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German Pages 66 [68] Year 1914
Die
rheinische liberale Presse im Jahre 1859 Inaugural - Dissertation zur
Erlangung der Doktorwürde genehmigt
von der Philosophischen Fakultät der
Rheinischen Friedrich - Wilhelms - Universität zu Bonn.
Von
Karl Heinrich Grosse-Freese aus Versmold (in Westfalen).
Promoviert am 31. Juli 1914.
Bonn 1914 A. M a r c u s & E. W e b e r s Dr. jur. Albert Ahn
Verlag
Berichterstatter : Geheimer Regierungsrat Professor Dr. A. Schulte.
Mit Genehmigung der Fakultät kommt hier nur Kap. 5 der eingereichten Arbeit zum Abdruck. Die ganze Arbeit wird unter dem Titel: „Beiträge zur Charakteristik der öffentlichen Meinung in der Rheinprovinz im Jahre 1859" erscheinen. Heft 11 der »Studien zur rheinischen Geschichte", Bonn 1914.
Inhaltsverzeichnis. A Einleitung. Der rheinische Liberalismus, Preußen und die nationale Frage B. Allgemeiner Teil. Kurze Charakteristik der rheinischen liberalen Presse C Spezieller Teil 1. Die liberale Presse über Napoleon 2. Die liberale Presse über Sardinien 3. Das Verhältnis zu Österreich 4. Preußen und seine Politik 5. Die deutsche Frage im Urteile der liberalen Presse . . . D. Schluß. Ist die rheinische liberale Presse eine glaubwürdige Quelle für die öffentliche Meinung der Rheinlande? . . . . Quellen und Literatur (der ganzen Arbeit) Inhaltsangabe (der ganzen Arbeit)
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5 8 10 10 16 25 35 44 56 61 64
A.
Einleitung.
Der rheinische Liberalismus, Preußen und die nationale Frage. In der Zeit von 1815—66 war die nationale Frage der Eckstein der Politik. Für die Rheinprovinz gewinnt sie eine erhöhte Bedeutung dadurch, daß sie hineinragt in den Verschmelzungsprozeß der Rheinlande mit Preußen, in die Geschichte des Aufgehens von Rheinpreußen in den Hohenzollernstaat und des Schwindens des rheinischen Partikularismus. Denn der rheinische Liberalismus vertrat die Anschauung, daß der preußische Gesamtstaatscharakter nur gefestigt und die preußische Spitze nur verwirklicht werden könne, wenn der Konstitutionalismus in Preußen eine Heimund Pflegestätte erhalte. Die Erfüllung der liberalen Forderungen bedingte zweierlei: die Verschmelzung von Rheinund Altpreußen und das Kaisertum der Hohenzollern. Zwar hatte die preußische Staatspersönlichkeit i. J. 1848 ein monarchisch - k o n s t i t u t i o n e l l e s Gepräge erhalten, aber die Reaktionsperiode hatte manche konstitutionelle Errungenschaft des Jahres 1848 wieder getilgt, und Preußen war auf dem Wege nicht fortgeschritten, der nach Ansicht des Liberalismus zur Stärkung der preußischen Staatspersönlichkeit und zur Gründung des deutschen Einheitsreiches führen müsse, auf dem Wege liberaler Reformen. Die Liberalen zogen sich daher von der Politik zurück, erst das Jahr 1858 war für sie ein Weckruf zu neuer politischer Arbeit. Der Beginn der Neuen Ära ließ in ihnen die Hoffnung erstehen, daß die Schäden der Reaktionsperiode wieder gut gemacht würden und das Versäumte nachgeholt werde; und als im Jahre 1859 der italienische Krieg ausbrach, wurden unter dem Eindruck desselben alle die Fragen noch einmal in der
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breiten Öffentlichkeit erörtert, welche sich mit der Umgestaltung des Deutschen Bundes befaßten und seit 1815 die Geister in Aufregung erhalten hatten. Es tauchten nicht nur die Probleme wieder auf, welche die Paulskirche zu lösen versucht hatte (Zentralgewalt, deutsches Parlament, provisorische Exekutive usw.), sondern die nationale Frage erhielt auch ihre Anwendung auf die Zeitverhältnisse und wurde geradezu entscheidend für die Stellung zu den kriegführenden Mächten — Österreich, Sardinien und Frankreich — zu Ptneußen und dem übrigen Deutschland. Aus dem Stimmengewirr der öffentlichen Meinung des Jahres 1859 die rheinische liberale Presse herauszugreifen, könnte auf den ersten Blick überraschen, wird aber dadurch gerechtfertigt, daß sie uns am besten Aufschluß darüber geben kann, wie der rheinische Vulgär-Liberalismus sich in diesem Jahre zu Preußen stellte, und wie weit die Anschauungen der historisch bekannten Gruppe der rheinischen Liberalen — Beckerath, Camphausen, Mevissen und Hansemann in der Presse lebendig waren. Die politische Tätigkeit dieser vier Männer hatte im Jahre 1848 ihren Höhepunkt erreicht. Camphausen geleitete damals das preußische Staatsschiff in das konstitutionelle Fahrwasser, Hansemann wurde zum Finanzminister und nach Camphausens Rücktritt an die Spitze des Gesamtministeriums berufen, und mit ihnen vereint retteten Beckerath und Mevissen den preußischen Staatsgedanken aus dem Widerstreit der preußischen und deutschen Nationalität und wehrten sich erfolgreich gegen alle Versuche, die auf eine Mediatisierung Preußens und seine provinziale Zersplitterung abzielten. Dabei haben diese Rheinpreußen sich die Prinzipien der Volkssouveränität, die von Frankreich herüberfluteten und von den Radikalen, meist Vertretern des „Jungen Deutschland" verfochten wurden, nicht zu eigen gemacht. Sie waren durchdrungen von starkem preußischen Gemeinbewußtsein, von der Notwendigkeit einer konstitutionellen Regierung ebensosehr wie von der Notwendigkeit einer monarchischen Staatsgewalt. Beckerath, Camphausen und Mevissen sind Zeit ihres Lebens kleindeutsch geblieben und haben auch ihre sonsti-
•gen Anschauungen bis zum Jahre 1859 nicht geändert, allein Hansemann war 1849 großdeutsch geworden. Aber er fand in der Rheinischen Presse kein Organ, das seine Ansichten verfocht. Die rheinische liberale Presse war durchweg kleindeutsch. Wie weit sie sonst mit den Führern von 1848 übereinstimmte oder von ihnen abwich, wird die folgende Untersuchung dartun.
B. A l l g e m e i n e r
Teil.
Karze Charakteristik der rheinischen liberalen Presse. Mit dem Beginn der Neuen Ära atmete in der Rheinprovinz vor allem die Presse auf, die so schwer unter der „Bevormundungspolitik" des Oberpräsidenten K l e i s t - R e t z o w z u leiden gehabt hatte. Die beiden klerikalen Blätter, „Die Deutsche Volkshalle" in Köln (1848—55) und „Der Rheinund Moselbote" in Koblenz (1853—56) waren gezwungen worden, ihr Erscheinen einzustellen. Die liberalen Blätter hatten sich wenigstens behauptet, es war ihnen nicht so leicht beizukommen wie den katholischen Zeitungen, die einen antipreußischen Charakter trugen. Im Jahre 1859 lassen sich in der liberalen Presse vier Parteifärbungen unterscheiden. Den gemäßigten Liberalismus vertrat die Kölnische Zeitung. Sie wurde von Heinrich Kruse redigiert, der für den deutschen Einheits- wie f ü r den preußischen Staatsgedanken ebenso scharf und gewandt focht, wie er gegen Klerikalismus, Großdeutschtum und Partikularismus Stellung nahm. Das Blatt zeigt eine große Vorliebe für den allgemeinen Ausbau und die schrittweise Entwickelung des Konstitutionalismus, eine starke Abneigung gegen den demokratischen Radikalismus und den legitimistischen und revolutionären Absolutismus. Es ist eine strenger Kritiker der Bundeseinrichtungen, ein liebevoller Berater der preußischen Regierung. Schnell und zuverlässig in der Berichterstattung, selbständig und fest in den politischen Anschauungen, findet es sich rasch in veränderten Lagen zurecht und überragt weit die große Zahl der rheini*) v. Petersdorff, Kleist-Retzow, 1907, S. 206 ff.
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sehen Blätter, welche man am besten als die typischen Vertreter des deutschen Parlamentsgedankens bezeichnen könnte. Ein Teil von ihnen — Barmer Bürgerblatt, Coblenzer Zeitung, Crefelder Anzeiger — streift bisweilen hart bis an die Grenze der demokratischen Ideen. Unter ihnen nimmt die Aachener Zeitung (Redakteur Louis Lax) die erste Stelle ein. Sie beschäftigt sich während des Krieges viel mit der Napoleonischen Eroberungspolitik, nach demselben stehen Verfassungsfragen und Bundesreform im Vordergrund. Da verrät sie dann große Selbständigkeit im politischen Denken. Der legitimistisch gefärbte Liberalismus wird durch die Elberfelder Zeitung repräsentiert, die ein konstitutionelles Regiment auf der Basis des Gottesgnadentums errichten möchte. Ihre Tendenz ist sehr schwankend, sie liebt die Kompromisse und hat eine Scheu vor durchgreifenden Maßregeln. Die Redaktion liegt in den Händen von Dr. B. Rave, dem Mitbegründer und früheren Redakteur der „Rheinischen Allgemeinen Zeitung" (1840—41), der Vorläuferin. der „Rheinischen Zeitung" (1842—43) 1 ). Demokratisch gefärbt ist die Trier'sche Zeitung. Sie ist die Vertreterin des Volkssouveränitätsgedankens und des demokratischen Kleindeutschtums, eines Deutschland ohne Österreich, geschaffen durch den Machtspruch des Volkes. *) Hansen, G. v. Mevissen, I. 245 f.
C. S p e z i e l l e r
Teil.
