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German Pages 153 Year 1996
Regionale Strukturpolitik unter den veränderten Rahmenbedingungen der 90er Jahre
~() Deutsches Institut für . Sonderhefte Nr. 157 ~ Wirtschaftsforschung
Regionale Strukturpolitik unter den veränderten Rahmenbedingungen der 90er Jahre
Von Martin Gornig, Bernhard Seidel, Dieter Vesper, Christian Weise (Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung) in Zusammenarbeit mit Hans-Jürgen Ewers, Carl Friedrich Eckhardt, Rainer Magnan (Gesellschaft für Innovationsforschung und Beratung mbH)
Duncker & Humblot · Berlin
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme
Regionale Strukturpolitik unter den veränderten Rahmenbedingungen der 90er Jahre I [Hrsg.: Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung] . Von Martin Gornig ... Berlin : Duncker und Humblot, 1996 (Sonderheft / Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung ; Nr. 157) ISBN 3-428-08715-1 NE: Gornig, Martin; Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (Berlin ): Sonderheft
Herausgeber: Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, Königin-Luise-Str. 5, D-14195 Berlin, Telefon (0 30) 8 97 89-0 - Telefax (0 30) 8 97 89 200 Alle Rechte vorbehalten © 1996 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-7026 ISBN 3-428-08715-1
Inhaltsverzeichnis I.
Anforderungen an die regionale Strukturpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1. Vorbemerkungen ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2. Technisch-organisatorischer Wandel . . . . . . . . . ... . .. . ... . . ... " 1.2.1. Neue Technologien .. . . . . . . . . . . .. .. . . . . . ... . .. . . . . . . 1.2.2. Neue Organisationskonzepte ... . . . . .. . .. . ... . . . . . . . . .. .. 1.2.3. Auswirkungen auf betriebliche Standortanforderungen . . . . . . . . . . . .. 1.3 . Politisch-wirtschaftliche Integrationsprozesse .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 1.3.1. Westeuropäische Integration .. . . . . . . .. . . . . . .. .. . . . . . . . . . 1.3.2. Öffnung Mittel- und Osteuropas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 1.3.3. Auswirkungen auf die Standortvielfalt ... ... ... . . . . . . . . . . . . . 1.4. Raumstrukturelle Veränderungen in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4.1. Prägung durch den Ost-West-Kontrast . .. ... . . .. . . . . . . . . . . . . 1.4.2. Veränderungen innerhalb Westdeutsch lands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4.3 . Differenzierungsprozesse innerhalb Ostdeutsch lands . . . . . . . . . . . . .. 1.5. Räumliche Brennpunkte der Regionalpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
9 9 9 9 13 17 18 18 28 33 35 35 37 40 42
2.
Bedeutung anderer ausgewählter raumwirksamer Politiken .. . .. . . .. .. .. . .. . . 2.1. Größenordnung und Regionalwirkungen spezifischer Politiken. . . . . . . . . . . .. 2.1 . 1. Vorbemerkung . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . ... .. . . . . . . . . . 2.1.2. Zum methodischen Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . .. ... . . . . . . 2.1.3. Zur Größenordnung ausgewählter Politikbereiche ... ... . . . . . . . . . 2.1.4. Sektorspezifische Politiken . ... . . . . . .. . . . . . . . .. . . . . . . . . . 2.1.5. Forschungs- und Technologieförderung des BMFT . . . . . . . . . . .. . . 2.1.6. Sonderrolle Treuhandanstalt . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . .. 2.1. 7. Mittelstandspolitik ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 .8. Infrastrukturpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 2.2 . Zur raumwirksamen Bedeutung des Aufgaben- und Finanzierungsverbundes zwischen Bund, Ländern und Gemeinden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.1 . Kompetenz- und Finanzmittelverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2 . Der Länderfinanzausgleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.3 . Der kommunale Finanzausgleich ... . . . . . . . . . . . .. . .. . . . . 2.2.4 . Das Modell des Wettbewerbs der Regionen - eine tragfahige Alternative 2 .2.5. Fazit . .. . . . . ... . ... ... .. . . . . . . . . . . . . . . . . . ... . ..
48 48 48 49 51 54 57 58 61 63
3.
Einflüsse der EG auf die regionale Strukturpolitik in Deutschland 3.1. Europäische Regionalpolitik im Rückblick . . . . . . . . . . . 3.2. Konfliktpotential . . . . . .... . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2. 1. Analyse der neuen Strukturfondsverordnungen .. . 3.2.2. Gemeinschaftsinitiativen . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . .
... .. .. . . . . . . . . . . . . . . . . . .... .... . . . . . . . .
. . . . .
.. . . . . .. .. .. . ..
73 73 76 80 85 91 94 94 97 97 101
6
Inhaltsverzeichnis 3.2 .3. Fördergebiete . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.4 . Einfluß ausgewählter weiterer Politiken 3.3. Die Situation in den übrigen EG-Mitgliedstaaten 3.4 . Lösungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5. Fazit .. ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . ...
4.
. . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . ....
. . . . . . . . . . . . . .. ... . ... . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . .. Schlußfolgerungen für die regionale Strukturpolitik . . . . . . .. 4. 1. Koordinationsfunktion der Gemeinschaftsaufgabe . . . . .. .. .. . . . . . ... 4 .1.1. Bündelung nationaler Politiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.2. Abstimmung mit der EG-Regionalpolitik . . . . . . . . . . . . . . 4.2. Anpassungsbedarf bei der Art und Intensität der Förderung . . . . . . . 4 .2. 1. Schwerpunktverlagerung bei den Förderinstrumenten .. . . 4 .2.2. Regionale Differenzierung der Förderintensität .. . . . . . . . 4.3. Regionalisierung als Ansatzpunkt einer Neugestaltung . . ... . .. . . 4.3 .1. Konzeption einer Regionalisierung der Gemeinschaftsaufgabe 4 .3.2. Überlegungen zur Umsetzung der Regionalisierung ... .. .
Literaturverzeichnis ... . . . . . . . .. ... . . . . . . . . .. . .. . .. .. . . .
105 109 113 117 124 125 125 125 129 131 131 136 139 139 141 145
Verzeichnis der Abbildungen, Tabellen und Übersichten Abbildungen:
All :
Schema möglicher Problemregionen im Szenario I
A/2:
Schema möglicher Problemregionen im Szenario 11
45 . . . . . . . . . . .. . . . . . . . 47
Tabellen: B/I:
Haushaltsansätze ausgewählter Bundesministerien für Zuweisungen und Zuschüsse sowie für Investitionen und InvestitionsfOrdermaßnahmen 1989 und 1992 . . .. 53
B/2:
Subventionierung in Ost- und Westdeutsch land ... ... . . . . . . . . . .
B/3:
Arbeitslose, Arbeitsplatz- und Investitionszusagen nach Bundesländern und Kreisen ... .. . . . . . . . ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60
B/4:
ERP-Kreditzusagen und gefOrdertes Investitionsvolumen kleiner und mittlerer Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . .. .. .. . . . . . . . . . .
B/5:
Ausgewählte Infrastrukturinvestitionen des Bundes im Überblick
B/6:
Anteil der GRW-Förderkulisse an der Städtebauförderung in den alten Bundesländern ... . .. .. .. . .. . . . . . . . .. .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68
BI7 :
Vorschläge der Unabhängigen Föderalismuskommission vom 27. Mai 1992 für eine ausgeglichene Verteilung von Bundesbehörden unter besonderer Berücksichtigung der neuen Länder . . . . . . . . . . . . . . ... .. . . . . . . . . . . . .. ... 70
B/8:
Steuereinnahmen der alten Bundesländer je Einwohner in vH des Durchschnitts 1991 . . . . . . . . . . .. ... ... . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . .
B/9:
Umverteilungswirkungen im Länderfinanzausgleich 1995 .. . . . . . . . . . . . . .. 79
B/IO :
Verteilung der Bundesergänzungszuweisungen (BEZ) 1995 . . . . . . . . . . . . . . . 81
BIll:
Gemeindliche Steuerkraft in ausgewählten Ballungsgebieten und ländlichen Räumen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
B/l2:
Hebesatzbereiche nach Gemeindegrößenklassen Gewerbesteuer 1991 . . . . . . .. . 84
55
62
. . . . . . . . . . . 64
77
83
Übersicht: B/I :
Staffelung des Hauptansatzes in den Finanzausgleichsgesetzen der Bundesländer (in vH-Punkten) ... . . . . . . . . . . . . . ... .. ... . . . . . . . . . . . . . . . . 86
1. Anforderungen an die regionale Strukturpolitik 1.1. Vorbemerkungen Vorstellungen zu den künftig erwarteten räumlichen Differenzierungen in Deutschland und deren Einflußgrößen bilden die Grundlage für die Steuerung des Einsatzes regionalpolitischer Instrumente. Die Grundzüge regionaler Unterschiede in der Wirtschaftsentwicklung und ihre Ursachen sind dabei weitgehend bekannt. Worum es hier geht, ist die Frage, ob angesichts der Veränderung einer Reihe von gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen sich spezifisch neue oder andere Entwicklungstrends für die neunziger Jahre erkennen lassen. Von zentraler Bedeutung für die Entwicklung der Raumstruktur in Deutschland ist, in welcher Form und mit welchem Tempo die ökonomische Kluft zwischen West- und Ostdeutschland verringert werden kann. Die regionalwirtschaftliche Entwicklung in Deutschland ist aber auch zu sehen vor dem Hintergrund neuer Technologien und Organisationskonzepte sowie der politischen Veränderungen in Europa. Daher wird hier zunächst der Versuch unternommen, die Potentiale für eine Veränderung räumlicher Entwicklungsmuster einzugrenzen, die sich im Zusammenhang mit veränderten Standortanforderungen der Unternehmen im technologisch-organisatorischen Wandel und der Ausweitung der Standortalternativen im Rahmen der politisch-wirtschaftlichen Integrationsprozesse bilden. Ausgehend von diesen Überlegungen werden mögliche Veränderungen der räumlichen Entwicklungstendenzen innerhalb Westdeutschlands und mögliche räumliche Differenzierungsprozesse innerhalb Ostdeutschlands beschrieben. Zusammen mit Vorstellungen zur Verringerung des wirtschaftlichen Gefälles zwischen beiden Landesteilen lassen sich dann erste Einschätzungen zum räumlichen Anforderungsprofil an die regionale Strukturpolitik gewinnen.
1.2. Technisch-organisatorischer Wandel 1.2.1. Neue Technologien Die Abschätzung der Auswirkungen neuer Technologien auf regionalwirtschaftliche Entwicklungsprozesse kann sich nicht auf "harte" Daten stützen. Dies ist schon wegen der prinzipiellen Unvorhersehbarkeit von Innovationen und wegen der Vielfalt neuer technologischer Entwicklungen nicht möglich. Um das Spektrum künftig wichtiger Technologiefelder abzugreifen, ist es daher notwendig, auf thesenartige Bewertungsschemata für Technologiebereiche zurückzugreifen. Solche Überlegungen knüpfen an neue Technologien an, die
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1. Anforderungen an die regionale Strukturpolitik
universell einsetzbar und bei denen Durchbrüche zu umfassenden neuen Lösungen zu erwarten sind. Diese Basistechnologien bestimmen die ökonomische Entwicklung wesentlich mit und haben damit auch raumstrukturelle Wirkungen. Zentrale Bedeutung für die ökonomische Entwicklung wird dabei - der Bio- und Gentechnologie, - dem Bereich neue Werkstoffe und Materialien, - der Optoelektronik und Magnetooptik sowie - der Mikromechanik und -sensorik beigemessen. Für die neunziger Jahre werden in diesen Bereichen hohe Zuwachsraten erwartet. In der Biotechnologie liegen wichtige Wachstumsfelder zunächst in den Bereichen der Nahrungs- und Genußmittel, der Pharmazie und der Umwelttechnik. In den anderen Bereichen sind es vor allem die Verbundwerkstoffe, die Lasertechnik und die Sensorik, denen mittelfristig hohe Wachtumspotentiale zugeschrieben werden. Insgesamt dürften die genannten Basistechnologien ihre volle Bedeutung in neuen Anwendungsfeldern allerdings erst deutlich nach dem Jahr 2000 erlangen (Blazejczak, Gornig 1990; Prognos 1989). Auf mittlere Frist werden ökonomisch bedeutende Veränderungen von Produkt- und Produktionsstrukturen voraussichtlich weiterhin von Technologien ausgehen, die im Zusammenhang mit der Mikroelektronik stehen. Zwar ist die Mikroelektronik als grundlegende Innovation nicht mehr unbedingt neu, aber die Anwendungsfelder in der Wirtschaft dürften bei weitem noch nicht ausgeschöpft sein. Ein wichtiges, bislang aber nur wenig erschlossenes Anwendungsfeld zeichnet sich hier in der Vemetzung einzelner computergestützter Aktivitäten im Produktionsprozeß ab (VDITZ 1991). Dabei ist der Diffusionsprozeß einzelner computergestützter Planungs- und Fertigungssysteme schon recht weit vorangeschritten. Haupteinsatzgebiete sind - die Entwicklung und Konstruktion z.B. für computergestützte Entwurfssysteme (CAD), - die Material- und Zeitwirtschaft z.B. im Rahmen der Produktionsplanung und -steuerung (PPS) und - die Fertigung z.B. mit dem Einsatz von CNC-Maschinen oder Industrierobotern. Noch wenig verbreitet ist dagegen die Vernetzung solcher Aktivitäten im Rahmen computergestützter integrierter Produktionsprozesse (CIM). Dabei geht es zunächst darum, aufbauend auf ein System vereinheitlichter Datenerfassung und abgestimmter Datenschnittstellen die Arbeiten in einem Bereich auch für andere Teile des Produktionsprozesses zu nutzen . Beispiele sind Verbindungen zwischen Konstruktion (CAD) und Materialflußplanung (PPS) in bezug auf Stück- oder Teilelisten oder die Übernahme von Konstruktionsdaten direkt in die Programmierung von CNC-Maschinen. Der Grundgedanke der Vernetzung von computergestützten Aktivitäten im Wirtschaftsprozeß geht aber weit über den eigentlichen Produktionsbereich hinaus. Letztlich wird angestrebt , die gesamte Wertschöpfungskette vom Lieferanten der Vorprodukte bis zum Abnehmer der Endprodukte durch die Vernetzung der Einzelaktivitäten zu kontrollieren
1.2. Technisch-organisatorischer Wandel
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und zu steuern. Es geht also nicht nur um die innerbetriebliche Koordinierung. Vielmehr wird auch die Einbeziehung anderer Betriebsstätten des Unternehmens sowie anderer Unternehmen und Kunden unter Nutzung der neuen Möglichkeiten der Telekommunikation angestrebt. Anfang der neunziger Jahre war die Verbreitung solcher überbetrieblicher Vernetzungen noch gering. Computergestützte integrierte Produktionsprozesse sind für die künftige Wirtschaftsentwicklung vor allem deshalb bedeutsam, weil - Skalenerträge und - Transaktionskosten reduziert werden. Die vorhandenen Produktionsstrukturen sind durch die Vorteile der Massenproduktion geprägt. Dahinter stecken zum einen der Degressionseffekt mengenunabhängiger Fixkosten bei steigender Produktionsmenge. Zum anderen handelt es sich aber auch um Spezialisierungs- und Automatisierungsvorteile bei wachsender tayloristischer Arbeitsteilung. Integrierte Produktionsprozesse senken die Bedeutung von Skalenvorteilen deutlich ab. Selbst bei kleinen Bestellmengen je Fertigungsauftrag sind die Fixkosten für Einrichtung, Planung etc. sehr gering und gleichzeitig besteht dennoch die Möglichkeit hoher Automatisierung der Arbeitsabläufe (Sorge 1987). Ein weiterer wesentlicher Vorteil liegt darin, daß standardisierte Datenerfassung und computergestützte Vernetzungen zu deutlich geringeren Transaktionskosten beim Fremdbezug führen. Die Kosten von Informationsbeschaffung, Vertragsabschluß, Lieferkontrolle und ggf. Konditionsanpassungen nehmen ab (Ewers, Becker, Fritsch 1989). Daß solche einschneidenden technologischen Veränderungen auch die regionale Verteilung wirtschaftlicher Aktivitäten beeinflussen, ist offensichtlich . Von Bedeutung sind dabei eine Reihe von Wirkungszusammenhängen zwischen Technik und Raum . Hinsichtlich integrierter Produktionsprozesse in Verbindung mit neuen Telekommunikationstechniken ergeben sich zunächst mehr Freiheitsgrade für die Standortwahl. Die Kosten der Raumüberwindung für den Informationsaustausch sinken. Eine aus anderen ökonomischen Gründen gewünschte räumliche Trennung von Produktionsprozessen wäre möglich. Hat die Telekommunikationstechnik zunächst nur die Infrastruktur dafür zur Verfügung gestellt, so kommt durch die Veränderung der Fertigungsprozesse jetzt auch ein wesentliches Feld für ihre Nutzung zum Tragen. Das in vielen Studien beschriebene grundsätzliche Dezentralisierungspotential der Telekommunikation könnte insoweit eine neue Bedeutung bekommen (Henkel u.a. 1986; Hoberg 1983). Auf der anderen Seite sind allerdings auch Grenzen für eine räumliche Trennung von Produktionsprozessen erkennbar. Eine wesentliche Voraussetzung für die vernetzte Steuerung von Produktionsprozessen ist eine Vereinheitlichung der Datenerfassung. Dies heißt aber auch, daß nur solche Informationen räumlich disponibel werden, die sich in gewisser Weise standardisieren lassen. Auf absehbare Zeit werden sich komplexe Informationen in
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I. Anforderungen an die regionale Strukturpolitik
ein solches System nicht integrieren lassen. Entsprechend werden persönliche Kontakte wichtig bleiben. Darüber hinaus werden für eine starke Dezentralisierung die infrastrukturellen Vorausset zungen im Bereich der Telekommunikation noch lange nicht geschaffen sein. Bislang konzentrieren sich im nationalen wie internationalen Bereich die am weitesten entwickelten Telekommunikationsinfrastrukturen (wie ISDN) auf die großen Verdichtungsräume. Die Standortalternativen beziehen sich damit weitgehend auf Räume, die auch schon bislang die Zentren wirtschaftlicher Aktivitäten waren und sich häufig nicht sehr voneinander unterscheiden. Weiterhin ist bei der Beurteilung des Potentials zur räumlichen Trennung von Produktionsprozessen zu beachten, daß dem Austausch von Informationen in vielen Fällen auch die Notwendigkeit zum physischen Transport folgt. Letztlich müssen die Einzelteile oder Komponenten der Güter zusammengeführt werden und zum Abnehmer gelangen. Durchgreifende technisch induzierte Senkungen der Transportkosten sind wiederum auf mittlere Frist im Bereich des physischen Transports nicht erkennbar. Eher dürfte hier davon auszugehen sein, daß im Zusammenhang mit Umweltschutzaspekten und zunehmenden Stillstandszeiten im Transportsystem die Kosten steigen. Ein anderer - nicht minder wichtiger - Aspekt der Folgewirkung neuer Technologien auf die räumliche Verteilung vor allem der Beschäftigung sind sektorstrukturelle Veränderungen. Die Einführung neuer Techniken bedeutet für die meisten Sektoren zunächst in erster Linie eine Beschleunigung der Produktivitätsentwicklung. Zusätzliche Produktionseffekte fallen dagegen tendenziell bei wenigen Branchen an. Profitieren werden vor allem diejenigen Sektoren, in denen die neuen Techniken zur Anwendung kommen werden (Blazejczak, Gornig 1990). Besitzen nun diese Branchen andere Standortanforderungen als die übrigen, kann es zu erheblichen regionalen Verschiebungen bei der Beschäftigung kommen. In diesem Zusammenhang hat in der regional wissenschaftlichen Forschung eine breite Diskussion um die Standortwahl sogenannter High-Tech-Branchen stattgefunden. Ausgangspunkt war die starke Konzentration solcher Branchen vor allem im Zusammenhang mit der Entwicklung der Mikroelektronik z.B. im Silicon Valley im Westen der USA oder dem M4-Korridor in England. Eine Vielzahl von Untersuchungen zu den Standortmerkmalen dieser Regionen zeigt dabei, daß für die Ansiedlung von High-Tech-Industrien nicht unbedingt andere Standortfaktoren von Bedeutung sind, wohl aber ihre Gewichtung eine andere ist. Dies gilt unter anderem für die räumliche Nähe zu Forschungseinrichtungen und die Verfügbarkeit hoch qualifizierter Arbeitskräfte (HöppI1990; Markusen, Hall, Glasmeier 1986). Vor allem aber haben diese Untersuchungen gezeigt, daß die räumliche Konzentration kumulative Prozesse in Gang setzt, die auf lange Zeit eine räumliche Dekonzentration dieser Branchen verhindern. Entsprechend wäre auch für die künftige räumliche Verteilung der Produktions- und Entwicklungsschwerpunkte in den Technikfeldern Mikroelektronik, Bio- und Gentechnologie, die die neunziger Jahre prägen werden, zu erwarten, daß sie sich
1.2. Technisch-organisatorischer Wandel
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an den vorhandenen räumlichen Konzentrationen orientieren (Becher, Weibert 1992). Diese liegen wiederum vor allem in den süddeutschen Verdichtungsräumen (DIFU 1989).
1.2.2. Neue Organisationskonzepte Die Technologien der neunziger Jahre besitzen hinsichtlich ihrer ökonomischen Umsetzbarkeit vermutlich höhere Freiheitsgrade, als dies für bisherige Techniken galt (VDI-TZ 1991). Deshalb lassen sich Vorstellungen zu Veränderungen sektoraler und regionaler Wirtschaftsstrukturen nicht allein aus technologischer Sicht ableiten. Hinzutreten müssen Überlegungen zu Bedingungen und Anforderungen aus anderen Bereichen des ökonomischen Umfeldes. Im Zusammenhang mit den Auswirkungen computergestützter Produktionstechniken (CIM) sind dabei parallel laufende Veränderungen der Organisationskonzepte eine wichtige Einflußgröße (Peters, Waterman 1982; Picot, Reichwald 1980). Ausgangspunkt für die Überlegungen zu neuen Organisationskonzepten der Produktion waren neben den neuen technischen Möglichkeiten vor allem auch Veränderungen der Nachfrage. Diese zeichneten sich im Vergleich zur Vergangenheit durch eine steigende Differenzierung der Produktanforderungen und eine zunehmende Instabilität der Verbrauchsansprüche aus. Gleichzeitig verstärkte die zunehmende Internationalisierung der Märkte den Konkurrenzdruck. Eine mögliche Antwort im Bereich Organisation auf die zunehmende Produktvielfalt, die höheren Auslastungsschwankungen und den steigenden Preis- und Kostendruck wird im Konzept der "lean-production" gesehen. Gemeint ist hiermit vor allem die Verringerung der Fertigungstiefe der Unternehmen in dem Sinne, daß sie sich auf für sie strategisch wichtige Tätigkeitsbereiche konzentrieren und die anderen Teilbereiche auslagern . Damit soll zum einen erreicht werden, durch Spezialisierung die zunehmende technologische und organisatorische Komplexität der Produktion beherrschbar zu machen. Zum anderen geht es aber auch darum, durch Reduzierung der Kommunikations-, Entscheidungs- und Ablaufstrukturen die Flexibilität zur Marktanpassung zu erhöhen (Drucker 1990; Johannsson, Mattsson 1987). Die Verringerung der Fertigungstiefe ist dabei weder das einzige noch unbedingt ein notwendiges Kriterium neuer Organisationskonzepte. Betrachtet man Beispiele für das Konzept der "schlanken Produktion" in japanischen, US-amerikanischen und auch deutschen Automobil- und Elektrokonzernen, so zeigt sich, daß die organisatorischen Veränderungen sehr viel breiter angelegt sind. Untrennbar verbunden mit den neuen Produktionskonzepten ist beispielsweise die Veränderung der Arbeitsorganisation innerhalb der Betriebe (Piore, Sabel 1984). Konzentrierten sich die Rationalisierungsbemühungen früher fast ausschließlich auf eine immer weitergehende Zerlegung und Mechanisierung einzelner Arbeitsschritte, so zeichnen sich heute in Verbindung mit neuen Fertigungstechnologien Tendenzen in die umgekehrte Richtung ab. Zunehmende Komplexität und Ansprüche an Qualität und Flexibilität machen offensichtlich eine Integration von Arbeitsschritten in Form unterschiedlicher Arten der Gruppenarbeit erforderlich. Auf technologischer Seite
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1. Anforderungen an die regionale Strukturpolitik
stehen zunehmend Lösungen zur Verfügung, die parallel zur Integration der Arbeitsschritte weiterhin eine Zunahme der Kapitalintensität erlauben. Die Integration von Arbeitsschritten auf betrieblicher Ebene ist dabei ein Weg, den steigenden Ansprüchen an die Koordinierung der Produktionsprozesse gerecht zu werden. Das Ziel neuer Organisationskonzepte ist aber weiter gespannt. Letztlich geht es um die Kontrolle und Steuerung des Gesamtproduktionsprozesses. Trotz oder gerade aufgrund von Spezialisierungsprozessen - z.B. auf der Ebene der Unternehmen im Rahmen der "leanproduction " - wird die Bedeutung überbetrieblicher Koordinierung zunehmen. Dabei kann sie sich zum einen auf andere rechtlich selbständige oder abhängige Unternehmen -beziehen. Die neuen Organisationskonzepte schließen zum anderen aber auch einen zunehmenden Koordinierungsbedarf zwischen - in größerem Maße eigenverantwortlich handelnden Betrieben eines Unternehmens ein. Die Anwendung neuer Organisationsformen in Verbindung mit neuen Fertigungs- und Kommunikationstechnologien schafft Potentiale auch zur Veränderung der Wirtschaftsstrukturen und Entwicklungsprozesse auf regionaler Ebene. Dies gilt generell bei einer umfassenden Verringerung der Fertigungstiefe von Unternehmen bzw. Betrieben. Eine Reihe von Produktionsprozessen sind damit nicht mehr von vornherein an den Standort des Hauptbetriebes bzw. der Entstehung des Hauptprodukts gebunden. Im Zusammenhang mit diesem zusätzlichen räumlichen Freiheitsgrad ergibt sich ein erhebliches Verlagerungspotential . Exemplarisch für die Nutzung dieses Freiheitsgrades sind die Strategien des "worldwide-sourcing". Bei dieser Strategie orientiert sich die Standortwahl für einen eigenen Betrieb oder die des Zulieferers fast ausschließlich an einem Vergleich der Herstellungskosten (Imrie 1986; Thurow 1985). Räumlich differenzierend wirkende Transport- und Transaktionskosten werden weitgehend vernachlässigt. Der Produktionsstandort eines Gutes mit einer bestimmten Qualität liegt dann dort, wo die geringsten Lohn- und Kapitalkosten bzw. die niedrigsten Produktionsauflagen und Abgabenbelastungen vorliegen. Die Ausnutzung internationaler Produktionskostenunterschiede ist an sich nichts Neues . Lohnkosteninduzierte räumliche Verlagerungsprozesse konnten beispielsweise schon inden sechziger Jahren bei der Textil- und Bekleidungsindustrie festgestellt werden. Die neue Dimension des "global-sourcing" liegt in der zunehmenden Möglichkeit, einzelne Produktionsprozesse räumlich getrennt durchzuführen. Es geht also nicht mehr - wie im Zusammenhang mit der Produktlebenszyklusthese oder der neuen internationalen Arbeitsteilung diskutiert - um die Entscheidung, einen Gesamtproduktionsprozeß entweder an jenem oder diesem Ort durchzuführen, sondern für jeden Teilprozeß den kostengünstigsten Standort zu finden. Damit erschließen sich für die räumliche Verlagerung auch Wirtschaftsbereiche, die bislang offenbar ihren festen Standort in den Industrieländern hatten. Entscheidende Voraussetzung dafür, ob die neuen Freiheitsgrade in der Standortwahl tatsächlich zu Dezentralisierungsprozessen im Sinne einer Strategie des "global-sourcing" führen, ist, daß räumliche Fühlungsvorteile (Lokalisationsvorteile) künftig eher unbedeutend sind. Im Zuge der Verringerung der Fertigungstiefe ausgelagerte Produktionsprozesse
1.2. Technisch-organisatorischer Wandel
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sind damit auch räumlich nicht mehr an den Hauptbetrieb gebunden. Für sie kann die Standortwahl nach eigenen Kriterien getroffen werden. Deutlich werden diese Zusammenhänge, wenn man die bisherige räumliche Verteilung von Bezugsmärkten betrachtet. Hierzu liegen einige Analysen von Branchen wie dem Straßenfahrzeugbau oder der Elektrotechnik vor, die in bezug auf neue Fertigungstechnologien und Organisationsformen zu den führenden Wirtschaftszweigen zählen. Ein wichtiger Aspekt für die Einschätzung der Bedeutung der räumlichen Nähe zum Hauptabnehmer ist dabei die in den vorliegenden Analysen erkennbare Differenzierung der räumlichen Bezugsmärkte nach Produktgruppen (Einem, Diller, Arnim 1992; Hoffmann, Kaplinsky 1988; Jürgens, Dose, Malsch 1985). Unterscheidet man hier zwischen (a) komplexen und technisch hochwertigen Spezial produkten , (b) Produkten mit mittlerem Komplexitätsgrad und Qualitätsanspruch sowie (c) vergleichsweise einfachen standardisierten Produkten untergeordneter Bedeutung, ergeben sich erhebliche Differenzen in den räumlichen Lieferdistanzen. Mit Abstand am geringsten ist die räumliche Entfernung zwischen Produzent und Abnehmer in der Produktklasse (b). In diesem Bereich machen der hohe Bedarf an Produktabstimmung sowie die hohen Anforderungen an Liefergenauigkeit und an eine rasche Umstellung des Lieferumfanges offenbar räumlich enge Verbindungen notwendig. Deutlich höher als im Fall (b) sind die Lieferradien bei Spezial produkten (a) und vergleichsweise einfachen Vorprodukten (c) . In diesen Bereichen ergibt sich bislang wohl eher eine größere Bedeutung der spezifischen Standortanforderungen der Produzenten im Vergleich zur räumlichen Nähe zu den Hauptabnehmern. Die spezifischen Standortanforderungen der beiden Produktbereiche unterscheiden sich allerdings erheblich. Im Bereich der Spezialprodukte (a) dürfte die Verbindung zu entsprechenden Forschungseinrichtungen oder der Zugang zu qualifizierten Arbeitskräften entscheidend sein, während im zweiten Fall wohl am ehesten eine Orientierung an den Kosten ubiquitärer Produktionsfaktoren zu vermuten ist. Die unterschiedlichen Lieferradien nach der Art der jeweiligen Produkte selbst in Branchen, in denen die Einführung neuer Fertigungstechniken und Organisationskonzepte vergleichsweise weit vorangeschritten ist, zeigt, daß zumindest für einen Teilbereich die räumliche Nähe ein entscheidender Standortfaktor ist. In diese Richtung weisen auch Untersuchungen zu den Verflechtungsbeziehungen in ausgewählten Regionen (Tödling 1990; Poire 1990; Camagni 1988; Scott 1988). Im Mittelpunkt dieser Arbeiten steht die Analyse räumlicher Informations- und Produktverbundsysteme, sogenannte räumliche "Produktionscluster" oder "new industrial distriets" . Sie verweisen darauf, daß heute noch oder auch heute wieder in manchen Regionen die Kontakthäufigkeit und Informationsdichte sowohl zwischen Betrieben eines Unternehmens und kooperierenden Zulieferern und Dienstleistern als auch zwischen Unternehmen und öffentlichen Forschungseinrichtungen und Verwaltungen sehr groß ist. Dabei konzentrieren sich diese Verflechtungsbeziehungen häufig auf bestimmte Branchen und Großunterneh-
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1. Anforderungen an die regionale Strukturpolitik
men. Als Beispiele für solche "new industrial districts" werden u.a. japanische Verdichtungsräume (Straßenfahrzeugbau, Elektrotechnik), das sogenannte "Dritte Italien" (Verbrauchsgüterindustrie) und Baden-Würuemberg (Straßenfahrzeugbau, Maschinenbau) genannt. Insgesamt spricht daher einiges dafür, daß auch künftig die größeren Freiheitsgrade der Standortwahl aufgrund neuer Fertigungs- und Kommunikationstechniken nicht in jedem Fall mit einer Dezentralisierung wirtschaftlicher Aktivitäten verbunden sein wird. Einschränkend wirken hierbei nicht nur die genannten Grenzen aufgrund der vorhandenen Kommunikations- und Verkehrs infrastruktur und technologischer Qualifikationsanforderungen an die Beschäftigten. Vielmehr ergeben sich gerade im Zusammenhang mit den neuen Organisationskonzepten auch der Dezentralisierung entgegengesetzte Tendenzen. Die Strategie der "lean-production" verlangt für alle Teile und Teilsysteme die Abstimmung und Integration in das Gesamtkonzept der Produktion. Dies bedeutet eine frühzeitige Offenlegung der eigenen Forschungs- und Entwicklungsziele, -zwischenergebnisse und vorhaben sowie die Zusammenarbeit in firmenübergreifenden Forschungs- und Entwicklungsgruppen einschließlich der Zuführung von Spezialknowhow durch produktionsbezogene Dienste wie Ingenieure, Software-Spezialisten, Banker, Steuerberater, Juristen und Marketing-Fachleute. Darüber hinaus müssen Module baukastenartig normiert und angepaßt werden; gemeinsame Qualitätsstandards müssen festgelegt werden; Investitionen, z.B. in eine neue Verfahrenstechnologie, müssen zwischenbetrieblich koordiniert werden; die eingesetzte Software muß abgestimmt, gemeinsame Marketingstrategien müssen entwickelt werden. Der für solche Kooperationen notwendige Informationsaustausch wird auf absehbare Zeit nicht standardisierbar sein, da die konkrete Form der Abstimmungsprozesse ständig wechselt und er sich auch auf subjektive Einschätzungen und Erwartungen bezieht. Hinzu kommt, daß das Abhängigkeitsverhältnis zwischen den Kooperationspartnern ein spezifisches Vertrauensverhältnis voraussetzt (Sabel, Herrigel, Kern 1991). Persönliche Kontakte und damit räumliche Nähe spielen für solche Koordinierungsprozesse eine wesentliche Rolle. Damit können die neuen Möglichkeiten der Fertigungs- und Informationstechnologien nur bedingt zur Dezentralisierung genutzt werden. Versteht man die neuen Organisationskonzepte nicht nur als Versuch, durch die Trennung von Produktionsprozessen bestehende räumliche Kostendifferenzen besser auszunutzen, sondern auch als Versuch, die Flexibilität des Gesamtproduktionsprozesses durch Spezialisierung und Kooperation zu erhöhen, dürften die räumlichen Effekte eher in Polarisierungstendenzen münden. Je nachdem, inwieweit bei bestimmten Teilproduktionen die Kooperationsprozesse standardisierbar sind, ergibt sich eine andere Richtung der Standortverlagerungen. Bezogen auf die erwähnten Produktklassen könnte dies heißen: - einerseits eine noch weitergehende Dezentralisierung von einfachen untergeordneten Produktionen im Sinne einer Strategie des "global sourcing" und
1.2. Technisch-organisatorischer Wandel
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- andererseits eine noch stärkere räumliche Zusammenführung zentraler Tätigkeitsfelder des Produktionsprozesses, bei der es künftig z.B. auch vermehrt zur Errichtung von Zweigniederlassungen durch Hersteller von Spezialprodukten und -komponenten in der Nähe der Hauptabnehmer kommen kann . Im Zusammenhang mit den Flexibilitätsbemühungen dürften ähnliche nach Produktgruppen differenzierte Wirkungen auch von Konzepten zur Reduzierung der Lagerhaltung ausgehen. Produktionen im "just -in-time" -Verfahren werden aus organisatorischer Sicht in denjenigen Lieferbereichen die Dezentralisierungstendenzen kaum bremsen, wo relativ gleichbleibende Mengen und Qualitäten gefordert werden. Dort aber, wo häufige Umstellungen und Anpassung der Zulieferer notwendig sind, werden kurze Transportzeiten vorteilhaft sein.
1.2.3. Auswirkungen auf betriebliche Standortanforderungen Die bisherigen Überlegungen haben deutlich gemacht, daß die auf mittlere Frist relevanten neuen Technologien und Produktionskonzepte ein großes Potential zur Veränderung der räumlichen Strukturen der Wirtschaft in Deutschland besitzen. Diese Veränderungen wirken aber in zwei Richtungen; sie dürften - anders als gelegentlich vermutet - durch generelle Dezentralisierungstendenzen oder generelle Zentralisierungsprozesse bestimmt sein. Hinzu kommt, daß kaum vorhersehbar ist, mit welcher Dynamik der Diffusionsprozeß neuer Techniken und Organisationsformen in den neunziger Jahren erfolgen wird. Entsprechend unsicher sind auch Aussagen zu den möglichen konkreten räumlichen Auswirkungen auf deutsche Regionen bis zum Jahr 2000. Die Anpassung der Gesamtwirtschaft an diese neuen Vorgaben ist sicherlich ein eher langfristiger Prozeß . Jedoch dürften sich die Veränderungen bei Technik und Organisation relativ rasch und in breiter Form in den Standortanforderungen bei der Neuerrichtung von Produktionsstätten auswirken. Sie sind daher gerade für die regionale Strukturpolitik von Bedeutung, da sie zu wesentlichen Teilen auf diese Zielgruppen ausgerichtet ist. Für ausgewählte Indikatoren der Standortwahl von Unternehmen sollen daher hier einige Tendenzen skizziert werden. Ein wesentlicher Standortfaktor, dessen Bedeutung sich verändern wird, ist die "räumliche Nähe". Die zusätzlichen räumlichen Freiheitsgrade durch neue Fertigungs- und Kommunikationstechniken werden in Verbindung mit neuen Organisationskonzepten je nach Produktbereich zu einer Abnahme oder Zunahme der Bedeutung dieses Standortfaktors führen. Im Bereich höherwertiger komplexer Produktionsteile dürfte die Nähe zu Hauptabnehmern ebenso wie zu Hauptlieferanten, zu Forschungseinrichtungen und zu wichtigen Dienstleistungseinrichtungen als Kriterium der Standortwahl an Gewicht gewinnen . Im Bereich einfacher standardisierter Produktionsteile wird die räumliche Nähe vor allem zum Hauptabnehmer noch weiter an Bedeutung verlieren. Ihre Standortwahl dürfe sich fast ausschließlich an den eigenen Anforderungen an das regionale Umfeld orientieren. Was allerdings angesichts neuer Technologien und Organisationskonzepte "räumlich nah" ist, läßt sich weder eindeutig, beispielsweise in Kilometerangaben , noch generell für alle 2 Gomig u. a.
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1. Anforderungen an die regionale Strukturpolitik
Produktionskomplexe bestimmen. Für größere Produktionsprozesse ist eine so starke räumliche Konzentration, wie sie z.B. in Gewerbeparks oder Innovationszentren angestrebt wird, sicherlich nicht realisierbar und auch nicht notwendig. Eher relevant sind wohl Entfernungen, wie sie sich bei Stadt-Umland-Verflechtungen ergeben. In Abhängigkeit von der Güte der Verkehrs- und Kommunikationsinfrastruktur zählen dazu aber auch Teile des ballungsnahen ländlichen Raumes . Hinsichtlich des Informations- und Abstimmungsbedarfs dürften die Distanzzeiten noch gering genug sein, da angesichts neuer Fertigungs- und Kommunikationstechniken die Intervalle für persönliche Kontakte und Absprachen eher größer werden. Gleichzeitig bleiben in den räumlichen Dimensionen Stadt, Umland und ballungsnaher Raum für Hauptbetrieb, Zulieferer und Dienstleistungen genügend Spielräume, die es ihnen ermöglichen, ihre spezifischen Standortanforderungen an Zentralität, Flächenbedarf, Arbeitskräfte etc. zu realisieren. Ein anderer wichtiger Standortfaktor , der von den technologischen und organisatorischen Veränderungen beeinflußt wird, ist die Verfügbarkeit qualifizierter Beschäftigter in den Regionen. Die Anforderungen an die Qualifikationen der Mitarbeiter werden dabei vor allem in jenen Bereichen deutlich ansteigen, die in flexible Produktionsprozesse eingebunden sind. Dies resultiert teilweise aus der technischen Komplexität flexibler Fertigungstechniken. Die steigenden Qualifizierungsanforderungen sind vornehmlich aber auch eine Folge neuer Organisationskonzepte. Zum einen nimmt im Rahmen der Reintegration von Arbeitsschritten die Vielfalt der Tätigkeiten auf betrieblicher Ebene zu. Zum anderen führen Dezentralisierungen in Mehrbetriebsunternehmen und Kompetenzausweitungen für die Zulieferfirmen dazu, daß auch abhängige Betriebe in stärkerem Maße das gesamte Qualifikationsspektrum nachfragen. Die Bedeutung typischer "verlängerter Werkbänke" mit begrenzten Qualifikationsanforderungen dürfte deutlich zurückgehen. Der Gegensatz zwischen sachkapitalintensiver Massenproduktion und humankapitalintensiver Spezial fertigung verwischt sich. Flexible Fertigungstechniken und Organisationskonzepte führen vielmehr verstärkt zu Investitionen, die sowohl sachkapital- als auch humankapitalintensiv sind. Die Verfügbarkeit qualifizierten Personals über die gesamte Breite des gehobenen Qualifikationsspektrums dürfte damit noch mehr als bisher eine Mindestanforderung an den Investitionsstandort in Deutschland sein. Dabei sind aufgrund der veränderten Arbeitsorganisation nicht nur fachliche Qualifikationen gefragt, sondern auch soziale Qualifikationen wie z.B. Lernfahigkeit, Flexibilität, Verantwortungs bewußtsein und Teamgeist.
1.3. Politisch-wirtschaftliche Integrationsprozesse 1.3.1. Westeuropäische Integration Die Einbindung in die Europäische Gemeinschaft ist ohne Zweifel der vorrangige internationale Bezugspunkt für die deutsche Volkswirtschaft. In den neunziger Jahren stehen sowohl eine Vertiefung der innergemeinschaftlichen Wirtschaftsbeziehungen als auch die
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Erweiterung der EG um neue Mitgliedstaaten auf der Tagesordnung. Hieraus ergeben sich auch wesentliche Einflüsse auf die regionalen Wirtschaftsstrukturen in Deutschland. Diese werden im folgenden im Rahmen einer Auswertung einschlägiger Publikationen analysiert; eigene empirische Untersuchungen wurden für die vorliegende Studie nicht vorgenommen. Die vorliegenden Studien über die raumwirksamen Konsequenzen des EG-Binnenmarktes folgen im wesentlichen zwei Ansätzen oder kombinieren diese. Zum einen wird gefragt, welche Sektoren und Industriezweige besonders durch das Integrationsprogramm berührt werden. Regionen, in denen solche Industrien schwerpunktmäßig angesiedelt sind, müssen mit entsprechenden - positiven oder negativen - Folgen rechnen . Zum anderen wird mehr Gewicht auf Analysen gelegt, die raumwirtschaftliche Aspekte in den Vordergrund stellen. Zwar ist die Wirtschaftsstruktur auch hier ein wichtiger Parameter. Breiten Raum nehmen jedoch Überlegungen zur allgemeinen Wettbewerbsfähigkeit einer Region, zu Agglomerationsvorteilen, Bedeutung der Transportkosten sowie Produktions- und Lebensbedingungen am Standort ein . In den folgenden Überlegungen sollen beide Ansätze verbunden werden, um zunächst ein Bild davon zu gewinnen, welche Einflüsse sich aus der Westintegration ergeben. Im Anschluß wird dies mit den Wirkungen der Ostöffnung zusammengeführt. Die einzelnen Branchen der deutschen Wirtschaft werden auf unterschiedliche Art und Weise von der Vollendung des EG-Binnenmarktes betroffen sein. Der Abbau der Grenzen wird dort besonders starke Wirkung zeigen, wo die Teilmärkte noch sehr voneinander abgeschottet sind. Kriterien dafür sind die Häufigkeit von nicht-tarifaren HandeIshemmnissen, die Unterschiedlichkeit von Preis- und Produktionsniveau, die bisherige innergemeinschaftliche Verflechtung sowie das Gewicht, das das öffentliche Beschaffungswesen im jeweiligen Sektor hat. Nach den Studien zum Cecchini-Bericht werden in Deutschland vor allem die unterschiedlichen technischen Normen in der EG, administrative Hemmnisse, Mängel im Gemeinschaftsrecht und Verzögerungen bei der Grenzabfertigung als nichttarifäre Handelshemmnisse genannt (Nerb 1988). Verschiedene Studien haben sich mit der Frage befaßt, welche Branchen aufgrund solcher Überlegungen mit merklich geänderten Wettbewerbsbedingungen zu rechnen haben (Buigues, IIzkovitz, Lebrun 1990; Heine 1991; Prognos 1990; Scholz 1990; Steinle 1990). Dieses sind im wesentlichen die Bereiche Telekommunikation, EDV, Luft- und Raumfahrttechnik, Kraftfahrzeuge, Chemie, Pharmazie, Maschinenbau, Elektrotechnik, Nahrungs- und Genußmittel, das Baugewerbe, die Finanzdienste, die Elektrizitätswirtschaft sowie das gesamte Verkehrsgewerbe. In einer Studie der EG-Kommission (Buigues, IIzkovitz, Lebrun 1990) wurden aus dem verarbeitenden Gewerbe 40 Sektoren identifiziert, für die EG-weit mit starken Binnenmarktwirkungen zu rechnen sei. Auswahlkriterien waren die Höhe verbliebener nichttarifarer Handelshemmnisse, das Ausmaß innergemeinschaftlichen Handels, die Unterschiedlichkeit der Preise identischer Produkte in den Mitgliedstaaten und das sektorspezifische Potential, Skalenerträge zu realisieren. Je nach länderbezogenen Besonderheiten wurde die Liste der vorrangig betroffenen Sektoren noch leicht variiert. Auf die so identifizierten Branchen entfallen in Deutschland nach dieser Studie je etwa 60 vH der industriellen Beschäftigung und der industriellen Wertschöpfung; sie haben damit im EG-
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Vergleich ein besonders hohes Gewicht. Gemessen an der Beschäftigung haben dabei die Bereiche Telekommunikationsausrüstung, Elektrische Maschinen und Motorfahrzeuge sowie mit Abstrichen die Textil- und Bekleidungsbranche die größte Bedeutung für Deutschland. Diese Überlegungen ermöglichen jedoch noch nicht unmittelbar Aussagen über die regionale Stoßrichtung der Binnenmarktwirkungen, sie identifIzieren lediglich die besonders betroffenen Branchen. Für Deutschland ist zu vermuten, daß die bisher besonders exportstarken Industriezweige - Chemie, Kraftfahrzeuge, Maschinenbau, Elektrotechnik - auch in der Lage sind, die Chancen des Binnenmarktes zu nutzen. Andere, zuvor mehr re.glementierte Bereiche - etwa der Straßengütertransport oder das Versicherungswesen - werden dagegen wohl eher selbst Anpassungsdruck im Wettbewerb verspüren, als diesen ihrerseits auf die anderen EG-Anbieter auszuüben. Buigues et al. bewerteten in einem zweiten Schritt die Wettbewerbsfähigkeit jeder sensiblen Branche anband verschiedener aus den Handels- und Produktionsstrukturen gewonnenen Indikatoren. Nach ihren Ergebnissen arbeiteten 30 vH aller in der deutschen Industrie Beschäftigten in Sektoren, die bei allen verwendeten Meßziffern positive Ergebnisse erzielten, unter 10 vH waren in Branchen tätig, deren Wettbewerbsposition negativ einzuschätzen war. Besonders gut stellte sich die Situation danach für verschiedene Zweige des Maschinenbaus und den Motorfahrzeugbau dar. In einer eher ungünstigen Lage befand sich neben traditionellen Massenprodukten (vor allem aus dem Textilbereich) allerdings auch die Produktion von Flugzeugausrüstungen sowie von Büromaschinen und Computern. Insgesamt ergaben sich Vorteile für Deutschland vor allem bei forschungsintensiven Gütern und aus der Nutzung von Skalenerträgen. Die räumlichen Wirkungen des Binnenmarktes nun lediglich danach zu prognostizieren, wo vorrangig wettbewerbsstarke Branchen angesiedelt sind bzw. wo viele gefährdete Wirtschaftszweige zu fInden sind, würde sicherlich zu kurz greifen und auch kaum zu eindeutigen Ergebnissen führen. Dies liegt zum einen an der Vermischung von potentiellen Gewinner- und Verliererbranchen am selben Standort. Zum anderen bedeuten insgesamt positive Aussichten einer Branche nicht, daß jedes ihrer Unternehmen aus allen Regionen Deutschlands ohne Probleme auf dem Binnenmarkt bestehen kann. Detaillierte Aussagen über die Zukunftsaussichten müssen einer Analyse der Feinstruktur vorbehalten bleiben. Investitionsgüter haben beispielsweise in Baden-Württemberg wie im Ruhrgebiet ein relativ hohes Gewicht. Dieser Sektor wird jedoch im allgemeinen im ersten Fall wettbewerbsstärker eingeschätzt als im zweiten (Franzmeyer 1991). Zudem wird es im Binnenmarkt eher auf die Anpassungsfähigkeit einer Region ankommen, weniger auf zurückliegende Exporterfolge einzelner Branchen. Zu fragen ist deshalb, welche Wirkungen der Binnenmarkt auf die Regionentypen in Deutschland haben wird. Die Wirtschaftsstruktur der Region liefert dabei nur einen Anhaltspunkt. Zu den raumwirksamen Folgen des Binnenmarktes liegt mittlerweile ebenfalls eine Reihe von Studien vor. Überwiegend wird erwartet, daß sich die Disparitäten innerhalb Europas zunächst verschärfen werden (KolI, Nam 1992; Ache, Bremm, Kunzmann 1992). Hierfür
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spricht in der Tat einiges. Wesentliches Ziel des Binnenmarktes ist es, durch Abbau noch bestehender Grenzen zwischen den Mitgliedstaaten den Wettbewerbsdruck innerhalb der EG zu erhöhen und damit die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft zu stärken. Die bislang wettbewerbsstarken Regionen der Gemeinschaft werden hieraus am ehesten Nutzen ziehen können, dies um so stärker, je mehr sie zuvor durch nationale Grenzen an ihrer Entfaltung gehindert wurden. Aus diesen Überlegungen entwickelte sich das bekannte Bild der blauen Banane - von Südengland, den Rhein entlang und bis nach Norditalien reichend (v gl. Nerb, Reuter, Russ 1992). Diese Gebiete verfügen im EGVergleich über eine gut ausgebaute Infrastruktur, zahlreiche qualifizierte Arbeitskräfte und einen ergiebigen Absatzmarkt. Ihre Wirtschaft ist durch starke Exportverflechtung wie durch einen hohen Anteil produktionsorientierter Dienstleistungen und moderner Industrien geprägt. Gegenseitiger Austausch und die rasche Realisierung von Größenvorteilen fallen hier nicht schwer. Dennoch ist das Bild der blauen Banane insgesamt wenig geeignet, um die Regionen zu identifizieren, die aus dem Binnenmarkt Nutzen ziehen werden. Denn zum einen umschreibt sie keineswegs eine vollständige Liste der voraussichtlichen Gewinnerregionen. Hinzu konunen der sogenannte sunbelt - von Valencia bis ebenfalls nach Norditalien sowie einige regionale Entwicklungszentren (Paris, Madrid). Zum anderen bestehen die hier genannten Gebiete sicher nicht ausschließlich aus Regionen mit positiven Perspektiven. So gibt es auch in Gewinnerregionen auf kleinteiliger Ebene Problemgebiete (z.B. Zentrum-Hinterland-Probleme). Weiterhin bedeuten Standortvorteile wie zentrale Lage etc. auch nicht, daß sich Erfolge im Binnenmarkt ohne weiteres einstellen. Gerade die im Bananen-Bild enthaltenen alten Industrieregionen wie das Ruhrgebiet in Deutschland machen das deutlich. Unabhängig von diesen Argumenten verliert das Bild der blauen Banane als Analyseinstrument auch deshalb an Gebrauchswert, weil mittlerweile neben dem Binnenmarkt auch der Umbruch im Osten und die kommende Erweiterung der EG die Perspektiven der Regionen beeinflussen. Bei diesen Überlegungen spielen die peripheren Regionen keine ausgeprägte Rolle. Sie sind durch den Binnenmarkt durchaus nicht zwangsläufig negativ betroffen. Ihr Problem liegt vielmehr darin, daß sie die Potentiale einer vertieften Integration nicht nutzen können. Für sie gilt spiegelbildlich dasselbe wie für die vermuteten Gewinnerregionen: ihre Außenorientierung ist vergleichsweise gering, die räumliche Lage ungünstig, von Liberalisierungsschritten z.B. im Dienstleistungsbereich können die Regionen - mangels eigener Anbieter - allenfalls indirekt als Nachfrager profitieren. Bei einer solchen Entwicklung wäre also ein erhöhtes Wachstum in den wettbewerbsstarken EG-Kernregionen und ein relatives - aber wohl nicht absolutes - Zurückfallen der ärmeren Regionen zu erwarten. Die Disparitäten nähmen zu . Untermauert wird diese Vermutung noch mit dem Hinweis, daß die Vollendung des Binnenmarktes Prozeßcharakter habe, ein nicht unerheblicher Teil seiner Wirkungen mithin bereits eingetreten sei (Camagni 1992). Die letzten Jahre bieten jedoch zumindest keine Anzeichen für eine Angleichung des Entwicklungsstandes zwischen den EG-Regionen. Der 4 . Bericht der EG-
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1. Anforderungen an die regionale Strukturpolitik
Kommission zur Lage der Regionen geht eher von einem leichten Anstieg der regionalen Disparitäten im Pro-Kopf-Einkommen von 1980 bis 1986 aus (Kommission der EG 1991). Danach besserte sich die Situation zwar etwas. Insgesamt blieben aber die regionalen Disparitäten in der Gemeinschaft in den achtziger Jahren sehr stabil (Kommission, Europäische 1994a). Allerdings werden gelegentlich auch Argumente aufgeführt, die der Tendenz zunehmender regionaler Disparitäten im EG-Vergleich entgegenstehen (Lammers 1992; Genosko 1990). So wird darauf verwiesen, daß in den sechziger Jahren ein Wachstumsschub in der EG mit einem Abbau regionaler Disparitäten einherging - ein Argument, das allerdings dadurch geschwächt wird, daß die damalige Angleichung im regionalen Pro-Kopf-Einkommen auch auf Migration zurückzuführen ist. Daneben wird in diesem Zusammenhang auf die Dezentralisierungspotentiale neuer Fertigungs- und Kommunikationstechniken verwiesen (vgl. Abschnitt 2.1). Als Auslöser für stärkere Dezentralisierungseffekte der West integration werden aber vor allem Nachteile der Agglomerationen gesehen. Eine sich verschlechternde Umwelt, knappe (und damit teure) Gewerbeflächen, hohes Verkehrsaufkommen etc. senken die Attraktivität der Ballungsgebiete als Produktionsstandort wie als Wohnort. Unverändert hohe Löhne und Sozialabgaben fallen dann als latenter Standortnachteil um so stärker ins Gewicht. Dies alles spricht für eine Verlagerung zumindest von arbeitsintensiven Fertigungsschritten in periphere Gebiete. Wie ernst die weniger entwickelten Regionen als Standortkonkurrenz genommen werden, zeigt sich z.B. in der Diskussion um die soziale Dimension des Binnenmarktes. Vorstellbar ist eine zweiphasige Entwicklung, in der erst die divergierenden Effekte überwiegen, bis es dann zu gewissen Ausgleichstendenzen kommt (Zimmermann 1991) . Denn die zuletzt beschriebenen Investitionsverlagerungen brauchen Zeit. Und auch die beobachtete Tendenz, daß regionaler Ausgleich eher bei Wachstum erreicht werden kann, fügt sich in dieses Bild. Denn das binnenmarktinduzierte Wachstum ist eben in einer ersten Wirkungsrunde vermutlich nichts anderes als das Wachstum der begünstigten Regionen . In diesen steigt dann unter anderem die Importnachfrage. Dies wirkt neben den auch zu erwartenden Produktionsverlagerungen dann erst in einer zweiten Wirkungs runde stimulierend in den übrigen EG-Regionen. Auf ganz Europa bezogen kann das Ergebnis einer solchen zweiphasigen Entwicklung also letztlich auch ein Abbau des regionalen Gefälles sein. Dies gilt jedenfalls dann, wenn man auch die gerade als Reaktion auf die erwarteten Binnenmarktwirkungen erheblich intensivierte EG-Regionalpolitik mit in Betracht zieht. Innerhalb Deutschlands besteht aber die Gefahr, daß in bei den Phasen mit einer Zunahme regionaler Disparitäten gerechnet werden muß. In der ersten Phase sind die Wirkungen auf die benachteiligten Regionen in diesem Modell bestenfalls neutral, die wettbewerbsfähigen und weit entwickelten Regionen in den Zentren - und unter ihnen die deutschen Wachstumsregionen an vorderster Stelle werden Binnenmarktgewinne realisieren. Reüssieren können die weniger entwickelten Regionen in der zweiten Phase dann, wenn es ihnen gelingt, Importnachfrage aus den Zentren auf sich zu ziehen oder sich als attraktiver Produktionsstandort zu empfehlen. Für
1.3. Politisch-wirtschaftliche Integrationsprozesse
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letzteres haben die peripheren Gebiete in Deutschland aber eine ungünstige Ausgangsposition: denn dort, wo es auf Nähe zur Unternehmenszentrale ankommt, und auch als attraktiver Wohn- oder Naherholungsraum ist ihnen der ballungsnahe ländliche Raum überlegen; wenn jedoch eine Produktionsverlagerung aus den Zentren vor allem zur Nutzung von Lohnkostenvorteilen an anderer Stelle erwogen wird, TÜcken im Binnenmarkt wohl die Investitionsmöglichkeiten z.B. in den südlichen EG-Ländern mehr ins Bewußtsein der Unternehmen, wenn nicht gleich die Produktion nach Osteuropa verlagert wird (vgl. Nerb, Russ 1994). Eine Aufteilung der deutschen Regionen nach simplen wirtschaftsgeographischen Merkmalen in Binnenmarkt-Gewinner und -Verlierer wird dem sehr differenzierten Bild nicht gerecht. Diese hängt zunächst von der Weubewerbsfähigkeit jeder Region ab . Entsprechend läßt sich auch ein einfaches Nord-Süd-Gefälle nicht belegen (vgl. z.B. Sinz, Steinle 1989). Danach finden sich zwar im Norden überwiegend gefährdete Regionen, im Süden dagegen zahlreiche Regionen mit positiven Perspektiven. Es gibt im Norden aber auch einzelne Regionen mit hoher Entwicldungsdynamik. Wichtig für die Entwicldungsperspektiven des ländlichen Raumes scheinen besonders - wenn auch sicher nicht ausschließlich - die Impulse zu sein, die von der nächstgelegenen Region mit bereits hohem Entwicklungsstand ausgehen. Erste Versuche, die Binnenmarktwirkungen auf Ostdeutsch land zu prognostizieren (Müller 1994), kommen zu dem Ergebnis, daß die neuen Länder insgesamt weniger vom Binnenmarkt profitieren werden. Dennoch ist nach diesen Analysen der Binnenmarkt eher Chance als Risiko; seine Wirkungen werden sich aber in den neuen Ländern regional sehr unterschiedlich verteilen. Soweit sich dabei regionale Muster erkennen lassen, werden sie wohl ähnlich aussehen wie in Westdeutschland. Für die Bundesrepublik ergeben sich aus den verschiedenen Studien (Heine 1991; KolI, Nam 1992; Sinz, Steinle 1989; Steinle 1990, 1992; Ache, Bremm, Kunzmann (992) - so unterschiedlich ihre Vorgehensweise auch ist - in den Grundstrukturen vergleichbare Ergebnisse. Sie werden im folgenden kurz dargestellt. In einer groben Gliederung lassen sich etwa folgende vier Raumtypen in Deutschland unterscheiden: -
ländlich-peripherer Raum Verdichtungsgebiete mit industriellen Monostrukturen Verdichtungsgebiete mit vielseitiger Industriestruktur ballungsnaher ländlicher Raum
Die ländlich-peripheren Räume sind von der wirtschaftlichen Dynamik in den Zentren nur indirekt betroffen. Sie verspüren zunächst - auch wegen ihrer nicht voll entwickelten Industrialisierung - kaum Binnenmarktauswirkungen. Negativ wäre für sie eine verstärkte Produktionsverlagerung. wobei sich insbesondere Lohnkostenvorteile der südeuropäischen Länder auswirken könnten .
