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German Pages 356 [354] Year 2015
Die Restrukturierung des Raumes
Andrej Holm (Dr. phil.) ist Sozialwissenschaftler an der Humboldt-Universität zu Berlin. Seine Forschungsschwerpunkte sind Stadterneuerung, Gentrification und Wohnungspolitik.
Andrej Holm
Die Restrukturierung des Raumes Stadterneuerung der 90er Jahre in Ostberlin: Interessen und Machtverhältnisse
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Inhalt
1. 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5
Raum, Macht und Stadterneuerung .............................................7 Einleitung und Fragestellung ............................................................7 Forschungsgegenstand ....................................................................12 Fragestellung...................................................................................13 Arbeitshypothese.............................................................................15 Aufbau der Untersuchung ...............................................................16
2. 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 2.6
Theorien zur Stadterneuerung ....................................................19 Forschungsstand einer Soziologie der Stadterneuerung .................19 Macht- und Ordnungspolitik in der Stadterneuerung .....................25 Die Ökonomie der Stadterneuerung ...............................................35 Organisation, Ideologie und Politik der Stadterneuerung...............50 Stadterneuerung als Forschungsfeld ...............................................61 Stadterneuerung und Gentrification................................................63
3. 3.1 3.2 3.3 3.4
Politisch-administrative Struktur der Stadterneuerung...........75 Abschied von der Behutsamen Stadterneuerung in Kreuzberg ......75 Durchführungsinstrumente der Stadterneuerung ............................85 Akteure der Stadterneuerung ..........................................................92 Herausbildung eines Sanierungsregimes ......................................140
4. Die Ökonomie der Aufwertung..................................................147 4.1 Entstehung der Sanierungsgebiete: Folgen jahrzehntelanger Desinvestition ...............................................................................148 4.2 Bedingungen für eine Reinvestition .............................................151 4.3 Effekte der Stadterneuerung .........................................................180 4.4 Aufwertungsökonomie in Sanierungsgebieten .............................204
5. Soziale Effekte der Stadterneuerung ........................................209 5.1 Auswirkungen auf Gebietsebene ..................................................209 5.2 Individuelle Effekte der Stadterneuerung: Disziplinierung durch Verfahren ..................................................246 5.3 Ordnungs- und Sicherheitspolitik in der Stadterneuerung............267 6. Neoliberale Stadterneuerung in Ostberlin ...............................297 6.1 Steuerung ohne Geld – die Politik der Stadterneuerung...............299 6.2 Aufwertungsdruck und Gentrification – die Ökonomie der Stadterneuerung ......................................................................304 6.3 Aufwertung und Verdrängung – die sozialen Effekte der Stadterneuerung ......................................................................308 6.4 Sicherheits- und Ordnungspolitik in der Stadterneuerung............314 6.5 Gesellschaftliche Macht im Sanierungsgebiet ..............................317 7. 7.1 7.2 7.3 7.4
Literatur und Quellenverzeichnis .............................................321 Literatur.........................................................................................321 Statistische Quelle.........................................................................349 Amtliche Dokumente ....................................................................350 Politische Diskussionspapiere.......................................................351
1. Raum, Macht und Stadterneuerung
1.1 Einleitung und Fragestellung Titel die erschrecken! Daran sind sozialwissenschaftliche Arbeiten oft schon von weitem zu erkennen. Und jetzt auch noch das: „Restrukturierung des Raumes. Stadterneuerung der 90er Jahre in Ostberlin: Interessen und Machtverhältnisse“. Was bitte sollen denn die drei Begriffe Raum, Macht und Stadtereneuerung miteinander zu tun haben? Was wird da wie restrukturiert und wo im Sanierungsgebiet verstecken sich die Machtverhältnisse? Raum und Macht: Das klingt nach Neuauflage von Verschwörungstheorien oder zumindest nach politökonomischem Ableitungsdenken. Das Thema ist nicht neu: Macht und Raum – zwei Seiten derselben Medaille. Territorialstrategien sind Herrschaftskonzepte um Einfluss, um Repräsentation und um Gestaltung. Die räumliche Struktur ist in der Geografie der Macht nicht nur Ort und Hülle, sondern vor allem Gegenstand und Instrument der jeweiligen Herrschaftsform. „Zentrum und Peripherie“ in der Koloniallogik, „homogene Siedlungsbauten“ und „Aufhebung der regionalen Gegensätze“ in fordistischen und staatssozialistischen Gesellschaften, „Zitadelle und Ghetto“ in den gespaltenen Städten der Postmoderne, „spaces of flows“ in der Informationsgesellschaft. Die Gestaltung des Raumes lässt sich in der Geschichte als Spiegel der gesellschaftlichen Gesamtkonstellation sehen und war dabei stets vor allem auch von staatlichen Aktivitäten bestimmt. Neil Brenner geht sogar soweit zu behaupten, der Raum sei noch immer ein entscheidendes Instrument zur Kontrolle der gesellschaftlichen Verhältnisse zwischen Individuen, Gruppen, Klassenfraktionen und ganzen Klassen (Brenner 1997). Dahinter steht eine Vorstellung von sozial konstruiertem und sozial strukturierendem Raum – genauer: die An7
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nahme, der Raum sei nicht nur ein Elaborat der gesellschaftlichen Verhältnisse, sondern würde diese zugleich schaffen und stabilisieren. Diese Vorstellung einer gegenseitigen Beeinflussung von Gesellschaft und Raum begleitet die Sozialwissenschaften schon lange. Paul Virilio etwa zitiert einen Colonel der amerikanischen Landerschließung mit den folgenden aufschlussreichen Worten: „Die Landvermessung ist [...] die Grundlage der Massenerziehung und ihrer Zivilisation, die unauslöschliche Markierung einer Besitznahme, die teilt, um zu herrschen“ (Virilio 1980: 88). Die Landvermessung als sozialer Akt markierte eine bestimmte Raumaufteilung – gesellschaftliches Handeln strukturiert also den Raum. In ihrer territorialen Dimension wurde die Landvermessung als eine räumlich-visuelle Materialisierung der Besitznahme zur Instanz gesellschaftlicher Lernprozesse und stützte die Durchsetzung neuer Eigentumsverhältnisse. Der Raum bzw. seine Veränderung strukturierte also zugleich die gesellschaftlichen Verhältnisse. Obwohl die These der gegenseitigen Bedingtheit von Raum und Gesellschaft abstrakt erst einmal logisch und stringent klingt, fehlt es oft an empirischen Belegen. Der erste Term des Zusammenhanges ist dabei kaum umstritten und insbesondere die Arbeiten der (marxistischen) amerikanischen Stadtgeografie stellen immer wieder die Produktion und Restrukturierung von Räumen in den Mittelpunkt ihrer Gesellschaftsanalyse (Harvey 1990, 1996; Soja 1989, 1996; Massey 1999). Alle gesellschaftlichen Veränderungen, so die Annahme, finden einen räumlichen Ausdruck. Im Zentrum der Studien stehen dabei in der Regel Bewegungen des nach räumlicher Fixierung strebenden Kapitals und die Prinzipien von politisch-symbolischen Repräsentationen. Mit anderen Worten, die soziale Strukturierung des Raumes ist vor allem ein Ausdruck der jeweiligen ökonomischen und politischen Verhältnisse. Auf der anderen Seite stehen eher soziologische und ethnologische Überlegungen, die Wirkungen bestimmter räumlicher Konstellationen bzw. deren Veränderung auf die sozialen Verhältnisse und das soziale Handeln von Individuen oder gesellschaftlichen Gruppen thematisieren. Im Mittelpunkt der Untersuchungen stehen dabei räumlich interpretierte Sozialisierungsprozesse, wie sie bereits in Simmels „Die Großstädte und das Geistesleben“ oder von der Sozialökologie dargestellt wurden, sowie Funktionsweisen gesellschaftlicher Erinnerung wie sie bei Maurice Halbwachs und Siegfried Kracauer zu finden sind (Halbwachs 1991; Kracauer 1987). Raum – hier meist als Stadt verstanden – wird zur prägenden Instanz menschlichen Denkens und Handelns. Oftmals wird der Raum dabei jedoch als eine unveränderliche, stabile Rahmenbedingung gesellschaftlicher Entwicklung naturalisiert (Löw 2001: 24ff.).
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Entgegen dem klassisch soziologischen Machtverständnis eines personalisierbaren Gefälles innerhalb sozialer Beziehungen1 wird Macht im raumbezogenen Kontext eher abstrakt als die Fähigkeit angesehen, gesellschaftliche Verhältnisse zu erschaffen und bestimmte gesellschaftliche Konstellationen herbeizuführen bzw. zu erhalten. Insbesondere in der Erschaffung bzw. Neugestaltung von räumlichen Strukturen sollten die Wechselbeziehungen von Macht und Raum besonders deutlich werden. Die Stadterneuerung, die ja immer auch von Aspekten der räumlichen Restrukturierung geprägt ist, bietet sich als Fokus für diese gesellschaftlichen Verhältnisse an und wird im Mittelpunkt der Untersuchung stehen. Mit dieser Arbeit will ich am Beispiel der Sanierungspolitik der 90er Jahre in Ostberlin die Wechselbeziehungen von Macht und Raum exemplarisch aufzeigen. Einerseits soll so der Zusammenhang von Macht und Raum für eine konzertierte staatliche Intervention auf der Ebenen eines Quartiers (Sanierungsgebiet) dargestellt werden, zum anderen kann mit dem vorgeschlagenen machtanalytischen Blick die derzeitige Phase der Stadterneuerung in einem gesellschaftlichen und politischen Kontext betrachtet werden. Doch lassen sich die beschriebenen gesellschaftstheoretischen Großideen auf einzelne Quartiere, auf Sanierungsgebiete, auf die Stadterneuerung übertragen? Lassen sich Anlass, Verlauf und Ergebnis der Erneuerung tatsächlich in den Kategorien von Macht und Gesellschaftlichkeit fassen? Die räumliche Seite des Zusammenhangs scheint dabei relativ offensichtlich: Stadterneuerung verändert den Raum. Die Restrukturierung wird von mir jedoch nicht nur als baulich-physische Veränderung angesehen, sondern zugleich auf seine gesellschaftlichen Bedingungen und Auswirkungen hinterfragt. Keine Stadterneuerungsmaßnahme ist ohne politische Entscheidungen und unabhängig von den ökonomischen Rahmenbedingungen denkbar. Jede Stadterneuerung wirkt sich zugleich direkt auf die Wohn- und Lebensverhältnisse der Bewohnerschaft in den betreffenden Gebieten aus. Diesen doppelten Zusammenhang von gesellschaftlichen Voraussetzungen und Effekten der Stadterneuerung will ich im Folgenden als den gesellschaftlichen Charakter der Stadterneuerung verstehen. Zur theoretischen Operationalisierung einer Untersuchung des gesellschaftlichen Charakters der Stadterneuerung greife ich auf Überlegungen von Henri Lefebvre zurück (Lefebvre 1978). Dieser hat in einer Systematik eines so genannten „staatlichen Raumes“ verschiedenen 1 So definierte Max Weber Macht als „[...] jede Chance innerhalb einer sozialen Beziehung, den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel, worauf diese Chance beruht“ (Weber 1956: 28).
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Ebenen des Zusammenhangs von Macht und Raum ausgemacht. In seinem Verständnis ist Staat in einem dreifachen Sinne räumlich: als territorialer, als sozialer und als mentaler Raum. Die territoriale Ebene charakterisiert die Herrschaftsfähigkeit eines zentralisierten Verwaltungsapparates über ein weit verstreutes nationales Gebiet. Die soziale Ebene beschreibt die durch interne Hierarchien, politisch oder institutionell konstruierte Umwelten oder symbolische Monumente entstehenden territorialen Konfigurationen innerhalb des nationalen Raumes. Als mentale Ebene schließlich wird die staatliche Fähigkeit verstanden, das Alltagsbewusstsein der Menschen zu durchdringen und einen möglichst breiten gesellschaftlichen Konsens und somit Unterstützung für das staatliche Handeln zu sichern. Alle drei Ebenen des staatlichen Raumes bedingen sich dabei gegenseitig. Ohne die Fähigkeit zur Herrschaft über das nationale Territorium keine staatlich gesteuerte institutionelle oder soziale Konfiguration und auch keine Glaubwürdigkeit für eine Alltagsdurchdringung. Oder anders: Ohne eine allgemeine Akzeptanz staatlichen Handelns keine Erfolg versprechende Lokalpolitik und auch keine nationalstaatliche Souveränität. Übersicht 1.1: Modell des staatlichen Raumes (Lefebvre) und Stadterneuerung
Raumebene
Funktion im staatlichen
Bedeutung für die Stadterneuerung
Raum territorialer Raum
Herrschaftsfähigkeit eines zentralisierten Verwaltungsapparates
sozialer Raum
interne Hierarchien, politisch/institutionell konstruierte Umwelten, symbolische Monumente
mentaler Raum
Durchdringung des Alltagsbewusstseins Sicherung von Konsens und Loyalität
Rechtliche und ökonomische Rahmenbedingungen (u.a. Markwirtschaft, Steuerbestimungen, Städtebaurecht, Kommunalverfassungen etc.) administrative Handlungsarrangements (Sanierungssatzungen, Richtlinien und Förderprogramme, Festlegung und Begrenzung der Sanierungsgebiete, sozialräumliche Strukturen in Sanierungsgebieten) Eingriff in die wohn- und Lebensbedingungen der Bewohnerschaft Zufriedenheit und Loyalität durch die Verbesserung der Wohnverhältnisse
Quelle: Lefebvre 1978 und eigene Darstellung
Für unser Beispiel der Stadterneuerung spielt die nationale Ebene insofern eine Rolle, dass bestimmte Wirtschaftsweisen, aber auch Steuerbegünstigungen und Bundesgesetze den Rahmen für die weitgehend kommunalpolitischen Entscheidungen setzten. Hingegen betrifft die soziale und institutionelle Konfiguration staatlichen Handelns zum einen die Sonderrolle, die Berlin als neue alte Hauptstadt nach der Wiedervereinigung zugewiesen bekam und zum an10
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deren die förmlich festgelegten Sanierungssatzungen, die in den Sanierungsgebieten städtebaurechtliche Sonderzonen schaffen. Auch die Veränderungen der sozialen Zusammensetzung der Nachbarschaft oder die Auf- und Abwertung ganzer Stadtteile durch die Stadterneuerung bewegen sich auf dieser zweiten Ebene des staatlichen Raumes. Als mentale Ebene staatlichen Raums lassen sich auch im Sanierungsgebiet insbesondere Loyalität und Disziplinierung als individuelle Effekte administrativen Handelns verstehen. Im Mittelpunkt der vorgesehenen Untersuchung stehen die Voraussetzungen sowie die Effekte der Stadterneuerung. In beiden Ebenen – so die Erwartung – lassen sich Spuren des gesellschaftlichen Charakters der Stadterneuerung aufspüren. Insbesondere die rechtlichen und ökonomischen Rahmenbedingungen, aber auch die administrativen Arrangements des lokalstaatlichen Handelns werden dabei als die wesentlichen Ausgangsbedingungen für eine Stadterneuerung angesehen. Die möglichen Veränderungen der Sozialstruktur in den Sanierungsgebieten sowie die Formen einer individuellen Disziplinierung, die auf die Sanierungsmaßnahmen zurückzuführen sind, werden in der gesellschaftstheoretischen Perspektive als die wesentlichen Effekte angesehen. In diesem vorgeschlagenen Untersuchungsdesign treten zwei sehr grundsätzliche Forschungsprobleme zu Tage. Zum einen bewegen sich die vorgeschlagenen Dimensionen der gesellschaftlichen Ausgangsbedingungen auf den selten erfolgreich miteinander verknüpften Ebenen Struktur und Handeln. Zum anderen ist die Untersuchung der Effekte sowohl auf der Mikroebene des Einzelnen als auch auf der Makroebene der gesamten Bewohnerschaft vorgesehen. Dahinter steht die alte soziologische Fragestellung nach dem Verhältnis des Einzelnen und der Gesellschaft. In der Untersuchung werde ich zunächst mit einer getrennten Vierfelderanalyse vorgehen und die einzelnen Ausgangsbedingungen und Effekte der Stadterneuerung getrennt darstellen. In einer anschließenden Zusammenfassung werde ich versuchen, die einzelnen Ebenen unter der Fragestellung des gesellschaftlichen Charakters der Stadterneuerung miteinander zu verknüpfen.
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1.2 Forschungsgegenstand Der Gegenstand der Untersuchung ist die klassische Stadterneuerung der 90er Jahre in Ostberlin. Hinter dieser unscheinbaren Aussage verbergen sich sachliche, zeitliche und räumliche Einschränkungen meiner Untersuchung. Die „klassische Stadterneuerung“ ist die Modernisierung und Instandsetzung bestehender Wohnungen des städtischen Miethausbestandes. In Berlin betrifft das insbesondere die Gründerzeitviertel. Abgegrenzt werden muss die klassische Stadterneuerung von den Formen der Flächensanierung und Stadterweiterung als auch von den Formen der Quartiersgestaltung, die keine wohnungspolitischen Dimensionen aufweisen (z.B. Programm Soziale Stadt). Die Stadterneuerung war sowohl in der alten BRD als auch in der DDR vor allem staatliche Aufgabe. Die 90er Jahre sind in vielen gesellschaftlichen Bereichen Zeiten des Umbruchs: Im Zuge einer verstärkten internationalen Konkurrenz werden Staatswesen, aber auch Lokalpolitik im Sinne einer Wettbewerbsorientierung umgebaut. Das politische Projekt des Neoliberalismus schlägt sich vor allem auf der administrativen und staatlichen Ebene nieder. Deregulierung, Privatisierung und Eigeninitiative sind die Schlagworte der gesellschaftspolitischen Debatte geworden (Hirsch 1995, Huffschmidt 1999; Herkommer 1999; Schui/Blankenburg 2002). Ostberlin, das steht für die Transformation einer eigenständigen sozialistischen DDR in das Ostdeutschland der kapitalistischen BRD. Zugleich steht es aber auch für den Zusammenprall zweier jahrzehntelang getrennter Stadttorsi und den Versuch der Berliner Eliten, die Stadt als neue alte Hauptstadt Deutschlands zur internationalen Metropole zu entwickeln. Die Ostberliner Situation unterscheidet sich durch den Transformationscharakter der Entwicklungen sowohl von westdeutschen Großstädten und durch Größe, die Besonderheit der Metropolendynamik und die unmittelbare Nähe und Angliederung an westdeutsche Regionalstrukturen und Administrationen auch von anderen ostdeutschen Regionen. Konkretes Untersuchungsfeld ist der Berliner Stadtbezirk Prenzlauer Berg. Als eines der wenigen flächenmäßig erhaltenen Gründerzeitviertel galt der Bezirk in den 90er Jahren als „Europas größtes Sanierungsgebiet“. Als Schwerpunkt der Erneuerungspolitik – im Bezirk wurden inzwischen fünf Sanierungsgebiete und neun Milieuschutzgebiete mit insgesamt fast 62.000 Wohnungen förmlich festgelegt – eignet sich das Untersuchungsgebiet für eine Studie der Berliner Stadterneuerungspolitik. Nicht nur die Konzentration der Stadterneuerungspolitik selbst, sondern 12
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auch die Vielzahl von sanierungsbegleitenden Studien und universitären Untersuchungen weisen das Gebiet als geeignetes Forschungsfeld aus. Gerade die angestrebte integrierte Analyse der sozialräumlichen, staatlich-administrativen und politökonomischen Prozesse der Stadterneuerung ist auf die Auswertung von Sekundärmaterialien angewiesen.
1.3 Fragestellung Der Ausgangspunkt für diese Arbeit liegt schon einige Jahre zurück. Bei der Vorbereitung einer Seminarreihe zur Geschichte der Stadterneuerung in Berlin stieß ich für die vergangenen Phasen der Stadterneuerung immer wieder auf gesellschaftstheoretische und politische Einordnungen der jeweiligen Sanierungsvorhaben. Nur für die aktuelle Stadterneuerung in Ostberlin fehlten solche Verknüpfungen. So selbstverständlich früher eine Einordnung der Stadterneuerung in die jeweilige gesellschaftliche Epoche erschien, so seltsam unpolitisch und naturwüchsig kam die Stadterneuerung der 90er Jahre daher. Die Veränderung des staatlichen Handelns und die gewachsenen Rolle privater Investitionen wurden zwar vielfach beschrieben, aber selten wurde der Bogen zu den gesellschaftlichen Trends der Deregulierung und Flexibilisierung sozialstaatlicher Interventionen, zu verstärkten Privatisierungen öffentlicher Güter oder zur wachsenden Individualisierung geschlagen. Kurzum, die Fragen gesellschaftlicher Macht wurden in der Vergangenheit an die Stadterneuerung gestellt und sollten für mich auch hinsichtlich der aktuelle Phase das Maß der Dinge werden. Die Formulierung einer einfachen knappen Fragestellung zu einem komplexen Themenfeld gerät fast immer ins Banale. Dennoch hier der Versuch: Wie lässt sich der gesellschaftliche Charakter die Stadterneuerung in den 90er Jahren beschreiben? Der Blick richtet sich also primär auf die gesellschaftliche Einbettung der Stadterneuerung und auf deren Folgen. Das sind im Einzelnen die • Ökonomie der Stadterneuerung, verstanden als die wirtschaftlichen und eigentumsrechtlichen Bedingungen der Entstehung von Sanierungsgebieten, den Voraussetzungen für eine erfolgreiche Reinvestition und den Auswirkungen auf Miethöhen und Nutzung der Gebäudesubstanz. • Herausbildung eines neuen Sanierungsregimes, verstanden als die Gesamtheit eines akteursübergreifenden politischen und administrativen Arrangements der Finanzierung und Durchführung der Stadterneuerung.
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• Effekte der Stadterneuerung, verstanden als Gesamtheit der baulichen, sozialräumlichen, wohnungs- und ordnungspolitischen Folgen der Erneuerung. Aus dieser Perspektive leiten sich verschiedene Einzelfragen ab: Was waren 1990 die ökonomischen und politischen Ausgangsbedingungen der Stadterneuerung und welche Folgen hatte das für die Erneuerungsstrategien? Mit der Transformation in Ostdeutschland haben sich fast alle Rahmenbedingungen der „alten“ Stadterneuerung der BRD und Westberlins grundlegend verändert: Stärker an kurzfristiger Kapitalverwertung orientierte EigentümerInnen, aber auch der Umfang des Erneuerungsbedarfs und eine angespannte Haushaltslage der öffentlichen Hand stellten die politisch und administrativ Verantwortlichen vor bisher unbekannte Aufgaben. Die gegenwärtige Stadterneuerung hat das Ziel, möglichst viel und möglichst schnell, mit möglichst wenigen öffentlichen Mitteln zu erneuern. Dabei soll die Erneuerung der Altbauviertel überwiegend mit privatem Kapital finanziert werden. Da zugleich am Simultanziel einer baulichen Erneuerung und der Sozialverträglichkeit des Erneuerungsprozesses festgehalten wird, treten für die administrativen Akteure der Stadterneuerung rechtliche Instrumente und weiche Steuerungsversuche (Beratung, Verhandlung, Moderation) in den Vordergrund des Handelns. Wie lassen sich die neuen administrativen Strategien der Stadterneuerung beschreiben? Worin unterscheiden sie sich von vorangegangenen Phasen der Stadterneuerung? Welche sozialräumlichen Effekte entstehen in den Stadterneuerungsgebieten? Da sich jede private Investition in die Erneuerung der Altbausubstanz für den Eigentümer „rechnen“ muss, sind mit der Modernisierung von Wohnungen Mietsteigerungen verbunden. Der enorme Erneuerungsbedarf in den unsanierten Altbauten würde so bei einer vollständigen Umlage der Modernisierungskosten zu dramatischen Mietsprüngen führen. Die beiden Sanierungsziele – bauliche Erneuerung und Erhalt der Bevölkerungsstruktur – scheinen sich also gegenseitig auszuschließen. Welche sozialräumlichen Effekte lassen sich in dem Untersuchungsgebiet beobachten? Insbesondere sollen anhand von Bevölkerungsstatistiken auf der Makroebene des Quartiers Tendenzen des Wandels beschrieben werden: Wie verändert sich die Zusammensetzung der Bevölkerungsstruktur, welche Bewohnergruppen bleiben im Sanierungsgebiet, wer zieht aus, wer kommt hinzu? Welche ordnungspolitischen Aspekte hat die Stadterneuerung der 90er Jahre? Die Stadterneuerung in den Altbauquartieren der Ostberliner Innenstadt führte bisher zu widersprüchlichen Ergebnissen. Aufwertungsund Abwertungstendenzen lösten in einigen Gebieten kleinräumigen 14
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Differenzierungen aus. Damit stehen die bisherigen Effekte der Stadterneuerung den homogenisierenden Zielen der wohlfahrtsstaatlichen Wohnungspolitik der alten Bundesrepublik entgegen. Die Stadterneuerung selbst jedoch ist in den letzten zehn Jahren nicht ernsthaft in eine Fundamentalkritik geraten. Trotz einer schrittweisen Anpassung der politischen Steuerung an die veränderten Rahmenbedingungen weist die Akteurs- und Interessenkonstellation eine relative Stabilität auf. Deshalb soll in der Untersuchung auch nach den gemeinsamen wohnungspolitischen und kulturellen Vorstellungen und Legitimationsstrategien der Akteure und Interessengruppen gefragt werden: Welche Bilder, Vorstellungen und Werte stellen den kulturellen und ideologischen Hintergrund der Erneuerung dar? Welche Entwürfe für Erneuerungsziele einigen die Akteure? Wie werden Dissonanzen und Konflikte diskursiv verarbeitet? Daneben sind insbesondere von den Verfahren der Stadterneuerung Effekte für die einzelnen Mietparteien aber auch die gesamte Nachbarschaft zu erwarten. Wie wirken sich die Modernisierungsverfahren und das spezifische Beratungsarrangement in den Sanierunggebieten auf die Bewohnerschaft aus? Welche ordnungspolitischen Effekte hat die bauliche Erneuerung der Sanierungsgebiete?
1 . 4 Ar b e i t s h yp o t h e s e Dem Untersuchungsthema (Restrukturierung, gesellschaftliche Macht und Sanierungsgebiet) entsprechend muss sich eine Arbeitshypothese auch im Spannungsfeld von quartierlichen Prozessen und gesellschaftlichen Kontexten bewegen. Die zentrale untersuchungsbegleitende These lautet: Die Restrukturierung innerstädtischer Altbaugebiete ist Ausdruck von gesellschaftlichen Machtbeziehungen und folgt entsprechend den allgemeinen gesellschaftlichen Trends der Ökonomisierung, Flexibilisierung und Individualisierung des Sozialen. Bezogen auf die Stadterneuerung müssten sich eine Ökonomisierung der Investition, die Flexibilisierung der administrativen Steuerung und die Individualisierung der Beteiligung darstellen lassen. Auf der Quartiersebene müssten sich trotz der staatlichen Interventionen marktähnliche Strukturveränderungen durchsetzen.
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1 . 5 Au f b a u d e r U n t e r s u c h u n g Der exemplarischen Untersuchung des Zusammenhanges von gesellschaftlicher Macht und räumlicher Restrukturierung wird eine auf die Untersuchungsfragen focusierte historische Rekonstruktion des bisherigen Forschungsstandes zur Stadterneuerung (Kapitel 2) vorangestellt. Mit diesem Rückgriff auf bestehende Theorien und Theoriefragmente zum Forschungsgegenstand Stadterneuerung will ich den Blick für die – zumindest in der Vergangenheit – typischen gesellschaftlichen Verschränkungen der Stadterneuerung schärfen und zugleich eine theoretische Anleitung für die Falluntersuchung in Berlin Prenzlauer Berg erarbeiten. Die empirische Arbeit wird sich im Kern auf drei Teile konzentrieren, die jeweils einzelne Aspekte des gesellschaftlichen Charakters der Stadterneuerung beleuchten: Die politisch-administrative Struktur (Kapitel 3) und die Ökonomie (Kapitel 4) als wesentliche gesellschaftliche Voraussetzungen der Stadterneuerung sowie die sozialen Effekte (Kapitel 5) als Auswirkungen der Stadterneuerung. Die politisch-administrative Struktur des „Erneuerungsregimes“ setzt sich aus den Interessen, Restriktionen, Handlungsweisen und Machtstrategien der einzelnen Akteure der Stadterneuerung zusammen. Das institutionelle Arrangement zwischen wirtschaftlichen Akteuren, staatlichen Instanzen, politischen Gruppierungen und den BewohnerInnen ist Voraussetzung für die Stadterneuerung einerseits, zugleich aber auch Ausdruck und Ort von Interessenkonflikten und Machtkämpfen. Die Art und Weise der Organisation und Durchführung der Stadterneuerung kann Auskunft über die administrativen Techniken der Sozialintervention im Sanierungsgebiet geben. Als Ökonomie der Stadterneuerung werden einerseits die wohnungswirtschaftlichen Bedingungen für des Entstehen des Sanierungsgebietes verstanden und andererseits die Bedingungen zur Reinvestition sowie die ökonomischen Effekte einer Sanierungsmaßnahme. Mit dem Rückgriff auf ökonomische Erklärungsansätze aus der internationalen Gentrificationdebatte sollen insbesondere zeitliche und räumliche Differenzierungen des Aufwertungsgeschehens in den untersuchten Sanierungsgebieten beschrieben und erklärt werden. Als soziale Effekte der Stadterneuerung verstanden werden in der folgenden Arbeit sowohl die sozialräumlichen Veränderungen auf Gebietsebene als auch die disziplinierenden Wirkungen, die die Durchführung der Stadterneuerung für die Bewohnerschaft hat, sowie die direkten
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ordnungspolitischen Effekte der baulich physischen Veränderung der Nachbarschaft. In der Zusammenfassung (Kapitel 6) sollen die Erkenntnisse über die Stadterneuerung der 90er Jahre in Ostberlin vor dem Hintergrund allgemeiner gesellschaftlicher Trends betrachtet werden. Dabei steht die Frage im Zentrum, ob sich in der Stadterneuerung Tendenzen von verallgemeinerbaren Machtstrategien und Sozialinterventionen sehen lassen und wie das Verhältnis von gesellschaftlicher Macht und räumlicher Restrukturierung beschrieben werden kann. Zur besseren Einordnung der gewonnenen empirischen Erkenntnisse werden am Ende der Arbeit die Ergebnisse der Ostberliner Untersuchung mit Erfahrungen der Stadterneuerung in anderen Ostdeutschen Städten (Kapitel 7) kontrastiert. Ziel dabei ist es herauszufinden, in wie weit die Stadterneuerung in Ostberlin für einen Sonderfall oder für einen ostdeutschen Typus der Stadterneuerung steht. Zur Beschreibung von Personengruppen, denen Männer und Frauen angehören, benutze ich die Schreibweise mit dem großen „I“ (z.B. EigentümerInnen). Zur leichteren Lesbarkeit des Textes verzichte ich auf diese geschlechtsumfassende Schreibweise bei zusammengesetzten Sachbegriffen (z.B. Mieterberatung statt MieterInnenberatung oder Altmieteranteil statt AltmieterInnenanteil).
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2. Theorien zur Stadterneuerung
2.1 Forschungsstand einer Soziologie der Stadterneuerung
2.1.1 Was ist Stadterneuerung? Das ist eine dieser Fragen, die so schwer zu beantworten sind. Das klingt wie: Was ist Stadt? Was ist die Welt? Das klingt nach stundenlangen Vorträgen, nach Lichtbildern aus allen möglichen Ländern und nach Planzeichnungen aus mehreren Jahrhunderten. Stadterneuerung: das ist Abriss von ganzen Stadtvierteln, um Autobahnen zu bauen, das sind Entmietungen, Enteignungen und Neubausiedlungen, das sind Restnutzungen in aufgegebenen Stadtvierteln und aufwändig modernisierte Wohnungen in Gentrificationgebieten, das sind Parkanlagen, Dachgärten und Hofbegrünungen, das sind Genossenschaften, Förderprogramme und Wachschützer. Stadterneuerung ist so ungefähr alles, was in den Städten geschieht. Nur eines ist sie nicht: ein klarer sozialwissenschaftlicher Begriff. Der Gegenstand selbst entzieht sich einer soziologischen Definition: zu verschieden die gesellschaftlichen Kontexte, zu verschieden die jeweiligen Strategien der Planung und Durchführung, zu verschieden die Effekte. Die einzig übergreifenden Gemeinsamkeiten der Stadterneuerung sind der bewusste Eingriff in die Entwicklung städtischer Teilräume und die angenommene „Notwendigkeit der Veränderung [...] ‚rückständiger‘ Gebiete und die Anpassung an ‚normale‘ Verhältnisse“ (Schubert 1997: 6). Restrukturierung und Modernisierung, so könnte Stadterneuerung auf einen Punkt gebracht werden.
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Restrukturierung städtischer Teilräume, darunter kann die Verbesserung bestehender Nutzungen bzw. der vollständige und weitgehende Umbau von Stadtteilen verstanden werden. Im Baugesetzbuch (BauGB) werden bei den Begründungen für eine Stadterneuerungsmaßnahme Substanzund Strukturschwächen unterschieden. Als Substanzschwächen werden dabei Schäden und Unzulänglichkeiten im Vergleich zu einer planerisch gewünschten Nutzung angesehen, die durch eine Verbesserung ausgeglichen werden können. Strukturschwächen hingegen bezeichnen grundlegende Fehlnutzungen von städtischen Teilgebieten, die nur durch einen vollständigen oder weitgehenden Umbau oder durch Nutzungsänderung aufzuheben sind. Modernisierung ist im Kontext gesellschaftlicher Entwicklungen ein „bestimmter Typ sozialen Wandels, der sich von der jeweiligen ,Bezugsgesellschaft‘ auf eine Minderheit von „Nachzüglergesellschaften richtet“ (Van der Loo/van Reijen 1992: 240). In entwickelten kapitalistischen Gesellschaften ist Modernisierung durch Differenzierung verschiedener gesellschaftlicher Sektoren, Rationalisierung der Lebensführung und aller sozialen Bereiche, Individualisierung und Domestizierung gekennzeichnet (Parson 1997) – Stadterneuerung stellt einen „direkten und indirekten Druck zur Modernisierung der Lebensverhältnisse“ dar (Schubert 1997: 11). Mit der Stadterneuerung waren historisch nicht nur die Auflösungen traditioneller Wohnverhältnisse verbunden. Für viele Bewohner waren die Erneuerungsmaßnahmen und ihre Konsequenzen auch der erste Kontakt zu den Institutionen der modernen städtischen Verwaltungen. Die Modernisierung der Lebensverhältnisse setzte sich in den Ergebnissen, aber auch im Verlauf der Stadterneuerung durch. Insbesondere die Wohnungsgrößen und -schnitte der neuen Wohnungen, aber auch die meist höheren Mietpreise zwangen große Teile der Bewohnerschaft von Sanierungsgebieten zur Übernahme einer durch Kleinfamilie und Erwerbsarbeit gekennzeichneten Lebensführung. In einem administrativen Kontext ermöglichten die Sanierungsarbeiten in den oftmals unüberschaubaren und dicht bebauten Quartieren oft überhaupt erst die Zugänglichkeit für die Behörden der Stadtverwaltung oder ebneten den Weg für moderne Verkehrssysteme in den Städten. Dirk Schubert untersuchte diese verschiedenen Modernisierungszusammenhänge in einer vergleichenden Studie in London und Hamburg. Dabei folgte seine Arbeit verschiedenen Untersuchungsdimensionen, die sich als allgemeingültige Fragestellungen auch auf andere Stadterneuerungsmaßnahmen anwenden lassen.
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THEORIEN ZUR STADTERNEUERUNG
• Der Gegenstandsbereich als die baulich-technischen sowie stadtgeografischen Rahmenbedingungen des Erneuerungsbereiches (was und wo) • Die Maßnahmebezüge als die Begründungen und konkreten Anlässe der Stadterneuerung (warum und wofür) • Die Methoden und Verfahren als die Strategien und Technologien, mit denen die Stadterneuerung durchgeführt wird (wie) • Die Akteure und Akteurinnen als die jeweiligen Koalitionen, Partnerschaften und Beziehungsgeflechte verschiedener Interessengruppen, die gemeinsam eine Stadterneuerung ermöglichen (wer) • Die Leitbilder als die Einordnung der jeweiligen Stadterneuerungsstrategie in die hegemonialen Wertvorstellungen der Gesellschaft (wohin) (Schubert 1997) Aus diesen Dimensionen lassen sich verschiedene gesellschaftliche Bezüge zur Stadterneuerung ableiten. Das geografische Interesse fragt danach, wo die Erneuerungsmaßnahmen stattfinden und wie sie sich in einen gesamtstädtischen Kontext einordnen lassen. Das planerische Interesse richtet sich auf die bestehenden und entstehenden Strukturen der Quartiere und auf die Art und Weise der Organisation der Erneuerung. Eine politikwissenschaftliche Fragestellung würde die Leitbilder und Akteurskonstellationen in den Mittelpunkt stellen. Nur eine spezifisch soziologische Perspektive ist aus diesen Dimensionen nicht abzuleiten. Henri Coing schlug 1966 bei seiner Untersuchung in einem Pariser Sanierungsgebiet vor, das Verhältnis von Stadtsanierung und sozialen Veränderungen zu analysieren. Seine „Soziologie der Sanierung“ bestand vor allem darin, die Zielsetzungen und die eingesetzten Mittel gegenüberzustellen. Technische, finanzielle, soziale und politische Argumente sollten dabei nicht ignoriert werden. Ziel der Soziologie sei es, „angesichts der vorgeschlagenen oder verwirklichten Alternativen deutlich zu machen, welche Formen des sozialen Lebens bzw. welchen Stadttyp sie implizieren, sowie Konsequenzen aufzuzeigen [...] die die einmal getroffene Entscheidung nach sich zieht“ (Coing 1974: 209). Auch wenn die Untersuchung von Henri Coing sich in erster Linie auf die sozialen Folgen der Sanierung richtet, so gibt es in seiner Arbeit Fragestellungen, die über eine statische Beschreibung von Vorher-Nachher-Zuständen hinausgehen. Einen Großteil seiner Untersuchung widmet Coing dem Verlauf der Erneuerung, den Methoden des autoritären Eingriffs in die bestehenden Strukturen und den Schwierigkeiten der Beteiligung der Bewohnerschaft an der Erneuerung. Kurzum: Coing verfolgt mit seiner Untersuchung sowohl die statischen als auch die prozessualen Effekte einer 21
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Stadtsanierung und formuliert damit gleichsam das Programm einer Soziologie der Stadterneuerung. Es geht dabei um nichts Geringeres als die Analyse der Stadterneuerung aus der Perspektive von sozialen Verhältnissen – um die Fragen, was die Stadterneuerung den Bewohnerinnen und Bewohnern bringt und wodurch sie in den Stand versetzt oder behindert werden, einen Nutzen daraus zu ziehen. Coing stellt diese Fragen nicht nur an die Ergebnisse der Stadterneuerung, sondern auch an die jeweils spezifische Art und Weise der Stadterneuerung und die Arrangements zwischen den entscheidenden Akteuren. Im Anschluss an die Pariser Studie wurden auch in der Bundesrepublik die sozialen Effekte der Stadterneuerung als „Ursache-WirkungsBeziehungen in der Stadterneuerung“ (Becker u.a. 1982: 35) untersucht. Musterhaft wird dieser soziologische Blick von Heidede Becker und Jochen Schulz zur Wiesch im 1982 geschriebenen Buch „Sanierungsfolgen“ praktiziert. Ihr Ziel war die differenzierte Typisierung erfassbarer Sanierungsfolgen und zwar nicht nur in Form einer additiven Ergebniskontrolle, sondern durch die Erfassung und Zuordnung zwischenzeitlicher Effekte. Die Verfahrens- und Verlaufsanalyse der Wirkungen bezog sich im Wesentlichen auf die Lage der Bewohnerschaft, die Veränderungen der Gewerbestruktur und die vermittelten Wirkungsbeziehungen aus dem Zusammenhang von Gebietsstruktur und sozialer Lage. Als soziale Folgen der Sanierung benennen die beiden die Umsetzung und Verdrängung von Mieterinnen und Mietern sowie finanzielle und psychische Probleme, die mit den massiven Mietsteigerungen und auch mit dem Verlust der vertrauten Wohnumwelt verbunden sind (ebenda: 27). Dieser Ansatz folgt einer phänomenologischen Perspektive und fragt nach den konkreten Folgen einzelner Stadterneuerungsmaßnahmen. Als historisch-konkrete Erscheinung vollzieht sich die Stadterneuerung in lebendigen Phasen und lässt sich nur schwerlich in ein abstraktes Muster pressen. „Konkurrierende Eliten, widersprüchliche soziale Konstellationen, unbeabsichtigte Effekte, der Einfluss sozialer Bewegungen modifizieren den jeweiligen Typus der Stadterneuerung“ (Ipsen 1992: 17). Wie könnte eine theoretische Verallgemeinerung der soziologischen Fragestellung an die Stadterneuerung aussehen? Wie können die Beziehung von Ursache und Wirkung der Stadterneuerung selbst untersucht werden, verstanden nicht als beschreibende Fallstudien, sondern als Kontextualisierung in gesamtstädtische und gesellschaftliche Zusammenhänge? Der hybride Charakter der Stadterneuerung als konkreter Eingriff in städtische Teilgebiete und in ihrer Abhängigkeit von ökonomischen, politischen und kulturellen Konstellationen verlangt nach einer sozialwissenschaftlichen Doppelstrategie von Phänomenologie und gesellschaftlicher Kontextualisierung. 22
THEORIEN ZUR STADTERNEUERUNG
Die soziologische Frage nach den sozialen Verhältnissen kann nicht bei der Analyse der Effekte stehen bleiben, wie es Henri Coing vorschlägt. Sie muss auch die gesellschaftlichen Kontexte der Stadterneuerung selbst untersuchen. Stadterneuerung ist nicht nur Produzent, sondern auch Produkt sozialer Verhältnisse, ist konstruierter und konstruierender sozialer Raum. Sie kann demnach nicht abgekoppelt von den jeweiligen gesellschaftlichen Bedingungen betrachtet werden. Eine soziologische Definition von Stadterneuerung muss demnach auch diesen Doppelcharakter berücksichtigen: Stadterneuerung ist das unter spezifischen gesellschaftlichen Bedingungen typische administrative Arrangement zur Verbesserung bestehender Nutzungen oder des vollständigen und weitgehenden Umbaus von Stadtteilen zur direkten oder indirekten Modernisierung der Lebensverhältnisse.
2.1.2 Forschungsstand in der BRD Die bisherige Forschung zur Stadterneuerung in der BRD stellt eine steinbruchartige Melange verschiedener Teilaspekte dar. In den meisten Fällen wurde Stadterneuerung als Teil der Wohnungspolitik angesehen und nach ihren sozialen und gesellschaftlichen Wirkungen befragt. Stadterneuerung wurde dabei als der staatlich intendierte, moderierte oder durchgeführte Umgang mit dem Wohnungsbestand untersucht und damit neben dem Neubau von Wohnungen und der Mietenpolitik als ein wesentliches Teilgebiet von Wohnungspolitik angesehen. Seit der Wohnungsreformbewegung Mitte des 19. Jahrhunderts haben sich Sozialpolitik, soziale Protestbewegungen, die Wohnungswirtschaft und Sozialwissenschaften damit befasst, wie mit den Wohnungsbeständen der vergangenen Epochen umzugehen sei (Zimmermann 1991; Prigge/Kaib 1988; Häußermann/Siebel 1996). Wichtig war dabei nicht nur die Diskussion um Abriss oder Entwicklung im Bestand. Als wirklich entscheidend erwies sich die zentrale Frage der Wohnungspolitik nach der Qualität von Wohnungen, ihrem Preis und den dafür notwendigen Eingriffen des Staates in die Wohnungswirtschaft (Häußermann 2000: 167). Der soziologische Forschungsstand zur Stadterneuerung in der BRD ist bis auf wenige Ausnahmen mit den Zyklen der Planungspolitik im Wohnungswesen verknüpft und wurde als chronologisierende Vollzugsforschung kritisiert (Becker u.a. 1982). Diese Praxisnähe sicherte jedoch in Form von unzähligen sanierungsbegleitenden Studien eine enorme Dichte an empirischen Informationen zum Verlauf und den sozialen Auswirkungen der Stadterneuerung. Diesen empirischen Beschreibungen stehen nur wenige Versuche gegenüber, Stadter23
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neuerung in Modernisierungstheorien einzuordnen (Schubert 1997), als Ausdruck einer fordistischen Gesellschaftsformation darzustellen (Prigge 1988, Ronneberger 1999), nach ihren ökonomischen Bedingungen zu fragen (Krätke 1992) oder die kommunalen Steuerungsmöglichkeiten im Wohnungswesen auszuloten (Evers/Lange/Wollmann 1982; Hintzsche 1998). Eine spezielle Theorie der Stadterneuerung aber gibt es nicht, eher kann auf einzelne Theoreme zur Entstehung von Sanierungsgebieten (Westphal 1979), zu den sozialen Folgen der Stadterneuerung (Becker, u.a. 1982) und zur Wechselwirkung von Wohnungspolitik und Eigentümerstruktur (Welch-Guerra 1992; Hirsch-Borst/Krätke 1981; Gude 1988) verwiesen werden. Der Anspruch an die Forschung zu Stadterneuerung und Wohnungspolitik orientierte sich – jedoch ohne ausdrücklichen Bezug – an den gesellschaftlichen Analysen der kritischen Geografie. Eine tatsächliche Einbettung von Stadterneuerung und Wohnungspolitik in gesellschaftliche Machtverhältnisse hat allerdings bisher nur selten stattgefunden. Trotz der breit akzeptierten Annahme, dass Wohnungspolitik nur „aus allgemeineren gesellschaftspolitischen Zielsetzungen heraus zu verstehen ist“ (Häußermann/Siebel 1993: 10) hat die geforderte „historische Analyse der polit-ökonomischen Determinanten“ und des „ideologisch kulturellen Rahmens“ (Frank/Schubert 1983) bis heute nicht in einer systematischen Form stattgefunden. Neben der Beschreibung von Instrumenten der wohnungspolitischen Steuerung und ihren Effekten hat die wissenschaftliche Diskussion vor allem um die Legitimität der enormen staatlichen Subventionen in den Bereich des Wohnungswesens gerungen und den Doppelcharakter der Wohnungspolitik als Wirtschafts- und Sozialpolitik erörtert (Grüber 1981; Dieser 1983; Krummacher 1981). Ordnungs- und machtpolitische Wirkungen von Wohnungspolitik wurden bisher fast ausschließlich in historischen Betrachtungen (Schubert 1997b; Harlander/Fehl 1986) herausgearbeitet. Um dem Anspruch einer kontextualisierenden Analyse gerecht zu werden und dem gesellschaftlichen Charakter der Stadterneuerung auf die Spur zu kommen, sollen im Folgenden drei Forschungsansätze näher betrachtet werden, die jene gesellschaftlich verallgemeinerbaren Rahmenbedingungen und Effekte von Stadterneuerungsmaßnahmen ins Zentrum stellen, die mit phänomenologischen Analysen kaum untersucht werden können: Ordnungs- und Machtpolitik, ökonomische Rahmenbedingungen und schließlich Fragen der politischen Legitimation und administrativen Organisation der Stadterneuerung. Da der nur selten verallgemeinerte Forschungsbestand zu den Themen in der Regel Fallbeispiele beschreibt, werde ich historisch rekonstruktiv versuchen, das Material der einzelnen Themenfelder zu systematisieren. Ziel dieser histori24
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schen Rekonstruktion sind verallgemeinerbare Theoreme, die in den einzelnen Bereichen den gesellschaftlichen Zusammenhang der Stadterneuerung beschreiben und als Analysefolie für die empirische Arbeit an der Ostberliner Stadterneuerung dienen können.
2.2
Macht- und Ordnungspolitik in der Stadterneuerung
Stadterneuerung verfolgt wie jede staatlich forcierte Modernisierung immer auch die Stabilisierung der bestehenden Machtstrukturen. Für die historischen Phasen der Stadterneuerung lassen sich verschiedene ordnungs- und machtpolitische Strategien beschreiben. Die im Folgenden gewählte zeitliche Abfolge von dominanten Formen der Ordnungspolitik schließt nicht aus, dass auch in anderen Phasen Elemente der verschiedenen Strategien verfolgt wurden.
2.2.1 Ordnungspolitik und Aufstandsbekämpfung durch Städtebau Die ersten Stadterneuerungsmaßnahmen gehen zurück in das 19. Jahrhundert. Insbesondere die schnell wachsenden Städte der europäischen Urbanisierungsphase waren durch dicht bebaute und schlecht versorgte Armenquartiere geprägt. Mit der massiven Landflucht im Zuge der Industrialisierung entstanden besonders in den innerstädtischen Wohngebieten unerträgliche Lebensbedingungen. Exemplarisch geschildert werden diese Umstände unter anderem bei Friedrich Engels: „Es ist eine unordentliche Masse von hohen, drei- bis vierstöckigen Häusern, mit engen, krummen und schmutzigen Straßen [...]. Auf den Straßen wird Markt gehalten, Körbe mit Gemüse und Obst, natürlich alles schlecht und kaum genießbar, verengen die Passage noch mehr, und von ihnen, wie von den Fleischerläden, geht ein abscheulicher Geruch aus. Die Häuser sind bewohnt vom Keller bis hart unters Dach, schmutzig von außen und innen, und sehen aus, daß kein Mensch drin wohnen möchte. Das ist aber alles noch nichts gegen die Wohnungen in den engen Höfen und Gäßchen zwischen den Straßen, in die man durch bedeckte Gänge zwischen den Häusern hineingeht und in denen der Schmutz und die Baufälligkeit alle Vorstellungen übertrifft – fast keine ganze Fensterscheibe ist zu sehen, die Mauern bröcklig, die Türpfosten und Fensterrahmen zerbrochen und lose, die Türen von alten Brettern zusammengenagelt oder gar nicht vorhanden – hier [...] sind keine Türen nötig, weil nichts zu stehlen ist.“ (Engels 1962 [1845]: 260) T
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Die ersten Erneuerungen in den Elendsquartieren waren Abrisse und wurden mit der Verbesserung der hygienischen und sozialen Verhältnisse begründet. Auslöser für diese Hinwendung zu den Lebensbedingungen der Armen war die Gefährdung der bürgerlichen Schichten der Städte selbst. Insbesondere die Erkenntnis, dass Seuchen und Verschmutzungen keine Klassengrenzen kennen, sowie die Angst vor möglichen Aufständen der plebejischen Massen trieben Teile des Bürgertums in den Städten zur Sozialreform. Gustav von Schmoller (1838-1917), Nationalökonom und Mitbegründer des Vereins für Socialpolitik fasst diese Motivation in seinem „Mahnruf in der Wohnungsfrage“ prägnant zusammen: „Die besitzenden Klassen müssen aus ihrem Schlummer aufgerüttelt werden; sie müssen endlich einsehen, daß, selbst wenn sie große Opfer bringen, dies nur [...] eine mäßige, bescheidene Versicherungssumme ist, mit der sie sich schützen gegen die Epidemien und gegen die socialen Revolutionen, die da kommen müssen, wenn wir nicht aufhören, die unteren Klassen in unseren Großstädten durch ihre Wohnverhältnisse zu Barbaren, zu tierischem Dasein herabzudrücken.“ (Schmoller 1983 [1901]: 174)
Stadterneuerung und Wohnungsreform generell folgten seit Mitte des 19. Jahrhunderts vor allem ordnungspolitischen Interessen der bürgerlichen Klassen in den Städten. Aufgeschreckt von der Kraft der städtischen Revolten im Zuge der Französischen Revolution, begannen in vielen europäischen Städten die Planungen für den Umbau der Städte. Hausmanns Magistralen in Paris (Lesemann 1982: 91ff.), die Whitechapel-Sanierung in London (Schubert 1997a: 66ff.) und auch der Hobrechtplan in Berlin (Geist/Klüvers 1984) stehen bis heute nicht nur für den Abriss ganzer Viertel oder die reißbrettartige Neubebauung und Erweiterung der Stadt, sondern eben auch für eine polizeiliche Stadtplanung. Aimé Huber – vor allem bekannt als ein Pionier der deutschen Genossenschaftsbewegung – hat die ordnungspolitischen Effekte einer Wohnungspolitik früh erkannt: „Abgesehen davon, dass die Wohnungsreform [...] eines der wirksamsten Mittel sein wird, um bedenkliche Ansichten, Stimmungen und Gesinnungen zu korrigieren, wird schlimmstenfalls die polizeiliche Überwachung oder die militärische Unterdrückung gefährlicher Bewegungen unter sonst gleichen Umständen in dem Maße leichter, wie die Stellung der Gegner übersichtlich, offen und zugänglich ist. Man frage doch die erfahrenen Kriegsleute, ob sie ein paar hundert Arbeiter usw. lieber in einer offenen freundlichen Vorstadt mit kleinen Häusern und breiten Straßen angreifen mögen, oder in engen Straßen mit ho-
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hen Häusern der Stadt? Man frage doch die Barrikadenmänner, welches Terrain sie vorziehen würden.“ (Huber 1857, in Frank/Schubert 1983: 23)
Befriedung und militärtaktische Gestaltung der Stadt waren zumindest in den frühen Phasen der Stadterneuerung ein leitendes Motiv der Akteure1. Unterscheiden lassen sich dabei städtebauliche Gestaltungen, die polizeiliche Taktiken der Aufstandsbekämpfung direkt unterstützen bzw. erleichtern sollen, und solche, die durch eine übersichtliche Ordnung der Stadt die präventive Kontrolle ermöglichen und das Ausbrechen von Straßenauseinandersetzungen erschweren. Daneben gab es in der Geschichte immer wieder besondere Sanierungsanlässe, die den RacheAspekt einer revanchistischen Politik in sich trugen. So forcierten die Nationalsozialisten in Berlin und anderen Großstädten den Abriss von traditionellen Vierteln in der Innenstadt mit der Begründung, dass sich dort jüdische und bolschewistische Tendenzen besonders stark ausgebreitet hätten (Bodenschatz 1988; Schubert 1997b)2. Generell können folgende ordnungspolitische Motive in dieser Phase der Stadterneuerung unterschieden werden: • polizeitaktische Sanierung als Eingriffe in die räumliche Gestaltung der Städte, um günstigere Ausgangsbedingungen für das polizeiliche Agieren in den Stadtvierteln zu erlangen, • präventive Sanierung als Erneuerungsmaßnahmen, die unübersichtliche Situationen in den Städten ordnen und unkontrollierte Wohnstrukturen verhindern,
1 Die Akteure der Behutsamen Stadterneuerung in Berlin Kreuzberg sahen sich noch Ende der 80er Jahre mit dem Vorwurf konfrontiert, eine polizeiliche Stadterneuerung durchzuführen. „BKA plant – IBA baut“ war eine beliebte Parole bei den autonomen Kritikern der Stadterneuerung. In den 90er Jahren sind diese Zusammenhänge in den Hintergrund geraten, und erst die öffentlich geförderte Gestaltung von Stadtplätzen folgte zum Teil polizeilichen Weisungen. So wurden am Helmholtzplatz in Berlin Prenzlauer Berg dichte Sträucher – die einen Sichtschutz für Trinker, Obdachlose boten – bei der Platzerneuerung aufgrund von polizeilicher Intervention in den Planungsgremien entfernt. 2 Eike Geisel fasst die damalige Diskussion um den Abriss des Berliner Scheunenviertels als „Stätte des verrufenen Vergnügens, des obskuren Geschäfts, der roten Laternen und des Schwarzhandels“ zusammen (Geisel 1981: 27). Als Sanierungsbegründung wurden immer wieder auch die politischen Haltungen der Bewohnerschaft angeführt. Eine Berliner Tageszeitung wird nach der Niederschlagung der Revolution 1919 wie folgt zitiert: „Das Scheunenviertel ist durchaus noch nicht von den Spartacisten gesäubert.“ (Geisel 1981: 65)
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• revanchistische Sanierung als gezielte Sanierungsarbeiten in Wohngebieten mit politisch unbeliebter Bevölkerung zur Zerstörung der bestehenden Sozialstrukturen in den Quartieren. Die verschiedenen ordnungspolitischen Formen und Motive von Erneuerungsmaßnahmen überlagerten sich in der Praxis oft, doch lassen sich in der historischen Betrachtung Leitmotive der Sanierung ausmachen.
2.2.2 Stadtsanierung als gezielter Eingriff in die Sozialstruktur Während in den ersten Jahren nach dem II. Weltkrieg der Wiederaufbau von Wohnungen, die Stadtreparatur und die Linderung der Wohnungsnot unter quantitativen Versorgungsaspekten im Vordergrund stand, veränderte sich das bundesdeutsche Leitbild des Wohnungsbaus in den 60er Jahren. Durch die stärkere Hinwendung zu qualitativen/normativen Aspekten der Wohnungsfrage wurde die Erneuerungsbedürftigkeit nun nicht nur mit Funktions- und Strukturschwächen, sondern mit „unausgewogenen Sozialstrukturen“ begründet. Die Stadtplaner verstanden unter „Funktionsschwäche“ bestehende Einschränkungen und Mängel einer grundlegend an dieser Stelle im Stadtraum gewünschten Nutzung (z.B. heruntergewirtschaftete Wohnviertel mit als unzureichend geltenden Ausstattungsmerkmalen). Die Stadterneuerung zielte auf die Verbesserung der Funktionsfähigkeit. Dem gegenüber steht eine „Strukturschwäche“ für eine im Sinne der Stadtplanung „falschen“ Nutzungsart (z.B. Gewerbeeinrichtungen an der Stelle einer geplanten Stadtautobahn oder Mangelversorgung mit Schulen und Kindereinrichtungen in einem bestehenden Wohnviertel). Die Stadterneuerung zielte auf Veränderung bzw. Herstellung einer gewünschten Nutzungsstruktur. Beide Formen sind als Sanierungsanlässe im Baugesetzbuch ausgewiesen und rechtfertigen der Erlass von städtebaulichen Sondersatzungen in begrenzten Stadträumen. Die Begründung einer „Sozialstrukturschwäche“ ist in den gesetzlichen Grundlagen nicht vorgesehen, war dennoch eines der verwaltungsseitigen Leitmotive der Stadterneuerung in den 60er Jahren (Balg 1958). Die städtischen Verwaltungen orientierten sich in dieser Zeit ganz explizit an einer Aufwertung der Bewohnerstruktur in den Sanierungsgebieten. In einer beauftragten Untersuchung für die Vorbereitung der Stadterneuerung in dem Sanierungsgebiet Wedding Brunnenstraße (SWB) etwa plädiert die Soziologin Karin Zapf für die „Aufhebung von Rückständigkeiten in der bautechnischen und sozialen Dimension“ (Zapf 1968: 1350). Für die soziale Dimension werden keine konkreten 28
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Zielparameter festgelegt, aber eine Annäherung an den städtischen Durchschnitt wird ausdrücklich als Sanierungsziel benannt. Aus Verwaltungssicht heißt es: „[...] mit den städtebaulich-technischen Zielen der Neuordnung (ist) das soziale Programm verbunden, im sanierten Gebiet eine Bevölkerung sesshaft zu machen, deren soziologische Struktur dem Durchschnitt Berlins angenähert ist“ (Dahlhaus 1968: 1365). Die soziologisch aufbereiteten Daten der Bevölkerungsstatistik geben einen Einblick, welche Abweichungen vom Durchschnitt als besonders problematisch angesehen wurden. Insbesondere hohe Arbeiteranteile an den Erwerbspersonen, Überalterungen der Gebietsbewohnerschaft, und ein hoher Anteil von weiblichen Einpersonenhaushalten wurden als demographische Herausforderungen der Stadtplanung angesehen (Zapf 1969: 137): „Was sich im Altbau zusammenfindet, ist nicht nur alt an Jahren. Es ist eine überalterte und veraltete Sozialstruktur, in der wesentliche Elemente der modernen Gesellschaft keinen Boden gewinnen konnten. [...] Wenn die Gebäude erneuert, diese Strukturen aber konserviert werden, dann ist eine gesellschaftspolitische Chance vertan, die sich in absehbarer Zeit nicht wieder bietet.“ (Zapf 1968: 1352) Die Idee der Mischung und des Durchschnitts ist nicht neu. So verweisen Häußermann und Siebel bereits auf die gesellschaftspolitischen Ziele von Hobrechts Bebauungsplan von 1863, der mit den großen Blöcken eine Hofbebauung ermöglichte. Die damit erhoffte soziale Mischung der Bewohnerschaft sollte – so eine Intention Hobrechts – eine befürchtete und als gefährlich angesehene Konzentration der städtischen Unterschichten verhindern (Häußermann/Siebel 1996: 79). Im Originalton des 19. Jahrhunderts klingen diese Überlegungen wie folgt: „Nicht die ,Abschließung‘, sondern ,Durchdringung‘ scheint mir aus sittlichen und darum aus staatlichen Rücksichten das Gebotene zu sein. [...] In der Mietskaserne gehen die Kinder aus den Kellerwohnungen in die Freischule über den selben Hausflur wie diejenigen des Rats- oder Kaufmanns auf dem Weg nach dem Gymnasium. Schusters Wilhelm aus der Mansarde und die alte bettlägrige Frau Schulz im Hinterhaus, deren Tochter durch Nähen und Putzarbeiten den notdürftigen Lebensunterhalt besorgt, werden in dem I. Stockwerk bekannte Persönlichkeiten. Hier ist ein Teller Suppe zur Stärkung bei Krankheit, da ein Kleidungsstück, dort die wirksame Hilfe zur Erlangung freien Unterrichts oder dergleichen, und alles das, was sich als das Resultat der gemütlichen Beziehungen zwischen den gleich gearteten und wenn auch noch so verschieden situierten Bewohner herausstellt, eine Hilfe, welch ihren veredelnden Einfluß auf den Geber ausübt“ (James Hobrecht, zitiert bei Scarpa 1995: 205).
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Bereits damals wurde eine sozial mildernde Wirkung von der Durchmischung unterschiedlicher sozialer Schichten erhofft. In Berlin hat insbesondere die Sozialdemokratie an diesem Postulat festgehalten. Von der Förderung der Genossenschaftsideen über die Durchschnittsorientierung bei der Flächensanierung bis hin zur Eigentumsoffensive in problematisch geltenden Wohnvierteln: Die Orientierung an der Mischung hat fast schon Fetischcharakter. Die Kritik daran richtet sich vor allem gegen die Tendenz, gesellschaftliche Missstände durch die Milderungsstrategie grundsätzlich zu akzeptieren und zugleich eine Interessenpolitik für die in den problematischen Vierteln fehlenden Mittelschichten zu betreiben. Stadterneuerung in diesem Sinne ist eine Vermeidungsstrategie sozialer Konflikte, ohne die sozialen Ursachen in Frage zu stellen. Stadterneuerung war historisch oft eine gezielte Veränderung der Sozialstruktur. Die dahinter liegenden ordnungspolitischen Effekte lassen sich zusammenfassen als: • Sozialpolitische Befriedung: Durch die bessere Versorgung mit Wohnraum und eine höhere Qualität der Wohnungen werden große Teile der Bevölkerung in dieser Frage zufrieden gestellt. Verbunden mit einer allgemeinen Steigerung des Lebensstandards sichert das eine wachsende gesellschaftliche Loyalität. • Sozialstrukturelle Harmonisierung: Bewusst und gezielt erfolgen dabei Eingriffe in die Zusammensetzung der jeweiligen Bewohnerschaft. So soll eine räumliche Konzentration von unangepassten und vom gesellschaftlichen Durchschnitt abweichenden Haushalts- und Lebensformen verhindert werden.
2.2.3 Disziplinierung durch Verfahren Eine andere, fast schon versteckte, ordnungspolitische Strategie der Stadterneuerung bestand in den neuen Beteiligungsverfahren, wie sie beispielsweise in der Behutsamen Stadterneuerung seit den späten 70er Jahren in Westberlin erprobt wurden. Ihre disziplinierende Kraft liegt in den Verfahren selbst, die einem geheimen Lehrplan gleich, bestimmte Verhaltensweisen und Denkmuster fordern und fördern. Karl Homuth hat einen der wenigen Versuche einer umfassenden gesellschaftlichen Einordnung von Stadterneuerung und Wohnungspolitik für die Behutsame Stadterneuerung in Kreuzberg unternommen. Trotz des offensichtlichen Bruchs mit der bisherigen Sanierungspolitik konstatiert er eine machtpolitische Kontinuität der Stadterneueurng. Im Zentrum seiner Analysen stehen die „modernisierten, verfeinerten und ergänzten [...] administrativen Techniken der Sozialintervention“ (Homuth
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1984a: 20) und die spezifische Akteurskonstellation der Stadterneuerung (Homuth 1984b). In der Geschichte der Stadtsanierung und -erneuerung standen Stadtplanung und Sozialpolitik fast immer in einem engen Zusammenhang und entfalteten eine repressive Wechselwirkung. Eingriffe in die Stadtstruktur folgten den Anforderungen an eine bessere Kontrolle und der Disziplinierung von „gefährlichen“ oder störenden Bevölkerungsgruppen. Die so genannten Betroffenen fanden sich dabei oft in der Rolle unbefragter und entmündigter Objekte wieder. Die Zerstörung sozialer Zusammenhänge (Fried 1963), die gewaltsame Neuzusammensetzung von Bevölkerung in Neubauvierteln und deren soziale Konsequenzen (Pfeil 1970: 80ff.) und die ökonomischen Folgen für die davon berührten Haushalte (Sauter u.a. 1976; Becker/Schulz zur Wiesch 1982) standen seither unter Kritik soziologischer Untersuchungen. Die Perspektive dabei war fast ausschließlich auf die Ergebnisse der Stadterneuerung bezogen. Die Techniken der Interventionen selbst, die administrativen Arrangements und ihre auf soziale Intervention gerichtete Umsetzungspraxis jedoch wurden oft nur vage ausformuliert. In der Debatte blieb es häufig bei Schlagworten wie „autoritärer Charakter der Sanierung“ oder „Planung von oben“. Eine genauere Analyse der Durchführungsebene fand selten statt. Dagegen verdiente das sanierungspolitische Großprojekt Internationale Bauausstellung (IBA in den 80er Jahren in Kreuzberg, mit dem Anspruch „Kaputte Stadt retten“ und der Methode „Behutsame Stadterneuerung“ völlig zu Recht das Prädikat „des fortschrittlichsten Sanierungskonzeptes, das derzeit in innerstädtischen Altbauquartieren praktiziert wird“ (Hohmuth 1984b: 19). Ihre Prinzipien waren: • die Orientierung an den Bedürfnissen und Problemen der Gebietsbewohner, • die Stabilisierung und Weiterentwicklung bestehender Partizipationsformen, • die Unterstützung von Selbsthilfegruppen und Genossenschaftsprojekten und • die Dezentralisierung und Transparenz von Planungsabläufen sowie • die Schaffung von Freiräumen für soziale Experimente. Die Agenda für dieses Herangehen wie auch die ersten Schritte nach der neuen Methode wirkten wie eine praktizierte und lebendige Kritik an der bisherigen Stadterneuerung. Mit dieser Revolution der Stadterneuerung gingen aber auch die typische Blindheit für die eigenen Mängel und die Selbstgewissheit der aufsteigenden Fachleute einher. Hohmuth nannte es treffend eine „Verschleierung der administrativen Funktionen der behut31
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samen Stadterneuerung“ (Hohmuth 1984b: 19). Tatsächlich gab und gibt es bis heute nur wenige herrschaftskritische Auseinandersetzungen mit dieser Phase der Stadterneuerung. So wie es vorher zum guten Ton der kritischen Stadtforscher gehörte, auf die Verflechtungen der jeweils dominierenden Sanierungsstrategie mit den macht- und gesellschaftspolitischen Zielen zu verweisen, so wurde nachher die Behutsame Stadterneuerung in aller Oberflächlichkeit gelobt. Dabei lässt sich der progressive Charakter der Behutsamen Stadterneuerung bei genauerer Betrachtung auch als eine administrative Innovationsstrategie verstehen. Die Kreuzberger Stadterneuerung ermöglichte vor allem verschiedene Experimente im Rahmen der bisherigen Wohnungspolitik: • die Praktizierung von Sparkonzepten, • die Bindung von Protestpotential, • die Ausdehnung der Konsensfähigkeit für städtebauliche Veränderungen, • die Übertragung von Forderungen der heterogenen Interessengruppen eines Gebietes in verwaltungsadäquate Problemdefinitionen und Handlungsabläufe und • die Lösung der Legitimationskrise der bisherigen Wohnungspolitik durch die Ergänzung traditioneller Planungsinstrumente (Hohmuth 1984b). Warum wurde diese Seite der Behutsamen Stadterneuerung solange kaum thematisiert? Zunächst erscheint sie im Gegensatz zu allen früheren Erneuerungsphasen als eine „Operationalisierung linker Politikvorstellungen“: behutsam, schrittweise, „nicht von außen“ hineingeplant, mit einer vorrangigen Orientierung auf den Gebrauchswert von Wohnungen. Der Maßstab des Handelns waren in erster Linie die Interessen der Bewohnerschaft, das Ziel die Verbesserung der Lebensverhältnisse und die Akzeptanz von kulturellen Andersartigkeiten. „Eine zentrale politische Wirkung ,behutsamer Stadterneuerung‘“ so Hohmuth „besteht offenbar darin, sich selbst den Argumentationen der traditionellen Kritik kapitalistischer Sanierungspolitik zu entziehen“ (ebenda: 47). „Behutsamkeit“ und „Kleinteiligkeit“ werden in der Behutsamen Stadterneuerung zu Teilen einer allgemeinen Strategie für den störungsfreien Sanierungsablauf: einzelne Schäden und Defizite werden behoben; unzumutbare Belastungen und Konflikte vermieden. Um eine krisenhafte Zuspitzung von wohnungspolitischen Fragestellungen zu verhindern, werden Probleme in kleine, administrativ zu managende Häppchen zerlegt. Hohmuth sieht in Kreuzberg sogar den Trend einer sozialpädagogischen Verschärfung „vom pathologischen Fall zur pathogenen 32
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Situation“ (ebenda: 88). Nicht mehr einzelne Problemfälle werden geheilt und therapiert, sondern der gesamte Stadtteil wird der „Behutsamkeit“ unterworfen. Dabei kommt es zur Arbeitsteilung: „Betroffene“ übernehmen den Part der soziokulturellen Erneuerer, die es einzubeziehen gilt, „Experten“ moderieren die Prozesse und sichern sie politisch ab. „,Behutsame Stadterneuerung‘ fungiert [...] als Medium, das verschiedenen Sozialgruppen ihre spezifische soziokulturelle Identität bestätigt, ihnen eine allgemein verständliche Sprache leiht und zu gesellschaftlicher Duldung [...] verhilft: ,Behutsame Stadterneuerung‘ erscheint so nicht nur als Bedingung für gesellschaftliche Interessenwahrnehmung, sondern wird selbst zum soziokulturellen Bedürfnis“ (ebenda: 21). Die Politisierung der Beziehungsebene geht auf Kosten einer Entpolitisierung des sozialen Lebens. Die neue sozialtherapeutische Qualität der Behutsamen Stadterneuerung „besteht darin, nicht von außen zu intervenieren, sondern technische Eingriffe aus dem Sozialkörper selbst heraus zu begründen und dem dort herrschenden Problembewusstsein und den akzeptierten Verkehrsformen anzugleichen“ (ebenda: 88). Aus dieser Perspektive gelingt in Kreuzberg mit den neu entwickelten Beteiligungsformen3 die Subsumtion eines ganzen Viertels unter die administrative Präventionspolitik. Die Behutsame Stadterneuerung lässt sich so auch als erfolgreiche Ausweitung administrativer Interventionsräume werten: Staatliche Praxis wird verfestigt, indem sich ein allseits akzeptiertes Bewusstsein entwickelt, gesellschaftliche Probleme im Hier und Jetzt zu therapieren (ebenda: 89). Durch die Kooperationsfixierung der Verfahren werden staatliche Planungsinstrumente nicht nur quantitativ ausgeweitet, sondern qualitativ verfeinert: Nichts und niemand kann sich dem Planungseifer der wohlmeinenden Akteure entziehen. Dabei werden alle – vom kulturellen Abweichler über die sozial Unangepasste bis hin zu politisch Oppositionellen – zu „Betroffenen“, das gesamte Gebiet mitsamt seinen Bewohnerinnen und Bewohnern wird somit im Zuge der Behutsamen Stadterneuerung einer „Zwangsbehandlung“ unterworfen: Es findet ein sozialer 3 Die Behutsame Stadterneuerung in Kreuzberg ermöglichte der Bewohnerschaft wesentlich größere Gestaltungs- und Entscheidungsspielräume als in den vergangenen Phasen der Stadterneuerung. So gingen allen Planungen und Finanzzusagen Hausversammlungen voraus, bei denen die MieterInnen selbst bestimmten, welche Erneuerungsmaßnahmen und welchen Standard sie wünschen. Auf Gebietsebenen arbeitete eine öffentlich tagende Erneuerungskommission, in der die BewohnerInnen die Mehrheit hatten. Das Kreuzberger Bezirksamt unterwarf sich einer Bindungspflicht gegenüber den Beschlüssen des Gremiums. Abweichende Entscheidungen konnten nur nach nochmaliger Vorlage und Diskussion von der Bezirksverordnetenversammlung beschlossen werden.
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Enteignungsprozess statt, der sogar tiefer geht als in den klassischen Planungsverfahren der Stadtteilsanierung, weil alles was geschieht scheinbar im Interesse der Bewohner geschieht – Opposition zwecklos, unmöglich, sinnlos. Die Guten haben ja bereits gewonnen. Doch nicht nur der inhaltliche Charakter der Behutsamen Stadterneuerung verweist auf eine veränderte Technologie der Machtausübung. Es werden auch neue, vermittelnde Akteure ins Spiel gebracht. Das professionelle Selbstverständnis der Stadterneuerungseliten drückt sich in der „Figur des sozial engagierten Planers“ aus. Als „sachverständiger Anwalt der Belange der Betroffenen“ sowie als „Moderator sozialer Entwicklungen aus der Perspektive ihrer administrativen Transformierbarkeit“ agieren sie in den Sanierungsgebieten (ebenda: 42). Sie verfügen über die „charismatische Kompetenz des Experten“ mit der Überzeugungskraft des „Selber-Betroffenen“ (ebenda: 47). Die Behutsame Stadterneuerung ist dabei als Integrationsforum für eine ganze Schicht von sich selbst als progressiv sehenden Frauen und Männern aus den Bereichen Planung, Architektur und Sozialarbeit geeignet. Sie bietet einen gesellschaftskritischen Gestus des beruflichen Handelns, Chancen auf Selbstverwirklichung und berufliche Aufstiegsmöglichkeiten. Deshalb wurde die Stadterneuerung in Kreuzberg stärker als anderswo subjektiviert, emotionalisiert und damit entpolitisiert. Die dem Logbuch linker Träume entliehene „Politik in der ersten Person“ erwacht in der Stadterneuerung zu einer repressiven und realpolitischen Wirklichkeit. „Es entsteht ein komplexer Organismus ideologischer, emotionaler und materieller Bedingungen, der sich durch beständige Identifikation mit sich selbst reproduzieren kann.“ (Hohmuth 1984b: 47) – eine Konsensmaschine, eine kritikresistente Beteiligungstechnologie, ein machtpolitisches Perpetuum mobile. Dabei war das Modell der Behutsamen Stadterneuerung seinem Wesen nach bis 1989 instabil und politisch umstritten. Der Legitimationsverfall staatlicher Wohnungspolitik und manifester Protest von städtischen Oppositionsbewegungen stellten in den 80er Jahren den Rahmen für die Stadterneuerung in Westberlin und verhinderten die dauerhafte Etablierung eines neuen Stadterneuerungsregimes. Trotz IBA und Sanierungsgebieten gab es kein institutionalisiertes Verfahren für die Stadterneuerung in Kreuzberg. Die Stadterneuerung verkörperte „vielmehr einen konflikthaften Prozess, dessen Verlauf wesentlich vom Kräfteverhältnis zwischen sozialen Widerstandspotentialen sowie administrativen und wohnungswirtschaftlichen Koalitionen [...] abhängt“ (ebenda: 20). Erst unter den Bedingungen der Stadterneuerung in Ostberlin nach 1990 sollten sich die Verfahren und auch die Akteure des Modells der Behut-
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samen Stadterneuerung zu einem stabilen Faktor im politisch-administrativen System Berlins konsolidieren. Aus Perspektive der Ordnungspolitik verweisen beteiligungsorientierte Verfahren wie das der Behutsamen Stadterneuerung auf eine neue Formen der Governementalität. Darunter werden – Foucaultschen Ideen folgend – Formen der Herrschaftssicherung und Herrschaftslegitimation verstanden, die sich nicht mehr an der Durchsetzung von „äußerer“ Macht orientieren, sondern einer verinnerlichten Machtstruktur, die in einer Art Selbstregierung von den Regierten selbst getragen werden (Rose 2000). Bestandteile dieser neuen Machtarchitektur finden sich auch in der Stadterneuerung wieder: Stadterneuerung als Entpolitisierung der Verfahren: Eine Organisation der Stadterneuerung, die sich durch Kleinteiligkeit und Projektorientierung auszeichnet, ist weigehend resistent gegen Kritik, die aus grundsätzlichen und wohnungspolitischen Fragestellungen resultiert. Stadterneuerung als Prävention durch Integration und Beteiligung: Den allgegenwärtigen Beteiligungsverfahren können sich auch renitente und unangepasste Menschen nicht entziehen. Jede grundsätzliche Kritik und jedes Sich-Widersetzen wird durch Einbindung verhindert. Stadterneuerung als geheimer Lehrplan der Disziplinierung: Die Verfahren vermitteln Muster des erwünschten Verhaltens und „belohnen“ dieses bei Erfolg. Zugleich verbreiten sie den Eindruck, die praktizierte Art der Stadterneuerung genieße allgemeine Akzeptanz. „Querulanten“ – so der logische Schluss – stellen sich somit selbst ins Abseits.
2.3 Die Ökonomie der Stadterneuerung Jeder Eingriff in die bestehenden städtischen Strukturen ist unter kapitalistischen Bedingungen vor allem ein ökonomischer Prozess. Investitionen werden realisiert, die Wertsubstanz der Gebäude steigt, zum Teil verändern sich Eigentumsverhältnisse und meist erhöhen sich im Resultat die Nutzungskosten. Ohne ein Verständnis des Boden- und Wohnungsmarktes lassen sich Stadterneuerungsmaßnahmen nicht angemessen beschreiben. Bezogen auf eine chronologische Gesamtbetrachtung einer Erneuerungsmaßnahme stehen folgende Fragen im Vordergrund: • Wie entsteht ein Sanierungsgebiet? • Unter welchen Bedingungen finden Investitionen im Sanierungsprozess statt? • Welche Folgen hat eine Erneuerung für die Nutzung des Gebietes?
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2.3.1 Die Entstehung von Sanierungsgebieten Als Sanierungsgebiete werden im allgemeinen städtische Wohngebiete verstanden, die in ihrer momentanen Struktur und Ausstattung den Wohn- und Nutzungsbedürfnissen nicht entsprechen und deshalb in einer konzertierten Aktion umgestaltet werden müssen. Gründe für die Entstehung von Sanierungsgebieten sind liegen fast immer in einem Substanzverfall der Gebäude selbst. Wenn wir das Entstehen von Sanierungsgebieten erklären wollen, müssen wir vor allem verstehen, wie es zu einem Substanzverfall von Wohngebieten kommt. Ökonomisch kann dabei zwischen den grundstücksbezogenen Desinvestitionsentscheidungen und den allgemeinen Verwertungsbedingungen unterschieden werden.
Desinvestitionsentscheidungen und die Entstehung von Sanierungsgebieten Eine simple Erklärung für die Entstehung von Sanierungsgebieten ist sicher der übliche Alterungsprozess an Gebäuden. Doch aus wohnungswirtschaftlicher Sicht kann dieser Prozess des Verfalls beschleunigt werden, wenn sich die EigentümerInnen entscheiden, Instandhaltungsund Reparaturkosten zu sparen. Dieser Vorgang der Desinvestition erscheint zunächst in einer widersprüchlichen Rationalität, besteht er doch darin, auf die Pflege und den Erhalt des Eigentums zu verzichten. Doch die Rentabilität dieses Herunterwirtschaftens erklärt sich im Kontext einer gesamtstädtischen Wohnungswirtschaft. In verschiedenen Theorieschulen der Stadtforschung lassen sich Erklärungsansätze finden. Die Filterung-Theorie geht von Anpassungsprozessen des Wohnungsmarktes aus, bei denen die jeweils älteren Wohnungsmarktsegmente im Zuge der Neubautätigkeit in ihrer Qualität „heruntergefiltert“ werden. Ausgehend von sozial segregierten Wohnungsteilmärkten verringere sich die relative Mietbelastbarkeit der Bewohnerschaft in einem Viertel, wenn durch attraktivere und modernere Angebote Haushalte mit höheren Einkommen in besserausgestattete Viertel ausziehen. Zur Stabilisierung ihrer Rendite versuchen nun die EigentümerInnen über Desinvestition Kosten zu sparen und setzen so einen „kumulativen Prozess von Desinvestition, Qualitätsverfall und Mietpreisverfall“ (Krätke 1992: 126) in Gang. Die Desinvestitionsentscheidung hierbei ist eine Folge von Investitionsentscheidungen in anderen Marktsegmenten. Wohnumfeldtheorien hingegen binden das Investitionsverhalten direkt an die Sozialstruktur und Mietzahlungsfähigkeit der Bewohnerschaft in den Quartieren. Desinvestitionsverhalten wird dabei als eine 36
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Anpassungsleistung auf veränderte Nachfragestrukturen angesehen. Abwanderung von Gruppen mit höheren Einkommen und Nachfragesteigerung nach geringwertigem Wohnraum seien der Grund für das Entstehen von Degradationsgebieten. „Hauseigentümer reagieren auf eine ‚Verschlechterung des sozialen Umfeldes‘ mit einer Verschlechterung der Bausubstanz durch Desinvestition, wobei mit dem Hinzutreten des baulichen Wohnumfeldes eine kumulative Abwärtsentwicklung des Gebietes eingeleitet wird“ (Güssow 1976 zitiert nach Krätke 1992: 126). Als konkrete Desinvestitionsmotive benannt werden die Erwartung einer Nutzungsänderung, die Reaktion auf soziale Entmischung durch Abwanderung zahlungskräftiger Haushalte und die Desinvestition als Reaktion auf Zuwanderung von niedrigen Einkommensgruppen z.B. als Folge von Verdrängungen aus anderen Gebieten. Rational-Choice-Ansätze wiederum setzen direkt beim strategischen Dilemma der EigentümerInnen mit ihren widersprüchlichen Interessen als Klasse und als Konkurrenten an (Davis/Whinston 1962): von der gesteigerten Wohnumfeldattraktivität durch Investition – so die Überlegung – profitieren insbesondere diejenigen, die keine Investitionen vornehmen. Durch überwiegende Desinvestition seien jedoch die EigentümerInnen, die Investitionen tätigen, negativ betroffen, da ihre Renditeerwartung durch geringe Lageattraktivität geschmälert wird. Im Mietund Wohnungsbaurecht der BRD besteht zwar kein direkter Zusammenhang von baulichem Wohnumfeld und den Renditeerwartungen, faktisch beeinflussen jedoch die Lage und das Gebietsimage die Nachfragestruktur. Allen Ansätzen gemein ist, dass sie Investitionen letzlich auf die Entscheidungen einzelner HausbesitzerInnen zurückführen und eine mikrotheoretische Erklärungsreichweite aufweisen.
Der Einfluss von Kapitalzyklen auf die Entstehung von Sanierungsgebieten Im Gegegsatz zu den mikrosozialen Erklärungen stehen Ansätze, die Desinvestitionspraxis in den späteren Sanierungsgebieten direkt auf die besonderen ökonomischen Bedingungen der gesamten Immobilienwirtschaft zurückführen. Denn alle veränderten Standortansprüche an die bebaute Umwelt werden mit gravierenden Anpassungsproblemen des bestehenden Bodennutzungsgefüges konfrontiert. Im Sektor des Bodenmarktes und der Immobilienwirtschaft spiegelt sich die gesamte der kapitalistischen Produktion innewohnenden Spannung von „place bounded fixity“ vs. „spatial mobility of capital“ (Harvey 1996: 296) wider. Jede geplante Umgestaltung des Bestandes stößt auf ein „ökonomisches 37
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Beharrungsvermögen der gebauten Struktur“ denn „die einmal getätigte Investition bindet Gestalt und Nutzung des Raumes“ (Kujath 1988: 24). Im Blickwinkel der Raumökonomie4 stellen Investitionsprozesse in langlebige Kapital- und Gebrauchsgüter wie Fabrikhallen, Wohngebäude, technische Infrastruktur eine zeitlich ausgedehnte Option auf die Verwertung des Bodens und der auf ihm errichteten Gebäude dar. Die in der Regel hohen Investitionen in Immobilien amortisieren sich erst im längerfristigen Gebrauch durch die fällige Nutzungsrente. Eine neuerliche Investition in ein bestehendes Gebäude muss demnach nicht nur mit den direkten Kosten (für Bodenerwerb, Erschließung und Bau) kalkulieren, sondern auch die abgebrochene Restnutzungsdauer des Bestandes mit einbeziehen. Im Vergleich zur gleichen Investition an einem unbebauten Ort ist eine solche Erneuerung oft die kostspieligere Variante. Voraussetzungen für eine Investition in die Erneuerung von Sanierungsgebieten sind demnach genügend Kapital für die Maßnahme selbst und eine gewinnversprechende Entwertung des in bestehenden Sachanlagen gebunden Kapitals. Aus diesen Bedingungen heraus erklärt sich auch, warum die begonnene Umstrukturierung großer Teile der Innenstädte zu einem Zeitpunkt der wirtschaftlichen Stagnation erfolgt. Einige Ökonomen sehen im „Ende der städtischen Expansion“ sogar eine „[...] wesentliche Voraussetzung für den Erfolg der Erneuerungsbemühungen“ (Kujath 1988: 24). Der zurückliegende Zeitraum der „städtischen Expansion“ kann als ein Kapitalentzug der Innenstädte interpretiert werden und sicherte so die „gewinnversprechende Entwertung“ der innerstädtischen Bausubstanz durch Desinvestition. Das „Ende der städtischen Expansion“ hingegen markiert die mögliche Umkehr der Kapitalströme in die Innenstädte. Auch für den Gentrificationspezialisten Neil Smith ist der Prozess der Aufwertung der Innenstadtquartiere vor allem eine Bewegung „by capital“ (Smith 1979). Die Verwertungs- und Nutzungsweise des städtischen Bodens ließe sich nach den Vorstellungen der Raumökonomie als historische Abfolge räumlicher Marktkonstellationen, Verwertungsbedingungen und sozialer Nutzungsmuster darstellen. Ein Idealtypus der historischen Metamorphose der Stadt würde sich in drei Phasen unterteilen: Erste Phase des industriellen Wachstums und der Dominanz der zentripetalen Kräfte: Das Bevölkerungswachstum führt zur Expansion der Wohnstadt und zu einer Nutzungsintensivierung des städtischen Bo-
4 Aufgegriffen werden hier Theorien und Überlegungen, die die gesellschaftliche (kapitalistische) Produktion des Raumes selbst betreffen. Raumökonomie wird von mir als Sammelbegriff für diese Ansätze benutzt (siehe u.a. Veblen 1967; Lefebvre 1977, Davis 1994; Harvey 1990).
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dens in den Zentren; das vorindustrielle sozial räumliche Muster eines Zentrum-Peripherie-Gefälles bleibt bestehen (Kujath 1988: 25). Zweite Phase des Widerspruchs der vorhandenen Stadtstruktur mit der sich wandelnden gesellschaftlichen Nachfrage und die Dominanz zentrifugaler Entwicklungen. Das wirtschaftliche Wachstum und der Massenwohlstand führen zu Wohn- und Konsumbedürfnissen, die von der alternden Stadt nicht befriedigt werden können. Investitionen überspringen die bebauten Zonen und weichen auf neu erschlossenes Land aus (Kujath 1988: 26). Großstädte sind zwar noch im interregionalen und internationalen Maßstab Gravitationszentren, nicht jedoch im regionalen Einzugsbereich. Eine Polarisierung städtischer Wohnzonen in „weiträumig ökonomisch aufsteigende und (konzentriert) sich entwertende kernstädtische Gebiete“ (ebenda) setzt sich durch. Vor allem wohlhabendere Haushalte orientiern ihre Wohnkarrieren an das Modell der Suburbanisierung. Indes behalten die Innenstädte weiter eine hohe Anziehungskraft. Zuwanderung lässt die hohe Nutzungsdichte weiter wachsen und führt zu Mietentwicklungen, die weitgehend unabhängig vom Zustand der Wohungen sind. Investitionen in den Bestand rechnen sich für die Eigentümer nicht – der Immobilenmarkt konzentriert sich auf die Stadterweiterung. Das führte in den Innenstädten zu dem Paradox des Niedergangs bei gleichzeitiger Überfüllung („overcrowding decline“) (Downs 1979, 1981). Die dritte Phase des Bevölkerungsrückgangs und das Ende des Wachstums. Die Modifizierung der Siedlungsentwicklung, also die Hinwendung zur innerstädtischen Erneuerung, folgt als Reaktion auf die Stagnation der zentrifugalen Tendenz von Kapital und sozialen Gruppen. Die freiwerdenden Kapitalströme und eine kulturelle Hinwendung zu innerstädtischen Wohnformen ermöglichen die Substitution vorstädtischer Neubauten durch innerstädtische Reinvestition. Die drohende soziale Auszehrung der Innenstädte durch Niedergang und Entleerung („emptying out decline“) wird zur Grundlage der Reinvestition (Downs 1979: 62): „Wo Boden und Gebäuden die Gefahr weitgehender Entwertung droht oder dieser Zustand bereits eingetreten ist, wird ein Wechsel von der alten Strategie der Desinvestition zu einer neuen, der Reinvestition, finanziert von kaufkräftigen Stadtbewohnern, erst zur wirtschaftlichen Alternative“ (Kujath 1988: 27). Sanierungsgebiete entstehen also – aus einer historisch-raumökonomischen Perspektive betrachtet – durch die zyklischen Bewegungen des nach räumlicher Fixierung strebenden Immobilienkapitals und – aus einer mikrosozialen Perspektive betrachtet – durch die individuell rationalen Desinvestitionsentscheidungen der Eigentümer in den bereits bebau39
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ten Gebieten. In der Realität verstärken sich strukturelle und mikrosoziale Aspekte des wirtschaftlichen Handelns. Für die Leitfrage nach dem gesellschaftlichen Charakter der Stadterneuerung ist diese Beziehung von Makrostrukturen und individuellen Entscheidungen zentral.
2.3.2 Bedingungen für Investitionen im Sanierungsprozess Wenn die Entstehung von sanierunsgbedürftigen Gebieten durch raumökonomische Zyklen und individual-rationale Desinvestitionsentscheidungen begründet werden kann, liegt nahe, dass auch die Bedingungen für Investitionen entlang dieser Bedingungsfaktoren betrachtet werden müssen. Unter welchen Konditionen kehrt das Kapital in die Innenstädte zurück und unter welchen Bedingungen entscheiden sich EigentümerInnen für Investition statt für Nichtinvestition? Oder anders: Welche ökonomischen Voraussetzungen ermöglichen Gewinnerwartungen?
Rentabilitätslücken als Voraussetzung für Reinvestitionen im Sanierungsgebiet Die Gentrificationforschung, die sich auf angebotsseitige Argumentationen stützt, hat unter raumökonomischer Sicht anhand von empirischen Fallstudien zwei Modelle zur Rentabilität von Erneuerungsinvestitionen entwickelt. Vor allem bei den Untersuchungen US-amerikanischer Großstädte wurde die Rent-gap-Theorie entwickelt, während westeuropäische Gentrificationstudien eine modifizierte Value-gap-Theorie zur Erklärung der von ihnen beobachteten innerstädtischen Aufwertungsprozesse heranzogen. Beide Modelle stehen in der Diskussion zum Teil unvermittelt nebeneinander, doch verweisen sie in ihren wohnungswirtschaftlichen Grundmustern auf eine ähnliche Begründung. Als so genannte rent gap wird die Differenz zwischen der potentiellen Bodenrente eines Grundstücks und der durch die gegenwärtige Nutzung tatsächlich erzielten Bodenrente beschrieben: „the disparity between the potential ground rent level and the actual ground rent capitalized under the present land use“ (Smith 1979: 545). Die Grundvorstellung ist, dass sich Investitionen erst rentieren, wenn diese Lücke größer ist als die Investitionssumme selbst. Unter der potentiellen Grundrente ist der zu erzielende Wert bei der höchsten und besten Nutzung des Grundstücks zu verstehen, sie ist also eine Erwartungsrente. Der übliche Preis des Eigentums – also der Bodenwert – ist die Summe von Gebäudewert und der erzielten Grundrente. Entkoppeln sich jedoch Gebäudeund Bodenwert, weil lageabhängige Bodenpreisentwicklungen die po40
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tentielle Grundrentenerwartung herabsetzen, sehen sich viele Eigentümer zu Desinvestitionen durch unterlassene Instandsetzungsarbeiten gezwungen. Dadurch wird das Gebiet ökonomisch abgewertet. Ist die potentielle Grundrente aber deutlich höher als die tatsächlich realisierte, steigt auch der Bodenpreis. Dann ist eine Intensivierung von Investitionen des fixen Kapitals zu erwarten und eine Landnutzung, die der Steigerung der erwartenden Bodenerträge angemessen ist. Mit anderen Worten: Die Größe der Lücke zwischen aktueller und erwarteter Grundrente bestimmt die Menge der Investition. Die Möglichkeit von höheren Bodenrenditen als den aktuellen lösen neue Investitionen aus, sei es durch Abriss und folgenden Neubau oder durch Modernisierung der bestehenden Gebäude. Werden die höherwertigen Gebiete weiter zum Wohnen genutzt, kommt es zu sozialen Aufwertungstendenzen (social upgrading). Rent gaps üben also einen Druck auf (Re)Investitionen in das fixe Kapital eines Grundstücks aus, die – eine weitere Wohnnutzung des Gebietes vorausgesetzt – einer Gentrification dienen (Clark 1987, Smith/ Duncun/Raid 1994; Smith/Defilippis 1999).
Als so genannte value gaps wird die Differenz zwischen dem Investitionswert eines vermieteten Gebäudes „tenanted investment value“ (= n-fache des Jahreszinses aus der Vermietung) und dem möglichen Verkaufswert eines leerstehende Gebäudes „vacant possession value“ nach Umwandlung und Verkauf an neue, oft selbst nutzende EigentümerInnen beschrieben. Beide Werte weisen eine Tendenz der Annäherung auf: Die potentiellen Mieteinnahmeerwartungen bestimmen die Verkaufspreise ebenso wie die möglichen Verkaufseinnahmen in den Mietvorstellungen der Eigentümer als spekulative Mieterwartung reflektiert werden. Während einer Periode der stagnierenden oder regulierten Mietentwickelung können sich diese Werte auseinander entwickeln. Der vermietete Gebäudewert liegt dann deutlich unter dem möglichen Verkaufswert. Ökonomisch rentabel erscheinen jetzt nur noch der Verkauf und die Umwandlung in Eigentumswohnungen. Das Verhältnis der Miet- und Verkaufswerte ist also in erster Linie ein wohnungspolitisches. Value gaps üben Druck auf einen Besitzerwechsel der Grundstücke aus und verstärken damit – einen gleichzeitigen Nutzerwechsel angenommen – Gentrificationprozesse (Clark 1991; Hamnett/Rudolph 1986; Musterd/van Weesep 1991). Beide Modelle erklären mögliche Investitionen in Bestandsgebieten mit einer Rentabilitätsdifferenz zwischen der momentan erzielten Bodenrente und den erwarteten Erträgen durch Verkauf und Investition. Dabei stellen sie jeweils unterschiedliche Aspekte der Raumökonomie in 41
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den Vordergrund. Rent-gap-Erklärungen sind stärker ortsgebunden (highly place specific) und versuchen, die (Re)Investitionszyklen des Bodenmarktes zu berücksichtigen. Der Aufwertungsprozess findet hier insbesondere durch Investitionen in die Bausubstanz statt und realisiert sich in der Wertsteigerung und den erhöhten Grundrenteneinkommen von Grundstück und Gebäude. Die bauliche Aufwertung steht dabei im Vordergrund und induziert durch die erhöhten Mietpreise den sozialen Austausch in einem Quartier. Value-gap-Erklärungen hingegen haben vor allem zeitabhängige Komponenten (more time specific), da hier die Wertlücke des Gebäudes vom Zeitpunkt der allgemeinen wohnungswirtschaftlichen Veränderungen von zu erwartenden Verkaufspreisen und Mieteinnahmeerwartungen abhängt. Der Aufwertungsprozess findet hier als Eigentümerwechsel statt und realisiert sich durch den Verkauf der Eigentumswohnungen. Die soziale Aufwertung der Bewohnerschaft infolge der Umwandlungen in Eigentumswohnungen ist der Kern des Prozesses, die bauliche Aufwertung ist (notwendiger) Teil der Dynamik. In der wohnungswirtschaftlichen Realität sind die beiden theoretischen Modelle selten deutlich zu trennen, da Bodenpreis und Gebäudewert in den meisten Fällen in einem abhängigen Verhältnis stehen. Auch die Unterscheidung von Aufwertung – hier durch Investition, da durch Umwandlung und Verkauf – ist eher theoretisch, da sich in der Praxis oftmals beide Prozesse überlagern (Friedrichs 1996).
Wohnungspolitische Eingriffe als Voraussetzung für Reinvestitionen Der oben skizzierte ökonomische Prozess, der idealtypisch automatisch zur Erneuerung der Gebiete führen müsste, findet nicht in allen sanierungsbedürftigen Wohngebieten statt. In Quartieren ohne Vorzugslagen und mit geringen städtebaulichen Qualitäten fallen die Marktanreize der Rentabilitätsdifferenz geringer aus und das beschriebene Investitionsdilemma bleibt bestehen. In diesen Fällen kann das Marktversagen durch staatliche Eingriffe korrigiert werden. Die Wohnungspolitik als Garant der wohnungswirtschaftlichen Akkumulation und als Gewährleister einer allgemeinen Wohnungsversorgung entwickelte verschiedene Strategie zur Überwindung der Investitionsblockaden in den Sanierungsgebieten: Staatliche Direktinvestitionen: Staatliche oder kommunale Verwaltungen treten direkt als Bauherren und Investoren auf und führen nach dem Erwerb der Grundstücke in den Gebieten die Erneuerung selbst durch. Dieses Engagement des Staates als direkter Marktakteur findet in 42
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der Praxis nur in Ungunstlagen und Teilbereichen von Sanierungsvorhaben statt, weil bei flächendeckender Anwendung die marktgarantierende Funktion der Wohnungspolitik verletzt würde. Investitionsanreize: Anreizstrategien sollen für Investitionen eine verbesserte Ertragserwartung sichern. Deshalb werden entsprechende Mittel in die Sanierung gelenkt. Das kann durch Steuervergünstigungen oder pauschale Bauzuschüsse geschehen oder erfolgt durch die Übernahme unrentierlicher Kosten. In Einzelfällen werden Mieteinnahmegarantien gewährt. Aufwertungsgarantie durch Rahmensetzung: Die Investitionsblockade der einzelrationalen Entscheidungen wird durch eine koordinierte Aufwertungsstrategie aufgehoben. Mit rechtlichen Instrumenten (wie der Festlegung eines Sanierungsgebietes) und Sanktionsdrohungen (bis hin zu Enteignungen) erzwingt dabei der Staat koordinierte Investitionen in die Quartierserneuerung. Den einzelnen EigentümerInnen wird quasi als Gegenleistung für ihre individuellen Investitionen eine Aufwertung der gesamten Nachbarschaft garantiert. Aus ökonomischer Sicht ist das eine administrativ geschaffene Rent-gap-Situation. Diese wohnungspolitischen Eingriffe sind im Sinne der Überwindung von Desinvestition erfolgreich – als politische Handlungen müssen sie sich jedoch auch gegenüber einer gesellschaftlichen Öffentlichkeit legitimieren. Zum einen werden Sanierungsmaßnahmen mit öffentlichen Geldern finanziert, zum anderen stellen sie für die direkt Betroffenen einen von außen kommenden und nicht immer begrüßten Eingriff in die Lebensbedingungen dar. Historisch nahmen die Verantwortlichen meist eine paternalistischen Haltung von „aufgeklärten Despoten“ ein, die unter der Losung der Modernität Rückständigkeiten im Wohnsektor oder städtebauliche Funktionsschwächen aufheben wollten (Siebel 1976; Prigge 1988; Petz 1995).
Eigentümerstruktur als Voraussetzung für Reinvestitionen im Sanierungsgebiet Die beiden dargestellten Wege zur Überwindung von Desinvestition in Wohnquartieren setzen eine marktbezogene oder staatlich initiierte Veränderung der Investitionsbedingungen voraus. Diese Wechsel der ökonomischen Bedingungen im Wohnungssektor sind in der Regel mit dem Wandel der Eigentümerstruktur verbunden. Die unterschiedlichen Investitionsstrategien hängen vom Vermögensvolumen, den Eigenkapitalanteilen, den formal juristischen Organisationsformen und den spezifischen Eigentumsmotiven ab. Der alten und simplen Erkenntnis einer „ökonomischen Bedingtheit“ bestimmter Vermieterstrukturen (Lütge 43
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1949) folgend, suchen sich die jeweiligen Verwertungsstrategien auch die passende Eigentümerstruktur. Nur die profitabelste Investition wird sich auf Dauer realisieren. Unwahrscheinlich etwa ist die Beteiligung eines Kleineigentümers an einem Großprojekt oder eine Desinvestitionsstrategie bei Immobilienunternehmen, die mit steuerlichen Abschreibungsmöglichkeiten kalkulieren. In Sanierungsgebieten ist davon auszugehen, dass die investitionsfreudigen EigentümerInnen sich nach einer jahrelangen Desinvestitionsphase überwiegend zurückgezogen haben. Die Mehrheit der Verbliebenen ist auch unter den verbesserten Investitionsbedingungen einer Sanierungssatzung mit einer baulichen Erneuerung überfordert. Eine investitionsfähige Eigentümergruppe muss dabei nicht nur bestimmten wirtschaftlichen Gesichtspunkten entsprechen. Bei einer staatlichen Intervention zur Erneuerung sind auch verfahrenstechnische Fähigkeiten und fachliche Kapazitäten erforderlich. Die Eigentümer- bzw. Vermieterstruktur ist in der Wohnungspolitik keine feststehende Größe, sondern eine Variable in ständiger Veränderung. Jeder wohnungspolitische Eingriff verändert die bestehenden Investitionsbedingungen und beeinflusst die Eigentümerstruktur. Diese wiederum wirkt wie ein Filter für die staatliche Wohnungspolitik, da letztlich fast alle Maßnahmen von privaten EigentümerInnen oder mit ihnen umgesetzt werden müssen. Zudem dominiert die jeweilige Vermieterstruktur die Distributionseffekte im Wohnungswesen. Ein Eingriff in diese Struktur hat immer auch wohnungspolitische Effekte und kann als stiller Umbau des Wohnungssektors bezeichnet werden. Für Bodenschatz stellt sich „die Dynamik der Vermieterstruktur [...] als ausgesprochen aussagekräftiger Indikator für Dimensionen und Erfolg einer Neuorientierung staatlicher/kommunaler Wohnungspolitik“ dar (Bodenschatz 1992: V). Oder anders: „die Geschichte der Wohnungspolitik (ist) die Geschichte der Auseinandersetzung um die Beibehaltung, Beeinflussung und Modernisierung oder Beseitigung vorhandener Vermietertypen und ihre Ersetzung durch neue“ (Welch-Guerra 1992: 1). In diesem Sinne ist beispielsweise die politische Entscheidung für das Prinzip „Rückgabe vor Entschädigung“ im Einigungsvertrag von 1990 nicht nur nach moralischen und Gerechtigkeitsaspekten zu beurteilen, sondern auch als politisches Agieren auf dem Feld der Wohnungspolitik zu betrachten. Eine wesentliche Bedingung für eine Stadterneuerung ist die Struktur der EigentümerInnen. Diese ist sowohl von den ökonomischen als auch wohnungspolitischen Kontexten abhängig. Für die Stadterneuerung in Sanierungsgebieten hat diese doppelte Abhängigkeit folgende Konsequenzen:
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• Die ,profitabelsten‘ Investitionen werden nicht realisiert, wenn die geeignete Eigentümerstruktur fehlt (bis hin zum Ausbleiben jeder Erneuerungstätigkeit). • Die Eigentümerstruktur verändert sich so, dass neue, geeignete Eigentümergruppen die profitabelsten Investitionen realisieren. • Eine Wohnungspolitik, die Investitionsanreize nicht an der bestehenden Eigentümerstruktur ausrichtet, führt zwangsläufig zu einem Wechsel der Grund- und Gebäudeeigner. Stadterneuerungsmaßnahmen sind ihrem ökonomischen Charakter nach Reinvestition in vormalige Desinvestitionsgebiete. Aus einer Makroperspektive folgen sie ökonomischen Bewegungszyklen; aus einer aktuersbezogenen Mikroperspektive sind sie in vielen Fällen mit einer Veränderung der Eigentümerstruktur verbunden. Beide Reinvestitionsbedingungen sind dabei auf einander angewiesen. Ein bloßer Eigentumswechsel ohne investitionsfördernde Rahmenbedingungen ist keine Grantie für eine Sanierung. Und auch bei grundlegenden Veränderungen der allgemeinen Investitionsbedingungen in einem Gebiet ist nicht davon auszugehen, dass die bisher inaktiven EigentümerInnen tatsächlich auch diejenigen sind, die die neuen Investitionsbedingungen am profitabelsten für sich nutzen können. Wenn jede Stadterneuerung aber mit einem Wechsel des Eigentums einhergeht, lastet auf der gesamten Erneuerung nicht nur ein Refinanzierungsdruck der Investition in die bauliche Erneuerung. Auch die Erwerbsaufwendungen für Grundstücke und Gebäude gehen in die Rentabilitätsrechnung ein und erhöhen die Gesamtkosten für die Sanierung. Generell bestimmen die makroökonomischen Bedingungen das individuelle Investitionsverhalten der EigentümerInnen. Ihre Strategien und die Motive ihres ökonomischen Handelns können nur in diesem Rahmen variieren.
2.3.3 Folgen einer Erneuerung für die Nutzung des Gebietes Auch die ökonomischen Auswirkungen von Sanierungsarbeiten in Wohngebieten lassen sich in wohnungsmarktbezogene und individuelle Effekte unterscheiden. Zudem haben Sanierungsarbeiten vermittelt durch Miete oder Kaufpreis auch Auswirkungen auf diejenigen, die die Wohnungen nutzen.
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Bauliche Aufwertung und ökonomische Rentabilitätssteigerung Eine Stadterneuerungsmaßnahme ist in allen Fällen mit der baulichen Aufwertung der vorhandenen Substanz oder der Ersetzung der bestehenden Baukörper durch Neubauten verbunden. Mit dieser Wertsteigerung der Gebäude geht in den meisten Fällen ein erhöhter Grundrentenertrag der Grundstücke einher. Aus wohnungswirtschaftlicher Perspektive werden damit die vorher bestehenden Rentabilitätslücken geschlossen oder zumindest verringert. Das spiegelt sich im bundesdeutschen Mietrecht wider. Baumaßnahmen zur Ausstattungsverbesserung werden als Modernisierungsarbeiten angesehen und rechtfertigen – im Gegensatz zu den bestandserhaltenden Instandsetzungsarbeiten – eine Mieterhöhung. Elf Prozent der umlagefähigen Kosten dürfen jährlich auf die Miete umgelegt werden. Eine Erneuerungsmaßnahme mit Ausstattungsverbesserung ermöglicht höhere Mieteinnahmen und nähert sich so der potenziell besten Nutzung an. Durch den mit der Investition steigenden Gebäudesubstanzwert erhöht sich in der Regel auch der Grundstückswert in den Sanierungsgebieten. EigentümerInnen dieser Gebiete können und müssen mit langfristig hohen Mieteinnahmen kalkulieren. In Erwartung einer erhöhten Grundrente werden Bodenmarktbewegungen und Investitionen ausgelöst, die sich letztlich in erhöhten Preisen der Endnutzung niederschlagen. Die Kosten für Kauf und Modernisierung müssen sich durch Vermietung oder Verkauf von Eigentumswohnungen refinanzieren. Mit anderen Worten: Eine spekulative Erwartungshaltung produziert am Ende einen Druck auf die Mieten und führt zu Erhöhungen. Auch internationale Untersuchungen zeigen, dass in allen idealtypischen Gentrificationverläufen mit der Aufwertung der Bausubstanz die Bodenwerte der Grundstücke steigen (Berry 1985; Clark 1991, 1992; Clay 1979; DeGiovanni 1983; Gale 1980; Mele 1994; Smith/Defilippis 1999). Mit Blick auf die zyklischen Bewegungen des Wohnungsmarktes können wir eine weitgehende Stadterneuerung in einem vormals heruntergekommenen Wohngebiet als einen ökonomischen Sättigungsprozess beschreiben. Durch die Modernisierungsmaßnahmen verringern sich die Renditelücken in der bestehenden Bausubstanz, was wiederum dazu führt, dass die wohnungswirtschaftlichen Aktivitäten von Verkauf und Investition stagnieren. Einzig neu zu erschließende Nutzflächen in Baulücken oder Dachgeschossen (mit hohen Investitionswerten) lenken noch Kapitalmittel in die Gebiete. Anders als sozialökologische Argumentationen, die solche Fälle der Stadtentwicklung mit Gleichgewichten nach Invasions-Sukzession-Zyklen beschreiben, lassen sich die Desinvestitions-Aufwertungszyklen der Wohnviertel aus der kalkulierenden Logik des Wohnungsmarktes erklären: Ohne den Anreiz und die realisti46
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sche Aussicht auf eine weitere Erhöhung der Grundrente keine Investition. Die beschriebenen Rentabilitätslücken von Gebäudewert und Bodenwert (rent und value gaps) verringern sich im Laufe einer Erneuerungsperiode zum Teil ungleichmäßig. Eine symmetrische Beziehung zwischen beiden ist nicht zwangsläufig. Aufgrund unterschiedlicher Einflussbedingungen entwickeln sich die stärker lage- und marktabhängigen Bodenwerte in einer anderen Dynamik als die stärker wohnungspolitisch regulierbaren Gebäudewerte. Vor allem in Sanierungsgebieten, in denen die Modernisierung öffentlich gefördert wird, steigen die Bodenwerte der Grundstücke, ohne dass sich eine höhere Nutzungsrente realisieren lässt. Der in diesen Fällen festgelegte oder gebundene Mietpreis begrenzt die Gewinnmöglichkeiten. Durch eine starke kommunale oder staatliche Regulierung des Wohnungsmarktes können einseitige Bodenwertsteigerungen ohne gleichzeitig realisierte Mietsteigerungen vorkommen. Das ist jedoch die Ausnahme innerhalb der vielen Beispiele einer Aufwertung durch Stadterneuerung. Selbst längere Zeit nach einer Investitionsphase kann mit einer intensiveren Verwertung gerechnet werden, nämlich dann, wenn die befristeten Mietpreisbindungen auslaufen.
Umwandlungen in Eigentumswohnungen und verstärkte Selbstnutzung Für EigentümerInnen und InvestorInnen ist nicht allein die angestrebte höherwertige Nutzung zur Steigerung der Grundrente des Grundstücks wichtig. Ihr ökonomisches Interesse muss auch den Zeitfaktor berücksichtigen. Nicht alle Investitionsmodelle sind auf eine langfristige Refinanzierung ausgerichtet. Gerade aufwändige und umfangreiche Maßnahmen werden oftmals mit relativ geringem Eigenkapitalanteil realisiert und müssen sich entsprechend schnell amortisieren. Eine Möglichkeit dazu sind Erhöhungen der monatlichen Grundrenteneinnahmen durch Umwidmung in Gewerberäume. Zumindest in den Innenstadtvierteln und anderen Gunstlagen liegen die Mietpreise für Büros, Praxen und Ateliers deutlich über den ortsüblichen Wohnmieten. Jürgen Friedrichs und Robert Kecskes weisen in ihrem Band „Gentrification – Theorien und Forschungsergebnisse“ darauf hin, dass im Zuge von Aufwertungsprozessen auch Umwandlungen von Wohn- in Gewerberaum dazu dienen, die Rentabilitätslücke zu schließen (Friedrichs/Kecskes 1996). Allerdings sind in Sanierungsgebieten mit weitgehender Wohnnutzung einer solchen Umwidmung rechtliche Grenzen gesetzt. Die Zweckentfremdungsverordnungen im Mietrechtsverbesserungsgesetz erschweren 47
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die Nutzungsänderungen deutlich (§ 6 MRVerbG). Ein anderer Weg, die Investitionsmittel inklusive einer Gewinnspanne möglichst schnell abzuschöpfen, ist der Verkauf der modernisierten Wohnungen. Namentlich der Verkauf von in Einzeleigentum umgewandelten Mietwohnungen erweist sich aus ökonomischer Sicht als eine attraktive Refinanzierungsstrategie. Zum einen liegen die Einzelpreise für die Wohnungen über dem Wertanteil der gesamten Immobilie, zum anderen sichert ein Verkauf die kurzfristige Realisierung der erwarteten Grundrenteneinkommen. Kein Wunder also, dass sich in den aus empirischen Beobachtungen gespeisten Phasenmodellen von Gentrificationprozessen unter anderem der Indikator „Steigerung des Anteils von Eigentumswohnungen im Gebiet“ findet (Berry 1985; Dangschat 1988). Neben diesen ökonomischen Erklärungen für die steigende Quote von Umwandlungen in den Gentrificationgebieten lassen sich auch nachfrageseitige Gründe für diese Tendenz benennen. Viele Aufwertungsgebiete haben eine hohe Attraktivität. Besonders unter den auf „Lifestyle“ orientierten Angehörigen der gut verdienenden Mittelklasse steigt die Nachfrage nach selbstgenutztem Eigentum. In einigen Fällen entscheiden sich auch die HauseigentümerInnen selbst zu einer Niederlassung im Gebiet. Für einen Teil von ihnen ist Selbstnutzung sogar das hauptsächliche Erwerbsmotiv (Reimann 2000: 138ff.).
