische „Barockmusik“ zu kennzeichnen, denn das Gleiche gilt zeitverschoben auch für Entwicklungen vor 1600 und nach 1750. Lediglich die Zäsur um 1600 ist in der Musikwissenschaft unumstritten, denn um die Jahrhundertwende vom 16. zum 17. Jahrhundert gewann die kontrapunktische Kompositionsweise an Wichtigkeit. Außerdem wurde im sogenannten Epochenjahr 1600 die erste – erhaltene – Oper, Jacopo Peris Euridice, aufgeführt. Gemeinsamkeiten des gesamten Untersuchungszeitraums, der hier in den Blick genommen wird, erschöpfen sich darüber hinaus jedoch in der Feststellung, dass die Dominanz der Vokalmusik sich in eine der Instrumentalmusik wandelt. Im Grunde sind es lediglich außermusikalische Kriterien, die den langen Zeitraum von 1600–1750 als Sinneinheit begreifbar werden lassen: Unabhängig von den sich vielfältig wandelnden und nicht wirklich vergleichbaren musikalischen Ausdrucksformen, geht es in dieser Zeit vor allem um die Darstellung von Menschen im Zentrum des musikalischen Interesses. Seinen Ursprung hat der Barock jedoch unbestritten als Entwicklung der bildenden Kunst und der Architektur, die um 1600 in Rom entstehen. Der Barock ist ein europäisches Phänomen der Kirchenspaltung, der anschließenden Gegenreformation, des Dreißigjährigen Krieges (1618–1648) und der sich anschließenden Zeit allgemeiner Verdichtung und Konzentration auf den Fürsten. Er greift Elemente der Erneuerung auf und verwischt Grenzen zwischen einzelnen Kunstgattungen. In lokalen Zentren wie Rom, Neapel und Venedig entwickelt, wird die Kunst des Barock im Rahmen fürstlicher Prachtentfaltung ein Erfolg ohnegleichen. Barockisierungen bereits bestehender Gebäude und großzügige Neubauten dienen der prunkvollen Selbstdarstellung von Monarchen

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und Adligen. Im Bereich der Musik bildete sich der Barock vor allem in einer immer stärker dramatisch aufgeladenen Kompositionsweise heraus, die schließlich in die neue Gattung der Oper mündete, einer musikalischen Form, die bis heute als prächtig und opulent gilt. Denn der Barock fällt auch in eine Zeit, in der sich ein Fürst wie Ludwig XIV. als Sonnenkönig inszenieren konnte und dessen „L’État c’est moi“ niemand in Frage zu stellen wagte. Der Höhepunkt des Absolutismus und der Barockstil bedingten sich in gewisser Weise gegenseitig. Für die römischkatholische Kirche war die Prachtentfaltung des Barock hingegen ein willkommenes Instrument, um die Gläubigen zu halten oder zurückzugewinnen, indem sie durch die Zurschaustellung von Prunk und Glanz gefesselt werden sollten. Diese Grundannahme gilt gemeinhin als Grund dafür, dass der größte Teil der kirchlichen Barockkunst in den katholischen Gebieten Europas zu finden ist. Die römische Barockarchitektur wurde zu einem ganz besonders bewusst genutzten Propagandainstrument der Gegenreformation. Weitere Impulse erhielt sie ab 1600 durch den neuen in Italien kultivierten Musikstil, dessen Erfolg schließlich immer mehr ausländische Musiker auf die italienische Halbinsel zog. Das, was wir heute als „Italien“ kennen, ist ein Staatengebilde, das sich erst im Laufe des 19. Jahrhunderts aus zahlreichen kleinen Fürstentümern, dem Kirchenstaat sowie dem Königreich Neapel und der Republik Venedig formte. In der Frühen Neuzeit und im Mittelalter konnte es noch kein Italien geben, konsequenterweise auch keine italienischen Musiker. Stattdessen bezeichneten sich Sänger und Instrumentalisten im 17. und 18. Jahrhundert je nach ihrer Herkunft als Neapolitaner, Römer, Florentiner oder Venezianer. Dass im Folgenden der Einfachheit halber durchaus von Italien oder einem sogenannten „italienischen Stil“ gesprochen wird, trägt der Außenperspektive fremder Musiker Rechnung. In ihren Augen bildete die Halbinsel südlich der Alpen trotz der verschiedenen Landesherren und Regierungsformen durchaus eine Einheit: Welschland!

Zwischen Landsmännern und Kollegen: Europäische Musiker und Rom Allerdings wurde Rom nicht erst seit dem 17. Jahrhundert zu einem beliebten Reiseziel und Wirkungsort europäischer Musiker, die von jenseits der Alpen stammten. Bereits in der Renaissance waren die päpstlichen Kapellen des Kirchenstaats größtenteils mit flämischen, nordfranzösischen aber auch spanischen Sängern besetzt. Die meisten dieser Musiker aus Nord- und Westeuropa, zu denen etwa Jacques Arcadelt (*1507 in Namur bei Brüssel, †1568 in Paris) und Cristobál de Morales (*um 1500 in Sevilla, †1553 in Marchena, Provinz Sevilla) gehörten, kehrten nach ihrer Wirkungszeit in Rom in ihre Heimat zurück. Die Arbeit am Papstsitz galt dementsprechend als Karriereziel europäischer Musiker, für das man ein Leben in der Fremde gerne in Kauf nahm. Dass so viele wichtige Positionen des kirchlich dominierten römischen Musiklebens mit Musikern besetzt waren, die nicht von der italienischen Halbinsel stammten, hing eng mit Stilfragen zusammen. Im 16. Jahrhundert war die mehrstimmige Kompositionsweise der Nordfranzosen und Flamen aus kunstvoll kombinierten Einzelstimmen (frankoflämische Vokalpolyphonie) in ganz Europa verbreitet. Seit Orlando di Lasso (aus Mons im Hennegau) und Pierluigi da Palestrina die mehrstimmige Kompositionsweise der Frankoflamen ab den 1540er-Jahren in Rom zu einer neuen Blüte geführt hatten, galt die Stadt als eines der wichtigsten Zentren der Vokalpolyphonie – auch wenn sich verschiedene kirchliche Parteien und zuletzt auch das Trienter Konzil (1545– 1563) immer wieder gegen diesen ausgeschmückten und mit weltlichen Melodien durchsetzten Stil wandten. Denn die virtuosen, mehrstimmigen Kompositionen dienten den Päpsten auch dazu, ihre weltliche Macht und politische Größe zu untermalen. Im 15. Jahrhundert und in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts ließen die Päpste oft verzierte mehrstimmige Musik zu wichtigen Gelegenheiten aufführen und stellten in ihrer Kapelle die namhaftesten frankoflämischen und spanischen Sängerkomponisten an, damit sie bei den päpstlichen Messen vor dem

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ausgesuchten Publikum aus Kardinälen und Botschaftern sangen. Ende 1528 brachte Johannes Conseil von einer Reise nach Frankreich und Flandern, die er antrat, um „Sänger für die Kapelle Unseres Herrn“ anzuwerben, sechs neue Sänger für die päpstliche Kapelle unter Clemens VII. mit. Die äußerst kunstvolle Vokalmusik der päpstlichen Sänger wurde dabei oftmals mit himmlischen Klängen oder Engelsmusik verglichen, die den Papst verherrlichten. Auf diese Weise war der Widerspruch zwischen einer durch musikalische Virtuosität herbeigeführten Machtdemonstration des Kirchenoberhaupts auf dem weltlich-politischen Parkett und der religiösen Frömmigkeit aufgehoben. Später, als die negativen Stimmen gegenüber der Vokalpolyphonie im Zuge der katholischen Reformbestrebungen zur Mitte des 16. Jahrhunderts immer lauter wurden (im 15. Jahrhundert wurde die Sängerkapelle einmal als ein „Sack voller Ferkel“ bezeichnet, bei deren durcheinander singendem Lärm und Geschrei man nichts vom Text verstehen könne), bildete sich zwischen der weltlichen Selbstpositionierung und den strengen religiösen Maßgaben des Trienter Konzils die sogenannte Römische Schule heraus. Sie zeichnete sich durch eine Kompositionsweise aus, welche die von Palestrina aufgegriffene kunstvolle Mehrstimmigkeit der Frankoflamen mit eingängigen Choralmelodien verband. Zugleich maß die Römische Schule der Verständlichkeit der Texte eine große Bedeutung zu. Palestrina stellt in der Widmung seiner berühmten Missa Papae Marcelli an Papst Marcellus II. (im Amt lediglich vom 9. April bis 1. Mai 1555, bevor er an Nierenversagen starb) heraus, dass es ihm um genau diese kompositorische Balance zwischen dem Respekt vor dem heiligen Wort und seiner individuellen künstlerischen Fertigkeit gegangen sei. In dieser Form war die Kirchenmusik auch für die fromme Andacht des Großteils der musikalisch weniger gebildeten Gläubigen geeignet, denn das Trienter Konzil sah vor, die Messe als Zelebrierung der Frömmigkeit stärker auf das Volk auszurichten. Die Anstrengungen, die frankoflämische Vokalpolyphonie in weniger kunstvolle, sondern andächtigere Bahnen zu lenken, spielten sich nicht nur auf der Ebene der Komposition ab. Gleichzeitig setzten sich einige Päpste immer mehr für eine Ausbildung der Musiker vor Ort in Rom ein, um dem Zustrom der nordeuropäischen Musiker entgegenzuwirken – und das lange vor dem herausragenden Schaffen Palestrinas. Im Jahr 1513 gründete Papst Julius II. eine zweite päpstliche Kapelle, die nach

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ihm benannt wurde. Die Cappella Giulia hatte zum Ziel, junge Sänger für den späteren Dienst in der Cappella Sistina, der hauptsächlichen päpstlichen Kapelle, auszubilden. Die neue Kapelle wurde schnell zu einem anerkannten Klangkörper, während die Ausbildung sich in den ersten Jahren auf wenige Knaben beschränkte. Ab 1546, unter Papst Paul III., war die Cappella Giulia schließlich ein etabliertes musikalisches Ensemble. Neben diesem Einsatz für die Ausbildung italienischer Musiker vor Ort in Rom, die allmählich in Konkurrenz mit den Musikern aus dem übrigen Europa traten, wurde ein Aufenthalt in Rom für die nord- und westeuropäischen Musiker auch in finanzieller Hinsicht weniger lohnend. Um die Mitte des 16. Jahrhunderts erwirkte das Trienter Konzil eine Beschränkung der päpstlichen Vergabe von Pfründen, mit denen das Kirchenoberhaupt die franko-flämischen Sänger bisher großzügig versehen hatte. Die franko-flämischen Musiker im Dienst des Papstes hatten dabei vor allem Ländereien in ihrer Heimat erhalten. Auch aus diesem Grund gestaltete sich ein Aufenthalt als kirchlicher Sänger in Rom ab der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts also immer uninteressanter, zumal die europäischen Sängerkomponisten der Renaissance nach ihrer Wirkungszeit in Rom oft in ihre Heimat zurückgekehrt waren. Trotz oder vielleicht auch gerade wegen der kirchlichen Reformbestrebungen im 16. Jahrhundert waren sich die Sänger der Cappella Sistina der hohen Anerkennung ihrer kunstvollen musikalischen Fertigkeiten vollauf bewusst. Sie begannen, sich in Szene zu setzen, wie zum Beispiel mithilfe von „Graffitti“ auf den Wänden der Sängerkanzel der Sixtinischen Kapelle: Eingeritzte Monogramme, kleine Zeichnungen oder Zitate standen hierbei für die selbstbewusste Verewigung der eigenen Person an diesem heiligen Ort, aber oft auch für die persönliche Bindung zur Sixtinischen Kapelle und ihren Mitgliedern. Der Altist Yves Barry schrieb sich im Jahr 1528 als „barry parisien“ („Barry aus Paris“) ein, nannte dabei also seine genaue Herkunft. Der Tenor und spätere Kapellmeister der Cappella Sistina, Giovanni Maria Nanino aus Tivoli bei Rom verewigte sich mit „IO MARIA NANN“ („Ich, Maria Nanino“) und dem Eintrittsdatum in das Sängerkollegium, dem 27. Oktober 1577. Nanino wurde in der Folge zu einem der bekanntesten Musiker Europas, dessen Werke auch über die italienische Halbinsel hinaus

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verbreitet waren. Zusammen mit seinem Bruder Giovanni Bernardino hatte Nanino in Rom eine große Schülerschaft und galt auch europaweit als wichtige Adresse für Musiker, die sich in Italien ausbilden lassen wollten. Die Nanino-Brüder standen dabei in engem Kontakt zur französischen Nationalkirche San Luigi dei Francesi, wo Giovanni Maria vor seiner Nominierung in der Cappella Sistina als Kapellmeister gewirkt hatte. Abgesehen von diesen Graffitti, die für die herausragende Rolle der päpstlichen Sänger sprechen, wie diese sie auch selbst wahrnahmen, finden sich auf den Wänden der Sängerkanzel aber auch weniger positive Inschriften. So lautet ein gleich zweimal eingeritztes anonymes lateinisches Zitat in Anlehnung an Ovid: „Solange du glücklich bist, wirst Du viele Freunde haben, wenn die Zeiten umwölkt sein werden, wird es nichts sein.“ Gleich von welchem Sänger der multinationalen päpstlichen Kapelle es stammte, das Zitat auf der Sängerempore der Sixtinischen Kapelle verdeutlicht die spannungsreiche Verknüpfung von Musikerberuf, künstlerischem Renommee aber auch persönlichen Befindlichkeiten innerhalb des Kollegenkreises im römischen Musikleben und dazu noch der finanziellen Situation. Diese Aspekte bestimmten das alltägliche Wirken der einheimischen wie nicht-einheimischen Musiker in Rom als dem musikalischen Zentrum des 16. und 17. Jahrhunderts, wobei sich ab 1550 vor allem die fremden Musiker künstlerisch aber auch persönlich durch Kontakte im römischen Musikleben positionieren mussten, um sich ihren Lebensunterhalt verdienen zu können. Vor dem Hintergrund der Prägung der römischen Kirchenmusik durch die franko-flämische Vokalpolyphonie ist es nicht verwunderlich, dass in Rom um 1600 immer noch viele französisch- und flämischsprachige Musiker in den großen Kapellen aktiv waren – sei es, um dort ausgebildet zu werden wie zum Beispiel der Sängerknabe Francesco „gallo“ in der päpstlichen Cappella Giulia im Jahr 1601, sei es als ordentliches Kapellmitglied, das sich für längere Zeit in der Stadt am Tiber niedergelassen hatte. Dies ist bei Christiano Ameyden aus Oirschot bei Lüttich der Fall, der seit 1563 mit einigen Unterbrechungen bis ca. 1603 als Kapellmeister in der Cappella Sistina wirkte. Ameyden wird dabei oft als der letzte frankoflämische Sänger der päpstlichen Kapelle bezeichnet, denn die nordeuropäischen Musiker wurden hier zunehmend durch italienische Sänger und Instrumentalisten ersetzt. Der aus Burgund stammende Bartolomeo Roy, der in den 1570er-Jahren die Kapelle von San

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Giovanni in Laterano, dem päpstlichen Bischofssitz in Rom, leitete, fand im Jahr 1579 am gerade von Cardinal William Allen gegründeten römischen Collegio Inglese eine neue Stelle. Dieses englische Priesterseminar hatte zum Ziel, durch eine gute Priesterausbildung dem katholischen Glauben in England wieder Geltung zu verschaffen. Das English College ist nur eines der Beispiele dafür, wie eng die Ausbildung in kirchlichen Berufen damals mit der Kirchenmusik verwoben war. Rom war für beides der zentrale Ort. Die einzelnen Nationen gründeten in Rom ihre eigenen Priesterseminare, in denen mit der römischen Kirchenmusik vertraute Musiker und Komponisten nicht fehlen durften. Dies war sowohl für das Collegio Germanico der Fall, das im 17. Jahrhundert unzählige Musiker aus dem deutschsprachigen Raum aufnahm, die in Rom eine Etappe ihrer Ausbildung absolvierten, als auch im von den Jesuiten geführten Collegio Romano, dem eigentlichen römischen Priesterseminar, das nach dem Konzil von Trient zur Verbesserung der Seelsorge gegründet worden war. Vor allem die von Jesuiten geführten Collegi öffneten sich auch der Ausbildung junger Adliger, bei der Musik und Tanz vollkommen in den humanistischen Bildungskanon eingegliedert waren. Die Studienabschlüsse der zum Teil aus Spanien, Polen, Griechenland oder dem deutschen Raum stammenden adligen Laureanden wurden im Collegio Romano mit einer sogenannten „lateinischen Ode“, das heißt einem Instrumentalkonzert mit Gesang, im festlichen Rahmen begangen. Am Ende des 17. Jahrhunderts gehörten französische Tänze und auch das Kastagnettenspiel neben Latein, Fechten und Naturwissenschaften zur schulischen Ausbildung. Die gleichzeitige Präsenz verschiedener kultureller Einflüsse und Kontakte zwischen Menschen unterschiedlichster Herkunft ist für das römische Musikleben zur Renaissance- und Barockzeit absolut charakteristisch. In einigen Fällen spiegeln die Kontakte die politischen Verhältnisse des Herkunftslandes wider, da es den einzelnen Musikern wahrscheinlich von Haus aus nahelag, in Rom mit schon vertrauten Nationen in Kontakt zu kommen: Christiano Ameyden, der aus dem den Spanischen Niederlanden zugehörigen Herzogtum Brabant im heutigen Belgien stammte, pflegte in Rom enge Kontakte zu spanischen Musikern. In seinen letzten Berufsjahren gegen Ende des 16. Jahrhunderts holten die Spanier Francisco Espinosa aus Toledo und Diego Vasquez seinen Lohn bei den monatlichen Auszahlungen der päpstlichen Sänger für ihn ab. Die beiden

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Spanier selbst schienen dabei zeitweise weniger miteinander im Reinen zu sein: Im Jahr 1592 erhielt Vasquez eine Strafe, da er während einer Prozession auf Francisco Espinosa eingeschlagen hatte. Vasquez wurde zwar bald darauf begnadigt, da er sich wohl entschuldigt hatte, aber dieser Vorfall zeigt, wie hochgradig individuell die Beziehungen zwischen den einzelnen europäischen Musikern im Rom der Frühen Neuzeit waren. Musiker unterschiedlicher Herkunft hielten sich um 1600 nicht nur an ihre Landesgenossen, sondern mussten auch andere berufliche Kontakte knüpfen, um in Rom künstlerisch erfolgreich zu sein. Dies war oft auch mit Konkurrenz oder Neid verbunden. Nicht zuletzt deshalb ging es im 17. Jahrhundert immer mehr darum, mit den römischen Musikern in Kontakt zu kommen, die am berühmtesten waren, das heisst mit Arcangelo Corelli gemeinsam zu musizieren, Kompositionsunterricht bei Giacomo Carissimi zu genießen oder nach einem Konzert ein paar Sätze mit Girolamo Frescobaldi oder Antonio Caldara zu sprechen. Das musikalische Rom des ausgehenden 16. und beginnenden 17. Jahrhunderts spielte sich dabei in einer regelrecht multinationalen Gesellschaft ab. Am Papstsitz, der in der Frühen Neuzeit als wichtiges diplomatisches Zentrum Europas galt, hatten sich über die Zeit unzählige Nationen niedergelassen, und ihre Präsenz reichte weit über eine bloße diplomatische Vertretung hinaus. Die Spanier, Franzosen, Deutschsprachigen, Flamen und Engländer hatten nicht nur eigene Nationalkirchen, die als „Collegio“ bezeichneten Priesterseminare und Bruderschaften gegründet, sondern es waren – zumeist um die landeseigene Botschaften herum, deren umliegende Gassen „in Sichtweite“ als jeweils landeseigenes Terrain galten – auch von Angehörigen einzelner Nationen dominierte Wohnviertel entstanden. Ein solches bestand ab 1662 um den Palazzo Farnese herum, als hier – nach langer Zeit und kurz nachdem die zum Katholizismus konvertierte Königin Christina von Schweden hier ab 1656 residiert hatte – der französische Botschafter seinen römischen Wohnsitz nahm. Beides stellte für Neuankömmlinge eine wichtige Anlaufstation in der Metropole dar, wo sich orts- und vor allem sprachkundige Hilfe finden ließ. Solche „compatrioti“ („Landsmänner“), die schon seit fünf bis zehn Jahren in Rom lebten, hatten meist schon mehrere berufliche und auch weitere soziale Kontakte zum römischen Stadtleben, von denen die Neuankömmlinge profitieren konnten.

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Für die Musiker mögen besonders die Nationalkirchen, die vom Adel und den Diplomaten des jeweiligen Landes und seiner römischen Anhänger regelmäßig besucht wurden, eine exzellente Kontaktbörse für mögliche Auftritte und Anstellungen gewesen sein. Hier traf man auf Personen gleicher Herkunft. Francisco Soto de Langa, ein aus der Diözese Burgos de Osma stammender Sänger der päpstlichen Kapelle, pflegte in seinen letzten Lebensjahren um 1600 zum Beispiel enge Kontakte zur spanischen Nationalkirche San Giacomo degli Spagnoli. Im Jahr 1743 stellte der Kirchenvorstand von San Giacomo den gebürtigen Barceloner Domingo Terradellas als Kapellmeister ein. Dies ist insofern erstaunlich, da Terradellas in Neapel ausgebildet worden war und eigentlich eine Karriere als Opernkomponist anstrebte. Während die Kirchenmusik, die Terradellas in seinem Leben komponierte, fast ausschließlich für seine dreijährige Amtszeit in San Giacomo entstand, verließ er alsbald die Stadt, um nach London zu gehen. Gleichzeitig strebten die Nationalkirchen bei großen Anlässen wie dem jährlichen Patronatsfest (San Giacomo für die Spanier oder San Luigi für die Franzosen) nach symbolischer Größe, die nicht allein religiös motiviert war, sondern auch eine politische Funktion erfüllte. Hierfür versuchte man, ganz Rom anzulocken. Musiker mit virtuosen Spielfertigkeiten oder auch untypischen Instrumenten waren immer willkommen, wie es der Erfolg von André Maugars 1638 zeigt, der in San Luigi dei Francesi vor 23 Kardinälen auf seiner Bassgambe spielte. Durch dieses viel beachtete Konzert kam sein herausragendes Talent auch dem Papst zu Ohren, der ihn wenige Zeit später empfing und für sein virtuoses Spiel lobte. Auch der aus Dalmatien stammende Komponist Ivan Lukacˇ ic´, der um 1600 in Rom ausgebildet wurde, um dann das Amt als Kapellmeister der Kathedrale Sveti Duje in Split zu bekleiden, nahm am Patronatsfest des heiligen Hieronymus in der kroatischen Kirche San Girolamo degli Illirici in der Nähe des Tibers am Mausoleum des Augustus teil. War man als Musiker in Rom erst einmal etabliert, hingen die Möglichkeiten für eine Anstellung im beginnenden 17. Jahrhundert jedoch kaum von der ursprünglichen Herkunft ab. Im Gegenteil: Die Praxis des gegenseitigen Austauschs von Sängern und Instrumentalisten über nationale Zugehörigkeiten und politische Einstellungen hinweg war die Regel. Dieser Austausch zwischen den römischen Kapellen funktionierte reibungslos, wenn für große Festmusiken zusätzliche Musiker ge-

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braucht wurden. Das musikalische Talent oder Fähigkeiten, bestimmte Genres zu bedienen, standen eher im Vordergrund als die Herkunft. Die regen Austauschmöglichkeiten zwischen Musikern unterschiedlicher Herkunft ergaben sich im Rom des ausgehenden 16. und im 17. Jahrhunderts nicht zuletzt aufgrund der unzähligen musikalischen Kapellen, der vielen kirchlichen, aber auch weltlichen Feste (wie dem Karneval) sowie der großen Rolle, die Musik als Unterhaltung auch im privaten Bereich des römischen Adels und der europäischen, in Rom residierenden Diplomaten spielte. Neben der Oper, die sich ab den 1630erJahren in jährlichen Karnevalssaisons etablierte, war Rom durch das Oratorium geprägt, welches auch den meisten Romreisenden aus Europa im Gedächtnis blieb. Viele Reisende berichteten allerdings nicht von einzelnen Werken, Konzerten oder Opern, sondern nannten nur die Anzahl der Aufführungen, die sie besucht hatten. Besonders eifrig hörten die Wittelsbacher Prinzen Clemens August und Philipp Moritz während ihres Romaufenthalts im Jahr 1717–18 Musik. Ihr Reisebegleiter dokumentierte einen musikalischen Marathon, der sich am besten anhand eines beliebig herausgegriffenen Abends vor Augen führen lässt: Am 24. Januar besuchte man am frühen Abend zunächst ein Oratorium, um Mitternacht wechselten die Prinzen mit ihrem Hofmeister zu einer Messe bei der Akademie der Agonizanti, nicht zuletzt, um die dort berühmte Musik zu hören; und anschließend, noch in der gleichen Nacht, ging es weiter zur Kirche des Collegio Germanico. Allerdings fällt das Urteil vernichtend aus: Obwohl die Musik in Sant’Apolinare berühmt sein sollte, hatte sie den jungen Wittelsbachern „aber nit vil gefallen“. Über die Kirchenmusik hinaus waren im 17. Jahrhundert Serenaden äußerst beliebt, die Grafen, Papstnepoten und Diplomaten im Sommer auf den großen römischen Plätzen, vor allem auf der Piazza di Spagna zwischen der Spanischen Botschaft und dem Kloster Trinità dei Monti auf dem Monte Pincio abhielten, das unter französischer Protektion stand. Dieser Platz war für nächtliche Spazierfahrten in den heißen Sommermonaten sehr frequentiert, auf denen man sich von Musikern, die zumeist in einer gesonderten Kutsche spielten, unterhalten ließ. Während des spanischen Erbfolgekriegs um 1700, bei dem das Haus Habsburg und die französische Krone um den Nachfolger des kinderlosen spanischen Königs stritten, kam es auf der Piazza di Spagna häufig zum musikalischen Wettstreit der von französischen und spanischen Mäze-

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nen engagierten Sänger. Dies konnte geplant sein, wenn zum Beispiel der spanische Botschafter am Namenstag von Ludwig XIV., an San Luigi im Jahr 1687, just eine großangelegte Serenade zum Namenstag der spanischen Königin Maria Luisa organisierte. Daneben sind aber auch zahlreiche kleinere, spontane Serenaden überliefert, wie der Wettstreit zweier Sängerinnen, die jeweils im Dienst des spanischen und französischen Botschafters standen und vor beziehungsweise auf dem Balkon des Palazzo di Spagna um die Wette sangen. Politische Machtdemonstrationen durch Musik wurden dabei vonseiten der diplomatischen Auftraggeber durchaus mit Elementen der eigenen nationalen Kultur aufgeladen. Zu Beginn seiner römischen Amtszeit plante der spanische Botschafter Don Gaspar de Haro y Guzmán, genannt Marquis del Carpio, gar einen Stierkampf auf der Piazza di Spagna zu veranstalten. Die zwei Versuche aus den Jahren 1677 und 1679, eine Corrida mitten in Rom zu organisieren, scheiterten jedoch an der Ablehnung durch den Papst und auch durch den römischen Adel, der das Vorhaben als „eher barbarisch, denn christlich“ einstufte. Im Folgenden fügte sich der spanische Marquis den römischen Usancen. Mit Musikern der spanischen Nationalkirche San Giacomo degli Spagnoli führte er wie andere Adlige und Diplomaten mehrere Serenaden vor der spanischen Botschaft auf der Piazza di Spagna auf. Er griff dabei zunehmend auf italienische Musiker und Komponisten wie Arcangelo Corelli zurück, der zur damaligen Zeit der wohl bekannteste Violinvirtuose Roms war. Über das gesamte 17. Jahrhundert hinweg ist eine Vorliebe der Römer für italienische Komponisten, Musik und Werke zu erkennen. Zu den päpstlichen Maßnahmen in der Folge des Trienter Konzils kam zwischen 1575 und 1600 ein entscheidender Durchbruch für einen neuen Gesangsstil und vor allem für eine neue musikalische Gattung, der Oper, hinzu. Die italienische Oper und der dazugehörige Sologesang, bei dem die Musik den Gehalt der Texte auf dramatisch-emotionale und nicht mehr symbolisch-ausschmückende Weise stützte, hatten sich in weltlichen Madrigalkompositionen mit Instrumentalbegleitung schon im 16. Jahrhundert angekündigt und traten nun von den italienischen Fürstenhöfen ihren Siegeszug durch ganz Europa an. Wie auch schon bei der frankoflämischen Vokalpolyphonie – nur viel stärker und jetzt explizit im weltlichen Bereich – machten sich die Höfe von Beginn an die virtuosen und opulenten Qualitäten des einstimmigen Gesangs und der neuen

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Gattung der Oper für politische Machtdemonstrationen zunutze: Schon bald nach den ersten Opernaufführungen in Florenz und Mantua, im Rahmen derer sich das Engagement herausragender Sänger mit großartigen Bühnenausstattungen samt aufwendigen Kostümen verbinden ließ, entdeckte der italienische Adel sie als Mittel, um sich im Konkurrenzkampf der einzelnen Fürstentümer und Höfe in Szene zu setzen. Schnell interessierten sich auch nicht-italienische Fürsten und Könige für das neue musikalische Spektakel. Rom stand der Entwicklung der Monodie und der Oper auf der sonstigen italienischen Halbinsel in nichts nach: Nachdem der aus Venedig eingewanderte Paolo Quagliati ab 1574 in Rom den sogenannten „stile nuovo“ mit seinen als Solo-Lieder, Duette oder Terzette angelegten Canzonette und Madrigalen eingeführt hatte, wurde im Jahr 1600 das „Melodramma spirituale“ – also eine „geistliche Oper“ – mit dem Titel Rappresentazione di anima e di corpo von Emilio de’ Cavalieri aufgeführt. An der weiteren Entwicklung des „neuen Stils“ in Rom war ein deutschstämmiger Musiker aus Venedig maßgeblich beteiligt: Ab den ersten Jahren des 17. Jahrhunderts wirkte Johann Hieronymus Kapsberger in der Ewigen Stadt, die er mit „tausenden Anmutigkeiten von Trillern, Melodiefolgen, Synkopen, Trema, Finten von piano und forte und weiteren ähnlichen Galanterien“ erfreute. Diese von Pietro della Valle genannten musikalischen Elemente sind äußerst charakteristisch für den Barockstil, der sich in Windeseile in ganz Europa verbreitete. Schon in den 1620er-Jahren luden der Wiener, Prager, Innsbrucker und Dresdener Hof italienische Musiker, Sänger und Komponisten ein, Opern für ihren Hof zu schreiben und dort aufzuführen. Die mutmaßlich erste italienische Oper in Paris hingegen, die dort im Jahr 1647 zur Aufführung kam, war das römische Werk Il giuditio della ragione tra la Beltà e l’Affetto (Rom, 1643). Das Libretto hatte Abbé Francesco Buti auf eine Anregung des Kardinals Mazarin verfasst, und die Musik stammte vom römischen Komponisten Marco Marazzoli. Die Oper wurde von einer italienischen Truppe mit der berühmten römischen Sopranistin Leonora Baroni und dem jungen Kastraten Atto Melani aufgeführt. Melani hatte ab 1644 in Rom bei Luigi Rossi und Marc’Antonio Pasqualini studiert, die beide in den Diensten des Kardinals Antonio Barberini standen. Die Truppe war auf Einladung des Kardinals Mazarin und durch die Vermittlung der Barberini-Familie zum französischen Hof nach Paris gereist. Obwohl die Aufführung selbst kein großer Erfolg

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war (die Franzosen taten sich vor allem mit den Rezitativen schwer; man hatte die Oper dabei von vornherein mit neuen Balletten, einem für Frankreich typischen Genre, versehen), begann auch der französische Hof sich mit dieser neuen Gattung auseinanderzusetzen, wo repräsentative, selbstdarstellerische Funktionen des Musiktheaters bisher vornehmlich vom Ballet de cour erfüllt worden waren. Der Bedarf an italienischer Oper aber auch an italienischen Instrumentalmusikern von Lissabon über Madrid, London, Paris, Hamburg und Dresden bis nach Warschau und Sankt Petersburg vergrößerte das Interesse an Italienreisen, aber auch an der konkreten Musikerausbildung in den großen Musikzentren Venedig, Neapel und nicht zuletzt Rom enorm. Europäische Musiker reisten nun nicht mehr vorrangig in den Kirchenstaat, um ihre hohe Kunst dort in den Dienst des Papstes zu stellen, sondern um von den ortsansässigen italienischen Komponisten zu lernen. Sie waren im Europa des beginnenden 17. Jahrhunderts zum Maß aller Dinge geworden. Einer der wichtigsten Anziehungspunkte war die römische Violinschule, deren herausragendster Vertreter ab dem Ende des 17. Jahrhunderts Arcangelo Corelli war. Der Meister war nicht nur bei Diplomaten und dem römischen Adel äußerst gefragt, sondern zog Schüler aus ganz Europa an. Vom Talent des jungen JeanJacques-Baptiste Anet aus Paris, der zwischen 1695 und 1696 bei Corelli in Rom studierte, war der römische Violinvirtuose so begeistert, dass er ihn einmal innig umarmte und fortan wie einen Adoptivsohn behandelt haben soll. Nachdem Anet nach Paris zurückgekehrt war, trat er in den Dienst des musikbegeisterten und italophilen Philipp II. von Orléans. Diesem spielte er Corellis Sonaten Opus 5, die um die Jahrhundertwende publiziert wurden, als erster Musiker in Frankreich auf der Geige vor. Zuvor hatte der Herzog von Orléans die Sonaten von drei Sängern ausführen lassen, da kein französischer Violinist in der Lage gewesen war, Akkorde zu spielen („joüer par accords“). Anet gehörte im Folgenden zu einem ganzen Ensemble „italienisch“ ausgebildeter Musiker des Herzogs – darunter zwei Kastraten, die man aus Italien geholt hatte –, das mit seinem Kantaten-Repertoire in Versailles und weiteren umliegenden Schlössern großen Eindruck machte.

