Die Rhein- und Moselzeitung: Beitrag zur Entstehung der katholischen Presse und des politischen Katholizismus in den Rheinlanden. Inaugural-Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde genehmigt von der Philosophischen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Bonn [Reprint 2022 ed.] 9783112685860


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German Pages 40 [52] Year 1913

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Table of contents :
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Literaturverzeichnis.
I. Kapitel. Der Koblenzer Kreis und die Versuche katholischer Zeitungsgründungen
II. Kapitel. Die äußere Geschichte, die allgemeine Tendenz, Redakteure und Mitarbeiter der Rhein- u. Moselzeitung
Inhaltsangabe.
Lebenslauf.
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Die Rhein- und Moselzeitung: Beitrag zur Entstehung der katholischen Presse und des politischen Katholizismus in den Rheinlanden. Inaugural-Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde genehmigt von der Philosophischen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Bonn [Reprint 2022 ed.]
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Die Rhein-und Moselzeitung Beitrag zur Entstehung der katholischen Presse und des politischen Katholizismus in den Rheinlanden Inaugural- Dissertation zur

E r l a n g u n g der D o k t o r w ü r d e genehmigt

von der Philosophischen Fakultät der

Rheinischen Friedrich - Wilhelms - Universität zu Bonn Von

Friedrich Mönckmeier aus Cöln

Promoviert am 22. November 1912

Bonn 1912 A. M a r c u s & E. W e b e r s Dr. jur. Albert Ahn

Verlag

Berichterstatter : Qeh. Regierungsrat Professor Dr. v. BezolcL

Mit Genehmigung der Fakultät kommt hier nur ein Teil der eingereichten Arbeit zum Abdruck. Die ganze Arbeit wird unter gleichem Titel in den „Studien zur rheinischen Geschichte" r Bonn, A. Marcus u. E. W e b e r s Verlag, erscheinen.

Meinen lieben Eltern.

Vorwort. Die vorliegende Arbeit ist neben der Darstellung des Entwicklungsganges der „Rhein- u. Moselzeitung" ein erster Versuch, die Anfänge des politischen Katholizismus im Rheinland auf dem Gebiete der Presse aufzudecken. Damit ist gegeben, daß meine Untersuchung keinen Anspruch auf Vollständigkeit machen kann. Sie will nur dazu beitragen, die ersten Ansätze eines Zusammenschlusses, wie sie sich vor dem Jahre 1848, dem eigentlichen Gründungsjahre der Parteien, zeigen, klarzustellen. Besonders berücksichtigt habe ich, meinem Thema entsprechend, die Koblenzer Verhältnisse, obwohl auch in den anderen größeren rheinischen Städten sich Parteibildungen vorbereiteten. Der kürzlich erschienene erste Band des Werkes von Karl Bachem: „Josef Bachem und die Entwicklung der katholischen Presse in Deutschland 1815 bis 1848", gibt darüber manchen wesentlichen Aufschluß. Allerdings erscheint mir die Auffassung Bachems, als ob in Köln der Mittel- und Ausgangspunkt eines Zusammenschlusses der rheinischen Katholiken zu suchen sei, nicht berechtigt. Vielmehr ist ursprünglich Koblenz als der Mittelpunkt dieser Bestrebungen anzusehen und wurde auch in der damaligen Zeit allgemein dafür gehalten. Das sehr verdienstvolle und stoffreiche Buch von Bachem bietet neben einigen natürlichen Berührungspunkten — bei seinem Erscheinen hatte ich meine Arbeit schon abgeschlossen — in Vielem eine wertvolle Ergänzung und einen Rahmen allgemeinerer Natur für meine Untersuchung. Seine Ausführungen über die „Rhein- u. Moselzeitung" aber sind zum großen Teil nicht zutreffend, da sie nur auf indirekten Quellen beruhen. 1 ) *) Das Literaturverzeichnis enthält einen Hinweis, wo sich Jahrgänge der Rh.-Mz. befinden.

noch

VI Die Jahrgänge 1844—1846 der „Rhein- u. Moselzeitung" waren trotz der eifrigsten Nachforschungen außer drei Einzelnummern des Jahres 1845, die durch die Bemühung des Koblenzer Staatsarchivs aufgefunden wurden, nicht ausfindig zu machen. In meiner Arbeit habe ich die Zeitung hauptsächlich nur bis zum Ende des Jahres 1848 berücksichtigt, weil sie mit dem Aufkommen der „Rheinischen Volkshalle" an Bedeutung verliert und schließlich ganz hinter ihr zurücktreten muß. Auf die Beziehungen der rheinischen Katholiken zu Belgien bin ich nicht näher eingegangen, da die demnächst erscheinende Untersuchung von Paul Vogel „Beiträge zur Geschichte des Kölner Kirchenstreits" f ü r die 30 er Jahre einigen Aufschluß gibt, und rheinische Stimmen in belgischen Blättern naturgemäß zurücktraten, sobald die Rheinländer eigene Organe zur V e r f ü g u n g hatten. Wenn ich den Ausdruck „Ultramontan" verwandt habe, so geschah dies ohne jede Bezugnahme auf die heutigen politischen Verhältnisse. Ich habe dieses Wort beibehalten, weil es in den 40 er Jahren allgemein gebräuchlich war und besonders im Gegensatz zu Liberalismus und liberalem Katholizismus angewandt wurde. Herrn Geh. Regierungsrat Prof. Dr. v. Bezold, der in liebenswürdiger Weise das Referat übernommen hat, sowie Herrn Privatdozent Dr. Herrmann, dem ich die Anregung zu dieser Arbeit und jederzeit lebhafte Förderung verdanke, und dessen Vermittlung mir ermöglichte, Aktenmaterial des Berliner und Koblenzer Staatsarchivs zu benutzen, möchte ich auch an dieser Stelle meinen ergebensten Dank aussprechen. Außerdem bin ich zu besonderem Danke verpflichtet Herrn Archiv-Direktor Prof. Dr. Hansen in Köln, der mir in der liebenswürdigsten Weise mit Rat und Tat zur Seite gestanden und mir außer mancher wertvollen und zielweisenden Anregung eine Fülle von Material zugänglich gemacht hat. Auch allen den Herren, die mir auf meine Anfragen so bereitwilligst Auskunft gegeben haben, möchte ich nochmals meinen verbindlichsten Dank aussprechen.

Inhaltsverzeichnis. L Kapitel.

Der

Koblenzer

Kreis

und

die

Versuche

katholischer

Zeitungsgründungen. II. Kapitel.

Die äußere Geschichte, die allgemeine Tendenz, Redak-

teure und Mitarbeiter der Rhein- u. Moselzeitung. III. Kapitel.

Stellung der Rhein- u. Moselzeitung:

1. zu den politischen Fragen, 2. zur Kirche und Schule. IV. Kapitel.

Die Rhein- u.

Moselzeitung in ihrem

Verhältnis

zur

Presse. V. Kapitel. VI. Kapitel.

Die Stellung der Regierung. Die sonstige katholische Tagespresse der Rheinlande

den 40 er Jahren. VII. Die rheinischen katholischen Zeitschriften.

in

Literaturverzeichnis. 1. Archivalisches Material: 1. Geheimes Staatsarchiv Berlin (B. A.) Rep. 77. Tit. I, Zensurverwaltung, Qeneralia. Nr. 26. Vol. 2, betr. die Zensurverwaltung der Rheinprovinz 1843/47. Rep. 77. Tit. II, Zensurverwaltung, Specialia: A. Nr. 9 vol 1, betr. die Herausgabe einer zweiten politischen Zeitung in Aachen 1837. B. Nr. 129, betr. die Herausgabe und den Debit der Brüsseler deutschen Zeitung 1846/48. C. Nr. 40, betr. die Zensur und den Debit des Koblenzer Anzeigers 1842/47. C. Nr. 45, betr. die Herausgabe einer neuen zweiten polit. Zeitung in Köln 1843. C. Nr. 49, betr. die beabsichtigte Herausgabe einer neuen Zeitung in Koblenz 1843. L. Nr. 61, betr. die Zensur und den Debit der Luxemberger Zeitung 1844/45. R. Nr. 57, betr. die Errichtung einer neuen polit. Zeitung in der Rheinprovinz 1844/48. T. Nr. 50, betr. die beabsichtigte Gründung einer katholischen Zeitung in Trier 1844. Rep. 77. Tit. LIV. C. 2. Vol. 1 und 2, betr. die Herausgabe der Rhein- u. Moselzeitung 1831/53. D. 3. vol. 1, betr. die Kölnische Zeitung 1834/45. D. 4, betr. die Herausgabe einer Kathol Zeitung in Köln 1846. Tit. 505, Tumulte, Rheinprovinz, Nr. 4. vol. 2, Nr. 5 vol. 3, Nr. 8, Nr. 9, vol 1, 2, 3.

2. Staatsarchiv Coblenz (C. A.) Acc 7/1912. Tit. VII. Sect I Nr. 106 zu Acc 21/08 als Nr. 3805 a, betr. die Rhein- u. Moselzeitung. Acc 31/06. Tit. II. Sect III. Nr. 52 betr. die Zensur der Bücher und Zeitschriften. Nr. 56, betr. die polit., wissenschaftl. u. gewerbl. Zeitschriften. Acc 21/08. Tit. V. Sect. II. Nr. 2535. Die Vigilierung auf Geistliche in politisch-polizeilicher Hinsicht.

IX II. Zeitungen, Zeit- und Flugschriften. Rhein- u. Moselzeitung (Rh.-Mz.) Es ¡befinden sich Jahrgänge: Kgl. Bibliothek Berlin: 1831/1842. Juli 1848/49, Stadtbibliothek Koblenz: 1831/1843, Universitäts-Bibliothek Bonn: 1847/1850. — Kölnische Zeitung (K. Z.) — Elberfelder Zeitung (E. Z.) — Trier'sche Zeitung (Tr. Z.) — Düsseldorfer Zeitung (D. Z.)— Rheinischer Beobachter (Rh. Beob.) — Luxemburger Zeitung (L. Z.) Der Katholik — Historisch-politische Blätter — Rheinisches Kirchenblatt — Katholische Blätter — Nathanael — Kritische Blätter — Zeitschrift für Erziehung und Bildung — Zeitschrift für Philosophie und katholische Theologie — Monatsblatt des Borromäus-Vereins. C. G. N. Rintel, Die Verfassungsfrage, Bonn 1845 — Hälschner, Die preußische Verfassungsfrage und die Politik der rheinischen ritterbürtigen Autonomen, Bonn 1846 — W. Prisac, Die akatholische Tendenz der Kölnischen Zeitung, Düsseldorf 1844. — W. Prisac, Zeichen der Zeit, Düsseldorf 1846. III. Darstellungen, Briefe, M e m o i r e n und Biographien. C a r l B a c h e m : Josef Bachem und die Entwicklung der katholischen Presse in Deutschland, Bd. I, Köln 1912. L. B e r g s t r ä ß e r : Studien zur Vorgeschichte der Zentrumspartei, Tübingen 1910. F r . S c h n a b e l : Zusammenschluß des politischen Katholizismus in Deutschland i. J. 1848, Heidelberg 1910. L. S a 1 o m o n : Geschichte des deutschen Zeitungswesens, 3 Bände, Oldenburg-Lei pzig 1900 - 1 9 0 6 . T r e i t s c h k e - Deutsche Geschichte, Bd. V, Leipzig 1899. K. L v o n H a l l e r : Restauration der Staatswissenschaft. 6 Bände,. Bern 1 8 1 6 - 3 4 . C. E. J a r c k e : Vermischte Schriften, Bd. I — III, München 1839. Verings Archiv für katholisches Kirchenrecht Bd. 89, 1909. F r . M e i n e c k e : Weltbürgertum und Nationalstaat, München und Berlin 1908. G u s t a v e d e F a i l l y : De la Prusse et sa Domination sous les rapports politique et religieux 1842. M a r t i n B l u m : Geschichtlicher Rückblick auf die im Großherzogtum Luxemburg bisher erschienenen Zeitungen und Zeitschriften. Luxemburg 1899. F e s t s c h r i f t zur Gründung und Tätigkeit des Vereins vom heiligen Karl Borromäus 1895. A. T h . B ö n i n g e r : Preußens Erster Reichstag, Berlin 1847.

X C l e m e n s B r e n t a n o : Gesammelte Schriften, Bd. 8 u. 9 Briefe Frankfurt a. M. 1855. J . v. G ö r r e s : Gesammelte Briefe, Bd. III, München 1874. P e t e r R e i c h e n s p e r g e r : Erinnerungen eines alten Parlamentariers, Berlin 1882. F e r d i n a n d W a l t e r : Aus meinem Leben, Bonn 1865. Allgemeine deutsche Biographie. L u d w i g P a s t o r : August Reichensperger, 2 Bände, Freiburg 1899, O. P f ü l f : Kardinal von Geißel, 2 Bände, Freiburg 1895. J H a n s e n : Gustav von Mevissen, 2 Bände, Berlin 1906. A n t o n S p r i n g e r : Fr. Chr. Dahlmann, 2 Bände, Leipzig 1870/72. K a r l M ö l l e r : Leben und Briefe von J. Th. Laurent, 3 Bände, Trier 1887. . H. R e i n k e n s : Melchior v. Diepenbrock, Leipzig 1881. P. J. B. D i e 1 - K r e i t e n : Clemens Brentano, 2 Bände, Freiburg 1877/1878. J. N, S e p p : Görres und seine Zeitgenossen, Nördlingen 1867. (Christine v. Hoiningen-Huene) Erinnerungen an Amalie von Lasaulx, Gotha 1878. R e m i g i u s S t ö l z l e : E. von Lasaulx, Münster 1904. . W e g e i e r : Koblenz in seiner Mundart und seinen hervorragenden Persönlichkeiten, Koblenz 1906. N a g e 1 e r : Künstlerlexikon, München 1846. H . F i n k e : Carl Müller, Leben und künstlerisches Schaffen (Schrift der Görres-Gesellschaft 1896). H. F i n k e : Der Madonnenmaler Franz Ittenbach (Schrift der GörresGesellschaft 1898). A. M. v. S t e i n 1 e : Ed. von Steinle und A. Reichensperger (Schrift der Görres-Gesellschaft 1890). F r a n z M e h r i n g : Aus dem literarischen Nachlaß von Karl Marx, Friedrich Engels und Ferdinand Lassalle, Bd. II, Stuttgart 1902. H. v. P e t e r s d o r f f : Kleist-Retzow, Ein Lebensbild, Berlin 1907. D. A. R o s e n t h a l : Konvertitenbilder aus dem 19.Jahrhundert, Bd. I, Schaffhausen 1865.

I.

Kapitel.

