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German Pages 168 Year 1983
WOLFGANG HÄRTH
Die Rede- und Abstimmungefreiheit der Parlamentsabgeordneten in der Bundesrepublik Deutschland
B e i t r ä g e zum P a r l a m e n t s r e c h t Herausgegeben von Norbert Achterberg
Band 5
Die Rede- und Abstimmungsfreiheit der Parlamentsabgeordneten in der Bundesrepublik Deutschland
Von Wolfgang Härth
DÜNCKER
&
HUMBLOT
/
BERLIN
CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Harth, Wolf gang: Die Rede- u n d Abstimmungsfreiheit der Parlamentsabgeordneten i n der Bundesrepublik Deutschland / v o n Wolfgang Härth. — Berlin: Duncker u n d Humblot, 1983. (Beiträge zum Parlamentsrecht; Bd. 5) I S B N 3-428-05341-9 NE: GT
Alle Rechte vorbehalten © 1983 Duncker & Humblot, Berlin 41 Gedruckt 1983 bei Buchdruckerei A. Sayffaerth - E. L. Krohn, Berlin 61 Printed i n Germany ISBN 3 428 05341 9
„Bei einer rechtswissenschaftlichen Untersuchung, welche an das Gebieth der P o l i t i k streift, ist m a n dem Einfluß vorgefaßter Meinungen ausgesetzt. Jedoch mein Zweck ist erreicht, w e n n die A b h a n d l u n g A n d e r n Veranlassung giebt, dieselbe Aufgabe zu erörtern oder auch mich zu widerlegen." K . S. Zachariä, 1834.
Vorwort Die Indemnität* hatte bisher i n der parlamentsrechtlichen Literatur wenig Beachtung gefunden. Sieht man einmal von den Kommentierungen der entsprechenden A r t i k e l i n den einzelnen Verfassungen und den meist sehr kurzen Ausführungen i n den staatsrechtlichen Lehrbüchern ab, so blieben i m wesentlichen nur die leider inzwischen zeitlich überholte Arbeit von Hubrich und einige knapp abgefaßte Dissertationen, zuletzt die von Linden, die viele Fragen offen läßt. Auch die Rechtsprechung hatte sich nur sporadisch mit Fragen der Indemnität beschäftigen müssen. Um so mehr hat die vor drei Jahren ergangene Entscheidung des Bundesgerichtshofes** Beachtung gefunden, zumal sie die erste Entscheidung eines oberen Bundesgerichts zu diesem Thema darstellt. Das Urteil hat Anlaß zu breiten Erörterungen i n den Parlamenten gegeben; die Parlamentspräsidenten haben sich auf ihrer Tagung i m Frühjahr 1980 eingehend mit der Indemnität befaßt. Die Wissenschaft hat sich nunmehr ebenfalls etwas intensiver mit dem Thema befaßt. A u f allen Seiten wurde Unsicherheit erkennbar. Inzwischen ist auch ein Verfahren beim Bundesverfassungsgericht anhängig. Dies rechtfertigt es, sich einmal näher m i t der Frage zu beschäftigen. Dabei kann einleitend auf eine skizzenhafte Darstellung der Geschichte des Rechtsinstituts i n Deutschland nicht verzichtet werden. Es muß insbesondere auf die Indemnität i n ihrer jeweiligen zeitgeschichtlichen Bedeutung eingangen werden, u m voreiligen Schlüssen vorzubeugen, das „bewährte" Institut müsse so, wie es gegenwärtig ausgeformt ist, auch erhalten bleiben. Der Blick muß frei bleiben für Reformen, dort wo Veränderungen des gesamten Rechtssystems und die Verfassungswirklichkeit sie notwendig machen. Beyer*** hat dies hinsichtlich der Immunität treffend so ausgedrückt: „ . . . mit einer neuen Verfassung muß jedesmal geprüft werden, ob das einzelne Rechtsinstitut noch eine * A l s Indemnität bezeichne ich das i n A r t . 46 Abs. 2 GG u n d den entsprechenden A r t i k e l n der Landesverfassungen geregelte Rechtsinstitut, das m a n i m Deutschen w o h l am besten m i t „Garantie der Rede- u n d Abstimmungsfreiheit i m Parlament" wiedergibt (dazu Rinck, S. 248 Fn. 2). I m übrigen h i l f t ein terminologischer Streit (s. Linden, S. 2/3; Jellinek, S. 17; Maunz, in: MDHS, Erl. RdNr. 2 ff. zu A r t . 46; Beyer, S. 22/23; vgl. auch A r t . 81 der SL Verf) nicht weiter. ** Β GHZ 75, 384. *** S. 26.
8
Vorwort
Berechtigung außer der Berufung auf Alter und Tradition und damit, positiv gewendet, aus der Ordnungssetzung der Verfassung selbst beanspruchen darf." I m Rahmen dieses geschichtlichen Abrisses w i r d speziell auch die Entwicklung der Indemnität i n Großbritannien und i n Frankreich dargestellt werden müssen, da diese für Deutschland von großer Bedeutung gewesen ist. I m übrigen habe ich aber auf breitere rechtsvergleichende Ausführungen verzichten müssen, da die Indemnität nicht gesondert betrachtet werden kann, sondern nur i m Zusammenhang mit dem Gesamtstatus des Abgeordneten und dem jeweiligen Rechtssystem. Dies alles für ausländische Verhältnisse zu untersuchen, ist vom Umfang her i n dieser Arbeit nicht möglich. Wolf gang Hürth
Inhaltsverzeichnis Α. Die Geschichte der Indemnität I. Die Entwicklung i n Deutschland bis 1800
15
1. Das germanische T h i n g
15
2. Die Versammlungen auf Reichsebene
16
3. Die frühe Stadtverfassung
17
4. Die landständischen Verfassungen
21
I I . Die Indemnität i n den angelsächsischen Staaten
26
1. Die Entwicklung i n England
26
2. Die Verfassung der Vereinigten Staaten von A m e r i k a
28
3. Grenzen der Indemnität
29
I I I . Die Französische Revolution u n d ihre A u s w i r k u n g e n
30
1. Die Entwicklung i n Frankreich
30
2. Die belgische Verfassung
33
IV. Die weitere Entwicklung i n Deutschland bis 1848
34
1. Die A u s w i r k u n g e n der Französischen Revolution i n Deutschland
34
2. Die Verfassungen der deutschen Einzelstaaten bis 1848
35
3. Die Einschränkung der Indemnität durch Maßregelungsbestimmungen
42
4. Die Behandlung der Indemnität i n der Wissenschaft
45
V. Die Indemnität v o n der Revolution von 1848 bis 1918
50
1. Die Paulskirchen-Verfassung
50
2. Die E n t w i c k l u n g i n Preußen
54
3. Die Verfassung des Norddeutschen Bundes u n d die Reichsverfassung
60
4. Die Entwicklung i n den außerpreußischen RStGB
61
Staaten u n d § 11
5. Der „Maulkorbgesetzentwurf"
64
6. Die Indemnität i n Rechtsprechung u n d Wissenschaft . . . . .
67
10
nsverzeichnis
V I . Die Indemnität i n der Weimarer Republik
70
1. A r t . 36 W R V u n d seine Auslegung
70
2. Die Disziplinarmittel der deutschen Parlamente
73
3. Das Ende jeden freien Wortes
74
V I I . Zusammenfassende Würdigung der geschichtlichen Entwicklung . . .
75
B. Die gegenwärtige Rechtslage I. Die bestehenden Vorschriften u n d ihre Vorgeschichte
77
1. Das Grundgesetz
77
2. Die Landesverfassungen
80
a) b) c) d) e) f) g) h) i) k)
Baden-Württemberg Bayern Berlin Bremen Hamburg Hessen Niedersachsen Nordrhein-Westfalen Rheinland-Pfalz Saarland
80 81 82 83 83 84 84 85 85 86
1) Schleswig-Holstein
87
3. § 36 StGB u n d seine Vorläufer
87
I I . A r t . 46 Abs. 1 GG i m Spannungsfeld der Verfassung
91
1. A r t . 46 Abs. 1 GG u n d der allgemeine Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 GG)
91
2. Das Verhältnis zu A r t . 5 Abs. 1 Satz 1 GG
93
3. Die Grundsätze des A r t . 20 GG
94
4. Indemnität u n d Mandatsausübung (Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG)
95
I I I . Das Verhältnis von § 36 StGB zu den landesrechtlichen Vorschriften
98
1. Einleitung 2. Erste Meinung: des §36 StGB
98 (Wenigstens partiell)
ausschließliche
Geltung
99
3. Zweite Meinung: Eingeschränkte Geltung des § 36 StGB
101
4. D r i t t e Meinung: Nichtigkeit des § 36 StGB
101
5. Vierte Meinung: Der Friesenhahnsche Versuch einer H a r m o n i sierung 102 6. Versuch einer A n t w o r t
104
nsverzeichnis IV. Die Auslegung der geltenden Vorschriften
107
1. Der persönliche Geltungsbereich
107
2. Der funktionale Geltungsbereich
109
a) b) c) d)
Plenum Ausschüsse Fraktionen Andere Bereiche
109 110 114 115
3. Der territoriale Geltungsbereich
119
4. Der zeitliche Geltungsbereich
120
5. Geschützte Verhaltensweisen
121
6. Umfang des Schutzes
124
7. Schutzwirkung
130
V. Die Ergänzung der Indemnität durch die I m m u n i t ä t
133
1. Die I m m u n i t ä t i n ihrer heutigen Ausformung
133
2. Die Auswirkungen der Regelungen i n der Praxis
134
V I . Die Disziplinarmittel der Parlamente 1. Die Ordnungsmittel des Präsidenten i n der Sitzung
135 135
2. Ehrenordnungen für Parlamentarier u n d Ausschlußverfahren . . 138
C. Rechtspolitische Überlegungen I. Die gegenwärtige Stellung des Abgeordneten 1. Die F u n k t i o n des Abgeordneten i m Parlament
140 140
2. Der Abgeordnete als Verbindungsglied zwischen Parlament u n d Bürger 142 3. Das Mandat als Beruf
143
4. Das Verhältnis des Abgeordneten zu seiner Partei
144
I I . Folgerungen für die Indemnität
146
1. Einschränkung oder Erweiterung der Indemnität?
146
2. Vorschlag einer Neuformulierung
148
3. Vereinheitlichung des Indemnitätsschutzes
150
4. Vervollständigung der Disziplinarmittel
151
Schlußbetrachtung
153
Literaturverzeichnis
154
Abkürzungsverzeichnis Abg. AbgG ABl. Abs. Abt. a. E. AöR
= = = = = = =
Abgeordneter Abgeordnetengesetz Amtsblatt Absatz Abteilung am Ende A r c h i v für öffentliches Recht
Bad Bay BayObLG BayVBl. BayVerfGH Bern. Beschl. BGBl. BGH BGHZ
= = = = = = = = = =
BK
=
Bin BR Β re BremStGH BT BVerfG BVerfGE
= = = = = = =
B-W BWG
= =
Baden Bayern Bayerisches Oberstes Landesgericht Bayerisches Verwaltungsblatt Bayerischer Verfassungsgerichtshof Bemerkung Beschluß Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Amtliche Sammlung der Entscheidungen des B u n desgerichtshofes i n Zivilsachen Bonner Kommentar/Abraham und andere — s. Literaturverzeichnis Berlin Bundesrat Bremen Bremischer Staatsgerichtshof Bundestag Bundesverfassungsgericht Amtliche Sammlung der Entscheidungen des B u n desverfassungsgerichts Baden-Württemberg Bundeswahlgesetz
Cap. CDU CSU
= Capitel = Christlich-Demokratische Union Deutschlands = Christlich-Soziale Union Deutschlands
D DJZ DÖV DVB1.
= Parlamentsdrucksache = Deutsche Juristenzeitung = Die öffentliche V e r w a l t u n g = Deutsches Verwaltungsblatt
Erl.
= Erläuterung
FAZ FDP bzw. F.D.P.
= Frankfurter Allgemeine Zeitung = Freie Demokratische Partei Deutschlands
GG GO GoldtA
= Grundgesetz = Geschäftsordnung = Goldtammers A r c h i v für Strafrecht bzw. für preußisches Straf recht
Hbg h. M.
= Hamburg = herrschende Meinung
Abkürzungs Verzeichnis i. V. m.
i n Verbindung m i t
Jahrg. JöR JZ
Jahrgang Jahrbuch des öffentlichen Rechts Juristenzeitung
KG KPD
Kammergericht
LG LK
13
Kommunistische Partei Deutschlands
MDR
Landgericht Leipziger Kommentar — s. Literaturverzeichnis Jeschek u. a. Landessatzung Landtag Lübeck Maunz / D ü r i g / Herzog / Scholz — s. L i t e r a t u r v e r zeichnis Monatsschrift für Deutsches Recht
Nds N. F. NJW N-W
Niedersachsen Neue Folge Neue Juristische Wochenschrift Nordrhein-Westfalen
OLG
Oberlandesgericht
PIPr PreuGS PreußLT
Plenarprotokoll Preußische Gesetzessammlung Preußischer Landtag
RG RGBl. RGSt
Reichsgericht Reichsgesetzblatt Amtliche Sammlung der Entscheidungen Reichsgerichts i n Strafsachen Reichsstrafgesetzbuch Amtliche Sammlung der Entscheidungen Reichsgerichts i n Zivilsachen Rheinland-Pfalz Recht i m A m t Reichstag Reichs Verfassung v o m 16. A p r i l 1871
LS LT Lüb MDHS
RStGB RGZ Rh-Pf RiA RT RV 1871 SenD S-H Sitz. SL Sp. SPD StenoBerHA StenoBerNV StenoBerPreußAbghs StenoBerPreußVV
des des
Drucksachen des Bayerischen Senats Schleswig-Holstein Sitzung Saarland Spalte Sozialdemokratische Partei Deutschlands Stenographische Berichte des Hauptausschusses des Parlamentarischen Rates Stenographische Berichte über die Verhandlungen der deutschen constituirenden Nationalversamml u n g zu F r a n k f u r t am Main, herausgegeben v o n Franz Wigard, F r a n k f u r t a/Main, 1848/49 Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Preußischen Abgeordnetenhauses Stenographische Berichte über die Verhandlungen der zur Vereinbarung der preußischen StaatsVerfassung berufenen Versammlung, Beilage zum Preußischen Staatsanzeiger, B e r l i n 1848/49
Abkürzungsverzeichnis
14 StenoBerRT
StGB StPO
= Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages = Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages des Norddeutschen Bundes = Strafgesetzbuch = Strafprozeßordnung
unv. Urt.
= unverändert = Urteil
Verf Vorbem. VvB VVDStRL
= = = =
WAV WRV
= Wirtschaftliche Aufbau-Vereinigung = Weimarer Reichsverfassung
Ζ Pari ZRP
= Zeitschrift für Parlamentsfragen = Zeitschrift für Rechtspolitik
StenoBerRTNB
Verfassung Vorbemerkung Verfassung v o n B e r l i n Veröffentlichungen der Vereinigung der schen Staatsrechtslehrer
Deut-
Α. Die Geschichte der Indemnität I. Die Entwicklung in Deutschland bis 1800 1. Das germanische Thing 1
Wenn man eine Geschichte der Garantie für Rede- und Meinungsfreiheit i n repräsentativen Gremien i n Deutschland schreiben w i l l , so liegt es nahe zu fragen — wie Linden es t u t 2 —, ob es etwas Vergleichbares schon bei unseren Vorfahren, den Germanen, gab, die i n der Volksversammlung, dem Thing, noch die direkte „Demokratie" übten. Die Frage ist aber wohl negativ zu beantworten. Das, was w i r über das Thing wissen (die Quellen beziehen sich i m wesentlichen etwa auf die Zeit seit der Geburt Christi), läßt vermuten, daß es i m allgemeinen kein Diskussionsgremium war. Es war vielmehr Beschlußgremium sowie Heeres- und Opferversammlung zugleich, über die die Fürsten die formelle Leitungsgewalt hatten. Diese berieten auch alle Angelegenheiten vor, entschieden die kleineren endgültig und brachten nur die größeren vor das Plenum. 3 Das Volk konnte die Vorschläge lediglich annehmen oder ablehnen; Beschlüsse wurden einstimmig gefaßt, Abstimmung und Meinungsbildung waren unbekannt. 4 Vor allem aber verlor die Volksversammlung, nachdem die Germanen i n das Blickfeld der europäischen Geschichte getreten waren, bald an Bedeutung. Der Merowinger Chlodwig trat i m 5. Jahrhundert bereits wie ein absoluter Herrscher auf; Befugnisse der Volksversammlung 1 Die Bezeichnungen waren bei den einzelnen germanischen Stämmen u n terschiedlich u n d wechselten teilweise auch i m Laufe der Zeit (Meister, S. 19). Ich halte mich zunächst hier an den bei uns immer noch gebräuchlichsten Ausdruck. 2 S.5. 3 So Mitteis / Liebrich (S. 25) unter Hinweis auf Tacitus, Cap. 11; ähnlich Meister, S. 20; Bosl, Staat i m Mittelalter, S. 707. 4 Mitteis / Liebrich, S.25; Kimminich, S. 27. Meister (S.20) meint unter Berufung auf Brunner (S. 177 A n m . 13) allerdings, daß es vor der A b s t i m m u n g auch zu einer Diskussion kommen konnte; Brunner zieht diesen Schluß aber n u r aus einer Stelle bei Tacitus (Cap. 11), die sich m i t dem Gerichtsverfahren befaßt. Nebenbei gesagt ist die während des Things bestehende Friedenspflicht i n diesem Zusammenhang unerheblich, da sie das T h i n g nicht überdauerte u n d deshalb allenfalls i n einer losen Beziehung zur heutigen I m m u nität der Parlamentsabgeordneten steht.
16
Α . Die Geschichte der Indemnität
waren auf den König übergegangen. 6 Und ab dem 6. Jahrhundert schon wurde die alte Tradition der Volkswahl bei den Franken gebrochen und das Königtum — wenn auch i n wechselhafter Entwicklung — erblich. 6 Während der späteren fränkischen Zeit war das Ding (wie es nun hieß) nur noch Gerichtsversammlung und wurde als solche allmählich durch das Grafengericht verdrängt. 7 Die sächsische Stammesversammlung i n Marklô an der Weser, die bis dahin regelmäßig zusammengetreten war, wurde nach der Eroberung Sachsens durch K a r l den Großen verboten. 8 Eine kontinuierliche Entwicklung vom Thing zum modernen Parlament läßt sich für Deutschland also nicht nachweisen. 9 2. Die Versammlungen auf Reichsebene
Es war nur ein Zeichen des erstarkten Königtums, daß die Königswürde erblich wurde. I n fränkischer Zeit bildete sich langsam die Auffassung heraus, die Regierungsgewalt gehe vom König aus und dieser sei Träger der Staatsgewalt. Zwar mußte Chlothar II. 614 der Aristokratie i n einem Edikt — man nennt es gelegentlich die fränkische „magna Charta libertatum" — Zugeständnisse machen. 10 Eine ständige Versammlung, die die Rechte des Königs immer stärker eingegrenzt hätte — wie später i n England —, hat sich daraus aber nicht entwickelt. Der alte Geburtsadel wurde schließlich vom neuen Dienstadel aufgesogen, der vom König mit Grundbesitz und Schenkungen ausgestattet wurde und zu seinem Dienst verpflichtet war. 1 1 I n der nachkarolingischen Zeit entfiel die bis dahin geübte allgemeine Vereidigung des Volkes; nur noch die Großen des Reiches leisteten einen Eid. Und dieser Eid wandelte sich vom Beamteneid zum Lehnseid, der Staat wurde ein Feudalstaat. 12 Die Überwucherung der Ämterorganisation durch das Lehnswesen raubte dem König bald die Instrumente seiner Zentralgewalt, so daß er sich nicht energisch genug gegen die partikularistischen Bestrebungen wehren konnte. 1 3 Das Reich zerfiel i n « Löwe, S. 109; Zöllner, S. 129. « Kimminich, S. 25; vgl. auch Meister, S. 41 ff. 7 Meister, S. 77 ff. β Kopp, S. 51; s. a. Bosl, Staat i m Mittelalter, S. 710. » So i m Ergebnis auch UUmann / King-Hall, S. 19/20. Allerdings w a r nach Planitz (S. 111) die spätere Eidgenossenschaft i n den Städten eine Schwurbrüderschaft nach germanischem Recht. io Meister, S. 40/41. Diese betrafen die Besetzung der Grafenämter u n d die Exemtion von der Tätigkeit der örtlichen Beamten (Bosl, Staat i m M i t t e l alter, S. 179; Löwe, S. 127 f.). u Meister, S. 65. 12 Meister, S. 90. is Kimminich, S. 85.
I. Die Entwicklung i n Deutschland bis 18
17
Territorien. Dadurch wurde der königlichen Herrschaft, obwohl der König i n der Theorie ein so gut wie unumschränkter Herrscher blieb, i n Wirklichkeit die Grundlage entzogen. Der König hatte nur kümmerliche Einnahmen. Die Masse der Einwohner des Reiches war zu mittelbaren Untertanen geworden. 14 Wohl deshalb haben der Reichstag (dessen Rechte und Pflichten, dessen Zusammensetzung und Zuständigkeit sowie dessen Verfahren trotz einiger Reformversuche nie dauerhaft geregelt worden sind) und die Kurfürstenversammlung nicht die Form eines Parlaments angenommen. Sie haben niemals eine größere aktive Rolle gespielt, weil die Sonderinteressen meist stärker waren als die Gesamtinteressen, die sich darauf beschränkten (und beschränken konnten), die Forderungen des Kaisers abzuwehren. 15 Die Reichstage glichen — wie Kopp bemerkt 1 6 — eher völkerrechtlichen Delegiertenversammlungen denn parlamentarischen Einrichtungen. 17 Eine ständische Reichsregierung kam nicht zustande. 18 Das Ringen u m die Beteiligung der Untertanen oder wenigstens der Stände an der Regierung fand bis i n das 19. Jahrhundert ausschließlich i n den Territorien statt. 3. Die frühe Stadtverfassung
Die seit der karolingischen Zeit sich entwickelnden Städte waren meist den Territorien eingegliedert; daneben gab es einige wenige königliche Städte. Seit dem 12. Jahrhundert traten neben die herrschaftHärtung, Verfassungsgeschichte, S. 8/9. Bosl (Herrscher u n d Beherrschte, S. 26) v e r t r i t t für das 10. bis 12. Jahrhundert die Auffassung, daß auf dem damaligen K u l t u r n i v e a u Herrschaft über größere Gebiete nicht möglich gewesen sei, ohne daß man den Helfern i n der Herrschaftsausübung u n d dem Rivalen A n t e i l an der Herrschaft gab; er sieht darin eine Teilhabe u n d M i t bestimmung, die i n genossenschaftlichen Formen ausgeübt wurde. is Härtung, Verfassungsgeschichte, S. 11/12; s.a. Baethgen, S.690ff. Lord (S. 128) weist darauf hin, daß i n ganz Europa sich die königlichen Beratergremien n u r dann zu Parlamenten entwickelten, w e n n (a) die Konsultationen regelmäßig u n d nicht n u r sporadisch stattfanden, (b) die A r t der Repräsentation feste Formen annahm u n d (c) sie ein gewisses Maß an Macht u n d V e r antwortung erreichten (vgl. auch Oestreich, Herrschaftsverträge, u n d die A b handlung von Härtung zum gleichen Thema). Z u den Reform versuchen u n d der gegenüber England unterschiedlichen Entwicklung des Reichstags vgl. Ollmann / King-Hall, S. 24 ff.; s. außerdem Menger, S. 17 ff. 16 S. 73; s. a. Oestreich, Verfassungsgeschichte, S. 390. 17 Wenn auch Reichs- u n d Hoftage gelegentlich als „parlamentum" bezeichnet wurden, vgl. Fn. 20 u n d Bosl, Staat, S. 827. Z u m schwerfälligen Verfahren des Reichstags s. Buchda, S. 235/236. Buchda (S. 239) berichtet auch, daß alle Anträge, die zur Beratung i m Reichstag kommen sollten, dem D i r e k t o r i u m des Reichstags gedruckt übergeben werden mußten; die Annahme konnte u. a. verweigert werden, wenn Ungebührliches über den Kaiser gesagt wurde. Vgl. ferner Aulinger, S. 209 ff. is Oestreich, Verfassungsgeschichte, S. 366 ff. 2 Härth
18
Α . Die Geschichte der Indemnität
lieh geleiteten Städte die autonomen, genossenschaftlich oder körperschaftlich verfaßten Städte. So begann ζ. B. Köln (nach dem Vorbild der flandrischen Städte) sich i m 11. Jahrhundert gegen den Territorialherren, den Erzbischof, zu wehren und Schloß sich 1112 durch die „conjuratio pro liberiate" zu einer Eidgenossenschaft zusammen. 19 Seit dem 13. Jahrhundert bildeten sich nach dem Muster der italienischen Städte 20 Stadtratsverfassungen heraus. 21 Das oberste Organ war der gewählte Stadtrat, der aus einer unterschiedlichen Zahl von M i t gliedern bestand; mitunter wurde auch die Versammlung aller Bürger einberufen. Wahlberechtigt waren alle Bürger oder manchmal auch nur eine kleine Gruppe von ihnen, die „meliores". 2 2 Das passive Wahlrecht stand den Patriziern zu. Aber nicht überall vollzog sich die Ausbildung der Verfassung gegen den Stadtherrn, sondern oft auch i m Einvernehmen mit ihm, so daß i m Stadtrat gelegentlich Ministeriale saßen. 23 Erst die i m 14. Jahrhundert tobenden Zunftkämpfe führten zu einer „Demokratisierung" der Stadtverfassung. I n K ö l n ζ. B. wurde die Geschlechterherrschaft Ende des 14. Jahrhunderts gestürzt und die gesamte Bürgerschaft i n 22 Korporationen eingeteilt, die insgesamt 36 Ratsmänner wählten; diese ergänzten sich wiederum durch die Zahl von weiteren 13 Ratsmännern und das gesamte Kollegium von 49 Ratsmitgliedern wählte dann die Bürgermeister. 24 Außerdem vollzog sich seit dem 13. Jahrhundert ein Wandel von der Genossenschaft zur Körperschaft. Das Einstimmigkeitsprinzip wurde durch das Mehrheitsprinzip abgelöst; i n der Stadt bildeten sich jetzt Fraktionen und Parteien. Zum ι» Mitteis / Liebrich, S. 214 ff.; Kimminich, S. 88; Planitz, S. 102 ff. Dort taucht auch zum ersten M a l das W o r t „Parlament" auf. Ausgehend von dem griechischen W o r t παραβολή u n d dem entsprechenden lateinischen Wort „parabola" ( = Gleichnis) bildete sich i m M i t t e l l a t e i n über das Kirchenlatein das Verb „parabolare", zunächst i n der Bedeutung „ i n Gleichnissen reden", später i n der allgemeinen Bedeutung „sprechen, reden"; das Verb verkürzte sich i m Italienischen zu „parlare", i m Französischen zu „parier". I m 12. Jahrhundert w u r d e n i n Italien erstmalig Versammlungen m i t dem W o r t „parlamentum" (oder „parliamentum") bezeichnet; es löste das Wort „colloquium" ab (vgl. dazu Niermeyer / van de Kieft, S. 760 u. 764; duCange, S. 275 ff.; Bodmer, S. 396; Congar, S. 149). Auch i n Deutschland wurde das W o r t bald heimisch. Schon 1310 l u d Kaiser Heinrich V I I . zu einem „colloquium seu parlamentum" nach F r a n k f u r t ein (Frensdorff, S. 448). I n England tauchte der Begriff M i t t e des 13. Jahrhunderts auf (s. unten Abschnitt II) u n d bereits Anfang des 14. Jahrhunderts erschien eine kurze Beschreibung der Parlamentspraxis unter dem T i t e l „modus tenendi parlamentum" (s. Rüssel, S. 1/2). 21 I n diesem Zusammenhang darf nicht vergessen werden, daß viele junge deutsche Juristen schon i m 12. Jahrhundert i n Bologna u n d an anderen oberitalienischen Rechtsschulen studierten. 22 Planitz, S. 118 u. 310 ff.; Meister, S. 179. 23 Schlesinger, S. 185; Mitteis / Liebrich, S. 218 f.; Kimminich, S. 101. 24 Planitz, S. 330. 20
I. Die Entwicklung i n Deutschland bis 18
19
Schutz der privaten Sphäre entwickelten sich „Freiheitsrechte". 25 Die Errungenschaften einer demokratischen Stadtverfassung gingen jedoch oft schon bald wieder verloren; i n vielen Städten etablierte sich ein oligarchisches System. 26 I n der Folgezeit verloren fast alle Städte ihre Unabhängigkeit wieder an die Territorien. 2 7 Frei blieben bis i n das 19. Jahrhundert hinein nur Bremen, Frankfurt, Hamburg und Lübeck. Die Beispiele Bremen und Hamburg sind deshalb besonders interessant, weil es dort bis i n die Gegenwart eine verfassungsrechtliche Kontinuität gibt. Aber auch Bremen wurde i m Mittelalter aristokratisch regiert. Die „Tafel" von 1433 und die „neue Eintracht" von 1534 bezeichnen den Rat als „vollmächtig". Die umfassende Macht des aus vier Bürgermeistern und 24 Ratsherren (auf Lebenszeit) bestehenden und sich selbst ergänzenden Rates auf dem Gebiet der Gesetzgebung, Rechtsprechung und Verwaltung war durch die bei einzelnen Vermögensgeschäften erforderliche Zustimmung der „menheyt" rechtlich nur unbedeutend eingeschränkt. 28 Tatsächlich erhielt sich daneben jedoch eine auf uraltem Herkommen beruhende, je nach den Zeitumständen i n ihrem Umfang und ihrer Bedeutung schwankende M i t w i r k u n g der Bürger bei wichtigen Fragen des Stadtregiments. Zu den frühen Formen dieser M i t w i r k u n g gehörte der „Bürgerkonvent". Hinzu kam die Entwicklung von „Deputationen", aus Ratsmitgliedern und Bürgern bestehender Ausschüsse, von denen der älteste bremische Staatskalender von 1741 immerhin bereits 22 nennt. 2 9 Ein geschriebenes Verfassungsrecht gab es aber weithin nicht; vielmehr bestimmten Gewohnheit und Zweckmäßigkeit die staatsrechtliche Praxis. 8 0 I n Hamburg entwickelte sich die Verfassung ebenfalls weitgehend als ungeschriebenes Recht. 81 Aufzeichnungen entstanden nur allmählich und i n Einzelfällen, wenn etwa durch den Übergriff der einen oder anderen Seite (Rat und Bürgerschaft) das herkömmliche Recht verletzt schien. Selbstverständliches w i r d man nicht aufgeschrieben haben. Der Rat holte bereits frühzeitig die Zustimmung der „erbgesessenen" Bürger, der sogenannten „Menheit", ein. Die ersten Anfänge zur Bildung einer hamburgischen Verfassung, d. h. zur Zusammenarbeit zwischen Rat und 25 Mitteis / Liebrich, S. 220. 2« Planitz, S. 330 ff. Becker (S. 74) weist darauf hin, daß auch i m Konföderationsbeschluß der Hanse von 1418 der Rat als eine die Bürgerschaft regierende Obrigkeit bezeichnet w i r d . 27 Die Fürsten griffen wegen tatsächlicher oder vermeintlicher Mißstände tief i n das Stadtregiment ein (vgl. v. Maurer, Bd. 4, S. 429). 28 Kulenkampff / Coenen, S. 180; Arendt, S. 522. 2» Maas, S. 41 ff. so Kulenkampff / Coenen, S. 180; Arendt, S. 522. 3i Z u m Folgenden s. Bolland, S. 13 ff. u. 145 ff.; Studt / Olsen, S. 77 ff., Eckardt, S. 10 ff.
