Die Rhein- und Moselzeitung: Ein Beitrag zur Entstehungsgeschichte der katholischen Presse und des politischen Katholizismus in den Rheinlanden [Reprint 2020 ed.] 9783111601533, 9783111226408


196 58 11MB

German Pages 161 [168] Year 1912

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD PDF FILE

Table of contents :
Vorwort
Inhalt
Literaturverzelchnis
I. Kapitel. Der Koblenzer Kreis und die Versuche katholischer Zeitungsgründungen
II. Kapitel. Die äußere Geschichte, die allgemeine Tendenz, Redakteure und Mitarbeiter der Rhein- u. Moselzeitung
III. Kapitel. Stellung der Rhein- u. Moselzeitun
IV. Kapitel. Die Rhein- u. Moselzeitung in ihrem Verhältnis zur Presse
V. Kapitel. Die Stellung der Regierung zur Rhein- u. Moselzeitung
VI. Kapitel. Die sonstige katholische Tagespresse der Rheinlande in den 40 er Jahren
VII. Kapitel. Die rheinischen katholischen Zeitschriften in den 40 er Jahren
Recommend Papers

Die Rhein- und Moselzeitung: Ein Beitrag zur Entstehungsgeschichte der katholischen Presse und des politischen Katholizismus in den Rheinlanden [Reprint 2020 ed.]
 9783111601533, 9783111226408

  • 0 0 0
  • Like this paper and download? You can publish your own PDF file online for free in a few minutes! Sign Up
File loading please wait...
Citation preview

STUDIEN Z I BMINISCHEN GESCHICHTE Herausgeber: Dr. jur. ALBERT AHN Heft

1:

Niederrheinisches Geistesleben im Spiegel klevischer Zeitschriften des achtzehnten Jahrhunderts

von Dr. Paul Bensel Preis M

6 . -

Die Benselsche Arbeit führt die angekündigte Sammlung würdig ein. Sie gibt eine Darstellung der Entwicklung des klevischen Zeitschriftenwesens im 18. Jahrhundert. -

Dem rührigen Verleger ist für dieses so

erfreulich eingeleitete Unternehmen der Dank der literarischen Kreise des Rheinlandes gewiß.

Kölnische Zeitung.

In das noch wenig bekannte geistige Leben des Niederrheins gewährt das Werk einen trefflichen Einblick . . . Benseis fleißige Arbeit legt eine

nicht unbedeutende

geschlossene Gebiet 18. Jahrhunderts.

Bresche

des Geisteslebens

in das bisher

noch

ziemlich

in den alten Rheinlanden

des

, _ ,, Kölner Tageblatt.

Das ganze Werk dürfte wohl geeignet sein, ein Licht auf jene Zeiten zu werfen und kann darum sehr empfohlen werden. Rheinisch-westf. Zeitung.

A. Marcos u. E. Webers Verlag (Dr. jur. Albert Ahn) Bonn

STUDIEN ZUR RHEINISCHEN GESCHICHTE H E R A U S G E B E R : DR. JUR. A L B E R T

AHN

4. Heft:

Die Rhein- und M o s e l z e i t u n g Ein

Beitrag

zur

Entstehungsgeschichte

der

katholischen

Presse und des politischen Katholizismus in den Rheinlanden

von

Friedrich Mönckmeier Dr. phii.

BONN A. MARCUS UND E. W E B E R S VERLAG 1912

(Dr. ALBERT AHN)

Vorwort. Die vorliegende Arbeit ist neben der Darstellung des Entwicklungsganges der „Rhein- u. Moselzeitung" ein erster Versuch, die Anfänge des politischen Katholizismus im Rheinland auf dem Gebiete der Presse aufzudecken. Damit ist gegeben, daß meine Untersuchung keinen Anspruch auf Vollständigkeit machen kann. Sie will nur dazu beitragen, die ersten Ansätze eines Zusammenschlusses, wie sie sich vor dem Jahre 1848, dem eigentlichen Gründungsjahre der Parteien, zeigen, klarzustellen. Besonders berücksichtigt habe ich, meinem Thema entsprechend, die Koblenzer Verhältnisse, obwohl auch in den anderen größeren rheinischen Städten sich Parteibildungen vorbereiteten. Der kürzlich erschienene erste Band des Werkes von Karl Bachem: „Josef Bachem und die Entwicklung der katholischen Presse in Deutschland 1815 bis 1848", gibt darüber manchen wesentlichen Aufschluß. Allerdings erscheint mir die Auffassung Bachems, als ob in Köln der Mittel- und Ausgangspunkt eines Zusammenschlusses der rheinischen Katholiken zu suchen sei, nicht berechtigt. Vielmehr ist ursprünglich Koblenz als der Mittelpunkt dieser Bestrebungen anzusehen und wurde auch in der damaligen Zeit allgemein dafür gehalten. Das sehr verdienstvolle und stoffreiche Buch von Bachem bietet neben einigen natürlichen Berührungspunkten — bei seinem Erscheinen hatte ich meine Arbeit schon abgeschlossen — in Vielem eine wertvolle Ergänzung und einen Rahmen allgemeinerer Natur für meine Untersuchung. Seine Ausführungen über die „Rhein- u. Moselzeitung" aber sind zum großen Teil nicht zutreffend, da sie nur auf indirekten Quellen beruhen. 1 ) *) Das Literaturverzeichnis enthält einen Hinweis, wo sich noch Jahrgänge der Rh.-Mz. befinden.

IV Die Jahrgänge 1844—1846 der „Rhein- u. Moselzeitung" waren trotz der eifrigsten Nachforschungen außer drei Einzelnummern des Jahres 1845, die durch die Bemühung des Koblenzer Staatsarchivs aufgefunden wurden, nicht ausfindig zu machen. In meiner Arbeit habe ich die Zeitung hauptsächlich nur bis zum Ende des Jahres 1848 berücksichtigt, weil sie mit dem Aufkommen der „Rheinischen Volkshalle" an Bedeutung verliert und schließlich ganz hinter ihr zurücktreten muß. Auf die Beziehungen der rheinischen Katholiken zu Belgien bin ich nicht näher eingegangen, da die demnächst in den „Studien" erscheinende Untersuchung von Paul Vogel „Beiträge zur Geschichte des Kölner Kirchenstreits" für die 30 er Jahre einigen Aufschluß gibt, und rheinische Stimmen in belgischen Blättern naturgemäß zurücktraten, sobald die Rheinländer eigene Organe zur Verfügung hatten. Wenn ich den Ausdruck „Ultramontan" verwandt habe, so geschah dies ohne jede Bezugnahme auf die heutigen politischen Verhältnisse. Ich habe dieses Wort beibehalten, weil es in den 40 er Jahren allgemein gebräuchlich war und besonders im Gegensatz zu Liberalismus und liberalem Katholizismus angewandt wurde. Herrn Privatdozent Dr. Herrmann-Bonn, dem ich die Anregung zu dieser Arbeit und jederzeit lebhafte Förderung verdanke, und dessen Vermittlung mir ermöglichte, Aktenmaterial des Berliner und Koblenzer Staatsarchivs zu benutzen, möchte ich auch an dieser Stelle meinen ergebensten Dank aussprechen. Außerdem bin ich zu besonderem Danke verpflichtet Herrn Archiv-Direktor Prof. Dr. Hansen in Köln, der mir in der liebenswürdigsten Weise mit Rat und Tat zur Seite gestanden und mir außer mancher wertvollen und zielweisenden Anregung eine Fülle von Material zugänglich gemacht hat. Auch allen den Herren, die mir auf meine Anfragen so bereitwilligst Auskunft gegeben haben, möchte ich nochmals meinen verbindlichsten Dank aussprechen. K ö l n , im Dezember 1912.

Friedrich Mönckmeier.

Inhalt. Silt«

I. Kapitel.

Der

Koblenzer

Kreis und die

Versuche

katholischer Zeitungsgründungen . . . . II. Kapitel.

Die

äußere

Tendenz,

Geschichte,

die

allgemeine

Redakteure und Mitarbeiter der

Rhein- u. Moselzeitung ID. Kapitel.

23

Stellung der Rhein- u. Moselzeitung: 1. zu den politischen Fragen

. . . .

2. zu Kirche und Schule IV. Kapitel.

89 105

Die sonstige katholische Tagespresse der Rheinlande in den 40 er Jahren . . . .

VII. Kapitel.

76

Die Stellung der Regierung zur Rhein- u. Moselzeitung

VI. Kapitel.

40

Die Rhein- u. Moselzeitung in ihrem Verhältnis zur Presse

V. Kapitel.

1

120

Die rheinischen katholischen Zeitschriften in den 40 er Jahren

137

Literaturverzelch n is. 1.

Archivalisches

Material:

1. Geheimes Staatsarchiv Berlin (B. A.) Rep. 77. Tit. I, Zensurverwaltung, Qeneralia. Nr. 26. Vol. 2, betr. die Zensurverwalfung der Kheinprovinz 1843/47. Rep. 77. Tit. II, Zensurverwaltung, Specialia: A. Nr. 9 vol 1, betr. die Herausgabe einer zweiten politischen Zeitung in Aachen 1837. B. Nr. 129, betr. die Herausgabe und den Debit der Brüsseler deutschen Zeitung 1846/48. C. Nr. 40, betr. die Zensur und den Debit des Koblenzer Anzeigers 1842/47. C. Nr. 45, betr. die Herausgabe einer neuen zweiten polit. Zeitung in Köln 1843. C. Nr. 49, betr. die beabsichtigte Herausgabe einer neuen Zeitung in Koblenz 1843. L. Nr. 61, betr. die Zensur und den Debit der Luxemberger Zeitung 1844/45. R. Nr. 57, betr. die Errichtung einer neuen polit. Zeitung in der Rheinprovinz 1844/48. T. Nr. 50, betr. die beabsichtigte Gründung einer katholischen Zeitung in Trier 1844. Rep. 77. Tit. LIV. C. 2. Vol. 1 und 2, betr. die Herausgabe der Rhein- u. Moselzeitung 1831/53. D. 3. vol. 1, betr. die Kölnische Zeitung 1834/45. D. 4, betr. die Herausgabe einer Kathol. Zeitung in Köln 1846. Tit. 505, Tumulte, Rheinprovinz, Nr. 4. vol. 2, Nr. 5 vol. 3, Nr. 8, Nr. 9, vol. 1, 2, 3.

2. Staatsarchiv Coblenz (C. A.) Acc. 7/1912. Tit. VII. Sect. I Nr. 106 zu Acc. 21/08 als Nr. 3805 a, betr. die Rhein- u. Moselzeitung. Acc. 31/06. Tit. II. Sect. III. Nr. 52 betr. die Zensur der Bücher und Zeitschriften. Nr. 56, betr. die polit., wissenschaftl. u. gewerbl. Zeitschriften. Acc. 2J/08. Tit. V. Sect. II. Nr. 2535. Die Vigilierung auf Geistliche in politisch-Dolizeilicher Hinsicht.

VII II. Zeitungen, Zeit- und Flugschriften. Rhein- u. Moselzeitung (Rh. -Mz.) Es befinden sich Jahrgänge: Kgl. Bibliothek Berlin : 1831/1842. Juli 1848/49, Stadtbibliothek Koblenz: 1831/1843, Universitäts-Bibliothek Bonn: 1847/1850. — Kölnische Zeitung (K. Z.) — Elberfelder Zeitung (E. Z.) — Trier'sche Zeitung (Tr. Z.) — Düsseldorfer Zeitung (D. Z.)— Rheinischer Beobachter (Rh. Beob.) — Luxemburger Zeitung (L. Z.) Der Katholik — Historisch-politische Blätter — Rheinisches Kirchenblatt — Katholische Blätter — Nathanael — Kritische Blätter — Zeitschrift für Erziehung und Bildung — Zeitschrift für Philosophie und katholische Theologie — Monatsblatt des Borromäus-Vereins. C. Q. N. Rintel, Die Verfassungsfrage, Bonn 1845 — Hälschner, Die preußische Verfassungsfrage und die Politik der rheinischen ritterbürtigen Autonomen, Bonn 1846 — W. Prisac, Die akatholische Tendenz der Kölnischen Zeitung, Düsseldorf 1844. — W. Prisac, Zeichen der Zeit, Düsseldorf 1846. III. Darstellungen, Briefe, Memoiren und Biographien. C a r l B a c h e m : Josef Bachem und die Entwicklung der katholischen Presse in Deutschland, Bd. I, Köln 1912. L. B e r g s t r ä ß e r : Studien zur Vorgeschichte der Zentrumspartei, Tübingen 1910. F r . S c h n a b e l : Zusammenschluß des politischen Katholizismus ;in Deutschland i. J. 1848, Heidelberg 1910. L S a l o m o n : Geschichte des deutschen Zeitungswesens, 3 Bände, Oldenburg-Leipzig 1900-1906. T r e i t s c h k e : Deutsche Geschichte, Bd. V, Leipzig 1899. K. L. v o n H a l l e r : Restauration der Staatswissenschaft. 6 Bände, Bern 1 8 1 6 - 3 4 . C. E. J a r c k e : Vermischte Schriften, Bd. I — III, München 1839. Verings Archiv für katholisches Kirchenrecht Bd. 89, 1909. F r . M e i n e c k e : Weltbürgertum und Nationalstaat, München und Berlin 1908. G u s t a v e d e F a i l l y : De la Prasse et de sa Domination sous les rapports politique et religieux 1842. M a r t i n B l u m : Geschichtlicher Rückblick auf die im Großherzogtum Luxemburg bisher erschienenen Zeitungen und Zeitschriften. Luxemburg 1899. F e s t s c h r i f t zur Gründung und Tätigkeit des Vereins vom heiligen Karl Borromäus 1895. A. T h . B ö n i n g e r : Preußens Erster Reichstag, Berlin 1847.

Vili C l e m e n s B r e n t a n o : Oesammelte Schriften, Bd. 8 u. 9 Briefe Frankfurt a. M. 1855. J. v. O ö r r e s : Qesammelte Briefe, Bd. III, München 1874. P e t e r R e i c h e n s p e r g e r : Erinnerungen eines alten Parlamentariers, Berlin 1882. F e r d i n a n d W a l t e r : Aus meinem Leben, Bonn 1865. Allgemeine deutsche Biographie. L u d v i g P a s t o r : August Reichensperger, 2 Bände, Freiburg 1899. O. P f f i l f : Kardinal von OeiBel, 2 Bände, Freiburg 1895. J. H a n s e n : Gustav von Mevissen, 2 Bände, Berlin 1906. A n t o n S p r i n g e r : Fr. Chr. Dahlmann, 2 Bände, Leipzig 1870/72. K a r l M ö l l e r : Leben und Briefe von J. Th. Laurent, 3 Bände, Trier 1887. J. H. R e i n k e n s : Melchior v. Diepenbrock, Leipzig 1881. P. J. B. D i e l - K r e i t e n : Clemens Brentano, 2 Bände, Freiburg 1877/1878. J. N. S e p p : Görres und seine Zeitgenossen, Nördlingen 1867. (Christine v. Hoiningen-Huene): Erinnerungen an Amalie von Lasaulx, Gotha 1878. R e m i g i u s S t ö l z l e : E. von Lasaulx, Münster 1904. J. W e g e 1 e r : Koblenz in seiner Mundart und seinen hervorragenden Persönlichkeiten, Koblenz 1906. N a g e l e r : Kfinstlerlexikon, Mönchen 1846. H. F i n k e : Carl Müller, Leben und künstlerisches Schaffen (Schrift der Oörres-Oesellschaft 1896). H. F i n k e: Der Madonnenmaler Franz Ittenbach (Schrift der GörresOesellschaft 1898). A. M. v. S t e i n t e : Ed. von Steinte und A. Reichensperger (Schrift der Görres-Gesellschaft 1890). F r a n z M e h r i n g : Aus dem literarischen Nachlaß von Karl Marx, Friedrich Engels und Ferdinand Lassalle, Bd. II, Stuttgart 1902. H. v. P e t e r s d o r f f : Kleist-Retzow, Ein Lebensbild, Berlin 1907. D. A. R o s e n t h a l : Konvertitenbilder aus dem 19.Jahrhundert, Bd. I, Schaffhausen 1865.

I. K a p i t e l .

Der Koblenzer Kreis und die Versuche katholischer Zeitungsgründungen. Als Preußen auf Grund der Bestimmungen des Wiener Kongresses im Jahre 1815 die Rheinlande übernahm, da trat ein Gesichtspunkt weit bedeutsamer als bisher in den Kreis der preußischen Regierung: ihre Stellung zu der katholischen Kirche, der die meisten ihrer neuen Untertanen angehörten. Die Ideen des Rationalismus und der Aufklärung des 18. Jahrhunderts, gepaart mit Bestrebungen nationalkirchlicher Natur, hatten im Katholizismus das religiöse Empfinden erkalten -lassen und das Gefühl der Zusammengehörigkeit mit Rom gelockert. Von den rheinischen Katholiken wurde daher zunächst ein tieferer Gegensatz zu der'protestantischen Regierung nicht empfunden; zumal auch die Verhandlungen der Regierung mit der römischen Kurie verhältnismäßig ein zufriedenstellendes Resultat hatten. Allmählich trat jedoch ein Wechsel in dem Verhältnis ein infolge der Regeneration, die sich in der katholischen Kirche vollzog. Schon durch die Ideen der Romantiker mit ihrer Vorliebe für das katholische Mittelalter, besonders aber durch die Freiheitskriege war das religiöse Bedürfnis und Empfinden mächtig gestärkt. In der jungen katholischen Geistlichkeit vor allem begann sich die Opposition zu regen gegen die neue staatliche Ordnung, die ein Hindernis bildete für ihre Wünsche nach1 „Wiederherstellung der römischen Hierarchie in ihrem ganzen mittelalterlichen Glänze". Ihre Feindschaft galt sowohl den rheinischen Bischöfen, die nach ihrer Ansicht die Interessen der katholischen Kirche nicht genügend vertraten, und die deshalb M ö n c k m e i e r , Rhein» u. Mosebeitung.

1

in der „Aschaffenburger Kirchenzeitung"*) auf das heftigste angegriffen wurden, wie dem Hermesianismus, der immer m e h r Einfluß unter der Geistlichkeit g e w a n n . D e r B u c h h ä n d ler Perthes spricht im Jahre 1824 von einer krampfhaften A u f r e g u n g innerhalb der katholischen Kirche, die wohl nicht mehr lange werde ausbleiben können, u n d fünf J a h r e später sieht er eine tiefe W a n d l u n g als geschehen an, „die katholische Kirche ist römischer u n d hierarchischer g e w o r d e n , und die protestantische Geistlichkeit steht in heftigem Protestantismus in S c h l a c h t o r d n u n g d a " . 8 ) Bei solcher sich vorbereitenden V e r s c h ä r f u n g der G e g e n sätze w u r d e das Bedürfnis nach Anschluß an Gleichgesinnte u n d nach gemeinsamem Gedankenaustausch rege, u n d diesem Bedürfnis verdankte in Koblenz, wo d u r c h das Wirken von Görres, der auch nach seiner Flucht im Jahre 1819 in regem Verkehr mit seinen Koblenzer F r e u n d e n blieb, ein lebhaftes politisches Verständnis herrschte, die sogenannte „ T y p p u s Gesellschaft" 3) ihr Dasein. Eine „kleine D i e n s t a g - A b e n d gesellschaft" entstand sie „durch gemeinsames Halten von Ecksteins Katholik 4 ), dem Straßburger 5 ), dem Staatsmann 6 ) u n d dem Leipziger katholischen Literatur- u n d Kirchenkorrespondenten 7). Alle Leute, „mit denen man noch ein vern ü n f t i g katholisch legitimes W o r t reden kann", d u r f t e n sich einfinden. 8 ) Gewöhnlich waren es 6—8 Männer. Die Stifter dieser Gesellschaft, Stadtrat Dietz, Dr. Settegast u n d C l e m e n s Brentano waren tief religiös angelegte Menschen. Von den sonstigen Teilnehmern an den Abenden entwirft B r e n t a n o ein humorvolles Bild: „ D e r beste von Allen mit weniger ') Die A. K. Z. erschien seit dem Jahre 1829 und wurde von 1831 ab von Pfeilschifter redigiert. Vgl. Bachem 1. 206. l ) Erinnerungen an Amalie v. Lasaulx S. 60 f. ') nach dem Orte ihrer Zusammenkunft. 4 ) vgl. Rosenthal ,ConvertitenbiIder' Bd. 1, S. 91 ff. ä ) gemeint ist der Mainzer Katholik, der in diesen Jahren in Straßburg erschien. ') vgl. Bachem a. a. 0 . 1 , 202 ff., herausgegeben von Pfeilschifter. ') von dem nur 6 Hefte erschienen sind, und an dem A. Müller und Pfeilschifter beteiligt waren. Bachem 1, 183. *) Karl Möller, Leben und Briefe von J. Th. Laurent 1, 270 ff.

reinlicher Eitelkeit recht wohlgesinnt gewordene Liel (der Geschäftsmann des Freiherrn vom Stein), als Konversationslexikon der Stramberg, als Ichneumon gegen dieses kuriose Krokodil der ehrliche pikantische Bachoven, dann Mähler, dann weiter, als noch nicht ganz fallen zu lassen der immer mehr in Philosophie und Untätigkeit verkommende Hammer, dann ein wohlgesinnter Gymnasialprofessor, weiter dann und wann der Friedensrichter Burret, Longard usw. Allerlei Gutes und Dummes, aber nichts Böses und Plattes kommt vor. Herr Regierungsrat Lang und Konsorten nennen es die apostolische Junta."*) Clemens Brentano, der sich vor seiner Übersiedlung nach Koblenz mehrere Jahre in Dülmen bei der stigmatisierten Nonne Katharina Emmerich aufgehalten hatte und dessen religiöses Empfinden stark mystisch gefärbt war, sowie Dietz und Settegast — für Brentano „unser sehr frommer, vertrauter, genialer Freund, der erste Arzt und mit Dietz der beste Mann der Stadt 2 ) — waren eng befreundet mit Görres. ' ) Görres ges. Briefe III, 285. Brentano an Görres, Anfang des Jahres 1827. Interessant ist das Urteil des jungen Referendars A. Reichensperger — der ja sein katholisches Herz erst 1837 entdeckt haben will, wo er sich den «bisher gemiedenen streng kirchlich gesinnten Koblenzern, einem Dietz, Settegast und Seidel anschloß«, 3 ) — über den „frommen Klub" im Jahre 1833. Anläßlich der Bekanntschaft mit Stramberg, der ihn »angetan mit dem Kleide einer Äbtissin« empfangen hatte, schreibt er in sein Tagebuch: »Obgleich er zu dem frommen Klub gehört, molestiert er einen mit gottseligen, erbaulichen Redensarten gar nicht. Überhaupt scheint er mir dafür viel zu hoch zu stehen, um ein Glaubensknecht zu sein, und fast kommt es mir vor, als halte er sich bloß zu den frommen Phantasten um des weltlichen Einflusses und Zeitvertreibes willen und da hatte er nicht so unrecht, so ein geistreicher Frömmler ist tausendmal unterhaltender als ein trockener Geschäftsmann, der neben seinen amtlichen Pflichten nur noch Pfiichten gegen seine Ehehälfte und seinen Kadaver kennt.» 1 ) ») Pastor I, 77. *) Pastor a; a. O. I, 4 5 : Über Stramberg und seine Beteiligung am frommen Klub vgl. auch Wegeier, Coblenz in seiner Mundart und seinen hervorragenden Persönlichkeiten. 782 u. A. D . B. LIV, 657 f. 2

) Cl. Brentanos Briefe II, 131, vgl. auch Wegeier, a. a. O. S. 8 5 .



Dietz schreibt an ihn im Jahre 1825, daß er jetzt wisse, daß er getrieben werde, unseres lieben Herrgotts Hausknecht in seiner Stadt Koblenz am Rhein zu sein, und daß er sich ganz demütig an seine Kirche zu halten habe. 1 ) Dietz 2 ), von Beruf Blechwarenfabrikant, entfaltete neben seiner politischen Wirksamkeit — er war seit 1826 Vertreter von Koblenz auf dem rheinischen Provinziallandtage — eine große soziale Tätigkeit. 1825 entstand auf seine Veranlassung das Bürgerhospital, an das die katholischen Schwestern vom Orden Saint Charles de Nancy berufen wurden, 3 ) und f ü r welches Brentano den Erlös seiner Märchen bestimmte. Ein anderes Gebiet war die Sorge für die Jugend, für die Schule. Im Jahre 1830 hatte Dietz mit Mähler eine Stadtschule auf dem Rathaus durchgesetzt, unter der Leitung des Vikars Cornely aus Boppard. Allein das Unternehmen scheiterte an „der Haltung der Regierung". 4 ) Zu dieser Zeit entstand auf dem Marienberg zu Boppard eine weibliche Erziehungsanstalt, deren Begründerinnen, die Geschwister Doli, in nahen Beziehungen zu Dietz und Brentano standen. 5 ) Für die Jugend zu wirken und sie in religiösem Sinne zu erziehen, darauf zielte ein Projekt Brentanos, das in den 40 er Jahren wieder aufgegriffen und im Borromäus-Verein verwirklicht w u r d e ; er wollte eine christliche Leihbibliothek schaffen, die von Räß und Weiß, den Herausgebern des Katholik in Mainz geleitet werden sollte. 6 ) Ferner suchte er die G r ü n d u n g einer katholischen Monatsschrift anzuregen, zu deren Mitarbeiter Rom die bedeutendsten Gelehrten auffordern müsse. 7 ) Diese Seite, die bewußte Anlehnung an Rom, ist besonders wichtig f ü r die Beurteilung der Tätigkeit dieser Männer. Durch Diel-Kreiten, Clemens Brentano II, 327. ) über seine Beziehungen zu Görres vgl. Sepp, Görres und seine Freunde. S. 329 ff. ') vgl. Brentanos Schrift: Die barmherzigen Schwestern in Bezug auf Armen- und Krankenpflege nebst einem Bericht über das Bürgerhospital in Coblenz und erläuternden Beilagen. Coblenz bei Hölscher. 1831. *) vgl. Brentanos Briefe II, S. 251 und Görres ges. Br. III, 382. ^ *) Diel-Kreiten a. a. O. II, 406 ff. •) Cl. Brentanos Briefe II, 93. ') Cl. Brentano a. a. O. II, 137. 2



5



Christian Brentano 1 ), der 1823—27 in Rom weilte, um Priester zu werden, war die Fühlung mit dem Mittelpunkt der katholischen Kirche eine sehr rege. Es war zunächst nur ein kleiner Kreis, der aber zielbewußt die Regeneration des Klerus und die Erweckung religiösen Sinnes verfolgte. Als z. B. das Jubiläum im Jahre 1826 verkündet war, schrieb Brentano, daß dieses eine sehr schöne Gelegenheit gewesen wäre, die deutsche Kirche in ein Einheitsgefühl unter sich und mit Rom zu bringen, wenn die Bischöfe ein und dasselbe Gebetsformular und dieselbe Ablaßerklärung angenommen hätten. 2 ) Alles hungere am Rheine nach dem Worte Gottes, und ein einziges größeres Predigertalent könne Unbeschreibliches wirken, denn es sei eben alles verschüchtert und verflacht, der Gottesdienst und der Kirchengejang verwildert. 3 ) Dietz bemühte sich auch darum. Daß der Koblenzer Kreis allmählich bekannt wurde und Einfluß gewann, geht aus den Berichten des Landrats Schnabel in den 30 er Jahren an die Regierung hervor. 4 ) Sie sind zwar nur mit großer Vorsicht zu benutzen, haben aber doch einiges Interesse, ja auch einen gewissen Wert, wie die Ereignisse der 40 er Jahre in Koblenz beweisen. In Dietz, der sehr liiert sei mit Görres und Brentano, sieht Schnabel mit Recht das Haupt der sogenannten frommen, katholischen Partei. 6 ) Von großem Interesse ist seine Beobachtung, daß sich dieser Partei auch die katholischen Advokaten, Justizbeamten und mehrere Einsassen anzuschließen schienen. 6 ) In den 40er Jahren wird es sich noch mehr zeigen, welchen starken Anteil gerade die rheinischen Juristen an der katholischen antipreußischen Strömung nahmen. Und das ist ganz natürlich; der Richterstand war durch die Anhänglichkeit an die rheinische Gesetzgebung, der von Berlin immfcr Verderben drohte, von vornherein in eine gewisse, leicht verständliche Opposition ge') vgl. A. D . B. III, 309 ff. a ) Cl. Brentano II, 167. ») Cl. Brentano II, 132. *) Über Schnabels Tätigkeit vgl. Hansen, Mevissen 1, 219 ff. ') Berl. Archiv Rep. 77 Tit. 505 nr. 4 vol. 2 f. 84. B. A. R. 77 Tit. 505 nr. 9 vol. 2 f. 263. •) B. A. R. 77 Tit. 505 Nr. 9 vol. 1 f. 249 ff.

drängt. Das „zähe Festhalten" an ihrem französischen Rechte rief eine „tiefe Verachtung" gegen die preußische Gesetzg e b u n g hervor, dazu kamen einige Mißgriffe in der Wahl der höheren Justizbeamten, die die rheinische Juristenwelt tief verletzten. Ein äußeres Zeichen des neu erwachenden Lebens in der katholischen Kirche waren große Fronleichnamsprozessionen, die nie verfehlten, einen tiefen Eindruck auf das Volk zu machen, und die besonders in Koblenz immer glanzvoller gestaltet wurden. 1834 sollen auch die katholischen Justizbeamten usw. zum ersten Male an dieser Prozession teilgenommen haben, was sonst früher weniger der Fall gewesen sei.2) Im Jahre 1835 erschien dann das „rote Buch" (Beiträge zur katholischen Kirchengeschichte des 19. Jahrhunderts), das in Koblenz die öffentliche Aufmerksamkeit sehr in Anspruch genommen hat 3 ) und durch die katholische Partei eifrig verbreitet worden sein soll. 4 ) Das Erstarken des Gefühls im katholischen Klerus für das, was er seinem Glauben schuldete, beweisen auch die in den folgenden Jahren immer häufiger werdenden Fälle, daß Katholiken, die sich nicht zu ihrer Kirche gehalten haben, das kirchliche Begräbnis verweigert wurde.*) Brentano, der im Jahre 1825 den Mangel an geeigneten Männern bedauerte, sprach sich lobend aus über die junge Geistlichkeit: „Die Kapläne sind alle sehr orthodox und unermüdet fleißig, einige mit schönem, innern Talent, auch sind sie einig. 6 ) Ein Zeugnis für den überall hervortretenden Gegensatz zwischen den noch in der Aufklärungszeit wurzelnden Geistlichen und dem jungen Nachwuchs! Die katholische Partei begann allmählich sich sicherer zu fühlen. Anfang des Jahres 1836 reichte sie einen schriftlichen Protest beim Oberpräsidium dagegen ein, daß in einer kathol

) vgl. Erinnerungen an Amalie von Lasaulx. S 62. ) B. A. R. 77 Tit. 505 nr. 4 vol. II f. 84. ») B. A. R. 77 Tit. 505 nr. 4. 5/11 53 Bodelschwingh a n v. Rochow. 4 ) B A. R. 77 Tit. 5C5 nr. 9 vol. 11, 3 / 2 36. б ) B. A. R. 77, Tit. 505 nr. 9 vol. 11, 2 7 / 1 36. s ) Cl. Brentanos Briefwechsel II, 131. а

d.

Min.

tischen Stadt, und zwar während der Fastenzeit, auf dem Theater Stücke aufgeführt wurden, die die katholische Religion und Geistlichkeit herabsetzten und verspotteten, wie „ D e r Glöckner von Notre D a m e " . Unterzeichnet haben den Protest Justizrat und Advokat Adams, Bongardt, dann Dietz und Settegast. Ein Schritt, der nach Schnabels Ansicht das Bestreben der „Glaubensarmee" zeigt, jede Veranlassung zur Verstärkung ihres Einflusses zu benutzen. Man suche allenthalben das katholische Volk glauben zu machen, daß es jetzt an der Zeit sei, seiner Religion das nötige Gewicht und Ansehen nach außen wieder zu geben, und daß hierzu die bedeutendsten Familien des Landes Opfer bringen w ü r d e n . W i e einflußreich die „Glaubensarmee" geworden war, zeigt das Urteil des eifrigen Laurent, des späteren apostolischen Vikars in Luxemburg, im Jahre 1 8 3 6 2 ) : „ D a s Spital hat sich zu herrlicher Blüte entfaltet und verbreitet durch das Beispiel seiner Bewohner, durch die reiche ihm einströmende Segensfülle und die der christlichen Barmherzigkeit eigene Anziehungskraft ein neues, eifriges Glaubensleben in den Koblenzer Kreisen. Wäre in jeder Stadt ein Seydell und eine katholische Sozietät wie Dietz, Adams, Burchard und Konsorten, sie (die Hermesianer) würden schon unschädlich gemacht. Die Guten scheinen mir wirklich hier so lauter als fest zusammenzustehen." Auffallend ist die große Anzahl von Konvertiten, die wir unter den gläubigen Katholiken finden, ein Beweis, wie nachhaltig die romantischen, mystischen Lehren gewirkt haben. Da ist zu n e n n e n : S e y d e l l 3 ) ; er wurde 1788 in Stettin geboren, studierte Kameralia und machte als preußischer Husarenoffizier die Befreiungskriege mit. Als Referendar in Stettin trat er 1822 zur katholischen Kirche über und wurde 1830 zum Priester geweiht. Im Jahre 1831 zog ihn Dietz von Bonn, wo er Seelsorger bei der J u n g gesellenbrüderschaft gewesen war, nach Koblenz zur G r ü n dung eines Waisenhauses, zu St. Barbara, und als Vikar an die Barbarakirche. Im Jahre 1830 schreibt Josef Laurent 4 ) ») R. 77 Tit. 5 0 5 Nr. 9

vol. 11, 2/4 3 6 .

Schnabel an v.

Rochow.

2

) Karl Möller a. a. O. 1, S. 2 7 0 ff.

3

) Rosenthal, Konvertitenbilder aus dem X I X . Jahrli. I, S. 3 0 8 ff.

*) Karl Möller, a. a. O. I, 153.

über i h n : „In jeder Stadt ein solcher Prediger, und es würde das katholische Volk bald geweckt sein aus seinem krankhaften Schlummer." Seydell war e n g b e f r e u n d e t mit dem ehemaligen Regierungsassessor B u r c h a r d (geb. 1790 zu Neu-Ruppin), der 1821 zur katholischen Kirche übergetreten war. Burchard sagt selbst in seiner Biographie 1 ), daß die überall nach der großartigen Katastrophe von 1806—1815 eingetretene W e n d u n g zu ernsterer u n d tieferer Lebensauffassung, vorzüglich in der Jugend, auch auf ihn einen bedeutenden Eindruck gehabt habe. Im Jahre 1822 hatte er eine Zeitlang in Berlin in innigster Freundschaft mit den beiden G o ß l e r 2 ) u n d Jarcke gelebt. Ende der 20er Jahre verkehrten er u n d Seydell in Bonn viel mit dem Konvertiten Nicolaus Möller, dessen H a u s dort zu einem Mittelpunkt katholischen Lebens wurde. — D u r c h ihr Wirken — sie galten als Mitglieder des „geheimen Jesuitenordens" — sowie die B e m ü h u n g e n des Professors Klee, des Nachfolgers von Hermes, und den zeitweiligen Aufenthalt Christian Brentanos bildete sich d a m a l s in Bonn der Kern einer katholischen Gesellschaft, die lebhafte Beziehungen zu den Koblenzer Katholiken pflegte. 3 ) Burchard, der dann Seydell nach Koblenz nachgefolgt zu sein scheint, hat auch eine große schriftstellerische Tätigkeit entfaltet. Er war Mitarbeiter am „Katholik" u n d den „Wiener J a h r b ü c h e r n " , schrieb unter a n d e r m eine Besprechung von Rankes Geschichte Deutschlands im Zeitalter der Reformation, ferner eine ganze Reihe von S c h n i t ten rein kirchlichen Jnhalts. W a r schon die Fronleichnamsprozession des Jahres 1836 überall von den Katholiken mit ungewöhnlicher Pracht, vorzüglich in Koblenz, wo eine Reihe der höchsten Beamten sie begleiteten, begangen, so bot sich f ü r Koblenz in diesem Jahre eine weitere Gelegenheit, das Erwachen des kirchlichen Lebens nach außen hin glänzend zum Ausdruck zu bringen : die 1000 jährige Jubelfeier der St. Castorkirche. Die Kob') Rosenthal a. a. O. I S, 300 ff. ) 2 bekanntere Konvertiten, von denen der eine als »Pater Henricus Gossler« in den 40er Jahren durch seine Predigten und den Versuch, ein Klarissinnenkloster zu gründen, viel Aufsehen erregte. ') Karl Möller a. a. O. I. S. 149. a



9



lenzer Rhein- u. Moselzeitung enthält über die „ w a h r h a f t erhebende" Feier 1 ) eine Reihe von Berichten, aus denen ein tief religiöses Empfinden spricht. Sie dürften wohl aus der Feder eines Mitgliedes der „Glaubensarmee" stammen. Schon im Mai wurde angekündigt, daß die kirchliche Festlichkeit 8 Tage dauern werde, u n d daß man hoffe, durch die „allerhöchste Huld unseres gnädigsten Königs" neue Glocken f ü r die Kirche anschaffen zu können. Die eigentliche Feier fand im Juli statt. „Die Prozession war eine der feierlichsten u n d von einer unabsehbaren Menge jedes Standes und Alters begleitet." Eine große M e n g e Geistlicher war aus der Ferne zur Verherrlichung des Festes eingetroffen und die Feier selbst w u r d e damit geschlossen, daß vom Bischof mehrere Personen, bisher Nichtkatholiken, in den Schoß der katholischen Kirche a u f g e n o m m e n wurden. 8 ) W ä h r e n d des Festes teilte die Rhein- u. Moselzeitung einen zweiten Aufruf mit f ü r eine Kollekte f ü r die Glocken, die ein Denkmal zur E r i n n e r u n g daran sein sollten, „daß schon vor m e h r als 1000 Jahren in den Ländern am Rhein der christliche G l a u b e feste Wurzeln geschlagen". Dieser neue Aufruf w u r d e damit begründet, daß „ein allerhöchsten Orts nachgesuchter Beitrag nicht bewilligt werden konnte", ein V o r g e h e n , das von Schnabel mit Recht als eine Spitze gegen die preußische protestantische Regierung gedeutet wurde. Ü b e r h a u p t war die Regierung nicht sehr erbaut von der Feier, bei der einige „unerfreuliche Erscheinungen" vorgekommen w a r e n . 3 ) Einige Fanatiker sollen die A b l e h n u n g der Bitte sehr übel g e n o m m e n haben, u n d auf ihre Veranlassung sei die neue A u f f o r d e r u n g zu Beiträgen erlassen, in der die A b l e h n u n g der Bitte unpassenderweise erwähnt sei. W ä h r e n d der Feier seien in der Castorkirche Predigten im Sinne u n d Stile der Kontroverspredigten gehalten worden, wobei vor allem Seydell sich durch seine Heftigkeit hervorgetan haben soll,*) auf dessen E n t f e r n u n g , da er nicht in der Diözese Trier rezipiert war, der Oberpräsid e n t daher Bedacht nehmen will. D u r c h die Predigten sei *) ) 3 ) *) dote in a

Rh.-Mz. 4/5, 12/5, 26/7, 29/7, 2 / 8 36. Rh.-Mz. 26/7 36. B. A. R. 77 Tit. 505 nr. 4 vol. 2 f 226. Wie sehr gerade er den Protestantismus haßte, zeigt eine AnekErinnerungen an Amalie v. Lasaulx. S. 18.



10



viel Gerede entstanden, und besonders bei der unteren Klasse dadurch manches dem Gouvernement nachteilige Urteil wachgerufen. Doch muß der Oberpräsident anerkennen, daß die ganze Feier ohne die mindeste Ruhestörung vor sich gegangen sei. Einzelheiten weiß natürlich Schnabel zu berichten. 1 ) „Die Prozession glich einem Triumphzuge. Seydell trug an der Spitze der Prozession die erste Fahne, Burchard ging zur Seite des Venerabile mit einer brennenden Kerze. Auch Brentano (Christian), der noch in Boppard ist, war zugegen mit der ganzen sogenannten frommen Gesellschaft." Aus den Berichten geht hervor, daß die „ultramontane Partei" der Regierung nicht günstig gesinnt erscheint. Schnabel betont immer wieder die Opposition der ultra-katholischen Partei und ihr Bestreben, die Provinz gegen die Regierung aufzuregen; Dietz mit seiner „Scheinfrömmigkeit" werde ganz mit Unrecht f ü r einen Biedermann und dem Gouvernement treu ergeben gehalten. 2 ) Daß der Koblenzer Kreis der Regierung nicht zugetan war, zeigt eine Äußerung von Dietz seinem Freunde Görres gegenüber. Mit dem neuen Oberpräsidenten (von Pestel), der ein überaus braver Mann von der besten Gesinnung sei, so schreibt Dietz, gehe vieles besser, ebenso sei Brüggemann (katholischer Schulrat in Koblenz) „allen ein lieber Freund geworden" und „die totale Schlechtigkeit" habe ein Ende. „Aber es ist alles verfahren und verrenkt, und da unser wohlmeinender Bischof (Hommer) seine Zeit nicht begreift, so ist das, was in dieser Zeit nottut und helfen könnte, auf allen Seiten so beschränkt und erlahmt, daß man gar nicht sagen kann, wie sich die Dinge besser gestalten können als durch eine Sündflut." 3 ) Nach Schnabels Aussagen stand diese ganze Partei mit dem Ausland und vorzüglich mit Belgien und mit der katholischen Geistlichkeit der Provinz in ununterbrochener Verb i n d u n g ; und zwar werde die belgische Korrespondenz von Dietz und Adams besorgt. Wie wenig die Regierung den „Ultramontanen" traute, zeigt die genaue Überwachung von dreien unter ihnen, Seydell, Cornely und Adams „als den ») B. A. R. 77 Tit. 505 Nr. 9 vol. 2. a ) B. A. R. 77 Tit. 505 Nr. 9 vol. 3. ») Görres a. a. O. III, 413: Dietz an Görres 11/12 32.



11



tätigsten und eifrigsten Werkzeugen der Koblenzer fanatischen Partei" anläßlich einer Reise im Jahre 1839. Das G o u v e r n e m e n t vermutete einen gemeinschaftlichen Zweck, eine kirchliche, propagandistische Mission, „ein Rendez-vous im Ausland, Frankreich, Schweiz, in Bayern oder gar in Rom", um gegen die jetzige Verwaltung der Diözesen Trier und Köln zu intrigieren. 1 ) Auch Jarcke, der in Belgien einen zweiten Teil der „Beiträge" (zur katholischen Kirchengeschichte des 19. Jahrhunderts) herausgeben wolle, w u r d e mit den Koblenzer „ U l t r a m o n t a n e n " in V e r b i n d u n g gebracht. Im August 1837 sollen bei Christian Brentano heimliche Versammlungen stattg e f u n d e n haben, deren Resultat die V e r l e g u n g der Zentralstelle der Partei von Koblenz nach Frankfurt gewesen sei. 2 ) Diese E r z ä h l u n g Schnabels macht jedoch einen etwas u n w a h r scheinlichen Eindruck, zeigt aber, daß man es mit einer festen Organisation zu tun zu haben glaubte. D a ß auf diese glaubenstreuen Katholiken d e r Kölner Kirchenstreit und die G e f a n g e n n a h m e des Erzbischofs im Jahre 1837 einen tiefen Eindruck machen und die schon bestehende A b n e i g u n g gegen Preußen sehr verschärfen mußte, ist wohl selbstverständlich. Die rheinischen Katholiken schlössen sich infolge der gemeinsamen Opposition gegen den Eingriff der preußischen Regierung in die Rechte der katholischen Kirche n u r noch enger zusammen, und wenn auch die Regierung zunächst nicht nachgab, „im Jahre 1837 feierte die katholische Kirche ihren ersten offenbaren Sieg , da sind wir erst wieder katholisch geworden, v o r h e r wußten wir selber kaum, was wir waren. 3 ) In Koblenz, wo man „zu Weihnachten 1500 K o m m u n i kanten m e h r als im vorhergehenden Jahre" zählte, trat u. a. Seydell f ü r das Recht des Erzbischofs entschlossen ein. Das Volk bewachte ihn T a g und Nacht u n d t r u g ihn eines Tages, als er ausgegangen war, u m ' i h n zu sichern, auf den Schultern nach Hause. 4 ) Die Regierung versuchte, ihn aus der ») ) 3 ) *) 2

Cobl. Archiv Acc. 21/08 Tit. 5. Sect. 11, Nr. 2535. B. A. R. 77 Tit. 505 lir. 9 vol. 3. Amalie v. Lasauix S. 71. Görres a. a. O. 111, 485 an j. v. Qiovanelii 30/1 38.



12



Diözese zu entfernen; nach zweimaliger vergeblicher Aufforderung an den Generalvikar in Trier wandte sich Bodelschwingh an den Fürstbischof von Breslau, Sedlnitzky, als Ordinarius von Seydell; allein der Versuch mißlang. 1 ) Ein interessantes Beispiel dafür, daß Anordnungen der Regierung in diesen Dingen auch von hohen Beamten einfach nicht befolgt wurden, ist der „Fall Nicola". Ein Koblenzer von Geburt, der seine Studien in Rom gemacht hatte, dann lange Jahre Missionar gewesen war, wurde Nicola, als der Regierung verdächtig, der Zutritt nach Preußen im Jahre 1841 untersagt; trotzdem hielt er sich aber im folgenden Jahre in Koblenz auf und verkehrte fast täglich im Hause des Polizeidirektors und Oberbürgermeisters Mähler. In den 30 er Jahren wurde er als Hilfsprediger in Trier wegen seines auffallenden Äußeren — er trug einen überlangen schwarzen Rock und einen eigentümlichen breitkrämpigen Hut — besonders bei Funktionen, die auf Wirkung in der üffentlichlichkeit berechnet waren, verwandt, bis er 1855 anscheinend wirklich ausgewiesen wurde. 2 ) Daß auch in den 4 0 er Jahren die „Ultramontanen" in Koblenz nicht untätig gewesen sind, geht besonders aus der Polemik in der Presse hervor, die sich sehr eingehend mit „dem Sitze der Römlinge", der „ H o c h b u r g des Ultramontanismus" und besonders der „Glaubensarmee" beschäftigte. Sie soll den Kern des „Ultramontanismus" am Rhein ausmachen. 3 ) Das „Hauptstandslager der rheinischen Abteilung der großen ultramontanen Glaubensarmee" ist Koblenz, sagt die Bremer Zeitung. 4 ) Besondere Aufmerksamkeit widmeten ihr der „Rheinische Beobachter" und die „Elberfelder Zeitung". Zwar soll sie schon im Jahre 1844 ihre wöchentlichen Zusammenkünfte eingestellt haben, weil der Bischof Arnoldi sie bei seinem Besuche in Koblenz auffallend gemieden habe 5 ), doch muß diese Behauptung sich als ein Irrtum herausgestellt haben, da die Glaubensarmee, unter deren l) ») J) *) *)

Rosenthal a. a. O. 1, 308 ff und K. Möller a. a. O. 1, 436, 456. C. A. Acc. 21/08 Tit. 5, Sect. 2, N r . 2535. Voss. Ztg. in der E. Z. 1/9 46. E. Z. 13/10 46. E. Z. 10/6 44, 13/8 44; 22/4 44.



13 —

eifrigsten Mitgliedern immer noch Dietz, der „ K ä m p f e r f ü r die baldige W i e d e r b e s e t z u n g des katholisch philosophischen Lehrstuhles an der Universität Bonn", g e n a n n t wird, auch die nächsten Jahre d e r „Elberfelder Zeitung" viel Ärger bereitete. Auch in katholischen Blättern, so im „Katholik", wird der kirchliche Sinn in Koblenz g e r ü h m t , wo täglich das kirchliche Leben sich schöner entfalte u n d auch im Stadtrat der kirchliche Einfluß vorherrsche.*) Das sollte sich jedoch bei der N e u w a h l E n d e des Jahres 1846 ä n d e r n . Infolge der Einf ü h r u n g der neuen G e m e i n d e o r d n u n g fanden in diesem Jahre überall neue W a h l e n statt, die zum ersten Male einen scharfen Gegensatz zwischen Katholiken u n d Liberalen offenbaren sollten. In Koblenz w a r ein äußerst erbitterter Kampf, der in der rheinischen Presse lebhafte Besprechung fand. Die W a h len in der 3. Klasse fielen zu Gunsten der „ G l a u b e n s a r m e e " aus, die jedoch in der 1. u n d 2. Klasse unterlag. In der „Rhein- u. Moselzeitung" wurden die Wahlen der 3. Klasse „als aus der g r o ß e n Majorität der Bevölkerung, aus dem Keime der Bürgerschaft hervorgegangen", bezeichnet, die ganze Zus a m m e n s e t z u n g des Stadtrats aber erregte bei ihr Bedenken. In der Tat legten denn auch die in der 3. Klasse gewählten Vertreter, d a r u n t e r Dietz und Adams, ihr Mandat nieder — an ihre Stelle traten jedoch vier a n d e r e „Ultramontane", alles Juristen, Reichensperger (der jedoch nicht bestätigt wurde), Longardt I u n d II u n d Aldenhoven — um dem „sogenannten Liberalismus u n d Fortschritt versuchsweise das Feld zu überlassen". 2 ) W ä h r e n d in der Rhein- u. Moselzeitung das Verhalten der Liberalen, die sich mit den Protestanten gegen die Katholiken vereinigt hätten, scharf getadelt wurde, griff die „Elberfelder Zeitung", das „ F r a n k f u r t e r Journal" u n d der „Rheinische Beobachter" die H a l t u n g d e r Glaubensarmee, besonders einiger j u n g e r Geistlichen, heftig an. Man behauptete, in Koblenz hätten sich eine Reihe von „Kränzchen" gebildet, geleitet von den Führern der Glaubensarmee, die frühzeitig eine sehr lebhafte Agitation ins W e r k gesetzt und die Bürgerschaft f ü r ihre Kandidaten bearbeitet hätten, w ä h r e n d bei der l ) Katholik, Nr. 25, 1844 17/4 und 26/4 46 und 30/5 47. ') Tr. Z. Nr. 285 12/10 46 aus der Rh.-Mz. vgl. auch E. Z. 2/10 46 aus der Rh.-Mz.



14



W a h l selbst ein großer Teil der Geistlichkeit sich in dem Wahllokal aufgehalten und die A b s t i m m u n g der Bürger überwacht habe.l) M a g auch in diesen Berichten übertrieben worden sein, so ist der Kampf ü b e r h a u p t doch ein Beweis f ü r die sich immer klarer vollziehende S c h e i d u n g der Geister u n d dafür, daß der „ U l t r a m o n t a n i s m u s " zu einer Macht heranwuchs, die nicht mehr übersehen w e r d e n konnte. Mit Recht heißt es in der „ B r e m e r Zeitung" 2 ): „ W e n n vielleicht Fürsten ihre Festu n d Feiertage am Rhein auf Schloß Brühl u n d B u r g Stolzenfels g e h a b t haben, so zeigten die Prälaten u n d Kirchenfürsten sich ihrerseits in nicht minderem G l ä n z e w ä h r e n d des Jubiläums in Münster. Keinem Zweifel kann es u n t e r w o r f e n sein, daß der römische Katholizismus seit 2 J a h r h u n d e r t e n nicht m e h r solche Kraft entfaltet hat, als g e r a d e jetzt. Freilich befand er sich auch seit d e r Reformation nicht in solcher Bedrängnis der Geister." Das Urteil ist g a n z treffend. Das bewußte prononzierte Auftreten der katholischen Kirche nach außen, die durch Entfaltung ihrer Pracht h e r v o r g e r u f e n e Einw i r k u n g auf die Massen, so in Trier, Münster, bei der Heiligtumsfahrt nach A a c h e n 3 ) und im Kleinen in Koblenz bei den Fronleichnamsprozessionen, verfehlten ihre W i r k u n g nicht. Glich doch eine Reise Arnoldis nach Köln im Jahre 1845 einem „ T r i u m p h z u g e " , der von der katholischen „Luxemb u r g e r Zeitung" al& „das" Ereignis des Jahres 1845 bezeichnet w u r d e . Ein Beweis, daß das katholische Leben am Rhein einen kräftigen A u f s c h w u n g n a h m , u n d daß die f ü h r e n d e n Männer im rheinischen Katholizismus sich des W e r t e s eines engen Zusammenschlusses wohl bewußt waren, ist die G r ü n d u n g des Karl-Borromäus-Vereins im J a h r e 1844, bei der die Koblenzer Katholiken in h e r v o r r a g e n d e r Weise beteiligt waren. So w u r d e später in der rheinischen Presse, o b w o h l der Sitz des Vorstandes Bonn war, Koblenz als „Hauptquartier" des Tr. Z. Nr. 352 18/12 46, Rh. Beob. 12/10 46, E. Z. 5/10, 7/10 9/10, 11/10, 19/10, 27/10, 1/11, 13/12, 23/12 46. 2 ) E. Z. 13/10 45. J ) Vgl. E. Z. 4/6 46.