1. Die liberale Presse über Napoléon. Schon die Kriegsgerüchte, welche dem italienischen Kriege vorausgingen, erregten in der rheinischen Presse Furcht und Haß. Man fürchtete, daß Napoleon nach glücklich beendetem Feldzuge in Italien Deutschland zum Kriege reizen werde, u n d haßte den Friedensstörer. Seine Politik wird als der Ausfluß seines Ehrgeizes und seiner Eroberungssucht, bar jedes rechtlichen G r u n d e s , gebrandmarkt. Da er die Freiheit im eigenen Lande unterdrückt, traut niemand seinen Worten, daß er Italien die Freiheit bringen wolle. In „den natürlichen G r e n z e n " glaubt man das wahre Ziel seines Strebens, den Krieg am Rhein, zu erkennen. Das Nationalitätenprinzip, dessen begrenzte Verwirklichung die rheinische Presse fast ausnahmslos verficht, läßt man im M u n d e Napoleons n u r als eine Phrase gelten. Denn der Kaiser, der in die Fußstapfen des Zertrümmerers der Nationen trete, könne es nicht verwirklichen. Die E r i n n e r u n g an die Zeiten Napoleons I. w u r d e in aller Herzen wach, u n d die Furcht, daß der f r a n zösische Ehrgeiz in Napoleon III. wiederum seine Inkarnation erleben und die Völker heimsuchen werde, tritt uns in den Januar- und F e b r u a r n u m m e r n aller rheinischen Zeitungen entgegen. Erst allmählich ebbte die Flut a b u n d schwand die Sorge um eine unmittelbar d r o h e n d e Invasionsgefahr unter dem Einfluß der Zeit und der Friedensbemühungen der Mächte, denen Napoleon nicht widerstrebte. N u r einige ängstliche G e m ü t e r konnten den Gedanken nicht loswerden, daß Napoleon plötzlich am Rhein erscheinen und die Zeiten der französischen Revolution wieder aufleben lassen werde. Der A r g w o h n war unausrottbar, und die Furcht vor dem Napoleo-
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nismus lastet während des ganzen Kriegsjahres schwer auf der rheinischen Presse. Unter diesen Umständen mußte der Liberale Selbstbeherrschung und Entsagung üben. Dem Freiheitskampf der Italiener hätte er laut zujubeln und ohne alle Rücksicht seine literarische Waffe gegen das österreichische Unterdrückungssystem handhaben können, wäre der Helfershelfer nicht so verdächtig gewesen. Die Präge war nun einmal nicht zu entscheiden, ob Napoleon ein echter Oesinnungsgenosse sei und der italienische Krieg ein Zeichen seiner Aufrichtigkeit oder eine Irreführ u n g der Welt, aber die Worte des Crefelder Anzeigers vom 20. Mai hätten trotzdem mehr Beachtung und praktische Befolgung verdient: „Die erste Bedingung für unser Verhalten dem Bonapartismus gegenüber ist, daß wir aufhören, ihn zu fürchten Man soll ihm gegenüber die Ruhe und Freiheit des Gedankens behalten, welche eine Frucht ist von dem Bewußtsein der eigenen Kraft." Man empfand wohl, wie lästig die Fessel sei, stets mit den möglichen Folgen der französischen Politik zu rechnen, aber man wagte nicht, sich ihrer zu entledigen, und als die Kölnische Zeitung den Versuch dazu machte, setzte sie sich dem Verdacht aus, franzosenfreundlich gesinnt zu sein, und mußte sich die schwersten Anschuldigungen aus klerikalem Lager und mehr oder weniger wuchtige Seitenhiebe von den noch in der Franzosenfurcht befangenen liberalen Blättern gefallen lassen. So rät die Neuwieder Zeitung 1 ) der Kölnerin, Österreich schonender zu behandeln, denn niemand wisse, ob Preußen nicht bald in die Lage kommen werde, gegen den französischen Übermut den Kaiserstaat um Hilfe anrufen zu müssen. 2 ) Die Wandlungen, welchen Napoleon im Urteil der rheinischen Presse unterworfen war, dürfen deswegen ein größeres Interesse beanspruchen, weil sie die Schwierigkeiten beleuchten, mit denen der Liberale in der Durchführung seines N . Z. 16. März. ) N . Z. 16. III. u. 20. IV. So wünschenswert auch Zugeständnisse im Interesse des Friedens seien, Österreich könne sie, weil von Frankreich gefordert, nicht machen. Höheres sei zu wahren, das Prinzip der Großmachtstellung und des Rechts, darum gehe der Kampf alle Völker an, vorzüglich aber Deutschland. 2
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Programms zu kämpfen hatte. Die Entwicklung ist nicht überall gleichmäßig gewesen, hat auch nicht überall das gleiche Resultat, Unterordnung des Kampfes gegen den Napoleonismus unter den gegen das reaktionäre Österreich, gezeitigt, aber die Polemik wurde im Laufe des Jahres milder und verlor an schneidender Schärfe. Um ein Bild von dieser Entwicklung zu geben, sei im folgenden Napoleon im Urteil der Kölnischen Zeitung kurz dargestellt. Das Januar- und Februar-Bild ist dasselbe wie in den anderen B l ä t t e r n , a b e r sowie in dem Kölner Blatt der G e danke einer europäischen Koalition auftaucht, 2 ) werden auch die Bedingungen, an welche die Unterstützung Österreichs geknüpft werden soll, stark unterstrichen. Von den Bedingungen war die vorzüglichste: Abstellung der Mißstände in Italien. Wiewohl man hierin an Napoleon einen Bundesgenossen hatte, wird die feindselige Haltung gegen ihn doch bewahrt. Auch als er sich bemühte, den Glauben an seine ehrgeizigen Pläne wankend zu machen und das Mißtrauen gegen seine Humanitätspolitik zu zerstreuen durch von ihm inspirierte Broschüren, 3 ) hatte er keinen Erfolg. Das Vorurteil gegen ihn war zu groß. Bei der Interpretation der Broschüren wird nur anerkannt, dalB der Kaiser „persönlich stets ein aufrichtiges Interesse für ein besseres Los Italiens gezeigt habe". Dadurch wird die Schärfe der Kritik gemildert, und wenigstens ein moralischer Grund für den italienischen Krieg zugestanden, es wird für mildernde Umstände plädiert aber das Schuldig aufrecht erhalten. 4 ) Die friedliebenden Äußerungen des „Moniteur" und des „Journal des Débats" kommen dem Blatte sehr gelegen, sie M K. Z. 14. I., 28. I., siehe auch Februar. 2) 28. Januar. Rußland wird vor jeder Gemeinschaft mit Piémont gewarnt; es habe im eigenen Lande der Kulturaufgaben genug zu lösen und auf der Hut zu sein, daß die Revolution nicht an seine bisher verschlossene T ü r poche. Auch England wird auf den Ernst der L a g e hingewiesen; es muß die unklaren Sympathien für die U n abhängigkeit Italiens fahren lassen. 3 ) »Der Kaiser Napoleon III. und Italien" (La Oueronnière) K- Z. 5. u. 6. Febr. »Die Verbindlichkeit der Verträge, die unterzeichnenden Mächte und Kaiser N a p o l e o n . ' K- Z. 24. u. 25. Febr. *) K- Z. 25. Februar. Statt die Freiheitsgelüste der Italiener zu beschränken, steigere er sie noch, indem er ihnen zu Willen sei.' und Rezepte nach ihrem eigenen Wunsche verfertige.
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dienen, geschickt verwertet, auf dem Felde der Friedenspolitik zur Verstärkung der Position gegen Ö s t e r r e i c h , v e r mögen allein das Mißtrauen gegen Bonaparte nicht zu tilgen. Selbst als er seine Einwilligung zu einer Regelung der italienischen Frage auf einem europäischen Kongresse gibt und den Vorschlägen der vermittelnden Mächte bei weitem nicht den Widerstand entgegensetzt wie Österreich, ist er im Grunde der gewissenlose Eroberer. Aber es wird jetzt mehr mit bekannten Größen gerechnet. Die Annahme der Friedensprojekte wird gegenüber dem österreichischen „Cedant arma togae" anerkennend hervorgehoben und die Unterstützung Sardiniens als eine Einhaltung der vertragsmäßigen Verpflichtungen hingestellt. 2 ) Ob das Eingehen des Kaisers auf die Kongreßvorschläge ein Scheinmanöver war 3 ) oder ein Ausfluß seiner wahren Friedensliebe, wagt die Kölnische Zeitung nicht zu entscheiden. Sie befürchtet, daß Napoleon, vom Glückstaumel erfaßt, von der aurea mediocritas abweicht. 4 ) Dann wieder gesteht sie ein, daß es nach strengem Kriegsrecht nichts Unrechtmäßiges sei, wenn Napoleon sich das Ziel stecke, Italien von den Österreichern zu säubern. 5 ) Nach dem Siege von Magenta bewegt sich das Blatt in den Bahnen der abwartenden, im Augenblicke der Gefahr zum Dreinschlagen bereiten Politik und beruhigt die furchtsamen Gemüter über die Diktatur Napoleons. 6 ) Dabei ist sie selbst nicht ganz frei von der Furcht vor der Diktatur, 7 ) wenn sie auch nicht blindlings wie die anderen Blätter, vor allem 1) K. Z. 7. und 19. März. 2) K. Z. 29. April. 3 ) Mittelstaedt, S. 11. Es war nur ein Scheinmanöver, in das Napoleon ruhigen Herzens eintrat und eintreten konnte. 4 ) K. Z. 5. Mai. „Die Sprache der französischen Proklamation kann uns nicht gefallen; sie ist viel zu hochtrabend." Wie leicht ließe sich eine Koalition der Großmächte bilden, wäre das Terrain nicht so ungünstig. „In ganz Europa ist die österreichische Herrschaft unbeliebt." 5 ) Ebenda 5. Mai. 6 ) K- Z. 19. Juni und 24. Juni. „ U n s dünkt, daß diese Diktatur noch nirgends besteht. Es mag einigen Legitimisten als die Erduldung einer Diktatur vorgekommen sein, daß ein Napoleonide, trotz der Verträge von 1815, auf dem Throne des hl. Ludwig Platz genommen hat; aber Europas Oemüt empfindet nicht mehr so legitimistisch." 7 ) 19. Juni. „Die europäischen Mächte werden ihm nicht gestatten, ein italienisches Dorf zu erobern usw."
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die süddeutschen, von ihr beherrscht wird. In ihren Augen ist der Napoleonismus nicht schlimmer als das „Metternichsche System". In dieser Überzeugung wurde sie durch Solferino nicht wankend gemacht, durch Villafranca bestärkt und um die Erkenntnis bereichert, daß der Napoleonismus durch den italienischen Feldzug keine Fortschritte gemacht habe, daß aber Österreich lieber den Territorialbestand des Reiches schmälerte, als daß es gesunderen Regierungsprinzipien den W e g frei machte. l ) Natürlich konnte sich ein liberales Blatt, das gut preußisch und deutsch war, und dem jede absolutistische Willkür verhaßt sein mußte, nicht mit einem Herrscher aus der napoleonischen Dynastie befreunden, der noch obendrein die Traditionen derselben geflissentlich wahrte und in mehr als einer Beziehung an ihren Begründer erinnerte. „Wir müssen stets treue Wacht am Rheine halten." „Aber," fügt sie hinzu, „es kommt uns einer großen Nation, wie die deutsche ist, ganz unwürdig vor, stets in einer jämmerlichen Franzosenangst zu leben"; 2 ) und wenn im Hinblick auf die Präliminarien 3 ) Bedenken geäußert werden, ob das Erreichte sicher zu stellen und in dem Emporringen zu nationaler und freiheitlicher Existenz wirklich eine neue Stufe erklommen sei, so wird von dem französischen Einfluß und Ehrgeiz weniger befürchtet als von Österreichs Suprematiegelüsten. Das Bild ist ein anderes geworden als vor und während des Krieges und ein Wechsel in der Anschauung zu beobachten. Dieser vollzog sich in den anderen Blättern nicht so schnell. Konnte man sich auch schließlich der Erkenntnis nicht verschließen, daß Napoleon keinen neuen casus belli aus den italienischen Wirren konstruieren, sondern froh sein werde, wenn er ihrer ledig sei, so hatte es nach Villafranca damit noch gute Weile. Die Rhein- und Ruhrzeitung (Duisburg) ist der Ansicht, daß Napoleon eine neue Provinz in Sardinien gewonnen habe und die Bundesgenossenschaft bald in ein Abhängigkeitsverhältnis verwandeln werde, eine Auffassung, die noch viele andere rheinische Zeitungen teilen. Vor dem Kriege M K. K. 9. Juli. 2 ) K. Z . 14. Juli. 3 ) E b e n d a 28. Juli.