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I. Anforderungen an die regionale Strukturpolitik
Die alt industriellen Gebiete weisen durchaus einige Merkmale auf, die es ermöglichen würden, vom Binnenmarkt zu profitieren. Die Infrastruktur ist gut, die Anbindung an andere europäische Zentren in der Regel auch. Insbesondere könnte die grenzüberschreitende Zusammenarbeit die Wettbewerbsposition verbessern - im Fall des Saarlandes z.B. die mit Luxemburg und Lothringen. Ebenso gibt es zahlreiche gut qualifizierte Arbeitskräfte. Problematisch ist dagegen die zu wenig an aktuellen Bedürfnissen ausgerichtete Produktionsstruktur. Um das Potential des Binnenmarktes voll ausschöpfen zu können, ist ein verstärkter Strukturwandel nötig. Die Schwierigkeiten der Ballungsräume mit vielfältiger Industriestruktur liegen eher dort, wo die Belastungsgrenzen eines Gebietes erreicht werden. Diese Grenzen sind allerdings fließend. Umweltbelastungen, Übervölkerung, Verkehrsprobleme, hohe Grundstückspreise mögen für standortflexible Unternehmen ein Grund sein, sich außerhalb der Stammregion nach Expansionsmöglichkeiten umzusehen. In den meisten Fällen aber werden die Unternehmen an die günstigen Standortbedingungen ihres Regionstyps wie Forschungsinfrastruktur, hoch qualifizierte Arbeitskräfte etc. gebunden bleiben. Hinzu kommt eine Wirtschaftsstruktur, die in der Regel ein hohes Potential zur Aufnahme der Nachfrageimpulse des Binnenmarktes besitzt. Diese Ballungsräume sind damit sicherlich zu den Binnenmarkt-Gewinnern zu zählen; es dürfte sich aber als zu optimistisch erweisen, ihre bisherige wirtschaftliche Dynamik mechanisch zu extrapolieren . Eng verbunden mit der Entwicklung der Verdichtungsräume sind die Perspektiven des ballungsnahen ländlichen Raumes (die Verbindungsräume zwischen den Ballungsgebieten bzw . die Subzentren in ihrem Einflußbereich). Sie dürften für technologieorientierte Unternehmen eine bessere Standortalternative sein als beispielsweise südeuropäische Länder. Traditionelle und bewährte Vorleistung- und Absatzverbindungen könnten weit besser genutzt werden. Anzeichen für solche Entwicklungen konnten bereits in Räumen wie Karlsruhe, Ulm oder Regensburg beobachtet werden. Durch den Binnenmarkt (und die deutsche Vereinigung) in seinen Charakteristika verändert hat sich naturgemäß der Regionstyp der Grenzregion. Diese Regionen ordnen sich nun je nach ihren Merkmalen in das angeführte Schema ein. Interessant sind solche Fälle, in denen durch den Wegfall der Grenzen aus zwei oder drei zuvor künstlich getrennten regionalen Zentren nun ein zusammenhängender Verdichtungsraum erwächst. Für diese Regionen ergeben sich weitgehend neue Orientierungsmöglichkeiten. Der Raum Aachen/Maastricht ist ein Beispiel für eine derartige Situation. Die Entwicklungen in den (z. T. ehemaligen) EFT A-Staaten, insbesondere deren Anbindung an die EG über den "Europäischen Wirtschaftsraum" (EWR) oder über teilweise mittlerweile erreichte Mitgliedschaft, werden dieses Bild kaum nachhaltig ändern. Dazu war die wirtschaftliche Verflechtung mit der EG und die Ausrichtung an ihren Regeln bereits in der Vergangenheit zu groß. Die Beitritte sollen angesichts dieser wirtschaftlichen Abhängigkeit nun wenigstens politische Mitgestaltung ermöglichen. Ein interessanter Punkt vor allem für Süddeutschland ist die künftige Regelung des Alpentransits. Unabhängig von dieser Frage kann eine weitere Integration im Alpenraum die ohnehin schon günstigen
1.3. Politisch-wirtschaftliche Integrationsprozesse
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Prognosen für den gesamten Raum (KolI, Nam 1992) nur noch verstärken. Im Norden ergibt sich für Deutschland kein direkter Grenzöffnungseffekt. Von intensiveren Handelsbeziehungen mit Skandinavien dürften vor allem Hamburg, aber auch Kiel und eventuell Rostock profitieren. Die Vorbereitung auf den Binnenmarkt hat die integrationspolitische Debatte in der zweiten Hälfte der achtziger Jahre und bis 1992 bestimmt. Der Vertrag von Maastricht und die möglichen Konsequenzen einer Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion (EWWU) prägen dagegen die Überlegungen in den neunziger Jahren (vgl. z.B. Bofinger et al. 1993). Welche raumwirtschaftlichen Auswirkungen eine Währungsintegration haben wird, läßt sich kaum konkret vorhersagen. Anders als beim Binnenmarkt ändert sich bei einer einheitlichen Währung vor allem der makroökonomische Rahmen; einzelne Sektoren und Bereiche werden nur indirekt betroffen. Zudem erscheint der Weg zur Währungsunion mittlerweile weit unklarer, als es nach dem ursprünglichen Fahrplan vorgesehen war. Modelle einer abgestuften (Währungs-)Integration spielen eine zunehmende Rolle. Der Maastrichter Vertrag zielt darauf ab, daß spätestens 1999 möglichst viele EG-Mitglieder eine Währungsunion bilden. Eine Teilnahme ist jedoch an Bedingungen gebunden. Dazu zählen Preisstabilität im Inland, Begrenzung der Staatsdefizite, eine Angleichung der Kapitalmarktzinsen und Stabilität des Wechselkurses der Währung eines potentiellen Mitgliedes gegenüber den Währungen der anderen Teilnehmer. Die Entwicklung in den letzten Jahren hat jedoch gezeigt, daß - abgesehen von der noch schwachen Akzeptanz des Vertragswerkes in der Bevölkerung - die wirtschaftliche Situation in den einzelnen EGLändern auf absehbare Zeit keine umfassende Währungsunion erlauben wird. Die währungspolitische Ruhe über eine längere Periode war noch kein Zeichen für hinreichende Konvergenz. Die Spannungen an den Devisenmärkten, die im Sommer 1992 begannen und in der erheblichen Lockerung des EWS bei Austritt mehrerer EG-Länder vorerst endeten, zeigen, daß zuvor Wechselkursanpassungen zu sehr tabuisiert worden waren, so daß allmählich deutlicher Nachholbedarf entstanden war. Dies blieb nicht ohne Einfluß auf die Erwartungen hinsichtlich einer stärker divergierenden wirtschaftlichen und wirtschaftspolitischen Entwicklung in den Mitgliedsländern, so daß es schwer sein dürfte, rasch den status quo ante wieder zu erreichen. Währungspolitisch befindet sich Europa damit in einer Phase der Neuorientierung. Die ersten Erfahrungen mit den erweiterten Möglichkeiten im EWS zeigen zwar, daß die neugewonnenen Freihheitsgrade nur sehr bedächtig genutzt werden. Merkliche Wechselkursanpassungen hat es auch bereits zwischen Herbst 1992 und Herbst 1993 gegeben. Dennoch ist für die nächsten Jahre zunächst mit einer nach Ländern differenzierten Entwicklung von Zinsen und Kursen zu rechnen. Allenfalls nach einiger Zeit wird sich ein neues belastbares Gleichgewicht herausbilden können; erst dann kann wohl die Frist beginnen, innerhalb derer keine Kursanpassungen von seiten der EWWU-Kandidaten einer Teilnahme an der EWWU mehr vorgenommen werden (vgl. Pohl 1993). Für die neunziger Jahre stellt sich damit primär die Frage, welche Wirkungen die Vorbereitungen auf die Währungsunion haben können. Beim Binnenmarktprozeß war zu
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beobachten, daß ein erheblicher Teil der Wirkungen bereits vor dem 31.12.92 eintrat. Viele der harmonisierten Rechtsvorschriften traten schon im Vorfeld in Kraft; vor allem wurde die wirtschaftliche Verflechtung in Europa vorangetrieben, weil viele Unternehmen sich verstärkt in den Nachbarmärkten etablieren wollten, um die Chancen des Binnenmarktes voll ausschöpfen zu können. Die EWWU stellt den Schlußpunkt der Integration nationaler Volkswirtschaften dar. Die Wettbewerbsintensität nimmt weiter zu, eine Reihe von Instrumenten zur Anpassung an unterschiedliche Wettbewerbsfahigkeit steht nicht mehr zur Verfügung. Eine eigenständige Geld- bzw. Zinspolitik ist nicht mehr möglich. Der Wechselkurs steht als Anpassungsinstrument nicht zur Verfügung. Der Fiskalpolitik sind in einer Währungsunion ebenfalls enge Grenzen gesetzt. Die Wettbewerbsfähigkeit einzelner Länder oder Räume wird damit vornehmlich von der Entwicklung von Löhnen und Produktivitäten bestimmt bzw. durch diejenigen Faktoren, die die Produktivität bestimmen, wie Infrastrukturausstattung, Ausbildungsniveau, Kapitaleinsatz usw. Theoretisch dürften sich in einem reinen Marktmodell und bei der Annahme eines homogenen Produktionsfaktors Arbeit regionale Unterschiede in den Löhnen nicht aufrechterhalten lassen. Ist schon die Annahme eines homogenen Produktionsfaktors Arbeit eine Fiktion, so greift die einfache Modellsicht auch aus anderen Gründen zu kurz. Entscheidend für eine Wanderungsabsicht ist nicht der bestehende Unterschied im Lohnniveau, sondern der erwartete individuelle Lohn, d.h. wichtig sind vor allem die Beschäftigungschancen und die Höhe des konkret erzielbaren Lohnes . Damit sinken die Anreize zur Wanderung erheblich. Zudem stößt ein Wohnortwechsel im Binnenmarkt zwar nicht auf rechtliche Schranken, wohl aber auf informelle Hindernisse. Allein sprachliche und kulturelle Unterschiede beschränken die EG-weite Mobilität des Faktors Arbeit (vgl. Kommission der EG 1991). An dieser Einschätzung ändert die Währungsunion nichts. Ihr Beitrag zu einer Verstärkung der Wanderbewegungen kann allenfalls in einer geringfügig größeren Transparenz der Lohnunterschiede gesehen werden. Es erscheint damit unwahrscheinlich, daß die EWWU zu starken EG-internen Wanderungen führen wird. Auch die Vollendung des Binnenmarktes hat die bereits guten Bedingungen für den Zuzug von EGBürgern in die Bundesrepublik kaum weiter verbessert. Die überwiegende Zahl der in Deutschland lebenden Ausländer kommt dennoch aus Nicht-EG-Staaten; Zuzüge sind künftig wohl vor allem durch die Aussiedler aus den ehemaligen Ostblockstaaten zu erwarten (vgl. zur Bevölkerungsentwicklung in Deutschland: Schulz 1993). Für die Mobilität des Kapitals schafft eine Währungsunion allerdings neue Bedingungen. Der Wegfall des Wechselkursrisikos verringert zunächst Unsicherheiten beim Exportgeschäft. Er macht aber auch Direktinvestitionen im Ausland kalkulierbarer. In einer Währungsunion werden die Kapitalströme vor allem von realwirtschaftlichen Rahmendaten gelenkt. Die heutige Aufblähung des bewegten Kapitals aus Spekulationsmotiven entfällt. Bei einer geschickten Standortpolitik bieten sich damit - wie beim Binnenmarkt - auch weniger entwickelten Regionen positive Perspektiven. Anders als beim Binnenmarkt ist eine Ausweitung der Direktinvestitionen aber erst nach Eintritt in die Währungsunion zu
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erwarten. Die Währungsintegration induziert schließlich nur dann zusätzliche Direktinvestitionen im Ausland, wenn für die Investoren das Wechselkursrisiko ausschlaggebend ist. Bis zum tatsächlichen Start der Währungsunion bleibt aber ein Realignment möglich. Denkbar ist jedoch auch ein anderes Szenario. Die verbesserten Bedingungen für eine Wanderung des Kapitals hängen nämlich entscheidend davon ab, daß die regionale Kostenentwicklung in Grenzen bleibt. Wenn in den Regionen das Lohnniveau stärker als die Produktivität steigt, besteht nicht mehr die Ausgleichsmöglichkeit über eine Wechselkursänderung mit negativen Rückwirkungen auf die Exportchancen. Wenn also die Lohnpolitik nicht die Bedingungen einer Währungsunion berücksichtigt, wird ein Auslandsengagement unkalkulierbarer als in der bisherigen Situation, in der die realen Wechselkurse mehr oder weniger stabil blieben. Von Einfluß auf die Wettbewerbspositionen der Regionen ist auch die Einrichtung der ebenfalls in Maastricht beschlossenen Sozialunion. Eine strikte Angleichung aller Sozialvorschriften auf hohem Niveau würde einen wichtigen Standortvorteil weniger entwickelter Mitgliedstaaten - die niedrigen Arbeitskosten - gefährden. Diese dürfen nur allmählich im Zuge der wirtschaftlichen Entwicklung und orientiert an den Produktivitätszuwächsen steigen. Eine rasche Entwicklung zu einheitlichen sozialen Standards ist allerdings auch nicht abzusehen. Nach dem sozialpolitischen Protokoll zum Maastrichter Vertrag sind Angleichungen vor allem in den Bereichen von Arbeitssicherheit und Arbeitsbedingungen, sowie Chancengleichheit von Mann und Frau zu erwarten. Andere wichtige Themen erfordern Einstimmigkeit (Kündigungsschutz, Mitbestimmung) oder sollen nicht gemeinschaftlich geregelt werden (Arbeitsentgelte, Streikrecht) . Damit ist wohl auch weiterhin damit zu rechnen, daß es in der Gemeinschaft unterschiedliche Löhne und Sozialregelungen geben wird. Entscheidend für die Wettbewerbschancen der Volkswirtschaften bzw. Regionen wird das Verhältnis von Kosten und Produktivität sein. Die Währungsunion dürfte also insgesamt das regionale Gefälle in Deutschland verschärfen. Wichtige Instrumente zur Senkung des Wettbewerbsdruckes aus dem Ausland stehen in einer Währungsunion nicht mehr zur Verfügung. Im intensivierten Wettbewerb werden vor allem die bereits zuvor konkurrenzfähigen Regionen reüssieren können, sei es, weil sie Druck aus dem Ausland am ehesten standhalten können, oder sei es, weil sie die Chancen eines einheitlichen Marktes am besten nutzen können. Wettbewerbsfähige Regionen sind in der Regel bereits relativ stark auf Auslandsmärkte orientiert. Sie profitieren also zusätzlich von der erhöhten Kalkulierbarkeit des Exportgeschäftes in einem einheitlichen Währungsraum. Zudem können die wettbewerbsschwächeren Regionen in den wohlhabenderen Mitgliedstaaten Konkurrenz durch erfolgreiche Regionen aus den ärmeren EG-Ländern erhalten. Die Gefahr einer Verschärfung der Gegensätze zwischen Volkswirtschaften unterschiedlicher Wettbewerbsstärke wurde im Maastrichter Vertrag durchaus gesehen. Als eine Konsequenz wurde beschlossen, einen sogenannten Kohäsionsfonds zu schaffen, der die ärmsten Mitgliedstaaten bei der Vorbereitung auf die Währungsunion unterstützen soll. Sollte diese Strategie Erfolg haben - hierfür wäre eine stabilitätsorientierte Lohnentwick-
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I. Anforderungen an die regionale Strukturpolitik
lung in den ärmeren Regionen wesentlich -, entsteht damit zusätzliche Konkurrenz für die benachteiligten Regionen in den reicheren Mitgliedstaaten. Umso wichtiger werden damit nationale Maßnahmen zur Unterstützung negativ betroffener Regionen. Zusätzliche Mittel stehen hierfür aber kaum zur Verfügung oder ihr Einsatz scheitert am Widerspruch der EG-Beihilfenkontrolle. Praktisch alle Mitgliedstaaten haben erhebliche Probleme, die Maastrichter Kriterien zu erfüllen. Die Budget-Spielräume sind damit eng begrenzt, eher werden Belastungen aufgrund der verstärkten EG-Strukturpolitik spürbar.
1.3.2. Öffnung Mittel- und Osteuropas Weitaus stärker als durch den Integrationsprozeß im Westen werden die politischen und wirtschaftlichen Bedingungen in Europa durch den Wandel im Osten verändert. Die ehemals kommunistischen Länder Mittel- und Südosteuropas sowie der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten befmden sich in einem tiefgreifenden politischen, institutionellen und wirtschaftlichen Wandel. Der gegenseitige Leistungsaustausch mit diesen Ländern und die damit zusammenhängenden regionalen Wirkungen sind im wesentlichen davon bestimmt, wie rasch und erfolgreich dieser Wandel bewältigt werden karm und wie er durch westliche Hilfen unterstützt wird. Anders als für den Integrationsprozeß in Westeuropa karm hier allerdings nicht auf Ergebnisse anderer Studien zurückgegriffen werden. Im Rahmen dieser Untersuchung bleibt daher nur die Möglichkeit, erste Vorstellungen darüber zu entwickeln, welches Niveau und welche Struktur die wirtschaftlichen Beziehungen Mittel- und Osteuropas zu Deutschland haben werden, um hieraus Rückschlüsse auf mögliche Auswirkungen auf die regionalen Wirtschaftsstrukturen in Ost- und Westdeutschland zu ziehen. Neben dem Aufbau einer institutionellen Infrastruktur und der makroökonomischen Stabilisierung ist die wohl schwierigste Aufgabe im Transformationsprozeß die Umstellung der Betriebe (Tharmer 1992; Schrett!, element 1991). Für die Umstellung der Produkte, der Produktionsprozesse, der Arbeitsorganisation und der Liefer- und Absatzverflechtungen fehlt vielfach noch das marktwirtschaftliehe Know-how, das durch die spärliche Zuwanderung von westlichem Management und die angebotenen Schnellkurse im Westen nicht von heute auf morgen ersetzt werden karm . Hinzu kommt der enorme Kapitalbedarf bei der Umstrukturierung der Produktion und der Modernisierung der Infrastruktur, der angesichts der bereits hohen Verschuldung der östlichen Länder in konvertibler Währung weder durch ausländische Privat investoren noch durch Transfer öffentlichen Kapitals gedeckt werden karm I. Der Großteil des Kapitalbedarfs zur Umstrukturierung der Betriebe und zur Modernisierung der Infrastruktur karm denmach nur durch inländische Ersparnis und damit einen erheblichen Konsumverzicht der
I Die jährlich aufzubringenden Beträge liegen hierbei für die mitteleuropäischen Länder bei zusammen 100 bis 150 Mrd. US $. Unter Einschluß der Nachfolgestaaten der UdSSR erhöht sich dieser Wert auf jährlich 300 - 500 Mrd. US $ (Handler/KramerlStankovsky 1992; Ochel 1991).
1.3 . Politisch-wirtschaftliche Integrationsprozesse
29
Bevölkerung in den östlichen Ländern selbst gedeckt werden (Krahmer 1992; Collins, Rodrik 1991). Der Aufbau eines neuen Kapitalstocks dürfte sich nur entsprechend langsam vollziehen. Zu beachten ist allerdings auch, daß die hier betrachtete Staatengruppe der mittel- und osteuropäischen Länder einschließlich der ehemaligen UdSSR sehr heterogen ist. Der politische Refonnprozeß und die Anstrengungen zum Aufbau einer institutionellen Infrastruktur und zur makroökonomischen Stabilisierung sind in den einzelnen Staaten unterschiedlich weit vorangeschritten. Zudem weichen auch die ökonomischen Potentiale der Länder und ihrer Regionen stark voneinander ab (GritsaiiTreivish 1990). Dementsprechend sind häufig Vorstellungen über ein phasen- oder ringweises Entwicklungsmuster anzutreffen (Nötzold 1990; Siebert 1992). Vor allem in der Tschechischen Republik , Polen und Ungarn wird es aufgrund der historisch engen Bindungen zu Westeuropa, den stärker marktwirtschaftlichen Traditionen, des vergleichsweise gut ausgebildeten Facharbeiterpotentials und des relativ hohen Niveaus von Auslandsinvestitionen zu einer rascheren Stabilisierung der Wirtschaft kommen. Für die südosteuropäischen Staaten, die europäischen Nachfolgestaaten der UdSSR und vor allem für Rußland selbst wird trotz der langfristig hohen Entwicklungspotentiale mittelfristig mit weniger starken Bindungen an Westeuropa und eher noch längeren Zeiträumen für den Anpassungsprozeß gerechnet. Zu berücksichtigen ist auch, daß in einer Reihe von Staaten die Umkehr von der Orientierung auf den sowjetischen Wirtschaftsraum hin zu einer Orientierung nach Westeuropa auch Friktionen mit sich bringt (Maull/Heynitz 1990; Lorenz 1990). Im Verlauf der neunziger Jahre werden sich zwar die wirtschaftlichen Beziehungen Mittel- und Osteuropas zu Deutschland dynamisch entwickeln, und Deutschland wird für viele dieser Staaten aufgrund der räumlichen Nähe, der traditionellen Wirtschaftsbeziehungen und der Wirtschaftskraft Deutschlands der wichtigste Handelspartner sein; im Außenhandel der Bundesrepublik werden mittelfristig diese Länder aber keine herausragende Rolle spielen. Die Auswirkungen auf die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland dürften sich daher eher auf einzelne Bereiche beziehen. In diesen Einzelbereichen allerdings dürften die Veränderungen, die sich durch die Öffnung Mittel- und Osteuropas ergeben, deutlich spürbar sein. Anfängliche Überlegungen zu räumlichen Effekten durch die Veränderung der wirtschaftlichen Gewichte in Europa und durch starke Funktionszuwächse einzelner Regionen als "Drehscheiben" oder "Brückenköpfe" in den Ost-West-Beziehungen müssen wohl relativiert werden. Angesichts des zu erwartenden Austauschniveaus dürften solche Effekte kaum wirksam werden. So wird sich wohl auch an der Einschätzung einer wirtschaftlichen Randlage an den östlichen Grenzen Deutschlands auf absehbare Zeit nichts ändern. Nur partiell wird es zu Aufwertungen von Verkehrswegen und zu Sonderfunktionen wie z.B. Messen und Kongressen kommen. Für die Einschätzung der regionalen Wirkungen in Deutschland ist angesichts der insgesamt doch eher schleppenden Wirtschaftsentwicklung in Mittel- und Osteuropa vielmehr
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1. Anforderungen an die regionale Strukturpolitik
interessant, in welchen Wirtschaftsbereichen diese Staaten starke Bedeutung für Deutschland erlangen, und zwar sowohl als Bezugsmarkt wie als Absatzmarkt. Eine Aufbereitung von Außenhandelsdaten, die im Rahmen eines von der VW-Stiftung unterstützten DIW-Projektes über die Wechselwirkung von Systemtransformation und Außenhandel erstellt wurden , erlaubt hier zunächst eine tiefergehendere Betrachtung der gegenwärtigen Situation nach einzelnen Branchen und Partnerländern. Untersucht wurde der Handel Deutschlands mit Polen und Ungarn sowie der CSFR und der UdSSR bzw. mit ihren Nachfolgestaaten insgesamt. Dabei wurde der Außenhandel nach der ISIC-Gliederung umgeschl üssel t. Die Bedeutung der untersuchten Länder als Absatzmarkt hat zwischen 1989 und 1992 durchweg zugenommen. Während sich der vH-Anteii Polens (von 0,7 auf 1,2) und der CSFR (von 0,4 auf 1,2) am deutschen Export erheblich erhöhte, fiel die Steigerung bei Ungarn (von 0,6 auf 0 ,7) und der UdSSR (von 1,7 auf 2,0) moderater aus. Die Werte für diese bei den Länder liegen damit etwa auf dem schon 1980 und 1985 erreichten Niveau. Ganz ähnlich stellt sich das Bild bei den Importen dar. Der Anteil der Importe aus Polen und der CSFR stieg von 1989 bis 1992 kräftig (von 0,7 auf 1,3 bzw. von 0,5 auf 1,1), die Werte für Ungarn und die UdSSR legten weniger stark zu (von 0,5 auf 0,7 bzw. von 1,6 auf 1,9). Die Erhöhung der Anteile ist damit insgesamt nicht besonders ausgeprägt. Dies gilt um so mehr, als in den deutschen Außenhandelszahlen seit 1991 auch der Außenhandel der neuen Länder enthalten ist. Der deutsche Export war dabei vor allem geprägt von den Bereichen Fahrzeugbau, Elektrotechnik - vor allem Kommunikations- und Unterhaltungselektronik -, Maschinen und Chemie, aber auch z.T. von Textilien. Außer bei der UdSSR (10 vH) lag der Hochtechnologieanteil zwisch~n 17 vH und 22 vH, der Anteil mittlerer Technologie schwankte zwischen 40 vH und 50 vH . Als besonders technologieintensive Bereiche werden dabei Pharmazeutika, Büromaschinen und Computer, Elektrotechnik, der Luftfahrzeugbau sowie Meß- und Regeltechnik und die optische Industrie gezählt. Bereiche mit mittlerer Technologieintensität sind hier die Chemie, die Kunststoffindustrie, die Nichteisenindustrie und der Maschinenbau sowie der Schienen- und Straßenfahrzeugbau. Die Warenstruktur des Imports weicht erwartungsgemäß von der des Exports erheblich ab . Hier spielen vor allem Bekleidung und Nahrungsmittel/Getränke/Tabak (Polen, Ungarn) oder Nicht-Eisen-Metalle (Polen, UdSSR) eine wichtige Rolle. Die UdSSR hat eine Sonderposition mit extrem hohen Anteilen von Bergbauerzeugnissen sowie Erdöl und Erdgas (1992: 25 vH bzw. 30 vH) und Raffinerieprodukten (10 vH). In der Lieferpaleue der CSFR und Ungarns haben Güter mit hohem und mittlerem Technologiegehalt noch ein relativ hohes Gewicht (zusammen 35 vH der Exporte); Polen (27 vH) und vor allem die UdSSR (20 vH) konzentrieren sich stärker auf einfachere Produkte. Zu der Frage, in welchen Feldern Mittel- und Osteuropa als Bezugsmarkt künftig an Bedeutung gewinnen wird, gibt es eine Reihe von Untersuchungen, die sich mit der Abschätzung des spezifischen Exportpotentials dieser Länder befassen. Die Analysen orientieren sich hierbei sowohl an historischen Handelsstrukturen als Ausdruck traditioneller und
1.3. Politisch-wirtschaftliche Integrationsprozesse
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kultureller Verbindungen, als auch an Spekulationen über komparative Kostenvorteile, die sich aus einer möglichen Entwicklung der Faktorausstattung und der Faktorpreise ergeben (Neven/Röller 1991; Klodt 1991). So schwierig und methodisch problematisch im einzelnen diese Ansätze sind, kommen sie doch zu ähnlichen Ergebnissen. Die höchsten Exportpotentiale zeigen sich demnach bei Rohstoffen und Nahrungsmitteln sowie Industriewaren mit hoher Arbeitsintensität, also in Feldern, die auch schon bislang die Importstrukturen der Bundesrepublik nicht nur aus den mittel-osteuropäischen Staaten prägen. Hinsichtlich der strukturellen Dimension vor allem im industriellen Bereich greifen solche überschlägigen Modellrechnungen allerdings zu kurz. Die besondere Qualität des Bezugsmarktes Mittel- und Osteuropa wird hier nicht abgebildet. Denn anders als beispielsweise die Standortvorteile der typischen Schwellenländer beziehen sich diese nicht allein auf geringere Lohnkosten. Die neue Dimension für Deutschland liegt in der Kombination von - meist gut ausgebildeter Facharbeiterschaft, - räumlicher Nähe und - Lohnkostenvorteilen. Entsprechend wird sich die Einbindung Mittel- und Osteuropas als Bezugsmarkt für Deutschland auch in anderen Bereichen ergeben, als sie von den bisherigen Niedriglohnländem besetzt werden. Diese neuen Importbereiche werden sich vor allem auf jene relativ einfachen lohnintensiven Produktionen beziehen, die sich aufgrund hoher Transportkosten bislang einer Internationalisierung entzogen haben. Neben einzelnen Zulieferbereichen sind hier vor allem die Industrie der Steine und Erden, die Holzindustrie und die Papierindustrie zu nennen. Allerdings dürfte die Ausweitung des Warenaustausches in solchen transportsensiblen Bereichen durch die bislang desolaten Verkehrs- und Kommunikationsinfrastrukturen in den Staaten Mittel- und Osteuropas begrenzt werden. Für die direkten Anrainerstaaten dürfte sich allerdings bei deutlich steigenden Infrastrukturinvestitionen die Situation mittelfristig verbessern. Wenig wahrscheinlich scheint dagegen , daß es diesen Staaten in absehbarer Zeit gelingt, bei komplexeren Produkten oder Produktkomponenten Exporterfolge zu erzielen. Neben den Defiziten in der Verkehrs- und Kommunikationsinfrastruktur erscheinen hierfür insbesondere die technologischen Rückstände in der Qualifikation der Beschäftigten und in der Forschungsinfrastruktur zu groß. Entscheidend werden die möglichen Strukturen der Importe aus Mittel- und Osteuropa nach Deutschland zudem von Handelsregelungen im Rahmen der Europäischen Gemeinschaft bestimmt (MesserIin 1991; Möbius 1991). Die bisherigen Erfahrungen zeigen, daß die Gemeinschaft bei der Öffnung ihrer Märkte nach Osten auf ein schrittweises Vorgehen setzt, nicht nur im Hinblick auf den Kreis der davon begünstigten Länder, sondern auch hinsichtlich des Umfanges der Liberalisierung. Am weitesten wurden bislang in den Europa-Abkommen mit Polen, Ungarn, der Tschechischen und der Slowakischen Republik gegangen, indem im gewerblichen Bereich mengenmäßige Beschränkungen nur für Kohle (Sonderregelungen für Spanien und Deutschland) und Textilien - hier bei kräftiger Auf-
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I. Anforderungen an die regionale Strukturpolitik
stockung der Quoten - aufrechterhalten wurden, die Zölle mit Inkrafttreten der Abkommen kräftig gesenkt oder - bei den meisten Industrieprodukten - sogar ganz abgeschafft wurden. Materiell vergleichbare Vereinbarungen gibt es auch mit Rumänien und Bulgarien (Möbius 1993). Faktisch dürften die mengenmäßigen Beschränkungen, die noch bestehenden Zölle sowie die Zollkontingente und -plafonds schon in der Übergangszeit kein ernsthaftes Hemmnis im Handel mit der Gemeinschaft mehr darstellen. Bei Textilien wurden in den letzten Jahren die Liefermöglichkeiten von Seiten der mittel- und osteuropäischen Länder meist nicht ausgeschöpft. Gleichwohl achtet die Gemeinschaft auf eine "geordnete" Entwicklung ihrer Importe. Die Verträge bieten Möglichkeiten zu handelspolitischen Reaktionen, sobald die Märkte in der Gemeinschaft durch verstärkte Importe gestört werden könnten. Im Wege von Antidumping-Verfahren hat die Gemeinschaft bei Stahl, Chemikalien, Zement und auch Aluminium hier schon eingegriffen. Es ist zu erwarten, daß sie die Politik einer solchen "geordneten" Liberalisierung weiter fortsetzt. Offen ist allerdings, wie weit sie den mittel- und osteuropäischen Ländern bei landwirtschaftlichen Produkten entgegenkommt; in den bisherigen Verträgen ist für diesen Bereich weitgehend auf künftige, gesonderte Verhandlungen verwiesen worden. Ebenso wie bei den Importen aus Mittel- und Osteuropa werden sich auch bei der Entwicklung dieser Länder als Absatzmarkt für deutsche Produkte die Wachstumspotentiale mittelfristig auf einige Bereiche konzentrieren. Die Struktur des Importbedarfs Mittel- und Osteuropas wird voraussichtlich vor allem durch den vordringlichen Modernisierungsbedarf in den Bereichen Energie/Rohstoffe und Verkehr/Kommunikation bestimmt. Einige konkrete Großprojekte - teils mitfinanziert durch westliche Unternehmen und Staaten zeichnen sich in diesen Feldern bereits ab. Zum anderen werden bei einer stärkeren Autonomie der Unternehmen vor allem exportorientierte Betriebe ausländische Investitionsgüter erwerben kÖMen. Entsprechende Spiel räume ergeben sich zum einen über westliche Direktinvestitionen. Zum anderen dürften die günstigen Ertragsaussichten sowie Möglichkeiten wie z.B. Warentauschgeschäfte hier günstigere Voraussetzungen schaffen. Auch bei einer insgesamt eher mäßigen gesamtwirtschaftlichen Wachstumsdynamik in den Staaten Mittel- und Osteuropas und trotz bestehender Infrastrukturdefizite ist zu erwarten, daß sich durch die wirtschaftliche Öffnung dieser Staaten schon mittelfristig spürbare Veränderungen der sektoralen Produktionsstrukturen in Deutschland ergeben. Während sich für bestimmte lohn- und transportkostenintensive Produktionen ein bislang nicht gekannter Konkurrenzdruck ergibt, entstehen in eher klassischen Bereichen des Anlagenbaus oder der Herstellung von Infrastrukturgütern neue Wachstumspotentiale. Aufgrund der unterschiedlichen Standortprofile der Regionen in Deutschland und bestehender regionaler Konzentrationen der jeweiligen Branchen ergeben sich daher auch Potentiale zur Veränderung räumlicher Wirtschaftsstrukturen in Deutschland im Zuge einer stärkeren Arbeitsteilung, die gesamtwirtschaftlich nicht zu Wachstumseinbußen führen muß . Die Veränderung von Handelsströmen ist allerdings nur eine Art der Auswirkungen der Öffnung Mittel- und Osteuropas auf Deutschland und seine Regionen. Vennutlich schneller
1.3. Politisch-wirtschaftliche Integrationsprozesse
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und einschneidender sind die Auswirkungen auf das Wanderungsverhalten der Bevölkerung. Die extremen Einkommensunterschiede und die direkte Grenzlage Deutschlands lassen einen hohen Einwanderungsdruck erwarten, der um so stärker sein wird, je ungünstiger die wirtschaftlichen Perspektiven in den Heimatländern von den Menschen eingeschätzt werden. Besonders ausgeprägt ist der Einwanderungswunsch bei der deutschstämmigen Bevölkerung in Osteuropa und der ehemaligen UdSSR . Obwohl die Mobilitätsbereitschaft bei den deutschstämmigen Personen höher ist als bei der übrigen Bevölkerung in MitteIund Osteuropa, wird sich auch unter diesen Personen der Anteil der Ausreisewilligen erhöhen. Ob dieser Ausreisewille auch zur Einwanderung nach Deutschland führt, hängt wesentlich von den Ein- und Ausreiseregelungen ab. Tendenziell werden diese darauf ausgerichtet sein, eine schnelle hohe Zuwanderung zu unterbinden. Inweiweit dies gelingt, ist beispielsweise von Regelungen über einen EG-Verteilerschlüssel, mögliche Staatsabkommen, die Art der Grenzsicherung, der Abschiebepraxis, der Form des Asylrechts und ähnlichem abhängig. Trotz solcher politischen Maßnahmen dürften die legalen und vor allem die illegalen Zuwanderungen auch mittelfristig hoch bleiben (Schulz 1993). Einschneidende Folgen könnte dies für viele deutsche Grenzregionen zu mittel- und osteuropäischen Ländern haben. Vor allem die größeren Städte in diesen Gebieten könnten sich zu Schwerpunkten der Zuwanderung entwickeln. Aus dieser Zuwanderung wird insbesondere das Arbeitskräfteangebot durch zumeist junge und mobilde Zuwanderer strukturell verbessert. Auf der anderen Seite dürfte sich gerade in wirtschaftlich schwächeren Regionen der Angebotsdruck am Arbeitsmarkt drastisch erhöhen. Als Belastung für die Arbeitsmärkte in den Grenzregionen kommt hinzu, daß sie ein bevorzugtes Ziel für Tages-, Wochen- und Saisonpendler aus den mittel-osteuropäischen Ländern sind (Jones, Wild 1994). Vorteile, die sich aus der damit verbundenen Angebotsverbesserung bei gering entlohnten Tätigkeitsfeldern ergeben, dürften dagegen eher von vorübergehend sein. Wenn sich die politischen Bedingungen weiter festigen und die infrastrukturelle Anbindung verbessert, dürften die entsprechenden Produktionen häufig in die Herkunftsländer der Pendler verlagert werden .
1.3.3. Auswirkungen auf die Standortvielfalt Die politisch-wirtschaftlichen Integrationsprozesse in Europa erweitern in der Summe das räumliche Potential für die Ansiedelung industrieller Produktion. Innerhalb der EG stellt dieser Aspekt wirtschaftlicher Folgewirkungen allerdings nichts grundSätzlich Neues dar. Insbesondere mit der Süderweiterung der EG war bereits das Ziel, industrielle Produktionen auch in diesen Ländern zu verstärken, verbunden. Die Regelungen zum EG-Binnenmarkt und zur Annäherung zwischen EG und EFT A stellen in '3 Gomig u. a.
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I. Anforderungen an die regionale Strukturpolitik
diesem Zusammenhang eine weitere Vereinheitlichung und Verbesserung der institutionellen Bedingungen für die Produktion und den Warenaustausch dar. Dies ist zum einen Resultat der Erleichterungen im grenzüberschreitenden Verkehr. Bedeutend dürfte zum anderen aber auch die tendenzielle Angleichung von Finanz-, Geld- und Wirtschaftspolitik sein. Durch sie sind wesentlich stabilere Rahmendaten zu erwarten, die vor allem eine stärkere Einbindung rückständiger Staaten in die Produktionsprozesse ermöglichen. Allerdings wäre es falsch, von künftig einheitlichen oder auch nur ähnlichen Produktionsbedingungen in Westeuropa zu sprechen. Dies gilt nicht nur für Lohnhöhe und Abgabenbelastung. Auf absehbare Zeit werden vor allem auch hinsichtlich Infrastrukturausstattung und Verfügbarkeit von Humankapital erhebliche Differenzen bestehen. Trotz massiver Anstrengungen auch auf der Ebene der EG werden Länder wie Irland, Spanien, Portugal oder Griechenland nicht die Dichte an Verkehrs-, Kommunikations- und Forschungsinfrastruktur bzw. den Umfang des Bildungs- und Ausbildungssystems erreichen wie in Zentraleuropa. Auch die Öffnung der mittel- und osteuropäischen Staaten stellt in diesem Sinne zwar eine Erweiterung der Standortalternativen dar, noch weniger als innerhalb Westeuropas kann aber von ähnlichen Produktionsbedingungen gesprochen werden. Auf mittlere Frist werden diese Staaten noch mit erheblichen Problemen im Transformationsprozeß belastet sein und es werden wesentliche Mängel in der Infrastrukturausstattung bestehen. Auf der anderen Seite stellen gerade die mittelosteuropäischen Länder als Bezugsmarkt für Deutschland eine neue Dimension dar. Vor allem durch die räumliche Nähe ergeben sich andere Möglichkeiten der Zusammenarbeit als beispielsweise mit Südeuropa. Es erschließen sich neue Felder für den Import von Waren nach Deutschland. Zusammengenommen sind zweifelsohne die räumlichen Alternativen für die industrielle Produktion in Europa größer geworden. Allerdings ist weiterhin von erheblichen Differenzen in den Produktionsbedingungen in Europa auszugehen, die weit über reine Lohnkostenund Abgabenunterschiede hinausgehen. Im Zuge der Integrationsprozesse geht es also nicht um eine generelle Verlagerung von Produktionsaktivitäten, sondern um eine noch zunehmende Spezialisierung und Arbeitsteilung innerhalb Europas. Dabei müssen sich diese Prozesse auch angesichts veränderter technologischer und organisatorischer Bedingungen nicht unbedingt in den gewohnten Bahnen von lohnintensiven und kapitalintensiven Sektoren abspielen. Vielmehr dürften sie ergänzt werden durch eine zunehmende intrasektorale Arbeitsteilung. Zunehmende Spezialisierung und Arbeitsteilung in Europa können erhebliche Folgen für die regionalen Strukturen innerhalb Deutschlands haben. Selbst wenn man davon ausgeht, daß es mittelfristig weder zu starken Aufholprozessen rückständiger Länder in Westeuropa noch zu einer umfassenden Stabilisierung in Mittel- und Osteuropa kommt, werden Teilregionen deutlich an Attraktivität als Produktionsstandort gewinnen. Dies gilt insbesondere für jene Regionen in diesen Ländern, in denen die unternehmerischen Mindestanforderungen an Infrastruktur und lokalem Umfeld erfüllt werden. Sie können dann z.B.
1.3 . Politisch-wirtschaftliche Integrationsprozesse
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ihre Lohnkostenvorteile gegenüber deutschen Regionen bei vergleichbaren Infrastrukturbedingungen ausspielen. Die politisch-wirtschaftlichen Integrationsprozesse dürften demnach dazu führen, daß der gesamtwirtschaftliche Entwicklungspfad eines Landes immer weniger auch per se die wirtschaftlichen Perspektiven seiner Regionen bestimmt. Das Potential für eine stärkere Spreizung regionaler Entwicklungen auch in Deutschland nimmt zu.
1.4. Raumstrukturelle Veränderungen in Deutschland 1.4.1. Prägung durch den Ost-West-Kontrast Der technologisch-organisatorische Wandel in den Unternehmen und der politisch-wirtschaftliche Integrationsprozeß in Europa zählen sicherlich zu den wesentlichen Determinanten der Entwicklung regionaler Wirtschaftsstrukturen in den neunziger Jahren . Diese Entwicklungen spielen sich allerdings in Deutschland vor einem besonderen Hintergrund ab: der Vereinigung der beiden deutschen Staaten. Die wirtschaftliche Situation in der Bundesrepublik ist seit der Vereinigung durch das ausgeprägte Gefälle der Einkommens- und Beschäftigungssituation zwischen der früheren Bundesrepublik und dem Gebiet der ehemaligen DDR geprägt. Dieses West-Ost-Gefälle überlagert die bisherigen regionalen Probleme in Deutschland. Für eine Einschätzung der künftigen regionalen Wirtschaftsstrukturen spielt daher die Umstrukturierung und Modernisierung der ostdeutschen Wirtschaft eine herausragende Rolle. Für den wirtschaftlichen Entwicklungsprozeß in Ostdeutsch land ergeben sich hierbei ganz eigene spezifische Ausgangssituationen. Dies gilt vor allem auch deshalb, weil sich in Ostdeutschland eine Umbruchsituation ergab, die in dieser Form ohne wirtschaftshistorische Beispiele ist. Auch fünf Jahre nach der wirtschaftlichen Eingliederung der ehemaligen DDR in die Bundesrepublik Deutschland sind die Perspektiven der ökonomischen Entwicklung in Ostdeutschland noch nicht klar zu übersehen. Zwar schält sich nach einer Phase der Euphorie und einer Phase der Desillusionierung eine Differenzierung der Analysen heraus, ein einheitliches Bild von der künftigen wirtschaftlichen Situation in Ostdeutsch land ist in der wissenschaftlichen Diskussion aber noch nicht erkennbar. Der ökonomische Entwicklungsprozeß in der ehemaligen DDR wird auf mittlere Frist stark von exogenen Impulsen abhängig sein. Mit der Umstellung wesentlicher Kostenkomponenten im Kurs 1: 1 zur D-Mark wurde angesichts des starken Produktivitätsrückstandes ein sehr hoher Wechselkurs gewählt, und in der Lohnpolitik kam es mit dem Ziel einer raschen Angleichung an das Westniveau zu Lohnsteigerungen, die deutlich über den möglichen Produktivitätszuwächsen lagen. Den ostdeutschen Unternehmen fehlten damit von Anfang an die finanziellen Voraussetzungen für eine eigenständige Erneuerung und Modernisierung des Kapitalstocks (Flassbeck, Scheremet 1992; Spahn 1991). Zudem war und ist die technologische und organisatorische Wissenslücke zu groß, als daß ein moderner Kapitalstock aus eigener Kraft aufgebaut werden könnte.
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1. Anforderungen an die regionale Strukturpolitik
Tempo und Art der Erneuerung bzw. Modernisierung des privaten Kapitalstocks und damit der Entwicklung von Produktivität und Absatz bleiben daher eng verbunden mit dem Finanz- und Wissenstransfer westlicher Unternehmen. Die Investitionstätigkeit von auswärtigen Unternehmen in Ostdeutschland hat hierbei in den letzten Jahren einen erheblichen Umfang erreicht, der wohl ebenfalls als wirtschaftshistorisch einmalig bezeichnet werden kann. Auf der Basis vor allem der Direktinvestitionen aus Westdeutschland wird in Ostdeutschland für 1993 ein Investitionsvolumen in Preisen von 1991 von weit über 100 Mrd. DM im Unternehmensbereich außerhalb des Wohnungsbaus erwartet. Dies ist ein Wert, der, bezogen auf die Beschäftigten und die Bevölkerung, deutlich über dem der Gesamtinvestitionen in diesem Bereich in Westdeutschland liegt. Gleichzeitig konnte der Privatisierungsprozeß weitgehend abgeschlossen werden. Nur noch an wenigen Industrieunternehmen sind der Bund oder die ostdeutschen Länder direkt oder indirekt beteiligt. Beides reicht bislang allerdings nicht aus, einen eigenständigen dauerhaften wirtschaftlichen Erholungsprozeß Ostdeutschlands zu tragen. Worauf es ankommt, ist nicht ein einmaliger Investitionsschub, sondern ein dauerhaftes Engagement westlicher Unternehmen in Ostdeutschland, verstärkt auch im industriellen Sektor. Ob dies geschehen wird, hängt wesentlich von der Frage ab, wie der Industriestandort Ostdeutschland auf mittlere bis längere Frist eingeschätzt wird (Krakowski, Lau, Lux 1992). Dies gilt insbesondere hinsichtlich alternativer Engagements in Westdeutsch land und den grenznahen Gebieten in Osteuropa. Als Standortvorteile Ostdeutschlands bei westlichen Direktinvestitionen werden in diesem Bezug vor allem folgende Punkte genannt: - Verfügbarkeit fachlich qualifizierten Personals; - Möglichkeit zur Differenzierung bei der Personalauswahl auch nach sozialen Qualifikationen; - Leichtere Durchsetzbarkeit neuer Organisations- und Arbeitsformen; - Großes und vielfältiges Gewerbeflächenpotential; - Gutes Investitionsklima für privatwirtschaftliehe Großprojekte; - Hohe staatliche Subventionierung von Investitionen; - Günstige Voraussetzungen zur Partizipation an öffentlichen Großaufträgen; - Nutzung von Transportkostenvorteilen bei der Befriedigung der Binnennachfrage; - Geringeres Effektivlohnniveau trotz massiver Tariflohnsteigerungen. Als Standortnachteile bzw. Investitionshemrnnisse für ein Engagement in Ostdeutschland werden dagegen häufig aufgeführt: -
Qualitativ rückständige Verkehrsinfrastruktur; Finanzielle und ökologische Altlasten; Ungeklärte Eigentumsverhältnisse, die die Nutzung von Gewerbeflächen erschweren; Behinderungen im Aufbau mittelständischer Strukturen durch eine häufig schwerfällige Administration; - Mangelhafte Wohn- und Umweltsituation, die die Anwerbung westlicher Führungskräfte erschwert; - Fehlendes innovatives Umfeld bzw. mangelnde Forschungsinfrastruktur .
1.4. Raumstrukturelle Veränderungen in Deutschland
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So nützlich und wichtig eine solche Gegenüberstellung für das Verständnis des gegenwärtigen Niveaus und der Struktur westlicher Direktinvestitionen ist, besitzt sie doch nur beschränkte Aussagekraft für die mittelfristigen Investitionspfade. In der Umbruchsituation Ostdeutschlands ist ein statischer Standortvergleich unangebracht, vielmehr unterliegen die genannten Standortvor- und -nachteile ständiger Veränderung und sind in gewisser Weise selbst vom Investitionsprozeß abhängig. So ist sicherlich zu erwarten, daß bei einer hohen Investitionsbereitschaft westlicher Unternehmen und der damit verbundenen günstigeren wirtschaftlichen Situation die Finanzierungsspielräume der öffentlichen Hand zunehmen. Infrastruktur-, Umweltschutzund Wohnumfeldmaßnahmen werden sich eher realisieren lassen. Mit dem Abbau dieser und anderer Investitionshemmnisse könnte daher ein dynamisch sich selbst verstärkender Investitionsprozeß einsetzen. Umgekehrt dürften sich bei einer geringen Neigung zu Direktinvestitionen in vielen Bereichen die Standortbedingungen weiter verschlechtern. Ohne umfangreiche Direktinvestitionen wird sich insbesondere das Angebot an attraktiven Beschäftigungsmöglichkeiten kaum verbessern, und gerade Arbeitskräfte mit hohen fachlichen und sozialen Qualifikationen könnten wieder verstärkt abwandern. Ostdeutschland würde damit hinsichtlich seines vermutlich wichtigsten Standortvorteils geschwächt. Diese Überlegungen verdeutlichen, daß die Einschätzung des möglichen Pfads privater Direktinvestitionen in Ostdeutschland auch aus heutiger Sicht noch höchst ambivalent bleiben muß. Dies gilt vor allem auch, weil mögliche Standortvorteile künftig nur dann zu Kapitalzuflüssen führen werden, wenn überhaupt neue bzw. zusätzliche Produktionsstandorte gesucht werden. Das Niveau der Direktinvestitionen wird also nicht nur von den relativen Standortbedingungen, sondern auch von der gesamtwirschaftlichen Entwicklung in Deutschland und Europa bzw. der Welt insgesamt abhängen. Neue Produktionsstandorte werden im Regelfall nur dann aufgebaut, wenn zusätzliche Produktionskapazitäten benötigt werden. Produktionsverlagerungen eines Betriebes stellen eher die Ausnahme dar. Entsprechend WlSicher müssen Einschätzungen zum wirtschaftlichen Entwicldungsprozeß in Ostdeutschland bleiben. Allerdings weisen Berechnungen zur Entwicklung des Kapitalstocks bei unterschiedlicher Setzung bestimmter Investitionspfade darauf hin , daß selbst bei deutlich rückläufigen Direktinvestitionen sich Produktivität, Gewinnsituation und Einkommensentwicklung an westdeutsche Verhältnisse annähern (Görzig 1992; Gornig 1992). Worum es also geht, ist nicht die Frage, ob ein wirtschaftlicher Aufholprozeß Ostdeutschlands stattfindet, sondern welcher Art er sein wird und welches Tempo er annimmt. Hierbei wiederum weichen die vorliegenden quantitativen Prognosen und Szenarien erheblich voneinander ab (Prognos 1992; lAB 1992; DIW 1994).