Der Koblenzer Kreis und die Versuche katholischer Zeitungsgründungen. Als Preußen auf G r u n d der Bestimmungen des Wiener Kongresses im Jahre 1815 die Rheinlande übernahm, da trat ein Gesichtspunkt weit bedeutsamer als bisher in den Kreis der preußischen R e g i e r u n g : ihre Stellung zu der katholischen Kirche, der die meisten ihrer neuen Untertanen angehörten. Die Ideen des Rationalismus u n d der A u f k l ä r u n g des 18. Jahrhunderts, gepaart mit Bestrebungen nationalkirchlicher Natur, hatten im Katholizismus das religiöse Empfinden erkalten lassen u n d das G e f ü h l der Zusammengehörigkeit mit Rom gelockert. Von den rheinischen Katholiken w u r d e daher zunächst ein tieferer Gegensatz zu der protestantischen Regier u n g nicht e m p f u n d e n ; zumal auch die Verhandlungen der Regierung mit der römischen Kurie verhältnismäßig ein zufriedenstellendes Resultat hatten. Allmählich trat jedoch ein Wechsel in dem Verhältnis ein infolge der Regeneration, die sich in der katholischen Kirche vollzog. Schon durch die Ideen der Romantiker mit ihrer Vorliebe f ü r das katholische Mittelalter, besonders aber durch die Freiheitskriege war das religiöse Bedürfnis u n d E m p f i n d e n mächtig gestärkt. In der jungen katholischen Geistlichkeit vor allem begann sich die Opposition zu regen gegen die neue staatliche O r d n u n g , die ein Hindernis bildete f ü r ihre W ü n s c h e nach „Wiederherstellung der römischen Hierarchie in ihrem ganzen mittelalterlichen Glänze". Ihre Feindschaft galt sowohl den rheinischen Bischöfen, die nach ihrer Ansicht die Interessen der katholischen Kirche nicht g e n ü g e n d vertraten, und die deshalb



2



in der „ A s c h a f f e n b u r g e r Kirchenzeitung" *) auf das heftigste angegriffen w u r d e n , wie dem Hermesianismus, der immer mehr Einfluß unter der Geistlichkeit g e w a n n . Der B u c h h ä n d ler Perthes spricht im Jahre 1824 von einer k r a m p f h a f t e n A u f r e g u n g innerhalb der katholischen Kirche, die wohl nicht mehr lange w e r d e ausbleiben können, u n d fünf Jahre später sieht er eine tiefe W a n d l u n g als geschehen an, „die katholische Kirche ist römischer u n d hierarchischer geworden, u n d die protestantische Geistlichkeit steht in heftigem Protestantismus in S c h l a c h t o r d n u n g d a " . 2 ) Bei solcher sich vorbereitenden V e r s c h ä r f u n g der G e g e n sätze w u r d e das Bedürfnis nach Anschluß an Gleichgesinnte u n d nach gemeinsamem Gedankenaustausch rege, u n d diesem Bedürfnis verdankte in Koblenz, wo durch das Wirken von Görres, der auch nach seiner Flucht im Jahre 1819 in regem Verkehr mit seinen Koblenzer Freunden blieb, ein lebhaftes politisches Verständnis herrschte, die sogenannte „ T y p p u s Gesellschaft" 3) ihr Dasein. Eine „kleine D i e n s t a g - A b e n d gesellschaft" entstand sie „ d u r c h gemeinsames Halten von Ecksteins Katholik 1 ), dem Straßburger 6 ), dem Staatsmann 6 ) und dem Leipziger katholischen Literatur- u n d Kirchenkorrespondenten 7). Alle Leute, „mit denen man noch ein vern ü n f t i g katholisch legitimes W o r t reden kann", durften sich einfinden. 8 ) Gewöhnlich waren es 6—8 Männer. Die Stifter dieser Gesellschaft, Stadtrat Dietz, Dr. Settegast u n d Clemens Brentano waren tief religiös angelegte Menschen. Von den sonstigen Teilnehmern an den A b e n d e n entwirft Brentano ein humorvolles Bild: „ D e r beste von Allen mit weniger 1 j Die A K. Z. erschien seit dem Jahre 1829 und wurde von 1831 ab von Pfeilschifter redigiert Vgl Bachem 1. 206. 2 ) Erinnerungen an Amalie v. Lasaulx S. 60 f. 3 ) nach dem Orte ihrer Zusammenkunft. 4 ) vgl. Rosenthal ,Convertitenbilder' Bd. 1, S. 91 ff. 6 ) gemeint ist der Mainzer Katholik, der in diesen Jahren in Straßburg erschien. *) vgl. Bachem a. a. O. 1, 202 ff., herausgegeben von Pfeilschifter. ') von dem nur 6 Hefte erschienen sind, und an dem A. Müller und Pfeilschifter beteiligt waren. Bachem 1, 183. « Karl Möller, Leben und Briefe von J. Th. Laurent 1, 270 ff.

reinlicher Eitelkeit recht wohlgesinnt gewordene Liel (der Geschäftsmann des Freiherrn v o m Stein), als Konversationslexikon der S t r a m b e r g , als Ichneumon gegen dieses kuriose Krokodil der ehrliche pikantische Bachoven, dann Mähler, dann weiter, als noch nicht g a n z fallen zu lassen der immer mehr in Philosophie und Untätigkeit verkommende Hammer, dann ein wohlgesinnter Gymnasialprofessor, weiter dann und wann der Friedensrichter Burret, L o n g a r d usw. Allerlei Gutes und Dummes, aber nichts Böses und Plattes kommt vor. Herr Regierungsrat L a n g und Konsorten nennen es die apostolische J u n t a . " Clemens Brentano, der sich vor seiner Übersiedlung nach Koblenz mehrere Jahre in Dülmen bei der stigmatisierten N o n n e Katharina E m m e r i c h aufgehalten hatte und dessen religiöses Empfinden stark mystisch gefärbt war, sowie Dietz und Settegast — für B r e n t a n o „unser sehr frommer, vertrauter, genialer Freund, der erste Arzt und mit Dietz der beste Mann der S t a d t 2 ) — waren e n g befreundet mit Görres. Görres ges. Briefe III,

285.

Brentano

an

Görres,

Anfang des

Jahres 1827. Interessant ist das Urteil des jungen Referendars A. Reichensperger, — der ja sein

katholisches Herz

erst 1 8 3 7 entdeckt haben

will, wo er

sich den „bisher gemiedenen streng kirchlich gesinnten Koblenzern, einem Dietz, Settegast und Seidel anschloß», im J a h r e

1833.

Anläßlich

3

) —

über den

der Bekanntschaft

„frommen Klub»

mit Stramberg,

der ihn

»angetan mit dem Kleide einer Äbtiss'n" empfangen hatte, schreibt er in sein T a g e b u c h :

„Obgleich er zu dem frommen

K l u b gehört,

er einen mit gottseligen, erbaulichen Redensarten g a r nicht.

molestiert Oberhaupt

scheint er mir dafür viel zu hoch zu stehen, um ein Glaubensknecht zu sein, und fast kommt es mir vor, als halte er sich b l o ß zu den frommen Phantasten

um

des weltlichen

Einflusses und Zeitvertreibes willen und

da hatte er nicht so unrecht, so ein geistreicher Frömmler ist tausendmal unterhaltender als lichen

Pflichten

Kadaver

noch

Pflichten gegen

der

neben seinen amt-

seine Ehehälfte

und seinen

kennt."4)

) Pastor *) Pastor frommen Klub hervorragenden 3

2

ein trockener Geschäftsmann, nur

) Cl.

I, 77. a. a. O . I, 4 5 : Ü b e r Stramberg und seine Beteiligung am vgl. auch Wegeier, Coblenz in seiner Mundart und seinen Persönlichkeiten. 782 u. A. D . B . LIV, 657 f.

Brentanos Briefe II, 131, vgl. auch Wegeier, a. a. O . S . 85.

Dietz schreibt an ihn im Jahre 1825, daß er jetzt wisse, daß' er getrieben werde, unseres lieben Herrgotts Hausknecht in seiner Stadt Koblenz am Rhein zu sein, u n d daß er sich ganz d e m ü t i g an seine Kirche zu halten habe. 1 ) Dietz 2 ), von Beruf Blechwarenfabrikant, entfaltete neben seiner politischen Wirksamkeit — er war seit 1826 Vertreter von Koblenz auf d e m rheinischen Provinziallandtage — eine große soziale Tätigkeit. 1825 entstand auf seine Veranlassung das Bürgerhospital, an das die katholischen Schwestern vom O r d e n Saint Charles de N a n c y berufen wurden, 3 ) u n d f ü r welches Brentano den Erlös seiner Märchen bestimmte. Ein anderes Gebiet war die Sorge f ü r die Jugend, f ü r die Schule. Im Jahre 1830 hatte Dietz mit Mähler eine Stadtschule auf dem Rathaus durchgesetzt, unter der Leitung des Vikars Cornely aus Boppard. Allein das U n t e r n e h m e n scheiterte an „der H a l t u n g der Regierung". 4 ) Zu dieser Zeit entstand auf dem Marienberg zu Boppard eine weibliche Erziehungsanstalt, deren Begründerinnen, die Geschwister Doli, in nahen Beziehungen zu Dietz u n d Brentano standen. 5 ) Für die J u g e n d zu wirken u n d sie in religiösem Sinne zu erziehen, darauf zielte ein Projekt Brentanos, das in den 40 er Jahren wieder aufgegriffen u n d im Borromäus-Verein verwirklicht w u r d e ; er wollte eine christliche Leihbibliothek schaffen, die von Räß u n d Weiß, den H e r a u s g e b e r n des Katholik in Mainz geleitet werden sollte. 6 ) Ferner suchte er die G r ü n d u n g einer katholischen Monatsschrift anzuregen, zu deren Mitarbeiter Rom die bedeutendsten Gelehrten a u f f o r d e r n müsse. 7 ) Diese Seite, die bewußte A n l e h n u n g an Rom, ist b e s o n d e r s wichtig f ü r die Beurteilung der Tätigkeit dieser Männer. D u r c h ') Diel-Kreiten, Clemens Brentano II, 327. 2 ) über seine Beziehungen zu Görres vgl. Sepp, Görres und seine Freunde. S. 329 ff. 3 ) vgl. Brentanos Schrift: Die barmherzigen Schwestern in Bezug auf Armen- und Krankenpflege nebst einem Bericht über das Bürgerhospital in Coblenz und erläuternden Beilagen. Coblenz bei Hölscher. 1831. 4 ) vgl. Brentanos Briefe II, S. 251 und Görres ges. Br. III, 382. E ) Diel-Kreiten a. a. O. II, 406 ff. •) Cl. Brentanos Briefe II, 93 ') Cl. Brentano a. a. O. II, 137.

Christian Brentano 1 ), der 1823—27 in Rom weilte, um Priester zu werden, war die F ü h l u n g mit dem Mittelpunkt der katholischen Kirche eine sehr rege. Es war zunächst n u r ein kleiner Kreis, der aber zielbewußt die Regeneration des Klerus u n d die E r w e c k u n g religiösen Sinnes verfolgte. Als z. B. das Jubiläum im Jahre 1826 verkündet war, schrieb Brentano, daß dieses eine sehr schöne Gelegenheit gewesen wäre, die deutsche Kirche in ein Einheitsgefühl unter sich u n d mit Rom zu bringen, wenn die Bischöfe ein und dasselbe Gebetsf o r m u l a r und dieselbe Ablaßerklärung a n g e n o m m e n hätten. 2 ) Alles h u n g e r e am Rheine nach dem W o r t e Gottes, u n d ein einziges größeres Predigertalent könne Unbeschreibliches wirken, denn es sei eben alles verschüchtert u n d verflacht, der Gottesdienst und der Kirchengesang verwildert. 3 ) Dietz bem ü h t e sich auch d a r u m . Daß der Koblenzer Kreis allmählich bekannt w u r d e u n d Einfluß gewann, geht aus den Berichten des Landrats Schnabel in den 30 er Jahren an die Regierung hervor. 4 ) Sie sind zwar n u r mit großer Vorsicht zu benutzen, haben aber doch einiges Interesse, ja auch einen gewissen Wert, wie die Ereignisse der 40 er Jahre in Koblenz beweisen. In Dietz, der sehr liiert sei mit G ö r r e s u n d Brentano, sieht Schnabel mit Recht das H a u p t der sogenannten f r o m m e n , katholischen Partei. 5 ) Von großem Interesse ist seine Beobachtung, daß sich dieser Partei auch die katholischen Advokaten, Justizbeamten u n d mehrere Einsassen anzuschließen schienen. 6 ) In den 40er Jahren wird es sich noch m e h r zeigen, welchen starken Anteil gerade die rheinischen Juristen an der katholischen antipreußischen S t r ö m u n g n a h m e n . U n d das ist ganz natürlich; der Richterstand war durch die Anhänglichkeit an die rheinische Gesetzg e b u n g , der von Berlin immer Verderben drohte, von vornherein in eine gewisse, leicht verständliche Opposition ge») vgl. A. D . B. III, 309 ff. 2 ) Cl. Brentano II, 157. 3 ) Cl. Brentano II, 132. 4 ) Über Schnabels Tätigkeit vgl. Hansen, Mevissen 1, 219 ff. 6 ) Berl. Archiv Rep. 77 Tit. 505 nr. 4 vol. 2 f. 84. B. A. R. 77 Tit. 505 nr. 9 vol. 2 f. 263. 6 ) B. A. R. 77 Tit. 505 Nr. 9 vol. 1 f. 249 ff.

drängt. Das „zähe Festhalten" an ihrem französischen Rechte rief eine „tiefe V e r a c h t u n g " gegen die preußische Gesetzg e b u n g hervor, dazu kamen einige Mißgriffe in der W a h l der höheren Justizbeamten, die die rheinische Juristenwelt tief verletzten. Ein äußeres Zeichen des neu erwachenden Lebens in der katholischen Kirche waren große Fronleichnamsprozessionen, die nie verfehlten, einen tiefen Eindruck auf das Volk zu machen, u n d die besonders in Koblenz i m m e r glanzvoller gestaltet w u r d e n . 1834 sollen auch die katholischen Justizbeamten usw. zum ersten Male an dieser Prozession teilg e n o m m e n haben, was sonst f r ü h e r weniger der Fall gewesen sei. 2 ) Im Jahre 1835 erschien dann das „rote Buch" (Beiträge zur katholischen 'Kirchengeschichte des 19. Jahrhunderts), das in Koblenz die öffentliche Aufmerksamkeit sehr in A n s p r u c h g e n o m m e n h a t 3 ) u n d durch die katholische Partei eifrig verbreitet worden sein soll. 4 ) Das Erstarken des Gef ü h l s im katholischen Klerus f ü r das, was er seinem Glauben schuldete, beweisen auch die in den folgenden Jahren immer häufiger w e r d e n d e n Fälle, daß Katholiken, die sich nicht zu ihrer Kirche gehalten haben, das kirchliche Begräbnis verweigert wurde. 6 ) Brentano, der im Jahre 1825 den Mangel an geeigneten M ä n n e r n bedauerte, sprach sich lobend aus über die j u n g e Geistlichkeit: „Die Kapläne sind alle sehr o r t h o d o x u n d u n e r m ü d e t fleißig, einige mit schönem, innern Talent, auch sind sie einig. 6 ) Ein Zeugnis f ü r den überall hervortretenden Gegensatz zwischen den noch in der Aufklärungszeit wurzelnden Geistlichen u n d dem j u n g e n Nachwuchs ! Die katholische Partei begann allmählich sich sicherer zu f ü h l e n . A n f a n g des Jahres 1836 reichte sie einen schriftlichen Protest beim O b e r p r ä s i d i u m dagegen ein, daß in einer kathovgl. Erinnerungen an Amalie von Lasaulx. S. 62. ) B. A. R. 77 Tit. 505 nr. 4 vol. II f. 84. ") B. A. R. 77 Tit. 505 nr. 4. 5/11 53 Bodelschwingh an d. Min. Rochow. 4 ) B A. R. 77 Tit. 505 nr. 9 vol. 11, 3 / 2 36. 6 ) B. A. R. 77, Tit. 505 nr. 9 vol. 11, 27/1 36. •) Cl. Brentanos Briefwechsel II, 131. 2

v.