„Allein es gefiel ihm gar nicht, lange an einem Orte zu bleiben“: Motivationen für eine Reise nach Rom Im Jahr 1637 bat der 20-jährige Johann Jakob Froberger seinen Arbeitgeber am Wiener Hof, Ferdinand III., ihn „vertrostetermaßen zu Frescobaldi abgehen zu lassen“. Der Kaiser kam Frobergers wahrscheinlich schon wiederholter Bitte diesmal nach und stattete ihn mit einem Stipendium von 200 Gulden für eine Romreise zum berühmten Komponisten aus. Zusätzlich übernahm Ferdinand III. die Bezahlung des italienischen Meisters. In Rom wurde Froberger vom kaiserlichen Botschafter am päpstlichen Hof, Scipio Gonzague, im Palazzo de Cupis an der Piazza Navona aufgenommen. Es ist wahrscheinlich, dass der in Stuttgart geborene Komponist seine Zeit in Rom ausgiebig nutzte, um Konzerten beizuwohnen, den Kastraten Marc’Antonio Pasqualini und Loreto de Vittori zu lauschen und bei einigen Gelegenheiten sogar selbst zu spielen. Durch seine Kontakte zum Botschafter des Heiligen Römischen Reiches lässt sich annehmen, dass er Zugang zu Privatkonzerten hatte, wie aus Anlass der Hochzeit des kaiserlichen Botschafters mit der reichen römischen Witwe Maria Mattei de Ruini im Palazzo Mattei am 1. Januar 1640. Auch nach seiner Rückkehr nach Wien im Jahr 1641 ließ Froberger keine Gelegenheit für eine weitere Italienreise aus; es ist möglich, dass er schon wenige Jahre später wieder in Rom weilte. Der Stuttgarter war dabei äußerst umtriebig und bereiste neben Rom, Florenz und Mantua auch „Nürenberg, Würtzburg, Heydelberg, Franckforth, Bonn, Cöllen, Düsseldorff etc. in Hollandt, und von dannen durch Brabant über Antwerpen u. Brüssel nach Seelandt, Flandern, Engellandt, Frankreich und Endtlich biß in Italien“ wie er es seinem Schüler Balthasar Erben für seine eigene Reise eigens empfohlen haben soll. Insgesamt befand sich Froberger von seinen ungefähr 20 Dienstjahren in Wien gut 12 Jahre auf Reisen, um sich weiter fortzubilden und musikalisch am Puls der Zeit zu bleiben. Persönliche Einstellungen, wie der religiöse Glaube, traten dabei hinter das berufliche Renommee zurück: Für seine Anstellung in Wien konvertierte Froberger vom Protestantismus zum Katholizismus

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und löste damit auch eine wichtige Bedingung für sein Italienstipendium ein. Der katholische Glaube wurde zu dieser Zeit von vielen Fürsten im deutschen Raum von Musikern gefordert, die um ein Italienstipendium baten, um über die Alpen, Verona, Venedig, Bologna und Florenz nach Rom zu reisen. Gleichzeitig waren es gerade die katholischen Höfe, die einen starken italienischen Einfluss in ihrer Hofmusik kultivierten. Auch der aus dem Vogtland stammende Johann Kaspar Kerll (1627– 1693), dessen böhmische Eltern Protestanten waren, konvertierte während seiner Ausbildung in Wien unter seinem Förderer Erzherzog Leopold Wilhelm zum katholischen Glauben, bevor dieser ihn zu Carissimi und Frescobaldi nach Rom schickte. Ein solcher Pragmatismus entwickelte sich offensichtlich erst im Laufe des 17. Jahrhunderts: Die Konversion des Regensburgers Gregor Aichinger, der zeitlebens im Umfeld der berühmten Augsburger Fugger-Familie zu finden war, am Ende des 16. Jahrhunderts scheint auf deutlich persönlichere Gründen zurückzugehen. Aichinger absolvierte mehrere Italienreisen. Zwischen 1582 und 1584 sowie um das Jahr 1600 weilte er in Rom, wo er bei Jakob II. Fugger logierte. Während Aichinger auf seiner ersten Romreise zum Katholizismus konvertierte, empfing er im Jahr 1600 in Rom gar die Priesterweihe. Danach ist Aichingers musikalisches und theoretisches Werk stark durch den katholischen Glauben geprägt. Zudem hatte er auch nach seiner Rückkehr nach Augsburg Kontakte zum religiösen und politischen Zentrum der katholischen Christenheit: Um das Jahr 1607 schickte ihm der römische Musikdrucker Simone Verovio noch Rosenkranz-Texte für seine Marienmotetten zu. Die Beispiele zeigen, dass ein Romaufenthalt für alle Musiker eng mit dem Katholizismus verbunden war. Mithilfe der Verbindung Rom, Kirchenmusik und katholischer Glaube im Lebenslauf eines jungen Musikers eröffneten sich vielfältige Arbeitsmöglichkeiten in ganz Europa; nicht allein in Wien und München, sondern auch an kleineren Höfen wie Passau, Augsburg, Würzburg oder Salzburg. Dennoch wäre es verfehlt zu glauben, dass karrieretechnische Überlegungen persönliche Überzeugungen ganz in den Hintergrund treten ließen: Wie schon bei Aichinger deutet sich dies auch beim Organisten Andreas Schwilge aus Thann im Elsass an – nur dass er nicht vom Protestantismus zum Katholizismus konvertierte, sondern umgekehrt. Aus bisher noch ungeklärten Grün-

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den kehrte er, der Katholik und Mitglied des Barfüßerordens war, von seiner Rom- und Mailandreise um 1630 mit einer protestantischen Glaubensüberzeugung zurück. Seine Rückreise aus Italien führte ihn in das calvinistische Zürich, wo er den Stadtrat bat, als Prediger in deutscher oder italienischer Sprache oder als Lehrer für Philosophie und Musik wirken zu dürfen. Nachdem Schwilge in Winterthur eine theologische Ausbildung als Prediger erhalten und in Zürich auch als solcher gewirkt hatte, zog er nach Ulm. Hier arbeitete er als Kantor am Gymnasium bis zu seiner Pension im Jahr 1681. Die Konfession bestimmte im ausgehenden 16. und angehenden 17. Jahrhundert vor allem die Mobilität der englischen Musiker katholischen Glaubens, deren Familien nicht selten von der anglikanisch-protestantischen Insel vertrieben wurden. Oft siedelten sie in das katholische Nachbarland Frankreich oder in die Niederlande über, wo sie keinen Verfolgungen mehr ausgesetzt waren. Der in Cornwall geborene Francis Tregian verließ sein Heimatland nachdem sein katholischer Vater in den 1580er-Jahren dort zu lebenslänglichem Zuchthaus verurteilt worden war. Der gebildete, von seiner reichen Familie großzügig unterstützte Mann fand im damals zum Habsburgerreich gehörenden Douai bei Lille Aufnahme in einem Seminar von und für englische Katholiken im Exil. Zu diesem Seminar hatte schon sein Vater regen Kontakt gepflegt: Um 1577 arbeitete Cuthbert Mayne, ein junger Priester aus Douai, bei Francis Tregian dem Älteren als Haushofmeister. Als der Vater im Juli 1606 nach Madrid und schließlich Lissabon emigrierte, reiste er ebenfalls über Douai. Von Douai aus war der Weg nach Rom für Francis Tregian dem Jüngeren, der wenige Zeit später als „sehr edel, von 20 Jahren, mit glücklichem Talent, gelehrt in Philosophie, Musik und der lateinischen Sprache“ beschrieben wurde, nicht weit, denkt man an die enge Verbindung von Katholizismus und Musik im Kirchenstaat. Genauer gesagt: Auch Douai war eine Stiftung des englischen Kardinals William Allen, der auch das English College in Rom gegründet hatte. Hier existierte ein besonderes Rom-Stipendium für englische Künstler, damit sie sich im Zentrum des Katholizismus ausbilden lassen und somit eines Tages bei der Verbreitung des Katholizismus in England behilflich sein konnten. Tregian weilte von 1592 bis 1594 am römischen Collegio Inglese, bevor er im Jahr 1603 nach Brüssel ging. 1606 kehrte er nach England zurück, um die Ländereien seines begüterten Vaters wieder in

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Besitz zu nehmen. Dabei versuchte Tregian, seinem katholischen Glauben weitestgehend treu zu bleiben. Um 1614 wurde er schließlich nach seiner Weigerung, am anglikanischen Gottesdienst teilzunehmen, aber auch wegen hoher Schulden, verhaftet und im Londoner Fleet-Zuchthaus eingekerkert, wo er 1617 starb. Man geht davon aus, dass das Fitzwilliam Virginal Book, die größte Sammlung von englischen Kompositionen der Zeit für das Virginal-Cembalo, bei dem die Saiten quer zur Klaviatur verlaufen, von Tregian hinterlassen wurde. Tregian sammelte die Kompositionen höchstwahrscheinlich während seiner Zeit im Gefängnis und schrieb sie dort ab. Die Sammlung enthält viele Werke der Komponisten John Bull und Peter Philipps, die selbst aus religiösen Gründen in die Niederlande geflohen waren. Vor dem Hintergrund der strengen Verfolgung katholischer Glaubensanhänger in England um 1600 kehrte der Komponist und Organist Peter Philips erst gar nicht mehr auf die Insel zurück. Wie er selbst berichtet, hatte der Musiker England im August 1582 „aufgrund seines katholischen Glaubens“ und „um nach seiner Glaubensüberzeugung leben und Italien sehen zu können, von dem er gehört hatte, dass es hier herausragende Männer seines Berufsstandes gab“ verlassen. Wenn schon England den Rücken kehren, dann wenigstens für einen Aufenthalt in Italien. Wie bei so vielen englischen Katholiken führte auch sein erster Weg nach Douai und von dort aus direkt nach Rom, wo er am 20. Oktober 1582 als „Petrus Philippus Anglus diocesis“ in das Collegio Inglese aufgenommen wurde. Philips blieb nur zwölf Tage im römischen English College wohnen, da er auf dessen Vermittlung hin umgehend eine Stelle bei Kardinal Alessandro Farnese fand, der den jungen Musiker von ungefähr 22 Jahren für drei Jahre in seine Dienste nahm. Der Enkel von Papst Paul III. war musikalisch sehr interessiert: Zusammen mit seinem Bruder Ranuccio Farnese hatte er im Jahr 1560 das Oratorio Santissimo Crocifisso errichten lassen, in dem über das gesamte 17. Jahrhundert hinweg namhafte römische Komponisten von Giovanni Maria Nanino bis Alessandro Stradella und Bernardo Pasquini wirkten. Zudem baute Alessandro Farnese den Palazzo Farnese unweit des Campo dei Fiori weiter aus, der zu einem der prächtigsten Paläste Roms wurde. Neben seiner Anstellung bei den Farnese spielte Philips am College die Orgel und unterhielt so enge Kontakte zu den katholischen Engländern in Rom. Im English College traf er 1585 auf Lord Thomas Paget, der mit

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zwei Dienern ebenfalls aus Glaubensgründen nach Italien emigriert war. Ab dem 19. März 1585 begleitete Philips den Lord auf seiner großen Reise durch ganz Europa von Genua, Madrid und Paris bis nach Antwerpen und schließlich Brüssel, wo Paget 1590 verstarb. Während seiner Tätigkeit in Antwerpen, wo er sich durch Musikunterricht finanzierte, publizierte Philips eine erste Sammlung mit italienischen Madrigalen, die unter dem Titel Melodia olympica im Jahr 1591 erschien. In dieser Sammlung sind unter anderem fünf Madrigale von Giovanni Maria Nanino und drei von Palestrina enthalten. Dass es sich hierbei um eine Reminiszenz an diejenigen Komponisten handelte, die Philips in Rom besonders beeinflusst hatten, lässt sich an seinen eigenen Madrigalen erkennen, die der Komponist in die Sammlung aufnahm. Auch in Tregians Fitzwilliam Virginal Book sind mehrere Bearbeitungen der Werke Orlando di Lassos und Luca Marenzios von Peter Philips enthalten, und auch eine Komposition mit dem Titel Pavana Pagget, einer möglichen Reminiszenz an seinen Patron Lord Thomas Paget, findet sich hier. Philips’ Anthologie Melodia olympica mit römischen Kompositionen wurde durch den italienischen, in Antwerpen als Kaufmann etablierten Bankier Giulio Balbani finanziert, der in Philips’ Widmung als Patron des englischen Komponisten fungiert. Seine nächste Publikation mit ausschließlich eigenen Madrigalen widmete Philips im Jahr 1596 Alessandro di Giunta, Mitglied einer Florentiner Buchdruckerfamilie, die in Antwerpen sesshaft geworden war. In dieser Sammlung vertonte er unter anderem Texte des Dichters Giovanni Battista Guarini. Als sich wenige Jahre später mit dem Tod der Königin Elisabeth I. und ihrer Nachfolge durch Jakob I. aus dem Hause Stuart die Verhältnisse für die katholischen englischen Musiker ein wenig besserten, wandelten sich auch die Beweggründe für eine Italienreise. Nun kam es vor, dass sich protestantische englische Musiker nach Rom aufmachten, um dort ganz in die Musik der italienischen Halbinsel einzutauchen – und das auch als schon ausgebildete Musiker. Dies war bei Richard Dering der Fall, der nach seinem Abschluss eines Baccalaureus Musicae („in Facultate Musicae Baccalaureus“) an der Oxforder Christ Church 1610 umgehend nach Venedig, Florenz und zum Hauptziel Rom reiste. In einem Brief an Derings vorherigen Arbeitgeber, Sir John Harrington, teilt der englische Botschafter in Venedig, Sir Dudley Carleton, dabei seine Befürchtung mit, Dering werde in Rom zum Katholizismus konvertieren. Sollte die

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Stadt vom katholischen Glauben derart geprägt sein, dass sich ihm dort niemand entziehen konnte? Eine Konversion könnte Dering dabei auf seinem weiteren beruflichen Werdegang äußerst förderlich gewesen sein, da er ab 1617 als Organist des Konvents englischer Nonnen in Brüssel überliefert ist. Von dort aus erhielt er 1625 eine Anstellung am englischen Hof unter der katholisch geprägten Königin Henrietta Maria als „Lautenist und Sänger“. Auch abgesehen von konfessionellen Zugehörigkeiten ist eine hohe Mobilität für europäische Musiker des 17. Jahrhunderts charakteristisch. Für die starke Migration dieser Zeit konnten die unterschiedlichsten Gründe ausschlaggebend sein. In der Barockzeit wurde ein immer stärkeres Netzwerk zwischen einzelnen Höfen Europas geflochten, in dem man sich auch über Musiker austauschte – nicht zuletzt, da diese eine wichtige Rolle für die Selbstpositionierung der einzelnen Fürsten und Herzöge auf dem europäischen Parkett spielten: Je berühmter ein Musiker und je besser sein Gehalt, desto reicher und glanzvoller der Hof, an dem er wirkte. Bei den Musikern standen neben einer glanzvollen Karriere auch künstlerische Fragen im Vordergrund: Durch das große Interesse an unterschiedlichen Kompositionsstilen reisten Musiker und Komponisten zwischen den verschiedenen Höfen hin und her und berichteten ihren Dienstherren anschließend über herausragende Komponisten, Instrumentalisten und Sänger. Auch adlige Reisende berichteten über die die neuesten Werke, virtuosesten Instrumentalisten und begabtesten Komponisten auf ihren einzelnen Reisestationen, in ihren Korrespondenzen und Tagebüchern. Einzelne Musiker bekamen daraufhin regelrechte „Rufe“ von Fürsten, Herzögen oder Kardinälen, die – je nach Entscheidung des Dienstherrn oder je nach Aussichten auf einen höheren Lohn – angenommen oder abgelehnt werden konnten. Letzteres konnte dabei durchaus zu diplomatischen Verwicklungen führen. In jedem Fall bekam die Mobilität europäischer Musiker durch den hohen Informationsstand und das Streben der Höfe nach einer eindrucksvollen, virtuosen Hofkapelle wichtige Impulse. Die Informationen über Musik und Kompositionsweisen aus anderen Regionen basierten daneben auf einer starken Verbreitung des Repertoires. Vor allem Adlige transportierten auf ihren Kavalierstouren oder Grands Tours in Europa viele Abschriften aber auch Drucke von Noten. Da Venedig bekanntlich das Mutterland des Notendrucks ist, war die italienische Halbinsel im ausgehenden 16. und angehenden 17. Jahrhun-

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dert eine wahre Fundgrube für musikalische Werke, die sich in gedruckter Weise mit nach Hause nehmen ließen. Die Fortschrittlichkeit des dortigen Notendrucks veranlasste auch viele europäische Musiker, in die italienischen Musikzentren zu reisen, um eigene Werke verlegen zu lassen – auch wenn Rom als eine der weniger bedeutenden Städte für den Musikdruck auf der italienischen Halbinsel gegolten haben mag. Schon bald nach 1600 wendete sich dieses Blatt vollkommen, da der Notendruck sich in der Zwischenzeit in ganz Europa verbreitet hatte. Nun waren die gedruckten Kompositionen viel breiter gestreut und zum Teil innerhalb kürzester Zeit europaweit bekannt. Publikationen fremder Musiker, die in italienischen Städten herausgegeben wurden, sind daraufhin immer weniger überliefert. Zwischen besonders kompetitiven Komponisten entwickelten sich ausgiebige Konkurrenzkämpfe über ganz Europa hinweg, wie sie beispielsweise um das Jahr 1645 herum von Romano Micheli aus Rom, Marco Scacchi aus Warschau und Paul Seifert aus Danzig ausgetragen wurden. Alle drei Komponisten waren zeitlebens durch ihre Streitlustigkeit bekannt, die nicht selten in Handgreiflichkeiten ausartete. Im Jahr 1645 beklagte sich der römische Komponist Romano Micheli (1575–1659) über die abschätzige Meinung, die der Danziger Marienorganist Paul Seifert von der italienischen Musik habe. Die Meinung des Danzigers, der Zeit seines Lebens nicht nach Italien reiste, könnte ihm unter anderem über Kaspar Förster den Jüngeren, der ab 1633 und noch einmal um 1650 in Rom am Collegio Germanico Musik studierte, zugetragen worden sein. Försters Vater, Kaspar Förster der Ältere, war Kapellmeister an der Danziger Sankt Marien-Kirche. Daneben hatte sich um 1645 zwischen Siefert und Marco Scacchi, einem italienischen Komponisten, der bis zu seinem Tod in Warschau als Kapellmeister wirkte, eine Auseinandersetzung über Fragen der Komposition entwickelt, die sich zu dieser Zeit schon in zwei Streitschriften auf Latein niedergeschlagen hatte. Marco Scacchis Cribrum musicum ad triticum Syferticum („Musikalisches Sieb für den Siefertschen Weizen“) und Paul Sieferts Antwort mit dem praktisch unübersetzbaren Titel Anticribratio musica ad avenam Schachianam hoc est, Ocularis demonstratio crassissimorum errorum, quos Marchus Schaius quem Cribrum musicum ad triticum Syferticum baptizavit, passim in eo comisit könnte Romano Micheli ebenfalls gekannt haben. Der Römer reagierte dabei vor allem auf Sieferts Bemerkung, dass die italienischen Komponisten gut daran täten, bei ihm in Danzig zu studieren,

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da sie nichts anderes als Komödien, kleine Arien, Liedchen und vergleichbaren Singsang komponieren könnten. Micheli wertete dies als persönlichen Angriff und hob hervor, dass seine 1621 und 1650 gedruckte, gratis und in ganz Europa vertriebene Kompositionsschule ihm den Ruf eines herausragenden italienischen Meisters eingebracht hätte. Zur Verdeutlichung der Qualität italienischer Kompositionen sandte er Seifert ein Exemplar seiner Canoni Musicali composti sopra le Vocali di più parole da Romano Micheli Romano, del qual modo di comporre è Inventore. Alli famosi, e peritissimi Signori Musici d’Italia e di tutti gl’altri Regni Potentati („Musikalische Kanons über Vokale mehrerer Wörter von Romano Micheli, der diese Kompositionsweise erfunden hat. An die berühmten und sachverständigsten Herren Musici Italiens und aller anderen Herrschaften“), die Seifert jedoch nie kommentierte. Gleichzeitig wandte sich Micheli gegen Marco Scacchi aus Warschau, der ihm die Erfindung der mehrvokaligen Kanons absprach. Umrahmt wird Michelis Streitschrift von einem Plädoyer für die Kunstfertigkeit der römischen und italienischen Komponisten. Es gelte, sich nicht aus Einzelfällen ein Bild zu machen, deren Partituren zufällig außerhalb Italiens präsent waren, wie er es Seifert im fernen Danzig vorwirft („Er zeigt, dass er wenig Ahnung vom Ruhm Italiens hat, das aufgrund der üppigen Anzahl der würdigsten Komponisten den anderen europäischen Nationen niemals niedriger gegenüberstand.“). Stattdessen forderte er, dass sich jeder Komponist mit den größten Talenten seiner Zeit und auch der Vergangenheit vertraut machen müsse, um sich eine echte Meinung über verschiedene Musikstile, insbesondere den italienischen, bilden zu können. In dieser Weise hebt Micheli indirekt noch einmal die Wichtigkeit einer Italienreise während der musikalischen Ausbildung hervor. Er lässt anklingen, dass er die starke Verbreitung der italienischen Partituren diesbezüglich für nicht hinreichend hielt, zumal sich nur wenige Komponisten dem Studium herausragender italienischer Werke widmeten. Um die Spreu vom Weizen zu trennen, galt es, die geographische Distanz zu überbrücken und mit den einzelnen Musikern in direkten Kontakt zu treten. Dies war vor allem wichtig, um im Komponieren am Puls der Zeit zu bleiben, denn viele Könige, Kaiser und Fürsten interessierten sich für die aktuellen Werke der berühmtesten Komponisten. Das europäische Netzwerk zwischen einzelnen Höfen und Musikern konnte die konkrete Erfahrung vor Ort in Rom um 1650 dabei noch lange nicht ersetzen.

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Römische Komponisten und Musiker wie Romano Micheli wirkten an der Herausstellung Roms als europäisches musikalisches Zentrum mit. Viele Komponisten des 17. Jahrhunderts legten sich den Beinamen „Romanus“ zu, darunter Giovanni Felice Anerio und auch Marco Scacchi. Dies war eines der Mittel, auf selbstdarstellerische Weise für die Nachhaltigkeit einer sogenannten „römischen Schule“ einzutreten, die sich um die kontrapunktischen Kompositionen der römischen Musiker rankte. Mit dem Entstehen des virtuosen Sologesangs ebbte der Bedarf an kunstvollen mehrstimmigen Kompositionen, bei denen „Note gegen Note“ stand, ab, obwohl sich der alte, nun manchmal als konservativ eingeordnete Stil in Rom natürlich nie ganz verlor. Seine eingeschränkte Bedeutung zeigte sich nicht zuletzt daran, dass die päpstliche Sängerkapelle jetzt auch mit herausragenden virtuosen Kastraten besetzt wurde, die durch einzelne Päpste oder Kardinäle ohne eine Aufnahmeprüfung eingesetzt wurden. Komponisten wie Scacchi gingen unter diesen Voraussetzungen dazu über, für Rom nicht mehr einen einzigen homogenen Stil für wünschenswert zu halten, sondern sich eine ganze Reihe mannigfacher Kompositionsweisen zu wünschen: „Wenn sich jeder nur auf einen Stil oder eine Schule konzentrieren müsste, würde die Musik sehr arm und ohne Stilvariationen werden.“ Aufgrund der „römischen Schule“ aber auch der großen Stilvielfalt im Musikleben dieser Stadt bildeten die Ausbildungsreisen nach Rom im 17. Jahrhundert den Hauptgrund für die meisten italienreisenden Musiker aus ganz Europa. Ab 1600 kultivierten vor allem die spanischen, polnischen, portugiesischen und deutschsprachigen Höfe das Italienstipendium und die Freistellung vom Dienst zwecks der musikalischen Ausbildung junger Talente. Noch 1716 soll João V. von Portugal den neunjährigen António Teixera aus Lissabon zum Musikstudium nach Rom geschickt haben, um ihn dann nach seiner Rückkehr zum Kapellmeister der Patriarchalkirche zu machen. Meistens jedoch äußerten die Musiker selbst den Wunsch, einige Zeit in Italien verbringen zu dürfen. Im Jahr 1634 entließ die Stadt Nürnberg den 19-jährigen Johann Erasmus Kindermann (1616–1655) mit einem Stipendium nach Italien. Als dieser zwei Jahre später nach Nürnberg zurückkam, erhielt er eine Stelle an der Nürnberger Marienkirche als zweiter Organist. Auch Kaspar Förster dem Jüngeren lag eine große Reiselust im Blut. Seine Reisen verdeutlichen die Präsenz italienischer Komponisten in Europa, die jedoch

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gleichzeitig das Interesse einer eigenen Reise in das gelobte Land der Musik keinesfalls eindämmte, welche Förster zum ersten Mal 1633 unternahm. In seiner Grundlage einer Ehrenpforte beschreibt Johannes Mattheson Försters Ausbildungszeit wie folgt: „Allein es gefiel ihm gar nicht, lange an einem Orte zu bleiben: derowegen ging er, in seiner vorwährenden Jünglings-Zeit, nach Polen, alwo eine berühmte königliche Capelle, und ein noch berühmtere Capellmeister, Marco Scacchi war: unter dessen Aussicht begab er sich, und blieb daselbst einige Jahre, legte sich starck auf die reine, gründliche Setzkunst, und brachte es höher, als er in Danzig gethan haben würde. Scacchi hatte ihn sehr lieb, und unterrichtete ihn mit aller Treu und grossem Fleisse. Wie nun ein hoher, zwar etwas unruhiger, doch edler Geist in ihm war, nahm er von der Capelle Abschied, um sich nach Italien zu wenden; ob man ihn gleich, als ein Wunder aller Bassisten, gerne in Polen behalten hätte. Niemand konnte ihn doch von seinem Vorsatze abbringen, und er trat seine Reise nach Rom an, woselbst er erst recht in die musikalische hohe Schule kam, auch darin nicht wenig Vergnügen fand. Sein Grund, den er beym Scacchi geleget hatte, brachte ihm hier den grossesten Nutzen: denn darauf konnte er sicherlich alles andre bauen.“ Auch Johann David Heinichen bat seinen Dienstherren Herzog Moritz Wilhelm von Sachsen-Zeitz um die Erlaubnis, „teütsche Höffe und Capellen“ außerhalb Naumburgs bereisen zu dürfen, wie er es gesondert an den Herzog und noch einmal an die Herzogin schrieb. Im Jahr 1710 wurde ihm diese Erlaubnis auch erteilt, und Moritz Wilhelm stellte Heinichen ein Empfehlungsschreiben für den Hof von Braunschweig und Lüneburg aus. Wahrscheinlich noch vor dem Antritt dieser Reise bot der Zeitzer Rat Buchta Heinichen jedoch an, ihn kostenlos nach Venedig mitzunehmen, worauf der Komponist sofort einging. Statt des Besuchs deutscher Kapellen begleitete Heinichen also den ehemaligen Informator des gerade verstorbenen Erbprinzen Friedrich August nach Italien, wo er von 1710 bis 1716/1717 blieb. Bereits im Mai 1711 taucht in den Rechnungsbüchern des römischen Prinzen Francesco Maria Ruspoli ein „Giovanni sassonese“ („Johann aus Sachsen“) auf, der wahrscheinlich mit Heinichen identifiziert werden kann. Alles in allem bevorzugte Heinichen, der schon vor seiner Italienreise mannigfache Opern komponiert hatte, jedoch Vene-

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dig. Hier konnte er sich neben Händel, der sich etwa zur selben Zeit in Italien aufhielt, als zweiter wichtiger Komponist aus dem deutschsprachigen Raum etablieren. Durch seine Italienkontakte wurde Heinichen schließlich von Venedig aus direkt als Kapellmeister an den Dresdener Hof berufen. Selbstredend war auch die katholische Kirche an einer Ausbildung ihrer Musiker in Rom interessiert. Der in Mainz als Vikar und Domkapellmeister tätige Johann Michael Breunig erhielt 1729 die Erlaubnis für eine Reise nach Rom, von der er nicht mehr nach Mainz zurückkehrte. Die letzten 10 Jahre vor seinem Tod war er als Kirchenkomponist am sächsischen Hof in Dresden angestellt. Das Interesse für eine Italienreise, die spätestens seit 1700 ihre konkreten Früchte für eine gehobenere oder zumindest besser als vorher bezahlte Anstellung trug, wuchs stetig. Um das Jahr 1730 brach Georg von Reutter der Jüngere nach Rom auf – auch ohne das beantragte Stipendium, das ihm der Kaiser in Wien verweigert hatte. Nach seiner Rückkehr erhielt er dort jedoch endlich seine ersehnte Anstellung als Hofkomponist. Ähnlich hielt es Johann Georg Pisendel, der 1717 auf eigene Verantwortung eine Reise nach Neapel, Rom und Florenz unternahm, nachdem er vorher schon den Dresdener Thronfolger Friedrich August auf seinen Italienreisen begleitet und musikalisch unterhalten hatte. Auf seiner eigens organisierten Romreise konnte Pisendel nun endlich in Ruhe Kontakte zu den berühmten römischen Violinisten aufnehmen. Später beschrieb der Komponist seine Studien bei Antonio Maria Montanari als weitaus ergiebiger als bei Antonio Vivaldi in Venedig, der ihm viel zu geschäftstüchtig war. Es ist anzunehmen, dass es dem Dienstherren Friedrich August am Herzen lag, Pisendel bei Vivaldi einzuführen, um das Renommee seines eigenen Musikers zu verbessern, wovon nicht zuletzt sein eigener Hof profitierte. Viele europäische Komponisten rühmten sich damit, bei den großen römischen Meistern von Nanino über Carissimi und Frescobaldi bis hin zu Corelli und Scarlatti studiert zu haben. Wie dieses Studium jedoch genau aussah, ist in den meisten Fällen ungeklärt. Die gegenwärtige Forschung tendiert dazu, die Italienreisen gegen Ende der Barockzeit vor allem als „Promotion-Tour“ einzuordnen, bei dem sich die europäischen Musiker das vermeintliche Studium in Rom als bloßes Aushängeschild zunutze machten. Vielen reichte es aus, Corelli oder Scarlatti kurz getroffen zu haben, um sie dann als Lehrmeister in ihren Publikationen an-

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zugeben, die sie danach in ihrer Heimat drucken ließen. Schon Johannes Mattheson ereiferte sich 1739 in seiner Schrift Der vollkommene Capellmeister: „Ob das Reisen, und vor allem die Besuchung Italiens, hiebey erfordert werde, wie ihrer viel der Meinung sind, kan ich schwerlich schlechthin bejahen: nicht nur deswegen, weil offtmahls Gänse in Welschland hineinfliegen, und Gänse wieder heraus kommen; sondern weil diese verreisete Gänse sich auch gerne mit vielen thörichten Schwanen= oder Pfauen= Federn, ich will sagen, mit grossen, geborgten Schwachheiten und unsäglichem Hochmuth zu bestecken und zu schmücken pflegen. [. . .] Zu dem gibt es die Erfahrung, daß ihrer viele, die Welschland mit keinem Fusse iemahls betreten haben, nicht allein andre, welche da gewesen sind, sondern zuweilen gebohrne Italienische Virtuosen selbst übertreffen. Wer sich inzwischen die Gelegenheit und seine Reisen wol zu Nutz machen kan, auch was tüchtiges aus fremden Ländern zu holen weiß, wozu er wahrlich auch was rechtes hinein bringen muß, dem wird es allemahl ein grosser Vortheil seyn. Unumgänglich nothwendig ist es nicht; offt gar unnöthig und unnützlich.“ Der Bedarf an vermeintlich authentischer italienischer Musik dämmte höchstwahrscheinlich eine genaue Kontrolle dessen, was einzelne Musiker in Italien tatsächlich gelernt hatten, ein. Die Fürsten, Herzöge und Kirchenmänner waren froh, italienisch ausgebildete Musiker anstellen zu können, die mit dem echten Musikleben vor Ort in Berührung gekommen waren. Wenn von Ausbildung die Rede ist, ging es also auch darum, einen authentischen Einblick in die italienische Musikkultur bekommen zu haben, wobei Rom ein wesentliches Ziel aller italienreisenden Musiker war. „Durch mühsames Reisen und unermüdeten Fleiß“ erlangte man an den Höfen ein gewisses „Renommée“ als versierter Künstler, wie es der Komponist Johann Philipp Krieger im Jahr 1677 an seinen Dienstherrn schrieb, um sich für einen höheren Posten bei ihm einzuklagen. Zu dieser Zeit wurde der Konkurrenzkampf mit den italienischen Musikern, die nun ganz Zentraleuropa dominierten, ständig härter: „Zu verwundern ist es / wie die Italiäner / von so langen zeiten her / im Besitz der besten musicalischen Aemter bei den Europäischen Höfen gestanden sind / und die

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Einländer allenthalben weggebissen haben. Daher denn so manches Gezänke entsprossen / und noch entspringet“, schrieb Johann Mattheson 1725 in seiner Critica Musica. Friedrich Wilhelm Marpurg wendet sich 1751 offen dagegen, die italienische Musik und ihre Interpretation einfach so als das Maß aller Dinge anzunehmen. Auf der Grundlage der Erfahrungen von Johann Gottlieb Graun, der eine Zeit lang beim virtuosen Geiger Giuseppe Tartini in Padua studiert hatte, und Johann Joachim Quantz – einem Romreisenden, der ab Mai 1724 dort ein halbes Jahr Unterricht bei Francesco Gasparini in dessen letzten Lebensjahren genommen hatte – konstatiert er sogar: „Daß, wer nach Italien gehet, um die dasige Musik zu hören, eine feine Beurteilungskraft mit sich bringen muß, um nicht verdorben zu werden“. Und mit Blick auf den berühmtesten Geiger des deutschen Raums, den bei Pisendel studierten Franz Benda, setzt er hinzu, „. . . und Herr Benda hat seines Orts weder den Tartini gesehen noch gehöret. Gegentheils schätzt er sich glücklich, niemals in Italien gewesen zu sein, und hat hierinnen desto mehr Recht, je rühmlicher es ist, ein glückliches Urbild, als eine Copie zu seyn.“ Besonders Quantz, der als berühmter Flötist später Friedrich den Großen am preußischen Hof unterrichten sollte, stellte Mitte des 18. Jahrhunderts (1752) ausführliche Überlegungen zur Unterschiedlichkeit der verschiedenen europäischen Stile an, so wie sie in einzelnen regionalen Musikzentren wie der Lombardei für die Violinschule oder Bologna als entscheidendem Ort für eine gute Gesangsausbildung entstanden waren. Dennoch tendierte Quantz dazu, die Musikstile global nach einzelnen Ländern einzuteilen. Seiner Meinung nach ist für Italien eine sich ständig erneuernde Kompositionsweise charakteristisch, während für die Franzosen eine gewisse Beständigkeit, dafür aber auch eine große Deutlichkeit in Komposition und Instrumentalspiel bestimmend sei. Dieser Unterschied habe dazu beigetragen, dass italienische Opern, Konzerte und auch Sänger in Europa weit verbreitet seien, die allgemeine Vorliebe für die französische Musik gleichzeitig stark zurückgegangen sei: „Nachdem es aber die Italiäner im Geschmacke immer weiter getrieben haben, die Franzosen hingegen immer auf einer Stelle geblieben sind: so hat man fast seit 20 oder 30 Jahren, außer den Balletten, weder französische Opern, noch andere von dieser Art Musik in Deutschland mehr gehöret. Sowohl die im italiänischen Geschmacke gesetzten Opern, als In-

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strumentalstücke, finden nicht nur bis izo in ganz Deutschland, sondern auch in Spanien, Portugall, England, Pohlen und Rußland Beyfall. Der Franzosen ihre Sprache, Schriften, Poesie, Sitten, Gebräuche, Moden, und was sie sonst Gutes vorzubringen wissen, wird von den meisten europäischen Völkern, besonders aber von den Deutschen, geliebet: nur die Musik nicht mehr, wie ehedem; ausgenommen von einigen jungen Leuten, deren erste Ausflucht nach Frankreich geht, und die allda etwan ein Instrument zu spielen anfangen, die französische Musik aber bequemer zu spielen finden, als die italiänische.“ Im gleichen Atemzug behauptet Quantz: „In Italien sind meines Wissens niemals, weder französische Opern öffentlich, noch Arien oder andere französische Singstücke insbesondere aufgeführet, noch weniger französische Sänger dahin berufen worden.“ Hierin täuschte er sich gewaltig, denn die französische Fraktion von Musikern war auch in Rom präsent – auch wenn sie hier weniger beachtet wirkte als die italienischen Musiker, die unter Mazarin ihre Opern in Versailles aufführten. Der Austausch zwischen den einzelnen Musikkulturen Europas und deren Kenntnis war durch die immer stärker werdende Verbreitung von Musikdrucken in unterschiedlichste Richtungen nicht vor Missverständnissen und Fehlurteilen gefeit. Eine Reise in das gelobte Land der italienischen Musik verschaffte den Musikern immer noch die besten Kenntnisse aus erster Hand – von den damit zusammenhängenden Karrierechancen ganz zu schweigen. Gegen 1750 gehörte es in Europa jedoch zum guten Ton, mit den Italienerfahrungen angemessen umzugehen, das heißt, sie in das vorherrschende regionale Musikleben einordnen zu können, indem man aus den besten Details für das heimatliche Musikleben einen kompositorischen Nutzen zog. Im Gegensatz zum deutschen Raum liegt die Sache in Frankreich tatsächlich etwas anders. Unter dem gebürtigen Florentiner Giovanni Battista Lulli beziehungsweise Jean-Baptiste Lully strebte der französische Hof danach, eine eigene Opernform zu entwickeln, die sich schließlich unter der Gattungsbezeichnung „tragédie en musique“ der italienischen Oper entgegenstellte. Mit Quantz’ Worten versuchte man hier also zuvorderst, eine französische Form der Oper ausgehend von französischen Tragödien herauszubilden; der Wille, etwas Eigenes, Charakteristisches zu finden, mag dabei vor europaübergreifenden künstlerischen Neuerungen