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traute sie Napoleon die G r ü n d u n g eines Rheinbundes zu. „Zwietracht zu säen", sei von jeher französisches System gewesen. x) Nicht so sehr vor dem Ultimatum wie nachher, mit dem Erfolge der französischen Waffen, gewinnt Napoleon in der Aachener Zeitung die Bedeutung eines stets den Frieden störenden, durch den Kriegsruhm aufgeblasenen Eroberers. 2 ) Wer seine Worte und Taten richtig beurteile, den müsse ein dauerndes Mißtrauen beseelen. Ein europäischer Krieg werde unvermeidlich sein. Das Blatt gefällt sich in der Rolle des Grenzwächters, ist aber zu schnell mit seinen Warnungsrufen, überängstlich und schaut die Welt nur zeitweise, wenn es seinen Wachtposten verläßt, mit den Augen des mitten im Leben Stehenden an. Ihm gesellt sich die Elberfelder Zeitung z u ; sie fürchtet, daß das Werk des Legitimismus, das europäische Gleichgewicht, 3) von der Revolution, deren echtester Sohn Napoleon sei, gänzlich zerstört werde. Die Gefahr für alle Völker sei groß, sie wachse noch durch die Siege in Italien, und die ungeheuren Rüstungen könnten keinen Zweifel darüber lassen, daß alles Sinnen und Trachten nach dem Rhein stände. 4 ) Die Tendenz gegen jede Steigerung, sei es auch nur des französischen Namens, entschieden Front zu machen, zieht sich durch alle Spalten. Der Feind Napoleon ist der Ruhepunkt, nach dem das Blatt seine Maßnahmen orientiert. Um ihn auch bei veränderter Lage zu treffen, muß es seine Meinung oft korrigieren, Schwankungen und Widersprüche ohne Zahl. Als es sich nach den Präliminarien um die Beschickung des Kongresses handelt, ist die Lombardei das Schmerzenskind des Bonaparte. Wozu den Kongreß beschicken und ihm den Dorn aus dem Fuße ziehen! Mag er an Italien verbluten! Das ist jetzt etwa die Ansicht der Elberfelder Zeitung. 5 ) Die Triersche Zeitung bekämpft in Napoleon Rhein) A. Z. E. Z. A E. Z. Politik" und 5) E. Z. 2 3
und Ruhrzeitung 24. Februar. 24. Juni. 1. Juni. 26. Juni. E. Z. spricht hier von der Geschichte als Lehrmeisterin. 31. Juli.
der
den
ge-
„traditionellen
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wissenlosen Despoten, der „mit der Macht des finstersten Absolutismus, Rußland," ein Bündnis zur Knechtung der Freiheit geschlossen hat.*) Wir sehen, daß das Napoleonbild in den verschiedenen Zeitungen verschiedene mehr oder minder stark herausgemeißelte Züge trägt, welche den auf dem liberalen Grunde erwachsenen Sonderanschauungen entsprechen. Der Demokrat in der Trierschen Zeitung stellt uns den Feind der Volksfreiheit und Volksrechte dar, der sich mit diplomatischer Gewandtheit und starker Waffengewalt eine Willkürherrschaft in Europa errichten will. Die Elberfelder Zeitung, die mit dem Gottesgnadentum noch nicht gebrochen hat, zeigt uns den Frevler, der gegen das Bollwerk der heiligen Allianz Sturm läuft. Die meisten anderen Blätter, deren Liberalismus keine Sonderstellung einnimmt, haben auch in der Beurteilung Napoleons nichts Besonderes. Die Kölnische Zeitung endlich geht im Gewände des Diplomaten einher und sucht, besonnen und abwartend, zu erforschen, ob in Paris dem Fortschritt eine ebenso hartnäckig; Gegnerschaft erwachse, wie sie in Wien schon bestehe; sie kommt zu dem Resultate, daß die Hofburg ungleich schlimmer sei.
2. Die liberale Presse über Sardinien. Fast ebenso scharf wie Napoleon wird Sardinien, vor allem sein leitender Staatsmann Cavour, hinter dem der König Viktor Emanuel II. zurücktritt, angegriffen, trotz der Sympathien für die liberalen Einrichtungen des Landes. Nur die Rhein- und Ruhrzeitung zollt 2 ) „der Klugheit, Gewandtheit und Energie, womit Cavour das auswärtige Ministerium geleitet hat", die höchste Anerkennung. Alle anderen Blätter schieben dem Bismarck Italiens persönliche Motive unter und wollen den großen nationalen Einheitskampf für Cavour als einen persönlichen Existenzkampf aufgefaßt wissen. „Für Cavour ist der Krieg eine Frage um Sein und Nichtsein, 3 )
!) T. Z. 12. Juni. 2 ) 27. Januar. 3 ) K. Z. 19. Februar.
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D a s Recht zu nationaler E i n i g u n g wird den Italienern nicht a b g e s p r o c h e n , aber die Kraft dazu, die Möglichkeit eines italienischen Nationalstaates in A b r e d e gestellt. D e r G e d a n k e eines einigen Italien galt nach den E r f a h r u n g e n der G e schichte d a m a l s in den A u g e n fast aller G e b i l d e t e n als u n a u s f ü h r b a r . U n d d o c h ist der oberste G r u n d s a t z des Liberalism u s , daß d e r nationale Einheitsstaat n u r d u r c h die weitg e h e n d s t e n Konzessionen an den liberalen Zeitgeist entstehen k ö n n e , weit eher in Italien als in D e u t s c h l a n d z u r W a h r heit g e w o r d e n . Die Siegeszuvers ; cht, die m a n auf die liberalen Ideen setzte, u n d die j e d e n nationalen G e w i n n n u r d u r c h sie erreichen ließ, hat die Siegeskraft des nationalen G e d a n k e n s unterschätzt. Die Einheitsidee war u n t r e n n b a r v o m Liberalism u s , a b e r sie war ihm unter- nicht n e b e n g e o r d n e t , u n d d o c h ist sie in D e u t s c h l a n d o h n e , ja s o g a r g e g e n ihn verwirklicht w o r d e n , w ä h r e n d in Italien der e n g s t e Z u s a m m e n h a n g gew a h r t blieb. M ä n n e r , die einen „ i n n e r n Z u g zur Freiheit" hatten u n d ihn d e r Volksseele e i n z u h a u c h e n als ihre Lebensa u f g a b e betrachteten, leugneten ihn bei den Italienern, weil n a c h ihrer M e i n u n g der Freiheit das Kriterium d e r W a h r heit, die K r a f t zu nationaler E i n i g u n g , fehle. „Italien ist ein Staat der Individualitäten." W i e weit die U n g e w i ß h e i t ü b e r die w a h r e n Ziele der n a p o l e o n i s c h e n Politik dieses Urteil beeinflußt hat, läßt sich im einzelnen nicht b e s t i m m e n ; ein Einfluß ist u n v e r k e n n b a r , a u c h läßt der W a n d e l im Urteil w ä h r e n d d e s Krieges, als die erste F u r c h t beseitigt w a r u n d r u h i g e Ü b e r l e g u n g wieder Platz griff, w o h l einen solchen S c h l u ß zu. U n w a n d e l b a r bleibt die Elberfelder Z e i t u n g ; sie k o n n t e zu einer freien W ü r d i g u n g der italienischen B e w e g u n g nicht g e l a n g e n . W e n n nach ihrer A n s c h a u u n g vor dem Kriege das Einheitswerk a m italienischen „Volkscharakter scheitern" soll2) und nach demselben an dem Papsttum3), so verrät dieser Wechsel w o h l einen Fortschritt in der Beurteilung, a b e r das E n d u r t e i l ist d a s s e l b e : eine italienische K o n f ö d e r a t i o n wird nicht Zustandekommen. !) A. Z. 12. März. 2 ) E. Z. 24. März. 3 ) Ebenda 7. September.
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Wir müssen der Frage Schritt für Schritt nachgehen, um die gerade Linie in den Wendungen der Politik aufzuzeigen. Wo etwas krank ist im Völkerleben Europas, da kann nach Ansicht der Elberfelder Zeitung nur der Hof- und Leib^ arzt des Legitimismus, der Kongreß, heilen; versagen dessen Künste, so ist der Tod gewiß. Keiner der Einzelstaaten auf der italienischen Halbinsel dürfe in dem Völkerrate fehlen,, aber „leider" könnten nur die Regierungen gehört werden,, und diese würden schwerlich sichere und zuverlässige Auskunft geben. 2 ) Statt für das einheitliche Reformprogramm des italienischen Volkes einzutreten, kümmert sich die Elberfelder Zeitung um die verschiedenen Programme der italienischen Regierungen und weist, da eine Verständigung zwischen ihnert ausgeschlossen ist, dem Kongreß die Reformpolitik zu, auf welche die Untertanen ein passives Recht bekommen. Jedes Interventionsrecht soll aufhören; dadurch allein wäre nicht nur Österreich, sondern auch Piemont betraffen worden, die Nationalkraft durch eine einseitige Begünstigung des selbständigen Partikularismus geschwächt, das in Deutschland so probate Serum, jede nationale Regung im Keime zu ersticken, auch Italien eingeimpft worden. Dieses prophylaktische Mittel kam glücklicherweise nicht zur Anwendung, seine Wirkung hätte auch an „dem Volkscharakter scheitern" müssen, wenn wir die Worte der Elberfelder Zeitung an die richtige Stelle setzen wollen. Schon am 1. April gesteht sie ein, daß der Kongreß unfähig zur „politischen und sozialen Reformierung" sei, daher verkürzt sie ihm seine Rechte und läßt ihm nur die Befugnis, den Verträgen von 1815 wieder Geltung zu verschaffen. 3 } Als Sardinien darauf besteht, daß Österreich gleichzeitig mit ihm entwaffne, hat es an der Elberfelder Zeitung einen u n E. Z. 24. März. Die „höchsten Wünsche" des Volkes k ö n n e der Kongreß nicht befriedigen, darum müsse man sie einsargen. Es. sei genug, wenn Ruhe und O r d n u n g wieder hergestellt Verden. 2 ) E. Z. 31. März. ') E. Z. 1. April. Der Kongreß soll „Sardinien kategorisch die Weisung erteilen, seinen toll gewordenen Ehrgeiz wieder unter das Gebot der Vernunft und Oerechtigkeit zu bringen."