2*
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Α . Die Geschichte der Indemnität
Bürgerschaft, zeigen sich schon i m Anfang des 15. Jahrhunderts. Für die Verhandlungen, die zum ersten „Rezeß" von 1410 führten, hatten die Bürger aus eigenem Antrieb einen Sechziger-Ausschuß gewählt. 8 2 Die Folgezeit brachte zwei weitere „Rezesse" (1529 und 1712). Dem letzten, dem „Hauptrezeß", gingen jahrelange Unruhen voraus, bei denen der Rat zeitweise das Heft ganz aus der Hand verlor und die bürgerlichen Konvente Tumulte erlebten; schließlich mußte der Kaiser eingreifen. Die hamburgische Verfassung galt gegen Ende des 18. Jahrhunderts als eine der besten reichsstädtischen Verfassungen i n Deutschland. Dennoch steht weder i n den drei „Rezessen" noch i n den jeweils späteren Ergänzungen etwas von einer Abstimmungs- und Redefreiheit i m Rat oder i n den Bürgerversammlungen, obwohl sich einzelne Freiheitsrechte schon finden, wie ζ. B. das Verbot der Verhaftung eines Bürgers ohne Gerichtsverfahren. Daraus w i r d man angesichts der Entwicklung jedoch keine weitreichenden Schlüsse ziehen dürfen. Ob i n den Rats- und Bürgerversammlungen der Städte Rede- und Abstimmungsfreiheit i n unserem heutigen Sinne herrschte und (wenn auch durch ungeschriebenes Verfassungsrecht) abgesichert war, bleibt deshalb unklar. Abgesehen davon, daß die Kämpfe zwischen Patriziat, Zünften und anderen Bürgergruppierungen teilweise sehr heftig ausgetragen wurden, kann nicht übersehen werden, daß Toleranz und Meinungsfreiheit i m Mittelalter weithin unbekannte Begriffe waren. Zudem waren die Mitglieder des Rates oder einer Bürgerversammlung nicht Vertreter der gesamten Bürgerschaft mit freiem Mandat (etwa i m Sinne des A r t . 38 Abs. 1 GG), sondern Vertreter einzelner korporativer Verbände innerhalb eines sehr komplexen Repräsentativsystems 33 , so daß die Verhandlungen nicht einer — jedenfalls vom theoretischen Ansatz her — freien parlamentarischen Diskussion geähnelt haben dürfte, sondern der Aushandlung von Kompromissen zwischen verschiedenen Interessenstandpunkten dienten^ 4 und auch so abliefen. Immerhin: I n vielen freien Städten hat es wenigstens zeitweise Verfassungen gegeben, die einzelne demokratische Züge aufwiesen. Auch darf nicht vergessen werden, daß die Ratssitzungen ζ. B. nichtöffentlich und die Ratsmitglieder zur Vertraulichkeit verpflichtet waren 3 5 , so daß — soweit 32 Das auslösende Moment für den U n m u t der Bürgerschaft w a r die Verhaftung eines Bürgers, den der Rat der Stadt auf Wunsch eines i n Hamburg zu Besuch weilenden Fürsten ohne Verhör hatte i n das Gefängnis werfen lassen (Bolland, S. 14). Vgl. Mitterauer, S. 40. 34 Bolland (S. 23) berichtet, daß die Erbgesessene Bürgerschaft i n Hamburg noch u m 1828 eigentliche Debatten nicht kannte. Das mutet zunächst m e r k w ü r d i g an, w i r d aber vielleicht verständlich, w e n n man weiß, daß noch 1850 jeder Bürger einen E i d schwören mußte, i n dem es u. a. hieß: „Ich w i l l auch keinen Aufstand wider diesen Rath u n d diese Stadt machen weder m i t Worten (!) noch m i t Werken" (wiedergegeben bei Eckardt, S. 138).
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die Städte autonom waren — die Gefahr einer Verfolgung von außen gemindert war, ein Moment, das bei der Entwicklung des englischen Parlaments eine große Rolle gespielt hat. Die bei der Entwicklung ihrer Verfassungen gesammelten Erfahrungen werden die Städte i n die Landstände, i n denen sie vertreten waren®6, eingebracht haben. Insoweit bleibt die Entwicklung der frühen Stadtverfassung für die Geschichte des Parlamentarismus i n Deutschland und speziell für unser Thema bedeutsam. 37 4. Die landständischen Verfassungen
Zwar konnte sich auf Reichsebene i n Deutschland kein Parlament entwickeln; aber die einzelnen Territorien wurden von der i m 13. Jahrhundert i n ganz Europa einsetzenden Welle der Einrichtung ständischer Vertretungen 3 8 erfaßt. Die Ausgangsposition war fast überall die gleiche: Da der landsässige Adel von den ordentlichen Steuern befreit war, war die Einberufung der Landstände für die Bewilligung außerordentlicher Mittel notwendig. 3 9 Für die meisten Territorien ist jedoch keine kontinuierliche Entwicklung nachzuweisen; der aufkommende Absolutismus führte dazu, daß i m 17. und 18. Jahrhundert die Landtage i m allgemeinen selten einberufen wurden, teilweise tagten nur noch die Ausschüsse.40 Eine Ausnahme machte aber ζ. B. Württemberg. Dort war Graf Ullrich 1457 gezwungen, aus innenpolitischen Gründen eine Versammlung einzuberufen, die man als den ersten Landtag bezeichnen kann, obwohl sie selbst diesen Namen nicht führte. Schon i n 35 Vgl. ζ. B. den bei Keutgen (S. 232/233) wiedergegebenen „aid des inneren rates" der Stadt Straubing aus dem 15. Jahrhundert. 3« I m ersten württembergischen Landtag von 1457 z.B. saßen neben der Ritterschaft auch schon die Städte (Grube, S. 11 ff.). 37 Bosl (Staat, S. 804) meint sogar, daß Bürgertum u n d Stadt zur Wiege des modernen Staatsgedankens u n d der freien Demokratie i m Sinne einer Repräsentation des Gesamtwillens wurden. 3« Lord, S. 129 ff.; s. a. Bosl, Staat, S. 825, u. Tölz, S. 196 ff., sowie Antoni, S. 426. 3» v. Reden-Dohna bei Erler / Kaufmann, S. 1582; Oestreich, Verfassungsgeschichte, S.401; ferner Lord (S. 141), der bezeichnenderweise den deutschen Satz zitiert: Landtage sind Geldtag. 1231 verbot K ö n i g Heinrich V I I . den L a n desherrn, ohne Zustimmung der „maiores et meliores terrae" den Untertanen neue Leistungen aufzuerlegen (Bosl, Staat, S. 826, sowie v. Below, S. 57). 40 v. Reden-Dohna (Fn. 39), S. 1584; zur Beseitigung der landständischen Verfassungen s. a. Uhlhorn, S. 419 ff., sowie zur Entwicklung i n Nordwestdeutschland, der K u r m a r k u n d Hessen die Arbeiten von Vierhaus, Baumgart bzw. Demandt. I n Brandenburg tagte seit 1541 n u r noch der sog. Große A u s schuß; die gegenseitige Rivalität der Stände gab dem Kurfürsten Gelegenheit, eine unabhängige Finanzverwaltung zu installieren (Schmidt, S. 76 u. 81 ff.). Eine gewisse K o n t i n u i t ä t gab es i n Qstfriesland (s. die A r b e i t v o n Engelberg).
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diesem ersten Landtag forderten Ritterschaft u n d Städte die Abstellung „mancherlei gebrechen u n d beswärnus" 4 1 A n inhaltlichen Auseinandersetzungen fehlte es auch i n der Folgezeit nicht, u n d dabei w i r d manches Mitglied des Landtags auch ein offenes Wort gesagt haben. Diese Redefreiheit hatte aber Grenzen: Als es 1516 zu schweren Differenzen m i t dem Herzog kam, ließ dieser führende Köpfe der Landschaft, wie die Korporation der nichtadeligen Landeseinwohner genannt wurde, verhaften; aufgrund ihrer m i t Hilfe der Folter erpreßten Geständnisse, u. a. i m Landtag die Absetzung des Herzogs betrieben zu haben, w u r d e n Sebastian Breuning u n d Konrad Vaut zum Tode verurteilt u n d hingerichtet. 4 2 Dies wiederholte sich zwar nicht. Jedoch versuchten auch spätere Herrscher — zum Teil erfolgreich —, den Landtag unter Druck zu setzen. Dies traf ganz besonders auf Herzog Friedrich I. (1593 - 1608) zu. Er ließ den Landschaftsadvokaten Dr. Johann Ridembach wegen angeblicher beleidigender Äußerungen gegen den Herzog und einen seiner Vertrauten absetzen u n d verhaften. Als sich ein Ausschuß des Landtags für einen suspendierten A b t einsetzte, wurde er vom Landesherrn beschieden, daß er sich nicht u m Sachen zu k ü m m e r n hätte, die i h n nichts angingen, „oder w i r werden inen zeigen, daß w i r i h r landesfürst seyen." I m Jahre 1607 beschuldigte Friedrich die Ausschüsse, daß sie sich „gleichsam einer mitregierung i n etlichen Sachen anzumaßen unterstanden" hätten, entließ erneut einen Landschaftsadvokaten u n d verwarnte einen Prälaten wegen dessen Rede i m Landtag. Auch k a n n man das i n der Geschäftsordnung vorgesehene Abstimmungsverfahren keinesfalls als frei bezeichnen. 43 Nach dem dreißigjährigen K r i e g w u r d e n die Rechte des w ü r t t e m bergischen Landtages noch stärker eingeschränkt. Wie es m i t der Meinungs- u n d Abstimmungsfreiheit stand, zeigt ein Vorgang, der allerdings die Bevollmächtigung der i n die Ausschüsse Entsandten betraf: Seit 1728 schickte Herzog Eberhard L u d w i g i n die Stadt- u n d Amtsversammlungen seine Beauftragten, die den Beratungen beiwohnten, obw o h l die versammelten Stadtrichter u n d Dorfschultheißen dadurch „irregemacht u n d i n t i m i d i e r t " w u r d e n u n d sich gehindert sahen, sich „nach ihres Herzens Meinung" auszusprechen u n d „ f r e y m ü t i g zu votier e n . " 4 4 Als es 1738 i m Landtag zu einer Auseinandersetzung u m die Rolle der Ausschüsse während der landtagslosen Zeit am Beginn des Jahrhunderts k a m (man w a r f ihnen vor, m i t den Beratern des Landesh e r r n gemeinsame Sache gemacht zu haben), baten die Konsulenten den Herzogadministrator u m eine strenge Untersuchung gegen die „infamen 41 Grube, S. 11. « Grube, S. 97 ff., 103. 43 Grube, S.251. 44
Grube, S. 387/388,
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Verleumder und Injuranten", und tatsächlich wurde von diesem eine Untersuchungskommission eingesetzt, die die Konsulenten und allé Landtagsmitglieder vernahm. I n der i m März 1739 ergangenen Entscheidung wurde dem Landtag vom Herzogadministrator zwar versichert, daß seine „libertas votandi et agendi" nicht beschränkt werden solle, gleichzeitig wurden die Abgeordneten aber ermahnt, „daß sie i n Zukunft sich aller Anzüglichkeiten und Vorwürfe sowohl außer dem landschaftlichen Collegio als auch i n demselben enthalten" sollten. 4 6 Allerdings mußte Herzog K a r l Eugen nach heftigen Auseinandersetzungen m i t dem Landtag i m Erbvergleich vom 15. Januar 1770 den Landtag und die Ausschüsse wieder als „corpus repräsentativum des gesamten lieben Vaterlandes" anerkennen und i m Verkehr m i t ihnen den „altüblichen modus tractandi" zusichern. 46 Bei den letzten Kämpfen zwischen Landtag und Herzog i n der absolutistischen Ära, bei der der Landesherr auch vor gewaltsamen Ubergriffen (einschließlich der Verhaftung eines Abgeordneten) nicht zurückschreckte, erklärte ein Ausschuß i m Jahre 1804 (nun allerdings wohl schon unter dem Einfluß der Französischen Revolution) es schließlich für unvereinbar m i t der Stimmfreiheit der Landtagsabgeordneten, wenn man ihnen Erläuterungen über Beschlüsse der Landesversammlung abfordere; „eine Landesversammlung ohne Stimmfreiheit, ohne eine zwanglose Äußerung der wirklichen Gesinnung der Stellvertreter des Vaterlandes wäre aber i n der Tat keine wahre Landesversammlung", hieß es. 47 I n den anderen Territorien sah es nicht besser aus. Zwar gestatteten einige Landesherren ihren Untertanen ausdrücklich, Beschwerden vorzubringen; jedoch wurde dabei immer vorausgesetzt, daß dies m i t gebührendem Respekt geschah. 48 Auch wurde versucht, die Mitglieder der Landstände als „des Regenten geborene Räthe" zu betrachten und sie damit wie Beamte zu behandeln. 4 9 Die bei Moser 60 berichtete Beschwerde des Fürsten von Ost-Friesland von 1722 an den Reichshofrat wegen angeblich zu großer Freiheiten der Landstände ist offenbar ein Einzelfall und wohl eher wie die oben wiedergegebene Äußerung des Herzogs Friedrich I. von Württemberg aus dem Jahre 1607 anzusehen, d . h . als subjektive Wertung des Landesfürsten und nicht als objektive Darstellung der Lage. 5 1 Andererseits scheint es keineswegs so gewesen 45 Grube, S. 421/422; gewisse Beschränkungen entsprachen auch später allgemeiner Anschauung (Moser, S. 845). 4« Grube, S.444. Grube, S. 477. « Vgl. z.B. den bei Hubrich (S. 153 Fn.30) zitierten märkischen Landtagsrezeß des Großen Kurfürsten vom 26. J u l i 1653. 40 Moser, S. 840/841. Häberlin, Staatsrecht, S. 46, hält es für nötig, dem ausdrücklich zu widersprechen. 50 S. 1419.
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z u sein, daß d i e L a n d s t ä n d e i m m e r b e r e i t w a r e n , i m Interesse i h r e r M i t b ü r g e r b e i a l l e n M i ß s t ä n d e n d e m L a n d e s h e r r n V o r h a l t u n g e n zu machen. Häberlin 52 f ü h r t b e r e d t e K l a g e d a r ü b e r , daß die i n d e n L a n d ständen vertretenen Ritter, Prälaten u n d Bürgermeister hauptsächlich i m Eigeninteresse g e h a n d e l t h ä t t e n : „ N u r d a n n e r h e b e n sie e i n großes Geschrey, w e n n i h r e eigenen Rechte a u f d e m S p i e l sind." I m ü b r i g e n l i e f e n i h r e Interessen o f t g e n u g p a r a l l e l m i t d e n e n des L a n d e s h e r r n . Häberlin 53 z i t i e r t Schlözer aus d e n „ S t a a t s a n z e i g e n " : „ . . . m a n . . . findet, daß v i e l e Stände, aus U n k u n d e , oder aus Bosheit, oder F e i g h e i t das V o l k , ihre C o m m i t t e n t e n ,constitutionsmäßig verrathen' haben." I m m e r h i n k o n n t e d e r f ü h r e n d e deutsche Staatsrechtler des 18. J a h r h u n d e r t s , J o h a n n J a k o b Moser, 1769 zusammenfassend feststellen, daß d i e L a n d s t ä n d e das Recht h ä t t e n , „einem Regenten, soweit sich ihre Rechte erstrecken, Vorstellungen u n d Vorschläge zu seinem u n d des Landes Bestem zu thun, w a n n sie auch nicht u m i h r Gutachten befragt worden seynd; sie können gegen verfängliche Resolution die Nothdurfft beobachten, auch ihre u n d des Landes Rechte verwahren, w a n n es ihnen gleich verbotten würde; sie können einen Regenten, der sein u n d seines Hauses u n d Landes Bestes nicht beobachtet, ermahnen, bitten, warnen etc.; sie können sich verbitten, seinen Befehlen zu gehorsamen, welche wider seine Regenten-Pflichten u n d die Landesverfassung lauffen; sie können i h m die N o t h und Umstände des Landes, die Landes-Beschwerden u.s.w. vorlegen, w a n n er es gleich nicht leiden w i l l . " 5 4 U n d als die R e g i e r u n g z u H a n n o v e r v o n der Calenbergischen L a n d schaft 1796 A u f k l ä r u n g f o r d e r t e , w e i l a n g e b l i c h d e r H o f r i c h t e r v o n B e r lepsch e i n V o t u m b e s t i m m t e n I n h a l t s d e r L a n d s c h a f t gegenüber abgegeben h a b e n sollte, a n t w o r t e t e diese, „daß es jedem der das Recht hat, zu landschaftlichen Berathungen zu concuriren, erlaubt sein müsse, solche Vorschläge u n d Maßnehmungen, welche er zum W o h l des gemeinen Wesens überhaupt, oder einzelner Glieder u n d Theile desselben insonderheit, nützlich u n d vorträglich findet, der Erwägung u n d Beurtheilung der landständischen Versammlung zu unterwerfen, sich darüber frei zu äussern u n d sich votando dafür zu e r k l ä r e n . " 5 5 51 Allerdings erreichte der Landesherr, daß am 11. J u n i 1723 ein Dekret gegen die Landstände erging (Herrmann, S. 344 Fn. 3). Nach § 17 der Kaiserlichen Resolution v o m 14. Oktober 1597 u n d A r t . 58 der Concordata v o m 7. November 1597 w a r den Ständen sog. libera vota garantiert. Daher w a r grundsätzlich auch der Landtagskommissar von den Beratungen ausgeschlossen (Engelberg, S. 91/92). 52 Staatsrecht, S. 76 ff. Oestreich (Ständetum u n d Staatsbildung, S. 60) vert r i t t die Auffassung, daß i m 17. u n d 18. Jahrhundert der Staatsverband fürstlicher Prägung die salus publica vertreten habe, während für die Stände die Wahrung ihrer wirtschaftlichen u n d sozialen Vorrechte, ihrer Herrschaftsfunktionen als Zwischengewalten über Land u n d Leute sowie ihrer P r i v i legien und Freiheiten zur ersten Aufgabe geworden sei. & Staatsrecht, S. 81/82 Fn. M Moser, S. 842. 55 Häberlin, Staatsarchiv, S. 81 ff., 84.
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Dabei darf aber nicht vergessen werden, daß es den Landständen immer nur darum ging, statt von der landesherrlichen W i l l k ü r abhängig zu sein, dem Spruch eines Gerichts unterworfen zu werden, jedoch nicht von jeglicher Verantwortung freigestellt zu sein. So schreibt Häberlin 56 : „ . . . es gar nicht meine Absicht ist zu behaupten, daß Stimmfreyheit i n Zügellosigkeit ausarten, u n d sie ungestraft zum Nachtheil des Fürsten u n d des Landes gemissbraucht werden dürfe. Ob aber ein solcher Missbrauch vorhanden u n d dieser selbst von der Beschaffenheyt sey, dass daraus ein Verbrechen entsteht? — Diess zu untersuchen, ist nicht Sache dessen, der sich dadurch beleidigt hält, sondern des m i t ruhigem u n d k a l t e m B l u t forschenden Richters . . . " .
Daß die Landstände — i m Gegensatz zu England — keiner größeren rechtlichen Absicherung i n dieser Hinsicht bedurften — wie Hubrich meint 5 7 —, weil sie gegen etwaige Willkürakte des Landesherrn oder der von diesem abhängigen Gerichte beim Kaiser oder bei den Reichsgerichten Schutz zu finden hoffen durften, dies halte ich allerdings für eine kühne Schlußfolgerung. Zwar hat der Kaiser tatsächlich hier und da eingegriffen, das Reichsregiment wurde aber, zumal i m 18. Jahrhundert, immer schwächer, so daß darauf kein Verlaß war. Die Entwicklung i n Württemberg zeigt dies deutlich. Hubrich selbst verweist ζ. B. auf die Stärke Preußens und bemerkt, daß kaum ein Streitfall bei den Reichsgerichten endgültig geschlichtet und „unziemliche" Äußerungen der Landstände sogar zurückgewiesen worden sind. 5 8 Ebensowenig war die NichtÖffentlichkeit der Sitzungen 59 allein i m allgemeinen ein ausreichender Schutz. Anfang des 19. Jahrhunderts endete die Geschichte der alten Landstände. Nicht nur das Reich brach unter den Schlägen Napoleons zusammen, auch i n den Territorien trat manche Veränderung ein. Nachdem der württembergische Herrscher die Königswürde angenommen hatte, erklärte er am 30. Dezember 1805 die ständische Verfassung „als eine nicht mehr i n die itzige Zeit passende Einrichtung" und verbot am 2. Januar 1806 „jede Volksversammlung und darauf gegründete Abordnung." 6 0 Damit hatte auch diese landständische Verfassung aufgehört zu w Staatsarchiv, S. 70 Fn. 57 S. 160/161. 58 S. 155/156. Herrmann (S. 344 Fn. 3) berichtet von einigen wenigen Fällen, i n denen durch Einschreiten kaiserlicher Instanzen W i l l k ü r a k t e gegen M i t glieder der Landstände unterbunden u n d die Sache den ordentlichen Gerichten übergeben wurden. 59 Vgl. Moser, S. 1507. Bei den autonomen Städten lagen die Verhältnisse anders, w e i l sie n u r dem Kaiser Untertan waren. «o Grube, S. 485; Hubrich, S. 163. Lediglich i n den beiden mecklenburgischen Großherzogtümern hielten sich die landständischen Verfassungen bis 1918 (Born, S.272).
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bestehen. Die Erinnerung blieb aber lebendig, und nach dem Ende der napoleonischen Herrschaft trat die Geschichte der repräsentativen Volksvertretung i n Deutschland i n einen neuen Abschnitt ein.
I I . Die Indemnität in den angelsächsischen Staaten 1. Die Entwicklung in England
I m Gegensatz zu der Entwicklung i n allen anderen europäischen Ländern gelang dem Adel i n England bereits 1215 ein entscheidender Schritt zur Einschränkung der Rechte des Königs. I n Runymed rangen sie dem politisch schwachen Herrscher die „Magna Charta" ab, i n der in 60 Klauseln festgehalten war, was i m Königreich zu verbessern sei. Aus diesen Anfängen wuchs das „Parlament"; so jedenfalls bezeichnete sich schon seit 1264 eine Gruppe regelmäßig tagender königlicher Räte. Zum Adel kamen bald auch Vertreter des Klerus, der Städte und der Marktflecken. Mitte des 14. Jahrhunderts wurde es Brauch, daß nach der feierlichen Eröffnung durch den König das „Upper House", das Oberhaus des Adels, allein i m Palast zurückblieb, während das „Lower House" (oder auch „House of Commons") seinen Sitz anderwärts verlegte. 61 Da beide Häuser beratende Funktionen haben sollten, erhielten ihre Mitglieder zu den Beratungsgegenständen Redefreiheit. I n diesem Rahmen war sie aber nur als ein die Arbeit und die Kommunikation förderndes Element zu verstehen. Sie wurde erst durch das gestörte Verhältnis zwischen dem u m ihre Befugnisse kämpfenden Häusern und der u m die Herrschaft bangenden Krone zu einem Schutzprinzip für das einzelne Parlamentsmitglied.® 2 Der Schutzgedanke basierte auf der Überlegung, daß ein Parlamentsakt sich nicht gegen die Staatsordnung richten könne, folglich die Debatte, die den A k t behandelte, ebensowenig. Deshalb müsse auch die einzelne Debattenäußerung zwangsläufig frei von Unrecht sein. 63 Daraus ergab sich allerdings auch, daß sich die Abstimmungs- und Redefreiheit nur auf solche Gegenstände bezog, die bei objektiver Betrachtungsweise einen parlamentarischen Charakter hatten. 6 4 Das Privileg festigte sich i m Laufe der Zeit immer mehr. Interessant sind i n diesem Zusammenhang insbesondere zwei Fälle 6 6 : «ι «2 «3 ** 65
Kopp, S. 13 ff. Linden, S.6. May, S. 73. Hubrich, S. 17. May, S. 74/75.
I I . Die Indemnität i n den angelsächsischen Staaten
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a) Haxey, ein Beamter des Königs Richard II., hatte i m Parlament einen Gesetzentwurf eingebracht, u m die außerordentlichen Kosten des königlichen Haushalts zu begrenzen, u n d w a r aus diesem Grunde wegen Hochverrats verurteilt worden (1396/97). Nach der Thronbesteigung Heinrich I V . wurde das U r t e i l annulliert, u n d das Parlament bekräftigte i n einer E i n gabe an den K ö n i g seine Auffassung, daß das U r t e i l gegen „Recht u n d Parlamentsbrauch" ergangen sei. b) Strode, ein Unterhausmitglied, hatte i m Parlament Anträge betreffs der Zinngräber i n Cornwall eingebracht u n d w a r deshalb 1512 v o n einem Gerichtshof zu Geldbuße u n d Freiheitsstrafe verurteilt worden. Daraufhin erging ein förmliches Gesetz, welches zunächst anführte, daß Strode m i t anderen Mitgliedern des Unterhauses übereingekommen sei, Gesetzesvorlagen einzubringen, welche dem Parlament zur Verhandlung vorgelegt werden sollten; die Verhandlungen des Gerichts w u r d e n für nichtig erk l ä r t u n d bestimmt: „ A l l e Anklagen, Verurteilungen, Vollstreckungen, Geldbußen, Strafen usw., welche gegen Strode angestellt oder verhängt worden sind oder wegen einer Gesetzesvorlage oder irgendwelcher Äußerungen i n Parlamentsangelegenheiten später gegen i h n oder ein anderes M i t g l i e d des gegenwärtigen oder künftigen Parlaments angestellt oder verhängt werden würden, sollten als durchaus nichtig u n d wirkungslos behandelt werden." M i t t e des 16. J a h r h u n d e r t s w u r d e es B r a u c h , daß d e r Sprecher d e r G e m e i n e n b e i d e r j ä h r l i c h e n P a r l a m e n t s e r ö f f n u n g b e i m K ö n i g u m das Recht d e r R e d e f r e i h e i t nachzusuchen h a t t e . I m J a h r e 1593 e r w i d e r t e d e r L o r d s i e g e l b e w a h r e r a u f d i e ü b l i c h e P e t i t i o n des Sprechers? 6 : „Freiheit der Rede w i r d Euch bewilligt, doch müßt I h r Euer Privileg kennen; es besteht nicht darin herauszusagen, was einem i n den Kopf kommt, sondern n u r nein oder ja." Diese E i n s c h r ä n k u n g b l i e b z w a r e i n E i n z e l f a l l , aber die K r o n e v e r suchte auch i n d e r Folgezeit, die M i t g l i e d e r des U n t e r h a u s e s e i n z u schüchtern. Diese E n t w i c k l u n g e r r e i c h t e e i n e n H ö h e p u n k t , als d r e i A b geordnete w e g e n i h r e s V e r h a l t e n s i m P a r l a m e n t v e r u r t e i l t w u r d e n . Das U n t e r h a u s e r k l ä r t e 1641, dieses U r t e i l verstoße gegen das Recht u n d die P r i v i l e g i e n des P a r l a m e n t s , u n d das O b e r h a u s h o b d e n G e r i c h t s s p r u c h 1667 als i r r t ü m l i c h auf. I n S e k t i o n 9 d e r „ B i l l of R i g h t s " v o n 1689 w u r d e dann festgelegt 67: „Die Freiheit der Rede, der Debatten u n d des Verfahrens i m Parlament soll nicht vor irgendeinem Gerichtshof oder einer Stelle außerhalb des Parlaments verfolgt oder untersucht werden."
«« May, S. 75; Hubrich, S. 23; s. dazu auch Neale, S. 347/348. " T h a t the freedom of speech, and debates or proceedings i n Parliament, ought not be impeached or questioned i n any court or place out of Parliam e n t " (Franz, S. 516/517). Bradshaw / Pring (S. 95) weisen darauf hin, daß nach dem Bericht eines Ausschusses aus den Jahren 1938/39 diese Formulierung auch die Rede- u n d Abstimmungsfreiheit i n den Ausschüssen abdeckt.
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Α . Die Geschichte der Indemnität
Dabei muß angemerkt werden, daß schon bald der König von beiden Häusern gezwungen wurde, die NichtÖffentlichkeit ihrer Verhandlungen zu achten. I n früheren Zeiten, als die Redefreiheit gegenüber der Krone noch nicht gesichert war, war der Hauptgrund, daß man fürchtete, dem König könnten Berichte über die Debatten i m Parlament und das Verhalten einzelner Abgeordneter zugehen. Später, i m 18. Jahrhundert, fürchtete man, von der öffentlichen Meinung zur Rechenschaft gezogen zu werden. 6 8 Seit 1752 duldete das Unterhaus die Anwesenheit von Zeitungsreportern, die seit 1780 i n steigendem Maße auch die Stenographie anwandten, was erst die genaue Wiedergabe der Debatten ermöglichte. 69 Aber das Parlament hat sein Privileg i m Grundsatz nie aufgegeben; das Unterhaus erklärte 1971 lediglich, daß es ungeachtet einer Resolution des Hauses aus dem Jahre 1762 und ähnlicher Erklärungen bei Veröffentlichung der Debatten und Verhandlungen i m Plenum und i n den Ausschüssen keine Klage wegen Mißachtung des Parlaments oder seiner Privilegien erheben werde, sofern nicht die NichtÖffentlichkeit der Verhandlungen beschlossen worden sei. Und bis 1845 waren Zuhörer offiziell nicht zugelassen. 70 2. Die Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika
Als der „Kongreß", zu dem sich die von England abgefallenen Kolonien auf dem nordamerikanischen Kontinent zusammengefunden hatten, diese i m Mai 1776 aufforderte, sich als Staaten zu konstituieren und sich eine Verfassung zu geben, griffen die Kolonien dabei auf die englische „Petition of rights" von 1627 und die „ B i l l and declaration of rights and libertys of subjects" von 1689 zurück. Dies gilt vor allem auch für die erste moderne, schriftlich niedergelegte Verfassung, die Verfassung Virginias vom 12. Juni 1776. Außerdem hatten die naturrechtlichen Theorien von Locke und Rousseau hierbei einen starken Einfluß. 71 Die Verfassung der Union der „Vereinigten Staaten von Amerika", die sich aus den Einzelstaaten dann bildete, folgte weitgehend dem Vorb i l d der Einzelverfassungen. Zu dieser Zeit hatte sich — wie dargelegt — auch die Abstimmungs- und Redefreiheit i n England bereits als anerkanntes Privileg des Parlaments herausgebildet. A n diese Entwicklung knüpften die Väter der amerikanischen Verfassung bewußt an. 72 Deshalb heißt es i m Art. I Abschn. 6 der Verfassung vom 17. September 1787 über die Senatoren und die Mitglieder des Repräsentantenhauses 73 : «8 May, S. 78/79. BayVBl. 1975, S. 54. ei ZParl 1975, S. 290 ff. «2 i n dem jüngst v o m B G H entschiedenen F a l l (BGHZ 75, 384, 390) wies das Gericht die unteren Instanzen darauf hin, bei der Prüfung der Zulässigkeit der (vom Kläger gerügten) Äußerungen könne nicht außer Betracht gelassen werden, daß der beklagte Parlamentarier sie i m Zusammenhang m i t seinen Aufgaben als Abgeordneter getan habe. Dieser Umstand werde „insbesondere schon bei der Güter- u n d Pflichtenabwägung zur Feststellung, ob die Weitergabe der v o m Landtagspräsidenten nicht beanstandeten Anfrage an die Presse einen rechtswidrigen Eingriff i n die Persönlichkeitsrechte des Beklagten darstelle", zu würdigen sein. w Oben Abschnitt A , I I I , 1. Wenn Schröder (Grundlagen, S. 117) i n diesem Zusammenhang auf Hesse hinweist, so ist dies etwas mißverständlich. Hesse
I I . A r t . 46 Abs. 1 GG i m Spannungsfeld der Verfassung
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mehr akzeptiert werden, weil das unserem heutigen Verständnis von der Gewaltenteilung nicht entsprechen würde; aber sie widerspricht ihr auch nicht, weil dieses Prinzip keine strenge Regel ist. Das BVerfG hat ausgeführt, 1M der Sinn der Gewaltenteilung liege nicht darin, daß die Funktionen der Staatsgewalt scharf getrennt werden, sondern daß die Organe der Legislative, Exekutive und Justiz sich gegenseitig kontrollieren und begrenzen; keine Gewalt darf ein von der Verfassung nicht vorgesehenes Übergewicht über die anderen Gewalten erhalten. Davon kann bei der Indemnität keine Rede sein. A u f die Qualifizierung der Indemnität lediglich als Strafausschließungsgrund kommt es dabei nicht an. 95 I m übrigen hat das BVerfG starke Zweifel angemeldet, ob gerade Durchbrechungen des Gewaltenteilungsprinzips durch den originären Verfassunggeber geeignet sein können, jene letzten Grenzen zu überschreiten, deren Nichtbeachtung zur Rechtsungültigkeit auch einer ursprünglichen Verfassungsnorm führen könnte. 9 0 Nicht viel anders liegt es bei dem aus A r t . 20 Abs. 3 GG sich ergebenden Rechtsstaatsprinzip. Dieses enthält ohnehin keine i n allen Einzelheiten eindeutig bestimmten Gebote oder Verbote von Verfassungsrang, sondern ist ein Verfassungsgrundsatz, der der Konkretisierung je nach den sachlichen Gegebenheiten bedarf, wobei allerdings fundamentale Elemente des Rechtsstaats und die Rechtsstaatlichkeit i m ganzen gewahrt bleiben müssen. 97 4. Indemnität und Mandatsausübung (Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG)
Über den Zusammenhang zwischen A r t . 46 Abs. 1 GG und A r t . 38 Abs. 1 Satz 2 GG gibt es erhebliche Meinungsverschiedenheiten. Einigkeit besteht i n jüngster Zeit nur darüber, daß die Indemnität nicht Ausfluß des Repräsentationsprinzips i n dem Sinne ist, wie es früher teilweise verstanden wurde, d. h. daß dem Abgeordneten als „Vertreter des Volkes" (S. 187) leitet A r t . 46 Abs. 1 GG n u r mittelbar aus dem Gewaltenteilungsprinzip her: Die verschiedenen Funktionen der Staatsgewalt müßten nach A r t . 20 Abs. 2 Satz 2 GG von besonderen Organen wahrgenommen werden, u n d dies bedinge jeweils auch einen besonderen rechtlichen Status der Mitglieder des betreffenden Organs, z.B. für Abgeordnete den sich aus A r t . 3 8 Abs. 1 Satz2 u. 46 ergebenden. — Rauball (in: v. Münch, Erl. RdNr. 1 zu A r t . 46) beschränkt sich auf die Feststellung, daß durch A r t . 46 GG den Abgeordneten i m V e r hältnis zur d r i t t e n Gewalt ein Sonderstatus eingeräumt w i r d ; ähnlich WitteWegmann, Redefreiheit, S. 868. ο* BVerfGE 9, 268, 279 f. 95 Diese Begründung w ä h l t Linden (S. 56). M BVerfGE 3, 225, 247 f. 07 BVerfGE 7, 89, 92 f. Ruland (S. 478) sieht die Indemnität auch i n einem Spannungsverhältnis zum Rechtsstaatsprinzip, zieht daraus aber n u r die Folgerung, daß die entsprechenden Bestimmungen r e s t r i k t i v auszulegen seien.