1.4.2. Veränderungen innerhalb Westdeutschlands Neben dem Ost-West-Kontrast ist für die Einschätzung der Anforderungen an die regionale Strukturpolitik in Deutschland entscheidend, welche räumlichen Entwicklungstendenzen sich innerhalb der beiden Landesteile abzeichnen. Der technologisch-organisato-
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1. Anforderungen an die regionale Strukturpolitik
rische Wandel wie der politisch-wirtschaftliche Integrationsprozeß in Europa ebenso wie die Vereinigung Deutschlands werden die bisherigen regionalen Entwicklungstrends verändern. Zumindest für Westdeutschland ist aber zu erwarten, daß diese Entwicklungstendenzen mittelfristig nicht zu einem Bruch der bisherigen regionalen Entwicklungsmuster führen (DIW u.a. 1992). In den beiden letzten Jahrzehnten waren in der früheren Bundesrepublik relativ konstante regionale Entwicklungstrends zu beobachten (Sinz 1988; Bade 1987; DIW 1987). Sie waren vor allem geprägt durch - eine Suburbanisierung von Gewerbe und Wohnen, - gewisse wirtschaftliche Aufholprozesse des ländlichen Raumes , - eine Differenzierung der wirtschaftlichen Entwicklung zwischen den Agglomerationszentren und - ein Süd-Nord-Gefalle auf der Ebene von Bundesländern. Die relative Konstanz dieser regionalen Entwicklungstrends ergab sich, obwohl auch in den siebziger und achtziger Jahren sich wichtige wirtschaftliche Rahmenbedingungen verändert hatten. Verwiesen sei an dieser Stelle nur auf die beiden Ölpreisschocks oder die starken Schwankungen des Wechselkurses zum US-Dollar. Insgesamt erscheint es auch für die neunziger Jahre wenig wahrscheinlich, daß es zu einem Bruch der bisherigen regionalen Entwicklungsmuster in Westdeutschland kommt. Hierfür spricht vor allem, daß Effekte der Westintegration und des technologisch-organisatorischen Wandels für die westdeutschen Unternehmen nicht neu sind. Der EG-Binnenmarkt und die Annäherung der Efta-Staaten an die EG sind Teile eines kontinuierlichen Prozesses der westeuropäischen Integration und insoweit eine Fortsetzung der bisherigen ökonomischen Entwicklung. Auch die neuen Technologien, die bis zur Jahrtausendwende die wirtschaftliche Entwicklung prägen werden, sind weitgehend bekannt und werden, wenn auch in unterschiedlicher Intensität, bereits heute angewandt. Die mit den technologischen Veränderungen eng verbundenen neuen Produktionskonzepte und räumlichen Verflechtungsmuster stellen ebenfalls keinen Entwicklungsbruch dar. Vielmehr haben sie sich in einigen Bereichen bereits in den achtziger Jahren durchgesetzt und werden Schritt für Schritt stärker die ökonomischen Entwicklungsprozesse bestimmen. Zudem ändern sich räumliche Technikkompetenzen und regionale Produktionsverflechtungen nur langsam und wirken damit stabilisierend auf die Raumstrukturen. Eigentlich neue Entwicklungsbedingungen ergeben sich für Westdeutschland daher wohl eher durch die Öffnung Mittel- und Osteuropas und die Einbindung Ostdeutschlands. Daß diese Entwicklungen auch ein erhebliches Potential zur Veränderung der regionalen Wirtschaftsstrukturen in der früheren Bundesrepublik haben, zeigen die Entwicklungsdifferenzen zwischen den alten Bundesländern 1990 und 1991. Während in der zweiten Hälfte der achtziger Jahre hier noch ein deutliches Süd-Nord-Gefalle dominiert, löst sich in den Jahren 1990 und 1991 dieses eindeutige Bild auf. Die Stadtstaaten, vor allem Berlin
1.4. Raumstrukturelle Veränderungen in Deutschland
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(West) sowie die Bundesländer mit größeren Gebieten an der ehemaligen Zonengrenze haben in dieser Zeit deutlich überdurchschnittliche Wachstumsraten erreicht (DIW u.a. 1992). Auch in den Folgejahren ist noch nicht eine Rückkehr zu einem eindeutigen SüdNord-Gefalle zu erkennen (Lammers 1994). Dabei muß allerdings berücksichtigt werden, daß diese Wachstumsdifferenzen zumindest zu einem Teil lediglich Ausdruck des einmaligen Nachfragesogs aus Ostdeutschland gewesen sind. Auf mittlere Frist ist zu berücksichtigen, daß sich zusätzliche Absatzfelder in Ostdeutschland, aber auch in Mittel- und Osteuropa eher auf einige Bereiche beschränken. Zudem sind Auswirkungen zu beachten, die sich zumindest in Teilbereichen durch die Nutzung dieser Gebiete als Produktionsstandorte ergeben . Führt man die Überlegungen zu den Auswirkungen von Änderungen der Rahmenbedingungen räumlicher Entwicklung zusammen, dürften die räumlichen Entwicklungsmuster innerhalb Westdeutschlands in den neunziger Jahren durch folgende Grundtendenzen geprägt sein: - Generelle Verschärfung der wirtschaftlichen Gegensätze zwischen Verdichtungsgebieten und ländlichem Raum, - nur teilweise Verringerung des Süd-Nord-Gefälles zwischen den Verdichtungsräumen, - zunehmende Differenzierung im ländlichen Raum zwischen ballungsnahen und ballungsfernen Gebieten. Das ehemalige Zonenrandgebiet dürfte hierbei entsprechend diesen Tendenzen unterschiedlich einzuordnen sein. Für eine Verschärfung des Gefälles zwischen Verdichtungsräumen und ländlichem Raum spricht insbesondere, daß die zusätzlichen Standortalternativen in Europa eher ähnliche Standortprofile aufweisen wie der ländliche Raum . Gleichzeitig beziehen sich die Standortvorteile des ländlichen Raumes auf Produktionen, die im Zuge des technologischen und organisatorischen Wandels noch stärker eine räumliche Differenzierung vor allem nach Lohnkostenunterschieden erlauben. Dagegen werden zusätzliche Wachstumsimpulse z.B. im Rahmen des EG-Binnenmarktes gerade für die zentralen Verdichtungsräume erwartet, wenngleich sich hier z.B. im Stahlbereich, dem Maschinenbau oder dem Straßenfahrzeugbau mittelfristig eine neue Standortkonkurrenz mit ostdeutschen Regionen und den mittelosteuropäischen Ländern ergeben könnte . Differenziert man zwischen Verdichtungsgebieten, so spricht auch künftig vieles für einen Vorsprung der südlichen Zentren, da sie aufgrund der Qualifikationsstruktur ihrer Arbeitskräfte und der Forschungsinfrastruktur im technologisch-organisatorischen Wandel eine deutlich bessere Ausgangssituation besitzen. Für die nördlichen und westlichen Agglomerationen der früheren Bundesrepublik wird vieles davon abhängen , wie sie einerseits die neuen Entwicklungsspielräume in der EG und nach Ostdeutschland und Osteuropa nutzen können und andererseits den Anpassungsdruck im industriellen Bereich bewältigen, der von diesen Regionen ausgeht.
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I. Anforderungen an die regionale Strukturpolitik
Auch die Entwicklungstendenzen im ländlichen Raum in Westdeutschland sind heterogen. Anzeichen für eine zunehmende Differenzierung in den neunziger Jahren ergeben sich insbesondere im Zusammenhang mit dem technologisch-organisatorischen Wandel. Angesichts verbesserter Verkehrs- und Kommunikationsinfrastrukturen und zum Teil bestehender Entwicklungsengpässe in den Verdichtungsräumen könnte der ballungs nahe ländliche Raum eine Entwicklungsalternative darstellen. Hier lassen sich die Vorteile z.B. im Gewerbetlächenangebot verbinden mit dem weiterhin in erreichbarer Nähe liegenden Infrastruktur- und Vorleistungsangebot der Verdichtungszentren.
1.4.3. Differenzierungsprozesse innerhalb Ostdeutschlands Für die Wirtschaft in Ostdeutschland haben sich mit der Vereinigung die Entwicklungsbedingungen völlig verändert. Fast alle gesamtwirtschaftlichen Rahmendaten sehen anders aus als vor 1990. Im Gegensatz zur regionalen Entwicklung innerhalb Westdeutschlands spricht daher vieles dafür, daß sich auch bei den regionalen Entwicklungsmustern völlig neue Strukturen herausbilden. In der ehemaligen DDR waren in den siebziger und achtziger Jahren die regionalen Entwicklungsunterschiede durch ein Nord-Süd-Gefälle geprägt (Scherf u.a . 1990). Vor allem im industriellen Bereich konnten die nördlichen Regionen in Mecklenburg, Vorpommern und Brandenburg aufholen. Der Kontrast in der Wirtschaftsstruktur zwischen Stadt und Land war aber dennoch stark, da einerseits die Bedeutung der Landwirtschaft deutlich höher und andererseits der Suburbanisierungsgrad der Industrie deutlich niedriger war als z.B. in Westdeutschland (Rudolp 1991). Daß trotzdem kaum regionale Differenzen im Beschäftigungsgrad und im Einkommensniveau bestanden, lag zum einen am Beschäftigungssystem selbst und zum anderen an den sehr geringen Lohndifferenzen zwischen den Wirtschaftsbereichen (Görzig, Gornig 1991). Auch in den letzten beiden Jahren sind noch keine ausgeprägten regionalen Differenzen innerhalb Ostdeutschlands zu erkennen (Koller 1993; Blien, Hirschenauer 1994). Vielmehr ist in allen Regionen die Entwicklung vor allem durch den Zusammenbruch der DDR-industrie geprägt. Im weiteren Verlauf der neunziger Jahre könnte es allerdings zu erheblichen regionalen Differenzierungsprozessen innerhalb Ostdeutschlands kommen . Entscheidend nicht nur für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung, sondern auch für die wirtschaftlichen Perspektiven der einzelnen Regionen ist der Zustrom auswärtigen Kapitals in Form von Direktinvestitionen. Soweit Informationen über die regionale Verteilung von Investitionen und Privatisierungstempo vorliegen, weisen sie auf erhebliche räumliche Differenzen hin. So zeigen auch Auswertungen der Treuhandstatistik sowohl für den frühen Privatisierungsprozeß in der Industrie 1990, der sich vermutlich auf die besonders attraktiven Betriebe bezog, als auch für die Investitionszusagen bis 1992 insgesamt solche regionalen Differenzen (DIW u.a. 1993). Diese waren vor allem durch die hohen Dienstleistungsinvestitionen im Berliner Raum und Vorsprünge Sachsens und Thüringens im industriellen Bereich geprägt.
1.4. Raumstrukturelle Veränderungen in Deutschland
41
Neben dem bloßen Umfang der Direktinvestitionen ist für das In-Gang-Setzen regionaler Wachstumsprozesse aber auch von Bedeutung. wie diese externen Impulse in den Regionen Ostdeutschlands aufgenommen und verarbeitet werden. Entscheidend für die ökonomischen Perspektiven sind demnach auch Einschätzungen zum endogenen Entwicklungspotential . Erst im Zusammenwirken von exogenen Impulsen und ihrer Einbindung in die regionalen Wirtschafts- und Gesellschaftsstrukturen lassen sich Vorstellungen über Niveau und Art der künftigen wirtschaftlichen Aktivitäten in Ostdeutschland ableiten. Aus der Kombination von Umfang der Direktinvestitionen und Potentialen für die Einbindung dieser Impulse in die regionale Wirtschaft lassen sich idealtypisch vier Entwicklungstypen konstruieren (Gornig. Häußermann 1993): Typ 1: Integriertes Produktionsmilieu Hohe. viele Branchen umfassende Direktinvestitionen treffen auf ein breites flexibles Potential endogener Entwicklungfaktoren. Es entsteht ein sowohl quantitativ als auch qualitativ breites regionales Produktionscluster. Die Forschungsund Entwicklungskapazitäten werden in ein eigenständiges regionales Innovationspotential eingebunden . Typ 2: Schwache horizontale Integration Auch bei umfangreichen Direktinvestitionen entwickeln sich nur begrenzte horizontale Verflechtungsbeziehungen mit der regionalen Wirtschaft. Die Kooperationen bleiben auf absehbare Zeit räumlich eng begrenzt und konzentrieren sich auf eher qualitativ geringwertige Aktivitäten. Forschungs- und Entwicklungsimpulse sind weitgehend extern durch die Verbindung mit westlichen Partnern bestimmt. Typ 3:
Desintegrierte Struktur Punktuelle Direktinvestitionen bleiben ein Fremdkörper in der regionalen Wirtschaft. Die Austauschbeziehungen mit den Stammwerken und traditionellen Kooperationspartnern sind weit größer als mit der Region. in der der Betrieb liegt. Die privatisierten und sanierten Betriebe besitzen kaum spill-over-Effekte und stellen eher Inseln technologischer Kompetenz dar.
Typ 4: Deindustrialisierung Große Direktinvestitionen bleiben aus. Das endogene Entwicklungspotential schrumpft weiter. Die Bedeutung der Industrie nimmt extrem ab. Die verbleibende industrielle Produktion ist weitgehend auf den regionalen Absatz konzentriert und zeichnet sich durch ein vergleichsweise geringes technologisches Niveau aus . Fragt man danach. welche ostdeutschen Regionen wohl am ehesten künftig dem einen oder anderen Typus zugerechnet werden können. muß zunächst auf die zentrale Rolle der Infrastrukturmodernisierung und des Infrastrukturausbaus verwiesen werden. Ohne die Verbesserung vor allem der Verkehrs- und Kommunikationsinfrastruktur dürfte ohnehin ein Aufbau moderner Industriestrukturen kaum möglich sein. Betrachtet man hier die Ausbaupläne der Telekom. der Reichsbahn oder im Fernstraßenbereich. wird schnell deutlich.
42
1. Anforderungen an die regionale Strukturpolitik
daß sie sich fast alle auf die größeren städtischen Zentren konzentrieren. Nur aufgrund von einzelnen Achseneffekten z.B. im Fernstraßenbereich ergeben sich auch für Teile des ländlichen Raumes auf absehbare Zeit ähnlich günstige Bedingungen wie für die städtischen Regionen. Aber auch zwischen den Verflechtungsgebieten gibt es Unterschiede, wenn man nach den Potentialen für die Aufnahme externer Impulse fragt. Eine in Westdeutschland als typisch für hohe Investitionen und starke interne Verflechtungsbeziehungen angesehene Region ist Baden-Württemberg. Hinsichtlich einiger wichtiger Entwicklungsfaktoren zeichnet sich diese Region durch ein hohes Qualifikationspotential der Beschäftigten, eine ausgebaute Infrastruktur, eine vergleichsweise vielfältige Industriestruktur und eine stark mittelständische Prägung aus. Im Vergleich dazu sind diese Faktoren z.B. in Bremen, das eher für eine isolierte Stellung moderner Industriestrukturen in der Region steht, deutlich schwächer ausgeprägt. Überträgt man dieses Raster auf die Regionen Ostdeutschlands, dürften sich vergleichsweise günstige Entwicklungsbedingungen für Großstadtregionen wie Berlin, Leipzig und Dresden ergeben. Hier bestehen am ehesten vielfältige industrielle Strukturen, hier liegen die Schwerpunkte im Hochschulaufbau, und hier sind zumindest im Vergleich mit anderen Städten Ostdeutsch lands auch handwerkliche und mittelständische Strukturen stärker ausgeprägt. Zudem spricht für die Großstädte, daß sie aufgrund ihrer hohen Zentralität eindeutig Kristallisationspunkte für den Aufbau höherwertiger unternehmensorientierter und konsumorientierter Dienstleistungen in Ostdeutschland sind. Weniger attraktiv für breite westliche Direktinvestitionen erscheinen unter diesem Blickwinkel Regionen mit einseitigen Industriestrukturen, z.B. im Bereich der Chemie, der Braunkohle, der Eisen- und Stahlerzeugung oder des Schiffbaus. Diese industriellen Monostrukturen wirken in solchen Regionen selbst dann noch heute nach, wenn die ehemaligen Großbetriebe schon massiv an Bedeutung verloren haben. Nur allmählich wird es gelingen, z.B. im Bereich der Qualifikation der Beschäftigten das Entwicklungspotential zu verbreitern, so daß auch außerhalb der traditionellen Industriebereiche die Regionen mögliche externe Impulse verstärkt aufnehmen und verarbeiten können. Im ländlichen Raum stellt sich dabei die Situation künftig ähnlich dar wie in den monostrukturierten Verflechtungsgebieten. Oft war es nur ein Großbetrieb oder eine Branche, zumeist aus dem Verbrauchsgüterbereich, die neben der Landwirtschaft die Wirtschaftsstruktur prägte. Ein Aufbau vielfältiger gewerblicher Strukturen bereitet daher hier erhebliche Schwierigkeiten. Hinzu kommt, daß in der ehemaligen DDR das direkte Umland der Städte wenig in Anspruch genommenen wurde, so daß kaum stärkere Suburbanisierungsimpulse in den ländlichen Raum hineinreichen.
1.5. Räumliche Brennpunkte der Regionalpolitik Mit der Vereinigung hat sich das räumliche Anforderungsprofil an die deutsche Regionalpolitik massiv verändert. Bereits im Einigungsvertrag wurde der regionalen Strukturpoli-
1.5. Räumliche Brennpunkte der Regionalpolitik
43
tik eine wesentliche Schlüssel rolle für die Unterstützung des wirtschaftlichen Aufholprozesses Ostdeutschlands zugewiesen. Auch in den nächsten Jahren wird die Überwindung des wirtschaftlichen West-Ost-Gefalles in Deutschland im Mittelpunkt der deutschen Regionalpolitik stehen. Der hohe Stellenwert einer gesamtwirtschaftlichen Erholung Ostdeutschlands darf allerdings nicht den Blick dafür verstellen, daß auch innerhalb Westdeutschlands erhebliche Unterschiede in der Wirtschaftskraft der Regionen bestehen und in Ostdeutschland der Entwicklungsprozeß zunehmend durch regionale Differenzierungen gekennzeichnet sein wird . Daraus folgt , daß sich die regionale Strukturpolitik nicht allein dem Ost-WestKontrast widmen kann, sondern breiter angelegt sein muß . Eine konkrete - auch nur thesenartige - Ableitung möglicher räumlicher Brennpunkte regional wirtschaftlicher Probleme in den neunziger Jahren ist allerdings schwierig. Dies gilt vor allem auch deshalb, weil zwar tendenziell die Richtung der Veränderung regionaler Strukturen in Deutschland erkennbar ist, aber große Unsicherheiten darüber bestehen, mit welcher Dynamik sich diese Prozesse vollziehen. Die Offenheit künftiger räumlicher Strukturen in Deutschland bis zum Jahr 2000 ergibt sich dabei nicht nur aufgrund der Unsicherheit über regionale Auswirkungen neuer Rahmenbedingungen, sondern auch , weil die Veränderungen der Rahmenbedingungen selbst unsicher sind. So ist z.B. kaum vorhersehbar, wie schnell sich neue Techniken und Organisationskonzepte über die Breite des sektoralen Spektrums durchsetzen oder in welchem Umfang in den nächsten Jahren MitteIund Osteuropa als Bezugs- und Absatzmarkt für Deutschland an Gewicht gewinnt. Auch lassen sich nur schwerlich konkrete Aussagen darüber treffen, in welchen Zeiträumen der wirtschaftliche Anschluß Ostdeutschlands an die Verhältnisse in Westdeutsch land gelingt. Um dennoch eine Vorstellung von dem Spektrum möglicher ländlicher und industrieller Problernregionen zu vermitteln, sind hier zwei Szenarien formuliert worden, die auf unterschiedlichen Annahmen zu wesentlichen Rahmenbedingungen regionaler Entwicklung in West- und Ostdeutschland beruhen. Szenario I
setzt voraus, daß die westeuropäischen Integrationsprozesse sich wie beabsichtigt fortsetzen und Mittel- und Osteuropa zumindest in Teilbereichen stärker in die internationale Arbeitsteilung integriert wird. Die Bedeutung neuer Technologien und Organisationskonzepte nimmt rasch zu. Unter diesen Bedingungen erscheint es wahrscheinlich, daß die gesamtwirtschaftliche Entwicklung in Deutschland auf mittlere Frist wieder an Fahrt gewinnt und auch Ostdeutschland insgesamt wesentliche Schritte zur Annäherung an westdeutsche Produktions- und Beschäftigungsverhältnisse vollzieht.
Szenario 11
geht dagegen davon aus, daß weiterhin erhebliche Behinderungen im internationalen Handel vorliegen. Die Bedingungen für eine Einbindung MitteIund Osteuropas bleiben eher ungünstig. Die Anwendung neuer Techniken und Organisationsformen nimmt nur in Teilbereichen der Volkswirtschaft rasch zu. Die generelle Wachstumsdynamik in West- und Ostdeutschland ist schwächer als im ersten Szenario.
44
1. Anforderungen an die regionale Strukturpolitik
Im ersten Szenario (vgl. Abbildung All) ergibt sich fürOstdeutschland, ausgelöst durch eine Vielzahl von Akzelerator- und Multiplikatoreffekten, ein breiter - viele Wirtschaftsbereiche umfassender - Wachstumsprozeß. Die Wahrscheinlichkeit, daß dann viele Regionen mit unterschiedlichen Spezialisierungsfeldern daran teilhaben, ist relativ hoch. Im Zuge der stärkeren Internationalisierung der Produktion und weiterhin hoher Einfuhren aus Westdeutschland dürften aber nicht alle Regionen in Ostdeutschland davon profitieren. Dies gilt in erster Linie für große Teile des ländlichen Raumes. Ungünstige infrastrukturelle Voraussetzungen, hohe Standortkonkurrenz zu miuelosteuropäischen Ländern und der Fortbestand nur noch weniger größerer Industriebetriebe lassen gegenwärtig vermuten, daß die Einkommens- und Beschäftigungsentwicklung stark zurückbleiben wird. Nur an Standorten mit besonderem Freizeitwert wird es möglich sein, die Schwächen im industriellen Bereich durch Aktivitäten im touristischen Bereich teilweise zu kompensieren. Problematisch dürfte die wirtschaftliche Situation aber auch in jenen Verflechtungsgebieten bleiben, die durch industrielle Monostrukturen gekennzeichnet sind . Vor allem dort, wo es nicht nur um die Bewältigung des generellen Transformationsprozesses innerhalb der Sektoren, sondern um eine sektorale Neuausrichtung der regionalen Wirtschaft geht, werden die Anpassungszeiträume wohl deutlich länger sein. Großräumige Beispiele für diesen Typ altindustrieller Problernregionen in Ostdeutschland dürften die Bergbauregionen sein. In Westdeutschland zeichnet sich angesichts neuer räumlicher Freiheitsgrade im Gefolge des technologisch-organisatorischen Wandels und der neuen Standortalternativen in Teilbereichen der Wirtschaft eine gewisse Polarisierungstendenz ab. Selbst unter den günstigen Wachstumsbedingungen des ersten Szenarios ist zu erwarten, daß die wirtschaftlichen Probleme in bestimmten Regionen zunehmen. Diese Gefahr besteht insbesondere für die ländlich-peripheren Gebiete. Industrielle Entwicklungsimpulse haben diese Regionen in der Vergangenheit in erster Linie dort erhalten, wo sie einerseits Lohnkosten- und Flächenvorteile gegenüber den Verdichtungsgebieten ausspielen konnten und gleichzeitig für die Unternehmen eine Verlagerung ins Ausland nicht in Betracht kam. Unter den Bedingungen des Szenarios I dürfte künftig die Trennungslinie anders verlaufen: Erscheint eine räumliche Bindung an die Entwicklungs- und Produktionsprozesse in den Verdichtungsgebieten nicht notwendig, könnte die Produktions- oder Standortentscheidung künftig zulasten des ländlich-peripheren Raumes und zugunsten des europäischen Auslandes ausfallen. Die alt industriellen Verdichtungsgebiete in Westdeutschland werden ebenfalls in vielen Wirtschaftsbereichen den zusätzlichen Konkurrenzdruck, der von den politisch-wirtschaftlichen Integrationsprozessen ausgeht, deutlich spüren. Im Gegensatz zum ländlichen Raum besitzen sie allerdings generelle Standortvorteile gegenüber ausländischen Regionen in den Bereichen Verkehrs-, Kommunikations- und Forschungsinfrastruktur. Bei Fortsetzung des sektoralen Anpassungsprozesses könnten sich daher für die altindustriellen Regionen neue Chancen im technisch-organisatorischen Wandel ergeben. Zudem besitzen diese Regionen ein starkes Spezialisierungsfeld im Bereich des Anlagenbaus und der Infrastrukturgüter .
1.5. Räumliche Brennpunkte der Regionalpolitik
Abbildung All Schema möglicher Problemregionen im Szenario I
~
ländlich-periphere Räume
_
altindustrialisierte Gebiete
.München
45
46
I. Anforderungen an die regionale Strukturpolitik
Ein schnellerer Modernisien:'lgsprozeß in Ostdeutsch land und Mittel- und Osteuropa könnte in diesen Bereichen zusätzliche Entwicklungspotentiale erschließen helfen. Im zweiten Szenario (vgl. Abbildung A/2) dürften die regionalwirtschaftlichen Probleme größer und vielfaltiger sein. Die regionalen Unterschiede in Deutschland werden unter den Bedingungen dieses Szenarios noch weit stärker durch das West-Ost-Gefälle geprägt sein. Dabei dürften die wirtschaftlichen Probleme des Umstrukturierungsprozesses in Ostdeutschland eher flächendeckend sein. Zwar ist auch in diesem Fall zu erwarten, daß es zu regionalen Differenzierungsprozessen kommt, aber nur in Einzelfällen dürften sie dazu führen, daß die Einkommens- und Beschäftigungssituation westdeutsches Niveau erreicht. Selbst in den dynamischen Dienstleistungszentren wie Berlin, Leipzig oder Dresden werden im industriellen Bereich noch erhebliche Defizite bestehen. Auch für Westdeutschland zeichnet sich unter den Bedingungen des zweiten Szenarios eher ein Bild der regionalen Problemsituationen ab , wie sie heute bereits bestehen. Im ländlichen Raum dürfte sich angesichts gesamtwirtschaftlich eher schwacher Entwicklungsdynamik an den Rahmenbedingungen wenig ändern, auch wenn die internationale Standortkonkurrenz nicht in dem Maße zunimmt. Vor allem ist nicht zu erwarten, daß der ballungsnahe ländliche Raum stark von Verlagerungsprozessen im Zuge des technisch-organisatorischen Wandels profitiert. Eine solche räumliche Ausdehnung regionaler Produktionsverflechtungen dürfte wohl zunächst eine Sonderentwicklung in einzelnen Sektoren bleiben. Die Umstrukturierungsprozesse der letzten Jahre in den altindustriellen Regionen Westdeutschlands weisen darauf hin, daß sie vor allem dann erfolgreich sind, wenn die gesamtwirtschaftlichen Bedingungen für die Erschließung neuer Wachstumsfelder günstig sind . Unter den Bedingungen des zweiten Szenarios sind die Potentiale hierfür allerdings ungünstig. Der im zweiten Szenario angenommene geringere außenwirtschaftliche Anpassungsdruck reicht allein nicht aus, die regionalwirtschaftlichen Probleme in den altindustriellen Regionen Westdeutschlands zu überwinden.
1.5. Räumliche Brennpunkte der Regionalpolitik
Abbildung AI2 Schema möglicher Problemregionen im Szenario 11
~
ländlich-periphere Räume
_
altindustrialisierte Gebiete
~ Regionen im
~ Transformationsprozeß
47
2. Bedeutung anderer ausgewählter raumwirksamer Politiken
2.1. Größenordnung und Regionalwirkungen spezifischer Politiken 2.1.1. Vorbemerkung Die Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" steht im Spannungsfeld zwischen dem regionalen Ausgleich der Wirtschaftskraft und dem Wachstumsziel. Betrifft dies in Westdeutschland einzelne Problemgebiete, die mit Hilfe der Fördermaßnahmen Anpassungs- und Umstellungserfordernisse besser bewältigen und Wachstumsreserven mobilisieren sollen, so handelt es sich in Ostdeutschland zur Zeit um den Anstoß eines umfassenden Wachstumsprozesses, der die Unterschiede in der Wirtschaftskraft zwischen West und Ost ausgleichen soll. Vor allem darin liegt der Grund, den neuen Bundesländern gegenüber den alten einen deutlichen Präferenzvorsprung einzuräumen. Zu diesem Zweck wurden für eine Übergangszeit deutliche Abweichungen von den sonst üblichen Förderkriterien zugelassen (Fritsch/Wagner/Eckhardt 1991 sowie Henseler-Unger 1993). Innerhalb Ostdeutschlands ist das Ziel, einen Ausgleich zwischen den Regionen herbeizuführen, angesichts des allgemeinen Rückstands zu Westdeutschland noch nicht vorrangig; infolgedessen sind vorerst alle neuen Bundesländer als Fördergebiete ausgewiesen. Die Länder haben jedoch über eine regionale Differenzierung der Fördersätze räumliche Schwerpunkte gesetzt (Fritsch/ Wagner/Eckhardt 1991, S. 631). Während die Orientierung der Gemeinschaftsaufgabe am Ausgleichsziel instrumentell leicht fällt, gibt es bei der Umsetzung des Wachstumszieles mehr Schwierigkeiten. Im Sinne einer effizienten Wachstumspolitik könnte die Konzentration auf diejenigen Branchen und Regionen hilfreich sein, die die größten Wachstumserfolge erwarten lassen . Dies ist aber nicht nur ordnungspolitisch bedenklich, sondern wäre auch aufgrund des Informationsproblems für die öffentliche Hand nur schwer umsetzbar. Die wachstumspolitische Zielsetzung der Gemeinschaftsaufgabe ist daher auch allgemein als "Mobilisierung von Wachstumsreserven in Problemgebieten" beschrieben. Sie kommt wohl auch in der Beschränkung zum Ausdruck, nach der Gewerbebetriebe nur dann gefördert werden, wenn zu erwarten ist, daß sie sich im Wettbewerb behaupten können (Klemmer 1986). Freilich sind nicht die Maßnahmen der Gemeinschaftsaufgabe allein zu betrachten, wenn es um die Frage geht, inwieweit der öffentliche Sektor, und hier namentlich der Bund, auf das Wachstums- und Ausgleichsziel hinwirkt. Es gibt kaum eine öffentliche Maßnahme, die nicht regionale Auswirkungen hat. Dies gilt sowohl für das Steuer- und Abgabesystem als auch für die staatliche Ausgabenpolitik. Beispielsweise führt im Verkehrsbereich das Abweichen von an der Knappheit orientierten Preisen - sie hätten auch alle externen Kosten
2.1 . Größenordnung und Regionalwirkungen spezifischer Politiken
49
einzuschließen - bei der Bereitstellung öffentlicher Infrastruktur zu einer Begünstigung von Agglomerationen. Dazu tragen auch die hohen Subventionen für den öffentlichen Personennahverkehr bei, die ein Reflex auf die bislang noch preiswerte Alternative des privaten Personenverkehrs sind. Auch der Einsatz von staatlichen Reglementierungen in der Umwehpolitik (z.B. Auflagen) sowie im öffentlichen Finanzsystem in der Bundesrepublik Deutschland kann dem Ausgleichsziel abträglich sein (vgl. im einzelnen hierzu z.B. van Suntum 1981, 1984). Die Raumwirksamkeit des Bundeshaushalts sowohl von den Einnahmen als auch von den Ausgaben her im einzelnen empirisch zu ermitteln, bereitet insbesondere dann erhebliche Schwierigkeiten, wenn die Frage der tatsächlichen regionalwirtschaftlichen Auswirkungen (Wirkungsinzidenz) der einzelnen Zahlungsströme beantwortet werden soll. Es kann daher nur als eine erste Näherung angesehen werden, wenn hier zunächst ein Eindruck von der regionalen Verteilung (Zahlungsinzidenz) bestimmter Ausgabenprogramme vermittelt werden soll. Vielfach wird gegen die Gemeinschaftsaufgabe eingewandt, daß ihr Interventionspotential zu gering sei, als daß das angestrebte Ausgleichsziel erreicht werden könne. Insbesondere in diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob andere, nicht originär ausgleichsorientierte Politikrnaßnahmen mit gegebenenfalls höherem Interventionspotential die Anstrengungen der Gemeinschaftsaufgabe unterstützen , kompensieren oder möglicherweise sogar konterkarieren (Klemmer 1986; Postlep/Stegmann 1986, S. 357) . Es wird beispielsweise die Vermutung geäußert, daß Forschungsförderung sowie insbesondere Städtebau- und Verkehrspolitik die Lebensbedingungen gerade der Großstädte und Ballungsräume verbessern (Postlep/Stegmann 1986, S. 358 sowie Ewers/Weltmann 1980). Sinn, Zweck und Angemessenheit einzelner Interventionen sind freilich genau gegeneinander abzuwägen. Dabei ist zu beachten, daß die Staatstätigkeit nicht an einem einzigen Ziel ausgerichtet werden kann, sondern ein breites Zielbündel verfolgen muß. Daher sind Bund und Länder u.a. dem Grundsatz verpflichtet, die Subventionen der Gebietskörperschaften nach Zweck, Umfang und Bedingungen so aufeinander abzustimmen, daß sie sich bei möglichst geringem Aufwand nicht widersprechen (13 . Subventionsbericht der Bundesregierung (SB), TZ 2, S. 8 sowie 21. Rahmenplan (RP) S. 7). In diesem Zusammenhang ist daher zu untersuchen, für welche Politikbereiche eine enge Abstimmung mit der Gemeinschaftsaufgabe angeraten ist.
2.1.2. Zum methodischen Vorgehen Im folgenden sollen die Aktivitäten des Bundes auf ihre Raumwirksamkeit betrachtet werden. In Frage kommen hier vor allem sektoral ausgerichtete Politiken, die Mittelstandsund Forschungsförderung sowie ausgewählte Bereiche der Infrastrukturpolitik (Verkehrswege, Telekommunikation, Städtebau). Die Raumwirksamkeit der ausgewählten Politikfelder könnte mit Hilfe einer Finanzstromanalyse in einem zweistufigen Verfahren untersucht werden. In einem ersten Schritt wären die finanziellen Größenordnungen der einzelnen Politikbereiche (absolut und relativ) darzustellen. Auf diese Weise läßt sich ein 4 Gomig u. a.
50
2 . Bedeutung anderer ausgewählter raumwirksamer Politiken
Eindruck davon gewinnen, welches Interventionspotential für die jeweiligen Politikfelder zur Verfügung steht. Zur genaueren Untersuchung der Frage, wie diese Potentiale im Raum wirken, müßte anschließend zunächst für jeden Politikbereich in einem zweiten Schritt untersucht werden, wie diese Mittel regional verteilt sind und inwieweit sie Regionen begünstigen, die im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe als ausgleichsbedürftig angesehen werden. Letztlich ist - soweit möglich - zu diskutieren, welche regionalwirtschaftlichen Auswirkungen solche Ungleichverteilungen besitzen. Allerdings ist schon eine gen aue Analyse der regionalen Zahlungsinzidenz für die Politikbereiche nicht möglich, da nach Auskunft des Statistischen Bundesamtes, -des Bundesministeriums für Finanzen, der jeweiligen Fachministerien sowie der Bundesforschungsanstalt für Landeskunde und Raumordnung (BfLR) keine kreisscharf differenzierten Primärstatistiken über die Ausgabenverteilung des Bundes existieren. Kreisscharfe Abgrenzungen liegen lediglich für einige wenige Variablen hinsichtlich der Infrastrukturausstattung vor. Hier konnte auf den Datensatz der BfLR zurückgegriffen werden, der allerdings nicht die Zahlungsströme erfaßt, sondern eine approximative Regionalaufteilung nach ausgewählten Indikatoren enthält (vgl. auch Gatzweiler/Irmenl Janich 1991). Schon aufgrund der schlechten Datenlage ist eine Analyse der regionalen Zahlungsinzidenz daher allenfalls in Ansätzen zu verwirklichen. Da das Beitrittsgebiet vollständig Teil der gesamtdeutschen Förderkulisse ist, lassen sich erste Aussagen zur Begünstigung der Gebiete der Gemeinschaftsaufgabe durch den Vergleich zwischen Ost- und Westdeutschland treffen. Aus diesem Grunde wird in einem ersten Schritt jeweils die regionale Inzidenz für Ostdeutschland geprüft. Dieses läßt sich vergleichsweise einfach bewerkstelligen, da das Zahlenmaterial i.d .R. entsprechend differenziert vorliegt. Ergänzend dazu wird im Rahmen einer qualitativen Betrachtung in einem zweiten Schritt für die alten Bundesländer die regionale Inzidenz dahingehend analysiert, inwieweit die westdeutsche Förderkulisse der Gemeinschaftsaufgabe durch die verschiedenen Politikbereiche eher begünstigt oder benachteiligt wird . Es sei aber auch nochmals das grundSätzliche Problem in der Aussagefähigkeit einer Zahlungsstromanalyse betont. Zum einen ist darauf hinzuweisen, daß die primären Zahlungsempfänger nicht unbedingt mit jenen (vollständig) identisch sein müssen, bei denen die Wirkungen der Fördermittel festzustellen sind . Insofern ist durch das Auseinanderfallen von Zahlungs- und Wirkungsstrom der Fördergelder die Ermittlung der regionalen Inzidenz auf der Basis einer Zahlungsstromanalyse mit einem nicht berechenbaren Fehler behaftet. Zum anderen wäre es wegen der unterschiedlichen Mischfinanzierungsmodelle und der von der instrumentellen Ausgestaltung der Subventionen abhängigen Multiplikatoreffekte eigentlich erforderlich, die jeweils zur Verfügung gestellten Beträge mit entsprechenden Faktoren in vergleichbare "Wirkungsäquivalente" umzurechnen. Nur auf diese Weise könnte dem Sachverhalt, daß mit den Beträgen der Gemeinschaftsaufgabe sehr viel mehr bewegt wird, als es in manchen anderen Subventionsbereichen der Fall ist, angemessen Rechnung getragen werden. Eine solche über die qualitative Einschätzung hinausgehende Quantifizierung von Wirkungsäquivalenten wäre jedoch außerordentlich spekulativ, schon
2. 1. Größenordnung und Regionalwirkungen spezifischer Politiken
51
deshalb, weil auch die Mitnahmeeffekte in einer solchen Rechnung angemessen berücksichtigt werden müßten. Deshalb ist hier darauf verzichtet und der Vergleich auf die bereitgestellten Mittel beschränkt worden. Damit ist in Kauf genommen worden, daß dieser Vergleich den zur Debatte stehenden Sachverhalt nur unvollständig wiedergibt.
2.1.3. Zur Größenordnung ausgewählter Politikbereiche Bevor Überlegungen zur regionalen Zahlungsinzidenz der bundesstaatlichen Tätigkeit angestellt werden können, ist es erforderlich, die vom Bund getragene Finanzmasse der hier betrachteten Politikfelder im Überblick darzustellen. Die kassenwirksamen Tätigkeiten des Bundes schlagen sich im Bundeshaushalt selbst oder in Nebenhaushalten nieder. Eine wichtige Vergleichsgröße hierzu bilden die Mittel , die der Bund für Zwecke des interregionalen Ausgleichs im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" bereitgestellt hat. Im Jahre 1992 waren dies Baransätze für die Normalförderung und für Sonderprogramme in Höhe von rund 3,1 Mrd . DM, 1993 werden dafür vom Bund 3,6 Mrd . DM zur Verfügung gestellt. Hinzu kommen in gleicher Höhe Mittel der Bundesländer. Neben diesen im Rahmenplan aufgeführten Mitteln sind auch die Investitionszulagen nach dem Investitionszulagengesetz 1991 zu berücksichtigen. Sie werden für Ausrüstungsinvestitionen in Ostdeutschland gewährt, werden aber mit der Einkommen- oder Körperschaftsteuerschuld verrechnet und treten dadurch als Ausgabeposition nicht in Erscheinung. Sie sind gleichwohl ein wichtiges Förderinstrument, zumal sie bei Vorlage der entsprechenden Voraussetzungen ein unmittelbaren Rechtsanspruch begründen. Insgesamt wurden im Jahr 1992 rund 4,3 Mrd . DM an Investitionszulagen gewährt. Davon trug der Bund etwa 2 Mrd. DM , den Rest die Länder und Gemeinden. Zusammen mit den Mitteln der Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" hat der Bund also für den gezielten regionalpolitischen Einsatz gut 5 Mrd. DM ausgegeben. Diese Ausgaben treten neben die regionalpolitisch motivierten Ausgaben der Länder und Gemeinden. Auch ist zu berücksichtigen, daß von der Europäischen Gemeinschaft seit der deutschen Vereinigung erheblich mehr Mittel des Regionalfonds - 1991 waren es rund 1,5 Mrd. DM - in die Haushalte des Bundes und der Länder fließen . Die Haushaltsansätze aller Ausgaben im Bundeshaushalt sind im Zeitraum 1989 bis 1992 nominal um 132 Mrd. DM auf 422 Mrd. DM gestiegen2 . Da die Ausgabearten und Maßnahmen nicht gleichermaßen die Raumstruktur beeinflussen, ist es notwendig , die eher raumwirksamen Teile zu isolieren und somit einen aussagekräftigen Vergleichsmaßstab zu ermitteln . Betrachtet man die Haushaltsansätze nach Ausgabenarten, so wird die Dominanz der Zuweisungen und Zuschüsse (ohne Investitionsfördermaßnahmen) offenbar. Diese machen etwa die Hälfte der Gesamtausgaben aus; ihr Anteil am Budget stieg im Berichts-
2 Der hier durchgeführte Vergleich stellt auf die Haushaltsansätze ab, da für 1992 noch keine Angaben für das Haushalts-Ist vorlagen . 4'
52
2. Bedeutung anderer ausgewählter raumwirksamer Politiken
zeitraum geringfügig. Während der Anteil der Personalausgaben um gut zwei vH-Punkte auf etwa 12 vH gesunken ist, erhöhte sich der Anteil der Ausgabenansätze für Investitionen und Investitionsfördermaßnahmen von knapp 13 vH auf reichlich 15 vH und wurde damit zur zweitbedeutendsten Ausgabeart. Unter dem Gesichtspunkt der Einflußmöglichkeiten auf die Raumstruktur sprechen im wesentlichen zwei Gründe dafür, sich in der folgenden Analyse auf die beiden Ausgabenarten "Zuschüsse und Zuweisungen" sowie "Investitionen" als Vergleichsmaßstab zu beschränken. Erstens entfallen auf sie rund zwei Drittel der Ausgaben des Bundeshaushaltes , so daß mit ihnen ein wesentlicher Teil seiner kassenwirksamen Aktivitäten Berücksichtigung findet. Zweitens sind die verbleibenden Ausgabenarten zur geziehen Einflußnahme auf die Raumstruktur nur bedingt geeignet. Betrachtet man die vom Bund getätigten Zuweisungen und Zuschüssen einerseits sowie die Investitionen des Bundes andererseits nach Bundesressorts (Tabelle B/l), so zeigt sich, daß beide Ausgabearten in den meisten der hier näher betrachteten Einzelhaushalten mit 88 vH bis 98 vH ein sehr hohes Gewicht haben und somit die jeweiligen Aktivitäten gut repräsentieren. Zu den Angaben für das Bundesministerium für Post- und Fernmeldewesen für 1989 und 1992 ist anzumerken, daß die Zahlen nicht miteinander vergleichbar sind, da sich infolge der organisatorischen Veränderungen im Zusammenhang mit der Aufgabenteilung zwischen Bundesministerium einerseits, den öffentlichen Unternehmen Postdienst, Postbank und Telekom andererseits die im Bundeshaushalt nachgewiesenen Ausgabepositionen und -strukturen erheblich verschoben haben. Der Anteil an den budgetierten Zuweisungen und Zuschüssen der hier betrachteten Ressorts sank von 1989 bis 1992 um gut 2 vH-Punkte auf knapp 14 vH. Dieser vergleichsweise geringe Anteil erklärt sich im wesentlichen durch die Dominanz (ca. 40 vH) des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung bei diesen Ausgabeanen. Weiterhin entfallen auf die Bundesministerien für Gesundheit, Frauen und Jugend sowie Familie und Senioren in allen Jahren etwa 13 vH und auf die allgemeine Finanzverwaltung zwischen 10 und 16 vH und erklären damit einen Großteil der Anteile der hier nicht berücksichtigten Politikfelder. Sofern diese Ressorts eine regionale Inzidenz aufweisen, bezieht sich das nicht auf die Inputseite des Produktionsprozesses. Somit kann für die Ausgaben für Zuschüsse und Zuweisungen davon ausgegangen werden, daß alle relevanten Posten dieser Analyse zugrundeliegen. Von den budgetierten Investitionsausgaben des Bundes entfiel mit 56 vH 1992 ein deutlich höherer Anteil auf diejenigen Ressorts, deren Einfluß auf die Raumstruktur in diesem Gutachten näher untersucht werden soll. Als Ergebnis bleibt festzuhalten, daß der Bundeshaushah nur zu Teilen als Referenzmaßstab für die zur Beeinflussung des interregionalen Ausgleichszieles angesetzten Mittel geeignet ist. Es kommen zum einen nur diejenigen Ressorts hierfür in Frage, die Inputs für die wirtschaftliche Tätigkeit in den Regionen leisten. Zum anderen können nicht alle Ausgabeanen gleichermaßen herangezogen werden, da beispielsweise die Personalausgaben nur mittelbar auf die Raumstruktur einwirken. Schließlich sind die in den Nebenhaushalten verbuchten Mittel ergänzend zu berücksichtigen.
-------
145103,2 100,0
Summe
Quelle. Bundeshaushaltsplane
201B.7 67382.1 34669.1 19578.2
1.4 46,4 23 .9 13,5
16.2
23473,9
Verteidigung Arbert und Sozialordnung Übrige Ministerien Sonstige Ausgaben
vH
Zwischensumme
I
3,6 6,4 0,0 2,0 4.2
MIII DM
1
0.9 40,3 25,5 20,3
13,9
3,1 5,8 0,0 2,0 3,0
vH
224519,0 100,0
2106.0 90 582.4 57140.9 45666,6
31 129.1
690B .0 12936,B 31 ,4 4531 ,6 6721 .3
MII!. DM
O,B 0.2 2B.5 1B,B
52,5
37084,4 100,0
314 ,9 82.7 10571 ,7 6972.9
19457,1
4,B 34,2 0,1 B,9 4,5
1 vH I
1785,4 12693,9 20,7 32B7 ,9 1 669,1
Mil!. DM
1989
1 vH
0,4 0.7 21.9 21,5
56,0
11,B 34,7 0,2 5,3 4,0
65338,9 100,0
258.1 433.5 14283.0 14046.1
36 576 .3
7691 .2 22 691 ,2 155,2 3445 .9 2592,7
Mill . DM
1992
I
1992
I I
1989
5204,8 9304,2 0,0 2894,3 6070,7
Wirtschaft Verkehr Post und Fernmeldewesen Raumordnung, Bauwesen u. Stadtebau Forschung und Technologie
Ressort
Ausgaben für Investibonen und InvestitIonstördermaßnahmen
Ausgaben tur Zuweisungen Zuschüsse ( tür Investitionen)
236 970,2 100,0
22,5 28.5 22,7 29,1
19,6
3,2 10,5 0,0 2,7 3,2
I
76,9
99,7 84,0 38,5
7B,3
4,5 99,6 84,9 49,3
92,3 4,4
92,4 14.1 24,7 22,7 32,7
19,8
1992
94,6 B9,1 34 ,5 97,5 100,6
vH
I 92,8 88,2 97,6 97,7 101 .2
1989
Anteil der Zuweisungen und der Investibonen an den Ressortausgaben insgesamt
4,2 10,8 0,1 2,2 2,5
vH
369 976,2 100,0
52123.8 91344.B 84 161,3 121 079,2
73390 ,9
15436,5 39 974,0 540,8 8185,6 9254,0
1992
1 vH 1 Mill DM I
53284,B 67652,6 53880,1 68 968,4
46469.1
7531 ,8 24941,1 21,2 6329,6 7645,4
Mil!. DM
1989
Ressortausgaben insgesamt
Tabelle BIl Haushaltsansätze ausgewählter Bundesministerien für Zuweisungen und Zuschüsse sowie für Investitionen und Investitionsfördermaßnahmen 1989 und 1992
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54
2. Bedeutung anderer ausgewählter raumwirksamer Politiken
2.1.4. Sektorspezifische Politiken Im Rahmen der sektorspezifischen Politiken werden den Unternehmen Subventionen (Finanzhilfen und Steuervergünstigungen) gewährt, damit die erforderliche Anpassung der Unternehmen an den Strukturwandel beschleunigt und die jeweiligen Konsequenzen (z.B. Arbeitslosigkeit) vermindert werden. In welcher Höhe die Subventionen des Bundes zugunsten von Unternehmen anzusetzen sind und welches Gewicht dabei die Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur hat, hängt sehr stark davon ab , ob man der Subventionsabgrenzung der Bundesregierung oder einer weiteren Definition folgt, die darüber hinaus auch die Zahlungen der EG sowie der verschiedenen Parafisci einschließt (Stille, Teichmann 1992). In seiner weiten Definition hat das Subventionsvolumen für das vereinigte Deutschland 1992 einen Wert von gut 135 Mrd . DM erreicht (vgl. Tabelle B/2) . Davon entfallen knapp 70 Mrd. DM auf Zuschüsse des Bundes für laufende Zwecke und Investitionen. Verglichen mit den im Bundeshaushalt ausgewiesenen Ausgaben für Zuweisungen und Zuschüsse und für Investitionen (einschließlich Investitionszuschüsse) in Höhe von 292 Mrd . DM (vgl. Tabelle BIl) entspricht dieses einer Relation von knapp einem Viertel. Bei den Subventionszahlungen an Unternehmen in den alten Bundesländern ist seit 1990 ein leichter Anstieg zu verzeichnen; die Zahlungen an Unternehmen im Beitrittsgebiet werden vom Bund insgesamt somit weitgehend zusätzlich geleistet und resultieren weniger aus Haushaltsumschichtungen zulasten der alten Bundesländer. Gleichwohl sind im Gefolge des Einigungsprozesses eine Reihe von Fördermaßnahmen im früheren Bundesgebiet eingeschränkt oder abgebaut worden, so die Berlinförderung und die Zonenrandförderung. An anderer Stelle haben die Subventionen aber zugenommen, so daß per saldo der Anstieg insgesamt gedämpft wurde. In den alten Bundesländern werden die Subventionen mit knapp zwei Dritteln von den Finanzhilfen an Unternehmen dominiert, der Rest sind Steuervergünstigungen. Innerhalb der Finanzhilfen haben die Zuschüsse für laufende Zwecke und Investitionen mit gut 90 vH gegenüber den Darlehen die überragende Bedeutung. Differenziert man die Finanzhilfen und Steuervergünstigungen für Unternehmen nach Wirtschaftszweigen, wird die Konzentration der Mittel auf wenige Wirtschaftsbereiche deutlich. Mit gut 42 Mrd. DM entfielen 1992 etwa die Hälfte der Zuwendungen auf die Bereiche Land- und Forstwirtschaft, Kohlenbergbau und Wohnungsvermietung sowie an die Deutsche Bundesbahn. Während Steuervergünstigungen in den alten Bundesländern immer noch mehr als ein Drittel der Vergünstigungen an Unternehmen ausmachen, spielt diese Art der Subventionierung in Ostdeutschland mit rund 15 vH eine weitaus geringere Rolle (vgl. Tabelle B/2). Bei den Finanzhilfen zeigt sich, daß die relative Position der unmittelbaren Zuschüsse des Bundes für laufende Zwecke und Investitionen wegen der Zuschüsse von der Treuhandanstalt mit knapp 50 vH deutlich schwächer ist; sie machen - bezogen auf die insgesamt auf das Beitrittsgebiet entfallenden Vergünstigungen - rund 40 vH aus. Die Treuhandaktivitäten sind auch der Bundesebene zuzurechnen, da der Bund in die Schulden der Treuhandanstalt zum Ende 1994 eintritt. Von den Finanzhilfen des Bundes und der EG für
Haushaltssoll.
Quelle: DIW-Wochenbericht Nr. 46/92.
1)
Subventionen in Gesamtdeutschland
Zuschüsse des Bundes für Ifd. Zwecke u. Investitionen Darlehen (Bund und ERP) Finanzhilfen des Bundes Steuervergünstigungen Subventionen insgesamt
Westdeutschland
Zuschüsse des Bundes für Ifd. Zwecke u Investitionen Darlehen (Bund und ERP) Zuschüsse Treuhandanstalt Finanzhilfen des Bundes Steuervergünstigungen Subventionen insgesamt
Ostdeutschland
-
-
-
1985
32,3 3,2 35,5 42,5 78,8
I
27,6 2,8 30,4 30,6 61,0
-
1980
I
-
35,0 3,4 38,4 40,5 79,9
-
1986
I
in Mrd. DM
-
38,3 3,2 41,5 40,1 81,5
-
1987
I
-
43,3 3,9 47,2 41,7 88,9
-
1988
Tabelle B/2 Subventionierung in Ost- und Westdeutschland
I
-
40,1 4,1 44,2 38,8 83,0
-
1989
I
92,4
39,5 4,7 44,2 36,7 80,9
118,1
45,1 6,0 51,1 37,3 88,4
6,5 25,2 4,5 29,7 10,7 0,8 11,5
-
1991 1)
18,7
I
10,7
-
1990
I
135,7
48,8 4,7 53,5 33,0 86,5
20,0 7,6 14,0 41,5 7,7 49,2
1992
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56
2. Bedeutung anderer ausgewählter raumwirksamer Politiken
Unternehmen in Ostdeutschland erhielt die Deutsche Reichsbahn zusammen mit der Agrarund Forstwirtschaft sowie der Fischerei gut zwei Drittel (13,6 Mrd. DM). Während sich das finanzielle Engagement des Bundes für die Regionalpolitik 1992 auf gut 5 Mrd. DM belief, erhielten Unternehmen allein im Bereich der Land- und Forstwirtschaft sowie der Fischerei (in Ost und West) zusammen mit dem Kohlenbergbau (West) über 30 Mrd. DM . Die Vergleichbarkeit ist jedoch insofern eingeschränkt, als die jeweils durch die Kofinanzierung mit Unternehmen und anderen Gebietskörperschaften bedingten induzierten Anstoßeffekte nur schwer abzuschätzen sind. Überdies haben· die sektorspezifischen Subventionen teilweise konservierenden Charakter, während die Investitionszuschüsse auf die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit abstellen. Da die Subventionszahlungen nicht regional differenziert vorliegen, kann eine Abschätzung der regionalen Auswirkungen der sektoralen Wirtschaftspolitik nur qualitativ vorgenommen werden. Mit Blick auf den Ost-West-Vergleich ergibt sich eine deutliche Begünstigung der neuen Bundesländer. Gemessen an den etwa 10 vH aller Beschäftigten in Deutschland bzw. rund 20 vH der Bevölkerung fließt mit 36 vH der Anpassungshilfen ein überproportionaler Teil in das Beitrittsgebiet. Für die alten Bundesländer ist die regionale Verteilung der Anpassungshilfen insofern von Bedeutung, als damit ein grundSätzlicher Kritikpunkt an der Gemeinschaftsaufgabe aufgegriffen wird. Der entscheidende Anlaß, die Gemeinschaftsaufgabe einzuführen, war die Überlegung, die verschiedenen regionalpolitischen Maßnahmen von Bund und Ländern müßten zum Zwecke der Effizienzsteigerung koordiniert und gebündelt werden. Eben diese Koordinationsfunktion wird mit dem Hinweis in Frage gestellt, mit dem finanziellen Engagement des Bundes im Bereich der sektoralen Wirtschaftspolitik setze der Zentralstaat unabhängig von der Gemeinschaftsaufgabe und damit von den Bundesländern weitere regionalpolitische Akzente. Da in den alten Bundesländern allerdings die Wirtschaftsbereiche, die einen hohen Anteil aller Subventionen auf sich vereinigen, in den Fördergebieten der Gemeinschaftsaufgabe überproportional vertreten sind, ist eine Begünstigung der Förderkulisse der Gemeinschaftsaufgabe durch die sektoralen Fördermaßnahmen durchaus gegeben. Inwieweit dabei aber eine hinreichende Abstimmung der verschiedenen Maßnahmen stattfindet, muß offen bleiben. Auch wenn die Mittel der Strukturpolitik durchaus die Anpassung der Wirtschaftsbereiche an die veränderten Rahmenbedingungen unterstützen sollen und so eine Ergänzung zur aktiven Rolle der regionalen Strukturpolitik darstellen, so überwog doch teilweise in der Vergangenheit die Erhaltung von Wirtschaftsbereichen, ohne daß dabei deren Schwäche überwunden werden konnte. Strukturkonservierende Subventionen können aber das interregionale Ausgleichsziel gefahrden oder sogar konterkarieren, wenn sie nicht eng mit Maßnahmen der aktiven Umgestaltung verknüpft werden.