Soziale Veränderungen und Verdrängung als Effekte der Stadterneuerung Die ökonomischen Auswirkungen von Sanierungsarbeiten haben eine weitere Seite: die veränderten Konditionen zur Nutzung der Gebiete. Nur in Ausnahmefällen ist die Bewohnerschaft von sanierungsbedürftigen Vierteln identisch mit der Klientel eines baulich modernisierten und möglicherweise stärker von tertiären Nutzungen geprägten Aufwertungsgebietes. In der Literatur von Sanierungsgebieten ist häufig von so genannten „A-Gruppen“ die Rede: Alte, Alleinerziehende, Auszubildende, AusländerInnen, Arbeitslose. Diese, so die Suggestion, stehen für eine sozial spezifische Nutzung dieser baulich heruntergekommenen und mit schlechtem Image stigmatisierten Gegend. Durch die Sanierungsarbeiten wandeln sich Ruf, Nutzung und bauliche Substanz. Die Modernisierung – verstanden als Ausstattungsverbesserung – ermöglicht eine höherwertige Nutzung. Wenn öffentliche Kompensationen oder Reglementierungen ausbleiben, steigen in der Regel die Miet- und Nutzungspreise. Die neu hinzukommende Bevölkerung hat in der Mehrzahl nicht nur andere Anforderungen an das Gebiet, sondern im Gegensatz zu den früheren BewohnerInnen auch entsprechend hohe Einkommen oder 48
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Vermögen, um die gestiegenen Mieten zu tragen. Um im bereits bekannten Bild zu bleiben, die aufgewerteten Viertel werden zunehmend von „Neuen A-Gruppen“ bewohnt und genutzt: von Menschen aus Architektenbüros, Anwaltskanzleien, Arztpraxen sowie von anderen akademisch Gebildeten5. Die Sanierung löst nicht nur mit ihren Baumaßnahmen eine Mobilität der Haushalte aus, auch erhöhte Nutzungskosten und die veränderte Nachbarschaft wirken entsprechend. Qualitative Fallstudien zeigen, dass Menschen in Wohnquartieren, die sich nicht nur baulich, sondern auch in Bezug auf die Gewerbenutzung und Sozialstruktur deutlich verändern, Entfremdungsgefühle entwickeln, die sich bis hin zum Auszug steigern können (Dörries 1998). Eine umfassende Neuausrichtung der Einzelhandels- und Versorgungsstrukturen auf lebensstilorientierte Konsumbedürfnisse kann die materiellen und informellen Grundlagen von Einkommensschwächeren direkt demontieren (Holm 1997). Zentral für den Bewohnerwechsel in Sanierungsgebieten sind jedoch die erhöhten Wohnkosten. Gentrificationtheorien sehen in diesem Austausch der Bevölkerung das Wesen solcher Aufwertungsprozesse (Marcuse 1992). Die simple Tatsache akzeptierend, dass die finanziellen Ressourcen und damit die Mietzahlungsfähigkeit der Haushalte innerhalb einer Gesellschaft ungleich verteilt sind, wird der Austausch der Bewohnerschaft zur notwendigen Bedingung für ein erfolgreiches Schließen der Rentabilitätslücken, wenn diese nicht mit öffentlichen Subventionen verringert werden können. Bereits in früheren Phasen der Stadterneuerung wurden die nachteiligen finanziellen Effekte der Modernisierungen für die betroffenen Haushalte festgestellt, da sich deren Miete oft um mehr als 50 Prozent erhöhte (Sauter u.a. 1976). Während ein Teil der Bewohnerschaft wegzieht, versucht ein anderer, die steigenden Mieten zu bewältigen. Dafür greifen die Haushalte zu unterschiedlichen Kompensationsstrategien: Verkleinerung der Wohnfläche, Einschränkung von Ausgaben in anderen Lebensbereichen oder die Intensivierung der Verdiensttätigkeit. Diese Wege sind bei einer umfassenden Gebietssanierung nahezu alternativlos und setzen die Betroffenen deutlich unter Zwang. Diese Veränderungen in der Lebensgestaltung der Haushalte wird als „Verdrängung aus dem Lebensstil“ bezeichnet (Blasius 1994).
5 Ausnahmen sind hierbei Sanierungen, die überwiegend in öffentlich finanzierten Programmen verliefen und mit gebundenen Miethöhen und z.T. öffentlichen Belegungsrechten der Wohnungen die sozialen Verteilungsprozesse und Nutzungsmuster des Marktes unterliefen.
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2.4 Organisation, Ideologie und Politik der Stadterneuerung 2.4.1 Voraussetzungen für Stadterneuerung In den ersten allgemeinen Annäherungen wurde der weit gefasste Begriff von Stadterneuerung als das in spezifischen gesellschaftlichen Bedingungen mögliche Regime (und dessen Strategien und Techniken) zur Verbesserung bestehender Nutzungen oder des vollständigen und weitgehenden Umbaus von Stadtteilen beschrieben. Diese Definition berücksichtigt sowohl die Bedingungsabhängigkeit als auch die Handlungsebene von Stadterneuerung. In den dann folgenden Abschnitten wurden die politischen Interessen und die ökonomischen Voraussetzungen genauer beleuchtet. Doch dieser politökonomische Zugang reicht nicht aus, um die tatsächlich durchgeführten Maßnahmen zu erklären, denn politische Intentionen und ökonomische Zwänge folgen keinem Automatismus, sondern setzen vielmehr einen Handlungsrahmen, in dem sich die Stadterneuerung formieren kann. Da Sanierungsarbeiten in der Praxis äußerst komplexe Vorhaben sind, braucht es darüber hinaus begünstigende Voraussetzungen, die den verschiedenen Akteuren ein gemeinsames Agieren überhaupt ermöglichen. In seiner Untersuchung der Berliner Stadterneuerung benannte Harald Bodenschatz dazu ein Geschäftsinteresse, die Herausbildung eines Interessenblocks und die Anbindung an ein hegemoniales Projekt. Unter Geschäftsinteresse versteht Bodenschatz im Wesentlichen die ökonomischen Voraussetzungen für eine Stadterneuerung. Besonders die Kosten für Kauf, bauliche Maßnahmen und Umsetzung der MieterInnen bzw. eventuelle Mieteinnahmeverluste müssen durch den zu erwartenden Ertrag der sanierten oder neugebauten Häuser übertrumpft oder mit öffentlichen Förderprogrammen gewinnbringend heruntersubventioniert werden. Zudem brauchen die jeweiligen Förder- und Rechtsinstrumente die geeigneten Träger (Bodenschatz 1987: 9). Neben den bereits beschriebenen ökonomischen Bedingungen kann insbesondere bei staatlich initiierten oder getragenen Erneuerungsarbeiten das Geschäftsinteresse auch im Sinne einer politischen Rendite verstanden werden. Das gilt für die machtpolitischen Aspekte von Sanierung, aber auch für wohnungspolitische Befriedungsstrategien oder Prestigeprojekte, die die Leistungsfähigkeit der jeweils Machthabenden beweisen und die Loyalität der Menschen stärken sollen6. 6 So hatte in der DDR der Wohnungsneubau einen zentralen Stellenwert in der Sozialpolitik. Die ungelöste Wohnungsfrage brachte es mit sich, dass die Vergabe von Wohnungen in ein System von Belohnung und Bevor-
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Als Interessenblock wird die spezifische Zusammensetzung und die Notwendigkeit einer Zusammenarbeit von verschiedenen an der Stadterneuerung beteiligten Akteuren bezeichnet. Allein die bauliche Realisierung einer großflächigen und umfassenden Erneuerung braucht das weitgehend reibungslose Zusammenwirken von Bauwirtschaft, Finanzinstituten, privaten Abschreibungsgesellschaften und der Architektenschaft. Für die Geschichte der Stadterneuerung in Westberlin wurden bis in die 80er Jahre darüber hinaus politisch administrative Institutionen, Interessenvertretungen wie Nachbarschaftsinitiativen, aber auch die Baugewerkschaft und die gemeinnützigen Wohnungsunternehmen benannt. Der Begriff des Interessenblocks zielt dabei weniger auf die Beschreischreibung einer verschworenen Geheimgemeinschaft, sondern ist zunächst als Kritik solcher Auffassungen gemeint, die Stadterneuerung als deterministisches Ergebnis des Wollens von Politikern bzw. von vornherein feststehenden Kapitalinteressen begreift. Die zuweilen brüchige Dynamik in Konstellationen der Stadterneuerung wurde in den letzten Jahren mit dem Untersuchungsansatz des „akteurszentrierten Institutionalismus“ (Mayntz/Scharpf 1995; Görlitz/Burth 1998; Scharpf 2000) auch in empirisch qualitativen Fallstudien für die Stadterneuerung in Prenzlauer Berg der 90er Jahre beschrieben (Bernt 2003). Eine Anbindung an ein „hegemoniales Projekt“ benennt Bodenschatz als dritte Voraussetzung für die Stadterneuerung. Hintergrund ist die angenommene Notwendigkeit einer öffentlichen Legitimation für die mit einer Stadterneuerung verbundenen Ressourcenbündelung und die oftmals gegen die Bedürfnisse der Bewohnerschaft durchgesetzten Maßnahmen. Als Bestandteile eines solchen hegemonialen Projektes werden ein gesamtstädtische Interesse für die Bereitstellung von öffentlichen Mitteln, ein kultureller und stadtentwicklungspolitischer Konsens der „bestimmenden Gruppen der Stadt“ (Bodenschatz 1987: 10) sowie der Entwurf einer Vision von der neuen Stadt aufgezählt. Die von Bodenschatz in den früheren Phasen der Stadterneuerung betonte kulturelle Abwertung der bestehenden Bautypen und -formen jedoch lässt sich nicht mehr uneingeschränkt auf die substanzerhaltende Strategie der Behutsamen Stadterneuerung von Kreuzberg oder die Altbauerneuerung
zugung eingebunden war (Scheumann/Marcuse 1991; Hannemann 1996; Topfstedt 1999). Diese Situation führte allerdings auch dazu, dass Defizite wie vernachlässigte Wohngebiete oder unzumutbar empfundene Wohnbedingungen direkt als ein Versagen des Staates wahrgenommen wurden. Historiker sehen in der Unfähigkeit der DDR-Wohnungspolitik, die Altbausubstanz zu erhalten, sogar eine wesentliche Ursache für den politischen Aufbruch von 1989 (Ladd 1999).
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der 90er Jahre anwenden. Deren kultureller Konsens hatte in einer Wertschätzung der Gründerzeitstrukturen bestanden.
2.4.2 Ideologische Vermittlung der Stadterneuerung Mit den von Bodenschatz benannten Voraussetzungen von Stadterneuerungszyklen sind nicht nur die Rahmenbedingungen wie politische Interessen oder ökonomische Grundlagen einer Erneuerungsmaßnahme gemeint. Vielmehr geht es ihm um die innere Dynamik von solchen Maßnahmen und um deren kulturelle bzw. ideologische Vermittlungen. Diese weichen Faktoren der Stadterneuerung geben einen Einblick in die möglichen Akteurskonstellationen und verweisen auf die dominierenden Trends der gesellschaftlichen Entwicklung. Die jeweilige Form der ideologischen Vermittlung der Stadterneuerung ist nur in ihren historischkonkreten Kontexten erkennbar. Bei einer im Wesentlichen marktgesteuerten Sanierung wird auch die kulturelle Legitimation vor allem auf ökonomischem Terrain hergestellt. Insbesondere die innenstadtorientierten Lebensstile von zahlungskräftigen Menschen konstituieren einen Nachfragedruck nach sanierten Altbauwohnungen in zentraler Lage. Als Gründe für diesen Wechsel von Wohnstandortpräferenzen werden seit den 70er Jahren biografische, berufliche und kulturelle Veränderungen benannt. Verlängerte Adoleszenz, verstärkte Durchsetzung so genannter „Neuer Haushaltstypen“ und weitgehend flexibilisierte Arbeitzeiten und -tätigkeiten sind die Basis für die neuentdeckte Attraktivität der Innenstädte als Wohnstandorte (Häußermann/Siebel 1987; Häußermann 1990; Droth/Dangschat 1985). Die Entscheidung für eine innerstädtische Wohnung bringt faktisch viele Vorteile: Zentrumsnähe, Nähe zu Arbeitsplätzen, eine gute Verkehrsanbindung, eine überdurchschnittlichen Ausstattung mit Einzelhandels-, Freizeit- und Kultureinrichtungen im unmittelbaren Wohnbereich, flexibel gestaltbare Grundrisse in den Gründerzeithäusern oder Industriebauten und schließlich eine hohe kommunikative Dichte in städtischen Nachbarschaften. Für die Angehörigen der Mittelklasse(n), die mit kulturellem Kapital ausgestattet sind, spielen auch die Wertschätzung der baulichen Ästhetik, der Geschichtsträchtigkeit oder der Authentizität des Ortes eine entscheidende Rolle (Zukin 1982; Spiegel 1985; Häußermann 1988; Dangschat/Blasius 1994; Beauregard 1996). Barbara Lang hat am Beispiel von Berlin Kreuzberg gezeigt, dass eine Imageaufwertung und die diskursive Etablierung eines Stadtteils als „besonders“, „ungewöhnlich“ oder „einmalig“ einer tatsächlichen Aufwertung von Bausubstanz und Sozialstruktur vorausgehen und diese förmlich herbeischreiben (Lang 1998, 1994, 1995a, 1995b). Mit diesem 52
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Konzept, das sie als „symbolische Gentrifizierung“ bezeichnet, soll die bisherige Forschung, welche Gentrifizierungsprozesse vorwiegend im Kontext sozio-ökonomischer Veränderungen ins Visier nimmt, ergänzt und erweitert werden. Ihre Erklärung bezieht sich auf die „Dialektik zwischen Bilderwelt und Lebenswelt, die Wechselwirkung zwischen Darstellung und Gestaltwerdung“ (Lang 1998: 30). Für die Kreuzberger Erfahrung fasst sie zusammen: „Die Bilder (sind) mehr als schmückendes Beiwerk. Nicht nur für das Zustandekommen des ,Mythos Kreuzberg‘ waren sie bedeutsam, auch für die Gentrifizierung Kreuzbergs übernimmt die Darstellung des Stadtteils eine tragende Funktion, und sie werden deshalb [...] als wegbereitend für Gentrifizierungsprozesse konzeptionalisiert. Die Bilder und Diskurse bilden einen eigenen, ernst zu nehmenden Faktor, der auf die Konstruktion von Wirklichkeit erheblichen Einfluss nahm und nimmt. Die architektonische und soziale Umstrukturierung des Stadtteils Kreuzberg wurde und wird durch gefertigte Images, Bilder und Repräsentationen vorbereitet und begleitet. Sie wirken wie werbewirksame Images, die den Stadtteil als Lebensraum für die neue städtische Mittelschicht schmackhaft und goutierbar machen“ (Lang 1998: 30).
Im Gegensatz dazu beziehen sich die kulturellen Legitimationen bei staatlich getragenen Sanierungsarbeiten überwiegend auf politische und gesellschaftliche Diskurse. Stichworte hierbei sind in den meisten Fällen Verbesserung der Lebens- und Wohnbedingungen, Fortschritt und Modernität, Allgemeinwohlorientierung und Ausrichtung am Durchschnitt, Erhalt einer historisch wertvollen Bausubstanz und die Verschönerung der Stadt. Anders als das ökonomische Prinzip der Nachfrage muss eine politische Entscheidung für eine Sanierung immer auch außerökonomisch begründet werden. Stärker als bei den „ökonomischen Legitimationen“, die im Wesentlichen den Fakt der Sanierung selbst rechtfertigen, müssen die „politischen Legitimationen“ auch die Art und Weise der Durchführung vermitteln und absichern. In der Realität lassen sich diese beiden Legitimationsebenen nicht immer klar voneinander trennen, da sich Marktförmigkeit und staatliche Intervention oftmals ergänzen und überschneiden. Dennoch lassen sich in allen Stadterneuerungsfällen dominante Legitimationsstrategien ausmachen. Darin dann manifestiert sich das jeweils hegemoniale Projekt, nicht verstanden als Verschwörung unerkannter Mächte, sondern als Ausdruck der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen bzw. Veränderungstrends in denen sich eine Stadterneuerungsmaßnahme konstituiert.
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2.4.3 Stadterneuerung im Postfordismus Für das Verständnis eines hegemonialen Projektes sind einige Anleihen bei der Regulationstheorie hilfreich: Ein zentrales Thema der Regulationsschule sind die historischen Formationen des Kapitalismus und seiner räumlichen Ordnung. Grundgedanke dabei ist, dass staatliche Institutionen und administratives Handeln auf allen räumlichen Ebenen die Bedingungen für eine kapitalistische Verwertung sichern. Jede spezifische Form der Akkumulation – also des ökonomischen Verwertungsprozesses, der sich auf Grund der jeweiligen Basistechnologie herausbildet – bedarf einer spezifischen Form der Regulation – also entsprechende Gesetze, Institutionen und politische Praktiken –, die das kapitalistische System stabilisiert. In Abhängigkeit von den Formen der Akkumulation und Regulation entwickelt sich in jeder Phase auch eine korrespondierende Sozialstruktur. Staatlich initiierte Stadterneuerungsmaßnahmen sind Teil der jeweiligen Regulationweise und beeinflussen mit ihren räumlichen Resultaten sowohl Sozialstrukturen als auch Lebensformen. Am Beispiel der als Fordismus bezeichneten Nachkriegsentwicklung in den kapitalistischen Zentren zeigte sich dieser Zusammenhang besonders plastisch: Gesamtgesellschaftlich entwickelte sich auf der Grundlage von weitgehend maschinellen und automatisierten Technologien ein Akkumulationsmodus der Massenproduktion. Die Dynamik von steigender Produktivität und wachsenden Einkommen der Beschäftigten sicherte letztlich über eine steigende Nachfrage nach Massen- und Konsumgütern ein ungebrochenes Wachstum der Produktion. Eine Voraussetzung dafür waren sozialstaatlich orientierte Regulationsformen des keynsianischen Wohlfahrtsstaates, die dem überwiegenden Teil der Bevölkerung einen Massenkonsum ermöglichten. Vor allem über institutionalisierte Formen von kollektiven Aushandlungsprozessen (z.B. durch starke Gewerkschaften, Interessenverbände) wurden die Früchte des Wachstums mehr oder weniger an alle Schichten der Bevölkerung verteilt (Leborgné/Lipietz 1990). Diese Konstellation spiegelte sich auch in den Sozialstrukturen und Lebensweisen wider: Kernfamilien und weitgehend homogenisierte Lebensstile. Die Stadterneuerungs- und Erweiterungsmaßnahmen der 60er und 70er Jahre in der BRD lassen sich hinsichtlich der Planung, der Durchführung, der Ergebnisse bis hin zu den ästhetischen Formen in die Logik des Fordismus einordnen. Die übliche Sanierungspraxis in dieser Zeit bestand im Abriss ganzer Altbauquartiere. Auf den so entstandenen Freiflächen wurden neue Familienwohnungen in weitgehend homogenen 54
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Siedlungen errichtet. Dieser Massenwohnungsbau der Flächensanierung folgte den Paradigmen von Massenproduktion, Massenkonsumtion, Homogenität, Modernität und Wachstumsglauben (Prigge 1988; Hannemann 1999). Die großen gemeinnützigen Wohnungsunternehmen (GWU) als dominante Träger der Stadterneuerung und die umfangreiche öffentliche Förderung stehen für das keynsianische Steuerungsmodell des Wohlfahrtsstaates. Eine schematische Abbildung der prägenden gesellschaftlichen Muster auf die Stadterneuerung ist jedoch nicht möglich, denn die Beziehungen zwischen Akkumulationsregime, Regulationsform und Sozialstruktur sind nicht kausal oder zwangsläufig. Oft sind sie das Ergebnis zufälliger Entwicklungen, ideologischer Konflikte und von Machverhältnissen, die quer zur Regulationslogik liegen können. Eine Kernfrage regulationstheoretischen Analysen beschäftigen sich deshalb vor allem damit, wie sich Veränderungen im Akkumulationsregime auf die Formen der Regulation auswirken und dem sich beständig selbst veränderten kapitalistischen System zumindest über einige Zeit die notwendige Stabilität sichern (Harvey 1990). Als ein wesentlicher Austragungsort dieser Anpassungen wird die lokale Ebene der Gesellschaften angesehen (Krätke/Schmoll 1987; Mayer 1997), denn die jeweiligen Formen der Stadtpolitik und der Stadterneuerung sind immer ein Teil des beschriebenen Korrespondenzsystems. In der wohnungswirtschaftlichen Perspektive spiegeln sich die jeweiligen Akkumulationsformen in der Art und Weise wider, wie Stadterneuerung durchgeführt wird: Stadterneuerung ist eingebettet in das jeweilige Set der Regulationsmodi, und das bauliche Ergebnis richtet sich auf die Nachfragebedürfnisse einer bestimmten Sozialstruktur. Als Anbindung der Stadterneuerung an ein hegemoniales Projekt kann also die notwendige Funktionalität für und die Abhängigkeit von den jeweiligen Akkumulations- und Regulationszyklen beschrieben werden. Während sich insbesondere die ökonomischen Rahmenbedingungen und administrativen Strategien auf Akkumulationstypen und Regulationsweisen zurückführen lassen, folgen die sozialen Effekte der Stadterneuerung den Anforderungen der korrespondierenden Sozialstruktur. In den letzten Jahrzehnten, die von den meisten VertreterInnen der Regulationsschule als Übergang zum Postfordismus bezeichnet werden, kehrten sich viele der vorherigen Muster von Akkumulation und Regulation um. Der Fordismus als gesellschaftliches Entwicklungsmodell geriet spätestens in den 80er Jahren in die Krise: „It seems that Capitalism is at a crossroad in his historical development signalling the emergence of forces – technological, market, social and institutional – that will be different from those which dominated the economy after the 55
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Second World War“ (Amin 1994: 4). Nachdem Wachstum und homogene Massenproduktionen an ihre Grenzen gerieten, setzt die postfordistische Produktivität verstärkt auf die Rentabilität von Kleinserien und intensive Kapitalverwertung, die als flexible Akkumulation bezeichnet wird. Diese Flexibilisierung schlägt sich auch in der Organisation der Arbeitsmärkte nieder. Die Kooperationsbeziehungen zwischen verschiedenen Firmen vollziehen sich in neuen Formen der „vertikalen Desintegration“. Diese neuen Produktionsbedingungen haben auch räumliche Auswirkungen: Die versteinerten kristallinen Formen des Fordismus waren „eine von der unmittelbaren Nähe und der geometrischen Distanz gut geordnete Welt“ (Veltz 1996, zitiert nach Revelli 1999: 67). Der Postfordismus hingegen wird als veränderbarer, kaum greifbarer Rauch angesehen und mit der „Instabilität der eigenen Metaphysik“ und dem „Ende des Territoriums“ charakterisiert (Revelli 1999: 66ff.). Die Metaphern von gespaltenen und vielfach geteilten Städten (Marcuse 1989, 1995) sowie die Überlagerung verschiedener Kulturgruppen und Milieus in einzelnen Stadtteilen (Heitmeyer 2000) stehen für diese Entwicklung. Die Veränderungen im Modus der Regulation lassen sich nicht nur räumlich als eine Flexibilisierung beschreiben. Im Postfordismus wird der bisher bestehende „materielle Klassenkompromiss“ zwischen Kapital und Arbeit aufgelöst. Der „Keynesian Welfare State“ wandelt sich von einem auf der Nachfrageseite intervenierenden Staat zu einem „Schumpeterian Workfare State“ (Jessop 1994) oder „Wettbewerbsstaat“ (Hirsch 1995), der durch die Förderung von immer neuen Produkt- und Prozessinnovationen die nationale Wettbewerbsfähigkeit sichern soll. Die Umstellung der Produktion auf diversifizierte kleinere Produktionseinheiten, die Ausweitung des Dienstleistungssektors, die Flexibilität in der Berufswelt, aber auch die verstärkt geforderte Eigenverantwortlichkeit in Bezug auf die sozialen Absicherungen haben massive Auswirkungen auf Sozialstrukturen und individuelle Lebensplanungen. Im Vergleich zu den ersten Nachkriegsjahrzehnten hat sich durch längere und zum Teil mehrere Ausbildungszeiten, einen erweiterten Freizeitanteil sowie unstete Berufseinstiege die Phase der Adoleszenz verlängert. Die berufsbedingte Flexibilisierung bezogen auf Arbeitszeit und Arbeitsort wirken sich auf Partnerschaften aus und haben für viele die Familiengründungsphasen lebenszeitlich nach hinten verschoben. Singles, getrennt lebende Paare und Patchworkfamilien sind heute keine Ausnahmen mehr, sondern können als Entsprechung zu den wenig festgelegten und sich schnell verändernden Bedingungen im Arbeitsalltag angesehen werden. Eine höhere ökonomische Unabhängigkeit für Frauen der Mittelschichten und die gewachsene gesellschaftliche Akzeptanz von Trennungen haben die Scheidungsraten in die Höhe 56
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springen lassen. Auch Entscheidungen für Kinder werden immer öfter auf einen Zeitpunkt nach der beruflichen Stabilisierung gelegt. Die Rede ist von „späten Müttern“ und „neuen Vätern“. Sie gehören zu den lebensstilorientierten Nachfragegruppen für aufgewertete Altbaugebiete in den Innenstädten (zum Felde/Alisch 1992; Alisch 1993; Bondi 1991, 1999). Eine Stadterneuerung die den Bedingungen des Postfordismus unterworfen ist, konzentriert sich stärker auf die erhaltende Erneuerung der innerstädtischen Altbausubstanz, statt randstädtische Erweiterungssiedlungen zu errichten. Die Modernisierungsarbeiten erfolgen nicht mehr als Massenproduktion sondern orientieren sich am System der „kleinen Serien“. Statt umfassender Planungsvorgaben und staatlicher Förderung erfolgt der Übergang zu einer dezentral und flexiblen Planung sowie einer weitgehenden Privatisierung der Stadterneuerung. Zugleich steht nicht mehr die gleichwertige Versorgung der BewohnerInnen mit einem weitgehend homogenisierten Wohnungsangebot im Mittelpunkt, sondern es geht um die Bereitstellung einer differenzierten und flexibel gestaltbaren Angebotspalette für verschiedene Zielgruppen. Die Behutsame Stadterneuerung richtet sich in Form und Verfahren – anders als in den 60er und 70er Jahren – nicht mehr vorrangig an Haushalte mit geringen oder mittleren Einkommen, sondern zunehmend auch an Besserverdienende der „Neuen Mittelklassen“7.
7 Ulla Terlinden stellt in Kreuzberg einen deutlichen Unterschied zwischen den Blöcken fest, die durch Abriss und Neubau saniert wurden und denen, wo die Behutsame Stadterneuerung praktiziert wurde. „In diesen [...] behutsam erneuerten Blöcken hat sich ein sozialer Wandlungsprozeß vollzogen und keiner würde heute von ‚sozialer Rückständigkeit‘ in diesen Blöcken sprechen. Hohes Bildungsniveau, hoher Anteil der Altersgruppe zwischen 15 und 65 Jahren, fast keine Bewohner über 65 Jahren, hohe Erwerbsquoten zeugen von einer mittelständischen Bewohnerschaft“ (Terlinden 1992: 205). Diese Entwicklung steht im Gegensatz zu den sozialen Zielen der Behutsamen Erneuerung, die ja eine Verdrängung der bisherigen Bewohnerschaft explizit aufhalten wollte. Paradoxerweise sieht die Situation in den flächensanierten Blöcken umgekehrt aus: Hier wohnt auch weiterhin eine Arbeiterbevölkerung, die Quote der Wohngeldberechtigten ist höher und das Ausbildungsniveau niedriger als im Gesamtbezirk. Das ausdrückliche Ziel der Flächensanierung war die Auflösung dieses Milieus.
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2.4.4 Die postfordistische Stadterneuerung Nicht nur hinsichtlich der veränderten Arbeitsbedingungen und Sozialstrukturen unterliegt die Stadterneuerung einem Wandel, auch die Stadtpolitik selbst hat sich verändert. Das Ende des fordistischen Wachstums – so der Kern der Gedanken – wirkt sich auf die Städte der entwickelten kapitalistischen Länder aus: Arbeitslosigkeit und die Schließung bzw. Verlagerung von Industriebetrieben bedeuten eine wachsende Zahl von transferzahlungsabhängigen Haushalten und verringerte Steuereinnahmen. Auch die generelle Finanzkrise der öffentlichen Haushalte ist in den meisten Großstädten angekommen. Zugleich mit dieser Krise der Städte wächst die Bedeutung der städtischen Politik. Durch die Veränderungen der bisherigen Staatlichkeit vom Wohlfahrtsstaat zum Wettbewerbsstaat (Hirsch 1995) und dem relativen Bedeutungsverlust der nationalen gegenüber der supranationalen und lokalen Ebene erhalten die Städte und Regionen eine stärkere Verantwortung für die Organisation des ökonomischen, politischen und sozialen Lebens (Storper 1997). Aus der Perspektive der Stadtpolitik ist eine wachsende Schere zwischen dem Handlungsbedarf und den Handlungsmöglichkeiten der öffentlichen Hand zu konstatieren. Mit dieser finanziellen Disparität einher geht eine komplexe Krise der traditionellen sozialen, ökonomischen, gesellschaftlichen und auch politischen Grundlagen der Städte (Jessop 1998). In der Folge orientieren sich die kommunalen Verwaltungen immer stärker an Marktkräften. Die beiden britischen Autoren Michael Parkinson und Alan Harding gingen Mitte der 90er Jahre sogar davon aus, dass „the year to 2000 will be an age of entrepreneurial cities“ (Parkinson/Harding 1995: 66). Das Konzept einer solchen „unternehmerischen Stadt“ lässt sich auf drei Ebenen beschreiben: Konkurrenz, Effizienz und unternehmerischer Geist (Jessop 1997, 1998). Konkurrenz: Ein wesentliches Merkmal ist die aktive Förderung der jeweiligen ökonomischen Kapazitäten im Hinblick auf den globalen Wettbewerb. So tragen insbesondere die großen Städte einen Wettbewerb um die Ansiedlung von Unternehmenszentralen, Großereignissen, internationalen Institutionen und touristischen Attraktionen aus. In dieser interurbanen Raumkonkurrenz geht es letztlich um die Erhöhung der ökonomischen Kapazitäten der Region und um eine Steigerung der Kaufkraft. Entsprechend ihren jeweiligen Stellungen im nationalen oder auch internationalen Städtesystem konkurrieren die einzelnen Städte um regionale, nationale oder internationale Bedeutung (Cerny 1998). Die Berliner Eliten beispielsweise orientierten sich vor allem in den 90er Jahren am Leitbild einer „Europäischen Dienstleistungsmetropole“ und
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wähnten sich in Konkurrenz zu den europäischen Metropolen London und Paris (Senatsverwaltung für Wirtschaft und Technik 1992). Effizienz: Das Handeln der Verwaltungen wird zunehmend durch ökonomische Effizienz diktiert. Vormals politische Entscheidungen stehen immer öfter unter dem Zwang einer unternehmerischen Logik. Öffentliche Träger und Einrichtungen werden abgestoßen, wenn sie nicht rentabel sind, gewinnträchtige Abteilungen werden behalten, um die erwarteten Einnahmen in die städtischen Kassen fließen zu lassen. Eine häufige Strategie ist der Übergang zu Projektplanungen, bei denen die Steuerkapazitäten der lokalen Administrationen jenseits der traditionellen Planungsstrukturen konzentriert werden und einzelne Verwaltungsaufgaben oft auch an privatwirtschaftliche Akteure abgegeben werden (Andersch/Belzer 1998). Unternehmerischer Geist: Eine dritte Ebene schließlich betrifft die Formen des administrativen Handelns selbst. Angelehnt an den „Unternehmer“ im Schumpeterschen Sinn sind die Verwaltungen angehalten, sich als Träger von Innovation zu verstehen. Sie sollen durch neue Wege und neue Kombinationen statt mit Routine und Regulation den Aufbruch ins Unbekannte meistern und so einen höheren Mehrwert erschaffen (Schumpeter 1934). Diese Strategien einer neuen Stadtpolitik wirken auf die Träger der politischen Steuerung zurück. Traditionell administrative Zugänge weichen auf und Netzwerke und Partnerschaften werden immer öfter zu den zentralen Orten des städtischen Regierens (Kühne 1997). Eine wesentliche Folge des Wandels städtischer Politik ist also die Veränderung des administrativen Handelns selbst. In der internationalen Debatte wird dies als Transformation von „Government“ zu „Governance“ beschreiben. Als städtisches Government wird ein Politikmodus bezeichnet, der sich an klassischen Formen des „Regierens“, „Abwickelns“ und „Verwaltens“ orientiert. Ausgangspunkt dabei ist eine hierarchische Steuerung, bei der städtische Politik durch bürokratische Entscheidungen von oben nach unten durchgestellt wird. Interessen der Bewohnerschaft an der Stadtpolitik werden über das Prinzip der demokratischen Kontrolle und über formale Möglichkeiten der Bürgerbeteiligung berücksichtigt. Die Hauptakteure in solchen Governmentpolitiken sind im politischadministrativen System zu finden, es sind meist lokale Politiker oder lokale Verwaltungsbeamte. Direkt gewählte und demokratisch legitimierte Vertreter sind ein Kennzeichen städtischen Governments (Painter 1997). Inhaltlich lässt sich Governmentpolitik als Regulation durch Redistribution auf der Basis einer administrativen Souveränität beschreiben. Die wichtigsten Instrumente sind Ver- und Gebote sowie weitreichende Finanzierungsmaßnahmen. Eine städtische Politik der Redistribution setzt 59
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vor allem auf den Ausbau der sozialen Infrastruktur, auf Investitionen und die Modernisierung ganzer Stadtviertel. Die Durchsetzung einmal gesetzter Ziele wird in der Regel auch gegen gesellschaftlichen Widerspruch durchgesetzt, denn die lokalstaatliche Politik agiert mit dem Selbstverständnis eines umfassenden Geltungsanspruchs gegenüber den städtischer Verhältnissen. Als städtische Governance wird ein Politikmodus bezeichnet, der sich an konsensualen, projekthaften Zielen orientiert. Staatlichen Akteure nehmen darin weniger eine bestimmende und durchführende, denn eine begleitende, initiierende oder moderierende Rolle ein. Der Politiktyp der städtischen „Governance“ setzt vor allem auf Anreize und Angebote für nichtstaatliche Akteure und erfolgt eher konsensual (Jewson/MacGregor 1997). Zum Teil überwiegt in Governancestrukturen eine politische Mentalität, die sich weniger an klar definierten Zielen, sondern am Handeln selbst orientiert. Politische EntscheidungsträgerInnen und die städtischen Verwaltungen agieren dabei immer seltener allein. Stattdessen wurde das Anwachsen von demokratisch nicht legitimierten Akteuren in der Stadtpolitik festgestellt (Strom 1993). Damit erweitert sich nicht nur der Kreis der am Entscheidungsprozess Beteiligten um zahlreiche private und intermediäre Organisationen, sondern auch die Summe der zu formulierenden Probleme und Lösungen. Logiken und Entscheidungsstrukturen jenseits der Politik bestimmen zunehmend das vormals politische Feld. Damit wird auch die Einbindung öffentlicher Interessen weniger durch formale Kriterien bestimmt, sondern orientiert sich an den Prinzipien der Kooperation oder des „Tausches“ unterschiedlicher Ressourcen. Städtische Politik zielt weniger auf gesellschaftlich wünschenswerte Änderungen, sondern beschränkt sich oftmals auf die Durchsetzung machbarer Projekte. Handelnde Akteure und Strukturen mit ihren Interessen und Strategien gewinnen dabei an Bedeutung, während politische Prinzipien für die stadtpolitischen Entscheidungen im historischen Vergleich einen immer geringeren Orientierungswert haben. Der beschriebene Wandel der städtischen Politik wirkt sich auch auf die Organisation und Durchführung der Stadterneuerung aus. Typisch für eine postfordistische Stadterneuerung sind eine verstärkte Hinwendung zu privaten Investitionen, eine stärker moderierende Rolle der Administration und undemokratisch-konsensuale Entscheidungsstrukturen. Für die Berliner Stadterneuerung hat Walther Jahn bereits Mitte der 90er Jahre solche Trends sowohl in den konzeptionellen Grundlagen als auch hinsichtlich der Finanzierung ausgemacht. Er sieht in diesen Veränderungen die neu entdeckte Orientierung an „Kleinteiligkeit“, an „erhaltender Erneuerung“ und „gewachsenen Strukturen“ und vor allem einen räumlichen und planerischen Ausdruck der Bedürfnisse neuer Ak60
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teure: „[...] während auf der einen Seite die sozialen Kosten der Stadterneuerung thematisiert wurden und ein dichtes Netz aus neuen, der Verwaltung vor geschalteten Institutionen entstand, waren es die gleichen Akteure, die durch ihre neuen Lebensstile und -,entwürfe‘ für eine Aufwertung und Differenzierung der Innenstadtquartiere sorgten“ (Jahn 1994: 91).
2.5 Stadterneuerung als Forschungfeld 2.5.1 Untersuchungsdimensionen Ausgangspunkt der Überlegungen war die abstrakte Definition der Stadterneuerung. Wir wollen darunter das Regime verstehen, das geknüpft an spezifische gesellschaftliche Bedingungen mit verschiedenen Strategien und Techniken im städtischen Raum agiert und Veränderungen durchsetzt. Dabei kommt es über eine Verbesserung bestehender Nutzungen oder durch den weitgehenden bis vollständigen Umbau von Stadtteilen zur direkten oder indirekten Modernisierung der Lebensverhältnisse. Dem Anspruch der Untersuchung folgend wurden verschiedene Aspekte von Stadterneuerung in ihren gesellschaftlichen Bedingungen verortet. Im Mittelpunkt standen dabei die machtpolitischen Interessen und Effekte bei staatlich initiierten Sanierungsmaßnahmen, die ökonomischen Rahmenbedingungen sowie die notwendigen kulturellen Legitimationen und administrativen Voraussetzungen zur Durchführung. Der gesellschaftliche Charakter der Stadterneuerung wurde in einem Dreieck von Ordnungspolitik/Disziplinierung, Ökonomie und aministrativer Organisation/ideologischer Legitimation beschrieben. Jede Stadterneuerungspraxis lässt sich entlang dieser drei Linien auf ihren gesellschaftlichen Charakter zurückführen: Alle Stadterneuerungsmaßnahmen lassen sich auf ihre ordnungspolitischen Effekte hin untersuchen. Die Eingriffe in die baulichen Strukturen und die Zusammensetzung der Sozialstruktur sind verbunden mit sozialpädagogischen Verfahren gegenüber der Bewohnerschaft. Ordnungspolitik kann direkt als polizeilich-repressive Gestaltung städtischer Räume, indirekt als Auflösung bestehender und Neuformierung von Nachbarschaftszusammensetzungen sowie versteckt als Befriedungs- oder Integrationsstrategie erfolgen. In fast allen Stadterneuerungsverfahren liegt eine Tendenz der Disziplinierung zu gesellschaftlichen Normen oder der Verinnerlichung gewünschter Verhaltens- und Wahrnehmungsmuster. Die Unausweichlichkeit für die Bewohnerschaft und die notwendige Anbindung der Sanierungsmaßnahmen an politisch und ökonomisch 61
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durchsetzungsfähige Strukturen machen jede Stadterneuerung zur durchgreifenden Disziplinierungsinstanz. Das Wohnungswesen und die Stadterneuerung sind unter den gegenwärtigen gesellschaftlichen Bedingungen immer auch als ökonomische Prozesse zu betrachten. Besonders die unternehmerische Organisation der Bauwirtschaft und die Struktur des Boden- und Immobilienmarktes bestimmen Notwendigkeit, Verlauf und Ergebnis von Sanierungsmaßnahmen. Auch die sozialen Folgen von Stadterneuerung, wie die Lebensqualität der Bewohnerschaft oder die Zusammensetzung der Nachbarschaft, vermitteln sich im Wesentlichen über ökonomische Faktoren. Sowohl die Entstehung von Sanierungsgebieten durch lang anhaltende Desinvestition als auch die Konzentration von Investitionsmitteln in Erneuerungsmaßnahmen und die sozialen Folgen von Stadterneuerungen sind abhängig von makroökonomischen Kapitalbewegungen und individual rationalen Entscheidungen der EigentümerInnen und InvestorInnen. Stadterneuerung ist zugleich abhängig von begünstigenden politischen Konstellationen, die das gemeinsame Agieren der beteiligten Akteure erst ermöglichen und die oftmals notwendigen öffentlichen Gelder nicht nur organisieren, sondern auch gesellschaftlich legtimieren. Die administrative Organisation und öffentliche Legitimation der Stadterneuerung sind eng mit der jeweiligen Regulationsweise verbunden. Insbesondere der allgemeine Modus des staatlichen Handelns – wie etwa direkte Steuerungszugänge des Sozialstaates oder indirekte im Zuge einer fortschreitenden Privatisierung öffentlicher Aufgaben – spiegelt sich in der Stadterneuerung wider. Der Umfang der benötigten Investitionskosten und die sozialpolitische Bedeutung der Wohnungspolitik haben die Stadterneuerung in Deutschland lange Zeit zu einem zentralen Politikfeld gemacht. Das jeweilige Regime der Stadterneuerung und die Formen der ideologisch-kulturellen Vermittlung waren dabei Ausdruck und Bestandteil der gesellschaftlich dominierenden Trends und somit Teil der gesellschaftlichen Macht.
2.5.2 Makro- und Mikroperspektiven auf die Stadterneuerung In den vergangenen Abschnitten wurden die gesellschaftlichen Bedingungen dargestellt sowie die wesentlichen Interessen, Zwänge und Motive von einzelnen Akteuren der jeweiligen Erneuerungsphasen beschrieben. Hauptaugenmerk lag dabei auf dem politisch-administrativen System und auf den ökonomischen Voraussetzungen. Dass sich in jeder Stadterneuerungsmaßnahme letztlich ein lokalpolitischer Apparat und konkrete EigentümerInnen in diesen strukturellen Zwängen bewegen, 62
THEORIEN ZUR STADTERNEUERUNG
verweist auf die schwer zu beschreibenden Wechselverhältnisse von Struktur und Handeln. Insbesondere die Frage, ob bestimmte Strukturen den Rahmen für das Handeln der Einzelnen setzen oder ob vielmehr das Handeln der einzelnen in der Summe eine bestimmte Struktur erschafft, beschäftigt die Sozialwissenschaften schon seit Generationen. Auch auf das Untersuchungsfeld der Stadterneuerung bezogen, wird sich diese Frage nicht abstrakt beantworten lassen. Für einzelne Untersuchungsdimensionen jedoch lassen sich die Verhältnisse in ihrer Komplexität beschreiben. Insbesondere beim Verhältnis einzelner Modernisierungsprozesse zu den sozialräumlichen Veränderungen auf der Gebietsebene, der Rolle einzelner EigentümerInnen und allgemeinen ökonomischen Bedingungen sowie der Wechselwirkung zwischen individualisierten Durchsetzungsstrategien und kollektiv formulierten Interessen der Bewohnerschaft können Struktur und Handeln in ihrer gegenseitigen Bedingtheit beschrieben werden.
2.6. Stadterneuerung und Gentrification 2.6.1 Begriffliche Annäherung – die internationale Gentrificationdiskussion Stadterneuerung und Gentrification sind in der Stadtforschung eigentlich zwei von einander getrennte Untersuchungsgegenstände. Doch seit der Hinwendung zu einer erhaltenden Erneuerung der innerstädtischen Altbausubstanz kann vielfach eine Gleichzeitigkeit und räumliche Überlagerung beider Prozesse festgestellt werden. Für unsere Untersuchungsfragen nach der gesellschaftlichen Macht ist dies von Belang, weil im Zuge der Gentrificationforschung Forschungsansätze entwickelt wurden, die insbesondere die Dynamiken und den Zusammenhang von ökonomischen und sozialräumlichen Aufwertungen miteinander verschränken. Der im Vergleich zu einer nur rudimentären Soziologie der Stadterneuerung vorhandene Begriffs- und Analyseapperat der Gentrificationforschung erscheint mir geeignet, um wesentliche soziale und ökonomische Phänomene der Stadterneuerung auf ihren gesellschaftlichen Charakter hin zu untersuchen. Während die Forschung zur Stadterneuerung bisher nur vage Begriffsdefinitionen hervorgebracht hat, findet um den Untersuchungsgegenstand Gentrification seit den 80er Jahren eine internationale Debatte statt, bei der sich verschiedene Beschreibungs- und Erklärungsversuche entwickelt haben. • Phänomelogisch wurde Gentrification als baulicher, sozialer und infrastruktureller Wandel von Stadtteilen beschrieben (Berry 1985). 63
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• Ökonomischen Analysen folgend ist Gentrification vor allem ein Zyklenwechsel der Kapitalströme und die Konzentration von Investitionen in bisherigen Desinvestitionsgebieten (Smith 1979, 1986; Clark 1987, 1991). • Soziologisch steht Gentrification für Lebensstilwandel, den Anstieg so genannter „neuer Haushaltstypen“ und die Kulturalisierung des Wohnstandortverhaltens (Butler 1997; Ley 1996; Zukin 1982,1987; Blasius 1993; Helbrecht 1996; Dangschat 1990). • einer regulationstheoretischen Perspektive folgend, lässt sich Gentrification als die Kreation von neuen Räumen für die spezifischen Produktionsbedürfnisse und fragmentierten Klassenstrukturen des Postfordismus auffassen (Harvey 1990; Swyngedouw 1997; Sassen 1991, 1993). Bisher gibt es keine allgemeingültige Definition im Sinne präziser Modelle und Hypothesen und auch keine allgemein geteilten Erklärungsmuster. Dennoch hat sich ein gemeinsames Verständnis darüber herausgebildet, was Gentrification ist. Dieser kleinste gemeinsame Nenner lässt sich etwa so formulieren: Als Gentrification wird ein Prozess beschrieben, durch den Haushalte mit höheren Einkommen BewohnerInnen mit geringen Einkommen aus der Nachbarschaft verdrängen und die wesentlichen Merkmale und Stimmungen der Nachbarschaft verändern. Bei den Modellversuchen, die den Ablauf von Gentrificationprozessen in Phasen erklären, werden sowohl die ökonomischen, sozialen und kulturellen Makrobedingungen als auch die Mikroebene der handelnden Akteure berücksichtigt (Berry 1995; Dangschat 1988, 1991). Hinsichtlich der analytischen Erklärungen für Gentrificationprozesse stehen sich in der internationalen Debatte im Wesentlichen zwei Linien gegenüber, die sich als angebots- und nachfrageseitige Argumentationen beschreiben lassen. Ein Teil der Forschungsarbeiten führt Gentrification vor allem auf veränderte demografische, kulturelle und soziale Grundlagen der Gesellschaften und gewandelte Lebensstile zurück, die sich als verstärkte Nachfrage nach aufgewerteten Innenstadtviertel konstituieren. Ein anderer Teil der Erklärungen stellt die ökonomischen Bedingungen des Wohnungsmarktes selbst in das Zentrum und leitet Gentrificationprozesse aus der Überwindung zyklischer Krisen des Immobilienkapitals ab. Erst durch die Konzentration von Investitionen in ehemaligen Desinvestitionsgebieten entstehe das Angebot von aufgewerteten Wohngebieten, so der Kern dieser Überlegungen. Es mag merkwürdig anmuten, dass auch nach über 20 Jahren Debatte noch immer keine Synthese dieser Erklärungsansätze erfolgte und 64
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dass es trotz einer Fülle an empirischen Studien immer noch kein übergreifendes theoretisches Gerüst der Gentrificationforschung gibt. Die einzelnen Untersuchungen folgen in der Regel mehr spezifischen Fragestellungen und einzelnen Aspekten der beobachteten Veränderungsprozesse und weniger einem tragfähigen und allgemeingültigen Erklärungsansatz. Der so entstandene additive Forschungsstand zu Gentrification benennt an zahlreichen Beispielen verschiedene Facetten von Gentrificationprozessen – eine theoretische Weiterentwicklung im Sinne überprüfbarer Hypothesen jedoch hat kaum stattgefunden. Vor allem im internationalen Vergleich erscheinen angenommene Regel- oder Gesetzmäßigkeiten oft als nicht übertragbar. So ließen sich bisher weder die ökonomischen Modelle (rent gap vs. value gap) noch die Typologien der entscheidenden Akteure der Nachfrageseite verallgemeinern. So ist es bisher kaum gelungen, das relativ weit entwickelte Wissen über wohnungswirtschaftliche Zusammenhänge von Gentrificationprozessen in USamerikanischen Großstädten auf europäische Bedingungen anzuwenden. Unterschiede in der Struktur des Wohnungsmarktes sowie den Formen der staatlichen und kommunalen Regulation des Wohnungswesens stehen einer einfachen Übertragung von Theoremen und somit der empirischen Vergleichbarkeit im Wege. Auch die Versuche, spezifische ökonomische und soziale Kriterien für die Gruppe der „Pioniere“ und „Gentrifier“ zu finden, führte bei der Übertragung des Modells z.B. dazu, dass in einer japanischen Studie die als Pioniere ausgemachte Gruppe über wesentlich höhere Einkommen verfügt als die so genannten Gentrifier als letztliche NutzerInnen eines gentrifizierten Gebietes (Namba 2000: 8). Und auch die versuchte Anpassung der Kriterien westdeutscher Gentrificationakteure auf die Situation in ostdeutschen Städten nach 1990 gelang nur zu Lasten der soziologischen Trennschärfe, da die qualitative Unterscheidbarkeit der einzelnen Gruppen weitgehend negiert wurden (Harth/Herlyn/ Scheller 1996). Diese Schwierigkeiten der Übertragbarkeit waren in der Vergangenheit ein Grund für immer wieder auftauchende Diskussionen, ob diese oder jene beobachtete Entwicklung überhaupt als Gentrification einzuschätzen sei. Vor dem Hintergrund verschiedener theoretischer Überzeugungen, der eigenen Klassenlage, der Abhängigkeit von administrativen Strukturen und politischen Positionen wurde z.B. jahrelang darüber gestritten, ob die Veränderungen in Berliner Bezirk Prenzlauer Berg als Gentrification bezeichnet werden können oder ob eine solche Einschätzung lediglich eine politische (und akademische) Provokation oder Wahrnehmungsstörung von einigen MieteraktivistInnen ist (Kalkbrenner/Winters 1997; Häußermann 2000).
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Während eine allgemein akzeptierte Definition für das Phänomen noch nicht gefunden ist, findet jedoch eine Eingrenzung des Gegenstandbereiches durch Abgrenzungen von anderen, aber ähnlichen Prozessen statt. Maureen Kennedy und Paul Leonard sahen sich nach einer Vergleichsstudie in drei sehr unterschiedlichen Städten und einer Stadtregion (Atlanta, Cleveland, Washington, DC und der San-FranciscoBay-Area) mit einer sehr weiten Variationsbreite von Gentrificationprozessen konfrontiert. Auf dieser Basis formulierten sie drei spezifische Bedingungen, die alle zusammentreffen müssen, wenn von Gentrification die Rede ist: Verdrängung der ursprünglichen Bewohner, bauliche Aufwertung der Nachbarschaft, insbesondere des Wohnungsbestandes, und die Änderung des Nachbarschaftscharakters. Abgegrenzt wird Gentrification mit dieser Definition von Revitalisiserungsprozessen und Reinvestitionen: Revitalisierung beschreibt den Prozess der Verbesserung der baulichen, kommerziellen und sozialen Komponenten der Nachbarschaft und der Zukunftsaussichten seiner Bewohner durch Bemühungen des privaten und/oder des öffentlichen Sektors. Baulich bedeutet dies die Aufwertung der Wohnungsbestände und der Straßenräume. Kommerziell umfasst sie die Ansiedlung von entwicklungsfähigen Geschäften und Dienstleistungen in der Nachbarschaft. Sozial bedeutet sie steigende Beschäftigung und Verringerung von Kriminalität. Reinvestment ist die Bewegung von Kapital in ein Wohnquartier, hauptsächlich zur Aufwertung der baulichen Struktur der Nachbarschaft, obgleich Reinvestment auch aus dem Gebiet heraus erfolgen kann. Beide Formen weisen Überschneidungen mit der Gentrificationdefinition auf. Doch zugleich verdeutlicht die Unterscheidung, dass nicht alle baulichen Aufwertungsprozesse und Investitionen in ein Gebiet zugleich Gentrification sind. Auch wenn diese gemeinhin als Voraussetzungen für jede Gentrification gelten: Das Spezifische eines Gentrificationsprozesses sind erstens die Verdrängung von BewohnerInnen mit geringen Einkommen bzw. niedrigem sozialen Status durch Haushalte mit höheren Einkommen bzw. höherem sozialen Status aus der Nachbarschaft und zweitens die Veränderung von wesentlichen Merkmalen und Stimmungen der Nachbarschaft (Kennedy/Leonard 2001). Für unsere zentrale Frage nach dem gesellschaftlichen Charakter der Stadterneuerung sind von der Gentrificationforschung in folgenden Bereichen Erträge zu erwarten: • Die ökonomischen Voraussetzungen und Effekte von Investitionen in die Erneuerung der Bausubstanz lassen sich insbesondere mit den rent- bzw. value-gap-Modellen erklären. 66
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• Mit den Phasen- und Zyklenmodellen der sozialen Verdrängungsund Austauschprozesse bietet die Gentrificationforschung ein operationalisierbares Instrumentarium für die Analyse der sozialen Effekte Stadterneuerung auf die Nachbarschaft in den Sanierungsgebieten. In vielen Gentrificationuntersuchungen wurde auf die symbolischen Aspekte von Aufwertungsprozessen verwiesen. Diese Ansätze lassen sich teilweise auf die Tendenzen der Disziplinierung im Zuge der Stadterneuerung anwenden, da auch hier kulturell vermittelte Modernisierungslegitimationen eine zentrale Rolle spielen.
2.6.2 Forschungsstand zum Verhältnis Gentrification und Stadterneuerung Die Definitionen zu Revitalisierung und Reinvestition weisen phänomenologisch wesentliche Merkmale von Stadterneuerungsmaßnahmen auf und werden sowohl in der Alltagssprache als auch in Teilen der Administration und der akademischen Diskussionen synonym verwendet. Bauliche Aufwertung, Kapitalkonzentration für Investitionen in einem Gebiet, Strukturverbesserung der Nachbarschaft – all das sind nicht nur die wesentlichen Elemente von Stadterneuerungsmaßnahmen, sondern auch elementare Voraussetzungen für Gentrificationprozesse. Nicht jede Stadterneuerungsmaßnahme ist zugleich eine Gentrification, doch können beide Phänomene gemeinsame Schnittmengen aufweisen. Unter welchen Umständen eine i.d.R. öffentlich geförderte Stadterneuerung zu Verdrängungsprozessen führt, die als Gentrification bezeichnet werden können, ist bisher nur selten explizit untersucht worden. Einzelne Studien streifen jedoch das spezifische Verhältnis von Stadterneuerung und Gentrification in ihren Fallbeispielen: Köln: Warmelink und Zehner teilen bei einer komplexen Faktorenanalyse einzelner Stadträume der Kölner Innenstadt nebenbei mit, dass für ein untersuchtes Wohngebiet 1981 vom Rat der Stadt Köln die „Rahmenplanung Agnesviertel“ beschlossen wurde. „Damit es in diesem Viertel nicht zu Gentrificationprozessen kommen sollte, bestand ein wichtiges Ziel der Rahmenplanung in der Erhaltung der Sozialstruktur“ (Warmelink/Zehner 1996: 50). Ob und wie dieses Ziel umgesetzt werden konnte, ist nicht der Gegenstand der Untersuchung (ebenda: 49f.). Magdeburg: Harth, Herlyn und Scheller stellten für die ostdeutsche Landeshauptstadt in Abgrenzung zu den amerikanischen Modellen einen „gespaltenen Gentrificationprozess“ (Harth/Herlyn/Scheller 1996: 170) fest. Die bauliche Aufwertung in den potentiellen Gentrificationgebieten von Magdeburg wird nicht von den in die Gründerzeitgebiete Zugezo67
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genen vorangetrieben. Stattdessen handelt es sich um einen durch private Investoren und kommunale Planungsbehörden von außen initiierten Aufwertungs- und Umwandlungsprozess (ebenda: 190). Abgesehen von dem verkürzten Verständnis der amerikanischen Gentrificationforschung, die durchaus auch von Immobilenakteuren gelenkte Aufwertungsprozesse kennt, wird auch hier die sogar schon als aktiv erkannte Seite nicht weiter untersucht. Stattdessen begeben sich die ForscherInnen auf die in Magdeburg vergebliche Suche nach den potentiellen Gentrifiern. Erfurt: Christine Weiske untersuchte dort zwei unterschiedliche Gebiete, in denen zu Beginn der 90er Jahre Aufwertungen beobachtet werden konnten. Ein gründerzeitliches Innenstadtgebiet – ohne eine städtebauliche Sondersatzung – weist deutliche Gentrificationtendenzen auf: In den modernisierten Häusern können die EigentümerInnen enorme Mietsteigerungen realisieren, und eine sanierungsbedingte Mobilität ermöglicht einen Austausch der Bewohnerschaft. „Die neuen Bewohner des Stadtteils kommen mit Geld und durch das Geld“ (Weiske 1996: 211). Als „neue Bewohner“ benennt die Untersuchung vor allem zuziehende Altbundesbürger, die ihre Familien nachholen, und zurückkehrende Neubundesbürger, die mit einem Aufenthalt in den alten Ländern ihre beruflichen Karrieren sichern oder festigen konnten. Insgesamt eine klassische Form der Gentrification, bei der sowohl die neuen HausbesitzerInnen als auch die InvestorInnen und die neuen BewohnerInnen von außen kommen. Anders hingegen die Entwicklungen in der denkmalsgeschützten historischen Altstadt Erfurts: Hier wurden bereits in den 80er Jahren viele der zum Teil baufälligen Häuser von Familien erworben, die sich mit intensiver Eigenarbeit den Traum vom eigenen Dach über dem Kopf erfüllen wollten. Die Kleinteiligkeit der Baustrukturen schließt bei Selbstnutzung eine Vermietung von Wohnraum weitgehend aus. Der gesellschaftliche Umbruch mit der Etablierung von Marktstrukturen im Wohnungswesen wirkte sich, anders als in den meisten anderen ostdeutschen Stadtvierteln, in diesem Falle gewinnbringend für große Teile der Bewohnerschaft aus. Die Aufwertung des Eigentumsprinzips bedeutete eine deutliche Wertsteigerung ihres Besitzes. Da zugleich eine Sanierungssatzung förmlich erlassen wurde, kamen den BewohnerInnen auch Sozialplanverfahren und öffentliche Fördermittel zugute. Die Verbesserung der Bausubstanz verlief – klassisch für ein incumbent upgrading – weitgehend ohne eine Verdrängung der BewohnerInnen, da diese als EigentümerInnen selbst aktiver Teil des Erneuerungsprozesses waren. „Der Status des förmlich festgesetzten Sanierungsgebietes einerseits und der Eigentumstitel andererseits wirken als Sicherungen für viele Bewohner“ (Weiske 1996: 217). Dieses ungewöhnliche Beispiel zeigt, welche bremsende Wirkungen Sanierungssatzungen auf Gentrificationprozesse 68
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auch haben können, wenn die Verfügungsgewalt des Bodens und der Gebäude weitgehend in den Händen der BewohnerInnen liegt. Eine tiefere Analyse des städtischen Eingriffs in den Erneuerungsprozess steht in dieser Studie nicht im Mittelpunkt. Andere Untersuchungen und Aufsätze stellen Einzelaspekte des administrativen Handelns in Aufwertungsgebieten in den Mittelpunkt. Die AutorInnen sind oftmals durch ihre Arbeit in Planungsbüros, Sanierungsträgern oder kommunalen Ämtern beruflich mit ihrem Untersuchungsfeld verbunden. So trägt Ursula Stein, Soziologin und Mitarbeiterin an einem Planungsbüro, ihre Erfahrungen mit Erhaltungssatzungen nach § 172 BauGB zusammen und verweist auf die Grenzen dieses Instruments, wenn eine sozialschwache Bevölkerung tatsächlich vor Verdrängungsprozessen geschützt werden soll (Stein 1990). Rainer Tietzsch, Rechtsanwalt in Berlin, erörtert die rechtlichen Möglichkeiten von Genehmigungsvorbehalten im Rahmen von Sanierungs- und Milieuschutzsatzung für einen Schutz der Gebietsbewohner (Tietzsch 1996). Ein Grund für das nur wenig ausgearbeitete Verhältnis von Stadterneuerung und Gentrification ist das auf Nachfrage reduzierte Verständnis von Aufwertungsprozessen in der bundesdeutschen Wissenschaftslandschaft. In der Mehrzahl der Studien werden die Erneuerung der Bausubstanz und die Veränderung des Wohnungsmarktes in den Untersuchungsgebieten als Rahmenbedingungen beschrieben, jedoch selten zu den Gründen der sozialen Veränderungen gezählt. Wenn sie nach Akteuren der Gentrification fragen, nennen die meisten Studien die beteiligten Bewohnergruppen und versuchen, „Pionieren“ und „Gentrifier“ empirisch zu beschreiben (Küppers 1996; Blasius 1993; Alisch 1993) oder ins Endlose zu differenzieren (Dangschat/Alisch 1996). Die Strategien von EigentümerInnen und Stadtverwaltungen und ihre jeweilige Rolle im Gentrificationprozess blieben in den bisherigen Analysen der bundesdeutschen Stadtforschung weitgehend ausgeblendet und wurden eher wohnungswirtschaftlichen Untersuchungen überlassen (Ipsen 1980; Ipsen u.a. 1981; Hirsch-Borst/Krätke 1981; Haasis 1987; Gude 1988; Reimann 1999). Diese wiederum stellen nur selten einen Bezug zu den räumlichen und sozialen Effekten verschiedener Verwertungsstrategien her. Die wenigen mir bekannten Untersuchungenen, die sich ausdrücklich dem Verhältnis von Stadterneuerung und Gentrification widmen, sind die von Werner Wingenfeld für Frankfurt-Bockenheim (Wingenfeld 1990) und die Debatten zu den Entwicklungen in Berlin Prenzlauer Berg in den 90er Jahren (Hannemann 1993; Deutz u.a. 1995; Bernt 1998; Glock/Keller 2002; Häußermann/Holm/Zunzer 2002).
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2.6.3 Stadterneuerung als öffentliche Anschubfinanzierung für Gentrification Wingenfeld beschreibt am Beispiel Frankfurt a.M. schon für die 80er Jahre einen Zusammenhang von Stadterneuerung und Gentrification. Die Gefahren der Verdrängung durch die Stadterneuerung seien zwar früh erkannt, aber nicht ernst genommen worden. Das Problem der Gentrification verstärkte sich durch folgende Faktoren: • die gewachsene Nachfrage nach aufgewerteten Altbauwohnungen bis hin zu einer „Massenbewegung“, • die steigende Wirtschaftskraft dieser neuen NachfragerInnen, • die Ausweitung der Nachfrage auf fast alle Innenstadtquartiere und • die damit verbundene Verringerung möglicher Ausweichviertel (Wingenfeld 1990). Erst diese neuen Rahmenbedingungen auf der Nachfrageseite verwandeln ein Stadterneuerungsgebiet in den Schauplatz von Gentrification. Die angebotsseitigen Gentrificationvoraussetzungen werden von der Stadterneuerung selbst geschaffen. Sie steht für die Konzentration von Investitionen, die bauliche Aufwertung und die umfassende Veränderung eines Stadtteils. Der von Wingenfeld in Frankfurt Bockenheim beschriebene Sanierungsverlauf war in mehrfacher Hinsicht gentrificationfördernd. So wurden gebrauchswertbezogene Projekte (Altenheim, Spielplatz etc), die die Wohnqualität der bestehenden Bewohnerschaft verbessert hätten, durch längeren Abstimmungsbedarf erst am Ende der Maßnahmen umgesetzt. Die Wohnungen hingegen wurden von Beginn der Sanierung an durch aufwändige Modernisierungen aufgewertet und waren auch für neue, besser verdienende Haushalte attraktiv. Damit löste der begonnene und sichtbare Erneuerungsprozess eine allgemeine Attraktivitätssteigerung des Viertels aus, ohne jedoch die Lebensbedingungen der ansässigen Bevölkerung zu verbessern. Auch die Tatsache, dass zu Beginn der Maßnahmen die „leicht lösbaren Fälle“ angegangen wurden, förderte die Aufwertung. Statt aufwändige Verfahren mit unerfahrenen KleineigentümerInnen durchzustehen, kooperierten die Verwaltungen eher mit professionellen und investitionsfähigen Immobilienakteuren. Diese investitionsintensiven Erneuerungen entwickelten Mitnahmeeffekte für das gesamte Gebiet und setzten die Maßstäbe für die Entwicklung der gesamten Nachbarschaft (Wingenfeld 1990:107). Letztlich erzwang auch die Förderlogik hohe Standards, weil die öffentlichen Förderprogramme sich am Neubau orientierten und Renditen sich nur bei umfangreichen Maßnahmen reali70
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sierten. Erst mit der weitgehenden Ausschöpfung der Baukostenzuschüsse konnte die anteilige Eigenkapitalquote der Gesamtinvestition erhöht werden. Auch die Aufwendungszuschüsse stiegen mit jeweiligen Kreditlast für die Erneuerungsmaßnahme. Mit anderen Worten: Die öffentliche Fördersumme stieg mit der Investitionshöhe – umfassende Modernisierungsarbeiten und eine zumindest langfristige Mietwirksamkeit waren die Folge (Wingenfeld 1990:108). Die Stadterneuerung wirkte als öffentliche Anschubfinanzierung für einen privatfinanzierten Gentrificationprozess. Ergebnis dieser Entwicklungen war eine allgemeine Aufwertung des Viertels, die sich vor allem auf die bisherige Bewohnerschaft negativ auswirkte: „Die sanierten Viertel begannen über ihre Verhältnisse zu leben und die nicht unmittelbar Betroffenen (ohne Anspruch auf Sozialpläne etc.) wurden zu den eigentlich Betroffenen der Sanierung“ (Wingenfeld 1990: 106). Doch die Stadterneuerung hatte für die beginnende Gentrification noch eine andere, eine legitimierende Funktion, denn „Abschied von der Flächensanierung“ und das „kleinteilige, soziale Erneuern im Quartier“ bot wenig Angriffsfläche für Kritik. Wingenfeld kommt zu der Einschätzung, „die Sanierung wäre [...] ohne das Engagement der Planer an Schwierigkeiten mit den betroffenen Betrieben und Bewohnern oder an zu geringer finanzieller Ausstattung gescheitert“ (Wingenfeld 1990:106). Stadterneuerung und Gentrification sind als Aufwertung nicht identisch. Die Stadterneuerung verfolgt Aufwertung als Ziel, während sie für die Gentrification der Auslöser ist. Das entspricht einem GebrauchswertTauschwert-Verhältnis. Die Stadterneuerung widmet sich der tatsächlichen Verbesserung der Wohnverhältnisse und der öffentlichen Räume. Auf dieser Basis vollzieht sich eine gentrificationtypische Wertsteigerung, die für die Mehrzahl der bisherigen BewohnerInnen finanziell nicht zu tragen ist. Oder anders: Während die Gebrauchswertorientierung der Stadterneuerung im Wesentlichen auf einer gegenständlichen Ebene verhaftet bleibt, werden die Veränderungen erst durch Inwertsetzungen des Gentrificationprozesses in ein soziales Verhältnis übertragen. Wingenfeld resümiert für die Frankfurter Erfahrung eine „mehr oder weniger unfreiwillige Mithilfe der Stadterneuerungsverfahren an der Attraktivitätssteigerung für neue Bewohnerschichten“ (Wingenfeld 1990: 102f.). Unter den Rahmenbedingungen eines kapitalistischen Bodenmarktes begünstigt eine Stadterneuerung (die keine aktive Bodenpolitik verfolgt) notwendigerweise die physischen und ökonomischen Voraussetzungen von Gentrificationprozessen.
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2.6.4 Stadterneuerung unter Aufwertungsdruck Für die Stadterneuerung in Ostberlin kann die bisher umfassendste Gentrificationdebatte hierzulande konstatiert werden. Die Diskussionstexte, die einen expliziten Zusammenhang zwischen Stadterneuerung und Gentrification annehmen, wurden lange Zeit überwiegend von Akteuren erarbeitet, die persönlich, politisch oder beruflich mit dem Erneuerungsgeschehen verbunden waren oder sind. In den letzten Jahren wird diese Tendenz jedoch von einem überregionalen Forschungsinteresse gebrochen: Projektseminare und Diplomarbeiten von verschiedenen Hochschulen der BRD haben die Ostberliner Innenstadt in ein beliebtes Untersuchungsfeld verwandelt. Die Diskussion selbst lässt sich in drei Phasen teilen: Die frühen 90er Jahre waren davon geprägt, Entwicklungsprognosen für die Sanierungsgebiete vor dem Hintergrund bekannter Gentrificationbeispiele zu entwickeln. Mit dem Argument einer drohenden Verdrängung sollten die sozialen Orientierungen in der Sanierungspraxis gestärkt werden. Vor allem die rasanten Bodenmarktentwicklungen (Krätke 1992a), die zentrale Lage der Ostberliner Sanierungsgebiete und die sich konstituierende Nachfrage wurden von Beginn an als Aufwertungsdruck interpretiert. Anders als bei der klassischen Sanierungspolitik konnte es nicht dabei bleiben, eine bauliche Erneuerung anzuschieben. Es musste darum gehen, die sozialen Folgen einer erwarteten Erneuerung zu mildern. Für diese Phase stehen zum einen Wissenschaftlerinnen wie Christine Hannemann (Hannemann 1993), aber auch einige der Stadterneuerungsakteure selbst (Baumert 1993, 1995; Winters 1995). Die Gentrificationdiskussion hatte dabei nicht nur heuristischen Wert, sondern war eingebunden in die Entwicklung einer Sanierungspraxis, die von Beginn an mit der Gefahr einer Verdrängung der bisherigen Bewohnerschaft umgehen musste. Zugleich dienten diese administrativ angebundenen Diskussionen um die sozialen Folgen der Stadterneuerung einer Legitimität der geplanten Erneuerung selbst. Denn durch diese Diskussionen suggerierten die Verantwortlichen ein gewisses Problembewusstsein. Die zweite Phase kann zeitlich Mitte bis Ende der 90er Jahre verortet werden und ist durch erste kritische Bilanzen der bisherigen Stadterneuerungsmaßnahmen geprägt. Die Texte entstanden diesmal vor allem aus dem Spektrum von BewohnerInnenitiativen, einer stadtentwicklungspolitischen Opposition um einzelne Abgeordnete und Beschäftigte der PDS sowie von Studierenden der geisteswissenschaftlichen Fakultäten der Berliner Hochschulen. Die Feststellung von Gentrificationtendenzen in den Ostberliner Altbauquartieren wurde explizit als Kritik der bestehenden Sanierungspraxis formuliert (Deutz u.a. 1995; Bernt 1997a, 72
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1997b; Holm 1998; Baumert 1998). Entsprechend abwehrend reagierten die administrativ für die Stadterneuerung Verantwortlichen, die sich persönlich und ihre Berufsperspektive damit angegriffen sahen: In mehreren Artikeln in Lokalzeitungen, in Broschüren und auf Diskussionsveranstaltungen wurden die Erfolge der Stadterneuerung hervorgestrichen. Dabei gelang es anhand von statistischem Material und quasi-akademischen Begriffsdefinitionen Gentrification für die politische Diskussion im Bezirk mit einem Tabu zu belegen (Rada 1997: 59ff.). Die dritte Phase der Gentrificationdiskussion setzte etwa im Jahr 2000 ein und dauert fort. Die Gentrificationbefunde für Prenzlauer Berg sind inzwischen relativ unumstritten, empirische Untersuchungen nähern sich von verschiedenen Aspekten den Veränderungen im Gebiet. So werden im Bereich der baulichen Veränderungen, der Mietentwicklung und der Gewerbestrukturen deutliche Aufwertungstendenzen festgestellt (Bernt/Holm 2003; Heimer 2003). Andere stellen den Zusammenhang von Restitution, neuen Eigentümerstrukturen und Aufwertung (Reimann 2000; Holm 2001b; Glock/Keller 2002), die Aufwertung der öffentlichen Räume (Schulz zur Wiesch 2001) oder die kleinteiligen Folgen von Wohnungsmodernisierungen und Umwandlungen in Eigentumswohnungen (Lautenschläger 2002; Molle 2001) in den Vordergrund. Untersuchungen der administrativen Steuerung zeigen, wie inkonsequent (Bernt 2003) und letztlich erfolglos (Häußermann/Holm/ Zunzer 2002) die Versuche der öffentlichen und intermediären Organisationen waren, eine Verdrängung der früheren BewohnerInnen aufzuhalten. Mit dem Ende des bisherigen (auf Steuerabschreibungen basierenden) Sanierungsmodells haben sich auch die bestehenden Frontstellungen zum Teil aufgelöst. Der größte Teil des Wohnungsbestandes ist bereits modernisiert und eine Änderung der Sanierungspraxis hätte nur noch geringe Auswirkungen auf die soziale Zusammensetzung in den Vierteln. Zugleich ist die Zukunft der Stadterneuerer nicht mehr von der Kritik an der bisherigen Sanierungspraxis abhängig. Sie erschließen sich inzwischen neue Aufgabenfelder (Rückbau und Quartiersmanagement), und wesentliche Gründe für eine beruflich motivierte Ablehnung von Gentrificationanalysen haben sich erübrigt. Geprägt ist diese dritte, retrospektive Phase der Gentrificationdiskussion also durch eine Entpolitisierung der Stadterneuerungsdebatte selbst – vielleicht aber ist gerade dies die Voraussetzung für eine Repolitisierung der Gentrificationdiskussion. Ein allgemeingültiger Zusammenhang von Stadterneuerung und Gentrification kann auf dieser Basis nicht dargestellt werden. Eher ist eine gegenseitige Bedingtheit beider Prozesse anzunehmen. So können Stadterneuerungsmaßnahmen, die in ihrem im Kern auf eine bauliche Aufwertung gerichtet sind, auslösende und ergänzende Funktionen für 73
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Gentrificationprozesse bekommen. Auf der anderen Seite konfrontiert eine erwartete oder stattfindende Gentrification das Stadterneuerungsgeschehen mit den negativen sozialen Folgen der Verdrängung von Einkommensschwachen aus den Sanierungsgebieten. Das Dilemma, mit einem gewünschten Erneuerungsprozess soziale Verwerfungen in Kauf zu nehmen, oder aber zugunsten einer Stabilisierung der Gebietsbevölkerung auf die bauliche Erneuerung zu verzichten, besteht in jedem wohnungswirtschaftlich attraktiven Sanierungsgebiet. Wie es gelöst wird, ist eine politische Entscheidung. Deshalb lassen sich gerade am Zusammenhang von Stadterneuerung und Gentrification die gesellschaftlichen Machtkonstellationen der Stadterneuerung untersuchen und darstellen. Diese Fragestellung wird deshalb die gesamte Arbeit direkt und indirekt begleiten. So wie in den Studien zu Stadterneuerungsprozessen das Thema der Gentrification weitgehend ausgeblendet wird, sind auch die politisch administrativen Rahmenbedingungen von Aufwertungsprozessen eines der wesentlichen Blindfelder der auch internationalen Gentrificationforschung (Lees 1994). Darin liegt die wesentliche Übersetzungsschwierigkeit von Gentrificationtheorien in das Untersuchungsfeld der Stadterneuerung. Die meisten Gentrificationansätze beschreiben Marktprozesse, während Stadterneuerungsmaßnahmen staatlich initiierte, finanzierte oder organisierte Modernisierungsprojekte sind. Insbesondere für die Untersuchung von Stadterneuerungszyklen, die unter dem Diktum von Privatisierung und Ökonomisierung vormals öffentlicher Aufgaben stehen, bieten die die ökonomischen Theorien der Gentrificationforschung einen sinnvollen Untersuchungsansatz, da mit ihnen marktförmige und marktähnliche Entwicklungen analysiert werden können. Die Anwendung von Gentrificationansätzen in dieser Arbeit bietet aber nicht nur einen Errkenntnisgewinn für die Fragestellung nach den gesellschaftlichen Kontexten der Stadterneuerung, sondern füllt zugleich die administrative Lücke der bisherigen Gentrificationforschung.
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3. Politisch-administrative Struktur der Sta dte rne ue rung
Als erste Untersuchungsdimension der Stadterneuerung in Prenzlauer Berg sollen die Grundzüge der administrativen Strukturen beschrieben werden. Insbesondere die Ziele der Stadterneuerungspolitik, die Instrumente ihrer Durchsetzung und das Handeln der einzelnen Akteure selbst werden im Mittelpunkt des folgenden Kapitels stehen. In Bezug auf die Fragestellung nach dem gesellschaftlichen Charakter der Stadterneuerung ist dabei zentral, inwiefern sich allgemeine Trends der veränderten staatlichen Steuerung im Bereich der Stadterneuerung niederschlagen und auf die Organisation der Stadterneuerung auswirken.
3 . 1 Ab s c h i e d v o n d e r B e h u t s a m e n Stadterneuerung in Kreuzberg 3.1.1 Ostberlin – Neue Ausgangsbedingungen für die Stadterneuerung Das Modell der Behutsamen Stadterneuerung wurde nach 1990 unter weitgehender Beibehaltung der Akteurskonstellation auf die östlichen Bezirken Berlins übertragen. Inwieweit sich diese Organisation der Stadterneuerung auch in der Praxis würde durchsetzen können, war schon bald die Frage. Wie in anderen Bereichen der Gesellschaft ist die Transformation nicht mit einem simplen Paste-and-copy-Befehl zu bewältigen. Auch in Berlin haben alle Beteiligten schnell die Erfahrung gemacht, dass die Übertragung von Strukturen und Erfahrungshorizonten keineswegs zu denselben Prozessen und Ergebnissen führen muss.
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Die Rahmenbedingungen für Stadterneuerung waren mit der Westberliner Erfahrung kaum vergleichbar. Die Stadterneuerung der 90er Jahre fand vor dem Hintergrund der gesamtgesellschaftlichen und ökonomischen Transformation vom Staatssozialismus hin zur sozialen Marktwirtschaft in den neuen Bundesländern statt. Zugleich hatte der Umbau Berlins zur „neuen alten“ Hauptstadt (Süß/Rytlewski 1999) große Auswirkungen auf den Innenstadtbereich. Anders als in den Sanierungsgebieten Westberlins stieg nun in bestimmten Gebieten mit dem ökonomischen Verwertungsdruck auch die Gefahr einer Verdrängung der bisherigen Mieterschaft. Besonders sozial schwächere Bevölkerungsgruppen waren davon betroffen. Diese neuen Ausgangsbedingungen der Stadterneuerung unterschieden sich sowohl wohnungspolitisch, städtebaulich und finanziell von denen in Westberlin und lassen sich wie folgt zusammenfassen: Dem enormen Erneuerungsbedarf – sowohl im Bereich der Wohnungen wie auch der Infrastruktur und Grünflächen – stehen vergleichsweise deutlich reduzierte direkte öffentliche Fördermittel gegenüber. Anders als in den 80er Jahren in Westberlin soll und muss der größere Teil der Erneuerung privat finanziert werden. Diese private Investitionstätigkeit wurde bisher über steuerliche Sonderabschreibungsmöglichkeiten nach dem Fördergebietsgesetz in Gang gehalten. Die reduzierten Fördermittel treffen die Wohnungsmodernisierung und die Erneuerung von Infrastruktureinrichtungen gleichermaßen. An der Krise der öffentlichen Finanzen wird sich auf lange Zeit nichts ändern. Selbst als vor einigen Jahren noch erhebliche Summen in die Stadterneuerung flossen, reichten die Gelder – nicht zuletzt auch wegen sehr kostenintensiver Förderprogramme für Modernisierung und Instandsetzung – nur für wenige Häuser. So standen 1997 für Prenzlauer Berg ca. 70 Mio. DM an Fördermitteln für die umfangreiche Modernisierung und Instandsetzung (Programm „Soziale Stadterneuerung“) zur Verfügung. Gefördert wurden damit 719 Wohnungen, das entspricht etwa 20-30 Häusern (21. Bericht zur Stadterneuerung 1997: 62). Inzwischen wurden mit dem Berliner Haushalt 2001 alle öffentlichen Mittel für Wohnungsmodernisierungen gestrichen. Die Naturalrestitution der Immobilien an die AlteigentümerInnen und der in der Regel folgende Weiterverkauf an professionelle Immobilienfirmen, Abschreibungsgesellschaften etc. führte im Verbund mit den Sonderabschreibungen zu einer rapiden Neuordnung der Eigentumsverhältnisse. Das war eine völlig andere Situation als in Kreuzberg. Dort hatten öffentliche Sanierungsträger ganze Blöcke von überwiegend inaktiven KleineigentümerInnen erworben. In Ostberlin setzte sich neben der weitgehenden Privatisierung des Wohnungsbestandes (Reimann 1999) 76
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eine Professionalisierung der Eigentümerstruktur (Häußermann/Holm/ Zunzer 2002: 97ff.) durch. Die Erwartung einer Prosperität Berlins und die Hoffnung auf hohe Verkaufsgewinne führten zu einem überhitzten Bodenmarkt. Als Käufer traten zunehmend professionell agierende Anleger auf. Der oftmals hohe Kaufpreis erhöhte den Verwertungsdruck im gesamten Gebiet. Diese Situation änderte sich erst Ende der 90er Jahre, als die Sonderabschreibungsmöglichkeiten für den Altbau ausliefen1. Schließlich lebte in den Stadterneuerungsgebieten Anfang der 90er Jahre eine sozial heterogene und kaum segregierte Bevölkerung, die quasi als Idealzustand in ihrer Zusammensetzung erhalten bleiben sollte (ausführlicher Häußermann/Holm/Zunzer 1999: 15ff.). Das war ein wichtiger Unterschied hinsichtlich der Sanierung im Westteil der Stadt. Hier war durch die zumeist jahrelange Vorbereitung der Sanierung in manchen Altbaugebieten erst eine als „problematisch“ eingestufte Bewohnerstruktur entstanden, indem die Sanierungsträger gezielt soziale schwache Bevölkerungsgruppen in die abzureißenden Altbauwohnungen holten und Segregationsprozesse dadurch forciert wurden. „Zwar sind in Prenzlauer Berg die Fassaden bröckelig, aber dahinter lebt eine durchschnittliche DDR-Bevölkerung“ (Hannemann 1993: 229). Diese als Erbe der DDR anzusehende niedrige sozialräumliche Segregation galt es zu erhalten – so damalige Aussagen aus Stadtplanung und Politik. Eine Aufgabe, die nur gelingen konnte, wenn auch die Mietentwicklung der differenzierten Zahlungsfähigkeit innerhalb der Bewohnerschaft entsprechen würde. Kurzum, die Stadterneuerung in Ostberlin stand vor der Aufgabe, möglichst viel mit möglichst wenig öffentlichen Mitteln zu möglichst preiswerten Mieten zu erneuern – eine Quadratur des Kreises. Diese Ausgangsposition unterscheidet sie von früheren Phasen der Stadterneuerung, die in der Regel auf einer öffentlichen Finanzierung basierten. Für die zentrale Untersuchungsfrage nach dem gesellschaftlichen Charakter der Stadterneuerung verweisen die beschriebenen Ausgangsbedingungen auf einen engen Zusammenhang von allgemeinen gesellschaftlichen Entwicklungen und den konkreten Ausgangsbedingungen der Stadterneuerung. Insbesondere die ökonomischen Voraussetzungen und administrativen Zwänge lassen sich als Ausdruck des Transformationsprozesses in Ostdeutschland auffassen. 1 Sonderabschreibungsmöglichkeiten als Investitionsanreiz ziehen sich bereits länger durch die Berliner Stadterneuerungsgeschichte. Bereits 1962 wurden in dem Berlin-Hilfe-Gesetz festgelegt, dass Beteiligungen an Bauvorhaben in Berlin als Sonderabschreibung abgesetzt werden können (Bodenschatz 1987, S. 171). Dieser Investitionsanreiz ist vor dem Hintergrund der wenig attraktiven Insellage Berlins zu sehen.
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Übersicht 3.1: Vergleich der Ausgangsbedingungen der Stadterneuerung in Berlin
Baulicher Zustand Gebietsgrößen Soziale Zusammensetzung der Bevölkerung Ökonomische Voraussetzungen, Finanzierungsmodelle Stellenwert der Stadterneuerung in der Stadtpolitik Zentrale Akteure
Behutsame Stadterneuerung Stadterneuerung Ostberlin Desinvestitionsgebiete Desinvestitionsgebiete Überschaubare und kleinteilige Flächendeckende SanierungsSanierungsgebiete areale Segregation, soziale Degradieweitgehende soziale Mirung, hohe Mobilität schung, geringere Fluktuation Fördermittel und staatliche Programme
Privatinvestitionen und Steuerabschreibungsanreize
Zentrale Position, IBA als Aushängeschild der Stadtpolitik PAS, Intermediäre und Bewohnerinitiativen
Gleichzeitigkeit von Suburbanisierung, Zentrumsausbau und Altbausanierung HauseigentümerInnen, PAS, Intermediäre
Quelle: eigene Darstellung
3.1.2 Sanierungsziele in den 90er Jahren: stilles Ende der Behutsamkeit Eine administrative Besonderheit der Stadterneuerung in Ostberlin besteht in dem allgemeinen Institutionentransfer der Transformation. Insbesondere die Herausbildung eines politisch-administrativen Systems der Stadterneuerung Ost kann nicht ohne die Transitionen aus der Westberliner Sanierungspolitik begriffen werden. Matthias Bernt hat mit seiner politikwissenschaftlichen Studie zur Etablierung der Behutsamen Stadterneuerung in Ostberlin die Linien der programmatischen Erklärungen und Akteure detailliert nachgezeichnet und als Herausbildung eines Erneuerungsregimes beschrieben (Bernt 2003). Einige Stationen dieses Übergangs sollen im Folgenden nachgezeichnet werden, da sie für das Verständnis der politisch-administrativen Organisation der Stadterneuerung in den 90er Jahren zentral sind. Einer weitgehenden Übertragung des institutionellen Rahmens und der wesentlichen Akteure steht dabei eine fundamentale Veränderung der programmatischen Zielstellungen und instrumentellen Ressourcen der Stadterneuerung gegenüber. Bereits 1990, noch vor dem staatlichen Vollzug der deutschen Vereinigung, wurden erste Schritte einer Gesamtberliner Stadtpolitik aus dem Boden gestampft. Unter Federführung des MagiSenats (ein Kooperationsgremium der beiden Stadtregierungen Magistrat und Senat) wurde für die besonders dringenden Fälle ein Sonderprogramm zur Erneuerung aufgelegt. Der Westberliner Senat beschloss das so genannte „25Mio-Programm“. Es sollte nicht nur helfen, die historische Bausubstanz 78
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der Ostberliner Innenstadt zu sichern, sondern diente auch als Türöffner für das Westberliner Know-how der Altbausanierung und das dazugehörige Stadterneuerungspotential. Zwar verkündete Günther Fuderholz2 – langjähriger Abteilungsleiter der zuständigen Senatsverwaltung – im Rückblick, „keine Zehntel Sekunde darüber nachgedacht (zu haben), die Strukturen der ,behutsamen Stadterneuerung‘ nach Ostberlin umzuklappen und auszuweiten“ (Konferenz „10 Jahre nach der IBA 1987“ im Haus am Köllnischen Park am 20.3.1998). Dennoch gab es 1991/92 über längere Zeit Diskussionen über Strategien und Ziele der Stadterneuerung in Ostberlin. Allein Anfang des Jahres 1992 wurden drei Grundsatzpapiere über die künftige Stadterneuerung verabschiedet, die sich zum Teil in scharfem Ton voneinander abgrenzten. Den Startschuss der Debatte gab die Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen kurz vor Weihnachten 1991. Unter dem Titel „Die 10 Leitlinien für die künftige Förderung der Stadterneuerung“ veröffentlichte sie einen Entwurf über die künftige Gestaltung der Stadterneuerung. In zehn knapp formulierten Punkten wurden die neuen Bedingungen der Sanierungspolitik beschrieben und entsprechende Schlussfolgerungen formuliert. Im Mittelpunkt standen die knapperen Finanzierungsgrundlagen und die zu erwartenden Restitutionen der Grundstücke in den Altbaugebieten. In dem Entwurf hieß es unter anderem: „4. Angesichts der Dimensionen des städtebaulichen Bedarfs in Ostberlin und der bestehenden finanziellen Möglichkeiten Berlins ist offensichtlich, dass nur ein Bruchteil der kurz- und mittelfristig notwendigen Baumaßnahmen mit öffentlicher Förderung abzudecken ist. Die für die einzelnen Grundstücke notwendigen Baumaßnahmen müssen in erster Linie vom Eigentümer finanziert werden. [...] 5. Um den Anteil der Förderung an den notwendigen Investitionen so gering wie möglich zu halten, sind grundsätzlich keine über die gesetzlichen Vorschriften hinausgehenden Mieten- und Belegungsbindungen vorzusehen. Soziale Zielsetzungen müssen durch das geltende Mietrecht – flankiert durch Wohngeld – als ausreichend gewährleistet gelten“ (Entwurf Leitlinien 1991, siehe Bernt 2004: 130ff.).
2 Günther Fuderholz ist eine zentrale Figur der Westberliner Stadterneuerungsszene, als Mitarbeiter der IBA-Alt wurde er 1989 zum persönlichen Planungsreferenten des Bausenators berufen und 1992 zum Leiter der für die Stadterneuerung zuständigen Abteilung IV (Wohnungswesen) der Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen ernannt. Inzwischen ist er Geschäftsführer der Deutschen Stadt- und Grundstückentwicklungsgesellschaft mbH (DSK).
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Der Entwurf folgte einer Logik, wie sie für Privatisierungen bisher öffentlicher Aufgaben typisch ist: Die Stadt Berlin hat weniger Geld, die Aufgabe der Stadterneuerung muss verstärkt von Privaten getragen werden, und bei den sozialen Ansprüchen müssen Abstriche erfolgen. Damit verabschiedete sich die Senatsverwaltung vom bisherigen Anspruch der Stadterneuerung Westberlins nach einer allumfassenden staatlichen Verantwortung für die Erneuerungsprozesse. Für soziale Belange der Stadterneuerung sollte ab sofort das Mietrecht zuständig sein. Auch die kommunalen Bestände selbst sollten unternehmerisch handeln und somit die öffentlichen Kassen entlasten. Im Entwurf hieß es: „3. Die von den städtischen Wohnungsbaugesellschaften für Berlin als Letzteigentümer bewirtschafteten Wohnungsbestände sind grundlegend so zu bewirtschaften, wie es nach der Rechtslage von jedem privaten Eigentümer zu verlangen ist. [...] es sind alle Möglichkeiten der Eigenkapitalbeschaffung sowie zur Schaffung einer auf Dauer bewirtschaftbaren Struktur des Wohnungsbestandes auszuschöpfen“ (ebenda).
Damit formulierte die Senatsverwaltung einen radikalen Bruch mit den bisherigen Grundsätzen der Berliner Stadterneuerung. Die wesentlichen Fixpunkte der Behutsamen Stadterneuerung wurden verlassen, ohne dass es eine grundsätzliche Kritik an den Kreuzberger Modellversuchen gegeben hätte und obwohl die Ergebnisse der Internationalen Bauausstellung auch weiterhin als Erfolge angesehen wurden. Bewohnerinitiativen in den Ostberliner Altbaugebieten, aber auch Bezirkspolitik und Intermediäre wie S.T.E.R.N. und die Beschäftigten der Mieterberatung reagierten – trotz unterschiedlicher Motive – gleichermaßen ablehnend. Die Bewohnerschaft und auch Teile der politischen Elite in den Bezirken befürchteten massive Verdrängungsprozesse einer solcherart privatisierten Stadterneuerung. Die Intermediären hingegen sahen die Geschäftsgrundlage ihrer bisherigen Beteiligung an der Stadterneuerung schwinden. Eine Sanierung ohne Fördermittel braucht keinen Sanierungsträger und eine Mietgestaltung nach Mietrecht keine Mieterberatungen. Fokus der Diskussionen war der Bezirk Prenzlauer Berg. Hier gab es nicht nur die größte Altbausubstanz, sondern auch eine engmaschige Struktur von verschiedenen Initiativen und politischen Gruppen, die vom Aufbruch 1989 übrig geblieben waren. Vom Bezirksamt Prenzlauer Berg und der Mieterberatung gemeinsam vorbereitet, kamen am 12. März 1992 Vertreterinnen und Vertreter von Bewohnerinitiativen, der S.T.E.R.N., von Mieterberatungen und aus der Bezirkspolitik zu einem „Diskussionsforum für Stadterneuerung“ zusammen. Sie verabschiedeten unter dem Titel „Acht Forderungen für die künftige 80
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Förderung der Stadterneuerung“ eine gemeinsame Stellungnahme zu dem Senatspapier. Im Mittelpunkt stand das Verlangen nach einem Bekenntnis des Senats zu den sozialen Zielen der Stadterneuerung, es wurden jedoch kaum konkrete eigene Vorstellungen entwickelt (ausführlicher bei Bernt 2003: 133ff.). Im gleichen Zeitraum verabschiedete die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) von Prenzlauer Berg „Grundsätze der Stadterneuerung in Prenzlauer Berg“. Dieser Beschluss wurde einstimmig mit den Stimmen aller Fraktionen gefasst. Darin zeigte sich, wie weit entfernt die Vorschläge der Senatverwaltung von der Stimmung in den Ostberliner Altbaugebieten waren. Denn auch das BVV-Papier orientierte sich weiterhin an der sozialen Verantwortung staatlichen Handelns in der Stadterneuerung. Aufgegriffen und zum Teil wörtlich übernommen wurden Grundsätze der der Behutsamen Stadterneuerung in Kreuzberg. Der Schutz vor Verdrängung, die Beteiligung der BewohnerInnen, eine schrittweise Substanzerneuerung und ökologische Rücksicht – mit diesen Orientierungen befanden sie sich auf einer Linie mit der in Kreuzberg propagierten Behutsamkeit: „Behutsame Stadterneuerung orientiert sich an den Bedürfnissen der Bewohner, Gewerbetreibenden und Beschäftigten und muss mit ihnen zusammen geplant und realisiert werden. Die ansässige Bevölkerung muss vor Verdrängung geschützt werden, und die vorhandene Baustruktur soll erhalten bleiben. [...] Grundlage der Stadterneuerung muss der Konsens [...] zwischen Bewohnern, Gewerbetreibenden und Beschäftigten sowie denjenigen sein, die für Planung und Durchführung der Maßnahmen verantwortlich sind“ (siehe Bernt 2003: 293).
Festgehalten wurde auch an den bisherigen Finanzierungsgrundlagen der Stadterneuerung: „Behutsame Stadterneuerung bedarf der Sicherung durch öffentliche Mittel.“ Die Notwendigkeit privater Finanzierungen der Investitionen wurde akzeptiert, allerdings sollten diese eine nach geordnete Rolle spielen: „Neben dem Einsatz öffentlicher Finanzierungsmittel [...] sind neue Möglichkeiten und Wege eines privaten, sozialverträglichen Engagements für den Bestand unerlässlich. Das kommunale Vermögen [...] soll als wesentlicher Bestandteil einer sozialen Stadterneuerung erhalten und wo notwendig ausgebaut werden.“ (Ebenda) In Bezug auf zu erarbeitende Förderkonzepte wurde eine stufenweise Erneuerung favorisiert. In einer ersten Etappe der Stadterneuerung sollten die notwendigen und die Bausubstanz sichernden Grundinstandsetzungen erfolgen, erst in einer zweiten Stufe sollten Modernisierungen möglich sein. Allerdings nur mit der Einschränkung, dass die „Mieter 81
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dies wünschen und die Maßnahmen keine unzumutbaren Mietsteigerungen zur Folge haben“ (ebenda). Über diese Forderungen hinaus sollten ökologische und Beteiligungsstandards ausgebaut, Grün- und Freiflächen gesichert und neue, Bewohner orientierte Träger unterstützt werden. Beide Kritikpapiere zum vorliegenden Senatsentwurf stehen für ein deutliches Unbehagen gegenüber der angekündigten Rosskur einer offenen Privatisierung der Stadterneuerung und beschwören den Geist von Kreuzberg. Da jedoch keine Vorschläge für Instrumente einer Behutsamen Stadterneuerung erfolgen, bleibt die Kritik letztenendes oberflächlich. Mit der Endfassung der Leitlinien (vom 31. August 1993) kam die Senatsverwaltung diesem Wunsch nach freundlicher Etikettierung nach. Sie orientierte sich zwar sprachlich an den Grundsätzen der Behutsamen Stadterneuerung, formulierte jedoch eine neue Sanierungspolitik, die sich an den veränderten Ausgangsbedingungen in Ostberlin orientierte. Das künftige Sanierungsregime stand zu Beginn der 90er Jahre vor der Aufgabe, am Leitbild einer sozial orientierten Stadterneuerung festzuhalten und gleichzeitig alle Grundsätze, Verfahren und Instrumente neu zu bestimmen. Deshalb bezog sich die Senatsverwaltung und mit ihr ein ganzes Netzwerk von Sanierungs- und Mieterberatungsfirmen trotz der deutlich veränderten Ausgangssituation formell weiter auf die in Westberlin geltenden Grundsätze. Gleichzeitig musste den neuen Bedingungen entsprochen werden. Der – gemessen am zu sanierenden Bestand – verringerte finanzielle Rahmen, die Grenzen der tatsächlichen Durchführbarkeit und das Streben nach zügiger organisatorischer Umsetzung prägten diesen Versuch. In den „12 Leitsätzen zur Stadterneuerung in Berlin“ von 1993 wurde eine neue Sanierungsstrategie konkretisiert und ausformuliert (ausführlicher Häußermann/Holm/Zunzer 1999: 24ff.). Die Leitsätze der Stadterneuerung orientieren sich dabei im Duktus an den Grundsätzen der Behutsamen Stadterneuerung. Mit der weitgehenden Hinwendung zur Privatisierung der Investitionen, einem schrittweisen Abschied aus der behutsamen und schrittweisen baulichen Erneuerung sowie der Reduzierung der Beteiligungsmöglichkeiten jedoch steht das Senatspapier zugleich für einen Abschied von der Behutsamkeit. Die Gleichzeitigkeit von Orientierung an und Abschied von der Behutsamen Stadterneuerung steht für den amorphen Charakter der Ostberliner Sanierungspolitik und ermöglicht den administrativen Akteure eine flexible und zum Teil widersprüchliche Interpretation ihrer Aufgaben. Zur Vorbereitung und Durchführung der Stadterneuerung wurden von der Stadt verschiedenen Institutionen beauftragt. Die vom Land Berlin bzw. seinen Bezirken eingesetzten Sanierungsbeauftragten und Mie82
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terberatungen agieren als private Unternehmen mit öffentlichem Auftrag. Deren Hauptaufgabe besteht darin, die Eigentümer umfassend zu beraten, die Sanierung entsprechend den Zielen zu koordinieren und aktiv voran zu bringen. Damit sollte dem Umstand Rechnung getragen werden, dass „der Erneuerungsprozess in den östlichen Bezirken kurzbis mittelfristig von der Mitwirkbereitschaft der Alteigentümer bestimmt sein“ (Leitsätze der Stadterneuerung 1993) wird. Statt ganze Viertel zu gestalten und Zielplanungen abzuwickeln, setzte die Verwaltung des Landes Berlin damit auf die Moderation und Koordination überwiegend Markt getragener Prozesse. So vollzog sich in Ostberlin der Wandel zur ersten „postfordistischen Stadterneuerung Berlins“3 (Jahn 1994). Trotz hoher quantitativer Belastungen – in Ostberlin wurden Sanierungsgebiete mit insgesamt über 80.000 Wohnungen festgelegt – und trotz gleichzeitiger Einschnitte durch die restriktive Haushaltspolitik wurden Anfang der 90er Jahre hohe Erwartungen an die Stadterneuerung gestellt. In einem Zeitraum bis etwa 2010 sollten flächendeckende Erneuerungen durchgeführt werden. Sowohl „umfassende Modernisierung und Instandsetzung“ als auch „sozial tragbare Mieten“ lagen im Zielkorridor einer „sozial orientierten Stadterneuerung“ (Winters 1997: 559). Die „Leitsätze zur Stadterneuerung in Berlin“ sind Ausdruck der Doppelstrategie, bauliche Erneuerung durchzuführen und gleichzeitig die Sozialverträglichkeit der Maßnahmen zu garantieren. Die personelle Kontinuität sowie eine sprachliche und formelle Anlehnung an die Behutsame Stadterneuerung von Kreuzberg konnten kaum darüber hinwegtäuschen: In Ostberlin vollzog sich ein tief greifender Wandel der Bedingungen und des Charakters der Sanierungspolitik. 1. Die Sanierung in Ostberlin und in Prenzlauer Berg unterscheidet sich hinsichtlich der flächenmäßigen Größe des Umfangs der notwendigen Erneuerung von der bisherigen Praxis der Behutsamen Stadterneuerung in Westberlin. Wurden in der Zeit von 1972 bis 1985 (in den RVO4 1 bis 8) Quartiere mit insgesamt knapp 30.000 Wohnungen als Sanierungsgebiete förmlich festgelegt, so sind es seit 1993 (in den RVO 9-11) über 80.000 Wohnungen in den neu festgelegten Sanierungsgebieten.
3 Mit dem Begriff soll der Trend zur Flexibilisierung staatlichen Handelns, zur Privatisierung der entscheidenden Akteursstrukturen der Stadterneuerung, zur Durchsetzung diskursiver und prozessualer Verfahrensstrukturen und eine Entdemokratisierung/Entpolitisierung des Erneuerungsprozesses im Sinne eines Mangels öffentlicher Einflussnahme zusammengefasst werden. 4 RVO steht für Rechtsverordnungen, mit denn die Sanierungsgebiete in Berlin förmlich festgelegt werden.
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Insbesondere der Anteil öffentlicher Mitteln zur Förderung der Erneuerung ist dadurch deutlich geringer. 2. Vor der Sanierung waren die Gebiete von einer sozial weitgehend gemischten Bewohnerschaft geprägt. Gesellschaftspolitisches Ziel musste es sein, diese Sozialstruktur trotz der Erneuerung zu halten. Die Ausdifferenzierung der sozialen Lagen und die vielfach heterogenen Interessen in der Bewohnerschaft erforderten eine höhere Flexibilität der Stadterneuerungspolitik als bei der „klassischen Stadterneuerung“. 3. Trotz des riesigen Investitionsbedarfs konnte nicht von klassischen Desinvestitionsgebieten ausgegangen werden. Die Stadterneuerung in Ostberlin fand unter einem teilweise enormen Verwertungs- und Nachfragedruck statt. So wurde z.B. Prenzlauer Berg frühzeitig auch bei besser verdienenden Haushalten zu einer attraktiven Wohnadresse. Staatliche Aufgabe konnte es deshalb nicht sein, Investitionen anzureizen. Vielmehr ging es darum, renditeorientierten Investitionen im Interesse sozialer Ziele zu lenken und zu steuern. 4. Statt der inaktiven und „dezidiert nichtkapitalistischen“ Kleineigentümer (Welch-Guerra 1992: 37) und den großen städtischen Gesellschaften dominierten in Ostberlin Abschreibungsfonds und professionelle Immobilienfirmen das Geschehen. Ihr Verwertungsinteresse war nicht immer mit den Sanierungszielen zu vereinbaren, und auch nicht auf den erzielten erneuerungspolitischen Kompromiss angewiesen.5 5. Die neue Sanierungsstrategie entstand nicht aus Konflikten um eine gescheiterte Stadterneuerung, sondern unter den Bedingungen eines umfassenden gesellschaftlichen Wandels. Das hatte zur Folge, dass kaum endogene Potentiale und nur wenige lokale Akteure in die Erneuerung einbezogen wurden. Träger und Ziele wurden im wesentlichen von außen in den Bezirk getragen6 und Beteiligungsgremien mussten erst geschaffen werden. 6. Statt auf flächendeckende planerische Vorgaben der Verwaltung zu setzten, fanden zunehmend selektive und flexible Interventionsinstrumente (Vereinbarungen) und kooperative Politikstile (Eigentümerberatung) Anwendung. Private Akteure dominierten die Erneuerung. Staatliche Steuerung musste sich zunehmend auf die Moderation und Koor5 Eine Investition vorausgesetzt, liegt der weitaus „größere Anteil der Gewinnrealisierung für den Eigentümer eines ‚klassischen‘ GründerzeitAltbaus in Berlin ohnehin in der Mitnahme steuerlicher Vorteile“ (Speckmann 1995: 8). 6 Nahezu uneingeschränkt und über alle Parteiengrenzen hinweg herrschte Konsens, die Innenstädte zu erhalten und behutsam zu erneuern. In den westdeutschen Kommunen war noch in den 70er Jahren ein solcher Konsens erst nach zum Teil erbitterten kommunalpolitischen Auseinandersetzungen erzielt worden (von Einem/Gornig 1998: 96).
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dination überwiegend Markt getragener Prozesse konzentrieren. Genehmigungsvorbehalte im Rahmen des angewandten Städtebaurechts in Sanierungs- und Erhaltungssatzungsgebieten (nach § 144 und § 172) beschränkten die privaten Interessen ohne eine Gegenleistung. Die öffentlichen und administrativen Ziele konnten nur in Abhängigkeit von privaten Investitionen durchgesetzt werden. Das verlangte komplizierte Verhandlungen, die Haus für Haus und Wohnung für Wohnung stattfinden mussten.
3.2 Durchführungsinstrumente der Stadterneuerung Die Stadterneuerung in Ostberlin nach 1990 orientierte auf eine verstärkte Einbeziehung privater Investitionen und flexibler Interventionsinstrumente der Verwaltungen. Wie mit diesen politischen Vorgaben das Doppelziel von baulicher Erneuerung und Erhalt der Sozialstruktur erreicht werden sollte, blieb Aufgabe der Stadterneuerungspraxis. Im Laufe der Jahre wurden verschiedene Verfahren entwickelt, die als Instrumente des Sanierungsregimes bezeichnet werden können.
3.2.1 Verstärkter Einsatz rechtlicher Instrumente Anders als in früheren Sanierungsgebieten konnten in Ostberlin die Sanierungsziele nicht mehr über Konzessionen an Fördergelder oder über Sanierungsträger gesichert werden. In Westberlin hatten diese im Auftrag der Kommune und den Zielen der Stadterneuerung verpflichtet ganze Wohnblöcke aufgekauft und erneuert. Stattdessen mussten nun die Verwaltungen ihre Ziele verstärkt mit rechtlichen Auflagen, Bestimmungen und Zwängen durchsetzen. Zentrales Instrument dabei wurde die Sanierungsgenehmigung. Alle geplanten Bauarbeiten in Sanierungsgebieten mussten und müssen bei der Sanierungsverwaltungsstelle (SVS) des Bezirksamtes beantragt werden. Dort werden die Anträge auf ihre Übereinstimmung mit den Sanierungszielen geprüft und entsprechend beschieden. Das Reservoir an städtebau-, planungs- und baurechtlichen Regelungen ist dabei enorm weitläufig und wurde noch nie so „nuanciert und ausgefeilt angewendet“ wie in der Stadterneuerung der 90er Jahre in Ostberlin (Zunzer 2001: 233). Die Verwaltungen haben zur Durchsetzung und Sicherung der Sanierungsziele folgende öffentlichrechtliche Möglichkeiten: Bescheid einer Genehmigungsversagung, wenn für das Amt die begründete Annahme besteht, dass mit den geplanten Maßnahmen präzise 85
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festgelegte Sanierungsziele gebrochen werden. Ein Versagungsbescheid muss spätesten drei Monate nach der Beantragung der Maßnahmen erteilt werden (§ 145 BauGB). Praktisch werden Versagungen kaum vollzogen, da bereits deren mündliche Ankündigung die EigentümerInnen zur Nachbesserung des Antrags animiert. Genehmigung unter Bedingungen findet Anwendung, wenn eine Genehmigung eigentlich zu versagen ist. Die Ämter können eine Genehmigung an bestimmte Voraussetzungen knüpfen, um die Sanierungsziele zu sichern (§ 36 VwVfG). In der Praxis müssen dabei so genannte auflösende und aufschiebende Bedingungen unterschieden werden. Auflösende Bedingungen benennen Umstände, bei deren Eintreten eine bereits erteilte Genehmigung ihre Wirksamkeit verliert. Bei aufschiebenden Bedingungen wird eine Genehmigung erteilt, erhält aber erst unter konkret festgelegten Bedingungen ihre Wirksamkeit. Verfahrensrechtlich können Bedingungen nur zusammen mit dem Genehmigungsbescheid angefochten werden. In Falle eines Widerspruchs ist das gesamte Vorhaben bis zu einer Entscheidung blockiert und kann auch nicht in unstrittigen Teilen durchgeführt werden. In der Praxis der Verwaltung in Prenzlauer Berg gelten Genehmigungen unter Bedingungen als scharfes Instrument. Es soll möglichst vermieden werden, weil durch die zeitlichen Verzögerungen im Falle eines Rechtstreits das bauliche Sanierungsziel gefährdet scheint. Die Genehmigung unter Auflagen ist ein Instrument zur Absicherung von Bedingungen oder Vorschriften und findet vor allem zur Festlegung von Kontrollrechten Anwendung. Unter der Androhung von Zwangsmitteln – meist Zwangsgelder – werden die EigentümerInnen damit beauflagt, die Einhaltung bestimmter Verpflichtungen oder Festlegungen nachzuweisen. So soll beispielsweise die Auflage, Mietverträge mit neuen MieterInnen vorzulegen, dabei helfen, die bestehenden Mietobergrenzen einzuhalten. Anders als ein Bescheid mit Bedingungen können Auflagen auch isoliert angefochten werden, ohne dass die gesamte Genehmigung unwirksam wird. Die Genehmigung von Grundstücksgeschäften soll eine spekulative Bodenmarktentwicklung verhindern, weil zu teure Grunderwerbspreise unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten eine Sozialverträglichkeit ausschließen. Der Genehmigungsvorbehalt für die „dingliche Veräußerung von Grundstücken“ im Sanierungsgebiet verhindert in den förmlich festgelegten Gebieten Verkäufe, die über den Verkehrswerten liegen (§ 144 Abs. 2 BauGB). Da die Bodenpreise zum Zeitpunkt des Moratoriums (Beginn der Voruntersuchungen 1992) aber auf einem sehr hohen Niveau waren (Krätke/Borst 2000; Stark 1998), kommt es bei den Verkaufsgenehmigungen nur selten zu Konflikten. Auf der Eigentümerseite 86
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wird dennoch an Vertragsmodellen gearbeitet, die einen möglichen Genehmigungsvorbehalt unterlaufen können (Tietzsch 1996: 162). Die allgemeinen ordnungsrechtlichen und planungsrechtlichen Instrumente des Baurechts. Sie sind auch in den Sanierungsgebieten anwendbar und geben im Vorschriftenkatalog vor allem das notwendige Maß an Instandhaltung bestehender Bauwerke vor, verbieten Zweckentfremdungen und verfolgen Mietpreisüberhöhungen. Das besondere Städtebaurecht der Sanierungsgebiete entbindet diese nicht von den allgemeingültigen Standards. Die Praxis der Verwaltungen ist jedoch vor allem in Bezug auf das Wohnungsaufsichtsrecht (Instandhaltungsgebote) und die Unterbindung ungenehmigter Leerstände eher lax. Angesichts der Erwartung von anstehenden Maßnahmen werden Instandsetzungsmängel und längere Leerstandszeiten oft toleriert. Für die betroffenen MieterInnen in diesen Häusern ist das meist eine unerträgliche Situation, die in Einzelfällen schon zu Auszügen geführt hat. Die Genehmigung von Teilungen unterliegt im Sanierungsrecht (§ 144 Abs.1 Nr.2 BauGB) einem behördlichen Genehmigungsvorbehalt. Eine Teilungsgenehmigung ist die Voraussetzung für den Verkauf einzelner Wohnungen und eine Umwandlung in Einzeleigentum. Noch Mitte der 90er Jahre vertraten Rechtsexperten der Berliner Stadterneuerung die Auffassung, es sei „nicht ersichtlich, dass solche Teilungen mit dem Sanierungsziel, die ansässige Bevölkerung in ihrer Struktur zu schützen, kollidieren können“ (Tietzsch 1996: 160). Inzwischen gibt es sowohl von Betroffenenvertretungen als auch von der Mieterberatungsgesellschaft deutliche Kritik an der wachsenden Umwandlungsquote in den Sanierungsgebieten. Insbesondere nach dem Ende der Sonderabschreibungsmöglichkeiten basieren immer mehr Finanzierungsmodelle auf dem Vorabverkauf von mindestens 50 Prozent der Wohnungen an EinzeleigentümerInnen. Erst mit diesem vorgeschossenen Geld können die Bauarbeiten finanziert werden. Notwendige Voraussetzung für diese Modernisierungspraxis ist die vorauseilende Bescheinigung der Teilungsgenehmigung durch die Sanierungsverwaltungsstelle. Diese genehmigt die Teilung in vielen Fällen auf der Basis von Plänen bzw. Baubeschreibungen über einen zu errichtenden Zustand, denn die unsanierten Wohnungen würden nur in wenigen Fällen die gesetzlichen Auflagen einer Teilungsgenehmigung erfüllen. Bezogen auf die Sanierungsziele spiegelt sich darin der janusköpfige Charakter des Verwaltungshandelns in den Ostberliner Bezirken: Zum einen sichert diese Praxis das bauliche Sanierungsziel, da es das Finanzierungsmodell Umwandlung-VerkaufModernisierung ermöglicht. Auf der anderen Seite wird das soziale Sanierungsziel durch eine Umwandlung in Einzeleigentum beeinträchtigt. Damit einhergehende langfristige Nutzungsbeschränkungen und auch 87
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die mietwirksamen Standarderhöhungen in diesen Häusern gefährden den Erhalt der Sozialstruktur. Das administrative Lavieren zwischen den beiden Zielpolen der Stadterneuerung wird in der Frage der Teilungsgenehmigungen besonders deutlich. Der öffentlich-rechtliche Vertrag ist neben der Genehmigung unter Auflagen bzw. Bedingungen eine weitere Möglichkeit, um die Sanierungsziele rechtlich durchzusetzen. In einem öffentlich-rechtlichen Vertrag vereinbaren die Gemeinde – in unserem Fall die bezirklichen Verwaltungsstellen – und die EigentümerInnen bestimmte Verpflichtungen. Diese Vereinbarungen umfassen in der Regel die auch sonst gültigen Sanierungsauflagen und verpflichten die Gemeinde zu Ordnungsmaßnahmen oder zur Unterstützung bei der Umsetzung von MieterInnen. Nur selten werden in solchen Verträgen Dinge festgelegt, die über die sonst üblichen Auflagen und Bedingungen von Sanierungsgenehmigungen hinausgehen. Bei den öffentlich-rechtlichen Verträgen besteht aber anders als bei Genehmigungen eine Möglichkeit zu wohnungsweisen Vereinbarungen, die von den üblichen Sanierungsauflagen abweichen können. Für die EigentümerInnen bietet so ein Verfahren neben einem Zeitgewinn auch einen gewissen Verhandlungsspielraum, um einzelne Investitionsvorhaben umzusetzen, die sonst nur schwer genehmigungsfähig wären. So sind etwa Vereinbarungen möglich, die praktisch im „Tausch“ für eine Genehmigung zum Dachgeschossausbau die Gestaltung einer Kinderspielfläche im Hof und die Bereitstellung von zusätzlichen Wohnungen für das bezirkliche Umsatzmanagement beinhalten. Solche Kompensationen sind im Rahmen von Genehmigungen nicht möglich. Insbesondere bei EigentümerInnen mit Erfahrungen in den Sanierungsgebieten ist der öffentlich-rechtliche Vertrag ein beliebter Weg, die sanierungsrechtlichen Hürden zu bewältigen. Wenn diese Verträge auch klare Handlungspflichten und mögliche Sanktionen festlegen, bieten sie den Ämtern eine rechtliche Sicherheit, die im Streitfall bei „normalen“ Genehmigungsverfahren erst in langwierigen Gerichtsverfahren festgestellt und durchgesetzt werden kann. Die Form der Verträge spiegelt die Verhandlungsorientierung und Verfahrensvermeidung der Sanierungsstrategien in Ostberlin wider, wie sie auch in den Leitsätzen formuliert wurden. Das Vorkaufsrecht beim Kauf von Grundstücken bietet den Gemeinden insbesondere in Sanierungs- und Erhaltungsgebieten nach § 24 BauGB bei bestehenden Verträgen die grundsätzliche Möglichkeit, mittels der erworbenen Verfügungsgewalt die bestehenden Sanierungsziele wirkungsvoll durchzusetzen (Groth/Von Oppen 1994). Ein für die neuen Bundesländer und Ostberlin bis Ende 1997 geltendes Vorkaufsrecht zum Verkehrswert, dennoch wurde es mit Verweis auf die angespannte Haus88
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haltslage nur selten angewandt. Andere Städte (Wiesbaden, München, Nürnberg) nutzten diese Möglichkeit zur Durchsetzung von Sanierungszielen stärker. Nicht nur durch die Übernahme der Grundstücke, sondern auch mit so genannten Abwendungsverträgen konnten dort die öffentlichen Belange gegenüber unwilligen EigentümerInnen durchgesetzt werden. In einem Abwendungsvertrag werden bestimmte Bedingungen auferlegt, deren Einhaltung einen Verkauf an die Gemeinde abwenden kann – für die Durchsetzung bestimmter Sanierungsziele ein sehr wirkungsvolles Instrument (Dohrendorf 1991).