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im Vordergrund gestanden haben. Den im Königreich Frankreich tätigen Hofmusikern ging es darum, die politische und kulturelle Unabhängigkeit Frankreichs mit einer eigenen Operngattung zu unterstreichen und gleichzeitig „die beste Opernbühne Europas“ zu schaffen, wie es der Musikkritiker Arthur Pougin noch Ende des 19. Jahrhunderts herausstellte. Neben der Tatsache, dass sich die musikalischen Anstrengungen der Zeit ganz auf Frankreich richteten, waren die politischen Beziehungen zwischen Rom und der Kurie zunehmend angespannt. Der Konflikt zwischen dem Re Christianissimo und dem Papst erreichte in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts seinen Zenit. Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass die französischen Musiker, die den Weg nach Rom fanden, keine mit Stipendien ausgestatteten angehenden Hofmusiker waren, sondern sich eher im Exil befanden oder namhafte Diplomaten begleiteten, ja sogar selbst diplomatische Aufgaben übernahmen. André Maugars, der für seine leichtfertige Zunge und seine unverschämten Wortspiele bekannt war, verließ den französischen Hof, nachdem er den König beleidigt hatte. Dies trug sich um das Jahr 1638 zu. Als ihm sein Dienstherr, Kardinal Richelieu, befahl, vor dem König einige Sänger mit seiner Bassviola zu begleiten, beschwerte sich Ludwig XIII. über sein zu lautes Spiel, das die Stimmen überdeckte. Maugars antwortete dem Überbringer der Bitte, leiser zu spielen, in einem murrenden Ton: „Ich werde niemals wieder vor ihm spielen“. Pierre de Nyert, der Kammerdiener und private Musiker des Königs, berichtete diesem davon, und sie amüsierten sich dem Chronisten Tallemand des Réaux zufolge nicht schlecht darüber. Kardinal Richelieu war dagegen weitaus weniger erfreut. Er bezahlte Maugars aus, damit er – zumindest für einige Zeit – den französischen Hof verließ, mit den Worten: „Mir können Sie alles sagen, was Sie wollen, und ich werde mich in keinster Weise darüber aufregen, aber wenn Sie vom König sprechen, werde ich Sie durch Stockschläge umbringen lassen.“Als nächsten Satz erwähnt Tallemant des Réaux: „Danach habe ich ihn in Rom gesehen.“ Maugars war also schnurstracks nach Rom gereist, wo er zahlreiche musikalische Eindrücke sammelte, aber auch in unzählige weitere unangenehme Situationen geriet . . . In weitaus unerfreulichere Situationen als Maugars geriet auch ein weiterer romreisender Sänger der Zeit, José Marín (1619–1699) aus Madrid. Marín hatte dort einen guten Posten als Kapellmitglied des Convento de la Encarnación. Dem spanischen Chronisten Don Jeró-

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nimo de Barrionuevo zufolge ging Marín nach Rom, nachdem er einen gewissen Tomás de Labaña ermordet hatte. In Rom hatte Marín dann nichts Besseres zu tun, als sich zum Priester weihen zu lassen. Nachdem er um 1650 wieder nach Madrid zurückgekehrt war, beging Marín mit seinem Freund Diamante – beide im Gewand eines Klerikers – Diebstähle; Barrionuevo schildert sie belustigt in einem abenteuerlichen Stil. Als Marín und Diamante gefangen werden, erklärt der Chronist dies als großes Glück für die Welt, da diesmal keine armen kleinen Diebe gefasst worden seien, die stehlen müssten, um zu überleben, sondern wirklich „große Fische“, die normalerweise wie selbstverständlich durch die Löcher des großen Netzes schlüpften. Barrionuevo berichtet im Folgenden, dass Marín aufgrund des Mordes eine lebenslange Strafe zu verbüßen hatte. Nachdem er zuerst – wohl scherzhaft – darüber informierte, dass Marín für zehn Jahre ins Exil und bei Nichtbeachtung nach Afrika in eine Festung verbannt werden solle, in der er die Maurin Arlaja (es handelt sich um die Figur einer maurischen Dienerin, die in den Komödien von Cervantes und Lope de Vega mehrmals vorkommt) mit seinem Gesang unterhalten solle, teilt Barrionuevo wenige Tage später mit, dass Marín im Gefängnis des Madrider Hofs in einem engen Turmzimmer von wenigen Quadratmetern mit mehreren schweren Fußfesseln wie ein Vogel eingesperrt sei, da man ihn tagsüber dort singen hören könne. In jedem Fall nahm der Richter Marín die Priesterwürde wieder ab und somit auch sein in Rom erworbenes Gewand, das sich in Madrid anscheinend vorzüglich für Raubüberfälle auf der Straße eignete. Auch hier, so lässt es sich lakonischerweise anmerken, führte die römische Ausbildung zu einer besseren beruflichen Ausgangslage – auch wenn dies für Marín nur eine kurze Zeit der Fall war. Beim französischen Satire-Dichter, Lautenisten, Sänger und Komponisten Charles Dassoucy scheint ein weiteres Mal die große Reiselust im Vordergrund zu stehen. Im Jahr 1654 verließ Dassoucy den Dienst am Versailler Hof als Musiker Ludwigs XIII. und Lautenlehrer des Thronfolgers Ludwig XIV. und reiste als Wandermusiker in Begleitung der beiden Sängerknaben Valentin und Pierrotin über Lyon, Montpellier, Avignon, Turin und Florenz nach Rom. Eine solche Reiseroute war typisch für Italienreisende aus Frankreich, deren Weg nicht selten über das Königreich Savoyen führte, das Kontakte sowohl zum französischen Hof als auch nach Rom hatte. Schon auf der Reise (Dassoucy traf unter anderem in

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Lyon mit Molière zusammen) wurde er des sexuellen Missbrauchs seines mitreisenden Knaben Pierrotin beschuldigt. Die Anschuldigung der Reisenden Chapelles und Bachaumont, er hätte Pierrotin auch über die Musik hinaus sehr viel beigebracht, stritt Dassoucy in keiner Weise ab. Im Gegenteil bot er den Knaben regelrecht feil: „Ce petit page qui vous suit Et qui derrière vous se glisse, Que sait-il? En quel exercice En quel art avez-vous l’instruit? «Il sait tout,» dit-il. «S’il vous duit, Il est bien à votre service.»“

„Dieser Page, der Euch folgt und der sich hinter Euch schmiegt Was kann er? Welche Übung in welcher Kunst habt Ihr ihn gelehrt? «Er weiß alles», entgegnet er. «Wenn es Euch gefällt, steht er Euch gern zur Verfügung.»“

Im Nachhinein scheint es fast, als ob Dassoucy seine renommierte Stelle am französischen Hof nur deswegen quittiert hätte, um als Wandermusiker in Begleitung seines Knaben seinen sexuellen Neigungen ausgiebig nachgehen zu können. In Rom verbreitete die französische Gesellschaft – von Dassoucy als „Kanaillen“ bezeichnet – mit dem größten Vergnügen die ihm vorauseilenden Vorwürfe (Sie nahm an, dass sich Dassoucy niemals trauen würde, wieder nach Paris zurückzukehren), sodass der französische Musiker im Jahr 1667 vom Gericht des Heiligen Offiziums (der päpstlichen Kongregation für Glaubensfragen) ins Gefängnis geworfen wurde. Diese Affäre „krönte alle meine Abenteuer in der ersten Stadt der Welt“, berichtet Dassoucy. In dem von Dassoucy liebevoll „fromme Hölle“ oder „heilige Grotte“ genannten Kerker verfasste er seine Schrift Pensées dans le Saint-Office de Rome („Gedanken im Heiligen Offizium von Rom“), eine Abhandlung über das musikgleiche, göttliche Universum und die irdische Kunst, dieser Göttlichkeit musikalisch nachzukommen. Wohl aufgrund dieser eigenhändig niedergeschriebenen Selbstläuterung wurde Dassoucy 1669 nach zwei Jahren wieder entlassen und kehrte nach Paris zurück. Fast hätte Dassoucy dort Molières Malade imaginaire vertont, nachdem sich der Dichter mit dem Hofkomponisten Jean-Baptiste Lully zerstritten hatte, aber Molière zog einen weiteren Romreisenden, Marc-Antoine Charpentier vor. Fest steht, dass Charles Dassoucy mit seiner musikalischen Pastorale Les Amours d’Apollon et de Daphné aus dem Jahr 1650 einen wichtigen Vorläufer der französischen

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Oper komponierte. Dieses Werk wurde zwar noch vor seiner Italienreise komponiert; da Dassoucy bei der Uraufführung von Luigi Rossis Orfeo 1647 in Paris jedoch schon Theorbe, ein eigentlich italienisches Instrument, gespielt hatte, war er zu dieser Zeit schon mit der italienischen Oper vertraut. Auch diese Vertrautheit mag ihn dazu bewogen haben, auf seiner Wanderschaft gen Italien gezogen zu sein. Von Marc-Antoine Charpentier berichtet der Mercure Galant, eine ab 1672 in Paris publizierte Zeitschrift, die ihre Leser über verschiedenste Vorkommnisse informierte, in der aber auch kleine Geschichten, Gedichte und Lieder abgedruckt waren: „Er hielt sich lange Zeit in Italien auf, wo er oft mit Carissimi zusammentraf, der der größte musikalische Meister seit langem war“ (1678). Diese Nachricht ist bis heute das einzige Zeugnis eines möglichen Romaufenthalts Charpentiers, die sich bisher noch durch keine römische Quelle hat belegen lassen. Es ist lange spekuliert worden, dass der aus einer Künstlerfamilie stammende Charpentier nach Rom aufbrach, um sich dort in der Malerei ausbilden zu lassen, dann aber als Musiker zurückkehrte. Dies steht aber in keinem Verhältnis zur musikalischen Ausbildung, die der 20-jährige Charpentier zu dieser Zeit schon genossen haben musste. Zudem hielt sich der alte Carissimi an das Verbot der jesuitischen Leitung des Collegios, das es den dort angestellten Musikern nicht gestattete, außerhalb des Seminars weitere Schüler anzunehmen. Bei seiner Tätigkeit am Versailler Hof wurde Charpentier dennoch zeitlebens mit italienischen Stilmerkmalen in Verbindung gebracht. Zwanzig Jahre nach seinem Tod berichtet der französische Musikgelehrte Sébastien de Brossard über Charpentier: „Aufgrund dieses Verkehrs mit Italien in seiner Jugend haben ihm einige zu puristische oder um es besser zu sagen neidische Franzosen sehr falsch seinen italienischen Geschmack vorgeworfen, denn ohne ihm zu schmeicheln kann man sagen, dass er davon nur das Gute genommen hat, wie es seine Werke genug bezeugen.“ Anders als einige Musiker, die sich eigenständig auf den Weg nach Italien machten oder ein Stipendium ihres jeweiligen Landesherrn erhielten, um ihre musikalischen Fertigkeiten zu vervollkommnen, reisten andere Musiker im Gefolge eines Adligen nach Italien. Das gelang in der Regel, wenn ein Diplomat eine neue Stelle in Italien antrat und ein kleines Gefolge für den dortigen Alltag zusammenstellte oder wenn ein junger Prinz eine Kavaliersreise, die sogenannte Grand Tour, antrat, um meh-

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rere europäische Länder zu besuchen. Zum Kanon der Bildungsreisen, die im 18. Jahrhundert auch zunehmend von gut situierten Bürgerlichen absolviert wurde, zählte unbedingt auch die italienische Halbinsel. Oftmals wurde in Venedig Station gemacht, zahlreiche kleinere Fürstentümer säumten den Weg, aber das eigentliche Ziel der Reise war die Ewige Stadt. Hofmusiker begleiteten die jungen Adligen und ihren Hofstaat aus zwei Gründen: einerseits musste auch außerhalb des eigenen Landes ein Minimum an Standard gewährleistet bleiben. So mussten zum Beispiel Standespersonen angemessen empfangen werden können; Tafelmusik zum Speisen gehörte dazu. Andererseits sollte vielversprechenden Hofmusikern tatsächlich die Gelegenheit gegeben werden, sich gleichsam nebenbei auch noch weiterbilden zu können. Der französische Komponist und Bassgambist Michel Pignolet de Montéclair (1667–1737) begleitete 1699 den Prinzen Charles Henri de Lorraine-Vaudémont, den Gouverneur von Mailand, nach Italien. Auf der Reise scheinen zahlreiche Tanzstücke für seine Oper Ascanio entstanden zu sein, die heute jedoch nicht mehr erhalten sind. Explizit belegt ist aber, dass Montéclair sich in Mailand mit dem Kontrabass auseinandersetzte, den er schließlich in Frankreich in der Pariser Oper einführte. Der Franzose war in seiner Funktion als „maître de la musique“ mitgereist. Weniger lässt sich verständlicherweise über Musiker aus den „hinteren Rängen“ in Erfahrung bringen. Dass die kurbayerischen Prinzen Clemens August und Philipp Moritz unter anderem von zwei Waldhornisten aus der Münchner Hofkapelle begleitet wurden, als sie 1717/18 ihre Grand Tour antraten, ist bereits alles, was sich über diese Musiker herausbekommen lässt. Ganz anders sieht es beim Violinisten Johann Georg Pisendel aus. Er begleitete im Jahr 1716/17 ebenfalls einen Kurprinzen auf seiner Reise nach Italien: Friedrich August von Sachsen. Pisendel war zwar nur einer unter mehreren Hofmusikern, die den Wettiner Sprössling begleiteten, aber ihm gelang es in einzigartiger Weise auf seine italienischen Kollegen zuzugehen. In Venedig freundete er sich mit Antonio Vivaldi an, der ihm mehrere Sonaten und Konzerte mit dem Vermerk „gemacht für Mr. Pisendel“ widmete. Zugute kam dem Dresdner Hofmusiker sicherlich, dass er bereits vor seinen mehrfachen Italienreisen als einer der bedeutendsten deutschen Violinvirtuosen gehandelt wurde. Durch sein herausragendes Violinenspiel und pädagogische Fähigkeiten erwarb er sich schon früh Anerkennung unter seinen deutschen Kollegen, darunter die von Georg

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Philipp Telemann. In Italien nutzte er hingegen jede Gelegenheit, um neueste Geigenmusik abzuschreiben, sodass die heutige Staatsbibliothek Dresden wertvolle Partiturenschätze den Italienreisen des Hofmusikers Pisendel zu verdanken hat.

„... dass ich auf diesem Gebiet nicht gerade wenig reüssiere.“ – Eingliederungsmöglichkeiten in Rom Das römische Musikleben bot aufgrund seiner vielen Kirchen, Opern, Oratorien, Privatkonzerte und Akademien, aber auch durch den allgemeinen, künstlerisch inszenierten und ausgetragenen Wettstreit um Macht und Vorherrschaft des Adels bei den Papstwahlen reichhaltige Arbeitsmöglichkeiten sowohl für römische als auch für eingewanderte Musiker. Denn gleichzeitig stellte Rom in puncto Musik eine wichtige Metropole dar, in die viele Musiker aus dem römischen Umland und auch aus den anderen Königreichen, Herzogtümern und Republiken der italienischen Halbinsel strömten. Das römische Musikleben war dementsprechend vielseitig, wenn auch streng organisiert: Ab 1566 hatten sich die Musiker Roms in einer Vereinigung unter dem Namen Santa Cecilia, der Schutzheiligen der Musik, zusammengeschlossen. Die Congregazione hatte vor allem zum Ziel, alte und kranke Musiker finanziell zu unterstützen, aber auch praktisch durch medizinische Hilfe zu betreuen. Daneben führten ihre Mitglieder die regelmäßigen Vespern und die musikalische Begleitung des Patronatsfests ihres Sitzes aus, den die Congregazione ab 1685 nach Ansiedelungen im Pantheon oder der Kirche Santa Cecilia in Trastevere in der Kirche San Carlo ai Catinari an der Piazza Benedetto Cairoli gewählt hatte. Obwohl die heutigen Meinungen zum Einfluss der Vereinigung auseinandergehen (verschiedene päpstliche Initiativen, die Congregazione di Santa Cecilia mit Lizenzen für das römische Musikleben zu versehen oder die Musikdrucke durch sie kontrollieren zu lassen, scheiterten – auch am Widerstand der römischen Musiker), zeigt sich mit ihr symptomatisch, dass es in Rom äußerst wichtig war, in verschiedenen Karrierestadien und Lebenssituationen auf Kontakte zurückgreifen zu können. So war es für die meisten in Rom tätigen Musiker an der Tagesordnung, verschiedene Anstellungen und Tätigkeiten kombinieren zu müssen, um sich über Wasser halten zu können. Dies betraf zum einen die musikalischen Fertigkeiten, denn obwohl in der Barockzeit eine immer größere Spezialisierung der Instru-

„... dass ich auf diesem Gebiet nicht gerade wenig reüssiere.“

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mentalisten und Sänger zu erkennen ist, konnten die meisten Musiker im Regelfall mehrere Instrumente derselben Instrumentengruppe (Holzbläser, Streicher, Zupfinstrumente) spielen, waren sängerisch geschult und komponierten zudem auch noch. Nur die wenigsten konnten sich dabei als feste Sänger aus einer einzigen Anstellung heraus an einer großen Kapelle wie der Cappella Sistina, der Cappella Giulia oder einer der großen Nationalkirchen hinreichend finanzieren. Die meisten gingen deshalb mehreren Arbeiten, von punktuellen Aufführungen über das Kopieren von Noten bis hin zu Kammerdiensten, nach. Der aus einer venezianischen Familie stammende Almerigo Bandiera zum Beispiel war im Jahr 1708 als Organist tätig. Neben den Steuern für seine Tätigkeit als Instrumentalist von drei Scudi musste er gleichzeitig 25 Scudi Steuern für seinen Hauptberuf als Wollmacher abführen. Bei seinem Tod listete der zuständige Rechtsgelehrte in seiner copertaria (Geschäft für Decken) im Rione Regola um die Piazza Farnese herum mehrere Webstühle und sogar Pferd und Wagen auf, an musikalischen Hinterlassenschaften jedoch nur „ein Violoncello mit seinem Bogen“. Bandiera war Mitglied der Congregazione dei Musici Santa Cecilia und kümmerte sich gleichzeitig um die finanziellen Angelegenheiten der römischen Wollmacher. Er ist nur eines der Beispiele für die Musiker Roms, die unterschiedlichsten Aktivitäten und Berufen nachgehen mussten, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Man kann sich vorstellen, dass die Eingliederung fremder Musiker in dieses Netz von etablierten Kontakten und festen Arbeitsaufteilungen nicht gerade leicht war – auch wenn die Musikervereinigung der heiligen Cäcilia sehr offen gegenüber Musikern von Außerhalb gewesen sein muss: Vor allen Dingen ab der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts sind hier unzählige Musiker aus ganz Europa als Mitglieder eingetragen oder als Ausführende der Messen und Akademien verzeichnet: Während es kaum verwunderlich ist, dass ein Sänger wie der Flame Domenico Keller, der ab 1660 gut 40 Jahre in Rom als Bass in den namhaftesten Kirchen und Privathäusern (bei Ottoboni) wirkte, Mitglied der Congregazione war, ist es schon eher auffällig, dass der wenig bekannte „musico“ und „Sänger“ Pietro Boeri (wahrscheinlich Bovery) in der Musikervereinigung um das Jahr 1712 gleichzeitig als Musiker, aber auch als Wächter und Krankenpfleger präsent war. Es scheint ganz so, als ob Bovery durch die Congregazione einen ersten Fuß in das römische Musikleben setzen

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konnte. Dies könnte auch der Fall bei Giovanni Abele Diubuè gewesen sein, ab 1696 Mitglied der Vereinigung, dessen eigentlicher italianisierter Name wahrscheinlich Dubois war. Auftrittsmöglichkeiten bei Santa Cecilia nutzten um diese Zeit um 1727 der Geiger Filippo Stolz, der dann später auch bei den Borghese, am Teatro Argentina und im Collegio Nazzareno spielen sollte, sowie der Spanier Giacomo Masso „spagnuolo“, ebenfalls Geiger. Kam man als Privatmann, konnte es sein, dass man auf Vorurteile stieß. Eine Art Handbuch für Prinzen, die sich in Rom am Heiligen Stuhl aufhielten, warnt vor räuberischem Personal, gerade auch vor solchem, das ebenfalls nicht aus Rom stammte. Es gab Bischöfe, die nur Bedienstete aus ihrer Heimat anstellten, da diese im Falle eines Diebstahls dort auf jeden Fall wieder auffindbar waren. Potenzielle Diener aus anderen europäischen Ländern schieden aus diesem Grund von vornherein aus. Ein Prälat fragte seine Hausangestellten vor der Einstellung regelmäßig, durch welches Tor sie nach Rom eingereist waren. War die Antwort San Giovanni, schickte er sie wieder fort, da er vermutete, sie kämen aus dem südlichen Umland Roms oder gar noch weiter aus dem Süden. Hätte sich der Kantor Jacomo Ferrarellis an diesen Rat gehalten, wäre ihm der Diebstahl einer größeren Geldsumme, einiger Kleidungsstücke und von Bettwäsche an Weihnachten erspart geblieben. Ferrarellis hatte den Schlüssel zu seinem Zimmer an den Spanier Pietro Martines weitergegeben, da er an Weihnachten mit Auftritten im Collegio Nardino und in Santa Maria dell’Orto beschäftigt war, wohin er zudem noch seine Sängerknaben mitnehmen musste. Bei seiner Rückkehr behauptete Martines, die Tür sei schon offen gestanden, als er nachgeschaut habe. Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass sich auch die einzelnen nationalen Gemeinschaften in Rom mitunter eng zusammenschlossen. Besonders deutlich ist dies bei den Lautenmachern zu beobachten, die im 17. Jahrhundert oft aus dem deutschen Raum stammten. Sie ließen sich in der Via dei Leutari nieder, etwas westlich von der Piazza Navona. Bei Raub und Diebstahl traten sie füreinander ein. Im Jahr 1606 wurde dem Lautenmacher Hermann Copp von Francesco Purola eine Laute gestohlen. Jacob Starhus, Joost Janssos, Hendrick Janssen, und der Buchmacher Hubbertus Cornelij bezeugten beim Governatore di Roma alle schriftlich auf Deutsch, dass sie den Diebstahl beobachtet hatten.

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Aufgrund der festgefügten Netzwerke der römischen Musiker, zu denen es erst einmal galt, einen Zugang zu finden, war es für die europäischen Musiker, die nach Rom reisten, ungeheuer wichtig, auf ein Empfehlungsschreiben und die internationalen Kontakte ihres Arbeitgebers zu Klerikern und Botschaftern in Rom zurückgreifen zu können. Letztere halfen auch bei Unklarheiten über Usancen des römischen Musiklebens, wie im Falle Ferdinands III., der im Jahr 1637 Froberger nicht nur nach Rom entließ, sondern dessen Reise wahrhaft organisierte: „Johann Jakob Froberger Instrumentist bittet sich nacher Rom Zu den frescobaldi vertrestermass(en) Zuschickhen, habe Erstlich mit den P:G: [Pater Johannes Gans, Beichtvater im kaiserlichen Hofstaat] gerädet, sich Zubemihen, wie Er Ime Zur Catholischen religion bringen möge, deme Er auch alberait ain anfang gemacht, Wegen die spesa aber Zu Rom, habe Ichs mit dem sauelli [Friedrich Herzog von Savelli, kaiserlicher Gesandter in Rom] conferirt, der meldet, Er wisße aigentlich nit, waß man disfals den frescobaldi Zugeben pflöge, Er vermainte aber Er würde content sein, wan Ir May: Ime etwo Zum Neuen Jahr Ostern und dergleichen fösten Ain verehrung so deroselben belieben möchte, göben liesßen, oder beuelchen Ir May: das sein nepote Zu Rom mit dem Francescobaldi disfals handlen solle. Die unterhaltung betre: Hett an dergleichen P(er)sonen sonsten bey den Khay: Ambasciatoren Zu sein gepfleget, dahero etwo auch dieser bey dem Jezigen Ambasciatore ain orth haben khundte wo nit, wollte Er sein nepoti Zue schreib(en). daß Ime bey sich behielte.“ Die Empfehlungen waren darauf angelegt, vor Ort weitere Kreise zu ziehen. Eine Anfrage nach der Aufnahme eines Musikers in den eigenen Haushalt implizierte meistens auch, dass dieser mit weiteren Musikern bekannt gemacht und in musikinteressierte Kreise eingeführt wurde. Ohne einen solchen Rückhalt mochte es den Musikern wie Dassoucy ergangen sein, der, wie wir gesehen haben, von seinen französischen Landesgenossen nicht gerade protegiert wurde. Über die Kontaktmöglichkeiten hinaus war natürlich das Talent der Musiker von entscheidender Wichtigkeit. Auch André Maugars scheint bei seiner Ankunft in Rom vor allem in den frankophilen Kreisen der Ewigen Stadt aufgenommen worden sein.

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Das politische Klima Roms war zur Ankunftszeit Maugars’ in dieser Hinsicht äußerst förderlich, da Papst Urban VIII. und seine Kardinalnepoten wie Francesco Barberini eine enge Beziehung zum französischen Hof pflegten. Auch ist es nicht verwunderlich, dass Maugars nach eigenen Angaben seinen ersten Auftritt in Rom im Hause der Sängerin Leonora Baroni absolvierte. Die Baroni sollte nur wenige Jahre später nach Versailles reisen, um dort am französischen Hof große Erfolge zu feiern. Auf Bitten der Sängerin spielte Maugars in ihrem Haus einige Stücke, die großen Eindruck auf die „zehn oder zwölf intelligentesten Zuhörer Italiens“ machten, zugleich aber auch deren Neid hervorriefen. Um Maugars weiter auf die Probe zu stellen, behielt Leonora Baroni auf Bitten der weiteren Zuhörer – so erzählt es Maugars selbst – seine Gambe ein, sodass der Instrumentalist noch einmal zu einem weiteren Konzert in das Haus der Sängerin kommen musste. Vor diesem zweiten Vorspiel hatte ihn ein Freund informiert, dass seine Zuhörerschaft seine Fähigkeiten auf das reine Vorspielen gelehrter Stücke beschränkte. Maugars spielte ihnen infolgedessen eine ganze Reihe und alle Arten von virtuosen Präludien und Fantasien vor, woraufhin er von den Anwesenden nun tatsächlich als Virtuose anerkannt werden musste. Anschließend machten „ehrliche neugierige Leute“ Maugars in seiner Bleibe die Aufwartung, da seine Bassgambe das Zimmer nur für den Kardinal, in dessen Diensten er wahrscheinlich stand, verlassen durfte. Diese Zuhörer ermutigten Maugars zu einem Auftritt in größerem Rahmen, um auch diejenigen, „allzu raffinierten“ Kollegen zu überzeugen, die fremden oder gar ausländischen Musikern nur selten applaudierten. Denn auch bei diesen Zuhörern blieb immer noch der Eindruck zurück, Maugars sei zwar ein sehr virtuoser Instrumentalist, aufgrund seiner Herkunft aus der französischen Musikkultur jedoch nicht zur freien Improvisation fähig. „Aber sie wissen, mein Herr“, schreibt Maugars an einen französischen Adressaten selbstüberzeugt, „dass ich auf diesem Gebiet nicht gerade wenig reüssiere.“ Und so kam es: Animiert durch das französische Patronatsfest Sankt Ludwig, durch den Heiligen selbst und durch die wundervolle Musik, die zu diesem Fest in der französischen Nationalkirche San Luigi dei Francesi aufgeführt wurde, stieg Maugars während der feierlichen Messe und in Anwesenheit von 23 Kardinälen auf eine Empore. Dort ließ er sich ein Thema von 15 bis 20 Tönen Länge geben und begann nach dem dritten Kyrie Eleison zu improvisieren. Da Maugars eine besonders variationsrei-

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che Improvisation über das Thema lieferte, war ihm die Anerkennung aller Anwesenden sicher –, so sicher, dass einige Kardinäle ihn baten, auch nach dem Agnus Dei noch einmal zu improvisieren. Diesmal wurde Maugars ein etwas fröhlicheres Thema als Grundlage gegeben, über das er mit so vielen „Arten von Inventionen, verschiedenen Sätzen und in verschiedenen Schnelligkeiten“ improvisierte, dass die eminente Zuhörerschaft nun auf Maugars zukam, um ihm Komplimente zu machen. Der Musiker jedoch zog sich alsbald zurück, um sich in seinem Zimmer auszuruhen. Die Schilderung dieser langwierigen und von vermeintlich „nationalen“ Vorurteilen geprägten Eingliederung, die Maugars selbst verfasste (Response faite à un curieux sur le sentiment de la musique d’Italie. Escrite à Rome le premier Octobre 1639), legt den Spagat zwischen Kontakten aus Kreisen der Landesgenossen und einer guten Portion Selbstdarstellung offen, den fremde Musiker in Rom zu meistern hatten, wollten sie eine vergleichbar anerkannte Stellung wie römische Musiker haben. Dieser Spagat ist auch bei Georg Friedrich Händel zu erkennen, dessen Kontakte sich aufgrund seiner eindrucksvollen und virtuosen Improvisationen in Rom schnell vermehrten. Dem jungen Sachsen war es innerhalb kürzester Zeit gelungen, hochrangige Geistliche auf sich aufmerksam zu machen und die Kontakte zu diesen Förderern langfristig zu pflegen. Seinem Landsmann Johann David Heinichen gelang es in Rom hingegen nicht, „sich gleich mit jedem in Bekanntschaft einzulassen, [. . .]. Er lebte also in Rom sehr unbekannt und versteckt“, schreibt Johann Adam Hiller in seinen Lebensbeschreibungen berühmter Musikgelehrten und Tonkünstler. Während die europäischen Musiker im 17. und beginnenden 18. Jahrhundert immer stärker danach strebten, Kontakte und Aufführungsmöglichkeiten beim römischen Adel zu bekommen, ist um 1600 noch eine starke Eingliederung in die Kreise und Institutionen der eigenen Herkunft beziehungsweise Nation zu beobachten. Der dem Namen nach französischstämmige Hornist Hugues Vallot, der ab 1593 als Musiker der Kapelle von San Luigi dei Francesi verzeichnet ist, war im Jahr 1594 zwar auch zeitweise bei den Musici del Castello Sant’Angelo aktiv – dieses Ensemble war das päpstliche der drei einzigen römischen Instrumentalensembles Roms, bei denen je sechs Hornisten und Posaunisten regelmäßig angestellt waren (hinzu kamen noch das Concerto dei Musici di Campidoglio, also das des römischen Senats, und die Tamburri e trombetti del Popolo Romano, wobei letztere eher zum Bereich der Mili-

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tärmusik gehörten), – dennoch blieb er seiner Nationalkirche stets treu. Als er im Juni 1595 krank wurde, bat er den Kirchenvorstand um eine finanzielle Unterstützung und auch um eine Arbeitsmöglichkeit, die ihm auch gewährt wurde. Noch um das Jahr 1610 beteiligte sich die französische Nationalkirche an den Mitgiftzahlungen seiner beiden Töchter Vincenza und Vittoria. Etwa zur selben Zeit gab es jedoch auch schon Bestrebungen, das römische Musikleben durch nicht römische, europäische Einflüsse zu bereichern. Dies geschah zu Beginn des 17. Jahrhunderts vor allem im Bereich neuer Instrumente. Im Jahr 1599 begleiteten drei „auswärtige“ Fagottspieler beim Patronatsfest der Heiligen Petrus und Paulus die Festmusik in Sankt Peter. Einer der Fagottisten ist als „Der Pole, Fagottspieler von Herrn Pignatello“ verzeichnet. Diese auffallende Häufung nicht römischer Fagottisten beruhte wahrscheinlich auf der Tatsache, dass die hauptsächlichen Zentren des Fagottbaus dieser Zeit nicht in Rom, sondern in Venedig und Spanien, hier beim Maestro de los Instrumentos de la Capilla Real mit Namen Bartolomeo de Selma y Salaverde, lagen. Bei „monsignor Pignatello“ könnte es sich tatsächlich um ein Mitglied der neapolitanischen Familie Pignatelli gehandelt haben, die um 1600 enge Beziehungen zum spanischen Hof unterhielt. Diese kulturellen Kontakte mögen in Rom von großem politischen Nutzen gewesen sein, wenn man bedenkt, wie viel Ansehen es mit sich bringen konnte, hatte man seinen Musiker bei einer Messe in Sankt Peter aufspielen lassen. In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts, als die Abgrenzungen zwischen italienischen und fremden Musikern, aber auch ihr gegenseitiges Interesse, immer prononcierter wurden, erwiesen sich die europäischen Musiker als immer findiger, sich ihre Kontakte für eine musikalische Ausbildung oder Auftrittsmöglichkeiten selbst zu beschaffen. Über Nicolas Bernier aus Mantes la Jolie bei Paris schreibt Jean Benjamin La Borde in seinem Essai sur la musique ancienne et moderne von 1780 eine kurze Anekdote, die auch die Allgemeine Musikalische Zeitung im deutschen Raum noch 1812 wiedergibt: „Als Nikolaus Bernier, Musikmeister bey der königl. Kapelle in Paris († 1734), sich in Rom aufhielt, hätte er für sein Leben gern mit dem berühmten Caldara Bekanntschaft gemacht, um von ihm zu lernen. Allein diesem Manne war nicht beyzukommen. Er musste sich entschliessen, als

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Bedienter bey ihm einzutreten. Eines Tags fand er auf dem Schreibtische seines Herrn eine angefangene Composition. Bernier nahm die Feder und vollendete sie. Von dieser Zeit an waren sie die innigsten Freunde.“ Antonio Caldara, der zwischen 1709 und 1716 in Rom wirkte, war zu dieser Zeit nicht irgendjemand, sondern einer der berühmtesten, in Venedig ausgebildeten Komponisten. Nach seinem Weggang aus Rom im Jahr 1716 wurde er Kapellmeister der Wiener Hofkapelle. Bernier wurde nach seiner Rückkehr nach Paris an der französischen Hofkapelle angestellt. Er galt in Frankreich als Komponist, der sich vorbildlich um eine Kombination verschiedener regionaler Stile bemühte, was die Zeitgenossen als „goûts réunis“ („vermischten Geschmack“) bezeichneten. Der Dichter Jean de Serré des Rieux schreibt 1734 in seiner Gedichtsammlung für Ludwig XIV. Les dons des enfans de Latone: „Frankreich bewundert in ihm die italienische Fertigkeit; Rom verehrt in ihm die Zierde Frankreichs.“ Zu Beginn des 18. Jahrhunderts hielten sich die Musiker und ihr Publikum zwar an die ihnen sehr deutlich erscheinenden stilistische Unterschiede; diese versuchte man jedoch mehr und mehr zu „mischen“, nach Konzepten wie den „goûts réunis“ oder dem „stile mischiato“, der vermeintlich italienische, französische und deutsche Stillagen kombinierte. Dies hatte nicht zuletzt damit zu tun, dass sich ab 1650 in den römischen Adelskreisen eine Vorliebe für „exotische“, das heißt aus anderen europäischen Ländern stammende Handwerkserzeugnisse, Kleider, Stoffe und auch Literatur herausbildete. Die Gelehrten dieser Zeit liebten es, sich in europaübergreifenden Korrespondenzen über kulturelle Unterschiede und einzelne Gebräuche auszutauschen. Dies spielte sich vor allem in der République des Lettres, der Gelehrtenrepublik ab, an der jeder teilnehmen konnte, der über die Möglichkeit verfügte, Briefe zu schreiben. Über die Gelehrtenrepublik verbreiteten sich neue künstlerische Tendenzen noch mehr in ganz Europa. Gleichzeitig kam es auch hier zum Wettstreit zwischen den einzelnen nationalen Kulturen, die nicht wenig verglichen wurden. Neben französischen Stoffen und Stickereien interessierte sich der römische Adel vor allem für Oboisten und Flötisten der französischen Schule. Die Oboe war im 17. Jahrhundert für Europa ein noch neues Instrument; sie wurde in Frankreich von der Holzblasinstrumentenbauerfamilie Hotteterre entwickelt und wahrscheinlich zum ersten Mal 1657 von Lully in seinem Ballett L’amour ma-

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lade benutzt. Ausgehend von Frankreich verbreitete sie sich dann weiter nach England und im deutschen Raum. Dies betrifft ebenso die Traversflöte, die ebenfalls in Frankreich von besagter Familie entscheidend weiterentwickelt wurde. Aufgrund des französischen Ursprungs beziehungsweise der technischen Weiterentwicklung dieser Instrumente ist es nicht verwunderlich, dass die französischen Oboisten und insbesondere Flötisten besonders angesehen waren. Das heute am meisten herausstechende Mitglied der Familie Hotteterre, Jacques-Martin Hotteterre, genannt „Le Romain“ („Der Römer“), findet sich von 1698 bis 1700 auf den Lohnlisten von Francesco Maria Ruspoli, bei dem auch Händel wenige Jahre später angestellt war. Der anfangs italianisiert als „Giacomo Hauteterre“ bezeichnete Flötist bekam schon im Alter von nur 24 Jahren einen guten Lohn von 33 Scudi, mit dem er allem Anschein nach einige Monate im Voraus bezahlt wurde. Im Juli 1710 steht Hotteterre dann als „Monsieur Giacomo Maestro der Flöte“ oder als „Monsieur Giacomo der Flöten“ auf den Gehaltsrollen. Ausgehend von Hotteterres Aktivität in Rom entwickelte sich dort auch ein erstes Repertoire für Werke mit Traversflöten wie zum Beispiel in der Kantate Del gran Fabro eterno von Antonio Caldara, die am 2. Oktober 1710 von der Accademia San Luca im Campidoglio auf dem Kapitol aufgeführt wurde. Der Maler und erste Sekretär der Akademie für Zeichnung, Giuseppe Ghezzi, von dessen Sohn Pier Leone Ghezzi mehrere Komponistenportraits aus dem Barock überliefert sind, beschrieb die Musik als „süßesten Klang“. Der Text beschreibt Rom als antikes und modernes Kunstzentrum, zu dem die Künstlerakademie beiträgt, das aber – gut zu sehen vom Aufführungsort des Kapitols – seinen Glanz durch die Hügel Roms und das helle Licht der Stadt erhält. Indem sie den „großen, ewigen Schmied“ imitieren, strahlen Rom und seine Künstler wie ein Stern auf die ganze Welt aus. Die prachtvolle Kantate mit Posaunen und mehreren Streichern schließt mit einem Papstlob. Die Ausstrahlung Roms begleitete die angereisten Musiker nach ihrem Aufenthalt in der Ewigen Stadt noch lange danach: Hotteterres Aufenthalt in Rom sollte ihn ein Leben lang prägen, und dies nicht nur durch seinen Beinamen „Le Romain“, durch den er von den anderen Familienmitgliedern unterschieden wurde, sondern auch künstlerisch: Hotteterre gilt bis heute als einer der französischen Komponisten des beginnenden 18. Jahrhunderts, die sich am meisten für die italienische Mu-

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sik interessierten. Hotteterre hatte nicht allein viele Werke des italienischstämmigen Komponisten Lully in seiner reichhaltigen Bibliothek, sondern auch des englischen Komponisten, Flötisten und Oboisten Robert Valentine, der die meiste Zeit seines Lebens in Rom und Neapel verbrachte. Der Sohn des Wandermusikers Thomas Follentine, der sich um 1670 in Leicester niedergelassen hatte, hatte England verlassen, nachdem er dort keine Arbeit gefunden hatte. In Rom und Neapel wirkte er dann für gute 30 Jahre. Im Jahr 1721 brachte Hotteterre in Paris eine Sammlung von Blockflöten-Sonaten Robert Valentines heraus, die er für zwei Traversflöten arrangierte und mit französischen Vortragsbezeichnungen versah. Es ist möglich, dass Hotteterre den Engländer in Rom kennengelernt hatte, da auch dieser – wenn auch nur für spätere Jahre überliefert – bei Ruspoli und in den Kreisen Caldaras aktiv war. Valentine spielte zwischen 1708 und 1710 des Öfteren bei Privatkonzerten im Hause Ruspoli. Um dieselbe Zeit waren hier auch die beiden deutschen Oboisten Maximilian Schor und Dietero Wisser aktiv, sodass Ruspoli eine ganze Schar gut ausgebildeter Oboisten und Flötisten zur Verfügung hatte. Dies mag im Rom um 1700 eine der Krönungen des äußerst lebhaften Musiklebens um den großen römischen Mäzen herum gewesen sein. Rom, das Ziel aller Musiker Europas, wurde immer mehr zu einem Hauptort des musikalischen Austauschs zwischen hochberühmten Komponisten und Instrumentalisten aus unterschiedlichsten Städten und Musikkulturen, deren Werke sich von hier aus in alle Länder weiterverbreiteten.