2.1. Größenordnung und Regionalwirkungen spezifischer Politiken
57
2.1.5. Forschungs- und Technologieförderung des BMFf Aktivitäten im Bereich Forschung und Technologie sind für die wirtschaftliche Entwicklung einer Volkswirtschaft vor allem deshalb bedeutsam, weil sie die Anpassungsfähigkeit der Unternehmen an sich verändernde Rahmenbedingungen verbessern. Gegenstand dieses Abschnittes sind die entsprechenden finanziellen Aufwendungen des Bundes, wie sie dem Förderkatalog des Bundesministeriums für Forschung und Technologie (BMFT) zu entnehmen sind (vgl. BMFT 1991). Diese Angaben sind erheblich umfassender als die der Subventionsberichte, da der überwiegende Teil der Forschungsförderung nicht als Subvention angesehen wird. Allerdings spiegeln auch die im Förderkatalog ausgewiesenen Ausgaben nicht alle durch den Bund geförderte Forschungstätigkeiten wider. Die Innovationsprojekte, die durch andere Bundesressorts (z.B . das Bundesministerium für Wirtschaft) finanziert werden, sind nicht enthalten. Weiterhin bleiben die Aufwendungen der Bundesländer und des privaten Sektors hier ebenso unberücksichtigt. Die Fördermittel, die im Inland für direkte und sog. indirekte Projekt förderung sowie für die institutionelle Förderung verausgabt werden, erreichten 1991 mit rund 7 Mrd . DM ein Niveau, das deutlich über der finanziellen Beteiligung des Bundes an der Gemeinschaftsaufgabe - auch unter Berücksichtigung der Investitionszulagen - im Jahr 1992 liegt. Auch bei diesen Zahlen ist zu beachten, daß bei der Gemeinschaftsaufgabe zu den Bundesmitteln noch Landesmittel hinzukommen und daß beide Förderinstrumente aufgrund der Beteiligungsfinanzierung je nach Höhe der Fördersätze weitere Anstoßwirkungen zeitigen, deren quantitatives Ausmaß nur schwer abzuschätzen ist. Bei der Vergabe von FuT -Fördermitteln werden regional politische Zielsetzungen nicht verfolgt. Das für die Forschungsförderung entscheidende Kriterium ist deshalb nicht die Frage, ob ein zu förderndes Unternehmen oder eine Institution innerhalb oder außerhalb bestimmter Regionen ansässig ist. Um der Forschungsförderung eine möglichst hohe Wirkungsintensität zu verleihen, sind hierfür vielmehr Art und Intensität der Forschungstätigkeit eines potentiellen Fördermittelempfängers ausschlaggebend. Die neuen Bundesländer profitieren von der Forschungsförderung auf den ersten Blick nur geringfügig, jedoch ist zu beachten, daß der Aufbau einer leistungsfähigen Forschungsinfrastruktur nur schrittweise vollzogen werden kann, mithin die Anzahl der potentiellen Empfänger noch gering ist. Derzeit fließen zwar wenig mehr als 5 vH der Forschungsgelder direkt in das Beitrittsgebiet. Zusammen mit den Mitteln, die an die alten Länder überwiesen werden, aber für die neuen bestimmt sind, sowie den 450 Mill. DM aus dem Einzelplan 60 zur institutionellen Förderung in Ostdeutschland sind es jedoch immerhin beinahe 13 vH aller Bundesmittel, die 1991 für den Bereich Forschung und Technologie bereitgestellt wurden. Zum Vergleich: Der Anteil der im Beitrittsgebiet Beschäftigten an allen Beschäftigten in Deutschland beträgt ca. 10 vH und der an der Bevölkerung etwa 20 vH . Da die Fördennittel des BMFT nach den vorhandenen Innovations- und Technologiepotentialen vergeben werden, ist für die alten Bundesländer eine kompensierende Regio-
58
2. Bedeutung anderer ausgewählter raumwirksamer Politiken
naiverteilung nicht zu erwarten. Dies zeigt sich bereits im Ländervergleich. So entfallen auf Baden-Württemberg immerhin rund 21 vH der FuE-Fördennittel, dieses Bundesland zählt jedoch praktisch in Gänze nicht zur Förderkulisse der Gemeinschaftsaufgabe. Das gleiche gilt in bezug auf die Forschungsförderung der bei den Stadtstaaten Hamburg und Berlin (West), die zumindest 1991 nicht zur Gebietskulisse der Gemeinschaftsaufgabe gehörten. Mit Bayern entfällt immerhin ein Sechstel der Fördermittel auf ein Land, das eine Reihe von Fördergebieten an der Ost-Grenze im ehemaligen Zonenrandgebiet aufweist. Die Innovations- und Technologiepotentiale liegen aber in den Verdichtungsräumen München und Nürnberg. Nimmt man beispielsweise den Anteil der FuE-Beschäftigten in der Industrie als Indikator (Bade 1991), dürfte der weit überwiegende Teil der Forschungsförderung in Bayern außerhalb der regionalen Fördergebiete wirksam geworden sein. Dies gilt analog auch für Hessen. In Nordrhein-Westfalen befinden sich die durch die Gemeinschaftsaufgabe geförderten Regionen fast ausschließlich im Ruhrgebiet. Da bei der Überwindung der Strukturkrise des Ruhrgebietes die Technologieförderung einen hohen Stellenwert einnimmt, dürfte dort neben der Region Köln-Bonn-Leverkusen eine große Anzahl von Unternehmen durch BMFT-Fördermittel begünstigt worden sein. Den Bundesländern Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz ist gemeinsam, daß mindestens etwa die Hälfte ihres Territoriums als Fördergebiet der Bund-LänderRegionalpolitik ausgewiesen ist. Alle drei erhielten 1991 aus den BMFT-Programmen mit zusammen 868,6 Mill . DM etwas weniger als 13 vH. Die Hansestadt Bremen, die vollständig als Gemeinschaftsaufgabe-Fördergebiet anerkannt ist, erhielt mit 191 Mill. DM gerade knapp drei vH aus den BMFT-Töpfen, während das Saarland, ebenfalls flächendeckend Teil der regionalpolitischen Förderkulisse, so gut wie leer ausgeht. Zusammenfassend läßt sich festhalten: Die Vergabe von Forschungsgeldern verfolgt bislang keine regionalpolitische Ausgleichsfunktion . Dies schlägt sich auch in der Verteilung der Mittel an Unternehmen nach Bundesländern nieder. Aus Effizienzgründen wäre die generelle Ausrichtung auf regionalpolitische Belange auch fragwürdig. In dem Maße freilich, wie die Regionalpolitik selbst auch auf die Entwicklung eines Forschungspotentials setzt, dürfen strukturschwache Regionen auch aus der Forschungsförderung durch das BMFT Nutzen ziehen können. Insgesamt dürfte hier durchaus ein Feld für die Koordinierung verschiedener Bundespolitiken liegen (vgl. Kap . D.I).
2.1.6. Sonderrolle Treuhandanstalt Wie andere Politikbereiche auch hat die Treuhandanstalt (THA) keinen originär regionalpolitischen Auftrag. Aus § I Treuhandgesetz geht die Aufgabe der bundesunmittelbaren Anstalt des öffentlichen Rechts hervor: "Das volkseigene Vermögen ist zu privatisieren." Sie soll aber "gleichzeitig die Wirtschaft neu strukturieren, sowie einen Mittelstand, international wettbewerbsfähige Unternehmensstrukturen und möglichst viele Arbeitsplätze schaffen. Daneben soll sie industrielle Kerne erhalten, sanierungsfähige Unternehmen bis
2 .1. Größenordnung und Regionalwirkungen spezifischer Politiken
59
zur Privatisierung führen, Altlasten beseitigen und sozial- wie regionalpolitische Verwerfungen verhindern oder zumindest sozial abfedern." (Lichtblau 1993, S. 31, vgl. auch DIW 1992, S. 213 f.) Im Gegensatz zu anderen Politikbereichen wirkt sich das Management des Transformationsprozesses von einer zentralen Planwirtschaft in eine Marktwirtschaft direkt auf die wirtschaftliche Entwicklung der Regionen in Ostdeutschland aus. Der Tätigkeit der THA kommt nicht zuletzt auch deshalb eine Sonderrolle zu, als die von ihr durchgeführte Strukturanpassung in einem außerordentlich engen zeitlichen Rahmen absolviert wird, der den Betroffenen entsprechend höhere Anpassungskosten abverlangt (DIW 1992, S. 214). Welche regionalen Auswirkungen die Tätigkeiten der THA hat, läßt sich allerdings mit Hilfe einer Zahlungsstromanalyse schwer nachvollziehen. Denn der auf die Treuhandpolitik zurückgehende Struktureffekt wird auch deshalb nicht umfassend abgebildet, weil die Liquidation von Betriebsteilen oder ganzen Unternehmen, von der die regionale Wirtschaftsstruktur beeinflußt wird, in den geleisteten Zahlungen der Treuhandanstalt kaum zum Ausdruck kommt und dann auch ganz anders zu bewerten wäre als die Hilfen und Zahlungen zur Sanierung von Unternehmen. Wenn also eine Zahlungsstromanalyse nur wenig aussagekräftig ist, so kann die regionale Inzidenz zumindest für die zuletzt in der Öffentlichkeit heftig und kontrovers geführte Diskussion um die Privatisierungsstrategie untersucht werden. Diese Analyse wird anband der verfügbaren Daten zu den Investitionsund Arbeitsplatzzusagen durchgeführt, die auf die Privatisierungen zurückgeführt werden können. Im folgenden sollen die Beschäftigungs- und Investitionszusagen auf Länderebene betrachtet werden. Bezogen auf beide Kategorien (Investitions- und Arbeitsplatzzusagen) konnte das Bundesland Sachsen per 31. Januar 1993 jeweils rund 31 vH auf sich vereinigen (vgl. Tabelle B/3). Brandenburg und Berlin (Ost) folgen auf den Plätzen zwei und drei. Während Brandenburg bei den zugesagten Arbeitsplätzen mit knapp 19 vH einen etwas höheren Anteil als der Ostteil Berlins verbuchen kann, nimmt bei den Investitionszusagen die Hauptstadt der ehemaligen DDR mit einem Fünftel den zweiten Platz ein und liegt damit knapp vor Brandenburg. Ähnlich dicht gedrängt besetzen Sachsen-Anhalt und Thüringen die Plätze vier und fünf; sie erreichen dabei Anteile zwischen 10 und 14 vH. Mecklenburg-Vorpommern bildet in Bezug auf beide Kriterien mit etwa 7 vH das Schlußlicht. Im Vergleich mit den Bevölkerungsanteilen 1992 ergibt sich damit insgesamt auf Bundesländerebene bislang keine ausgeprägte regionale Inzidenz. Die Anteile an den Arbeitsplatz- und Investitionszusagen weichen im Vergleich zum Bevölkerungsanteil für Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern kaum voneinander ab. Nur der Ostteil Berlins und das Land Brandenburg erreichen deutlich überdurchschnittliche Werte. Eine detailliertere Analyse auf Kreisebene zeigt zudem, daß die Hälfte aller Arbeitsplatzzusagen auf nur vierzehn Kreise entfallen. Diese gehörten durchweg zu Regionen mit relativ hohem industriellen Besatz.
1 140,6 24,2 27,0 12,4 5,6 5,1 4,6 2,1
309,7 178,5 86,2 190,4 219,8 155,9
100,0 2,1 2,4 1,1 0,5 0,4 0,4 0,2
27,2 15,7 7,6 16,7 19,3 13,7
100,0
15,7 10,6 22,4 14,7 15,1 16,4 17,3 19,9
14,6 15,1 14,2 16,1 16,8 18,0
15,7 2257,9 1 190,5 639,3 1 209,1 1 376,0 940,1
7612,9
in 1 000
J
29,7 15,6 8,4 15,9 18,1 12,3
100,0
Quellen: Statistisches Bundesamt; Treuhandanstalt; Berechnungen der GIB.
nicht nach Kreisen zugeordnet
Dresden, Stadt Berlin 111 Gera, gesamt Eberswalde Meiningen Hainichen Hohenmölsen
nicht nach Kreisen zugeordnet
Sachsen Brandenburg Ost-Berlin Thüringen Sachsen-Anhalt Mecklenburg-Vorpommern
1 140,6
I Quote
J Mi". DM
6,4
1 120,9 58,7 41,8 20,3 7,7 4,4 1,7 0,2
6,4
347,4 210,9 183,6 160,2 131,1 81,3
1 120,9
923,2
0,6
923,2
100,0 110297,4 5,2 5930,9 3,7 3356,2 1,8 1595,3 0,7 407,9 0,4 291 ,2 0,2 159,7 0,0 14,5
Nach Kreisen
0,6
34659,4 19737,4 21 994,4 11 040,7 14687,7 7254,6
100,0 110297,4 31,0 18,8 16,4 14,3 11,7 7,3
l
0,8
100,0 5,4 3,0 1,4 0,4 0,3 0,1 0,0
0,8
31,4 17,9 19,9 10,0 13,3 6,6
100,0
vH
Investitionszusagen per 31 .1. 1993
Nach Bundesländern
Mi". DM
vH
vH
vH
I
per 30.11.1991
per 31.3.1993
in 1 000
Arbeitsplatzzusagen per 31 .1.1993
Erwerbstätige
Arbeitslose
Tabelle BI3 Arbeitslose, Arbeitsplatz- und Investitionszusagen nach Bundesländern und Kreisen
143
98 101 302 154 53 66 94 86
143
100 94 120 69 112 89
98
1000 DM
Investition je zugesagten Arbeitsplatz
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2 . 1. Größenordnung und Regionalwirkungen spezifischer Politiken
61
Bei der Interpretation der Arbeitsplatzzusagen ist zu beachten, daß diese nicht allein auf die Treuhandpolitik zurückzuführen, sondern als Resultat verschiedener Interventionen zu werten sind (z.B . Förderprogramme der Bundesminsterien für Wirtschaft bzw. Forschung und Technologie). Überdies weisen die Arbeitsplatzzusagen den tatsächlichen Beschäftigungseffekt im Zweifel zu niedrig aus. Denn in die Statistik gehen die zusätzlichen Entlastungen für den (regionalen) Arbeitsmarkt nicht ein, die sich aus den Multiplikatoreffekten der Investitionszusagen ergeben, wobei der jeweilige effektive Entlastungseffekt von der intraregionalen Vorleistungsverflechtung abhängt .
2.1. 7. Mittelstandspolitik Bei den Maßnahmen zur Förderung des Mittelstandes beschränkt sich die Analyse beispielhaft auf die entsprechenden Förderprogamme aus Mitteln des ERP-Sondervermögens . Die Anzahl der vergebenen Kredite betrug in den alten Bundesländern bis Ende 1991 noch knapp 30 000, die Kreditsumme gut 3,5 Mrd. DM und das Investitionsvolumen 13 Mrd. DM (Tabelle B/4). Mit der Vereinigung ging eine massive Verschiebung der Kreditvergabe zugunsten der neuen Länder einher. Während in den alten Ländern bereits 1992 die Zahl der Kredite deutlich heruntergefahren wurde (knapp 22 000) und die Kreditsumme nur noch gut 2,5 Mrd. DM betrug, war die Anzahl der Kreditanträge in den neuen Bundesländern mit knapp 46000 gut doppelt so hoch, und die Kreditsumme betrug mit 9,7 Mrd. DM das 3,5-fache, das damit verbundene Investitionsvolumen mit 23,8 Mrd. DM das 2,5fache des jeweiligen Wertes in den alten Ländern. Der Subventionswert ergibt sich in diesem Programm freilich nicht aus dem Kreditvolumen, sondern aus den günstigen Zinsbedingungen. Das Regionalprogramm war bis 1991 mit einem Viertel bis zu einem Drittel der Kreditsumme die bedeutendste Fördermaßnahme für mittelständische Unternehmen in den alten Bundesländern. Im Folgejahr trat das Programm zur Förderung von Existenzgründungen mit rund einem Drittel an dessen Stelle. Während Investitionen in Berlin (West) heute aufgrund der veränderten Rahmenbedingungen nicht mehr gefördert werden (1988 entfielen auf diese Maßnahme immerhin rund 15 vH aller vergebenen Kredite), konnten sich die verschiedenen Maßnahmen im Bereich des Umweltschutzes bei einem Fünftel behaupten . In den neuen Bundesländern wird die Hälfte der Kredite zur Gründung von Existenzen eingesetzt. Das Autbauprogramm und die Hilfen für Umweltschutzinvestitionen gewannen 1992 gegenüber dem Vorjahr zulasten der Modernisierungsmaßnahmen und des Tourismus an Bedeutung. Als Zwischenergebnis bleibt festzuhalten , daß das Beitrittsgebiet von allen ERP-Förderprogrammen in bezug auf die Anzahl der vergebenen Kredite etwa 70 vH und bezogen auf die Kreditsumme sogar noch etwas mehr erhält und damit, gemessen an seinem Bevölkerungsanteil, weit überdurchschnittlich profitiert. Die ERP-Regionalförderung erreicht einen Anteil von 26 bis 35 vH an der aus dem ERP-Sondervermögen an westdeutsche kleine und mittlere Unternehmen vergebenen
62
2. Bedeutung anderer ausgewählter raumwirksamer Politiken
Tabelle B/4 ERP-Kreditzusagen und gefördertes Investitionsvolumen kleiner und mittlerer Unternehmen Anzahl
I
Kreditsumme
I
Investitionsvolumen
Anzahl
MiII. DM
I
Kreditsumme
I
Investitionsvolumen
vH
1988 Bundesrepublik davon: Regionalprogramm Existenzgründungen Berlin (West) Umweltschutz Sonstige
27145
4558,4
15135,3
100,0
100,0
100,0
11617 11294 255 1 145 2834
1 190,0 715,6 767,5 938,7 946,6
3299,7 2428,6 1 773,2 3346,1 4287,7
42,8 41,6 0,9 4,2 10,4
26,1 15,7 16,8 20,6 20,8
21,8 16,0 11,7 22,1 28,3
1991 103650
13455,9
34258,4
100,0
100,0
100,0
Ahe Bundesländer davon: Regionalprogramm Existenzgründungen Berlin (West) Umweltschutz Sonstige
29663
3774 ,6
13101 ,5
28 ,6
28,1
38,2
11575 14238 379 2062 1409
1 322,2 929,1 272,6 669,8 580.9
3832 ,7 3250,8 1670,0 2190,3 2157,7
39,0 48,0 1,3 7,0 4,8
35,0 24,6 7,2 17,7 15,4
29 ,3 24,8 12,7 16,7 16,5
Neue Bundesländer davon: Existenzgründungen Modernisierung Aufbauprogramm Tourismus Umweltschutz Sonstige
73987
9681 ,3
21 156,9
71 ,4
71 ,9
61,8
50067 16874 0 6265 781 0
5044,3 3376,1 0,0 843,7 417,2 0.0
10676,2 6994,1 0,0 1962,0 1 524 ,6 0,0
67,7 22,8 0,0 8,5 1,1 0,0
52,1 34 ,9 0,0 8,7 4,3 0,0
50 ,5 33,1 0,0 9,3 7,2 0,0
Bundesrepublik
67781
12419,4
32940,6
100,0
100,0
100,0
Alte Bundesländer davon: Regionalprogramm Existenzgründungen Berlin (West) Umweltschutz Sonstige
21800
2690,1
9187 ,1
32,2
21 ,7
27,9
6831 12381 0 2019 569
778,2 903,6 0,0 596,2 412,1
2208,1 3027,0 0,0 2678,7 1273,3
31 ,3 56,8 0,0 9,3 2,6
28,9 33,6 0,0 22,2 15,3
24,0 32,9 0,0 29,2 13,9
Neue Bundesländer davon: Existenzgründungen Modernisierung Aufbauprogramm Tourismus Umweltschutz Sonstige
45981
9729,3
23753,5
67.8
78 ,3
72 ,1
31893 2279 10240 566 930 73
4884,0 862,0 2958,7 188,6 735,6 100.4
10896,8 2111 ,3 8104.3 431,1 2109,6 100,4
69,4 5,0 22,3 1,2 2,0 0,2
50 ,2 8,9 30,4 1,9 7,6 1,0
45,9 8,9 34,1 1,8 8,9 0,4
Bundesrepublik
1992
Quellen. Bundeswirtschaftsministerium; ERP-Sondervermögen.
2.1. Größenordnung und Regionalwirkungen spezifischer Politiken
63
Kreditsumme (Anzahl: 31 vH bis 43 vH; Investitionsvolumen 21 vH bis 29 vH, vgl. Abschnitt 1.3.6). Für diesen Teil der Mittelstandsförderung kann man festhalten, daß er die Gemeinschaftsaufgabe in ihren Ausgleichsbestrebungen unterstützt, da für die Inanspruchnahme des ERP-Regionalprogrammes ohnehin nur Unternehmen in Frage kommen, die innerhalb der Gemeinschaftsaufgabe-Förderkulisse ansässig sind. Dieses Programm ist allerdings auf diejenigen Unternehmen zugeschnitten, die das Fernabsatzkriterium nicht erfüllen (deren Absatzradius also weniger als 50 km beträgt) und die deshalb für Gemeinschaftsaufgabe-Mittel nicht antragsberechtigt sind. Wie oben bereits erwähnt, liegen die Zahlen zur Mittelstandsförderung ohne die Bindung an die Gemeinschaftsaufgabe lediglich auf Länderebene vor. Aus diesem Grunde ist eine detaillierte Inzidenzanalyse für diese Förderprogramme nicht möglich . Die Frage nach der regionalen Verteilung ist im Falle der hier anband der verschiedenen ERP-Kreditprogramme untersuchten Mittelstandsförderung eindeutig zu beantworten. Da das Beitrittsgebiet von vergebenen Krediten bereits mit etwa 80 vH deutlich profitierten und die neuen Bundesländer vollständig als Fördergebiete der Gemeinschaftsaufgabe ausgewiesen sind, kann man davon ausgehen, daß das interregionale Ausgleichsziel der Gemeinschaftsaufgabe nachhaltig unterstützt wird. Zudem wird diese Aussage durch die Ergebnisse für die alten Bundesländer weiter untermauert. Mit dem Regionalprogramm entfallen zwischen 25 vH und 35 vH der ERP-Kredite ohnehin auf die Fördergebiete. Darüber hinaus fließen weitere Kredite aus den übrigen Programmen ebenfalls zu einem gewissen Teil in die Förderregionen, so daß insgesamt eine Begünstigung der Gebiete der Gemeinschaftsaufgabe festgestellt werden kann.
2.1.8. Infrastrukturpolitik Eine ausreichende Infrastrukturausstattung gilt als eine unumgängliche Voraussetzung für das Wirtschaftswachstum (DIW 1994). Exemplarisch werden hier die Maßnahmen im Bereich der Verkehrs- und Telekommunikationsinfrastruktur sowie der Städtebau förderung betrachtet. Während die beiden zuerst genannten Bereiche die "harten" Standortfaktoren, nämlich die Erreichbarkeit, beeinflussen, wirkt die Städtebauförderung auf den "weichen" Standortfaktor Wohnwert ein. Die Ausgaben für die drei genannten Infrastrukturmaßnahmen zusammengenommen sind im Zeitraum 1988 bis 1992 (nominal) um rund 85 vH auf 59,3 Mrd . DM gestiegen (vgl. Tabelle B/5). Während die Ausgaben von 1988 bis 1990 nur wenig zunahmen, spiegelt der deutliche Anstieg ab 1991 die Reaktion auf den enormen Nachholbedarf an Infrastrukturieistungen in den neuen Bundesländern wider. Der größte Teil dieser Investitionsausgaben wird nicht im Bundeshaushalt, sondern im Nebenhaushalt Telekom verbucht (31,5 Mrd. DM). Die Investitionen in den Bereichen Verkehr und Städtebau machen zusammen rund zwei Drittel der eigentlichen Investitionsausgaben des Bundes (ohne Investitionsfördermaßnahmen) aus.
Quellen:
Städtebau
Telekom
Verkehr
Insgesamt
Bereich
5 651,2
100,0 100,0 100,0 100,0 100,0
18 148,0
26910,7
26600,0
31 500,0
1 328,0
842,0
1991
1992
1991
1992
1991
1992
183,0
288,0
20 500,0
21 100,0
12 496,8
- - -
21,7
21,7
65,1
79,3
21,0
24,4
21,1
56,0
vH
--
I
659,0
1 040,0
11 000,0
5 500,0
11 837,8
6 181,8
5 834,2
12 721,8
Mil!. DM
78,3
78,3
34,9
20,7
44,0
34,1
9,8
27,6
vH
Neue Bundesländer
I
0,0
0,0
0,0
0,0
9421,7
7 538,2
40921,7
7 538,2
Mill. DM
0,0
0,0
0,0
0,0
35,0
41,5
69,1
16,4
vH
Nicht aufteilbar
Bundeshaushaltsplan 1991, 1992; Geschäftsbericht der Telekom 1991, 1992; Berechnungen der GIB.
100,0
4428,0
100,0
59252,7
1992
25 816,0
100,0
46076,0
1991
Mil!. DM
vH
I Alte Bundesländer
Mil!. DM
Bundesrepublik
Tabelle BI5 Ausgewählte Infrastrukturinvestitionen des Bundes im Überblick
I I
I
I I
0\
::t
(1)
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~
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3(1)
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CI>
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(1)
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::t
c: C
(1)
~
(1)
tI:I
IV
.j:>.
2. 1. Größenordnung und Regionalwirkungen spezifischer Politiken
65
Innerhalb dieser Infrastrukturmaßnahmen dominierten 1992 die Investitionen der Telekom mit 53 vH. Gegenüber dem Vorjahr konnte der Anteil der Verkehrsinfrastrukturinvestitionen um sechs vH-Punkte zulegen und erreichten 1992 einen Anteil von gut 45 vH. Demgegenüber haben die Haushaltsmittel, die für die Städtebau förderung verausgabt werden, eine eher untergeordnete Bedeutung. Die Ausgaben sind 1992 gegenüber 1991 deutlich (um 500 Mill. DM) verringert worden. Entsprechend sank der Anteil um 1,4 vHPunkte auf nunmehr 1,4 vH. Im Vergleich zu den rund 3 Mrd. DM, die der Bund 1992 zur Gemeinschaftsaufgabe beigesteuert hat und unter Berücksichtigung seines Anteils an den Investitionszulagen, verfügt er mit den Ausgaben für Infrastrukturmaßnahmen in Höhe von rund 60 Mrd. DM über ein deutlich höheres Interventionspotential. Für Infrastrukturprojekte standen GAMittel von 2 Mrd. DM zur Verfügung, die Investitionen in Höhe von 3,7 Mrd. DM induzierten. Bei einem Vergleich sind allerdings auch Multiplikatorwirkung und Mitnahmeeffekte zu berücksichtigen. Infrastrukturinvestitionen induzieren zusätzliche private Investitionen und Mitnahmeeffekte sind bei der Gemeinschaftsaufgabe-Infrastrukturförderung nicht auszuschließen. Aufgrund ihres bedeutenden Beitrages zur wirtschaftlichen Entwicklung einer Volkswirtschaft ist der regionalen Verteilung der Infrastrukturmittel besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Je nach dem, ob die Infrastrukturinvestitionen periphere Lagen oder Agglomerationen begünstigen, können die Mittel der Gemeinschaftsaufgabe entweder im Sinne eines interregionalen Ausgleichs ergänzt oder konterkariert werden.
Verkehrs- und Telekommunikationsinfrastruktur Die Aufteilung der Investitionsvolumina auf die alten und neuen Bundesländer für die Jahre 1991 und 1992 gibt Tabelle B/5 wieder. Bei den Verkehrsinvestitionen erhält das Beitrittsgebiet in beiden Jahren jeweils deutlich mehr als die alten Bundesländer. Allerdings ist dabei zu beachten, daß dem Haushalt des Bundesministeriums für Verkehr für einen erheblichen Anteil (42 vH 1991 bzw. 35 vH 1992) die Zuordnung zu einem der beiden Teilgebiete nicht zu entnehmen und eine abschließende Beurteilung deshalb nicht möglich ist. Für die Telekommunikationsinfrastruktur läßt sich eine Verbesserung der relativen Position der neuen Bundesländer erkennen. Bei leicht gesunkenem Investitionsniveau für die westdeutschen Länder hat sich das Investitionsvolumen in Ostdeutschland genau verdoppelt. Das Beitrittsgebiet konnte somit seinen Anteil von rund einem Fünftel aller Investitionen der Telekom auf nunmehr 35 vH steigern. Will man den Nutzen, der einer Region aus einer bestimmten Maßnahme erwächst, mit Hilfe einer Zahlungsstromanalyse wiedergeben, so ist zu beachten, daß es sich hierbei um ein input-orientiertes Verfahren handelt und infolgedessen Aussagen über die induzierte Wirkung nur eingeschränkt möglich sind. Eine solche Analyse ist jedoch nicht mehr möglich, wenn Zahlungsströme nicht sinnvoll regionalisiert werden können und zudem massive Externalitäten auftreten. Im Falle des kleinräumigen Wirkungsvergleichs innerhalb
5 Gomig u. a.
66
2. Bedeutung anderer ausgewählter raumwirksamer Politiken
Westdeutschlands bietet es sich an, die Raumwirksamkeit dieser Maßnahmen anhand von Outputindikatoren zu messen. Das oben bereits angesprochene Zuordnungsproblem läßt sich exemplarisch anhand der Daten zur Verkehrspolitik verdeutlichen. Die Angaben beispielsweise für den Fernstraßenbau im Rahmen des Bundesverkehrswegeplanes (BVWP) sind zwar sehr detailliert. So lassen sich für jeden Streckenabschnitt Ziel- und Endpunkt und die entsprechenden Kosten des Bundes identifizieren. Damit ist allerdings nichts darüber ausgesagt, wer tatsächlich Empfänger der mit der Baumaßnahmen einhergehenden Zahlungen ist. Beispielsweise werden die für die Elektrifizierung der Fernbahngleise innerhalb Berlins notwendigen Arbeiten auch von Unternehmen aus anderen Regionen (z.B. aus Baden) ausgeführt. Darüber hinaus mag dieses Unternehmen Unteraufträge erteilen und/oder Arbeitskräfte aus den neuen Bundesländern beschäftigen. Als noch problematischer stellt sich die Bestimmung des Nutzenstromes einer Baumaßnahme heraus. Werden beispielsweise zwei Autobahnteilstücke an der ehemaligen innerdeutschen Grenze in Ost-Hessen und in Thüringen zusammengeführt, so haben davon sicherlich die betroffenen und angrenzenden Kreise einen beträchtlichen Nutzen. Möglicherweise jedoch profitieren das Rhein-Main-Gebiet und der Großraum Berlin sehr viel stärker von dieser Maßnahme. Hinzu kommt die Inanspruchnahme dieser Strecke durch den internationalen Transitverkehr. Da also weder Zahlungsströme noch die damit verbundenen Nutzen regionalisiert werden können, ist eine differenzierte Analyse der Zahlungsströme gar nicht sinnvoll. Die folgende Analyse der regionalen Disparitäten anhand von Output-Indikatoren stützt sich auf die umfassende Studie von Gatzweiler/Irmen/Janich (1991) zur regionalen Infrastrukturausstattung. Die Autoren unterscheiden sachkapital-, humankapital- sowie haushaltsorientierte Infrastrukturausstattung. Verkehrs- und Telekommunikationsmaßnahmen fallen in die erste Kategorie. Die Ergebnisse dieser Studie zeigen, daß sich die Infrastrukturausstattung in den westdeutschen Bundesländern relativ gleichmäßig im Raum verteilt. Tendenziell verfügen jedoch Agglomerationen über eine bessere Infrastrukturausstattung; unterdurchschnittliche Indikatoren treten ausnahmslos in strukturschwachen peripheren Regionen auf. Ergänzend kommt hinzu, daß auch das Abweichen von kostendeckenden Preisen bei der Bereitstellung von (Verkehrs-)Infrastrukturangeboten die Raumstruktur zugunsten der Ballungsräume beeinflussen kann (vgl. hierzu van Suntum 1984, S. 116-120). Städtebau!örderung
Der Vergleich zwischen den alten Bundesländern und dem Beitrittsgebiet verdeutlicht, daß sich die Städtebau förderung - zumindest in den beiden vergangenen Jahren - im wesentlichen auf jene Regionen konzentrierte, die von der Gemeinschaftsaufgabe als Fördergebiete ausgewiesen sind. Dieses Resultat ergibt sich aus der Tatsache, daß die neuen Bundesländer in beiden Jahren reichlich drei Viertel der Haushaltsmittel erhielten (vgl. Tabelle B/5) . Bei der kreisscharfen Analyse der Städtebauförderung in den neuen
2.1. Größenordnung und Regionalwirkungen spezifischer Politiken
67
Bundesländern haben wir uns auf die Sanierungs- und Entwicklungsrnaßnahmen beschränkt, deren Anteil an den gesamten Förderprogrammen des Bundesbauministeriums im Beitrittsgebiet deutlich dominiert (mehr als 75 vH 1992 und 1993). Überdies konzentriert sich das Bundesprogramm für städtebauliche Modellvorhaben auf elf Städte (seit 1990: Stralsund, Brandenburg, Halberstadt, Meißen und Weimar; seit 1991 auch Güstrow, Cottbus, Naumburg, Görlitz, Jena und Mühlhausen) und acht Kleinstädte und Dörfer (Bundesbauministerium, Merkblatt zu den Finanzierungshilfen des Bundes zur Städtebauförderung in den neuen Bundesländern vom 17. Mai 1993, S. 5). Innerhalb des Beitrittsgebietes flossen in den betrachteten Jahren rund 90 vH der Fördermittel für Sanierungsund Entwicklungsrnaßnahmen in städtisch strukturierte Kommunen, folgt man der Abgrenzung des Bundesbauministeriums. Darüber hinaus läßt sich eine relativ starke Konzentration auf wenige Kreise feststellen. Von 201 Kreisen, die 1993340 Mill. DM erhalten, entfallen auf lediglich 32 immerhin die Hälfte der Fördermittel. Die Inzidenzanalyse für die alten Bundesländer wurde für die Jahre 1989 bis 1992 durchgeführt und beschränkt sich auf die Sanierungsmaßnahmen innerhalb der Städtebauförderung, da die Entwicldungsmaßnahmen nur sehr geringe Anteile an den gesamten Städtebaufördermaßnahmen ausmachten (1992 weniger als 2 vH) und daher vernachlässigbar sind. Dabei wird zunächst danach differenziert, inwieweit die Fördermittel in Kreise geflossen sind, die auch von der Gemeinschaftsaufgabe begünstigt werden. Im Anschluß daran wird überprüft, ob die Städtebauförderung dicht besiedelte Kreise stärker begünstigt. Für jede Sanierungsmaßnahme einer Gemeinde lagen für jedes Programmjahr zwei Informationen vor. Erstens wurden die von der Aufnahme einer Sanierungsmaßnahme bis einschließlich des vorangegangenen Programmjahres kumulierten Beträge ausgewiesen und zweitens der in dem jeweiligen Programmjahr bereitgestellte Betrag . Da die in einem Progammjahr enthaltenen Maßnahmen unterschiedlich lange gefördert wurden, sind die kumulierten Beträge nicht vergleichbar. Wir haben uns aus diesem Grunde dafür entschieden, die Raumwirksamkeit anband der jeweils in einem Programmjahr bereitgestellten Mittel zu analysieren. Die Ergebnisse der Inzidenzanlyse sind in Tabelle B/6 zusammengefaßt. Mit Blick auf das gewählte Unterscheidungskriterium wird deutlich, daß die Gebiete der Gemeinschaftsaufgabe in den Jahren 1989 und 1990 etwas mehr als die Hälfte der Städtebauförderung erhielten, während in den beiden Folgejahren der Anteil auf rund 37 vH sank. Diese Entwicklung ist auf die Reduzierung der Förderkulisse zurückzuführen; gemessen an der Bevölkerungsverteilung erhielten die Regionen der Förderkulisse über den gesamten Berichtszeitraum einen überproportionalen Anteil der Fördermittel. Der Differenzierung der Städtebauförderung nach der Besiedlungsdichte liegt die folgende Vorgehensweise zugrunde. Alle Kreise wurden nach der Kennzahl "Bevölkerung pro Quadratkilometer" absteigend sortiert. Anschließend wurden für die Bevölkerung und die Fördermittel des Bundesbauministeriums die kumulierten relativen Häufigkeiten berechnet. Es zeigt sich über alle Jahre, daß die ersten 116 der 327 Kreise etwa die Hälfte der Städtebau förderung erhalten haben. Da die Kreise nach der Bevölkerungsdichte
33748,1
Andere Gebiete
52,0
Andere Gebiete 52,9
47,1
54,1 45,9
100,0
296,1
34352,3
45,6
54,4
100,0
69,8
30,2
100,0
45350,6
19582,5
64938,6
62,1
37,9
100,0
232,0
141,9
373,9
StadtebauFörderung Mill. DM
1991 Bevölkerung (31.12.89) in 1000
in vH
353,3
649,4
StadtebauFörderung Mill. DM
30586,3
64938,6
Bevölkerung (31.12 .89) in 1000
100,0
298,6
351,6
650 ,2
StadtebauFörderung Mill. DM
1990
Quellen: Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen und Stadtebau; Berechnungen der GIB.
48,0
GRW-Gebiete
100,0
31 190,5
GRW-Gebiete
Insgesamt
64938,6
Insgesamt
Bevölkerung (31.12.89) in 1000
1989
69,8
30,2
62,5
37,5
100,0
232,8
45356,1
100,0
139,9
372,7 19582,5
64938,6
StädtebauFörderung Mill. DM
1992 Bevölkerung (31.12.89) in 1000
Tabelle B/6 Anteil der GRW-Förderkulisse an der Städtebauförderung in den alten Bundesländern
,
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C
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tI:I
IV
00
'"
2.1. Größenordnung und Regionalwirkungen spezifischer Politiken
69
absteigend sortiert wurden, handelt es sich hierbei um die dicht besiedelten Regionen Westdeutschlands. Die Parallelität zwischen Städtebauförderung und Gemeinschaftsaufgabe beruht somit vor allem auf den hohen Zuweisungen für a1tindustrialisierte, hochverdichtete Regionen wie dem Ruhrgebiet. Je Kopf gerechnet läßt sich aber eine spürbare Benachteiligung des ländlichen Raumes nicht erkennen. Die Städtebauförderung kann insgesamt als unterstützend für das interregionale Ausgleichsziel angesehen werden, da der überwiegende Teil der Mittel in die gesamtdeutsche Förderkulisse fließt. Ostdeutschland wird dabei absolut und bezogen auf den Bevölkerungsanteil begünstigt, die Fördergebiete der alten Bundesländer erhielten immerhin im Vergleich zu den übrigen westdeutschen Gebieten einen überproportionalen Anteil der Städtebauförderung. Für die alten Bundesländer zeigt sich überdies, daß die Verdichtungsräume gegenüber den eher dünn besiedelten Regionen stärker berücksichtigt wurden.
Exkurs: Umverteilung von Bundesbehörden im vereinten Deutschland: Zu den Vorschlägen der Unabhängigen Föderalismuskommission Die Unabhängige Föderalismuskommission ist durch einen Beschluß des deutschen Bundestages vom 20. Juni 1991 ins Leben gerufen worden, um zur Stärkung des Föderalismus Vorschläge zur Verteilung der Institutionen des Bundes auf alle Bundesländer zu erarbeiten. Dabei sollen insbesondere die neuen Bundesländer Berücksichtigung finden. Überdies berücksichtigt die Kommission die Erwägungen des Arbeitsstabes Berlin/Bonn, bestimmte Bundeseinrichtungen zum Ausgleich des Verlustes des Regierungssitzes an den Rhein zu verlagern. Derartige Standortentscheidungen nehmen auf die Entwicklung der betroffenen Regionen Einfluß. Neben der Imageaufwertung im Falle eines Zuzuges oder der Abwertung im Falle eines Wegzuges sind es vor allem drei Punkte, die hier von Bedeutung sind: - Zum einen handelt es sich um die Personalausgaben, die zu großen Teilen in den jeweiligen Regionen nachfragewirksam werden. - Zum anderen stimulieren örtliche Investitionen und sonstige Sachausgaben in Abhängigkeit von der interregionalen Vorleistungsstruktur die wirtschaftliche Tätigkeit vor Ort. - Schließlich ist drittens denkbar, daß Private (beispielsweise Interessengruppen), für die die räumliche Nähe zu Bundesinstitutionen bedeutungsvoll ist, ihre Standortentscheidungen entsprechend anpassen. In diesem Fall werden die oben genannten Entwicklungen verstärkt. Einen Überblick über die Größenordnungen der zur Disposition stehenden Arbeitsplätze gibt Tabelle B/7. Bei der Interpretation dieser Angaben ist zu beachten, daß es sich hierbei lediglich um Empfehlungen für den Deutschen Bundestag handelt, der letztlich darüber zu befinden hat. Zweitens sind nicht für alle Behörden die Anzahl der betroffenen Stellen verzeichnet. Darin kommt der gegenwärtig noch sehr unbestimmte Ausgang dieser Maßnahmen zum Ausdruck. Nach Tabelle B/7 sollen insgesamt 18 Behörden, Teile davon oder deren AußensteIlen einen neuen Standort in den neuen Bundesländern finden. Betroffen
70
2. Bedeutung anderer ausgewählter raumwirksamer Politiken
Tabelle BI7 Vorschläge der Unabhängigen Föderalismuskommission vom 27. Mai 1992 für eine ausgeglichene Verteilung von Bundesbehörden unter besonderer Berücksichtigung der neuen Länder Geplanter Umzug Von
Nach
Berlin
Sachsen (LeipZig) Thüringen
Karlsruhe
Instrtutlonen
Stellen
250
Der 5 (Berliner) Strafsenat des BGH. neue BGH·Senate Berliner Zentrum fOr Telekommunikation "
1087
DeutSChes Patentamt, AußensteIle, Berlin (Hauptabteilung 5) Bundesverslcherungsanstan fOr Angestellte
l0ö0
540
Thuungen (Nordhausen)
BundesanstaH für Wasserbau. AußensteIle Berlin
Mecklenburg-Vorpommern
BundesverslcherungsanstaH fOr Angesteine
168
Landwirtschaflliche Berufsgenossenschaft"
326
Brandenburg
BundesversicherungsanstaH fUr Angestellte Bundesrechnungshof
1500 ca 100
Brandenburg (GOiersfelde)
Biologische BundesanstaH fOr Land- und Forstwirtschaft, AußensteIle Berhn
114
Sachsen-Anhan (Magdeburg)
Wasser- und Schiffahrtdirektion Ost
243
Sachsen-AnhaH (Dessau oder Wittenberg)
Umweltbundesamt
837
Sachsen (LeipZig)
Bundesverwanungsgencht
2000
Der GeneralbundesanwaH beim Bundesgerichtshof (Für Jeden neuen Zivilsenat geht ein bestehender Strafsenat von Karlsruhe nach Leipzig) Hamburg
Mecklenburg-Vorpommern (Rostock)
BundesanstaH fUr Seeschiffahrt und Hydrographie
150
Kassel
Erlurt
Bundesarbeitsgencht
140
Karlsruhe
Neue Zivilsenate
- ---'1
Verbleib In Berlin. Ersatzlosung fOr Sachsen bisher noch nicht gefunden . im Gespr3ch Ist die Einnchtung einer Akademie für
Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz - "Die Landwirtschafthche Berufsgenossenschaft bleibt in Honow (bei Berlin) , ErsatzlOsung fOr MVP : Landwirtschaftliche Anersversorgung
Quelle Zusammenstellung der GIB nach DeutSCher Bundestag, Drs 1212853: Niederschrift der 12. Sitzung der Unabhanglgen FOderalismuskommlssion am 30. Juni 1993. S 15.16
2.1. Größenordnung und Regionalwirkungen spezifischer Politiken
71
sind hiervon rund 8.000 Stellen. Berlin soll hiernach als zukünftiger Regierungssitz mit 13 Behörden den überwiegenden Teil und beinahe alle zur Disposition stehenden Arbeitsplätze abgeben. Die zweitgrößte Last dürfte von der Stadt Karlsruhe zu tragen sein, die mit der Verlagerung einiger Institutionen der Gerichtsbarkeit rechnen muß, über deren personelle Konsequenzen bislang nichts bekannt ist. Im Gegenzug werden in der nordbadischen Stadt jedoch neue Zivilsenate eingerichtet. Schließlich sind Hamburg und Kassel mit je einer Institution sowie 150 bzw. 140 Arbeitsplätzen betroffen. Da Berlin allein über den Zuzug zahlreicher Ministerien umgekehrt sicherlich stark von den Gesamtverlagerungen eher profitiert und auch für Karlsruhe durch die Einrichtung neuer Zivilsenate Kompensationen entstehen, zeichnen sich hier keine wesentlichen regionalpolitischen Konsequenzen ab . Von den neuen Bundesländern wird vor allem Mecklenburg-Vorpommern begünstigt. Darüber hinaus ist erkennbar, daß - sofern bekannt - insbesondere die Städte vom Zuzug der Bundesbehörden profitieren werden. Während es sich bei Leipzig, das sicherlich aus traditionellen Gründen mit zahlreichen lustizbehörden bedacht wird , um eine strukturstarke und für ostdeutsche Verhältnisse prosperierende Stadt handelt, werden mit Dessau (oder Wittenberg) und Rostock eher strukturschwache Regionen aufgewertet. Nach Bonn sollen für den Verlust des Regierungssitzes mit 22 Institutionen des Bundes etwa 7 400 Arbeitsplätze verlagert werden, also beinahe soviel wie das Beitrittsgebiet zusammen neu erhalten soll . Es bleibt somit vorsichtig schlußfolgernd festzuhalten , daß der Bund mit der Verlagerung eines Teils seiner Behörden in die neuen Bundesländer durchaus seine regionalpolitischen Ziele in gewissem Umfang unterstützen kann. Insgesamt allerdings, sieht man von Berlin ab, bleiben bezogen auf den Bevölkerungsanteil die ostdeutschen Länder weiterhin unterproportional mit Bundesbehörden versorgt.
Fazit In den vorangegangenen Abschnitten galt es, für bestimmte Politikfelder des Bundes zu prüfen, ob und inwieweit das Ziel der Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" unterstützt , kompensiert oder gar konterkariert wird. Mit Blick auf die Größenordnungen der ausgewählten Politikbereiche bestätigte sich, daß der Bund mit seiner Beteiligung an der Gemeinschaftsaufgabe in Höhe von gut 3 Mrd. DM und mit dem Anteil der gewährten Investitionszulagen in Höhe von 2 Mrd. DM (1992) verglichen mit anderen Tätigkeitsfeldern nur über ein geringes Interventionspotential verfügt. Diese Aussage ist jedoch vor dem Hintergrund zu relativieren, daß diese Ausgaben nur den auslösenden, nicht jedoch den effektiven Impuls einschließlich der Mitfinanzierung und der Multiplikatoreffekte wiedergeben. Zudem steht die Möglichkeit offen, zusammen mit anderen Maßnahmen die Regionalpolitik nachhaltig zu unterstützen. Bei Kofinanzierungsmodellen sind den ausgewiesenen Ansätzen entsprechend hohe Beträge öffentlicher (z.B. Städtebau förderung) oder privater (BMFT-Förderung) Mittel
72
2. Bedeutung anderer ausgewählter raumwirksamer Politiken
hinzuzurechnen. Jedoch sind die effektiven Werte nicht isolier- und quantifizierbar, so daß die effektiven Größenverhältnisse nicht abschließend abgeschätzt werden können. Bezüglich der qualitativen Auswirkungen ergeben sich deutliche Unterschiede, je nach dem, ob die Mittel strukturkonservierend oder als Anschub zur Anpassung an sich ändernde Rahmenbedingungen eingesetzt werden. Bei Infrastrukturmaßnahmen kommt hinzu, daß diese die Standortqualitäten der Regionen positiv beeinflussen und private Folgeinvestitionen nach sich ziehen (können) . Im einzelnen zeigt die Analyse, daß im Rahmen der sektorspezifischen Politiken die Förderkulisse der Gemeinschaftsaufgabe zwar begünstigt wird; es ist aber eine offene Frage, ob das strukturkonservierende Element dieser Subventionen das interregionale Ausgleichsziel der Gemeinschaftsaufgabe genügend unterstützt oder nicht sogar behindert hat. Die Mittelstandsförderung, soweit sie aus dem europäischen Wiederaufbauprograrnm finanziert wird, sowie die Städtebauförderung begünstigen eindeutig die Förderkulisse der Gemeinschaftsaufgabe. Dieses liegt im wesentlichen daran, daß das Gros der Maßnahmen Ostdeutschland zugute kommt, das als Ganzes Teil der gesamtdeutschen Förderkulisse ist. Die Verkehrs- und Telekommunikationsinfrastruktur liefert ohne Zweifel einen wichtigen Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung der Regionen . Hier ist festzustellen, daß das Gros der Mittel in die alten Bundesländer fließt und darüber hinaus die Verdichtungsräume gerade unter Berücksichtigung der Netzwirkungen tendenziell begünstigt werden. Für die Verkehrsinfrastruktur ist ergänzend zu berücksichtigen, daß auch die hohe Subventionierung des öffentlichen Personennahverkehrs einen Beitrag zum Überschreiten des Ballungsoptimums leisten kann . Die für die wirtschaftliche Entwicklung nicht minder wichtige Forschungsförderung des BMFT kommt heute noch in der Regel den zentral gelegenen, strukturstarken Regionen in Westdeutschland zugute, die nicht durch die Gemeinschaftsaufgabe gefördert werden. Obgleich über die effektiven Größenordnungen keine abschließenden Aussagen gemacht werden können, ist das Budget des Bundes tendenziell danach ausgerichtet, Städte und Verdichtungsräume stärker zu begünstigen, während die peripheren Regionen nur unterdurchschnittlich profitieren. Dieses Ergebnis resultiert aus der Tatsache, daß die MitteIvergabe in der Regel nicht Ausdruck regionalpolitischer Überlegungen ist, sondern sich nach anderen Kriterien richtet. Um ein Beispiel zu geben: Aus regionalpolitischer Sicht wäre es sicher zu begrüßen, die BMFT-Fördermittel verstärkt in strukturschwache Regionen zu lenken. Ob damit jedoch dem primären Ziel, die Forschungsaktivitäten in der Volkswirtschaft effizient zu fördern, d .h. mit gegebenem Mittelvolumen ein Maximum an Output zu erzielen, Genüge getan würde, ist zu bezweifeln. Ebenso ist einleuchtend, daß die Telekommunikationsinfrastrukturmaßnahmen zunächst die Verdichtungsräume begünstigen, da auf diese Weise in relativ kurzer Zeit und mit relativ geringem Mitteleinsatz sehr hohe Nutzungsexternalitäten erzielt werden können. Allerdings hat vielfach zugunsten Ostdeutschlands eine erhebliche Umlenkung der Mittel stattgefunden. Die Schlußfolgerung aus diesem Ergebnis kann keinesfalls lauten, alle Politikfelder fortan allein dem interregionalen Ausgleichsziel unterzuordnen. Allerdings macht dieses
2.1. Größenordnung und Regionalwirkungen spezifischer Politiken
73
Ergebnis die Notwendigkeit des regionalpolitischen Engagements des Bundes im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe ebenso deutlich, wie den Zwang, über flexiblere Fördermodalitäten und eine bessere Koordinierung mit anderen Fachpolitiken die Wirkungsintensität ihrer Ausgleichsbestrebungen zu steigern. Welche Möglichkeiten bzw. Erfordernisse hier bestehen, wird im abschließenden Kapitel D diskutiert.
2.2. Zur raumwirksamen Bedeutung des Aufgaben- und Finanzierungsverbundes zwischen Bund, Ländern und Gemeinden 2.2.1. Kompetenz- und Finanzmittelverteilung Die öffentlichen Haushalte beeinflussen die wirtschaftliche Entwicklung in den einzelnen Regionen Deutschlands in vielfältiger Weise. Dabei handelt es sich nicht nur um die spezifischen Instrumente der Regionalpolitik - insbesondere die Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" -, sondern auch um Maßnahmen anderer Politikbereiche sowie des generellen Aufgaben- und Finanzierungsverbundes zwischen den Gebietskörperschaften. Das intensive Geflecht der Finanzausgleichsmechanismen trug zu räumlich ausgewogener Verteilung der gesamtwirtschaftlichen Wachstumsgewinne wesentlich bei (Sachverständigenrat 1984/85, Ziff. 410) . Mit der Finanzrefonn 1969 ist das System des kooperativen Föderalismus in der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland verankert worden. Dabei ließen sich die Gesetzgeber von dem Grundsatz leiten, daß die "Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse" im Bundesgebiet gewahrt werden solle. Allerdings läßt sich nach Art. 106 nicht schon ein verfassungsmäßiger Auftrag - gleichsam eine positive Forderung - an die politischen Akteure ableiten, zur Wahrung der einheitlichen Lebensverhältnisse in jedem Falle tätig zu werden. Vielmehr handelt es sich um die Kurzformel einer Leitidee (Zimmermann 1987). Ein zentrales Problem im föderativen Staatsaufbau besteht darin, die Kompetenzen und Aufgaben zwischen dem Bund und den Gliedstaaten so zu gestalten, daß der Bund seine - am gesamtstaatlichen Interesse orientierten - Aufgaben wirksam wahrnehmen kann und gleichzeitig die Länder genügend Spielraum haben, ihre eigenen, regional bezogenen Ziele zu erreichen. Allgemein geht es daraum, die Vor- und Nachteile der Zentralisierung bzw. Dezentralisierung öffentlicher Aufgaben zu optimieren (Biehl 1979; Frey 1977; Junkemheinrich 1991). Wohlfahrtsverluste durch Dezentralisierung können z.B. bei fehlender Kongruenz vom Kreis der Nutzer und Zahler, im Falle von technischen Unteilbarkeiten (z.B. Kläranlagen) oder zu hoher Durchschnittskosten, als Folge von System- oder Netzinterdependenzen (z.B. Abstimmung von Kreis- und Bundesstraßen, Gewerbeflächenplanung) oder auch als Folge davon entstehen, daß Ziele der Einkommens-, Sozial- oder auch Konjunkturpolitik nur unzureichend verfolgt werden können. Vorteile der Dezentralisierung sind insbesondere darin zu sehen, daß individuelle Präferenzen stärker berücksichtigt werden können, vor allem dann, wenn sie sich regional unterscheiden und niedrigere Kosten verursachen, z.B. durch geringeren Planungs-, Entscheidungs- und Realisie-
74
2. Bedeutung anderer ausgewählter raumwirksamer Politiken
rungsaufwand . Von den unteren Haushaltsebenen sollten idealtypisch also jene Aufgaben wahrgenommen werden, die in ihrer Nutzungs- und Wirkungsreichweite lokal bzw. regional begrenzt sind und die auf diesen Ebenen kostengünstiger - weil auf die lokalen Bedürfnisse zugeschnitten - hergestellt werden können. Je umfangreicher die System- oder Netzinterdependenzen sind, um so notwendiger werden horizontale und vertikale Koordination. Mit der FestIegung der Aufgaben und Ausgaben auf die verschiedenen Haushaltsebenen - der Lastenverteilungsgrundsatz nach Art. 104a Abs. I GG postuliert im Prinzip eine Dekkungsgleichheit von Aufgaben und Ausgaben - stellt sich die Frage der Steuerverteilung, im föderativen System eine Kernfrage der Finanzverfassung, weil konstitutiv für die dezentrale Finanzautonomie. In der Aufteilung der Steuererträge auf Bund, Länder und Gemeinden (Art. 106 GG) finden sich Elemente des Trennsystems - der volle Ertrag einer Steuerart steht einer Körperschaft zu - ebenso wie Elemente des Mischsystems, das eine Beteiligung aller Ebenen an einer Steuer oder mehreren Steuern vorsieht ("Gemeinschaftssteuern"). Doch überwiegt die Bedeutung der Gemeinschaftssteuern bei weitem, was bereits als Indiz dafür gewertet werden kann, daß die Einnahmenseite des Budgets nur in sehr engen Grenzen als Aktionsparameter für Länder und Gemeinden zur Verfügung steht. Ein zentraler Ansatzpunkt für die Schaffung einheitlicher Lebensverhältnisse ist im Status quo die weitgehende steuerliche Gleichbehandlung von privaten Haushalten und Unternehmen über das gesamte Bundesgebiet hinweg. Nicht steuerliche Selbständigkeit der Bundesländer, sondern einheitliches Steuerrecht ist die Vorgabe des Art. 106 GG . Bezüglich der regionalen Ressourcenallokation wirkt das Steuerrecht im Prinzip neutral - wenn man davon absieht, daß in Ostdeutschland für eine Übergangszeit Sonderregelungen gelten) . Faktisch beschränkt sich die Autonomie der Länder auf die Ausgabenseite; die Gemeinden haben immerhin das Instrument der Gewerbesteuer- und Grundsteuerhebesätze zur Beeinflussung von Standortentscheidungen zur Verfügung . Auch die prinzipielle Deckungsgleichheit von Aufgaben und Ausgaben bzw. die strikte Trennung der Aufgaben nach Haushaltsebenen wird an mehreren Stellen durchbrochen. Hierbei handelt es sich um die sogennanten "Mischfinanzierungstatbestände": die Geldleistungsgesetze nach Art. 104a, Abs. 3 GG (z.B. Wohngeld), Gemeinschaftsaufgaben nach Art. 91a GG (z.B. die Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur) sowie Finanzhilfen für "besonders bedeutsame Investitionen" von Ländern und Gemeinden nach Art. 104a, Abs. 4 GG (z.B. Stadtsanierung und ~ntwicklung, Ausbau der Gemeindeverkehrswege und des öffentlichen Personennahverkehrs) . Der Bund beteiligt sich an diesen klar eingegrenzten, zweckgebundenen Maßnahmen, die komplementären Mittel müssen die Länder aufbringen. Mit dieser Konstruktion sollen öffentliche Aufgaben auch dort möglich werden, wo Länder und Gemeinden aus eigener Kraft überfordert sind.
3 In Ostdeutsch land wird ein erhöhter Einkommensfreibetrag gewährt, Vermögen- und Gewerbekapitalsteuern werden nicht erhoben sowie Investitionen steuerlich erheblich begünstigt - Tatbestände, die auch in den Finanzausgleichsmechanismus hineinwirken.
