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German Pages 316 Year 1997
KARL RIESENHUBER
Die Rechtsbeziehungen zwischen Nebenparteien
Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 201
Die Rechtsbeziehungen zwischen Nebenparteien Dargestellt anhand der Rechtsbeziehungen zwischen Mietnachbarn und zwischen Arbeitskollegen
Von Karl Riesenhuber
Duncker & Humblot * Berlin
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Riesenhuber, Karl: Die Rechtsbeziehungen zwischen Nebenparteien : dargestellt anhand der Rechtsbeziehungen zwischen Mietnachbarn und zwischen Arbeitskollegen / von Karl Riesenhuber. - Berlin : Duncker und Humblot, 1997 (Schriften zum Bürgerlichen Recht; Bd. 201) Zugl.: Potsdam, Univ., Diss., 1996/97 ISBN 3-428-09163-9
Alle Rechte vorbehalten © 1997 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Werner Hildebrand, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-7387 ISBN 3-428-09163-9 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706©
Meinen Eltern
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 1996/97 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Potsdam als Dissertation angenommen. Rechtsprechung und Schrifttum sind bis August 1996, vereinzelt auch darüber hinaus berücksichtigt. Herzlich danke ich meinem Doktorvater, Herrn Professor Dr. Detlev W. Belling, der mir bei der Themenwahl sowie bei der Ausarbeitung größten Freiraum ließ und die Entstehung der Arbeit mit Rat und Anteilnahme begleitet hat. Danken möchte ich ferner dem Zweitgutachter, Herrn Professor Dr. Jörn Eckert, dessen Anregungen ich gerne aufgegriffen habe. Die Studienstiftung des deutschen Volkes hat die Erstellung der Arbeit durch Gewährung eines Promotionsstipendiums gefördert. Viele Freunde haben mich bei der Arbeit unterstützt. Raik Mickler war stets ein reger und aufmerksamer Gesprächspartner. Für Kritik und Zustimmung zu Entwürfen der Arbeit danke ich Christian Hartmann und Robert von SteinauSteinrück sowie meinen treuen "AG-Kollegen" Thomas Geisel und Peter Rädler. Eine vitale Rolle für die Entstehung der Arbeit hat schließlich Ronald Joachim gespielt; für seinen tatkräftigen Einsatz bleibe ich ihm herzlich verbunden.
Berlin, Frühjahr 1997 Karl Riesenhuber
Inhaltsverzeichnis Einleitung I. II.
19 Problemstellung Gang der Darstellung
19 21
Erster
Teil
Unmittelbare Rechtsbeziehungen zwischen Nebenparteien
27
1. Abschnitt Sozialrechtliche Beziehungen zwischen Nebenparteien § 1 Nebenparteien als Mitglieder einer Zweckgemeinschaft A. Verbandsmitgliedschaft und Rechtsbeziehungen zwischen Mitgliedern I.
n.
II.
27 29
Begriff der Verbandsmitgliedschaft 1. Mitgliedschaft 2. Bestimmung des "gemeinsamen Zwecks"
29 29 29
Rechtsbeziehungen zwischen den Mitgliedern 1. Vertragsbeziehung der Personalgesellschafter 2. Sonderverbindung und Treuepflicht
30 30 31
B. Verbandsmitgliedschaft des Arbeitnehmers I.
27
36
Belegschaft 36 1. Gemeinsamer Zweck 36 a) Arbeitszweck 36 b) Wahrung der Arbeitnehmerinteressen nach dem BetrVG . . 37 c) Arbeitskampfzusammenschluß 37 d) Exkurs: Gemeinsame Gewerkschaftsmitgliedschaft 39 2. Rechtsgeschäftlicher Zusammenschluß 40 Betrieb, Betriebsgemeinschaft und Unternehmen 1. Betriebszweck und Unternehmenszweck a) Gemeinsamer Zweck b) Privatautonome Vereinbarung
42 43 43 45
Inhaltsverzeichnis
10 2. 3. 4. 5. in.
Zweckbestimmung Adomeits Exkurs: Gesellschaftsrechtliche Elemente im Arbeitsverhältnis? Exkurs: Die Mitarbeit Unternehmensbeteiligter Zwischenergebnis
Mitgliedschaft durch Zuweisung von Mitgliedschaftsrechten: Unternehmensmitbestimmung 1. Mitgliedschaft durch Einräumung von Mitgliedschaftsrechten . . 2. Ausgestaltung der Mitbestimmung 3. Mitgliedschaft aufgrund der Unteraehmensmitbestimmung? . . . 4. Unternehmensmitbestimmung und Betriebsverfassung
C. Verbandsmitgliedschaft des Mieters I.
II.
55 55 56 57 58 59
Zweckverband der Mieter eines Hauses 1. Allgemein 2. Exkurs: Gemeinsame Mitgliedschaft der Mieter in einem "Drittverband" a) Allgemein b) Mitgliedschaft der Mieter im vermietenden Verband - besonders "Genossenmiete"
59 59
Zweckverband zwischen Mieter und Vermieter
63
D. Zusammenfassung
§ 2 Schlichtes Gemeinschaftsverhältnis der Nebenparteien A. Die schlichte Rechtsgemeinschaft nach §§ 741 ff. BGB I.
46 50 53 54
60 60 60
64
64 65
Einführung 1. Rechtsgemeinschaft 2. Rechtsbeziehungen zwischen Gemeinschaftern a) Schuldverhältnis und Sonderverbindung b) Haftungsmaßstab
65 65 66 66 69
Gemeinschaft aufgrund paralleler Schuldverhältnisse?
70
DI.
Gemeinschaft aufgrund gemeinsamen Besitzes
74
IV.
Analogie zur Wohnungseigentümergemeinschaft?
75
Ergebnis
76
n.
V.
B. Die Lehre von der Interessengemeinschaft
77
Inhaltsverzeichnis I.
n.
Einführung 1. Würdingers Theorie der schlichten Interessengemeinschaft 2. Wüst: Die Interessengemeinschaft als Ordnungsprinzip des Privatrechts 3. Die Interessengemeinschaft in der Rechtsprechung Interessengemeinschaft von Mietnachbarn und von Arbeitskollegen 1. Interessengemeinschaft von Mietnachbarn 2. Interessengemeinschaft von Arbeitskollegen
77 ...
77 80 81 82 82 84
m.
Stellungnahme 85 1. Zur Lehre von der Interessengemeinschaft 85 a) Die Begründung von Gemeinschaften im geltenden Recht . 85 b) Unbestimmtheit der Interessengleichrichtung 86 c) Die Interessengemeinschaft im System des BGB 89 2. Zur Interessengemeinschaft der Nebenparteien 91 a) Zu dem tatsächlichen Befund 92 b) Zur Regelung der "Interessengemeinschaft" von Mietnachbarn und von Arbeitskollegen 92
IV.
Ergebnis
93
C. Allgemeiner Begriff des Gemeinschaftsrechts I.
H.
93
"Außervertragliche Sozialbeziehungen" nach Paschke 1. Darstellung 2. Stellungnahme a) Zur Induktionsbasis aa) Das Grundstücksnachbarverhältnis bb) Das Arbeitskollegenverhältnis b) Zur Ausgestaltung der Sozialbeziehungen c) Zum Verpflichtungsgrund d) Zur Annahme von Sozialbeziehungen zwischen Mietnachbarn und zwischen Arbeitskollegen 3. Zwischenergebnis
104 105
Die Gemeinschaftslehren von Larenz und Ernst Wolf 1. Darstellung
106 106
a) Larenz b) Ernst Wolf
. .
94 94 96 97 97 98 99 102
106 107
c) Ausgestaltung des Gemeinschaftsrechts 107 2. Stellungnahme 108 a) Gemeinschaftsrecht als Organisations- und Teilhaberecht . . 108 b) Rechtsbeziehungen zwischen Gemeinschaftern 109 c) Zur Kritik Paschkes 110 d) Zwischenergebnis 111
Inhaltsverzeichnis 3. Gemeinschaftsrechtliche Beziehungen zwischen Nebenparteien? 111 a) Arbeitsverhältnis 111 aa) Allgemein 111 bb) Das Verhältnis von Arbeitnehmern im verfaßten Betrieb 112 b) Mietverhältnis 113 III. D.
Ergebnis
Die Lehre vom Arbeitsverhältnis als personenrechtliches Gemeinschaftsverhältnis I.
113
114
Hauptströmungen der Gemeinschaftslehren
114
Auswirkungen auf das Verhältnis zwischen Arbeitnehmern 1. Personenrechtliche Treuebeziehung 2. Gemeinschaftsbegründete Treuebeziehung 3. Gemeinschaft unter Arbeitskollegen nach Gerhard Müller . . .
119 120 120 . 122
m.
Stellungnahme 1. Zur Kennzeichnung als "personenrechtlich" 2. Zur Annahme einer Gemeinschaft 3. Zu dem Rechtsverhältnis zwischen Arbeitnehmern
123 124 126 129
IV.
Ergebnis
130
H.
E. Gemeinschaftsverhältnis von Grundstücksnachbarn I.
n.
HI.
Die Lehre vom nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis 1. Stand und Entwicklung 2. Stellungnahme a) Unbegründetheit der Gemeinschaft b) Entbehrlichkeit des Gemeinschaftsgedankens
130 131 131 132 132 134
Übertragung der Grundstücksnachbarregeln auf das Mietnachbarverhältnis 135 1. Der Standpunkt der Rechtsprechung 135 2. Stellungnahme 136 a) Zu den Grundlagen des Grundstücks- und des Mietnachbarverhältnisses 136 b) Zur Annahme eines mietnachbarlichen Rücksichtnahmegebots 139 c) Besitzschutz, deliktsrechtlicher Besitzschutz und deliktsrechtlicher Schutz des Rechts zum Besitz 140 Sonderverbindung zwischen Grundstücksnachbarn und Sonderverbindung zwischen Nebenparteien
140
Inhaltsverzeichnis IV.
Ergebnis
141
F. Schlußbetrachtung der Gemeinschaftslehren
141
2. Abschnitt Individualrechtliche Rechtsbeziehungen § 3 Vertrag zugunsten der Nebenparteien I. II.
m.
143
Stellungnahme 1. Rücksichtspflicht als Gegenstand der Drittberechtigung a) Beurteilung nach der Vereinbarung und der gesetzlichen Regelung b) Die erkennbare Interessenlage c) Hausordnung und Betriebsordnung 2. Besondere Nebenpflichten als Gegenstand der Drittberechtigung
144 145 145 146 147 147
Ergebnis
149
A. Meinungsstand
n.
m.
II.
149 150
Die Rechtsprechung 1. Grundlagen 2. Schutzwirkung für die Nebenparteien
150 150 151
Das Schrifttum 1. Zustimmung 2. Kritik 3. Offen gelassen
151 151 152 153
Erste Stellungnahme
153
B. Die Lehre vom Drittschutz I.
143
Meinungsstand
§ 4 Vertrag mit Schutzwirkung für die Nebenparteien
I.
143
Die Schutzwirkung als rechtlich anerkannte Sozialwirkung des Schuldverhältnisses
154
154
Bestimmung der Schutzwirkung nach der Anlage des Schuldverhältnisses 159 1. Ausgangspunkt 159 2. Überprüfung der Kriterien der Rechtsprechung 161
14
Inhaltsverzeichnis a) Leistungsnähe b) Gläubigernähe c) Erkennbarkeit d) Schutzbedürftigkeit 3. Die Ausgestaltung des Drittschutzes a) Die Beschränkung des Drittschutzes infolge seines Teilhabecharakters b) Kein Ausschluß des Drittschutzes wegen Gleichrangigkeit der Beteiligten c) Pflicht zur Erfüllung von drittschützenden Verhaltenspflichten ("Klagbarkeit") C. Schutz Wirkung für die Nebenpartei
161 162 163 163 166 166 168 169 173
I.
Die Schutzwirkung für die Nebenpartei und ihre Abgrenzung . . . . 174 1. Schutzwirkung für die Nebenpartei im Mietverhältnis und im Arbeitsverhältnis 174 a) Mietverhältnis 174 aa) Leistungsnähe und Gläubigernähe als Indizien 174 bb) Begründung aus der vertraglichen und gesetzlichen Anlage 176 cc) Zwischenergebnis 177 b) Arbeitsverhältnis 178 aa) Leistungsnähe und Gläubigernähe als Indizien 178 bb) Begründung aus der vertraglichen und gesetzlichen Anlage 178 cc) Zwischenergebnis 180 c) Zusammenfassung: Schutz Wirkung und Einordnung in eine "Gemeinschaft" 181 2. Gegenprobe der Haftungsbegrenzung 181 3. Abgrenzung von verwandten Fällen 183 a) Hausnachbarn 183 b) Mieter von Wohnungseigentum 183 c) Leiharbeitnehmer 184 4. Schutzwirkung für Nebenparteien jedes Vertrags Verhältnisses? . 186 a) Grundsatz 186 b) Grenzfälle 187
II.
Verhältnis von Verhaltenspflichten gegenüber der Nebenpartei und eigenen Rechten des Schuldners 189 1. Innervertragliche Einheit 189 2. Intervertragliche Einheit 190 a) "Gemeinschafts "Ordnung 191 b) Einheitsgewähr durch Vertragsauslegung 192
HI.
Exemplarische Schutzpflichten zwischen Nebenparteien
193
Inhaltsverzeichnis 1. Integritätsschutz und Verkehrssicherung a) Grundsatz b) Anwendungsbeispiele 2. Rücksichtnahme a) Grundsatz b) Anwendungsbeispiele 3. Informations- und Geheimnisschutz a) Grundsatz b) Anwendungsbeispiele 4. Ehrschutz, Respektierung der Persönlichkeit a) Grundsatz b) Anwendungsbeispiele 5. Wahrheits- und Lauterkeitspflicht a) Grundsatz b) Anwendungsbeispiele 6. Besondere Anwendungsfalle a) Konkurrenzschutz b) Druckkündigung D. Ergebnis und Schlußbetrachtung zu Abschnitten 1 und 2
194 194 194 196 196 197 199 200 200 200 200 201 201 201 201 202 202 202 204
3. Abschnitt Bürgerbeziehung § 5 "Jedermannsschutz" der Nebenparteien A. Besitzschutz I.
n.
211 211 211
Tatbestand 212 1. Besitzentziehung und-Störung 212 2. Grenzen 212 a) Ortsüblichkeit und Erheblichkeit 213 b) Grundsätzliche Unbeachtlichkeit vertraglicher Berechtigung des Störers 214 Selbsthilfe
214
HI.
Wiedereinräumungsanspruch
215
IV.
Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch
215
Schranke des § 866 BGB
216
V.
B. Das Beschäftigtenschutzgesetz
216
16
Inhaltsverzeichnis
C. Wettbewerbsschutz
217
1. Kundenfang
217
2. Rechtsbruch
218
D. Deliktsschutz I.
219
Gesundheitsschutz
220
Recht zum Besitz 1. Sonstiges Recht 2. Verhältnis zum Eigentumsschutz 3. Zur Anwendbarkeit des § 866 BGB
221 221 222 223
HI.
Recht am Arbeitsplatz
224
IV.
Allgemeines Persönlichkeitsrecht
228
Schutzgesetz Verletzung 1. Beschäftigtenschutzgesetz 2. Besitzschutz 3. Arbeitsschutznormen 4. Lärmschutzverordnung Zur Konkurrenz von Ansprüchen aus Drittschutz und gesetzlichen Ansprüchen
229 229 230 230 231
n.
V.
VI.
Zweiter
Teil
Mittelbare Rechtsbeziehungen zwischen Nebenparteien § 6 Die Schutzpflicht des Vertragspartners
231
232 232
I.
Begründung, Rechtsnatur, Erfüllungspflicht und Klagbarkeit . . . . 233 1. Mietverhältnis 233 2. Arbeitsverhältnis 235
n.
Konkretisierung des Anspruchs 237 1. Schutzpflichtkonkretisierung nach § 315 BGB 238 a) Unbestimmtheit 238 b) Bestimmungsrecht eines Teils 240 c) Bestimmungsmaßstab 241 d) Harmonie mit dem arbeitgeberischen Direktionsrecht . . . . 241 2. Durchsetzungsverfahren 242 a) Auswahlvorrecht des Vertragspartners 242 b) Herbeiführung und Kontrolle der Bestimmung 242
Inhaltsverzeichnis c) Ermessenskontrolle 242 aa) Kontrollumfang 242 bb) Überprüfungskriterien 244 d) Möglichkeit und Pflicht zur Bestimmung abgestufter Schutzmaßnahmen 246 DI.
IV.
V.
Inhalt der Schutzpflicht 1. Allgemeine Bestimmung a) Schutz des Opfers b) Einwirkung auf den Täter c) Vorrang der Einwirkung auf den Täter? 2. Sachverhaltsermittlungspflicht a) Die Grundregel im Zivilrecht b) Sachverhaltsermittlung und Persönlichkeitsschutz c) Ergebnis 3. Mitwirkungspflicht von Störer und Gestörtem bei der Sachverhaltsermittlung a) Anzeigepflicht b) Allgemeine Mitwirkungspflicht 4. Schlichtungs- und Vermittlungspflicht 5. Pflicht zur Aussöhnungsbereitschaft a) Grundsatz b) Grenzen und Kontrolle c) Ausschließlichkeit oder Vorrang der privaten (innerbetrieblichen) Streitschlichtung?
2 Riesenhuber
258 258 259 261 262 262 262 263
Kollision der Schutzpflicht mit gesetzlichen Pflichten und anderen Vertragspflichten 1. Schutzpflicht gegenüber dem "Opfer" und Vertragspflichten gegenüber dem "Täter" 2. Gesetzliche Bindungen des Vertragspartners
266 267
Zusammenfassung 1. Vorgehen des Vermieters oder Arbeitgebers 2. Vorgehen des gestörten Mieters oder Arbeitnehmers
268 268 270
§ 7 Einstandspflicht des Vertragspartners für Verschulden der Nebenparteien I.
246 247 247 248 249 249 250 255 258
Meinungsstand 1. Rechtsprechung a) Mietrecht b) Arbeitsrecht 2. Schrifttum a) Mietrecht b) Arbeitsrecht
266
270 271 271 271 272 273 273 274
Inhaltsverzeichnis
18 n.
Stellungnahme 275 1. Grundlage: Die Anwendung von § 278 BGB auf Schutzpflichtverletzungen 275 2. Nebenparteien als Erfüllungsgehilfen 281 a) Bei Einschaltung in die Erfüllung von Leistungs- und Nebenleistungspflichten 281 b) Bei Schutzpflichtverletzungen im Rahmen der Erfüllungshilfe bei Leistungs- und Nebenleistungspflichten 281 c) Außerhalb konkreter Erfüllungshilfe 282
Ergebnisse
285
Literaturverzeichnis
290
SachWortverzeichnis
312
Einleitung Welche Rechtsbeziehungen bestehen zwischen den verschiedenen Vertragspartnern einer Person? Diese Frage wird für das Mietnachbarverhältnisses und das Arbeitskollegenverhältnisses untersucht. Die verschiedenen Vertragsparteien einer Person, also etwa die Mietnachbarn oder Arbeitskollegen, werden hier als Nebenparteien bezeichnet. Ähnlich wie die Nebentäter im Deliktsrecht stehen die Nebenparteien unverbunden nebeneinander, insbesondere ohne daß sie ihren Kontakt durch einvernehmliches Zusammenwirken hergestellt hätten. Es verbindet sie aber der Bezug zu dem Dritten, dem Vertragspartner. Dabei sollte nicht verwirren, daß der Begriff "Partei" auch eine prozessuale Bedeutung hat. Zum einen könnte es denselben Terminus mit verschiedener Bedeutung im Prozeßrecht und im materiellen Recht geben,1 zum anderen aber kennt das Zivilprozeßrecht keine Nebenparteien.
I . Problemstellung
Das Mietrecht und das Arbeitsrecht behandeln nahezu ausschließlich die Rechtsbeziehungen zwischen den Vertragsparteien. Außer Betracht bleibt dabei weitgehend, daß auch die Nebenparteien, die Mietnachbarn eines Hauses bzw. die Arbeitskollegen eines Betriebes, untereinander in oftmals engem Kontakt stehen und daraus zahlreiche Ausgleichs- und Regelungsbedürfhisse entstehen. Nur wenige Vorschriften des Miet- und des Arbeitsrechts beziehen sich überhaupt auf das Verhältnis der Nebenparteien. In § 554a BGB wird die Störung des Hausfriedens als Kündigungsgrund für den Vermieter anerkannt, § 104 BetrVG gibt dem Betriebsrat einen Anspruch, vom Arbeitgeber die Entlassung oder Versetzung eines Arbeitnehmers zu verlangen, der den Betriebsfrieden stört. Das Beschäftigtenschutzgesetz vom 24.6.1994 bietet einen gewissen Schutz vor sexueller Belästigung durch Arbeitskollegen. Darüber hinaus wird
1
Das zeigt schon der Anspruchsbegriff; dazu Larenz, Allgemeiner Teil, § 14, besonders unter IV (S. 263 ff.), derfreilich gegen die h.L. einen einheitlichen Anspruchsbegriff begründet.
20
Einleitung
in jüngerer Zeit ein Fall der Störung durch Arbeitskollegen unter dem Stichwort des "Mobbing" erörtert. Die tatsächlich auftretenden Fragen sind vielfältiger, als die spärlichen Regelungen vermuten lassen. Praktisch geht es häufig um die Lösung von Konfliktsituationen. So, wenn ein Mieter den anderen durch laute Musik beeinträchtigt, 2 oder dadurch, daß die von ihm durch Fütterung angelockten Tauben den Betrieb des Gartencafes im Erdgeschoß beeinträchtigen. 3 Nicht selten haben Wasserschaden-Fälle die Rechtsprechung beschäftigt. 4 Für das Arbeitsrecht gibt die Entscheidung des Großen Senats des BAG zum Haftungsausschluß unter Arbeitskollegen 5 ein Beispiel dafür, daß auch in ihrem Verhältnis der Integritätsschutz eine erhebliche Rolle spielt. Der Haftungsausschluß, den das Gericht dort begründet hat, und der nunmehr in § 637 RVO festgeschrieben ist, regelt die Verhältnisse keineswegs abschließend, gilt er doch nur für Personenschäden, nicht etwa für Sachschäden6 oder reine Vermögensschäden.7 In den genannten Beispielen stellt sich die Frage, nach welchen Regeln die Nebenparteien einander Rücksicht schulden und gegebenenfalls auch haften. Über den Konfliktausgleich hinaus können weitere Fragen auftreten, etwa dann, wenn sich einmal die Mieter eines Hauses eine Hausordnung oder die Arbeitnehmer eines Betriebes eine Betriebsordnung geben wollen. Die Mietnachbarn könnten etwa daran interessiert sein, die Benutzung von Gemeinschaftsanlagen, z.B. einer Waschküche oder eines Hobbyraums, zu regeln oder einen Plan für die Treppenhausreinigung oder Schneeräumung festzulegen. Arbeitskollegen könnten das Ziel verfolgen, einen Turnus für bestimmte Voroder Aufräumarbeiten oder auch allgemeine Verhaltensregeln aufzustellen. Auch das Verhältnis der Mietergesamtheit gegenüber dem Vermieter kommt als Regelungsgegenstand in Betracht, z.B. wenn die Mieter es vorziehen, selbst einen Verteilungsschlüssel für angefallene Nebenkosten festzusetzen. 8 In diesen
2 OLG München, NJW-RR 1992, 1097 (Violinspiel); LG Berlin, MM 1991, 329 f. (Tonband); LG München, DWW 1991, 111 (Trittschall). 3
AG Karlsruhe, NJW-RR 1992, 463 f. (Tauben); AG Bonn, NJW 1986, 1114 (Katzen).
4
BGH, NJW 1969, 41; LG Köln, NJW 1977, 810.
5
BAGE 5, 1 ff.
6
Im Fall von BAG, AP Nr. 2 zu § 324 BGB (Barbrand), waren auch eingebrachte Gegenstände eines Arbeitnehmers einem von Geschäftsführer und Conferencier durch unterlassen verursachten Brand zum Opfer gefallen. 7 LAG Frankfurt a.M., DB 1991, 552: Ein (vorgesetzter) Arbeitnehmer listet seinem Kollegen eine Belohnung von DM 3.000,-- ab, die dieser vom Arbeitgeber erhalten hatte. 8
So im Fall von KG, JW 1928, 525 f.
Einleitung Fällen fragt sich, ob die Nebenparteien über die Möglichkeit eines freiwilligen Zusammenschlusses hinaus einander schon so verbunden sind, daß sich daraus die Möglichkeit ergäbe, einen gemeinsamen Bereich gemeinschaftlich zu ordnen und zu gestalten. Die gewählte Beschränkung der Untersuchung auf das Mietnachbar- und das Arbeitskollegenverhältnis liegt zum einen darin begründet, daß dort die Berührungspunkte besonders zahlreich sind. Während die Kunden einer Bank oder eines Restaurants eher zufällig und außerdem nur flüchtig zusammentreffen, haben Mietnachbarn und Arbeitskollegen bestimmungsgemäß miteinander zu tun und sind dadurch individualisiert, ihr Kontakt ist oftmals sehr intensiv. Vor allem der Konfliktausgleich spielt in diesen Beziehungen deswegen eine besondere Rolle, weil es den Beteiligten nicht ohne weiteres möglich oder zumutbar ist, die Störungssituation zu vermeiden. Während Kunden eines Kaufhauses oder eines Restaurants in aller Regel ohne Schwierigkeiten zu einem anderen Vertragspartner wechseln können, wenn ihnen das Publikum nicht behagt, sind Mieter auf ihre Wohnung und Arbeitnehmer auf ihren Arbeitsplatz in erheblichem Maße angewiesen. Ein Wechsel kann nicht nur persönlich eine Härte bedeuten, weil Arbeitsplatz und Wohnung Lebensmittelpunkte darstellen. Er führt auch dazu, daß der Betreffende auf eine gesicherte Position und auch Anwartschaften verzichten muß, vor allem auf einen von der Vertragsdauer erheblich mitgeprägten Kündigungsschutz.
I I . Gang der Darstellung Ziel der vorliegenden Untersuchung ist es, die zivilrechtlichen Grundlagen der Rechtsbeziehungen zwischen Nebenparteien zu erarbeiten. Während schon weitere Spezialgesetze zum Schutz vor antisemitischer und vor ausländerfeindlicher Belästigung9 sowie zur Einrichtung weiterer Schutzbeauftragter - in Anlehnung an Datenschutz-, Wehr- und Frauenbeauftragte - erwogen werden, 10 erscheint es angezeigt zu untersuchen, inwieweit bereits das Privatrecht und die damit begründete private Rechts- und Interessenverfolgung Möglichkeiten gibt, die Beziehungen der Nebenparteien zu ordnen. Andere Lösungswege sollen
9 So andeutungsweise Krummel/Küttner, 356, 360. 10
NZA 1996, 67, 75 f., sowie Haller/Koch,
Däubler, Arbeitsrecht 2, 5.3.2 Fn. 66 und 67 (S. 279).
NZA 1995,
22
Einleitung
damit nicht von vornherein verworfen werden. Doch kann erst die Ausschöpfung des Zivilrechts zeigen, inwieweit andere Rechtsbehelfe geboten erscheinen.11 Davon ausgehend unterteilt sich die Untersuchung in zwei Teile: Einen ersten, der die unmittelbaren Rechtsbeziehungen behandelt (1), und einen zweiten, in dem Fragen der über den Vertragspartner vermittelten "mittelbaren" Rechtsbeziehungen in Rede stehen (2). 1. Die Frage, inwieweit unmittelbare Rechtsbeziehungen zwischen den Nebenparteien bestehen, legt der tatsächliche Ausgangspunkt nahe. Führt auch der gemeinsame Vertragspartner die Nebenparteien zusammen, so stellen sich doch die zwischen ihnen auftretenden Regelungs- und Konfliktsituationenzuerst regelmäßig als ihre eigene Angelegenheit dar. Die Einschaltung des gemeinsamen Vertragspartners wird sogar als antiquiert und unangemessen empfunden,12 beruft man ihn als Streitschlichter, so wird nicht selten der Vorwurf einer Privatjustiz (Betriebsjustiz, Hausjustiz) laut.13 Schließlich aber bedeutet die Vermittlung über den Vertragspartner auch, daß sich die Angelegenheit von den eigentlich Betroffenen entfernt. 14 Einer effektiven Lösung ist das regelmäßig nicht zuträglich, kann doch der Vertragspartner weder - bei einem Regelungsbedarf - die maßgeblichen Interessen, noch - bei einem Streit - die Berechtigung der erhobenen Vorwürfe unmittelbar erkennen.
11 Die vorliegende, auf die zivilrechüiche Seite beschränkte Untersuchung, kann freilich nicht das Ziel haben, schon selbst Vorschläge für notwendige Ergänzungen auszuarbeiten. Dazu sind weitere Untersuchungen erforderlich, die nicht nur das öffendiche Recht sowie das hier nur am Rande behandelte Betriebsverfassungsrecht einbeziehen, sondern die auch erheben, welche Probleme tatsächlich eine Rolle spielen und inwieweit ihre Lösung dem einzelnen überlassen bleiben kann und soll. Ebenfalls außer Betracht bleiben müssen Fragen des Konfliktlösungsverfahrens; insoweit stellt sich vor allem die Frage, inwiefern neben der zivüprozessualen Lösung alternative Konfliktlösungsmechanismen, z.B. in Form von Mediation in Betracht kommen; dazu Breidenbach, Mediation, passim. 12 Wüst, Interessengemeinschaft, S. 123. Siehe auch Mayer-Maly, Meissinger, Treuepflicht, E IV. 13 14
Rechtsverhältnis, S. 64 f. und
Arndt, NJW 1965, 26 f.
Zu den Mängeln der mittelbaren Rechtsbeziehungen auch die plastische Darstellung von Wüst, Interessengemeinschaft, S. 119 ff. Sein Schluß erscheint allerdings sehr weitgehend: "Wird darum der in seinem Gebrauchsrecht gestörte Mieter nur selten eine wirksame Unterstützung beim Vermieter finden, so zwingt man ihn, falls man ihm kein eigenes Klagerecht gegen den Störer zubilligt, seinem Anspruch in anderer Weise Geltung zu verschaffen. Ist er dazu nicht der Mann, so wird ihm der Mietrichter wohlmeinend raten, auszuziehen." Zur Problematik ferner Friese, MDR 1956, 1.
Einleitung
Rechtsbeziehungen zwischen Nebenparteien können aus einem Gemeinschaftsverhältnis (unten, a) oder einem nur individualrechtlichen Verhältnis (unten, b) fließen: Während das Gemeinschaftsverhältnis die Beteiligten als Teilhaber eines gemeinsamen Bereichs integriert, ist das nur individualrechtliche Verhältnis auf Abgrenzung, unter Umständen noch auf besondere Rücksicht gerichtet. Für beide Formen finden sich Anhänger in Literatur und Rechtsprechung. Eine "Hausgemeinschaft" nehmen etwa Berg 15 und Kiefersauer 16 an. Eine "Betriebsgemeinschaft" wurde vor allem im Gefolge der Lehre vom Arbeitsverhältnis als personenrechtliches Gemeinschaftsverhältnis begründet.17 In jüngerer Zeit hat auch Zöllner dafür gehalten, es sei die Belegschaft des Betriebes "auch eine rechtlich relevante Personenverbindung"; ihre rechtliche Gestaltung erlaube es, von einer Gemeinschaft zu sprechen.18 Paschke stellt "Sozialbeziehungen" sowohl zwischen Arbeitnehmern als auch zwischen Mitmietern fest. Dem nicht unähnlich ist die Annahme einer "Interessengemeinschaft", die vor allem Wüst sowohl für Arbeitskollegen als auch für Wohnungsnachbarn begründet fand. 19 In der Rechtsprechung hat der BGH immerhin eine Ähnlichkeit zwischen dem "nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis" (§§ 906 ff. BGB) und dem Wohnungsnachbarverhältnis angenommen.20 Das BAG hat gelegentlich davon gesprochen, es schaffe "die Arbeit im gleichen Betrieb ein mehr oder weniger enges Gemeinschaftsverhältnis der Arbeitnehmer untereinander, nicht nur als soziologische Erscheinung, sondern auch mit gewissen Rechtsfolgen."21 Aber auch Andeutungen einer nur individualrechtlichen Beziehung sind nicht selten. So stellt wiederum Zöllner fest, Arbeitskollegen hätten "mindestens im Umfang von Treu und Glauben Rücksicht aufeinander zu nehmen".22 Und der BGH fährt in der soeben zitierten Entscheidung fort, das "Wohnen und Wirken" der Mietnachbarn schaffe "eine
15
Berg, JR 1969, 143.
16
Staudinger
17
Vgl. die Darstellung des Meinungsstands bei Wiedemann, Arbeitsverhältnis, S. 40 ff.
18
Zöllner,
11
-Kiefersauer,
vor § 535 Rn. 4, 296.
FS BAG, S. 752 f.
19
Wüst, Interessengemeinschaft, S. 120 ff.; ders., Gruppenakkord, S. 10 f.
20
BGH, LM Nr. 1 zu § 906 BGB.
21
BAG GS, BAGE 5, 1, 17.
22
Zöllner, FS BAG, S. 753. Vgl. auch BGH, LM Nr. 1 zu § 906 BGB, zum Verhältnis von Mietnachbarn: "Ihr Wohnen und Wirken unter einem Dach schafft eine gewisse Gemeinsamkeit und erfordert von ihnen eine wechselseitige Rücksichtnahme (§ 242 BGB)."
24
Einleitung
gewisse Gemeinsamkeit und erfordert von ihnen wechselseitige Rücksichtnahme." 23 a) Weiter als die individualrechtliche Beziehung reicht die gemeinschaftsrechtliche. Ob die Nebenparteien in einem Gemeinschaftsverhältnis stehen, wird in §§ 1 und 2 der Arbeit untersucht. Der Grundgedanke einer Gemeinschaft ist, daß mehreren etwas gemeinsam zusteht, also etwa den Mietern die Gemeinschaftseinrichtungen des Hauses. Anders als aus individualrechtlicher Sicht entsteht so ein Teilhaberecht und ein Recht auf Mitgestaltung. Nicht mehr die Abgrenzung voneinander, sondern die Ordnung miteinander im gemeinsamen Bereich steht dann in Rede. Hinzutreten können, wenngleich das schon umstritten ist, Regeln über das gemeinsame Handeln. Zu denken ist vor allem an Regeln über die Beschlußfassung (z.B. das Mehrheitsprinzip) und die Möglichkeit, für einander zu handeln (Verwaltungs- und Vertretungsrecht). Auch der Gleichbehandlungsgrundsatz wird als gemeinschaftstypisch angesehen. Schließlich gelten in der Gemeinschaft Rücksichtspflichten, nach Auffassung mancher auch Duldungspflichten. Sieht man etwa das Mietnachbarverhältnis als Hausgemeinschaftsverhältnis an, so käme die Setzung einer Hausordnung durch die Mieter durchaus in Betracht. Sie könnten darin nicht nur Verhaltensregeln, z.B. über die Ruhezeiten, aufstellen und die Teilhabe gemeinsam ordnen, indem sie etwa die Benutzung des Trockenraums festlegen. Darüber hinaus könnten sie auch die anfallenden Lasten auf diese Weise verteilen und beispielsweise die Schneeräumung organisieren oder auch Beiträge für die Selbstverwaltung oder besondere Veranstaltungen (Gartenfest) erheben. Die Blockade durch "Quertreiber" könnte mit Hilfe des Mehrheitsprinzips überwunden werden. Die Nutzen- und Lastenverteilung könnte der Gleichbehandlungsgrundsatz sichern. b) Die individualrechtliche Beziehung ist demgegenüber auf eine Abgrenzung der verschiedenen Kreise gerichtet (dazu §§3 und 4). Indessen muß sie sich nicht darauf beschränken, das Verhältnis der Nebenparteien als Bürgerbeziehung zu isolieren. 24 Weitergehend könnte die tatsächlich vorzufindende Nähebeziehung rechtlich durch die Annahme einer Sonderverbindung der Nebenparteien flankiert werden. Die daraus fließenden Vorteile sind bekannt: Die Partner einer Sonderverbindung schulden einander in besonderem Maße Rücksicht (§ 242 BGB). Die Haftung in ihrem Verhältnis ist gegenüber der
23 24
BGH, LM Nr. 1 zu § 906 BGB (Bl. 1 R).
Die aus der Bürgerbeziehung, dem "Jedermannsverhältnis" fließenden Rechte und Pflichten der Nebenparteien werden in einer Übersicht dargestellt, § 5.
Einleitung
Haftung im Bürgerverhältnis verschärft, vor allem, insofern sie auch für primäre Vermögensschäden eingreift und eine Garantiehaftung für Erfüllungsgehilfen vorsieht (§ 278 BGB). Die Rücksicht kann es etwa gebieten, auch Störungen zu unterlassen, die sich bei der Nebenpartei nur als Belästigung, nicht schon als Schädigung darstellen, wie etwa der Tabakrauch. Nach § 278 BGB kommt es in Betracht, den Arbeitnehmer ohne Rücksicht auf die von ihm angewandte Auswahlsorgfalt für die Verletzung eines Arbeitskollegen durch einen Boten haftbar zu machen, der ihn in privater Angelegenheit im Betrieb aufsucht. 2. Die Ansprüche gegenüber ihrem Vertragspartner, die einer Nebenpartei aus ihrem Vertragsverhältnis zustehen, werden im zweiten Teil der Arbeit untersucht. Wurden oben die Nachteile einer "mittelbaren Rechtsbeziehung" dargestellt, so dürfen doch deren Vorzüge nicht gering geschätzt werden. Insoweit ist an erster Stelle hervorzuheben, daß es sich hier um vertragliche Rechte handelt, zum Beispiel aus §§ 535, 536 BGB, die nicht etwa unter Hinweis auf eigene Ansprüche unmittelbar gegen die Nebenparteien verkürzt werden können.25 Darüber hinaus kann aber die Vermittlung durch den Vertragspartner auch Vorzüge bieten bzw. als Privileg verstanden werden. Die "Vermittlung" kann danach nicht nur als Umweg über den Vertragspartner angesehen werden, sondern gerade auch als Chance der Schlichtung durch einen unbeteiligten Dritten. Geht es um Regelungsfragen, so kann es wohltuend wirken, wenn ein nicht selbst Betroffener sich der Feststellung und Gewichtung der auszugleichenden Interessen annimmt. Vor allem im Falle der Störung durch eine Nebenpartei mag es dem Betroffenen aber auch willkommen sein, sich den Ärger vom Hals zu schaffen, besonders, wenn er sich einer unmittelbaren Auseinandersetzung nicht gewachsen fühlt. Die Vertragsrechte können ihn in diesem Sinne berechtigen, vom Vertragspartner zu verlangen, er möge die Kohlen aus dem Feuer holen. Von den damit angesprochenen Fragen werden im zweiten Teil der Arbeit zwei Ausschnitte erörtert. Zum einen wird untersucht, inwieweit Mieter bzw. Arbeitnehmer von ihrem Vertragspartner Schutz vor Störungen durch die Nebenpartei beanspruchen können und inwieweit sie zur Mitwirkung bei einer Streitschlichtung verpflichtet sind, § 6. Zweitens wird der Frage nachgegangen,
25 So bereits Motive II, S. 370: Es kann der Vermieter den Mieter nicht darauf verweisen, er möchte die Gebrauchserhaltung aus eigenen Ansprüchen, etwa aus Besitz, betreiben.
26
Einleitung
inwieweit der Vertragspartner Störungen durch die Nebenpartei zu vertreten hat, § 7; für seine Schadensersatzspflicht ist das regelmäßig eine entscheidende Voraussetzung.
Erster
Teil
Unmittelbare Rechtsbeziehungen zwischen Nebenparteien 1. Abschnitt
Sozialrechtliche Beziehungen zwischen Nebenparteien In diesem ersten Abschnitt wird der Frage nachgegangen, ob Mietnachbarn oder Arbeitskollegen in einem sozialrechtlichen Verhältnis, also einem Gemeinschaft sverhältnis, stehen. Es lassen sich zwei Gruppen von Gemeinschaftsverhältnissen unterscheiden: Zweckgemeinschaften (Gesellschaften) und sonstige Gemeinschaften. Die Zweckgemeinschaft ist durch den privatautonom als gemeinsam vereinbarten Zweck gekennzeichnet.1 Sie ist ein Spezialfall der Gemeinschaft, der zudem besonders intensive Bindungen zwischen seinen Mitgliedern begründet.2 An erster Stelle (§ 1) steht daher die Frage, ob die Nebenparteien Mitglieder einer Zweckgemeinschaft (Gesellschaft) sind. Anschließend (§ 2) wird auf weitere Formen von Gemeinschaftsverhältnissen (schlichte Gemeinschaften) eingegangen.
§ 1 Nebenparteien als Mitglieder einer Zweckgemeinschaft Mitglieder eines Zweckverbandes sind einander mindestens durch die Treuepflicht verbunden, im Falle der Personengesellschaft sogar unmittelbar vertraglich (dazu näher A). Liegt die Annahme einer Mietergesellschafteher fern (zu ihr unten, C), so wurde eine Zweckverbindung im Arbeitsverhältnis durchaus erwogen (nachfolgend B). Zwei mögliche Formen lassen sich unterscheiden:
1
So formuliert Müller-Erzbach, Deutsches Handelsrecht, S. 177: "Der Leben schaffende Zweck unterscheidet die Gesellschaft von den toten Gemeinschaften." Differenzierend noch Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, § 1 I 2 b (S. 13). 2
Würdinger, Interessengemeinschaft, S. 14 f.; Wiedemann, Cosack, Lehrbuch II, V. Buch.