Musikalischer Stadtplan Roms Musik und Gesellschaft am päpstlichen Hof Es ist nicht leicht, einen musikalischen Stadtplan für Rom im 17. und 18. Jahrhundert zu erstellen. Natürlich gab es beliebte Aufführungsorte, zu denen das Publikum besonders zahlreich strömte: Römische Kirchen mit mehrstimmiger Chormusik, die päpstliche Kapelle, Serenaden auf der Straße oder Konzertveranstaltungen der Botschaften. Akademien und Privatpaläste, in denen Sänger und Instrumentalisten bevorzugt auftraten, weil sie ihr Können vor reichen oder musikalisch besonders interessierten Zuhörern präsentieren durften oder weil die Gagen außerordentlich hoch waren, kommen noch hinzu. Im Folgenden werden die wichtigsten Musikorte anhand einzelner Beispiele vorgestellt. Lässt sich nur bedingt eine Hierarchie von Kirchen, privaten Adelspalästen, Botschaften, Opernhäusern und Akademien ausmachen, so ist doch eines unzweifelhaft: der Papsthof nahm den ersten Rang ein. Eine Anstellung am päpstlichen Hof war für Musiker des 17. und 18. Jahrhunderts ganz besonders erstrebenswert. Die Bezahlung erfolgte regelmäßig, die Musik war anspruchsvoll und den meisten Musikern blieb sogar noch genug Freiraum für Nebenbeschäftigungen. Eine bessere Ausgangslage, um sich künstlerisch entfalten zu können, war in Rom kaum denkbar. Wenden wir uns also zunächst dem Hof des Papstes zu! Zunächst stellt sich die Frage, ob der Papsthof ein Hof wie jeder andere war. Jedes Fürstentum hatte im 17. und 18. Jahrhundert schließlich einen Fürsten, einen König oder sogar einen Kaiser, dessen Residenz eine ganze Hofhaltung mit Dienerinnen und Dienern, Räten und Gremien und einer eigenen Hofkapelle mit Kapellmeister, Instrumentalisten sowie Sängerinnen und Sängern unterhielt. Unterschiedlich war schlicht die Größe. Zwischen dem Hof in Gottorf bei Schleswig, der Residenz des Kölner Kurfürsten in Bonn oder der Hofburg in Wien lagen Welten. Obwohl es in ganz Europa geistliche und weltliche Fürstentümer gab, war der Papsthof in der Wahrnehmung der Zeitgenossen jedoch kein Hof

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wie jeder andere. Der Papst war nicht nur weltlicher Herrscher über das Gebiet des Kirchenstaates, sondern musste sich vor dem Hintergrund des geistlichen Führungsanspruchs stets an besonderen Maßstäben messen lassen. Der Papst war als Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche und als Landesfürst nie „Privatperson“. Ausgiebige Feste, hohe Kosten für repräsentative Musik, Chöre und die besten Sänger waren keineswegs verschwenderisches Privatvergnügen. Alle diese sichtbaren Ausgaben müssen stets als „Luxus im Dienst des Amtes“ verstanden werden, denn sie gehörten als Teil der sakralen Repräsentation zum Zeremoniell des Papsthofes. Greift man eine beliebige Papstmesse in der Cappella Sistina heraus, wird allerdings doch deutlich, wie klar getrennt das Amt und die Person des Papstes im Einzelfall sein konnten. Am Beispiel der musikalischen Sphäre kann diese Trennung am besten erklärt werden. Auf der einen Seite steht die Messfeier mit ihrer liturgischen Musik für den Bereich des Amtes als Papst, auf der anderen Seite die Tafelmusik in der Residenz für die Person des Papstes, der eben auch einen Fürstenhof unterhielt. Im 17. Jahrhundert stand beim liturgischen Gesang der päpstlichen Kapelle ganz klar die Textverständlichkeit im Vordergrund. Außerdem waren der Vokalpolyphonie klare Grenzen gesetzt. Weil sich diese Form der Mehrstimmigkeit europaweit seit dem 16. Jahrhundert ausgebreitet hatte, galt in der Cappella Sistina das Gebot, möglichst nur a cappella vorzutragen, um den Gläubigen dadurch das Verstehen des gesungenen Textes zu vereinfachen. Im Gegensatz dazu erklang am Hof des Papstes bei Festmahlen und Feierlichkeiten Instrumentalmusik. Wo sich die Cappella Sistina, die mit den weltberühmten Fresken von Michelangelo ausgeschmückte Privatkapelle des Papstes, befindet, ist bekannt: Sie ist ein Bestandteil des Vatikankomplexes und heute Teil der weiträumigen Vatikanischen Museen. Wird die Frage gestellt, wo sich der Hof des Papstes befand, bleiben die Antworten jedoch verhalten. An welchem Ort tummelten sich die Kammerdiener, die Räte, die karrierebewussten Kardinäle und Kurtisanen? Von wo brachen die Kutschen des Papstes auf, wenn Reisen anstanden? Der Vatikan war doch vor allem der Komplex um den Petersdom. Muss man den Hof mit seinem großen Gefolge auch dort suchen? – Den Ort des Hofes gab es in Rom schlichtweg nicht! Auch hierin ähnelte der Papsthof auf den ersten Blick den übrigen europäischen Höfen, die stets aus einer ganzen „Residenzenlandschaft“

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bestanden: Hauptresidenz, Sommerresidenzen, die zu verschiedenen Jahreszeiten mit einem kleinen Teil des Gefolges bewohnt wurden, und Jagdschlösser. In Rom gab es neben dem eigentlichen Wohnort des Papstes nicht nur Sommerresidenzen in den umliegenden Hügeln, sondern auch innerhalb der Stadt mehrere Orte, die zum eigentlichen Hof zählten. Hierzu gehörten der Quirinalspalast, der ursprünglich als Sommerresidenz erbaut worden war (1583–1585), seit Beginn des 17. Jahrhunderts jedoch der eigentliche Lieblingswohnsitz des Papstes war, sowie der Vatikan und der Lateran als kirchliche Zentren der Stadt. Der Quirinal war von der Kurie weitgehend getrennt und entsprach damit im Barockzeitalter am ehesten dem Ort des weltlichen Hofes. Die römische Gesellschaft war streng hierarchisch gegliedert und spiegelte eine Rangordnung wider, die sich vollständig auf den Papst ausgerichtet hatte. Die vielschichtige stadtrömische Adelsgesellschaft gruppierte sich letztlich immer um den Stellvertreter Christi. Er machte das eigentliche höfische Zentrum aus. Jeder Ortswechsel des Papstes zog auch einen kurzfristigen Ortswechsel aller Hofchargen nach sich. Einige Bemerkungen zum Aufbau und den Mechanismen der höfischen Gesellschaft seien hier angeschlossen. Das Klima an der Kurie und am päpstlichen Hof war von Konkurrenzdenken und Machtstreben bestimmt, familiäre Strukturen waren prägend. Eine erfolgreiche Familienpolitik verlangte nach Nepotismus, der Begünstigung der Verwandtschaft und der eigenen Klientel, die heute als „Vetternwirtschaft“ bezeichnet werden würde. Gemeint ist damit, der eigenen Familie oder Freunden übermäßige Vorteile zu verschaffen, sei es durch die Versorgung mit einflussreichen Posten oder Gelder oder Pfründe. Der Kardinaldiakon Antonio Barberini war in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts ein Paradebeispiel für diese Form der Günstlingswirtschaft. Als Neffe des amtierenden Papstes und jüngerer Bruder des Kardinaldekans Francesco Barberini wurde er innerhalb weniger Jahre zum Kardinaldiakon mehrerer Titelkirchen ernannt, stieg in den Rang eines Kardinalkämmerers beim Barberini-Papst auf und wurde schließlich Erzbischof von Reims. In Rom machte er sich einen Namen als Musikmäzen. Kardinal Barberini dichtete nicht nur selbst auf Latein und Italienisch, er förderte auch namhafte Musiker, besorgte ihnen Anstellungen in der päpstlichen Kapelle, ernannte zum Beispiel Marco Marazzoli, einen Komponisten und Priester aus Parma, zu seinem Kammerdiener, der wiederum noch im

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gleichen Jahr als Tenor in die Cappella Sistina aufgenommen werden konnte. Dass nach dem Tod eines Papstes der Stuhl Petri nur durch Wahl wieder neu besetzt werden konnte, barg eine gewisse Instabilität des höfischen Systems in Rom. Weil die Herrschaft eines Papstes jederzeit zu Ende sein konnte, befanden sich die aristokratischen Familien, die Kardinäle in ihren Reihen hatten und insofern auch den nächsten Pontifex stellen konnten, in einem ständigen Wettstreit um Macht, Prestige, Ämter, Reichtum und Titel. Das heißt in letzter Konsequenz schlicht, dass jeder Einzelne, der unter dem einen Papst einen lukrativen Posten hatte, damit rechnen musste, diese Position unter dem nächsten wieder zu verlieren. Das gesellschaftliche Klima war daher stets angespannt und in relativ kurzen Abständen versuchten verschiedene Familien mit gezielter Kunstpatronage und ausufernden Bauvorhaben ihre Selbstdarstellung ins Unermessliche zu treiben. Besonders bemühten sich die Adelsfamilien, deren soziale Ausgangsposition scheinbar gering anzusiedeln war, um propagandistische Höchstleistung. Ein besonders gelungenes Beispiel familiärer Machtpolitik präsentiert sich bis heute den Besuchern des Petersplatzes. Denn wer den Blick zur Fassade der Peterskirche hebt, liest über dem Hauptportal in gewaltigen Großbuchstaben den Namen eines Barock-Papstes: „PAVLVS BVRGHESIVS ROMANVS PONT MAX“ – Paul V. Borghese, ein Römer, Pontifex Maximus. Die Inszenierung dieses Papstes und seiner Familie ist perfekt, denn eine gewichtigere Stelle für eine Inschrift als über dem Portikus des Petersdoms konnte es in Rom nicht geben. Dass die Familie des BorghesePapstes erst eine Generation zuvor aus der Stadtrepublik Siena nach Rom gekommen war, sollte der Zusatz „ROMANVS“ ein für allemal vergessen lassen und eine quasi-römische Tradition zugrunde gelegt werden. Doch wie wichtig war es wirklich, dass eine Adelsdynastie römische Wurzeln vorweisen konnte? Ging damit aus zeitgenössischer Perspektive besonderes Ansehen einher? Der spezifische Charakter der kirchlichen Wahlmonarchie begünstigte schließlich sogar den sozialen Status. Viele Familien, denen es im 17. Jahrhundert gelang, einen Papst zu stellen, waren sogenannte Aufsteigerfamilien. Und aufgrund langjähriger Treueverhältnisse wurden im Zuge dessen auch Männer aus einfachen Verhältnissen in den Kardinalsstand erhoben. Einer von diesen Kurialen war Angelo Giori (1586–1662).

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Wegen seines direkten Kontakts zu Urban VIII. (1568–1644) erlangte Giori als persönlicher Kammerherr des Papstes eine unanfechtbare Vertrauensstellung am Papsthof. Als „Altarista della Basilica Vaticana“ mit der Vorbereitung der Messen und der Aufsicht über die zahlreichen Kunstprojekte des Papstes betraut, könnte man erwarten, dass es sich bei Giori um einen kunstsinnigen Kleriker handelte, der Kunst und Musik förderte. Er blieb unter seinen späteren Kardinalskollegen der ersten Familien jedoch ein Außenseiter, der als unkultiviert und noch dazu geizig beschrieben wurde. Beides sind Eigenschaften, die der Karriere eines Kardinals nur schaden konnten, denn es wurde in Rom als geradezu unabdingbar angesehen, durch Engagement in der Kunstförderung die eigene gesellschaftliche Stellung zur Geltung zu bringen. Dabei hätte Giori sogar die denkbar beste Ausgangsposition gehabt, um die begehrtesten Musiker für Aufführungen in seinem eigenen Palazzo zu verpflichten, denn er war es, der den Zugang zum Papst regelte und bestimmte, welche Personen mit ihren Anliegen vorgelassen wurden und welche nicht. Es gab zwar einige römische Institutionen, die im Barock eine zentrale Stellung im Musikleben der Stadt innehatten, aber neben der französischen Nationalkirche San Luigi dei Francesi sowie den Jesuitenkollegs Collegio Romano und Collegio Germanico nahm die Päpstliche Kapelle den ersten Rang ein. Die Cappella Sistina war sowohl vom sozialen Status als auch vom künstlerischen Anspruch her ein Ausnahmeensemble. Viele ambitionierte Kardinäle hätten sich ein Bein ausgerissen, um Sänger des Papstes verpflichten zu können, denn im exklusiven Verständnis der Stadt gab es keine Steigerung mehr. Doch konnte ein schlichter Kardinal päpstliche Sänger abwerben? Oder war es für Mitglieder der Cappella Sistina möglich, Nebenengagements wahrzunehmen? Das Karriereeprofil von frühneuzeitlichen Musikern wies in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts fast immer ein Arbeitsverhältnis an einer kirchlichen Institution auf. Die allerwenigsten Musiker in Rom waren nur als Hofmusiker angestellt und kamen im Laufe ihrer Karriere nie mit der römisch-katholischen Kirche in Berührung. Selbst protestantische Komponisten schrieben in Einzelfällen Musik für katholische Messen und das ist nur ein Kuriosum, das widerspiegelt, wie prägend die Kirchenmusik im barocken Rom gewesen ist. Die geistlichen Institutionen offerierten ein großes Stellenangebot. Die große Mehrzahl der erfolgreichsten Musiker, Organisten und Sänger behielten nicht ein ganzes

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Berufsleben lang eine Stelle bei, sondern wechselten in ihrer Laufbahn zwischen verschiedenen Anstellungen. Nach einigen Wechseln zwischen Hof- und Kirchenposition, kehrten allerdings viele umworbene Musiker zu nun besseren Konditionen auf eine ihrer ehemaligen Stellen zurück. Die attraktivsten Angebote für den Musikerberuf unterbreiteten hierbei stets die kirchlichen Institutionen und eine Anstellung am Papsthof bot sicherlich die beste Bezahlung und gleichzeitig noch genug künstlerische Entfaltungsmöglichkeiten. Einmalig war nicht nur die Qualität der Musik innerhalb der päpstlichen Kapelle. Auffallend hoch war noch dazu die Zahl von etwa 100 freien Arbeitstagen für die Sänger, denen es dadurch zeitlich möglich war, auch andere Engagements anzunehmen. Kirchenkapellen fungierten als Drehscheiben für Sänger. Hier konnten Kardinäle und andere Kuriale auf Talente aufmerksam werden. So gut wie alle kirchlichen Kapellen konnten mit einer ausreichenden materiellen Versorgung locken. Im Barock war eine Entlohnung, die neben Geld zusätzlich auch Naturalien wie Brot und Wein umfasste, nicht außergewöhnlich. Die päpstliche Kapelle konnte damit auftrumpfen, dass sie am Ende des 16. und zu Beginn des 17. Jahrhunderts das beste Renommée besaß und einen krisensicheren und unbefristeten Arbeitsplatz anbot. Nach einer bestimmten Dienstzeit war sogar die Auszahlung einer ständigen Pension geregelt. Eine vergleichbare soziale Vorsorge gab es kaum. Fragt man sich nun, ob die Mitglieder der kirchlichen Kapellen nur aus dem Kreis von Musikern rekrutiert wurden, die zugleich auch zum Priester geweiht worden waren, dann genügt an dieser Stelle ein klares Nein! Es lässt sich nicht nachweisen, dass der Familienstand oder der geistliche Stand eines Musikers in Rom einen Stolperstein oder einen Bonus in der Karriere darstellte. Viele Musiker waren beispielsweise mit Sängerinnen verheiratet. Ein beeindruckendes Doppelgrabmahl zeugt bis heute in der deutschen Nationalkirche Santa Maria dell’Anima davon, dass im Rom des ausgehenden 16. Jahrhunderts fremde Musiker nicht nur zu Ruhm gelangten, sondern auch italienische Kolleginnen heirateten und sich auf diese Weise fest an die Wahlheimat banden. Betritt man die Kirche durch das Hauptportal von der Via di Santa Maria dell’Anima, so befindet sich der Grabstein heute beinahe versteckt links an der Wand. Es scheint sich nicht um den originalen Aufstellungsort des Epitaphs zu handeln, das für Marc Houterman aus Belgien und seine italienische Frau Ioanna Gavadina angebracht wurde.

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Houterman aus Burgen wird im Superlativ der Zeitgenossen als VIRO AMABILI ET MVSICORVM SVI TEMPORIS FACILE PRINCIPI bezeichnet. Der „liebenswerte Mann“ hatte also den inoffiziellen Titel eines „Fürsten der Musiker seiner Zeit“. Seine Frau hingegen wird nicht als Musikerin vorgestellt, aber doch hervorgehoben, dass sie in der Musik sehr bewandert gewesen sei (MVSICES SCIENTISSIMAE). So viele Musikerehepaare auch bekannt sind, zumindest in der Cappella Sistina musste dann doch die Ehelosigkeit eingehalten werden. Viele Musiker wechselten jedoch erst unmittelbar nach ihrer Aufnahme in diese päpstliche Kapelle in den geistlichen Stand, indem sie sich zum Priester weihen ließen. Ihnen ging es offensichtlich darum, die zahlreichen Privilegien in Anspruch nehmen zu können. Für die Cappella Giulia, die zweite bedeutende Kapelle Roms, die dem Kapitel von Sankt Peter unterstand, galt das Eheverbot nicht. Auch die Kapellmeister waren oft genug Laien und verheiratet. Lediglich die Konfession spielte hier eine Rolle. Und so lässt sich in einzelnen Fällen für einen Aufenthalt in der Stadt am Tiber die Konversion vom protestantischen Glauben zum Katholizismus als erste Hürde greifen, die ein Musiker zu überwinden hatte. Einer der berühmtesten unter ihnen war wie bereits erwähnt Johann Jakob Froberger, der mitten im Dreißigjährigen Krieg bei Kaiser Ferdinand III. um ein Stipendium bat, um in Rom bei Frescobaldi studieren zu können. Die räumliche Nähe der beiden herausragenden Musikkapellen in Rom sorgte dafür, dass der Vatikanische Hügel mit dem Petersdom und der Cappella Sistina und der Cappella Giulia zu einem Mittelpunkt der europäischen Musikkultur wurde. Es war nicht nur ein erstrebenswertes Ziel für Musiker, in eine der beiden Kapellen aufgenommen zu werden, sondern gleichzeitig bildeten die beiden Ensembles auch einen Anziehungspunkt für die stadtrömische Gesellschaft. Über musikalische Darbietungen wurde nicht nur im kulturellen Rahmen gesprochen, die Qualität der liturgischen Begleitmusik wurde unter kirchlichen, theologischen, aber eben auch politischen Aspekten verglichen. Das Aufgabenspektrum der päpstlichen Kapellsänger war so klar definiert, dass auch die Verzahnung von musikalischer Leistung und politischer Bedeutung innerhalb der Stadt herausgelesen werden kann: Mit dem Gesang sollte der musikalischen Repräsentanz des Papstes und seiner unmittelbaren Umgebung gedient werden. Tägliche Aufgabe war es daher, die Messen und Vespern zu singen, überhaupt sollten die Mitglieder der Cappella

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Sistina bei allen päpstlichen Zelebrationen präsent sein, während die gleiche Forderung für Mitglieder der Cappella Giulia bei allen Messfeiern und Vespern in Sankt Peter galt. Wer zu spät kam oder schwänzte, bekam Disziplinierungsmaßnahmen zu spüren. Jede Nachlässigkeit wurde notiert und zog empfindliche Bußgeldstrafen nach sich. Zu den Musikern aus ganz Europa, die in der Cappella Sistina angestellt wurden, zählten in der zweiten Hälfte des 16. und der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts sehr viele Flamen und Niederländer. Später kamen dann vor allem spanische Sänger hinzu. Es gab in Spanien sogar Stellen, um die Qualität von Kandidaten für die wichtigsten musikalischen Posten im Ausland zu testen. Tomás Luis de Victoria (1548–1611) war selbst jahrelang als Komponist am Collegio Germanico, am Collegio Romano und an der spanischen Nationalkirche in Rom beschäftigt gewesen. Als er nach Spanien zurückkehrte, bestätigte der päpstliche Nuntius in Madrid, dass Victoria die verantwortungsvolle Aufgabe übernommen habe, zwei spanische Sopranisten als Anwärter für den päpstlichen Chor zu prüfen. Aber längst nicht alle geeigneten Sänger durchliefen dieses Auswahlverfahren in ihrer Heimat. Der Sopranist Francisco Soto de Langa (*um 1538, †1619), der in Spanien als singender Chorknabe einigen Erfolg hatte, entschied eigenständig, im Jahr 1562 nach Rom zu ziehen, weil er hoffte, vor Ort die besten Chancen zu haben, um in die päpstliche Kapelle aufgenommen zu werden. Es gelang ihm schließlich auch. Er trat in Rom in einen Konvent ein, nahm als Geistlicher lebhaften Anteil am kirchlichen Leben in San Giacomo degli Spagnoli und war das Bindeglied zwischen der spanischen Nationalkirche und der päpstlichen Kapelle. Familienangehörige aus Spanien wie sein Bruder Pascual und ein Neffe namens Martino Soto folgten ihm an den Tiber, und seinem Neffen gelang es ab Juni 1588 ebenfalls als Sopranist in die Cappella Sistina aufgenommen zu werden. Anderen Sängern gelang diese Krönung ihrer Laufbahn nicht. Aber es gab Möglichkeiten eng mit dem Vatikan verbunden zu bleiben und alternative Karrierewege einzuschlagen. Orazio Benevoli war so ein Fall. Er war der Sohn des französischen Konditors Robert Vénévot aus Chatillon-sur-Seine, dessen Name zu Benevoli italianisiert wurde. Benevoli begann seine römische Musikerkarriere ganz traditionell als Sängerknabe der Kapelle von San Luigi dei Francesi, zu der seine aus Lothringen stammende Familie sicherlich Kontakt hatte. Zum Sänger reichten seine stimmlichen Fähigkeiten jedoch nicht und so konzen-

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trierte er sich bereits früh darauf, sich zum Komponisten ausbilden zu lassen. Im Februar 1624 wurde der erst 18-jährige an der Vatikankirche Santa Maria in Trastevere als Kapellmeister angestellt. Danach wirkte Benevoli in weiteren wichtigen Kirchen Roms bis er am 7. Oktober 1646 zum Kapellmeister der Cappella Giulia in Sankt Peter ernannt wurde, wo er 26 Jahre bis zu seinem Tod blieb. Auch so konnten Karrierewege im Umfeld des päpstlichen Hofes aussehen.

Kirchen und Oratorien Als der sächsische Kurprinz Johann Georg IV. am 13. März 1690 auf seiner Kavaliersreise durch Europa in Rom eintraf, kam er wie geplant gerade noch rechtzeitig in den letzten Tagen der „settimana santa“, der Karwoche vor Ostern, an: „Sie kamen eben zu der ceremonie zurechte welche der Pabst gewöhnlicher maßen als am grünen donnerstage zu verrichten pfleget, es verblieben ihre Durchlaucht einige zeit daselbst und fuhren nachmalen zur mittagsmahlzeit in ihr quartier, woselbst Herr Graff Güldenlöwe mit seinen cavalieren und der Generalmajor Roße zugegen ware. Nach der mahlzeit höreten sie music zu St. Giacomo de Spagnoli St. Apollinare und à la Chiesa de Popolo, kamen darauf wieder nach hause undt legten sich zur ruhe.“ Zur Karwoche war Rom voller Touristen, die ihre Reisen genau auf diesen Termin abstimmten, um in den Genuss der römischen Kirchenmusik zu kommen. Neben der Papstmesse waren die vielen Kirchenkonzerte die Hauptattraktion der vorösterlichen und österlichen Feierlichkeiten. Nach seinem Besuch in San Giacomo degli Spagnoli (der spanischen Nationalkirche an der Piazza Navona), Sant’ Apollinare (der Basilica des jesuitischen Collegio Germanico-Ungarico, unweit der Piazza Navona) und der Kirche Santa Maria del Popolo (Kirche der lombardischen Augustiner an der Piazza del Popolo) setzte der Prinz an den folgenden Tagen seine Besichtigungstour der römischen Kirchen fort: Nach Il Gesù, der Hauptkirche der Jesuiten, noch einmal San Giacomo degli Spagnoli, dann La Misericordia . . . „Seind ihr Durchlaucht vormittage wiederum in unterschiedenen kirchen gewesen“, berichtet der

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Schreiber von Johann Georgs Reisetagebuch am 17. März 1690. Erst nach der Kirchentour besichtigte der Prinz die „Roma antiqua“ des Kapitols und des Kolosseums. Ähnlich hielt es auch der sehr musikinteressierte Friedrich Armand von Uffenbach, der im Jahr 1715 nach Sankt Peter ebenfalls mehrere Kirchen wegen der berühmten Kirchenmusik besuchte. Im Gegensatz zu Johann Georg IV. ist Uffenbach jedoch von den musikalischen Darbietungen in Sant’ Apollinare und der griechischen Nationalkirche enttäuscht. Uffenbach gefallen weder die „erschröcklich lange[n] Koloraturen“ der italienischen Sänger (er zählt unter anderem eine dreizehn Minuten lange Koloratur auf einen Vokal!), noch das – wie er sagt – miserable Geplärr in der griechischen Kirche. Dies war um 1638 noch ganz anders gewesen: der Bassgambist des französischen Hofes im Exil, André Maugars, berichtet: „Es gibt hier kaum einen Wochentag, an dem kein Fest in irgendeiner Kirche stattfindet und wo dann keine gute Musik aufgeführt würde, sodass man hier sicher sein kann, jeden Tag eine neue Komposition zu hören. Dies ist die angenehmste Unterhaltung, die ich in Rom habe.“ Die Meinungsunterschiede dokumentieren eindrücklich, inwiefern sich die Vorrangstellung der italienischen Musik über die Zeit hinweg relativiert hatte. Was um 1750 davon übrig blieb war, dass „die heutigen Römer ihre Zeit mit der Musik, oder mit Ceremonien hin[bringen]“, dass also die Menge der kirchenmusikalischen Darbietungen zu den mannigfachen Patronatsfesten in Rom nach wie vor unschlagbar war, wie es der Abbé Coyer von seiner Romreise in den Jahren 1763–1764 berichtet. Zusammen mit der Maßgabe, dass Coyer in Rom 330 Kirchen – für ihn ein unschlagbarer Beweis für die „Heiligkeit“ der Stadt am Tiber – zählt, ist es also nicht verwunderlich, dass der Ruf Roms über die Alpen hinaus während der gesamten Barockzeit eng mit Kirche und Kirchenmusik verbunden war. Gleichzeitig scheint es so, als ob die Kirchenmusik der berühmten römischen Gotteshäuser für Außenstehende immer mehr zu einer künstlerischen Attraktion anstatt einer religiösen Andacht wurden. Auf den Abbé Coyer machten die großartigen, reich besetzten Kirchenmusiken Roms anscheinend einen solchen Eindruck, dass er die römische Kirchenarchitektur gar mit der französischen Schloss- und Opernarchitektur verglich: „Die Italiener vergolden manchmal ihre Kirchen, wie wir unsere Wohnungen ausschmücken; und da die Musik hier auf dem Thron sitzt, sieht man zwei oder drei Emporen, von der sie gespielt

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wird. Diese sehr vorstehenden Tribünen sind verzierter als die schönste Loge unserer Oper“, schreibt der Abbé. In der Tat spiegelten die Emporen in den römischen Kirchen ein eminent wichtiges Charakteristikum der dortigen Kirchenmusik wider, für das Rom neben Venedig in ganz Europa bekannt war: die Mehrchörigkeit. Oft sind es fremde Musiker wie der schon mehrfach erwähnte André Maugars, die diese Art zu musizieren am detailliertesten beschreiben. Gleich am Anfang seiner Response faite à un curieux sur le sentiment de la musique d’Italie. Escrite à Rome le premier Octobre 1639 („Antwort an einen Neugierigen über die Empfindung der Musik Italiens. Geschrieben in Rom am 1. Oktober 1639“), die auf Maugars’ acht- bis zwölfmonatigen Erfahrungen in Rom beruht, geht der Bassgambist auf die römische Kirchenmusik ein. Im Vergleich zur französischen Musik fällt ihm folgendes auf: Die italienische Kirchenmusik sei künstlerischer, gewandter und variationsreicher. Die französischen Komponisten rügt er demgegenüber als zu pedantisch und regelgläubig, zumal kompositorische Regeln ja eigentlich nur dazu erfunden seien, um junge Komponisten zu schulen. Die Italiener dagegen seien Meister im Verfolgen spontaner Einfälle, die sie nicht selten zu unvergleichlichen musikalischen Schönheiten und Erfindungen führten. Die große Annehmlichkeit, mit der sich die italienische Kirchenmusik genießen lasse, beruhe aber vor allem auf der wunderbaren Ordnung der musikalischen Ausführung. Maugars zeigt diese Ordnung anhand des seiner Meinung nach bemerkenswertesten Konzerts auf, das er in Rom in der Kirche Santa Maria sopra Minerva gehört habe. Die Kirche befindet sich an der gleichnamigen Piazza unweit des Pantheons und fußläufig von San Luigi dei Francesi, wo Maugars sein öffentliches Debut als Instrumentalist in Rom gab. Hier feierten die Dominikanermönche das Patronatsfest San Domenico traditionell mit einer großen Messe, zu der im Jahr 1638 ein zehnchöriges Werk aufgeführt wurde. Laut Maugars waren hierfür in der langen und geräumigen Kirche zwei Chöre rechts und links neben dem Hauptaltar bei den großen Orgeln platziert, und die restlichen acht Chöre befanden sich auf Podesten von acht bis neun Fuß Länge in regelmäßigen Abständen im Kirchenschiff. Auf diese Weise waren die Kirchenbesucher ganz von Sängern umgeben, wobei sich durch die Raumverteilung Echo- und Verstärkungseffekte erzielen ließen. Bei jedem Chor war ein Portativ (kleine Orgel) vorhanden, auf dem die Chorsän-

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ger begleitet wurden. Zusätzlich stand vor jedem Chor ein Hilfsdirigent, der die Taktschläge des „maistre Compositeur“ vor dem ersten Hauptchor mit den besten Stimmen an die übrigen Chöre im Raum weitergab. Mit diesen beiden Hilfsmitteln – den Orgeln und den Hilfsdirigenten – entstand in perfekter Abstimmung ein einzigartiger Zusammenklang, bei dem sogar Verzierungen ausgeführt wurden und bei dem sich mannigfache Kombinationen verschiedener sich antwortender, verstärkender oder gegeneinander anklingender Chöre abwechselten. Als die zehn Chöre zum Schluss des Stücks alle zusammen erklangen, war Maugars schlichtweg begeistert: „Ich muss Ihnen gestehen, dass ich noch nie ein solches Entzücken gesehen habe“, schrieb er an seinen anonymen Adressaten. Die mehrchörige Musik hatte sich seit Mitte des 16. Jahrhunderts in den Kirchen Roms etabliert und zu neuen Höhen aufgeschwungen. Ausgehend von den mehrchörigen Kompositionen Palestrinas, Tomás Luis de Victorias sowie Orlando di Lassos und ihrer Weiterführung durch Komponisten wie Giovanni Bernardino Nanino (von 1591 bis 1608 Kapellmeister an San Luigi dei Francesi) im 17. Jahrhundert wetteiferten die römischen Kapellmeister der sieben Hauptkirchen aber auch der Nationalkirchen und des Jesuitenordens um die großartigsten Aufführungen. Dies führte so weit, dass die mehrchörigen Werke im Laufe der Zeit an die Grenze dessen, was noch machbar war, stießen. Santa Maria sopra Minerva mit ihrem geräumigen Kirchenschiff stach dabei neben der „gran musicone“ („wirklich großen Musik“) eines Virgilio Mazzocchi in Sankt Peter und der Cappella Giulia als Aufführungsort besonders grandioser mehrchöriger Werke hervor. Man erzählt sich, dass dort im Jahr 1650 ein 48-stimmiges Werk des schon genannten Römers Orazio Benevoli mit 150 Sängern aufgeführt wurde. Dass Benevoli 1628 eine 53-stimmige Festmesse für die Einweihung des Salzburger Doms komponiert habe, ist eine Legende, die jedoch noch einmal eindrücklich auf das überregionale Renommée der römischen Komponisten für großartige, reich gesetzte und besetzte Werke hinweist. Herausragende mehrchörige Kompositionen wurden auch in Il Gesù, der römischen Hauptkirche der Jesuiten, geboten, die den Geist der „Roma triumphans“ nach der Abspaltung des Protestantismus und der großen katholischen Kirchenreform des Tridentinums mit musikalischer Pracht vertraten. Auf ganz Rom bezogen wurde dieser triumphierende Aspekt nicht zuletzt durch die Sängerauswahl verstärkt; die meisten mehrchörigen Aufführungen wurden mit den „besten

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römischen Sängern“ besetzt, wie uns viele Zeitgenossen in ihren Tagebüchern, Korrespondenzen und Nachrichten mitteilen. Auch Instrumentalisten waren in Rom zwecks der Aufführung mehrchöriger Werke zunehmend gefragt, bei denen die Instrumentalbegleitung den kolossalen Stil mehr und mehr unterstrich. Dies gelang umso mehr, als die römischen Kapellen – mit der Ausnahme von San Luigi dei Francesi für kurze Zeit zwischen 1627 und 1629 – keine Instrumentalisten fest angestellt hatten. Diese wurden zu speziellen Anlässen stets für größere Musiken dazu geholt. Neben den mehrchörigen Werken, die die Gemeinde im Kircheninneren von allen Emporen und Orten im Kirchenschiff mit der prachtvollsten zusammenklingenden Musik umgaben, berichtet Maugars auch über eine weitere Besonderheit der römischen Kirchenmusik: die im Entstehen begriffene Gattung des Oratoriums. Diese Gattung, bei der eine biblische Geschichte mit verteilten Rollen durch Sänger, Chor und Orchester konzertant, aber mit dramatischem gesanglichem Ausdruck vorgetragen wird, fiel dem fremden Musiker und Musikinteressierten besonders durch ihren erzählenden Duktus auf. Zur Zeit von Maugars’ Aufenthalt in Rom verfolgten besonders die Oratorienvereinigung des San Filippo Neri in der Chiesa Nuova und das Oratorio del Santissimo Crocifisso die musikdramatische Darbietung biblischer Texte durch Lauden, dialogische Motetten und Madrigale mit lateinischem Text. Die biblischen Geschichten wurden dabei zunehmend durch nicht biblische Kommentare angereichert, und die Vertonung knüpfte an vielen Stellen an die Opernkomposition der Zeit an. Eine derart ausgerichtete Musik hörte Maugars im Oratorio del Santissimo Crocifisso, in dem an den Freitagen der Fastenzeit zwischen drei und sechs Uhr in Musik gesetzte biblische Geschichten aufgeführt wurden. Gerade die Verbindung von textlichem Inhalt und seiner musikdramatischen Gestaltung durch ausdrucksstarke Sänger beeindruckte Maugars so sehr, dass er seinem Adressaten empfahl, diese kirchliche musikdramatische Praxis einmal selbst zu erfahren: „Ich kann diese rezitativische Musik nicht genug loben; man muss sie vor Ort gehört haben, um ihre Vorzüge beurteilen zu können.“ Die Chiesa Nuova, in der zwischen Allerheiligen und Ostern die prachtvollste Musik zur konzertanten Aufführung biblischer Auszüge herangezogen wurde, galt dabei schon lange als ein Magnet für Besucher und Musiker, zumal die Aufführungen gratis und zumeist öffentlich waren.