3.2.2 Festlegung von Mietobergrenzen Neben den beschriebenen rechtlichen Möglichkeiten, die aus dem Bauund Planungsrecht abgeleitet werden, haben die Ostberliner Bezirke eine eigenes Instrument zur Sicherung der sozialen Sanierungsziele entwickelt: die Mietobergrenzen. Gebunden an die Sanierungsgenehmigung wird für jede modernisierte Wohnung eine Höchstmiete festgelegt. Dabei handelt es sich um eine Mietkappung, die nach der Modernisierung nicht überschritten werden darf. Abhängig vom Ausstattungsstandard und den Wohnungsgrößen gibt es verschiedene Festlegungen für diese Mietbegrenzungen. Ziel der Mietobergrenzen war es, die gesetzlich möglichen Mietsteigerungen7 einzuschränken, um eine ökonomische Verdrängung der bisherigen Bewohnerschaft zu verhindern. Durch sozialwissenschaftliche Untersuchungen über so genannte Schwellenwerte der Verdrängung gestärkt, entschlossen sich die Bezirksverordnetenversammlungen Mietobergrenzen festzulegen.
7 Nach dem Miethöhegesetz (MHG § 2) sind alle Modernisierungskosten umlagefähig und können mit 11 Prozent der Gesamtkosten als Modernisierungszuschlag auf den Mietsockelbetrag aufgestockt werden. Bei den für die Altbausanierung veranschlagten Kosten waren je nach Modernisierungsumfang 500 bis 1.000 DM je Quadratmeter umlagefähig. Die monatliche Mietbelastung wäre je Quadratmeter um ca. 5 bis 9 DM gestiegen. Ausgehend von den Bestandsmieten (3-5 DM/qm nettokalt) wäre also eine Vervielfachung der Miete abzusehen gewesen, die nur ein kleiner Teil der Bewohnerschaft hätte tragen können.
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Tabelle 3.1: Mietobergrenzen (nettokalt) in den festgelegten Sanierungsgebieten in Prenzlauer Berg 1999 (in DM/qm) Wohnungsgröße Mietobergrenze
unter 40 qm 8,55
40 qm bis 60 qm 60 qm bis 90 qm 90 qm und mehr 8,68
8,04
7,34
Quelle: Bezirksamtsbeschluss 947/99 vom 23.2.1999
Stärker umstritten als die Einführung einer solchen Mietbegrenzung selbst, waren Details wie Miethöhe und Bindungsdauer. Vor allem eine längerfristige Gültigkeit der Mietbegrenzung beschränkt die Erhöhungsmöglichkeiten, die allen EigentümerInnen nach § 3 des Miethöhegesetzes (MHG) zustehen. Die rechtlichen Auffassungen, ob das Sanierungsrecht stärker zu bewerten sei als das allgemeine Miethöhegesetz, gehen auseinander und sind auch in der Rechtssprechung der Verwaltungsgerichte noch nicht endgültig geklärt worden (Sethmann 2002; Wild 2002).
3.2.3 Verhandlungsorientierung des administrativen Handelns Die veränderten Rahmen- und Ausgangsbedingungen und der Übergang zu einer indirekten administrativen Stadterneuerungspolitik veränderten den Verlauf und die Durchführung von Stadterneuerungsmaßnahmen der 90er Jahre im Vergleich zu früheren Phasen. Statt direkten Steuerung durch ,Geld‘ sollen die Sanierungsziele der 90er Jahre verstärkt mit den Steuermedien ,Gesetzte und Gebote‘ durchgesetzt werden. Worin besteht nun diese spezifisch neue Steuerungsform? Die städtebaulichen Instrumente sind in dem Sinne nicht als schwächer einzustufen, als die sanierungsrechtlichen Regelungen des Baugesetzbuches. Diese fanden noch nie so nuanciert und ausgefeilt Anwendung wie derzeit. Zugleich büßen sie jedoch durch die mangelhaften Sanktionsmöglichkeiten bei Nichteinhaltung wieder an Stärke ein. Gemäß den Leitsätzen zur Stadterneuerung sollen die rechtlichen Möglichkeiten zwar ausgeschöpft werden, restriktive Maßnahmen wie städtebauliche Gebote oder das Zurückstellen von Anträgen aber gleichzeitig vermieden werden (Holm 1998: 6). Angestrebt werden Verhandlungslösungen, die die restriktive Anwendung rechtlicher Instrumentarien zu vermeiden helfen sollen. Ein Aushandeln zwischen öffentlichem und privatem Interesse ist dabei nichts Neues, doch scheinen die staatlichen Akteure und Instrumente dabei heute wegen der Angewiesenheit auf Privatinvestitionen schwächer bzw. indirekter. Es gibt keinen zentralen Träger und damit auch keinen zentralen Akteur der Erneuerung mehr, mit dem ein Verfahren ausgehandelt werden 90
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kann. Die Verwaltung initiiert keine Erneuerungsmaßnahmen selbst, sondern ihre Aufgabe ist die Regulierung und Steuerung der Investitionsabsichten. Zentrale Protagonisten und Finanziers der Stadterneuerung sind damit die privaten Eigentümer. Die EigentümerInnen haben dabei verschiedene Vorstellungen in Bezug auf die Erneuerung ihrer Häuser, verfolgen individuelle Investitionsstrategien, planen ganz unterschiedliche Maßnahmen und verfolgen einen jeweils eigenen Umgang mit den MieterInnen. Wollte die Verwaltung ein bestimmtes Verfahren allen EigentümerInnen gegenüber durchsetzen, müsste sie, insofern ihre Auflagen für die Eigentümerschaft selber nicht finanzierbar sind, diesen öffentliche finanzielle Unterstützung zu sichern. Dafür stehen jedoch nicht ausreichend Fördermittel zur Verfügung. Diese Ausprägungen eines neuen Steuerungssystems haben zur Folge, dass die administrativen Erneuerungsziele verstärkt über Aushandlungsprozesse durchgesetzt werden müssen: bei jedem Erneuerungsvorhaben muss ein Kompromiss zwischen Auflagen der Verwaltung und Absichten der EigentümerInnen gefunden werden. Diese Situation lässt sich als Zwangsverhandlungssystem beschreiben, bei dem eine gegenseitige Vetomacht der beteiligten Akteure vorliegt. Die EigentümerInnen können die Maßnahme verweigern und die Verwaltung kann die Genehmigung versagen. Das Handeln von Akteuren in solchen Situationen ist von Vermeidungsstrategien bestimmt (Prittwitz 1994: 92ff.). Beide haben ein Interesse an der Sanierung. Die Verwaltungen müssen die baulichen Erneuerungsziele der Sanierungssatzungen umsetzen und der Eigentümerschaft, die Bau- und Sanierungsanträge stellt, kann ein Investitionsinteresse unterstellt werden. Während die Verwaltung zugleich den sozialen Sanierungszielen verbunden sind, orientieren sich die EigentümerInnen mehrheitlich an einer wirtschaftlichen Strategie der Ertragssteigerung. In dieser Interessenkonstellation liegt das zentrale Dilemma der Verwaltungen: Die Vetodrohung des Sanierungsapparates ist zugleich Garant und Gefahr für ein wohfahrtsoptimales Ergebnis. Ohne Genehmigungsvorbehalte ist keine sozial verträgliche Miete durchsetzbar – ohne Genehmigung auch keine Investition (Holm 2002: 189). Quasi im Schatten der Genehmigungsvorbehalte und der Verhandlungen zwischen Administration und EigentümerInnen entsteht ein zweites Verhandlungssystem – zwischen den EigentümerInnen und der Bewohnerschaft. Diese Konstellation kann als Verhandlungssimulation beschreiben werden, weil die MieterInnen erst durch verwaltungsseitigen Vorgaben eine künstlich hergestellte Vetomacht erhalten. Wollen EigentümerInnen in den Sanierungsgebieten modernisieren, müssen sie für eine Genehmigung die Zustimmung der BewohnerInnen vorweisen. 91
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Mit diesem Genehmigungsvorbehalt hofft die Verwaltung die Sozialverträglichkeit der Maßnahmen zu sichern, weil ja nichts ohne die Zustimmung der MieterInnen geschehen kann. Zugleich entlasten sich die Verwaltungen mit dieser Festlegung, weil die Rechtssicherheit der sozialen Sanierungsziele nicht mehr bei ihnen, sondern bei den MieterInnen liegt. Diese müssen im Falle einer Nichteinhaltung ihre Vereinbarungen gerichtlich durchsetzen. Gegenstand der Verhandlungen zwischen MieterInnen und EigentümerInnen sind in der Regel Modernisierungsvereinbarungen, in denen wesentliche Fragen des Verlaufs und des Resultats der Modernisierung vertraglich festgelegt werden. EigentümerInnen könnten auch in Sanierungsgebieten auf den klassischen Weg der Modernisierungsankündigung und rechtlich erzwungener Duldung zurückgreifen, erhoffen sich aber durch die Verhandlungen einen Beschleunigungseffekt. Auch aus der Mieterperspektive sind die Modernisierungsvereinbarungen ein freiwilliges Verhandlungssystem, da eine Beteiligung nur mit Erfolgsaussicht (Paretooptimum) erfolgt. Die bezirklich beauftragte Mieterberatung steht ihnen dabei beratend zur Seite, kann ihnen aber die eigentliche Verhandlung nicht abnehmen. Insbesondere durch die ungleiche Ressourcenverteilung innerhalb der Bewohnerschaft sind die Verhandlungsergebnisse selektiv. Insbesondere Haushalte mit höherem sozialen und kulturellen Kapital sind wesentlich besser in der Lage ihre Interessen in den Verhandlungen zu artikulieren und durchzusetzen (Häußermann/Holm/Zunzer 2002: 143ff.). Der Administration kommt in diesem Steuerungsmodus der Stadterneuerung vor allem eine beratende, moderierende und rahmensetzende Rolle zu. Insbesondere gilt dies für den Bereich der individualisierten Wohnungsmodernisierungen.
3 . 3 Ak t e u r e d e r S t a d t e r n e u e r u n g In die Stadterneuerung von Prenzlauer Berg sind viele Akteure eingebunden, ohne deren Zusammenspiel die Erneuerung der Bausubstanz im Bezirk nicht möglich wäre. EigentümerInnen, Verwaltungen, Intermediäre und MieterInnen sind mit ihren jeweils eigenen Interessen präsent und üben einen unterschiedlichen Einfluss auf den Sanierungsprozess aus. Abhängig von ihren jeweiligen Planungs-, Weisungs- und Durchführungskapazitäten gestalten sie das Erneuerungsgeschehen. Auf jeweils verschiedene Weise nehmen sie stärker Einfluss auf die Rahmenbedingungen der Stadterneuerung oder bestimmen die tatsächliche Durchführung von Modernisierungsarbeiten. Die spezifischen Interessen, Ressourcen und Zwänge bestimmen nicht nur die Stellung der einzelnen 92
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Akteure im Erneuerungsprozess, sondern ermöglichen es uns auch, mögliche Konkurrenzen und Interessenswidersprüche genauer kennen zu lernen. Stadterneuerung wird sowohl verstanden als das übergreifende Konzept zur langfristigen Umgestaltung von Nachbarschaften als auch als konkreter Prozess einzelner Wohnungsmodernisierungen. Das Agieren der einzelnen Akteure wird deshalb im Folgenden in zwei Richtungen untersucht: erstens hinsichtlich ihrer Rolle bei der Entwicklung von übergreifenden Stadterneuerungskonzepten und zweitens in Bezug auf ihre spezifischen Aufgaben bei der kleinteiligen Durchführung. Bei der Durchführung beschränke ich mich auf die Aspekte der Wohnungsmodernisierungen, die deutlich im Mittelpunkt der Stadterneuerung in Ostberlin stehen. Die empirische Basis des Akteurswissens sind Interviews mit Beschäftigten der einzelnen Institutionen, Dokumentenauswertungen und teilnehmende Beobachtungen bei verschiedenen stadterneuerungspolitischen Sitzungen (Sanierungsbeirat, verschiedene Ausschusssitzungen in BVV und Abgeordnetenhaus) und öffentlichen Veranstaltungen.
3.3.1 Bezirk und Senatsverwaltung: Leitkompetenz und Konfliktvermeidung Die administrative Aufgabenverteilung bei der Stadterneuerung in Berlin ist komplizierter als in anderen Städten. Sanierungsrecht – grundsätzlich auf die Gemeindeebene bezogen – stößt in Berlin auf eine zweistufige Verwaltung. Das BauGB ist maßgeblich sowohl für die Arbeit auf Senatsebene als auch für die Bezirksverwaltungen. Klare Zuständigkeiten sind jedoch in den zuständigen Paragrafen zur Festlegung von Sanierungsgebieten nicht getroffen. Grundsätzlich werden Verwaltungszuständigkeiten in Berlin mit dem „Allgemeinen Zuständigkeitsgesetz der Berliner Verwaltung (AZG)“ geregelt. Die Hauptverwaltung (der Senat) nimmt dabei alle übergeordneten Aufgaben wahr, „die von gesamtstädtischer Bedeutung sind oder wegen ihrer Eigenart zwingend einer einheitlichen Durchführung bedürfen“ (§ 3 [1] AZG). Die Bezirksverwaltungen sind verpflichtet, an diesen Aufgaben mitzuwirken. Neben den rechtlichen Rahmensetzungen des BauGB sind die Sanierungsatzungen und Förderrichtlinien Ergebnis der politischen Konstellationen im Berliner Abgeordnetenhaus. Auf Bezirksebene werden diese Richtlinien und Orientierungen der Stadterneuerung zum Teil durch Beschlüsse der Bezirksverordnetenversammlungen oder Festlegungen der StadträtInnen konkretisiert. Das führte gelegentlich zu paradoxen Situationen, wenn beispielsweise die von PDS 93
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und Grünen dominierte Bezirksverordnetenversammlung versuchte, die Richtlinien eines CDU/SPD-Senates umzusetzen. Faktisch setzt die Senatsverwaltung mit Ausführungsvorschriften, Grundsätzen, Richtlinien und Anweisungen die Rahmenbedingungen für das bezirkliche Verwaltungshandeln. Die bezirklichen Verwaltungsstellen erteilen die Sanierungsgenehmigungen auf Grundlage von überbezirklichen Richtlinien, aber auf Basis bezirkspolitischer Konkretisierungen. Die Arbeit der Bezirke unterliegt allerdings der Fachaufsicht der zuständigen Senatsverwaltung. Diese hat gegenüber den Verwaltungsstellen Informations-, Weisungs-, Aufhebungs- und Eintrittsrecht und kann die bezirklichen Freiheiten bei der Ausgestaltung der Richtlinien bzw. Vorgaben jederzeit einschränken. So kann sie jede Angelegenheit an sich ziehen, wenn ihre Weisungen nicht befolgt werden. Die mit der Stadterneuerung befasste Senatsverwaltung wechselte innerhalb der 90er Jahre mehrfach ihren Namen und Zuständigkeitsbereich. Bis 1996 hieß sie „Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen“, dann „Senatsverwaltung für Bauen, Wohnen und Verkehr“, seit Ende 1999 „Senatsverwaltung für Stadtentwicklung“. Die zuständige Abteilung IV C blieb allerdings in ihrer Personalausstattung und Zusammensetzung weitgehend unverändert. Auf Bezirksebene sind insbesondere die Sanierungsverwaltungsstelle (SVS) und das Stadtplanungsamt (SPA) für die Sanierungs- und Milieuschutzgebiete verantwortlich. Neben den jeweiligen Amtsleitern, die die Arbeit für den Gesamtbezirk koordinieren, sind abhängig von der Größe für die einzelnen Sanierungs- und Milieuschutzgebiete jeweils ein oder zwei MitarbeiterInnen zuständig. Beide Verwaltungen unterstehen den jeweiligen BaustadträtInnen. Unabhängig von den Richtlinien der Stadterneuerung werden das Tief- und Hochbauamt sowie in Sonderfragen das Natur- und Grünflächenamt an Teilaspekte von baulichen Veränderungen in den Bezirken beteiligt. In Einzelfällen kann die Stadterneuerung einen komplexen Abstimmungsbedarf erfordern.
Einfluss der Administration auf die Gebietsebene der Stadterneuerung Wie schon aus der Aufgabenverteilung nach dem bereits beschriebenen Zuständigkeitsgesetz hervorgeht, ist die Senatsverwaltung für zentrale Aufgaben zuständig. Für die Stadterneuerung bedeutet dies eine Verantwortung für die übergreifenden Rahmenbedingungen. Das sind im Einzelnen: die Bestimmung der Gebiete für „Vorbereitende Untersuchungen“, die förmliche Festlegung der „Sanierungsgebiete“ und deren Aufhebung, die Bestimmung der grundsätzlichen Sanierungsziele, das 94
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Aufstellen der Förderprogramme und deren Abwicklung und Abrechnung und schließlich die Beauftragung und Finanzierung von Sanierungsträgern und -beauftragten. Die Auswahl der Gebiete, in denen Sanierungssatzungen förmlich erlassen wurden, folgte einer Mischung von politischen Kriterien und pragmatischen Überlegungen, die in Absprache und Diskussion mit den zuständigen Bezirksverwaltungen und den künftigen Sanierungsbeauftragten ausgehandelt wurden. Erich Konter, ordnete die Stadterneuerung in den gesellschaftlichen Kontext des Anschlusses ein: „Eindeutige politische Priorität hat auch die Erneuerung des Prenzlauer Berges; hier sollten Signale der Erneuerung bzw. des gesellschaftlichen Wandels [...] gesetzt werden“ (Konter 1994: 165). Gerade der von der DDR-Baupolitik vernachlässigte Bezirk bot sich an, die Überlegenheit der neuen Ordnung zu beweisen. Daneben spielten aber auch stadtentwicklungspolitische Überlegungen eine Rolle. Vor allem mit der Perspektive auf ein international wettbewerbsfähiges Berlin, wie es in der so genannten Treuner-Studie (Senatsverwaltung für Wirtschaft und Technik 1992) angestrebt wurde, hatte auch die Stadterneuerung dazu beizutragen, die Attraktivität des Standortes voran zu bringen. Im 20. Stadterneuerungsbericht der Senatsverwaltung an das Abgeordnetenhaus wird die Festlegung der Sanierungsgebiete in Ostberlin dann auch folgerichtig begründet: „Ein Liegenlassen dieser Quartiere würde zu einer Slumbildung im ,Hinterhof‘ des neuen Regierungsviertels führen“ (SenBWV 1997: 20). Neben diesen gesellschafts- und stadtpolitischen Begründungen wurden für die Festlegung der Sanierungsgebiete aber auch architektonische Kriterien (Gründerzeit- bzw. Altstadtensemble) und ein bereits aus DDRZeiten bestehender Planungsvorlauf herangezogen. Die Festlegung der jeweiligen Größen und Grenzen der Sanierungsgebiete folgte nicht immer strengen fachlichen Kriterien. Weder die Auslassung ganzer Quartiere (wie das Gebiet um den Falkplatz in Prenzlauer Berg) noch die Herausnahme von einzelnen Blöcken oder Straßenzügen aus den Sanierungsgebieten konnten mit städtebaulichem Bedarf erklärt werden. Allein die finanzielle Ausstattung der Stadterneuerung setzte einer flächendeckenden Ausweisung die Grenzen. Obwohl in den ersten Untersuchungen und Überlegungen Anfang der 90er Jahre noch von einem Erneuerungsbedarf von 180.000 Altbauwohnungen in Ostberlin ausgingen (SenBauWohn 1990), wurden Sanierungsgebiete lediglich im Umfang 81.449 Wohnungen festgelegt, etwa 32.000 davon allerdings allein in Prenzlauer Berg. Die Bestimmung der grundsätzlichen Sanierungsziele erfolgte in Berlin durch den Erlass verschiedener Richtlinien und Leitsätze, die für die Durchführungspraxis der Stadterneuerung maßgeblich sind. Insbe95
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sondere zu nennen sind dabei die so genannten „Leitsätze zur Stadterneuerung in Berlin“ (1993), die Richtlinien zum Sozialplanverfahren8 und die Ausführungsvorschriften zum Besonderen Städtebaurecht9. Die einzelnen Ausführungen haben jedoch einen unterschiedlichen administrativen und rechtlichen Stellenwert. Während die Sozialplanrichtlinien als gesetzliche Auflage des § 180 BauGB ausdrücklich von der Gemeinde zu bewältigen sind, müssen die Sanierungsziele nach § 144 BauGB von den Gemeinden weder begründet noch veröffentlicht werden und bewegen sich damit in einer administrativ-juristischen Grauzone (Tietzsch 1996: 134ff.). Zur Sozialplanung heißt es im Gesetz: „Wirken sich Bebauungspläne oder städtebauliche Sanierungsmaßnahmen voraussichtlich nachteilig auf die persönlichen Lebensumstände der im Gebiet wohnenden und arbeitenden Menschen aus, soll die Gemeinde Vorstellungen entwickeln und mit den Betroffenen erörtern, wie die nachteiligen Auswirkungen möglichst vermieden werden können“ (§ 180 BauGB Abs. I Satz 1). Hinter der Formulierung soll verbirgt sich in der gängigen juristischen Auffassung, dass die Gemeinde solche Vorstellungen entwickeln muss. Diese gesetzliche Aufgabe zur Sozialplanung mit den Sozialplanrichtlinien erfüllt. Auf der Grundlage von Gesprächen und personengebundenen Daten – deren Auskunftspflicht im § 138 Abs. 2 BauGB verlangt und geregelt ist – werden wohnungsweise Sozialpläne aufgestellt. Darin sind die Bedingungen festzuschreiben, die mit der Genehmigung der beantragten Bauarbeiten verknüpft sind. Gegebenenfalls gibt es Festlegungen, um MieterInnen für eine befristete Zeit einen finanziellen Härteausgleich zu gewähren. Diese Richtlinien bilden die gesetzliche Arbeitsgrundlage und politischen Rahmenbedingungen für die Mieterberatungsgesellschaften, die in Berlin unter Verwaltungsregie der Bezirke mit der Durchführung der Sozialplanverfahren beauftragt sind. Die Sozialplanrichtlinien sind als eine Konkretisierung der gesetzlichen Festlegungen zu verstehen, die einzelfallbezogen angewendet werden können.
8 „Richtlinien über das Verfahren der Sozialplanung und der Einleitung, Aufstellung, Feststellung und Durchführung des Sozialplanes für die Wohnbevölkerung (SozPlRL)“ vom 7. Februar 1985, Anfang 2000 aktualisiert durch „Ausführungsvorschriften des Landes Berlin zu Sozialplanung, Sozialplan und Sozialplanverfahren (Wohnungsmieter) – AV BauGB Soz – bei städtebaulichen Sanierungsmaßnahmen nach § § 136-164b BauGB“ 9 „Ausführungen des Landes Berlin zum Besonderen Städtebaurecht § § 136-171 des Baugesetzbuches (BauGB), Städtebauliche Sanierungsmaßnahmen (AV BauGB – San) und städtebauliche Entwicklungsmaßnahmen“ vom 19. Mai 1995, erlassen von SenBauWohn IV C 35-2
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Die „Leitsätze zur Stadterneuerung in Berlin“ hingegen sind für eine unmittelbare Anwendung im Einzelfall nicht zugänglich. Als politisches Grundsatzpapier der Berliner Stadtpolitik vom Berliner Senat 1993 beschlossen, spiegeln sie den damaligen Kompromiss verschiedener politischer und wirtschaftlicher Interessen wider, die die Stadtpolitik bestimmten. In den Leitsätzen werden die Ziele, Grundsätze, Verfahren und Instrumente der Stadterneuerung in einer sehr allgemeinen Form umrissen. Die einzelnen Abschnitte und politischen Vorgaben lassen sich nicht direkt in eine Verwaltungspraxis übertragen, sondern müssen zum Teil von den Bezirken konkretisiert werden. Die Ziele der Stadterneuerung werden mit allgemeinen Formulierungen für die Bereiche der baulichen Erneuerung, der Beteiligung und der sozialen Auswirkungen benannt: Bauliches Ziel: Unter der Überschrift „2. Ziel der Erneuerung ist der Erhalt der bestehenden baulichen und städtebaulichen Struktur“ heißt es weiter: „Wesentliche Zielsetzung für die Sanierungsgebiete ist, dass deren infrastrukturelle Defizite mit Priorität beseitigt werden und die mit erheblichen Missständen belastete Wohn- und Gewerbesubstanz grundinstandgesetzt und modernisiert wird. [...] Die Anpassung an einen zeitgemäßen Wohnstandard, jedoch nicht grundsätzlich an den des Wohnungsneubaus, ist Gegenstand allgemeiner Stadtentwicklungspolitik.“ Planerisches Selbstverständnis: Unter Punkt 11. heißt es: „In den Sanierungsgebieten sind Betroffenenvertretungen zu bilden. Durch Sozialplanverfahren und offene Beratung sind die Belange der Bewohner und Nutzer einzubringen.“ Konkreter ausgeführt wird dieses Partizipationsverständnis wie folgt: „Die hohen Erwartungen in den östlichen Bezirken an die Demokratie und damit auch an die Möglichkeit, bei Planung und Durchführung der Stadterneuerung mitwirken zu können, sind durch eine konsequente Anwendung des Sozialplanverfahrens und der Mitwirkungsmöglichkeiten der Betroffenen einzulösen.“ Dennoch bleiben die Leitsätze auch zu diesem Aspekt weitgehend vage. Wie diese Beteiligung tatsächlich organisiert werden soll, wird zwar in „Ausführungsvorschriften zur Beteiligung und Mitwirkung der Betroffenen“ genauer beschrieben, bleibt aber in der Praxis Aufgabe der Bezirke. Soziale Auswirkungen: Als ein zentraler Grundsatz wird die Orientierung der Erneuerung an den Bedürfnissen der Betroffenen sowie die Sozialverträglichkeit der Maßnahmen und Verfahren benannt. Konkret aufgeführt werden folgende Aspekte: „Auch bei vielfach freifinanzierten Modernisierungsaktivitäten sind für die Stadterneuerungsgebiete negative Auswirkungen zu vermeiden, die den sozialen Zielen einer Gebietserneuerung und dem Erhalt der Sozialstruktur entgegenstehen; bei gebietstypisch unterschiedlicher Ausprägung gilt es zu vermeiden: die Ver97
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drängung insbesondere einkommensschwacher Bevölkerungsgruppen, die Beschleunigung von Segregationsprozessen mit der Folge einer einseitigen Bevölkerungsentwicklung und der Destabilisierung der Gebietsbevölkerung sowie individuelle Härten insbesondere für anpassungsunfähige Haushalte. Die Erneuerungsmaßnahmen sollen es den Bewohnern grundsätzlich ermöglichen, im Gebiet zu verbleiben. Die mit den Erneuerungsmaßnahmen verbundenen Mietsteigerungen sind daher [...] an den Möglichkeiten der Bewohner zu orientieren.“ Wie diese Ziele im Einzelnen ausgelegt und umgesetzt werden, bleibt Sache der Bezirke und Sanierungsbeauftragten. Insgesamt bestimmt die Senatsverwaltung die Sanierungsprozesse mit diesen Grundsatzausführungen auf einem sehr allgemeinen Niveau. Die Umsetzung obliegt den bezirklichen Verwaltungen und Beauftragten. Die Fachaufsicht ermöglicht es der Senatsverwaltung jedoch, in einzelne Entscheidungen einzugreifen. Für generelle Konkretisierungen der Stadterneuerungspraxis gibt es die Ausführungsvorschriften, die als administrativ verbindliche Handlungsweisungen erlassen werden können. Solche Ausführungsvorschriften sind allerdings nur in wenigen Fällen erlassen worden. Einige Beispiel der Stadterneuerung zeigen aber, dass bereits die Diskussion darüber die Praxis der Bezirke beeinflusst. Ebenfalls wichtig für die grundsätzliche Bestimmung der Stadterneuerung ist die Ausgestaltung der Förderprogramme. Auch hier kommt es in Berlin wieder zu der beschrieben Arbeitsteilung zwischen Landesbehörde und Bezirken bzw. den Sanierungsbeauftragten. Die Senatsverwaltung legt mit ihren „Förderrichtlinien“ die Rahmenbedingungen zur Vergabe von Fördergeldern fest – die konkrete Umsetzung ist Aufgabe des Sanierungsbeauftragten. Die Förderrichtlinien setzen jedoch vor allem für finanzielle und wohnungspolitische Aspekte einen sehr engen Rahmen. Auch die jährlichen Fördersummen in den einzelnen Programmteilen und für die jeweiligen Bezirke sind zentrale Entscheidungen, mit denen in den Sanierungsgebieten umgegangen werden muss. In den letzten Jahren verschlechterten sich die Konditionen durch die Verlagerung direkter Baukostenzuschüsse auf Aufwendungszuschüsse zur Refinanzierung von Darlehen und Krediten. Hinzu kamen festgelegte Mietstaffelungen, die zum Teil über den bezirklichen Mietobergrenzen liegen. Diese Entwicklung macht die Programme zunehmend unattraktiv sowohl für EigentümerInnen als auch für MieterInnen.
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Einfluss der Administration auf einzelne Wohnungsmodernisierungen Die administrative Struktur der Stadterneuerung wirkt sich nicht nur auf der Gebietsebene aus, sondern zugleich in die einzelnen Modernisierungsmaßnahmen hinein. Die Stadterneuerung in Ostberlin ist stärker als das Modell der Behutsamen Stadterneuerung in Kreuzberg auf Wohnungsmodernisierungen konzentriert. Das hat wie beschrieben vor allem drei Ursachen: Erstens die andere Eigentümerstruktur. Statt der von Sanierungsträgern übernommenen Blöcke stehen vor allem im Einzelbesitz befindliche Einzelgrundstücke zur Sanierung an. Zweitens die reduzierte öffentliche Förderung und drittens der riesige Erneuerungsbedarf. Hinzu kommen Drittens die Erwartungen hinsichtlich der wohnungspolitischen und sozialen Folgen der Erneuerung. Wohnungsmodernisierung ist dabei ein, wenn nicht der entscheidende Punkt. Neben den beratenden und moderierenden Aufgaben, die von den Sanierungsbeauftragten übernommen werden, sind die Sanierungsverwaltungsstellen und Stadtplanungsämter der Bezirke die entscheidende administrative Instanz der Stadterneuerung. Die Regulierung und Steuerung erfolgt für die einzelnen Modernisierungsmaßnahmen, indem Haus für Haus die rechtlichen Instrumentarien des Genehmigungsverfahrens angewandt werden. Mit einer Fülle von Instrumenten (siehe 3.2.) können die Verwaltungen auf einzelne Anträge und Pläne von EigentümerInnen reagieren und versuchen, die Sanierungsziele zu sichern. Das nachhaltigste Mittel ist die Möglichkeit, Genehmigungen zu versagen oder Auflagen zu erteilen. Allerdings orientiert sich die Genehmigungspraxis an einer weitgehenden Konfliktvermeidung sowohl gegenüber den EigentümerInnen als auch gegenüber der zuständigen Fachaufsicht (Senatsverwaltung). Bereits in den Leitsätzen wird auf Verhandlungen orientiert und die Vermeidung von Widersprüchen seitens der Eigentümerschaft zum Gebot der administrativen Praxis erhoben. In einem rechtlichen Gutachten für die Senatsverwaltung ist diese Verhandlungsorientierung folgendermaßen formuliert: „Grundsätzlich muss in jedem Fall, bei dem die Versagung der Genehmigung wegen eines Widerspruch zu einem der Sanierungsziele ansteht, aber ein Interesse der Gemeinde an der Durchführung von Sanierungsarbeiten besteht, mindestens ein gut vorbereiteter Erörterungstermin stattfinden, in welchem verbindlich geklärt wird, ob eine klare Bereitschaft besteht, die Bedenken durch Änderung des Antrages und andere geeignete Maßnahmen auszuräumen“ (Tietzsch 1996: 164). Versagungen und Sanktionen – im administrativen Normalfall bürokratische Routineakte – werden in der Berliner Stadterneuerung der 90er 99
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Jahre zum Hebel für Verhandlungsstrategien. Statt direkt mit den rechtlichen Vorschriften zu steuern, werden diese als Drohkulisse in die Verhandlungen eingebracht und dienen eher indirekt der Durchsetzung der angestrebten Ziele.
Die Verwaltung in der Stadterneuerung: Zentrale Stellung und fragile Struktur Die Senatsverwaltung ist sowohl formell administrativ als auch faktisch mit ihrer letztlich leitgebenden Kompetenz bei der Gestaltung der Rahmenbedingungen die entscheidende politische Instanz der Stadterneuerung in Berlin. Hier werden die Richtlinien, Leitsätze und Verwaltungsanordnungen erarbeitet. Für die praktische Umsetzung und Betreuung sind jedoch die Bezirksverwaltungen zuständig. Diese Aufgabenteilung zwischen Bezirk und Senat ist nicht nur eine bürokratische Kompetenzhierarchie, sondern auch Ursprung potentieller Konflikte. Relativ unproblematisch ist das Zusammenspiel in allen Angelegenheiten, bei denen öffentliche Fördermittel oder Ordnungsmaßnahmemittel abgewickelt werden. Zum einen handelt es sich in den meisten Fällen um eine willkommene Zuwendung, zum anderen gibt es ein streng vorgeschriebenes Prozedere, das von den verschiedenen Beteiligten (Sanierungsverwaltungsstelle, Senatsverwaltung, Sanierungsbeauftragten, Mieterberatung und den EigentümerInnen) abzuarbeiten ist. „Komplizierter wird die Zusammenarbeit, wenn der Senat durch Grundsätze die Arbeit der Bezirksbehörden lenkt oder durch Ausführungsvorschriften in die konkrete Verwaltungsarbeit vor Ort eingreift. Überall dort versuchen Bezirksverwaltungen naturgemäß, entweder eine ihr Handeln legitimierende ,Rückendeckung‘ durch die Senatsverwaltung zu kriegen, oder diese ,draußen‘ zu halten“ (Bernt 2003: 171). Relativ typisch für vertikale Hierarchien von bürokratischen Strukturen sind unterschiedliche Blickwinkel und Problemannäherungen von verschiedenen Organisationsebenen. Während sich die Verwaltungsspitze an grundlegenden Fragen der Finanzierung und politischen Legitimierung orientiert, sind die Sanierungsverwaltungsstellen und Stadtplanungsämter unmittelbar mit der Ausführung der Stadterneuerung konfrontiert und müssen um praktikable Lösungen für konkrete Einzelfälle ringen (vgl. z.B. Grauhan 1975, Hirsch 1974, Häußermann 1977). Die relativ offenen Formulierungen vieler Vorschriften, Leitsätze und Richtlinien sind in der Regel konkret genug, um auf einer gesamtstädtischen Ebene die Ziele, Mittel und Aufgaben der Stadterneuerung zu legitimieren. Sie überlassen aber zugleich den ausführenden Verwaltungsorganen genügend Spielraum. Reibungen können von beiden Ebe100
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nen ausgehen. Entscheidungen von „oben“, die die Rahmenbedingungen verändern und an der Verwaltungsbasis zur Infragestellungen bisheriger Routinelösungen führen, sind ebenso konflikthaltig wie im Alltagshandeln eingeschliffene Handlungsmuster und Lösungsstrategien der unteren Verwaltungsebenen, die sich in den Politikarenen der Verwaltungsspitze nicht ohne weiteres legitimieren lassen. Zusätzlich gebrochen werden die administrativen Blöcke durch die jeweils politisch besetzten Leitungsposten (SenatorIn bzw. StadträtIn), die oftmals ihre eigenen Ziele verfolgen, um in der Logik von Wahlämtern erfolgreiche Projekte zu verwirklichen und das eigene politische Prestige auszubauen. Auch hier treffen zum Teil unterschiedliche Welten aufeinander. Für die Stadterneuerung in Ostberlin konnte das in den 90er Jahren bedeuteten, dass eine weitgehend aus der Phase der Behutsamen Stadterneuerung stammende Senatsverwaltung unter einem CDUStadtentwicklungssenator arbeitete und dabei einer vorwiegend aus der DDR-Administration übernommenen Bezirksverwaltung und einer grünen Baustadträtin oder einem PDS-Baustadtrat gegenüberstand. In diesem Geflecht unterschiedlicher Interessen, politischer Orientierungen und Verwaltungskulturen eine einheitliche Stadterneuerungspolitik zu finden, war kompliziert. Bereits in dieser Grundkonstellation des politisch administativen Systems wird deutlich, wie sehr die konkrete Durchführung der Stadterneuerung in Ostberlin das Ergebnis eines Aushandlungsprozesses sein musste.
3.3.2 Intermediäre – Zwischen bürgerschaftlicher Professionalität und parastaatlichen Instrumentalisierung Intermediäre werden in den verwaltungsorientierten Politik- und Sozialwissenschaften Akteure benannt, die zwischen staatlich-administrativen Strukturen und bürgerschaftlichen Interessen oder Körperschaften eine vermittelnde Rolle einnehmen. Klassische Intermediäre sind die Nichtregierungsorganisationen (NGO), da sich nur unabhängig von den staatlich-administrativen Strukturen eine tatsächliche Vermittlerrolle entwickeln lässt. Zugleich sind sie aber in ihren Organisationsstrukturen wesentlich besser als lose Bürgerschaftsvertretungen in der Lage, sich in Administrationslogiken zurechtzufinden und verwaltungskompatible Lösungsvorschläge in strittigen Fragen zu entwickeln. In neueren Studien werden diese vermittelnden Institutionen als Ausdrucksformen neuer, integrierender Herrschaftsstrategien untersucht (Rose 2000) und als parastaatliche Organisationen angesehen (Lanz 2000; Eick/Grell 2002). Zum einen wird dabei im Rückgriff auf Fou101
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cault’sche Machttheorien eine Regierungsform der Selbstführung verstanden, bei der Macht nicht mehr von den Herrschenden durchgesetzt werden muss, sondern von den Regierten selbst gestaltet wird (Lemke 1997: 255). Intermediäre bewegen sich dabei nicht allein durch ihre Position zwischen Administration und Basis, sondern vor allem mit ihren aktivierenden Momenten in dieser Logik. Die andere Seite des Übergangs zu integrierten Herrschaftsstrategien ist eine immer schwerer zu treffende Unterscheidung zwischen staatlichen und intermediären Akteuren. Im Zuge einer Flexibilisierung und Ökonomisierung staatlichen Handelns übernehmen etwa die staatlich oder öffentlich beauftragten Träger verstärkt quasistaatliche Aufgaben. Ihre Analyse als parastaatliche Akteure reflektiert damit sowohl die Privatisierung staatlicher Aufgaben als auch ihre stabilisierende Funktion bei der Reorganisation der gesellschaftlichen Herrschaftsbeziehungen. Insbesondere zur Betrachtung solch komplizierter politisch-administrativen Arrangements wie der Stadterneuerung bietet sich ein Verständnis von Regimen an, bei denen trotz bestehender Interessengegensätze ein gemeinsames Projekt – wie etwa die Erneuerung der Ostberliner Altbausubstanz – verfolgt und realisiert wird. Im Mittelpunkt der Fragestellung zu den Intermediären steht deren Anteil am Gelingen der Stadterneuerung und deren Stellung zu den anderen Akteuren. Eine abgrenzende Definition von Intermediären umfasst alle Akteure, die weder politisch-administrative Institutionen noch privatwirtschaftliche Körperschaften oder zivilgesellschaftliche Vertretungen sind. In der Stadterneuerung trifft das auf den Sanierungsbeauftragten (in Prenzlauer Berg die S.T.E.R.N. GmbH) und die Mieterberatung (in Prenzlauer Berg die Mieterberatung Prenzlauer Berg. Gesellschaft für Sozialplanung und Mieterberatung mbH) zu. Im Folgenden werden beide Akteure in ihrer Rolle bei der Gestaltung der Rahmenbedingungen der Stadterneuerung und auch bei der konkreten Durchführung einzelner Maßnahmen vorgestellt.
Mieterberatung – Zwischen Bewohnerinteressen und Verfahrenssicherung Ein zentraler Akteure der Stadterneuerung ist die „Mieterberatung Prenzlauer Berg. Gesellschaft für Sozialplanung und Mieterberatung mbH“. Ihr Aufgabenbereich ist seit 1971 die gesetzlich vorgeschriebene Sozialplanung von Sanierungsprozessen. In den 70er und 80er Jahren gab es noch kontroverse stadtplanerische Diskussionen über die Umsetzung der Sozialplanung (Becker u.a. 1982; Heil 1992: 17ff.). In den 90ern hat sich in der Erneuerungspraxis aber weitgehend eine individua102
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lisierte Interpretation von „Sozialplanung“ durchgesetzt – auch in Berlin. In den entsprechenden Ausführungsvorschriften werden die Aufgaben der Sozialplanung ausschließlich als haushaltsbezogene Hilfen beschrieben: „Vorstellungen (zu finden) wie nachteilige Auswirkungen für die Wohnbevölkerung vermieden oder gemildert werden können, insbesondere bezüglich: finanzieller Hilfsmaßnahmen (Entschädigungszahlungen, Härteausgleich u.a.), der Sicherung einer angemessenen, bedarfsgerechten Wohnraumversorgung [...], dem Angebot an objektbezogener Beratung und Betreuung im Rahmen von Sozialplanverfahren, sonstigen Angeboten und Hilfsmaßnahmen“ (Senatsverwaltung für Stadtentwicklung 2001: 9). Sozialplanung in diesem Verständnis bedeutet in erster Linie, die persönlichen Interessen und Befürchtungen von Sanierungsbetroffenen zu ermitteln und im laufenden Sanierungsprozess zu vertreten. In den Sozialplanrichtlinien (SozPlRL) sind für die Umsetzung der Sozialplanung verschiedene Phasen festgelegt. Die soziale Lage und mögliche Härtefälle in den zu modernisierenden Häusern werden erfasst. Falls erforderlich werden für einzelne Haushalte Maßnahmen festgelegt, um nachteilige Auswirkungen der Erneuerung zu vermeiden oder zu mildern. Die Übertragung des Sozialplansverfahrens auf die privatfinanzierte Erneuerung schwächt jedoch die Wirksamkeit des Instruments. Die Kontroll- und Sanktionspotentiale für die Durchsetzung der Auflagen sind nur gering entwickelt und die bei Förderhäusern üblichen finanziellen Kompensationen des Sozialplanverfahrens können bei freifinanzierten Modernisierungen nicht in die Genehmigungen einfließen (Klitzing 1997).
Einfluss der Mieterberatung auf übergreifende Themen der Stadterneuerung Die Arbeit der Mieterberatung besteht nicht nur in der direkten Beratung der Mieterschaft. Die Beschäftigten nehmen vor allem auch an den sanierungsrechtlichen Erörterungen bei der Sanierungsverwaltungsstelle teil. Dort geht es unter anderem um die Aufnahme von Auflagen in die Genehmigungsbescheide und um die Aushandlung von Modernisierungsvereinbarungen zwischen Mieterhaushalten und EigentümerInnen. Durch diese Dauerpräsenz in den administrativen Entscheidungsrunden hat die Mieterberatungsgesellschaft einen indirekten Einfluss auf die allgemeine Gestaltung des Sanierungsgeschehens. Insbesondere bei der Entwicklung von Verwaltungsroutinen im Genehmigungsprozess füllt die Mieterberatung eine Gestaltungsfunktion aus. Ihre Arbeit ist auf Konsens und eine langfristig konfliktfreie Zusammenarbeit ausgerichtet. Dieser Orientierung entsprechen besonders die § 144- und § 172-Run103
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den. Sie können als Musterbeispiele eines Regimehandelns gelten, bei dem mit Rücksicht auf das gemeinsame Handeln eigene Interessen zurückgestellt und Konzessionen an die anderen Akteure eingeräumt werden. In diesen Balanceakt von Interessenkampf und Konsensorientierung werden auch die Positionen der Mieterberatung miteinbezogen. So hat sich weitgehend durchgesetzt, öffentlich-rechtliche Verpflichtungen der EigentümerInnen im Sanierungsprozess mit Modernisierungsvereinbarungen zwischen den EigentümerInnen und den einzelnen MieterInnen auch privatrechtlich abzusichern. Die Ideen und die Vorlagen dieser Modernisierungsvereinbarungen wurden von der Mieterberatungsgesellschaft erarbeitet und gehören mittlerweile zum administrativen Normalfall eines Genehmigungsverfahrens. Neben dieser Gestaltung durch Eingebundenheit gab es immer wieder Initiativen der Mieterberatungsgesellschaft, über Gutachten und Studien auch einen öffentlichen und politischen Diskussionsprozess zu eröffnen und die eigene Position im Akteursgeflecht zu stärken oder die eigene Arbeit politisch oder juristisch zu legitimieren. Insbesondere zur Frage von Mietobergrenzen und der Möglichkeit, diese in den Genehmigungsverfahren durchzusetzen, hat die Mieterberatungsgesellschaft über Jahre hinweg mit Gutachten, Expertisen und Fachtagungen wiederholt die Initiative ergriffen und das Projekt in die Praxis der Sanierungsverwaltungen implantiert. Auf der anderen Seite steht das Beispiel der Mietobergrenzen aber auch für die Beschränkungen, die den einzelnen Akteuren in einem Regime auferlegt sind. Bei der konkreten Umsetzung der Idee wurden die Mietobergrenzen in ihrer zeitlichen Wirkung und der Höhe der Einstiegsmieten soweit entschärft, dass ein zuverlässiger Schutz vor Verdrängung letztlich offen blieb.
Rolle der Mieterberatung bei einzelnen Wohnungsmodernisierungen Stärker als auf der generellen und allgemeinen Ebene der Stadterneuerung wirkt sich die Arbeit der Mieterberatungsgesellschaft auf die Ergebnisse der Wohnungsmodernisierungen aus. In Verwaltungsregie der Bezirke werden sie mit der Durchführung der Sozialpläne beauftragt und sind die zentrale Vermittlungsinstanz zwischen Verwaltungen, EigentümerInnen und MieterInnen. Voraussetzung dafür wäre im klassischen Sinne eine intermediäre Stellung im Sanierungsprozess. Konkreten Einfluss auf die Durchführung einzelner Modernisierungsmaßnahmen kann die Mieterberatung insbesondere durch die Aufstellung und Durchführung von Sozialplanverfahren und das so genannte Umsatzmanagement nehmen.
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Das Sozialplanverfahren als Instrument der Mieterberatung im Sanierungsgebiet Das Sozialplanverfahren ist die gesetzlich vorgeschriebene Unterstützung von BewohnerInnen oder Gewerbetreibenden in Sanierungsgebieten, die durch städtebauliche Sanierungsmaßnahmen oder Entwicklungsmaßnahmen nachteilig in ihren persönlichen Lebensumstände betroffen sind. Dahinter steht die Vorstellung einer umfassenden staatlichen Verantwortung. Die durch die administrative Festlegung von Sanierungsgebieten angetriebenen Veränderungen in den entsprechenden Gebieten sollen sich nicht negativ auf die Bewohnerschaft auswirken. Um das auch unter den Umständen von Baumaßnahmen sicherzustellen, greift der Staat in persona der Mieterberatung den Betroffenen helfend unter die Arme. Ein formales Sozialplanverfahren wird eingeleitet, sobald die Mieterberatung von anstehenden Bauarbeiten in einem Haus erfährt. Diese Erstinformation kommt entweder von den MieterInnen selbst, weil diese ein Ankündigungsschreiben erhalten haben, durch Gerüchte im Umfeld des Hauses oder über die Ämter, weil EigentümerInnen beim Stadtplanungsamt (SPA) oder bei der Sanierungsverwaltungsstelle (SVS) Anträge auf Genehmigung von Baumaßnahmen gestellt haben. Nach Aussage der Mieterberatung kommen die meisten Erstinformationen, vor allem bei den umfassenden Maßnahmen, von der Mieterschaft. Das bedeutet, viele EigentümerInnen gehen nicht als erstes zum Amt, um einen Antrag zu stellen, sondern versuchen, ihre Vorstellungen direkt gegenüber den MieterInnen durchzusetzen. In solchen Fällen sind die sozialen Auflagen einer sanierungsrechtlichen Genehmigung kaum umsetzbar. Es ist deshalb eine Aufgabe der Mieterberatung, das Amt über bereits begonnene oder bevorstehende Baumaßnahmen zu informieren. Ebenfalls in dieser ersten Phase des Sozialplanverfahrens lädt die Mieterberatung zu einer Mieterversammlung ein. Ausgehend von den Anträgen der EigentümerInnen informiert sie über den Umfang der geplanten Maßnahmen und über die allgemeinen Abläufe und Bedingungen einer Sanierung. Insbesondere das Wissen um Mietobergrenzen, mögliche Umsatzwohnungen während der Bauphase und schließlich die angekündigte Begleitung des gesamten Verfahrens durch die Mieterberatung sollen den MieterInnen die Angst vor der Modernisierung nehmen und sie ermuntern, ihre Interessen zu formulieren und durchzusetzen. Doch nicht immer haben diese Versammlungen die Aufgabe, die BewohnerInnen der Häuser mit Informationen eines bereits gestellten Antrages auszustatten. Es gibt auch Mieterversammlungen, bei denen Mieterberatung und Mietparteien gemeinsam alle vorliegenden Informa105
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tionen zur bevorstehenden Modernisierung zusammentragen und ihr Vorgehen abstimmen. Solche Hausversammlungen ohne administrativen Vorlauf sind vom Sanierungsrecht nicht direkt gedeckt, werden aber im Bezirk durchgeführt, wenn sich die Anzeichen für eine Modernisierungsaktivität häufen. „Da machen wir manchmal schon eine Mieterversammlung, wenn wir noch gar nicht wissen, was konkret passiert, sondern einfach um zu sehen, wie ist die Situation, die soziale und die sonstige Situation der Mieter im Haus, und wie können sie vorgehen, wie sollen sie vorgehen, solange, bis überhaupt konkret was angekündigt wird“ (Experteninterview mit der Mieterberatung). Gibt es eine Beauftragung für ein Sozialplanverfahren (SPV) durch den Bezirk10, beginnt mit den haushaltsweisen Aufstellungen der Sozialpläne die zweite Phase des Sozialplanverfahrens. Dafür nimmt die Mieterberatung Kontakt zu allen BewohnerInnen auf, befragt sie nach ihrer sozialen Situation und versucht im Gespräch ein so genanntes Mietervotum zu erlangen. Als Mietervotum wird eine Tendenzaussage der Mieterschaft zur bevorstehenden Modernisierung bezeichnet. Diese Mietervoten können etwa heißen: „Mieterin Y ist generell für eine Erneuerung ihrer Wohnung, stimmt aber auf keinen Fall Grundrissänderungen zu“ oder „Mieter X stimmt der Erneuerung zu, würde aber am liebsten in eine etwas größere Wohnung umgesetzt werden“ oder „Familie Z hat bereits eine Gasetagenheizung und ein Bad und lehnt weitere Modernisierungen in der Wohnung ab“. Auf Grundlage der Mietervoten entsteht nach und nach ein Gesamtbild von der Stimmung im Haus. Die Mieterberatung kann dann einschätzen, wie viele Mietparteien eine Modernisierung akzeptieren, wie viele nach einer Umsetzung auf jeden Fall in ihre Wohnungen zurückkehren wollen und wie viele einer Modernisierung skeptisch gegenüberstehen. Entsprechend dieser Übersichten kann die Mieterberatung in der dritten Phase des Sozialplanverfahrens einen beratenden Einfluss auf das Genehmigungsverfahren ausüben und gleichzeitig wohnungsweise Maßnahmen einleiten, die den Wünschen der BewohnerInnen entgegenkommen. In den haushaltsbezogenen Sozialplanaufstellungen werden auch Fragen der Umzugsorganisation und Härtefallregelungen besprochen und eingeleitet. Insbesondere für MieterInnen, die wegen ihres Einkommens eine Mietsteigerung nicht verkraften, werden monatliche Härtefallzahlungen11 vereinbart. 10 Die Beauftragung mit einem SPV wird in der § 144-Runde abgestimmt und richtet sich nach dem Umfang der geplanten Arbeiten und der Kooperationsbereitschaft der EigentümerInnen. 11 Härtefallgelder werden dann bezahlt, wenn die verfügbaren Haushaltseinkommen nach Abzug der Miete unter dem gesetzlich festgelegten Existenzminimum fallen. Da Mietzahlungen bei Sozialhilfe beziehenden
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Das Umsatzmanagement als Instrument der Mieterberatung im Sanierunsggebiet Unter einer Umsetzung wird im Zusammenhang mit Sanierungsarbeiten die zeitweise oder dauerhafte Versorgung von betroffenen MieterInnen mit angemessenen Ersatzwohnungen verstanden. Insbesondere bei umfassenden Instandsetzungs- und Modernisierungsarbeiten sind ihnen die Baubelastungen kaum zuzumuten. Selbst bei bestens geplanten und zügigen Abläufen sinkt die Wohnqualität deutlich, wenn zum Beispiel Strom und Wasser fehlen. Eine Entlastung ist in den meisten Fällen nur durch Auszug möglich. Für die direkten Umzugskosten stehen Pauschalsummen aus den bezirklichen Ordnungsmaßnahmemitteln zur Verfügung. Die Organisation dieser Umzüge gehört zu den Aufgaben der Mieterberatung. Voraussetzung dafür ist, dass jederzeit entsprechend freie Wohnungen bereit stehen. Da die Mieterberatung über keine eigenen Bestände verfügt, müssen Wohnungsbestände von anderen, meist privaten EigentümerInnen in eine (zumindest zeitweilige) Belegungsbindung genommen werden. Im Normalfall entstehen Belegungsbindungen nur im Zusammenhang mit der Vergabe öffentlicher Fördermittel, weshalb neue Wege der Akquisition gegangen werden mussten. Zu Beginn der 90er Jahre orientierte sich die Mieterberatungsgesellschaft auf eine Kooperation mit der kommunalen Wohnungsbaugesellschaft WIP. Da sich deren Bestände durch die Restitutionsverfahren deutlich reduzierten, konnte der gleichzeitig wachsende Bedarf nach Umsatzwohnungen nicht mehr gedeckt werden. In der Folge schloss die Sanierungsverwaltungsstelle nach Absprachen mit der Mieterberatung Verträge mit denjenigen EigentümerInnen ab, die Umsatzwohnungen in Anspruch nehmen wollten. Für eine Umsatzwohnung traten sie im Gegenzug die Belegungsbindung für eine ihrer Wohnungen ab. Dieses Verfahren sollte zu einem immer ausreichend gefüllten Wohnungspool führen, der sich ständig selbst erneuert. Zum Teil kam es dabei zu klassischen Kopplungsgeschäften. So wurde zum Beispiel die Genehmigung für einen freifinanzierten Dachgeschossausbau an die Freigabe von zwei zusätzlichen Umsatzwohnungen geknüpft. Diese „Deals“ hatten zwar keine öffentlich-rechtlichen Grundlagen, waren aber das Ergebnis von informellen und lösungsorientierten Absprachen im Dreieck von EigentümerInnen, Verwaltung und Mieterberatung. Die Rechnung ging auf: Im Schnitt geben die EigentümerInnen für jede vom Bezirk organisierte Umsetzung auch jeweils eine Wohnung in die Belegungsbindung. Haushalten vom Sozialamt übernommen werden, sind die tatsächlich Härtefallgeld empfangenden Haushalte von geringer Zahl. Die Einkommen der meisten Haushalte liegen entweder über den Bemessungsgrenzen oder die Betroffenen erhalten bereits Sozialhilfe.
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In der Praxis unterscheidet die Mieterberatung zwischen End- und Zwischenumsetzung. MieterInnen die nach der Modernisierung nicht in ihre alte Wohnung zurückkehren wollen, sollen möglichst mit einer bereits erneuerten Wohnung versorgt werden, die auch hinsichtlich der Größe ihren Bedürfnissen entspricht. Das ist nicht nur praktisch für die Betroffenen, sondern dient auch der haushaltsbezogenen Erfüllung der Sanierungsziele. Da die Mehrzahl der Umsatzwohnungen im Bezirk liegt, kann bei einer Endumsetzung davon ausgegangen werden, dass die BewohnerInnen in einer modernisierten Wohnung im Gebiet bleiben – und somit das bauliche und soziale Sanierungsziel erreicht wird. MieterInnen, die nur zeitweise in ein Ausweichquartier umziehen müssen, werden auch unsanierte Wohnungen angeboten. Ein Rückzug ist jedoch nicht zwingend. Entscheiden sich die MieterInnen erst im Laufe der Zeit, in der Umsatzwohnung zu bleiben, so ist das möglich. In allen Fällen darf die Netto-Kaltmiete der Umsatzwohnung für den Zeitraum der Bauarbeiten nicht über der Miete der unsanierten Ursprungswohnung liegen. Erst nach Rückzug bzw. dauerhaftem Verbleib in der Umsatzwohnung steigt die Miete auf das Niveau der Mietobergrenzen. In Fällen, in denen die Übergangsmiete nicht reduziert werden kann, übernehmen die EigentümerInnen der Ursprungswohnung die Zahlung der Differenz. Dieser Ausgleich wird zwischen MieterInnen und EigentümerInnen in der Modernisierungsvereinbarung vertraglich festgelegt.
Grenzen von Mieterberatung und Sozialplanung Die Sozialplanrichtlinien schreiben die Unabhängigkeit der Mieterberatung insbesondere von EigentümerInnen fest, um die „Vertretung der Mieterbelange (unbeeinträchtigt) sicherzustellen“ (SozplRL Nr. 19[2]). Zugleich arbeitet die Mieterberatung im Auftrag des Bezirkes, was die Unabhängigkeit einschränkt und schon auf einer formalen Ebene die Grenzen der Interessenvertretung markiert. Die angestrebte Vertretung der Mieterbelange findet solange statt, wie diese mit den Zielen, Interessen und Vorstellungen der Verwaltung konform gehen. Auch in der Praxis wird die Mieterberatungsgesellschaft unterschiedlich wahrgenommen. Auf der einen Seite ist sie für die MieterInnen vieler Häuser die zentrale Ansprechpartnerin der professionell am Erneuerungsgeschehen beteiligten Institutionen. Auf der anderen Seite gibt es aber auch massive Kritik von denjenigen, die sich vor allem eine Bewahrung ihrer bestehenden Wohnsituation und den Erhalt von Substandardmieten wünschen. Eine Untersuchung in Modernisierungshäusern ergab, dass die Mieterberatung von der Bewohnerschaft als die wichtigste Institution wahrgenommen wurde (Häußermann/Holm/Zunzer 1999: 108). 108
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Ende der 90er Jahre liefen die Sonderabschreibungsmöglichkeiten aus und verstärkten den Druck auf die Investitionen. Dieser wurde in vielen Fällen an die Bewohnerschaft weitergegeben und konnte nicht immer von den Hilfestellungen, Beratungsangeboten und aufgefächerten Perspektiven der Mieterberatung aufgefangen werden. Im Sommer 2001 häuften sich die Beschwerden über die Beratungstätigkeit. Eines der Büros wurde von außen großflächig mit Farbe beschmiert, und in Gesprächen mit Betroffenen war von „Täuschung“ und „Mieterverrat“ die Rede12. Besonders MieterInnen, die sich selbst in der Lage sehen, mit den EigentümerInnen eine Auseinandersetzung um die Modernisierung zu führen, fühlen sich von der Mieterberatung nicht immer richtig vertreten und zum Teil sogar unter Druck gesetzt. Die Vorwürfe lassen sich wie folgt zusammenfassen: Aushöhlung des Mietrechts: Aus juristischer Perspektive kann die Arbeit der Mieterberatung als eine Aushöhlung der mietrechtlichen Standards beschrieben werden, die für Modernisierungsvorhaben im Normalfall gelten. Der klassische Weg von der Modernisierungsankündigung bis zur Zustimmung, Teilzustimmung, Ablehnung oder Duldungsklage wird im Sanierungsgebiet vielfach durch die „Modernisierungsvereinbarung“ ersetzt. Diese zwischen EigentümerInnen und Mietparteien getroffenen Vereinbarungen gelten der bezirklichen Genehmigungsbehörde als Garant für die Sozialverträglichkeit der Maßnahmen. Haben sich MieterInnen erst einmal auf diesen Weg eingelassen, ist es schwer, auf die Standards des üblichen Mietrechts zurückzugreifen. Die Verhandlungsorientierung eröffnet eine andere, außerrechtliche Sphäre. Vereinzelung der MieterInnen: Der Anspruch, den differenzierten Voraussetzungen von Betroffenen gerecht zu werden, kann eine mögliche Kollektivität der Bewohnerschaft untergraben: Einzelgespräche, wohnungsspezifische Modernisierungsvereinbarungen, individuelle Umzugslösung und das Eingehen auf die Bedürfnisse „entsprechend der persön12 Die Betroffenenvertretung Helmholtzplatz in Prenzlauer Berg bietet seit 1999 eine „unabhängige Mieterberatung“ an. In Zusammenarbeit mit AnwältInnen der Berliner Mietergemeinschaft erhalten BewohnerInnen, aber auch ganze Hausgruppen in ihren Auseinandersetzungen Unterstützung. Es lassen sich vor allem Betroffene beraten, denen die Mieterberatungsgesellschaft nicht mehr weiterhelfen konnte bzw. die wenig Hoffnung auf einen für sie akzeptablen Konsens mit den EigentümerInnen hatten. Ich habe über mehrere Monate an diesen Beratungsgesprächen teilgenommen und so einen guten Einblick in Problemfälle bekommen, bei denen eine normale Sozialplanung nicht weiter helfen konnte. Alle Zitate in den nächsten Abschnitten gehen, wenn nicht anders gekennzeichnet, auf diese Gespräche zurück. (Zur Wahrung der Anonymität sind weder Namen der Beteiligten noch Adressen oder Zeiträume genannt, die Rückschlüsse auf den jeweiligen Fall ermöglichen würden.)
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lichen Situation“ stellen die einzelnen MieterInnen in den Mittepunkt. Auch die von der Mieterberatung initiierten Hausversammlungen bieten kaum einen Ansatz für eine Organisierung der Mieterschaft, denn, angetreten mit der Konsensorientierung, sind es Runden mit allen Beteiligten, „wo endlich mal der Eigentümer, die Architekten und die Mieter an einem Tisch zusammen kommen“. Bei allem Konsens: Bei diesen Versammlungen kommt es auch zur Ausgrenzung einzelner Mietparteien. So gab es öffentliche Aussagen seitens der Mieterberatung wie „Herr X hat sich ja immer noch nicht entschieden, so dass Sie sich alle mit dem Einbau der Heizung noch gedulden müssen“ oder „Frau Y braucht sich hier nicht so aufzuspielen“ (Holm 2001a). Noch nicht zustimmungsbereite BewohnerInnen werden so als „Störenfriede“ aus der imaginären Gemeinschaft der Sanierungswilligen ausgeschlossen und unter moralischen Druck gesetzt. Einer Solidarisierung innerhalb der Hausgemeinschaften werden so deutliche Grenzen gesetzt. Doch gerade diese haben sich als begünstigender Faktor bei der Verhinderung von Verdrängungsprozessen erwiesen (Häußermann/Holm/Zunzer 2002: 178ff.). Abhängigkeit von den MieterberaterInnen: Die übliche Prozedur eines Sozialplanverfahrens schafft bei vielen BewohnerInnen den Eindruck, die Mieterberatung sei eine unverzichtbare Vermittlungsinstanz: Sie ist es, die den Kontakt zur Eigentümerschaft hat, sie ist es, die sich mit dem Sanierungsrecht und dem komplizierten Institutionengeflecht der Stadterneuerung auskennt und sie ist es schließlich, die die begehrten Umsetzwohnungen anbietet. Auch viele EigentümerInnen haben den Wert dieser Vermittlungsinstanz längst erkannt und verweisen bei einer direkten Auseinandersetzung selbstbewusste MieterInnen gerne an die entsprechende Mieterberatungsgesellschaft. Selbst Mietparteien mit eigenen Vorschlägen für die Modernisierungsvereinbarung werden von den EigentümerInnen zum Teil damit vertröstet, dass „wir das erst noch mal mit der Mieterberatung durchsprechen müssen“. Mit dieser scheinbar universellen Kompetenz für den Erneuerungsprozess wird die Mieterberatung für viele MieterInnen zur Entscheidungsinstanz: Wenn sogar die Mieterberatung mit den bautechnischen Bedenken des Eigentümers argumentiert, dann wird da schon „was dran sein“; wenn selbst die Mieterberatung sagt, dass die „Miete in der Umsetzwohnung doch ein prima Angebot“ sei, dann ist die Zustimmung schon fast gegeben. Verwirrung im komplexen Entscheidungsprozess: Die Verhandlungsorientierung in Modernisierungsprozessen ist für die meisten BewohnerInnen eine enorme Herausforderung. Im Unterschied zu einer mietrechtlichen Modernisierungsankündigung sehen sich die MieterInnen vielen unbekannten und schwer einschätzbaren Akteuren gegenüber: Sanierungsbeauftragte, Sanierungsverwaltungsstelle, Architekturbüros, 110
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manchmal noch das Wohnungsamt und die örtliche Betroffenenvertretung. Wenn sich dann die Mieterberatung vorstellt, ist das für viele eine Erleichterung. Die kompetenten Fachleute erklären das ganze Durcheinander, sind meist freundlich und machen Mut. Doch nicht nur die Vielfalt der Institutionen ist undurchsichtig, sondern auch die Verhandlungsrunden selbst sind schwer durchschaubar. Die dort aufgeworfenen Lösungsvorschläge stellen manche MieterInnen vor Problem. So fällt es oft schwer, in unklaren und komplexen Entscheidungssituationen den Blick für das Wesentliche zu behalten: „Ging es eben noch um die Pläne des Eigentümers, meine Wohnung zu modernisieren, soll ich jetzt erst mal sagen, ob ich denn lieber eine Zwischen- oder eine Endumsetzung haben will und vor allem wohin, und wie war das jetzt noch mal mit den Umzugspauschalen? [...] Beim nächsten Treffen mit der Mieterberatung liegt vielleicht der Vorschlag auf dem Tisch, die Wohnung mit dem Nachbarn schräg über mir zu tauschen, weil da irgendwas mit den Grundrissen besser gelöst werden kann und heller wär’ es da ja auch“. So sehen typische, oft unter Zeitdruck zu entscheidende Situationen für viele MieterInnen aus. Ein klares Festhalten an den mietrechtlich verankerten Ansprüchen in Bezug auf die angemietete Wohnung ist dann die absolute Ausnahme. Einige Betroffene berichteten, erst hinterher so richtig verstanden zu haben, was eigentlich alles entschieden wurde und an welcher Stelle eigene Interessen zu kurz gekommen waren.
Mieterberatung: Verhandlungsmoderation, Konsensorientierung und Verfahrensbeschleunigung Die Mieterberatung ist nicht an EigentümerInnen oder Träger gebunden, dennoch kann sie nicht als unabhängig bezeichnet werden, handelt sie doch im Auftrag der bezirklichen Verwaltung. Ihr gegenüber hat die Mieterberatung vertragliche Verpflichtungen – und sie ist von ihr auch finanziell abhängig. „Der Name sagt ja schon: im Interesse der Mieter [...] aber eigentlich arbeiten sie in unserem Auftrag, im Interesse der Stadterneuerung“, so ein leitender Mitarbeiter des Stadtplanungsamtes (Experteninterview Verwaltung). Ziel des Bezirkes ist eine möglichst zügige, konfliktfreie und dennoch sozialverträgliche Erneuerung der Altbaubestände. Als ein Königsweg gilt dabei die „einvernehmliche Lösung“ zwischen MieterInnen und EigentümerInnen. Auch im Selbstbild der Mieterberatung zeigt sich diese Doppelfunktion: „Da ist sicherlich in diesem Aufgabenfeld eine gewisse Moderation drin, das ist klar. Wir versuchen auch, die unterschiedlichen Leute an einen Tisch zu bringen, weil wir der Meinung sind, dass wir damit auch den Mietern in der Regel am besten helfen können. Aber es ist schon eine eindeutige Parteinahme. Sicherlich versuchen wir auch, zu Ergebnis111
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sen zu kommen, das ist so. Also wir versuchen schon, die Interessen [der Mieterschaft – A. H.] möglichst lange aufrecht zu erhalten. Gleichzeitig wollen wir, gerade weil es ja auch immer komplexe Geschichten sind, in denen es unterschiedliche Interessen in einem Haus gibt, relativ schnell zu einer Einigung kommen“ (Experteninterview Mieterberatung). Auftrag der Mieterberatung ist es, möglichst schnelle Einigungen zu erarbeiten und im Zuge der Modernisierung entstehende finanzielle Härten zu vermeiden. Dazu steht der Mieterberatung zum einen ein Budget für die Sozialplanungen und Härtefallzahlungen zur Verfügung, zum anderen wird die Mieterberatungsgesellschaft an den sanierungsrechtlichen Genehmigungsverfahren beteiligt. Ausgestattet mit diesen finanziellen und administrativen Ressourcen, geht die Mieterberatungsgesellschaft in Häusern, die modernisiert werden sollen, sowohl auf die Bewohnerschaft als auch auf die EigentümerInnen zu. Vor allem bei umfangreichen Vorhaben oder komplizierten Fällen wird die Mieterberatung mit der Durchführung des Sozialplanverfahrens beauftragt. Sie nimmt Kontakt zu allen BewohnerInnen der Häuser auf und versucht, über Mieterversammlungen und Einzelgespräche entstehende Konflikte zu lösen. In öffentlich geförderten Häusern ist ein solches Sozialplanverfahren zwingend vorgeschrieben. In frei finanzierten Objekten wird je nach geplantem Maßnahmenumfang und nach Kooperationsbereitschaft der Eigentümer entschieden, ob ein solches Verfahren durchgeführt wird. Das führt in Einzelfällen zu paradoxen Situationen: Ausgerechnet in den Häusern, in denen bereits durch die Förderverträge verbindliche Standards und festgelegte Mieten gesichert sind, wird ein höherer Betreuungsaufwand betrieben als bei konflikthaften privatfinanzierten Modernisierungen. 1998 wurden in den Sanierungsgebieten von Prenzlauer Berg nur in 19 von 127 Häusern (das entspricht etwa 15 Prozent) Sozialplanverfahren in der freifinanzierten Sanierung durchgeführt, der Rest in öffentlich geförderten Sanierungsmaßnahmen (vgl. Herberg-Reichenbach 1999: 23f.). Die Quote der geförderten Modernisierungsmaßnahmen lag im selben Jahr bei knapp 20 Prozent der umfassend erneuerten Wohnungen. Das bedeutet, die Chance auf ein Sozialplanverfahren in den freifinanzierten Häusern ist fast sieben mal geringer als in geförderten Maßnahmen. Benachteiligt werden MieterInnen bei freifinanzierten Erneuerungsmaßnahmen darüber hinaus durch geringere Kompensationsleistungen. In der Mieterberatungsgesellschaft spricht man in diesem Zusammenhang sogar von einem „Zwei-Klassen-System“ (Experteninterview Mieterberatung). Neben den Sozialplanverfahren wird eine offene Mieterberatung für alle Bewohner des Sanierungsgebietes angeboten. Hierbei können die MitarbeiterInnen mit Blick auf eine möglichst weitreichende Wahrneh112
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mung der Mieterrechte beraten, während sie bei den Sozialplanverfahren auf einen Konsens zwischen Mieter und Eigentümer setzen müssen. Das sind die ,zwei Gesichter‘ der Mieterberatung: Interessensvertreterung für die Mieterschaft und kompromissorientierte Vermittlung. Diese Spaltung zeigt sich abgeschwächt auch im Selbstbild der Beschäftigten: „Im wesentlichen ist es eine Schutzfunktion, die wir ausüben, um die Mieter insbesondere davor zu schützen, dass sie bereits im Vorfeld rausgekantet werden, dass sie im Prozess über den Tisch gezogen werden, und dass sie auch im Laufe des Prozesses nicht dann doch rausgedrängt werden oder zum Schluss nicht mehr in ihre Wohnung zurückkehren können. Dabei haben wir vor allem eine beratende Funktion gegenüber den Mietern, wir vertreten sie ja nicht – nicht wie ein Anwalt. Das ist eben unsere Position, eine empfehlende, eine begleitende Funktion. Der Konsens ist unserer Ansicht nach ein vernünftiges Ergebnis“ (Experteninterview Mieterberatung). Je weiter die Handlungsebene der Mieterberatungsgesellschaft von konkreten Modernisierungsmaßnahmen entfernt ist, desto resoluter werden die Interessen der Mieterschaft vertreten. Mit wachsender Nähe zu den Wohnungsmodernisierungen und mit steigendem Einfluss auf die tatsächlichen Entscheidungen der Erneuerungsprozesse verringert sich ihre eigenständige Position und geht in einem gemeinsamen Interesse des Erneuerungsregimes auf. Der gute Ruf als Interessenvertretung wird dabei zur Voraussetzung für die möglichst reibungslose Umsetzung der Modernisierungsmaßnahmen.
Sanierungsbeauftragter – Zwischen Moderation und Gesamtplanung Der Hauptaufgabenbereich des Sanierungsbeauftragten liegt im wohnungsübergreifenden Bereich der Stadterneuerung. Das Verhältnis der Arbeitszeitanteile liegt nach Aussagen des Sanierungsbeauftragten S.T.E.R.N. bei 40 Prozent Wohnungsmodernisierung und 60 Prozent Stadterneuerung (Experteninterview S.T.E.R.N.). Sie arbeitet im Auftrag des Berliner Senats und ist im Vergleich zur Mieterberatung wesentlich abhängiger von Einschätzungen und Verfahrensweisen der Landesebene. Das zeigte sich deutlich bei der Diskussion um die Festlegung der Mietobergrenzen: Hier hatten Senats- und Bezirksebene unterschiedliche Auffassungen über die Höhe der Einstiegsmieten und die Bindungsdauer. S.T.E.R.N. saß in dieser Situation gewissermaßen zwischen den Stühlen (Bernt 2003: 223ff.). Zu den Aufgaben des Sanierungsbeauftragten gehörte es, im Zusammenhang mit der Festlegung der Sanierungsgebiete gebietsbezogene 113
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Rahmenpläne aufzustellen und deren Realisierung zu begleiten. In der Selbstbeschreibung sieht S.T.E.R.N. die zentrale Aufgabe darin, Infrastrukturprojekte in den Sanierungsgebieten auf den Weg zu bringen und dabei neue Finanzierungsformen des Public-Private-Partnership oder von Leasingverfahrens aufzugreifen (Winters 1997: 564). Bedeutsamer für den Sanierungsprozess jedoch ist die moderierende und koordinierende Position des Sanierungsbeauftragten, die S.T.E.R.N. zum zentralen Akteur des Sanierungsregimes macht. Der Sanierungsbeauftragte ist an fast allen planerischen und sanierungsrechtlichen Entscheidungen beteiligt, organisiert und leitet offizielle und informelle Arbeitsgruppen zur Zusammenarbeit der verschiedenen Akteure, vermittelt zwischen den Berliner Verwaltungsebenen (Senat und Bezirk) und ist für den größten Teil der Öffentlichkeitsarbeit der Stadterneuerungspolitik verantwortlich. Im Bereich der Wohnungsmodernisierung berät er die Eigentümer und zeigt Finanzierungsmöglichkeiten auf. Dabei beurteilt er den Umfang der Investitionen mit Blick auf die Ziele der Stadterneuerung und bewertet die baurechtliche Genehmigungsfähigkeit der Vorhaben. In Prenzlauer Berg beschäftigt der Sanierungsbeauftragte S.T.E.R.N. insgesamt 20 MitarbeiterInnen, die für die verschiedenen Aufgaben in den Sanierungsgebieten zuständig sind. Im Vergleich zur üppigen Personalausstattung des Sanierungsträgers zur „Internationalen Bauausstellung“ in Kreuzberg kann von deutlich geringerer Bearbeitungsintensität ausgegangen werden. Bei der Behutsamen Stadterneuerung in Kreuzberg gab es noch jeweils eine MitarbeiterIn pro Häuserblock und dadurch eine große personelle Nähe zu den einzelnen Modernisierungsmaßnahmen. In Prenzlauer Berg ist der Sanierungsbeauftragte schon durch den deutlichen Aufgabenzuwachs weiter von den konkreten Maßnahmen entfernt. Die geringere Personalausstattung bringt es mit sich, dass nun ein bis zwei MitarbeiterInnen für ein gesamtes Sanierungsgebiet zuständig sind. Auf die einzelnen Beschäftigten entfallen umgerechnet zehn bis 15 Blöcke. Angesichts des wesentlich größeren Sanierungsbedarfs und der deutlich geringeren Förderquote ist das ein gravierender Einschnitt in die Potentiale der Behutsamen Stadterneuerung. Die Vorzüge des Kreuzberger Modells – Sicherung von sozialverträglichen Mieten, Nähe von Planung und Bewohnerschaft als Voraussetzung für die Beteiligung an der Stadterneuerung und die stadtplanerische Orientierung an einer integrierten Gebietsentwicklung – sind unter diesen Voraussetzungen kaum zu halten. Im Gegenteil: Die verringerten Fördermittel können nicht durch eine erhöhte Beratungs- und Betreuungsintensität kompensiert werden. Das Aufgabenfeld des Sanierungsbeauftragten wandelt sich damit von einem durchdringenden Beteiligtsein an der Behutsamen Stadterneuerung in Kreuzberg zu einer oberflächlichen, aber 114
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umfassenden Koordination der Stadterneuerung in den 90er Jahren in Prenzlauer Berg.
S.T.E.R.N. im Zentrum der Stadterneuerungspolitik Entsprechend der zentralen Stellung des Sanierungsbeauftragten ist sein Einfluss auf die Rahmenbedingungen der Stadterneuerung enorm. Insbesondere im direkten Beauftragungsverhältnis der Senatsverwaltung vertritt der Sanierungsbeauftragte die weitreichenden Kompetenzen der Hauptverwaltung. Gerade im Zusammenspiel mit den bezirklichen Akteuren verkörpert S.T.E.R.N. immer auch die Autorität der Landesregierung. Ein Großteil der Entscheidungsdominanz leitet sich daher nicht aus direkten Verantwortlichkeiten, sondern aus einer allgegenwärtigen Beteiligung her. Dennoch gibt es einige Bereiche, in denen S.T.E.R.N. direkt und in eigener Verantwortlichkeit in das Sanierungsgeschehen eingreift. Aufgabe des Sanierungsbeauftragten: Erstellung von Rahmenplänen Eine der wesentlichen stadtplanerischen Aufgaben des Sanierungsbeauftragten war die Erstellung von Rahmenplänen für die Sanierungsgebiete. In diesen Plänen wurde gebäudeweise der Istzustand der damaligen Nutzungsart und der baulichen Gebäudequalität dargestellt und der beabsichtigte Zielzustand des Sanierungsgebietes entwickelt. Für jedes Grundstück wird festgelegt, welche baulichen Mängel behoben werden müssen und welche Nutzungsarten möglich sind, welche Gebäudeteile abgerissen werden dürfen und auf welchen Leergrundstücken Neubauten errichtet werden können. Orientierungsmaßstab der Rahmenplanung war der Bestand, der durch teilweise Ergänzungen in bestehenden Baulücken erweitert werden sollte. In die bestehenden Nutzungsarten des Gebietes sollte nicht verändernd eingegriffen werden, die hauptsächliche Wohnnutzung erhalten bleiben. Neben dem Modernisierungsbedarf der Wohnungen sind in den Rahmenplänen auch Ziele für die Entwicklung der Infrastruktur festgelegt. So wird der jeweilige Bedarf für Schulen, Kindereinrichtungen, Grün- und Spielflächen u.ä. ausgewiesen. Die Rahmenpläne sind für die Investitionen in den Sanierungsgebieten prinzipiell bindend, in einigen Fällen wurden sie mit der Aufstellung von Bebauungsplänen in rechtlich noch festere Formen gegossen. Eine Änderung bzw. Anpassung der Rahmenpläne ist in Ausnahmefällen möglich und wurde bisher praktiziert, wenn zum Beispiel auf lange Dauer eine Freifläche nicht von der Kommune übernommen und bewirtschaftet werden konnte, oder wenn Wirtschaftlichkeitsberechnungen der Eigentümer ergaben, dass ruinenhafte Gebäudeteile in Ungunstlagen nicht 115
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instandgesetzt werden können und ein möglicher Abriss einen städtebaulich wertvollen Neubau ermöglicht13. Abgesehen von diesen seltenen Ausnahmen hat der Sanierungsbeauftragte mit der Rahmenplanung jedoch das zentrale Instrument geschaffen, um stadtplanerische Ziele in den Sanierungsgebieten durchzusetzen.
Zentrale Stellung: Koordination des Sanierungsbeirats und anderer Gremien Eine weitere direkte Einflussnahme des Sanierungsbeauftragten auf die Stadterneuerungspolitik im Bezirk erfolgt über die Koordination der verschiedenen an der Stadterneuerung beteiligten Institutionen. Grundlage dafür sind die jährlichen Rahmenverträge mit der Senatsverwaltung. Aus dieser Aufgabenstellung ergibt sich eine Machtressource, die in den Kommunalwissenschaften und der Politikforschung als Agendasetting benannt wird. Man versteht darunter die Fähigkeit, Diskurse zu setzen, Diskussionen einen bestimmten Rahmen zu geben, die Entscheidungsverfahren zu bestimmen und die jeweilige Zusammensetzung von Erörterungsrunden zu beeinflussen. Es ist „[...] not be succesful much of the time in telling people what to think, but it is stunningly succesful in telling [...] what to think about“ (Cohen 1963: 13). Im Gegensatz zum decision-making ist das discussion-making eine diskrete Form der Machtausübung, die jedoch nicht minder erfolgreich ist. In der konkreten Praxis der Stadterneuerungspolitik gelang es S.T.E.R.N. immer wieder, mit der Festlegung über die Abfolge bestimmter Entscheidungsprozesse Einfluss auf die Ergebnisse zu nehmen. So organisierte S.T.E.R.N. zu verschiedenen Diskussionsthemen wiederholt kleinere und informelle Abstimmungsrunden, bei denen die Be13 Solche Änderungen der Rahmenplanung müssen von den verschiedenen Akteuren des Sanierungsgregimes bestätigt werden und führten in einzelnen Fällen zu deutlicher Kritik seitens der Betroffenenvertretungen. So entzündete sich beispielsweise im Sanierungsgebiet Helmholtzplatz 1996/ 97 ein längerer Protest der Betroffenenvertretung, als ein frei stehender Seitenflügel zugunsten einer Neubauplanung zur Blockrandschließung zum Abriss freigegeben wurde. Im Zuge dieser Proteste wurde das leer stehende Gebäudeteil zeitweilig von einer Gruppe junger Wohnungssuchender besetzt und später polizeilich geräumt. Bei einem späteren – von der Betroffenenvertretung erzwungenen – Begehungstermin wurden schwere Zerstörungen an der Bausubstanz festgestellt, die zum Zeitpunkt der Besetzung noch nicht vorhanden waren. Da der bauliche Zustand des Hauses zu einem zentralen Argumente für die Abrissgenehmigung wurde, stand der Verdacht im Raum, der Eigentümer hätte nachgeholfen. Bewiesen werden konnte dieser Verdacht jedoch nicht, und der Rahmenplan wurde trotz der ablehnenden Haltung der Betroffenenvertretung geändert (Quelle: verschiedene Flugschriften und Protokolle, Privatarchiv).
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teiligten ihre Positionen bereits im Vorfeld von offiziellen Gremiensitzungen wie dem Sanierungsbeirat14 abstimmen konnten. Für die offenen Auseinandersetzungen machte es jedoch insbesondere für die bestenfalls semiprofessionellen VertreterInnen der Betroffenenvertretungen einen Unterschied, ob sie eine Position unter vielen darlegen oder gegen einen Block von professionellen Akteuren des Sanierungsapparates ankämpfen müssen. So gab es in der Geschichte des Sanierungsbeirates immer wieder Beschwerden der Betroffenenvertretungen darüber, nicht oder nicht rechtzeitig zu bestimmten Entscheidungsrunden eingeladen worden zu sein (siehe Protokolle Sanierungsbeirat). Auf der anderen Seite gibt es auch Beispiele für die ausdrückliche Einbeziehung der BetroffenenaktivistInnen in bestimmte informelle Diskussionsprozesse. Auf solchen Treffen konnte ,Klartext‘ geredet werden, was in Einzelfällen bedeutete, dass S.T.E.R.N. oder andere VertreterInnen des politisch-administrativen Systems bestimmte Zwänge offen darlegten, um einzelne Forderungen der Betroffenenvertretungen zu begrenzen und ,den Bogen nicht zu überspannen‘. Als weitere Möglichkeit der Einflussnahme kann die Protokollierung der Sitzungen gesehen werden. Da die S.T.E.R.N. als Sanierungsbeauftragte über die personellen Kapazitäten verfügt, fiel ihr diese aufwändige Arbeit zu (ein Sitzungsprotokoll umfasste mitunter inklusive der Anlagen bis zu zehn Seiten). Aus den Protokollen ging selten hervor, wie konfrontativ die Diskussionen verliefen. Selbst äußerst strittige Ansichten wurden in der Regel lediglich als nebeneinander stehende Positionen aufgeführt. Teile der Argumentationen wurden ausgelassen oder auch verändert wiedergegeben. Da der Teilnehmerkreis personell nicht konstant war und da nicht sämtliche Details in den AktivistenInnengruppen besprochen werden konnten, war es kaum möglich, entsprechende Korrekturen des Protokolls einzufordern. Ein späteres Intervenieren verstieß dann gegen die geplanten und festgelegten Abläufe der Sitzungen selbst.
14 Der Sanierungsbeirat ist in den Ostberliner Sanierungsgebieten als ein zentrales Element der Bürgerbeteiligung an der Stadterneuerung konzipiert worden. Auf den monatlichen Sitzungen sollten Betroffenenvertretungen, Sanierungsbeauftragte, Mieterberatung, die Verwaltung und zum Teil die FachsprecherInnen der politischen Parteien in den Bezirksverordnetenversammlungen gemeinsam über bestimmte Fragen der Sanierung diskutieren. Neben Einschätzungen zu einzelnen Projekten wurden die Sanierungsbeiräte auch zu Orten der grundsätzlichen Auseinandersetzung um die Perspektiven der Stadterneuerung. In Prenzlauer Berg wurde 1998/99 auf mehreren Sitzungen des Sanierungsbeirates über die Neufestlegung der Mietobergrenzen diskutiert. Die Entscheidungen des Sanierungsbeirates haben für das bezirkliche Verwaltungshandeln jedoch lediglich einen empfehlenden, aber keinen bindenden Charakter.
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Auch wenn es sich im Einzelfall um banale Veränderungen handeln mag – insgesamt sind sie von Bedeutung: Zum einen fungieren diese Protokolle als ein Archiv der Stadterneuerung und bestimmen die rückblickende Einschätzung, zum anderen dienen sie als Lageberichte gegenüber der Senatsverwaltung und den politischen Instanzen in Bezirk und auf der Landesebene. Die Auseinandersetzungen waren in der Realität oft härter als im Protokoll beschrieben. Dass solche geschönten Einschätzungen auch die Art und Weise der politischen Intervention beeinflussen, kann an dieser Stelle nur vermutet werden.
Einfussreiche Verantwortung: Öffentlichkeitsarbeit und Gutachtenwesen Ein weiteres, auch mit offizieller Verantwortlichkeit verbundenes Feld der direkten Einflussnahme auf die Stadterneuerungspolitik ist die Öffentlichkeitsarbeit. Zwar spötteln vor allem die Bewohnerintitiativen über die ,bunte Broschürenrealität‘. Aber die entsprechenden Materialien zur Stadterneuerung sind ein wesentlicher Garant für deren weitgehende Akzeptanz und öffentliche Legitimität. Die Bemühungen um Zustimmung für die Stadterneuerungspolitik richtet sich zum einen an die allgemeine Öffentlichkeit, insbesondere an die Bewohnerschaft in den Sanierungsgebieten, zum anderen auch an die politische Klasse Berlins, die letztlich über Mittelvergabe und öffentliche Aufträge im Bereich der Altbausanierung entscheidet. Diese doppelte Zielstellung der Öffentlichkeitsarbeit ist für den Sanierungsbeauftragten nicht immer leicht umzusetzen, denn die Interessen dieser beiden Gruppen unterscheiden sich in wesentlichen Aspekten. Während die Planungs-, Fach- und Politeliten den Erfolg der Stadterneuerung in erster Linie am Tempo und Umfang der baulichen Verbesserungen messen, steht für viele BewohnerInnen oft die Sorge um steigende Mieten, Verdrängungseffekte und unüberschaubare Veränderungen im Mittelpunkt. Die Darstellung der Stadterneuerung musste also einerseits den Fortschritt der baulichen Erneuerung und anderseits die Sozialverträglichkeit der Prozesse beinhalten. Keine leichte Aufgabe, wird doch ein temporeicher und nachhaltiger Umstrukturierungsprozess in den Vierteln nicht von allen als stabilisierender Garant des sozialen Gefüges empfunden. Umgekehrt kann die beständige Betonung von Stabilität leicht als Stagnation wahrgenommen werden. Eine der Strategien, diese widersprüchlichen Erwartungen zu erfüllen, bestand in einer weitgehenden Trennung der Diskurse. So wurde eine Veränderung der Sozialstrukturen in den Sanierungsgebieten fast ausschließlich in lokalen Medien und bezirklichen Gremien problematisiert. In den offiziellen Berichten für die Senatsverwaltung oder auf überbe118
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zirklichen Fachtagungen wurden vor allem die baulichen und planerischen Aspekte des Sanierungsprozesses thematisiert. Dieses Agieren in verschiedenen Politikarenen war an eine weitgehende Trennung der Bereiche gekoppelt. Möglich wurde diese Aufspaltung der Öffentlichkeitsarbeit durch den gering ausgeprägten Zugang von OstberlinerInnen zu den landespolitischen und fachlichen Eliten. Eine andere, nicht weniger erfolgreiche Öffentlichkeitsstrategie war lange Zeit das Nichtthematisieren von allgemeinen Trends und Problemen der Stadterneuerung. Stattdessen wurde das Interesse auf erfolgreiche Einzelprojekte und Randthemen der Stadterneuerung. So errichtete S.T.E.R.N. im Sommer 1997 – begleitet von einer Pressekampagne15 – an etwa einem Dutzend Häusern große und aufwändig gestaltete Stelltafeln, auf denen die jeweiligen Erfolge dargestellt wurden. Neben einfallsreichen baulichen Lösungen, der kreativen Interpretation des Denkmalschutzes und besonders ökologischen Sanierungsarbeiten blieben Fragen der Sozialverträglichkeit und der Beteiligung weitgehend unerwähnt. Ein anderes Beispiel für die selektive Öffentlichkeitsarbeit ist die sehr erfolgreiche und lang anhaltende Pressekampagne, mit der die Gestaltung eines Spielplatzes im Sanierungsgebiet Winsstraße begleitet wurde. Das wirklich innovative Beteiligungsverfahren zur Platzgestaltung (die Nachbarschaft wurde über verschiedene Seminare und Workshops direkt in die Planung von Gestaltungsfragen einbezogen) bestimmte zeitweise die öffentliche Darstellung des Sanierungsgeschehens in verschiedenen Lokalblättern des Bezirks. Das wäre nicht zu kritisieren, wenn nicht die etwa gleichzeitig stattfindende Diskussion um die Neuregelung der Mietobergrenzen weit weniger Öffentlichkeit erfahren hätte. In der lokalen Politik war eine Vertreibungsdiskussion über die zweite Hälfte der 90er Jahre mit einer Art Tabu belegt. Insbesondere eine von der PDS in Auftrag gegebene und von einem langjährigen Stadtteilaktivisten erarbeitete Studie zu den sozialen Effekten der Stadterneuerung wurde als indiskutabel dargestellt. Die darin angesprochenen Verdrängungsprozesse setzte der Sanierungsbeauftragte mit einer direkten Kritik an seiner Arbeit gleich. Entsprechend bissig war die Reaktion.
15 Die Einweihung der ersten Tafeln erfolgte während eines Pressetermins im feierlichen Rahmen mit anwesender Baustadträtin. Ebenfalls anwesende BetroffenenvertreterInnen kritisierten diese Werbeveranstaltung als „Schönfärberei“ und erinnerten an die vielen Fälle von Sanierungen, bei denen die Mehrzahl der Mieterschaft ausziehen musste. Noch auf der Veranstaltung warf ein verantwortlicher Mitarbeiter des Sanierungsbeauftragten den Kritikern öffentlich vor, „immer nur die Schwarzen Schafe zu sehen“.
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Auf einer öffentlichen Diskussionsveranstaltung „Yuppietown Prenzelberg – wohin treibt unser Bezirk?“ im April 1997 wurden die Thesen der PDS-Studie als unseriös und unwissenschaftlich dargestellt. Dabei bezog sich die Argumentation weniger auf die beobachtbaren Entwicklungen in den Sanierungsgebieten, sondern konzentrierte sich auf Definitionsfragen (Was ist Verdrängung?). Mit Fragmenten der sozialwissenschaftlichen Gentrificationdiskussion wurde erfolgreich von einer Auseinandersetzung mit den unbequemen Thesen abgelenkt (Rada 1997: 61ff.).
Der Einfluss von S.T.E.R.N. auf einzelne Wohnungsmodernisierungen Der Sanierungsbeauftragte in Prenzlauer Berg, die S.T.E.R.N. GmbH, trägt nicht nur die Verantwortung für die Gesamtkoordination des Sanierungsregimes sondern ist auch in die Einzelabläufe der Genehmigungsverfahren und Wohnungsmodernisierungen eingebunden. Einfluss auf das alltägliche Modernisierungsgeschehen nimmt der Sanierungsbeauftragte über die Eigentümerberatung, die Teilnahme an den § 144Runden und die Betreuung von Förderhäusern in den Sanierungsgebieten.
Eigentümerberatung durch den Sanierungsbeauftragten Ein Aufgabenbereich des Sanierungsbeauftragten war lange Zeit die „Eigentümerberatung“. Mit diesen Beratungen sollten Konflikte mit den EigentümerInnen im Sanierungsgebiet vermieden werden, indem sie vor und während des Genehmigungsprozesses mit den wesentlichen Regeln und Möglichkeiten für Investitionen im Sanierungsgebiet vertraut gemacht wurden. Die Eigentümerberatung ist ein zentraler Aspekt beim Übergang des administrativen Handelns von der Planungsroutine zu kommunikativen Verhandlungsstrategien, bei denen alle Seiten an einem gemeinsamen Konsens arbeiten. Insbesondere das immobilienwirtschaftliche und sanierungsrechtliche Expertenwissen der S.T.E.R.N. GmbH nehmen auch die EigentümerInnen als eine willkommene Unterstützung an, um sich im zum Teil komplizierten Gestrüpp des Sanierungsrechts zu orientieren. Eine Eigentümerin fasste ihren Eindruck von der Arbeit des Sanierungsbeauftragten vor dem Hintergrund ihrer Kreuzberger Erfahrungen zusammen: „Ich kenne die ja noch aus Kreuzberg, da standen die noch mit der roten Fahne auf der Barrikade. Doch jetzt sehen die nicht nur ganz vernünftig aus, sondern beraten auch richtig gut, fast besser als meine Bank“ (Eigentümerinterview).
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Mit diesem fachlichen Vertrauen ausgestattet, verfolgen die Beschäftigten des Sanierungsbeauftragten die Vorgaben der Leitsätze, die „Bereitschaft zur Mitwirkung zu wecken und zu fördern“, um „restriktive Maßnahmen zu vermeiden“ (Leitsätze der Stadterneuerung 1993). Ursprünglich war das Beratungsangebot für die vielen AlteigentümerInnen gedacht, die im Zusammenhang mit den nahezu flächendeckenden Restitutionsverfahren erwartet wurden. Allerdings verringerte sich mit der zunehmenden Professionalisierung der Eigentümerstruktur bald der Bedarf. Doch auch mit den umfassenden Beratungsangeboten über die Restriktionen des Sanierungsrechts und Fördermöglichkeiten ist es nicht gelungen, die AlteigentümerInnen zu einer langfristigen Bewirtschaftung ihrer Grundstücke zu bewegen. 1998 schließlich stellte die Senatsverwaltung die Beauftragung einer Eigentümerberatung ganz ein. Der S.T.E.R.N. GmbH wurde stattdessen das Quartiersmanagement in zwei Gebieten von Prenzlauer Berg übertragen.
Einfluss auf die Sanierungsgenehmigungen: Die Teilnahme an den § 144-Runden Die für die einzelnen Modernisierungsmaßnahmen maßgeblichen administrativen Entscheidungen werden auf den schon mehrfach angeführten § 144-Runden getroffen. Das wöchentlich tagende Gremium ist nach dem für die Sanierungsgenehmigungen zuständigen Paragraphen des BauGB benannt und ist der entscheidende Ort zur Abstimmung des lokalen Sanierungsregimes. Alle bezirklichen Akteure des Sanierungsapparates – Sanierungsverwaltungsstelle, Stadtplanungsamt, Mieterberatung und Sanierungsbeauftragte – gehen dort in einer mehrstündigen Sitzung alle aktuellen Modernisierungsanträge durch. Entsprechend dem jeweiligen Verfahrensstand für die einzelnen Häuser werden die Aktivitäten der Beteiligten festgelegt. Auch bei Problemen im Genehmigungsverfahren und bei der späteren Durchführung der Baumaßnahmen werden die administrativen Schritte dort abgestimmt. Durchgeführt und umgesetzt werden die gemeinsamen Entscheidungen in der Regel von der Sanierungsverwaltungsstelle, die für alle hoheitlichen Akte (also Genehmigungen, Versagungen und Sanktionen) zuständig ist. Die S.T.E.R.N. GmbH übernimmt in diesen Runden formell eine beratende Rolle. Real ist sie jedoch durch die faktische Vertretung der jeweiligen Senatsstrategien und durch die langjährigen Erfahrungen ihrer Beschäftigten mit einer Entscheidungskompetenz ausgestattet. Bei allen möglichen Abwägungen der unterschiedlichen Interessen: Es ist undenkbar, dass es eine grundlegende Entscheidung gegen die Position des Sanierungsbeauftragten gibt.
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In den Runden selbst wird S.T.E.R.N. immer dann aktiv, wenn es Probleme mit den EigentümerInnen gibt und noch kein genehmigungsfähiger Antrag vorliegt. Im Baurecht vorgeschrieben und in den Ausführungsvorschriften festgelegt sind so genannte Anhörungen der AntragsstellerInnen mit der Androhung der Versagung. Die inhaltlichen Argumente für eine Versagung und die städtebaulichen Gutachten zu den vorliegenden Anträgen werden von S.T.E.R.N. vorbereitet – die Termine selbst finden bei der Sanierungsverwaltungsstelle statt, mit oder ohne Beteiligung von S.T.E.R.N. Bei diesen Anhörungsterminen wird den EigentümerInnen eine mögliche Versagung ihres Antrages formal mitgeteilt. Sie haben dann die Möglichkeit, entweder ihren Antrag nachzubessern oder auf den bisherigen Vorstellungen zu bestehen. Im seltenen zweiten Fall erfolgt eine schriftliche Ablehnung, und die EigentümerInnen können in Widerspruch gehen. Diese Anhörungstermine sind fester Bestandteil des konfliktvermeidenden Arrangements der Stadterneuerung. Statt einer rechtlichen Konfrontation mit den bestehenden Auflagen wird auf Kommunikation und gemeinsame Lösung mit den EigentümerInnen orientiert. Auch wenn die Sanierungsverwaltung die offizielle Führung dieser Verhandlungen übernimmt – die Strategien und Argumente für das administrative Vorgehen in den komplizierten Genehmigungsverfahren werden in der Mehrzahl der Fälle von S.T.E.R.N. erarbeitet und formuliert. Die Stellung des Sanierungsbeauftragten in den § 144er Runden lässt sich als eine im Hintergrund agierende Hegemonialinstanz beschreiben.
Abwicklung und Betreuung der öffentlich geförderten Modernisierung Ein weiterer Bereich, über den der Sanierungsbeauftragte S.T.E.R.N. in einzelne Modernisierungsmaßnahmen eingreifen kann, sind die „Förderhäuser“. Sowohl die umfassend geförderten Instandsetzungen und Modernisierungen im Rahmen des Programms „Soziale Stadterneuerung“ als auch die Teilförderungen im Programmteil „Stadtweite Maßnahmen“ werden in den Sanierungsgebieten von S.T.E.R.N. abgewickelt. Hier laufen alle Anträge ein, werden bearbeitet und die Maßnahme im Falle einer Förderung begleitet. Dabei füllt S.T.E.R.N. nicht nur die Aufgabe einer bürokratischen Antragsverwaltung und -genehmigung aus, sondern versucht, die EigentümerInnen durch Beratung und Vorschläge zur Mitverwirklichung der Sanierungsziele zu animieren. Bei diesen Beratungen und auch bei der Auswahl der geförderten Maßnahmen besitzt S.T.E.R.N. eine weitgehende Autonomie von den anderen administrativen Akteuren und kann eigenständig Einfluss auf die Gestaltung der jeweiligen Sanierungsarbeiten nehmen. Weil die komplizierten 122
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und umfangreichen Antragsunterlagen für viele EigentümerInnen eine Überforderung darstellen, geht die Betreuung der Antragsteller zum Teil in der Gestaltung der jeweiligen Modernisierungen auf. Gerade in Bezug auf Finanzierung, Ausstattung und bauliche Umsetzung im Rahmen von Förderprogrammen hat der Sanierungsbeauftragte einen unvergleichlichen Erfahrungsschatz. Die meisten EigentümerInnen nehmen diesen dankend in Anspruch. Obwohl Genehmigungsauflagen und Förderrichtlinien Grenzen setzen, werden in kooperativer Zusammenarbeit oft Lösungen gefunden, die den Interessen der EigentümerInnen entgegen kommen. So wurden in vielen Fällen die umfassenden Förderungen mit privatfinanzierten Dachgeschoßausbauten (ohne Mietbindungen) verknüpft. Diese Kopplung, sichert den EigentümerInnen trotz der Mietund Belegungsbindungen, die mit der Förderung eingegangen werden, eine zusätzliche Einnahmequelle. Ohne die kompetente Beratung und Unterstützung durch S.T.E.R.N. wären solche Maßnahmen nur schwer zu realisieren.
Sanierungsbeauftragter – Erneuerungsmanagement ohne Verantwortlichkeit Ihrem Selbstverständnis nach ist es die Aufgabe von S.T.E.R.N., die Erneuerung ressortübergreifend so zu koordinieren, dass die Sanierungsziele erreicht werden: „Unsere Rolle ist eine Managementrolle zwischen verschiedenen Verwaltungen und Interessen“ (Experteninterview S.T.E.R.N.). Doch geht es nicht nur darum, anlaufende Projekte auf ihre Passgenauigkeit zu überprüfen, sondern „auch Projekte zu initiieren, die nicht von allein in Gang kommen, wo auch teilweise neue Ideen, neue Modelle der Finanzierung gefragt sind“ (Experteninterview S.T.E.R.N.). Die Verwaltung und die von ihr beauftragten Institutionen versuchen, die Erneuerung des Gebietes mit Blick auf das Erreichen der baulichen und sozialen Ziele zu steuern. Hauptsächlich geschieht das über die sanierungs- bzw. erhaltungsrechtliche Genehmigungsverfahren und den Einsatz sozialplanerischer Verfahren im weiteren Sinne. Im Bereich der so genannten Intermediären ist der Sanierungsbeauftragte ein zentraler Akteur. Er führt eine Vielzahl von Aufgaben im Auftrag der Verwaltung aus. In Prenzlauer Berg wird diese Rolle – wie schon beschrieben – von der S.T.E.R.N. Gesellschaft der behutsamen Stadterneuerung mbH wahrgenommen. S.T.E.R.N. ist aus der Kreuzberger Altbau-IBA16 hervorgegangen und steht somit konzeptionell und 16 Die IBA war die Internationale Bauausstellung, die von 1984 bis 1987 in (West-)Berlin stattfand und in deren Rahmen mit einer enormen finanziellen Ausstattung und dem Anspruch auf internationale Innovation Baubzw. Sanierungsprojekte realisiert wurden. Alt- und Neubauprojekte waren
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zum Teil personell in der Tradition der Behutsamen Stadterneuerung in Kreuzberg. Die Übertragung von Aufgaben der Gemeinde an einen privaten Sanierungsbeauftragten wird im Baugesetzbuch geregelt. Im § 157 heißt es: „(1) Die Gemeinde kann sich zur Erfüllung von Aufgaben, die ihr bei der Vorbereitung und Durchführung der Sanierung obliegen, eines geeigneten Beauftragten bedienen.“ Die Spannbreite der Aufgaben, die an einen Beauftragten übertragen werden können, sind im Prinzip offen und werden in einem Rahmenvertrag festgelegt. In Berlin werden die Sanierungsbeauftragten mit einer Reihe von eigentlich öffentlichen Aufgaben im Bereich der Durchführung und Begleitung der Sanierung betraut. Bei der konkreten Ausgestaltung ihrer Arbeit unterliegen die Sanierungsbeauftragten einer Weisungsgebundenheit gegenüber der Senatsverwaltung. Da die Auftragserteilungen jährlich neu verhandelt und vertraglich festgelegt werden, besteht eine existentielle Abhängigkeit der Sanierungsbeauftragten gegenüber der Senatsverwaltung. Auf der anderen Seite erarbeiten sich die Sanierungsbeauftragten durch ihre jahrelange Arbeit ein Expertenwissen und eine Gebietskenntnis, die von den meist überlasteten Verwaltungen oder anderen Beauftragten kaum adäquat hätte ausgefüllt werden können. Die konkrete Aufgabenstellung der Sanierungsbeauftragten kann darum recht flexibel sein. Ändert sich das Aufgabenverständnis der Senatsverwaltung, kann sich auch der Vertragsinhalt ändern; 1998 wurden so z.B. Aufgaben der Eigentümerberatung aus dem Rahmenvertrag zwischen S.T.E.R.N. und Senatsverwaltung heraus genommen und anstatt dessen die Aufgabenstellung „Quartiersmanagement“ eingefügt. Prinzipiell sind diese Verträge nicht öffentlich. Allerdings hat die Senatsverwaltung einen Mustervertrag (der in einigen Punkten von den tatsächlich abgeschlossenen Vereinbarungen abweichen soll) im „19. Bericht zur Stadterneuerung in Berlin“ dokumentiert (SenBauWohn 1995). Die dort aufgelisteten Aufgaben sind umfassend und betreffen fast das gesamte Aufgabenspektrum der sanierunsgbegleitenden Planung: • Durchführung vorbereitender Untersuchungen, • Erstellung von Bebauungsplänen, Blockentwicklungskonzepten und Wettbewerben, • Erarbeitung von Entscheidungsvorlagen für Ausschüsse auf verschiedenen Ebenen, die Bezirksverordnetenversammlung sowie die Steuerungsrunde.
dabei in zwei weitgehend getrennte Geschäftsbereiche – IBA-Alt und IBANeu – unterteilt. Die Sanierungsblöcke der IBA-Alt in Berlin Kreuzberg gelten als die Geburtsstunde der Behutsamen Stadterneuerung.
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Auch in die konkreten Genehmigungsprozesse des Amtes ist der Sanierungsbeauftragte eingebunden und übernimmt dort die Aufgabe, „schriftliche Stellungnahmen zu genehmigungspflichtigen Vorhaben, Entscheidungsvorgängen, Teilungen und Rechtsvorgängen (§ § 144 und 145 BauGB), zur Ausübung des gesetzlichen Vorkaufsrechts Berlins (§ § 24 bis 28 BauGB), zu Miet- und Pachtverhältnissen (§ § 182 bis 186 BauGB), zur Anordnung von städtebaulichen Geboten (§ § 175 bis 179 BauGB)“ abzuliefern. Faktisch ist der Sanierungsbeauftragte damit in alle beim Bezirk anfallenden Genehmigungsvorhaben im Bereich des Sanierungsrechts eingebunden und verfügt damit über eine Art Universalkompetenz. Darüber hinaus ist der Sanierungsbeauftragte auch mit der Vorbereitung, Durchführung und Abrechnung der bezirklichen Ordnungsmaßnahmen betraut und muss die jährlichen bezirklichen Anmeldungen für die Förderprogramme des Senates managen und die Investitionsplanung unterstützen. Neben diesen planerischen Verpflichtungen gehört auch eine umfassende Öffentlichkeitsarbeit in den Zuständigkeitsbereich des Sanierungsbeauftragten. Ging es Anfang der 90er Jahre und vor der Festlegung der Sanierungsgebiete noch darum, die Vorteile der Behutsamen Stadterneuerung am Beispiel von Kreuzberg im besten Licht erscheinen zu lassen, verlagerte sich der Schwerpunkt der Öffentlichkeitsarbeit seit Mitte der 90er Jahre auf die Legitimation der Stadterneuerung in Ostberlin. Mit Veranstaltungen, Farbbroschüren und Stelltafeln vor Erfolgsprojekten wurden die positiven Effekte der Stadterneuerung unter weitgehender Ausblendung aller Schwierigkeiten und Kritiken als Erfolgsstory dargestellt. Das Aufgabenspektrum der Sanierungsbeauftragten beinhaltet „eigentlich alles, was hier mit Koordination zu tun hat“ (Interview Sanierungsbeauftragter). Praktisch gibt es kaum einen Vorgang in der bezirklichen Sanierungsverwaltung, an dem der Sanierungsbeauftragte nicht in der einen oder anderen Weise beteiligt wäre. Die S.T.E.R.N. „übernimmt also in nahezu jedem mit der Sanierung zusammenhängenden Administrationsbereich Querschnittsaufgaben und wird dadurch zum übergreifenden Koordinations- und Prozessmanager, zugespitzt könnte man sagen zum ,ideellen Gesamtplaner‘ für das Sanierungsgebiet“ (Bernt 2003: 160). Trotz dieser Allgegenwärtigkeit des Sanierungsbeauftragten bei fast allen Entscheidungen des Sanierungsregimes bleiben alle „hoheitlichen Akte“ Aufgabe der Behörden. Der Sanierungsbeauftragte nimmt damit eine widersprüchliche Stellung im Sanierungsregime ein: Er ist an allen Entscheidungsprozessen zentral beteiligt, ohne letztlich mit einer Entscheidungskompetenz ausgestattet zu sein – die S.T.E.R.N. GmbH in der klassischen Rolle einer ‚Grauen Eminenz‘.
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Nichts geht ohne sie, doch formal werden alle Entscheidungen von anderen gefällt. Neben den beschriebenen staatlichen und parastaatlichen Akteuren des Sanierungsregimes gibt es noch die unmittelbar Betroffenen der Stadterneuerung: die EigentümerInnen und die Mieterschaft. Obwohl beide Gruppen für die tatsächliche Durchführung der Stadterneuerung zentral sind, haben sie nur geringen und indirekten Einfluss auf die Gestaltung der Stadterneuerungspolitik. Dennoch sind sie sowohl in übergreifender als auch in konkreter Hinsicht in die Prozesse der Stadterneuerung eingebunden.