2.2 . Zur raumwirksamen Bedeutung
75
Zwischen Bund und Ländern besteht kein Über- oder Unterordnungsverhältnis. Hingegen sind die Gemeinden keine eigenständige staatliche Ebene, sondern Teil der Länder. Sie erhalten zwar im Sinne des vom Grundgesetz garantierten Selbstverwaltungsrechts eigene Steuereinnahmen, doch decken diese und die Einnahmen aus Gebühren nur einen geringen Teil ihres Finanzbedarfes. Vielmehr ist es Aufgabe der Länder, den Gemeinden im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs ausreichende Finanzmittel zur Verfügung zu stellen und Unterschiede in der Steuerkraft zu verringern. Hieraus resultieren Abhängigkeiten, und nicht selten kommt es deshalb zu Spannungen. Sie werden noch dadurch verstärkt, daß die Gesetzgebungszuständigkeit im Steuerrecht weitgehend beim Bund liegt und dieser die Steuerpolitik häufig zur Erreichung gesamtwirtschaftlicher Ziele einsetzt. Werden z.B. die Einkommensteuern gesenkt, so wird der Handlungsspielraum - und damit die Eigenständigkeit - von Ländern und Kommunen auf der Ausgabenseite eingeschränkt. Ein anderes Beispiel sind die verschiedenen Eingriffe in die Gewerbesteuer durch den Gesetzgeber zum Nachteil der Kommunen in den altindustrialisierten Ballungsgebieten. Der Gestaltungsspielraum der Gemeinden wird aber nicht nur auf der Einnahmenseite beschränkt. Auch die Maßnahmen zur kommunalen Wirtschaftsförderung unterliegen engen Begrenzungen, wie die Empfehlungen des Planungsausschusses für regionale Wirtschaftsstruktur dokumentieren (22. Rahmenplan, S. 13). Die Kommunen sind danach zu "bundesund landestreuern Verhalten" verpflichtet und sollen sich bei der Wirtschaftsförderung auf "unbedenkliche Maßnahmen" im Rahmen der allgemeinen kommunalen Aufgabenerfüllung konzentrieren . Direkte Wirtschaftsförderung ist nur ausnahmsweise zulässig und soll erst nach genauer Wirtschaftlichkeitsprüfung erfolgen. Mit der vertikalen Aufgaben- und Finanzmittelverteilung ist noch nicht darüber entschieden, nach welchen Kriterien das Steueraufkommen auf die einzelnen Bundesländer aufgeteilt werden soll. Die Finanzverfassung sieht verschiedene Prinzipien vor: -
Die Lohnsteuer wird nach dem Wohnsitzprinzip und die Körperschaftssteuer nach dem Betriebsstättenprinzip, die Landessteuern werden nach dem örtlichen Aufkommen , und der Länderanteil an der Umsatzsteuer wird nach der Einwohnerzahl aufgeteilt.
Bereits diese Verteilungsmechanismen nivellieren zum Teil beträchtlich die Finanzkraft. Dies zeigt sich z.B. in den Effekten, die von der Lohnsteuerzerlegung zwischen Stadtstaaten und ihrem Umland ausgehen. Noch gewichtiger sind die Unterschiede, die sich ergeben, wenn man die Verteilung des Länderanteils an der Umsatzsteuer nach der Einwohnerzahl mit dem örtlichen Aufkommen vergleicht. So wären nach dem örtlichen Aufkommen 1992 über 3,6 Mrd. DM an Umsatzsteuer im Haushalt Hamburgs verblieben4 , doch hatte der Stadtstaat entsprechend seines Einwohneranteils nur Anspruch auf knapp 1,4 Mrd . DM. In dem Maße, wie durch diese Verteilungsmechanismen die Steuerkraft-
4 Insgesamt belief sich das örtliche Umsatzsleueraufkommen in Hamburg auf reichlich 10 Mrd. DM .
76
2. Bedeutung anderer ausgewählter raumwirksamer Politiken
unterschiede zwischen den einzelnen Bundesländern verringert werden, reduzieren sich die Anforderungen an den horizontalen Finanzausgleich.
2.2.2. Der Länderfinanzausgleich Ein Kernstück des kooperativen Föderalismus ist der Finanzausgleich unter den Ländern. Seine Notwendigkeit ergibt sich aus einer Kombination des Prinzips eines räumlich einheitlichen Steuersystems und des Anspruchs der Verfassung, einheitliche Lebensverhältnisse im Sinne des Art. 106 GG zu schaffen. Ziel des Ausgleichs ist es, die Finanzkraft zwischen armen und reichen Bundesländern "angemessen" auszugleichen. Dabei wandelt die Politik auf schmalem Grat: Einerseits soll der Anreiz der finanzschwachen Länder zur Selbsthilfe nicht geschwächt und die Eigeninitiative der ausgleichspflichtigen Länder nicht durch übermäßigen Entzug von Mitteln gelähmt werden . Auf der anderen Seite sollen die ausgleichsberechtigten Länder durch die Umverteilung in die Lage versetzt werden, ihre Aufgaben wie der Durchschnitt aller Bundesländer zu erfüllen. Im Gegensatz zum kommunalen Finanzausgleich ist der Länderfinanzausgleich ein reiner Steuerkraftausgleich. Er geht von der Fiktion eines gleichen Finanzbedarfs pro Kopf der Bevölkerung in den Flächenländern aus. Eine Ausnahme stellen die Stadtstaaten dar, deren Einwohnerzahlen um 35 vH höher gewichtet werden als die der Flächenstaaten. Begründet wird dies mit den "Kosten der Kleinheit" und damit, daß die Stadtstaaten - wie andere Städte im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs - zur Deckung ihrer ballungsbedingten und zentralörtlichen Lasten eine Kompensation erhalten müssen. Elemente des Ausgleichs unter den Ländern sind der Umsatzsteuervorwegausgleich und der horizontale Ausgleich im eigentlichen Sinne. Letztlich wird den finanzschwachen Ländern eine Steuerkraft von 95 Prozent des Länderdurchschnitts je Einwohner garantiert. Die Abschöpfung der Geberländer erfolgt progressiv, d.h. mit zunehmender Steuerkraft steigt die Abschöpfungsquote. Die Verteilungsergebnisse des horizontalen Finanzausgleichs werden abschließend durch ein vertikales Element - den Ergänzungszuweisungen des Bundes - korrigiert. Im Unterschied zum Finanzausgleich i.e.S. werden diese Zuweisungen auch zum Ausgleich von spezifischen Bedarfen der Bundesländer gewährt. Obwohl der Finanzausgleich als Spitzenausgleich der Steuerkraft konzipiert ist, gehen von ihm in starkem Maße nivellierende Wirkungen aus, wie die Ergebnisse für das Jahr 1991 zeigen (Tabelle B/8). Wegen zu stark divergierender Steuerkraft findet ein gesamtdeutscher Finanzausgleich noch nicht statt. Er ist von 1995 an vorgesehen; bis dahin erfüllt im wesentlichen der Fonds "Deutsche Einheit" die Ausgleichsfunktion. Die Einbeziehung der neuen Länder in den horizontalen Finanzausgleich erforderte eine Reform des Systems. Hätte man die alten Regelungen unverändert gelassen, wäre es zu beträchtlichen Übernivellierungen gekommen: Nicht nur wären Unterschiede in der Steuerkraft - wie beabsichtigt - verringert worden; es wäre auch die Finanzkrafthierarchie auf den Kopf gestellt und damit ein wesentliches Ausgleichsprinzip verletzt worden, denn die ärmeren Länder wären vielfach besser gestellt gewesen als die reicheren (Vesper 1992).
100,0
Insgesamt 100,0
99,8 99,4 111,0 92,0 109,8 92,0 92,0 92,0 148,8 106,1 100,0
99,8 99,6 107,7 87,9 106,7 90,4 88,3 87,9 136,3 104,0 100,0
100,1 99,4 108,5 87,7 107,7 89,6 87,3 84,6 135,1 100,1 100,0
99,7 99,5 99,7 95,8 99,7 95,1 95,5 98,7 134,2 130,8
Nach Finanzausgleich i.e.S.
100,0
99,7 99,5 100,0 95,8 100,0 95,0 95,5 98,7 131,4 130,8
-
100,0
98,1 97,8 98,3 100,3 98,3 98,7 100,6 108,0 129,3 141,0
Nach Finanz- Einschließlich Ergänzungsausgleich zuweisungen i.e.S. und Garantien
1)
-
I
-----
Nach Lohn- und Körperschaftsteuerzerlegung . - 2) 75 vH des Umsatzsteueranteils nach Einwohnerzahl und Ergänzungsanteile bis 92 vH der durchschnittlichen Steuerkraft. Quellen' Bundesministerium der Finanzen; Berechnungen des DIW.
99,8 99,4 111,0 83,7 109,8 87,4 84,6 71 ,5 148,8 106,1
Nordrhein-Westfalen Bayern Baden-Württemberg Niedersachsen Hessen Rheinland-Pfalz Schleswig-Holstein Saarland Hamburg Bremen
Ohne Nach Nach Einschließlich hälftige Umsatzsteuer- Umsatzsteuer- Umsatzsteuer2 anteilI) verteilung ) Gemeindevorwegausgleich steuem
Tabelle BI8 Steuereinnahmen der alten Bundesländer je Einwohner in vH des Durchschnitts 1991
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78
2. Bedeutung anderer ausgewählter raumwirksamer Politiken
Das Grundgerust des Ausgleichsystems ist erhalten geblieben. Damit der Finanzausgleich i.e.S . nicht überfordert wurde, war es aber notwendig, sowohl den Umsatzsteuervorwegausgleich als auch das Instrument der Bundesergänzungszuweisungen beträchtlich aufzuwerten. Im Jahre 1995 werden immerhin 17 Mrd . DM für den Umsatzsteuervorwegausgleich zur Verfügung stehen; dies ist möglich , weil der Länderanteil an der Umsatzsteuer von 35 vH auf 44 vH erhöht wird. Für Ergänzungszuweisungen des Bundes an finanzschwache Länder sind sogar 25 Mrd. DM vorgesehen, während im Rahmen des Finanzausgleichs i.e.S. nur knapp 14 Mrd. DM umverteilt werden. Mit den Ergänzungszuweisungen sollen folgende Tatbestände ausgeglichen werden: -
verbleibende Fehlbeträge nach dem Länderfinanzausgleich, Kosten der politischen Führung und zentralen Verwaltung, teilungsbedingte Sonderlasten, Übergangslasten der alten finanzschwachen Bundesländer und Haushaltsnotlagen, die in der Vergangenheit entstanden sind (Bremen und Saarland).
Daruber hinaus wurden durch die Reform einige Inkonsistenzen des Ausgleichssystems beseitigt. Insbesondere wurde der Nivellierungsgrad des Systems gemildert, indem die Abschöpfungsquoten der ausgleichspflichtigen Länder - der "Umverteilungstarif" - gesenkt wurden . Zudem sind als Folge des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 27 .5 . 1992 die Garantieklauseln modifiziert worden, was im Ergebnis dazu führt , daß im Gegensatz zum bisherigen Verfahren die Finanzkraftreihenfolge durch den Finanzausgleich nicht verändert wird. Mit Hilfe eines Simulationsmodells können die Wirkungen, die vom refonnierten Länderfinanzausgleich auf die einzelnen Bundesländer ausgehen, dargestellt werden. Berechnungsgrundlage sind die Ergebnisse der mittelfristigen Prognose des Steueraufkommens durch den "Arbeitskreis Steuerschätzungen" vom Mai 1993 . Ein Blick auf Tabelle B/9 zeigt, daß der Finanzausgleich unter den neuen Bedingungen längst nicht mehr nur Spitzenausgleich ist, sondern eine völlig andere Dimension hat. Dies gilt erst recht, wenn die Ergänzungszuweisungen an die finanzschwachen Länder mit berucksichtigt werden. Zunächst werden die riesigen Steuerkraftunterschiede zwischen den einzelnen Ländern, vor allem zwischen Ost und West, deutlich. Die ostdeutschen Länder dürften 1995 über ein originäres Steueraufkommen verfügen, das lediglich bei 38 vH des Durchschnitts beträgt und damit um mehr als die Hälfte hinter dem Pro-Kopf-Aufkommen des finanzschwächsten westdeutschen Bundeslandes (Saarland) zuruckbleibt. Die höchste originäre Steuerkraft weist der Stadtstaat Hamburg auf, es folgen Hessen und Baden-Württemberg. Bereits der Umsatzsteuervorwegausgleich bewirkt eine erhebliche Umverteilung, immerhin wird die Steuerkraft der finanzschwachen ostdeutschen Länder auf dieser Ausgleichsstufe auf fast 90 vH des Durchschnitts der Ländersteuereinnahmen angehoben; die hierzu erforderliche Umverteilungsmasse von rund 17 Mrd . DM stammt ausschließlich aus dem Verzicht des Bundes auf Umsatzsteueranteile.
Quelle: Berechnungen des DIW.
37,5 37,3 38,3 38,7 38,0
161,5 117,2 109,1
Hamburg Bremen Berlin
Sachsen Sachsen-Anhalt Thüringen Brandenburg Mecklenburg-Vorpommern
103,1 102,6 107,6 92,5 111,9 90,8 94,8 88,1
114,4 113,7 121,2 98,6 127,6 96,1 102,0 82,5
Nordrhein-Westfalen Bayern Baden-Württemberg Niedersachsen Hessen Rheinland-Pfalz Schleswig-Holstein Saarland
88,1 88,1 88,1 88,1 88,1
134,6 104,9 99,5
Nach USt-Anteil
Vor LFA, ohne I USt-Anteil
79,8 79,8 79,6 80,1 79,2
138,1 104,6 100,6
105,2 104,0 110,2 94,4 113,8 92,0 95,5 86,6
IEinSChl. Ge- I meindesteuern
95,0 95,0 95,0 95,0 95,0
102,4 96,1 95,2
102,5 102,4 103,6 97,9 104,0 96,4 98,8 95,0
Nach LFA i. e .. S.
Steuerkraft je Einwohner in vH des Durchschnitts
5470 3310 2940 2880 2180
-430 -180 -890
-4530 -3010 -2600 -1 940 -1 510 -990 -690 -10
I
2770 1630 1490 1420 1 150
-420 590 3420
-3570 -2230 -4170 430 -3270 370 90 300
L F A i.e.S.
Zuweisungen (+) und Beiträge (-) in Mill. DM UmsatzsteuerVorwegausgleich
Tabelle B/9 Umverteilungswirkungen im Länderfinanzausgleich 1995 I
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80
2 . Bedeutung anderer ausgewählter raumwirksamer Politiken
Im Zuge des Ausgleichs i.e.S. werden die Finanzkraftunterschiede nochmals erheblich eingeebnet. Im Endergebnis verfügen die finanzschwachen Länder über 95 vH der durchschnittlichen Steuerkraft, während die wirtschafts- und finanzstarken Länder bei etwa 104 vH liegen. Wie bereits erwähnt, übersteigt die Summe der Ergänzungszuweisungen des Bundes sowohl das Umverteilungsvolumen, das sich im Zuge des Umsatzsteuervorwegausgleichs errechnet, als auch den Betrag, der im Ausgleich i.e.S. umverteilt wird. Im Endergebnis wird die Finanzkraft der ostdeutschen Länder beträchtlich höher sein als die der ehedem finanzstarken Länder. Tabelle BI101 zeigt, mit welchen Ergänzungszuweisungen - die einzelnen Bundesländer 1995 rechnen können . Alles in allem wird deutlich, daß zumindest rein quantitativ der Länderfinanzausgleich erheblich an Bedeutung gewinnen wird und das Instrument ist, von dem mit Abstand die stärksten raumwirksamen Wirkungen ausgehen. In Anbetracht der schweren Anpassungskrise in Ostdeutschland und der geringen Steuerkraft einerseits sowie des hohen Finanzbedarfs zum Ausbau und zur Modernisierung der Infrastruktur andererseits kann die Neuregelung des Länderfinanzausgleichs alles in allem als problemadäquat bezeichnet werden. Einige Mängel des Systems sind allerdings nicht behoben worden. Zum Beispiel werden die Gemeindesteuern weiterhin nur hälftig berücksichtigt; eine volle Anrechnung wäre im Sinne des Ausgleichsziels nur konsequent gewesen, denn dadurch wären die finanzschwachen altindustriellen Verdichtungsräume begünstigt worden. Probleme wirft auch die Tatsache auf, daß die Steuervergünstigungen für Ostdeutschland in den Länderfinanzausgleich hineinwirken und die westdeutschen Länder belasten; eigentlich müßte der Bund dem Konnexitätsprinzip folgend ("wer entscheidet, zahlt") - für die Refinanzierung sorgen (Färber 1993, S. 312). Nicht unproblematisch ist schließlich die Ausweitung der Sonderbedarfstatbestände im Zusammenhang mit den Bundesergänzungszuweisungen.
2.2.3. Der kommunale Finanzausgleich Neben dem Länderfinanzausgleich kommt dem kommunalen Finanzausgleich eine sehr große raumwirksame Bedeutung zu . Die Ausgestaltung des Gemeindefinanzsystems hängt in erster Linie von dem Umfang der Aufgaben- und Ausgabenkompetenz ab, die der kommunalen Ebene zugeteilt wird. Von den Gemeinden werden insbesondere Aufgaben mit lokal begrenzter Wirkung wahrgenommen. Zudem werden vielfach Leistungen angeboten, deren Nutzung individuell zurechenbar ist, folglich spezielle Nutzungsentgelte (Gebühren) erhoben werden können. Die Ausgestaltung des kommunalen Steuersystems orientiert sich am Äquivalenzprinzip. Mit den Steuern werden vor allem solche Leistungen finanziert, die individuell nur schwer zugerechnet werden können undloder meritorischen Charakter haben bzw. der infrastrukturellen Basisaustattung zuzurechnen sind. In diesem Sinne ist die Gewerbesteuer zu interpretieren, deren Aufkommen - nach Abzug der Gewerbesteuerumlage - den Gemeinden zusteht : In den Gemeinden erwachsen durch die Produktionstätigkeit der örtlichen Betriebe besondere Anforderungen an die Infrastruktur, die nicht "verursachergerecht" den Betrieben angelastet werden können. In diesem Sinne ist auch der
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Niedersachsen Rheinland-Pfalz Schieswig-Hoistein Saarland Bremen Berlin Sachsen Sachsen-Anhalt Thüringen Brandenburg Mecklenburg-Vorpommern
58 64 65 87
-
57 62 142 184 63
164 164 164 164
-
219 164 153 126 219
BEl Kosten politische Führung
Quellen: Finanzministerium Baden-Württemberg; DIW.
101 38 200 199 266 199 199 199 198 199
581 391 101 216 136 918 930 560 507 501 374
Niedersachsen Rheinland-Pfalz Schieswig-Hoistein Saarland Bremen Berlin Sachsen Sachsen-Anhalt Thüringen Brandenburg Mecklenburg-Vorpommern
I
FehlbetragsBEl
-
507 451 227 80 80
784 786 787 785 785
771
-
-
-
-
67 117 85 74 117
DM je Einwohner
2662 3658 2208 2008 1985 1479
-
ÜbergangsBEl
Mill. DM
BElteilungsbedingte Lasten
-
1483 2630
-
-
1600 1800
-
BEl Haushaltsnotlage
Tabelle BllO Verteilung der Bundesergänzungszuweisungen (BEZ) 1995
144 275 185 1899 3130 1 100 983 1043 1050 1048 1 071
1088 1 061 492 2049 2142 3799 4588 2932 2679 2650 2017
Insgesamt !
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150000
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101
129/ 130
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Hessen
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Niedersachsen
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Saarland
Quelle : M .. nin Junke rnheinnt.:h : Gemeindefinanze n, ~ . il . O . , S. 177 .
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2.2. Zur raumwirksamen Bedeutung
87
bewerbs ergeben, in dem jede Region ihre komparativen Vorteile ausspielen kann. Nicht "kooperativer" Föderalismus, sondern "wettbewerbsorientierter" Föderalismus ist die Leitidee, auch zur Schaffung vergleichbarer Lebensverhältnisse in den Regionen. Die Kritiker des gegenwärtigen Modells stoßen sich insbesondere an dem Ausmaß des Steuerverbundes sowie an den Mischfinanzierungstatbeständen. Sie sehen das Subsidiaritätsprinzip und das Prinzip der fiskalischen Äquivalenz verletzt, weshalb das bestehende System zur Ineffizienz neige. Nach dem Subsidiaritätsprinzip soll nur dann die höhere Ebene mit einer Aufgabe betraut werden, wenn die untere Ebene sie nicht bedarfsgerecht und kostenminimal erfüllen kann. Beide Prinzipien - Subsidiaritätsprinzip und fiskalisches Äquivalenzprinzip - bilden den gedanklichen Hintergrund für den "Wettbewerb zwischen Regionen" (von Suntum 1984; Soltwedel 1987). Zentrales Anliegen dieses Ansatzes ist es, die Eigenverantwortlichkeit der Regionen zu stärken. Dazu müßten die eigenen Finanzmittel definitiv festgelegt und verfügbar gemacht werden, und zwar ohne die Möglichkeit diskretionärer Entscheidung übergeordneter staatlicher Ebenen. Dem Finanzföderalismus am ehesten entsprächen - neben den Gebühren - Äquivalenzsteuern. Je weniger externe Mittel (z.B. Gelder aus dem Steuerverbund oder aus dem Länderfinanzausgleich) zur Verfügung stünden, um so größer wäre der Anreiz zur sparsamen Mittelverwendung. Je intensiver das Geflecht der Finanzausgleichsbeziehungen, um so stärker würde der Wettbewerb zwischen den Gebietskörperschaften gehemmt. Den wirtschafts- und finanzschwachen Regionen fehlte der Anreiz, ihre originäre Steuerkraft zu erhöhen. Eine Erhöhung der originären Steuerkraft führt nämlich nicht in gleichem Maße zu einem Zugewinn an finanzpolitischer Dispositionsmasse, weil das Plus in den Kassen durch den Wegfall von Mitteln aus dem Finanzausgleich kompensiert wird. Umgekehrt bestünde die Gefahr, daß die hohe Ausgleichsintensität die finanzstarken Länder lähmt, ihre Steuerquellen zu "pflegen" - sofern dies überhaupt aufgrund der begrenzten wirtschafts- und steuerpolitischen Autonomie der Länder möglich ist - und Mehreinnahmen zu erzielen, wissen sie doch, daß sie diese Einnahmen ganz oder teilweise an andere Gebietskörperschaften - Bund und finanzschwache Länder - abgeben müssen. Der Regionenwettbewerb könne gesehen werden "als Annäherung an den marktmäßigen Suchprozeß, um Standortentscheidungen von Unternehmen, regionale Agglomerationsvorteile und individuelle Präferenzen besser miteinander in Einklang zu bringen, als es mit der zentral koordinierten Regionalpol itik möglich ist" (Soltwedel 1987). Im Gegensatz zur mischfinanzierten Wirtschaftsförderung wären von der lokalen Ebene oder von der Region die gesamten Kosten dem Nutzen der Maßnahme gegenüberzustellen und nicht nur jene Kosten, die nach Übernahme durch externe Instanzen der Region verbleiben. Dies würde dazu führen, daß Subventionswettlauf mit fremdem Geld vermieden wird. Letztlich geht es darum, konsequent die Aufgaben-, Ausgaben- und Finanzierungskompetenz zu koppeln: Mischfmanzierungen - so wird argumentiert -verwischen Verantwortlichkeiten, verursachen höhere Kosten der Planung, Entscheidungsfmdung und Realisierung und schaffen außerdem Finanzierungsillusion. Je eindeutiger die Zuordnung, d .h. Trennung von Aufgaben und
88
2. Bedeutung anderer ausgewählter raumwirksamer Politiken
Ausgaben nach Haushaltsebenen und Regionen ausfällt, um so klarer seien die Anforderungen an das Steuersystem. Vorschläge zur Reform der Finanzverfassung zielen deshalb darauf, - die Mischfinanzierungstatbestände abzubauen; - den Umfang der "fremdbestimmten Ausgaben" zu verringern; - die Besteuerungskompetenzen neu zu regeln und dadurch den unteren Haushaltsebenen eine größere Einnahmeautonomie zu verschaffen5 ; - den Finanzausgleich vertikal wie horizontal zu begrenzen, um die Anreize für eigene Anstrengungen der jeweiligen Haushaltsebenen zu erhöhen. Ein auf der Grundlage des Fiscal Federalism basierendes System konkurrierender Regionen dürfte modell theoretisch im Vergleich zu einer zentralisierten Regionalpolitik eine bessere statische Effizienz aufweisen. Auch mit Blick auf dynamische Gesichtspunkte spricht einiges für das Modell des Wettbewerbs der Regionen. Dezentrale Entscheidungseinheiten vermögen Informationen in der Regel besser zu verarbeiten und auf Veränderungen im ökonomischen System schneller und flexibler zu reagieren. Die Aufgaben übergeordneter staatlicher Instanzen würden sich in diesem System lediglich auf Regelungen des allgemeinen Finanzausgleichs beziehen. Das liberal-dezentrale theoretische Modell des Wettbewerbs der Regionen gibt insgesamt gesehen wesentliche Hinweise auf die zentrale Bedeutung der Region als eigenverantwortliche Instanz im System des föderalen Staatsaufbaus und damit auch als Instanz der regionalen Strukturpolitik. Die Frage ist freilich, ob es damit schon als unmittelbare Alternative für Deutschland in Betracht kommt. Wesentliche Voraussetzung dafür wäre es, daß die Bedingungen für die Funktionsfähigkeit eines Wettbewerbs der Regionen gegeben sind oder auf absehbare Zeit geschaffen werden können. Dies ist jedoch weitgehend nicht der Fall. Die modelltheoretischen Vorstellungen beruhen auf einschränkenden zentralen Annahmen, die für die Realität nur bedingte Aussagekraft haben. Dies gilt vor allem für die Annahme der hoch elastischen Mobilität der Produktionsfaktoren, die zur völligen interregionalen Angleichung der Faktorpreise führt und eine erfolgreiche autonome regionale Wirtschaftspolitik durch Zuwanderung belohnt, eine minder erfolgreiche durch Abwanderung bestraft. Erfahrungsgemäß sind solche Elastizitäten im Hinblick auf regionale Unterschiede im Einkommen und im Wohn- und Arbeitsumfeld nicht derart ausgeprägt. Völlig offen bleibt auch, wie in einer Ausgangssituation, die durch erhebliche regionale Ungleichgewichte in der Wirtschafts- und Steuerkraft gekennzeichnet ist, die ärmeren Regionen über die Wirtschaftspolitik im Wettbewerb mit den wohlhabenderen so bestehen können, daß es zum regionalen Ausgleich kommt. Darüber hinaus sind Zweifel anzumelden, ob in dem reinen Modell des Wettbewerbs der Regionen ein föderales Element überhaupt Bestand haben
S Am radikalsten ist der Vorschlag, die Einkommensteuer zur Gänze den Ländern und Gemeinden zuzuordnen (Boss 1993, S. 94), weniger radikal die Überlegung, den Ländern eine begrenzte Steuerautonomie für die Einkommensteuer zu gewähren (SVR, Jahresgutachten 1989/90, Ziffern 270 ff, Jahresgutachten 1990/91, Ziffern 432 ff.
2.2. Zur raumwirksamen Bedeutung
89
kann, da regionsübergreifende spill overs dort auch über die verschiedensten bilateralen oder multilateralen Vereinbarungen zwischen Regionen berücksichtigt werden müßten (Boss 1993). Dann würde sich aber eher die Frage nach der optimalen Größe einzelner monolithischer Staaten (so Färber in einem Diskussionsbeitrag zu Boss 1993) als nach der optimalen Aufgaben- und Finanzverteilung zwischen den einzelnen staatlichen Ebenen im föderativen Staatsaufbau stellen. Fraglich dürfte auch sein, zugunsten der dynamischen Effekte des Wettbewerbs zwischen den Regionen staatliche Ineffizienzen hinzunehmen, die mit der Vernachlässigung externer Effekte entstehen, zumindest solange nicht schlüssig gezeigt werden kann, daß sich dadurch per saldo das Ergebnis verbessern läßt. In ihrer reinen Form läßt die Theorie des Wettbewerbs der Regionen also an vielen Stellen den Praxisbezug vermissen. So fehlt es in der Bundesrepublik an der räumlichen Flexibilität der Löhne, die eine wichtige Voraussetzung für die Konkurrenz der Regionen ist. Die Lohnpolitik wird trotz gewisser regionaler Unterschiede für die einzelnen Branchen in der Regel von den Tarifparteien für den Gesamtraum geregelt. Darüber hinaus sind in Deutschland die Einflußmöglichkeiten der Kommunen auf die Einnahmeseite sowie auf wesentliche Teile der Ausgabenseite der öffentlichen Haushalte sehr beschränkt. Zudem muß man sich bewußt sein, daß eine räumliche Flexibilisierung von Löhnen und Abgaben für sehr lange Übergangs-, Anpassungs- und Regulierungsphasen zu erheblichen regionalen Unterschieden in den Einkommenschancen und dem Versorgungsgrad mit öffentlichen Gütern führen dürfte. Ein praktikables und zuverlässiges System des Wettbewerbs der Regionen zum Ausgleich der regionalen Einkommens- und Beschäftigungsunterschiede ist daher auf absehbare Zeit nicht in Sicht. Auch ist zu beachten, daß die Modellvoraussetzungen - selbst wenn man es wollte nicht ohne weiteres geschaffen werden könnten. Vielfach würde dies einen erheblichen Umbau im institutionellen Gefüge der Bundesrepublik Deutschland nicht nur hinsichtlich des Staatsaufbaus, sondern auch im Zusammenspiel der verschiedenen wirtschafts-, sozialund tarifpolitischen Instanzen bedeuten und ohne eine völlige Umgestaltung der Rechtsgrundlagen - nicht zuletzt der Verfassung - unmöglich sein. Eine solche Veränderung würde einen langwierigen Abstimmungsprozeß in der politischen Willensbildung verlangen und mit erheblichen Transaktionskosten verbunden sein, die bei einem Kosten-NutzenKalkül ebenfalls in Rechnung zu stellen wären. Mit der dem Konzept des Wettbewerbs der Regionen inhärenten Forderung nach einem Rückzug der zentralstaatlichen Ebene aus der Regionalpolitik wird auch übersehen , daß sich in einem föderalen System auf allen Ebenen Aufgaben mit regionalpolitischer Relevanz stellen. Die Verantwortung des Bundes besteht schließlich nicht nur im regionalen Ausgleichsziel selbst, sondern ergibt sich auch aus der Verbindung des regionalen Ausgleichs mit anderen gesamtwirtschaftlichen Zielsetzungen, wenn die regionalen Probleme oder die regionale Strukturpolitik selbst nicht nur lokale Auswirkungen besitzen (Eckey 1991; Kistenmacher 1991). Von besonderer Bedeutung sind hier Bezüge zum gesamtwirtschaftlichen Ziel eines angemessenen und stabilen Wachstums. Ein traditioneller Argumentationsstrang ist hierbei die Frage nach der effizienten Raumstruktur und des optimalen
2. Bedeutung anderer ausgewählter raumwirksamer Politiken
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Agglomerationsgrades unter Einschluß aller positiven und negativen externen Effekte räumlicher Konzentration. Nach wie vor sind in dieser Diskussion allerdings operationalisierbare Ansätze nicht erkennbar, die eine konkrete Anwendung für die Regionalpolitik erlauben. Im Spannungsfeld einerseits der Vorteile räumlicher Konzentration durch die Nutzung spezifischer Agglomerationsvorteile und andererseits der Unterauslastung von Ressourcen in benachteiligten Regionen ergeben sich für Deutschland in den neunziger Jahren in den Ausgangsbedingungen neue Verhältnisse. Dies bezieht sich vor allem auf die Einbindung Ostdeutschlands, die eine völlig neue Dimension großräumiger regionaler Auslastungsunterschiede bedeutet. So entfiel auf Ostdeutschland 1993 bezogen auf die Wertschöpfung weniger als 5 vH der Industrieproduktion, obwohl dieser Landesteil mehr als 30 vH der Fläche und etwa 20 vH der Bevölkerung Deutschlands repräsentiert . Mit der Erschließung des Ressourcenpotentials Ostdeutschlands dürfte daher ein wesentlicher Beitrag zur gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in den neunziger Jahren geleistet werden. Würde man lediglich auf die passive Sanierung setzen, wäre die Gefahr groß, daß es zu mehr Entwicklungsengpässen in Westdeutsch land kommt. Dies gilt vor allem dann, wenn man die volkswirtschaftlichen Grenzkosten unter Berücksichtigung der Restriktionen der Erhaltung der natürlichen Umwelt hinzuzieht.
Die Einbindung Ostdeutschlands bedeutet damit für den Gesamtstaat in Deutschland, daß das Interesse des Bundes an der Verringerung der regionalen Entwicklungsunterschiede tendenziell auch aus wachstumspolitischen Gründen noch größer geworden ist. Auf der anderen Seite ist es unerläßlich, mögliche Gefährdungen des Wachstums ziels zu berücksichtigen, die durch regionalpolitische Maßnahmen, wie z.B. durch übermäßige Wettbewerbsverzerrungen über die Förderung der gewerblichen Wirtschaft ausgelöst werden können. Gemessen an dem gesamtwirtschaftlichen Problemdruck - unter anderem ein rascher Aufbau der ostdeutschen Infrastruktur - wirkt das Festhalten an einer "ausgabeorientierten" Regionalpolitik also nicht kontraproduktiv. Angesichts des Gewichts und des Anspruchs der Bundesländer im politischen Entscheidungsprozeß wäre es einer Illusion gleichgekommen, die westdeutschen Länder aus der Beteiligung an den Kosten der deutschen Einheit auszuklammern und diese Aufgabe ausschließlich als Bundesangelegenheit zu betrachten. Angesichts der riesigen Steuerkraftdisparitäten zwischen West und Ost ist auch fraglich, ob es aus regionalpolitischer Sicht Sinn macht, die Steuerautonomie der Länder - z.B. durch eigene Ergänzungsabgaben zur Einkommensteuerschuld6 - zu stärken. Sollen unterschiedliche Einkommensteuersätze als Instrument der Regionalpolitik eingesetzt werden, so steht zu befürchten, daß der Steuersenkungswettbewerb zugunsten der wirtschafts- und steuerstarken Regionen ausgeht, denn sie können am ehesten Einnahmeverluste verkraften.
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Vgl. Sachverständigenrat, Jahresgutachten 1990/91, Ziff. 454.
2.2. Zur raumwirksamen Bedeutung
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Zusanunengenommen bleibt daher die Einbindung des Bundes im Zusanunenwirken mit den Regionen in die regionale Strukturpolitik weiterhin wichtig. Dabei können mit Blick auf ein geeintes Europa sicherlich immer mehr Funktionen des Bundes auch durch die EG wahrgenommen werden. Solange aber die Nationalstaaten wesentliche Akteure im wirtschaftspolitischen Handlungsfeld sind, ist es wenig sinnvoll, nur oder insbesondere im Bereich der Regionalpolitik eine vorrangige Rolle der EG zu postulieren. Eine solche Abkoppelung würde gerade die Abstimmung der regionalen Strukturpolitik mit anderen gesamtwirtschaftlichen Zielen auf nationaler Ebene wie der Erreichung eines angemessenen und stabilen Wirtschaftswachstums gefährden.
2.2.5. Fazit Weitverbreitet ist die Kritik, daß die geltenden Regelungen des Finanzausgleichs zu sehr auf die distributiven Ziele setzen und allokative Belange ebenso wie Wachstumsüberlegungen vernachlässigen. Freilich kann sich diese Kritik kaum auf empirisches Material stützen, denn die Behauptung der allokativen Ineffizienz entzieht sich mangels geeigneter Methoden und geeigneten Datenmaterials ebenso der Überprüfung wie die These, daß regionale Wachstumsziele unzureichend berücksichtigt würden; letzteres setzt voraus, daß die Wachstumsdeterminanten einer Region in Art und Umfang bekannt sind und natürlich auch hinreichende Kenntnisse über Engpaßfaktoren vorliegen. Ähnlich verhält es sich mit dem Argument, Mischfinanzierungen verringerten den Anreiz zu sparsamer Haushaltsführung, oder mit dem Argument, die finanzstarken Länder hätten im bestehenden Ausgleichssystem keinen Anreiz, ihre Steuerquellen zu pflegen. Es liegen keine Anhaltspunkte vor, daß die Steuerbehörden der ausgleichspflichtigen Länder bei der Steuereintreibung ein anderes - laxeres - Verhalten an den Tag legen als die Finanzverwaltungen der steuerschwachen Länder. Gleichwohl sollte die Kritik am geltenden System nicht ignoriert werden . Denn sie gibt Hinweise auf effiziente Funktionsweisen im Zusanunenspiel mehrerer staatlicher Ebenen. Infolgedessen wäre zu prüfen, welche Elemente der theoretischen Modellvorstellungen des Wettbewerbs der Regionen sich im bestehenden Institutionengefüge übertragen lassen, um Steuerungsdefizite abzubauen und die Effizienz zu erhöhen. Was die Finanzbeziehungen zwischen den Gebietskörperschaften betrifft, so wird die Notwendigkeit einer kommunalen Finanzreform nicht bestritten. Ziel dabei muß es sein, die Konjunkturanfälligkeit der kommunalen Einnahmen zu mildem, die Steuerkraftunterschiede zwischen den Gemeinden abzubauen und dem Äquivalenzprinzip stärker Rechnung zu tragen. Ein konkreter Schritt in diese Richtung wäre die Änderung des kommunalen Finanzsystems in Verbindung mit einem Abbau des kommunalen Finanzausgleichs. Ein zentrales Reformelement stellt die kommunale Wertschöpfungssteuer dar. Der Vorteil dieser Steuer liegt darin, daß mit ihr die kommunale Finanzautonomie gewahrt bliebe und neben dem wohnsitzbezogenen ein gleichwertiges, produktionsbezogenes Element verankert würde, das wegen der größeren Reichweite und der breiteren Bemessungsgrundlage besteuert würden Löhne, Gewinne und der Kapitalverzehr (in Form von Abschreibungen)
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2. Bedeutung anderer ausgewählter raumwirksamer Politiken
- ein größeres - und auch weniger konjunkturanfälliges - Gewicht im Gemeindefinanzsystem erhalten würde. Würde zugleich auch das wohnsitzbezogene Element gestärkt - durch eine Erhöhung des Gemeindeanteils an der Einkommensteuer (z.B. um etwa 5 vH-Punkte) -, könnten die Zuweisungen der Länder im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs spürbar gesenkt werden. Ginge dies zu Lasten der zweckgebundenen Zuweisungen, wäre ein wichtiger Schritt in Richtung einer erweiterten Finanzautonomie der Gemeinden gegangen. Reformüberlegungen müßten zudem an dem Konzept der Einwohnerveredelung ansetzen. Abgesehen davon, daß sich die Veredelungsfaktoren an den durchschnittlichen Ausgaben der Vergangenheit orientieren und verschwenderisches Ausgabeverhalten als höherer Bedarf interpretiert wird, ist eine an die Gemeindegröße gebundene Abgeltung zentralörtlicher Lasten nicht unproblematisch, weil sich Ortsgröße und Zentralörtlichkeit - letztere dient als eine der Begründungen für die Einwohnerveredelung - nicht unbedingt entsprechen: Nicht immer haben große (und umgekehrt auch kleine) Orte die zentralörtliche Bedeutung, die ihnen mit der Einwohnerwertung beigemessen wird. Deshalb sollte geprüft werden, ob die zentralörtlichen Funktionen nicht über Umlagen finanziert oder durch vermehrte Kooperationen (Zweckverbände etc.) abgedeckt werden können - sofern eine stärkere Gebührenfinanzierung nicht in Betracht kommt. Der gefundene Kompromiß beim Länderfinanzausgleich wird die Kritiker des länderfinanzausgleichs kaum befriedigen, zumal sich die Ausgleichsintensität erhöhen wird und distributive Belange weiterhin über allokative Ziele gestellt sind. Allerdings sind die Übernivellierungen des bestehenden Systems durch die Reform beseitigt worden. Auch stellt sich die Frage nach dem künftigen Verhältnis von Finanzausgleich und Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur. Allein vom Umfang der Mittel, die verteilt werden, bestehen gewaltige Diskrepanzen zwischen beiden Instrumentarien. Der Finanzausgleich - auf Länder- wie auf Gemeindeebene - zielt darauf, die Gebietskörperschaften weitgehend unabhängig von der regionalen Wirtschafts- und Finanzkraft in die Lage zu versetzen, ein in Quantität und Qualität ähnliches Angebot an öffentlichen Gütern bereitzustellen. Dieses Angebot soll ein quasi "bundesdurchschnittliches" Anspruchsniveau befriedigen, es kann als Äquivalent zum bundeseinheitlichen Steuerrecht angesehen werden. Die Gemeinschaftsaufgabe hat in diesem Rahmen eine subsidäre Bedeutung. Sie muß dort zum Tragen kommen, wo Regionen wesentlich gegenüber dem Bundesdurchschnitt zurückbleiben. Hier zeigt es sich, daß es für die regionale Entwicklung zu einem Zusammenspiel von Finanzausgleich und GA kommen muß, in dem sich beide Systeme ergänzen und nicht eines das andere ersetzen kann. Die Gemeinschaftsaufgabe setzt die Eigenbeteiligung der Regionen an den regionalen Fördermaßnahmen voraus. Dies kann aber, dies zeigen auch die Erfahrungen in den neuen Bundesländern, durchaus zu erheblichen finanziellen Engpässen führen, wenn die eigene Steuerkraft infolge der Rückständigkeit gering ist. Der Finanzausgleich kann hier die Voraussetzung schaffen, daß die Gemeinschaftsaufgabe ihre Wirksamkeit voll entfaltet.
2.2. Zur raumwirksamen Bedeutung
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Die Auseinandersetzung mit den Vorstellungen zum Wettbewerb der Regionen macht deutlich, daß auch auf absehbare Zeit nicht eine der genannten Ebenen alleiniger Träger der regionalen Strukturpolitik in Deutschland sein kann, sondern vielmehr alle wichtigen wirtschaftspolitischen Instanzen ihren Teil zur Erreichung der regionalpolitischen Ziele leisten müssen. Die Aufgabenteilung zwischen den verschiedenen Ebenen sollte sich dabei vor allem an dem Prinzip der Subsidiarität orientieren, und zwar in dem Sinne, daß - die regionale Ebene primär für Maßnahmen mit engem räumlichen Bezug zuständig ist, - die nationale Ebene vor allem dann gefordert ist, wenn gesamtwirtschaftliche Ziele tangiert werden und - die EG-Ebene einzuschalten ist, wenn mit europaweiten Auswirkungen der regionalwirtschaftIichen Probleme und Maßnahmen zu rechnen ist. Die Umsetzung einer solchen Aufgabenteilung kann selbstverständlich nicht nach einem festen Raster der Zuweisung bestimmter Aufgaben und der zu ihrer Lösung angemessenen Instrumente erfolgen. Vielmehr folgt hieraus, daß in einem ganzheitlichen Ansatz die Einbindung und Koordinierung der Einzelrnaßnahmen von unterschiedlichen Trägern regionaler Strukturpolitik anzustreben ist. Dabei muß jede Ebene ihren Beitrag zur Erreichung der regionalpolitischen Ziele leisten, wobei es auf die Gesamteffizienz aller Maßnahmen im Zusammenspiel ankommt. Eine partielle Effizienzmessung für den Beitrag einzelner Träger kann dieser Komplexität nicht gerecht werden.
3. Einflüsse der EG auf die regionale Strukturpolitik in Deutschland
3.1. Europäische Regionalpolitik im Rückblick Obwohl bereits die Präambel des EWG-Vertrages den regionalen Ausgleich als ein Ziel der EG-Mitgliedstaaten nannte, wurde zunächst kein eigenes regionalpolitisches Instrument eingerichtet. Man setzte wohl zum einen darauf, daß die Wachstumsimpulse der europäischen Integration ausgleichend wirken würden. Zum anderen sollten vorrangig die Mitgliedstaaten da regionalpolitisch aktiv werden, wo sich dies als notwendig erwiese. Entsprechende Ausnahmen vom Beihilfeverbot waren bereits im Gründungsvertrag vorgesehen . Erst im Jahre 1975 kam es zur Einrichtung des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) (vgl. Klodt, Stehn et al. 1992). Parallel zum institutionellen Ausbau stieg seither das finanzielle Gewicht der Strukturpolitik. Seit 1975 wuchs der EG-Haushalt beachtlich um durchschnittlich 14 vH pro Jahr, die Veränderungsrate der drei Strukturfonds lag dabei - wohl vor allem bedingt durch die Süderweiterung der Gemeinschaft - um 6 Prozentpunkte über dieser Marke. In der ersten Phase diente die EG-Regionalpolitik praktisch der Kofinanzierung nationaler Fördermaßnahmen. Die Fondsmittel wurden nach festen Quoten auf die Mitgliedstaaten aufgeteilt; dabei erhielten Länder mit niedrigem Entwicklungsstand vergleichsweise hohe Quoten und umgekehrt. Insgesamt war der Gestaltungsspielraum der Kommission recht gering, die Fördermittel wurden nicht gezielt genug eingesetzt und waren nicht deutlich am Ziel eines EG-weiten regionalen Ausgleichs orientiert. 1979 wurde deshalb zunächst eine sogenannte "quotenfreie Abteilung" des EFRE geschaffen. Hier hatte die Kommission Gelegenheit, einen kleinen Teil der Fondsmittel nach eigenen Vorstellungen auch außerhalb nationaler Fördergebiete - einzusetzen. 1984 kam es zur ersten größeren Veränderung der EFRE-Verordnung. Zentraler Punkt war die Einführung eines flexiblen Systems von Höchst- und Mindestquoten. Damit wurden nur knapp 90 vH der EFREMittel auf die Mitgliedstaaten nach einem festen Schlüssel verteilt (Mindestquoten). Die Vergabe der restlichen Mittel erfolgte auf Antrag der Mitgliedstaaten (Krieger-Boden 1987). Damit konnte die Kommission einmal darauf Einfluß nehmen, welche Quote jeder Mitgliedstaat letztlich aus dem EFRE erhielt; zudem ermöglichte dieses System der Kommission, eine Auswahl unter den Förderanträgen der Mitgliedstaaten zu treffen und so nicht nur die absolute Höhe, sondern auch die Inhalte der Förderung zu beeinflussen. Die Kommission legte verstärkt Wert darauf, daß die einzelnen Projekte in regionale Entwicklungsprogramme eingebunden waren und daß der Einsatz der Instrumente koordiniert erfolgte. Der Übergang zur Programmförderung als Regelfall der EG-Förderung gelang allerdings erst mit der Reform der Strukturfonds von 1988.
3.1. Europäische Regionalpolitik im Rückblick
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Die Reform von 1988 wurde mit der Einheitlichen Europäischen Akte bzw. mit dem ersten DeJors-Paket eingeläutet, stand also in engem Zusammenhang zur Absicht, bis Ende 1992 einen einheitlichen Markt in der EG zu schaffen. Das Ziel eines ungehinderten Wettbewerbs in der Gemeinschaft war vor allem für die änneren Mitgliedstaaten nur akzeptabel bei gleichzeitig massiver Aufstockung der regionalpolitischen Zahlungen aus der Gemeinschaftskasse. Dieses erforderte allerdings ebenfalls eine durchgreifende Verbesserung der Fördennechanismen (vgl. Kommission der EG 1989; für eine kritische Analyse der Reform von 1988: Franzmeyer et al. 1993). Eines der wesentlichen neuen Elemente der Reform von 1988 war die Festlegung von fünf vorrangigen Zielen für die EG-Regionalpolitik: die Entwicklung rückständiger Regionen (Ziel 1) - für dieses Ziel sollten 80 vH der EFRE-Mittel und knapp zwei Drittel der gesamten Fondsmittel aufgewendet werden -, die Umstellung der von rückläufiger industrieller Entwicklung betroffenen Regionen (Ziel 2), die Bekämpfung von Langzeitarbeitslosigkeit (Ziel 3) und Jugendarbeitslosigkeit (Ziel 4), sowie die Anpassung der Agrarstrukturen (Ziel Sa) und die Entwicklung des ländlichen Raumes (Ziel Sb). Neu war ebenfalls, daß in den Mitgliedstaaten im Rahmen der Ziele 1,2 und Sb spezielle EGFördergebiete festgelegt wurden. Die restlichen Ziele sollten nicht regionengebunden verfolgt werden. EG-Förderung und nationale Maßnahmen wurden also mehr entkoppelt, auch wenn die Kofinanzierung weiterhin Bedingung blieb. Damit stellte sich die Frage nach einem möglichst widerspruchs freien, kohärenten Einsatz der Instrumente. Dieses Problem sollte u.a. durch einen recht komplexen Antragsprozeß partnerschaftlich gelöst werden. Als eine Voraussetzung zur Koordinierung der verschiedenen Förderinstrumente wurde die Erarbeitung von regionalen Entwicklungsprogrammen gesehen. Die Prüfung kompletter Entwicklungsprogramme auf Vereinbarkeit mit der sonstigen EG-Politik und auf deren voraussichtlichen Beitrag zur regionalen Entwicklung bedeutet zwar ein höheres Maß an Einflußnahme als bei Einzelprojektprüfung, doch läßt sich dieses Dilemma nicht gänzlich lösen; um so wichtiger werden die Freiheitsgrade der Regionen bei der Programmformulierung . Wichtig ist, daß die Kommission ausschließlich Kofinanzierung bereit stellte. Dies sollte dazu beitragen, nur Projekte zu fördern, die von allen Beteiligten als wichtig eingeschätzt werden. Besonders betont wurde auch der Grundsatz der Additionalität, nach dem die EGMittel zusätzlich eingesetzt werden sollten und nicht einfach eine Kürzung der nationalen Haushaltsansätze für Regionalpolitik zur Folge haben durften. Flexibilität bei der Durchführung und die Organisation der Bewertung der EG-Programme sollte - bis zu einer gewissen Grenze - von eigens eingerichteten Begleitausschüssen gewährleistet werden. Die Bewertung der seit 1989 geltenden Strukturfondsverordnungen hängt stark davon ab, ob man den Blick stärker auf konzeptionelle Schwächen der gemeinschaftlichen Regionalpolitik richtet oder ob man sich pragmatisch auf die schließlich erreichten Ergebnisse konzentriert (vgl. hierzu Funkschmidt 1993). In der zweiten Betrachtungsweise erscheint aus mehreren Gründen manches günstiger. Zum einen lassen sich konkrete Folgen von
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3. Einflüsse der EG auf die regionale Strukturpolitik in Deutschland
Ineffizienz der gemeinschaftlichen Förderung - ebenso wie die möglichen Erfolge - nur schwer eindeutig identifIZieren. Zum anderen wurden die einzelnen Förderprogramme zwar letztlich erfolgreich abgewickelt, erforderten dabei aber (unnötig) hohen Verwaltungsaufwand . Schließlich gibt es aber auch prinzipielle systematische Kritik am regionalpolitischen Ansatz der Gemeinschaft bzw. an seiner Abstimmung mit nationalen Vorstellungen. Bei der Durchführung der Reform ergaben sich zunächst eine Reihe von Problemen, die sich auf einzelne Details bezogen oder eher verwaltungstechnischer Art waren. So erwies sich vor allem das dreistufige Antragsverfahren als zu verwaltungsintensiv; auch bestanden Unsicherheiten bei der Formulierung der Programme. In anderen Fällen waren die langen Zeiträume von AntragsteIlung über Entscheidung bis zum Mitteifluß problematisch. An manchen Stellen wäre eine flexible Kompetenzerweiterung einzelner Institutionen sinnvoll gewesen. Diese Probleme sind zum großen Teil auf Anlaufschwierigkeiten zurückzuführen. Infolge der gewonnenen Erfahrungen und der Verbesserung der Verordnungen, die seit 1994 gültig sind, werden sie künftig wohl weniger gravierend sein. Neben der hier angeführten Kritik, der mit Verbesserungen im Rahmen eines weitgehend unveränderten Systems begegnet werden kann, gibt es jedoch auch einige sehr grundsätzliche Kritikpunkte. Die Regionen sehen beispielsweise durch das Instrument der Gemeinschaftsinitiativen und durch die Festlegung der speziellen EG-Fördergebiete das Subsidiaritätsprinzip verletzt. So gewinnt die Kommission durch die Gemeinschaftsinitiativen Gestaltungsspielraum, der sich oft aus den Inhalten der Initiativen nicht ohne weiteres rechtfertigen läßt. Bei der Frage der Fördergebiete entstehen Inkonsistenz und Intransparenz aus der Verwendung unterschiedlicher Kriterien zur Festlegung von Fördergebieten auf nationaler und gemeinschaftlicher Ebene. Da die Auswahl von Förderregionen von allen Beteiligten als ein Kernelement von Regionalpolitik angesehen wird, fällt eine Lösung dieses Konfliktes besonders schwer. Ein wesentliches Problem der EG-Regionalpolitik besteht darin, daß tendenziell für jedes Problemfeld, das nach Ansicht der Kommission in das gemeinschaftliche Aufgabengebiet fällt, ein eigenes Förderinstrument geschaffen wird. Man setzt auf erfolgreiche Koordination verschiedener Initiativen, Programme und Fonds und sieht gerade auf diesem Weg die Flexibilität gewährleistet. Mit steigender Zahl der Akteure und der Förderangebote steigt jedoch der Koordinierungsaufwand, und die Abstimmung der Beteiligten wird zum Alibi. Zudem schwindet mit der Transparenz die Akzeptanz der EG-Regionalpolitik, auch weil diese durch variablen Einsatz der Instrumente und durch den zwangsläufig entstehenden Druck auf potentielle Empfänger, die Förderangebote zu nutzen, an Einfluß gewinnt. Die Entschlackung des Fördersystems und die Gewichtsverlagerung zugunsten der nationalen und regionalen Instanzen sind damit als die zentralen Forderungen an eine Weiterentwicklung der EG-Regionalpolitik anzusehen.
3.2. Konfliktpotential
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3.2. Konfliktpotential 3.2.1. Analyse der Strukturfondsverordnungen von 1993 Im Dezember 1992 hat der Europäische Rat von Edinburgh die Kommission aufgefordert, ihre Vorstellungen zur Weiterentwicklung der Reform rechtzeitig zum Ablauf des ersten Förderzyklus nach der Reform der Strukturfonds von 1988 vorzulegen, damit fristgemäß neue Strukturfondsverordnungen für den Zeitraum 1994-99 beschlossen werden könnten. Diese mittlerweile geltenden Neufassungen (Kommission der EG 1993b) sollen im folgenden dahingehend analysiert werden, inwiefern sie auf Kritik an den bisher gültigen Verordnungen eingehen und welches Konfliktpotential sie noch aufweisen. Die Entscheidungsgremien haben sich durchaus bemüht, die bislang gesammelten Erfahrungen zu würdigen; an vielerlei Stellen ist aber nichtsdestoweniger Skepsis angebracht, ob die neugefaßten Rechtstexte den Interessen aller Beteiligten und den selbstgesteckten Zielen gerecht werden. Ein wesentlicher Punkt der Kritik am ab 1989 praktizierten Verfahren war der sehr aufwendige dreistufige Antragsprozeß. Der jetzt mögliche Übergang zur Zweistufigkeit - der schon lange vorausgesehen worden war - kann hier Entlastung bringen . Die Entwürfe für das operationelle Programm können nun zusammen mit den regionalen Entwicklungsplänen eingereicht werden. Mit einem solchen Vorgehen haben einzelne Bundesländer bereits im ersten Förderzyklus den Verwaltungsweg beschleunigen können. In der Vergangenheit gab es gelegentlich Befürchtungen, daß im zweistufigen Verfahren die administrativen Anforderungen auf jeder einzelnen Stufe erhöht würden. Die Kommission betont dagegen ausdrücklich, daß die operationellen Programme in der Vergangenheit oft zu detailliert waren und auch oft zuviele kleine spezielle Programme statt eines zusammenfassenden Entwurfs vorgelegt wurden (Kommission der EG 1993d). Beide Hinweise bringen den Regionen mehr Flexibilität. Mittelumschichtungen innerhalb eines Programms sind leichter als von einem zum anderen; eine möglichst späte Festlegung auf konkrete Projekte ist ohnehin von Vorteil. Im ersten Förderzyklus hatten zahlreiche Regionen sehr detaillierte Programme abgegeben - wohl aus Sorge, anderenfalls Informationen nachliefern zu müssen und so den Antragsprozeß zu verzögern. Die Zentralregierung, die alle Programme der Regionen sammeln und an die Kommission weiterleiten muß, hat hier die wichtige Funktion, die Entwürfe von allen unnötigen Festlegungen zu befreien . Erste Erfahrungen mit dem zwei stufigen Verfahren zeigen allerdings, daß der Antragsprozeß immer noch sehr zeitaufwendig ist. Bei Ziel list die wichtigste Neuerung für Deutschland die offizielle Aufnahme der neuen Bundesländer und Ost-Berlins in diese Förderkategorie. Dies war von vornherein angesichts des niedrigen Pro-Kopf-Einkommens unstrittig. Zur Diskussion stand dagegen der Umfang der Förderung. Von 1991 bis 1993 lag die Förderhöhe pro Kopf der Bevölkerung deutlich unter der Vergleichszahl für die südeuropäischen und irischen Ziel-I-Gebiete; danach wurde die Förderung deutlich erhöht. Bei dem Vergleich mit Irland, Portugal oder Griechenland ist allerdings zu beachten, daß die Mittelzuweisungen sich ausdrücklich nicht 7 Gomig u. a.