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Die Oratorienpraxis war ab der Mitte des 17. Jahrhunderts natürlich nicht nur in Rom verbreitet, hatte hier jedoch einen herausragenden Stellenwert, da Opern in der Stadt des Papstsitzes nur in der Karnevalssaison aufgeführt werden durften. Zwischen 1697 und 1710 gab es schließlich mit wenigen Ausnahmen von Privataufführungen der in Rom residierenden Königin Maria Casimira von Polen keine Opernaufführungen mehr in der päpstlichen Stadt. Dies lag zum einen am äußerst strengen Pontifikat von Innozenz XII., der 1697 das Teatro Tordinona abreißen ließ und mit Berufung auf das Heilige Jahr 1700 auch die Opernsaison in der Karnevalszeit untersagte. Der folgende Papst Clemens XI. handelte ähnlich, wobei auch der Spanische Erbfolgekrieg und die erdbebengeplagte römische Erde ihren Teil dazu beitrugen, dass die Opernsaisons ausfielen. In der Folge suchten sich opernbegabte Komponisten ihre Arbeitsmöglichkeiten mehr und mehr außerhalb Roms. Während die florierende Opernszene des ausgehenden 17. Jahrhunderts somit weitestgehend zu einem Brachland wurde, trieben die Kantanten- und Oratoriumskompositionen reiche Blüten. Insgesamt wurden in der Regierungszeit von Clemens XI. jährlich ungefähr zehnmal so viele Oratorien wie Opern aufgeführt. In die Zeit des päpstlichen Opernverbots fiel auch der Aufenthalt Händels, der in Rom um die Jahre 1707, in dem dort insgesamt 18 Oratorien entstanden, und 1708 das Oratorium Il trionfo del Tempo e del Disinganno mit Pamphilj und das Oratorio per la Resurrezione für Ruspoli komponierte, sowie über 50 Kantaten. Auch Marc-Antoine Charpentier, zu dessen Italienreise, wie schon dargestellt, keine römische Quelle erhalten ist (lediglich der eingekerkerte Dassoucy berichtet in den Memoiren über seine italienischen Abenteuer, er habe Charpentier in Rom gesehen), dürfte von den Oratorien bei seinem mutmaßlichen dreijährigen Romaufenthalt zwischen 1662 und 1670 höchst inspiriert gewesen sein, komponierte er doch nachher in Paris mehrere geistliche Werke, die Anklänge an die Psalmvertonungen eines Bonifazio Graziani oder eines Francesco Foggia aufweisen. Man nimmt an, dass auch Charpentier seine musikalische Ausbildung hauptsächlich zuhörend in den römischen Kirchen absolvierte. So hielten es viele, auch aus dem übrigen Italien eingewanderte Musiker. Der Adlige Giulio Rospigliosi berichtet 1638 über einen zur Ausbildung bei Frescobaldi nach Rom geschickten Musiker seines Bruders aus Pistoia bei Florenz: „Er verliert keine Zeit und hört sich die Musik an, die hier – vor allem in der Fastenzeit – an so vielen Orten aufgeführt wird.“

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Angesichts dieser starken Ausstrahlung der römischen Kirchenmusik auf die Musiker und Komponisten der italienischen Halbinsel sowie Rest-Europas ist es nicht verwunderlich, dass die meisten angereisten Musiker als Hörer in den Kirchen anwesend waren. Dennoch gab es einige, die trotz der großen Dominanz der italienischen Sänger, Komponisten und Instrumentalisten in Rom eine gute Stellung bekamen. Da gibt es einerseits kursorische Vorkommnisse wie den französischen Spieler eines Serpent – einem Instrument, das seinem Aussehen nach auch „Schlangenrohr“ genannt wird –, der im Jahr 1607 die Basslagen der Cappella Giulia unterstützte. Der Serpent war erst um 1570 im französischen Auxerre als Begleitinstrument für gregorianische Gesänge erfunden worden und wurde laut dem berühmten Musikgelehrten der Zeit, Athanasius Kircher, vor allem in Frankreich genutzt. Zum anderen gab es natürlich auch Musiker, dabei vor allem die Einwanderer der zweiten Generation, die im kirchenmusikalischen Rom des 17. und beginnenden 18. Jahrhunderts eine eindrucksvolle Karriere hinlegten. Wie der schon angesprochene Orazio Benevoli reüssierten auch die Brüder Dionisio und Michele Fregiotti, deren Vater François Fraichot aus Burgund stammte, ab den 1680er Jahren in Rom. Dionisio und Michele waren nicht nur in der Congregazione dei Musici Santa Cecilia aktiv, sondern auch in Santa Maria Maggiore und San Giacomo degli Spagnoli (Dionisio) sowie als Tenor in der Cappella Sistina (Michele). Dionisio komponierte des Weiteren Werke für Santa Maria sopra Minerva. Bei den zugereisten Musikern sticht Francisco António de Almeida hervor, den João V., König von Portugal, zwischen 1722 und 1726 als königlichen Stipendiaten nach Rom schickte. Zu dieser Zeit strebte der portugiesische Hof nach der größtmöglichen Repräsentation am Papstsitz, was sich auf musikalischer Ebene durch ein starkes Interesse für die römischen, insbesondere die päpstlichen Sänger und Komponisten äußerte. Viele von ihnen, darunter Domenico Scarlatti, holte der König an den Hof nach Lissabon. Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass auch de Almeida vorwiegend in den römischen Kirchen und Oratorien wirkte. Die Kirchen San Girolamo della Carità und Chiesa Nuova führten sogar Oratorien des Portugiesen auf. La Giuditta aus dem Jahr 1726 gilt heute als Oratorium, das sich mit seiner eindrücklichen musikalischen Gestaltung von Angst, Ernsthaftigkeit, aber auch

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von Kraft und Gewalt von den vielen anderen Vertonungen des JudithStoffs aus dem 18. Jahrhundert abhebt. Als weitere Gruppe sind die Kastraten zu nennen, die im Rom des Barock als Sänger ausgesprochen begehrt waren. Der Sopran Giacomo Francesco Lelong „gallo“ war kurz nach 1600 in der Cappella Giulia aktiv, bevor er am Lateran und in Sankt Peter sang. Etwa zur selben Zeit waren mit Giovanni Grisardi „gallo Lauduniensis“ und Pietro Berar „gallo“ noch zwei weitere Kastraten in der Cappella Giulia angestellt. Es ist vorstellbar, dass diese Sänger in Rom als Sängerknaben ausgebildet worden waren, was bedeutet, dass sie an eine der namhaften Kirchen angegliedert waren, wo sie vom Kapellmeister nicht nur unterrichtet, sondern auch zu Hause aufgenommen und versorgt wurden. Als Gegenleistung leisteten solche Sängerknaben dann mehrjährige Dienste in der jeweiligen Kapelle. Der Meister ließ die Knaben dabei nicht aus den Augen, sondern begleitete sie auch zu Auftritten in anderen Kirchen. Der Kirchenvorstand bezahlte: Von Kleidern über Schuhe bis zu Strümpfen ist so manche regelmäßige Investition für den sängerischen Nachwuchs in den Kirchenbüchern verzeichnet. Bei den römischen Nationalkirchen kam es immer wieder vor, dass Stellenbesetzungen in politischer Hinsicht vorgenommen wurden. Um 1600 gab es eingeschliffene Traditionen, bestimmte Posten mit Musikern derselben Herkunft zu besetzen. Dies war zum Beispiel bei der Stelle des Organisten in Santa Maria dell’Anima der Fall, der Nationalkirche des Heiligen Römischen Reiches. Im Jahr 1608 reklamierte der niederländische Organist Alexander Nison, der an Santa Maria sopra la Minerva angestellt war, den Posten an Santa Maria dell’Anima für sich. In einem Brief drückte er sein Unverständnis dafür aus, dass die Stelle des Organisten mit einem Italiener besetzt worden war, obwohl er, der Lütticher, doch frei war: „Edle und ehrwürdige Herren. Obwohl es in der Kirche Santa Maria dell’Anima üblich ist, einen Organisten von deutscher Herkunft anzustellen, findet sich dort gegenwärtig ein Italiener. Alessandro Nison aus Lüttich bittet Ihre werten Herren, ihm die Stelle zuzusprechen, die er mit allem Fleiß und Engagement ausfüllen wird, um seine Pflicht zu erfüllen aber auch da er in dieser Kirche über viele Jahre herangezogen wurde.“

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Im Jahr 1613 bekam Alexander Nison tatsächlich die Stelle als Organist und Kapellmeister in Santa Maria dell’Anima, die er bis zu seinem Tod 1646 ausfüllte. Nison wohnte mit seiner römischen Frau und seinen fünf Kindern zwischen der Anima und der Chiesa Nuova; eine seiner Töchter wurde von der Kirche durch eine Mitgift unterstützt und nach seinem Tod wurde Nison dort auch begraben. Während seiner Amtszeit wurde er bei großen Festen immer wieder von römischen Kapellmeistern unterstützt. Später, ab der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts, als die Musiker verschiedener Herkunft zwischen den einzelnen römischen Kirchen zirkulierten und sich gegenseitig bei großen Festmusiken unterstützten, ging es eher darum, dass sich die einzelnen Botschafter „ihre“ Nationalkirche als politisches Instrument erschlossen. Hierzu gehörte natürlich auch die Musik, und zwar vor allem diejenige italienischer Komponisten, mithilfe derer es sich mit anderen diplomatischen Vertretungen in Konkurrenz treten ließ. Am 31. Oktober 1704 setzte sich der spanische Botschafter Duca d’Uzeda dafür ein, dass Severo de Luca, der im spanisch geführten Königreich Neapel ausgebildet worden war und seit seiner Ankunft in Rom den spanischen Botschaftern diente, die Stelle des Kapellmeisters an San Giacomo degli Spagnoli erhielt. Der Kirchenvorstand hielt zwar daran fest, dass sich auch die anderen Bewerber vorstellen sollten, stimmte dann aber einstimmig für Severo de Luca. Als Komponist war er wegen seiner Anstellungen bei den Botschaftern vor allem mit Serenaden und Kantaten hervorgetreten; viele davon waren auf der Piazza di Spagna mit großem Pomp und vielen Musikern aufgeführt worden. An Kirchenmusik sind von Severo de Luca hauptsächlich Messen aus Anlass großer Ereignisse der spanischen Königsfamilie erhalten: 1724 komponierte er eine Trauermusik zum Tod des Königs Ludwig I. von Spanien und 1729 eine Messa di Gloria zur Geburt der Infantin Maria Antonia Fernanda di Borbone Farnese. Beide Werke wurden in San Giacomo degli Spagnoli aufgeführt.

Adelspaläste und Gesandtschaften Es verwundert nicht, dass sich europäische Diplomaten aus aller Herren Länder im 17. Jahrhundert immer mehr in der Kulturförderung enga-

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gierten. Kunst und Musik waren zu einem Instrument geworden, das öffentlichkeitswirksam den jeweiligen Status der Herrscher auf dem politischen Parkett der Frühen Neuzeit ausdrückte. Im Ausland bezieht sich das Repräsentationsstreben natürlich auf die Gesandtschaften in fremden Ländern. Das zentrale Element der zwischenhöfischen Kommunikation war die Diplomatie, die sich im Laufe des 17. Jahrhunderts zu einem System ständig anwesender Gesandtschaften entwickelte. Insbesondere die Darstellung, Festigung und Steigerung von Rang und Prestige der Herrscher erfolgte nun immer mehr durch Botschafter vor Ort. Die Sammelleidenschaft der frühneuzeitlichen Botschafter und Kardinäle, die den Grundstock für berühmte Bild- und Antikensammlungen legten, sind gut erforscht. Das Augenmerk der historischen und vor allem kunsthistorischen Forschung auf Gemälden lässt sich nicht leugnen und auch die historische Musikforschung verweist auf die Musik als ebenbürtiges Element politischer Repräsentationspraxis. Dabei war die Musik noch viel mehr als Gemäldegalerien ein Bestandteil der zeitgenössischen politischen Kommunikation. Dass die Sänger am Papsthof viele freie Tage hatten und dadurch die Möglichkeit bestand, neben ihrer eigentlichen Tätigkeit weitere Engagements anzunehmen, ist bereits skizziert worden. Besonders zur Karnevalszeit und im Oktober häuften sich solche außerkirchlichen Angebote. Zum einen engagierten natürlich die zahlreichen Theater der Stadt auch für kurze Spielzeiten gern hochkarätige Sänger. Aber auch in privaten Adelspalästen und in den Botschaften fanden Musikveranstaltungen statt. Die drei Kardinäle Benedetto Pamphilj (1653–1730), Pietro Ottoboni (1667–1740) und Carlo Colonna (1665–1739) förderten einzelne Musiker ganz besonders. Pamphilj und Ottoboni traten nicht nur als Mäzene von Musik und Kunst in Erscheinung, beide schrieben auch selbst Libretti. Mindestens fünf Texte von Pamphilj wurden von Alessandro Scarlatti, einem der führenden Komponisten seiner Zeit, vertont. Das gleiche gilt für Kardinal Ottoboni, der nur einige Jahre jünger als sein Kardinalskollege war. Auch er machte sich als Librettist einen Namen. Die Uraufführungen fanden jeweils in Ottobonis eigenem Theater in seinem Stadthaus, dem Palazzo della Cancelleria, statt, wo er seinen Kardinalshaushalt wie einen kleinen Hof inszenierte. Die Kardinalshaushalte boten neben dem päpstlichen Hof wichtige Entfaltungsmöglichkeiten für die nichtkirchliche Musikpflege. Umfassten sie anfangs oft nicht

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mehr als ca. 40 Personen, vergrößerten die Kardinäle aus reichen aristokratischen Familien ihre Haushalte zu kleinen Hofhaltungen. Ottoboni förderte auch Georg Friedrich Händel während dessen Romaufenthalts, indem er ihm Aufführungsmöglichkeiten bot. Regelmäßig an Montagabenden ließ der Kardinal Nachtkonzerte in seinem Palast im historischen Zentrum von Rom organisieren, die als „accademie“ bezeichnet wurden. Bei einem dieser Konzerte wurde Arcangelo Corelli, einer der berühmtesten italienischen Geiger seiner Generation, dem jungen Händel vorgestellt. Regelrecht ein Favorit und Günstling des Kardinals war hingegen ein Kastrat, der zuvor ähnlich wie auch Corelli für Königin Christina von Schweden gearbeitet hatte. Sein Name war Andrea Adami da Bolsena (1663–1742) und der kastrierte Sänger, der am Papsthof angestellt war, konnte durch die Fürsprache seines Gönners sogar Chorleiter der päpstlichen Kapelle werden. Ottoboni spielte damit die Klaviatur der Einflussnahme souverän. Heute würden seine Bemühungen wohl kaum noch mit dem modernen Begriff „Networking“ treffend beschrieben werden können, vielmehr fiele wohl das ungnädige Urteil: Vetternwirtschaft! Damit wird man dem Kardinal und seiner herausgehobenen Rolle in der römischen Gesellschaft jedoch nicht gerecht. Ottoboni war der letzte Kardinalnepot, eine besonders einflussreiche Position, die unter dem nachfolgenden Papst Innozenz XII. im Jahr 1692 endgültig abgeschafft wurde. Doch musste ein erfolgreicher Musikmäzen die Mittel und die Position eines Ottoboni haben? Zweien der bereits mehrfach erwähnten Adligen war es doch auch gelungen, sich und ihren Adelssitzen im musikalischen Rom einen Namen zu machen. In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts war der Palast von Kardinal Benedetto Pamphilj im musikalischen Gefüge der Stadt ebenso fest verankert wie Akademien, öffentliche Theater oder Kirchenchöre. Das gleiche galt für den Palazzo Bonelli, den Francesco Maria Ruspoli zu Beginn des 18. Jahrhunderts für seine Familie anmietete. Beide Musikkenner verfügten über ein ansehnliches Vermögen und hatten mit repräsentativen Adelssitzen auch passende Räumlichkeiten für Konzerte. Aber sie konnten nicht auf eine vergleichbar unangefochtene Position verweisen wie der Kardinalnepot Ottoboni. Insofern scheint eher das persönliche Engagement ausschlaggebend für das erfolgreiche Mäzenatentum gewesen zu sein. Pamphilj und Händel lernten sich 1707 in Rom kennen und schlossen eine lebens-

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lange Freundschaft, deren Korrespondenz in Teilen noch heute überliefert ist. Händel wiederum revanchierte sich für die Förderung und das Wohlwollen dieses adligen Gönners mit einer Reihe von Kantaten, die er Pamphilj widmete; darunter auch das berühmte Trionfo del tempo e del disinganno auf Grundlage eines Librettos, das der Kardinal selbst verfasst hatte. Das Oratorium, das der deutsche Komponist in zwei Teilen vertont hatte, wurde im Juni 1707 im Collegio Germanico in Rom zum ersten Mal aufgeführt. Das Libretto ließ Händel im weiteren Verlauf seines Lebens nicht los. 1737 arbeitete er es radikal um, sodass eine neue dreiteilige Fassung mit dem Titel Il trionfo del Tempo e della Verità entstand. Noch im Jahr 1756 bearbeitete der inzwischen nahezu erblindete Komponist das Stück für eine englische Fassung, in die er zehn neue Stücke aufnahm, aber auch neun Nummern aus der zweiten und dreizehn Nummern aus der Urfassung. Das Stück, das ihm sein engagiertester Förderer aus römischer Zeit gewidmet hatte, schließt damit einen Bogen um den Großteil von Händels künstlerischem Schaffen. Die meisten Kantaten schrieb Georg Friedrich Händel jedoch für den Fürsten Ruspoli (1672–1731), in dessen Palazzo er mehrere Monate lang lebte. Der Adelspalast, der im barocken Rom als Palazzo Bonelli bekannt war, wird heute als Palazzo Valentini bezeichnet und befand sich auch damals im Herzen des römischen Stadtzentrums, jedoch nicht wie heute an der Via IV. Novembre, 119/a in unmittelbarer Nähe der Piazza Venezia, einem Verkehrsknotenpunkt des modernen Rom, wo er die römische Provinzialverwaltung beherbergt, sondern an der Piazza dei Santi Apostoli. Noch heute ist die klassisch-schlichte Fassadengliederung erhalten, und der Innenhof, den jeder Interessierte ohne Probleme betreten kann, besitzt noch die umlaufenden Arkaden mit RenaissanceElementen. Auch zu Beginn des 18. Jahrhunderts war der Palazzo nur wenige Schritte vom Corso entfernt, der sich von der Piazza del Popolo aus in Richtung des Kapitolinischen Hügels bis zur damals noch viel unscheinbareren Piazza Venezia erstreckte. Nicht weit vom Quirinalspalast und keine Viertelstunde zu Fuß vom Collegio Germanico sowie von zahlreichen Botschaftsgebäuden und großen Kirchen entfernt, lag der Palazzo mitten im Zentrum der lebendigen Stadt. Vom großen Saal im ersten Stock des Hauses aus scheint man die Hauskirche San Bernardo fast ebenso greifen zu können wie Santa Maria di Loreto. Die antike Trajansäule schließt die Blickachse ab. In einem Reiseführer von 1703 wird

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der Palast als besonders groß und prachtvoll beschrieben, die Haupttreppe sei „die schönste, die es in Italien gibt“. Auch ein Reisebericht des Landgrafen von Hessen-Kassel hält fest, dass diese Treppe „die schönste in gantz Rom ist“ und 8960 Scudi gekostet haben soll. Pietro Rossinis Romführer aus dem Jahr 1704 verewigt den Eingangsbereich, den alle Besucher des kaiserlichen Botschafters nehmen durften, mit einem ganzen Absatz voller Details und verschweigt auch nicht die musikalische Tradition des Gebäudes. Der Palazzo an sich war bereits Ort für Konzertveranstaltungen gewesen, bevor Fürst Ruspoli das Gebäude 1705 bewohnte und den größten Saal im Hinblick auf Konzerte und Oratorien für mehr als 500 Personen umbauen ließ. Das Gebäude war zuvor Sitz des kaiserlichen Botschafters Leopold Joseph Graf von Lamberg (1653–1706) gewesen. Die diplomatischen Gesandten der europäischen Nationen, zu denen die Vertretung des Heiligen Römischen Reichs deutscher Nation genauso zählte, wie die Stadtrepublik Venedig oder das Königreich Spanien ebenso wie die Vertretung des Kurfürstentums Bayern, wetteiferten in der Pflege der Musik und veranstalteten oft eigene Konzerte, stellten Musiker an und ließen Auftragsmusik komponieren. Die frühneuzeitliche Diplomatie unterschied sich vom mittelalterlichen Botenwesen vor allem dadurch, dass nun ständige Gesandtschaften entstanden, die bereits der modernen Diplomatie ähnelten. Die Gesandten aus Wien sind aus mehreren Gründen besonders interessant. Zunächst einmal gab es neben der französischen oder beispielsweise der spanischen Vertretung in Rom nur diese Gesandtschaft aus dem Heiligen Römischen Reich deutscher Nation. Als einziger weiterer deutscher Reichsstand und überhaupt als einziger mittelgroßer Staat außerhalb der italienischen Halbinsel unterhielt nur noch Bayern seit dem Beginn des Pontifikats Papst Pauls V. im frühen 17. Jahrhundert ständige diplomatische Kontakte zum Papsthof. Während der kaiserliche Botschafter in der Regel ein aus Wien oder von einem der anderen Einsatzorte entsendeter deutschsprachiger Adliger war, ließ der bayerische Herzog seine Interessen am Papsthof von zwei römischen Familien vertreten. Es handelte sich hierbei nicht um Mitglieder der ranghöchsten römischen Adelsfamilien, sondern um die Crivelli und die Scarlatti. Eine ernsthafte Konkurrenz für den kaiserlichen Botschafter stellte die bayerische Gesandtschaft am Heiligen Stuhl deswegen nicht dar; die beiden Familien vertraten zwar bayerische Interessen,

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konnten ansonsten aber nicht mit der kostenintensiven Repräsentation des Wieners mithalten. Hier hatte der kaiserliche Botschafter eindeutig die Nase vorn, der neben Berichten an den Kaiserhof und der Beschaffung von Informationen aus Rom vor allem die Repräsentation im Namen des Kaisers als Pfeiler seiner gesandtschaftlichen Tätigkeit verstand. Rom bildete mit dem päpstlichen Hof den traditionellen Schnittpunkt der internationalen Diplomatie. Die einzelnen Gesandten kamen nicht nur mit den Kardinälen und römischen Adligen in Kontakt, sie traten auch in Konkurrenz mit allen anderen europäischen Mächten. Besonders deutlich wurde der Wettstreit, um Macht und Einfluss zur Geltung zu bringen, bei wiederkehrenden Ereignissen wie Botschaftereinzügen, Krönungen, Geburten von Thronfolgern oder Trauerfeierlichkeiten. Im Jahr 1638 komponierte der französische Lautenist Pierre Gaultier ein Ballet sur l’Entrée de Monseigneur le Prince d’Eggenberg à Rome. Der kaiserliche Sondergesandte musste seinen Einzug in die Ewige Stadt zweimal vornehmen, einmal am tatsächlichen Beginn seines Romaufenthaltes und einmal nach der Entschuldigung für Verletzungen des päpstlichen Zeremoniells. In der Zwischenzeit, in der Eggenberg inkognito in Rom leben musste, verkürzte er sich die Wartezeit vermutlich mit musikalischer Unterhaltung. Warum der Sondergesandte des Heiligen Römischen Reiches dabei gerade auf einen französischen Musiker zurückgriff, ist bis heute ungeklärt. Die Publikation eines ganzen Lautenbuchs in Rom – der einzige bisher bekannte römische Druck eines Franzosen im 17. Jahrhundert – mag dabei zur prächtigen Ausstattung des Prinzen gehört haben, der dem Papst schließlich in einer goldenen Kutsche seine Aufwartung machte. Die kaiserlichen Gesandten hatten wie jede andere Nation bevorzugte Festplätze in der Stadt: Die Spanier und auch die Franzosen feierten auf der Piazza di Spagna; ebenso häufig fanden Veranstaltungen der Franzosen, Spanier oder Portugiesen auf der Piazza Navona statt oder – vor allem von den Franzosen – auf der Piazza Farnese. Festlichkeiten zu Ehren des Kaisers wurden meistens vor dem Collegio Germanico auf der Piazza Sant’Apollinare oder ebenfalls vor der spanischen Botschaft an der Stelle, an der 1725 die Spanische Treppe vollendet wurde, abgehalten. Auch große militärische Siege über die Türken wurden (wie beispielsweise 1691) mit großen Feierlichkeiten aller fremden Nationen in der Stadt begangen. Graf von Lamberg hielt in seinem Tagebuch fest, wie ganz Rom

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mit Masken, Fackeln und Feuerwerken feierte: „In allen Gassen ist . . . mit Feuerwerck der Abend angekündet worden. Alle Cardinal haben ihre Palazza illuminirt wie auch die Franzosen.“ Überhaupt stellten die Franzosen den kaiserlichen Botschafter immer wieder vor neue Probleme. Prachtentfaltung verwendete der französische König auch im Ausland als Mittel der Außenpolitik, um bei Fremden den Eindruck von Macht, Reichtum und Glorie zu vermitteln. Schon 1673 beschwerten sich die Wiener Gesandten deswegen am Kaiserhof, dass Frankreich für ständig steigende Repräsentationskosten in Rom verantwortlich sei. Je mehr die französische Gesandtschaft ausgab, umso mehr gerieten eben auch die kaiserlichen Gesandten in Zugzwang. Sie wurden dadurch allerdings vor gravierende finanzielle Probleme gestellt. In einem Schreiben nach Wien liest sich diese Sorge im Stil der Zeit wie folgt: „weil d[ie] pracht allenthalben grösser worden, also das für iezo auch ein mehrers Spesa erfordert wird“, denn ein jeder Resident, ein jeder „Ambasciador“ wollte „einer den anderen ‚in luxu‘ übertreffen, auch in allen denen Franzosen nachartten wollen, mit welchen ‚Tituli‘ dan[n] die ‚Intertenimenta‘ [Entertainments] zugleich gewachsen“. Um mitziehen zu können und sein Image in der römischen Gesellschaft aufzubessern, setzte Lamberg zu Beginn des 18. Jahrhunderts dann schließlich gezielt auf Kultur. Er lud zu Konzerten und Hausbällen in den Palazzo Bonelli ein, aber da ihm auch die deutsche Nationalkirche in der Nähe der Piazza Navona unterstand, die für ihren Chorgesang bekannt war, richtete er anlässlich des Leopoldifestes am 15. November 1701 dort ein exklusives Konzert für 50 Scudi aus. Um dem Anlass einen besonderen Rahmen zu geben, fuhr seine Frau in der großen neuen Stuffaglia, ihrem fürstlichen Privatwagen, vor. Weiter ging es dann ebenfalls mit diesem Wagen zum anschließenden Ball im eigenen Palast. Welche hochrangigen Mitglieder der römischen Gesellschaft sich mithilfe der musikalischen Darbietungen anlocken ließen, notierte der Botschafter akribisch in seinem Tagebuch. So waren an diesem Novembertag im Jahr 1701 mehrere junge aristokratische Damen zum Hausball erschienen, die ihrerseits von zahlreichen Kavalieren begleitet worden waren. Familien wie die Santa Croce, Cenci und Savelli wurde einzeln vermerkt, andere Gäste wiederum nur mit ihrem Amt: Die venezianische Botschafterin, also die Ehefrau des Botschafters, war gekommen, darüber hinaus mehrere Äbte und Kardinäle. Einer von ihnen, Kardinal Grimani, wurde

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sogar von einem Spion bis in das Haus verfolgt. Dieses Detail berichtete Lamberg besonders genüsslich nach Wien, weil er es nicht zuletzt seinen hochkarätigen Musikveranstaltungen zuzuschreiben schien, anstatt sich darüber im Klaren zu sein, dass in diesem Fall schlicht politische Konflikte zur Beschattung einzelner Kardinäle geführt hatten. Vielleicht hatte Graf Lamberg aber auch nicht so Unrecht mit seiner eitlen Vermutung. Lediglich der Ball in der kaiserlichen Botschaft hätte zur Aussendung von Spionen geführt. Denn bei Proben im Palazzo wurde streng darauf geachtet, dass nur geladene Gäste zuhören durften. Am 20. Dezember des gleichen Jahres wurde eine nicht näher bestimmte „Comedie“ geprobt, bei der unter anderem Kardinal Ottoboni anwesend war. Bei der darauffolgenden Generalprobe am 7. Januar, die erstmals „in Klaidern probiret worden“ war, durfte der musikliebende Kardinal sogar als einziger Gast anwesend sein. Alle anderen Interessierten mussten die Premiere abwarten. Dem Rechnungsbuch des Botschafters zufolge hatten die Vorbereitungen zum Musiktheater bereits im Oktober begonnen. Zuerst waren Soloauszüge der Partitur angefertigt worden und im Dezember hatte man begonnen Requisiten zu beschaffen. Auch nach der Premiere notierte der Botschafter jedoch anfallende Kosten wie für die Perücke eines Musikers, Schuhe für eine Sängerin, Instrumente, die ausgetauscht werden mussten und Kosten für Bären und Affen, die im Rahmen des Stücks auf die Bühne geführt wurden. Diese Beträge reichten von 1,50 Scudi für die Schuhe bis zu 6,60 Scudi für die Tiere. Den Sängern des Stücks wurden 130 Scudi ausbezahlt, den Instrumentalisten zusammen 200 Scudi. Rom war im 17. und beginnenden 18. Jahrhundert mehr als irgendwann danach Bühne für Theater- und Konzertdarbietungen. Deswegen war es notwendig, dass bei den einzelnen Konzerten mit allen Kunstgriffen um das Publikum zu werben versucht wurde. Der kaiserliche Botschafter konnte zwar wiederholt mit Wiener Musikern auftrumpfen, war aber nicht in der Lage Gagen zu zahlen, die ihm Auftritte von Corelli oder Händel ermöglicht hätten. Anhand der Rechnungsbücher lassen sich die Namen einzelner Musiker aus Wien leider nicht mehr rekonstruieren. Akribische Recherchen ergeben zwar, dass an der kaiserlichen Botschaft immer wieder für einzelne Engagements Wiener Musikgruppen bezahlt wurden, es lässt sich aber weder herausfinden, wer diese Musiker waren, ob sie ohnehin vor Ort lebten, ob sie stets als Ensemble auftraten oder ob

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sie nur für einzelne Konzerte nach Rom gekommen waren. Der Palast des Botschafters hielt neben dem Saal für größere Konzerte auch ein kleineres Gesangszimmer, das sogenannte „Stanziolino à canto“ bereit. Außerdem gehörten zur Wohnung des Botschafters auch Schlafzimmer für Hofdamen und Sängerinnen, was darauf schließen lässt, dass die Sängerinnen regelmäßige Engagements bei Lamberg hatten. Nur vereinzelt hielt der Botschafter in seinem Tagebuch die Namen von Solokünstlern fest, zum Beispiel wenn er am Geburtstag Kaiser Leopolds I. eine „sehr vornehme Soirée mit einer lieblichen Kantate“ aufführen ließ, zu deren Anlass jeder Mitwirkende noch eine Extragratifikation erhielt. Am Kaisergeburtstag ließ sich auch der Botschafter nicht lumpen – und Ausdruck besonderer Festlichkeit war immer eine Konzertdarbietung und wenn es ging, dann waren eben auch deutsche Musiker dabei vertreten, die sich jedoch einer starken römischen Konkurrenz gegenüber sahen. Ähnliches galt für die anderen europäischen Gesandten. Der französische Botschafter Ludwigs XIV., der Mitte des Jahres 1666 das Amt in Rom antrat, war Charles d’Albert d’Ailly, duc de Chaulnes. Bereits ein halbes Jahr später beschäftigte er seinen ganzen Mitarbeiterstab mit Vorbereitungen für den Faschingsdienstag. Wie die einflussreichsten Kardinäle und die Botschafter der anderen Hegemonialmächte Europas wetteiferten auch die Franzosen um die besten Sänger, die begehrtesten Musiker für die Faschingstage – und sie hatten Erfolg: Chaulnes konnte das Ensemble verpflichten, das im Jahr zuvor im Palazzo Riario vor Christina von Schweden gespielt hatte. Dass Musiker bereits im Hause der schwedischen Königin aufgetreten waren, galt über die Grenzen Roms hinaus als herausragendes Gütesiegel. Genannt wurde zwar nur eine der Darstellerinnen, aber anhand des Eintrags, dass Maria Vittoria, eine „cantarina brava comica“ sei, eine sehr gute Sängerin für Komödien, lässt sich entnehmen, dass die Darbietung in der französischen Botschaft auch eine Theaterinszenierung mit musikalischen Elementen gewesen zu sein schien. Bereits vor dem eigentlichen Höhepunkt der Faschingszeit fanden einzelne Aufführungen im Palazzo Farnese, dem Sitz der französischen Botschaft, statt. Gespielt wurde in der Gemäldegalerie im ersten Stock, die für ihre erstaunliche Akustik berühmt war. Bereits die Proben zur „comédie en musique“ waren sehr erfolgreich und zogen Scharen von Interessierten an. Aber nach den wirklichen Feierlichkeiten

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berichtete der Botschafter noch umso erleichterter nach Paris: „Ich gebe der italienischen Musik den Vorzug vor der französischen!“ Unter einem ähnlichen Aspekt ist auch die Aufführung einer französischen Oper, der sogenannten „tragédie en musique“, im Jahr 1690 in einem der großen Ballsäle des römischen Palazzo Bigazzini zu betrachten: Die Darbietung der Armide von Lully. In italienischer Übersetzung und mit italienischen Sängern war sie ein Versuch der französischen Faktion Roms, die Kultur des machtbewussten Ludwig XIV. in Rom hoffähig zu machen. Dieser hatte gerade die gallikanischen Artikel verabschiedet, welche die Macht des Papstes in Frankreich einschränkten. Der Inhalt der Armide ist friedlich gesinnt: Das Libretto enthält ein Friedensidyll. Indem der Organisator der Aufführung, Kardinal de Bouillon, die „tragédie en musique“ ins Italienische übersetzen ließ, konnte er sich sicher sein, dass die Botschaft vom päpstlichen Hof verstanden würde bei einer gleichzeitigen Herauskehrung der französischen Nation als künstlerisch und kulturell gefestigte Macht. Da die Übersetzung dann auch den Inhalt des Textes, aber nicht den rhythmischen Duktus der Melodien respektierte, muss die italienische Version recht eigentümlich geklungen haben. Coulanges berichtet, dass die anwesenden Kardinäle die Anstrengungen des französischen Kardinals bewunderten, aber an der französischen Musik überhaupt keinen Gefallen finden konnten. In Rom war und blieb es vorteilhafter, seine politische Macht mit italienischer Musik zu untermalen, für die entsprechende Virtuosen, Sänger und auch Publikum vorhanden waren. Dem Portugiesen Francisco António de Almeida gelang es bei einer privaten Akademie im Haus des Karikaturisten Pier Leone Ghezzi (1674–1755), den italienischen Stil so geschmackvoll zu treffen, dass der berühmte Zeichner eine Karikatur von Almeida anfertigte, deren Bildunterschrift ihn als vielversprechenden jungen Komponisten und begnadeten Sänger beschreibt. Königin Christina von Schweden, die sich nach ihrer Abdankung in Rom niedergelassen hatte, gründete nicht nur einen literarischen Zirkel, der unter dem Namen „Accademia Reale“ zum Fixpunkt des kulturellen Lebens der Stadt wurde, sie ließ auch Konzertveranstaltungen ausrichten. Musikern standen viele andere Türen offen, sobald sie den Nachweis erbringen konnten, dass sie bereits bei der schwedischen Königin gespielt hatten. Doch was können wir uns unter diesen frühneuzeitlichen Akademien vorstellen? Es waren meist Zusammenschlüsse von Gleichge-

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sinnten. Akademien gaben sich schriftliche Statuten, hatten einen Vorsitzenden, der sich Fürst oder Konsul nannte, sowie Mitglieder, die sich innerhalb der Akademie neue Namen wählten. Ziele wurden oft als grundsätzlich tugendhafter Zeitvertreib und erzieherisch wirkende Tätigkeiten angegeben. Als solche wurde auch die Musik verstanden, die daher in die Programme zahlreicher Akademien aufgenommen wurde. Allerdings gab es nur vereinzelt dezidierte Musikakademien, wenn auch bei den allermeisten Akademien im 17. Jahrhundert Musik regelmäßig eine Rolle spielte. Sei es, dass bei den regulären Treffen der Akademiemitglieder kurze Konzerte aufgeführt wurden, sei es, dass Aufführungen im Rahmen rein musikalischer Veranstaltungen stattfanden oder bei Festen, Theaterstücken und Gottesdiensten. Das Hauptaugenmerk richtete in Rom die bereits 1566 gegründete Congregazione di Santa Cecilia auf die Musik. Hier wurden Konzerte veranstaltet. Neben einem Schutzherrn aus dem Kardinalskollegium standen Santa Cecilia vier sogenannte „Guardiani“ – Wächter – zu, die sich aus einem Kapellmeister, einem Organisten, einem Sänger und einem Instrumentalisten zusammensetzten. Dass Corelli in den Jahren 1681, 1684 und 1700 zum Guardiano der Instrumentalmusiker gewählt wurde, verdeutlicht seine unangefochtene Stellung als einer der besten Musiker seiner Zeit. Fremde Musiker vom Format eines Händel finden sich hingegen kaum in den Akademien, unbekannte Musiker, die erst noch bei einem Meister lernen wollten, hatten gleich gar keine Chance. Das sah auch bei der Accademia degli Arcadi nicht anders aus, obwohl sie 1690 in Erinnerung und zur Fortsetzung der Accademia Reale der kurz zuvor gestorbenen Königin gegründet worden war. Versuche einen „Coro d’Arcadia“ zu bilden, dem zwei Sänger, vier Instrumentalisten und ein Kapellmeister angehören sollten, scheiterten jedoch, ohne größere Breitenwirkung entfaltet zu haben. Von einzelnen Komponisten wie zum Beispiel Christian Joseph Lidarti (*1730, †1795) ist zumindest die Aufnahme in Akademien in Bologna und Modena bekannt. Allerdings erfolgte auch die Aufnahme des gebürtigen Wieners erst nach einer langen vorzeigbaren Karriere. Insofern lässt sich festhalten, dass die Akademien in Rom zwar bedeutende Musikorte innerhalb der Stadt waren, aber für die europäischen Musiker, die nur für eine kurze Zeitspanne in Rom sein konnten, gab es kaum Möglichkeiten, aufgenommen zu werden und kaum Möglichkeiten, auch nur an Konzerten mitzuwirken.