3.3.3 EigentümerInnen – stille Vetomacht des Erneuerungsregimes Die EigentümerInnen in den Sanierungsgebieten lassen sich nicht als ein fester Interessenblock darstellen. Mit nur gering institutionalisierten Strukturen agieren die vielen EigentümerInnen weitgehend autonom im Sanierungsgeschehen. Gemeinsamkeiten und Interesseneinheiten einzelner Gruppen lassen sich nur von außen über soziologische, ökonomische oder formale Homogenisierungen vornehmen. Dies erschwert jedoch den analytischen Zugang zu einer akteurszentrierten Betrachtung. Da sie kaum organisiert auftreten, kann der Einfluss der EigentümerInnen als Gruppe auf die Stadterneuerungspolitik nur schwer beschrieben werden. Anders als in früheren Sanierungsgebieten gibt es in den Ostberliner Erneuerungsgebieten keinen einheitlichen Sanierungsträger für ein gesamtes Gebiet oder zumindest komplette Blöcke, sondern eine Vielzahl an EinzeleigentümerInnen. Ohne den kommunalen Aufkauf der Grundstücke und deren Übertragung an einen Sanierungsträger werden die EigentümerInnen zur wichtigen, aber unbekannten Größe im Sanierungsprozess. Keine Erneuerungsmaßnahme kann ohne ihre Zustimmung durchgeführt werden, doch ihre Vertretung im Erneuerungsregime ist schlechterdings nicht möglich. Mit der Ausnahme von Investoren, die mehrere Projekte in den Sanierungsgebieten umsetzen, gibt es auch keinerlei langfristige Verbindlichkeiten bei der Zusammenarbeit zwischen den EigentümerInnen und den anderen Akteuren des Regimes. Die bestehenden Interessenvertretungsstrukturen wie Verein BerlinBrandenburgischer Wohnungsunternhemen (BBU) oder Bund der Berliner Haus- und Grundbesitzervereine sind übergreifende Interessenvertretungen und keine Strukturen, die spezifisch auf die Beteiligung an der Stadterneuerung ausgerichtet sind. Eine Beteiligung der Eigentümerschaft findet daher vor allem als individualisiertes und auf das jeweils eigene Modernisierungsprojekt beschränktes Engagement statt. 126
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Bedeutung der Eigentümerschaft für die allgemeine Ebene der Stadterneuerung Trotz der oben beschriebenen Situation werden die zentralen Interessen der EigentümerInnen im Stadterneuerungsprozess berücksichtigt. Da die Sanierung statt mit öffentlicher Förderung durch die Mobilisierung von privatem Kapital zu realisieren ist, muss auf die ökonomische Rentabilität der Stadterneuerung Rücksicht genommen werden. Ein restriktives Stadterneuerungsmodell unterhalb einer Gewinnperspektive für die einzelnen EigentümerInnen würde den Erneuerungsprozess zum Erliegen bringen. In den strategischen Diskussionen um die Ausgestaltung der Stadterneuerung stand deshalb das Argument der mangelnden Rentabilität als diskursive Notbremse im Raum, insbesondere wenn Vorschläge zur Durchsetzung der sozialen Sanierungsziele erörtert wurden. Die ökonomischen Aspekte der Stadterneuerung galten dabei immer als feststehende und unveränderliche Ausgangsbedingung, die nicht durch die lokalen Akteure der Sanierung außer Kraft gesetzt werden konnten. Dieser Schatten der Ökonomie, der über allen Stadterneuerungsdiskussionen lag und liegt, kann als indirekte Interessenvertretung der EigentümerInnen angesehen werden. Gerade weil die Stadterneuerung auf private Initiative angewiesen ist und weil keine direkte Beteiligung der Eigentümerschaft an der Ausgestaltung des Sanierungsregimes erfolgt, sehen sich die anderen Beteiligten dazu gezwungen, die Positionen der ökonomischen Rentabilität mit einzubringen. Spieltheoretisch könnten wir von einer ‚stillen Vetomacht‘ der Eigentümerschaft sprechen – ohne direkt an den Aushandlungen beteiligt zu sein, läuft dennoch nichts gegen ihre Interessen. Ihre Positionen müssen von den anderen Akteuren quasi mitgedacht werden und beschränken so deren Handlungsspielräume. Neben dieser starken indirekten Position im Sanierungsregime gab es nur wenige Versuche, auf die generelle Gestaltung der Stadterneuerungspraxis direkten Einfluss zu nehmen. Nur in einem Einzelfall beteiligte sich eine Eigentümerin kurzzeitig an einer Betroffenvertretung17, die formal auch den EigentümerInnen eines Sanierungsgebietes als Interessenvertretungsorgan offen stehen. Schwerwiegender als diese geringe formale Beteiligung an den Aushandlungsprozessen der Stadterneuerung waren rechtliche Klagen gegen bestimmte Auflagen der Sanierungsgenehmigungen. Zum Teil angespornt durch Artikel in der Eigentümerzeitschrift „Grundeigentum“ (Lammek/Berger 1997) gab es mehrere 17 1998/1999 nahm eine Eigentümerin aus dem Sanierungsgebiet Kollwitzplatz für mehrere Monate an den Treffen der Betroffenenvertretung und einigen Sitzungen des Sanierungsbeirates teil und brachte eigene Positionen in die Debatte um die Neugestaltung der Mietobergrenzen ein.
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Klagen gegen die Mietobergrenze, die in Genehmigungsbescheiden festgelegt waren. Aus Furcht vor einem Urteil gegen die Auflagen und damit verbundenen Gerichtskosten kassierte die Senatsverwaltung die Bescheide ein und entband die EigentümerInnen von ihren Auflagen. Die EigentümerInnen zogen ihre Klagen dann i.d.R. zurück. Um keine Präzedenzfälle für diese faktische Umgehung der Auflagen zu schaffen, wurden die Klagen nicht öffentlich thematisiert und entzogen sich einer politischen Diskussion. Im Jahre 2002 schließlich entschied das Verwaltungsgericht (VG 13 A 424/01) erstmalig über die Mietobergrenzen und gab den EigentümerInnen Recht (Wild 2002: 12). Seither werden faktisch – trotz eines anders lautenden und bestehenden Bezirksamtsbeschlusses – nur noch Mietbindungen mit Laufzeiten von maximal einem Jahr auferlegt. Die Mietobergrenzen, das zentrale Instrument zur Sicherung der sozialen Sanierungsziele, sind damit faktisch ausgesetzt.18 Letztlich ein anschauliches Beispiel für die machtvolle Stellung der Eigentümerschaft im Stadterneuerungsprozess.
Einfluss der EigentümerInnen auf einzelne Wohnungsmodernisierungen Die Beteiligung der EigentümerInnen an der Stadterneuerung in Ostberlin findet vor allem über die Wohnungsmodernisierung statt. Sowohl bei den Genehmigungsverfahren als auch bei der Durchführung von Modernisierungsarbeiten haben die einzelnen EigentümerInnen Spielräume, um eigene Interessen einzubringen und den Prozess der Modernisierung zu gestalten. Im Genehmigungsverfahren stellen die antragstellenden EigentümerInnen ihre baulichen Lösungsvorschläge zur Disposition und ringen zum Teil mit den Beschäftigten der Sanierungsverwaltungsstelle und des Stadtplanungsamtes um genehmigungsfähige Lösungen. Gehobene Ausstattungsmerkmale wie (innen liegende) Aufzüge, neu angebrachte Balkone und großzügige Dachterrassen, die nicht ohne einen robusten Eingriff in die bestehende Baussubstanz zu haben sind, werden nicht immer im ersten Anlauf genehmigt. Im Laufe der Jahre hat sich die Genehmigungspraxis von einer sehr strengen Bestandsorientierung hin zu einer freizügigeren Erteilung von Bescheiden verschoben. Grund dafür ist ne18 Überlegungen von Sanierungsbeauftragten und Mieterberatungsgesellschaft in den Ostberliner Bezirken gehen inzwischen in die Richtung, die Mietobergrenzen künftig nur noch für die Wohnungen von rückzugs- bzw. bleibewilligen AltmieterInnen (mindestens jedoch 50 Prozent der Wohnungen) festzulegen. Die Bindungszeit soll sich an den Fristen der Mietgesetzgebung orientieren und maximal auf drei Jahre festgelegt werden.
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ben der wachsenden Menge an Anträgen in den 90er Jahren auch die rasante Verschiebung des ortsüblichen Ausstattungsstandards, der für die Genehmigungspraxis maßgeblich ist. Galten zur Festlegung der Sanierungsgebiete 1993 selbst Wannenbäder schon als ein überdurchschnittlicher (wenn auch erstrebenswerter) Standard, so lassen sich mittlerweile selbst futuristische Glasfassaden von Dachgeschossausbauten nicht ohne weiteres mit dem Verweis auf einen ortsuntypischen Charakter untersagen. Neben den Genehmigungsverfahren bieten vor allem die direkten Auseinandersetzungen mit den BewohnerInnen eine Möglichkeit, eigene Interessen durchzusetzen. Von gütlichen Einigungen und zähen Verhandlungen mit formellen Vereinbarungen am Ende, von Abfindungszahlungen über Angebote von Umsatzwohnungen bis hin zu Drohungen und rechtlichen Auseinandersetzungen – das Spektrum der möglichen Konstellationen zwischen Mieterschaft und EigentümerInnen ist breit. Die Strategien der EigentümerInnen selbst sind entsprechend verschieden. Während einige den Kontakt mit den HausbewohnerInnen fast ausschließlich schriftlich führen, stellen andere extra für die Vorbereitung von Modernisierungsarbeiten Mieterbeauftragte der Hausverwaltung ab, die sich um Ankündigungen, Verhandlungen und Einigungen mit der Mieterschaft kümmern. Ein Standardmuster lässt sich nicht beschreiben. Ziel ist es jedoch in fast allen Fällen, in möglichst kurzer Zeit die notwendigen Zustimmungen der MieterInnen für das Bauvorhaben zu bekommen. Ob dieses Ziel durch Druck oder Entgegenkommen erreicht wird, hängt sowohl von den wirtschaftlichen Hintergründen der EigentümerInnen, den Finanzierungsmodellen und ihren charakterlichen Dispositionen ab (Häußermann/Holm/Zunzer 2002: 158ff.). Daneben haben viele EigentümerInnen Strategien entwickelt, um die bestehenden Auflagen und Genehmigungsvorbehalte zu umgehen. Im Einzelnen sind das: Ungenehmigte Bauarbeiten in einzelnen Wohnungen: Sehr verbreitet war es vor allem bis Mitte der 90er Jahre, frei werdende Wohnungen oder Etagen in unsanierten und ansonsten noch bewohnten Häusern zu modernisieren. Der Einbau von Bädern, Etagenheizungen und neuen Fenstern erfolgte dabei innerhalb weniger Wochen oder Monate. Eine Genehmigung für diese Umbauten wurde nicht beantragt, so dass keine bezirklichen Auflagen für die Bauarbeiten ausgesprochen werden konnten. Diese Wohnungen wurden dann zu den üblichen Marktpreisen vermietet, ohne dass eine Mietobergrenze eingehalten werden musste. Der rechnerische Vorteil für die Eigentümer lag dabei monatlich bei etwa 5 DM/qm. Für eine durchschnittliche Wohnung in Prenzlauer Berg sind das etwa 4.000 DM pro Jahr. Eine nachträgliche Genehmigungsversa129
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gung oder Beauflagung der Modernisierungsarbeiten ist in den rechtlichen Abläufen der Stadterneuerung nicht vorgesehen. Die aus sozialer Sicht entscheidenden Auflagen wie die Mietobergrenzen sind nicht an die Wohnungen gebunden, sondern an die Baugenehmigung. Einzige Möglichkeit der Sanktion ist die Verhängung von Bußgeldern, die für solche Fälle bei etwa 10.000 DM lagen. Mit dieser Strategie wurden nicht nur die vorgeschriebenen Mietbegrenzungen unterlaufen, sondern auch die in den Häusern Wohnenden in Mitleidenschaft gezogen. Sie mußten oft über Jahre Baustellen mit den entsprechenden Lärm- und Schmutzbelastungen ertragen. Die Verwaltung steht hier mit nur drei bezirklichen Bauläufern vor allem vor einem personellen Problem. Sie können eine ständige und flächendeckende Kontrolle der Gebiete auf ungenehmigte Bauarbeiten einfach nicht bewältigen. Die Behörde ist dabei auf die Zuarbeit von aus der Nachbarschaft angewiesen. Erst Ende der 90er Jahre wurde ein mit Betroffenenvertretungen und Mieterberatungen abgestimmtes Verfahren zur Feststellung und Unterbindung ungenehmigter Bauarbeiten entwickelt. Neuvermietungen und neue Vertragsabschlüsse: Darunter fallen vor allem jene Beispiele, bei denen die EigentümerInnen bereits modernisierte Wohnungen zu Marktpreisen an neue Mietparteien vergeben haben. Menschen, die neu in die Sanierungsgebiete gezogen waren, wussten oft nichts von den bezirklich festgelegten Regelungen der Mietobergrenzen und akzeptierten vor dem Hintergrund ihrer bisherigen Erfahrungen die geforderten Summen. Da die Verwaltung aus Kapazitätsgründen keine standardisierte und flächendeckende Überprüfung zur Einhaltung der Mietobergrenzen vornehmen konnte, ist die Mehrzahl dieser Fälle nicht bekannt geworden. Ohne Kläger kein Beklagter. Doch auch, wenn NeumieterInnen im Nachhinein unter Hinweis auf die Mietobergrenze ihren Mietpreis reduzieren wollten, blieb das erfolglos. Aus der Sicht der Verwaltungsgerichte standen sich mit dem abgeschlossen Mietvertrag und der behördlichen Auflage zwei verschiedene Rechtstypen gegenüber: Die verwaltungsrechtliche Auflage berührt das privatrechtliche Verhältnis zwischen Mieter und Vermieter nicht. Auch in diesen Fällen bleibt dem Bezirksamt nur die Möglichkeit des Bußgeldes. Daneben sind einige Fälle bekannt geworden, bei denen die EigentümerInnen Wohnungen mit Zusatzvereinbarungen vermieteten. Um Stress mit den Behörden zu vermeiden, schlossen die Neumieterhaushalte einen Vertrag im Rahmen der Mietobergrenzen ab und einen gesonderten Vertrag über zusätzlich zu zahlende Summen. Bei Nachfrage durch das Bezirksamt konnte so der auflagengerechte Mietvertrag eingereicht werden. Ein anderes in der Lokalpresse bekannt gewordenes Beispiel offenbarte einen weiteren „Trick“, um die Mietobergrenzen zu umgehen. Mit 130
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einem Mieter wurde eine teilgewerbliche Nutzung der Wohnung vereinbart. Alle Wohnräume wurden zu den geltenden Mietobergrenzen vermietet. Ausnahme: ein Arbeitsraum, der zu exorbitanten Gewerbemieten vergeben wurde. Im Gesamtwohnungsdurchschnitt wurden auch auf diese Weise die marktüblichen Preise erreicht. Anders als bei den ungenehmigten Bauarbeiten zeigen diese Strategien weniger die personellen als die juristischen Lücken der administrativen Eingriffe auf. Ursache für die sachliche Begrenztheit des Regulationsversuches ist der rechtlich hybride Status der Mietobergrenzen. Umwandlung in Eigentumswohnungen: Dabei werden die Kauf- und Investitionsaufwendungen sofort amortisiert und die Auflagen an eine atomisierte Eigentümerstruktur weitergegeben. Aus der Kontrollperspektive der Verwaltung ist das eine kaum zu bewältigende Vervielfältigung der Verfahren – statt mit einem Eigentümer für das gesamte Haus müssen nun 20 oder mehr Einzeleigentümer als Ansprechpartner angesehen werden. Eine Kontrolle von einzelnen Mietverträgen in allen Wohnungen ist so nur noch stichprobenartig möglich. Aus der Sicht der Bestandsmieterschaft ist diese Strategie die gefährlichste. Anders als bei den ungenehmigten Bauarbeiten und den Neuvermietungen richtet sich eine Umwandlung auch direkt gegen die BewohnerInnen der Häuser. Insbesondere die Verunsicherung, in einer Eigentumswohnung zu leben und das Damoklesschwert der Eigenbedarfskündigung über sich zu wissen, bringt viele dazu, auszuziehen. Doch auch schon das Investitionsmodell einer Umwandlungsmodernisierung richtet sich gegen die BestandsmieterInnen. In den meisten Fällen klären die Investoren vor den Modernisierungsarbeiten die Vermarktungsfähigkeit ihres Produktes und lassen sich auf der Basis von Plänen das Projekt vorfinanzieren. Das bedeutet, KäuferInnen erwerben nicht eine real vorhandene, sondern eine geplante Wohnung. Insbesondere in den bereits verkauften Wohnungen stehen die Investoren unter einem enormen Druck, den geplanten und verkauften Zustand nun auch tatsächlich herzustellen. Die Gestaltungsmöglichkeiten der Bewohnerschaft werden so stark reduziert. Drastische Veränderungen der Grundrisse haben mit den Wohnrealitäten und – wünschen der BestandsmieterInnen oft wenig zu tun. Vereinzelt soll es in solchen Fällen für hartnäckige Mietparteien zum Teil üppige Abstandszahlungen von bis zu mehreren zehntausend Mark gegeben haben. Obwohl die EigentümerInnen die zentralen Akteure der Wohnungsmodernisierungen sind, bleiben sie von der direkten Gestaltung der Sanierungspolitik weitgehend ausgeschlossen. Da sie die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen setzen, werden ihre Interessen von den anderen maßgeblich Beteiligten des Sanierungsregimes immer mitgedacht. Obwohl nicht an den Diskussionsprozessen beteiligt, findet die Eigentü131
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merschaft (als Gruppe) bei den Entscheidungen weitgehend Berücksichtigung. Im Bereich der einzelnen Modernisierungsmaßnahmen haben sie jedoch einen entscheidenden und direkten Einfluss auf den Verlauf und das Ergebnis der Erneuerung. Die von ihnen entwickelten Umgehungsstrategien sind Ausdruck dieser gespaltenen Beteiligung. Ohne tatsächlichen Einfluss auf die Verfahren, setzen sie mit ihrer starken Position bei den einzelnen Erneuerungen eigene Vorstellungen durch.
3.3.4 Mieterschaft – Zwischen institutioneller Ausgrenzung und individuellen Gestaltungsspielräumen Die Mieterschaft ist im Sanierungsprozess die zahlenmäßig stärkste, was ihren Einfluss angeht jedoch schwächste Gruppierung. Allein die Sanierungsgebiete in Prenzlauer Berg zählten zum Zeitpunkt der Festlegung fast 50.000 EinwohnerInnen. Theoretisch könnten sich die meisten von ihnen über die gewählten Landes- und Bezirksregierungen auch in Fragen der Stadterneuerung vertreten lassen. Doch das weitgehend von den parlamentarischen Gremien abgekoppelte Agieren der fachlichen Eliten des Erneuerungsprozesses schränkt eine Durchsetzung von Interessen qua Vertretungssystem deutlich ein. Angelehnt an die Ideen einer direkten Bürgerbeteiligung ist in Berlin für die Sanierungsgebiete die Bildung von Betroffenenvertretungen vorgeschrieben. Diese in öffentlicher Versammlung gewählten Nachbarschaftsgremien sollen einerseits die Sanierungspolitik in die Bewohnerschaft vermitteln und sind andererseits mit einigen Rechten und Ressourcen ausgestattet um eine Mitwirkung am Erneuerungsprozess sicherzustellen. Neben dieser Möglichkeit der institutionalisierten Beteiligung sind natürlich alle MieterInnen von Häusern, in denen Wohnungsmodernisierungen stattfinden, mit der Stadterneuerung konfrontiert. Ihr zustimmendes, abwartendes und ablehnendes Verhalten gegenüber den Erneuerungsplänen in ihrem Haus, in ihrer Wohnung entscheidet über den Verlauf der Maßnahmen. Besonders diejenigen, die eigene Vorstellungen von einer Modernisierung entwickeln und diese auch formulieren können, werden zum Teil von EigentümerInnen, Verwaltung und anderen Verfahrensbeteiligten als eine zeitraubende Herausforderung wahrgenommen.
Einfluss von Mieterorganisationen auf die Stadterneuerung Einen Einfluss auf die übergreifenden Rahmenbedingungen der Stadterneuerung hat die Bewohnerschaft der Sanierungsgebiete fast gar nicht. Selbst mit der Bildung der Betroffenenvertretungen wurde erst nach der Auswahl der Gebiete zur Voruntersuchung nach § 142 BauGB und einer weitgehend abgeschlossenen Diskussion um die Leitsätze be132
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gonnen. Die in Prenzlauer Berg bestehenden Stadtteilstrukturen wurden in den Prozess der Stadterneuerung nur wenig integriert. Zum Teil entstanden regelrechte Parallelstrukturen der Beteiligung. Neben den 1989 in einigen Stadtvierteln entstandenen Bürgerkomitees bildeten sich zu Beginn der 90er Jahre verschiedene Stadtteilinitiativen, die Proteste gegen die administrativen Mieterhöhungen des Mietenüberleitungsgesetzes organisierten oder wegen der befürchteten stadtentwicklungspolitischen und sozialen Folgen gegen die Berliner Olympiabewerbung mobilisierten. Ab 1993 wurden auch noch die ersten Betroffenenvertretungen ins Leben gerufen. Trotz teilweiser personeller Überschneidungen blieben die Beziehungen zwischen diesen verschiedenen Initiativen lange Zeit ungeklärt. Die Praxis der Betroffenenvertretungen unterschied sich zwischen den einzelnen Sanierungsgebieten teilweise erheblich. Insbesondere hinsichtlich der Nähe bzw. Distanz zu den offiziellen Sanierungsgremien und Institutionen gab es verschiedene Auffassungen. In einigen Gebieten arbeiteten die Betroffenenvertretungen kooperativ mit den Sanierungsbeauftragten zusammen. Andere hingegen setzten mehr auf eine konfrontative Mobilisierung, um Verdrängungen aus den Gebieten zu verhindern. Ihre Aktionen richteten sich zum Teil auch gegen die Verfahrensbeteiligten und andere Akteure des Sanierungsapparates.19 BewohnerInnen, die sich in die allgemeine Gestaltung der Stadterneuerung einbringen wollten, verfolgten Stgrategien der formalisierten Partizipation und der politschen Mitbestimmung gleichermaßen. Im Einzelnen waren das: die Beteiligung an Gremien wie dem Sanierungsbeirat, die Einflussnahme auf Entscheidungen in der Bezirksverordnetenversammlung und die Mobilisierung von Öffentlichkeit zur Politisierung von Einzelfragen.
Institutionalisierte Beteiligung: Teilnahme am Sanierungsbeirat Der Sanierungsbeirat ist ein Gremium der gemeinsamen Diskussion von Betroffenenvertretungen, Bezirksamt, Sanierungsbeauftragten, der Mieterberatung und der Senatsverwaltung. Er soll (so jedenfalls die Ausführungsvorschriften) den Betroffenvertretungen die Möglichkeit geben, „Anregungen und Bedenken“ an die professionellen Akteure der Stadterneuerung zu geben. Zugleich sollen die Diskussionen des Sanierungs19 So hat im Sanierungsgebiet Helmholtzplatz 1996 eine autonome Stadtteilgruppe in Absprache mit der Betroffenenvertretung riesige Plakate an Häuser geklebt, in denen eine Verdrängung stattfand oder befürchtet wurde. Der Text kritisierte dabei nicht nur die ökonomischen Zwänge der Stadterneuerung, sondern zog auch das Bezirksamt und den Sanierungsbeauftragten (unter namentlicher Nennung) zur Verantwortung. Das Hauptmotiv des anklagenden Plakates war ein unverkennbarer Hundehaufen mit der eindeutigen Überschrift „Hier stinkt’s“.
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beirates eine „wesentliche Grundlage für die Entscheidung der Verwaltung“ bilden. Eine förmliche Bindung an gemeinsam diskutierte Ergebnisse gibt es nicht. Gerade wegen dieser unklaren Verbindlichkeit war die Teilnahme an den Sitzungen unter den Betroffenenvertretungen (BV) lange Zeit umstritten. Sie sahen in einer zeitweisen Aussetzung ihrer Teilnahme eine der wenigen Sanktionsmöglichkeiten, die eigenen Belange in den Sanierungsapparat hineinzukommunizieren. Einige Jahre später wurde der Sanierungsbeirat zum zentralen Austragungsort der Debatte um die Neufestlegung der Mietobergrenze, in der zumindest die Betroffenenvertretungen das zentrale Instrument zur Sicherung der sozialen Sanierungsziele sahen. Durch intensive Vorbereitung und aufwändige Absprachen unter den einzelnen AktivistInnen gelang es, mehrere Sitzungen mit den eigenen Argumenten, Vorschlägen und Fachleute zu dominieren. Selbst Abstimmungsvorlagen wurden – ganz im Gegensatz zu den sonst souverän von S.T.E.R.N. moderierten Sitzungen – von den Betroffenenvertretungen formuliert und eingebracht. Doch dieser kurzfristige Erfolg basierte auf einem nicht alltäglichen Kraft- und Koordinierungsaufwand der Aktiven und konnte nicht in eine generelle Stärkung der eigenen Position überführt werden. Im Gegenteil – als Negativfolie zeigt das Beispiel der Mietobergrenzendiskussion die Grenzen der Betroffenenvertretung in den Gremien des Sanierungsregimes. Selbst bei zeit-, personal- und kommunikationsintensiver Vorbereitung gelingt es nur zeitweise und punktuell, eigene Interessen wenigstens ansatzweise durchzusetzen. Selbst fachlich qualifizierte BetroffenenvertreterInnen (ArchitektInnen, StadtplanerInnen, Abgeordnete) haben nicht die Möglichkeit, mit den zeitlich beschränkten Ressourcen ihres Feierabendengagements eine dauerhafte und gleichberechtigte Partnerschaft in den Aushandlungs- und Diskussionsprozessen einzugehen.
Lokalpolitisches Engagement: Der Einfluss der Mieterschaft auf die Bezirkspolitik Die ungleichen Beteiligungsverhältnisse von Professionellen und engagierten Laien in den formalen Beteiligungsgremien werden in Prenzlauer Berg teilweise von einer speziellen Regelung der Bezirksverordnetenversammlung kompensiert. Als Tribut an die relativ starke Bürgerbewegung von 1989 hat die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) ein Antrags- und Rederecht für Bürgerinitiativen in ihre Geschäftsordnung aufgenommen. Unter der Voraussetzung, dass mindestens drei Bezirksverordnete einen Antrag unterstützen, können dann die Initiativen selbst ihre Vorschläge vorstellen und begründen. Die Betroffenvertretungen haben diese Möglichkeit immer dann genutzt, wenn eine Diskussion in den Sanierungsgremien stagnierte oder die Vorschläge der Be134
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troffenenvertretungen dort nicht ernst genommen wurden. Mit dieser Umgehung der vorgesehenen Beteiligungswege verbesserten die Aktiven ihre Position gegenüber dem Sanierungsapparat. Die latente Drohung, an den gemeinsamen Diskussionen mit den Verfahrensbeteiligten vorbei Entscheidungen in der Bezirkspolitik durchzusetzen, zwang die professionellen Akteure, ernsthaft auf die Bewohnerinitiativen einzugehen. Im Streit um die Mietobergrenzen gelang den Betroffenenvertretungen von Prenzlauer Berg ein Überraschungscoup: Als die Diskussion in den Sanierungsgremien auf der Stelle trat, konnten sie ihren Vorschlag zu einer unbegrenzten Bindungsdauer der Mietobergrenzen in der BVV durchsetzen.20 Der Erfolg war aber nur von kurzer Dauer, denn mit einem Verweis auf das Berliner Verwaltungsgesetz erklärte die Verwaltung die Entscheidung des Bezirksparlaments für ungültig, weil dort zwar über „die Grundlinien der Verwaltungspolitik des Bezirkes“ entschieden, jedoch keine einzelnen Verwaltungsvorschriften beschlossen werden können. Diese doppelte Brüskierung der Bezirkspolitik und der Betroffenvertretungen verhalf dem Thema der Mietobergrenzen zumindest zu einer zeitweisen Politisierung. Vorher eher ein Thema für Professionelle und Insider, waren die Auseinandersetzungen um die Neuregelung nun auf den Lokalseiten fast aller Berliner Zeitungen nachzulesen. Auch bei anderen, weniger spektakulären Entscheidungen erwies sich der Gang der Betroffenenvertretungen in die Bezirkspolitik als Erfolgsrezept. Obwohl die Stimmenmehrheit von PDS und Bündnis 90/Die Grünen im Bezirk ein positives Votum zu Gunsten der Initiativen sicherte, versuchten die Betroffenvertretungen, immer alle Fraktionen (mit Ausnahme der Beigeordneten der rechtsradikalen Republikaner) von ihren Vorstellungen zu überzeugen. Dazu sind im Vorfeld einer BVVSitzung nicht nur die Vorlagen des entsprechenden Antrages zu verteilen, sondern auch eine Teilnahme an den jeweiligen Fraktionssitzungen notwendig. Der zeitliche Aufwand für einen erfolgversprechenden Antrag beläuft sich auf etwa 15 Stunden: Zwei bis drei Koordinationstreffen zur Abstimmung zwischen den Aktiven selbst und die Formulierung des Antrages (3 mal 1,5 h), Teilnahme an den vier Fraktionssitzungen (4 mal 1h) und schließlich die Teilnahme an der entsprechenden Sitzung selbst. Weil dort die Tagesordnungen nicht auf die vorsprechenden Initiativen ausgerichtet werden, müssen sich deren VertreterInnen auf Dauersitzungen von bis zu 3 Stunden einrichten. Hinzukommen noch ver20 Einem kleinen Erdbeben des Sanierungsregimes gleich kam die Entscheidung der Bezirksverordneten, die Mietobergrenze mit einer unbegrenzten Bindungsdauer festzulegen. Die Tageszeitung titelte auf der ersten Seite des Lokalteils mit der Überschrift „Prenzlauer Berg wird sozialistisch“.
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schiedene Telefonate oder Treffen mit den Bezirksvorstehern, eventuell mit der Presse, so dass sich der Gesamtzeitaufwand schnell auf 15 Stunden summiert. Selbst eine Arbeitsteilung zwischen den Aktiven vorausgesetzt, lässt sich der individuelle Aufwand ungefähr ermessen. Ein solcher Feierabendaktivismus ist kaum mehrfach und regelmäßig zu bewältigen.
Der klassische Weg: Mobilisierung von Öffentlichkeit Möglichkeit, um Einfluss auf die allgemeine politische Gestaltung des Erneuerungsprozesses zu nehmen, ist die klassische Öffentlichkeitsarbeit von Basisinitiativen. Zum einen die Aufklärung und Information in den Kreis der unmittelbar Betroffenen hinein, zum anderen die Organisation einer medialen Öffentlichkeit, um eigene Belange in politische Arenen zu bringen, zu denen kein direkter Zugang besteht. Die Nachbarschaft wurde in Prenzlauer Berg vor allem in der ersten Hälfte der 90er Jahre über Kiezversammlungen21, offene Treffen22, Flugblätter, Plakate und über eine unregelmäßig erscheinende Stadtteilzeitung (1992 bis 1995) erreicht. Im Zentrum stand dabei oftmals die Mobilisierung zu Protesten. Diese Form ging in der zweiten Hälfte der 90er Jahre deutlich zurück. Nur noch sporadisch erschienen Flugblätter oder Plakate. Einige Versuche, wieder zu einer kontinuierlichen Nachbarschaftsinformation zu kommen, blieben stecken. Dafür gab es neben der allgemeinen Protestmüdigkeit weitere Gründe. Das war zum ersten die massive Präsenz der professionellen Informationsmaterialien (Stadtteilzeitung des Bezirks, Broschüren des Sanierungsbeauftragten, Materialien der Mieterberatungsgesellschaft). Hinzu kam die zunehmende Außenorientierung ei-
21 Kiezversammlungen sind insbesondere bei den Protesten gegen die administrativen Mieterhöhungen (Mietenüberleitungsgesetz) 1992/93 zu einem zentralen Mobilisierungsinstrument von Stadtteilinitiativen geworden. Auf dem Höhepunkt der Kampagne nahmen etwa tausend BewohnerInnen des Bezirkes gleichzeitig an mehreren Versammlungen teil und beschlossen die nächsten Schritte des Protestes. In den darauf folgenden Jahren wurden Kiezversammlungen nur noch seltener und meist zu speziellen Themen (Leerstand/1.Mai/Umgestaltung des Helmholtzplatzes) veranstaltet. 22 Neben den regelmäßigen Sitzungsterminen der Betroffenenvertretungen haben sich die AktivistInnen in den meisten Sanierungsgebieten auch noch für „offene Termine“ entschieden, zu denen BewohnerInnen ohne den formalen Rahmen einer zielorientierten Sitzung kommen können, um ihre Problem zu schildern, Ideen zu entwickeln und gemeinsame Lösungsstrategien zu besprechen. Zu diesen Terminen wird über Aushänge und Bekanntgabe in Bezirkszeitungen eingeladen. Der Erfolg dieser zwanglosen Offenheit ist unterschiedlich, periodisch schwankt es zwischen enormen Zuspruch (mit bis zu 20 Leuten pro Abend) und Flauten, bei denen die AktivistInnen weitgehend unter sich bleiben.
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niger Aktiven, die ihre publizistischen Aktivitäten nun stärker in Zeitschriften (wie Scheinschlag, MieterEcho und VorOrt) oder akademischen Kontexten verwirklichten. Entsprechend konzentrierte sich die Öffentlichkeitsarbeit der letzten Jahren stärker darauf, mit eigenen Themen und Positionen in den Medien präsent zu sein. Die AktivistInnen waren inzwischen erfahren und souverän im Umgang mit der Presse. Als besonders hilfreich erwiesen sich die kontinuierlichen Kontakte, die zu einigen Lokalredaktionen aufgebaut wurden. So gelang es, etliche Fälle zu skandalieren, die grob gegen die Zielstellungen des Sanierungsprozesses verstießen. Weiterhin konnten einige im engeren Kreis des Sanierungsregimes beredete Themen politisiert und in die Öffentlichkeit gebracht werden. Dazu zählten eine längere Kampagne gegen den Leerstand von Wohnungen in notverwalteten Häusern 1995/96, die letztlich die kommunale Wohnungsbaugesellschaft WIP zu einer Wiedervermietung hunderter Wohnungen zwang23, die Problematisierung der Mietobergrenzen oder die mit der Platzerneuerung befürchtete Verdrängung städtischer Randgruppen vom Helmholtzplatz. Diese Öffentlichkeitskampagnen brachten nicht immer einen direkten Erfolg, halfen aber fast immer, Probleme des Sanierungsgeschehens zu politisieren und eine öffentliche Auseinandersetzung zu initiieren. Zudem stärkte eine solche Öffentlichkeit die Position gegenüber den professionellen Akteuren des Sanierungsregimes, die in ihren Entscheidungen eigentlich nicht auf die Einbeziehung der Betroffenen23 Durch die schleppenden und verzögerten Restitutionsverfahren und die Aufhebung der staatlichen Verwaltung mit dem 31.12.1993 waren dutzende Häuser des Bezirkes in so genannter Zwangverwaltung im WIPBestand. Angesichts der unklaren rechtlichen Situation weigerte sich die Wohnungsbaugesellschaft, selbst notwendige Kleinstreparaturen durchzuführen, so dass in den fast ausschließlich unsanierten Häusern leer gezogene Wohnungen nicht den üblichen Vermietungsstandards entsprachen. Die WIP weigerte sich, diese Bestände neu zu vermieten, was zu steigenden Leerstandsraten in den Häusern führte. Die Betroffenenvertretungen (insbesondere am Helmholtzlatz) nahmen sich der Problematik an und wiesen mit öffenlichkeitswirksamen Presseterminen in den zugänglich gemachten Leerstandwohnungen nach, wie ungerechtfertigt die Leerstandgenehmigungen in Einzelfällen waren. In einem Fall war der Leerstand mit durchgefaulten Deckenbalken begründet – bei der öffentlichen Begehung sahen die erstaunten Presseleute und der Baustadtrat einen Eisenträger unter dem Boden, der gar nicht faulen kann. Unter dem wachsenden Druck der Öffentlichkeit und nach einigen Besetzungsversuchen wurden in mehreren Gesprächsterminen mit der WIP Lösungsmöglichkeiten für die Wiedervermietung gefunden. Wohnungen, die mit einem geringen Eigenhilfeanteil bewohnbar gemacht werden konnten, wurden an Wohnungssuchende vergeben. Entsprechend den notwendigen Arbeiten wurde die Mietzahlung für mehrere Monate ausgesetzt.
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vertretungen angewiesen sind. Um einer öffentlichen Diskreditierung der eigenen Arbeit vorzubeugen, setzten sie gegenüber den Betroffenenvertretungen vorwiegend auf eine Strategie der Integration und Einbeziehung. Die Art der Beteiligung an den Gremien des Sanierungsregimes stellte jedoch meist das bestehende Ungleichgewicht zwischen professionellen Akteuren und beteiligten BewohnerInnen wieder her. In generellen Fragen der Stadterneuerungspolitik konnten die Betroffenenvertretungen ihre Positionen zu keiner Zeit tatsächlich durchsetzen.
Stellung der MieterInnen bei Durchführung von Wohnungsmodernisierungen Anders als auf die Rahmenbedingungen der Stadterneuerung hat die Mieterschaft auf die konkrete Durchführung der Wohnungsmodernisierungen so gut wie keinen kollektiven Einfluss. Als einzelne Mietparteien jedoch sind sie zumindest theoretisch in einer starken Position, denn ohne ihre Zustimmung dürfen keine Modernisierungsmaßnahmen durchgeführt werden. Von ihren Entscheidungen und Strategien hängt es ab, ob und wie reibungslos, konfliktgeladen oder zeitverzögert eine Wohnungsmodernisierung stattfindet. Dieser Vorgang hat nur wenig mit den klassischen Vorstellungen von Beteiligung gemein, sind doch die MieterInnen unausweichlichen mit den geplanten Bauarbeiten konfrontiert. Auch wenn die Stadterneuerungspraxis über Mieterzustimmungen und Modernisierungsvereinbarungen die individuelle Position der Betroffenen stärkt, haben diese als Gruppe kaum Einfluss auf den Erneuerungsprozess. Gerade in den individualisierten Verfahren und Verhandlungssituationen stehen viele MieterInnen einer professionellen Immobilienverwaltung gegenüber und können ihre Interessen nur in geringem Maße durchsetzen. Versuche, sich gemeinsam als Hausgemeinschaften gegen die Pläne zu organisieren, sind nur selten gelungen. Zum einen verhinderten die verschiedenen Einzelinteressen eine gemeinsame Strategie, zum anderen ist das Vorgehen von EigentümerInnen und auch der Mieterberatung auf einzelne Haushalte ausgerichtet und verstärkt oft die Individualisierung noch. Einige Betroffenenvertretungen versuchen seit einigen Jahren kontinuierlich, diesen Spaltungskalkülen entgegenzuwirken und die Organisierung von Hausgemeinschaften zu unterstützen. So wurde im Sanierungsgebiet Helmholtzplatz 1998 eine unabhängige Mieterberatung eingerichtet, die sich explizit an Hausgemeinschaften richtet und die sowohl rechtliche Informationen als auch Erfahrungen aus anderen Häusern vermittelt. Mit Unterstützung der Betroffenenvertretung konnten die Hausgemeinschaften teilweise besser vorbereitet in die Verhandlun138
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gen mit den EigentümerInnen gehen. Ob diese Mieterparteien tatsächlich erfolgreicher waren als ohne die unabhängige Beratung, kann schwer eingeschätzt werden. Dazu fehlen die Informationen zu vergleichbaren Fällen, denn es meldeten sich vor allem diejenigen Hausgemeinschaften, die von der öffentlich beauftragten Mieterberatungsgesellschaft nicht genügend Unterstützung erfahren hatten24.
Mieterschaft im Sanierungsgebiet: viele Rechte, wenig Gewicht Der Einfluss der Bewohnerschaft auf die Stadterneuerung ist trotz der angestrebten Beteiligungsziele nur gering. Insbesondere die institutionalisierten Formen der Mitwirkung (Betroffenenvertretungen, Sanierungsbeirat) können das strukturelle Übergewicht eines professionellen Apparates gegenüber Initiativen von Laien nicht aufheben. Die Betroffenenvertretungen waren eigentlich als formelles Instrument zur Mitwirkung an der Stadterneuerungspolitik gedacht. Sie hatten jedoch vorwiegend nur dann Erfolg, wenn sie außerhalb dieser vorgesehenen und zugewiesenen Beteiligungsforen aktiv wurden. Über die Mobilisierung von BewohnerInnen oder die Herstellung von Öffentlichkeit erreichten sie in Einzelfällen eine Änderung der üblichen Abläufe. Wenn die Bewohnervertretungen den engen Rahmen der gesetzlich vorgeschriebenen Beteiligungsmöglichkeiten verließen und Straße, Bezirkspolitik und mediale Öffentlichkeit nutzten, konnten sie ihr beschränkten Ressourcen gegenüber den anderen Beteiligten ausgleichen. Die individuellen Rechte bzw. Möglichkeiten der BewohnerInnen, gestaltend in die Wohnungsmodernisierungen einzugreifen, sind relativ groß. Diese Stärke ist jedoch nur um den Preis der Vereinzelung zu haben, so dass viele BewohnerInnen allein von ihren Ressourcen her die Möglichkeiten der Beteiligung nur eingeschränkt wahrnehmen können. Unter partizipationstheoretischen Gesichtspunkten bedeuten die Stadterneuerungsverfahren in Prenzlauer Berg eine Reduzierung der kollektiven Bürgerbeteiligung auf der Ebene der Stadterneuerung zugunsten einer individualisierten Mitwirkung an den einzelnen Modernisierungen.
24 So meldeten sich überdurchschnittlich viele Hausgemeinschaften bei der Betroffenvertretung, bei denen die EigentümerInnen eine nahezu vollständige Umwandlung in Eigentumswohnungen vorsahen und dafür hohe Ausstattungsstandards realisieren mussten. Trotz garantierten Kündigungsschutzes wegen Eigenbedarf waren viele der MieterInnen grundsätzlich gegen die geplanten Baumaßnahmen eingestellt. Die moderierende Unterstützung der Mieterberatungsgesellschaft ist jedoch auf eine schnelle und konsensuale Lösung ausgerichtet, die in solch konträren Interessenkonstellationen nicht hilfreich ist.
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Herausbildung eines Sanierungsregimes
Die beschriebenen Ausgangsbedingungen und die ehrgeizigen Ziele stellten die Stadterneuerung in Ostberlin vor völlig neue Aufgaben. Insbesondere die Privatisierung der Investitionen und die relativ geringeren öffentlichen Finanzierungsmöglichkeiten zwangen zur Herausbildung eines neuen Sanierungsregimes und neuer, vor allem rechtlicher Instrumente der Steuerung. Personell und auch auf der Ebene von Leitbildern wurde jedoch auf eine Kontinuität mit der Behutsamen Stadterneuerung in Kreuzberg gesetzt. Die veränderten Formen staatlicher Intervention lassen sich deshalb im Vergleich zu den Kreuzberger Strategien besonders deutlich aufzeigen. Eine zentrale Frage auf der Suche nach dem gesellschaftlichen Charakter der Stadterneuerung ist dabei die nach der „Handlungsfähigkeit des Staates“ (Scharpf 1991). Reiht sich die veränderte Organisation der Stadterneuerung in die neue Formen der politischen Steuerung (Mayntz 1995; Görlitz/Burth 1998) ein oder ist sie Ausdruck eines Rückzug des Staates? Auch in Berlin hat sich – verstärkt nach 1990 – die Schere zwischen öffentlichem Handlungsbedarf einerseits und den finanziellen und personellen Handlungsmöglichkeiten der öffentlichen Hand andererseits weiter geöffnet. Trotz des hohen quantitativen Bedarfs an Erneuerung bei gleichzeitigen Einschnitten durch eine restriktive Haushaltspolitik25 sind an die Stadterneuerung hohe Erwartungen gerichtet. An der neuen Aufgabe, möglichst viel, möglichst schnell, möglichst preiswert mit wenig öffentlichen Mitteln zu sanieren, hat sich um das Simultanziel von Erneuerung (der Bausubstanz) und Erhalt (der Sozialstruktur) ein neues Stadterneuerungsregime herausgebildet. Es unterscheidet sich hinsichtlich der Steuerungsmodi, dem Partizipationsverständnis und den Trägerformen vom bisherigen Modell der Behutsamen Stadterneuerung. Veränderte Steuerungsformen: Sie lassen sich in der Stadterneuerung als Übergang vom Verwalten zum Verhandeln (für die allgemeine politische Debatte dazu, siehe Heinelt 1998) beschreiben. Statt einer direkten Steuerung durch Geld und die treuhänderischen Sanierungsträger soll in den Ostberliner Sanierungsgebieten die verstärkte Anwendung von „rechtlichen Möglichkeiten“ die Sanierungsziele sichern (Leitsätze 1993). Diese indirekten Steuerungszugänge tragen die deutlichen Züge eines Verhandlungssystems. Die Sanierungsziele werden nicht mehr durch einen planerischen Vollzug politischer Vorgaben durchgesetzt, 25 Der Berliner Landeshaushalt laboriert seit Beginn der neunziger Jahre an einer veritablen Finanzkrise mit Defiziten von bis 10,7 Mrd. DM (siehe Vesper 1999: 1) und fast alle Politikfelder unterliegen dem strengen Sparkurs der Finanzverwaltung.
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sondern stehen mit nahezu jedem Einzelfall neu auf der Tagesordnung des staatlichen Handelns. Rückzug von Partizipationsmomenten: Im Vergleich zum Beteiligungsaufbruch des „Golden Zeitalters der behutsamen Stadterneuerung“ (Hohmuth 1984a) in Kreuzberg ist die gegenwärtige Erneuerungspraxis durch einen Rückgang der Beteiligungsmöglichkeiten gekennzeichnet. Auf der Ebene der Wohnungsmodernisierungen (verstanden als konkrete und hausbezogene Durchführungsebene der Stadterneuerung) verschiebt sich das Schwergewicht der Aushandlung von den Bewohnern („Die Erneuerung muß [...] mit ihnen geplant und realisiert werden“ 1983) auf die Eigentümer („Bei freifinanzierter Modernisierung sind Vereinbarungen abzuschließen“ 1993). Gleichzeitig werden die direkten Beteiligungsmöglichkeiten am gebietsbezogenen Prozess der Stadterneuerung amputiert. Hieß es 1983 noch „[...] die Steuerung der Erneuerung ist eine offene Form der Entscheidungsfindung und Diskussion mit Stärkung der Betroffenenvertretungen und Einrichtungen vor Ort tagender Entscheidungsgremien notwendig“, so ist eine Mitentscheidung in den 90er Jahren nicht mehr vorgesehen. Der Beteiligungsreduktion auf der politischen Ebenen steht ein vergrößerter Spielraum bei der Aushandlung von Wohnungsmodernisierungen gegenüber. Die sich beteiligende und vor allem mit entscheidende Bewohnerschaft wird dort wieder zum Subjekt anwaltlicher Begleitung durch die Mieterberatung. Die Betroffenenvertretungen können an der „Durchführung der Stadterneuerung mitwirken“ (Leitsätze 1993). Eine tatsächliche Beteiligungs- und Kontrollmacht (Selle 1996) jedoch haben sie nicht. Neue Akteure: Im Vergleich zur traditionellen Sanierungspraxis haben sich neue Trägerstrukturen herausgebildet. Das Land Berlin setzt im öffentlichen Auftrag private Unternehmen als Sanierungsbeauftragte und Mieterberatungen ein. Die Hauptaufgabe besteht darin, die Eigentümer – als die wesentlichen Investoren der Stadterneuerung – umfassend zu beraten, die Sanierung den Zielen entsprechend zu koordinieren und aktiv voran zu bringen. Statt ganze Viertel zu gestalten und Zielprogramme abzuwickeln, setzen die Verwaltungen des Landes und der Bezirke auf Moderation und Koordination der überwiegend marktgetragenen Prozesse. Damit vollzieht sich in Ostberlin der Wandel zur ersten „postfordistischen Stadterneuerung Berlins“ (Jahn 1994). Mit diesem Begriff soll ein Trend gekennzeichnet werden: Er ist geprägt von einer Flexibilisierung staatlichen Handelns und einer Privatisierung der entscheidenden Akteursstrukturen und er ist gerichtet auf die Durchsetzung diskursiver und prozessualer Verfahrensstrukturen und eine Entdemokratisierung des Erneuerungsprozesses (im Sinne eines Mangels an öffentlicher Einflussnahme). 141
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Das traditionelle Steuerungsziel der simultanen Sicherung von Akkumulation und Reproduktion (Dieser 1983) wird nicht mehr direkt durch verfahrens- und produktbezogene Subventionen erreicht, bei denen Fördermittel für haus-/blockweise Erneuerungsmaßnahmen an mehr oder weniger strenge Vorgaben gekoppelt waren. Stattdessen erfolgt die Einflussnahme auf dem doppelt indirekten Weg einer Pauschalsubvention von Investitionen (Sonderabschreibungsmöglichkeiten) und der Vereinbarung konkreter Ergebnisse im Schatten der Genehmigungsversagung. Erstmals in der Geschichte der Stadterneuerung werden private und zugleich marktorientierte EigentümerInnen zu den bestimmenden Akteuren für den Verlauf und das Ergebnis. Auf der Ebene der Sanierungsgebiete hat sich die Rolle der Administration von einer initiierenden und zum großen Teil investierenden Intervention zu einer stärker begleitenden und regulierenden verändert. Es geht nicht mehr nur um die Überwindung von Desinvestition, sondern um die Steuerung eines Investitionsdrucks, der allerdings durch die bis 1998 in Ostdeutschland geltenden Abschreibungsregelungen erst produziert wurde. Im Rahmen dieser Regelungen war eine hundertprozentige Absetzung aller Investitionskosten innerhalb von zehn Jahren möglich. Eigentümer und Investoren, die über zu versteuernde Einkünfte in der entsprechenden Größenordnung verfügten, konnten so Verluste durch die Mindereinnahmen in Folge der gekappten Höchstmieten in den Sanierungsgebieten deutlich überkompensieren. Diese Konstellation verweist auf eine Besonderheit des Stadterneuerungsregimes. Abweichend von klassischen Verhandlungssystemen wurde die Lösung eines Verteilungskonfliktes26 nicht in einer gemeinsamen Koordination der Beteiligten gefunden, sondern war eine strukturbildende Voraussetzung des Erneuerungsregimes. Die von den Bezirken eingeführten Mietobergrenzen können auch als Abschreibungsbeteiligung der Mieter interpretiert werden. Insofern ist das Steuerungsziel der öffentlichen Verwaltungen als eine klassische Regulierung durch die Redistribution öffentlicher Ressourcen zu verstehen. Das heißt aber auch, die soziale Reichweite der staatlichen Intervention in die Stadterneuerung ist abhängig vom Umfang und der Gestaltung der Abschreibungssubventionen und entzieht sich letzten Endes der Ebene einer lokalpolitischen Diskussion. Auf dieser materiellen Basis konnte 26 Der Begriff des Verteilungskonfliktes geht auf die Spieltheorie zurück und bezeichnet dort Situationen, bei der mehrere Akteure um die selbe Ressource konkurrieren. In der Stadterneuerung kann das Interesse an sozialverträglichen Mieten (Mieterschaft und Admistration) und möglicht hohen ökonomischen Gewinnen (EigentümerInnen) als ein solchere Verteilungskonflikt angesehen werden. Wie in einem Nullsummenspiel bedeuten Gewinne für die eine Seite Verluste für die jeweils andere.
142
POLITISCH-ADMINISTRATIVE STRUKTUR DER STADTERNEUERUNG
sich ein Interessenblock der Stadterneuerung um die Simultanziele Erneuerung (der Bausubstanz) und Erhalt (der Sozialstruktur) konstituieren: Abschreibungseigentümer mit Investitionsinteressen, Verwaltungen mit wohnungs- und stadtentwicklungspolitischen Ambitionen, verfahrensbeteiligte parastaatliche Akteure (Sanierungsbeauftragte, Mieterberatungen) mit Interesse am eigenen Bestand. Zunächst hatte die Stadterneuerung damit die Akzeptanz großer Teile der Bewohnerschaft, bei der pauschal von einem Wunsch nach besseren und zugleich preiswerten Wohnungen ausgegangen werden kann. Doch anders als im Modell der Behutsamen Stadterneuerung in Kreuzberg ist das Sanierungsregime nicht aus lokalen Konflikten entstanden und Bewohnerinitiativen haben kaum Einfluss auf die Ausgestaltung der Stadterneuerung. Abgesehen von den nicht verbindlichen Erörterungsrunden mit den Betroffenenvertretungen gibt es keinerlei institutionalisierte Formen der Beteiligung an der Stadterneuerung. Die Ungleichzeitigkeit und räumliche Streuung der einzelnen Modernisierungsmaßnahmen erschwert zusammen mit den individualisierten Verfahren eine kollektive politische und öffentliche Vertretung der Bewohnerschaft im Prozess der Stadterneuerung. Da es keine starken politisch organisierten Bewohnerinitiativen gab, war das Sanierungsregime in Ostberlin der 90er Jahre nie gezwungen, sich ernsthaft den BewohnerInnen zu öffnen. Diese verfügten nicht über die erforderlichen Machtressourcen und konnten deshalb weitgehend aus dem Sanierungsregime herausgehalten werden. Die Ausgestaltung und Umsetzung der Sanierungsziele wird im Wesentlichen von den zuständigen Verwaltungen, der Sanierungsbeauftragten S.T.E.R.N. GmbH und der Mieterberatung ausgeführt. In einem konsensorientierten Arrangement von engen Abstimmungen werden die wesentlichen administrativen und politischen Aufgaben arbeitsteilig oder gemeinsam ausgeführt. Das Verhältnis dieser staatlichen und parastaatlichen Akteure des Stadterneuerungsregimes ist jedoch hinsichtlich ihrer Stellung zu einander von einem deutlichen Kompetenz- und Ressourcengefälle gekennzeichnet. So sind die für die Genehmigungsverfahren zuständigen Ämter mit einem für die lokalen Abstimmungsprozesse hohen Maß an formeller Macht ausgestattet: Mit einer letztinstanzlichen Entscheidungskompetenz für alle hoheitlichen Akte im Bezirk bestimmen die Verwaltungen über das Ergebnis der Genehmigungsverfahren. Formal steht die vom Bezirksamt beauftragte Mieterberatung in einem Abhängigkeitsverhältnis zur Verwaltung. Allerdings hat sie ein starkes Gewicht in Bezug auf die übrigen Akteure. Ihre Position ergibt sich insbesondere aus der Kompetenz der Beschäftigten, aus der Bedeutung der Sozialplanverfahren und aus der vielfältigen Kommunikation mit Eigen143
MACHT UND STADTERNEUERUNG
tümer- und Mieterschaft. Da alle am Erneuerungsprozess Beteiligten auf das Detail- und Insiderwissen der Mieterberatungen angewiesen waren, festigte sich auf Dauer deren Position im Akteursgeflecht der Stadterneuerung. Eine besonders Vertrauen genossen sie bei der Bewohnerschaft. Das trug in den 90er Jahren dazu bei, dass die Sozialverträglichkeit der Verfahren nicht in Frage gestellt wurde. Der Sanierungsbeauftragte S.T.E.R.N. hingegen nimmt in den bezirklichen Abstimmungsrunden eher eine beratende Position ein, verfügt aber über eine hohe informelle Kompetenz. Insbesondere die Beauftragung durch die Senatsverwaltung bestimmt die herausragende Stellung im Regime. Neben der enormen Sach- und Facherfahrung, die in über 15 Jahren Stadterneuerungspraxis akkumuliert wurde, ist es vor allem die überbezirkliche Anbindung, die dem Sanierungsbeauftragten informelle Macht verleiht. Für allen Beteiligten ist es ein unausgesprochenes Gesetz: Sich gegen S.T.E.R.N. zu stellen heißt möglicherweise, sich gegen die Senatsverwaltung zu stellen. Innerhalb der Berliner Verwaltungsstrukturen fällt den Senatsverwaltungen die Fachaufsicht über die Bezirksverwaltungen zu. Im Konfliktfall kann die Zentralverwaltung jedes Verfahren übernehmen. Solch eine Übernahme wollen die meisten unteren Verwaltungsstrukturen vermeiden. Die EigentümerInnen nehmen in der Stadterneuerung eine paradoxe Stellung ein: Durch die Privatisierung der Investitionen werden sie zu den zentralen Akteuren der Finanzierung, Organisation und Durchführung der einzelnen Erneuerungsmaßnahmen, doch insbesondere die sozialen Sanierungsziele wurden ohne ihre Beteiligung formuliert und gegen sie durchgesetzt. Die Angewiesenheit der gesamten Erneuerung auf private Investitionen stattet die einzelnen EigentümerInnen jedoch in den jeweiligen Modernisierungsmaßnahmen mit einer faktischen Vetomacht aus. Diese spiegelt sich in der Verhandlungsorientierung der Genehmigungsverfahren wider. Um einen Rückzug der erneuerungswilligen EigentümerInnen zu vermeiden, bemühen sich alle Akteure des Sanierungsapparates um eine Lösung mit den Antragstellern, die sowohl die baulichen als auch die sozialen Sanierungsziele berücksichtigt. EigentümerInnen haben auf der Ebene der einzelnen Maßnahmen den entscheidenden und direkten Einfluss auf Verlauf und Ergebnis der Erneuerung. In der politischen Arena der Stadterneuerung verfügen sie über eine stille Vetomacht und sitzen quasi mit am Tisch. Ohne selbst anwesend zu sein und eigene Interessen zu formulieren, werden ihre Bedürfnisse von den entscheidenden Akteuren mit berücksichtigt, denn diese kennen die ökonomischen Voraussetzungen der Stadterneuerung. Diese Akteurskonstellation und auch die Individualisierung und Verhandlungsorientierung der Verfahren bestimmen die Stellung der 144
POLITISCH-ADMINISTRATIVE STRUKTUR DER STADTERNEUERUNG
Bewohnerschaft im Sanierungsprozess. Da sich die Summe der einzelnen Sanierungsarbeiten auf die Sozialstrukturen im Gebiet auswirkt, stellen die Modernisierungsverfahren den entscheidenden Ort für die Verwirklichung oder das Scheitern des sozialen Sanierungszieles dar. Die segregationswirksamen Folgen der Erneuerung ergeben sich im entstandenen Stadterneuerungsregime aus den intensiven Moderations- und Kooperationsverfahren zwischen Administration, Eigentümern und Mietern und der beschränkten Steuerungskapazitäten sanierungsrechtlicher Genehmigungsvorbehalte. Die Erneuerung ist dabei nicht mehr nur Auslöser einer sozial selektiven Mobilität, sondern Folge von ungleich verteilten Ressourcen der einzelnen MieterInnen, ihre Wünsche und Forderungen in den weitgehend ergebnisoffenen Verhandlungen durchzusetzen. Diese Aushandlungsprozesse stellen sich für die Mieter als eine Mischung von vormundschaftlicher Betreuung und individuellem Risiko dar. Vor allem die Sozialplanverfahren, die für alle Mieter, aber insbesondere für so genannte Härtefälle negative Auswirkungen der Erneuerung mildern oder verhindern sollen, sind in den einzelnen Modernisierungen dem Rhythmus und Tempo des gesamten Genehmigungsverfahrens unterworfen. Die Vertretung von Mieterinteressen wird so zu einer Verfahrensfunktion. Damit ist das soziale Sanierungsziel dem baulichen Erneuerungsprozess nachgeordnet. Ob die öffentliche Absicht dennoch erreicht wird, ist weitgehend eine Privatangelegenheit und hängt von den Ressourcen der Mietparteien in den Modernisierungshäusern ab. Bezogen auf die Fragestellung nach der gesellschaftlichen Macht im Sanierungsgebiet verweist die Akteurskonstellation und die Praxis des Sanierungsregimes auf die Durchsetzung wesentlicher Trends einer Neuausrichtung staatlichen Handelns im Feld der Stadterneuerung. Von der Öffnung der Entscheidungsgremien für nichtstaatliche Akteure, über den Wechsel von Macht- zu Verhandlungsstrategien bis hin zum Übergang in eine indirekte Anreizsteuerung lässt sich das Stadterneuerungsregime als Musterbeispiel der neuen Politikformen beschreiben (Glock 1999: 75ff.). Stadterneuerungspolitik lässt sich nicht von den allgemeinen Veränderungen staatlichen Handelns entkoppeln und ist als klassisches Feld staatlicher Intervention enormen Veränderungen unterworfen. Inwiefern sich diese Veränderungen auf der Organisationsseite der Stadterneuerung auch auf die Effekte der Maßnahmen auswirken, wird in den nächsten Kapitel beschrieben.
145
4. Die Ökonomie der Aufw ertung
Die Ökonomie ist in marktwirtschaftlichen Gesellschaften eine bestimmende und dominate Spähre. Insbesondere politische Entscheidungen, die sich am Gemeinwohl orientieren, müssen den wirtschaftlichen Prinzipien oft abgetrotzt werden. Auch auf die Stadterneuerung lässt sich dies allgemeine Ausgangsposition übertragen: als staatlich initiierte Maßnahmen sind Stadterneuerungen immer auch politisch bestimmte Interventionen in den Wohnungsmarkt. Das Primat des Ökonomischen wird dabei in klassischer Weise von politischen Zielstellungen und Entscheidungen überformt, ohne jedoch generell in Frage gestellt zu werden (Dieser 1983). Ein Verständnis der ökonomischen Prozesse in Sanierungsgebieten ist deshalb ein wesentlicher Aspekt, um sich dem gesellschaftlichen Charakter einer Stadterneuerungsmaßnahme zu nähern. Eine Ökonomie der Stadterneuerung – das wurde bereits im Kapitel 1 in allgemeiner Weise beschrieben – lässt sich in folgenden drei chronologischen Aspekten beschreiben: der Entstehung von Sanierungsgebieten, den Bedingungen einer Reinvestition sowie den Folgen für Bewirtschaftung und Nutzung des Gebietes. Da die politisch-administrativen Voraussetzungen für die Stadterneuerung in Ostberlin bereits detailliert beschrieben sind, werden sich die folgenden Abschnitte auf Fragen der Bewirtschaftung konzentrieren. Zunächst geht es vor allem um die baulichen Effekte der Desinvestition. Dazu werden die Sanierungsgebiete mit anderen Baualtergruppen verglichen, um den spezifischen Charakter der Gebiete herauszustreichen. Anschließend werden die ökonomischen Anreizstrukturen und die Rationalität von Investitionen in der Stadterneuerung der 90er Jahre in Ostberlin erörtert. Dabei geht es zunächst um die besonderen Bedingungen der Steuerabschreibungen und um die Mietsteigerungspotentiale durch Modernisierungsmaßnahmen. Es folgen Angaben zu den kurz147
MACHT UND STADTERNEUERUNG
und langfristigen Kalkulationen von Investitionen. Die Faktoren Zinssätze, steuerliche Regelungen und Miethöhen werden hinsichtlich ihres jeweils spezifischen Einflusses auf die wirtschaftliche Gesamtrechnung einer Investition geprüft. In den letzten Abschnitten des Kapitels werden sowohl die baulichen Effekte der Stadterneuerung als auch die Auswirkungen auf die Mietentwicklung im Gebiet dargestellt. Dabei erfolgt eine ausführliche Beschreibung des Durchführungsstandes der Stadterneuerung und der Mietentwicklung in den Sanierungsgebieten von 1990 bis 2000.
4.1 Entstehung der Sanierungsgebiete: Folgen jahrzehntelanger Desinvestition Anfang der 90er Jahre waren die Ostberliner Altbauquartiere durch eine jahrzehntelange Desinvestitionsphase geprägt. Von der neubauorientierten DDR-Baupolitik weitgehend liegengelassen, wiesen große Teile des gründerzeitlichen Wohnungsbestandes große Mängel und Schäden auf. Allein in den förmlich festgelegten Sanierungsgebieten von Prenzlauer Berg betraf das fast 35.000 Wohnungen. Neben einem umfangreichen Instandsetzungsbedarf wiesen die Häuser erhebliche Ausstattungsdefizite auf. Gemessen an den inzwischen üblichen Standards eines modernen Heizungssystems, eines Bades und einer Innentoilette lag der Modernisierungsbedarf in den Gründerzeitquartieren geradezu auf der Hand. In Prenzlauer Berg hatten fast 20 Prozent der Wohnungen weder Bad noch Innen-WC, und etwa 80 Prozent verfügten lediglich über eine Kohleofenheizung (AG SPAS e.V. 1992, B.f.s.S. 1992, PFE 1992, Topos 1992, S.T.E.R.N. 1992 und 1995 und Vicente 1996) In fast allen Häusern bestand ein erheblicher Modernisierungsbedarf1. In etwa der Hälfte aller Wohnungen mussten mindestens zwei Ausstattungsmerkmale neu geschaffen werden, was sich nur in Ausnahmefällen ohne umfassende Grundrissänderungen und Instandsetzungsarbeiten realisieren ließ. Vergleiche mit anderen Wohnungssegmenten des Bezirks verdeutlichen den speziellen Stadterneuerungsbedarf für die Gründerzeitquartiere. In den Zwischenkriegsbeständen – also den in den 20er und 30er Jahren errichteten Wohnungen – waren „Substandardwohnungen [...] fast 1 Die Daten zur Ausstattung der Wohnungen in den gründerzeitlichen Beständen stammen fast ausschließlich von der Vorbereitenden Untersuchung zur förmlichen Festlegung von Sanierungsgebieten nach § 144 BauGB, die in den Jahren 1992 und 1993 von verschiedenen Stadtforschungsbüros durchgeführt wurden.
148
DIE ÖKONOMIE DER AUFWERTUNG
nicht mehr vorhanden“ (PFE 1998: 35). Fast alle Wohnungen hatten innen liegende Toiletten und Bäder, in etwa 45 Prozent gab es bereits zentrale Heizungssysteme. In den zu DDR-Zeiten errichteten Wohnungen war pauschal von einer umfassenden Sanitärausstattung auszugehen. Die ältesten Bestände wiesen also (wenig überraschend) den geringsten Standard und den größten Erneuerungsbedarf auf. Bei den vorbereitenden Untersuchungen zur förmlichen Festlegung der Sanierungsgebiete erfolgte die Unterscheidung zwischen umfassendem und mittlerem/einfachem Erneuerungsbedarf. Ein umfassender Erneuerungsbedarf wurde für alle Wohnungen angenommen, deren Bausubstanz nur mit durchgreifenden Instandsetzungs- und Sanierungsmaßnahmen zu retten war. Darunter zählten notwendige Sanierungen der Deckenböden, Dachaufbauten, Fassaden, Fenster und der Stränge. Tabelle 4.1: Wohnungen in den Sanierungsgebieten von Prenzlauer Berg nach Erneuerungsbedarf zum Zeitpunkt der Festlegung Erneuerungsbedarf Wohng.
umfassender
mittlerer/einfacher
gesamt
Wohng.
Anteil
Wohng.
Anteil
Wohng.
Anteil
Kollwitzplatz
6.519
1.800
27,6
4.700
72,1
6.500
99,7
Helmholtzplatz
13.338
3.200
24,0
10.140
76,0
13.340
100,0
Winsstraße
4.850
1.252
25,8
3.544
73,1
4.796
98,9
Bötzowviertel
3.072
352
11,5
2.611
85,0
2.963
96,5
Teutoburger Platz Gesamt
4.423
1.914
43,3
2.260
51,1
4.174
94,4
32.202
8.518
26,5
23.255
72,2
31.773
98,7
Quelle: Vorbereitende Untersuchungen (AG SPAS e.V. 1992; B.f.s.S. 199;, PFE 1992; Topos 1992; S.T.E.R.N. 1992, 1995; Vicente 1996 und eigene Berechnung)
In allen Sanierungsgebieten war der Bestand weitgehend erneuerungsbedürftig. Für etwa ein Viertel der Wohnungen bestand sogar ein umfassender Erneuerungsbedarf. Unterschiede gab es insbesondere zwischen den Sanierungsgebieten Bötzowviertel mit einem deutlich geringeren Anteil und dem Sanierungsgebiet Teutoburger Platz mit einem deutlich überdurchschnittlichen Anteil von stark beschädigten Häusern. Für mögliche Investitionen in die Erneuerung und für zu erwartende Mietsteigerungen ist die Wohnungsgröße ein entscheidender Faktor. Die Altbauquartiere ermöglichen mit ihren flächenmäßig großzügigen Wohnungen einen hohen Wohnkomfort dessen Verwertungsperspektiven im Vergleich zu anderen Beständen günstig einzuschätzen sind. Gründerzeitwohnungen mit nur wenigen Zimmern sind oft größer als Wohnungen mit einer höheren Raumzahl, die später gebaut wurden. 149
MACHT UND STADTERNEUERUNG
Allerdings sind Ein- und Zweiraumwohnungen (ca. 72 Prozent) lediglich für bestimmte Gruppen interessant. Familientaugliche Wohnungen gibt es nur in sehr geringer Zahl. Lediglich sechs Prozent aller Wohnungen haben vier oder mehr Räume. Auch hierbei unterscheiden sich die Bestände in den einzelnen Sanierungsgebieten zum Teil erheblich. Der Anteil an größeren Wohnungen liegt am Kollwitzplatz und im Bötzowviertel deutlich höher als anderswo (Statistisches Landesamt 1998b: 9) Die meisten Kleinwohnungen hingegen befinden sich im Sanierungsgebiet Helmholtzplatz. Diese Unterschiede beruhen auf den historischen Prägungen der Viertel als bürgerlich repräsentatives Quartier (Kollwitzplatz), Beamten- und „Geheimratsviertel“ wie das Bötzowviertel oder als dicht bebautes Arbeiterwohngebiet wie der Helmholtzplatz (Häder/Wüst 1994: 18). Der Anzahl der Wohnräume nach lässt sich ein historischer Trend von der Klein- zur Familienwohnung zeigen. Dominieren in den Gründerzeitvierteln Ein- und Zwei- raumwohnungen (etwa 72 Prozent)2, so verschob sich der Schwerpunkt in der Zwischenkriegszeit hin zu den eher familiengerechten Zwei- und Dreiraumwohnungen (etwa 91 Prozent). In den zu DDR-Zeiten erbauten Wohnhäusern gibt es wieder mehr Einraumwohnungen. Zugleich fällt hier der deutlich höhere Bestand an Wohnungen mit vier oder mehr Zimmern auf. Neben der Anzahl der Räume ist die Fläche ein wichtiges Kriterium für den jeweiligen Gebrauchswert einer Wohnung. Vor allem die Wohnungen in den jüngeren Beständen sind trotz der größeren Zimmerzahl oft kleiner als Wohnungen im Gründerzeitbestand. Im Durchschnitt sind die Wohnungen in den gründerzeitlichen Häusern flächenmäßig größer als die jüngeren Wohnungsbestände. Auch zwischen den einzelnen Althausquartieren gibt es deutliche Unterschiede der Wohnungsflächen (Statistisches Landesamt 1998b: 9, argus 1997: 27) Wie schon bei der Ausstattung und dem Anteil der Wohnungen mit vier und mehr Zimmern, hebt sich das Bötzowviertel von den anderen Gebieten mit einem höheren Anteil von größeren Wohnungen ab. Das Sanierungsgebiet Helmholtzplatz hingegen hat den größten Anteil kleiner Wohnungen und auch die geringsten Wohnungsflächen im Vergleich
2 Ein – jedoch nicht mit konkreten Zahlen belegbarer – Grund für die Vielzahl kleiner und Kleinstwohnungen sind die bereits seit den 20er Jahren durchgeführten Wohnungstrennungen in den Vorderhäusern. Entsprechend der wechselnden Nachfrage und ermöglicht durch die flexiblen Grundschnitte der Mietshäuser wurden viele der repräsentativen Bürgerwohnungen in mehrere kleine Wohnungen unterteilt (siehe Haeder/Wüst 1994: 24).
150
DIE ÖKONOMIE DER AUFWERTUNG
zu den anderen Stadtteilen. Die anderen Gebiete unterscheiden sich in solchen groben räumlichen Rastern eher unauffällig von einander. Die Gründerzeitquartiere des Bezirkes sind – im Vergleich zu anderen Baualtergruppen – von überdurchschnittlich großen, aber schlecht ausgestatteten Wohnungen geprägt. Hinsichtlich der Ausstattungsdefizite können wir von der Notwendigkeit einer Erneuerung ausgehen. Zudem gelten die flexibel gestaltbaren Grundrisse und Größen der meisten Altbauwohnungen sowie das historische Flair der Quartiere als attraktiv. Besonders in innerstädtisch gelegenen Stadtvierteln konstituiert sich für solche Wohnungsmarktsegmente eine Nachfrage, die sowohl von der „neuen Mittelklasse“ als auch von einer „alternativen Mittelklasse“ getragen wird (Prigge 1987: 186f.). Diese Klientel lebt oft als Single oder Doppelverdienerpaar und arbeitet in den Dienstleistungsjobs der städtischen Ökonomie. Damit verfügen sie über relativ hohe Einkommen und können modernisierte Wohnungen bezahlen. Für die Wahl einer Wohnung sind wegen der flexiblen und oft diskontinuierlichen Arbeitsweise und des entsprechenden Freizeitverhaltens kurze Wege, dichte und möglichst zeitlich flexible Angebotsstrukturen von Freizeiteinrichtungen und haushaltsnahen Versorgungseinrichtungen ausschlaggebend (Häußermann/Siebel 1987: 17; Castells 1994: 130ff.; Borst 1990: 225). Die Erneuerung war nicht nur wegen der desolaten Bausubstanz notwendig, sie bot sich für Investitionen auch an, weil zu Beginn der 90er Jahre eine zahlungskräftige Nachfrage nach modernisierten Wohnungen in diesen Quartieren erwartet wurde (Krätke/Borst 2000: 169). Ob in dieser Situation eine durchgreifende Stadterneuerung tatsächlich stattfinden würde, war vor allem eine Frage der wirtschaftlichen Perspektiven.
4.2 Bedingungen für eine Reinvestition Die wesentlichen ökonomischen Voraussetzungen einer Reinvestition in die Wohnungsbestände eines Sanierungsgebietes sind unter marktförmigen Verhältnissen a) die Existenz eines Wohnungsmarktes im Sinne von rechtsfähigen Grundstücken sowie eine investitionsbereite Eigentümerstruktur und b) ausreichende wirtschaftliche Anreize für eine Investition. Im Folgenden werden zunächst die Bedingungen des Wohnungsmarktes in Berlin Prenzlauer Berg hinsichtlich des Verkaufsgeschehens und der Erneuerungstätigkeit dargestellt. Im Anschluss werden an Hand verschiedener Wirtschaftlichkeitsberechnungen die zu erwartenden Kosten und Einnahmen einer Modernisierung vorgestellt, um die Anreizstruktur
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MACHT UND STADTERNEUERUNG
von Investitionen unter verschiedenen Annahmen und Handlungsoptionen der Eigentümerschaft zu erkunden.
4.2.1 Wohnungsmarkt und Eigentümerstruktur: der Zusammenhang von Verkaufsgeschehen und Modernisierung im Sanierungsgebiet Eine wesentliche Voraussetzung für alle Erneuerungsmaßnahmen sind handlungsfähige EigentümerInnen und eine bestehende Rechtsicherheit der Grundstücke. Beide Voraussetzungen sollten durch die im Einigungsvertrag festgelegten Restitutionsregelungen erreicht werden. Die Rückübertragung der Grundstücke an die AlteigentümerInnen und ihre ErbInnen sollte nicht nur eine historische Gerechtigkeit herstellen, sondern zugleich einen funktionsfähigen Wohnungsmarkt etablieren (Bönker/Offe 1994; Glock/Häußermann/Keller 1999, 2000). Infolge der Restitution kam es in den Altbaugebieten zu einer weitgehenden Reduzierung staatlicher und kommunaler Besitzstände und zu einem sich anschließenden intensiven Verkaufsgeschehen. Damit – so eine vielfach angenommene These – waren auch die Voraussetzungen für den Stadterneuerungsprozess gelegt. Insbesondere die professionalisierte Eigentümerstruktur wurde als investitionsfreudig eingeschätzt (Holtmann/Killisch 1993; Wiehlgos 1995; Dieser 1996). Ob es tatsächlich einen Zusammenhang zwischen dem Verkauf der Grundstücke und dem Modernisierungsgeschehen gab, soll am Beispiel des Sanierungsgebietes Kollwitzplatz dargestellt werden. Die Quellen für die empirische Beschreibung dieses Zusammenhanges basieren auf der Auswertung und Ergänzung von Akten der Sanierungsverwaltungsstelle (SVS). Diesen Dokumenten waren umfassende Informationen zu Eigentümerwechseln, Kaufpreisen, Sanierungsanträgen und -genehmigungen und vollzogenen Abgeschlossenheitsbescheinigungen zu entnehmen. Für 304 der 382 Grundstücke mit Wohnbebauung (fast 80 Prozent) konnten Informationen zu AlteigentümerInnen, Gesellschaftsformen der aktuellen EigentümerInnen, Zeitpunkt von Verkäufen und Kaufpreisen extrahiert werden. Ergänzend zu den Auswertungen der Akten wurden für den gesamten Bestand im Untersuchungsgebiet Begehungsprotokolle erhoben. Dabei ging es im Wesentlichen um den Bauzustand (saniert/unsaniert), den offensichtlichen Leerstand und um die aktuelle Hausverwaltung. In etwa 20 Prozent aller Häuser lieferten die Begehungsprotokolle die einzigen Informationen. Hier handelte es sich überwiegend um unsanierte Häuser mit ungeklärten Eigentumsverhältnissen. Insgesamt konnten so für 355 der 382 bebauten Grundstücke (93 Prozent) Informationen über den Status (verkauft/un152
DIE ÖKONOMIE DER AUFWERTUNG
verkauft und saniert/in Bau/teilsaniert/unsaniert) erhoben werden. Für den zu hinterfragenden Zusammenhang von Verkaufsgeschehen und Modernisierung wurden zunächst die schon verkauften und noch unverkauften Häuser auf ihren sanierungsbezogenen Status hin verglichen. Dabei zeigte sich schnell, dass die zum Zeitpunkt der Untersuchung bereits verkauften Grundstücke das bisherige Sanierungsgeschehen bestimmten. Fast zwei Drittel aller bisherigen Sanierungsarbeiten (inklusive Teilmodernisierungen und begonnene Bauarbeiten) wurden auf bereits verkauften Grundstücken durchgeführt. Tabelle 4.2: Verkaufte und unverkaufte Grundstücke und Durchführungsstand der Sanierung im Sanierungsgebiet Kollwitzplatz 1998 (n=355) gesamt Grundstücke verkaufte Unverkaufte Alle3
unsaniert
saniert
im Bau
teilsaniert
Anzahl Anteil Anzahl Anteil Anzahl Anteil Anzahl Anteil Anzahl
168
57
Anteil
47,3%
32,2%
Anzahl
187
120
Anteil
52,7%
67,8%
355
177
33,9%
58
34,5%
63% 64,2%
34
18,2%
37% 49,9%
92
32
19%
78% 9
4,8%
22% 25,9%
41
21
12,5%
46,7% 24
12,8%
53,3% 11,6%
45
12,7%
Quelle: SVS und eigene Berechnung
Der Verkauf des Grundstücks schien in der überwiegenden Zahl der Fälle die Voraussetzung für Modernisierungsarbeiten gewesen zu sein. Innerhalb der untersuchten Zeitspanne von 1992 bis 1998 hat eine deutliche Mehrheit der ImmobilienerwerberInnen (67 Prozent) mit Erneuerungsarbeiten begonnen. Ein Hauskauf mit einer anschließenden Phase der Desinvestition ist selten. Diese Ausnahmen sind unter anderem öffentlich geförderte Erneuerungsmaßnahmen im kommunalen Bestand, Selbsthilfeprojekte in ehemals besetzten Häusern und Sanierungsarbeiten auf Grundstücken von Genossenschaften (z.B. Beamtenwohnungsverein zu Berlin). Zugleich sind Wohnungsmodernisierungen auch die Folge von Immobilienverkäufen, wie der zeitliche Zusammenhang von 3 Ein Vergleich mit den offiziellen Sanierungszahlen der Stadterneuerungsberichte bestätigt die Plausibilität und Repräsentativität der auswertbaren Aktendaten der SVS. Der rechnerische Erneuerungsstand für das Gebiet Kollwitzplatz war mit genau 50 Prozent ausgewiesen. Der entsprechende Wert der ausgewerteten Grundstücke liegt (incl. der begonnen Bauarbeiten) bei 50,1 Prozent in diesem Bereich. Auch der Anteil der umfassenden Modernisierungen gleicht mit fast 26 Prozent den Angaben (29 Prozent) im offiziellen Stadterneuerungsbericht. Insbesondere unter Berücksichtigung der im Bau befindlichen Wohnungen kann von einer empirisch wertvollen Aussagekraft ausgegangen werden.
153
MACHT UND STADTERNEUERUNG
Verkauf und Modernisierung verdeutlicht. Innerhalb der drei ersten Jahre nach dem Verkauf begannen lediglich in 24 Fällen (weniger als 15 Prozent) der 168 verkauften Grundstücke keine Modernisierungsmaßnahmen. Wird der Schnitt für eine beginnende Desinvestitionsphase bei fünf Jahren angesetzt, sind es sogar nur sechs Grundstücke, die einen Anteil von nicht einmal fünf Prozent am verkauften Bestand ausmachen. EigentümerInnen, die ein Haus erwerben und nicht in die Gebäude investieren wollen, die also möglicherweise ein geringes oder sehr langfristiges Verwertungs- oder Nutzungsinteresse an den Wohnhäusern haben, sind im Untersuchungsgebiet die absolute Ausnahme. Zeichen für diesen Investitionsdruck sind nicht nur die hohe Zahl der verkauften Immobilien und die schnell folgenden Sanierungsarbeiten, sondern auch der geringe Anteil von Teilsanierungen in bereits verkauften Häusern. Nur 12 Prozent aller Baumaßnahmen in diesen Häusern waren bisher keine umfassenden Modernisierungen. Bezogen auf den Gesamtbestand von wohnbebauten Grundstücken konnten in 45 Häusern Teilsanierungen festgestellt werden. Das entspricht einem Anteil von etwa 13 Prozent. Der Anteil der Teilsanierungen ist also bei den noch nicht verkauften Grundstücken höher als bei den bereits verkauften (Tab. 4.2). Noch deutlicher wird der Zusammenhang von Hauserwerb und Modernisierung bei der Beschreibung von Verwertungstempo, Verwertungsquoten und Verwertungsdynamiken im untersuchten Gebiet. Als Verwertung wird dabei der ökonomische Prozess bezeichnet, durch den eine Investition refinanziert und gewinnbringend amortisiert wird. Da sich letztlich alle wirtschaftlich rationalen Aktivitäten in einem Marktgeschehen als Investitionen beschreiben lassen, geben die Anzahl und das Tempo von abgeschlossenen und realisierten Verkaufszyklen weiteren Aufschluss über das Marktgeschehen. Ausgangspunkt für alle Verwertungsprozesse in den Sanierungsgebieten ist demnach der Kauf eines Grundstückes. Als abgeschlossen gilt ein Verwertungszyklus, wenn das Haus weiterverkauft oder nach einer Modernisierung langfristig bewirtschaftet werden kann. Das Verwertungstempo soll dabei für die in einem Jahr (weiter-)verkauften Grundstücke die Umschlagzeit der abgeschlossenen Verwertungszyklen beschreiben. Das Verwertungstempo gibt also an, wie lange die Grundstücksverkäufe eines Jahres zuvor jeweils im Besitz der VorkäuferInnen waren. Das Maß bezieht sich ausschließlich auf Mehrfachverkäufe und stellt dar, in welchen Jahren der Handel mit Grundstücken in einem Gebiet besonders intensiv erfolgte. Je länger die durchschnittliche Zeit bis zum nächsten Verkauf, desto schwerfälliger wird das Verwertungstempo. 154
DIE ÖKONOMIE DER AUFWERTUNG
Tabelle 4.3: Verwertungstempo mehrfach verkaufter Grundstücke im Sanierungsgebiet Kollwitzplatz, 1992-1998
1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 Gesamt
Anzahl der Verkäufe
Jahre gehalten
1 10 15 17 18 13 16 90
1 7 15 22 25 25 31 126
Verwertungstempo (in Jahren) 1 0,7 1 1,29 1,39 1,92 1,94 1,4
Quelle: SVS-Daten und eigene Berechnung
Die Annahme dabei: Grundstücke, die in kurzer Zeit zum Teil mehrmals ohne wirtschaftlichen Verlust verkauft werden, unterliegen einer großen Gewinnerwartung, da ohne die Kalkulation auf eine (direkte oder indirekte) wirtschaftliche Verwertung oder eine geplante Selbstnutzung nur wenige Grundstücke käuflich erworben werden. Je kürzer die Zeit zwischen den Verkäufen, umso höher das Verwertungstempo. Die Umschlagzeiten für die Verkäufe von Grundstücken im Untersuchungsgebiet verweisen auf ein intensives Marktgeschehen. Häuser, die mehrmals ihren Eigentümer wechselten, waren im Durchschnitt nicht einmal 18 Monate im konstanten Besitz. Dieses Tempo der Verkäufe hat sich im Laufe der Jahre deutlich verringert. Wurden bis 1994 – zu einer Zeit, als auch die Bodenpreise ihren Höhepunkt erreicht hatten – Grundstücke nicht einmal ein Jahr behalten, so liegt die durchschnittliche Verweildauer von Wohnhäusern bei ZwischenhändlerInnen seit 1997 bei fast zwei Jahren. Als Verwertungsquote soll der Anteil der in einem Jahr gekauften Grundstücke bezeichnet werden, deren Verwertungszyklen durch Weiterverkauf oder durch Investitionen in die bauliche Aufwertung abgeschlossen wird. Die Verwertungsquote stellt also dar, wie viele Grundstückskäufe eines Jahres weiterverkauft und auf wie vielen Grundstücken mit Modernisierungsarbeiten begonnen wurde. Insgesamt wurden bei 155 von 229 auswertbaren Grundstückskäufen die Investitionszyklen durch Verkauf oder begonnene Modernisierungsarbeiten abgeschlossen. Das entspricht einem Anteil von 67,7 Prozent aller Immobilienkäufe. Der zeitlich regressive Verlauf liegt nicht zuletzt im bis 1998 begrenzten Untersuchungszeitraum4. Deutlich wird auch, 4 Die früher gekauften Häuser hatten schlichtweg mehr Zeit für ihre Verwertung hatten, während bei den später erworbenen Grundstücken ein lang-
155
MACHT UND STADTERNEUERUNG
dass der wesentlich höhere Anteil von Verwertungsumschlägen durch Modernisierungen der Wohnhäuser realisiert werden soll. In 97 Fällen fanden im Anschluss an Grundstücksverkäufe Modernisierungsarbeiten statt (42,4 Prozent). In diesen Häusern muss – ein wirtschaftlich rationales Handeln der EigentümerInnen unterstellt – der Kaufpreis und eine mögliche Gewinnerwartung durch die Modernisierung und die spätere Mietgestaltung bzw. durch den Verkauf von Eigentumswohnungen erzielt werden. Durch den Verkauf ausgelöste Verwertungserwartungen können sich letztlich immer nur in Modernisierungsprozessen materialisieren. Weiterverkäufe als Abschluss von Investitionszyklen konnten bei 58 untersuchten Immobilienverkäufen festgestellt werden (23,4 Prozent). Eine grundstücksbezogene Realisierung der Verwertbarkeit durch Modernisierungsarbeiten und Mietsteigerungen wird in diesen Fällen nur verschoben, das Risiko einer künftig erwarteten, aber keineswegs garantierten Mieteinnahme abgegeben (siehe Häußermann/Holm/Zunzer 1999). Die Verwertungsdynamik soll für die in einem Jahr gekauften Grundstücke beschreiben, in welcher Zeitspanne der Umschlag in einen anderen Verwertungszyklus vollzogen wurde. Die Verwertungsdynamik stellt dar, wie schnell die Grundstückskäufe eines Jahres weiterverkauft wurden und wann auf diesen Grundstücken die Modernisierungsarbeiten begannen. Die Verwertungsdynamik der Grundstückskäufe in den einzelnen Jahren war verschieden. Das hohe Wiederverkaufstempo in den Jahren ab 1996 kann als Reaktion auf das absehbare Ende der günstigen Steuerabschreibungsmöglichkeiten interpretiert werden. Die zumindest für die Jahre 1997 und 1998 geringen Weiterverkaufsanteile wurden zu einem großen Teil durch die Selbstverwertung durch Modernisierung hervorgerufen. Auf 39 Grundstücken des Gebietes waren zum Zeitpunkt der Untersuchung Modernisierungsarbeiten noch im Gange. Die überwiegende Anzahl davon wurde 1997/98 begonnen. Insgesamt ist diese Zeit, trotz relativ weniger Verkäufe, nicht durch eine abwartende Haltung der EigentümerInnen oder eine drohende Verwertungskrise der Grundstücke gekennzeichnet. Die überdurchschnittlich lange Zeit bis zum Wiederverkauf der Grundstückskäufe von 1992 verweisen möglicherweise auf Verunsicherungen des Immobilienmarktes, die im Zusammenhang mit der geplanten und später vollzogenen Festlegung des Sanierungsgebietes standen.
fristiges Verwertungsgeschehen von der Datenmenge nicht berücksichtigt wird.
156
DIE ÖKONOMIE DER AUFWERTUNG
Tabelle 4.4: Entwicklung der Verwertungsdynamik (in Jahren) weiterverkaufter Grundstücke im Sanierungsgebiet Kollwitzplatz von 1989 bis 1998 (n=53)
Grundstücke Umschlagdauer Durchschnitt
1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1 2 8 17 6 10 9 5 4 3 24 31 12 14 8 4 4
-
1,5
3
1,8
2
1,4
0,9
0,8
-
alle 58 100 1,7
Quelle: SVS-Daten und eigene Berechnung
Erst mit der Sicherheit von Verwertungsmöglichkeiten im Sanierungsprozess wurden die Grundstücke weiterverkauft. Im Gegensatz zur Festlegung der Sanierungsgebiete führte die Einführung von Mietobergrenzen 1995 zu keinen sichtbaren Verunsicherungen im Immobiliengeschäft. Die staatlichen Interventionen in Form der sanierungsrechtlichen Beschränkungen stellten keine generellen Investitionshemmnisse und Verwertungsblockaden dar. Weder der Immobilienverkauf noch die Modernisierungsarbeiten gerieten nachhaltig ins Stocken.
4.2.2 Anreizstrukturen für Investitionen in Sanierungsgebieten Jede private Investition braucht einen ökonomischen Anreiz. Im Bereich des Wohnungsmarktes besteht dieser Anreiz in der Regel aus der langfristigen Bewirtschaftungsperspektive der Wohnungen. Zentrale Parameter dafür sind die langfristig realisierbaren Mieteinnahmen und die anfallenden (Kapital-)Kosten für die notwendigen Bauarbeiten. Diese Kosten werden in Ostberlin nur noch zu einem geringen Teil direkt aus öffentlichen Mitteln bezahlt. Die Hinwendung der Stadterneuerung zu privat finanzierten Modernisierungen unterwirft die Investitionen weitgehend klassischen Bewirtschaftungsüberlegungen. Abhängig von der Fähigkeit, die unrentablen Kosten zu decken, finden Investitionen statt oder nicht. Neben den steuerlichen Abschreibungen für Investitionen in die Modernisierung der Wohnsubstanz werden dabei die realisierbaren Mietsteigerungen zu einem zentralen Aspekt. Währende die Abschreibungsmöglichkeiten die Kapitalkosten einer Investition reduzieren, sind die langfristigen Einnahmen von den zu erwartenden Miethöhen oder Verkaufspreisen abhängig. Ich werde im Folgenden auf beide Seiten der Wirtschaftlichkeitsrechnung eingehen. In meiner Untersuchung verfolge ich in diesem Zusammenhang ausdrücklich keinen Kausalitätsansatz, der die Mietpreise vor allem als Effekt der Modernisierung darstellt. Umgekehrt favorisiere ich einen Ansatz, der die wirtschaftliche Gewinnmög157
MACHT UND STADTERNEUERUNG
lichkeit als Antrieb von Investitionen ansieht. Je höher die möglichen Mietsteigerungen – so meine Ausgangsthese –, desto wahrscheinlicher die Modernisierung der Bausubstanz. Die Mieten in allen Bestandsgruppen von Prenzlauer Berg waren in den 90er Jahren wesentlich an die jeweilige Erneuerungstätigkeit und die damit zusammenhängenden Mieterhöhungen gebunden. Ein Blick auf die Entwicklung der Mietspiegel verdeutlicht, welche Mietsteigerungspotentiale mit einer Standardverbesserung eröffnet werden. Tabelle 4.5: Entwicklung des Mietspiegels (in DM/qm nettokalt) für Altbauten in 5
Ostberlin (1997-2003 ) (SH=Sammelheizung) Ausstattung Ohne SH ohne Bad Größe Lage 1997 1999 2000 2003 4,42 5,21 5,22 unter Einfach 40qm Mittel 4,46 5,67
SH oder Bad mit WC SH und Bad mit WC 1997 1999 2000 2003 1997 1999 2000 2003 5,16 5,96 5,84 6,10 8,44 10,86 9,93 10,25 6,74 6,42 6,13
-
9,80 8,38 7,43 8,25
Einfach 60 qm Mittel
4,57 5,03 5,22
-
6,12 5,88 5,63 5,83 8,41 9,88 8,84 9,90
4,83 5,41 5,38
60 –
40 –
-
6,18 5,80 5,75 5,93 8,96
Einfach 90 qm Mittel
4,83 5,20 5,27
-
5,95 5,72 5,56 5,93 8,27 8,62 8,12 9,04
5,27 5,69 5,51
-
5,95 5,75 5,73 5,87 8,49 7,79 7,55 9,08
Über
5,18 5,09 5,25
-
5,46 5,28 5,38 5,91 7,90 7,82 7,48 9,33
-
5,47 5,47 5,53 5,73 7,96 8,18 7,70 8,51
Einfach 90 qm Mittel
-
5,46 5,43
-
8,92 8,61
Quellen: Mietspiegel 1997 bis 2003
Die Differenz zwischen den am schlechtesten ausgestatteten Wohnungen und einer Ausstattung mit Innen-WC, Bad und moderner Heizung betrug in allen Mietspiegelerhebungen selbst bei den Mittelwerten bis zu 5,65 DM je Quadratmeter. Insbesondere bei kleineren Wohnungen sind die Mietdifferenzen oftmals höher als die Ausgangsmiete vor einer Sanierung. Bei den (wenigen) großen Wohnungen machen die durchschnittlichen Mietsteigerungen immer noch mehr als 50 Prozent der Bestandsmiete einer unsanierten Wohnung aus. Wie die Daten illustrieren, sind modernisierte Wohnungen auch im Vergleich zu einfach ausgestatteten Wohnungen (mit Bad oder Sammelheizung) deutlich teurer. Wohnungsgrößenabhängig variiert die Differenz zwischen 2,10 DM/ qm und 4,15DM/qm. Das bedeutet, durch eine Standardverbesserung sind Mietsteigerungen von mindestens 50 bis 75 Prozent zu erzielen. Ein Blick auf die „oberen Spannenwerte“ der Mietspiegelfelder zeigt die 5 Der Mietspiegel 2003 wurde in Euro angegeben und zur besseren Vergleichbarkeit mit einem Konverterfaktor von 1,95583 in DM umgerechnet.
158
DIE ÖKONOMIE DER AUFWERTUNG
maximalen Steigerungsmöglichkeiten. Insbesondere bei einem Bewohnerwechsel in attraktiven Lagen (etwa in hellen, gut geschnittenen Wohnungen in den ruhigen Innenbereichen der Sanierungsgebiete) betragen die Mietdifferenzen zwischen unsanierten und modernisierten Wohnungen mit ca. 6 bis 7 DM/qm ein Vielfaches der Ausgangsmieten. Tabelle 4.6: Mietpreisunterschiede (Mittelwerte der Mietspiegel) von Wohnungen mit verschiedenen Ausstattungsstandards (in DM/qm) Substandard – modernisiert einfache Ausstattung – modernisiert 1997 1999 2000 1997 1999 2000 2003 4,02 5,65 4,71 3,28 4,90 4,09 4,15 unter 40 qm 3,84 4,85 3,62 2,29 4,00 3,21 4,07 40 – 60 qm 3,44 3,42 2,85 2,32 2,90 2,56 3,11 60 – 90 qm 2,72 2,73 2,23 2,44 2,54 2,1 3,42 Über 90 qm
2003* 7,02 5,53 6,08 6,82
*Differenz zur oberen Mietspiegelspanne
Quelle: Mietspiegel 1997 bis 2003 und eigene Berechnung
Im Vergleich dazu fallen die maximalen Mietpreisunterschiede (Mietspiegelmittelwerte) von ähnlich ausgestatteten Wohnungen in verschiedenen Lagen und unterschiedlichen Größen von maximal 1 DM/qm deutlich geringer aus. Mietunterschiede im Altbaubestand von Ostberlin sind (wenig überraschend) vor allem Ausdruck von Ausstattungsunterschieden und nur in geringem Maße lageabhängig. Die Modernisierungstätigkeit in den Sanierungsgebieten muss deshalb als der wesentliche Faktor der Mietentwicklung angesehen werden. Abhängig von den bestehenden und zu erreichenden Mieten kann für die Modernisierung des Bestandes eine Mietspanne errechnet werden, die als modernisierungsbedingte Mieterhöhung den finanziellen Anreiz einer Investition bestimmt. Generell gilt für die Ökonomie der Immobilienwirtschaft: je geringer die erwartete Mehreinnahme durch die geplanten Modernisierungen, desto geringer die Investitionsneigung im jeweiligen Objekt. Je höher die Mehreinnahmen eingeschätzt werden, desto rationaler wird die Investitionsentscheidung. Eine Bestätigung dieser Zusammenhänge gibt eine repräsentative Haushaltsbefragung aus dem Jahr 2002. Sie bezog sich auf die Fortschreibung der sozialen Sanierungsziele und stellte für die noch unsanierten Bestände in den Sanierungsgebieten im Vergleich zu 1992 leicht verbesserte Ausstattungsmerkmale fest. Hatten damals knapp 23 Prozent der Wohnungen lediglich ein Außen-WC, war es im Jahr 2002 nur noch jede zehnte Wohnung. Der Anteil der Wohnungen mit Kohleofen ist von etwa 80 auf 63 Prozent zurückgegangen. Der Anteil der Bäder in den unsanierten Wohnungen hingegen hat sich im Laufe der Zeit kaum ver159
MACHT UND STADTERNEUERUNG
ändert. Für diese Veränderungen bei den noch zu sanierenden Beständen gibt es ein Bündel von Erklärungen. Vor allem lässt sich diese leicht bessere Ausstattung der unsanierten Restbestände mit einem intensiveren Sanierungsgeschehen in den schlechtesten Beständen erklären. Insbesondere die besser ausgestatteten unsanierten Wohnungen ließen sich offensichtlich in vielen Fällen auch ohne Modernisierungsmaßnahmen in den höheren Standardkategorien des Mietspiegels vermieten (ASUM und Mieterberatung Prenzlauer Berg 2003: 33). Auch die Lage dieser Bestände an den verkehrsreichen Magistralen spielt eine Rolle. Da die Wohnungen sich auch nach einer Modernisierung (wegen der ungünstigen Lage) nicht zu Höchstpreisen vermieten lassen, lohnt(e) sich eine Erneuerung der Häuser nicht in allen Fällen. Entsprechend besser ausgestattet ist der unsanierte Restbestand in den Sanierungsgebieten. Eine andere Erklärung bieten die durchgeführten Erneuerungen durch MieterInnen oder auch EigentümerInnen in einzelnen Wohnungen. Die Verfahrensbeteiligten an der Stadterneuerung in Prenzlauer Berg gehen davon aus, dass in etwa sechs Prozent des unsanierten Bestandes Einzelmodernisierungsmaßnahmen (mit und ohne sanierungsrechtlichen Genehmigungen) durchgeführt wurden (ASUM und Mieterberatung 2003: 32). Bezogen auf den Gesamtbezirk gab es bei den Gründerzeitwohnungen in den Sanierungsgebieten (aufgrund der durchschnittlich schlechteren Ausstattung in den unsanierten Häusern) dennoch die größte Spanne zwischen Mieten im unsanierten und im sanierten Bestand. Aus ökonomischer Perspektive lässt sich zusammenfassen: Die wegen ihrer großen Wohnfläche besonders attraktiven Wohnungen weisen den schlechtesten Zustand und den größten Modernisierungsbedarf auf. In diesen Beständen werden sich die Modernisierungsarbeiten verstärkt auf die Mietentwicklung auswirken.
4.2.3 Ökonomische Rationalität von Investitionen im Sanierungsgebiet Wirtschaftlich rationales Handeln unterstellt, sind private Investitionen (von wenigen Ausnahmen abgesehen) nur zu erwarten, wenn eine entsprechende Gewinnaussicht besteht. Wie sehen die Bedingungen der Reinvestition in den Ostberliner Sanierungsgebieten für einzelne Investitionsvorhaben aus? Welche Aufwendungen stehen welchen zu erwartenden Einnahmen entgegen? Unter welchen Rahmenbedingungen lassen sich Gewinne erwirtschaften? Der durchschnittliche Erneuerungsaufwand für umfassende Maßnahmen wurde in den 90er Jahren mit etwa 2.000 DM/qm veranschlagt. Das entspricht etwa den Bemessungsmaßstäben der öffentlichen Förder160
DIE ÖKONOMIE DER AUFWERTUNG
programme und wurde auch in den Interviews mit EigentümerInnen, die in Prenzlauer Berg sanieren, bestätigt. Ich verzichte an dieser Stelle auf eine genauere Aufschlüsselung der Kosten, weil für die wohnungswirtschaftliche Gesamtrechnung und die interessierenden Folgen für die Mietentwicklung letztlich die Gesamtsumme der aufzuwendenden Kosten entscheidend ist. Ausgehend von diesem angenommenen Gesamtaufwand der Erneuerung von 2.000 DM/qm lassen sich für verschiedene Konstellationen die Kosten-Einnahmen-Entwicklungen kalkulieren. Als variable Faktoren werden dabei die Mietentwicklung in den sanierten Wohnungen, die Zinssätze zur Kapitalfinanzierung und die jeweils geltenden Steuerabschreibungsmöglichkeiten verstanden6. In den folgenden Berechnungen wird beschrieben, wie sich Veränderungen dieser einzelnen Faktoren auf die Gewinnerwartung und Kostenentwicklung der jeweiligen Investitionen auswirkten. Investitionen in Wohnungsmodernisierungen bleiben – mit Ausnahme von Umwandlungen in Einzeleigentum – in den ersten Jahren nach Fertigstellung fast immer Zuschussgeschäfte. Die hohen Anfangskosten rechtfertigen sich ökonomisch vor allem durch die Langfristigkeit des Immobilienwertes. Kriterien zur Beurteilung der Wirtschaftlichkeit einzelner Maßnahmen sind deswegen nicht nur die Refinanzierung selbst, sondern auch der Zeitpunkt des Umschlags in eine Gewinnzone und die zu erwartenden jährlichen Erträge. Entsprechend den üblichen Kalkulationszeiträumen für immobilienwirtschaftliche Investitionen wurden die Kosten-Ertragsberechnungen für einen Zeitraum von 20 Jahren veranschlagt. Für die Berechnungen bin ich zunächst nicht von den tatsächlichen Kostenmieten ausgegangen, sondern habe ganz im Sinne der Rent-gapModelle die potentiellen Einnahmesteigerungen zugrunde gelegt. Entscheidend für eine Investition ist dabei weniger die spätere Gesamtmiete, sondern die mit der Modernisierung zu erzielende Mietsteigerung. Da die Sockelmieterträge (zum Zeitpunkt vor der Erneuerung) auch ohne eine bauliche Investition zu erwarten sind, muss die Investition von den zusätzlichen Mieteinnahmeerwartungen refinanziert werden. Aus wirtschaftlicher Perspektive macht eine Investition nur Sinn, wenn der zu erwartende Mehrgewinn größer ist als die notwendigen Kosten der geplanten Maßnahmen.
6 Alle Modellrechnungen gehen von einer vollständigen Fremdfinanzierung aus. In der Praxis verlangen die meisten Kreditinstituite zu ihrer Sicherheit einen Eigenkapitalanteil von ca. 20 Prozent. Gerade bei professionellen Immobilienunternehmen sind Kapitalwerte jedoch oft in Grundstücken, Aktien oder anderen Maßnahmen gebunden, so dass faktisch von einer weitgehend bankenfinanzierten Investition ausgegangen werden kann.
161
MACHT UND STADTERNEUERUNG
In den Modellrechnungen (Tabelle 4.7ff.) wird zunächst von den derzeitig üblichen Zinssätzen von etwa sechs Prozent (im Augenblick sogar noch günstiger) und einer jährlichen Tilgung von 1,15 Prozent ausgegangen. Das bedeutet, die Kapitalkosten betragen 7,15 Prozent des jährlichen Darlehensumfanges. Bei 2.000 DM im ersten Jahr liegt die Belastung also bei 143 DM je Quadratmeter. Das entspricht einer monatlichen Belastung (Annuität) von knapp 12 DM je Quadratmeter. Tabelle 4.7: Modellrechnung einer Finanzkalkulation für Wohnungsmodernisierungen unter den Bedingungen der steuerlichen Sonderabschreibung (afa) und zu marktüblichen Kapitalkosten (in DM/qm) Jahre
Zinsen (6%)
1
Darlehnsvaluten 2.000,00
Steuerersparnis 800
Annuität
120,00
Tilgung (1,15%) 23,00
143,00
Belastung (mtl.) 11,92
2
1.177,00
70,62
13,54
200
3
84,16
7,01
963,46
57,81
11,08
200
68,89
5,74
4
752,38
45,14
8,65
200
53,80
4,48
5
543,73
32,62
6,25
200
38,88
3,24
6
337,48
20,25
3,88
200
24,13
2,01
7
133,60
8,02
1,54
200
9,55
0,80
8
-67,94
0
0
0
0
0
9
0
0
0
0
0
0
10
0
0
0
0
0
0
Quelle: eigene Berechnung
Für das jeweils nächste Jahr verringern sich die Kapitalkosten in dem Maße, wie der Darlehensumfang abgebaut werden kann. Neben der Tilgung können dazu auch steuerliche Abschreibungen der Investitionssumme geltend gemacht werden. Für die Abschreibungsbedingungen der Sondergebietssteuern (Sonder-afa) waren das im ersten Jahr der Investition bis zu 40 Prozent. Auf unser Beispiel bezogen sind das 800 DM je Quadratmeter. Die Valuten des Darlehens verringern sich (nach Abzug dieses Betrages und der veranschlagten Tilgung) also bereits im ersten Jahr auf 1.177 DM je Quadratmeter. Entsprechend geringer ist die fällige Summe für Zins und Tilgung. Für das zweite Jahr beträgt die Belastung in unserem Beispiel nur noch ca. 84 DM/qm. Das entspricht einer monatlichen Belastung von etwa 7 DM je Quadratmeter. Die Kapitalkosten verringern sich durch Abschreibung und Tilgung auch in den folgenden Jahren, allerdings in kleinen Schritten. Bereits im achten Jahr nach der Investition können unter den Bedingungen der Sonderabschreibung alle Kapitalkosten refinanziert werden.
162
DIE ÖKONOMIE DER AUFWERTUNG
Bei Kalkulationen, die steuerliche Abschreibungen nicht direkt mit dem Darlehen verrechnen, dauert es entsprechend länger, bis die Kapitalkosten eines Projekts getilgt sind. Nach zehn Jahren liegt deren Darlehensumfang noch bei etwa 466 DM/qm. Die monatlichen Kosten für Zins und Tilgung liegen mit etwa 2,50 DM/qm dennoch unter der in der Kostenmiete enthaltenen Gebäudewertabschreibung (siehe ausführlicher im Abschnitt zur Kostenmiete). Dieses Modell der Finanzierungskalkulationen gibt nur einen groben Rahmen der Ökonomie der Stadterneuerung in Ostberlin wider. Die Wirtschaftlichkeit von Modernisierungsarbeiten in Sanierungsgebieten unterliegt darüber hinaus den nach den Baumaßnahmen erzielbaren Mieten, den Veränderungen der steuerlichen Regelungen und Schwankungen der Zinssätze. In den folgenden Abschnitten sollen diese drei Einflussfaktoren genauer betrachtet werden. Frage dabei ist u.a. in welchem Maße sich Veränderungen der einzelnen Variablen auf die Gesamtrechnung auswirken. In einem weiteren Schritt wird das relationale Verhältnis der einzelnen Faktoren auf die Kostenkalkulation analysiert.