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3. Einflüsse der EG auf die regionale Strukturpolitik in Deutschland
nur nach regionalem Wohlstand, Bevölkerungszahl und Schwere der Strukturprobleme in den Rückstandsgebieten richten, sondern auch nach dem nationalen Wohlstand. Das bundesdeutsche Pro-Kopf-Einkommen liegt aber auch nach der Vereinigung deutlich über dem der EG-Länder, die in ihrer Gänze Rückstandsgebiet sind. Hier ist daher eine höhere Ausstattung mit Fördermitteln gerade auch mit dem Hinweis auf das Subsidiaritätsprinzip zu rechtfertigen. Ein Problem bei jeder Subventionierung ist die Gefahr der "Verewigung". Die Kommission hatte in ihren Vorschlägen zur Neufassung der Verordnungen einen Schritt zur Anpassung der Fördergebietsabgrenzung getan, indem sie für die Abruzzen nicht meht den Ziel-I-Status vorsah. Diese Region lag zu weit oberhalb der SchweHe von 75 vH des EGdurchschnittlichen Pro-Kopf-Einkommens . Zugunsten solcher Regionen, die das Kriterium nach heutigem Stand knapp verfehlten, wirkte die vom Europäischen Rat in Edinburgh beschlossene Regelung, daß die neuen deutschen Länder und Ost-Berlin bei der 1993 erneut fäHigen Gemeinschaftsdurchschnittsberechnung nicht mit berücksichtigt werden soHten. AnderenfaHs hätten neben den Abruzzen noch mehr Regionen Schwierigkeiten gehabt, die Forderung nach Ziel-I-Förderung zu rechtfertigen. Im Verhandlungsprozeß setzten die interessierten Mitgliedstaaten allerdings durch, daß nicht nur die Abruzzen weiterhin Ziel-I-Gebiet blieben, sondern daß auch einige Regionen an der belgisch-französischen Grenze und in den Niederlanden diesen Status neu erhielten, obwohl dies die Kommission zunächst nicht vorgesehen hatte. Das Pro-Kopf-Einkommen ist sicher zunächst ein geeigneter Indikator zur Bestimmung der Förderbedürftigkeit einer Region. Die Höhe des SchweHenwertes, der über die Aufnahme in die Förderung entscheidet, ist dabei nicht objektiv begründbar. Nachdem sich die EG nun einmal für den Wert von 75 vH des durchschnittlichen EG-Pro-Kopf-Einkommens entschieden hat, spricht das Gebot nach Klarheit und Verläßlichkeit der Förderpolitik dafür, sich dann auch nachdrücklich an dieses Kriterium zu halten. Insofern ist es bereits zu kritisieren, daß die Verordnungen dieses Kriterium für einzelne FäHe wieder aufweichen. Anders steHt sich die Lage bei einer gnmdsätzlichen Änderung der Bezugsgröße dar, z.B. durch die Erweiterung der EG um die neuen Bundesländer. Bei den Interventionssätzen sind die nun geltenden Verordnungen kaum befriedigend. Die Möglichkeit, in Ziel-I-Gebieten bis zu 75 vH der Gesarntkosten einer Maßnahme aus den Strukturfonds zu finanzieren , war sicher bereits die Obergrenze dessen, was für andere Mitgliedstaaten akzeptabel war. Die Kommission steHte in ihren Verordnungsvorschlägen zwar fest, daß die Interventionssätze in der Praxis meist unter dieser Schwelle geblieben seien, nutzte aber nicht die Gelegenheit, nunmehr eine Senkung dieses Satzes in Angriff zu nehmen. Im Sinne größerer Transparenz wäre es gewesen, die alte Fördenmgshöchstgrenze zu senken und nur in begründeten (und publizierten) Ausnahmef,iIlen höhere Sätze zu erlauben. Wenn die alte 75 vH-Schwelle ohnehin nur selten erreicht wurde, wäre eine solche Lösung kaum zu restriktiv gewesen. Ganz im Gegenteil sehen die neubeschlossenen Rechtstexte vor, künftig in wenigen Ausnahmefällen auch aus den Strukturfonds bis zu 85 vH einer Maßnahme zu finanzieren, also quasi auf Kohäsionsfondsniveau zu kommen.
3.2. Konfliktpotential
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Diese sehr hohen Sätze gelten für die Beteiligung der Fonds an Infrastrukturinvestitionen der zuständigen öffentlichen Stellen in den Mitgliedstaaten. Doch Kritik macht sich auch an den weitreichenden Möglichkeiten zur Unternehmensunterstützung in Ziel-I-Gebieten fest. Dies bezieht sich einmal auf die von der Beihilfenkontrolle tolerierten sehr hohen Gesamtfördersätze. Aber auch die maximale Beteiligung der Fonds an Unternehmensinvestitionen ist mit 50 vH der Gesamtkosten in Ziel-I-Gebieten (sonst 30 vH) sehr hoch . Ein wichtiger Punkt ist für die Bundesrepublik beim Ziel 2 die eigenständige Festlegung der Förderkulisse. Dies betrifft den Gesamtumfang wie die Auswahl der zu fördernden Gebiete. Nach den seit 1994 geltenden Verordnungen schlagen die Mitgliedstaaten ein Verzeichnis der Gebiete vor, die nach ihrer Ansicht für eine Ziel-2-Förderung in Frage konunen . Unter den bis dahin gültigen Regeln ergriff hier die Konunission die Initiative. Damit und mit einer leichten Ausweitung der sekundären Auswahlkriterien von Fördergebieten mag sich die Position der Mitgliedstaaten leicht verbessert haben. Ein Durchbruch in Richtung dessen, was zumindest von deutscher Seite gefordert wird, ist dies aber sicherlich noch nicht. Die Zusanunenlegung der Ziele 3 und 4 war de facto längst vollzogen. Dieses nun auch in die Verordnungen aufzunehmen, ist im Sinne einer Bereinigung des Fördersystems zu begrüßen . Das neue Ziel 3 soll über den alten Förderkatalog hinausgehende Maßnahmen für vom Ausschluß vom Arbeitsmarkt bedrohte Personen enthalten. Insgesamt erscheint dies wenig problematisch, erhöht es doch auch die Flexibilität, auf Arbeitsmarktprobleme zu reagieren. Thematisiert werden sollte jedoch an dieser Stelle die von der Kommission für das gesamte Fördersystem gewünschte stärkere Einbindung der Sozialpartner und sonstigen betroffenen Einrichtungen. Inhaltlich ist es sicher sinnvoll - jedenfalls bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit -, die direkt betroffenen Akteure in die Konzeption der Maßnahmen einzubeziehen. Dies muß aber keineswegs auf eine Beteiligung an der Formulierung der operationellen Programme hinauslaufen. Denn erstens sollen sich diese in die Gesamtkonzeption der Mitgliedstaaten zur strukturellen Entwicklung einpassen. Eine Einbindung gesellschaftlicher Gruppen auf dieser höheren Ebene kann daher deutlich zweckmäßiger sein. Zweitens muß eine Verwischung der Verantwortlichkeiten vermieden werden. Die Mitwirkung der Sozialpartner muß sich deshalb auf eine Konsultation bei der Vorbereitung sowie gegebenenfalls auf die aktive Teilnahme an der Durchführung der Maßnahmen beschränken. Entscheidungen müssen den politischen Instanzen vorbehalten bleiben. Das neue Ziel 4 wird von der Konunission selbst als die wesentliche inhaltliche Erweiterung des Förderkatalogs angesehen. Es betrifft die Anpassung an die industriellen Wandlungsprozesse und an Veränderungen der Produktionssysteme insbesondere durch berufliche Bildung und Umschulung. Die Maßnahmen sollen nach dem Verordnungstext "dem generellen Bedarf der Arbeitskräfte entsprechen, der sich aus dem festgestellten oder vorhersehbaren industriellen Wandel und der Veränderung der Produktionssysteme ergibt" . Wie auch bei Ziel 3 kann Ziel 4 flächendeckend verfolgt werden, ist also nicht an einen spezifischen Regionstyp gebunden.
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3. Einflüsse der EG auf die regionale Strukturpolitik in Deutschland
Es ist sicher ein verständlicher Ansatz, Arbeitslosigkeit bereits am Entstehen zu hindern und nicht abzuwarten, bis die Beschäftigungsprobleme evident geworden sind. Dennoch sind hier ordnungspolitische Bedenken angebracht. Politisch motivierte Ressourcensteuerung hin zu vermeintlichen Zukunftsindustrien verzerrt das Wirken der Marktkräfte. Sie kann sich zudem leicht als Fehlallokation erweisen. Es sollte auch nicht außer acht gelassen werden, daß unter Anpassungsdruck geratene Branchen oder Unternehmen in erster Linie selbst für die Umstrukturierung verantwortlich sind - was in einer sozialen Marktwirtschaft auch die Sorge um die Beschäftigung (bis zu einem gewissen Grad) einschließt. Der Verordnungstext geht auf derlei Bedenken durchaus ein. Die Tätigkeit des ESP "soll sich weiterhin primär auf die Bekämpfung von Jugend- und Langzeitarbeitslosigkeit richten. Die Maßnahmen in Ziel 4 sollen sich gleichermaßen auf die gesamte Wirtschaft beziehen und sich nicht auf bestimmte Industriezweige oder spezifische Wirtschaftszweige beschränken. Vor allem sollen nicht einzelne Unternehmen begünstigt werden. Die Aktionen sollen die Maßnahmen der Unternehmen ergänzen, nicht ersetzen; die Unternehmen müssen sich an den Kosten geförderter Ausbildungsmaßnahmen beteiligen. Diese einschränkenden Regelungen können aber letztlich bestehende Bedenken nicht verdrängen. Die Umsetzung des neuen Ziels 4 in den Mitgliedstaaten der EG wird sehr genau zu beobachten sein. Sicherlich gibt es Möglichkeiten, im Rahmen von Ziel 4 auch sinnvolle und unbedenkliche Maßnahmen zu ergreifen. Der Einsatz der Strukturfonds für Zwecke der sektoralen Industriepolitik ist jedoch keineswegs ausgeschlossen. Bei Ziel 5a sind positive Entwicklungen zu verzeichnen. Als Konsequenz der letzten Reform der gemeinsamen Agrarpolitik werden einige ehemals von der Abteilung Ausrichtung des EAGFL im Rahmen von Ziel 5a betreute Maßnahmen nun von der Abteilung Garantie übernomm~n. Dies betrifft den Umweltschutz, die Aufforstung von Anbauflächen und den vorgezogenen Ruhestand. Bei der Abteilung Ausrichtung verbleiben im Ziel 5a Beihilfemaßnahmen zur Effizienzsteigerung landwirtschaftlicher Betriebe, für Junglandwirte, für Betriebe in bergigen oder sonst benachteiligten Gebieten sowie der wichtige Bereich der Vermarktungs- und Verarbeitungsbeihilfen. Zunächst ist die implizite Umorientierung bei der Abteilung Garantie zu begrüßen. Daneben entspricht die Konzentration der Abteilung Ausrichtung auf wenige Maßnahmen den grundlegenden Zielen der Strukturfondsreform. Schließlich ist eine Aufgabenreduzierung bei der Abteilung Ausrichtung auch in längerfristiger Perspektive sinnvoll . Sollte man künftig eine Glättung des Förderinstrumentariums anstreben, dann kann am ehesten dieser Strukturfonds aufgelöst, seine verbliebenen Aufgaben auf die anderen Fonds verteilt werden. Seine spezifische Funktion neben dem Regional fonds , der auch für ländliche Gebiete zuständig ist, ist schon heute fragwürdig. Wenig Neuerungen gibt es beim Ziel 5b. Allerdings werden jetzt bei der Auswahl förderungswürdiger Gebiete demographische Faktoren stärker berücksichtigt. Regionen müssen, um für eine Förderung in Frage zu kommen, von den drei Kriterien "hoher Anteil landwirtschaftlicher Beschäftigung", "niedriges Agrareinkommen" sowie "geringe Bevölkerungsdichte und/oder starke Abwanderungstendenzen" zwei erfüllen. Diese Kriterien machen Sinn, wenn der Ausgleich der regionalen Pro-Kopf-Einkommen nicht durch
3.2. Konfliktpotential
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Migration erfolgen soll. Da vermutlich tendenziell jugendliche Berufsanfanger die Heimatregion verlassen würden, würde eine Strategie, die auf Ausgleich durch Wanderung setzt, wohl allenfalls vorübergehende Erfolge haben. Die formelle Einführung eines neuen Zieles 6 "Hilfe für vom Niedergang der Fischerei betroffene Regionen" - wie ursprünglich von der Kommission vorgesehen - konnte verhindert werden. Stattdessen wurde jedoch die Regelung gefunden, die fischerei-bezogenen Maßnahmen innerhalb eines weiter gefaßten Ziels 5a zu behandeln. Hierzu wurden die bisherigen Instrumente zur Förderung der Fischerei in einem neuen gemeinsamen Finanzinstrument zur Ausrichtung der Fischerei (FIAF) zusammengefaßt. Die zu fördernden Gebiete erfüllten zum Teil bereits die alten Kriterien nach Ziel 1, 2 oder 5b; für die übrigen Gebiete wurden zusätzliche Auswahlkriterien für Ziel-2- und Ziel-5b-Gebiete aufgenommen. Mit dieser Regelung wurde die systematische Kritik keineswegs berücksichtigt. Auch der Forderung des Europäischen Rates von Edinburgh, nach der die von der Fischerei abhängigen Gebiete im Rahmen der relevanten Ziele gefördert werden sollen, trägt sie nur formal Rechnung. Regionalpolitik sollte sich an möglichst breit angelegten Indikatoren zur Bestimmung der Förderwürdigkeit eines Gebietes orientieren. Wenn eine Fischerei-bedingt strukturschwache Region unter die bislang gültigen Förderkriterien fiel, war sie im normalen Förderweg unterstützungswürdig; auf die Spezifika ihrer Wirtschaftsstruktur war in den geplanten Maßnahmen Rücksicht zu nehmen. War sie nach diesen Kriterien nicht förderwürdig, besteht kein Grund, für sie ein regional politisches Spezial instrument zu entwikkein. Die neuen Verordnungen der Kommission kollidieren in diesem Punkt mit dem Gebot einer möglichst einfachen und klaren Fördersystematik und mit dem Grundsatz der Konzentration der Mittel auf einige wenige Fördergegenstände. Ganz analog ist auch die mittlerweile im Kontext der Norderweiterung erfolgte Einführung eines Ziels 6 "Förderung der Regionen mit besonders niedriger Bevölkerungsdichte" zu kritisieren.
3.2.2. Gemeinschaftsinitiativen Seit 1979 enthielt das System der europäischen Regionalpolitik immer ein Element, in dem die Kommission im Vergleich zur regulären Förderung höhere Gestaltungsspielräume hatte. Dies begann mit den "spezifischen Gemeinschaftsmaßnahmen" nach Aufteilung des EFRE in eine quotengebundene und eine quotenfreie Abteilung und setzte sich nach der Reform von 1984 mit den sogenannten Gemeinschaftsprogrammen fort (vgl. Schoneweg 1992). Diese Programme zielten überwiegend auf Hilfen zur Umstrukturierung von Gebieten, die von Krisen einzelner Branchen betroffen waren. Seit 1989 gibt es nun das Instrument der Gemeinschaftsinitiativen, die von der Kommission entwickelt und den Mitgliedstaaten vorgeschlagen werden. Ebenso wie in der ersten Förderrunde sind auch im Zeitraum von 1994 bis 1999 für dieses Instrument ca. 9 vH der gesamten Strukturfondsmittel vorgesehen. Die Kommission stellte zunächst 1993 in einem Grünbuch ihre Vorschläge zur weiteren Gestaltung der Gemeinschaftsinitiativen zur Diskussion (vgl. Kommis-
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sion der EG 1993a). Im Sommer 1994 legte die Kommission einen Leitfaden zu den neuen Initiativen vor (vgl. Kommission, Europäische 1994). Die Gemeinschaftsinitiativen werden sicher dort begrüßt, wo es eine mit EG-Programmen erfahrene Verwaltung gibt und gleichzeitig auch ein erheblicher Finanztransfer zu erwarten ist. Gleichwohl sind sie bereits in der zurückliegenden Förderrunde auch auf Kritik gestoßen. Dies machte sich einmal an dem in den Regionen notwendigen Verwaltungsaufwand fest, dem eben letztlich oft nur relativ geringe Mittelzuflüsse gegenüberstanden. Gegen einzelne Initiativen wurden Bedenken geäußert, da sie einer sektoralen Industriepolitik sehr nahe kommen (könnten) oder weil befürchtet wurde, daß die Kommission zu sehr direkt mit nachgeordneten gebietskörperschaftlichen Ebenen zusammenarbeiten wolle. Insgesamt wurde das Angebot an Förderwegen immer vielschichtiger, ohne daß immer eine Notwendigkeit hierzu oder ein umfassendes Konzept deutlich wurden. Grundsätzliche Kritik richtet sich dagegen, daß die Kommission durch ihr Initiativrecht einen größeren Einfluß auf die Förderprogramme erlange, als ihr nach dem Subsidiaritätsprinzip zustehe. Auf einen Teil dieser Kritik war die Kommission bereits in ihrer Halbzeitbilanz der Reform 1988 eingegangen (Kommission der EG 1992). Zwar wurde dort für die Initiativen (auch finanziell) eine größere Rolle gefordert. In Zukunft sollte es aber eine geringere Zahl von Initiativen geben, die jeweils höher dotiert werden sollten. Bei den Gemeinschaftsinitiativen besteht ein grundSätzliches Dilemma. Entweder sollen die Initiativen außerhalb der Fördergebiete wirken, dann stören sie die regionalpolitisch gewünschte Hierarchie von Förderregionen. Dies wäre allenfalls mit externen Effekten zu rechtfertigen, wenn also z.B. mit einer Gemeinschaftsinitiative durch Förderung von Infrastrukturmaßnahmen abgelegene Regionen besser an die Wirtschaftszentren der EG angebunden würden . Wenn die Initiativen jedoch für die Fördergebiete bestimmt sind, wirken sie entweder parallel zur regulären Arbeit der Fonds - dies wäre wenig effizient, stattdessen sollten die regulären Programme aufgestockt werden - oder aber ergänzend an von den Programmen nicht abgedeckten Stellen. Im letztgenannten Fall ist zu fragen, ob nicht eine subsidiaritätswidrige Einschränkung der Gestaltungsfreiheit des Mitgliedstaates bzw. der jeweiligen Region vorliegt oder eine Anpassung der Entwicklungspläne bzw. der Förderkonzepte geboten wäre. In ihrer Halbzeitbilanz hatte die Kommission einen Vorteil der Initiativen gerade darin gesehen, daß sie Bereiche von gemeinschaftlichem Interesse beträfen, die in den Plänen der Mitgliedstaaten nicht genügend berücksichtigt würden. Nach dem Subsidiaritätsprinzip fällt es jedoch gerade in die Kompetenz der Mitgliedstaaten, die Prioritäten der Förderung festzulegen . Eine größere Flexibilität im Rahmen der Regelförderung könnte veränderten Anforderungen u. U. besser Rechnung tragen als die schwer kalkulierbare und nicht mit den übrigen Fördermaßnahmen abgestimmte Entwicklung zusätzlicher Gemeinschaftsinitiativen. Unabhängig davon, wie man zu den konkreten Inhalten steht, die mit den neuen Gemeinschaftsinitiativen verfolgt werden sollen, bleibt die Notwendigkeit der vorgeschlagenen
3.2. Konfliktpotential
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Maßnahmen oft unklar, da sie bereits durch die regulären operationellen Programme abgedeckt werden (müßten). Am deutlichsten ist dies bei "Regis 11" zur Unterstützung ultraperipherer Regionen und bei der Initiative zur Vorbereitung der KMU (insbesondere in Ziel-I-Gebieten) auf den Binnenmarkt. Die hier verfolgten Aufgaben sollten Teil des regulären, von den Mitgliedstaaten vorgeschlagenen Förderkataloges sein. Ebenso stellen die sektorspezifischen Initiativen zur Unterstützung monostrukturierter Regionen "Rechar" (Kohle), "Resider" (Stahl), "Retex" (Textil) und "Pesca" (Fisch) einen wenig überzeugenden Fremdkörper dar neben der eigentlichen regionalpolitischen Förderung im Rahmen der Ziele I, 2 oder 5b. Nach mehreren Jahrzehnten spezieller Textilhandelsabkommen einerseits und angesichts hoher Förderung Portugals durch die Strukturfonds andererseits ist wohl auch die spezielle Initiative zur Stützung portugiesischer Textilregionen zuvorderst aus der politischen Entscheidungssituation heraus erklärbar. Die verschiedenen Aspekte der Initiative "Beschäftigung und Entwicklung der Humanressourcen" (Gleichstellung von Frauen, Bekämpfung des sozialen Ausschlusses, Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit) sind explizit bei der Neufassung der Strukturfondsverordnung im Sommer 1993 nochmals als Priorität der gesamten Sozialfondstätigkeit bestätigt worden. Insofern ist der Bedarf an einer speziellen Initiative unklar. Ähnliches gilt für "Adapt", die eng mit dem neuen Ziel 4 verbunden ist. Mit dem Vorschlag von "Urban" zum Einsatz in städtischen Krisengebieten schließt die Kommission in gewisser Weise eine Lücke in ihrem Fördersystem und schafft ein Gegenstück zu "Leader II" für Aktivitäten im ländlichen Raum. Auch hier stehen die Initiativen neben der Förderung im Rahmen der Ziele 2 und 5b (bzw. I). Ein neues Element bringen einige der bislang besprochenen Initiativen dort, wo internationale Netzwerke geschaffen und damit die europäische Zusammenarbeit gefördert wird. Es fragt sich aber, ob dies als Begründung für die neuen Instrumente ausreicht. Es ist letztlich nicht gewährleistet, daß immer ein ausreichender Bestand an sinnvollen Projekten vorhanden ist, wenn die Mittelvergabe aus diesen Initiativen an solche grenzüberschreitenden Beziehungen geknüpft wird. Zudem muß es ohnehin als Aufgabe der Kommission angesehen werden, einen Erfahrungsaustausch zwischen den einzelnen von den Strukturfonds geförderten Projekten zu ermöglichen. Darüber hinaus wäre es möglich, Anreize für die Bildung von Netzwerken in die reguläre Förderung zu integrieren (beispielsweise prioritäre Bearbeitung der Förderanträge, erhöhte Unterstützungssätze o .ä.). Die Fortführung von "Interreg" erscheint dagegen im Grundsatz sinnvoll. Die Zusammenarbeit von Regionen an den Binnen- oder Außengrenzen der Union zu fördern, ist wohl unbestritten eine Aufgabe der Kommission. Fraglich ist allerdings , wie "Interreg II" konkret ausgestaltet sein sollte. Ihre wesentliche Aufgabe ist die Bündelung der Kräfte der beteiligten Regionen und die Vermeidung von Ineffizienzen durch unabgestimmte parallele Investitionen beiderseits der Grenze. Damit hat sie vor allem eine moderierende Funktion. Finanziell stärker ins Gewicht fällt die Förderung von Investitionen und Infrastrukturmaßnahmen. Hier umfaßt "Interreg" eine ganze Reihe von förderungswürdigen Projekten,
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beginnend mit Entwicklungsstudien über Fremdenverkehrseinrichtungen und Basisinfrastrukturen (Wasser, Strom etc.) bis hin zur genetischen Verbesserung sowie Tier- und Pflanzenschutzmaßnahmen zur Steigerung landwirtschaftlicher Produktivität (Kommission, Europäische 1994). Solche Unterstützung ist allerdings nur dann gerechtfertigt, wenn die betreffende Region nach den allgemeinen Kriterien förderwürdig ist. Grenzregionen erfüllen diese Kriterien zwar oft, doch läßt sich nicht umgekehrt von einer Grenzlage auf Bedürftigkeit schließen. Nach der Interreg-Verordnung sollen sich die Maßnahmen deshalb auch auf Gebiete nach den Zielen 1,2 und 5b konzentrieren. Systematisch vorzuziehen ist eine Lösung, nach der im Rahmen von "Interreg" Entwicklungsanstrengungen lediglich aufeinander abgestimmt werden, die Finanzierung dieser Maßnahmen aber je nach Erfüllung der verschiedenen Förderkriterien aus regulären regionalen, nationalen oder gemeinschaftlichen Programmen erfolgt. Die Kooperation an den Ostgrenzen der Gemeinschaft (vgl. Willers 1992) erwies sich in der Vergangenheit insofern als problematisch, als für Maßnahmen auf z. B. polnischer Seite Mittel aus dem Phare-Programm für Polen verausgabt werden mußten, dies aber nicht den polnischen Prioritäten entsprach. Anstatt den Ansatz für "Interreg" zu erhöhen und für einen Teil der Mittel einen außergemeinschaftlichen Einsatz zu erlauben, wurde zur Lösung dieses Problems der Haushaltsansatz für Phare erweitert. Dies schafft zusätzlichen Verwaltungsaufwand, denn nun müssen praktische Koordinierungsmechanismen geschaffen werden (vgl. Kommission, Europäische 1994). Positiv zu bewerten ist schließlich noch die relativ neue Initiative "Konver" zur Bekämpfung der regionalen Probleme, die sich aus dem Abrüstungsprozeß ergeben. Diese Problematik ist tatsächlich neuartig. Zudem entspringt sie u.a. aus der Entspannungspolitik der Gemeinschaft bzw. ihrer Mitgliedstaaten. Die Umstellung der Rüstungsindustrie, die Sanierung militärisch genutzter Flächen und die Abfederung der Beschäftigungsprobleme an ehemaligen Truppenstandorten ist damit ein Feld gemeinschaftlicher regionaler Strukturpolitik, die auf EG-weit ähnliche, wenn auch unterschiedlich intensive Probleme reagieren kann. Ein Großteil der betroffenen Regionen erfüllt nicht die Förderkriterien nach Ziel I, 2 oder 5b, müßte also auf Gemeinschaftshilfe verzichten. Das grundSätzlich fragwürdige Abgehen von der Fördergebietshierarchie ließe sich in diesem Ausnahmefall wohl rechtfertigen (vgl. Voß 1993, Economists Advisory Group 1992). Somit erscheinen die Initiativen "Interreg" und "Konver" als sinnvolle Ergänzung zur regulären Förderung, wobei bei ersterer die Förderung von öffentlichen und privaten Investitionen wohl ein geringeres Gewicht haben sollte. Bei anderen Initiativen blieb z. T. als interessantes, weil sonst eher vernachlässigtes Element, daß die transnationale Kooperation gefördert wird. Es ist fraglich, ob dies als Rechtfertigung ausreicht, denn es wäre auch denkbar, im Rahmen der regulären Förderung Anreize für die transnationale Zusammenarbeit zu geben (prioritäre Behandlung, erhöhte Förderquoten) . Der Großteil der Fördergegenstände der Gemeinschaftsinitiativen müßte problemlos im Rahmen von operationellen Programmen oder Globalzuschüssen, die von den Mitgliedstaaten initiiert werden, unterstützt werden können. Dies wäre nach dem Subsidiaritätsprinzip vorzuziehen.
3.2. Konfliktpotential
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3.2.3. Fördergebiete Die erste zentrale Frage, die sich der Regionalpolitik stellt, ist die, in weIchen Regionen Förderung betrieben werden soll . Zu klären ist unter anderem, wie groß der Umfang der Fördergebiete sein soll, wie sie abzugrenzen sind und nach weIchen Kriterien ihre Förderwürdigkeit zu beurteilen ist (vgl. zu diesem Problemkreis ausführlich : Zarth 1991). Die EG greift mit ihren regionalpolitischen Instrumenten und auf dem Weg der Beihilfenkontrolle auf verschiedene Weise in den Prozeß der Fördergebietsfestlegung ein . So ninunt die EG zunächst Einfluß auf die Gestaltung der nationalen Förderkulisse. Nach dem EG-Vertrag sind grundsätzlich alle Beihilfen unzulässig. Ausnahmen sind jedoch zugelassen, u.a. für regionalpolitische Beihilfesysteme. Regionalförderungsprogranune der Mitgliedstaaten - in Deutschland der Rahmenplan der Gemeinschaftsaufgabe - müssen der EG aber zur Genehmigung vorgelegt werden. Dabei drängt die Konunission generell auf eine Einschränkung der (west-)deutschen Förderkulisse, gemessen am Bevölkerungsanteil, der in Deutschland in Fördergebieten lebt - mittlerweile auch mit dem Hinweis auf die Ausweitung der Förderkulisse um die neuen Länder und Ost-Berlin. Eine Beschränkung der Förderung - vor allem im Westen Deutschlands - läßt sich damit begründen, daß auch die nach deutschen Maßstäben bedürftigen Regionen im für die Konunission maßgeblichen EG-Vergleich gut entwickelt sind. Dem läßt sich aus Sicht eines einzelnen Mitgliedstaates entgegenhalten, daß ausschließlich national finanzierte Regionalbeihilfesysteme - wenigstens bis zu einer gewissen Grenze deswegen vergleichsweise unproblematisch sind, weil einer Stärkung der geförderten Regionen eine Belastung der gesamten Volkswirtschaft gegenübersteht, die die eingesetzten staatlichen Mittel finanzieren muß (Eekhoff 1993). Dies setzt natürlich voraus , daß das Beihilfesystem selbst möglichst wettbewerbsneutral ist, also z.B. "sektorblind .. angelegt ist. Neben der Frage, wie groß das deutsche Fördergebiet sein soll, gibt es aber auch Konflikte darum, weIche Regionen als förderwürdig eingestuft werden. Diese entstehen daraus, daß die Konunission bei der Überprüfung nationaler Beihilfesysteme ein anderes Indikatorensystem verwendet, als es bei der Gemeinschaftsaufgabe (GRW) zur Auswahl der Regionen zum Einsatz kommt (vgl. Eser 1989; Gräber, Spehl 1992a und 1992b). Die GRW benutzte für die Abgrenzung 1991 einen Gesamtindikator, in den der Bruttoarbeitslohn pro Arbeitnehmer, die regionale Arbeitslosenquote, sowie ein Indikator für die prognostizierte Arbeitsplatzentwicklung und für die Infrastrukturausstattung eingehen. Die Wettbewerbsgeneraldirektion der EG stützt sich bei ihrer Prüfung dagegen auf ein Schwellensystem. Sie berücksichtigt dabei das BIP pro Kopf und die Arbeitslosenquote der Region. Eine Region ist dann förderfähig, wenn sie - in Relation zum nationalen Durchschnitt - bei einem der beiden Indikatoren einen kritischen Schwellenwert passiert. Die Höhe dieses Wertes variiert mit dem jeweils vom Mitgliedstaat insgesamt erreichten Wert. Je günstiger die Situation im Mitgliedstaat insgesamt ist, desto ausgeprägter muß die Differenz zum nationalen Durchschnitt sein. Zusätzlich legt die Konunission nicht nur fest, ob in einer Region Beihilfen gezahlt werden dürfen , sondern auch, wie hoch die Beihilfeintensität sein darf. Dabei genehmigt sie im Sinne der gemeinschaftlichen regional politischen
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3. Einflüsse der EG auf die regionale Strukturpolitik in Deutschland
Ziele für Fördergebiete in ärmeren Mitgliedstaaten höhere Sätze als für die wohlhabenderen EG-Mitglieder. Die Methode der EG ist durchaus nicht unumstritten (vgl. Gräber, Spehl 1992b). Lange Zeit stützte sich das Verfahren auf eher allgemeine Grundsätze, deren Anwendung viel Ermessensspielraum ließ und politisch verhandelt wurde. Seit 1983 wird nach einer detaillierten Methode verfahren , die 1988 veröffentlicht wurde (Kommission der EG 1979, Kommission der EG 1988). Kritisiert wurde daran vor allem, daß die Indikatoren nur als Orientierung dienen, nicht als verbindliche Richtschnur. So kann in einem zweiten Prüfschritt das Ergebnis der Indikatorenüberprüfung anband weicher sozioökonomischer Kriterien in beiden Richtungen korrigiert werden. Zu unterschiedlichen Ergebnissen führen die Verfahren der GRW und der Generaldirektion Wettbewerb in den Fällen, in denen eine Region bei einem Indikator besonders schlechte Werte hat, bei dem anderen aber relativ gut dasteht , und in solchen, in denen eine Region beide Schwellenwerte knapp verfehlt. Im ersten Fall wäre die Region nach EG-Regeln förderfähig, nach nationalen Kriterien würden sich die Einzelindikatoren neutralisieren. Im zweiten würde die Region umgekehrt wegen einer Kumulierung negativer Werte im Gesamtindikator in die GRW aufgenommen werden können, aber nicht ohne weiteres von der EG-Kommission als nationales Fördergebiet akzeptiert werden. Es würde sicher zu kurz greifen, der EG die Berechtigung abzusprechen, anband eigener Kriterien, die stärker die EG-Dimension in die Überlegungen einbeziehen, nationale Regionalpolitik zu prüfen. Regionalpolitisch begründete Ausnahmen vom Beihilfeverbot dürfen , wenn sie nicht den Wettbewerb verzerren, sondern vor allem standortbedingte Nachteile verringern sollen, auch tatsächlich nur den bedürftigsten Regionen im jeweiligen Mitgliedstaat zugute kommen. Die Frage ist aber, inwieweit hier ein strenger, eigener methodischer Ansatz zur Anwendung kommen muß oder ob zur Abwehr einer Fehlleitung nationaler Beihilfen ein flexibleres EG-Prüfverfahren ausreicht. In dieser Frage bestehen gegensätzliche Interessen. Auf der einen Seite ist die Beihilfenkontrolle eine wichtige Aufgabe der EG, die auch ökonomisch betrachtet auf dieser Ebene angesiedelt sein muß. Dabei verliert Kontrolle ihren Sinn, wenn die Kommission jegliche als "regionalpolitisch motiviert" deklarierte Beihilfe akzeptieren sollte. Auf der anderen Seite führt eine starre Prüfmethode der Kommission zu vermeidbaren Konflikten mit den Mitgliedstaaten. Allerdings sind Lösungen vorstellbar, die die Interessen beider Seiten berücksichtigen. So könnte die Kommission bestimmte Mindestbedingungen an das nationale Auswahlsystem stellen. Eine erste Forderung wäre , daß das nationale System hauptsächlich mit quantifizierbaren Indikatoren arbeitet und eine nachvollziehbare Auswahl trifft. Eine zweite Forderung könnte von den Mitgliedstaaten verlangen, dem Pro-KopfEinkommen und/oder der Arbeitslosenrate eine wichtige Rolle bei der Auswahl einzuräumen. Der unterschiedliche Wohlstand der EG-Mitglieder wird bereits durch den ihnen in unterschiedlichem Ausmaß zugebilligten Umfang der nationalen Kulisse berücksichtigt. Es versteht sich, daß im Rahmen dieses Plafonds die Regionen in der Rangfolge ihrer - nach nationalen Kriterien beurteilten - Bedürftigkeit bedient werden müßten. In einem solchen
3.2. Kontliktpotential
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System wären sowohl die gemeinschaftsweite Dimension der Regionalförderung einbezogen, als auch eine regionalpolitisch vertretbare Regionenauswahl gesichert. Verbleibende Unterschiede in den nationalen Methoden (Berücksichtigung nur eines Indikators oder Hinzuziehen weiterer Kriterien, Schwellenmodell oder Gesamtindikator, Gewichtung der Indikatoren) gäben den Mitgliedstaaten ausreichende Gestaltungsspielräume, wären aber wohl für die Kommission tolerabel. Die EG nimmt aber auch durch den Einsatz ihrer eigenen regionalpolitischen Instrumente Einfluß auf die Abgrenzung der Fördergebiete in den Mitgliedstaaten. Seit der Reform von 1988 erfolgte die Regelförderung durch die EG-Strukturfonds im Rahmen der Ziele I, 2 und 5b in eigens klassifizierten EG-FÖrdergebieten. Dabei bedient sich die EG anderer Kriterien, als die Mitgliedstaaten bei ihren Programmen verwenden, aber auch anderer, als sie selbst bei der Prüfung nationaler Systeme anlegt. Zwangsläufig entstehen Abweichungen gegenüber den national festgelegten Förderkulissen. Damit ist zu fragen, wie die Kriterien zur Festlegung der EG-Fördergebiete zu beurteilen sind . Am klarsten ist die Lage bei Ziel I. Die Förderwürdigkeit ergibt sich hier aus einem im EG-Vergleich niedrigen Pro-Kopf-Einkommen (unter 75 v H des EG-Durchschnitts). Dieser Indikator eignet sich zur Beurteilung sowohl der Problemlage in einer Region als auch der Zielerreichung. Zudem bezieht sich der Indikator auf einen EG-weiten Vergleich, und er ist quantitativ spezifiziert. Damit wären die Voraussetzungen für eine sinnvolle Regionenauswahl gegeben. Zu fragen ist aber, ob die Regionenauswahl mit Hilfe eines objektiven Indikators in jedem Fall vorgenommen werden kann. Soweit sich das EG-Gebiet durch Erweiterungen verändert, hat dies Auswirkungen auf die EG-weiten Durchschnittswerte, ohne daß sich an den jeweiligen regionalen Problemen oder dem erreichten Entwicklungsstand etwas geändert hat. Das gleiche gilt für Änderungen der Wechselkurse der nationalen Währungen zum ECU. Dies kann nicht ohne weiteres zu einer Neudefinition des EGFördergebiets führen. Insofern war es folgerichtig, die geringe Wirtschaftskraft im Gebiet der ehemaligen DDR nicht zum Anlaß zu nehmen, andere Fördergebiete aus der Förderung herauszunehmen. Eine allzu diskretionäre Entscheidung über die objektiven Kriterien hinaus birgt freilich die Gefahr, daß den nationalen Interessen immer wieder über Gebühr Rechnung getragen wird. Dies zeigte sich im Sommer 1993. Hier wurde die Chance nicht genutzt, die Förderkulisse zu bereinigen und einigen Regionen den ihnen streng genommen nicht mehr zustehenden Förderstatus zu nehmen. Statt dessen wurden sogar zusätzlich Regionen neu aufgenommen, die das 75 vH-Kriterium nicht erfüllen. Um nach Ziel 2 gefördert zu werden, muß eine Region eine überdurchschnittliche Arbeitslosenquote aufweisen, der Anteil der in der Industrie Erwerbstätigen muß in einem Jahr seit 1975 auf oder über dem Gemeinschaftsschnitt gelegen haben und seitdem zurückgegangen sein. Sich gegen den Rückgang der Bedeutung der Industrie in einzelnen Regionen zu stellen, kann wohl kaum von Erfolg gekrönt sein. Modeme Volkswirtschaften unterliegen einem ständigen Strukturwandel zugunsten der Dienstleistungen, und so wurde als Ziel 2 auch nicht allgemein die Unterstützung, sondern die Umstellung der Wirtschaft in der betroffenen Region genannt. Damit soll vor allem der mit dem Strukturwandel
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einhergehenden Arbeitslosigkeit begegnet werden. Weniger marktverzerrend wäre es allerdings, die Arbeitslosigkeit insgesamt als Ziel-2-Kriterium zu wählen, nicht nur den Rückgang der industriellen Beschäftigung . Zudem hätte man auf diese Weise gleichzeitig einem einheitlichen Problemstands- und Zielerreichungsindikator erhalten. Immerhin sind die primären Kriterien eindeutig formuliert und auf den Gemeinschaftsdurchschnitt bezogen, wenn auch - anders als bei Ziel 1 - hier kein Mindestabstand zum Gemeinschaftsdurchschnitt gefordert wird. Dies ist nicht bei allen sekundären Kriterien der Fall, die allerdings auch nur ergänzend oder in Ausnahmefällen zum Einsatz kommen sollen. Deutlich unbefriedigend sind die Kriterien zur Festlegung der Ziel-5b-Gebiete. Von den drei prioritären Kriterien (hoher Anteil landwirtschaftlicher Beschäftigung, niedriges Agrareinkommen, geringe Bevölkerungsdichte und/oder Abwanderungstendenzen) müssen zwei erfüllt sein . Ländliche Regionen können aber auch bei "einem niedrigen Stand der wirtschaftlichen sozialen Entwicklung" Förderung erhalten, wenn sie eines der Kriterien Randlage, Betroffenheit hinsichtlich der Agrarreform, (ungünstige) Betriebsstruktur, (ungünstiger) Altersaufbau, Umweltbelastung, Lage in bergigen oder benachteiligten Gebieten oder Auswirkungen der Umstrukturierung des Fischereisektors erfüllen. Diese Vielzahl von Kriterien macht es praktisch unmöglich, das Verfahren zur Regionenabgrenzung und Miuelaufteilung zu objektivieren. Die Kriterien werden nicht in Zusammenhang zum Gemeinschaftsdurchschnitt gestellt, sie werden auch nicht quantitativ konkretisiert. Die Gebietsauswahl nach Ziel 5b erfüllt damit nicht die regionalökonomischen Mindestanforderungen nach Klarheit und Nachvollziehbarkeit. Daran ändert auch die Überlegung nichts, daß die Aufnahme von demographischen Faktoren bei der Neufassung der Fondsverordnungen positiv zu werten ist, wenn man systemimmanent argumentiert. Insgesamt ist aber ein spezieller Kriteriensatz zur Förderung des ländlichen Raumes genauso fragwürdig wie die auf den industriellen Bereich orientierte Förderung nac~ Ziel 2. Vielfach ist die Regionenabgrenzung für die Ziele I, 2 und 5b auch für die Gemeinschaftsinitiativen von Bedeutung. Diese Initiativen sollen in der Regel vorrangig in Ziel-lGebieten eingesetzt werden, aber auch in Gebieten nach Ziel 2 und Ziel5b. Ihr Einsatz außerhalb der EG-Fördergebiete ist aber bis zu einer gewissen Grenze als Mittel der Flexibilisierung der Förderung explizit vorgesehen. Auf die eine oder andere Art tragen die Initiativen so zur Differenzierung der Fördergebiete bei. Insgesamt konnte in Deutschland das Ausmaß der EG-Förderung außerhalb von GRWGebieten im Rahmen gehalten werden, zumal sich durch die Konzentration der EG-Mittel in diesen Gebieten auf Infrastrukturmaßnahmen statt auf Unternehmenssubventionen die Wettbewerbsbeeinträchtigungen noch weiter beschränken lassen. Ein Widerspruch zu einer Plafondlösung ist jedoch auch schon die Möglichkeit, durch Instrumente der EG-Regionalpolitik innerhalb der GRW-Gebiete zusätzliche Prioritäten festzulegen, zumal wenn man sich dabei GRW-fremden Kriterien bedient. Änderungen können sich aus der (mittelfristigen) Absicht der EG ergeben, ihre Förderung im Rahmen von Arbeitsmarktregionen zu organisieren (Kommission der EG 1991). Außer in Deutschland gibt es ein solches Gliederungssystem in der EG nur in Frankreich
3.2. Konfliktpotential
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und dem Vereinigten Königreich, jedoch weichen in diesen drei Ländern die Methoden zur Klassifizierung von Arbeitsmarktregionen voneinander ab . Bislang entsprachen Ziel-2Gebiete der EG-Gliederungsstufe NUTS 3; die deutschen Arbeitsmarktregionen sind im Schnitt deutlich größer als eine NUTS-3-Region. Wenn künftig die Ziel-2-Förderung nach Arbeitsmarktregionen organisiert werden sollte, hätte dies auch Konsequenzen für Deutschland (Gräber, Spehl 1992a). Entweder müßten künftig ganze Arbeitsmarktregionen als Ziel-2-Gebiet ausgewiesen werden; damit wäre der für Ziel-2-Förderung in Deutschland zur Verfügung stehende Rahmen schnell ausgeschöpft, ein Teil der heutigen Ziel-2-Gebiete könnte nicht mehr gefördert werden. Alternativ könnte die GRW dem wenig überzeugenden Beispiel der EG folgen und die Arbeitsmarktregion zwar als Ziel-2-Gebiet ausweisen, aber einzelne Stadtviertel und Wohngebiete überspringen. Als dritte Möglichkeit verbliebe, das System der Arbeitsmarktregionen neu zu strukturieren und der NUTS-3-Systematik anzupassen. Aus regionalökonomischer Sicht ist eine Gebietsgliederung nach Arbeilsmarktregionen einer nach NUTS-3-Regionen überlegen. Deshalb wäre eine solche Gliederung auch für die EG-Fördergebiete durchaus sinnvoll, auch wenn einzelne jetzt geförderte Ziel-2-Gebiete davon nachteilig betroffen wären. Insgesamt ergibt sich in Europa ein vielfältig abgestuftes System der Regionalförderung. Dies beginnt mit der extrem hohen Fördermöglichkeit durch den Kohäsionsfonds, die in den Kohäsionsländern auch von den anderen Fonds in Ausnahmefällen erreicht werden darf (bis zu 85 vH der Gesamtkosten einer Maßnahme). Dahinter folgt die Förderung in den übrigen Ziel-I-Gebieten (75 vH), dann die Unterstützung nach Ziel 2 und 5b (50 vH, dies ist auch der maximal zulässige Satz für die Ziel-3- und Ziel-4-Maßnahmen). Abgesehen von den Möglichkeiten im Rahmen von Gemeinschaftsinitiativen ergeben sich durch die nationalen Systeme in den Mitgliedstaaten noch weitere Differenzierungen, wie sie für Deutschland beschrieben wurden. Diese begründen sich teils in freien Entscheidungen der Mitgliedstaaten über eine abgestufte nationale Förderung, teils aber auch in den von der Kommission genehmigten regional unterschiedlichen Beihilfehöchstsätzen. Auf der untersten Stufe findet sich schließlich die flächendeckend erlaubte, geringfügige Förderung im "de-minimis"-Rahmen. Zu beachten ist zusätzlich, daß keineswegs immer der maximal zulässige Fördersatz ausgenutzt wird. Teils ist dies generell nicht vorgesehen, teils werden in den Regionen noch Feindifferenzierungen vorgenommen. Die entstandene Förderpyramide ist somit keineswegs klar gegliedert, vor allem an der Spitze - beim Kohäsionsfonds ist der zulässige Höchstsatz zu groß . Die Systematik der EG-Fördergebiete und die Abstimmung mit den nationalen Verfahren bietet also an vielen Punkten Anlaß zur Kritik. Dies ist ein Bereich, in dem künftige Reformmaßnahmen erhebliche Vereinfachungen und Verbesserungen bewirken können .
3.2.4. Einfluß ausgewählter weiterer Politiken Staatliches Handeln bestimmt die regionale Entwicklung nicht nur mit den Mitteln regionaler Strukturpolitik. Wie schon in Abschnitt B gezeigt wurde, werden in anderen
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raumwirksamen Politikbereichen oftmals weit mehr Mittel eingesetzt und damit vermutlich auch stärkere regionale Wirkungen erzielt als durch Maßnahmen der gezielten Regionalpolitik. Darüber hinaus hat der von der Politik festgelegte rechtliche Rahmen beachtliche Konsequenzen. Analog gilt dies auch für die EG. Die Untersuchung kann nicht die regionalen Auswirkungen der gesamten EG-Politik behandeln (vgl. für eine ausführliche Analyse hierzu: Franzmeyer et al. 1991); sie will vielmehr für einzelne Politikbereiche das Spannungsverhältnis zu den Zielen und Instrumenten der regionalen Strukturpolitik beleuchten. Es sind vor allem zwei in Gemeinschaftskompetenz fallende Politiken, die hier von Bedeutung sind: die Agrarpolitik und die Beihilfenpolitik. Von der Landwirtschaftspolitik könnten zunächst ausgleichende regionale Wirkungen erwartet werden, zielt sie doch auf eine Verbesserung der ökonomischen Situation der Landwirtschaft und insofern auch auf die Förderung des ländlichen Raumes . Dieser ist in der Regel ein regionalpolitisches Zielgebiet. Die Agrarpolitik muß deshalb aber nicht zwangsläufig ausgleichend auf das regionale Gefälle wirken. Auch innerhalb des ländlichen Raumes gibt es erhebliche regionale Unterschiede, und auch das Gewicht der Landwirtschaft in der Wirtschaftsstruktur dieser Gebiete variiert. Hinzu kommt, daß die Unterstützung der Landwirtschaft allein wohl kaum eine wesentliche Verbesserung der Entwicklungschancen ländlicher Problernregionen bewirken wird. Die EG-Agrarpolitik muß also genauer auf ihr Verhältnis zur Regionalpolitik untersucht werden. Die regionalen Wirkungen der Agrarpolitik lassen sich nicht einfach aus den Zahlungsströmen ermitteln. Ihre einzelnen Maßnahmen zielen oft nicht auf die Produktionsstufe, sondern auf nachgelagerte Bereiche (z.B. Verarbeitungsbeihilfen). In diesen Fällen wird den Empfängern der Transferzahlungen lediglich ermöglicht, den Erzeugern relativ hohe Preise zu zahlen . Entsprechend fließen beispielsweise auch die Exporterstattungen zunächst an die Handelshäuser und kommen nur indirekt den Produzenten zugute. Doch auch wenn die letzten Empfanger der Finanzströme in ihrer regionalen Verteilung bekannt wären, ergäbe dies kein zutreffendes Bild der regionalen Wirkungen der EGAgrarpolitik. Exporterstattungen, Vernichtungsprämien etc. sollen die Folgen der Überschußproduktion in der EG-Landwirtschaft auffangen und so für die gesamte Produktion die vereinbarten Preise sichern. Daher entspricht die regionale Verteilung des Nutzen der Agrarstützungsmaßnahmen etwa der regionalen Verteilung der Produktion. Von diesen Überlegungen ausgehende Analysen ergaben, daß die EG-Agrarpolitik nur in geringem Maße ausgleichend auf die regionale Verteilung der Pro-Kopf-Einkommen in der EG wirkt (Franzmeyer et al. 1991). Dieser ausgleichende Effekt hat sich sogar in Folge der Süderweiterung abgeschwächt, unter anderem deshalb, weil die "Südprodukte" weniger stark preisgestützt waren als die "Nordprodukte" . Anders kann sich das Bild in den einzelnen Mitgliedstaaten darstellen. Die GRW umfaßt z.B. eine Reihe von ländlichen Regionen, die eher von Großbetrieben geprägt sind . Einiges deutet darauf hin, daß die EG-Agrarpolitik innerhalb Deutschlands dem regionalen Gefälle insgesamt entgegenwirkt.
3.2. Konfliktpotential
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Die Grundprobleme der EG-Agrarpolitik sind bekannt, aus ihnen ergibt sich auch ihre geringe regional politische Wirksamkeit. In den agrarmarktpolitischen Maßnahmen dominierte immer der Versuch, die europäische Landwirtschaft künstlich wettbewerbsfähig zu halten. Ansätze zur Umstrukturierung gewannen nur allmählich an Gewicht. Preisstützende Aktionen helfen aber vor allem relativ produktiven landwirtschaftlichen bzw . agrarindustriellen Betrieben. Damit konzentrieren sich solche Maßnahmen gerade nicht auf die Problemzonen im ländlichen Raum, eher verschärften sie die Wettbewerbssituation kleinbäuerlicher Betriebe in benachteiligten Regionen gegenüber ihren innereuropäischen Konkurrenten. Die EG-Agrarpolitik hat auf verschiedene Weise versucht, diesem Problem zu begegnen. Zum einen entwickelte sie spezielle Fördermechanismen z.B. für Regionen in bergigen oder aus anderen Griinden benachteiligten Regionen, und sie verstärkte die landwirtschaftlichen Strukturmaßnahmen der Abteilung Ausrichtung des EAGFL. Zum anderen reformierte sie ihre Agrarmarktordnungen im Rahmen der Abteilung Garantie des EAGFL. Die jüngste Reform der Agrarpolitik von 1992 war aus verschiedenen Gründen unabwendbar geworden. Die Zahlungen im Rahmen des Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft binden traditionell einen erheblichen Anteil des EGHaushaltes. 1975 und 1985 waren es jeweils etwa 75 vH, welche fast ausschließlich aus der Abteilung Garantie kamen. Ab Mitte der 80er Jahre gelang es zwar, diesen Anteil deutlich zu senken; die neuen Integrationspläne hatten eine Aufwertung der Strukturfonds notwendig gemacht. 1992 war der Anteil der Abteilung Garantie aber mit über 50 vH immer noch extrem hoch. Der Versuch einer Marktregulation durch produktionsbezogene Beihilfen und Begrenzung der Abnahmegarantien ("Stabilisatoren") blieb erfolglos . Die EG stand unvermindert vor dem Problem der Überproduktion. Zudem waren die Stützungsmaßnahmen der EG für die Landwirtschaft ständige Quelle für Auseinandersetzungen in den GATT-Verhandlungen. Mit der Agrarreform von Juli 1992 versuchte die EG mit einigen neuen Akzenten eine Lösung zu finden (vgl. Hrubesch 1993). Dazu gehörten die Betonung flächenbezogener Beihilfen (im Zusammenhang mit einer Flächenstillegungspflicht) , Anreize zur Produktion von nachwachsenden Rohstoffen und eine Vorzugsbehandlung für Kleinbetriebe. Auch wurden einige Instrumente aus der Abteilung Ausrichtung ausgegliedert und der Abteilung Garantie zugeordnet. Inwiefern diese Reform Erfolg haben wird , ist hingegen noch offen. Zu kritisieren ist in jedem Fall , daß sie wichtige Gütergruppen nicht erfaßt und daß ihre Umsetzung ausgesprochen hohen Verwaltungsaufwand erfordern wird . Insgesamt geht die Reform aber in die richtige Richtung - vor allem, weil Einkommensstützung und Marktordnung mit getrennten Instrumenten erreicht werden soll. Des weiteren hat die Reform den Abschluß der Uruguay-Runde des GATT erleichtert. Die grundSätzliche Dilemmasituation - Förderung der Landwirtschaft einerseits, Maßnahmen zur Diversifizierung des ländlichen Raumes andererseits - besteht weiterhin und wird wohl auch auf absehbare Zeit nicht aufgelöst werden können. Der Bedeutungsgewinn der Agrarstrukturpolitik ist aber zu begrüßen - auch wenn deren Ausgestaltung kritisiert
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werden kann. Immerhin besteht so die Hoffnung, daß Inkompatibilitäten von gemeinsamer Agrarpolitik und regionaler Strukturpolitik auf EG-Ebene künftig weniger ins Gewicht fallen. Die Agrarpolitik ist die wichtigste budgetwirksame Politik der EG. Daneben fallen aber auch nicht-haushaltsrelevante Teilpolitiken in den Zuständigkeitsbereich der EG. Für die regionale Entwicklung ist darunter die Beihilfenpolitik die einflußreichste. Vor allem greift hier die EG in die nationale Regionalpolitik über die Prüfung der geplanten Gebietsabgrenzungen etc. ein (vgl. Abschnitt C.2.3). Daneben stehen jedoch auch die Genehmigung einzelner Unternehmens- oder Sektorbeihilfen und die Gestaltung allgemeiner Ausnahmen vom Beihilfenverbot in einem Spannungsverhältnis zur regionalen Strukturpolitik. Zum Teil bietet die Kommission auch im Rahmen ihrer eigenen regional politischen Initiativen bedenkliche Möglichkeiten zur direkten Subventionierung von Unternehmen. Die regionale Bedeutung sektorspezifischer Subventionen wurde vor allem im Kohleund Stahlbereich deutlich, wo durch den EGKS-Vertrag größere politische Eingriffsmöglichkeiten erlaubt waren, als es der EWG-Vertrag für die übrige Wirtschaft vorsah. Große Stahlwerke prägen oft die wirtschaftliche Situation ihres Standortes - durch die in der Regel hohe Zahl der direkt Beschäftigten, sowie indirekt über Multiplikatoreffekte und Zulieferverflechtungen. Der Konflikt um die Sanierung von Stahlwerken in Ostdeutschland, Italien und Spanien zeigte sowohl die Schwierigkeit wie auch die Notwendigkeit einer Wettbewerbsaufsicht auf europäischer Ebene. Eine Beihilfenkontrolle durch EG-Gremien ist - in Fällen, die den EG-Markt insgesamt betreffen - nicht nur wegen des EG-Vertrages zu akzeptieren, sondern auch ökonomisch geboten, um Subventionswettläufe, Außenhandelskonflikte und Ineffizienzen zu Lasten der Konsumenten zu minimieren. Diese Kontrolle muß dabei nach für alle Mitgliedstaaten einheitlichen Maßstäben vorgenommen werden. Damit kann ein System von nach dem Entwicklungsstand der Regionen differenzierten zulässigen Beihilfehöchstsätzen durchaus vereinbar sein. Konflikte können aber bei der Beurteilung dessen entstehen, wie der Grundsatz einheitlicher Behandlung anzuwenden ist. Unter dem Vorbehalt der Genehmigung durch die EG stehen nicht nur einzelne Unternehmensbeihilfen, sondern auch ganze Subventionsprogramme wie z.B. die deutsche Politik zur Unterstützung des Kohlebergbaus. Diese kommt wesentlich Regionen zugute, die auch Zielgebiete der GRW bzw. der Ziel-2-Förderung der EG sind . Die regionale Inzidenz der Finanzierung dieser Politik ist weit weniger eindeutig. Mit einiger Wahrscheinlichkeit aber kann für diese Maßnahmen eine positive regionalpolitische Wirkung unterstellt werden. Sie stehen jedoch unter Druck der EG-Behörden, da sie das Funktionieren des gemeinsamen Marktes erheblich beeinträchtigen. Zumindest mittelfristig wird hier die sektorspezifische Förderung abgebaut werden müssen, ohne daß allerdings die Genehmigung von dann eventuell aufgestockten regional politischen Maßnahmen durch die EG gesichert ist. Während in diesen Fällen nationale Maßnahmen mit regionaler Wirkung und gemeinschaftliche Wettbewerbsregeln kollidieren, gibt es auch Fälle, in denen regionalpolitische Instrumente der EG nicht mit dem deutschen Verständnis von Wettbewerb und Struk-
3.3. Die Situation in den übrigen EG-Mitgliedstaaten
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turwandel in Einklang stehen. Beispiel hierfür ist der Katalog förderwürdiger Maßnahmen bei der Gemeinschaftsinitiative "Retex" (zugunsten der vom Textil- und Bekleidungssektor stark abhängigen Regionen). Diese Initiative erlaubt die Unterstützung von Investitionen und andere unternehmensbezogene Maßnahmen in allen Industriebereichen der betroffenen Regionen, also auch im Textilsektor selbst. Ähnlich gelagerte Initiativen - etwa "Rechar" zur Umstellung von Kohlerevieren - hatten stärker die Diversifizierung der Region und sektorneutrale Maßnahmen zu ihrer Entwicklung in den Mittelpunkt gestellt. Die Unterstützung von Investitionen war nur für alternative Wirtschaftstätigkeiten gestattet. Auch der 1992 beschlossene Gemeinschaftsrahmen für die Unterstützung von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) schafft Spannungen zwischen Wettbewerbs- und Regionalpolitik. Dieser Rahmen zielt offensichtlich vor allem auf eine Verringerung des Verwaltungsaufwandes bei der Beihilfenkontrolle. Geringfügige Beihilfen an Unternehmen jeglicher Größe müssen nun nicht mehr der Kommission gemeldet werden. Zusätzlich wurde ein Bereich von Beihilfen mit geringer Bedeutung festgelegt , die Gegenstand eines beschleunigten Genehmigungsverfahren sind, wenn sie KMUs gewährt werden. Auch die Grenzen, bis zu denen ein Unternehmen als KMU gilt, wurden erweitert. Auf regionalpolitische Erwägungen geht die Kommission insofern ein, als sie in Fördergebieten höhere Beihilfesätze als "von geringer Bedeutung" ansieht. Insgesamt ist die bewirkte Verwaltungsvereinfachung zu begrüßen ; aus Sicht der Regionalpolitik ist aber die Differenzierung zwischen förderungswürdigen und sonstigen Gebieten unzureichend. Der entstehende Druck, Fördermöglichkeiten flächendeckend auszuschöpfen, wirkt regionalpolitisch in unerwünschter Weise. Ähnlich wie im Fall der Ziel-2und Ziel-5b-Regionen, die nicht gleichzeitig GRW-Gebiet sind, kann man dennoch versuchen, nicht alle Instrumente voll zu nutzen. Zudem ist auch die Förderung des Mittelstandes ein (Teil-)Ziel der allgemeinen Wirtschaftspolitik. Zielkonflikte sind unvermeidlich .