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Β . Die gegenwärtige Rechtslage
die dem Volk als Nachfolger des Souveräns zustehenden Rechte zukämen, u. a. das der Unverletzlichkeit. 0 8 Den Abgeordneten als solchen kommt keine „besondere, sie von den anderen Staatsbürgern auszeichnende Behandlung" z u . " Aber immerhin w i r d auch jetzt noch teilweise vorgetragen, die Rechtfertigung der Indemnität folge letztlich aus dem Repräsentationsprinzip, wie es i n A r t . 38 GG zum Ausdruck komme und zu dem A r t . 46 Abs. 1 GG eine nähere Ausführung darstelle, und zwar deswegen, weil die Abgeordneten sich jederzeit möglichst vollzählig („repräsentativ") sollen versammeln und beraten können. 1 0 0 Nach Maunz ist A r t . 46 Abs. 1 GG wenigstens i n einem engen Zusammenhäng mit A r t . 38 Abs. 1 Satz 2 GG zu lesen; er habe aber insofern eine über diese Vorschrift hinausgehende Bedeutung, als er — allerdings nur für das Verhältnis des Abgeordneten zum Staat und insoweit enger als A r t . 38 Abs. 1 Satz 2 GG — näher bestimme, was erlaubt ist und was nicht, sich also nicht darauf beschränke, zu erklären, daß Eingriffe i n die Entscheidungsfreiheit des Abgeordneten verfassungsw i d r i g seien. 101 Ähnlich sieht Linden 102 das Verhältnis der beiden Vorschriften zueinander, indem er A r t . 38 Abs. 1 Satz 2 GG mehr einen „positivrechtlichen" und A r t . 46 Abs. 1 GG mehr einen „negativrechtlichen" Charakter zuweist; letztere Norm sieht er zudem als Individualrecht des Abgeordneten, während A r t . 38 Abs. 1 Satz 2 GG die Rechtstellung des Abgeordneten erläutere und i h m einen verfassungsrechtlichen Status als „Organwalter" gebe, und i m übrigen i n erster Linie eine verfassungsmäßige Deutung der parlamentarischen Demokratie gegen eine parteienstaatliche Demokratie gebe. Zwischen beiden Normen gebe es noch nicht einmal eine „faktische Bedrängung". WitteWegmann schließlich lehnt jeden Zusammenhang zwischen Indemnität und Repräsentationsprinzip ab und versteht die Rede- und Abstimmungsfreiheit lediglich als Schutz- und Abschirmmaßnahme für den parlamentarischen Meinungs- und Willensbildungsprozeß i n Form einer Einschränkung der Befugnisse der dritten Gewalt i m parlamentarischen Raum. 1 0 3 m s. oben Abschnitt A , I I I , 1; Magiera, in: B K , Erl. RdNr. 15 zu A r t . 46; auch Schröder (Grundlagen, S. 114 ff.) verweist auf den historischen A b l ö sungsprozeß zwischen Indemnität u n d Repräsentativverfassung hin. ·» So Leibholz (S. 170/171) zusammenfassend über die ältere Lehre. Er selbst erklärt, die Indemnität gehöre nicht zum formalen K r i t e r i u m der Repräsentation; sie sei n u r ein „accidens", nicht ein „essentiale" u n d habe n u r „rechtsgrundsätzliche Bedeutung". ioo Magiera, in: B K , Erl. RdNr. 15 zu A r t . 46. ιοί MDHS, Erl. RdNr. 6 zu A r t . 46; ähnlich Achterberg (Grundzüge, S. 32): Die Vorschrift diene der ungestörten sachgerechten Parlamentsarbeit u n d stehe dogmatisch i n der Nähe der Bestimmung über die Gewissensfreiheit des Abgeordneten, deren Schutz sie gleichfalls diene. i«2 S. 59/60. κ » S.868.
I I . A r t . 46 Abs. 1 GG i m Spannungsfeld der Verfassung
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Bei einer näheren Betrachtung der Frage ist anzuknüpfen an die nüchterne verfassungsrechtliche Regelung. Das GG und auch die Landesverfassungen gehen davon aus, daß das Volk i n der Regel unmittelbar keine Beschlüsse fassen kann und auch nicht soll; dafür sind besondere Organe vorgesehen, insbesondere die Parlamente, i n die das Volk durch Wahlen Abgeordnete entsendet. Diesen „Vertretern des ganzen Volkes" sichert A r t . 28 Abs. 1 Satz 2 GG einen ganz besonderen Status zu: Sie sind „an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen." Und dies gilt nicht nur i m Verhältnis zum Volk. Auch die äußerste Konsequenz eines vielleicht aus A r t . 21 GG ableitbaren Parteienstaates w i r d vom GG „durch das Bekenntnis zu dem repräsentativen Status der Abgeordneten i n A r t . 38 GG . . . abgewehrt." 1 0 4 Obgleich A r t . 38 Abs. 1 Satz 2 GG dies nicht ausdrücklich erwähnt, gehört nach Ansicht des BVerfG, der — soweit ich sehe — bisher noch niemand widersprochen hat, zum Status des einzelnen Bundestagsabgeordneten auch seine Befugnis zur Rede i m Bundestag. Denn „das Grundgesetz geht davon aus, daß der Bundestag die Vertretung des Volkes ist, i n der die Fragen der Staatsführung, insbesondere der Gesetzgebung, i n Rede und Gegenrede der einzelnen Abgeordneten zu erörtern sind." 1 0 6 Das BVerfG verweist dazu auch auf den Ausdruck „verhandeln" i n A r t . 42 GG. Das Gericht betont ferner, A r t . 38 Abs. 1 Satz 2 GG verleihe jedem Bundestagsabgeordneten eine gewisse Eigenständigkeit innerhalb des Bundestages. Diese Eigenständigkeit bestehe nicht nur darin, daß er sein Stimmrecht frei ausüben könne, sondern 104 BVerfGE 11, 266, 273. Vielleicht sollte auf den Begriff „Repräsentation" i n diesem Zusammenhang überhaupt verzichtet werden; sehr kritisch dazu auch Henke, insbesondere S. 558 Fn. 44 u. 599. 105 BVerfGE 10, 4, 12. Treffend auch Hesse (S.219): Das GG konstituiert den Bundestag als institutionellen M i t t e l p u n k t des politischen Lebens der Bundesrepublik, als das durch freie u n d gleiche Wahlen unmittelbar legitimierte „besondere Organ", dem die Entscheidung über die grundlegenden Fragen des Gemeinwesens anvertraut ist u n d i n dem K r i t i k u n d A l t e r n a t i v e n zur Geltung zu bringen sind. — Ob die Verfassungswirklichkeit diesem idealtypischen B i l d entspricht (dazu ζ. B. Sontheimer, insbesondere S. 455), darauf k o m m t es hier nicht an. Es sei aber an dieser Stelle die Bemerkung erlaubt, daß von unbeteiligten Beobachtern die klärende W i r k u n g des parlamentarischen Prozesses oft unterschätzt w i r d . Die Ansicht Rincks (S.249), daß die Parlamentsdebatte durch den Fraktionszwang viel „von dem i h r früher eigenen schöpferischen Charakter verloren" habe u n d damit „die repräsentative F u n k t i o n des Abgeordneten u n d des Parlaments als Fundament für die Rechtfertigung" des Privilegs „brüchig geworden" sei, k a n n ich nicht teilen. Dazu sei n u r auf Steffani (S. 122) verwiesen: „Repräsentation ist . . . für den demokratischen Parlamentarier k e i n simples Entweder-Oder, sondern ein äußerst kompliziertes u n d an die persönliche Verantwortlichkeit des Repräsentanten sowie seine Fraktions- u n d Parteibindungen höchste Ansprüche stellendes Sowohl-als-auch." s. a. den Schlußbericht der Enquête-Kommission Verfassungsreform des Bundestages (Teil I : Parlament u n d Regierung, „ Z u r Sache" 3/76, S. 20 u. 72 ff.). 7 Härth
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Β . Die gegenwärtige Rechtslage
auch daß er i m Plenum des Bundestages von seinem Rederecht selbständig Gebrauch machen könne. Wenn das Gericht sich i n seinen weiteren Ausführungen dann auch ausschließlich mit der Redezeit beschäftigt, so kann es wohl keinem Zweifel unterliegen, daß die entwickelten Grundsätze für den Redeinhalt ebenfalls von Bedeutung sind, d.h. wenn der Abgeordnete der i h m gestellten Aufgabe gerecht werden w i l l , muß er das sagen können, was er für richtig und notwendig hält. 1 0 6 Die Funktion bedingt das angemessene Mittel. So gesehen ist A r t . 46 Abs. 1 GG die logische Ergänzung zu A r t . 38 Abs. 1 Satz 2 GG, keine unbedingt notwendige vielleicht, aber eine doch genau ins B i l d passende. Eine Kollision zwischen beiden Normen ist nicht vorstellbar. 1 0 7 I I I . Das Verhältnis von § 36 S t G B zu den landesrechtlichen Vorschriften 1. Einleitung
Das Verhältnis des § 36 StGB zu den landesrechtlichen Vorschriften über die Indemnität ist äußerst umstritten. Es werden hier sehr verschiedene, teilweise weit voneinander abweichende Ansichten vertreten. Auch die Judikatur ist nicht einheitlich; der BGH hat in seiner jüngsten Entscheidung 108 nur teilweise zu dieser Frage Stellung genommen. Sie ist aber von Bedeutung, da die landesrechtlichen Vorschriften i m Wortlaut von den bundesrechtlichen Bestimmungen abweichen. I n manchen Stellungnahmen ist das Bemühen spürbar, zu einem einheitlichen Rechtsschutz für Bundestags- und Landtagsabgeordnete zu gelangen. 100 Wiewohl ein solches Ergebnis vielleicht zu begrüßen sein ιοβ Dazu bedarf es nach meiner Ansicht nicht des Rückgriffs auf A r t . 5 GG (so allerdings Troßmann, Parlamentsrecht, Erl. RdNr. 6 zu § 40); Achterberg (Verhandlung, S. 123 Fn. 11) stützt sich sicherheitshalber auf beide Vorschriften. Richtig StGH Bremen (DÖV 1971, S. 164), der allein an den Status anknüpft, so jetzt auch BVerfG i n DVB1. 1982, S. 780. 107 Gegen diese Betrachtungsweise spricht nicht, daß i n i h r für eine Redegarantie für Regierungsmitglieder k e i n Raum ist, denn diese Frage k a n n n u r de lege ferenda beantwortet werden; der klare Wortlaut des A r t . 46 Abs. 1 GG läßt zur Zeit dafür keinen Raum. F ü r eine solche Erweiterung könnte die F u n k t i o n des Parlaments als zentrales Diskussionsgremium der Nation sprechen; dennoch blieben Stellung u n d F u n k t i o n der einzelnen Organmitglieder genau zu untersuchen. Witte-Wegmann (Parlamentarische Redefreiheit) u n d Arndt (DVB1. 1965, S. 954) machen es sich da zu einfach, κ » B G H Z 75, 384, 386. 109 Nach Kewenig / Magiera (S. 231) wäre eine unterschiedliche Indemnitätsregelung durch den Bundesgesetzgeber für Bundestagsabgeordnete u n d Landtagsabgeordnete besonders zu rechtfertigen und „ k a u m praktikabel" (s. a.
I I I . Verhältnis von § 36 StGB zu den landesrechtlichen Vorschriften
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mag, so w i r d dabei dennoch zu oft versucht, den rechtlichen Gegebenheiten Gewalt anzutun. 2. Erste Meinung: (Wenigstens partiell) ausschließliche Geltung des § 36 StGB
Rinck 110 war der erste, der für den § 11 StGB behauptete, daß die Indemnitätsvorschriften i n den Landesverfassungen insgesamt i n rechtlich wirksamer Weise außer Kraft gesetzt worden seien und nur die bundesrechtliche Vorschrift gelte. Nach A r t . 31 GG breche Bundesrecht Landesrecht. Dem § 11 StGB sei die gleiche Funktion zugewiesen worden, wie sie i h m schon unter der Bismarck-Verfassung zugefallen war. Daraus folge, daß die materiellen Grenzen der Indemnität der Landtagsabgeordneten nicht anhand der inhaltlich divergierenden Landesverfassungen, sondern lediglich nach § 11 StGB ermittelt werden könnten. Dieser Ansicht haben sich neuerdings auch Kewenig ! Magiera 111 angeschlossen. Sie haben dazu ausgeführt, die Materie falle gemäß A r t . 30 GG grundsätzlich i n den Regelungsbereich des Landesrechts. Dieses könne aber wegen des allgemeinen Vorrangs des Bundesrechts (Art. 31 GG) keine Ausnahme von bundesrechtlichen Vorschriften statuieren; dazu sei allein der Bundesgesetzgeber selbst befugt. Der Indemnitätsschutz erweise sich somit als eine Materie mit sog. Doppelzuständigkeit, was aber nicht der Notwendigkeit enthebe, sie entweder dem Bund oder den Ländern zuzuordnen, u m unterschiedliche Regelungen desselben Gegenstandes zu vermeiden; Zuweisungsmaßstab sei dabei die „wesensmäßige und historische Zugehörigkeit" (Hinweis auf BVerfGE 36, 193, 202 f.). Der Bundesgesetzgeber könne dementsprechend Indemnitätsregelungen auch für Landtagsabgeordnete erlassen, soweit es sich u m Bereiche handele, die wesensmäßig und historisch i n seine Kompetenz fielen; dies treffe — wie die Bestimmung des § 36 StGB und ihres Vorgängers, den § 11 StGB, zeige — für das Gebiet des Strafrechts, aber auch des Zivilrechts zu. Eine solche Kompetenz des Bundesgesetzgebers sei — soweit ersichtlich — nie dem Grunde nach bestritten worden. Der Wortlaut des § 36 StGB spreche für das weitergehende (über das Strafrecht hinausgehende) Verständnis der VorS. 231 unten). Friesenhahn (S. 517) geht wenigstens von einem möglichen Bedürfnis nach einheitlicher Behandlung der Parlamentarier i n B u n d und L ä n dern hinsichtlich ihrer Verantwortungsfreiheit aus. Schröder (Rechtsfragen, S. 28 Fn. 20) sieht m i t Recht i n der Rechtsprechung ebenfalls Vereinheitlichungstendenzen. no S. 249/250; i h m folgend Linden, S. 53/54, u. Maurach / Zipf, S. 158; u n k l a r Maunz, in: MDHS, Erl. RdNr. 7 zu A r t . 46. I m gleichen Sinne ist w o h l auch der Bericht des Rechts- u n d Verfassungsausschusses des Bayerischen Senats zu verstehen — SenD 4/81, S. 2/3 —. m S. 229 ff.; vgl. auch Magiera, in: B K , Erl. RdNr. 28 ff. zu A r t . 46. 7*
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Β . Die gegenwärtige Rechtslage
schrift. Ebenso wie i n A r t . 46 Abs. 1 GG werde i n der Bestimmung der Ausdruck „zur Verantwortung ziehen" als Oberbegriff für gerichtliche und dienstliche Verfolgung sowie „sonst" i n Betracht kommende Maßnahmen gebraucht und deshalb i m umfassenden Sinne — also auch zivilrechtliche Klagen einschließend — verstanden. Nach einem Hinweis auf den Standort der Vorschrift einerseits und die Entstehungsgeschichte andererseits erklären Kewenig / Magiera, entscheidend sei, „daß die i n Ausführung zu A r t . 46 Abs. 1 GG ergangene Fassung des § 36 StGB eine entsprechende Wirkung" nahelege; „nämlich die Gleichbehandlung der Landtagsabgeordneten mit den Bundestagsabgeordneten vor dem Bundesrecht." Nach einer anderen, weitverbreiteten Ansicht ist die Geltung des §36 StGB zwar auf das Straf recht begrenzt, verdrängt dort aber jedes Landesrecht. A m ausführlichsten ist dieser Standpunkt erläutert i n der Entscheidung des BremStGH von 1967. 112 Das Gericht verweist zunächst auf den Standort der Vorschrift und darauf, daß es sich nicht u m einen Rechtfertigungsgrund (der für die ganze Rechtsordnung gelten müßte), sondern u m einen Strafausschließungsgrund handele. Außerdem w i r d die Entstehungsgeschichte als Argument benutzt. Der Hinweis auf § 11 RStGB helfe nicht weiter, w i r d sodann erklärt, da auch sein Geltungsbereich umstritten gewesen sei. I m übrigen könne der Bundesgesetzgeber aufgrund der i h m zustehenden Gesetzgebungszuständigkeit allenfalls Teilbereiche der Indemnität regeln. Darüber hinaus sei bei einfachem Bundesrecht, das das Landesverfassungsrecht berühre, i m Zweifel eine restriktive Auslegung seines Anwendungsbereichs angebracht. Es sei zu vermuten, daß der Bundesgesetzgeber die landesverfassungsrechtliche Regelung nur insoweit aufheben wolle, als dies in der bundesrechtlichen Norm unzweideutig zum Ausdruck komme. Dem haben sich der BayStGH 1 1 3 und der B G H 1 1 4 ohne eigene Begründung angeschlossen. Ein Teil des Schrifttums ist der Rechtsprechung gefolgt. 115 na Entscheidung v. 12. J u l i 1967 — St 2/1966 —, A m t l . Samml. Bd. 1, S. 145 ff., 151 ff. us BayVBl. 1975, S. 54 ff., 55. 114 B G H Z 75, 384, 386. 115 Bemzen / Sohnke, Erl. RdNr. 2 u. 3 zu A r t . 14; Drexelius / Weber, A n m . 7 zu A r t . 14; Meder, Erl. zu A r t . 27; Schweiger, in: Nawiasky u. a., Erl. RdNr. 5 zu A r t . 27; Mang, S. 550; Ruland, S.462; u n k l a r Pestalozza, Thesen, S. 188 Fn. 92; Jeschek, S. 147, insbes. Fn. 2; Lackner, A n m . 1 zu §36; Lenckner, in: Schönke u. a., Vorbem. zu den §§ 36 u. 37, RdNr. 2 u. 3; Samson, in: Rudolphi / H o r n / S a m s o n , Erl. RdNr. 2 zu §36; nach Baumann (S. 72) gilt §36 StGB „natürlich" n u r für den strafrechtlichen Bereich, ohne daß er zu der K o n k u r renzfrage Stellung n i m m t . — Das L G Koblenz (NJW 1961, S. 125) u. das L G Krefeld (MDR 1968, S. 323) gehen ohne weitere Erörterung von der wenigstens teilweisen Weitergeltung der jeweiligen Landesverfassungsbestimmung aus.
I I I . Verhältnis von § 36 StGB zu den landesrechtlichen Vorschriften
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3. Zweite Meinung: Eingeschränkte Geltung des § 36 StGB
A m eingehendsten hat diese Meinung Tröndle 11* begründet. Zwar betreffe das Indemnitätsrecht auch materielles Strafrecht. Demgegenüber sei aber zu bedenken, daß weitergehende landesrechtliche Indemnitätsvorschriften Landesverfassungsrecht zum Gegenstand hätten, zu dessen Änderung dem Bundesgesetzgeber die Zuständigkeit fehle. Jedenfalls hätten die A r t . 46 Abs. 1, 36 GG die Indemnitätsrechte von Landtagsabgeordneten aus älteren Landesverfassungen unberührt gelassen und einer abweichenden Regelung i n Landesverfassungen, die nach dem GG i n Kraft getreten sind, nicht entgegengestanden. Denn die i n A r t . 28 Abs. 1 Satz 1 GG erwähnten „Grundsätze" würden durch ausgedehntere Indemnitätsrechte von Landtagsabgeordneten nicht berührt. Möge die Indemnität auch eine strafrechtliche Komponente haben, so gehe sie doch mit dem Verbot disziplinarrechtlicher, ehrengerichtlicher, polizeilicher und zivilrechtlicher hoheitlicher Zugriffe erheblich weiter. Der Bundesstrafgesetzgeber könne daher Indemnitätsrechte nicht dem Landesverfassungsrecht zuwider nach einer Richtung einschränken. I n diesem Zusammenhang weist Tröndle auch auf A r t . 2 Nr. 2 EGStGB 1974 hin, wonach landesrechtliche Vorschriften, die unter besonderen Voraussetzungen bei einzelnen landesrechtlichen Straftatbeständen Straflosigkeit vorsähen, unberührt geblieben seien. Begehe der Abgeordnete die Tat innerhalb seines Landes, so gelte auch bei der Strafverfolgung außerhalb — nach den Regeln des interlokalen Strafrechts — die etwa weitergehende Verfassungsnorm eines Landes; begehe er jedoch die Tat außerhalb (Distanzdelikt oder bei einer Besichtigungsfahrt) und werde sie auch außerhalb verfolgt, so greife allein § 36 StGB ein. 1 1 7 4. Dritte Meinung: Nichtigkeit des § 36 StGB
Auch Schröder 118 bezeichnet die Indemnität zunächst als Sonderrecht des Parlaments mit der Folge, daß sich die Landeszuständigkeit auf den Rahmen erstrecke, i n dem Äußerungen eines Abgeordneten Indemnitätsschutz beanspruchen könnten. Man dürfe dabei (im Anschluß an StGH Bremen und Tröndle) aber nicht bei der landesverfassungsrechtlichen Sicht verharren, sondern müsse die dem Bund verliehenen ue In: L K , Vorbem. z. den §§ 36 u. 37. Ebenso Dreher / Tröndle, Erl. RdNr. 2 zu § 36; Dickersbach, in: Geller / Kleinrahm, A n m . 2 zu A r t . 47; dieser Ansicht hatte ich mich i n Pfennig / Neumann, Erl. RdNr. 3 zu A r t . 35, angeschlossen. Inkonsequent Reh, in: Z i n n / Stein, A n m . 1 zu A r t . 95. u? Dreher / Tröndle, Erl. RdNr. 2 zu § 36. ii« Rechtsfragen, S.42f. Z u m gleichen Ergebnis gelangt jetzt auch Wolfrum (S. 680).
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Β . Die gegenwärtige Rechtslage
Gesetzgebungskompetenzen i m Straf-, Z i v i l - und auch Verwaltungsrecht einbeziehen. Der Respekt vor dem Landesverfassungsrecht zwinge jedoch zu der Annahme, daß der Bund bei der Regelung von Indemnitätsfragen nur eine Teilzuständigkeit besitze. Diese erfasse die Auswirkungen der Indemnität auf die allgemeine Rechtsordnung nach Maßgabe einschlägiger Bundeskompetenzen. Die Regelung der parlamentarischen Voraussetzungen der Indemnität falle demgegenüber i n den Vorbehaltsbereich der Länder, soweit nicht der Bundestag betroffen sei. Daraus folge zwingend, daß die bundesrechtlichen Indemnitätsvorschriften nur insoweit Vorrang vor dem Landesrecht beanspruchen könnten, wie es sich u m Auswirkungen der Indemnität auf die allgemeine Rechtsordnung gehe. Die landesverfassungsrechtlich geregelten Aspekte des Indemnitätsschutzes vermögen sie weder zu beschränken (etwa durch Herausnahme verleumderischer Beleidigungen) noch zu erweitern (etwa durch Erstreckung auf Äußerungen, wo das Landesrecht nur Abstimmungen schützt). Gemessen an diesen Maßstäben könne § 36 StGB nicht verfassungskonform ausgelegt werden. Weil die Bestimmung nach Wortlaut, Sinn und Zweck auf eine bundeseinheitliche Gesamtregelung der Indemnität angelegt sei, führe jede einschränkende Auslegung, die den unterschiedlichen landesverfassungsrechtlichen Voraussetzungen der Indemnität Rechnung tragen wollte, notwendig zu einer völligen Umgestaltung der Norm. Der gesetzgeberische Wille werde i n eine Richtung gelenkt, die ersichtlich nicht gewollt gewesen sei. Deshalb komme auch keine Teilnichtigkeit, sondern nur eine Gesamtnichtigkeit i n Betracht. 5. Vierte Meinung: Der Friesenhahnsche Versuch einer Harmonisierung
Friesenhahn 119 geht ebenfalls von der Auffassung aus, daß § 36 StGB nur die strafgerichtliche Verfolgung betrifft und dem Bund nicht die Kompetenz zusteht, die Indemnität für die Landtagsabgeordneten entgegen den Vorschriften der betreffenden Landesverfassung zu regeln. § 36 StGB habe die landesverfassungsrechtlichen Vorschriften über die Indemnität auch i m strafrechtlichen Bereich nicht aufgehoben. Die betreffende Bestimmung der Landesverfassung sei — wenn die Tat in ihrem Geltungsbereich begangen worden sei — nicht nur von den Behörden und Gerichten dieses Landes und des Bundes zu beachten, sondern nach den Regeln des interlokalen Strafrechts auch von den Behörden und Gerichten der anderen Länder. § 36 StGB könne also eigenständige Bedeutung als rein strafrechtliche Norm nur gewinnen, wenn der Abgeordnete die Äußerung i n Ausübung seines Mandats auf dem i * 9 S. 515 ff.; i h m insoweit folgend Jutzi, S. 33 Fn. 13 a. E.
I I I . Verhältnis von § 36 StGB zu den landesrechtlichen Vorschriften
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Gebiet eines anderen Landes getan habe und Gerichte dieses Landes zuständig wären. Sodann versucht Friesenhahn 120 aber über einen anderen Gedankengang doch noch eine Harmonisierung der Indemnitätsbestimmungen zu erreichen. 121 Daß nur die Länder zuständig seien, i n ihren Verfassungen Indemnität und Immunität der Mitglieder ihrer Parlamente zu regeln, sage noch nichts über das „Wie" dieser Regelung aus. Bedenke man, daß die Bestimmungen über die Indemnität und Immunität der Abgeordneten und die Verantwortungsfreiheit für wahrheitsgetreue Berichte über die öffentlichen Sitzungen des Parlaments zu den fundamentalen Prinzipien eines repräsentativ-demokratisch-parlamentarischen Staates gehörten, so könne man die A r t und Weise wie das GG diese Materien i n A r t . 46 Abs. 1, Abs. 2 bis 4 und A r t . 42 Abs. 3 ordne, zu den „Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates i m Sinne dieses Grundgesetzes" rechnen, denen die verfassungsmäßige Ordnung i n den Ländern nach Art. 28 Abs. 1 GG entsprechen muß. Es störe die damit i n Grenzen angestrebte einheitliche „verfassungsmäßige Ordnung" i n Bund und Ländern, wenn die Volksvertreter i n Bayern i m Gegensatz zum Bund und zu allen Ländern wegen „Äußerungen" i m Parlament keine Indemnität genießen sollen, und wenn die Volksvertreter i m Bund und i n sechs Ländern wegen verleumderischer Beleidigung i n Ausübung ihres Mandats belangt werden können, i n fünf Ländern jedoch nicht. Die abweichenden Länderbestimmungen bedürften daher der Ergänzung nach Maßgabe der Regelung i m Art. 46 Abs. 1 GG. Man könnte §11 StGB a. F., der auf strafrechtlichem Gebiet eine einheitliche Handhabung der Indemnitätsregeln erstrebte, als Niederschlag eines gemeindeutschen Verfassungskonsenses ansehen. Er hätte dann keine direkt konstitutive Wirkung als die Landesverfassung ändernde Bundesrechtsnorm, sondern gäbe nur deklaratorisch wieder, was i n Ergänzung unvollständiger landesverfassungsrechtlicher Bestimmungen kraft der Bundesgarantie nach A r t . 28 Abs. 3 GG der vollständige Inhalt aller landesrechtlichen Bestimmungen über die strafrechtliche Seite der Indemnität sei. A u f solche Weise ließe sich dann auch ein ungeschriebener Obersatz gememmo S. 517. 121 Ganz neu ist dieser Gedanke allerdings i m Prinzip auch nicht. Tröndle (in: L K , Vorbem. zu den §§ 36 u. 37, RdNr. 3) bemerkte schon, die i n A r t . 28 Abs. 1 Satz 1 GG erwähnten „Grundsätze" w ü r d e n durch ausgedehntere I n demnitätsrechte von Landtagsabgeordneten nicht berührt. Umgekehrt wollte das L G Koblenz (NJW 1961, S. 126) eine Begrenzung der Indemnität über A r t . 28 GG als geboten ansehen. — I n dem Bericht des Rechts- u n d Verfassungsausschusses des Bayerischen Senats (SenD 4/81, S. 2) k l i n g t dies ebenfalls an, w e n n es dort heißt, weitergehend sei der Schutz, der auch dem bayerischen Abgeordneten durch A r t . 46 Abs. 1 i . V . m . A r t . 28 GG u n d §36 StGB gewährt werde.
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Β . Die gegenwärtige Rechtslage
deutschen Verfassungskonsenses über die Privilegien der Landesparlamente gewinnen, dessen „Reflex" für die strafrechtliche Verantwortungsfreiheit der Abgeordneten § 36 StGB darstellen würde, der dann aber darüber hinaus auch die Verantwortungsfreiheit für die anderen Rechtsbereiche gemeindeutsch i m Sinne von A r t . 46 Abs. 1 GG ordnen und „unvollständige" Landesverfassungen ergänzen würde. Als Stütze für diese Ansicht verweist Friesenhahn noch auf eine jüngere Entscheidung des BVerfG zu A r t . 80 GG. 1 2 2 6. Versuch einer Antwort
Der Friesenhahn'sche Versuch einer Harmonisierung der landesrechtlichen Indemnitätsbestimmungen über A r t . 28 Abs. 3 GG, von ihm selbst durch den Gebrauch des Konjunktivs bei den Hilfsverben i n seiner Schlüssigkeit relativiert, leidet unter mehreren Mängeln. Zunächst — u m beim Ende der Argumentationskette anzufangen — überzeugt der Hinweis auf die Rechtsprechung des BVerfG zur Ermächtigungsnorm für den Erlaß von Rechtsverordnungen nicht; dabei handelt es sich u m einen völlig anderen, vom Standpunkt der Rechtsstaates aus ungleich gewichtigeren Gegenstand. Schon eher könnte man einen Satz aus dem zweiten Urteil des Gerichts zur Abgeordnetenentschädigung 123 denken, mit dem es A r t . 48 Abs. 3 GG i n die — keine Regelung über die Entschädigung für Abgeordnete enthaltende — saarländische Verfassung „interpolierte": A r t . 48 Abs. 3 GG, der seinem Grundsatzcharakter entsprechend innerhalb der aus i h m entwickelten Grundsätze durch den Gesetzgeber näher konkretisiert werden könne, gehöre zu „den „Essentialen des demokratischen Prinzips", das i n A r t . 28 Abs. 1 GG als ein für die verfassungsmäßige Ordnung i n den Ländern wesentlicher Bestandteil gefordert werde. Die Frage, wie sich dies auf die Interpretation von Landesverfassungsbestimmungen auswirken soll, die eine Regelung über die Entschädigung von Landtagsabgeordneten enthalten, ließ das Gericht aber ausdrücklich offen. Auch i m übrigen hat das BVerfG aus A r t . 28 Abs. 1 GG immer nur einen Zwang zur Homogenität, aber nicht zur Konformität oder gar Uniformität der Landesverfassungen abgeleitet. 124 Angesichts der föderalistischen Struktur der Bundesrepublik kann dies auch gar nicht anders sein. Allenfalls könnte man deshalb vom Standpunkt Friesenhahns aus eine Notwendigkeit annehmen, daß die Landesverfassungen überhaupt Indemnitätsbestimmungen enthalten müßten, niemals aber Einzelheiten ihrer Ausgestaltung ab122 BVerfGE 55, 207 ff. 123 BVerfGE 40, 296, 319. 124 BVerfGE 24, 367, 390 f. Wolfrum
wie hier.