Einfluss der Miethöhe Um einen Eindruck von der Wirtschaftlichkeit einer Investition zu bekommen, müssen die durch die Modernisierung realisierbaren Mietsteigerungen berücksichtigt werden. Den jährlichen Kosten (des beschriebenen Modells) muss dabei die jeweilige Mietdifferenz gegenüber gestellt werden, die durch die Modernisierung möglich geworden ist. Als Grundlage dazu dienen einerseits die rechnerischen Miethöhen der unsanierten Bestände sowie andererseits die Mietobergrenzen sowie die im Mietspiegel abgebildeten Marktmieten. Wie die folgenden Übersichten zeigen, unterscheidet sich die realisierbare Mietdifferenz zwischen einer freien Marktmiete (wie sie im Mietspiegel abgebildet wird) und den bezirklich festgelegten Mietobergrenzen deutlich. Tabelle 4.8: Mietdifferenzen bei Modernisierungsvorhaben vor 2000 (in DM/qm)
Miete, unsaniert Mietobergrenze Differenz Mietspiegel, obere Spanne Differenz
unter 40 qm
40 bis 60
60 bis 90
über 90
Durchschnitt
8,55 + 4,19 12,69 + 8,43
8,68 +4,42 11,66 +7,40
4,26 8,04 +3,78 11,78 +5,72
7,34 +3,08 12,01 +7,75
7,91 +3,65 11,92 + 7,66
Quelle: eigene Berechnung
163
MACHT UND STADTERNEUERUNG
Ohne die Mietkappung nach Modernisierung wäre die durchschnittliche Mietdifferenz etwa doppelt so hoch: Statt 3,65 DM/qm lägen die modernisierungsbedingten Mehreinnahmen bei durchschnittlich 7,66 DM/qm. In der Praxis ließen sich die Mietobergrenzen vor allem in Verbindung mit einem Bewohnerwechsel umgehen, da die neu abzuschließenden Mietverträge verschiedene Umgehungsspielräume boten. Ein Blick auf unsere Finanzkalkulation eines typischen Modernisierungsvorhabens verdeutlicht die Wirkungen dieser unterschiedlichen Mietdifferenzen. Tabelle 4.9: Entwicklung der Kosten und Erträge in (DM/qm) unter den Bedingungen der Sonder-afa und unter Einhaltung der Mietobergrenzen Jahre monatliche Belastung 1
11,92
monatliche Mehreinnahmen 3,65
2
7,01
3,65
43,8
- 3,36
-40,36
-139,56
3
5,74
3,65
43,8
- 2,09
-25,09
-164,64
4
4,48
3,65
43,8
- 0,83
-10,00
-174,64
5
3,24
3,65
43,8
0,41
4,92
-169,72
6
2,01
3,65
43,8
1,64
19,67
-150,05
7
0,80
3,65
43,8
2,85
34,25
-115,80
8
0
3,65
43,8
3,65
43,80
-72,00
9
0
3,65
43,8
3,65
43,80
-28,20
10
0
3,65
43,8
3,65
43,80
15,60
11
0
3,65
43,8
3,65
43,80
59,40
12
0
3,65
43,8
3,65
43,80
103,20
13
0
3,65
43,8
3,65
43,80
147,00
14
0
3,65
43,8
3,65
43,80
190,80
15
0
3,65
43,8
3,65
43,80
234,60
16
0
3,65
43,8
3,65
43,80
278,40
17
0
3,65
43,8
3,65
43,80
322,20
18
0
3,65
43,8
3,65
43,80
366,00
19
0
3,65
43,8
3,65
43,80
409,80
20
0
3,65
43,8
3,65
43,80
453,60
jährliche monatliches Jahressaldo Gesamtsaldo MehrSaldo einnahmen 43,8 - 8,27 -99,20 -99,20
Quelle: eigene Berechnung
Abhängig von der jeweils realisierten Mietsteigerung für die Wohnung verringert sich der Negativbetrag der Kapitallastfinanzierung. Da die erreichte Mietdifferenz zur stabilen Einnahme wird und gegebenenfalls durch weitere Mietsteigerungen (nach MHG § 3) sogar noch ausgeweitet werden kann, übersteigen die Einnahmen irgendwann die Ausgaben. Das Investitionsvorhaben bewegt sich ab diesem Zeitpunkt in einer wirt164
DIE ÖKONOMIE DER AUFWERTUNG
schaftlichen Gewinnzone. Für eine Investitionsentscheidung ist zentral, wann dieser Übergang in die Gewinnzone erwartet werden kann und wie hoch der Kapitalrücklauf in einem bestimmten Zeitraum ausfällt. Die Belastungen der Kapitalkosten werden dabei den Mehreinnahmen durch die höheren Mieten gegenübergestellt. Schlägt das kumulierte Gesamtsaldo in einen positiven Wert um, zeigt das den Eintritt in die Gewinnzone an. Unter sonst unveränderten Investitionsbedingungen (Zinssatz bei sechs Prozent und Abschreibungsmöglichkeiten entsprechend der Sonder-afa) wird der Einfluss der Mietentwicklung für die Wirtschaftlichkeit der Vorhaben deutlich: Im Falle von eingehaltenen Mietobergrenzen, die in ihrer Festlegung von 1998 eine durchschnittliche Mietsteigerung von durchschnittlich 3,65 DM/qm ermöglichten, ist die Modernisierung trotz der Steuerbegünstigungen in den ersten vier Jahren ein Zuschussgeschäft. Die monatlichen Ausgaben übersteigen die zusätzlichen Mieteinnahmen. Eine dauerhafte Bindung der Mietobergrenzen unterstellt, würde erst im zehnten Jahr nach der Modernisierung die Summe der Mehreinnahmen die Gesamtkosten der Investition übersteigen. Bei jährlichen Mehreinnahmen von etwa 44 DM je Quadratmeter läge der Gesamtgewinn der Investition nach 20 Jahren bei etwa 450 DM je Quadratmeter. Hochgerechnet auf ein typisches Wohnhaus in den Altbaugebieten Ostberlins (ca. 2.000 qm) würde sich der Reingewinn der Modernisierungsmaßnahme bei Einhaltung der Mietobergrenzen und bei Verzicht auf jegliche weitere Mietsteigerungen auf 900.000 DM summieren. Das ist insbesondere für eine langfristige Bewirtschaftung eine einträgliche Perspektive. Jährlich können die EigentümerInnen dauerhaft mit Mehreinnahmen von etwa 44 DM/qm kalkulieren, bezogen auf ein gesamtes Haus sind das ca. 88.000 DM. Auch wenn die Gewinnquote der ersten 20 Jahre nur knapp die üblichen Kreditanlageerwartungen (vier Prozent p.a.) übersteigt – langfristig liegt die jährliche Ausschüttung deutlich über den jährlichen Zinseinnahmen (ca. 32.000 DM), die eine Anlage des Eigenkapitalanteils auf der Bank bringen würde. Noch wesentlich ertragreicher stellt sich die Wirtschaftlichkeitsberechnung dar, wenn wir den ortsüblichen Mittelwert von Mietpreisen für umfassend sanierte Wohnungen veranschlagen (siehe Tabelle 4.16). Die Differenz zur Nettokaltmiete beträgt in diesen Fällen im Durchschnitt 7,66 DM pro Quadratmeter. Die Modernisierungsmaßnahme wäre in diesem Fall nur das erste Jahr nach Fertigstellung ein Zuschussgeschäft, die Gewinnzone der kumulierten Gesamtkosten und Einnahmen würde bereits im vierten Jahr beginnen. Nach Ablauf der 20 Jahre läge der Gesamtgewinn der Investition bei 1.416 DM/qm. Bezogen auf ein typisches Wohnhaus (2.000 qm) wären das Gewinne von 2.832.000 DM. 165
MACHT UND STADTERNEUERUNG
Bei einer Ausgangsinvestition von 4.000.000 DM und einem Eigenkapitalanteil von 20 Prozent (800.000 DM) würde eine übliche Verzinsung des aufgewandten Kapitals (von vier Prozent) im selben Zeitraum bei einem Vermögen von ca. 1.685.000 DM liegen. Tabelle 4.10: Entwicklung der Kosten und Erträge (in DM/qm) unter den Bedingungen der Sonder-afa und Orientierung an Marktmieten Jahre monatliche Belastung 1
11,92
monatliche Mehreinnahmen 7,66
2
7,01
7,66
91,92
0,65
7,76
-43,32
3
5,74
7,66
91,92
1,92
23,03
-20,28
4
4,48
7,66
91,92
3,18
38,12
17,84
5
3,24
7,66
91,92
4,42
53,04
70,88
6
2,01
7,66
91,92
5,65
67,79
138,67
7
0,80
7,66
91,92
6,86
82,37
221,04
8
0
7,66
91,92
7,66
91,92
312,96
jährliche monatliches Jahressaldo Gesamtsaldo MehrSaldo einnahmen 91,92 -4,26 -51,08 -51,08
9
0
7,66
91,92
7,66
91,92
404,88
10
0
7,66
91,92
7,66
91,92
496,80
11
0
7,66
91,92
7,66
91,92
588,72
12
0
7,66
91,92
7,66
91,92
680,64
13
0
7,66
91,92
7,66
91,92
772,56
14
0
7,66
91,92
7,66
91,92
864,48
15
0
7,66
91,92
7,66
91,92
956,40
16
0
7,66
91,92
7,66
91,92
1.048,32
17
0
7,66
91,92
7,66
91,92
1.140,24
18
0
7,66
91,92
7,66
91,92
1.232,16
19
0
7,66
91,92
7,66
91,92
1.324,08
20
0
7,66
91,92
7,66
91,92
1.416,00
Quelle: eigene Berechnung
Die Investition in die Modernisierung kann also unter den Konditionen einer stabilen Marktmiete im Vergleich zu anderen Anlagemodellen deutlich mithalten. Auch die dauerhaft jährlichen Mehreinnahmen liegen mit über 90 DM/qm oder 180.000 DM für ein Haus deutlich über dem Mietobergrenzenmodell und betragen ein Mehrfaches der üblichen Kapitalverzinsung. Für beide Modelle lassen sich noch dynamische Mietverläufe auf der Basis der zeitlichen Bindung der Mietobergrenze und den rechtlich möglichen Mietsteigerungsmöglichkeiten nach dem Miethöhegesetz (MHG §
166
DIE ÖKONOMIE DER AUFWERTUNG
3) errechnen7. Die Dynamisierung der Mietentwicklung (nach MHG § 3) hat insbesondere für die mit Mietobergrenzen belegten Wohnungen einen deutlichen Effekt für die wirtschaftliche Gesamtrechnung der Maßnahmen. Im Vergleich zu den eingefrorenen Mietobergrenzen haben sich beim dynamischen Modell die Gesamtsaldi mehr als verdoppelt. Auch die jährlichen Mehreinnahmen schließen zu den Marktmieten auf (Tabelle 4.11). Im Falle der freien Vermietung unter Umgehung der Mietobergrenzen hat eine Dynamisierung ebenfalls Einfluss auf die jährlichen Einnahmen und das Gesamtsaldo nach 20 Jahren. Doch auf Grund der bereits hohen Einstiegsmieten fällt die dadurch zu erzielende Mehreinnahme geringer aus als beim Mietobergrenzenmodell. Tabelle 4.11: Vergleich der Mehreinnahmen (in DM/qm) unter den Bedingungen der Sonder-afa bis 2000 Mietobergrenze starr dynamisch Gewinnzone ab Jahr [...] nach der Modernisierung
Marktvermietung starr dynamisch
10
9
4
4
Gesamtsaldo nach 20 Jahren
453,60
1.077,57
1.416,00
1.902,34
jährliche Mehreinnahmen nach 20 Jahren
43,80
92,88
91,92
120,53
Quelle: eigene Berechnung
Spätestens mit Beginn des Jahres 2000 war es den InvestorInnen nicht mehr möglich, die Sonderabschreibungen geltend zu machen. Stattdessen galten nun die für Sanierungsgebiete üblichen Abschreibungen nach § 7h, der eine jährliche Abschreibung von zehn Prozent der aufgebrachten Kosten für Instandsetzung und Modernisierung vorsieht. Die steuerlich ermöglichte Tilgung fällt in den ersten Jahren entsprechend 7 Schwierigkeiten solcher Berechnungen liegen in der hypothetischen Annahme von maximal zu realisierenden Mieten. So wären rein rechnerisch bei einer Einstiegsmiete nach der Modernisierung von 9,00 DM/qm Mietentwicklungen bis auf ca. 25 DM/qm in 20 Jahren möglich. Ob solche gigantischen Mietsteigerungen tatsächlich umgesetzt werden können, ist fraglich. Die Annahme einer maximalen Mietpreisgrenze jedoch bleibt in den Modellberechnungen unüberprüfbare Prognose und kann nur der Veranschaulichung von möglichen Preisentwicklungen dienen. In den konkreten Fällen wurde die Mietdynamik jeweils bis an die nach dem aktuellen Mietspiegel (2003) zulässigen Höchstgrenzen herangeführt und auf diesem Niveau eingefroren.
167
MACHT UND STADTERNEUERUNG
geringer aus. Auch unter diesen veränderten Bedingungen wollen wir für verschiedene Mietdifferenzen die Wirtschaftlichkeit einer Investition kalkulieren. Zunächst werden dazu die Mietdifferenzen auf der Grundlage von Marktmieten (Mietspiegel) und festgelegten Mietobergrenzen verglichen. Ausgangspunkt der Kalkulation ist dabei zunächst die rechnerische Miethöhe für AltmieterInnen in unsanierten Wohnungen. Tabelle 4.12a: Kalkulierte Mietdifferenzen bei Modernisierungsvorhaben in Wohnungen, die von AltmieterInnen bewohnt sind nach 2000 (MS=Mietspiegel)
Miete, unsaniert Mietobergrenze Differenz MS, obere Spanne Differenz
unter 40 qm 40 bis 60 qm 60 bis 90 qm über 90 qm Durchschnitt 5,47 8,55 8,68 8,04 7,34 7,91 + 3,08 +3,21 +2,57 +1,87 +2,44 13,12 11,36 12,01 12,73 12,12 + 7,65
+5,89
+6,54
+7,26
+ 6,65
Quelle: eigene Berechnung
Durch die Mietsteigerungen im Segment der unsanierten Wohnungen auf fast 5,50 DM/qm haben sich die durch eine Modernisierung zu erzielenden Mietdifferenzen verringert. Bei der Einhaltung der Mietobergrenzen kann im Durchschnitt nur noch mit zusätzlichen Mieteinnahmen von 2,44 DM/qm gerechnet werden. Für die großen Wohnungen liegt die Mietdifferenz sogar unter 2,00 DM/qm. Verschärft wird diese Situation durch die hohe Fluktuation in den unsanierten Beständen. Die Untersuchung zur Fortschreibung der Sozialen Sanierungsziele stellte für 2002 fest, dass fast 60 Prozent der Haushalte in unsanierten Wohnungen erst in den letzten fünf Jahren eingezogen sind (ASUM und Mieterberatung 2003: 38). Hier kann von Miethöhen ausgegangen werden, wie sie der Mietspiegel anzeigt.
168
DIE ÖKONOMIE DER AUFWERTUNG
Tabelle 4.12b: Kalkulierte Mietdifferenzen bei Modernisierungsvorhaben nach 2000, in Wohnungen in denen in den letzten Jahren Mieterwechsel stattfanden (MS=Mietspiegel)
Miete, unsaniert Mietobergrenze Differenz MS, obere Spanne Differenz
unter 40 qm 40 bis 60 qm 60 bis 90 qm über 90 qm Durchschnitt 6,10 5,83 5,93 5,91 5,92 8,55 8,68 8,04 7,34 7,91 + 2,45 +2,85 +2,11 +1,34 + 1,99 13,12 11,36 12,01 12,73 12,12 + 7,02
+5,53
+6,08
+6,82
+ 6,20
Quelle: eigene Berechnung
Für Modernisierungsmaßnahmen, bei denen die Mietobergrenzen eingehalten werden, sind im Durchschnitt nur noch knapp 2,00 DM/qm Mietdifferenz im Vergleich zu unsanierten Wohnungen zu erreichen. Wie sich das auf die wirtschaftliche Gesamtrechnung einer möglichen Investition auswirkt, zeigen folgende Übersichten. Tabelle 4.13: Vergleich der Mehreinnahmen (in DM/qm) nach 2000 unter den steuerlichen Abschreibungsbedingungen in Sanierungsgebieten (§ 7h) LangzeitmieterInnen MOG Markt starr dynamisch starr dynamisch Gewinnzone ab Jahr [...] nach der Modernisierung Gesamtsaldo nach 20 Jahren langfristig jährliche Mehreinnahmen
31
18
10
8
- 256,46
89,85
753,94
1.269,67
23,88
42,86
74,40
106,01
FluktationsmieterInnen MOG Markt starr dynamisch starr dynamisch Gewinnzone ab Jahr [...] nach der Modernisierung Gesamtsaldo nach 20 Jahren langfristig jährliche Mehreinnahmen
26
16
10
8
- 148,64
197,85
861,49
1.377,67
29,28
48,26
79,80
100,61
Quelle: eigene Berechnung
Im Vergleich zu den Mehreinnahmen unter den Bedingungen der Sonderabschreibung fallen die Gewinnaussichten in allen Vergleichsfällen geringer aus. Bei Einhaltung der Mietobergrenzen erscheint eine wirtschaftlich sinnvolle Modernisierung kaum möglich. Ob mit den relativ geringen Ausgangsmieten von LangzeitmieterInnen oder in typischen Fluktationswohnungen – das Gesamtsaldo nach 20 Jahren bleibt negativ, 169
MACHT UND STADTERNEUERUNG
würde die Mietobergrenze als fester Wert gesetzt. Eine Dynamisierung auf der Basis des Miethöhegesetzes ermöglicht in beiden Fällen zumindest eine positive Gesamtbilanz. Trotz der jährlichen Mehreinnahmen, die knapp über der üblichen Verzinsung von Eigenkapital liegt, ist die Bilanz der Investition nach 20 Jahren deutlich schlechter als eine normale Zinsanlage des Eigenkapitals. Eine Verzinsung mit vier Prozent p.a. würde bei einem Eigenkapitalanteil von 400 DM/qm in 20 Jahren mindestens 440 DM an reinen Zinseinnahmen einbringen. Bei Einhaltung der Mietobergrenzen würde dieser Wert deutlich unterschritten. Einer Investition unter diesen Bedingungen fehlen die wirtschaftlichen Anreize. Modernisierungsmaßnahmen, die mit einer Marktmiete kalkulieren, können auch unter den veränderten Abschreibungsmodalitäten mit anderen Anlagemodellen konkurrieren. Selbst der dauerhafte Verzicht auf weitere Mietsteigerungen würde beim derzeitigen Mietniveau in den 20 Jahren nach der Modernisierung einen Gesamtgewinn von ca. 750 bis 860 DM/qm ermöglichen. Hochgerechnet auf ein fiktives Haus (2.000 qm) sind das 1.500.000 bis 1.720.000 DM. Auf ein Jahr bezogen betragen die Mehreinnahmen 75 bis 80 DM/qm. Auf ein Haus hochgerechnet sind das mehr als 150.000 DM. Für eine Investition unter Umgehung der Mietobergrenzen bleibt die Stadterneuerung in den Sanierungsgebieten auch nach dem Ende der Sonderabschreibungen ein lukratives Geschäft. Monatliche Mietunterschiede von einer DM/qm schlagen sich jährlich mit 12 DM/qm nieder. Bezogen auf unser fiktives Haus (2.000 qm) sind das pro Jahr 24.000 DM zusätzliche oder fehlende Einnahmen. In zehn Jahren sind das 240.000 DM. Auf dem freien Markt können Mieten eingenommen werden, die vier DM/qm über den festgelegten Mietobergrenzen liegen. Für ein Haus und einen Zeitraum von zehn Jahren macht das einen Unterschied von ca. 960.000 DM.
Einfluss der Zinssätze Die folgenden Kalkulationen stellen dar, wie sich die Wirtschaftlichkeit einer Modernisierungsmaßnahme in Abhängigkeit von den Zinssätzen verändert. Anders als die Miethöhen nach Modernisierungen, die darüber entscheiden, wie hoch die monatlichen Mehreinnahmen sind, mit der eine Investition kalkulieren kann, haben die Zinssätze direkten Einfluss auf die monatliche Belastung der Kapitalkosten. Um diesen Zusammenhang zu verdeutlichen, werden im Folgenden unter sonst gleichen Bedingungen die angenommenen Zinssätze verändert. Ausgangspunkt ist eine Investition unter Sonderabschreibungsbedingungen bei Einhaltung der Mietobergrenzen. Die jährlichen und monatlichen Belastungen un170
DIE ÖKONOMIE DER AUFWERTUNG
terscheiden sich deutlich. Die Veränderung des Zinssatzes um nur einen Prozentpunkt schlägt sich in den Gesamtkapitalkosten einer Modernisierungsmaßnahme mit etwa 60 DM/qm nieder. Hochgerechnet auf ein typisches Wohnhaus (2.000 qm) sind das 120.000 DM, um die sich die Kapitalkosten erhöhen oder verringern. Für die zurückliegende Periode der Stadterneuerung können sehr günstige Zinsbedingungen attestiert werden. In den 90er Jahren und auch nach dem Jahrtausendwechsel bewegen sich die Kapitalzinsen auf einem historischen Tiefststand. Wie lange mit so niedrigen Zinssätzen zu rechnen ist, kann kaum vorhergesagt werden. Tabelle 4.14: Modellrechnung der Finanzkalkulation einer Modernisierung (2000 DM/qm und bei 1,15% Tilgung) unter den Bedingen der steuerlichen Sonderabschreibung (afa) und veränderten Kapitalkosten (in DM/qm) Zinsen (4%) Zinsen (5%) Zinsen (6%) Zinsen (7%) Jahre Annui- mo- Annui- monatl Annui- mo- Annui- motät natl. tät . tät natl. tät natl. 103,00 8,58 123,00 10,25 143,00 11,92 163,00 13,58 1 60,62 5,05 72,39 6,03 84,16 7,01 95,93 7,99 2 49,62 4,13 59,25 4,94 68,89 5,74 78,52 6,54 3 38,75 3,23 46,27 3,86 53,80 4,48 61,32 5,11 4 28,00 2,33 33,44 2,79 38,88 3,24 44,31 3,69 5 17,38 1,45 20,75 1,73 24,13 2,01 27,50 2,29 6 6,88 0,57 8,22 0,68 9,55 0,80 10,89 0,91 7 363,32 422,40 481,74 gesamt 304,24
Zinsen (8%) Annui- motät natl. 183,00 15,25 107,70 8,97 88,16 7,35 68,84 5,74 49,75 4,15 30,88 2,57 12,22 1,02 540,55 -
Quelle: eigene Berechnung
Die Zinsentwicklung wirkt sich auf den sonstigen Rahmenbedingungen der Investition aus. So verstärkt sich der Einfluss von Zinssätzen in Abhängigkeit von den Tilgungsfristen. Je länger die Laufzeiten der Darlehen, desto länger müssen Zinsen bezahlt werden. Bereits die kleine Verschiebung der steuerlichen Abschreibungsmöglichkeiten nach dem Ende der Sonderabschreibung hatte einen deutlichen Effekt (Tabelle 4.15). Statt nach sieben Jahren kann die Investitionssumme nun erst nach zehn Jahren abgeschrieben werden. Eine Veränderung der Zinskonditionen wirkt sich auf das Gesamtvorhaben mit ca. 102 DM/qm für jeden Prozentpunkt aus. Bezogen auf ein typisches Sanierungsobjekt (2.000 qm) bedeutet demnach eine Zinserhöhung um nur einen Prozentpunkt den Anstieg der Kapitalkosten um 200.000 DM. In Abhängigkeit von den sonstigen Rahmenbedingungen wirken sich die Zinssätze mit 120.000 bis 200.000 DM auf die Gesamtkalkulation eines Modernisierungsvorhabens aus. Verglichen mit den Auswirkungen von Mietpreisentwick-
171
MACHT UND STADTERNEUERUNG
lungen haben Zinsveränderungen von einem Prozent nach zehn Jahren etwa die Wirkung wie eine Mietdifferenz von 0,50 bis 0,75 DM/qm. Je länger der Betrachtungszeitraum, desto geringer die Wirkung der Zinssätze, da diese mit der Verringerung der jährlichen Fälligkeiten sich immer weniger in der wirtschaftlichen Gesamtrechnung niederschlagen. Nach 20 Jahren etwa entspricht eine Zinsveränderung um ein Prozent nur noch einem Mietunterschied von maximal 0,40 DM/qm. Tabelle 4.15: Modellrechnung für die Finanzkalkulation einer Wohnungsmodernisierung unter den Bedingen der steuerlichen Abschreibung im Sanierungsgebiet (nach § 7h) und veränderten Kapitalkosten (in DM/qm) Zinsen (4%) Zinsen (5%) Zinsen (6%) Zinsen (7%) Zinsen (8%) Jahre Annui- mo- Annui- mo- Annui- mo- Annui- mo- Annui- motät natl. tät natl. tät natl. tät natl. tät natl. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 gesamt
103,00 91,52 80,16 68,94 57,85 46,88 36,04 19,67 15,03 6,33 525,42
8,58 7,63 6,68 5,75 4,82 3,91 3,00 1,64 1,25 0,53 -
123,00 10,25 143,00 11,92 163,00 13,58 183,00 109,29 9,11 127,06 10,59 144,83 12,07 162,60 95,73 7,98 111,29 9,27 126,86 10,57 142,43 82,33 6,86 95,71 7,98 109,10 9,09 122,49 69,08 5,76 80,31 6,69 91,55 7,63 102,78 55,99 4,67 65,09 5,42 74,19 6,18 83,30 43,04 3,59 50,04 4,17 57,04 4,75 64,04 24,59 2,05 29,51 2,46 34,43 2,87 39,35 17,95 1,50 20,87 1,74 23,78 1,98 26,70 6,33 0,53 6,33 0,53 6,33 0,53 6,33 627,32 729,21 831,11 933,00
15,25 13,55 11,87 10,21 8,56 6,94 5,34 3,28 2,23 0,53 -
Quelle: eigene Berechnung
Einfluss der jeweiligen Steuererleichterungen Einen zentralen Einfluss auf die privaten Investitionen im Bereich von Wohnungsmodernisierungen hatten und haben die jeweiligen Abschreibungsmöglichkeiten in den Sanierungsgebieten. Bis Ende 1998 konnten unabhängig von Sanierungssatzungen in den Ostberliner Altbaugebieten (wie überall in Ostdeutschland) alle Instandsetzungs- und Sanierungsarbeiten steuerlich geltend gemacht werden. Konnten bis 1996 im ersten Jahr nach Fertigstellung 50 Prozent der angelaufenen Kosten abgesetzt werden, so waren es 1997 und 1998 40 Prozent. Der Rest der Kosten konnte mit jeweils maximal zehn Prozent der Gesamtausgaben auf die folgenden Jahre verteilt werden. Wurden diese Steuerersparnisse zur Darlehenstilgung eingesetzt, waren bereits nach sechs bzw. sieben Jahren alle Kapitalkosten getilgt. Im Vergleich dazu nehmen sich die steuerlichen Vergünstigungen nach § 7h des Einkommenssteuergesetzes, der nur in den Sanierungsge172
DIE ÖKONOMIE DER AUFWERTUNG
bieten zur Anwendung kommt, relativ bescheiden aus. Die so genannte 10-mal-10-Abschreibung ermöglicht zehn Jahre lang die Abschreibung von zehn Prozent der Kosten. Zum einen muss so die Kapitallast länger getragen werden, zum anderen verringern sich Aufwendungen nur in kleinen Schritten. Diese Streckung der steuerlichen Vorteile wirkt sich auf die wirtschaftliche Gesamtrechnung einer Modernisierungsinvestition aus. Unter sonst gleichen Bedingungen steigen die jährlichen und monatlichen Kapitalkosten. Wird die Mietobergrenze eingehalten, weichen unter den verschiedenen Abschreibungsbedingungen sowohl die Zeitspannen von Tilgung und Zuschussgeschäft als auch die Gesamterträge nach 20 Jahren stark erheblich voneinander ab (Tabelle 4.16). Lediglich eine Investition unter den Bedingungen der Sonder-afa kann nach 20 Jahren mit üblichen Bankzinsen konkurrieren. Tabelle 4.16: Vergleich der Kapitalkosten und Mehreinnahmen (in DM/qm) in Abhängigkeit von den steuerlichen Abschreibungsbedingungen bei eingefrorenen Mietobergrenzen
Gewinnzone ab Jahr [...] nach Modernisierung Tilgung des Darlehens nach [...] Jahren Annuitätssumme gesamt (in DM/qm) langfristig jährliche Mehreinnahmen Gesamtsaldo nach 20 Jahren
Sonder-afa 10 7 422,40 43,80 453,60
§ 7h 17 10 734,06 43,80 141,94
linear (2,5%) 44 33 2.264,14 43,80 - 1.057,50
Quelle: eigene Berechnung
Die erhöhte Abschreibung nach § 7h weist zu diesem Zeitpunkt eine knapp positive Bilanz auf, liegt jedoch in der Gesamtbilanz hinter einer Verzinsung des Eigenkapitalanteils, wie es auf Banken zu erzielen wäre. Allerdings würde dieser Rückstand nach 24 Jahren aufgeholt. Bei einer langfristigen Perspektive bieten auch diese Investitionskonditionen Vorteile. Eine wirtschaftliche Aussicht, die unter den Bedingungen der linearen Abschreibung völlig fehlt. Sowohl die Zeiträume der Tilgung als auch die Gesamtbilanz der Kosten sprechen gegen eine Investition. Bei einer Vermietung zu Marktpreisen oder bei Mietdynamisierungen bleiben die Unterschiede zwischen denn Steuermodellen ebenfalls deutlich, auch wenn sich die Gesamtwirtschaftlichkeit verbessert.
173
MACHT UND STADTERNEUERUNG
Tabelle 4.17: Vergleich der Kapitalkosten und Mehreinnahmen (in DM/qm) in Abhängigkeit von steuerlichen Abschreibungen und dynamisierter Mietobergrenzen
Gewinnzone ab Jahr [...] nach Modernisierung Tilgung des Darlehens nach [...] Jahren Annuitätssumme gesamt (in DM/qm) langfristig jährliche Mehreinnahmen Gesamtsaldo nach 20 Jahren
Sonder-afa 9 7 422,40 85,56 1.070,70
§ 7h 11 10 734,06 85,56 845,15
linear (2,5%) 30 33 2.264,14 85,56 -499,50
Quelle: eigene Berechnung
Auch mit dem dynamisierten Modell stellt sich eine Investition ohne erhöhte Abschreibungsmöglichkeiten (also außerhalb der Sanierungsgebiete) als undurchführbar dar. Selbst wenn sich die negative Gesamtsumme deutlich verringert hat – ein Gewinn ist erst nach 30 Jahren zu erwarten. Für die beiden anderen Modelle stellt sich die Gewinnzone bereits nach neun bzw. 12 Jahren ein. Die Gesamtsaldi der Modernisierung können hier auch im Vergleich mit üblichen Verzinsungen mithalten. Insgesamt wird deutlich, wie sehr die steuerlichen Bedingungen die Wirtschaftlichkeit der Investitionen bestimmen. Die steuerlichen Abschreibungsmöglichkeiten sind der zentrale Faktor auf der Kapitalkostenseite. Bezogen auf die wirtschaftliche Gesamtrechnung schlägt sich der Unterschied zwischen der Sonderabschreibung und der § 7h-Abschreibung mit ca. 300 DM/qm nieder. Für ein 2.000 qm Objekt wären das 600.000 DM Mehrkosten. Die lineare Abschreibung wirkt sich in 20 Jahren sogar mit Mindereinnahmen von ca. 1.200 (auf die § 7h-Abschreibung) bzw. 1.500 DM/qm (auf die Sonder-afa) aus. Auf das fiktive Haus (2.000qm) hochgerechnet sind das Differenzen von 2,5 bis 3 Mio. DM. Im Vergleich dazu wirkt sich eine Veränderung der Mieteinnahmen um eine DM/qm in 20 Jahren mit 240 DM/qm aus. Eine Veränderung der Zinssätze um ein Prozent schlägt sich mit 60 bis 100 DM/qm in der Gesamtrechnung nieder. So verwundert es kaum, dass die steuerlichen Konditionen zum entscheidenden Faktor des Modernisierungsgeschehens wurden. Die Sonder-afa war in vielen Bereichen Ostdeutschlands der Investitionsmotor. Relativ lage- und erwartungsunabhängig konnten Investitionen in die Aufwertung der Bausubstanz gelenkt werden. Die Steuerabschreibungen kompensierten selbst geringe Mieteinnahmeerwartungen. So stellten sogar die vielfach umstrittenen Mietobergrenzenregelungen, die nur geringe Mietsteigerungen zuließen, unter den Bedingungen der Sonderabschreibung kein Investitionshindernis dar. Zusätzliche Aufwendungen zur Kapitallastfinanzierung fielen lediglich in den ersten fünf Jahren an, 174
DIE ÖKONOMIE DER AUFWERTUNG
und zumindest langfristig war eine vollständige Refinanzierung der Maßnahmen und eine Gewinnmarge gesichert. Ohne die Mietbegrenzungen stellten die Abschreibungsmöglichkeiten von Modernisierungsmaßnahmen eine staatlich finanzierte und überdurchschnittlich attraktive Anlagemöglichkeit dar, ohne dass die EigentümerInnen an Gegenleistungen gebunden waren. Aus dieser Perspektive lassen sich die Mietobergrenzen als ökonomisches Beteiligungsmodell der Mieterschaft an den großzügigen Steuerabschreibungen verstehen.
Desinvestitionsstrategien im Sanierungsgebiet Es wurde deutlich, dass sich die Investitionen in eine Wohnungsmodernisierung durch die möglichen Mehreinnahmen amortisieren und mit anderen Anlagemöglichkeiten mithalten können. Um tatsächlich eine Sanierung durchzuführen, muss die entsprechende Gewinnerwartung jedoch auch über den Einnahmen liegen, die mit der langfristigen Vermietung einer dauerhaft unsanierten Wohnung zu erzielen wären. Aus Desinvestitionsgebieten ist die Praxis des slumlordings bekannt: Dabei werden die Ausgaben für den Erhalt, die Reparatur und die Pflege der Bausubstanz so weit wie möglich reduziert und die Mieteinnahmen so hoch wie möglich getrieben. Diese maximale Ausschöpfung der Gebäude und Wohnungen geht in der Regel zu Lasten der Bewohnerschaft, die für schlecht ausgestattete und oft baufällige Wohnungen Mieten zahlen, die nur knapp unter den Preisen des nächst besseren Segments liegen. Um die Gewinnaussichten einer solchen Strategie beurteilen zu können, müssen wir die Kostenmieten und die tatsächlich realisierten Mieteinnahmen ansehen. Je höher die Differenz zwischen diesen beiden Werten, desto höher die Gewinnspanne. Die Kostenmiete einer Wohnung berechnet sich nach den tatsächlich anfallenden Aufwendungen zur Bewirtschaftung einer Mietsache. Für die Berechnung von Kostenmieten gibt es pauschale Orientierungswerte, die gesetzlich festgelegt sind und in der Wohnungswirtschaft als bindend gelten. Die Kosten im Einzelnen: Verwaltungskosten: Das sind nach § 26 Abs.1 II.BV die Kosten der zur Verwaltung des Gebäudes erforderlichen Arbeitskräfte und Einrichtungen sowie der Wert der vom Vermieter persönlich geleisteten Verwaltungsarbeit. Die Verwaltungskosten dürfen maximal mit 240 DM je Wohnung und Jahr angesetzt werden. Für eine Wohnung in den Sanierungsgebieten mit durchschnittlicher Größe (63 qm) sind das 3,81 DM/qm jährlich oder monatlich 0,32 DM/qm. Instandsetzungspauschale: Das sind nach § 26 Abs.1 II.BV die Kosten, die während der Nutzungsdauer zum Erhalt des bestimmungsmäßi175
MACHT UND STADTERNEUERUNG
gen Gebrauchs aufgewendet werden müssen, um die durch Abnutzung, Alterung oder Witterungseinwirkung entstehenden baulichen Mängel ordnungsgemäß zu beseitigen. Die Pauschale dient allein notwendigen Instandsetzungsmaßnahmen und darf nicht zur Deckung von Modernisierungsarbeiten verwendet werden. Für ältere Wohngebäude (vor 1953 errichtet) dürfen je Quadratmeter Wohnfläche jährlich 9,40 DM angesetzt werden. Monatlich sind das 0,78 DM/qm. Mietausfallwagnis: Das sind nach § 29 II.BV die Kosten der Ertragsminderung, die durch uneinbringliche Rückstände von Mieten, Pachten, Vergütungen, Umlagen und Zuschlägen oder durch den Leerstand von Wohnungen entstehen können. Die Mietausfallwagnis darf maximal mit zwei Prozent der jährlichen Mieten angesetzt werden. Bei den durchschnittlichen Nettokaltmieten von unsanierten Wohnungen (4,42 bis 6,10 DM/qm), wie sie in den Mietspiegelberechnungen von 1997 bis 2003 dargestellt sind, ergibt das einen monatlichen Anteil von 0,09 bis 0,12 DM/qm. Zur Berechnung der durchschnittlichen Kostenmiete setze ich 0,10 DM/qm für die Mietausfallwagnis an. Da der Leerstand in den unsanierten Beständen jedoch auf etwa 21 Prozent geschätzt wird (S.T.E.R.N. 2001), sind die tatsächlichen Mindereinnahmen durch Mietausfall wesentlich höher. Den Mietspiegelmieten folgend müsste der Mietausfall mit 0,93 bis 1,28 DM/qm angesetzt werden. Im Durchschnitt sind das etwa 1,00 DM/qm. Abschreibung: Das sind nach § 25 II BV die Kosten der verbrauchsbedingten Wertminderung der Gebäude, Anlagen und Einrichtungen. Grundlage der Abschreibung ist die mutmaßliche Nutzungsdauer von Gebäuden, die üblicherweise mit 100 Jahren angenommen wird. Die jährliche Abschreibung darf deshalb ein Prozent der Gesamtkosten nicht überschreiten. Für eine unsanierte Wohnung können wir den Kaufpreis zu Grunde legen, der zwischen 1992 und 2001 zwischen 1.300 und 2.000 DM/qm schwankte. Im Durchschnitt der einzelnen Jahre können 1.500 DM/qm als Richtwert gelten. Bei einer einprozentigen Abschreibung wären das jährlich 15 DM/qm oder monatlich 1,25 DM/qm. Für ein modernisiertes Haus würden die durchschnittlichen Sanierungskosten von 2.000 DM/qm hinzukommen. Die jährliche Abschreibung müsste dann mit 35 DM/qm angesetzt werden. Monatlich würde dieser Kostenmietenanteil 2,29 DM/qm betragen. Um die Bewirtschaftungsaussichten eines unsanierten Hauses in den Sanierungsgebieten einschätzen zu können, muss der Kostenmiete die tatsächlich realisierte Mieteinnahme gegenübergestellt werden. Dabei sollte berücksichtigt werden, dass insbesondere in baulich defizitären Häusern der Verwaltungsaufwand und die notwendigen Instandsetzungsmittel höher sind als in den pauschalen Kostenmietenfestlegungen. 176
DIE ÖKONOMIE DER AUFWERTUNG
Auch die Mietausfallwagnis muss angesichts der geschätzten Leerstände in den Sanierungsgebieten höher angesetzt werden. Deshalb wird der gesetzlichen Kostenmiete eine realistische Kostenrechnung gegenübergestellt. Für den Fall einer bewusst von den EigentümerInnen betriebenen Desinvestitionsstrategie werden die Verwaltungs- und Instandsetzungskosten auf das Notwendigste beschränkt. Entsprechend geringer wird dann die Kostenmiete. Für die wirtschaftliche Gesamtrechnung erhöht sich damit bei gleichen Mieteinnahmen der Gewinn der Bewirtschaftung. Als monatliche Mieteinnahme wird der nach Wohnungsgrößenverteilung gewichtete Durchschnittswert der aktuellen Mietspiegelerhebungen (Mittelwerte) für unsanierte Wohnungen (5,92 DM/qm) herangezogen. Tabelle 4.18: Zusammensetzung der Kostenmiete von unsanierten Wohnungen in den Sanierungsgebieten von Prenzlauer Berg (in DM/qm) pro Jahr
Monatlich
pauschal
pauschal
realistisch
Desinvestition
Verwaltungskosten
3,81
0,32
0,50
0,30
Instandsetzungspauschale
9,40
0,78
2,00
0,20
Mietausfallwagnis
1,20
0,10
1,00
0,50
Abschreibung
15,00
1,25
1,25
1,25
Kostenmiete gesamt
29,41
2,45
4,75
2,25
Mieteinnahmen
71,04
Mietdifferenz
41,53
5,92 3,47
1,17
3,67
Quelle: eigene Berechnung
Die Kostenmieten unterscheiden zwischen einer realistischen und einer desinvestitionsorientieren Bewirtschaftung der Gebäude erheblich. Entsprechend deutlich auch die monatlichen Mehreinnahmen, die durch die realisierten Mietpreise erzielt werden. Während bei einer realistischen Bewirtschaftung lediglich 1,17 DM/qm monatlich zusätzlich eingenommen werden können, kann der Gewinn bei weitgehend reduzierten Verwaltungs- und Instandsetzungsausgaben mit 3,67 DM/qm veranschlagt werden. Diese monatlichen Mehreinnahmen von etwa 2,50 DM/ qm im Vergleich zu einer realistischen Bewirtschaftung entsprechen jährlichen Gewinnen von 30 DM/qm und können mit den Gewinnerwartungen von Modernisierungsinvestitionen mithalten. Selbst eine Mieteinnahme, die monatlich nur zwei DM/qm über der tatsächlich anfallenden Kostenmiete liegt, bietet für die EigentümerInnen eine ökonomische Perspektive. Die Modellrechnung zeigt: realistische Verwaltungsperspektiven für unsanierte Altbauten sind in den Sanierungsgebieten ein Verlustge177
MACHT UND STADTERNEUERUNG
schäft. Gewinne können nur zu Lasten der BewohnerInnen erzielt werden. Für EigentümerInnen, die eine substanzvernachlässigende Bewirtschaftung gegen die Mieterschaft durchsetzen können, ist Desinvestition eine realistische Möglichkeit. Ein Vergleich mit anderen Bewirtschaftungsstratgeien zeigt, dass konsequente Desinvestitionsstrategien zumindest kurzfristig bessere Gewinnaussichten bieten, obwohl monatlichen bzw. jährlichen Mehreinnahmen unter denen von Modernisierungsprojekten liegen. Lediglich eine Modernisierung unter denn Bedingungen der Sonderabschreibung bei gleichzeitiger Realisierung von Marktmieten (unter Umgehung der Mietobergrenzen) weist nach zehn Jahren einen besseren Saldo auf. Insbesondere die Kapitalkosten von Modernisierungsvorhaben strecken die Gewinnerwartung zeitlich. Tabelle 4.19: Vergleich der Wirtschaftlichkeit verschiedener Bewirtschaftungsstrategien in Ostberliner Sanierungsgebieten (in DM/qm) Modernisierung mit Sonderafa MOG dyn. Markt MOG 3,65 7,14 7,66 43,80 85,56 91,92 15,60 170,49 511,21
Mehreinnahmen mtl. Mehreinnahmen p.a. Saldo nach 10 Jahren 453,60 Saldo nach 20 Jahren
1070,7
1.474,97
Modernisierung mit Desin§ h7 vestition MOG dyn. Markt MOG 3,65 5,92 7,66 3,50 43,80 71,04 91,92 42,00 -296,06 -155,70 185,14 420,00 141,94 554,75 1184,52
840,00
Quelle: eigene Berechnung
Vor allem für AlteigentümerInnen, die nicht auch noch den Erwerb des Hauses finanzieren müssen, ist die Vermietung der unsanierten Wohnungen eine rationale Bewirtschaftungsstrategie. Voraussetzung ist jedoch eine Vermeidung von hohen Leerstandszahlen, da jede unvermietete Wohnung die Mehreinnahmen mindert. Im Vergleich zu anderen ostdeutschen Städten mit wesentlich größeren Leerstandsproblemen besteht in dieser Hinsicht für Berlin eine Sondersituation. Sie ermöglicht zumindest in den weiterhin nachgefragten Innenstadtquartieren eine ökonomisch sinnvolle Desinvestition. Immobilienakteure, die mit der Bewirtschaftung auch noch den Kaufpreis refinanzieren müssen, sind im Gegensatz dazu auf hohe Gewinne angewiesen, um nicht nur die Investition in die Modernisierung, sondern auch den Kauf des Hauses selbst zu tragen. Da dies den größten Teil der EigentümerInnen betrifft, stellte sich für viele mit dem Ende der Sonderabschreibung die Frage, wie Kauf und Modernisierung noch zu finanzieren sind. Wie die Übersicht der Wirtschaftlichkeit einzelner In178
DIE ÖKONOMIE DER AUFWERTUNG
vestitionsmodelle zeigt, sind die EigentümerInnen unter den aktuellen Bedingungen zu einer radikalen Marktorientierung ihrer Vorhaben gezwungen. Nur unter Umgehung der Mietobergrenzen werden ökonomisch akzeptable Ergebnisse erreicht. Vor diesem Hintergrund erklärt sich auch die zunehmende Hinwendung zu Umwandlungsmodernisierungen. Dabei streben die EigentümerInnen für einen Teil der Wohnungen eine Umwandlung in Eigentumswohnungen an, um mit diesem sofort verfügbaren Geld die Maßnahme selbst zu finanzieren. Noch gibt es keine genauen Zahlen, die eine Übersicht über Anteil und Anzahl dieser Modelle geben, doch sowohl eine Ortsbegehung8 als auch Gespräche mit Experten der Stadterneuerung in Prenzlauer Berg bestätigen, dass Umwandlungsmodernisierungen nach Ablauf der Sonderabschreibungen das häufigste Finanzierungsmodell der Stadterneuerung in den Sanierungsgebieten von Prenzlauer Berg geworden sind. Trotz sinkender Gesamtzahlen des Berliner Umwandlungsvolumens seit 1999 haben sich die in Prenzlauer Berg sowohl die Zahlen der Abgeschlossenheitsbescheinigungen als auch der Grundbucheinträge für Teileigentum in den Jahren bis 2003 erhöht (Gutachterausschuss 2003: 64). Die durchschnittlichen Preise für Eigentumswohnungen werden in unterschiedlichen Marktanalysen zwischen 1.750 und 2.300 Euro je Quadratmeter Wohnfläche (HVB 2002: 3; Engel & Völkers 2002: 6). In guten Lagen werden deutlich höhere Verkaufspreise realisiert. Die EigentümerInnen beantragen dabei bereits vor Beginn der Maßnahmen die für die Umwandlung notwendige Abgeschlossenheitsbescheinigung und versuchen, so viele Wohnungen wie möglich noch im Planungszustand an künftige WohnungseigentümerInnen zu verkaufen. Ab einer Verkaufsquote von 40 bis 60 Prozent des Bestandes können die Bauarbeiten zur Modernisierung begonnen werden. Mit dieser Finanzierungsstrategie verschieben sich die Kapitalkosten der Investition auf die KäuferInnen der Eigentumswohnungen. Für die Bewohnerschaft solcher Häuser erhöht sich mit diesem Modernisierungsmodell der Druck erheblich, da eine erfolgreiche Sanierung in den meisten Fällen als ein direkter Konflikt um die zu nutzende Wohnung ausgetragen werden muss. Voraussetzung für einen erfolgreichen Verkauf einer Eigentumswohnung ist die weitgehende Planungs- und Bezugsfreiheit. AltbewohnerInnen werden also noch stärker als in den früheren Phasen der Stadterneuerung zum direkten Investitionshindernis. 8 An fast allen Baugerüsten oder auch an leer stehenden oder nur noch zum Teil bewohnten Häusern sind Schilder mit Verkaufsangeboten befestigt. Auch ein Blick in die Immobilienanzeigen des Berliner Wohnungsmarktes zeigt den hohen Anteil von Eigentumswohnungen an den neu zu vermietenden Wohnungen.
179
MACHT UND STADTERNEUERUNG
4.3 Effekte der Stadterneuerung 4.3.1 Durchführungsstand der Stadterneuerung in Berlin Prenzlauer Berg Einer der wesentlichen Effekte der Stadterneuerung ist die Durchführung von Modernisierungsmaßnahmen. Wie in den vergangenen Abschnitten dargestellt, veränderten sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der Stadterneuerung in den 90er Jahren mehrfach. Insbesondere die Einführung der Mietobergrenzen mit längeren Bindungsfristen, die Reduzierung der öffentlichen Förderung und das Ende der Sonderabschreibungsbedingungen markieren die wesentlichen Zäsuren. Ob und wie sich diese wirtschaftlichen Einschnitte auch im Umfang, Verlauf und in der Zusammensetzung der Erneuerungsmaßnahmen widerspiegeln, zeigen die nächsten Abschnitte.
Umfang und Zusammensetzung der Erneuerung Die Sanierungsgebiete im Bezirk Prenzlauer Berg wurden zu unterschiedlichen Zeiten Anfang der 90er Jahre festgelegt. Die ersten und größten Gebiete (Kollwitzplatz und Helmholtzplatz) wurden mit zusammen knapp 22.000 Wohnungen in der 9. Rechtsverordnung zur Durchführung der Stadterneuerung zum 9.10.1993 förmlich als Sanierungsgebiete festgelegt. Ende 1994 (4.12.1994) wurden im Rahmen der 10. Rechtsverordnung zwei weitere Gebiete (Teutoburger Platz und Winsstraße) mit insgesamt offiziell über 9.000 Wohnungen zu Sanierungsgebieten erklärt. Am 10.11.1995 wurde schließlich in der 11. Rechtsverordnung auch noch das Gebiet Bötzowstraße mit über 3.000 Wohnungen zum Sanierungsgebiet. Die räumlich zusammenhängenden Sanierungsgebiete von Berlin Prenzlauer Berg mit einer Fläche von über 255 ha, ca. 1.700 Grundstücken, mehr als 32.000 Wohnungen und fast 45.000 EinwohnerInnen sind die größte gründerzeitliche Sanierungskulisse Berlins und wurden auch schon als das „größte Sanierungsgebiet Europas“ (Haeder/Wüst 1994) bezeichnet. Der Stand der Durchführung der Stadterneuerung wird in den so genannten Stadterneuerungsberichten an das Abgeordnetenhaus etwa alle zwei Jahre offiziell bekannt gegeben. In einigen Studien, die sanierungsbegleitend im Auftrag der Verwaltungen oder der Verfahrensbeteiligten durchgeführt wurden, finden sich von diesen offiziellen Berichten abweichende Zahlen. Auch Direktabfragen zu bestimmten Details des Durchführungsstandes stimmten nicht immer mit den offiziellen Berich180
DIE ÖKONOMIE DER AUFWERTUNG
ten überein. Die Angaben der Stadterneuerungsberichte sind in einigen Fällen nicht plausibel, etwa wenn sich die Zahl der bereits sanierten Wohnungen in einem Sanierungsgebiet im darauf folgenden Jahr wieder verringert. Tabelle 4.20: Übersicht der Sanierungsgebiete in Prenzlauer Berg zur Festlegung
Festlegung Fläche in ha Wohnungen Grundstücke Einwohnerzahl Wohnungen je Gebäude Einwohner je Gebäude Einwohner je Wohnung
Helmholtzplatz 1993 81,9 13.338 563 16.582 24 29 1,2
Kollwitz- Teutburplatz ger Platz
Winsstraße
Bötzowviertel
gesamt
1993 60,6 6.519 414 9.531 16
1994 49,7 4.423 315 6.185 14
1994 34,7 4.850 225 7.219 22
1995 29 3.072 191 4.596 16
255,9 32.202 1708 44.113 19
23 1,5
20 1,4
32 1,5
24 1,5
26 1,4
Quelle: SenBauWohn 1995 und eigenen Berechnungen
Ich habe mich für die folgenden Tabellen dennoch auf die Berichte gestützt, da sie das einzige über den gesamten Zeitraum vergleichbare Material darstellen. In Fällen deutlicher Plausibilitätslücken habe ich diese kenntlich gemacht bzw. durch Ergänzungen aus anderen Materialien und Rücksprachen mit MitarbeiterInnen des Sanierungsbeauftragten korrigiert.
181
MACHT UND STADTERNEUERUNG
Tabelle 4.21: Durchführungsstand der Stadterneuerung in den Sanierungsgebieten von Prenzlauer Berg (1994 bis 2001) (n=32.202 WE)
1994 1996 1997 1998 1999 2001
Umfassende Maßn. WohAnteil nungen 811 100,00% 4.491 66,85% 5.685 69,45% 6.863 65,45% 8.682 67,56% 11.230 66,30%
Einfache/mittlere Maßn. WohAnteil nungen 0 0,00% 2.227 33,15% 2.501 30,55% 3.623 34,55% 4.169 32,44% 5.708 33,70%
Gesamt WohAnteil nungen 811 2,52% 6.718 20,86% 8.186 25,42% 10.486 32,56% 12.851 39,91% 16.938 52,60%
Quelle: Stadterneuerungsberichte 19 bis 23 und eigene Berechnungen
In den acht Jahren seit der Festlegung der ersten Sanierungsgebiete wurden bis Ende 2001 mehr als die Hälfte aller Wohnungen in den Gebieten erneuert. In mehr als 11.000 Wohnungen haben umfangreiche Maßnahmen stattgefunden. In weiteren knapp 6.000 Wohnungen wurden einfache und mittlere Erneuerungsmaßnahmen durchgeführt. Das betrifft insbesondere Wohnungen, in denen bereits einzelne Ausstattungsmerkmale wie Bad oder modernes Heizungssystem vorhanden waren und in denen nur eine Ergänzung der Ausstattung erfolgen musste. Mit Einführung der Mietobergrenzen 1995 gab es die Befürchtung, dass die damit verbundenen wirtschaftlichen Beschränkungen die Investitionsbereitschaft verringern. Zum Ende der günstigen Abschreibungsmöglichkeiten 1998 bzw. 1999 wurde ein kleiner Boom von Erneuerungsmaßnahmen erwartet, denn es war zu vermuten, dass viele EigentümerInnen die letzte Möglichkeit der erweiterten Abschreibung noch nutzen wollten. In der folgenden Ansicht soll der tatsächliche Verlauf der Stadterneuerung für diesen Zeitraum dargestellt werden9.
9 Da es nicht zu allen Jahren verlässliche Zahlen gibt, wurde in einigen Fällen auf einen rechnerischen Durchführungsstand zurückgegriffen. Dazu habe ich die für einen Zweijahreszeitraum erhobenen Werte gleichmäßig auf die beiden Jahre aufgeteilt.
182
DIE ÖKONOMIE DER AUFWERTUNG
Tabelle 4.22: Zeitlicher Verlauf der Stadterneuerung in den Sanierungsgebieten von Berlin Prenzlauer Berg (1993 bis 2001) Umfassende Maß- Einfache /mittlere nahmen Maßnahmen 811 0 1994 1.840 1.113 1995 1.840 1.114 1996 1.194 274 1997 1.178 1.122 1998 1.819 546 1999 1.274 769 2000 1.274 770 2001 11.230 5.708 Gesamt
Gesamt 811 2.953 2.954 1.468 2.300 2.365 2.043 2.044 16.938
Anteil an Gesamtbestand 2,52% 9,17% 9,17% 4,56% 7,14% 7,34% 6,35% 6,35% 52,60%
Stadterneuerungsberichte 19 bis 23; S.T.E.R.N.1999 und eigene Berechnungen
Das Ergebnis ist erstaunlich: Im Vergleich der jährlichen Maßnahmen zeigt sich, dass die Stadterneuerung mit wenigen Ausnahmen eine hohe Kontinuität aufweist. Abgesehen von einem schleppenden Anfang – der vor allem auf die vielen noch ungeklärten Eigentumsfragen zurückzuführen ist – und einem kleinen Zwischentief in Jahr 1997 wurden jedes Jahr 2.000 bis 3.000 Wohnungen erneuert. Das entspricht einem Anteil von sechs bis neun Prozent am Gesamtbestand der Wohnungen in den Sanierungsgebieten – oder ca. 100 bis 150 Häuser (auf insgesamt 1.762 Grundstücken), die jährlich modernisiert wurden. Abweichend von den Befürchtungen vieler ExpertInnen und den Beschreibungen der Stadterneuerung in verschiedenen Lokalzeitungen haben weder die Einführung von längeren Bindungsfristen (1998) noch das Ende der Sonderabschreibungsbedingungen zu einem Einbruch des Baugeschehens geführt. Wie bereits beschrieben, haben sich jedoch die Wirtschaftlichkeitsberechnungen in den einzelnen Phasen verändert, so dass die EigentümerInnen inzwischen mit dem Übergang zur Umwandlungssanierung andere Investitions- und Bewirtschaftungsstrategien verfolgen. Ein Blick auf die umfassend erneuerten Wohnungen zeigt einen leicht diskontinuierlichen Verlauf. Sowohl in den Jahren 1995/96 als auch 1998 ist die Anzahl der Wohnungen, denen umfassende Maßnahmen durchgeführt werden, deutlich höher als in den anderen Jahren. Über 500 Wohnungen mehr als im Durchschnitt wurden in diesen Jahren grundlegend modernisiert. Insgesamt jedoch sind weniger diese Abweichungen als vielmehr die erstaunlich hohe Konstanz der Stadterneuerung zu hinterfragen. Anscheinend gibt es in den festgelegten Sanierungsgebieten eine Spanne von Erneuerungen, die nicht unter- bzw. überschritten wird – unabhängig von den jeweiligen politischen und ökonomischen Rahmenbedin183
MACHT UND STADTERNEUERUNG
gungen. Die öffentlich geförderte Kompensation von Diskontinuitäten privatfinanzierter Modernisierungen könnte eine Ursache dafür sein. Eine weitere könnte in den differenzierten Bewirtschaftungsstrategien liegen. Es ist zu vermuten, dass es für die sich jeweils verändernden Bedingungen immer eine ausreichende Anzahl von EigentümerInnen gibt, die genau unter diesen Konditionen wirtschaftlich rational investieren können. Zunächst ein Blick auf die Förderkulisse in den Sanierungsgebieten. Ein relativ hoher Anteil der Erneuerungen wurde mit öffentlichen Fördergeldern finanziert. Insgesamt lag die Förderquote nach acht Jahren Stadterneuerung bei knapp über 50 Prozent. Bezogen auf die umfassenden Erneuerungsmaßnahmen wurden sogar über 6.000 der gut 11.000 Modernisierungen (oder 55 Prozent der Maßnahmen) mit öffentlichen Geldern finanziert. Im Laufe der Zeit hat sich die Förderquote verringert. Waren es zu Beginn der Stadterneuerung in den Sanierungsgebieten noch etwa 60 Prozent aller Maßnahmen, die öffentlich finanziert wurden, so hat sich dieses Verhältnis inzwischen umgekehrt. In den Jahren 2000 und 2001 gab es nur noch für knapp 40 Prozent aller Erneuerungstätigkeiten Gelder aus öffentlichen Kassen. Für die umfassenden Maßnahmen allerdings lässt sich dieser Trend nicht linear bestätigen, gerade für die Jahre 1998/1999 wurde noch einmal eine sehr hohe Förderquote erreicht, die erst in den darauf folgenden Jahren den Trend der Reduzierung wieder aufgriff. So wie die Zusammensetzung der Stadterneuerung in den Stadterneuerungsberichten dargestellt wird, ist das jährliche Erneuerungsvolumen maßgeblich von den jeweils umgesetzten Förderungen abhängig. Während die jährlichen Zahlen der privat finanzierten Maßnahmen im gesamten Beobachtungszeitraum (mit Ausnahme des ersten Sanierungsjahres) lediglich zwischen 650 und 800 Wohnungen variieren, bewegt sich die jährliche Anzahl der geförderten Wohnungsmodernisierungen in einer ungleich größeren Spanne von 500 bis 1.000 Wohnungen.
184
DIE ÖKONOMIE DER AUFWERTUNG
Tabelle 4.23: Anteil (in Prozent) und zeitlicher Verlauf von Modernisierungen mit öffentlicher Förderung in den Sanierungsgebieten in Berlin Prenzlauer Berg umfassende Maßnahmen einfache/mittlere Maßn. gesamt gesamt gefördert gesamt gefördert Gesamt gefördert WE WE Anteil WE WE Anteil WE WE Anteil 811 811 100 0 0 0 811 811 100 1994 57 2.227 1.320 59 5.907 3.404 58 1995/96 3.680 2.082 1.194 1.216 51 274 496 36 1.468 787 54 1997 1.178 1.703 56 1.122 222 13 2.300 1.925 41 1998 1.819 546 2.365 1999 44 1.539 489 32 4.087 1.609 39 2000/01 2.548 1.120 55 5.708 2.305 40 16.938 8.536 50 Gesamt 11.230 6.231
Quelle: Stadterneuerungsberichte 19 bis 23 und eigene Berechnungen
Die Reduzierung der Fördermittel spiegelt sich erst mit zeitlicher Verzögerung in der Struktur des Erneuerungsgeschehens wider. Besonders die umfassenden Erneuerungen, die im Programmteil „Soziale Stadterneuerung“ des Modernisierungs- und Instandsetzungsprogramms des Landes Berlin gefördert werden, brauchen oft einige Jahre, bis die Bauarbeiten tatsächlich beginnen und abgeschlossen werden können. Im Gegensatz dazu bilden sich bei kleineren Erneuerungsarbeiten Veränderungen bei der Förderung schneller und eindeutiger im Erneuerungsgeschehen ab. Andere ökonomische Veränderungen, wie die Einführung der Mietobergrenzen mit langfristigen Bindungsauflagen und das Ende der Sonderabschreibung, schlagen sich im Umfang des Sanierungsgeschehens kaum nieder. Ein Ausgleich der verschlechterten ökonomischen Bedingungen erfolgt demnach innerhalb der einzelnen Sanierungsmaßnahmen und wirkt sich kaum auf den Gesamtumfang der Stadterneuerung aus. Das relativ stabile Erneueurngstempo nach dem Ende der Sonderabschreibungsbedingungen ist dabei nicht nur auf die relational günstigeren Abschreibungsmöglichkeiten (nach § 7h) in den Sanierungsgebieten zurückzuführen, sondern auch auf die wachsende Möglichkeit, Verwertungslücken über Mieteinnahmen oder Umwandlungen in Eigentumswohnungen zu schleißen.
185
MACHT UND STADTERNEUERUNG
Räumliche Struktur der Stadterneuerung in den Sanierungsgebieten von Berlin Prenzlauer Berg Während die zeitliche Verteilung Auskunft über die generelle Stabilität oder Instabilität des Erneuerungsgeschehens gibt, vermittelt die räumliche Verteilung der Stadterneuerungsmaßnahmen einen detaillierten Eindruck über die Zusammensetzung des Erneuerungsgeschehens. Eine gebietsbezogene Untersuchung informiert darüber, wo eine flächendeckende Erneuerung ohne deutliche Differenzierung stattfand und wo sich so genannte Aufwertungsinseln befinden, die für Investitionen besonders attraktiv waren. Tabelle 4.24: Räumliche Differenzierung aller Erneuerungsmaßnahmen) in den Sanierungsgebieten von Prenzlauer Berg (1994 bis 2001) nach Erneuerun10
gen je Jahr
1994 1995 1996 Bis 1996 1997 1998 1999 1997-99 2000 2001 2000-01 Gesamt
Helmholtzplatz WE Anteil 341 2,56% 1.278 9,58% 1.279 9,59% 21,73% 872 6,54% 1.063 7,97% 1063 7,97% 22,48% 984 7,38% 984 7,38% 14,76% 7.864 58,96%
Kollwitzplatz Teutoburger Platz WE Anteil WE Anteil 193 2,96% 152 3,44% 787 12,08% 334 7,56% 788 12,08% 335 7,57% 27,12% 18,57% 425 6,52% 139 3,14% 533 8,18% 448 10,14% 534 8,18% 449 10,14% 22,88% 23,42% 339 5,21% 275 6,22% 340 5,21% 275 6,22% 10,42% 12,44% 3.939 60,42% 2.407 54,42%
Bötzowstraße WE Anteil 0 0,00% 167 5,43% 167 5,43% 10,86% 267 8,69% 151 4,92% 151 4,92% 18,53% 241 7,85% 241 7,85% 15,70% 1.383 45,69%
Stadterneuerungsberichte (19. bis 23.) und eigene Berechnungen
Analog zu den jahresweisen Darstellungen des Erneuerungsgeschehens wird nun der Stand der Durchführung in den einzelnen Sanierungsgebieten aufgezeigt (Tabelle 4.24). Der Durchführungsstand in den einzelnen Gebieten lag zum Zeitpunkt der letzten Feststellung auf einem durchgehend hohen Niveau. In der Mehrzahl der Gebiete war bereits mehr als die Hälfte des Bestandes erneuert. Lediglich im Gebiet Bötzowstraße – das erst zwei Jahre später als Sanierungsgebiet festgelegt wurde – fielen die Werte geringer aus.
10 Für das Sanierungsgebiet Winsstraße liegen für einige Jahre keine plausiblen Zahlen vor, so dass auf eine Darstellung des jährlichen Erneuerungsfortschritts verzichtet wurde.
186
DIE ÖKONOMIE DER AUFWERTUNG
Hinter diesem flächendeckend hohen Erneuerungsstand verbirgt sich jedoch ein gebietsweise sehr unterschiedlicher Verlauf der Erneuerung. Unterteilt man die Zeit von 1994 bis 2001 in drei Phasen (siehe Tabelle 4.24), zeigt sich die Ungleichzeitigkeit der Erneuerung in den einzelnen Sanierungsgebieten. In der ersten Phase (1994-1996) sticht die höhere Erneuerungstätigkeit im Gebiet Kollwitzplatz hervor. Das Gebiet Bötzowstraße hingegen weist in dieser Phase die geringsten Werte auf. In der zweiten Phase (1997-1999) ist noch eine geringe Lagedifferenzierung beim Umfang der Erneuerung festzustellen. Das Gebiet um den Teutoburger Platz weist inzwischen die höchste Erneuerungsintensität auf; der frühe Sanierungsboom vom Kollwitzplatz löst sich auf weiterhin hohem Niveau auf. Da 1998/1999 die letzten Möglichkeiten für Sonderabschreibungen bestanden, entwickelte sich in dieser Zeit ein kleiner Boom des Erneuerungsgeschehens. In den meisten Gebieten stieg die Intensität der Erneuerungstätigkeit gegenüber 1997 an und wurde auch in den darauf folgenden Jahren nicht überboten. In der dritten Phase (2000-2001) kehren sich die Verhältnisse der frühen Phase um. Im Sanierungsgebiet Bötzowstraße finden inzwischen die verhältnismäßig meisten Erneuerungen statt, während die Arbeiten im Gebiet um den Kollwitzplatz deutlich an Tempo verlieren. Nur noch ca. fünf Prozent des Bestandes werden dort jährlich erneuert – zu Beginn der 90er Jahre lagen diese Werte bei über 12 Prozent. Möglicherweise sind die Potentiale für eine Umwandlungserneuerung – wie sie die aktuelle Phase der Stadterneuerung prägt – durch die lagespezifische Sanierung Anfang der 90er Jahre erschöpft. Insbesondere in den Gebieten mit bisher geringerer Bautätigkeit (und somit vielen unsanierten Gebäuden, wie im Sanierungsgebiet Bötzowstraße) oder mit einem sehr großen Bestand (z.B. Helmholtzplatz) finden aktuell die meisten Erneuerungen statt.
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MACHT UND STADTERNEUERUNG
Ein Blick auf Zahlen der umfassenden Erneuerungen bestätigt die Trends der Phasen. Tabelle 4.25: Räumliche Differenzierung umfassender Maßnahmen in den Sanierungsgebieten von Prenzlauer Berg (1994 bis 2001) nach Erneuerungen 11
je Jahr
1994 1995 1996 Bis 1996 1997 1998 1999 1997-99 2000 2001 2000-01 Gesamt
Helmholtzplatz WE Anteil 341 2,56% 628 4,71% 628 4,71% 11,98% 840 6,30% 709 5,32% 790 5,32% 16,94% 593 4,45% 594 4,45% 8,90% 5.123 37,80%
Kollwitzplatz Teutoburger Platz WE Anteil WE Anteil 193 2,96% 152 3,44% 525 8,06% 251 5,69% 526 8,06% 252 5,69% 19,08% 14,82% 252 3,87% 87 1,97% 390 5,99% 272 6,16% 391 5,99% 273 6,16% 15,85% 14,29% 245 3,77% 130 2,94% 246 3,77% 130 2,94% 7,54% 5,88% 2.768 42,46% 1.547 34,98%
Bötzowstraße WE Anteil 0 0,00% 126 4,10% 126 4,10% 8,20% 267 8,69% 59 1,94% 60 1,94% 12,57% 161 5,24% 161 5,24% 10,48% 960 31,25%
Quelle: Stadterneuerungsberichte (19. bis 23.) und eigene Berechnung
Auch hier verzeichnet der Sanierungsprozess im Gebiet um den Kollwitzplatz das mit Abstand größte Anfangstempo. In nur drei Jahren wurde dort etwa jede fünfte Wohnung umfassend modernisiert, während es in den anderen Gebieten nur ca. zehn bis15 Prozent des Bestandes betrifft. Diese anfängliche Modernisierungseuphorie im Kollwitzplatzgebiet nimmt später fast kontinuierlich ab. In den Jahren 2000/01 weist dieses Areal einen der geringsten Werte aller Sanierungsgebiete auf. Das Gebiet gilt als Berliner Montmartre und stand für den „morbiden Charme“ des Bezirkes, so dass zumindest in der ersten Hälfte der 90er Jahre Züge einer lageabhängigen Investitionstätigkeit auszumachen sind. In dieser Zeit konzentrierten sich im bekanntesten und attraktivsten Gebiet des Bezirkes die meisten umfassenden Erneuerungsarbeiten. Die Erneuerung der Wohnbauten ging einher mit dem Auf- und Ausbau vieler gastronomischer Einrichtungen und war verbunden mit einer bundesweit betriebenen Imagepflege. Diese Gleichzeitigkeit weist einige prägnante kulturell-symbolische Aspekte von Gentrificationprozessen auf. Im Kontrast dazu stand die Entwicklung am Helmholtzplatz. In der ersten Phase der Stadterneuerung kam es in diesem Gebiet zu relativ 11 Für das Sanierungsgebiet Winsstraße liegen für einige Jahre keine plausiblen Zahlen vor, so dass auf eine Darstellung des jährlichen Erneuerungsfortschritts verzichtet wurde.
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DIE ÖKONOMIE DER AUFWERTUNG
wenigen umfassenden Sanierungen. Hier gab es den höchsten Anteil von einfachen und mittleren Arbeiten. Mehr als die Hälfte aller dieser Maßnahmen konzentrierte sich am Helmholtzplatz. Das ist erstaunlich, wies doch gerade dieses Gebiet die mit Abstand schlechteste Ausstattung auf und hatte den höchsten Erneuerungsbedarf. Sowohl die geförderten als auch die privat finanzierten Maßnahmen dieser Kategorie lagen deutlich über den Anteilswerten der anderen Sanierungsgebiete12. Diese verhaltene Erneuerungspraxis korrespondierte mit den bestehenden Bildern des Gebietes als „Schmuddelkiez“ und „Bronx“ (Kil 1996: 19). Das Missverhältnis zu den anderen Gebieten wurde erst in den Jahren 2000 und 2001 ausgeglichen. In dieser Zeit fanden um den Helmholtzplatz – verglichen mit den anderen Gebieten – die meisten umfassenden Maßnahmen statt. Diese verspätete Nachhaltigkeit der Erneuerung geht einher mit der aufwertenden Umgestaltung des zentral gelegenen und die Gegend prägenden Helmholtzplatzes und einer intensiven Entwicklung von gastronomischen Einrichtungen Ende der 90 Jahre. Der frühere Antipode des Kollwitzplatzes ist dabei, seinem Gegenüber den Rang abzulaufen. Der Imagewechsel des Helmholtzplatzes vom „Schmuddelkiez“ zum „angesagten Ort“ war dem physischen Erneuerungsgeschehen ,hinterhergeschrieben‘. Bezogen auf eine kulturelle Produktion von Gentrificationprozessen (Lang 1994, 1998; Zukin 1990, 1991: 179ff.) zeigt diese spezifische Sanierungsdynamik, wie sehr Images auch auf eine materielle Basis angewiesen sind. Die Sanierungsgebiete Teutoburger Platz und Bötzowstraße haben einen nahezu entgegen gesetzten zeitlichen Verlauf der Stadterneuerung. Das Gebiet um den Teutoburger Platz liegt in direkter Nachbarschaft zum Kollwitzplatzgebiet und zur ebenfalls unter Aufwertungsdynamik stehenden Spandauer Vorstadt in Berlin-Mitte. Es wies bereits in der ersten Hälfte der 90er Jahre überdurchschnittliche Erneuerungszahlen auf. In dieser Zeit stand das Gebiet Bötzowstraße mit einer wesentlich besseren Ausstattung im unsanierten Bestand zunächst im Schatten der Entwicklung in den anderen Gebieten. Seit 2000 scheint jedoch dort der Erneuerungsprozess an Dynamik zu gewinnen und das Gebiet hat so12 Für die geförderten Maßnahmen ist diese ,Schieflage‘ von Bedarf und Erneuerungspraxis v.a. auf die relatve breite Anwendung von Förderungen im Leerstandsbeseitigungsprogramm (LEBE) des Berliner Senats zurückzuführen. Im Rahmen dieser Maßnahmen wurden nur die notwendigen Arbeiten zur Wiederherstellung der Bewohnbarkeit gefördert. Vielfach in den kommunal verwalteteten Bestände angewandt, konnten sie wegen ungeklärter Eigentumsfragen nur selten mit weitergehenden Investitionen gekoppelt werden. Der schlechte Bauzustand und die ungeklärten Eigentumsrechte begrenzten so eine von Beginn an durchgreifende Modernisierungspraxis.
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MACHT UND STADTERNEUERUNG
wohl bei den umfassenden als auch bei allen Erneuerungsarbeiten die höchsten Anteilszahlen. Um den Teutoburger Platz hingegen wurden in den Jahren 2000/01 jährlich nur noch weniger als drei Prozent des Bestandes umfassend erneuert. Das ist der geringste Wert von allen Sanierungsgebieten.
4.3.2 Mietentwicklung Wie in den vergangenen Abschnitten gezeigt, unterscheiden sich die Mietpreise vor allem in Abhängigkeit von der Ausstattung der Wohnungen. Einerseits sind Mietsteigerungen Effekte von Modernisierungsmaßnahmen mit Ausstattungsverbesserungen. Auf der anderen Seite sind die bestehenden und potentiellen Mieten eine wesentliche Grundlage für die Wirtschaftlichkeit einer Investition. Die Mietentwicklung in den Sanierungsgebieten ist also zugleich Voraussetzung und Folge von Investitionen in die Wohnungsmodernisierung. Für die Mieterschaft stellen die Mietpreise die zentrale Schnittstelle von ökonomischen und sozialen Aspekten der Stadterneuerung dar. Im Folgenden werden die im Sanierungsgebiet typischen Mietsteigerungsmöglichkeiten in ihren Wirkungen aufgezeigt. Für eine differenzierte Darstellung erfolgt eine Unterscheidung der Mieterhöhungen durch erstens Privatmodernisierung, zweitens öffentlich geförderte Modernisierung und drittens das Miethöhegesetz (MHG).
Administrative Mieterhöhungen in Ostdeutschland Für Altbauten betrugen Mieten in der DDR je Quadratmeter 0,85 bis 1,00 Mark. In vielen Fällen waren sie wegen verschiedener Mängel an Haus und Wohnung sogar noch geringer. Diese Mieten wurden 1990 im Zuge der Wirtschafts- und Sozialunion und der damit verbundenen Währungsunion 1:1 auf DM umgestellt. Als gerundete Ausgangsmiete 1990 können wir demnach einen Quadratmeterpreis von maximal 1,00 DM/qm annehmen. Bereits im Einigungsvertrag wurde eine schrittweise Angleichung der Wohnungsmieten an das in Westdeutschland übliche Niveau festgelegt. Mit mehreren so genannten Grundmietenverordnungen (1991 und 1992) und einem Mietenüberleitungsgesetz (1995) wurde die angestrebte Angleichung umgesetzt. Diese administrativen Mieterhöhungen haben ausgehend von den geringen Bestandsmieten 1990 in etwa fünf Jahren einen enormen Anstieg durchgesetzt. Für die Sanierungsgebiete lässt sich eine jahresweise Entwicklung der durchschnittlichen Mietentwicklung in folgenden Schritten darstellen:
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DIE ÖKONOMIE DER AUFWERTUNG
Tabelle 4.26: Auswirkungen der administrativen Mietenanpassung auf die durchschnittlichen Mieten in Prenzlauer Berg (1990 bis 1995)
1990 1991 1992 1993 1994 1995
Administrative Maßnahme Keine 1.Grundmietenverordnung 2. Grundmietenverordnung Beschaffenheitszuschläge Beschaffenheitszuschläge Mietenüberleitung (MÜG)
Mieterhöhung Keine 1,15 1,03 0,33 0,23 0,47
Nettokaltmiete 1,00 2,15 3,18 3,51 3,74 4,21
Quelle: eigene Berechnung, eigene Darstellung
Dieser durchschnittliche Mietpreis von 4,21 DM/qm für unsanierte Wohnungen in den Sanierungsgebieten lag unter den erstmalig 1997 erhobenen Mietspiegelwerten, die in den entsprechenden Ausstattungskategorien und differenziert nach Wohnungsgröße und Lage eine Spanne von 4,42 bis 6,24 DM/qm (Mittelwerte) füllen. Diese Differenz erklärt sich vor allem über die stete Fluktuation in den Beständen, die bei Neuvermietungen Mietsteigerungen von bis zu 15 Prozent ermöglichten. Für die Bestandsmieten jedoch kann die errechnete durchschnittliche Mietentwicklung der Mietenüberleitungsphase als Orientierungsmarke dienen. Alle ökonomischen Kalkulationen von geplanten Investitionen mussten bzw. müssen mit diesen Ausgangswerten rechnen, insofern die Mehrzahl der Wohnungen von BestandsmieterInnen bewohnt wird, die bereits 1990 oder früher in ihre Wohnungen gezogen sind. Auch hinsichtlich der sozialen Sanierungsziele sollte diese Miethöhe als Ausgangspunkt dienen: sowohl für die Beurteilung der Miethöhe nach Modernisierung als auch für entsprechende Maßnahmen zur Begrenzung der Mieten. Eine rechnerische Fortschreibung dieser Bestandsmietenentwicklung musste sich ab 1997 an den Erhöhungsmöglichkeiten des Miethöhegesetzes (MHG) orientieren. Danach war bis zur Änderung des Gesetzes 2001 innerhalb von drei Jahren eine maximale Erhöhung der Miete um 30 Prozent möglich, nach der Änderung nur noch um 20 Prozent. Legt man die übliche Erhöhungspraxis der meisten Wohnungsverwaltungen zu Grunde, hätte die Mietentwicklung ohne BewohnerInnenwechsel und ohne Modernisierungsmaßnahmen in den Beständen der Sanierungsgebiete folgenden Verlauf genommen:
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MACHT UND STADTERNEUERUNG
Tabelle 4.27: Miethöhedynamik des Miethöhegesetzes (MHG) für unsanierte Wohnungen ohne BewohnerInnenwechsel in den Sanierungsgebieten von Prenzlauer Berg von 1995 bis 2003 (in DM/qm) Mieterhöhungsmögliche Mieterhöhung möglichkeiten nach MHG 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003
Gültigkeitsbeginn MHG
30% nach MHG
1,26
20% nach MHG
1,09
durchschnittliche Nettokaltmiete 4,21 4,21 4,21 4,21 4,21 5,47 5,47 5,47 6,56
Quelle: eigene Berechnung, eigene Darstellung
Diese Mietpreisdynamik in den unsanierten Beständen setzt handlungsfähige Hausverwaltungen voraus, die sich an einer ökonomisch rentablen Bewirtschaftung der Wohnungen orientieren. Die rechnerische Preissimulation spiegelt sich auch in den Mietspiegelentwicklungen wider. Der für die Jahre 2000 bis 2002 geltende Mietspiegel weist in den entsprechenden Ausstattungskategorien Mittelwerte von 5,06 bis 6,10 DM/qm auf. Unser errechneter Preis bewegt sich in dieser Spanne. Der Mietspiegel 2003 geht auf Erhebungen im Jahre 2002 zurück. Deshalb kann die fiktive Mieterhöhung in den unsanierten Beständen noch nicht mit dem Mietspiegel verglichen werden. Auch eine 2002 durchgeführte Untersuchung zur Fortschreibung der sozialen Sanierungsziele (ASUM und Mieterberatung 2003), die fast 6.500 Haushalte (etwa 23 Prozent) in den Sanierungsgebieten von Prenzlauer Berg berücksichtigte, bestätigte die dargelegten Mietberechnungen. Für unsanierte Wohnungen ohne Bad und Sammelheizung wurde eine Durchschnittsmiete von 5,26 DM/qm ermittelt. In den noch nicht sanierten Wohnungen, die über ein Bad oder eine Sammelheizung verfügen, mussten durchschnittlich 6,26 DM/qm gezahlt werden. Bezogen auf die einzelnen Wohnungsgrößen stellte die Untersuchung fest, dass die Mietpreise in den Sanierungsgebieten zwischen 0,28 und 1,95 DM/qm über den Mietspiegelmittelwerten liegen (ASUM und Mieterberatung 2003: 35). Unsanierte Wohnungen in Prenzlauer Berg sind demnach inzwischen teurer als in anderen Altbaugebieten Ostberlins.
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DIE ÖKONOMIE DER AUFWERTUNG
Mieterhöhungen nach privat finanzierten Modernisierungen Privat finanzierte Modernisierungen bezogen sich in den 90er Jahren überwiegend auf den gründerzeitlichen Altbaubestand des Bezirks. In den Sanierungsgebieten, die für den größten Teil dieses Bestandes förmlich festgelegt wurden, gelten besondere Genehmigungsvorbehalte, die Einfluss auf den Umfang und die Durchführung der geplanten Maßnahmen ausüben. Bis 1995 implizierten die Genehmigungsvorbehalte keine Einschränkungen der Modernisierungsumlagen, die zunächst durch die gesetzliche Regelung einer Kappungsgrenze von 3 DM/qm begrenzt wurden. Seit 1995 gelten im Bezirk Mietobergrenzen, die zur Sicherung der sozialen Sanierungsziele als Höchstmieten nach der Modernisierung festgelegt wurden. Vor dieser Festlegung wiesen die Mieten sehr hohe Werte auf. Tabelle 4.28: Nettokaltmieten in privat modernisierten Wohnungen in Prenzlauer Berg bis 1995, vor Einführung von Mietobergrenzen (in DM/qm)
unter 40 qm 40 bis 60qm 60 bis 90 qm Über 90qm Durchschnitt
alle 13,50 12,81 11,90 10,01 12,00
Neuvermietung (13,32) 14,56 14,40 14,98 14,42
Bestandmieter (13,68) 11,00 8,90 7,57 9,92
Mietspiegel 8,44 8,41 8,27 7,90 8,26
Quelle: Topos 1995: 42
Vor allem von Neumietern, die erst nach der Modernisierung einzogen, wurden Mieten von fast 15 DM/qm (nettokalt) verlangt. Im Vergleich zu den damaligen Durchschnittsmieten im Gebiet vor Sanierung übertrafen diese Mieten den üblichen Mietsatz durchschnittlich um 9,00 DM/qm. Diese gespaltene Mietentwicklung von bereits erneuerten und unsanierten Beständen verläuft seit der Einführung der Mietobergrenzen 1995 deutlich gedämpft. Sowohl die Mieten der Altmieterschaft und wesentlich deutlicher die Mieten von Neuvermietungen sind 1998 geringer als 1995. Die Untersuchungen in privat modernisierten Häusern (Topos 1995 und 1998) weisen einen scheinbar widersprüchlichen Trend auf. Obwohl sich die Mieten nach Modernisierung für Alt- und Neumietvermietungen moderater entwickelt haben, ist der Anteil derer, die im Zuge der Modernisierung die Wohnung verlassen, gestiegen. Waren es 1995 40 Prozent aller Haushalte, die erst nach der Modernisierung ins Haus gezogen waren (Topos 1995: 32), so sind es 1998 knapp die Hälfte aller Haushalte (Topos 1998: 1).
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MACHT UND STADTERNEUERUNG
Tabelle 4.29: Nettokaltmieten in privat modernisierten Wohnungen in Prenzlauer Berg nach Einführung der Mietobergrenze 1998 (in DM/qm)
unter 40 qm 40 bis 60qm 60 bis 90 qm Über 90qm Durchschnitt
MOG 9,00 8,89 7,59 6,33 7,91
alle 10,25 8,96 8,60 7,93 8,80
Neuvermietung Bestandsmieter 11,01 8,66 10,24 7,18 9,61 7,50 10,00 6,46 10,08 7,35
Mietspiegel 8,44 8,41 8,27 7,90 8,26
Quelle: Topos 1998: 4, eigene Berechnung
Mögliche Erklärungen dafür ist nicht nur die Zunahme von nichtökonomischen Auszugsmotiven13. Die Mietparteien in zu sanierenden Wohnungen kalkulieren inzwischen genauer, was die künftigen Mietbelastungen für sie auf Dauer bedeuten14. Die Mieten in den privat modernisierten Häusern haben sich seit 1995 bei den AltmieterInnen (mit Ausnahme der kleinen unter 40qm großen Wohnungen) etwas unter dem Mittelwert des Mietspiegels eingepegelt, die Mieten der Neumieter deutlich darüber bei etwa 10 DM/qm (nettokalt). Tabelle 4.30: Nettokaltmieten in privat modernisierten Wohnungen in Prenzlauer Berg 2002, (in DM/qm)
unter 40 qm 40 bis 60qm 60 bis 90 qm Über 90qm Durchschnitt
alle 10,82 10,04 9,63 9,27 9,85
Mietspiegel 10,25 9,90 9,04 9,33 9,53
MOG 9,00 8,89 7,59 6,33 7,91
Quelle: ASUM und Mieterberatung 2003: 35; eigene Berechnung
13 Vor allem die Zunahme von extrovertierten Lebensstilen und die Innenstadtnähe der Wohnviertel prägen zunehmend die Quartiersöffentlichkeit und verändern den Charakter und die Infrastruktur der Gebiete. Bei einem Teil der früheren BewohnerInnen von Prenzlauer Berg entwickelten sich Entfremdung und Unsicherheit bis hin zu Wegzugsbestrebungen (siehe Dörries 1998: 94ff.). 14 Die Mietobergrenzen galten bis 1999 als Einstiegsmiete nach Modernisierung, die nach spätestens einem Jahr im Rahmen des jeweils gültigen Mietspiegels nach Miethöhegesetz gesteigert werden konnten. Abhängig von der Entwicklung des Gesamtberliner Mietspiegels für die jeweiligen Wohnungsklassen können sich die Mieten innerhalb weniger Jahre bis zur Obergrenze des Mietspiegels steigern. Das sind zurzeit Werte zwischen 11,66 DM/qm und 12,69 DM/qm nettokalt.
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DIE ÖKONOMIE DER AUFWERTUNG
Weitere Mietsteigerungen können auch in diesem Segment entsprechend der Systematik des Miethöhegesetzes in den nächsten Jahren erfolgen. Die Mieten in diesen Wohnungen lagen auch 1998 etwa im Bereich der sanierten Altbauwohnungen des Mietspiegels. Auch hier zahlen neu hinzugezogene MieterInnen mehr als BestandsmieterInnen, die Unterschiede zwischen Alt- und NeumieterInnen jedoch sind in diesem Wohnungssegment wesentlich geringer. Für das Jahr 2002 liegen keine differenzierten Mietpreise von Neuund AltmieterInnen vor, doch die durchschnittlich gezahlten Preise zeigen (mit Ausnahme der ganz kleinen Wohnungen) einen Anstieg im Vergleich zur letzten Untersuchung 1998. Ob sich dahinter ein allgemeiner Trend zu höheren Mieten verbirgt oder ob der Anteil der Neuvermietungen gestiegen ist, kann auf der Basis des Materials nicht ausgesagt werden. Die Untersuchung zur Fortschreibung der Sozialen Sanierungsziele kommt jedoch zu einem hilfreichen Ergebnis: In den bereits modernisierten Beständen liegt der Anteil der AltmieterInnen (also derjenigen, die bereits vor der Sanierung im Haus wohnten) bei lediglich 25 Prozent (ASUM und Mieterberatung 2003: 36). Entsprechend sind 75 Prozent der BewohnerInnen nach der Modernisierung neu in die Häuser gezogen. Diese Neumieterquote lag noch 1995 und 1998 bei maximal 50 Prozent. Selbst unter Berücksichtigung der allgemein hohen Mobilität in den innerstädtischen Gebieten Ostberlins; diese dramatische Verschiebung ist ein Verweis auf direkte modernisierungsbedingte Verdrängungsprozesse. Tabelle 4.31: Mietpreise und Anteile von NeumieterInnen in den modernisierten Wohnungen der Sanierungsgebiete von Prenzlauer Berg (in DM/qm)
durchschnittliche Miethöhe Anteil von NeumieterInnen
1995 12,00 40%
1998 8,80 50%
2002 9,85 75%
Quellen: Topos 1995; Topos 1998; ASUM und Mieterberatung 2003
Der Anteil derjenigen BewohnerInnen, die bereits vor den Maßnahmen in den Häusern gewohnt hatten, nahm bereits von 1995 bis 1998 um zehn Prozent ab – und das trotz sinkender Mietpreise für die modernisierten Wohnungen (Tabelle 4.31). Bei nunmehr steigenden Preisen verringerte sich bis 2002 der Anteil der AltmieterInnen noch einmal deutlich um 25 Prozentpunkte. Aus der Perspektive der sozialen Ziele ist das ein verheerendes Ergebnis.
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Mieterhöhungen nach öffentlich geförderten Modernisierungen Öffentlich geförderte Modernisierungen sind in ihren Mietentwicklungen abhängig von den jeweiligen Programmkonditionen der Förderung. Die wesentlichen Förderprogramme in den Altbaugebieten sind das Programm „Soziale Stadtentwicklung“, die „Stadtweiten Maßnahmen“ und „Mietermodernisierung“. Im Programmteil „Mietermodernisierung“ werden Einbauten und Modernisierungsmaßnahmen, die die Mieter vornehmen, unterstützt. Voraussetzung für eine solche Förderung ist das Einverständnis der EigentümerInnen mit den Maßnahmen, die trotz ihrer Wohnwertverbesserungen nicht mietwirksam werden. Das Programm bietet MieterInnen mit ausreichendem Eigenkapital (gefördert wird jeweils nur ein Teil der durchgeführten Maßnahme) und/oder handwerklichen Kenntnissen die Möglichkeit, sich dauerhaft preiswerte Mieten zu sichern. Das Programmteil „Stadtweite Maßnahmen“ fördert vor allem Einzel- und Teilmodernisierungen in Wohnungen und Wohnhäusern. Die Miete nach Abschluss der Maßnahme orientiert sich an den jeweiligen Mittelwerten des Mietspiegels, die maximal um zehn Prozent überstiegen werden dürfen. Mit diesem Programm wird lediglich Einfluss auf die Einstiegsmiete nach Modernisierung genommen; die weitere Mietentwicklung unterliegt keinen weiteren Beschränkungen und erfolgt im Rahmen des Miethöhegesetzes. Im Programmteil „Soziale Stadterneuerung“ werden die Mieten nach der in der Regel umfassenden Modernisierung gemäß den Richtlinien zur Modernisierung und Instandsetzung von Altbauten – Programmteil „Soziale Stadterneuerung“ (ModInstRL 95) – geregelt. Vorgesehen ist dabei eine Orientierung an den Mittelwerten des Mietspiegels in der jeweiligen Größen-, Baualter- und Ausstattungsklasse. Ausgehend von einer üblichen umfassenden Modernisierung (Ausstattung: Innen-WC, Sammelheizung und Bad) ergeben sich zurzeit folgende Einstiegsmieten15.
15 Mieterhaushalte mit geringen Einkommen können eine so genannte WBSMiete beanspruchen, die sich an den jeweils aktuellen Mieten im Sozialwohnungsbestand orientiert. Zur Zeit sind das 6,14 bis 7,16 €/qm monatlich (ohne Betriebskosten). Durch eine Zusatzförderung verringert sich diese Miete um bis zu 2,56 €/m² Wohnfläche monatlich (Senatsverwaltung für Stadtentwicklung 2003).
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Tabelle 4.32: Einstiegsmieten (nettokalt in DM/qm) öffentlich geförderter Wohnungen in Berlin und Mietobergrenzen in den Sanierungsgebieten von Prenzlauer Berg (nach 1998)
T
Einstiegsmiete Förderung 8,44 8,41 8,27 7,90 T
unter 40 qm 40 – 60 qm 60 – 90 qm 90 qm und mehr
T
Mietobergrenzen (1995-1999) 9,00 8,89 7,59 6,33 T
T
T
T
Mietobergrenzen (seit 1999) 8,03 8,15 7,55 6,58 T
T
T
Quelle: Berliner Mietspiegel und Mietobergrenzen des Bezirks
Die Mieten können innerhalb der (jeweils unterschiedlichen) Bindungsfrist nicht über die Mittelwerte des aller zwei Jahre neu festzulegenden Mietspiegels angehoben werden. Die Mietentwicklung in den öffentlich geförderten Wohnungen ist damit wesentlich abhängig von den schwer zu prognostizierenden Entwicklungen des Mietspiegels16. Ende der 90er Jahre wurde jedoch deutlich, dass die Mieten in öffentlich geförderten Häusern zumindest in einigen Wohnungsgrößenklassen mit den bezirklich beschlossenen Mietobergrenzen kollidierten. Vor allem im Zuge der Festlegung einer längeren Bindungsfrist der Mietobergrenzen (BVVBeschluss 947/99 vom 23.2.1999) geriet das Förderprogramm hinsichtlich der Mieten bei den Bewohnern der zu modernisierenden Häuser in eine Akzeptanzkrise.
Mieterhöhungen ohne Modernisierungen Mietsteigerungen ohne Modernisierungen erfolgten durch die Gesetzgebung der Mietenüberleitung und seit 1998 durch das Miethöhegesetz (MHG). Seit dem sind generell Mietsteigerungen ohne Standardverbesserung möglich, die auch die bisher niedrigen Mieten im Substandardbestand aushöhlen. Die Tendenz dabei: je schlechter die Ausstattung der Wohnung, umso größer die Steigerungsraten. Im Gegensatz dazu sind die Mietpreise in modernisierten Wohnungen und Neubauten (zumindest im Westteil) stabil und sogar rückläufig. Die durchschnittlichen Steigerungen vollziehen sich also verstärkt zu Lasten der bisher preiswerten Wohnungen, denn dort ist die Erpressbarkeit der Bewohner am größten, da sie nur auf wenige preislich vergleichbare Alternativen zurückgreifen 16 Die Mietspiegelerhebungen in den Westbezirken brachten seit 1990 bei einer insgesamt deutlich steigenden Tendenz zwischen den zweijährigen Neuerhebungen eine breite Spanne von Veränderungen. Sie bewegten sich zwischen einer Steigerung von 30 Prozent und einer Absenkung von sechs Prozent. (IfS 1996: 33)
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können. Vor allem in den schlecht ausgestatteten Substandardwohnungen wurden Ende der 90er Jahre Preise verlangt, die über denen vergleichbarer Wohnungen in Westberlin lagen. Für eine Wohnung ohne Bad und moderne Heizung wurde im Westberliner Mietspiegel ein Mittelwert von 6,32 DM/qm (bruttokalt) angegeben, im Ostberliner von 4,42 DM/qm (nettokalt). Nach Hinzurechnen der durchschnittlichen Betriebskosten von 2,50 DM/qm machte das einen Preis, der über dem Westberliner Vergleichswert lag: 6,92 DM/qm (Wild 1996: 18ff. und Meinecke/Eichmann 1997: 6ff.). Im Mietspiegel 2003 gibt es für diesen Substandard keine eigne Katergorie mehr. Faktisch wurden die schlechtesten Bestände der nächstbesseren Ausstattungskategorie (ohne Sammelheizung oder Bad) zugeschlagen. Das führt zu einem deutlichen Preisanstieg in diesem Segment. Für Wohnungen mit dieser Ausstattung werden im Mietspiegel 2003 Mittelwerte von umgerechnet 5,83 bis 6,10 DM/qm angegeben. Innerhalb von fünf Jahren seit 1998 sind diese schlecht ausgestatteten Wohnungen um 36 Prozent teuerer geworden – ohne jede Erneuerungsarbeit. In der Systematik des Mietspiegels, der in Berlin die breit akzeptierte Basis für die Anwendung des Vergleichsmietensystems ist, sind ständige Steigerungen – auf der Grundlage der in der Regel höheren Neuvermietungspreise – angelegt. Betroffen sind davon verstärkt Wohnungssuchende, BewohnerInnen von Substandardwohnungen sowie Alt- und AktivmieterInnen, bei denen die Steigerungen am höchsten ausfallen. Wohnungssuchende, weil EigentümerInnen und Verwaltungen Mieten fordern, die bis zu 20 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen. Vielfach wird diese juristisch zulässige Forderung nicht als Grenze zur Strafbarkeit, sondern als „Neuvermietungszuschlag“ interpretiert. In attraktiven Wohnlagen wurden solche Preisvorstellungen der VermieterInnen tatsächlich realisiert17. Das heißt, Wohnungssuchende mit durchschnittlichen oder geringen Einkommen sind in bestimmten Gegenden fast völlig vom Wohnungsmarkt ausgeschlossen. MieterInnen von Substandardwohnungen, weil in den Häusern, die sowohl hinsichtlich des Bauzustandes als auch des Ausstattungsgrades zum schlechtesten Teil des Wohnungsbestandes gehören, die anteilig höchsten Mietsteigerungen möglich sind18. Erhöht werden kann prak17 Ein Fall aus dem Stadtbezirk Mitte: Eine Wohnung, die bisher 575 DM netto-kalt gekostet hatte, wurde für 988 DM weitervermietet. Das entspricht einer Erhöhung um 72 Prozent – ohne jede Investition in die Wohnung (Holm 1998: 3). 18 Für eine Hinterhauswohnung in Prenzlauer Berg von 87qm mit Innen-WC, ohne Bad und ohne moderne Heizung beispielsweise betrug die NettoKalt-Miete bisher 4,32 DM/qm. Die neue Miete lag bei 5,36 DM/qm. Das
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tisch in allen Wohnungen, für die bei den letzten Erhöhungen des Mietenüberleitungsgesetzes nicht alle Beschaffenheitszuschläge erhoben werden konnten. Die Vergleichsmieten ab 1998 egalisierten damit die vorherigen Standarddifferenzierungen des Ostberliner Wohnungsbestandes. Die Bewohnerschaft dieser heruntergekommenen, nun teurer werdenden Wohnungen sind überwiegend diejenigen AltmieterInnen, die sich den Umzug in eine bessere Wohnung nicht leisten konnten und Neuhinzugezogene, die gerade wegen der niedrigen Mieten in eine Substandardwohnung eingezogen sind. Alt- und AktivmieterInnen sind von der neuen Regelung betroffen, weil deren Mieten ohne Neuvermietungszuschläge deutlich unter den Mietspiegelwerten liegen – oder, weil sie sich bisher gegen ungerechtfertigte Beschaffenheitszuschläge wehren konnten. Dadurch liegen ihre Mieten oftmals deutlich unter den Mietspiegelwerten. EigentümerInnen können nun die im Miethöhegesetz zugestandenen Erhöhungen voll ausschöpfen. Die wohnungspolitische Folge des Vergleichsmietensystems war ein drastischer Kahlschlag des bis dahin preiswerten Wohnungsbestandes in den vielen unsanierten Häusern des Bezirks. Für Wohnungssuchende und NeuberlinerInnen mit geringen Einkommen wird es seither immer schwieriger, hier überhaupt noch eine finanzierbare Wohnung zu finden. AltmieterInnen in den betroffenen Wohnungen müssen fast jede Erhöhung akzeptieren, da es kaum noch preiswerte Alternativen gibt.
4.3.3 Einfluss der Modernisierung auf die Mietentwicklung im Gebiet Nehmen wir als Ausgangspunkt eine Miete von einer DM/qm im Jahr 1990 an, haben sich die Mietpreise in Prenzlauer Berg deutlich erhöht. Im Durchschnitt müssen BewohnerInnen von unsanierten Wohnungen in der geringsten Standardkategorie inzwischen ca. 6,00 DM/qm zahlen. In sanierten Wohnungen liegen die Mietpreise sogar bei knapp unter 10 DM/qm, die oberen Spannwerte des Mietspiegels bewegen sich sogar rund um 13 DM/qm. Wie setzen sich diese rasanten Steigerungen des Mietpreises zusammen? Wie hoch ist der Anteil administrativer, mietgesetzlicher und modernisierungsbedingter Steigerungen? In den folgenden Abschnitten sollen für verschiedene Zeitpunkte der Stadterneuerung typische Zusammensetzungen der Mieterhöhungen dargestellt werden. Bezugspunkt sind dabei BestandsmieterInnen, die auch nach der Modernisierung noch sind fast 25 Prozent mehr, obwohl seit Jahren keine Wohnwertverbesserung stattgefunden hat (ebenda).
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MACHT UND STADTERNEUERUNG
in ihren Wohnungen leben. Die Zusammensetzung der Mietsteigerungen gibt Auskunft darüber, wie dramatisch sich die einzelnen Erhöhungssegmente auf die Mieten auswirken. Ein hoher Anteil modernisierungsbedingter Erhöhungen würde die These von einer direkten ökonomischen Verdrängung durch die Stadterneuerung stärken – geringe modernisierungsbedingte Anteile würden die sozialräumlichen Thesen der Normalisierung und gesamtgesellschaftlichen Anpassung bestätigen. Zu den Phasen und Wohnungssegmenten im Einzelnen: Mieterhöhungen in bisher unsanierten Wohnungen: Wie bereits dargestellt, haben die Gesetze der Mietenanpassung und -überleitung bis 1995 die durchschnittlichen Mieten in den Sanierungsgebieten um 3,21 auf 4,21 DM/qm gesteigert. Alle weiteren Erhöhungen in den unsanierten Beständen belaufen sich auf ca. 1,80 DM/qm und lassen sich auf Mieterhöhungen im Rahmen des Miethöhegesetzes (MHG) oder auf Mietsteigerungen im Zuge von Neuvermietungen zurückführen. 2003 lagen die Mieten in diesen unsanierten Beständen etwa bei 6,00 DM/qm. Tabelle 4.33: Zusammensetzung der Mietsteigerungen für unsanierte Wohnungen
Administrative Mieterhöhung Mieterhöhungen nach MHG Mieterhöhungen durch Modernisierung Mieterhöhung gesamt
Mietsteigerung in DM/qm in Prozent 3,21 64 1,79 36 keine keine 5,00 100
Quelle: eigene Berechnung
Der deutlich größte Anteil der Mietsteigerungen ist auf die administrativen Mieterhöhungen Anfang der 90er Jahre zurückzuführen. Nur ca. ein Drittel der Mieterhöhungen sind später hinzugekommen. Mieterhöhungen in bis 1995 privat sanierten Wohnungen: Vor allem in der ersten Hälfte der 90er Jahre wurden die zahlenmäßig wenigen modernisierten Wohnungen zu sehr hohen Preisen vermietet. Insbesondere bei Neuvermietungen wurden zum Teil. bis zu 15 DM/qm monatlich für eine voll modernisierte Wohnung in Prenzlauer Berg verlangt. Für die Bestandsmieterschaft wurde ein durchschnittlicher Mietpreis von 9,92 DM/qm ermittelt. Angenommen, dass bereits alle administrativen Erhöhungen in die Basismiete vor Modernisierung eingeflossen sind, liegt die modernisierungsbedingte Mietsteigerung in diesen Wohnungen bei 5,71 DM/qm. Im Rahmen des Miethöhegesetzes können in diesen Wohnungen bis heute nur noch geringe Erhöhungen durchgeführt worden sein. Eine erhebliche Mietsteigerung ist jedoch nicht anzunehmen, 200
DIE ÖKONOMIE DER AUFWERTUNG
weil die hohe Ausgangsmiete nach Modernisierung in den meisten Fällen keine weiteren Mietsteigerungen ermöglicht. Die Mietsteigerungen dieser frühen Modernisierungen setzen sich demnach vor allem aus administrativen und modernisierungsbedingten Mietsteigerungen zusammen. Tabelle 4.34: Zusammensetzung der Mietsteigerungen für privatfinanzierte Modernisierungen bis 1995
Administrative Mieterhöhung Mieterhöhungen nach MHG Mieterhöhungen durch Modernisierung Mieterhöhung gesamt
Mietsteigerung in DM/qm in Prozent 3,21 36 keine Keine 5,71 64 8,92 100
Quelle: eigene Berechnung
Für die erste Phase der Stadterneuerung in den Ostberliner Sanierungsgebieten, in denen noch keine Mietobergrenzen galten, waren die Modernisierungsarbeiten ganz klar der zentrale Faktor der Mietsteigerungen. Zum einen gab es zu diesem Zeitpunkt noch keine Möglichkeiten, die Miete nach dem Miethöhegesetz zu steigern, zum anderen waren modernisierte Wohnungen durch die erst langsam anlaufenden Sanierungsarbeiten ein knappes und damit teures Gut. Diese Attraktivität der Wohnungen wurde oftmals umgemünzt. Ohne sanierungsrechtliche Beschränkungen mit einer Mietobergrenze kam es vor, dass sich auch für BestandsmieterInnen die Miete im Zuge der Modernisierungsarbeiten verdoppelte. Mieterhöhungen in privat sanierten Wohnungen (1995-1999): Für die nach 1995 modernisierten Wohnungen müssen zumindest für die Wohnungen mit BestandsmieterInnen die seit 1995 geltenden Mietobergrenzen berücksichtigt werden. Höher als bis zu dieser Kappungsgrenze dürfen die Mieten nach Modernisierungen eigentlich nicht steigen. Durchschnittlich lag die Mietobergrenze (MOG) bei 7,91 DM/qm. Ausgehend von den Mieten nach den administrativen Erhöhungen belief sich die modernisierungsbedingte Erhöhung demnach auf 3,70 DM/qm. Da die durchschnittlichen Mietpreise für dieses Segment inzwischen bei 9,85 DM/qm liegen, sind verschiedene Mieterhöhungen nach § 2 des Miethöhegesetzes (MHG) anzunehmen. Auch eine Erhebung von wohnungsbezogenen Daten aus dem Jahre 2002 kommt zu dem Ergebnis, dass allein nach 2000 in 78 Prozent der privat sanierten Wohnungen solche Erhöhungen erhoben wurden (ASUM und Mieterberatung 2003: 36). Die durchschnittliche Differenz zwischen der Mietobergrenze und 201
MACHT UND STADTERNEUERUNG
der tatsächlich zu zahlenden Miete liegt bei 1,94 DM/qm. Mit einer einmaligen Erhöhung der Mieten um 20 bzw. 30 Prozent – das entspricht den im Miethöhegesetz zulässigen Werten – kann die Miete um 1,58 bzw. 2,73 DM/qm erhöht werden. Einige der Erhöhungen wurden bereits vor der Änderung der Gesetzgebung 2001 (mittlerweile sind nur noch 20 Prozent Mieterhöhungen innerhalb von drei Jahren zulässig) vollzogen. Tabelle 4.35: Zusammensetzung der Mietsteigerungen für privat modernisierte Wohnungen unter Einhaltung der Mietobergrenzen bis 1999
Administrative Mieterhöhung Mieterhöhungen nach MHG Mieterhöhungen durch Modernisierung Mieterhöhung gesamt
Mietsteigerung in DM/qm in Prozent 3,21 36 1,53 22 3,70 42 8,85 100
Quelle: eigene Berechnung
Das erklärt die Preislücke zwischen Mietobergrenze und derzeit real zu zahlenden Mieten im Gebiet. In der zweiten Hälfte der 90er Jahre machen die Modernisierungen den größten Einzelanteil an den Mietsteigerungen seit 1990 aus. Mieterhöhungen privat sanierter Wohnungen nach 1999: Das Verhältnis modernisierungsbedingter Mietsteigerungen und gesetzlich ermöglichter Mieterhöhungen verschiebt sich für die Wohnungen mit Modernisierungsarbeiten jüngeren Datums. Durch die bereits vor der Sanierung erhobenen Mietsteigerungen verringern sich bei gleich bleibender Mietobergrenze die Möglichkeiten einer direkt mit der Modernisierung im Zusammenhang stehenden Umlage. Nur noch ein knappes Viertel der Mieterhöhungen geht direkt auf die Modernisierungsmaßnahme zurück.
202
DIE ÖKONOMIE DER AUFWERTUNG
Tabelle 4.36: Zusammensetzung der Mietsteigerungen für privat modernisierte Wohnungen unter Einhaltung der Mietobergrenzen nach 1999
Administrative Mieterhöhung Mieterhöhungen nach MHG – vor Mod. – nach Mod. Mieterhöhungen durch Modernisierung Mieterhöhung gesamt
Mietsteigerung in DM/qm in Prozent 3,21 36 1,94 22 1,63 18 2,07 24 8,85 100
Quelle: eigene Berechnung
Zumindest die Mieterhöhungen, die nach der Modernisierung erfolgen, bauen auf dem durch die Modernisierung erreichten Standard auf. Sie können als indirekt durch die Modernisierung ausgelöste Mieterhöhungen bezeichnet werden. Insgesamt wird deutlich, welchen bedeutenden Anteil das Modernisierungsgeschehen auf die Mietentwicklung in den Sanierungsgebieten hat. Im gewichteten Durchschnitt aller bishger sanierten Wohnungen sind über 43 Prozent aller Mietsteigerungen direkt auf die Modernisierungsmaßnahmen zurückzuführen. Tabelle 4.37: Zusammensetzung der Mietsteigerungen für privat modernisierte Wohnungen von 1993 bis 2002 in den Sanierungsgebieten von Prenzlauer Berg
Administrative Mieterhöhung Mieterhöhungen nach MHG Mieterhöhungen durch Modernisierung Mieterhöhung gesamt
Mietsteigerung in DM/qm in Prozent 3,21 36 1,66 21 3,98 43 8,85 100
Quelle: eigene Berechnung
Ob und wie sich derartige Entwicklungen auf die soziale Zusammensetzung der Gebietsbevölkerung auswirken, wird im folgenden Kapitel untersucht.
203
MACHT UND STADTERNEUERUNG
4.4
Au f w e r t u n g s ö k o n o m i e i n Sanierungsgebieten
Die Stadterneuerung – klassisch ein Feld der umfassenden staatlichen Intervention – vollzieht unter den neuen Bedingungen in Ostberlin in den 90er Jahren den Übergang zum Marktprozess. Insbesondere die Trägerstrukturen aber auch die ökonomischen Rahmenbedingungen der Investitionen und die veränderte Förderkulisse unterwerfen die Stadterneuerung der 90er Jahre weitgehend klassischen wirtschaftlichen Zwängen. Privatisierung der Stadterneuerung – ‚echte‘ Eigentümer als zentrale Bauträger: Entscheidende Ausgangsbedingungen der Stadterneuerung in Ostberlin waren die transformationsbedingte Privatisierung des Wohnungsbestandes und die Professionalisierung der Eigentümerstruktur. Die Mehrzahl der Häuser wurde in den ersten Jahren der Stadterneuerung nicht nur an AlteigentümerInnen oder ihre Erben restituiert, sondern weiterverkauft. In kurzer Zeit wechselten so nicht nur die Besitzverhältnisse in den Sanierungsgebieten, auch der Aufwertungsdruck stieg erheblich. In den untersuchten Gebieten konnte ein deutlicher Zusammenhang von Verkauf und Modernisierung festgestellt werden. Mehr als zwei Drittel aller Hausaufkäufer haben ihre Häuser bereits modernisiert oder zumindest mit den Bauarbeiten begonnen. Die traditionelle Aufgabe der Stadterneuerung, ein Marktversagen durch öffentliche Investitionen zu überwinden, ist damit obsolet. Im Gegensatz zu den überwiegend öffentlich finanzierten Stadterneuerungen werden die Richtung und das Tempo der Sanierung in den Ostberliner Altbaugebieten von privaten Investitionen bestimmt. Eine andere Ebene der Privatisierung betrifft die Bauträger der Erneuerung selbst. Statt staatlich eingesetzter gemeinnütziger Sanierungsträger, die ganze Blöcke in den festgelegten Gebieten sanieren, wird in Ostberlin die Mehrzahl der Sanierungsarbeiten von privaten EinzeleigentümerInnen durchgeführt. Privatisierung bedeutet in diesem Zusammenhang vor allem Diversifizierung und Atomisierung der Verfahren und Ergebnisse. Da sich die InvestorInnen letztlich in ihren wirtschaftlichen Motiven, ihren Erfahrungen mit Sanierungsgebieten und in ihrem Verhalten gegenüber der Bewohnerschaft unterscheiden, fallen die einzelnen Modernisierungsarbeiten und die Effekte von Haus zu Haus verschieden aus. Ein einheitliches Verfahren und somit öffentlich und langfristig kalkulierbare Ergebnisse der Stadterneuerung sind damit ausgeschlossen (ausführlicher Häußermann/ Holm/Zunzer 2002: 143ff.). Ökonomisierung der Investitionen: Das intensive Verkaufsgeschehen zu Beginn der 90er Jahre war ein enormer Beschleunigungsfaktor 204
DIE ÖKONOMIE DER AUFWERTUNG
der Stadterneuerung und löste einen erheblichen Verwertungsdruck aus. Auf fast allen verkauften Grundstücken in den Untersuchungsgebieten wurden bauliche Maßnahmen durchgeführt. Der Anteil von umfassenden Modernisierungen hier ist wesentlich höher als in den nicht verkauften Grundstücken. Im Durchschnitt begannen die KäuferInnen in Sanierungsgebieten etwa ein und ein halbes Jahr nach dem Kauf mit den Modernisierungsarbeiten. Diese kurzen Umschlagzeiten der Verwertung deuten auf den zentralen Faktor der Zeit in der Ökonomie der Ostberliner Stadterneuerung hin. Insbesondere Finanzierungsmodelle, die sich wesentlich an steuerlichen Abschreibungen orientierten, waren an bestimmte Fristen für fällige Abrechnungen gebunden. Die Kaufpreise lagen in den letzten Jahren zwischen 600 und 1.000 DM/qm und müssen in die jeweiligen Kalkulationen der Investoren einfließen. Der wirtschaftliche Gewinn einer Modernisierung misst sich dabei nicht nur am direkten Ertrag der Modernisierungsinvestition, sondern auch an der Refinanzierung des Kaufpreises. Zugleich lastet der Erwerbsbetrag auf der Rentabilität des unsanierten und oftmals ökonomisch unternutzten Grundstücks. Um einen fiktiven Preis von 800 DM/qm mit den banküblichen Zinserwartungen (von 4,5 Prozent) über die Mieteinnahmen zu erwirtschaften, würde bei der geringsten möglichen Monatsmiete von 7,63 DM/qm eine Laufzeit von 23 Jahren benötigt. Diese Miete läge weit über den Mietspiegelwerten für unsanierte Substandardwohnungen und ist nicht zu realisieren. Selbst ohne jegliche Zinserwartung würde eine realistische Vermietung zu ca. 5,00 DM/qm eine Laufzeit von knapp 15 Jahren benötigen, um die Erwerbskosten vollständig zu refinanzieren. Nur ein Weiterverkauf zu einem möglichst höheren Preis oder eine umfassende Erneuerung zur hochwertigen Vermietung oder zum Verkauf von Eigentumswohnungen können den Kaufpreis kurzbzw. mittelfristig refinanzieren. Dieser Verwertungsdruck wird in den Ostberliner Sanierungsgebieten zur zentralen Voraussetzung von Modernisierungsarbeiten. Eine Refinanzierung des Kaufpreises ohne bauliche Aufwertung und intensivere Abschöpfung ist wirtschaftlich ausgeschlossen. Die Steuerabschreibungsbedingungen in Ostdeutschland begünstigen die Investitionen in Modernisierungsarbeiten, haben jedoch nicht die klassische Förderwirkung einer Übernahme der unrentierlichen Kosten. Die Ausgabenseite der überwiegend privat aufzubringenden Investitionen in die Sanierung unterliegen somit einer „echten“ Ökonomie. Die mietdämpfenden Eingriffe durch das Sanierungsregime beschränken jedoch die Einnahmeseite der Modernisierungsprojekte und federn die sozialen Wirkungen marktwirtschaftlich getragener Gebietsaufwertungen ab.
205
MACHT UND STADTERNEUERUNG
Anreizökonomie in den 90er Jahren – Abschreibung und klassische Förderung: Trotz der beschriebenen Ökonomisierung der Investitionen ist auch die Stadterneuerung der 90er Jahre wesentlich von wirtschaftlichen Anreizstrukturen geprägt. Das betrifft für einen kleineren Teil der Modernisierungen direkte Fördergelder und für den Großteil der Maßnahmen Steuerabschreibungen. Beide Anreize regen hohe Investitionen an, unterscheiden sich jedoch in ihrer Wirkung auf die langfristige Mietentwicklung. In den Förderrichtlinien des Programms „Soziale Stadterneuerung – umfassende Maßnahmen“ wird auf die Wirtschaftlichkeit einer Modernisierung durch die Übernahme von unrentierlichen Kosten orientiert. In einem klassischen Förderverständnis übernimmt die öffentliche Hand dabei einen Teil der Kosten, so dass sich auch eine eigentlich unwirtschaftliche Sanierung rechnet. Im Gegenzug werden die EigentümerInnen verpflichtet, bestimmte Standards zu schaffen, langfristige Mietpreisbindungen einzuhalten und das Belegungsrecht an die Kommune abzutreten. Die Logik der Förderung zwingt die EigentümerInnen zu einer weitgehenden Ausschöpfung der Fördersummen und induziert damit einen sehr hohen Standard. Zum einen werden Ausstattungsstandards in den Förderrichtlinien gefordert, die sich zum Teil an Neubaukriterien orientieren, zum anderen steigen damit die Ausgaben. Im Schnitt werden Investitionen von ca. 2.000 DM/qm gefördert. Die bis 1998 geltenden Steuerabschreibungsmöglichkeiten waren an keinerlei Bedingungen geknüpft und konnten von allen steuerzahlenden InvestorInnen in Anspruch genommen werden. Angerechnet wurden alle investiven Ausgaben im Zusammenhang mit einer umfassenden Sanierung eines Wohnhauses. Bis zu 50 Prozent der Kosten konnten bereits im ersten Jahr nach der Investition steuerlich geltend gemacht werden, die Restsumme konnte zu gleichen Teilen auf die nächsten neun Jahre verteilt werden. So ermöglichten die Abschreibungsvorteile in den neuen Ländern und Berlin, Investitionen in den Altbaubestand innerhalb eines Jahrzehnts vollständig über Steuerersparnisse zu finanzieren. Die Investitionen folgten auch hier einer Logik der hohen Kosten: Je höher die Ausgaben, desto größer die abschreibefähige Summe. Diese Ökonomisierung der Stadterneuerung hatte direkte Folgen auf den Verlauf der Erneueurungsarbeiten. Hinsichtlich ihres dominanten Finanzierungsmodells können für die Stadterneuerung in Ostberlin drei Phasen von einander unterschieden werden: Geförderte Erneuerung (Anfang bis Mitte der 90er Jahre): Die Phase von der Festlegung der Sanierungsgebiete bis 1996 war noch durch relativ umfangreiche Förderungen in die Stadterneuerung geprägt. Für fast zwei Drittel aller Maßnahmen floss öffentliches Geld. Im Rückblick 206
DIE ÖKONOMIE DER AUFWERTUNG
auf die bisherige Gesamtzeit der Stadterneuerung wurde in diesen ersten drei Jahren etwa die Hälfte aller geförderten Wohnungen erneuert. Das Tempo der Sanierung war in dieser Zeit leicht höher als im Gesamtzeitraum. Im Durchschnitt wurden mehr als 2.200 Wohnungen pro Jahr modernisiert. Das entspricht etwa sieben Prozent des Gesamtbestandes in den Sanierungsgebieten. Mit diesem Tempo würde, auf einen längeren Zeitraum hochgerechnet, die Sanierung der gesamten Gebiete nach etwa 15 Jahren abgeschlossen sein. Im Durchschnitt wurden jährlich über 1.400 Wohnungssanierungen gefördert. Das ist ein Anteil von etwa 4,4 Prozent am gesamten Wohnungsbestand. Doch sowohl das Tempo der Erneuerung als auch die Förderquoten nahmen im Laufe der Zeit ab. Dabei verringerten sich innerhalb von zehn Jahren die Fördersummen nicht nur bis hin zur Einstellung, sondern veränderten zudem ihre Struktur. Insbesondere eine deutliche Verschiebung von Anteilen direkter Baukostenzuschüsse zu den Aufwendungsbeträgen einer Kapitallastfinanzierung verringerte die Attraktivität der Programme. Bei ähnlichen Bindungspflichten verschlechterte sich dabei die ökonomische Gesamtkonstellation für die EigentümerInnen. Abschreibungserneuerung (Mitte der 90er Jahre bis 1999): Diese zweite Phase der Ostberliner Stadterneuerung wurde ökonomisch von Abschreibungssanierungen dominiert. Die öffentlichen Fördermittel fielen in diesem Zeitraum bereits deutlich karger aus, und weit mehr als die Hälfte aller erneuerten Wohnungen wurden frei finanziert. Insgesamt wurden in einem Zeitraum von drei Jahren über 6.100 Wohnungen erneuert. Das sind im Jahresdurchschnitt immer noch über 2.000 oder etwa sechs Prozent des Gesamtbestandes. Obwohl die Gesamtzahl der erneuerten Wohnungen leicht zurückgegangen ist, hat sich der Umfang der privatfinanzierten Maßnahmen deutlich erhöht. Mehr als 3.400 Wohnungen wurden ohne Förderprogramme saniert, pro Jahr waren das 1.140 Wohnungen. Insbesondere gegen Ende dieser Phase war ein deutlicher Anstieg von privaten Modernisierungsmaßnahmen zu verzeichnen, da viele Bauherren noch in den Genuss der Steuerabschreibungen kommen wollten. Dafür mussten die Bausarbeiten bis spätestens 1999 für den größten Teil Maßnahmen abgeschlossen sein. Umwandlungserneuerung (nach 2000): Der von vielen befürchtete Rückgang von Investitionen nach dem Ende der Abschreibungsmöglichkeiten hat zumindest in den Sanierungsgebieten von Prenzlauer Berg nicht stattgefunden. Mit nahezu unveränderter Intensität werden nach wie vor über 2.000 Wohnungen pro Jahr saniert. Der Anteil der geförderten Maßnahmen betrug in diesem letzten Zeitraum weniger als 40 Prozent.