3.3. Die Situation in den übrigen EG-Mitgliedstaaten Die Beurteilung der Einflußnahme der EG auf die regionale Strukturpolitik ist aus nationaler Sicht von verschiedenen Faktoren abhängig. Ein wesentlicher Punkt dabei ist, wieviel finanzielle Zuflüsse mit den EG-Maßnahmen verbunden sind bzw. in welcher Relation diese Rückflüsse zu den zur Finanzierung der EG-Regionalpolitik erforderlichen Beiträgen an die EG-Kasse stehen. Die Bewertung der Rolle der EG wird auch davon abhängen, wie in dem jeweiligen Mitgliedstaat die (regionalpolitischen) Kompetenzen auf die einzelnen gebietskörperschaftlichen Ebenen verteilt sind, und ob es in der Vergangenheit zu Konflikten wegen des Gestaltungsanspruches der EG gekommen ist. Die Budgetwirkungen der EG-Regionalpolitik in den EG-Mitgliedstaaten sind nur ansatzweise abzugreifen. Denn während die vorgesehenen Beiträge der Strukturfonds im Rahmen der gemeinschaftlichen Förderkonzepte nach Mitgliedstaaten direkt veröffentlicht werden (Kommission der EG 1993), läßt sich die Finanzierung der Strukturfonds nicht ohne weiteres nach Mitgliedstaaten aufteilen; dies gelingt selbst für den EG-Haushalt insgesamt 8 Gom ig u. a.
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3. Einflüsse der EG auf die regionale Strukturpolitik in Deutschland
nur unvollkommen. Hier kommt es allerdings auf eine Grenzbetrachtung an, also auf die Ermittlung der finanziellen Konsequenzen einer marginalen Änderung der Mittel für die EG-Regionalpolitik für die jeweiligen Mitgliedstaaten. Damit ist es möglich, sich auf die vierte Einnahmequelle der EG zu konzentrieren, die Beiträge der Mitgliedstaaten gemessen an ihrem Anteil am EG-Bruttosozialprodukt. Diese Einnahmequelle wurde 1988 eingeführt und soll die drei anderen Quellen ergänzen. Würde also die Ausstattung der Strukturfonds verringert, ständen den EG-Mitgliedstaaten einerseits weniger EG-Mittel zur Verfügung , andererseits müßten sie entsprechend ihres Gewichtes am EG-Bruttosozialprodukt geringere Zahlungen an die EG leisten. Ein solcher Vergleich zeigt, daß dies vor allem für Luxemburg, Dänemark und die Niederlande finanzielle Vorteile bringen würde, in geringerem Maße auch für Deutschland, Frankreich und Belgien sowie für die Neumitglieder Österreich und Schweden. Bei Italien ergäben sich keine merklichen Konsequenzen. Leidtragende wären die vier "Kohäsionsländer" Spanien, Irland, Portugal und Griechenland. Diese Rangfolge entspricht etwa dem Wohlstandsgefalle in der EG. Ins Auge fällt bei dieser Betrachtung, daß Dänemark verglichen mit Frankreich und Belgien recht hohe Beiträge leisten muß und vor allem, daß Italien hohe Leistungen aus den Strukturfonds erhält. Dieses Land hat ein höheres ProKopf-Einkommen als der EG-Durchschnitt und erhält strukturpolitische Zahlungen vor allem wegen des internen Wohlstandsgefälles (vgl. Franzmeyer, Weise 1995). Weitgehende Mitwirkungsrechte der EG-Kommission an der regionalen Strukturpolitik in den Mitgliedstaaten könnten dort angebracht sein, wo keine ausreichende Gewähr dafür besteht, daß die zur Verfügung stehenden Mittel nach den Bedürfnissen und Vorstellungen der Regionen eingesetzt werden , oder wenn bislang noch keine ausgebauten nationalen Institutionen für regionale Strukturpolitik entwickelt wurden. Dies ist in einem mehr zentralistisch organisierten Mitgliedstaat eher der Fall als in einem föderalistisch strukturierten. Die Regeln der EG können sich jedoch nicht individuell nach der jeweiligen Situation in den einzelnen Mitgliedsländern richten. Damit sind aber in jedem Fall Konflikte vorprogrammiert. Sie können dort auftreten, wo sich zentrale Stellen in ihren gewohnten Kompetenzen zugunsten der EG-Ebene und den Regionen eingeengt sehen, aber auch da, wo die gemeinschaftlichen Vorstellungen von Regionalpolitik mit einer etablierten und föderal verfaßten Fördersystematik kollidieren. Letzteres ist, wie bereits ausführlich diskutiert , in Deutschland zum Teil der Fall. Eine Einschätzung der Situation in den anderen Mitgliedstaaten vermitteln die Forschungsberichte des European Policies Research Centre der Universität von Strathclyde (vgl. Yuill et a1., verschiedene Jahrgänge). In ihnen wird jährlich die Entwicklung der nationalen Regionalpolitik in den Mitgliedstaaten der EG dargestellt. Sie erlauben somit eine Einschätzung des Dezentralisierungsgrades, in dem diese Politik gestaltet und ausgeführt wird , und einen Überblick über Konflikte mit der Beihilfenpolitik der EG. Die Maßnahmen im Rahmen der EG-Strukturfonds sind hingegen kein eigenes Thema der Berichte. Das Ausmaß der Dezentralisierung ist in den EG-Mitgliedstaaten unterschiedlich. So gibt es zunächst einige kleinere Länder, in denen es keinen nennenswerten Einfluß der regiona-
3.3 . Die Situation in den übrigen EG-Mitgliedstaaten
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len Ebene gibt. Hier ist zunächst Luxemburg zu nennen. Aber auch in Dänemark und Portugal ist lediglich eine Stellungnahme nachgeordneter Gebietskörperschaften vorgesehen. In Irland wird ein Programm zur Förderung von Kleinbetrieben dezentral organisiert. Allgemein beschränkt sich die Dezentralisierung in der Regionalpolitik jedoch darauf, daß Förderungsanträge oft durch regionale Entwicklungsbüros gestellt werden. Auch in Italien werden lediglich Investitionsbeihilfen für Handwerksbetriebe in begrenzter Höhe dezentral entschieden. Kleinere Förderfälle wurden in Frankreich Mitte der achtziger Jahre auf regionaler Ebene bearbeitet, doch wurde diese Komponente 1987 aus Haushaltsgründen wieder abgeschafft. Die Förderberichte sehen aber insgesamt eine Tendenz dahingehend , daß lokale Behörden an der regionalen Entwicklung stärker beteiligt werden als zu Beginn der achtziger Jahre. Weitere Schritte in diese Richtung wurden Anfang der neunziger Jahre diskutiert, doch ist die praktische Umsetzung dieser Absicht noch ungeklärt. In Griechenland hängt die Dezentralisierung von Größe und Art des Projektes ab . Kleinere Projekte können zunächst von den Regionen entschieden werden; bei einer Ablehnung durch die regionalen Gremien ist es allerdings möglich, sie zentral durchzusetzen. Für sehr kleine Landwirtschafts- und Handwerksprojekte gibt es besondere Instanzen. Dezentrale Tendenzen gibt es partiell in den Niederlanden, wo die Grenze beim Investitionsvolumen, bis zu der Anträge noch von den Provinzen bearbeitet werden, deutlich erhöht wurde. Der Einfluß der Regionen in Spanien äußert sich durch die Beteiligung an Entscheidungen über kleinere Projekte. Die Bedeutung der Regionen nimmt hier zwar zu, ist wohl aber noch nicht sehr ausgeprägt. Beim Vereinigten Königreich gibt es zunächst eine spezielle Politik für Nordirland . Innerhalb Großbritanniens haben regionale Stellen im Rahmen zentral bestimmter Richtlinien Ermessensspielräume. Insgesamt sehen die Berichte über die letzten zehn Jahre eine Tendenz zu einer stärkeren Dezentralisierung, doch ist die erreichte Kompetenz der Regionen in der Regel noch sehr eng beschränkt. Lediglich in Belgien - das im Bericht nach Flandern und Wallonien getrennt behandelt wird - und in Deutschland kann von wirklichen Gestaltungsmöglichkeiten der Regionen gesprochen werden. Gründe für den geringen Dezentralisierungsgrad können zum einen allgemein in zentralistischen Traditionen gesehen werden . Zum anderen spielt wohl auch die Befürchtung eine Rolle, mit höheren regionalen Kompetenzen würde ein unkontrollierter und ineffizienter Subventionswettlauf in Gang gesetzt. Die Berichte nennen eine Reihe von Tendenzen, die für die regionalen Fördermaßnahmen in den meisten EG-Mitgliedstaaten ausgemacht werden können . So hat das Gewicht von Fördermaßnahmen, auf die ein Rechtsanspruch besteht, stark abgenommen und ist nur noch in Italien von Bedeutung. Stattdessen bedient man sich mehr solchen Instrumenten mit größerer Ermessensfreiheit für die zuständigen Gremien. Nachdem diese Entwicklung über die achtziger Jahre angehalten hat, werden nun allerdings auch Indizien für eine wieder stärkere Zuwendung zu den Elementen mit Rechtsanspruch gesehen (in Belgien/Wallonien und Griechenland). Vorteile könnten in der einfacheren verwaltungsmäßigen Abwicklung
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3. Einflüsse der EG auf die regionale Strukturpolitik in Deutschland
liegen, andererseits sind die Etat-Probleme bei Förderungen, die mit Rechtsanspruch vergeben werden, bekannt. Angespannte Etats zwingen auch zu verstärkten Bemühungen um eine effiziente Förderpolitik. Hierauf wird eine beobachtete Tendenz zurückgeführt, bei den Unterstützungsmaßnahmen vermehrt zu differenzieren - sei es nach Gebieten, Projekttyp oder Größenordnung des Projektes oder eines geförderten Unternehmens - oder sich stärker auf einzelne Fördertatbestände zu konzentrieren. In diesem Zusammenhang ist wohl auch eine wachsende Begünstigung arbeitsplatzschaffender Projekte zu stellen. Keine einheitliche Linie sehen die Berichte hinsichtlich einer Ausrichtung der Förderung an Unternehmensgrößenklassen . So gab es in Frankreich und Großbritannien Änderungen zum Vorteil kleinerer und mittlerer Unternehmen, in anderen Ländern (Belgien/Flandern, Griechenland, Spanien) kam es zu gegenläufigen Entwicklungen. Hier wird ein Konflikt gesehen zwischen der Bemühung, größere Unternehmen neu anzusiedeln, und dem Versuch, kleinere einheimische Betriebe zu entwickeln. Hinsichtlich der Höhe von Fördersätzen und eingesetztem Fördervolumen lassen sich die EG-Mitgliedstaaten in zwei Gruppen einteilen. Dies entspricht der Differenzierung der gemeinschaftlichen Fördermaßnahmen. Bei den Fördersätzen weisen die Kohäsionsländer und Italien relativ hohe Maximalsätze auf, die restlichen Länder deutlich niedrigere Sätze. Dies entspricht den von der EG-Beihilfenkontrolle zugestandenen Finanzhilfen. Bei den Ausgaben ist ein klares Nord-Süd-Gefälle zu erkennen, da auch in Irland die Haushaltsansätze für spezifische regionale Fördermaßnahmen zurückgefahren worden sind. Am konfliktträchtigsten erwies sich in der Vergangenheit - nicht nur in Deutschland - die Frage der Fördergebietsabgrenzung. Auch hier ist wieder analog zu den Schwerpunkten der EG-Regionalpolitik zu unterscheiden. Eine Verringerung der Förderkulisse fand über das ganze letzte Jahrzehnt vor allem in wohlhabenden Mitgliedsländern statt. Recht radikal war die Entwicklung in Dänemark, wo regionale Fördermaßnahmen zum Jahresbeginn 1991 gänzlich abgeschafft wurden. Dennoch sind noch Fördergebiete ausgewiesen, in denen besondere Möglichkeiten zur Anwerbung von Auslandsinvestitionen bestehen. Vergleichsweise durchgreifend waren auch die jüngsten Änderungen in Luxemburg. Hier war ursprünglich flächendeckend eine Grundförderung möglich, in bestimmten Gebieten waren deutlich höhere Sätze vorgesehen. Nach Intervention der Kommission ist nunmehr die Förderung auf die prioritären Gebiete beschränkt. Auch in den Niederlanden wurden die Fördergebiete kräftig verringert. Konflikte entstanden bei der Behandlung einzelner Gebiete daraus, daß die von der Kommission verwendeten Statistiken positivere Angaben enthielten als die nationalen Daten. Schließlich wurden in einem Komprorniß relativ hohe Arbeitslosenzahlen von Kommissionsseite akzeptiert. Schwierigkeiten mit den von der Kommission benutzten Indikatoren gab es auch in Frankreich. Hier wurde vor allem die Verwendung der Arbeitslosenrate bei der Überprüfung ländlicher Fördergebiete kritisiert. In einem anderen Fall blockierte die Kommission französische Hilfen an Firmen, die nicht aus Problemgebieten kamen. In einem Komprorniß wurde eine maximale Größe für außerhalb solcher Gebiete geförderte Unternehmen festgelegt.
3.4. Lösungsansätze
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Für die Länder, die mittlerweile zu großen Teilen oder gänzlich Ziel-I-Gebiet sind, ergaben sich kaum strittige Fragen bei den Fördergebietsabgrenzungen. So bestanden im Fall Portugals unterschiedliche Ansichten über die geeignete regionale Ausrichtung der Förderung, ohne daß dies merkliche Folgen gehabt hätte. Auch bei Teilen des Mezzogiornos kam es zu Auseinandersetzungen zwischen Kommission und Mitgliedstaat, die in einem Kompromiß gelöst werden konnten. In Griechenland, Irland und Spanien gab es schließlich keine nennenswerten Probleme. Die Entwicklungen passen in das Bild, nach dem regional politische Maßnahmen in den ärmeren Mitgliedstaaten durch die EG eher gefördert, solche in den wohlhabenderen Ländern dagegen begrenzt werden, und entsprechen insofern dem regionalpolitischen Auftrag der EG. Eine Rolle bei der Verringerung der Kulisse oder bei der Nicht-Ausnutzung des von der EG gestatteten Rahmens spielt aber sicher auch die Budgetsituation in den Mitgliedstaaten. Dennoch kommen auch die Berichte zu dem Schluß, daß mit wachsenden Gestaltungswünschen der Kommission bei der Gebietsabgrenzung zu rechnen ist. Daraus wird die Forderung nach einer besseren Abstimmung der verwendeten Kriterien und des Datenmaterials zwischen allen Beteiligten, d .h. nicht nur zwischen Mitgliedstaaten und Kommission, sondern auch zwischen den Generaldirektionen für Regionalpolitik und für Wettbewerb abgeleitet.
3.4. Lösungsansätze Die regionalpolitische Kompetenz der EG-Kommission resultiert einmal aus dem verfassungsmäßigen Auftrag des EG-Vertrages nach regionalem Ausgleich der Lebensverhältnisse in der Gemeinschaft. Zum anderen läßt sich aus dem Subsidiaritätsprinzip ableiten, daß die Gemeinschaft dort bedürftigen Regionen oder Ländern finanziell beisteht, wo deren eigene Mittel nicht ausreichen. Die Frage ist allerdings, in welchem Verhältnis dabei die europäische Rolle zur Stellung der nationalen Instanzen steht. Unstrittig müßte sein, daß die EGKommission an der Bestimmung des Rahmens (Kriterien der Gebietsabgrenzung, Ziele, Zwecke, Förderintensitäten, Beteiligungssätze) mitwirkt, in dem regionale Förderung betrieben werden darf; dies schon aus Wettbewerbsgründen. Schwieriger dürfte es zu entscheiden sein, ob und inwieweit die Kommission an der inhaltlichen Ausgestaltung des festgelegten Rahmens teil hat - zumindest soweit es sich um die Verwendung der europäischen Gelder handelt. Eine Weiterentwicklung der EG-Regionalpolitik muß vor allem in drei Richtungen wirken, wenn sie die geschilderten Probleme lösen will: - das Fördersystem muß einfacher gegliedert sein, - den regionalpolitischen Vorstellungen der Mitgliedstaaten ist ein größeres Gewicht einzuräumen, - die gesamte EG-Förderung muß durchschaubarer, die Entscheidungen nachvollziehbarer werden.
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3. Einflüsse der EG auf die regionale Strukturpolitik in Deutschland
Diese Ziel richtungen stehen zueinander in Wechselwirkung. Wenn es gelingt, den Mitgliedstaaten wieder mehr Einfluß zu verschaffen, würden manche Verfahren weniger aufwendig und das Fördersystem wäre weniger kompliziert. Allein dadurch würde sich die Transparenz der Förderung erhöhen. Dennoch haben sie auch unabhängig voneinander Gewicht. Denn gerade, wenn z.B. die Kommission bei den Gemeinschaftsinitiativen oder in der Frage der Fördergebiete ihren recht hohen Einfluß behält, ist es umso wichtiger, die bei Entscheidungen verwendeten Kriterien offenzulegen. Wie jede andere wirtschaftspolitische Maßnahme steht auch die regionale Strukturpolitik der EG unter Legitimationsdruck. Es müssen die Fragen beantwortet werden, ob wirtschaftspolitisches Handeln überhaupt nötig ist und - gegebenenfalls - ob dieses Handeln auf der Ebene der EG stattfinden soll. Für die zweite Frage ist vordergründig eine Antwort gefunden: die Kompetenzaufteilung soll innerhalb der EG nach dem Subsidiaritätsprinzip erfolgen. Offen ist jedoch , was dieses Prinzip genau besagt und zu welchen Ergebnissen man im Einzelfall gelangt. Ausgehend von diesen Überlegungen ist zu fragen, inwiefern die im Zielkatalog der EGStrukturpolitik enthaltenen Ziele tatsächlich in gemeinschaftliche Zuständigkeit fallen sollten. Wenn der Einsatz gemeinschaftlicher Instrumente gefordert ist, entsteht ein weiterer Konflikt. Denn einerseits sollte die Ausgestaltung des EG-Mitteleinsatzes möglichst in den Händen der Regionen liegen, andererseits haben die Kommission und die in den Haushalt einzahlenden Mitgliedstaaten ein legitimes Interesse an einem kontrollierten und effizienten Einsatz der Mittel. In diesem Licht betrachtet erstreckt sich die regionale Strukturpolitik der EG bereits auf relativ zahlreiche Aktionsfelder. Die Zuständigkeit der EG begründet sich in dem in den Römischen Verträgen formulierten Ziel , die regional unterschiedlichen Lebensverhältnisse einander anzunähern und den Abstand der rückständigen Regionen zu verringern. Dieser Aspekt wird mit der Förderung nach Ziel I (Unterstützung von Regionen mit weniger als 75 vH des durchschnittlichen Pro-Kopf-Einkommens in der EG) aufgegriffen. Diese Aufgabe fällt sicher auch in die Zuständigkeit der EG, zumal der Bedarf an Unterstützung an der Entfernung vom EG-Durchschnitt festgemacht wird . Das Vermögen des betreffenden Mitgliedstaates, selbst diese Regionen zu unterstützen, ist bei der Festlegung des Umfangs der EG-Förderung zu berücksichtigen. Kritischer zu beurteilen ist dagegen der Rest des EG-Zielkataloges. Die Unterstützung von Regionen, die negativ von rückläufiger industrieller Entwicklung betroffen sind, und die des ländlichen Raumes sind zwar grundSätzlich Handlungsfelder für die Wirtschaftspolitik. Die regionalen Ungleichgewichte bestehen hier jedoch meist im nationalen Rahmen. Gemessen an den ärmsten EG-Regionen liegt oft keine besondere Förderwürdigkeit vor. Ähnlich ist die Lage bei den vorrangigen arbeitsmarktpolitischen Zielen. Langzeitund Jugendarbeitslosigkeit erfordern wirtschaftspolitische Maßnahmen, letztendlich bleibt aber fraglich, warum gerade dies Aufgabe der EG sein solle. Damit ist das Ziel 1 das unumstrittene Kernelement gemeinschaftlicher Strukturpolitik. Bei den Zielen 2, 3,4 und 5b ergibt sich die EG-Kompetenz zumindest nicht unmittelbar,
3.4. Lösungsansätze
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wenn auch die Erweiterung des Zielkataloges aus politischen und verhandlungstaktischen Gründen verständlich ist. Aus diesen Ausführungen können unterschiedlich radikale Schlüsse gezogen werden. Eine weitgehende, allerdings konsequente Lösung wäre es, die regionalpolitischen Aktivitäten der EG auf das zentrale Ziel I zu beschränken. Dies müßte mit niedrigeren Zahlungen der Mitgliedstaaten an den EG-Haushalt einhergehen und mit einem erweiterten Rahmen für die nationalen Fördersysteme. Die Abstimmung von deutscher und gemeinschaftlicher Förderung wäre dann nur noch in Ostdeutsch land ein Thema. Hiermit ist allerdings allenfalls auf mittlere Sicht zu rechnen. Insofern müssen in der heutigen Situation bescheidenere Konzepte vertreten werden. Das bestehende System der EG-Regionalpolitik bietet allerdings auch für weniger radikale Strategien eine Reihe von Ansatzpunkten. Auf eine Reihe von EG-Instrumenten kann ohne Probleme verzichtet werden - zum Teil ersatzlos, zum Teil indem der Einsatzbereich der verbleibenden Instrumente erweitert wird. So ist etwa die Einrichtung des Kohäsionsfonds durchaus kritisch zu beurteilen. Sie erfolgte im Zusammenhang mit der geplanten Errichtung der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion . Die Leistungen sind an die Vorlage von Konvergenzprogrammen gebunden. Die bezweckte Förderung des Verkehrsinfrastrukturausbaus und von Umweltmaßnahmen wäre grundSätzlich auch durch den EFRE organisierbar. Es ist ohnehin nicht erkennbar, wieso es zur Vorbereitung auf die Währungsunion eines Spezialinstrumentes bedarf und vor allem wieso dieses sich dann auf die Bereiche Verkehr und Umwelt konzentrieren sollte. Im Kern erhöht eine Währungsunion den Wettbewerbsdruck. Dies galt ebenso für die Einrichtung des Binnenmarktes; analog wäre auch jetzt eine Aufstockung der Mittel der bestehenden Strukturfonds eine logische und ausreichende Reaktion gewesen. Unter den etablierten drei Strukturfonds ist die Abteilung Ausrichtung des EAGFL am ehesten dazu geeignet, im Sinne einer Vereinfachung des Instrumentariums aufgelöst zu werden. Die direkt auf den Agrarsektor bezogenen Maßnahmen wären von der Abteilung Garantie zu übernehmen. In diese Richtung gingen bereits bestimmte Schritte bei der letzten Reform der gemeinsamen Agrarpolitik. Die Maßnahmen zur Entwicklung des ländlichen Raumes fallen in das Aufgabengebiet des EFRE. In die falsche Richtung geht die Aufnahme von fischereibezogenen Spezialtöpfen in die EG-Förderpolitik. Soweit hier regionale Strukturpolitik betrieben werden soll, wären auch die Aufgaben des FIAF vom EFRE wahrzunehmen. Dasselbe gilt auch für den gelegentlich vorgeschlagenen Transformationsfonds speziell für die neuen Bundesländer. Ausführlich diskutiert wurde bereits das Problem der Gemeinschaftsinitiativen. Die ihnen gesteckten Ziele sind in aller Regel auch durch den Regional- bzw. den Sozial fonds zu verfolgen. Sinnvoll erscheinen von den heute diskutierten Initiativen im wesentlichen "Interreg" und "Konver". Das Element des transnationalen Austausches, mit dem andere Initiativen gerechtfertigt werden, ließe sich in die Regelförderung integrieren. Die Kommissionsdienststellen oder die den Fonds zugeordneten beratenden Ausschüsse müßten in der Lage sein, da zu vermitteln und zu motivieren, wo Kooperation und Diskussion von Lösungsansätzen zwischen Regionen aus verschiedenen Mitgliedstaaten sinnvoll ist. Es
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3. Einflüsse der EG auf die regionale Strukturpolitik in Deutschland
ließen sich wohl auch Anreize dazu schaffen, grenzüberschreitende Netzwerke in den regionalen Entwicklungsplänen vorzusehen (z.B. beschleunigte Genehmigungsverfahren). Der Ansatz der EG, viele spezialisierte Fördermöglichkeiten zu schaffen und auf deren friktionsfreie Kooperation zu hoffen, hat sich nicht bewährt. Die Unübersichtlichkeit der Förderung ist für die Zielgruppe mittlerweile zu einem gravierenden Problem geworden. Oft besteht auch ein Multifondsprograrnm lediglich aus nebeneinandergestellten Unterprogrammen der einzelnen Fonds. An manchen Stellen, an denen heute Zusammenarbeit erfolgt, wäre es besser, punktuell die Zuständigkeit eines der beteiligten Instrumente zu erhöhen (Beispiel: Bildungsinfrastrukturen durch ESF finanzieren) . Die Umsetzung weiterer Verbesserungsvorschläge würde ebenfalls die Übersichtlichkeit der Förderung erhöhen. Mehr noch zielen sie allerdings auf einen stärkeren Einfluß der Mitgliedstaaten. Auch hier gibt es vergleichsweise radikale Lösungsmöglichkeiten. So wird von manchen ein einstufiges System gefordert, in dem den EG-Regionen (in Deutschland: den Bundesländern) direkt Haushaltsmittel der EG zuflössen - nach Maßgabe der Bedürftigkeit, die nach einem noch zu entwickelten Kriterienraster festzustellen wäre, und unter eher allgemeinen Regeln (bspw. einer Negativliste), die für den Einsatz der EG-Mittel vorgegeben wären. Die Länder hätten dann die Freiheit zu entscheiden, wo welche Aktionen unterstützt würden. Die EG würde den Mitteleinsatz anband regelmäßiger Förderberichte und durch einzelne Rechnungshofprufungen kontro\lieren. Ein solches Modell würde einen deutlichen Bruch mit dem bisherigen Vorgehen bedeuten und den Vorwurf provozieren, die EG zum reinen Finanzier unkontrollierbarer Aktionen zu machen. Diese Kritik wäre aber nicht unbedingt berechtigt. Denn zum einen ist fraglich, wie effizient die Kontrolle im heutigen Verfahren ist. Die Begleitausschüsse haben jedenfalls nicht ohne weiteres ein direktes Bild von den Fördermaßnahmen. Zum anderen würde in dem skizzierten einstufigen Verfahren nicht nur die Region, sondern auch die Kommission von vielen Routinearbeiten entlastet. Sie könnte sich so mehr auf bekannte oder vermutete Problemfälle konzentrieren. Würde man sich zusätzlich zu einem spürbaren Sanktionsmechanismus im Fall von mißbräuchlichem Einsatz der Mittel entschließen, wäre eine erhöhte Effizienz der Förderung nicht unwahrscheinlich. Gleichwohl ist auch hier in absehbarer Zeit nicht mit derart durchgreifenden Änderungen zu rechnen. Bei der künftigen Gestaltung des Verhältnisses von nationaler und gemeinschaftlicher Förderung muß man sich in Ost- und Westdeutschland mit unterschiedlichen Problemen auseinandersetzen . Im Westen kommt es wesentlich darauf an, das EG-Instrumentarium übersichtlicher zu gestalten. Außerdem scheint es nach einer Phase des Ausbaus gemeinschaftlicher Regionalpolitik an der Zeit, die Rolle der nationalen Instanzen wieder zu stärken. Besonders wichtig ist dabei das Problem der voneinander abweichenden Kriterien zur Abgrenzung der Förderkulissen. Die neuen Länder und Ost-Berlin werden sowohl nach Ziel 1 als auch durch die Gemeinschaftsaufgabe flächendeckend gefördert. In den alten Bundesländern jedoch kommt
3.4. Lösungsansätze
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es zu Gebieten, die nach nationalen und EG-Kriterien förderwürdig sind, und solchen, die nur nach einem der beiden Systeme als bedürftig gelten. Diese Situation ist unbefriedigend , weil so keine konsistente Hierarchie von Förderregionen entsteht. Theoretisch bestünde für die Landesregierungen die Möglichkeit, für reine EG-Förderregionen keine Unterstützung zu beantragen bzw. keine Kofinanzierung bereitzusteHen. Dagegen spricht jedoch, daß einerseits politischer Druck aus den betreffenden Regionen entsteht und daß andererseits die Nicht-Inanspruchnahme von Fördermöglichkeiten an einer Stelle künftige Verhandlungen um Mittelsteigerungen an anderer SteHe erschwert. Eine Angleichung der Förderkulissen kann in der Weise erfolgen, daß die EG-Gebiete als prioritär eingestuft werden. Nationale Förderung dürfte dann zunächst nur dort erfolgen, wo auch EG-Mittel fließen . Dem Subsidiaritätsprinzip würde ein genau entgegengesetztes Vorgehen entsprechen, bei dem EG-Förderregionen nur aus dem Kreis der nationalen Förderkulisse konunen dürften . Noch mehr Gestaltungsmöglichkeiten böten sich den deutschen Stellen bei einer Plafondlösung. Hierbei könnte die Konunission einen Bevölkerungsanteil, den die EG-Fördergebiete eines Mitgliedstaates höchstens umfassen dürften , sowie einige Auswahlkriterien vorgeben. Im heutigen System könnte das (in Westdeutschland) für die Ziele 2 und 5b getrennt erfolgen. Zu begrüßen wäre allerdings eine Änderung der EG-Zielgebietssystematik, nach der nur noch nach Ziel-I-Gebieten und sonstigen Problemgebieten unterschieden werden würde. Dies würde die EG-Förderung vereinfachen und Verzerrungen durch selektive Orientierung an alt industriellen und ländlichen Gebieten verringern. Aber auch dann wären Vorgaben der EG denkbar, wie sich der Bevölkerungsplafond für die EGFördergebiete auf Ballungsräume und ländliche Gebiete aufteilen soH . In diesem Rahmen hätte die EG die Möglichkeit, eigene Gewichte zu setzen. Die konkrete Festlegung der Gebiete müßte in den Händen des Mitgliedstaates liegen. Ein differenzierteres Vorgehen nach demselben Grundmuster würde noch das Problem der zulässigen Förderhöchstsätze berücksichtigen. Die Vorgabe der Kommission an den Mitgliedstaat wäre dann beispielsweise, daß Beihilfen bis zu 20 vH der Investitionssumme in Gebieten mit 25 vH der Bevölkerung zulässig seien. Den Mitgliedstaaten müßte es dann freistehen, zum Beispiel in einem Plafond von 15 vH der Bevölkerung die Höchstgrenze auszuschöpfen, dann aber - statt bei weiteren 10 vH einen Fördersatz von 20 vH vorzusehen - für Gebiete mit einem doppelt so hohen Bevölkerungsanteil einen halb so hohen Beihilfesatz festzulegen . Entsprechend würde sich auch der Anteil ändern, mit dem sich die Strukturfonds an der Förderung beteiligten. AHerdings könnte auch in einem solchen System nicht auf eine Höchstgrenze für den Bevölkerungsanteil in den Fördergebieten verzichtet werden, um eine regionale Konzentration zu gewährleisten. Grundsätzlich würde eine Plafondlösung dem Vorgehen bei den Fördergebieten im Rahmen nationaler Progranunen ähneln; auch für die Ziel-2-Gebiete ist ein maximaler Anteil an der EG-Bevölkerung (15 vH) vorgegeben. Denkbar wäre dieses Vorgehen auch beim Ziel 1, von dem seit 1994 26,6 vH der gesamten EG-Bevölkerung erfaßt werden. Statt jede Region mit weniger als 75 vH des durchschnittlichen Pro-Kopf-Einkommens der
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3. Einflüsse der EG auf die regionale Strukturpolitik in Deutschland
EG (und einige andere) zu fördern, könnte man die Ziel-I-Förderung auch auf beispielsweise die 20 vH der Bevölkerung in den ärmsten Regionen konzentrieren. Dann wäre immerhin dem Ziel-I-Engagement eine absolute Grenze gezogen. Die Kommission lehnt Plafondlösungen ab, da die Bestimmung der zu fördernden Regionen der zentrale Schritt bei der Regionalpolitik sei, auf den sie nicht verzichten könne . Zudem wolle man nicht zum alten System bloßer Kofinanzierung des Vorgehens der Mitgliedstaaten zurück. Dieser Konflikt ist ungelöst, jedoch können die Mitgliedstaaten zumindest mit dem gleichen Recht eine Kontrolle über den zentralen Schritt der Regionalpolitik fordern wie die Kommission. Getrennte Förderkulissen sind systematisch unakzeptabel, so daß eine der beiden Seiten Kompetenzen abgeben muß. Dies wäre nach dem Subsidiaritätsprinzip die EG. In Ostdeutschland ergeben sich (noch) keine Probleme aus voneinander abweichenden Förderkulissen. Die Diskussion setzte vor allem an der Frage ein, ob die Förderung nach den EG-Strukturfonds - wie im Westen - von der nach der Gemeinschaftsaufgabe entkoppelt werden soll. Diese Frage ist nicht einfach zu entscheiden. Verfahrenstechnische Gründe sprechen für eine Beibehaltung der Koppelung . So ließen sich die in den alten Ländern gemachten schlechten Erfahrungen mit dem erhöhten Verwaltungsaufwand und das Problem der abweichenden Förderkulissen umgehen. Bei den Verwaltungsverfahren lassen Verordnungsänderungen und Lernprozesse aber für die Zukunft auf geringere Probleme hoffen; die Förderkulisse wird zudem noch längere Zeit einheitlich das gesamte Beitrittsgebiet umfassen. Eine Entkoppelung würde dagegen den neuen Ländern die Chance geben, den weiten Förderkatalog des EFRE besser zu nutzen. Für sie sind beispielsweise die dort vorgesehenen Möglichkeiten zur Infrastrukturförderung von größerer Bedeutung als für die westlichen Länder. Letztlich spricht aus der Sicht der Betroffenen damit einiges für eine Entkoppelung (zumindest eines Teils der Mittel) - es sei denn, man entschlösse sich ohnehin zu einer Erweiterung der Fördertatbestände im Rahmen der GRW (vgl. Abschnitt 0). Vorerst wurde in dieser Frage ein Komprorniß gefunden, der eine begrenzte Entkopplung erlaubt. Vor allem Sachsen, aber auch Brandenburg und Ostberlin nutzen diese Möglichkeit. Die Liste der möglichen Fördertatbestände bei der EG-Förderung muß relativ umfassend sein, da sie für alle Mitgliedstaaten gilt. WeIche einzelnen Elemente hieraus zum Einsatz kommen , muß aber Sache der Regionen, gegebenenfalls der Mitgliedstaaten sein. Dagegen sollte sich die EG-Förderkulisse daran ausrichten, weIche Gebiete auch nach nationalen Maßstäben förderwürdig sind, wenn das nationale Auswahlsystem bestimmte Mindestanforderungen erfüllt. Wenn man darauf setzt, die Bedeutung nationaler Regionalpolitik zu stärken, stellt sich das Problem der EG-Beihilfekontrolle. Hier ist zumindest zu fordern, das Schwellenwertmodell der Kommission bei der Prüfung nationaler Regionalbeihilfesysteme flexibel zu handhaben. Die Fördergebietsauswahl im Rahmen der GRW benutzt regionalpolitisch gut abgesicherte und ausreichend quantifizierte Indikatoren. Zudem ist es transparent und nachvollziehbar. Sie müßte deshalb von der Wettbewerbskontrolle ohne größere Probleme
3.4. Lösungsansätze
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akzeptiert werden können, zumal das nationale System und die Kriterien der Wettbewerbsgeneraldirektion zu relativ ähnlichen Ergebnissen kommen. Darüber hinaus müssen - neben der Investitionsförderung - Möglichkeiten zu nichtbeihilfenrelevanter Unterstützung von Unternehmen in benachteiligten Regionen entwickelt werden. Dabei kann das Instrumentarium der deutschen Außenwirtschaftsförderung (Marktinformation, Messebeteiligung und sonstige Marketinghilfen, Kredit- und Versicherungserleichterungen) Anregungen liefern. Entscheidend wäre, daß die öffentliche Hand möglichst Leistungen nur gegen Kostenbeteiligung abgeben würde. Das zweite wichtige Element der Regionalpolitik - der Ausbau der Infrastruktur - ist ohnehin nicht Prüfgegenstand der Generaldirektion für Wettbewerb. Ebenfalls nicht beihilfenrelevant, aber eine wichtige Aufgabe bei den regionalen Entwicklungsanstrengungen, ist die Erarbeitung eines Leitbildes in Abstimmung mit allen Beteiligten . Die dafür notwendigen regionalen Entwicklungskonferenzen zu strukturieren und zu moderieren, ist ein wichtiger Tätigkeitsbereich für die Landesregierungen. Dies ist dann auch das geeignete Forum zur Integration von Tarifpaneien, Umweltverbänden und anderen sozialen und politischen Gruppen in die Regionalpolitik. Es wäre auch zu überlegen, im Rahmen der EG-Förderung die Interventionsform des Globalzuschusses verstärkt zu nutzen. Dies würde von der Kommission begrüßt werden (Kommission der EG 1993c). Der Vorteil für die deutsche Seite läge darin , daß die Förderung ex ante weniger genau festgelegt werden müßte als bei den operationellen Programmen. Andererseits würden die Landesregierungen vergleichsweise weniger Gestaltungsmöglichkeiten haben. Diese würden an den Empfanger des Globalzuschusses übergehen, also beispielsweise die AG Ruhrgebiet oder andere Institutionen, deren Satzung die Anforderungen der Kommission erfüllt. Alle Vorschläge zur Vereinfachung des Fördersystems würden gleichzeitig die Förderung transparenter machen. Doch auch unabhängig von der Umsetzung solcher Überlegungen und einer möglichen Stärkung des nationalen Einflusses kann die EG-Regionalpolitik in ihren Entscheidungen berechenbarer und nachvollziehbarer werden. So ist nach den heute gültigen Verfahren den zuständigen Behörden oft nicht klar, warum einzelne Anträge bewilligt werden, andere aber nicht. Auch die Gewichtung und Operationalisierung der Vielzahl von Kriterien bei der Gebietsauswahl nach Ziel 2 und Ziel Sb ist von außen undurchschaubar. Das Gleiche gilt für den zweiten Prüfschritt bei der Bewilligung von Regionalbeihilfesystemen der Mitgliedstaaten. In allen diesen Fällen würden ausführliche Begründungen von Entscheidungen die Kommission auf ein einheitliches Verfahren festlegen und ihr so Gestaltungsspielräume nehmen. Auf derselben Linie liegt die in der Debatte um Fusionskontrollen entwickelte Forderung, ein eigenes EG-Wettbewerbsamt zu schaffen, dessen nur am Wettbewerbs recht orientierte Entscheidungen publiziert und begründet werden müßten. Analog zum deutschen System hätte die Kommission weiterhin die Möglichkeit, letztlich andere Entscheidungen durchzusetzen. Dennoch wären Rechtssicherheit und Transparenz in einem solchen Verfahren wohl eher gewährleistet.
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3. Einflüsse der EG auf die regionale Strukturpolitik in Deutschland
3.5. Fazit In den vergangenen Jahren wurde die regionale Strukturpolitik der EG qualitativ und quantitativ erheblich ausgebaut. Hierdurch und durch den Einsatz ihrer beihilfepolitischen Instrumente gewann die Kommission steigenden Einfluß auf die Regionalpolitik in den Mitgliedstaaten. Dieser Trend wird sich auch in der 1994 begonnenen neuen Förderrunde fortsetzen und bestimmt folglich die Rahmenbedingungen für regionale Strukturpolitik in den neunziger Jahren. Konflikte - etwa bei der Fördergebietsabgrenzung - blieben bislang nicht aus. Kritik äußert sich auch daran, daß das System der EG-Förderpolitik mittlerweile sehr komplex geworden ist, ohne daß jedes Element tatsächlich notwendig erscheint. Dennoch stände ein radikales Plädoyer gegen die regional politischen Einflußmöglichkeiten der EG auf schwachen Beinen. Denn zum einen gibt es regionale Probleme von gemeinschaftlicher Dimension, die in den - vom EG-Vertrag definierten - Aufgabenbereich der Kommission fallen . Zum anderen ist die Dezentralisierung in den EG-Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich entwickelt; eine ausreichende Berücksichtigung der regionalen Ebene ist deshalb nicht in allen Ländern gewährleistet. Das SpannungsverhäItnis zwischen nationalen und gemeinschaftlichen Vorstellungen zur regionalen Strukturpolitik ließe sich aber deutlich entschärfen. Notwendige Schritte dazu wären eine Flexibilisierung der EG-Verfahren und eine deutliche Vereinfachung des gemeinschaftlichen Fördersystems.
4. Schlußfolgerungen für die regionale Strukturpolitik 4.1. Koordinationsfunktion der Gemeinschaftsaufgabe 4.1.1. Bündelung nationaler Politiken Koordinierung der originären Regionalpolilik Das primäre Ziel regionaler Strukturpolitik ist die Verringerung des räumlichen Gefälles in den wirtschaftlichen Lebensbedingungen bei Bewahrung der Eigenständigkeit und Vielfalt der Regionen. In Strategien zur Verringerung regionaler Entwicklungsunterschiede sind viele Akteure eingebunden. Das Kernstück deutscher Regionalpolitik ist aber zweifelsohne die Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur (Hamm, Klemmer 1993). Die Maßnahmen zur regionalen Strukturpolitik im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe werden je zur Hälfte vom Bund und den Ländern getragen. Die Organisationsform der Gemeinschaftsaufgabe selbst stellt eine enge Koordinierung dieser Aktivitäten des Bundes und der Länder sicher. Die wesentlichen Abstimmungsprozesse finden dabei im Zuge der Festlegung der Förderinstrumente und der Förderkulisse in der Regelförderung durch den Planungsausschuß statt. Darüber hinaus können bei akuten regionalen Problemlagen vom Bund und dem jeweiligen Bundesland regionale Sonderprogramme entwickelt werden. Der Bund betreibt neben seinem Engagement in der Gemeinschaftsaufgabe kaum originäre Regionalpolitik. Ausnahmen stellen in diesem Zusammenhang das ERP-Regionalprogramm und die Investitionszuschüsse für die private Wirtschaft in Ostdeutsch land dar. Diese Maßnahmen stehen, soweit es die regionale Abgrenzung betrifft, in Übereinstimmung mit der Gemeinschaftsaufgabe. Durch ihre andere Abgrenzung der Förderberechtigung stellen sie eine Ergänzung dar. Gleichzeitig bleibt aufgrund der geringen Förderintensität bzw. der Kumulierungsmöglichkeit die konkrete Förderausrichtung der GAInstrumente unberührt. Außerhalb der Gemeinschaftsaufgabe entfalten auch die Bundesländer eigene spezifische Aktivitäten im Rahmen der regionalen Strukturpolitik. Quantitativ bedeutend sind diese Maßnahmen vor allem in den westlichen Bundesländern. Eine direkte Abstimmung der landeseigenen Regionalpolitik mit dem Bund oder den anderen Ländern im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe gibt es nicht. Entsprechend werden in diesem Zusammenhang zumindest teilweise Fördermaßnahmen auch außerhalb der Gebiete der Gemeinschaftsaufgabe durchgeführt. Die Möglichkeit der Bundesländer, sowohl innerhalb des Fördergebiets die Maßnahmen der Gemeinschaftsaufgabe zu ergänzen als auch außerhalb der Förderkulisse eigene
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4. Schlußfolgerungen für die regionale Strukturpolitik
regionalpolitische Akzente zu setzen, erscheint dabei in Anbetracht der spezifischen regionalen Besonderheiten der Bundesländer sehr sinnvoll . Einer konkurrierenden Wirkung zur Gemeinschaftsaufgabe wird zudem durch die Absprache entgegengewirkt, daß in den Landesfördergebieten deutlich geringere Förderhöchstsätze gewährt werden. Dabei kommen auch die Rahmenbedingungen zum Tragen, die durch die Wettbewerbspolitik der Europäischen Gemeinschaft gesetzt werden. Allerdings darf nicht übersehen werden, daß bei einem Einsatz der Fördermittel außerhalb des Fördergebiets auch bei niedrigeren Fördersätzen der Präferenzvorsprung der Regionen der Gemeinschaftsaufgabe abnimmt. Denkbar wäre es daher, ähnlich wie für die Abstimmung von EG und nationaler Ebene, Plafondregelungen vorzunehmen, die eine übennäßige Ausweitung solcher landeseigener Regionalförderung verhindern. Auf jeden Fall wäre es wünschenswert, wenn die konkrete Beziehung der landeseigenen Regionalprogramme zur Gemeinschaftsaufgabe transparenter gemacht würde. Neben dem Bund und den Ländern wird originäre Regionalpolitik auch von der kommunalen Ebene betrieben (RWI 1992). In den Planungs- und Entwicklungsprozeß der Gemeinschaftsaufgabe sind die Kommunen unmittelbar nicht eingebunden. Vielmehr sind sie im Rahmen der Infrastrukturförderung Adressaten der Gemeinschaftsaufgabe. Der Umfang kommunaler Wirtschaftsförderung geht darüber aber weit hinaus, wenngleich die Möglichkeiten der direkten finanziellen Förderung der gewerblichen Wirtschaft durch die Beihilfekontrolle der Europäischen Kommission sehr stark eingeschränkt sind. Bei einer Verbesserung der Koordination zwischen Gemeinschaftsaufgabe und kommunaler Wirtschaftsförderung geht es sicherlich nicht darum, die Kommunen direkt in die Planungsabläufe der GA zu integrieren. Entsprechende Abstimmungsprozesse sollten hier weiterhin innerhalb der einzelnen Länder erfolgen. Auch geht es nicht darum, eine höhere Kongruenz zur Gemeinschaftsaufgabe durch-Beschränkungen der kommunalen Infrastrukturmaßnahmen außerhalb des Fördergebiets zu erreichen. Entsprechende Maßnahmen sind zur Erhaltung der Konkurrenzfähigkeit im internationalen Standortwettbewerb gerade auch in den wirtschaftsstarken Regionen notwendig. Wohl aber ist es erforderlich, die Effizienz der Regionalpolitik in den Fördergebieten zu erhöhen. Ein gemeinsamer, aufeinander abgestimmter Einsatz sowohl der Instrumente der Gemeinschaftsaufgabe als auch der kommunalen Wirtschaftsförderung ist deshalb unverzichtbar. Ein Weg, die Bedingungen für eine solche integrierte Strategie zu verbessern, besteht in der stärkeren Einbindung der Kommunen in die Umsetzung der Maßnahmen der Gemeinschaftsaufgaben (vgl. Abschnitt D3) .
Abstimmung mit anderen raum wirksamen Politiken Ansatzpunkte für eine Effizienzsteigerung der regionalen Strukturpolitik in Deutschland liegen allerdings nicht nur bei einer Verbesserung der Koordinierung zwischen den einzelnen originären Regionalpolitiken, sondern auch bei einer stärkeren Einbeziehung anderer raumwirksamer Politiken. Ein Beispiel für die Notwendigkeit, aber auch für die Durchschlagskraft einer gemeinsamen regionalen Ausrichtung von regionaler Strukturpolitik und anderen raumwirksamen Politiken des Bundes ist die Verbesserung der wirtschaftlichen
4.1. Koordinationsfunktion der Gemeinschaftsaufgabe
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Entwicklungsbedingungen in Ostdeutschland. Ohne das Zusammengehen von Infrastrukturpolitik, Technologiepolitik, Arbeitsmarktpolitik und öffentlichem Finanzausgleich mit der regionalen Wirtschaftspolitik wäre die Steigerung sowohl der staatlichen als auch der gewerblichen Investitionen in Ostdeutschland auf ein Niveau, das je Einwohner gerechnet heute höher liegt als in Westdeutschland, nicht möglich gewesen. Ohne eine Fortsetzung dieser gemeinsamen Anstrengungen wird aber ebenso - angesichts des immer noch dramatischen Rückstands Ostdeutschlands bei der Ausstattung mit Sachkapital - eine dauerhafte Verbesserung der Wirtschaftsleistung nicht zu erreichen sein. Die Beziehungen zwischen der regionalen Wirtschaftspolitik und anderen raumwirksamen Politiken bezieht sich dabei jedoch vor allem auf die generelle regionale Ausrichtung auf Ostdeutschland . Eine unmittelbare inhaltliche Koordinationsfunktion insbesondere der Gemeinschaftsaufgabe ist dagegen nicht zu erkennen. Künftig dürfte selbst die Abstimmung in der regionalen Ausrichtung schwieriger werden. Mit den bereits erkennbaren und sich fortsetzenden regionalen Differenzierungsprozessen innerhalb Ostdeutschlands und damit einer Differenzierung auch der notwendigen regionalpolitischen Anforderungen reicht eine pauschale Präferenzierung Ostdeutsch lands künftig nicht mehr aus. Darüber hinaus ist angesichts der zu erwartenden Verschärfung der Problemlagen in vielen westdeutschen Förderregionen auch hier eine stärkere Koordinierung der regionalen Strukturpolitik mit anderen raumwirksamen Politiken notwendig. Handlungsbedarf ist in erster Linie bei der Koordinierung der regionalen Strukturpolitik mit der Technologie- und Verkehrspolitik zu sehen. Dies gilt zunächst deshalb, weil alle hier betrachteten Indikatoren darauf hinweisen, daß die regionale Inzidenz der genannten Politiken eher die wirtschaftlich starken Regionen bevorteilt und dabei ein weit höheres Finanzvolumen als z.B. in der Gemeinschaftsaufgabe bewegt wird. Vor allem aber begründet sich der Handlungsbedarf aus den dargestellten Veränderungen der Entwicklungsbedingungen benachteiligter Regionen im Zuge des technologisch-organisatorischen Wandels und der politisch-wirtschaftlichen Integrationsprozesse in Europa. Durch die zunehmende Möglichkeit, Produktionsprozesse auch innerhalb der Sektoren technisch wie räumlich zu trennen, geraten die benachteiligten Regionen in der Bundesrepublik in die Zange. Einerseits wird es möglich, technologisch hochwertige Produktionen noch stärker auf jene Regionen zu konzentrieren, die ein entsprechend hohes Innovationspotential besitzen. In der Bundesrepublik dürften dies die bereits jetzt wirtschaftsstarken Regionen sein. Andererseits nimmt die räumliche Bindung an die Nachfrage- und Produktionszentren bei standardisierter technologisch einfacher Fertigung noch weiter ab. Im Kostenwettbewerb bei diesen Produktionen dürften die benachteiligten Regionen in Deutschland angesichts der enormen Lohnkostenvorteile der Staaten Süd- oder Mittel- und Osteuropas längerfristig kaum eine Chance besitzen. Eine Verbesserung der Entwicklungschancen der Förderregionen in Deutschland kann sich daher nur ergeben, wenn die Innovationskraft der Förderregionen gestärkt und/oder die Anbindung an die innovationsstarken zentralen Regionen verbessert wird. Beides ist
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4. Schlußfolgerungen für die regionale Strukturpolitik
ohne den Einsatz auch der gesamträumlichen Technologiepolitik und Verkehrspolitik nicht zu leisten. Dies bedeutet nicht , Technologie- und Verkehrspolitik völlig unter die regionalpolitische Zielsetzung zu stellen. Beide Politikbereiche haben primär ihre spezifischen gesamtstaatlichen und gesamtwirtschaftlichen Aufgaben wahrzunehmen. Ebenso wenig aber sollten sie ohne die Berücksichtigung möglicher regionaler Folgewirkungen agieren, denn die Verringerung der regionalen Entwicklungsdifferenzen liegt ebenfalls im gesamtstaatlichen und gesamtwirtschaftlichen Interesse. Ein Weg, die Berücksichtigung regionaler Aspekte der Technologie- und Verkehrspolitik zu verbessern, könnte in der Stärkung der Koordinationsfunktion der Gemeinschaftsaufgabe liegen. Bislang werden bei der Planung und Umsetzung der Technologie- und Verkehrspolitik des Bundes die Regionalinteressen vor allem durch die jeweiligen Bundesländer vertreten. Diese werden allerdings häufig nur dann aktiv, wenn sie konkrete Auswirkungen bestimmter Maßnahmen in ihrem Land sehen. Notwendig wäre dagegen, nicht nur in Einzelfällen regionalpolitische Aspekte zu berücksichtigen, sondern konzeptionelle Überlegungen zu einer Berücksichtigung des regionalen Ausgleichsziels in die Technologie- und Verkehrspolitik zu integrieren. Im Idealfall wäre es Aufgabe der Gemeinschaftsaufgabe, solche Konzeptionen auszuarbeiten und als gemeinsamen Vorschlag der Regionalpolitik von Bund und Ländern in Abstimmung mit der Raumordnung zu vertreten. Gemeinsam mit den Bundesministerien für Forschung und Technologie sowie Verkehr und unter Beachtung anderer nicht regionaler Zielvorgaben könnten dann konkrete regionalorientierte Maßnahmen der Technologieund Verkehrspolitik entwickelt werden. Gleichzeitig müßten die bereits heute zu beobachtenden Anstrengungen zur Koordinierung der ländereigenen Technologie- und Verkehrspolitik mit der regionalen Strukturpolitik auf Länderebene ergänzt und verstärkt werden. Ein anderer Politikbereich, bei dem Koordinierungsbedarf mit der regionalen Strukturpolitik besteht, sind die Maßnahmen zur Förderung sektoraler Entwicklungs- und Umstrukturierungsprozesse. Hierzu zählen vor allem die vielfältigen Hilfen an die Landwirtschaft, den Montanbereich und die Werftindustrie in Deutschland. Die Überlagerung von sektoralen Fördermaßnahmen mit denen der regionalen Strukturpolitik ergibt sich dabei zumeist schon aus dem Umstand, daß sektorale Probleme häufig eine wesentliche Ursache regionaler Probleme sind. Umgekehrt ist aber wohl auch davon auszugehen, daß die regionale Konzentration bestimmter Problembranchen eine wesentliche Ursache dafür war, diese Branchen zu unterstützen. Für Westdeutschland dürfte dabei in der Vergangenheit zwischen der Gemeinschaftsaufgabe und den sektoralen Fördermaßnahmen mit starkem regionalen Bezug grundSätzlich eine komplementäre Beziehung bestanden haben. Während die sektoralen Maßnahmen auf den Kernbereich der regionalen Wirtschaft ausgerichtet sind, werden bei der Gemeinschaftsaufgabe Maßnahmen auch außerhalb dieser Sektoren gefördert . Spannungsfelder ergeben sich allerdings dann, wenn die sektoralen Politiken lediglich auf die Erhaltung der Kernsektoren ausgerichtet sind und damit Ressourcen zur Bewältigung des sektoralen
4. 1. Koordinationsfunktion der Gemeinschaftsaufgabe
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Strukturwandels nicht zur Verfügung stehen. Entsprechend sollten gemeinsame Strategien entwickelt werden, die die Wirksamkeit beider Politikbereiche und damit den regionalpolitischen Erfolg sicherstellen. Der sektoralen Wirtschaftspolitik muß es gelingen, nicht allein den Schrumpfungsprozeß zu verlangsamen, sondern eine zukunftsträchtige Neuorientierung der Kernsektoren zu bewirken. Die regionale Strukturpolitik muß parallel dazu die Orientierung der Region auf neue Sektoren unterstützen.