lischen Stadt, u n d zwar w ä h r e n d der Fastenzeit, auf dem T h e a t e r Stücke a u f g e f ü h r t würden, die die katholische Religion u n d Geistlichkeit herabsetzten u n d verspotteten, wie „ D e r Glöckner von N o t r e Dame". Unterzeichnet haben den Protest Justizrat u n d Advokat Adams, Bongardt, dann Dietz und Settegast. Ein Schritt, der nach Schnabels Ansicht das Bestreben der „ G l a u b e n s a r m e e " zeigt, jede Veranlassung zur Verstärkung ihres Einflusses zu benutzen. Man suche allenthalben das katholische Volk glauben zu machen, daß es jetzt an der Zeit sei, seiner Religion das nötige Gewicht und Ansehen nach außen wieder zu geben, u n d daß hierzu die bedeutendsten Familien des Landes O p f e r bringen w ü r d e n . W i e einflußreich die „ G l a u b e n s a r m e e " geworden war, zeigt das Urteil des eifrigen Laurent, des späteren apostolischen Vikars in Luxemburg, im Jahre 1836 2 ): „ D a s Spital hat sich zu herrlicher Blüte entfaltet u n d verbreitet d u r c h das Beispiel seiner Bewohner, durch die reiche ihm eins t r ö m e n d e Segensfülle und die der christlichen Barmherzigkeit eigene Anziehungskraft ein neues, eifriges Glaubensleben in den Koblenzer Kreisen. Wäre in jeder Stadt ein Seydell und eine katholische Sozietät wie Dietz, Adams, Burchard u n d Konsorten, sie (die Hermesianer) würden schon unschädlich gemacht. Die Guten scheinen mir wirklich hier so lauter als fest zusammenzustehen." Auffallend ist die große Anzahl von Konvertiten, die wir unter den gläubigen Katholiken finden, ein Beweis, wie nachhaltig die romantischen, mystischen Lehren gewirkt haben. Da ist zu n e n n e n : S e y d e l l 3 ) ; er w u r d e 1788 in Stettin geboren, studierte Kameralia und machte als preußischer Husarenoffizier die Befreiungskriege mit. Als Referendar in Stettin trat er 1822 zur katholischen Kirche über u n d w u r d e 1830 zum Priester geweiht. Im Jahre 1831 zog ihn Dietz von Bonn, wo er Seelsorger bei der J u n g gesellenbrüderschaft gewesen war, nach Koblenz zur G r ü n d u n g eines Waisenhauses, zu St. Barbara, und als Vikar an die Barbarakirche. Im Jahre 1830 schreibt Josef L a u r e n t 4 ) 1

) R. 77 Tit. 505 Nr. 9 vol. 11, 2/4 36.

Schnabel an v. R o c h o w .

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) Karl Möller a. a. O. 1, S. 2 7 0 ff. 8 ) Rosenthal, Konvertitenbilder aus d e m XIX. Jahrh. I, S. 308 ff. «) Karl Möller, a. a. O . I, 153.

M ö n c k m e i e r , Rhein- u. Moselzeitung.

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über ihn: „In jeder Stadt ein solcher Prediger, und es würde das katholische Volk bald geweckt sein aus seinem krankhaften Schlummer." Seydell war eng befreundet mit dem ehemaligen Regierungsassessor B u r c h a r d (geb. 1790 zu Neu-Ruppin), der 1821 zur katholischen Kirche übergetreten war. Burchard sagt selbst in seiner Biographie 1 ), daß die überall nach der großartigen Katastrophe von 1806—1815 eingetretene W e n d u n g zu ernsterer und tieferer Lebensauffassung, vorzüglich in der Jugend, auch auf ihn einen bedeutenden Eindruck gehabt habe. Im Jahre 1822 hatte er eine Zeitlang in Berlin in innigster Freundschaft mit den beiden Goßler 2 ) und Jarcke gelebt. Ende der 20er Jahre verkehrten er und Seydell: in Bonn viel mit dem Konvertiten Nicolaus Möller, dessen Haus dort zu einem Mittelpunkt katholischen Lebens wurde. — Durch ihr Wirken — sie galten als Mitglieder des „geheimen Jesuitenordens" — sowie die Bemühungen des Professors Klee, des Nachfolgers von Hermes, und den zeitweiligen Aufenthalt Christian Brentanos bildete sich damals in Bonn der Kern einer katholischen Gesellschaft, die lebhafte Beziehungen zu den Koblenzer Katholiken pflegte. 3 ) Burchard, der dann Seydell nach Koblenz nachgefolgt zu sein scheint, hat auch eine große schriftstellerische Tätigkeit entfaltet. Er war Mitarbeiter am „Katholik" und den „Wiener Jahrbüchern", schrieb unter anderm eine Besprechung von Rankes Geschichte Deutschlands im Zeitalter der Reformation, ferner eine ganze Reihe von Schnitten rein kirchlichen Jnhalts. War schon die Fronleichnamsprozession des Jahres 1836 überall von den Katholiken mit ungewöhnlicher Pracht, vorzüglich in Koblenz, wo eine Reihe der höchsten Beamten sie begleiteten, begangen, so bot sich für Koblenz in diesem Jahre eine weitere Gelegenheit, das Erwachen des kirchlichen Lebens nach außen hin glänzend zum Ausdruck zu bringen: die 1000 jährige Jubelfeier der St. Castorkirche. Die KobRosenthal a. a. O. I S, 300 ff. ) 2 bekanntere Konvertiten, von denen der eine als »Pater Henricus Gossler« in den 40 er Jahren durch seine Predigten und den Versuch, ein Klarissinnenkloster zu gründen, viel Aufsehen erregte. 3 ) Karl Möller a. a. O. I. S. 149. 2

lenzer Rhein- u. Moselzeitung enthält über die „wahrhaft erhebende" Feier 1 ) eine Reihe von Berichten, aus denen ein tief religiöses Empfinden spricht. Sie dürften wohl aus der Feder eines Mitgliedes der „Glaubensarmee" stammen. Schon im Mai wurde angekündigt, daß die kirchliche Festlichkeit 8 Tage dauern werde, und daß man hoffe, durch die „allerhöchste Huld unseres gnädigsten Königs" neue Glocken für die Kirche anschaffen zu können. Die eigentliche Feier fand im Juli statt. „Die Prozession war eine der feierlichsten und von einer unabsehbaren Menge jedes Standes und Alters begleitet." Eine große Menge Geistlicher war aus der Ferne zur Verherrlichung des Festes eingetroffen und die Feier selbst wurde damit geschlossen, daß vom Bischof mehrere Personen, bisher Nichtkatholiken, in den Schoß der katholischen Kirche aufgenommen wurden. 2 ) Während des Festes teilte die Rhein- u. Moselzeitung einen zweiten Aufruf mit für eine Kollekte für die Glocken, die ein Denkmal zur Erinnerung daran sein sollten, „daß schon vor mehr als 1000 Jahren in den Ländern am Rhein der christliche Glaube feste Wurzeln geschlagen". Dieser neue Aufruf wurde damit begründet, daß „ein allerhöchsten Orts nachgesuchter Beitrag nicht bewilligt werden konnte", ein Vorgehen, das von Schnabel mit Recht als eine Spitze gegen die preußische protestantische Regierung gedeutet wurde. Überhaupt war die Regierung nicht sehr erbaut von der Feier, bei der einige „unerfreuliche Erscheinungen" vorgekommen waren. 3 ) Einige Fanatiker sollen die Ablehnung der Bitte sehr übel genommen haben, und auf ihre Veranlassung sei die neue Aufforderung zu Beiträgen erlassen, in der die Ablehnung der Bitte unpassenderweise erwähnt sei. Während der Feier seien in der Castorkirche Predigten im Sinne und Stile der Kontroverspredigten gehalten worden, wobei vor allem Seydell sich durch seine Heftigkeit hervorgetan haben soll,4) auf dessen Entfernung, da er nicht in der Diözese Trier rezipiert war, der Oberpräsident daher Bedacht nehmen will. Durch die Predigten sei

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) 3 ) 4 ; dote in

Rh.-Mz. 4/5, 12/5, 26/7, 29/7, 2/8 36. Rh -Mz. 26/7 36. B. A. R. 77 Tit. 505 nr. 4 vol. 2 f 226. Wie sehr gerade er den Protestantismus haßte, zeigt eine AnekErinnerungen an Amalie v. Lasaulx. S. 18. 2*



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viel Gerede entstanden, und besonders bei der unteren Klasse dadurch manches dem Gouvernement nachteilige Urteil wachgerufen. Doch muß der Oberpräsident anerkennen, daß die ganze Feier ohne die mindeste Ruhestörung vor sich gegangen sei. Einzelheiten weiß natürlich Schnabel zu b e r i c h t e n . „ D i e Prozession glich einem Triumphzuge. Seydell trug an der Spitze der Prozession die erste Fahne, Burchard ging zur Seite des Venerabile mit einer brennenden Kerze. Auch Brentano (Christian), der noch in Boppard ist, war zugegen mit der ganzen sogenannten frommen Gesellschaft." Aus den Berichten geht hervor, daß die „ultramontane Partei" der Regierung nicht günstig gesinnt erscheint. Schnabel betont immer wieder die Opposition der ultra-katholischen Partei und ihr Bestreben, die Provinz gegen die Regierung aufzuregen; Dietz mit seiner „Scheinfrömmigkeit" werde ganz mit Unrecht für einen Biedermann und dem Gouvernement treu ergeben gehalten. 2 ) Daß der Koblenzer Kreis der Regierung nicht zugetan war, zeigt eine Äußerung von Dietz seinem Freunde Görres gegenüber. Mit dem neuen Oberpräsidenten (von Pestel), der ein überaus braver Mann von der besten Gesinnung sei, so schreibt Dietz, gehe vieles besser, ebenso sei Brüggemann (katholischer Schulrat in Koblenz) „allen ein lieber Freund geworden" und „die totale Schlechtigkeit" habe ein Ende. „Aber es ist alles verfahren und verrenkt, und da unser wohlmeinender Bischof (Hommer) seine Zeit nicht begreift, so ist das, was in dieser Zeit nottut und helfen könnte, auf allen Seiten so beschränkt und erlahmt, daß man gar nicht sagen kann, wie sich die Dinge besser gestalten können als durch eine Sündflut." 3) Nach Schnabels Aussagen stand diese ganze Partei mit dem Ausland und vorzüglich mit Belgien und mit der katholischen Geistlichkeit der Provinz in ununterbrochener Verbindung; und zwar werde die belgische Korrespondenz von Dietz und Adams besorgt. Wie wenig die Regierung den „Ultramontanen" traute, zeigt die genaue Überwachung von dreien unter ihnen, Seydell, Cornely und Adams „als den ») B. A. R. 77 Tit. 505 Nr. 9 vol. 2. 2 ) B. A. R. 77 Tit. 505 Nr. 9 vol. 3. ») Qörres a. a. O. III, 413: Dietz an Görres 11/12 32.



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tätigsten u n d eifrigsten W e r k z e u g e n der Koblenzer fanatischen Partei" anläßlich einer Reise im Jahre 1839. D a s G o u v e r n e m e n t vermutete einen gemeinschaftlichen Zweck, eine kirchliche, propagandistische Mission, „ein Rendez-vous im Ausland, Frankreich, Schweiz, in Bayern oder gar in Rom", um gegen die jetzige Verwaltung der Diözesen Trier u n d Köln zu intrigieren. 1 ) Auch Jarcke, der in Belgien einen zweiten Teil der „Beiträge" (zur katholischen Kirchengeschichte des 19. Jahrhunderts) herausgeben wolle, w u r d e mit den Koblenzer „ U l t r a m o n t a n e n " in V e r b i n d u n g gebracht. Im August 1837 sollen bei Christian Brentano heimliche V e r s a m m l u n g e n stattg e f u n d e n haben, deren Resultat die V e r l e g u n g der Zentralstelle der Partei von Koblenz nach Frankfurt gewesen sei. 2 ) Diese E r z ä h l u n g Schnabels macht jedoch einen etwas u n w a h r scheinlichen Eindruck, zeigt aber, daß man es mit einer festen Organisation zu tun zu haben glaubte. Daß auf diese glaubenstreuen Katholiken d e r Kölner Kirchenstreit u n d die G e f a n g e n n a h m e des Erzbischofs im Jahre 1837 einen tiefen Eindruck machen und die schon bestehende A b n e i g u n g gegen Preußen sehr verschärfen mußte, ist wohl selbstverständlich. Die rheinischen Katholiken schlössen sich infolge der gemeinsamen Opposition gegen den Eingriff der preußischen Regierung in die Rechte der katholischen Kirche n u r noch enger zusammen, u n d wenn auch die Regierung zunächst nicht nachgab, „im J a h r e 1837 feierte die katholische Kirche ihren ersten offenbaren Sieg , da sind wir erst wieder katholisch geworden, v o r h e r wußten wir selber kaum, was wir waren. 3 ) In Koblenz, w o man „zu Weihnachten 1500 K o m m u n i kanten mehr als im v o r h e r g e h e n d e n Jahre" zählte, trat u. a. Seydell f ü r das Recht des Erzbischofs entschlossen ein. Das Volk bewachte ihn T a g u n d Nacht u n d t r u g ihn eines Tages, als er ausgegangen war, um ihn zu sichern, auf den Schultern nach Hause. 4 ) Die Regierung versuchte, ihn aus der x

) ) 3 ) 4 ) 2

Cobl. Archiv Acc. 21/08 Tit. 5. Sect. 11, Nr. 2535. B. A. R. 77 Tit. 505 nr. 9 vol. 3. Amalie v. Lasaulx S 71. Görres a. a. O. 111, 485 an J. v. Giovanelli 30/1 38.