15



Vereins bezeichnet, für den vor allem Dietz unermüdlich wirke. Von dem Verein, gegründet „zur Belebung christlicher Gesinnung und Anregung zu einer derselben entsprechenden Wirksamkeit"'), wurde sofort eine lebhafte Tätigkeit entfaltet. Der Entwurf der Statuten trägt die Namen fast aller Katholiken des Rheinlandes, die in den größeren Städten der Rheinprovinz für die katholische Sache tätig gewesen sind. Besonders Koblenz weist eine große Anzahl Namen auf, unter ihnen die Mitglieder der ,,Glaubensarmee" und auch den Zensor der Rhein-Moselzeitung, Regierungsrat Halm. Bezeichnend für den gut katholischen Geist der Gründung ist es, daß die Statuten den Bischöfen der Rheinprovinz und Westfalens zur Prüfung vorgelegt wurden und daß der Vorstand für das erste Mal von dem Erzbischof Geißel ernannt wurde; zu ihm gehörte aus Koblenz: Dietz, Adams und Pfarrer Holzer s ). Schon bei der Gründung dieses Vereins wirkte das Moment einer Gegenwirkung gegen den unheilvollen Einfluß der schlechten Presse mit, und sein nächstes Ziel sollte daher sein, dem verderblichen Einflüsse, den die schlechte Literatur auf alle Klassen der bürgerlichen Gesellschaft ausübe, durch die Verbreitung guter Schriften entgegenzuarbeiten. U m aber wahrhaft einwirken zu können auf die öffentliche Meinung, mußten die rheinischen Katholiken versuchen, in der Presse selbst Fuß zu fassen. U m die Tagespresse war es im „absoluten" Preußen nicht sonderlich gut bestellt. Die deutsche Bundesakte v o m Jahre 1815 hatte wohl Preßfreiheit verheißen, aber der Bundesbeschluß des Jahres 1819, das sogenannte Bundespreßgesetz, führte eine Zensur für alle Zeitungen, Zeitschriften, Broschüren und Bücher unter 20 Bogen ein. In Preußen jedoch wurden durch das Zensuredikt vom 18. Oktober 1819 auch die Bücher über 20 Bogen der Zensur unterworfen. Ferner war zur Gründung einer neuen Zeitung die Erlaubnis der Behörde erforderlich, und im Jahre 1822 wurde noch ein ') Vgl. Die Festschrift des Vereins zum heil. Karl Borromäus. 1895, herausgeg. v. Feiten. 5 ) über Holzer s. Pfiilf, Geissei I, 109, II 310 ff.

Bonn;



16



Zeitungsstempel eingeführt, infolgedessen f ü r jedes Exemplar jährlich bei inländischen Z e i t u n g e n ein Taler, bei ausländischen 1 Taler 10 Sgr. bezahlt w e r d e n mußte. 1 ) Im Rheinland erschien daher n u r eine beschränkte Anzahl politischer Tagesblätter, die, soweit es die Z e n s u r , welche besonders in den 30 er Jahren sehr streng g e h a n d h a b t wurde, zuließ, eine mehr oder weniger scharf a u s g e p r ä g t e liberale T e n d e n z verfolgten. Mit Friedrich Wilhelm IV. trat durch das Zensurgesetz v o m 24. Dezember 1841 eine M i l d e r u n g der Zensurbestimm u n g e n ein, 2 ) die allerdings bald wieder verschärft werden sollten; denn einer so hochherzigen u n d impulsiven Natur, wie der dieses Herrschers, mit seinen G e d a n k e n von Volksb e g l ü c k u n g aus d e m Füllhorn seiner königlichen G n a d e konnte eine Presse, die alles kleinlich kritisierte, ja Einlösung von königlichen V e r s p r e c h u n g e n forderte, schwerlich zusagen. D e r König war wohl überzeugt, daß eine gewisse Freiheit der Presse nötig sei, jedoch d u r f t e sie nach seiner Ansicht nicht zur Zügellosigkeit ausarten, m u ß t e vielmehr immer schön in Schranken gehalten w e r d e n . Aber die Presse nahm jetzt einen gewissen A u f s c h w u n g u n d gewann eine g r ö ß e r e B e d e u t u n g ; um so verständlicher sind die B e m ü h u n g e n der rheinischen Katholiken, sich ein O r g a n zu schaffen. Ein erster Versuch, eine katholische Zeitung zu g r ü n d e n , scheint schon im Jahre 1837 in Aachen g e m a c h t zu sein. Am 25. Januar 1837 baten die beiden B u c h h ä n d l e r Roschütz u n d Leuchtenrath um die Erlaubnis, eine zweite politische Zeit u n g unter dem Titel „ A a c h e n e r allgemeine politische Zeit u n g " nebst einem „Wochenblatt f ü r V e r h a n d l u n g e n der Gesellschaft, f ü r nützliche Wissenschaften u n d G e w e r b e " herausgeben zu d ü r f e n . Sie b e g r ü n d e t e n ihr G e s u c h n u r mit dem allgemeinen Bedürfnis nach einer zweiten politischen Zeitung, da die s c h o n bestehende „ S t a d t A a c h e n e r Z e i t u n g " den an sie gestellten A n f o r d e r u n g e n nicht entspreche. Eine Darlegung der zu befolgenden G r u n d s ä t z e wird in dem Gesuch nicht gegeben, aber d e r O b e r p r ä s i d e n t vermutete dahinter Machenschaften der „ultrakatholischen Partei". Die *) vgl. auch Bachem a. a. O. I, 149 ff. *) vgl. Treitschke a. a. O. Bd. V, 189 ff.

— 17 — ..Stadt Aachener Zeitung", so berichtet er, „habe sich durch die Widerlegung einiger Schmähartikel gegen die preußische Regierung wegen ihrer Haltung gegenüber den Katholiken den Haß einiger fanatischer Geistlichen, die anscheinend bei der Abfassung der Artikel beteiligt gewesen seien, zugezogen. Sie hätten daraufhin Aktionäre geworben und wollten mit einer Summe von 3000 Talern ein Konkurrenzunternehmen gründen." Das Gesuch wurde infolgedessen abgelehnt. In den nächsten Jahren wurden anscheinend keine neuen Gesuche eingereicht. Erst Anfang 1843 tauchte das Projekt einer großen katholischen Zeitungsgründung wieder auf. Der Zensor der „Rheinischen Zeitung", Saint Paul, berichtete der Regierung in Berlin, daß das Verbot der „Rheinischen Zeitung" ! ) in Köln zwei Projekte von Blättern hervorgerufen habe, welche von bekannten Autonomen ins Leben gerufen und von mächtigen Geldmitteln unterstützt, unter der Marke des Liberalismus das Volk mit der Regierung entzweien und der Hierarchie in die Arme führen sollten. Für eines dieser Organe solle ein Dr. Dietz 3 ) in Koblenz als Redakteur gewonnen, und für ein zweites derartiges Unternehmen bereits in Trier, Aachen und Koblenz ein Kapital von 50000 Talern gezeichnet sein. Man hoffe, daß sich die ganze Rheinprovinz für das Projekt interessieren werde, außerdem kontrahiere man gegenwärtig mit dem Redakteur der „Rhein- u. Moselzeitung" und konstituiere einen Verwaltungsrat, welcher dafür haften solle, daß diese Zeitung ihrer liberalen und ultramontanen Tendenz treu bleibe.*) In der Tat begann die „Rhein- u. Moselzeitung" mit Beginn des Jahres 1843, wie wir später sehen werden, bewußt katholische Bahnen einzuschlagen. Sie brachte zwar schon von 1837 ab hin und wieder katholische Artikel, und im Jahre 1839 äußerte sich der Oberpräsident v. Bodelschwingh besorgt, daß sich in der Zeitung ultramontane Einflüsse geltend machl ) Vgl. B. A. R. 77 Tit. II Spec. A Nr. 9 vol. 1. *) Sie wurde von der Regierung wegen ihrer liberal-sozialistischen Haltung unterdrückt. 3 ) der Sohn des Stadtrats Dietz. *) B. A. R. 77 Tit. II Spec. R. Nr. 33. Zensurakten der Rheinischen Zeitung vol. III. Saint Paul an Geheimrat Bitter 31/1 43.

Mönckmeier, Rhein- u. Moselzeitung.

2



18



ten, aber bis dahin k o n n t e von einer ausgesprochen katho-. lischen Haltung des Blattes nicht die Rede sein. In seinem ersten Berichte drückt sich Saint Paul noch sehr vorsichtig aus, a b e r einen Monat später klingen seine Angaben schon entschiedener. „Wie mit Bestimmtheit verlautet, beabsichtigt man, die „Rhein- u. Moselzeitung" zu einem O r g a n des Ultramontanism u s zu machen." Zunächst bestand — so f ü h r t St. Paul aus*) — lange Zeit der Plan, in Köln eine Aktienzeitung zu g r ü n d e n . Man überzeugte sich jedoch bald, daß es schwierig, ja unter den obwaltenden Verhältnissen unmöglich sei, die Konzession f ü r eine neue Zeitung zu erlangen, u n d n a h m daher zu dem einfachen Mittel Zuflucht, sich die in Koblenz erscheinende „Rhein- u. Moselzeitung" wesentlich anzueignen. Der Verleger u n d nominelle Redakteur Hergt erhalte also eine Subvention von einer Oesellschaft, an deren Spitze der Landtagsabgeordnete Dietz in Koblenz u n d ein bekannter A u t o n o m e r 3 ) stehen sollen. Als Redakteure seien von Fürth und H. Schaltenbrand bestimmt. In Köln zirkuliere ein P r o g r a m m , in welchem die „Rhein- u. Moselzeitung" als „katholisch politische Zeitung, welche namentlich die Sonderinteressen der Rheinprovinz energisch zu vertreten beabsichtige" a n g e k ü n d i g t werde. Aber am 12. April berichtet er 4 ), daß die V e r h a n d l u n g e n in Koblenz anscheinend gescheitert seien. Wie gut Saint Paul orientiert war, zeigt sowohl die S c h w e n k u n g der „ R h e i n - u . Moselzeitung" A n f a n g April wie die Petition aus Koblenz um G r ü n d u n g einer neuen politischen katholischen Zeitung vom 25. April 1843. Aus dem Jahre 1843 liegen zwei Koblenzer Petitionen v o r , 5 ) die, zeitlich kurz aufeinanderfolgend, wohl auf dieselben Verfasser z u r ü c k g e h e n . Eine Eingabe vom 4. Januar 1843 um A u f h e b u n g des V e r b o t s der historisch-politischen Blätter enthält unter den zwölf B. A. a. a. O. 27/2 43. ) R. 77 Tit. LIV Spec. C Nr. 2 vol. 1 29/3 43. ') wohl der Freiherr Max von Loe. *) a. a. O. 12/4 43. 6 ) vgl. Histor. pol. Blätter Bd. 12 1843 S. 558 ff, in denen die Eingaben und das Programm vollständig abgedruckt sind. 2



19



Unterschriften mehrere bekannte N a m e n : L. Clemens 1 ), Dr. Settegast, Dr. Bongardt (auch von Schnabel in den 30 er Jahren öfters als Mitglied der „frommen Gesellschaft" bezeichnet), Chr. Haan (Beigeordneter von Koblenz), H. J. Dietz, Willems, Christ. Jos. d'Ester, Jak. d'Ester jun., Huysch, Lasaulx, von Thimus. Die zweite Eingabe für die G r ü n d u n g der Zeitung trägt jedoch nur 7 Unterschriften. Bei den Grundsätzen der Regierung über die Freiheit der Presse könne es nur einem Übersehen zugeschrieben werden — meinen die Antragsteller des ersten Gesuchs —, daß das im Jahre 1839 erlassene Verbot nicht schon längst aufgehoben sei; denn jene Blätter behandelten Gegenstände des höchsten Interesses f ü r jeden, der erkennen gelernt habe, wie notwendig es in der gegenwärtigen Zeit sei, „daß erfahrene Verteidiger des Positiven auf dem Gebiete von Kirche und Staat auftreten". Daß in ihnen Artikel gegen die Doktrine der evangelischen Kirche vorkommen, sei durch den Charakter der Blätter als katholische Zeitschrift bedingt, und a u s ihnen könne der Grund zu einem Verbote nicht hergeleitet werden. Von größerem Interesse ist die zweite Eingabe, denn sie gewährt einen tiefen Einblick in die Anschauungen der „Ultramontanen". 8 ) Nach dem Programm muß die wichtigste Angelegenheit eines öffentlichen Blattes die Belebung des religiösen und rechtlichen Gefühls sein, aber während der eine Teil der Presse unentschieden zwischen den Anschauungen hin- und ') Sein Sohn, Schwiegersohn von Dietz, war damals Privatdozent in Bonn; er wurde in den 40er Jahren bekannt durch seine Schrift gegen die Bonner Professoren v. Sybel und Gildemeister über den Trierer Rock. 2 ) Das Programm selbst der neuen Koblenzer Zeitung, die täglich in grossem Format bei Hölscher erscheinen sollte, ist datiert vom 7. April und unterzeichnet von dem provisorischen Komitee, das aus 9 Herren bestand. Redakteur sollte in der Tat Freiherr August von Fürth werden (geb. 1812 in Aachen, lebte er lange Jahre in Cöln, — wo sein Vater Appellationsgerichtsrat war, — 1836 wurde er als Referendar am Landgerichte beschäftigt, 1838 infolge der kirchlichen Wirren von seinem Amte entfernt und im folgenden Jahre aus dem Justizdienst entlassen. Er ist der Verfasser des bekannten Buches über die Ministerialen. 1836.)

2*



20



herschwanke, folge der andere Teil einer „falschen philosophischen Richtung" und suche unermüdlich jede Achtung vor dem Heiligen und Ehrwürdigen im Staate auszurotten. Die Interessen der protestantischen, ja der jüdischen Konfession seien in der Tagespresse vertreten, während nur die Katholiken in ihr keinen Rückhalt fänden und wehrlos den Anfeindungen alles desjenigen, was ihnen heilig und teuer ist, gegenüberständen. Eine katholische Zeitung sei daher „ein großes, dringendes Bedürfnis". Derselbe Gedanke, den wir bei der „Rhein- u. Moselzeitung" im Jahre 1847 scharf betont finden werden, und der auch das Hauptargument der „Luxemburger Zeitung" bilden sollte, er wird auch hier ausgesprochen. Die katholische Kirche ist wesentlich erhaltend. Selbst auf heiligen historischen Überlieferungen beruhend, ehrt sie alle wohlbegründeten Rechte und lehrt Treue und Gesetzlichkeit; alle Zerstörungen und gewaltsamen Umwälzungen sind ihr ein Greuel. Wenn aber die Kirche allen Aufruhr und Unordnung verdammt, so verteidigt sie doch niemals das Unrecht, welches Willkür und rücksichtslose Gewalt des einzelnen begeht, sie verdammt ebenso entschieden die Tyrannei und die Übergriffe des Absolutismus. Kampf „für die wahre Freiheit, die auf Recht und Gesetz, auf Ehrfurcht vor dem Hohen und Heiligen beruht, Kampf gegen Absolutismus und Willkür, sowohl wie gegen Revolution und Ultraliberalismus und für gesetzlichen Fortschritt", das ist die Losung. In der Eingabe selbst heißt es, daß das Blatt zwar „von entschiedenem gesetzlichen und religiösen Charakter" sein solle, aber „im Geiste der Versöhnung und Duldsamkeit mit strengstem Ausschluß jeder gehässigen Polemik"; bisher sei besonders der katholische Glaube den leidenschaftlichsten Anfeindungen, den boshaftesten und niedrigsten Verleumdungen ausgesetzt gegewesen. Die arme „Rhein- u. Moselzeitung", mit der die Antragsteller „infolge der beinahe unglaublich übertriebenen Forderungen" Hergts zu keinem Abschluß kommen konnten „trotz der Zusicherung bedeutender Vorteile", und obwohl das Blatt nur höchst unsicher den Betrag seiner Kosten erschwingen könne, kommt in der Eingabe gerade nicht sehr gut weg.



21



Es sei ein Lokalblatt, das die Zeitungsleser der Stadt Koblenz so unbefriedigt lasse, daß nachweisbar eine gleich große Anzahl auswärtiger Zeitungen, als ihr Absatz in Koblenz sei, gehalten würden, so daß die Antragsteller in sehr kurzer Zeit eine größere Zahl von Abonnenten f ü r das neue Blatt nachzuweisen imstande sein würden, als die „Rhein- u. Moselzeitung" überhaupt je besessen habe. Aber die preußische Regierung, die von einer katholischen Presse nur eine schärfere Ausprägung des Gegensatzes fürchtete, lehnte alle Gesuche ab. Infolgedessen scheiterte auch im Jahre 1844 das Projekt, in Köln eine große katholische Zeitung ins Leben zu rufen. Ein Aktienkapital von 40 000 Talern soll zur Verfügung gestanden haben. Das Programm der Zeitung, die „in echt katholischem und konservativem Geiste" redigiert werden sollte, lautet fast wörtlich, wie das der Koblenzer Zeitung und scheint von dem Freiherrn von Fürth verfaßt zu sein, der auch hier als Redakteur in Aussicht genommen war. Auch in Trier, wo das katholische Leben einen neuen Aufschwung nahm, 2 ) regte sich nach der Ausstellung des heiligen Rockes das Bedürfnis nach einem katholischen Blatte; auch hier wurde wieder derselbe W e g eingeschlagen: zunächst Petition um A u f h e b u n g der historisch politischen Blätter Ende des Jahres 1844 und dann im Juni 1845 Eingabe des J. B. H. Ney um G r ü n d u n g einer zweiten politischen Zeitung, deren Tendenz „außer Mitteilung politischer Nachrichten eine rein christliche sein soll, eine bescheidene Gegnerin des Liberalismus, des Kommunismus und des Atheismus, belehrend und warnend vor solchen Feinden des Staates und des Christentums, unterstützt bei seinem Streben nach Wahrheit, Recht und Billigkeit von den gerechtesten Bürgern und der Geistlichkeit der Stadt". 3 ) Als die Regierung in Trier das Gesuch abwies, wandte sich Ney an das Ministerium mit demselben negativen Erfolge. Schließlich machte er eine direkte Eingabe an den Näheres über dieses Projekt und die Bemühungen J. P. Bachems, in Köln ein kath. Blatt zu gründen, bei Bachem a. a. O. 309 ff. 2 ) vgl. A. M. v, Steinle: Ed. v. Steinle u. Reichensperger S. 44. ») B. A. R. 77 Tit. I I Spec. T. 50.



22



König selbst, in der er sich darauf beruft, daß er am 29. Mai 1839 Seiner Majestät „an den Mosaikböden zu Fließem eine Schale Maiwein zu kredenzen das unaussprechliche Glück hatte ", worauf der König ihn seiner Wohlgewogenheit versichert habe. Dieser Appell wird zwar schwerlich einen besonderen Eindruck gemacht haben, jedenfalls zeigte sich aber Bodelschwingh nicht mehr ganz ablehnend, doch der Trierer Regierungspräsident Auerswald warnte vor Erteilung einer Konzession. Ney biete gar keine Gewähr f ü r die Tendenz der neuen Zeitung, vielmehr sei Gefahr, daß sein Blatt eine Fortsetzung der eingegangenen Luxemburger Zeitung werde, 1 ) zumal hinter ihm eigentlich die Mitarbeiter und Verfechter der L. Z. ständen. Dieser Entscheid hatte die Ablehnung des Gesuches zur Folge, die auch trotz einer zweiten Eingabe an den König — Ney scheint ein sehr hartnäckiger Mann gewesen zu sein — aufrecht erhalten wurde, da Eichmann den Vorschlag des Ministers, Ney einen zuverlässigen Redakteur zur Seite zu geben, für unausführbar hielt. Nachdem in Koblenz der Versuch der Zeitungsgründung gescheitert war, blieb den Katholiken nichts anderes übrig, als auf ihren alten Plan zurückzugreifen. Und dieser zweite Versuch, die „Rhein- u. Moselzeitung" zu gewinnen, gelang besser: vom Juni 1844 wurde die „Rhein- u. Moselzeitung" ein in katholischem Geiste redigiertes Blatt. Ehe wir jedoch auf die Haltung der „Rhein- u. Moselzeitung" sowie ihre Entwicklung vom „liberalen" zu einem „katholischen" Blatte im einzelnen eingehen, wollen wir kurz die allgemeine Entwicklung, Geschichte und Mitarbeiter der Zeitung behandeln.

') Die Luxemburger Zeitung war im Juni 1845 von der Regierung unterdrückt worden. S. u. Kapitel VI.

— 23 II.



Kapitel.

Die äußere Geschichte, die allgemeine Tendenz, die Redakteure und Mitarbeiter der Rhein- u. Moselzeitung. Durch die Juli-Revolution, die einen lebhaften Widerhall in Deutschland, vor allem am Rheine, fand, war das Interesse an den öffentlichen Angelegenheiten, das sich in einem regen Bedürfnis nach Austausch und Verbreitung politischer Gedanken und Bestrebungen kundgab, geweckt und gefördert. Ein äußeres Zeichen war die G r ü n d u n g von Zeitungen an vielen Orten Deutschlands, so auch in Koblenz. Im Oktober 1830 wandte sich der Koblenzer Buchdrucker Heriot an das Oberpräsidium mit der Bitte, vom 1. Januar 1831 ab eine politische Zeitung, die täglich außer Montags erscheinen sollte, unter dem Namen „Koblenzer Merkur" in Verbindung mit einem belletristischen Blatt, der „Mosella", auf eigene Verantwortlichkeit herausgeben zu dürfen. 1 ) Die Koblenzer Regierung befürwortete jedoch das Gesuch Heriots nicht. Die Erfahrung habe bewiesen, daß sich in Koblenz ein solches Unternehmen nicht halten könne wegen der Nähe von Köln und Frankfurt, deren viel gelesene Blätter infolge der günstigeren Lage dieser Städte die politischen Neuigkeiten früher bringen könnten. Auch scheine es bei den gegenwärtigen Zeitumständen nicht angebracht, die politischen Zeitungen zu vermehren. Das Gesuch wurde infolgedessen abgelehnt, und erst auf seine Vorstellung beim Ministerium hin wurde Heriot im Januar 1831 die Herausgabe der Zeitung gestattet. Am 2. Mai erschien das Probeblatt mit der Ankündigung, daß die Zeitung — deren Abonnementspreis f ü r Koblenz auf 5 Taler, für Auswärtige auf 6 Taler festgesetzt war — vom 1. Juli 1831 an erscheinen werde. Auf Veranlassung des Redakteurs Henke war jedoch der Titel in „Rhein- u. Moselzeitung" und in „Unterhaltungsblatt zur Rhein- u. Moselzeitung" geändert. Nach einigen Tagen schon übernahm die RedakC. A. Acc. 21/08 Tit. VII Sect. 1 Nr. 3805 a.

— 24



tion der preußische Leutnant a. D. v. Czarnowski, der Ende des Jahres wieder ausschied, um in die Leitung der „Elberfelder Zeitung" einzutreten. Die „Rhein-u. Moselzeitung" wurde von nun an unter der Verantwortlichkeit des Verlegers selbst redigiert; die eigentlichen Geschäfte führte aber seit Mitte Februar 1833 Ludwig Braunfels, der mit einem Gehalt von 40 Taler monatlich angestellt war. 1 ) Ende des Jahres 1833 bat der Buchhändler und Buchdrucker R. F. Hergt, die Herausgabe der „Rhein- u. Moselzeitung" übernehmen zu dürfen, und da er „in seinem doppelten Geschäft seit einer Reihe von Jahren Anhänglichkeit an das Gouvernement bewiesen und die Gewähr geleistet hatte, daß er sich weder mit dem Debit noch viel weniger mit dem Druck gefährlicher oder schädlicher Bücher befaßte", wurde ihm unter der Bedingung, daß er innerhalb vier Wochen einen geeigneten Redakteur vorschlage, die Erlaubnis erteilt. Hergt gab den Rentier Fr. G. Drimborn 2 ) und den Dr. L. Braunfels als Redakteure an. Drimborn, „ein vermögender junger Mann von Bildung und sehr moralischer Aufführung", wurde als Redakteur genehmigt, dagegen ein zweiter Redakteur weder für notwendig noch für zulässig erachtet. 3 ) Im Juni 1834 übernahm daher Drimborn offiziell die Stelle des verantwortlichen Redakteurs, jedoch blieb Braunfels vor allem für die Zeitung tätig. Die „Rhein- u. Moselzeitung" hat in den ersten Jahren ihres Bestehens einen gemäßigt liberalen Standpunkt zu vertreten gesucht, ohne jedoch irgendwelche Artikel von Bedeutung zu bringen. Das Urteil des damaligen Zensors und Oberbürgermeisters Mähler ist daher zutreffend, daß das Blatt weder von „bedeutender Gediegenheit noch einer durch*) Geboren 1809 zu Frankfurt, nach Absolvierung des dortigen Oymnasiums hat er in Heidelberg Philosophie und Sprachen bis zum Jahre 1830 studiert; dann war er eine Zeitlang Privatlehrer in Frankfurt, bis er die Redaktion der Rhein- u. Moselzeitung übernahm. (C. A. Acc. 21/08 Tit. VII. Sect. I. Nr. 3805 a.) s ) Drimborn, geb. 1810, Gutsbesitzer, studierte in Heidelberg Humaniora, dann 1837 in Bonn Jura und wurde 1846 als Kandidat der liberalen Partei in den Koblenzer Stadtrat gewählt. 3 ) C. A. a. a. O. 24/4 34 der Oberpräsident an die Regierung.

— 25



greifenden Gesinnung" zu sein scheine. Die liberale Tendenz bewies sie u. a. durch Veröffentlichung der Kammerverhandlungen der süddeutschen Staaten, durch die Mitteilung „der plattesten Äußerungen der Opposition in den großen und kleinen Kammern". Bei der Beurteilung der Haltung einer Zeitung in den 30 er Jahren ist die äußerst strenge H a n d h a b u n g der Zensur zu berücksichtigen. Jeder etwas kühnere Artikel fiel unerbittlich der Zensurschere zum Opfer. Dadurch daß jede freimütige Besprechung von Fragen der inneren Politik unmöglich war, sahen sich die Redakteure genötigt, um die Spalten ihrer Zeitungen zu füllen, die Leser mit Berichten über auswärtige Politik, Reisen Seiner Majestät, sämtlicher Prinzen und Fürsten usw. zu unterhalten. Braunfels wie Drimborn suchten zwar ihre Ansichten nach Möglichkeit in der Zeitung zur Geltung zu bringen, und ab und zu gelang e& ihnen, die wahre Tendenz offen zum Vorschein kommen zu lassen, so im Jahre 1836 mit einem scharfen Artikel über und gegen Karl X., seine Regierung und seine „hoffnungsvolle" Nachkommenschaft, der ganz im liberalen Sinne abgefaßt war. Aber solche Äußerungen gelangten nur selten zum Druck und hatten sofort ein Einschreiten der Regierung zur Folge. Als im Dezember 1837 Drimborn aus der Redaktion ausschied, zeichnete Hergt selbst als verantwortlicher Redakteur, jedoch wurde die Zeitung vom April 1838 an von dem Lehrer H. J. Schaltenbrand geleitet. 1 ) Unter seiner Redaktion war die Haltung der Zeitung in den politischen Fragen wieder gemäßigter, ja sie zeigte konservative Anwandlungen, nicht zum wenigsten unter dem Einfluß ihres Hauptmitarbeiters. W. Bern, der in den Jahren 1839—43 die meisten Originalartikel für die „Rhein-u. Moselzeitung" lieferte. Ganz wider den damaligen Brauch zeichnete er seine Artikel, aber es ist sehr l ) Geboren 1807 in Köln, als Sohn eines Friseurs, studierte 1826 bis 1830 Philosophie in Bonn, war Probekandidat in Köln, wo er im Jahre 1832 verhaftet wurde, wegen a Teilnahme an politischen und die bestehende Verfassung umstürzenden Zwecken". Er wurde zu zweijähriger Festungshaft verurteilt. Nach Abbüßung der Strafe ging er als Lehrer an die Höhere Bürgerschule zu Venlo (Holland).



26



wohl möglich, daß es ein Pseudonym ist.1) Bern, in den Akten auch einmal Bernd genannt, ist anscheinend aus Mainz gebürtig, wo er jedenfalls längere Zeit — er war 1837 bis 1839 Mitarbeiter der „Mainzer Zeitung" — sich aufgehalten hat. 2 ) Als Student hatte er sich der Burschenschaft angeschlossen, für die er auch in der „Rhein- u. Moselzeitung" warm eintrat. In „Umschau", „Schaudichum" und wie die Leitartikel damals hießen, behandelte er alle Fragen, mit denen die öffentliche Meinung sich in stärkerem Maße beschäftigte. Die „Rhein- u. Moselzeitung" brachte — so urteilt die Regier u n g — neben Exzerpten und Übersetzungen aus anderen politischen Blättern eigene Artikel eines gewissen W. Bern über wichtige Tagesereignisse, Tagespolitik oder nationalökonomische Gegenstände und Artikel des Redakteurs über Lokalverhältnisse und Neuigkeiten der Umgebung. Der Leserkreis sei der mittlere Beamten-, Handels- und Bürgerstand der Stadt und der Umgebung. 3 ) Die Zeitung selbst definierte damals ihre Haltung als weder ultraliberal noch unliberal, „sie verteidigt hinsichtlich der äußeren Verhältnisse Deutschlands unablässig die Unabhängigkeit und Persönlichkeit des Volkes, hinsichtlich des Innern den stetigen Fortschritt ohne Umwälzung und ohne Ungerechtigkeit, sie will die Gerechtigkeit gegen alle und f ü r alle, die O r d n u n g ebenso, die Wissenschaft und Tüchtigkeit ohne Ausschluß f ü r irgend einen im Staate, wenigstens die Möglichkeit f ü r alle, diese Güter zu genießen." 4 ) Mit dem Kölner Kirchenstreite machen sich in der Zeitung gewisse katholische Unterströmungen geltend, die aber die Haltung des Blattes nicht entscheidend beeinflussen. Erst Anfang des Jahres 1843 hat es den Anschein, als ob die „Rhein- u. Moselzeitung" ganz katholische Bahnen einschlagen wolle. 5 ) Eine Fehde mit der „Rheinischen Zeitung" bezeich*) Nachforschungen über seine Persönlichkeit auf der Gießener Universitäts-Bibliothek, auf der Mainzer Stadtbibliothek und im Dannstädter -Staatsarchiv haben zu keinem Resultat geführt. *•) Rh.-Mz. 7/10 42. 3 ) C. A. Acc. 31/06 Tit. II Sekt. I I I Nr. 56. *) Rh.-Mz. 28/12 42. Vffl. o Kap. I.

— 27



net sie als Kampf eines christlichen und freisinnigen Blattes gegen ein unchristliches und revolutionäres; auch sonst brachte sie eine Reihe katholisch gefärbter Artikel. Aber um die Mitte des Jahres trat mit der Redaktion eines gewissen Dr. Melzer aus Breslau ein scharfer Frontwechsel ein. O b Schalten brand bis dahin Redakteur gewesen ist, ist ungewiß, jedoch wohl anzunehmen. 1 ) Melzer versuchte das Blatt in ein ganz gouvernementales Fahrwasser überzuleiten und Hergt benutzte diese Gelegenheit, die Regierung zu bitten, sein Blatt statt im bisherigen Quartformat vom 1. Oktober 1843 ab in Folio erscheinen lassen zu dürfen. Als Grund führte er neben der H ä u f u n g des Stoffes, der Unansehnlichkeit der „Rhein- u. Moselzeitung" neben der großen Anzahl anderer Zeitungen in Folioformat und der Möglichkeit, so eine bessere Übersicht zu geben, an, „daß er sich der Vergünstigung nicht unwürdig durch die Tendenz der Zeitung gezeigt habe, sondern, daß diese wesentlich die Ehrfurcht gegen die hohe Landesregierung und deren Anordnungen festhalte und nach ihren geringen Kräften auch zu verbreiten strebe. Eine Richtung, der die Zeitung „unverbrüchlich treu bleiben werde." 2) Für so ein Versprechen war die Regierung wohl empfänglich, und sie gestattete daher die Vergrößerung des Formats. Um auch nach außen hin die neue Richtung zum Ausdruck zu bringen, trug die „Rhein- u. Moselzeitung" von nun an am Kopfe als „passendes Emblem" zwei Flußgottheiten, über denen der preußische Adler schwebte, „um die Herrschaft und den Schutz des preußischen Zepters über der alten Konfluentia zu bezeichnen". Eine Zeitung, die den Rheinländern ihre Undankbarkeit gegenüber dem preußischen Staate vorhielt, daß sie immer neue Anforderungen stellten, anstatt sich erkenntlich zu zeigen für all das Gute, was sie der preußischen Herrschaft verdankten, 3 ) konnte keinen Beifall finden. Das Blatt galt wegen seiner „antirheinländischen sowohl wie antikirchlichen Haltung" für gekauft von der Regierung. Die Folge war ein *) daktion 2 ) 3 )

vgl. Rh.-Mz. 4/5 43 wo die Zeitung davon spricht, daß die Reseit 4 Jahren nicht gewechselt habe. C. A. Acc. 21/08 Tit. VII. Sect. I. Nr. 3805 a, 17/9 1843. Rh.-Mz- 9/11 43.



28



förmlicher Boykott gegen das Blatt in Koblenz. Im Kasino wurde es mit großer Majorität ausballotiert, von der Kölner Dampfschiffahrtsgesellschaft wurde es auf den Schiffen nicht mehr aufgelegt und erst an beiden Stätten in Gnaden wieder aufgenommen, nachdem Hergt sich entschlossen hatte, die absolutistische Richtung aufzugeben, 1 ) eine Tatsache, die allgemein als Sieg der öffentlichen Meinung angesehen wurde. Spätestens im Juni 1844 ist Melzer von der Redaktion zurückgetreten, und die „Rhein- u. Moselzeitung" wurde jetzt — also schon vor der Trierer Rockbewegung und dem Rongestreit 2 ) — ein „katholisches mit gewissem Takt im Geiste der Mehrzahl der Provinz redigiertes Blatt". Ihr neues Programm fand eine sehr günstige Aufnahme, ja es rief eine „große Sensation" hervor. 3 ) Diese Tendenz behielt die Zeitung endgültig bei, natürlich mit gewissen Schwankungen — so befürchtete A. Reichensperger im Jahre 1845 „ein abermaliges Umkippen" der Zeitung —, die bedingt sind durch die Persönlichkeit des leitenden Redakteurs. Kurze Zeit soll von Stramberg 4 ), der Verfasser des Rheinischen Antiquarius, ein gut katholisch, aber nicht preußenfreundlich gesinnter Mann, die Zeitung redigiert haben. 5 ) Aber noch im Laufe des Juli trat Dr. Neurohr in die Redaktion ein. 6 ) Wie aus der Polemik der konservativ katholischen „Luxemburger Zeitung" hervorgeht, suchte die „Rhein- u. Moselzeitung" unter Neurohr eine gewisse liberale Richtung zu wahren. Der „Kölnischen Zeitung" gegenüber stellte sie fest, daß sie im Gegensatz zu ihr, die einen „nagenden, bohrenden und unterwühlenden" Liberalismus vertrete, auf dem Boden eines Liberalismus stehe, x

) Hist. pol. Bl. 1845 Bd. 15/16 Heft 1. ) Bergsträssers Angabe in seinem Werke zur Vorgeschichte der Zentrumspartei, S. 229, daß die in „Trier" erscheinende Rh.-Mz. erst 1845 katholisch geworden sei, ist irrtümlich. 3 ) E. Z. 8/9 44. 4 ) Also ein Mitglied der Olaubensarmee. s ) Leider fehlen die Jahrgänge 44/46 der Zeitung völlig. Siehe Vorwort. •) Geb. in Boppard, hat in Gießen studiert und promoviert, dann längere Zeit in Straßburg gelebt, wo er sich auch publizistisch betätigt hat. 2

— 29 — der, „von einer religiösen Basis und von einem historisch Ger gebenen ausgehend, mit dem Geiste und der Gesittung des Jahrhunderts fortschreitet und Leben erweckend, also auch konservativ im wahren Sinne des Wortes in die Zukunft eingreift". 1 ) O b Neurohr im Juni 1847 aus der Redaktion ausgeschieden ist, weil er den „Ultramontanen" nicht mehr genügt habe, wie die „Elberfelder Zeitung" behauptet, läßt sich nicht feststellen. Jedenfalls widmeten ihm weder die historisch-politischen Blätter einen freundlichen N a c h r u f 3 ) noch die „Rhein- u. Moselzeitung" selbst, die „keine Veranlassung suchte, etwas Unangenehmes über den abgegangenen Redakteur zu sagen". 3 ) Über Dr. Theodor Rotteis, der an seine Stelle trat, geben die Akten genauere Auskunft. Er ist 1799 zu Büttgen bei Neuß geboren, studierte in Bonn in den Jahren 1820/26 zunächst katholische Theologie, dann Philologie. Als Probekandidat war er in Aachen beschäftigt, wurde später Rektor d e r höheren Stadtschule zu Ürdingen. Im Jahre 1832 wollte er sich in Bonn habilitieren; als sein Gesuch nicht genehmigt wurde, ging er nach Freiburg als Dozent f ü r Philosophie und Geschichte. Dann übernahm er provisorisch die Stelle eines Professors der Philosophie und alten Sprachen am Lyzeum zu Rastatt. Sein von ihm in äußerst schwülstiger Sprache abgefaßter Lebenslauf zeigt ihn sehr überzeugt von dem Werte seiner Persönlichkeit, der man nirgends gerecht werden will. Im Jahre 1842—43 wurde er auf ein Gesuch bei der preußischen Regierung hin versuchsweise in Köln am FriedrichWilhelm-Gymnasium beschäftigt, jedoch wegen „Mangel an pädagogischer Befähigung" entlassen. Er übernahm im Jahre 1845 in Neuß bei Schwann die Redaktion der Katholischen Zeitschrift f ü r Erziehung und Bildung und gab im gleichen Verlage von 1846 ab mit seinem Bruder Assessor Rotteis die Kritischen Blätter heraus. 4 ) Im Jahre 1848 wurde er als Stellvertreter des Gutsbesitzers Aldenhoven in die Berliner Nationalversammlung gewählt, in der er am 26. Oktober 1

) ) ») «)

2

Luxemburger Zeitung 8/9 44. Hist. pol. Bl. Bd. 29, Heft I, S. 54. Rh.-Mz. 11/6 47. S. u. Kap. VII.

— 30



seinen Platz einnahm. Bei den Verhandlungen trat er nicht weiter hervor, er gehörte aber zu den Mitgliedern der Rechten, denn er leistete der Aufforderung der Regierung an die Versammlung, sich nach Brandenburg zu begeben, Folge. Mit Rotteis übernahm also ein Mann mit ganz ausgesprochen konservativen Anschauungen die Leitung. Der Gegensatz zu Neurohr zeigt sich besonders scharf in der Beurteilung des Vereinigten Landtags, da unter Rotteis das rheinisch-partikularistische Element in den Vordergrund trat und den Ausgangspunkt für die Beurteilung aller politischen Fragen bildete. Mit der Revolution des Jahres 1848 aber erfuhr die „Rhein- u. Moselzeitung" eine immer stärker werdende Wandlung in liberalem Sinne, die sie schließlich zur Verfechterin der Demokratie, ja der Republik machte. Die Haltung Preußen gegenüber wurde immer feindlicher, der Gegensatz immer schärfer betont. Inwieweit Rotteis selbst an dieser Entwicklung beteiligt ist, läßt sich schwer entscheiden. Bei seiner ablehnenden Haltung im allgemeinen gegenüber politischen Bewegungen, ist es nicht unmöglich, daß er ohne Bedenken auch ganz liberal oder demokratisch gefärbte Artikel aufgenommen hat. Anderseits begann die „Rhein- u. Moselzeitung", als Rotteis zum zweiten Mal im November 1849 die Redaktion übernahm, ihre radikale Haltung, die sie unter dem Redakteur Advokat-Anwalt Stramberger bewahrt hatte, aufzugeben und dem Absolutismus zu huldigen, ohne jedoch ihre preußenfeindliche Haltung im geringsten zu ändern. „Ihre Devise ist Absolutismus unter einer ausschließlich katholischen Regierung mit einem einflußreichen katholischen Regiment." Die infolge der preußenfeindlichen Haltung hervorgerufene Entziehung des Postdebits von seiten der Regierung setzte der Tätigkeit Rotteis im Juni 1850 ein Ziel,1) da die „Rhein- u. Moselzeitung", infolge dieser Maßregel nur auf ihre Abonnenten in Koblenz angewiesen, sich nicht zu halten vermochte sondern Ende Juni ihr Erscheinen einstellen mußte. Schwierig ist die Beantwortung der Frage nach den Mit*) Rotteis wandte sich im Jahre 1853 an die Österr. Regierung mit der Bitte an einer österr. Universität Vorlesungen halten zu dürfen; ob dieser Bitte willfahrt wurde, konnte ich nicht feststellen. S. über Rotteis auch Pfülf, Geißel II S. 302 und 326.

— 31 — arbeitern und der Verbreitung der Zeitung. Sicherlich hat das Blatt besonders in den 30 er Jahren keine sehr große Verbreitung gehabt, sondern ist mehr oder weniger ein Lokalblatt geblieben. Das Interesse f ü r die Zeitung beruht ja auch nicht so sehr auf der Bedeutung und Einwirkung, die sie auf die öffentliche Meinung ausgeübt haben kann, als vielmehr darauf, daß die „Rhein- u. Moselzeitung" als das erste rheinische Blatt von bewußt katholischer Haltung in den 40 er Jahren anzusehen ist. Wenn sich die Zeitung selbst in dem. Jahre 1842 als eines der gelesensten Blätter der Rheinprovinz bezeichnet, so will das natürlich nicht viel heißen bei der kleinen Anzahl politischer Zeitungen, die wirklich auf diesen Namen Anspruch machen konnten, auch ist ja der Zweck der Angabe ziemlich offensichtlich. 1 ) Allerdings scheint die Leserzahl im Anfang der 40 er Jahre gestiegen zu sein,2) um aber unter der Redaktion Melzers rasch zu fallen. Als die „Rhein-u. Moselzeitung" definitiv katholische Bahnen einschlug, nahm die Abonnentenzahl bedeutend zu. Nach dem Berliner Korrespondent des „Rheinischen Beobachters" war die „Rhein- u. Moselzeitung" unter der Redaktion Melzers, die er „weit entfernt ist zu verteidigen" — wenn das sogar der „Rheinische Beobachter" sagt, so will es etwas heißen — in Berlin ein oft gelesenes Blatt, mit Neurohr habe sich das schnell geändert. „Herr Hergt mag sich schön gewundert haben, am Rhein soll es ja umgekehrt gewesen sein, da sollen die Abonnenten wieder gekommen sein." 3 ) Das Koblenzer Publikum wandte sich wieder gerne dem Blatte zu, 4 ) und im Jahre 1845 behauptet die „Rhein- u. Moselzeitung" sogar, daß ihre Abonnentenzahl sich binnen eines Jahres um das Vierfache vermehrt habe, ein „glänzender Beleg dafür", daß sie ihrer Aufgabe vollkommen ge*) Im Jahre 1841 gab der Leipziger Zeitungskatalog die Abonnentenzahl auf 800 an, vgl. Bachem I, 242. — Im Kreise St. Goar hatte die Rh.-Mz. im Jahre 1842 20 Abonnenten, 5 Beamte, Pfarrer, Lehrer, Privatgelehrte, 5 Ärzte, 3 Kaufleute, 2 Wirte u. 1 Rentner. C. A. Acc. 31/06,. Tit. II Nr. 56. 2 ) Rh.-Mz. 4/3 43. ") Rh. Beob. 19/12 45 4 ) E. Z. 27/7 44.



32



wachsen sei. 1 ) W ä h r e n d die Regierung im Jahre 1847 und 1848 die Zahl auf u n g e f ä h r 1000 angibt, spricht die „Augsb u r g e r Allgemeine Zeitung" im Jahre 1848 in einer Korrespond e n z aus Köln sogar v o n 1400 Abonnenten. Aber durch die G r ü n d u n g der „Rheinischen Volkshalle", die am 1. Oktober 1848 in Köln ins Leben trat, w u r d e die „Rhein- u. Moselzeitung" schwer getroffen, da das neue Untern e h m e n weit besser f u n d i e r t war und in einer Stadt wie Köln größeren Absatz finden mußte. Die Abonnenten der „Rhein- u. Moselzeitung", die, wie das Blatt zufrieden festgestellt hatte, 8 ) in Köln von 61 auf 95 gestiegen waren, werden sich wohl sicherlich der neuen Zeitung zugewandt haben. W a r in den 40 er Jahren die „Rhein- u. Moselzeitung" wenigstens in Koblenz das einzige politische Blatt, 3 ) so entstanden 1848 mehrere n e u e Z e i t u n g e n : Das „Koblenzer Tageblatt" mit entschieden demokratischer Tendenz, es war „kein Freund von Militär u n d Beamten u n d deshalb beim Mittelstande gerne gelesen" u n d hatte 450 Abonnenten, dann das „Katholische Volksblatt" — mit 400 Abonnenten — redigiert in konstitutionellem Geiste u n d der Demokratie nicht so nahe stehend. Der „Rhein- u. Moselzeitung" war von jeher ein D o r n im A u g e u n d ihr gefährlichster Konkurrent der „Koblenzer Anzeiger", ein sehr altes, eingebürgertes u n d verbreitetes Lokalblatt, das eigentlich n u r Anzeigen für Handel u n d G e w e r b e , Bekanntmachungen und Annoncen bringen durfte, u n d als unpolitisches Blatt nicht, wie die „Rhein- u. Moselzeitung", der Stempelsteuer unterworfen war. Aber zum großen Leidwesen Hergts brachte der Anzeiger auch eine „politische Übersicht", was ihm trotz dringender Vorstellungen H e r g t s bei der Regierung nicht verboten wurde. D a s m a g zum großen Teile mit Schuld gewesen sein daran, daß die „Rheinu. Moselzeitung" nicht mehr Boden zu fassen vermochte, zu1

) Katholik Nr. 149 12/12 45. ) Rh.-Mz. 25/1 48. 8 ) Eine „Koblenzer Zeitung", von der Schnabel „Zusammenschluß des politischen Katholizismus im Jahre 1848" behauptet, daß sie im katholischen Sinne redigiert gewesen sei, hat nicht existiert, vielmehr wurde die Rh.-Mz. oft nach dem Orte des Erscheinens als Koblenzer Zeitung bezeichnet. 2



33



m a l es dem Verleger nicht gelang, einen Teil der Annoncen f ü r sein Blatt zu gewinnen. Im Jahre 1849 wird dann auch d i e Abonnentenzahl des Blattes, das k a u m über den Kreis verbreitet sei, n u r noch auf 700 angegeben, die noch beständig abnehme, so daß möglicherweise die Zeitung mit N e u j a h r eingehe, 1 ) nicht zum wenigsten infolge des Abbruchs, d e n die „Rheinische Volkshalle" der Zeitung tue. W e n n es ihr nach Entziehung des Postdebits nicht möglich war, sich v e r m ö g e der Koblenzer Abonnenten allein zu halten, so sah die Regierung mit Recht auch einen G r u n d des A u f h ö r e n s d e r Zeitung in dem Mangel an A b o n n e n t e n ; dazu kam allerdings, daß H e r g t nach dem Preßgesetze v o m 17. März 1848, •welches zwar die Z e n s u r a u f h o b , eine Kaution von 3000 Talern stellen mußte, die er nicht a u f z u b r i n g e n vermochte. Ü b e r h a u p t war es um die pekuniäre Seite des Untern e h m e n s nie g u t bestellt. Das macht auch den häufigen Tendenzwechsel des Blattes leichter erklärlich. Für Hergt war die Zeitung ein reines Geschäftsunternehmen, aus d e m er pekuniären G e w i n n zu ziehen hoffte, das aber nie recht zur Blüte gelangen wollte; vielmehr scheint H e r g t von verschiedenen Seiten pekuniäre U n t e r s t ü t z u n g erhalten zu haben. V o n d e r Regierung e m p f i n g er eine Remuneration, 2 ) die er wohl schwerlich a u f g e g e b e n haben wird, o h n e sich v o r h e r gen ü g e n d e Vorteile von seiten der „ G l a u b e n s a r m e e " zu sichern. D a s „ F r a n k f u r t e r Journal" behauptet im Jahre 1845, daß die „Rhein- u. Moselzeitung" n u r der A u s d r u c k weniger hitziger o d e r b e r e c h n e n d e r Köpfe sei, welche unter dem N a m e n : „ G l a u b e n s a r m e e " bekannt sei. Dieses „Häuflein von 30—40 u n z u r e c h n u n g s f ä h i g e n Böotiern" griff nach der „Elberfelder Zeit u n g " 3) dem Verleger fortwährend unter die Arme. Andererseits klagt aber die „Rhein- u. Moselzeitung" im Jahre 1845, 4 ) daß die „bedeutenden Mittel", welche f ü r die F ö r d e r u n g der katholischen u n d konservativen Interessen der Rheinlande 1843 in Aussicht gestellt gewesen seien, jetzt unbenutzt blieben. Zwar sei auf dem letzten Landtage noch betont, daß B. A. R. 77 Tit. LIV Spec. C. 2 vol. I. 6/12 49. ) s. u. Kap. V. s ) E. Z. 20/10 1847. 4 ) Katholik 12/12 45. M ö n c k m e i e r , Rhein- u. Moselzeitung. 2

3



34 —

man zu großen Opfern f ü r diesen Zweck bereit gewesen wäre, daß man aber dem Herausgeber der „Rhein- u. Moselzeitung" jemals unter die Arme gegriffen hätte, davon habe man nie etwas gehört. Daß jedoch in den Koblenzer Kreisen großes Interesse für die „Rhein- u. Moselzeitung" herrschte, zeigt ein Antrag Adams' beim Karl-Borromäusverein im Jahre 1848, einige auswärtige Korrespondenten f ü r die Zeitung zu gewinnen und sie aus den Mitteln des Vereins, etwa mit 500 Talern, zu salarieren. Der Antrag wurde allerdings nicht aufrecht erhalten, sondern der Verein einigte sich, daß zunächst jeder in seinem Kreise f ü r die Verbreitung der Zeitung m ö g lichst tätig sein solle.1) Durch die geringen zu Gebote stehenden Mittel war es bedingt, daß Hergt sich keine großen Kosten für die Gewinnung von auswärtigen Korrespondenten u n d Mitarbeiter machen konnte. Als Hauptmitarbeiter ist wohl besonders für die ersten Jahre in erster Linie der leitende Redakteur anzusehen, wenigstens ließ sich über sonstige Mitarbeiter der Zeitung bis zum Jahre 1843 — mit Ausnahme von Bern — nichts feststellen; etwas günstiger war das Resultat für die späteren Jahre. Ein langjähriger Mitarbeiter war der damals sehr bekannte Publizist A. v. Bornstedt. Ursprünglich preußischer Offizier, mußte er anfangs der 30 er Jahre den Dienst quittieren und Preußen verlassen. Er begab sich ins Ausland, bis er 1840 von der preußischen Regierung wieder in Gnaden aufgenommen wurde. Eine Zeitlang Korrespondent der preußischen Staatszeitung, wirkte er in Paris eifrig für den deutschen Zollverein 2 ) und erhielt von der preußischen Regierung eine „Remuneration". Infolge seiner Beteiligung an dem in Paris 1844 erscheinenden radikalen deutschen Blatt „Vorwärts" der preußischen Regierung verdächtig und aus. Frankreich wegen „legitimistischer" Umtriebe ausgewiesen, suchte er sich im Ministerium des Innern zu Berlin zu rechtfertigen. In Paris wurde er aber indessen von dem Redakteur des „Vorwärts", H. Börnstein, beschuldigt, *) vgl. Protokollbuch des Karl Borromäus-Vereins, femer Pastor, a. a. O. I, 228 und Vereinsblatt des K. B. V. Nr. 17 u. 18, 1848. ») Rh.-Mz. 6/10 43, E. Z. 19/10 44.