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verhofften Sekundanten, der für den sonstigen Gegner noch günstigere Bedingungen erwirken will, als dieser gestellt hat; freilich zu einem halb egoistischen Zwecke. Sardinien könne nicht bis auf den Friedensfuß entwaffnen, es müsse mit seiner Armee das Revolutionsfeuer bewachen, das, wie man damals mit Recht befürchtete, durch die Kongreßbeschlüsse neue Nahrung erhalten und gewaltiger denn vorher auflodern werde. Während des Krieges sind die Äußerungen über Italien spärlich, bewahren den gleichen ablehnenden Standpunkt und verurteilen den Einheitskampf als revolutionäres Treiben. Alle Wünsche will man den Italienern erfüllen, nur den einen nicht, den nationalen Wunsch, und doch ist seine Erfüllung allein der Schlüssel zu einer besseren, glücklicheren Zukunft. „Frieden, gesetzmäßige Freiheit, Fortentwicklung auf regelmäßigen, ruhigen Bahnen, Wohlstand und Glück auf dauerhafter Grundlage" s ) waren mit dem Fortbestand der österreichischen Herrschaft unvereinbar. Wer ersteres gelobte und für letzteres stritt, glich dem unerfahrenen Gärtner, der einen jungen, die schönsten Früchte verheißenden Baum in ein Erdreich pflanzte, das kaum genügend Nahrungssäfte für den alten bot und der Tod jeden neuen Lebens war. Die Elberfelder Zeitung war damals wohl konstitutionell gesinnt, aber im Kampfe für die nationale Idee von großer Lauheit, und wo diese mit der „Revolution" im Bunde erschien, von einer unüberwindlichen Antipathie. So gewährt es ihr einigen Trost, daß Österreich auch nach dem Verluste der Lombardei den ausschlaggebenden Einfluß in Italien besitzt, Neu-Piemont von der Gnade Frankreichs lebt und des erworbenen Landes nie froh werden kann, denn „Rechtsverhältnisse genieren mächtige Staaten wenig", ein Erfahrungssatz, der hier, wo es sich um Österreich handelt, in nonchalanter Weise, geradezu mit empfehlender Geste hinE. Z. 22. Juni. Das arme Land gehe einer bedauernswerten Zukunft entgegen, wenn Piemont und Frankreich allein das Verfügungsrecht behalten und die Großmächte ihre Pflicht vergessen würden, die Beute den Klauen der Revolution zu entreißen und auf dem alleinseligmachenden Kongreß für die Genesung Sorge zu tragen. 2) E. Z. 22. Juni.
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geworfen wird, während er Frankreich gegenüber mit dem Brustton tiefster moralischer Entrüstung zurückgewiesen wurde. Die Psychologie des publizistischen Kampfes lehrt uns vieles verstehen, und wir verzeihen vieles, aber wir verzeihen dort am liebsten und von ganzem Herzen, wo um großer Dinge willen gefehlt wird. Wem der Antagonismus zwischen politischem Ideal und dem Gefühl der Zusammengehörigkeit gegenüber einer Persönlichkeit, die zu dem von ihr verfochtenen Prinzip im Widerspruch stand, und von der man alles erwarten konnte, etwas Großes ist, muß über die Halbheiten, Schwankungen und Verirrungen hinweg auch der Elberfelder Zeitung in ihren Ausführungen über die italienische Bewegung gerecht werden. Dasselbe gilt für die Aachener Zeitung, welche, unter dem Eindruck der Kriegsgefahr von dem gleich lebendigen deutschen Stammesbewußtsein wie die Elberfelder Zeitung getragen, in starrer Ablehnung gegen den Einheitskampf Italiens verharrt. Nach den österreichischen Niederlagen verletzt es ihren Germanenstolz tief, daß gerade Napoleon dem deutschen Namen eine Schlappe beigebracht hat, und der gegen ihn vorhandene Haß wird auch auf seinen Verbündeten ausgedehnt. Wir können beobachten, wie sich aus der anfänglich zur Schau getragenen relativen Gleichgültigkeit eine desto feindlichere Haltung gegen Piémont entwickelt, je weiter der Einfluß des französischen Kaisers greift und je höher sein Ruhm steigt. Sardinien möge die Lombardei in ihrem Befreiungskampfe u n t e r s t ü t z e n , a b e r man dürfe nicht die Freiheit und Nationalität, die heiligsten Güter eines Volkes, auf dem Markte feilbieten und einem falschen Ehrgeiz fröhnen. 2 ) Für eine bessere „Organisation" 3 ) tritt man ein ; wie man sich diese denkt, wird nicht gesagt. Die Durchführbarkeit des Nationalitätenprinzips in Italien wird in Abrede geA. Z. 22. Januar. *) A. Z. 25. Januar. »Sardinien und seine Regierung haben sich um den Respekt gebracht, was f ü r ein kleines Land ein viel größeres Unglück "ist, als für ein großes." *) Ebenda 16. April.
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stellt, denn ein Land, das aus eigener Kraft seine Sehnsucht nicht befriedigen könne, sei allein stets ein zu schwacher Schutz f ü r das mit f r e m d e r Hilfe Errungene. Man verurteilt das Extrem, wie es die Radikalen bei Gelegenheit der Polendebatte in der Paulskirche vertraten, u n d damit ist man im Recht, allein man schränkt das Nationalitätenprinzip zu sehr ein und kommt dem negativen Pole zu nahe, wenn man die Echtheitsprobe zu einer M a c h t p r o b e a u s eigenen Mitteln macht. Das gegen die feindliche Übermacht geschlossene Bündnis offenbarte doch n u r rein äußerlich eine Schwäche, nicht die Unmöglichkeit einer selbstständigen politischen Existenz; weit eher war das Gegenteil der Fall, denn in dem Bündnis kamen Selbstvertrauen, Mut u n d Entschlossenheit, Ü b e r l e g u n g und nationales Pflichtbewußtsein zum Ausdruck. Die Volkskraft beruht weniger auf numerischer G r u n d l a g e als auf der Intensität des politischen Interesses, der nationalen Hingabe und Aufopferungsfreudigkeit. Hatte nicht das kleine Piemont seinen g e b ü h r e n d e n R a n g unter den europäischen Mächten behauptet, und sollte das geeinte Italien sich mit der Rolle einer französischen „Satrapie" b e g n ü g e n ? N u r wer die Leidenschaft der nationalen Idee u n d die Begeisterung freiheitlich entflammter Herzen nicht kannte, konnte zu einem solchen Schluß k o m m e n . Freilich, man kannte sie schlecht, man sah in ihnen n u r die Zügellosigkeit des Radikalismus und die Zeichen der Revolution. Selbst ein Blatt wie die Triersche Zeitung, die fest auf die Macht des Volkswillens vertraut und von ihr auch die L ö s u n g der deutschen Frage erwartet, hat n u r geringe H o f f n u n g , daß das italienische Volk einig und frei werden würde. Sie tadelt das Bündnis mit Napoleon, „dem V e r b ü n d e t e n der Revolution", und betont die Unzulänglichkeit der Präliminarien. Als jedoch trotz Villafranca, trotz Zürich die B e w e g u n g nicht stockte, sondern nun erst recht in Fluß kam, konnte sie „dem edlen Volke" die A c h t u n g nicht versagen und zog gegen „die eigensüchtigen dynastischen Interessen" zu Felde. 2 ) i) T. Z. 14. Juli, 20. und 24. Juli. *) T. Z. 6. und 23. November.
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Es ist immer das gleiche Bild. Die N a t i o n a l b e w e g u n g hat begeisterte Anhänger, solange sie auf sich selbst gestellt ist, sobald sie sich mit dem „Glücksritter" verbindet, gerät sie in Mißkredit und wird zur „Revolution". Villafranca hält man f ü r das G r a b der italienischen Einheit. Erst die Zeit heilt diesen Irrtum und offenbart die unverwüstliche nationale Lebenskraft der Italiener, die von neuem das Feuer der Begeisterung in den liberalen Herzen entfachte. Das Barmer Bürgerblatt, die Rhein- und Ruhrzeitung, die Krefelder und Koblenzer Zeitung, u n d wie sie alle heißen mögen, machen diese Entwicklung durch und bilden einen einheitlichen C h o r von Stimmen. Spielte in diesem C h o r e vor dem Kriege das f ü h r e n d e Blatt des Rheinlandes die Hauptrolle, so wandte es sich schon im Verlaufe desselben von ihm a b und ließ sich, während die anderen Blätter noch verzagt waren, von der Zuversicht auf den Sieg der nationalen und liberalen Idee in Italien zum W a f f e n g a n g e gegen die Revolutionsgespenster schauende Ängstlichkeit bestimmen. W a s die Zeitung verfocht, verfocht sie sonst mit ganzem Herzen, aber ihr ablehnendes Verhalten gegen Piemont trägt nicht so sehr den Stempel der Echtheit wie ihr zustimmendes. Sie will den Italienern die Einheitsbestrebungen ausreden und argumentiert in einer Weise, die schwerlich Eindruck machen konnte und den Kern der nationalen Frage verhüllte. Selbst nicht zur Zeit der römischen Weltherrschaft habe ein Einheitsreich bestanden. W i e könne man ein solches jetzt unter weit ungünstigeren Verhältnissen s c h a f f e n ! D i e A u f f o r d e r u n g , die nationalen W ü n s c h e verstummen zu lassen und sich mit einer Verfassung in der Lombardei zu begnügen, m u ß grausam u n d u n w a h r g e n a n n t werden, da der Liberalismus auf die Erfüllung des nationalen Wunsches nicht verzichten konnte. Die Kölnerin spielt und ein solcher kann Es gilt, den Frieden zu stimmen. Da Cavour,
hier wieder die Rolle des Diplomaten, nicht immer ehrlich gegen sich sein. erhalten und 'Sardinien nachgiebig zu die Seele der ganzen Bewegung, das
K. Z. 20. Januar. Man sehe auf Deutschland, das nicht imstande sei, „die erst in diesem Jahrhundert verloren gegangene Einheit des Reiches wieder herzustellen".