4.1.2. Abstimmung mit der EG-Regionalpolitik Zusammengenommen bleibt die Einbindung des Bundes im Zusammenwirken mit den Regionen in die regionale Strukturpolitik weiterhin wichtig. Dabei wäre es mit Blick auf ein geeintes Europa sicherlich denkbar, daß immer mehr Funktionen des Bundes auch durch die EG wahrgenommen werden. Solange aber die Nationalstaaten wesentliche Akteure im wirtschaftspolitischen Handlungsfeld sind, ist es wenig sinnvoll, nur oder insbesondere im Bereich der Regionalpolitik der EG eine vorrangige Rolle einzuräumen. Eine solche Rollenverteilung würde gerade die notwendige Abstimmung der regionalen Strukturpolitik mit Politiken auf nationaler Ebene wie der Technologie- und Verkehrspolitik, aber auch mit dem Länderfinanzausgleich erschweren. Spannungen zwischen deutscher und gemeinschaftlicher Regionalpolitik gibt es sowohl in Zusammenhang mit EG-Instrumenten als auch bei der Gestaltung der GA . Deshalb gibt es Diskussionen, die EG auf die eine oder andere Weise in das Planungsverfahren der Gemeinschaftsaufgabe zu integrieren (vgl. Spiekermann 1992). Dies könnte nicht nur dadurch geschehen, daß die EG in der GA den Platz des Bundes einnähme, sondern auch, indem sie als dritter Partner in die Gemeinschaftsaufgabe einbezogen würde. Die im Abschnitt C.4 diskutierten Änderungsvorschläge haben aber gezeigt, daß es durchaus Möglichkeiten gibt, die entstandenen Probleme durch eine Vereinfachung und Flexibilisierung des EG-Fördersystems zu lösen, ohne die Kompetenzen der heute beteiligten Akteure dabei zu sehr einzuschränken. Zudem entspräche es eher dem Subsidiaritätsprinzip, die Autonomie der Mitgliedstaaten bei ihrer eigenen Regionalpolitik möglichst zu bewahren. Insofern bestände kein Grund, die EG in die GA zu integrieren; ein solcher Schritt hätte letztlich mehr Nachteile als Vorteile. Ein zentrales Problem im heutigen Verfahren ist die Unterschiedlichkeit der von den verschiedenen Akteuren verwendeten Kriterien zur Abgrenzung der Fördergebiete, die eine klare Hierarchie der Fördergebiete verhindert. Regionen, in denen sowohl GA als auch EG fördern , stehen neben solchen, die lediglich aus der einen oder der anderen Quelle Unterstützung erhalten. Unter diesen Umständen liegt es nahe, eine Auswahlsystematik als prioritär festzulegen, also beispielsweise zu bestimmen, daß die GA zunächst in ihre Förderkulisse alle EG-Fördergebiete aufzunehmen hat, bevor sie eigene Akzente setzt. Mit dem Subsidiaritätsprinzip wäre aber nur die genau umgekehrte Rangfolge zu vereinbaren. Zum einen ist die nationale Regionalpolitik - innerhalb der von der EG-Beihilfenkontrolle gesetzten Grenzen - vorrangig eine innerstaatliche Angelegenheit der Mitgliedstaaten; zum anderen ist die Kommission bislang den Beweis schuldig geblieben, daß die Ziele der 9 Gomig u. a.
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4. Schlußfolgerungen für die regionale Strukturpolitik
Förderkulissenfestlegung - nämlich die Identifikation fördelWÜrdiger Regionen - tatsächlich "besser auf Gemeinschaftsebene erreicht werden können" (Art. 3b EGV). Im Gegenteil ist das Indikatorensystem der GA der Vielzahl nicht quantifizierter Kriterien in den EGVerfahren deutlich überlegen. Schon deshalb sollte sich die EG bei der Festlegung ihrer Förderkulisse in Deutschland an den Vorgaben des deutschen Systems orientieren und nicht umgekehrt. Die nationale Regionalpolitik steht aber bei der Festlegung der nationalen Förderkulisse nicht nur in einem Spannungsverhältnis zu den Auswahlverfahren für die EG-Fördergebiete, sondern auch zur EG-Beihilfenkontrolle. Hier erscheint es jedoch möglich, -im Rahmen des von der EG gesetzten Bevölkerungsplafonds kein allzu restriktives Prüfverfahren anzuwenden. Es müßte der Beihilfenkontrolle ausreichen zu prüfen, ob sich die Mitgliedstaaten bei der konkreten Ausgestaltung ihrer Auswahlmethode quantifizierter, nachvollziehbarer Verfahren bedienen und regionalökonomisch fundierte Indikatoren verwenden; die GA erfüllt diese Vorgaben schon jetzt. Zusätzlich könnte die Kommission darauf bestehen, daß in den nationalen Systemen die Erarbeitung von regionalen Entwicklungsplänen vorgeschrieben ist. Auch für die Auswahl der EG-Fördergebiete sind Lösungen auf der Basis eines Plafondmodells denkbar, ohne die EG zur simplen RefInanzierungsinstanz abzuwerten. Eine sinnvolle Verwendung der eingesetzten Mittel muß dabei für die Kommission genauso gewährleistet sein wie auch die Umsetzung eigener regionalpolitischer Akzente. Ein erster Schritt in einem solchen Verfahren wäre die Festlegung eines Bevölkerungsplafonds für die EG-Fördergebiete. Die konkrete Festlegung der EG-Fördergebiete wäre aber Aufgabe der Mitgliedstaaten. Diese sollten sich dabei soweit wie möglich an die Verfahren der nationalen Regionalpolitik halten und auf jeden Fall nur Gebiete innerhalb der nationalen Kulisse auswählen. Die EG-Fördergebiete in Deutschland sollten dann wie in der Gemeinschaftsaufgabe überwiegend nach Arbeitsmarktregionen gegliedert werden. Diese stärker an funktionalen Kriterien ausgerichtete Systematik ist dem an reinen Verwaltungsgrenzen orientierten EG-Vorgehen überlegen. Vor allem gewährleistet sie eine bessere Abstimmung mit der nationalen Politik. Die Aufteilung der Mittel, die im Rahmen der EG-Förderung in Deutschland zur Verfügung stehen, auf die Förderregionen kann - wiederum analog zur GA - bei gleicher Förderbedürftigkeit entsprechend ihrer Bevölkerungszahl erfolgen. Der unterschiedliche Wohlstand der EG-Mitgliedstaaten wird durch das Ausmaß des erlaubten Plafonds und das Volumen der eingesetzten EG-Mittel berücksichtigt. Offen bliebe die Frage, in welcher Form gewährleistet werden kann, daß die mit EGMitteln geförderten Aktionen gemeinschaftlichen Vorstellungen entsprechen. Zur Klärung können zunächst die instrumentellen Rahmensetzungen der nationalen Regionalpolitik dienen. Hinzu käme nach diesem Konzept, daß die Regionen regionale Entwicklungspläne aufstellen müßten, sobald sie in der nationalen Kulisse berücksichtigt worden sind. Insgesamt läge es aber auch im Interesse der EG, wenn innerhalb dieses Rahmens den Regionen relativ breite Gestaltungsspielräume blieben .
4.2. Anpassungsbedarf bei der Art und Intensität der Förderung
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4.2. Anpassungsbedarf bei der Art und Intensität der Förderung 4.2.1. Schwerpunktverlagerung bei den Förderinstrumenten Eine Evaluierung der Maßnahmen der regionalen Strukturpolitik in Deutschland ist nicht Gegenstand der vorliegenden Studie. Entsprechend ist eine Einzelbewertung bestimmter Maßnahmen auch der Gemeinschaftsaufgabe nicht möglich. Dennoch ergeben sich vor dem Hintergrund der Analysen zu den geänderten Rahmenbedingungen regionaler Strukturpolitik Anhaltspunkte für einen Anpassungsbedarf im Instrumentarium der Gemeinschaftsaufgaben. Die Ziele der Gemeinschaftsaufgabe werden im Fördergebiet durch die Gewährung von Zuschüssen an Unternehmen zur Schaffung oder Erhaltung von Dauerarbeitsplätzen und an Kommunen und andere Träger zur Verbesserung der wirtschaftsnahen Infrastruktur verfolgt. Kernstück der direkten Förderung der Unternehmen ist der Investitionszuschuß. Er wird für Erweiterungs- und grundlegende Rationalisierungsinvestitionen gewährt. Voraussetzung für die Förderung ist, daß die jeweilige Produktion auf Leistungen mit überwiegender Orientierung am Fernabsatz ausgerichtet ist. Sie richtet sich entsprechend vor allem an die Industrie und den Fremdenverkehr. Darüber hinaus werden bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen pauschale Zuschüsse je geschaffenen hochwertigen Arbeitsplatz gewährt. Im Rahmen der indirekten Förderung wird die Erschließung von Gewerbegebieten sowie die Errichtung und der Ausbau von Verkehrsanbindungen und von Einrichtungen zur Wasserversorgung und zur Abwasser- und Abfallbeseitigung gefördert, soweit dies für die Entwicklung der gewerblichen Wirtschaft notwendig ist. Darüber hinaus werden Zuschüsse zur Verbesserung der Infrastruktur und des Fremdenverkehrs sowie zur Errichtung und zum Ausbau von Bildungseinrichtungen und Gewerbezentren gewährt, wenn ein entsprechender konkreter Bedarf der bzw. positive Wirkungen auf die gewerbliche Wirtschaft zu erwarten sind. Besondere Anforderungen in Ostdeutschland
Eine grundlegende Änderung der Einsatzbedingungen der Förderinstrumente ergibt sich aus der Einbeziehung Ostdeutschlands in die Gemeinschaftsaufgabe . Zwar entsprechen vielfach die in den Szenarien dargestellten regionalen Problemlagen in Ostdeutschland den typischen Bedingungen alter Industrieregionen und ländlich peripherer Gebiete, wie sie auch in Westdeutschland zu beobachten sind. Diese regionalen Problemlagen werden aber überlagert von den spezifischen wirtschaftlichen Transformationsproblemen im Gebiet der ehemaligen DDR. Im Zusammenhang mit den besonderen ökonomischen Problemen in Ostdeutschland wird daher häufig eine Erweiterung des Förderansatzes diskutiert. Im wesentlichen geht es dabei um eine Ausweitung der Förderung in Ostdeutschland auch auf die Gewährung laufender Zuschüsse zur Produktion, deren Höhe sich am Umsatz bzw. der Wertschöpfung der Unternehmen orientiert. Hintergrund dieser Überlegungen ist die Einschätzung, daß die besonderen Schwierigkeiten der ostdeutschen Industrie in erster Linie Ausdruck eines generellen Kostenproblems sind . 9*
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4. Schlußfolgerungen für die regionale Strukturpolitik
Betrachtet man allerdings die konkrete Umsetzung einer Umsatz- oder Wertschöpfungspräferenz, zeigen sich rasch erhebliche Probleme. Sie liegen vor allem in der extrem hohen Gefahr des Mißbrauchs durch Vorleistungs- und Gewinnverlagerungen zwischen verbundenen Unternehmen. Ließen sich diese Probleme bei der alten Berlinförderung für den Westteil der Stadt aufgrund des räumlich isolierten Standorts noch einigermaßen handhaben (Ring u.a. 1987), erscheint bei einer Anwendung dieses Instrumentariums im gesamten Gebiet Ostdeutschland dem Mißbrauch Tür und Tor geöffnet. Mit vergleichsweise einfachen Mitteln könnten die in vielfacher Weise mit westlichen Unternehmen verbundenen Betriebe in Ostdeutschland erhebliche Fördermittel in Anspruch nehmen, ohne daß es dort zu spürbaren Produktionsausweitungen kommt. Will man, ohne einen enormen neuen Kontrollapparat aufzubauen, den Mißbrauch durch die Vorleistungs- und Gewinnverlagerungen ausschließen, kann sich eine solche Förderstrategie nur auf die Lohn- und Gehaltsumme als Indikator beziehen. Damit ergeben sich allerdings wieder andere Probleme. Durch eine Subventionierung der Lohnkosten - selbst wenn sie degressiv angelegt ist - ist zu befürchten, daß die Verzerrung der Faktorpreise weit höher ausfcillt als bei Einmalzahlungen auf die Ausweitung des Kapitaleinsatzes. Zudem würde mit einer Subventionierung der Lohnkosten in den Zielkonflikt zwischen möglichst günstiger Kostensituation der Unternehmen einerseits und der gewünschten Einkommensverbesserung in Ostdeutschland andererseits eingegriffen werden. Die Lösung dieses Konflikts ist jedoch primär Sache der Tarifparteien und nicht Aufgabe der Regionalpolitik. Darüber hinaus bleibt zu fragen, ob die Ausgangsthese, die Schwierigkeiten Ostdeutschlands seien vornehmlich ein generelles Kostenproblem, die wirtschaftliche Situation in Ostdeutschland zutreffend beschreibt. In den letzten Jahren haben in der ostdeutschen Wirtschaft erhebliche Differenzierungsprozesse eingesetzt. Von besonderer Bedeutung ist hierbei der Prozeß der Privatisierung der Unternehmen. 1993 waren bereits mehr als 90 vH der Industrieunternehmen Privatunternehmen. In ihnen waren mehr als die Hälfte der Industriebeschäftigten tätig. In den Privatunternehmen, die häufig mit westlichen Partnern kooperieren, zeigen sich wesentliche Verbesserungen der Ertragslage. Inwieweit sich dieser Prozeß fortsetzt und zusammen mit der Gründung und Ansiedlung neuer Produktionen zu einer dauerhaften Verbesserung der Wirtschaftskraft in Ostdeutschland führt, hängt entscheidend davon ab, ob die Infrastrukturausstattung weiter verbessert wird und sich der betriebliche Umstrukturierungsprozeß hin zu kostengünstigeren Produktionsverfahren und hochwertigeren Produkten fortsetzt. Produktionsstrukturen dagegen, die auf niedrige Lohnkosten in Ostdeutschland setzen, werden sich angesichts des enormen Lohngefalles zu süd-, mittel- und osteuropäischen Staaten nicht durchsetzen können. Die bisherige Praxis der Gemeinschaftsaufgabe, die Ansiedlung neuer Produktionen sowie die Erweiterung und Umstellung der vorhandenen Produktion zu fördern und somit auch unter den neuen Kostenbedingungen in Ostdeutschland Dauerarbeitsplätze zu schaffen und zu erhalten, wird den Anforderungen weitgehend gerecht.
4.2. Anpassungsbedarf bei der Art und Intensität der Förderung
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Eine andere Situation ergibt sich bei den meisten noch nicht privatisierten Unternehmen. Hier geht es häufig schlicht darum, zunächst überhaupt Spielraum für die Umstrukturierung der Produktion zu gewinnen. Um in diesen Unternehmen die Produktions- und Beschäftigungsperspektiven zu verbessern, sind sicherlich auch auf längere Frist große wirtschaftspolitische Anstrengungen nötig. In den umfangreichen Maßnahmenkatalog, der für diese Unternehmen zugeschnitten ist, haben möglicherweise auch direkte Lohnsubventionen ihren Platz. Jedoch sollte diese spezielle Form der Unterstützung des Transformationsprozesses nicht als Teil einer generellen Regionalförderung für Ostdeutschland auf alle anderen Unternehmen ausgedehnt werden.
Veränderte Anforderungen der Unternehmen Eine andere Ursache für Veränderungen der Einsatzbedingungen der Förderinstrumente der Gemeinschaftsaufgabe in Ost- und Westdeutschland sind Verschiebungen in den Standortanforderungen und Standortstrukturen der Unternehmen. Solche Verschiebungen ergeben sich, wie im ersten Kapitel dargestellt, vor allem durch den technologisch-organisatorischen Wandel und die politisch-wirtschaftlichen Integrationsprozesse. Überlegungen über eine Umgestaltung des Förderinstrumentariums gibt es auch im Zusammenhang mit der Veränderung der Organisationsstrukturen und hier insbesondere der Verringerung der Fertigungstiefe der Unternehmen. Im Zuge dieses Umstrukturierungsprozesses kommt es zu einer rechtlichen und wirtschaftlichen Trennung der Produktionsprozesse, ohne daß die Abhängigkeiten oder Interdependenzen unmittelbar abnehmen. Hierdurch können sich die Grenzen zwischen dem Exportbereich und dem sogenannten Internbereich einer Region noch weiter verwischen als heute. Die Kopplung der direkten Förderung der Wirtschaft in der Gemeinschaftsaufgabe an die direkte Exportorientierung der jeweiligen Produktion wird damit immer fragwürdiger. Dem ließe sich abhelfen, wenn auch Unternehmen, die indirekt zur Exportfahigkeit der Region beitragen, in die GAFörderung integriert werden. Gerade neuere regionalwissenschaftliche Studien weisen darauf hin, daß für die Exportund Weubewerbsfahigkeit der Unternehmen vor allem das Vorhandensein bestimmter sogenannter produktionsorientierter Dienstleistungen in der Region von wesentlicher Bedeutung sein kann. Als solche Dienstleistungen werden z.B. Unternehmensberatungen, Ingenieurbüros, Anwaltskanzleien und Finanzdienstleistungen angesehen. Diese Unternehmen bieten jedoch häufig ohne besonderen Schwerpunkt nicht nur Dienstleistungen für Produktionsunternehmen an, sondern auch für andere Nachfrager, z.B. private Haushalte. Hinzu kommt, daß es gerade auch in den neuen Bundesländern auf die Qualität dieser Leistungen ankommt. Damit ist mit vertretbarem Aufwand nicht zu ermitteln, ob ein Dienstleistungsunternehmen überhaupt in nennenswertem Umfang zur exportorientierten Produktion positive Beiträge leistet. Es erscheint daher kaum möglich, und angesichts der knappen Mittel der Regionalförderung auch insgesamt wenig sinnvoll, den Bereich produktionsorientierter Dienstleistungen aufgrund einer pauschal unterstellten indirekten Exportorientierung in die Förderung aufzunehmen.
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4. Schlußfolgerungen für die regionale Strukturpolitik
Ein anderer Ansatzpunkt für Veränderung des Förderinstrumentariums ist die erwartete weitere Zunahme der Humankapitalintensität der Produktion in Deutschland. Deshalb wäre es wichtig, gerade auch in den Fördergebieten der Gemeinschaftsaufgabe Anreize für die Entwicklung humankapitalintensiver Produktionen zu schaffen, um eine dauerhafte Verbesserung der Wirtschaftskraft zu erreichen. Konkrete Vorschläge zu einer entsprechenden Umorientierung von der Sachkapital- zur Humankapitalorientierung der direkten Förderung der Gemeinschaftsaufgabe sind bereits in den achtziger Jahren entwickelt worden (z.B. Lammers u.a. 1982). Ihren Niederschlag fand diese Diskussion in der Gemeinschaftsaufgabe durch die Einführung einer Sonderförderung für den Einsatz hochqualifizierten Personals. Es blieb aber im Schwerpunkt bei der Ausrichtung der direkten Förderung auf das Sachkapital. Noch heute sprechen gegen eine generelle Umstellung zunächst erhebliche Operationalisierungsprobleme. So ist bis jetzt ein überzeugendes Verfahren zur Identifizierung der Humankapitalintensität nicht entwickelt worden. Darüber hinaus wäre es insbesondere bei einer Umstrukturierung von Unternehmen und damit der Sicherung von Dauerarbeitsplätzen ohne den Bezug zur Investitionstätigkeit äußerst schwierig, die grundlegenden Umstrukturierungsaktivitäten nachzuweisen. Die möglicherweise bessere Anreizstruktur müßte daher durch ein sehr komplexes Antragsverfahren ebenso wie eine umfangreiche Prüfungs- und Kontrolltätigkeit erkauft werden. Bei der Diskussion dieser Frage muß auch berücksichtigt ' verden, daß im Zuge des technologisch-organisatorischen Wandels einseitig kapitalintensive oder einseitig humankapitalintensive Produktionsprozesse zumindest in entwickelten Industrieländern wie der Bundesrepublik immer seltener werden. Die Ausrichtung der Förderung am Kapitaleinsatz dürfte damit in Zukunft tendenziell weniger verzerrend wirken als in der Vergangenheit. Vor allem wird der regionalpolitisch problematische Förderanreiz auf typische "verlängerte Werkbänke" mit hoher Kapitalintensität und geringen Anforderungen an die Qualifikation der Beschäftigten immer weniger zum Tragen kommen. Die Vorteile, die die Investitionsförderung für eine Vereinfachung der Fördergenehmigung und -kontrolle besitzt, sollten daher höher eingeschätzt werden. Zudem besteht die Möglichkeit, durch die Begrenzung des maximalen Förderbetrags je Dauerarbeitsplatz noch stärker das Arbeitsplatzziel der Gemeinschaftsaufgabe zu betonen. Hier könnten bewußt niedrigere Ansätze gewählt werden als in der Vergangenheit. Wichtiger aber als die Frage, nach welchen Kriterien sich die Höhe der direkten Förderung richtet, erscheint für die Verbesserung der Wirtschaftsstruktur in den Förderregionen, wie überhaupt das Potential an ansiedlungswilligen Unternehmen mit einer zukunftsorientierten Produktionsausrichtung erhöht und eine solche Ausrichtung bei den ansässigen Unternehmen ermöglicht werden kann. Entscheidend dürfte dabei nicht sein, ob ein Unternehmen für eine bestimmte Produktion mehr Förderung bekommt, sondern ob es überhaupt in den benachteiligten Regionen die entsprechenden Standortbedingungen vorfindet. Es steht wohl außer Frage, daß sowohl im Zuge des technologischen Wandels als auch durch die potentielle Standortkonkurrenz in den europäischen Niedriglohnländern die
4.2. Anpassungsbedarf bei der Art und Intensität der Förderung
135
Anforderungen an die Standortqualität in den Förderregionen der Bundesrepublik steigt. Die höheren Standortanforderungen dürften sich dabei nicht nur unmittelbar auf die Verfügbarkeit qualifizierter Arbeitskräfte und die damit verbundenen Infrastrukturen, sondern auf die wirtschaftsnahe Infrastruktur der Regionen als Ganzes beziehen. Günstige Verkehrsanbindungen innerhalb der Region, die Erreichbarkeit von zentralen Dienstleistungen und von Forschungseinrichtungen oder die Kooperationsmöglichkeiten in Gewerbeparks und Innovationszentren zählen zweifelsohne dazu . Diesem verstärkten Anforderungsdruck sollte in der Gemeinschaftsaufgabe durch eine Erhöhung der Finanzmittel zur Förderung der wirtschaftsnahen Infrastruktur Rechnung getragen werden. Eine Verbesserung der Finanzausstattung der Gemeinschaftsaufgabe ist dabei zur Anpassung an die zunehmenden Aufgaben unabdingbar. Allerdings sollte auch der Anteil an den gesamten Haushaltsmitteln, der auf die Förderung der kommunalen Infrastruktur entfällt, zunehmen. Die Förderung der wirtschaftsnahen Infrastruktur sollte langfristig den Schwerpunkt der Gemeinschaftsaufgabe bilden. Die Förderung von Infrastruktur im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe muß jedoch im Zusanunenhang mit den veränderten Rahmenbedingungen regionaler Strukturpolitik nicht nur finanziell verstärkt, sondern auch bei der Ausgestaltung der Förderkriterien verbessert werden. Zunächst geht es dabei um den Nachweis des aktuellen Bedarfs an bestimmten wirtschaftsnahen Infrastrukturen in den Regionen. Für die benachteiligten Regionen Westdeutschlands und vor allem die Regionen Ostdeutschlands ist gerade die Bereitstellung eines Infrastrukturpotentials, noch bevor es von der gewerblichen Wirtschaft voll in Anspruch genommen wird, im Standortwettbewerb unverzichtbar. Eine gekoppelte Nutzung der wirtschaftsnahen Infrastruktur - nicht nur von Unternehmen, sondern auch von privaten Haushalten - ist in diesem Sinne sogar wünschenswert. Deshalb sollte auf einen Nachweis des konkreten Bedarfs der gewerblichen Wirtschaft im Rahmen der wirtschaftsnahen Infrastruktureinrichtungen des bisherigen Förderkataloges verzichtet werden . Darüber hinaus erscheint der bisherige Katalog wirtschaftsnaher Infrastruktur in der Gemeinschaftsaufgabe auch im Vergleich zur EG-Regionalförderung trotz seiner schon breiten Abgrenzung zu eng. Im Zuge der Spezialisierung im technologisch-organisatorischen Wandel dürften die einzelnen Unternehmen und Branchen vermehrt spezifische Standortanforderungen stellen. Je weiter dieser Prozeß voranschreitet, um so wichtiger wird es für die Regionen, ein eigenes Profil der wirtschaftsnahen Infrastruktur zu entwikkein . Dabei dürften sich auch die Grenzen zwischen wirtschaftsnaher und haushaltsnaher Infrastruktur immer mehr verwischen und ein expliziter Ausschluß bestimmter Infrastrukturanen - vorab beispielsweise in einer Negativliste - kaum möglich sein. Von daher erscheint es sinnvoll, künftig im Rahmenplan der Gemeinschaftsaufgabe die Definition förderfahiger Infrastrukturmaßnahmen offener zu halten. Eine Möglichkeit bestünde hier darin, bei einem plausiblen Einzelnachweis der Verbesserung der Entwicklungsbedingungen für die gewerbliche Wirtschaft keine unmittelbare Beschränkung auf bestimmte Infrastrukturarten vorzunehmen. Die Regionen könnten dadurch stimuliert werden, neue innovative Wege zur Verbesserung ihrer wirtschaftlichen
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4. Schlußfolgerungen für die regionale Strukturpolitik
Standortqualitäten ZU beschreiten. Beispielsweise könnten bestimmte Projekte zur ökologischen Sanierung oder zur Förderung des überregionalen Absatzes für bestimmte Regionen einen wesentlichen Beitrag zur Verbesserung der Entwicklungsbedingungen leisten. Umgekehrt könnte auch vermieden werden, daß aufgrund sonst nicht zur Verfügung stehender Mittel - wie derzeit z.B. in Ostdeutschland - fast alle Kommunen die gleiche Art von wirtschaftsnaher Infrastruktur verbessern.
4.2.2. Regionale Differenzierung der Förderintensität Neben den Regelungen zum Förderinstrumentarium ist die Festlegung der Förderkulisse eines der wesentlichen Steuerungselemente der Gemeinschaftsaufgabe. Hierbei geht es um die Bestimmung jenes Gebietes, in die die Fördermittel der Gemeinschaftsaufgabe fließen und für die gegenüber anderen Regionen auch hinsichtlich landeseigener Fördermittel ein deutliches Fördergefälle besteht. Kriterium für die Zurechnung zum Fördergebiet ist der Grad der Benachteiligung bzw. die Förderbedürftigkeit der Regionen. Zur Einschätzung der Förderbedürftigkeit wird in mehrjährigen Abständen ein an die veränderten Verhältnisse jeweils angepaßtes Indikatorensystem verwendet. Das Beitrittsgebiet ist pauschal als Fördergebiet in die Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur aufgenommen worden. Innerhalb des Fördergebiets bestehen Förderpräferenzen zugunsten bestimmter Schwerpunktorte. Die höhere Förderintensität in den Schwerpunktorten dient dabei weniger der Berücksichtigung besonderer Förderbedürftigkeit, sondern soll vielmehr durch die räumliche Bündelung der wirtschaftlichen Aktivitäten die Effizienz der regionalen Strukturpolitik erhöhen. Die Ausweisung von Schwerpunktorten und ihrer Mitorte erfolgt im westdeutschen Fördergebiet nach einheitlichen Auswahlkriterien. Innerhalb Ostdeutschlands ist eine einheitliche Festlegung von Schwerpunktorten zur Zeit nicht vorgesehen. In den meisten ostdeutschen Bundesländern sind gleichwohl schon jetzt räumliche Differenzierungen der Förderintensität - vor allem im maximalen Investitionszuschuß an die gewerbliche Wirtschaft - eingeführt worden. Eine großräumige Differenzierung der Förderintensität sowohl in bezug auf die Mittelausstattung als auch auf die zulässige Maximalförderung der gewerblichen Wirtschaft besteht gegenwärtig nur zwischen den ostdeutschen Regionen und den westdeutschen Fördergebieten. Sie auch innerhalb Ostdeutschlands und innerhalb der westdeutschen Förderkulisse stärker zu unterscheiden, könnte ein Ansatz sein, der sich abzeichnenden und in ihren Grundzügen beschriebenen Differenzierung in der Förderbedürftigkeit der Regionen unter den Handlungsbedingungen der EG Rechnung zu tragen. Eine solche Unterscheidung gab es bereits früher z.B. zwischen dem Normalfördergebiet und dem westdeutschen Zonenrandgebiet.
Differenzierung innerhalb Ostdeutsch lands Grundlage für die pauschale Zuordnung Ostdeutsch lands als förderbedürftige Region war zunächst die Einschätzung, daß alle ostdeutschen Regionen deutlich unter dem Wohl-
4.2. Anpassungsbedarf bei der Art und Intensität der Förderung
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standsniveau der Förderregionen in Westdeutschland liegen. Die mittlerweile auf Länderebene vorliegenden Daten bestätigen diese Vermutung. Allerdings sind Differenzierungen der regionalen Entwicklung auch innerhalb Ostdeutschlands zu erkennen, und es spricht vieles dafür, daß sich diese Tendenzen in den nächsten Jahren verstärken. Ansatzpunkte für eine relativ günstige Entwicklung zeigen sich dabei in den großen Dienstleistungszentren, in den Regionen mit großen Einzelinvestitionen zum Aufbau neuer eigener Produktionslinien der Industrie und in vielen Regionen entlang der ehemaligen Zonengrenzen, bei denen auch Arbeitsmarktentlastungen durch die günstigeren Bedingungen des Auspendelns nach Westdeutschland wirksam werden. Besondere regionale Problemlagen ergeben sich dagegen für die diinnbesiedelten ländlichen Regionen, in denen vielfach keine größeren industriellen Betriebe mehr tätig sind, für Industrieregionen mit extremer Monostruktur wie z.B. den Bergbaugebieten oder für die Grenzregionen zu Polen und zur tschechischen Republik, bei denen noch zusätzliche Belastungen des Arbeitsmarktes durch ausländische Einpendler zu verkraften sind. Auf der anderen Seite dürften auf absehbare Zeit bestimmte Problemfelder weiterhin in allen ostdeutschen Regionen zu beobachten sein. Dies gilt vor allem für den Wiederaufbau einer fernabsatzorientierten Industrie. Von daher ist auch nicht unbedingt zu erwarten, daß schon kurzfristig einige Regionen in den jungen Bundesländern ein westdeutschen Regionen vergleichbares Einkommens- und Beschäftigungsniveau erreichen. Es spricht somit vieles dafür, auf mittlere Frist die Zuordnung Ostdeutschlands insgesamt als Fördergebiet beizubehalten. Den erwarteten regionalen Differenzierungen und den damit verbundenen Unterschieden in der Förderbedürftigkeit könnte durch Abstufungen in der Förderintensität Rechnung getragen werden. Eine Differenzierung der Fördersätze innerhalb der ostdeutschen Bundesländer - wie derzeitige Praxis - wird dem nicht gerecht. Vielmehr ist es notwendig, dem Umstand Rechnung zu tragen, daß in den einzelnen ostdeutschen Ländern das Verhältnis der sich relativ günstig zu den sich relativ ungünstig entwickelnde Regionen sehr unterschiedlich sein wird. Eine Differenzierung der Förderintensität muß daher auch schon bei der Höhe der Fördermittel nach Bundesländern beginnen. Eine großräumige Differenzierung der Förderintensität innerhalb Ostdeutschlands sollte dabei die besonderen raumstrukturellen und ökonomischen Bedingungen berücksichtigen. Dies gilt vor allem für die in weiten Teilen Ostdeutschlands sehr geringe Bevölkerungsdichte und den mittlerweile sehr niedrigen Industriebesatz sowie die faktische Notwendigkeit, die Modernisierung und den Ausbau der Infrastruktur zunächst räumlich konzentriert voranzutreiben. Kristallisierungspunkte der ökonomischen Revitalisierung solcher Regionen müssen regionale Zentren bestimmter Größe - in der Regel ein Mittel- oder Oberzentrum sein. In ihnen können sowohl ein ausreichend breites Infrastrukturprofil kurzfristig geschaffen als auch die externen Effekte einer industriellen Ballung genutzt werden. Es wäre derzeit wenig hilfreich, gerade diese punktuellen Entwicklungspole in der Förderintensität herabzustufen und auf der anderen Seite höhere Förderanreize in Regionen zu schaffen, die keine Ansatzpunkte für eine breite industrielle Entwicklung bieten. Bei der
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4. Schlußfolgerungen für die regionale Strukturpolitik
Abgrenzung der Analyseräume für eine Bewertung der Differenzierung der Förderintensität in Ostdeutschland sollte daher darauf geachtet werden, daß zumindest ein solches regionales Zentrum zu jeder Region gehört. Allerdings darf nicht verkannt werden, daß bei einer solchen Abgrenzung die kleinräumigen Differenzierungsprozesse innerhalb der Analyseräume durch die Fördermittel noch verstärkt werden. Dieses muß aber in Kauf genonunen werden, wenn auf mittlere Frist das Abkoppeln ganzer Landstriche vom allgemeinen Entwicklungstrend in Ostdeutschland vermieden werden soll. Eine Differenzierung der Förderintentsität erfordert datiiber hinaus zuverlässige Indikatoren für die Einschätzung der wirtschaftlichen Situation in den einzelnen ostdeutschen Regionen, wenn ein ähnlich transparentes Abgrenzungsverfahren erreicht werden soll wie derzeit in Westdeutschland. In diesem Feld werden allerdings in den nächsten Jahren weiterhin erhebliche Defizite bestehen. Spezifische Verzerrungen, die u.a. aus dem Einsatz arbeitsmarktpolitischer Instrumente und der Bewertung von Infrastruktureinrichtungen resultieren, werden es schwer machen, regional vergleichbare Einkonunens-, Beschäftigungs- und Infrastrukturindikatoren zu ermitteln. Entsprechend müßten gesonderte Verfahren zur Einschätzung der unterschiedlichen Förderbedürftigkeit der ostdeutschen Regionen in Kooperation mit den statistischen Landesämtern entwickelt werden. Dabei könnten zur Bewertung der Entwicklungsdynamik in den Regionen auch Informationen zur Investitionstätigkeit herangezogen werden.
Differenzierung innerhalb Westdeutschlands Trotz der besonders gravierenden ökonomischen Probleme Ostdeutschlands und der generell knappen Haushaltsmittel ist eine weitere Förderung benachteiligter Regionen auch in Westdeutschland notwendig. Die Aufgabe der Gemeinschaftsaufgabe ist die langfristige Reduzierung ökonomischer Ungleichgewichte zwischen den Regionen Deutschlands. Die Unterstützung des Autbolprozesses Ostdeutsch lands ist hierbei ein wesentlicher, aber nicht der alleinige Faktor. Vor allem kann es nicht darum gehen, eine möglichst rasche Niveauangleichung zwischen Ost- und Westdeutschland mit einer deutlichen Zunahme des regionalen Gefälles innerhalb Westdeutschlands zu erkaufen. Die veränderten Bedingungen im Zuge der Vereinigung haben bei den letzten Neuabgrenzungen der Förderkulisse in Westdeutschland bereits zu erheblichen Veränderungen geführt. Im Mittelpunkt stand hierbei zunächst die konkrete Überprüfung der Förderbedürftigkeit in den einzelnen Regionen des früheren Zonenrandgebietes. Später fanden die veränderten politischen und finanziellen Rahmendaten ihren Niederschlag in einer Verringerung der Haushaltsansätze für die Gemeinschaftsaufgabe in Westdeutschland. Darüber hinaus ist 1993 die westdeutsche Förderkulisse von 27 vH auf etwa 22 vH der Bevölkerung verringert worden. Dennoch ist zu erwarten, daß vor allem von Seiten der Europäischen Konunission auf eine weitere Reduzierung der Förderkulisse in Westdeutschland gedrängt wird. Gegenwärtig wird von ihr eine Reduzierung auf 18 vH der westdeutschen Bevölkerung gewünscht. Diese Forderung ist insoweit auch verständlich, als die Konunission das Fördergefalle zugunsten der ärmsten Regionen in der Gemeinschaft erhöhen will. Auf der anderen
4.3. Regionalisierung als Ansatzpunkt einer Neugestaltung
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Seite ist nicht zu erkennen, daß sich in großem Maße die ökonomischen Entwicklungsbedingungen in westdeutschen Regionen der jetzigen Förderkulisse so durchgreifend verbessert haben, daß auf eine weitere Unterstützung des wirtschaftlichen Umstrukturierungsprozesses verzichtet werden kann. Durch den technologisch-organisatorischen Wandel der Wirtschaft und die besondere Konkurrenzsitutation zu mittel- und osteuropäischen Regionen dürften sich in vielen benachteiligten Regionen Westdeutschlands eher umgekehrt neue Anpassungsprobleme ergeben. Um den legitimen Interessen der Kommission und den zu erwartenden Entwicklungsproblemen benachteiligter Regionen in Westdeutschland Rechnung zu tragen, könnte daher an eine Differenzierung der Förderintensität auch innerhalb Westdeutsch lands gedacht werden. Würde die Förderintensität in einem Teil der westdeutschen Förderkulisse reduziert, so könnte einerseits das Fördergefalle zugunsten der ärmsten EG-Regionen erhöht und andererseits die Möglichkeit gewahrt werden, in gewissem Umfang den notwendigen Umstrukturierungsprozeß in den westdeutschen Problemregionen weiterhin zu unterstützen und zu begleiten. Ein Vorteil einer solchen Lösung wäre, daß die Gemeinschaftsaufgabe auch für die sonst ausscheidenden Gebiete ihre Koordinierungsfunktion wahrnehmen könnte. Bei einem Ausscheiden bestimmter Regionen würden vermutlich die landeseigenen Förderaktivitäten für diese erhöht und somit die Gemeinschaftsaufgabe als Kern der regionalen Strukturpolitik ausgehöhlt. Gleichzeitig würden mögliche Verbesserungen der Koordinierung zwischen regionaler Strukturpolitik und anderen raumwirksamen Politiken erschwert, wenn ein großer Teil der westdeutschen Förderregionen außerhalb der Gemeinschaftsaufgabe steht. Zusammengefaßt könnte man sich somit auf mittlere Frist eine nach der Förderintensität vierfach gestaffelte Förderkulisse vorstellen. Die wesentliche Differenzierung bestände hierbei zunächst zwischen Ost- und Westdeutschland. Die Mittelausstattung und die Maximalförderung sollten dabei wie bisher für Ostdeutschland aufgrund der besonderen ökonomischen Problemlage deutlich höher liegen. Hinzu käme eine zusätzliche Abstufung der Förderintensität innerhalb der beiden Landesteile . Somit ergäbe sich folgende Differenzierung in der Rangfolge der Förderintensität: 1. 2. 3. 4.
Ostdeutsche Regionen mit besonderen Entwicklungsproblemen Übrige Regionen Ostdeutschlands im Transformationsprozeß Westdeutsche Regionen mit besonderen Entwicklungsproblemen Weitere benachteiligte Regionen Westdeutschlands.
4.3. Regionalisierung als Ansatzpunkt einer Neugestaltung 4.3.1. Konzeption einer Regionalisierung der Gemeinschaftsaufgabe Mit der Vereinigung Deutschlands und der neuen Konkurrenzsituation zu den Regionen in Mittel- und Osteuropa ist die Notwendigkeit regionalpolitischer Maßnahmen zur Stimulierung wirtschaftlicher Wachstumsprozesse in benachteiligten Regionen deutlich gewach-
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4. Schlußfolgerungen für die regionale Strukturpolitik
sen. Die Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur spielt dabei als Instrument der Förderung der gewerblichen Wirtschaft und der lokalen wirtschaftsnahen Infrastruktur im Gesamtkonzept regionalwirksamer Politiken auch in den neunziger Jahren eine wesentliche Rolle. Voraussetzung hierfür ist allerdings, daß der Gemeinschaftsaufgabe ein Finanzvolumen zur Verfügung gestellt wird, welches den gestiegenen Anforderungen gerecht wird. Die Veränderungen der Rahmenbedingungen regionaler Strukturpolitik in Deutschland in den neunziger Jahren stellen jedoch nicht nur neue Anforderungen an das Finanzvolumen, sondern machen auch Anpassungen des bisherigen Organisationskonzepts notwendig. Dabei geht es vor allem um eine Erhöhung der Durchschlagskraft in Verbindung mit einer Verbesserung der Flexibilität des regionalpolitischen Instrumentariums. Auf die Notwendigkeit der Stärkung der Koordinationsfunktion der Gemeinschaftsaufgabe in bezug sowohl auf die anderen Bundes- und Landespolitiken als auch zur Regionalpolitik der Europäischen Gemeinschaft ist hier bereits ebenso hingewiesen worden wie auf die Erhöhung und Erweiterung der Infrastrukturförderung in der Gemeinschaftsaufgabe. Entscheidend für die Durchschlagskraft und die Flexibilität des regionalpolitischen Instrumentariums ist darüber hinaus seine Anwendung vor Ort in den Förderregionen. Die Durchführung der Maßnahmen und die Kontrolle der Mittelverwendung ist bislang primär Aufgabe der Länder, denen entsprechend ihrem Anteil am Fördergebiet die Bundesmittel der Gemeinschaftsaufgabe zugewiesen werden. Diese Mittel werden dann von den Ländern im Rahmen der Vorgaben des Planungsausschusses verwendet. Für die einzelnen Bundesländer wird es allerdings immer schwieriger, einheitliche Maßstäbe für den Einsatz des regional politischen Instrumentariums in den Förderregionen zu entwickeln. Zum einen zeichnet sich eine weitere Differenzierung der regionalen Problemlagen ab. Neben typischen ländlich-peripheren und altindustrialisierten Regionen treten besondere Probleme beispielsweise in Grenzregionen zu mittelosteuropäischen Staaten oder in Regionen, die durch wirtschaftliche Folgen der Konversion belastet werden, auf. Und auch innerhalb der typischen Problemregionen bestehen in bezug auf Industrialisierungsgrad und Sektorausrichtung der Monostrukturen weit größere Spektren als in der Vergangenheit. Zum anderen ist zu berücksichtigen, daß sich generell im Rahmen des technologischen und organisatorischen Wandels vermehrt Differenzen in den Entwicklungsprozessen der Unternehmen abzeichnen. Diese werden vermutlich dazu führen, daß sich die Anforderungen der Wirtschaft an das regionale Umfeld auch in den Fördergebieten je nach Branche und Unternehmenstyp noch stärker unterscheiden werden als bisher. Es erscheint daher unverzichtbar, zur Erhöhung der Effizienz der Regionalpolitik die Regionen bei der Umsetzung der Fördermittel der Gemeinschaftsaufgabe sehr viel stärker einzubeziehen. In den Regionen zeigen sich die konkreten Defizite und der Förderbedarf, in den Regionen werden zuerst neue Anforderungen an das regionalpolitische Instrumentarium spürbar. Um diese Kompetenzen voll zu nutzen, sollten den Regionen, die Fördermittel des Bundes und des jeweiligen Landes direkt zur Verfügung gestellt werden.
4.3. Regionalisierung als Ansatzpunkt einer Neugestaltung
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Aufgabe der regionalen Ebene wäre es dann, im Rahmen der Vorgaben des Planungsausschusses die Fördennittel einzusetzen. Darüber hinaus muß sich vor Ort in den Regionen das, was an Koordinierungsleistung auf der Bundes- und Landesebene geleistet werden kann, bei der Umsetzung der Programme fortsetzen. Es geht letztlich darum, die Mittel der verschiedenen nationalen Ressorts und möglicher EG-Förderprogramme z.B. zur Technologieförderung in einem schlüssigen Gesamtkonzept zusammen mit den Mitteln der Gemeinschaftsaufgabe einzusetzen und durch Maßnahmen der kommunalen Wirtschaftsförderung in den Fördergebieten sinnvoll zu ergänzen. Ein Instrument, um die Koordinierung des Mitteleinsatzes auch über das eigentliche Instrumentarium der Gemeinschaftsaufgabe unter Einbezug anderer raumwirksamer Politiken, der EG-Regionalpolitik und der kommunalen Wirtschaftsförderung zu leisten, sind regionale Entwicklungsprogramme. Ähnlich wie bei der Regionalförderung der EG sollten die Programme Auskunft geben über die Zielsetzung für die Regionalentwicklung, die Ausgestaltung der spezifischen Aktivitäten und den erwarteten Beitrag der Fördermaßnahmen. In bezug auf das Förderinstrumentarium der Gemeinschaftsaufgabe sollten diese Programme den Anteil der jeweils für die Förderung der gewerblichen Wirtschaft und für die Förderung des wirtschaftsnahen Infrastrukturausbaus zur Verfügung stehenden Mittel festlegen sowie bestimmen, welche Förderquoten für die gewerbliche Wirtschaft in welchen Schwerpunkt- und Mitorten zur Anwendung kommen und welche Infrastrukturmaßnahmen in welchem Teil der Region mit welchem Zuschuß geplant sind. Aufgaben der Länder im Rahmen der Umsetzung der Fördermittel sind die Beratung und Hilfestellung bei der Aufstellung der regionalen Entwicklungsprogramme, die Koordinierung mit anderen Zielen der Landesentwicklung sowie die Kontrolle der zweckgerechten Mittelverwendung. Unberührt davon bleiben ihre zentralen Funktionen bei der Entwicklung und Festsetzung des Förderinstrumentariums und der Förderkulisse der Gemeinschaftsaufgabe sowie der Verbesserung der Koordinierungsmöglichkeiten mit anderen raumwirksamen Politiken.
4.3.2. Überlegungen zur Umsetzung der Regionalisierung Der Grundgedanke einer stärkeren Einbindung der regionalen Ebene in die regionale Strukturpolitik ist keineswegs neu. In einer Reihe von westdeutschen Bundesländern sind seit einigen Jahren Versuche einer Regionalisierung der Strukturpolitik der Länder unternommen worden. Am weitesten vorangeschritten sind diese Entwicklungen in NordrheinWestfalen (Ministerium für WMT 1992; Fürst 1994). Im Zentrum steht dabei der Entwurf regionaler Entwicklungskonzepte durch die Verantwortlichen vor Ort. Die bisherigen Erfahrungen weisen dabei auf erhebliche Potentiale für eine Verbesserung der Abstimmungsprozesse innerhalb der Regionen und eine Stärkung der Eigeninitiative der regionalen Akteure hin.
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4. Schlußfolgerungen für die regionale Strukturpolitik
Die hier skizzierte Konzeption einer Regionalisierung der Gemeinschaftsaufgabe geht aIIerdings im Vergleich zu den bisherigen Regionalisierungsstrategien noch einen Schritt weiter. Bei den Länderinitiativen zur Regionalisierung handelt es sich im wesentlichen um regionale Entwicklungspläne, die sich auf Vorschläge beschränken. Die Entscheidung darüber, ob diese Vorschläge auch umgesetzt werden - sprich die entsprechenden Mittel zur Verfügung gesteIIt werden -, obliegt weiterhin den Ländern. Um diese Entscheidungen treffen zu können, müssen die Länder aber gerade detaillierte Kenntnisse von den tatsächlichen Standortdefiziten und Fördernotwendigkeiten besitzen. Entsprechend steIIen die Länderinitiativen gegenüber der bisherigen Praxis in der Gemeinschaftsaufgabe kaum eine konzeptioneIIe Verbesserung dar. Ein Fortschritt im Vergleich zum jetzigen Verfahren liegt dennoch sicherlich darin, daß der Informationsstand der Länder sich durch die Vorlage der regionalen Entwicklungsprogramme erhöht. AIIerdings darf auch die Gefahr nicht verkannt werden, daß die Regionen von vornherein Konzeptionen entwickeln, die sich an den Prüfkriterien der Länder und nicht unbedingt an den tatsächlichen Erfordernissen vor Ort orientieren. Letztlich erscheint es daher zur Ausrichtung der Förderung an den Spezifika vor Ort erforderlich, die regionalen Entwicklungsprogramme als unmittelbar auch verbindlich für die Mittelverwendung anzusehen. Der Anreiz, für die Regionen sinnvoIIe Konzepte zu entwickeln, besteht dann nicht mehr darin, möglichst viele Mittel vom prüfenden Land zu bekommen, sondern wird im Rahmen des Koordinierungs- und Abstimmungsprozesses durch die Konkurrenz innerhalb der Region um den Einsatz der zugewiesenen Mittel gewährleistet. Die entscheidende Erweiterung zu den Länderinitiativen besteht in der unmittelbaren Ausstattung der Regionen mit Mitteln zur regionalen Strukturpolitik. Gerade aber diese Erweiterung steIIt auch ein zentrales Umsetzungsproblem einer Regionalisierung der Gemeinschaftsaufgabe dar. Den Empfänger der Fördermittel - die Regionen - gibt es zur Zeit als eigenständige institutioneIIe Einheit mit entsprechender politischer KontroIIe nicht. Aus der Sicht der regionalen Strukturpolitik müßte die Region ein funktional verflochtener Wirtschaftsraum sein, in dem vor aIIem enge räumliche Interdependenzen bezüglich der Beschäftigungs- und Einkommenssituation bestehen. Sie dürfte in der Regel zwischen der Länderebene und der kommunalen Ebene angesiedelt sein und sich etwa auf der Ebene größerer Arbeitsmarktregionen bewegen. Die einzelnen Kommunen steIIen immer nur einen Teil eines solchen Wirtschaftsraumes dar. Entsprechend wären sie jede für sich allein auch die falschen Adressaten einer Regionalisierung der Gemeinschaftsaufgabe. Es geht vor allem nicht darum, den Bürgermeisterwettbewerb wiederzubeleben bzw. zu verstärken, bei dem unter den gegenwärtigen institutionellen Rahmenbedingungen ein Großteil der öffentlichen Ressourcen für den Verteilungskampf zwischen den Kommunen einer benachteiligten Region aufgewendet wird, ohne unmittelbar zu einer Verbesserung der wirtschaftlichen Situation in der Region insgesamt beizutragen. Vielmehr soII gerade die Abstimmung und Koordinierung der öffentlichen Ressourcen unter Beteiligung der Instrumente der Gemeinschaftsaufgabe
4.3. Regionalisierung als Ansatzpunkt einer Neugestaltung
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verbessert und damit die Attraktivität der benachteiligten Region insgesamt gesteigert werden. Dies bedeutet aber auch, daß die Region nicht so groß gewählt werden darf, daß die Zahl der Beteiligten eine Koordinierung kaum noch zuläßt und die Basis der gemeinsamen wirtschaftlichen Probleme und Ziele inuner schmaler wird. Ein Umsetzungsproblem in Richtung einer Regionalisierung der regionalen Strukturpolitik liegt somit schon in der Schwierigkeit, eine feste räumliche Abgrenzung und damit eine konkrete Definition des Begriffs Region für diesen Zweck zu bestinunen. Hinzu konunt, daß die bisherigen Erfahrungen mit größeren zweckbestinunten konununalen Zusammenschlüssen in Westdeutsch land nicht inuner sehr positiv waren. So gelang es beispielsweise nur einigen Stadt-Umland-Verbänden, die regionalen Entwicklungmaßnahmen etwa in Form von gemeinsamen Flächennutzungs- und Entwicklungsplänen konkret abzustinunen. Für Ostdeutschland konunt erschwerend hinzu, daß in fast allen Ländern Gebietsreformen durchgeführt werden oder bevorstehen, um überhaupt handlungsfähige konununale Einheiten zu schaffen. Von daher erscheint es sinnvoll, im Rahmen einer solchen Regionalisierungsstrategie Wege eines schrittweisen Übergangs vom bisherigen System zu suchen. So wäre es wünschenswert, wenn zunächst das Instrument der Regionalkonferenzen im Rahmen der länderspezifischen Strukturpolitik wie beispielsweise in Nordrhein-Westfalen auch in anderen Bundesländern aufgegriffen würde, um die Region als regionalpolitischen Akteur zu stärken. Parallel dazu könnten in ein oder zwei Bundesländern konkrete Pilotversuche durchgeführt werden, bei denen die Regionen bereits eigenverantwortlich die Umsetzung der Instrumente und Mittel der Gemeinschaftsaufgabe vornehmen. Diese Erfahrungen könnten für die Ausgestaltung einer späteren generellen Regionalisierung der Gemeinschaftsaufgabe genutzt werden. Ein weiteres Problemfeld bei einer Regionalisierung der Gemeinschaftsaufgabe liegt darin, daß eine Dezentralisierung der Mittelverwendung insbesondere bei den Zuschüssen an die gewerbliche Wirtschaft nicht zu einer weiteren Zunahme der Komplexität des Antrags- und Genehmigungsverfahrens führen darf. Eine wichtige Voraussetzung für die Wirksamkeit gerade fmanzieller Investitionsanreize ist, daß die Gewährung oder Versagung der Förderung planbar ist. Bestehen hier übermäßige Unsicherheiten, ist der Einfluß der Förderung auf die Standort- und Investitionsentscheidungen der Unternehmen nur gering. Die Förderung im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe wäre dann letztlich nur eine willkonunene Zusatzfinanzierung und würde lediglich Mitnahmeeffekte auslösen. Die Gemeinschaftsaufgabe als ein Instrument, das mit festen Haushaltsansätzen arbeitet, ist sicherlich weniger planbar als Förderungen, auf die ein Rechtsanspruch besteht, wie die Investitionszulage in Ostdeutschland oder bestimmte Abschreibungsregelungen. Dennoch könnte die Gemeinschaftsaufgabe mit einem einfachen, transparenten Antragsverfahren und damit verbundenen raschen verbindlichen Zu- und Absagen ihren Einfluß auf Investitionsund Standortentscheidungen verbessern. Eine solche Standardisierung ist vermutlich auf Länderebene leichter möglich. Bei einer Umsetzung der Regionalisierungsstrategie könnten daher zunächst die Maßnahmen zur Förderung der wirtschaftsnahen Infrastruktur im
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4 . Schlußfolgerungen für die regionale Strukturpolitik
Vordergrund stehen, während die direkte Förderung der gewerblichen Wirtschaft weiterhin durch die Länder abgewickelt wird. Insgesamt bestehen sicherlich noch eine Reihe von Ungewißheiten und offenen Fragen zu einer solchen Regionalisierung der Gemeinschaftsaufgabe. Auf der anderen Seite erscheint es unerläßlich, angesichts der unterschiedlichen Anforderungen an die regionale Strukturpolitik in Ost- und Westdeutsch land im besonderen und zwischen verschiedenen Problemregionen z.B. ländlich-peripheren und altindustriellen Typs im allgemeinen, eine flexiblere und effizientere Umsetzung des Förderinstrumentariums zu entwickeln. Will man hierbei die wichtige Koordinierungsfunktion der Gemeinschaftsaufgabe nutzen und nicht ein spezifisches Sonderprogramm nach dem anderen auflegen, wäre eine Strategie der Regionalisierung eine wesentliche Verbesserung.
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