Übertragung, § 2 I 1 (S. 24 ff.);
28
1. Teil: Unmittelbare Rechtsbeziehungen
Zum einen ist ein Zweckverband (nur) der Arbeitnehmer untereinander denkbar. Das würde die Arbeitnehmer auch gegenüber ihren Kollegen verpflichten, den gemeinsamen Zweck - sei es der Arbeitszweck, sei es die Wahrung der Arbeitnehmerinteressen oder anderes - zu fördern. Einleuchten könnte das etwa im Rahmen von Gruppenarbeit: Nachlässige, fehlerhafte oder mangelhafte Arbeit eines Teilnehmers wäre dann (auch) als Verstoß gegen die vereinbarte Zwecksetzung anzusehen, Abhilfe könnten die übrigen Gruppenmitglieder fordern, u.U. sogar den Ausschluß des Störers. Zum anderen ließe sich daran denken, daß die Arbeitnehmer zusammen mit dem Arbeitgeber einen Zweckverband bildeten. Auch wenn in diesem Fall die Arbeitnehmer nicht untereinander verbunden wären, sondern ihre Rechtsverhältnisse nur gleichsam sternförmig auf den Arbeitgeber zuliefen, könnten daraus Rechtsbeziehungen zwischen den Arbeitnehmern begründet werden. Strukturell verhielte es sich dann so wie bei einer Kapitalgesellschaft, bei der die Treuepflicht z.B. die Aktionäre ungeachtet ihrer "sternförmigen" Anordnung auch untereinander verbindet (näher A II). Die Annahme einer Zweckgemeinschaft von Arbeitnehmern und Arbeitgeber hat prominent Adomeit vorgetragen.3 Freilich ging es ihm dabei um die Einordnung des Arbeitsverhältnisses, nicht um das Kollegenverhältnis; doch läßt sich der Ansatz in diese Dimension fortdenken. Die Folgen der Annahme einer solchen gesellschaftsähnlichen Konstruktion seien hier nur angedeutet: Denkt man die Betriebsgemeinschaft von Arbeitgeberund Arbeitnehmern als Zweckverbindung, so wäre es geradezu als actio pro socio anzusehen, wenn der Arbeitgeber die Kündigung eines störenden oder ineffizient arbeitenden Arbeitnehmers vor Gericht verteidigt.4 Weiter noch: Es wäre auch den Arbeitnehmern möglich, einander wegen Störung oder unzureichender Zweckförderung oder unterlassener Beitragsleistung heranzuziehen - auch dies im Wege der actio pro socio.
3
Adomeit, Gesellschaftsrechtliche Elemente im Arbeitsverhältnis (1986); dazu näher unten, B II 2 und 3. 4
So denn in der Tat Adomeit, Gesellschaftsrechtliche Elemente, S. 16 f.
§ 1 Zweckgemeinschaft der Nebenparteien
29
A. Verbandsmitgliedschaft und Rechtsbeziehungen zwischen Mitgliedern I. Begriff der Verbandsmitgliedschaft 1. Mitgliedschaft Das Gesetz kennt verschiedene Formen der Mitgliedschaft,5 vor allem die Organmitgliedschaft (z.B. §§ 76 ff. AktG),6 die Mitgliedschaft in einer schlichten Gemeinschaft7 und die Mitgliedschaft im Zweckverband (z.B. § 38 BGB).8 Nur um letztere geht es vorliegend. Mitgliedschaft wird daher verstanden als "die Stellung einer Person infolge ihrer Zugehörigkeit zu einem Verband".9 "Verband" im Sinne dieser Definition ist der Zweckverband, ein privatautonomer "Zusammenschluß von Personen als Zweckgemeinschaft, welche über eine Organisation zur Bildung rechtserheblicher Entschlüsse und Sicherung der Handlungseinheit sowie über eine Sondervermögensordnung zur Sicherung der Ziele dieser Zweckgemeinschaft verfügt." 10
2. Bestimmung des "gemeinsamen Zwecks" Ist das Element der privatautonomen Verbindung wenig zweifelhaft, so führt doch die Bestimmung des "gemeinsamen Zwecks" zu Abgrenzungsfragen. Es geht um die Bestimmung des Zwecks i.S.v. § 705 BGB, der Vorschrift, die als "Grundnorm" des Rechts der privaten Verbände verstanden wird. 11 Die in der
5
Vgl. Wiedemann, Übertragung, § 2 I (S. 23).
6
Wiedemann, Übertragung, § 2 I 1 a (S. 24).
7
Dazu allgemein und im besonderen zur Mitgliedschaft in der Wohnungseigentümergemeinschaft Merle, System, S. 144 f., 159 ff. Auch Larenz, JherJb 83 (1933), 108, 143, geht von Mitgliedschaft in einer Gemeinschaft aus. 8 Müller-Erzbach, (1980), 84 ff.
Mitgliedschaft; Wiedemann, Übertragung, § 2 I (S. 23 ff.); Lutter, AcP 180
9
Vgl. zu den verschiedenen Formeln Lutter, AcP 180 (1980), 84, 86, der seinerseits a.a.O. die einzelnen Sachfragen untersucht, die den Mitgliedschaftsbegriff bestimmen. Ferner Müller-Erzbach, Mitgliedschaft, S. 23 ff.; Wiedemann, Übertragung, § 2 I (S. 23 ff.); Merle, System, S. 142 ff. 10 11
Lutter , AcP 180 (1980), 84, 88 ff., 94; Wiedemann, Übertragung, § 2 I 1 (S. 25 f.).
Lutter, AcP 180 (1980), 102 f.; s.a. Zöllner, Schranken, § 29 in 2 (S. 323). Kritisch Flume, Juristische Person, § 8 I (S. 269).
30
1. Teil: Unmittelbare Rechtsbeziehungen
nachfolgenden Untersuchung immer wieder bestimmende Frage, was unter dem "Zweck" eines Verbandes zu verstehen ist, ist daher vorab zu klären. Der gemeinsame Zweck i.S.v. § 705 BGB ist jeder erlaubte wirtschaftliche oder ideelle Zweck. Für die "Gemeinsamkeit" ist mehr als die bloße Interessengleichheit erforderlich, 12 weniger aber als die Motivübereinstimmung.13 Im Unterschied zu dem Zweck einer Gemeinschaft ist der Zweck bei der Gesellschaft autonom gesetzt.14 Den Unterschied zum Austauschvertrag verdeutlicht die Abgrenzung von Ballerstedt: 15 "Bei gegenseitigen Verträgen gibt es in der Regel einen solchen zum Vertragsinhalt erhobenen Zweck nicht; der Austausch von Leistung und Gegenleistung trägt seinen rechtlichen Sinn in sich. Innerhalb einer Gesellschaft hingegen ist jede Leistung eines Gesellschafters dem Gesellschaftszweck untergeordnet." Daher "kann es (...) trotz Interessengleichheit an einem zum Vertragsinhalt erhobenen Zweck fehlen. Man braucht sich nur zu vergegenwärtigen, daß Interessenharmonie letztlich bei jedem ausgewogenen Austauschvertrage oder bei einem einen 'gesunden Kompromiß' darstellenden Vergleich erstrebt wird, um zu erkennen, daß Gemeinsamkeit des Zwecks i.S.d. § 705 etwas begrifflich davon Unterschiedenes sein muß."
II. Rechtsbeziehungen zwischen den Mitgliedern 1. Vertragsbeziehung
der Personalgesellschafter
Selbstverständlich bestehen zwischen Mitgliedern eines Zweckverbands dann unmittelbare Rechtsbeziehungen, wenn sie Partner des Organisation Vertrages sind. So verhält es sich bei Personengesellschaftern, 16 z.B. den Mitgliedern einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts. Zwar ist der Gesellschaftsvertrag
12
Ballerstedt, JuS 1963, 253, 261; G. Hueck, Gesellschaftsrecht, § 5 12 (S. 40 f.); Münchener Kommentar-Ulmer, vor § 705 Rn. 78; Lorenz, Schuldrecht II 12 , § 60 I a (S. 373). 13 Ballerstedt, JuS 1963, 253, 254 f.; Wiedemann , Gesellschaftsrecht I, § 1 I 1 b (S. 8 ff.); MünchenerKommentar-£//m*r, § 705 Rn. 111-114; G. Hueck, Gesellschaftsrecht, § 514 (S. 41); Grunewald, Gesellschaftsrecht, I.A. Rn. 5; Larenz, Schuldrecht II 1 2 , § 60 I a (S. 372). 14
Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, § 1 I 2 b (S. 13 ff.).
15
Ballerstedt, JuS 1963, 253, 255. Zur Abgrenzung von Austausch- und Gemeinschaftsverhältnis sowie zu Mischformen auch Wüst, JZ 1985, 1077 ff. 16
Lutter, AcP 180 (1980), 125 f. Hinsichüich der körperschaftlichen Satzung geht die h.M. davon aus, es handele sich zunächst um einen Vertrag, der mit Entstehung der juristischen Person zur körperschaftlichen Verfassung werde; dazu Soergel-Hadding, § 25 Rn. 11 ff.
§ 1 Zweckgemeinschaft der Nebenparteien
31
als Organisationsvertrag vom Schuldvertrag in verschiedener Hinsicht wesensverschieden. Darin liegt es begründet, daß die Regeln des allgemeinen Schuldrechts auf Gesellschaftsverträge nur eingeschränkt anwendbar sind.17 Die Pflicht zur Vertrags- bzw. Gesellschaftstreue (§§ 242, 705 BGB18) trifft die Partner des Gesellschaftsvertrages jedoch (mindestens) ebenso wie die Partner anderer Schuldverhältnisse. Auf diesem Wege sind gesetzliche Rechtsbeziehungen zwischen den Gesellschaftern begründet, die von den besonderen gesellschaftsvertraglichen Rechten und Pflichten unabhängig sind.
2. Sonderverbindung
und Treuepflicht
Rechtsbeziehungen zwischen den Mitgliedern eines Verbands entstehen aber auch unabhängig von der Struktur als Körperschaft oder Personengesellschaft, nämlich in Form der Treuepflicht der Gesellschafter. a) Begründet hat besonders Alfred Hueck 19 die Treuepflicht. Für ihn handelt es sich um eine gegenüber Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstärkte Pflichtenbindung von Mitgliedern einer "personenrechtlichen" "Gemeinschaftsbeziehung".20 So nahm die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht ihren Ausgang im Personengesellschaftsrecht. Schon Ballerstedt hat indessen eine Treuepflicht auch zwischen GmbH-Gesellschaftern für möglich gehalten.21 Und in jüngerer Zeit22 ist die Auffassung herrschend geworden, die Treuepflicht bestehe in jeder Zweckgemeinschaft und unabhängig von der Verbandsform; 23 die An-
17
Statt aller Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, § 3 II 1 b (S. 160 ff.).
18
Zum Verhältnis von § 242 BGB und der Treuepflicht vgl. die Übersicht bei Winter, dung, § 3 II 3 (S. 12 ff.); ferner Häuser, Unbestimmte "Maßstäbe" S. 176 ff.
Treubin-
19
A. Hueck, FS Hübner, 72, 73 und ders., Der Treuegedanke; ferner auch schon Wieland, Handelsrecht II, § 110 (S. 203 ff.) und § 113 (S. 247 f.). 20 Zur Begründung der Treuepflicht aus dem Gemeinschaftsgedanken auch G. Hueck, Gesellschaftsrecht, § 6 II 2 (S. 46) und § 7 I 1 d (S. 52). Zu A. Hueck noch näher unten, § 2 D I. Aufgrund der Verankerung der Treuepflicht in der persönlichen Bindung verneint A. Hueck eine Treuebindung zwischen Aktionären und nimmt nur eine Bindung aus § 242 BGB an (Der Treuegedanke, S. 14 sowie Fn. 45, 46, 48 [S. 25 ff.]). 21 Ballerstedt, Kapital, S. 181 ff., ihm folgt Immenga, Kapitalgesellschaft, § 33 III 2 (S. 274). Eine Treubindung zwischen Aktionären lehntfreilich auch Ballerstedt, ab; a.a.O. S. 153 ff. 22 23
Zur Entwicklung Dreher, ZHR 157 (1993), 150, 151 f.
BGHZ 103, 184, 195 = BGH, JZ 1989, 443 m.Anm.v. Wiedemann (Linotype); NJW 1995, 1739 m.Anm.v. Altmeppen und Bespr.v. Lutter in JZ 1995,1053 ff. (Girmes); anders noch BGH, JZ 1976, 561 m.Anm.v. Lutter (Audi/NSU). Aus dem Schrifttum etwa J.v.Gierke, ZHR 111
32
1. Teil: Unmittelbare Rechtsbeziehungen
nähme, die körperschaftliche Organisation "zerschneide" jegliche Rechtsbeziehungen zwischen den Mitgliedern24, wird - einer schon lange geäußerten Kritik 25 folgend - als Überbewertung der rechtsförmlichen Ausgestaltung angesehen.26 In jeder Zweckgemeinschaft sind demnach die Mitglieder zur Rücksicht auf die mitgliedschaftlichen Interessen der Kon-Mitglieder verpflichtet. So überwindet die Treuepflicht auch die sternförmige Anordnung der Aktionäre zur AG. 27 b) Besteht im Ergebnis weithin Einigkeit, so gehen die Meinungen über die Begründung der Treupflicht auseinander. Überwiegend28 wird die Treupflicht aus einer zwischen den Verbandsmitgliedern bestehenden Sonderverbindung abgeleitet.29 Sorgfältig begründet Winter: 30 Die Treuepflicht sei ein Anwen-
(1948), 190,197 f.; Wiedemann, FS Barz S. 569 (im Falle der Umwandlung einer Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft könne der Mehrheitsaktionär seine Pflichtenstellung "nicht beim Eintritt in die Kapitalgesellschaft in der Garderobe abgeben".); ders., BB 1975,1591,1595; ders., Gesellschaftsrecht I, § 2 I 1 b (S. 95); Lutter, JZ 1976, 225, 230; ders., AcP 180 (1980), 84, 125 f.; ders., ZHR 153 (1989), 446, 452 f.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 19IU (S. 448 ff.), § 20 IV (S. 481 ff.); Kölner Kommentar-ZM/ier, § 243 Rn. 189 ff.; Baumbach/Hueck-Zöllner, Anh. § 47 Rn. 50 ff.; Baumbach/Hueck-G. Hueck, § 13 Rn. 21 ff. ScholzJWinter, § 14 Rn. 50; Lutter/Hommelhoff, § 14 Rn. 9. Abi. hingegen Flume, Juristische Person, § 81 (S. 268 ff.); ders., Personengesellschaft, § 7 ffl 2 (S. 95 ff.) und § 9 (bes. S. 128); Münchener Kommentar-Ttewter, § 38 Rn. 1 ff. 24
So die plastische Formulierung von Immenga, Kapitalgesellschaft, § 33 III 2 (S. 271).
25
Wiedemann, JZ 1976, 392, 393 spricht von "Begriffsjurisprudenz oder Rechtsmystik" (vgl. auch dens., Gesellschaftsrecht I, § 8 II 3 a [S. 432 f.]), Immenga, Kapitalgesellschaft, § 33 III 3 (S. 274) von "Befreiung von den Fesseln juristischer 'Wesenheiten'". Vgl. auch Winter, Treubindungen, § 5 III 1 (S. 58 ff.), sowie schon 1931 Wieland, Handelsrecht II, § 110 (S. 203 ff.) und § 113 (S. 247 f.). 26 BGHZ 103, 184, 194 f. (Linotype). Vorsichtiger noch BGHZ 65, 15, 18 f. (ITT), wo mit Hinweis auf die "Nähe (der GmbH) zu den Personengesellschaften" eine "generelle Auseinandersetzung mit der umstrittenen Frage" vermieden wird. 27
BGHZ 103, 184, 195 (Linotype); NJW 1995, 1739 m.Anm.v. Altmeppen (Girmes).
28
Zu anderen Ansätzen Winter, Treubindungen, § 5 (S. 43 ff.) mit eingehender Würdigung. Ferner K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 20 IV 1 b (S. 481). 29
Neben den nachgenannten auch Larenz, Schuldrecht II 1 2 , § 60 II a (S. 382). Das Verhältnis zwischen Sonderverbindung und Treupflicht ist freilich nicht immer klar. Vgl. z.B. K. Schmidt, JZ 1991, 157, 161: "Treuebindungen und damit (!) schutzpflichtbegründende Sonderrechtsbeziehungen der Mitglieder untereinander sind auch bei Körperschaften nicht generell ausgeschlossen." ders., Gesellschaftsrecht, § 20IV 1 b (S. 482 f.): "Treupflichten sind bei Verbänden anders als bei bloß schuldrechtlichen Innengesellschaften - nicht als bloß schuldrechtliche Sonderverbindungen, sondern organisationsrechtlich als Bestandteile des Mitgliedschaftsverhältnisses zu begreifen." Kölner Kommentar-Zö///ier § 243 Rn. 195: "Jedenfalls muß angenommen werden, daß sich die Mitglieder einer Korporation nicht wie beliebige Dritte gegenüberstehen, sondern daß auch
§ 1 Zweckgemeinschaft der Nebenparteien
33
dungsfall des § 242 BGB und setze somit eine Sonderverbindung voraus. Die Sonderverbindung der Gesellschafter untereinander folge aus der im Organisationsvertrag begründeteten Befugnis zur Einwirkung31 auf das Gesellschaftsvermögen aber auch die mitgliedschaftliche Position der Kon-Mitglieder im Wege der Verbands-Willensbildung. Denn die Einwirkungsmöglichkeit aufgrund (qualifizierten) rechtsgeschäftlichen Kontakts begründe nach allgemeinen schuldrechtlichen Lehren eine Sonderverbindung. Ähnlich leitet Luit er 32 die Treubindungen aus dem Organisationsvertrag her, er stellt aber stärker auf die gemeinsame Zweckbindung bzw. die mitgliedschaftliche Förderpflicht ab.33
ihr Verhältnis den Charakter einer Sonderverbindung hat, die als Grundlage für die Annahme von Treubindungen, zu denen im Ansatz auch die Anwendbarkeit von Treu und Glauben gehört, ausreicht."; auch in Baumbach/Hueck-Zöllner, Anh §47 Rn. 50-52. BGHZ 103, 184, 195: "Demgegenüber ist mit dem neueren Schrittum anzuerkennen, daß auch das Verhältnis der Mitglieder einer Korporation untereinander den Charakter einer Sonderverbindung haben kann." 30
Winter,
Treubindungen, § 6 (S. 63 ff., bes. 67 ff.); Lutter/Hommelhoff,
§ 14 Rn. 9.
31
Auch andere stellen auf die Einwirkungsmöglichkeit ab: Die Treubindung sei notwendiges Korrelat zur (Mit-) Entscheidungsmacht. RGZ 132, 149, 163 (Viktoria); BGHZ 65, 15, 19; 70, 40, 48; 103, 184, 195; Wiedemann, JZ 1976, 392, 393; ders., FS Heinsius, S. 949, 960; Immenga, Kapitalgesellschaft, § 33 m 3 (S. 274); Lutter, JZ 1976, 225, 231. Anders als Winter zieht diese Auffassung die Einwirkungsmöglichkeit aber nicht zur Begründung einer Sonderverbindung heran. Für sie stellt die Verbindung von Macht und Beschränkung ein rechtsethisches Prinzip dar, das auch im Gesellschaftsrecht Geltung beanspruche. So formuliert Timm, WM 1991, 481, 482: "Tragender Rechtsgrund ist letztlich die Notwendigkeit einer Kontrolle der dem Mitaktionär eingeräumten unmittelbaren und mittelbaren Einwirkungsbefugninsse und Einwirkungsmöglichkeiten. " Das leuchtet ein. Doch bleibt unklar, welchen Geltungsgrund das Prinzip hat. Notwendigkeit der Kontrolle ist kein Rechtsgrund. Keineswegs ist es so, daß mit der Entscheidungsmacht eine Beschränkung stets einhergehe. Die Beschränkung der Entscheidungsmacht bedarf ihrerseits der Begründung, z.B. durch die Sonderverbindung. Auf eine positive Verankerung der Treupflicht des Aktionärs in §§ 117, 243 Abs. 2, 254 Abs. 1, 255 Abs. 2 AktG, aus der sich das allgemeine Prinzip der Machtbeschränkung durch Treubindung ergebe, weist Dreher, ZHR 157 (1993), 150, 155, hin. In diesem Sinne auch schon Lutter, JZ 1976, 225, 227 f. 32
Lutter, AcP 180 (1980), 84, 123 ff., 126 f.; ebenso Häuser, Unbestimmte "Maßstäbe", S. 180 ff. In JZ 1976, 225, 231 f. begründet Lutter die Treuepflicht des Aktionärs demgegenüber als Gegengewicht zu den Befugnissen der etablierten Mehrheit, in ZHR 153 (1989), 446, 454 f. stellt er auf Zweckverbindung und Organisationsvertrag ab. 33
Winter, Treubindungen, § 5 III 2 (S. 62 f.) nimmt an, auch Zöllner leite die Treuepflicht aus der Zweckverbindung ab. Zöllner begründet die Treuepflicht jedoch - soweit ersichtlich - vornehmlich aus dem Organisationsvertrag als solchem, insofern er den Geltungsgrund in der stimmrechtlich begründeten Einwirkungsmöglichkeit sieht; Kölner Kommentar-Zo/Z/ier, § 243 Rn. 190. Das Verhältnis von Treuepflicht und Zweckverbindung erscheint bei Zöllner als eine Art Wechselbeziehung; Kölner Kommentar -Zöllner, § 243 Rn. 193; Baumbach/Hueck-Zöllner, Anh. § 47 Rn. 49 und 51; dabei reiche aber die Treuepflicht weiter; Baumbach/Hueck-Zöllner, Anh. § 47 Rn. 50. 3 Riesenhuber
34
1. Teil: Unmittelbare Rechtsbeziehungen
Die Sonderverbindung folgt unabhängig vom Bestehen einer Vertragsbindung, also bei Personengesellschaft und Körperschaft gleichermaßen, aus der Zweckverbindung. Denn in der Zweckverbindung liegt notwendig ein rechtsgeschäftlich begründeter Bezug auf die anderen, individualisierten Mitglieder, mit welchen gemeinsam der Zweck verfolgt werden soll.34 Die so hergestellte Sonderverbindung verpflichtet die Mitglieder auch untereinander zu Rücksicht. Die Besonderheit der Treuepflicht folgt aus der Förderpflicht, die nicht nur Rücksichtnahme verlangt, sondern darüber hinaus positiven Einsatz für das gemeinsame Interesse. In geringerem Maße als beim Austauschverhältnis bleiben den Mitgliedern daher eigene Rechte vorbehalten, in größerem Umfange sind sie zur Teilnahme, Aufklärung usf. verpflichtet. Das Austauschverhältnis verpflichtet zur Rücksicht nach Treu und Glauben, die Zweckgemeinschaft verpflichtet zu Rücksicht und Förderung nach Treu und Glauben. Es entspricht dabei der allgemeinen Schuldrechtsdogmatik, die Treuepflicht als Nebenpflicht zu verstehen. So wie im Schuldverhältnis weitere Verhaltenspflichten (Treu und Glauben) die Leistungspflicht begleiten, so geht die Treuepflicht mit der Förderpflicht einher.35 Zuzugeben ist freilich, daß Haupt- und Nebenpflicht ineinander übergehen, wobei die Grenze wegen der nur generalklauselartigen Bestimmung der Hauptpflicht ("Förderung") im Einzelfall schwer zu ziehen sein mag. Gegen die gedankliche Trennung spricht das nicht. c) Inhaltlich stellt die Treuepflicht eine Generalklausel dar. Die daraus fließenden Rechtspflichten lassen sich abstrakt nur vergröbernd beschreiben.36 "Der Inhalt der mitgliedschaftlichen Pflichten, namentlich der Treuepflicht, bestimmt sich nach dem Verbandszweck, dieser regiert die Erfordernisse mitgliedschaftlicher Rücksichtnahme, die notwendige Einsatzbereitschaft und die Intensität des Gemeinschaftsverhältnisses."37 Die Ausgestaltung im einzelnen hängt von der praktizierten Erscheinungsform, der Realstruktur38 des
34 Lutter, AcP 180(1980), 84,126: "Wer immer einem Verband beitritt, begründet zunächst und unmittelbar ein Rechtsverhältnis zu diesem. Aber er tritt zugleich in eine Personengemeinschaft, die sich ein frei gesetztes und beschränktes Ziel zu gemeinsamer Verfolgung gesetzt hat: d eine Beziehung zwischen den Partnern..." (Hervorhebung nur hier.) 35
Winter, Treubindungen, § 3 II 3 (S. 12 ff.) und § 6 II 1 (S. 68). A.M. Lutter, AcP 180 (1980), 84,117 und Lutter/Hommelhoff, § 14 Rn. 9, die die Treuepflicht als Teil der Förderpflicht und also als Hauptpflicht verstehen. 36 Lutter, ZHR 153, 452 ff.; Raiser, Kapitalgesellschaften, § 12 Rn. 35; Wiedemann, BB 1975, 1591, 1595; ders., FS Heinsius, S. 950; Grunewald, 2.C. Rn. 38. 37
Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, § 111 b bb (S. 11). BGHZ 65, 15, 19 (ITT) = JZ 1976, 408 m.Anm.v. Wiedemann. Ferner bereits A. Hueck, FS Hübner, 72, 80. 38
Ausdruck von Lutter, AcP 180 (1980), 105 ff.
§ 1 Zweckgemeinschaft der Nebenparteien
35
Verbandes, sowie von der Stellung des Gesellschafters im Verband ab.39 Als eine das Grundprogramm der Gesellschaft, die Zweckverfolgung, flankierende allgemeine Nebenpflicht prägt die Treuepflicht das Gemeinschaftsverhalten.40 Ihren wichtigsten Anwendungsfall findet sie in der Begrenzung der organisationsrechtlich begründeten Einwirkungsmacht, egal ob diese aus der Mehrheitsherrschaft oder den Minderheitsrechten fließt. Zur Eingrenzung der Einwirkungsmacht kann die Treuepflicht vor allem im Stimmverhalten Unterlassungsbzw. Mitwirkungspflichten begründen.41 Die Zweckverbindung, auf der die Treuepflicht beruht, begrenzt sie zugleich. Die Treuepflicht bezieht sich nur auf die Zweckerreichung, sie sanktioniert nur die Zweckstörung. Die Treuepflicht zur Rücksichtnahme besteht in der Regel nur in Bezug auf Mitgliedschaftsinteressen.42 Grundsätzlich kommt es nicht in Betracht, aus der Treuepflicht etwa weitergehende Beitragspflichten der Mitglieder herzuleiten. Dem steht schon die Begründung der Treuepflicht als Ergänzung und Komplementierung der Förderpflicht entgegen.43 Die Treuepflicht kann zum einen Handlungs- und Unterlassungsansprüche begründen, besonders im Hinblick auf das Stimmverhalten der Mitglieder. Ein Beschluß, der auf treupflichtwidrigem Stimmverhalten beruht, kann angefochten werden.44 Darüber hinaus kann ein Treueverstoß aber auch zu Schadensersatzansprüchen führen. 45
39
Lutter, ZHR153 (1989), 452 f.; Wiedemann, FS Heinsius, S. 950 f.; Winter, Treubindungen, § 11 II (S. 186 ff.). 40
BGH, NJW 1995, 1739, 1741; Scholz-Emmerich,
§ 13 Rn. 37 f.
41 Vgl. die allgemeine Charakterisierung bei Wiedemann, 1995, 1739, 1741.
FS Heinsius, S. 950; BGH, NJW
42
Lutter, AcP 180 (1980), 84, 128 f. Der Schutz privater Interessen der Mitglieder beruht demgegenüber auf einer Reflexwirkung, die die privaten Interessen im Bereich der Mitgliedschaft äußern. Unabhängig davon ergänzenfreilich weitere Verhaltenspflichten (§ 242 BGB) das Pflichtenprogramm. 43 Vgl. auch Wüst, JZ 1985, 1077, 1078 f.; Häuser, Unbestimmte "Maßstäbe", S. 180 f. sowie Altmeppen, NJW 1995, 1749, 1750. 44 45
Dazu etwa K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 20 IV 4 (S. 487).
Timm, WM 1991, 481, 485 ff. Winter, Treubindungen, § 6 III 5 (S. 83 ff.). Münchener Kommentar-Ulmer, § 705 Rn. 198; Lutter, JZ 1995,1053,1055; ferner bereits Wieland, Handelsrecht II, § 113 (S. 248). Demgegenüber ist Zollner, Schranken, § 36 II 2 d (S. 432), der Auffassung, die Rechtsbeziehungen in kapitalistischen Gesellschaften seien "nicht eng genug, um de lege lata eine tragfähige Grundlage für unmittelbarer Ansprüche abgeben zu können." Auch Kölner Kommentar-Zo/toer, § 243 Rn. 195 verneint aus diesem Grunde Schadensersatzansprüche zwischen Aktionären. Darin liegt ein systematischer Bruch mit der Dogmatik der Sonderverbindung.
36
1. Teil: Unmittelbare Rechtsbeziehungen
B. Verbandsmitgliedschaft des Arbeitnehmers Mitgliedschaftliche Rechtsbeziehungen zwischen Arbeitnehmern setzen eine gemeinsame Mitgliedschaft in einem Zweckverband voraus. Der gemeinsame Zweck ist das für die mitgliedschaftliche Bindung maßgebliche Merkmal. Als möglicher Zweckverband ist zunächst die Belegschaft zu untersuchen (I). Sodann kommen Betrieb, Betriebsgemeinschaft und Unternehmen in Betracht (II). Anschließend ist der Frage der Mitgliedschaft durch Zuweisung von Mitgliedschaftsrechten nachzugehen (III).
I. Belegschaft 1. Gemeinsamer Zweck a) Arbeitszweck46 Arbeitnehmer verfolgen jeder für sich den "Zweck", gegen Lohn beschäftigt zu werden. Ein gemeinsamer Zweck i.S.v. § 705 BGB liegt darin nicht. Denn zum einen verfolgen die Arbeitnehmer diesen "Zweck" nur parallel und nicht gemeinsam. Zum anderen handelt es sich aber nur um einen "Austauschzweck", wie ihn jeder gegenseitige Vertrag in sich trägt, nicht um einen zum Vertragsinhalt erhobenen Zweck i.S.v. § 705 BGB. Auch im Falle der Gruppenarbeit47 einer Betriebsgruppe, einer Arbeitnehmergruppe also, die vom Arbeitgeber zusammengestellt wird, gilt nichts anderes. Auch hier liegt nur die parallele Verfolgung eines Zwecks durch die Gruppenmitglieder vor. Lediglich im Falle der Eigengruppe verhält es sich anders: Dort schließen sich die Beteiligten selbst zu einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, einer Zweckgemeinschaft, zusammen. Indes handelt es sich um einen Ausnahmefall, der für den Regelfall des Arbeitsverhältnisses nichts ergibt.
Bestehen Treupflichten zwischen Mitgliedern, so muß deren Verletzung zu Schadensersatzansprüchen fuhren, unabhängig von der Intensität des Verhältnisses. Die Intensität des Verhältnisses hat allerdings Auswirkungen auf Bestehen und Reichweite von Treupflichten. Aufgrund der Verbandsstruktur als Publikumsgesellschaft mag die Treubindung selbst im Einzelfall sehr niedrig angesetzt werden. S.a. Winter a.a.O. 46
Zum Betriebs- oder Unternehmenszweck, unten, B) II 1.
47
Dazu statt aller Zöllner/Loritz,
§ 27 I.
§ 1 Zweckgemeinschaft der Nebenparteien
37
b) Wahrung der Arbeitnehmerinteressen nach dem BetrVG Zu denken ist daran, in der nach dem BetrVG verfaßten Belegschaft einen Verband zu sehen, der die Wahrnehmung von Arbeitnehmerinteressen bezweckt. Darin den Zweck der Belegschaft zu sehen, ist zwar nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil es sich um die "wohlverstandenen", betriebswohlbezogenen Arbeitnehmerinteressen handelt, wie die Regelungen der §§ 2 Abs. 1, 76 Abs. 5 S. 3, 112 Abs. 4 S. 2 BetrVG ausweisen.48 Als Zweck kommt jedes rechtlich zulässige wirtschaftliche oder ideelle Ziel in Betracht. Gerade die vom BetrVG getroffene ausgewogene Zweckstellung führt aber vor Augen, daß der Zweck nicht von der Belegschaft privatautonom gewählt wird: Ob im Falle der privatautonomen Bestimmung sämtliche Arbeitnehmer beiträten, muß bezweifelt werden. Die Frage kann indes dahinstehen, denn das BetrVG gibt der Belegschaft seinen Zweck vor und hindert also die Annahme einer Zweckgemeinschaft im untersuchten Sinne.
c) Arbeitskampfzusammenschluß Auch beim Arbeitkampf, der sichtbarsten Erscheinung der Arbeitnehmer als Einheit, ergibt sich nichts wesentlich anderes. aa) Beim gewerkschaftlich organisierten Streik fehlt schon ein privatautonomer Zusammenschluß. Denn die Streikenden folgen einem Aufruf von dritter Seite, der Gewerkschaft. Es wird so der Arbeitskampfzweck von der Gewerkschaft an den Arbeitnehmer herangetragen. Deshalb kommt es nicht zu einer rechtsgeschäftlichen Verbindung .der Teilnehmer. Auch die Durchführung einer Urabstimmung ändert nichts. Soweit - wie ganz regelmäßig49 - nicht einstimmig, sondern nur mehrheitlich für den Streik gestimmt wird, eignet dem Beschluß für einen Teil der Arbeitnehmer noch die Fremdbestimmung (so sie trotz Gegenvotums am Streik teilnehmen). Selbst im theoretischen Fall der Einstimmigkeit gilt nichts anderes. Die in der Abstimmung liegende Erklärung ist zwar als Willenserklärung zu verstehen.50 Doch
48
Auf diese Einschränkung weist Zöllner,
FS BAG, S. 753, hin.
49
Satzungsmäßig ist regelmäßig eine 3/4 Mehrheit erforderlich; Löwisch/Krauß, recht, Rn. 956. 50
Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, § 3 III 1 (S. 176 ff.); Soergel-Hadding,
Arbeitskampf§ 32 Rn. 25.
38
1. Teil: Unmittelbare Rechtsbeziehungen
stellt sie nur eine Erklärung in Hinblick auf die Abstimmungsfrage dar. Ein rechtsgeschäftlicher Zusammenschluß ist der Stimmabgabe nicht zu entnehmen. bb) Ein Streik ohne gewerkschaftliche Organisation (wilder Streik) ist rechtswidrig.51 Sein Betreiben ist daher kein zulässiger Gesellschaftszweck. Nicht rechtswidrig ist die gemeinsamen Ausübung von Leistungsverweigerungsrechten52 und - nach umstrittener Auffassung - die kollektive Änderungskündigung.53 Der Zusammenschluß54 zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen unter kollektiver Ausübung von Individualrechten kann grundsätzlich eine Gesellschaft darstellen.55 In aller Regel kann auch der Rechtsbindungswille der Teilnehmer nicht bezweifelt werden. Käme es den Arbeitnehmern nicht darauf an, daß alle mitmachen, so würden sie schon jeder für sich handeln. Es möchte aber keiner allein dastehen. Um - freilich unberechtigte (§ 612a BGB) und wohl regelmäßig schleichende - Sanktionen seitens des Arbeitgebers zu vermeiden handeln sie als Einheit. Besonders deutlich ist der Bindungswille im Fall der kollektiven Änderungskündigung: Denn wenn es sich um bloß einzelne Arbeitnehmer handelt, kann der Arbeitgeber die Änderungsangebote umso
51
Löwisch/Hartje,
RdA 1970, 321, 323 ff.; Löwisch/Rieble,
Arbeitskampfrecht, Rn. 308 ff.
52
Kraft, RdA 1968, 286, 289 ff.; Löwisch/Rieble, Arbeitskampfrecht, Rn. 453 ff.; Brox/Rüthers-Brox, Arbeitskampfrecht, Rn. 594 ff. Zöllner/Loritz, Arbeitsrecht, § 40 III 3; Seiter, Streikrecht, § 26 I (S. 429 ff.). 53
Kraft, RdA 1968, 286, 290; Löwisch/Hartje, RdA 1970, 321, 325 ff.; Löwisch/Rieble, Arbeitskampfrecht, Rn. 457 ff.; Brox/Rüthers-Brox, Rn. 548 ff., 550 ff. Seiter, Streikrecht, § 24 I (S. 387 ff.). A.M.freilich das BAG, BAGE 3, 281, 284 ff. = AP Nr. 1 zu § 1 TVG Friedenspflicht; AP Nr. 37 zu Art. 9 GG Arbeitskampf. 54 Ist die kollektive Ausübung von Leistungsverweigerungsrechten oder die Massenänderungskündigung von einer Gewerkschaft oder dem Betriebsrat organisiert - dazu Seiter, Streikrecht, § 25 II (S. 420 ff.) und § 2613 (S. 433 ff.); Brox/Rüthers-Brox, Arbeitskampfrecht, Rn. 608 ff. - wird freilich auch hier - ebenso wie beim gewerkschaftlichen Streik - der rechtsgeschäftliche Zusammenschluß zu verneinen sein. 55
Eine BGB-Gesellschaft der "wild" Streikenden nimmt bereits Ramm, ArbuR 1971, 97, 103, an. Ramm geht sogar so weit, in dem Zusammenschluß beim nichtgewerkschaftlichen Streik eine Koalition i.S.v. Art. 9 Abs. 3 GG zu sehen; a.a.O. S. 97 ff. und ferner bereits ders., Der Arbeitskampf, S. 188 f.; ders., ArbuR 1964, 353, 361; ders., ArbuR 1967, 110; ders., Das Koalitionsund Streikrecht der Beamten, S. 136. Auf der Grundlage desfrüher weithin vertretenen "weiten" Koalitionsbegriffs ist das konsequent; dazu etwa Nikisch, Arbeitsrecht II, § 5711 (S. 2) und BAG, AP Nr. 37 zu Art. 9 GG Arbeitskampf. Der Koalitionsbegriff der h.M. erfordert demgegenüber die Anlage auf Dauer; Löwisch/Hartje, RdA 1970, 321, 324; Wiedemann/Stumpf, § 2 Rn. 122 f. Zöllner/Loritz, § 8 III (S. 102); ArbG Berlin DB 1974, 2358 ff. Ausfuhrlich zu diesem Streit und der Entwicklungsgeschichte Seiter, Streikrecht S. 76 ff. m.w.N. Auch die h.M. bestreitet die Annahme einer ad-hoc Vereinigung, auf die es vorliegend ankommt, nicht.
§ 1 Zweckgemeinschaft der Nebenparteien
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leichteren Herzens ausschlagen. Gewicht bekommt die Änderungskündigung in vielen Fällen erst durch das kollektive Vorgehen.56 Doch führt die Annahme einer Gesellschaft nur in begrenztem Umfang zu Rechtsbeziehungen zwischen den Arbeitnehmern. Die Kampfvereinigung erfaßt nicht alle Arbeitnehmer, sondern nur die Teilnehmer. Schließen sich weitere Arbeitskollegen an, so besteht für diese angesichts der schon laufenden Aktion keine Notwendigkeit, auch noch dem Gesellschaftsverhältnis beizutreten. Die nachfolgende Beteiligung wird in aller Regel nur als Tathandlung, nicht auch als Willenserklärung zu verstehen sein; ein Gesellschaftsbeitritt wird dann ebensowenig erklärt wie die Aufnahme. Weiterhin endet das Gesellschaftsverhältnis normalerweise kurzfristig mit Zweckerreichung oder -Verfehlung. Sofern die Beteiligten dann noch bei demselben Arbeitgeber beschäftigt sind, hat das vormalige Gesellschaftsverhältnis auf ihre Arbeitnehmerbeziehungen keine Auswirkungen mehr. Als bloße Randerscheinung kann daher das Rechtsverhältnis der Kampfvereinigung von Arbeitnehmern außer Betracht bleiben.
d) Exkurs: Gemeinsame Gewerkschaftsmitgliedschaft Damit ist aber zugleich die Frage gestellt, ob und inwieweit die gemeinsame Gewerkschaftsmitgliedschaft von Arbeitnehmern in ihrem Verhältnis als Arbeitskollegen eine rechtlich relevante Bindung schafft. 57 Immerhin sind etwa ein Drittel aller Arbeitnehmer gewerkschaftlich organisiert.58 Die Gewerkschaften sind als nichtrechtsfähige Vereine organisiert, den rechtsfähigen Vereinen jedoch praktisch weithin gleichgestellt.59 Auch in diesem Verband gibt es eine
56
Vgl. den Sachverhalt von BAG, AP Nr. 37 zu Art. 9 GG Arbeitskampf, wo 17 von 30 Estrichlegern eines Betriebes gleichzeitig Änderungskündigungen aussprachen und so den Arbeitgeber in erhebliche Schwierigkeiten bei der rechtzeitigen Erfüllung seiner Aufträge zu bringen drohten. 57 Besonders deutlich tritt die gemeinsame Mitgliedschaft in einem anderen Verband bei Arbeitnehmern der Gewerkschaften in Erscheinung: Diese müssen in der Regel selbst Gewerkschaftsmitglieder sein; vgl. Buchner, ZfA 1979, 335, 347. 58 59
Zöllner/Loritz,
§ 8 II 1 (S. 99).
MünchArbR-Löwisch, stellung hinweist.