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Kriegsfeuer schürt, so sucht man ihm allerlei am Zeuge zu flicken. Seine weitgehenden nationalen Forderungen weist -man rundweg zurück. x ) Nicht wie ein selbständiger -Staat, •sondern wie der Mächte gehorsamer Schulbube wird Sardinien behandelt. 2 ) Nach dem Ultimatum vertauscht die Zeitung die Rolle des Diplomaten wieder mit der des liberalen Politikers. Zwar kann Sardinien ihr Wohlwollen auf einmal nicht erringen, aber es wird schon wohlwollender beurteilt und mit dem Range einer selbständigen Macht begabt. 3 ) Mitte Mai wirft sie der Losung, die sie sich bald ganz zu eigen machen sollte: „Italien für die Italiener" verliebte Blicke zu, und als der Kölnische Abgeordnete, Landgerichtsrat Bürgers, im Abgeordnetenhause bei Erstattung des Kommissionsberichtes über die Finanzvorlage der Regierung für eine evtl. Mobilmachung der Meinung Ausdruck gab, daß die Präponderanz Frankreichs in Italien verhindert werden müsse, daß es aber das Beste sei, wenn auch die Österreichs schwinde, erscheint die Rede in dem Blatt ohne jeden Kommentar und ohne jegliche Kritik; man stimmt nicht zu, lehnt auch nicht ab. 4 ) Etwa einen Monat später, 12. Juni, ist man geneigt, j,Italien den Italienern vorzubehalten und so die Grundquelle der heutigen Wirren, den Fehler der Wiener Verträge von 1815 gründlich zu verbessern." Das Eis ist gebrochen, und so weit Sardinien in gemäßigt liberalen Bahnen gewandelt ist und wandelt, hat es einen warmen Fürsprecher an der Kölnischen Zeitung. 5 ) Der Artikel vom 10. Juli: „Der italienische Krieg und das Völkerrecht" ist ein Rechtfertigungsversuch der Sardinischen Politik und dazu bestimmt, die Unabhängigkeit Italiens als mit dem Völkerrecht im Einklang stehend zu erweisen. 1 ) 13. Februar. Cavours Schriften und Worte sind „handgreifliche Lügen". S. ferner 14. und 28. Februar, 5. Marz usw. 2 ) K. Z. 3. April. »Sardinien! Was ist Sardinien! Eine kleine Biene, die statt eines Honigbeutels eine Gallenblase trägt. Ihr Stachel ist nicht fürchterlich, es ist gleichgültig, was das kleine Sardinien will. Es muß!" 3 ) K. Z. 1. Mai. *) K. Z. 16. Mai. Stenographische Berichte 1859, II. 1108 ff. 5 ) IC Z. 19. Juni. Italien wird von Napoleon gewarnt.
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Im A n f a n g wird auf die Nationalitätenfrage e i n g e g a n g e n , Sie ist nicht nach äußeren Merkmalen zu beantworten, s o n dern nach den Gesetzen der geschichtlichen Entwicklung, die dank des ihnen innewohnenden Notwendigkeitsdranges erfüllt werden m ü s s e n . N u r wer auf die Stimme der Geschichte hört und ihre Befehle befolgt, bleibt vor der Revolution bewahrt. Den Abschluß der Präliminarien bedauert man im Interesse Italiens; man ist der Ansicht, daß der Welt das Schauspiel nicht erspart bleibe, zum zweiten Male einen B u n d ins Leben treten zu sehen, dessen trauriger Ruhm darin bestehe, die W ü n s c h e seiner Zeit unerfüllt zu lassen. Gleichwohl hofft man auf eine lichtere Z u k u n f t , 2 ) denn am Kirchenstaate allein, „der Schwierigkeit der Schwierigkeiten", k ö n n e die G r ü n d u n g eines italienischen Bundes scheitern. W a r m e n Trost spendet man mitfühlend dem von nationalem S c h m e r z e erfüllten Volke. Zu diesem Trost gesellt sich die ernste Mahn u n g zur G e d u l d u n d die W a r n u n g vor Bonaparte. 3 ) M a n möchte den Italienern Geschmack an dem Erreichten beibringen und die „Revolution" verleiden. Wollte die Kölnische Zeitung zu A n f a n g des Jahres keine Gemeinschaft mit Sardinien haben in der von ihr verfochtenen guten nationalen und liberalen Sache, so freut sie sich jetzt über den tatkräftigen Mitstreiter u n d glaubt an seine „ g r o ß e Zukunft". Für manchen Liberalen, f ü r die rheinische liberale Presse insonderheit, ist der Krieg von 1859 das Vorspiel zu der großen Tragödie von 1866. G a n z anders, wie man hoffte u n d wünschte, begann die Einigung Italiens, auf eine ganz a n d e r e 10. Juli. „Auf dem W e g e der positiven historischen Rechtsbildung vollzieht sich die Staatenbildung, wird die Selbständigkeit eines Staates ein Bestandteil des Völkerrechts, und wer jene antastet, versündigt sich an diesen. Österreich hat nun seit 1820 über Italien ein die völkerrechtliche Staatenunabhängigkeit aufhebendes Suprematiesystem mit bewaffneter Hand aufgerichtet. Sardinien hat für seine eigene politische Unabhängigkeit sich gerüstet und gegen Österreichs Interventionen zu Oegeninterventionen sich bereit gemacht. Sardinien ist hierin f ü r das echte Völkerrecht aufgetreten." 2 ) K. Z. 14. und 28. Juli. 3 ) K. Z. 14. Juli. 4 ) Ebenda 14. August und 14. Juli. „Sardinien ist ja der Kern, aus dem sich im Laufe der Zeit ein Königreich Italien bilden kann."
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Weise kam die Einheit Deutschlands zustande. Statt zum Bundesgenossen in dem heissen Ringen zu werden, war man zur Gegnerschaft verurteilt, vor der Wucht der Tatsachen (mußte man dann kapitulieren. Die italienische Frage als eine Machtfrage zu behandeln, kommt der rheinischen Presse nicht in den Sinn, sie zeigt den gleichen Mangel an realpolitischem Denken wie der Liberalismus überhaupt. Sie ist stark in ihrer Begeisterung für liberalen Fortschritt, stärker in der Abwehr des Radikalismus und der Gewaltpolitik, die Sardinien mit Napoleon im Bunde treibt. Nur in der Kölnischen Zeitung bricht schon früh durch das Dunkel, in das man die Zukunft des italienischen Volkes getaucht sah, ein Hoffnungsstrahl, daß Italiens Einigung durch die französischen Siege nicht aufgehalten werde.
3. Das Verhältnis zu Österreich. In Österreich sah der Liberale kleindeutscher Gesinnung den Feind des modernen Fortschritts. Nur wenige, welchen der Schleier des politischen Theoretisierens den wahren Zusammenhang der Verhältnisse verhüllte, übersahen, daß Österreich der Feind sein mußte. Die meisten erkannten, daß Österreich dem Gebote der Selbsterhaltung folgte, wenn es den stagnierenden, keiner Entwicklung fähigen Konservativismus in seinem System verkörperte, daß es in seinen Neben- und Kronländern ebensowenig wie in Deutschland den Zeitgeist dulden konnte, wollte es sich nicht der Gefahr aussetzen, Land und Einfluß zu verlieren.*) Gleichwohl waren die liberalen Forderungen nicht unstatthaft, sondern eine innere Notwendigkeit. Die österreichische Politik war der Tod der Völker. Das ist eben ihr Verhängnis, das ist der Fluch, der auf dem unnatürlichen Diplomatenwerk von 1815 lastete, daß nichts, auch kein Systemwechsel T. Z. 19. Februar und 1. März. Düsseldorfer Zeitung 25. März. A. Z. 2 9 . April. „ W i r wissen es alle, daß Österreich nicht bloß aus Prinzip, sondern aus Not der Freiheit keine Gasse öffnet." K- Z. 28. Januar. „So sehr wir bedauern, daß die österreichische Regierung . . . . den Lombarden keine Volksvertretung bewilligen kann, weil deren erste Forderung Losreißung von Österreich sein würde u s w . "
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in dem einmal entbrannten Nationalkampfe Ruhe schaffen konnte. N u r einen Ausweg gab es: Verzichten. Freiwillig? Das wäre wohl staatsmännisch klug gewesen, obgleich wenig ritterlich u n d einer G r o ß m a c h t nicht würdig. D a r u m rüstete sich Österreich zum Kampfe f ü r sein „Recht u n d die Verträge", eine Parole, die auch in dem Liberalismus lebhaften Widerhall wecken mußte, zumal sie gegen die „Revolution" u n d ihren V e r b ü n d e t e n erhoben wurde, und in dem ausbrechenden Federkrieg tritt auch die öffentliche Meinung des liberalen Rheinlandes zunächst einmütig f ü r den bedrohten Kaiserstaat ein und will n u r die dem elementaren Freiheitssinn widerstreitenden Separatverträge, über welche die Friedensstörer berechtigte Klage f ü h r e n , beseitigt und die R ä u m u n g des Kirchenstaates vollzogen wissen, um f ü r ein eventuelles Bündnis wenigstens in etwa von Gewissensbedenken entlastet zu sein. Bezeichnet die Kölnische Zeitung die mit Toskana, P a r m a u n d Modena abgeschlossenen Privatverträge in manchen Artikeln als rechtswidrig,*) so ist die Elberfelder Z e i t u n g 2 ) der Ansicht, daß die Selbständigkeit den Staaten das Recht gebe, „Österreichs starken .Schutz durch Beschränkung gewisser Hoheitsrechte zu erkaufen". Aber, f ü h r t sie später aus, Österreich könne die Bündnisse mit ruhigem Gewissen lösen, es brauche nicht zu fürchten, daß sein Einfluß in Italien verloren gehe, es habe vielmehr noch den Gewinn von der A u f h e b u n g , daß Napoleon der Vorwand zum Kriege gen o m m e n und f ü r viele der Stein des Ärgernisses aus dem W e g e geräumt werde. W e n n jedoch behauptet wird, 3 ) daß der Kaiserstaat sich nicht wegen der Verträge in der mißlichen Lage befinde, sondern wegen der Vernachlässigung der Kulturaufgaben, so ist das n u r ein Spiel mit W o r t e n ; d e n n die Verträge wurden ja geschlossen, um die Kulturmission zu verhindern, u n d waren der Ausdruck des entschlossenen Willens, auf dieser Bahn zu verharren. Die Elberfelder Zeitung ist eine entschiedene Gegnerin der in
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) K. Z. 19. und 22. Februar, 18. März. 2) E. Z. 27. Februar. 3 ) E. Z. 6. März.