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Oper Aus den privaten Opernaufführungen heraus entstanden ab den 1670erJahren die ersten öffentlichen Opernhäuser Roms. Die ersten Theatergründungen stehen dabei in engem Zusammenhang mit der Präsenz der beiden ehemaligen Königinnen Christina von Schweden, die zum Katholizismus konvertiert war, und der verwitweten Maria Casimira von Polen. Christina weilte zwischen 1655 und 1666 und von 1668 bis zu ihrem Tod im Jahr 1689 in Rom, und Maria Casimira hielt sich dort von 1699 bis 1714 auf. Beide widmeten sich mit großem Engagement dem örtlichen Musikleben, ließen Opern komponieren und aufführen und stellten namhafte Musiker wie Alessandro Scarlatti an. Schon bei ihrer Ankunft in Rom wurde Christina von Schweden als herausragende Konvertitin musikalisch mit drei von der Adelsfamilie Barberini organisierten Opernaufführungen im „gran Theatro“ des Palazzo Barberini alle Quattro Fontane empfangen. Die Spektakel, die von Francesco Barberini und Giulio Rospigliosi organisiert wurden, deckten dabei die typischen musikdramatischen Genres Roms unter Papst Urban VIII. ab, der schon 20 Jahre zuvor den Sohn des schwedischen Titularkönigs, Alexander Karl Prinz von Polen und Litauen, mit mannigfachen musiktheatralischen Aufführungen empfangen hatte. Für Christina von Schweden organisierten die beiden Kardinäle ein großes Reiterturnier mit der „Giostra dei Caroselli“ im Hof des Palazzo Barberini, ein geistlich-moralisches Drama mit Musik (La vita humana), eine profane Hofoper (L’armi e gli amori) und eine moderne musikalische Komödie (Dal male il bene). Giulio Rospigliosi, der später Papst Clemens IX. wurde und der zu dieser Zeit nach seiner Ausbildung im Seminario Romano Karriere in den Barberini-Kreisen unter Papst Urban VIII. machte, schrieb das Libretto zu La vita humana overo Il trionfo della Pietà, das sein Neffe Giacomo mit den Worten beschrieb: „sehr moralisch und ohne dramatischen Knoten, da keine Handlung, sondern sagen wir eher eine Ariensammlung die Absicht war, die man zusammen anhören konnte und die durch ein Paar Rezitative verbunden war“. Das Werk glänzte somit nicht durch sein moralisches Libretto, sondern mit seiner Musik von Marco Marazzoli und der aufwendigen Bühnenausstattung für Schlachten und Verwandlungen. Nach der ersten Aufführung am 31. Januar 1656 sprach

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sich die ehemalige Königin von Schweden – „mit großem Lob für den Inhalt und die Komposition“ – für eine zweifache Wiederholung aus. Dies sollte nur der Anfang einer regen musikalischen Tätigkeit der ehemaligen Königin sein. Christina logierte im Folgenden im Palazzo Farnese und im Palazzo Riario direkt am Tiber, wo es ebenfalls zu mannigfachen Opernaufführungen kam. Maria Casimira, die zuerst im Palazzo Odescalchi in der Nähe der Piazza Venezia gewohnt hatte, bezog dagegen um das Jahr 1703 den Palazzo Zuccari direkt oberhalb der Piazza di Spagna neben der Kirche Trinità dei Monti. Das Engagement der beiden ehemaligen Königinnen für die Oper ist eng mit den Namen Jacques d’Alibert und seines Sohnes Antonio d’Alibert verbunden. Der Vater stammte aus Paris, von wo er als junger Diplomat nach Turin, von dort nach Venedig und schließlich nach Rom aufbrach. Der junge Jacques wird in einer Abhandlung über den Romaufenthalt Christina von Schwedens als äußerst geschäftstüchtig und gewitzt beschrieben. Vor seiner Abreise nach Rom posaunte er in freizügigen Pariser Kreisen hinaus, dass er in diplomatischer Mission für den Arbeitgeber seines Vaters, Gaston Duc d’Orléans (einer der Söhne des ehemaligen französischen Königs Heinrich IV.), unterwegs sei. Es handelte sich um eine äußerst pikante Angelegenheit, da er dem Kardinal de Retz, der in der Fronde gegen das französische Königshaus revoltiert hatte, von Ludwig XIV. festgenommen wurde, aber aus der Gefangenschaft in Nantes nach Rom fliehen konnte, einen Brief und einige wichtige Botschaften übermitteln sollte. Dies kam Kardinal Mazarin zu Ohren, der sofort bei Gaston d’Orléans nachfragte. Nachdem letzterer Mazarin versichert hatte, dass ihn keinerlei Angelegenheiten mit dem Kardinal de Retz in Rom verbänden und dass, wenn dies so wäre, er seine Mission wohl niemals einem Siebzehnjährigen anvertraut hätte, wurde es endgültig Zeit für Jacques d’Alibert, Frankreich zu verlassen. Nach seiner Ankunft in Rom im Frühjahr 1661 ließ sich d’Alibert in der Via dei Greci just an der Piazza di Spagna nieder. In seiner Wohnung organisierte er Marionettentheateraufführungen, bei denen die Zuschauer musikalisch unterhalten wurden, eine Begleitung, die d’Aliberts Einnahmen anscheinend nicht unwesentlich steigerte. An einer Lotterie, die er im Collegio della Sapienza – der heutigen Universität La Sapienza – in illustrem Rahmen mit Kronleuchtern, Spiegeln und weiterem Tand abhielt, ließ er seine Gläubiger gratis teilnehmen und obendrein mit gefälschten Losen

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ihr geliehenes Geld verlieren. Nicht zuletzt eröffnete Jacques d’Alibert beim Orto di Napoli in der Via del Carciofolo (heute Vicolo Alibert) unweit der Piazza di Spagna einen Saal für das Jeu de Paume, einem Vorläufer des Tennis, das sich seit dem Mittelalter in Frankreich großer Beliebtheit erfreute. Die Gegend um die Piazza di Spagna war dabei ungemein vorteilhaft, um Leute anzuziehen, da es hier unzählige Cafés gab, in denen sich Rombesucher aus ganz Europa trafen. Jacques d’Alibert wurde im April 1662 dem Vertrauten Christina von Schwedens, Kardinal Dezio Azzolino, empfohlen. Dieser setzte sich bei der Königin für d’Alibert ein, der fortan als Hilfssekretär angestellt wurde. D’Aliberts Aufgabe war es, innerhalb Roms Nachrichten zu überbringen und der ehemaligen Königin über „die Unterhaltungen im römischen Karneval, die Jagden, Maskeraden und andere Galanterien“ zu berichten. „Seien Sie pünktlich und fürchten Sie nicht, zu lang zu erzählen, da alles was Rom angeht mich nicht langweilen kann“, schreibt Christina am 22. Februar 1668 von Hamburg an Jacques d’Alibert. Anstatt jedoch in Rom der künstlerischen Mode hinterherzulaufen, prägte Christina von Schweden diese entscheidend mit. Dabei ist es nicht unerheblich, dass die Konvertitin bestens in die französischen Kreise Roms eingeführt war. Dem katholischen Ludwig XIV. kam die Konversion der protestantischen Königin von Schweden politisch sehr entgegen. Christina besuchte 1656 bis 1658 von Rom aus Paris und den Hof des französischen Königs, wo sie am literarischen und musikalischen Leben teilnahm und in engem Kontakt mit Kardinal Mazarin stand. In Rom wurde der mit einer reichen Kunstsammlung bestückte Palazzo Riario schnell zu einem „Pallas nordica“, einem Paradies für Gelehrte wie Athanasius Kircher, Künstler wie Bernini aber auch so manchen berühmten römischen Musiker. Der Saal im Palazzo Riario wurde jedoch schnell zu klein, um dort die prachtvollen Opern aufzuführen, die Christina von Schweden regelmäßig plante. Aus diesem Grund unterstützte die Königin den Plan ihres theaterbesessenen Sekretärs Jacques d’Alibert, der eine gute Lokalität aufgetan hatte, in der sich das erste öffentliche Theater Roms ansiedeln ließ. Dabei handelte es sich um das ehemalige Gefängnis Tor di Nona am Tiber schräg gegenüber dem Castello Sant’Angelo (Engelsburg). Als das Gefängnis im Jahr 1658 in die Via Giulia verlegt wurde, vererbte Papst Alexander VII. das Gebäude der Bruderschaft Arciconfraternità della

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Carità mit der Maßgabe, es umzubauen, um daraus Profit zu schlagen. Da ein Umbau in eine Herberge jedoch zu teuer war, entschloss man sich – vermutlich der Idee von Jacques d’Alibert zufolge – es als Theater herzurichten. Christina von Schweden unterstützte den Bau mit dem Kauf von fünf Logen und vor allem mit ihren politischen Kontakten zum Papst, bei dem es die Erlaubnis für das Theater einzuholen galt. Im Teatro di Tordinona sollte auf Christinas Wunsch nicht nur die römische Öffentlichkeit Zugang haben, sondern dort sollten vor allem das ganze Jahr über Opern gegeben werden. Diese Bitte versuchte das traditionelle Verbot aufzulösen, in Rom außerhalb der Karnevalszeit Opern aufzuführen. Nachdem die Bitten ab dem Jahr 1666 erfolglos geblieben waren, erteilte Papst Clemens IX., der kein geringerer als Giulio Rospigliosi war, der Königin im Jahr 1669 die Erlaubnis, das Theater für öffentliche musikalische Aufführungen während der Karnevalszeit bauen zu dürfen. Das erste öffentliche römische Opernhaus, das vom Architekten Carlo Fontana eingerichtet wurde, hat auch im Inneren einen starken Bezug zur städtischen Kulisse Roms. Fontana, der mit dem eingeschränkten Platz des alten Gefängnisses zu kämpfen hatte, legte Christina von Schweden unter anderem einen Entwurf vor, der die Öffnung der Bühnenrückwand auf den dahinter liegenden Tiber vorsah. Auf diese Weise konnte der Architekt nicht nur die Perspektive der Bühne erweitern, sondern ermöglichte den Zuschauern zudem eine Ansicht ganz besonderer Art auf das natürliche Flussbett des Tibers. Christina entschied sich für genau diesen Entwurf. Auf politisch-symbolischer Ebene stand der Theaterbau mit seiner Aussicht auf den Tiber in einem Verhältnis mit den schon erwähnten musikalischen Begrüßungsspektakeln für die Königin: Während der Tross, der Christinas triumphalen Einzug in die Ewige Stadt begleitete, direkt am Tiber und an der Engelsburg vorbeigeführt hatte, hatten die Zuschauer von La vita humana als Abschlussbild ebenfalls den Tiber und die Engelsburg unter einem großen Feuerwerk bewundern können. War der Mauerdurchbruch zum Tiber gar ausschlaggebend, dass der Papst Giulio Rospigliosi Christina von Schweden die Erlaubnis zum Bau des Theaters letztlich doch erteilte? Man weiß es nicht. Hält man sich vor Augen, wie stark die italienische Oper von der Vorstellung von Arkadien und der Gattung der Pastorale geprägt war und wie stark diese Motive von Christina von Schweden durch die Gründung der Accademia degli Arcadi aufgenommen wur-

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den, wird auf jeden Fall klar, dass das Tordinona mit seinem Landschaftsblick im Trend der Zeit lag. Mehr noch: Mit dem Tordinona knüpfte man an überregionale Tendenzen der Oper an, da Christina von Schweden ständig Sänger aus dem italienischen Opernzentrum Venedig anreisen ließ. Hier war bekanntlich bereits im Jahr 1637 mit dem Teatro San Cassiano das erste öffentliche Opernhaus eröffnet worden. „Man bereitet ein Theater für Opernaufführungen vor, für die man wie in Venedig Eintritt bezahlen muss.“, heißt es mit großer Vorfreude am 11. November 1670 in den römischen Nachrichten. Schon das Eröffnungsstück des Teatro Tordinona, Scipione Africano, stammte aus Venedig, wo es im Jahr 1664 am Teatro Santi Giovanni e Paolo uraufgeführt worden war. Für die römische Aufführung fügte Alessandro Stradella der ursprünglichen Partitur von Francesco Cavalli noch einen Prolog, Intermedien und einige weitere Stellen hinzu. Ähnlich geschah es mit dem zweiten Stück Giasone, eines der bekanntesten „drammi per musica“ der italienischen Halbinsel des 17. Jahrhunderts, das Stradella ebenfalls musikalisch bearbeitete und es so für die römische Aufführung zu Il novello Giasone („Der neue Jason“) machte. Dieses zweite Stück war der Ehefrau Maria Mancini des Oberfeldherrn von Neapel, Lorenzo Onofrio Colonna, gewidmet. Die Nichte Mazarins hatte zuvor mehrere Jahre bei ihrem Onkel in Versailles verbracht und war die Geliebte des jungen Ludwig XIV. gewesen. Auch in Rom führte Maria Mancini ein äußerst freizügiges Leben und ließ keine Gelegenheit aus, sich künstlerisch und musikalisch in Szene zu setzen. Mit dem Einbezug Maria Mancinis mag Christine von Schweden ihren Traum eines römischen Theaters an ihre politischen Ambitionen geknüpft haben, denn die Gunst der französischen und spanischen Krone war ihr sehr wichtig, um nach ihrer Abdankung in Schweden eventuell die Regentschaft des Königreichs Neapel übernehmen zu können. Unter anderen mit Eliogabalo von Aurelio Aureli (Text) und Giovanni Antonio Boretti (Musik) und Il Caligola von Domenico Gisberti (Text) und Giovanni Maria Pagliardi (Musik) führte Christina die Reihe der venezianischen Opern in den ersten Saisons des Tordinona fort. Die Aufführungen fanden immer dienstags, donnerstags, samstags und sonntags statt. Eine Besonderheit der Aufführungen bestand darin, dass sich die Königin für die Besetzung der Frauenrollen mit Sängerinnen anstatt mit Kastraten einsetzte. Diese machten einen besonderen

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Eindruck auf das Publikum durch die „Sanftheit ihrer Stimmen“ und ihre „glanzvollen Kleider“. Das Streben nach größtmöglicher Öffentlichkeit nach dem Vorbild der Opernstadt Venedig und die politischen Ambitionen Christinas zwischen Spanien und Frankreich ergänzten einander, waren jedoch einerseits kostspielig und standen andererseits auch unter keinem guten Stern, was die Interessen des Papstes anging. Schon im Jahr 1675, also vier Jahre nach der Eröffnung, wurde das Theater aufgrund des Heiligen Jahres geschlossen. Der Papst wünschte, dass die Bruderschaft San Girolamo della Carità das Theater als Kornspeicher nutze. Christina von Schweden legte man nahe, aus gesundheitlichen Gründen von der römischen Nachtluft zu profitieren anstatt ins Theater zu gehen. Nach 1675 gab es keine päpstliche Erlaubnis mehr für musikalische Aufführungen im Tordinona. 1697 wurde es aus denselben moralischen Gründen schließlich abgerissen. Das Theaterabenteuer Christinas von Schweden stürzte den Grafen Jacques d’Alibert in den Ruin. Den römischen Musikliebhabern schien das Theater unersetzlich: „Einige Kavaliere bereiten sich darauf vor, nach Weihnachten Opern in Neapel und Venedig anschauen zu gehen, da die hiesigen Unterhaltungen des nächsten Karnevals aufgrund des Fehlens des Teatro Tordinona wohl sehr knapp ausfallen werden“, heißt es in den römischen Mitteilungen Ende November 1697. Zwei Jahre später trat Jacques d’Alibert in den Dienst der verwitweten Königin Maria Casimira von Polen, die 1699 in Rom ankam. Seine französischen Kontakte mögen ihm auch diesmal geholfen haben, da Maria Casimira Luisa de la Grange d’Arquien gebürtige Französin war. Auch sie hielt in ihrem römischen Wohnsitz, dem Palazzo Zuccari auf dem Monte Pincio, unzählige musikalische und musikdramatische Privataufführungen ab, für die sie sogar ein kleines Privattheater einrichten ließ. Aus praktischen Gründen bezog Jacques d’Alibert Quartier in seiner Jeu de Paume-Halle in der Via del Carciofolo unterhalb des römischen Hügels. In der Zwischenzeit wurde auch diese Gegend um die Orti di Napoli („neapolitanische Gemüsegärten“), die zu d’Aliberts Anfängen nur mit einigen wenigen Häusern besetzt war, vom mondänen Leben der reichen ausländischen Reisenden erfasst, die sich in den Herbergen und Cafés um die Piazza di Spagna aufhielten. Als er das Jeu de Paume seines Vaters erbte, erkannte Jacques’ Sohn Antonio d’Alibert diesen Vorzug sofort und wurde bei seiner Idee, die Tennishalle zu einem Thea-

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ter auszubauen, von Maria Casimira unterstützt. Der Sohn des Initiators des zerstörten Teatro Tordinona hatte sich in den Kopf gesetzt, in der Via del Carciofolo den größten Opernsaal Roms quasi als Ersatz für das niedergerissene Werk seines Vaters aufzubauen. Bei der Eröffnung des Theaters im Jahr 1717 wurden Prosastücke mit kleinen Pastoralen als musikalische Intermezzi aufgeführt, da Antonio d’Alibert die finanzielle Grundlage für größere Spektakel fehlte. In der Saison 1718 war es dann soweit: Der Bauherr konnte mit zwei „drammi per musica“, virtuosen Sängern und dem zu dieser Zeit wohl berühmtesten Szenographen Francesco Galli Bibiena aufwarten. Ein angesehener deutschstämmiger Kastrat zweiter Generation, Gaetano Berenstadt aus Florenz, sang die Rollen des „amoroso“ und des „amico“ der Opern Lucio Vero und Astianatte von Francesco Gasparini. Ein Jahr zuvor hatte Berenstadt noch eine Wiederaufnahme von Händels Oper Rinaldo in London bestritten. Obwohl sich das Theater größter Beliebtheit erfreute, konnte d’Alibert es finanziell nicht lange halten. Im Jahr 1725 musste er es an die Gemeinschaft der Logenbesitzer verkaufen, da er seine Schulden nicht mehr zahlen konnte. Die Logenbesitzer benannten das Teatro d’Alibert nach dem Wechsel in „Teatro delle Dame“ um. Der römische und auswärtige Adel hatte ein großes Interesse, in den öffentlichen Opernhäusern präsent zu sein, da auch hier allabendlich das diplomatische Parkett ausgerollt wurde. Die „guerra dei palchi“, das heißt der „Logenkrieg“ ist ein nicht seltenes Phänomen der römischen Operngeschichte. Ende 1709 und Anfang 1710 stritten sich der spanische und der habsburgische Botschafter um eine Loge im Teatro Capranica, dem dritten großen öffentlichen Theater Roms, das von Pompeo Capranica im Jahr 1694 als Erweiterung seines Palazzos an der gleichnamigen Piazza gebaut und eröffnet worden war. Nachdem der Kompromissvorschlag, die gefragte Loge einfach der der Nichte von Maria Casimira von Polen zuzusprechen, gescheitert war, führten die beiden Parteien den Streit noch so lange fort, bis der Papst die Vorstellungen im Theater untersagte. Auch das neue Teatro delle Dame eröffnete mit einer regelrechten Fehde zwischen dem französischen Botschafter Kardinal Polignac und dem Habsburger Cienfuegos, der die spanische Loge beanspruchte, obwohl Karl VI. keinen Anspruch auf den spanischen Thron mehr hegte. Daraufhin beschloss der französische Botschafter, eine weitere Loge im

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Namen seines Königs zu besetzen. Nachdem Papst Benedikt XIII. offiziell untersagt hatte, keine Neuverteilungen der Logen zuzulassen, zumal der Kardinal Polignac keinen Anspruch auf eine zweite Loge für eine Ehefrau hatte, griff der französische Botschafter zu einem repräsentativen Mittel: Am 8. Januar 1726 schickte Polignac seine Diener aus, um an seinen Logen im Teatro d’Alibert und im Teatro Capranica kurz vor Beginn der Vorstellung sein Wappen anbringen zu lassen, was die anwesenden Besucher verblüffte. Der Papsthof und die Stadt Rom nutzten die Tatsache, dass die römischen Opernhäuser zu einem der wichtigsten Repräsentationsorte des diplomatischen Zentrums wurden, um ambitionierte Botschafter zu mäßigen. Wie Abbé Coyer Mitte des 18. Jahrhunderts berichtet, wurde der französische Botschafter, der seine Loge im Opernhaus in Besitz nehmen wollte, eine Zeit lang zwischen dem Général des armes und dem Governatore di Roma hin- und hergeschickt, um den Schlüssel abzuholen. Der Botschafter durfte den Schlüssel letztendlich beim Cardinal Ministre in Empfang nehmen. Während der Affäre war die Atmosphäre in der französischen Gemeinschaft sehr angespannt, zumal der Botschafter in Betracht zog, die Stadt zu verlassen. Die „Logenkriege“ gelten als einer der Gründe dafür, dass der Papst das Teatro Tordinona im Jahr 1733 wieder aufbauen ließ – und zwar mit Logen, die nicht mehr durch Seitenwände vollständig voneinander abgetrennt waren. Mit diesen offeneren Räumen mag sich der Papst weniger Streitpotenzial um die Loge als diplomatisches Territorium erwartet haben. Auf musikalischer Ebene wurde man in römischen Opernhäusern mit den neuesten italienischen Opernwerken unterhalten. Während viele Opernlibretti aus Venedig übernommen wurden, bevorzugte man für die Choreographien französische Tanzmeister und Tänzer, denn der französische Tanz galt im Gegensatz zu den italienischen Tanzformen als höchst komplex, kunstvoll und virtuos. Schon La vita humana für Christina von Schweden hatte mit einer von zwei französischen Tänzern interpretierten Chaconne geschlossen, die eventuell eine Reminiszenz an das große Interesse der ehemaligen Königin am französischen Ballett de cour darstellte, das sie schon am schwedischen Hof eingeführt hatte. Angesichts dieser Fülle an internationalen musikalischen Einflüssen, aber auch durch die Internationalität des Publikums, kann man sich vorstellen, wie stark das Konkurrenzverhalten zwischen den einheimischen

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und auswärtigen Komponisten gewesen sein muss, die zur Karnevalszeit als Opernkomponisten in Rom reüssieren wollten. Eine Anekdote, die im Jahr 1800 in der deutschen Musikzeitschrift Allgemeine Musikalische Zeitung niedergeschrieben wurde, aber nicht nachprüfbar ist, legt davon Zeugnis ab. Es handelt sich um einen Wettstreit zwischen dem aus Neapel stammenden Komponisten Nicolò Jommelli und dem in Barcelona geborenen und in Neapel ausgebildeten Domingo Terradellas. Beide hatten ihr ganzes Schaffen auf die Gattung der Oper ausgelegt, wofür sie wichtige Stellungen, unter anderem als Kapellmeister der päpstlichen Kapelle, nicht antraten. Während Jommelli den Sängerinnen und Kastraten gut singbare Melodien auf den Leib schrieb, konzentrierte sich das junge aufstrebende Genie Terradellas ganz auf die Vertonung der Leidenschaften nach allen Regeln der Kunst. Dies brachte ihm dem Chronisten zufolge das Lob der Kenner ein. Im römischen Karneval kam es nun zu einem offenen Wettbewerb zwischen den beiden Komponisten, von denen jeweils eine Oper aufgeführt wurde. Terradellas wurde mit Beifall überhäuft, Jommelli ausgepfiffen. Sofort traten Terradellas Anhänger in Aktion. Sie ließen eine Medaille prägen, auf der der katalanische Komponist auf einem Triumphwagen von Jommelli als Sklave durch die Straßen Roms gezogen wurde. Auf der Kehrseite waren die Worte „Io sono capace“ („Ich kann es“) eingraviert – eine Textzeile aus einem von Jommellis Rezitativen! Der Überlieferung zufolge bekam Terradella dieser Ruhm überhaupt nicht: „Am folgenden Morgen, nach der Verbreitung dieser Schaumünze, fand man den Leichnam des Siegers Terradellas mit Dolchstichen durchwühlt in der Tiber. Banditen hatten ihn ermordet!“ Fakt ist, dass Terradellas im Jahr 1751 mit seiner Oper Sesostri re d’Egitto am Teatro delle Dame einen ungeheuren Erfolg gefeiert hatte und wenige Monate danach starb. Unter welchen Umständen er zu Tode kam, ist bis heute ungeklärt. Man hatte lange geglaubt, so der Erzähler der Anekdote, dass sich diese Geschichte in Venedig zugetragen habe, aber er versichert, dass all dies in Rom geschehen sei.

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Musik auf der Straße Die wenigsten musikalischen Ereignisse – und waren sie in einem noch so privaten Rahmen organisiert – spielten sich ganz im Inneren der Opernhäuser, Privatpaläste und Kirchen ab. Jedes Fest, jeder Einzug eines Diplomaten, jede Sommernacht war mit Musik auf den römischen Straßen und Plätzen verbunden. „Fast jede Nacht werden in verschiedenen Palästen Serenaden mit Gesang und Instrumentalmusik gegeben, zu denen die Leute, die angelockt vom Gesang und ermuntert von der Hitze die ganze Nacht in der Stadt herumfahren, in Scharen strömen“, heißt es beim römischen Chronisten Francesco Valesio am 6. August 1701. Auch musikalische Wettstreite und das Musizieren zu Hause spiegelten sich klanglich und bildlich in den Gassen der „Roma moderna“ wider. Neben den vielen kirchlichen Institutionen und Werken berühmter Architekten und Künstler war der Rombesucher hier auf Schritt und Tritt vom römischen Musikleben umgeben, das aus den Palazzi widerhallte oder sich direkt auf der Straße abspielte. Zu Patronatsfesten gehörte Straßenmusik genauso dazu, wie der kleine Altar in einer Gasse, auf dem ein römischer Metzger die Statue des Antonius von Padua mit unzähligen Würstchen und Schinken geschmückt hatte: „An allen Straßenecken finden Sie verschiedene Spektakel; Komödien, die von kleinen Kindern aufgeführt werden, Musikkonzerte, Marionetten, und all das, um die wesentlichen Taten des Heiligen zu feiern und um ihn zu loben. [. . .] alle gehen zu Fuß auf den Straßen spazieren, in der Helligkeit unzähliger glänzender Lämpchen, Fackeln, Laternen und Feuerwerke. Das Portal der Kirche ist ebenfalls bis zur Kuppel hinauf mit diesen kleinen Lampen beleuchtet, die Sie die Architektur mitten in der Nacht exakt erkennen lassen“, berichtet Emmanuel de Coulanges. Zu den kirchlichen Festen lockten Musik, Beleuchtungen der Palazzi und Feuerwerke ganz Rom auf die Straßen. Auch das weltliche Rom erklang im 17. und 18. Jahrhundert nicht nur durch seine professionellen Instrumentalisten und die herausragenden Kompositionen, die dort entstanden. Musiziert wurde überall, zu jeder Tageszeit und unabhängig von der gesellschaftlichen Schicht. Oft kam es zum Streit zwischen Nachbarn wie der Kunstreiterin Angela Cenci und dem Hauptmann Leandro, der sich gegen zwei Uhr nachts mit lautstarken Beleidigungen über das Gitarrenspiel der Nachbarin beschwerte.