§ 243 Rn. 25 ff. und 31 ff., der zugleich auf die Grenzen der Gleich-
40
1. Teil: Unmittelbare Rechtsbeziehungen
Treubindung zwischen den Mitgliedern.60 Diese Verbindung bleibt jedoch eher lose. Denn zum einen ist sie durch den vereinbarten Zweck eingeschränkt. Zum anderen wird sie durch die Realstruktur des Verbandes bestimmt: Eine große, weitläufige, unpersönliche Organisation. Ist damit eine - wenn auch nur schwache - Rechtsbindung unter den Arbeitnehmern als Gewerkschaftsmitglieder begründet, so bleibt aber die Frage, wie diese sich für die Gewerkschaftsmitglieder als Arbeitskollegen auswirkt. Und hier bleibt es im Grunde bei einer Trennung des jeweiligen rechtlichen Status.61 Grundsätzlich wirkt sich die gemeinsame Gewerkschaftsmitgliedschaft ebensowenig auf das Verhältnis unter Arbeitskollegen aus wie die gemeinsame Mitgliedschaft in einem Turnverein. Nur soweit das Arbeitnehmerverhalten auch für die Gewerkschaftsmitgliedschaft relevant ist, nur auf den Gewerkschaftszweck bezogen, können sich daraus auch praktische Rechtsbindungen der Arbeitskollegenergeben.62 So wird die Treubindung im Arbeitsalltag kaum eine Rolle spielen. Aus ihr kann aber etwa im Arbeitskampf eine Rücksichtspflicht auch des nicht-streikenden Mitglieds abgeleitet werden.63
2. Rechtsgeschäftlicher
Zusammenschluß
Arbeitnehmer schließen sich untereinander auch nicht rechtsgeschäftlich zusammen. Einander versprechen sie im Arbeitsverhältnis grundsätzlich nichts. Das wird schon daraus deutlich, daß sie einander bei der Einstellung gar nicht kennen, vielfach nicht einmal von der Existenz konkreter weiterer Mitarbeiter
60 Zur Rechtsstellung des Mitglieds im nicht-rechtsfähigen Verein, insbesondere zur Treuepflicht Soergel-Hadding, § 54 Rn. 11. Vgl. auch K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 20 IV 1 c a.E., Bsp. Nr. 21: "Wer einem Berufsverband angehört, schuldet als Mitglied nicht nur dem Verband, sondern auch den assoziierten Berufskollegen Loyalität." 61
S.a. Buchner, ZfA 1979, 335, 346 ff., zur Gewerkschaftsmitgliedschaft der Arbeitnehmer der Gewerkschaft. 62 Vgl. auch K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 19 III 1 a, Bsp. Nr. 3 (S. 449): "Stoßen zwei Mitglieder eines Automobilklubs schuldhaft mit ihren Wagen zusammen, so ist dies nicht die Verletzung eines Sonderrechtsverhältnisses. Will ein Mitglied aber das andere durch Verunglimpfung aus einem Verband drängen, so kann dies nicht nur eine unerlaubte Handlung sein, sondern auch die Verletzung einer Sonderrechtsbeziehung." Es handelt sich dabei freilich nicht um eine Besonderheit des Rechts der Mitgliedschaft. Entsprechendes gilt etwa auch für die schuldrechtliche Sonderverbindung. 63 Der Problematik kann hier nicht im einzelnen nachgegangen werden. Hinzuweisen ist aber darauf, daß die Meinungsfreiheit und die (negative) Koalitionsfreiheit des Gewerkschaftsmitglieds seine Treuepflichten begrenzen. Nur in den von diesen Daten gesteckten Grenzen kann ihm Loyalität abverlangt werden.
§ 1 Zweckgemeinschaft der Nebenparteien
41
wissen. Eine rechtsgeschäftliche Erklärung des eintretenden Arbeitnehmers könnte nur den Vertragsverhandlungen mit dem Arbeitgeber entnommen werden. Doch fehlt jeder Anhalt für eine an die künftigen Kollegen gerichtete Erklärung. Auch die Annahme eines Angebots seitens der Arbeitskollegen ist nicht auszumachen - selbst wenn man auf das Erklärungserfordernis verzichten wollte (§ 151 BGB).64 Soweit im verfaßten Betrieb der Betriebsrat zur Einstellung nach § 99 BetrVG die Zustimmung erklärt, ergibt sich nichts anderes. Auch ihr läßt sich eine rechtsgeschäftliche Erklärung gegenüber dem eintretenden Arbeitnehmer nicht entnehmen. Das folgt in erster Linie aus der gesetzlich vorgegebenen, inhaltlich beschränkten Reichweite der Zustimmungserklärung: Die Erklärung verfolgt einen gesetzlich vorgegebenen Zweck: Die Kontrolle, ob Zustimmungsverweigerungsgründe65 des § 99 Abs. 2 BetrVG vorliegen.66 Nur auf diesen Zweck hin kann die Zustimmung verstanden werden. Wollte man ihr Weiteres entnehmen, so wäre ein positiver Anhalt in der Erklärung selbst die erste Voraussetzung dafür. Hinzu tritt, daß die Erklärung an den Arbeitgeber adressiert ist67 und nur diesem gegenüber durch Zugang wirksam wird; daß der Arbeitgeber als Empfangsbote des Einzustellenden oder Erklärungsbote des Betriebsrats fungierte, ist nicht erkennbar. Auf der anderen Seite ist der Betriebsrat auch nicht Vertreter der Belegschaft, sondern deren Repräsentant.68
64 Es bleibt bei der von Wiedemann, Arbeitsverhältnis, S. 44, getroffenen Feststellung: "Solange kein Gruppenarbeitsverhältnis verabredet ist oder sonst in irgendeiner Weise der Wille der Arbeitnehmer zum Ausdruck kommt, ein selbstgewähltes Team zu bilden und damit eine gegenseitige Abhängigkeit der Arbeitsverträge begründen zu wollen, verspricht jeder einzelne Beschäftigte nur seine eigene Leistung und nicht die Leistung seiner Arbeitskameraden, auch nicht etwa die Einwirkung auf sie im Sinne von 'Gutem Zureden* usw. Davon, daß ihre Arbeitsleistungen verschmolzen werden, wird die persönliche Selbständigkeit der Arbeitnehmer nicht berührt." (Hervorhebungen im Original.) 65
Zur Ausgestaltung als Zustimmungsverweigerungsgründe im Gegensatz zu den Einspruchsgründen nach §§ 61-63 BetrVG 1952 Galperin/Löwisch, § 99 Rn. 1. 66 Im einzelnen geht es um eine Rechtmäßigkeitskontrolle (§§ 99 Abs. 2 Nr. 1, 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG), die Realisierung der Mitwirkung an der Personalplanung (§§ 99 Abs. 2 Nrn. 2 und 5, 95, 93 BetrVG), die Wahrung von Recht und Billigkeit im Betrieb (§ 99 Abs. 2 Nr. 4,75 BetrVG) und die Wahrung des Betriebsfriedens (§§ 99 Abs. 2 Nr. 6, 75 BetrVG). Galperin/Löwisch, § 99 Rn. 1. 67 68
So auch Zöllner, FS BAG, S. 754; Konzen, ZfA 1985, 469, 484.
S. bereits E.R. Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht II, § 9711 (S. 485 ff.); Nikisch, Arbeitsrecht III, § 9119 (S. 19); Hueck/Nipperdey, Lehrbuch II, § 52 C III (S. 1091 f.); Dietz/Richardi, § 1 Rn. 14; krit. Kreutz, Grenzen, S. 37 ff. Auch wenn man den Betriebsrat mit Zöllner/Loritz, § 45 III 1 (S. 463 ff.) als "Organ der Betriebsverfassung" ansieht, folgt daraus keine rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht für die Arbeitnehmer.
42
1. Teil: Unmittelbare Rechtsbeziehungen
Als solcher kann der Betriebsrat für die Belegschaft nicht rechtsgeschäftlich handeln.
n . Betrieb, Betriebsgemeinschaft und Unternehmen Ist eine Zweckverbindung zwischen den Arbeitnehmern nicht nachweisbar, so können sich Rechtsbeziehungen unter ihnen doch aus einer gemeinsamen Mitgliedschaft in Betrieb, Betriebsgemeinschaft oder Unternehmen ergeben. Die Annahme einer solchen (Zweck-) Verbindung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber ist nicht von vornherein auszuschließen. Denn die Kooperation, um die es im Arbeitsverhältnis geht, kann sowohl im Wege des Dienstverhältnisses als auch durch eine Gesellschaftsabrede vereinbart werden. Dienst- und Gesellschaftsverhältnis sind alternative Formen der Zusammenführung von Arbeit und Kapital, von sachlichen und persönlichen Produktionsmitteln.69 In Erinnerung gerufen sei an dieser Stelle noch einmal der konstruktive Weg, auf dem hier und nachfolgend (III; C II) eine Arbeitskollegenbeziehung begründet werden könnte: Bindet man die Arbeitnehmer in einen Zweckverband zusammen mit dem Arbeitgeber ein, dann geht es nicht mehr um eine personengesellschaftsähnliche Verbindung untereinander, die sich - etwas schief - als ringförmig beschreiben ließe. Hier steht die sternförmige Anordnung von Arbeitskollegen auf den Arbeitgeber hin in Rede, die strukturell dem Modell der Kapitalgesellschaft entspräche. Wie gezeigt, kann die Treuepflicht auch insoweit eine Verbindung begründen. Der Untersuchung liegen die herkömmlichen Begriffe von Betrieb, Betriebsgemeinschaft und Unternehmen zugrunde: "Betrieb ist die organisatorische Einheit, innerhalb derer ein Unternehmer allein oder in Gemeinschaft mit seinen Mitarbeitern mit Hilfe von sächlichen und immateriellen Mitteln bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt." 70 Betriebsgemeinschaft ist "die soziologische Gruppe, die den Arbeitgeber und sämtliche Betriebs-
69
Dazu Beuthien, FS Ernst Wolf, S. 17, 18 ff., s.a. dens., FS BAG, S. 1 ff.; Loritz, Mitarbeit, § 1 A I - III (S. 39 ff.); ders., RdA 1992, 310 f.; Adomeit, Gesellschaftsrechtliche Elemente, S. 1 ff. und passim. 70
Hueck/Nipperdey, Lehrbuch I, § 16 II a.E.(S. 93); die Definitionen von Betrieb und Unternehmen gehen zurück auf die Bestimmung von Jacobi, FS Ehrenberg, S. 9 und 20. Zum gegenwärtigen Stand und zur Entwicklung Staudinger-Richardi, vor § 611 Rn. 551 ff. und ders., Münch Hdb ArbR I, § 30; Gamillscheg, ArbuR 1989, 33 ff.; ders., ZfA 1975, 357 ff. und umfassend und mit krit. Analyse Joost, Betrieb und Unternehmen.
§ 1 Zweckgemeinschaft der Nebenparteien
43
angehörige umfaßt." 71 Unternehmen ist "die organisatorische Einheit, die bestimmt wird durch den wirtschaftlichen oder ideellen Zweck, dem ein Betrieb oder mehrere organisatorisch verbundene Betriebe desselben Unternehmens dienen."72 Das Unternehmen ist zu unterscheiden von dem Unternehmensträger. Der Unternehmensträger kann ein Zweckverband sein. Bei mitbestimmten Unternehmen nach dem MitbestG und dem BetrVG 1952 ist dies stets der Fall, da die Mitbestimmung dort auf Unternehmen bestimmter Rechtsform beschränkt ist. Der Unternehmensträger ist aber nicht notwendig selbst ein Zweckverband.
1. Betriebszweck und Unternehmenszweck a) Gemeinsamer Zweck73 Arbeitnehmer eines Betriebes werden zu einem einheitlichen arbeitstechnischen Zweck eingesetzt, Arbeitnehmer eines Unternehmens dienen dem Unternehmenszweck. Jeweils werden aber die Arbeitnehmer durch den Arbeitgeber "auf diesen Zweck ausgerichtet".74 Der Betriebs- oder Unternehmenszweck wird vom Arbeitgeber vorgegeben und die Arbeitnehmer werden zu seiner Förderung eingesetzt. Auf diese Weise wird der Betriebs- bzw. Unternehmenszweck nicht ein eigener für die Arbeitnehmer. Das folgt schon daraus, daß der einzelne Arbeitnehmer den Zweck nicht zu kennen braucht: Wird ein Schlosser eingestellt, so braucht er nicht zu wissen, welchem arbeitstechnischen oder unternehmerischen Zweck sein Einsatz dient. Weil die Arbeitnehmer sich den Betriebs- oder Unternehmenszweck nicht zu eigen machen, kann dieser ihnen auch kein gemeinsamer Zweck sein.75
71
Wiedemann, Arbeitsverhältnis, S. 40 m.w.N.
72
Hueck/Nipperdey,
Lehrbuch I, § 16 VI (S. 97).
73
Zum Zweck der "Wahrung der Arbeitnehmerinteressen unter Beachtung des Betriebswohls", den die Betriebsverfassung verfolgt, bereits oben, B I 1 b. Auch für die Betriebsgemeinschaft ist darin mangels privatautonomer Vereinbarung kein gemeinsamer Zweck zu sehen. 74 75
Zöllner, FS BAG, S. 753.
Nach Zöllner, FS BAG, S. 753, ist der arbeitstechnische Zweck deshalb "nur ein einheitlicher, kein gemeinsamer". Deudich wird der Mangel der Gemeinsamkeit von Betriebs- oder Unternehmenszwecks im rechtshistorischen Vergleich mit dem Verhältnis von Handwerksmeister und Gesellen nach früherem Recht. Das Gesellenverhältnis, wie Ebel, ZStW 96 (1936), 319, 332, ausführt, "beherrscht nicht der Gedanke des Leistungsaustausches, sondern der Grundsatz gemeinsamer Arbeit des Älteren mit dem Jüngeren, die Werkgemeinschaft der Zunftgenossen."
44
1. Teil: Unmittelbare Rechtsbeziehungen
Die Arbeitnehmer versprechen stets nur eine bestimmte Tätigkeit. Ihre Zweckrichtung erfährt die jeweilige Tätigkeit aber erst durch die Einordnung in den Betrieb und durch die Richtung und Koordination durch den Arbeitgeber.76 "Zweck" des Arbeitnehmers bleibt allein die Erlangung der Vergütung für seine Tätigkeit, der arbeitsvertragliche Austauschzweck. Bestätigt wird dies durch die Feststellung, daß der Arbeitnehmer sich über den Betriebszweck und die die Bedeutung seiner Tätigkeit für das Betriebs- oder Unternehmensganze grundsätzlich keine Gedanken zu machen braucht.77 Auch aus einer "Förderungspflicht" des Arbeitnehmers läßt sich anderes nicht begründen. Eine Förderungspflicht i.S.v. § 705 BGB, die auf die Förderung des Betriebszwecks oder Unternehmenszwecks zielte, trifft den Arbeitnehmer nicht.78 Zwar gibt es eine arbeitsrechtliche Förderungs(neben)pflicht. Sie enthält etwa die Verpflichtung, drohende Schäden anzuzeigen79, und - in eingeschränktem Maße auch abzuwenden.80 Der Arbeitnehmer darf den Vertragszweck und den Leistungszweck nicht gefährden oder beeinträchtigen.81 Schon inhaltlich ist mithin die arbeitsrechtliche Förderpflicht wesentlich verschieden von der verbandsrechtlichen, nämlich schwächer ausgeprägt. Der entscheidende Unterschied ist struktureller Natur: Die arbeitsrechtliche Förderungspflicht ist eine Nebenpflichti* 1 die das Austauschverhältnis begleitet. Demgegenüber ist die gesell-
76
So auch Zöllner, FS BAG, S. 753, 760.
77
So auch Zöllner, FS BAG, S. 760 f. Nicht bestritten wird damit die Auffassung Buchners, ZfA 1979, 335, bes. 339, der Arbeitnehmer - ebenso wie jeder andere Partner eines Austauschverhältnisses - dürfe Vertragszweck und Leistungserfolg nicht gefährden. Denn dort geht es um einen vertraglich vereinbarten oder doch zugrundegelegten Zweck bzw. Erfolg. Der Unternehmens- oder auch Betriebszweck ist aber im Normalfall nicht Vertragszweck in diesem Sinne. Freilich gelten auch im Arbeitsverhältnis die allgemeinen Rücksichtspflichten. 78 MünchAibR-Blomeyer, § 52 Rn. 12. Selbst unter Geltung des Gesetzes zur Ordnung der nationalen Arbeit 20.1.1934 war das nicht wesentlich anders. Zwar normiert § 1 AOG, Unternehmer und Arbeiter arbeiteten im Betrieb "gemeinsam zur Förderung der Betriebszwecke", und es wird nach § 2 AOG die Förderpflicht als Teil der Treuepflicht angesehen und somit zur Hauptpflicht erhoben. Die Förderpflicht erhielt jedoch keinen wesentlich neuen Inhalt und war weiterhin von der gesellschaftsrechdichen Förderpflicht zu unterscheiden; Hueck/Nipperdey/Dietz, §2 Rn. 21. 79 § 545 Abs. 1 BGB beweist jedoch, daß eine Schadensanzeigepflicht ihre Grundlage im Austauschverhältnis finden kann! 80
Zöllner/Loritz,
§ 13 II und III (S. 157 f.); MünchArbR-Blomeyer,
§ 52 Rn. 3 ff.
81
Buchner, ZfA 1979, 335, 339. Eine "Bindung des Arbeitnehmers an die Unternehmenszielsetzung" (so der Untertitel der Untersuchung Buchners a.a.O.) besteht gleichsam "negativ": Der Arbeitnehmer darf ihr nicht entgegenwirken; Münchener Kommentzi-Schwerdtner, § 611 Rn. 395; auch Buchner selbst, a.a.O. S. 339. 82 MünchArbR-Blomeyer, § 52 Rn. 1; Buchner, ZfA 1979, 335, 343; Richardi, Entwicklungstendenzen, S. 65; BAG, AP Nr. 1 zu § 103 BetrVG 1972. Anderes gilt auch dann nicht, wenn die
§ 1 Zweckgemeinschaft der Nebenparteien
45
schaftsrechtliche Förderungspflicht entscheidendes, konstitutives Merkmal der Gesellschafterverbindung 83, sie wird deshalb als Hauptpflicht beschrieben.84 b) Privatautonome Vereinbarung Darüber hinaus wird der Betriebs- oder Unternehmenszweck auch nicht von den Arbeitnehmern privatautonom vereinbart, er wird vom Arbeitgeber und somit "von außen" vorgegeben. Angesichts der vereinbarten Unterordnung unter das arbeitgeberseitige Direktionsrecht fehlt den Arbeitnehmern der Anlaß, einen Zweck zu vereinbaren. Dafür bleibt aber im Subordinationsverhältnis auch kein Raum.85 Daß es sich nicht um einen vereinbarten gemeinsamen Zweck handelt, bestätigt sich, wenn der Arbeitgeber den Zweck des Betriebs oder Unternehmens ändert. Solange eine solche Zweckänderung die arbeitsvertragliche Vereinbarung nicht berührt, muß der Arbeitnehmer sie hinnehmen. Ist er mit ihr nicht einverstanden, so bleibt ihm nur der Ausweg der Kündigung. Aber auch dann, wenn der Arbeitgeber mit der Zweckänderung die arbeitsvertraglichen Grenzen überschreitet, erlangt der Arbeitnehmer keinen Einfluß auf die Zwecksetzung. Zwar muß er die Zweckänderung individualvertraglichnicht hinnehmen. Es kommt dann aber die betriebsbedingte Kündigung des Arbeitnehmers in Betracht.86 Der mangelnde Einfluß des Arbeitnehmers auf die Zwecksetzung des Arbeitgebers bestätigt sich im Kündigungsschutzrechtsstreit:
Arbeitspflicht auf die Förderung des Betriebs- oder Unternehmenszwecks gerichtet ist. Es handelt sich immer noch um die "bloße" Arbeitspflicht als Vertragspflicht im Austauschverhältnis; vgl. MünchArbR-Blomeyer, § 52 Rn. 12. Deutlich wird das, wenn sich der Betriebs- oder Unternehmenszweck ändert: Die Förderungspflicht muß dem folgen, die Arbeitspflicht nicht. 83 G. Hueck, Gesellschaftsrecht, § 5 I 4 (S. 41 f.); Münchener Kommentar-Ulmer, vor § 705 Rn. 71 ff. 84
Lutter, (S. 269).
AcP 180 (1980), 84, 103 ff. und 117 ff. Abi. Flume, Juristische Person, § 8 I
85 S.a. Zöllner, FS BAG, S. 757: "Gegen die Qualifizierung als Gemeinschaftsverhältnis spricht zusätzlich der nach wie vor bestehende Subordniationscharakter des Arbeitsverhältnisses, der sich auch für das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Gesamtbelegschaft zumindest noch in bestimmten Bereichen konstatieren läßt." Zöllner hat a.a.O. (wohl) einen weiteren Gemeinschaftsbegriff vor Augen, nicht beschränkt auf Zwecfcgemeinschaften; im Hinblick auf das Erfordernis privatautonomer Zwecksetzung trifft sein Argument auch hier. 86
Dazu auch Zöllner,
FS BAG, S. 762.
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1. Teil: Unmittelbare Rechtsbeziehungen
Denn die unternehmerische Entscheidung, die der betriebsbedingten Kündigung zugrunde liegt, kann das Arbeitsgericht grundsätzlich nicht überprüfen. 87 Entsprechendes zeigt sich im verfaßten Betrieb: Über Betriebsänderungen muß der Arbeitgeber den Betriebsrat - nicht die Arbeitnehmer (!) - unterrichten. Ihn trifft die Pflicht zum Interessenausgleich und Sozialplan; §§ 111 113 BetrVG. Unmittelbaren Einfluß auf die Betriebsänderung selbst, auf die unternehmerische Entscheidung, gewinnen die Arbeitnehmer dadurch nicht.88
2. Zweckbestimmung Adomeits Allerdings hat Adomeit angenommen, Arbeitgeber und Arbeitnehmer verbinde ein gemeinsamer Zweck: "Mit dem Abschluß des Arbeitsvertrages wird ein gemeinsamer Zweck gesetzt, die Koordination von Betriebsleitung und Kapitaleinsatz beim Unternehmer mit der Arbeitskraft des neu Eingestellten zur Erzielung eines zu Verteilenden, einer Dividende. " 89 a) Was die Erzielung einer Dividende angeht, so ist sie so wenig ein von den Arbeitnehmern geteilter "gemeinsamer Zweck" wie der Unternehmenszweck.90 Dies ist insoweit besonders deutlich, als der Arbeitnehmer sich um die Erwirtschaftung einer Dividende nicht kümmern möchte, es aber auch mangels erforderlicher Einsicht in die Unternehmenszusammenhänge regelmäßig gar nicht kann.91 Damit wird nicht geleugnet, daß die Arbeitnehmer auch am Unternehmenswohl, das die Sicherheit der Arbeitsplätze auf Dauer
87 BAG, AP Nr. 6, 22 zu § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung; AP Nr. 6 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung; AP Nr. 11 zu § 1 KSchG 1969; JZ 1996, 1983, 1094; Rieble, Kontrolle, § 7 VIII 2 (S. 140 ff.); Preis, NZA 1995, 241 ff. 88 Vgl. zum Verhältnis von Betriebsverfassung und Unternehmensautonomie noch die Darstellung unten, III 4 m.w.N. 89
Adomeit, Gesellschaftsrechüiche Elemente, S. 9. (Hervorhebung im Original). Adomeit untersucht die Rechtsnatur des Arbeitsverhältnisses. Er kommt zu der These, das Arbeitsverhältnis stelle ein gemischtes Rechtsverhältnis dar, einen Dienstvertrag mit gesellschaftsrechüichen Elementen. Auf diese These ist unten (3) zurückzukommen. Hier geht es um die - von Adomeit nicht bejahte - Frage, ob das Arbeitsverhältnis schon ein Gesellschaftsverhältnis darstellt. Angesichts der Tatsache, daß Adomeit a.a.O. einen gemeinsamen Zweck ausmacht, erscheint diese Untersuchung folgerichtig. 90 91
Zum Unternehmenszweck bereits oben, B II 1 a.
S. schon oben III 1 a bb. Dazu im rechtshistorischen Vergleich nochmals Ebel, ZStW 96 (1936), 319,332, der das Verhältnis von Handwerksmeister und Gesellen darstellt, das bis zur Zeit der Abschließung der Zünfte auch als Beteiligungs- und Gemeinschaftsverhältnis vorkam.
§ 1 Zweckgemeinschaft der Nebenparteien
47
gewährleistet, interessiert sind.92 Das Interesse des Arbeitnehmers bei Abschluß des Arbeitsvertrages geht aber dahin, ein regelmäßiges und sicheres, von der wirtschaftlichen Situation des Unternehmens grundsätzlich unabhängiges Einkommen zu erzielen.93 Im "Austauschzweck"94 erschöpft sich sein Interesse.95 In der Mehrzahl der Fälle steht dem Arbeitnehmer auch ein anderer, mit Blick auf die Unternehmensprosperität spekulativer Weg gar nicht offen: Er hat nur seine Arbeitskraft zu verwerten und nicht ein Kapital einzusetzen, und er ist auf risikofreie Einkünfte als Gegenleistung angewiesen.96 Die Erwirtschaftung einer Dividende mag für den Arbeitgeber Zweck sein, für den Arbeitnehmer ist sie aber nur ein untergeordnetes Interesse.97 Die Kehrseite dessen ist auch nicht zu übersehen: Die Erzielung eines zu Verteilenden mag es zweckmäßig (!) erscheinen lassen, Arbeitsplätze "wegzurationalisieren".98 Dem entspricht es, wenn der Arbeitnehmer im Streit um die Rechtmäßigkeit seiner Kündigung die zugrundeliegende unternehmerische Entscheidung selbst nicht angreifen kann.99 Selbst wenn der Arbeitnehmer zusätzlich zur Vergütung eine Gewinnbeteiligung erhält, ändert sich hinsichtlich der Frage der Zweckverbindung ohne weiteres nichts.100 Prägend bleibt auch hier der Austauschcharakter des Verhältnisses, zu dem nur eine atypische Gegenleistung hinzutritt. Gewinnt der Arbeitnehmer in diesem Falle auch ein Eigeninteresse am Gewinn, so wird die Gewinnerzielung doch nicht gemeinsamer Zweck der Vertragsparteien.
92
Vgl. Beuthien, FS Ernst Wolf, S. 21; MünchArbR-rt/c/wrd/, § 8 Rn. 13.
93
Im Unterschied zu einem Gesellschafter, der nach § 706 Abs. 3 BGB seinen Beitrag (!) in Form von Diensüeistungen erbringt, wird der Arbeitnehmer eben nicht unentgeltlich oder nur auf der Basis eines u.U. zurückzuzahlenden Gewinnvoraus tätig. Ebenso Lieb, Arbeitsverhältnis, S. 45, 46, 56. Dazu auch unten B II 3 b bb (3). 94
Beuthien, FS Ernst Wolf, S. 21; s.a. die Abgrenzung von Ballerstedt, oben, 1.1.b. 95
JuS 1963, 253, 255;
Lieb, Arbeitsverhältnis, S. 44.
96
Beuthien, FS Ernst Wolf, S. 20; MünchArbR-Richardi, § 8 Rn. 13; s.a. Loritz, RdA 1992, 310, 318. 97
Lieb, Arbeitsverhältnis, S. 44 f.
98
Vgl. auch Lieb, Arbeitsverhältnis, S. 45. Die Rationalisierung spricht Adomeit unter der Überschrift "Das Problem des ungemütlichen Arbeitsplatzes" an (a.a.O. S. 19), den hier hervorgehobenen Widerspruch nicht. 99
Nachw. oben, B II 1 b Fn. 87.
100
Vgl. aber auch unten, 4., zur Rechtsstellung bei Mitarbeit Unternehmensbeteiligter. Zum Problemkreis des partiarischen Mitarbeiterdahrlehns Loritz, Mitarbeit, § 25 C II 1 (S. 503 ff.).
48
1. Teil: Unmittelbare Rechtsbeziehungen
Gewinnerzielung des Unternehmens ist Interesse, nicht "Primärzweck"101 des Arbeitnehmers. Seine Pflicht bleibt es, die versprochene Leistung zu erbringen, nicht, eine Tätigkeit zur Förderung der Gewinnerzielung zu entfalten. Allein die Gewinnbeteiligung schafft noch keine Zweckverbindung. Hinzukommen müßten andere Kriterien, aus denen sich der Zweckzusammenschluß ergibt.102 Indizien für eine Zweckverbindung wären z.B. eine Verlustbeteiligung103 und/oder die Einräumung von Kontroll- und Mitwirkungsrechten.104 Gerade diese Abgrenzungskriterien zeigen aber, daß auch im Falle einer (zusätzlichen) Gewinnbeteiligung eine Zweckgemeinschaft zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber regelmäßig nicht angenommen werden kann. Denn der Arbeitgeber will Kontroll- und Mitwirkungsrechte105 nicht zugeben, der Arbeitnehmer eine Verlustbeteiligung nicht tragen. Der Fall des Belegschaftsaktionärs führt die Trennung noch deutlicher vor Augen. Auch hier bleibt es grundsätzlich106 bei der Unterscheidung zwischen arbeitsvertraglicher und mitgliedschaftlicher Position. Im Arbeitsverhältnis bringt die mitgliedschaftliche Stellung grundsätzlich weder Rechte noch Pflichten mit sich.107
101
Lieb, Arbeitsverhältnis, S. 44 f. Demgegenüber nimmt Baier, MDR1985, 890, 892 an, beim partiarischen Arbeitsvertrag liege in dem wirtschaftlichen Erfolg ein gemeinsamer Zweck, es bestehe lediglich keine gemeinsame Förderungspflicht. Dieser Auffassung liegt ein abweichendes Verständis des "Zwecks" i.S.v. § 705 BGB zugrunde. 102
BFH, BB 1988, 186, 187 f.
103
Daran fehlte es z.B. im Fall von BAG, AP Nr. 2 zu § 242 BGB Auskunftspflicht.
104
K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 62 II 1 d (S. 1546); Baier, MDR 1985, 890, 892; s.a. BGH, NJW 1990, 573; 1992, 2696. Angesichts der Bankenpraxis, sich bei bloßer Kreditgewährung weitreichende Mitwirkungsrechte einräumen zu lassen, ist selbst letzteres Merkmal mit Vorsicht zu behandeln. 105
Etwas davon qualitativ Verschiedenes ist der dem Arbeitnehmer im Falle der Gewinnbeteiligung zuzugebende Auskunftsanspruch; vgl. MünchArbR-Ärejö/, § 66 Rn. 96. Es handelt sich um einen Anwendungsfall des allgemeinen, aus § 242 BGB abgeleiteten Auskunftsanspruchs, der den Hauptanspruch begleitet, um seine Durchsetzung zu ermöglichen; dazu Münchener Kommentar-tfe/fer, § 260 Rn. 10 ff.; BAG, AP Nr. 2 zu § 242 BGB Auskunftspflicht; BAGE 7, 51 = AP Nr. 18 zu § 3 KSchG. 106 107
Vgl. noch unten, 4.
Buchner, ZfA 1979, 335, 352; Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, § 11 V 3 (S. 654 f.). Hier stellt sich die Problematik der Überrepräsentation der Arbeitnehmer in mitbestimmten Unternehmen; dazu Loritz, Mitarbeit, § 19 D (S. 382 ff.); Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, § 11 V 3 b (S. 655).
§ 1 Zweckgemeinschaft der Nebenparteien
49
Freilich stellt die Trennung der vermögensrechtlichen Stellung (Gewinnbeteiligung) des Arbeitnehmers von der arbeitsrechtlichen einen Bruch dar. Darin mag man einen Wertungswiderspruch sehen, ein Verstoß gegen "juristische Denkgesetze" liegt in der Trennung nicht. Der Struktur nach liegen die Dinge hier nicht anders als wenn etwa der Mieter gleichzeitig zahnärztlicher Vertragspartner seines Vermieters ist. Beide Rechtsstellungen zu verknüpfen ist denkgesetzlich nicht notwendig.108 b) Auch in der Koordination von Leitung, Kapital und Arbeit ist ein gemeinsamer Zweck der Arbeitsvertragsparteien nicht zu sehen. Der Arbeitnehmer hat an dieser Koordination lediglich ein Interesse, er bezweckt sie aber nicht. Denn auf die "Koordination" kommt es ihm nur nachrangig an, insoweit er sinnvoll und ausfüllend beschäftigt zu werden beansprucht. Im übrigen aber erfüllt sich der vom Arbeitnehmer verfolgte Zweck im Leistungsaustausch selbst. Auch aus Sicht des Unternehmers kommt es nicht zu einer Zweckverbindung: Der Unternehmer, der in der Tat Arbeit und Kapital koordiniert einzusetzen bezweckt, "kauft sich" gleichsam "persönliche Mittel" am Arbeitsmarkt ein. Diesen Zweck macht er aber nicht zum Gegenstand der einzelnen Verträge, ebensowenig wie beim Erwerb von Sachmitteln.109 Auch der Unternehmer "bezweckt" regelmäßig die Koordination von Leitung, Arbeit und Kapital nicht. Sie ist ihrerseits Mittel zur Erreichung eines anderen wirtschaftlichen oder ideellen Zwecks, dem eigentlichen Zweck mithin untergeordnet. c) Ein Blick auf Tendenzunternehmen bestätigt den Befund. Wenn sich eine Zweckverbindung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber finden ließe, so würde man ihre Ausprägung besonders im Tendenzunternehmen erwarten. Selbst hier aber werden die Arbeitnehmer nicht schon zugleich zu Verbandsmitgliedern. In Tendenzunternehmen sind die Arbeitnehmer zu größerer Rücksicht auf die Unternehmenstendenz sowie zu größerer Loyalität verpflichtet. 110 In diesen Nebenpflichten erschöpft sich aber die Verpflichtung auf die Ten108 Dementsprechend weist auch Zöllner, FS BAG, S. 764, daraufhin, daß die von ihm erwogenen Veränderungen der vermögensrechtlichen Stellung des Arbeitnehmers im Zuge einer Zuweisung von Mitgliedschaftsrechten nicht logisch oder wertungsmäßig zwingend sind. 109 Lieb, Arbeitsverhältnis, S. 44, formuliert plastisch: Beim Arbeitsverhältnis ist der Verwendungszweck des Unternehmers "ebensowenig (primärer Vertragszweck) wie - verzeihen Sie das Beispiel - der Schenkungszweck beim Erwerb von Weihnachtsgeschenken." 110 Buchner, ZfA 1979, 335, 346 ff. Kennzeichnend die Zusammenfassung S. 349 f.: "Die gesteigerte Treupflicht der Arbeitnehmer eines Tendenzunternehmens bedeutet nichts anderes, als daß sie die für ihren speziellen Arbeitsauftrag erforderliche Bereitschaft zu persönlichem Engagement zugunsten der durchzusetzenden Tendenz aufweisen oder daß sie zumindest, soweit sie nicht persönlich mit der Tendenzvertretung befaßt sind, die Anstrengungen ihres Unternehmens zur Tendenzdurchsetzung respektieren." 4 Riesenhuber
50
1. Teil: Unmittelbare Rechtsbeziehungen
denz. Soweit Tendenzträger zur Tendenzvertretung verpflichtet sind, ergibt sich nichts anderes. Denn diese Verpflichtung besteht nur i.S. einer Leistungspflicht im Austauschverhältnis, mag auch die Tendenzvertretung eine innere Einstellung zur Voraussetzung haben. Den Unternehmenszweck zu fördern, verpflichten sich demnach nicht einmal Arbeitnehmer in Tendenzunternehmen.
5. Exkurs: Gesellschaftsrechtliche
Elemente im Arbeitsverhältnis?
Zu prüfen bleibt, ob nicht die von Adomeit vorgeschlagene Qualifizierung des Arbeitsverhältnisses als Dienstvertrag mit gesellschaftsrechtlichen Elementen 111 eine mitgliedschaftliche Treuebindung der Arbeitnehmer ergeben kann. Adomeit verfolgt mit seiner Untersuchung zwei Zwecke: Nimmt man seine Ausführungen beim Wort, so geht es ihm darum, das Arbeitsverhältnis nach den Vorschriften des geltenden Rechts zu erklären; dazu ist sogleich Stellung zu nehmen. Sein Primärzweck ist es indessen, auf den Zusammenhang von unternehmerischer Teilhabe und Mitverantwortung hinzuweisen.112 Letzterer Punkt betrifft die Frage, ob nicht die Unternehmensmitbestimmung den Arbeitnehmern in einem Umfange Mitgliedschaftsrechte zuweist, daß diese selbst als Mitglieder des Unternehmens anzusehen wären; ihr wird unten (III) nachgegangen. Mißt man den Vorschlag Adomeits am geltenden Recht, so stehen ihm entscheidende Bedenken entgegen. Adomeit begründet die Annahme gesellschaftsrechtlicher Element im Arbeitsverhältnis damit, daß eine Zweckverbindung der Arbeitsvertragsparteien gegeben sei, darüber hinaus ist er der Meinung, Regeln des Gesellschaftsrechts könnten auch das Arbeitsverhältnis erklären und begründen. Beide Annahmen überzeugen nicht.
111 Adomeit, Gesellschaftsrechtliche Elemente; s.a. ders., NJW 1984, 1337. In NJW 1984 kommt zum Ausdruck, daß Adomeit einen Wandel im Arbeitsleben herannahen sieht, der es erfordere, die Mischposition des Arbeitsverhältnisses zwischen Dienstvertrag und Gesellschaft stärker zu betonen; so schlägt er vor, ein Schuldverhältnis der "Mitarbeit" zu schaffen. Demgegenüber unternimmt Adomeit in Gesellschaftsrechtliche Elemente die Erklärung schon des gegenwärtigen Arbeitsverhältnisses, es geht m.a.W. nicht mehr nur um eine Zukunftsaussicht und die Absteckung eines Arbeitsplanes. 112 Vgl. den Hinweis bei Hanau/Adomeit, E 10 b Fn. 28 (S. 156), auf die Erörterung seiner Arbeit bei MünchArbR-Richardi, § 8 Rn. 12, die Adomeit als "einfühlsam" bezeichnet. Zu dem Vorschlag Adomeits neben den nachfolgend zitierten auch Ehmann, RdA 1990,77,78; Loritz, RdA 1992, 310, 311. Zu dem angesprochenen Thema ferner Zöllner, FS BAG, S. 763 ff.
§ 1 Zweckgemeinschaft der Nebenparteien
51
a) Was zunächst die Übertragung von gesellschaftsrechtlichen Vorschriften angeht, so hält Adomeit 113 die Regeln über das Haftungsprivileg (§ 708 BGB), die Mitbestimmung (§§ 713, 716, 721 BGB) sowie über die Arbeit des Arbeitgebers (§ 706 BGB) für vorbildlich. (1) § 708 BGB kann jedoch entgegen seiner Auffassung nicht als Grundlage für das arbeitsrechtliche Haftungsprivileg dienen. Die Vorschrift ist schon in ihrer Ausgestaltung (diligentia quam in suis rebus adhibere solet) erheblich verschieden von der Innenhaftung des Arbeitnehmers. Hinzutritt, daß § 708 BGB nach h.M. weithin teleologisch zu beschränken ist.114 Entscheidend gegen eine Analogie spricht aber die unterschiedliche ratio:115 Bei § 708 BGB geht es darum, daß die Gesellschafter einander nehmen, wie sie sind116 und - nach umstrittener Auffassung - darum, daß Gesellschaftsangelegenheiten stets eigene Angelegenheiten der Gesellschafter sind.117 Bei der Arbeitnehmerhaftung geht es hingegen um die Zuweisung des Betriebsrisikos, die Fremdbestimmtheit und die an der Vergütung orientierte Übernahme des Schadensrisikos.118 Es fehlt mithin an der Rechtsähnlichkeit der jeweiligen Regelungssituationen. (2) Auch hinsichtlich Information und Kontrolle unterscheiden sich die Rechte von Arbeitnehmern und Gesellschaftern in erheblichem Maße.119
113
Adomeit, Gesellschaftsrechtliche Elemente, S. 11 f.
114
Es sollen nur die typischen Risiken erfaßt sein, Schlechtriem, Vertragsordnung und außervertragliche Haftung, S. 418 ff., 442; desweiteren ist der Anwendungsbereich der eigenüblichen Sorgfalt beschränkt, es gibt etwa im Straßenverkehr keine "eigenen Angelegenheiten", Larenz, FS Harry Westermann, S. 299, 305 f.; BGHZ 46, 313. Besonders vom BGH wird im übrigen die Reduktion des Haftungsprivilegs damit begründet, daß es nur für vermögensrechtliche Angelegenheiten gedacht sei, für die demgegenüber höherwertigen Rechtsgüter "Leib und Leben" komme die Anwendung nicht in Betracht (a.a.O. S. 318). Siehe auch Ballerstedt, JuS 1963, 253, 258; K. Schmidt, Gutachten und Vorschläge III, S. 526; Münchener Kommentar-Ulmer, § 708 Rn. 2; Wiedemann, FS Heinsius, S. 949, 958 f. 115
Dazu bereits Loritz, Mitarbeit, § 22 B V 2 (S. 428).
116
Ballerstedt, JuS 1963, 253, 258; Münchener Kommentar-Ulmer, § 708 Rn. 1; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 59 III 2 (S. 1462 ff.). 117
Münchener Kommentar-Ulmer, § 708 Rn. 1. Kritisch III S. 527; Wiedemann, FS Heinsius, S. 558. 118 119
Schmidt, Gutachten und Vorschläge
Zum Ganzen MünchArbR-Blomeyer, § 57 Rn. 19; Zöllner/Loritz,
§ 19 II 1 b.
Vgl. etwa BAG, AP Nr. 2 zu § 242 BGB Auskunftspflicht: Der Auskunftsanspruch eines Arbeitnehmers, der zusätzlich zur Grundvergütung eine Gewinnbeteiligung erhält, wird nicht aus § 716 BGB, sondern aus der Gewinnbeteiligungsabrede i.V.m. § 242 BGB begründet - und auch begrenzt.