207
MACHT UND STADTERNEUERUNG
Tabelle 4.38: Umfang des Erneuerungsgeschehens und Förderanteile in den Sanierungsgebieten von Berlin Prenzlauer Berg 1993 bis 2001
1994 bis 1996 Geförderte Erneuerung 1997 bis 1999 Abschreibungserneuerung 2000 bis 2001 Umwandlungserneuerung Gesamt
erneuerte Wohnungen gesamt pro Jahr 6.718 2.239
davon gefördert
Förderanteil
gesamt 4.215
pro Jahr 1.405
63 %
6.133
2.044
2.712
904
44%
4.087
2.043
1.609
804
39%
16.938
2.117
8.536
1.067
50%
Quelle: Stadterneuerungsberichte und eigene Berechnungen
Umwandlungsmodernisierungen bestimmen in dieser Phase das Erneuerungsgeschehen. Dabei wird eine geplante Baumaßnahme im Wesentlichen über den Vorabverkauf von Eigentumswohnungen finanziert. Noch vor Beginn der Bauarbeiten werden in der Regel etwa die Hälfte der Wohnungen an einzelne Kaufinteressenten veräußert. Mit den dadurch eingespeisten Geldern werden die Bauarbeiten finanziert. Meist werden dabei sehr hohe Standards realisiert, weil sich die Verkaufsangebote an den fiktiven Wohnwünschen der WohnungserwerberInnen orientieren. Diese Phasen können als schrittweiser Rückzug des Staates aus der Ökonomie der Stadterneuerung bewertet werden. Von der Anfangs direkten Finanzierung der Erneuerung über die indirekte Anreizstruktur der Steuergesetzgebung bis hin zur reinen Marktökonomie lässt sich ein Weg der Liberalisierung und Ökonomisierung der Stadterneuerung beschreiben. Für den gesellschaftlichen Charakter der Stadterneuerung muss also für Ostberlin eine Dominanz des Ökonomischen festegestellt werden. Insbesondere die Schließung der Verwertungslücken (rent und value-gap) hat sich von öffentlich geförderten Anreizen zu echten Marktstrategien verschoben. Investitionen in den Sanierungsgbieten Ostberlins sind seit Ende der 90er Jahre nicht mehr Ausdruck politisch bestimmter Stadterneuerungspolitik sondern in erster Linie Folge von wirtschaftlichen Gewinnerwartungen der EigentümerInnen. Auch die mietbegrenzenden Auflagen (wie den Mietobergrenzen) sind in ihrer Wirkung sachlich und zeitlich beschränkt und ermöglichen zumindest langfristig marktähnliche Mietentwicklungen. Insgesamt hat sich so in den Sanierungsgebieten eine weitgehend klassische Aufwertungsökonomie durchgesetzt.
208
5. Soz iale Effekte der Stadterneuerung
5 . 1 Au s w i r k u n g e n a u f G e b i e t s e b e n e Jede Stadterneuerung ist ein Eingriff in die Alltags- und Lebensstrukturen der Bewohnerschaft. Bereits die Ankündigung einer Modernisierung veranlasst viele Betroffene, das Für und Wider des Verbleibs bzw. eines Umzugs abzuwägen. Die Belastungen während der Bauarbeiten und schließlich auch die Ergebnisse der Modernisierung tun oft ihr Übriges: In den Sanierungsgebieten ist eine überdurchschnittliche Mobilität zu verzeichnen. Was heute politisch nicht erwünscht ist und allenfalls in Kauf genommen wird, war in früheren Phasen der Stadterneuerung sogar beabsichtigt. Damals zielten die Veränderungen ausdrücklich auf eine Aufwertung der Sozialstruktur und damit auf eine Veränderung der Anwohnerschaft. Erst mit der Krise der Flächensanierung und der Durchsetzung von ersten Modellversuchen einer Behutsamen Stadterneuerung in den 80er Jahren ging man davon ab, die Sanierung mit einer Schwäche der Sozialstruktur zu begründen. Dennoch haben Stadterneuerungsmaßnahmen weiterhin direkte und indirekte Auswirkungen auf die soziale Zusammensetzung in den Gebieten. Die wesentliche Faktoren für eine erhöhte Mobilität der Nachbarschaften sind: die mit den Baumaßnahmen einhergehenden Lärm- und Schmutzbelästigungen, die oft tief greifenden Veränderungen der Wohnungsstruktur und die mit den Investitionen einhergehenden Mietsteigerungen durch die Verstärkung des Marktcharakters der Wohnungen. In den folgenden Abschnitten werde ich zunächst aufzeigen, wie sich die Bevölkerungsmobilität in den Sanierungsgebieten entwickelt hat und welchen Einfluss die Sanierungsmaßnahmen selbst auf diese Prozesse haben (5.1.1.). Anschließend sollen anhand von Sozialstrukturdaten Aussagen über die Tendenzen der Veränderungen getroffen werden 209
MACHT UND STADTERNEUERUNG
(5.1.2.), um diese dann vor dem Hintergrund von Gentrification-Theorien einordnen zu können (5.1.3.). Vorangestellt werden einige Bemerkungen zur Quellenlage. Zunächst werden die sozialräumlichen Veränderungen in den Gebieten nachgezeichnet. Da es auf der Ebene von Sanierungsgebieten nicht für alle Fragestellungen Daten gibt, werden die Aussagen überwiegend auf der Basis von Bezirksdaten getroffen. Für die Entwicklungen der Sozialstruktur und der Wanderungsbewegungen kann auf die jährlichen Auswertungen des Statistischen Landesamtes Berlin zurückgegriffen werden. Für einzelne Fragestellungen (Wanderungsbewegungen über die Bezirksgrenzen und Binnenwanderungen innerhalb der statistischen Gebiete) wurden für die statistischen Gebiete jahresweise Sonderauswertungen beauftragt. Diese statistischen Gebiete weichen allerdings in ihren räumlichen Grenzen von den Sanierungsgebieten ab und sind für eine soziale Kleinraumanalyse zu grob. Da sich die statistischen Gebiete den Baustrukturen des Bezirkes relativ genau zuordnen lassen, werden die unterschiedlichen Dynamiken in den Baualtergruppen dennoch kenntlich. Durch die Dominanz der Gründerzeitbebauung im Bezirk bestätigen die Gebietsauswertungen vor allem die Aussagekraft der Bezirksdaten. Für einzelne Aspekte, jedoch nicht in einer chronologischen Regelmäßigkeit, ist ein Rückgriff auf Primärerhebungen in den Sanierungsgebieten möglich. Sie waren zur Feststellung der Sanierungsgebiete (AG Spas 1992; B.f.s.S. 1992; PFE 1993; Topos 1992) oder zur Fortschreibung der Sanierungsziele (argus 1999; Topos 1995, 1998, 1999; Asum/ Mieterberatung 2003) erhoben worden. Zwar lassen sich daraus keine Panelaussagen treffen, aber sie können als detaillierte Momentaufnahmen zur Interpretation, Einordnungen und Gewichtung der vorliegenden Bezirksdaten benutzt werden. Darüber hinaus gab es sowohl sanierungsbegleitend als auch von unabhängigen Forschungsprojekten Erhebungen zu speziellen Fragestellungen, wie der Entwicklung des Einzelhandels und der Gewerbestruktur (FfH 1992; IfS 1998; Heimer 2003), den Wanderungsmotive und Mobilitätsneigungen (argus 2000) oder den mikrozozialen Aushandlungsprozesse von Wohnungsmodernisierungen (Häußermann/Holm/Zunzer 1999, 2002). Für die statistisch möglichen Strukturaussagen werden die verschiedenen Quellen und Primärerhebungen so breit wie möglich berücksichtigt. Die Interpretationen dieser Studien stelle ich jedoch weitgehend zurück und werde sie in der Regel auch nicht diskutieren. Als Momentaufnahmen, Aspektuntersuchungen oder Auftragsstudien waren die Versuche zur Einordnung der ermittelten Daten oftmals methodisch sowie durch fachliche und politische Vorgaben beschränkt. Ich werde die Informationen deshalb in breitere zeitliche 210
SOZIALE EFFEKTE DER STADTERNEUERUNG
Abläufe stellen und sie zu vielen anderen Daten in Bezug setzen, um eine objektive Annäherung meiner Interpretationen zu gewährleisten.
5.1.1 Mobilität und Sanierung Bevölkerungsentwicklung In den Sanierungsgebieten des Bezirkes lebten 2001 etwa 46.200 Personen (Sonderauswertung des Statistischen Landesamtes; erster Wohnsitz per 30.06.2001, zitiert nach ASUM/Mieterberatung 2003: 16). Zum Zeitpunkt der Festlegung der Sanierungsgebiete waren es 44.113 Personen. In den Jahren der Stadterneuerung hat demnach die Bevölkerung um über 2.000 Personen (knapp fünf Prozent) zugenommen. Damit steht die Bevölkerungsentwicklung in den Sanierungsgebieten der Entwicklung auf der Ebene des Gesamtbezirkes entgegen. Im selben Zeitraum hat sich die Bevölkerungszahl hier deutlich verringert. In Prenzlauer Berg lebten im Jahr 2001 etwas mehr als 135.000 EinwohnerInnen (Statistisches Landesamt 1991-2001: Einwohnermeldedaten) Zu Beginn der 90er Jahre (1991 bis 1993) hat sich Bevölkerungszahl des Bezirkes um etwa 3.500 auf über 148.000 EinwohnerInnen erhöht. Danach, von 1993 bis 1999, sank die Zahl der BewohnerInnen jedoch um fast 14.000 (ca. zehn Prozent) auf den historischen Tiefstand von etwa 134.000. Seit dem Jahr 2000 steigt die Einwohnerzahl des Bezirkes wieder leicht an. Zu den Ursachen für diese Wellen zählt zum einen die natürliche Bevölkerungsdynamik, die durch Todesfälle und Geburten bestimmt wird. Hinzu kommen Wanderungsbewegungen aus dem bzw. in das Gebiet. Diese beiden Faktoren sollen für die drei beschriebenen Phasen dargestellt werden. Die Geburten und Sterbefälle nehmen sich pro Jahr mit maximal 3.000 gegenüber den Wanderungsvolumen von jährlich bis zu 40.000 Personen gering aus. Dennoch haben die nachgewiesenen Negativsaldi der natürlichen Bevölkerungsentwicklung einen großen Einfluss auf die Veränderung der Einwohnerzahl des Bezirkes. Zwar liegt der Gesamtbetrag der Veränderungen, die durch Geburten und Sterbefälle von 1991 bis 2001 ausgelöst wurden, mit knapp 3.000 deutlich unter den kumulierten Veränderungsbeträgen der Wanderungen von fast 20.000. Dennoch unterscheiden sich die tatsächlichen Saldi am Gesamtverlust der Bevölkerung in der Zeit von 1991 bis 2001 um 5.721 EinwohnerInnen nur unwesentlich: Knapp 2.700 davon sind Effekte von Wanderungen – etwa 3.000 sind auf die natürliche Bevölkerungsbewegung zurückzuführen. Ihr Anteil an den Veränderungen beträgt über 50 Prozent, obwohl
211
MACHT UND STADTERNEUERUNG
die Geburten- und Sterbeentwicklung im Bezirk mengenmäßig nur einen Bruchteil des Wanderungsvolumens beträgt (ebenda). Bei einer detaillierten Betrachtung der beiden Bevölkerungsbewegungen lassen sich für die Entwicklung in Prenzlauer Berg verschiedene Phasen unterscheiden: 1991 bis 1993: In allen statistischen Gebieten des Bezirkes waren deutliche Wanderungsgewinne zu verzeichnen. Der Saldo der Zu- und Fortzüge in diesem Zeitraum lag bei über 7.000 Personen. Diese Umzüge konnten den natürlichen Einwohnerverlust Anfang der 90er Jahre wettmachen. Trotz der rapide rückläufigen Geburtenziffern stieg die Zahl der BewohnerInnen des Bezirkes um ca. 4.000. Gründe waren unter anderem die Legalisierung bis dahin unangemeldet bewohnter Wohnungen, Hausbesetzungen und die Vermietung bisher leer stehender Wohnungen. Vor allem Haushalte, die auf der Suche nach preiswerten Wohnungen waren nutzten diese Möglichkeiten. Im Berliner Feuilleton wurde festgestellt: „Prenzlauer Berg hat inzwischen die Nachfolge Kreuzbergs als Szenebezirk angetreten – mit Lifestyle statt Weltverbesserung“ (Kerner 1995). Statistisch lässt sich diese Behauptung teilweise belegen: Die Zuwanderungen von Kreuzberg nach Prenzlauer Berg sind höher als aus allen anderen Westberliner Bezirken. Der Saldo für die Jahre 1991 bis 1993 ist (trotz steigenden Wanderungsvolumens) deutlich höher als in späteren Phasen (Statistisches Landesamt Binnenwanderung zwischen den Berliner Bezirken 1991 bis 2000). Bis Mitte der 90er Jahre waren die Wanderungsbeziehungen zwischen den beiden Bezirken die intensivsten mit der jeweils anderen Stadthälfte. Ab 1995 liegen die Wanderungsvolumen zwischen den benachbarten Bezirken Kreuzberg und Friedrichshain leicht über den Werten von Prenzlauer Berg und Kreuzberg. 1994 bis 1999: In diesem Zeitraum wies Prenzlauer Berg, wie auch die anderen östlichen Innenstadtbezirke, einen deutlich negativen Wanderungssaldo auf (IfS/S.T.E.R.N. 1998: 34). Die jährlichen Verluste beliefen sich durchschnittlich auf mehr als 2.000 Personen – der Spitzenwert war 1997 mit 4.172 Personen erreicht. Bis einschließlich 1996 wurden diese Fluktuationsverluste durch die natürliche Bevölkerungsbewegung noch verstärkt. Insgesamt verringerte sich die Einwohnerzahl in diesem Zeitraum um fast 10.000. Ab 1997 wirkte ein leichter Anstieg der Geburtenrate den Wanderungsverlusten entgegen und verlangsamte den Bevölkerungsrückgang. Diese Entwicklungen sind ein deutliches Zeichen, dass zumindest die Anfangsphase der Stadterneuerung für eine dauerhafte Wohnperspektive kaum geeignet war. Nur wenige bereits modernisierte Wohnungen konnten die langfristigen Wohnwünsche der meisten MieterInnen erfüllen. Zugleich schien die Perspektive in den 212
SOZIALE EFFEKTE DER STADTERNEUERUNG
bisher genutzten vier Wänden angesichts der anstehenden Sanierung nicht mehr sicher. Entsprechend hoch war der Anteil an kurzzeitigen Nutzungen. Im Gegenzug scheinen sich inzwischen insbesondere in den bereits sanierten Wohnungen stabile Wohnmilieus herauszubilden. Bei der Entscheidung für eine modernisierte Wohnung spielt oft die beabsichtigte Familiengründung eine Rolle. Die vielen Neugeborenen in den frisch sanierten Häusern sind ein Zeichen für diese Entwicklung1. Der Wunsch nach einer längerfristigen Wohnperspektive wiegt offensichtlich häufig verschiedene Probleme, die auch nach einer Modernisierung anfallen, auf. Beim Neubezug einer sanierten Wohnung ist das vor allem der hohe Mietpreis. 2000 und 2001: Der Negativtrend der Bevölkerungsentwicklung konnte erst in dieser Phase aufgehalten werden. Insgesamt stieg die Einwohnerzahl von Prenzlauer Berg nach der Jahrtausendwende um über 3.000 Personen. Mit dem fortschreitenden Sanierungsstand im Bezirk stabilisiert sich offenbar die Einwohnerzahl. Grundlage für diesen Bevölkerungsaufschwung sind vor allem die steigenden Geburtenzahlen, aber auch die verbesserte Wohnsubstanz und die anhaltend hohe allgemeine Attraktivität des Bezirks für Zuziehende. Mit diesen Entwicklungen konnte in den Sanierungsgebieten ein Trend gebrochen werden, der in Berlin Prenzlauer Berg seit den 70er und 80er Jahren bestimmend war. Erstmals seit Jahrzehnten wurde der Bevölkerungsverlust der innerstädtischen Altbaugebiete aufgehalten und sogar umgekehrt.
Mobilität im Sanierungsgebiet Stärker als die Bevölkerungsentwicklung wirkte sich das erhöhte Wanderungsvolumen auf die Zusammensetzung der Bewohnerschaft im Bezirk aus. Zeitweise waren jährlich über 40.000 Personen an den Fortbzw. Zuzügen beteiligt. So wurde für das Jahr 1998 der Spitzenwert von 48.474 Personen erfasst, die an Umzügen in, nach und aus Prenzlauer Berg beteiligt waren. Gezählt werden dabei alle Fort- und Zuzüge über
1 Sowohl aus Berichten von MieterberaterInnen als auch aus eigenen Erfahrungen lässt sich dieser Nestbaucharakter von modernisierten Wohnungen bestätigen. So wurde während meiner sechsjährigen Wohnzeit in einem unsanierten Haus im Sanierungsgebiet Helmholtzplatz lediglich ein Baby geboren. Insgesamt wohnten im Haus sechs Kinder. In den zwei Jahren, seit ich in einem frisch modernisierten Haus in der Umgebung wohne, wurden fünf Babys geboren – insgesamt wohnen elf Kinder im Haus. Aussagekräftige Statistiken zum Zusammenhang von stabilisierter Wohnsituation und Neugeborenen gibt es leider nicht.
213
MACHT UND STADTERNEUERUNG
die Bezirksgrenzen sowie alle Umzüge innerhalb des Bezirkes2. Die Wanderungsvolumen sind bis 1998 kontinuierlich gestiegen, seit 1999 stagnierten die Werte auf hohem Niveau, und 2001 verringerte sich das Wanderungsgeschehen merklich. Fast 10.000 Personen weniger als noch im Vorjahr waren an den statistisch erfassten Umzügen beteiligt. Wesentlicher Grund für diese Verringerung ist der Rückgang der Wanderungen über die Bezirksgrenzen. Tabelle 5.1: Wanderungsbewegungen in Prenzlauer Berg 1994 bis 2001
Wanderungen
1994
1995
1996
1997
1998
1999
2000
2001
gesamt
32.537 35.279 40.624 45.687 48.474 46.430 45.726 36.289 331.046 Gesamt Innerhalb Bezirk 5.842 6.011 7.379 8.408 9.784 9.506 9.123 9.037 65.090 18,4 20,18 20,48 19,95 24,9 19,66 Anteil in Prozent 17,95 17,04 18,16 Innerhalb Gebiet 2.322 2.435 3.006 3.564 4.156 4.159 4.119 4.133 27.894 6,95 7,4 7,8 8,57 8,96 9,01 11,39 8,43 Anteil in Prozent 7,14
Quelle: Statistisches Landesamt: Fort- und Zuzüge aus den statistischen Gebieten von Berlin nach Zielgebieten von 1994-2001; eigene Berechnungen
Die parallel zum Erneuerungsgeschehen gewachsenen internen Wanderungen (innerhalb des Bezirkes und auch innerhalb der statistischen Gebiete) stabilisieren sich mit über 9.000 Umzügen etwa auf dem Stand von 1998. Ihr Anteil an dem Gesamtwanderungsvolumen beträgt im Durchschnitt ca. 20 Prozent – das heißt, etwa jeder fünfte Umzug in Prenzlauer Berg bleibt im Bezirk. Etwas mehr als acht Prozent bleiben sogar im selben Gebiet. Damit bewegen sich die Anteile der internen Wanderungen knapp unter dem Berliner Durchschnitt. Für die kleinräumigen Umzüge innerhalb der Gebiete fällt auf, dass diese seit 1995 (unabhängig von der Entwicklung des generellen Wanderungsvolumens) kontinuierlich gewachsen sind und inzwischen bei jährlich über 4.000 Umzügen liegen. Dahinter stehen offensichtlich verbesserte Möglichkeiten, andere Wohnwünsche in der direkten Nachbarschaft zu verwirklichen oder im Falle einer Modernisierung in der Umgebung eine Ersatzwohnung zu finden. Die Mobilitätsrate, also der Anteil von den an Umzügen Beteiligten zur Gesamtbevölkerung, hat sich Ende der 90er Jahre auf einem auch im Gesamtberliner Durchschnitt hohen Niveau von über 30 Prozent stabilisiert (siehe Häußermann/Holm/Zunzer 1999: 180). Die jährlichen Umzüge in Berlin Prenzlauer Berg lassen sich im Durchschnitt der letzten 2 Diese internen Wanderungen werden nur „einfach“ gezählt, da es sich aus der Perspektive der Umziehenden und eines Gebietsbezuges um einen Umzug handelt.
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SOZIALE EFFEKTE DER STADTERNEUERUNG
Jahre mit über 40.000 beziffern. Faktisch bedeutet dies weit über 100 Umzüge täglich. In den Legitimationsdiskursen der Stadterneuerung wurde mehrfach auf eine historische Kontinuität als Durchgangsviertel (Rada 1997: 62) verwiesen. Tatsächlich lag in den 80er Jahren der Anteil der Fort- und Zuzüge an der Gesamtbevölkerung des Bezirks bei etwa zehn Prozent (Statistisches Landesamt 1998a: 4). Prenzlauer Berg war damals im Vergleich zur Gesamtstadt ein Stadtteil mit überdurchschnittlicher Fluktuation. Doch eine Fortschreibung dieses Mobilitätstrends aus DDR-Zeiten lässt sich angesichts der enorm gestiegenen Fluktuation nur schwer herauslesen. Zumal die Gründe für die jeweils überdurchschnittliche Mobilität entgegengesetzt scheinen. Zu DDR-Zeiten bildete die bauliche und auch administrative Vernachlässigung der Altbausubstanz die Voraussetzung für Schwarzwohnungen und unangemeldete temporäre Nutzungen, die Prenzlauer Berg zum „Durchgangszimmer“ (Felsmann/Gröschner 1999) für nach Berlin kommende Menschen, aber auch für junge Leute, die erstmals eine eigene Wohnung beziehen wollten. Entsprechend groß war auch die Zahl derjenigen, die den Stadtteil verließen, wenn sich ihnen anderenorts bessere Gelegenheiten boten. Für einige war das die Ausreise in den Westen, für die meisten jedoch eine neue, bequeme Wohnung in den Neubaugebieten Berlins. Im Gegensatz dazu wird die überdurchschnittliche Mobilität heute wesentlich durch die durchdringende bauliche Erneuerung, das Verschwinden der undefinierten und ungenutzten Räume getragen. Aus dem ‚Durchgangszimmer Prenzlauer Berg‘ ist ein für viele attraktives Wohnziel geworden. Auch in Bezug auf den Westen hat sich die Anziehungskraft umgekehrt. Die alten Länder sind der einzige Raum, aus dem seit 1991 durchgehend Wanderungsgewinne erzielt wurden. Damit nimmt Prenzlauer Berg vor allem im Vergleich zu den Sanierungsgebieten in anderen ostdeutschen Städten eine absolute Sonderrolle ein: die demografischen Entwicklungen dort sind ganz wesentlich von negativen Ost-West-Wanderungssaldi bestimmt.
Mobilität und Modernisierungsgeschehen Die im Vergleich zu DDR-Zeiten höhere Mobilität in den Sanierungsgebieten ist nicht nur auf die veränderten Bedingungen im Zuge der Transformation zurückzuführen, sondern eine direkte Folge der Stadterneuerung. Insbesondere die Wohnungsmodernisierungen sind sowohl in ihrem Verlauf als auch im Ergebnis enorm mobilitätswirksam. Schon die Ankündigung von Modernisierungsmaßnahmen kann erste Fluchtbewegungen in den Häusern auslösen. Insbesondere in der Frühphase der 215
MACHT UND STADTERNEUERUNG
Stadterneuerung verunsicherten bereits ein Eigentümerwechsel oder das Gerücht über eine Sanierung so sehr, dass sich einzelne BewohnerInnen andere Wohnungen suchten. Vor allem die Furcht vor unbezahlbaren Mieten – die sich ja auch in den ersten sanierten Häusern bestätigte – veranlasste Haushalte zum Verlassen ihrer Wohnungen3. Ein weiterer Mobilitätsauslöser im Zusammenhang mit den Modernisierungen sind die Belästigungen, die der Bauprozess mit sich bringt. Vor allem in den ersten Jahren der Stadterneuerung, als es noch nicht genügend Umsatzwohnungen bereit standen, gaben etliche BewohnerInnen während der Bauarbeiten auf. Die Verwaltungen sahen sich kaum in der Lage, die oftmals rücksichtslose Baudurchführung zu reglementierten. So beeinträchtigten Lärm, Dreck, und abgestellte Versorgungsleitungen das Leben derart, dass viele MieterInnen nicht durchhielten und auszogen (Häußermann/Holm/Zunzer 2002: 159ff.). So gibt es mehrere Beispielhäuser, in denen die BewohnerInnen einen Winter ohne Heizung durchmachten, weil die alten Öfen bereits abgetragen, die neue Heizungen jedoch noch nicht installiert waren. In Einzelfällen stellten die EigentümerInnen Elektroheizungen zur Verfügung. Der Streit um die Energiekosten wurde in etlichen Fällen vor Gericht ausgetragen. In einem anderen Fall berichtete eine Frau der örtlichen Betroffenenvertretung, dass sie die letzte und somit einzige Bewohnerin eines Hauses sei, in dem die Bauarbeiten bereits voll im Gange waren. An die mehrmaligen Sperrungen von Gas und Strom hatte sie sich schon gewöhnt, doch dass unangekündigte Abstellen des Wasser stellte sie im Hochsommer vor einige unlösbare Probleme. Dass diese Baubelastungen nicht nur rücksichtslose Fehlplanungen waren, sondern oft auch Elemente von gezielter Schikane gegen die letzte nicht auszugswillige Mieterin enthielten, zeigt in dem benannten Beispiel die Reaktion der Bauleitung. Auf die Probleme mit der Wasserversorgung angesprochen, bot der Bauleiter der Mieterin an, die Bauarbeitertoilette (ein aufgestelltes Chemoklo) mit zu benutzen und zum Duschen könne sie ja in die nahe gelegene Schwimmhalle gehen. Nicht nur die Belastungen durch die Bauarbeiten, auch die Ergebnisse der Modernisierung können zur Fluktuation führen. Gestaltung der
3 Sowohl in Gesprächen mit MieterberaterInnen als auch von VertreterInnen der Betroffenenvertretungen wurden diese Tendenzen bestätigt. So sei es in den ersten Jahren der Stadterneuerung schwer gewesen, überhaupt an die Leute ranzukommen, in deren Häusern saniert werden sollte. Oftmals trafen die StadtteilaktivistInnen nur noch auf einen kleinen harten Kern von Verbliebenen, die sich nicht vertreiben lassen wollten. Eine Betroffenenvertretung initiierte aus diesen Erfahrungen heraus 1995 eine breit angelegte Kampagne gegen leer stehende Wohnungen in den Häusern.
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SOZIALE EFFEKTE DER STADTERNEUERUNG
Wohnung und Höhe des Mietpreises seien hier vor allem genannt. So gab es – wieder insbesondere in der ersten Phase der Stadterneuerung – für die meisten BewohnerInnen eine Grenze der Mietzahlungsfähigkeit, bei deren Überschreiten ein Auszug aus der Wohnung die logische Konsequenz war. Pfotenhauer nahm Mitte der 90er Jahre an, dass die Mehrzahl der Bewohner nicht in der Lage sei, Nettokaltmieten über 6 DM/qm monatlich zu zahlen (Pfotenhauer 1995). Auch veränderte Grundrisse und neue Ausstattungen der Wohnungen können zu einem Wegzug führen, wenn sie den Bedürfnissen der BewohnerInnen nicht entsprechen. In der Nachabschreibungsphase der Stadterneuerung seit 1999, die von Umwandlungsmodernisierungen geprägt ist, sehen sich MieterInnen verstärkt mit Lösungen konfrontiert, die sich eher an den fiktiven Wünschen künftiger WohnungskäuferInnen als an den Erfordernissen für die momentanen NutzerInnen orientieren. Die Pläne enthalten häufig sehr großzügig geschnittene Grundrisse, die eine Familiennutzung bzw. ein flächen- und somit preisbewusstes Wohnen weitgehend ausschließen. Statt mehrerer abgeschlossener Zimmer gibt es wenige, dafür riesige Räume. Viele MieterInnen können die Umsetzung solcher Pläne nicht verhindern, auch, weil die Wohnungen oft schon verkauft sind. Ein Teil von ihnen entscheidet sich deshalb Not gedrungen für die Aufgabe des bisherigen Quartiers. Wohnungsmodernisierungen aktivieren also in verschiedener Hinsicht die Mobilität. Einzelne Untersuchungen in den Sanierungsgebieten und Fallbeispiele geben Auskunft über die ausgelösten Fluktuationsprozesse zu den jeweiligen Zeitpunkten. Aus Gründen der meist nachträglichen Datenerhebungen wurde dabei in der Regel lediglich der Altmieteranteil festgestellt. Dieser gibt an, wie viele der momentanen HausbewohnerInnen bereits vor der Sanierung im Haus gewohnt haben. Da dabei eventuelle Leerstände vor der Modernisierung nicht berücksichtigt werden, ist dieser Wert nicht gleichbedeutend mit einer auf die Bewohnerschaft vor der Sanierung bezogenen Verbleibequote. Um die individuellen Folgen bzw. Verdrängungseffekte von Wohnungsmodernisierungen zu bemessen, ist die Verdrängungsquote ein aussagekräftiges Maß, fragt sie doch nach dem Anteil der MieterInnen, die trotz einer Baumaßnahme in ihren Häusern bleiben können bzw. nach Abschluss der Arbeiten dorthin zurückkehren. Für die sozialräumlichen Effekte der Stadterneuerung aussagekräftiger sind jedoch die Altmieteranteile, die sich in der Summe als veränderte Zusammensetzung der Bevölkerung im Gebiet niederschlagen. Auch wenn die Untersuchungen in den ein-
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MACHT UND STADTERNEUERUNG
zelnen Jahren mit verschiedenen Methoden erfolgten4, lässt sich ein Trend deutlich erkennen: Im Laufe der Zeit erhöht sich der Anteil derjenigen, die neu in eine modernisierte Wohnungen ziehen. Tabelle 5.2: Altmieteranteil in modernisierten Wohnhäusern der Sanierungsgebiete von Berlin Prenzlauer Berg
Altmieteranteil
1995
1998
2000
2002
60%
50%
40%
25%
Quellen: Mieterberatung 1995/1998; Häußermann/Holm/Zunzer 2002; Asum/Mietereberatung 2003
Statistische Aussagen über BewohnerInnen, in deren Häusern modernisiert wurde, folgen in den nächsten Absätzen. In einer Untersuchung zur Fortschreibung der sozialen Sanierungsziele wurden die Haushalte in den sanierten und unsanierten Beständen der Sanierungsgebiete nach ihrer Herkunft befragt. Etwa sieben Prozent aller Bewohner in den unsanierten Wohnungen gaben an, wegen einer angekündigten bzw. begonnenen Modernisierung ihrer alten Wohnung umgezogen zu sein. In den bereits sanierten Beständen ist dieser Anteil mit 17 Prozent höher. Den größten Teil dieser zweiten Gruppe dürften Haushalte ausmachen, die im Zuge der Modernisierungsarbeiten Umsatzwohnungen im Gebiet bezogen haben und in diesen geblieben sind. Neben diesen innerbezirklichen „Modernisierungsmigranten“ gibt es noch einen Anteil von ca. 25 Prozent in den bereits modernisierten Häusern, die trotz der Maßnahmen in ihren Wohnungen bzw. Häusern geblieben sind (Asum/Mieterberatung 2003: 37ff.). Mit diesen Informationen können unter Berücksichtigung des Durchführungsstandes die Mobilitätseffekte von Wohnungsmodernisierungen überschlägig in den Sanierungsgebieten dargestellt werden:
4 Während sich die Untersuchungen 1995, 1998 und 2002 jeweils auf den Gesamtbestand der modernisierten Häuser beziehen, werden in der Untersuchung von 2000 ausschließlich aktuelle Modernisierungsvorhaben berücksichtigt.
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SOZIALE EFFEKTE DER STADTERNEUERUNG
Tabelle 5.3: Modernisierungsbedingte Mobilität in den Sanierungsgebieten von Berlin Prenzlauer Berg (gewichtet und leerstandsbereinigt) Verbleib in Wohnung oder Haus
Anteil
29,00%
Umzug innerhalb des Bezirkes in eine modernisierte unsanierte WE WE 19,50% 10,00%
Auszug über die Bezirksgrenze
41,50%
Quelle: (Asum/Mieterberatung 2003: 36ff.) und eigene Berechnungen
Die bereits modernisierten Wohnungen hatten im Jahre 2001 einen Anteil von 56 Prozent am Gesamtbestand der Sanierungsgebiete – 44 Prozent der Wohnungen zählten als immer noch unsaniert. Unter Berücksichtigung der durchschnittlichen Leerstandsquote (ca.13 Prozent) in den unsanierten Beständen ergab sich etwa folgendes Bild: Von den BewohnerInnen der modernisieren Häuser waren knapp 30 Prozent langfristig in ihren Wohnungen verblieben, weiter ca. 20 Prozent sind in modernisierte Wohnungen in Prenzlauer Berg gezogen und etwa zehn Prozent haben unsanierte Wohnungen im Bezirk bezogen. Das bedeutet: Ca. 60 Prozent der BewohnerInnen von Häusern, die modernisiert wurden, sind auf die eine oder andere Weise im Bezirk geblieben – die anderen etwa 40 Prozent haben den Bezirk verlassen5. Der Anteil von fast 30 Prozent internen Umzügen ist deutlich größer als der entsprechende Anteil interner Wanderungen am Gesamtvolumen der Wanderungsbewegungen des Bezirkes (durchschnittlich unter sechs Prozent). Hintergrund dessen ist die offensichtlich hohe Gebietsbindung der BewohnerInnen. Für mindestens zehn Prozent der von einer Modernisierung Betroffenen lässt sich ein ökonomischer Verdrängungseffekt feststellen: Sie nehmen mit ihrem Umzug in eine noch unsanierte Wohnung für eine weiterhin geringe Miete anhaltende Standarddefizite in Kauf. Ein Anteilsvergleich mit den überbezirklichen Fortzügen kann die Menge der modernisierungsbedingten Fortzüge einordnen: Während die durchschnittliche Fortzugsrate – also die Summe von über- und innerbezirklichen Fortzügen – in den Jahren des Beobachtungszeitraumes durchschnittlich bei etwa 18 Prozent der Gesamtbevölkerung lag, betrug die durch eine Modernisierungsmaßnahme ausgelöste Mobilität in den betroffenen Häusern über 70 Prozent. Die Mobilität in Modernisierungsobjekten war demnach viermal so hoch wie beim Durchschnitt. Moderni-
5 Möglicherweise ist der Anteil der im Zuge einer Modernisierung über die Bezirksgrenzen gezogenen Personen noch geringer, weil die Leerstände in den unsanierten Beständen oft größer als in den sanierten Beständen waren.
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MACHT UND STADTERNEUERUNG
sierungsmaßnahmen können daher als erhebliche Mobilitätsbeschleuniger angesehen werden. Auch eine separate Betrachtung der überbezirklichen Auszüge kommt zu einem ähnlichen Ergebnis. Die durchschnittlichen Bezirkswerte solcher Fortzüge lagen in den letzten Jahren bei unter 13 Prozent der Bewohnerschaft – im Fall der Modernisierungshäuser liegt dieser Wert bei über 40 Prozent. Der Anteil der Fortziehenden in den Modernisierungsobjekten war etwa dreimal so hoch wie im Gebietsdurchschnitt. Mit anderen Worten: Von den aus dem Bezirk ziehenden Haushalten sind über zwei Drittel nicht mit den üblichen Mobilitätsmustern zu erklären. Bezogen auf alle BewohnerInnen der Modernisierungshäuser sind es über 28 Prozent, deren Auszüge nicht auf die bezirkliche Fluktuation zurückzuführen sind. Ihre Mobilitätsentscheidung kann somit zumindest in der zeitlichen Dimension als unfreiwillig angesehen werden. Das heißt, neben den zehn Prozent, die als ökonomisch Verdrängte zu sehen sind, gibt es noch knapp weitere 30 Prozent, deren Fortzüge ebenfalls wegen der Modernisierung erfolgten. Datenmaterial über die Ziele und aktuellen Wohnbedingungen dieser Haushalte liegen leider nicht vor. Für den statistisch auswertbaren Mobilitätseffekt von Modernisierungsmaßnahmen ergibt sich zusammengefasst folgendes Bild: • 29 Prozent der Haushalte in den Modernisierungsobjekten blieben im Haus oder in der Wohnung und konnten eigene Wohnwünsche im Zuge der Modernisierung realisieren oder waren zumindest in der Lage, die Standardverbesserungen finanziell zu tragen. Diese Haushalte können als GewinnerInnen der Modernisierung bezeichnet werden. • Weitere 30 Prozent der Haushalte zogen innerhalb des Bezirkes um. Dieser Anteil ist deutlich höher als die durchschnittliche Binnenmobilität in Prenzlauer Berg, so dass für etwa 23 Prozent der Haushalte zumindest eine zeitlich unfreiwillige Mobilität angenommen werden kann, obwohl sich für die meisten die Wohnbedingungen deutlich verbessert haben. • Für jeden dritten innerbezirklichen Umzug (oder zehn Prozent aller Haushalte der Modernisierungsobjekte) kann eine ökonomische Verdrängung aus der Wohnung angenommen werden, da die Haushalte auch nach einem Umzug nur eine minder ausgestattete Wohnung bezogen haben. • Von den restlichen über 40 Prozent, die im Zuge der Modernisierung den Bezirk verlassen haben, kann lediglich ein Viertel mit der sonst üblichen Fluktuation im Bezirk erklärt werden. Für alle anderen (30 Prozent der Gesamtheit) muss die Freiwilligkeit des modernisie220
SOZIALE EFFEKTE DER STADTERNEUERUNG
rungsbedingten Auszuges als zumindest fraglich angesehen werden. Gerade vor dem Hintergrund der Diskussionen um die sozialen Ressourcen von Nachbarschaften (Alisch 2001; Schnur 2003; Walther 2002) kann ein erzwungener Umzug in eine andere Wohnsituation als negativer Einschnitt in die Lebensführung der Betroffenen bewertet werden. Insgesamt müssen demnach bei knapp 40 Prozent der BewohnerInnen von Modernisierungshäusern nachteilige Auswirkungen der Maßnahmen konstatiert werden. Etwa 13 Prozent der in den Häusern Lebenden wäre auch ohne Modernisierung ausgezogen, so dass für knapp die Hälfte der BewohnerInnen die Modernisierung (wenn auch nicht immer selbst gewählt) Vorteile oder zumindest akzeptable Wohnsituationen eröffnet hat. Wie festgestellt, ist die Mobilität in Modernisierungsobjekten – wenig überraschend – überdurchschnittlich hoch. Im nächsten Schritt wollen wir sehen, welchen Anteil die modernisierungsbedingten Umzüge an der Gesamtmobilität haben. Unter der Annahme einer leicht überdurchschnittlichen Mobilität können wir in den Sanierungsgebieten durchschnittlich von etwa 15.000 umziehenden Personen pro Jahr ausgehen6. Diesen Wert zur Grundlage genommen, kann der Anteil der direkt modernisierungsbedingten Umzüge ermessen werden. Jährlich werden etwa sieben Prozent des Bestandes erneuert. Bezogen auf die hohe Mobilität in den Modernisierungsobjekten dürften sich in diesen Häusern etwa 28 Prozent der Umzüge konzentrieren7. Das bedeutet, trotz der enormen Gesamtmobilität steht mehr als jeder vierte Umzug in den Sanierungsgebieten im direkten Zusammenhang mit dem Erneuerungsgeschehen. Mehr als 2.500 Personen verlassen jährlich aufgrund von Modernisierungsarbeiten ihre Wohnungen in den Sanierungsgebieten. In den zehn Jahren der Stadterneuerung waren demnach etwa 25.000 BewohnerInnen (mehr als die Hälfte der Sanierungsgebiete) davon betroffen. Etwa
6 Die etwa 45.000 EinwohnerInnen der Sanierungsgebiete machen etwa ein Drittel der Gesamtzahl der EinwohnerInnen des Bezirkes aus. Die durchschnittliche Mobilitätsrate des Bezirkes liegt bei etwa 30 Prozent der BewohnerInnen. Für die Sanierungsgebiete wurde die Mobilitätsrate von einem Drittel der Bewohnerschaft angenommen. 7 Diese rechnerische Größe von 4.200 Umzügen deckt sich etwa mit den etwa 2.250 jährlich erneuerten Wohnungen in den Sanierungsgebieten. Unter Berücksichtigung von 20 Prozent internen Umzügen (840 Personen) und der wohnungsbezogenen doppelten Zählung von Fort- und Zuzügen sowie der durchschnittlichen Haushaltsgrößen von 1,6 Personen beziehen sich die Umzüge auf etwa 1.600 Wohnungen – das sind gut 71 Prozent und entspricht damit den aus anderen Untersuchungen errechneten 29 Prozent von Haushalten, die in trotz einer Modernisierung in den Häusern bleiben.
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MACHT UND STADTERNEUERUNG
6.750 von diesen wohnen mittlerweile in anderen sanierten Häusern der Sanierungsgebiete, etwa 3.500 MieterInnen sind während oder nach den Modernisierungsarbeiten in ihren Häusern in unsanierte Wohnungen des Bezirkes gezogen und fast 15.000 schließlich haben in Folge der Sanierungsarbeiten den Bezirk verlassen.
Ziele und Herkunft der Wanderungen in und nach Prenzlauer Berg Wichtiger Aspekt von Mobilitätseffekten ist die Frage, woher die Zuziehenden kommen bzw. wohin sich die Fortziehenden wenden. Als Grundgesamtheit werden ausschließlich Umzüge über die Bezirksgrenzen herangezogen. Die Zusammensetzung der Wanderungsziele und der Herkunftsorte hat sich im Laufe der Jahre verändert. Insbesondere der Anteil von Zuwanderungen aus dem Ausland hat sich seit 1995 deutlich verringert. Von den auswärtigen Herkunftsorten werden Zuwanderungen aus dem Ausland ab 1997 von denen aus den alten Bundesländern an der Spitze abgelöst. Zuwanderungen aus Ostdeutschland haben von allen dargestellten Herkunftsregionen den geringsten Anteil. Tabelle 5.4: Anteilige Zusammensetzung (in Prozent) der Fort- und Zuzüge aus und nach Prenzlauer Berg (1994-2001)
1994
1995
1996
1997
17,81 18,43 14,99 13,04 Ausland Alte Bundesländer 12,6 13,16 13,22 14,21 Neue Bundesländer 12,84 12,35 10,92 10,9 56,75 56,06 60,87 61,85 innerhalb Berlins 1994
1995
1996
1997
Zuzüge 1998 1999
2000
2001
12,83 13,25 13,11 16,09 16,29 19,7 21,5 29,48 11,84 11,27 11,55 16,72 59,04 55,88 53,84 37,71 Fortzüge 1998 1999
2000
2001
9,38 9,94 8,85 8,89 9,7 9,19 11,09 12,95 Ausland Alte Bundesländer 6,64 7,04 6,55 6,55 7,48 8,29 9,95 14,92 Neue Bundesländer 14,83 14,73 14,14 15,3 14,95 14,8 13,62 15,91 69,15 68,29 70,46 69,03 67,78 67,74 65,34 56,22 Innerhalb Berlin
gesamt 14,68 17,68 12,19 55,45 gesamt 9,88 8,21 14,76 67,15
Quelle: Statistisches Landesamt: Fort- und Zuzüge aus den statistischen Gebieten von Berlin nach Zielgebieten von 1994-2001; eigene Berechnungen
Die Zuwanderungen aus Westdeutschland haben sich nach einer Zeit der relativen Stabilität bis 1997 (mit 12 bis 14 Prozent jährlich) seit 1998 sprunghaft vergrößert – 2001 kam fast jede dritte Zuwanderung aus den alten Bundesländern. Entsprechend geringer geworden sind in diesen Jahren die Binnenwanderungen mit den anderen Berliner Bezirken, die 222
SOZIALE EFFEKTE DER STADTERNEUERUNG
jedoch im Durchschnitt immer noch deutlich mehr als die Hälfte aller überbezirklichen Wanderungsbewegungen ausmachen. Die Zusammensetzung der Fortzüge erscheint im Vergleich zu den Zuwanderungen spiegelverkehrt: Von den überregionalen Wegzügen gingen die meisten in die neuen Bundesländer (fast 15 Prozent) – mehr als die Hälfte davon zog in das Berliner Umland. Im gesamten Zeitraum waren das mehr als 10.000 Personen. In die alten Bundesländer wechselte der geringste Anteil. Diese unterschiedlichen Verhältnisse von Fort- und Zuzügen wirken sich auch auf die Wanderungsbilanzen mit den einzelnen Regionen deutliche aus. Tabelle 5.5: Wanderungsbilanzen überregionalen Fort- und Zuzüge von und nach Berlin Prenzlauer Berg (1994-2001)
1994 2.309 Ausland Alte Bundesländer 1.633 Neue Bundesländer 1.665 376 davon Umland 7.358 Berlin 12.965 Gesamt
1995 2.499 1.784 1.674 422 9.056 15.013
1996 2.296 2.024 1.672 415 9.323 15.315
1997 2.144 2.337 1.792 519 10.170 16.443
Zuzüge 1998 1999 2.318 2.411 2.943 3.586 2.140 2.052 542 567 10.667 10.253 18.068 18.202
2000 2.462 4.038 2.170 606 10.112 18.782
2001 2.300 4.225 2.396 651 5.409 14.330
gesamt 18.739 22.570 15.561 4.098 72.248 129.118
1994 1.288 Ausland Alte Bundesländer 911 Neue Bundesländer 2.036 985 davon Umland 9.495 Berlin 13.730 Gesamt
1995 1.561 1.106 2.314 1.268 10.729 15.710
1996 1.587 1.174 2.536 1.402 12.633 17.930
1997 1.852 1.364 3.188 1.898 14.432 20.836
Fortzüge 1998 1999 2.001 1.720 1.543 1.551 3.082 2.770 1.813 1.667 13.996 12.678 20.622 18.719
2000 1.976 1.771 2.428 1.314 11.646 17.821
2001 1.673 1.928 2.056 1.120 7.265 12.922
gesamt 13.658 11.348 20.410 11.467 92.874 138.290
1994 1.021 Ausland Alte Bundesländer 722 Neue Bundesländer -371 -609 Umland -2.137 Berlin -765 Gesamt
1995 938 678 -640 -846 -1.673 -697
1996 709 850 -864 -987 -3.310 -2.615
Wanderungssaldi 1997 1998 1999 292 317 691 973 1.400 2.035 -1.396 -942 -718 -1.379 -1.271 -1.100 -4.262 -3.329 -2.525 -4.393 -2.554 -517
2000 486 2.267 -258 -708 -1.534 961
2001 627 2.297 340 -469 -1.856 1.408
gesamt 5.081 11.222 -4.849 -7.369 -20.626 -9.172
Quelle: Statistisches Landesamt: Fort- und Zuzüge aus den statistischen Gebieten von Berlin nach Zielgebieten 1994-2001 (Sonderauswertung)
So gibt es aus Westdeutschland die deutlichsten Wanderungsgewinne. In den Jahren 1994 bis 2001 konnten im Bezirk über 22.000 Zuzüge aus den alten Ländern verzeichnet werden. Die Fortzüge betrugen etwa die Hälfte dieser Menge. Mit einem Überschuss von über 11.000 Personen lässt sich eine deutlich positive Wanderungsbilanz feststellen. Die Um223
MACHT UND STADTERNEUERUNG
zugsbewegungen mit Ostdeutschland erscheinen auf den ersten Blick reziprok zu diesen Entwicklungen. Etwa 15.000 Zuwanderungen stehen ca. 20.000 Fortzügen gegenüber: die Wanderungsbilanz jedoch fällt mit fast 5.000 Personen negativ aus. Doch in diesen Wanderungen sind die Fort- und Zuzüge in das Berliner Umland mit enthalten. Der in den 90er Jahren ungebrochene Trend der Suburbanisierung machte auch vor Prenzlauer Berg nicht halt. Während jährlich im Durchschnitt lediglich 500 Personen aus dem Umland nach Prenzlauer Berg zogen, beteiligten sich jedes Jahr durchschnittlich fast 1.500 Personen an den Wanderungen in umgekehrter Richtung. Die Wanderungsbilanz für den gesamten Zeitraum beziffert sich auf einen Verlust von über 7.000 EinwohnerInnen. Werden diese Umlandwanderungen von den Wanderungsbeziehungen mit Ostdeutschland ausklammert, ergibt sich auch dort eine leicht positive Gesamtbilanz von etwa 2.500 Personen. Die Wanderungsgewinne setzen sich demnach zu 60 Prozent aus dem Austausch mit Westdeutschland, zu 27 Prozent mit dem Ausland und zu 13 Prozent mit Ostdeutschland zusammen. Die Wanderungsverluste sind zu einem Viertel auf Umzugsbewegungen in das Berliner Umland und zu etwa drei Vierteln auf Umzüge in andere Berliner Bezirke zurückzuführen. Das Wanderungsvolumen in andere bzw. aus anderen Berliner Bezirken bestimmt wenig überraschend sowohl die Fort- als auch die Zuzüge. Etwas mehr als die Hälfte aller Zuzüge kam aus anderen Bezirken Berlins – von 1994 bis 2001 waren das über 70.000. Bei den Fortziehenden waren es sogar fast zwei Drittel. Im Beobachtungszeitraum verließen über 90.000 Personen Prenzlauer Berg in Richtung anderer Bezirke. Entsprechend deutlich ist mit Einwohnerverlusten von über 20.000 Personen die Bilanz der innerstädtischen Wanderungen für Prenzlauer Berg. Im Durchschnitt verlor der Bezirk über 2.500 Menschen jährlich an den Rest der Stadt. Wanderungsgewinne verzeichnet Prenzlauer Berg vor allem mit Westdeutschland und dem Ausland, während Verluste vor allem durch Abwanderungen in andere Bezirke Berlins und das Umland zu erklären sind. Mit diesem Trend steht Prenzlauer Berg in einer Reihe mit den anderen Ostberliner Innenstadtbezirken; im Bezirk Mitte ist er seit dem Regierungsumzug 1998 am stärksten ausgeprägt. Da in allen Innenstadtbezirken Ostberlins eine erhebliche Zuwanderung aus den alten Bundesländern und der westlichen Stadthälfte zu verzeichnen sind, kann davon ausgegangen werden, dass sich auch der Anteil von Westdeutschen und Westberlinern in den Innenstadtbezirken des Ostens erhöht hat. Als ein kleiner Hinweis auf diese Tatsache können die verbesserten Wahlergebnisse der Grünen gelten. Als typische West-Partei konnten sie vor allem 224
SOZIALE EFFEKTE DER STADTERNEUERUNG
in den innerstädtischen Ostbezirken Stimmgewinne verbuchen. Im Bezirk Prenzlauer Berg lässt sich sogar ein klarer Unterschied der Ergebnisse zwischen dem Altbau und dem Neubaubereich feststellen (Häußermann/Kapphan 2000: 243).
5.1.2 Veränderungen der Sozialstruktur Die beschriebenen Volumen und Zusammensetzungen der Wanderungen lassen noch keine Rückschlüsse auf die soziale Richtung des Wandels zu. Aussagen über die Mobilitätsauswirkungen auf die Sozialstruktur können nur über die Analyse weiterer Indikatoren getroffen werden, die Auskunft über die Veränderung der Bevölkerungszusammensetzung geben (z.B. Veränderung der Bevölkerung nach Altersgruppen, Bildungsabschlüssen und Einkommensentwicklung). Den beschriebenen Wanderungsbewegungen, die zu einem beträchtlichen Teil durch das Modernisierungsgeschehen ausgelöst wurden, müssen wesentliche Effekte auf die Zusammensetzung der Sozialstruktur zugerechnet werden. Neben möglichen individuellen Veränderungen durch beruflichen Auf- oder Abstieg, Familiengründungen oder -trennungen, die Erlangung von Bildungstiteln usw. sind sozial-selektive Wanderungsbewegungen ein Hauptgrund für Veränderungen der Sozialstruktur in den Sanierungsgebieten8. In den folgenden Abschnitten werden die Veränderungen der letzten Jahre deshalb zunächst auf der deskriptiven Ebene der Gebiete dargestellt.
Veränderung der Haushaltsgrößen Die Haushaltsstrukturen waren historisch immer ein Spiegelbild der gesellschaftlichen Entwicklung. Seit den 60er Jahren ist in fast allen entwickelten Ländern eine zunehmende Individualisierung zu beobachten, vor allem die traditionellen Haushaltsformen der Familie erodieren. Als „neue Haushaltstypen“ treten zunehmend Alleinstehende, unverheiratet zusammenlebende Paare, Alleinerziehende und Formen des „nichtfamiliären Gruppenlebens“ auf (Häußermann/Siebel 1996: 323). Vor allem in den Städten und dort insbesondere in den inneren Bereichen werden wachsende Anteile dieser „neuen Haushaltstypen“ festgestellt. Auch im Bezirk Prenzlauer Berg vollzogen sich solche grundlegenden Veränderungen. Trotz verringerter Bevölkerung hat sich die Zahl der Haushalte vergrößert. Waren es 1991 noch 65.900 Haushalte, so sind 8 Statistisch lassen sich beide Prozesse nicht immer gut trennen, da die meisten Werte als jeweilige Momentaufnahme der Verhältnisse in den beobachteten Gebieten zu verstehen sind.
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MACHT UND STADTERNEUERUNG
es im Jahr 2000 mehr als 85.000 (Mikrozensus 2000) – entsprechend haben sich auch die durchschnittlichen Haushaltsgrößen nachhaltig verändert. So ist der Anteil von Einpersonenhaushalten im Zeitraum von 1991 bis 2000 um etwa 15 Prozent gestiegen und beträgt nun deutlich mehr als die Hälfte aller Haushalte: Knapp 60 Prozent aller Haushalte im Bezirk sind Einpersonenhaushalte (vgl. Tabelle 5.7). Die durchschnittliche Personenzahl je Haushalt ist dadurch von 2,1 auf 1,6 gesunken, diese durchschnittliche Haushaltsgröße ist die niedrigste in Berlin. Sie ist nicht nur deutlich kleiner als der Berliner Durchschnitt sondern liegt auch unter den Werten der vergleichbaren Innenstadtbezirke Mitte (1,9) und Friedrichshain (1,7). Sie sind jetzt in allen Gebieten kleiner als die durchschnittliche Raumanzahl – ein Indiz für einen gestiegenen Wohnflächenverbrauch. Auch in den Sanierungsgebieten nahm die Zahl der Einpersonenhaushalte zu. Waren zum Zeitpunkt der Festlegung etwa ein Drittel aller Haushalte Einpersonenhaushalte, so sind es 2002 mehr als die Hälfte. Entsprechend verringert haben sich die größeren Haushalte mit drei, vier oder mehr Personen. Deren Anteil hat sich im beobachteten Zeitraum halbiert – nur noch zu 17 Prozent der Haushalte gehören mehr als zwei Personen9. Tabelle 5.6: Veränderung der Haushaltsgrößen in den Sanierungsgebieten von Berlin Prenzlauer Berg
1993 1997 2002
1 Person 34% 50% 53%
2 Personen 32% 30% 30%
3 Personen 19% 13% 11%
4 und mehr Pers. 15% 7% 6%
Quelle: Vicente 1996: 7; argus 1997:12; Asum/Mieterberatung 2003:20
Im Gegensatz zur Zunahme der Einpersonenhaushalte hat sich der Wohnungsschlüssel in den Gebieten vor allem zugunsten von größeren Wohnungen verändert. Vor allem die Anzahl der Kleinstwohnungen mit nur einem Zimmer wurde im Zuge der Erneuerungsmaßnahmen deutlich verringert – zugenommen haben in den 90er Jahren hingegen Wohnungen mit drei und mehr Zimmern, die inzwischen in den Sanierungsgebiete mehr als ein Drittel des Bestandes bestimmen.
9 Die Grauzone dieser statistischen Entwicklung sind die zumindest im studentischen Milieu weit verbreiteten Formen des gemeinschaftlichen Wohnens, die sich jedoch in der Regel nicht in den amtlichen Statistiken niederschlagen. Die deutliche Verringerung der Mehrpersonenhaushalte ist vor allem ein Indikator für die drastische Verringerung von gemeinsam lebenden Familien mit Kindern in den Gebieten.
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SOZIALE EFFEKTE DER STADTERNEUERUNG
Tabelle 5.7: Veränderung der Wohnungsgrößenschlüssel nach Anzahl der Zimmer in den Sanierungsgebieten von Berlin Prenzlauer Berg
1993 1997 2002
1 Zimmer 30% 23% 23%
2 Zimmer 42% 39% 41%
3 Zimmer 21% 28% 26%
4 und mehr Zimmer 7% 10% 10%
Quelle: Vicente 1996: 16; Argus 1997: 25; Asum/Mieterberatung 2003: 34
Diese gegenläufigen Entwicklungen von Haushalts- und Wohnungsgrößen in den Sanierungsgebieten steht für eine deutliche Erhöhung des Wohnflächenverbrauchs der Einpersonenhaushalte. Waren 1991 die Anteile kleiner Haushalte (eine Person) und kleiner Wohnungen (ein Wohnraum) mit je etwa einem Drittel ausgeglichen, so hat sich diese bestandsbezogene Haushaltsstruktur zugunsten der Bewohner verändert. Rein rechnerisch wohnen 57 Prozent der Singles heute in Wohnungen mit mehr als einem Raum. Auch die Verhältnisse für die großen Haushalte haben sich verändert. Die frühere Überbelegung ist deutlich geringer geworden. In den Sanierungsgebieten von Prenzlauer Berg haben sich seit 1993 großzügige Wohn- und Lebensstile durchgesetzt. Die mittlere Wohnfläche je Person beträgt dort mittlerweile mehr als 40 qm (Asum/Mieterberatung 2003: 34). Nur noch vier Prozent der Haushalte leben in Wohnungen mit weniger Zimmern als Personen. Mehr als die Hälfte der Haushalte lebt in Wohnungen mit mindestens einem Zimmer über der Personenzahl, Acht Prozent der Haushalte verfügen sogar über zwei oder drei zusätzliche Zimmer (Asum/Mieterberatung 2003: 34).
Veränderung der Bevölkerungszusammensetzung nach dem Alter Seit 1990 hat es in Ostdeutschland, also auch in Prenzlauer Berg, einen dramatischen Einbruch bei der Geburtenrate gegeben (Münz/Ullrich 1993). Zudem wurde vermutet, dass Familien mit Kindern gehäuft den Bezirk und insbesondere die Altbaubestände verlassen (Argus 2000). Vor allem im Vergleich mit den entstehenden Eigenheimsiedlungen erschien der Bezirk mit seinen maroden Wohnungsbeständen, den beginnenden Bauarbeiten und der defizitären Infrastruktur zunehmend unattraktiv für Familien und wenig kinderfreundlich. Die Überlagerung gesellschaftlicher Prozesse und dieser gebietsspezifischen Situation führte hier zu verstärkten Effekten. In allen Gebieten des Bezirks (wie generell in Ostberlin) hat es einen deutlichen, aber gebietsweise kaum unterscheidbaren Rückgang von Kindern und Jugendlichen (bis 18 Jahre) gegeben. In den Gründerzeitbeständen hat sich diese Tendenz etwas stär227
MACHT UND STADTERNEUERUNG
ker vollzogen, weil der Anteil von Kindern in diesen Gebieten Anfang der 90er Jahre überdurchschnittlich war. Tabelle 5.8: Bevölkerungsentwicklung der Altersgruppen (in Prozent) in ausgewählten Baualtergruppen von Prenzlauer Berg zwischen 1991 und 2000 unter 6 1991 2000 Gründerzeit 7,97 4,70 DDR-Bestand 4,67 4,27 6,77 4,23 Bezirk gesamt 7,31 4,12 Ostberlin 6,38 4,97 Berlin
6 bis 18 1991 2000 12,69 8,96 10,82 10,42 11,82 8,68
18 bis 25 1991 2000 13,70 10,94 9,03 10,27 12,38 10,47
25 bis 45 1991 2000 37,17 53,08 25,79 32,01 33,27 46,08
45 bis 65 1991 2000 22,13 15,60 33,90 25,74 22,92 19,44
über 65 1991 2000 10,14 6,73 15,80 17,29 12,83 11,10
14,88 13,05 9,36 9,71 32,85 35,54 24,78 25,39 10,82 13,20 12,09 11,85 9,15 8,28 33,05 33,08 25,23 27,29 14,11 14,53
Quelle: Statistisches Landesamt – Abfrage melderechtlich registrierter Einwohner, eigene Berechnungen
Auffällig im Vergleich zu den Entwicklungen im übrigen Ostberlin ist die überdurchschnittliche Verringerung des Anteils von älteren Jugendlichen (18 bis unter 25 Jahre) – der 1991 deutlich höhere Anteil verringerte sich im Laufe der letzten Jahre auf das Ostberliner Durchschnittsniveau. In den Altbaugebieten des Bezirks verlagerte sich der Schwerpunkt bei der Alterszusammensetzung hin zu den jüngeren Erwachsenen (25 bis unter 45 Jahre). Der Anteil dieser – weniger mobilitätsfreudig eingeschätzten – Gruppe ist von einem Drittel auf über die Hälfte angestiegen. Diese Entwicklung kann nicht ausschließlich mit demografischen Veränderungen erklärt werden, sondern ist Folge von Wanderungsbewegungen. Die Bewohnerschaft, die früher altersmäßig sehr heterogen zusammengesetzt war, wird nun von kinderlosen jungen Erwachsenen geprägt. Ein Blick in eine feinere Unterteilung dieser Altersgruppe zeigt, dass im beobachteten Zeitraum insbesondere der Anteil der 30- bis 40-Jährigen zugenommen hat. Die Indexwerte zeigen für diese Altersgruppen deutliche Steigerungen. Die Altersgruppe der 30- bis 35-Jährigen hat von 1991 bis 2000 sogar um ca. 80 Prozent zugenommen. Vergleicht man die Entwicklung in Gründerzeitvierteln mit der des Gesamtbezirks, fällt Folgendes auf: Die Veränderungen der beiden jüngeren Altersgruppen in beiden Bezugsgebieten weisen eine ähnliche Dynamik auf, während die Anteile der älteren Jahrgänge in den Gründerzeitvierteln wesentlich stärker gewachsen sind.
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SOZIALE EFFEKTE DER STADTERNEUERUNG
Tabelle 5.9: Bevölkerungsentwicklung ausgewählter Altersgruppen in den Gründerzeitbeständen von Prenzlauer Berg zwischen 1991 und 2000
Gründerzeit Index Prenzlauer Berg Index
25 bis 30 30 bis 35 35 bis 40 40 bis 45 25 bis 45 1991 2000 1991 2000 1991 2000 1991 2000 1991 2000 14,14 16,08 10,00 18,09 7,47 12,09 5,56 6,82 37,17 53,08 100 114 100 181 100 162 100 123 100 143 12,08 13,73 8,53 15,26 6,93 10,73 5,73 6,36 33,27 46,08 100
114
100
179
100
155
100
111
100
139
Quelle: Statistisches Landesamt – Abfrage melderechtlich registrierter Einwohner, eigene Berechnungen
Bei den 40- bis unter 45-Jährigen fällt die Indexsteigerung in den Gründerzeitgebieten um 12 Prozentpunkte höher aus als im Bezirk. Diese Altersgruppe ist auch die einzige, bei der der allgemeine Trend zwischen Gründerzeitvierteln und Bezirk umgekehrt werden konnte. Waren die Anteile dieser Altersgruppe 1991 in den Altbaugebieten leicht unterdurchschnittlich, so weisen sie 2000 leicht überdurchschnittliche Werte auf. Bei einer weiteren Unterteilung dieser Altersgruppe ist festzustellen, dass in der ersten Hälfte der 90er Jahre vor allem die Altersgruppe der 25- bis 30-Jährigen deutlich zugenommen hat. Seit 1997 ist diese Altersgruppe wieder leicht rückläufig. Insbesondere die Gruppe der 30- bis 40-Jährigen konnte hingegen ab 1995 einen leicht überdurchschnittlichen Zuwachs verzeichnen. (Statistisches Landesamt 1991-2000, Abfrage der melderechtlich registrierten Einwohner). Ebenfalls zugenommen haben die Geburtenzahlen in Prenzlauer Berg. Waren die Geburten bis 1998 immer geringer als die Zahl der bezirklichen Stärbefälle, so ist die Bilanz der natürlichen Bevölkerungsentwicklung seit 1999 positiv. In den Jahren 1999 und 2000 waren Geburtenüberschüsse von ca. 100 bzw. 350 zuverzeichnen. Die Zahl der Geburten lag jeweils bei etwa 1.250 Geburten pro Jahr. Ab den Jahr 2001 werden die Geborenen und gestorbenen ausschließlich in den neuen statistischen Bezirken erhoben, so dass eine Fortschreibung der Bezirksdaten von Prenzlauer Berg nicht möglich ist. Die deutlich steigenden Geburtenzahlen im neuen Gesamtbezirk jedoch verweisen auf den ungebrochenen Trend des Kinderkriegens in Prenzlauer Berg (Statistisches Landsamt: 2001: 20; 2002: 20). Ein tieferer Einblick in die Dynamik der Veränderungen ergibt sich bei der Betrachtung der zeitlichen Dimension. Ob bestimmte Altersgruppen in einzelnen Phasen besonders auffällig zu bzw. abgenommen haben, lässt Rückschlüsse auf die Alterszusammensetzung der Wande-
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MACHT UND STADTERNEUERUNG
rungsbewegungen zu und gibt Auskunft über eine eventuell altersspezifische Attraktivität des Bezirkes. Tabelle 5.10: Entwicklung der Anteile von Altersgruppen an der Gesamtbevölkerung in Berlin Prenzlauer Berg (1991-2000)
1991 1993 1995 1997 1999 2000
unter 6 Anteil Index 6,8 100 5,6 82 4,4 65 3,9 58 4,1 61 4,2 62
6 bis 18 Anteil Index 11,8 100 12,2 104 12,0 101 10,8 91 9,0 76 8,6 73
18 bis 25 Anteil Index 12,4 100 11,5 93 9,7 78 9,4 76 10,5 85 10,5 85
25 bis 45 Anteil Index 33,3 100 36,5 110 40,2 121 42,9 129 45,4 136 46,1 139
45 bis 65 Anteil Index 22,9 100 21,8 95 21,6 94 21,2 92 19,8 87 19,4 85
über 65 Anteil Index 12,8 100 12,3 96 12,1 94 11,9 92 11,2 88 11,1 86
Quellen: Statistisches Landesamt (Sonderauswertung der melderechtlich registrierten Einwohner am Ort der Hauptwohnung in den Bezirken von Berlin 1991 bis 2000) und eigene Berechnungen
Die deutlich rückläufigen Entwicklungen in den Altersgruppen der Kinder und Jugendlichen ist zu einem Teil auf die starken verringerte Geburtenrate nach der politischen Wende zurückzuführen. Sowohl die seit 1991 stark sinkenden Anteile der unter 6-Jährigen als auch die verzögert einsetzenden Verluste bei den 6- bis 18-Jährigen gehen darauf zurück. Der bis 2000 gestiegene Anteil entspringt vor allem den wieder steigenden Geburtenzahlen und weniger den Wanderungseffekten. Für die einzige deutlich und durchgängig steigende Altersgruppe der 25- bis 45-Jährigen kann ein relativ kontinuierliches Wachstum festgestellt werden. Bis Ende der 90er Jahre vergrößerte sich der Anteil im Durchschnitt jährlich um 1,5 Prozentpunkte. Erst in den letzten Jahren verlangsamte sich dieser Prozess. Für alle anderen Altersgruppen kann eine weitgehend gleichmäßige Verringerung ihrer Anteile konstatiert werden. Lediglich die Altersgruppe der 18- bis 25-Jährigen konnte diesen Trend brechen und hat von 1997 bis 2000 deutlich zugenommen. Insbesondere die Anzahl der 20 bis 25-Jährigen hat sich in diesem Zeittraum um ca. 12 Prozent auf über 11.000 erhöht. Ein Blick auf die Dynamik der feiner gegliederten Altersgruppen verdeutlicht die Ungleichzeitigkeit der Veränderungen und auch die Konzentration der Bevölkerungsgewinne auf bestimmte Altersgruppensegmente. Dabei wird deutlich, dass die Altersgruppe der 30- bis 35Jährigen am schnellsten und deutlichsten gewachsen ist. Während der gesamten Zeit konnten für diese Gruppe überdurchschnittliche Steigerungen festgestellt werden. Im Gegensatz dazu ist zwischen 1997 und 230
SOZIALE EFFEKTE DER STADTERNEUERUNG
2000 die Anzahl der 25- bis 30-Jährigen (-995) sowie der 40- bis 50Jährigen (-392) sogar wieder rückläufig. Im selben Zeitraum sind die dynamischen Altersgruppen deutlich gewachsen. Die Zahl der 30- bis 35-Jährigen ist um fast 2.000 Personen gestiegen und stellt nun mit fast 20.000 die größte Einzelaltersgruppe (der hier verwandten Systematik). Tabelle 5.11: Entwicklung der Anteile von ausgewählten Altersgruppen an der Gesamtbevölkerung in Berlin Prenzlauer Berg (1991-2000)
1991 1993 1995 1997 1999 2000
25 bis unter 30 30 bis unter 35 35 bis unter 40 40 bis unter 45 25 bis unter 45 Anteil Index Anteil Index Anteil Index Anteil Index Anteil Index 12,1 100 8,5 100 6,9 100 5,7 100 33,3 100 13,2 109 10,1 119 7,1 102 6,1 107 36,5 110 14,0 116 12,0 141 7,7 111 6,4 112 40,2 121 14,1 117 13,5 158 8,8 127 6,5 113 42,9 129 13,8 114 15,0 176 10,3 149 6,3 111 45,4 136 13,7 113 15,3 179 10,7 154 6,4 112 46,1 139
Quellen: Statistisches Landesamt (Sonderauswertung der melderechtlich registrierten Einwohner am Ort der Hauptwohnung in den Bezirken von Berlin 1991 bis 2000) und eigene Berechnungen
Die Zahl der 35- bis 40-Jährigen hat sich in dieser Zeit sogar um mehr als 2.200 Personen erhöht – das ist ein Zuwachs um fast 20 Prozent und damit die deutlichste Altersgruppendynamik im gesamten Beobachtungszeitraum. Für den zeitlichen Verlauf der Veränderungen können wir feststellen, dass die jüngeren Altersgruppen (25 bis 35) in der ersten Hälfte der 90er Jahre (1991 bis 1995) eine überdurchschnittliche Dynamik aufwiesen. Dieser Trend verschob sich Mitte der 90er Jahre (1995-1997) auf die Gruppe der 30- bis 40-Jährigen und konzentrierte sich in der letzten Phase (1997 bis 2000) immer stärker auf die 35- bis 40-Jährigen. Wir können also eine Attraktivitätsverschiebung des Bezirkes von jüngeren Erwachsenen hin zu den etwa 40-Jährigen feststellen. Auch bezogen auf den typischen Verlauf von Berufskarrieren hat sich der Schwerpunkt verlagert: von den EinsteigerInnen mit Karriereorientierung hin zu den gerade Etablierten. Die steigenden Geburtenzahlen könnten mit der Stabilisierung der beruflichen Position zusammenhängen. Ein Blick auf die Entwicklung der Einkommen und der Bildungsabschlüsse wird diese Annahmen stützen.
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MACHT UND STADTERNEUERUNG
Veränderung der Bildungs- und Erwerbsstruktur Der Bezirk ist hinsichtlich der Bildungs- und Erwerbsstruktur als heterogen einzuschätzen. Während die Erwerbsstrukturen relative Stabilität aufweisen, haben sich die Bildungsstrukturen im Bezirk deutlich verändert. Der Arbeitslosenanteil an der Gebietsbevölkerung war in der ersten Hälfte der 90er Jahre eine der höchsten in Ostberlin und wurde nur von vier Bezirken im Westteil der Stadt übertroffen. Trotz leicht gestiegener Anteile lag der Bezirk seit Ende der 90er Jahre nur wenig über dem Ostberliner Durchschnitt. Der überdurchschnittliche Erwerbsanteil weist Prenzlauer Berg als den einzigen Innenstadtbezirk aus, in dem die Erwerbsbevölkerung im Vergleich zu 1991 weitgehend stabil geblieben ist (Statistisches Landesamt: Mikrozensus 1991-2000). Doch hinter der lokalen Stabilität in Prenzlauer Berg verbirgt sich eine enorme Relativdynamik, denn trotz eines leicht reduzierten Anteils konnte sich Prenzlauer Berg in den 90er Jahren im Vergleich zu den anderen Ostberliner Innenstadtbezirken vom Bezirk mit der geringsten Erwerbsquote zwischenzeitlich zu dem mit der höchsten Erwerbsquote entwickeln. Die Daten des Jahres 2000 zeigen hingegen eine Trendwende an, denn die Erwerbsanteile in Prenzlauer Berg sind wieder leicht rückläufig, während die Anteile in Mitte und Friedrichshain steigen. Friedrichshain ist inzwischen auch wieder der Ostberliner Innenstadtbezirk mit der höchsten Erwerbsquote. Neben dem Erwerbsanteil an der Bevölkerung sagt auch die Entwicklung der Einkommen etwas über die sozialen Veränderungen im Stadtteil aus. Wie schon bei den Erwerbsdaten wird der Bezirk auch hier in das Verhältnis zur Entwicklung in den anderen Ostberliner Innenstadtbezirken und zur Gesamtstadt gesetzt. Die Entwicklung der Einkommen verdeutlicht für Prenzlauer Berg vor allem eine transformationsbedingte Dynamik. Die Einkommenszuwächse liegen in dem Rahmen, wie sie offensichtlich in gesamt Ostberlin in den 90er Jahren stattgefunden haben. Lediglich im Vergleich zu den anderen innerstädtischen Bezirken fallen in Prenzlauer Berg leicht überdurchschnittliche Einkommenssteigerungen auf. War der Bezirk 1991 noch derjenige mit den geringsten durchschnittlichen Einkommen, so sind hier ab spätestens 1995 höhere Einkommen als in Mitte und Friedrichshain zu verzeichnen.
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SOZIALE EFFEKTE DER STADTERNEUERUNG
Tabelle 5.12: Einkommensentwicklung ausgewählter Berliner Bezirke (1991-2000)
1991 1993 1995 1997 1999 2000 1991 1993 1995 1997 1999 2000 1991 1993 1995 1997 1999 2000
Prenzl. Berg Mitte Friedr.hain Ostberlin Westberlin Mittleres monatliches Haushaltsnettoeinkommen (in DM) 1.550 1.800 1.600 1.800 2.600 1.950 2.500 2.100 2.400 2.800 2.300 2.450 2.200 2.600 2.800 2.350 2.550 2.150 2.750 2.800 2.400 2.600 2.400 2.800 2.850 2.500 2.700 2.450 2.850 2.900 Mittleres monatliches Pro-Kopf-Einkommen (in DM) 841 880 845 834 1.396 1.210 1.247 1.152 1.173 1.514 1.398 1.321 1.289 1.311 1.534 1.455 1.276 1.373 1.403 1.529 1.472 1.393 1.425 1.493 1.560 1.579 1.500 1.494 1.551 1.590 Monatliches Äquivalenzeinkommen (OECD-Standard)10 1.138 1.239 1.155 1.203 1.883 1.551 1.741 1.549 1.656 2.040 1.800 1.786 1.685 1.823 2.057 1.851 1.762 1.728 1.935 2.052 1.877 1.873 1.838 2.019 2.091 1.985 1.982 1.903 2.080 2.130
Berlin 2.300 2.650 2.750 2.800 2.800 2.900 1.172 1.381 1.462 1.491 1.518 1.585 1.620 1.894 1.987 2.022 2.042 2.125
Quellen: Mikrozensus (1991 bis 2000), Daten des Einwohnermeldeamtes und eigene Berechnungen
Doch die sozialstrukturellen Veränderungen in Prenzlauer Berg lassen sich nicht nur über Erwerbsquoten und Einkommen beschreiben. Wesentlich auffälliger sind die Veränderungen hinsichtlich des durchschnittlichen Ausbildungsniveaus im Bezirk. Generell zeichnet sich eine 10 Sowohl Haushalts- und Pro-Kopf-Einkommen geben die tatsächlichen finanziellen Verhältnisse nur ungenau wider. Insbesondere die Größe und Zusammensetzung der Haushalte nach dem Alter sind entscheidend für den Wert der einzelnen Einkommen. So ist es ein Unterschied, ob ein bestimmtes „Pro-Kopf-Einkommen“ allein lebenden Erwachsenen, MitbewohnerInnen oder Kindern zur Verfügung steht. Für ein 8jähriges Kind beispielsweise wäre das durchschnittliche Einkommen eines Erwachsenen (von 850 Euro monatlich) ein kleines Vermögen. In den Berechnungen des Äquivalenzeinkommens wird diesem unterschiedlichen Bedarf Rechnung getragen. In die Berechnung gehen die jeweils erste Person eines Haushaltes mit 1,0 ein, alle weiteren Erwachsenen (über 15 Jahre) mit dem Wert 0,5 und Kinder (bis zu 15 Jahren) schließlich mit 0,3 in die Rechnung ein. Mit dem so entstandenen Faktor werden die Pro-Kopf-Einkommen dividiert. Die so errechneten Äquivalenzeinkommen steigen umgekehrt proportional zum Anteil der Kinder und Mehrpersonenhaushalte.
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MACHT UND STADTERNEUERUNG
Tendenz zu höheren Bildungsabschlüssen ab. Trotz sinkender Einwohnerzahlen hat sich die Zahl der BewohnerInnen mit Hochschulreife erhöht. Während alle anderen Schulabschlüsse inzwischen die Werte von 1991 unterlaufen, hat sich die Zahl der Personen mit Abitur fast verdoppelt. Mit dieser Entwicklung nimmt der Bezirk Prenzlauer Berg eine Sonderstellung in Berlin ein. Sowohl im Ost- als auch im Westteil der Stadt nahm die durchschnittliche Anzahl von Personen mit Abitur lediglich um etwa ein Drittel zu (Häußermann/Holm/Zunzer 2002: 78). Tabelle 5.13: Bevölkerung in Prenzlauer Berg nach allgemeinem Schulabschluss (absolute Zahlen und Index), 1991-2000
1991 1993 1995 1997 1999 2000
Hauptschule Anzahl Index* 29.600 100 37.700 127 27.000 91 24.500 83 25.300 85 25.200 85
Realschule Anzahl Index* 9.800 100 10.100 103 6.100 62 7.300 74 10.700 109 13.800 141
POS Anzahl Index* 34.700 100 38.100 110 39.600 114 32.700 94 25.800 74 24.300 70
Abitur Anzahl Index* 25.300 100 28.900 114 38.600 153 49.500 196 47.700 188 48.100 189
* Ausgangsbasis der Indexwerte ist das Jahr 1991 (1991=100)
Quelle: Statistisches Landesamt: Mikrozensus 1991-2000, eigene Berechnungen
Neben Effekten einer nachholenden Bildungsexpansion kommen als wesentliche Ursache für diesen Trend nur Wanderungen in Frage. Diese verliefen offensichtlich selektiv: Haushalte mit niedrigen Bildungsabschlüssen, darunter seit 1995 verstärkt ostdeutsche Haushalte, haben das Gebiet verlassen, Haushalte mit Hochschulreife – vielfach Studierende – sind in das Gebiet gezogen. Eine Untersuchung in den Sanierungsgebieten kommt zu dem Ergebnis, dass 21 Prozent der Gesamtpopulation studieren. Bezogen auf die Erwerbsbevölkerung wären das sogar mehr als ein Viertel (etwa 10.000 Studierende). Andere Untersuchungen haben vor allem für die Einpersonenhaushalte sehr hohe Anteile von Studierenden festgestellt (Topos 1996: 22), für die der Bezirk in den letzten Jahren durch seine zentrale Lage, seine freizeitbezogene Infrastruktur und sein Image offensichtlich an Attraktivität gewonnen hat. Auch die vermehrten Hochschulabschlüsse lassen sich, bezogen auf den Bildungsbereich, als Statussprung deuten. Während alle anderen Ausbildungsabschlüsse in ihrer Zahl stagnierten oder rückläufig waren, hat sich die Anzahl von Personen mit Hochschulabschlüssen im Gebiet seit 1991 fast verdoppelt. Die Anzahl von HochschulabsolventInnen hat sich zwischen 1991 bis 2000 von etwa 12.000 auf über 20.000 erhöht; jeder vierte Erwachsene des Bezirks hat sein Studium erfolgreich zu Ende ge234
SOZIALE EFFEKTE DER STADTERNEUERUNG
bracht. Unter Berücksichtigung der Fachhochschulabschlüsse sind es sogar fast 30.000 Studierte, die in Prenzlauer Berg leben. Diese Steigerungen erfolgten deutlich dynamischer als in der Berliner Gesamtpopulation. Allein in den zwei Jahren zwischen 1993 und 1995 ist die Zahl der AkademikerInnen um mehr als 6.000 (oder 75 Prozent) gestiegen. In der Folgezeit stabilisierte sich der Anteil der Studierten auf diesem hohen Niveau. Auch ein Ranking der Bezirke nach den jeweiligen Anteilen der Hochschulabsolventen an der Bevölkerung verdeutlicht die Sonderstellung von Prenzlauer Berg: Rangierte der Bezirk bis 1993 noch auf den Plätzen 13 bzw. 14 der 23 Berliner Bezirke, nimmt er seit Mitte der 90er Jahre einen Spitzenplatz ein. Nur die Bezirke Mitte und Wilmersdorf/Charlottenburg weisen einen ähnlich hohen Anteil auf. Tabelle 5.14: Anzahl von HochschulabsolventInnen 1991 bis 2000
1991 1993 1995 1996 1997 1998 1999 2000
Berlin gesamt Anzahl Index* 253.100 100 313.200 124 338.800 134 345.600 137 354.900 140 365.700 144 342.300 135 301.700 119
Westberlin Anzahl Index* 119.700 100 156.000 130 180.200 151 180.800 151 190.700 159 200.700 168 193.400 162 175.800 147
Ostberlin Anzahl Index* 133.400 100 157.100 118 158.500 119 164.700 123 164.200 123 165.000 124 148.900 112 125.900 94
Prenzlauer Berg Anzahl Index* 12.500 100 15.500 124 21.900 175 23.500 188 22.400 179 21.600 173 22.700 182 21.400 171
* Ausgangsbasis der Indexwerte ist das Jahr 1991 (1991=100)
Quelle: Statistisches Landesamt: Mikrozensus 1991 – 2000, eigene Berechnungen
Entsprechend der gestiegenen Anzahl der HochschulabsolventInnen im Bezirk erhöhte sich auch deren Anteil an der Gesamtbevölkerung rasant. Waren es noch 1991 unterdurchschnittliche 8,7 Prozent der Bevölkerung, die ein Hochschulstudium abgeschlossen hatten, so lag dieser Anteil am Ende der Dekade bei zeitweise über 16 Prozent. Zusammen mit den Fachhochschulabschlüssen sind es sogar weit über 20 Prozent.
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MACHT UND STADTERNEUERUNG
Tabelle 5.15: Anteile von HochschulabsolventInnen an der jeweiligen Bevölkerung
1991 1993 1995 1996 1997 1998 1999 2000
Berlin gesamt Anteil 7,4% 9,0% 9,8% 10,0% 10,3% 10,7% 10,1% 8,9%
Westberlin Anteil 5,6% 7,2% 8,3% 8,3% 8,8% 9,4% 9,1% 8,3%
Ostberlin Anteil 10,5% 12,2% 12,2% 12,7% 12,7% 12,9% 11,7% 9,9%
Prenzlauer Berg Ranking (n=23) Anteil 8,7% 13 10,5% 14 15,0% 3 16,3% 3 15,9% 4 15,8% 4 16,8% 3 15,9% 3
Quelle: Mikrozensus (1991 bis 2000) und eigene Berechnungen
In den Sanierungsgebieten haben 32 Prozent der Gesamtbevölkerung einen Hochschulabschluss. Bezogen auf die über 18-Jährigen sind es sogar 37 Prozent. (ASUM/Mieterberatung 2003: 27) Von den 46.200 BewohnerInnen der Sanierungsgebiete haben demnach etwa 15.000 eine akademische Ausbildung abgeschlossen und weitere 10.000 studieren an den Berliner Hochschulen. Damit sind diese Quartiere noch deutlicher als der Gesamtbezirk von einem akademischen Milieu geprägt. Über 60 Prozent aller erwachsenen EinwohnerInnen der Sanierungsgebiete betreiben ein Hochschulstudium oder haben es bereits abgeschlossen. Die Verteilung zwischen den Sanierungsgebieten ist weitgehend ausgeglichen, lediglich im Bötzowviertel gibt es weniger AkademikerInnen und Studierende. Das Verhältnis von Studierenden und Hochschulabsolventen ist reziprok: Je höher die Zahl der Hochschulabschlüsse in einem Gebiet, desto geringer der Anteil der Studierenden und umgekehrt. Insbesondere der Kollwitzplatz (mit 42 Prozent Hochschulabsolventen, aber nur knapp 20 Prozent Studierenden) und der Helmholtzplatz (mit 34 Prozent Hochschulabsolventen, aber fast 28 Prozent Studierenden) stehen sich als „Akademikerquartier“ und „Studierendenviertel“ gegenüber. Für diese Daten kann es zwei Erklärungen geben: Erstens wie schon bei den Schulabschlüssen eine selektive Mobilitätsbewegung, zweitens den erfolgten Abschluss universitärer Ausbildungsphasen. Letzteres würde auf ein verändertes Fluktuationsverhalten studentischer Haushalte verweisen, die offensichtlich in zunehmenden Maße den Bezirk nicht mehr nur als Zwischenstation ihrer Wohn- und Berufskarriere ansehen, sondern sich dauerhaft hier einrichten. Mit dieser deutlichen Zunahme des Anteils von Hochschulabsolventen unterscheidet sich der Bezirk Prenzlauer Berg von allen anderen Bezirken Ostberlins.
236
SOZIALE EFFEKTE DER STADTERNEUERUNG
Es gibt keinen durchgehenden statistischen Zusammenhang zwischen Erneuerungsgeschehen und Qualifikationsniveau in den Sanierungsgebieten. Lediglich im Vergleich einzelner Gebiete fällt ein gleichermaßen hoher oder geringer Anteil von umfassenden Maßnahmen und Hochschulabsolventen auf. Tabelle 5.16: Gegenüberstellung von Anteilen umfassender Modernisierungen und Personen mit Hochschulabschlüssen (HSA) nach Sanierungsgebieten (SG) 2001 Anteil von [...] in %
Helmholtzplatz 34 Hochschulabsolventen 37,8 Umfassende Modernis.
Kollwitzplatz 42 42,5
Teutoburger Platz 42 35,0
Bötzowstraße 33 31,25
Alle SG 37 35,1
Quelle: ASUM/Mieterberatung 2003: 27; Stadterneuerungsberichte (19. bis 23.); eig. Berechnungen
So weist der Kollwitzplatz für beide Datenreihen die höchsten Werte auf, währende sie im Sanierungsgebiet Bötzowstraße am geringsten sind. Auch der Helmholtzplatz mit seinen vergleichsweise wenigen AkademikerInnen hat im Verhältnis zum Kollwitzplatz einen deutlich geringeren Anteil von voll modernisierten Wohnungen. Lediglich für das Gebiet Teutoburger Platz – mit einem hohen Anteil von Hochschulabsolventen und einem nur durchschnittlichen Erneuerungsstand – weisen die Datenreihen keinen positiven Bezug auf.
Bevölkerungsveränderung durch Modernisierung Auch die Veränderungen der Bevölkerungszusammensetzung bestätigen den Zusammenhang zwischen Wohnungsmodernisierungen und Mobilität. Die Erneuerungsmaßnahmen stellen einen komplexen und intensiven Eingriff in die alltägliche Wohn- und Lebensgestaltung der betroffenen Haushalte dar und sind oftmals Gründe für einen Auszug. Im Ergebnis strukturieren sie das Wohnungsangebot des Bezirks und haben somit Einfluss auf die Nachfragestruktur und tatsächlich realisierte Umzüge in und aus Wohnungen und damit oftmals in den bzw. aus dem Bezirk. Neben den modernisierungsbedingten Auszügen ist vor allem die Struktur der NeumieterInnen entscheidend für die sozialen Veränderungen in den modernisierten Beständen. Insbesondere das Sanierungsziel „Erhalt der Zusammensetzung der Sozialstruktur“ orientiert weniger darauf, die Mobilität zu begrenzen. Es ist vielmehr darauf gerichtet, die Stabilität der bestehenden sozialen Mischungen im Gebiet zu erhalten. Wegen der 237
MACHT UND STADTERNEUERUNG
zu erwartenden Mietsteigerungen wurde befürchtet, dass vor allem Besserverdienende in die modernisierten Wohnungen ziehen und so die Sozialstruktur in den Gebieten nachhaltig aufwerten. Tabelle 5.17: Mittlere monatliche Einkommen von Alt- und NeumieterInnen privat modernisierter Wohnungen in Prenzlauer Berg, 1995 und 1998
Haushaltsnetto. Pro-Kopf Äquivalenz-eink.
1995 privat modernisierter Wohnungen Alle Altmieter Neumieter Unsan.11 3.140 2.900 3.490 1.863 1.560 1.350 1.910 1.039 2.155 1.911 2.481 1.427
SG 2.012 1.100 1.540
Prnzlbg. 2.320 1.345 1.776
Haushaltsnetto. Pro-Kopf Äquivalenz-eink.
1998 privat modernisierter Wohnungen Alle Altmieter Neumieter Unsan. 2.850 2.900 2.810 1.748 1.680 1.550 1.835 1.117 1.955 1.770 2.175 1.454
SG 2.106 1.300 1.706
Prnzlbg. 2.350 1.428 1.872
Quelle: Topos 1995: 32ff.; Topos 1998: 2 und PFE 1998: 60 und eigene Berechnungen
In privat modernisierten Häusern wurden 1995 und 1998 entsprechende Untersuchungen vorgenommen. Sie sollten die bisherigen Folgen der Modernisierungen auf die Sozialstruktur in den erneuerten Häusern überprüfen. Insbesondere die Einkommensverhältnisse der Neu- und AltmieterInnen im Vergleich zu den durchschnittlichen Einkommen in den Sanierungsgebieten geben Auskunft darüber, ob sich im Zuge der Erneuerung sozioökonomische Differenzierungen etablieren. Zu beiden Zeitpunkten zeigte sich, dass die Bewohnerschaft in den modernisierten Häusern über deutlich höhere Einkommen verfügte als der Durchschnitt der Gebietsbewohnerschaft. Zwar verringerte sich der Abstand von 1995 (über 1.100 DM) im Vergleich zu 1998 (ca. 750
11 Die Einkommen in den unsanierten Beständen wurden in den zitierten Untersuchungen nicht erhoben. Aufgrund der Kenntnisse über den jeweiligen Durchführungsstand zum Zeitpunkt der Erhebung sind zumindest rechnerische Annäherungen möglich. Dazu wurden der Anteil der bereits erneuerten Wohnungen und die dazu gehörigen Einkommen in ein Verhältnis zu den Durchschnittswerten der Einkommen in den Sanierungsgebieten gesetzt und aus der Differenz die Einkommenswerte der unsanierten Wohnungen berechnet. Unterschiedliche Haushaltsstrukturen in modernisierten und unsanierten Beständen wurden nicht berücksichtigt. Als Überschlagswert bieten die errechneten durchschnittlichen Einkommen der unsanierten Bestände jedoch einen guten Anhaltspunkt.
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SOZIALE EFFEKTE DER STADTERNEUERUNG
DM); dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass auch der gewachsene Anteil von modernisierten Häusern in die Gebietsdurchschnitte eingeht. Die Differenz der Einkommen in unsanierten und modernisierten Beständen hat sich zwischen den Untersuchungen kaum verändert. Während die Differenz der Haushaltseinkommen von 1.277 DM (1995) auf 1.102 DM (1998) zurückgegangen ist, hat sich der Abstand bei den ProKopf-Einkommen sogar vergrößert: 1995 verfügten BewohnerInnen der modernisierten Häuser im Durchschnitt über 521 DM mehr als diejenigen, die in noch nicht sanierten Wohnungen lebten. 1998 lag dieser Abstand bereits bei 563 DM (Tabelle 5.17). Daneben können auch Unterschiede der Haushaltseinkommen innerhalb der sanierten Bestände festgestellt werden. Allerdings ist die Differenz zwischen den Einkommen der NeumieterInnen im Vergleich zu denen der AltmieterInnen von 1995 bis 1998 deutlich geringer geworden. Grund dafür kann das gewachsene Angebot im Segment der modernisierten Wohnungen sein. Durch die fortschreitende Erneuerung und die vermehrten Wegzüge von BestandsmieterInnen erhöhte sich die Zahl der zu vermietenden Vollstandardwohnungen. Diese Entwicklung öffnete den Wohnungsteilmarkt auch für NeumieterInnen mit mittleren Einkommen. Eine fast durchschnittliche Einkommensverteilung und deutlich weniger Großverdienende als 1995 bestimmen das aktuelle Bild von Neueinziehenden. Ihre leicht unterdurchschnittlichen Haushaltseinkommen relativieren sich vor dem Hintergrund einer wesentlich anderen Haushaltsstruktur. Sie leben in kleineren Haushalten, der Anteil an Singles und kinderlose Paaren ist größer, und ihr Pro-Kopf-Einkommen liegt entsprechend deutlich über denen der Altmieterhaushalte. Ein Einkommensvergleich zwischen verschieden Wohnungsmarksegmenten jedoch zeigt: die Einkommen der BewohnernInnen in modernisierten Wohnungen (Alt- und NeumieterInnen gleichermaßen) liegen deutlich über den Durchschnittseinkommen der Sanierungsgebiete. Das lässt auf einen sozial selektiven Konzentrationsprozess schließen, der durch die Modernisierungen ausgelöst wurde. Vor allem Haushalte mit überdurchschnittlich hohen Einkommen nutzen die Modernisierung als Chance, ihre Wohnverhältnisse im bisherigen Quartier zu verbessern. Haushalte mit geringen Einkommen hingegen gehören zu denen, die im Falle einer Modernisierung ihre bisherige Wohnung am wahrscheinlichsten verlassen. Wohnungsmodernisierungen in privat modernisierten Häusern führten bisher in den Sanierungsgebieten des Bezirks – trotz der geltenden Mietobergrenzen – in der Regel zum Auszug von BewohnerInnen mit geringeren finanziellen Ressourcen. Die Haushalte der modernisierten Häuser hingegen weisen im internen Bezirksvergleich überdurchschnittliche Einkommen auf. 239
MACHT UND STADTERNEUERUNG
Tabelle 5.18: Durchschnittliche Äquivalenzeinkommen (in DM/monatl.) in verschiedenen Wohnungsmarktsegmenten von Prenzlauer Berg 1995, 1998/99 und 2002 Wohnungsmarktsegment
Äquivalenzeinkommen
Index (San.gebiete =100)
1995 privat modernisierter Häuser davon NeumieterInnen davon BestandsmieterInnen unsanierter Häuser Sanierungsgebiete gesamt
2155 2.481 1.911 1.427 1.540
140 161 124 93 100
1.955 2.175 1.770 1.715 1.835 1.778 1.454 1.580
124 138 112 109 116 113 92 100
1.640 2.460 2.050 2.250 2.056
80 120 100 109 100
1998/99 privat modernisierter Häuser davon NeumieterInnen davon BestandsmieterInnen modernisierter Förderhäuser modernisierte Häuser Fortziehende Haushalte unsanierter Häuser Sanierungsgebiete gesamt 2002 unsanierte Häuser privatmodernisierte Häuser modernisierte Förderhäuser modernisierter Häuser gesamt Sanierungsgebiete gesamt
Quellen: ASUM 2003: 27ff.; Mieterberatung/TOPOS 1998: 15; argus 1999: 23 und eigene Berechnungen
Trotz des steigenden Angebots an modernisierten Wohnungen und trotz (im Vergleich zu den Extremmieten Anfang der 90er Jahre) normalisierter Preise haben sich die Einkommenslücken zwischen der Bewohnerschaft der sanierten und unsanierten Häuser vergrößert. Belief sich dieser Abstand noch 1998 auf knapp 400 DM, so waren die durchschnittlichen Äquivalenzeinkommen in den modernisierten Wohnungen im Jahre 2002 etwa 660 DM höher als die ihrer Nachbarschaft. Dafür haben sich die Einkommensunterschiede von Neu- und BestandmieterInnen in den sanierten Häusern im Laufe der Jahre angenähert. Anders ausgedrückt: Es gibt in den Sanierungsgebieten eine Verfestigung von standardabhängigen Ungleichverteilungen der Einkommen. Förderprogramme, die in der Mehrzahl der Fälle an Mietregulierungen gekoppelt sind, zeigen deutliche Wirkungen. 1998 wurden für die BewohnerInnen der Förderhäuser etwa um 240 DM geringere Einkommen als bei denen in privat modernisierten Häusern festgestellt. Diese Differenz lag im Jahre 2002 bereits bei über 400 DM. Mit den Förder240
SOZIALE EFFEKTE DER STADTERNEUERUNG
programmen konnte trotz aller Kritik an Richtlinien, Finanzierungsmodellen und Ausführungsvorschriften ganz offensichtlich eine Wohnperspektive für durchschnittlich verdienende Haushalte eröffnet werden, die in den anderen sanierten Beständen des Bezirkes inzwischen weitgehend fehlen. Eine weitere Differenzierung der Einkommen konnte wie beschrieben zwischen Neu- und BestandsmieterInnen festgestellt werden. Aus Gebietsperspektive deuten die bisherigen Erkenntnisse auf einen Aufwertungsprozess hin: Vor allem in den sanierten Beständen konzentrieren sich Haushalte mit überdurchschnittlichen Einkommen. Lediglich in Förderhäusern sind die durchschnittlichen Einkommen geringer. NeumieterInnen verdienen in der Regel mehr als die BestandsmieterInnen in Wohnungen mit gleicher Ausstattung. Ob sich auch eine Aufwertung im Verhältnis zur Gesamtstadt vollzogen hat, kann nur ein Vergleich mit den Durchschnittswerten zeigen. Um transformationsbedingte Verzerrungen des Einkommensvergleichs auszuschließen, wurden die Einkommensentwicklungen in den Sanierungsgebieten mit denen der Ostberliner Stadthälfte ins Verhältnis gesetzt. Da die massiven Einkommenssprünge nach 1990 in beiden Bezugsräumen stattfanden, sind Veränderungen vor allem auf sanierungsoder lagebedingte Segregationsbewegungen zurückzuführen. Ein Vergleich der Einkommensentwicklungen in den Sanierungsgebieten und in Ostberlin zeigt deutlich, mit welch hoher Dynamik sich die Untersuchungsgebiete wandelten. Tabelle 5.19: Vergleich der Äquivalenzeinkommen (in DM) in den Sanierungsgebieten von Prenzlauer Berg und Ostberlin 1993, 1997 und 2002 Index (Ostberlin=100)
Äquivalenzeinkommen 1993 Sanierungsgebiete Ostberlin
1.147 1.656
Sanierungsgebiete Ostberlin
1.442 1.935
Sanierungsgebiete Ostberlin
2.056 2.079
69 100 1997 75 100 2002 99 100
Quelle: ASUM/Mieterberatung 2003, Argus 1997, Statistisches Landesamt (Mikrozensus 1993, 1997, 2002)
Zum Zeitpunkt der Festlegung 1993 entfielen auf diese Gebiete lediglich 69 Prozent der in Ostberlin üblichen Einkommen. Ganz offensichtlich konzentrierten sich hier die Einkommensschwächeren. Heute indes wei241
MACHT UND STADTERNEUERUNG
sen die Sanierungsgebiete fast durchschnittliche Einkommenshöhen auf. Insbesondere in den bereits sanierten Häusern finden sich sogar deutlich überdurchschnittliche Einkommen. Die Äquivalenzeinkommen in diesen Wohnungen liegen fast 400 DM (20 Prozent) über den Durchschnittswerten der Ostberliner Haushalte. In diesen Bereichen können wir eine Konzentration von Besserverdienenden feststellen.
5.1.3 Gentrification in Prenzlauer Berg Bezogen auf die Gebietsentwicklung ist eine Überlagerung von Aufwertungsprozessen und kleinräumiger Polarisierung zu konstatieren. Während sich in den Sanierungsgebieten insgesamt die Einkommen dem Ostberliner Durchschnittsniveau annäherten (Aufwertung), finden in den verschiedenen Wohnungsmarktsegmenten sozial selektive Konzentrationsprozesse statt (Polarisierung). In den sich verringernden unsanierten Substandardbeständen sammeln sich zunehmend Haushalte, die sich keine bessere Wohnung leisten können. Die MieterInnen von privat modernisierten Wohnungen beziehen in der Regel überdurchschnittliche Äquivalenzeinkommen (2.460 DM), und selbst in den modernisierten Förderhäusern sind höhere Einkommen (2.050 DM) als in den Substandardwohnungen (1.640 DM) festzustellen. Diese hausweisen Unterschiede sind mithin ein Effekt der Aufwertungsdynamik. Ob sich diese momentan polarisierte Struktur verfestigt oder in einer allgemeinen Aufwertung auflöst, ist vom Fortschreiten der Sanierungsarbeiten abhängig. Die standardabhängigen Mietentwicklungen in den Sanierungsgebieten verweisen auf einen direkten Zusammenhang von baulicher und sozialer Aufwertung. Damit haben sich nach 1990 in Berlin Prenzlauer Berg die klassischen kapitalistischen Segregationsmuster durchgesetzt. Wohnqualität und Einkommenshöhe stehen (wieder) in einem eindeutigen Zusammenhang. Insbesondere die neu hinzuziehenden BewohnerInnen von modernisierten Wohnungen verfügen über höhere Einkommen und zahlen die höchsten Mieten im Gebiet. Die von den Modernisierungsarbeiten ausgelösten Fortzüge betreffen nicht nur die einkommensschwachen Haushalte, sondern auch Durchschnittsverdiener. Während die eine Gruppe vor allem in die noch unsanierten Bestände des Bezirkes zieht, wandert die zweite oft über die Bezirksgrenzen hinaus und nutzt dort andere, oft günstigere Wohngelegenheiten. Die Modernisierung wirkt in diesem Zusammenhang weniger als direkte ökonomische Verdrängung, sondern bildet den Anlass für einen Wohnungswechsel. Da bei der Neuvermietung der so frei gewordenen Wohnungen in vielen Fällen die Mietobergrenzen nicht eingehalten werden, verändert sich die Einkom242
SOZIALE EFFEKTE DER STADTERNEUERUNG
mensstruktur der Haushalte deutlich. Diese Aufwertung durch Zuzüge einkommens- und statushöherer Haushalte kann als indirekte Verdrängung bezeichnet werden (Marcuse 1986: 156). Auf den gesamten Bezirk bezogen hat sich das durchschnittliche Einkommensniveau in den letzten zehn Jahren an den Ostberliner Durchschnitt angenähert. Dieser deutliche Aufwertungsprozess korrespondiert mit anderen Gentrificationsymptomen. So wird die Haushaltsstruktur in den Sanierungsgebieten noch stärker als in anderen Innenstadtgebieten von Singlehaushalten dominiert. Die Alterstruktur hat sich von einer sehr heterogenen Mischung zugunsten der jüngeren Erwachsenen (25 bis 45) verschoben. Erst in den letzten Jahren steigen die Geburtenzahlen und es gibt einen Trend zu mehr Kindern. Diese konzentrieren sich im Wesentlichen auf die sanierten Wohnungen und stehen als „Family-Gentrification“ für die Konsolidierung von Lebensentwürfen, die Karriereorientierung und Familiengründung vereinen wollen (Rose 1989; Bondi 1991; Alisch 1993). Auch bezogen auf die Bildungsstruktur der Bevölkerung hat ein Statussprung stattgefunden. Die Anteile derjenigen mit einem Hochschulabschluss bzw. Abitur als höchstem Schulabschluss haben sich nahezu verdoppelt und nehmen in beiden Bereichen Spitzenwerte innerhalb Berlins ein. Die Bewohnerschaft von Prenzlauer Berg ist heute jünger, einkommensstärker und gebildeter als vor zehn Jahren. Die meisten leben allein oder befinden sich in einer Familiengründungsphase. All diese Veränderungen sind in Prenzlauer Berg stärker ausgeprägt als im gesamtstädtischen (und auch Ostberliner) Durchschnitt und wesentlich auf die hohe Bevölkerungsmobilität der letzten Jahre zurückzuführen. Die zugleich stattgefundene Modernisierung der Wohnungsbestände lässt diese Entwicklungen als gentrificationtypische Einheit von baulicher und sozialer Aufwertung erscheinen. In der zeitlichen Dimension fällt auf, dass die (relationalen) Veränderungen der Einkommen erst Ende der 90er Jahre richtig zum Tragen kamen. Die wesentlichen Veränderungen der Haushalts-, Alters- und Bildungsstrukturen hingegen haben sich bereits in der ersten Hälfte der 90er Jahre durchgesetzt. In Anlehnung an Gentrificationtheorien kann für diese Zeit eine Pionierphase festgestellt werden. Lebensstile werden dabei zum wesentlichen Merkmal der Klassenlage (Dangschat 1990: 78). Sie prägen die Bedürfnisse der Gruppe, die auf dem Wohnungsmarkt sehr durchsetzungsfähig ist. Dadurch erlangen diese Lebensstile eine Nutzungs- und Deutungsdominanz in Bezug auf die Nachbarschaft
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MACHT UND STADTERNEUERUNG
und wirken bestimmend auf die Veränderungsprozesse12. Auch in den Sanierungsgebieten von Prenzlauer Berg war für einen Zuzug zunächst weniger die Höhe des Einkommens entscheidend als vielmehr eine durch Kultur und Lebensstil vermittelte Wohnpräferenz für dieses innerstädtische Altbauquartier. Die Fortzüge aus dem Bezirk lassen sich mit Unzufriedenheiten über die Wohnsituationen, mit lange zurück gehaltenen Umzugswünschen (Mobilitätsstau) und entsprechenden Wohngelegenheiten außerhalb des Bezirkes erklären. Umgedreht sind die Zuzugsbewegungen Anfang der 90er Jahre nicht mit dem allmählich wachsenden Angebot an modernisierten Wohnungen zu erklären. Entscheidend für die sich entwickelnde Attraktivität des Bezirks waren damals nicht so sehr die harten Faktoren wie die Qualität des Wohnungsbestandes, sonder mehr die weichen wie die Gewerbestrukturentwicklung sowie die öffentliche und mediale Wahrnehmung des Bezirkes. Diese Formen der „symbolischen Gentrification“ (Lang 1995) gehen dabei den baulichen und sozialen Veränderungen voraus und sind typisch für die Pionierphase eines Aufwertungsprozesse, wenn kulturelle Aspekte die Gebietsentwicklung stärker bestimmen als ökonomische. Der Ruf Prenzlauer Bergs als „neues Kreuzberg“ (Simon 1995), „Montmartre von Berlin“ (Hörisch/Krause 2000) oder als „Berlin’s answer to Manhattan’s fashionable SoHo gallery district“ (Schmid 1999) ging mit den baulichen Erneuerung und den Veränderungen der Sozialstruktur einher. Veränderungen des Raumbildes (vom Arbeiterviertel zum In-Quartier) und auch die Entwicklung einer gastronomischen und kulturellen Infrastruktur richteten sich an eine vor allem mit „kulturellem Kapital“ ausgestattete Nutzerschicht, die zur Rezeption des Viertels in Form einer „conspicuous consumption“ (Beauregard 1986) in der Lage war13. 12 Für das Sanierungsgebiet Kollwitzplatz wurden in der zweiten Hälfte der 90er Jahre Fortzugsmotive hinterfragt. Im Ergebnis der qualitativen Untersuchung wurden vielfältige Entfremdungsgefühle bei der langjährigen Bewohnerschaft festgestellt, die von wachsender Unzufriedenheit mit der Nachbarschaftsentwicklung bis hin zum Auszug führten (Dörries 1998: 90ff.). Dass diese Phänomene kein dauerhafter Mobilitätsauslöser in sich verändernden Gebieten, sondern eine zeitlich befristete Reaktion auf die Umbrüche in der Pionierphase des Aufwertungsprozesses waren, kann vor dem Hintergrund jüngerer Mobilitätsstudien vermutet werden. Stärker als mit der Nachbarschaft und der Gebietsentwicklung zusammenhängende Motive werden dort überwiegend wohnungsbezogene Gründe als Auslöser für Umzugswünsche festgestellt (Asum/Mieterberatung 2003: 40). 13 Die Bedeutung des jeweiligen Interpretationsrahmens bei der Bewertung bestimmter Einrichtungen wird deutlich, wenn die hinzuziehenden Studierenden die Romantik eines Kachelofens beschreiben und die „Au-
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SOZIALE EFFEKTE DER STADTERNEUERUNG
Erst mit einem Fortschreiten der Erneuerung und den damit verbundenen Mietsteigerungen ist auch eine deutliche Einkommenssteigerung in den Gebieten festzustellen. Die Ausstattung mit ökonomischen Ressourcen wird zur wesentlichen Voraussetzung, sich den Raum anzueignen. Vor allem in den sanierten Beständen reichen kulturelle Wertschätzung für das Viertel, enge soziale Netze (um von einer leeren Wohnung zu erfahren) und handwerkliches Geschick (um sich diese dann selbst auszubauen) lange nicht mehr aus. Statt sozialer und kultureller Ressourcen entscheiden heute Verdienstbescheinigungen und Schufa-Abfragen über die Wohnungsvergabe im Bezirk. Diese Ökonomisierung der Raumaneignung ist das deutliche Ende der Pionierphase des Aufwertungsprozesses. Obwohl die Sanierungspolitik darauf ausgerichtet war, die soziale Zusammensetzung der Bevölkerung in den Sanierungsgebieten zu erhalten, ist Prenzlauer Berg ein Gentrificationgebiet. Abweichend von den klassischen Verlaufsbeschreibungen weist der Prozess in Prenzlauer Berg jedoch einige Besonderheiten auf. Insbesondere die Mietobergrenzen mit ihrer befristeten Mietkappung haben zu einer zeitlichen Streckung der Aufwertungsprozesse geführt. Die nahezu lageunabhängigen Investitionsbedingungen führten zudem zu einer für Gentrifiction untypischen räumlichen Streuung der baulichen Aufwertung. Insbesondere die klaren Grenzverläufe von Aufwertungsgebieten, wie sie in den US-amerikanischen Städten vielfach beschrieben wurden, lassen sich in Prenzlauer Berg nicht finden14. Stattdessen ließe sich die Geographie der bauliche Erneuerungsprozesse als sich ausdehnende Enklaven beschreiben.
thentizität des Viertels“ lieben, während sich beispielsweise ihre Eltern fragen, warum ihre Kinder in so einem heruntergekommenen Viertel wohnen müssen. Auch der spezielle Reiz in Kneipen wie „Chagall“, „Bukowski“ oder „Torpedokäfer“ statt in der „Dunckerquelle“, „Bei Erika“ oder im „Hackepeter“ zu sitzen, setzt einiges an intellektueller Vorbildung voraus (ausführlicher bei Bernt/Holm 2002: 143ff.). 14 Im Gegensatz zu den baulichen Entwicklungen lassen sich für die Ausbreitung von gentrificationrelevanten Gewerbeeinrichtungen und die Entwicklung der Images einzelner Viertel klare „frontiers“ erkennen. Insbesondere die Gastronomien und Clubs konzentrierten sich zu Beginn der 90er Jahre vor allem am Kollwitzplatz und breiteten sich in der letzten Dekade vielfach straßenzugweise (wie in der Oderberger oder Lychener Straße) in die benachbarten Gebiete aus.