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Auch die verwitwete Königin Maria Casimira von Polen befand sich diesbezüglich in guter Gesellschaft: Gegenüber des Palazzo Zuccari auf dem Monte Pincio lebte der Neapolitaner spanischer Abstammung Prinz Don Miguel de Tassis. Dieser hatte – aus Ermangelung eines eigenen Guts wie der römische Chronist Francesco Valesio spöttelnd berichtet – einen Garten voller Ziegen, Hirsche, Affen und Papageien, die er seine Gefolgsleute nannte. Zudem habe er noch ein paar Schnäbel und Kühe, das heißt Sängerinnen, die ihn jeden Tag mit Gesängen und musikalischen Klängen zwischen seinen Eseln unterhielten. Diese „tierische“ Ansammlung stieß beim Papst auf Kritik, der den Prinzen ob seines Alters zu einer gemäßigteren Lebensweise anhielt. Damit meinte er jedoch keinesfalls die vielen Papageien, sondern zuallererst die beiden Sängerinnen, die De Tassis wegschicken musste. Der Prinz de Tassis war in Rom vor allem aufgrund seiner vielen Serenaden bekannt, die er in jedem Sommer in seinem Palast an der Piazza di Spagna abhielt. Diese reichten von spontanen Spazierfahrten des Adels mit ihren Sängern und Musikern im Gepäck bis hin zu prächtig inszenierten Spektakeln mit großem Orchester, Feuerwerk und Brunnen, aus denen Wein für das Volk floss. In den römischen Nachrichten vom 12. August 1668 heißt es: „Nach dem Abendessen im Palazzo des Fürsten Sforza, das dieser für Prinzessin Savelli und für Fürst und Fürstin Bassanello gegeben hatte, fuhren die Damen in einem und die Herren in einem anderen Wagen begleitet von einer weiteren Kutsche mit Musikern zum Platz des spanischen Botschafters, um dort eine Serenade abzuhalten.“ Ebenso spontan mag der Wettstreit zwischen dem französischen und spanischen Botschafter gewesen sein, die ihre Sängerinnen allabendlich vor dem Palazzo di Spagna gegeneinander antreten ließen. Hierbei handelte es sich um die beiden besten Sopranistinnen Roms, Faustina und Georgina. Der Wettstreit begann damit, dass die Fürstinnen de Bouillon und de Nevers die Faustina in einer offenen Kutsche mit mehreren Musikern vor den Fenstern der spanischen Botschaft singen ließen. Georgina, die mit dem spanischen Botschafter liiert war, antwortete sofort vom Balkon des Palazzo di Spagna aus. Das Spektakel wiederholte sich nun jeden Abend vor einem stetig wachsenden Publikum. Die Zuhörer drückten ihre Vorliebe für Faustina oder Georgina in „viva Francia!“und „viva Spagna!“-Rufen aus, die bis in die hintersten Viertel Roms zu hören waren. Um diplomatische Verwicklungen zu verhindern, die der

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musikalische Wettstreit zwischen den beiden Botschaften während des spanischen Erbfolgekriegs leicht hätte provozieren können, wurden diese Serenaden schnellstens unterbunden – sehr zum Leidwesen der vielen Zuhörer, wie Emmanuel de Coulanges berichtet. Die Vorsicht des Papstes war insofern angemessen, als Serenaden oft zu politischen Machtdemonstrationen eingesetzt wurden. Mit ihnen unterstrichen Botschafter die Macht ihrer Potentaten und der römische Adel seine Position am Papsthof. Namhafte Literaten, Künstler und Musiker wie Severo de Luca, Giovanni Lorenzo Lulier und Alessandro Scarlatti schufen die Musik zu allegorischen Stücken, deren Symbolik auf den Plätzen Roms möglichst wirkungsvoll durch großartige Bühnenbauten in Szene gesetzt wurde. Die Piazza di Spagna, die mit dem Anstieg zum Monte Pincio und der Trinità dei Monti abschloss, bot ein außerordentliches Szenario für französische Machtdemonstrationen, in die das Kloster oftmals mit eingebunden wurde. Während sich am Fuß des Hügels ganz Rom in den herangefahrenen Kutschen sammelte, feuerte man oben ein riesiges Feuerwerk um eine eigens gebaute Allegorie der Sonne als Zeichen für die absolutistische Monarchie ab. Um die Jahrhundertwende waren solche Aktivitäten der Botschafter und des römischen Adels auf den Plätzen und Straßen Roms äußerst zahlreich. Man versuchte, sich gegenseitig zu übertreffen, indem man die namhaftesten römischen Sänger und Instrumentalisten engagierte. Für viele der Serenaden wurde der große römische Violinvirtuose Arcangelo Corelli angestellt. Er leitete die pompös inszenierte Serenade aus Anlass der Genesung Ludwigs XIV. im Jahr 1687 auf der Piazza di Spagna. Hier hatte man am Fuße des Monte Pincio ein Podest für ein ganzes Orchester gebaut, in dem „die besten Geiger Roms vereint“ waren. Hinter dem Podest waren die Bäume des Hügels hinauf zur französischen Kirche Trinità dei Monti mit Orangen und Zitronen geschmückt, in denen Kerzen leuchteten. Dies machte vor allem auf das schaulustige Volk einen großen Eindruck. Die Fassade der Trinità dei Monti erstrahlte in ihrem vollem Glanz und war zudem mit zwei Engeln, die die königliche Krone hielten, sowie einem blauen Ballon mit drei Lilien geschmückt. „Die Beleuchtung des Platzes wurde von den Klängen der Pauken, Trommeln, Trompeten und Pfeifen begleitet [. . .], es gab eine große Bühne für die Sänger und Musikanten, die mit der schönsten Instrumentalsinfonie des Arcangelo aus Bologna aufspielten.“

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Auch der spanische Botschafter schien in Sachen orchestraler Begleitung von Serenaden auf der Piazza di Spagna nicht zu geizen. Für die Feierlichkeiten anlässlich des Namenstages der spanischen Königin Maria Luisa am 25. September 1687 ließ er gar ein ganzes Amphitheater bauen, auf dem ein Orchester unter der Allegorie einer strahlenden Sonne Platz nahm. Die Szenerie sticht aus den Bühnenbauten für Serenaden heraus, da sie das Orchester fast wie im heutigen Konzert ohne große fiktive Beigaben inszeniert. Im folgenden Jahr konnte eine solche Aufstellung letztendlich nicht mehr überzeugen, da der Marchese di Cogolludo das Orchester nicht einheitlich eingekleidet hatte (die Musiker traten in ihren eigenen Kleidern auf ) und wohl auch bei der Bezahlung der Musiker äußerst nachlässig war. Am nächsten Morgen hing eine „pasquinata“ an der Statue des Pasquino in der Nähe der Piazza Navona, die schon im 17. Jahrhundert für anonyme Kritiken genutzt wurde, welche ihr auf Zetteln angehängt wurden: „Herr Marquis von Cogolludo tut alles, was er schuldig ist, und schuldet alles, was er tut.“ Die Kritik an der Serenade zeigt, wie wichtig das harmonische Zusammenspiel von Musik, Kostüm und Bühnenbild für das römische Publikum war. Das barocke Gesamtkunstwerk war bei der Serenade zudem unmittelbar in das diplomatische Zeremoniell eingebunden: Es war von immenser Wichtigkeit, den Kutschen der hauptsächlichen Hegemonialmächte Europas den Vortritt zu lassen, um ihnen beim Zuhören der Serenade den nötigen Respekt zu zollen. Die Teilnahme hochrangiger politischer Vertreter und Kardinäle an den Serenaden aus den verschiedenen politischen Lagern wurde akribisch zur Kenntnis genommen. Daneben nahm man auch das römische Volk durchaus als politischen Teilnehmer wahr. Als der spanische Botschafter am 30. April 1701 eine Serenade für den neuen spanischen König Philipp V. aus dem Hause Bourbon auf der Piazza di Spagna organisierte, traf er zahlreiche Vorkehrungen, damit das Fest nicht aus den Fugen geriet. Die Krönung des französischstämmigen Philipp V. zum spanischen König war umstritten, da auch das Haus Habsburg die Anwärterschaft auf die Krone von Spanien reklamiert hatte. In der Tat kommentierte ein Besucher des nächtlichen Fests die Statue von Philipp V. zu Pferde mit den Worten: „Das haben sie gut gemacht, König Philipp auf ein Pferd zu setzen, denn er wird schon bald nach Paris zurückgekehrt sein.“ Da der spanische Botschafter über 300 Wachmänner in den umliegenden Straßen positioniert hatte, die päpst-

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liche Polizei den Eingang der Via Condotti bewachte und es zudem das Verbot für alle sich in Rom aufhaltenden Soldaten gab, ihr Viertel bis um sechs Uhr morgens nicht zu verlassen, verlief die Serenade zwischen zwei und vier Uhr nachts ohne handgreifliche Zwischenfälle. Bei dem Stück, das von fünf Sängern und 70 Instrumentalisten ausgeführt wurde, handelte es sich um die Applausi delle Virtù nell’Esaltazione alla monarchia delle Spagne . . . di Filippo Quinto vom Komponisten Severo de Luca. Der erwartete Erfolg blieb aus, der Applaus war gering. Der Wind hatte einen Großteil der Kerzen, die den Platz in nächtlichen Glanz tauchten, ausgeblasen, und die erwartete Menge war aus Angst vor Handgreiflichkeiten ausgeblieben. Während sich der Chronist Francesco Valesio über die mangelnde Kohärenz der bildlichen Darstellung und der Allegorien beklagt, gibt er eine umfassende Beschreibung des zweistufigen Podests für die vielen Musiker ab, das mit weiteren Allegorien der Musik und der Harmonie bemalt, mit vielen Lapislazuli besetzt und mit silbernen Fackeln beleuchtet war. Die Beleuchtung, die Musik und die fiktionalen Anklänge der Spektakel verstärkten sich gegenseitig: Die Knalleffekte der Feuerwerke gesellten sich zu den Trommelschlägen, die in den Straßen Roms widerhallten, und die Musiker, die mit ihren Fanfaren durch die Straßen zogen, verstärkten den Eindruck der sich ausbreitenden Palastbeleuchtungen um das Zentrum der großen öffentlichen Feste herum. In der Tat konnte man bei diesen Freiluftspektakeln zwischen Ausführenden und Publikum oft nicht mehr trennen, zumal der Adel häufig in Verkleidung an den Serenaden teilnahm. Nicht selten kam es zu Verwechselungen, da Prinzen als Landleute oder Frauen als Priester verkleidet in den mitunter sechsspännigen Wagen der Botschafter durch die Stadt kutschiert wurden. Am 20. August 1701 kam es zu einem Degenkampf zwischen zwei adligen Kutschern, bei denen Don Giovanni Battista Giustiniani durch einen „spanischen“ Seitenhieb im Nacken verletzt wurde. 1703 stoppte der Erzbischof von Krakau eine Kutsche mit als Bauern verkleideten Adligen, die zu einer Serenade des Kardinals Ottoboni vor dem Palazzo Zuccari fuhren, und ließ sie ob ihres vermeintlich untergeordneten Rangs nicht passieren. Bei offiziellen Einzügen hoher Persönlichkeiten in Rom, wie Christina von Schweden, verstärkten römische Fanfaren und Trommler die Pracht der meistens in der Mitte des Zuges fahrenden mehrspännigen Kutsche.

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Die Musiker Roms konnten abwägen, ob sie die reichhaltigen Arbeitsmöglichkeiten der römischen Serenaden aus Gründen der politischen Konkurrenz, die durchaus handgreiflich ausgetragen werden konnte, oder in praktischer Hinsicht ausschlugen: Im Juli 1700 brach ein Podest an der Pforte der Kirche Madonna di Monte Santo an der Piazza del Popolo unter dem Gewicht der Musiker zusammen. Ein Sänger der päpstlichen Kapelle kam zu Tode, andere brachen sich ein Bein, darunter einige den Oberschenkel. Wenn man nicht gerade an den Marchese di Cogolludo geraten war, ließen sich mit den Serenaden jedoch reichhaltige Einnahmen erzielen – vor allem wenn man als Musiker gut im römischen Musikleben situiert war. Fremde Musiker kamen hier seltener zum Einsatz, da die Botschafter und der römische Adel nach der größtmöglichen künstlerischen Repräsentativität vor dem zahlreichsten Publikum der Stadt strebten. Lediglich in privaterem Rahmen wurden mitgereiste Musiker der Diplomaten und auswärtigen Rombesucher für Serenaden herangezogen. Am 2. September 1700 sang ein französischer Musiker des französischen Botschafters Kardinal d’Estrées im Hof des Palazzo von Anne-Marie de la Trémoille, der Fürstin Orsini, die der französische Hof zur Interessenvertretung Frankreichs in Rom eingeheiratet hatte, neben dem päpstlichen Sänger Pasquino. Die Serenade scheint eine Abendunterhaltung von und für die französischen Kreise in Rom gewesen zu sein. Allgemein standen bei Serenaden jedoch herausragende Violinvirtuosen, große Orchester und vor allem Sängerinnen im Vordergrund, die den feierlichen und prachtvollen Ehrenveranstaltungen den nötigen Glanz im Konzert der barocken Architektur, Kunst und Poesie vor römischer Kulisse verliehen.

Musiker und ihre Mäzene Ein berühmter Sachse in Rom: Georg Friedrich Händel Es war Winter als der knapp 22-jährige Georg Friedrich Händel in Rom eintraf. Er hielt sich bereits seit mehreren Monaten in Italien auf, beherrschte die Sprache und war längst kein Unbekannter mehr. Ihm eilte der Ruf voraus, ein ausgezeichneter Cembalo- und Orgelspieler zu sein. Er unterschied sich damit von den vielen anderen jungen Musikern, die sich in der zweiten Hälfte des 17. und beginnenden 18. Jahrhunderts auf den Weg nach Italien machten, um dort ihre musikalische Ausbildung abzuschließen und sich für den Konkurrenzkampf an europäischen Höfen zu wappnen. Italien war nach wie vor das Land der Oper. So verwundert es auch nicht, dass Händel vor dem Kälteeinbruch am Fuße der Alpen wohl im Spätsommer oder im Herbst 1706 bereits Opernaufführungen in Venedig erlebte. Aber er musizierte auch selbst. Bei einem Fest in der Lagunenstadt spielte Händel mit einer Maske vor dem Gesicht am Cembalo, als sich zufällig Domenico Scarlatti unter seinen Zuhörern befand. Scarlatti, der es in Italien bereits zu einiger Berühmtheit gebracht hatte, hörte das Spiel des deutschen Musikers und soll laut ausgerufen haben: „Das ist entweder der berühmte Sachse oder der Teufel!“ Ein Lob, das gerade dadurch ein besonderes Gewicht erhält, dass Scarlatti selbst unter Zeitgenossen als besonders virtuoser Cembalist galt, dessen „hinreißendes Spiel“ mit dem von hundert Teufeln verglichen wurde. Einen Tastenvirtuosen mit dem Teufel zu vergleichen, ist auch in der Barockzeit keine alltägliche Metapher. Im Falle des Neapolitaners Scarlatti bezieht sie sich auf dessen Kunstfertigkeit, mit zehn Fingern und noch dazu ausgesprochen schnell spielen zu können. Im Falle Händels erhält Scarlattis „Non può essere nessun altro che il famoso Sassone, oppure il diavolo!“ allerdings noch eine weitere Komponente: Händel war Sachse, kam also aus dem Kernland der Reformation, seine Mutter sogar aus einer evangelisch-lutherischen Pastorenfamilie. Händel war – und blieb – Zeit seines Lebens Lutheraner. Auch in Rom arg-

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wöhnten Zuhörer nicht zuletzt deshalb, es könne bei dem überragenden Spiel des Protestanten aus Sachsen nicht ganz mit rechten Dingen zugehen. Wurde Händel in Rom von Klerikern zu einem Übertritt in die katholische Kirche gedrängt? Fiel es ihm, dem Protestanten, schwer, in der römischen Gesellschaft einflussreiche Förderer und Mäzene zu finden? Das Gegenteil scheint der Fall gewesen zu sein. Händel sah sich zwar zunächst in Musikerkreisen um, bevor er durch öffentliches Musizieren aber gleich die römische Aristokratie auf sich aufmerksam zu machen versuchte. Und das gelang dem jungen Mann mit durchschlagendem Erfolg. Die Liste seiner Mäzene liest sich wie ein „Who’s Who“ der stadtrömischen Geschichte: Kardinäle aus den Familien Colonna, Grimani, Ottoboni und Pamphilj luden Händel zum Musizieren in ihre Paläste ein und überhäuften ihn nach kurzer Zeit geradezu mit Kompositionsaufträgen. Seine Bekanntschaft mit zahlreichen klerikalen Fürsprechern ermöglichte es Händel, seinen Einstand in Rom gleichsam mit einem Paukenschlag zu beginnen. Der römische Chronist Francesco Valesio notierte am 14. Januar 1707 in seinem Diario di Roma, dass ein ganz ausgezeichneter Cembalospieler, der auch komponiere, sein Talent an der Orgel von San Giovanni in Laterano unter Beweis gestellt habe. Dass der noch nicht in der Stadt bekannt gewordene junge Händel im Lateran, in der Bischofskirche des Papstes an der berühmten Orgel von Luca Blasi spielen durfte, war keine Selbstverständlichkeit und muss auf nachdrückliche Fürsprache hochrangiger Förderer zurückgeführt werden. Die Orgel selbst war bereits eine Berühmtheit, denn sie war für das Heilige Jahr 1600 in Perugia in Auftrag gegeben worden. Wie damals üblich handelte es sich um ein einmanualiges Instrument mit eingeschränktem Pedal, aber einem großartigen Gehäuse. Den eigentlichen Reiz des Instruments machte die Kirche aus, in der es stand: die Lateranbasilika als „Mater et caput omnium ecclesiarum urbis et orbis“ – Mutter und Haupt aller Kirchen der Stadt Rom und des Erdkreises. Dass es einzig und allein dem Einsatz eines der Kardinäle zu verdanken war, dass sich Händel im Lateran an die Orgel setzen durfte, ist allerdings auch unwahrscheinlich. Anzunehmen ist vielmehr, dass er in den ersten Monaten in Rom Bernardo Pasquini (*1637, †1710) kennengelernt hatte. Der deutlich ältere Pasquini galt als bester Tastenvirtuose Roms und trat als Cembalist auch häufig bei Konzerten in den Adelspalästen der Pamphilj

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oder Ottoboni auf. Zusätzlich war er allerdings im Hauptberuf seit etwa 40 Jahren Organist an Santa Maria Maggiore und Santa Maria in Aracoeli, zwei der bedeutendsten Kirchen Roms. Mit der Fürsprache Pasquinis und der wohlwollenden Unterstützung mehrerer Kardinäle war es also möglich, dass Händel öffentlich im Lateran spielte. Dass er die sich ihm bietende Gelegenheit nutzte, um von der breiten Öffentlichkeit wahrgenommen zu werden, steht außer Zweifel. Der Stadtchronist notierte das beeindruckende Klangerlebnis in seinen Aufzeichnungen, die zumindest für die Nachwelt festhielten, wie beeindruckend Händels Darbietung gewesen sein musste, während für den jungen Komponisten selbst die weitaus größere Bedeutung darin bestanden haben dürfte, dass ihm hunderte von römischen Bürgern und hohen Geistlichen in der Kirche zugehört hatten und sein Orgelspiel nun zum römischen Stadtgespräch geworden war. Dadurch dass viele hohe Regierungs- und Verwaltungsämter am päpstlichen Hof Geistlichen vorbehalten waren, verfügten vor allem Kardinäle über Einfluss, Geld und Adelspaläste, in denen musikalische Aufführungen stattfinden konnten. Zwar hatte Papst Clemens XI. bereits im 17. Jahrhundert in Rom ein Aufführungsverbot für Opern erlassen, aber die Stadt verlor ihre Anziehungskraft für Musiker keineswegs. Wöchentlich fanden gesellige künstlerische Veranstaltungen statt, bei denen Händel auftrat. Er machte auf diese Weise die Bekanntschaft mit Arcangelo Corelli, lernte auch den Vater von Domenico Scarlatti, Alessandro, kennen und traf Agostino Steffani, der sich von Oktober 1708 bis April 1709 in diplomatischer Mission für den Kurfürsten von Hannover in Rom aufhielt und der später ein Kollege Händels in Hannover werden sollte. Die wichtigste Begegnung wurde aber die mit Francesco Ruspoli (1672–1731, seit 1708 Marchese/Fürst), der den jungen Komponisten mit großem Engagement förderte. Händel konnte schon bald in Ruspolis Palazzo Bonelli im Herzen der Stadt, heute unweit der verkehrsreichen Piazza Venezia, oder auf dem Landsitz in Vignanello wohnen. Er erhielt zwar kein Gehalt, scheint aber gegen Kost und Logis Kammermusik für den Fürsten komponiert zu haben, die er bei den sonntäglichen „conversazioni“ auch selbst vorspielte. Die meisten Werke waren Kantaten; für Gottesdienste auf dem Landgut schrieb Händel aber auch kleinere geistliche Werke. Allerdings darf keineswegs der Eindruck entstehen, der Aufenthalt Händels in Italien lasse sich lückenlos rekon-

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struieren. Obwohl der Sachse bereits als europaweit anerkannter Musiker nach Italien reiste, lassen sich seine Aufenthaltsorte und seine Aktivitäten zum Teil genauso schlecht nachweisen wie die von nahezu unbekannten fremden Musikern, die in Rom erst noch den italienischen Stil erlernen wollten. Den hatte Händel sich bereits angeeignet. Das Komponieren beherrschte er. Er brauchte in Italien also nicht mehr das Handwerk zu erlernen wie ein Jahrhundert zuvor noch Heinrich Schütz. Für Händel schien es eher darum zu gehen, die italienischen Musiker und Komponisten auf ihrem eigenen Gebiet zu übertreffen. Händels Italienerlebnis ist treffend als ein neues Gespür beschrieben worden, ein Gespür dafür, wie und zu welchem Zweck kompositorische Fähigkeiten eingesetzt werden konnten oder wann gerade der Verzicht auf durchkomponierte Melodien ein starkes Ausdrucksmittel zu sein vermochte. Dass Händel so berühmt gewesen ist, dass ihm in Rom die Türen zu großen Palästen offen standen, ermöglicht auf der einen Seite eine ungeahnte Detailfülle an Informationen, gleichzeitig bleibt auf der anderen Seite jedoch viel Basiswissen unklar. So erfahren wir beispielsweise nicht, ob er sich drei, vier oder vielleicht sogar fünf Jahre in Italien aufhielt und welche Städte er besuchte. Ist Händel vielleicht zwischendurch nach Hamburg zurückgekehrt, um die Inszenierung seiner beiden eigenen Opern Florindo und Daphne zu verfolgen, die im Januar und Februar 1708 auch ohne Anwesenheit des Komponisten ins Repertoire aufgenommen worden waren? Verständlich wäre es gewesen. Genauso denkbar wäre es jedoch, dass Händel zwar Rom in der Zeit um den Jahreswechsel 1707/08 verlassen hat, aber nur um in Venedig die Opernspielzeit und das Karnevalstreiben zu erleben. Reiste Händel allein? Zumindest nicht die ganze Zeit, denn zeitweise hatte er einen unbekannten Gefährten dabei, der in den Rechnungsbüchern des Fürsten Ruspoli aus dem Frühjahr 1708 erwähnt wird. Auch können wir nicht mit Sicherheit sagen, wie lange er sich beispielsweise in Neapel aufhielt. Dass er am 16. Juni 1708 auf seiner Partitur der Serenade Aci, Galatea e Polifemo den handschriftlichen Vermerk „Napoli“ anbrachte, ist nur einer von wenigen handfesten Hinweisen, dass er überhaupt von Rom aus noch weiter nach Süden gereist war. Alle Briefwechsel aus Händels italienischer Zeit sind verlorengegangen. Die interessantesten Informationen lassen sich deshalb tatsächlich aus Haushaltsbüchern zusammentragen. Diese vermeintlich langweiligen

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und bürokratisch knapp angelegten Rechnungsbücher können eine wahre Fundgrube sein. Kardinal Benedetto Pamphilj ließ beispielsweise präzise Rechnungsbücher über seine Einnahmen und die deutlich umfangreicheren Ausgaben führen. Dort heißt es nur einen Monat nach dem Orgelspiel im Lateran im Februar 1707, dass ein Signor Ginelli Partitur und Stimmen für eine Kantate von einem gewissen „Signore Giorgio Hendel“ kopiert habe und bezahlt worden sei. Ähnlich detaillierte Rechnungsbücher liegen auch für den Haushalt des Fürsten Ruspoli vor. Und so wird deutlich, dass sich Händel in kein ausschließliches Abhängigkeitsverhältnis zu einem seiner Gönner begeben hat. Die Quellensituation ermöglicht es zumindest schlaglichtartig zu zeigen, dass Händel über zahlreiche Einkommensquellen und Aufträge verfügte. Der wichtigste mag aber sicherlich Ruspoli gewesen sein, der Händel den Auftrag zu einem großen Oratorium gab, an dem der Komponist ab Februar 1708 im Palazzo Ruspoli arbeitete. Händel waren dort offensichtlich eine Kammer, ein Zimmer, vielleicht auch zwei miteinander verbundene Räume zur Verfügung gestellt worden, in denen der Fürst für etwa drei Monate ein Mietbett hatte aufstellen lassen. Das Werk La Resurrezione di Nostro Signor Gesù Cristo – die Auferstehung unseres Herrn Jesus Christus (HWV 47) – sollte an zwei direkt aufeinanderfolgenden Tagen, am Ostersonntag und am Ostermontag, aufgeführt werden. Händel wählte ein ungewöhnlich großes Orchester mit 37 Streichinstrumenten, zwei Trompeten, vier Oboen, zwei Blockföten, einer Querflöte, einer Posaune, einem Cembalo sowie sechs Violoncelli und sechs Kontrabässen. Es fanden drei öffentliche Proben statt, die jedem Interessierten offenstanden, gerade auch weniger Privilegierten, die sich die Theaterkarten sonst nicht hätten leisten können. Zur Premiere öffnete sich der große Saal im ersten Stock des Adelspalastes an der Piazza Santi Apostoli dann erst am Ostersonntag. Die Zuschauer sahen, selbst wenn sie regelmäßig im Palazzo Ruspoli zu Gast waren, einen umfassend neu dekorierten Saal. Mit Damaststoffen behängt, um ungewollten Nachhall zu vermeiden, erstrahlte der Raum im Licht von sechzehn Kronleuchtern mit Kerzen. Beim Betreten des Saals erblickte man zunächst nur den Titel des Oratoriums. Denn der Blick fiel erst einmal nur auf den geschlossenen Vorhang, der die Bühne wie in einem Theater vom Publikum abtrennte. Oberhalb eines Bogens stand auf einer Tafel der Titel des Musikstücks: Die Buchstaben waren einzeln ausgeschnit-

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ten, mit transparentem Papier hinterlegt und von der Rückseite angestrahlt, sodass sie leuchteten. Öffnete sich der Vorhang, so war hinter dem Orchester eine gemalte Auferstehungsszene zu sehen. Die Anzahl der Textbücher lässt darauf schließen, dass Ruspoli mit ca. 700 Gästen pro Vorstellung rechnen konnte, die alle einen Platz im eng bestuhlten Saal finden mussten. Der Andrang war nicht zuletzt deshalb so groß, weil La Resurrezione ein großer Coup des Marchese gewesen war, dessen aufwendige Inszenierung im Rahmen eines privaten Adelspalastes ein denkwürdiges Ereignis der Musikgeschichte Roms blieb. Ein anderer Grund für das große Interesse war allerdings auch, dass in Rom seit etwas mehr als sieben Jahren keine Opernaufführungen mehr stattfanden. Die angeblich so sinnlich ausschweifenden Musiktheaterinszenierungen waren als Zeichen demütiger Abstinenz verboten worden, während das Oratorium Märtyrer und Heilige besang und das grundsätzliche päpstliche Wohlwollen behielt. Das Sujet der Auferstehung Jesu war oratorientauglich genug, ein anderes Problem holte Ruspoli und Händel allerdings ein: der theaterähnliche Aufbau im Aufführungssaal und die Tatsache, dass die weibliche Hauptrolle der Maria Magdalena am Ostersonntag von einer Sängerin, nämlich von Margherita Durastanti, gesungen wurde. Frauen war die Mitwirkung bei geistlicher Musik auf öffentlichen Bühnen nämlich verwehrt. Mit der Premiere hatten sich Händel und sein Mäzen eindeutig zu nah an die verbotene Gattung Oper herangewagt. Genug hochstehende Geistliche waren im Publikum anwesend, sodass der Heilige Vater höchstpersönlich vom Auftritt Durastantis erfuhr und Einspruch erhob. Am zweiten Abend wurde die Partie der Maria Magdalena deshalb von einem Kastraten, der auf hohe Stimmlagen spezialisiert war und kurzfristig einspringen konnte, gesungen. Das Oratorium war zwar ein kurzfristiger Erfolg, und Händel wurde von seinem Auftraggeber mit Edelsteinen belohnt, es geriet jedoch schnell in Vergessenheit. Dass der Lutheraner Händel in jungen Jahren auch ein „papistisches Stück“ geschrieben hatte, galt lange als verzeihlicher Irrtum eines ansonsten ja doch vorbildlichen Protestanten. Hätte Händel sein Stück jedoch auch in London zur Aufführung bringen wollen, hätte es für das dortige anglikanische Publikum umgeschrieben werden müssen.

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Ein Kammerdiener aus Paris: Pierre de Nyert Als der französische König Ludwig XIII. im Februar 1629 mitten im kalten Winter in den Alpen weilte, um den Feldzug im Konflikt um die Nachfolge des Herzogs von Mantua zu leiten, schickte er nach einem Musiker, um ihn zu unterhalten. Sein loyaler Gefolgsmann Herzog von Mortemart entsandte daraufhin sofort seinen Sänger Pierre de Nyert in die Alpen, wo dieser den melancholischen Monarchen mit Gesang zu Lautenspiel erfreute. Wie Saint-Simon in seinen Memoiren versichert, kämpfte der König daraufhin an vorderster Front und gewann die Schlacht. Es dauerte nicht lange, bis der König den Wunsch äußerste, Pierre de Nyert in seine Dienste zu nehmen. Der Sänger diente jedoch weiterhin treu seinen bisherigen Dienstherren, zu denen auch der Herzog von Créquy gehörte. Tallémant des Réaux berichtet, Pierre de Nyert habe von seiner Jugend an in seiner Funktion als Kammerdiener sehr oft als nicht-ausgebildeter Sänger gesungen. Obwohl sich der Herzog der sängerischen Qualitäten seines Dieners voll bewusst war, befahl er ihm jedoch nie, in der Öffentlichkeit zu singen, sondern ließ Nyert selbst darüber entscheiden. Dabei soll Nyert seinen Herrn Créquy sehr oft gefragt haben, ob er seine Theorbe mitnehmen solle, worauf der Herzog ihm meistens antwortete: „Wie Du willst!“. Pierre de Nyert begleitete den Herzog von Créquy zwischen 1633 und 1635 nach Rom, wo er an seiner Mission als französischer Botschafter am Heiligen Stuhl teilnahm. Créquy war von Ludwig XIII. entsandt worden, um dem Papst den „kindlichen Gehorsam“ als „erstgeborener Sohn der Kirche“ zu demonstrieren. In Rom tauchte Nyert vollkommen in das Musikleben ein. Er besuchte vor allem die Opernaufführungen unter der Adelsfamilie Barberini, die zu dieser Zeit auch den Papst Urban VIII. stellte. Die Aufführungen fanden im Theater des Palazzo Barberini alle Quattro Fontane statt, das erst im Februar 1632 mit der Oper Sant’Alessio von Stefano Landi mit einem Libretto von Giulio Rospigliosi eröffnet worden war. In der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts war das Theater mit seinen ungefähr 3000 Plätzen der Opernmittelpunkt der Stadt; namhafte italienische Sänger traten hier auf. Inwiefern Pierre de Nyert mit seiner Musik auch hier politisch aktiv wurde, ist nicht bekannt. In jedem Fall jedoch beeinflusste dieser Rombesuch seine musikalische Karriere entscheidend.

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Bei Pierre de Nyert sticht heraus, dass immer wieder hervorgehoben wird, er habe der italienischen Musik und ihrer sängerischen Interpretation wirklich zugehört, anstatt sich nur durch sie zu unterhalten. Nur so lässt es sich erklären, dass er mit dem Plan nach Frankreich zurückkehrte, „die italienische Methode der französischen anzupassen“. Was den Italienern an Einfachheit und Leichtigkeit fehlte, mangelte den Franzosen an Expressivität, Geschmeidigkeit und Nuancen. Pierre de Nyert, der von Kindesbeinen an ein außerordentliches Gesangstalent gewesen sein muss, setzte sich im Folgenden für eine Gesangsschule ein, die Textverständlichkeit, dramatischen Ausdruck, Natürlichkeit und Virtuosität in der Ausführung der Verzierungen gleichermaßen in den Vordergrund stellte. Er machte sich damit in Frankreich zwar nicht nur Freunde, wurde aber, da er seine Gesangsschule auch in seiner eigenen Musikpraxis umsetzte, schnell berühmt, sodass er sich eine große Schülerschaft von Anne de La Barre über Hilaire Dupuy bis zu La Varenne und Raymon aufbauen konnte. Ludwig XIII. war davon so begeistert, dass er Gesang nur noch von Nyert und seinen Schülern ertrug. Deshalb stellte er ihn im Jahr 1638 als Kammerdiener ein und zahlte dem Herzog von Créquy sogar eine Wiedergutmachung von 12000 Pfund. Als „valet de chambre“ des französischen Königs hatte Nyert eine gehobene Stellung am Hof Frankreichs, die ihm zudem Einblicke in die geheimsten Sachverhalte der Regentschaft und des Regenten gewährte. So war es üblich, dass Kammerdiener, die höchst vertrauenswürdige Personen sein mussten, am Fuße des königlichen Bettes nächtigten. Pierre de Nyert mag zudem oft in Ludwigs Kammer gewesen sein, um zu singen und zu musizieren. Nyerts Methode war so erfolgreich, dass der römische Komponist Luigi Rossi, der ihn bei seinem Aufenthalt in Paris im Jahr 1646 traf, nach Rom zurückkam und sich dort ebensowenig Freunde machte, wie Nyert in Frankreich: Rossi behauptete in Rom lautstark: „Um eine Musik angenehm zu machen, braucht man italienische Arien aus dem Mund der Franzosen.“ Hiermit schloss er sich der Meinung Ludwigs XIII. an. Allgemein war man davon überzeugt, Nyert hätte nur das beste der französischen und italienischen Singschule herausgefiltert, um sie dann wechselseitig zu verstärken. Die sogenannte „Mischung der Geschmäcker“ wurde von den Franzosen besonders positiv aufgenommen. Im Jahr 1677 verfasste Jean de La Fontaine eine Epistel über Pierre de Nyert und

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die Oper. Hier wird klar, dass die Franzosen von dem direkten Vergleich zwischen De Nyert und römischen Sängerinnen und Kastraten profitieren konnten, die im Februar 1644 auf Geheiß von Kardinal Mazarin in Paris auftraten. „Niert, qui pour charmer le plus juste des rois, Inventa le bel art de conduire la voix, Et dont le goût sublime à la grande justesse Ajouta l’agrément et la délicatesse; Toi qui sais mieux qu’aucun le succès que jadis Les pièces de musiques eurent dedans Paris, Que dis-tu de l’ardeur dont la Cour échauffée Frondait en ce temps-là les grands concerts d’Orphée Les longs passages d’Atto et de Léonora, Et du déchaînement qu’on a pour l’opéra?“ Zur Zeit der Ankunft der italienischen Oper und Musiker am französischen Hof war Pierre de Nyerts Stellung bei Ludwig XIII. schon mehr als gefestigt. Drei Wochen vor seinem Tod am 14. Mai 1643 befahl der Monarch dem Kammerdiener, „seine Laute zu holen, und er sang für ihn ein Gotteslob, wie Lauda anima mea Dominum . . .“ Nach dem Tod Ludwigs XIII. wurde Nyert von seinem Nachfolger Ludwig XIV. als Kammerdiener übernommen.

Spanische Kastraten Auch wenn es Frauen vom Papst verboten worden war, auf öffentlicher Bühne zu singen, blieben Sopranstimmen natürlich Bestandteil von Oratorien und anderen szenischen Musikstücken. Bis ins 16. Jahrhundert hinein ersetzten Knaben die fehlenden Sopranistinnen. Am päpstlichen Hof waren zunächst vor allem Falsettisten angestellt, geschulte Sänger für hohe Stimmlagen. Denn eine Besonderheit der Cappella Sistina bestand darin, dass ausschließlich erwachsene Männer aufgenommen werden konnten und an dieser Kapelle nicht die Möglichkeit bestand, auf Knaben vor dem Stimmbruch auszuweichen. Die meisten Falsettisten stammten aus Spanien, und in Rom wurden sie spöttisch „spagno-

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letti“ genannt. Einer der berühmtesten war Cristóbal de Morales (*ca. 1500, †1553). Er sang bereits im 16. Jahrhundert an der Cappella Sistina und machte sich anschließend in Spanien einen Namen als Komponist und als Kapellmeister an den Kathedralen von Toledo und Málaga. Andere spanische Kollegen, mit denen Morales in Rom zusammenarbeitete, waren Blas Núnez, Antonio Calasanz, Pablo Bursano oder Juan del Encina, der von Papst Alexander VI. besonders gefördert und von Leo X. zum Privatsänger des Papstes ernannt wurde: „cantore segreto del pontefice“. Auch der erste Kastrat, der 1562 in der päpstlichen Kapelle nachzuweisen ist, war ein Spanier: Francisco Soto de Langa (*1534, †1619). In kürzester Zeit etablierten sich Kastraten aus Spanien und Frankreich. Warum ausgerechnet in Spanien bereits im 16. Jahrhundert die Kastration von Jungen im Kindesalter vorgenommen wurde und Kastratengesang in dortigen Kirchenchören zum Erfolg wurde, ist und bleibt unklar. Angenommen wird ein Zusammenhang mit dem starken arabischen Einfluss auf der iberischen Halbinsel. Denn die Kultur der Mauren, die bis ins ausgehende Mittelalter in vielen Landesteilen prägend war, kannte das Phänomen Kastration seit langem. Unbestritten ist jedoch der Siegeszug des Kastratengesangs in Rom. Musikerlisten lässt sich entnehmen, wer als „spagnuolo eunuco“ in die Cappella Sistina aufgenommen worden war. Neben Francisco Soto auch ein gewisser Giovanni de Santos, Diego Vazquez sowie Francesco Spinosa. 1588 waren es nur zwei spanische Sänger, deren kurze Aufnahme in die Cappella Sistina belegt werden kann, es folgten weitere und elf Jahre später begann mit dem Eintritt der ersten italienischen Kastraten Pietro Paolo Folignati und Girolamo Rosini aus Perugia dann der endgültige Durchbruch europäischer Kastraten, der bis ins 19. Jahrhundert hinein nicht abriss. Zeitgenossen begründeten, warum den kastrierten Männern, die auch im Erwachsenenalter ihre Knabenstimme beibehielten, der Vorrang vor Falsettisten gegeben werden sollte, mit der deutlicheren Aussprache der Kastraten und ihrem natürlicheren Klang. Das Phänomen der Kastration ist untrennbar mit der Barockzeit und Rom verbunden, das zu einem europäischen Zentrum des Kastratengesangs wurde. Das Schöne wurde im ausgehenden 17. und 18. Jahrhundert zwar überall kultiviert, keine Sinnesfreude konnte den Adligen und dem Klerus intensiv genug sein. Es wird berichtet, dass Opernbesucher – unabhängig ob Mann oder Frau – geradezu süchtig nach Kastraten-

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gesang waren. Die exotisch anmutenden Männer, die in Folge des hormonellen Eingriffs nicht nur zeugungsunfähig, sondern meist auch überragend groß wurden, außergewöhnlich lange Gliedmaßen hatten und im Alter unter extremer Fettleibigkeit litten, können als die Superstars der frühneuzeitlichen Opernszene betrachtet werden. Musikliebhaber erwarteten sich im Barock, vom Geschehen auf der Bühne verzaubert zu werden. Neben raffinierten Effekten und prächtigen Kostümen waren es die engelsgleichen Stimmen der Kastraten, die einen unwiderstehlichen Reiz ausübten: man sah einen Mann und glaubte die Stimme einer Frau zu hören! Die Aussicht auf Erfolge als Sänger scheint ein entscheidender Grund für arme Familien gewesen zu sein, ihre Söhne kastrieren zu lassen. Ein offizielles Kastrationsverbot in vielen italienischen Fürstentümern und auch im Kirchenstaat, förderte zunächst die Anstellung von spanischen und französischen Kastraten. Doch im Zuge des Erfolgs wurden auch auf der italienischen Halbinsel gezielt Kastraten engagiert und Opernpartien extra für Kastratenstimmen geschrieben. Dies führte dazu, dass immer mehr Eltern das Kastrationsverbot umgingen. Es wurden regelrecht Unfälle erfunden, die angeblich zu einer an sich unbeabsichtigten Kastration des Jungen geführt haben sollten. Allerdings gelang es nur ohnehin talentierten Knaben, wirklich zum gefeierten Star heranzuwachsen. Viele überlebten den barbarischen Eingriff gar nicht, und nur wenige Kastraten, die das Erwachsenenalter erreichten, wurden wirklich Opern- und Konzertsänger. Die meisten waren in Kirchenchören tätig. Es war weniger die Vergnügungssucht reizüberfluteter Opernbesucher, die eine wachsende Nachfrage nach Kastraten mit sich brachte, sondern der Bedarf in katholischen Kirchenchören. Der gute Klang eines Kirchenchors war schließlich von ganz besonderer Bedeutung, um ein hohes Spendenaufkommen für die jeweilige Pfarrei oder das Domkapitel zu sichern. Nur noch als grotesk lässt es sich jedoch bezeichnen, dass Papst Clemens VIII. (*1536, †1605, reg. 1592–1605) aus Prestigegründen gezielt Kastraten engagierte, gleichzeitig aber die Kastration an sich und selbst die bloße Mitwisserschaft schwer unter Strafe stand. Aus der Opernstadt Neapel, der Residenz- und Hauptstadt des Königreichs Neapel, kamen zahlreiche Kastraten nach Rom. Auch sie galten dort natürlich als Fremde, als Auswärtige, auch wenn zwischen Neapel

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und Rom mehrmals täglich Postkutschen verkehrten. Einer von diesen neapolitanischen Sängern war Carlo Broschi (1705–1782), der unter dem Künstlernamen Farinelli in ganz Europa berühmt wurde, Konzertreisen unternahm und nicht nur in Versailles, sondern auch am Königshof in Spanien sang, um dem König die Depressionen zu vertreiben. Charles Burney, ein englischer Musikwissenschaftler aus dem 18. Jahrhundert, berichtet von einem Wettstreit zwischen dem bereits alternden Kastraten Farinelli und einem Trompeter von Rang. Das kunstvolle Anund Abschwellen eines lange gehaltenen Tones, die sogenannte „messa di voce“, ließ Damen in Ohnmacht fallen und riss zu Beifallsstürmen hin. In den Worten Burneys liest sich ein solcher Triumph der Kastratenstimme wie folgt: Der Kastrat und der Trompeter „ließen einen Ton anschwellen, dann zeigte jeder die Kraft seiner Lungen und suchte den anderen an Brillanz und Kraft zu überbieten; gemeinsam führten sie ein Crescendo und einen Triller in Terzen aus, der so lange gehalten wurde, daß beide erschöpft schienen. Der Trompeter hörte auf, glaubte er doch, sein Gegner wäre ebenso ermüdet.“ Farinelli hingegen hatte nur gespielt, behielt den Atemzug bei und entfaltete neue Triller scheinbar mühelos über schnelle Passagen hinweg, bis ihn Beifallsstürme unterbrachen. Die Superstars der Opern- und Oratorienzeit wurden gleichzeitig aber auch als die ersten Diven in der Musikgeschichte beschrieben. Georg Friedrich Händel weigerte sich wiederholt mit Kastraten zusammenzuarbeiten. Der Umgang mit ihnen war ihm zu kompliziert.