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Diözese zu entfernen; nach zweimaliger vergeblicher Aufforderung an den Generalvikar in Trier wandte sich Bodelschwingh an den Fürstbischof von Breslau, Sedlnitzky, als Ordinarius von Seydell; allein der Versuch mißlang. 1 ) Ein interessantes Beispiel dafür, daß Anordnungen der Regierung in diesen Dingen auch von hohen Beamten einfach nicht befolgt wurden, ist der „Fall Nicola". Ein Koblenzer von Geburt, der seine Studien in Rom gemacht hatte, dann lange Jahre Missionar gewesen war, wurde Nicola, als der Regierung verdächtig, der Zutritt nach Preußen im Jahre 1841 untersagt; trotzdem hielt er sich aber im folgenden Jahre in Koblenz auf und verkehrte fast täglich im Hause des Polizeidirektors und Oberbürgermeisters Mähler. In den 50 er Jahren wurde er als Hilfsprediger in Trier wegen seines auffallenden Äußeren — er trug einen überlangen schwarzen Rock und einen eigentümlichen breitkrämpigen Hut — besonders bei Funktionen, die auf Wirkung in der Öffentlichlichkeit berechnet waren, verwandt, bis er 1855 anscheinend wirklich ausgewiesen wurde. 2 ) Daß auch in den 40 er Jahren die „Ultramontanen" in Koblenz nicht untätig gewesen sind, geht besonders aus der Polemik in der Presse hervor, die sich sehr eingehend mit „dem Sitze der Römlinge", der „Hochburg des Ultramontanismus" und besonders der „Glaubensarmee" beschäftigte. Sie soll den Kern des „Ultramontanismus" am Rhein ausmachen. 3 ) Das „Hauptstandslager der rheinischen Abteilung der großen ultramontanen Glaubensarmee" ist Koblenz, sagt die Bremer Zeitung. 1 ) Besondere Aufmerksamkeit widmeten ihr der „Rheinische Beobachter" und die „Elberfelder Zeitung". Zwar soll sie schon im Jahre 1844 ihre wöchentlichen Zusammenkünfte eingestellt haben, weil der Bischof Arnoldi sie bei seinem Besuche in Koblenz auffallend gemieden habe 5 ), doch muß diese Behauptung sich als ein Irrtum herausgestellt haben, da die Glaubensarmee, unter deren a

) 3 ) *) e )

Rosenthal a. a. O. 1, 308 ff und K. Möller a. a. O. 1, 436, 456. C. A. Acc. 21/08 Tit. 5, Sect. 2, N r . 2535. Voss. Ztg. in der E. Z. 1/9 46. E. Z. 13/10 46. E. Z. 10/6 44, 13/8 44; 22/4 44.



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eifrigsten Mitgliedern immer noch Dietz, der „ K ä m p f e r für die baldige Wiederbesetzung des katholisch philosophischen Lehrstuhles an der Universität B o n n " , genannt wird, auch die nächsten Jahre der „Elberfelder Zeitung" viel Ärger bereitete. Auch in katholischen Blättern, so im „Katholik", wird der kirchliche Sinn in Koblenz gerühmt, w o täglich das kirchliche Leben sich schöner entfalte und auch im Stadtrat der kirchliche Einfluß vorherrsche. D a s sollte sich jedoch bei der Neuwahl E n d e des Jahres 1846 ändern. Infolge der Einf ü h r u n g der neuen G e m e i n d e o r d n u n g fanden in diesem Jahre überall neue Wahlen statt, die zum ersten Male einen scharfen G e g e n s a t z zwischen Katholiken und Liberalen offenbaren sollten. In Koblenz war ein äußerst erbitterter Kampf, der in der rheinischen Presse lebhafte B e s p r e c h u n g fand. Die Wahlen in der 3. Klasse fielen zu G u n s t e n der „ G l a u b e n s a r m e e " aus, die jedoch in der 1. und 2. Klasse unterlag. In der „ R h e i n - u . Moselzeitung" wurden die Wahlen der 3. Klasse „ a l s a u s der großen Majorität der Bevölkerung, a u s dem Keime der Bürgerschaft hervorgegangen", bezeichnet, die ganze Zus a m m e n s e t z u n g d e s Stadtrats aber erregte bei ihr Bedenken. In der Tat legten denn auch die in der 3. Klasse gewählten Vertreter, darunter Dietz und A d a m s , ihr Mandat nieder — an ihre Stelle traten jedoch vier andere „Ultramontane", alles Juristen, Reichensperger (der jedoch nicht bestätigt wurde), L o n g a r d t I und II u n d Aldenhoven — um dem „sogenannten Liberalismus und Fortschritt versuchsweise das Feld zu überlassen". 2 ) Während in der Rhein- u. Moselzeitung d a s Verhalten der Liberalen, die sich mit den Protestanten g e g e n die Katholiken vereinigt hätten, scharf getadelt wurde, griff die „Elberfelder Zeitung", das „Frankfurter J o u r n a l " und der „Rheinische Beobachter" die Haltung der Glaubensarmee, bes o n d e r s einiger j u n g e r Geistlichen, heftig an. Man behauptete, in Koblenz hätten sich eine Reihe von „ K r ä n z c h e n " gebildet, geleitet von den Führern der Glaubensarmee, die frühzeitig eine sehr lebhafte Agitation ins Werk gesetzt und die Bürgerschaft f ü r ihre Kandidaten bearbeitet hätten, während bei der Katholik, Nr. 25, 1844 17/4 und 26/4 46 und 30/5 47. ) Tr. Z. Nr. 285 12/10 46 aus der Rh.-Mz. vgl. auch E. Z. 2/10 46 aus der Rh.-Mz. 2



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Wahl selbst ein g r o ß e r Teil der Geistlichkeit sich in dem W a h l lokal aufgehalten und die Abstimmung der Bürger überwacht habe. M a g auch in diesen Berichten übertrieben worden sein, so ist der Kampf ü b e r h a u p t doch ein Beweis f ü r die sich immer klarer vollziehende S c h e i d u n g der Geister u n d dafür, daß der „ U l t r a m o n t a n i s m u s " zu einer Macht heranwuchs, die nicht mehr übersehen werden konnte. Mit Recht heißt es in der „Bremer Zeitung" 2 ): „ W e n n vielleicht Fürsten ihre Festu n d Feiertage am Rhein auf Schloß Brühl u n d B u r g Stolzenfels gehabt haben, so zeigten die Prälaten und Kirchenfürsten sich ihrerseits in nicht minderem Glänze w ä h r e n d des Jubiläums in Münster. Keinem Zweifel kann es unterworfen sein, daß der römische Katholizismus seit 2 J a h r h u n d e r t e n nicht mehr solche Kraft entfaltet hat, als gerade jetzt. Freilich befand er sich auch seit der Reformation nicht in solcher Bedrängnis der Geister." Das Urteil ist ganz treffend. D a s bewußte prononzierte Auftreten der katholischen Kirche nach außen, die durch Entfaltung ihrer Pracht hervorgerufene Einw i r k u n g auf die Massen, so in Trier, Münster, bei der Heiligtumsfahrt nach A a c h e n 3 ) u n d im Kleinen in Koblenz bei den Fronleichnamsprozessionen, verfehlten ihre W i r k u n g nicht. Glich doch eine Reise Arnoldis nach Köln im J a h r e 1845 einem „ T r i u m p h z u g e " , der von der katholischen „Luxemb u r g e r Zeitung" als „das" Ereignis des Jahres 1845 bezeichnet w u r d e . Ein Beweis, daß das katholische Leben am Rhein einen kräftigen A u f s c h w u n g nahm, u n d daß die f ü h r e n d e n M ä n n e r im rheinischen Katholizismus sich des W e r t e s eines engen Zusammenschlusses wohl bewußt waren, ist die G r ü n d u n g des Karl-Borromäus-Vereins im Jahre 1844, bei der die K o b lenzer Katholiken in h e r v o r r a g e n d e r Weise beteiligt waren. S o w u r d e später in der rheinischen Presse, o b w o h l der Sitz des Vorstandes Bonn war, Koblenz als „ H a u p t q u a r t i e r " des ') Tr. Z. Nr. 352 18/12 46, Rh. Beob. 12/10 46, E. Z. 5/10, 7/10, 9/10, 11/10, 19/10, 27/10, 1/11, 13/12, 23/12 46. *) E. Z. 13/10 45. ') Vgl. E. Z. 4/6 46.



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Vereins bezeichnet, f ü r den vor allem Dietz unermüdlich wirke. Von dem Verein, g e g r ü n d e t „zur Belebung christlicher G e s i n n u n g u n d A n r e g u n g zu einer derselben entsprechenden Wirksamkeit" w u r d e sofort eine lebhafte Tätigkeit entfaltet. Der Entwurf der Statuten trägt die N a m e n fast aller Katholiken des Rheinlandes, die in den größeren Städten der Rheinprovinz f ü r die katholische Sache tätig gewesen sind. Besonders Koblenz weist eine g r o ß e Anzahl N a m e n auf, unter ihnen die Mitglieder der „Glaubensarmee" u n d auch den Zensor der Rhein-Moselzeitung, Regierungsrat Halm. Bezeichnend f ü r den g u t katholischen Geist der G r ü n d u n g ist es, daß die Statuten den Bischöfen der Rheinprovinz u n d Westfalens zur P r ü f u n g vorgelegt w u r d e n u n d daß der Vorstand f ü r das erste Mal von dem Erzbischof Geißel ernannt w u r d e ; zu ihm gehörte aus K o b l e n z : Dietz, A d a m s u n d Pfarrer Holzer 2 ). Schon bei der G r ü n d u n g dieses Vereins wirkte das Moment einer G e g e n w i r k u n g gegen den unheilvollen Einfluß der schlechten Presse mit, u n d sein nächstes Ziel sollte daher sein, dem verderblichen Einflüsse, den die schlechte Literatur auf alle Klassen der bürgerlichen Gesellschaft ausübe, durch die Verbreitung guter Schriften entgegenzuarbeiten. U m aber wahrhaft einwirken zu können auf die öffentliche Meinung, mußten die rheinischen Katholiken versuchen, in der Presse selbst Fuß zu fassen. U m die Tagespresse war es im „absoluten" Preußen nicht sonderlich gut bestellt. Die deutsche Bundesakte vom Jahre 1815 hatte wohl Preßfreiheit verheißen, aber der Bundesbeschluß des Jahres 1819, das sogenannte Bundespreßgesetz, f ü h r t e eine Z e n s u r f ü r alle Zeitungen, Zeitschriften, Broschüren u n d Bücher unter 20 Bogen ein. In Preußen jedoch w u r d e n d u r c h das Zensuredikt vom 18. O k t o b e r 1819 auch die Bücher ü b e r 20 Bogen der Zensur unterworfen. Ferner war zur G r ü n d u n g einer neuen Zeitung die Erlaubnis der Behörde erforderlich, u n d im Jahre 1822 w u r d e noch ein ') Vgl. Die Festschrift des Vereins zum heil. Karl Borromäus. 1895, herausgeg. v. Feiten. ») über Holzer s. Pfülf, Geissei I, 109, II 310 ff.

Bonn



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Zeitungsstempel eingeführt, infolgedessen für jedes Exemplar jährlich bei inländischen Zeitungen ein Taler, bei ausländischen 1 Taler 10 Sgr. bezahlt werden mußte. 1 ) Im Rheinland erschien daher nur eine beschränkte Anzahl politischer Tagesblätter, die, soweit es die Zensur, welche besonders in den 30 er Jahren sehr streng gehandhabt wurde, zuließ, eine mehr oder weniger scharf ausgeprägte liberale Tendenz verfolgten. Mit Friedrich Wilhelm IV. trat durch das Zensurgesetz vom 24. Dezember 1841 eine Milderung der Zensurbestimmungen ein,2) die allerdings bald wieder verschärft werden sollten; denn einer so hochherzigen und impulsiven Natur, wie der dieses Herrschers, mit seinen Gedanken von Volksbeglückung aus dem Füllhorn seiner königlichen Gnade konnte eine Presse, die alles kleinlich kritisierte, ja Einlösung von königlichen Versprechungen forderte, schwerlich zusagen. Der König war wohl überzeugt, daß eine gewisse Freiheit der Presse nötig sei, jedoch durfte sie nach seiner Ansicht nicht zur Zügellosigkeit ausarten, mußte vielmehr immer schön in Schranken gehalten werden. Aber die Presse nahm jetzt einen gewissen Aufschwung und gewann eine größere Bedeutung; um so verständlicher sind die Bemühungen der rheinischen Katholiken, sich ein Organ zu schaffen. Ein erster Versuch, eine katholische Zeitung zu gründen, scheint schon im Jahre 1837 in Aachen gemacht zu sein. Am 25. Januar 1837 baten die beiden Buchhändler Roschütz und Leuchtenrath um die Erlaubnis, eine zweite politische Zeitung unter dem Titel „Aachener allgemeine politische Zeitung" nebst einem „Wochenblatt für Verhandlungen der Gesellschaft, für nützliche Wissenschaften und Gewerbe" herausgeben zu dürfen. Sie begründeten ihr Gesuch nur mit dem allgemeinen Bedürfnis nach einer zweiten politischen Zeitung, da die ischon bestehende „ S t a d t A a c h e n e r Z e i t u n g " den an sie gestellten Anforderungen nicht entspreche. Eine Darlegung der zu befolgenden Grundsätze wird in dem Gesuch nicht gegeben, aber der Oberpräsident vermutete dahinter Machenschaften der „ultrakatholischen Partei". Die *) vgl. auch Bachem a a. O. I, 149 ff. 2 ) vgl. Treitschke a. a. O. Bd. V, 189 ff.



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„Stadt Aachener Zeitung", so berichtet er, „habe sich durch die Widerlegung einiger Schmähartikel gegen die preußische Regierung wegen ihrer Haltung gegenüber den Katholiken den Haß einiger fanatischer Geistlichen, die anscheinend bei der Abfassung der Artikel beteiligt gewesen seien, zugezogen. Sie hätten daraufhin Aktionäre geworben und wollten mit einer Summe von 3000 Talern ein Konkurrenzunternehmen gründen." Das Gesuch wurde infolgedessen abgelehnt. In den nächsten Jahren wurden anscheinend keine neuen Gesuche eingereicht. Erst Anfang 1843 tauchte das Projekt einer großen katholischen Zeitungsgründung wieder auf. Der Zensor der „Rheinischen Zeitung", Saint Paul, berichtete der Regierung in Berlin, daß das Verbot der „Rheinischen Zeitung" 2) in Köln zwei Projekte von Blättern hervorgerufen habe, welche von bekannten Autonomen ins Leben gerufen u n d von mächtigen Geldmitteln unterstützt, unter der Marke des Liberalismus das Volk mit der Regierung entzweien und der Hierarchie in die Arme führen sollten. Für eines dieser Organe solle ein Dr. Dietz 3 ) in Koblenz als Redakteur gewonnen, und für ein zweites derartiges Unternehmen bereits in Trier, Aachen und Koblenz ein Kapital von 50 000 Talern gezeichnet sein. Man hoffe, daß sich die ganze Rheinprovinz f ü r das Projekt interessieren werde, außerdem kontrahiere man gegenwärtig mit dem Redakteur der „Rhein- u. Moselzeitung" und konstituiere einen Verwaltungsrat, welcher dafür haften solle, daß diese Zeitung ihrer liberalen und ultramontanen Tendenz treu bleibe. 4 ) In der Tat begann die „Rhein-u. Moselzeitung" mit Beginn des Jahres 1843, wie wir später sehen werden, bewußt katholische Bahnen einzuschlagen. Sie brachte zwar schon von 1837 ab hin und wieder katholische Artikel, und im Jahre 1839 äußerte sich der Oberpräsident v. Bodelschwingh besorgt, daß sich in der Zeitung ultramontane Einflüsse geltend machVgl. B. A. R. 77 Tit. 2 Spec. A Nr. 9 vol. 1. *) Sie wurde von der Regierung wegen ihrer liberal-sozialistischen Haltung unterdrückt. 3 ) der Sohn des Stadtrat Dietz. 4 ) B. A. R. 77 Tit. II Spec. Zensurakten der Rheinischen Zeitung vol. III. Saint Paul an Geheimrat Bitter 31/1 43.