— 35



preußen- und königsfeindliche Artikel geschrieben zu haben, wogegen sich von Bornstedt in der „Bremer Zeitung" energisch verwahrte. 1 ) Er scheint in Berlin nochmal mit einem blauen Auge davongekommen zu sein, wenigstens gab ihm der „Rheinische Beobachter" den väterlichen Rat, weiterhin f ü r die Interessen des Zollvereins in Frankreich zu wirken, warnte ihn aber, nicht so rasch vorwärtsdrängen zu wollen. 2 ) Wann seine Berichte für die „Rhein- u. Moselzeitung" einsetzten, ist nicht zu bestimmen. Im Jahre 1844 verkehrte er aber schon bei einem Aufenthalt in Koblenz viel mit dem damaligen Redakteur der Zeitung, Dr. Neurohr, 3 ) und soll aus Frankreich Korrespondenzen sowohl für die „Rhein- u. Moselzeitung" wie f ü r den „Rheinischen Beobachter" geschrieben haben. 4 ) Infolge seiner Ausweisung aus Paris — wo Ende des Jahres 1844 auch der „Vorwärts" unterdrückt wurde — ging v. Bornstedt nach Brüssel, von wo er Korrespondenzen für deutsche und französische Blätter lieferte, in denen er die religiösen Wirren der Gegenwart als Deutschland spaltend und schwächend bekämpfte. 5 ) Als im Jahre 1845 in der Rheinprovinz Flugzettel verbreitet wurden, die die Verhandlungen des Provinzial-Landtages mit Namensnennung der Redner und Abstimmungen enthielten, vermutete man in Regierungskreisen, daß von Bornstedt der Verfasser sei, worauf das preußische Ministerium ihn fallen ließ und ihm die Remuneration entzog. 6 ) Mit dem politischen Glaubensbekenntnis, das er im „Rheinischen Beobachter" aus Anlaß einer Erklärung über seine Beteiligung am „Vorwärts" ablegte, 7 ) konnte er wohl Mitarbeiter der „Rhein- u. Moselzeitung" sein. Er bezeichnet sich als Monarchist im Sinne der legitimen Erbfolge, da Usurpation jeder Art notwendig Tyrannei und Spaltungen hervorrufe, aber er will eine Monarchie mit freisinnigen, die ge») •) ) Zwar teilte die „Rhein- u. Moselzeitung" einige Tage später „mit Vergnügen" den Protest vieler Rhein- und Moselbewohner gegen den Artikel mit, aber er ist der Beweis einer Strömung im Volke, die in der Presse infolge der Zensur gewöhnlich nicht zur Sprache kommt. Mit dem Kölner Kirchenstreite, der auf die Mehrzahl der Rheinländer als gläubige Katholiken den tiefsten Eindruck machen mußte, und der den konfessionellen Gegensatz f ü r l

) Rh.-Mz. 15/11 33.



43



•die folgenden Jahre unheilbar verschärfte, begann auch die „Rhein- u. Moselzeitung" einen etwas anderen Charakter anzunehmen, so daß die „Hannoversche Zeitung" unter den rheinischen Blättern besonders der „Rhein- u. Moselzeitung" eine undeutsche Haltung vorwarf. D a s Blatt wehrte sich allerdings sehr energisch gegen diesen Vorwurf, g a b aber zu, daß die meisten Zeitungen der Rheinlande eine „gewisse eigentümliche Farbe" trügen, ein Gepräge, worin sich die G e s i n n u n g der Einwohner ausspreche. „Kein Wunder, der Rheinländer hat seine eigene Art und Weise, und wer bei ihm Eingang finden will, muß in seinem Geiste mit ihm verkehren." Den Grund der eigentümlichen Farbe verschwieg das Blatt nicht. Wirren jeglicher Art, kirchliche wie bürgerliche, machten auf die Besseren im Volke einen tiefen und schmerzlichen Eindruck und pflegten Mißstimmung hervorzurufen, aber sie habe nichts gemein mit dem Geiste politischer Unzufriedenheit 1 ); und so blieb auch die „Rhein- u. Moselzeitung" der Regierung weiterhin freundlich gesinnt. Mit dem Regierungsantritte Friedrich Wilhelms IV. ging ein frischer Zug durch das preußische Volk, der sich natürlich auch in der Presse bemerkbar machte. Dazu kam gerade am Rheine eine flammende nationale Begeisterung gegen Frankreichs Ansprüche auf das linke Rhein ufer. Bern vor allem zeigt das Bestreben, das nationale Empfinden, den G e danken an deutsche Macht und Einigkeit zu fördern und zu stärken. Bern ist „großdeutsch" gesinnt im wahrsten Sinne des Wortes. 8 ) Den Plan des „Univers", im Falle eines Krieges aus Rheinpreußen einen unabhängigen Staat mit belgischer Verfassung und selbstgewähltem Fürsten zu machen, den Bund aufzulösen und die kleineren Staaten gegen Preußen und Österreich zusammenzuschließen, fertigt er mit Hohn ab. 3 ) In seinen Ansichten ist Bern sehr gemäßigt liberal; er steht ganz auf dem Boden des deutschen Bundes, den er für „die intelligente, sich bewußt gewordene Staatsform unseres Volkes älterer Zeit" hält, für die das deutsche Kaisertum bloß der Übergang in der Geschichte gewesen sei. Sein ') Rh.'Mz. 2 / 6 39. *) vgl. Rh.-Mz. 8 / 5 , 1 4 / 7 , 3 0 / 1 0 , 2 4 / 1 1 40. ") Rh.-Mz. 1 3 / 9 4 0 .



44



Appell an die W ü r d e des deutschen Volkes ist meist echt und tief empfunden, auch f ü r ihn ist es der Zollverein, der den Nationalgeist zu intensiver Zentralkraft hat anwachsen lassen, während die Juli-Revolution Deutschland den Dienst erzeigt habe, das Nationalleben zu erfrischen, die Einheitsidee, welche im deutschen Bunde liege, zu verstärken und die wechselseitige Stammesverschiedenheit dem gemeinschaftlichen deutschen Interesse mehr und mehr zum Opfer zu bringen. „Nur immer Nationales getan, eben glüht die Nation, so schmiedet sie denn zu deutschem Eisen!" Dabei denkt Bern aber nicht an eine politische Einigung; in dieser Hoffnung der Liberalen sieht er vielmehr „einen verzeihlichen, aus innerem Patriotismus hervorgegangenen Traum". 1 ) Bern steht also mit seinen Anschauungen zum Teil noch im Banne der Auffassung des ausgehenden 18. und beginnenden 19. Jahrhunderts, das die deutsche Einheit auf geistigem und kulturellem Gebiete suchte und ein weltbürgerliches Ideal verfolgte, andererseits geht er darüber hinaus, nur ist er noch nicht zur Auffassung eines einheitlichen deutschen Nationalstaates durchgedrungen. Eine größere Einheit in Münze, Gewicht, Porto und Justiz hält er dagegen für ganz wünschenswert. Nach seiner Ansicht braucht aber Deutschland als Staatenbund nicht so organisiert zu sein, wie ein Staat, der eine Masse ist; bei Verschiedenheit im einzelnen könne doch in den Hauptorganen und Nerven Einheit sein. 2 ) Einigkeit ohne Uniformität, Einheit im Geiste, ohne Zusammenquetschung und Zentralität, allmählicher Fortschritt ohne Fabriksklaverei, so lautet sein Wahlspruch. 3 ) Bern ist aber politisch insofern mit seiner Zeit gegangen, als er die konstitutionelle Regierungsform als einen Hebel zur Nationalität betrachtet, sie halte in den kleineren Staaten Deutschlands die Idee eines großen Staatsverbandes rege, aber die größeren Staaten könnten sehr gut ohne solche Form existieren und immer wieder warnt er vor schachbrettartiger Gleichheit und Gesetzejgrenze. 4 ) Er gibt sogar zu, Rh.-Mz. 2 9 / 5 42. ) Rh.-Mz. 4 / 4 41. ») Rh.-Mz. 2 0 / 6 41. 4 ) Rh.-Mz. 2 3 / 6 40. 3



45



daß das Repräsentativsystem das an sich richtige sei, jedoch seien die Deutschen dafür noch nicht reif; bei seiner Stellungnahme zur Volksrepräsentation nennt er sich selbst weder einen einseitigen Landstands- noch einseitigen Regierungslobpreiser. Er fordert für die deutschen Stände vollständige Einsicht der ganzen Verwaltung und Rechnung, Anteil an der Gesetzgebung und das Recht, von allen Regierungsbeamten Aufschlüsse zu verlangen. An der Zusammensetzung der preußischen Provinzialstände hat Bern Verschiedenes auszusetzen. Der Adel, den er zwar für unentbehrlich, aber dessen Privilegien, so seine völlige Befreiung von der Ortspolizei, seine Patrimonial-Gerichtsbarkeit und Befreiung von manchen Abgaben, er für äußerst schädlich hält, 1 ) sei durch seine bessere Organisation immer im Vorteil. Er verlangt Öffentlichkeit der Verhandlungen, Veröffentlichung mit allen Namen und Äußerungen, dann würden die Provinzialstände in Preußen völlig mächtig g e n u g sein, auch wenn sie nur beratende Stimme haben. Die Verfassungsfrage hält er noch nicht für reif, auch schrecken ihn die Zuvielforderungen ab. Preußen könne keine freiere Verfassung geben als Sachsen und Bayern, und was habe es dann ? „Alsdann wäre auch das bessere Streben des Königs an eine Kammer gebunden, welche nach Lage der Sache entweder aus der Bureaukratie oder der Aristokratie und Plutokratie gebildet wäre. Besser als eine solche Verfassung dünkt uns, vielleicht nur uns, der Fortschritt, den ein Staat nehmen will und wird und muß, dem ein König vorsteht, der das Bessere will und das Talent hat, es zu erkennen, denn wäre das der Fall nicht, wollte der König nicht, so hülfe es bei solchen Kammern doch nichts, das ist unsere aufrichtige, unumwundene M e i n u n g . " 2 ) S o ein Bekenntnis macht wohl verständlich, daß die Regierung Berns Artikel „gemäßigt liberal und vernünftig" nennt. Ist also Bern für den Augenblick g a n z zufrieden mit der Einrichtung der Provinzialstände, wenn ihnen nur gewisse Befugnisse eingeräumt werden, so klingt Anfang des Jahres 1843 bei Beurteilung der Verfassungsfrage in der Zeitung Rh.-Mz. 1 1 / 6 4 2 , 9 / 9 4 2 . ») Rh.-Mz. 2 8 / 1 2 4 2 .



46



ein Ton an, der als spezifisch katholisch anzusehen ist. „S. M . der König haben die Provinzialstände für die zweckmäßigste Verfassung der preußischen Monarchie erachtet, und wer die verschiedenen, geteilten und oft entgegengesetzten Interessen der Provinzen des preußischen Staates in Erwägung zieht, dem wird es augenblicklich einleuchten, daß diese Verfassung (wenn auch nicht in der bisherigen Zusammensetzung und Ohnmacht der Provinziallandtage) f ü r den Vorteil der einzelnen Provinzen unvergleichlich trefflicher ist, als etwa eine allgemeine Landesvertretung sein würde. Namentlich wird es schwerlich einen Rheinländer geben, der seine Provinz, mit den übrigen (den östlichen und altpreußischen) zusammengeworfen und ihre Interessen durch Stimmenmehrheit (wie natürlich dieser letzteren) entschieden sehen wollte." *) Dieser Gegensatz zwischen den östlichen alten und westlichen neuen Provinzen, zwischen dem protestantischen und katholischen Teile wird bald ein Lieblingsthema der katholischen Presse. 2 ) Doch gibt sich die „Rhein- u. Moselzeitung" auch in den nächsten Jahren einen sehr loyalen Anstrich, wie begeisterte Festberichte anläßlich des Besuchs Friedrich Wilhelms IV. im Jahre 1845 zeigen. „Auf dem hohen Burgturme des Stolzenfels und auf der Feste Ehrenbreitstein weht bereits die große Königsflagge und verkündet weithin, daß Preußens mächtiger König gegenwärtig ein Hoflager bei uns halte." Der Empfang „unseres allgeliebten Königspaares war so herzlich, so wahrhaft ungekünstelt und aus dem innersten Gefühle des Volkes hervorgegangen, daß jeder darin die große Verehrung und Anhänglichkeit der Rheinländer an ihren erhabenen Monarchen erkennen mußte". 3 ) Als in demselben Jahre die Gerüchte wieder stärker auftraten, daß Friedrich Wilhelm IV. seinem Lande eine Repräsentativverfassung geben wolle, ist zwar der Berliner Korrespondent der „Rhein- u. Moselzeitung" damit ganz einverstanden, andererseits spricht aber im Jahre 1846 die Zeitung ') Rh -Mz. 5 / 2 43. *) vgl. einen interessanten Artikel „vom Rhein" im Mainzer Katholik vom 15/6 45, aus Anlaß der Ausweisung Itzsteins und Heckers aus Preußen. 3 ) K. Z. Nr. 213 (1 /8 46) aus der Rh.-Mz.



47



von einer „entschiedenen Opposition in den Kreisen vieler hellsehender Katholiken gegen die Einführung einer Repräsentativverfassung", denn der Rheinländer sei zu sehr praktisch, als daß er in den Eisenfressereien der DeputiertenMajoritäten die einzige Garantie seines Heiles erblicken sollte. 1 ) Jedoch wurde das Patent vom 3. Februar 1847 über die Berufung des Vereinigten Landtages von der Zeitung im allgemeinen nicht ungünstig aufgenommen. Ein partikularistischer Unterton und die Furcht vor Unterdrückung der provinziellen Selbständigkeit, zumal durch die große Anzahl der Abgeordneten leicht der Radikalismus die Oberhand gewinnen könne, klingt allerdings in einzelnen Artikeln an. „Man kann verschiedener Ansicht darüber sein, ob die Wirksamkeit der vereinigten Landtage, insbesondere f ü r unsere Provinz, eine durchaus wohltätige sein wird, ob nicht manches, was den Rheinländern besonders am Herzen liegt, dort in den Hintergrund gedrängt und einem vielleicht übertriebenen Streben nach äußerer Einheit und Gleichförmigkeit geopfert wird." 2 ) Aber die „Rhein- u. Moselzeitung" stellte sich sofort auf den Boden des Gegebenen und verlangt eine Einräumung weiterer Rechte,3) besonders das Recht, neue Anleihen und Auflagen zu bewilligen. Die Thronrede Friedrich Wilhelms IV. bei Eröffnung des Landtages wurde allgemein in der katholischen Presse freudig begrüßt, 4 ) denn sie sei offen und klar, eines Königs würdig, der sich eines bestimmten Zweckes bewußt sei, ja sie sei aus wahrhaft katholischer Weltanschauung gesprochen. 6 ) Nimmt also die „Rhein- u. Moselzeitung" unter Neurohr eine dem Landtage günstige Haltung ein, sind im Mai des Jahres die konstitutionellen, politischen Freiheiten eine „ernste u n d geheiligte Sache" s ) und der wahre Katholizismus der politischen Freiheit günstig, 7 ) so klingen mit Rotteis andere T ö n e ») ) 3 ) 4 ) 5 ) •) 7 ) 2

E. Z. 3 0 / 4 46. Rh.-Mz. 11/2 47. vgl. Rh.-Mz. 9/2, 11/2, 1 2 / 2 47. Rh.-Mz. 2 0 / 4 47. Rh.-Mz. 2 / 8 47. Rh.-Mz. 2 1 / 5 47. Rh.-Mz. 2 8 / 5 47.



48



in dem Blatte an. D e r L a n d t a g habe zwar seine Mission richtig erfaßt, indem er mutig u n d loyal f ü r die H a n d h a b u n g d e s Rechts, der O r d n u n g u n d der Freiheit eingetreten sei, aber in „einer freilich höchst eingreifenden u n d folgereichen Beziehung bedauern wir, die T e n d e n z e n der rheinischen Koryphäen, b e s o n d e r s der Herren v. Beckerath, Hansem a n n , Camphausen u n d Mevissen, als falsch u n d destruktiv bezeichnen zu müssen. Es ist dies das modern-konstitutionelle T r a c h t e n nach dem falschen Prinzip der äußeren Staatseinheit, j e n e s Zentra'.isations- u n d Nivellierungssystem, welches durch die Vernichtung aller provinziellen Selbständigkeit u n d Eigentümlichkeit ein großes Vaterland aufzubauen vermeint — als o b die Staatsidee mit dem Geiste einer kräftigen Provinzialu n d K o m m u n a l v e r f a s s u n g unverträglich w ä r e — ja als o b der Staatsbürger nicht vor allem einer Familie, einer G e m e i n d e , einer Provinz durch tausend zarte Bande angehörte, die erst ihren höchsten Kulminations- und Einheitspunkt im Staate selber finden". Der Rheinländer kann und wird sein rheinisches Wesen nie a u f g e b e n u n d doch die Staatsidee in sich tragen u n d f ö r d e r n . Das ist der leitende G r u n d g e d a n k e , d e r von jetzt an immer wieder in der „Rhein- u. Moselzeitung" zu W o r t e kommt. D e r Partikularismus des „ U l t r a m o n t a n i s m u s " tritt i m m e r ausgeprägter hervor und damit der i m m e r schärfer w e r d e n d e Gegensatz zum Liberalismus u n d seinem „Verflachungssystem". D e r heuchlerische, bald rechts, bald links schielende, wie Gott so dem Teufel zu Dienste stehende, zwischen Wahrheit u n d Lüge, zwischen Recht u n d U n r e c h t vermitteln wollende sogenannte .liberale Konservatismus sei in seinem Wirken noch viel verderblicher als der Radikalismus, der wenigstens mit offenem Viiiere kämpfe, 1 ) u n d der, nach der Ansicht der „Rhein- u. Moselzeitung", in der Rheinprovinz am wenigsten Fuß zu fassen vermocht hat. Mit diesem Gegensatze gegen das liberale Zentralisationssystem ist das Eintreten f ü r das provinzielle Institut der L a n d t a g e geg e b e n , auf denen das „lebendige Bewußtsein der echt rheinischen Interessen einen allgemeinen loyalen A u s d r u c k f a n d u n d durch engere B e r ü h r u n g erstarkte", u n d die trotz m a n c h e r Mängel in der Z u s a m m e n s e t z u n g u n d dem W a h l m o d u s ») Rh.-Mz. 2 3 / 1 0 47.



49



die „schöne Eigentümlichkeit" der Rheinländer schärfer ausg e p r ä g t haben. Aber gegen die A u f f a s s u n g des Liberalismus, der in diesem Eintreten f ü r die provinzielle Selbständigkeit ein „exklusives, der höheren Staatsidee zuwiderlaufendes Isolierungssystem" sah, verwahrte sich die „ R h e i n - u . Moselzeitung" energisch. Von einer A b n e i g u n g gegen die preußische Herrschaft könne nicht die Rede sein, vielmehr habe ihre wohlg e o r d n e t e Verwaltung, ihre weise Finanzpolitik und volkstümliche Justiz A n e r k e n n u n g g e f u n d e n u n d das Band zwischen den Rheinlanden und Preußen fester geschlungen. Bei d e n Einsichtsvollen habe daher die Ü b e r z e u g u n g Raum gew o n n e n , daß g e r a d e die Vereinigung mit der preußischen Monarchie eine „ w a h r h a f t providentielle" gewesen sei. G a n z neue Verhältnisse wurden — so f ü h r t die Zeitung weiter aus — mit der E i n b e r u f u n g des Landtags gegeben, der eine d e n christlich-monarchischen Traditionen bei weitem feindlichere P h y s i o g n o m i e a n g e n o m m e n habe (infolge des herrschenden Geistes des Pseudoliberalismus, der Lichtfreundlichkeit u n d des Antichristianismus der Majorität), als zu erwarten gewesen sei, u n d der ganz falsche zentralisierende Prinzipien über den Staat aufgestellt habe. Diese Kritik veranlaßt die „Rhein- u. Moselzeitung", ihre Anschauungen darzulegen. Nach ihrer Ansicht erfordert der Staat n u r insofern Einheit und Z e n tralisation, als es sich um seine Sicherheit nach innen u n d außen u n d u m den ungestörten Fortgang seiner eigentlichen Lebensfunktionen handelt. Die Heeresverfassung, die allgemeine Finanz-, D o m ä n e n - und Handelsgesetzgebung u n d endlich derjenige Teil der speziellen Landesgesetzgebung, welcher in unmittelbarer Beziehung zum eigentlichen Staatsrechte steht u n d die wesentlichen Attribute der Staatsgewalt reguliert, sind daher n o t w e n d i g der Autonomie der eigentlichen Unterabteilungen entzogen. Das sind die G r u n d l a g e n jeder Regierung, aber daneben m u ß möglichste Freiheit und Selbständigkeit f ü r die Provinzen und ihre Vertretung, die das Recht des einzelnen schützen soll, gegeben sein. Der m o d e r n e Konstitutionalismus u n d die Repräsentativverfassung mit ihrem Prinzip der „Atomisierung der Individuen" stellt dagegen der a n d r ä n g e n d e n Tyrannei von oben ein neues gleich g r o ß e s •Obel, die Entfesselung der politischen Leidenschaft von unten Mönckmeier,

Rhein- u. Moselzeitung.

4

— und

hiermit

die A n a r c h i e

50



entgegen.

Diesem

zum

m u s oder zur Revolution f ü h r e n d e n Prinzip der der

Individuen

und

der absoluten

Despotis-

Atomisierung

Zentralisation

des

Staates

m u ß mit ä u ß e r s t e m m o r a l i s c h e m N a c h d r u c k e n t g e g e n g e a r b e i t e t werden. durch

Eine Aufgabe,

ihre

Geschichte

zu

der

und

besonders

die

d e r G e g e n w a r t im I n t e r e s s e d e s K ö n i g t u m s politischen Ende lichkeit

Freiheit b e r u f e n

ist. 1 )

des Jahres

w u r d e also

des

1847

provinziellen

Rheinprovinz

die unverkennbarsten und

die

Rheinländertums

Interessen der

„innere mit

wahren Verträg-

dem

monar-

c h i s c h e n P r e u ß e n t u m " v o n d e r „ R h e i n - u. M o s e l z e i t u n g "

noch

anerkannt,

über

wie ja

auch

die Zeitung

die g a n z e n

Jahre

w a r m e Sympathie u n d V e r e h r u n g für Friedrich Wilhelm

IV.

zeigte.

daß

in

Die rheinischen

der

Katholiken fühlten es sehr wohl,

romantischen

Saiten

anklangen.

gewisse

Natur

Auch

in

Berührungspunkte:

moderne

des

Königs

politischer dieselbe

Repräsentativverfassung

provinzielle Selbständigkeit

zu

ihnen

verwandte

Beziehung

bestanden

Abneigung

und

das

wahren

und

gegen

jede

Bestreben,

die

auszubilden.

Im

L a u f e d e s J a h r e s 1 8 4 8 a b e r s o l l t e s i c h die S t e l l u n g d e r k a t h o lischen „ R h e i n - u . M o s e l z e i t u n g " völlig ändern. lution sie zu

war eine g a n z

ließ

die

erringen,

mußte.

neue Orientierung

Hoffnung

auftauchen,

ein Ziel,

hinter

ist z u

betonen,

Doch

dem

die alles

daß

Mit d e r

und

Basis

Freiheit

der

andere

und

und

infolgedessen

religiösen

Fragen

das

etwas

in e r s t e r L i n i e

den

rein

poli-

besprochen

Interesse f ü r die in

Kirche

zurückstehen

t i s c h e V e r h ä l t n i s s e in d e r „ R h e i n - u. M o s e l z e i t u n g " wurden

Revo-

gegeben,

kirchlichen

Hintergrund

gedrängt

wurde. Für Staate

das

und

Verständnis zu

den

A - Korrespondenten Haltung

der

respondenten.

Zeitung

der

Stellung

der

ist

ein

Artikel

bezeichnend;

er

erklärt

Parteien wie

den

Katholiken des in

vielem

Stimmungswechsel

der

die Kor-

E r ist d e r A n s i c h t , d a ß d e r C h r i s t s i c h in j e d e

politische L a g e schicken

muß,

in w e l c h e d i e F ü g u n g

ihn v e r s e t z t , „ d e n n a l l e p o l i t i s c h e n

Institute sind

unseres Gewissens

und

unseres kirchlichen

Rh--Mz. 17/12, 18/12, 19/12 1847.

Gottes

vergänglich,

u n d n u r e i n e F r e i h e i t m ü s s e n wir u n s b e w a h r e n , d i e Glaubens,

zum

Berliner

unseres katho-



51



lischen Lebens". 1 ) Mit einem solchen G r u n d s a t z war es nicht schwer, sich nach dem A u s b r u c h der Revolution, die „ein h ö h e r e s Gericht, ein Gericht der erzürnten Gottheit, die richtend ü b e r uns im Verborgenen wacht, ist", entschlossen auf den B o d e n der neuen Errungenschaften zu stellen, zumal es sich d a r u m handelte, das Joch des alten Beamten- und Polizeistaates abzuschütteln. Als die W o g e n der Revolution nach Preußen hinüberschlugen, da äußerte sich das Bedürfnis des Z u s a m m e n schlusses u n d das Gefühl, daß man nur vereint etwas erreichen könne, welches zur G r ü n d u n g des Pius-Vereins f ü h r t e , auch in der Zeitung. Schon am 14. März machte sie darauf aufmerksam, daß jetzt der Augenblick g e k o m m e n sei, wo die Katholiken in Eintracht zusammenstehen, die allen gemeinsame Freiheit mit aller Energie erstreben, wo sie zur Erl a n g u n g der Religionsfreiheit in großen Vereinen nach d e m Abbild des von O ' C o n n e l l seinerzeit gebildeten Vereins zusammentreten müßten. 2 ) Am 23. März entstand in Mainz der erste Pius-Verein zum Schutz der religiösen u n d kirchlichen Freiheit, um die neu errungenen Freiheiten der Vers a m m l u n g e n u n d Vereinigungen, der freien Rede u n d Presse mit Entschlossenheit in die Hand zu nehmen und sich ihrer zugunsten der Religion u n d der Kirche zu bedienen. 3 ) Am 15. März w u r d e n die W ü n s c h e der Katholiken in der „ R h e i n - u . Moselzeitung" formuliert. Der Verfasser bricht zuerst mit der Vergangenheit mit dem Hinweis auf die bisherige B e d e u t u n g s losigkeit u n d negative Tätigkeit des Bundestags. Der Geist des Volkes müsse geweckt, ihm eine mächtige volkstümliche Zentralisation gegeben werden, Preßfreiheit und Volksvertretung am Bunde, die Weiterentwicklung der Volksvertretung der einzelnen Staaten. Das sind g a n z liberale Forderungen, so daß sich der streng konservative Rotteis f ü r verpflichtet hält, diese F o r d e r u n g etwas zu dämpfen. So richtig dieses in m a n c h e r Beziehung gedacht sei, so könne er sich doch nicht überzeugen, daß durch alles dieses eine w a h r e Freiheit u n d Einigkeit Deutschlands bewirkt werden könne. l

) Rh.-Mz. 16/1 48. ») Rh.-Mz. 14/3 48. a ) vgl. Schnabel a. a. O. S. 42.

4*



bz



Was könne überhaupt im deutschen Volksleben wieder eine lebendige und rührige Einheit bewirken? Dieser Gedankengang taucht auch später noch mehrere Male auf. Rotteis erhoffte Besserung allein von der Religion, von der Belebung des christlichen Glaubens, d. h. von der Stärkung der katholischen Kirche; aber seine Stimme verhallte wirkungslos in der politisch so erregten Zeit. Aber wie Geißel in seinem Hirtenbrief vom 22. März die Katholiken zur Ruhe und Ordn u n g ermahnte, so erhob sich auch in der Zeitung eine warnende Stimme. Sie begrüßt zwar die Adressen, jedoch müßten alle Forderungen in Ruhe und O r d n u n g auf gesetzlichem Wege gestellt werden, das verlange die Liebe und Achtung dem Könige gegenüber. 1 ) Das politische Interesse war in den Märztagen auch in Koblenz sehr rege. Verschiedene Adressen wurden nach Berlin gesandt, die „Rhein- u. Moselzeitung" hielt sich jedoch verhältnismäßig noch zurück, bis sie Ende März einen begeisterten Artikel über die kirchliche Feier zu Ehren der Alärzgefallenen brachte, „der im heldenmütigen Kampfe für die heiligen Rechte des Volkes gegen drückenden Militärdespotismus gefallenen Brüder, durch deren glorreiche Aufopferung dieser Despotismus f ü r ewige Zeiten gebrochen und der natürlichen Freiheit des Volkes endlich der entscheidende Sieg gewonnen ist". Doch eine andere Saite wird in der Zeitung hell angeschlagen, so daß ihr Klang bald die anderen übertönt: deutsche Einheit und Einigkeit. Der nationale Sinn, der Aufschwung des nationalen Gefühls sei das Schönste in der Bewegung, die das Volk ergriffen habe. 2 ) Der Gedanke an die Wiederherstellung des alten deutschen Reiches, der bei den Rheinländern sich ja immer besonders rege bewahrt hatte, findet natürlich gleich lebhaften Anklang. 3 ) „Die Wiederherstellung des Reiches tut not. Reich und Krone aber sind unzertrennlich. Habsburg nehme die Krone zurück." Um so ') Rh.-Mz. 1 5 / 3 48. Auf die Erregung, die bei den rheinischen Katholiken gerade beim Ausbruch der Revolution über die Beratung des Titels 27 des Strafgesetzentwurfes herrschte, werde ich später noch eingehen ') Rh.-Mz. 7 / 3 48. ») Rh.-Mz. 3 1 / 3 48.



53



m e h r bedauert d i e , , R h e i n - u . M o s e l z e i t u n g " , daß im R h e i n l a n d e n o c h allzuwenig zur H e r s t e l l u n g des Kaisertums g e s c h e h e n sei, w ä h r e n d der verhältnismäßig kleine B o d e n so rasch u n d e r f o l g reich auf die Republik, d. h auf eine kurze T ä u s c h u n g und ein langes Elend hinarbeite. 1 ) Alle ihre H o f f n u n g e n setzt d a h e r die Z e i t u n g auf das F r a n k f u r t e r P a r l a m e n t : „ V o n ihren B e schlüssen, denen das deutsche V o l k seine S a n k t i o n nicht verweigern wird, hängt D e u t s c h l a n d s W o h l und W e h e ab. S i e m u ß die Bahn zeichnen, die zur Freiheit, zur U n a b h ä n g i g k e i t führt, darum ist die s c h l e u n i g e B i l d u n g einer Z e n t r a l g e w a l t u n b e d i n g t n o t w e n d i g . " 2 ) Allein von der F r a n k f u r t e r V e r s a m m l u n g wird nach Ansicht der „ R h e i n - u . M o s e l z e i t u n g " die künftige innere G e s t a l t u n g D e u t s c h l a n d s und das V e r h ä l t n i s zwischen Fürst und V o l k reguliert, selbst die konstituierende V e r s a m m l u n g in Berlin würde, falls sie versuchen sollte, nicht in Ü b e r e i n s t i m m u n g mit j e n e r zu handeln, keine A n e r k e n n u n g f i n d e n . 3 ) D a r a u s g e h t h e r v o r , daß überhaupt die gleichzeitige B e r u f u n g der B e r l i n e r V e r s a m m l u n g auf keine W e i s e g e billigt wird, und eine A d r e s s e der B ü r g e r von K o b l e n z an die Frankfurter V e r s a m m l u n g , in der sehr energisch g e g e n die E i n b e r u f u n g der B e r l i n e r V e r s a m m l u n g protestiert wird, 4 ) findet bei der „ R h e i n - u. Atoselzeitung" lobende A n e r k e n n u n g . 5 ) D u r c h die E r k l ä r u n g des K ö n i g s , sich den B e s c h l ü s s e n d e r D e u t s c h e n N a t i o n a l v e r s a m m l u n g zu unterwerfen, h a b e er unwiderruflich auf sein V o l k das Recht übertragen, f ü r D e u t s c h land und in diesem f ü r P r e u ß e n ein n e u e s staatliches G e bäude aufzuführen, die Volksvertreter in Frankfurt haben s o gar eine G e w a l t ü b e r die in Berlin erhalten, u n d da j e d e Nation das durch die N a t u r g e g e b e n e R e c h t habe, ein G a n z e s zu bilden, so dürfte sich nicht willkürlich ein Teil (d. h. P r e u ß e n ) loslösen. N a c h Frankfurt richtet also die „ R h e i n - u. M o s e l z e i t u n g " ihre Blicke. Aus A n l a ß der E r ö f f n u n g der konstituierenden V e r s a m m l u n g fand am K ö n i g s t u h l zu R h e n s e eine g r o ß e p a ! ) Rh.-Mz. 1 9 / 6 4 8 . 2

) Rh.-Mz. 2 2 / 6 4 8 .

3

) Rh.-Mz. 1 7 / 5 4 8 .

4

) Rh.-Mz. 1 9 / 5 4 8 .

' } Rh.-Mz. 2 0 / 5 4 8 .



54



triotische Feier satt, die einen erfreulichen Beweis gab, ,,\vie sehr die Ideen der deutschen Einheit u n d Freiheit u n d die E r w a r t u n g e n auf das deutsche Parlament hierorts u n d überall verbreitet sind". 1 ) Aber bald beginnen die Klagen, 2 ) daß die Frankfurter V e r s a m m l u n g nicht g e n ü g e n d respektiert werde. Es sei wahrhaft kläglich u n d eine Schmach f ü r Deutschland, wenn man sehe, wie die erste angeblich aus dem souveränen Volke gewählte V e r s a m m l u n g von den Fürsten behandelt w e r d e ; u n d als Folge wird schon das Gespenst der Republik als Schreckbild an die W a n d gemalt. Die Wahl J o h a n n s zum Reichsverweser, d u r c h die der Volkswille in großer Mehrheit erfüllt sei, w u r d e natürlich am Rheine mit Jubel begrüßt. Die Z e i t u n g bringt von allen Seiten begeisterte Festberichte, in die sich oft der Spott über ,,die Mißstimmung in Preußen" mischt. D e r Prinz von Preußen müsse nun wenigstens Reichsoberfeldherr werden, selbst wenn er auch gar keine Veranlassung dazu hätte. 3 ) Den T a g Peter und Paul würden Kinder und Kindeskinder nicht vergessen, denn an ihm sei der künftige deutsche Kaiser gewählt. Hier spricht es also die Z e i t u n g klar aus, welche g r o ß e n H o f f n u n g e n ein Teil der Rheinländer auf die W a h l des Reichsverwesers setzte; doch mit der Wahl allein war es nicht getan, war die Zentralgewalt so geschaffen, so m u ß t e sie auch lebensfähig gemacht werden, u n d dieser G e d a n k e f ü h r t die „.Rhein-u. Moselzeitung" immer wieder zu der F o r d e r u n g , daß das Parlament den unmittelbaren Besitz der vollziehenden Gewalt, Heer u n d Finanzen haben müsse, d e n n die Ausf ü h r u n g der Parlamentsbeschlüsse d u r c h die Fürsten bedeute einen W i e d e r a u f b a u der Kreishilfe mit allen ihren M ä n g e l n . Die A n n a h m e des Dahlmannschen E n t w u r f s ü b e r die G r e n zen der Zentralgewalt und zwar ausschließliche Kriegs- u n d u n a b h ä n g i g e Finanzgewalt in den H ä n d e n der Zentralgewalt ist nach der „Rhein- u. Moselzeitung" die wahre L e b e n s f r a g e Deutschlands, wie die Fortdauer seiner nationalen Existenz d u r c h die Einheit bedingt sei. ,,Mögen auch die Fürsten durch die Entziehung der T r u p p e n u n d der Finanzen zu einem ') Rh -Mz. 2 0 / 5 4 8 . a

) Rh -Mz. 2 7 / 5 4 8

3

) Rh.-Mz. 1 5 / 7 4 8 .



55



Schatten z u s a m m e n s c h r u m p f e n , d a s Interesse einer mächtigen Nation ist wichtiger als d a s von 34 Familien." Diese G e g e n überstellung des Interesses d e s Volkes, als der Millionen deutscher S t a a t s b ü r g e r , und der Fürsten, als von 34 Familien, zeigt zur G e n ü g e , mit welchem A u g e d a s Blatt die Fürsten a n s a h . Immer schärfer wird von nun an der G e g e n s a t z g e g e n sie betont. Wie die Z e i t u n g nur tadeln kann, daß Österreich und Preußen neben den deutschen Gesandten noch eigene haben wollen, 2 ) so begrüßt sie mit großer F r e u d e 3 ) den Beschluß d e s Parlaments, von H a n n o v e r eine u n u m w u n d e n e Ane r k e n n u n g d e s Reichsverwesers zu verlangen, denn den partikularistischen Gelüsten der Fürsten m ü s s e vor allem scharf entgegengetreten werden, und selbst wenn der K ö n i g von H a n n o v e r g e h e n müßte, e s wäre ja ein „großer, doch wie u n s scheint, g e r a d e kein unersetzlicher Verlust". Andererseits w ü r d e J o h a n n als Kaiser o h n e L a n d ein Schattenkaiser sein und bleiben. D a r u m schlägt die „ R h e i n - u . M o s e l z e i t u n g " vor, f ü r ihn eine Dotation in reichsunmittelbarem L a n d e zu schaffen, u n d dazu sei die Rheinprovinz d a s p a s s e n d s t e L a n d . D e n n als G r e n z g e b i e t sei es b e s o n d e r s geeignet, d a in Zukunft dann j e d e r A n g r i f f auf die reichsunmittelbaren Rheinlande nicht einem einzelnen Fürsten, s o n d e r n dem g a n z e n Reiche gelten w ü r d e . Preußen könnte ja vielleicht in H a n n o v e r entschädigt w e r d e n . 4 ) Dieser V o r s c h l a g , der allen Ernstes gemacht w u r d e und anscheinend auch bei einem Teile d e r Bev ö l k e r u n g Beifall f a n d , 5 ) während allerdings die liberalen Blätter, wie die „ H a r p y e n " , über den Artikel herfielen, 6 ) ist ein Beweis, wie man die Rechte der Fürsten zu achten gewillt war. Auf die s o große B e g e i s t e r u n g folgte n o t g e d r u n g e n eine A b k ü h l u n g , als die Frankfurter V e r s a m m l u n g nicht gleichen Schritt zu halten v e r m o c h t e mit den A n f o r d e r u n g e n , die an sie gestellt w u r d e n . S c h o n im Juli w u r d e in der Zeitung über ! ) Rh-Mz. 13/7 48. 2 ) Rh.-Mz. 8/7 48.

») Rh.-Mz. 18/7 48.

) Rh.-Mz. 20/7. ) R h - M z . 2 3 / 7 , 27/7, 29/7, 1/8, -t/8, 6/8, 13/8 48.

4 s

•) Rh.-Mz. 6/8 4



56



die Untätigkeit der Frankfurter V e r s a m m l u n g geklagt, jedoch ist der Verfasser „wohl etwas zu u n g e d u l d i g " — wie die Redaktion b e m e r k t 1 ) — ; aber im A u g u s t mehrten sich die Stimmen. Man traute dem Frieden nicht mehr so recht, als Friedrich Wilhelm keine Anstalten traf, seine Rechte der Frankf u r t e r V e r s a m m l u n g zur V e r f ü g u n g zu stellen, welche die große Saumseligkeit sich habe zuschulden k o m m e n lassen, sich die Finanzen und das Heer nicht gesichert zu haben, als es noch Zeit war. 2 ) Die Reise J o h a n n s und der 300 F r a n k f u r t e r A b g e o r d n e t e n im August zum D o m b a u f e s t gab aber der Zeitung nochmals Gelegenheit, ihren deutschen Patriotismus u n d ihre g r o ß e Begeisterung f ü r die deutsche Einheit zu zeigen ; sie brachte eine Fülle enthusiastischer Berichte, in denen der preußischen Regierung u n d dem Militär mancher Hieb versetzt wird. Mit G e n u g t u u n g w u r d e festgestellt, daß der König von Preußen ganz hinter J o h a n n habe zurücktreten müssen. Das Zusammensein des Reichsverwesers mit dem Könige habe das Volk daran gewöhnt, selbst innerhalb P r e u ß e n s eine höhere Persönlichkeit als die des Königs a n z u e r k e n n e n . Friedrich Wilhelm IV. habe voraussehen müssen, daß er n u r eine unterg e o r d n e t e Stellung einnehmen konnte, w e n n er trotzdem erschienen sei, so sei das eine tatsächliche A n e r k e n n u n g der e r h a b e n e n Stellung des Reichsverwesers. 3 ) Mit dem Gegensatz gegen die Fürsten traten die Sympathien f ü r die Linke in Frankfurt bei der „Rhein- u. Moselzeitung" immer deutlicher hervor. Im Juli 4 ) noch hatte sie vor allem den W u n s c h nach der Bildung einer starken Mittelpartei, als Gegengewicht gegen Reaktion u n d anarchische B e s t r e b u n g e n . Aber schon im August 5 ) zeigte sie eine rege Anteilnahme f ü r H e c k e r ; Johann hätte seinen Einfluß f ü r ihn geltend machen sollen, um auf diese Weise die Linke im Parlament f ü r sich zu gewinnen, denn in ihr finde die Zentralgewalt die H a u p t s t ü t z e gegen die Rechte, die Verteidigerin '

») 2 ) ") *) ')

Rh.-Mz Rh.-Mz. Rh.-Mz. Rh.-Mz. Rh.-Mz.

8 / 7 48. 6 / 8 48. 19/8. 13/7. 1 5 / 8 48.



57



der Sonderinteressen, da das Z e n t r u m bekanntlich keine Initiative ergreife. Damit ist der H a u p t p u n k t d e r inneren S y m pathie der katholischen „ R h e i n - u . Moselzeitung" mit der Linken gegeben, beide wollten um jeden Preis die deutsche Einheit. Und wenn die Linke eine Republik anstrebte, so fand die Zeitung sie als Obergangsstadium ganz a n n e h m b a r . 1 ) Beide wollten Freiheit der Kirche vom Staate, wenn auch aus g a n z anderen G r ü n d e n u n d in ganz verschiedener Absicht. ,,Für Deutschland ist es ungleich vorteilhafter, ein einziger fester Staatskörper zu sein, nach außen und innen eine einzige, innig zusammenhängende, u n d u r c h d r i n g l i c h e Masse darzubieten, als das H a u s Hohenzoliern an der Spitze zu h a b e n . W e l c h ' gewaltiger Staat wäre Deutschland, wäre er organisiert wie Frankreich, dann wäre es der erste Staat E u r o p a s und darauf sollen wir verzichten wegen des Privatinteresses einer Familie?" 2 ) So ist es sehr folgerichtig, wenn das Blatt im S e p t e m b e r 3 ) s a g t : ,,Im allgemeinen scheint uns die g a n z e Linke zu sehr büßen zu müssen, was ein kleiner Teil von ihr, die äußerste Linke, verschuldet hat. Wir weisen jede G e m e i n schaft mit der äußersten Linken entschieden zurück, u n d wenn auch ihre W ü n s c h e , wie es wohl möglich, hier und da die unserigen sein m ö g e n , die Motive müssen i m m e r himmelweit verschieden sein." „ D e r Prüfstein f ü r die Lebensfähigkeit des deutschen Reichstages" ist f ü r die ,,Rhein-u. Moselzeitung" die G e n e h m i g u n g oder V e r w e r f u n g des dänischen Waffenstillstandes, den Preußen auf eigene Faust geschlossen hatte. Als die V e r s a m m l u n g schließlich doch den Waffenstillstand g e n e h m i g e n mußte, den sie am 5. September verworfen hatte, da ist in den Augen der Z e i t u n g der Sieg der Reaktion vollständig.*) Deutschland wird eine f u r c h t b a r e Schreckensherrschaft geweissagt, aus der eine Militärmonarchie h e r v o r g e h e n werde. 5 ) Allmählich hat die „Rhein- u. Moselzeitung" n u r noch Spott und H o h n f ü r eine solche Versammlung, die mit „einem k ü h n e n >) R h - M z . 1 5 / 8 4 8 . J

) Rh -Mz. 3 0 / 8

48.

3

) Rh.-Mz. 2 8 / 9

48.

4

) Rh.-Mz. 2 0 / 9 , 2 2 / 9 , 2 6 / 9 4 8 .

5

) Rh.-Mz. 1 0 / 1 0 48.



58



G r i f f e " die „deutsche S e e m a c h t " den Fürsten entrissen habe. D i e einzige Hilfe wäre eine N e u w a h l , a b e r die Herren A b g e o r d n e t e n würden ihre Diäten d o c h nicht a u f g e b e n wollen. 1 ) S i e h ö h n t ü b e r den s c h ö n s t e n F r e u n d s c h a f t s b u n d , der Fürsten und F r a n k f u r t e r vereinige, und dessen B e s t r e b e n W i e d e r h e r s t e l l u n g des Zustandes v o r den Märztagen des J a h r e s 1848 sei. 2 ) S o hat die , , R h e i n - u. M o s e l z e i t u n g " , die einige M o n a t e v o r h e r nicht scharf g e n u g betonen konnte, daß allein die F r a n k f u r t e r V e r s a m m l u n g m a ß g e b e n d sei, kein W o r t des T a d e l s , als sich die L i n k e der B e r l i n e r V e r s a m m l u n g g e g e n F r a n k f u r t auflehnte. , , D i e Linke war e s allein, die das Aufg e h e n P r e u ß e n s in D e u t s c h l a n d verlangte, die R e c h t e nahm Partei f ü r die S o n d e r i n t e r e s s e n und das Z e n t r u m tat g a r nichts. Jetzt wird R e c h t e und K ö n i g mit der Linken zusammengehen gegen Frankfurt. Leider sind die V o r w ü r f e der Berliner Demokraten nur zu wahr, und das g r o ß e P u b l i k u m wird o h n e s o n d e r l i c h e n S c h m e r z den F r a n k f u r t e r n L e b e w o h l s a g e n " . 3 ) Die B e s c h l ü s s e d e r zuerst so g e s c h m ä h t e n B e r l i n e r V e r s a m m l u n g werden jetzt der Z e i t u n g ungleich wicht i g e r : „die Berliner V e r s a m m l u n g hat die F r a n k f u r t e r g l e i c h sam v e r s c h l u n g e n . " Seitdem sie durch ihre Kraft und Entschlossenheit sich die b e g r ü n d e t e n A n s p r ü c h e auf S e l b ständigkeit e r w o r b e n , j a den W i d e r s t a n d der p r e u ß i s c h e n K r o n e , einer weit g r ö ß e r e n M a c h t als die F r a n k f u r t e r V e r s a m m l u n g ist, ü b e r w u n d e n habe, k ö n n e keine R e d e m e h r davon sein, j e n e r die U n t e r w e r f u n g unter eine a n d e r e V e r s a m m l u n g zuzumuten. 4 ) D e u t l i c h e r k o n n t e das Blatt den W e c h s e l in seiner A n s c h a u u n g kaum k u n d g e b e n . E s b e streitet jetzt der F r a n k f u r t e r V e r s a m m l u n g das R e c h t der Kaiserwahl, denn dazu h a b e sie g a r keinen A u f t r a g v o m V o l k e erhalten 5 ) ; D a h l m a n n s U m t r i e b e f ü r die W a h l Friedrich W i l h e l m s IV. seien völlig verunglückt. D a s erstere hätte die „ R h e i n - u. M o s e l z e i t u n g " im S o m m e r nicht u n t e r s c h r i e b e n , wohl das letztere, denn lieber wollte sie auf den „ s a n d i g e n ' ) Rh -Mz. 5 / 1 0 . 2

) Rh.-Mz.

3

) Rh.-Mz. 1 2 / 1 0 4 8 .

14/10.

4

) Rh.-Mz. 2 1 / 1 1

5

) Rh -Mz. 1 7 / 1 2 48.

48.



59



N o r d e n " als auf Österreich verzichten. Treffend charakterisiert die Zeitung im D e z e m b e r ihre Stellung zur Frankfurter Vers a m m l u n g : „Wir waren zuerst f ü r sie begeistert, fingen dann an, sie ruhiger zu betrachten, w u r d e n unbehaglich, erbittert, höhnisch, bis wir zuletzt n u r m e h r inniges Mitleid f ü r sie fühlen."') Die Stellung der ,,Rhein- u. Moselzeitung" zu Preußen in diesen Monaten ist durch diese A u s f ü h r u n g e n angedeutet und bedingt, doch ist es von Interesse, die Entwicklung etwas ins einzelne zu verfolgen. Zunächst ließ das Blatt keinen Zweifel an seiner Loyalität Preußen g e g e n ü b e r , u n d es ist zu beachten, daß es die Person des Königs erst verhältnismäßig spät, dann aber auch ziemlich heftig angreift. Sein ganzer H a ß aber entlud sich über d e m alten System und über dem Stockpreußentum, natürlich immer mit einer konfessionellen Beimischung. „Fünf Millionen Katholiken dürfen in ihrem Regiertwerden nicht wie Parias und Heloten behandelt w e r d e n . " 2 ) Das alte absolute System w u r d e aber repräsentiert durch das preußische Bea m t e n t u m u n d durch das Heer, und gegen diese beiden Faktoren richtete die „Rhein- u. Moselzeitung" immer wieder die heftigsten Angriffe. Eine perfide Bureaukratie sei u n e r s c h ö p f lich in ihren V o r w ä n d e n , um die Ü b e r h ä u f u n g der Rheinlande mit den Baronen u n d Grafen aus den alten Provinzen u n d den bureaukratischen Günstlingen zu entschuldigen. Nepotismus, J u n k e r t u m , protestantischer Zelotismus, kurz die niedersten Triebfedern beuteten die Rheinprovinz im römischen Sinne aus, um reichliche P f r ü n d e n am Strome zu nützen. 3 ) Es w a r die 'ganzen Jahre hindurch einer der lebhaftesten B e s c h w e r d e p u n k t e d e r Rheinländer gewesen, daß ihr Land von dem „intelligenten pietistischen S t o c k p r e u ß e n t u m " überschwemmt w e r d e u n d den Rheinländern n u r die Subalternstellen offen ständen. Bei den gläubigen Katholiken kam der tiefer gefühlte konfessionelle Gegensatz noch hinzu, u n d die ,,Rhein-u. Moselzeitung" hat sicher ihren Lesern aus der Seele gesprochen, als sie im Jahre 1845 Klage führte, daß die ») Rh.-Mz. 1 3 / 1 2

48.

2

) Rh -Mz. 5 / 4

48.

3

) Rh.-Mz. 1 / 6

48.



60



Koblenzer Regierung bei der Besetzung von Bürgermeisterstellen vor allem landrätliche Privatschreiber begünstige, und auch sonst mit beharrlicher Konsequenz alle von der Regier u n g abhängigen subalternen Stellen mit Protestanten und womöglich aus den älteren Provinzen besetze: mit Leuten, die meist aus dem Stande der Bombardiere und FeldwebeL die Gesetze handhaben sollten. Ist es einerseits wohl verständlich, daß der Rheinländer sich zurückgesetzt fühlte und nur mit Mißgunst auf die „fremden Beamten" hinsah, so konnte anderseits die Regier u n g nicht anders handeln, als nach Besitznahme der Rheinprovinz preußische Beamte ins Land zu schicken, um das neue Gebiet in den alten Staatsverband einzufügen. Als sie aber daran denken konnte, den Rheinländern selbst die Leitung der Provinz in die Hand zu geben, da war durch unglückliche Streitigkeiten auf beiden Seiten ein Mißtrauen emporgewachsen, das sich so leicht nicht mehr bannen ließ und das gegenseitige Verständnis erschwerte. Damit ist auch das Urteil über die rheinischen Oberpräsidenten gegeben. „Erzprotestanten", wie Bodelschwingh als ein welthistorisches ten die Sympathie der Rheinländer nicht gewinnen, n u r Schaper stand wegen seiner Nachsichtigkeit in besserem Andenken. Als der Oberpräsident von Westfalen, Flottwell, in Frankfurt für den Gritznerschen Antrag auf Aufhebung des Priester-Zölibates stimmte, da wandte die „Rhein- u. Moselzeitung" auch den Satz an, exempla trahunt, und besprach den Fall Flottwell in sehr lebhafter und eingehender Weise. Diese Abneigung gegen die „Geschöpfe des Nepotismus und der Adelskamerilla" ging so weit, daß in der Zeitung nachgewiesen wurde, es sei kein G r u n d vorhanden, die Witwen und Waisen der Beamten, die einem jeden anderen gegen Bezahlung Arbeitenden gleichzustellen seien, durch Staatsgelder zu unterstützen. 1 ) Die zweite Stütze des absoluten Staates ist das Heer, und das preußische Heer, vor allem der Offizierstand, erfreute sich wirklich nicht der Sympathien der Rheinländer, denn in ihm befanden sich nach ihrer Ansicht die meisten absolutistischen, aristokratischen und separatistischen Elemente, !) Rh.-Mz. 2 8 / 9 48.