52
1. Teil: Unmittelbare Rechtsbeziehungen
Ohne weiteres gilt das für die dem Betriebsrat zustehenden Auskunfts- und Kontrollrechte und die Unterrichtungs- und Einsichtsrechte des Arbeitnehmers nach §§ 81 ff. BetrVG. Die Individualrechte des Arbeitnehmers sind schon inhaltlich stark eingeschränkt (vgl. §§81-83 BetrVG). Die Informationsrechte des Betriebsrats sind demgegenüber zwar weitergehend. Doch sind die Informationsrechte im Zusammenhang mit den Mitbestimmungsrechten zu sehen, die sieflankieren. 120Denn Informationsrechte sind durch ihren Zweck, regelmäßig die Sicherung der Durchsetzung anderer Rechte, begrenzt. Die betriebsverfassungsrechtliche Mitbestimmung ist aber ihrer Ausgestaltung nach schon nicht so weitreichend, wie die mitgliedschaftliche Mitverwaltung. Da die Informationsrechte den Verwaltungsrechten folgen, sind auch die Informationsrechte des Betriebsrats wesensverschieden von jenen der Gesellschafter. Den mitgliedschaftlichen Kontroll- und Informationsrechten gleich sind nur jene der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat. 121 Denn die Arbeitnehmervertreter sind "vollwertige" Aufsichtsratsmitglieder und ebenso ausgestattet, wie die Anteilseignervertreter. 122 (3) Die "Arbeit des Arbeitgebers" mag zwar von § 706 BGB richtig erfaßt werden. Für die Arbeit des Arbeitnehmers ist hier kein tauglicher Ansatzpunkt, da die Tätigkeit nach § 706 BGB als Beitrag des Gesellschafters Ausdruck der Förderpflicht ist und keine Vergütung erfährt. Der Gesellschafter kommt nur in den Genuß eines Gewinns, ggf. als Gewinnvoraus, - sofern dieser anfällt. Was das Recht und die Pflicht zur Geschäftsführung angeht, können daraus Arbeitspflicht und Beschäftigungsanspruch nicht erklärt werden: Um eine Geschäftsführer-Tätigkeit geht es im regelmäßigen Arbeitsverhältnis nicht. Das Recht zur Geschäftsführung unterscheidet sich von dem Beschäftigungsanspruch auch hinsichtlich der ratio. Denn in der Gesellschaft geht es um die Wahrnehmung eigener Angelegenheiten, im Arbeitsverhältnis hingegen um die Persönlichkeitsentfaltung und die Betätigung und Entwicklung beruflicher Fähigkeiten, welche der Arbeitgeber im Rahmen der Fürsorgepflicht zu unterstützen hat.123 120 BGH, JZ 1993, 46, 48 (m.Anm.v. Wiedemann/Hermanns) spricht von der Funktionsgebundenheit des Auskunftsrechts, das "dort zur Verfügung stehen (mag), wo die Information zur Ausübung (der) Mitwirkungsrechte" benötigt wird. 121
Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, § 11 I 3 a aa (S. 598 ff.).
122
Zur Frage, ob die so eingeräumten Mitgliedschaftsrechte eine Mitgliedschaft im Unternehmen begründen wird unten, III. 123
Grundlegend BAG, AP Nr. 2 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht (.A.Hueck); zur Entwicklung und zum heutigen Verständnis des Beschäftigungsanspruchs MünchArbR-Blomeyer, § 93 Rn. 2 ff. und 6 ff.
§ 1 Zweckgemeinschaft der Nebenparteien
53
b) Daß die Einzelregeln nicht übertragbar sind, hat seinen Grund indessen nur darin, daß es im Arbeitsverhältnis an der Zweckverbindung fehlt, die diese Regeln begründet. Daß auch der von Adomeit angenommene Zweck der "Koordination von Betriebsleitung und Kapitaleinsatz beim Unternehmer mit der Arbeitskraft des neu Eingestellten zur Erzielung eines zu Verteilenden" kein gemeinsamer Zweck der Arbeitsvertragsparteien ist, wurde bereits aufgezeigt (oben 2). c) Ist aus diesen Gründen dem Erklärungsansatz Adomeits nicht zu folgen, so kann mit seiner Hilfe eine Arbeitskollegenbeziehung auch nicht begründet werden. Insbesondere kommt auch die Annahme einer Treuebindung nicht in Betracht, weil diese nach hier vertretener Auffassung in der Zweckverbindung wurzelt und mit der Zweckverbindung untrennbar zusammenhängt. Ohne eine Zweckverbindung kommt auch die Treuepflicht nicht in Betracht.
4. Exkurs: Die Mitarbeit
Unternehmensbeteiligter
124
Nicht in den untersuchten Fragenbereich gehören die Fälle der Doppelstellung als Mitarbeiter und Unternehmensbeteiligter. Auf sie kann hier nur hingewiesen werden. Unternehmensbeteiligung und Mitarbeit im Unternehmen können auf vielgestaltige Weise zusammenfallen.125 Es kann der Arbeitnehmer Aktien "seines" Unternehmens haben. Es kann aber auch der Kommanditist eines Kleinunternehmens zugleich dort mitarbeiten. In erster Linie stellt sich hier die Frage, welches Regelungssystem Anwendungfindet: Arbeitsrecht oder Gesellschaftsrecht, und nach welchen Regeln ggf. Modifikationen vorzunehmen sind.126 Aus der getroffenen Einordnung als Gesellschafter oder Arbeitnehmer können sich auch Folgen für die Frage der Rechtsbeziehungen zu anderen Mitarbeitern - Arbeitnehmern oder Gesellschaftern - ergeben. Es mag dann die Unternehmensbeteiligung und die Gesellschafterstellung im Vordergrund stehen, so daß gesellschaftsrechtliche Beziehungen zu anderen mitarbeitenden Gesellschaftern das Verhältnis wesentlich prägen. Der Gesellschafter mag dann den
124
So der Titel der umfassenden Untersuchung von Loritz; siehe auch ders., RdA 1992, 310 ff. Aus jüngerer Zeit zu der Problematik des Zusammentreffens von arbeits- und gesellschaftsrechtlicher Mitarbeit Beuthien, FSB AG, S. 1 ff.; Diller, Gesellschafter; Wedemann, Gesellschaftsrecht I, § 11 V 3 b (S. 654 f.). 125
Vgl. nur die exemplarisch vorgestellten Fallgruppen bei Loritz, Mitarbeit, § 3 (S. 68 ff.) sowie Diller, Gesellschafter, § 1 B (S. 34 ff.); s.a. Beuthien, FS BAG S. 1 ff. 126
Dazu - auch zu den vertretenen Lösungsansätzen - Loritz, Mitarbeit, bes. §§ 10, 11, 21, 22.
54
1. Teil: Unmittelbare Rechtsbeziehungen
anderen Mitarbeitern eher als Arbeitgeber gegenübertreten. Auf der anderen Seite kann die Unternehmensbeteiligung aber auch höchst untergeordnet sein: wenn z.B. der Arbeitnehmer zugleich in geringem Maße Belegschaftsaktionär ist und dadurch seine Arbeitnehmerstellung überhaupt nicht beeinflußt wird. Durch die Doppelstellung kann es mithin zu einer wesentlichen Überlagerung der Mitarbeiterstellung durch das Gesellschaftsrecht kommen und so auch zur gesellschaftsrechtlichen Bestimmung der Rechtsbeziehungen zwischen den Mitarbeitern. Dann handelt es sich nicht mehr um Beziehungen zwischen Nebenparteien im untersuchten Sinne. Oder aber die arbeitsrechtliche Stellung bleibt wesentlich unberührt von der Unternehmensbeteiligung. Dann gelten die zu erarbeitenden allgemeinen Regeln.
5. Zwischenergebnis a) Der Dienstvertrag ist ein Austauschvertrag. Der erschöpfende Gehalt des Austauschvertrages liegt im Austausch der vertraglich als äquivalent definierten Leistungen. Die Leistungen selbst sind das Primäre, grundsätzlich allein Relevante. Motive und Zwecke der Parteien spielen grundsätzlich keine Rolle: Sie bleiben je eigene und ihre Verfolgung obliegt jedem Teil für sich. Ihre Erfüllung oder Enttäuschung ist für das Verhältnis der Parteien grundsätzlich ohne Belang.127 Die Zwecke der Parteien sind grundsätzlich nicht einmal Geschäftsgrundlage.128 Wer sich zu Diensten verpflichtet, verspricht, einer bestimmten Tätigkeit nachzugehen. Einen bestimmten Zweck zu fördern, verspricht er nicht. Der Dienstberechtigte setzt den Verpflichteten für seine Zwecke ein. Insoweit ist der Dienstverpflichtete dem Berechtigten untergeordnet. Den Gesellschaftsvertrag prägt die Zweckvereinbarung. Dieser Zweck steht im Mittelpunkt, er regiert die Pflichten der Partner. Gesellschafterpflichten sind zuerst durch die Zweckförderung charakterisiert. Die Leistungen der Gesellschafter werden zum vereinbarten Zweck integriert. Der Zweck ist das Primäre. Eine Gegenleistung erhalten die Gesellschafter nicht. Zwar haben Sie Anspruch auf Gewinnbeteiligung; diesem steht aber die Pflicht zur Verlusttragung gegenüber. Die Gesellschafter haben als Gleichgeordnete den Zweck
127
Vgl. etwa §§ 552, 615 BGB.
128
Vgl. Medicus, Bürgerliches Recht, Rn. 165b; BGHZ 83, 283; JZ 1966, 409 f.
§ 1 Zweckgemeinschaft der Nebenparteien
55
vereinbart; sie bleiben einander gleichgeordnet und ordnen sich nur dem gemeinsamen Zweck unter.129 b) Das Arbeitsverhältnis ist ein Dienstverhältnis, kein Gesellschaftsverhältnis. Die Zwecke und Motive der Parteien bleiben vereinbarungsgemäß unbeachtlich. Der Arbeitnehmer wird vom Arbeitgeber nach eigenen Zwecken eingesetzt. Er wird nicht zur Förderung eines vereinbarten Zwecks tätig, sondern zur Erfüllung einer bestimmten Leistungspflicht. Er ist einem gemeinsamen Zweck nicht unterworfen und es trifft ihn keine Zweckförderungspflicht. Umgekehrt hat die Zweckverwirklichung auch keinen Einfluß auf den Lohn. Der Arbeitnehmer erhält die versprochene Vergütung für seine Leistung und unabhängig davon, ob ein Gewinn oder ein Verlust erwirtschaftet wird. Freilich mögen sich die Tätigkeiten von Gesellschafter und Angestelltem praktisch nicht sehr unterscheiden. Äußerlich ist es oftmals schwer zu sehen, ob ein Rechtsanwalt "Partner" der Sozietät ist, oder für sie als angestellter Anwalt tätig.130 Dem steht aber die erheblich verschiedene inhaltliche Ausgestaltung der beiden Kooperationsmöglichkeiten gegenüber. Der Partner wird zum Zweck der Gewinnerzielung tätig, der Angestellte zur Erfüllung seiner Vertragspflicht. Der Partner ist der gemeinsamen Zweckvereinbarung unterworfen, der Angestellte dem Direktionsrecht des Arbeitgebers. Der Partner nimmt an Gewinn und Verlust teil, der Angestellte erhält die vereinbarte Vergütung. Der Partner haftet nach außen, der Angestellte ist seinem Arbeitgeber für Leistungsstörungen verantwortlich.
m . Mitgliedschaft durch Zuweisung von Mitgliedschaftsrechten: Unternehmensmitbestimmung 1. Mitgliedschaft
durch Einräumung von Mitgliedschaftsrechten
Lutter hat hervorgehoben, daß "Mitgliedschaft in einem materiellen Sinne auch dadurch bewirkt werden (kann), daß Personen - hier also den Arbeitneh-
129
Nicht bestritten ist, daß es auch Mischformen der beiden Typen gibt, insofern stehen Austauschvertrag und Gesellschaft einander nicht "unversöhnlich" gegenüber, worauf Ehrnann, RdA 1990, 77, 78, hinweist. Das hindert aber zum einen nicht daran, die Idealtypen zu unterscheiden. Zum anderen aber ist es schon aus den im Text aufgezeigten Gründen geboten, an der Unterscheidung festzuhalten. 130 Beispiel von Adomeit, Gesellschaftsrechtliche Elemente, S. 5. Für Adomeit ist die äußerliche Ähnlichkeit der Positionen Anlaß für die Frage, ob das ArbeitsVerhältnis gesellschaftsrechdiche Elemente trägt. S.a. Loritz, RdA 1992, 310.
56
1. Teil: Unmittelbare Rechtsbeziehungen
mern - die mit der Mitgliedschaft verbundenen Befugnisse - Vermögensrechte und Mitverwaltungsrechte - zugewiesen werden. Sind diese im wesentlichen gleich, so kann die Trennung in 'echte' Mitglieder und Befugnisse Dritter nicht mehr aufrechterhalten werden."131 Die mitgliedschaftlichen Befugnisse sind in erster Linie Mitverwaltungs- und Vermögensrechte.132 Die Unternehmensmitbestimmung räumt der Unternehmensbelegschaft im Gefüge der Gesellschaft (des Unternehmensträgers) Rechte ein, die denjenigen der Mitglieder ähnlich sind.133 Es kommt daher in Betracht, aufgrund der durch die Unternehmensmitbestimmung eingeräumten Befugnisse eine Mitgliedschaft der Arbeitnehmer in dem Unternehmensträger anzunehmen.
2. Ausgestaltung der Mitbestimmung Die Befugnisse der Arbeitnehmer liegen zum einen in der Entsendung von Vertretern in den Aufsichtsrat. 134 Dabei ist der Anteilseignerseite ein - verschieden starkes - Übergewicht gegeben: Bei der einfachen Mitbestimmung nach § 76 BetrVG 1952 stellen die Arbeitnehmer ein Drittel der Aufsichtsratsmitglieder; bei der paritätische Mitbestimmung nach dem MitbestG hat der Aufsichtsratsvorsitzende, der notfalls von den Anteilseignern gewählt wird (vgl. § 27 MitbestG), für Fälle der Stimmengleichheit ein Zweitstimmrecht (§ 29 Abs. 1 und 2 MitbestG);135 im Falle der Montanmitbestimmung ist ein
131
Lutter, AcP 180 (1980), 84, 153 (Hervorhebung im Original).
m
K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 19 III 3 (S. 451 ff.); Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, § 7 II vor 1. (S. 366), unterscheidet (1) Mitverwaltungsrechte, (2) Vermögensrechte, (3) Kontrollrechte und (4) Lösungsrechte.; s.a. ders., Übertragung, S. 32 ff.; Beuthien, FS Ernst Wolf, S. 19. 133
Das veranlaßt etwa Adomeit, NJW 1984,1337,1338, zu der Frage: "Die Arbeitnehmer einer Aktiengesellschaft gehören dieser Gesellschaft gar nicht an -: wie können sie eigentlich Vertreter in deren Aufsichtsrat entsenden?" 134
Zöllner, FS BAG, S. 759, erwägt die Zweckgemeinschaft von Kapitalgesellschaft und Belegschaft durch die gemeinsame Verpflichtung von Anteilseigner- und Arbeitnehmervertretern im Aufsichtrat auf das Wohl des Unternehmens. "Wenn man will, kann man darin die, wenn auch rudimentäre, Begründung eines aus Kapitalgebern und Arbeitnehmern bestehenden Verbands sehen." Daß die Zweckverbindung der Aufsichtsratsmitglieder auf die Mandanten zurückwirke, ist aber, wie auch Zöllner a.a.O. einräumt, nicht zu begründen. Hinzutritt, daß es sich bei dem von den Aufsichtsratsmitgliedern verfolgten Zweck nicht um einen privatautonom gesetzten, sondern von Gesetz und Satzung vorgegebenen handelt. 135
Kritisch zur Frage des Übergewichts der Anteilseignerseite freilich noch Badura/Rittner/ Rüthers, Mitbestimmungsgesetz 1976, S. 55 f. Sie gehen von einem "Konfliktsmodell" aus (a.a.O. S. 50 ff.), das in BVerfGE 50, 290, 350, 374 abgelehnt wird; dazu Wiedemann, Gesellschaftsrecht, § 11 III 2 a (S. 623 f.).
§ 1 Zweckgemeinschaft der Nebenparteien
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Übergewicht der Anteilseigner nur durch die - letztendlich der GesellschafterVersammlung vorbehaltene (§ 8 Montan-MitbestG) - Bestimmung des unparteiischen Mitglieds gesichert. Daneben stellen die Arbeitnehmer nach § 33 MitbestGund § 13 Montan-MitbestG einen Arbeitsdirektor als gleichberechtigtes Mitglied des Vorstands.
3. Mitgliedschaft
aufgrund der Unternehmensmitbestimmung?
Die Übersicht zeigt, daß den Arbeitnehmern durch die Mitbestimmung zu ganz erheblichem Maße mitgliedschaftliche Befugnisse - Mitverwaltung eingeräumt werden. Doch sind diese Befugnisse denjenigen der Mitglieder nicht wesentlich gleich. Zunächst werden den Arbeitnehmern nicht auch Vermögensrechte übertragen.136 Die übertragenen Herrschaftsrechte auf der anderen Seite sind zwar in den einschlägigen Teilbereichen jenen der Mitglieder gleichgestaltet: Die Arbeitnehmervertreter sind im Aufsichtsrat mit gleichen Rechten und Pflichten ausgestattet wie die Anteilseignervertreter. Doch ist den Anteilseignern ein - wenn auch teilweise nur knappes - Übergewicht zugegeben.137 Die Grundlagenkompetenz schließlich - wenn auch im einzelnen von der Realstruktur der Gesellschaft abhängig138 - bleibt Sache der Gesellschafterversammlung. Der Verwaltung der Gesellschaft - Vorstand und Aufsichtsrat - wird nicht etwa freier Lauf gelassen, sie ist vielmehr gebunden an den Gesellschaftszweck, den die Gesellschafterversammlung vorgibt.139 Letztlich leiten "Vorstand und Aufsichtsrat ihre Befugnisse von der Hauptversammlung ab, über deren qualifiziertes und im Statut veröffentlichtes Votum sie sich nicht hinwegsetzen können. "14° Insgesamt begründet die Mitbestimmung keine mitgliedschaftsgleichen Befugnisse der Arbeitnehmer.
136
Zöllner, FS BAG, S. 759; Lutter, AcP 180 (1980), 84, 154. In eine andere Richtung weisen freilich die Vermögensbildungsgesetze; dazu Beuthien, FS Ernst Wolf S. 26, 29; Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, § 11 V 1 (S. 642 ff.); MünchArbR-/Wc/iard/, § 8 Rn. 12. 137
Lutter, AcP 180 (1980), 84, 154.
138
Hueck, Gesellschaftsrecht, § 23 I 5 (S. 204).
139
Vgl. auch Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, § 6 I 2 b (S. 303 f.), in Diskussion partnerschaftlicher Unternehmensordnung. 140
Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, § 6 III 2 b bb a.E. (S. 340).
58
1. Teil: Unmittelbare Rechtsbeziehungen
4. Unternehmensmitbestimmung
und Betriebsverfassung
Mitbestimmungsrechte i.w.S. räumt auch die Betriebsverfassung ein. Es stellt sich die Frage, ob den Arbeitnehmer nicht mit diesen Rechten mitgliedschaftliche Befugnisse in bezug auf das Unternehmen eingeräumt werden.141 Die Betriebsverfassung betrifft ihrem Grundgedanken nach nicht die Unternehmensebene, sondern die Betriebsebene. Sie dient der Mitgestaltung in Fragen, die den Arbeitsplatz im Betrieb betreffen. Demnach ist die betriebliche Mitbestimmung etwas von der Unternehmensmitbestimmung Verschiedenes, zwischen den beiden Ebenen besteht theoretisch eine deutliche Trennlinie.142 Praktisch läßt sich demgegenüber der unternehmerische Bereich von dem betrieblichen nicht immer unterscheiden. Denn betriebliche Entscheidungen wirken auch auf die Ebene unternehmerischer Entscheidungen und umgekehrt. Das zeigt sich etwa bei der Personalplanung sowie - wie die bekannte Kaufhaus-Entscheidung des BAG143 lehrt - bei der Arbeitszeitgestaltung, die eng mit unternehmerischen Entscheidungen verzahnt ist. Mitgliedschaftliche Rechte werden durch die Betriebsverfassung jedoch nicht begründet. Deutlich ist das in dem Bereich, der den betrieblichen Rahmen nicht oder allenfalls insoweit überschreitet, als Kosten verursacht werden. So z.B. bei der Mitbestimmung hinsichtlich der Arbeitsplatzgestaltung. Andere betriebsverfassungsrechtliche Befugnisse, die stärker auf die Unternehmensebene wirken, begründen ebenfalls keine mitgliedschaftlichen Befugnisse. Zum einen sind sie - dem Zweck der Betriebsverfassung entsprechend - in Grenzen
141
An dieser Stelle kann dahinstehen, ob die Mitwirkungsrechte der Betriebsverfassung den Arbeitnehmern, der Belegschaft oder dem Betriebsrat zustehen (dazu noch unten, § 2 A II 2). Zur Begründung eines Mitgliedschaftsverhältnisses ist es nicht erforderlich, daß den einzelnen Arbeitnehmern Mitwirkungsrechte eingeräumt werden, ausreichen könnte die Vermittlung solcher Rechte durch einen gewählten Repräsentanten; anders sind auch die Aktionäre nicht im Aufsichtsrat vertreten, §§ 101, 119 Abs. 1 S. 1 AktG. 142
Begründung zum Regierungsentwurf eines BetrVG BR-Drs. 715/70 S. 31 .Loritz, ZfA 1991, 1, 20 ff.; Zöllner/Loritz, § 44 II 3 (S. 444); Galperin/Löwisch, § 87 Rn. 31. 143 BAG, AP Nr. 8 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit (Verfassungsbeschwerde nicht angenommen, BVerfG, AP Nr. 15 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit; abl. Bespr. von R. Scholz, NJW 1986, 1587 ff.): Die Bestimmung der Arbeitszeit wirkt sich auf die Ladenöffhungszeiten des Kaufhauses aus; das BAG verneint einen mitbestimmungsfteien Kernbereich der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit. Dagegen die Gutachten von Lieb, DB 1981, Beil. Nr. 17 (Beschränkung des Ermessensspielraums von Betriebsrat und Einigungsstelle); Reuter, ZfA 1981, 165, 180 ff. (Vorbehalt der unternehmerischen Entscheidung); s.a. Kraft, FS Rittner, S. 300\Loritz, ZfA 1991, 1, 11 ff., 14 ff., 23 f.; Beuthien, FS Ernst Wolf, S. 24 f. (im Zusammenhang mit der Grenzziehung zwischen Arbeits- und Gesellschaftsrecht); Windbichler, ZfA 1991, 35, 38 ff. (zum Verhältnis von Mitbestimmung und Marktwirtschaft).
§ 1 Zweckgemeinschaft der Nebenparteien
59
zu halten. Zum anderen aber begründen sie keine (unmittelbaren) unternehmerischen Befugnisse sondern nur einen (mittelbaren) Einfluß 144 und unterscheiden sich so von den Mitgliedsrechten. So setzen sie zwar Daten für die unternehmerische Entscheidung, sie bleiben aber externe Faktoren.145
C. Verbandsmitgliedschaft des Mieters I. Zweckverband der Mieter eines Hauses146 1. Allgemein Mieter eines Hauses treten zueinander regelmäßig nicht in rechtsgeschäftlichen Kontakt. Bei Vertragsschluß oder Übernahme der Wohnung - und nicht selten auch lange Zeit danach - kennen sie einander nicht persönlich, der neu eintretende Mieter weiß lediglich, daß er mit anderen zusammenleben wird. Die Mieter eines Hauses verfolgen auch keinen gemeinsamen Zweck. Der "Zweck", in dem Haus zu wohnen, wird je einzeln, wenn auch parallel von allen Mietern, verfolgt. Es handelt sich insoweit auch nicht um einen Zweck i.S.v. § 705 BGB, sondern nur um ein Ziel des Austauschvertrages mit dem Vermieter. Auch das "friedliche Zusammenleben" ist kein Zweck der Mieter. Ob jeder einzelne Mieter diesen Zweck verfolgt, kann dahinstehen. Auch wenn sich die Mieter gegenüber dem Vermieter durch Vertrag, etwa im Wege der Vereinbarung einer Hausordnung, verpflichtet haben, begründet das nur einen einheitlichen, nicht einen den Mietern gemeinsamen Zweck. Hier wie im Arbeitsverhältnis kommt freilich der ad-hoc Zusammenschluß von Mietern zur gemeinsamen Geltendmachung von Mieterrechten oder -inter-
nis von Mitbestimmung und Marktwirtschaft). 144 Loritz, ZfA 1991, 1, 12, stellt fest: "Dennoch hat der Gesetzgeber deutlich zu erkennen gegeben, daß er bei unternehmerischen Sachentscheidungen gezielt das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nur zur Milderung der Folgen der jeweiligen Entscheidung - zu verweisen ist auf die gesetzlichen Regelungen über Interessenausgleich und Sozialplan aber nicht zur unmittelbaren Verhinderung derselben gewährt hat. Die Feststellung wird nicht dadurch entkräftet, daß jede Mitsprache und Mitbestimmung der Arbeitnehmer mittelbare Rückwirkungen auf die Unternehmenspolitik haben kann; denn gezielter Einfluß und bloße Rückkoppelung sind etwas strukturell Verschiedenes." Ansätze zur Wahrung der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit zeigt auch Kraft, FS Rittner, S. 285 ff., auf. 145 Kritisch aber Windbichler, ZfA 1991, 35, 45 ff. mit Hinweis auf die Interdependenzen zwischen Mitbestimmung und unternehmerischer Entscheidung. 146
Zur Zweckgemeinschaft im Falle der "Beteiligung mehrerer am Mietverhältnis", die gleichnamige Arbeit von Behrens, S. 85 ff.; zu dem Spezialfall der Wohngemeinschaft Schüren, JZ 1989, 385, 360 f.
60
1. Teil: Unmittelbare Rechtsbeziehungen
essen in Betracht.147 Im Verhältnis der Arbeitnehmer untereinander wurde eine Gelegenheitsgesellschaft im Zusammenhang mit der kollektiven Geltendmachung von Zurückbehaltüngsrechten und der Massenänderungskündigung angenommen. Im Mietverhältnis gilt Entsprechendes, wenn sich die Mieter z.B. gemeinsam gegen eine Mieterhöhung wehren oder Instandsetzungen gemeinsam anmahnen. Hier wie im Arbeitsverhältnis führt eine solche Zweckverbindung von Nebenparteien, die praktisch nicht eben häufig eingegangen wird, allerdings nur in zeitlich und gegenständlich begrenztem Umfang zu Rechtsbeziehungen.148
2. Exkurs: Gemeinsame Mitgliedschaft
der Mieter in einem "Drittverband"
a) Allgemein So wie Arbeitnehmer durch die Mitgliedschaft derselben Gewerkschaft können auch Mieter einem Drittverband, z.B. einem Mieterverein angehören und einander auf diese Weise mitgliedschaftlich verbunden sein. Auch für das Mietnachbarverhältnis liegt darin dabei aber nur eine akzidentielle Erscheinung. Zudem berührt die gemeinsame Vereinsmitgliedschaft das Verhältnis der Mieter zueinander in anderen als Vereinsangelegenheiten grundsätzlich nicht.
b) Mitgliedschaft der Mieter im vermietenden Verband besonders Genossenmiete Nur hinzuweisen ist auf das Rechtsverhältnis zwischen Mietern bei der Genossenmiete oder - allgemeiner - der Gesellschaftermiete. 149 Hier - wie im Fall der Mitarbeit Unternehmensbeteiligter150 - wird die Stellung des Mieters
147
Vgl. auch Löwisch/Hartje,
148
S. bereits oben, B I 1 c bb.
RdA 1970, 321, 327.
149
Ein genossenschaftlicher Zweck - die Förderung des Erwerbs oder der Wirtschaft der Mitglieder - kann in unterschiedlicher Rechtsform, nicht nur mittels Genossenschaft verfolgt werden; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 41 I 1 a (S. 1042). 150
Es wird nicht verkannt, daß die Fälle der Genossenmiete und der Mitarbeit Unternehmensbeteiligter - auch strukturell - verschieden gelagert sind. Das erhellt schon daraus, daß bei der Genossenschaft die Mitarbeit Unternehmensbeteiligter neben die Förderbeziehung treten kann. Im Unterschied zur Mitarbeit Unternehmensbeteiligter geht es bei der Förderbeziehung von Genossenschaft und Genossen um die Verwirklichung des Gesellschaftszwecks. Sie ist nicht akzidentiell, sondern essentiell. Es läßt sich daher die Förderbeziehung auch nicht als Drittgläubigerbeziehung beschreiben und auch gegenüber der mitgliedschaftlichen Gläubigerbeziehung des (sonstigen)
§ 1 Zweckgemeinschaft der Nebenparteien
61
als Vertragspartner von jener als Gesellschafter überlagert. Besonders deutlich ist das bei der Genossenmiete, da dort regelmäßig nur Genossen als Mietparteien und somit Nachbarn in Betracht kommen. Die Förderbeziehung zwischen Genossenschaft und Genossen kann nach h.M. schuldrechtlich oder "korporationsrechtlich"151 ausgestaltet sein.152 In jedem Falle kommen Wechselbeziehungen zwischen Genossen- und Mieterstellung in Betracht:153 Regelmäßig sind Beginn (Kontrahierungszwang)154 und Ende155 der Förderbeziehung an die mitgliedschaftliche Stellung geknüpft. Ferner schränkt die Treuepflicht 156 Rechte der Mieter- bzw. Vermieterseite ein.157 So wird dem Mieter - ganz oder teilweise - die Berufung auf Verjährung und Verwirkung versagt.158 Vereinzelt wird auch eine Einschränkung der Mietgewährleistung
Gesellschaftsrechts besteht ein Unterschied. Die hier angesprochene Problematik der Wechselbeziehungen zwischen den beiden Rechtspositionen besteht indes jeweils. 151 Die Terminologie darf nicht verwirren: "Korporationsrechtlich" ist hier i.S.v. Verbands- oder gesellschaftsrechtlich zu verstehen. Die Frage der rechtsförmlichen Ausgestaltung - als Körperschaft oder Personengesellschaft - ist damit nicht angesprochen. Bei der "korporationsrechtlichen" Ausgestaltung ergeben sich die Rechtsbeziehungen im wesenüichen abschließend aus der Satzung (dem Statut). Bei der "schuldrechtlichen" Augestaltung hingegen ist ein schuldrechüicher Vertrag zur Umsetzung des in der Satzung ausgelegten Programms erforderlich. Man könnte daher deuüicher zwischen satzungsrechlichen bzw. mitgliedschaftsrechtlichen einerseits und ausfiihrungsvertraglichen Rechtsbeziehungen andererseits unterscheiden. 152 BGHZ 103, 219, 221 ff.; Staudinger-Emmerich, vor §§ 535, 536 Rn. 161; Meyer/Meulenbergh/Beuthien, § 18 Rn. 42; Müller, GenG, Anh. § 1 Rn. 83. A.M. Michel, Fördergeschäftsbeziehung, S. 15 ff.; Hadding, WM 1988, 1466 f.: Ausgestaltung folge stets schuldrechtlichen Regeln, die aber durch das Genossenschaftsrecht modifiziert seien; so anscheindend auch K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 41 III 3 (S. 1050). S.a. Soergel-Kummer, vor § 535 Rn. 51; Münchener Kommentar-Voelskow, vor § 535 Rn. 61; Roquette, ZfgG 8 (1958), 180 ff.; Lützenkirchen, WuM 1995, 423, 433; LG Wiesbaden, NJW 1962,2352,2353 m.Anm.v. Roquette; OLG Karlsruhe, WuM 1985, 77, 78; OLG Hamburg, WuM 1990, 542, 543; LG Trier, WuM 1993, 192. 153
Vgl. zum Ganzen Meyer/Meulenbergh/Beuthien,
154
K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 41 III 3 (S. 1051).
155
Michel, Fördergeschäftsbeziehung, S. 128 ff.; Meyer/Meulenbergh/Beuthien,
§ 18 Rn. 42.
§ 70 Rn. 5.
156
Müller, GenG, § 18 Rn. 1 ("Treuegebot"); Meyer/Meulenbergh/Beuthien, § 18 Rn. 26 ff.; Grunewald, Gesellschaftsrecht, 2.F Rn. 6 f. Zur Treuepflicht in der Genossenschaft auch BGH, ZIP 1993, 384 (Treuepflicht des Genossen hindert gleichzeitige Mitgliedschaft in Konkurrenzverband nicht). 157 158
Michel, Fördergeschäftsbeziehung, S. 136 ff., 139 ff.
AG Bremen, BlfG 36, 613; AG Starnberg ZfgG 32 (1982), 139 m.Anm.v. Hadding. Zu Recht einschränkend Michel, Fördergeschäftsbeziehung, S. 141; Meyer/Meulenbergh/Beuthien, § 18 Rn. 30.
62
1. Teil: Unmittelbare Rechtsbeziehungen
angenommen.159 Ferner folgt aus Treuepflicht und der Begrenzung der Beitragspflicht, 160 daß für Förderungsleistungen nur ein angemessenes Entgelt erhoben werden kann.161 Dementsprechend kann die Treuepflicht zwischen den Genossen162 - deren Existenz freilich bestritten ist163 - auch die Rechtsbeziehungen der Genossen als Mietnachbarn beeinflussen. Die Störung der Nachbarn bleibt zwar auch hier in erster Linie die Verletzung mietvertraglicher (nutzungsvertraglicher) Pflichten. Doch kann sie zugleich eine Störung des Gesellschaftszwecks bedeuten. In der Beeinträchtigung des Gesellschaftszweck liegt aber zugleich eine Verletzung der mitgliedschaftlichen Treuepflicht. Ein Beispiel für solchen für das Mietnachbarverhältnis relevanten Treuepflichtverstoß ist der Versuch, einen Mietnachbarn (und Genossen) aus dem Haus "herauszuekeln".164 Darin liegt zugleich ein Verstoß gegen die mitgliedschaftliche Treuepflicht, ist doch das Wohnen im genossenschaftseigenen Haus zugleich die Ausübung mitgliedschaftlicher Rechte.
159 Lützenkirchen, WuM 1995, 423 ff. unter den Voraussetzungen, daß (1) die Beeinträchtigung auf satzungsgemäßer Bautätigkeit beruht, (2) der Gemeinnützigkeitszweck weiterhin verfolgt wird, (3) dem beeinträchtigten Mieter kein Sonderopfer abverlangt wird (Abwägung der Gesellschaftsund der Mieterinteressen). Diese Auffassung begegnet Zweifeln mit Blick auf den genossenschftlichen Gleichbehandlungsgrundsatz sowie die Begrenzung der Beitragspflicht. Abi. auch AG Köln, WuM 1995, 312 (arg.: § 537 Abs. 3 BGBfinde in der schuldrechtlich ausgestalteten Förderbeziehung Anwendung); gegen die Einschränkung des Minderungsrechts spricht auch die Auffassung von Michel, Fördergeschäftsbeziehung, S. 141: Die Treuepflicht gebiete einen Verzicht auf zivilrechdiche "Schutzmittel" nicht. 160
BGHZ 103, 219, 223.
161
BGHZ 103, 219, 222 f.
162
Zu ihr sowie allgemein zu den Rechtsbeziehungen zwischen Genossen Müller, GenG, § 18 Rn. 68; Grunewald, Gesellschaftsrecht, 2.F Rn. 6, Fn. 3. 163 Abi. etwa Meyer/Meulenbergh/Beuthien, § 18 Rn. 26 (die anscheinend annehmen, die körperschaftliche Struktur verbiete die Annahme von Rechtsbeziehungen zwischen den Mitgliedern; dazu bereits oben, A II 2 a); Michel, Förderbeziehung, S. 76. Michel argumentiert, eine Treuepflicht könne es zwischen den Genossen deswegen nicht geben, weil sie gegenläufige Interessen verfolgten. Dieses Argument sticht indes nicht: Denn gegenläufige Interessen verfolgen auch Mehrheits- und Minderheitsaktionäre in den mit Hilfe der Treuepflicht gelösten Fällen. Die Treuepflicht soll gerade den Individualinteressen im Hinblick auf die Zweckverbindung Schranken setzen. Damit wird auch kein idealistisch verklärtes Menschenbild ("spontan uneigennütziges Solidarverhalten der Mitglieder" - homo cooperativus versus homo oeconomicus) zugrunde gelegt, wie Michel a.a.O. S. 75 Fn. 289, meint, denn es geht nicht um das "Sein", sondern um das "Sollen". Gerade wenn man von einem Verteilungskampf unter den Genossen ausgeht, ist die Statuierung einer Treubindung erforderlich. 164
Vgl. wiederum K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 19 III 1 a, Bsp. Nr. 3 (S. 449).
§
emeinschaft der Nebenparteien
n . Zweckverband zwischen Mieter und Vermieter Wie auch für das Arbeitsverhältnis sei hier noch kurz auf die Qualifizierung des Verhältnisses der Mietvertragsparteien eingegangen. Diese Untersuchung steht unter der Prämisse, daß ein Rechtsverhältnis, das eine Teilhabe an einer Zweckgemeinschaft darstellt, von der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht regiert wird, die auch Rechtsbeziehungen der untereinander unverbundenen, nach dem Vorbild der Kapitalgesellschaften sternförmig angeordneten Mitglieder begründen kann (oben, A II). Davon ausgehend könnten die Mieter auch untereinander durch die Treuepflicht gebunden sein, wären ihre Mietverhältnisse als Teilhabe an einem beim Vermieter liegenden Zweckverband anzusehen. Der Mietvertrag beschränkt sich indes auf den Austausch der Leistungen: Die Zahlung des Mietzinses gegen die fortwährende Überlassung der Wohnung. Im Regelfall wird ein gemeinsamer Zweck durch die Mietvertragsparteien nicht vereinbart. Auch bei einem Gewerbemietverhältnis, bei dem sich der Mietzins zu einem Teil nach dem Geschäftsgewinn errechnet (partiarisches Mietverhältnis; Umsatzmiete), liegt ein gemeinsamer Zweck nicht vor. Um eine Zweckverbindung der Parteien anzunehmen, wäre es erforderlich, daß weitere Merkmale hinzutreten, z.B. die Einfluß- und Kontrollmöglichkeit des Vermieters auf die Geschäftsführung oder eine Verlustbeteiligung.165 Daß auch der Vermieter am Gewinn interessiert ist, macht die Gewinnerzielung nicht zum gemeinsamen Zweck, solange nicht der Vermieter eigenes Engagement zeigt und dazu auch gegenüber dem Mieter berechtigt ist. Im übrigen würde die Begründung von Mietnachbarbeziehungen aus dem Charakter der Einzelmietverhältnisse konstruktiven Schwierigkeiten begegnen: Denn anders als beim Arbeitsverhältnis liegt der (jeweilige) Zweck hier bei den einzelnen Mietern, der Vermieter würde sich daran beteiligen. Es würde sich um eine Vielzahl von Zweckverbindungen handeln, die sich aus den jeweiligen Zwecken der Mieter ergäben, nicht aber um eine allseitige Teilnahme am Zweck des "zentralen" Vermieters. Eine Verbindung zwischen den Mietern läßt sich auf diese Weise nicht begründen. Es liegt hier nicht anders als im Falle der Beteiligung eines Aktionärs an mehreren Unternehmen: Eine Zweckverbindung zwischen den einzelnen Unternehmen kommt auf diese Weise ohne weiteres nicht zustande.
165 Siehe bereits oben B II 2 a m.w.N. Speziell zum Mietrecht Staudinger-Emmerich, §§ 535, 536 Rn. 158 f.; BGH, NJW-RR 1988, 417; NJW 1990, 573 f.; 1992, 2696 f.; RGZ 149, 88, 89 f.; 160, 361.
1. Teil: Unmittelbare Rechtsbeziehungen
D. Zusammenfassung Rechtsbeziehungen zwischen Mitgliedern einer Zweckgemeinschaft können unmittelbar vertraglich begründet werden, nämlich dadurch, daß sie selbst Partner des Organisationsvertrages werden. Die gemeinsame Mitgliedschaft im Zweckverband begründet jedoch auch ohne weiteres Rechtsbeziehungen zwischen den Mitgliedern, nämlich in Form der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht. Die Treuepflicht überwindet z.B. in der Aktiengesellschaft das "sternförmige Nebeneinander" der Aktionäre. Wesentliche Grundlage für die mitgliedschaftliche Treuepflicht ist die privatautonome Zweckverbindung. Die Untersuchung hat jedoch zum ersten keine rechtsgeschäftliche Verbindung zwischen den Arbeitskollegen oder Mietnachbarn ergeben. Arbeitnehmer bzw. Mieter ("untereinander") verfolgen aber auch keine gemeinsamen Zwecke. Darüber hinaus sind Arbeitnehmer oder Mieter auch nicht (notwendig) Mitglieder in einem Zweckverband. Insbesondere besteht keine Zweckverbindung mit dem Arbeitgeber bzw. Vermieter, aus der sich im Wege der Treuepflicht Rechtsbeziehungen zwischen den Arbeitnehmern bzw. den Mietern untereinander ergeben könnten. Eine mitgliedschaftliche Rechtsbeziehung hat sich in Form einer sonstigen gemeinsamen Verbandsmitgliedschaft gezeigt, z.B. in der Gewerkschaft oder einem Mieterverein. Solche gemeinsame Mitgliedschaft ist aber nur zufällig. Sie entfaltet zudem allenfalls "Reflexwirkungen" im Miet- bzw. im Arbeitsverhältnis. Darüber hinaus kommen mitgliedschaftliche Rechtsbeziehungen dann in Betracht, wenn sich Nebenparteien zu einer Gelegenheitsgesellschaft zusammenschließen; praktische Bedeutung kann das z.B. bei der Massenänderungskündigung von Arbeitnehmern erlangen. Diese Fälle sind aber praktisch selten und die daraus resultierenden Rechtsbeziehungen sind zeitlich und gegenständlich eng begrenzt. Besonderheiten ergeben sich im Bereich der Doppelstellung von Mieter bzw. Arbeitnehmer und Gesellschafter, also etwa bei der Genossenmiete. Diese Fälle gehören nicht zu dem untersuchten Problemkreis.