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ten, aber bis dahin konnte von einer ausgesprochen katholischen H a l t u n g des Blattes nicht die Rede sein. In seinem ersten Berichte drückt sich Saint Paul noch sehr vorsichtig aus, aber einen Monat später klingen seine A n g a b e n schon entschiedener. „Wie mit Bestimmtheit verlautet, beabsichtigt man, die „Rhein- u. Moselzeitung" zu einem O r g a n des Ultramontanism u s zu machen." Zunächst bestand — so f ü h r t St. Paul a u s 2 ) — lange Zeit der Plan, in Köln eine Aktienzeitung zu g r ü n d e n . Man überzeugte sich jedoch bald, daß es schwierig, ja unter den obwaltenden Verhältnissen unmöglich sei, die Konzession f ü r eine n e u e Zeitung zu erlangen, u n d n a h m daher zu dem einfachen Mittel Zuflucht, sich die in Koblenz erscheinende „Rhein- u. Moselzeitung" wesentlich anzueignen. D e r Verleger u n d nominelle Redakteur H e r g t erhalte also eine Subvention von einer Gesellschaft, an deren Spitze der Landtagsabgeordnete Dietz in Koblenz u n d ein bekannter A u t o n o m e r 3 ) stehen sollen. Als Redakteure seien von Fürth und H. Schaltenbrand bestimmt. In Köln zirkuliere ein P r o g r a m m , in welchem die „Rhein- u. Moselzeitung" als „katholisch politische Zeitung, welche namentlich die Sonderinteressen der Rheinprovinz energisch zu vertreten beabsichtige" a n g e k ü n d i g t werde. Aber am 12. April berichtet er 4 ), daß die V e r h a n d l u n g e n in Koblenz anscheinend gescheitert seien. Wie g u t Saint Paul orientiert war, zeigt sowohl die S c h w e n k u n g der „ R h e i n - u . Moselzeitung" A n f a n g April wie die Petition aus Koblenz um G r ü n d u n g einer neuen politischen katholischen Zeitung vom 25. April 1843. Aus dem Jahre 1843 liegen zwei Koblenzer Petitionen vor, 5 ) die, zeitlich kurz aufeinanderfolgend, wohl auf dieselben Verfasser z u r ü c k g e h e n . Eine Eingabe vom 4. J a n u a r 1843 u m A u f h e b u n g des V e r b o t s der historisch-politischen Blätter enthält unter den zwölf n B. A. Zensiyakten der Rhein. Zeitg. vol. I I I 27/2 43. ) R. 77 Tit. LIV Spec. C Nr 2 vol. 1 29/3 43. 3 ) wohl der Freiherr Max von Loe. 4 ) Z. A. der Rhein. Ztg. vol. I I I , 12/4 43. 5 ) vgl. Histor. pol. Blätter Bd. 12 1843 S. 558 ff, in denen die Eingaben und das Programm vollständig abgedruckt sind. 2



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Unterschriften mehrere bekannte N a m e n : L. Clemens 1 ), D r . Settegast, D r . B o n g a r d t (auch von Schnabel in den 30 er Jahren öfters als Mitglied der „ f r o m m e n Oesellschaft" bezeichnet), Chr. Haan (Beigeordneter von Koblenz), H. J. Dietz, Willems, Christ. Jos. d'Ester, Jak. d'Ester jun., Huysch, Lasaulx, von T h i m u s . Die zweite Eingabe f ü r die G r ü n d u n g d e r Zeitung trägt jedoch n u r 7 Unterschriften. Bei den G r u n d s ä t z e n der Regierung über die Freiheit der Presse könne es n u r einem Übersehen zugeschrieben werden — meinen die Antragsteller des ersten G e s u c h s —, daß das im Jahre 1839 erlassene Verbot nicht schon längst aufgehoben sei; denn jene Blätter behandelten Gegenstände des höchsten Interesses f ü r jeden, der erkennen gelernt habe, wie n o t w e n d i g es in der gegenwärtigen Zeit sei, „daß erfahrene Verteidiger des Positiven auf dem Gebiete von Kirche u n d Staat auftreten". Daß in ihnen Artikel gegen die Doktrine d e r evangelischen Kirche vorkommen, sei durch den Charakter der Blätter als katholische Zeitschrift bedingt, u n d aus ihnen könne der G r u n d zu einem Verbote nicht hergeleitet werden. Von größerem Interesse ist die zweite Eingabe, denn sie g e w ä h r t einen tiefen Einblick in die A n s c h a u u n g e n der „Ultramontanen". 2 ) Nach dem P r o g r a m m m u ß die wichtigste Angelegenheit eines öffentlichen Blattes die Belebung des religiösen u n d rechtlichen G e f ü h l s sein, aber w ä h r e n d der eine Teil der Presse unentschieden zwischen den A n s c h a u u n g e n hin- und *) Sein Sohn, Schwiegersohn von Dietz, war damals Privatdozent in Bonn; er wurde in den 40er Jahren bekannt durch seine Schrift gegen die Bonner Professoren v. Sybel und Oildemeister über den Trierer Rock. 2 ) Das Programm selbst der neuen Koblenzer Zeitung, die täglich in grossem Format bei Hölscher erscheinen sollte, ist datiert vom 7. April und unterzeichnet von dem provisorischen Komitee, das aus 9 Herren bestand. Redakteur sollte in der Tat Freiherr August von Fürth werden (geb. 1812 in Aachen, lebte er lange Jahre in Cöln, — wo sein Vater Appellationsgerichtsrat war, — 1836 wurde er als Referendar am Landgerichte beschäftigt, 1833 infolge der kirchlichen Wirren von seinem Amte entfernt und im folgenden Jahre aus dem Justizdienst entlassen. Er ist .der Verfasser des bekannten Buches über die Ministerialen. 1836.)



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herschwanke, folge der andere Teil einer „falschen philosophischen Richtung" und suche unermüdlich jede A c h t u n g vor dem Heiligen und Ehrwürdigen im Staate auszurotten. Die Interessen der protestantischen, ja der jüdischen Konfession seien in der Tagespresse vertreten, während nur die Katholiken in ihr keinen Rückhalt fänden und wehrlos den Anfeindungen alles desjenigen, was ihnen heilig und teuer ist, gegenüberständen. Eine katholische Zeitung sei daher „ein großes, dringendes Bedürfnis". Derselbe Gedanke, den wir bei der „Rhein- u. Moselzeitung" im Jahre 1847 scharf betont finden werden, und der auch das Hauptargument der „Luxemburger Zeitung" bilden sollte, er wird auch hier ausgesprochen. Die katholische Kirche ist wesentlich erhaltend. Selbst auf heiligen historischen Überlieferungen beruhend, ehrt sie alle wohlbegründeten Rechte und lehrt Treue und Gesetzlichkeit; alle Zerstörungen und gewaltsamen Umwälzungen sind ihr ein Greuel. Wenn aber die Kirche allen Aufruhr und Unordnung verdammt, so verteidigt sie doch niemals das Unrecht, welches Willkür und rücksichtslose Gewalt des einzelnen begeht, sie verdammt ebenso entschieden die Tyrannei und die Übergriffe des Absolutismus. Kampf „für die wahre Freiheit, die auf Recht und Gesetz, auf Ehrfurcht vor dem Hohen und Heiligen beruht, Kampf gegen Absolutismus und Willkür, sowohl wie gegen Revolution und Ultraliberalismus und für gesetzlichen Fortschritt", das ist die Losung. In der Eingabe selbst heißt es, daß das Blatt zwar „von entschiedenem gesetzlichen und religiösen Charakter" sein solle, aber „im Geiste der Versöhnung und Duldsamkeit mit strengstem Ausschluß jeder gehässigen P o l e m i k " ; bisher sei besonders der katholische Glaube den leidenschaftlichsten Anfeindungen, den boshaftesten und niedrigsten Verleumdungen ausgesetzt gege wesen. Die arme „Rhein- u. Moselzeitung", mit der die Antragsteller „infolge der beinahe unglaublich übertriebenen Forderungen" Hergts zu keinem Abschluß kommen konnten „trotz der Zusicherung bedeutender Vorteile", und obwohl das Blatt nur höchst unsicher den Betrag seiner Kosten erschwingen könne, kommt in der Eingabe gerade nicht sehr gut weg.



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Es sei ein Lokalblatt, das die Zeitungsleser der Stadt Koblenz so unbefriedigt lasse, daß nachweisbar eine gleich große Anzahl auswärtiger Zeitungen, als ihr Absatz in Koblenz sei, gehalten w ü r d e n , so daß die Antragsteller in sehr kurzer Zeit eine g r ö ß e r e Zahl von Abonnenten f ü r das neue Blatt nachzuweisen imstande sein würden, als die „Rhein- u. Moselzeitung" ü b e r h a u p t je besessen habe. Aber die preußische Regierung, die von einer katholischen Presse n u r eine schärfere A u s p r ä g u n g des Gegensatzes f ü r c h tete, lehnte alle G e s u c h e ab. Infolgedessen scheiterte auch im Jahre 1844 das Projekt, in Köln eine große katholische Zeitung ins Leben zu rufen. Ein Aktienkapital von 40 000 Talern soll zur V e r f ü g u n g gestanden haben. Das P r o g r a m m der Zeitung, die „in echt katholischem u n d konservativem Geiste" redigiert werden sollte, lautet fast wörtlich, wie das der Koblenzer Zeitung u n d scheint von dem Freiherrn von Fürth verfaßt zu sein, der auch hier als Redakteur in Aussicht g e n o m m e n war. Auch in Trier, wo das katholische Leben einen neuen. A u f s c h w u n g nahm, 2 ) regte sich nach der Ausstellung des heiligen Rockes das Bedürfnis nach einem katholischen Blatte; auch hier w u r d e wieder derselbe W e g eingeschlagen: zunächst Petition um A u f h e b u n g der historisch politischen Blätter E n d e des Jahres 1844 u n d dann im Juni 1845 Eingabe des J. B. H. Ney um G r ü n d u n g einer zweiten politischen Zeitung, deren T e n d e n z „außer Mitteilung politischer Nachrichten eine rein christliche sein soll, eine bescheidene Gegnerin des Liberalismus, des K o m m u n i s m u s u n d des Atheismus, belehrend u n d w a r n e n d vor solchen Feinden des Staates und des Christentums, unterstützt bei seinem Streben nach Wahrheit, Recht u n d Billigkeit von den gerechtesten Bürgern u n d der Geistlichkeit der S t a d t " . s ) Als die Regierung in Trier das Gesuch abwies, wandte sich N e y an das Ministerium mit demselben negativen Erfolge. Schließlich machte er eine direkte Eingabe an den 1

) Näheres über dieses Projekt und die Bemühungen J. P. Bachems, in ^ Köln ein kath. Blatt zu gründen, bei Bachem a. a. O. 309 ff. 2 ) vgl A. M. v. Steinte: Ed. v. Steinle u. Reichensperger S. 44. ') B. A. R. 77 Tit. 2 Spec. T. 50.



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König selbst, in der er sich darauf beruft, daß er am 29. Mai 1839 Seiner Majestät „an den Mosaikböden zu Fließem eine Schale Maiwein zu kredenzen das unaussprechliche Glück hatte ", worauf der König ihn seiner W o h l g e w o g e n heit versichert habe. Dieser Appell wird zwar schwerlich einen besonderen Eindruck gemacht haben, jedenfalls zeigte sich aber Bodelschwingh nicht m e h r ganz ablehnend, doch der Trierer Regierungspräsident Auerswald warnte vor Erteilung einer Konzession. Ney biete gar keine G e w ä h r f ü r die T e n d e n z der neuen Zeitung, vielmehr sei Gefahr, daß sein Blatt eine Fortsetzung der eingegangenen L u x e m b u r g e r Zeitung werde, 1 ) zumal hinter ihm eigentlich die Mitarbeiter u n d Verfechter der L. Z. ständen. Dieser Entscheid hatte die A b l e h n u n g des G e s u c h e s zur Folge, die auch trotz einer zweiten Eingabe an den König — Ney scheint ein sehr hartnäckiger M a n n gewesen zu sein — aufrecht erhalten wurde, da Eichmann den Vorschlag des Ministers, Ney einen zuverlässigen Redakteur zur Seite zu geben, f ü r u n a u s f ü h r b a r hielt. N a c h d e m in Koblenz der Versuch der Z e i t u n g s g r ü n d u n g gescheitert war, blieb den Katholiken nichts anderes übrig, als auf ihren alten Plan zurückzugreifen. U n d dieser zweite Versuch, die „Rhein- u. Moselzeitung" zu gewinnen, g e l a n g b e s s e r : vom Juni 1844 w u r d e die „Rhein- u. Moselzeitung" ein in katholischem Geiste redigiertes Blatt. Ehe wir jedoch auf die H a l t u n g der „Rhein- u. Moselzeitung" sowie ihre Entwicklung vom „liberalen" zu einem „katholischen" Blatte im einzelnen eingehen, wollen wir kurz die allgemeine Entwicklung, Geschichte u n d Mitarbeiter der Zeitung behandeln.

1 ) Die Luxemburger Zeitung war im Juni 1845 von der Regierung unterdrückt worden. S. u. Kapitel VI.

— II.

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Kapitel.

Die äußere Geschichte, die allgemeine Tendenz, die Redakteure und Mitarbeiter der Rhein- u. Moselzeitung. Durch die Juli-Revolution, die einen lebhaften Widerhall in Deutschland, vor allem am Rheine, fand, war das Interesse an den öffentlichen Angelegenheiten, das sich in einem regen Bedürfnis nach Austausch u n d V e r b r e i t u n g politischer Gedanken und Bestrebungen k u n d g a b , geweckt u n d gefördert. Ein äußeres Zeichen war die G r ü n d u n g von Zeitungen an vielen Orten Deutschlands, so auch in Koblenz. Im O k t o b e r 1830 wandte sich der Koblenzer Buchdrucker Heriot an das Oberpräsidium mit der Bitte, vom 1. Januar 1831 ab eine politische Zeitung, die täglich außer M o n t a g s erscheinen sollte, unter dem N a m e n „Koblenzer M e r k u r " in V e r b i n d u n g mit einem belletristischen Blatt, der „Moseila", auf eigene Verantwortlichkeit herausgeben zu dürfen. 1 ) Die Koblenzer Regierung befürwortete jedoch das Gesuch Heriots nicht. Die E r f a h r u n g habe bewiesen, daß sich in Koblenz ein solches U n t e r n e h m e n nicht halten könne wegen der N ä h e von Köln und Frankfurt, deren viel gelesene Blätter infolge der günstigeren Lage dieser Städte die politischen Neuigkeiten f r ü h e r bringen könnten. Auch scheine es bei den gegenwärtigen Zeitumständen nicht angebracht, die politischen Zeitungen zu vermehren. Das Gesuch w u r d e infolgedessen abgelehnt, u n d erst auf seine Vorstellung beim Ministerium hin w u r d e Heriot im Januar 1831 die H e r a u s g a b e der Zeitung gestattet Am 2. Mai erschien das Probeblatt mit der Ankündigung, daß die Zeitung — deren Abonnementspreis f ü r Koblenz auf 5 Taler, f ü r Auswärtige auf 6 Taler festgesetzt war — vom 1. Juli 1831 an erscheinen werde. Auf Veranlassung des Redakteurs Henke war jedoch der Titel in „Rhein- u. Moselzeitung" u n d in „Unterhaltungsblatt zur Rhein- u. Moselzeitung" geändert. Nach einigen Tagen schon ü b e r n a h m die RedakC. A. Acc. 21/08 Tit. VII Sect. 1 Nr. 3805 a. M ö n c k m e i e r , Rhein- u. Moselzeitung.