61



d e s h a l b tue nach keiner Seite ein entschiedenes Auftreten m e h r not. Gleich beim Ausbruch der Revolution wurde die Reduktion des stehenden Heeres verlangt; und wenn eine V e r m i n d e r u n g des Heeres auch im Augenblicke als nicht ratsam anerkannt wurde, so müsse wenigstens eine Reduktion der großen Militärbesoldungen, Pensionen, Warte-, Repräsentations- und R u h e g e l d e r sofort e i n t r e t e n . ' ) Als infolge d e r Ereignisse in Schweidnitz am 31. Juli der Kriegsminister in einem Erlasse a u f f o r d e r n sollte, daß diejenigen Offiziere, welche nicht glaubten, sich dem neuen System unterwerfen zu können, es als Ehrenpflicht ansehen sollten, ihren Abschied zu n e h m e n , kann die „Rhein- u. Moselzeitung" den Beschluß n u r f r e u d i g begrüßen. Die Nationalversammlung sei dadurch m e h r als d u r c h irgend einen anderen Akt als praktische Trägerin eines neuen Prinzips aufgetreten, als Repräsentantin des allgemeinen Volkswillens, die gerade deswegen jedem Sondergelüste, das sich in irgend einem Administrationszweige rege, entgegenzutreten berufen sei. 2 ) Mit Freude sieht die Zeitung das Erwachen des Volksbewußtseins sogar im preußischen Heere, indem sich immer mehr Agitation f ü r Niederreißen der Schranken zwischen Offizier u n d Unteroffizier rege, die schließlich durchdringen und damit das aristokratische Prinzip stürzen werde. Mit der offenen E m p ö r u n g des preußischen Heeres ist es nach der „Rhein- u. .Moselzeitung" um P r e u ß e n selbst g e s c h e h e n ; es stehe vor der A u f l ö s u n g u n d könne f ü r die Einigung Deutschlands kein Hindernis m e h r sein. Dieses Prognostikum, daß Preußen vor der A u f l ö s u n g stehe, stellte das Blatt verschiedene Male, so im S e p t e m b e r 1848. 3 ) Die U m w a n d l u n g eines Beamtenu n d Militärstaates zum Bürgerstaate w ü r d e seinen Tod zur Folge haben, da ihm keine Nationalität z u g r u n d e liege. 4 ) Eine preußische Nation g e b e es ü b e r h a u p t gar nicht, sondern n u r ein Konglomerat aus allen möglichen Staaten. Aufrechterhalten w e r d e Preußen durch die deutsche Sache, „wird es von dieser verlassen, so bricht es zusammen, um nie m e h r 2 s

Rh.-Mz. 2 6 / 3 48, von der Obermosel. ) Rh.-Mz. 2 0 / 8 48.

) Rh.-Mz. 3 / 9 , 19/9, 2 3 / 9 48. *) Rh.-Mz 8 / 8 48.

2 9 / 4 48.



62



a u f z u s t e h e n " . D e r Haß g e g e n das preußische S y s t e m , den die Z e i t u n g auch selbst pffen zugibt, e n t s p r a n g dem richtigen G e f ü h l e , daß das P r e u ß e n t u m der „ H a u p t w i d e r s t a n d " g e g e n die E r f ü l l u n g ihres W u n s c h e s nach einem einigen D e u t s c h l a n d war. D i e s e r G e d a n k e ist g a n z folgerichtig, dag e g e n verkennt die „ R h e i n - u. Moselzeitung" völlig die Politik Friedrich W i l h e l m s IV., in der sie nur ein dynastisches Interesse und ein B u h l e n um die Kaiserkrone zu e r k e n n e n vermag, und die sie, allerdings wieder mit m e h r R e c h t , ein „fortlaufendes G e w e b e von S c h w ä c h e und U n z u f r i e d e n h e i t mit einem S c h e i n e von Freisinnigkeit" nennt. Bei dieser S t e l l u n g g e g e n ü b e r dem preußischen Staate, d e r seit dem 3 0 j ä h r i g e n K r i e g e am meisten zur Z e r t r ü m m e r ung des deutschen Reichsverbandes beigetragen hatte, ist der o b e n e r w ä h n t e V o r s c h l a g , die Rheinlande zum u n mittelbaren Reichslande zu m a c h e n , leicht verständlich. D i e „ R h e i n - u. M o s e l z e i t u n g " b e g r ü n d e t ihn j e d o c h näher, und ihre V e r t e i d i g u n g des V o r s c h l a g e s zeigt noch m e h r den tiefen inneren G e g e n s a t z , den d e r „katholische" R h e i n l ä n d e r g e g e n ü b e r dem „pietistisch-protestantischen" S t o c k p r e u ß e n e m p f a n d . Bei dem g r o ß e n V ö l k e r m i r k t e im J a h r e 1 8 1 5 in W i e n seien die R h e i n l ä n d e r nach Quadratmeilen und n a m e n t l i c h Steuerertragsfähigkeit a b g e w o g e n , geschätzt u n d Preußen zugeteilt worden, o h n e ü b e r h a u p t nach ihren W ü n s c h e n g e f r a g t zu werden. W i e der Rheinländer, der mit d e m Altpreußen, dem slawisches B l u t in den Adern rolle, weit wenig e r s t a m m v e r w a n d t sei als mit dem B e w o h n e r des östlichen F r a n k r e i c h s , keinen Anteil an P r e u ß e n s N a t i o n a l r u h m habe, s o h a b e er auch nicht die Liebe zu einem a n g e s t a m m t e n Herrscherhaus. D a s einzige B a n d aber, das seit einigen M o n a t e n die Rheinländer mit Preußen inniger vereinigen sollte, die B r u d e r h a n d , welche der P r e u ß e als D e u t s c h e r d e m R h e i n länder als D e u t s c h e n reichen sollte, auch dieses B a n d trachte m a n nun gewaltsam mit dem Säbel trunkener S o l d a t e n zu zerhauen. 1 ) D e m Trierer K o r r e s p o n d e n t e n stehen s c h o n bei d e m bloßen G e d a n k e n an die T r e n n u n g von P r e u ß e n die „dicksten T r ä n e n in den A u g e n und p f u n d s c h w e r e S e u f z e r d r ä n g e n sich mit düsterem G e f l ü s t e r " über seine „ v o r W e h m u t Rh.-Mz. 2 3 / 8 48.



63



zitternden Lippen". 1 ) Aber auch f ü r ihn war es bisher j e d e n falls eine ganz unnatürliche V e r b i n d u n g , die auch die W i n z e r an der Mosel zu gänzlicher V e r a r m u n g f ü h r e n werde. D i e Rheinlande gehörten zu Süddeutschland, während das ü b r i g e Preußen norddeutsch sei. Zur Wiederherstellung des V e r trauens sei nichts so sehr geeignet, als eine in jeder Hinsicht selbständige Verfassung der Rheinprovinz, die von einer sehr starken Partei gewünscht werde. Die Verwaltung müsse eine ganz f ü r sich bestehende, von der der übrigen preußischen Provinzen unabhängige sein. Die Rheinprovinz müsse ihr eigenes Ministerium, ihre eigenen Finanzen und ihr eigenes. Heer haben, denn n u r so könne das Mißtrauen s c h w i n d e n u n d Friedrich Wilhelm IV. die Liebe der Rheinländer gewinnen, so wie Leopold die der Belgier g e w o n n e n h a b e . Von Interesse ist, bei dieser Stellung Preußen g e g e n ü b e r die H a l t u n g der „Rhein- u. Moselzeitung" zur Berliner Nationalv e r s a m m l u n g zu betrachten. Hier zeigt sich eine Parallelentwicklung mit der Haltung dem Frankfurter P a r l a m e n t gegenüber, nur ist die W a n d l u n g eine gerade entgegengesetzte : von unbedingter A b l e h n u n g zu restloser Anerkennung. Zunächst klingen die Berichte über ihre Tätigkeit s e h r wenig schmeichelhaft. 2 ) Der ihr von der Regierung vorgelegte Verfassungsentwurf ruft bei der Zeitung den „gerechtesten Unwillen" hervor, denn er beweise, daß die Fürsten, nichts gelernt und nichts vergessen hätten. Bald zeigt sich auch ein Gegensatz zu den rheinischen A b g e o r d n e t e n : bei dem Jakoby'schen Antrag, der einerseits der Reichsversammlung einen Tadel aussprach, daß sie statt eines v e r a n t w o r t lichen n u r einen unverantwortlichen Reichsverweser gewählt hatte, andererseits aber ihr Recht zu diesem Schritt o h n e vorherige Z u s t i m m u n g der Einzelregierungen anerkannte. Die V e r h a n d l u n g und Abstimmung über denselben ist eine der wichtigsten aber auch der unerfreulichsten, so äußert sich das Blatt. „Wir wollen den Antragsteller nicht verteidigen, aber noch weniger können wir die Majorität loben, welche einen Antrag, der einen so guten Kern hatte, sei es aus. 2

Rh.-Mz 23/7 48. ) Rh.-Mz. 27/5, 30/5, 2/7 48.



64



"Übermut, preußischem Lokalpatriotismus, Mangel an Sinn für •die deutsche Einheit oder gar aus bloßem Haß gegen die Linke in allen seinen Teilen zurückwies . . . . wenn es je eine parlamentarische Tyrannei gab, so wurde sie hier von der Rechten durch die Verweigerung der Teilung ausgeübt." Die Zeitung weiß daher auch besonders den rheinischen Deputierten sehr wenig Dank für den Eifer, welchen sie dem zweiten Teil des Antrages gegenüber bewiesen hätten, und hofft es noch zu erleben, daß dieses Votum, wie j e n e s der Anerkennung ihr später als ein mißverstandenes erklärt werde. 1 ) Am wenigsten ist sie einverstanden mit dem (katholischen) Abgeordneten von Aachen (Jungbluth), der die Rheinprovinz als so sehr in der Liebe zum königlichen Hause erglühend geschildert habe. 2 ) Diese Stellungnahme ist noch besonders darum interessant, weil auch der Behrend'sche Antrag über die Anerkennung der Revolution gerade durch die .katholischen Abgeordneten Rheinlands und Westfalens zu Fall gebracht wurde. 3 ) Auch in Berlin war es ursprünglich die Linke, die das Aufgehen Preußens in Deutschland .wollte, und daher empfand die „Rhein- u. Moselzeitung" für sie warme Sympathie. Trat sie a u c h noch nicht f ü r den Jakoby'schen Antrag unumwunden ein, so fühlte sie sich doch immer mehr zu ihr hingedrängt, als der Kampf der Linken mit der Regierung heftiger wurde. Mit ihr steht sie ganz auf dem Boden der Volkssouveränität, dem König müsse die Versammlung in der neuen Verfassung das Veto absprechen, da sonst der preußische Reichstag nur eine beratende, keine entscheidende Behörde sein werde. 4 ) Vom Boden der Volkssouveränität aus hat der König natürlich kein Recht zur Verlegung der Nationalversammlung, daher ist in den Augen der „Rhein- u. Moselzeitung" auch der Beschluß der Steuerverweigerung ganz berechtigt. Die Logik, mit der die Zeitung bei dieser Frage vorgeht, ist allerdings etwas zweifelhafter Natur, wenn sie aus dem Steuerbewilligungsrecht, das der Volksvertretung zustehe, den Schluß zieht, vgl. dazu auch Peter Reichensperger, Erinnerungen S. 112. ) Rh.-Mz. 2 1 / 7 4 8 . 3 ) vgl. Pfülf, Geißel I, S. 532. *) Rh.-Mz. 2 7 / 1 0 und 1 2 / 1 1 48. 2



65



d a s Land habe n u r die Steuern zu bezahlen, die bewilligt w o r d e n seien, und „wenn keine bewilligt worden sind, so hängt es von dem guten Willen ab, o b man zahlen will". 1 ) Die N a t i o n a l v e r s a m m l u n g sei selbstredend als die einzige zu Recht bestehende Autorität im Staate anzusehen und zwar jedenfalls f ü r so lange, bis die a n d e r e Vereinbarungspartei den eingeschlagenen W e g verlasse. Die V e r s a m m l u n g ist ihrer Ansicht nach selbst bei dem Steuerverweigerungsbeschlusse mit viel M ä ß i g u n g aufgetreten, und jeder w a h r e Freund des Vaterlandes habe die Pflicht, die A u s f ü h r u n g des Beschlusses zu sichern. 2 ) W e n n aber die Frankfurter V e r s a m m l u n g ihn f ü r nichtig erkläre, so überschreite sie die Grenzen, die sie sich selbst gezogen, d e n n die Steuern sollen zu den inneren Angelegenheiten g e h ö r e n . U m so g r ö ß e r ist die E n t t ä u s c h u n g der „Rhein- u. Moselzeitung", als „trotz der feierlichsten Versicherungen, nicht nachgeben zu wollen, der bei weitem größte Teil der in Berlin forttagenden Versammlung" es f ü r gut befand, nach B r a n d e n b u r g zu gehen, denn d a d u r c h hat die Krone, die ein sehr gefährliches Spiel gespielt, einen glänzenden Sieg e r r u n g e n , während das moralische Ansehen der V e r s a m m l u n g vernichtet ist.3) U n d „als S. M. unser geliebter Landesvater g e r u h t haben, einseitig ein Verfassungsgesetz zu erlassen f ü r das wieder u n m ü n d i g e Volk, als ein „ewiges D o k u m e n t seiner U n f ä h i g keit zur Selbstregierung", da lautet die A n t w o r t : Ablehnen. Aus ihrem Erstaunen über die Freisinnigkeit der Verfassung, die man der Linken zu verdanken habe, u n d die, psychologisch betrachtet, ein unheimliches Rätsel sei, macht zwar die Zeitung keinen Hehl, aber sie traut dem Frieden nicht, und so gibt sich der Berliner A - K o r r e s p o n d e n t daran, seine Leser ü b e r alle Perfidien der neuen Verfassung, die im G r u n d e doch nicht konstitutionell sei, vielmehr zum Absolutismus z u r ü c k f ü h r e , aufzuklären. „Wir anerkennen im Staate n u r einen Souverän, u n d der ist das Volk. Eine Vere i n b a r u n g zwischen Volk und Krone haben wir stets f ü r eine Lüge gehalten." Es handele sich hier u m das geheiligte Recht Rh.-Mz. 2 4 / 1 1 2

) Rh.-Mz. 2 3 / 1 1

3

) Rh.-Mz. 6 / 1 2

Mönckioeier,

48. 48. 48.

R h e i n - u . Moselzeitung.

5



66



der Revolution, ein G n a d e n g e s c h e n k des Fürsten g e w ä h r e keine Rechte. D a n e b e n k o m m t jedoch auch eine andere Ansicht zur Geltung, die üm so wertvoller ist, als sie „von d e m Eindruck der A u f l ö s u n g u n d der neuen V e r f a s s u n g in Koblenz und U m g e g e n d " spricht. Dieser wird als ein im ganzen günstiger bezeichnet, b e s o n d e r s bei dem Teil der Bevölkerung, der Friede u n d Ruhe ersehne, und dann heißt e s : „ W a s vielsagend f ü r die Katholiken ist," ist der U m s t a n d , „daß die Geistlichkeit sich u n v e r h o h l e n zufrieden damit erklärt, besonders da nach den die Katholiken so sehr b e e n g e n den Frankfurter Beschlüssen diese vom Könige g e g e b e n e Verf a s s u n g der Religion ihre V e r f a s s u n g frei gibt u n d dieselbe sich frei entfalten läßt und in der Schule einen Platz a n weist, wonach jede G e m e i n d e die ihrem Herzen teuren Kinder nicht jedem im Glauben v e r k o m m e n e n Schullehrer auf G n a d e hin übergeben muß." In dem beabsichtigten Protest der Linken u n d des linken Z e n t r u m s werde von dieser Seite n u r das Bestreben gesehen, dem Volke die V e r f a s s u n g recht lange vorenthalten zu wollen. 1 ) Hier k o m m t also eine gerade entgegengesetzte Mein u n g zum D u r c h b r u c h , und wirft man einen Blick auf die H a l t u n g der katholischen Abgeordneten, so steht auch sie in keinem Einklang mit der Haltung der „Rhein- u. Moselzeitung". Männer wie Geißel, Reichensperger, Walter, Bauerband u. a. glaubten nicht — wie die „Rheinu. Moselzeitung" — an die A u f l ö s u n g Preußens, s o n d e r n mit geschickter Taktik stellten sie sich der preußischen K r o n e zur V e r f ü g u n g , um zum Danke die Freiheit der Kirche in E m p f a n g zu n e h m e n . Peter Reichensperger schrieb nach der A u f l ö s u n g im Auftrage der Krone eine Rechtfertigungsschrift ihres Verhaltens und der Fürstbischof D e p e n b r o c k e r m a h n t e zur Steuerzahlung in einem Erlaß, von dem er der preußischen Regierung 30 000 Exemplare zur V e r f ü g u n g stellte. 2 ) Zu diesem Schritte n i m m t die Zeitung ausdrücklich Stellung. Bei aller H o c h a c h t u n g vor dem Charakter und der W ü r d e des E r m a h n e n d e n kann sie nicht umhin, die in diesem Erlaß ausgesprochenen Grundsätze mit Entschiedenheit a b z u l e h Rh.-Mz. 1 0 / 1 2 48. 2

) vgl. Reincken, Melchior v

D i e p e n b r o c k S. 3 9 5 ff.



67



neu, ü b e r h a u p t den W u n s c h auszusprechen, daß „ u n s e r e geistlichen Autoritäten davon abstehen wollen, den Streit zwischen der N a t i o n a l v e r s a m m l u n g u n d der Krone oder jede staatsrechtliche Frage ähnlicher Art kraft ihrer geistlichen Macht zu entscheiden". 1 ) Diesen Gegensatz zwischen der Presse und den praktischen Politikern finden wir auch bei der „Rheinischen Volkshalle", die, in denselben preußenfeindlichen T o n verfallend, im D e z e m b e r 1848 sowohl v o m Borromäus-Verein, der an ihrer Wiege gestanden, wie vom Erzbischof Geißel verleugnet wird. 2 ) Als der G r u n d u n t e r s c h i e d in der Auff a s s u n g ist wohl anzusehen, daß die katholischen A b g e o r d neten wie die Bischöfe, die erkannten, daß sie mit der neuen B e w e g u n g gehen mußten, womöglich ihre Ziele o h n e T r i b u t an den Radikalismus von der Regierung direkt zu erreichen strebten u n d auch erreicht haben, w ä h r e n d die „ R h e i n - u . Moselzeitung", d u r c h ihren P r e u ß e n h a ß immer mehr zum Radikalismus getrieben, ihre Pläne n u r im Kampf gegen die Regier u n g glaubte zur Verwirklichung bringen zu k ö n n e n . Daß die H a l t u n g der „Rhein- u. Moselzeitung" auch in katholischen Kreisen scharf getadelt w u r d e , zeigt das Urteil der Historisch politischen Blätter zu E n d e des Jahres 1848. 3 ) Leider k ö n n ten auch sie (wie die „ A u g s b u r g e r Allgemeine Zeitung") n u r tief bedauern, daß ein Blatt, welches f r ü h e r unter preußischem Z e n s u r d r u c k die Sache der Kirchenfreiheit geführt habe, heute dem üblen Willen verstockter Kirchenfeinde die gewaltige Blöße biete, den Bestrebungen der äußersten Linken die H a n d zu reichen. Die Historisch politischen Blätter lehnen die Identifizierung der „Rhein- u. Moselzeitung" „mit der katholischen Kirche oder dem Klerus o d e r was man die katholische Partei n e n n t " r u n d ab. „ N i e m a n d als die Redaktion allein ist d a f ü r verantwortlich, w e n n jenes Blatt in einer Zeit, w o alle Elemente gärend durcheinander brausen, den politischen Verstand und mit ihm jede Richtung u n d H a l t u n g verloren hat." Die „ A u g s b u r g e r Allgemeine Zeitung" g e b e ja auch selbst zu, daß viele Katholiken sich mit Ekel von der „Rhein- u. Rh.-Mz. 3 0 / 1 1 48. ) vgl. auch Walter, Aus meinem Leben S. 2 4 4 u. 217. 3 ) Hist. pol. Bl., Bd. 2 1 / 2 2 Dez. 4S. 2



68



Moselzeitung" wegwendeten, und das sei doch der beste Beweis nicht f ü r die Desorganisation der klerikalen Partei, wie die „ A u g s b u r g e r Allgemeine Zeitung" behaupte, s o n d e r n daf ü r , daß die Mehrheit d e r Katholiken loyale Leute sind. Das katholische Volk a b e r stand sicherlich auf Seiten der rheinischen Presse, es vermochte eben nicht immer n u r die vernünftige, kühle Ü b e r l e g u n g allein walten zu lassen, sondern seine Politik enthielt eine starke Beimischung von gefühlsmäßigen M o m e n t e n u n d zeigte den Rückschlag, den die preußische Politik der v o r h e r g e h e n d e n Jahrzehnte h e r v o r g e r u f e n hat. Aber die Frage erhebt sich, ob die ,,radikale" „Rhein- u. Moselzeitung" des Jahres 1848 ü b e r h a u p t noch als „katholisches" Blatt bezeichnet werden kann und nicht vielmehr n u r als T u m m e l p l a t z einiger weniger radikalen Skribenten anzusehen ist. Das letztere ist nach meiner Ansicht zu verneinen. D a s zeigt am besten der Vergleich mit der H a l t u n g der j u n g e n „Rheinischen Volkshalle", die sofort dieselbe Richt u n g einschlug wie die „Rhein- u. Moselzeitung". D e r langg e n ä h r t e H a ß gegen Preußen mußte endlich z u m A u s b r u c h k o m m e n , zumal als er durch den G a n g der Ereignisse noch verschärft w u r d e . Andererseits m a g zugegeben werden, daß a m E n d e des Jahres die gemäßigteren Elemente sich etwas zurückhielten, da sie sich nach Ruhe und O r d n u n g sehnten, u n d daß in der Zeitung m e h r die Stimme der d u r c h die politischen Ereignisse demokratisierten Masse zur G e l t u n g kam. Jedenfalls beweist die H a l t u n g der „Rhein- u. Moselzeitung", daß die zwei großen Strömungen im politischen Leben, die liberale u n d die konservative, begonnen hatten, sich auch im „ U l t r a m o n t a n i s m u s " zu scheiden. N e b e n der E r ö r t e r u n g der rein politischen Fragen widm e t e die „Rhein- u. Moselzeitung" großes Interesse der J u d e n emanzipation sowie der sozialen Frage, zwei G e g e n s t ä n d e n , die die öffentliche Meinung der 40 er Jahre stark beschäftigten, u n d bei deren Beurteilung die katholische T e n d e n z der „Rhein- u. Moselzeitung" sich besonders b e m e r k b a r macht. D a ß im J a h r e 1848 die katholische Partei allein ein bestimmtes soziales P r o g r a m m ») aufstellte, beweist schon z u r G e n ü g e , vgl. Anlage 3 8 bei Bachem 1, 348 ff, wo ein Prospekt für eine sozial-politische Zeitung in Köln 1847 mitgeteilt wird.



69



daß man von der Wichtigkeit der F r a g e ü b e r z e u g t war. A u c h von liberaler Seite setzte A n f a n g d e r 40 er J a h r e eine l e b h a f t e Tätigkeit ein, die zur G r ü n d u n g einer Reihe von V e r e i n e n f ü h r t e , a b e r diesen B e s t r e b u n g e n stand die katholische P r e s s e skeptisch g e g e n ü b e r u n d f ü r c h t e t e von i h n e n n u r F ö r d e r u n g d e s K o m m u n i s m u s . 1 ) Ihr G r u n d s a t z heißt, n u r d u r c h die Religion ist die soziale Frage zu lösen. Die W i e d e r b e l e b u n g d e s christlichen G l a u b e n s ist die erste B e d i n g u n g , d e n n sie w e r d e dem M e n s c h e n Z u f r i e d e n h e i t mit seiner Lage g e b e n . D a ß a u c h die „ R h e i n - u . M o s e l z e i t u n g " f r ü h z e i t i g V e r s t ä n d nis f ü r diese F r a g e hatte, zeigt ein Artikel d e r „ T r i e r ' s c h e n Zeit u n g " im J a h r e 1844, w o n a c h die „ R h e i n - u . M o s e l z e i t u n g " z u gibt, daß die S y m p t o m e von M i ß b e h a g e n u n d u n r u h i g e n A u f tritten in d e r u n t e r e n Schicht der G e s e l l s c h a f t eine zu g r o ß e Wichtigkeit hätten, als daß nicht d e r P r e s s e eine gewisse, g a n z b e s t i m m t e A u f g a b e d a r a u s e r w ü c h s e u n d eine soziale R e f o r m a m O r t e sei. A l l e r d i n g s wird der V o r s c h l a g d e r „ T r i e r ' s c h e n Z e i t u n g " , von jetzt a b auf die soziale F r a g e ihr „ g e m e i n s a m e s A u g e n m e r k " zu richten, wohl schwerlich n a c h d e m Sinn d e r „ R h e i n - u. M o s e l z e i t u n g " g e w e s e n sein. 2 ) Im G e g e n teil, f ü r sie w a r d e r K o m m u n i s m u s dasselbe S c h r e c k g e s p e n s t wie d e r Jesuitismus f ü r die liberale u n d p r o t e s t a n t i s c h e P r e s s e . „ G e g e n K o m m u n i s m u s in allen seinen E r s c h e i n u n g e n u n d Ä u ß e r u n g e n , u n d m a g er r ä s o n n i e r e n d o d e r nicht r ä s o n n i e r e n d sein, m u ß m a n keine G r ü n d e v e r w e n d e n . Seiner e i g e n t lichen B e d e u t u n g n a c h ist er g e r a d e die i m m e r m e h r ü b e r h a n d n e h m e n d e geistige G r u n d l o s i g k e i t . " 3 ) D a s G e s p e n s t d e s K o m m u n i s m u s spielte d e r Z e i t u n g im J a h r e 1846 einen b ö s e n Streich, w o ihr K ö l n e r K o r r e s p o n d e n t hinter einigen A u s schreitungen u n d K i r m e s u n f u g k o m m u n i s t i s c h e u n d a n a r chische U m t r i e b e , die sich auch in W a h l v e r s a m m l u n g e n k u n d g ä b e n , witterte, eine B e h a u p t u n g , welche g r o ß e E n t r ü s t u n g u n d einen e n e r g i s c h e n Protest in Köln h e r v o r r i e f . Mit d e m G e d a n k e n einer völligen J u d e n e m a n z i p a t i o n , f ü r die sich a u c h d e r rheinische P r o v i n z i a l l a n d t a g von 1843 a u s g e s p r o c h e n hatte, v e r m o c h t e sich die katholische „ R h e i n - u . Moselzeitung" im G e g e n s a t z zu allen liberalen Blättern nicht !) L. Z. 20/9 44.

2

) Tr. Z. 29/9 44.

») Rh.-Mz. 16/9 47.



70



zu b e f r e u n d e n . Fast die einzigen Originalartikel der Zeitung unter Melzers Redaktion 1843 waren einige Aufsätze pro et contra gewesen, im Jahre 1847 a b e r b e k ä m p f t e die Zeitung die Emanzipation ganz entschieden. 1 ) So rief vor allem die Debatte des Vereinigten Landtags ü b e r diese Frage, die verk n ü p f t w u r d e mit einer E r ö r t e r u n g ü b e r das Wesen des christlichen Staates, 2 ) in der katholischen Presse ein ganz besonderes Mißfallen wach und w u r d e h ä u f i g als Beweis der radikalisierenden und auflösenden T e n d e n z e n a n g e f ü h r t . Stand die katholische „Rhein- u. Moselzeitung" in diesen beiden Fragen im Gegensatz zum größten Teil der rheinischen Presse, so fand sie sich mit ihr auf einem anderen Boden zusammen, im Kampf f ü r die E r h a l t u n g -des rheinischen Rechtes. In dieser Frage hat sich die Stellung der Zeitung w ä h r e n d ihres ganzen Bestehens nicht geändert, o b liberal o d e r „ultramontan", jederzeit tritt sie ein f ü r das „Palladium der Freiheit", überzeugt von dem W e r t e des rheinischen G e setzes — wie sie die G r ü n d u n g eines Lehrstuhles f ü r rheinisches Recht in Bonn warm b e g r ü ß e n w ü r d e —, der Öffentlichkeit und Mündlichkeit des gerichtlichen V e r f a h r e n s u n d des Institutes der Geschworenen. 3 ) Bern e r h o b immer wieder seine Stimme f ü r einen u n a b h ä n g i g e n Richterstand; eine u n abhängige, tüchtige und durchgebildete Justiz hielt er f ü r u n u m g ä n g l i c h nötig, sie m a c h e Revolutionen unmöglich, u n d ein Land, das diese Justiz entbehren müsse, dem sei selbst mit einer Repräsentativverfassung nicht geholfen. V e r ö f f e n t lichte die Zeitung wirklich einmal einen Artikel, der f ü r d a s preußische .Landrecht oder f ü r körperliche Z ü c h t i g u n g eintrat, so fügte die Redaktion gleich hinzu, daß sie den Artikel n u r aus Interesse f ü r die Sache bringe. W u r d e der R e g i e r u n g die Sache zu bunt, so versuchte sie ihren entgegengesetzten S t a n d p u n k t durch zur Veröffentlichung eingesandte Artikel zur G e l t u n g zu bringen, die jedoch, von der Redaktion mit dem Zeichen M versehen, das Kainszeichen auf der Stirne t r u g e n 4 ) und infolgedessen die entgegengesetzte W i r k u n g herRh.-Mz. 22/6 47, 23/6, 9/7, 11/7, 5/11, 18/12 47, 2/1 48. ) vgl. Hansen a. a. O. I. S. 462 über die Rede Mevissens. 3 ) vgl. Rh.-Mz. 4 / 3 37, 14/10 40. *) Rh.-Mz. 29/10 47. J



71



v o r r u f e n mußten. Im Jahre 1847 beim Eintritt Rotteis heißt es in einer Art von E m p f e h l u n g s s c h r e i b e n : „die „Rhein- u. Moselzeitung" wird wie i m m e r das Palladium der rheinischen Institutionen wahren, Gleichheit vor dem Gesetze, Öffentlichkeit und ¿Mündlichkeit der Rechtspflege, eine lautere, makellose Justiz, wie die Rheinlande sie besitzen u n d wie ganz Deutschland sie vor Ablauf eines Menschenalters von ihr adoptieren w i r d . " l ) Also a u c h hier tritt wie immer die Ü b e r z e u g u n g von dem Werte und der Überlegenheit des rheinischen Rechts hervor. Mit der schärferen A u s p r ä g u n g des partikularistischen M o m e n t s h o b naturgemäß wieder ein lebhafteres Eintreten f ü r die eigenen Institutionen an. Die Zeitung mißbilligt, daß, falls die vereinigten Ausschüsse die H a u p t f r a g e n des Strafgesetzbuches entscheiden sollten, die Vertreter der rheinischen Landgemeinden die Ausschußwahlen nicht a n g e n o m m e n haben, sie hätten d a d u r c h eine schwere Verantwortlichkeit dem Rheinlande g e g e n ü b e r auf sich genommen. 2 ) Wie der Kampf anzusehen ist, spricht das Blatt im O k t o b e r 1847 aus. Die heiligsten Lebensfragen des Rheinlandes ständen auf dem Spiel. Allein von der H a l t u n g der Rheinlande und seiner O r g a n e in der Magistratur und Presse hänge es ab, o b der Kampf, der seit 32 Jahren am Rheine glorreich g e f ü h r t sei, nicht doch noch endlich, trotz aller scheinbaren Siege, mit einer Niederlage enden, o b das Schiff im Hafen scheitern solle. 3 ) Nicht n u r d u r c h den heftigen Kampf gegen das Nivellierungs-und Zentralisierungssystem des Liberalismus war die S t e l l u n g n a h m e der „Rhein- u. Moselzeitung" bedingt, sondern es waren auch besondere katholische Interessen im Spiel bei der Beratung des E n t w u r f s in Berlin, und zwar handelte es sich um den Titel 27 des Strafgesetzentwurfes ü b e r die Bestrafung katholischer Geistlicher, wonach Geistliche bei Verf e h l u n g e n gegen die in A u s ü b u n g der landesherrlichen Rechte circa sacra erlassenen V e r f ü g u n g e n mit E n t f e r n u n g a u s dem Amte bestraft werden sollten.*) Erst müsse ein zweiter Ver») ») 3 ) *)

Rh.-Mz. 2 3 / 6 47. Rh.-Mz. 1 3 / 8 47. Rh.-Mz. 1 4 / 1 0 47, vgl. 2 2 / 1 2 , 3 1 / 1 2 47. vgl. Schnabel a. a. O. S. 7.



72



einigter Landtag über die aufgestellten Bedenken entscheiden, ehe dieser Entwurf zum Gesetze erhoben -w erden könnte. Eine Revision der Härten des rheinischen Gesetzes, gegen die der Rheinländer nicht blind sei, gut, aber keine V e r d r ä n g u n g durch ein anderes Recht. U n d wenn sich außer der „Rheinu. Moselzeitung" kaum noch Stimmen f ü r das alte, wohle r w o r b e n e Recht erheben, so liegt f ü r die Zeitung der G r u n d in einer „allgemeinen Hoffnungslosigkeit", die herrühre vom ersten vereinigten Landtage, wo die W o r t f ü h r e r des rheinischen Liberalismus zum ersten Male die traditionelle rheinische Politik verleugnet hätten, „indem sie, den bodenlosen Schimären des m o d e r n e n Konstitutionalismus huldigend, die hohlen W o r t e Verschmelzung, V e r b r ü d e r u n g u n d Zentralisation auf ihre Fahne setzten. Von diesem Augenblicke w a r es um die provinzielle Fortentwicklung der Rheinprovinz geschehen, sie war um ihre große historische Eigentümlichkeit gebracht". Mit Recht konnte die „Kölnische Zeitung" der „Rhein- u. Moselzeitung" einen Vorwurf aus ihrer Polemik f ü r das rheinische Gesetzbuch machen, d e n n gerade Ende des Jahres 1847 und 1848 w u r d e die Zeitung g a n z b e s o n d e r s heftig, ja manchmal maßlos d r o h e n d . W e n n man um einer bloßen Abstraktion willen dieses in Fleisch u n d Blut ü b e r g e g a n g e n e Gesetzbuch mit einem Z u g e vernichten wolle, so m ö g e man wohl bedenken, o b die Konsequenz, welche zu retten es hier allein zu gelten scheine, nicht teuer, allzu t e u e r k o m m e n könne, u n d o b es nicht viel ehrenvoller f ü r eine starke Regierung sei, den W ü n s c h e n aller aus freien Stücken n a c h z u g e b e n , als, gestützt auf die Gewalt, sie zu brechen ? „Wahrlich, es sind der krankhaften Anreizungen schon m e h r als g e n u g in den Massen, u n d man hätte alle Veranlassung, die noch gesunden Teile zu s c h o n e n . " E s w e r d e ein S t u r m von Adressen und Petitionen losbrechen, wenn widerrechtliche Bestimmungen, die so bedrohliche Übergriffe auf das Rechtsgebiet der katholischen Kirche enthielten, 2 ) durch den E n t wurf gesetzlich sanktioniert werden sollten. 3 ) Als die A u s schüsse trotz alledem den Regierungsentwurf a n n a h m e n , d a Rh.-Mz. 2 4 / 2 48. ' ) Rh.-Mz. 2 1 / 3 4 8 . 3

) Rh.-Mz. 1 / 4 48.



73



w a r der allgemeine Sturm schon losgebrochen, welcher d e r Kirche die Freiheit geben sollte. Betrachten wir kurz noch die H a l t u n g der Zeitung in der auswärtigen Politik. In den ersten Jahren ist das Blatt nicht bedeutend g e n u g , um wirklich Berichte von g r ö ß e r e m W e r t e zu bringen. Zu bemerken ist n u r die allen liberalen rheinischen Blättern gemeinsame H i n n e i g u n g zu Belgien und die starke A b n e i g u n g gegen Holland, so daß z. B. die ,,Elberfelder Zeitung" und das „Frankfurter Journal" die „Rhein u. Moselzeitung" beschuldigten, sie bringe n u r einseitige, Belgien günstige Berichte, eine Anschuldigung, die die Zeit u n g natürlich entschieden zurückwies. Interessanter sind die Artikel Berns, die sich zum größten Teil n o t g e d r u n g e n mit äußerer Politik beschäftigten, besonders natürlich mit Frankreich, f ü r dessen politisches Leben in dem Grenzlande, d e r Rheinprovinz, das Interesse sehr g r o ß war. Der nationale Gegensatz kam im Jahre 1840 zum D u r c h b r u c h , a b e r daneben geht doch eine große B e w u n d e r u n g f ü r den B ü r g e r könig. L u d w i g Philipp ist f ü r Bern einer der scharfsichtigsten der jetzigen Herrscher, der fähigsten Köpfe unter ihnen, der vollendete Ausdruck der Zeit. 1 ) Über England gibt er das Urteil ab, daß keine Nation uns m e h r zuwider sein w ü r d e als die englische, wüßten wir nicht, daß sie als Gesamtheit nach göttlicher B e s t i m m u n g den A u f t r a g hätte, die W e l t zu zivilisieren u n d der ewige Bundesgenosse Deutschlands zu sein. Deutschlands Interesse sei immer, in bezug auf Frankreich und Rußland zu wünschen, daß beide unter der Macht Englands blieben, sonst sei es gefährdet. 2 ) Bern teilt die allgemeine A b n e i g u n g des liberalen Deutschland gegen das a b solute Z a r e n t u m ; so erregte ein Aufsatz von ihm ü b e r die „russische Knutologie" sehr starkes Mißfallen in Berlin. In den 40 er Jahren b e k ä m p f t e Bornstedt in der Z e i t u n g vor allem das falsche System Louis Philipps u n d trat f ü r das legitimistische Prinzip ein. 3 ) Aber im Mittelpunkt des Interesses standen die Schweizer Kämpfe, in denen die „Rhein- u. ') ) 3 ) Zeitung 2

Rh.-Mz. 1 5 / 5 40. Rh.-Mz. 2 0 / 8 40. vgl. Rh.-Mz. 5 / 1 47, wonach er jahrelang dieses Prinzip in der verfochten hat.



74



Moselzeitung" entschieden auf Seiten der S o n d e r b u n d s - K a n tone stand, so daß sie im Jahre 1347 sogar eine Kollekte f ü r die Hinterbliebenen d e r Gefallenen eröffnete. Eine besondere Teilnahme widmete sie dem K a m p f e schon deshalb, weil sie in ihm das Ringen des ,,konservativen Katholizism u s " mit dem „auflösenden Radikalismus" verkörpert sah, das Vorspiel des Kampfes, der in Deutschland noch drohe. Zugleich war f ü r sie dieser Kampf ein neuer Beweis, daß es keine „konfessionslose Politik" g i b t ; die Interessen der Religion seien immer mit denen d e r Politik v e r b u n d e n und ließen sich einfach nicht scheiden. Bei einer Intervention in der Schweiz könne d a h e r eine konfessionslose Politik nichts anderes machen, als den G ä r u n g s - u n d E m p ö r u n g s z u s t a n d d e s f r ü h e r so edlen Schweizervolkes befestigen. 1 ) Als Luzern gefallen war, stimmte sie ein großem Klagelied an über das Unrecht und den T r e u b r u c h des Radikalismus 2 ) und verlangte das Einschreiten Österreichs, das die religiösen und konfessionellen Rechte der U n t e r d r ü c k t e n wider die fanatischen und jesuitischen Klosterstürmer endlich entschieden vertreten müsse. Eines ganz hinterlistigen Spieles in den Schweizer Wirren beschuldigt die Zeitung England, das eine „ s a u b e r e Interessenpolitik" treibe u n d die Radikalen immer ermutigt habe und hier, wie überall, „mit wirklicher Schamlosigkeit" die Anarchie befördere. 3 ) Auf Österreich setzte die „Rhein- u. Moselzeitung" ihre ganze H o f f n u n g und bedauerte um so mehr die „Idiosynkrasie" des sonst so trefflichen Grafen Montalembert und seine fixe Idee von den absolutistischen Tendenzen Metternichs. Österreich treibe eine o f f e n e und w a h r e Politik, die jeder ehren müsse, wenn sie auch wohl schwerlich von allen deutschen Katholiken verteidigt u n d gebilligt werde. 4 ) Durch ihre ausgesprochen g r o ß d e u t s c h e H a l t u n g im J a h r e 1848 kam die Zeitung in Konflikt mit einer F o r d e r u n g , welche sie f ü r Deutschland so lebhaft stellte: das Recht des Volkes auf Einheit. W ä h r e n d das Blatt f ü r die Wieder!) Rh.-Mz. 12/12 47 vgl. auch 1 9 / 9 , 2 1 / 1 2 , 2 8 / 1 2 47. *) Rh.-Mz. 1 / 1 2 47. 3 ) Rh.-Mz. 8 / 7 47, 15/1 48. *) Rh.-Mz. 18/1 48, 2 7 / 2 48.



75



Herstellung Polens, das immer wieder seine Unfähigkeit bewiesen hat, einen selbständigen Staat zu bilden, flammende Artikel brachte, 1 ) sprach es den Italienern das Recht auf Einheit ab, denn nur das Volk habe ein Recht auf Selbständigkeit, das seine Nationalität zu schirmen vermöge, vc ozu die Italiener sich — nach der Meinung der „Rhein- u. Moselzeitung" — völlig unfähig gezeigt haben. 2 ) Oberitalien gehöre aber auch zum Deutschen Reiche durch seine ganze Geschichte und Vergangenheit, und ,,nur kompletter Wahnsinn könnte einwilligen, von einem wohl und teuer erworbenen, von einem für Österreich und Deutschland unentbehrlichen Eigentum auch nur einen Zollbreit Landes abzutreten, 3 ) zumal an einen der verräterischen Herrscher Piemonts, deren schändliche Politik nach außen hin gleichwie ihre tyrannische Herrschaft nach innen seit Jahrhunderten jedem denkenden Menschen ein Greuel gewesen sei.4) Der liberalisierenden Politik Pius IX. stand die „Rhein- u. Moselzeitung" sehr abwartend gegenüber. Sie meint, daß der Papst, da der Kirchenstaat nicht bloß durch den Geist seiner Institutionen sondern auch durch den kanonisch geförderten Beirat der Kardinäle gesichert sei, auch keine geschriebene Konstitution bezwecke sondern nur heilsame Einrichtungen, die auf der Vergangenheit fußen, ins Leben rufen werde. 5 ) Doch schon im September 1847 war in der Zeitung, indem zwar die freiere Stellung des Papstes und Eichmann, konnFaktum betont wurde, von einem eventuellen Mißlingen seiner „wohlgemeinten und menschenfreundlichen Bestrebungen" die Rede, sie würden vielleicht — woran die Zeitung jedoch noch sehr zweifelte — in die größten Unruhen Italiens ausschlagen. 6 ) Pius werde von den Liberalen getäuscht, denn ihre Bestrebungen und die Herrschaft eines Priesters, möge er noch so volkstümlich sein, vertrügen sich nicht miteinander. Als Pius wirklich aus Rom fliehen mußte, da war die „Rhein») ) 3 ) *) 6 ) •) 2

vgl. 3 0 / 3 , 13/5, 2 1 / 5 , 14/7 48. Rh.-Mz. 17/8 48. Rh.-Mz. 2 7 / 8 48. vgl. auch Rh-Mz. 2/9, 3 / 9 48. Rh.-Mz. 9 / 5 48. Rh.-Mz. 4 / 9 48.



76



u. M o s e l z e i t u n g " s c h o n s o radikalisiert, daß ein Artikel „ V o n d e r M o s e l " in e i n e r U m w a n d l u n g des Kirchenstaates in eine Republik „den ersten S i e g der e u r o p ä i s c h e n D e m o k r a t i e " sah und von Pius I X . A u f g a b e seiner weltlichen Herrschaft ü b e r allen Parteien verlangte, da sie allein es ihm e r m ö g l i c h e , die g e b ü h r e n d e S t e l l u n g ü b e r allen Parteien e i n z u n e h m e n . 1 ] W e n n diese Ä u ß e r u n g auch einige T a g e später als unchristlich scharf zurückgewiesen wurde, so wirft sie d o c h ein interessantes Licht auf den Einfluß der politischen Leidenschaften auf die H a l t u n g einer Zeitung, die den A n s p r u c h machte, katholisch zu sein, die aber infolge der h o c h g e h e n d e n W o g e n der politischen E r r e g u n g sich oft zu weit hinreißen ließ. Diese S t e l l u n g n a h m e zur Kirchenpoütik P i u s I X . führt u n s zur H a l t u n g d e r Z e i t u n g zu den kirchlichen Fragen überhaupt.

Stellung der Rhein- u. Moselzeitung zu Kirche und Schule. W e n n schon bei der S t e l l u n g n a h m e zu den politischen F r a g e n die „ R h e i n - u. M o s e l z e i t u n g " d u r c h ihre konfessionelle F ä r b u n g entscheidend beeinflußt wurde, so m u ß t e dies n o c h viel m e h r der Fall sein bei der B e u r t e i l u n g religiöser und kirchlicher D i n g e . A u f diesem G e b i e t e war der G e g e n s a t z zum „indifferenten" Liberalismus b e s o n d e r s scharf, u n d s o ist denn auch in dieser B e z i e h u n g eine s o f o r t i g e klare S c h e i d u n g zwischen der „liberalen" und „ k a t h o l i s c h e n " „ R h e i n u. M o s e l z e i t u n g " zu b e m e r k e n . Mit dem K ö l n e r Kirchenstreit im J a h r e 1 8 3 7 beginnt die bisher liberale „ R h e i n - u. M o s e l z e i t u n g " eine etwas a n d e r e S t e l l u n g zu den kirchlichen Fragen e i n z u n e h m e n . W e n n der W e c h s e l nach außen nicht so schroff hervortrat, s o hatte es seinen guten G r u n d darin, daß der Z e n s o r kaum Artikel über diese Angelegenheit selbst passieren ließ, und d o c h zeigte die Z e i t u n g ein anderes G e p r ä g e , das aus der B e h a n d l u n g kirchlicher und religiöser F r a g e n vor und nach 1 8 3 8 klar hervorgeht. Im J a h r e 1 8 3 2 z. B . enthielt die Z e i t u n g einen B e Rh.-Mz. 14/12 48.



77



rieht aus B a d e n ü b e r den Landtag, der in der V o r s t e l l u n g einer „sehr g r o ß e n Anzahl katholischer Geistlicher j e d e n Alters" um A u f h e b u n g der Priesterehelosigkeit ein Z e u g n i s dafür sah, wie s e h r die Standesvorurteile des katholischen K l e r u s im A b n e h m e n seien. 1 ) A b e r in K o b l e n z fanden solche B e r i c h t e keine G n a d e , vielmehr b r a c h t e die „ R h e i n - u. M o s e l z e i t u n g " einige T a g e später einen P r o t e s t g e g e n einen solchen Artikel, „der das G e m ü t der katholischen Christen e m p ö r e " . D a s ist j e d o c h eine vereinzelte Ä u ß e r u n g , die o h n e weiteren Einfluß blieb. D i e „ R h e i n - u. M o s e l z e i t u n g " war indifferent, wie die meisten liberalen Blätter d e r Z e i t ; sie streifte das kirchliche G e b i e t n u r in Fällen, wo kirchliche und liberale F o r d e r u n g e n in Kollision gerieten, um f ü r die letzteren einzutreten. S t i m m e n ü b e r den „demoralisierenden Einfluß der P f a f f e n " und ü b e r den Mißstand einer weltlichen H e r r s c h a f t d e s Papstes, da die Religion darunter leiden müsse, wenn die D i e n e r d e r K i r c h e die S a c h e n der W e l t zu lenken beg e h r t e n , w u r d e n auch in der „ R h e i n - u. M o s e l z e i t u n g " laut. 2 ) A u c h der b e l g i s c h e Berichterstatter war a u s g e s p r o c h e n liberal gesinnt, f ü r ihn lag in der S c h w ä c h e der belgischen Liberalen die „ H a u p t k r a f t der O b s k u r a n t e n und jesuitisierenden W i n k e l r i t t e r " . D i e Redaktion der Z e i t u n g selbst äußerte sich im J a h r e 1 8 3 5 a u s A n l a ß eines Artikels der belgischen „ultram o n t a n e n P a r t e i " , d e r ihr n u r die G e i s t e r des V o l k e s e n t f r e m d e , dahin, 3 ) daß es ihr u n b e s t r e i t b a r scheine, daß, w e n n das Eingreifen d e r R e g i e r u n g i r g e n d w o zu billigen sei, dies d o c h vor allem im U n t e r r i c h t s f a c h e stattfinden m ü s s e zug u n s t e n der A u f k l ä r u n g und d e s W i s s e n s . Zeigte die Z e i t u n g also damals kein Interesse und kein Verständnis für die kirchlichen Fragen und die Bestrebungen der Katholiken in Belgien, so n a h m sie im Februar 1838 einen Artikel aus der Münchener politischen Zeitung über die neueste Bekämpfung d e r katholischen K i r c h e auf, u n d zwar aus dem G r u n d e „audiatur et altera pars, eine Maxim, der jedes T a g e b l a t t in allem, v o r n e h m l i c h a b e r in solchen Fällen treu sein müsse, Rh.-Mz. 1 4 / 1 32. Rh.-Mz. 4 / 1 32, 4 / 1 2 33. 3

) Rh.-Mz. 1 8 / 3 3 5 .



7S



w o kirchlich politische Fragen zur E r w ä g u n g kommen". 1 ) Als d a g e g e n der „Rhein- u. Moselzeitung" von der „ H a n n o v e r schen Zeitung" v o r g e w o r f e n w u r d e , daß ihre Brüsseler K o r r e s p o n d e n z e n in „ u l t r a m o n t a n e m " Geiste abgefaßt seien, wies sie diese B e h a u p t u n g zwar energisch zurück, aber die religiösen Interessen waren geweckt, und auch die Zeitung, als S p r a c h r o h r der öffentlichen Meinung, mußte ihnen Ausdruck geben, und so schloß die Zeitung ihre V e r t e i d i g u n g mit den W o r t e n : „In P r e u ß e n s G a u e n unter dem S c h u t z e der R e g i e r u n g darf ein offenes, redlich gemeintes W o r t f ü r die Sache des Volkes und der Religion noch ergehen, seine Regierung will keine Knechtschaft, keine T ö t u n g des Gedankenverkehrs, noch sollen die Angelegenheiten des L a n d e s und seiner Kirche mit w a r m e r Teilnahme besprochen werden, n u r das feindselige Streben wird mit Recht unterdrückt, d a s die G r u n d l a g e n des Staates selbst unterwühlt." 2 ) Nach ihrem Ausspruch hängt der Rheinländer mit Ü b e r z e u g u n g iund Liebe an d e m Glauben seiner Väter, aber G l a u b e n s w u t und G l a u b e n s d ü n k e l liegen ihm e b e n s o fern als kalte Gleichgültigkeit u n d Religionsverachtung. 3 ) Jedoch war die „Rheinu. Moselzeitung" noch nicht „ u l t r a m o n t a n " , sondern sie ö f f n e t e ihre Spalten auch den Hermesianern, die in ihr den Satz verfochten, mit der U n t e r w e r f u n g der Hermesianer sei nichts g e w o n n e n , solange der heilige Stuhl die einzelnen verd a m m e n s w e r t e n u n d von ihm v e r d a m m t e n Lehren nicht n ä h e r bezeichne o d e r die wirklichen Lehren der Hermesianer einer U n t e r s u c h u n g unterwerfe. 4 ) Die Redaktion erklärte denn auch ihr Verhalten, sie habe einigen s o g e n a n n t e n Hermesianern die Spalten der Zeitung geöffnet, nicht um den Streit zu schüren u n d die G e m ü t e r zu beunruhigen u n d zu reizen, oder „wohl gar um einer von der Kirche verworfenen Lehre willen", sondern weil sie der Ansicht sei, daß in dem jetzigen Augenblicke, wo mancher b e g r ü n d e t e Zweifel auftauche, eine freie und u n u m w u n d e n e Erklärung von der einen und der a n d e r e n Rh.-Mz. 1 6 / 6 ) Rh.-Mz. 2 4 / 5 3 ) Rh.-Mz. 1 6 / 6 Rh.-Mz. 1 0 / 8 2

38. 38. 38. 38.