§ 2 Schlichtes Gemeinschaftsverhältnis der Nebenparteien Nunmehr ist der Frage nachzugehen, ob das Verhältnis von Nebenparteien ein schlichtes, d.h. nicht auf einen vereinbarten Zweck gerichtetes Gemeinschaftsverhältnis darstellt. Nahe gelegt wird diese Annahme durch die ebenso zahlreiche wie vielfältige Berufung auf eine Haus- oder Betriebsgemeinschaft.
§ 2 Schlichte Gemeinschaft der Nebenparteien
Die Untersuchung verfolgt die verschiedenen Ansätze zur Begründung eines Gemeinschaftsverhältnisses. Wegen der disparaten Ausgangspunkte und Zielsetzungen geht damit eine wiederholte Änderung der Blickrichtung einher. An erster Stelle steht die Frage, ob die Nebenparteien nicht schon in einer schlichten Rechtsgemeinschaft i.S.v. §§ 741 ff. BGB stehen, mithin einander durch ein besonderes Schuldverhältnis verbunden sind (A). Anschließend werden Lehren erörtert, die, ausgehend von den gesetzlichen Gemeinschaften, einen allgemeinen Begriff des Gemeinschaftsrechts oder der Gemeinschaft zu begründen suchen. Es handelt sich zum einen um die Lehre von der Interessengemeinschaft (B), zum anderen um die Theorien des Gemeinschaftsrechts von Larenz und Ernst Wolf sowie die Lehre von den außervertraglichen Sozialbeziehungen von Paschke (C). DierichtigeEinordnung des Arbeitsverhältnissesund des Grundnachbarverhältnisses betreffen schließlich die Lehre vom Arbeitsverhältnis als personenrechtliches Gemeinschaftsverhältnis (D) und die Lehre vom nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis (E).
A. Die schlichte Rechtsgemeinschaft nach §§ 741 ff. BGB I. Einführung 1. Rechtsgemeinschaft a) "Eine Gemeinschaft nach Bruchteilen ist das Rechtsverhältnis zwischen mehreren Personen, das dann besteht, wenn den Personen ein Recht gemeinschaftlich zusteht, und wenn die Anwendung der §§ 742-758 nicht durch Gesetz ausgeschlossen ist."166 Die gemeinschaftliche Berechtigung bedeutet nach der h.M. eine Teilung nur der Rechtszuständigkeit und eine Berechtigung der Teilhaber jeweils an dem Vollrecht, also gleichsam eine Vervielfältigung der Befugnisse.167 b) Gegenstand der Gemeinschaft nach §§ 741 ff. BGB ist stets ein Recht. Den wichtigsten Anwendungsfall stellt das Miteigentum nach §§ 1008 ff. BGB dar. Es kommen aber alle Arten von Rechten in Betracht, auch Forderungs-
166
Staudinger-Huber , § 741 Rn. 2. Münchener Kommentar-^. Schmidt, § 741 Rn. 1: "Innehabung eines Rechts durch mehrere Rechtsträger zu ideellen Bruchteilen."; Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, § 112 b aa (S. 14): "Rechtsgemeinschaften entstehen, wenn an einem Vermögensgut mehrere Personen beteiligt sind." 167 Münchener Kommentar-/:. Schmidt, § 741 Rn. 2; Larenz, JherJb 83 (1933), 108, 113, 123 und ders., Schuldrecht II 1 2 , § 61 I (S. 416). 5 Riesenhuber
1. Teil: Unmittelbare Rechtsbeziehungen
rechte168 (arg. e § 754 BGB) und - im einzelnen streitig - der Besitz.169 Kein tauglicher Gegenstand gemeinschaftlicher Zuständigkeit ist ein Rechtsverhältnis als solches.170
2. Rechtsbeziehungen zwischen Gemeinschaftern a) Schuldverhältnis und Sonderverbindung Innerhalb der Bruchteilsgemeinschaft bestehen die in den §§ 742-758 BGB bestimmten Rechtsbeziehungen. Ob das Gemeinschaftsverhältnis ein Schuldverhältnis und also eine Sonderverbindung darstellt, ist umstritten. aa) Die h.M. verneint das. Nach ihr ist die Gemeinschaft eine Tatsache, aus der schuldrechtliche Beziehungen folgen können, sie ist aber nicht selbst schon ein Schuldverhältnis.171 Dementsprechend gebe es keine besonderen Schutzund Erhaltungspflichten, die über die allgemeinen Rechtspflichten hinaus reichten.172 Weitere Folge ist die Unanwendbarkeit der vertraglichen Gehilfenhaftung nach § 278 BGB.173 Auch K. Schmidt nimmt an, die Gemeinschaft sei nur Quelle gesetzlicher Schuldverhältnisse. Soweit sie aber Schuldverhältnisse begründe, entstehe eine Sonderverbindung, innerhalb derer die vertragsähnliche Haftung Anwendung finde: Hier wie allgemein in der Sonderverbindung bestünden Schutzpflichten und die Einstandspflicht nach § 278 BGB.174
168 Staudinger-Huber, § 741 Rn. 49. S.a. Lorenz, JherJb 83 (1933), 108, 165 ff.; Würdinger, Interessengemeinschaft, S. 32 ff. 169
H.M., Staudinger-Huber, § 741 Rn. 70; Soergel u-Hadding, § 741 Rn. 10; Schubert, JR 1975, 363, 365. KG, JW 1930, 1314 m.Anm. Endemann. Abi. Münchener Kommentar-^. Schmidt, der wohl das Recht zum Besitz, nicht aber den Besitz selbst als tauglichen Gegenstand einer Bruchteilsgemeinschaft ansieht; dagegen Huber a.a.O., der darauf hinweist, das schon der Tatbestand des Mitbesitzes den Mitbesitzern rechtliche Vorteile bringe, auf deren Ausgleich die §§ 741 ff. BGB paßten. 170
Staudinger-Huber,
§ 741 Rn. 65; Münchener Kommentar-*. Schmidt, § 741 Rn. 18.
171
BGHZ 62, 243, 246: "Quelle gesetzlicher Schuldverhältnisse"; Münchener Kommentar-*. Schmidt, § 741 Rn. 33. 172
BGHZ 62, 243, 246 f.; Staudinger-Huber,
173
H.M., Staudinger-Löwisch,
174
Münchener Kommentar-*. Schmidt, § 741 Rn. 33, § 743 Rn. 13.
§ 741 Rn. 173.
§ 278 Rn. 7.
§ 2 Schlichte Gemeinschaft der Nebenparteien
Schubert 175 und U. Huber m verstehen die Gemeinschaft hingegen als Schuldverhältnis.177 Im Rahmen dieses Schuldverhältnisses finde auch die Garantiehaftung für Erfüllungsgehilfen Anwendung.178 Huber verneint jedoch das Bestehen von Schutz- und Erhaltungspflichten in der Gemeinschaft im Wege einer teleologischen Reduktion. Die Schutzpflichten beruhten auf der Inanspruchnahme gewährten Vertrauens im Einwirkungsbereich der Partner, woran es bei der Gemeinschaft, die nicht notwendig durch freiwilligen Zusammenschluß begründet wird, fehle. 179 bb) Entgegen der h.M. ist die Gemeinschaft nicht nur rechtliche Tatsache und Quelle von Schuldverhältnissen, sondern selbst ein Schuldverhältnis. Dafür spricht zunächst schon die Stellung der §§741 ff. BGB im Besonderen Schuldrecht. § 741 BGB setzt die Gemeinschaft auch nicht schon als Tatsache voraus, so wie etwa § 854 Abs. 1 BGB den Besitz als tatsächliche Sachherrschaft. Daß in der Vorschrift ein Begründungstatbestand liegt, erhellt besonders die unten, B, näher zu besprechende Lehre von der Interessengemeinschaft: Wie zu zeigen sein wird, entsteht eine Gemeinschaft nicht schon allein dadurch, daß mehreren etwas (dort: eine Interessenrichtung) gemeinsam ist; erforderlich ist ein gesetzlicher Entstehungstatbestand, den § 741 BGB für die gemeinsame Innehabung eines Rechts darstellt.180 Entscheidend begründet die gesetzliche Ausgestaltung der Gemeinschaft das Schuldverhältnis. Denn die Vorschriften über die Gemeinschaft sind, ungeachtet der zum Teil gegebenen organisationsrechtlichen Elemente (§§ 744,
175
Schubert , JR 1975, 363 ff.
176
Staudinger-Huber , § 741 Rn. 175.
177
Ebenso Weitnauer-Lüke, § 10 Rn. 10 und Weitnauer-Weitnauer , vor § 1 Rn. 32. Eine Sonderverbindung unter Gemeinschaftern setzen ferner Baur/Stürner, Sachenrecht, § 5 II 1 c cc (S. 37), Medicus, Bürgerliches Recht, Rn. 799 und Palandt/Bassenge, § 922 Rn. 5 voraus, indem sie über die Verweisung des § 922 S. 4 BGB auf das Gemeinschaftsrecht die Anwendbarkeit von § 278 BGB unter Grundstücksnachbarn begründen. Ausdrücklich nimmt in demselben Zusammenhang auch OLG Düsseldorf, NJW 1959, 580, 581, ein Schuldverhältnis aus der Rechtsgemeinschaft an; zur Begründung des Schuldverhältnisses der Grundstücksnachbarn stützt es sich aber auch auf eine (unterstellte) Vereinbarung über die Grenzeinrichtung. 178
Schubert , JR 1975, 363 f.; Staudinger-Huber,
179
Staudinger-Huber,
180
§ 741 Rn. 168 f.
§ 741 Rn. 173 f.
In demselben Sinne weist Staudinger-Huber, § 741 Rn. 162 ff., 175, darauf hin, daß die Gemeinschaft nicht nur juristische Tatsache ist in dem Sinne, wie die Nachbarlage von Grundstücken juristische Tatsache ist. Siehe auch schon Windscheid, Pandekten II, § 449 (S. 933 f.): "Die Tatsache, daß mehreren Personen ein dingliches Recht gemeinschaftlich ist, erzeugt zwischen denselben ein Verpflichtungsverhältnis ..".
1. Teil: Unmittelbare Rechtsbeziehungen
745 BGB), schuldrechtlich ausgestaltet. Sie berechtigen und verpflichten die Gemeinschafter untereinander (§ 241 BGB), so z.B. in §§ 744, 745, 749 BGB. Mit diesen Ansprüchen (Schuldverhältnis i.e.S.) geht aber entsprechend allgemeinen Grundsätzen auch ein Schuldverhältnis i.w.S.181 einher, verstanden als "das gesamte Rechtsverhältnis (z.B. Kauf-, Miet-, Arbeitsverhältnis), das durch einen bestimmten Tatbestand (z.B. diesen bestimmten Kauf-, Miet- oder Arbeitsvertrag) begründet wird und sich deshalb als eine rechtliche Sonderverbindung unter den Beteiligten darstellt."182 Ist demnach die Gemeinschaft selbst ein Schuldverhältnis, so ist der in der Tat bestehenden Begrenzung dadurch Rechnung zu tragen, daß seine in §§ 741 ff. BGB ausgewiesene Reichweite beachtet wird. 183 Damit verhält es sich aber nicht anders als bei anderen Schuldverhältnissen. Den allgemeinen Regeln folgend fließen aus dem Schuldverhältnis weitere Verhaltenspflichten und auch Schutzpflichten der Gemeinschafter untereinander. Soweit Hüber m das Bestehen von Schutzpflichten im Wege teleologischer Reduktion verneint, kann das allenfalls im Einzelfall, nicht aber generell gelten. Anderes folgt auch nicht, wenn man die ratio der Schutzpflichten damit begründet, daß der eine Teil im Einflußbereich des anderen auf dessen gesteigerte Sorgfalt vertrauen darf. 185 Denn die gesteigerte Einwirkungsmöglichkeit liegt auch in der Gemeinschaftsbeziehung vor. 186 Das zeigen vor allem die Verwaltungsrechte. Aber auch das Vertrauenselement kann nicht ohne weiteres verneint werden. Zum einen gibt es, wie auch Huber 187 nicht verkennt, durchaus Fälle "freiwillig" begründeter Gemeinschaftsverhältnisse und somit aktuelle Vertrauensbeziehungen. Im übrigen kommt es aber auf die Freiwilligkeit und auf das aktuelle Vertrauen nicht an,188 sondern auf das normativ bestimmte Vertrauen-dürfen. 189 Hinzutritt, daß das wesentliche Kennzeichen der Sonder-
181 Zu den Begriffen des Schuldverhältnisses i.e.S. und i.w.S. Henke, JA 1989, 186 ff., 188 ff. und BGHZ 10, 391, 395. 182
Larenz, Schuldrecht I, § 1 V (S. 26).
183
Ähnlich Schubert, JR 1975, 363 Fn. 4 und 364.
184
Staudinger-Huber,
§ 741 Rn. 173 f., s.o. bb.
185
Staudinger-Huber,
§ 741 Rn. 174, unter Berufung auf BGHZ 66, 51, 54.
186
So auch Schubert, JR 1975, 363, 364.
187
Staudinger-Huber,
188
§ 741 Rn. 174.
Sonst könnte es i.ü. in gesetzlichen Schuldverhältnissen ganz regelmäßig keine Schutzpflichten geben.
§ 2 Schlichte Gemeinschaft der Nebenparteien
Verbindung, die Individualisierung der Beteiligten,190 in der Gemeinschaft stets gegeben ist. Aufgrund der Eigenart des Schuldverhältnisses der schlichten Rechtsgemeinschaft, die in den Organisationsnormen liegt, folgen aus der daraus fließenden Sonderverbindung außerdem besondere Rücksichtspflichten. Denn hier nicht anders als bei der Zweckgemeinschaft (oben § 1 A II 2) fließen aus der Sonderverbindung Rücksichtspflichten, die der organisationsrechtlich begründeten Einwirkungsmacht Schranken auferlegen. Zwar handelt es sich hier nicht um eine "echte" Treuebindung i.S. des Gesellschaftsrechts, da der Zweck der Rechtsgemeinschaft ungleich schwächer ausgeprägt ist als der einer Gesellschaft und die Gemeinschafter eine Zweckförderung nicht versprechen. In beiden Fällen jedoch gilt, daß die Beteiligten ihre Einwirkungsmacht nicht zum Schaden der Gemeinschaft einsetzen dürfen; "ständiger grundloser Widerspruch" z.B., der die Verwaltung lahmlegt,191 ist in der Gemeinschaft so wenig zulässig wie in der Gesellschaft. Auch in der Gemeinschaft begründet mithin die Sonderverbindung Rücksichtspflichten bei der Ausübung der organisationsrechtlichen Einwirkungsmacht - wenn auch "nur" nach Treu und Glauben.192 Zusammengefaßt: Die Gemeinschaft ist ein Schuldverhältnis. Als solches ist sie zugleich Sonderverbindung, aus der weitere Verhaltenspflichten und auch Schutzpflichten fließen. Als Korrelat für die organisationsrechtlich begründete Einwirkungsmacht gibt es auch in der Gemeinschaft entsprechende Rücksichtspflichten - wenn auch nur nach Treu und Glauben und nicht als echte Treuepflichten. Im Rahmen der Pflichten aus dem Schuldverhältnis haften die Gemeinschafter für Erfüllungsgehilfen gem. § 278 BGB.
b) Haftungsmaßstab Abgelehnt hat die Rechtsprechung die analoge Anwendung des Haftungsprivilegs nach § 708 BGB. Zu Recht. Die rechtsähnliche Anwendung mag mit 189
Darauf hat schon Thiele, JZ 67, 649, 651 f., hingewiesen. In diesem Sinne auch die Formulierung von BGHZ 66, 51, 54, auf die Huber sich a.a.O. bezieht. 190
Dazu Picker, AcP 183 (1983), 369, 473 ff., 477.
191
So ein Beispiel für die gesellschaftsrechtliche Treuebindung von Larenz, Schuldrecht II 1 2 , § 60 II a (S. 382). 192
Erkennt man die Treuepflicht als eine aus der Sonderverbindung fließende Beschränkung der organisationsrechtlich begründeten Einwirkungsmacht, die lediglich im Recht der Zweckgemeinschaften aufgrund der dort regierenden Förderpflicht besonders stark ausgeprägt ist, so läßt sich auch die "Treuepflicht" der Wohnungseigentümer zwanglos begründen; zu ihr Weitnauer-Weitnauer, vor § 1 Rn. 31 und Weitnauer-Lüke, § 10 Rn. 12, 52.
0
1. Teil: Unmittelbare Rechtsbeziehungen
Rücksicht darauf plausibel erscheinen, daß die Gesellschaft eine besondere, durch den vereinbarten Zweck gekennzeichnete Gemeinschaft darstellt. Doch gerade die Vereinbarung, der intentionale Zusammenschluß, ist für das Haftungsprivileg entscheidend. § 708 BGB ist Ausdruck dafür, daß die Gesellschafter einander nehmen (!) wie sie sind.193 Auf Gemeinschafter trifft diese ratio nicht zu.194
n. Gemeinschaft aufgrund paralleler Schuldverhältnisse? 1. a) Die Annahme einer Bruchteilsgemeinschaft von Nebenparteien ist im Mietrecht erwogen worden.195 In der Tat liegt eine Bruchteilsgemeinschaft mehrerer Mieter vor, wenn sie, ohne schon gesellschaftlich verbunden zu sein, gemeinsam eine Wohnung mieten.196 Eine (gesellschafts-) vertragliche Abrede fehlt etwa im Regelfall dann, wenn Ehepartner eine Wohnung mieten. Das gemeinsame Vorgehen bedarf wegen der familiären Bindung keiner vertraglichen Grundlage.197 Die Annahme einer Gemeinschaft läßt sich aber nicht auf das Verhältnis mehrerer Mietparteien eines Hauses übertragen.198 Denn hier liegen nur Parallelforderungen 199 vor, nicht aber gemeinsame Forderungsrechte. Die Forderungen sind zwar strukturell gleich, es handelt sich jeweils um vertragliche Mieteransprüche. Sie sind aber nicht auf einen einheitlichen, sondern auf verschiedene Gegenstände gerichtet; ein Recht steht jeweils nur einem Mieter zu. 200 Nur die gemeinsame Berechtigung an einem Gegenstand, nicht die
193
Siehe nur Ballerstedt,
194
BGHZ 62, 243, 245; zust. Schubert, JR 1975, 363, 365.
195
RGZ 64, 182,183 -freilich ohne weiteres ablehnend; offen gelassen in BGHZ 62, 243, 245.
JuS 1963, 253, 258.
196
KG, JW 1930, 1314 m.Anm.v. Endemann; LG Berlin, JW 1931, 1394. Staudinger-Huber, § 741 Rn. 60 m.w.N. Abi. Staudinger-Emmerich, vor § 535 Rn 192 ff., 205; auch Münchener Kommentar-*. Schmidt, § 741 Rn. 20, aufgrund seiner Auffassung, weder Besitz noch Besitzrecht seien tauglicher Gegenstand einer Bruchteilsgemeinschaft. Abi. ferner Schopp, ZMR 1976, 321, 323, der zu Unrecht von Gesamtgläubigerschaft i.S.v. § 428 BGB ausgeht. Schopp nimmt an, regelmäßig liege weder Gemeinschaft noch Gesellschaft vor; die Lösung auftretender Streitigkeiten entnimmt er - weithin fingierten - Vertragsabreden. 197
Staudinger-Huber,
§ 741 Rn. 60; Larenz, Schuldrecht II 1 2 , § 61 I (S. 415).
198 Ebenso Ackmann, JuS 1984, 462, 463; Behrens, Beteiligung, S. 41; Friese, MDR 1956, 1, 2; Köhler, JuS 1977, 652, 653; Paschke, Wohnraummiete, S. 79 f. 199
Staudinger-Huber,
§ 741 Rn. 66.
§ 2 Schlichte Gemeinschaft der Nebenparteien
1
gleichartige Berechtigung an verschiedenen, begründet eine schlichte Rechtsgemeinschaft. b) Erwogen wurde ein Gemeinschaftsverhältnis zwischen den Mietern, die gemeinsam an eine Sammelheizung oder Wasserversorgung angeschlossen waren.201 In einem Fall des Kammergerichts202 hatte der Mieter in seiner Wohnung einen Gasbadeofen aufgestellt, nachdem die vermieterseitige Warmwasserversorgung krisenbedingt für längere Zeit ausgesetzt worden war. Der Mieter nahm auch nach Wiederaufnahme der Warmwasserversorgung für längere Zeit nicht daran teil. Anscheinend beanspruchte der Vermieter nunmehr den Anteil der in dieser Zeit angefallenen Kosten, der einer von einer Mieterversammlung beschlossenen Umlage entsprach. Auch hier liegen indes nur Parallelforderungen der Mieter vor, nicht aber eine Gemeinschaftsbeziehung zwischen den Mietern, auf die §§ 748, 742 BGB Anwendung fänden. Zu Recht stellt das KG fest, daß die Rechtsbeziehungen abschließend zwischen Vermieter und Mieter geregelt waren.203 Aus einer Quelle gespeist zu werden, begründet kein gemeinsames Recht.204 Deshalb kam es nur darauf an, ob die Mietvertragsparteien eine Vertragsänderung hinsichtlich der Teilnahme an der Warmwasserversorgung vereinbart hatten oder nicht. Die Entscheidung der Mieterversammlung war für den beklagten Mieter ohne Bedeutung. Aber auch für die übrigen Mieter konnte der "Beschluß" nur im Wege des Verbots widersprüchlichen Verhaltens oder durch vertragliche Umsetzung Rechtswirkungen erzeugen, nicht aber im Wege der Beschlußbindung nach § 745 BGB. In einer anderen Entscheidung205 hatten bis auf den Antragsteller alle Mieter eines Hauses einer Aussetzung der Zentralbeheizung aus wirtschaftlichen Gründen zugestimmt. Der verbleibende Mieter (Antragsteller) forderte den vertragsgemäßen Betrieb der Heizung. Der Vermieter lehnte ab: Alle anderen Mieter hätten zugestimmt, der Betrieb der Heizung nur zugunsten des Antrag200 RGZ 62, 182, 183; Staudinger-Huber, § 741 Rn. 66; Münchener Kommentar-^. Schmidt, § 741 Rn. 20; Roquette, ZMR 1973, 195, 196; Staudinger-Emmerich, §§ 535, 536 Rn. 262. 201
Mittelstein, JW 1921, 769 f.; weitere Nachweise zu dieser Auffassung bei der ablehnenden Entscheidung des KG, JW 1928, 525 f. m. zust. Anm. v. Stern. 202 KG, JW 1928, 525 f. Der Sachverhalt ist in der Entscheidung nur unvollständig wiedergegeben. 203
KG, JW 1928, 525, 526. A.M. Staudinger Hausgemeinschaft eine Teilnahmepflicht ableitet.
11
-Kitfersauer,
vor § 535 Rn. 4, der aus der
204
Ebenso BGH, NJW 1969, 41, betreffend Anschluß an dieselbe Wasserleitung.
205
LG Berlin, JW 1921, 769 m.Anm.v. Mittelstein.
1. Teil: Unmittelbare Rechtsbeziehungen
stellers sei unverhältnismäßig teuer. Das LG Berlin gab dem Antragsteller gleichwohl recht. Kritisch ist demgegenüber Mittelstein 206 mit Rücksicht darauf, daß "ein eigenartiges Gemeinschaftsverhältnis in Frage steht". Eine Gemeinschaft der Mieter, die nach dem Mehrheitsprinzip (§ 745 Abs. 1 BGB) auch mit Wirkung für den Antragsteller hätte entscheiden können, fehlte indes auch hier. Auch der gelegentlich unternommene Versuch, die Gesamthaftung von Mietern für Abflußverstopfungen 207 aus einer Gemeinschaft zu begründen oder zu rechtfertigen, 208 ist mit Recht abgelehnt worden.209 2. a) Für Nebenparteien im Arbeitsverhältnis gilt das Entsprechende. Auf die Frage, ob es ein Recht am Arbeitsplatz gibt, kommt es hier nicht an.210 Jedenfalls wäre ein solches Recht je ein individuelles der einzelnen Arbeitnehmer, nicht ein gemeinschaftliches der Belegschaft. b) Eine schlichte Rechtsgemeinschaft könnte aber aufgrund der Betriebsverfassung bestehen. Diese Auffassung hat in jüngerer Zeit vor allem Weitnauer vertreten. Bei den Mitbestimmungsrechten der Betriebsverfassung handele es sich um von der Bestimmungsbefugnis des Unternehmers abgespaltene und daher private Rechte, die den einzelnen Arbeitnehmern gemeinsam zustünden. Die Belegschaft sei daher eine, wenn auch besonders ausgestaltete, schlichte Rechtsgemeinschaft.211 Die von Weitnauer vorausgesetzte Prämisse, es stünden die Mitbestimmungsrechte den einzelnen Arbeitnehmern zu, ist indes nicht unumstritten. Teilweise wird ihr zugestimmt, da der Rechtsinhaber nach dem Schutzziel zu ermitteln sei, die Mitbestimmungsrechte aber dem Schutz der Privatautonomie und der Menschenwürde des einzelnen Arbeitnehmers dienten.212 Andere Autoren sehen
206
Mittelstein,
JW 1921, 769 f.
207
Dazu die anschauliche Beschreibung von Roquette, ZMR 1973, 195 ff.
208
AG Hamburg, B1GBW 1966, 96.
209
AG Dortmund, GWW 1972, 93; AG Gelsenkirchen-Buer, ZMR 1972, 209; Roquette, ZMR 1973, 195 ff. 210
Dazu unten, § 5 D III.
211
Weitnauer, FS Duden, S. 705 ff., 707 ff.. Grundlegend für die Annahme einer Rechtsgemeinschaft Jacobi, Grundlehren, § 17 IV (S. 296 ff.). 212
So ausführlich Belling, Haftung, S. 109 ff.
§ 2 Schlichte Gemeinschaft der Nebenparteien
demgegenüber die Belegschaft213 als den Rechtsträger an oder den Betriebsrat selbst.214 Ist in beiden Fällen auch zuerst die (Teil-) Rechtsfähigkeit der Träger zu begründen, so sprechen doch gute Gründe für die letztgenannten Ansichten. Folgt man zur Bestimmung der Rechtsträgerschaft der angeführten Schutzadressatentheorie, so spricht die Ausgestaltung der Mitbestimmungsrechte im BetrVG doch für die Rechtsträgerschaft der Belegschaft; denn auf die Belegschaft als Kollektiv, nicht so sehr auf den einzelnen Arbeitnehmer, hat der Betriebsrat sein Augenmerk zu richten.215 Aber auch die Schutzadressatentheorie kann mit guten Gründen schon in Zweifel gezogen werden, ist es doch dem Gesetzgeber nicht verwehrt, zum Schutz des einen einem anderen ein Recht einzuräumen. Das legt die Annahme nahe, es sei der Betriebsrat selbst Rechtsträger, zumal der Wortlaut der Mitbestimmungsvorschriften ebenfalls dafür spricht. Dieser Streit kann indessen für die Zwecke der vorliegenden Untersuchung dahinstehen. Jedenfalls wäre eine über die gemeinsame Innehabung der Mitbestimmungsrechte begründete Arbeitnehmergemeinschaft in entscheidender Hinsicht von der schlichten Rechtsgemeinschaft der §§ 741 BGB verschieden. Denn die Selbstherrschaft mit Mehrheitsprinzip weicht hier der Repräsentativverfassung, der Geschlossenheit nach §§741 ff. BGB steht eine auf Mitgliederwechsel angelegte Gemeinschaft gegenüber. In der Repräsentativverfassung reduziert sich aber die Teilhabe der Mitglieder an der Verwaltung auf das aktive und passive Wahlrecht. Jedenfalls in der Ausgestaltung durch das BetrVG geht auf diese Weise auch die schuldrechtliche Komponente verloren. Anders als die schlichte Rechtsgemeinschaft könnte daher die von Weitnauer angenommene Gemeinschaft nach dem BetrVG eine Sonderverbindung zwischen den Arbeitnehmern nicht begründen.216 Auch wenn man die Mitbestimmungsrechte als den Arbeitnehmern als Bruchteilsgemeinschafter zustehend ansähe, so ließe sich auf diesem Wege doch eine unmittelbare Rechtsbeziehung zwischen Arbeitnehmern nicht herstellen.
213
Zöllner/Loritz,
214
MünchArbR-v. Hoyningen-Huene, § 291 Rn. 14, 27 sowie 29.
§ 45 II (S. 462).
215 Dahin geht die Auffassung von Dietz/Richardi , § 10 Rn. 10, es handele sich bei den Mitbestimmungsrechten um Kollektiverechte. Ablehnend gegenüber Weitnauer auch GK-Thiele, Einl. Rn. 70, 71 a.E. 216
Ebenso MünchArbR-v. Hoyningen-Huene, § 291 Rn. 28.
1. Teil: Unmittelbare Rechtsbeziehungen
m . Gemeinschaft aufgrund gemeinsamen Besitzes 1. Eine Bruchteilsgemeinschaft kann aber auch durch gemeinsamen Besitz begründet werden.217 Mitbesitz von mehreren Mietern kommt praktisch nicht selten vor. 218 So kann etwa am Hausflur, 219 am gemeinsam benutzten Fahrstuhl,220 dem Trockenboden,221 dem Abstell-Keller222 Mitbesitz bestehen. Ein Mitbesitz von Mietern ist aber nicht notwendiger Bestandteil des Mietverhältnisses. Im Arbeitsverhältnis ist eine Bruchteilsgemeinschaft, die aus gemeinsamem Besitz fließt, wenig praktisch. Zu denken wäre etwa an ein mehreren Arbeitnehmern gemeinsam zugewiesenes Firmenauto. 2. Nach dem hier zugrundegelegten Verständnis der Gemeinschaft als Schuldverhältnis können aus der Besitzgemeinschaft mehrerer Mieter weitreichende Rechte und Pflichten folgen. In dem Fall von BGHZ 62, 243 hatten mehrere Mieter Mitbesitz an einem Lastenaufzug. Ein Arbeiter der Beklagten beschädigte den Fahrstuhl, wodurch der Klägerin ein Einnahmenausfall entstand. Die Klägerin verlangte Schadensersatz. Zwar geht der BGH auf die Frage, ob eine Bruchteilsgemeinschaft vorlag, nicht im einzelnen ein. Die Annahme einer Gemeinschaft liegt der Entscheidung aber zugrunde,223 sie ist auch wegen des gemeinsamen Besitzes begründet.224 Entgegen der Auffassung des BGH kam deshalb eine Gehilfenhaftung des Beklagten aus Schutzpflichtverletzung i.V.m. § 278 BGB durchaus in Betracht.225 Schutzpflichten bestehen darüber hinaus nicht nur in bezug auf den
217
Friese, MDR 1956, 1, 2 f.; Oelze, JW 1935, 68, 69.
218
Vgl. Münchener Kommentar-Zoos/, § 866 Rn. 3; Oelze, JW 1935, 68, 69.
219
RGZ 64, 182, 183.
220
BGHZ 62, 243,244, aber beschränkt auf Fälle individueller Überlassung, ablehnend etwa für Hochhäuser unter Berufung auf RGZ 64, 182, 183. Dazu auch Friese, MDR 1956, 1, 2 f., der darauf hinweist, daß Mieterbesitz am Fahrstuhl dann zu verneinen ist, wenn der Fahrstuhl nur durch den vom Vermieter bestellten Fahrstuhlführer betrieben werden darf. 221
Münchener Kommentar-Zoosr, § 866 Rn. 3.
222
AG Geseke, WuM 1965, 134 f.
223
Vgl. BGHZ 62, 243, 245 und 250.
224
Ebenso Schubert, JR 1975, 363, 365; vgl. i.ü. die Nachweise oben I 1 b, Fn. 169.
225
Ebenso Schubert, JR 1975, 363, 364.
§ 2 Schlichte Gemeinschaft der Nebenparteien
gemeinschaftlichen Gegenstand, sondern auch als Integritätsschutz im gemeinschaftlichen Kontakt.226
IV. Analogie zur Wohnungseigentümergemeinschaft? Wohnungseigentümer stehen in einem Gemeinschaftsverhältnis. Sie sind einander vor allem nach § 14 WEG zur Rücksicht verpflichtet, darüber hinaus bestehen zwischen ihnen - entsprechend allgemeinen Grundsätzen - Schutz- und auch Treuepflichten. Es stellt sich die Frage, ob nicht zumindest die Mietnachbarbeziehung in Analogie zu diesen Vorschriften behandelt werden kann. Für die Beantwortung kommt es darauf an, auf welcher Grundlage die Rücksichtspflichten im Wohnungseigentümerverhältnis stehen. Umstritten ist nach wie vor das dogmatische Verständnis des Wohnungseigentums und damit auch die Begründung der Gemeinschaft.227 Immer noch herrschend erscheint die Auffassung, es handele sich um ein besonders ausgestaltetes Miteigentum, weshalb die Wohnungseigentümergemeinschaft eine schlichte Rechtsgemeinschaft i.S.v. §§ 741 ff. BGB darstelle.228 Nach anderer Auffassung ist das Wohnungseigentum als "dreigliedrige Einheit" von Miteigentum, Sondereigentum und Mitgliedschaftsrecht anzusehen.229 In jüngerer Zeit ist auch angenommen worden, es handele sich bei der Wohnungseigentümergemeinschaft um eine Gesellschaft ("GWEG"), das Wohnungseigentum sei als "dinglicher Gesellschaftsanteil "zu verstehen.230 Zu diesem Streit ist hier nicht Stellung zu nehmen. Denn die Rechtsbeziehungen der Wohnungseigentümer untereinander liegen jedenfalls in der Gemein226
Die Grenze der Gemeinschaft verdeutlicht ein Beispiel: Beschädigt der Nachbar nicht die Werbetafel, die im Hausflur hängt, sondern die an der Außenwand neben dem Eingang befindliche, so wäre die schärfere Haftung nicht zuzugeben. Siehe bereits Oelze, JW 1935, 68, 69, der dieses durch den Bezug auf die Besitzgemeinschaft begründete Ergebnis für eine "durchaus der Billigkeit entsprechende Unterscheidung" hält. 227
Eine ausführliche Darstellung der verschiedenen Erklärungsansätze findet sich bei WeitnauerWeitnauer, vor § 1 Rn. 39 ff., und bei Bärmann/Pick/Merle, Einl. Rn. 626 ff. 228 BGH, NJW 1986, 1811; OLG Karlsrhuhe, OGLZ 85,133,137 f.; Weitnauer-Weitnauer, § 1 Rn. 30 ff.; Palandt-Bassenge, vor § 1 WEG Rn. 2.
vor
229
Bärmann, Wohnungseigentum, B I bes. sub 4 (S. 9 ff., 13 ff.). Ähnlich Merle, System, § 7 III (S. 151 ff.). 230 M. Junker, Gesellschaft, S. 84 ff. An die gesetzlichen Vorgaben (§§ 1, 10 WEG) hält Junker sich nicht gebunden, da sie mit dem Eigentumsbegriff des BGB (§ 93) unvereinbar seien (ähnlich schon Ernst Wolf, Sachenrecht, § 12 D II a [S. 560 ff.]); a.a.O. S. 5 ff. und 203 ff. Zur Kritik etwa Weitnauer-Weitnauer, vor § 1 Rn. 47 ff.
1. Teil: Unmittelbare Rechtsbeziehungen
schaft begründet; die für die Gemeinschaft konstitutiven Voraussetzungen erfüllen Mietnachbarn aber nicht, unabhängig davon, welcher dogmatischen Konstruktion man folgt. 231 Für die h.M. folgt das daraus, daß die Mietnachbarn nicht Miteigentümer sind, denn ohne das Miteigentum gibt es keine Bruchteilsgemeinschaft. Dasselbe gilt für die Theorie von der dreigliedrigen Einheit.232 Folgte man der Gesellschaftstheorie, so käme es auf einen gemeinsamen Zweck der Mitmieter an. Daß solcher fehlt, wurde bereits oben (§ 1) dargelegt. Ein gemeinsamer Zweck kann insbesondere auch nicht im Halten und Verwalten des Hauses gesehen werden, da die Raummieter sich darum - ihrer Vertragsposition gemäß - gerade nicht kümmern wollen. Auch in Analogie zu den Regeln über die Wohnungseigentümergemeinschaft läßt sich daher eine Gemeinschaft von Nebenparteien (Mietnachbarn) nicht begründen.
V. Ergebnis Es kommt eine Gemeinschaft von Nebenparteien nur in Betracht, soweit ihnen ein Recht gemeinsam zusteht, etwa der gemeinsame Besitz von Mietern. Die Parallelforderungen der Nebenparteien begründen aber nicht schon als solche eine Gemeinschaft. Liegt im Einzelfall eine Gemeinschaft vor, so prägt diese das Verhältnis der Gemeinschafter - im Rahmen ihrer Reichweite jedoch ganz erheblich. Denn die Gemeinschaft ist entgegen der h.M. als Schuldverhältnis und als Sonderverbindung zu verstehen. Die Gemeinschafter treffen daher vertragsähnliche Schutzpflichten und die Gehilfenhaftung i. V.m. § 278 BGB. Auch die durch eine solche Gemeinschaft begründeten Rechtsbeziehungen sind jedoch keine allgemeinen, sie können nur nach Lage des Falles angenommen werden. Gemeinschaftsbeziehungen i.S.v. §§ 741 ff. BGB prägen nicht das Verhältnis zwischen Nebenparteien, sie bestehen nur, wenn den Nebenparteien zusätzlich zu ihrer Stellung als Nebenparteien ein Recht gemeinsam zusteht.
231 232
Köhler, JuS 1977, 652, 653.
Bärmann, Wohnungseigentum, B I 4 (S. 15) fuhrt aus: "Es gibt aber weiterhin keine Möglichkeit, Mitglied der Gemeinschaft zu sein, ohne Wohnungseigentümer und damit Miteigentümer und Sondereigentümer zu sein. Das bedeutet, daß die personenrechdiche Mitgliedschaft von sachenrechdichem Miteigentum und Sondereigentum nicht getrennt werden kann, als solche nicht einmal gedacht werden kann, solange Wohnungseigentum rechtlich besteht."
§ 2 Schlichte Gemeinschaft der Nebenparteien
B. Die Lehre von der Interessengemeinschaft 233 I. Einführung 234 Die Lehre von der Interessengemeinschaft geht der Frage nach, inwieweit "der Tatsache rechtliche Bedeutung zu(kommt), daß bei mehreren unabhängig voneinander stehenden obligatorischen Gläubigern gleichgerichtete Interessen gegeben sind".235 "Inwieweit hat hier eine Unterordnung der Herrschaftsmacht des einzelnen Gläubigers unter die gemeinschaftlichen Interessen Platz zu greifen?" 236 Auf unterschiedlichem Wege begründen die verschiedenen Vertreter die Anwendung von Grundsätzen der Bruchteilsgemeinschaft auch auf die Fälle einer durch Gleichrichtung der Interessen begründeten Gemeinschaft.237
L Würdingers Theorie der schlichten Interessengemeinschaft Würdinger untersucht, ob sich "einheitliche Grundsätze für die Tatbestände der Interessengemeinschaft im Sinne einer Gleichrichtung der Interessen der
233
Nicht in Betracht gezogen wird hier die Interessengemeinschaft i.S.d. Kartellrechts. Es handelt sich dabei um eine Gesellschaft zwecks unternehmerischer Risikominderung durch Gewinnvergemeinschaftung, meist in Form einer BGB-Gesellschaft; sie unterfällt regelmäßig nicht dem Kartellbegriff des § 1GWB. Zu ihr Fikentscher, Die Interessengemeinschaft, S. 16 ff.; ders., Wirtschaftsrecht II, § 22 I 7 a (S. 157); Rittner, Wettbewerbs- und Kartellrecht, § 7 B III 3 (S. 241); ders., Wirtschaftsrecht, § 15 Rn. 35. 234 Die Beschäftigung mit Fragen der Interessengemeinschaft reicht zurück bis zu Jhering, JherJb 10 (1860), 245 ff.; ihm geht es um Reflexwirkungen im Recht, wie sie etwa der Deichbau zeitigt, der auch dem Nachbarn zugute kommt. Das der Interessengemeinschaft zugehörige Problem der nicht zu vertretenden Teilunmöglichkeit bei beschränkter Gattungsschuld stellte sich zuerst im Zuckerrübensamenfall, der dem Urteil des RG vom 3.2.1914, RGZ 84, 125 ff., zugrundelag. Mit dieser Problematik beschäftigt sich sodann de Boor, Kollision (1928); er untersucht freilich noch die Frage, ob und mit welchen Konsequenzen eine Forderungskollision vorliegt. Eine Lehre von der schlichten Interessengemeinschaft zu begründen hat Würdinger, Interessengemeinschaft (1934), unternommen. Daraufbaut Wüst, Interessengemeinschaft (1958), auf. Die 1934 erschienene Schrift Würdingers stellt sich nicht als durch den Nationalsozialismus inspiriert dar (Anklänge an diese Ideologie allein auf S. V und 28); vielmehr ist sie dem Programm der lnteressenjurisprudenz verpflichtet (vgl. S. V f. und 2 ff.; ferner die Einschätzung von Wieacker , Privatrechtsgeschichte, § 27 I 2 a ee [S. 517 f.]). 235
Würdinger,
Interessengemeinschaft, S. VI.