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tion der preußische Leutnant a. D. v. Czarnowski, der Ende des Jahres wieder ausschied, um in die Leitung der „Elberfelder Zeitung" einzutreten. Die „Rhein-u. Moselzeitung" wurde von nun an unter der Verantwortlichkeit des Verlegers selbst redigiert; die eigentlichen Geschäfte führte aber seit Mitte Februar 1833 Ludwig Braunfels, der mit einem Gehalt von 40 Taler monatlich angestellt war. 1 ) Ende des Jahres 1833 bat der Buchhändler und Buchdrucker R. F. Hergt, die Herausgabe der „Rhein- u. Moselzeitung" übernehmen zu dürfen, und da er „in seinem doppelten Geschäft seit einer Reihe von Jahren Anhänglichkeit an das Gouvernement bewiesen und die Gewähr geleistet hatte, daß er sich weder mit dem Debit noch viel weniger mit dem Druck gefährlicher oder schädlicher Bücher befaßte", wurde ihm unter der Bedingung, daß er innerhalb vier Wochen einen geeigneten Redakteur vorschlage, die Erlaubnis erteilt. Hergt gab den Rentier Fr. G. Drimborn 2 ) und den Dr. L. Braunfels als Redakteure an. Drimborn, „ein vermögender junger Mann von Bildung und sehr moralischer Aufführung", wurde als Redakteur genehmigt, dagegen ein zweiter Redakteur weder für notwendig noch für zulässig erachtet. 3 ) Im Juni 1834 übernahm daher Drimborn offiziell die Stelle des verantwortlichen Redakteurs, jedoch blieb Braunfels vor allem für die Zeitung tätig. Die „Rhein-u. Moselzeitung" hat in den ersten Jahren ihres Bestehens einen gemäßigt liberalen Standpunkt zu vertreten gesucht, ohne jedoch irgendwelche Artikel von Bedeutung zu bringen. Das Urteil des damaligen Zensors und Oberbürgermeisters Mähler ist daher zutreffend, daß das Blatt weder von „bedeutender Gediegenheit noch einer durchGeboren 1809 zu Frankfurt, nach Absolvierung des dortigen Gymnasiums hat er in Heidelberg Philosophie und Sprachen bis zum Jahre 1830 studiert; dann war er eine Zeitlang Privatlehrer in Frankfurt, bis er die Redaktion der Rhein- u. Moselzeitung übernahm. (C. A. Acc. 21/08 Tit. VII. Sect. I Nr. 3805 a.) ') Drimborn, geb. 1810, Gutsbesitzer, studierte in Heidelberg Humaniora, dann 1837 in Bonn Jura und wurde 1846 als Kandidat der liberalen Partei in den Koblenzer Stadtrat gewählt. 3 ) C. A. a. a. O. 24/4 34 der Oberpräsident an die Regierung.

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greifenden Gesinnung" zu sein scheine. Die liberale Tendenz bewies sie u. a. durch Veröffentlichung der Kammerverhandlungen der süddeutschen Staaten, durch die Mitteilung „der plattesten Äußerungen der Opposition in den großen und kleinen Kammern". Bei der Beurteilung der Haltung einer Zeitung in den 30 er Jahren ist die äußerst strenge H a n d h a b u n g der Zensur zu berücksichtigen. Jeder etwas kühnere Artikel fiel unerbittlich der Zensurschere zum Opfer. Dadurch daß jede freimütige Besprechung von Fragen der inneren Politik unmöglich war, sahen sich die Redakteure genötigt, um die Spalten ihrer Zeitungen zu füllen, die Leser mit Berichten über auswärtige Politik, Reisen Seiner Majestät, sämtlicher Prinzen und Fürsten usw. zu unterhalten. Braunfels wie Drimborn suchten zwar ihre Ansichten nach Möglichkeit in der Zeitung zur Geltung zu bringen, und ab und zu gelang es ihnen, die wahre Tendenz offen zum Vorschein kommen zu lassen, so im Jahre 1836 mit einem scharfen Artikel über und gegen Karl X., seine Regierung und seine „hoffnungsvolle" Nachkommenschaft, der ganz im liberalen Sinne abgefaßt war. Aber solche Äußerungen gelangten nur selten zum Druck und hatten sofort ein Einschreiten der Regierung zur Folge. Als im Dezember 1837 Drimborn aus der Redaktion ausschied, zeichnete Hergt selbst als verantwortlicher Redakteur, jedoch wurde die Zeitung vom April 1838 an von dem Lehrer H. J. Schaltenbrand geleitet.1) Unter seiner Redaktion war die Haltung der Zeitung in den politischen Fragen wieder gemäßigter, ja sie zeigte konservative Anwandlungen, nicht zum wenigsten unter dem Einfluß ihres Hauptmitarbeiters W. Bern, der in den Jahren 1839—43 die meisten Originalartikel für die „Rhein- u. Moselzeitung" lieferte. Ganz wider den damaligen Brauch zeichnete er seine Artikel, aber es ist sehr Geboren 1807 in Köln, als Sohn eines Friseurs, studierte 1826 bis 1830 Philosophie in Bonn, war Probekandidat in Köln, wo er im Jahre 1832 verhaftet wurde, wegen „Teilnahme an politischen und die bestehende Verfassung umstürzenden Zwecken". Er wurde zu zweijähriger Festungshaft verurteilt. Nach Abbüßung der Strafe ging er als Lehrer an die Höhere Bürgerschule zu Venlo (Holland).

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wohl möglich, daß es ein P s e u d o n y m ist. 1 ) Bern, in den Akten auch einmal Bernd genannt, ist anscheinend aus Mainz gebürtig, wo er jedenfalls längere Zeit — er war 1837 bis 1839 Mitarbeiter der „Mainzer Zeitung" — sich aufgehalten hat. 2 ) Als Student hatte er sich der Burschenschaft angeschlossen, f ü r die er auch in der „Rhein- u. Moselzeitung" warm eintrat. In „ U m s c h a u " , „ S c h a u d i c h u m " u n d wie die Leitartikel damals hießen, behandelte er alle Fragen, mit denen die öffentliche M e i n u n g sich in stärkerem Maße beschäftigte. Die „Rhein- u. Moselzeitung" brachte — so urteilt die Regier u n g — neben Exzerpten u n d Übersetzungen aus anderen politischen Blättern eigene Artikel eines gewissen W . Bern über wichtige Tagesereignisse, Tagespolitik oder nationalökonomische G e g e n s t ä n d e u n d Artikel des Redakteurs ü b e r Lokalverhältnisse u n d Neuigkeiten der U m g e b u n g . Der Leserkreis sei der mittlere Beamten-, Handels- und Bürgerstand der Stadt u n d der U m g e b u n g . 3 ) Die Zeitung selbst definierte damals ihre H a l t u n g als weder ultraliberal noch unliberal, „sie verteidigt hinsichtlich der äußeren Verhältnisse Deutschlands unablässig die U n a b hängigkeit u n d Persönlichkeit des Volkes, hinsichtlich des Innern den stetigen Fortschritt o h n e U m w ä l z u n g u n d o h n e Ungerechtigkeit, sie will die Gerechtigkeit gegen alle u n d f ü r alle, die O r d n u n g ebenso, die Wissenschaft und Tüchtigkeit o h n e Ausschluß f ü r irgend einen im Staate, wenigstens die Möglichkeit f ü r alle, diese G ü t e r zu genießen." 4 ) Mit dem Kölner Kirchenstreite machen sich in der Zeit u n g gewisse katholische U n t e r s t r ö m u n g e n geltend, die aber die H a l t u n g des Blattes nicht entscheidend beeinflussen. Erst A n f a n g des Jahres 1843 hat es den Anschein, als o b die „Rhein- u. Moselzeitung" g a n z katholische Bahnen einschlagen wolle. 5 ) Eine F e h d e mit der „Rheinischen Zeitung" bezeichNachforschungen über seine Persönlichkeit auf der Oießener Universitäts-Bibliothek, auf der Mainzer Stadtbibliothek und im Darmstädter Staatsarchiv haben zu keinem Resultat geführt. a ) Rh.-Mz. 7/10 42. 3 ) C. A. Acc. 31/06 Tit. II Sekt. I I I Nr. 56. 4 ) Rh.-Mz. 28/12 42. 5 ) Vgl. o. Kap. I .

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net sie als Kampf eines christlichen und freisinnigen Blattes gegen ein unchristliches und revolutionäres; auch sonst brachte sie eine Reihe katholisch gefärbter Artikel. Aber um die Mitte des Jahres trat mit der Redaktion eines gewissen Dr. Melzer aus Breslau ein scharfer Frontwechsel ein. O b Schaltenbrand bis dahin Redakteur gewesen ist, ist ungewiß, jedoch wohl anzunehmen. 1 ) Melzer versuchte das Blatt in ein ganz gouvernementales Fahrwasser überzuleiten und Hergt benutzte diese Gelegenheit, die Regierung zu bitten, sein Blatt statt im bisherigen Quartformat vom 1. Oktober 1843 ab in Folio erscheinen lassen zu dürfen. Als Orund führte er neben der H ä u f u n g des Stoffes, der Unansehnlichkeit der „Rhein- u. Moselzeitung" neben der großen Anzahl anderer Zeitungen in Folioformat und der Möglichkeit, so eine bessere Übersicht zu geben, an, „daß er sich der Vergünstigung nicht unwürdig durch die Tendenz der Zeitung gezeigt habe, sondern, daß diese wesentlich die Ehrfurcht gegen die hohe Landesregierung und deren Anordnungen festhalte und nach ihren geringen Kräften auch zu verbreiten strebe. Eine Richtung, der die Zeitung „unverbrüchlich treu bleiben werde." 2) Für so ein Versprechen war die Regierung wohl empfänglich, und sie gestattete daher die Vergrößerung des Formats. Um auch nach außen hin die neue Richtung zum Ausdruck zu bringen, trug die „Rhein- u. Moselzeitung" von nun an am Kopfe als „passendes Emblem" zwei Flußgottheiten, über denen der preußische Adler schwebte, „um die Herrschaft und den Schutz des preußischen Zepters über der alten Konfluentia zu bezeichnen". Eine Zeitung, die den Rheinländern ihre Undankbarkeit gegenüber dem preußischen Staate vorhielt, daß sie immer neue Anforderungen stellten, anstatt sich erkenntlich zu zeigen für all das Gute, was sie der preußischen Herrschaft verdankten, 3 ) konnte keinen Beifall finden. Das Blatt galt wegen seiner „antirheinländischen sowohl wie antikirchlichen Haltung" für gekauft von der Regierung. Die Folge war ein *) daktion 2 ) 8 )

vgl. Rh.-Mz. 4/5 43 wo die Zeitung davon spricht, daß die Reseit 4 Jahren nicht gewechselt habe. C. A. Acc. 21/08 Tit. VII. Sect. I. Nr. 3805 a, 17/9 1843. Rh.-Mz. 9/11 43.



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förmlicher Boykott gegen das Blatt in Koblenz. Im Kasino wurde es mit großer Majorität ausballotiert, von der Kölner Dampfschiffahrtsgesellschaft wurde es auf den Schiffen nicht mehr aufgelegt und erst an beiden Stätten in Gnaden wieder aufgenommen, nachdem Hergt sich entschlossen hatte, die absolutistische Richtung aufzugeben, 1 ) eine Tatsache, die allgemein als Sieg der öffentlichen Meinung angesehen wurde. Spätestens im Juni 1844 ist Melzer von der Redaktion zurückgetreten, und die „Rhein- u. Moselzeitung" wurde jetzt — also schon vor der Trierer Rockbewegung und dem Rongestreit 2 ) — ein „katholisches mit gewissem Takt im Geiste der Mehrzahl der Provinz redigiertes Blatt". Ihr neues Programm fand eine sehr günstige Aufnahme, ja es rief eine „große Sensation" hervor. 3 ) Diese Tendenz behielt die Zeitung endgültig bei, natürlich mit gewissen Schwankungen — so befürchtete A. Reichensperger im Jahre 1845 „ein abermaliges Umkippen" der Zeitung —•, die bedingt sind durch die Persönlichkeit des leitenden Redakteurs. Kurze Zeit soll von Stramberg*), der Verfasser des Rheinischen Antiquarius, ein gut katholisch, aber nicht preußenfreundlich gesinnter Mann, die Zeitung redigiert haben. 5 ) Aber noch im Laufe des Juli trat Dr. Neurohr in die Redaktion ein. 6 ) Wie aus der Polemik der konservativ katholischen „Luxemburger Zeitung" hervorgeht, suchte die „Rhein- u. Moselzeitung" unter Neurohr eine gewisse liberale Richtung zu wahren. Der „Kölnischen Zeitung" gegenüber stellte sie fest, daß sie im Gegensatz zu ihr, die einen „nagenden, bohrenden und unterwühlenden" Liberalismus vertrete, auf dem Boden eines Liberalismus stehe, ») Hist. pol. Bl. 1845 Bd. 15/16 Heft 1. ) Bergsträssers Angabe in seinem Werke zur Vorgeschichte der Zentrumspartei, S. 229, daß die in „Trier" erscheinende Rh.-Mz. erst 1845 katholisch geworden sei, ist irrtümlich. 3 ) E. Z. 8/9 44. 4 ) Also ein Mitglied der Qlaubensarmee. 6 ) Leider fehlen die Jahrgänge 44/46 der Zeitung völlig. Siehe Vorwort. •) Geb. in Boppard, hat in Gießen studiert und promoviert, dann längere Zeit in Straßburg gelebt, wo er sich auch publizistisch betätigt hat. 2



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der, „von einer religiösen Basis und von einem historisch Gegebenen ausgehend, mit dem Geiste und der Gesittung des Jahrhunderts fortschreitet und Leben erweckend, also auch konservativ im wahren Sinne des Wortes in die Zukunft eingreift". 1 ) O b Neurohr im Juni 1847 aus der Redaktion ausgeschieden ist, weil er den „Ultramontanen" nicht mehr genügt habe, wie die „Elberfelder Zeitung" behauptet, läßt sich nicht feststellen. Jedenfalls widmeten ihm weder die historisch-politischen Blätter einen freundlichen Nachruf 2 ) noch die „Rhein- u. Moselzeitung" selbst, die „keine Veranlassung suchte, etwas Unangenehmes über den abgegangenen Redakteur zu sagen". 3 ) Über Dr. Theodor Rotteis, der an seine Stelle trat, geben die Akten genauere Auskunft. Er ist 1799 zu Büttgen bei Neuß geboren, studierte in Bonn in den Jahren 1820/26 zunächst katholische Theologie, dann Philologie. Als Probekandidat war er in Aachen beschäftigt, wurde später Rektor der höheren Stadtschule zu Ürdingen. Im Jahre 1832 wollte er sich in Bonn habilitieren; als sein Gesuch nicht genehmigt wurde, ging er nach Freiburg als Dozent für Philosophie und Geschichte. Dann übernahm er provisorisch die Stelle eines Professors der Philosophie und alten Sprachen am Lyzeum zu Rastatt. Sein von ihm in äußerst schwülstiger Sprache abgefaßter Lebenslauf zeigt ihn sehr überzeugt von dem Werte seiner Persönlichkeit, der man nirgends gerecht werden will. Im Jahre 1842—43 wurde er auf ein Gesuch bei der preußischen Regierung hin versuchsweise in Köln am FriedrichWilhelm-Gymnasium beschäftigt, jedoch wegen „Mangel an pädagogischer Befähigung" entlassen. Er übernahm im Jahre 1845 in Neuß bei Schwann die Redaktion der Katholischen Zeitschrift für Erziehung und Bildung und gab im gleichen Verlage von 1846 ab mit seinem Bruder Assessor Rotteis die Kritischen Blätter heraus. 4 ) Im Jahre 1848 wurde er als- Stellvertreter des Gutsbesitzers Aldenhoven in die Berliner Nationalversammlung gewählt, in der er am 26. Oktober 1

) ) 3 ) *) 2

Luxemburger Zeitung 8/9 44. Hist. pol. Bl. Bd. 29, Heft I, S. 54. Rh.-Mz. 11/6 47. S. u. Kap. V I I .