79



Seite wohltätig wirken würde. 1 ) Nach ihrem P r o g r a m m v o m E n d e des Jahres 1838 gedenkt die Z e i t u n g die Sache der Religion u n d des Rechtes der Sittlichkeit u n d echten A u f k l ä r u n g kräftigst zu fördern u n d zu verfechten. 2 ) Auch W . Bern war ein sehr christlich d e n k e n d e r M a n n . Er war ganz ein Kind sein e r Zeit, auf den die Ideen der Romantik ihren Einfluß ausg e ü b t haben. Gedanken von allgemeiner V e r b r ü d e r u n g der Völker, nicht n u r einer heiligen Allianz der Fürsten s o n d e r n auch der Völker, und zwar der christlichen Völker, sind ihm sehr teuer und drängen nicht selten den praktischen Politiker in ihm zurück. England habe von Gott die Weltmission erhalten, auf dem E r d b o d e n die Zivilisation zu verbreiten, 3 ) u n d die Zeit habe die Aufgabe, die Erdteile aneinander zu bringen, u n d wenn dann die V o l k s v e r b i n d u n g e n sich wieder in Völkerstaaten zersplittert haben, so werde eine Zentralisation durch ein Weltvolk, oder was Bern lieber ist, d u r c h die fortschreitende, einigende Bildung und das menschenverb r ü d e r n d e Christentum eintreten.*) Das religiöse M o m e n t spielt also eine große Rolle in der Denkweise Berns, das. konfessionelle Moment aber tritt sehr zurück. D a s d u r c h die Reformation geschaffene kirchliche System hält er f ü r nichtig, nicht zum wenigsten wohl, weil durch die Reformation sein Lieblingsgedanke, die Einheit Deutschlands, erschwert w u r d e , dock erkennt e r an, daß sie die Freiheit der F o r s c h u n g u n d der Wissenschaft g e b r a c h t habe. Er verlangt vom Staate religiöse Freiheit, D u l d u n g aller Religionsgemeinschaften u n d gleiche Berücksichtigung bei Besetzung der Ämter, 5 ) verwirft aber Bestrebungen wie die des politischen Katholizism u s in Frankreich. Ü b e r den Staat solle niemand reden z u m Volke als die Staatsmänner selbst und die Lehrer ¿seiner Wissenschaft, und so rechnet er Lamenais zu den „schädlichen Potenzen, abziehenden Irrwischen, phantastisch sich selbst

») Rh.-Mz. 3 0 / 8

38.

2

) Rh.-Mz

3

) Rh.-Mz. 2 5 / 2

J

) Rh.-Mz. 2 3 / 1 0 40.

5

) Rh.-Mz. 5 / 9 40.

1 5 / 1 2 38. 40



80



b e t r ü g e n d e n , a n d e r e im Irrtum f ü h r e n d e n Geistern", der nicht weiß, wie g r o ß e s U n g l ü c k er auftischt. 1 ) Allmählich mehrten sich die Artikel über kirchliche Angelegenheiten, b e s o n d e r s natürlich ü b e r katholische. So veröffentlichte die Z e i t u n g sehr viele Artikel ü b e r O ' C o n n e l l u n d fast täglich Berichte aus d e m Kirchenstaate. Ü b e r die Beil e g u n g des Kölner Kirchenstreites aber brachte die Zeitung keine Originalartikel sondern beschränkte sich auf W i e d e r g a b e v o n Artikeln aus anderen Blättern. Typisch f ü r ihre Anschauu n g sind eine Reihe von Berichten ü b e r eine Reise Droste Vischerings a u s dem „Westfälischen Merkur", die den „ r u h m vollen u n d unerschütterlichen Verteidiger der Kirche" in den begeistertsten W o r t e n feiern. 2 ) G a n z entschieden f ü r die Rechte der katholischen Kirche tritt auch ein Artikel über die Besetzung von katholischen P r o f e s s u r e n an der H o c h schule u n d dem Seminar an, der eine Replik des hermesianischen Professors Braun in seiner Zeitschrift f ü r Philosophie u n d katholische Theologie hervorrief. D e r katholischen Kirche sei volle Gewissensfreiheit garantiert, u n d die A u s ü b u n g dieser vollen Gewissensfreiheit schließe das Recht in sich, die G r u n d sätze der katholischen Kirche frei zu lehren. Die Beurteilung dessen aber, was G r u n d s a t z u n d Lehre derselben sei, könne natürlich n u r der katholischen Kirche u n d ihrem O b e r h a u p t e , welches in diesem Falle mit U n r e c h t als eine f r e m d e Macht bezeichnet werde, zustehen. 3 ) Anklänge an den später in der Z e i t u n g so scharf hervorg e h o b e n e n Gegensatz z u m Polizeistaate finden wir A n f a n g des Jahres 1842 bei der Frage ü b e r E i n f ü h r u n g (geistlicher Ehegerichte. Sie seien ein g r o ß e s Bedürfnis, u n d zwar unter Geistlichen mit juristischen Beisitzern, ü b e r h a u p t sei es eine H a u p t f r a g e der Zeit, o b der Kirche nicht wieder einiges Recht d e m Polizeistaate g e g e n ü b e r eingeräumt werden müsse. Lob wird dem Verhalten Friedrich Wilhelms IV. gezollt, daß e r den D o m als ein katholisches Gotteshaus anerkannt habe ; denn die religiöse Idee ist u n d bleibt f ü r den Verfasser dieses Artikels die Hauptsache u n d nicht der G e d a n k e eines „deutRh.-Mz. 1 8 / 1 0 40. ) Rh.-Mz., eine Reihe Berichte im Aug. 41 und 12/9 41. 3 ) Rh.-Mz. 1 5 / 1 2 41. 2



81



s e h e n D o m s , als S i n n b i l d d e u t s c h e r E i n t r a c h t u n d Ges i n n u n g " , wie er damals in vielen Kreisen g e h e g t w u r d e . Auch in der F r a g e d e r S c h u l e klangen s c h o n katholische F o r d e r u n g e n an, vor allem in einem sehr ausführlichen A r tikel von S . (wohl S c h a l t e n b r a n d ) ü b e r die Freiheit des U n t e r r i c h t s in B e l g i e n . D i e s e r Artikel b e h a n d e l t zwar b e l g i s c h e Z u s t ä n d e , a b e r seine T e n d e n z ist doch, auf die p r e u ß i s c h e n V e r h ä l t n i s s e einzuwirken. E r ist g a n z im katholischen Geiste g e s c h r i e b e n mit einer lebhaften P o l e m i k g e g e n die Liberalen, die keineswegs V e r t e i d i g e r einer wahren Freiheit sondern n u r D i e n e r eines T r u g b i l d e s , des falschen Liberalismus, der a l l e s für sich will, seien und g e g e n den B e a m t e n a b s o l u t i s mus. S . f o r d e r t e u n b e d i n g t e Unterrichtsfreiheit, der Staat dag e g e n solle nicht j e d e E i n w i r k u n g und A u f s i c h t auf die E r z i e h u n g und B i l d u n g seiner U n t e r t a n e n a u f g e b e n , ihm liege v i e l m e h r die Pflicht zu dem einen und a n d e r e n u n b e d i n g t o b . E r m ü s s e d u r c h E r r i c h t u n g von U n t e r r i c h t s - u n d B i l d u n g s anstalten seinen U n t e r t a n e n die Mittel g e b e n , auf die w o h l feilste und a n g e m e s s e n s t e W e i s e die e n t s p r e c h e n d e B i l d u n g z u erhalten, und die von Privaten o d e r K o r p o r a t i o n e n selbs t ä n d i g errichteten U n t e r r i c h t s - , E r z i e h u n g s - u n d B i l d u n g s anstalten ü b e r w a c h e n , damit in denselben nichts die Religion, die Sittlichkeit, die U n t e r t a n e n t r e u e G e f ä h r d e n d e s g e l e h r t werde. D a g e g e n wäre eine a n d e r e „ m e h r positive" E i n w i r k u n g m ö g l i c h s t zu b e s c h r ä n k e n , um s o mehr, da eine s o l c h e durch die eröffnete freie K o n k u r r e n z u n d durch die Mittel, w e l c h e der Staat habe, um seinen Anstalten die beste E i n r i c h t u n g zu g e b e n , s e h r bald ü b e r f l ü s s i g werden dürfte. 1 ) B e z e i c h n e n d dafür, daß zu B e g i n n des J a h r e s 1 8 4 3 die „ R h e i n - u. M o s e l z e i t u n g " ihre Spalten vor allem katholischen Artikeln öffnete, sind eine Reihe Berichte ü b e r das n e u e E h e scheidungsgesetz, in denen F o r d e r u n g e n , wie S c h e i d u n g d e r E h e n u r auf kirchlichem W e g e , e r h o b e n w e r d e n u n d für d e n christlichen S t a n d p u n k t d e r U n a u f l ö s b a r k e i t der E h e e i n g e treten wird. 2 ) Auch W ü n s c h e auf eine u n a b h ä n g i g e S t e l l u n g der kirchlichen B e h ö r d e n , g ä n z l i c h e Ü b e r l a s s u n g d e r A n 1

) Rh.-Mz. 1 4 / 9 42.

2

) Rh.-Mz. 1 5 / 2 , 1 4 / 3 u. 2 6 / 4

Mönckmeier,

43.

Kliein- u. M o s e l z e i t u n g .

g



S2



Stellung der Pfarrer an den Bischof wurden laut, in der H o f f nung, „daß des K ö n i g s Hochherzigkeit auch hierin den W ü n schen seiner katholischen U n t e r t a n e n willfahren werde". 1 ) Dieses große Interesse f ü r kirchliche katholische Fragen erlitt jedoch unter der Redaktion Melzers nochmals einen harten Stoß. 2 ) So brachte die „Rhein- u. Moselzeitung" im S e p t e m b e r 1843 schon wieder einen Artikel gegen die Jesuiten, der in Koblenz große A u f r e g u n g u n d M i ß s t i m m u n g hervorrief. 8 ) Als die Zeitung dann definitiv zu einem katholischen Blatte u m gestaltet wurde, w a r ihr gleich g e n u g Gelegenheit gegeben, ihre katholische G e s i n n u n g zu betätigen. Drei Ereignisse waren es vor allem, die damals die G e m ü t e r der Katholiken bewegten, der D u i s b u r g e r Katechismus über die Unterscheidungslehren, der Gustav Adolf-Verein (gegründet 1832, 1842/1843 seine Organisation a u s b a u e n d ) und die Trierer Rockbewegung, die zur Bildung des Deutsch-Katholizismus führte. Bei dem Gustav Adolf-Verein mußte allein schon der N a m e das Mißfallen u n d Mißtrauen der Katholiken hervorrufen. Die katholische Presse, so auch die „Rhein- u. Moselzeitung", verfolgte d a h e r mit Interesse seine Tätigkeit, und im Jahre 1847 fällte d a s Blatt das Urteil über ihn, er sei zwar f ü r die Katholiken w e d e r gefährlich noch furchterregend, aber er sei eine Beute d e r Revolutionspartei geworden, und wenn man dem Verein nicht bald ein Ende setze, so stehe Deutschland eine g r ö ß e r e S c h r m c h bevor als die der f r a n z ö sischen Fremdherrschaft. Die Zeitung sah in dem Verein einen indirekten Angriff auf d a s positive Christentum u n d forderte die „rechten Katholiken" und die „ernstlich strebenden" Protestanten auf, sich zusammenzuschließen wider die RongeEnthusiasten, Gustav Adolf-Protestmänner u n d Lichtfreunde. 4 ) Der Kampf gegen die „Ronge-Enthusiasten" nahm d e n n auch einen großen Platz in der „Rhein- u. Moselzeitung" ein. Als der „Schmähbrief" Ronges in den sächsischen Vaterlandsblättern erschien, trat die Z e i t u n g als einziges rheinisches Blatt sofort entschieden f ü r die katholische Kirche ein; wie sie schon Rh.-Mz. 2 2 / 3 43. ) vgl. Pastor, Reichensperger 1, 183. 3 ) B. A. L. IV, C 2, Vol. 1. «) Rh.-Mz. 3 / 1 47. a



83



als O r g a n der katholischen Rheinprovinz der „heiligen Reliquie in Trier ihre ehrfurchtsvolle H u l d i g u n g d a r g e b r a c h t hatte". 1 ) D e r Artikel zeigt, wie g r o ß die Erbitterung in katholischen Kreisen ü b e r dieses P a m p h l e t w a r : „Zu welcher geistigen Versunkenheit unsere heutige Journalistik herabgek o m m e n , davon gibt . . . . d e r Artikel eines angeblichen katholischen Geistlichen (denn d a s ist er so wenig, als er nicht einmal zu d e r Klasse g e w ö h n l i c h e r anständiger, sittsamer Menschen gerechnet w e r d e n kann) den traurigsten, ja erschreckendsten Beweis." Der Verfasser geht scharf ins Gericht mit d e r „verderbten" liberalen Presse, diesen Blättern, die in solcher Weise n u r gegen die katholische Kirche u n d ihre geheiligten Institutionen u n d G e b r ä u c h e aus ihren nächtlichen Schlupfwinkeln hervorträten u n d sich ungestraft die gröbsten u n d pöbelhaftesten A n f e i n d u n g e n erlauben, da sie der Ansicht seien, die D o g m e n u n d G e b r ä u c h e d e r katholischen Kirche seien a u ß e r Gesetz erklärt und jedem Streitenden preisgegeben. Ein derartiger Angriff u n d eine solche Beleidigung sei die offenbarste Rechtsverletzung u n d Beeinträchtigung d e r katholischen Kirche u n d der zu ihr g e h ö r i g e n Gläubigen selbst. „ W a s soll man aber endlich von der Einheit u n d der Z u s a m m e n s t e l l u n g d e r deutschen Nation sagen, von welcher dieselben Leute bis z u m Ekel u n s unterhalten, w ä h r e n d dem der eine Teil dieser selben Nation den anderen in seinen heiligsten u n d teuersten G e f ü h l e n tagtäglich kränkt u n d v e r h ö h n t u n d so die innere S p a l t u n g bis zum feindseligen Hasse hinauftreibt." 2 ) Damit ist ein indirekter Tadel der Reg i e r u n g gegeben, u n d daß sie diesen U n f u g , der keine Freiheit gebäre, diese Dissidenten, meistens Protestanten u n d glaubenslose u n d kirchenfeindliche Katholiken, nach Möglichkeit unterstütze u n d fördere, ist ein Vorwurf, der in der „ R h e i n - u . Moselzeitung" noch 1848 sehr oft wiederkehrte. A b e r der Deutsch-Katholizismus hat nach einem Ausspruch der Zeitung auch seine guten Seiten, da die römischen Katholiken sich d u r c h sein Auftreten „enger an ihren heiligen Glauben u n d die T r ä g e r desselben angeschlossen haben", l

) E. Z. 2 0 / 1 1

44.

") K a t h o l i k 1 0 / 1 1

44.

0*



84



w o r a u s das Blatt das Bedürfnis nach Errichtung einer Anzahl von Klöstern herleitet. 1 ) Gleich zu Beginn des Streites über den R o n g e a n i s m u s klagt die Zeitung heftig .über die Zensur, die ihr nicht gestatte, die schmachvollen Angriffe auf die katholische Kirche a b z u w e h r e n , u n d die so die Sektenbildung f ö r d e r e . Also Klage ü b e r Benachteiligung der Katholiken durch den preußischen Staat! Damit k o m m e n wir zu einer Frage, die 1848 zwar erst praktische B e d e u t u n g gewann, aber die ganzen Jahre v o r h e r in der Presse besprochen w u r d e : „ U n a b h ä n g i g keit der Kirche vom Staate." Schon 1845 hatte die Zeitung Ansichten über die Notwendigkeit der Unabhängigkeit der Kirche vom Staate, die in der „Aachener Zeitung" ausgesprochen waren, als praktisch, Deutschlands Gemeinwohl f ö r d e r n d und den Bedürfnissen der Zeit und der inneren Religionsüberzeugung f ü r angemessen erklärt. 2 ) Aber zunächst gingen zwei Ansichten nebeneinander her, die Vertreter der einen hielten noch fest an dem Ideal des christlichen Staates, dessen praktische Und u r c h f ü h r b a r k e i t die anderen schon erkannt hatten. Vom Boden des christlichen Staates aus verteidigte d e r „ K o r r e s p o n d e n t vom H u n s r ü c k " die Gewissensfreiheit, aber als christlicher Staat müsse Preußen das Verbreiten solcher Lehren und G r u n d s ä t z e verhindern, welche dem Christentum widersprächen. 3 ) Die m o d e r n e n Staatstheorieen auf G r u n d von T r e n n u n g von Staat und Kirche werden als falsch bezeichnet, die w e d e r durch sichere E r f a h r u n g noch durch V e r n u n f t nicht im mindesten gebilligt seien; den Staat völlig von der Kirche oder der bestimmten, wirklichen und kirchlichen Religion trennen zu wollen, sei eine Unwahrheit, eine Unnatur. 4 ) Doch fehlte es auch nicht an Stimmen, die f ü r die T r e n n u n g der Kirche vom Staate eintreten. Das Wesen der katholischen Kirche sei nicht an diesen oder jenen politischen status q u o g e k n ü p f t , sondern sie müsse die freieste politische Entwickl u n g gewähren, der christlich-germanische Staat sei eine !) a ) ») *)

Rh. Beob. 8 / 1 1 45. Rh. Beob. 1 5 / 1 2 45. Rh.-Mz. 6 / 1 47. Rh.-Mz. 0 / 7 47.



85



,,bloße P h r a s e " . D e r R e d a k t e u r Rotteis war mit solchen radikalen A n s c h a u u n g e n aber nicht einverstanden und n a h m den Artikel n u r auf, weil er g e g e n ü b e r d e m staatskirchlichen „ R h e i n i s c h e n B e o b a c h t e r " auch richtige G e s i c h t s p u n k t e vertrete. Zugleich legte er seine A u f f a s s u n g dar, die den G e d a n k e n g a n g der konservativen Katholiken klar zu T a g e treten l ä ß t : S o w e n i g in j e d e m Individuum das Religiöse (oder die Kirche) von dem Staatlichen in ihm g e t r e n n t werden könne, e b e n s o w e n i g dürfe sich die Kirche in der Gesellschaft u n d G e s c h i c h t e von dem Staatlichen und den Staaten t r e n n e n . W i e es indessen L e b e n s z u s t ä n d e eines I n d i v i d u u m s g e b e , w o das K i r c h l i c h e in i h m sich von d e m W e l t l i c h e n in ihm frei zurückziehen müsse, g e r a d e so könnten auch Zeiten k o m m e n für die m e n s c h l i c h e Gesellschaft, w o die K i r c h e sich von dem Staate frei erhalten und sich zurückziehen müsse. U n d das sind, nach Rotteis A n s i c h t , i m m e r die Zeiten, w o die Staatskirchen entstehen sollen. U n d f ü r solche Zeiten, die auch in D e u t s c h l a n d b e g ä n n e n , spricht Rotteis, „ w e n n g l e i c h mit tiefem B e d a u e r n " , ebenfalls von d e r Freiheit der K i r c h e von den Staaten. 1 ) D e r G e d a n k e des christlichen S t a a t e s als des Ideals, w o Staat und Kirche freundlich z u s a m m e n w i r k e n , ist an sich das einzig richtige, heißt e s n o c h A n f a n g dqs J a h r e s 1 8 4 8 . 2 ) D a e s a b e r nicht d u r c h f ü h r b a r sei, zumal im protestantischen P r e u ß e n — wo d e r G e g e n s a t z zur katholischen K i r c h e im G r u n d e nie g a n z v e r s c h w i n d e n k ö n n e — , so b r a u c h e die K i r c h e möglichst viel B e w e g u n g s f r e i h e i t , um wahrhaft wirken zu k ö n n e n . U n d die F o r d e r u n g nach U n a b hängigkeit d e r K i r c h e ist es, die v o r allem die H a l t u n g der Katholiken w ä h r e n d und nach der Revolution beeinflußt. D a ß die K i r c h e n u r Freiheit brauche, und daß man sie jetzt erlangen müsse, führte j a die G r ü n d u n g des Piusvereins herbei, der in d e r F o l g e eine b e d e u t e n d e Tätigkeit, b e s o n d e r s in der A b s e n d u n g von Adressen u n d Petitionen, entfaltet hat. Ihm parallel g i n g e n die B e m ü h u n g e n d e s Klerus, v o r Rh.-Mz. 1 9 / 8 4 7 vgl. Schnabel a. a. O. S. 16 und einen Aufsatz von Karl Neundörfer über die Stellung des ältern deutschen Liberalismus zur Trennung von Staat und Kirche. recht.

Bd. 89. J

(1909)

) Rh.-Mz. 2 / 1 4 8 .

Im Archiv für katholisches Kirchen-



86



allem der Bischöfe, die auf der Kölner und später der Würzburger Konferenz die Grundlagen ihrer gemeinsamen Politik legten, um möglichste Freiheit und Unabhängigkeit der katholischen Kirche zu erreichen. Unabhängigkeit der Kirche, aber keine Trennung, hieß es in dem Wahlaufrufe der Kölner Katholiken sowohl wie in den Beschlüssen der Kölner Bischofskonferenz. Die „Rhein- u. Moselzeitung" brachte zunächst Artikel, die völlige T r e n n u n g verlangen, 1 ) ebenso solche, die nur Freiheit der Kirche, aber ohne Verzicht auf den Arm des Staates wollen. 2 ) Beide sind sich aber darüber einig, daß keine Kirchengemeinschaft länger in der bureaukratischen Zwangsjacke gehalten werden dürfe. Vom Mai 1848 ab erklärte sich aber auch die „Rhein- u. Moselzeitung" für die Unabhängigkeit und gegen die Trennung von Staat und Kirche. Der t Korrespondent — damals der Hauptmitarbeiter — sieht in der Forderung der Trennung nur eine Konsequenz des modernen konstitutionellen Staates; der Staat dürfe aber um keinen Preis reines Menschenwerk, das göttliche Element in ihm auf keinen Fall ausgeschieden sein, 3 ) und dieser Oedanke, daß die religiöse Grundlage des Staates mit möglichster Freiheit der Kirche die erste Bedingung sei, kehrte in der „Rheinu. Moselzeitung" stets wieder. 4 ) W a s die Stellung zu den Frankfurter Beschlüssen über die Stellung der Kirche betrifft, so gingen die Ansichten in der Aufnahme des § 14 des Verfassungsentwurfes, wonach die Kirche ihre Angelegenheiten selbständig ordnen und verwalten, aber „wie jede andere Gesellschaft im Staate den Staatsgesetzen unterworfen sein sollte", etwas auseinander. Während ein Korrespondent glaubte, damit ganz zufrieden sein zu können, da er nach dem Minoritätsvorschlage der beste der voriieegnden Anträge gewesen sei, so daß die katholischen Mitglieder sicher zur Annahme mitgewirkt hätten, 5 ) sah ein anderer in der Abstimmung einen neuen Beweis für l

) Rh.-Mz.

3 1 / 3 , 1/4, 2 1 / 4 48.

' ) Rh.-Mz. 1 9 / 3 , 1 8 / 4 4 8 . l

) Rh.-Mz. 5 / 5 48.

«) Rh.-Mz. 2 3 / 7 , 7 / 6 , 1 3 / 6 und 2 5 / 7 48. 8

) Rh.-Mz. 1 4 / 3 4 8 .



87



die Unfähigkeit der V e r s a m m l u n g , g r o ß e Prinzipien u n u m w u n d e n anzuerkennen, und vermißt die A c h t u n g der Religion im allgemeinen bei dem Resultat der A b s t i m m u n g . 1 ) D a g e g e n enthielt die Zeitung g e r a d e über diese F r a g e einige a u s w ä r t i g e K o r r e s p o n d e n z e n , die wohl von Pfarrern herrühren dürften, w o n a c h die R e i c h s v e r s a m m l u n g durch diesen Beschluß ihr e i g e n e s Todesurteil dekretiert und ihr moralisches Ansehen mit einem S c h l a g e vernichtet habe. 2 ) „ N o c h nie ist die christliche Religion rücksichtlich der Kirche mit solcher S c h m a c h bedeckt worden, wie e s hier geschehen ist . . die Kirche a l s solche ist jetzt in D e u t s c h l a n d förmlich vernichtet und der Staat zur höchsten P o t e n z und zum einzig sicheren H o r t erhoben . . ., der G r u n d ist gelegt zu zwei großen L a g e r n , G l ä u b i g e u n d U n g l ä u b i g e . " 3 ) Als b e s o n d e r s verletzend w u r d e die Gleichstellung mit Privatgesellschaften e m p f u n d e n , 4 ) — die bekanntlich auch bei der zweiten L e s u n g gestrichen w u r d e — zugleich w u r d e die H o f f n u n g a u s g e s p r o c h e n , daß die Linke hochherzig g e n u g denken werde, bei der zweiten L e s u n g die U n a b h ä n g i g k e i t der Kirche v o m Staate nicht mehr zu hindern.5) A u f s engste verknüpft mit der S t e l l u n g der Kirche ist die Unterrichtsfrage, der die katholische „ R h e i n - u. M o s e l z e i t u n g " große A u f m e r k s a m k e i t schenkte. E n d e d e s J a h r e s 1844 regte sie die G r ü n d u n g einer katholischen Universität in Münster an, was a b e r g a r nicht im S i n n e der hohen B e h ö r d e n war. Line Z e r s t ö r u n g der a k a d e m i s c h e n Lehrfreiheit im schlimmsten Sinne d e s W o r t e s sah sie in der A b s e t z u n g d e r M ü n c h e n e r Professoren im J a h r e 1847 infolge der L o l a - A f f ä r e . Diese f a n d e n in der „Rhein- u. M o s e l z e i t u n g " einen w a r m e n und beredten Anwalt. 6 ) L b e n s o beschäftigte sie sich mit dem Elementarunterricht. Im J a h r e 1845 ist sie sehr b e u n r u h i g t über eine V e r f ü g u n g , daß Unteroffiziere nach sechsmonatlicher Ausb i l d u n g als Lehrer angestellt werden könnten, und als sich ) 3) *) 4) «) a

Rh.-Mz. Rh.-Mz. Rh.-Mz. Rh.-Mz. Rh.-Mz. Rh.-Mz.

1 7 / 9 48. 1 5 / 3 48. 2 8 / 9 48. 3 0 / 9 48. 1/8 48. 2 8 / 4 47.



88



in K o b l e n z im A n s c h l u ß an eine g r o ß e Pestalozzi-Feier B e s t r e b u n g e n u n t e r den Lehrern regten, durch E r r i c h t u n g von S c h u l l e h r e r k o n f e r e n z e n sich e n g e r zur W a h r u n g ihrer Interessen aneinanderzuschließen, da vermutete die „ R h e i n - u n d M o s e l z e i t u n g " Emanzipationsgelüste der L e h r e r und e r h o b w a r n e n d ihre S t i m m e über dieses ,,blödsinnige G e b a r e n " der L e h r e r , sich der geistlichen Schulaufsicht entziehen zu w o l l e n . 1 ) D i e christliche J u g e n d e r z i e h u n g sei das erste E r f o r d e r n i s eines g e s u n d e n Staatslebens, und im J a h r e 1 8 4 8 setzte s o f o r t eine lebhafte F e h d e g e g e n die T r e n n u n g von K i r c h e und S c h u l e ein — die Z e i t u n g bedauert es, nicht alle Petitionen v e r ö f f e n t lichen zu k ö n n e n — , denn würde der geistliche E i n f l u ß auf die S c h u l e a b g e s c h a f f t , so heiße d a s : B e s e i t i g u n g d e s relig i ö s e n , christlichen E l e m e n t s aus der S c h u l e , w ä h r e n d e s d o c h v o r z u g s w e i s e S a c h e der Religion u n d der K i r c h e sei, das Amt d e r E r z i e h u n g zu h a n d h a b e n . Das beweise j a s c h o n die G e s c h i c h t e , denn von der K i r c h e sei d e r U n t e r richt a u s g e g a n g e n , und sie n e h m e daher n u r ein w o h l e r w o r b e n e s R e c h t in A n s p r u c h . Sind sich darin alle B e r i c h t e einig, so g e h e n die Ansichten ü b e r das W i e auseinander, die einen sind für u n b e d i n g t e L e h r - und Unterrichtsfreiheit, a n d e r e äußern sich f ü r innige V e r s c h m e l z u n g von S c h u l e u n d K i r c h e — d e r K o b l e n z e r katholische Volksverein z. B . richtete eine A d r e s s e n a c h F r a n k f u r t für Unterrichtsfreiheit u n d innigste V e r b i n d u n g der bestehenden Staatsschulen mit der K i r c h e 2 ) — , d e r Staat m ü s s e a b e r die S c h u l e n unterhalten, die L e h r e r b e s o l d e n , ihnen Pension bezahlen, damit h a b e er natürlich ein Mitrecht, weil die S c h u l e Staatsanstalt sei. 3 ) Ein anderer V o r s c h l a g g i n g dahin, daß j e d e r der streitenden T e i l e sich seine eigenen S c h u l e n und L e h r e r halte. 4 ) Auf Bedenken stieß j e d o c h die u n b e d i n g t e Lehrfreiheit, denn sie b r i n g e die G e f a h r d e s S i n k e n s des wissenschaftlichen S t a n d p u n k t e s mit s i c h ; ein wissenschaftlicher B e f ä h i g u n g s n a c h w e i s sei d a h e r u n b e d i n g t erforderlich, der sittliche, den der E n t w u r f c e r N a t i o n a l v e r s a m m l u n g , Art. IV, § 18, verlangte, sei d a g e g e n *) E. Z. 7 / 8 4 6 . ' ) Rh.-Mz. 9 / 8 4 8 . ' ) Rh.-Mz. 3 / 5 4 8 . ' ) Rh.-Mz. 7 / 7 , 2 8 / 7 4 8 .



89



praktisch u n d u r c h f ü h r b a r . 1 ) E n t w e d e r gestatte der Staat f r e i e W a h l der L e h r e r durch die G e m e i n d e n und B e a u f s i c h t i g u n g d e r L e h r e r rücksichtlich ihres U n t e r r i c h t e s und W a n d e l s durch den G e m e i n d e - , S c h u l - und Kirchenvorstand, o d e r er g e w a h r e U n t e r r i c h t s - und Lernfreiheit, A u f h e b u n g des S c h u l z w a n g e s u n d B e f r e i u n g von j e d e r Steuer, die zur B e s o l d u n g der Staatslehrer dienen w ü r d e . 2 ) Hier wird also das R e c h t d e r G e m e i n d e auf die S c h u l e betont, ihr solle man auch die E n t s c h e i d u n g über den C h a r a k t e r der S c h u l e ü b e r l a s s e n ; sie soll die S c h u l e bezahlen, den Lehrer wählen, den S c h u l v o r s t a n d u n d die P r ü f u n g s k o m m i s s i o n e r n e n n e n u n d ü b e r dem S c h u l vorstand k ö n n e eine Art Inspektion stehen, ein Posten, f ü r den Geistliche sehr g e e i g n e t seien. 3 ) F ü r dieses R e c h t der G e m e i n d e auf E i n r i c h t u n g und U n t e r h a l t u n g der S c h u l e traten auch in F r a n k f u r t die k a t h o lischen A b g e o r d n e t e n ein, j e d o c h w u r d e d a r ü b e r nichts b e s t i m m t ; der U n t e r r i c h t wurde v i e l m e h r u n t e r die O b e r a u f sicht des Staates gestellt und der „ B e a u f s i c h t i g u n g der G e i s t lichkeit als s o l c h e r " e n t h o b e n . 4 )

IV.

Kapitel.

Stellung der Rhein- u. Moselzeitung zur Presse. D u r c h die e x p o n i e r t e S t e l l u n g der „ R h e i n - u. M o s e l z e i t u n g " als einziges katholisches Blatt g e g e n ü b e r d e r g a n z e n liberalen und konservativ-protestantischen Presse ist ein scharfer G e g e n s a t z und eine heftige Polemik g e g e b e n . D a b e i wird die B e t r a c h t u n g der S t e l l u n g der Zeitung zur Presse, besonders, zu B e g i n n der 4 0 er J a h r e , als sich die katholischen U n t e r s t r ö m u n g e n geltend machen, n o c h m e h r Hinweise auf T e n denzen g e b e n , die sonst vielleicht nicht s o scharf h e r v o r traten.

Rh.-Mz. 1 / 8 4 8 . !)

Rh.-Mz. 2 2 / 7 , 2 3 / 7 48.

' ) Rh.-Mz. 1 / 9 48. 4)

vgl. Schnabel, a. a. O. S. 87.



90



So wandte sich die Zeitung im Jahre 1841 sehr energisch 'gegen die liberale „Leipziger Allgemeine Zeitung", die einen Schmähartikel gegen Rheinpreußen gebracht hatte, der nach Ansicht der „Rhein- u. Moselzeitung" auch nur in einer Zeitung erscheinen konnte, die im G r u n d e schon aller Ansprüche auf •die Ehre, welche Wahrheitsliebe, Gesinnungstreue und ein von niedriger und boshafter Leidenschaftlichkeit freies höheres Streben gibt, längst sich begeben hat. 1 ) Als Ende des Jahres 1842 der „Leipziger Allgemeinen Zeitung" in Preußen der Postdebit entzogen wurde, beklagte daher die „Rhein- u. Moselzeitung" das Verbot nicht. 2 ) Die Veröffentlichung des Briefes von Herwegh' an den König Friedrich Wilhelm IV. sei ganz ungebührlich gewesen. Über diesen Brief Herweghs und sein poetisches Talent gibt die Zeitung ein sehr hartes Urteil ab. „Herwegh ist ein seltenes Talent, der sich an Roheiten zu begeistern, junghegelschen Wahnsinn als neues Evangelium zu predigen und so viele Ungereimtheiten in Reime zu bringen gewußt hat." Eitel und albern wie er selbst, sei auch sein Brief an den König, er sei frech und unverschämt, die Form sei gemein, die ganze Fassung des Briefes unwahr und erlogen. Der Grund dieses scharfen Urteils ist gegeben, es ist der Atheismus Herweghs. 3 ) Klingt aus diesem Artikel schon der Gegensatz gegen die unchristliche Haltung •der „Leipziger Allgemeinen Zeitung" hervor, so wird dieser Vorwurf in einem zweiten Artikel noch präzisiert: Es ist der Haß gegen die katholische Kirche. „Welche Flut von Lügen und Verleumdungen hat sie insbesondere nicht während der Kölner Wirren gegen Rom, gegen die hochwürdigen Erzbischöfe von Köln und Posen und all deren Freunde und Verehrer sowie überhaupt gegen die ganze katholische Kirche ausgespieen." Als die sehr liberal gefärbte „Rheinische Zeitung" bei Besprechung des Verbotes der „Leipziger Allgemeinen Zeitung" diese einen „notwendigen, integrierenden Teil der deutschen Volkspresse" nannte, wandte die „Rhein- u. Moselzeitung" ihre Pfeile auch gegen sie, so daß zwischen den beiden 1

) Rh.-Mz. 1 4 / 8 41. ) Rh.-Mz. 6 / 1 43. 3 ) Rh.-Mz. 16/12, 17/12, 3 1 / 1 2 42.

2



91



Blättern eine heftige P r e ß f e h d e entbrannte, in der von seiten d e r „Rhein- u. Moselzeitung" das christliche Moment in den V o r d e r g r u n d gerückt wurde. Sie kann es sich nicht erklären, wie ein solcher Auswuchs des J u n g j u d e n t u m s , J u n g h e g e l t u m s und J u n g d e u t s c h t u m s an den Rhein g e k o m m e n sei, an den vorzugsweise christlichen Rhein, von dem aus sich das C h r i s t e n t u m über ganz Deutschland verbreitet, der i m m e r f o r t u n d noch in den letzten Jahren seinen lebendigen christlichen G l a u b e n so tätig bewahrt habe. 1 ) Die U n t e r d r ü c k u n g eines B l a t t e - ) mit so albernen und verächtlichen Prinzipien in politischer und religiöser Beziehung, gegen die sich die „Rhein- u. Moselzeitung" auf das entschiedenste erklärt, selbst auf die G e f a h r hin, „als Obskurantin u n d Feindin des Fortschrittes" verschrien zu werden, w u r d e d a h e r von ihr gebilligt. 3 ) Aber in der kurzen Zeit, die die „Rheinische Zeit u n g " noch bestand, griffen sich die beiden Blätter heftig an. Die „Rheinische Zeitung" spottet ü b e r das „jesuitierende Winkelblatt" in Koblenz mit seinem „mäßigen Verstände", ü b e r den f r o m m e n Herrn, der seine Ansichten in ihr z u m besten gebe, 4 ) u n d daß die kleine Partei zwischen Koblenz u n d M ü n c h e n sich mit einem so unscheinbaren Blatte wie d e r „Rhein- u. Moselzeitung" b e g n ü g e n müsse. Vermutete also die „Rheinische Zeitung" katholische Hintergedanken u n d Beziehungen zu München, 5 ) so mußte sie der Angriff der „Rheinu. Moselzeitung" wegen eines Artikels über die Historisch-politischen Blätter in dieser Ansicht n u r bestärken. Die „ R h e i n - u . Moselzeitung" entschuldigte sich allerdings e r s t : Sie sei zwar keineswegs zum Ehrenwächter der „Historisch-politischen Blätter" bestellt, allein der vorliegende Fall sei geeigneter als irgend ein anderer, um die Taktik und Gewissenhaftigkeit jener sogenannten Liberalen, deren O r g a n die „Rheinische Zeitung" sei, kennen zu lernen. 6 ) Mit dieser Polemik ver») ) 3 ) 4 ) 5 ) 6 ) 2

Rh.-Mz. 18/1 43. vgl. Kap. II S. 17 Rh.-Mz. 5 / 2 43. Rh. Z. 1 3 / 1 43. Rh.-Mz. 1 4 / 3 43. Rh.-Mz. 1 2 / 3 43.



92



bindet d a s Blatt einen heftigen Angriff g e g e n den L i b e r a l i s mus, wie er sich in d e r „Rheinischen Z e i t u n g " geltend m a c h e . D e r N a m e eines Liberalen sei früher ein E h r e n n a m e g e w e s e n , bis j e n e Schule, deren O r g a n die ,,Rheinische Z e i t u n g " g e w o r d e n , sich ihn beigelegt habe, jetzt sei er verschmäht u n d verachtet. N o c h ein zweites Mal trat d a s Blatt f ü r die „ H i s t o risch-politischen Blätter" g e g e n die ,,Rheinische Z e i t u n g " in die Schranken und warf ihr böswillige Entstellung, bewußte, absichtliche L ü g e und V e r l e u m d u n g vor. Diese T e i l n a h m e f ü r die „Historisch-politischen Blätter" ist um s o interessanter, d a g e r a d e in dieser Zeit von K o b l e n z die Petition nach Berlin g e s a n d t w u r d e f ü r die A u f h e b u n g d e s V e r b o t s d e r „Historisch-politischen Blätter". A u c h eine Polemik g e g e n die „Trier'sche Z e i t u n g " w e g e n eines Artikels über Fr. Sallets ,,Laienevangelium", d e s s e n wahrer Inhalt „ j e n e falsche und verderbliche L e h r e d e r Apostel d e s neuen H e i d e n t u m s " , eines Strauß, F e u e r b a c h s und B r u n o B a u e r s sei, ist ein Beweis, wie sehr die „ R h e i n - u. M o s e l z e i t u n g " am A n f a n g des J a h r e s 1843 unter katholischem Einfluß gestanden hat. W ä h r e n d ihrer F e h d e spottet die „Rheinische Z e i t u n g " mit Hinweis auf die V e r d a m m u n g s b u l l e G r e g o r s X V I . g e g e n die Preßfreiheit über d a s Wehgeschrei der „ R h e i n - u. Moselzeitung", daß die „Rheinische Z e i t u n g " völlige Freiheit der P r e s s e verfechte. 1 ) F ü r die Katholiken war die Stellungn a h m e zur F r a g e der Preßfreiheit viel schwieriger als f ü r die Liberalen, f ü r die e s eine a u s der Natur ihrer A n s c h a u u n g e n g e g e b e n e F o r d e r u n g war. Die „Rhein- u. M o s e l z e i t u n g " als „ l i b e r a l e s " Blatt legte, s o oft es ihr möglich war, ein W o r t für größere Freiheit der Presse ein. Lebhafter a b e r w u r d e die B e h a n d l u n g dieses G e g e n s t a n d e s erst mit dem J a h r e 1840, zumal W. Bern sich eingehend mit der F r a g e der H e b u n g der deutschen P r e s s e beschäftigte und auf B e s s e r u n g der S c h ä d e n eifrig bedacht war. S c h u l d an dem elenden Zustand der P r e s s e ist in B e r n s A u g e n die Zensur, j e n e s B i l d u n g s mittel, jener Schreibunterricht, den die Zensoren den Schriftstellern unentgeltlich erteilen, leider seien die g u t e n Schrirt») Rh. Z. 13/1 43.



93



steiler aber zu stolz, um die Schreibstunden zu benutzen, u n d so schneide sich der Staat den Verstand a b und die Nase dazu. 1 ) Zu Beginn des Jahres 1S42 veröffentlichte Bern eine ganze Reihe von Artikeln über die Reform der Preßgesetzg e b u n g ; doch ging er nicht so weit, völlige Preßfreiheit zu verlangen. Im Jahre 1S42 u n d 1843 begrüßten auch die „Historischpolitischen Blätter" die gewährte freiere B e w e g u n g der Presse, die das neu erregte politische Interesse nicht ohne Resultat wieder einschlummern lassen werde, zugleich aber warnten sie die deutschen Katholiken vor jeder „chimärischen H o f f n u n g auf das von der Preßfreiheit zu erwartende Heil", die sie weder herbeiwünschen noch fürchten sollten. Es ist also schon keine vollständige A b l e h n u n g mehr, a b e r auf dem 7. rheinischen Provinziallandtage vom Jahre 1843 sprachen sich die „ultramontanen" Abgeordneten gegen völlige Preßfreiheit aus. Doch ganz allmählich ging ein Wechsel in den A n s c h a u u n g e n vor sich, besonders unter dem Eindruck der Trierer R o c k b e w e g u n g und des Rongeanismus. In der katholischen Presse setzten die heftigsten Klagen ein ü b e r die unparitätische H a n d h a b u n g der Zensur, u n d im D e z e m b e r 1844 2 ) enthielten die „Historisch-politischen Blätter" einen Artikel aus Rheinpreußen, der f ü r die Preßfreiheit eintrat. „Die unglaubliche A u f r e g u n g und Entrüstung, welche die seit kurzem auf den Gipfel des Hasses u n d der Erbitterung gesteigerte Polemik der protestantischen Zeitungen gegen alles, was uns heilig u n d teuer ist, hervorgerufen hat, m u ß einen Rückschlag auf die Preßgesetzgebung zur Folge haben u n d f ü h r t die Katholiken, die an sich keine F r e u n d e völliger Preßfreiheit sind, zu dieser F o r d e r u n g . " Doch hütet sich der Verfasser wohl, sie als das einzig W a h r e hinzustellen, sondern f ü r ihn handelt es sich darum, was unter diesen U m ständen „ d a s kleinere Übel" ist. 3 ) Dieser A n s c h a u u n g ents p r a c h d e r W u n s c h nach mäßiger Preßfreiheit, der im „Katholik" A n f a n g des Jahres 1845 in einem Artikel a u s l

) Rh.-Mz. 2 9 / 8 40. ») Hist. pol. Bl. Bd. 14 S. 776 ff. 3 ) vgl. L. Z. 1 8 / 1 45, wo sich dieselbe Fragestellung findet.

— 94 — Koblenz geäußert wurde, 1 ) „mäßig, weil wir sie nur bescheiden und im Interesse der wahren konservativen Prinzipien sowie der Monarchie benutzen würden, und wenn auch die Diener der Kirche ihre Bischöfe und Priester das allgemeine Verlangen nach Preßfreiheit durch ihre Stimme nicht unterstützen, 2 ) einesteils, weil eine absolute Preßfreiheit auch vom kirchlichen Standpunkte aus nicht gewollt wird, und andernteils, um nicht in politische Demonstrationen sich zu verwickeln, so können sie doch unter den obwaltenden Umständen das Verlangen nicht mißbilligen und noch weniger den einsichtigen und glaubenstreuen Laien davon abraten, da, wie es jetzt steht, die Preßfreiheit einzig uns helfen kann und mindestens das geringste von zwei Übeln wäre." Auf dem 8. rheinischen Landtage kamen die Beschwerden der Katholiken über die unparitätische Handh a b u n g der Zensur zur Sprache. Freiherr von Loe, d e r Führer der „Ultramontanen", forderte Preßfreiheit, und sein Artikel gegen eine Erklärung des Oberpräsidenten Schaper in der „Kölnischen Zeitung", daß der Vorwurf einer unparitätischen H a n d h a b u n g der Zensur unbegründet sei, führte ihn wegen Beleidigung vor das Zuchtpolizeigericht, das jedoch ein freisprechendes Urteil fällte. Hier war also d e r Wechsel in der Anschauung mit und nach der Trierer Rockausstellung eingetreten, dagegen verlangte die „liberalisierende" „Rhein- u. Moselzeitung" auch schon vorher, im August 1844, Preßfreiheit, 3 ) und zwar „um der Klarheit willen, so wenig sie auch das Gewicht der entgegenstehenden G r ü n d e verkennt", wenn aber der geistige Organismus des Volkes schon so zerrüttet sei, daß er diese Freiheit nicht mehr ertragen könne,, so könne ihm die Zensur auch nichts mehr nützen. Die Zeitung beklagte vor allem die Zensur, weil sie es ihr unmöglich mache, den Feinden der katholischen Kirche gebührend entgegenzutreten; in Wahrheit hat aber die Zensur die Zeitungen nicht an der heftigsten Polemik gehindert. ') Katholik 9 / 2 45. 2 ) Auf Petitionen der Trierer und Bonner Geistlichkeit komme ich unten noch zu sprechen. Vgl. auch die Äußerungen Geißels über die: Zensur, Pfülf I, 330 ff. s ) L. Z. 2 1 / 8 44.



95



Besonders mit der „ E l b e r f e l d e r Z e i t u n g " , die sich zurVerteidigerin des D e u t s c h - K a t h o l i z i s m u s aufwarf, in dem sie „den M o r g e n a n b r u c h einer neuen Politik der ganzen Nation s a h " , 1 ) hat die „ R h e i n - u. M o s e l z e i t u n g " m a n c h e n harten Strauß ausgefochten. D i e , . E l b e r f e l d e r Z e i t u n g " r ü h m t e sich, zuerst auf das Treiben von R o n g e aufmerksam g e m a c h t zu haben, und wenn sie auch seine G r ü n d e nicht alle gebilligt u n d seine S p r a c h e nicht d u r c h g ä n g i g gutgeheißen habe, so h a b e sie R o n g e s S a c h e dem G r u n d s a t z e nach zu der ihrigen g e m a c h t . 2 ) V o r allem zu B e g i n n des J a h r e s 1 8 4 5 brachte die Z e i t u n g fast täglich Artikel g e g e n den „ U l t r a m o n t a n i s m u s " und wurde dabei s o ausfallend und gehässig, daß der O b e r p r ä s i d e n t S c h a p e r im M ä r z 1845 auf eine K l a g e des E l b e r f e l d e r P f a r r e r s Friderici und a n d e r e r katholischer B ü r g e r hin eingriff, 3 ) er b e k l a g e den U n f r i e d e n , der d u r c h die P o l e m i k hervorgerufen werde, und sei ernstlich bestrebt, die „ E l b e r f e l d e r Z e i t u n g " in die durch die Z e n s u r gesetzten g e b o t e n e n S c h r a n k e n zurückzuführen. U m die Mitte des J a h r e s ließen denn auch die Ausfälle n a c h . S c h o n im A u g u s t 1844 hatte die „ E l b e r f e l d e r Z e i t u n g " die rheinische Presse aufgefordert, g e g e n den „ U l t r a m o n t a n i s m u s " eine g e s c h l o s s e n e P h a l a n x zu bilden. D e n U l t r a m o n tanen „ K r i e g und K a m p f auf i m m e r bis zur V e r n i c h t u n g " , ist ihre L o s u n g , damit erweist sie nach ihrer Ansicht den echten Katholiken n u r einen g r o ß e n Dienst. Auf die F r a g e der „ R h e i n - u. M o s e l z e i t u n g " , was denn eigentlich U l t r a m o n t a n i s m u s sei, definiert sie ihn als „die G e s i n n u n g u n d das S t r e b e n , die L e h r e u n d V e r f a s s u n g der K i r c h e weit ü b e r die G r e n z e n hinauszutreiben, wie sie der L e h r e in den D o g m e n - D e k r e t e n und d e r V e r f a s s u n g , in den V e r f a s s u n g s - u n d Disziplinar-Dekreten der letzten ö k u m e n i s c h e n K i r c h e n g e s e t z g e b u n g gestellt w o r d e n sind." N a c h ihrer Ansicht will d e r U l t r a m o n t a n i s m u s die konstitutionelle m o n a r c h i s c h e M a c h t d e r K i r c h e der P a p a l g e w a l t p r e i s g e b e n . E r entspreche dem U l t r a royalismus in der Politik, wie dieser verachte er das d e m o J

) E . Z. 3 0 / 3 45.

2

) E . Z. 2 9 / 1 1 44.

3

) Rh. Kirch. Bl. Juli 1 8 4 5 S. 2 2 2 .



96



"kratische Element, das er von jeder Teilnahme und Angelegenheit in der Kirche fernzuhalten bemüht sei. 1 ) Der Ultramontanismus organisiert nach der „Elberfelder Zeitung" den Weinen Krieg in Familien und Gemeinden, er mordet die Ruhe und den Frieden durch theologische Streitigkeiten, dagegen ist der Deutsch-Katholizismus die große Versöhnungsidee. Mit solchen und noch schärferen Tiraden griff die „Elberfelder Zeitung" die „Koblenzer Gottgeweihte", „die rockselige Beguine" und „das kinderbreimilde, klingelbeutelgutmütige .Nönnchen", die „Denkverkrüppelungen" Neurohrs und den „unreinen Geist der Rhein- u. Moselzeitung" an. Aber das „Nönnchen von der Mosel" blieb ihr nichts schuldig, diesem O r g a n e „der in kirchlichem Gebiete umwühlenden Klatschs u c h t unserer dem geschichtlichen Autoritätsglauben entfremdeten Zeit", 2 ) das tagtäglich jeden sittlichen Anstand beiseite lasse, und dem, wie niemand leugnen könne, gestattet sei, wie besessen die hohen Prälaten der Kirche und den heiligen und ehrwürdigen Kultus der Katholiken fort und fort mit Schmach zu überhäufen. Für die „Rhein- u. Moselzeitung" ist es soweit gekommen, daß eine Verleumdung in diesem Blatte von ihr nur als Anerkennung, eine Beschimpfung nur als Hochschätzung, eine Verkleinerung und Erniedrigung nur als B e l o b i g u n g und E r h ö h u n g gedeutet wird. 3 ) Ein anderes Blatt, das der „Rhein- u. Moselzeitung", wie der ganzen rheinischen Presse, ein großer Stein des Anstoßes war, eine „wahre Giftpflanze, vor der die Rheinländer schon instinktivmäßige Abneigung" hatten, und das keinen Augenblick in Ruhe gelassen wurde, war der protestantischgouvernementale „Rheinische Beobachter", der infolge dieser Tendenz besonders heftig von der katholischen „Rhein- und Moselzeitung" befehdet wurde. Nach der Aussage der „Elberfelder Zeitung" griff die Koblenzer Zeitung im Jahre 1845 den „Rheinischen .Beobachter" fast täglich an, der jedoch verhältnismäßig wenig reagierte. Daß der Ton nicht gerade sehr höflich gewesen ist, x ) E. Z. 9/1 45. ») E. Z. 7/6 46. ') E. Z. 20/5 45.