(S. 679) k o m m t zum gleichen Ergebnis
I I I . Verhältnis von § 36 StGB zu den landesrechtlichen Vorschriften
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leiten. Auch dem steht jedoch entgegen, daß es sich bei der Indemnität nicht um ein Essentiale des Abgeordnetenstatus handelt. Die Friesenhahn'sche Argumentation leidet ferner darunter, daß der von i h m angenommene „gemeindeutsche Verfassungskonsens" eine geheimnisumwitterte Sache bleibt. Wie kann man davon sprechen, wenn selbst Landesverfassungen vom GG abweichen, die nach dessen Inkrafttreten verabschiedet worden sind, oder wenn sie — wie die saarländischen Verfassungen — später abweichend novelliert worden sind? Und sollen etwa — horrible dictu — auf ähnliche Weise auch die Immunitätsbestimmungen „harmonisiert" werden (so muß man eigentlich Friesenhahn lesen), so daß kein Land diesen (wegen seiner negativen Publizitätswirkung vielen Parlamentsmitgliedern längst lästig gewordenen) besonderen Schutz qua Verfassungsänderung abbauen könnte? Ganz abgesehen von der Frage, welche Bedeutung dann noch § 152 a StPO besitzt. Diese Position Friesenhahns scheint mir nicht vertretbar zu sein. Andererseits ist aber auch der Standpunkt von Rinck und Kewenig / Magiera, wonach § 36 StGB eine umfassende Bedeutung haben soll, unhaltbar. Schon der Standort der Vorschrift und die Uberschrift des Fünften Titels des Zweiten Abschnitts i m StGB, i n den sie gestellt worden ist („Straflosigkeit parlamentarischer Äußerungen und Berichte"), deuten auf eine rein strafrechtliche Zweckbestimmung hin. Der Hinweis auf die Entstehungsgeschichte geht demgegenüber fehl. Was immer nämlich der Wille des Gesetzgebers (des §36 StGB!) gewesen sein mag (und ich sehe aus der Praxis heraus allgemein die Figur des „Gesetzgebers" kritischer als viele staatsrechtliche Autoren), viel zu wenig beachtet w i r d jedenfalls, daß i m Bericht des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform zu lesen ist, für eine landesrechtliche Erweiterung über den i m § 36 StGB gezogenen Rahmen hinaus bestehe kein verfassungspolitisches Bedürfnis und zudem würde sie zu sachlich nicht gerechtfertigten Unterschieden „ i n der Anwendung des Strafrechts" führen 1 2 5 ; mit anderen Worten: Der Sonderausschuß — und dessen Äußerung dürfte angesichts der unveränderten Übernahme der Vorschrift durch das Plenum die einzig maßgebende sein — war sich über die bloß strafrechtliche Bedeutung der Vorschrift durchaus i m klaren. Demgegenüber kann der teilweisen Wortgleichheit von A r t . 46 Abs. 1 GG und § 36 StGB keine entscheidende Bedeutung zukommen. Von der föderalistischen Struktur der Bundesrepublik her gesehen erscheint m i r die These am überzeugendsten, die Indemnität falle ausschließlich i n die Zuständigkeit des Landesverfassungsgebers und dem Bund bliebe nur die Kompetenz, die Auswirkungen auf die allgemeine 125 B T D 5/4095, S. 17.
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Β . Die gegenwärtige Rechtslage
Rechtsordnung zu regeln. Das Verhältnis der Staatsorgane zueinander, die Verteilung der Funktionen auf sie und ihre innere Organisation sind das Kernstück des Landesverfassungsrechts, das nicht angetastet werden kann, ohne daß der Föderalismus selbst i n Frage gestellt wird. Zu diesem Kernstück gehört zweifellos auch der Status der Abgeordneten mit allen seinen Einzelaspekten. Für ein Nebeneinander von Bundesrecht und Landesrecht bleibt dann insoweit kein Raum; auf A r t . 31 GG kann hier nicht zurückgegriffen werden. I n der Tat wollte der Bundestag mit dem § 36 StGB eine Vereinheitlichung des Indemnitätsschutzes wenigstens auf strafrechtlichem Gebiet herbeiführen. Ob dies rechtlich möglich ist, ist offenbar i m Gesetzgebungsverfahren nicht ausreichend geprüft worden. Es fällt jedenfalls auf, daß bei den Beratungen i n der 4. Wahlperiode der Vertreter des Bundes justizminist eriums i m Sonderausschuß die Ansicht vertrat, ein ausdrücklicher Vorbehalt zugunsten der Landesverfassungen sei nicht erforderlich, denn § 41 (im Entwurf Vorläufer des § 36 StGB) schließe nicht aus, daß die Landesverfassungen eine über diese Bestimmung hinausgehende Straffreiheit vorsähen. 126 Dies würde bedeuten, daß §36 StGB nur einen Mindestschutz garantieren w i l l . Von der historischen Entwicklung her gesehen scheint das zunächst so falsch nicht zu sein, denn i n der Anfangszeit des deutschen Parlamentarismus mußte erst einmal der Schutz der Abgeordneten von der Exekutive erkämpft werden; die Entwicklung i n den Einzelstaaten abzuwarten — zumal die i n Preußen —, schien den Initiatoren des § 11 RStGB nicht ratsam. 1 2 7 Heute ist aber die Notwendigkeit für einen Mindestschutz auf Bundesebene entfallen. Es ist müßig darzulegen, daß die Rechtsprechung des Preußischen Obertribunals längts überwunden ist, und auch ansonsten hat sich i m Strafrecht einiges geändert. § 193 StGB gewährt schon für sich einen ziemlich weitgehenden Schutz, worauf noch einzugehen sein wird. Es kann deshalb nicht als abwegig angesehen werden, wenn eine Landesverfassung auf eine Indemnitätsbestimmung überhaupt verzichten oder sie nach dem Hamburger Muster einschränken würde. 1 2 8 Hinzu kommt noch folgende Erwägung: Schlimmer als die Verschiedenheit des Rechtsschutzes für die Mitglieder der einzelnen Parlamente wäre ein unterschiedlicher Indemnitätsschutz für den Abgeordneten auf den einzelnen Rechtsgebieten, etwa wenn er wegen einer Äußerung bestraft, nicht aber auf Schadensersatz verklagt werden könnte oder 12« Protokoll der 39. Sitz., S. 731. 127 s. oben Abschnitt A , V , 4. 128 Einer sachlichen Rechtfertigung dafür bedürfte es — entgegen der A n sicht von Mang (S. 551) — nicht; der Status der Abgeordneten muß nicht überall u n d i n jeder Beziehung gleich sein u n d ist es hinsichtlich anderer Einzelaspekte auch gar nicht (Entschädigung, I m m u n i t ä t , Mandatsverlust usw.).
I V . Die Auslegung der geltenden Vorschriften
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umgekehrt. Die Indemnität muß — wenn sie ihren Zweck erreichen soll — einheitliche Auswirkungen haben, d.h. letzten Endes muß es dem einzelnen Verfassungsgeber überlassen bleiben, wie er die Indemnität insgesamt gestaltet. Folgt man diesen Erwägungen, so kommt man allerdings zu der von Meinhard Schröder aufgeworfenen Frage nach der verbleibenden Bedeutung des § 36 StGB. Soweit er den Bundestag betrifft, wiederholt er nur auf einer niedrigeren Rangstufe die Verfassungsbestimmung; für die Bundesversammlung ist er ebenfalls nicht notwendig, da § 7 des Gesetzes über die Wahl des Bundespräsidenten durch die Bundesversammlung 1 2 9 auf der gleichen Rangstufe, aber umfassender durch Bezugnahme auf A r t . 46 GG das Gleiche besagt. Für den Bereich der Landesparlamente hat er wenigstens keine materielle Bedeutung. Aber auch Tröndles Subsidiaritätstheorie 130 läßt sich von dem hier vertretenen Standpunkt aus nicht aufrecht erhalten. Abgesehen davon, daß eine nur subsidiäre Geltung des § 36 StGB nun wirklich nicht i n der Absicht des Gesetzgebers gelegen hat, ja, seinen Intentionen geradezu zuwider liefe, würde sie auch zu grotesken Ergebnissen führen: So würde etwa ein bayerischer Landtagsabgeordneter dann außerhalb der Landesgrenzen besser geschützt sein als i n Bayern selbst. Es bleibt deshalb nichts weiter übrig, als mit Meinhard Schröder eine Nichtigkeit des §36 anzunehmen, jedenfalls soweit er Landtagsabgeordnete betrifft. Noch ein Wort zum Schluß: Nimmt man es mit der Kompetenzregelung, wie sie eben dem Föderalismus entspricht, ernst, dann sind i n einigen (in der Praxis allerdings nicht sehr bedeutsamen) Fällen unebene Ergebnisse nicht zu vermeiden. Hier können die Parlamente nicht aus ihrer Verantwortung entlassen werden. Wer als Legislativorgan von der Hand i n den Mund lebt — undFriesenhahn hat dies zu Recht dem Bundesgesetzgeber angekreidet 1 3 1 —, darf sich nicht wundern, wenn die Auslegungsmethoden der Juristen nicht ausreichen, um zu vernünftigen Strukturen zu gelangen.
I V . D i e Auslegung der geltenden Vorschriften 1. Der persönliche Geltungsbereich
A r t . 46 Abs. 1 GG und die jeweiligen Landesverfassungsbestimmungen gelten immer nur für die Abgeordneten der entsprechenden Volksvertretung. Dies ergibt sich einmal aus der dargelegten Kompetenzver12» BGBl. I I I 1100-1. 130 Oben Abschnitt B, I I I , 3. « ι S. 515.
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Β . Die gegenwärtige Rechtslage
teilung, zum anderen aus dem systematischen Aufbau der einzelnen Verfassungen; so steht etwa Art. 46 i m I I I . Abschnitt des GG, der die Überschrift „Der Bundestag" trägt. Ferner deutet der enge Zusammenhang von „Abstimmung" und „Äußerung" darauf hin. 1 3 2 Eine Ausnahme gilt nur i n Hessen und Niedersachsen. A r t . 95 HessVerf bezieht sich auf ein „Mitglied des hessischen oder eines anderen deutschen Landtags", und i n Niedersachsen dehnt A r t . 58 den Anwendungsbereich einiger A r t i k e l — darunter des A r t . 14 — auf die „Volksvertretungen der Länder" aus. Die Anwendungsmöglichkeiten für diese Vorschriften dürften aber gering sein; es ist dabei etwa an eine gemeinsame Tagung eines Ausschusses des hessischen Landtages mit dem Parlamentsausschuß eines anderen Landes i n Hessen zu denken. Besucht hingegen der Bundestagspräsident den Hessischen Landtag und spricht dort vor dem Plenum, so ist er jedenfalls nicht durch die hessische Indemnitätsbestimmung geschützt, die sich ausdrücklich nur auf Landtagsabgeordnete bezieht. 133 Das gleiche gilt erst recht für den Präsidenten des Europäischen Parlaments. 134 Die Bayerische Verfassung bezieht auch die Mitglieder des Bayerischen Senats i n den Indemnitätsschutz ein (Art. 38 Abs. 2 BayVerf). Der Schutz der Mitglieder der Bundesversammlung ergibt sich aus § 7 des Gesetzes über die Wahl des Bundespräsidenten durch die Bundesversammlung. 1 3 5 Hingegen genießen die Mitglieder des Bundesrates keine Indemnität, auch dann nicht, wenn sie i m Bundestag sprechen. 136 Das gleiche gilt für Mitglieder der Regierung, soweit sie als solche auftreten (und nicht als Abgeordnete, falls sie beides sind); 1 3 7 die entgegengesetzte Ansicht 1 3 8 ist schon wegen des Wortlauts der Indemnitätsbestimmungen de lege lata unhaltbar. Die Behauptung Arndts 1™, der Bundeskanzler und die Bundesminister sprächen i m Bundestag 132 Maunz, in: MDHS, Erl. RdNr. 7 zu A r t . 46. 133 Ob er durch A r t . 46 Abs. 1 GG i n diesem F a l l geschützt ist, ist eine Frage der Bestimmung des funktionellen Bereichs dieser Vorschrift. 134 v g l . Beri PlPr 8/45, S. 1953 D; s. aber Abschnitt Β , I I , 1 Fn. 86. 135 Vgl. B G B l . I I I 1100-1. 13« E i n entsprechender Versuch des Bundesrates scheiterte (vgl. BR D 132/ 67). Daran ändert sich auch nichts, w e n n das Bundesratsmitglied gleichzeitig Landtagsabgeordneter ist (vgl. Protokoll d. 39. Sitz. d. BT-Sonderausschusses „Strafrecht"/4. W P am 27.1.1965, S. 732). 137 O V G Münster, DVB1.1967, S.51, 53; Magiera, in: B K , Erl. RdNr. 31 zu A r t . 46; Bettermann, DVB1.1965, S. 886, unter Hinweis auf die fehlende Ordnungsgewalt des Parlaments gegenüber Regierungsmitgliedern; Maunz, in: MDHS, Erl. RdNr. 7 zu A r t . 46; Rauball, in: v . M ü n c h , Erl. RdNr. 4 zu A r t . 46; Dickersbach, in: Geller / Kleinrahm, Erl. Nr. 4 zu A r t . 47; Barschel / Gebel, S. 151. 138 z. B. HeZZe, S. 1900. 13» DVB1. 1965, S. 954.
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nicht nur i n ihrer Eigenschaft als Mitglieder der Bundesregierung, sondern „unauflöslich" zugleich auch als Bundestagsabgeordnete, die mit einem A m t i n der Bundesregierung betraut sind, ist schon deshalb nicht richtig, weil damit die Regierung zu einem Exekutiv-Komitee des Parlaments degradiert w i r d 1 4 0 ; und warum sollte dieses Verhältnis unauflöslich sein? Arndt übersieht zudem — wenn dies auch nicht die Regel ist —, daß es auch Minister gibt, die nicht gleichzeitig Abgeordnete sind 1 4 1 . Und die klare Abgrenzung des Art. 46 Abs. 1 GG läßt sich auch nicht dadurch überwinden, daß man mit Witte-Wegmann 142 den Schutz auf das Parlament als Diskussionsgremium bezieht; dazu bedürfte es schon einer Verfassungsänderung. Schließlich ist es nicht zutreffend, daß i n der Praxis bei der Rede eines Ministers, der gleichzeitig Abgeordneter ist, dies nicht auseinandergehalten werden könnte — wie Witte-Wegmann behauptet 1 4 3 —; vielmehr pflegen die betreffenden Persönlichkeiten — soweit sich dies nicht schon aus den Umständen ergibt — deutlich zu machen, i n welcher Eigenschaft sie sprechen. Keine Indemnität genießen auch andere Personen, die vor dem Parlament sprechen, etwa der Wehrbeauftragte i m Bundestag 144 oder der Datenschutzbeauftragte i m Hessischen Landtag 1 4 6 , ebensowenig Sachverständige, die in einem Hearing gehört werden 1 4 0 . 2. Der funktionale Geltungsbereich
a) Plenum A r t . 46 Abs. 1 GG beschränkt den Schutzbereich (im Gegensatz zu Art. 36 WRV und manchen Landesverfassungsbestimmungen) für die Indemnität auf den Bundestag und seine Ausschüsse. Bundestag bedeutet nach dem allgemeinen Sprachgebrauch des GG das Plenum, denn die Verfassung unterscheidet auch an anderer Stelle zwischen „Bundestag" und „Ausschüssen" 147 . Der Tagungsort spielt dabei keine Rolle; 140 Recht deutlich BVerfGE 10, 4, 19: „Die Regierung ist mehr als Exponent der Parlamentsmehrheit. Die Reden der Minister können nicht n u r als eine Vertretung des Mehrheitsstandpunktes betrachtet werden." 141 Nach A r t . 108 BremVerf ist das A m t des Senatsmitgliedes sogar m i t der Mitgliedschaft i n der Bürgerschaft unvereinbar; zum sog. ruhenden Mandat vgl. HessStGH, N J W 1977, S. 2065. 142 Parlamentarische Redefreiheit, insbesondere S. 868 ff. 143 Parlamentarische Redefreiheit, S. 869. 144 Vgl. § 115 Abs. 1 B T G O u. B T PIPr 9/37, S. 1870 D. 145 Vgl. Hess PIPr 9/55, S. 3489; hingegen hat der Bundesbeauftragte für den Datenschutz k e i n Rederecht i m Plenum, u n d i h m w i r d auch v o m Bundestag keine Redemöglichkeit zugestanden (Vonderbeck, S. 69 ff., 73). ΐ4β BGH, N J W 1981, S.2117. 147 Vgl. z. B. A r t . 42 Abs. 3, A r t . 43 Abs. 1 u. 2.
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auch wenn das Plenum nicht i m Bundeshaus tagt, findet A r t . 46 Abs. 1 GG Anwendung, denn nur auf den Zusammenhang mit der parlamentarischen Tätigkeit kommt es an. 1 4 8 Ebensowenig muß es sich u m eine ordentliche Sitzung mit der üblichen Tagesordnung handeln; auch wenn der Bundestag aus besonderem Anlaß zu einer außerordentlichen Sitzung zusammentritt 1 4 9 , sind die Abgeordneten geschützt. Als äußeres Abgrenzungsmerkmal kann gelten, daß die Sitzung durch den Parlamentspräsidenten geleitet wird. Ist dies nicht der Fall — ζ. B. bei einer Feierstunde i m Plenarsaal 1 5 0 —, so fehlt der notwendige parlamentarische Zusammenhang. Es kommt aber nicht darauf an, ob die Sitzung öffentlich oder nichtöffentlich ist. Der zeitliche Rahmen für die Plenarsitzung ist durch die Eröffnung und die Schließung gegeben. Alles was vorher und nachher gesprochen w i r d — ζ. B. ein Zuruf aus den Reihen der Abgeordneten nach den letzten Worten des Präsidenten — w i r d (jedenfalls vom Begriff „Bundestag" ausgehend) von dem Schutz des A r t . 46 Abs. 1 GG nicht erfaßt. Entsprechendes gilt bei einer Unterbrechung der Sitzung (§ 40 BTGO). b) Ausschüsse Ausschüsse sind zunächst die Gremien, die das GG i n seinem I I I . Abschnitt so bezeichnet (Untersuchungsausschuß, A r t . 44 1 5 1 ; Ausschüsse für Auswärtige Angelegenheiten und für Verteidigung, A r t . 45 a; Petitionsausschuß, A r t . 45 c), ferner der Wahlprüfungsausschuß nach A r t . 41 GG und § 3 Wahlprüfungsgesetz. I n manchen Ländern (mit insoweit gleichlautender Bestimmung) kommen weitere Ausschüsse hinzu, ζ. B. die „Ständigen Ausschüsse", die zwischen den Wahlperioden die Rechte des Landtags wahrnehmen (Art. 36 B-WVerf, A r t . 12 NdsVerf), i n Hamburg der Bürgerausschuß (Art. 26), i m Saarland der Ausschuß für Gruben148 Magiera, in: B K , Erl. RdNr. 37 zu A r t . 46 m i t weiteren Zitaten. 149 Das Abgeordnetenhaus von B e r l i n hielt eine solche Sitzung ζ. B. am 20. Januar 1977 ab, bei der der französische Außenminister zum Parlament sprach, vgl. P l P r 7/47, S. 2031 ff. 150 Der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge veranstaltete ζ. B. am 15. November 1981 eine Feierstunde i m Plenarsaal des Bundestages; bei dieser Gelegenheit sprach u. a. Bundestagsvizepräsidentin Renger (Das Parlament, 31. Jahrg./Nr. 47 v. 21. November 1981, S. 9). 151 Maunz (in: MDHS, Erl. RdNr. 15 zu A r t . 46) macht für Untersuchungsausschüsse ohne weitere Begründung die Einschränkung, Äußerungen seien n u r geschützt, „sofern der Zusammenhang m i t dem Untersuchungsthema gew a h r t ist". Dies ist sach- u n d realitätsfremd. Es mag sein, daß der Zeuge die Aussage verweigern kann; aber oft w i r d sich erst nachdem die Frage gestellt worden ist, ergeben, ob ein Zusammenhang m i t dem Untersuchungsthema vorliegt. I m übrigen sehen das bayerische u n d das Berliner Gesetz über die Untersuchungsausschüsse (GVB1. 1970, S. 95, bzw. GVB1. 1970, S. 925) vor, daß der Vorsitzende nicht zur Sache gehörende Fragen zurückweisen k a n n (§15 Abs. 2 Satz 2 bzw. § 15 Abs. 3 Satz 2); dies sollte als Regulativ genügen.
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Sicherheit (Art. 80). Zu den Ausschüssen i m Sinne der Indemnitätsbestimmungen zählen nach Sinn und Zweck des Indemnitätsschutzes aber auch alle sonstigen i m Rahmen der parlamentarischen Geschäftsordnungsautonomie organisierten Gremien, die die Parlamente zur besseren Erledigung ihrer Aufgaben einrichten, wie etwa die ständigen Fachausschüsse nebst Unterausschüssen, Präsidium, Ältestenrat usw. 1 5 2 Aber auch i m übrigen wäre es verfehlt, sich an den Ausdruck „Ausschuß" zu klammern. Denn richtiger Ansicht nach erstreckt sich der Schutz der Indemnität weiter auf die Tätigkeit der Abgeordneten i n anderen Gremien — ohne Rücksicht auf ihre Bezeichnung und ihre Gesamtbesetzung —, die vom Parlament eingesetzt werden (ζ. B. Enquête-Kommissionen), an denen das Parlament als Organ beteiligt ist (für den Bundestag der Gemeinsame Ausschuß nach A r t . 53 a GG und der Vermittlungsausschuß nach A r t . 77 Abs. 2 GG) oder die i m Notfall an die Stelle des Parlaments treten (ζ. B. das Notparlament nach A r t . 62 B-WVerf, das allerdings auch i n normalen Zeiten nach § 19 B - W GO unterrichtet werden muß). Der Gemeinsame Ausschuß ist ähnlich konzipiert (Art. 115 a Abs. 2 GG), der auch Kontrollrechte i n Friedenszeiten besitzt (Art. 53 a Abs. 2 GG). 1 5 3 Für den Vermittlungsausschuß ist der Indemnitätsschutz i m Sonderausschuß Strafrechtsreform bezweifelt worden; aus rechtspolitischen Gründen wurde dann schließlich davon abgesehen, die Frage i m StGB zu regeln. 1 5 4 Allerdings hebt sich der Vermittlungsausschuß, was Aufgaben und Verfahren betrifft, deutlich von den Fachausschüssen des Bundestages ab 1 5 5 , jedoch ist insoweit die Tätigkeit der Abgeordneten als fortgesetzte Wahrnehmung ihrer organschaftlichen Funktion anzusehen, denn die Arbeit des Ausschusses dient dem Abschluß bestimmter, i m Bundestag behandelter Gegenstände. 156 Ein besonderes Wort muß zu den Enquête-Kommissionen gesagt werden. Auch hier stört offenbar manchen, daß derartige Kommissionen 152 Magiera, in: B K , Erl. RdNr. 38 zu A r t . 46. Für die Unterausschüsse ergibt sich dies — jedenfalls als Meinung des Bundestages — i m Gegenschluß aus den Ausführungen i n B T D 8/3460, S. 91. iss Für den Indemnitätsschutz der Abgeordneten i m Gemeinsamen Ausschuß auch Magiera, in: B K , Erl. RdNr. 40 zu A r t . 46; Delbrück, in: B K , Erl. RdNr. 13 zu A r t . 53 a. Hier k a n n m a n vielleicht wegen der Reduzierung i m Notfall auf ein Einkammer-System der Ansicht von Herzog (in: MDHS, Erl. RdNr. 24 zu A r t . 53 a) folgen, daß alle (!) Mitglieder Indemnität genießen. I m Sonderausschuß Strafrechtsreform bestand auch insoweit Unsicherheit. ΐδ4 B T D 5/4095, S. 17; allerdings wurde v o m Bundesjustizministerium die Frage bejaht (Protokoll d. 39. Sitz. d. Sonderausschusses „Strafrecht" d. B T / 4. WP, S. 735). iss Hasselsweiler, S. 39/40. 15« I m Ergebnis ebenso Ruland (S. 472 Fn. 102) u. Magiera (in: B K , Erl. RdNr. 40 zu A r t . 46); sowie Versteyl (ZParl 1975, S.292); a . A . Maunz (in: MDHS, Erl. RdNr. 15 zu A r t . 46) m i t der nicht überzeugenden Begründung, das Gremium setze sich nicht n u r aus Abgeordneten zusammen.
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zum Teil mit Sachverständigen besetzt sind. Das ändert aber nichts daran, daß sie Hilfsorgane des Parlaments sind, vor ihnen eingesetzt und auch unter dominierender Teilnahme von Abgeordneten arbeitend. 1 5 7 Sie sind faktisch Ausschüsse des Parlaments. Sie sind i n der Geschäftsordnung oder sogar in einem Gesetz verankert und hängen haushaltsrechtlich und organisatorisch vom Parlament ab. Wie das Parlament unterliegen sie der Diskontinuität. 1 5 8 Zu dem haben sie sich historisch gesehen aus den Untersuchungsausschüssen entwickelt; oft werden Enquête-Kommissionen noch nach den Regeln für Untersuchungsausschüsse abgewickelt. 159 Eine scharfe Abgrenzung zwischen den Aufgaben für Untersuchungsausschüsse und denen für Enquête-Kommissionen gibt es nicht. 1 6 0 Deshalb muß die Indemnität auch auf die Tätigkeit der Abgeordneten i n Enquête-Kommissionen ausgedehnt werden. 1 6 1 Bei den Richterwahlausschüssen w i r d man differenzieren müssen. Der Richterwahlausschuß nach A r t . 95 Abs. 2 GG ist ein völlig selbständiges Organ, i n das der Bundestag zwar Mitglieder wählt, die aber nicht notwendigerweise Bundestagsabgeordnete sein müssen. 162 Der Ausschuß t r i f f t zudem Entscheidungen i n eigener Verantwortung, die vom Bundestag nicht korrigiert werden können. 1 6 3 Hier von einem „Ausschuß" i m Sinne von A r t . 46 Abs. 1 GG sprechen zu wollen, ginge zu weit. 1 6 4 Hingegen ist das Wahlmännergremium nach § 6 BVerfGG (obwohl es 157 Nach §2 Abs. 2 des Berliner Gesetzes über Enquête-Kommissionen (GVB1. 1970, S. 1974) muß ein Abgeordneter den Vorsitz führen. § 56 B T GO läßt die Besetzungsfrage zwar weitgehend offen; Troßmann (Bundestag, S. 129) geht aber davon aus, daß Beschlüsse m i t A u ß e n w i r k u n g n u r m i t der Mehrheit der der Kommission angehörenden Abgeordneten gefaßt werden können. i « Treffend Rehfeld, S. 197; s. a. Bücker, in: Ritzel / Bücker, Erl. I V 2 zu §56. is» v g l . §68 a Abs. 2 Bre GO. Die Enquête-Kommission „Verfassungsreform" des Bundestages hatte allerdings auch die Einfügung eines besonderen A r t . 44 a i n das GG u n d den Erlaß eines Ausführungsgesetzes dazu empfohlen (Teil I : Parlament u n d Regierung, „ Z u r Sache" 3/76, S. 137/138). Nach § 56 B T GO dienen Enquête-Kommissionen der Vorbereitung von Entscheidungen über „umfangreiche u n d bedeutsame Sachkomplexe"; Bücker (in: Ritzel / Bücker, Erl. I 1 a zu § 56) bezeichnet die Festlegung, was darunter zu verstehen sei, als politische Frage. Troßmann (Bundestag, S. 121) meint, der Begriff sei „allgemein" gefaßt. Selbst nach den i n B e r l i n geltenden V o r schriften gibt es keine strikte Grenzlinie zwischen den möglichen Verhandlungsgegenständen eines Untersuchungsausschusses u n d einer Enquête-Kommission. I m Ergebnis ebenso Magiera (in: B K , Erl. RdNr. 40 zu A r t . 46) u. für die hamburgische Verfassung Bemzen / Sohnke, Erl. Nr. 5 zu A r t . 14; a. A . Linden (S. 108) m i t der Begründung, dies würde den Wortlaut der N o r m „ausufern" lassen. i«2 Vgl. A r t . 95 Abs. 2 GG, §§ 4 u. 5 Richterwahlgesetz. Vgl. §§ 12, 13 Richterwahlgesetz. Insoweit a. A . Magiera, in: B K , Erl. RdNr. 40 zu A r t . 46, ohne nähere Einzelbegründung.
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auch selbständige Entscheidungen trifft) schon von der Konstruktion her ein echtes Unterorgan des Bundestages. Erst recht erstreckt sich der Indemnitätsschutz auf Ausschüsse, die nur der Vorbereitung der Wahl i m Parlament dienen. 165 I n den Ausschüssen (und ähnlichen Gremien) genießt der Abgeordnete aber nur Indemnität, wenn er als Mitglied des Gremiums spricht, jedoch nicht, wenn er etwa als Zeuge vor einem Untersuchungsausschuß aussagt 166 oder als Sachverständiger i n einem Hearing. Zum Schluß ist noch eine Anmerkung notwendig. Das OVG Hamburg hat i n einer wenig bekannten Entscheidung 167 die Auffassung vertreten, nach Sinn und Zweck erfasse der Indemnitätsschutz nicht nur den einzelnen Abgeordneten, sondern auch das Parlament selbst. Da A r t . 14 H b g V e r f den Abgeordneten i m Interesse der Funktionsfähigkeit des Parlaments schützt, müsse der Indemnitätsschutz erst recht eingreifen, wenn das Parlament selbst zu bestimmten Äußerungen gezwungen oder zum Widerruf parlamentarischer Äußerungen angehalten werden solle. Dies ist wenig reflektiert. Ein Ausschuß (hier ging es u m den Eingabenausschuß) ist insoweit nicht einfach die Summe seiner Teile. Die Indemnität ist ein Privileg des einzelnen Abgeordneten, das der ungehinderten Diskussion i m Parlament und i m Verkehr mit der Regierung dient; dabei müssen gelegentliche Entgleisungen hingenommen werden. Bei Verlautbarungen des Parlaments und seiner Organe kann man aber erwarten, daß rechtswidrige Handlungen vermieden werden. 1 6 8 Diese Erwägungen werden durch den Umkehrschluß aus A r t . 44 Abs. 2 GG (und den entsprechenden Landes Verfassungsbestimmungen) gestützt: Nur bestimmte Beschlüsse eines Untersuchungsausschusses — und nur dieses Ausschusses — sind der richterlichen Nachprüfung entzögen. 169 Die Ratio dieser Vorschrift ist, daß bei Feststellungen i m Rahmen einer sog. Skandal-Enquête die Gefahr der Verletzung der Rechte Dritter sehr groß ist, andererseits das Parlament zur Erledigung dieser Aufgabe aber freie Hand haben muß. Dies ist also eine Ausnahmebestimmung! Sie wäre nicht nötig, wenn der ganze Ausschuß schon durch Art. 46 Abs. 1 GG geschützt wäre. 1 7 6 i*5 ζ. B. der Ausschuß zur Vorbereitung der W a h l der Mitglieder des Staatsgerichtshofes nach § 15 Nds GO. ι«« Maunz, in: MDHS, Erl. RdNr. 15 zu A r t . 46 u. i h m folgend Magiera, in: B K , Erl. RdNr. 39 zu A r t . 46. 167 Hamburgisches Justizverwaltungsblatt 1978, S. 6 ff. 168 i m Ergebnis ebenso O L G Saarbrücken (NJW 1953, S. 1151) für F r a k t i o nen u n d Gruppen m i t einer mehr auf den Begriff der persönlichen Verantw o r t u n g abstellenden Begründung. Vgl. auch unten Fn. 214. 16» s. dazu Rechenberg, in: B K , Erl. RdNr. 32 zu A r t . 44. 170 Eine noch ganz andere Frage ist, ob die betreffende Gebietskörperschaft für das Handeln ihres Parlaments u n d seiner Organe haftet. 8 Härth
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c) Fraktionen I m A r t . 46 Abs. 1 GG fehlt eine ausdrückliche Einbeziehung der Fraktionen i n den Indemnitätsschutz. Die Entstehungsgeschichte läßt offen, ob man bei Erarbeitung des GG an diese Frage überhaupt gedacht hat. 1 7 1 Einige Länderbestimmungen haben diesen Schritt vollzogen. 172 Die h. M. i n der L i t e r a t u r 1 7 3 bejaht heute den Schutz des Abgeordneten auch bei seinen Handlungen i n der Fraktion. Allerdings werden auch Bedenken geäußert. Magiera selbst verweist auf die restriktiven Tendenzen des GG gegenüber früheren Verfassungen und das Fehlen des politischen Gleichgewichts, das i m allgemeinen die sofortige Abklärung fragwürdiger Äußerungen eines Abgeordneten ermögliche. Wegen der organisatorisch verfestigten Einbeziehung der Fraktionen i n die Tätigkeit der Parlamente und der allgemeinen Vertraulichkeit der Fraktionsberatungen w i l l er dann jedoch die Bedenken zurückgestellt wissen. Maunz 174 meint, man werde A r t . 46 Abs. 1 GG auch auf die Fraktionen ausdehnen können, soweit die betreffenden Äußerungen i n Beziehung zur parlamentarischen Tätigkeit stünden, denn aus der Ratio der Vorschrift ergebe sich, daß es bei der Indemnität nicht so sehr auf die rechtliche Qualifikation des fraglichen Gremiums als auf seinen organisatorischen Zusammenhang mit dem Parlament abgestellt werden müsse. Ein solcher Zusammenhang sei aber bei den Fraktionen nicht zu bestreiten. Linden 175 spricht sich gegen eine pauschale Einbeziehung von Äußerungen i n den Fraktionen in den Schutz der Indemnität aus. Er verweist auf die Schwierigkeiten einer Abgrenzung zwischen Erklärungen mit einem parlamentarischen Bezug und solchen, die an ganz andere Adressaten gerichtet sind (wobei er allerdings den Fehler macht, Fraktion und Abgeordnete nicht auseinanderzuhalten). 176 Roll 177 hält die Privilegierung von Äußerungen i n den Fraktionen ebenfalls für problematisch. Bei der Einbeziehung der Fraktionsarbeit in den Indemnitätsschutz sieht er, ähnlich wie Linden, schwerwiegende Abgrenzungsprobleme. Auch er verweist auf die fehlende Korrekturi7i s. oben Abschnitt Β , I , 1. its A r t . 37 B - W Verf, A r t . 14 Nds Verf, A r t . 81 Abs. 2 S - L Verf. 173 Magiera, in: B K , Erl. RdNr. 41 zu A r t . 46 m i t weiteren Zitaten; soweit ich sehe, lehnen von den neueren Autoren n u r noch Schmidt-Bleibtreu / Klein (Erl. RdNr. 4 zu A r t . 46) die Einbeziehung der Fraktionen ab, allerdings ohne nähere Begründung u n d unter Bezugnahme auf die überholte Kommentierung von Schneider i m B K . 174 I n : MDHS, Erl. RdNr. 16 zu A r t . 46. 175 S. 108 ff. 17« Die weiteren Erwägungen Lindens über die Teilnahme von Gästen i n den Fraktionen verstehe ich — ehrlich gesagt — nicht. Wenn es Abgeordnete sein sollten, wo liegt da das Problem? 177 S. 1440.