236 Würdinger, a.a.O. Wüst, Interessengemeinschaft, S. 11: "Inwieweit können und müssen Interessen gleicher Richtung über den Rahmen von Gesellschaften und gesetzlich geordneten Gemeinschaften hinaus rechdich erfaßt werden?" 237
Würdinger,
Interessengemeinschaft, S. 22 ff., 27 ff., 30 ff.
1. Teil: Unmittelbare Rechtsbeziehungen
Beteiligten feststellen lassen."238 In der Regelung über die Bruchteilsgemeinschaft sieht er einen Anwendungsfall der schlichten Interessengemeinschaft. "Es sei indes schon hier bemerkt, daß die gesetzliche Regelung der §§ 741 ff. BGB nur eine Sonderart der in Frage stehenden Tatbestände [der Interessengemeinschaft] betrifft, daß aber die Grundgedanken der Normierung verallgemeinerungsfähig sind.
Nicht die Gemeinschaftlichkeit des Rechts als rein äußerliche Gegebenheit Wesentliche, sondern die Gleichrichtung von Interessen, die nicht notwendig Gemeinschaftlichkeit des Rechts beschränkt sein muß. Die Rechtsgemeinschaft demnach nur ein Sonderfall des allgemeinen Tatbestandes der schlichten Interessengemeinschaft; die Gemeinschaftlichkeit des Rechts büdet nur die besondere Grundlage, welche die Beteiligten als Interessengemeinschaft erscheinen läßt. Doch können schlichte Interessengemeinschaften auch aus anderen Anlässen gegeben sein; so besonders auf Grund einer gemeinschaftlichen Gefahr, welche alle Beteiligten gleichmäßig bedroht. Das besondere Problem erschöpft sich somit in der Frage, inwieweit auf die anderen Fälle von schlichten Interessengemeinschaften Grundsätze der Bruchteilsgemeinschaft übertragbar sind."239
Davon ausgehend, sucht er den §§ 741 ff. BGB das "innere System"240 der Interessengemeinschaft zu entnehmen, indem er die dort ausgedrückten "rechtspolitischen Grundgedanken"241 herausarbeitet. Im folgenden möchte er darstellen, daß auch andere Regelungen als Anwendungsfälle der Interessengemeinschaft erklärt werden können. Soweit diese Regelungen Lücken enthalten, sollen sie mittels der allgemeinen Grundsätze gefüllt werden, ungeregelte Fälle sollen analog behandelt werden. Als rechtspolitische Grundsätze, die in den §§ 741 ff. BGB Ausdruck finden, erkennt Würdinger den Gleichbehandlungsgrundsatz in seinen verschiedenen Ausprägungen: bei der Bestimmung des Gebrauchsrechts, bei der Verwaltung, bei der Teilung sowie bei der Schadens- und Lastentragung. Zweitens hebt er den Grundsatz der Mehrheitsherrschaft hervor.
238
Würdinger,
Interessengemeinschaft, S. 4.
239
Würdinger,
Interessengemeinschaft, S. 16; Hervorhebung im Original.
240
Dazu allgemein Lorenz, Methodenlehre, Kap.6 (S. 474 ff.). Würdinger, Interessengemeinschaft, S. 2 ff., betont besonders, daß er auf diesem Wege das Programm der lnteressenjurisprudenz umzusetzen suche, wonach dem "inneren juristischen System" der Vorzug vor dem "äußeren System" zu geben sei. Die Grundprinzipien, nicht die begriffsjurischtische Ableitung aus deduktiv gefundenen Obersätzen, ermöglichten "eine der gegebenen Rechtsordnung entsprechende Entscheidung in jenen Tatbeständen, die selbst nicht geregelt wurden." a.a.O.S.2 ff. ;S.5. 241
Lorenz, Methodenlehre, Kap.6, 3 a (S. 474 ff.) spricht insoweit von "Unterprinzipien" oder "Rechtsgrundsätzen".
§ 2 Schlichte Gemeinschaft der Nebenparteien
Diese Grundsätze erprobt Würdinger zunächst an der Sammelsendung.242 Freilich ist diese schon Bruchteilsgemeinschaft, soweit Miteigentum entsteht.243 Wo das nicht der Fall ist, sollen kraft Analogie die nämlichen Regeln gelten.244 Auch bei Sammellager und Sammeldepot245 finden sich schon gesetzliche Regeln bzw. ist die Gemeinschaft im Wege des Miteigentums hergestellt; hierin sieht Würdinger weitere normierte Anwendungsfälle der schlichten Interessengemeinschaft.246 Anders ist es beim Summenlager (ein Fall der unregelmäßigen Verwahrung, § 700 BGB): Hier soll aber eine Interessengemeinschaft nur vorliegen, wenn den einzelnen Gläubigern bei Untergang oder Verschlechterung keine Ersatzansprüche zustehen. Kraft Rechtsfortbildung seien auch hier die Grundsätze der Interessengemeinschaft anzuwenden.247 Anwendungsfälle der Interessengemeinschaft seien ferner die große Haverei (§§ 700 ff. HGB; Vergemeinschaftung der Seegefahr) und der Konkurs.248 Im Konkurs begründet Würdinger in Analogie zu §§ 744 Abs. 2, 748 BGB einen Aufwendungsersatzanspruch für den Gläubiger, der "in irgendeiner Weise für die notwendige Erhaltung der Konkursmasse sorgt".249 Liegt eine Interessengemeinschaft vor, so sollen mithin die Grundgedanken der §§ 741 ff. BGB anwendbar sein. Die Gemeinschafter unterliegen dem Grundsatz gleicher Teilhabe und Verantwortung. Es gilt das Mehrheitsprinzip.
242 Es handelt sich um die ungesonderte Versendung vertretbarer Sachen verschiedener Empfänger; durch die Vermischung entsteht Miteigentum nach § 948 BGB, für die Auflösung der Gemeinschaft soll § 419 HGB entsprechend gelten; Müller-Erzbach, Deutsches Handelsrecht, Kap. 222 IV (S. 870); ausführlich Härder, Sammelsendung. 243
Würdinger,
Interessengemeinschaft, S. 44.
244
Würdinger, Interessengemeinschaft, S. 45 ff. Dagegen freilich schon de Boor, Kollision, S. 132. Zur Interessengemeinschaft bei der Sammelsendung auch Härder, Sammelsendung, § 7 1 (S. 46 ff.). 245
Bei der Sammelverwahrung werden vertretbare Gegenstände verschiedener Einlagerer ungetrennt aufbewahrt, die Einlagerer erwerben Miteigentum nach Bruchteilen am Sammelbestand; vgl. §§ 419 HGB, 28 ff. OLSchVO; 5 ff. DepotG. Dazu Canaris, Handeslrecht, § 32 I (S. 458); ders., Bankvertragsrecht3, Rn. 2102 ff.; Rümpel , Bankrecht, Rn. 9.87 ff. 246
Würdinger,
Interessengemeinschaft, S. 52 ff.
247
Würdinger, Interessengemeinschaft, S. 57 ff. Zust. Esser, Schuldrecht1 § 300, 3 (S. 430); ders., Schuldrecht2, § 181, 2 (S. 748); abl. schon de Boor, Kollision, S. 80. 248
Würdinger,
Interessengemeinschaft, S. 60 ff. und 63 ff.
249
Würdinger,
Interessengemeinschaft, S. 68.
0
1. Teil: Unmittelbare Rechtsbeziehungen
2. Wüst: Die Interessengemeinschaft
als Ordnungsprinzip
des Privatrechts
Interessengemeinschaften hat auch Wüst untersucht.250 Ihm geht es nicht darum, ein "systematisch geschlossenes Lehrgebäude" darzustellen, sondern "lediglich ein Prinzip in seinen verschiedenartigen Ausformungen und Auswirkungen zu erkennen und dabei die technischen Mittel für seine Verwirklichung herauszustellen."251 Das "Ordnungsprinzip" Interessengemeinschaft möchte er als weiteres, ergänzendes Prinzip in die Zivilrechtsordnung einfügen. Der Anwendungsbereich anderer Prinzipien soll demgegenüber "etwas eingeschränkt" werden. "Die Interessengemeinschaft kann auf dem Wege einer 'methodischen Gewichtsverlagerung' - Erweiterung der vorgefundenen Ausnahmen vom Grundprinzip - im Bau unseres Zivilrechts unterkommen".252 Auf diese Weise will er die "isolierte Betrachtung" von Rechtsverhältnissen in einem Teilbereich überwinden.253 Auch Wüst versteht das "Prinzip der Interessengemeinschaft" nicht nur als mögliche gesetzgeberische Leitlinie, sondern als einen Auftrag an die richterliche Rechtsfortbildung. 254 Die Grundgedanken der Interessengemeinschaft möchte er im Wege der Typenbildung herausarbeiten.255 So untersucht Wüst verschiedene "Ausgleichsfälle" - die große Haverei, die "solidarische Gesamtschuld", die Verteilung unzureichenden Vorrats usf. -, die "quasinachbarliche Interessengemeinschaft" und "sonstige Fälle" - etwa das Verhältnis der Parteien beim Abzahlungskauf und beim Nießbrauch. Nach Wüst ist die Interessengemeinschaft gekennzeichnet "durch eine natürliche oder geschaffene Interessengleichrichtung".256 Erforderlich ist zusätzlich ein nach der Verkehrsauffassung ("dem Marktbild") enger Kontakt, der die
250
Wüst, Die Interessengemeinschaft - Ein Ordnungsprinzip des Privatrechts (1958); dazu die Bespr. von Reinhardt, AcP 160 (1961), 432 ff. Ferner Wüst, JZ 1961, 78 ff.; ders., JZ 1985, 1077 ff. 251
Wüst, Interessengemeinschaft, S. 53.
252
Wüst, Interessengemeinschaft, S. 16.
253
Wüst, Interessengemeinschaft, S. 26, und ders., JZ 1985, 1077, 1080. Der Ausdruck der "isolierten Betrachtungsweise" stammt von de Boor, Kollision, § 2 IV (S. 17 f.). 254
Wüst, Interessengemeinschaft, S. 17.
255
Wüst, Interessengemeinschaft, S. 15, 50 f. Vgl. auch dens., JZ 1985, 1077 ff.
256
Wüst, Interessengemeinschaft, S. 46.
§ 2 Schlichte Gemeinschaft der Nebenparteien
1
Gleichbehandlung der Interessen verlangt.257 Der Kreis der Interessenten muß dabei hinreichend klar abgrenzbar sein.258 Allgemeine Rechtsregeln für die Behandlung von Fällen der Interessengemeinschaft stellt Wüst nicht auf. "Die Lösung im Einzelfall ist meist eine individuelle: Haben wir eine rechtlich beachtliche Interessengemeinschaft festgestellt, so ist damit lediglich die Richtung der Lösung aufgezeigt. Angesichts der Vielgestalt der Erscheinungsformen und der zur Verfugung stehenden technischen Mittel werden wir den Einzelfall meist nur individuell entscheiden können."259 Wüst begrenzt seine Aufgabe dahin, zunächst nur einen Ordnungsgedanken aufzuzeigen.260
3. Die Interessengemeinschaft
in der Rechtsprechung
a) Soweit ersichtlich hat sich zuerst das Reichsgericht in der Zuckerrübensamen-Entscheidung auf den Gedanken der Interessengemeinschaft gestützt.261 Der Hersteller einer besonderen Sorte Zuckerrübensamen hatte bereits im vorhinein die gesamte zu erwartende Ernte verkauft. Als infolge einer Dürre die Ernte geringer ausfiel, kürzte er die Lieferungen an seine Kunden anteilig. Das Reichsgericht hat das gebilligt, u.a. mit der Begründung, es schaffe die unverschuldete Teilunmöglichkeit bei beschränkter Gattungsschuld eine Interessengemeinschaft sämtlicher Gläubiger. In den folgenden Kriegs- und Nachkriegsjahren wurde diese Rechtsprechung in zahlreichen Fälle krisenbedingter Verknappung fortgesetzt. 262 b) Der BGH hat zur Interessengemeinschaft soweit ersichtlich nur im Fischereigenossenfall Stellung genommen.263 Der Kläger war Mitglied der beklagten Genossenschaft, deren Zweck u.a. die Verwertung von Fischfängen
257
Wüst, Interessengemeinschaft, S. 67 und ders., JZ 1961, 78.
258
Wüst, Interessengemeinschaft, S. 65 und ders., JZ 1961, 78 f.
259
Wüst, Interessengemeinschaft, S. 47; vgl. auch a.a.O. S. 52: "Einzelfragen müssen vielfach aus der Sache heraus beantwortet werden." 260
Wüst, Interessengemeinschaft, S. 53.
261
RGZ 84, 125 ff.
262
Siehe z.B. RG, JW 1922, 158 m.Anm.v. Kabel m.w.N. und die Nachweise bei de Boor, Kollision, § 11 II (S. 135 ff.; bes. Fn. 177, S. 136). Zur Rechtsprechung des RG ferner Würdinger, Interessengemeinschaft, § 9 (S. 68 ff.). 263
BGH, NJW 1960, 1858, 1860 = JZ 1961, 91 ff. m.Bespr.v. Wüst, S. 78 ff.
6 Riesenhuber
1. Teil: Unmittelbare Rechtsbeziehungen
war. Als infolge einer hitzebedingten Überlastung der Fischmehlfabriken einmal nicht alle Fänge verwertet werden konnten, zahlte die Genossenschaft für eine gewisse Zeit nur ein gekürztes Abnahmeentgelt und entschädigte mit dem Restbetrag diejenigen Genossen, deren Fänge infolge der Abnahmebeschränkung verdorben waren. Der Kläger beanspruchte mit der Klage den vollen Betrag für seine Lieferung. Der BGH erwägt die Lehre von der Interessengemeinschaft zur Begründung der Kürzung des Abnahmeentgelts, hält sie aber nicht für tragfähig. Eine Interessengemeinschaft zwischen den Fischern könne jedenfalls die Genossenschaft nicht berechtigen, den Abnahmepreis zu kürzen. Aus der Zugehörigkeit zur Genossenschaft folge aber auch keine Gefahren- oder Interessengemeinschaft in Hinblick auf den Verderb der Fänge. Ferner sei der Schaden nicht aus dem Gefahrenbereich der betreffenden genossenschaftsverbundenen Fischer entstanden, es handele sich um einen weitergreifenden Gefahrenbereich.
n . Interessengemeinschaft von Mietnachbarn und von Arbeitskollegen Wüst hat auch im Verhältnis von Nebenparteien im Mietrecht und im Arbeitsrecht eine Interessengemeinschaft angenommen.
I. Interessengemeinschaft
von Mietnachbarn
Wüst geht von der Annahme gleichgerichteter Interessen von Mietnachbarn eines Hauses aus. Er begründet die Annahme einer Interessengemeinschaft zwischen ihnen aber ausführlicher. 264 a) Das obligatorische Nutzungsrecht sei im Gegensatz zu dem dinglichen im Hinblick auf das Nachbarverhältnis nicht geregelt. Aus den Ansätzen zur Verdinglichung des Mietrechts lasse sich dennoch eine überzeugende Lösung nicht gewinnen. Auf der anderen Seite sei aber auch der über den Vermieter begründete Schutz zwischen Mietern unzureichend: sein "obrigkeitliches Einschreiten" zu verlangen, sei antiquiert und wenig effektiv. 265 Unmittelbare
264 265
Wüst, Interessengemeinschaft, S. 120-128.
"Wird darum der in seinem Gebrauchsrecht gestörte Mieter nur selten eine wirksame Unterstützung beim Vermieter finden, so zwingt man ihn, falls man ihm kein eigenes Klagerecht gegen den Störer zubilligt, seinem Anspruch in anderer Weise Geltung zu verschaffen. Ist er dazu nicht der Mann, so wird ihm der Mietrichter wohlmeinend raten, auszuziehen. Bei Lichte besehen bedeutet das nichts weiter als ein Zurückweichen der Rechtsordnung vor der Gewalt." Wüst, Interessengemeinschaft, S. 124; Hervorhebung im Original.
§ 2 Schlichte Gemeinschaft der Nebenparteien
Rechtsbeziehungen könnten über die Anerkennung einer Hausgemeinschaft, die der Sprachgebrauch bereits vollzogen habe,266 begründet werden. Das Verständnis des Verhältnisses der Mitmieter als "nachbarrechtlich orientierte Interessengemeinschaft" erlaube es - im Gegensatz zum Rechtsschutz über den Vermieter, dem Schutz aus einem mietvertraglichen Drittrecht oder dem Besitzschutz - sowohl Ausschluß- als auch Ausgleichslösungen zu begründen: Das Gemeinschaftsrecht geht über die individualistische Abgrenzung der einzelnen Rechtsbereiche hinaus und erlaubt die Gestaltung der gemeinschaftlichen Rechtssphäre. b) Aus der so begründeten Interessengemeinschaft ergibt sich die Rechtsstellung des Mieters. Die eigenen Mieträume bleiben im wesentlichen Privatbereich. Die Nutzung soll jedoch entsprechend § 14 Nr. 1 WEG eingeschränkt sein dahin, daß die Nachbarn nicht übermäßig beeinträchtigt werden dürfen. Dem Rechtsgedanken der §§ 921, 922 BGB folgend dürfen "Einrichtungen, die dem Vorteil der Hausbewohner dienen, im Zweifel von allen benutzt werden und darum ohne ihre Zustimmung auch nicht beseitigt werden."267 Einwirkungen auf die Nachbarwohnung unterliegen den Schranken des § 906 BGB. Die Nutzung gemeinsamer Räumlichkeiten darf - nach dem Rechtsgedanken der §§ 743 Abs. 2, 922 S. 1 BGB, 13 Abs. 2 WEG - den Mitgebrauch der anderen Interessenten nicht beeinträchtigen. Auch die Instandhaltung soll den Mietern gemeinsam obliegen.268 Weitere Folgerungen deutet Wüst 269 nur an. So kommt es für ihn in Betracht, das Recht der Hausordnung zu ändern. Die Ausführungen zielen auf ein gemeinschaftsrechtliches Verständnis der Hausordnung ab, das von der individualistischen Konzeption als Vertragsabrede abrücken soll. Die Hausordnung würde sich danach - in Parallele zu § 745 Abs. 2 BGB, §§ 15, 21 WEG - als eine Benutzungsordnung darstellen.
266
"Hier hat das Volk klarer gesehen als die bisherige Dogmatik unseres Zivilrechts." Wüst, Interessengemeinschaft, S. 125. 267
Wüst, Interessengemeinschaft, S. 128.
268
Wüst, Interessengemeinschaft, S. 128 f. Für letzteres nennt Wüst keine Vorschrift; gemeint ist wohl der Gedanke des § 748 BGB. 269
Wüst, Interessengemeinschaft, S. 129.
1. Teil: Unmittelbare Rechtsbeziehungen
2. Interessengemeinschaft
von Arbeitskollegen
An anderer Stelle hat Wüst eine Interessengemeinschaft zwischen Arbeitnehmern angedeutet.270 Ausgangspunkt ist die Arbeit im Gruppenakkord. Hier versprächen die Arbeitnehmer nicht nur die Tätigkeit, sondern die Zusammenarbeit. Daher liege in jedem Arbeitsvertrag eine Bezugnahme auf die "danebenstehenden" Arbeitsverhältnisse. Es komme zwar nicht zu einer vertraglichen, insbesondere gesellschaftsvertraglichen Verbindung. Doch kämen Vertragswirkungen unabhängig davon in Betracht. So lasse sich zwar das Verhältnis der Arbeitnehmer in der Betriebsgruppe nicht schlechthin nach dem Recht der Gesellschaft beurteilen. Aufgrund der strukturellen Parallelen komme die Übernahme von "allgemeineren Gedanken, auch Leitregeln" aber in Betracht. In einer Erläuterung ordnet Wüst "das Band zwischen Arbeitnehmern als zweckorientierte Interessengemeinschaft" 271 in der Terminologie Würdingers ein. "Dies deswegen, weil die fortdauernd reibungsfreie Zusammenarbeit aller Beteiligten eine nicht unbeträchtliche Ordnungsaufgabe stellt, ohne daß deswegen eine Selbstorganisation qua Gesellschaftsabkommen vorläge."272 Die Rechtsfolgen, die Wüst 273 daraus ableitet, sind allerdings von jenen im nachbarlichen Verhältnis erheblich verschieden und nur schwach ausgeprägt. Eine Pflicht zu "tadelfreiem Arbeitseinsatz" möchte er nur im Sinne einer "Verhaltensnorm" annehmen, die dem Arbeitnehmer eine Leitlinie für sein Verhalten darstellt. Als "Streitentscheidungsnormen" lehnt er weitere Verhaltenspflichtenunter Arbeitskollegen ab, da sonst unklare VerantwortungsVerhältnisse entstünden. Hier - anders als im Mietnachbarverhältnis - soll die Rechtsbeziehung nur über den Arbeitgeber bestehen. Dabei aktualisiert sich eine Eingriffspflicht des Arbeitgebers nur oberhalb einer Duldungsschwelle: "Auch dieses stillschweigende Einstehenmüssen für einander gehört zum Wesen einer Gemeinschaft und damit zum Wesen des Gruppenakkords."274
27 0
Wüst, Gruppenakkord. Wüst weist bereits in Interessengemeinschaft, S. 23 f., das Verhältnis von Arbeitnehmern als einen Beispielsfall "vom Leben geschaffener verflochtener Interessen" aus; dies führt er aber in dem besonderen Teil dieser Arbeit nicht aus. Eine Interessengemeinschaft zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgeber nehmen auch Hilger, Ruhegeld, S. 263 f. und Hueck/Nipperdey, Lehrbuch I, § 16 V (S. 96) an. 27 1
Wüst, Gruppenakkord, S. 20 Fn. 12.
27 2
Wüst, Gruppenakkord, S. 20 Fn. 12.
27 3
Wüst, Gruppenakkord, S. 20 f.
27 4
Wüst, Gruppenakkord, S. 21.
§ 2 Schlichte Gemeinschaft der Nebenparteien
m . Stellungnahme Die Interessengemeinschaft begründet das Gesuchte: Eine Verbindung zwischen den Nebenparteien. Doch sind sowohl gegen die Interessengemeinschaft als Verpflichtungsgrund als auch gegen die Annahme einer Interessengemeinschaft zwischen Mietern und zwischen Arbeitnehmern Einwände zu erheben.
1. Zur Lehre von der Interessengemeinschaft Der Lehre von der Interessengemeinschaft kommt das Verdienst zu, die disparaten Erscheinungsformen der Gemeinschaften geordnet und auf einen, wenn auch nicht den im Einzelfall allein tragenden Grund zurückgeführt zu haben. Vor allem die Lehre von Wüst geht jedoch über diese deskriptive und ordnende Funktion hinaus und zielt, wie das Beispiel der Mietnachbargemeinschaft zeigt, dahin, die Interessengemeinschaft als Verbindungs- und Verpflichtungstatbestand zu begründen. In dieser Form ist die Lehre von der Interessengemeinschaft abzulehnen.
a) Die Begründung von Gemeinschaften im geltenden Recht So zeigen sich die Grenzen der Tragfähigkeit, wenn mittels der Interessengemeinschaft eine Ausfallgemeinschaft von Gläubigern zu begründen versucht wird, wie etwa vom Reichsgericht in der Zuckerrübensamen-Entscheidung von RGZ 84, 125 unternommen. Denn dabei werden die Ausnahmeregeln275 des Konkursrechts, der großen Havarei usw. in eine Regel verkehrt, die das an sich herrschende Präventionsprinzip ("Wer zuerst kommt, mahlt zuerst."276) in Frage stellt. Mag die Interessengleichrichtung auch das gemeinsame Element der Gemeinschaften sein,277 so ist sie doch im deutschen Recht nicht das für die Begründung Entscheidende. So entsteht die Gesellschaft durch Vertrag. 278
27 5
Staudinger-Huber,
§ 741 Rn. 98: "Diese Ausnahmen vertragen keine Verallgemeinerung".
276
Im Sachsenspiegel, Landrecht, 2. Buch LIX 4 heißt es: "Wer ouch erst zu der mulen kommt, der sal erst malen." 277 27 8
Kritisch etwa Staudinger-Huber,
§ 741 Rn. 98.
Würdinger, Interessengemeinschaft, S. 20, sucht demgegenüber zu begründen, bei der Gesellschaft komme es nicht so sehr auf den Vertrag als auf die Interessengleichrichtung an; das zeige sich daran, daß Gelegenheitsgesellschaften oftmals konkludent geschlossen werden und in diesem Falle "die Existenz der Zweckgemeinschaft als faktische Gegebenheit" entscheidend sei. "Somit ist also für solche Fälle die besonders geartete, erkennbar nach außen hervortretende Interessenlage das Primäre, aus der die Unterstellung des Gesellschaftsvertrages erst abgeleitet
1. Teil: Unmittelbare Rechtsbeziehungen
Gemeinschaften aber entstehen kraft Gesetzes und stets unter der Voraussetzung, daß ein besonderes, eine gewisse Interessengleichrichtung freilich implizierendes Merkmal vorliegt: die Gemeinsamkeit eines Rechts, die Insolvenz des Gemeinschuldners, die gemeinsame Erbenstellung usf.
b) Unbestimmtheit der Interessengleichrichtung Es ist auch zu bezweifeln, daß die Interessengleichrichtung als Entstehungstatbestand einer Gemeinschaft überhaupt geeignet wäre. Dagegen spricht schon die "schillernde Verwendung dieses Wortes"279, von der ausgehend es nicht gelungen ist, zu einem handhabbaren Tatbestand mit voraussehbaren Rechtsfolgen zu gelangen.280 Bestimmtheit und Voraussehbarkeit sind aber notwendige Voraussetzungen eines auf dem Gedanken der Selbstbestimmung basierenden Zivilrechtssystems.281 Ohne vertragliche oder gesetzliche Festlegung können die Interessen als solche nicht bestimmt und auch nicht als gleichgerichtet erkannt werden.282 wird." Eine ähnliche Auffassung deutet Wüst, JZ 1985, 1078 an. Es ist jedoch nicht die Interessenlage oder die faktische Zweckgemeinschaft das Primäre, sondern die Vertragsabrede. Zur Bestimmung dieser wird freilich auch auf die erkennbaren Umstände zurückgegriffen; Grundlage dafür ist die Bestimmung des § 157 BGB. Die Auslegung von Rechtsgeschäften ist aber nicht allein durch § 157 BGB, sondern gleichfalls durch § 133 BGB bestimmt. Ist das Verhältnis dieser Normen zueinander auch umstritten (dazu Münchener Kommentzi-Mayer-Maly, §133Rn. 8 ff.), so steht doch fest, daß der Wille des Erklärenden bei der Auslegung nicht völlig außer Betracht bleiben kann (Flume, Rechtsgeschäft, § 16 3 b [S. 310]). Die Auslegung nach § 157 BGB dient dem Verkehrsinteresse an Vertrauensschutz. Das Prinzip der Willensherrschaft wird um einen Verantwortungsgedanken ergänzt (vgl. auch Larenz, Richtiges Recht, S. 81 f.). Hier so wenig wie sonst begründet aber die Interessenlage selbst eine Bindung. Auch kaufvertragliche Rechte und Pflichten kommen nicht schon durch das objektiv bestimmte Interesse der Parteien zustande. 279
So die Charakterisierung von Wüst, JZ 1961, 78. Schon Windscheid, Pandekten II, § 449 Anm. IIa (S. 934), lehnt den Begriff der Interessengemeinschaft - so wie ihn Jhering, JherJb 10 (1860), 245 ff., verwandte - wegen seiner "Vieldeutigkeit und Gefährlichkeit" ab. Kritisch auch Mayer-Maty, Rechtsverhältnis, S. 71. In diese Richtung zielt auch die Kritik von Mavridis, RdA 1956, 444, 447, der feststellt, die "Interessengemeinschaft" könne allein eine Gradunterschied zu anderen Rechtsverhältnissen aufzeigen, nicht aber einen Wesensunterschied. 280
Auch in seinem jüngsten Beitrag zur Interessengemeinschaft (JZ 1985, 1077, 1081) gelangt Wüst nicht darüber hinaus, den "exakten und nicht leicht gemachten Nachweis gemeinsamer Interessen" zu fordern, ohne aber zu klären, wie dieser zu leisten und anhand welcher Maßstäbe er zu messen sei. 281 Treffend formuliert Medicus, NJW 1995, 2577, 2580: "Die Selbstbestimmung als Ziel der Privatautonomie verlangt die Voraussehbarkeit dieser Folgen; privatautonomes Handeln ohne Voraussehbarkeit der Folgen gliche einer Lotterie." 282 Unter diesem Gesichtspunkt entspricht die Beschränkung auf /tec/zisgemeinschaften funktionell der Beschränkung der deliktsrechtlichen Ersatzansprüche auf Verletzungen von Rechtsgütern und
§ 2 Schlichte Gemeinschaft der Nebenparteien
Die Lehre von der Interessengemeinschaft untersucht denn auch nicht die aktuellen Interessen der Beteiligten; die aktuellen Interessen sind in den einschlägigen Fällen keineswegs stets gleichgerichtet.283 So etwa im Falle der unverschuldeten Unmöglichkeit bei beschränkter Gattungsschuld: Die Interessen der einzelnen Gläubiger sind durchaus gegensätzlich, denn jeder möchte möglichst die volle vereinbarte Lieferung, nicht eine anteilig gekürzte erhalten, die für ihn vielleicht sinnlos ist.284 Ebenso verhält es sich im Fall der infolge einer Überlastung der Fischmehlfabrik verdorbenen Fische.285 Die Interessen der genossenschaftsverbundenen Fischer waren nicht einheitlich darauf gerichtet, den Schaden, der einigen von ihnen entstanden war, zu sozialisieren, das beweist schon die von einem Genossen angestrengt Klage auf Zahlung des ungekürzten Abnahmepreises. Es geht mithin um normativ bestimmte Interessen.286 Doch fehlt dieser Bestimmung die Grundlage.287 Ohne gesetzliche oder vertragliche Maßgabe ist die
absoluten Rechten unter Ausschluß des "reinen Vermögens" (§ 823 Abs. 1 BGB): Jeweils wird bezweckt, die Freiheit der Rechtsgenossen nicht übermäßig zu beschränken; dazu Picker, AcP 183 (1983), 369, 470 ff. 283
Teilweise wird denn auch nicht von Interessengemeinschaft, sondern von Gefahrengemeinschaft gesprochen; siehe etwa Würdinger, Interessengemeinschaft, S. 22, 50, 56, 61, 62, 67 ("Schicksalsgemeinschaft", "Gefahrengemeinschaft"); Medicus, Bürgerliches Recht, Rn. 256. Die inhaltliche, nicht nur terminologische - Unsicherheit der "Interessengemeinschaft" zeigt sich wenn Wüst, Interessengemeinschaft, S. 125, zu ihrer Begründung auf den Sprachgebrauch rekurriert. Esser, Schuldrecht1, §§ 300, 301 und ders., Schuldrecht2, §§ 181, 182, sieht die Risiko- oder Opfergemeinschaft als einen Unterfall der Interessengemeinschaft an. 284 So weist schon de Boor, Forderungskollision, S. 20, daraufhin: "Die Interessen der Gläubiger sind von vornherein nicht gemeinschaftlich, sondern so gegensätzlich als nur möglich. Das müßte sich nach der bisherigen Auffassung besonders scharf dann zeigen, wenn die Ware nicht für alle reichte: nach dem Präventionsgrundsatz hätte es nun zu einem Wetüauf der Gläubiger kommen müssen." Ebenso Krückmann, LZ 1915, 95, 98. 285
BGH, NJW 1960, 1858 ff.; vgl. die Darstellung oben I 3.
286
Darauf weist auch Müller-Erzbach, Rechtswissenschaft, Kap. 16 (S. 79 f.). Beispielhaft sind auch die Ausführungen von Härder, Sammelsendung, § 71 (S. 47), der definiert: "Eine Interessengemeinschaft ist gegeben, wenn die Interessen verschiedener Personen sich dergestalt verhalten, daß die Förderung oder Verletzung der Interessen der einen nicht ohne Einfluß ist auf die Interessen der anderen Person oder Personen." Daher meint er, die Interessengemeinschaft umfasse auch Fälle des Interessengegensatzes (S. 47), er spricht sogar von einer "Interessengemeinschaft mit widerstreitenden Interessen" (S. 48). Wüst, Interessengemeinschaft S. 47 Fn. 1, entgegnet: "Richtig wäre zu formulieren, daß ein von der Rechtsordnung mißbilligter Interessengegensatz die Interessengemeinschaft nicht ausschließt." (Hervorhebung im Original.) 287 Es erinnert dieses Vorgehen an das von Rawls, A Theory of Justice, angewandte Verfahren: Die hypothetischen Partner eines Gesellschaftsvertrages werden dort hinter einen "veil of ignoran-
1. Teil: Unmittelbare Rechtsbeziehungen
Bestimmung gleichgerichteter Interessen der Willkür anheimgegeben. Es wird damit nicht bestritten, daß die von Würdinger und Wüst vorgeschlagenen Lösungen volkswirtschaftlich sinnvoll288 oder doch mindestens beachtlich erscheinen.289 Ihre Überzeugungskraft gewinnen sie aber allein aus Plausibilität. Auf dieser Grundlage ist eine sinnvolle Grenzziehung nicht möglich. Das zeigt wiederum der Fischereigenossenfall. Hier läßt sich ebensogut eine Interessengemeinschaft begründen oder - mit Wüst - ablehnen. Wüst verneint das Vorliegen einer Interessengemeinschaft mangels "hinreichend enger Interessenverflechtung (..) und weil der Kreis der Beteiligten sich nicht mit einiger Schärfe fixieren läßt".290 Wann die Interessen hinreichend eng sind, wann der Kreis hinreichend scharf abzustecken ist, läßt sich nicht feststellen. Mangels normativer Vorgabe der Interessengleichrichtung droht die Feststellung auch in einem Zirkelschluß zu enden. So lehnt z.B. Wüst im Fischereigenossen-Fall die Annahme einer Interessengemeinschaft ab, da die Zugehörigkeit zu einem Beruf einen hinreichend abgrenzbaren Beteiligtenkreis und einen zureichenden Grad der Interessenverflechtung nicht begründe.291 Der betrachtete Personenkreis läßt sich aber von vornherein auch anders beschränken: Z.B. auf die Fischer eines Ortes, jene der Genossenschaft292 oder auch diejenigen,
ce" gestellt. Auf der Basis der dort gegebenen beschränkten Informationen einigen sie sich auf Gerechtigkeitspostulate. Im Falle der Interessengemeinschaft wären z.B. die Interessen mehrerer Gläubiger, die sich hinter einem solchen "Schleier der Unkenntnis" befinden - z.B. Unkenntnis über ihre tatsächliche Geschäftsgewandtheit - wohl gleichgerichtet. 288
Darauf beruft sich Wüst, Interessengemeinschaft, S. 69,70; ebenso bereits Heinr. Stoll, DJZ 1936, 414, 418. Gegen die Begründung aus volkswirtschaftlichem Nutzen bereits LG Berlin, JW 1921, 769, 770 m.krit.Anm.v. Mittelstein (zum Sachverhalt s.o. A II 1): Daran, daß an der Vertragsbindung festzuhalten ist "kann auch das volkswirtschaftlich zweifellos bedenkliche Moment nichts ändern, daß die Unterhaltung der Zentralheizung allein für die Wohnung des Antragstellers eine ganz bedeutend größere Menge von Kohlen bzw. Koks erfordert, als verhältnismäßig bei der Beheizung des ganzen Hauses auf diese Räume entfallen würden. Dieses Bedenken erscheint nicht als ausreichend, um daraufhin die ausdrückliche Vertragsbestimmung als außer Kraft gesetzt zu betrachten." Anzumerken ist freilich, daß auch das geltende Zivilrecht nicht völlig an den volkswirtschaftlichen Interessen vorbeigeht; das zeigt sich z.B. in § 251 Abs. 2 S. 1 BGB und u.U. auch in den Anwendungsfällen des § 242 BGB, etwa der Lehre von der Geschäftsgrundlage. S.a. Stern, JW 1928, 525, zum Betrieb einer Sammelheizungs- bzw. Wasserversorgungsanlage: "In allen diesen Fällen mögen die Interessen sämtlicher Mieter oder eines Teils der Mieter übereinstimmen, ein rechtliches Band zwischen diesen besteht in solchen Fällen jedoch nicht." 289
Schon Reinhardt, AcP 160 (1961), 432,439, kommt zu dem Schluß, Rechtsdogmatisches und Rechtspolitisches werde von Wüst, Interessengemeinschaft, nicht immer streng getrennt. 290
Wüst, JZ 1961, 78, 79.
291
Wüst, JZ 1961, 78, 79.
§ 2 Schlichte Gemeinschaft der Nebenparteien
die an den fraglichen Fangtagen bei der bestimmten Fischmehlfabrik ihre Ladung angeboten haben. Je nach dem wird sich auch eine enge Beziehung feststellen lassen. Es zeigt sich, daß schon die Zusammenfassung mehrerer als Einheit ein begründungsbedürftiger Schritt ist. Denn sonst ergibt sich die Interessengleichrichtung durch die Zusammenfassung als Einheit, die ihrerseits erst begründet werden soll.293
c) Die Interessengemeinschaft im System des BGB Schließlich läßt sich die Verbindung durch Interessengleichrichtung mit dem die Rechtsgeschäftslehre bestimmenden Prinzip der Privatautonomie294 nicht vereinbaren.295 Denn Privatautonomie bedeutet Willensherrschaft und steht somit im Gegensatz zur Interessenherrschaft. So schließt die Willensherrschaft positiv auch die Möglichkeit ein, "gegen die eigenen Interessen" zu handeln;296 das zeigen schon §§ 177 Abs. 1, 267 Abs. 2, 333 BGB.297 Anders ausgedrückt
292
So in der Tat der BGH, NJW 1960, 1858, 1860; mit Rücksicht auf die ZuckerrübensamenRechtsprechung von RGZ 84,125 ff. liegt dieser Anknüpfungspunkt wohl auch am nächsten, denn auch dort wird die Gesamtheit der Vertragspartner vergemeinschaftet. 293
Dazu schon de Boor, Kollision, § 3 II (S. 23).
294
Dazu v.a. Flume, Rechtsgeschäft, § 1. "Die Privatautonomie ist das wesendichste Strukturelement unserer Rechtsordnung." (a.a.O. § 1, 9 [S. 16]). Zum Verhältnis von Selbstbestimmung und Gemeinschaftsbindung auch Larenz, Richtiges Recht, S. 115. 295
Wegen dieser Unverträglichkeit kommt der Vorschlag Wästs - der übrigens "Inkongruenzen (..) zu den Denkformen, nach denen das Bürgerliche Gesetzbuch gearbeitet ist" zugibt (Interessengemeinschaft, S. 15 f., 25 f.) -, die Interessengemeinschaft als Ordnungsprinzip in die Privatrechtsordnung aufzunehmen nicht in Betracht. Zwar ist das Rechtssystem ein "offenes", in das aufgrund von Änderungen durch Gesetzgebung, Rechtsprechung oder augrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnis auch neue Prinzipien einfließen können {Larenz, Methodenlehre, Kap. 6 3 c [S. 486 ff.]; Canaris, System, § 3 [S. 61 ff.]). Die Interessengemeinschaft hat solchen Widerhall indes nicht gefunden (S. etwa Paschke, AcP 187 (1987), 60, 71; Münchener Kommentar-ÄTramer, Einl vor § 241 Rn. 92 ff.). Im "festgelegten System" 0Larenz , Methodenlehre, Kap. 6 3 a [S. 478 f.]; Canaris, System, § 4 III [S. 78 ff.]) der zivilrechtlichen Verpflichtungsgründe (dazu Mayer-Maly, FS Nipperdey, S. 509, 518 f.; Ernst Wolf, JuS 1962, 101, 104) muß sich der Vorschlag der Interessengemeinschaftslehre daher an den gesetzlichen Rahmendaten, v.a. also dem Grundsatz der Privatautonmie messen lassen. 296 Dieser Grundsatz wird auch in der jüngeren Diskussion um den "Schutz des Menschen vor sich selbst" nicht geleugnet. Ausgangspunkt ist auch insofern die grundsätzlich anerkannte Selbstbestimmung, die lediglich aus besonderen Gründen, namentlich im Dienste ihrer Erhaltung, begrenzt werden soll, wobei die ausnahmsweise Beschränkung der Selbstbestimmung ihrerseits Schranken unterworfen wird. Zum Ganzen aus jüngerer Zeit Singer, JZ 1995, 1133 ff.; Zöllner, AcP 196 (1996), 1 ff.; Löwisch, ZfA 1996, 293 ff. 297
Dazu auch Flume, Rechtsgeschäft, § 1 , 6 (S. 7 ff.).