97



beweist eine Äußerung Berchts, des Redakteurs des „Rheinischen Beobachters", daß er nicht übel Lust habe, Herrn Hergt als verantwortlichen Redakteur ein Kollegium über die Lehre von den Injurien lesen zu lassen. 1 ) Oegen den Vorwurf des Katholikenhasses verwahrt sich der Beobachter sehr energisch, 2 ) auch er kämpfe nicht gegen den wahren Katholizismus, sondern gegen den intoleranten Katholizismus, den Jesuitismus und Ultramontanismus. Daß der Papst der einzige und alleinige Bischof der Kirche und alle anderen seine Vikare sind, so daß er eigentlich der regierende Bischof der verschiedenen Nationalkirchen ist, die Infallibilität des Papstes, das Roma locuta est, das ist f ü r den „Rheinischen Beobachter" „Ultramontanismus". Das Steckenpferd, auf dem der „Rheinische Beobachter" ritt, ist die Idee der Verbrüderung des Ultramontanismus und des Radikalismus, sie bildeten eine Koalition, um den Bestrebungen nach wahrer Freiheit den Krieg zu machen. 3 ) Beide riefen nach Preßfreiheit, beide wollten Unabhängigkeit der Kirche vom Staate. Beide Anschauungen seien revolutionär, trotz der fortgesetzten Loyalitätsbeteuerungen der „Rhein- u. Moselzeitung", die ihre wahre Tendenz nicht anerkannt habe und deshalb einen versteckten und unwürdigen Kampf führe. 4 ) Wenn wirklich die „Rheinu. Moselzeitung" f ü r die Monarchie eintrete, so tue sie es aus dem Gedanken heraus, daß sie bei dieser Regierungsform am besten ihr Ziel, die Herrschaft der katholischen Kirche und die Unterdrückung jedes Andersgläubigen, verfolgen könne. Ein Vaterland habe der Ultramontanismus nicht, er erkenne nur ein Band an, das der katholischen Kirche. Auf welchen Ton die Polemik der „Rhein- u. Moselzeitung" gegen den „Beobachter" gestimmt war, zeigen die Jahre 1847 und 1848 zur Genüge. Der „rheinische Spion", das subventionierte Regierungsblatt, habe den Katholiken viel genützt, indem die „Rhein- u. Moselzeitung" in Bekämpfung der Dissidenten-Wühlereien und der reaktionären politischen Maßregeln den „Beobachter" und seine Wege 1

) Rh. Beob. 1 3 / 5 45. ) s. u. S. 117. s ) Rh. Beob. 5 / 1 2 44, 6 / 3 45. l ) Rh. Beob. 15 und 2 2 / 1 2 45. . M ö n c k m e i e r , Rhein- u. Moselzeitung. 2

7



98



Schritt vor Schritt ins A u g e fasse. 1 ) Mit Recht würde er des Katholikenhasses beschuldigt, und wenn er darüber den Entrüsteten spielen wolle, „ s o müßte er, der selbst hohe Kirchenfürsten mit Kot bewirft, über diese erkünstelte Selbsttäuschung vor Scham rot sein, wenn er dieses Affekts noch fähig wäre". 2 ) Zu der „gesuchten, erkünstelten und unwahren" Stellung, die der „Beobachter" hier am Rheine einnehme, kommt noch für die „Rhein- u. Moselzeitung" als erschwerendes Moment die Bestrebung hinzu, Interesse für die projektierte „Berliner Staatskirche" erwecken zu wollen. Ein Artikel über die „edle Unverschämtheit" des „Beobachters" ist so sanftmütig, daß sogar die Redaktion den „ T o n des Artikels nicht so g a n z billigt", und das will für die damalige Zeit wirklich etwas heißen, wo z. B. die „Rhein- u. Moselzeitung" bei der Besprechung des Titels 27 des Strafgesetzentwurfes durch den „Rheinischen Beobachter" s a g t : „Nie hat der Beobachter eine stärkere Probe geistiger Blödsinnigkeit an den T a g gelegt, nie als Stellvertreter wissenschaftlicher Befähigung den Servilism u s in solcher Nacktheit erscheinen lassen, wie das vorliegend geschehen." 3 ) Die Polemik der „Rhein- u. Moselzeitung" gegen die liberalen Blätter, die die Bestimmung hätten, eigentlich gegen jede Regierung und zu jeder Zeit Opposition zu machen, — „denn darin besteht ihre Freisinnigkeit, wie im Tadel aller Regierungen, die nicht den Lizenzgelüsten des Volkes schmeicheln, ihre gemäßigte Liberalität" — näher zu verfolgen, hat kein besonderes Interesse. Sehr gern beschäftigt sich die Zeitung mit dem „Frankfurter Journal", „mit der feilen Dirne gen. Didaskalia" wegen ihres „infernalischen Hasses gegen die katholische Kirche", ihrer „erstaunenswerten Dummheit" 4 ) und ihres außerordentlichen Q e w ä s c h s über den sogenannten Deutsch-Katholizismus. 6 ) Bei der „Allgemeinen Augsburger Zeitung", dem „ O r g a n der Lola", bedauerte sie, 6 ) daß sie ») ) s) 4) 6) •) 2

Rh.-Mz. Rh.-Mz. Rh.-Mz. Rh.-Mz. Rh.-Mz. Rh.-Mz.

22/5 47. 2 3 / 5 47. 6 / 2 48. 26/8 47. 2 7 / 1 48. 16/6 48.



99



v o n T a g zu T a g schaler, unzuverlässiger und u n b e d e u t e n d e r w e r d e , ein Urteil, das a b e r auf Gegenseitigkeit b e r u h t e ; denn die „ A u g s b u r g e r Allgemeine Zeitung" machte sich lustig über die stümperhafte, ungenießbare und unerquickliche Polemik u n d nannte die Politik des „klerikalen Musterblattes" ein „widerliches Amalgam demokratischer Liebäugelei mit separatistischen Tendenzen". Ein Blatt, das trotz der häufigen Angriffe der „Rheinu n d Moselzeitung" sie verhältnismäßig selten einer Antwort würdigte, war die „Trier'sche Zeitung", der anscheinend das jesuitische „Lammschwanzgewedel" des Koblenzer Blattes zu u n b e d e u t e n d erschien. Der Gegensatz zwischen beiden war n a t u r g e m ä ß sehr scharf. Die „Rhein- u. Moselzeitung" warf der Triererin vor, daß sie Selbst- u n d Ichheitsvergötterung, J u n g h e g e l t u m , Sanskulottismus, und wie der Skandal des H e i d e n t u m s heißen möge, tagtäglich predige. 1 ) Die Trier'sche Zeitung" spottete über den „ R h e i n - u . Mosel-Komiker", der die „ N e b e l k a p p e immer tiefer über die O h r e n zieht", sein „ f r o m m e s Maul in erbauliche Falten zieht u n d seine herkömmlichen Gesichter schneidet". 2 ) Nach der „Trier'schen Zeit u n g " ist die „ultramontane Partei" dem Nationalgefühle entfremdet, von herrschsüchtigen Priestern oder stolzen Baronen, die so g e r n e den Fluch des Mittelalters wieder h e r a u f b e s c h w ö ren möchten, geleitet. D e r Ultramontanismus säe Zwietracht und strebe vor allem danach, sein „wühlerisches Treiben nach der von ihm in Belgien errichteten Musterwirtschaft" fortzusetzen. „ W e h e Deutschland, wenn diese Fraktion zur Herrschaft gelangt wäre", freie Forschung, Wissenschaft und eigene Ü b e r z e u g u n g , sie wären der Inquisition zum O p f e r gefallen; aber der g e s u n d e Sinn des Volkes habe sich mit Unwillen von dieser Partei abgewandt, und sie ist nach Ansicht der „Trier'schen Zeitung" so schwach, daß f ü r die geistige Freiheit D e u t s c h l a n d s von ihrer Seite keine ernstliche G e f a h r mehr d r o h t . 3 ) Daß die „Rhein- u. Moselzeitung" nicht sehr erbaut war von d e r G r ü n d u n g katholischer Zeitungen, die sie doch ») L. Z. 25/8 44. ) Tr. Z. 1/2 46. s ) Tr. Z. 25/12 46. a



100



immer wieder gefordert hatte, zeigt ihre Haltung dem Projekt der „Rheinischen Volkshalle" gegenüber; sie weiß zu genau, welche gefährliche Konkurrenz ihr durch diese Kölner Zeitung erwachsen mußte, und kann daher auch n u r energisch abraten; 1 ) Theorie und Praxis sind doch zweierlei, besonders wenn es sich um das eigene Interesse handelt. Die „Rheinu. Moselzeitung" habe es nicht verdient, daß sie so in den Hintergrund gedrängt werden solle, sondern allein schon durch ihren siegreichen Kampf gegen die Kölnerin habe sie sich ein Anrecht auf Unterstützung erworben. 2 ) Gemeint ist hiermit die Fehde mit der „Kölnischen Zeitung" im Jahre 1847. Die „Kölnische Zeitung", die während des Kölner Kirchenstreits eine vermittelnde Stellung einzunehmen bemüht war, 3 ) suchte in der Folgezeit, schon aus Rücksicht auf ihre große allgemeine Verbreitung, das religiös-kirchliche Gebiet möglichst zu meiden und Zurückhaltung in religiösen Dingen zu üben. „Sie achtet das religiöse Gebiet zu sehr, um Erscheinungen auf demselben, welche die Symptome des Zerwürfnisses und der Spaltung an sich tragen", tagtäglich zu berichten und zu besprechen, so lasse sie die Bewegung des Deutsch-Katholizismus unberücksichtigt, erklärt Dumont im Jahre 1845. Ein fortlaufendes Tagebuch der Ärgernisse, eine atemlose Anekdotenjagd usw. sei gerade in Sachen der Religion am wenigsten zulässig, besonders in einem politischen Blatte, wo die dadurch unvermeidlich hervorgerufene Polemik n u r zu beklagenswerten Reibungen unter den verschiedenen Konfessionen führen könne. 4 ) Hoffte man einerseits bei den „Ultramontanen", daß die Zeitung, die in Köln, der Metropole der katholischen Rheinprovinz, erscheint, ihre gesinnungslose Haltung endlich aufgeben werde, so erhob sich doch bald in allen katholischen Blättern eine äußerst heftige Polemik. Der Pfarrer Prisac ließ im Jahre 1844 ein Schriftchen über „die akatholische Haltung der Kölnischen Zeitung" erscheinen, und „dieser schwarze Rabe, der unheilkrächzend zu ihrer Linken fliegt", ») Rh.-Mz. 24/6, 25/7 48. ) Rh.-Mz. 28/6 48. ') Bachem I 297 ff ist anderer Ansicht. K. Z 2/6 45. a



101



— s o nennt ihn die ,,Elberfelder Zeitung" — widmete auch in seinem „Zeichen der Z e i t " ein g a n z e s H e f t d e m „Fortschritte der Kölnischen Z e i t u n g auf dem W e g e der Dekatholisierung und Entchristlichung". Im J a h r e 1845 brachte die „Rhein- u. M o s e l z e i t u n g " die Nachricht, daß eine Ä n d e r u n g der H a l t u n g b e v o r s t e h e ; es war eine Illusion, der die eben erwähnte E r k l ä r u n g D u m o n t s rasch ein E n d e bereitete. Daß die katholische „Rhein- u. M o s e l z e i t u n g " mit der „ K ö l n i s c h e n Z e i t u n g " nie im Frieden a u s g e k o m m e n ist, ist sicher, zumal es sie bitter kränken mußte, daß die Kölnerin durch ihre große Abonnentenzahl, u n d zwar meistens von Katholiken, mitschuldig war, daß sie nicht festeren B o d e n und größere A u s d e h n u n g gewann. Wie die „Elberfelder Z e i t u n g " — allerdings a u s anderen B e w e g g r ü n d e n — s o hielt auch d a s K o b l e n z e r Blatt der „ K ö l n i s c h e n Z e i t u n g " bes o n d e r s oft ihr zweideutiges B e n e h m e n vor, und griff sie w e g e n Mangel an echt katholischer G e s i n n u n g an. 1 ) W a r die „Rhein- u. M o s e l i e i t u n g " b e s o n d e r s w a r m f ü r die abgesetzten M ü n c h e n e r P r o f e s s o r e n im J a h r e 1847 eingetreten, s o tadelte sie die „ K ö l n i s c h e Z e i t u n g " heftig w e g e n ihrer S t e l l u n g n a h m e , d a sie mit ihrer „ b e k a n n t e n hohlen P h r a s e o l o g i e " in der servilsten Weise den M ü n c h e n e r V e r ä n d e r u n g e n d a s W o r t rede. D i e „ K ö l n i s c h e Z e i t u n g " ist nach Ansicht der „Rhein- u. M o s e l z e i t u n g " a b e r d o p p e l t g e f ä h r lich, weil sie nicht mit o f f e n e m Visiere k ä m p f e s o n d e r n eine versteckte O p p o s i t i o n betätige, „ w i e die S c h l a n g e unter d ü r r e m L a u b e " . B e s o n d e r s interessant ist die P o l e m i k der beiden Zeit u n g e n d a d u r c h , daß in ihrem Verlauf die erste g r o ß e A u s e i n a n d e r s e t z u n g in der P r e s s e zwischen d e m „ u l t r a m o n t a n e n " und dem „liberalen" K a t h o l i z i s m u s einsetzt infolge d e s Streites über einen Artikel Oiobertis, d e s liberalen italienischen Katholiken, in dem römischen Blatte „ C o n t e m p o r a n e o " . D i e „ K ö l n i s c h e Z e i t u n g " hatte diesen Artikel über d a s W e s e n der katholischen Partei, der sich g e g e n j e d e katholische Parteib i l d u n g u n d b e s o n d e r s die Parteien in Belgien und in d e r Schweiz richtete, veröffentlicht.-') Sie sprach ihre F r e u d e d a r über aus, daß dieser „ w a h r h a f t katholische" Artikel erschienen ») K. Z. 12/6 46. ) K. Z. Nr. 282 10/10 47.

2



102



sei, dessen Hauptstellen sie mit wahrer Freude ihres Wesens veröffentlicht habe, da diese Anschauungen den ihrigen entsprächen, die sie oft laut vertreten, nach denen sie stets stillschweigend gehandelt habe. Jedoch die Ansichten des „Contemporaneo" und damit die der „Kölnischen Zeitung", daß der Katholizismus nur Liebe sei und keine anderen Waffen haben solle als Geduld, Sanftmut und Gnade, hält die „Rhein- u. Moselzeitung" nicht nur für „unvernünftig" sondern auch für „einfältig und ein sehr leeres Geschwätz". Der Katholizismus kenne und müsse, kennen das Schwert, kenne Widerstand und Kampf gegen Irreligiosität, Ungerechtigkeit, Sektiererei, gegen Radikalismus und alle wüsten Frevel des Nichtstuns. 1 ) „Was ist denn eine katholische Partei anderes, als die bewußte oder unbewußte Einheit aller derjenigen Katholiken, welche die ihrer Kirche rechtlich oder verfassungsmäßig zustehenden äußeren Rechte verteidigen, und welche Katholiken bleiben wollen, ohne darum ihre politischen Rechte, die Teilnahme an allen Ehren und Würden und Vorteilen der Staatsgesellschaften aufgeben zu müssen." Diese katholische Partei finde sich überall. 2 ) Die Überzeugung der belgischen Katholiken aber, daß die christliche und katholische Gesinnung einzig nützlich für die Verwaltung von Staat und Schule sei, und ihr Bestreben, diese Überzeugung zu betätigen, verdiene statt Tadel die Achtung der Menschen, besonders der Katholiken. 3 ) Es blieb jedoch nicht bei einer allgemeinen Auseinandersetzung über das Wesen der katholischen Partei, sondern die beiden Zeitungen befehdeten sich selbst gegeneinander auf das heftigste. Die „Kölnische Zeitung" warf der „katholischen Partei" in Koblenz vor, daß sie „sich verwirrend mit der ihr eigenen Säure und Gehässigkeit" in die politischen Tageskämpfe mische, sie erstrebe die verbitternde und fanatische Hereinziehung konfessioneller Parteiung in den politischen Kampf der Gegenwart, während doch das ganze Rheinland von einer solchen katholischen Partei nichts wissen Rh.-Mz. 1 6 / 1 0 46. ) Rh.-Mz. 2 6 / 1 0 47. 3 ) Rh.-Mz. 5 / 1 1 47. 2



103



wolle. Nach ihrer M e i n u n g irrt die „Rhein- u. Moselzeitung" darin, daß sie die religiöse Wahrheit mit dem weltlichen Schwerte und mit politischen Parteiränken verteidigen will, daß sie deshalb den G r u n d s a t z der Parität und der f ü r alle unbeschränkten religiösen und philosophischen Preß- u n d Lehrfreiheit verwirft, statt dessen aber den G r u n d s a t z d e r V e r w a l t u n g des Staates möglichst ausschließlich durch Parteigenossen aufstellt. Mit geistlichem H o c h m u t e sondere sich diese Partei der „Rhein- u. Moselzeitung" von ihren indifferenten G l a u b e n s b r ü d e r n ab u n d werfe sich o h n e allen kirchlichen Beruf und A u f t r a g zum Glaubensgerichte auf, das scheiden wolle zwischen echten und unechten Katholiken. 1 ) Die „Rhein- u. Moselzeitung" verwahrt sich energisch gegen die „unerwiesenen und frechen B e h a u p t u n g e n " der „Kölnischen Zeitung", gegen ihr ebenso „leichtfertiges u n d hochmütiges Geschwätz". 2 ) Der Dissolutionsgeist, der in d e r Welt herrsche, wo gerade jetzt ein großer Kampf zwischen d e m Christentum und seiner Negation entbrannt sei, er präge sich in keiner anderen Zeitung so aus wie in der „Kölnischen Zeitung", w ä h r e n d sie äußerlich aus Berechnung einen gewissen Anstand wahre. Dieser Kampf zwischen den beiden Zeitungen ist von der größten Bedeutung, denn er zeigt, daß außer der tiefen Kluft der Anschauungen der „ultramontane" Katholizismus, sich seiner Kraft bewußt, die Indifferenz ablehnt, den Kampf a u f n e h m e n und auch die Politik mit kirchlichem Geiste d u r c h dringen will. Die „Rhein- u. Moselzeitung" nennt selbst die B e d e u t u n g dieses Kampfes eine „äußerst wichtige" u n d bezeichnet es als „unklares W ä h n e n " , wenn man glaube, das Politische und Konfessionelle auseinanderhalten zu können. 3 ) D e r Streit weckte lebhaften Widerhall in den anderen Blättern, 4 ) und der T r i u m p h der „Rhein- u. Moselzeitung war groß, als der Papst den Contemporaneo-Artikel auf d a s ») ) 3 ) 4 ) 2

K. Z. Nr. 301, Rh.-Mz. 2 9 / 1 0 , Rh.-Mz. 12/11 Rh.-Mz. 18/11

2 8 / 1 0 47. 31/10, 5 / 1 1 47. 47, 6 / 1 48. 47.



104 —

schärfste mißbilligte. 1 ) Von jetzt an hörte die Polemik gegen die „Kölnische Zeitung" in der „Rhein- u. Moselzeitung" nicht mehr auf, sondern nahm nur noch ausgeprägtere Formen an, da sie in ihren politischen Anschauungen in einen immer schärferen Gegensatz gerieten. Für die „Rhein- u. Moselzeitung" ist die „Kölnische Zeitung" die Lobrednerin des Radikalismus, besonders während der Schweizer Wirren, 2 ) der Vollerbe der kommunistischen radikalen „Rheinischen Zeitung" mit ihrer verbissenen Wut gegen alles Katholische, mit ihrem tiefen und unversöhnlichen Haß gegen Christentum und Kirche. 3 ) Auch Prisac wandte sich wieder einmal in der „Rhein- u. Mosel'zeitung" gegen das indifferentistische Juste-Milieu der „Kölnischen Zeitung". Infolge der Entwicklung, welche die „Rhein- u. Moselzeitung" im Jahre 1848 nahm, erschien ihr die „radikale" „Kölnische Zeitung" des Jahres 1847 in etwas anderem Lichte, wurde ihr aber dadurch nur noch unsympathischer, da sich die preußische Regierung kaum ein ergebeneres Blatt wünschen könne als die „Kölnische Zeitung". 4 ) Als die Kölnerin sogar eine Protesterklärung gegen die Rückberufung des Prinzen von Preußen nicht aufnahm, da heißt es in der „Rhein- u. Moselzeitung" sehr pathetisch: „Wir werfen Dir vor, Kölnische Zeitung, daß Du seit längerer und besonders seit der jüngsten Zeit eine zweideutige Rolle spielst, wir werfen Dir vor, daß Du Deine Spalten vorzugsweise den Theorien der Rückschrittsmänner und den Loyalitätsadressen öffnest." N u r in kirchlicher und religiöser Beziehung, da habe die „Kölnische Zeitung" sich die radikalste und dissoluteste Gesinnung gewahrt; in Beziehung „auf Kabinettsinteressen ist sie korrupt-servil bei aller Freisinnigkeit mancher Phrasen". Die Beschuldigung reaktionärer Tendenzen war jetzt an der Tagesordnung, aus dem Erben der „Rheinischen Zeitung" im Jahre 1847 ist in den Augen der „Rheinu. Moselzeitung" der Erbe des „Rheinischen Beobachters" geworden. Sie versucht, nach Ansicht der „Rhein- u. MoselRh.-Mz. 3/11, 6 / 1 1 47. ) Rh.-Mz. 2 1 / 1 1 47, 2 7 / 1 48. *) Rh.-Mz. 8 / 1 2 47. *) Rh.-Mz. 2 6 / 4 48. 2



105



zeitung, die vom Volke gewählte N a t i o n a l v e r s a m m l u n g im Interesse der jeweiligen Minister ganz systematisch h e r a b z u setzen, fällt bei jeder Gelegenheit ü b e r die Linke, welche die Rechte des Volkes verteidige, mit den „ p l u m p s t e n " U n w a h r heiten zu Gunsten ihrer Schützlinge, der Minister, her, so daß die Kölnerin gleichzeitig ein Verräter an G l a u b e n wie an der Volksfreiheit g e w o r d e n ist. 1 ) U m so lebhafter bedauert es die „Rhein- u. Moselzeitung", daß diese „ S ä u g a m m e des Kölner Geldsackliberalismus" trotz alledem Z u w a c h s an A b o n n e n t e n b e k o m m e , daß die Zahl „der d u m m e n Tröpfe, welche ihre faulen W i n d eier u n d tauben Nüsse von Vierteljahr zu Vierteljahr mit zwei Talern preußischen Kurants pränumeriere, immer noch zunehme". 2 ) U n d wenn sie spottet, daß die „Kölnische Zeit u n g " den preußischen Adler n u r deshalb vom Papiere weglasse, 3 ) weil er ihr ins H e r z geflogen sei, so kann man mit Recht s a g e n : T e m p o r a m u t a n t u r ! D e r „Rhein- u. Moselzeitung" war allerdings ihr preußischer Adler v o m J a h r e 1843/44 nicht ins Herz geflogen. Ihr Verhältnis zur Regier u n g hatte sich immer m e h r verschlechtert. D a s f ü h r t u n s zu der Frage, welche Stellung ü b e r h a u p t die preußische R e g i e r u n g zu der „Rhein- u. Moselzeitung" e i n g e n o m m e n hat, welches Urteil sie ü b e r die Z e i t u n g u n d ihre so häufig wechselnde H a l t u n g fällt, u n d welche Mittel sie a n g e w a n d t hat, um ihr mißliebige T e n d e n z e n zu u n t e r drücken. V.

Kapitel.

Die Stellung der Regierung. Die „Rhein- u. Moselzeitung" hat wie die meisten damaligen Zeitungen eigentlich nie die Zufriedenheit der R e g i e r u n g zu e r w e r b e n g e w u ß t . W ä h r e n d der Geh.-Rat T z s c h o p p e — der bekannte D e m a g o g e n v e r f o l g e r , der seit dem J a h r e 1830 Mit>) Rh.-Mz. 1 8 / 7 48. ) Rh.-Mz. 2 8 / 7 48. 3 ) Was ihr in Berlin sehr verübelt wurde, d. deutschen Zeitungswesens III, 574 ff. J

vgl. L. Salomon Gesch.



106



glied des Oberzensur-Kollegiums war — schon im Oktober 1831 mit der Redaktion und Zensur der Zeitung nicht einverstanden war, 1 ) erkannte die Koblenzer Regierung — zwei Jahre später allerdings — wenigstens an, 2 ) daß das Blatt unter dem ersten Redakteur gut geschrieben gewesen sei. Braunfels, „der getaufte Jude", wurde der Regierung bald sehr verdächtig wegen seiner Beziehungen nach Frankfurt und dem Ausland und seiner Zugehörigkeit zur „ultraliberalen Partei". Der Zensor, Oberbürgermeister Mähler, ein „sehr -achtungswerter und durchaus gut und treugesinnter Mann", ließ es bei Ausübung des Zensoramts an dem „erforderlichen Takt" fehlen, sodaß ihm im Jahre 1834 die Zensorstelle genommen wurde. 3 ) Nachdem vorübergehend Regierungsrat Pauls und Assessor Haßlacher die Zensur geübt hatten, übernahm 1835 der spätere Regierungsrat Halm dieses dornenvolle Amt, das er bis zum Jahre 1848 fast immer zur .Zufriedenheit der Koblenzer Regierung, weniger zu der des Ministeriums geführt hat. Halm scheint ein anpassungsfähiger Mann gewesen zu sein,4) wenigstens klingen die Urteile verschiedener Oberpräsidenten immer gleich günstig über ihn. So berichtet Schaper, Halm sei durch die allgemeine Achtung, durch seine loyale, dem Gouvernement ergebene Gesinnung zu dem Amte vorzugsweise befähigt. 5 ) Halm war Katholik, und als die Zeitung im Jahre 1843 zu einem katholischen Blatte zu werden schien, wurde in der gegnerischen Presse bitter über die „quasi Preßfreiheit" geklagt, die der Zensor unverantwortlicherweise gewähre. In demselben Jahre wurde er auch zum Bezirkszensor „für juristische, politische, polizeiliche und staatswissenschaftliche Schriften" mit einem Gehalt von 100 Talern — als Lokalzensor bezog er 200 Taler — ernannt. 6 ) Der obenerwähnte Artikel über Karl X. im Jahre 1836, 2

) 3 ) 4 ) 5 ) 6 )

B. A. R. 77 LIV. C. Nr. 2, Vol. 1. C. A. Acc. 21/08, Tit. VII Sect. I Nr. 3805 a. B. A. R. 77 LIV. C. Nr. 2, Vol. 1. 11/4 1834. vgl. auch v. Petersdorff, Kleist-Retzow S. 241. B. A. R. 77, Tit. I. Nr. 26 Vol. 2. Schaper an Arnim 9 / 6 43. Über das Zensoramt vgl. Treitschke a. a. O. V, 196 ff.



107



d u r c h dessen Druckerlaubnis der Zensor einen „gänzlichen Mangel an Takt und Einsicht" gezeigt u n d sich ,,eine unverzeihliche Unachtsamkeit" hat zuschulden kommen lassen, f ü h r t e zu dem ersten ernsteren Konflikt mit der „Rhein- u. Moselzeitung"; denn der Minister v. Rochow war nicht gewillt, von einem unter preußischer Z e n s u r erscheinenden Blatte die Persönlichkeit des ,,unglücklichen, edelen Monarchen Karl X." und die königliche W ü r d e so angetastet zu sehen. 1 ) Der Oberpräsident von Bodelschwingh, der sich bemühte, durch „persönliche Einwirkung auf die Redaktion u n d d u r c h Bildung eines näheren Verhältnisses des Zensors zu derselben" die H a l t u n g der Zeitung zu beeinflussen, u n d d e r sämtliche in der Provinz erscheinenden Tagesblätter — 69 an der Zahl — zur Kontrolle teils selbst las, teils die Beamten seines Bureaus lesen ließ, hielt sich f ü r verpflichtet, auch die Presse gegen jede Zensurwillkür zu schützen u n d den Zensor Halm in Schutz zu nehmen, was ihm aber in diesem Falle im Ministerium g e r a d e nicht sehr günstig vermerkt wurde. 2 ) D r i m b o r n u n d Dr. Braunfels wurden vor die Polizei geladen, wo sie ein Protokoll /unterschreiben mußten, daß bei dem ersten Anlasse zur Unzufriedenheit Braunfels nicht n u r von der Redaktion der Zeitung entfernt, sondern ihm auch die Teilnahme an jedem anderen Blatte untersagt werden würde, D r i m b o r n aber die Entziehung der Erlaubnis der H e r a u s g a b e einer politischen Zeitung zu gewärtigen habe. 3 ) Diese energische Vorstellung scheint ihre W i r k u n g nicht verfehlt zu haben, d e n n erst im Jahre 1839 suchte Bodelschwingh eine Ä n d e r u n g der Redaktion herbeizuführen, als er den Einfluß der ultramontanen Partei fürchtete. 4 ) Auch Schaltenbrand war der Regierung sehr verdächtig, weil er in Belgien „als H a n d l a n g e r der Priesterpartei" aufgetreten sein sollte u n d sich in seinen Artikeln „eine Z u n e i g u n g zu dem revolutionären Belgien" bemerkbar machte. Seine Redaktion w u r d e daher auch n u r bedingungsweise g e n e h migt. Im J a h r e 1842 g a b die Koblenzer Regierung über die !) ) 3 ) ») 2

B. B. B. C.

A. A. A. A.

R. 77, LIV. R. 77, LIV. R. 77, LIV. Acc. 2 1 / 0 8

C. Nr. 2. Vol. C. Nr. 2. Vol. C. Nr. 2. Vol. Tit. VII. Sect I,

1. 2 / 1 2 1836. 1. 1 7 / 1 2 36. 1. 2 1 / 1 37, 8 / 2 37. Nr. 3805 a.



108



„Rhein- u. Moselzeitung" das Urteil a b : in politischen Dingen gemäßigt liberal, in religiösen Angelegenheiten ultramontan. Auf die von den „Ultramontanen" drohende G e f a h r machte der Zensor Saint Paul die preußische Regierung Anfang des Jahres 1843 aufmerksam, während Schaper noch im April behauptete, von einer „ultramontanen Tendenz" der „Rhein- u. Moselzeitung" könne nicht die Rede sein, 1 ) er wünsche die Zeitung erhalten zu sehen und Einfluß auf sie zu gewinnen, um in ihr geeignete Artikel zur weiteren Verbreitung gelangen zu lassen. Die Ausführungen Saint Pauls, des Zensors der „Rheinischen Zeitung" vom Januar bis März 1843, sind von großem Interesse. In keinem der preußischen Landesteile sei der herrschende Geist erfreulicher als in der Rheinprovinz. D e r Rheinländer sei allen radikalen Tendenzen entschieden abhold, und das Verlangen nach einer Konstitution finde bei ihm keinen Anklang, sondern er wünsche nur eine stetige Fortbildung der bestehenden Verfassung. Auch die französischen Sympathien schwänden mehr und mehr, und die Vorurteile gegen die altpreußischen Provinzen nähmen beständig ab. „ N u r von einer Seite ist man eifrig bemüht, diese günstige Disposition umzustimmen und die Annäherung an Preußen zu hintertreiben. Die Machinationen der ultramontanen Partei sind es allein, welche hier, wo die Massen, namentlich das Volk, noch sehr bigott sind, wahrhaft gefährlich werden können." Nach seiner Ansicht ist es ihr Bestreben, die Antipathien gegen Preußen zu wecken und zu stärken. „ D e r Kern der ultramontanen Lehre, wonach der Staat als rohe materielle Gewalt betrachtet und alles Verderben aus der Reformation als dem zweiten Sündenfall hergeleitet wird", finde sich in einem Aufsatze der „Rhein- u. Moselzeitung" über die Amtsentfernung B r u n o Bauers, der eine Paraphrase des Aufsatzes „Preßfreiheit in Deutschland" aus den Historisch politischen Blättern sei. 2 ) Sowohl der Geheime Rat im Ministerium des Innern, Bitter, wie die Minister selbst stimmten mit den Ansichten ») B. A. R. 77 LIV. C. Nr. 2. Vol. 1. Schaper an Arnim. 1 6 / 4 43. s ) B. A. R. 77 LIV. C. Nr. 2. Vol. 1. April 4 3 und R. 77, Tit. II R. 33, Vol. 3.



109



Saint Pauls überein, d e n n der O b e r p r ä s i d e n t Schaper w u r d e mit A n f ü h r u n g der A r g u m e n t e Saint Pauls auf die „ultram o n t a n e " T e n d e n z der Zeitung u n d die von dieser Seite d r o h e n d e G e f a h r a u f m e r k s a m gemacht. Damit ist auch die Stellung der preußischen Regierung zur ultramontanen Presse im allgemeinen g e g e b e n . Sie sollte auf jede Weise niedergehalten werden, „der E n t s t e h u n g eines solchen Blattes wird möglichst entgegenzuwirken sein", z u m a l da die ultramontane Partei auf eine Partikularisierung der Rheinprovinz hinstrebe u n d sich bald zu einer antinationalen u n d antigouvernementalen Partei entwickeln würde, die im Volke leicht infolge der religiösen A n s c h a u u n g e n Boden fassen könne. Der Minister von Arnim legte daher auch großen W e r t darauf, daß das Z e n s o r a m t der „Rhein- u. Moselzeitung" einem M a n n e anvertraut w ü r d e , der sowohl dem Bestreben, den Gegensatz zwischen Rheinprovinz u n d den übrigen Provinzen hervorzuheben, wie „ d e n gesetzwidrigen Ausschreitungen des religiösen Fanatismus auf kirchlichen wie auf staatlichen Gebieten" entg e g e n z u t r e t e n v e r m ö g e u n d die Z e n s u r d o c h „aus dem u n parteiischen S t a n d p u n k t e zwischen Katholizismus u n d P r o testantismus" zu ü b e n imstande sei. In den nächsten Jahren w u r d e n ja d a n n auch alle G e s u c h e um Konzessionierung einer katholischen Zeit u n g abgelehnt, mit d e r festen Formel, daß „kein Bed ü r f n i s zur V e r m e h r u n g der politischen Zeitungen vorhanden, und deshalb nach der B e s t i m m u n g der W i e n e r Konferenzbeschlüsse vom Jahre 1834 die Konzession u n z u lässig sei. Aus Anlaß der Koblenzer Petition im J a h r e 1843 bezeichnete Schaper die G r ü n d u n g eines Blattes, das sich V e r t e i d i g u n g der Interessen des G o u v e r n e m e n t s u n d J ( die namentlich des monarchischen Prinzips" zur Aufgabe stelle, zwar als äußerst wünschenswert, das sei jedoch von der projektierten Zeitung nicht zu erwarten. Es sei möglich, daß die Interessen des Staates wohl a b u n d zu in der Z e i t u n g vertreten w ü r d e n , aber n u r so lange, als sie mit den Interessen der katholischen Kirche übereinstimmten, im entgegengesetzten Falle aber w ü r d e die Polemik um so erbitterter sein, d a die M ä n n e r , die an der Spitze des U n t e r n e h m e n s ständen, fast alle zu der „exzentrischen, ultramontanen Richtung" ge-



110



hörten. 1 ) Und da in Schapers Augen fast alle rheinischen Blätter mehr oder weniger eine „katholische Färbung" haben, so war nach seiner Ansicht wirklich kein Bedürfnis vorhanden. Verhielt sich also der Oberpräsident hier völlig ablehnend, so riet er bei der Petition aus Trier im Jahre 1844 um Aufhebung des Verbots der Historisch-politischen Blätter weder ab noch zu. Der Minister von Arnim sprach sich aber gegen die Aufhebung aus, da die Historisch-politischen Blätter ihren Charakter sowie ihre preußenfeindliche Tendenz seit dem Verbote nicht geändert hätten, und der Redaktion daher das zur Wiederzulassung des Blattes erforderliche Vertrauen nicht geschenkt werden könne. 2 ) Allmählich sah jedoch die preußische Regierung ein, daß sie die Forderung der Katholiken nicht mehr einfach ablehnen könne, das beweist das Entgegenkommen des Ministers von Bodelschwingh im Jahre 1845 bei der Trierer Petition 3 ) — der es f ü r ersprießlich hielt, daß eine Zeitung konzessioniert werde, die in einem der Regier u n g ergebenen Sinne redigiert, zugleich der religiösen Überzeugung „verständiger, konfessionstreuer Katholiken genügen würde" — und das Zeitungsprojekt des Jahres 1846.*) Daß die „Rhein- u. Moselzeitung" bei diesen Ansichten der Regierung lebhaften Anlaß zu Klagen gab, ist selbstverständlich. Neben der oft „leidenschaftlichen kirchlichen und politischen Polemik" tadelte sie besonders die „wenngleich in der Regel versteckte, aber zuweilen sehr gehässige Opposition". Infolgedessen war auch Schaper im Jahre 1845 nicht abgeneigt, dem „Koblenzer Anzeiger" — um dessen Herausgabe sich Hergt auch beworben hatte — die Mitteilung von Tagesereignissen zu gestatten, weil es ihm bei der feindlichen Tendenz der „Rhein- u. Moselzeitung" erforderlich schien, „dem nachteiligen Einfluß dieses Blattes in jeder zulässigen Weise zu hemmen", und dieses könne nicht wirksamer geschehen, als wenn die Verbreitung des „Koblenzer Anzeigers" !) 2 ) die er könne. 3 ) 4 )

B. A. R. 77 II Spec. C. 49 Schaper an Arnim 30/7 43. Zugleich wurde Schaper auf zwei Artikel aufmerksam gemacht, auf sich bei evtl. Reklamationen von Landtagsabgeordneten beziehen s. o. Kap. I S. 21. Auf das ich unten im Zusammenhang näher eingehen werde.



111



b e f ö r d e r t v e r d e . 1 ) Die vielen Rekurse an das O b e r z e n s u r gericht, das oft Artikel wegen V e r d ä c h t i g u n g der Regierung und gehässiger V e r u n g l i m p f u n g der evangelischen Kirche zurückwies, zeigen, daß es an Z u s a m m e n s t ö ß e n auch mit dem. Zensor Halm nicht gefehlt hat. Zu A n f a n g des Jahres 1846 erschien Hergt sogar vor dem Zuchtpolizeigericht wegen Z e n s u r v e r g e h e n , weil er durch den auffallend g r o ß e n leeren Raum am Schlüsse der Zeitung , , A n d e u t u n g e n von durch die Zensur v o r g e n o m m e n e n V e r ä n d e r u n g e n " g e m a c h t haben sollte. Die Staatsbehörde beantragte eine G e l d b u ß e von zehn Talern und Ü b e r w e i s u n g der Kosten. H e r g t w u r d e jedoch in zwei V e r h a n d l u n g e n freigesprochen.-') Ü b e r h a u p t erreichte gewöhnlich die Regierung bei diesen Prozessen gerade das Gegenteil, so daß sich z. B. der Koblenzer O b e r p r o k u r a t o r v. Runkel im Jahre 1849 einfach weigerte, gegen die „Rheinu. Moselzeitung" vorzugehen, da er die F r e i s p r e c h u n g der Verfasser oder der Verleger im Interesse der Regierung zu vermeiden wünschte. Das ungünstige Urteil der Regierung w u r d e natürlich, mit der Steigerung des Preußenhasses, den die Zeitung offenbarte, i m m e r m e h r verschärft. Ihre im „höchsten Maße schlechte u n d preußenfeindliche Richtung", die sie „zur eigenen S c h a n d e der Tagespresse verfolgte", u n d die sie auch unter Rotteis im Jahre 1849 nicht aufgab, der nach Aussage des Oberpräsidenten Eichmann unter der schwarz-gelben u n d ultramontanen Fahne focht, u n d bei dem von Anhänglichkeit an das G o u v e r n e m e n t trotz seiner Reden von Legitimität keine Rede sein könne, 3 ) f ü h r t e dann schließlich zur E n t z i e h u n g des Postdebits, eine Maßregel, die e b e n s o sicher wirkte wie ein V e r b o t . Solche Mittel konnte das G o u v e r n e m e n t jedoch n u r ausnahmsweise anwenden, da sie in der B e v ö l k e r u n g große Aufr e g u n g u n d V e r s t i m m u n g hervorrufen m u ß t e n ; auch war sich die R e g i e r u n g über die B e d e u t u n g u n d den Einfluß, den die Tagespresse auf die öffentliche M e i n u n g ausübt, wohl im, klaren u n d suchte infolgedessen eher Mittel u n d Wege, auf ') B. A. R. 77 II Spec. C. 40, Schaper an Arnim 1 6 / 6 45. ') C. A. Acc. 2 1 / 0 8 Tit. VII. Sect I Nr. 3805 a. 3 ) B. A. R. 77 LIV. C. 2. Vol. I 2 2 / 1 1 49, 6 / 1 2 49.



112

-

•die Zeitungen ihren Einfluß möglichst geltend zu machen. Von diesem Gesichtspunkte aus war es ihr lieb, die Zeitung in der Hand eines Privatmannes zu sehen, auf den eine direkte Einwirkung leichter möglich war. Im März 1843 wurde von Arnim und den beiden anderen Zensurministern ein .Schreiben an Schaper abgefaßt — das jedoch zunächst nicht abgeschickt wurde, da eine „solche Provokation erst bei etwaigen ultramontanen Tendenzen ratsam sein möchte" —, in dem es ausdrücklich heißt, daß die Regierung die Konzession zur G r ü n d u n g einer Zeitung nur einer bestimmten Person gewähren würde, da die dem Wechsel der Personen und Tendenzen unterworfenen Verhältnisse einer Gesellschaft nicht hinreichende Garantie dafür böten, daß die Redaktion, wenngleich für den Anfang zweckmäßig geordnet, in der Folge nicht in Hände gerate, denen sie im öffentlichen Interesse nicht füglich anvertraut bleiben könne, wie es ja die „Rheinische Zeitung" bewiesen habe. 1 ) Umgekehrt wäre es richtig. Ein Mann, wie Hergt z. B., dem es bei dem ganzen Unternehmen nur um den materiellen Gewinn zu tun war, und der mit pekuniären Schwierigkeiten zu kämpfen hatte, war den Angeboten der Regierung leichter zugänglich. Der beste Beweis dafür ist die Redaktion Melzers, und mit Recht wird in den Historisch-politischen Blättern darauf hingewiesen, 2 ) daß Hergt absolut keine Gewähr biete, daß nicht eines Tages die „Rhein- u. Moselzeitung" wieder in das Fahrwasser von 1843/44 zurückkehre. Selbst wenn das Ministerium nicht direkt die Hand bei diesem Redaktionswechsel im Spiel gehabt hat, so sicher doch Schaper; der Beweis ist die Unterstützung Hergts von Seiten der Regierung, die im J a h r e 1844 — also wahrscheinlich mit dem Ausscheiden Melzers — aufhörte. Ein Darlehen von 500 Talern wurde sogar erst im Jahre 1850 eingetrieben, bis dahin hatte die Regierung anscheinend immer noch gehofft, die Zeitung in andere Bahnen lenken zu können. Eigentümlich dagegen ist die Stellung der Berliner Regier u n g gegenüber dem Vorschlage des Landrats v. Möller 3 ) am B. A. R. 77 II Spec. C. 45. ) Hist. pol. Bl. 1845 Bd. 16 Heft 6. 3 ) Später Oberpräsident und Chef der Elsaß-Lothring. Verwaltung. 2



113



Ende des Jahres 1843, die „Rhein-u. Moselzeitung" zu einem gouvernementalen Blatte umzugestalten. Möller hatte einen gewissen Dr. phil. Weißbrodt veranlaßt, von Frankfurt a. M. nach Berlin zu gehen, um mit dem Geheimrat Sulzer über die Sache zu verhandeln. Im Februar 1844 entwickelte er sein Projekt, aber Sulzer brach die Unterhandlungen ab, „da die Verhältnisse der „Rhein- u. Moselzeitung" kein sicheres Urteil darüber gestatteten, ob und wann ein Wechsel der Redaktion eintreten werde". 1 ) Diese Antwort ist nur so auszulegen und zu verstehen, daß die Regierung die Unterstützung der „Rhein- u. Moselzeitung" geheimhalten und keineswegs die V e r m u t u n g aufkommen lassen wollte, als ob sie in irgend einer Beziehung zur Zeitung stehe, wie es in Koblenzer Kreisen allgemein angenommen wurde. 2 ) Auch im Jahre 1846 wurde in der Presse behauptet, 3 ) Geheimrat Brüggemann habe nach Scheitern seines Zeitungsprojektes mit der „Rhein- u. Moselzeitung" einen Kontrakt abgeschlossen, ihr einen Korrespondenten im Sinne der Interessen der Staatsregierung zu stellen. Als eine Bekräftigung dieser Behauptung könnte das Lob des „Rheinischen Beobachters" angesehen werden, der zu Anfang des Jahres 1847 den Berliner Korrespondenten der „Rheinu. Moselzeitung" als den „Schwan unter den Raben" bezeichnet und es für sehr erfreulich hielt, wenn die Gesinnung dieses Korrespondenten zugleich die eigentliche Tendenz des Blattes ausmache, was aber leider bisher nicht der Fall sei.4) Wahrscheinlich behalte die „Rhein- u. Moselzeitung" den Korrespondenten nur „aus bekannten Rücksichten gegen das Gouvernement" bei. Die eigentliche Tendenz eines Blattes muß aber notgedrungen sehr leiden, wenn fortgesetzt Versuche von verschiedenen Seiten gemacht werden und gemacht werden können, das Blatt zu gewinnen. Die „Rhein- u. Moselzeitung" ist das beste Beispiel. Der scharfe Frontwechsel des Jahres 1843/44 wäre beinahe schon im Jahre 1840 eingetreten. Nachdem noch Mitte des Jahres 1839 das Blatt sich den ener-

8



114



gischen Tadel der Regierung zugezogen hatte wegen seiner „ultramontanen und antivaterländischen Haltung", heißt es im November, daß mit dem Jahre 1840 ein Mann die Redaktion übernehmen wolle, von dem die Regierung sogar fürchtete, daß er weiter gehe in seinen „Folgerungen und Räsonnements, als es der Staat wünschen kann". Es handelte sich um den „Sachsen-Weimarschen Regierungsrat und Schriftsteller" Alexander Müller, bis dahin Redakteur der in Karlsruhe erscheinenden allgemeinen Staatszeitung, der in zwei Schriften über den „Erzbischof von Köln" und „Febronius" die römische Kurie selbst f ü r den Begriff der preußischen Regierung zu scharf und leidenschaftlich angegriffen hatte. Er würde wahrscheinlich die Redaktion in etwas anderem Sinne geleitet haben als sein Vorgänger! Im November 1849, nachdem also die Zeitung sich jahrelang in der heftigsten Opposition gegen die preußische Regier u n g befunden hatte, stellte Hergt an den Koblenzer Regierungspräsidenten v. Massenbach bei dem Redaktionswechsel,, d. h. dem Wiedereintritt von Rotteis, das Ansinnen, die Regierung möge sich der Zeitung annehmen und ihn unterstützen. Diese Bitte wurde allerdings „unter mahnender Erinnerung an die noch unentrichtete Schuld von 500 Talern und unter ernstem Vorhalte seiner Undankbarkeit selbstredend zurückgewiesen". Hiervon könne erst die Rede sein, wenn, die „Rhein- u. Moselzeitung" sich während einer längeren. Periode als tüchtig und loyal bewiesen habe. Jedenfalls wollte Massenbach versuchen, f ü r das Interesse der Regierung Boden in der Zeitung zu gewinnen. 1 ) Es ist daher auch weiter gar nicht erstaunlich, daß es. im Oktober 1850 einem gewissen Dr. Schubert „infolge eines fast vierzehntägigen Aufenthaltes in Koblenz" gelang, Hergt zu bewegen, sein Blatt, „wenn ihm die nötige Unterstützung zuteil werde, in ein Organ der preußischen Politik zu konvertieren". Jetzt sollte die Zeitung den Beweis liefern, daß man zugleich ein guter preußischer Patriot und ein streng gläubig gesinnter Katholik sein könne, aber die Regierung wies das ») B. A. R. 77. LIV. C. Nr. 2. Minister von Manteuffel 22/11 49.

Vol. 1. Massenbach an

den



115



Ansinnen zurück, sie traute Hergt nicht mehr recht, was ja auch von ihrem Standpunkte aus wohl verständlich war.) 1 Da es der Regierung nicht gelingen wollte, dauernden Einfluß auf irgend eine Zeitung zu gewinnen, weil sich der freiheitsliebende Rheinländer gegen diese Art von Bevorm u n d u n g auflehnte und die Zeitungen, die etwas nach Regierung aussahen, mied, so mußte das Gouvernement auf andere Weise versuchen, gegen die „schlechte" Presse 2 ) ein Gegengewicht zu schaffen. Es unternahm, selbst Zeitungen zu gründen. Schon Saint Paul hatte in seinen Berichten darauf hingewiesen, 3 ) daß ein Grund zur Erhaltung der „Rheinischen Zeitung" darin liegen könne, den „meneen des Ultramontanismus" in einem im protestantischen Sinne redigierten Blatte das Gegengewicht zu halten, und Ende März glaubte er versichern zu können, daß es ihm beim Fortbestehen der „Rheinischen Zeitung" in kurzer Zeit gelingen würde, positiven Einfluß auf dieselbe und ihre Tendenz zu gewinnen und sie zu einem regierungsfreundlichen Blatte umzugestalten, das in gemäßigter Weise das protestantische Prinzip gegen den wachsenden Ultramontanismus geltend machen solle. Das Experiment mit der „Rheinischen Zeitung" erschien jedoch der Regierung zu gewagt, aber sie gab dem Oberpräsidenten Schaper gegenüber zu erkennen, daß sie die Entstehung eines Blattes in Köln — als dem Mittelpunkte des rheinischen literarischen Lebens — das, o h n e die verwerfliche und radikal oppositionelle Richtung der „Rheinischen Zeitung" einzuschlagen, den „hierarchischen und partikularisierenden Absichten" der Ultramontanen entgegentreten wolle, sehr begrüßen und ihm Vorschub leisten würde. Die Farbe des Blattes brauche unter den obwaltenden Umständen nicht ein!) B. A. R. 77 LIV. C Nr. 2. Vol 2. 22/10 u. 31/10 1850. *) In Berlin unterschied man nämlich zwischen „guter" und „schlechter" Presse, eine Unterscheidung, die in den 40er Jahren zun» Schlagwort wurde. Die gute Presse war die konservative, regierungsfreundliche, während die liberalen Blätter eo ipso der schlechten Presse zugezählt wurden. «) B. A. R. 77 LIV. C. Nr. 2. Vol. 1. März 43 u. R. 77 II R. Nr. 33 Vol. 3.