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MACHT UND STADTERNEUERUNG
5.2 Individuelle Effekte der Stadterneuerung: Disziplinierung durch Verfahren Stadterneuerungen verändern nicht nur die Gebiete, sondern auch die BewohnerInnen selbt. Die gesellschaftliche Wirkung von Sanierungsmaßnahmen – das hat vor allem Karl Homuth herausgearbeitet – entfaltet sich nicht erst in den Effekten, sondern bereits in der Art und Weise ihrer Durchführung. Hier werden Institutionen akzeptiert, hier werden die zentralen Wertvorstellungen der Sanierungsvorhaben konditioniert, und hier schließlich werden bestimmte Verfahren antrainiert. Diese zielten entsprechend den gesellschafts- und machtpolitischen Konstellationen vergangener Sanierungsphasen in der Regel darauf, die Durchsetzungsfähigkeit der jeweils dominierenden gesellschaftlichen Strömung zu beweisen und ihre Vorstellungen vom Wohnen umzusetzen. Die modernen Gesellschaften, zunehmend von Liberalisierung, Flexibilisierung und Individualisierung geprägt, sind jedoch durch ein Ende der zentralen Lebensentwürfe gekennzeichnet (Beck 1983, 1995; Vester 1993; Welsch 1997). Gerade die Anforderungen des Arbeitsmarktes, aber auch eine flexibilisierte Sozialpolitik stehen den Einheitlichkeiten der Lebensführung aus der fordistischen Phase entgegen. Auch die Stadterneuerung unterliegt diesem gesellschaftlichen Trend. Die Disziplinierungseffekte lassen sich deshalb auch nicht mehr an einem zentralen Leitbild der Erneuerung festmachen. Doch die Fragen nach der Akzeptanz bestimmter Akteure, der Konditionierung bestimmter Wertvorstellungen und der Durchsetzung spezifischer Verfahren können auch für die Phase der Stadterneuerung der 90er Jahre in Ostberlin gestellt werden. Die nächsten Abschnitte beschäftigen sich mit den Auswirkungen der Stadterneuerung in diesen verschiedenen Dimensionen der gesellschaftlichen Disziplinierung und Konditionierung.
5.2.1 Neue Akteure und das Ende der kollektiven Interessenvertretung Einer der zentralen Machteffekte der Stadterneuerung, der über die konkrete Wirkung der Maßnahmen hinausweist, ist die Einführung und das Durchsetzen von Akzeptanz gegenüber neuen Akteurskonstellationen. Bereits in vergangenen Phasen der Stadterneuerung wurden neue sozialpädagogische Konzepte und Akteure getestet und verfeinert (Hohmuth 1984a, 1984b). Die Stadterneuerung zielte immer auch auf wohnungsund sozialpolitische Effekte. Die verantwortlichen – meist staatlichen – Akteure wurden für die Bewohnerschaft so etwas wie eine zentrale sozialpolitische Instanz. Für die Akteurskonstellation der Stadterneuerung 246
SOZIALE EFFEKTE DER STADTERNEUERUNG
der 90er Jahre in Ostberlin lassen sich zwei wesentliche Tendenzen feststellen: zum einen die zentrale Stellung von privaten, aber im öffentlichen Auftrag agierenden Firmen, die die Stadterneuerung zu einem administrativ-parastaatlichen Komplex machten. Zum anderen das sukzessive Zurückdrängen von Momenten der kollektiven Interessenvertretung der Betroffenen, wie sie bei der Behutsamen Stadterneuerung in Westberlin erreicht wurden.
Stadterneuerung in der Hand parastaatlicher Institutionen Wie beschrieben, obliegt die Stadterneuerung in ihrer Planung und Durchführung in den meisten Bereichen privaten Gesellschaften, die im öffentlichen Auftrag handeln. Sowohl der Sanierungsbeauftragte (die S.T.E.R.N. GmbH) als auch die Mieterberatung (Mieterberatungsgesellschaft Prenzlauer Berg) sind vertraglich an die Senatsverwaltung bzw. das Bezirksamt gebunden. In der Praxis sind sie jedoch weitgehend unabhängig in ihren Entscheidungen. Obwohl die Ämter weiterhin alle hoheitlichen Aufgaben (Genehmigungen, Versagungen, Widerspruchsklagen etc.) übernehmen, werden die Beauftragten durch die bessere personelle Ausstattung, stärkere fachliche Kompetenz und ein ungleich höheres Detailwissen über die einzelnen Vorhaben oder Problemfelder zu den eigentlichen Entscheidern der Stadterneuerung. Auch in der Wahrnehmung der Mieterschaft spiegelt sich dieses „Verschwinden des Staates“ wider: Niemand von den MieterInnen, die während des Befragungszeitraumes mit einer Modernisierungsmaßnahme konfrontiert waren, schätzten die Sanierungsverwaltungsstelle als die „wichtigste Institution des Sanierungsverfahrens“ ein (Tabelle 5.20). Mit einem Durchschnittwert von 3,3 (auf einer Skala von 1=sehr wichtig bis 5=überhaupt nicht wichtig) lag das für die Stadterneuerung zuständige Amt im Sanierungsgebiet deutlich hinter den anderen Verfahrensbeteiligten. Tabelle 5.20: Einschätzung der Verfahrensbeteiligten (auf einer Skala von 1=sehr wichtig bis 5=überhaupt nicht wichtig) Sanierungsgebiet (n=30)
Mieterberatung Prenzlauer Berg S.T.E.R.N. GmbH Sanierungsverwaltungsstelle Durchschnitt aller Institutionen
Durchschnittswert 2,2 2,8 3,3 2,8
Milieuschutzgebiet (n=44) Durchschnittswert 2,1 4,5 4,1 3,6
Quelle: eigene Erhebungen, eigene Berechnungen
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Die Befragten im untersuchten Milieuschutzgebiet taxierten die Wichtigkeit der Verwaltung sogar lediglich auf einen Wert von 4,1. Aus der Mieterperspektive am wichtigsten war in beiden Gebieten die Mieterberatung, die mit Durchschnittswerten von 2,2 (Sanierungsgebiet) und 2,1 (Milieuschutzgebiet) insgesamt vorn lag. Der Sanierungsbeauftragte wird in den Sanierungsgebieten als relativ wichtig wahrgenommen (2,8), während er in den Milieuschutzgebieten aus der Sicht der Mieterschaft so gut wie keine Rolle spielt (4,5)15. Insgesamt wird die Bedeutung von regulierenden Institutionen in der Stadterneuerung eher als gering eingeschätzt. Insbesondere die lokalstaatlichen Verwaltungen landen in Bezug auf ihre Wichtigkeit bei der Befragung weit hinten. Als zentral für den Verlauf der Erneuerung werden EigentümerInnen und der Kontakt zu ihnen eingeschätzt. Mehr als zwei Drittel aller BewohnerInnen hatten zum Zeitpunkt der ersten Befragung (also kurz nach Bekanntwerden des Erneuerungsvorhabens) bereits persönlichen Kontakt zu den EigentümerInnen. Nach Abschluss der Modernisierungsarbeiten resümierten viele, dass diese Gespräche die wohl entscheidenden Momente der Modernisierung waren. Eine Bewohnerin sagte: „Wenn ich vorher gewusst hätte, wie das Ganze läuft, hätte ich mir die vielen Gespräche mit der Mieterberatung und dem Amt gespart und gleich direkt mit dem Eigentümer verhandelt“. Auch eine andere Mieterin schätzte posthum ein: „letztendlich war es völlig egal, was wir mit der Mieterberatung besprochen haben. Entscheidend war, was wir mit dem Eigentümer ausgemacht haben. Das wurde aufgeschrieben und dann auch so gemacht“16.
Andere Betroffene konnten das Beratungsangebot der Mieterberatung besser nutzen und gaben an, nach den Beratungsgesprächen besser auf die Verhandlungen mit den EigentümerInnen vorbereitet gewesen zu sein. Trotz Sanierungssatzungen und dem staatlichen Versuch, moderierend und verhandelnd den Verlauf zu steuern wird Stadterneuerung überwiegend als vor allem privatwirtschaftliche Angelegenheit angesehen. Selbst Haushalte, die mit dem Verlauf und dem Ergebnis der Woh15 Eine ältere Bewohnerin reagierte bei der Frage nach der Bedeutung des Sanierungsbeauftragten in völliger Unkenntnis mit einer ungewollten Situationskomik: „S.T.E.R.N.? Nein. Einen Stern hat hier niemand verdient!“ 16 Alle Zitate von BewohnerInnen stammen, wenn nicht anders angegeben, aus den Mieterbefragungen, die ich im Rahmen des DFG-Forschungsprojektes „Stadterneuerung unter veränderten Bedingungen“ (1998-2001) im Sanierungsgebiet Kollwitzplatz und dem Milieuschutzgebiet Falkplatz durchgeführt habe.
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nungsmodernisierung sehr unzufrieden waren, konnten keine politisch Verantwortlichen dafür benennen. Naturalisierende Einschätzungen („das Ganze ist halt schlecht gelaufen, da kann man nichts machen“) lösen den Verlauf der Stadterneuerung von konkret Verantwortlichen. Lediglich die EigentümerInnen der betroffenen Häuser erscheinen noch wichtig, wenn es um Einschätzungen geht. Sie werden als entscheidende Akteure wahrgenommen. Staatliche Institutionen hingegen sind weitgehend aus dem Blickfeld und somit auch aus der politischen Verantwortung geraten. Beauftragte Gesellschaften, die als parastaatliche Akteure die öffentlichen Ziele der Sanierung umsetzen sollen, werden vor allem als Beratungs- und Serviceagenturen wahrgenommen. Insbesondere die Mieterberatungen fungieren als zentrale Ansprechstellen für sozialpolitische Belange der Stadterneuerung. Nicht nur Fragen der Wohnungsmodernisierung und Mietentwicklung, sondern auch die Unterstützung bei Umzügen oder der Betreuung von älteren Menschen in den Sanierungshäusern fällt faktisch in ihren Tätigkeitsbereich. Die politischen und öffentlichen Auseinandersetzungen im Bezirk sind von einem ganz anderen Bild der Beauftragten geprägt. Die Mieterberatung und noch in weitaus stärkerem Maße der Sanierungsbeauftragte bestimmen die öffentlichen und medialen Deutungen und Interpretationen der Sanierungspolitik. Nicht nur ihr weitgehendes Datenmonopol17 und kenntnisreiches Detailwissen über das Sanierungsgeschehen, sondern auch die Neigung zu selbst legitimierenden Erfolgsberichten sichern ihnen faktisch eine Dauerpräsenz in den lokalen Medien. Da sie zudem auch die Beteiligung der Betroffenen organisieren, erscheinen
17 Gebäude- und grundstückbezogene Daten sind theoretisch auch in den Bauämtern abrufbar, doch werden sie dort den Verwaltungsnotwendigkeiten entsprechend vorgangsweise archiviert und können nur unter zeitlich aufwendigen Sonderauswertungen in eine statistisch aussagekräftiges Format gebracht werden. Die Anlage der Verwaltungsdaten erfolgt hausweise in Aktenordnern – eine elektronische Erfassung, die Voraussetzung einer jeden effektiven Auswertung, findet nicht statt. Die jeweils zwei GebietsbearbeiterInnen pro Sanierungsgebiet sind mit den laufenden Vorgängen mehr als ausgelastet und haben keine Kapazitäten für darüber hinaus reichende Auswertungsarbeiten. Im Gegensatz dazu verfügt der Sanierungsträger, die S.T.E.R.N. GmbH, über umfassende Datensätze, die zumindest die ökonomischen und baulichen Bedingungen der einzelnen Grundstücke und Gebäudeteile jederzeit abrufbar machen. Auf der Basis von Totalbegehungen aller Grundstücke und der Auswertung aller amtlichen Vorgänge wurden auch vielfältige Karten der Sanierungsgebiete erstellt. Zumindest zeitweise hatte die Arbeitsgruppe Prenzlauer Berg der S.T.E.R.N. GmbH die Arbeiten der Datenpflege und Kartenerstellungen mit jeweils einer Mitarbeiterstelle ausgewiesen.
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sie den AktivistInnen als Gebietsbeauftragte mit quasi lokalpolitischer Entscheidungsfunktion. In Streitfragen, die die Stadterneuerung betreffen, sind sie die kompetentesten und oft einzigen Ansprechstellen18. Insbesondere die Betroffenenvertretungen haben sich auf die Situationen eingestellt und beziehen sich in ihren Überlegungen fast immer auf diese parastaatlichen Institutionen. Selbst eine bewusste Politisierung einzelner Fragestellungen in der Bezirkspolitik erfolgt letztlich stets mit dem Blick auf die Beauftragten. Hinter den Initiativen, die in die Bezirksverordnetenversammlung hineingetragen wurden, stand so in der Regel weniger die Erwartung, dort würde eine Entscheidung getroffen. Vielmehr war damit die Hoffnung verbunden, mit dieser Ausweitung der politischen Arena erfolgreichen Druck auf den Sanierungsblock auszuüben. Sowohl die individualisierte Stellung der BewohnerInnen in Modernisierungshäusern als auch das politische Handeln der Bewohnerinitiativen zeigen die Akzeptanz für das Verschwinden des Staates aus der direkten Verantwortung für das Erneuerungsgeschehen. Beide Ebenen orientieren sich in ihren jeweiligen Strategien zunehmend an privaten und parastaatlichen Akteuren. Diese prägen das öffentlich wahrnehmbare Geschehen in den Vierteln. Ihre Aktivitäten reichen von der Gestaltung der öffentlichen Räume über die Initiierung von Projekten für lokale Ausbildungsplätze, die Begleitung und Moderation von Wohnungsmodernisierungen bis hin zur Durchführung verschiedener Beteiligungsverfahren und der Organisation von Stadtteilfesten. Faktisch decken zwei private Gesellschaften eine breite Aufgabenpalette an öffentlichen Belangen ab.
Stadterneuerung Ost – Delegitimierung kollektiver Interessen Eine zweite akteursbezogene Ebene der gesellschaftlichen Disziplinierung bezieht sich auf die kollektiven Beteiligungschancen der BewohnerInnen der Sanierungsgebiete selbst. Seit der Einführung des Städtebauförderungsrechtes 1971 geht mit der Stadterneuerung ein Partizipationsversprechen einher. Verschiedene Formen der Beteiligung an der Gebietsentwicklung von der belebten Einwohnerversammlungen über Bewohnerbeiräte bis hin zu alternativen Planungszellen für Verkehrswege 18 BetroffenenvertreterInnen berichteten, dass sie selbst in Fällen, wo bewusst eine Politisierung der Stadterneuerung in die Arena der Bezirkspolitik (Bezirksverordnetenversammlung und Bezirksamt) getragen werden sollte, dort den VertreterInnen der Beauftragten gegenübersaßen – als Fachleuten, die vom Bezirksparlament in die entsprechenden Ausschusssitzungen geladen wurden.
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und Grünflächen im Gebiet sind seither zum festen Bestandteil der Erneuerungspraxis geworden. Der Begriff der gesetzlich vorgesehenen Bürgerbeteiligung greift sogar noch weiter: Im entsprechenden Teilen des BauGB (1986 § 3, Abs. 1) heißt es: „Die Bürger sind möglichst frühzeitig über die allgemeinen Ziele und Zwecke der Planung, sich wesentlich unterscheidende Lösungen [...] und die voraussichtlichen Auswirkungen der Planung öffentlich zu unterrichten; ihnen ist Gelegenheit zur Äußerung und Erörterung zu geben.“ Handlungsebene der „Bürgerbeteiligung“ ist also eine Partizipation auf der Ziel- und Implementationsebene. Angesprochenes Zielpublikum der Beteiligung ist der „Bürger“, verstanden als die uneingeschränkte Öffentlichkeit (Selle 1996; Hetzer 2000). Auch in den entsprechenden Passagen des „Besonderen Städtebaurechts“ ist eine allgemeine und generelle Erörterung der geplanten Maßnahmen noch vorgesehen. Doch schon auf der Akteursebene kommt es zu einer Verschiebung: Aus den „beteiligten BürgerInnen“ werden „mitwirkende Betroffene“. Wer dazu gehört, legt das entsprechende Gesetz fest. Im BauGB 1990 § 137, Abs.1 heißt es: „Die Sanierung soll mit den Eigentümern, Mietern, Pächtern und sonstigen Betroffenen möglichst frühzeitig erörtert werden. Die Betroffenen sollen zur Mitwirkung bei der Sanierung und zur Durchführung der erforderlichen baulichen Maßnahmen angeregt und hierbei im Rahmen des Möglichen beraten werden.“ Dieses Beteiligungsverständnis einer prozessbegleitenden Mitwirkung ist die Grundlage für die Formen der Bürgerbeteiligung an der Stadterneuerung. In Berlin wurden die Beteiligungsgrundlagen sowohl im Kreuzberg der 80er Jahre als auch in den 90er Jahren in Prenzlauer Berg in so genannten Leit- bzw. Grundsatzpapieren konkretisiert. Der Spielraum, den das besondere Städtebaurecht gibt, wurde dabei jedoch recht unterschiedlich ausgefüllt. Im Vergleich zur Behutsamen Stadterneuerung in Kreuzberg verlieren die Partizipationsmomente bei der Stadterneuerung in Ostberlin ihren zentralen Stellenwert. Hieß es in den Leitlinien zur Stadterneuerung von 1983 noch: „[...] die Steuerung der Erneuerung ist eine offene Form der Entscheidungsfindung und Diskussion mit Stärkung der Betroffenenvertretungen und Einrichtungen vor Ort tagender Entscheidungsgremien notwendig“, so ist eine Mitentscheidung in den 90er Jahren nicht mehr vorgesehen. In der Sprache der Administration heißt es in den Leitsätzen der Stadterneuerung 1993: „In den Sanierungsgebieten sind Betroffenenvertretungen zu bilden. Durch Sozialplanverfahren und offene Beratung sind die Belange der Bewohner und Nutzer einzubringen“. Die sich beteiligenden und vor allem mitentscheidenden BewohnerInnen werden (zumindest auf Leitlinienebene) wieder zum Subjekt anwaltlicher Planung der Mieterberatung. Die 251
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Betroffenenvertretungen können ohne eine tatsächliche Veto- oder Kontrollmacht19 an der „Durchführung der Stadterneuerung mitwirken“ (Leitlinen 1993). Mitwirkung heißt konkret, Vorschläge, Anregungen und Bedenken vorzubringen – eine tatsächliche Mitbestimmung im Sinne eines Vetorechts bei sanierungs- und baurechtlichen Entscheidungen ist nicht gegeben. Mitwirkung bedeutet eine grundsätzlich feststehende Planung zu goutieren und durch die Beteiligung zu legitimieren. Wie ein Spiegel der gewachsenen ökonomischen Macht der Eigentümerschaft in den Sanierungsgebieten haben sich die Spielräume für die BewohnerInnen verringert. Ihr Einfluss beschränkt sich in der Regel nur noch auf die Gestaltungsebene. Der partizipatorische Ausgangspunkt der Behutsamen Stadterneuerung wird mit den neuen Leitsätzen verlassen. An der Stellung der Betroffenvertretungen im System der Stadterneuerung wird deutlich, wie gering die Spielräume einer kollektiven Interessenvertretung sind. Bezogen auf den Beteiligungsgegenstand richtet sich die Arbeit der Betroffenenvertretungen auf das jeweilige Sanierungsgebiet. Zumindest in den ersten Jahren der Stadterneuerung hatte diese räumliche Zergliederung von zuvor stadt(bezirks)weit organisierten Bewohnerinitiativen20 einen depolitisierenden Effekt. Statt der bisher zentralen Themen wie Mietentwicklung, Verdrängung und öffentlicher 19 Klaus Selle hat in Anlehnung an Arnstein (1969) Kontroll- und Ve tomöglichkeiten in einer „Stufenleiter von Beteiligungsniveaus“ als höchste Form der Beteiligung beschrieben. In der Reihenfolge des Partizipationsgehaltes lassen sich acht verschiedene Beteiligungsformen unterscheiden: 1. Desinformieren, Manipulieren 2. Befrieden, Erziehen, Therapieren 3. Informieren 4. Anhören und Erörtern 5. Gemeinsames Beraten und Entscheiden 6. Kooperieren (Partnerschaften) 7. Einräumen von Kontrollbefugnissen und/oder Durchführungsmacht 8. Delegieren bzw. Institutionalisieren von Entscheidungsmacht (Selle 1996: 61ff.) 20 Neben den entstehenden Mieterverbänden, die sich an den Strukturen des Mieterbundes orientierten, entstand in Reaktion auf die Ankündigung der administrativen Mieterhöhungen in den Ostberliner Innenstadtbezirken eine wohnungspolitische Initiative. Sie organisierte zur Mietentwicklung und zur befürchteten Verdrängung Proteste. Unter dem Slogan „Wir Bleiben Alle“ WBA) wurden 1992 mehrere Bewohnerversammlungen mit hunderten TeilnehmerInnen und zwei Großdemonstrationen durchgeführt. Mit der Durchsetzung der Mieterhöhungen und der Festlegung der ersten Sanierungsgebiete setzte ein schleichender Auflösungsprozess der Initiative ein. Ein Teil der damals Aktiven stellt zumindest in Prenzlauer Berg bis heute den Kern der Betroffenenvertretungen.
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Finanzierung der Stadterneuerung standen nun einzelne Projekte, die Konkretisierung von Rahmenplänen und nicht zuletzt die Bildung arbeitsfähiger Strukturen im Mittelpunkt. Stadterneuerung wurde in ihrer Komplexität auf kleine, konkrete und realisierbare Einzelschritte herunter gebrochen. Lösungen mussten sich in der Regel dem verwaltungstechnisch Machbaren unterwerfen. Beteiligung in dieser Form ist vor allem ein Reagieren auf öffentliche oder private Planungen. In der „Stufenleiter der Beteiligung“ befanden sich die Betroffenenvertretungen auf den Stufen 3 und 4 (Informieren, Erörtern). Die Initiativen blieben bis 1995 im Wesentlichen lokal beschränkt und somit selbst in einer bezirkspolitischen Debatte weitgehend isoliert. Aufgebrochen wurde diese Situation immer dann, wenn sowohl personell als auch von den Aktionsformen her mit den Strukturen einer klassischen Betroffenenarbeit gebrochen werden konnte. Beispiele dafür waren die medienträchtige Besetzung des Stadtbades in der Oderbergerstraße Mitte der 90er Jahre oder die Haus- und Wohnungsbesetzungen im Helmholtzplatzgebiet (1995/96). In beiden Fällen wurden die Proteste nicht ausschließlich von den Betroffenenvertretungen initiiert und durchgeführt, sondern diese waren Bestandteil eines darüber hinaus gehenden Protestes. Möglichkeiten zur Durchsetzung von Bewohnerinteressen zeigten sich dort am deutlichsten, wo Beteiligungs- bzw. Protestformen von den vorgesehenen Partizipationsschemata der Stadterneuerung losgelöst wurden. In der Zeit nach 1995 wurde – auf Betreiben der Betroffenenvertretungen – ein so genannter gemeinsamer Sanierungsbeirat (für alle Sanierungsgebiete des Bezirkes) gefordert. Damit sollte eine Möglichkeit entstehen, jenseits von Einzelprojekten über den Verlauf der Stadterneuerung zu diskutieren und mit zu entscheiden. Insbesondere zur Neufestlegung der Mietobergrenzen (die ein wesentliches Instrument waren, um die Sozialverträglichkeit zu sichern) gab es einen intensiven gemeinsamen Beratungsprozess von Betroffenenvertretungen, Verwaltungen und parastaatlichen Akteuren. Anders als in Kreuzberg existiert aber in Prenzlauer Berg keine Selbstbindung der Verwaltungen an die Beschlüsse der gemeinsamen Sitzungen. Im konkreten Fall der Debatten um die Mietobergrenzen wurde aber auch keine gemeinsame Position des Sanierungsbeirates gefunden. Vor allem die künftige Bindungsdauer der Mietobergrenzen war umstritten. Die Betroffenen forderten möglichst lange Fristen, um möglichst langfristige soziale Effekte zu erzielen. Die anderen Sanierungsbeteiligten warnten vor möglichen Investitionsblockaden, wenn sich die Erneuerung für die Eigentümer nicht mehr lohnen würde. An dieser Stelle wird deutlich, wie direkt eine weitgehend privat finanzierte Erneuerung die Beteiligungsprozesse beeinflusst. Die Bewohner standen nicht mehr direkt einer handlungskompetenten Verwal253
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tung gegenüber. Vielmehr wurden die Interessen der eigentlich entscheidenden Akteure von den Verwaltungen mitgedacht, so dass wir von einer stillen Vetomacht der Eigentümer sprechen können. Die Betroffenenvertretungen entschieden sich daraufhin, direkt in den politischen Entscheidungsprozess einzugreifen und versuchten, Einfluss auf die Fraktionen der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) zu nehmen. Im Ergebnis wurde zunächst beschlossen, die Geltungsdauer der Mietobergrenzen (MOG) an die Ausweisung als Sanierungsgebiet zu koppeln. Die Baustadträtin und die zuständige Verwaltungsstelle beriefen sich später jedoch auf eine fehlende Rechtsgrundlage und beschlossen die (auf fünf Jahre beschränkte) Geltungsdauer der MOG nun selbst. Auch dieses Beispiel zeigt, die Beteiligungsstufe des gemeinsamen Entscheidens wurde bisher nicht erreicht. Lediglich der eigensinnige Weg der Betroffenenvertretungen zu den Fraktionen – zugleich ja ein Kooperationsbruch mit den anderen Sanierungsbeteiligten – ermöglichte kurzfristig so etwas wie Entscheidungsmacht. Diese wenigen Beispiele stellen keine umfassende Analyse der Betroffenenbeteiligung dar. Was sie jedoch verdeutlichen, sind die Grenzen der Partizipation in der Ostberliner Stadterneuerung. Von der Wirkung her haben die Betroffenenvertretungen zum einen eine klare Legitimationsfunktion für die Stadterneuerungspraxis, zum anderen stellen sie den zur Zeit einzigen Pfad dar, über den die Bewohnerschaft direkt an den Diskussionen um die Stadterneuerung teilnehmen kann. Das für jede Beteiligung hemmende Verhältnis von Experten und Laien konnte dabei in den vorgeschriebenen Strukturen nicht aufgelöst werden. Aus der Sicht der Betroffenenvertretungen ist der Zustand eine Gratwanderung zwischen einer „Einflussnahme auf Entscheidungen“ und einer „Feigenblattfunktion“. Insgesamt kann die Partizipation auf Quartiersebene im Vergleich zu Kreuzberg als eine reduzierte Beteiligung bezeichnet werden: „Mitwirkung“ statt „Entscheidungsmacht“. Eine Repolitisierung der Stadterneuerung fand immer dann statt, wenn die Bewohner aus den vorgegebenen Rollen ausbrechen konnten. Die formellen Beteiligungsmöglichkeiten dienten eher der Legitimation der Stadterneuerung als der Stärkung kollektiver Interessenvertretung. Für den Bereich der Wohnungsmodernisierungen sind kollektive Vertretungen bereits durch das Verfahren ausgeschlossen. Insbesondere die haus- und wohnungsweisen Verhandlungen um die Modernisierungsvereinbarungen werden zur Angelegenheit von einzelnen Mieterparteien und einzelnen EigentümerInnen. Durch den Genehmigungsvorbehalt werden die EigentümerInnen zur Kooperation gezwungen. Das stärkt zunächst die grundlegende Stellung der Mieterschaft. Theoretisch haben alle BewohnerInnen eine Vetoposition und insofern eine Kont254
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rollmacht im Prozess. Durch die individualisierten Verfahrensabläufe hängt der tatsächliche Beteiligungserfolg von den individuellen Ressourcen der MieterInnen ab. Ohne einen Einfluss auf diesen zentralen Bereich der Stadterneuerung sind die Betroffenvertretungen in den Augen der meisten BewohnerInnen ein Debattierklub für nachrangige Probleme21. Auf der räumlichen Ebene des Quartiers können wir von einer durchführungsbegleitenden Mitwirkung mit geringer Beteiligungstiefe sprechen. Auch über die Bedingungen der Wohnungsmodernisierungen können die Bewohnervertretungen nicht mit entscheiden. Ein weitergehendes Engagement von BewohnerInnen wird durch die kollektive Unerreichbarkeit der ökonomischen und sozialen Kernthemen der Stadterneuerung eingeschränkt. Für die Wohnungsmodernisierung als wesentlicher Bereich der Stadterneuerung ist eine stark individualisierte und zugleich selektive Teilhabe am Erneuerungsprozess zu konstatieren. Weder die Verfahren noch die Beteiligungsinstitutionen der Stadterneuerung sind dazu geeignet, die rechtlich starke Stellung der einzelnen MieterInnen zu verallgemeinern und der Bewohnerschaft eine Position von kollektiver Stärke zu geben. Gesellschaftlich löst die Stadterneuerung einen Trainigseffekt der Beteiligungsmentalität aus: Bereiche kollektiver Interessenkämpfe werden geschwächt und individuelles Durchsetzungsvermögen gefördert.
5.2.2 Wertekanon der Stadterneuerung: Aufwertung und Behutsamkeit Die Akzeptanz von neuen Akteuren und bestimmten Verfahrensweisen in der Stadterneuerung lassen sich für die 90er Jahre in Ostberlin finden und beschreiben. Übergreifende Wertvorstellungen hingegen, die von den für die Stadterneuerung verantwortlichen Akteuren vermittelt werden, sind kaum auszumachen. Kein Wunder, schließlich leben wir in einer Zeit der „Vervielfältigung von Lebensentwürfen“, eines „postmodernen Chics der Verschiedenheit“ und der „Auflösung traditionellen Bindungen und Strukturen“ (Welsch 1996; Ferchhoff/Neubauer 1997; Bauman 1999).
21 In den Gesprächen mit MieterInnen in den Sanierungsgebieten begegnete mir oft eine erstaunliche Kenntnislosigkeit über Existenz und Funktion der Betroffenenvertretungen. Während einige Probleme hatten, die Betroffenenvertretung von der Mieterberatung oder dem Quartiersmanagement zu unterscheiden, konnten die meisten nur wenige Themenfelder benennen, die sie mit der Arbeit der Betroffenvertretung verbanden.
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Entsprechend unterschiedlich und variabel sind die offiziellen Visionen der Gebietsentwicklung. So wurde innerhalb eines Jahres (1997/98) im Gebiet um den Helmholtzplatz auf zwei Freiflächen einmal die Gestaltung einer Spiel- und Grünfläche genehmigt und im anderen Fall dem Bau eines Neubaus zugestimmt. Soweit nichts Verwunderliches, erstaunlich eher die Begründungen. Während für den Spielplatz die Vorteile einer „aufgelockerten Bebauungsstruktur“ und die „Unterversorgung des Gebietes mit Grün- und Spielflächen“ sprachen, wurden für den Neubau der „ästhetische Wert [...] einer Blockschließung in der Sichtachse einer Straße“ und „das vorhandene Verdichtungspotential“ ins argumentative Feld geführt (Protokoll einer Sitzung der Betroffenenvertretung, Privatarchiv). Hintergrund der unterschiedlichen Nutzungen dürften weniger die gestalterischen Überlegungen des Sanierungsbeauftragten als vielmehr die unterschiedlichen Eigentumsverhältnisse der beiden Grundstücke sein. Während der Spielplatz auf einem der Kommune zugesprochenen Grundstück errichtet wurde, entstand der Neubau auf einem Grundstück in Privateigentum des Investors. Eine öffentliche Nutzung wäre unter diesen Voraussetzungen an den kommunalen Erwerb des Grundstücks oder Entschädigungszahlungen gebunden gewesen und war deshalb nicht finanzierbar. Gestalterische Argumente dienten hier offensichtlich zur Legitimation der finanziellen Restriktionen. Die Stadterneuerung in Ostberlin wird also – ganz gemäß des gesellschaftlichen Trends – mit einer baulich-ästhetisch oder kuturellen Dominante legitimiert. Dennoch können mit der Stadterneuerung bestimmte gesellschaftliche Wertvorstellungen und Selbstverständlichkeiten verbunden werde. Diese beziehen sich v.a. auf Ausstattungsstandards und einen spezifischen Politikstil der Stadterneuerung. Beide Ebenen wirken auf die Bewohnerschaft zurück und werden in den folgenden Abschnitten beschrieben.
Keine Ofenheizung! Ausstattungsorientierung der Stadterneuerung Neben der oberflächlichen Variabilität in Gestaltungsfragen der Stadterneuerung gibt es einige programmatische Standardorientierungen, die von den meisten Sanierungsbeteiligten getragen werden. Verwaltung, Mieterberatung und Sanierungsbeauftragte sahen die Ausstattung mit zentralem Heizungssystem und innen liegendem Bad/WC sowie die Erneuerung der Fenster und Versorgungsleitungen als den erwünschten Standard an. Anders als in den Kreuzberger Leitlinien der Stadterneuerung (1983) sind für die Sanierungsgebiete in Ostberlin keine schrittweisen Erneue256
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rungen vorgesehen. Stattdessen orientieren die Leitsätze (1993) auf die Gleichzeitigkeit von Instandsetzung und Ausstattungsverbesserung: „Wesentliche Zielsetzung für die Sanierungsgebiete ist, daß [...] die [...] Wohn- und Gewerbesubstanz grundinstandgesetzt und modernisiert wird.“ (Leitsätze der Stadterneuerung 1993) Eine der Begründungen für die Festlegung der Sanierungsgebiete waren die „hohen Erwartungen in den Ostberliner Bezirken an die Demokratie“ (ebenda). Die Stadterneuerung folgte damit nicht nur dem klassischen wohnungspolitischen Motiv der gesellschaftlichen Loyalitätsbeschaffung, sondern nahm mit dem Versprechen einer weitgehenden Modernisierung auch Einfluss auf die Bedürfnisstrukturen der Bewohnerschaft. Obwohl sich das Ausmaß der baulichen Degradation nicht von den Ausgangslagen der Kreuzberger Stadterneuerung unterscheidet, hat sich in Ostberlin ein allgemeiner Konsens zur Notwendigkeit umfassender Maßnahmen durchgesetzt. Nicht nur die Förderrichtlinien der Modernisierungs- und Instandsetzungsprogramme verlangten Erneuerungsarbeiten im Umfang von etwa 2.000 DM/qm, selbst fachlich ausgebildete MieteraktivistInnen stellen seit Ende der 90er Jahre die Notwendigkeit einer aufwändigen Sanierung nicht mehr in Frage. Noch Mitte der 90er Jahre diskutierte eine Betroffenvertretung in Prenzlauer Berg unter dem Stichwort einer „flächendeckenden Grundinstandsetzung“ einen Strategiewechsel der Erneuerung und eine Abkehr von der bisherigen Ausstattungsorientierung. ArchitektInnen und Baufachleute, die sich an diesen Debatten beteiligten und später professionell Sanierungen in Prenzlauer Berg betreuten und durchführten, haben in ihrer Praxis inzwischen die gängige Orientierung auf umfassende Maßnahmen übernommen. Diese Entwicklung beruht zum einen auf den fehlenden Gestaltungsspielräumen für eine andere Sanierung. Zum anderen haben sich auch die individuellen Einschätzungen gewandelt. Für eine erfolgreiche Durchsetzung der Standardorientierung ist es ohne Belang, ob individuellsozialpsychologische oder strukturell-professionelle Gründe den entscheidenden Ausschlag für diese Anpassung der Ansicht gaben. Hinzu kommt, dass sich in den Jahren seit der Kreuzberger Sanierung auch die allgemeinen Aussattungs- und Wohnvorstellungen verändert haben. Die meisten Wohnungssuchenden wünschen sich inzwischen einen höheren Standard. Ein exemplarischer Vergleich von öffentlich ausgehängten Wohnungsgesuchen22 zeigt diesen Trend deutlich. Die bis 22 Ich wohne seit 1995 in einem Sanierungsgebiet von Prenzlauer Berg und komme auf meinen täglichen Wegen regelmäßig an einer Ampelkreuzung vorbei. Wann immer ich bei Rot stehenbleiben musste habe ich die auf kleinen Zetteln aufgehängten Wohnungsgesuche gelesen. Besonders auffällige Formulierungen, Einschränkungen die bei der Wohnungssuche in
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in die zweite Hälfte der Neunziger üblichen Zusätze unter vielen Annoncen, die für die Akzeptanz einer weitgehend heruntergekommen Wohnung standen („übernehme die Wohnung auch renovierungsbedürftig“ oder „unsanierte Wohnung für Selbstausbau gesucht“) verschwanden zunehmend. Sie wurden durch Formulierungen ersetzt, die allenfalls für mögliche Einschränkungen einzelner Ausstattungsmerkmale standen („gerne auch mit Ofen“). In der jüngsten Zeit dominieren Zusätze, die für ein ausgeprägtes Standardbewusstsein sprechen („Keine Ofenheizung!“, „Kein EG! Kein HH! [...] nur mit Balkon und Wannenbad!“). Auch ohne eine ideologische Begründung und ohne eine Orientierung auf die „Modernisierung der Lebensweise“ (Zapf 1968) wie in den Frühphasen der Stadterneuerung haben sich innerhalb des Jahrzehnts der Stadterneuerung nicht nur bei der Ausstattung der Wohnungen, sondern auch bei den generellen Vorstellungen vom Wohnen höhere Standards etabliert und durchgesetzt.
Behutsamkeit als Leitbild und Politikmodell Das zentrale Selbstverständnis der Stadterneuerung ist die Behutsamkeit. Aus der Kreuzberger Modelldiskussion um die Behutsame Stadterneuerung entstanden, besteht der Wertekanon der Stadterneuerung auch in Ostberlin zumindest programmatisch in der Formel einer dreifachen Behutsamkeit: • Behutsamkeit gegenüber der Baustruktur – Erhalt der bestehenden Substanz und vor allem Verzicht auf Abrisse, • Behutsamkeit gegenüber der Bewohnerschaft und den Gewerbetreibenden der Sanierungsgebiete – Erhalt der Zusammensetzung der Sozialstruktur und Vermeidung von Verdrängungsprozessen, • Behutsamkeit in der Durchführung der Sanierung – Beteiligung der BewohnerInnen am Prozess der Stadterneuerung. Die Voruntersuchungen zur Festlegung der Sanierungsgebiete bestätigen, dass diese Vorstellungen von der Stadterneuerung mit den Ansichten der meisten BewohnerInnen übereinstimmten. Diese wollten mehrheitlich ausdrücklich gerne in den Altbauquartieren bleiben und wünschten sich gleichzeitig eine bessere Ausstattung (AG Spas 1992; B.f.s.S. 1992; PFE 1992; TOPOS 1992). Auch die damals bestehenden Bewohnerinitiativen begrüßten die Versprechen der Stadterneuerung. Das Modell der Behutsamkeit bot wenig Ansatzpunkte für Kritik und wurde so schnell zum zentralen Legitimationsmuster der Stadterneuerung. InsbeKauf genommen werden oder Forderungen die gestellt wurden, habe ich mir später notiert.
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sondere der Verweis auf die Situation in anderen ostdeutschen Städten (in denen rabiatere Formen der Stadterneuerung durchgeführt wurden) oder Angriffe des CDU-beteiligten Senats auf die Fördergelder der Stadterneuerung führten dazu, dass sich die meisten GebietsaktivistInnen bis Ende der 90er Jahre weitgehend mit der Idee einer Behutsamen Stadterneuerung identifizierten. Die Angst, mit der Kritik an bestimmten Auswirkungen der Stadterneuerung „das Kind mit dem Bade auszukippen“ (aus einem Interview mit einem Betroffenvertreter) prägte den vorsichtigen Politikstil zwischen dem Sanierungsregime und den kollektiven Bewohnerstrukturen. Die Übernahme der offiziellen Wertvorstellungen beruhte weniger auf einer Konditionierung des Wertehaushaltes der Betroffenen, sondern diente vielmehr der Einbindung von potentieller Kritik. Da grundsätzlicher Widerspruch sich vor allem an der Nicht-Behutsamkeit der Stadterneuerung hätte entzünden können, blieb die Debatte politisch eher zahnlos, denn auch die professionellen Akteure bekannten sich zur Behutsamkeit. Unzufriedenheiten mit der Stadterneuerung konnten sich so nie grundsätzlich artikulieren, sondern wurden als „Probleme bei der Durchsetzung eines gemeinsamen Zieles“ entpolitisiert. Aus einer politikwissenschaftlichen Perspektive stellt sich die Stadterneuerung in Ostberlin als inkrementalistisch handelndes Regime dar. Die Behutsamkeit wird dabei nicht nur zur programmatischen Legitimationsfigur, sondern zum zentralen Politikstil der Stadterneuerung (Bernt 2003: 246ff.). Die wesentlichen Merkmale für diese „behutsame Politik“ sind: • die Konsensorientierung unterhalb der programmatischen Ebene, um innerhalb des Regimes trotz gegensätzlicher Interessen eine Handlungsfähigkeit zu behalten, • die Einbindung möglichst vieler Akteure, um mögliche Konflikte zu internalisieren und somit unter Kontrolle halten zu können, • die Konzentration auf Projekte und lösbare Einzelprobleme, um Schritt für Schritt voranzukommen. Diese Politik führte zu einer thematischen Selbstbeschränkung der lokalpolitischen Diskussion auf Einzelprobleme. Statt grundsätzlicher Verfahrensfragen wurden – ganz im Sinne der Behutsamkeit – die komplexen Probleme einzelner Häuser verhandelt. So wurde beispielsweise 1996 die Initiative einer Betroffenenvertretung gegen den zunehmenden Leerstand im Gebiet in einen aufwändigen Begehungszyklus einzelner Wohnungen kanalisiert, für deren Leerstand es jeweils verschiedene Gründe gab. Die Verwaltungsprobleme einer differenzierten Realität wurden so auch zur Angelegenheit des Protestes gemacht. Einprägsam 259
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für diese Politik des Einzelfalls ist die eher als Drohung zu verstehende Ankündigung des damaligen Baustadtrates, die Akten eines umstrittenen Hauses zum nächsten Treffen mitzubringen. Dabei breitete er die Arme aus, um zu signalisieren, wie viele Aktenordner das ungefähr sein würden. Die Botschaft war deutlich – wenn der „Einzelfall“ zum Ausgangspunkt der Politik wird, bleibt keine Zeit für Grundsätzliches. Neben dieser Einzelfallorientierung ist der Politikstil der Behutsamkeit auch durch eine Personalisierung gekennzeichnet. Dahinter steht das Selbstverständnis, den einzelnen Menschen in den Gebieten mehr Beachtung zu schenken und ihn mit seinen Bedürfnissen zum Ausgangspunkt der Planungen zu machen. Eine direkte persönliche Beziehung zur Bewohnerschaft und eine hohe individuelle Identifikation der Professionellen mit der Stadterneuerung sind wesentliche Voraussetzungen für die Erfüllung dieses Anspruchs. In Konsequenz dieser Konstellation wollen aber auch die Akteure der Stadterneuerung als Menschen und nicht nur als Charaktermasken einer Sanierungspolitik wahrgenommen werden. Entsprechend schnell werten sie beispielsweise politische Kritik an der Sanierungspolitik als Angriff auf ihre Persönlichkeit und äußern offen ihre Enttäuschung, weil sie den Vorgang als Vertrauensbruch wahrnehmen. So wundert es nicht, dass auch die Lösung von politischen Differenzen eher im Bereich der persönlichen Beziehungen gesucht wird. Das Politikmodell der Behutsamkeit, wie es für das Stadterneuerungsregime in Ostberlin beschrieben werden kann, ist wesentlich durch eine Entpolitisierung geprägt Sowohl die Orientierung auf Einzelfälle als auch die Politik der persönlichen Nähe sichern die dauerhafte Einbindung von Kritik in den Konsens des Regimes. Die Stadterneuerung ist Anfang der 90er Jahre mit dem Anspruch angetreten, das Bedürfnis der Ostdeutschen nach Demokratie zu erfüllen. Faktisch hat sich mit der Stadterneuerung eine individualisierte Interessenvertretung und eine Verabschiedung von öffentlichen Debatten um Gemeinwohfragen durchgesetzt. Beide Felder prägen den Erfahrungshaushalt der Bewohnerschaft und weisen somit über das Feld der Stadterneuerung hinaus.
5.2.3 Individualisierung: Der „geheime Lehrplan“ der Sanierung Neben den sichtbaren und oft auch klar formulierten Zielen enthält jede Stadterneuerungsmaßnahme – wie fast alle sozialpolitischen Eingriffe – unsichtbare und zum Teil nicht intendierte Effekte der Disziplinierung. Stadterneuerung und Wohnungsmodernisierung beeinflussen das Leben der Betroffenen über einen längeren Zeitraum. Die damit verbundenen 260
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Verfahrensweisen haben oft existentielle Bedeutung für das künftige Wohnen der Menschen. Deshalb gibt es für die Mehrzahl von ihnen kaum Möglichkeiten, sich diesen Verfahren wirkungsvoll zu entziehen. Da sie bei der einzelnen Wohnungsmodernisierung die grundsätzliche Durchführungsweise nicht kippen oder verändern können, müssen sie sich in dem vorgegebenen Rahmen bewegen. Das Verhandlungssystem ist so gestaltet, dass es adäquates Verhalten mit Erfolg belohnt. Demzufolge können diejenigen MieterInnen für sich selbst die besten Vereinbarungen aushandeln, die den individuellen und informellen Charakter der Verhandlungssituation mit den EigentümerInnen erkennen und zugleich über die Ressourcen verfügen, sich darin erfolgreich zu bewegen (Holm 2002).
Verrechtlichung und Informalisierung der Verfahren Eine der großen Paradoxien der Stadterneuerung in Ostberlin besteht in der Gleichzeitigkeit von Verrechtlichung und Informalisierung der Verfahren. Einerseits sind die staatlichen und parastaatlichen Akteure der Stadterneuerung gezwungen, bei der Steuerung der überwiegend privaten Investitionen auf rechtliche Instrumente zurückzugreifen, da mit der zumindest relativen Reduzierung der öffentlichen Förderung das bisherige Steuermedium Geld nur noch eingeschränkt zur Verfügung steht. Andererseits können und wollen die benannten Akteure die bauliche Erneuerung der Sanierungsgebiete nicht blockieren und vermeiden deshalb eine konsequente Anwendung dieser rechtlichen Instrumente was im Extremfall Genehmigungsversagungen und Baustoppverhängungen bedeuten könnte. In der Praxis wirken deshalb die rechtlichen Auflagen durchaus wie eine Drohung und drängen die EigentümerInnen zu Modernisierungsvereinbarungen mit den BewohnerInnen. Die Sanierungsverwaltungen sehen solche Vereinbarungen als positives Mietervotum zur geplanten Modernisierung an; sie sollen im Zusammenhang mit den sozialen Sanierungszielen die Rechtssicherheit für die MieterInnen erhöhen. Akzeptiert die Mehrzahl der Mietparteien auf diesem Wege die anstehende Modernisierung – so jedenfalls die Logik der Verwaltung – sind die sozialen Sanierungsziele erfüllt, da die Modernisierung ja ganz offensichtlich nicht gegen deren Willen durchgesetzt wird. Positiver Nebeneffekt dieses Verfahrens: Spätere Klagen gegen eventuell nicht eingehaltene Auflagen werden so zum Gegenstand der privatrechtlichen Vereinbarung zwischen den EigentümerInnen und den MieterInnen und müssen nicht von den Verwaltungen durchgesetzt werden.
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Das Prinzip des positiven Mietervotums zur Genehmigung der Modernisierung wird in der Praxis unterschiedlich umgesetzt. Die Modernisierungsvereinbarungen reichen von handschriftlichen Erklärungen auf einer A4-Seite bis zu seitenlangen Vertragsunterlagen mit festgelegten Vertragsstrafen. Entsprechend verschieden fallen die vertraglich gesicherten Garantien für die MieterInnen aus. Grundlage dieser heterogenen Praxis ist das Bemühen der Verwaltung, die Zustimmung der BewohnerInnen zu den geplanten Modernisierungen im Sanierungsgebiet in das administrative Genehmigungsverfahren einzubinden. Die Verrechtlichung der Sanierungsziele im Genehmigungsverfahren soll vor allem die Positionen der MieterInnen stärken, denn ohne deren Zustimmung gibt es keine Sanierungsgenehmigung und somit keine Modernisierung. Diese scheinbar starke Stellung der MieterInnen jedoch untergräbt deren gesetzliche Stellung gegenüber modernisierungswilligen EigentümerInnen. Denn bereits im Mietrecht ist jede Modernisierung als zustimmungspflichtig festgelegt und muss spätestens drei Monate vor Beginn der geplanten Arbeiten in Form einer förmlichen Modernisierungsankündigung eingefordert werden (BGB § 554 Abs. 3 Satz 1). In diesen Ankündigungen müssen die VermieterInnen die Art der Maßnahmen, deren voraussichtlichen Umfang und Beginn, die voraussichtliche Dauer der Arbeiten und die zu erwartende Mieterhöhung detailliert ausweisen. Zumindest bis zur Neuregelung der Mietgesetzgebung 2001 waren die EigentümerInnen bei Verzögerungen des angekündigten Baubeginns und anderen Änderungen des Modernisierungsvorhabens gezwungen, erneute Modernisierungsankündigungen zu schreiben. Eine Ablehnung der geplanten Modernisierungsmaßnahme ist rechtmäßig, wenn diese für die MieterInnen und ihre Haushaltsangehörigen eine nicht zumutbare Härte darstellen würde. Darunter werden im Gesetz Modernisierungsarbeiten verstanden, • die ohne vorherige Ankündigung erfolgen, • die kurz vor einem Auszug erfolgen oder im Winter zu unzumutbaren Einschränkungen führen (Auswechseln der Fenster oder Einbau einer Heizungsanlage), • wenn Familienangehörige krank, alt, schwanger oder im Examen sind, so dass Schmutz, Lärm oder ein zeitweiser Umzug in eine andere Wohnungen unzumutbar sind, • die zu erheblichen Einschränkungen bei der Benutzung der Wohnung führen (etwa weil Bad und Toilette längere Zeit nicht benutzbar sind),
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• die vorausgegangene Aufwendungen der MieterInnen betreffen (etwa, wenn die Mietpartei Teile der Wohnung zuvor selbst modernisiert hat), • die in der Konsequenz zu einer nicht zumutbaren Miethöhe führen (die Grenze der zumutbaren Mietbelastung wird von den Gerichten bei etwa 25 bis 30 Prozent des monatlich verfügbaren Haushaltseinkommens angesetzt). Die mietrechtliche Stellung der MieterInnen in Modernisierungsverfahren ist damit auch jenseits der Sanierungsgebiete recht stark. Besonders beim notwendigen Umfang der Modernisierungsarbeiten in den schlecht ausgestatteten Sanierungsgebieten lassen sich vielfältige Ablehnungsgründe finden. Die Ablehnung einer förmlich korrekten Modernisierungsankündigung bezieht sich in der Regel auf die gesamte Maßnahme. Trotz der Möglichkeit einer Teilzustimmung (z.B. nur für den Einbau einer modernen Heizung, aber nicht für die geplanten neuen Fenster) ist der Gestaltungsspielraum gering. Im Vergleich zu dem mietrechtlich vorgesehenen Verfahren bieten die Modernisierungsvereinbarungen den BewohnerInnen einen größeren Einfluss in Ausstattungs-, Gestaltungs- und Bauausführungsfragen, lösen jedoch zugleich potentielle Auseinandersetzungen zwischen MieterInnen und EigentümerInnen aus dem rechtlich formalen Rahmen des Mietrechts. Diese Informalisierung der Verfahren führt zu einer stärkeren Abhängigkeit der Wohnungsmodernisierungen von den jeweiligen Konstellationen zwischen MieterInnen und EigentümerInnen, den individuellen Vorstellungen der beteiligten Akteure und ihrem jeweiligen Verhandlungsgeschick. Durch die Bindung der Mietervoten an den administrativen Genehmigungsprozess werden zudem alle zeitlichen Abläufe der mietrechtlich vorgesehenen Verfahren unterlaufen. Nach der Novelle des Baugesetzbuches 1998 beträgt die Bearbeitungszeit für einen Sanierungsantrag nur noch einen Monat. Wenn in diesem Zeitraum tatsächlich alle Mieterzustimmungen eingeholt werden sollen, lastet ein enormer zeitlicher Druck auf den Verhandlungen zwischen MieterInnen und EigentümerInnen. Die Modernisierungsvereinbarungen dienen damit in erster Linie einer Beschleunigung der Modernisierungsverfahren und sind wesentliches Instrument eines informalisierten Aushandlungsprozesses. Verrechtlichung und Informalisierung sind in der Sanierungspraxis kein Widerspruch, sondern bedingen sich gegenseitig. Die Verrechtlichung der sozialen Sanierungsziele in den Genehmigungsverfahren ist die Voraussetzung für die Informalisierung der Verhandlungen zwischen EigentümerInnen und MieterInnen in den zu modernisierenden Häusern. 263
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Die Verhandlungen wiederum werden in den meisten Fällen mit privatrechtlichen Vereinbarungen gesichert. Im Ergebnis werden öffentlich rechtliche Belange in verschiedenen Formen und Qualitäten privatrechtlich umgesetzt. Die gemeinhin egalisierende Wirkung von Recht wird dabei zu Gunsten einer weitergehenden Individualisierung aufgehoben.
Individualisierung und Mobilisierung personengebundener Ressourcen Die Verhandlungsorientierung bei der Durchführung von Wohnungsmodernisierungen führt – wie bereits beschrieben – zu einer Individualisierung. Letztlich muss jeder Haushalt für sich die Bedingungen der Modernisierung aushandeln. Eine Untersuchung in 24 Modernisierungshäusern (Häußermann/Holm/Zunzer 2002) zeigte nicht nur, wie verschieden die Effekte der Wohnungsmodernisierungen selbst innerhalb eines Hauses sein können. Sie verdeutlichte auch, dass nicht nur die ökonomischen Potentiale der BewohnerInnen über Auszug und Verbleib bzw. Zufriedenheit und Frust im Zusammenhang mit einer Modernisierungsmaßnahme entscheiden. Vor allem Haushalte mit sozialen und kulturellen Ressourcen haben in den Verfahren bessere Möglichkeiten, ihre Interessen durchzusetzen. Es gibt – das ist ein Ergebnis der Untersuchung – einen deutlichen Zusammenhang zwischen Bildung, sozialer Kompetenz und den Erfolgen im Modernisierungsprozess. Besonders Studierende und Leute mit Hochschulabschluss waren besser in der Lage, die Verhandlungssituation als eine solche zu erkennen und Forderungen zu formulieren. Folgende typische Aussage zeigt dies deutlich: „Der Eigentümer hatte ja zu Beginn ganz andere Vorstellungen – sein erster Vorschlag war einfach schrecklich. Aber er hat dann doch sehr schnell begriffen, dass ohne unsere Zustimmung nichts läuft.“
Vor allem ältere Haushalte und Arbeiterfamilien hingegen schilderten die Modernisierung des Hauses oft als eine Situation des Ausgeliefertseins und der Überforderung. Auch hier ein Zitat aus der Befragung: „Da kam dann der Eigentümer mit seinen Plänen und hat uns erklärt, was alles gemacht wird. [...] Ich hätte mir das anders gewünscht, aber es ging ja nicht anders.“
Auch im direkten Kontakt mit den EigentümerInnen wurden Unterschiede deutlich. Während sich einige Mietparteien voll und ganz auf die Mustervereinbarungen der Mieterberatung verließen, versuchten an-
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dere in regelrechten Verhandlungsrunden eigene Vorstellungen durchzusetzen. Insbesondere die Drohung einer Zustimmungsverweigerung, aber auch eigenständige Zuarbeiten erwiesen sich dabei von Vorteil. Voraussetzung für den Erfolg waren neben einer allgemeinen Kommunikationsfähigkeit auch fachliche Fertigkeiten. Zum Teil brachten die MieterInnen maßstabsgerechte Grundrisslösungen in die Verhandlungen mit oder sie formulierten selbständig komplizierte Vertragsergänzungen. Andere wiederum konsultierten Anwälte und Architekten aus dem Bekanntenkreis. Damit ist ein zusätzlicher Vorteil für die Durchsetzung eigener Interessen benannt: die Verfügbarkeit von Netzwerken. Ein weiterer Unterschied innerhalb der Bewohnerschaft bestand in der Fähigkeit, Beratungs- und Unterstützungsangebote zu erkennen und zu nutzen. Nicht nur der finanzielle Background, sondern auch Einschätzungsvermögen, Kommunikationsfähigkeit, fachliches Wissen oder die Möglichkeit, sich solches schnell anzueignen, und das Vorhandensein von kleinen, schnell mobilisierbaren Netzwerken – kurz die Summe der kulturellen und sozialen Ressourcen – spielen eine entscheidende Rolle dabei, wer in Wohnungsmodernisierungen seine Interessen durchsetzen kann und wer nicht. Die Partizipation, in ihrem Wortsinn verstanden, ist als Prozess des Teil-Habens an der Stadterneuerung recht ungleich verteilt. Die Individualisierung der Beteiligung auf der Ebene der Wohnungsmodernisierungen wirft die MieterInnen auf ihre eigenen Ressourcen zurück und ist ein hoch selektiver Prozess.
5.2.4 Sanierungpolitik als neoliberale Konditionierung Die wesentlichen gesellschaftlichen Disziplinierungs- und Machteffekte der Stadterneuerung in Ostberlin seien hier noch einmal in Kürze skizziert. Sie lassen sich bezüglich der Akteursebene, der Wertvorstellungen, die mit der Stadterneuerung vermittelt werden und der direkt verfahrensabhängigen Wirkungen unterscheiden. Bezogen auf die Beteiligung der Akteure lassen sich zwei wesentliche Tendenzen erkennen: Zum einen sind die privaten und parastaatlichen Akteure weitgehend als sozial- und wohnungspolitische Instanzen und zentrale Gebietsbeauftragte akzeptiert; zum anderen gibt es eine zunehmende Desillusionierung gegenüber kollektiven Interessenvertretungen. Hinsichtlich der Wertvorstellungen, die mit der Stadterneuerung transportiert werden und weitgehend von der Bewohnerschaft übernommen wurden, lässt sich Folgendes konstatieren: Die Notwendigkeit von Modernisierungsarbeiten wird ebenso akzeptiert wie die Orientierung an modernen Ausstattungsniveaus. Daneben hat sich – vor allem 265
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für die Stadtteilinitiativen in den Gebieten – das Schlagwort der Behutsamkeit als Leitbild und Politikstil durchgesetzt. Insbesondere die auf Konsens orientierten und aus Personalisierungsstrategien bestehenden Politikformen in den Sanierungsgebieten haben zu einer weitgehenden Entpolitisierung und zur faktischen Unangreifbarkeit der parastaatlichen Akteure geführt. Der „geheime Lehrplan“ der Modernisierungsverfahren schließlich zwang die Bewohnerschaft von Modernisierungshäusern – so sie nicht mit Beginn des Verfahrens weggezogen waren – dazu, sich auf das informelle Feld von Verhandlungen mit den EigentümerInnen zu begeben. Dort sahen sie sich weitgehend auf sich allein gestellt. Beide Bedingungen – die Informalisierung ebenso wie die Individualisierung – wirken als Zwang zur Eigenverantwortlichkeit. Wer ihm nicht folgt, muss mit hoher Wahrscheinlichkeit einen Misserfolg hinnehmen. Die Sache bringt es mit sich, dass dies dann allgemein als persönliche Niederlage erscheint. Diese Logik ist weit verinnerlicht, so dass auch nach einem sehr unglücklichen Verlauf der Modernisierung die unzufriedenen MieterInnen vor allem eigene Fehler konstatierten, anstatt das System der Stadterneuerung oder einzelne Aspekte in Frage zu stellen. In allen drei Ebenen unterscheiden sich die gesellschaftlichen Effekte von denen der Behutsamen Stadterneuerungsmodelle in Kreuzberg. Dort führten die sozialen Unruhen der Hausbesetzerbewegung und der desaströse Stand der Flächensanierung dazu, die kollektiven Vertretungen der Gebietsbewohnerschaft bewusst in die Akteurskonstellationen einzubeziehen. Nur so war es möglich, der Stadterneuerung eine lokalpolitische Legitimität zu sichern. Auf diese Einbeziehung kollektiver Vertretungen wurde in Ostberlin weitgehend verzichtet. Stattdessen wurden nicht nur die Programme, sondern auch die entscheidenden Akteure als Erfolgsmodell in den Osten „rübergeklappt“ (Bernt 2003). Anders als noch in Kreuzberg drückt die Losung der Behutsamkeit nicht mehr ein pragmatisches Bekenntnis und einen politischen Konsens aller Beteiligten aus, sondern wird mehr und mehr zu einem ideologischen Bindemittel des Sanierungsregimes (ebenda: 253). Entsprechend widersprüchlich sind dann auch die nahezu flächendeckenden Standardverbesserung und die folgenden drastischen sozialen Veränderungen im Vergleich zu den programmatischen Versprechen der Stadterneuerung. Die Orientierung an der Form und den Institutionen der Behutsamen Stadterneuerung und das Festhalten an den Leitlinien scheinen in Ostberlin wichtiger zu sein als die faktischen Ergebnisse einer behutsamen Erneuerung. Darin einordnen lässt sich z.B. der Orientierungswechsel auf umfassende Modernisierungsmaßnahmen, ohne in Konflikt mit den eigenen Wertmaßstäben zu geraten. Behutsamkeit in Ostberlin steht eher für einen wohlklin266
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genden Markennamen, eine erfolgreiche Akteurskonstellation und ein sozial engagiertes Image als für die tatsächliche Erneuerungspraxis. Ebenfalls im deutlichen Unterschied zu dem Kreuzberger Modell der Behutsamkeit zeigt sich die Stellung der einzelnen MieterInnen: Klagten die wenigen kritischen Stimmen in Kreuzberg vor allem über eine Überbetreuung und Pädagogisierung der Nachbarschaft durch die verschiedenen Intermediären (die mit einer weitgehenden Handlungs- und Entscheidungskompetenz bis hin zu Baudurchführungs- und Gestaltungsfragen ausgestattet waren), so stehen die MieterInnen in Ostberlin relativ allein gelassen den jeweiligen EigentümerInnen gegenüber. Die Aushandlungen der Wohnungsmodernisierungen zeigen, dass die Ökonomisierung und Privatisierung der Stadterneuerung mit einem spürbaren Rückzug staatlicher und parastaatlicher Akteure einhergehen. Statt sich im Netz der „wohlmeinenden Experten“ (Hohmuth 1984b: 47) zu verfangen, stehen die Ostberliner MieterInnen in den Sanierungsgebieten einer gewinnorientierten Eigentümerschaft gegenüber. Der gesellschaftlicher Disziplinierungseffekt der Stadterneuerung besteht in erster Linie darin, ein für den Rückzug des aktiven Staates aus den Sanierungsgebieten und die Ökonomisierung der Stadterneuerung adäquaten Modus der Durchführung gefunden zu haben. Insbesondere die Verfahrensweisen der Wohnungsmodernisierungen aber auch die beschränkten Beteiligungsmöglichkeiten beschränken eine politische Diskussion um die wohnungspolitischen Einschnitte und sozialen Folgen der Stadterneuerung. Mit der Individualisierung der Beteilgung hingegen hat die Stadterneuerung ein Modell der Interessenvertretung etabliert, deren Kern mit den Wettbewerbsprinzipien der Ökonomie korrespondiert.
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Ordnungs- und Sicherheitspolitik in der Stadterneuerung
Neben den sozialräumlichen Folgen und individuellen Effekten hatte Stadterneuerung historisch auch immer ordnungs- und sicherheitspolitische Dimensionen. Ob sich diese Muster in der Stadterneuerung der 90er Jahre in Ostberlin wieder finden lassen, wird in den nächsten Abschnitten untersucht. Unterscheidbare Motive und Strategien sollen dabei zunächst den Blick für den Gegenstand schärfen und die Analyse strukturieren. Grundsätzlich können folgende ordnungspolische Elemente unterschieden werden (ausführlicher Kapitel 2): Polizeitaktische Sanierungen: Es erfolgten Eingriffe in die räumliche Gestaltung der Städte, um günstigere Ausgangsbedingungen für das po267
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lizeiliche Agieren in den Stadtvierteln zu erlangen. Dieses Ziel ist nicht im Gesamtkonzept der Ostberliner Erneuerung verankert, obwohl „Sicherheit“ zu einem festen Narrativ der aktuellen stadtpolitischen Diskussion geworden ist. Lediglich bei einzelnen Projekten und für kleinere Sozialräume lassen sich Raumgestaltungen finden, bei denen die Stadterneuerung zum Instrument einer direkten Ordnungspolitik wird (Helmholtzplatz23, Mauerpark24). Präventive Sanierungen: Erneuerungsmaßnahmen dienten letztlich auch dazu, unübersichtliche Situationen in den Städten zu ordnen und unkontrollierte Wohnstrukturen zu verhindern. Sie sind in der Stadterneuerung der 90er Jahre eher eine indirekte Folge: Dachböden oder Befestigungen in den Höfen verschwinden. Schließanlagen in Haustüren werden zur Norm. Das schränkt unkontrollierte Bewegungen und illegale Nutzungen ein. Revanchistische Sanierungen: In Wohngebieten mit politisch unbeliebter Bevölkerung zielten die Sanierungsarbeiten direkt auf die Auflösung der bestehenden Sozialstrukturen in den Quartieren. Zerstörung alter Nachbarschaftsstrukturen ist der Effekt einer jeden Stadterneuerung – aber im untersuchten Fall keinesfalls intendiertes Ziel, sondern ungewünschter, aber absehbarer und nicht verhinderter Nebeneffekt. Als politische Komponente der Bevölkerungsveränderung lässt sich der weitgehende Austausch einer kritischen Ostklientel gegen ein aufstiegsorientiertes Ost/Westmilieu interpretieren25. 23 Ausführliche Beschreibungen zu den Ordnungsstrategien und Sicherheitsdiskursen am Helmholtzplatz sind im Abschnitt 5.3.2 zu finden. 24 Der Mauerpark ist eine große und vor allem bei Jugendlichen beliebte Grünfläche auf dem Gebiet der ehemaligen Grenzanlagen zwischen Prenzlauer Berg und Wedding. In den vergangenen Jahren ist es dort wiederholt zu strassenschlachtähnlichen Konfrontationen zwischen den Jugendlichen und der Polizei gekommen. Die Hanglage des Parks ermöglichte es den Jugendlichen, die Polizei aus einer taktisch günstigen Position (von oben) zu attackieren. Als Gegenmaßnahme wurde in der letzten Zeit zu neuralgischen Daten (wie zum 1. Mai) einzelne Teile des Platzes mit Absperrbändern und lockeren Polizeiketten noch vor Beginn der Auseinandersetzungen faktisch gesperrt. Um diesen taktischen Vorteil dauerhaft auszubauen, wurde an dem umstrittenen Hang inzwischen eine massive – vorgeblich zum Hundeauslauf dienliche – Zaun- und Sperranlage errichtet. 25 Prenzlauer Berg war Anfang der 90er Jahre nicht nur eine Hochburg oppositioneller Strömungen in der Wende, sondern auch Heimat eines ostdeutschen Selbstbewusstseins. Mehrere explizit ostdeutsche Zeitschriften mit politischer und kulturpolitischer Ausrichtung (telegraph, Gegener, Sklaven (bzw. Sklavenaufstand) hatten hier ihren Sitz. Einige politische Initiativen wie die WBA-Bewegung Anfang der 90er oder die „Tage der Abrechnung“ zum 3. Oktober organisierten sich im Wesentlichen im Umfeld des lokalen Ostmilieus. Trotz einer vielfach oppositionellen Haltung
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Im Gegensatz zu früheren Sanierungen lassen sich die sicherheitsund ordnungspolitischen Dimensionen der Stadterneuerung in Prenzlauer Berg lediglich als Subkontexte beschreiben. Sie fanden weder Eingang in die Strategiepapiere noch in die Erfolgsbroschüren der Stadterneuerung in Ostberlin. Auf der Ebene der öffentlichen Darstellungen spielt dieser Aspekt keine Rolle. Zudem verläuft die Umstrukturierung eines ganzen Stadtteils so langsam, „dass sie in der individuellen Perspektive kaum als zusammenhängender und von langer Hand geplanter Prozess erscheinen kann“ (Lesemann 1982: 17). Aus diesem Grunde ist es auch schwierig, eine umfassende Darstellung der ordnungspolitischen Motive und Effekte für die Sanierungsgebiete zu geben. Bei einer Analyse kommt es darauf an, die oft verdeckten und blassen Spuren der meist nicht bewusst herbeigeführten oder intendierten Effekte zu ergründen. Neben den mit der Sanierung einher gehenden baulichen Sicherungsmaßnahmen einzelner Häuser lassen sich versteckte und offene Sicherheitsstrategien bei der kleinräumigen Gestaltung der öffentlichen Räume und der Veränderung der Gewerbe- und Nutzungsstruktur finden. Die Ergebnisse der baulichen Maßnahmen sind relativ offen sichtbar. Anders ist das bei den Strategien des öffentlichen Raumes. Um sie aufzudecken, muss der Prozess der Sanierung untersucht werden, denn Ordnungspolitik zeigt sich oft nicht nur in den Ergebnissen der baulichen oder landschaftsplanerischen Gestaltung, sondern vermittelt sich über die Methoden und Praktiken der Umgestaltung selbst.
zur DDR war dieses Umfeld bis Ende der 90er Jahre auch ein Garant für hohe Wähleranteile der PDS. Erst mit dem zunehmende Zuzug von westdeutschen BewohnerInnen – denen die PDS nur wenig Identifikationsmöglichkeiten bot – verringerten sich die Anteile der PDS zugunsten der Grünen. Im Berliner Wahlspiegel war die PDS die einzig ausgeprägte Ostpartei, während die Partei der Grünen sich als deutliche Westpartei darstellte (Häußermann/Kapphan 2000: 243). Wählerwanderungen von PDS zu Grünen in Prenzlauer Berg sind also nicht nur Ausdruck politischer Verschiebungen, sondern auch Ergebnis eines demografischen Wandels. Ohne die innerparteilichen und programmatischen Schwächen der Partei herunter zu reden: Dass die PDS bei der Bundestagswahl 1998 das wahltaktisch wichtige dritte Direktmandat und somit den Wiedereinzug in den Bundestag verpasste, ist auch ein Resultat der Stadterneuerung in Prenzlauer Berg.
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5.3.1 Schön, neu und sicher Ein wesentlicher Aspekt von Sicherheit ist immer auch der Ausschluss von Risiken und Unwegsamkeiten26. Ein Beispiel: Die Restitution und die damit verbundenen Verkäufe führten zu einer neuen Hofnutzung. Bisher große Flächen wurden entsprechend dem neu entstandenen Eigentum parzelliert. Viele Höfe, die vorher gemeinsam von der Bewohnerschaft mehrerer Häuser genutzt wurden, haben nun Zäune und Mauern. Begründet wurden diese kleinteiligen Grenzziehungen mit Gewährleistungspflichten bei Reinigung und mit der Beseitigung von Unfallgefahren27. Allerdings kamen sie auch zustande, weil die Bauarbeiten nicht gleichzeitig stattfanden und die Abgrenzungen Bestandteil der Bausicherungen waren. Dennoch: Die Erneuerung der Höfe ging häufig mit der Zerstörung jahrelang gewachsener Nutzungsstrukturen einher. Oft hatten die Nachbarschaften mit einfachen Mitteln, aber viel Einsatz dafür gearbeitet. So wurden in einem sehr großen Hof zwischen den Hinterhäusern mehrere Straßen einige Ziegen und Hühner gehalten, die nicht nur für die Kinder des Blocks eine beliebte Attraktion darstellten. Dieser kleine Streichelzoo musste mit dem Beginn der Baumaßnahmen an den Fassaden und der grundstücksgenauen Abgrenzung der Höfe verschwinden. In einem anderen Fall, hatten sich die Mietparteien auf dem Hof aus Baumstämmen und großen Brettern eine rustikale und wetterbeständige Sitzecke geschaffen, die im Sommer als gemeinsamer Grillplatz diente. Im Zuge der Sanierung wurden die mühevoll angefahrenen und gestalteten Holzbänke als Sperrmüll abtransportiert. Die jetzt auf dem sterilen Hof aufgestellte Bank bietet der überwiegend neuen Bewohnerschaft kaum Anreiz, sich dort in geselliger Runde aufzuhalten. Vor allem in den schluchtartigen Höfen, die zwischen den Hinterhäusern innerhalb eines Blocks liegen, verbesserten etliche Erdgeschossbewohner die Qualität ihrer zumeist dunklen Wohnungen mit selbst gebauten Terrassen. Auch diese meist von den Fenstern der Wohnung begehbaren Vorbauten verschwanden mit den Modernisierungsarbeiten. In einem Komplex von mehreren besetzten Häusern im Sanierungsgebiet 26 Zygmunt Baumann verweist auf drei englischen Entsprechungen des deutschen Sicherheitsbegriffs: safety, die Abwesenheit von existentiell bedrohlichen Risiken; certainty, die Erwartungsgewissheit und schließlich security, die Garantie der Unverletzlichkeit von Körper und Eigentum (Baumann 1998: 15). 27 EigentümerInnen bestätigten mir mehrfach, welchen Aufwand eine gemeinsame Hofnutzung bedeuten würde. Zur rechtlichen Absicherung einer grundstücksübergreifenden Nutzung und zur Finanzierung der notwendigen Erhaltungsarbeiten und der Ausgabe von Gestaltungsmitteln sind regelrechte Verträge notwendig.
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Helmholtzplatz gab es auf dem Hof sogar eine regelrechte Bühne (begehbar vom 1. Obergeschoß und über eine außen liegende Treppe) aus Holz, auf der Rock- und Punkkonzerte stattfanden. Andere Höfe wurden Anfang der 90er Jahre mit einfachen Gartenmöbeln ausgestattet; in Kellerräumen eröffneten illegale Kneipen und Clubs. Dass auch diese nach der Klärung der Eigentumsverhältnisse und mit den beginnenden Sanierungsarbeiten verschwanden, versteht sich von selbst. Die Beispiele zeigen, wie sich mit der Erneuerung und der damit einher gehenden Parzellierung und Gestaltung der Höfe der Spielraum für unerlaubte Aneignungsweisen einschränkt. Gerade in den dicht bebauten Sanierungsgebieten war die Nutzung der Höfe nahezu unkontrollierbar, wenn der Konsens der direkten Nachbarschaft nicht verletzt wurde. Mit der Aufteilung und Erneuerung der Häuser und Höfe verschwinden diese eigentumsähnlichen Nutzungsformen der Bewohnerschaft28, die sich trotz ihrer verallgemeinerten Normalität oft an der Grenze des Erlaubten bewegten. Neben der fehlenden Gelegenheit (z.B. durch die kleinteilige Abtrennung der Höfe) spielt auch ein Art Respekt gegenüber der neu geschaffenen oder modernisierten Substanz eine Rolle, die eigenmächtige bauliche Veränderungen hemmt29. In Kombination mit den fast flächendeckend eingebauten Tür- und Schließanlagen macht die Grenzziehung zwischen den Höfen eine Durchquerung der Blöcke fast völlig unmöglich. Anfang der 90er Jahre waren fast alle Häuser offen und durch eine einfache Klinke zugänglich. Nur wenige (meist kleinere) Hausgemeinschaften setzten mit Aufforderungsschildern ein Abschließen in den Abendstunden durch. Im Zuge von umfassenden Modernisierungsarbeiten oder auch als Bagatellmodernisierung durchgeführt, erhielten inzwischen fast alle Wohnhäuser eine Schließ- und Gegensprechanlage30. In vielen Fällen haben die Hof28 Die Abgrenzungen der Höfe mit Zäunen werden von einigen BewohnerInnen auch direkt als Ordnungspolitik wahrgenommen und kritisiert. So zitierte die „tageszeitung“ einen Mieter, der sich über einen neuen Zaun auf seinem Hof ärgert folgendermaßen: die WIP wolle mit ihrem „Ordnungswahn [...] die nachbarschaftliche Gemeinschaft zerschlagen“ um die „hochherrschaftliche Kontrolle“ über den Innenhof zu übernehmen (Heiser 2003: 24). 29 Weniger auf die Nutzung der Höfe bezogen haben etliche MieterInnen von frisch sanierten Häusern berichtet, welche Schwierigkeiten sie empfinden, in die frisch verputzte und tapezierte Wand Dübel und Schrauben zu verankern. Insbesondere BewohnerInnen, die zuvor jahrelang ihr Wohnen mit einem hohen Selbstbauaufwand in Substandardwohnungen gestalteten, fühlten sich von der Qualität der neu bezogenen Wohnungen regelrecht eingeschüchtert. 30 Ich führe seit Jahren Stadtführungen durch die Sanierungsgebiete von Prenzlauer Berg durch und weiß, wie schwierig es geworden ist, die Struk-
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türen von außen keine Klinken und sind nur mit einem Schlüssel zu öffnen. Das unkontrollierte und unerkannte Bewegen im Blockinnenbereich ist damit ebenso ausgeschlossen wie das unerwartete Auftauchen. Zumindest aus polizeilicher Perspektive ermöglicht dieser, auf die Straße beschränkte Bewegungsraum eine bessere Kontrolle und Übersicht31. Ein weiterer Effekt der Sanierungsarbeiten in den Altbauquartieren sind verschlossene Dachböden und ausgebaute Dachgeschosse, die den vormals freien Zugang zu vielen Dächern im Gebiet versperren. Noch bis Mitte der 90er Jahre waren die flachen Dächer der Gründerzeithäuser beliebte Treffpunkte für viele, die den Blick über weite Teile der Stadt genießen wollten oder einfach nur jenseits von Straßenlärm und Häuserschatten etwas Ruhe suchten. Durch die weitgehend geschlossenen Blockstrukturen in den Gebieten waren zum Teil sogar ausgedehnte Wanderungen über die Dächer möglich. Im Zuge der Sanierung wurden jedoch die Zugänge zu den Dächern in der Regel verschlossen. Die neu entstandenen Dachgeschosswohnungen schränken die vorher möglichen Wege auf den Dachflächen deutlich ein und wurden in Einzelfällen sogar mit regelrechten Zaunanlagen gesichert32. Insgesamt ist die Sicherheitsarchitektur in Prenzlauer Berg weitgehend diskret und unscheinbar – jedoch auch wirkungsvoll. Die von den BewohnerInnen selbstverständlich genutzten und gestalteten Flächen beschränken sich zunehmend auf die eigenen Wohnungen. Die meist steril gestalteten Höfe und die zunehmend kommerzialisierten Nutzungen der Straßen lassen wenig Raum für spontane und selbstorganisierte Strategien der Raumaneignung, die noch vor wenigen Jahren die Lebensqualität der Altbaugebiete prägten (Baumert 1993: 87ff.).
tur der Hinterhäuser und Höfe an einem konkreten Beispiel zu demonstrieren. Zumindest aus der Sicht des stadtinteressierten Flaneurs und Streichers hat Prenzlauer Berg in den letzten zehn Jahren viel von seinem offenen Charakter eingebüßt. 31 Mitte der 90er Jahre verteilte die Polizei vor den befürchteten Krawallen zum 1. Mai Aushänge in den Häusern, die zum Zuschließen der Türen aufforderten, um eventuellen Randalierern keine Rückzugsräume vor den polizeilichen Maßnahme zu geben. 32 An einigen Stellen in den Gebieten sind diese meist zwei Meter hohen und zum Teil mit Stacheldraht versehenen Zäune zu erkennen. In der Regel sind die Anlagen so angebracht, dass große Teile der Dachfläche nicht mehr von außen betreten werden können. An einer sehr prominenten und gut sichtbaren Stelle wurden (ob aus Jux oder Protesthaltung heraus) Kleidungsstücke in den Zaun gehängt, so dass die Sicherheitsanlage auf dem Dach weithin sichtbar an eine menschenverachtende Grenzanlage erinnerte.
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5.3.2 Helmholtzplatz: Behutsame Verdrängung und flexible Ausgrenzung33 5.3.3
Die sicherheits- und ordnungspolitischen Aspekte der Stadterneuerung manifestieren sich in erster Linie in den baulichen Formen und bei der Gestaltung der räumlichen Umgebung. Das betrifft nicht nur den Wohnungsbestand, sondern mehr noch die Restrukturierungen des öffentlichen Raumes. In den internationalen Debatten um Stadtentwicklungsprozesse finden sich immer wieder Hinweise auf den Zusammenhang von Raumgestaltung und Machtausübung. Mike Davis beschreibt für Los Angeles das „hässliche Gesicht der Postmoderne“, indem Stadtplanung, Architektur und Polizeiapparat tendenziell zu einer „umfassenden Sicherheitsmobilisierung“ verschmelzen. Stadterneuerung unter dem Sicherheitsnarrativ der Stadtplanung bedeutet dabei vor allem counterurbanization und counterinsurgency. Das Verschwinden von öffentlich zugänglichen Räumen für alle und die architektonisch-gestalterische Ausgrenzung bestimmter (als gefährlich angesehen oder störend empfundenen) Gruppen steht dabei nicht im Widerspruch zu einer postmodernistischen Propaganda der Urbanität (Davis 1994: 260ff.). Ein prominentes Beispiel für den Zusammenhang von Gentrification und Vertreibung von Obdachlosen und anderen Gruppen stellt der Tompkins Square Park in der Lower East Side von New York dar (Smith 1992, Abu-Lughod 1994). Die Parkanlagen dieses Aufwertungsgebietes nutzten bis Ende der 80er Jahre viele Trinker, Obdachlose und Jugendliche. Eine von der Stadtverwaltung verhängte nächtliche Ausgangssperre sollte das Viertel von den störend empfundenen Gruppen befreien, löste jedoch zunächst massive und militant vorgetragene Proteste von GentrificationgegnerInnen aus. Auch in diesem konkreten Beispiel geht ein urbanistischer Diskurs der Aufwertung mit dem Verschwinden einer städtischen Offenheit und Toleranz einher. Neil Smith ordnet deshalb Gentrificationprozesse in ein revanchistisches Konzept der Stadtpolitik ein, in deren Folge sich nicht nur alte Ungleichheiten neu manifestieren, sondern erkämpfte Positionen von Armen und Ausgegrenzten durch das wiederauferstandene städtische Bürgertum bewusst einem Rollback unterzogen werden (Smith 1996).
33 Der Abschnitt zur Gestaltung des Helmholtzplatzes geht in großen Teilen auf drei Texte bzw. Textabschnitte zurück, die ich in den vergangenen Jahren für einen Tagungsband und eine Mieterzeitschrift in Berlin geschrieben habe (Holm 1999; 2001a; 2001b). Alle dort verwendeten fremden Quellen sind gekennzeichnet. Die meisten Aspekte wurde sprachlich überarbeitet und den aktuellen Entwicklungen entsprechend ergänzt.
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Wie sich in diesen Studien und Beschreibungen zeigt, sind architektonisch bauliche und gestalterische Ausgrenzungsstrategien und -effekte oft diskret und lassen sich nur in detaillierten Fallanalysen heraus arbeiten. Für die Stadterneuerung in Ostberlin stellt die Gestaltung des Helmholtzplatzes das vielleicht am besten dokumentierte Beispiel einer kleinräumigen Sicherheitsstrategie im Kontext der Stadterneuerung dar34. Die mehrfach verschobene Sanierung des Platzes, der Ende der 90er Jahre immer öfter mit seinen Trinkern, Punks und Obdachlosen in die Schlagzeilen der Lokalpresse geriet, war ein lokales Politikum. Vor allem Stadtteilinitiativen befürchteten, dass mit der Restrukturierung des Platzes eine Verdrängung dieser gesellschaftlichen Randgruppen einher gehen würde. Für die Betrachtung der Ordnungspolitik werden im Folgenden die unterschiedlichen Strategien vor, während und nach der Restrukturierung des Platzes beschrieben.
Ein Problemgebiet entsteht: Desinvestition und Verwahrlosungsdiskurse Der Helmholtzplatz ist mit 0,95 ha die einzige größere Freifläche im gesamten Sanierungsgebiet mit ca. 18.000 EinwohnerInnen. Die Anlage war bis Ende der 90er Jahre in einem heruntergekommenen Zustand. Große Flächen waren mit Beton versiegelt, der Sportplatz ramponiert, deshalb nutzten nur wenige Menschen den Platz regelmäßig. Gerade in den dicht besiedelten Altbauquartieren gilt und galt die Verbesserung von Grünanlagen und Spiel- und Freizeitmöglichkeiten als wichtiges Sanierungsziel. Ein Mitarbeiter des Sanierungsbeauftragten benannte damals die Defizite der bis dahin erfolgten Arbeit: „Bei der Gestaltung des öffentlichen Raums und der Neuanlage von Grün- und Spielflächen konnte seit 1991 [...] nur ein geringer Teil der erforderlichen Maßnahmen umgesetzt werden“ (Lochner 1997:15).
Dabei wurde bereits 1993 – damals noch im Zusammenhang mit der Olympiabewerbung Berlins – ein landschaftsplanerischer Wettbewerb zur Neugestaltung des Platzes durchgeführt. Mit öffentlichen Geldern sollte ein Investitionsplan für 5,4 Mio. DM realisiert werden. Die Mittel waren seit 1996 in den Haushaltsplänen des Senats vorgesehen. Doch
34 Neben einigen Artikeln in Berliner Lokalzeitungen (Junge 2001, Rada 2002; Seidler 2001; Strauß 2001; 2002,) und dem „MieterEcho“ (Zeitschrift der Berliner Mietergemeinschaft) (Holm 2001a; 2001b) kann auf eine an der Humboldt-Universität entstandenen Diplomarbeit (Schulz zur Wiesch 2001) zurückgegriffen werden.
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Jahr um Jahr wurden die notwendigen Investitionen wegen der angespannten Lage der Landeskasse verschoben. Paradoxerweise blockierte der festgelegte Bebauungsplan gleichzeitig alle kleinteiligen Initiativen auf dem Platz. Bereits vor dem offiziellen Wettbewerb um die Neugestaltung hatten engagierte Anwohner eigene Pläne für die Verbesserung der Anlage entworfen. Ihre Ideen mussten jedoch den professionellen Arbeiten der Wettbewerbssieger weichen und wurden auch in den folgenden Jahren immer wieder mit dem Verweis auf eine eventuelle Investition im kommenden Jahr abgewiesen. Dieses jahrelange Verschieben von dringend notwendigen Investitionen und die Blockade von Bewohnerinitiativen verschlechterten den Zustand des Platzes im Laufe der Jahre. Eine Konsequenz dieser Situation war die verstärkte Aneignung des Platzes durch bestimmte „Randgruppen“ (Obdachlose, Trinker35, Treberkids, Punker). Das Gebiet um den Helmholtzplatz hatte seit langer Zeit das Image eines Arbeiterviertels und Schmuddelkiezes36, zugleich existierten hier noch historisch gewachsene Netzwerke und Nischen, während diese Gruppen aus umliegenden Gebieten und von anderen öffentlichen Plätzen schon verdrängt wurden. So reagierten junge HausbesetzerInnen zum Jahreswechsel 1996/97 mit der öffentlichen Besetzung des Platzes auf die polizeiliche Räumung ihres Hauses in unmittelbarer Platznähe. Um politischen Druck auf den Bezirk auszuüben, campierten sie trotz winterlicher Temperaturen mit einfachen Zelten, Schlafsäcken und Decken auf dem Platz. Bei der mehrwöchigen Aktion erhielten sie nicht nur Unterstützung von der Betroffenenvertretung, einer nahe gelegenen Kirchgemeinde und einigen AnwohnerInnen, sondern wurden auch zu einem Treffpunkt für junge Punks aus der Umgebung, die sich der Gruppe zumindest auf Zeit anschlossen. Ohne eine tatsächliche Nutzungskonkurrenz mit anderen – die den Platz im momentanen Zustand ja nicht annahmen – bestimmten sie schon bald das Bild auf dem Platz:
35 Ich benutze an dieser Stelle die männliche Form, da die die Gruppe fast ausschließlich aus Männern besteht. 36 Bereits vor 100 Jahren war der Helmholtzplatz Zeichen für die Verelendung im Gebiet. Kurzzeitig als Standort für einen riesigen Ziegelofen für die Miethausbebauung des „Deutsch-Hollaendischen Actien-BauVereins“ genutzt, war der Platz später jahrelang eine zugeschüttete Ruinenlandschaft und Schlafstelle für Obdachlose. Während der NaziDiktatur war die Gegend als „Rotes Arbeiterviertel“ verschrien. Zu DDRZeiten behielt der Helmholtzplatz das Image eines Schmuddelkiezes: Die auf die Stichstraßen Lychener, Schliemann, Duncker bezogene Bezeichnung LSD-Viertel zielte eher auf einen Vergleich mit dem schlechten Ruf von Ghettos in kapitalistischen Großstädten, als dass sie einen tatsächlichen Drogenhandel und -gebrauch im Gebiet reflektierte.
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Punks, Hunde und Trinker nutzen vor allem die überdachte Flächen, die betonierten Umrandungen der Grünflächen und die wenigen Bänke für tägliche Treffs und teilweise zum Schlafen. Neu an dieser Situation war nicht der Fakt, dass Randgruppen den Platz nutzten, sondern, dass sie es zunehmend allein taten. Als eine Reaktion auf diese, auch administrativ verschuldete, Nutzung des Platzes änderte sich die öffentliche Wahrnehmung. Statt des früheren Desinteresses gegenüber dem Platz wurden ab Sommer 1998 soziale Verelendungstendenzen im Gebiet direkt mit dem Helmholtzplatz in Verbindung gebracht. Eine Auswertung von Zeitungsartikeln37, die sich auf das Gebiet um den Helmholtzplatz beziehen, zeigt ab 1998 einen rasanten Perspektivwechsel der Berichterstattung: Bis dahin dominierten Berichte über das Sanierungsgeschehen und lokalpolitische Ereignisse im Gebiet die Berichterstattung. Der Helmholtzplatz selbst blieb mit weniger als einem Drittel der Beiträge ein untergeordnetes Thema. Nach 1998 steht in deutlich mehr als der Hälfte aller Artikel zum Gebiet der Platz im Mittelpunkt der Berichterstattung. In etlichen Zeitungen erschienen Reportagen über die Obdachlosen, die Punks und die betroffene Anwohnerschaft. Ein Toter aus dem Milieu der Platznutzenden füllt über mehrere Wochen als „Leiche im Rollstuhl“ die Schlagzeilen in mehreren Lokalzeitungen. Die Stilisierung des Helmholtzplatzes zur „Ostbronx“ im Magazin der „Berliner Zeitung“ (Osang 1999)38 tat ein Übriges, um den Ruf des Platzes und des Viertels festzu37 Aus den Archiven der „Berliner Zeitung“ und des „Berliner Kuriers“ habe ich für den Zeitraum von Januar 1995 bis Dezember 2002 alle Artikel mit dem Stichwort „Helmholtzplatz“ gesammelt und ausgewertet. Für die Auswahl dieser beiden Zeitungen sprachen neben dem relativ breiten Medienspektrum (von seriös bis Boulevard), deren Orientierung auf Lokalberichterstattung und die hervorragende Zugänglichkeit der Archive. In die engere Auswahl wurden nur Beiträge aufgenommen, die sich schwerpunktmäßig auf das Gebiet bezogen und keine ausschließlichen Veranstaltungs- oder Kneipenbesprechungen waren. Die so herausgefilterten 111 Artikel habe ich zunächst nach ihren Hauptthemen bestimmt. Aus einer Liste von über 20 einzelnen Themen konnte ich ohne Resudien alle Beiträge in die drei Kategorien (Sanierungsgeschehen, Lokalberichterstattung Gebiet und Helmholtzplatz) einordnen. Eine jahresweise erfolgte Zuordnung in die Kategorien und eine Zählung der Beiträge ergab einen ersten Überblick über die jeweilige Perspektive der Berichterstattung. 38 Im Mittelpunkt der Geschichte steht ein fiktiver Bundestagsabgeordneter, den es gegen seinen Willen an den Helmholtzplatz verschlagen hat. Seine erste Nacht in der neuen Wohnung ist von Angstphantasien gezeichnet, in der so gut wie alle Klischees des Helmholtzplatzes vorkommen: „Er wippte, er sah an seinen spiegelnden Gläsern vorbei auf diesen Helmholtzplatz. Er war dunkel. Schwarz. Ein Loch. Ein Maul. Nicht witzig, wie der Makler gesagt hatte. Spannend vielleicht. Je nachdem, was man unter spannend
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schreiben. Der „Helmi“ wurde zum öffentlichen Thema, und auch die Administration sah nun Handlungsbedarf. Die Einschätzung, der Helmholtzplatz werde „den an ihn gerichteten Anforderungen als zentraler Ort der Erholung und Kommunikation nicht gerecht“39 (S.T.E.R.N./ Förderband 1998), wurde zum Ausgangspunkt für kleinteilige Initiativen, die zusammen mit AnwohnerInnen „die Aufenthaltsqualität, Nutzbarkeit und Gestaltung des Helmholtzplatzes verbessern“ (Kemnitz/ Lochner 1998: 16) sollten. Arbeitstitel wie „Aktionsprogramm Helmholtzplatz“, „Schluss mit der Tristesse auf dem Helmholtzplatz“, „Rückgewinnung des Platzes“ und „Ein Platz für alle!“ „Platzhaus statt Platz– Aus“ lösten nicht nur mobilisierende Effekte bei der unmittelbaren Nachbarschaft aus, sie trugen auch die Tendenz einer Nimby-Revolte40. Obwohl nicht direkt intendiert, gefährdete eine Erneuerung und Umgestaltung des Platzes die bestehende Art der Aneignung seitens der damaligen Nutzerschaft. Die Visionen der freien Träger und administrativen Beteiligten waren einseitig bestimmt: spielende Kinder, kaffeetrinkende Senioren und ausgelassene Familientreffs – ausgeschlossen von den Zukunftsbildern waren die Obdachlosen, die Punks und die Trinker41. Das zeigte sich besonders deutlich an einem „Projekttag“, der ein wichtiger Teil des partizipativen Planungsansatzes war. Dort gerieten die inzwischen als „Trinkergruppe“ benannten Personen zum Hauptproblem der Platzsanierung. Insbesondere Eltern von kleinen Kindern fühlten sich von „zu vielen Rauschgift-Dealern, zu viel Hundekot, zu vielen Obdachlosen“ abgeschreckt und verdrängt (zitiert nach „Berliner Zeitung“ 05.05.1999). Ein verantwortlicher Mitarbeiter des Quartiersmanagements Helmholtzplatz griff den Diskurs der gewünschten NutzerInnen verstand. Gitter, die den vollgekackten Basketballplatz umrahmten, ragten in die Nacht. Er sah von hier oben keine Hunde und keine Penner. Aber er wußte, daß sie da waren. Hunde und Penner. Es war die Bronx. Er war in die verdammte Bronx gezogen. Die rote Bronx. Der Ostslum. South Moscow gewissermaßen. Sie würden herkommen, die Türen mit ihren Gewehrkolben einschlagen und ihm das nagelneue Siemens-Telefon aus der Wand reißen [...]“ (Osang 1999). 39 Noch 1993, zur Auslobung des Realisierungswettbewerbs zur Freiraumgestaltung auf dem Helmholtzplatz, galt der Platz – trotz einer ähnlichen städtebaulichen Situation – als „zentraler öffentlicher Raum, wichtiger Treffpunkt und Kommunikationsort“ (SenStadtUm 1993: 21). 40 „Nimby“ steht für not-in-my-backyard und meint Aktivitäten von Nachbarschaftsstrukturen, die auf der Grundlage von einem angenommenen Konsens der Mehrheitsgesellschaft Territorialnutzungen von ethnisch, kulturell und politisch Anderen verhindern wollen (spaceLab 1998: 149f). 41 In späteren Versionen des Materials zur Öffentlichkeitsarbeit wurde mit dem Satz „Ausgegrenzte brauchen einen Ort für Gemeinschaft“ versucht, der Kritik an der sozialen Normierung der bisherigen Konzepte und Initiativen zum Helmholtzplatz gerecht zu werden (Privatarchiv).
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auf und band sie in die eigenen Planungsvorstellung ein: „Die optische Erneuerung ist im Prinzip auch ein Vehikel, um sich den sozialen Problemen des Platzes zu nähern“ (ebenda). Damit wirken bei der Umgestaltung des Helmholtzplatzes die selben politischen Mechanismen wie bei der Erstgestaltung des Platzes vor gut 100 Jahren. Auch damals war die sichtbare Wahrnehmung von Elend und Armut ein wirksamer Motor für die Umgestaltung öffentlicher Plätze in Wohnquartieren. In einem Petitionsschreiben von Grundstückseignern und Anwohnenden des damaligen Platzes D (heute Helmholtzplatz) an den damaligen Magistrat 1889 hieß es: „Dieser Platz ist eine halbe Etage hoch mit Lehm bepackt, in den Ziegeleitrümmern suchen jene Unterschlupf, die im nahen Obdachlosenasyl keinen Platz finden.“ Als auch in der Presse die Zustände „als einer Weltstadt mehr wie unwürdig“ angeprangert wurden, begann der Magistrat mit der Gestaltung des Platzes (Geschichtswerkstatt 1997: 31f.).
Zeit der Sanierung: Trinker, Punks und Obdachlose versus Polizei, Sozialarbeit und Quartiersmanagement42 Die Diskussionen um die Ausgrenzung bzw. Beschränkung der „Trinkergruppe“ wurden zu einem wesentlichen Thema der gesamten Platzumgestaltung. Der Umgang mit den Trinkern und Obdachlosen wurde zum Maßstab für Erfolg bzw. Misserfolg der Platzgestaltung – je nachdem, welcher Gruppe man sich zugehörig fühlte: ob der, die sich gestört fühlte, oder der, die eine Vertreibung der Trinker und Obdachlosen befürchtete. Die entgegengesetzten Erwartungen stellten für das Quartiersmanagement, das beauftragte Landschaftsplanungsbüro sowie für die politischen Verantwortungsträger eine erhebliche Herausforderung dar. Einerseits musste sich mit der Platzsanierung ein sicht- und spürbarer Wechsel der Nutzungsverhältnisse auf dem Platz einstellen, anderer42 Quartiersmanagement ist die Berliner Variante, das Programm „Soziale Stadt“ umzusetzen und besteht im wesentlichen aus der Idee, in kleinräumigen Gebieten (den Quartieren) mit öffentlichen Anlaufstellen, einem eigenen Finanzbudget und Stellen Initiativen der Bewohnerschaft zu stärken und Gebietsprobleme durch eine Flexibilisierung und Horizontalisierung der Verwaltungsarbeit zu lösen. Ziel ist es, insbesondere in so genannten Problemvierteln die aufstiegsorientierte Klientel und die mittelständischen Gewerbetreibenden zu stärken, um eine befürchtetet Abwärtsspirale aus Segregation und Armut aufzuhalten (IfS/S.T.E.R.N. 1998). Im Bezirk Prenzlauer Berg wurde unter anderen das Helmholtzplatzgebiet zum QM-Gebiet erklärt. In einer stadtweit einzigartigen Funktionsüberlagerung übernahm der Sanierungsbeauftragte (die S.T.E.R.N. GmbH) auch das Quartiersmanagement.
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seits sollte das mit Partizipationsversprechen angetretene Projekt nicht mit dem Vorwurf einer sozialen Vertreibungspolitik diskreditiert werden. Entsprechend lassen sich für die Phase der Vorbereitung, Planung und Durchführung verschiedene und zum Teil widersprüchliche Strategien gegenüber den Trinkern und Obdachlosen beschreiben. Sie reichten von polizeilicher Verfolgung und planerischer bzw. verfahrensvermittelter Ausgrenzung über soziale Betreuungs- und Beratungsangebote und Versuche der Einbeziehung in den Planungsprozess bis hin zur Mobilisierung der Bewohnerschaft für eine Selbstregulation und gegenseitigen Erziehung. Nicht alle dieser Maßnahmen richten sich direkt gegen die Trinker und Obdachlosen – doch im Zusammenwirken mit anderen Verordnungen bzw. Gestaltungsideen wirken auch sie einschränkend und ausgrenzend. Zu den verschiedenen Strategien im Einzelnen:
Ordnungspolitik Mit der Gestaltung des Platzes wuchs auf der Seite der Ämter das Bedürfnis, Regeln zur Benutzung aufzustellen, um das Funktionieren des Stadtplatzes zu gewährleisten. Ähnlich wie durch die Wiederkehr der Hausordnungen in den modernisierten Häusern sollte auch der frisch sanierte Platz durch eine Regelwerk der Benutzung geschützt werden. Besonders umstritten waren zwei Punkte, die in der Berliner Landesgesetzgebung verankert sind und direkte Auswirkungen auf das soziale Nutzungsgefüge des Platzes haben würden. Zum einen ging es darum, das trinken von Alkohol auf dem Platz zu unterbinden. Dazu sollten unter Berufung auf das Berliner Straßengesetz verstärkte Polizeikontrollen stattfinden. Besonderes Augenmerk galt dabei dem „Nächtigen, Lagern und [...] Niederlassen zum Alkoholverzehr außerhalb zugelassener Schankflächen“ (§ 11, Sondernutzung, Absatz 2). Der zuständige Dienstgruppenleiter der Polizeidirektion 7 kündigte an, zusätzliche Kräfte für diese Aufgabe freizustellen und teilweise stündliche Kontrollen auf dem Platz durchzuführen. Da der Helmholtzplatz von der Innenbehörde als „Gefährlicher Ort“ geführt wurde und wird, waren Kontrollen, Platzverweise und das Aussprechen von Aufenthaltsbeschränkungen gegen einzelne Personen auch ohne dringenden Verdacht möglich (Heimer 2001: 63ff.). Bereits in der Woche vor der Platzeröffnung kam es zu konzentrierten Kontrollen43. Zum anderen sollte der Platz nach der Sa43 Einzelnen Trinkern wurde im Zuge dieser Kontrollen von Beamten gedroht, ihnen werde die Sozialhilfe gekürzt, wenn sie mehrfach gegen das Trinkverbot verstoßen. Diese auf keinerlei rechtlicher Basis stehende Dro-
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nierung nur noch sehr eingeschränkt für Hunde benutzbar sein. Auf der Grundlage des Berliner Grünanlagengesetzes handelt ordnungswidrig, „wer vorsätzlich oder fahrlässig ohne Genehmigung Hunde oder andere Haustiere frei laufen lässt, auf Kinder-, Ballspielplätze oder Liegewiesen mitnimmt, wer andere Anlagenbesucher gefährdet oder unzumutbar stört und wer Lärm verursacht“ (§ 7). Weite Teile des Areals wurden nach der Platzgestaltung als Spiel- und Liegeflächen deklariert und unterliegen damit diesem völligen Hundeverbot. Auf den restlichen Flächen gilt Leinenzwang. Eine zusätzliche Umweltstreife des Bezirks versucht, diese Verordnungen zu kontrollieren und durchzusetzen. Da die zuständige Mitarbeiterin jedoch Angst vor großen Hunden und Menschengruppen hat und selbst keine Ordnungsstrafen verhängen darf, hatte sie angekündigt, bei der Durchsetzung der Platzordnung „verstärkt mit der Polizei zusammenzuarbeiten“. Auf Betreiben der Sozialen Runde – eines Koordinationsgremiums der professionellen und administrativen Akteure auf dem Platz – soll noch eine Stelle für einen so genannten Platzdienst eingerichtet werden. Durch dessen ständige Präsenz auf dem Platz und eine intensive Zusammenarbeit mit der Polizei wird eine „entlastende Wirkung“ erhofft44. In den Diskussionen um die ausgrenzenden Folgen dieser Verordnungen wurde immer wieder darauf verwiesen, dass die Gesetze keineswegs diskriminierend seien, weil sie ja für alle gelten würden. Tatsächlich verbirgt sich hinter den scheinbar für alle geltenden Regeln ein Angriff auf die Alltagspraktiken der Trinker, Punks und Obdachlosen, denn keine andere Nutzergruppe ist ganztags auf die Nutzung des Platzes angewiesen und hat so viele Hunde. Nach Aussagen der Polizei kam die Mehrzahl der Anzeigen wegen Ruhestörung gegen die Platzbenutzer von NeubewohnerInnen der bereits sanierten Häuser (Schulz zur Wiesch 2001: 73). Dabei hat sich nicht nur die Zusammensetzung der Beschwerdeführenden verändert, sondern auch der Modus der Begründungen. Im Gegensatz zu den früheren Beschwerden, die den Charakter von Nachbarschaftsstreits hatten, offenbaren die neueren Anzeigen zum Teil einen sozialen Revanchismus gegenüber den Trinkern und Obdachlosen45. Doch nicht nur die Territohung mag, wie es der Einsatzleiter der Presse gegenüber darstellte, als „Übereifer eines Kollegen“ gelten, reiht sich jedoch in die Verunsicherungsstrategien gegen die Gruppe ein (Strauß 2002). 44 Alle Zitate stammen aus den Sitzungen der Sozialen Runde und späteren AG Helmholtzplatz, in denen auf halböffentlichen Sitzungen die Arbeit der verschiedenen Ämter und freien Träger und Initiativen auf dem Platz koordiniert wurden, an denen ich sporadisch teilnehmen konnte. 45 Auf einer der Sitzungen der „Sozialen Runde“ war ein erst kürzlich eingezogener Anwohner aus einem frisch sanierten Haus in der direkt angren-
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rialansprüche der neuen Mittelklasse, sondern auch die Verwertungsorientierung der Immobilienbesitzer drängen zu einem neuen Image für den Platz. So werben einzelne Makler inzwischen mit Losungen wie „Wohnung mit Blick auf den schönsten Platz Berlins“ oder „Wohnen am aufregendsten Platz der Stadt“. Ein Hausverwalter nahm an mehreren Planungssitzungen zur Platzerneuerung teil, um die Aufwertungsinteressen auf dem Platz direkt zu unterstützen46.
Platzgestaltung und Planungsverfahren Die landschaftsgärtnerische Gestaltung hat nicht nur zu einer qualitativen Aufwertung der zuvor weitgehend betonierten Flächen auf dem Platz geführt. Zugleich berücksichtigte sie die Sicherheitsbedürfnisse der gewünschten Nutzung und die polizeilichen Erfordernisse nach Einsehbarkeit. Insbesondere die früher vorhandenen Nischen und Unübersichtlichkeiten durch dichte Büsche sind den Planungen zum Opfer gefallen. In den ersten Planungsstufen war die frühere Bewachsung noch als Vorteil angesehen worden, da sie visuelle Trennungen und akustische Minderungen möglich machte und dadurch das Konfliktpotential auf dem Platz verringerte. Später allerdings wurde auf Drängen der Polizei (Anhörung von Trägern öffentlicher Belange im Planungsprozess) eine weitgehende Übersichtlichkeit hergestellt. Die Argumente, die ins Feld geführt wurden, bezogen sich zwar auf den Handel mit Drogen, doch im Endeffekt richtete sich die Neugestaltung auch gegen die kriminalisierten Trinker. Eine geplante Solarlichtanlage, die aus Mitteln des BundLänder-Programms „Soziale Stadt“ bezahlt werden soll, wird künftig auch bei Dunkelheit die vollständige Kontrolle über den Platz sichern und das Übernachten auf dem Platz zumindest ungemütlicher machen. Die Nutzungsfestlegungen der einzelnen Flächen als Kinderspielplatz, Liegewiese oder Aktionsraum bekommen erst im Zusammenhang mit den oben genannten Verordnungen des Berliner Grünanlagengesetzenden Lettestraße anwesend. Seine Argumentation unterschied sich von den bisher bekannten (und in der Regel auch berechtigten) Beschwerden der AnwohnerInnen, die ihr Ruhebedürfnis in der Regel mit Alltagsbezügen rechtfertigten („Wir müssen jeden morgen früh raus, da kann man einfach nicht jede Nacht einen solchen Lärm ertragen. Irgendwann müssen wir ja auch mal schlafen!“). Die neue Qualität der Rechtfertigung bestand in der Bindung an den Wohnungswert: „Ich zahle hier mehr als 12 DM Miete. Nettokalt. Ich finde, damit habe ich das Recht auf eine geruhsame Nacht“. 46 In einem Gespräch berichtete mir ein Wohnungssuchender, der eine Wohnung mit unmittelbarem Platzblick besichtigt hatte, dass der Makler neben den Vorzügen der Wohnung ausdrücklich darauf verwies, dass „die Probleme auf dem Platz in nächster Zeit gelöst werden – dann haben sie hier die Sonne, den Platzblick und trotzdem ihre Ruhe.“
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zes den Beigeschmack einer Ausgrenzung. Doch gerade für die umstrittene Gruppe schaffen sie Barrieren, die bei konsequenter Anwendung und Durchsetzung der Verordnungen nicht zu überwinden sind. Hinzu kommt, dass spezielle Angebote oder Sonderorte, die den Bedürfnissen der Gruppe entgegenkommen, von den politisch Verantwortlichen nicht gewollt sind. Ines Saager (CDU), damalige Stadträtin für Gesundheit, Umwelt und Natur, wähnte sich mit den Fachleuten und der Anwohnerschaft einer Meinung, wenn sie sagte, ein „betreutes Trinken“ auf dem Platz sei ausgeschlossen. Auch ein Witterungsschutz für diejenigen, die ganztags auf die Nutzung des Platzes angewiesen sind, wurde abgelehnt. Solche Angebote, so die Argumentation, würden den Platz „für Trinker aus ganz Berlin attraktiv machen“ und zu einem Anwachsen der Gruppe beitragen (Expertengespräch Saager). Die fehlenden Nischen und mangelnde gestalterische Angebote für die umstrittene Gruppe lassen sich auch aus dem Ablauf der Planung erklären. Die einzelnen Bauabschnitte mit ihren jeweiligen Nutzungsbestimmungen wurden in einem mehrstufigen Verfahren geplant. Bei den Workshops und Planungsrunden war die Nachbarschaft immer mit einbezogen. Doch die Logik einer Teilabschnittsplanung liegt in ihrer Konzentration auf einzelne pragmatische Lösungen. Schwer oder nicht lösbare Konflikte werden dabei häufig ausgelagert, wohl in der Hoffnung, die Dinge regeln sich an anderer Stelle des Gesamtprojektes. Bezogen auf die Nutzungsbedürfnisse der Trinker führte dieses schrittweise Vorgehen zu einer Technokratie der Ausgrenzung. Ohne die Gesamtproblematik im Auge zu behalten, fand man zusammen mit den beteiligten AnwohnerInnen kleine und vor allem machbare Lösungen für die einzelnen Abschnitte. Eine mögliche Konfrontation mit anderen Interessen wurde dabei vermieden. Die letzte Leerstelle dieser Planung ist das zentral und auf einer kleinen Anhöhe gelegene Trafohaus, der ehemalige Treffpunkt der Trinker und Obdachlosen. Die Konsequenz wäre gewesen, hier jetzt eine Nutzung für die Vergessenen des Planungsprozesses einzurichten. Das allerdings lehnten alle Verantwortlichen mit dem Hinweis auf die zentrale Bedeutung des Ortes ab: „Das Trafohaus ist wie ein Feldherrenhügel. Wer dort ist, dominiert das Geschehen auf dem gesamten Platz“ (Einschätzung einer Architektin auf einer Sitzung der Sozialen Runde). Deshalb wurde für das Trafohaus selbst eine Ausschreibung vorbereitet, die allerdings eine „Suchtnutzung“ ausschließen sollte. Im Sommer 2003 eröffnete ein hochwertiges und teures SecondHand-Geschäft für Kinderbedarf.
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Sozialarbeit Unter dem Motto „Integration durch Angebote“ sollten vor allem die Trinker vom Platz geholt werden. Die für Sozialarbeit zuständige Stadträtin für Gesundheit (CDU) polarisierte die Diskussion im Sommer 2000 mit einem offenen Brief an eine Fotoausstellung, die Portraitbilder von den damaligen Platzbenutzern zeigte. In dem Schreiben an den freien Träger des Ausstellungsortes („Platzhaus“) hieß es: „Die Fotos sind sehr ausdrucksvoll, befassen sich jedoch mit der Klientel, die das Platzhaus belagert und sich täglich zum Schaden der Nachbarschaft störend voll trinkt. Wen wundert es da, dass genau dieses Klientel zur Ausstellung geht. [...] Gegenwärtig scheint mir das Bemühen, einen Platz für die Menschen im Kiez zu schaffen, durch die Eroberung und Dominanz der Alkoholszene äußerst gefährdet [...] Weder Ausstellung noch Nutzung [des Platzhauses – Anm. A. H.] [...] lassen mich zur Zeit ekennen, dass es um die Bewohner im Kiez geht – eher um ein bestimmtes Klientel, dem man statt Grenzen zu setzen, Türen öffnet [...]“ (HELM + HOLZ 4/2000: 11ff.). Diese massive Kritik am „Platzhauses“ legte das scheinbar paradoxe Konzept einer Sozialarbeit offen, die eine Integration der Trinkergruppe über eine zumindest kurzeitige Ausgrenzung vom Platz erreichen will. Nur so schienen die Voraussetzungen für die Stabilisierung einer „normalen“ Nutzung gegeben, in die hinein eine Integration stattfinden konnte. Von dieser Logik ausgehend nahm die Stadträtin Kraft ihres Amtes Einfluss auf die inhaltliche Arbeit der Freien Träger im Bereich Soziales. So wurden alle Auftragnehmer des Bezirksamtes Ende 2000 auf eine neue Linie verpflichtet. Angebote für die umstrittene Klientel sollten von da an ausschließlich außerhalb des Platzes erfolgen und geschaffen werden. Für die – über finanzielle Abhängigkeit erreichte – Zustimmung wurden einige Freie Träger mit zusätzlichen Stellen belohnt. Ziel des neuen Konzepts der sozialen Arbeit am Helmholtzplatz ist es, „eine soziale Ausgewogenheit auf dem Platz herbeizuführen, indem der Versuch unternommen wird, Teile der Alkoholikergruppe an andere Räume heranzuführen. Grundgedanke ist die Verbindung von sozialer Fürsorge und Beratung mit Freizeitangeboten, niedrig schwelligen Qualifizierungsangeboten, stufenweiser Arbeitsgewöhnung usw. [...]“ (Konzept Soziale Arbeit 2000; Privatarchiv). Der verantwortliche Koordinator des Konzeptes sah in der „Entlastung des Platzes von der Gruppe“ die Voraussetzung für eine integrative Sozialarbeit: „Erst wenn positive Nutzungen störungsfrei auf dem Platz stattfinden können, können Versuche unternommen werden, die Personengruppe und ihr abweichendes Verhalten zu integrieren.“ Ausgrenzung in diesem Sinne wird so zu einer vorübergehenden Phase der Integration. Die Angebote auf dem Platz 283
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selbst sind als „hinausreichende Jugendarbeit und Gemeinwesenprojekt festgelegt“. Aus diesem Grunde finden solange keine „extra Angebote für die Trinker“ statt, bis sich das Image des Projektes verändert hat. Diese Vorgabe führte beispielsweise dazu, dass ein geplantes Skatturnier eines sozialen Trägers nicht stattfinden konnte, damit die „Gruppe keine Nutzungsansprüche auf das Platzhaus ableitet“ (alle Zitate Expertengespräch Helmholtzplatz). Faktisch wurde die Gemeinwesenorientierung der Sozialarbeit auf dem Helmholtzplatz zu einem Ausschlussinstrument gegen die Trinker, Obdachlosen und Punks.