0
1. Teil: Unmittelbare Rechtsbeziehungen
heißt das: Es ist die Sache jedes einzelnen, für sich zu bestimmen, was in seinem Interesse liegt und für ihn das Beste ist.298 In negativer Richtung bedeutet das Prinzip der Selbstgestaltung die Freiheit außerhalb willensgetragener Selbstbindung. Selbst im Rahmen der Geschäftsführung ohne Auftrag, die auf der Grenzlinie zwischen Vertrags- und Gesetzesbindung liegt, gibt es grundsätzlich keine dem Willen widersprechende Bindung. Nur ausnahmsweise bestimmt § 679 BGB die Unbeachtlichkeit des Willens des Geschäftsherrn. Grundsätzlich kommt es nach §§ 683, 684 S. 2 BGB auf seinen Willen an und zwar auf den aktuellen, nicht den wohlverstandenen Willen. Und umgekehrt setzt die Bindung des Geschäftsführers dessen Fremdgeschäftsführungswillen voraus.299 Auch die Folgen der Interessengemeinschaft - Mehrheitsprinzip und Gleichbehandlungsgrundsatz - gelten im Privatrecht nur aus besonderem Grund und nicht so allgemein, wie sich dies mittels der Interessengleichrichtung als Verpflichtungstatbestand begründen ließe. So gilt das Mehrheitsprinzip nur aufgrund besonderer gesetzlicher Anordnung oder - im Falle der Zweckverbände - aufgrund der Beitrittserklärung, die eine entsprechende Unterwerfung einschließt.300 Einen allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz aufgrund gleicher Interessen gibt es im Zivilrecht nicht.301 Soweit der Gleichbehandlungsgrundsatz im Zivilrecht Geltung beansprucht, wird dies anders als durch die Interessengleichrichtung begründet.302 So stellt die arbeitsrechtliche Gleichbehandlungspflicht das vom Gebot austeilender Gerechtigkeit geforderte Korrelat zum einseitigen Normvollzug dar. 303 Ob der Gleichbehandlungsgrundsatz im Mietrecht gilt, ist umstritten;304 die Befürworter stützen sich ebenfalls auf die
298
Dazu im Rahmen der Frage nach der Richtigkeitsgewähr durch Vertrag auch Flume, Rechtsgeschäft, § 1, 6 a (S. 7). 299 Deshalb ist es - entgegen der Ansicht von Wüst, Interessengemeinschaft, S. 34 f. - durchaus sachgerecht, zu prüfen ob ndem Geschäftsführer bewußt geworden ist, ob er zufällig daran gedacht hat, daß sein Handeln auch anderen zugute kommt." Im Einzelfall mag sich der Handelnde grämen, nicht an das Drittinteresse gedacht zu haben. Doch ist die Kehrseite der Privatautonomie die Selbstverantwortung. 300
Zur Begründung des Mehrheitsprinzips in der Zweckgemeinschaft etwa Soergel-Hadding, § 21 Rn. 50: Ausgehend von einer Vertragstheorie gründet er die Mehrheitsherrschaft auf das rechtgeschäftliche, also privatautonome Einverständnis, das in der Gründung oder dem Beitritt liegt. 301
Münchener Kommentar-AT. Schmidt, § 741 Rn. 62.
302
Staudinger-Huber,
303
Vgl. nur Zöllner/Loritz,
304
Soergel-Teichmann,
vor
§ 741 Rn. 98 f.; Münchener Kommentar-^. Schmidt, § 741 Rn. 62 f. § 17 I (S. 194); MünchArbR-Richardi, § 14 Rn. 7 f. § 242, 48; Münchener Kommentar-/tof/z, § 242 Rn. 41.
§ 2 Schlichte Gemeinschaft der Nebenparteien
1
Gleichbehandlungspflicht beim Normvollzug305 und auf eine Drittwirkung der Grundrechte.306 Die von der Individualfreiheit ausgehende Privatautonomie führt daher notwendig zu der bereits von de Boot 307 kritisierten "isolierten Betrachtungsweise".308 Wenngleich auch deren Grenzen nicht vernachlässigt werden dürfen, so ist doch in erster Linie die damit verbundene Freiheitsgewähr zu erkennen, die von der Interessengemeinschaft bedroht wird. 309 Die Lehre von der Interessengemeinschaft verträgt sich nicht mit dem geltenden Schuldrechtssystem, ja sie "rührt an die Grundlagen unseres Schuldrechts"310 "Die Durchführung des Gedankens der Interessengemeinschaft der Gläubiger ergibt (..) ein völlig verändertes Schuldrecht und schwerlich ein schöneres, als wir es haben."311
2. Zur Interessengemeinschaft
der Nebenparteien
Erweist sich die Lehre von der Interessengemeinschaft als Vergemeinschaftungstatbestand untauglich, so ist nur mehr zu dem tatsächlichen Befund der
305 Rathjen, MDR 1980, 713 ff.; Paschke, Wohnraummiete, S. 424 f., der den kollektiven Bezug des Vermieterhandelns allerdings auf seine unzutreffende (dazu unten C) Annahme einer Mietergemeinschaft stützt; a.a.O. S. 425. 306 J. Hager, JZ 1994, 373, 378 (unmittelbare Drittwirkung); Staudinger 21-Kiefersauer, § 535 Rn. 5; gegen diesen Ansatz etwa Flume, Rechtsgeschäft, § 1, 10 (S. 21 f.); Canaris, AcP 184 (1984), 201, 203 ff.; Medicus, AcP 192 (1992), 35, 43. 307
de Boor, Kollision, § 2 IV (S. 17 ff.); s.a. Wüst, JZ 1985, 1077, 1080.
308
Flume, Rechtsgeschäft, § 1, 9 (S. 15) (Privatautonomie als individualistisches Prinzip); vgl. auch Paschke, AcP 187 (1987), 60, 63 f. Zur "relativen Methode" als Konsequenz der Privatautonomie Denck, Rechtstheorie 12 (1981), 331 ff., bes. 341 ff. und ders., JuS 1981, 9 ff. 309
Der Einwand, den Wiedemann, Arbeitsverhältnis, S. 5, gegen die Eingliederungstheorie erhoben hat, trifft auch hier: "In ihrer extremen Gestalt bedroht die Eingliederungstheorie unmittelbar die Freiheit der Person, zu deren Sicherung die ausgefeilte Rechtsgeschäftslehre dient, um nur wirklich freiwillige und selbständig begründete Rechtspflichten entstehen zu lassen." 310 Ernst Rabel, JW 1922, 158 f. Rabel konnte sich die widerspruchslose Hinnahme der durch die Interessengemeinschaft begründeten "quasi genossenschaftlichen Zusammenbindung" nur damit erklären, daß die Kriegsnot das deutsche Volk an noch schlimmere Formen der Zwangsorganisation gewöhnt habe und sich "nicht davon überzeugen, daß wir es mit einer gesunden Entwicklung zu tun haben"; vgl. auch dens., Warenkauf I, § 23 HI 1 d (S. 152). 311 de Boor, Kollision, § 3 III (S. 27), zurZuckerrübensamenrechtsprechung. H.P. Westermann, AcP 178 (1978), 150, 163, stellt fest: "Versuchen, die offenbar unhandliche Figur der Solidarität oder Risikogemeinschaft für das allgemeine Privatrecht nutzbar zu machen [ist] offenbar eine natürliche Grenze gesetzt."
vor
1. Teil: Unmittelbare Rechtsbeziehungen
Interessengemeinschaft zwischen Nebenparteien und zu den daraus abgeleiteten Folgen Stellung zu nehmen.
a) Zu dem tatsächlichen Befund Zuzustimmen ist einzelnen von Wüst hervorgehobenen Merkmalen des Verhältnisses von Mietern und Arbeitnehmern untereinander. So ist in der Tat die Tätigkeit von Arbeitnehmern regelmäßig auf Zusammenarbeit für eine gemeinsame Aufgabe und somit der Anlage nach auch auf andere Arbeitnehmer bezogen. Entsprechendes gilt für das Mietverhältnis: Wohnen im Mehrparteienhaus bedeutet Zusammenwohnen und ist somit vertraglich auch auf die anderen Mieter bezogen. Angesichts der Verflechtungen der Nebenparteien erscheint es in der Tat als mißlich, sie im Verhältnis zueinander auf den Umweg über den Vermieter bzw. Arbeitgeber zu verweisen.
b) Zur Regelung der "Interessengemeinschaft" von Mietnachbarn und von Arbeitskollegen Die konkreten Lösungsvorschläge Wüsts für das Verhältnis von Mietern bzw. Arbeitnehmern als Interessengemeinschafter vermögen demgegenüber nur teilweise zu überzeugen. So entspricht etwa die entsprechende Anwendung der Vorschriften der §§ 906, 921, 922 BGB, § 14 Nr. 1 WEG im Verhältnis unter Mietern im wesentlichen der auch anderweit geäußerten Ansicht einer Bindung nach Treu und Glauben. Dieselbe Bindung als Verpflichtung gegenüber dem Vermieter ist doch regelmäßig schon dem Mietvertrag durch Auslegung zu entnehmen. Ist Besonderes nicht vereinbart, so darf man etwa annehmen, es sei der Mieter dem Vermieter gegenüber verpflichtet, von dem vermieteten Wohnund Gemeinschaftsraum "nur in solcher Weise Gebrauch zu machen, daß dadurch keinem der anderen [Mieter] über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus ein Nachteil erwächst" (§ 14 Nr. 1 WEG). 312 Anderen Folgerungen ist aber entgegenzutreten. So verdeutlichen die Ausführungen zur Hausordnung und die Anwendbarkeit des Mehrheitsprinzips im Mieterverhältnis, daß die Lehre von der Interessengemeinschaft die Individualrechte zu beschneiden und dem Gemeinschaftsinteresse zu opfern droht. Entgegen der erworbenen Vertragsposition eines Mieters wäre es danach möglich, ihm weitere Pflichten aufzuerlegen (Schneeräumen) oder seine Rechte
312
Insoweit zust. auch Reinhardt,
AcP 160 (1961), 432, 437.
§ 2 Schlichte Gemeinschaft der Nebenparteien
zu beschränken (Benutzung des Trockenbodens).313 Das widerspricht der positiven Vertragsfreiheit, soweit Vertragsrechte beschnitten werden, es widerspricht der negativen Vertragsfreiheit, soweit dadurch neue Pflichten begründet werden.
IV. Ergebnis Die Lehre von der Interessengemeinschaft begründet eine Gemeinschaftsbeziehung von Mietern eines Hauses und Arbeitnehmern eines Betriebes aufgrund gleichgerichteter Interessen. Dem ist nicht zu folgen. Denn schon die Theorie der Interessengemeinschaft vermag als Verpflichtungsgrund nicht zu überzeugen, da sie insoweit mit der Rechtsgeschäftslehre des BGB nicht vereinbar ist. Die Annahme einer Interessengemeinschaft von Mitmietern oder von Arbeitskollegen beruht auf einem beachtlichen tatsächlichen Befund der Verhältnisse. Die Regelung des Mietnachbar- oder Kollegenverhältnisses auf der Grundlage der Interessengemeinschaft zeigt indes unbegründet weitreichende und freiheitsbedrohende Konsequenzen.
C. Allgemeiner Begriff des Gemeinschaftsrechts Der Lehre von der Interessengemeinschaft verwandt, sind andere Bemühungen, das Spezifikum des Gemeinschaftsrechts herauszuarbeiten. Auf diese Weise ergibt sich eine allgemeine Bestimmung gemeinschaftsrechtlicher Normen. Eine Gemeinschaft ist dann die Beziehung, die von Gemeinschaftsrecht geordnet wird. Eine solche Bestimmung des Gemeinschaftsrechts findet sich in Larenz ' Beitrag "Zur Lehre von der Rechtsgemeinschaft".314 Ernst Wolf sucht sie in seinen "Grundlagen des Gemeinschaftsrechts".315 In jüngerer Zeit hat Paschke "Außervertragliche Sozialbeziehungen" untersucht.316 Aufgrund ihres gemeinsamen Ziels gehören die drei Ansätze inhaltlich zusammen. Daß gleichwohl zuerst zu Paschke (I) und anschließend zu Larenz und Ernst Wolf (II) Stellung genommen wird, rechtfertigt sich aus den jeweils verschiedenen Ansätzen zur Bestimmung des Gemeinschaftsrechts. Denn
313 Zur Problematik des "Erlasses" von Hausordnungen und der Wahrung der Vertragsrechte Staudinger-Emmerich, vor § 535 Rn. 265 ff., 268. 314
Larenz, JherJb 83 (1933), 108 ff.
315
Ernst Wolf,
316
Paschke, AcP 187 (1987), 60 ff.
AcP 173 (1973), 97 ff.
1. Teil: Unmittelbare Rechtsbeziehungen
während Larenz und Wolf im Ansatz nur analytisch vorgehen, hat sich Paschke darüber hinaus das Ziel gesteckt, eine der Lehre von der Sonderverbindung entsprechende Gemeinschaftstheorie zu begründen, eine Theorie mithin, die nicht nur erklärt, sondern eigens Rechtsbeziehungen begründet. Aus diesem Ansatz ergeben sich für ihn vor allem auch "Sozialbeziehungen" zwischen Wohnungsmietern; darauf ist näher einzugehen. I. "Außervertragliche SozialbeziehungenM nach Paschke 1. Darstellung a) Paschke unternimmt es, eine allgemeine Lehre von außervertraglichen Sozialbeziehungen zu begründen. Das Bürgerliche Gesetzbuch beschränke sich entsprechend seiner individualistischen Konzeption auf individualrechtliche Beziehungen. Damit werde aber nur ein Teilbereich der tatsächlichen Verhältnisse erfaßt; außer Betracht blieben zu Umecht Sozialbeziehungen "im Bereich der Gruppen- und Organisationsbildung". Der Zivilrechtsdogmatik sei die rechtliche Erfassung solcher außervertraglicher Sozialbeziehungen aufgegeben.317 Paschke untersucht deshalb die Frage, "ob und unter welchen Voraussetzungen Sozialbeziehungen rechtliche Bedeutung erlangen können".318 Die allgemeinen Voraussetzungen für die rechtliche Anerkennung von Sozialbeziehungen sucht Paschke im Wege der Induktion zu gewinnen. Grundlage für seine Untersuchung sind die Beziehungen von Personengesellschaftern, Bruchteilsgemeinschaftern, Arbeitnehmern im verfaßten Betrieb, Wohnungseigentümern und Grundstücksnachbarn.319 Er entnimmt den untersuchten Regeln drei Voraussetzungen für die Annahme einer rechtlich relevanten Sozialbeziehung: (1) Die Gemeinschaftsordnung, (2) den gemeinsamen Rechtskreis und (3) den gemeinsamen Zweck. Durch die Gemeinschaftsordnung als rechtliche Regelung unterscheide sich die rechtliche Sozialbeziehung von der bloß gesellschaftlichen Beziehung. Die Gemeinschaftsordnung wird von Paschke dahin näher charakterisiert, daß sie nicht notwendig organisationsrechtliche Elemente enthalte. Der gemeinsame Rechtskreis grenze die Gemeinschafter von anderen Bürgern ab. Der gemeinsame Zweck ist hier nicht im engen Sinne von § 705 BGB gemeint;
317
Paschke, AcP 187 (1987), 60, 63 ff.; ders., Wohnraummiete, S. 84 ff. und 108 ff.
318
Paschke, AcP 187 (1987), 60, 63.
319
Paschke, AcP 187 (1987), 60, 72-81.
§ 2 Schlichte Gemeinschaft der Nebenparteien
darunter ist z.B. auch der Erhaltungszweck bei der schlichten Rechtsgemeinschaft zu verstehen.320 b) Liegen die genannten drei Voraussetzungen vor, so sei die damit gekennzeichnete Sozialbeziehung auch rechtlich anzuerkennen. Welche Regeln dann gelten, erläutert Paschke zunächst nicht allgemein. Aufschluß darüber ergeben seine Ausführungen zum Mietnachbar- und zum Arbeitskollegenverhältnis. Im Kollegenverhältnis setzt er unter der Geltung der Betriebsverfassung das Bestehen einer rechtlich relevanten Sozialbeziehung schon voraus: Die "gemeinschaftsrechtlichen Beziehungen im Arbeitsverhältnis" sind Teil seiner Induktionsbasis. Besondere Rechtsregeln für ihr Verhältnis stellt er aber nicht auf. Nur mißt er dem Gemeinschaftsgedanken Bedeutung bei "als Interpretament und Rechtfertigungstopos für die Entscheidung gesetzlich nicht geregelter Streitfragen". 321 Dies belegten die Entscheidung des BVerfG zum Ausschluß des Schmerzensgeldanspruchs durch §§ 636 f. RVO 322 und die Meinung, der Haftungsausschluß unter Arbeitskollegen, § 637 Abs. 1 RVO, gelte auch für Sachschäden.323 Für Mietnachbarn gründet Paschke Sozialbeziehungen auf die §§ 554a, 541b BGB. Diese Normen seien wegen ihres Bezugs auf den Hausfrieden nicht individualrechtlich zu erklären, 324 sie begründeten eine Gemeinschaftsordnung,325 aus der sich der gemeinsame Rechtskreis des Wohnhauses326 und der gemeinsame Zweck der Wahrung des Hausfriedens ergebe, aus dem die
320
Paschke, AcP 187 (1987), 60, 81-87.
321
Paschke, AcP 187 (1987), 60, 77.
322
BVerfG, NJW 1973, 505.
323
Dafür spricht sich in der Tat Denck, Außenhaftung, S. 112 m.w.N. aus; abl. hingegen Gamillscheg/Hanau, Haftung, § 11 2 (S. 158). 324
Paschke, Wohnraummiete, S. 121. "Der Schutzgegenstand des § 554a BGB läßt sich aber mit den Kategorien des individualrechdichen Rechtsverhältnisbegriffs nicht sinngebend erfassen. In der Verpflichtung zur Wahrung des Hausfriedens findet eine Gemeinschaftsordnung für die Sozialbeziehungen im Wohnraummietverhältnis positivrechdichen Niederschlag." 325 Paschke, Wohnraummiete, S. 120. Zur Begründung führt er an, daß die Vorschriften "das Phänomen der Eingebundenheit jedes einzelnen Mieters in den Sozialverband der Mitmieter eines Hauses anerkennen und ordnend erfassen. (..) Der Rechtsbegriff des Hausfriedens bezeichnet das Erfordernis gegenseitiger Rücksichtnahme sämdicher Bewohner eines Wohnhauses untereinander, bezieht sich also tatbestandlich nicht auf die Beziehungen der Mietvertragsparteien zueinander, sondern auf das Verhältnis der Mieter dieses Hauses untereinander." 326
Paschke, Wohnraummiete, S. 124.
1. Teil: Unmittelbare Rechtsbeziehungen
Mieter verpflichtet würden, "auf ein geordnetes Zusammenleben im gemeinsamen Gebäude hinzuwirken."327 Unterstützt werde die Annahme einer Gemeinschaft durch die Geltung des "Partnerschaftsgedankens", der, in erster Linie für das Verhältnis der Mietvertragsparteien konzipiert, auch das Verhältnis der Mitmieter erfasse. 328 Aus dieser Sozialbeziehung von Mietnachbarn folgert Paschke Rücksichtsund Duldungspflichten, die "zu den essentiellen Rechtswirkungen jedes Gemeinschaftsverhältnisses im Rechtssinne" gehörten.329 "Die Rücksichtnahmepflichten im Wohnraummietverhältnis dienen dem Ziel einer wechselseitigen Optimierung der Gebrauchsbefugnisse sämtlicher Wohnraummieter eines Hauses. Ihr Schutzgut ist nicht die 'Hausgemeinschaft' als eine von den Individualinteressen der einzelnen Mieter gelöste Kategorie, sondern das schuldrechtliche Gebrauchsrecht des einzelnen Mieters, das um des Schutzes der gleichberechtigten Befugnisse der Nachbarmieter willen solche Einschränkungen erfährt, die der Sozialbindung der individuellen Befugnisse im gemeinschaftlichen (nachbarlichen) Zusammenleben Ausdruck verleihen."330 Duldungspflichten gälten entsprechend § 906 BGB.331 c) Zusammengefaßt heißt das: Außervertragliche Sozialbeziehungen bestehen dann, wenn für eine Personengruppe, die hinsichtlich eines gemeinsamen Rechtskreises einen gemeinsamen Zweck i.w.S. hat, eine Gemeinschaftsordnung besteht. Innerhalb dieser Beziehungen treffen die Beteiligten Rücksichts- und Duldungspflichten nach dem Modell von § 906 BGB, ihre Rechtsstellung ist mit Rücksicht auf den Gemeinschaftsgedanken zu verstehen, der als "Interpretament und Rechtfertigungstopos" herangezogen werden kann.
2. Stellungnahme Den außervertraglichen Sozialbeziehungen liegt aufgrund ihrer Induktionsbasis ein "weiterer" Gemeinschaftsbegriff zugrunde (a). Der daraus entwickelte Tatbestand erweist sich als nicht tragfähig, die angenommenen Rechtsfolgen
327
Paschke, Wohnraummiete, S. 127.
328
Paschke, Wohnraummiete, S. 121 und 88 f.
329
Paschke, Wohnraummiete, S. 128 ff.
330
Paschke, Wohnraummiete, S. 130.
331
Paschke, Wohnraummiete, S. 130 ff.
§ 2 Schlichte Gemeinschaft der Nebenparteien
werden von der Induktionsbasis nicht gedeckt (b). Entscheidend mangelt es an einem Verpflichtungsgrund für die Sozialbeziehungen (c).
a) Zur Induktionsbasis Ausgangspunkt für die Bestimmung Paschkes sind auch das Grundstücksnachbarverhältnis und das Arbeitskollegenverhältnis. Ersteres ist aber kein Gemeinschafts Verhältnis, zweites jedenfalls kein Gemeinschaftsverhältnis im Sinne des BGB, sondern durch besondere Gestaltung ausgezeichnet.
aa) Das Grundstücksnachbarverhältnis Ein Gemeinschaftsverhältnis von Grundstücknachbarn sucht Paschke in erster Linie historisch zu begründen. Nur dazu, nicht zur Lehre vom nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis allgemein, die später behandelt wird (unten E), ist hier Stellung zu nehmen. Paschke meint, es liege in den Nachbarrechtsregeln eine "Abkehr von einem liberal-individualistischen Eigentumsbegriff". 332 Doch handelt das Nachbarrecht, anders als § 904 BGB, gerade nicht von der Sozialbindung des Eigentums i.S.v. Art. 14 Abs. 2 GG. Es geht von dem "liberal-individualistischen Eigentumsbegriff" in § 903 BGB aus und normiert mit dem Nachbarrecht nur die Einschränkungen des Eigentums, die sich infolge der Lage im Raum aus Kollisionen der widerstreitenden Eigentumsrechte ergeben. Das ist eine konsequente Fortschreibung des Eigentumsbegriffs von § 903 BGB. Weiterhin argumentiert Paschke , der Gesetzgeber habe das Verhältnis der Grundstücksnachbarn auf der Grundlage der "Nachbarrechtstheorie" geregelt, welche ihrerseits die "Idee der Gemeinschaft" betone.333 Damit wäre freilich noch nichts bewiesen. Denn die Konstruktion, die einer Norm zugrunde liegt, besagt nichts über deren rechtstechnische Umsetzung. Daraus, daß einer Regelung eine Theorie zugrunde liegt, die ihrerseits eine "Idee betont", lassen sich konkrete Schlüsse über die Rechtsnatur der Regelung nicht ziehen. Zweitens aber findet sich in den Materialien - soweit ersichtlich - kein Anhalt für
332
Paschke, AcP 187 (1987), 60, 79.
333
Paschke, AcP 187 (1987), 60, 79 f. unter Verweis auf Säcker/Paschke,
1010. 7 Riesenhuber
NJW 1981, 1009,
1. Teil: Unmittelbare Rechtsbeziehungen
die "Idee der Gemeinschaft".334 Auch die Erwägungen zur "Konstruktion" des Notwegerechts weisen nur aus, daß die Expropriationstheorie ebenso wie die obligatorische Lösung abgelehnt wurde und in Anlehnung an das französische Recht den umliegenden Grundstücken gesetzliche Beschränkungen durch eine Duldungspflicht mit Entschädigungsausgleich auferlegt wurden. Von der Nachbarrechtstheorie ist hier ebensowenig die Rede wie von einer Gemeinschaft. 335 Die Gesetzesverfasser haben mithin auf eine "Idee der Gemeinschaft" jedenfalls keinen ersichtlichen Wert gelegt und auch "gemeinschaftsrechtliche Sozialbeziehungen" mit dem Nachbarverhältnis nicht "legislativ anerkannt", wie Paschke 336 meint.
bb) Das Arbeitskollegenverhältnis Nicht jedes Verhältnis von Arbeitnehmern, sondern nur das unter Anwendung des Betriebsverfassungsgesetzes, hält Paschke für eine Gemeinschaftsbeziehung. Für die Begründimg einer zivilrechtlichen Lehre der Sozialbeziehungen erscheint dieser Ausgangspunkt zweifelhaft, stellt doch die Betriebsverfassung zum mindesten eine Besonderheit in der Zivilrechtsordnung dar, wenn nicht einen Fremdkörper. 337 Darüber hinaus ist auch die Arbeitnehmergemeinschaft unter der Betriebsverfassung nicht nachgewiesen,338 zumal, wie auch Paschke
334 Von einem "gemeinsamen Interesse" und "gemeinsamen Geschäft" ist zur Begründung der Regeln über die Abmarkung die Rede, Motive III, S. 268 (§851 E I); die Grenzverwirrung sei kein Fall der Gemeinschaft, Motive m, S. 272 (§ 852 E I); für Grenzanlagen wird das Recht der Bruchteilsgemeinschaft erst kraft konstitutiver Verweisung anwendbar, um eine Gemeinschaft handelt es sich nicht, Motive III, S. 276 f. (§ 854 E I); wegen der natürlich bedingten Unteilbarkeit werden die Verfügungsrechte der Nachbarn über den Grenzbaum eingeschränkt und in bestimmter Hinsicht vergemeinschaftet, eine (Miteigentümer-) Gemeinschaft an dem Grenzbaum entsteht indes nur durch Mobilisierung, Motive III, S. 278 (§ 855 EI). In allen diesen Fällen wird mithin eine Gemeinschaft entweder verneint oder nur aufgrund besonderer Umstände angenommen und z.T. erst eigens begründet. 335
Motive III, S. 290, 291 f.; (§ 863 E I).
336
Paschke, AcP 187 (1987), 60, 79, 80.
337
Siehe etwa Konzen, ZfA 1985, 469, 480 ff.; GK-Kraft, § 1 Rn. 4; Weitnauer, S. 705 ff. 338
FS Duden,
Zur Begründung beruft Paschke, AcP 187 (1987), 60, 75, Zöllner, FS BAG, 745, 752 f. Zöllner formuliert aber vorsichtiger: Er meint, es könne die verfaßte Belegschaft als Personenverbindung nicht geleugnet werden. Ob man sie als Gemeinschaft ansehe, das komme darauf an, welchen Inhalt man dem Begriff beilege. Zöllner befürwortet die Annahme einer Gemeinschaft mit Blick - vor allem - auf die Möglichkeit, gemeinsame Interessen gemeinsam zu ordnen und auf den Gleichbehandlungsanspruch, der gegenüber Arbeitgeber und gegenüber dem Betriebsrat besteht. Daß es sich um eine Gemeinschaft i.S. des BGB handele, sucht er nicht zu begründen. Zöllner
§ 2 Schlichte Gemeinschaft der Nebenparteien
nicht verkennt, die Betriebsverfassung weder eine Willensbildung der Arbeitnehmer noch deren unmittelbaren Einfluß auf die Mitbestimmung begründet.339 Schließlich ist aber zu bedenken: Wenn man die verfaßte Belegschaft als Gemeinschaft ansehen kann, so wohl deswegen, weil sie durch die Organisationsnormen der Betriebsverfassung vereint wird. Dann sind diese aber essentiell und können daher nicht im Induktionsverfahren extrahiert werden.
b) Zur Ausgestaltung der Sozialbeziehungen Kann von dieser Grundlage ausgehend auch nicht der dem BGB zugrundeliegende Gemeinschaftsbegriff gewonnen werden, so läßt sich darauf doch ein anderes, freilich notwendig weiteres und weniger aussagekräftiges Verständnis der Sozialbeziehungen entwickeln. Die Bestimmung Paschkes bleibt jedoch in Tatbestand und Rechtsfolge unscharf. 340 aa) Kennzeichen der Sozialbeziehungen sind die Gemeinschaftsordnung, der gemeinsame Rechtskreis und der gemeinsame Zweck. Der gemeinsame Rechtskreis und der gemeinsame Zweck werden aber nur durch die Gemeinschaftsordnung gekennzeichnet: Paschke grenzt den gemeinsamen Rechtskreis "durch methodengerechte Auslegung der gemeinschaftsrechtlichen Ordnungsnormen" ab341 und auch der gemeinsame Zweck kann erst aus der Gemeinschaftsordnung abgeleitet werden.342 Damit ist aber die Sozialbeziehung nur durch die Gemeinschaftsordnung gekennzeichnet. Die Gemeinschaftsordnung ihrerseits ist aber nicht besonders charakterisiert. Insbesondere lehnt Paschke die Kennzeichnung von sozialrechtlichen Normen durch organisationsrechtliche Elemente ab.343 Es ist somit die Gemeinschaft durch die Gemeinschaftsordnung bestimmt, ohne daß die Gemeinschaftsordnung ihrerseits unabhängig von dem Begriff der "Gemeinschaft" bestimmt
nimmt darüber hinaus an, die Arbeitnehmer schuldeten einander nach Treu und Glauben Rücksicht, wenn sie auch eine Treuepflicht nicht verbinde. Freilich begründet er das a.a.O. nicht näher. Der Hinweis auf § 242 BGB deutet aber auch nur auf eine individualrechdiche, nicht auf eine gemeinschaftsrechdiche Bindung hin. 339
Paschke, AcP 187 (1987), 60, 76.
340
Zur Bedeutung der Bestimmtheit für die Privatautonomie vgl. bereits oben, § 2 B III 2 1 b.
341
Paschke, AcP 187 (1987), 60, 83 f.
342
Paschke, AcP 187 (1987), 60, 87.
343
Paschke, AcP 187 (1987), 60, 83.
100
1. Teil: Unmittelbare Rechtsbeziehungen
würde. Eine rechtlich relevante Sozialbeziehung ist mithin definiert als tatsächliche Gemeinschaftsbeziehung, die rechtlich geordnet ist. Wie das Beispiel der "Gemeinschaftsordnung" der Mitmietergemeinschaft ausweist - sie findet Paschke in den Vorschriften der §§ 554a, 541b BGB, die weder die Mieter unmittelbar einander verpflichten noch von Gemeinschaft handeln -, ist die Gemeinschaftsordnung geradezu indifferent; erforderlich ist nur ein Rechtssatz mit Bezug auf das Verhältnis mehrerer. So bleibt von dem Tatbestand nur die tatsächliche Gemeinschaft übrig. Wodurch die tatsächliche Gemeinschaft gekennzeichnet ist, erläutert Paschke jedoch nicht. Wenn es für die Bestimmung außervertraglicher Sozialbeziehungen entscheidend auf die tatsächlich vorgefundenen Gemeinschaften ankommt,344 so erinnert dies im übrigen an das "konkrete Ordnungsdenken" Carl Schmitts, 345 wonach die Wirklichkeit ihre Ordnung in sich trägt und von der Norm nur in gewissem Maße reguliert wird. 346 Die Offenheit des Denkens in konkreten Ordnungen für weltanschauliche Einflüsse,347 die durch die Vieldeutigkeit des Begriffs noch verstärkt wird, 348 überwindet auch der Ansatz Paschkes nicht.349 bb) Paschke hält Organisationsnormen nicht für das Kennzeichen der Sozialbeziehungen. Dementsprechend sind die Sozialbeziehungen auch in ihren Wirkungen schwächer als die Beziehungen zwischen Gesellschaftern oder Interessengemeinschaftern, sie binden etwa nicht an das Mehrheitsprinzip. Als spezifisch gemeinschaftsrechtliche Folge bleiben allein Rücksichts- und Duldungspflichten,350 die jenen entsprechen sollen, die unter Grundstücksnachbarn
344 Ein solches Abstellen auf die tatsächlichen Gegebenheiten eignet zu gewissem Grade auch der Lehre von der Interessengemeinschaft und kommt bei Wüst, Interessengemeinschaft, S. 125, zum Ausdruck, wenn er hinweist, es habe das Volk klarer gesehen als die zivilrechtliche Dogmatik (oben, B I 2, II). 345
Carl Schmitt, Über die drei Arten des rechts wissenschaftlichen Denkens. Dazu etwa Rüthers, Auslegung, § 18 II (S. 277 ff.); Koch, Methode, S. 104 ff.; Kroeschell, Rechtsgeschichte, Kap. 10 I und II (S. 83 ff.). 346
Schmitt, Über die drei Arten, S. 11.
347
Rüthers, Auslegung, § 18 III 3 d (S. 313 f); Koch, Methode, S. 104, 116.
348
Auf diese weist Rüthers, Auslegung, § 18 II 3 c (S. 297 ff.), hin.
349
Die durch den Nationalsozialismus vor Augen geführte Gefahr, (auch) das Privatrecht beliebig umzuformen und in den Dienst einer Ideologie zu stellen, verkennt Paschke, AcP 187 (1987), 60, 71 f., keineswegs. Indes hat er sein Ziel, einen "entmystifizierten" Gemeinschaftsbegriff mit "klaren normativen Konturen" zu bestimmen, nach dem hier erhobenen Befund nicht erreicht.
§ 2 Schlichte Gemeinschaft der Nebenparteien
101
aufgrund §§ 906 ff. BGB gelten. Indes ist die Annahme solcher Duldungsoder auch nur Rücksichtspflichten vom Ausgangspunkt Paschkes nicht begründet, bedenkt man, daß er die Sozialbeziehungen u.a. auch aus dem Arbeitskollegenverhältnis ableitet.351 Auch der "Gemeinschaftsgedanke als Interpretament und Rechtfertigungstopos" bedürfte mindestens näherer Erläuterung. Denn einen allgemeingültigen Gemeinschaftsgedanken gibt es nicht. Und selbst ein Grundsatz gemeinschaftsfreundlichen Verhaltens müßte stets an dem jeweiligen Gemeinschaftstyp oder Gemeinschaftsverständnis ausgerichtet werden, soll nicht mit seiner Hilfe das zu Begründende bloß postuliert oder verschleiert werden. In keinem Fall kann der Gemeinschaftsgedanke dazu dienen, die je fragliche Gemeinschaft erst zu begründen oder auch nur zu erweitern.352 Anschaulich für die Unbestimmtheit des Gemeinschaftsgedankens wie für seine mangelnde Tragfähigkeit ist die von Paschke beispielhaft angeführte Entscheidung des BAG zum Haftungsausschluß unter Arbeitskollegen353. Dort wird einerseits versäumt zu bestimmen, was eine Gemeinschaft ist und ob die Belegschaft darunter fällt, andererseits aber auch, welche Regeln dann gelten. Statt dessen wird zur Bekräftigung des Haftungsausschlusses auf die Gemeinschaft Bezug genommen. Überzeugen kann das nicht, ist doch der "Gemeinschaftsgedanken" so unbestimmt, daß mit seiner Hilfe gleichermaßen ein Haftungsausschluß wie eine besonders strenge Haftung "begründen" ließe.354
350
Nur anbei sei darauf hingewiesen, daß sich die Annahme einer Duldungspflicht mit dem Gedanken der Gemeinschaft, der doch von der Gestaltung ein und desselben Rechtskreises ausgeht, schwerlich verträgt; vgl. Lorenz , JherJb 83 (1933), 108, 136 f. und die Darstellung unten, II 1 a. 351 Dazu, daß entgegen Paschke, Wohnraummiete, S. 130 f., auch die strukturelle Vergleichbarkeit der Grundstücksnachbar- und der Mietnachbarbeziehung fehlt, unten, £ II 2. 352
So weist mit Recht Wüst, JZ 1985, 1077, 1078 und 1079, darauf hin, daß z.B. auch die Treuebindung des Gesellschafters nicht zu einer Erweiterung der Beitragspflicht führen kann. Gemeinschaftsgedanke wie Treuepflicht gestalten die Gemeinschaft in dem vorgegebenen Rahmen aus, sie können aber diesen Rahmen nicht erweitern. S.a. Müller-Erzbach, Rechtswissenschaft, Kap. 16 (S. 79 f.). 353 354
BAGE 5, 1 ff.
So schon Mayer-Maly, Rechtsverhältnis, S. 72; ders., Österreichisches Arbeitsrecht, § 6 (S. 62): Der Argumentationswert des Gemeinschaftsgedankens bleibe "karg"; Gamillscheg/Hanau, Haftung, § 11 3 (S. 159). Entgegen seinen Ausführungen in AcP 187 (1987), 60, 76 f., kommt auch Paschke, Wohnraummiete, S. 133, zu diesem Schluß. Auch § 708 BGB ist übrigens kein Argument für den Haftungsausschluß innerhalb jeder Gemeinschaft; die Vorschrift beruht darauf, daß die vertraglich verbundenen Gesellschafter einander nehmen wie sie sind; siehe bereits oben, § 2 A I 2 b.
10
1. Teil: Unmittelbare Rechtsbeziehungen
c) Zum Verpflichtungsgrund aa) Die Bestimmung krankt aber nicht nur an ihrer Vagheit. Vor allem ist ein Verpflichtungsgrund nicht erkennbar. Aus einer tatsächlichen Gemeinschaft allein kann eine Verpflichtung nicht folgen, ebensowenig wie aus einer Interessengleichrichtung. Das liefe auf eine Art Lehre vom sozialen Kontakt355 hinaus - eine Theorie, die freilich "nur" individualrechtliche, nicht auch weiterreichende sozialrechtliche Beziehungen (Rücksichts- und Duldungspflichten) zu begründen suchte. Die Lehre vom sozialen Kontakt wird jedoch mit Recht wegen ihrer Unvereinbarkeit mit der Rechtsgeschäftslehre abgelehnt.356 Auch aus der - wie aufgezeigt höchst unbestimmten - "Gemeinschaftsordnung", also einer rechtlichen Regelung mit Bezug zu einer Personenmehrheit, läßt sich die Annahme von Rücksichts- und Duldungspflichten nicht schon begründen. Das ist gerade der Anlaß für die Untersuchung Paschkes: Daß das Gesetz die Sozialbeziehungen nicht regelt. bb) Für das Verhältnis von Mitmietern versucht Paschke gleichwohl, schon der gesetzlichen Regelung einen Gemeinschaftsbezug zu entnehmen. Er stützt sich einerseits auf die Vorschriften der §§ 554a, 541b BGB, andererseits auf den "Partnerschaftsgedanken". Er setzt m.a.W. voraus, es sehe doch das Gesetz selbst schon eine Sozialbeziehung vor. Indes überzeugt auch dieser Begründungsstrang nicht. (1) Paschke nimmt an, es ließen sich die §§ 554a, 541b BGB individualrechtlich nicht erklären. Das Gegenteil ist der Fall. Die Pflicht zur Wahrung des Hausfriedens ist positiver Ausdruck der allgemeinen Verhaltenspflicht, andere Kunden des Vertragspartners (Nebenparteien) nicht zu stören. Eine entsprechende Pflicht ergibt sich aus § 242 BGB auch für Kunden eines Kaufhauses oder einer Bank. Auch ohne besonderen Hinweis versteht sich, daß der Bankvertrag verpflichtet, andere Kunden nicht durch Indiskretion zu belästigen. Ohne weiteres stellt eine Störung des Kundenbetriebs einen wichtigen Grund zur Kündigung dar. 357 § 554a BGB steht damit in innerem Zusammenhang mit
355
Grundlegend für diese Spielart der Vertrauenshaftung Dölle, ZStW 103 (1943), 67 ff., 84. Dazu noch unten, § 4 B I. 356 Vgl. schonLarenz, MDR1954,515 ff., und kürzlichLarenz/Canaris, 1 4 c (S. 360). 357
Schuldrecht II/2, § 75
Die Störung von Arbeitskollegen als wichtigen Grund zur Kündigung anerkennen z.B. LAG Hamm, 10 (19) Sa 100/94; ArbG Mannheim, 5 Ca 773/94; einschränkend BAG vom 9.3.1995 2 AZR 644/94 (nicht veröffentlicht); s.a. LAG Hamm, EzA Nr. 1 zu § 823.
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§ 564b Abs. 2 Nr. 1 BGB. Die in § 554a BGB normierte Pflicht wirft mithin keine Schwierigkeiten für ein individualrechtliches Privatrecht auf. 358 Paragraph 541b BGB ist Ausdruck des Eigentumsrechts des Vermieters, aus dem folgt, daß er an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung nicht gehindert werden darf. Die Vorschrift steht in innerem Zusammenhang mit § 564b Abs. 2 Nr. 3 BGB. Sie besagt, daß bei der erforderlichen Interessenabwägung die Interessen von anderen Mietern zugunsten des Vermieters in die Waagschale geworfen werden können. Das folgt daraus, daß sich das Verwertungsinteresse des Vermieters mit Rücksicht auf andere Mieter desselben Hauses begründet. Das wahrhaft Besondere an den beiden Vorschriften ist, daß sie Drittinteressen zu Parteiinteressen machen und somit Sozialwirkungendes Schuldverhältnisses gesetzlich anerkennen. Darin liegt eine Abweichung von der methodischen Forderung der Relativität, im Schuldverhältnis nur die Interessen der Beteiligten zur Geltung zu bringen.359 Wegen der technischen Umsetzung dieser Drittinteressen in das Schuldverhältnis hinein steht jedoch einem individualrechtlichen Verständnis der Normen nichts im Wege. (2) Zur Begründung der Hausgemeinschaft beruft Paschke auch den "Partnerschaftsgedanken". In der Tat ist im Ausschußbericht zum Mietrechtsänderungsgesetz 1964 vielfach von "Partnern" und "Partnerschaft" die Rede - wenn auch selten mit Klarheit. Gemeint ist damit die Beziehung der Vertragspartner. m Die Mietvertragsparteien sollen dem Partnerschaftsgedanken zufolge einander nicht mit der Härte und Unnachsichtigkeit des Geschäftsverkehrs begegnen. Schon insofern ist also Partnerschaft nicht im Sinne von Gemeinschaft, sondern von vertrauensvollem Austauschkontakt gemeint. Anhalt für eine "Partnerschaft" zwischen Mietern würde man bei den Erläuterungen zu § 554a BGB erwarten, zumal diese Vorschrift im gleichen Zuge geändert wurde, wenn auch nur redaktionell. Dort steht zur "Mieterpartnerschaft" nichts. Paschke bezieht sich zur Begründung der Mieterpartnerschaft auf eine andere Stelle der Erläuterungen:361 Im Zusammenhang mit dem Aus-
358 Vgl. dazu auch Mayer-Maly, Rechtsverhältnis, S. 63, der auf die beiden Möglichkeiten eines individualrechdichen Verständnisses von "Verträglichkeitsgeboten" im österreichischen Arbeitsrecht hinweist: Als dem Arbeitgeber oder dem Arbeitnehmer geschuldete Rücksicht. 359
Zur "relativen Methode" Denck, Rechtstheorie 12 (1981), 331 ff.