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seinen Platz einnahm. Bei den Verhandlungen trat er nicht weiter hervor, er gehörte aber zu den Mitgliedern der Rechten, denn er leistete der Aufforderung der Regierung an die Versammlung, sich nach Brandenburg zu begeben, Folge. Mit Rotteis übernahm also ein Mann mit ganz ausgesprochen konservativen Anschauungen die Leitung. Der Gegensatz zu Neurohr zeigt sich besonders scharf in der Beurteilung des Vereinigten Landtags, da unter Rotteis das rheinisch-partikularistische Element in den Vordergrund trat und den Ausgangspunkt f ü r die Beurteilung aller politischen Fragen bildete. Mit der Revolution des Jahres 1848 aber erfuhr die „Rhein- u. Moselzeitung" eine immer stärker werdende Wandlung in liberalem Sinne, die sie schließlich zur Verfechterin der Demokratie, ja der Republik machte. Die Haltung Preußen gegenüber wurde immer feindlicher, der Gegensatz immer schärfer betont. Inwieweit Rotteis selbst an dieser Entwicklung beteiligt ist, läßt sich schwer entscheiden. Bei seiner ablehnenden Haltung im allgemeinen gegenüber politischen Bewegungen, ist es nicht unmöglich, daß er ohne Bedenken auch ganz liberal oder demokratisch gefärbte Artikel aufgenommen hat. Anderseits begann die „Rhein-u. Moselzeitung", als Rotteis zum zweiten Mal im November 1849 die Redaktion übernahm, ihre radikale Haltung, die sie unter dem Redakteur Advokat-Anwalt Stramberger bewahrt hatte, aufzugeben und dem Absolutismus zu huldigen, ohne jedoch ihre preußenfeindliche Haltung im geringsten zu ändern. „Ihre Devise ist Absolutismus unter einer ausschließlich katholischen Regierung mit einem einflußreichen katholischen Regiment." Die infolge der preußenfeindlichen Haltung hervorgerufene Entziehung des Postdebits von seiten der Regierung setzte der Tätigkeit Rotteis im Juni 1850 ein Ziel,1) da die „Rhein- u. Moselzeitung", infolge dieser Maßregel nur auf ihre Abonnenten ij» Koblenz angewiesen, sich nicht zu halten vermochte sondern Ende Juni ihr Erscheinen einstellen mußte. Schwierig ist die Beantwortung der Frage nach den Mitl

) Rotteis wandte sich im Jahre 1853 an die Österr. Regierung mit der Bitte an einer österr. Universität Vorlesungen halten zu dürfen; o b dieser Bitte willfahrt wurde, konnte ich nicht feststellen. S. über Rotteis auch Pfülf, Geißel II S. 3 0 2 und 326.



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arbeitern und der Verbreitung der Zeitung. Sicherlich hat das Blatt besonders in den 30 er Jahren keine sehr große Verbreitung gehabt, sondern ist mehr oder weniger ein Lokalblatt geblieben. Das Interesse für die Zeitung beruht ja auch nicht so sehr auf der Bedeutung und Einwirkung, die sie auf die öffentliche Meinung ausgeübt haben kann, als vielmehr darauf, daß die „Rhein- u. Moselzeitung" als das erste rheinische Blatt von bewußt katholischer Haltung in den 40 er Jahren anzusehen ist. Wenn sich die Zeitung selbst in dem Jahre 1842 als eines der gelesensten Blätter der Rheinprovinz bezeichnet, so will das natürlich nicht viel heißen bei der kleinen Anzahl politischer Zeitungen, die wirklich auf diesen Namen Anspruch machen konnten, auch ist ja der Zweck der Angabe ziemlich offensichtlich. 1 ) Allerdings scheint die Leserzahl im Anfang der 40 er Jahre gestiegen zu sein, 2 ) um aber unter der Redaktion Melzers rasch zu fallen. Als die „Rhein-u. Moselzeitung" definitiv katholische Bahnen einschlug, nahm die Abonnentenzahl bedeutend zu. Nach dem Berliner Korrespondent des „Rheinischen Beobachters" war die „Rhein-u. Moselzeitung" unter der Redaktion Melzers, die er „weit entfernt ist zu verteidigen" — wenn das sogar der „Rheinische Beobachter" sagt, so will es etwas heißen — in Berlin ein oft gelesenes Blatt, mit Neurohr habe sich das schnell geändert. „Herr Hergt mag sich schön gewundert haben, am Rhein soll es ja umgekehrt gewesen sein, da sollen die Abonnenten wieder gekommen sein." 3 ) Das Koblenzer Publikum wandte sich wieder gerne dem Blatte zu, 4 ) und im Jahre 1845 behauptet die „Rhein- u. Moselzeitung" sogar, daß ihre Abonnentenzahl sich binnen eines Jahres um das Vierfache vermehrt habe, ein „glänzender Beleg dafür", daß sie ihrer Aufgabe vollkommen ge1

) Im Jahre 1 8 4 1 gab der Leipziger Zeitungskatalog die Abonnenten-

zahl auf 8 0 0 an,

vgl. Bachem I, 2 4 2 . — Im Kreise

St. Goar hatte die

Rh.-Mz. im Jahre 1 8 4 2 2 0 Abonnenten, 5 Beamte, Pfarrer, Lehrer, Privatgelehrte, 5 Ärzte, 3 Kaufleute, 2 Wirte u. 1 Rentner. Tit. II Nr. 5 6 . 2

) Rh.-Mz. 4 / 3 43.

3

) Rh. Beob. 1 9 / 1 2 4 5 .

4

) E. Z. 2 7 / 7 4 4 .

C. A. Acc. 31/06,



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wachsen sei.1) Während die Regierung im Jahre 1847 und 1848 die Zahl auf ungefähr 1000 angibt, spricht die „Augsburger Allgemeine Zeitung" im Jahre 1848 in einer Korrespondenz aus Köln sogar von 1400 Abonnenten. Aber durch die G r ü n d u n g der „Rheinischen Volkshalle", die am 1. Oktober 1848 in Köln ins Leben trat, wurde die „Rhein- u. Moselzeitung" schwer getroffen, da das neue Unternehmen weit besser fundiert war und in einer Stadt wie Köln größeren Absatz finden mußte. Die Abonnenten der „Rhein-u. Moselzeitung", die, wie das Blatt zufrieden festgestellt hatte, 2 ) in Köln von 61 auf 95 gestiegen waren, werden sich wohl sicherlich der neuen Zeitung zugewandt haben. War in den 40 er Jahren die „Rhein- u. Moselzeitung" wenigstens in Koblenz das einzige politische Blatt,3) so entstanden 1848 mehrere neue Zeitungen: Das „Koblenzer Tageblatt" mit entschieden demokratischer Tendenz, es war „kein Freund von Militär und Beamten und deshalb beim Mittelstande gerne gelesen" und hatte 450 Abonnenten, dann das „Katholische Volksblatt" — mit 400 Abonnenten — redigiert in konstitutionellem Geiste und der Demokratie nicht so nahe stehend. Der „Rhein- u. Moselzeitung" war von jeher ein Dorn im Auge und ihr gefährlichster Konkurrent der „Koblenzer Anzeiger", ein sehr altes, eingebürgertes und verbreitetes Lokalblatt, das eigentlich nur Anzeigen für Handel und Gewerbe, Bekanntmachungen und Annoncen bringen durfte, und als unpolitisches Blatt nicht, wie die „Rhein- u. Moselzeitung", der Stempelsteuer unterworfen war. Aber zum großen Leidwesen Hergts brachte der Anzeiger auch eine „politische Übersicht", was ihm trotz dringender Vorstellungen Hergts bei der Regierung nicht verboten wurde. Das mag zum großen Teile mit Schuld gewesen sein daran, daß die „Rheinu. Moselzeitung" nicht mehr Boden zu fassen vermochte, zuKatholik Nr. 149 12/12 45. ) Rh.-Mz. 25/1 48. 3 ) Eine „Koblenzer Zeitung", von der Schnabel »Zusammenschluß des politischen Katholizismus im Jahre 1848" behauptet, daß sie im katholischen Sinne redigiert gewesen sei, hat nicht existiert, vielmehr wurde die Rh.-Mz. oft nach dem Orte des Erscheinens als Koblenzer Zeitung bezeichnet. 2

— 33 — mal es dem Verleger nicht gelang, einen Teil der Annoncen für sein Blatt zu gewinnen. Im Jahre 1849 wird dann auch die Abonnentenzahl des Blattes, das kaum über den Kreis verbreitet sei, nur noch auf 700 angegeben, die noch beständig abnehme, so daß möglicherweise die Zeitung mit Neujahr eingehe, 1 ) nicht zum wenigsten infolge des Abbruchs, den die „Rheinische Volkshalle" der Zeitung tue. Wenn es ihr nach Entziehung des Postdebits nicht möglich war, sich vermöge der Koblenzer Abonnenten allein zu halten, so sah die Regierung mit Recht auch einen Grund des Aufhörens der Zeitung in dem Mangel an Abonnenten; dazu kam allerdings, daß Hergt nach dem Preßgesetze vom 17. März 1848, welches zwar die Zensur aufhob, eine Kaution von 3000 Talern stellen mußte, die er nicht aufzubringen vermochte. Überhaupt war es um die pekuniäre Seite des Unternehmens nie gut bestellt. Das macht auch den häufigen Tendenzwechsel des Blattes leichter erklärlich. Für Hergt war die Zeitung ein reines Geschäftsunternehmen, aus dem er pekuniären Gewinn zu ziehen hoffte, das aber nie recht zur Blüte gelangen wollte; vielmehr scheint Hergt von verschiedenen Seiten pekuniäre Unterstützung erhalten zu haben. Von der Regierung empfing er eine Remuneration, 2 ) die er wohl schwerlich aufgegeben haben wird, ohne sich vorher genügende Vorteile von Seiten der „Glaubensarmee" zu sichern. Das „Frankfurter Journal" behauptet im Jahre 1845, daß die „Rhein- u. Moselzeitung" nur der Ausdruck weniger hitziger oder berechnender Köpfe sei, welche unter dem Namen: „Glaubensarmee" bekannt sei. Dieses „Häuflein von 30—40 unzurechnungsfähigen Böotiern" griff nach der „Elberfelder Zeitung" 3) dem Verleger fortwährend unter die Arme. Andererseits klagt aber die „Rhein- u. Moselzeitung" im Jahre 1845,4) daß die „bedeutenden Mittel", welche für die Förderung der katholischen und konservativen Interessen der Rheinlande 1843 in Aussicht gestellt gewesen seien, jetzt unbenutzt blieben. Zwar sei auf dem letzten Landtage noch betont, daß B. A. R. 77 Tit. LIV Spec. C. 2 vol. I. 6/12 49. ) s. u. Kap. V. 3 ) E. Z. 20/10 1847. *) Katholik 12/12 45. 2



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man zu großen Opfern für diesen Zweck bereit gewesen wäre, daß man aber dem Herausgeber der „Rhein- u. Moselzeitung" jemals unter die Arme gegriffen hätte, davon habe man nie etwas gehört. Daß jedoch in den Koblenzer Kreisen großes Interesse für die „Rhein- u. Moselzeitung" herrschte, zeigt ein Antrag Adams' beim Karl-Borromäusverein im Jahre 1848, einige auswärtige Korrespondenten für die Zeitung zu gewinnen und sie aus den Mitteln des Vereins, etwa mit 500 Talern, zu salarieren. Der Antrag wurde allerdings nicht aufrecht erhalten, sondern der Verein einigte sich, daß zunächst jeder in seinem Kreise f ü r die Verbreitung der Zeitung möglichst tätig sein solle. 1 ) Durch die geringen zu Gebote stehenden Mittel war es bedingt, daß Hergt sich keine großen Kosten für die Gewinnung von auswärtigen Korrespondenten und Mitarbeiter machen konnte. Als Hauptmitarbeiter ist wohl besonders f ü r die ersten Jahre in erster Linie der leitende Redakteur anzusehen, wenigstens ließ sich über sonstige Mitarbeiter der Zeitung bis zum Jahre 1843 — mit Ausnahme von Bern — nichts feststellen; etwas günstiger war das Resultat für die späteren Jahre. Ein langjähriger Mitarbeiter war der damals sehr bekannte Publizist A. v. Bornstedt. Ursprünglich preußischer Offizier, mußte er anfangs der 30 er Jahre den Dienst quittieren und Preußen verlassen. Er begab sich ins Ausland, bis er 1840 von der preußischen Regierung wieder in Gnaden aufgenommen wurde. Eine Zeitlang Korrespondent der preußischen Staatszeitung, wirkte er in Paris eifrig für den deutschen Zollverein 2 ) und erhielt von der preußischen Regierung eine „Remuneration". Infolge seiner Beteiligung an dem in Paris 1844 erscheinenden radikalen deutschen Blatt „Vorwärts" der preußischen Regierung verdächtig und aus. Frankreich wegen „legitimistischer" Umtriebe ausgewiesen, suchte er sich im Ministerium des Innern zu Berlin zu rechtfertigen. In Paris wurde er aber indessen von dem Redakteur des „Vorwärts", H. Börnstein, beschuldigt, *) vgl. Protokollbuch des Karl Borromäus-Vereins, ferner Pastor a. a. O. I, 228 und Vereinsblatt des K. B. V. Nr. 17 u. 18, 1848. a ) Rh.-Mz. 6/10 43, E. Z. 19/10 44.