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Metternichschen Anschauungen verharrenden Politik und erkennt die Notwendigkeit der Reformen an.*) Der Düsseldorfer Zeitung erscheint eine friedliche Lösung ganz ausgeschlossen; denn Österreich kann keine Reformen bewilligen, sie nagen an seiner Großmachtstellung und bereiten „die Entscheidung darüber" vor, „ob Italien und Deutschland sich selbst vorwärtsbewegen oder nach allen Seiten einer Macht tributär sein sollen". 2 ) Auf demselben Standpunkte, daß Österreich mit dem von ihm verfochtenen Prinzip stehe und falle, daher den Reformen abhold sein müsse, hält sich die Triersche Zeitung. Sie fragt nicht: Was kann man billigerweise von Habsburg verlangen, um den Frieden zu erhalten, sondern was sagt das Prinzip zum Frieden? Österreich verträgt nach ihrer Anschauung keine, auch nicht die geringste Neuerung, 3 ) es ist der unversöhnliche Gegner jeden Fortschritts; und da dieser sich nicht länger bannen läßt, ist der Konflikt unvermeidlich. Die Triersche Zeitung schält in der prinzipiellen Erörterung den Kern der Frage heraus und gibt ihr weit über Italien hinaus eine Bedeutung, eine erhöhte Bedeutung allda, wo „der Hort des St'llstandes" seine Hand an das Rad der Zeit legt. Man konnte die österreichische Politik anfassen, wo man wollte, es gab nur ein Verdammungsurteil. „Nicht für Österreich, sondern gegen Frankreich", war das Losungswort. Was geht Preußen der Krieg am Po an, wo die Macht der Verhältnisse zum Bruche drängt, wo Napoleon der Vollstrecker des Schicksals ist? So etwa denkt man. Daher diese Resignation, diese Gleichgültigkeit gegenüber den Friedensvermittlungen, der Schwur auf den Krieg. Die Kölnische Zeitung macht auch hier eine Ausnahme. Sie kümmert sich weniger um die prinzipiellen Grundfragen als um die praktischen Forderungen der Politik und hält es für klüger, friedlich das Wenige aufzugeben, was sich als unhaltbar erwiesen hat, als durch einen Krieg alles aufs Spiel zu setzen. Und was sei unhaltbarer geworden ») E. Z. 1. April. 2 ) Düsseldorfer Zeitung 25. März. ) T. Z. 1. und 22. März.
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als die österreichische Suprematie, die der Unabhängigkeit Italiens H o h n s p r e c h e ? 1 ) Fast T a g f ü r T a g versucht man, Österreich zu Konzessionen zu b e w e g e n ; 2 ) nicht das Metternichsche System, sondern die Bundesgenossenschaft der europäischen Mächte sei der Schutzwall, hinter dem der Kaiserstaat sicher sein k ö n n e . 3 ) N u r bei g e n ü g e n d e m E n t g e g e n kommen könnten die Verträge von 1815 zur Verteidigungspflicht w e r d e n . 4 ) Von welchem Geiste die F o r d e r u n g e n getragen werden, kennzeichnet ein Artikel über die „ b r e n n e n d e Frage" vom 5. März. Die Zeiten der Familienpolitik, die nach dem W o h l e der Völker nicht fragte, seien vorüber, seitdem man gelernt habe, an die politischen F o r d e r u n g e n den Maßstab der Billigkeit und Vernünftigkeit zu legen, gleichviel, ob sie der Kaiser Franz Josef, der Erbe der „Cäsaren", o d e r Napoleon III., der „Parvenü", erhebe, und nicht den der dynastischen Interessen. W a s man anfangs n u r wunschweise auszusprechen wagte, wird jetzt entschieden gefordert. Die Sprache der Kölnischen Zeitung atmet liberales Selbstbewußtsein, hart und scharf sind ihre Ausdrücke. „Frivol" wird Österreichs reaktionärer S t a n d p u n k t g e n a n n t . s ) In Oberitalien habe zwar niemand dem Kaiserstaate darein zu reden, so wünschenswert auch hier Reformen sein mögen, aber in eine P r ü f u n g der Privatverträge durch einen Kongreß einzuwilligen, könne n u r Halsstarrigkeit sich weigern. Wie eine Selbstverständlichkeit erscheint das, was doch gar nicht so selbstverständlich ist. Voller Freude ist das Blatt über den russischen Kongreßvorschlag. Mit Hangen und Bangen werden die diplomatischen V e r h a n d l u n g e n verfolgt, den Kongreß zustande zu b r i n g e n . 6 ) Als Österreich vor dem Kongreß den A n t r a g auf !) K. Z. 11. Februar, 18. März. 2 ) Ebenda 17. Februar, 22. Februar. 3 ) Ebenda 17. Februar. 4 ) Ebenda 4. März. 6 ) K. Z. 17. und 18. März. „Tyrannen" werden die Herrscher Mittelitaliens genannt, da sie keine freiheitliche Regung aufkommen lassen, und sie schütze Österreich mit seiner Militärmacht, seine Dienste seien Schergendienste. •) Ebenda 29. März. „Er ist das einzige Mittel, um einen furchtbaren Krieg um sehr unklarer Zwecke willen zu vermeiden."
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Entwaffnung Sardiniens stellt, wird ihm der Vorwurf gemacht, es suche den Kongreß zu hintertreiben. Man vermutet in Habsburgs Einwilligung nur ein Scheinmanöver, um vor der Welt nicht als Friedensbrecher dazustehen; trotzdem gibt man die Hoffnung auf Frieden nicht auf, der das Übereinkommen aller Mächte zu entwaffnen neue Nahrung zuführt. Wenn die Zeitung am 16. April von sich sagt, stets für die Wiederherstellung der Ruhe gewirkt und derjenigen Seite mit besonderem Nachdruck zugesetzt zu haben, „von welcher sie in jedem Augenblick am unmittelbarsten bedroht war", so kann ihr niemand diesen Ruhm streitig machen. Durch das Ultimatum werden alle Friedenshoffnungen zu Schanden, und die sie am meisten genährt, enthält sich, ihrer „Mißbilligung einen scharfen Ausdruck zu geben". 2 ) Sie ist zufrieden in der Erwartung des Hagelschauers von Vorwürfen und Mißbilligungen, der sich bald über Österreich entladen wird, und erwehrt sich der Augsburger Allgemeinen Zeitung, die hinter den Österreich zur Nachgiebigkeit mahnenden Artikeln eine habsburgfeindliche Gesinnung vermutet und durch die Kölnische Zeitung nur die Meinung einiger weniger vertreten sieht, wogegen diese behauptet, 3 ) sich mit der rheinischen liberalen Presse in Einklang zu befinden. — Das trifft für die Kundgebungen nach dem Ultimatum in fast vollem Umfange zu. Auch wer überzeugt war, daß Österreich keine Konzessionen machen könne, mußte, nachdem sie gemacht, seinen eigenmächtigen, ohne Vorwissen der vermittelnden Staaten unternommenen Schritt wie eine Beleidigung derselben, sein Eingehen auf die Kongreßvorschläge wie ein unehrliches Spiel auffassen, welches das Mißtrauen in seinen guten Willen bei den einen verstärkte, bei den anderen hervorrief. 4 ) Nur die Triersche Zeitung rechtfertigt die österreichische Politik und reinigt sie von dem Vorwurf des Friedensbruches. Zu der Prinzipienstarrheit kommt hier die Überzeugung, daß der Krieg für Napoleon !) K. Z. 14. April. ) E b e n d a 24. April. ) K. Z. 26. April. *) N e u w i e d e r Z e i t u n g
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beschlossene Sache war, er wollte nur Zeit gewinnen, u m seine Rüstungen zu vollenden. J ) Den anderen Blättern ist Österreich der Friedensbrecher. Mochte der Kaiser Franz. Josef in dem Kriegsmanifest vom 28. April an die Begeisterung von 1813 erinnern und an das Gefühl der Zusammengehörigkeit appellieren, der gewünschte Erfolg blieb aus. Wie verhielt es sich mit der österreichischen Begeisterung von 1 8 1 3 ? fragt die Elberfelder Zeitung. 2 ) Preußen mußte bei Lützen und Bautzen erst zeigen, was es allein zu leisten vermochte und dann noch lange Unterhandlungen führen, ehe das Bündnis zum Abschluß kam. Damals stand Deutschlands Zukunft auf dem Spiel, jetzt die italienische „Politik Österreichs, seine Separatverträge, sein politisches Übergewicht und die schlechten Regierungen". 3 ) Man erklärte einmütig, Deutschland werde erst zum Schwerte greifen, wenn deutsche Interessen in Gefahr seien. Doch was nützte das, solange man sich über den Inhalt und Umfang der deutschen Interessen stritt! Die Aachener Zeitung verstieg sich zu der B e h a u p t u n g : 4 ) „Deutschland kommt weder zur Sicherheit noch zur Einheit, wenn nicht Österreich Italien behält." Ein Ausspruch,, der zum größten Teil von der Franzosenfurcht diktiert war. Während des Krieges tritt sie mit solcher Lebhaftigkeit und Wärme für Österreich ein, daß man den Eindruck hat, sie vertrete den großdeutschen Standpunkt und lasse sich vom Hansemannschen Geiste leiten. Aber die Ausführungen nach dem Kriege belehren uns eines anderen. Aus dem Liebäugeln Rußlands mit der französischen Politik entsteht i h r während des Krieges ein enger Bund zwischen Slaven u n d Romanen zur Verwirklichung des Nationalitätenprinzips, und dem gegenüber betont sie den nationalen Zusammenschluß aller germanischen Elemente und das Festhalten am italieniT . Z . 2 5 . Mai. E . Z. 2. Mai. 3) E. Z. 2. Mai. Der Crefelder Anzeiger schreibt am 5. Mai, es könne die Zeit kommen, wo wir „der Begeisterung des Volkes bedürfen. Sparen wir sie uns für etwas besseres auf, als für den Oedanken, die italienische Nation dem Segen des österreichischen Regimentes zu unterwerfen". 4) A. Z. 9. Mai. 2)
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sehen B e s i t z . „ D i e Preisgebung der Lombardei, der Provinz eines deutschen Staates, ist doch eine Kränkung für Deutschland. Daß man sie nicht hinreichend fühlt, liegt daran, daß die Nation nicht gut geschult ist." Die Aachener Zeitung' kann den Verlust der Lombardei nicht verschmerzen, wohl die Elberfelder. „Oberitalien ist keine Notwendigkeit für die Politik der deutschen Nation; allein, die Franzosen dürfen nicht die Nachfolger der Österreicher werden. 2 ) Sollte dies der Fall sein — und daran zweifelt sie nicht — so erfülle Österreich nur seinen geschichtlichen Beruf, im Süden der Vorkämpfer gegen welsche Eroberungslust zu sein. Geradezu vernarrt ist das Blatt in diese Lieblingsidee, und gegen die Gothaer, welche die Geschichte als Zeugin anrufen, daß Italien stets am Mark des deutschen Stammes gezehrt habe, wird Festhalten am italienischen Besitz gefordert, da Deutschlands Sicherheit stets bedroht war, wenn der Norden der italienischen Halbinsel einem feindlichen Herrscher gehorchte. Als noch Aussicht vorhanden war, daß Österreich über Frankreich triumphieren werde, und als die Zeitung der Zorn über das Ultimatum ergriff, verwünschte sie in liberalem Unwillen über Revolution und Reaktion beide. „Hole sie der Teufel, indem sie sich untereinander aufreiben." 3 ) Obwohl sie alle Sympathien und Antipathien, alle Gefühlsmomente in der Politik verurteilte, aus ihren Spalten verbannt wissen und nur dem Banner des krassen Egoismus folgen wollte, ist ihr doch das Herz des öfteren mit dem Verstände durchgegangen, ist die kühle Berechnung hinter der heiß aufwallenden Leidenschaft zurückgetreten. „An Österreich Rache zu nehmen, fällt uns ebensowenig ein, wie für österreichische Verkehrtheiten das Schwert ziehen zu wollen, aus dem Motive, daß Österreich zum Deutschen Bunde gehört." 4 ) Dieser durchaus gesunde Grundsatz trat seltener in die Erscheinung als der Bonapartismus. A. Z. 30. Juni. „Es gibt keine Hilfe dagegen, als daß Deutschland sich zeitig als Macht fühlen lernt und auch danach handele, wenn es aber ein Gefühl davon hat, darf es sich auch nicht v o n Fremden seine Äste beschneiden lassen." ») E. Z. 26. Juni. 3 ) E. Z. 5. Mai. *) Ebenda 3. Mai.