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möglichkeit durch Parlamentsmitglieder anderer Fraktionen sowie die fehlende Ordnungsgewalt des Präsidenten. Die vorgebrachten Bedenken sind unbegründet. Zunächst einmal sind Abgrenzungsprobleme i n der Praxis nicht zu erwarten. Gemeint sind hier nur Fraktionssitzungen und nicht öffentliche Veranstaltungen. Die fehlende Korrekturmöglichkeit durch Politiker anderer Couleur ist gewiß ein Faktum, bei dem aber unterstellt wird, in einer Fraktion gäbe es nur Einheitsmeinungen; dies ist mitnichten der Fall. Über die j u r i stische Qualifizierung der Fraktionen mag man streiten. Ob man sie nun als „Teile und ständige Gliederungen" des Parlaments, „die durch dessen Geschäftsordnung anerkannt und mit eigenen Rechten ausgestattet sind," bezeichnet 178 oder als „ein an der Staatswillensbildung beteiligtes Staatsorgan sui generis" 1 7 9 , es w i r d von niemandem bestritten, daß die Fraktionen für den Willensbildungsprozeß i m Parlament von außerordentlicher Bedeutung sind. 1 0 0 Dies vor allem zwingt dazu, die Indemnitätsschutz auch auf Äußerungen i n den Fraktionen auszudehnen. Der Einwand, es fehle an einem Gegengewicht, wie sie die Ordnungsgewalt des Präsidenten i m Plenum darstellt, ist schon deshalb nicht schwergewichtig genug, weil dies auch für die Ausschüsse nur noch bedingt gilt.181 d) Andere Bereiche Eine Ausdehnung des Indemnitätsschutzes des Art. 46 Abs. 1 GG (und gleichlautender Landesverfassungsbestimmungen) auf andere Bereiche w i r d gegenwärtig von niemandem ernsthaft vertreten. 1 8 2 Nun gibt es, wie erwähnt, einige Verfassungsbestimmungen, die (im Anschluß an A r t . 36 WRV) den Indemnitätsschutz (nur) auf die Ausübung des Mandats (Beri, N-W, Rh-Pf) bzw. die Ausübung der Abgeordnetentätigkeit (Bre, Hes) beziehen. A r t . 37 B-W Verf erweitert den Indemnitätsschutz über die Aktivitäten i m Landtag, den Ausschüssen und den Fraktionen hinausgehend auf den Bereich der gesamten Mandatsausübung. Eine Sonderstellung nimmt A r t . 81 SL Verf ein: i n desΐ7β BVerfGE 20, 56, 104; s. auch BVerfGE 38, 258, 273. 170
Β or chert y S. 231, der auch den derzeitigen Meinungsstand wiedergibt. 180 M a n lese n u r dazu die an der Praxis orientierten Ausführungen v o n Nauber, S. 280 ff. s. dazu Bemzen, S. 39/40, sowie Schumacher, S. 175 ff. 182 Magiera, in: B K , Erl. RdNr. 42 zu A r t . 46, m i t weiteren Zitaten. Lediglich Röper (DVB1. 1980, S. 564) v e r t r i t t ohne nähere Begründung die Ansicht, die Indemnität gelte auch „ f ü r die allgemeine Bewertung von Vorgängen aus dem parlamentarischen Raum i n der Öffentlichkeit". Hemeyer (S. 177), der für eine Erweiterung e i n t r i t t , gibt ausdrücklich zu, daß die geschriebene V e r fassung keine weitere Auslegung i n dieser Richtung zuläßt, u n d w i l l seine Erwägungen verfassungspolitisch verstanden wissen. *
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sen Absatz 2 w i r d die „Ausübung des Mandats" dahingehend erläutert, daß sie (neben der Tätigkeit i m Landtag, den Ausschüssen und den Fraktionen) insbesondere umfasse „Verhandlungen mit der Landesregierung oder für die Landesregierung" und „als Mitglied einer Abordnung des Landtages". Die Einbeziehung von Fraktionen (auch soweit sie nicht ausdrücklich genannt werden) und Enquête-Kommissionen kann bei diesen Bestimmungen noch weniger zweifelhaft sein. 183 Zur Auslegung der genannten Vorschriften ist aber weiter festzustellen, daß auch sie ihrem Wortlaut nach dem Abgeordneten bei seinem Auftreten i n Partei- oder Wählerversammlungen keinen Schutz angedeihen lassen. Man kann auch davon ausgehen, daß dies von den Verfassungsvätern nicht gewollt war, die vermutlich die herrschende Lehre der Weimarer Z e i t 1 8 4 kannten. Dickersbach 185 meint, trotz ihres möglicherweise vorhandenen sachlichen Zusammenhangs mit der parlamentarischen Arbeit fehle solchen Äußerungen der unmittelbare Bezug zur organschaftlichen Betätigung; sie seien der allgemeinen politischen Tätigkeit des Abgeordneten zuzuordnen. Das gleiche gelte für Sprechstunden des Abgeordneten mit seinen Wählern. Wenn auch nicht zu verkennen sei, daß sich aus der Repräsentationsfunktion des Abgeordneten die Notwendigkeit des dauernden Kontaktes mit den Wählern ergebe, so sei dies doch zu weit von der Parlamentstätigkeit entfernt. Reh w i l l zwar die Tätigkeit i n Parteiorganisationen und als Wahlredner von der Abgeordnetentätigkeit geschieden wissen, da die M i t w i r k u n g an der politischen Willensbildung des Volkes durch die Parteien ebensowenig zum A m t eines Abgeordneten gehöre wie die Parteien zu den obersten Staatsorganen. Für die Sprechstunden mit den Wählern soll aber der Indemnitätsschutz gelten, da sich aus der Repräsentationsfunktion des Abgeordneten die Notwendigkeit des dauernden Kontaktes mit den Wählern ergebe. 186
183 Vgl. dazu Reh, in: Z i n n / S t e i n , Erl. Nr. 3 zu A r t . 95; Dickersbach, in: Geller / Kleinrahm, Erl. Nr. 5 b zu A r t . 47; Süsterhenn / Schäfer, Erl. Nr. 3 zu A r t . 93; u n d ich selbst, in: Pfennig / Neumann, Erl. RdNr. 2 zu A r t . 35. 184 o b e n Abschnitt A , V I , 1. 185 i n : Geller / Kleinrahm, Erl. Nr. 5 zu A r t . 47; ebenso Süsterhenn / Schäfer, Erl. Nr. 3 zu A r t . 93; Schranil (Erl. Nr. 2 zu A r t . 82) w i l l selbst für die saarländische Bestimmung Parteiversammlungen ausgenommen wissen; Kewenig / Magiera, S. 226; ferner L G Koblenz, N J W 1961, S. 125, m i t zustimmender A n m e r k u n g von Munzel für A r t . 93 Rh-Pf Verf u. O L G Saarbrücken, N J W 1953, S. 1150, für A r t . 82 SL Verf ; einengend auch L G Krefeld M D R 1966, S. 323, für A r t . 47 N - W Verf; unbestimmt Feuchte, in: Spreng / B i r n / Feuchte, Erl. Nr. 1 zu A r t . 37, jedoch soll nach Göbel (Erl. zu A r t . 37) der Verfassungsausschuß des B - W Landtages der Ansicht gewesen sein, die Indemnität gelte auch für Reden auf Partei- u n d Wählerversammlungen (wenig ergiebig die Stellungnahme des Ständigen Ausschusses v. 13.3.1981 — B - W D 8/1099). Eng auch das U r t e i l des B G H i n Ζ Pari 1970, S. 436.
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Dagegen muß man zunächst einwenden — und hier sind die Begriffe „Mandatsausübung" und „Abgeordnetentätigkeit" gleichzusetzen —, daß genau besehen der Abgeordnete ein Mandat seiner Wähler für die M i t arbeit i m Parlament hat, und daß das Gespräch mit den Wählern nur dazu dient, sich Anregungen für die Ausübung des Mandats zu holen (an Aufträge ist der Abgeordnete ohnehin nicht gebunden) bzw. über die Ausübung des Mandats zu berichten, und eben selbst keine Mandatsausübung darstellt. I m Ergebnis läuft das auf eine Beschränkung der Indemnität auf die von Dickersbach als Abgrenzungsmerkmal benutzte „organschaftliche Betätigung" hinaus. Dies ist auch keine Spitzfindigkeit, weil eine scharfe und restriktive Eingrenzung des Indemnitätsschutzes notwendig ist, denn es handelt sich nun einmal u m ein Privileg, also eine Ausnahme vom Gleichheitsgrundsatz. Daran kann auch nichts ändern, daß sich das Aufgabenfeld des Abgeordneten i m Laufe der Zeit erheblich verändert hat, insbesondere ist der Abgeordnete heute sehr viel stärker i m vorparlamentarischen Raum tätig als früher. Eine Ausdehnung des Indemnitätsschutzes auf diesen Bereich muß aber Sache des Verfassungsgebers bleiben. Über die sachliche Berechtigung einer solchen Ausweitung w i r d noch zu sprechen sein. Eine spezielle Frage ist, wie es mit Äußerungen des Abgeordneten gegenüber den Massenmedien steht. Für das GG und gleichlautende Landesverfassungen w i r d überwiegend die Ansicht vertreten, daß Äußerungen außerhalb des Parlaments nicht von der Indemnität gedeckt seien, also auch nicht Erklärungen gegenüber der Presse. 187 Lediglich Barschel / Gebel sind für A r t . 17 Abs. 1 S-H LS ohne nähere Begründung der Auffassung, der Schutz der Indemnität müsse auch für M i t teilungen gegenüber der Presse gelten, die ein Abgeordneter i m Auftrag seiner Fraktion zu einem parlamentarischen Vorgang abgebe. 188 Dem muß widersprochen werden. Es ist nicht zu rechtfertigen, daß die Interpretation i n dieser Richtung gedehnt wird. Die durch die Vorschriften vorgegebene Beschränkung auf Plenum und Ausschüsse (unter Einschluß der Fraktionen) muß als klare Abgrenzung gegen den Außenbereich verstanden werden, zumal bei den Beratungen zum späteren § 36 StGB i m Bundestag selbst über den Schutz von Äußerungen i n den Fraktionen und i m Vermittlungsausschuß Zweifel bestanden; schon gar nicht ist dort erkennbar, daß der Bundestag eine Ausdehnung auf Erklärungen in den Massenmedien für notwendig und nützlich erach18« I n : Z i n n / Stein, Erl. Nr. 3 zu A r t . 95. Er scheidet aber m i t Recht die Tätigkeit von Abgeordneten i n nichtparlamentarischen Gremien — auch w e n n sie v o m Parlament dort h i n e i n gewählt worden sind (z.B. Rundfunkräte) — aus. Magiera, in: B K , Erl. RdNr. 42 zu A r t . 46, m i t weiteren Zitaten, iss Erl. C I I 5 b zu A r t . 17.
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tete. 1 6 9 Bei den abweichend formulierten Landesverfassungen liegt dies anders. Dazu gibt es eine Reihe von Gerichtsentscheidungen. Das OLG Saarbrücken meinte für die SL Verf 1 9 0 , Äußerungen des Abgeordneten i n der Presse gehörten grundsätzlich zu dem Gebiet der allgemeinen Politik und stünden nicht i m Zusammenhang mit der parlamentarischen Berufsausübung; eine Ausnahme sei allenfalls denkbar, wenn ein Abgeordneter i m besonderen Auftrage des Parlaments der Presse eine Mitteilung mache. Das K G wiederum lehnte jedenfalls den Schutz auch dann ab, wenn der Abgeordnete i m besonderen Auftrag seiner Fraktion handelte. 1 9 1 I n die gleiche Richtung ging die Entscheidung des StGH Bremen 1 9 2 , der aber für A r t . 94 Bre Verf offen ließ, ob und inwieweit Äußerungen i m Auftrage des Parlaments oder eines parlamentarischen Ausschusses geschützt seien; der Auftrag einer Fraktion könne nicht dem Auftrag des Plenums oder eines Ausschusses gleichgestellt werden, denn die Fraktionen hätten eine Doppelstellung: Sie seien einerseits verfassungsmäßig formierte Staatsorgane und andererseits Teil einer politischen Partei. Dem haben Rehm und Dickersbach 194 widersprochen; beide wollen auch Erklärungen i m Auftrag der Fraktion miteinbeziehen, denn dies — so Reh — sei Ausübung der Abgeordnetentätigkeit, wobei allerdings Dickersbach insgesamt einschränkend anmerkt, der Abgeordnete dürfe nicht die Gelegenheit benutzen, vor oder i n der Presse oder i m Rundfunk Äußerungen zu machen, die über den Auftrag hinausgingen und mit diesem nichts zu t u n hätten. Dem ist zuzustimmen. Erklärungen gegenüber den Massenmedien können begrifflich nicht von der „Mandatsausübung" bzw. der Abgeordnetentätigkeit getrennt werden; sie stehen i n unmittelbarem Zusammenhang mit der organschaftlichen Betätigung. Sehr viel größer ist der Schutzbereich der landesverfassungsrechtlichen Indemnitätsbestimmungen, die auf die „Mandatsausübung" bzw. die „Abgeordnetentätigkeit" abstellen, gegenüber A r t . 46 Abs. 1 GG nicht. Die äußerste Grenze markiert A r t . 81 Abs. 2 SL Verf, so daß noch Verhandlungen mit der Landesregierung darunter subsumiert werden können. Dies würde ζ. B. den Fall abdecken, daß sich ein Abgeordneter mit einem Schreiben direkt an die Landesregierung wendet. 1 9 5 Dem Hinweis i n der genannten Vorschrift auf die Tätigkeit i n einer Abordnung 18» Oben Abschnitt Β , I, 3. 190 N J W 1953, S. 1150. 191 Ζ Pari 1975, S. 290. 192 A m t l . Samml., Bd. 1 S. 145 ff., 158. i»3 I n : Z i n n / Stein, Erl. 3 zu A r t . 95. 194 i n : Geller / Kleinrahm, Erl. 5 b zu A r t . 47. 195 a . A . L G Krefeld, M D R 1966, S. 223/224. — Verhandlungen „ f ü r die Landesregierung" sind hingegen Exekutivtätigkeit u n d keine Mandatsausübung; was A r t . 81 Abs. 2 SL Verf damit meint, bleibt i m Dunkeln.
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des Landtages kommt mit Rücksicht auf den räumlich begrenzten Geltungsbereich der jeweiligen Bestimmung keine große praktische Bedeutung zu. 3. Der territoriale Geltungsbereich
Diese Frage ist nicht mit der nach dem persönlichen Geltungsbereich 1 ^ zu verwechseln. Ging es dort darum zu klären, für wen die Norm gilt, so ist hier zu entscheiden, wo und wem gegenüber der Abgeordnete durch die für ihn geltende Norm geschützt ist. Für die Bundestagsabgeordneten (und die Mitglieder der Bundesversammlung) ist die Antwort einfach: Die Indemnität schützt sie i m gesamten Bundesgebiet und gegenüber allen Bundes- und Landesorganen. Aus dem interlokalen Kollisionsrecht i n einem Bundesstaat folgt aber, daß die jeweiligen Bestimmungen der Landesverfassungen nur innerhalb der Grenzen des betreffenden Landes gelten. 1 9 7 Ein Landtagsabgeordneter, der außerhalb der Landesgrenzen als solcher tätig w i r d (was allerdings nur ausnahmsweise i n Betracht kommt, ζ. B. bei der Sitzung eines Ausschusses i m Gebäude der Landesvertretung i n Bonn 1 9 8 ), ist also ohne jeglichen Indemnitätsschutz. Das ergibt sich auch aus dem Fehlen einer Parallelnorm zu § 152 a StPO, der jedenfalls selbst die Indemnität nicht m i t umfaßt, sondern nur für die Immunität g i l t . 1 9 9 W i r d hingegen der Landtagsabgeordnete innerhalb der Landesgrenzen tätig, so haben auch die Organe des Bundes die betreffende verfassungsrechtliche Bestimmung anzuwenden. 200 Den Fall, daß hier das Organ eines anderen Landes tätig wird, w i r d selten sein. Immerhin kann etwa die beleidigende Äußerung eines Abgeordneten einen Bürger i n einem anderen Land treffen. 2 0 1 Dann w i r d man wohl mit Dickersback 202 annehmen müssen, Oben Abschnitt Β , I V , 1. Insoweit gleicher Ansicht Dickersbach, in: Geller / Kleinrahm, Erl. Nr. 2 zu A r t . 47, u. Reh, in: Z i n n / Stein, Erl. Nr. 1 e zu A r t . 95; s. dazu auch den Meinungsstreit zwischen Lässig (DÖV 1976, S. 727) u n d Behrendt (DÖV 1977, S. 92) über den Geltungsbereich der landesrechtlichen Vorschriften über die Untersuchungsausschüsse. iw Das aus dem Völkerrecht bekannte I n s t i t u t der Exterritorialität k o m m t dafür nicht i n Betracht. Dünnebier, in: Löwe / Rosenberg, Erl. RdNr. 4 zu § 152 a; Kleinknecht, Erl. RdNr. 3 zu § 152 a; Schweiger (in: Nawiasky u. a., Erl. RdNr. 2 zu A r t . 27) ist hier offensichtlich einem I r r t u m erlegen. 200 Ebenso Dickersbach, in: Geller / Kleinrahm, Erl. Nr. 2 zu A r t . 47. Jedenfalls ist das für die Oberen Bundesgerichte als Revisionsinstanzen selbstverständlich (vgl. z. B. § 337 StPO). Der früher erörterte F a l l (vgl. Dünnebier, in: Löwe / Rosenberg, Erl. RdNr. 2 zu § 152 a), daß ein Bundesgericht i n erster Instanz zuständig ist, ist gegenwärtig wegen § 135 G V G nicht mehr aktuell. 201 Trödle's Distanzdelikt, vgl. oben Abschnitt B, I I I , 3. 202 i n : Geller / Kleinrahm, Erl. Nr. 2 zu A r t . 47; s. a. Drexelius / Weber, Erl. Nr. 5 zu A r t . 14. 197
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daß hier der Indemnitätsschutz ebenfalls versagt. Eine Analogie (zugunsten des Beschuldigten) aus A r t . 2 Nr. 1 EGStGB scheint m i r nicht möglich zu sein, da diese Vorschrift nur für die landesstrafrechtlichen Tatbestände gilt. Wem das alles zu kompliziert und unvernünftig erscheint, der lese noch einmal i n Ruhe die Bemerkung oben Abschnitt B, I I I , 6 a. E.! 4. Der zeitliche Geltungsbereich
Der Indemnitätsschutz beginnt für den Bundestagsabgeordneten mit der Annahme der Wahl, frühestens jedoch mit dem Ende der Wahlperiode des vorhergehenden Bundestages, d. h. i m Regelfall mit der Eröffnung der konstituierenden Sitzung, denn erst dann kann das Mandat ausgeübt werden. 2 0 3 Dies ergibt sich aus A r t . 39 Abs. 1 Satz 2 GG und gilt auch für den Fall der vorzeitigen Auflösung des Bundestages (Art. 39 Abs. 1 Satz 4 GG). 2 0 4 Bei später eintretenden Abgeordneten ist der Tag der Annahme der Wahl entscheidend, falls das zu übernehmende Mandat frei ist (vgl. §§ 45 ff. BWG). Ähnliches gilt für die Länder, wobei anzumerken ist, daß nur i n drei Ländern die Wahlperioden nahtlos aneinanderstoßen wie i m Bund (Art. 39 VvB, A r t . 67 Abs. 1 Satz 1 und 2 SL Verf, A r t . 10 Abs. 1 Satz S-H LS), für Hamburg ist das bei der Auflösung des Parlaments umstritten. 2 0 5 I n den übrigen Ländern gibt es mehr oder weniger regelmäßig eine „parlamentslose Zeit" von unterschiedlicher Dauer, so daß es stärker für den Beginn des Indemnitätsschutzes auf die Annahme der Wahl ankommen wird. Soweit es dann schon Mitglieder des neuen Parlaments gibt, können auch be203 Vgl. i m übrigen § 45 B W G . Daran ändert sich auch nichts dadurch, daß der Abgeordnete möglicherweise vorher Bezüge erhält (vgl. § 32 AbgG). 204 Auch bei der Auflösung des Bundestages endet die Wahlperiode erst m i t dem Zusammentritt des neuen Parlaments (so richtig Schmidt-Bleibtreu / Klein, Erl. RdNr. 5 zu A r t . 39 unter Hinweis auf B T D 7/5491, S. 6: „Der Rechtsausschuß w a r sich darüber einig, daß nach der gewählten Formulierung auch i m Falle der Auflösung die Wahlperiode des aufgelösten Bundestages erst m i t dem Zusammentritt des neugewählten Bundestages endet."). Angesichts des klaren Wortlauts des A r t . 39 Abs. 1 GG, der zitierten Ausführungen des Rechtsausschusses u n d des Umstandes, daß bei der Neufassung des A r t . 39 GG u. a. die Bestimmung über den Ständigen Ausschuß (Art. 45 GG) gestrichen wurde, erstaunlich die entgegengesetzte Kommentierung von Magiera, in: B K , Erl. RdNr. 49 zu A r t . 46, gestützt auf die nicht minder erstaunlichen Ausführungen von Maunz, in: MDHS, Erl. RdNr. 30 zu A r t . 39. 205 Das ist offenbar auch nach der neuesten Verfassungsänderung (Hbg GVB1. 1982, S. 117) so geblieben. Nach Dr exelius / Weber (Erl. Nr. 5 zu A r t . 11) f ü h r t i m F a l l der Auflösung die alte Bürgerschaft die Geschäfte gemäß A r t . 12 Abs. 2 bis zur ersten Sitzung der neugewählten Bürgerschaft weiter, „so daß k e i n V a k u u m e i n t r i t t " . Bemzen / Sohnke (Erl. RdNr. 4 zu A r t . 10) sind hingegen der Ansicht, m i t der Auflösung der Bürgerschaft gehe diese „unter" u n d die Geschäfte, die die alte Bürgerschaft bis zum Zusammentritt der neuen weiterführe, seien n u r solche, die notwendig, seien, u m den organisatorischen Erfordernissen u n d rechtlichen Verpflichtungen nachzukommen.
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reits Fraktionssitzungen stattfinden; für den Bundestag (und i n den Ländern mit ähnlicher Regelung) ist das ausgeschlossen.206 Umfaßt werden alle geschützten Verhaltensweisen während der Mandatsdauer, wobei völlig gleichgültig ist, aus welchem Grund das Mandat endet (Ablauf der Wahlperiode, Verzicht usw.). Beim Ablauf der Wahlperiode ist die Eröffnung der konstituierenden Sitzung des neuen Parlaments bzw. der Fristablauf die genaue zeitliche Grenze. Für die übrigen Fälle gibt es gewöhnlich gesetzliche Regelungen, ζ. B. für die Bundestagsabgeordneten i m § 47 Abs. 2 und 3 BWG. Der Abgeordnete w i r d auch dann während der tatsächlichen Mandatsdauer geschützt, wenn seine Partei nachträglich für verfassungswidrig erklärt w i r d . 2 0 7 Dort wo es zwischen den Wahlperioden „Ständige Ausschüsse" oder ähnliche Institutionen gibt, genießen deren Mitglieder (und manchmal auch ihre Stellvertreter) sowie (oder nur) Präsidiumsmitglieder einen verlängerten Indemnitätsschutz (Art. 44 B - W Verf, A r t . 32 Abs. 1 Bay Verf, A r t . 85 Hess Verf, A r t . 18 Nds Verf, A r t . 40 N - W Verf, A r t . 92 Rh-Pf Verf). Die Indemnität gibt dem Abgeordneten einen Schutz auf Lebenszeit, also auch nach seinem Ausscheiden aus dem Parlament. Dieser Schutz steht — anders als bei der Immunität — nicht zur Disposition des Parlaments. Das ergibt der klare Wortlaut der Verfassungsbestimmungen und ist bisher nicht ernsthaft bezweifelt worden. 2 0 8 5. Geschützte Verhaltensweisen
Geschützt ist zunächst nach allen Verfassungsbestimmungen die Abstimmung. Auf die A r t der Abstimmung — ob offen, geheim oder namentlich — kommt es nicht an. 2 0 9 Wahlen sind ein Unterfall der Abstimmung. Es ist ferner gleichgültig, — was Gegenstand der Abstimmung ist 2 1 0 , und infolgedessen auch, ob es sich u m eine Einzelabstimmung oder eine Schlußbestimmung handelt; 2oe Vgl. § 10 B T GO. 207 Dickersbach, in: Geller / Kleinrahm, Erl. Nr. 4 zu A r t . 47; Reh, in: Z i n n / Stein, Erl. Nr. 4 zu A r t . 95. Magiera, in: B K , Erl. RdNr. 48 zu A r t . 46, m i t weiteren Zitaten. Die entgegengesetzten Bemerkungen von Rauball (in: v. Münch, Erl. RdNr. 13 zu A r t . 46) u n d Stern (S. 836) beruhen w o h l aüf Redaktionsfehlern. — Über den Hamburger Sonderfall w i r d noch zu reden sein. 200 Vgl. zu den Abstimmungsarten Achterberg, Verhandlung, S. 109 ff. 210 υ. Mangoldt / Klein (Erl. I I I 4 zu A r t . 46) u n d ihnen folgend Maunz (in: MDHS, Erl. RdNr. 12 zu A r t . 46), Rauball (in: v. Münch, Erl. RdNr. 7 zu A r t . 46) sowie Magiera (in: B K , Erl. RdNr. 34 zu A r t . 46) interpretieren den
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— w o a b g e s t i m m t w i r d , i m P l e n u m , i m Ausschuß, i n der F r a k t i o n 2 1 1 oder g a r a u ß e r h a l b j e d e r S i t z u n g i m „ U m l a u f v e r f a h r e n " 2 1 1 2 ; auch „Probeabstimmungen" i n der F r a k t i o n fallen darunter; — w i e der A b g e o r d n e t e sich v e r h ä l t ; er w i r d gerade auch d a n n geschützt, w e n n er m e h r oder w e n i g e r d e m o n s t r a t i v der A b s t i m m u n g fern bleibt213; — ob die A b s t i m m u n g g ü l t i g i s t 2 1 4 . W e i t e r s i n d geschützt „ Ä u ß e r u n g e n " . E i n e A u s n a h m e m a c h t n u r B a y ern, w o A r t . 27 d e r V e r f a s s u n g a u s d r ü c k l i c h n u r f ü r A b s t i m m u n g e n die I n d e m n i t ä t g e w ä h r t . 2 1 5 „ Ä u ß e r u n g e n " ist i m w e i t e s t e n S i n n e z u v e r stehen. I n h a l t l i c h umfassen sie d i e M i t t e i l u n g v o n Tatsachen u n d v o n M e i n u n g e n , ganz gleich w e l c h e W i r k u n g d a m i t b e i m E m p f ä n g e r h e r v o r g e r u f e n w e r d e n s o l l 2 1 6 , aber auch bloße W i l l e n s ä u ß e r u n g e n 2 1 7 . Es k o m m t n i c h t d a r a u f an, ob d e m A b g e o r d n e t e n das W o r t e r t e i l t w o r d e n ist; u n t e r d e n Schutz f a l l e n a l l e Reden, Z w i s c h e n f r a g e n , Z w i s c h e n r u f e , F r a g e n i n der F r a g e s t u n d e u n d D i s k u s s i o n s b e i t r ä g e . 2 1 8 F ü r die I n d e m n i t ä t ist w e i t e r g l e i c h g ü l t i g , ob d e r A b g e o r d n e t e i n deutscher Sprache s p r i c h t . 2 1 9 F e r n e r w e r d e n n i c h t n u r m ü n d l i c h e , s o n d e r n auch s c h r i f t l i c h e Begriff „Abstimmung" ohne nähere Begründung einengend als „Entscheidung über die dem B T u n d seinen Ausschüssen zur Beschlußfassung überwiesenen Vorlagen". Richtiger schon — aber immer noch zu eng — Reh (in: Z i n n / S t e i n , Erl. Nr. 2 zu A r t . 95), der unter A b s t i m m u n g „jede nach der GO (§§ 106, 108) zulässige Stimmabgabe i. S. des A r t . 88" verstehen w i l l . Undeutlich Dickersbach, in: Geller / Kleinrahm, Erl. 5 a zu A r t . 47. 211 Ebenso Schweiger, in: Nawiasky u. a., Erl. RdNr. 4 zu A r t . 27. 212 ζ. B. § 72 B T GO. 213 Ebenso Dickersbach, in: Geller / Kleinrahm, Erl. 5 a zu A r t . 47. 214 Die bei Maunz (MDHS, Erl. RdNr. 12 zu A r t . 46) u n d i m Anschluß daran bei Rauball (in: v. Münch, Erl. RdNr. 7 zu A r t . 46) nachzulesende Anmerkung, unter A b s t i m m u n g sei nicht die Gesamtstimmabgabe aller Abgeordneten, sondern n u r die Stimmabgabe des einzelnen Parlamentsmitgliedes zu verstehen, hat offenbar den gleichen I n h a l t w i e meine Erläuterungen A b schnitt Β , I V , 2 b a. E. sis Vgl. dazu die Entstehungsgeschichte oben Abschnitt Β , I, 2 b. Ebenso Meder, Erl. zu A r t . 27, u n d Schweiger, in: Nawiasky u. a., Erl. RdNr. 4 zu A r t . 27, die allerdings einen ergänzenden Schutz durch § 36 StGB i m strafrechtlichen Bereich annehmen; ferner O L G München, BayVerwBl. 1975, S. 54. Die entgegengesetzte Ansicht von Mang (S. 551), der meint, eine Schlechterstellung der Abgeordneten des Bayerischen Landtages sei grundsätzlich nicht zu rechtfertigen, ist abwegig; ein aus dem Zusammenhang gerissenes Zitat von Radbruch ist dafür keine ausreichende Begründung. 21« Magiera, in: B K , Erl. RdNr. 35 zu A r t . 46. 217 Maunz, in: MDHS, Erl. RdNr. 13 zu A r t . 46; Rauball, i n : v. Münch, Erl. RdNr. 8 zu A r t . 46; v. Mangoldt / Klein, A n m . I I I 5 zu A r t . 46. 2i« Reh, in: Z i n n / Stein, Erl. 2 zu A r t . 95. 219 Er k a n n z.B. auch ein Zitat i n lateinischer Sprache verwenden. Wenn er allerdings eine Sprache benutzt, die v o n niemandem verstanden w i r d , so w i r d der Präsident dies zu unterbinden haben.