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preußen- u n d königsfeindliche Artikel geschrieben zu haben, w o g e g e n sich von Bornstedt in der „ B r e m e r Zeitung" energisch verwahrte. 1 ) Er scheint in Berlin n o c h m a l mit einem blauen Auge davongekommen zu sein, wenigstens g a b ihm der „Rheinische Beobachter" den väterlichen Rat, weiterhin f ü r die Interessen des Zollvereins in Frankreich zu wirken, warnte ihn aber, nicht so rasch vorwärtsdrängen zu wollen. 2 ) W a n n seine Berichte f ü r die „Rhein- u. Moselzeitung" einsetzten, ist nicht zu bestimmen. Im Jahre 1844 verkehrte er aber schon bei einem Aufenthalt in Koblenz viel mit dem damaligen Redakteur der Zeitung, Dr. Neurohr, 3 ) u n d soll aus Frankreich Korrespondenzen sowohl f ü r die „ R h e i n - u . Moselzeitung" wie f ü r den „Rheinischen Beobachter" geschrieben haben. 4 ) Infolge seiner Ausweisung aus Paris — wo Ende des Jahres 1844 auch der „Vorwärts" unterdrückt wurde — ging v. Bornstedt nach Brüssel, von wo er Korrespondenzen f ü r deutsche u n d französische Blätter lieferte, in denen er die religiösen Wirren der G e g e n w a r t als Deutschland spaltend u n d schwächend bekämpfte. 5 ) Als im Jahre 1845 in d e r Rheinprovinz Flugzettel verbreitet wurden, die die Verh a n d l u n g e n des Provinzial-Landtages mit N a m e n s n e n n u n g der Redner und A b s t i m m u n g e n enthielten, vermutete man in Regierungskreisen, daß von Bornstedt der Verfasser sei, worauf das preußische Ministerium ihn fallen ließ u n d ihm die Remuneration entzog. 6 ) Mit dem politischen Glaubensbekenntnis, das er im „Rheinischen Beobachter" aus Anlaß einer Erklärung über seine Beteiligung am „Vprwärts" ablegte, 7 ) konnte er wohl Mitarbeiter der „Rhein- u. Moselzeitung" sein. Er bezeichnet sich als Monarchist im Sinne der legitimen Erbfolge, da Usurpation jeder Art n o t w e n d i g Tyrannei u n d Spaltungen hervorrufe, aber er will eine Monarchie mit freisinnigen, die ge2

) 3 ) 4 ) 6 ) •) 7 )

Rh. Beob. 15/11 44. Rh. Beob. 4/11 44. E. Z. 15/10 44. E. Z. 20/5 47. E. Z. 10/9 45. B. A. R. 77. Tit. II Gen 31. Vol. 3, 13/8 45. Rh. Beob. 25/10 46.

— 36 — samten Volksinteressen repräsentierenden Institutionen. Neben. Freiheit der Presse, deren Mißbrauch durch ein Preßgesetz gezügelt werden könne, Öffentlichkeit und Mündlichkeit der Rechtspflege, verlangt er vor allem „die Freiheit des Glaubens, die praktische, nicht bloß theoretisch verheißende Parität der Konfessionen" und die Unabhängigkeit der Kirche vom Staate. Die Brüsseler Berichte tragen zwar verschiedene Vorzeichen, doch scheinen sie fast alle von Bornstedt herzurühren, denn sie zeigen bei jeder passenden Gelegenheit die Feindschaft gegen Louis Philipp und die Parteinahme f ü r den Legitimismus. Die „Elberfelder Zeitung" behauptet sogar, daß fast alle auswärtigen Berichte der „Rhein-u. Moselzeitung" ihren W e g über Brüssel nähmen, da Hergt nicht imstande sei, Privatkorrespondenzen zu bezahlen, und daß die von der Zensur der „Rhein- u. Moselzeitung" gestrichenen Artikel v. Bornstedt zur Veröffentlichung in seiner „deutschen Brüsseler Zeitung" zugesandt würden. 1 ) Diese Zeitung erschien seit dem 1. Januar 1847 zweimal wöchentlich und wurde nach Deutschland unter Kuvert an Einzelpersonen (u. a. an den apostolischen Vikar von Luxemburg, Laurent) geschickt. Die preußische Regierung beschlagnahmte jedoch zur lebhaften Entrüstung der „Rhein- u. Moselzeitung" das Blatt mehrere Male; auch war ihr Neurohr wegen seiner öffentlich zur Schau getragenen Verbindung mit v. Bornstedt, der in Brüssel — nach der „Elberfelder Zeitung" 2 ) — ultramontane Subsidien bezogen haben soll, verdächtig. Im Laufe des Jahres 1847 müssen sich aber die Wege wohl getrennt haben, als der streng konservative Rotteis die Redaktion übernahm, wenigstens behauptet die „Elberfelder Zeitung" im September 1847: „Seit mehreren Monaten hat die „Rhein- u. Moselzeitung" ihren früheren einzigen bedeutenden Mitarbeiter, v. Bornstedt, verloren, welcher den krassen Ultramontanismus der neuen Redaktion nicht verteidigen wollte und in seinen politischen Ansichten zu weit vorwärts drängte." 3) Die „deutsche Brüsseler Zeitung" war seit dem Frühjahr 1847 ganz unter den Ein») E. Z. 21/1 47. 2 ) E. Z. 2 0 / 5 47. 3 ) E. Z. 1 8 / 9 47.



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fluß der Sozialisten Marx und Engels gekommen, 1 ) und v. Bornstedt, der legitime Monarchist des Jahres 1845, war entschiedener Demokrat geworden. Er griff in seinem Blatte die preußische Regierung und den König, „den Erfinder des christlich-germanischen Staats, den ungeschwächten Erben einer vorgeblich ungeschwächten Krone" auf das leidenschaftlichste an. 2 ) Bei Ausbruch der Revolution flüchtete er nach Paris, wo er im Namen der demokratischen Gesellschaft zusammen mit Herwegh am 24. März auf dem Stadthause erschien, um Lamartine um Unterstützung und Waffen für ihren Z u g nach Deutschland zu bitten, eine Zumutung, welche dieser natürlich ablehnte. 3 ) v. Bornstedt ist ein Typ der Literaten, die leider damals so häufig waren. Oesinnungslos änderte er je nach Wunsch seine Anschauungen und diente mehreren Herren auf einmal, wie z. B . dem „Rheinischen Beobachter" und der „Rhein- u. Moselzeitung", zwei Zeitungen, die diametral entgegengesetzte Anschauungen vertraten. Rotteis scheint auch schon vor Übernahme der Redaktion für die Zeitung tätig gewesen zu sein; außerdem wird im Jahre 1849 in den Akten ein gewisser Advokat Linkmann aus Koblenz als Mitarbeiter der „Rhein- u. Moselzeitung" genannt, von dem die meisten Artikel stammen sollen, aber auch einflußreiche und bekanntere Männer haben ihre Feder der Zeitung zur Verfügung gestellt, so August und Peter Reichensperger. Besonders August Reichensperger hat lebhaftes Interesse für die Presse gezeigt, deren große Bedeutung er frühzeitig erkannte. Nach dem Kölner Kirchenstreite lieferte er verschiedenen Blättern Beiträge 4 ) und im Jahre 1844 bemühte er sich, Hergt zu bewegen, „von dem Baalsdienste sich loszusagen und wieder auf das wahre Evangelium zu schwören", ebenso wie er im Jahre 1847 auf den neuen Redakteur aufmerksam machte. Er verkannte nicht die Schwierigkeiten, mit denen die keimende katholische Presse naturgemäß 1) Engels, 2) ») 4)

vgl. Franz Mehring, Aus d. liter. Nachlaß v. Karl Marx, Fr. Ferd. Lassalle Bd. II, S. 375 ff. vgl. D. Br. Z. 2/12 47 u. v. B.'s Erklärung in Nr. 15, 2 0 / 2 1848. C. A. Acc. 2 1 / 0 8 , Tit. 5, Sect. 2 Nr. 2550 Vol. 1. vgl. Pastor, Reichensperger I, S. 77 ff. u. 183.

— 38



zu kämpfen hatte, war daher auch mit der „Rhein- u. Moselzeitung" A n f a n g des Jahres 1845 ganz zufrieden, denn man dürfe in Anbetracht der Schwierigkeit, ein Ideal zu verwirklichen, seine A n s p r ü c h e nicht zu hoch spannen. Seine F r e u n d e in Koblenz, so v. T h i m u s u n d Christ suchte er zur Unterstützung der katholischen Presse zu v e r a n l a s s e n u n d auch sonst geeignete Mitarbeiter zu gewinnen. 2 ) Im März 1848 schreibt er an T h i m u s : „Gestern hatte ich einen Artikel f ü r die „ R h e i n - u . Moselzeitung" über die Konstellation des A u g e n blicks fertig gemacht die B e s o l d u n g der Nationalgardenhefe ist schon recht gut (wohl durch meinen B r u d e r ? ) in der „Rhein- u. Moselzeitung" ins Licht gestellt." O b G u i d o G ö r r e s als Mitarbeiter der Zeitung anzusehen ist, möchte ich dahingestellt sein lassen. Er hat sich im Jahre 1844/45 mehrere Monate in Koblenz a u f g e h a l t e n ; w ä h r e n d der Koblenzer Korrespondent der „Elberfelder Zeit u n g " behauptet, daß G ö r r e s „mit den dortigen öffentlichen Blättern in d u r c h a u s keiner Beziehung stehe", 3 ) weiß die Zeit u n g von einer Mission des G u i d o G ö r r e s nach Düsseldorf, um das dortige Blatt in katholische Bahnen zu leiten, u n d von vielen anderen Aufträgen, die er ü b e r n o m m e n haben soll. Zwei Artikel in der „Rhein- u. Moselzeitung" über die Presse sollen nach Aussage der „Elberfelder Zeitung" von G u i d o G ö r r e s verfaßt sein. 4 ) Daß Beziehungen von G ö r r e s zur Zeit u n g a n g e n o m m e n w u r d e n , zeigt auch eine Notiz der „Elberfelder Zeitung" im Jahre 1847. 5 ) „ W e n n f r ü h e r mehrere Blätter wissen wollten, daß G u i d o G ö r r e s über der Redaktion der hiesigen Zeitung schwebe, so wird jetzt das d ü r r e Aussehen des Blattes wohl schwerlich auf eine solche V e r m u t u n g führen." Bei näherer Betrachtung der Artikel „ V o m Rhein" in den historisch politischen Blättern fällt auch eine g e n a u e Vertrautheit der Koblenzer Verhältnisse auf. Das ist ganz natürlich, da G ö r r e s zu seiner Vaterstadt Koblenz noch in mannig2

) 8 ) 4 ) 5 )

Pastor a. a. O. I, 231, 203. Pastor a. a. O. I, 227. E. Z. 17/3 45. E. Z. 2 2 / 5 45. E. Z 2 6 / 6 47.



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fachen Beziehungen gestanden hat, u. a. zu den '.Familien Dietz und Lasaulx, und gerade der Stadtrat Dietz hatte ein lebhaftes Interesse f ü r die Presse. 1 ) Jedenfalls brachte auch die „Rhein-u. Moselzeitung" im Jahre 1847 aus München über die Lola- (Montez-) Affäre und die Absetzung der Professoren sehr gut orientierte Artikel, die im Monatsblatt des Karl-Borromäus-Vereins 1848 als die einzigen wahren Artikel über diese Sache bezeichnet wurden. Ende des Jahres 1845 spricht die „Elberfelder Zeitung" von dem „guten Rufe", den die „Rhein- u. Moselzeitung" in den römisch-katholischen Kreisen habe, und daß ihr die gewandtesten Kräfte aus diesen Kreisen zu Gebote stehen, wie auch der „Katholik" in diesem Jahre berichtet, daß die Nr. 40—80 der Zeitung wegen ihrer vorzüglichen Artikel über den Landtag allgemein gesucht seien. Dabei ruft die „Elberfelder Zeitung" ein dreifaches Wehe über die Redakteure und Korrespondenten ultramontäner Blätter, die gar dem geistlichen Stande angehörten. 2 ) Die Frage, inwieweit die Geistlichkeit an der Zeitung mitgearbeitet hat, läßt sich schwer entscheiden. Daß sie, und besonders die jüngeren Geistlichen, lebhaftes Interesse für die Tätigkeit auf journalistischem Gebiete hatten, geht aus der G r ü n d u n g und Mitarbeit an den katholischen Zeitschriften hervor, auf die wir später zu sprechen kommen. Im Jahre 1846 bringt die Zeitung eine Reihe katholischer, dogmatischer Artikel von einem Pfarrer auf dem „Hunsrück". Auch sonst weisen viele Artikel, datiert von kleinen Dörfern der U m gegend und über Gegenstände, die die Geistlichkeit besonders interessieren, auf einen Ursprung aus diesen Kreisen hin. Als das Projekt der G r ü n d u n g der „Rheinischen Volkshalle" bekannt wurde, erschien in der „Rhein- u. Moselzeitung" ein großer Artikel gegen die N e u g r ü n d u n g und für die Unterstützung des Koblenzer Blattes, der unterzeichnet war „Mehrere Geistliche". Der Landrat von Zell berichtet zu Beginn des Jahres 1849, die „Rhein- u. Moselzeitung" werde von der katholischen Geistlichkeit, die sie mitunter auch unter den Kirchenräten zirkulieren lasse und für dieselbe viele Inserenten liefere, gehalten. Ebenso heißt es in einem Berichte 2

Festschrift d. Karl Borromäus-Vereins S. 9. ) E. Z. 13/10 45.

l l ö n c k m o i e r , Rhein-n,Moselzeitungj.

4



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desselben Jahres von dem Oberbürgermeister an die Koblenzer Regierung, daß die katholischen Geistlichen die Zeitung früher gerne wegen ihrer kirchlichen Tendenz gehalten hätten. Aber auch sie wandten sich mit dem Jahre 1848 zum großen Teil der „Rheinischen Volkshalle" zu.

Julius Beltz, Hofbuchdrucker, Langensalza.

Inhaltsangabe. Wie das beigefügte Inhaltsverzeichnis der ganzen Untersuchung zeigt, behandele ich zunächst im einzelnen Moselzeitung zu

den

politischen

die Stellungnahme der Rhein- u.

und

kirchlichen Fragen.

Durch

ihr

Verhältnis zur Presse, sowie zur preußischen Regierung wird die Zeitung noch

eingehender

•den Jahren

charakterisiert.

Zeitung bietet zugleich gänge

nicht

Luxemburger

einen gewissen Ersatz für die fehlenden Jahr-

der Rhein- u. Moselzeitung.

ein rheinisches Blatt anzusehen, weil

Die Darstellung der Haltung der in

1844/45 erschienenen katholisch-konservativen

Die Luxemburger Zeitung ist als

sie erschien nur deshalb in Luxemburg,

die preußische Regierung die G r ü n d u n g „katholischer" Zeitungen gestattete.

Das Schlußkapitel

ist

Zeitschriften der 40 er Jahre gewidmet.

den

rheinischen

katholischen

Lebenslauf. Ich, Friedrich Karl August Wilhelm Mönckmeier, evangelischer Konfession, bin am 4. Dezember 1889 zu Göttingen geboren. Im Jahre 1901 kam mein Vater, Georg Mönckmeier, als Lehrer an die Höhere Handelsschule für Mädchen nach Köln, wo ich das Königliche Friedrich-Wilhelms-Gymnasium besucht habe, das ich Ostern 1908 mit dem Reifezeugnis verließ, um Geschichte, Deutsch und Französisch zu studieren. Vom S . - S . 1908—W.-S. 1909 war ich in Heidelberg immatrikuliert. Im W . - S . 1909/10 studierte ich an der Universität Montpellier und ging im S . - S . 1910 nach Bonn. Ich war Mitglied der Seminare der Herren Professoren v. Bezold, Litzmann und Schneegans und nahm teil an den Übungen der Herren Dozenten Dr. Herrmann und Dr. Hashagen. Allen meinen akademischen Lehrern bin ich zu großem Dank verpflichtet. Am 24. Juli 1912 unterzog ich mich der mündlichen Doktorprüfung.