8*



116



mal gouvernemental zu sein, wenn die Zeitung sich nur als ein patriotisches Blatt bewähre, das „die Interessen der Rheinprovinz im Licht ihrer Verbindung mit dem gesamten Staate" geltend mache. 1 ) Da „die Zügellosigkeit" der rheinischen Presse immer mehr zunahm und das gewünschte Blatt nicht entstehen wollte, so regte der Minister Eichhorn, der der Presse ein besonders großes Interesse entgegenbrachte und die verschiedensten Wege einschlug, sie zu beeinflussen, die Gründung des „Rheinischen Beobachters" 2 ) an. Schon im Dezember des Jahres 1842 hatte sich der Minister an den Kurator der Universität Bonn gewandt wegen regelmäßiger an die Dumont-Schaubergsche Zeitung zu sendender Artikel, wodurch „in Ermangelung eines eigentümlichen Organs" den verderblichen Tendenzen der Tagespresse entgegengewirkt werden sollte. Der Bonner Historiker Loebell erklärte sich zur Übernahme des Amtes gerne bereit, und Eichhorn bat den Minister des Innern um geeignete Nachrichten aus seinem Ressort an Loebell. Dumont selbst gegenüber sollte aber die Sache als rein von Professor Loebell ausgehend erscheinen, weil jener jeden Schein einer „Abhängigkeit seines Blattes von der Regierung als für seine Popularität gefährlich halten würde". s ) Auch späterhin scheint der Minister Eichhorn Schritte in diesem Sinne getan zu haben, wenigstens spricht die „Rhein- u. Moselzeitung" von einer „amtlichen und dringenden Ermahnung" des Ministers an die juristischen Professoren in Bonn, sich der publizistischen Tätigkeit nicht fern zu halten. 4 ) Er nahm dann den „Rheinischen Beobachter", für den er in dem Professor Bercht einen geeigneten Redakteur gefunden zu haben glaubte, unter seine Fittiche und auf seinen Etat. Aber das Unternehmen wollte gar nicht gedeihen sondern rief einen Sturm sämtlicher rheinischen Blätter gegen das „Regierungsblatt" hervor. Als der Oberpräsident Schaper beantragte, daß die Redaktion des „Rheinischen B. A. R. 77 LIV. C. Nr. 2. Vol. 1. 30/4 43. ) Hansen, a. a. O. I, 361. ' ) B. A. R. 77 LIV. D. 3 Vol. 1 fol. 20 ff, vgl. Affaire Hermes i. J. 1845. ') Rh.-Mz. 1/10 1843. J



117



Beobachters" veranlaßt werden möge, sich künftighin in kirchlichen Angelegenheiten ganz farblos und neutral zu verhalten, wies der Minister Eichhorn den Vorwurf, daß der „Beobachter" durch seine Angriffe auf den „Ultramontanistnus" und die katholische Kirche m e h r schade als nütze, als unbegründet zurück. Bercht habe in konfessioneller Hinsicht den Standpunkt des preußischen Staates eingenommen. D e r „Rheinische Beobachter" suche der Politik des „Ultramontanismus" entgegenzutreten, indem er bei jeder Gelegenheit auf den Unterschied zwischen der katholischen Kirche nach ihrem, von dem Tridentiner Konzil festgestellten, dogmatischen Gehalte und ihrer hierarchischen Ordnung und der katholischen Kirche des kurialistischen Systems und der jesuitischen Tendenz aufmerksam mache. Aber Angriffe auf den Kultus der katholischen Kirche und ihre Gebräudhe habe er nie gemacht, 30 habe er sich in der Trierer Wallfahrtsgelegenheit zurückgehalten. 1 ) Im Ministerium des Innern war man jedoch mit dem Blatte wenig zufrieden, man hielt es anscheinend wegen seines protestantischen Charakters für vollkommen verfehlt, und im J a h r e 1846 äußerte sich Geheimrat Sulzer dahin, daß man in der Rheinprovinz ein gouvernementales katholisches Blatt hätte gründen müssen,*) ebenso wünschte auch Bodelschwingh im Jahre 1847, falls der „Beobachter" weiter bestehen solle, einen katholischen Redakteur, und zwar einen Rheinländer. Doch es blieb alles beim alten, bis mit dem Ausbruch der Revolution der „Beobachter", der sein Leben immer nur kümmerlich gefristet hatte, sofort einging. War es mit einer gouvernementalen und protestantischen Zeitung nichts, so tauchte der Plan auf, ein katholisches Blatt mit regierungsfreundlicher Tendenz in Köln zu gründen. E s war ein großes Doppelunternehmen geplant, an dessen Spitze der Geheimrat Brüggemann aus dem Kultusministerium stand. 3 ) Die eine Zeitung, vorzugsweise für den evangelischen l

) B. A. R. 77, II Litt. R. 5 7 .

•) B. A. R. 77 II R. 57 1 7 / 3 4 6 . ' ) Beteiligt waren außerdem der Oeheimrat Kortum, Obertribunalrat Ulrich, Oeh. Med. Rat Lichtenstein, Oberbibliothekar Pertz und die Professoren Lachmann und Stahl.



118



Teil der Bevölkerung bestimmt, sollte in Berlin, die andere „katholische" Zeitung ursprünglich in Düsseldorf dann aber in Köln erscheinen, zugleich war die G r ü n d u n g eines deutschen Preßvereins geplant zwecks Schaffung und Unterstützung neuer resp. bestehender Blätter, Heranziehung junger Publizisten und besonders auch, um das neue Unternehmen zu stützen. Als Redakteur des Berliner Blattes, das den Titel „Deutsche Zeitung" führen sollte, 1 ) war der Professor Lohbauer aus Bern ausersehen. Der Minister von Bodelschwingh war von der Trefflichkeit des neuen Unternehmens ganz überzeugt, und auch der König brachte dem Projekte lebhaftes Interesse entgegen. 2 ) Die Konzession f ü r die Zeitungen wurde daher freudig erteilt. Für die beiden Blätter war ein großes allgemein gefaßtes Programm abgefaßt, und im Juli kam Brüggemann nach Köln, um die Verhandlungen anzuknüpfen und das nötige Kapital zusammenzubringen. Er wandte sich an die einflußreichen, katholisch gesinnten Männer, ohne jedoch großes Entgegenkommen für seinen Plan zu finden. Der Name des Redakteurs, Dr. W. Junkmann, flößte den rheinischen Katholiken zwar Vertrauen ein, es schlug jedoch ins Gegenteil um, als man das Programm zu Gesicht bekam und von dem Parallelunternehmen in Berlin hörte. Das Programm fuße ganz und gar auf protestantischem Boden und verkünde die Lehre von der Omnipotenz des Polizeistaates, heißt es in den Historisch-politischen Blättern. 3 ) Das „Rheinische Kirchenblatt" will die „Beleidigung der Katholiken" übergehen, die man zu einer so großen Dumm-

*) Dieser Name ruft die Erinnerung an ein Regierungsprojekt aus dem Jahre 1842 wach, wo in Berlin vor allem auf Betreiben Eichhorns eine „Deutsche Zeitung" gegründet werden sollte, die ohne einseitiger Lobpreiser jeder Regierungsmaßregel zu sein, vielmehr unabhängig und selbständig sein sollte, wenn sie nur für die allgemeinen Interessen Preußens und die Orundanschauungen der Regierung eintreten würde. Redakteur sollte Dahlmann werden, doch war damals das Unternehmen an seiner Forderung völliger Zensurfreiheit, die die Regierung nicht gestatten zu können glaubte, gescheitert. Springer, Dahlmann II, S. 117 ff. 2

) B A. R. 77 Tit. LIV D. nr. 4.

») Histor. pol. Bl. Sept. 1846.



119



heit zu verleiten gedacht habe. 1 ) Aber ein G u t e s hat die Sache in den Augen der rheinischen Katholiken d o c h . Endlich habe die preußische Regierung das Bedürfnis einer in katholischem Sinne redigierten Zeitung anerkannt. 2 ) Am schärfsten griff Rotteis das P r o g r a m m in seiner Zeitschrift an. 3 ) Ü b e r h a u p t w u r d e der Plan auch in den Tagesblättern sehr eingehend diskutiert 4 ) u n d alle möglichen V e r m u t u n g e n angestellt; einmal ist B r ü g g e m a n n ein Erzkatholik, ein andermal ein Erzhermesianer. Das Blatt solle o h n e Z e n s u r erscheinen, als ein Versuch, o b man sie entbehren k ö n n e 5 ) u. a. m. Interessant ist, daß der „Rheinische Beobachter" r u h i g fortbestehen sollte, er g a b der neuen Zeitung denn auch eine Anweisung, wie sie sich zu b e n e h m e n habe, wenn sie in Frieden miteina n d e r a u s k o m m e n wollten. 6 ) Die „Elberfelder Zeitung" schließlich sah in diesem Plane einen n e u e n Beweis der „Verb r ü d e r u n g des klerikalen Ultramontanismus" u n d des „mittelalterlichen Aristokratismus" in Rheinland u n d Westfalen, der die „Kölnische Zeitung" zwinge, endlich F a r b e zu bekennen u n d sich zu entscheiden zwischen „ u l t r a m o n t a n e m " u n d liberalem Katholizismus. 7 ) Dieser Plan der Regierung m u ß t e scheitern, d e n n e r krankte an inneren Widersprüchen. 8 ) Anstatt den katholischen Rheinländern die G r ü n d u n g einer Z e i t u n g selbst zu überlassen, suchte man vermittelnde W e g e einzuschlagen, die n u r geeignet sein konnten, das bestehende Mißtrauen zu verg r ö ß e r n . Die Früchte dieser systematischen N i e d e r h a l t u n g der katholischen Presse sollte das J a h r 1848 zeigen.

Rh. Kirchenbl. Nr. 9. Sept. 46. ) Katholik 1 9 / 7 46. 3 ) Kritische Bl. 1846, 11, 363 ff, w o es ganz mitgeteilt ist. *) vgl. Tr. Z. 30/7, 6 / 8 , 19/8 46. 5 ) E. Z. 6 / 8 46. •) Rh. Beob. 1/8 46. ') E. Z 2 4 / 7 46. 8 ) vgl. auch Hfülf a. a. O. II, 309 ff und Bachem a. a. O. 314 ff. Eine „Deutsche Zeitung" trat bekanntlich am 1 / 7 47 in Heidelberg, aber als Organ der gemäßigten deutschen liberalen Partei, ins Leben, vgl. Hansen a. a. O. 1, 492 ff. 2

— VI.

120



Kapitel.

Die sonstige katholische Presse der Rheinlande in den 40 er Jahren. W i e sich die „ U l t r a m o n t a n e n " in Koblenz infolge d e s Widerstandes der Regierung veranlaßt sahen, ihren Einfluß auf die bestehende „Rhein- u. Moselzeitung" gelend zu machen, so w u r d e n auch bei anderen Tagesblättern V e r s u c h e gemacht, in katholischem Sinne auf sie einzuwirken. V o m November 1844 a b b e g a n n die bis dahin liberale „Düsseldorfer Zeitung" ihre Spalten hin u n d wieder den katholischen Interessen zu ö f f n e n , o h n e jedoch als „katholisches Blatt" •wie die „ R h e i n - u . Moselzeitung" bezeichnet w e r d e n zu k ö n n e n . Die Z e i t u n g beeilte sich, „ihrer christlich katholischen allergetreuesten Schwester zu Koblenz die H a n d zu reichen u n d mit der L u x e m b u r g e r i n im Bunde, jeden Fleck von Akatholizität von sich abzuwaschen". 1 ) Sie stellte die Fortsetzung von E u g è n e S u e s „ E w i g e m Juden", der in katholischen Kreisen starken Anstoß erregte, 2 ) u n d über den die Geistlichkeit von d e r Kanzel d a s Anathema a u s g e s p r o c h e n hatte, 3 ) ein. Die „zeitweise B e s s e r u n g " hielt jedoch nicht an, denn die „Düsseldorfer Zeitung" verwahrte sich ausdrücklich dagegen, daß sie einen konfessionellen S t a n d p u n k t vertrete, u n d stellte sich vielm e h r auf den Boden der Moral. 4 ) Mitte des Jahres 1845 neigte sie sich jedoch von n e u e m wieder m e h r der katholischen Richtung zu, 5 ) u n d bald darauf fängt die Polemik der „Elberfelder Zeitung" an. G ) So oft der ultramontane Hierarchismus einen d u m m e n Streich mache, könne er sicher darauf rechnen, daß die „ D ü s s e l d o r f e r Zeitung" ihn verteidige u n d durch ihre Verteidigung seine Sache in den Augen der Leser ganz z u g r u n d e richte. Die Z e i t u n g suchte eine gewisse Mitte zu wahren, doch 2

) ') *) ") •)

E. Z. 9 / 1 1 44. Rheinisches Kirchenbiatt 1844 S. 781. E. Z. 3 0 / 1 1 4 4 . D. Z. 2 2 / 1 2 4 4 vgl. Rh. K. Bl. 1845 S. 25. E. Z. 2 4 / 5 , 3 / 9 45. E. Z. 2 5 / 2 , 1 8 / 3 , 1 7 / 4 46.



121



wurde in katholischen Kreisen darüber geklagt, daß der Redaktion der „gehörige Takt" in der Aufnahme und der Auswahl fremder Artikel fehle, so daß sie oft den Anschein einer f ü r lichtfreundliche und rationalistische Zwecke geschriebenen Zeitung erwecke. Sie blieb ohne größeren Einfluß, im Jahre 1847 brachte sie z. B. über den Landtag — anscheinend infolge von Schwierigkeiten mit der Zensur 1 ) — keine Artikel mehr, nachdem sie bei dem Bekanntwerden des Patentes statt beratender zustimmende Stände verlangt hatte, 2 ) und auch in diesem Jahre lehnte sie es ausdrücklich ab, ein katholisches Parteiblatt zu sein. Dagegen entstand im Jahre 1844 eine Zeitung, zwar nicht in der Rheinprovinz sondern in Luxemburg, die aber von größtem Interesse für das Verständnis der „ultramontanen Bewegung" in den Rheinlanden ist und als ein ausgesprochen rheinisches Blatt anzusehen ist. Unter den bestehenden Verhältnissen nimmt es kein W u n der, daß die Katholiken Mittel und Wege suchten, doch irgendwie ihre Meinung zur Geltung zu bringen und die Schwierigkeiten zu überwinden. Als ein solcher Versuch ist die G r ü n d u n g der „Luxemburger Zeitung" im Jahre 1844 anzusehen, die, wie aus dem Projekt hervorgeht, ins Leben gerufen wurde als Gegenwirkung gegen die „Trier'sche Zeitung", mit der Absicht, sie sobald wie möglich nach Trier selbst zu verlegen. 3 ) Man hoffte wahrscheinlich, f ü r eine schon bestehende katholische Zeitung eher die Erlaubnis zu bekommen, in Preußen zu erscheinen, als für die G r ü n d u n g einer neuen Zeitung, eine Hoffnung, die sich als irrig erwies. Der Minister v. Arnim lehnte das Gesuch vom November 1844 um Verlegung der Zeitung nach Trier, das zu Anfang l ) Als die Zensur im März 1848 aufgehoben wurde erklärte sie ihr Verhalten. Sie habe auf die Besprechung des vereinigten Landtages verzichtet, da die Zensur doch kein offenes Wort gestattet habe. *) D. Z. 16/2 47 vgl. auch Hemmerle: Die Rheinländer und die preußische Verfassungsfrage auf dem ersten vereinigten Landtage 1847. Bonn 1912. 3 ) Siehe E. Grégoire: Impuissance d'une constitution pour protéger le droit contre une administration, disposant de la censure et des tribunaux. Nancy chez Melle Gonet 1845 p. 22, zitiert in Blum.



122



des Jahres 1845 durch eine große Petition „von katholischen Geistlichen und Bürgern der Stadt Trier" unterstützt wurde, ab. 1 ) In Luxemburg bestanden bis zum Jahre 1844 zwei Zeitungen, das „Diekircher Wochenblatt" 2 ) (1838—48), in religiöser Hinsicht farblos aber hier und da liberal angehaucht, und der „Courrier du grand duché de Luxembourg", der vom Jahre 1826 bis Juli 1844 unter dem Titel „Le journal de la ville et du grand duché" erschienen war und zweimal wöchentlich herausgegeben wurde. 3 ) Schon bei der Ankündigung der „Luxemburger Zeitung" wurde Lärm geschlagen. Der Redakteur des „journal de la ville" denunzierte die „Luxemburger Zeitung" „comme la continuation des publications faites à Sittard, et qui avaient été prohibées dans les Etats prussiens". 4 ) Das Blatt sollte täglich erscheinen, die Sonn- und Feiertage ausgenommen, erschien aber zuerst vom 1. Juli 1844 bis 1. Januar 1845 — und zwar „wegen einer gehässigen Denunziation", die das Unternehmen in Gefahr bringen könne — nur dreimal wöchentlich in Klein-Folio-Format. Das Abonnement betrug in Luxemburg drei Gulden, in Preußen 1 Taler 15 Sgr. vierteljährlich, doch mußte die Redaktion vom Februar 1845 ab den Abonnentenpreis auf 2 Taler 15 Sgr. erhöhen. Als Redakteur zeichnete zuerst F. Zucker, ehemaliger preußischer Artillerieoffizier, der jedoch bald heimlich die Stadt Schulden halber verließ, dann vom 9. Oktober ab E. Grégoire, 5 ) dem als Hauptmitarbeiter der preußische Regierungsreferendar a. D. Rintel zur Seite stand, der fast alle bedeutenderen Artikel verfaßt hat. Karl Gustav Nicolaus Rintel (1809—1854) war ursprünglich jüdischer Konfession, dann Protestant, bis er im Jahre B. A. R. 77 Tit. II Spec. L. 61. ) Martin B l u m : Geschichtlicher Rückblick auf die im Großherzogtum Luxemburg erschienenen Zeitungen und Zeitschriften. S. 6 3 ff. 3 ) vgl. Blum, a. a. O. S. 127 ff. 4 ) Grégoire a a. O. p 22 f. 6 ) vgl. Karl Möller a. a. O. II, 196 ff. Grégoire war Franzose von Geburt. Im Jahre 1831 wurde er, Oberst in der belgischen Armee, als Anstifter der Orangistischen Verschwörung in Gent verurteilt. Die deutsche Sprache scheint er gar nicht beherrscht zu haben. 2



123 —

1839 zur katholischen Kirche übertrat. Noch als Protestant ergriff er in einer Schrift für den Kölner Erzbischof Partei. Infolge der Behauptung, daß der Verfasser Katholik sei und ein Betrug katholischerseits vorliege, gab er sich als Verfasser zu erkennen. Er wurde unter Verlust der Nationalkokarde zu einem Jahr Festung verurteilt, aber im Jahre 1841 vom König begnadigt. 1 ) Mitte Juni 1845 wurde die „Luxemburger Zeitung" wegen „Preßvergehens und andauernden Aufenthalts des Redakteurs Grégoire in Frankreich" von der Luxemburger Regierung unterdrückt. 2 ) Zwar wurde die Fortsetzung der Zeitung, 3 ) die sich von nun an etwas mehr mit den Luxemburger Interessen beschäftigen sollte, unter der Redaktion Rintels angekündigt, aber das Projekt scheiterte. Erst im Jahre 1848 entstand eine zweite katholische Zeitung, „Das Luxemburger Wort", unter der Redaktion des ehemaligen Sekretärs des Erzbischofs Droste-Vischering, Ed. Michelis, Professors am Luxemburger Priesterseminar. Der apostolische Vikar Laurent scheint der geistige Vater der „Luxemburger Zeitung" gewesen zu sein, wenigstens berichtete Schaper, daß die Zeitung unter dessen Auspizien ins Leben getreten sei.4) Laurent hat überhaupt eine große Tätigkeit für das Deutschtum in Luxemburg entfaltet. Die „Luxemburger Zeitung" brachte z. B. eine Reihe von Artikeln gegen den „Courrier" für den Gebrauch des Deut*) 1839 erschien seine Broschüre: Verteidigung des Erzbischofs von Gnesen und Posen. M. v. Dunin, auch späterhin war er publizistisch sehr tätig. Er wurde im Jahre 1846 Mitredakteur der „Allgemeinen OderZeitung", der ersten katholischen Zeilungsgründung, die von der preuß. Regierung wohl unter dem Einfluß Diepenbrocks konzessioniert wurde. Dieser berief auch Rintel als fürstbischöflichen Kanzleirat nach Breslau, wo er im Jahre 1854 starb, (vgl. Bachem S. 269 ff über d. Allgem. Oder-Ztg.) 2 ) Grégoire schrieb darauf die oben erwähnte Schrift: Impuissance . . f in der er sich bitter über die Verfolgungen und Drangsalierungen, die die L. Z. erlitten habe, beschwerte. Er wurde deshalb angeklagt und in contumaciam verurteilt. »> D. Z 2 5 / 6 4 5 (a. d. Rh.-Mz.) 4 ) Beziehungen zu Rintel, über dessen Schrift für Droste-Vischering er sich lobend aussprach, (Möller I, 429 u. 443) wird Laurent auch gehabt haben.



124



sehen als Landessprache, während sie sonst eigentlich kaum Berichte über Luxemburger Verhältnisse enthielt. 1 ) Große Verbreitung hat die Zeitung nicht besessen. Der Gouverneur von Luxemburg berichtete am 27. Juli 1844 an den Kanzler über die neue Zeitung, die gegründet sei auf ein Kapital von 100 000 Talern, gezeichnet von Aktionären, unter ihnen Mr. Pierre Pescatore mit 25—30000: „Le Journal que plusieurs personnes avaient pris par curiosité pendant le premier trimestre ne se titre plus qu'à 360 exemplaires. 200 exemplaires sont placés chez des écclésiastiques du Grand Duché, auxquels il a été imposé (also doch wohl durch den apostolischen Vikar Laurent) 15 exemplaires sont remis gratis à l'Administration ou contre paiement à des abonnés laïques du Grand Duché. Le surplus passe à l'étranger soit contre paiement, soit contre échange." Ende des Jahres stellt zwar A. Reichensperger zufrieden fest, 2 ) daß die „Luxemburger Zeitung" wieder an 50 Abonnenten gewonnen u n d die „Trier'sche Zeitung" 100 verloren habe, aber viel mehr Abonnenten dürfte die Zeitung wohl schwerlich gehabt haben. Das Hauptkontingent der Leser hat also die katholische Geistlichkeit ausgemacht, wie auch der Bischof von Trier, Arnoldi, zu dem Zustandekommen der Zeitung durch ein nicht unbedeutendes Opfer beigetragen hat. 3 ) Die „Luxemburger Zeitung" wollte gemäß ihrem Prog r a m m 4 ) die wesentlichen Interessen der katholischen Kirche vertreten, sie schützen gegen versteckte und offene Angriffe, ohne jedoch einen konfessionellen Kampf hervorzurufen. In dem Motto : „Gebet dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist," ist ihre kirchliche konservative Tendenz ausgedrückt, aber sie nennt sich zugleich auch progressiv. Konservativ: „besonders in bezug auf wohlbegründete Institutionen und Systeme, die nun und nimmer durch jene federleichten Philosopheme und die daraus hervorgehenden sozialistischen Gebilde ersetzt werden können, wie unbesonnene Waghälse oder verschlagene Glücksritter sie täglich ausx

) ») •) 4 )

Über Laurents politische Stellung siehe Möller a. a. O. I, 479. Pastor, a. a. O. I, 199. A. M. v. Steinle: E. v. Steinle und A. Reichensperger, S. 36. vgl. Tr. Z. 2 4 / 6 1844.



125



hecken." Progressiv: „denn sie erstrebt eine naturgemäße Evolution in entschiedenem Gegensatz zu all und jeder Revolution, die wir nach den Grundsätzen des Christentums zwar wohl für ein — in der Geschichte eines Geschlechts bedingt — notwendiges Übel, aber nie und nimmer als etwas positiv Gutes betrachten können." Sie predigte Gehorsam und Unterwerfung und in allen Fällen der Gewissensbeeinträchtigung passiven Widerstand gegen ungerechte Obrigkeiten, damit, „wo der persönliche Wert eines Herrschers abhanden gekommen, dessen ideelle W ü r d e noch anerkannt und geachtet werde."') Es ist die streng konservative Richtung im Katholizismus, die in der „Luxemburger Zeitung" zu Worte kam. Die „Rhein- u. Moselzeitung" zeigte schon eine große Sympathie f ü r Friedrich Wilhelm IV., jedoch die „Luxemburger Zeitung" ging darin, ihrem Charakter entsprechend, noch weiter, sie brachte z. T. überschwängiiche Artikel. In dem Wesen des Katholizismus liege die unerschütterliche Treue gegen das von Gott eingesetzte Staatsoberhaupt, im katholischen Gemüte das innige Vertrauen auf den Landesvater. 2 ) Der Katholizismus auf dem religiösen Gebiete ist für das Blatt, was der Konservatismus auf dem politischen ist: die Entwicklung des Fortschritts aus den geschichtlichen Grundlagen der bestehenden Zustände heraus. 3 ) Ganz falsch und antikatholisch ist daher der Satz von der Scheidung des Staates und der Kirche, denn der Staat gelangt zu vollkommener Entfaltung erst als christlicher. 4 ) Aber die Kirche darf deshalb nicht unterdrückt werden sondern muß Freiheit haben. 5 ) In Preußen aber muß die lang versprochene Dotation der katholischen Kirche aus Staatswaldungen endlich zur Tat werden. 6 ) Ihre streng konservative Haltung führt die „Luxemburger Zeitung" in eine heftige Preßfehde mit Sybel, der in der „Kölnischen Zeitung" 7 ) das Recht der Autonomen und die ») ») ») *) *) •) 7 )

L. L. L. L. L. L. K.

Z. Z. Z. Z. Z. Z Z.

3 / 7 44. 3 / 1 45. 3 0 / 1 45. 4 / 2 45. 1 / 1 2 44. 26/1, 4 / 6 45. 1/2, 17/2, 1 4 / 3 45.

L. Z. 9/2, 12/2, 4 / 3 45.



126



Ritterakademie zu Bedburg angegriffen hatte, deren G r u n d sätze die gefährlichsten und revolutionären Lehren seien f ü r den Bestand des preußischen Staates, während die „Luxemburger Zeitung" im Adelsstatut den großen Vorteil f ü r die Provinz sah, einen Teil wenigstens der mit so bedeutsamen politischen Rechten ausgestatteten Rittergüter dem Güterschacher zu entziehen. Die Zeitung lehnt zwar die Verschmelzung der katholischen Sache mit den ritterbürtigen Interessen ab, hält sich aber für verpflichtet, f ü r das Recht derer einzutreten, „die sich erkühnt haben, die natürlichen Rechte der Familie gegen die Anhänger der revolutionären Lehren vom absoluten Staat zu verteidigen". Sie nimmt „ein unleugbares angegriffenes Recht" in Schutz, weil sie davon; überzeugt ist, daß nur in der Sicherung und Aufrechterhaltung aller Rechte eine Gewähr f ü r die Rechte der Kirche zu finden ist. Andererseits wendet sie sich ganz entschieden gegen eine Verbindung des Katholizismus mit dem Radikalismus. Montalembert habe völlig unrecht, sagt die Zeitung, wenn er glaube, daß der Klerus in Deutschland oder einer der aufrichtigen Verteidiger der Kirche sich dazu herablassen werde, zum Umstürze der bestehenden Verfassungen, zur Übertragung der „Démocratie française" auf deutschem Boden, zu einer Verbindung des Radikalismus 1 und Katholizismus die H a n d zu bieten. „Schon einmal ist in dem berüchtigten Buche „La Prusse" die Verlockung gezeigt worden, wir haben sie mit Abscheu zurückgewiesen." 1 ) Dieser Kampf gegen den Radikalismus führt auch zu heftigen Angriffen auf die „Rhein- u. Moselzeitung". Z u nächst wurde die Redaktion des Koblenzer Blattes nur g e rügt, 2 ) daß die N u m m e r vom 1. Januar 1845 mehrere unpassende Ausdrücke aus Berichten antikatholischer Zeitun1

) L. Z. 21/1 45. Gemeint ist die Schrift des Vicomte Gustave de Failly aus dem Jahre 1842 : De la Prusse et de sa domination sous les rapports politique et religieux spécialement dans les nouvelles provinces, par un inconnu, in der Preußen in äußerst gehässiger Weise angegriffen wurde. Das Material hatte A. Reichensperger mit seinem Bruder Peter R.. und seinem Freunde von Thimus gesammelt. ä ) L. Z. 4/1 45.



127



gen entnommen, aber durch Nichtnennung der Quellen den Schein auf sich gezogen habe, als teile sie solche Gesinnungen ; kurz darauf erhob die „Luxemburger Zeitung" schon förmlichen Protest gegen das „Auftischen eines exotischen Ragouts" in der „Rhein- u. Moselzeitung", das verfaßt sei von einem oberschlesischen Akatholiken. 1 } Die „Rhein- u. Moselzeitung" reagierte indes nicht auf die Angriffe der Luxemburgerin. Stolz erklärte sie: „Im Bewußtsein unserer warm gefühlten katholischen Überzeugung, die wir mit offener Brust und ohne Menschenfurcht und zage Kopflosigkeit kundgeben, sind wir nicht gesonnen, uns mit der „Luxemburger Zeitung" in einen resultatlosen Guerillakrieg einzulassen. 2 ) Die Antwort ließ nicht auf sich warten und klang sehr kategorisch: wenn die „Rheinu. Moselzeitung'' über ihr Verhalten nicht Aufschluß gebe, so habe sie aufgehört, in katholischem Geiste redigiert zu werden, folglich auch ein katholisches Organ zu sein. Die Erklärung für dieses scharfe Vorgehen der „Luxemburger Zeitung" kann also nur in gewissen liberalen Neigungen der „Rhein- u. Moselzeitung" liegen. In der Tat rief ein „radikales" Gedicht an die Landstände des Jahres 1845 bei der konservativen „Luxemburger Zeitung" großes Entsetzen hervor. 3 ) In ihren Augen nimmt „eine katholische Zeitung, welche dem politischen Radikalismus huldigt, ein dem Katholizismus gerade entgegengesetztes politisches Prinzip an und kann daher auch nicht mehr als katholisches Organ angesehen werden. Nicht das „konservative katholische Vorwärts" sondern das „radikale, dieses gottesleugnerische, dieses revolutionäre Vorwärts" rufe die „Rhein- u. Moselzeitung" den. Landständen zu. Die „Luxemburger Zeitung" verlangte „eine offene und vollständige Zurücknahme dieses öffentlichen Ärgernisses" und die Erklärung, daß die „Rhein- u. Moselzeitung" nichts dem katholischen konservativen Prinzip Entgegenstehendes mehr aufnehme, sonst habe sie aufgehört,, ein katholisches Organ zu sein, denn sie wecke den Schein des Bündnisses zwischen Ultramontanismus und Radikalismus») L Z. 8 / 1 45. ' ) L. Z. 8 / 2 45 ») L. Z. 3 0 / 1 45.



128



Neben der „Rhein- u. Moselzeitung" wurde die „Triersche Zeitung", die das Erscheinen der „Luxemburger Zeitung" als „die ergötzlichste Kuriosität des 19. Jahrhunderts" begrüßt und die „fromme Büßerin" aus Luxemburg gehörig abgekanzelt hatte, natürlich auch in der „Luxemburger Zeit u n g " verschiedentlich angegriffen in Artikeln, die zum Teil aus der Feder August Reichenspergers stammen. 1 ) Am schärfsten ging aber die „Luxemburger Zeitung" gegen den „antioffiziellen Moniteur der ohnmächtigen Lügen der Feinde des Katholizismus", den „Rheinischen Beobachter", vor. 2 ) Friedrich Wilhelm IV. habe der katholischen Kirche in seinen Staaten die Freiheit gegeben und die volle, vorbehaltlose Gerechtigkeit geübt, wie er ¡gelobt habe, aber zwischen ihn und sein Volk dränge sich die Partei des Herrn Bercht, die behauptet, Preußen sei ein protestantischer Staat, und deshalb könnten die Katholiken keine treuen Preußen sein. 3 ) Bei diesem scharf ausgeprägten Gegensatz und der dadurch hervorgerufenen Kampfesstellung gegenüber der gesamten rheinischen Presse empfand auch die „Luxemburger Zeitung" sehr die Fesseln der Zensur, und trotz ihrer ausgesprochen konservativen Haltung kommt auch sie infolgedessen bei der Fragestellung, ob Preßfreiheit oder Zensur, zu der Antwort, daß unter den jetzt bestehenden Verhältnissen bei der Anwendung der Zensur in Deutschland und namentlich in Preußen die Preßfreiheit das „kleinere Übel" sei. Daß die „Luxemburger Zeitung" ein ganz rheinisches Blatt war, zeigte sich besonders während der Beratungen des 8. rheinischen Provinziallandtages über die eingegangenen Petitionen auf Einführung von Reichsständen; da brachte die Zeitung eine Reihe von Artikeln über „die preußische Verfassungsfrage" aus der Feder von Rintel. Sie erschienen noch in demselben Jahre mit unwesentlichen Abänderungen als Broschüre: „Die preußische Verfassungsfrage." Geht daraus schon hervor, daß diese Artikel nicht nur die Augenblicksgedanken irgend eines Publizisten enthalten sondern auf Pastor, a. a. O. 1, 183. ) L. Z. 7/3, 15/3 45. 3 ) L. Z. 20/3 45.

2



129



weitere Wirkungen berechnet waren, die sie auch sicherlich gehabt haben, 1 ) so zeigt dies noch mehr die Gegenschrift von dem Bonner Privatdozenten Hälschner, der in den Artikeln Rintels das Programm einer beachtenswerten politischen Partei der Rheinprovinz, den Ausdruck und die Frucht des Gesetzes vom 21. Januar 1837 über die autonomische Sukzessionsbefugnis der rheinischen Ritterschaft sah. 2 ) Die Bedeutung der Artikel, in denen das partikularistische Element der katholischen Anschauungen in der Rheinprovinz scharf und klar zum Ausdruck kommt, und der Umstand, daß aus diesen Jahren die Stellungnahme der „Rhein- u. Moselzeitung" ziemlich unbekannt ist, rechtfertigt wohl eine genauere Analyse von Gedanken, die auch f ü r das Verständnis der Stellung der „Rhein- u. Moselzeitung" im Jahre 1847 von Wichtigkeit und Bedeutung sind. Die Verfassungsfrage wird nicht bloß vom politischen sondern auch von dem juristischen Standpunkte aus beleuchtet. Rintel sucht den Beweis zu führen, daß eine reichsständische Verfassung f ü r Preußen rechtlich unmöglich sei.') Auch die Frage, ob aus politischen Gründen auf rechtsbeständige Weise eine Änderung der Rechtslage zwecks Einführung von Reichsständen herbeizuführen sei, beantwortet er mit nein, vielmehr ergebe sich aus den Grundsätzen des deutschen Staatsrechts die Notwendigkeit einer Erweiterung der Rechtssphäre der Provinzialstände. Rintel führt etwa folgendes a u s : Die Streitfrage ist, wie weit die Rechte des Staates gehen. Die Auffassung, daß sie keine Schranken haben, und daß es außer dem durch die Staatsgewalt gesetzten kein Recht gebe, beruht auf dem Begriffe des antiken Staates, der bürgerlichen Gesellschaft und der Gemeinde, der auf unsere deutschen Verhältnisse gar nicht anwendbar ist. Der antike Staat kennt das Recht nur in den Beziehungen der Gesellschaftsglieder zu einander. Das Prinzip des Gemeinsamen durchdringt alles, das private x ) Die D. Z. exzerpiert im Jahre 1847 wörtlich die Artikel Rintels als sie zum Patent vom 3. Februar Stellung nimmt, ohne allerdings die Quelle ihrer Weisheit im mindesten anzugeben. (16/2 47.) 2 ) Hälschner: Die preuß. Verfassungsfrage u. die Politik der rhein. ritterbürtigen Autonomen. a ) vgl. Hälschner a. a. O. S. 3. M ö n o k m e i e r , Rhoin- u. Moselzeitung. 9



130



Recht ist eine Ausnahme, nur so lange berechtigt, als es dem Bestehen der Gemeinde nutzbringend ist, und die Freiheit der Gemeindemitglieder besteht nur in dem Rechte der Teilnahme an der Regierung der Gemeinde. Auf dieser Grundlage des antiken Staates der Gemeinde ruht auch der Staat der Revolution. Im deutschen Staate dagegen besteht die Freiheit nicht in der Anteilnahme an der Staatsgewalt sondern darin, daß die Staatsgewalt selbst an den wohlerworbenen Rechten der Untertanen bestimmte Grenzen hat, daß sie nur so weit reicht, als ihr nicht andere Rechte entgegentreten. Die oberste Gewalt ist nicht das Recht sondern ein Recht, allerdings das höchste, weil es die Bestimmung hat, den ganzen Rechtszustand zu schützen. D a s Recht ist die Grundlage deutscher Freiheit, und Recht und Freiheit sind im deutschen Staate gleichbedeutende Worte. D a das Recht nur in Gott selbst einen höheren U r s p r u n g findet, so ist die obrigkeitliche Gewalt wie die Freiheit von Gott gegeben, es trägt der König sein Recht von Gott allein. Solange der Fürst innerhalb der Schranken seines Rechtes bleibt, ist er vollkommen unabhängig, hat er aber die Beihilfe oder Unterstützung der Untertanen nötig, so b e darf er ihrer Genehmigung, und darin liegt die Notwendigkeit der landständischen Vertretung. Beide, Fürst und Stand, fußen so auf ihrem Rechte. Die Landesvertretung ist keine Teilhaberin der fürstlichen Gewalt, wie die Volksvertretung in modernen, auf die Nationalsouveränität gegründeten Staaten, sondern vertritt und schützt dieser gegenüber die Rechte der Untertanenschaft. In Deutschland hat sich diese Landesrepräsentation geschichtlich in drei Klassen herausgebildet, den Grundherren, den Städten und dem Bauernstand. Soweit Rintel; für ihn und seine Partei verschwindet — wie Hälschner mit Recht sagt — der Staat, soviel sie auch von ihm sprechen, überall unter der Hand, und an seiner Stelle bleibt nichts als ein Komplex von Privatrechten übrig. 1 ) Das Privatrecht ist das absolute Recht und die Macht, ein höheres konkreteres Rechtssubjekt gibt es nicht; und diese Wertung Hälschner a. a. O. S. 11.



131



d e s Privatrechts f ü h r t u n s zu einem A u s g a n g s p u n k t e Rintels: d e m alten Patrimonialstaate Hallers. F ü r Haller sind Fürsten u n d Republiken n u r mächtige u n d u n a b h ä n g i g e Menschen oder Korporationen, die mithin auch n u r ihre eigenen natürlichen u n d erworbenen Rechte haben, u n d in den Staaten sieht er n u r „die höchste G r a d a tion natürlicher Dienst- und Sozietäts- oder sogenannter Privatverhältnisse". Auch f ü r ihn liegt die „Mutter u n d W u r zel allen Irrtums in der unseligen Idee einer römischen societas civilis", die m a n auf alle a n d e r e n geselligen Verhältnisse ü b e r t r a g e n habe. Aus dieser Idee sei der G e d a n k e des b ü r g e r lichen Kontraktes und der delegierten Volksgewalt, dann die F o r d e r u n g demokratischer Organisation, schließlich der H e r stellung des N a t u r z u s t a n d e s e n t s p r u n g e n . Nach Haller ist die H e r r s c h a f t ein erworbenes Privatrecht des Herrschenden, die ihm nicht entrissen werden darf, aber die H e r r s c h a f t des Staates u m f a ß t nicht alles, sondern es bleibt die S p h ä r e f ü r die Rechte der Untertanen, sie sind folgerichtig e b e n s o unverletzlich u n d von gleichem R a n g e mit denen des Fürsten, der sie nicht willkürlich antasten darf. „ D a s Regieren selbst ist das g u t e Recht des Fürsten, aber die Art der R e g i e r u n g ist eine Pflicht, darin nämlich, daß sie nicht f r e m d e Rechte beleidige s o n d e r n f ö r d e r e u n d begünstige." In diesem Sinne wird die fürstliche Gewalt mit Recht als ein von G o t t erhaltenes G u t betrachtet. Macht u n d Herrschaft sind also natürliches u n d göttliches Recht zugleich. 1 ) Rintel sieht mit Haller a u s dem absoluten Machtstaat als Erben u n d Fortsetzung den revolutionären Macht- u n d Nationalstaat h e r v o r g e h e n ; er teilt mit ihm die Abscheu vor der „ebenso widernatürlichen als unchristlichen Lehre von der u n b e d i n g t e n Einheit, der absoluten Isolierung u n d Abr u n d u n g jedes Staates". Die „ L u x e m b u r g e r Zeitung" bekennt sich ohne Hehl zu dem politischen Glauben der A u t o n o m e n , des weiland politischen W o c h e n b l a t t e s u n d des seligen Herrn von Haller, erneuert zugleich den ziemlich vergessenen Anspruch dieser Schule, daß n u r bei ihr konservative Gesinnung, zu den beiden ') Haller, Restauration der Staatswissenschaft 1, X X V I und M e i n e c k e : W e l t b ü r g e r t u m u n d Nationalstaat.

S. 2 1 2 ff. 9»



132



Seiten aber die absolute Despotie oder die Anarchie der Revolution zu treffen ist.1) Der Hauptmitarbeiter des politischen Wochenblattes war bekanntlich der Konvertit Jarcke, der, sein System auch ganz auf Haller aufbauend, doch in gewisser Beziehung über ihn hinausgeht. Auch er sieht in der Rückkehr zum alten germanischen Ständestaat das einzige Heil, 2 ) erkennt jedoch die Notwendigkeit einer Modifikation des alten ständischen Staates an. 3 ) In der Idee des germanischen Staates liegt nach seiner Ansicht die höchste Entfaltung des auf der Idee der Privatfreiheit und des göttlichen Rechts beruhenden staatsrechtlichen Systems. Die furchtbare Idee „einer absoluten Staatsgewalt" ist nur das unselige Geschöpf der revolutionären Lehre, ist dem germanischen Begriff von Verfassung (und Recht völlig fremd und erst durch die Revolution in das Leben getreten. 4 ) Von diesen Grundanschauungen aus sucht Rintel zu beweisen, daß der König von Preußen gar keine Reichsstände geben dürfe. Da in Preußen beim Aussterben des Mannesstammes der regierenden Linie nicht in allen Teilen weibliche Erbfolge eintreten werde, so trete eine Trennung ein, die „die Vereinigung Preußens zu einem Rechtsganzen dem gemeinsamen Oberherrn gegenüber zu einem Lande im staatsrechtlichen Sinne unmöglich macht". 5 ) Auch das Großherzogtum Posen solle gemäß der Wiener Schlußakte einen besonderen, von den übrigen Besitzungen der Krone Preußens rechtlich getrennten Staat mit einer eigenen Repräsentativverfassung bilden. Ehe also die Hindernisse zur Vereinigung aller preußischen Staaten zu einem Rechtsganzen nicht gehoben seien durch den Verzicht der sukzessionsberechtigten Häuser und die Einwilligung der Signatarmächte der Wiener Akte und der Stände zu Posen, könne von der Errichtung einer allgemeinen Ständeversammlung nicht die Rede sein, ein etwaiges Versprechen Friedrich Wilhelms III. a

) s ) *) ')

so sagt Sybel anläßlich seiner Fehde mit der L. Z. (K- Z. 17/2 45.} Jarcke, Vermischte Schriften 1, 202. Jarcke a. a. O. 1, 191. Jarcke a. a. O. 1, 126. L. Z. 16/2 45.



133



sei, als dem Rechte zuwiderlaufend, eo ipso null und nichtig. „Mit der Verordnung vom 22. Mai 1815 wollte Friedrich Wilhelm III. aber auch den Ständen nur das deutsche Recht wiedergeben, dem Monarchen dann mit ihrem Rechte beizustehen, wenn er das Vermögen der Untertanen zu den Staatskosten herbeiziehen, oder wenn er in den wohlerworbenen Rechten eine Änderung herbeiführen wollte." Ist die S c h a f f u n g von Reichsständen rechtlich u n m ö g lich, so ist ihre Einführung aber auch gar nicht w ü n s c h e n d wert, im Gegenteil höchst gefährlich. D a die Artikel Rintels B e z u g nehmen auf die Verhandlungen des Landtages und vor allem für die Rheinländer berechnet sind, so berücksichtigt er besonders die rheinischen Verhältnisse. Rintel ist strenger Katholik, für ihn ist das Höchste, was ein Volk besitzt, sein Glaube, dessen irdische Verkörperung die Kirche ist, und deshalb ist die erste F r a g e : Was hat die katholische Kirche zu erwarten von der Einführung der Reichsstände? „Eine frevelnde Niederdrückung", lautet die Antwort. 1 ) Hätten wir eine Nationalrepräsentation, so würde sie den König, der immer nur d a s Recht will und e s durch .seine Regierungshandlungen stets bewiesen hat, — die Übergriffe der Staatsgewalt in kirchlichem Gebiete sind zumeist Handlungen einzelner Beamter und Behörden — an ihre Beschlüsse binden. Von Reichsständen sei eine Erfüllung der Bestimmungen der Bulle de salute animarum nicht zu erwarten, im Gegenteil schon infolge der konfessionellen Verhältnisse (nur eine weitere Beschränkung der Kirchenfreiheit. Eine Nationalrepräsentation würde den Monarchen gehindert haben, zu tun, was ihm sein Gerechtigkeitssinn zu tun gebot, sie würde ihn gezwungen haben, die Ausstellung des heiligen Rockes zu untersagen, sie würde wahrscheinlich die Deutsch-Katholiken a u s den Mitteln der katholischen Kirche dotieren und noch vieles andere mehr. Ist diese Darlegung Rintels auch nur hypothetische Beweisführung, so ist sie doch geschickt abgefaßt, indem sie gerade die Momente herausgreift, die im Herzen der Rheinländer besonders starken Anklang finden mußten. D a kommt ') L. Z. 9/1 45.



134



neben der Freiheit der Kirche die Bewahrung des rheinischen Rechtes in Betracht, und sie bildet das zweite große Argument Rintels. 1 ) Für das Kleinod, das dem Rheinländer besonders teuer ist, die Jury, sein „unantastbares Heiligtum", das „Palladium seiner Freiheit", entstehe aus der Einführung der Reichsstände die größte Gefahr. Sollte sie selbst durch die Reichsstände, infolge einer Verbindung der Radikalen mit den Rheinländern, überall eingeführt werden, so würde das Bestreben der Radikalen, durch die Jury das Prinzip der Volkssouveränität zum Siege zu bringen und die politischen Verbrecher — was ja an sich wünschenswert, aber im Augenblicke sehr gefährlich sei — vor die Jury zu stellen, diese Einrichtung zum Werkzeuge der Vernichtung machen, indem sie den Assisensaal zu einem Schauplatz wilder Parteileidenschaft herabwürdige. Das Volk aber, einmal zur Ruhe und O r d n u n g zurückgekehrt, werde ihre Abschaffung verlangen, sodaß sie dann für immer verloren sein werde. Die Landstände der östlichen Provinzen würden bei einer reichsständischen Versammlung eine entschiedene Majorität bilden, das bedeute aber die Herrschaft zweier revolutionärer Parteien, die der radikalen und die der absolutistischen, für die beide die Gewalt des Staates eine unumschränkte sei. Nach der Ansicht Rintels wird eine Folge davon sein, daß eine schon bestehende Freiheit und Selbständigkeit der Gemeinde notwendigerweise zugrunde geht, „wieviel mehr die erst zu gründende der Gemeinde am Niederrhein, welche, eine zarte Pflanze, noch langer sorgsamer Pflege und milder sturmloser Witterung zu ihrem Gedeihen bedürfen wird". 2 ) Der Rheinländer hat daher gar keinen Grund, irgend etwas zur Erlassung einer Verfassung beizutragen, doch mit diesem Nachweise begnügt sich Rintel nicht, er sucht allgemein zu zeigen, daß nicht nur für seine politische Bedeutung sondern sogar für seine Existenz dem preußischen Staate die größte Gefahr aus der Bildung einer reichsständischen Versammlung erwachsen würde. Preußen sei kein pro») L. Z. 11/1 45. *) L. Z. 13/2 45.



135



testantischer Staat, und das einzige Mittel, in Deutschland vorherrschenden Einfluß auszuüben, bestehe in der Erhaltung der vollkommenen Parität zwischen den Konfessionen. Durch die Reichsstände würde aber das Verhältnis des östlichen und westlichen Teils, der mit Frankreich und Belgien viele Institutionen gemein habe, sich mehr und mehr verbittern zum Schaden der preußischen Monarchie. Ebenso müßte ja in Posen Mißtrauen und Unzufriedenheit durch eine solche Einrichtung hervorgerufen werden. Da Preußen aber darauf ausgehen müsse, seiner östlichen Provinzen halber Polen für sich zu gewinnen, nicht durch gewaltsame Einverleibung, sondern indem es sich Polen als ein selbständiges Nebenreich anfüge, s o könne und dürfe es keine Reichsstände schaffen. 1 ) Die Schlußfolgerung Rintels lautet infolgedessen: „Durch Bildung der Reichsstände droht die größte Gefahr für die Existenz Preußens." W a s soll Preußen denn t u n ? Die Antwort lautet folgerichtig: Es soll die provinzialständischen Befugnisse erweitern und nicht durch Reichsstände eine Schwächung des Wirkungsund Rechtskreises der Provinzialstände herbeiführen. Die zweckmäßige Möglichkeit, den ständischen Versammlungen Mittel zu geben, über bestimmte Gegenstände gemeinsam sich zu verständigen, sei durch die Ausschüsse der „wirklichen und einzig möglichen Vollendung der ständischen Vertretung" gegeben. Da es „staatsrechtlich keinen preußischen Staat gibt sondern nur mehrere, teils in Real-, teils Personal-Union verbundene Staaten" mit der gemeinsamen oberherrlichen Gewalt des Königs, so könne keine Veränderung bestehender Steuern eintreten ohne Einwilligung der Provinzialstände, wie ja zur Kontrahierung neuer Anlehen ständische G e n e h m i g u n g erforderlich sei. 2 ) Ferner müsse den Provinzialständen in allen den Gegenständen, bei welchen eine Veränderung in dem Rechtszustande der Provinzen oder einzelner Rechte der Einwohner in Frage steht, sie m ö g e eine oder mehrere oder alle Provinzen des Staates betreffen, das Recht der Einwilligung zustehen. Das finde besonders Anwendung auf die Rhein-

3

L. Z 18/2 45, 19/2 45. ) L. Z. 6/3 45.



135



provinz, wo das neue Strafgesetzbuch ohne Zustimmung des Provinziallandtages nicht eingeführt werden dürfe. 1 ) Der König müsse das Recht des Landtages überall anerkennen, wo Rechte der Provinz in Frage stehen, die Bewilligung! königlicher Anträge verweigern zu dürfen. Für die Zusammensetzung des Landtages hat Rintel noch einige spezielle Wünsche. Er fordert schon des Vertrauens halber vollständige und rückhaltlose Öffentlichkeit der Landtagsversammlungen durch Veröffentlichung in der Presse, 2 ) Vertretung von Kirche und Schule auf dem Landtag, 3 ) und schließlich schlägt er einige Erleichterungen für die Wahl des dritten und vierten Standes vor. 4 ) Beim dritten Stande solle in Zukunft Grundbesitz ohne bürgerliches Gewerbe genügen, bei dem vierten nicht mehr die Selbstbewirtschaftung des Gutes gefordert werden. Verlangt Rintel hier die Wiederherstellung des alten deutschen Ständestaates, so durchbricht der Satz, daß jedes Mitglied neben dem besonderen Mandate seiner Wahlkorporationen noch ein anderes und weil allgemeines auch höheres Recht, das „allgemeine Mandat der Provinz" zu vertreten habe, sein ganzes kunstvoll zusammengefügtes System. Nach der ständischen Auffassung 5 ) sind die Stände Vertreter und Wahrer des eigenen Rechtes, denn dadurch, daß jeder der drei Stände seine Interessen wahrt, ist ja das Interesse der ganzen Provinz am besten vertreten. In dem Wunsche nach Selbständigkeit der einzelnen Provinzen und der Abscheu gegen eine Repräsentativverfassung trifft Rintel auch mit Friedrich Wilhelm IV. zusammen, der jedoch von ganz anderen Voraussetzungen ausging. Rintel verkannte oder wollte verkennen die Entwicklung, die der preußische Staat im 17. und 18. Jahrhundert genommen, vom dualistischen Ständestaat zum absoluten Machtstaat. Bezeichnend dafür ist, daß er, der die staatsrechtliche Einheit Preu») 2 ) 3 ) 4 ) 6 )

L. Z. 8 / 3 45. L. Z. 9 / 3 45. L. Z. 7 / 2 46. L. Z. 9 / 3 45. vgl. Haller a. a. O. 11, 209.



137



Bens leugnet, auch über das Heer, ein Faktor, durch den der König absoluter Herrscher geworden ist, kein Wort verliert. Friedrich Wilhelm IV. dagegen fußte mit seinen Anschauungen auf der geschichtlichen Entwicklung. In dem Huldigungs-Abschied vom Jahre 1840 hatte er es schon ausgesprochen, daß Friedrich Wilhelm III. „mit ganzem Ernste und mit innerster Überzeugung den naturgemäßen, auf geschichtlicher Entwicklung beruhenden und der deutschen Volkstümlichkeit entsprechenden Weg" eingeschlagen, als er die provinzial- und kreisständische Verfassung geschaffen habe. Sie beruhe auf einer auf deutschem Boden wurzelnden geschichtlichen Grundlage, der Grundlage der ständischen Gliederung, aber der König fügte gleich wohlweislich hinzu, „wie diese durch die überall berücksichtigten Veränderungen der Zeit gestaltet worden". Die Provinzialstände sind f ü r ihn „deutsche Stände im althergebrachten Wortsinn", d. h. vor allem und wesentlich „Vertreter der eigenen Rechte", der Rechte der Stände. Außerdem erkennt die Krone aus ihrer Machtvollkommenheit den Ständen gewisse Rechte zu. 1 ) Von einer Gegenüberstellung der Privatrechte der Stände und des Privatrechts der Fürsten als an sich gleichberechtigte Faktoren, wie bei Haller und Rintel, ist nicht die Rede, vielmehr war das Ideal des „christlich-germanischen" Staates bei Friedrich Wilhelm IV. stark verbrämt mit absolutistischen Elementen.