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Äußerungen von der Indemnität gedeckt. 220 Weder bei einer mündlichen noch bei einer schriftlichen Äußerung kommt es darauf an, ob der Präsident sie zuläßt oder rügt. Bei einer schriftlichen Anfrage ist allein entscheidend, ob der Abgeordnete sie in den vorgeschriebenen Geschäftsgang gegeben hat. 2 2 1 Allerdings ist dem B G H 2 2 2 zuzugeben, daß der Abgeordnete sich nicht mehr auf die Indemnität berufen kann, wenn er die Äußerung der Presse weiterreicht, denn dies hat mit dem Zweck des Indemnitätsschutzes, dem Abgeordneten insbesondere gegenüber der Regierung genügend Spielraum für eine klare, deutliche und vielleicht — aus taktischen Gründen — sogar polemische Sprache zu geben, nichts mehr zu tun. 2 2 3 Dabei ist unbeachtlich — insoweit sind die Ausführungen des BGH nicht ganz verständlich —, ob eine Veröffentlichung i n der Presse „wesensmäßiger Teil" des parlamentarischen Verfahrens ist. Die gegen den BGH gerichtete temperamentvolle K r i t i k von Röper 224 geht jedenfalls verfassungsrechtlich ins Leere. Es ist gerade nicht Zweck der Indemnitätsbestimmungen, die Unterrichtung der Öffentlichkeit über „unverarbeitete Interessenkonflikte" zu gewährleisten oder die Bemühungen der Abgeordneten zu unterstützen, „partielle Interessenforderungen durch deren Veröffentlichung und Gegenüberstellung mit entgegengesetzten Positionen abzuwehren bzw. einzudämmen". Das gleiche gilt von der These Meyer-Hesemanns 225, die Veröffentlichung schriftlicher Anfragen vor ihrer Beantwortung sei ein legitimes Mittel der Abgeordneten, ihre Kontrollmöglichkeiten gegenüber der Regierung effizienter zu gestalten. W i r d eine schriftliche Anfrage nicht oder verzögert beantwortet, so das Parlament nach der Verfassung ausreichende Sanktionsmöglichkeiten gegen die Regierung. Jedenfalls kann 220 Dies ist allgemeine Meinung, vgl. die Zitate oben Fn. 216 - 218. Schröder (Rechtsfragen, S. 26/27) meint zwar, das U r t e i l i n Β GHZ 75, 384 ff., wecke Zweifel, ob schriftliche Äußerungen des Abgeordneten, insbesondere A n f r a gen überhaupt unter den Schutz fallen, n i m m t aber selbst zu dieser Frage nicht Stellung. 221 So m i t Recht Kewenig / Magiera, S. 227/228. — Die von den genannten Autoren aufgeworfene Frage, wie es m i t der Indemnität steht, w e n n das Manuskript einer Rede, die erst gehalten werden soll, ohne Z u t u n des Abgeordneten i n die Öffentlichkeit gelangt, haben sie selbst als Scheinfrage erkannt; es liegt dann überhaupt noch keine rechtlich relevante Willenserklärung vor (S. 225/226). — Wie hier auch Friesenhahn (S. 518/519), der i m A n schluß an L G Koblenz (NJW 1961, S. 125/126) m i t Recht selbst dann den I n demnitätsschutz verneint, wenn eine Äußerung i m Parlament außerhalb des Hohen Hauses wiederholt w i r d . 222 B G H Z 75, 384 ff., 388/389. 223 Treffend der B G H aaO, S. 387: „Aufgabe dieses Schutzes ist es, vor dem Forum des Parlaments eine Diskussion frei von Rücksichten auf D r i t t e zu ermöglichen, die durch Äußerungen eines Abgeordneten betroffen sein könnten." 224 DVB1. 1980, S. 563/564. V ö l l i g neben der Sache liegt die K r i t i k von Warnecke, ZParl 1980, S. 540. 225 s . 290.
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Β . Die gegenwärtige Rechtslage
die Einführung zusätzlicher Druckmittel nicht auf Kosten des betroffenen (beleidigten) Bürgers gehen, den die Verfassung ebenso schützen w i l l wie den Abgeordneten. Die vom Verfassungsgeber gezogene Grenzlinie kann nicht durch eine veränderte Arbeitsweise der Abgeordneten beseitigt werden. Weiter stellen aber auch konkludente Handlungen Äußerungen i m Sinne der einschlägigen Bestimmungen dar, soweit sie als Ersatz für das gesprochene bzw. geschriebene Wort gelten können, also ζ. B. Handaufheben, Gebärden, Klatschen usw. Lediglich Tätlichkeiten sind nach allgemeiner Meinung ausgeschlossen.226 Allerdings müssen die Äußerungen eine Beziehung zur Mandatsausübung haben; ein Privatgespräch zwischen Abgeordneten i m Plenarsaal oder der Zuruf eines Abgeordneten von der Zuschauertribüne aus bleiben ungeschützt. 227 6. Umfang des Schutzes
Einigkeit besteht zunächst einmal darüber, daß unter „gerichtlicher" und „dienstlicher" Verfolgung bzw. sonstigem „zur Verantwortung ziehen jede straf gerichtliche, disziplinarrechtliche und ehrengerichtliche Verfolgung zu verstehen ist. 2 2 8 Positivrechtlich ausgenommen ist nach A r t . 46 Abs. 1 Satz 2 GG und einigen Landesverfassungsbestimmungen nur die verleumderische Beleidigung, womit der Tatbestand des § 187 StGB (Verleumdung) gemeint ist. 2 2 9 Diese Einschränkung ist verhält22« Maunz, in: MDHS, Erl. RdNr. 13 zu A r t . 46; Magiera, in: B K , Erl. RdNr. 23 zu A r t . 46; Rauball, in: v . M ü n c h , Erl. RdNr. 8 zu A r t . 46; v.Mangoldt / Klein, Erl. I I I 5 zu A r t . 46; Feuchte, in: Spreng / B i r n / Feuchte, Erl. Nr. 2 zu A r t . 37; Reh, in: Z i n n / S t e i n , Erl. Nr. 2 zu A r t . 95; Süsterhenn / Schäfer, Erl. Nr. 3 zu A r t . 93; Schranil, Erl. Nr. 3 zu A r t . 82; Linden, S. 105. — K e i n Präsident muß allerdings dulden, daß das Hohe Haus i n ein Kabarett u m f u n k t i o niert w i r d . E i n Abgeordneter, der i m Schottenrock i m Plenarsaal erscheint, „ u m die Notwendigkeit eisernen Sparens auch optisch zu unterstreichen", — so kürzlich geschehen i n der Bezirks Vertretung i n Bonn (Tagesspiegel v. 4. Februar 1981) — k a n n sich weder auf A r t . 46 Abs. 1 GG berufen, der ohneh i n n u r A u ß e n w i r k u n g hat, noch auf A r t . 38 Abs. 1 Satz 2 GG; er muß v i e l mehr damit rechnen, v o m Präsidenten zur Ordnung gerufen zu werden. Aus dem gleichen Grunde ist die i n diesem Zusammenhang oft zitierte Entscheidung des RG i n RGSt 47, 270, 276, nicht einschlägig; ein Abgeordneter, der sich gegen den Vollzug einer v o m Präsidenten angeordneten Maßnahme k ö r perlich zur Wehr setzt, genießt schon deshalb nicht den Schutz der I n d e m n i tät, w e i l er nicht außerhalb, sondern gerade innerhalb des Hauses zur Verantwortung gezogen w i r d . 227 i m Ergebnis ebenso Maunz, in: MDHS, Erl. RdNr. 13 zu A r t . 46; Dickersbach, in: Geller / Kleinrahm, Erl. Nr. 5 b zu A r t . 47. 22« Statt vieler — Magiera, in: B K , Erl. RdNr. 43 zu A r t . 46. 229 Magiera, in: B K , Erl. RdNr. 50: So ganz k l a r ist das aber auch noch nicht einmal, denn § 187 StGB trägt n u r die Überschrift „Verleumdung" u n d enthält einen Doppeltatbestand: Die Verleumdung i m engeren Sinne u n d die
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I V . Die Auslegung der geltenden Vorschriften
nismäßig bedeutungslos, denn der Täter muß „wider besseres Wissen" gehandelt haben; außerdem ist i n der Strafrechtswissenschaft noch umstritten, i n welchem Umfang der § 34 StGB (rechtfertigender Notstand) und der § 193 StGB auf Straftaten nach § 187 angewendet werden können. 2 3 0 Schwerer wiegt, daß umgekehrt viel gewichtigere Straftaten unter den Indemnitätsschutz fallen sollen, so etwa die Anstiftung zum Mord 2 3 1 , die Aufforderung zum Ungehorsam gegen Gesetze oder die Aufforderung zu strafbaren Handlungen 2 3 2 . Es ist Binding zuzugeben, daß dies i n der Konsequenz etwa bei der Anstiftung zum Mord fast unerträglich ist, sowohl wenn man das Delikt für sich nimmt, als auch wenn man es i n seiner Schwere mit der verleumderischen Beleidigung vergleicht. Aber der von i h m angewandte Kunstgriff, die Worte des Abgeordneten nur als Einleitung einer außerhalb des Hauses begangenen Tat anzusehen 233 , ist dogmatisch nicht zu billigen. I m Wege der Auslegung kann hier nicht korrigierend eingegriffen werden; der Verfassungsgeber selbst muß für Abhilfe sorgen. Für zivilgerichtliche Verfahren ist der Schutz der Indemnität umstritten. Nach der h. M. deckt die Indemnität den Abgeordneten auch gegen derartige Konsequenzen einschließlich von Vollstreckungsmaßnahmen. 2 3 4 I n neuerer Zeit hat sich aber vor allem Ruland 235 hiergegen gewandt. Er ist der Auffassung, nach der historischen Entwicklung 2 3 0 lasse sich feststellen, daß die Auslegung der Indemnitätsbestimmungen eher dafür spreche, daß sie eine zivilrechtliche Haftung der Abgeordneten nicht ausschließen sollten. Diese Auslegung sei zugegebenermaßen nicht ganz eindeutig; aber die Zweifel an ihrer Richtigkeit seien schwach. Schröder 237 versucht zunächst das Problem dadurch zu lösen, daß er die Ansprüche gegen Abgeordnete allgemein dem Verwaltungsrechtsweg zuweist. Das h i l f t deshalb nicht weiter, weil — wenn auch vereinzelt 2 3 8 — nicht der Rechtsweg als solcher als entscheidend angesehen wurde, sondern der Umstand, daß i m Gegensatz zur OffizialKreditgefährdung, eigentlich ein Vermögensdelikt (Schänke / RdNr. 1 zu § 187). 230 Schänke / Schröder, Erl. RdNr. 4 zu § 193. 231 Vgl. oben Abschnitt A , V, 6 a. E. unter b. 232 Mangoldt / Klein, Erl. I I I 5 zu A r t . 46; Dickersbach, in: rahm, Erl. RdNr. 5 a zu A r t . 47; Reh, in: Z i n n / Stein, Erl. Nr. 2 233 Strafrecht, S. 675. 234 Magiera, in: B K , Erl. RdNr. 43 zu A r t . 46 m i t weiteren gegen Ansprüche wegen legislativen Verschuldens (Hamann / zu A r t . 46). 235 s. 478 ff., vgl. auch Hemeyer, S. 175. 23« Vgl. oben Abschnitt A , V, 3. 237 Rechtsfragen, S.34ff. 238 Vgl. oben Abschnitt A , V I , 1 a. E. unter c.
Schröder,
Erl.
Geller / K l e i n zu A r t . 95. Zitaten; auch Lenz, Erl. Β 3
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Β . Die gegenwärtige Rechtslage
maxime (etwa i m Strafverfahren) i m Zivilprozeß die Privatpartei das Verfahren i n Gang bringt. Schröder ist aber zuzustimmen, wenn er — ausgehend vom englischen Parlamentsrecht — den historischen Zusammenhang und die sich daraus ergebende Textidentität und -kontinuität betont sowie auf die Abgrenzungsfunktion zur Ordnungsgewalt des Präsidenten hinweist und dann auch Schadensersatzklagen oder Unterlassungsklagen gegen Abgeordnete ausschließt: „Die Stoßrichtung der Indemnität" ist „schwerpunktmäßig die richterliche Gewalt insgesamt". Es würde ferner dem Zweck der Indemnität zuwiderlaufen, wollte man vorbeugende Unterlassungsklagen mit dem Ziel eines Verbots der Wiederholung i m Parlament gemachter Äußerungen außerhalb des Parlaments zulassen. Wenn das L G Koblenz 2 3 9 meint, die i m Parlament gebrachte Äußerung könne als „Indiz" für eine außerhalb zu verbietende Äußerung i n Betracht komen, so muß man dagegen einwenden, daß damit Tür und Tor für eine Umgehung des Indemnitätsschutzes geöffnet würden, wenn man sich nicht schon darauf zurückzieht, daß der Abgeordnete auch hier „wegen" seiner Äußerung i m Parlament verfolgt w i r d 2 4 0 . Man kommt allerdings angesichts der Historie der Indemnität nicht daran vorbei, daß sie nur gegen Maßnahmen staatlicher Gewalt w i r k t , wobei es sich keineswegs u m hoheitliche Maßnahmen handeln muß. 2 4 1 Maßnahmen von privater Seite sind erlaubt, ζ. B. die Kündigung durch den Arbeitgeber (außerhalb des öffentlichen Bereichs). 242 Die Meinung von v. Mangoldt / KZein 243 , daß Wortlaut und Zweck der Verfassungsbestimmung ihre Erstreckung auf den privatrechtlichen Bereich zuließen, und unter dem Gesichtspunkt, daß ein Abgeordneter heute eher gegen „intermediäre" Gewalten als gegen den Staat geschützt werden müsse, die Vorschrift auch so weit auszulegen sei, ist vereinzelt geblieben. 239 DVB1.1961, S. 344, m i t zustimmender A n m . v. Munzel. 240
So Rinck, S.251; ablehnend auch Dickersbach, in: Geller / Kleinrahm, Erl. Nr. 6 zu A r t . 47, u. Reh, in: Z i n n / Stein, Erl. Nr. 5 zu A r t . 95. 241 I r r i g Giese / Schunck, Erl. I I 3 zu A r t . 46, die auf „hoheitliche Belangung" abstellen. 242 Maunz, in: MDHS, Erl. RdNr. 20 m i t weiteren Zitaten. Eine andere Frage ist, ob der Abgeordnete hiergegen durch A r t . 48 Abs. 2 GG bzw. §2 A b g G geschützt ist (in den Ländern gibt es meistens entsprechende Bestimmungen). — E i n „zur-Verantwortung-ziehen" soll aber vorliegen, w e n n der Schuldner eines Abgeordneten i m Wege der Aufrechnung Ersatz für einen durch eine Äußerung oder A b s t i m m u n g des Abgeordneten verursachten Schadens fordert (Reh, in: Z i n n / Stein, Erl. Nr. 5 zu A r t . 95). 243 Erl. I I I zu A r t . 46; bedingt zustimmend Hamann / Lenz, Erl. Β 3 zu A r t . 46, die als Grenze den „ordre public" ansehen. Magiera, in: B K , Erl. RdNr. 46 zeigt für diese Ansicht Sympathie, möchte das ganze Problem aber mehr dem A r t . 48 Abs. 2 GG zuordnen.
I V . Die Auslegung der geltenden Vorschriften
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Schwierig w i r d es bei Maßnahmen, die von der Fraktion oder der Partei gegen den Abgeordneten ergriffen werden. Wenn man der unzulässigen Einwirkung auf den Abgeordneten „außerhalb" des Parlaments scharf gegenüberstellt die autonome Ordnungsgewalt der Versammlung, wie sie sich aus der Verfassung (z. B. A r t . 40 Abs. 1 Satz 2 GG) und der Geschäftsordnung ergibt 2 4 4 , so fragt man sich, ob für eine Disziplinierung durch die Fraktion, die auf den ersten Blick weder dem einen noch dem anderen Bereich zuzuordnen ist, überhaupt Raum bleibt. Das BVerfG 2 4 5 hat es jedenfalls (als Beispiel eines unzulässigen Fraktionszwanges) für verfassungswidrig erklärt, wenn eine Fraktion einem ihrer Mitglieder bei Strafe des Ausschlusses verböte, eine Rede i m Bundestagsplenum zu halten, die nicht völlig mit der von der Fraktion vertretenen Auffassung übereinstimmt. Andererseits w i r d der Ausschluß aus der Fraktion allgemein für zulässig gehalten 2 4 6 , und dies teilweise damit begründet, daß, wenn es die freie Entscheidung des A b geordneten ist, ob er sich einer Fraktion anschließen bzw. diese wechseln w i l l , sich daraus umgekehrt das Recht der Fraktion ergebe, ein mißliebiges Mitglied durch Mehrheitsbeschluß auszuschließen. Dabei muß man davon ausgehen, daß als Gründe für einen Ausschluß aus der Fraktion i n erster Linie eine abweichende Stimmabgabe oder Meinungsäußerung i m Plenum oder einem Ausschuß des Parlaments i n Betracht käme. Es ist jedoch für unsere Betrachtung zunächst einmal zu fragen, ob es sich hierbei überhaupt u m ein Problem der Indemnität handelt. Dies ist zu verneinen. Man kann die — zulässigen — Maßnahmen „innerhalb" des Parlaments nicht reduzieren auf die Ordnungsgewalt des Präsidenten i m (und für das) Plenum. Daneben gibt es mindestens noch die (eingeschränkte) Ordnungsgewalt des Ausschußvorsitzenden. Wenn die Fraktionen ebenfalls als Teilorgane des Parlaments anerkannt sind, so gehört es auch zu den Selbstverständlichkeiten, daß sie sich ein Statut geben können, i n dem Disziplinarmittel zur Aufrechterhaltung der unbedingt notwendigen Ordnung vorgegeben sind. 2 4 7 W i r d 244 So Magiera, in: B K , Erl. RdNr. 47 zu A r t . 46; vgl. auch Maunz, in: MDHS, Erl. RdNr. 20 zu A r t . 46, der einen Ausschluß aus der F r a k t i o n i n diesem Zusammenhang für zulässig hält. 245 BVerfGE 10, 4, 15. 24« Bücker, in: Ritzel / Bücker, Vorbem. I I I 4 zu § 10 B T GO; Hauenschild, S. 72/73 u. S. 202 ff.; Badura, in: B K , Erl. RdNr. 78 zu A r t . 38; StGH Bremen (DÖV 1970, S. 639) läßt offen, ob der F r a k t i o n i m Einzelfall Grenzen gesetzt sind. Nach Henke (Politische Parteien, S. 154) darf der Fraktionsausschluß aber nicht dazu dienen, den Abgeordneten zum Verzicht auf verfassungsmäßige oder parlamentsrechtliche Rechte zu zwingen. 247 § 7 Abs. 3 GO Bay L T gibt den Fraktionen ausdrücklich die Befugnis, ihre Angelegenheiten durch Geschäftsordnungen oder Satzungen zu regeln, „die den Grundsätzen dieser Geschäftsordnung u n d der Verfassung nicht widersprechen dürfen". I n den Geschäftsordnungen der gegenwärtig i m B T vorhandenen Fraktionen findet sich aber lediglich bei der F.D.P. eine Bestim-
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Β . Die gegenwärtige Rechtslage
der Abgeordnete von seiner Fraktion zur Rechenschaft gezogen, so geschieht dies also „innerhalb" des Parlaments. Der ganze Problemkreis ist demnach nicht dem A r t . 46 Abs. 1 GG als Außennorm, sondern analog der Abgrenzung des Rederechts des Abgeordneten i m Plenum dem A r t . 38 Abs. Satz 2 GG zuzuordnen. 248 Maßnahmen der Partei gegen den Abgeordneten werden allgemein dem privaten Sektor zugerechnet und deshalb für zulässig angesehen, die amtliche Vollziehung und Vollstreckung — etwa der Entscheidungen von Parteischiedsgerichten — soll i n diesem Zusammenhang aber unzulässig sein. 2 4 9 Nirgends w i r d jedoch erläutert, was darunter i m einzelnen zu verstehen ist. Eine Partei kann ein Mitglied auf ganz verschiedene Weise maßregeln: Das Mitglied w i r d nach Ablauf der regulären Amtszeit i n seinen Parteiämtern oder -funktionen nicht mehr bestätigt, es w i r d nicht mehr als Kandidat für einen Sitz i m Parlament nominiert, gegen ihn werden einfache Ordnungsmaßnahmen (ζ. B. eine Rüge) verhangen, i h m werden vor Ablauf der Amtszeit Ämter oder Funktionen aberkannt, es w i r d aus der Partei ausgeschlossen. Die beiden ersten Varianten sind hier irrelevant, denn niemand hat einen A n spruch auf eine Wiederwahl bzw. -nominierung; infolgedessen ist es auch gleichgültig, ob dabei ein bestimmtes Verhalten des Parteimitgliedes als Abgeordneter i m Parlament eine Rolle gespielt hat. Das Risiko nicht wiederaufgestellt zu werden, trägt der Abgeordnete immer allein. Die dritte Variante ist verhältnismäßig uninteressant, weil dafür bestimmte Formvorschriften nicht existieren. 2 * 0 Bedeutsam ist erst die vierte Variante: Bei der Aberkennung von Parteiämtern und -funktionen entscheidet zwar durchweg ein Parteiorgan, aber der Beschluß muß begründet werden (§ 10 Abs. 2 Satz 3 ParteiG), d. h. es ist eine Feststellung des Tatbestandes und eine Bewertung der Pflichtwidrigkeit zu fordern, die die Enthebung bzw. den Entzug der Amtsfähigkeit als angemessene Ordnungsreaktion erkennen läßt. 2 5 1 Noch anders liegt es beim Parteiausschluß. Für diesen enthält § 10 Abs. 4 und 5 ParteiG materielle und formelle Vorschriften: — Ein Mitglied kann nur dann ausgeschlossen werden, wenn es vorsätzlich gegen die Satzung oder erheblich gegen Grundsätze und m u n g über den Ausschluß (§ 3). I n dem i n der 6. W P i m Bundestag eingebrachten E n t w u r f eines Gesetzes über die Rechtsstellung der Fraktionen (BT D 6/3690) w a r auch vorgesehen, daß die Satzungen der Fraktionen Bestimmungen über den Ausschluß v o n Abgeordneten enthalten müßten (§ 4 Abs. 2 Nr. 2). 248 Badura (in: B K , Erl. RdNr. 78 zu A r t . 38). 24» Magiera, in: B K , Erl. RdNr. 45 zu A r t . 46; Maunz, in: MDHS, Erl. RdNr. 20 zu A r t . 46; Hamann/Lenz, Erl. Β 3 zu A r t . 46; v. Mangoldt / Klein, Erl. I I I 7 a zu A r t . 46. 2«) Seifert (S. 223) h ä l t eine Begründung nach allgemeinem Vereinsrecht allerdings für notwendig.
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Ordnung der Partei verstößt und ihr damit schweren Schaden zufügt; — der Ausschluß kann nur von dem nach der Schiedsgerichtsordnung zuständigen Schiedsgericht ausgesprochen werden, dieses muß eine schriftliche Begründung vorlegen und sein Urteil ist anfechtbar. Materiell ist anerkannt, daß das Parteischiedsgericht bei seiner Entscheidung vor allem die Verhältnismäßigkeit zwischen „Verfehlung" und Maßnahme zu beachten hätte und der Ausschluß i n der Skala möglicher Reaktionen die utima ratio zu sein hat 2 6 2 , wobei ein einmaliger Verstoß dafür ohnehin nicht ausreicht 253 . Ferner ist beim Abgeordneten zu prüfen, ob er mit seinem Verhalten i m Parlament (mit Rücksicht auf A r t . 38 Abs. 1 Satz 2 GG) überhaupt einen der i n § 10 Abs. 4 ParteiG genannten Tatbestände erfüllen kann. 2 5 4 Verfahrensmäßig ist dazu noch zu bemerken, daß die Parteischiedsgerichte i n aller Regel keine Schiedsgerichte i m Sinne des Zehnten Buches der ZPO sein werden 2 5 5 , so daß eine Vollstreckbarkeitserklärung ihrer Urteile nach § 1042 ZPO nicht i n Betracht kommt; vielmehr muß der Betroffene gegen das Urteil des Parteischiedsgerichts Feststellungsklage gemäß § 265 ZPO erheben. 256 Folgt man der eingangs erwähnten Auffassung, wonach nur die „amtliche Vollziehung und Vollstreckung" der Entscheidungen von Parteischiedsgerichten — soweit das Verhalten des Abgeordneten i m Parlament in Rede steht — unzulässig sein soll, so muß man also feststellen, daß diese Frage nur ausnahmsweise anstehen wird. Bei einer Feststellungsklage müßte der Betroffene unterliegen, soweit das Parteigericht nicht gegen die dargelegten materiellen Grundsätze verstoßen hat. Damit wäre der Abgeordnete gegen Disziplinierungsversuche seiner Partei, die i n der Praxis durchaus vorkommen können 2 5 7 , jedenfalls durch die Indemnitätsvorschriften nicht geschützt. 251 Seifert, S.223. 252 Seifert, S. 226. 253 Trautmann, S. 210. 254 Bull (S. 197) meint, die Abgeordneten seien durch das Prinzip des freien Mandats ohnehin von der Parteidisziplin ausgenommen; vgl. dazu auch Henke (Politische Parteien, S. 154/155). 255 Seifert, S. 253/254; O L G Frankfurt, N J W 1970, S.2250; eingehend dazu auch Leng er s, S. 189 ff. 256 Β GHZ 45, 314, 317; Seifert, S. 286. 257 i m März 1982 verhängte ζ. B. das zuständige Landesschiedsgericht der F.D.P. gegen vier Mitglieder der F.D.P.-Fraktion i m Berliner Abgeordnetenhaus Parteistrafen, w e i l diese i m Parlament den CDU-Minderheits-Senat entgegen einem Parteitagsbeschluß mitgewählt hatten. Dem Ausschluß aus der Partei entgingen die Betroffenen nur, w e i l der Bundesvorsitzende der Partei ihren Kurs der Tolerierung unterstützt hatte (FAZ v. 5.3.1982). Das Verfahren wurde allerdings später eingestellt (Tagesspiegel v. 7.4.1982). Bull (S. 197) berichtet freilich von einem ähnlichen Fall, der für die betreffenden Abgeordneten ohne Folgen blieb. 9 Härth
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Diese Konsequenz ist an sich erstaunlich, denn die (noch?) überwiegende Lehre sieht i n der Indemnität einen persönlichen Strafausschließungsgrund, ordnet sie also dem materiellen Recht zu; dann stellt sich aber die Frage, warum sie nicht auch vom Parteigericht zu beachten ist. Indessen werden die Ausführungen i m folgenden Abschnitt zeigen, daß es sich i n Wirklichkeit bei der Indemnität u m eine Verfahrensnorm handelt, die tatsächlich nur bei der staatlichen Vollziehung bzw. Vollstreckung von Parteischiedsgerichtsurteilen eingreift, während i m Feststellungsverfahren diese Norm unbeachtet bleiben muß. 7. Schutzwirkung
Über die A r t der Schutzwirkung der Indemnitätsbestimmungen besteht immer noch keine restlose Klarheit. Nach der Überwindung der älteren Lehre war man schon i n der Weimarer Zeit überwiegend der Auffassung, bei der Indemnität handele es sich u m einen Strafausschließungsgrund. 258 Sieht man einmal von dem mißlungenen Versuch ab, daraus einen Rechtfertigungsgrund zu machen 269 , ist dies auch heute noch die gängige, wenn auch weitgehend unreflektierte Meinung i n der staatsrechtlichen Literatur 2 6 0 . Lediglich Linden 261 gibt eine knappe Begründung: A r t . 46 Abs. 1 GG sei eine Aussage des objektiven Verfassungsrechts, die dem Abgeordneten die Paradoxie der „strafbaren straflosen Handlung" zubillige. Da die Norm verbiete, den Abgeordneten zur Verantwortung zu ziehen", enthalte sie die gesetzlichen Voraussetzungen der Strafbarkeit, bei deren Vorliegen jedoch die Strafbarkeit von vornherein nicht eintrete. Damit sei A r t . 46 Abs. 1 GG der typische Fall eines persönlichen Strafausschließungsgrundes. Diese Begründung ist aber offensichtlich unzureichend. Magiera 282, der ebenfalls 258 Oben Abschnitt A , V I , 1. 259 Helle, S. 1900, u n d i h m offenbar folgend Reh, in: Z i n n / S t e i n , Erl. Nr. 4 zu A r t . 95; dagegen m i t zutreffenden Gründen Bloy, S. 69/70. 2«o Maunz, in: MDHS, Erl. RdNr. 22 zu A r t . 46 m i t weiteren Zitaten; Rauball, in: v . M ü n c h , Erl. RdNr. 11 zu A r t . 46; Barschel / Gebel, Erl. C H I zu A r t . 17; etwas aus dem Rahmen fallend Sauer (S. 196), der ohne nähere Begründung ein Schuldausschließungsgrund annimmt. Ferner abweichend Langer (S. 432/433): Der Verfassungsrechtssatz des A r t . 46 Abs. 1 GG, der insoweit i n der Person des Abgeordneten ein „relatives Dürfen" formell begründe, beseitige nicht das Verbotene eines solchen Verhaltens, sondern er mindere lediglich i n bezug auf dieses Sondersubjekt die Dringlichkeit der übertretenen Norm. Dies bedeute, daß es sich hier nicht u m einen persönlichen Ausschluß der spezifisch strafrechtlichen Sanktion handele, sondern daß diese Straflosigkeit schon auf einem der Strafwürdigkeit begrifflich vorgehenden Grund, nämlich auf dem (formell durch die relative Minderung der N o r m w i d r i g k e i t charakterisierten) Sonderunrecht beruhe. 2βι S. 34. 2«2 i n : B K , Erl. RdNr. 53 zu A r t . 46.