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Dagegen hat die Neuwieder Zeitung keine Furcht mehr vor dem „angeblichen Erbfeinde". x ) Sie verurteilt das Drängen der Süddeutschen zum Kriege als undeutsch und als einen Ausfluß des eigensüchtigen Partikularismus. Dieser sei die Wurzel der Zwietracht in Deutschland, und Österreich sei stets darüber aus, den Hader zu vermehren, statt ihn zu beseitigen. 2) Das Blatt hängt sehr an den nationalen Ideen, und von hier aus ist seine Stellung zu dem Kaiserstaate izu betrachten. Um den Einfluß desselben in Deutschland zu schmälern, soll er dauernd in Italien beschäftigt bleiben und nicht alle seine Besitzungen dort verlieren. 3 ) Man werde im Bunde dann bald durch den Gegensatz zwischen deutschen und österreichischen Interessen und durch die von Österreich betriebene Politik der Negation vor die Alternative gestellt, entweder Deutschland oder Österreich aufzugeben. Den gleichen Gedanken finden wir in anderen Blättern nicht, wohl die gleich offene Sprache. Die Rhein- und Ruhrzeitung ist über das Laxenburger Manifest vom 15. Juli, das den Abschluß des Waffenstillstandes rechtfertigen s o l l t e , e r g r i m m t . Es sei in seinem Inhalt unwahr und in seiner Sprache ungebührlich und f ü r Preußen beleidigend, eine weitere Illustration zu dem sprichwörtlich bekannten „Dank vom Hause Habsburg". s ) Der Trierschen Zeitung ist der Krieg eine „Verurteilung des 1851 er Systems", das dem absoluten Willen Habsburgs Geltung verschaffte und gleichsam die Lehnshoheit über Deutschland beanspruchte. 6 ) Wir haben eine geschlossene Phalanx gegen die AnN . Z. 2. Juni. ) Ebenda 13. Juli. 3 ) N . Z. 24. Juli. 4 ) Mittelstaedt usw. S. 123 f. 5 ) Rhein- und Ruhrzeitung 23. Juli. „In den Ebenen Oberitaliens hat das verwegene Wort Schwarzenbergs, ,die Welt wird einst erstaunen über die Undankbarkeit Österreichs', seinen blutigen Lohn empfangen." 6 ) T. Z. 31. August. „Ohne ihre fehlerhafte Ansicht vom Beruf der österreichischen Monarchie und ihres Verhältnisses zu Deutschland würde die Regierung sich nicht in diesen Krieg gestürzt haben. Richtigere Regierungsgrundsätze würden den Staat leistungsfähiger machen, und die Regierung würde dann nicht mehr nötig haben, die Schuld für ihre Niederlagen fremden Staaten aufzubürden." 2
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Magen Österreichs, so verworren, vereinzelt und von einander abweichend die Äußerungen auch während des Krieges sein mögen. Einigermaßen übereinstimmend sind sie in dem Crefelder Anzeiger und der Kölnischen Zeitung. Schon nach Magenta raten beide Österreich, die Lombardei fahren zu lassen, wenn es sie mit den Waffen nicht behaupten könne, und die Regelung der italienischen Verhältnisse einem europäischen Kongresse anzuvertrauen.*) Die Kölnische Zeitung will Österreich durch einen „naturgemäßeren" Besitz im Osten entschädigt 2 ) und gegen innere revolutionäre Aufstände unterstützt wissen. 3 ) Sie prophezeit dem Kaiserstaat den Verlust des Venetianischen, auf das er am besten schon jetzt verzichtet hätte, und betont, daß die Präliminarien günstiger für Habsburg nicht hätten geschlossen werden können. Es ist unzweifelhaft, daß diejenigen, welche sich vorwiegend von dem Gedanken leiten ließen, nichts zu unternehmen, was die österreichische Macht stärken könne, mit ihren Ansichten nicht tief ins Volk drangen. Hier herrschte der Haß gegen Napoleon vor und trieb der Begeisterungsrausch, von der österreichfreundlichen Presse genährt, die schönsten Blüten. So mußte Ernst Moritz Arndt in einer öffentlichen Erklärung 5 ) gegen den Milbrauch einschreiten, der mit seinem Kriegsliede: „Als Thiers die Welschen aufrührte", aus dem Jahre 1840, getrieben wurde. Dieses wurde als ein neues ausgegeben, zu dem Zwecke verfaßt, den Deutschen anzusagen, es sei die höchste .Zeit, gegen Frankreich zu ziehen. Nachdem Vater Arndt im Februar für ein einmütiges Zusammengehen von Österreich und Deutschland eingetreten war, 6 ) warnt Crefelder Anzeiger, 21. Juni. K- Z. 12., 14. und 19. Juni. ) K. Z. 5. Mai. ) Ebenda 3. Juli. 4 ) K. Z. 17. Juli. б ) Ebenda 14. Mai. •) Ebenda 23. Februar. An die Deutschen! Folgende seiner Oesinnung und Ansicht gleiche Worte läßt der liebe Kruse wohl abdrucken: Wir wissen nicht, wie möglicherweise die zettelnden diplomatischen Teufel und Teufelchen uns noch durcheinander zetteln und in «inen bösen, unnützen Krieg hineinreißen können, aber wann der Teufel wirklich los ist und los wird, dann gucke kein Deutscher auf а
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er jetzt im Mai vor einem übereilten Losschlagen. „Der italienische Wirrwarr hat deutsches Blut und deutsche Ehre oft genug, meistens nur zum deutschen Verderben, zusich über die Alpen hinabgelockt. Auch in unseren Tagen haben Kaiser Franz II. und sein Metternich wahrlich nicht zu Deutschlands Glück zu lüstern auf die reichen Fluren des Po hinabgeblinzelt und die Augen von den Stellen abgewandt, wo sie für Österreichs Mehrung und Deutschlands Stärkung hätten hinschauen gemußt. Hätte Österreich weise gesehen und gewollt, und wäre es ehrlich mit Preußens und des Freiherrn vom Stein Willen zugegangen, so hätten, f ü r Italien, dessen Volk dem Deutschen nimmer treu werden kann, Elsaß und Lothringen nebst dem halben Belgien mit ihrem stamm- und sprachverwandten Deutschland zusammengebunden werden können. Italien ist, wie es steht, nur Österreichs Schwächung." Rückblickend suchen wir unter den vielen Stimmen nach der Stimme des uneigennützigen Freundes, der Österreich um Österreichs willen helfen will, vergebens. Wenn man in den Krieg eingreift, so geschieht das nur Deutschlands, wegen. Das Metternichsche System ist allen verhaßt, aber über die Erhaltung des österreichischen Besitzes in Italien bestehen entgegengesetzte Anschauungen, die durch die Kölnische Zeitung einerseits und durch die Aachener andererseits vertreten werden und auf die verschiedene Beurteilung der napoleonischen Politik zurückzuführen sind. Das Interesse an den innerpolitischen Verhältnissen Österreichs, das begreiflicherweise bei den Großdeutschen sehr stark und praktisch gerichtet war, ist bei der rheinischen liberalen Presse mehr theoretischer Art. Wohl wünscht man dem liberalen Fortschritt überall offene Tür, aber die Forderung einer durchgreifenden Reformtätigkeit bezog sich vornehmlich auf die äußere Politik, in der für die Deutschen die den anderen, ob er schon den Degen in der Hand hat, sondern es gelte: Preußen und Österreich und Alldeutschland! es gelte, wie in den Jahren 1813 und 1814; es gelte der Spruch des Hannoliedes über die Deutschen: „Denen niemand nicht mogte widerstehen, Wenn sie wollten in Treue mitsammen gehen." E. M. Arndt.
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Wirkungen der Reaktion am fühlbarsten waren. Daß ein Wechsel des Systems für die ganze Monarchie große Folgen haben werde, erkannte man wohl, aber wie durfte Österreich des Nachbarn erbärmliches Dasein und unsichere Existenz zur Bedingung seines eigenen Wohlergehens machen!
4. Preußen und seine Politik. Die preußische Politik während des italienischen Krieges ließ der Interpretationskunst den weitesten Spielraum und ist wegen ihres ,,Lavierens und Temporisierens" viel angegriffen worden. Die rheinischen Liberalen haben aber dies „Lavieren und Temporisieren" nicht als ein Symptom der Schwäche noch der Ratlosigkeit aufgefaßt, wie es vielfach g e s c h a h , s o n dern als ein kluges taktisches Verhalten, bedingt durch die Natur der Gegner; ja es offenbarte ihnen zugleich ein Gefühl der Kraft, allem Kommenden gewachsen zu sein. Diese Beurteilung erfuhr die Politik nicht zum wenigsten deshalb, weil nur so die deutschen Interessen gewahrt werden könnten. 8 ) Mit nationalem Feuereifer und starker Entschiedenheit wurde Preußen gegen seine Gegner verteidigt, gegen das reaktionäre Österreich Metternichschen Systems, gegen den Klerikalismus und gegen die partikularistisch gesinnten und für ihre Souveränität fürchtenden Klein 1 und Mittelstaaten. Den weitaus gewandtesten, von edlem Patriotismus glühenden Waffengefährten hatte Preußen an der Kölnischen Zeitung. Dem Theoretisieren hat auch sie sich nicht fern zu halten vermocht, aber bei der Lösung praktischer, durch den Krieg aufgeworfener Fragen hat sie einen gesunden Staatsegoismus und einen realpolitischen Scharfblick bewiesen und selten den Boden des Erreichbaren verlassen. Auch in auswärtigen Angelegenheiten wünscht sie dem Geiste des gemäßigten Liberalismus zum Durchbruch zu verhelfen; und es ist zu beobachten, wie mit dem Niedergang des österreichischen Waffenruhmes und dem Wachsen des preußiJ
) Mittelstaedt usw. S. 64. *) Rhein- und Ruhrzeitung, 17. Juni. „Indem nun unsere Regierung von vornherein in der italienischen Frage das preußische Interesse aufs bestimmteste von dem österreichischen unterschied, nahm sie zugleich unwidersprechlich den wahrhaft nationalen Standpunkt ein."