VII.

Kapitel.

Die rheinischen katholischen Zeitschriften in den 40 er Jahren. Der Einfluß der Katholiken auf die Tagespresse blieb trotz aller Bemühungen relativ beschränkt, dagegen war ihre Tätigkeit auf dem Gebiete der Zeitschriftenliteratur dieser Jahre von besserem Erfolge begleitet, zumal die Regierung *) vgl- Thronrede bei Eröffnung des vereinigten Landtages in Th. Woeninger, Preußens erster Reichstag, S. 55 ff.



138



eher geneigt war, für Unternehmungen dieser Art, die sie mit Recht als minder „gefährlich" ansehen konnte, die Konzession zu erteilen. Seit dem Jahre 1841 erschien bei Schwann in Neuß der „Katholische Volkskalender", der von W. Smets und A. M. Brühl herausgegeben wurde, und an dem mehrere Geistliche Mitarbeiter waren. Er blieb bis zum Jahre 1844 das einzige Unternehmen auf diesem Gebiete, aber 1843 wurde in Düsseldorf, wo schon 1842 ein Verein zur Verbreitung guter relig i ö s e r Bilder entstanden war, 1 ) von der Pfarrgeistlichkeit ein katholisches Volksblatt projektiert, das auf „ort- und zeitgemäße Belehrung und Bildung des katholischen Publikums" berechnet war und zu Beginn des nächsten Jahres als „Rheinisches Kirchenblatt" ins Leben trat. Es sollte ursprünglich wöchentlich unter der Redaktion der beiden Pfarrer Grünmeyer und Köllmann erscheinen, da diese jedoch von der Redaktion zurücktraten, erschien es als Monatsblatt, 2 ) als „Katholische Zeitschrift zur Belehrung und Erbauung", in Verbindung mit anderen Geistlichen der Erzdiözese Köln, redigiert von G . Bayerle, Kaplan an St. Lambertus in Düsseldorf. An diese Zeitschrift wurden im Jahre 1845 „die katholischen Blätter" angegliedert, „eine Zeitschrift für alle Stände, in Vereinigung mit anderen Geistlichen der Erzdiözese In Düsseldorf blühte damals die sogen, religiöse Schule, zu der eine ganze Reihe der hervorragendsten Maler gehörte. Ein Beweis für das Erwachen des katholisch kirchlichen Gefühls auch auf dem Gebiete der Kunst, das deutlich wahrzunehmen ist. In dem Briefwechsel des Malers Steinle mit August Reichensperger findet sich mancher Hinweis auf die Bestrebungen, auch den Klerus für die christliche Kunst zu begeistern und bei ihm das Verständnis zu wecken. Der Sohn des oben erwähnten Geh. Med.-Rat Settegast schloß sich dieser Richtung an. Er •war gut befreundet mit dem Madonnenmaler Ittenbach, der bekannt ist Ti. a. durch die A u s m a l u n g der Apollinariskirche bei Remagen, die er A n f a n g s der 40 er Jahre mit Deger und den Gebr. Müller im Auftrage des Grafen von Fürstenberg-Stammheim unternahm; diese Maler standen auch in freundschaftlichen Beziehungen zu den regen katholischen Kreisen in Koblenz, vgl. Finke, Biographie über Ittenbach und K. Müller; über Settegast: Nagler, Künstlerlexikon Bd. 16, S. 3 0 4 f f . 2

) vgl. Pfülf, Geißel II, 305 ff.



139



dirigiert mit Unterstützung von J . A. Binterim und G . Bayerle". Mit dem J a h r e 1847 ü b e r n a h m Prisac, P f a r r e r zu Rheindorf, der schon v o r h e r eine Reihe von Aufsätzen geliefert hatte, die Redaktion der beiden Blätter, die a m 1. resp. 15. jeden M o n a t s e r s c h i e n e n ; der Preis b e t r u g 1V 2 T a l e r für j e d e s Blatt, f ü r beide z u s a m m e n 2 T a l e r . 1 ) D e r Hauptzweck und W e r t dieser Blätter besteht hauptsächlich darin, daß sie b e w u ß t Hand anlegten an die H e b u n g und S t ä r k u n g des katholischen B e w u ß t s e i n s im V o l k e und Ideen zur V e r b r e i t u n g verhalfen, die es den Katholiken ermöglichten, sich im J a h r e 1848 auf g e m e i n s a m e m B o d e n zus a m m e n z u s c h l i e ß e n . B e z e i c h n e n d f ü r den Geist dieser Blätter ist z. B . d e r Titel des Aufsatzes „ D i e katholische K i r c h e der G e g e n w a r t in ihrem K a m p f e , a b e r auch in ihrem S i e g e " . 2 ) Einen g r o ß e n Platz n e h m e n die Artikel g e g e n R o n g e , den D e u t s c h - K a t h o l i z i s m u s u n d g e g e n den G u s t a v - A d o l f - V e r e i n ein. D a n e b e n brachten die Zeitschriften viele Rezensionen ü b e r die schlechte Literatur u n d damit e n g v e r b u n d e n eine scharfe P o l e m i k g e g e n die „ s c h l e c h t e " T a g e s p r e s s e , vor allem g e g e n die „ K ö l n i s c h e Z e i t u n g " , „ E l b e r f e l d e r Z e i t u n g " und den „ R h e i n i s c h e n B e o b a c h t e r " . D a ß die Katholiken s c h o n durch den S t a n d d e r N o t w e h r g e z w u n g e n seien, den M a ß s t a b der Religion an die verbreitete und meist g e g e n die K i r c h e gerichtete T a g e s m e i n u n g anzulegen, 3 ) das ist der leitende G r u n d satz, d e r später im praktischen politischen L e b e n A n w e n d u n g findet. Im J a n u a r 1845 z. B . enthielt das Kirchenblatt einen langen Artikel über D e u t s c h l a n d s periodische P r e s s e g e g e n und f ü r die katholische Kirche, in dem g e n a u e R a t s c h l ä g e zur H e b u n g d e r Ü b e l s t ä n d e g e g e b e n werden und ü b e r die , . j ä m m e r l i c h e P r e s s e " geklagt wird. B e s o n d e r s a n g e g r i f f e n ' ) In demselben Jahre petitionierte die Kölner Filiale von

Schwann

um Herausgabe eines kathol. Wochenblattes, das mit den beiden Neußer Schwannschen Zeitschriften verschmolzen werden sollte.

unter dem

Titel

»Rheinisches Kirchenblatt"

Noch im Februar 1848 lag der Antrag uner-

ledigt beim Oberpräsidenten, ob überhaupt eine Antwort erfolgt ist, ist mir unbekannt. 2

(Düss. Archiv. Reg. Cöln 1, C . 3 Nr. 4 Bd. 6.)

) Rh. Kirchenbl. Oktoberheft 1845.

*) Kath. Bl. Juniheft 1846.



140



wurde die „Elberfelder Zeitung", „der offizielle Moniteur der Schneidemühler, Rongeaner, Blumisten und ihrer protestantischen Alliierten", was im Jahre 1845 sogar eine Klage des Verlegers L u c a s gegen Binterim und Bayerle zur Folge hatte. Zur kirchenpolitischen Frage wie zur Unterrichtsfreiheit nahm das Kirchenblatt Stellung und trat für den Unterricht durch die Kirche e i n 1 ) : wenn die christliche Klugheit und der Religionseifer heute die Freiheit des Unterrichtes als Folge der vom Indifferentismus angenommenen Prinzipien und als Mittel zur Verhütung eines größeren Übels annehme, so dürfe man sie doch nicht zu einem allgemeinen Grundsätze erheben wollen. In den ersten Jahren seines Bestehens brachte das Kirchenblatt seiner ursprünglichen Bestimmung gemäß keine politischen Artikel größeren Stils, doch änderte sich dieses mit dem Jahre 1847, ein Beweis, wie lebhaftes Interesse in den Kreisen der Geistlichkeit der Politik entgegengebracht wurde. In zwei großen Artikeln: „Die königliche Thronrede und katholische H o f f n u n g e n " 2 ) , in der die Rede des Königs warm gelobt und eine Lanze für die Freiheit der Kirche gebrochen wird, und in „Enttäuschung" — über den Vereinigten L a n d tag nämlich — wird die Stellung der Katholiken zur politischen L a g e Preußens besprochen. Natürlich vom kirchlichen Standpunkt aus, so daß die radikalen Tendenzen, welche auf dem Landtage ihre Stimme für eine Trennung von Staat und Kirche, d. h. „ A u f h e b u n g aller positiven Verträge", erhoben, scharf getadelt werden. Also auch hier wohl die F o r d e r u n g der Freiheit der Kirche, aber nicht der völligen Trennung. 3 ) D a s Jahr 1848 mit seinem stürmischen politischen Leben fand auch seinen Widerhall in dem Kirchenblatt, in dem Forderungen wie Freiheit der Presse und allgemeines Wahlrecht erhoben wurden. Welch demokratische Strömungen gerade in der Geistlichkeit vorhanden waren, zeigt das „Wort an die deutsche Nation von einem katholischen Geistlichen", 4 ) der die polnische Revolution begrüßt und mit solcher Heftigkeit sich über die alte O r d n u n g äußert, daß sich Prisac gegen solche Rh. Kirchenbl. Januar-Märzheft 1845. ) Rh. Kirchenbl. Juni und August 1847. 3 ) s. auch kath. Bl. Juniheft 1847. 4 ) Rh. Kirchenbl. ApriJheft 1848. 2



141



„Demagogie" energisch verwahrt u n d zu O r d n u n g und R u h e mahnt. Ein äußeres Zeichen des gesteigerten Interesses in diesen Kreisen ist die Tatsache, daß von April ab das Kirchenblatt jeden S o n n t a g erschien und ihm vom 1. Juli ab das Blatt „ P i u s IX." f ü r kirchliche, soziale u n d politische Interessen zur Seite trat. Außerdem erschien in Köln seit dem Jahre 1845 im Verlage von D u Mont-Schauberg — zum großen Verdruß der „Elberfelder Zeitung" — als Monatsschrift in Heften zu vier Bogen der „Nathanael", ein „katholisch-kirchliches Volksblatt zur B e l e h r u n g und E r b a u u n g f ü r Rheinland und Westfalen". Es w u r d e herausgegeben von einem Verein katholischer Geistlichen und P ä d a g o g e n der Stadt Köln, unter Mitwirkung des Kaplans H. Stöveken in Köln, redigiert von Kaplan H. J. Schmittmann in Brühl. Das Blatt ist geg r ü n d e t von Geistlichen, „deren A u g e n m e r k vermöge ihrer amtlichen Stellung vorzüglich auf die praktische Seite des Volkslebens gerichtet ist". D a r u m ist das Ziel des „ N a thanael" : „kirchlich religiösen Sinn durch Belehrung u n d Erb a u u n g im Volke zu erwecken, zu beleben, zu nähren. Eine b e s o n d e r e Aufmerksamkeit will er dem Schulwesen zuw e n d e n , d e n n Kirche und Schule, diese großen Bildungsmittel der Menschheit, können nach Ansicht des „Nathanaels" n u r d a n n durchgreifend und segensreich wirken, wenn sie H a n d in H a n d ein Ziel erstreben, ihre h o h e A u f g a b e zu lösen versuchen. Auch im „Nathanael" findet sich die heftige Polemik gegen den Radikalismus u n d seine Presse, deren K o m m u n i s m u s „den notwendigen Schlußstein des Baues der m o d e r n e n A u f k l ä r u n g und Weltverbesserung" bilde. Er weissagte d e m Protestantismus sein nahes Ende, denn er habe seine Aufgabe, zu zeigen, wohin der hochmütige Abfall von der Autorität d e r Kirche führt, erfüllt. 1 ) F ü r ihn ist die christliche, d. h. die katholische Kirche die Stütze des Thrones, der o h n e sie zusammenstürzen muß, deshalb war auch der „ N a t h a n a e l " f ü r Unabhängigkeit der Kirche, aber nicht f ü r eine T r e n n u n g . „Unser Staat ist ein christlicher Staat u n d soll es bleiben." J

) Nathanael Septemberheft 1845.



142



In Bonn, wo schon im Jahre 1832 eine Vierteljahrsschrift „Zeitschrift f ü r Philosophie und katholische Theologie" von den Hermesianern Braun, Achterfeld u. a. herausgegeben wurde, die bis zum Jahre 1843 in Köln verlegt wurde, w u r d e 1844 von den Professoren der katholischen Theologie unter der Redaktion des Professors Dieringer — der vor seiner Ber u f u n g nach Bonn "Redakteur des „Katholik" gewesen war — eine katholische Zeitschrift f ü r Wissenschaft und Kunst ins. Leben gerufen, um den katholischen Interessen und jenen des positiven Christentums zu dienen, als Organ f ü r alle Interessen der christlichen Wissenschaft und Kunst, f ü r alle bedeutenden Gestaltungen im öffentlichen Leben. Diese Zeitschrift, zu deren Mitarbeitern u. a. Reichensperger, Dr. Baudri, seit 1849 Weihbischof von Köln, Dozent Dr. Volkmuth, Dr. Nie. Möller, Dr. Fr. Michelis, der später zum Altkatholizismus übertrat, und Prisac gehörten, erschien bis 1846 als Monatsschrift und wurde dann in eine Vierteljahrsschrift umgewandelt, ohne sich jedoch lange halten zu können. 1 ) Veröffentlichte diese Zeitschrift auch keine politisierenden Artikel, so enthielt sie doch eine ganze Reihe von sehr gediegenen Aufsätzen über kirchliche, soziale und Schulfragen. Interessant ist ein Artikel rein politischer Natur, der eigentlich aus den übrigen Rahmen herausfällt. Gedanken, wie sie in der „Luxemburger Zeitung" verfochten wurden, tauchen hier auf, nämlich die Forderung, daß das Streben nach einer selbständigen Gemeindeverfassung zurückgehen müsse auf den „Geist und das Wesen der germanischen Freiheit", und daß, solange man das Staatsrecht als das allein berechtigte dem Privatrecht gegenüberstelle, wahre Freiheit unmöglich sei.2) Mag der Leserkreis aller dieser Zeitschriften auch beschränkt gewesen sein, so sind sie doch ein Beweis für das Interesse und die rege Tätigkeit, die von der katholischen Geistlichkeit auf diesem Gebiete an den Tag gelegt wurden. 8 ) ') bis 1849. ) Jahrgang 1845 S. 115 ff. 3 ) vgl. über weitere unterhaltende religiöse Zeitschriften *. a. O. I, 250 f. 2

Bachem.



143



Auch der Erzbischof Geißel suchte diese Wirksamkeit derGeistlichen noch zu f ö r d e r n u n d zu beleben. 1 ) Von den Mitarbeitern der Blätter, zu denen die Kapläne Smeddinck, Mertens, Lenne, J. J. Süß, Caffer, Dr. Volkmuth u n d a n d e r e geh ö r t e n , sind besonders Binterim 2 ) u n d Prisac bekannt. Der erstere hat sich einen N a m e n durch seine W e r k e in der katholischen Theologie und sein Auftreten im Kölner Kirchenstreit gemacht. Prisac 3 ) ist publizistisch sehr tätig gewesen, v o r allem im Kampf g e g e n die „schlechte Presse". Im Jahre 1844 erschien sein bereits genanntes Schriftchen: „Die akatholische T e n d e n z der Kölnischen Zeitung" und 1846 die „Zeichen der Zeit, in 8 illustrierten Zeitungsberichten", die einen so g r o ß e n Erfolg hatten, daß gleich beim Erscheinen des ersten Heftes 3000 Exemplare gedruckt werden konnten. Ihre Polemik galt vor allem dem Deutsch-Katholizismus u n d der „schlechten Presse". Sie sollten, „wenn a u c h n u r d ü r f t i g u n d als schwacher Notbehelf, die Pflichten eines O r g a n s ersetzen, was die Staatsbehörden bisher nicht glaubten gestatten zu d ü r f e n " , u n d Heerschau halten über die einzelnen Tagesblätter u n d die Irrtümer, die sie in bezug auf das religiöse u n d bürgerliche Leben enthalten, aufdecken. 4 ) Prisac ist ein Mann von streng konservativer Anschauung, dem die Freiheit der Presse „das geringste Übel" ist. Er will „keinen Vertrag mit der Revolution, weder mit dem bureaukratischen noch mit dem anarchischen Despotismus, sondern das Recht". Als echter Rheinländer u n d guter Katholik erklärt er sich gegen die Reichsstände, sie bedeuten ihm eine G e f ä h r d u n g der heiligsten Interessen der Religion sowie der rheinischen Gerichtsverfassung. Er polemisiert gegen Sybel 5 ) als den Vertreter jener „unhistorischen revolutionären Ansicht, die sich in d e m revolutionären Absolutismus Ludwigs XIV. ausgesprochen, die den G r u n d gelegt hat zu den d a r a u f f o l g e n ') Pfülf a. a. O. II, S. 305 ff. ') s. über Binterim auch Pfülf a. a. O. I, 121 u. A. D. B. Bd. II, 662. 3 ) vgl. Rheinisches Kirchenblatt April 1848, wo Prisac sein politisches Glaubensbekenntnis ablegt. 4 ) Vorwort zum III. Heft. 5 ) Zeichen der Zeit II, S. 25 f, wegen eines Artikels in der K- Z. 1846 Nr. 4 8



144



den Erschütterungen, die mit den Eigentümlichkeiten der Völkerschaften auch die Throne der Fürsten wankend macht". Bei der daraus folgenden allgemeinen geistigen Verflachung aller Individualität, bei einer solchen Vergötterung der absoluten Staatsraison sei eine feste, selbständige Überzeugung unerträglich. O b Prisac in Beziehung zu der „Rhein- u. Moselzeitung" gestanden hat, kann ich zwar nicht bestimmt feststellen, möchte es jedoch schon deshalb als wahrscheinlich annehmen, weil die „Rhein- u. Moselzeitung" im Jahre 1848 eine E r klärung von ihm gegen die „Kölnische Zeitung" enthält. Abgesehen von ihrer Teilnahme am Borromäus-Verein, der auch seit dem Jahre 1846 ein Monatsblatt herausgab, suchte die katholische Geistlichkeit auch noch auf eine andere Weise den Einfluß der „schlechten Presse" zu dämmen. Unter den Petenten in Trier für Aufhebung des Verbots der Historisch - politischen Blätter befanden sich eine große Anzahl von Geistlichen, an der Spitze der Domkapitular Dr. Müller. 1 ) Dort überreichte ferner die katholische Geistlichkeit dem Domkapitel eine „Vorstellung wegen Verletzung der Katholiken in öffentlichen Blättern", 2 ) während von Bonn und aus anderen Dekanaten Adressen an Geißel gesandt wurden 3 ) um paritätische Zensur, oder, wie es die „Elberfelder Zeitung" ausdrückt, der Erzbischof m ö g e bei der Regierung die Aufhebung der Preßfreiheit den Ultramontanen gegenüber beantragen, sonst müßten sie von der Kanzel Repressalien gegen die Zeitungen anwenden. Diese Nachricht, ebenso die, daß auf Anordnung Arnoldis von allen Kanzeln der Diözese gegen die „Trier'sche Zeitung" gepredigt werden solle, stammt aus dem gegnerischen Lager, daß aber in der Tat die Geistlichen zu solchen Mitteln gegriffen haben, wird in den Historisch politischen Blättern selbst ausgesprochen, wonach sich die Geistlichen am Rheine damit helfen, Berichtigungen, wenn sie von den Zeitungen zurückgewiesen werden, von den Kanzeln bekannt zu machen. 5 ) !) Histor. pol. Bl. 1845 I. Heft. a ) E. Z. 2 7 / 1 1 44. 3 ) E. Z. 2 7 / 1 2 44. *) Histor. pol. Bl. 1844, S. 234.

Pfülf a. a. O. II, 303.



145



D a s „ F r a n k f u r t e r J o u r n a l " z. B. protestierte g e g e n d a s Anathema, d a s in L i m b u r g der Geistliche von der Kanzel herab über sie verkündet habe, und entrüstet f r a g t e die „ E l b e r f e l d e r Z e i t u n g " , mit dem Hinweis, daß ein Gleiches von den j u n g e n katholischen Priestern und Kaplänen in den Kirchen zu Mainz, Seligenstadt, Wetzlar, K o b l e n z usw. geschehe, o b so ein Verfahren „nicht ein strafbarer t i n g r i f f in die Rechte der weltlichen R e g i e r u n g " sei. 1 ) Mit der B e g r ü n d u n g , daß die Geistlichen g a n z b e s o n d e r s den mannigfachen B e s t r e b u n g e n des B ö s e n , dem U n g l a u b e n entgegentreten und für B e w a h r u n g des religiösen Sinnes eintreten müssen, 2 ) vertritt d a g e g e n d a s „Rheinische Kirchenblatt" die Ansicht, daß der katholische K l e r u s b e s o n d e r s „ d u r c h Beruf und Pflicht" bei der katholischen Presse beteiligt sein müsse, obwohl es nicht verkennt, daß eine zu große Beteiligung d e s Klerus a m Politischen unvermeidliche G e fahren habe. 3 ) J e d e n f a l l s war die katholische Geistlichkeit in diesen Jahren nicht untätig und hat ihren Einfluß auch in politischen Dingen auf d a s katholische Volk geltend g e m a c h t . V o n b e s o n d e r e m Interesse sind f ü r u n s noch die Zeitschriften, die der spätere Redakteur der „ R h e i n - u. Moselzeitung", D r . Rotteis, in N e u ß bei S c h w a n n erscheinen ließ. Z u n ä c h s t die katholische Zeitschrift f ü r E r z i e h u n g und Bild u n g , die 1845 als Monatsschrift ins L e b e n trat, u n d deren T e n d e n z der K a m p f f ü r christliche E r z i e h u n g und S c h u l e war, und dann die „Kritischen Blätter zur Beurteilung der B e w e g u n g e n unserer Zeit auf d e m Gebiete d e s religiösen, politischen und sozialen Lebens, der W i s s e n s c h a f t und K u n s t vom S t a n d p u n k t e des C h r i s t e n t u m s " , h e r a u s g e g e b e n von Dr. T h . Rotteis u n d F. J. Rotteis, L a n d g e r . - A s s e s s o r . A u c h ') E. Z. 8 / 1 2 44. *) Rh K. Bl. Jan 44 *) Rh. K . Bl August 4 6 . In dem Artikel wird der katholische Klerus aufgefordert, von seinem Rechte bei den Stadtverordnetenwahlen Gebrauch zu machen, denn es sei ein großer Fehler, wenn man von einem Recht keinen G e b r a u c h machen wolle, dessen sich der Apostel Paulus selbst nicht geschämt habe. Auch sei diese Frage keine rein politische sondern hänge mit manchem Kirchlichen innig zusammen. M ö u c k m e i e r , Rhein-u.Monelzeitung.

1(J



146



sie sollten in monatlichen Heften herausgegeben werden, doch erschienen am Ende des Jahres 1846 immer zwei Hefte zusammen, im Jahre 1847 nur 6 Hefte, bis Rotteis die Zeitschrift, die vom 1. Januar 1848 ab als eine Art Ergänzung der „Rheinu. Moselzeitung" bezeichnet wurde, nach Ausbruch der Revolution eingehen ließ. Als Hauptmitarbeiter ist vor allem Th. Rotteis selbst anzusehen, von dem alle größeren politischen Aufsätze herzurühren scheinen. Die Zeitschrift ist in eine Kritik der allgemeinen Erscheinungen der Zeit und in eine Kritik der besonderen Erscheinungen eingeteilt. In dem einleitenden Aufsatze : „ D a s Christentum und unsere Zeit" legt Rotteis seine Auffassung, die er von der Zeitenentwicklung und Strömung hat, dar. Es entwickele sich der Kampf eines unchristlichen und widerchristlichen Zeitherzens und Zeitgeistes gegen das Christentum und die christliche Geschichte; revolutionär sei daher der vorherrschende Charakter der Zeit, 1 ) dieser Geist der Revolution und der Negation rufe nach Fortschritt, unter dem er nichts anderes verstehe als Wegschritt und Auflösung alles Bestehenden. Die Zeitschrift wurde also in ausgesprochen konservativem Sinne redigiert. Der Fortschritt, dem sich die „Kritischen Blätter" widmeten, „besteht nicht in blindem, selbstsüchtigem und wildem Wegwerfen unserer vergangenen Geschichte sondern in einem fortgesetzten, ebenso treuen als selbständigen Verstehen und Erfüllen derselben". 2 ) Ein großer Platz ist der Besprechung des religiösen Lebens gewidmet, der Polemik gegen den Deutsch-Katholizismus und den Gustav Adolf-Verein. Die Ideen, die Rotteis in der „Rheinu. Moselzeitung" verfocht, sind auch hier, zum Teil tiefer und ausführlicher, behandelt, und so greife ich nur einige interessante Einzelfragen heraus. Besonders scharf hervorgehoben wird immer wieder der Gegensatz des „erhaltenden Katholizismus" zum „auflösenden Protestantismus", Ronge- und Lichtfreundetum. Durch den Katholizismus, so schreibt Rotteis, kann die Staatsgewalt ohne Inkonsequenz sich in der gebührenden Stellung als M Kr. Bl. I. S. 25. ') Kr. BJ. I, S. 26 ff.



147



M a c h t ü b e r d e m s u b j e k t i v e n Meinen u n d W o l l e n e r h a l t e n ; in u n d nach d e m P r o t e s t a n t i s m u s ist dieses eine U n m ö g l i c h keit. Line der H a u p t g e f a h r e n , die der R a d i k a l i s m u s u n d d e r K o m m u n i s m u s mit sich bringt, ist f ü r ihn die Idee der Einheit D e u t s c h l a n d s . 1 ) W e l c h e r G e g e n s a t z zu den A n s c h a u u n gen d e r Katholiken im J a h r e 1S4S! A l l e r d i n g s n a h m ja Rotteis in d e r „ R h e i n - u. M o s e l z e i t u n g " auch eine s e h r a b l e h n e n d e H a l t u n g der n e u e n B e w e g u n g g e g e n ü b e r ein. Die d e u t s c h e N a t i o n ist nach seiner Ansicht ihrer g a n z e n A n l a g e u n d i h r e r G e s c h i c h t e n a c h ein B u n d e s v o l k . Die B u n d e s e i n h e i t h a b e ihr wie d e r Welt 30 J a h r e l a n g den Frieden b e w a h r t , d a r u m m ü ß t e n die F ü r s t e n treu an dem B u n d e h a n g e n , w a h r e T o l e r a n z g e g e n alle K o n f e s s i o n e n u n d e n t s c h i e d e n e G e r e c h t i g keit ü b e n . Eine a n d e r e Einheit D e u t s c h l a n d s heiße n u r d e m L i b e r a l i s m u s in die H ä n d e fallen, w a s bei d e m g e g e n w ä r t i g e n Z u s t a n d D e u t s c h l a n d s d o p p e l t g e f ä h r l i c h s e i ; d e n n in D e u t s c h land ist n a c h Rotteis Ansicht der S a m e d e s A t h e i s m u s u n d K o m m u n i s m u s auf d e n f r u c h t b a r s t e n B o d e n gefallen, 2 ; e s m a c h t u n g e h e u r e F o r t s c h r i t t e auf d e m W e g e der A u f l ö s u n g , seiner G e s c h i c h t e u n d seiner selbst. 3 ) Eine t r ü b e Q u e l l e v o n vielem U n f r i e d e n u n d m a n c h e r U n o r d n u n g auf d e m religiösen G e b i e t e sei d a s g e h e i m e politische S t r e b e n n a c h d e m Rechte „ d e r v o r z u g s w e i s e n W a h r u n g d e r d e u t s c h e n I n t e r e s s e n " o d e r d e r H e g e m o n i e in D e u t s c h l a n d . D a d u r c h d a ß die Liberalen die H e g e m o n i e ü b e r g a n z D e u t s c h l a n d f ü r P r e u ß e n in A n s p r u c h n ä h m e n , w ü r d e n die K o n s e r v a t i v e n zu Österreich g e d r ä n g t , f ü r d e s s e n „ o f f e n e u n d e h r l i c h e " Politik die „Kritischen Blätter" w a r m e W o r t e d e r A n e r k e n n u n g f i n d e n . Zwei Möglichkeiten, die H e g e m o n i e zu e r w e r b e n , sind n a c h den „Kritischen Blättern" v o r h a n d e n : ihre Ü b e r t r a g u n g d u r c h e i n s t i m m i g e n B e s c h l u ß d e s B u n d e s , ein Fall, v o n d e m der V e r f a s s e r a l l e r d i n g s a u c h z u g i b t , d a ß er s c h w e r l i c h eintreten w e r d e , o d e r E r w e r b u n g d u r c h E n t f e s s e l u n g einer V o l k s b e w e g u n g , so d a ß sich also eine Regier u n g e i n e r d e u t s c h e n Revolution a n v e r t r a u e n m ü ß t e . ') Kr. Bl. 1846 1, S. 2 5 5 ff a 3

) Kr. Bl. 1847 11, S. 84.

) Kr. Bl. 1847 11, S. 282.

10*



148



Diese Furcht vor dem Streben nach Hegemonie spielt auch mit bei der Beurteilung des Patents vom 3. Februar 1847; die „Kritischen Blätter" verehren darin „eine edle, hochherzige u n d menschenfreundliche Absicht u n d Gesinnung, aber die Folgen liegen schwerlich in der Gewalt des edlen Fürsten". Das G e w ä h r t e sei n u r ein Bruchstück einer Konstitution, zu der bald E r g ä n z u n g e n n o t w e n d i g sein w ü r d e n . Erkennen dies auch die Blätter an, so haben sie doch ernste B e f ü r c h t u n g e n , u n d dabei kommt ihre grundkonservative Ges i n n u n g wieder zum Vorschein. Sie wünschen wegen des „gärenden u n d anarchischen Volkslebens" ein „recht langes Fortbestehen der B e s c h r ä n k u n g e n " u n d warnen vor Bestrebungen, auf G r u n d der neuen Volksvertretung eine N a t i o n a l v e r s a m m l u n g Deutschlands errichten oder die Hegemonie in Deutschland gewinnen zu wollen. 1 ) In der Zeitschrift nimmt auch die B e h a n d l u n g der auswärtigen Politik, b e s o n d e r s der Schweizer Wirren, einen großen Platz ein. In der ganzen Art def B e s p r e c h u n g macht sich ein reichlich philosophisch u n d abstrakt gefärbter T o n geltend, der wohl z. T. durch Rotteis B i l d u n g s g a n g zu erklären ist. N e u e Gesichtspunkte werden dabei eigentlich kaum geltend gemacht, so daß sich eine nähere B e s p r e c h u n g erübrigt.

Schluß. Fassen wir das Resultat unserer U n t e r s u c h u n g zusammen, so ergibt sich, daß eine eigentlich katholische Presse, auf die zwar von den eifrigen rheinischen Katholiken seit langen Jahren hingearbeitet wurde, erst mit dem Jahre 1844 entstanden ist. Sie g e w a n n schnell eine gewisse B e d e u t u n g infolge der Trierer R o c k b e w e g u n g u n d der Bildung des De»tsch-Katholizismus. Aber auf dem Gebiete der Tagespresse blieb der Einfluß der rheinischen Katholiken doch relativ beschränkt, zum Teil infolge der Stellung, die die preußische Regierung der „ultramontanen" Presse g e g e n ü b e r einnahm. Da alle neuen Zeitungsprojekte an ihrem Wider») Kr. Bl. 1847 S. 1 0 3 ff.



149



stände scheiterten, mußten sich die rheinischen Katholiken mit W o c h e n - resp. Monats-Zeitschriften b e g n ü g e n , deren in den vierziger Jahren eine verhältnismäßig große Anzahl entstand. In ihrem K a m p f e mit der rheinischen P r e s s e w u r d e sich die „ u l t r a m o n t a n e P r e s s e " der G e g e n s ä t z e und der gemeinsamen Ziele mit dem L i b e r a l i s m u s zuerst bewußt. Aber die g e m e i n s a m e n F o r d e r u n g e n e n t s p r a n g e n g a n z verschiedenen Motiven, s o ihr W u n s c h nach Freiheit der Kirche und nach Freiheit der Presse. Beide traten auch ein f ü r die Aufrechterhaltung der rheinischen G e r i c h t s v e r f a s s u n g , j e d o c h g i n g die ,,Rhein- u. M o s e l z e i t u n g " darin schon weiter, als es der liberalen P r e s s e lieb war. E s war einer der wirksamsten Hebel, den die Z e i t u n g geschickt zu verwenden wußte. Bei der F o r d e r u n g der Freiheit der Kirche bildete ein wesentliches M o m e n t der K a m p f g e g e n den indifferenten Liberalismus, die K l a g e über den materialistischen Z u g der Zeil ist der g a n z e n katholischen P r e s s e eigen. Die F o r d e rung, die der politische Katholizismus im J a h r e 1848 auf sein P r o g r a m m setzt, wie z. B . die Unterrichtsfreiheit, auch sie werden vorher erörtert, u n d zwar werden immer diese an sich liberalen W ü n s c h e , die ihrem Wesen und U r s p r u n g nach a u s g a n z anderen G e d a n k e n g ä n g e n e n t s p r u n g e n sind, nur mit einer Art von Vorbehalt gestellt. U n t e r den „ b e s t e h e n d e n Verhältnissen" muß die Unterrichtsfreiheit gestattet werden, an sich fällt sie aber a u s d e m Rahmen des christlichen Staates, der doch d a s Ideal der katholischen A u f f a s s u n g ist, heraus. Bei der S t e l l u n g n a h m e zu diesem Ideal zeigen sich b e s o n d e r s die zwei S t r ö m u n g e n , die auch im politischen Katholizismus nebeneinander hergehen, ohne sich j e d o c h immer des bestehenden G e g e n s a t z e s bewußt zu werden, b e s o n d e r s da sie in g e m e i n s a m e r F r o n t g e g e n denselben G e g n e r s t e h e n : die liberal-demokratische und die konservative Richtung. A u c h bei der F o r d e r u n g der T r e n n u n g o d e r U n a b h ä n g i g k e i t von Staat und Kirche, wie sie im katholischen L a g e r erhoben wird, zeigen sich e n t g e g e n g e s e t z t e A n s c h a u u n g e n , doch muß d a s Verlangen nach völliger T r e n n u n g hinter d e m nach Freiheit und U n a b h ä n g i g k e i t der Kirche, aber im R a h m e n d e s bestehenden Staates, zurücktreten.



150



Die Ideen des katholischen Liberalismus in Frankreich u n d Belgien h a b e n auf die rheinischen Katholiken wohl gewirkt, a b e r sie sind nicht allgemein a n g e n o m m e n . D a s beste Beispiel ist die O p p o s i t i o n g e g e n M o n t a l e m b e r t , die sich d a n n u n d w a n n in der rheinischen Presse b e m e r k b a r macht. G e wisse G e g e n s ä t z e in d e r „katholischen Partei" zeigt ja a u c h die Presse. Die k o n s e r v a t i v - f e u d a l s t ä n d i s c h e R i c h t u n g ist vertreten in d e r „ L u x e m b u r g e r Z e i t u n g " — wie in den Historischpolitischen Blättern —, die liberale in d e r „ R h e i n - u. Moselz e i t u n g " . Die A n s c h a u u n g , wie sie z. B. in d e r „ L u x e m b u r g e r Z e i t u n g " z u m A u s d r u c k g e b r a c h t w u r d e , darf m a n keineswegs als in katholisch - politischen Kreisen allgemein gültig betrachten, vielmehr ist es n u r eine R i c h t u n g : es ist das politische G l a u b e n s b e k e n n t n i s d e r s t r e n g konservativen Katholiken, bes o n d e r s des kleinen Kreises der rheinischen A u t o n o m e n , zu d e r e n S p r e c h e r sich Rintel, d e r später a u c h in der „Allgemeinen Oder-Zeitung" oft „reaktionäre u n d überkonservativ" g e h a l t e n e Artikel schrieb, 1 ) m a c h t e . Diese R i c h t u n g lehnte g r u n d s ä t z l i c h , ihren A n s c h a u u n g e n v o m W e s e n u n d Z w e c k des Staates e n t s p r e c h e n d , eine reichsständische V e r s a m m l u n g a b . Sie v e r a b s c h e u t e j e d e Konstitution, w ä h r e n d ein g r o ß e r Teil „ d e r katholischen" R h e i n l ä n d e r an sich w o h l konstitutionell g e s i n n t war, a b e r sich R e i c h s s t ä n d e n g e g e n ü b e r a b l e h n e n d verhielt, v o r allem a u s Z w e c k m ä ß i g k e i t s g r ü n d e n , eben u m die rheinische Eigenart nicht zu g e f ä h r d e n u n d den provinziellen C h a r a k t e r möglichst zu w a h r e n . Die konservative R i c h t u n g , die z u n ä c h s t n a c h d e m Eing e h e n d e r „ L u x e m b u r g e r Z e i t u n g " in d e r T a g e s p r e s s e nicht m e h r zu W o r t e k o m m t , erscheint d a n n 1847 mit Rotteis in d e r „ R h e i n - u . Moselzeitung", u m im R e v o l u t i o n s j a h r e den e n t g e g e n g e s e t z t e n A n s c h a u u n g e n , die sich a u c h d e r j u n g e n „ R h e i n i s c h e n Volkshalle" b e m ä c h t i g t e n , Platz zu m a c h e n . S c h o n dieser W e c h s e l zeigt, daß von zwei fest a u s g e p r ä g t e n S t r ö m u n g e n n o c h nicht die R e d e sein kann, m a n f ü h l t e U n t e r schiede, o h n e sich ihrer jederzeit g e n a u b e w u ß t zu w e r d e n . W e l c h e starke d e m o k r a t i s c h e S t r ö m u n g aber im „ U l t r a m o n t a n i s m u s " s c h l u m m e r t e , beweist die H a l t u n g d e r katholischen vgl. Bachem a. a. O. I. 272.



151



Presse im Jahre 1848, während die praktischen katholischen Politiker sich mehr auf konservativem Boden bewegten. In diesem Jahre kommt naturgemäß der Gegensatz schärfer zum Durchbruch. Katholizismus gleich Konservatismus gegenüber dem Protestantismus gleich Radikalismus auf der einen, und Katholizismus, der in jeder Weise der Entwicklung der politischen Freiheit günstig ist, weil sie auch der katholischen Kirche die ersehnte Freiheit bringe, auf der anderen Seite. Beiden Richtungen gemeinsam ist der starke Partikularismus und der tief gefühlte Gegensatz zum protestantischen Preußen und seinem Systeme. Friedrich Wilhelm IV. erfreute sich wohl großer Sympathien, aber sie entsprangen nicht zum wenigsten der Hoffnung, daß er der katholischen Kirche größere Freiheit geben werde, eine Erwartung, die durch die Regierungshandlungen des Königs nach seiner Thronbesteig u n g noch gestärkt wurde. Wie weit sich diese Gedanken verstiegen, beweist die „Rhein- u. Moselzeitung" im Jahre 1847, wo sie den Faden einer persönlichen Freundschaft des Königs mit dem Papste Pius IX. spinnt und davon großes Heil für Staat und Kirche erwartet. D a s partikularistische Moment wurde aber immer schärfer betont, um im Jahre 1848 mit der starken, offenen Polemik gegen die Regierung den Höhepunkt zu erreichen. Daß jedoch die praktische katholische Politik in diesem Jahre von so großem Erfolge begleitet war, ist nicht zum wenigsten mit das Verdienst der katholischen Presse, die die keimenden Gedanken und Tendenzen zur Verbreitung gebracht, und damit die Möglichkeit gegeben hat, sich auf dem G r u n d e gemeinsamer Anschauungen zusammenzuschließen. U n d der Zusammenschluß des Jahres 1848 erwies sich als lebensfähig, er bildete den Keim zur Entstehung einer großen, politisch mitbestimmenden Partei. Die preußische Regierung erkannte sehr wohl, daß ihr im „Ultramontanismus" ein gefährlicher Gegner erwuchs, und aus dieser Erkenntnis heraus und infolge der Erfahrungen des Jahres 1837, suchte sie die katholische Presse unschädlich zu machen. Zunächst trachtete sie, auf die katholischen Zeitungen ihren Einfluß geltend zu machen, als ihr dieses nicht gelang, gründete sie selber Zeitungen. Aber auch dieses



152



Unternehmen erwies sich als undurchführbar, und darum schlug die Regierung mit dem Wiedererstarken ihrer Macht den W e g ein, der nur die gegenteilige Wirkung haben konnte und gehabt hat, den der gewaltsamen Unterdrückung der katholischen öffentlichen Meinung. Das G e b ä u d e des „Ultramontanismus" war aber zu gut fundiert, um auf diese Weise vernichtet werden zu können. Laien und Klerus arbeiteten in gleicher Weise mit an dem Zusammenschluß. Der Koblenzer Kreis sowie das Komitee der Kölner Katholiken des Jahres 1844 setzten sich größtenteils aus Laien zusammen. In Köln bestand seit dem Jahre 1837 der Klemensverein, der die eifrigsten Katholiken regelmäßig zur Besprechung religiöser Angelegenheiten versammelte, und dem das Verdienst gebührt, „den Katholiken Kölns die erste Schulung im Vereinsleben vermittelt zu haben". 1 ) Auch der katholische Klerus war nicht müßig, er übernahm die Aufgabe, das Volk in politischen Fragen zu lenken, und sein natürlicher Einfluß machte ihn dazu besonders geeignet. Der Grundsatz, daß der katholische Priester auch als Bürger vor allen anderen wichtige und große Pflichten habe, galt schon in den 40 er Jahren und führte 1848 mit zu dem ersten großen Erfolge des politischen Katholizismus. Auch im Liberalismus und Konservatismus sah man bald im „Ultramontanismus" einen Gegner, und man kann nicht sagen, daß er von der Presse verkannt oder unterschätzt wurde. N u r die „Trier'sche Zeitung", der wirtschaftliche und soziale Probleme, nicht kirchliche und politische im Vordergrund des Interesses standen, legte der keimenden Bewegung keine große Bedeutung bei; die übrige rheinische Presse dagegen schloß sich gleich zusammen gegen den gemeinsamen Gegner. Der Kampf der Anschauungen, der auch die Gegenwart bewegt, hat in den 40 er Jahren einen bedeutungsvollen Anfang genommen. Eine konfessionslose Politik gibt es nicht, sagt die „Rhein- u. Moselzeitung" des Jahres 1847, und gerade die Vermischung von Konfession und Politik trieb die Geister an, der „ultramontanen" Strömung im Volke entgegenzutreten. Schärfer konnte wohl schwerlich der Gegen') Bachem a. a. O. I, 253.



153



satz zum zentralisierenden Liberalismus ausgesprochen werden, als im Jahre 1847 von der rheinisch-partikularistischen ,,Rhein- u. Moselzeitung". Auch hier liegt nur der Anfang einer Entwicklung, die das 19. Jahrhundert durchzieht: Der Kampf des politischen Katholizismus für Dezentralisation, da er unter den bestehenden politischen Verhältnissen im Einzelstaate eher eine wirkliche Macht zu bilden vermochte, und gegen jede „kleindeutsche" Einheitsbestrebung, die durch Zurückdrängung der katholischen Bevölkerung in die Minorität den Einfluß des „Ultramontanismus" schwächen mußte.

Julius Belti, Hofbuchdrucker, Langansalia.

A. Marcus ft E. Webers Verlag in Bonn Kürzlich e r s c h i e n :

Das

rheinisch-westfälische Kohlensyndikat von

Prof. Dr. Kurt Wiedenfeld Textband

und

Beilagenheft

zusammen

7.50 M.

(Moderne Wirtschaftsgestaltungen

Heft 1).

In einer Zeit, vor der als bedeutsamstes Problem des Wirtschaftslebens die Frage nach dem Wesen der großen Kartelle steht, und in einem Augenblick, in dem die Erneuerung von mehreren dieser Gebilde die Frage nach ihrer Weiterentwicklung brennend macht, wird es weiteren Kreisen willkommen sein, aus unparteiischer Feder eine Darstellung von dem wichtigsten dieser Syndikate zu erhalten. Prof. Dr. Wiedenfeld von der Handels-Hochschule Köln, der durch die Einrichtung des Kölnischen Museums für Handel und Industrie vielfach Fühlung mit der rheinisch-westfälischen Industrie erhalten hat und daher als deren guter Kenner wohl gelten kann, versucht hier zu einem klaren, allgemeinverständlichen Bilde zusammenzufassen, was über das innere Wesen und die Wirkung des Steinkohlensyndikats zu sagen ist. Die Gegensätze unter den Mitgliedern, besonders das Verhältnis der reinen zu den Hütten-Zechen — der Kampf des Syndikats um den Absatz, seine Bedrängung durch die englische und die Braunkohle — die Wirkungen auf die Unternehmungen und die Arbeiter sowie auf die Verbraucher und Weiterarbeiter — vor allem die Fragen des volkswirtschaftlichen Effekts, ob in Technik und Organisation ein Stillstand aus der Preismacht des Syndikats erfolgt ist — alles dies wird eingehend von gründlicher Einzelkenntnis aus erörtert, wobei doch das AllgemeinGiltige nicht verloren geht. Eine Reihe von mehrfarbigen Diagrammen und Karten bringt die Entwicklung der wichtigsten Teilvorgänge zu plastischer Anschaulichkeit. Mit diesem Buch wird eine Sammlung volkswirtschaftlicher Abhandlungen eingeleitet, welche der Verfasser unter dem Titel „Moderne Wirtschaftsgestaltungen" zu dem Zweck herausgibt, die zahlreichen Anschauungsmaterialien des ihm unterstellten Museums weiteren Kreisen nutzbar zu machen. Auch sollen darin solche Arbeiten seiner Schüler veröffentlicht werden, die wegen der in der Praxis gewonnenen Unterlagen für die wissenschaftliche Erkenntnis unsres Wirtschaftslebens von allgemeinerem Wert zu sein scheinen.

TABVLAE IN VSVM SCHOLAEVM EDITAE SVB CVRA IOHANN1S LIETZMANN

HANDSCHRIFTEN DER REFORMATIONSZEIT AUSGEWÄHLT VON

G E O R G MENTZ BONN, A. MARCVS & E. WEBERS VERLAG 1912 XXXVIII S.

50 Tafeln. In Leinenband 6 M, in Ganzpergament 12 M

Dieses in erster Linie zur Einführung in das Quellenstudium der Reformationszeit bestimmte Tafelwerk dürfte auch in weiteren Kreisen lebhaftem Interesse begegnen. Auf 60 Lichtdrucktafeln (18x24) werden etwa 90 Schriftproben vornehmlich der theologischen und politischen Führer und Förderer der Reformation dargeboten. Die Tafeln enthalten in sorgfältigster Faksimilereproduktion Briefe und Aktenstücke, welche auch inhaltlich für die Entwicklung der reformatorischen Bewegung von Bedeutung sind: der Text gibt die buchstabengetreue Umschrift und Literaturnachweise; bei den weniger bekannten Persönlichkeiten auch einige biographische Notizen. Vertreten sind folgende G r u p p e n : H u m a n i s t e n (Erasmus, Reuchlin, Mutian, Pirkheimer, Hutten, Scheurl); T h e o l o g e n (Luther, Melanchthon, Bugenhagen, Jonas, Cruciger, Amsdorf, Spalatin, Major, Carlstadt, Agricola, Müntzer, Osiander, Bucer, Breuz, Schnepf, Wenz, Linck, U. Rhegius, Corvinas, Bullinger, Oecolampadius, Zwingli, Calvin u. a. m.), sowie die für Ueberlieferungsgeschichte bedeutsamen Männer (Mathesius, Amifaber, Veit, Dietrich, Roever, Schlaginhaufen). F ü r s t e n (die sächsischen Kurfürsten, Georg und Moritz von Sachsen, Philipp von Hessen, Ulrich von Württemberg, die Braunschweigischen Herzöge, Georg von Brandenburg, Albrecht von Mansfeld, Wolf v. Anhalt, Wilhelm v. Neuenahr, Maria v. Jülich, Elisabeth v. Rochitz. K a n z l e r , R ä t e und S e k r e t ä r e (Christian Beyer, Gregor Brück, Melchior V. Ossa, F. Burkhardt, Feige, Leonhard Eck; Hans v. d. Planitz, Eberh. v. d. Tann, Christ, v. Karlowitz, Fachs, Loz. Spengler, Fröhlich, Gereon Sailer, Joh. Sturm, Schertlin, Wolf, Lauenstein, Aitinger, Bing u. a.)

STUDIEN ZUR RHEINISCHES BESCHICHTE Herausgeber: Dr. jur. ALBERT AHN

Heft

2:

Die Rheinlande und die Preussische Verfassungsfrage auf dem ersten Vereinigten Landtag (1847) von Dr. E. Hemmerle Preis M

6.—

Eine sehr bedeutsame Etappe in der Verfassungsentwicklung Preußens bildet das berühmte Patent vom 3. II. 1847, welches den ersten Vereinigten Landtag berief. Trotz der großen Beschränktheit seiner Befugnisse war damit der Weg betreten, der geeignet war, das absolutistische Preußen allmählich in eine konstitutionelle Monarchie umzuwandeln und eine engere Verbindung Preußens und Deutschlands herbeizuführen, eine Entwicklung, welche die Revolution des Jahres 1848 unterbrach und beschleunigte. Die Rheinländer haben auf dem Vereinigten Landtage eine so beherrschende Rolle gespielt, daß die H. gestellte Aufgabe besonders gerechtfertigt war. Gestützt vornehmlich auf die Landtagsprotokolle und die rheinische Presse, die dem Februarpatent und den Berliner Verhandlungen lebhafteste Aufmerksamkeit schenkte, aber auch auf einiges Aktenmaterial des Berliner Geheimen Staatsarchivs, untersucht H. hauptsächlich die Stellung der Rheinländer zum Februarpatent und auf dem Landtage. Der zweite Abschnitt ist um die beiden Gesichtspunkte gruppiert: „Der Kampf um den Rechtsboden" und „Die verfassungsrechtlichen Anschauungen und Ziele der Rheinländer". Der reiche Stoff ist geschickt gegliedert, die Darstellung flüssig; die Werturteile und die Terminologie zeigen den Autor als einen denkenden und in politischen Dingen wohl unterrichteten Mann. Ein gewisser journalistischer Anflug des Buches trägt gewiß dazu bei, ihm über den engeren Kreis der Fachgelehrten hinaus unter den politisch interessierten Rheinländern Eingang zu verschaffen. A. H.

A. Marcus u. E. Webers Verlag (Dr. jur. Albert Ahn) Bonn

STUDIEN ZUR RHEINISCHEN GESCHICHTE Herausgeber: Dr. jur. ALBERT AHN Heft 3 :

Preussens Verfassung und Verwaltung im Urteile rheinischer Achtundvierziger von Dr. phil. Helene Nathan. Preis 3,60 Mark. Wie immer man über den wissenschaftlichen und methodischen Charakter historischer Arbeiten urteilen mag, denen es nicht auf objektive Feststellungen ankommt, sondern welche uns Querschnitte der öffentlichen Meinung bieten, die uns zeigen, welchen Widerhall Geschehnisse oder Einrichtungen in den Herzen und Köpfen des Volkes gefunden haben, für so sorgfältige und aufschlußreiche Arbeiten wie die vorliegende wird man nur dankbar sein können. Mit großem Fleiß und Geschick hat Fräulein N. vornehmlich aus Briefen, Flugschriften und Äußerungen in den parlamentarischen Körperschaften die bemerkenswertesten Urteile der rheinischen Politiker über die preußische Verfassung und Verwaltung zusammengetragen. Die Darstellung ist gewandt, das eigene Urteil der Verfasserin so Besonnen und zuverlässig, daß der aufmerksame Leser auch aus nicht historisch geschulten Kreisen der Gefahr entgeht, welche die oft stark subjektiven Quellen sonst bieten könnten. Auch die Charakteristiken der führenden rheinischen Persönlichkeiten und die allgemeinen Betrachtungen in der Einleitung und am Schluß machen einen vorteilhaften Eindruck. Möchte eine freundliche Aufnahme der vorliegenden interessanten Studien die Verfasserin in ihrer Absicht bestärken, die angekündigte Fortsetzung zu liefern, welche die Urteile über die Kirchen- und Schulpolitik, sowie Justiz, Heerwesen und äußere Politik Preußens behandeln soll. A. H.

In Vorbereitung ist ferner Heft 5 :

Beiträge zur Vorgeschichte des Kölner Kirchenstreites von 1837 von Dr. Paul Vogel. A. Marcus u. E. Webers Verlag (Dr. jur. Albert Ahn) Bonn