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zunächst einen persönlichen Strafausschließungsgrund annimmt, bemerkt dann auch, diese Bezeichnung dürfe nicht dahin mißverstanden werden, daß die Indemnität nur für den strafrechtlichen Bereich Bedeutung habe, denn etwaige disziplinarische Maßnahmen oder Z i v i l klagen seien ebenfalls ausgeschlossen, so daß man besser von einem „persönlichen Verfolgungsausschließungsgrund" spreche. Damit kommt man schon i n die Nähe einer, allerdings von wenigen Autoren vertretenen Ansicht, bei der Indemnität handele es sich u m ein Prozeßhindernis. 2 0 3 Obwohl — geht man von einem persönlichen Strafausschließungsgrund aus — zunächst konsequenterweise geprüft werden müßte, ob überhaupt eine Straftat bzw. deliktische Handlung vorliegt oder nicht wenigstens ein Rechtfertigungsgrund (§ 193 StGB?) gegeben ist 2 6 4 , werden entsprechende Klagen gelegentlich kurzerhand als unzulässig abgewiesen. 2 * 5 Und dogmatisch läßt sich die Hamburger Verfassungsbestimmung (Art. 14), die bei dçr verleumderischen Beleidigung eine Verfolgung mit Genehmigung der Bürgerschaft zuläßt, ohnehin schlecht mit der h. M. vereinbaren. 2 0 6 Etwas eingehender hat sich Bloy mit der Frage befaßt. Er verweist zunächst auf die Geschichte der Indemnität, insbesondere darauf, daß dem englischen Parlament eine weitgehende Gerichtsbarkeit i n eigenen Angelegenheiten zustand. 207 A r t . 9 der B i l l of Rights scheine i m Unterschied zur deutschen Regelung eher eine Kompetenzvorschrift zu sein, die allein prozessuale Bedeutung habe, da sie auf die Strafdrohung keinen Einfluß nehme. Den Sinn des A r t . 46 Abs. 1 GG sieht er aber darin, daß der durch § 193 StGB schon gegebene Schutz erweitert wird. Die Verfassungsbestimmung sei aus dem Bedürfnis entstanden, solche Äußerungen eines Abgeordneten zu schützen, die zwar nicht mehr durch den i m Lichte des A r t . 5 Abs. 1 GG anzuwendenden § 193 StGB gedeckt sind, andererseits aber nicht den Tatbestand des § 187 StGB erfüllten. Der Wegfall der Möglichkeit, ein Strafverfahren durchzuführen, bedeute, daß auch materiell keine Strafe eintreten soll, da die Strafdrohung des materiellen Rechts dann entfalle. Ein „dauerndes Prozeßhindernis" sei eine contradiktio i n adiecto, weil es auch i m Falle 2«3 Mezger, S.74; Kantorowicz, S.283; Model / Müller (Erl. Nr. 2 zu A r t . 46) bemerken, daß dieses Prozeßhindernis wegen der unbeschränkten Dauer freilich einem Strafausschließungsgrund sachlich gleichstehe. Bockelmann (S.40/ 41) schließt umgekehrt aus der dauernden U nVerfolgbarkeit auf einen persönlichen Strafausschließungsgrund. 2«4 o b e n Abschnitt A , Fn. 282. s«5 So O V G Hamburg, Hamburgisches Justizverwaltungsblatt 1978, S. 6 ff. Der B G H (BGHZ 75, 384, 390) ließ offen, ob das „Abgeordnetenprivileg der prozessualen Zulässigkeit oder der materiellen Begründetheit" zuzuordnen ist. s®· Friesenhahn (S. 514) hält diese Bestimmung für eine sonderbare V e r mischung v o n Indemnität u n d I m m u n i t ä t . 2«7 s. 69 ff. 9*
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Β . Die gegenwärtige Rechtslage
allein innerprozessualer Gründe für seine Existenz sich nicht auf eine innerprozessuale Wirkung beschränke. Entsprechend den beiden Voraussetzungen für den Indemnitätsschutz (Abgeordneteneigenschaft des Täters und Tatbegehung durch Äußerung i m Parlament) bestünden zwei miteinander kombinierte Gründe für die Straflosigkeit. Aus der besonderen Situation, i n der die Tat begangen wurde, ergebe sich eine Herabsetzung der Verantwortlichkeit des Täters auf der Ebene der Schuld; die Abgeordneteneigenschaft wirke zwar auch i m Bereich des materiellen Rechts zugunsten des Täters, aber außerhalb von Unrecht und Schuld. Beide Momente zusammen seien erst geeignet, eine zeitlich unbegrenzte Befreiung von der Strafdrohung zu erzeugen. Bei aller Sorgfalt weist die Deduktion von Bloy dennoch Schwächen auf. Zutreffenderweise setzt Bloy zwar beim A r t . 46 Abs. 1 GG an und nicht beim § 36 StGB (allerdings i n der Annahme, § 36 StGB gelte auch für die Länder und sei mit A r t . 46 Abs. 1 GG inhaltsgleich). Seine Ausführungen über den Sinngehalt der Verfassungsbestimmung müßten ihn aber i n der Konsequenz zu einem den § 193 StGB ergänzenden Rechtfertigungsgrund führen. Dem entzieht er sich jedoch dadurch, daß er behauptet, auf das Verhältnis der Indemnität zum Unrecht sei entscheidend, ob diese aufgrund ihrer sozialen Bedeutung die Pflichtwidrigkeit bzw. die Sozialwidrigkeit des Verhaltens berühre. Und es sei nun evident (!), daß die Sozialwidrigkeit einer Äußerung dadurch, daß sie i m Bundestag getan wird, nicht verringert werde, sondern infolge der Öffentlichkeit der Äußerung allenfalls erhöht werden könne. 2 " 68 . A n dieser Stelle wären dann aber wohl die Interessen des einzelnen Bürgers gegen die der Gemeinschaft abzuwägen. Der eigentliche Mangel der Ausführungen von Bloy besteht jedoch darin, daß er den Zweck des A r t . 46 Abs. 1 GG (und der übrigen Verfassungsbestimmungen) sowie auch den historischen Zusammenhang verkennt. Das wesentliche ist nicht das Entfallen der Strafdrohung, sondern die Verhinderung eines Prozesses. Der Abgeordnete soll schon gegen die Durchführung solcher Verfahren geschützt sein, ohne Rücksicht darauf, ob er am Ende verurteilt oder freigesprochen wird. Denn auch schon durch die Häufung derartiger Prozesse kann er in seiner Mandatsausübung beinträchtigt und erst recht seine Wiederwahl verhindert werden. Nur so läßt sich zudem die Indemnität i n allen Rechtsgebieten gleichmäßig anwenden und die hamburgische Regelung zwanglos einordnen: Hier kann die Verfolgung durch das Parlament unter Umständen gestattet werden; eine nicht vorhandene Strafdrohung könnte durch solch einen Beschluß aber nicht nachträglich geschaffen werden.
268 S. 70.
V. Die Ergänzung der Indemnität durch die I m m u n i t ä t
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Wie man die Indemnität dann terminologisch qualifiziert, als dauerndes Prozeßhindernis oder mit Magiera als „persönlichen Verfolgungsausschließungsgrund", scheint m i r zweitrangig zu sein. Nur das Etikett „persönlicher Strafausschließungsgrund" ist falsch. I m übrigen besteht die Aufgabe der systematisierenden Wissenschaft nicht darin, die vorgefundenen Rechtsinstitute i n ein von ihr gefertigtes begriffliches Procrustes-Bett zu pressen, sondern über die Rechtserscheinungen in ihrer Vielfalt einen systematisierenden Überblick zu geben. Nach dem hier Gesagten bleibt eine etwaige Rechtswidrigkeit der Äußerung eines Abgeordneten durch die Indemnität aber unberührt; der Betroffene kann daher Notwehr üben, die strafrechtliche Kompensation (§§ 199, 233 StGB) kann eingreifen und ein Beteiligter kann belangt werden. 2 6 9 Nach allgemeiner Meinung ist sie auch für den A b geordneten unverzichtbar, wobei der Streit müßig ist, ob es sich bei der Indemnität u m ein subjektives Recht des Abgeordneten handelt. 2 7 0
V . Die Ergänzung der I n d e m n i t ä t durch die I m m u n i t ä t 1. Die Immunität in ihrer heutigen Ausformung
Die Überlappung von Indemnität und Immunität ist vornehmlich für die Verfassungen interessant, i n denen einmal die Unverantwortlichkeit auch für Äußerungen festgelegt ist (also nicht für Bayern), andererseits eine Ausnahme für die verleumderische Beleidigung statuiert w i r d (Art. 46 Abs. 1 GG, A r t . 14 Nds Verf, A r t . 47 N - W Verf, A r t . 81 Abs. 1 SL Verf, A r t . 17 Abs. 1 S-H Verf und — mit Einschränkung — A r t . 14 Abs. 2 Hbg Verf). Nordrhein-Westfalen kann aber ebenfalls außer Betracht bleiben, weil dort die Immunität parallel zur Indemnität durch A r t . 48 der Verfassung eingeschränkt wird, d. h. macht sich der Abgeordnete durch eine Äußerung i m Plenum einer verleumderischen Beleidigung schuldig, so genießt er weder Indemnität noch Immunität! I n allen anderen Fällen w i r k t sich die Imunitätsbestimmung (Art. 46 Abs. 2 GG, A r t . 15 Hbg Verf, A r t . 15 Nds Verf, A r t . 82 Abs. 1 SL Verf, A r t . 17 Abs. 2 Satz 1 S-H LS) während der Wahlperiode zunächst wie ein zweites Verfahrenshindernis aus, das allerdings vom Parlament beseitigt werden kann. 2 7 1 Dabei bleibt freilich zu bedenken, daß der Bun269 Magiera, in: B K , Erl. RdNr. 53 zu A r t . 46 m i t weiteren Hinweisen. 27« Magiera, in: B K , Erl. RdNr. 53 zu A r t . 46. 271 Linden (S. 96) w i l l eine herrschende Meinung ermittelt haben, die dahingeht, daß i n diesem F a l l eine Aufhebung der I m m u n i t ä t nicht erforderlich ist. Ich habe nur feststellen können, daß Herlan (S. 517) die Frage offen läßt, ob die Absätze 2 - 4 des A r t . 46 GG „auch auf die i n Abs. 1 Satz 2 geregelten
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Β . Die gegenwärtige Rechtslage
destag — und i h m folgend die Parlamente von Hamburg, dem Saarland und Schleswig-Holstein — einen Beschluß „über das Genehmigungsverfahren i n Immunitätsangelegenheiten" gefaßt haben, i n dessen Nr. 1 Ermittlungsverfahren gegen Abgeordnete wegen Straftaten allgemein genehmigt werden, jedoch mit Ausnahme von Beleidigungen (§§ 185, 186, 187 a Abs. 1 StGB) politischen Charakters 2 7 2 ; i n diesen Fällen ist also doch wieder eine Einzelaufhebung der Immunität erforderlich. Man kann davon ausgehen, daß die Mehrzahl der hier i n Frage kommenden Fälle politischen Charakter tragen. Und nach Nr. 5 der „Grundsätze i n Immunitätsangelegenheiten" des Bundestages 273 sollen Beleidigungen politischen Charakters i n der Regel nicht zur Aufhebung der Immunität führen. 2. Die Auswirkungen der Regelungen in der Praxis
Die geschilderte Rechtslage hat durch eine extensive Auslegung zugunsten des einzelnen Abgeordneten dazu geführt, daß die Ausnahme von der Indemnität für die verleumderische Beleidigung weithin nur noch auf dem Papier steht. Die Statistik des Bundestages hinsichtlich der Aufhebung der Immunität bei Äußerungsdelikten weist einen eindeutigen Trend aus: Wenn überhaupt, so hat der Bundestag die Strafverfolgung nur i n einem Bruchteil der Fälle genehmigt (in der 3. WP ζ. B. von 22 Fällen keinen einzigen, desgleichen i n der 7. WP bei 12 Fällen, i n der 8. WP — nach dem Stand vom 4. J u l i 1979 — von 8 Fällen allerdings 2). :27 4 Ahrens 275 bestätigt i n seinem — m i t Rücksicht auf den begrenzten Zugang zu den Quellen sehr zurückhaltendem — Untersuchungsergebnis diese Richtung. Als vornehmlicher Grund, die Immunität nicht aufzuheben, w i r d von den Parlamentariern nach Ahrens angegeben, die Pflicht des Abgeordneten, häufig zu reden und sich zu allen Belangen öffentlich zu äußern, gegebenenfalls auch sehr kritisch, führe dazu, daß i h n die Beschuldigung einer Beleidigung bevorzugt treffe. I n der Hitze der politischen Auseinandersetzung, etwa bei einer Wahlversammlung, werde er leicht zu scharfen Äußerungen hingerissen. A n dererseits müsse ihm gerade wegen seiner öffentlichen Funktion die vorbehaltlose Möglichkeit der Meinungsäußerung gesichert werden, dies auch dadurch, daß man die Strafverfolgung wegen einer beleidigenden Äußerung nicht zulasse. Ausnahmen anzuwenden sind". Dies w i r d heute allgemein bejaht (Magiera, in: B K , Erl. RdNr. 51 zu A r t . 46 m i t weiteren Hinweisen). 272 Wiedergegeben i m Handbuch des BT, 9. WP, S. 218/219. 273 Anlage 6 zu GO BT. 274 Schindler, S. 336. 27« S. 81/82,
V I . Die Disziplinarmittel der Parlamente
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Ahrens weist mit Recht auf das Bedenkliche dieser Praxis hin. Sie liegt vor allem darin, daß die gegebene Begründung exakt die eigentliche Rechtfertigung für die Indemnität darstellt, d.h. auf dem Wege über die Immunität der Schutzbereich der Indemnität so weit ausgedehnt wird, wie er von den Verfassungen gerade nicht vorgesehen ist, nämlich auf die gesamte außerparlamentarische Tätigkeit der Abgeordneten. Die verfassungsrechtliche Regelung w i r d damit unterlaufen. Es besteht sogar die Befürchtung, daß der Schutz noch über die Indemnitätsbestimmung hinaus erweitert wird, wenn etwa der Abgeordnete erkennbar gar nicht i n seiner Funktion als solcher, also wenn man so w i l l „ i n Ausübung seines Mandats" (bei sehr weiter Auslegung), handelt, sondern in einer zweiten Funktion, etwa als Kommunalpolitiker, Verbandsfunktionär usw. Bei den rechtspolitischen Ausführungen w i r d darauf zurückzukommen sein.
V I . D i e Disziplinarmittel der Parlamente 1. Die Ordnungsmittel des Präsidenten in der Sitzung
Zur Wiederherstellung der Ordnung bei Störungen i n der Plenarsitzung — die Störung kann etwa auch eine beleidigende Äußerung sein — stehen dem Bundestagspräsidenten 276 folgende Maßnahmen zur Verfügung: a) die Rüge, b) der Ruf zur Sache, c) der Ordnungsruf, d) die Wortentziehung, e) der Ausschluß eines Abgeordneten von der Sitzung, f) die Unterbrechung oder Aufhebung der Sitzung wegen störender Unruhe. Interessant sind hier nur die Maßnahmen zu a) und zu c) bis e). Die Rüge ist i n der Geschäftsordnung des Bundestages nicht geregelt; sie entspricht aber einem parlamentarischen Brauch. 2 7 7 Kennzeichnend für die Rüge ist laut B V e r f G 2 7 8 ihr präventiver, hinweisender Charakter. Der Ordnungsruf ist i n den §§ 36 Satz 2 u. 3, 39 GO BT geregelt. Als Anlaß für einen Ordnungsruf erwähnt Bücker u. a. 2 7 9 : 276 Für die meisten Landtagspräsidenten g i l t ähnliches; vgl. dazu a u d i Achterberg, Parlamentarische Verhandlung, S. 122 ff. 277 Bücker, in: Ritzel / Bücker, Vorbem. Nr. 1 zu den §§ 36 - 41 GO. Ausdrücklich geregelt ist die Rüge i n § 67 Abs. 1 Satz 2 GO N - W . 278 DVB1.1982, S. 780/781. 27* I n : Ritzel / Bücker, Erl. 2 c zu § 36 GO.
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Β . Die gegenwärtige Rechtslage
— grob kränkende, abwertende oder provokative Bemerkungen bzw. sonstige der parlamentarischen Ordnung widersprechende Unhöflichkeiten, — Beschimpfungen der Mehrheit/Minderheit des Hauses, des Staatswesens, des Staatsoberhauptes oder bestimmter Volksgruppen. — beleidigende Handlungen (§§ 185 ff. StGB), auch wenn sie von dem Indemnitätsschutz des A r t . 46 Abs. 1 GG gedeckt sind bzw. i n Wahrnehmung berechtigter Interessen gemäß § 193 StGB erfolgen; dazu gehört auch die Wiedergabe beleidigender Zitate, — andere strafbare Handlungen, ζ. B. Nötigung, Drohung und Verteilung verfassungswidrigen Propagandamaterials. Das sieht nach einer sorgfältig auf Ordnung bedachten Verhandlungsführung aus. Wenn man aber i n die Statistik schaut 280 und feststellt, daß von der 2. WP an i m Durchschnitt i m Plenum nur 30 bis 40 Ordnungsrufe pro Wahlperiode erteilt worden sind, also etwa 10 pro Jahr, so kommen dem Beobachter von Bundestagsdebatten doch Zweifel, ob man hier von einer ausreichenden Nutzung dieses Ordnungsmittels sprechen kann. Die Zweifel verstärken sich, wenn man das Protokoll der Sitzung nachliest, i n der die vom BVerfG behandelte Rüge erteilt worden ist 2 8 1 : Nachdem ein Sprecher der Opposition i n „nichtparlamentarischer Weise" den Bundeskanzler angegriffen hatte, wurde er von den Bänken der größten Regierungsfraktion bei seinen weiteren Ausführungen u. a. mit folgenden Ausdrücken bedacht: „Dreckschleuder!" „Verleumden aber bei Gelegenheit heucheln! Das nenne ich Strolchewismus, was Sie machen!" „Sie Taschenspieler!" „Sie haben einen schweren Dachschaden!" Erst als bereits ein anderer Redner gesprochen hatte, kam der amtierende Präsident auf die Vorfälle zurück und erteilte sowohl dem Redner als auch zwei Zwischenrufern eine Rüge, ergriff also nur Maßnahmen „hinweisenden Charakters." Der Ausschluß eines Abgeordneten von der Sitzung ist gar seit der 4. WP i m Bundestag überhaupt nicht mehr vorgekommen 2 8 2 , obwohl seine Zulässigkeit grundsätzlich anerkannt ist 2 8 3 . Nur der Ausschluß für mehrere Sitzungstage w i r d auch heute noch als bedenklich angesehen. 284 28© 281 282 283
Schindler, S. 332. PIPr 9/78, S. 4503 Ä f f . Schindler, S. 332. BVerfGE 10, 4,13; s. a. oben S. 53.
V I . Die Disziplinarmittel der Parlamente
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Die Masse der Fälle ereignete sich i n der 1. WP und ist hauptsächlich das Resultat von Störversuchen links- und rechtsextremer Abgeordneter. Zudem handelte es sich dabei durchweg u m Auseinandersetzungen innerhalb des Hauses; Außenstehende waren nicht betroffen. Auch der letzte Fall, der i n die 3. WP fiel (in der 2. WP gab es keinen Sitzungsausschuß) betraf einen Verstoß gegen die Redeordnung, ist hier also irrelevant. Dies alles läßt die Vermutung zu, daß ein Außenstehender weitgehend ungeschützt ist. Hinzu kommt, daß laut Troßmann 285 eine Ordnungswidrigkeit i m Sinne der Geschäftsordnung nur vorliegt, wenn die Äußerung entscheidend den Charakter eines Werturteils, somit einer subjektiven Meinungsäußerung habe; handele es sich überwiegend u m eine Tatsachenbehauptung, so könne eine Ordnungswidrigkeit nur vorliegen, wenn sich der beleidigende Charakter aus der Form oder den Umständen ergebe. A n anderer Stelle führt er aus 2 e e , der Präsident müsse Tatsachenbehauptungen, die er nicht selbst als unwahr erkenne, unbeanstandet lassen. Etwas anderes gelte nur dann, wenn die Behauptungen sich offensichtlich auf dubiose Quellen stützten oder sich aus den Ausführungen des Redners ergebe, daß er sich nicht i m geringsten darum gekümmert hat, ob seine ehrverletzenden Behauptungen zutreffend sind. Bliebe noch zu erwähnen — das ist für den Betroffenen außerhalb des Parlaments wichtig —, daß über die Zulässigkeit eines nachträglichen Ordnungsrufes Unklarheiten bestehen. Während Bücker 287 den nachträglichen Ordnungsruf für zulässig, ja sogar unter Umständen anscheinend für angebracht hält, weil dies eine genaue Nachprüfung gestatte, meint Troßmann 288, der Ordnungsruf sei nur unmittelbar nach dem ordnungswidrigen Vorgang zulässig, wenn der Präsident den Vorgang wahrgenommen habe, nicht zulässig dürfte es sein, daß der Präsident einen wahrgenommenen Vorgang erst nachträglich, etwa aufgrund einer Intervention, aufgreife und ahnde. A u f die begrenzten Mittel des Ausschußvorsitzenden wurde bereits hingewiesen. 289
284 Bücker, in: Ritzel / Bücker, Vorbem. 4 zu den §§ 36-41. Für bis zu drei Sitzungstagen ist dies i n Bremen (Art. 85) u n d Hamburg (Art. 13 Abs. 3) verfassungsrechtlich abgesichert, ses Parlamentsrecht, Erl. RdNr. 9.2 zu § 40. 28β Parlamentsrecht, Erl. RdNr. 9.1 zu § 40. 287 i n : Ritzel / Bücker, Erl. 2 i zu § 36 GO BT. 288 Parlamentsrecht, Erl. RdNr. 16 zu §41. 289 Oben Abschnitt Β , I V , 2 c a. E.
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Β . Die gegenwärtige Rechtslage 2. Ehrenordnungen für Parlamentarier und Aussdilußverfahren
Die Geschäftsordnung des Bundestages enthielt früher i m § 22 eine Bestimmung des Inhalts, der Bundestag könne sich eine Ehrenordnung geben. Der Versuch, eine solche Ehrenordnung zu schaffen, scheiterte jedoch 1951; i m übrigen werden auch massive Bedenken dahin geltend gemacht, A r t . 40 Abs. 1 Satz 2 GG sei dafür keine genügende Grundlage. 2 9 0 Das BVerfG hatte dann i n seinem zweiten „Diäten-Urteil" 2 9 1 von den Parlamenten gesetzliche Vorkehrungen dagegen verlangt, daß Abgeordnete Bezüge aus einem sog. Beratervertrag oder ähnlichem, ohne die danach geschuldeten Dienste zu leisten, nur deshalb erhalten, weil von ihnen i m Hinblick auf ihr Mandat erwartet wird, sie würden i m Parlament die Interessen des zahlenden Arbeitgebers, Unternehmens oder der zahlenden Großorganisation vertreten und nach Möglichkeit durchzusetzen versuchen. Der Bundestag hat daraufhin i m § 44 a AbgG eine gesetzliche Grundlage für den Erlaß von „Verhaltensregeln" geschaffen 292 , die sich aber auf die vom BVerfG umschriebene Materie beschränken. Nur die bremische und die hamburgische Verfassung (Art. 85 Abs. 1 bzw. 13 Abs. 2) enthalten Vorschriften über einen möglichen Ausschluß eines Abgeordneten aus dem Parlament durch Beschluß desselben. Dabei kommt allenfalls dem ersten Tatbestand der hamburgischen Bestimmung („Ein Abgeordneter kann durch Beschluß der Bürgerschaft ausgeschlossen werden, wenn er, 1. sein A m t mißbraucht . . . " ) i n dem vorliegenden Zusammenhang eine gewisse Bedeutung zu.29® Allerdings scheint die Vorschrift niemals angewendet worden zu sein. 294
2w Vgl. zum Ganzen Troßmann, Parlamentsrecht, Erl. RdNr. 1 - 3 zu § 22. — Eine einschlägige Ehrenordnung gab es n u r 1950 - 1954 als §§ 78 a - e GO L T i n Bayern (s. Bay L T , Tagung 1949/50, Beilage 3499). D a r i n waren bestimmte Maßnahmen gegen Abgeordnete vorgesehen, die innerhalb oder außerhalb des Landtages das Ansehen der Volksvertretung gröblich schädigten. Die Bestimmungen wurden 1954 wegen rechtlicher Bedenken gestrichen. Allerdings lautet § 136 GO Bay L T auch jetzt noch: „Der Landtag k a n n sich eine Ehrenordnung geben." Etwas Ähnliches enthalten heute n u r noch die § § 6 - 9 GO Bay Sen. 2»i BVerfGE 40, 296, 318. 292 Erlassen als Anlage 1 zur GO; vgl. auch § 18 GO. Bremen u n d Hessen haben entsprechende Bestimmungen i n ihren Abgeordneten-Entschädigungsgesetzen (§ 36 bzw. § 27 Abs. 3 u. 4); s. a. Krause, S. 326. 293 Bemzen / Sohnke (Erl. RdNr. 4 zu A r t . 13) meinen, es handele sich i m Absatz 2 des A r t . 13 u m Tatbestände, die an Gegebenheiten anknüpfen, die außerhalb der eigentlichen Parlamentsarbeit liegen. Vgl. die Ausführungen v o n Drexelius / Weber, Erl. Nr. 4 zu A r t . 13. Zur Zulässigkeit der Regelungen i n den beiden Stadtstaaten s. Kratzsch.
V I . Die Disziplinarmittel der Parlamente
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Einige Länder kennen in ihren Verfassungen Vorschriften über eine Anklage gegen Abgeordnete. 295 Diese setzen aber alle voraus, daß der Abgeordnete aus Gewinnsucht handelte; i m übrigen sind sie bisher ohne praktische Bedeutung geblieben. 296
2*5 A r t . 42 B - W Verf, A r t . 13 Nds Verf, A r t . 85 SL Verf (sowie A r t . 61 Abs. 3 Bay Verf). 296 Pestalozza, Verfassungsprozeßrecht, S. 192.
C. Rechtspolitische Überlegungen I . D i e gegenwärtige Stellung des Abgeordneten 1. Die Funktion des Abgeordneten im Parlament
Wenn auch die Indemnitätsbestimmungen in den Verfassungen gegenwärtig rechtlich nicht zu beanstanden sind, so muß doch gefragt werden, ob sie nicht reformbedürftig sind. A n einigen Stellen habe ich schon angemerkt, daß es durchaus kritikwürdige Punkte gibt. Aber ich meine, daß es zunächst notwendig ist, i n der gebotenen Kürze die heutige Funktion und den Gesamtstatus des Abgeordneten zu umschreiben. Den Parlamentarismus i n der Bundesrepublik einer eingehenden kritischen Betrachtung zu unterziehen, ist hier nicht der Ort. Die Literatur dazu füllt die berühmten „ganzen Bibliotheken". Als Ausgangspunkt für die weiteren Erörterungen muß die eigene Meinung des Verfassers, durch die Kenntnis der einschlägigen Literatur geläutert, aber auch durch die Beobachtungen i n der Praxis stark beeinflußt, genügen. Die jetzt 33jährige Geschichte des Parlamentarismus i m Nachkriegs-Deutschland hat bewiesen, daß dieses Regierungssystem auch i n der Bundesrepublik lebensfähig ist und am besten die Gewähr dafür bietet, daß die gesellschaftlichen Interessengegensätze, die es überall gibt, ausgeglichen und neue politische Kräfte integriert werden. Der Idee des Parlamentarismus haben auch starke außerparlamentarische Strömungen nicht nachhaltig zu schaden vermocht. Was Thaysen 1976 feststellte, gilt deshalb auch heute noch: Von einer faktischen Krise des Parlamentarismus kann i n der Bundesrepublik derzeit keine Rede sein. 1 Vielmehr ist für die Zukunft von dem Bestand des parlamentarischen Systems und seiner Weiterentwicklung auszugehen. Damit ist aber auch schon angedeutet, daß die Funktion der Parlamente Veränderungen unterliegt, eine Selbstverständlichkeit i n einer sich ebenfalls ständig verändernden Gesellschaft. Aus dem sehr komplizierten Prozeß seien nur einige wenige Aspekte herausgegriffen. Hat sich z. B. die Gesetzgebung des Bundestages bis zur 8. WP ungefähr 1 S. 98; vgl. auch Oppermann u. Meyer 1974, W D S t R L 33, S. 14 ff. u. S. 104 ff. 2 Handschuh, S. 28.
auf der Staatsrechtslehrertagung
I. Die gegenwärtige Stellung des Abgeordneten
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immer i n der gleichen Größenordnung bewegt 2 , so ist die Gesetzgebungsfunktion der Landesparlamente infolge von Kompetenzverlusten zugunsten des Bundes immer mehr geschrumpft. Andere Verluste an Entscheidungsmöglichkeiten, insbesondere zugunsten der Exekutive, traten hinzu. Diese Entwicklung veranlaßte sogar die Konferenz der Präsidenten der deutschen Landesparlamente, das Problem auf ihrer Konferenz i m Oktober 1981 i n Düsseldorf unter dem Thema „Standortbestimmung und Perspektiven der Länderparlamente" zu behandeln. 3 Einen anderen Aspekt hat Rausch 4 zutreffend beschrieben. Die zunehmende Komplizierung aller Lebensbereiche und die daraus resultierende notwendige Spezialisierung 5 , Technologisierung und Planung führt zu einem Konflikt „zwischen parlamentarisch-öffentlicher Politik und administrativer-arkanischer Problemlösung". Die Exekutive besitzt dabei (nicht zuletzt wegen des zunehmenden Einsatzes der elektronischen Datenverarbeitung) einen Informations- und Beratungsvorsprung. Parlaments-organisatorisch führt dies zu einer stärkeren Verlagerung der Arbeit i n die Ausschüsse und andere Gremien, jedenfalls weg — wie Röper 6 richtig bemerkt — von der mündlichen Auseinandersetzung i m Plenum bzw. (um einen schlagwortartigen Begriff zu gebrauchen) zu einer noch stärkeren Ausprägung des Typs „Arbeitsparlament". 7 Die Parlamente haben auf ihre Weise auf diese Entwicklung reagiert, durch eine stärkere Spezialisierung innerhalb der Fraktionen, durch den Ausbau der wissenschaftlichen Stäbe, durch eine Weiterentwicklung der traditionellen Kontrollrechte, auf die sich ζ. B. ein gewichtiger Teil der Untersuchungen der Enquête-Kommission Verfassungsreform des Bundestages bezog®, und durch die Einführung neuer institutioneller Formen. Es kann so nicht verwundern, daß die Zahl der Anfragen an die Regierung i n allen Parlamenten gestiegen ist, teilweise sprunghaft. 9 Als eine gewisse Novität sind die Enquête-Kommissionen zu vermerken. 1 0 3 Vgl. F A Z v. 8.10.1981. 4 S. 149. s Diese Entwicklung w i r d auch i n BVerfGE 40, 296, 313 beiläufig konstatiert; s. a. Hemeyer, S. 177. « DVB1.1980, S. 564. 7 So ist auch nicht verwunderlich, daß sich viele Bundestagsabgeordnete eine verstärkte Ausschußarbeit wünschen Rose / Hofmann-Götting, S. 67 Fn. 72). Den Vorrang der Kontrollaufgabe betont auch Herbert Schneider (S. 465). β Schlußbericht, Teil I, Parlament u. Regierung, Zur Sache 3/76, S. 121. Ä Der Bundestag verzeichnete zwar bei den Kleinen Anfragen n u r eine leicht steigende Tendenz, die Zahl der Mündlichen Anfragen hat sich aber seit der 1. W P enorm gesteigert (Schindler, S. 278). Bei den Landesparlamenten ist die Zunahme schriftlicher Anfragen teilweise noch viel dramatischer.
142
C. Rechtspolitische Überlegungen
Diese veränderte Arbeitsweise des Parlaments bedingt auch eine Umstellung i n der Arbeitsweise des Abgeordneten. Die mündliche Äußerung t r i t t i n ihrer Bedeutung zurück hinter die schriftliche Manifestation. Dies scheint zunächst vorteilhaft zu sein, denn die schriftlich fixierte Meinung ist weniger spontan und die Gefahr einer Entgleisung damit geringer. Jedoch erfordert die neue Aufgabe des Abgeordneten, mehr Informationen zu erlangen 11 , einen bestimmten Sprachstil; er setzt die Sprache taktisch ein 1 2 . Er muß etwa mit unbewiesenen Behauptungen arbeiten, u m aus der Reaktion der Regierung ersehen zu können, ob es sich lohnt (sprich: i m öffentlichen Interesse notwendig ist), die Sache weiterzuverfolgen. Auch Ironie und Satyre bis h i n zu persönlichen Angriffen sind (je nach Situation) legitime Mittel, die Regierung aus der Reserve zu locken. Wer eine übermächtige Exekutive kontrollieren w i l l , muß überall Unrat w i t t e r n und darf nicht zimperlich sein. Dies gilt insbesondere für die Opposition. 2. Der Abgeordnete als Verbindungsglied zwischen Parlament und Bürger
Eine andere Entwicklung hat die Alltagsarbeit des Abgeordneten ebenfalls stark verändert. I n der Anfangszeit der Bundesrepublik konzentrierte sich alles auf die jeweilige nächste Wahl. Die Parteien waren bloße „Wahlkampf maschinen", die alle vier Jahre unter Dampf gesetzt wurden. Der Abgeordnete „repräsentierte" das Volk, das zwischenzeitlich nicht befragt wurde und nach dem GG auch nicht befragt werden sollte, denn plebiszitäre Elemente vermieden die Verfassungsväter (mit Ausnahme des A r t . 118) sorgfältig bei der Abfassung des GG. Sie waren durch die Erfahrungen der Weimarer Zeit verschreckt. I n den Ländern sah es zwar verfassungsmäßig teilweise anders aus, dennoch war die Grundstimmung die gleiche. 13 Dieses B i l d wandelte sich erst i m Laufe der Zeit. So stellte etwa die Enquête-Kommission Verfassungsreform des Bundestages 1976 fest, „daß i n den letzten Jahren i n der Öffentlichkeit wiederholt Forderungen nach einer stärkeren und wirksameren Beteiligung der Bürger an der politischen Willensbildung und an den staatlichen Entscheidungsprozessen erhoben worden sind." 1 4 Hinzu kam das Aufkommen der *« Rehfeld (S. 198) stellte fest, daß es auch während der Diskussion u m die Verankerung der Kommission eine Akzentverschiebung von der Legislativzur K o n t r o l l f u n k t i o n stattfand. 11 s. dazu auch Benda, S. 515. 12 Vgl. dazu auch meinen Vortrag auf dem Deutschen Dokumentartag 1980 i n B e r l i n (veröffentlicht München, 1981, S. 421). 13 Vgl. dazu meinen Aufsatz (gemeinsam m i t K a t r i n Kusch) i m „Bär von B e r l i n " , Jahrbuch 1981 des Vereins für die Geschichte Berlins, S. 79, 88. 14 Z u r Sache 3/76, S.47.