Sozialmoral und Zivilcourage Die öffentliche Problematisierung der Nutzungskonflikte hat zwei Extreme: die Psychiatrisierung der Gruppe auf der einen und den Aufruf zu mehr Bürgerengagement und Verantwortung auf der anderen Seite. Im Opferdiskurs wird immer wieder betont, dass es sich um Suchtkranke handelt, die unsere Hilfe brauchen. Und diese Hilfe, so die Argumentation, lässt sich in Beratungsstellen außerhalb des Platzes besser geben. Diese Sichtweise sollte nicht nur in fachlichen Koordinationsrunden wie einer etwa zeitgleich zur Helmholtzplatzsanierung gegründeten „AG Sucht“ abgestimmt, sondern auch in der öffentlichen Diskussion etabliert werden. In der Folge gab es in vielen Diskussionsrunden den Aufruf, gegen die „Benutzung illegaler und nicht illegaler Drogen“ zu kämpfen. Da war es nur konsequent, dass sich die Vorbereitungsgruppe entschied, während der feierlichen Platzeröffnung keinen Alkohol auszuschenken. Selbst der zwischenzeitliche Vorschlag, nur „Berliner Weiße mit Schuss“ anzubieten, wurde letztlich abgelehnt, da ja auch darin fast drei Prozent Alkohol enthalten sind. Diesen sozialmoralischen Ansprüchen folgend, entschieden sich dann auch die Stadträte und Senatsvertreter, auf den sonst obligatorischen Sekt zum Anstoßen bei der Eröffnung zu verzichten. Im Bürgerschaftsdiskurs hingegen werden die Trinker als verantwortungslos angesehen, die sich über die Bedürfnisse der anderen hinwegsetzen und nicht an die Regeln halten. Ein Anwohner fühlte sich in einem offenem Brief „von den Exzessen von Menschen [...] betroffen, die keine Verantwortung übernehmen konnten oder wollten“. Anwohnerschaft und PlatzbenutzerInnen waren und sind aufgefordert, selbst an der Pflege der Grünfläche teilzunehmen und auch erzieherisch aufeinander einzuwirken. Plakate ermunterten die Nachbarschaft, den Platz selbst in Ordnung zu halten. Wie viele Menschen auf die sperrige Ansprache „Sei kein Esel, hilf mit!“ tatsächlich reagiert haben, ist nicht bekannt. Darüber hinaus wünschten sich die Zuständigen in den Ämtern und bei den Trägern mehr „Zivilcourage“. Mit Schildern und Faltblättern sollen die 284
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Platzregeln an möglichst alle vermittelt werden – der damalige Baustadtrat Bossmann (PDS) sprach von einer „Charta für den Helmholtzplatz“. NachbarInnen sollten sich gegenseitig an die Einhaltung erinnern. Um die Hemmschwelle dieses Engagements möglichst herabzusetzen, hat die Direktion 7 der Berliner Polizei die Einrichtung eines „Infomobils“ mit drei Beamten direkt am Platz versprochen. Dort können aufmerksame Nachbarn Regelverstöße und Ordnungswidrigkeiten, die ihnen auffallen, gleich melden.
Nach der Platzsanierung: Flexible Kontrollstrategien Anders als in den Sommermonaten des Jahres 2001, als der neu gestaltete Platz übergeben wurde und die offene Vertreibungspolitik von Bezirk und Polizei in die öffentliche Kritik gerieten, vollzog sich der Übergang zur alltäglichen Nutzung des Platzes eher unauffällig. Entgegen den Verdrängungsprognosen ist bis heute eine Gruppe von bis zu zwanzig Trinkern immer noch fester Bestandteil des Platzalltags. Doch dahinter steht keineswegs ein Scheitern der Ausgrenzungspraktiken am Helmholtzplatz. Vielmehr ist die Gruppe der einzig sichtbare Beweis für ein flexibles Changieren zwischen Aus- und Eingrenzungen, zwischen Disziplinierung und Beteiligung. Im Zusammenhang mit Eskalationen in den Wochen nach der Platzeröffnung und unter dem öffentlichen Druck gegen die Vertreibung47 haben die professionellen Akteure auf dem Platz ihre Strategie stärker auf eine weiche Ordnungspolitik umgestellt. Die Kernpunkte des neuen Sicherheitsregimes lassen sich als differenziertes polizeiliches Agieren, partielle Identifikationsangebote für Obdachlose und Trinker sowie als Ausbau des sozialpädagogischen Apparates beschreiben. Bis zum Sommer 2002 bestand die polizeiliche Taktik zur Durchsetzung der Platz- und Straßenordnung vor allem in dauerhafter, massiver und durchgehender Präsenz auf und um den Platz. Seitdem ist der Übergang zu einer deutlich dezenteren Kontrolle zu beobachten. Insbesondere die doppelten Streifen mit jeweils zwei Einsatzkräften der Direktionshundertschaft und die Stationierung von Einsatzfahrzeugen in Sichtweite zum Platz wurden weitgehend eingestellt. Damit einher ging der Ver-
47 Ein „Bündnis gegen Vertreibung“ nutzte nicht nur die feierliche Platzeröffnung um ihren Unmut gegenüber der drohenden Verdrängung öffentlich zu machen, sondern organisierte wenige Woche nach der Eröffnung einen Aktionstag unter dem Motto „Grober Unfug gegen Vertreibung und Polizeigewalt“. Aufgerufen wurde dabei unter anderem zum „öffentlichen Trinken“ und „wilden Grillen“, um gegen die „repressiven Platzverordnungen“ zu protestieren (alle Zitate aus dem Aufruf; Privatarchiv).
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zicht auf die Kontrolle des faktisch bestehenden Trinkverbotes auf dem Platz. Ein Grund dafür liegt sicher darin, dass der Helmholtzplatz vor allem an lauen Sommerabenden von zahlreichen Menschen als Ort des gemeinsamen Trinkens genutzt wird. Eine Durchsetzung des Straßengesetzes hätte sich an dieser Stelle gegen weit mehr Menschen gerichtet als nur gegen die als störend empfundene Gruppe. Folgerichtig wurde darauf verzichtet. Stattdessen vollzog sich ein Wechsel zu weniger sichtbaren Überwachungskonzepten. Polizeieinsätze erfolgten fast ausschließlich gegen tatsächliche und vermeintliche Drogendealer, die in der Regel nur kurze Zeit nach ihrem Eintreffen auf dem Platz von Einsatzkräften kontrolliert und zum Teil festgenommen werden. Die schnellen Reaktionszeiten – in den meisten beobachteten Fällen nur wenige Minuten – sprechen für eine kontinuierliche Kontrolle und einen reibungslosen Informationsfluss zu den jeweiligen Streifenwagen48. In polizeilichen Verdacht geraten pauschal arabisch aussehende junge Männer. Für sie hat der Platz dadurch deutlich an Aufenthaltsqualität verloren. Entgegen früherer Taktiken werden die Kontrollen nicht mehr am Platz selbst, sondern in den Nebenstraßen durchgeführt. Auf diese Weise wird das Bild eines befriedeten Stadtplatzes nicht durch eine allzu offene polizeiliche Präsenz – sonst oft Kernpunkt neuer Sicherheitsstrategien im öffentlichen Raum – getrübt. Dieses Bemühen um Diskretion wird auch sichtbar in der Verschiebung ordnungsrechtlicher Verantwortung von der Polizei hin zu verschiedenen Abteilungen des Bezirksamtes. Vor allem die Beschäftigten des Grünflächenamtes bereiten in abgestimmter Kooperation das polizeiliche Eingreifen auf dem Platz vor. Sie sind zur Einhaltung des Grünanlagengesetzes mit geringen exekutiven Befugnissen ausgestattet. Es gehört deshalb zu ihren Aufgaben, auf Ordnungswidrigkeiten hinzuweisen und zur Veränderung des Verhaltens aufzufordern. Erst bei Widersetzungen und mehrmaligen Auffälligkeiten werden die entsprechenden OrdnungsbrecherInnen den Beamten der Polizei gezeigt oder personengenau beschrieben. Ein Zugriff und die Verhängung einer Ordnungsstrafe sind dann die Folge. Diese Konstellation der stufenweisen Verfolgung und Sanktion von Ordnungswidrigkeiten richtet sich vor allem gegen diejenigen Platzbenutzer, die lange und regelmäßig auf den Ort angewiesen sind. Sie sind prädestinierte Wiederholungstäter. Auch für die Einbeziehung der Nachbarschaft in die Durchsetzung der Platzregeln wurden mehrere Möglichkeiten geschaffen: Seit Anfang 48 Ein Gewerbetreibender mit direktem Blick auf den Platz schilderte mir gegenüber seine wochenlangen Beobachtungen. Seine Vermutung, es gäbe irgendwo eine Überwachungskamera, bestätigte die zuständige Direktion nicht.
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des Jahres 2003 gibt es einen regelmäßigen Termin mit den Kontaktbereichsbeamten im „Platzhaus“, zu dem Leute aus der Nachbarschaft mit ihren Sorgen und Vorschlägen kommen können. Hinter diesem oberflächlich als Service wahrzunehmenden Angebot steht eine weitere räumliche Konzentration der Polizeiarbeit auf den Platz. Finanziert und auch inhaltlich getragen vom Quartiersmanagement Helmholtzplatz wurden ebenfalls in den Sommermonaten 2003 kleine Handzettel mit folgendem Text verteilt: „Sauberer Kiez Helmholtzplatz. Hundekot an den Schuhen, überfüllte Papierkörbe und Sperrmüll auf den Gehwegen? Hier die wichtigsten Tel.-Nr. für den Kiez am Helmholtzplatz“. Darunter aufgelistet sind Kontaktnummern zum Berliner Stadtreinigungsdienst BSR, zum Platzdienst Helmholtzplatz, zur bezirklichen Umweltstreife und zur Polizei. Auf der Rückseite werden die fälligen Verwarnungsgelder für mögliche Ordnungsvergehen vom Fallenlassen einer Zigarettenkippe bis zum Sperrmüllabladen aufgelistet (siehe Handzettel; Privatarchiv). Der implizite Aufruf zur Denunziation bei den Ämtern geht über die bisherigen Bemühungen hinaus, die Platzordnung im direkten und pädagogischen Gespräch durchzusetzen. Auch die sozialarbeiterischen Strategien gegenüber der Gruppe selbst haben sich verändert: War die „Problemgruppendiskussion“ zur Zeit der Platzsanierung von pauschalen Ausgrenzungsbestrebungen geprägt, hat sich später bei den Verantwortlichen im Bezirk, bei den sozialen Trägern und beim Quartiersmanagement ein differenzierter Blick auf die Platzbenutzenden durchgesetzt. Ausgehend von den Überlegungen eines Sozialen Konzepts für den Helmholtzplatz ist eine Art Rangruppensystematik zum common sense der professionellen Akteure auf dem Platz geworden. Die Trinker, Punks und Obdachlosen werden dabei in folgende Gruppen unterteilt: • Benutzer illegaler Drogen, die in der Umgebung wohnen, • Benutzer illegaler Drogen, die als Trinktouristen zum Platz kommen (diese sollen auch die großen Hunde besitzen), • Verkäufer und Benutzer von illegalen Drogen. Entsprechend unterschiedlich ist die Reaktion auf die jeweiligen Teilgruppen. Gegen tatsächliche und vermeintliche Drogendealer wird mit polizeilichen Mitteln der Observation, Kontrolle und Festnahme vorgegangen. Die klare Unterscheidung zwischen Trinkern, die in der Umgebung wohnen und denen, die angeblich extra angefahren kommen, gestaltet sich deutlich schwieriger. Eine wirklich objektive Unterscheidung können auch die vor Ort arbeitenden SozialarbeiterInnen kaum vornehmen. Deshalb gelten diejenigen als Trinker aus der Umgebung, die sich in die Regelwerke des Platzes einfügen und sich mit dem Ort identifizie287
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ren. Eine Mischung aus Versprechen, Angeboten und Drohungen führte dazu, dass viele Leute auf dem Platz die Zuschreibung auch selbst angenommen haben. So spiegelten sich die Drohungen von Polizei und SozialarbeiterInnen vor dem Protesttag später im Verhalten der Gruppe wider. In den Tagen vor der Aktion hörte die Trinkergruppe von administrativer Seite immer wieder: „Wir wissen, dass ihr das nicht mit vorbereitet und bitten euch, nicht an den Aktionen teilzunehmen.“ Bei den Protesten selbst blieb die Gruppe auch immer augenfällig distanziert. Die Aktivitäten erschienen so nicht authentisch und funktionalisierend. Gleichzeitig gelang es, die „Problemgruppe“ in eine gemeinsame Platzidentität einzubinden. Einzelne der Gruppe schimpften noch Wochen nach dem Aktionstag über „die Kreuzberger, die da Bambule gemacht haben“. Das wahrgenommene Außen bestätigt ein nach innen exklusives Wir, das zunehmend über die Dauer des Aufenthalts und die Beteiligung an den gestalterischen Initiativen auf dem Platz definiert wird49. Und so wie der Protest als von außen kommende Gefahr für die eigene Stellung auf dem Platz wahrgenommen wurde, werden tendenziell alle Gleichgewichtsveränderungen argwöhnisch betrachtet. Die Identifikation mit dem Platz wird so zu einer Form der Selbstregulation der Problemgruppe. Das ordnungspolitische Ergebnis der Platzsanierung ist widersprüchlich. Nicht alle Intentionen der Platzgestaltung wurden umgesetzt. Neben offen repressiven Strategien bestimmten vor allem nach der Eröffnung des Platzes auch flexible Ausgrenzungstechniken das Geschehen. Das Ergebnis dieser verschiedenen Strategien ist keineswegs eine Totalverdrängung der stigmatisierten Gruppe. Ihre frühere Dominanz auf dem Platz konnte jedoch deutlich gebrochen werden. Aus ordnungspolitischer Sicht kann die Platzsanierung als außerordentlich erfolgreich bezeichnet werden. Eine Totalverdrängung hätte das Image geschädigt. Da sie unterblieb, konnten die Nutzungsstrukturen ohne größere öffentliche Proteste nachhaltig verändert werden. Geradezu klassisch zeigen sich am Beispiel Helmholtzplatz die unterschiedlich verteilten Reichweiten von sozialer Kompetenz im Raum. Für die Gruppen, die nur über geringe ökonomische und soziale Ressourcen verfügen, erschwert sich der Zugang zum Platz. Quasi im Gegenzug kann bei den neuen AnwohnerInnen von einer Aneignung des Platzes gesprochen werden. Zum Beispiel werden an warmen Abenden inzwischen Teile des Platzes in die Außenbewirtschaftung der lokalen 49 Bei Gesprächen mit Leuten aus der Trinkergruppe wurde – wie zur Legitimation der eigenen Position – fast immer berichtet, an welchen Aktionen oder Arbeitseinsätzen sie sich schon beteiligt hatten. Der Vorwurf, selbst dort nicht gewesen zu sein, wurde meist auch offen ausgesprochen.
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Gastronomie einbezogen. Fast ein Viertel aller PlatzbenutzerInnen verbinden ihren Aufenthalt auf dem Helmholtzplatzes mit einem Besuch von gastronomischen Einrichtungen. Das ist einer Untersuchung zu Folge der höchste Wert aller Berliner Grünflächen. Der Durchschnitt liegt bei etwa 10 Prozent (konsalt 2001: 29). Eine diskursive Dominanz und die Durchsetzung der Idee von einem ,Stadtplatz‘ schließlich, kann als Herrschaft über den Raum bezeichnet werden, da das entworfene Bild vom Helmholtzplatz die Grundlage für eine weitgehende Kontrolle über die Entwicklungen ist50. Insofern wirkt der Helmholtzplatz wie ein Focus. Die dort auftretenden Konfliktfelder weisen über die Bedeutung hinaus, die er als zentrale Grünfläche hat. Die Konflikte um die Nutzungsweise des Platzes stehen exemplarisch für Veränderungen der gesamten Nachbarschaft. Insbesondere im Zusammenhang mit der beschriebenen Aufwertung der Sozialstruktur reihen sich die Ordnungsstrategien am Helmholtzplatz in einen allgemeinen Gentrificationprozess ein. Kern der Ordnungsstrategien am Helmholtzplatz ist die Sicherung des öffentlichen Raums für die Aneignungsstrategien der neuen Mehrheiten in der Nachbarschaft. Wie auch bei den Modernisierungsverfahren sind die Beteiligungschancen bei der Mitgestaltung der öffentlichen Plätze ungleich verteilt. Insbesondere besser Ausgebildete und kommunikativ Erfahrene können eigenen Wünsche besser in die Planungsverfahren einbringen. Im Bereich der Wohnumfeldplanung wird dieser Effekt oft auch durch eine kulturelle Nähe der verfahrenskompatiblen BewohnerInnen und den PlanerInnen verstärkt. Das Beispiel des Helmholtzlatzes zeigt, wie auch im Bereich des Wohnumfeldes die Prozesse des sozialen Austausches forciert werden. Im Gegensatz zu den Wohnungsmodernisierungen wirkt sich bei den Kämpfen um den öffentlichen Raum eine zunehmende Verrechtlichung nicht als ressourcenabhängige Gelegenheitsstruktur aus, sondern als selektiver Verdrängungsmechanismus.
5.3.4 Gewerbestrukturveränderung: Gentrification des öffentlichen Raumes Der Zusammenhang von Gewerbeentwicklung und Ordnungspolitik erschließt sich nicht auf den ersten Blick, doch kaum ein Bereich der
50 Angelehnt ist diese Systematik an die Theorien einer klassenspezifischen Gestaltung von Raum, wie sie der amerikanische Geograph David Harvey entwickelte, der zwischen verschiedenen Aneignungsformen im städtischen Raum unterscheidet. Die drei Ebenen der Raumaneignungen lassen sich als Zugang zum Raum; Aneignung von Raum und Herrschaft über den Raum verstehen (Harvey 1990).
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Stadtteilentwicklung prägt das öffentliche Bild, die Stimmung und die hegemoniale Form der Raumaneignung so wie die Gestaltung der sichtbaren Geschäfte eines Viertels. Vor allem die unterschiedlichen Lokale und Geschäfte bestimmen das Straßenbild eines Gebietes und konditionieren das Verhalten im Raum. Besonders exklusive Läden strahlen schon über die Preise und die Darbietung der Waren einen bestimmten Stil aus. Das selbstsichere Auftreten ist dann nicht nur an die Zahlungsfähigkeit, sondern auch an einen bestimmten kulturellen Habitus geknüpft. Auf der Ebene von bestimmten, auch unterschwellig wirkenden Codes des Verhaltens und Auftretens sowie der Kleidung und der Sprache werden Dazugehörigkeiten und Ausschlüsse produziert (Bourdieu 1992). Ist ein ganzes Viertel von einer bestimmten Konsumtionskultur geprägt, wirken die beschriebenen Ein- und Ausschlüsse ebenso wie die Konditionierungen auf der Ebene des gesamten Gebietes. Dahinter stehen sozial- und klassenspezifische Formen der Raumaneignung. David Harvey unterscheidet dabei Strategien, die zu einer ständigen und aktiven Aneignung von Räumen zwingen und solchen, die eine Zugänglichkeit zum Raum eher über Geschmack, Stilempfinden und ästhetische Wahrnehmung realisieren (Harvey 1990). Insbesondere der ökonomisch benachteiligte Teil der Bewohnerschaft ist auf die engere Umgebung angewiesen. Für diese Menschen wird die Nachbarschaft zum zentralen Ort des sozialen Handelns. Hier konzentrieren sich Existenzstrategien, hier können kleine Netzwerke der gegenseitigen Hilfe entstehen, hier kann ein Überblick der verschiedenen Gelegenheiten gewonnen werden (Boettner/Tobias 1992). Da diese aktive Aneignung nur durch eine permanente Anstrengung zu halten ist, weisen diese Strategien einen begrenzten Aktionsradius auf. Oft können auch die Kosten für eine weiterreichende Mobilität nicht getragen werden51. Ohne auf wesentliche Tauschwerte wie Geld und Eigentum zurückgreifen zu können, ist das soziale Leben im Wesentlichen auf die unmittelbare Nachbarschaft zurückgeworfen. Die dort verfügbaren Gebrauchswerte – wie preiswertes Wohnen, Läden, in denen angeschrieben werden kann, Jobgelegenheiten und direkte Hilfe von Bekannten – prägen für die unteren sozialen Schichten die Qualität des Lebens. Nachbarschaft wird für sie nicht nur zur Existenzvoraussetzung, sondern kann ihre soziale Situationen auch verfestigen52. Der Raum wird dann zur Falle. 51 In Berlin wird aus einem Sparzwang heraus gerade die Sozialkarte zur Benutzung des öffentlichen Nahverkehrs gestrichen. Dies ermöglichte es bisher SozialhilfeempfängerInnen für einen geringen Kostenbeitrag eine Monatskarte für Busse und Bahnen zu erwerben. 52 Für die Debatten um integrierte quartierliche Strategien im Rahmen des Programms „Soziale Stadt“ waren diese Raumzwänge ein zentraler Aus-
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Für Besserverdienende stellt sich der Zugang zu einem Viertel grundsätzlich anders dar. Mit grundlegenden Reproduktionsmitteln ausgestattet und ohne Mobilitätsbeschränkung sind sie nicht auf eine Existenzsicherung über die Nachbarschaft angewiesen. Sie können sich in ihrer Raumaneignung auf eine ästhetische Wahrnehmung konzentrieren und eigenen sich die Tauschwerte einer Nachbarschaft an. Dabei geht es nicht um den unmittelbaren Nutzen, sondern die Schönheit, die Authentizität und die Geschichtsträchtigkeit eines Ortes. Übertragen auf die Wohnstandortpräferenzen bedeutet dieser Zugang oft, in ein spannendes, einmaliges oder schönes Viertel zu ziehen. Immobilienmakler bedienen in ihren Anzeigen genau dieses Bedürfnis: „Wohnen in dem schönsten Viertel Berlins“ (Kollwitzplatz), „Eine Wohnung am aufregendsten Platz der Stadt“ (Helmholtzplatz), „Dachgeschoß mit einmaligem Blick! Wohnen in einem einmaligen Viertel!“ (Kollwitzplatz). Der Raum wird so zum Gegenstand der sozialen Distinktion, das Wohnen in einer bestimmten Gegend zur Markierung der eigenen sozialen Position. Diese unterschiedlichen Aneignungsweisen stellen auch grundsätzlich verschiedene Anforderungen an die Gewerbestrukturen eines Gebietes. Während die auf die Nachbarschaft Angewiesenen vor allem preiswerte Geschäfte und Orte der verbindlichen Begegnung brauchen53, betrachten die neuen Mittelklassen (Prigge 1987: 186) die Innenstadtviertel stärker als „Domänen der Muße und Selbstbestätigung [...] und Zentren von internationalem Geschmack und Kultur und als Ort des Massenspektakels“ (Stolper/Scott 1990:146). Innerstädtische Viertel als Wohnquartiere von Erfolgreichen und Etablierten müssen nicht nur das entsprechende Wohnambiente haben, sondern den veränderten Berufsanforderungen entsprechen. Mobilität und Flexibilität des Arbeitsalltages finden so ihre Konsumtionsentsprechung in durchgehend geöffneten Kneipen, Bars und Lounges und zu fast jeder Zeit verfügbaren Dienstleistungen, individuellen Konsumangeboten und schnellen Kontaktmöglichkeiten ohne weitergehende Verbindlichkeit. Die neue Attraktivität der Innenstädte für Mittelschichten und Eliten geht mit einer Aufwertung von kulturellen Unterschieden einher, und die Stadt wird zu einer „Bühne der Selbstdarstellung“ gangspunkt. Insbesondere kleinräumige Dynamiken der Abwertung und Verfestigung wurden als zentrales Problem von sozialen Desintegrationsbewegungen angesehen (IfS/S.T.E.R.N. 1998; Häußermann/Kapphan 1999). 53 Vorstellbar für solche Orte sind z.B. Kneipen, die von einem festen Kundenstamm dominiert werden, oder Läden, in denen Kundschaft und Personal sich schon lange und gut kennen. Ein Zugang zu solchen Orten und ihren eventuellen Ressourcen kann in der Regel nur über eine langfristig regelmäßige Anwesenheit erfolgen.
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(Häußermann/Siebel 1987: 17). Diese „Stilisierung urbanen Lebens“ (Helbrecht 1997: 3) braucht eine Ausstattung mit spezifischen Geschäften und vielfältigen gastronomischen Angeboten. Die Veränderung der Gewerbestruktur wird dadurch zu einem festen Bestandteil von Aufwertungsprozessen. Darüber hinaus steht die neue Infrastruktur oft in direkter Konkurrenz zu den bestehenden Einrichtungen im Gebiet und gefährdet somit die ortsgebundenen Gebrauchswerte der bisherigen Nachbarschaft. Veränderte Gewerbestrukturen sind damit nicht nur Ausdruck, sondern auch Basis für die jeweils dominierenden Aneignungsstrategien in einer Nachbarschaft. Sie verändern nicht nur die sichtbare Fassade eines Gebietes, sondern bestimmen die möglichen Verhaltens- und Umgangsweisen. So ist gerade in sich wandelnden Quartieren eine ständige räumliche Verschiebung von sozial stigmatisierten Nutzungsräumen zu beobachten. ,Trinkerecken‘ und Aufenthaltsorte von gesellschaftlichen Randgruppen wechseln in der Zeit eines Aufwertungsprozesses immer wieder ihre Orte und verschwinden mit der Zeit oft endgültig. Nicht nur das Schließen bisheriger Stammlokale und -geschäfte, auch die oft straßengreifende Etablierung neuer Einrichtungen beschränken die Aufenthaltsplätze der beschriebenen Gruppen. So war es den InhaberInnen kleiner Getränkeläden meist egal, ob da eine Trinkergruppe mit Bierbüchsen vor der Tür stand. Für einen gehobenen Weinhandel, ein Designergeschäft oder eine Spezialitätenrestaurant erscheint dieselbe Situation als geschäftsschädigend. Da diese Konflikte nur in Ausnahmefällen durch Anzeigen bei der Polizei ausgetragen wurden54, lässt sich die kulturelle Ausstrahlung der neuen Geschäfte und ihrer Kundschaft als äußerst raumwirksam bezeichnen. In den Sanierungsgebieten von Prenzlauer Berg hat sich in der letzten Dekade die Gewerbestruktur nachhaltig verändert. Wie in anderen Stadtgebieten auch, ist mit der Wende 1990 ein Großteil der vorherigen Gewerbestruktur in den Gebieten kollabiert: Vor allem zentral angebundene Versorgungseinrichtungen (HO und Konsum), betriebliche Auslagerungen und kleine Handwerksgeschäfte mussten in den ersten Jahren des Umbruchs schließen55. Vor allem um den Kollwitzplatz, den Helm54 Ein Mitarbeiter der für Prenzlauer Berg zuständigen Polizeidirektion konnte sich nur an wenige Fälle erinnern, wo ein polizeiliches Eingreifen in solche Nutzungskonflikte nötig war (Expertengespräch Polizeidirektion). 55 Eine detaillierte Untersuchung der Gewerbestruktur im Sanierungsgebiet Spandauer Vorstadt auf der Basis der Gewerbemietunterlagen der Wohnungsbaugesellschaft Mitte zeigte, dass sich nicht einmal 15 Prozent des DDR-Gewerbes bis in das Jahr 1991 halten konnte. Knapp 20 Prozent der alten Einrichtungen konnten sich in branchenähnliche Strukturen transformieren, über zwei Drittel der Geschäfte Büros und Praxen jedoch mussten schließen (Holm 1997: 74).
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holtzplatz und im Bereich der Kastanienalle/Oderberger Straße haben sich regelrechte Konsumkomplexe einer gentrifizierten Infrastruktur herausgebildet. Dort liegen nicht nur die Schwerpunkte von gastronomischen Einrichtungen sondern auch etliche auf die Szene orientierte Bekleidungsausstatter, Lebensmittelläden mit hochwertigen und zum Teil exklusiven Angeboten sowie spezielle Fachgeschäfte für Inneneinrichtungen oder Designoptiker. Da es keine flächendeckende Statistik für die Gewerbeentwicklung in den Sanierungsgebieten gibt, muss auf einzelne Fallstudien zurückgegriffen werden. So gibt es für das Helmholtzplatzgebiet eine aussagekräftige Dokumentation des zeitlichen Verlaufs der Gewerbeentwicklung von 1992 bis 2002 (FfH 1992; IfS 1998; Heimer 2002). Demnach haben sich nicht nur der Umfang der Gewerbeeinrichtungen, sondern vor allem die Struktur verändert. Die Gewerbeeinrichtungen im Gebiet wurden in fünf Kategorien geordnet: Handwerk – Einzelhandel periodisch – Einzelhandel aperiodisch – Dienstleistungen – Gastronomie56. Unter periodischen Bedarf fallen Lebensmittelgeschäfte, Bäckereien, Obst-/Gemüseläden, Getränkeläden, Drogerien und Apotheken, unter aperiodischen Bedarf alle übrigen Geschäfte für Non-Food-Waren. Zu den gastronomische Einrichtungen werden sowohl Restaurants als auch Cafés sowie Eisdielen und Imbissstuben gezählt. Als Dienstleistungen zählen nicht nur Friseurläden, Rechtsanwälte und Reisebüros, sondern auch unternehmensbezogene Tätigkeiten im Bereich von Bauplanung, Architektur und Veranstaltungsmanagement.
56 Diese Einteilung weicht von der Systematik der Wirtschaftszweige wie sie im statistischen Bundesamt und der Handwerkskammer verwendet werden (Statistisches Bundesamt 1979) ab, weil diese für die Gewerbeanalyse eines Wohngebietes zu unspezifisch sind.
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Tabelle 5.21: Gewerbestrukturentwicklung im Sanierungsgebiet Helmholtzplatz (1992-2002) 1992 Anzahl Anteil 81 18,5% Handwerk 60 13,7% Einzelhandel periodisch 174 39,7% Einzelhandel aperiodisch 70 16% Dienstleistungen 53 12,1% Gastronomie Gesamt 438 100%
1997 Anzahl Anteil 77 14,1% 62 11,4% 191 35% 94 121 545
17,2% 22,2% 100%
2002 Anzahl Anteil 71 11,4% 65 10,4% 159 25,5% 173 155 623
27,8% 24,9% 100%
Quelle: Heimer 2003: 9
Die Gewerbestruktur war 1992 deutlich von Handwerk und Einzelhandel dominiert. Geschäfte dieser Kategorie prägten das Sanierungsgebiet mit fast 72 Prozent aller Einrichtungen. Lediglich in ca. 28 Prozent aller Geschäfte waren gastronomische Einrichtungen oder Dienstleistungen zu finden. Die meisten dieser Gastronomien waren traditionelle Eckkneipen oder kleine Läden mit Imbissangeboten. Zehn Jahre später wird die Gewerbestruktur zu etwa 53 Prozent von einem Gastro-Dienstleistungskomplex bestimmt, entsprechend haben sich Einzelhandel und Handwerk auf einen Anteil von 47 Prozent zurückentwickelt. Da sich die Anzahl der Gewerbeeinrichtungen von 438 auf 623 vergrößert hat, fallen die Steigerungen in den beiden boomenden Bereichen noch deutlicher aus, als es die Anteilsverschiebungen vermuten lassen. Die Anzahl der gewerblichen Dienstleister im Gebiet hat sich im Untersuchungszeitraum mehr als verdoppelt und die Zahl gastronomischer Einrichtungen fast verdreifacht. Die anderen Bereiche stagnieren auf dem Niveau von 1992 oder waren sogar leicht rückläufig. Lediglich im Einzelhandel mit Waren des täglichen Bedarfs hat sich (zumindest mengenmäßig) eine Verbesserung der Versorgungslage eingestellt. Tabelle 5.22: Gewerbestrukturentwicklung im Sanierungsgebiet Helmholtzplatz (1992-2002), Indexberechnung (1992=100)
Handwerk Einzelhandel periodisch Einzelhandel aperiodisch Dienstleistungen Gastronomie Gesamt
1992 100 100 100 100 100 100
Quelle: Heimer 2002 und eigene Berechnungen
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1997 95 103 110 134 228 124
2002 88 108 91 247 292 142
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Das Verhältnis des Einzelhandels zu gastronomischen Einrichtungen hat sich deutlich verändert: War das Verhältnis 1992 – mit einem leichten Vorteil der kleinen Läden – weitgehend ausgeglichen, so kamen im Jahre 2002 auf jeden Laden fast drei gastronomische Einrichtungen. Statistisch gesehen ist es am Helmholtzplatz inzwischen einfacher, ein fertig gekochtes Gericht als einen Apfel oder ein Brot zu bekommen. Die vorliegenden Daten geben leider keinen Einblick in die Dynamik der Veränderungen selbst. So lässt sich auf dieser Basis nicht eindeutig feststellen, ob die Strukturveränderungen durch einen Austausch der bestehenden Läden oder stärker durch die Eröffnung von neuen Gewerben bestimmt werden. Zumindest für den Bereich der Dienstleistungen und Gastronomie wird der Wandel wesentlich von den über 200 neuen Einrichtungen getragen. Da in Einzelfällen auch traditionelle Kneipen geschlossen haben oder in neuer Bewirtschaftung ihre Ausstattung, ihr Image und ihr Publikum weitgehend wechselten, lässt sich die enorme Veränderung in diesem Bereich erahnen. Die Mehrzahl der neuen Gastronomien richtet sich mit ihren Namen, ihrer Ausstattung, den Preisen und dem Angebot an gebildetes oder auf einen internationalen Geschmack orientiertes Publikum. Insbesondere von den früher dominierenden Arbeiterkneipen gibt es im Gebiet nur noch wenige. Da im Einzelhandel und im Handwerk die Gesamtzahlen der Geschäfte sogar leicht rückläufig waren, muss davon ausgegangen werden, dass für jeden neuen Laden ein anderer geschlossen hat. Während sich in einzelnen Bereichen die bisherigen Strukturen reproduzieren, etwa wenn ein neuer Gemüseladen oder Getränkeverkauf eröffnet, kommen anderen Ortes völlig neue Nutzungen wie Spezialitätengeschäfte (italienische Waren, Schokoladen aus aller Welt oder Biokosmetik), Weinläden oder Designerbüros hinzu. Zahlenmäßig augenfälligste Veränderung sind vielleicht die fünf neuen Schnellbäckereien und inzwischen sechs Secondhandläden für Kinder im Gegensatz zur Schließung aller vier Fleischereien im Gebiet. Insgesamt kann für das Untersuchungsgebiet ein nachhaltiger Wandel der Gewerbestruktur mit einer Tendenz zur sozial, kulturell und auch ökonomisch höherwertigen Nutzung festgestellt werden. In anderen Sanierungsgebieten fand im Bereich der Gewerbeentwicklung sogar ein umfassender Austausch statt (Holm 1997: 79). Vor dem Hintergrund von Gentrificationthesen lässt sich in den Sanierungsgebieten eine zunehmende und weitgehende Ausrichtung der Gewerbestruktur an den Bedürfnissen der lebensstilorientierten Pioniere und zahlungskräftigen Gentrifier feststellen. Die rasanten Veränderungen resultieren nicht nur aus einer entsprechenden Nachfrage. Zum einen drängen insbesondere in bereits modernisierten Häusern die steigenden Gewerbemieterwartun295
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gen zu einer höherwertigen Nutzung. Andererseits sind die Instrumente für eine effektive Steuerung der Gewerbeentwicklung in Sanierungsgebieten weitgehend unterentwickelt oder finden nur zaghafte Anwendung57. Damit ordnet sich Gewerbeentwicklung in die Aufwertungslogik von intensiverer ökonomischer Vernutzung des Raumes und eines sozial gehobenen Angebotes ein. Für die Reste der früheren Bewohnerschaft und sozial schwache Haushalte verengen sich mit dieser Gentrifizierung des Gewerbes die nachbarschaftlichen Spielräume und Vorteile. Die vielen neuen Läden, Büros und Gastronomien wirken oft wie eine Barriere und behindern die gewohnte Art der Raumaneignung. Bisherige Gelegenheitsstrukturen, Treffpunkte und die Gewissheit des ungezwungenen Auftretens verschwinden. An ihre Stelle treten neue Geschäfte mit höheren Preisen, anderen Angeboten und unbekanntem Personal. Sie verunsichern die bisherige Klientel des Raumes bis hin zum Rückzug aus der Quartiersöffentlichkeit. Leute, die über viele Jahre im Viertel gelebt haben, klagen über Entfremdungseffekte in der Nachbarschaft und ziehen zum Teil weg (argus 2000). Die Gewerbeentwicklung ist damit nicht nur Ausdruck, sondern aktiver Teil der sozialen Veränderungsprozesse in den Sanierungsgebieten.
57 Die rechtlichen Voraussetzungen für eine Gewerbesteuerung sind in den Sanierungsgebieten eigentlich gegeben: – Mit § 34 des BauGB ist eine Zielplanung der Gewerbeentwicklung zumindest theoretisch möglich. Die für die Sanierung aufzustellenden Bauleitpläne (B-Planverfahren) gestatten eine Überprüfung der Zulässigkeit geplanter Gewerbeeinrichtungen für jeden konkreten Einzelfall. – Mit der Baunutzungsverordnung (§ 1 bis 15 BauNV) wird für allgemeine Wohngebiete die Zulässigkeit der Gewerbegenehmigung an die Gebietsversorgung gekoppelt, so dass zumindest eine Kappung ungewollter Monostrukturen möglich wäre. – Die Genehmigungsverfahren nach § 144 des BauGB schließlich könnten Einfluss auf Miethöhe und Nutzungsart festlegen, wenn diese mit den Sanierungszielen (Erhalt und Stabilisierung der bestehenden Gewerbestruktur) begründet werden können. In der bisherigen Sanierungspraxis ist die Steuerung der Gewerbeentwicklung über einzelne Beschränkungen in gastronomisch überfütterten Gebieten wie der Spandauer Vorstadt nicht hinausgegangen (siehe Holm 1997: 93ff.).
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6. Neoliberale Stadterneuerung in Ostberlin
Im Zentrum der Arbeit stand die Frage nach der Macht in der Stadterneuerung der 90er Jahre in Ostberlin. Dabei ging es nicht nur um das politikwissenschaftliche Wer entscheidet?, sondern auch um den gesellschaftlichen Charakter der Stadterneuerung insgesamt. Die These war, dass die Stadterneuerungspolitik sowohl Ausdruck als auch Arena eines gesamtgesellschaftlichen Umbaus ist. Zum einen sind die Bedingungen der Durchführung an zentrale gesellschaftliche Instanzen wie Ökonomie, Politik und Raumgestaltung gebunden, zum anderen sind alle Maßnahmen direkt mit der Lebenswirklichkeit der Bewohnerschaft verschränkt. Sanierungsmaßnahmen, die direkt auf eine räumliche Restrukturierung zielen und staatlich initiiert, begleitet und durchgeführt werden, weisen die Charakteristika eines staatlichen Raumes (Lefebvre 1978) auf. Die räumliche Veränderung selbst und auch die sozialen Konsequenzen werden hier durch die Anwendung spezifischer Gesetze und unter maßgeblicher Beteiligung von staatlichen und parastaatlichen Akteuren einem vorgegebenen (staatlichen) Entwicklungsziel unterworfen. Ulla Terlinden fragt deshalb in ihrer Habilitationsschrift von 1992 („Gesellschaftliche Modernisierung durch Stadterneuerung? Eine historischempirische Analyse sozialen Wandels und staatlicher Zielsetzungen an Beispielen“) völlig zu Recht gleich im ersten Satz: „Haben die Stadterneuerungsprogramme [...] ihre gesellschaftspolitischen Zielsetzung erreicht?“ (Terlinden 1992: 1) Ihre Bezugspunkte sind die relativ klar formulierten sozialstrukturellen Intentionen der Erneuerungsprogramme aus den 60er und 70er Jahren und deren kritische Wende in den Zielen der Behutsamen Stadterneuerung in Berlin Kreuzberg. In den Diskussionen um die Stadterneuerung nach 1990 in den Ostberliner Altbauquartieren scheint es zunächst, als sei die Stadterneuerung ein Selbstzweck, der ohne eine deutlich for297
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mulierte gesellschaftspolitische Zielstellung auskommt. Insbesondere die Sanierungsziele der baulichen Erneuerung und des Erhalts der Sozialstruktur werden kaum begründet – und verstehen sich offenbar von selbst. Neben umfangreichen fachlichen Begründungen wird die Festlegung der ersten Ostberliner Sanierungsgebiete lediglich mit zwei politischen Intentionen begründet. Als stadtentwicklungspolitisches Ziel sollte „eine Slumbildung im ,Hinterhof‘ des neuen Regierungsviertels“ verhindert werden (SenBWV 1997: 20). Gesellschaftlich sollte die Stadterneuerung den Erwartungsdruck der OstberlinerInnen an die Demokratie erfüllen (Leitsätze 1993). Die Stadterneuerung ist dennoch ein tief greifender Eingriff in die bestehende Struktur einer Stadt und wird unter Dominanz, Aufsicht und Begleitung lokalstaatlicher Akteure organisiert. Diese Dimensionen können auch jenseits programmatischer Absichten auf ihre gesellschaftspolitischen Effekte hin untersucht werden. Gesellschaftliche Macht verstanden als Hegemonie von Akteuren, Legitimität von Verfahren und als Durchsetzung spezifischer Verhaltensweisen und Wertorientierungen muss nicht als proklamierter Masterplan formuliert werden, sondern kann gerade auch in ihrer stillen, unmerklichen Durchsetzung erfolgreich sein. Thema der Untersuchung waren deshalb nicht nur die offensichtlichen Effekte, sondern auch die stillen Spuren gesellschaftlicher Macht, die eine Stadterneuerung in den betreffenden Gebieten und bei der Bewohnerschaft hinterlässt. Am Anfang der Arbeit stand eine systematisierende Rekonstruktion der sozialwissenschaftlichen Literatur zur Stadterneuerung in der BRD. Obwohl es keine ausformulierte und abgeschlossene Soziologie der Stadterneuerung gibt, konnten drei zentrale Untersuchungsfelder für den Zusammenhang von Stadterneuerung und gesellschaftlicher Macht herausgearbeitet werden. Stadterneuerung ist immer ein ökonomischer Prozess: Sowohl die Entstehung von Sanierungsgebieten durch lang anhaltende Desinvestition als auch die Konzentration von Investitionsmitteln in eine Erneuerungsmaßnahme und die sozialen Folgen von Stadterneuerungen sind abhängig von makroökonomischen Kapitalbewegungen und individualrationalen Entscheidungen der Eigentümerschaft. Stadterneuerung ist Gegenstand von politisch-administrativer Steuerung: Das jeweilige Regime der Stadterneuerung und die Formen der ideologisch-kulturellen Vermittlung sind Ausdruck und Bestandteil der gesellschaftlich dominierenden Trends und somit Teil der gesellschaftlichen Machtstrukturen. Insbesondere in der Akteursstruktur und den Durchführungsverfahren spiegeln sich die jeweiligen Strategien der politischen Steuerung wider.
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Stadterneuerung ist Medium von Sozial- und Ordnungspolitik: In fast allen Stadterneuerungsverfahren liegt eine Tendenz der Disziplinierung an gesellschaftliche Normen und der Verinnerlichung gewünschter Verhaltens- und Wahrnehmungsmuster. Durch die Unausweichlichkeit für die Bewohnerschaft und durch ihre notwendige Anbindung an politisch und ökonomisch dominante Strukturen geraten Stadterneuerungsmaßnahmen so zur durchgreifenden Disziplinierungsinstanz gesellschaftlicher Normen. Für die 90er Jahre in Ostberlin, dargestellt am Beispiel der Sanierungsgebiete in Berlin Prenzlauer Berg, wurden diese ökonomischen (Kapitel 3) und politisch-administrativen (Kapitel 4) Dimensionen sowie die sozialen Effekte der Stadterneuerung (Kapitel 5) dargestellt.
6.1
Steuerung ohne Geld – die Politik der Stadterneuerung
Die Ausgangsbedingungen der Stadterneuerung in Ostberlin unterschieden sich fundamental von denen früherer Sanierungsphasen in Westberlin. Zum ersten Mal in der Sanierungsgeschichte der Stadt sind staatlich initiierte Sanierungsmaßnahmen überwiegend auf private, professionelle und renditeorientierte Immobilienakteure angewiesen. Die administrative Organisation der Stadterneuerung wird zwar wie in der Vergangenheit vor allem von lokalpolitischen und parastaatlichen Akteuren getragen, doch der Steuerungszugang muss sich ohne die üppige Finanzausstattung um rechtliche Instrumente und weiche Verfahren der Moderation und Verhandlung neu justieren. In den Sanierungsgebieten Ostberlins wurde ein eigener Typ des administrativen Handelns entwickelt, der sich hinsichtlich des Steuerungszugangs, der Organisations- und Akteursstrukturen und in den Instrumenten von bisher bekannten Sanierungsdurchführungen unterscheidet. Der Übergang zur indirekten Steuerung: Der Stadterneuerung in Ostberlin steht weniger öffentliches Geld als früheren Sanierungsvorhaben zur Verfügung. Die öffentlichen Verwaltungen suchen nach neuen Wegen einer erfolgreichen Steuerung. Im Kontext der Sanierungspolitik findet ein Wechsel von der direkten Steuerung mit Fördergeldern hin zu einer indirekten Steuerung mit rechtlichen Instrumenten statt. Modernisierungsarbeiten in den Sanierungsgebieten sind verstärkt abhängig von privaten Investitionen, zugleich bestehen nur mangelhafte Sanktionsmöglichkeiten und erhebliche Kontrolldefizite seitens der Verwaltungen. Letztlich dienen die rechtlichen Instrumente weniger der direkten Durchsetzung von Sanierungszielen, sondern konstituieren ein Verhand299
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lungssystem mit den EigentümerInnen, dessen Ergebnisse nur noch indirekt von den rechtlichen Auflagen bestimmt sind. Die Stadterneuerung der 90er Jahre in Ostberlin ist vom Übergang zu einer indirekten Steuerung gekennzeichnet. „Direkte Formen fordern den Staat aktiv als Arbeitgeber, Konsument, als Besteuerungsinstanz oder als Finanzier von Kapital und Arbeit. In der indirekten Form gibt der Staat Anreize, die Investitionen und Ressourcen kanalisieren sollen, die jedoch kein aktives Eingreifen beinhalten“ (Gottdiener 1990: 388). Mit der überwiegend privaten Finanzierung und dem Versuch, vor allem über gesetzliche Gebote und Verhandlungen Einfluss auf Verlauf und Ergebnis der Stadterneuerung zu gewinnen, hat sich in diesem Bereich der Stadtentwicklung exemplarisch ein genereller Trend des staatlichen und lokalstaatlichen Verwaltungshandelns durchgesetzt (Benz 1994; Heinelt 1997). Dezentralisierung der Stadterneuerung: In der Ostberliner Stadterneuerung der 90er Jahre gibt es keinen zentralen Träger und damit auch keinen zentralen Akteur. Insbesondere die atomisierte Eigentümerstruktur verhindert ein einheitliches Verfahren für das gesamte Gebiet. Die Genehmigungsverfahren und Durchführungsweisen der Stadterneuerung müssen in Kooperation von Verwaltung, öffentlich beauftragten Sanierungsbeteiligten und den EigentümerInnen Haus für Haus ausgehandelt und festgelegt werden. Auf der Seite der administrativen und parastaatlichen Akteure hat sich den letzten Jahren auf der Basis gemeinsamer Ressourcen, Kompetenzen und Erfahrungen ein relativ stabiles Netzwerk von Entscheidungsträgern und Verantwortlichen herausgebildet. Diese Zusammenarbeit agiert als ein „informellen Beziehungsgeflecht“ (Bernt 2003: 248) und entzieht sich in weiten Teilen einer öffentlichen Transparenz. Diese Partnerschaft ist fähig, das gemeinsame Projekt an sich ändernde Bedingungen anzupassen, ohne den Handlungsrahmen aufzugeben. Sie kann unterschiedliche Positionen und Interessen einzelner Akteursgruppen hinter gemeinsame Bezugspunkte zurückstellen und ist in der Lage, dauerhaft die Entscheidungen im Politikfeld Stadterneuerung zu dominieren. Damit weist sie deutliche Züge eines lokalstaatlichen Regimes (Stoker 1995; Stone 1989) auf. Privatisierung der Stadterneuerung: Ökonomische Anreize zur Investition waren in den 90er Jahren keine spezifischen Instrumente eines Sanierungsregimes, sondern Bestandteil der auf Angleichung setzenden Transformationspolitik. Zentraler Protagonist und Finanzier in den Sanierungsgebieten ist damit die private Eigentümerschaft. Jede und jeder von ihnen hat dabei andere Vorstellungen in Bezug auf die Erneuerung ihres bzw. seines Hauses, verfolgt unterschiedliche Investitionsstrategien, plant andere Maßnahmen und wählt einen anderen Umgang mit der Mieterschaft. In einer Stadterneuerung, die im Wesentlichen aus pri300
NEOLIBERALE STADTERNEUERUNG IN OSTBERLIN
vaten Mitteln finanziert werden muss, wird die Investitionsbereitschaft von privaten EigentümerInnen zum Ausgangspunkt einer Modernisierung. Die Verwaltung initiiert die Erneuerungsmaßnahmen nur noch in Ausnahmefällen selbst. Um die Stadterneuerung am Laufen zu halten, müssen die allgemeinen und konkreten Interessen der Eigentümerschaft ausreichend berücksichtigt werden. Ohne direkten Zugang zum Stadterneuerungsregime verfügen diese über eine stille Vetomacht bei allen wesentlichen Entscheidungen. Private Sanierungsabsichten werden vom Sanierungsregime in der Regel nicht beschränkt, sondern reguliert und gesteuert. Die politisch-administrative Aufgabe im Sanierungsprozess besteht im Bereich der Wohnungsmodernisierungen weitgehend aus dem öffentlichen Management privater Investitionen. Jenseits von Routine – administrative Verhandlungsorientierung: Die Beschränkungen des Sanierungsregimes haben im Vergleich zu früheren Phasen der Stadterneuerung ein neues Steuerungssystem hervorgebracht. Die Ziele der Stadterneuerung werden im Wesentlichen über Aushandlungsprozesse durchgesetzt. Für jedes Erneuerungsvorhaben findet eine neue Aushandlung mit neuen Ausgangsbedingungen statt, und es muss ein Kompromiss zwischen Auflagen der Verwaltung und Absichten der Eigentümerschaft gefunden werden. Zugleich entsteht der Spielraum für direkte Verhandlungen zwischen EigentümerInnen und MieterInnen, da die Mehrzahl der EigentümerInnen eine schnell ausgehandelte Modernisierungsvereinbarung oder Zustimmungserklärung einem formalrechtlich, aber zeitlich aufwendigen Ankündigungs- und Klageweg vorzieht. Wie wirken sich diese Veränderungen des staatlichen Handelns in den Sanierungsgebieten aus? Die Verwaltung und deren Beauftragte haben die Aufgabe, das Simultanziel der Stadterneuerung in Berlin – bauliche Erneuerung und Erhalt der Zusammensetzung der Gebietsbevölkerung –, durchzusetzen. Die öffentlichen Ziele der Stadterneuerung stehen nicht nur bei jeder Aushandlung neu auf dem Spiel, sondern werden in private Verhandlungsprozesse verlagert, auf die Verwaltungen und andere Verfahrensbeteiligte höchstens indirekten Einfluss ausüben können. Die Konstellation der verschiedenen Verhandlungssysteme lässt sich als der Versuch einer privatrechtlichen Absicherung von umstrittenen und zum Teil mit Widersprüchen behafteten öffentlich-rechtlichen Auflagen verstehen. Stand in den sozialen Kämpfen um die Behutsame Stadterneuerung in Kreuzberg vor allem die Politisierung des Lebensweltlichen, der Wohnverhältnisse, kurz: des Privaten im Mittelpunkt, so lässt sich für die Stadterneuerung der 90er Jahre eine Individualisierung des Politischen konstatieren. Staatliches Handeln reduziert sich in der Durchführungsebene auf eine rahmensetzende Moderation von privaten Einzel301
MACHT UND STADTERNEUERUNG
verhandlungen (zwischen MieterInnen und EigentümerInnen) um die Gestaltung der Wohnungsmodernisierungen. Mit den sanierungsrechtlichen Auflagen, die über die Genehmigungsverfahren durchgesetzt werden sollen, wird den EigentümerInnen lediglich eine grobe Zielorientierung auferlegt. Ob und wie diese Rahmensetzung eingehalten wird, bleibt Ergebnis der individuellen Verhandlungen. Für die Bewohnerschaft wirkt sich das verrechtlichte, auf Verhandlungen orientierte und privatisierte Stadterneuerungsregime als Individualisierung aus. Auch wenn sie von Verwaltungen und Mieterberatung öffentliche Unterstützung erhalten – die meisten MieterInnen sehen sich allein mit den Modernisierungsplänen konfrontiert. Bei der Durchsetzung ihrer Vorstellungen sind sie auf sich selbst zurückgeworfen. Entsprechend verschieden verlaufen die Verhandlungen mit den EigentümerInnen, und entsprechend unterschiedlich fallen auch die Ergebnisse aus. Nicht nur die finanziellen Ressourcen der MieterInnen, sondern auch ihre Fähigkeiten im Umgang mit Konflikten und ihr Geschick in den Aushandlungen entscheiden darüber, wie weitgehend sie ihre Interessen bei einer Wohnungsmodernisierung durchsetzen können. Insbesondere ressourcenschwache Mietparteien entschließen sich eher für einen Auszug statt für langwierige Verhandlungen, die sie nicht überblicken können. Die Durchführung der Wohnungsmodernisierung als Aushandlungsprozess wirkt somit verdrängend für jene Haushalte, die ihre Interessen in einer Aushandlung nur unzureichend durchsetzen können bzw. denken, sie nur unzureichend durchsetzen zu können. Sie begünstigt ressourcenstarke MieterInnen, die ihre Vorstellungen im Hinblick auf die Modernisierung erfolgreich durchsetzen können oder bei einem Auszug hohe Entschädigungszahlungen heraushandeln. Die Individualisierung der Stadterneuerungsverfahren führt zu ressourcenabhängigen Verhandlungsergebnissen und in deren Folge zu selektiven Fluktuationsprozessen in den betreffenden Häusern. Das veränderte Steuerungssystem und die Organisation der Stadterneuerung führen dazu, dass über das allgemeine soziale Erneuerungsziel letztlich in individualisierten Verhandlungen entschieden wird. Die sozialen Kosten einer Sozialverträglichkeit der Stadterneuerung werden so der Eigenverantwortlichkeit der BewohnerInnen aufgeladen. Der gesellschaftliche Charakter der Stadterneuerung besteht jedoch nicht nur in der beschriebenen Flexibilisierung des lokalstaatlichen Handelns selbst, sondern auch in der darin enthaltenen Internalisierung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Insbesondere die Angewiesenheit auf private Investitionen zwingt die Administration zu ständigen Kompromissen zwischen den ökonomischen Zwängen und den politisch proklamierten Vorgaben der Sanierung. Hinsichtlich der sozialen Sanie302
NEOLIBERALE STADTERNEUERUNG IN OSTBERLIN
rungszeile lässt sich dieses Abwägen als eine Konfliktmoderation zwischen der Bewohnerschaft und den EigentümerInnen verstehen. Gewinne der einen Seite bedeuten Verluste auf der anderen Seite: Mietsteigerungen im Gefolge der Erneuerung entsprechen der Marktorientierung der Investition und gehen zu Lasten der sozialen Erneuerungsziele. Gebundene Mieten jedoch, die als Indikator und Voraussetzung für die sozialen Erneuerungsziele gelten, greifen direkt in die Wirtschaftlichkeit der Maßnahmen ein. Das führt dazu, dass die EigentümerInnen in der Stadterneuerung eine paradoxe Stellung einnehmen: Die Stadterneuerung soll ausdrücklich mit und von ihnen durchgeführt werden, zugleich müssen die sozialen Ziele der Stadterneuerung gegen sie durchgesetzt werden. Diese komplizierte Stellung der Eigentümerschaft spiegelt sich auch im Mix der administrativen Instrumente. Neben den Geboten, Auflagen und Genehmigungsverfahren, die für ein klassisch regulatives Programm der Steuerung stehen, wird verstärkt auf persuasive Elemente wie Beratung und Information gesetzt. Im Bereich der Mieterzustimmungen, die von allen AntragstellerInnen beizubringen sind, finden sich auch Spuren eines prozeduralen Programms (siehe König/Dose 1993: 88). Einschränkungen der Wirtschaftlichkeit von Investitionen beziehen sich so lediglich auf überdurchschnittlich hohe Renditerwartungen. Allgemeiner ausgedrückt werden die strukturellen Bedingungen zur Handlungsgrundlage der administrativen Steuerung, ohne grundsätzlich auf die ökonomischen Bedingungen der Investitionen zurückzuwirken. Zusammenfassend lässt sich das Steuerungsmodell der Stadterneuerung in Ostberlin als ein kooperationsorientiertes Erneuerungsmanagement für marktgetragene Aufwertungsprozesse bewerten. Es ist durch die Privatisierung der Investitionen, die Individualisierung und Flexibilisierung der Verfahren sowie die Herausbildung eines Erneuerungsregimes unter Führung staatlicher und parastaatlicher Akteure gekennzeichnet. In der Stadterneuerungspolitik in Ostberlin hat sich damit eine Form des staatlichen Handelns herausgebildet, die auf Kosten sozialer Kompromisse auch unter den Bedingungen einer weitgehenden Ökonomisierung eine administrative Souveränität ermöglicht.
303
MACHT UND STADTERNEUERUNG
6.2
Au f w e r t u n g s d r u c k u n d G e n t r i f i c a t i o n – d i e Ökonomie der Stadterneuerung
Auch die Ökonomie der Stadterneuerung in Ostberlin unterscheidet sich von den bisherigen Sanierungsphasen. Erstmals in der Geschichte der Stadterneuerung werden private und zugleich marktorientierte EigentümerInnen zu den entscheidenden Akteuren der Sanierung. Die Stadterneuerung verlässt damit in Ostberlin ihre bisherige ökonomische Basis des öffentlichen Reichtums (Bodenschatz 1997: 7). Privatisierung der Stadterneuerung: Durch Restitution und intensives Verkaufsgeschehen der Grundstücke sind kommunale oder öffentliche EigentümerInnen aus den Sanierungsgebieten weitgehend verschwunden. Die Entwicklung lässt sich als Privatisierung und Professionalisierung der Eigentumsstrukturen bezeichnen. Die Administration steht in den Sanierungsgebieten nicht mehr einer inaktiven oder gemeinnützigen Eigentümerschaft gegenüber, sondern echten und gewinnorientierten Immobilienmarktakteuren. Statt einer ökonomischen Anreizfunktion zur Überwindung von Desinvestitionen besteht die Aufgabe der Stadterneuerung in einer Steuerung des Aufwertungsdrucks. Ökonomisierung der Investition: Die Stadterneuerung in Ostberlin wird zum größten Teil von EigentümerInnen getragen, die erst nach 1990 ein Grundstück in den Sanierungsgebieten erworben haben. Die Kaufpreise des überhitzten Bodenmarktes Anfang der 90er Jahre gehen so preistreibend in die Kalkulationen von Modernisierungsarbeiten ein. Durch die gleichzeitige Reduktion direkter Fördermittel unterliegen Investitionen in den Sanierungsgebieten fast ausschließlich einer ökonomischen Rationalität. Wohnungspolitische Aspekte der Stadterneuerung sind auf der Investitionsseite der Modernisierungsarbeiten kaum kenntlich. Anreizökonomie durch Förderung und Abschreibung: Die klassischen direkten Steuerungsmodi der Stadterneuerung wurden in Ostberlin deutlich reduziert. Insbesondere die aktive Seite staatlicher Steuerung wurde mit der stufenweisen Einstellung direkter Förderprogramme im Laufe der 90er Jahre drastisch zurückgefahren. Mit den Sonderabschreibungsmöglichkeiten wurden bis Ende der 90er Jahre Modernisierungsmaßnahmen indirekt subventioniert. Solche Formen der Anreizsteuerung gelten als typisch für das administratives Handeln eines aktivierenden Staates (Mezger/West 2000). Abgesehen von der Förderphase der frühen 90er Jahren entstand in den Sanierungsgebieten Ostberlins eine typische Aufwertungsökonomie. Investitionen in die Modernisierung der Bausubstanz folgten Rentabili-
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NEOLIBERALE STADTERNEUERUNG IN OSTBERLIN
tätsüberlegungen und können als klassische Schließung bestehender Verwertungslücken angesehen werden. Zunächst (1993 bis 1996) entstand durch die weit überhöhten Bodenpreise Anfang der 90er Jahre ein enormer Verwertungsdruck. Die Mieterwartungen bewegten sich weit über der Zahlungsfähigkeit der Bewohnerschaft in den Gebieten. Bei einer ersten Untersuchung der Modernisierungsfolgen auf die Mietentwicklung 1995 wurden Mietpreise bis zu 15 DM/qm festgestellt. Aus wohnungswirtschaftlicher Sicht kann darin ein klassisches Schließen einer rent gap gesehen werden, bei denen die große Disparität zwischen einer bestehenden ökonomischen Unternutzung und einer sehr hohen Erwartungsrente die Reinvestitionen in das fixe Kapital (die Gebäude) auslöst. Diese klassische Gentrificationökonomie beschränkte sich jedoch nur auf ein kleines Segment der Sanierungsmaßnahmen (ca. 2.500 Wohnungen bzw. acht Prozent des Bestandes), da ja fast zwei Drittel aller Bauarbeiten mit öffentlichen Mitteln finanziert und somit einer wohnungspolitischen Regulierung der Mietpreisentwicklung unterlagen. Diese Maßnahmen konzentrierten sich in den vermeintlich attraktiven Lagen am Kollwitzplatz. Aus der Perspektive der privat finanzierten Erneuerungen hatten diese Fördermaßnahmen deutliche Mitnahmeeffekte, weil sie die Erwartung eines nachhaltigen baulichen Aufschwungs in den Gebieten stimulierten. Die zweite Phase der Erneuerung (1997 bis 1999) ist einerseits durch die Reduzierung der Förderanteile und zugleich durch eine räumliche Streuung und zeitliche Streckung der Aufwertungsökonomie gekennzeichnet. So wurden in diesem Zeitraum ca. 3.500 Wohnungen (fast elf Prozent des Gesamtbestandes) ohne jede öffentliche Förderung und die entsprechenden Bindungen erneuert. Wegen der sehr günstigen Abschreibungsmodalitäten akzeptierten die EigentümerInnen weitgehend die mietbegrenzenden Auflagen in den Sanierungsgenehmigungen. Die so genannten Mietobergrenzen kappten die Einstiegsmieten nach einer Modernisierung auf einem sozialverträglichen Niveau. Erst mit der Verzögerung von ein bis fünf Jahren (die Regelungen variierten zu verschiedenen Zeitpunkten) konnten die Mieteinnahmen schrittweise erhöht werden. Eine gebäudebezogene Verwertung der Investition wurde so über einen längeren Zeitraum gestreckt und verzögert. Die Situation einer lokalstaatlichen Mietbeschränkung bei gleichzeitig nationalstaatlich gesetzten Investitionsanreizen führte zu einem weitgehend lageunabhängigen Sanierungsgeschehen. Unabhängig von den tatsächlich zu realisierenden Mietpreisen lohnte sich die Investition in die Sanierung eines Altbauhauses. Die gentrificitiontypischen räumlichen Muster von Inseln der Aufwertung oder klaren Grenzlinien der Gentrification verschwammen unter den räumlich egalitären Anreizen der Steuerabschreibung. 305
MACHT UND STADTERNEUERUNG
Die dritte Phase (ab 2000) ist durch den fortgesetzten Rückgang der Förderungen und einen Übergang zu Umwandlungsmodernisierungen geprägt. Ohne die üppigen Abschreibungsmöglichkeiten sind die Mietobergrenzen für die meisten Investitionen wirtschaftlich nicht zu erfüllen. Ohne Förderung, aber mit Auflagen sehen sich viele EigentümerInnen in einer Zone der Unrentabilität. Mit anderen Worten: Die lokalpolitischen Eingriffe beschränken die Erwartungsmiete so drastisch, dass eine Investition aus ökonomischer Perspektive kaum möglich erscheint. Durch diese Beschränkung driften die Investitionsrentabilität eines vermieteten Gebäudes und der mögliche Verkaufswert immer weiter auseinander. Eine Investition in die Substanz lohnt sich meist nur noch, wenn sie mit dem Verkauf von Eigentumswohnungen verbunden ist. In diesem Fall können die Mietbeschränkungen in den Sanierungsgebieten umgangen und eine Wertabschöpfung sofort realisiert werden. Wohnungswirtschaftlich entspricht das dem Schließen einer value gap, wie es für Gentrificationprozesse unter wohnungspolitisch hoch regulierten Bedingungen beschreiben wird. Die Umwandlungsgeschäfte haben sich in allen Sanierungsgebieten durchgesetzt, konzentrieren sich dort aber auf attraktive Lagen wie ruhige Straßen, beliebte Plätze oder architektonisch heraus stechende Gebäude. Insgesamt wurden in dieser Phase fast 2.500 Wohnungen (fast acht Prozent des Gesamtbestandes) ohne Fördermittel erneuert, die meisten davon mit den beschriebenen Umwandlungsfinanzierungen. Im Rückblick auf die bisherige Stadterneuerung in Prenzlauer Berg kann für die Hälfte des bisher sanierten Bestandes (fast 8.500) eine Gentrificationökonomie attestiert werden. Eine Aufwertungsökonomie hat sich dabei mit der Zeit immer stärker durchgesetzt. Trotz einer insgesamt leicht rückläufigen Erneuerungsintensität hat sich die Anzahl der privat finanzierten Maßnahmen kontinuierlich erhöht. Ein Blick auf die jährlichen Durchschnitte verrät eine Steigerung dieser Erneuerungen um fast 50 Prozent. Waren es zu Beginn der Stadterneuerung etwa 800 Wohnungen pro Jahr, so ist dieser Wert inzwischen auf fast 1.250 gewachsen. Bezogen auf den Gesamtbestand der Sanierungsgebiete sind das jährlich fast vier Prozent aller Wohnungen. In den betreffenden Wohnungen waren Investitionen in die bauliche Erneuerung mit einer direkten ökonomischen Inwertsetzung zu Gunsten der EigentümerInnen verbunden. Auch wenn phasenweise eine zeitliche Streckung und räumliche Streuung der Aufwertungsprozesse festzustellen ist, kann aus ökonomischer Sicht von einem Gentrificationprozess gesprochen werden, der sich quasi im Rücken der geförderten Sanierungen durchgesetzt hat. Insgesamt waren bis Ende 2001 etwa 26 Prozent des Gesamtbestandes davon betroffen. 306
NEOLIBERALE STADTERNEUERUNG IN OSTBERLIN
Tabelle 6.1: Anzahl und Anteil privat finanzierter Wohnungen in den Sanierungsgebieten von Prenzlauer Berg (bezogen auf den Gesamtbestand 1994 bis 2001)
1994 bis 1996 Geförderte Erneuerung 1997 bis 1999 Abschreibungserneuerung 2000 bis 2001 Umwandlungserneuerung Gesamt
Privat finanzierte Modernisierungen gesamt pro Jahr Quote privatfin. Anzahl Anteil Anzahl Anteil Mod. 2.503 7,8% 834 2,6% 37% 3.421
10,6%
1.140
3,5%
56%
2.478
7,8%
1.239
3,9%
61%
8.462
26,2%
1.058
3,3%
50%
Quelle: Stadterneuerungsberichte und eigene Berechnungen
Da die Förderprogramme weitgehend eingestellt wurden und somit an Relevanz für den Erneuerungsprozess verlieren, ist mit einem deutlichen Anstieg des Gentrificationsegments zu rechnen. Die Stadterneuerung in Ostberlin ist durch eine weitgehende Ökonomisierung gekennzeichnet. Stärker als in früheren Phasen unterliegen die Investitionen in den Sanierungsgebieten Marktmechanismen und werden überwiegend von einer gewinnorientierten Eigentümerschaft getragen. Ohne Elemente einer Bodenpolitik und mit geringer werdenden öffentlichen Finanzierungsressourcen folgt die Sanierungspolitik den ökonomischen Vorgaben. Markttypische Sanierungsverläufe und Mietentwicklungen sind das logische Ergebnis. Die verschiedenen Phasen der Stadterneuerung lassen sich dabei als der schrittweise Rückzug des Staates verstehen. Wurden zunächst öffentliche Gelder über Förderprogramme direkt in die Modernisierungsmaßnahmen gelenkt, die dadurch an öffentliche Auflagen gebunden waren, haben die pauschalen Investitionen durch die Steuerabschreibungsmöglichkeiten der zweiten Phase nur noch einen indirektren Charakter und sind an keine Auflagen gebunden. Lediglich durch lokale Erneuerungsarrangements (u.a. die Mietobergrenzen) gelang es, die massive öffentliche Förderung wenigstens zum Teil zu Gunsten der Bewohnerschaft zu binden. In der späten Sanierungsphase sind auch diese Möglichkeiten weitgehende eingeschränkt: Der durch die gesetzlich festgelegten Steuerbegünstigungen in Sanierungsgebieten mögliche Steuerungsspielraum für die Verwaltungen ist gering und wird durch das dominierende Investitionsmuster der Umwandlungsmodernisierung unterlaufen. Allgemeiner gesprochen haben sich im Laufe der Stadterneuerung in Ostberlin zunehmend echte Marktmechanismen gegenüber den öffentlichen Erneuerungsmodellen durch307
MACHT UND STADTERNEUERUNG
gesetzt. Stadterneuerung hat in Ostberlin dadurch den Charakter einer lokal-staatlich moderierten Gentrification.
6.3
Au f w e r t u n g u n d V e r d r ä n g u n g – d i e s o z i a l e Effekte der Stadterneuerung
Um die gesellschaftlichen Effekte der Stadterneuerung abschätzen zu können, sind die Auswirkungen auf die Sozialstruktur sowie die Sozialpolitik von besonderem Belang. Beide Bereiche gehören traditionell zu den Zielfeldern von Sanierungsmaßnahmen, die mit politischer Rechtfertigung und öffentlichen Mitteln angeschoben und durchgeführt wurden. Die Stadterneuerung in Ostberlin unterscheidet sich in diesen Aspekten von den meisten bisherigen Sanierungsprojekten. Es gibt keine aktive Zielformulierung in Bezug auf die Sozialstruktur und nur versteckte Hinweise auf sozialpolitische Aspirationen. Dennoch waren die Auswirkungen und Effekte der Stadterneuerung in diesen Bereichen nicht unerheblich, so dass sie für die Analyse der gesellschaftlichen Wirkmächtigkeit eine wichtige Rolle spielen müssen.
6.3.1 Sozialstrukturveränderung, Mobilität und Aufwertung Die Veränderungen der Sozialstrukturen sind ein analytisch kompliziertes Thema, insbesondere wenn sich die sozialen Verhältnisse auch ohne eine Stadterneuerung im Umbruch befinden. In Ostberlin überlagerten sich dabei mindestens drei Prozesse: • Soziale Differenzierungen und wohnungsbezogene Neuorientierungen im Zuge der gesellschaftlichen Transformation in eine Marktwirtschaft, • Wanderungsbewegungen und neue Lagewertverschiebungen einzelner Stadtviertel durch die Wiedervereinigung der beiden Stadthälften sowie • die direkten Folgen der umfassenden Erneuerungsmaßnahmen. Eindeutige Ursachen-Wirkungs-Zusammenhänge sind mit dem verfügbaren statistischen Material nicht auszumachen. Grundsätzlich können jedoch Tendenzen der gegenseitigen Verstärkung bzw. Aufhebung der einzelnen Prozesse benannt werden. Eine Zusammenstellung von wesentlichen Aspekten der Sozialstrukturveränderung (Mobilität, sozialer Status, Bildungstand, Altersstruktur und Mietentwicklungen) zeigt, dass sich die angenommenen Auswirkungen der gesellschaftlichen Transformation und der Stadterneuerung 308
NEOLIBERALE STADTERNEUERUNG IN OSTBERLIN
gleichen und somit gegenseitig verstärken. Die Berliner Vereinigung hingegen weicht in einigen Bereichen von den Trends ab. Insgesamt jedoch kann eine hohe Kongruenz der Prozesse festgestellt werden. Tabelle 6.2: Auswirkungen verschiedener Prozesse auf die Sozialstruktur in Prenzlauer Berg
Mobilität
Transformation Mobilitätsfördernd Differenzierung der Sozialstruktur Schaffung neuer Wohngelegenheiten Auflösung planwirtschaftlicher Wohnungszuweisungen
Berliner Vereinigung Mobilitätsneutral Wanderungsschwerpunkt der Ostberliner Bezirke Westberliner Zuzüge durch Lagegunst und Attraktivität
Stadterneuerung Mobilitätsauslösend Belastungen durch Bauarbeiten Veränderung der Nachbarschaft Veränderung der Wohnung
Soziale Differenzierung
Soziale Abwertung (bis 1995)
Beschleunigung sozialer Entmischung
Auflösung bisheriger Arbeitsplatzsicherheiten
gezielte Zuzüge in die preiswerten Bestände
weitgehende Entwertung bisheriger Erfahrungen und Leistungen
Soziale Aufwertung durch Attraktivität für Neuberliner Führungskräfte (Ende 90er)
in privatmodernisierten Beständen weitgehender Austausch der Sozialstrukturen
Altersstrukturen
Geburtenknick nach 1990
Zuwanderung von jungen Erwachsenen
Fortzug von Familien
Bildungsstatus
Erhöhung des Bildungsdurchschnitts durch Öffnung nachholender Bildungswege
keine erkennbaren Auswirkungen
Erhöhung des Bildungsdurchschnitts durch selektive Aushandlungsprozesse bei Modernisierungen
Mietpreisentwicklung
gesetzliche Erhöhungen
Mietersteigerung durch neue Lagegunst des Bezirks
Mietsteigerungen durch Sanierungsarbeiten und Wohnwertverbesserungen
Sozialer Status
Marktbedingungen d. Wohnungswirtschaft
Quelle: eigene Darstellung
Die spezifischen Effekte der Stadterneuerung lassen sich dennoch benennen. So wirkt die Stadterneuerung als enorme Mobilitätsschleuder. Der Anteil der Fortzüge aus den Häusern, in denen modernisiert wird, ist viermal höher als im Durchschnitt des Bezirks. Obwohl die meisten Auszüge unmittelbar durch die Modernisierungsmaßnahmen ausgelöst werden, lassen sich inzwischen auch langfristige Entwicklung in den modernisierten Wohnungen feststellen. Ein Teil der Altmieterhaushalte, 309
MACHT UND STADTERNEUERUNG
die zunächst in den Wohnungen verbleiben, entscheidet sich offensichtlich später doch noch für einen Auszug. Als Gründe werden häufig die Wohnungsgröße und der Mietpreis genannt. Hier zeigt sich die aufschiebende Wirkung der Mietobergrenzen auf die sozialen Aufwertungsprozesse in den sanierten Beständen. Im Laufe der Jahre hat sich der Anteil der Mieterschaft, die bereits vor der Modernisierung in den Häusern wohnte, drastisch verringert. Waren es in den bis 1995 erneuerten Häusern noch etwa 60 Prozent, so liegt ihr Anteil in den bis 2002 sanierten Beständen nur noch bei etwa einem Viertel. Tabelle 6.3: Anteile von Alt- und NeumieterInnen in bereits modernisierten Häusern nach der Modernisierung
AltmieterInnen NeumieterInnen
1995 60% 40%
1998 50% 50%
2000 35% 65%
2002 25% 75%
Quelle: Mieterberatung 1995, 1998; Häußermann/Holm/Zunzer 2002; Asum/Mieterberatung 2003 und eigene Berechnungen
Auf Basis dieser dramatischen Zahlen lassen sich noch keine Aussagen darüber treffen, ob die Fortziehenden die Sanierungsgebiete verlassen oder ob sie innerhalb der Nachbarschaften umziehen. Allerdings sprechen die Unterschiede zwischen den BewohnerInnen unsanierter und modernisierter Wohnungen eine deutliche Sprache: Bildungsniveau und Einkommen sind in modernisierten Beständen deutlich höher, die Alterszusammensetzung hat ihren Schwerpunkt bei den 30- bis 40-Jährigen. Nachdem in den ersten Jahren der Stadterneuerung viele Familien den Bezirk verließen, ist inzwischen der Kinderanteil in den modernisierten Beständen höher als im Durchschnitt. Diese Verschiebung der Sozialstrukturen in den erneuerten Beständen können im Wesentlichen auf zwei Prozesse zurückgeführt werden. Zum einen werden die meisten Modernisierungen als Aushandlungsprozesse zwischen den BewohnerInnen und den EigentümerInnen organisiert, so dass sich insbesondere sozial und kulturell ressourcenstarke Haushalte durchsetzen können. Die Fortzüge sind demnach sozial und kulturell selektiv. Zum anderen werden (zumindest in den privatmodernisierten Beständen) die frei werdenden Wohnungen unter Umgehung der Mietobergrenzen zu Marktmieten vergeben, so dass von ökonomisch selektiven Zuzügen gesprochen werden kann. Wenn für frei gewordene Wohnungen Mieten gezahlt werden, die für die Mehrheit der bisherigen Bewohnerschaft untragbar wären, wird das in der internationalen Gentri-
310
NEOLIBERALE STADTERNEUERUNG IN OSTBERLIN
ficationforschung als indirekte Verdrängung bzw. „exclusionary displacement“ bezeichnet (Marcuse 1986: 156). Diese doppelte Selektivität der mikrosozialen Veränderungen auf Hausebene schlägt sich in der Summe auf die sozialstrukturellen Veränderungen auf Gebietsebene nieder. Relative Einkommenssteigerungen im Vergleich zu anderen Bezirken, ein bildungsstruktureller Statussprung sowie eine tief greifende Veränderung der Haushalts- und Alterstrukturen haben einen gentrificationtypischen Charakter. Die typische Bewohnerschaft der Sanierungsgebiete in Prenzlauer Berg lebt als Single oder in kinderloser Partnerschaft, verfügt über eigene feste Einkommen und hat eine abgeschlossene Hochschulausbildung. Variationen wie Studium und Familiengründungen mit kleinen Kindern stellen die Gentrificationinterpretation nicht in Frage. Gerade das Wohnen in einem Aufwertungsgebiet wird oftmals von individuellen Karrieren begleitet, und auch Versuche, beruflichen Erfolg und Familienleben in Einklang zubringen, sind typisch für das Leben in innerstädtischen Aufwertungsgebieten (vgl. Bondi 1991; Rose 1989; Alisch 1993; Mills 1988). Im Zusammenhang mit einer ernsthaften Gentrificationbehauptung werden allgemein nicht nur Angaben über sozialstrukturelle Veränderungen, sondern auch Belege für eine tatsächliche Verdrängung der bisherigen Bewohnerschaft erwartet. Im Fall von Prenzlauer Berg kann – abgesehen von den statistischen Schwierigkeiten eines solchen Nachweises – bisher keine vollständige Verdrängung festgestellt werden, da der Prozess der Umstrukturierung in den Sanierungsgebieten noch nicht abgeschlossen ist. Sinnvolle Aussagen über Verdrängungseffekte können sich daher vor allem auf die bereits sanierten Wohnungen beziehen. Die bisherigen Modernisierungsarbeiten hatten für knapp die Hälfte der Bewohnerschaft in den betreffenden Häusern positive Effekte. Sie konnten in den Sanierungsgebieten bleiben, wohnen nach der Modernisierung in einer besser ausgestatteten Wohnung und konnten zumindest zum Zeitpunkt der Untersuchungen die notwendigen Mieten aufbringen. Für etwa 40 Prozent haben die Sanierungsarbeiten nachteilige Auswirkungen: Sie mussten unfreiwillig aus den Gebieten ausziehen oder auch weiterhin Wohnungen mit deutlichen Standarddefiziten in Kauf nehmen. Etwa 13 Prozent der BewohnerInnen in diesen Häusern wären auch ohne eine Modernisierung aus ihren Wohnungen ausgezogen (siehe ausführlicher Kapitel 5). Trotz der Durchsetzung einer gentrificationtypischen Sozialstruktur in den Gebieten ist bisher nur ein gebremster Verdrängungsprozess festzustellen, so dass von einer partiell gebändigten Gentrification gesprochen werden kann. Die Verdrängung der früheren Bewohnerschaft konnte sowohl durch die Investitionsbedingungen als auch die lokalen 311
MACHT UND STADTERNEUERUNG
Erneuerungsarrangements abgebremst werden. Die Sonderabschreibungsbedingungen wirkten lageunabhängig und beschränkten die gentrificationtypische Konzentration von Investitionen. Die Förderbestände und die Mietobergrenzen schufen zudem ein Segment preiswerter Wohnungen in den Sanierungsgebieten. Mit dem Ende der Sonder-afa, der Einstellung der Förderprogramme und rechtlich umstrittenen Perspektive der Mietobergrenzen sind jedoch verstärkte Verdrängungsprozesse zu erwarten.
6.3.2 Sozialpolitische Effekte der Sanierung – Befriedung und Harmonisierung Gemessen an den selbst formulierten Zielen der Stadterneuerung in Ostberlin muss ein gespaltenes Fazit getroffen werden. Zum einen wurde die bauliche Erneuerung der desolaten Stadtviertel mit einem hohen Tempo durchgesetzt, so dass inzwischen deutlich mehr als die Hälfte aller Wohnungen instandgesetzt und modernisiert wurden. Ausgehend von den physischen und finanziellen Ausgangspunkten der Stadterneuerung war diese zügige Erneuerung keine Selbstverständlichkeit. Allerdings begünstigten vor allem die überlokalen Rahmenbedingungen wie die Restitutionsregelungen oder die steuerlichen Vergünstigungen eine massive Investition in die Altbaubestände. Auf der anderen Seite konnte angesichts der enormen sozialstrukturellen Veränderungen in den Gebieten das soziale Sanierungsziel nicht erreicht werden. Trotz der Versuche, regulierend auf den Erneuerungsprozess einzuwirken, haben sich letztlich marktförmige Strukturen durchgesetzt. Besserverdienende und Haushalte, die in hohem Maße über soziale und kulturelle Ressourcen verfügen, wohnen in den erneuerten und besser ausgestatteten Wohnungen. In den Substandardsegmenten der Sanierungsgebiete konzentrieren sich hingegen eher die unteren sozialen Gruppen. Im Moment lassen sich die Sanierungsgebiete als differenzierte, zum Teil gespaltene Wohnungsmärkte beschreiben. Das stimmt auch mit den kulturellen Sanierungsvorstellungen der maßgeblichen Akteure überein, die sich mit der Betonung von Einmaligkeit, besonderem Flair und Geschichtsträchtigkeit von früheren Vorstellungen eintönig homogenisierter Viertel absetzen. Mit der Perspektive eines fortschreitenden Sanierungsprozesses ist jedoch eine weitgehende Homogenisierung der Bewohnerschaft und der ästhetischen Gestaltung abzusehen. Paradoxerweise lassen sich diese ungewollten Veränderungen vor dem Hintergrund der Zielkoordinaten früherer Stadterneuerungsprojekte als Erfolge einer sozialpolitischen Befriedungsstrategie und einer sozial312
NEOLIBERALE STADTERNEUERUNG IN OSTBERLIN
strukturellen Harmonisierung ansehen. Eine verbesserte Versorgung mit Wohnraum (quantitativ und qualitativ) für große Teile der Bevölkerung lässt im Allgemeinen eine wachsende Loyalität gegenüber der Gesellschaft erwarten. Prenzlauer Berg hat sich tatsächlich – nicht zuletzt durch die Stadterneuerung – von einem Hort des Widerstandes und Protestes in ein wohl situiertes Wohnquartier verwandelt. In den Jahren der Sanierung hat sich der hohe Anteil von unangepassten und vom gesellschaftlichen Durchschnitt abweichenden Haushalts- und Lebensformen deutlich verringert. Die einzigartige Dynamik der Veränderungen in Prenzlauer Berg führte letztlich zu einer Anpassung der Sozialstruktur an den Berliner Durchschnitt. Anders als in früheren Phasen der Stadterneuerung waren diese Effekte jedoch nicht von einer ausdrücklichen Intention getragen. Es gibt in den 90er Jahren auch keine selbstbewussten, mit legitimen Zielen ausgestatten Auftraggeber der Umstrukturierung. Im Gegenteil: In Ostberlin verschwindet das Subjekt der Modernisierung ins Anonyme. „Berlin braucht“, „es geschieht“, „die Bedingungen zwingen uns“ (Zitate aus verschiedenen Experteninterviews) sind typische Formulierungen, wenn es darum geht, die politischen Ziele der Sanierung zu benennen. Entsprechend ist die Stadterneuerung auch nicht mehr Instrument von weitergehenden politischen Zielsetzungen, sondern entzieht sich als Gegenstand einer politischen Debatte. Der politische Charakter der Stadterneuerung in Ostberlin besteht eher in einer diffusen Durchsetzung von Marktstrategien gegenüber der Bewohnerschaft und zielt nicht explizit auf die sozialen Veränderungen. Die sozialen Effekte der Stadterneuerung auf der Gebietsebene stehen in einem direkten Zusammenhang zur Aufwertungsökonomie und werden durch die flexible Verhandlungsorientierung in den Modernisierungsverfahren begünstigt. Insbesondere die gentrificationtypischen Aufwertungstendenzen der Sozialstruktur lassen sich auf die strukturellen und verfahrensbezogenen Aspekte der Stadterneuerung zuzrückführen. Während die Auszüge im wesentlichen Folgen der im administrativen Verfahren vorgesehenen Modernisierungsverhandlungen sind, folgen die Neueinzüge in die modernisierten Wohnungen ökonomischen Kriterien. Der gesellschaftliche Charakter dieser Aufwertungen besteht letztlich in einer Angleichung der Einkommensverhältnisse an den städtischen Durchschnitt und der Etablierung eines innerstädtischen Wohnsegments für eine überwiegend junge und aufstrebende Elite und andere Angehörige der Dienstleistungsökonomie. Hohe Ausbildungsniveaus, flexible Lebensformen und kulturelles Distinktionsvermögen wie sie für die neue Bewohnerschaft der Sanierungsgebiete typisch sind, entsprechen auch den Anforderungsprofilen der neuen Ökonomien. 313
MACHT UND STADTERNEUERUNG
6.4
Sicherheits- und Ordnungspolitik in der Stadterneuerung
Im theoretischen Aufriss der Stadterneuerungsgeschichte wurde der historisch zentrale Stellenwert von Ordnungs- und Sicherheitspolitik dargestellt. Die dabei unterscheidbaren ordnungspolitischen Motive in der Sanierungspolitik waren in den Sanierungsgebieten von Prenzlauer Berg nur rudimentär wieder zu finden. Direkte Intentionen und Effekte in diesem Bereich spielten bei der Zielformulierung und Durchführung keine wesentliche Rolle. Obwohl ,Sicherheit‘ zu einem festen Narrativ der aktuellen stadtpolitischen Diskussion geworden ist, waren polizeitaktische Überlegungen bei der allgemeinen räumlichen Gestaltung der Viertel kein Thema. Lediglich bei einzelnen Projekten und für kleinere Sozialräume lassen sich Raumgestaltungen finden, bei denen die Stadterneuerung zum Instrument einer direkten Ordnungspolitik wird (Helmholtzplatz, Mauerpark). Als indirekter Nebeneffekt der Erneuerungsarbeiten lässt sich eine physisch-bauliche Sicherheitsprävention feststellen: Besonders Dachgeschosswohnungen (statt der bisherigen Dachböden), kleinteilige Abmessungen und Befestigungen in den Höfen sowie Schließanlagen an Haustüren schränken die unkontrollierte Bewegung in den Gebieten ein. Grauzonen temporärer und illegaler Nutzungen verschwinden durch den Sanierungsfortschritt. Ein intendiertes Ziel der Stadterneuerung waren diese Entwicklungen jedoch nicht. Die Zerstörung von Nachbarschaftsstrukturen einer politisch unbeliebten Bevölkerung ist traditionell das Ziel vieler Stadterneuerungsmaßnahmen. Auch wenn für Prenzlauer Berg im Ergebnis eine weitgehende Auflösung der vormaligen Sozialstrukturen und eine politische Harmonisierung der Bewohnerschaft festgestellt werden kann – diese Resultate waren keinesfalls intendierte Ziele der Stadterneuerungspolitik. Die Ablösung einer kritischen Ostklientel durch ein aufstiegsorientiertes Ost/Westmilieu war kein offen angestrebter, aber absehbarer und nicht verhinderter Nebeneffekt der Stadterneuerung. Direkte sicherheitspolitische Formen und Motive von Erneuerungsmaßnahmen lassen sich in der Ostberliner Stadterneuerung höchstens als Subkontext der Sanierung ausmachen. Eine andere Dimension von Ordnungspolitik lässt sich jedoch bei den indirekten Auswirkungen der Stadterneuerung feststellen. So tragen alle Erneuerungsmaßnahmen auf Grund ihres unmittelbaren Eingriffs in die Lebensgestaltung der Bewohnerschaft den Charakter gesellschaftlicher Lernprozesse und wirken als „modernisierte, verfeinerte und ergänzte [...] administrative Techniken 314
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der Sozialintervention“ (Homuth 1984a: 20). Nicht erst die Ergebnisse der Stadterneuerung bringen Veränderungen für die Bewohnerschaft – bereits die Art und Weise der Durchführung zeigt Wirkungen: Sie vermittelt die Wichtigkeit bestimmter Akteure, konditioniert spezifische Wertvorstellungen und setzt die Akzeptanz gegenüber bestimmten Verfahren durch. Ein wesentlicher Lerneffekt der Stadterneuerung in Ostberlin ist die Entkollektivierung der Interessenvertretung. Die Aushandlungsverfahren bei Wohnungsmodernisierungen lassen der Mieterschaft kaum Spielraum für die gemeinsame Vertretung ihrer Interessen – für jede Wohnung werden die Konditionen einzeln verhandelt. Die parastaatlichen Akteure beschränken sich bei diesem Prozess weitgehend auf Beratung und Moderation. Damit verschwinden der Staat und seine administrativen Gliederungen als handelnde Instanzen aus dem Blickwinkel der Betroffenen. Staatliches Handeln im Sanierungsgebiet wird weitgehend auf die Sanierungsbeauftragten und Mieterberatungen übertragen und von der Bewohnerschaft zunehmend als Servicefunktion zur Beratung und zum Problemclearing wahrgenommen. Zugleich findet eine Delegitimierung der kollektiven Interessenverbände statt, denn die formelle Stellung der Betroffenvertretungen änderte sich. Diese büßten im Vergleich zum Modell der Behutsamen Stadterneuerung in Kreuzberg an Einfluss und Mitsprache ein. Im institutionellen Gefüge des Sanierungsregimes kommt ihnen keine mitbestimmende Rolle mehr zu. Durch die weitgehende Reduktion der Stadterneuerung auf die Wohnungsmodernisierungen schließlich entzieht sich das zentrale Feld der Sanierungspolitik einer allgemeinen und politischen Diskussion in der Nachbarschaft. In den 90er Jahren werden über die Sanierungspraxis Wertvorstellungen einer Behutsamkeit transportiert, die sich nicht nur auf die physischen Veränderungen, sondern vor allem auf die Verfahren der Stadterneuerung beziehen. So folgt die Stadterneuerung in Ostberlin diesem Schlagwort nicht nur als Leitbild, sondern auch als Politikmodell. Neben den offiziellen Zielstellungen einer dreifachen Behutsamkeit gegenüber der Bausubstanz, der bestehenden Sozialstruktur und in den Beteiligungsverfahren hat sich zudem eine behutsame Vorgehensweise als generelle Handlungsorientierung durchgesetzt. Das lässt sich vor allem an drei Momenten festmachen: Erstens eine pragmatische Konsensorientierung der beteiligten Akteure, die trotz gegensätzlicher Interessenlagen eine gemeinsame Handlungsfähigkeit gewährleisten soll. Zweitens eine Strategie der Einbindung möglichst vieler Akteure in den Entscheidungsprozess strittiger Fragen, um eventuelle Konflikte zu internalisieren und unter Kontrolle zu halten. Drittens eine Orientierung der Arbeit
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auf lösbare Einzelfälle, die Erfolge unterhalb einer programmatischen Gesamtperspektive ermöglichen. Dieser Handlungsperspektive der Behutsamkeit entspricht auch die Organisation der Stadterneuerung als individualisiertes Aushandlungsverfahren. Durch die Orientierung auf kleinteilige Prozesse in einzelnen Häusern und Wohnungen werden grundsätzliche wohnungspolitische Fragestellungen im Prinzip ausgeblendet. Die Verfahren der Stadterneuerung in Ostberlin sind somit durch eine weitgehende Entpolitisierung gekennzeichnet. Politische Interventionen werden innerhalb der spezifischen Netzwerkstruktur in den Sanierungsgebieten oftmals als private Konflikte ausgetragen. Zum einen lässt der enge und dauerhafte Kontakt der beteiligten Akteure mitunter die institutionellen Gebundenheiten und Hierarchien verschwimmen, zum anderen sind die Verfahrensabläufe in vielen Teilen so personalisiert, dass eine allgemeine Kritik schnell als persönlicher Angriff auf die eigenen Tätigkeit wahrgenommen wird. Entsprechend werden Konflikte eher durch persönliche Versöhnungen als über politische Lösungen beigelegt. Die Vermittlung der Akteure, Wertvorstellungen und Verfahren basieren fast alle auf der weitgehenden Individualisierung der Stadterneuerung. Diese Vereinzelung wirkt sich nicht nur auf die genannten Bereiche aus, sondern hat auch für sich genommen einen gesellschaftlichen Lerneffekt. So geht die Individualisierung der Stadterneuerung in den Verhandlungssystemen mit einer paradoxen Gleichzeitigkeit von Verrechtlichung und Informalisierung einher: Erst der massive Einsatz von rechtlichen Instrumenten in den Genehmigungsverfahren macht die Verhandlungen zwischen MieterInnen und EigentümerInnen möglich. Gleichzeitig eröffnet diese Entwicklung die Spielräume für informelle Absprachen bei den Verhandlungen und entzieht damit die Stadterneuerung zu Teilen einem öffentlichen Zugriff. Die rechtlichen Instrumente mit ihren eigentlich egalitären Effekten wirken in der Ostberliner Stadterneuerung selektiv, denn die Betroffenen müssen in den Aushandlungsprozessen Ressourcen mobilisieren. Insbesondere Mietparteien mit ausgeprägten sozialen und kulturellen Fähigkeiten können ihre Interessen innerhalb der Stadterneuerung erfolgreicher durchsetzen. Den allgegenwärtigen Beteiligungsverfahren können sich auch renitente BewohnerInnen oder unangepasste Haushalte kaum entziehen – es sei denn, sie ziehen aus ihren Wohnungen aus. Diese starke Einbindung lässt zwar Raum zur Verwirklichung eigener Wünsche, verhindert jedoch grundsätzliche Kritik und kategorisches Widersetzen. Unter diesem Gesichtspunkt lässt sich das Modell „Prenzlauer Berg“ als Prävention durch Integration und Beteiligung bezeichnen. Im Rahmen der vom Sanierungsregime gesetzten Ziele besteht – lediglich eingeschränkt durch 316
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die jeweiligen Ressourcen – ein weiter Spielraum für Mitgestaltung. Partizipationstheoretisch bewegt sich die Stadterneuerung dennoch auf einem geringen Niveau, da es auf der Ebene der politischen und programmatischen Gestaltung keine formalisierten oder faktischen Vetopositionen und Mitbestimmungsrechte für die Bewohnerschaft gibt. Mehr noch: Die Individualisierung der Verfahren bringt es mit sich, dass die klassischen Träger von sozialen Protesten in den Aushandlungsverfahren mit Erfolg „belohnt“ werden, denn sie sind oft in lokale Netzwerke eingebunden und verfügen über rhetorische und analytische Fähigkeiten und können so die laufenden Prozesse antizipieren. Das heißt, ausgerechnet die lokalen Potentiale eines nachbarschaftlichen Engagements sind persönlich in geringerem Maße als andere von den negativen Auswirkungen der Stadterneuerung betroffen. Aus dieser Perspektive stellt sich die Stadterneuerung in Ostberlin mit ihrer Orientierung auf Eigenverantwortlichkeit als effektive Konstellation für eine weitgehend störungsfreie Restrukturierung ganzer Viertel dar. Ordnungs- und sicherheitspolitische Effekte der Stadterneuerung waren größtenteils nicht intendierte und indirekte Modernisierungsfolgen. Als ein wesentlicher Aspekt des gesellschaftlichen Charakters der Stadterneuerung in Ostberlin jedoch müssen Formen der individuellen Disziplinierung gerechnet werden, die aus den Verfahren der Stadterneuerung selbst hervorgehen. Die sich im Stadterneuerungsprozess durchsetzenden Tendenzen einer Entkollektivierung der Interessenvertretung, einer Individualisierung verrechtlicher Verfahren und der Akzeptanz einer parastaatlichen Moderation weisen über die Stadterneuerung hinaus: Als Beteiligungsmuster unter den Bedingungen einer Ökonomisierung und gleichzeitiger Flexibilisierung staatlichen Handelns.
6.5 Gesellschaftliche Macht im Sanierungsgebiet Die Eingangs der Arbeit formulierten Fragen nach der gesellschaftlichen Macht in der Stadterneuerung der 90er Jahre in Ostberlin lassen sich auf zwei Ebenen beantworten. Zum einen müssen die unmittelbaren Folgen in den Sanierungsgebieten und die unterschiedlichen Zugänge der einzelnen Akteure zu den Entscheidungsprozessen betrachtet werden. Zum anderen ordnen sich die Verfahren und Ergebnisse der Stadterneuerung in übergreifende, gesellschaftliche Strukturen ein. Mit Blick auf die Akteure wird folgende Machtkonstellation in der Stadterneuerung deutlich: die zentrale Stellung lokalstaatlicher und parastaatlicher Institutionen, die stille Vetomacht der Eigentümerschaft 317
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und eine Stärkung der individuellen Spielräume der MieterInnen. Dabei ist ein regimeartiges Arrangement von Sanierungsbeauftragten, Mieterberatung und Verwaltung an allen Modernisierungsvorhaben beteiligt. Es wurde ein komplexes Verfahren der Beratung, Moderation und Verhandlung erschaffen, mit dem die Sanierungsziele in jedem Einzelfall durchgesetzt werden können. Trotz der Reduzierung der finanziellen Steuerungskapazitäten sichert diese Kooperation administrativer und (privater) parastaatlicher Akteure die Durchsetzung öffentlicher Ziele. Die politische Dimension der Stadterneuerung – verstanden als die Diskussion öffentlicher Belange – wird zum Verfahrensmoment des Regimehandelns und unterliegt einer Tendenz der Entdemokratisierung. Wie viele Netzwerke, sind auch die Kooperationsbeziehungen der Stadterneuerung durch eine Parallelstruktur formeller und informeller Beziehungen gekennzeichnet, so dass trotz der proklamierten Partizipation an der Sanierung viele Entscheidungen nicht transparent sind. Im Vergleich zu früheren Phasen der Stadterneuerung werden im Akteursdreieck von Administration, EigentümerInnen und Mieterschaft die Positionen der Eigentümerschaft gestärkt, während insbesondere im Gegensatz zur Behutsamen Stadterneuerung in Kreuzberg die Stellung der Bewohnerschaft eingeschränkt wird. Die sozialräumliche Aufwertung – wenn auch nicht intendiert – spiegelt diese Machtverschiebungen wider. Die Stadterneuerung verwandelte große Teile der Ostberliner Innenstadt in einen gehobenen Wohnstandort für die mit der (inner-)städtischen Dienstleistungsökonomie verbundene Mittelklasse. Zugleich hat sie ein profitables Segment auf dem ansonsten stagnierenden Berliner Wohnungsmarkt geschaffen. Die politische Bedeutung von Sanierungsgebieten bestand früher darin, mit staatlichen Eingriffen die öffentlichen Interessen gegen die jeweiligen Marktdynamiken durchzusetzen. Die Stadterneuerung in Ostberlin hingegen ist durch eine Dominanz wohnungswirtschaftlicher Zwänge gekennzeichnet. Eine spezielle Form der staatlichen Regulierung in den Gebieten sichert mit sozialen Konzessionen wie den Mietobergrenzen und anderen sanierungsrechtlichen Auflagen eine überwiegend konfliktfreie Durchsetzung der Marktmechanismen. Der Staat überwacht dabei nicht länger eine Marktfreiheit oder schränkt diese ein. Im Gegenteil: Die Marktlogik selbst wird zum organisierenden und regulierenden Prinzip des administrativen Handelns. Damit weisen die Verfahren der Stadterneuerung über die Sanierungsgebiete hinaus. Der Bedeutungswechsel des Marktes von einem „begrenzenden äußerlichen“ zu einem „regulatorischen inneren“ Prinzip staatlichen Handelns wird als ein wesentliches Kennzeichen neoliberaler Politik verstanden (Lemke/Krasmann/Bröckling 2000: 15). 318
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Folgt man dieser Idee einer Neoliberalisierung der Stadterneuerung, lassen sich die Sanierungsgebiete in Ostberlin als Probefelder dieser neuen Regierungstechniken beschreiben. Vor allem in Bezug auf die Sicherheitsaufgaben des Staates ist ein deutlicher Wechsel zu konstatieren. In der traditionellen „sozialen Rationalität des Regierens“ gab es einen Bereich kollektiver Sicherheit, der „vom Staat im Namen aller Bürger mittels allgemeinverbindlicher Maßnahmen“ (Rose 2000: 85) garantiert wurde. Die Stadterneuerung – insbesondere ihre wohnungspolitische Dimension – war bis 1990 ein fester Bestandteil einer solchen Sozialpolitik. In Ostberlin können wir die Auflösung dieser gesellschaftlich vermittelten Vorstellungen beobachten, wie sie auch für andere gesellschaftliche Bereiche zu erwarten ist. Statt allgemeinverbindlicher Standards werden eine Vielzahl verschiedener Sicherheitsvorstellungen und spezifischer Arrangements kreiert, die im jeweiligen Geltungsbereich eigene Wege gehen, um die sozialen Standards zu sichern (O’Maley 1992). Die individualisierten Aushandlungsverfahren unterwerfen die soziale Sicherung der Stadterneuerung einem künstlich arrangierten Geltungsbereich – den Verhandlungssystemen zwischen MieterInnen und EigentümerInnen. Letztlich wird das Verhandlungsgeschick der unterschiedlich mit kulturellen und sozialen Ressourcen ausgestatten Mietparteien zur Voraussetzung für den sozialen Erfolg der Stadterneuerung. Die Logik der Stadterneuerung orientiert sich damit am „Ethos neoliberaler Politik: individuelle Wahl, eigenverantwortliches Handeln, Herrschaft über das eigene Schicksal, Eigeninitiative und selbstbestimmtes Leben“ (Rose 2000: 86) – mit all ihren Risiken. Unter den Begriff der governmentality (Foucault 1978; Lemke 1997) wird in solchen Übergängen zur Eigenverantwortung eine neue und spezifische Form des Regierens gesehen. Die Menschen, die es zu regieren gilt, werden dabei als Individuen begriffen, die selbst einen aktiven Part bei diesem Regiertwerden übernehmen (Rose 2000: 78). Auch wenn den Akteuren der Stadterneuerung kein bewusstes Machtkalkül unterstellt werden kann, im Endeffekt wurde in den Ostberliner Sanierungsgebieten eine höchst effektive und protestresistente Form der Durchsetzung ihrer Ziele entwickelt. Amitai Etzioni zeigt am Beispiel von Sanierungsprogrammen, warum sich benachteiligte Innenstadtquartiere besonders gut für die Durchsetzung dieser neuen Regierungstechnik eignen (Etzioni 1995). In der Regel wurden diese Gebiete lange Zeit vom Markt, von der Zentralregierung und den lokalen politischen Instanzen vernachlässigt, so dass eine abgrenzbare territoriale Identität jenseits des nationalstaatlichen und auch städtischen Raumes erleichtert wird. Neue Formen der Mitbestimmung, Einbeziehung der Anwohnerschaft in Entscheidungsprozesse sowie die Förderung von Eigeninitiative und Eigenverantwor319
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tung werden dabei zum Gegenmodell einer zentralistischen und bevormundenden Regierung des Sozialen. Diese neue Regierungsform ist durch die Aktivierung des Engagements geprägt und die Einzelnen werden zu aktiv und verantwortlich Handelnden, die für die eigene Sicherheit sorgen können und müssen. Der Aktionsraum des Regierens bezieht sich dann nicht mehr auf ein bestimmtes Areal, sondern auf das Identifikationsverhältnis mit den jeweiligen Verfahren und Möglichkeiten. Zentral an den Verfahren der Stadterneuerung ist dabei nicht mehr die Abgrenzung der Sanierungsgebiete, sondern ihre Methode – eine neue Form der Führung, die als governmentality bezeichnet werden kann. Wesentliche Formen und Effekte dieser neoliberalen Technik des Regierens konnten in der Stadterneuerung von Prenzlauer Berg exemplarisch für die Situation in Ostberlin dargestellt werden. Deutlich wurde dabei vor allem, wie sehr diese spezifischen lokalen Arrangements nur vor dem Hintergrund von allgemeinen politischen Rahmenbedingungen zu verstehen sind. Im konkreten Falle wirkten sich insbesondere die Bodenpolitik nach der Vereinigung, die zugespitzte Haushaltslage der öffentlichen Hand und die spezifische Planungstradition der Behutsamen Stadterneuerung auf die Aufwertung der Eigenverantwortung in den Verfahren der Stadterneuerung aus. Typisch für Konstellationen, bei denen der Vorrang des Sozialen aufgegeben wird, sind eine Ökonomisierung der Chancen der Einzelnen sowie neue Formen des Ausschlusses und der Zugehörigkeit. Für die Stadterneuerung in Ostberlin gilt dies sowohl für die Aushandlungsverfahren der Wohnungsmodernisierungen als auch für die sozialräumlichen Effekte in den Gebieten. Auf beiden Ebenen werden soziale Zielstellungen letztlich dem Glück und der Tüchtigkeit der Einzelnen überlassen, und die Ausstattung mit ökonomischen, kulturellen und sozialen Ressourcen entscheidet über die Zusammensetzung der Bewohnerschaft.
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MACHT UND STADTERNEUERUNG
Statistisches Landesamt Berlin (1998a): Berliner Statistik. Bevölkerung und Privathaushalte in Berlin. Statistisches Landesamt Berlin (1998b): Berliner Statistik. Gebäudeund Wohnungen in Berlin, 31. Dezember 1997 Statistisches Landesamt Berlin (2003): Sonderauswertung der melderechtlich registrierten Einwohner am Ort der Hauptwohnung in den Bezirken von Berlin 1991 bis 2000 Statistisches Landesamt Berlin (2001): Mikrozensus 1991-2001 Statistisches Landesamt (2001): Fort- und Zuzüge aus den statistischen Gebieten von Berlin nach Zielgebieten von 1994-2001
7 . 3 Am t l i c h e D o k u m e n t e Erste Grundmietenverordnung (1. GrundMV) vom 17. Juni 1991: [http://www.jura.uni-sb.de/BGBl/TEIL1/1991/19911269.1.html], zuletzt aufgerufen am 12.01.2004 Leitsätze zur Stadterneuerung (1993): Beschlossen durch den Senat von Berlin vom 31. August 1993: [http://www.stadtentwicklung.berlin. de/wohnen/stadterneuerung/de/download/leitsaetze.pdf], zuletzt aufgerufen am 24.09.2003 Mietenüberleitungsgesetz vom 6. Juni 1995: [http://www.jura.uni-sb.de/ BGBl/TEIL1/1995/19950748.1.html], zuletzt aufgerufen am 12.01. 2004 Mietspiegel (2003): [http://www.stadtentwicklung.berlin.de/wohnen/ mietspiegel/], zuletzt aufgerufen 20.06.2003 Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen (SenBauWohn) (Hg.) (1990): Stadterneuerung Berlin. Erfahrungen, Beispiele, Perspektiven. Berlin Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen (SenBauWohn) (1995): Mitteilung – zur Kenntnisnahme – über 19. Bericht über die Vorbereitung und Durchführung der Stadterneuerung. Drucksache Nr. 12/4994 (II.B.37.a). Berlin Senatsverwaltung für Bauen, Wohnen und Verkehr (SenBWV) (1997): Mitteilung – zur Kenntnisnahme – über 20. Bericht über die Vorbereitung und Durchführung der Stadterneuerung. Drucksache Nr. 13/ 1404 (II.B.49). Berlin Senatsverwaltung für Bauen, Wohnen und Verkehr (SenBWV) (1999): Mitteilung – zur Kenntnisnahme – über 21. Bericht über die Vorbereitung und Durchführung der Stadterneuerung. Drucksache Nr. 13/ 2240 (II.B.53). Berlin
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7.4 Politische Diskussionspapiere 12 Grundsätze der Behutsamen Stadterneuerung (1982), in: Bernt, Matthias 2003: Rübergeklappt. Die ,Behutsame Stadterneuerung‘ im Berlin der 90er Jahre. Berlin: Schelzky&Jeep, 287 Acht Forderungen für die künftige Förderung der Stadterneuerung (1992), in: Bernt, Matthias 2003: Rübergeklappt. Die ,Behutsame Stadterneuerung‘ im Berlin der 90er Jahre. Berlin: Schelzky&Jeep, 290f. Entwurf der 10 Leitlinen zur künftige Förderung der Stadterneuerung (1991), in: Bernt, Matthias 2003: Rübergeklappt. Die ,Behutsame Stadterneuerung‘ im Berlin der 90er Jahre. Berlin: Schelzky&Jeep, 288f.
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MACHT UND STADTERNEUERUNG
Leitsätze der Stadterneuerng in Berlin (1993), in: Häußermann, Hartmut/Holm, Andrej/Zunzer, Daniela 2002: Stadterneuerung in der Berliner Republik. Modernisierung in Berlin-Prenzlauer Berg; aus der Reihe: Stadt, Raum und Gesellschaft, Bd. 16; Opladen: Leske + Budrich, 237-244
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Urban Studies Annett Zinsmeister (Hg.) welt[stadt]raum mediale inszenierungen Dezember 2006, ca. 160 Seiten, kart., zahlr. Abb., ca. 16,80 €, ISBN: 3-89942-419-0
Jutta Zaremba New York und Tokio in der Medienkunst Urbane Mythen zwischen Musealisierung und Mediatisierung Oktober 2006, 236 Seiten, kart., zahlr. z.T. farb. Abb., 25,80 €, ISBN: 3-89942-591-X
Ulrike Gerhard Global City Washington, D.C. Eine politische Stadtgeographie Oktober 2006, ca. 280 Seiten, kart., ca. 27,80 €, ISBN: 3-89942-497-2
Andrej Holm Die Restrukturierung des Raumes Stadterneuerung der 90er Jahre in Ostberlin: Interessen und Machtverhältnisse September 2006, 356 Seiten, kart., 29,80 €, ISBN: 3-89942-521-9
Helmuth Berking, Sybille Frank, Lars Frers, Martina Löw, Lars Meier, Silke Steets, Sergej Stoetzer (eds.) Negotiating Urban Conflicts Interaction, Space and Control April 2006, 308 Seiten, kart., 28,80 €, ISBN: 3-89942-463-8
Martin Heller, Lutz Liffers, Ulrike Osten Bremer Weltspiel Stadt und Kultur. Ein Modell März 2006, 248 Seiten, gebunden, durchgängig farbig mit zahlr. Abb., 22,80 €, ISBN: 3-89942-485-9
Nicole Grothe InnenStadtAktion – Kunst oder Politik? Künstlerische Praxis in der neoliberalen Stadt 2005, 282 Seiten, kart., zahlr. Abb., 25,80 €, ISBN: 3-89942-413-1
Georg Glasze, Robert Pütz, Manfred Rolfes (Hg.) Diskurs – Stadt – Kriminalität Städtische (Un-)Sicherheiten aus der Perspektive von Stadtforschung und Kritischer Kriminalgeographie 2005, 326 Seiten, kart., 27,80 €, ISBN: 3-89942-408-5
Franziska Puhan-Schulz Museen und Stadtimagebildung Amsterdam – Frankfurt/Main – Prag. Ein Vergleich 2005, 342 Seiten, kart., zahlr. Abb., 27,80 €, ISBN: 3-89942-360-7
Angela Schwarz (Hg.) Der Park in der Metropole Urbanes Wachstum und städtische Parks im 19. Jahrhundert 2005, 224 Seiten, kart., zahlr. Abb., 23,80 €, ISBN: 3-89942-306-2
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Urban Studies Uwe Lewitzky Kunst für alle? Kunst im öffentlichen Raum zwischen Partizipation, Intervention und Neuer Urbanität 2005, 138 Seiten, kart., 14,80 €, ISBN: 3-89942-285-6
Frank Eckardt Soziologie der Stadt 2004, 132 Seiten, kart., 12,00 €, ISBN: 3-89942-145-0
Leseproben und weitere Informationen finden Sie unter: www.transcript-verlag.de