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sehen Selbst- und Kraftbewußtseins der Liberale sich zu höherem Fluge erhebt. Als zu Anfang des Jahres Deutschland von Napoleon bedroht zu sein schien, wird Preußen zum Wächter am Rhein und Bundesgenossen Österreichs bestellt. Sowie sich jedoch die Gewitterwolke in eine Nebelwolke auflöst, wird erleichterten Herzens der Rechtsstandpunkt eingenommen und Preußen die Einhaltung der Bundesgrundgesetze zur Pflicht gemacht. Ein „Darüberhinaus" erheischt die politische Lage nicht. x ) Es ist der Zeitung nicht immer leicht, in ihren liberalen Forderungen mit dem, was ihr für Preußen zweckdienlich erscheint, gleichen Schritt zu halten. Die Ideen der neuen Zeit pochen mitunter so heftig an das Tor der alten, daß sie darüber erschrickt; und obwohl sie an die Stelle des Legitimitätsgerichtshofes eine Art Wohlfahrtsausschuß gesetzt hat und statt der Norm des Gottesgnadentums den Zeitgeist das Urteil durch die Stimme des Volkes sprechen läßt, 2 ) ist sie doch voller Furcht, daß die Stimme des Volkes, die in Italien laut nach nationalem Zusammenschluß schreit, in Deutschland Widerhall wecken und durch den Ruf, die Österreicher von der Halbinsel zu vertreiben, verstärkt werden könne. Dem darf Preußen nicht zustimmen, solange die napoleonische Politik unsicher und unbeständig ist und Österreich noch Zugeständnisse machen kann. Die Kölnische Zeitung hält die Lage für „keineswegs klar und einfach" und erklärt daraus das Schweigen des Landtages und der Regierungen. s ) Sie verteidigt während des ganzen Krieges „die stille Macht" des Hohenzollernstaates gegen das „laute Gebahren der Kleinen" und führt eine ununterbrochene Fehde mit dem deutschen Partikularismus. Je lauter das Kriegsgeschrei der Klein- und Mittelstaaten wird, umso schärfer wird sie in Abwehr und Angriff. 4) Den Hannoverschen Antrag auf Aufstellung eines Observationskorps am Rhein brandmarkt sie als undeutsch und K. Z. 3. März. Ebenda 5. März. ) Ebenda 3. März. 4 ) Ebenda 15. April. 3
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appelliert an den deutschen Patriotismus und das deutsche N a t i o n a l b e w u ß t s e i n . D i e geringe Leistungsfähigkeit der außerpreußischen Bundeskontingente, 2 ) Bayerns vor allem, gibt ihr Gelegenheit, das Machtgefühl der Einzelstaaten ad absurdum zu führen. Als nach Magenta das Verlangen nach einer Beteiligung am Kriege mächtig anschwoll, forderte sie von Preußen, es solle selbstbewußter auftreten und auch vor Gewaltmitteln nicht zurückschrecken, wenn man sich seiner Neutralitätspolitik nicht fügen wolle. 3 ) Wie sie einseitig österreichfreundliche Gesinnung, die der Partikularismus hegte, verurteilte, so wandte sie sich auch gegen die einseitig österreichfeindlichen Stimmen. Sie nimmt daher gegen die Flugschrift Konstantin Rößlers 4 ) „Preußen und die italienische Frage", als deren Verfasser neben anderen auch Bismarck 5 ) genannt wurde, Stellung und bedauert ihr Erscheinen, findet es aber nach allem, was Preußen seit 10 Jahren von Österreich erfahren hat, sehr begreiflich, daß sich Mißtrauen und Erbitterung in schroffer, „fast feindseliger" Absage Luft machten. W ü r d e sie sich nach den Präliminarien noch einmal über die Schrift geäußert haben, ihr Urteil hätte milder sein müssen. Jetzt schwankt die Zeitung wie die Regierung hin und K. Z. 18. Mai. ) Ebenda 22. Mai. • § * V o m Rhein. 20. Mai. ) K. Z. 8. Juni. *) Mittelstaedt usw. S. 58 ff. Scheffer usw. S. 148 u. a. a. O. Rößler liegt die Lösung der deutschen Frage sehr am Herzen, daher will er von Preußen den Neutralitätsstandpunkt gewahrt wissen. In dem gegenwärtigen Kriege erblickt er keine Gefahr für Deutschland. K- Z. 3. März. ') Wegen der einzigartigen, zu Frankreich hinneigenden Stellung, die Bismarck im Jahre 1859 einnahm (Näheres darüber Mittelstaedt usw. S. 14—20 und 83—87), mögen die Ausführungen der Kölnischen Zeitung (16. Mai) über sein Verhältnis zu Österreich von Interesse sein und hier Platz finden: „Herr von Bismarck ist ein gescheiter Mann, gehört auch jetzt nicht mehr zur Kreuzzeitungspartei, aber bekannt ist, daß er aus Frankfurt von den vielen Reibungen mit dem österreichischen Bundestagsgesandten eine für Österreich so wenig günstige Stimmung mitgebracht hat, daß man ihn sogar in Verdacht hatte, die Flugschrift „Preußen und die italienische Frage" rühre von ihm her. Wir zweifeln nicht, daß Herr v. Bismarck seine Weisungen gewissenhaft erfüllt. Naturam furca expellas! Wer möchte streiten, daß gerade jetzt Herr v. Bismarck überall mehr an seiner Stelle sein würde, als gerade dort, wo er ist?" 2
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her und versteckt sich hinter den sehr dehnbaren Begriffen der deutschen Ehre und der deutschen I n t e r e s s e n . M i t der Zuversicht auf den starken Arm Preußens verbindet sie das Vertrauen zu dem Prinzregenten, dem „weisen und festen Lenker der Geschicke". Nur selten ist Preußen in der damals aufs höchste erregten Presse das Loh zuteil geworden, „d'er Vertreter der über die Leidenschaften erhabenen Intelligenz, der Kraft in der Ruhe, der Entschlossenheit ohne Überstürzung" zu sein. Wohl war Preußen der berufene, aber nicht anerkannte Führer der deutschen Politik, und es war eine undankbare Rolle, die Leidenschaften eines Volkes zu zügeln und sich der Gefahr auszusetzen, sein Vertrauen zu verlieren, das allein im Ernstfalle die mangelnde Rechtsgrundlage ersetzen konnte. Nach dem Ultimatum wird die Frage brennend, welche Stellung Preußen in der „neuen von Österreich herbeigeführten Lage" einzunehmen habe. Seine Stellung ist nach Ansicht der Kölnischen Zeitung durch die Zugehörigkeit zum Deutschen Bunde bestimmt. Dieser greift in den italienischen Krieg nicht unmittelbar ein. 2 ) Erst wenn England oder Rußland ihre Neutralität aufgeben und zur Parteinahme übergehen, ist für Preußen der Augenblick gekommen, in welchem es seine Stellung ändern muß, allein nicht nur den fremden Mächten, sondern auch dem Bunde gegenüber. Denn wo es den großen Zielen nachzujagen gilt, fruchtbare deutsche Politik zu treiben, müssen die „Fesseln von I). — Rheinische Volksblätter für Haus, Familie und Handwerk, Köln (Rh. V.). — Rhein- und Ruhrzeitung, Duisburg. — Saarzeitung, Saarbrücken. — Triersche Zeitung (T. Z.). 1860—62. Kölnische Blätter (Köln. Bl.). — Echo der Gegenwart.
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Inhaltsangabe (der ganzen Arbeit). Einleitung:
Arbeiten über die öffentliche Meinung im Jahre 1859. Methodische Grundfragen. 1. Kapitel. Rhein- und Altpreußen 1815—1859. 2. Kapitel. Das Jahr 1859. 3. Kapitel. Äußerungen außerhalb der klerikalen Partei. 1. Camphausen, Mevissen, Bürgers. 2. Loebell, Dahlmann, Leue. 3. Hansemann. 4. Die rheinischen Demokraten (Engels, Lassalle, Oppenheim, Venedey). 5. Die Militärs am Rhein (Roon, v. Hofmann, Fischer von Treuenfeld). 4. Kapitel. Die rheinischen Korrespondenzen in der Augsburger „Allgemeinen Zeitung". 5. Kapitel. Die vorliegende Dissertation ohne die Einleitung. 6. Kapitel. Die rheinischen Klerikalen in Presse, Publizistik und im Abgeordnetenhause. 1. Die kriegführenden Mächte. 2. Preußen und Deutschland. 3. Die kirchliche Frage. Schluß. Zusammenfassung der Ergebnisse mit besonderer Berücksichtigung der rheinischen Katholiken, ihrer Stellung zu Preußen und Deutschland.
Lebenslauf. Am 18. März 1887 wurde ich, Karl Heinrich GroßeFreese, als Sohn des Domänenpächters Franz Große-Freese auf der Domäne Bosseborn (Kreis Höxter a. d. Weser) geboren. Ich bin evangelischer Konfession, und besuchte das Gymnasium zu Bielefeld bis zur Unterprima einschließlich und das Gymnasium zu Gütersloh, das ich Ostern 1907 mit dem Zeugnis der Reife verließ. Gesundheitshalber war ich zunächst ein Jahr in der Landwirtschaft tätig, dann widmete ich mich dem Studium der Geschichte, des Griechischen, der protestantischen Theologie und der Philosophie. Sommer-Semester 1908 bis Sommer-Semester 1909 studierte ich in Rostock, Winter-Semester 1909/10 in Münster i. W., vom SommerSemester 1910 an weilte ich in Bonn. Sommer-Semester 1911 und Winter-Semester 1912/13 war ich beurlaubt. Meine akademischen Lehrer waren in Rostock: Bloch, Geffcken, Grützmacher, Hashagen, Kolbe, Plassberg, Walther; in Münster: Erler, Geyser, Hoffmann, Meister, Seeck; in Bonn: v. Bezold, Brinkmann, Bühler, C. Clemen, P. Clemen, Ecke, Goeters, Gräfe, Herrmann, Ed. König, Külpe, Levison, Meinhold, Nissen, Schulte, Seil, Solmsen, Weber, Wilcken. Die mündliche Promotionsprüfung bestand ich am 21. Januar 1914.
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Herrn Prof. Dr. Herrmann, dem ich die Anregung zur Bearbeitung der öffentlichen Meinung in der Rheinprovinz i. ]. 1859 verdanke, schulde ich auch für die vorliegende Dissertation den größten Dank; sein sachkundiger Rat und seine wertvollen Winke haben die Arbeit sehr gefördert. Auch Herrn Geheimrat Prof. Dr. Schulte bin ich nach mancher Richtung zu Dank verpflichtet.