I. Die gegenwärtige Stellung des Abgeordneten
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Bürgerinitiativen; als Ursache dafür w i r d allgemein auch der Umstand angesehen, daß sich die Bürger nicht mehr hinreichend durch die A b geordneten vertreten fühlten. „Repräsentanz bedeutet" — wie Benda bemerkt 1 5 — „zugleich Vermittlung von Informationsströmen i n doppelter Richtung: das Wollen und Fühlen der Bürger soll i n die Gesetzgebung eingebracht werden, sich i n ihr hinreichend berücksichtigt oder doch wenigstens erwogen fühlen können. Umgekehrt w i l l der Bürger den Handlungs- und Führungswillen des Parlaments erkennen." Und er w i l l diesen, möchte ich hinzufügen, nicht nur erkennen, er möchte ihn durch den Abgeordneten auch erläutert bekommen. Um diesen Informationsstrom i n beiden Richtungen i n Gang zu halten, muß der Abgeordnete viel mehr als früher, heute das Gespräch mit dem Bürger suchen, durch Straßenaktionen, durch Sprechstunden, durch sein Auftreten i n irgendwelchen Verbandsversammlungen, durch die Teilnahme an Podiumsdiskussionen usw. Diese Wahlkreisarbeit ist bei den Landtagsabgeordneten eher noch stärker ausgeprägt als beim Bundestag. 16 Der Gefahrenbereich, von der Indemnität her gesehen, i n dem sich der Abgeordnete bewegt, ist größer geworden und hat sich vom Parlament mehr i n den „vorparlamentarischen" Raum verlagert. 3. Das Mandat als Beruf
Das BVerfG hat in seinem zweiten „Diäten-Urteil" 1 7 für den Bundestagsabgeordneten, nicht zuletzt wegen der geschilderten Entwicklung apodiktisch festgestellt: „ I m allgemeinen k a n n nicht mehr davon ausgegangen werden, daß ein Abgeordneter für die Zeit seiner Mitgliedschaft i m Parlament den w i r t schaftlichen Rückhalt für sich u n d seine Familie aus eigenem Vermögen oder eigenem Einkommen aus beruflicher Tätigkeit erzielen kann. Der T y p des unabhängigen, als Einzelpersönlichkeit gewählten Honoratioren-Abgeordneten, dessen wirtschaftliche Existenz durch das Mandat nicht beeinträchtigt w i r d u n d m i t i h m nicht verbunden ist, ist immer seltener geworden."
Auch wenn das Mandat selbstverständlich immer nur auf Zeit vergeben wird, muß man also die Tätigkeit des Abgeordneten heute als Beruf 1 8 bezeichnen i n dem Sinne, daß sie einen wesentlichen Teil seiner verfügbaren Zeit beansprucht und die Entschädigung dafür zudem (vielleicht von dem hamburgischen Sonderfall abgesehen) einen nicht 1 5 S. 513. ie Darauf hat Oberreuter auf einem Seminar der Deutschen Vereinigung für Parlamentsfragen (Politk als Beruf?, Z u r Sache 1/79, S. 140) hingewiesen. 17 BVerfGE 40, 296, 312. 18
Vgl. dazu die Ausführungen von Geiger, Zur Sache 1/79, S. 105.
144
C. Rechtspolitische Überlegungen
unbeträchtlichen Beitrag zu seiner ökonomischen Existenzgrundlage darstellt. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob bei allen Landtagsabgeordneten der Zeitaufwand für die Wahrnehmung des Mandats so erheblich ist, daß man die Tätigkeit als „full-time-job" qualifizieren muß. Entscheidend ist, daß die überwiegende Zahl der Abgeordneten ihren bisherigen Beruf überhaupt nicht mehr oder nur zeitlich mehr oder weniger eingeschränkt ausüben kann, so daß eine gewisse w i r t schaftliche Abhängigkeit vom Mandat eintritt. Bereits i n einem früheren Urteil 1 9 hatte das BVerfG die Einführung einer Altersversorgung für Abgeordnete für verfassungsrechtlich zulässig erklärt und einen solchen Ruhegeldanspruch des Parlamentariers als „Annex seiner Besoldung" bezeichnet. Gewiß ging es damals von den seinerzeit vorliegenden Modellen aus, die zu einem erheblichen Teil noch eine Selbstbeteiligung vorsahen. Inzwischen ist die Altersversorgung der Abgeordneten aber zu einer Staatspension geworden, deren Verfassungsmäßigkeit mancherorts angezweifelt w i r d 2 0 ; es sei eben Sache des Abgeordneten, wenn er seine Existenz allein auf den Beruf als Abgeordneter aufbaue, ohne Vorsorge für den Fall der A r beitsunfähigkeit und des Alters zu treffen, so wie es i n anderen freien Berufen üblich sei. Diese Bedenken sind ungehört verhallt. Die W i r k lichkeit sieht anders aus. Der ausgeschiedene Bundestagsabgeordnete, der das 65. Lebensjahr vollendet und dem Bundestag mindestens sechs Jahre angehört hat, erhält eine Altersentschädigung (ohne Eigenbeteiligung); die Höhe der Altersentschädigung steigt mit jedem weiteren Jahr der Mitgliedschaft i m Parlament bis zu einer gewissen Grenze (§ 19 AbgG). Da außerdem eine dem Beamtenrecht entlehnte Hinterbliebenenversorgung 21 eingeführt worden ist, hat sich die wirtschaftliche Absicherung auf die nächsten Angehörigen ausgedehnt. 4. Das Verhältnis des Abgeordneten zu seiner Partei
Konnte das BVerfG i n einer Entscheidung aus dem Jahre 196622 vielleicht noch zu Recht der Meinung sein, die Diäten sollten die Entschließungsfreiheit der Abgeordneten — auch gegenüber seiner Fraktion und seiner Partei — sichern und ihn i n die Lage versetzen, die sich aus seinem repräsentativen verfassungsrechtlichen Status ergebenden Rechte und Pflichten i n Freiheit auszuüben, so w i r d man das heute wesentlich anders sehen müssen. Nicht wenige Abgeordnete sind gerade wegen der i® 20 21 22
BVerfGE 32, 157, 164 f. Geiger, Zur Sache 1/79, S. 119/120. I n den meisten Ländern ist dies ähnlich geregelt. BVerfGE 20, 56, 103.
I. Die gegenwärtige Stellung des Abgeordneten
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Gewöhnung an die neue Existenzgrundlage, insbesondere auch m i t Rücksicht auf die i n Aussicht stehende Alters- bzw. Hinterbliebenenversorgung, die ein Verbleiben i m Parlament für mehr als eine Wahlperiode voraussetzt, i n eine Abhängigkeit von ihrer Partei geraten, nicht zuletzt auch deshalb, weil die Parteien praktisch ein Monopol bei der Aufstellung von Wahlbewerbern besitzen. Andererseits gibt es sicherlich eine ganze Reihe von Abgeordneten, die aufgrund ihrer beruflichen Vorbildung und ihrer privaten Vermögensverhältnisse insoweit keine Abhängigkeit empfinden werden. 2 3 Dennoch ist dies nicht alles. Der Abgeordnete ist auch durch die schon erwähnte stärkere Arbeitsteilung i n der Fraktion und die Rücksichtnahme auf die verschiedenen Interessenverbände mehr als früher eingebunden 24 , ferner durch die i n der Massendemokratie notwendigen Arbeitsmöglichkeiten, die i h m nur eine Partei zur Verfügung stellen kann; schon aus finanziellen Gründen w i r d es da selten Einzelkämpfer geben. Ferner scheint sich neuerdings auch i n den etablierten Parteien eine „Basisdemokratie" auszubreiten, d. h. es w i r d versucht, die Abgeordneten durch Parteitagsbeschlüsse weitgehend zu binden. Dabei w i r d bewußt ignoriert, daß die Artikulation von Parteiforderungen i n einem Parteitagsbeschluß und ihre Umsetzung i n praktische Politik zwei ganz verschiedene Dinge sind. Parteiwesen und Parlamentarismus sind eben auf verschiedenen Strukturebenen angesiedelt; die Parteien formen den staatlichen Willen lediglich vor, die Willensbildung selbst erfolgt jedoch ausschließlich durch die Organe des Staates, insbesondere das Parlament, dessen Kompromißfähigkeit anderenfalls nicht mehr gegeben wäre. 2 5 Es besteht aber leider Veranlassung zu der Annahme, daß der bereits berichtete Berliner Fall 2 6 Schule macht. Gewiß w i r d man ohnehin von einer weitgehenden Konvergenz zwischen Abgeordneten und Partei i n allen politischen Fragen ausgehen können, was der Eintritt in die betreffende Partei schon dokumentiert. Es geht also i n erster Linie u m Grenzfragen und u m die Lösung aktuell auftretender Probleme. Auch hier ist es eine Frage des Einzelfalles, wie unabhängig sich der einzelne Abgeordnete fühlt. Eine herausragende Persönlichkeit etwa w i r d sich eher erlauben können, eine eigene Meinung laut auszusprechen, wohl wissend, daß nicht nur der Abgeordnete auf die Partei angewiesen ist, sondern umgekehrt auch diese auf Z u w e i t — so scheint m i r — hat sich Krause (S.336) v o n der Realität entfernt, w e n n er u m der Unabhängigkeit w i l l e n den hochbesoldeten Berufspolitiker fordert, der, wie er selbst zugibt, allenfalls i m B u n d möglich wäre. 24 So m i t Recht BolcLt, Zur Sache 1/79, S. 26. 2« Achterberg, Das rahmengebundene Mandat, S. 10. Die F u n k t i o n der K o m promißfindung betont auch Dach (S. 213). 2« Oben Abschnitt B, Fn. 257. 10 Härth
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C. Rechtspolitische Überlegungen
ihn; denn das Profil einer Partei w i r d i n den Augen der Öffentlichkeit nicht nur vom Programm und ihren Forderungen geprägt, sondern mindestens genau so stark von den Persönlichkeiten, die die Partei repräsentieren und ihre Politik verdeutlichen sollen. Der hochgediente, blasse Funktionär hingegen w i r d ängstlich darauf bedacht sein, nicht von der „Linie" abzuweichen. Insgesamt, so scheint mir, hat sich der Druck der Parteien auf die Abgeordneten aber eher verstärkt. I m übrigen hatte die Enquête-Kommission Verfassungsreform des Bundestages das Verhältnis des Abgeordneten zu seiner Partei eingehend diskutiert. Sie lehnte es ab, die parteienstaatliche Komponente zu verstärken und führte u. a. aus 27 : „Wenn sich die Kommission m i t Nachdruck für die Beibehaltung des A r t i kels 38 GG i n seiner jetzigen Fassung ausspricht, so ist dies darin begründet, daß das freie Mandat sowohl als Kernstück der parlamentarischrepräsentativen Demokratie unverzichtbar wie auch für die Funktionsfähigkeit der innerparteilichen Demokratie v o n wesentlicher Bedeutung ist. Es schirmt die politischen Parteien gegen oligarchisierende Tendenzen immer wieder ab u n d begünstigt u n d fördert die Offenheit der Willensbildung i n Partei u n d Fraktion. Die verfassungsrechtlich verbürgte Unabhängigkeit des Abgeordneten erleichtert die A r t i k u l a t i o n partikularer Interessen i n der Partei u n d zwingt dazu, einen breiten parteiinternen Konsens wenigstens i n parteipolitischen Grundsatzentscheidungen herzustellen, die i n der parlamentarischen A r b e i t i n die Praxis umgesetzt werden sollen. Indem das freie Mandat den frei, auf Argumentation u n d Konsensbildung beruhenden Willensbildungs- u n d Entscheidungsprozeß innerhalb des Parlaments u n d der Parlamentsfraktionen, aber auch bis i n die Parteien h i n e i n ermöglicht u n d sichert, ist es ein notwendiges Korrelat zu den bestehenden Parteibindungen u n d dazu bestimmt u n d geeignet, die Parteien u n d F r a k tionen als Konsensgemeinschaften zu erhalten. Dies ist eine parteienstaatliche Voraussetzung für das Funktionieren einer parlamentarisch-repräsentativen Demokratie."
I I . Folgerungen für die I n d e m n i t ä t 1. Einschränkung oder Erweiterung der Indemnität?
Der kurz beschriebene Status des Abgeordneten w i r f t die Frage auf, ob und gegebenenfalls i n welcher Weise die Indemnität reformiert werden soll. Obwohl zuzugeben ist, daß sich die historische Situation gewandelt hat — gegen eine Diktatur moderner Prägung ist sie ohnehin kein geeignetes Mittel —, Privilegien möglichst abgebaut werden sollten und der Wortlaut der gegenwärtigen Bestimmungen zu mancherlei K r i t i k Anlaß gibt, w i r d dennoch für eine Erweiterung des Indemnitäts27 Zur Sache 3/76, S. 78.
I I . Folgerungen für die Indemnität
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schutzes plädiert. Schon Rinck 28 meinte 1961, die Indemnität könne heute als Schutz der Meinungsfreiheit und der Unabhängigkeit des A b geordneten vor sachfremden Einflüssen „ i n dem stärkere plebiszitäre Züge aufweisenden Parteienstaat der Gegenwart" ebensowenig entbehrt werden, wie i n der liberal-repräsentativen Demokratie des 19. Jahrhunderts; da Abgeordnete und Parteien „einem früher undenkbaren Druck von Interessengruppen und Verbänden ausgesetzt seien, „denen jede Einschränkung der Indemnität als Ansatzpunkt für weitere Pressionen sehr willkommen sein könnte", solle man nicht auf eine Schwächung, sondern auf eine Stärkung der Unabhängigkeit des Abgeordneten bedacht sein. 29 Hemeyer 30 sieht den Schutzzweck der Indemnität ebenfalls i m modernen Rechtsstaat als legitim an und hält die Beschränkung auf den engeren parlamentarischen Bereich i n der gesellschaftlichen Wirklichkeit für anachronistisch; die engere parlamentarische Tätigkeit des Abgeordneten lasse sich nicht mehr scharf von seiner parlamentsbezogenen politischen Tätigkeit i n der Öffentlichkeit trennen. Wesentlicher Inhalt seiner Öffentlichkeitsarbeit seien wertende politische Äußerungen i n Wahrnehmung seiner politischen Meinungsfreiheit. Die verfassungsrechtlich erwünschte Lebendigkeit der politischen Auseinandersetzung rechtfertige es, den Indemnitätsschutz auf den außerparlamentarischen Bereich auszudehnen, soweit der Abgeordnete dort eine besondere Stellung einnimmt. Eine derartige Ausdehnung rechtfertige sich auch aus dem engen Zusammenhang von Art. 5 Abs. 1, 38 Abs. 1 Satz 2, 46 Abs. 1 und 20 Abs. 2. Mang 31 hingegen lehnt eine Ausweitung des Indemnitätsschutzes ab. Er räumt zwar ein, daß der Status des Abgeordneten einen Wandel durchgemacht hat, meint aber, dies könne nicht dazu führen, sämtliche Äußerungen eines Abgeordneten sowohl innerhalb wie außerhalb des Parlaments unter den Schutz der Indemnität zu stellen. Eine derartige Ausdehnung des Indemnitätsschutzes sei nur schwer mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz i n Einklang zu bringen. Mang muß entgegengehalten werden, daß, wenn der Status des A b geordneten sich derart stark verändert hat, an den Folgen dieser Ände2s S. 251. 20 Wiese (S. 555 ff., insbes. S. 559) schildert zwar i m Prinzip richtig die E n t wicklung des Repräsentationsgedankens u n d das Spannungsverhältnis z w i schen Partei und „freiem" Mandat; ich vermag i h m jedoch nicht zuzustimmen, w e n n er meint, die vereinzelt immer noch für erforderlich gehaltene Abschirmung des Abgeordneten gegen seine Partei dürfte somit letztlich als Nachwirkung des i m 19. Jahrhundert verbreiteten bürgerlichen Ressentiments gegen die politischen Parteien überhaupt anzusehen sein, dessen historische Bedingtheit, einmal erkannt, zu seiner Uberwindung führen müsse. 30 S. 177. 31 S. 552.
10*
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C. Rechtspolitische Überlegungen
rung nicht vorbeigegangen werden kann. Es spricht demnach alles für eine Ausweitung des Indemnitätsschutzes unter gewissen Kautelen (im Interesse des möglicherweise Betroffenen), zumal man sich damit durchaus i m gesamteuropäischen Rahmen bewegen würde. 3 2 Es könnte höchstens die Frage gestellt werden, ob eine solche Ausweitung angesichts der Rechtsprechung über den Ehrenschutz i n der politischen Auseinandersetzung überhaupt notwendig ist. I n der Tat tendiert hier die Rechtsprechung sehr stark zu einer Betonung der Meinungsfreiheit. Das K G hatte schon 197533 zugunsten eines Abgeordneten, der sich außerhalb des Parlaments, also des Schutzbereichs der Indemnität, geäußert hatte, A r t . 5 Abs. 1 GG zu Hilfe genommen und erklärt, diese Bestimmung schütze jede, daher auch die i n der Sicht anderer „falsche" Meinung, solange sie nicht offensichtlich abwegig, schlechterdings unvertretbar sei; unter Umständen muß derjenige — so ist dem Urteil zu entnehmen —, der sich i n der Öffentlichkeit i n abfälliger Weise über unseren Staat äußert, eine, auch i n der Form übersteigerte K r i t i k hinnehmen. Ebenso hat das BVerfG das Recht auf freie politische Meinungsäußerung hervorgehoben. 34 Es hat ferner die Auffassung vertreten, die Wahrnehmung berechtigter Interessen decke i n einem öffentlichen Meinungskampf auch herabsetzende Äußerungen, wenn sie ein adäquates Mittel zur Abwehr eines von der Gegenseite beabsichtigten grundrechtsgefährdenden Verhaltens sind, und da es der Sinn jeder zur Meinungsbildung beitragenden öffentlichen Äußerung sei, Aufmerksamkeit zu erregen, seien angesichts der heutigen Reizüberflutung einprägsame, auch starke Formulierungen hinzunehmen. 35 Hinzu kommt, daß dem Abgeordneten i n weitem Umfang der Rechtfertigungsgrund des § 193 StGB zur Seite stehen wird. 3 6 Das alles spricht aber nicht gegen eine Ausweitung des Indemitätsschutzes, da dieser schon das Gerichtsverfahren als solches ohne Rücksicht auf seinen Ausgang verhindern würde. 3 7 2. Vorschlag einer Neuformulierung
U m die Mängel der gegenwärtigen Bestimmungen zu beseitigen, ist eine Neuformulierung notwendig. Soweit ich sehe, hat nur Hemeyer dafür einen Text vorgelegt 38 , der für den gesamten Art. 46 lauten soll: 32 Vgl. Abschnitt B, Fn. 86. 33 ZParl 1975, S.290. 34 BVerfGE 42, 133, 139. «5 BVerfGE 24, 278, 286. 36 Dazu siehe das bei Daliinger, M D R 1955, S.270, berichtete U r t e i l des B G H v. 2.12.1954, sowie zusammenfassend v. d. Decken, S. 46 ff. 37 Vgl. oben Abschnitt Β , I V , 7.
I I . Folgerungen für die Indemnität
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„(1) E i n Abgeordneter darf zu keiner Zeit wegen seiner A b s t i m m u n g oder wegen einer Äußerung i m Parlament oder anläßlich seiner parlamentarischen Tätigkeit i n der Öffentlichkeit gerichtlich oder dienstlich verfolgt oder sonst außerhalb des Bundestages zur Verantwortung gezogen werden. Dies g i l t nicht für Verleumdungen u n d üble Nachreden. (2)
entfällt.
(3) Die Beschränkung der persönlichen Freiheit eines Abgeordneten oder die Einleitung eines Verfahrens gemäß A r t . 18 bedürfen der Genehmigung des Bundestages. (4)
unverändert."
Demgegenüber hielte ich folgende Formulierung für besser: „(1) E i n Abgeordneter darf zu keiner Zeit wegen seiner A b s t i m m u n g oder wegen einer i n Ausübung seines Mandats innerhalb oder außerhalb des Bundestages getanen Äußerung gerichtlich oder dienstlich verfolgt oder i n sonstiger Weise außerhalb des Bundestages zur Rechenschaft gezogen werden. Dies g i l t nicht, wenn der Verdacht einer verleumderischen Beleidigung oder eines Verbrechens besteht; i m übrigen k a n n der Bundestag m i t einer Mehrheit von zwei D r i t t e l n seiner M i t g l i e der ein gerichtliches Verfahren zulassen."
Dazu sind vielleicht einige Erläuterungen erforderlich: a) Die Formulierung „ i n Ausübung des Mandats" ist geläufiger und schärfer als der von Hemeyer gewählte Begriff „anläßlich seiner parlamentarischen Tätigkeit". Durch den Zusatz „innerhalb oder außerhalb des Bundestages" werden alle Zweifel beseitigt, die i m Zusammenhang mit verschiedenen Gremien aufgetaucht sind oder ζ. B. i n bezug auf einen Schriftverkehr mit dem Minister oder Erklärungen gegenüber der Presse bestehen, andererseits sind reine Parteireden ausgeschlossen. b) Den Begriff „zur Verantwortung gezogen" habe ich ersetzt durch die Wendung „zur Rechenschaft gezogen", u m deutlich zu machen, daß damit auch Maßnahmen auf Veranlassung von Privatpersonen oder nichtstaatlichen Organen gegen einen Abgeordneten unzulässig sind; darüber hinaus sollte der Parteiausschuß gesetzlich so geregelt werden, daß die Urteile der Parteischiedsgerichte (soweit es sich nicht u m einen Ausschluß wegen Nichtzahlung der Beiträge handelt) der gerichtlichen Bestätigung bedürfen. ** S. 177. Friesenhahn (S. 520) empfiehlt den Erlaß eines besonderen Gesetzes, i n dem der Umfang der Indemnität so genau w i e möglich umschrieben werden sollte, ohne dies weiter zu konkretisieren. Den Streit, ob zu A r t . 46 ein Ausführungsgesetz ergehen könnte (dazu Kewenig / Magiera, S. 229), lasse ich hier außer Betracht, w e i l diese Frage, w e n n da überhaupt ernsthafte Zweifel bestehen sollten, i m Grundgesetz geregelt werden sollte.
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C. Rechtspolitische Überlegungen
c) Die Ausnahme für die verleumderische Beleidigung ist erweitert worden u m alle Verbrechen, so daß auch eine Anstiftung zum Mord verfolgt werden könnte. Außerdem soll der Bundestag bei anderen Delikten entscheiden können, ob er ein Verfahren zuläßt; diese Regelung würde dem A r t . 14 Abs. 2 Hbg Verf entsprechen. Daneben sollte der Bundestag die Möglichkeit erhalten, i n erweiterter Form selbst Verstöße von Abgeordneten zu ahnden. I m Prinzip richtig finde ich, daß Hemeyer einen Zusammenhang m i t der I m m u n i t ä t feststellt, jedoch k a n n i m Rahmen dieser Untersuchung nicht geklärt werden, wie i n Z u k u n f t die Immunitätsvorschrift formul i e r t werden sollte. A n dieser Stelle reicht es aus anzumerken, daß die Immunitätsbestimmung einen dem A r t . 48 Abs. 1 letzte Alternative N - W V e r f entsprechenden Zusatz enthalten sollte, so daß bei Nichtbestehen eines Indemnitätsschutzes auch der Immunitätsschutz entfiele.
3. Vereinheitlichung des Indemnitätsschutzes
Es k a n n keinem Zweifel unterliegen, daß eine Vereinheitlichung des Indemnitätsschutzes i m ganzen Bundesgebiet i m Sinne einer vereinfachten Rechtsanwendung vorteilhaft wäre; aber dies ist n u r durch eine Änderung des GG u n d aller Landesverfassungen zu erreichen, wobei die interlokalen Probleme durch einen Zusatz i n den Landesverfassungen nach dem Muster des A r t . 95 Hess Verf ( „ . . . oder eines anderen deutschen Landtages . . . " ) oder des A r t . 58 Nds Verf gelöst werden könnten. Über die Realisierbarkeit eines solchen Unternehmens w i r d man sich aber w o h l keine Illusionen machen dürfen, da Verfassungsänderungen überall durch vorgeschriebene qualifizierte Mehrheiten erschwert sind u n d darüber hinaus i n Bayern (Art. 75 Abs. 2) u n d Hessen (Art. 123) ein Volksentscheid obligatorisch ist. So muß w o h l hilfsweise nach anderen Wegen gesucht werden. Da der B u n d keine einheitliche Vorschrift erlassen k a n n 8 9 , muß nach eventuellen Restkompetenzen gefragt werden. Schröder 40 hat zutreffend dargelegt, daß ungeachtet der fehlenden Kompetenz des Bundes für eine Gesamtregelung der Indemnität i n ihren Voraussetzungen (und der daraus resultierenden Nichtigkeit des § 36 StGB) der Bund dennoch eine Teilzuständigkeit besitzt. Diese erfaßt die Auswirkungen der Indemnität auf die allgemeine Rechtsordnung nach Maßgabe einschlägiger Bundeskompetenzen. Schröder geht allerdings von einem materiellrechtlichen Gehalt der Indemnität aus. Nach der von m i r vertretenen Vgl. oben Abschnitt B, I I I , 6. 40 Rechtsfragen, S.48.
I I . Folgerungen für die Indemnität
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Auffassung hat die Indemnität aber ausschließlich prozessuale Bedeutung (was durch die Neuformulierung noch deutlicher würde). Damit wäre jedoch gleichzeitig der Weg frei, für eine auf die entsprechenden Zuständigkeiten (Art, 74 Nr. 1 GG, „ . . . das gerichtliche Verfahren . . . " ) gestützte Regelung des Bundes (entsprechend dem § 152 a StPO), die die Bindung aller rechtsanwendenden Stellen i m Bundesgebiet an die landesrechtliehe Bestimmung zur Folge hätte. 4. Vervollständigung der Disziplinarmittel
Die vorgeschlagene Ausweitung des Schutzbereichs der Indemnität w i r d zwar zunächst dadurch ausgeglichen, daß bestimmte Delikte ausgenommen werden (unter Wegfall auch des Immunitätsschutzes) und i m übrigen das Parlament es i n der Hand hätte, ein gerichtliches Verfahren zuzulassen. Dessen ungeachtet bleibt es aber Aufgabe des Parlaments, i m Rahmen seiner Autonomie für Möglichkeiten einer Selbstdisziplin zu sorgen. Das i m Interesse der ungeschmälerten und ungestörten Wahrnehmung seiner Funktion dem Parlament zugestandene Privileg, kein Abgeordneter dürfe „außerhalb des Bundestages" zur Rechenschaft gezogen werden, bedingt eine Ausfüllung der Kompetenzen auf der Gegenseite. Es muß der Eindruck vermieden werden, der Abgeordnete stünde außerhalb der Rechtsordnung. Einiges könnte durch eine bloße Änderung der bisherigen Praxis geschehen, ζ. B. durch eine verschärfte Anwendung der Vorschriften über die Erteilung von Ordnungsrufen, anderes zusätzlich i n die Geschäftsordnungen aufgenommen werden, ζ. B. Vorschriften über die nachträgliche Erteilung eines Ordnungsrufes und über die Ordnungsmittel der Ausschußvorsitzenden. Weitere Sanktionsmöglichkeiten könnten durch die Einführung einer A r t Disziplinarverfahrens oder einer „Ehrengerichtsbarkeit" geschaffen werden. 4 1 Dieses Thema ist allerdings zu komplex, u m i n diesem Zusammenhang vollständig abgehandelt zu werden. Zudem w i r d etwa die Aberkennug des Mandats, wie sie bereits jetzt i n den beiden hanseatischen Stadtstaaten möglich ist, kaum jemals i n Verbindung mit einem Mißbrauch der Indemnität i n Betracht kommen. Immerhin sei darauf hingewiesen, daß Wiese folgende Generalklausel als materiell-rechtliche Grundlage vorgeschlagen hat (wobei offen bleibt, wo er sie verankern will)42: 4
* Henke (Das demokratische A m t , S. 560 Fn. 51) meint, eine der wichtigsten Verbesserungen des geltenden Rechts der Parlamente wäre ein strengeres Disziplinarrecht für ihre Mitglieder. « S. 569. Bücker (in: Ritzel / Bücker, Erl. d zu § 18 B T GO) h ä l t es ebenfalls für sinnvoll festzulegen, daß ein M i t g l i e d des Bundestages sein A m t i n einer das Ansehen u n d die Würde des Bundestages verletzenden Weise nicht m i ß brauchen darf.
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C. Rechtspolitische Überlegungen
„Der Abgeordnete hat sich innerhalb u n d außerhalb des Parlaments so zu verhalten, daß er sich der Achtung u n d des Vertrauens w ü r d i g erweist, die das i h m anvertraute Repräsentantenamt erfordern."
Prozessual gibt er wohl einem Verfahren vor dem jeweiligen Landesverfassungsgericht den Vorzug, wobei er der Besonderheit des Abgeordnetenamtes bei der Besetzung des Gerichts Rechnung tragen w i l l 4 3 ; er verweist dazu auf A r t . 139 Bre Verf, wonach der bremische Staatsgerichtshof aus dem Präsidenten des höchsten bremischen Gerichts (bzw. seinem Stellvertreter) und sechs weiteren, von der Bürgerschaft gewählten Mitgliedern besteht; von denen müssen allerdings zwei rechtsgelehrte bremische Richter sein, und keiner darf Mitglied der Bürgerschaft und des Senats sein. Man könnte auch an die Zusammensetzung des Berliner Wahlprüfungsgerichts denken, das aus dem Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts, zwei von der Regierung zu bestellenden Richtern auf Lebenszeit und zwei vom Abgeordnetenhaus zu wählenden Abgeordneten besteht 44 ; das Gericht selbst hält sich jedenfalls für ein echtes Gericht i m Sinne des A r t . 92 GG 4 5 .
« Bücker, i n : Ritzel / Bücker, Erl. d zu § 18 B T GO, denkt daran, festgestellte Mißbräuche nach Vorprüfung durch ein bestimmtes parlamentarisches Gremium öffentlich, ζ. B. i n einer Plenarsitzung rügen zu lassen. Hier sind allerdings die Bedenken von Krause, das Ganze könnte zu einem Instrument i n der Hand der Mehrheit werden (S. 335) nicht ganz unbegründet. 44 § 1 Abs. 2 des Gesetzes über die Prüfung der Wahlen zum Abgeordnetenhaus u n d zu den Bezirksverordnetenversammlungen (Wahlprüfungsgesetz) v. 16.10.1958 (GVB1. S. 1021), zuletzt geändert durch Gesetz v. 30.1.1979 (GVB1. S. 183). 45 U r t V, 12,11,1975 (Beri D 7/392).
Schlußbetrachtung Die Indemnität hat sich aus einer bestimmten historischen Situation heraus entwickelt. Sie ist heute noch gerechtfertigt, ja erforderlich, ihre gegenwärtige normative Ausprägung ist aber unzureichend und reformbedürftig, da juristische Auslegungsmethoden nicht mehr ausreichen, um die bestehenden Bestimmungen i n ihrer Bedeutung der Verfassungswirklichkeit anzupassen. Deshalb hielt ich es für angebracht, einige wenige Anmerkungen zu einer möglichen Neuformulierung zu machen. Dennoch muß eine Bemerkung aus dem Vorwort noch einmal aufgenommen werden. Es bat sich i m Laufe der Abfassung der kleinen Abhandlung immer stärker gezeigt, daß die Indemnität vom Gesamtstatus des Abgeordneten kaum zu trennen ist. Und bei der Behandlung dieses Themas liegt leider vieles i m argen. Weder die Landtagspräsidenten haben sich bei der Neuregelung der Abgeordnetenentschädigung der Mühe unterzogen, diesen Gesamtstatus einmal näher zu fixieren, noch tat es die Enquête-Kommission Verfassungsreform des Bundestages. Manche Teilregelungen sind ausgesprochenes Stückwerk geworden, wie ζ. B. die Immunität, deren Weiterentwicklung immer mehr dem Opportunitätsdenken anheimfällt. Von einer rechtssystematischen Durchdringung des Stoffes ist keine Rede mehr. Man füllt nur noch neuen Wein i n alte Schläuche. Trotzdem steht am Schluß nicht die Resignation, sondern die Hoffnung, daß diese Schrift einen bescheidenen Beitrag zu leisten vermag zu einem Neuanfang auf dem angesprochenen parlamentsrechtlichen Teilgebiet, zumal i n einer Zeit, i n der das überkommene B i l d des A b geordneten immer unschärfere Konturen annimmt.
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