Europäisches in der römischen Musikgeschichte Von der „Opera d’Aliberti“, die Maximilian Freiherr von Schurff am 19. Januar 1717 besuchte, über die Aufführung der „tragédie en musique“ Armide von Lully in der französischen Botschaft in italienischer Sprache und die Via dei Leutai der deutschen Lautenmacher bis hin zu dem sächsischen Organisten, der mit dem Teufel im Bunde stand, haben europäische Musiker im Rom des 17. und beginnenden 18. Jahrhunderts ihre Spuren hinterlassen. Die grundsätzliche Offenheit des römischen Adels und auch des römischen Publikums allgemein für gelungene Kompositionen, neue Musikinstrumente und sowohl ungewöhnliche als auch virtuose Spielweisen eröffneten angereisten Musikern so manche Auftrittsmöglichkeit. Gleichzeitig war Rom eine lebhafte Metropole, die auf musikalischem Gebiet viel Konkurrenz mit sich brachte und in der zudem noch politisch agiert wurde. Den europäischen Musikern, die diese Stadt in der Barockzeit besuchten, muss sie wie das bunte Kaleidoskop einer multinationalen Gesellschaft, eine Mischung sowohl antiker als auch moderner Kunst und eine Verquickung von Architektur mit Kirchen- und Opernmusik vorgekommen sein. Vor allem aber muss sie ihnen wie ein nicht enden wollendes, die ganze Stadt erfüllendes Konzert angemutet haben. Von der päpstlichen Kapelle und den mehrchörigen Werken über die im Karneval geöffneten Opernhäuser bis hin zu den vielen Privatkonzerten in den Palazzi und den Serenaden auf den römischen Straßen gab es hier musikalisch viel zu erleben und zu entdecken. Umso entäuschter waren viele Besucher Roms, wenn sie eine musikalische Aufführung nicht überzeugte, galt Rom doch als das Maß aller musikalischen Dinge und als Ausdruck eines Musiklebens, das man sich auch an den Höfen jenseits der Alpen wünschte. Die angereisten Musiker, die in Rom zuhörten, zu ihrem Instrument griffen oder sogar eine Anstellung bekamen, mögen die Stadt als sehr bedacht auf die Ausstrahlung ihrer Kunst auf ganz Europa wahrgenommen haben, die wirtschaftlichen und sozialen Strukturen des Musiklebens hingegen als festgezurrt und oftmals schwer durchlässig. Die in

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Rom ansässigen Musiker waren sich ihrer Qualitäten bewusst und versuchten, sie auf ihrem Territorium zu verteidigen. Aus diesem Grund ist es nicht verwunderlich, dass uns zumeist die Romaufenthalte der heute noch bekannten Musiker wie Georg Friedrich Händel, JacquesMartin Hotteterre Le Romain oder Robert Valentine überliefert sind, die durch ihr großes Talent in Rom überzeugten. Mit Blick auf weitere herausragende Musiker der Barockzeit wie etwa Marc-Antoine Charpentier aus Paris oder Johann Joseph Fux aus Wien wird aufgrund ihres großen Interesses für Kompositionen und Musiker aus Italien bis heute spekuliert, ob sie sich nicht doch eine Zeit lang in Rom aufgehalten haben könnten. Auch überzeichnete Anekdoten und die Wettstreite spiegeln die Strahlkraft des römischen Musiklebens als Ort des Schlagabtausches zwischen Musikern auf höchstem künstlerischem Niveau wider. Die musikalische Autorität der Stadt wurde dabei allein aufgrund der Fülle ihrer alltäglichen musikalischen Aufführungen lange Zeit nicht wirklich in Frage gestellt. Es scheint, als ob diese Kluft zwischen Aura und Alltagspraxis die Anziehungskraft Roms als musikalische Metropole nur noch verstärkte: Europäische Musiker nahmen mehr und mehr die Rolle an, das musikalische Rom während ihrer Anwesenheit zu bewundern, zu hofieren und zu glorifizieren, statt sich dort dauerhaft zu etablieren. Kehrten sie mit der römischen Musik im Gepäck in ihre Heimat zurück, mussten sie sich dort oftmals neu positionieren. Bei dieser Neuorientierung stand zumeist „das Beste vom Besten“ der vielen europäischen Stile auf dem kompositorischen Programm, und über lange Zeit war sich alle Welt sicher, dass Rom „das Beste vom Besten“ der italienischen Musik zu bieten habe. Gegen Ende des Barock mehrten sich gleichwohl die kritischen Stimmen, die Rom den Rang als Musikmetropole in Abrede stellten, ja zu einer Italienreise aus beruflichen Gründen überhaupt nicht mehr rieten. Der musikalische Stil hatte sich weiterentwickelt, Komponisten aus nordeuropäischen Regionen traten auf den Plan, und auf der italienischen Halbinsel wurde das Neapel der opera buffa zum neuen Zentrum der europäischen Musikliebhaber. Nichtsdestoweniger behielt die „Roma antiqua e moderna“ der Barockzeit ihre Aura für europäische Musiker noch lange bei. 1831 schrieb Felix Mendelssohn Bartholdy aus der Ewigen Stadt: „Rom, das doch das Größte von allem ist und bleibt – man wird da nicht fertig, wenn man erst

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anfängt.“ Und 1840 konnte auch seine Schwester Fanny Hensel nach Hause berichten: „Rom ist ein wirklich langsames Gift, oder eine langsame Medizin, wie Du willst, es denke nur keiner, so geschwind damit fertig zu werden, je mehr man es kennenlernt, um so wunderbarer zieht es an.“

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„Die schönste Musik zu hören“

Personenregister Adami da Bolsena, Andrea 76 Aichinger, Gregor 29 Alexander Karl, Prinz von Polen und Litauen 85 Allen, Kardinal William 21, 30 Almeida, Francisco António de 72, 83 Ameyden, Christiano 20–21, Anerio, Giovanni Felice 36 Anet, Jean-Jacques Baptiste 27 Antonius von Padua, Heiliger 94 Arcadelt, Jacques 17 Aureli, Aurelio 89 Azzolino, Dezio, Kardinal 87 Bachaumont, François Le Coigneux de 44 Balbani, Giulio 32 Bandiera, Almerigo 49 Barberini, Antonio, Kardinal 26, 60, Barberini, Francesco, Kardinal 52, 60, 72 Baroni, Leonora 26, 52 Barrionuevo, Don Jerónimo de 43 Barry, Yves 19 Benda, Franz 40 Benevoli, Orazio 65–66, 69, 72 Berar, Pietro, genannt „gallo“ 73 Berenstadt, Gaetano 91 Bernier, Nicolas 54–55 Bernini, Gian Lorenzo 13, 87 Bibiena, Francesco Galli 91 Blasi, Luca 101 Boeri, Pietro 49 Boretti, Giovanni Antonio 89 Breunig, Johann Michael 38 Broschi, Carlo, genannt „Farinelli“ 111 Brossard, Sébastien de 45 Buchta, Zeitzer Rat 37 Bull, John 31 Burney, Charles 111 Bursano, Pablo 109 Buti, Abbé Francesco 26 Calasanz, Antonio 109 Caldara, Antonio 22, 54–57 Carissimi, Giacomo 22, 29, 38, 45

Carleton, Sir Dudley 32 Cavalieri, Emilio de’ 26 Cavalli, Francesco 89 Cecilia, Heilige 48 Cenci, Angela 94 Cervantes, Miguel de 43 Chapelle, Claude-Emmanuel Luillier 44 Charles-Henri de Lorraine-Vaudémont 46 Charpentier, Marc-Antoine 44–45, 71, 113 Christina, Königin von Schweden 22, 76, 82–83, 85–90, 92, 98 Cienfuegos 91 Clemens August, Prinz von Bayern 24, 46 Cogolludo, Marchese di 97 Colonna, Carlo, Kardinal 75 Colonna, Lorenzo Onofrio 89 Conseil, Johannes 18 Copp, Hermann 50 Corelli, Arcangelo 22, 25, 27, 38, 76, 81, 84, 96, 102 Cornelij, Hubertus 50 Coulanges, Emmanuel de 7, 83, 94, 96 Coyer, Gabriel François, Abbé 67, 92 Dassoucy, Charles Coypeau 43–45, 51, 71 d’Albert d’Ailly, Charles, duc de Chaulnes 82 d’Alibert, Antonio 86, 90–91 d’Alibert, Jacques 86–88, 90 d’Estrées, N.N., Kardinal 99 Dering, Richard 32–33 Diubuè/ Dubois, Giovanni Abele 50 Dupuy, Hilaire 107 Durastanti, Margherita 105 d’Uzeda, N.N. 74 Eggenberg, Johann Anton von 79 Elisabeth I., Königin von England 32 Encina, Juan del 109 Erben, Balthasar 28 Espinosa, Francisco 21–22 Farinelli, s. Broschi, Carlo Farnese, Ranuccio 31 Faustina, Sopranistin 95

Personenregister

Ferrarellis, Jacomo 50 Filippo Neri, Heiliger 70 Förster, Kaspar der Ältere 34 Förster, Kaspar der Jüngere 34, 36–37 Foggia, Francesco 71 Folignati, Pietro Paolo 109 Follentine, Thomas 57 Fontana, Carlo 88 Fontana, Domenico 12–13 Fraichot, François 72 Friedrich II., König von Preußen, genannt Friedrich der Große 40 Fregiotti, Dionisio 72 Fregiotti, Michele 72 Frescobaldi, Girolamo 22, 28–29, 38, 51, 64, 71 Friedrich August, Prinz von Sachsen 37–38, 46 Froberger, Johann Jakob 28, 51, 64 Fugger, Jakob II. 29 Fux, Johann Joseph 113 Gans, Pater Johannes 51 Gasparini, Francesco 40, 91 Gaston, Herzog von Orléans 86 Gaultier, Pierre 79 Gavadina, Ioanna 63 Georgina, Sopranistin 95 Ghezzi, Giuseppe 56 Ghezzi, Pier Leone 56, 83 Ginelli, N.N. 104 Giori, Angelo 61–62 Gisberti, Domenico 89 Giunta, Alessando di 32 Giustiniani, Giovanni Battista 98 Gonzague, Scipio 28 Graun, Johann Gottlieb 40 Graziani, Bonifazio 71 Grimani, N.N., Kardinal 80 Grisardi, Giovanni, genannt „gallo Lauduniensis“ 73

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Guarini, Giovanni Battista 32 Güldenlöwe, N.N. von 66 Händel, Georg Friedrich 37, 53, 56, 71, 76–77, 81, 84, 91, 100–105, 111, 113 Haro y Guzman, Gaspar de 25 Harrington, Sir John 32 Heinichen, Johann David 37–38, 53 Heinrich IV., König von Frankreich 86 Henrietta Maria, Königin von England 33 Hensel, Fanny 114 Hersche, Peter 14 Hiller, Johann Adam 53 Hotteterre, Jacques-Martin, genannt „Le Romain“ 56–57, 113 Houterman, Marc 63 Jakob I., König von England 32 Janssen, Hendrick 50 Janssos, Joost 50 João V., König von Portugal 36, 72 Johann Georg IV., Prinz von Sachsen 66–67 Jommelli, Nicolò 93 Kaiser, römisch-deutsche – Ferdinand III. 28, 64 – Karl VI. 91 – Leopold I. 82 Kapsberger, Johann Hieronymus 26 Keller, Domenico 49 Kerll, Johann Kaspar 29 Kindermann, Johann Erasmus 36 Kircher, Athanasius 72, 87 Krieger, Johann Philipp 39 Labaña, Tomás de 43 La Barre, Anne de 107 La Borde, Jean Benjamin 54 La Fontaine, Jean de 107 Lamberg, Leopold Joseph von 78–82 Landi, Stefano 106 Lante, N.N. Prinzessin 8 La Varenne, N.N. 107 Lasso, Orlando di 17, 32, 69, Leandro, N.N., Hauptmann 94 Leopold Wilhelm, Erzherzog von Österreich 29

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Lelong, Giacomo Francesco, genannt „gallo“ 73 Lidarti, Christian Joseph 84 Luca, Severo de 74, 96, 98 Lukacˇ ic´, Ivan 23 Ludwig I. König von Spanien 74 Ludwig XIII., König von Frankreich 42, 106–108 Ludwig XIV., König von Frankreich 16, 25, 43, 55, 82–83, 86–87, 89, 96, 108 Lulier, Giovanni Lorenzo 96 Lully, Jean-Baptiste 41, 44, 55, 57, 83, 112 Luther, Martin 15 Mancini, Maria 89 Marazzoli, Marco 60, 85 Marenzio, Luca 32 Maria Antonia Fernanda, Infantin von Spanien 74 Maria Casimira Luisa de la Grange d’Arquien, Königin von Polen 71, 85–86, 90–91, 95 Maria Luisa, Königin von Spanien 25, 97 Maria Vittoria, Sängerin 82 Marìn, José 42–43 Marpurg, Friedrich Wilhelm 40 Martines, Pietro 50 Masso, Giacomo 50 Mattheson, Johannes 39–40 Maugars, André 23, 42, 51–53, 67–70 Mayne, Cuthbert 30 Mazarin, Jules, Kardinal (eigentlich Giulio Mazarini) 26, 41, 86–87, 89, 108 Mazzocchi, Virgilio 69 Melani, Atto 26 Mendelssohn-Bartholdy, Felix 113 Micheli, Romano 34–36 Michelangelo (Michelangelo di Lodovico Buonarroti Simoni) 59 Molière, Jean-Baptiste Poquelin de 44 Montanari, Antonio Maria 38 Montéclair, Michel Pignolet de 46 Morales, Cristóbal de 17, 109 Moritz Wilhelm, Herzog von SachsenZeitz 37 Nanino, Giovanni Bernardino 20, 31, 69 Nanino, Giovanni Maria 19–20, 31, 32, 38

Napoleon Bonaparte 15 Nison, Alexander 73–74 Núnez, Blas 109 Nyert, Pierre de 42, 106–108 Ottoboni, Antonio 7 Ottoboni, Pietro, Kardinal 75–76 Ovid (Publius Ovidius Naso) 20 Paget, Lord Thomas 31–32 Pagliardi, Giovanni Maria 89 Palestrina, Giovanni Pietro Aloisio Sante da 17–18, 32, 69 Pamphilj, Benedetto, Kardinal 75–77, 104 Papst – Alexander VI. (Rodrigo Borgia) 109 – Alexander VII. (Fabio Chigi) 87 – Benedikt XIII. (Pietro Francesco Orsini) 92 – Clemens V. (Bertrand de Got) 11 – Clemens VII. (Giulio de’ Medici) 18 – Clemens VIII. (Ippolito Aldobrandini) 110 – Clemens IX. (Giulio Rospogliosi) 14, 71, 85, 88, 106 – Clemens XI. (Giovanni Francesco Albani) 71, 102 – Innozenz XII. (Antonio Pignatelli) 71, 76 – Julius II. (Giuliano della Rovere) 18 – Marcellus II. (Marcello Cervini) 18 – Paul III. (Alessandro Farnese) 19, 31 – Paul V. (Paul Borghese) 61 – Sixtus V. (Felice Peretti de Montalto) 11 – Urban VIII. (Maffeo Barberini) 14, 52, 62, 85, 106 Pasqualini, Marc Antonio 26, 28 Pasquini, Bernardo 31, 101–102 Pasquino, päpstlicher Sänger 99 Peri, Jacopo 15 Philipp II., Herzog von Orléans 27 Philipp V., König von Spanien 97 Philipp Moritz, Prinz von Bayern 24, 46 Philipps, Peter 31 Pierrotin, Sängerknabe 43–44 Pisendel, Johann Georg 38, 40, 46–47 Polignac, N.N., Kardinal 91–92 Pougin, Arthur 42 Purola, Francesco 50

Ortsregister

Stolz, Filippo 50 Stradella, Alessandro 31, 89

Quantz, Johann Joachim 40–41 Reutter, Georg von, der Jüngere 38 Rospigliosi, Giacomo 85 Rospigliosi, Giulio, s. Papst Clemens IX. Rosini, Girolamo 109 Rossi, Luigi 26, 45, 107 Roße, N.N., Generalmajor 66 Roy, Bartolomeo 20 Ruspoli, Francesco Maria 37, 56–57, 76, 102 Saint-Simon, Henri de 106 Santos, Giovanni de 109 Savelli, Friedrich Herzog von 51 Scacchi, Marco 34–37 Scarlatti, Alessandro 75, 85, 96 Scarlatti, Domenico 72, 100, 102 Schor, Maximilian 57 Schurff, Maximilian Freiherr von 8, 112 Schütz, Heinrich 103 Schwilge, Andreas 29–30 Seifert, Paul 34–35 Selma y Salaverde, Bartolomeo de 54 Serré des Rieux, Jean de 55 Spinosa, Francesco 109 Soto de Langa, Francisco 23, 65, 109 Soto de Langa, Pascual 65 Soto, Martino 65 Starhus, Jacob 50 Steffani, Agostino 102

Tallemand des Réaux, Gédéon 42 Tartini, Giuseppe 40 Tassis, Miguel de 95 Teixera, Antonio 86 Telemann, Philipp 47 Terradellas, Domingo 23, 93 Tregian, Francis der Ältere 30 Tregian, Francis der Jüngere 30–32 Trémoille, Anne-Marie de la 99 Turenne, Prince de 8 Uffenbach, Friedrich Armand von 67 Valentin, Sängerknabe 43 Valentine, Robert 57, 113 Valesio, Francesco 94–95, 98, 101 Valle, Pietro della 26 Vallot, Hugues 53–54 Vasquez, Diego 21–22 Vega, Lope de 43 Vénévot, Robert 65 Verovio, Simone 29 Victoria, Tomás Luis de 65, 69 Vittori, Loreto de 28 Vivaldi, Antonio 38, 46 Wisser, Dietero 57

Ortsregister Afrika 43 Alpen 17, 29, 67, 100, 106, 112 Antwerpen 28, 32 Augsburg 29 Auxerre 72 Avignon 11, 43

Bonn 28, 58 Brabant Herzogtum, 21, 28 Braunschweig 37 Brüssel (Bruxelles) 17, 28, 30, 32–33 Burgos de Osma 23 Burgund 20, 72

Barcelona 93 Belgien 21, 63 Bologna 29, 40, 84, 96

Chatillon-sur-Seine 65 Cornwall 30 Créquy 106–107

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„Die schönste Musik zu hören“

Dalmatien 23 Danzig (Gdan´sk) 34–35, 37 Douai 30–31 Dresden 26–27, 38, 47 Düsseldorf 28 England 21, 30–31, 41, 56–57 Flandern 18, 28 Florenz (Firenze) 26, 28–29, 32, 38, 43, 71, 91 Frankfurt am Main 28 Frankreich 12, 18, 27–30, 41–43, 46, 55–56, 72, 80, 83, 86–87, 90, 99, 107, 109 Genua (Genova) 32 Griechenland 21 Hamburg 27, 87, 103 Heidelberg 28 Innsbruck 26 Kirchenstaat 11–13, 17, 27, 30, 59, 110 Köln 28, 58 Krakau (Kraków) 98 Leicester 57 Lille 30 Lissabon (Lisboa) 27, 30, 36, 72 Lombardei 40 London 23, 27, 31, 91, 105 Lüneburg 37 Lyon 43–44 Madrid 27, 30, 32, 42–43, 65 Mailand (Milano) 30, 46 Mainz 38 Málaga 109 Mantes la Jolie 54 Mantua (Mantova) 26, 28, 106 Marchena 17 Mons im Hennegau 17 Montpellier 43 Mortemart 106 München 10, 29 Namur (bei Brüssel) 17 Naumburg 37

Neapel (Napoli) – Stadt 15, 23, 27, 38, 57, 90, 93, 103, 110–111, 113 – Königreich 74, 89, 110 Niederlande 10, 21, 30–31, 65, 73 Nürnberg 28, 36 Oirschot (bei Lüttich) 20 Oxford 32 Padua (Padova) 40, 94 Paris 17, 19, 26–27, 32, 44–46, 52, 54–55, 57, 71, 83, 86–87, 97, 106–108, 113 Parma 60 Passau 29 Perugia 101, 109 Pistoia 71 Polen 21, 37, 71, 85, 90–91, 95 Portugal 36, 41, 72 Prag (Praha) 26 Regensburg 29 Reims 60 Rom – Adelspaläste/Höfe Palazzo Barberini 85, 106 Palazzo Bigazzini 83 Palazzo Bonelli (heute Palazzo Valentini) 76–77, 80, 102 Palazzo della Cancelleria 75 Palazzo Farnese 22, 31, 82, 86 Palazzo di Spagna 25, 95 Palazzo de Cupis 28 Palazzo Mattei 28 Palazzo Odescalchi 86 Palazzo Pamphilj 11 Palazzo Riario 82, 86–87 Palazzo Zuccari 86, 90, 95, 98 Papsthof/Vatikan 11, 13, 58–60, 62–63, 65, 75–76, 78, 92, 96 Quirinalspalast 60, 77 – Akademien San Luca 56 – Kapellen Cappella Giulia 19–20, 49, 64–66, 69, 72–73 Cappella Sistina 19–20, 49, 59, 61–62, 64–65, 72, 108–109

Ortsregister

– Collegi Collegio Germanico 21, 24, 34, 62, 65–66, 77, 79 Collegio Inglese (English College) 21, 30–31 Collegio Nardino 50 Collegio Nazzareno 50 Collegio Romano 21, 62, 65 – Kirchen Chiesa Nuova s. Santa Maria in Vallicella Il Gesù 7, 10, 66, 69 Lateran s. San Giovanni in Laterano Oratorio Santissimo Crocifisso 31 Petersdom s. Sankt Peter Sant’Agnese in Agone 10 Sant’Andrea della Valle 10 Sant’Apollinare 66–67, 79 Santa Cecilia in Trastevere 48 San Carlo ai Catinari 48 San Giacomo degli Spagnoli 10, 23, 25, 65–66, 72, 74 San Giovanni in Laterano 12, 20, 60, 73, 101–102, 104 San Lorenzo fuori le mura/ St. Laurentius vor den Mauern 12 San Luigi dei Francesi 20, 23, 52–53, 62, 65, 68–70 Santa Maria dell’Anima 10, 63, 73–74 Santa Maria dell’Orto 50 Santa Maria in Trastevere 66 Santa Maria in Vallicella (Chiesa Nuova) 10, 70, 72, 74 Santa Maria Maggiore 12, 72, 102 Santa Maria sopra Minerva 68–69, 72 San Paolo fuori le mura/ St. Paul vor den Mauern 12 Sankt Peter (San Pietro) 12–13, 54, 59, 61, 64–67, 69, 73 San Sebastiano bei den Katakomben 12 Santa Trinità dei Monti 24, 86, 96 – Plätze Campo dei Fiori 31 Piazza dei Santi Apostoli 77, 104 Piazza Benedetto Cairoli 48 Piazza Farnese 49, 79 Piazza Navona 10–11, 28, 50, 66, 79–80, 97





– – –

– – – – – –

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Petersplatz 13, 61 Piazza di Spagna 24–25, 74, 79, 86–87, 90, 95–97 Piazza Venezia 77, 86, 102 Straßen Via Giulia 12, 87 Via Francigena 12 Via di Ripetta 13 Via dei Leutari 50 Theater Teatro Argentina 50 Teatro delle Dame 91, 93 Teatro di Tordinona 71, 88–92 Teatro San Cassiano 89 Stadttore Porta del Popolo 13 San Giovanni 50 Stadtviertel Rione Borgo 13 Rione Regola 49 Musikervereinigungen/ Ensembles Concerto dei Musici di Campidoglio 53 Congregazione dei Musici di Santa Cecilia 48–50, 72 Musici del Castello Sant’Angelo 53 Tamburri e trombetti del Popolo Romano 53 Engelsburg (Castel Sant’Angelo) 87–88 Heiliges Offizium 44 Kapitol 56, 67, 77 Mausoleum des Augustus 23 Monte Pincio 24, 90, 95–96 Pantheon 48, 68

Russland 41 Salzburg 29, 69 Sankt Petersburg 27 Savoyen 43 Sevilla 17 Spanien 21, 41, 54, 65, 74, 78, 90, 97, 108–109, 111 Split 23 Stuttgart 28 Thann im Elsass 29 Toledo 21, 109 Tiber 11, 13, 20, 23, 64–65, 67, 86–88, 93

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„Die schönste Musik zu hören“

Tivoli 19 Turin (Torino) 43, 86 Ulm 30 Venedig (Venezia) – Stadt 7, 15, 26–27, 29, 32, 37–38, 46, 55, 68, 86, 89–90, 92–93, 100, 103 – Republik 33, 54, 78

Verona 29 Versailles 27, 41, 89, 111 Vogtland 29 Warschau (Waszava) 27, 34–35 Wien 13, 26, 28–29, 38, 55, 58, 78, 80–81, 113 Winterthur 30 Würzburg 28–29 Zürich 30

Sachregister Absolutismus 16, 96 Adel, römischer 7, 11, 24–27, 48, 53, 55, 60–61, 78, 91, 95–96, 98–99, 112 Anstellung 23, 28, 31, 33, 38, 48–49, 58, 60, 63, 74, 110, 112 Architektur 8, 15–16, 67, 94, 99 Arie 35, 41, 85, 107 Ausbildung 18–19, 21, 27, 29–30, 35–36, 38–40, 43, 45, 54, 71, 85, 100 Ballett 27, 40, 55, 92 Barock 8, 10–11, 13–16, 21, 33, 38, 48, 56, 60–63, 67, 73, 77, 97, 99–100, 109–110, 112–113 Botschafter 18, 22, 25, 28, 32, 51, 74–75, 78–83, 91–92, 95–99, 106 Bruderschaft 11, 22, 87, 90 Brunnen 11–12, 95 Bußgeld 65 Chor 58–59, 65, 68–70, 76, 80, 109–110 Diebstahl 43, 50 Diplomatie 75, 78–79 Dirigent 69 Dreißigjähriger Krieg 15, 64 Empfang/Empfänge 46, 92 Empore, Sängerempore (Sängerkanzel) 19–20, 52, 67–68, 70

Fasching s. Karneval Fest 7–8, 14, 23–24, 48, 52, 54, 59, 67–68, 74, 80, 84, 94, 97–98, 100 Feuerwerk 80, 88, 94–96, 98 Flötist 40, 55–57 Frau/Frauen 13, 63–64, 74, 80, 89, 92, 98, 105, 108–110 Frömmigkeit 18 Frühe Neuzeit 14 Fürstenhof 13, 25, 59 Gattung (Kunstgattung/Musikgattung) 15–16, 25–27, 41–42, 70, 88, 93, 105 Gelehrtenrepublik/République des Lettres 55 Generalbass 15 Gesandter, Diplomat 8, 23–25, 27, 42, 45, 51, 74, 78–80, 82, 86, 94, 99 Graffitti 19–20 Grand Tour 8, 33, 45–46, 66 Hauptkirchen 12, 66, 69 Heilige Jahre 12, 90 Hofmusik 29, 42, 46–47, 62 Hofstaat 46, 51 Hospiz 10 Instrument 23, 41, 45, 49, 54–56, 72, 81, 101, 104, 112

Sachregister

Instrumentalmusik 15, 21, 40, 53, 59, 70, 94 Internationalität 7, 51, 79, 92 Kammermusik 102 Kantate 27, 56, 71, 74, 77, 82, 102, 104 Kapelle 17–20, 23–24, 33, 36–37, 46, 49, 53–55, 58–60, 62–65, 70, 73, 76, 93, 99, 108–109, 112 Kapellmeister 19–20, 23, 34, 36, 38, 55, 58, 64, 66, 69, 73–74, 84, 93, 109 Kardinalnepot 52, 76 Karneval 7, 12, 24, 71, 75, 87–88, 90, 93, 103, 112 Karriere 17, 23, 33, 41, 48, 59, 62–63, 65–66, 72, 84–85, 106 Kastrat 26–28, 36, 73, 76, 89, 91, 93, 105, 108–111 Katholik 13, 29–30 Katholizismus 22, 28–32, 64, 85 Kavalierstour s. Grand Tour Kirchenmusik 18, 20–21, 23–24, 29, 62, 66–68, 70, 72, 74 Kleriker 12, 43, 51, 62, 101 Komödie 35, 43, 82, 85, 94 Komponist 17, 19, 21, 23, 25–28, 31–39, 43–44, 46, 55–57, 60, 62, 65–66, 68–69, 71–72, 74–75, 77, 83–84, 93, 98, 102–104, 107, 109, 113 Konfession 30, 64 Konklave 13 Konkurrenz/Wettstreit 19, 22, 26, 34, 39, 60, 74, 78–79, 82, 92, 99–100, 112 Kontakte/Netzwerk 14, 20–23, 28–31, 33, 35, 38, 43, 48–49, 51, 53–54, 62, 65, 78–79, 87–88, 90 Kontrapunkt 15, 36 Konversion 29, 33, 64, 87 Konvertit 85, 87 Konzert 8, 15, 21–24, 28, 40, 46, 48, 52, 57–58, 66, 68, 70, 76, 78, 80–84, 94, 97, 99, 101, 110–112 Konzil von Trient (Tridentinum) 17–19, 21, 25, 69 Kunst 8, 14–16, 27, 37, 44, 56, 62, 75, 93, 97, 99, 112 Kurie 11, 42, 60 Kutsche 7, 24, 59, 79, 95–98, 111

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Lautenmacher 50, 112 Lehrer/Lehrmeister 30, 38, 43 Libretto 14, 26, 75, 77, 83, 85, 92, 106 Liturgie 59, 64 Loge 7, 68, 88, 91–92 Logenkrieg 91–92 Lohn/Gehalt 21, 33, 56, 63, 102 Madrigal 25–26, 32, 70 Mäzen 9, 57, 60, 75–76, 100–101, 105 Mäzenatentum 76 Mehrchörigkeit 68–70, 112 Menuett 8 Messe 7–8, 10, 17–18, 24, 49, 52, 54, 59, 62, 64, 66, 68–69, 74 Migration 33 Mobilität, räumlich 30, 33 Musikstil 16, 35, 40 Namenstag 25, 97 Nationalkirche 10–11, 20, 22–23, 25, 49, 52, 54, 62–63, 65–67, 69, 73–74, 80 Netzwerk 14, 33, 35, 51 Notendruck 33–34 Oboist 55–57 Oper 7–8, 14–16, 24–27, 37, 40–41, 45–46, 48, 68, 71, 83, 85–91, 93, 100, 102–103, 105–106, 108, 113 Opernhaus 7, 58, 85, 88–89, 91–92, 94, 112 Opernverbot 71 Oratorium 8, 24, 48, 66, 70–72, 77–78, 104–105, 108, 111 Orchester 70, 95–97, 99, 104–105 Organist 29, 31, 33–34, 36, 49, 62, 73–74, 84, 102, 112 Orgel 31, 68–69, 101 Ostern 12, 51, 66, 70 Papst 11–12, 14, 17–19, 23, 25, 27, 31, 36, 42, 52, 58–63, 71, 76, 78–79, 83, 85, 87–88, 90–92, 95–96, 101–102, 106, 108–110 Patronage 14, 61 Patronatsfest 23, 48, 52, 54, 67–68, 94 Pfründe 19, 60

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„Die schönste Musik zu hören“

Pilger 10, 12 Protestant 29, 32, 62, 87, 101, 105 Protestantismus 28–29, 69 Rangfolge 7 Reiseführer 77 Reise/Reisen 8, 17–18, 24, 27–30, 32–47, 51–52, 59, 66–67, 71, 86, 90, 111, 113 Repräsentation 59, 72, 75, 79–80, 92 Römische Schule 18 Sänger, 7, 17–21, 23, 25–27, 33, 40–43, 49–50, 58–59, 62–65, 67–70, 72–73, 75–76, 81–84, 89, 91, 95–96, 98–99, 106, 108–111 Sängerin 52, 58, 63, 81–82, 89, 93, 95, 99, 105, 108 Serenade 8, 24–25, 58, 74, 94–99, 103, 112 Sologesang 25, 36 Sonate 27, 46, 57 Spanischer Erbfolgekrieg 24, 71, 96

Stipendium 28–30, 36, 38, 42, 45, 64, 72 Straßenmusik 94 Tafelmusik 46, 59 Tänzer 7, 92 Traversflöte 56–57 Tridentinum s. Konzil von Trient Türkenkriege 79 Uraufführung 45, 75 Violinschule 27, 40 Virtuose 25, 27, 39, 46, 52, 83, 96, 99, 100–101 Virtuosität 18, 107 Vokalmusik 15, 18 Vokalpolyphonie 17–18, 20, 25, 59 Vormoderne 14 Wappen 14, 92 Weihnachten 50, 90

Rom übte als kulturelles Zentrum schon immer eine besondere Anziehungskraft aus. Auch im 17. Jahrhundert machten sich immer wieder Musiker aus ganz Europa auf den Weg, um in der »ewigen Stadt« den italienischen Stil zu erlernen und davon für ihre eigene Kunst zu profitieren. Britta Kägler und Gesa zur Nieden entführen den Leser auf eine Reise in die barocke Metropole und ihr Musikleben, wobei sie vom Päpstlichen Hof über Opernhäuser, Akademien und Adelspaläste bis hin zur Straße die unterschiedlichsten Wirkungsstätten der Musiker besuchen. Sie berichten davon, wie es den Künstlern und ihren Mäzenen in Rom erging und wandeln dabei u.a. auf den Spuren von Georg Friedrich Händel, Francesco Maria Ruspoli und Pierre de Nyert. Britta Kägler studierte Geschichte, Germanistik und Politikwissenschaft und promovierte an der LMU München über die Frauen am Münchner Hof des 17. und 18. Jh. Sie ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im »Musici«-Projekt am Deutschen Historischen Institut in Rom. Gesa zur Nieden ist Juniorprofessorin für Musikwissenschaft an der ­Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz. Einer ihrer Forschungsschwerpunkte ist die Musikgeschichte Frankreichs und Italiens des 17. und 19. Jh. Sie leitet das deutsch-französische ANR-DFG-Projekt »Musici – Europäische Musiker in Venedig, Rom und Neapel (1650–1750)«.

www.wbg-wissenverbindet.de ISBN 978-3-534-23904-7