360
Bericht zu BT-Drs. IV/2193, S. 1 f.
361
Paschke, Wohnraummiete, S. 89.
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1. Teil: Unmittelbare Rechtsbeziehungen
Schluß des Minderungsrechts für unerhebliche Mängel (§ 537 Abs. 1 S. 2 BGB) heißt es, diese Neuregelung solle "kleinliche Streitigkeiten verhindern, die den Frieden in der Hausgemeinschaft stören und damit dem Gedanken der Partnerschaft entgegenstehen würden. " 362 Streitigkeiten in diesem Sinne können aber nur solche zwischen Vermieterund Mieter sein. Da weiterhin unerfindlich ist, wie ein Streit zwischen Vermieter und Mieter sich auf das Verhältnis der Mieter untereinander auswirken könnte, kann man die Erläuterungen nur dahin verstehen, daß sie von einer Hausgemeinschaft der Vertragspartner ausgehen. Auf eine Partnerschaft der Mieter beziehen sie sich nicht. Darüber hinaus wäre eine Mieterpartnerschaft auch etwas qualitativ anderes als eine Partnerschaft der Mietvertragsparteien, da es im ersten Fall um ein Miteinander, im zweiten um ein - wenn auch vertrauensvolles - Gegeneinander geht. Deshalb könnte derselbe Partnerschaftsgedanke die verschiedenen Verhältnisse nicht erklären. Der "Partnerschaftsgedanke" vermag eine Gemeinschaft der Mieter nicht zu begründen oder auch nur zu stützen. Er hat mit dem Verhältnis der Mieter untereinander nichts zu tun.
d) Zur Annahme von Sozialbeziehung zwischen Mietnachbarn und zwischen Arbeitskollegen Da nach hier vertretener Auffassung die Konzeption der Sozialbeziehungen selbst abzulehnen ist, kommen auch Sozialbeziehungen zwischen Arbeitnehmern und zwischen Mietern nicht in Betracht. Beizupflichten ist zwar einigen der tatsächlichen Beobachtungen Paschkes über das Mietnachbarverhältnis.363 So kann man der Feststellung einer "Einbindung [der Mieter] in einen Sozialverband" folgen und den Bereich des Mietwohnhauses als "Sphäre erhöhter sozialer Interaktion" bezeichnen. Freilich handelt es sich bei dem Sozialverband nach hier vertretener Auffassung nur um eine "tatsächliche Gemeinschaft", deren Besonderheit allein darin liegt, das sie infolge vertraglicher Abrede eintritt. Bedeutsam bleibt aber auch die weitere Feststellung Paschkes, daß die Nachbarbeziehungen weithin auf persönlicher Grundlage beruhen, jedenfalls soweit es um "die Bereitschaft zu nachbarlicher Hilfeleistung im Krankheits- und Urlaubsfall, das gegenseitige Aushelfen mit Haushaltsgegenständen, gegenseitige Einladungen zu Geselligkeiten und Festen" geht. Mit Recht weist Paschke schließlich auch darauf hin, daß die wechselseitigen
362
Bericht zu BT-Drs. 2195, S. 2.
363
Paschke, Wohnraummiete, S. 75 ff.; dort finden sich auch die folgenden Zitate.
§ 2 Schlichte Gemeinschaft der Nebenparteien
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Störungen zwischen Nachbarn ebenfalls zu den tatsächlich anzutreffenden Nachbarbeziehungen gehören. Hinsichtlich der von Paschke bestimmten Sozialbeziehungen und der für sie formulierten Regeln ist ebenfalls zu differenzieren. Auf wenig Widerspruch kann allein die Rücksichtspflicht treffen, zumal wenn man von einer - freilich noch normativ zu begründenden - erhöhten sozialen Interaktion ausgeht. Weitergehende Duldungspflichten erscheinen indes zweifelhaft, besonders wenn sie z.B. auch vor dem vertraglichen Gebrauchsrecht des Mitmieters nicht haltmachen.364 Mag es auch regelmäßig so sein, daß die Gebrauchsrechte der Mieter kompatibel ausgestaltet sind, so ist doch nicht ausgeschlossen, daß der Vermieter den Mietern unterschiedliche oder sogar einander widersprechende Nutzungsmöglichkeiten verspricht.365 Die so begründeten Vertragspositionen würden über die Duldungspflichten im Wege der Egalisierung gestört. Die entsprechende Gefahr droht, wenn man den gesetzlichen Ausgleichsmaßstab des § 906 BGB zur Bestimmung der vertraglich vereinbarten Gebrauchsbefugnis heranzieht.366 Es zeigt sich hier dieselbe übergreifende Tendenz, die schon bei der Interessengemeinschaft zu beobachten war.
3. Zwischenergebnis Paschke leitet seinen Begriff der Sozialbeziehungen u.a. aus dem sog. nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis sowie aus dem Verhältnis der verfaßten Belegschaft ab. Im ersten Fall liegt eine Gemeinschaft nicht vor, im zweiten Fall jedenfalls eine gegenüber den Gemeinschaften des BGB eigenartige. Die verfaßte Belegschaft ist in verschiedener Hinsicht besonders ausgestaltet und kann als Sonderfall zur Begründung eines allgemeinen zivilrechtlichen Gemeinschaftsbegriffs nicht dienen. So gelangt Paschke zu einem "weiteren" Gemeinschaftsbegriff, der, weil er umfassender ist, notwendig auch in seinen Rechtsfolgen schwächer ausgeprägt ist. Dieser Gemeinschaftsbegriff bleibt indes in seinem Tatbestand unscharf. Einen Verpflichtungsgrund läßt er nicht erkennen. Die auf Rechtsfolgenseite angenommenen Rücksichts- und Duldungspflichten reichen zwar weniger weit als die Organisationsbefugnisse, die von der Theorie
364 Ebenso zweifelhaft auch Münchener Kommentar-Voelskow, §§ 535, 536 Rn. 101: Die Grenzen des Gebrauchsrechts seien die Gebrauchsrechte anderer Mieter; darin liegt kein allgemeiner Grundsatz, sondern allenfalls eine im Wege der Auslegung ermittelte Begrenzung; vgl. noch § 4 C II 2. Richtig dagegen ders., a.a.O. Rn. 6 zum "Grundsatz der individuellen Vertragsgestaltung". 365
Dazu unten, § 4 C II und § 6 IV.
366
Dazu ausführlich unten, E II 2.
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1. Teil: Unmittelbare Rechtsbeziehungen
der Interessengemeinschaft angenommen wurden. Vor allem die Duldungspflichten zeigen jedoch, daß auch diese Gemeinschaftsvorstellung Vertragsrechte der Beteiligten in Frage stellen kann. Aus diesen Gründen kann dem Ansatz Paschkes nicht gefolgt werden.
IL Die Gemeinschaftslehren von Lorenz und Ernst Wolf 1. Darstellung Die Begriffsbestimmung von Larenz und Ernst Wolf geht von den im BGB anerkannten Gemeinschaften aus, vor allem der Bruchteilsgemeinschaft und der Gesellschaft. So kommen sie zu einem Gemeinschaftsbegriff, der maßgeblich auch durch organisationsrechtliche Elemente geprägt ist.
a) Larenz Larenz untersucht das Recht der Bruchteilsgemeinschaft. In diesem Zusammenhang definiert er sozialrechtliche Normen als solche, "die die Beteiligung mehrerer Personen an einem gemeinschaftlichen Rechtskreise und an der zur Wahrnehmung ihrer gemeinsamen Interessen erforderlichen gemeinschaftlichen Willensbildung regeln. Solche Normen unterwerfen weder ein Objekt - ganz oder in einzelnen Beziehungen - der ausschließlichen Herrschaft einer Person, noch erschöpfen sie sich in einer Forderung auf ein Tun, Unterlassen oder Dulden. Vielmehr weisen sie den Beteiligten bestimmte Befugnisse zu, kraft deren sie auf den gemeinschaftlichen Rechtskreis in bestimmter Weise einwirken können."367 Wichtig ist für Larenz die Kennzeichnung als Teilhabe an einem einheitlichen Rechtskreis im Gegensatz zur Abgrenzung verschiedener Rechtskreise. Letztere drückt sich in schuldrechtlichen Beziehungen aus. Während das obligatorische Recht etwa verpflichte, einen Eingriff in den eigenen Rechtskreis zu dulden, drücke das sozialrechtliche Recht eine immanente Beschränkung der Teilhabe an dem gemeinsamen Rechtskreis aus. Insofern gehe das Gemeinschaftsrecht über das Schuldrecht hinaus.368
367
Larenz, JherJb 83 (1933), 108,142 f.; ferner ders., Schuldrecht II 1 2 , § 601 c Fn. 3 (S. 376). Zustimmend Fabricius, Relativität, S. 139 f. und Wiedemann, Übertragung, § 2 I 1 b (S. 25). 368 Larenz, JherJb 83 (1933), 108, 134 ff., bes. S. 136 f. und ders., Schuldrecht II 1 2 , § 60 I c (S. 376 f.).
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b) Ernst Wolf Zu einer sachlich ähnlichen Bestimmung kommt Ernst Wolf: "Ein gemeinschaftsrechtliches subjektives Recht ist ein relatives subjektives Recht mit dem Inhalt, entweder, daß der Berechtigte dem anderen gegenüber dafür zuständig ist, an einer Entscheidung teilzunehmen, oder, eine Entscheidung für einen anderen mit zu treffen, oder, zu verlangen, daß der andere bei einer Entscheidung mitwirkt, oder, daß er diese für den Berechtigten mit trifft. Eine gemeinschaftsrechtliche Pflicht ist eine relative Rechtspflicht mit dem Inhalt, daß der Verpflichtete dem anderen gegenüber gebunden ist, entweder, eine Entscheidung mit diesem zusammen zu treffen, oder, eine Entscheidung für den anderen mit zu treffen. Ein Gemeinschaftsverhältnis ist ein Rechtsverhältnis mit dem Inhalt, zwischen den Beteiligten das Entstehen gemeinschaftsrechtlicher Pflichten und subjektiver Rechte zu bewirken. 1,369
Wolf führt weiter aus, ein Gemeinschafts Verhältnis entstehe kraft Vertrags oder Gesetzes. Die gemeinschaftsrechtliche (Mit-) Entscheidungskompetenz beziehe sich auf Gemeinschaftsangelegenheiten. Was Gemeinschaftsangelegenheiten sind, ergebe sich aus "dem Inhalt des Gemeinschafts Verhältnisses, der durch dessen Entstehungstatbestand bedingt ist."370
c) Ausgestaltung des Gemeinschaftsrechts Larenz und Wolf bestimmen, was Gemeinschaftsrecht ist. Sie stellen keine allgemeinen Regeln auf, die im Gemeinschaftsverhältnis gelten. Doch bilde, so Larenz , die allgemeine Bestimmung des Gemeinschaftsrechts die Grundlage für verschiedene einzelne Analogieschlüsse: So liege die analoge Heranziehung von Grundsätzen des Körperschaftsrechts auf die Ausgestaltung der Rechtsgemeinschaft darin begründet, daß es sich hier wie dort um sozialrechtliche Regelungen handelt.371
369
Ernst Wolf,
AcP 173 (1973), 97, 101.
370
Ernst Wolf, AcP 173 (1973), 97, 102. Dort auch noch einmal zur Definition: "Ein Gemeinschaftsverhältnis hat (..) nach seinem Begriff den Inhalt, zwischen den Beteiligten vollständig oder teilweise inhaltgleiche Rechtspflichten oder subjektive Rechte zu begründen, deren gleicher Inhalt darin besteht, bestimmte, nämlich die zur Erledigung einer Gemeinschaftsangelegenheit notwendigen Entscheidungen gemeinschaftlich zu treffen oder für den anderen mit zu treffen oder von dem anderen mit treffen zu lassen." 371
Larenz, JherJb 83 (1933), 108, 143 f.
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1. Teil: Unmittelbare Rechtsbeziehungen
2. Stellungnahme a) Gemeinschaftsrecht als Organisation- und Teilhaberecht Larenz und Wolf betonen die gemeinsame Willensbildung betreffend den einheitlichen Rechtskreis. Darin ist in der Tat das wesentliche Spezifikum gegenüber individualrechtlichen Beziehungen zu sehen. Ist die Gemeinschaft durch die Beteiligung mehrerer an einem einheitlichen Rechtskreis ausgezeichnet - wie die Gemeinschaften des BGB ausweisen und wie von allen zitierten Vertretern angenommen -, so ist es erforderlich, die Mehrheit zu vereinen und zu vereinheitlichen. Da Verschiedenes für denselben Gegenstand nicht gelten kann, müssen die Beteiligtenwillen durch das Gemeinschaftsrecht integriert werden.372 Das setzt das Bestehen von Regeln über die Willensbildung und Verwaltung voraus. Auch für Innengemeinschaften gilt nichts anderes: Wenn auch die Einheit nach außen hin fehlt, so bedarf es doch der internen Abstimmung. Gemeinschaftsrecht ist daher zum einen durch organisationsrechtliche Regeln gekennzeichnet. Während Ernst Wolf bei seiner Definition nicht über die Mitwirkung an Willensbildung und Verwaltung hinausgeht, weist jene von Larenz noch auf einen anderen Aspekt hin: Die Beteiligung mehrerer an einem einheitlichen Rechtskreis.373 Freilich führt er dies nicht näher aus. Die Beteiligung reicht jedoch über die Verwaltung hinaus und umfaßt vor allem auch den Bereich der Beteiligung an Nutzungen einschließlich des Gebrauchs selbst einerseits und an Lasten andererseits. Die Annahme, es handele sich insoweit um rein schuldrechtliche Regeln, geht fehl. Zwar trifft es zu, daß das Bürgerliche Gesetzbuch diese Rechte und Pflichten schuldrechtlich ausgestaltet hat; so etwa in §§ 743 Abs. 2, 748 BGB. Mit Recht weist aber Larenz darauf hin, daß die Teilhabevorschriften durch ein sozialrechtliches Element ausgezeichnet sind. So trifft es nicht recht zu anzunehmen, es sei der Gemeinschafter verpflichtet, den Gebrauch des Mitgemeinschafters in den Grenzen von § 743 Abs. 2 BGB zu dulden. "Von einer Duldungspflicht kann man nur dort sprechen, wo jemand verpflichtet ist, die Einwirkung eines anderen auf seinen Rechtskreis, die er im allgemeinen verbieten könnte, ausnahmsweise zu gestatten, sei es, weil er sich dazu verpflichtet hat, sei es, weil ihm diese Pflicht vom Gesetz auferlegt
372 Dazu nochmals Larenz, Schuldrecht II 12 , § 60 I c (S. 375) sowie Fabricius, S. 139 f.; BGH, WM 1955, 224, 225. S.a. Weitnauer, FS Duden, S. 713. 373
Relativität,
Dazu auch noch Larenz, Richtiges Recht, S. 114 ff. Auch an dieser Stelle geht es ihm ausdrücklich nur um die Teilnahme an gemeinsamen Angelegenheiten und an der Willensbildung.
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wird." 374 Soweit sich in den Teilhaberechten und Teilnahmepflichten die Beteiligung am gemeinsamen Rechtskreis ausdrückt, erscheinen sie als der Beteiligung selbst untergeordnet. Besonders deutlich ist dies in der Zweckgemeinschaft, bei der die Gemeinschaftsrechte und -pflichten als Ausfluß der Mitgliedschaft verstanden werden. Die Unterscheidung von Sozialansprüchen bzw. -Verpflichtungen und Drittgläubigeransprüchen, die aus dem Recht der Zweckgemeinschaften bekannt ist,375 spiegelt die dargestellte Abgrenzung wider. Auch dort mag man dem BGB folgend jeweils von schuldrechtlichen Rechten und Pflichten sprechen. Den Besonderheiten, die sich im einzelnen ergeben, wird das nicht gerecht. Ist die Ausgestaltung auch schuldrechtlich, so gibt den Normen doch der gemeinschaftsrechtliche Überschuß der Teilhabe an einem einheitlichen Rechtskreis das Gepräge.
b) Rechtsbeziehungen zwischen Gemeinschaftern Larenz und Wolf geben allgemeine Regeln über das Verhältnis der Gemeinschafter untereinander nicht an. Die Kennzeichnung als Gemeinschaft ist lediglich Grundlage für die analoge Übertragung von Einzelregeln und für die Herausarbeitung von allgemeinen Grundsätzen. Aus der schuldrechtlichen Komponente einerseits und der sozialrechtlichen Komponente andererseits folgen aber notwendig auch Rechtsbeziehungen zwischen den Gemeinschaftern. Soweit die Gemeinschaften als Schuldverhältnis ausgestaltet sind,376 begründen sie in diesem Rahmen zugleich eine Sonderverbindimg zwischen den Beteiligten. Entsprechend allgemeinen Grundsätzen treffen die Gemeinschafter daher weitere Verhaltenspflichten. 377 Bereits im Zusammenhang der Zweckgemeinschaft wurde weiterhin darauf hingewiesen, daß innerhalb der Sonderverbindung mit der organisationsrechtlichen (sozialrechtlichen) Einwirkungsmacht eine entsprechende Bindung einhergeht. Da das sozialrechtliche Element und eine dementsprechende Einwirkungsmacht nach der hier vertretenen Auffassung ein typischer Bestandteil der Gemeinschaft ist, gibt es entsprechende Rücksichtspflichten in jeder Gemeinschaft. Verschieden je nach Intensität
374
Larenz, JherJb 83 (1933), 108, 136; Hervorhebung im Orignial.
375
Siehe nur Hueck, Gesellschaftsrecht, § 15 III 7 (S. 130 f.); Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, § 5 III 2, 3 (S. 269 ff.). 376 377
Bei Körperschaften begründet die Zwedfcabrede eine Sonderverbindung; s.o., § 1 A II 2.
Siehe dazu bereits oben, A12 a, zur Bruchteilsgemeinschaft m.Nw. zu dem diesbezüglichen Streitstand.
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1. Teil: Unmittelbare Rechtsbeziehungen
der Gemeinschaft istfreilich der Umfang der Treubindung; eine echte Treuepflicht gibt es nur in Zweckgemeinschaften.
c) Zur Kritik Paschkes Die Ausarbeitungen von Larenz und Ernst Wolf, auf welchen die hier verfolgte Bestimmung fußt, wird von Paschke kritisiert. Die Kritik geht jedoch fehl. Paschke hält der Definition von Wolf entgegen, sie gelange "über weithin tautologische Umschreibungen nicht hinaus".378 Das trifft indes nicht zu. Die Kritik Paschkes beruht darauf, daß er nur den letzten Teil der oben (1 a bb) zitierten Definition Wolfs in Betracht zieht. Darin wird in der Tat das Gemeinschaftsverhältnis durch gemeinschaftsrechtliche Rechte und Pflichten charakterisiert. Doch bestimmt Wolf zuvor autonom, was gemeinschaftsrechtliche Rechte und Pflichten sind, so daß auf diesem Wege die Definition der Gemeinschaft selbständig ist. An der Bestimmung von Larenz kritisiert Paschke, sie beruhe auf einer verengten Sicht, insofern sie nur von der Bruchteilsgemeinschaft und der Gesellschaft ausgehe. Deshalb gelange sie zu Umecht zu der Bestimmung der Gemeinschaft mit Hilfe von organisationsrechtlichen Elementen.379 Nach hier vertretener Auffassung ist demgegenüber die Grundlage der Begriffsbestimmung Paschkes zu weit, nicht jene von Larenz zu eng, wenn es darum geht, einen allgemeinen zivilrechtlichen Gemeinschaftsbegriff zu bilden.380 Paschke weist demgegenüber darauf hin, daß z.B. die Vorschriften der §§ 906 ff. BGB, § 14 Nr. 1 WEG keine organisationsrechtlichen Elemente enthalten.381 Das trifft zu, beweist aber nichts - auch abgesehen von der Frage, ob das Grundnachbarverhältnis ein Gemeinschaftsverhältnis darstellt. Denn es kann im formellen Gemeinschaftsrecht Normen geben, die materiell nicht gemeinschaftsrechtlicher Natur sind.382 Das Wohnungseigentümerverhältnis fällt
378 379
Paschke, AcP 187 (1987), 60, 82.
Vgl. auch Wiedemann, BGH, WM 1955, 224, 225.
Übertragung, § 2 I 1 b (S. 25); Fabricius,
Relativität, S. 139 f.;
380 S.o. C I 2 a aa. Dazu auch noch Weitnauer, FS Duden, S. 713, der das Organisationsrecht als das "zur Vermeidung der Handlungsunfähigkeit unverzichtbare Grundprinzip jeder Gemeinschaft" bezeichnet. 381
Paschke, AcP 187 (1987), 60, 83.
382
Siehe dazu bereits Larenz, JherJb 83 (1933), 108, 134 f.
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schon aufgrund des organisationsrechtlichen Aspekts (bes. §§20 ff. WEG) unter den Gemeinschaftsbegriff von Larenz. Wie soeben (bb) aufgezeigt, findet sich im übrigen aber in der Bestimmung Larenz ' durchaus ein Anhalt, auch die teilhaberegelnde Bestimmung des § 14 Nr. 1 WEG als gemeinschaftsrechtlich zu erkennen. Die hier verfolgte Bestimmungficht die Kritik Paschkes nicht an.
d) Zwischenergebnis Gemeinschaftsrecht vereint mehrere Beteiligte zu einem Rechtskreis, indem es mittels Organisationsnormen die einheitliche Willensbildung und Verwaltung des einheitlichen Gegenstandes ermöglicht. Gemeinschaftsrecht regelt die Teilhabe an dem gemeinsamen Rechtskreis. Gemeinschaftsrecht kann daher kurz als Organisations- und Teilhaberecht charakterisiert werden. Gemeinschaftsrechtliche Rechte und Pflichten sind schuldrechtlich ausgestaltet, aber zusätzlich durch die Teilhabe an dem einheitlichen Rechtskreis gekennzeichnet. Sozialrechtliche Normen bestimmen die Beteiligung an dem einheitlichen Rechtskreis und stellen so immanente Befugnisse und Beschränkungen der Beteiligtenstellung dar. In dieser Hinsicht begründen sie keine Duldungspflichten oder Eingriffsrechte in bezug auf unterschiedene Rechtskreise, sie regeln die Teilhabe an demselben Rechtskreis. Weil gemeinschaftsrechtliche Normen aber schuldrechtlich ausgestaltet sind, begründen sie auch ein Schuldverhältnis der Beteiligten. Aus diesem Schuldverhältnis fließen, entsprechend allgemeinen schuldrechtlichen Grundsätzen, auch weitere Verhaltenspflichten der Gemeinschafter.
3. Gemeinschaftsrechtliche
Beziehungen zwischen Nebenparteien?
a) Arbeitsverhältnis aa) Allgemein Das ("einfache") Verhältnis von Arbeitnehmern ist kein Gemeinschaftsverhältnis. Es fehlt an einem einheitlichen Rechtskreis, zu dessen Regelung Vorschriften über Willensbildung und Teilhabe bestünden.
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1. Teil: Unmittelbare Rechtsbeziehungen
bb) Das Verhältnis von Arbeitnehmern im verfaßten Betrieb Anderes könnte man allenfalls für den (technisch betrachtet) Spezialfall des Arbeitsverhältnisses im verfaßten Betrieb begründen, nämlich mit Blick auf die Repräsentativverfassung. Mittels der Repräsentation durch den Betriebsrat wird ebenfalls eine Vereinheitlichung der Willensbildung und der "Verwaltung" erreicht. Die Betriebsverfassung gibt den Arbeitnehmern - über den Betriebsrat vermittelt - die Möglichkeit, gemeinsame Interessen kollektiv383 zu ordnen. Insofern begründet die Betriebsverfassung einen einheitlichen Rechtskreis und insofern mag man auch von einer Gemeinschaft sprechen. Doch ist der einheitliche Rechtskreis kein "gemeinsamer" i.S. des hier verfolgten Gemeinschaftsbegriffs. Denn die Arbeitnehmer haben selbst keine Möglichkeit zur (Mit-) Entscheidung und werden untereinander weder berechtigt noch verpflichtet. Ersteres bedingt das Repräsentativsystem der Betriebsverfassung. Danach haben die Arbeitnehmer im wesentlichen nur Wahlrechte und keine Entscheidungsbefugnis. Der gewählte Betriebsrat ist kein Vertreter und sein Mandat ist nur gesetzlich bestimmt und begrenzt (vgl. nur § 23 Abs. 3 BetrVG). Zweitens begründet die Betriebsverfassung keine subjektiven Rechte und korrespondierenden Pflichten der Arbeitnehmer untereinander. Es besteht kein Anspruch gegenüber den Kollegen, an der Wahl teilzunehmen. Auch aus § 104 BetrVG ergibt sich anderes nicht. Die Vorschrift begründet einen Anspruch nur des Betriebsrats. Und dieser Anspruch geht lediglich dahin, daß der Arbeitgeber von seinen rechtlichen Möglichkeiten Gebrauch macht und entsprechend auf den Störer einwirkt. Die Bestimmung setzt mithin Rechtspflichten der Arbeitnehmer im Verhältnis zum Arbeitgeber voraus, sie begründet aber ohne weiteres keine Rechtspflichten zum Wohlverhalten unter Arbeitnehmern. Die durch die Betriebsverfassung begründete Gemeinschaft unter Arbeitnehmern ist also eine von den Gemeinschaften i.S. des BGB in mehrfacher Hinsicht verschiedene.384 Aus den genannten Unterschieden folgt auch, daß die so
383 Die Beschreibung Zöllners, FS BAG, S. 753, die Arbeitnehmer hätten die Möglichkeit, gemeinsame Interessen gemeinsam zu ordnen, erscheint als nicht ganz treffend. 384
Zurückhaltend auch Dietz/Richardi, § 1 Rn. 5, die in der Belegschaft eine nur tatsächliche, durch den Betriebsrat repräsentierte Gemeinschaft sehen. Zu der gegenteiligen Meinung von Weitnauer, FS Duden, S. 705 ff., bereits oben, A II 2; seine Auffassung beruht auf der hier nicht geteilten Prämisse, die Mitbestimmungsrechte der Betriebsverfassung stünden den einzelnen Arbeitnehmern zu. Die von Reichold, Betriebsverfassung, §§ 13 (S. 399 ff.) und 14 (S. 486 ff.), ausführlich begründte Privatrechts- und Vertragsakzessorietät der Betriebsverfassung ändert daran nichts, sie stellt lediglich die historisch-dogmatischen Grundlagen der Betriebsverfassung dar und
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konstituierte Gemeinschaft weitere Verhaltenspflichten unter den Arbeitskollegen nicht begründen kann. Denn die Annahme weiterer Verhaltenspflichten unter Gemeinschaftern beruht darauf, daß das Gemeinschaftsrecht nach der Konzeption des BGB schuldrechtliche Rechte und Pflichten der Gemeinschafter und also ein Schuldverhältnis unter ihnen begründet. Gerade daran fehlt es aber in dem von der Betriebsverfassung begründeten Verhältnis von Arbeitskollegen.
b) Mietverhältnis Auch das Mietnachbarverhältnis ist kein Gemeinschaftsverhältnis. Wohnen in demselben Haus ist keine Partizipation an einem einheitlichen Rechtskreis, sondern ein Nebeneinander getrennter, durch die jeweiligen Mietverträge begründeter Rechtskreise. In bezug auf Mitmieter wird deshalb zu Recht auch von "Parallelschuldverhältnissen" gesprochen.385 Die Verpflichtung zur Wahrung des Hausfriedens nach § 554a BGB ist nicht gemeinschaftsrechtlicher Natur. Ein einheitlicher Rechtskreis wird auf diese Weise nicht begründet.386
DI. Ergebnis Gemeinschaftsrecht ist Organisations- und Teilhaberecht. Es regelt die Beteiligung (Teilhabe) mehrerer an einem einheitlichen Rechtskreis und an der diesbezüglichen Willensbildung und Verwaltung. Das Rechtsverhältnis von Nebenparteien ist nicht gemeinschaftsrechtlicher Natur. Nebenparteien sind nicht an einem einheitlichen Rechtskreis beteiligt. Es liegt eine Mehrzahl je selbständiger Rechtsverhältnisse vor. Eine Organisation zur Bildung eines einheitlichen Willens und zur einheitlichen Verwaltung der gemeinschaftlichen Angelegenheiten fehlt ebenso wie Teilhaberechte und Teilnahmepflichten an dem gemeinsamen Rechtskreis. Einen einheitlichen Rechtskreis organisiert allein die Betriebsverfassung mit ihrem Repräsentativsystem. Die Repräsentation der Belegschaft sichert ein
begründet daraus die dogmatische Einordnung ihrer Mittel. Daß die durch das BetrVG begründete Gemeinschaft gegenüber jenen des BGB besonders ist, wird damit nicht bestritten. 385
Staudinger-Huber,
386
§ 741 Rn. 66.
Anders noch Staudinger 11-Kitfersauer, Vor § 535 Rn. 4, 296, der sich zur Begründung auf § 7 Abs. 1 des Deutschen Einheitsmietvertrages von 1934 (Deutsche Justiz 1934, 304) bezieht; ähnlich schon Staudinger 10-Kiefersauer, vor § 535 Rn. 249. 8 Riesenhuber
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1. Teil: Unmittelbare Rechtsbeziehungen
einheitliches Auftreten gegenüber dem Arbeitgeber, die Mitbestimmungsinstrumente geben dem Betriebsrat und also mittelbar der Belegschaft die Möglichkeit, die gemeinsamen Interessen wahrzunehmen. Man kann insofern von einer Gemeinschaft der Belegschaft sprechen. Das Repräsentativsystem und der Mangel an schuldrechtlichen Teilhaberechten und Teilnahmepflichten der Arbeitnehmer untereinander schaffen aber nur eine Gemeinschaft, in der die Gemeinschafter nicht in einer Sonderverbindung stehen.
D. Die Lehre vom Arbeitsverhältnis als personenrechtliches Gemeinschaftsverhältnis Das Arbeitsverhältnis wurde vielfach als personenrechtliches Gemeinschaftsverhältnis charakterisiert. Zum einen soll damit das Rechtsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer rechtlich eingeordnet werden: Ausgangspunkt dieser Lehre ist die Annahme, das Dienstvertragsrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs werde den Besonderheiten abhängiger Arbeit nicht gerecht und könne die im Arbeitsverhältnis geltenden Regeln nicht zureichend erklären; mit "Gemeinschaft" ist somit die Beziehung von Arbeitnehmer und Arbeitgeber gemeint, nicht, was vielleicht näher läge, die Beziehung der Arbeitnehmer untereinander. Zum anderen wird aber auch eine Betriebsgemeinschaft oder eine Gemeinschaft der Belegschaft begründet. Beide Bereiche sind nicht immer klar getrennt, teilweise werden sie für wechselbezüglich gehalten. Daß sich aus dem Gemeinschaftsverständnis Folgen für das Verhältnis der Arbeitnehmer zu einander ableiten lassen, ist jedenfalls nicht ausgeschlossen.
I. Hauptströmungen der Gemeinschaftslehren Die Lehre vom personenrechtlichen Gemeinschaftsverhältnis ist weit verzweigt und hat viele Vertreter gefunden. An dieser Stelle kann sie nur anhand weniger Schwerpunkte nachgezeichnet werden.387 1. Ausgangspunkt für die Lehre vom personenrechtlichen Gemeinschaftsverhältnis ist Otto v.Gierkes 388 Untersuchung über die "Wurzeln des Dienstver-
387
Zu weiteren Ansätzen sowie zur Entwicklung etwa Wiedemann, Arbeitsverhältnis, S. 1 ff.; Jobs, ZfA 1972, 305 ff.; Schwerdtner, Fürsorgetheorie, § 4 (S. 22 ff.); Ernst Wolf, Arbeitsverhältnis, 33 ff., 41 ff.; Richardi, ZfA 1988, 221, 228 ff. Ferner Reichold, Betriebsverfassung, § 11 III (S. 336 ff.); Rücken, ZfA 1992, 225, 269 ff., 277 ff. 388
O. v.Gierke, FS Brunner, S. 37 ff. v. Gierkes umfassendere Lehre vom Sozialrecht kann hier nicht dargestellt werden; dazu Spindler, Von der Genossenschaft zur Betriebsgemeinschaft,
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träges" aus dem Jahr 1914.389 Aus einer von ihm entworfenen Kontinuität vom deutschrechtlichen Treudienstvertrag über die mittelalterlichen Lehns- und schuldrechtlichen Dienstverträge bis hin zum Dienstvertrag des BGB schließt v. Gierke auf ein personenrechtliches Element, das auch dem modernen Arbeitsvertrag noch innewohne. In dem personenrechtlichen Element des Arbeitsvertrags lebe der "Zentralbegriff der Treue"390 fort, der den Treudienstvertrag prägte. Auf diese Weise erklärt v. Gierke die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers (§ 617 f. BGB), daraus begründet er andererseits die Treuepflicht des Arbeitnehmers.391 2. Der Ansatz v.Gierkes fand überwiegend Anhänger. Nikisch aufgegriffen und in seine Eingliederungstheorie übernommen.
hat ihn
a) Das Kennzeichen abhängiger Arbeit sieht Nikisch in dem Versprechen nicht einzelner Dienstleistungen, sondern der Zurverfügungstellung der Arbeitskraft und des Eintritts in die Dienste. Diesen Tatbestand nennt er den Anstellungsvertrag.392 Mit der Verfügung über die fremde Arbeitskraft erlange der Arbeitgeber durch den Anstellungsvertrag "auch eine Gewalt über die Person des Trägers der Arbeitskraft". In dieser Gewalt über die Person des Arbeitnehmers sieht Nikisch ein personenrechtliches Element des Arbeitsvertrages.393 Verspricht der Arbeitnehmer nach dieser Konzeption, seine Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen, so gewinnt der Antritt der Arbeit, die Einstellung, ein besonderes Gewicht. Es beginnt damit der "Erfüllungszustand" des Anstellungsvertrages, den Nikisch Beschäftigungsverhältnis nennt. b) Seine besondere Beachtung des Beschäftigungsverhältnisses hat sich darin fortgesetzt, daß Nikisch unter Geltung des Gesetzes zur Ordnung der nationalen Arbeit (AOG) seinen Gemeinschaftscharakter betont.394 Die persönliche Abhän-
S. 155 ff. und passim ; Kroeschell, auch Jobs, ZfA 1972, 305 ff.
Deutsche Rechtsgeschichte 3, Kap. 18 III (S. 224 ff.); ferner
389 Auf die Beiträge v.Gierkes vor Inkrafttreten des BGB, besonders seine Stellungnahmen im Gesetzgebungsverfahren, kann hier nur hingewiesen werden. Siehe dazu Wieacker, Privatrechtsgeschichte, § 25 I 3 (S. 470); Jobs, ZfA 1972, 305, bes. 305-314. 390
v.Gierke, FS Brunner, S. 37, 41.
391
v.Gierke, FS Brunner, S. 37, 57 ff.
392
Nikisch, JherJb 80 (1930), 1 ff. Den Terminus hat Nikisch später aufgegeben, da er sich nicht durchsetzen konnte; Arbeitsrecht I, § 19 I 2 a.E. (S. 161). 393
Nikisch, JherJb 80 (1930), 1, 25. Hervorhebung im Original.
394
Nikisch, Arbeitsverhälmis, passim.
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gigkeit des Arbeitnehmers findet er nunmehr durch den Eintritt in eine Gemeinschaft begründet. Die persönliche Gemeinschaft entstehe dadurch, daß der Arbeitnehmer in den "engeren Lebenskreis" des Arbeitgebers eintrete, indem er diesem seine gesamte Arbeitskraft zur Verfugung stellt.395 Auch nach 1945 hat Nikisch an dem Gemeinschaftsgedanken festgehalten. Die Gemeinschaft beruhe auf der "engen persönlichen Verbindung zwischen dem Arbeitnehmer und seinem Arbeitgeber"396 bzw. den "personenrechtlichen Zügen" des Arbeitsverhältnisses.397 Die Annahme eines Gemeinschaftsverhältnisses hält Nikisch für erforderlich, weil die Parteien Treue- und Fürsorgepflichten treffen, die nur aus einem Gemeinschaftsverhältnis fließen könnten.398 Aufgrund dieser Gemeinschaftsvorstellung sieht Nikisch in der Eingliederung in die Betriebsgemeinschaft - unter Zurücksetzung des Arbeitsvertrages - das Primäre. 399 Denn die Gemeinschaft entstehe nicht durch den Arbeitsvertrag, sondern erst durch die Eingliederung in den Betrieb.400 c) Eine Konkretisierung des Gemeinschaftsbegriffs hat Nikisch in seiner Schrift über das "Arbeitsverhältnis im Betriebe" (1944) unternommen. Dort findet er, daß für die Annahme einer Gemeinschaft eine Vielzahl Beteiligter, d.h. mindestens zwei, erforderlich sei; der Zusammenschluß könne aufgrund
395 Nikisch, JW 1935, 1288; ders., Arbeitsverhältnis, S. 48 und 53. Für nicht "gemeinschaftsfähig" hält er aufgrund verschiedener Gesetze Juden; a.a.O. S. 54. Auf den "engeren Lebenskreis" stellt Nikisch auch in FS Molitor, S. 83, 100, ab. 396
Nikisch, Arbeitsrecht I, § 1914 (S. 162). Stellt der Arbeitnehmer seine gesamte Arbeitskraft zur Verfügung, so "entsteht durch diese Hingabe der ganzen Person, von der die Arbeitskraft nicht getrennt werden kann, eine persönliche Gemeinschaft." Nikisch, JW 1935, 1288. 397
Nikisch, Arbeitsrecht I, § 19 II 5 (S. 167).
398
Nikisch, Arbeitsrecht I, § 19 II 6 (S. 169); ders., FS Molitor, S. 83, 100.
399
Nikisch, JW 1935, 1288, 1290: "Wenn man aber auch heute noch fast allgemein die Zugehörigkeit zur Betriebsgemeinschaft und zur Gefolgschaft von dem Vorliegen eines Arbeitsvertrages abhängig macht, so scheint mir das ein Zeichen dafür zu sein, daß man sich von dem gewohnten vertragsrechtlichen Denken noch nicht frei gemacht hat. Solange der Betrieb als Gemeinschaft noch nicht erkannt war, bildete der Arbeitsvertrag in der Tat die einzige rechdiche Grundlage für die Beziehungen der Beteiligte. Heute ist die Betriebsgemeinschaft ein lebendiges Stück unseres sozialen Lebens und als solches gesetzlich anerkannt. Dann muß aber auch die rechdiche Stellung der Betriebsangehörigen in erster Linie von dieser Gemeinschaft her bestimmt werden." Ähnlich ders., Arbeitsverhältnis, S. 89 ff. Den Betrieb hatte Nikisch freilich schon in JherJb 80 (1930), 1, 138 f. als "Zentralbegriff des Arbeitsrechts" vorgeschlagen. 400 Das weitere Hauptthema der Eingliederungstheorie und zahlreicher anderer arbeitsrechtlicher Veröffentiichungen ist die Erklärung der ex-nunc Auflösung des Arbeitsverhältnisses wegen nichtiger Vertragsgrundlage. Nikisch, Arbeitsrecht I, § 19 II (S.163 ff.); ders, RdA 1960, 1, 3 f.; ders., FS Molitor, S. 83, 94 ff.
§ 2 Schlichte Gemeinschaft der Nebenparteien
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Vertrags oder tatsächlich erfolgen; die darin geltenden Pflichten dürften nicht im Widerspruch zur Gemeinschaft geändert oder ausgeschlossen werden, ihr Inhalt müsse den Bedürfnissen der Gemeinschaft entsprechen.401 3. Ebenfalls auf der Grundlage der Arbeit v.Gierkes entwickelt Alfred Hueck sein Gemeinschaftsverständnis.402 In Folge der Auffassung v.Gierkes findet auch er ein personenrechtliches Element im Arbeitsvertrag. Doch wehrt er sich zunächst noch gegen die Annahme eines "sozialrechtlichen Personenverhältnisses": "Dieser starke personenrechtliche Einschlag ist nicht das Wesentliche des heutigen Arbeitsvertrages. Im Vordergrund steht vielmehr die Verpflichtung zur Arbeitsleistung. ' , 4 0 3 Auch nach Hueck steht jedoch die Treuepflicht in Zusammenhang mit dem personenrechtlichen Element des Arbeitsvertrages.404 Späterhin hat er die Treuepflicht zunehmend von dem personenrechtlichen Element losgelöst und sie aus dem Gemeinschaftsverhältnis begründet. Das ist der Kern seines berühmten Vortrags über den "Treuegedanken im modernen Privatrecht" aus dem Jahre 1946: Während die guten Sitten im Bürgerverhältnis und Treu und Glauben im Schuldverhältnis gälten, sei das Gemeinschaftsverhältnis von der Treuepflicht geprägt.405 "Typische Beispiele [für die personenrechtliche Gemeinschaft] sind Ehe, Familie, Volksgemeinschaft. (...) Neben diese natürlich gewachsenen Gemeinschaften treten die durch besonderen Vertrag begründeten. Vor allem kommen zwei große Gruppen in Betracht, die Gesellschaftsverhältnisse und die Arbeitsverhältnisse."406 Hueck rückt die personenrechtliche Gemeinschaft schließlich so weit in den Vordergrund, daß er sich vergewissern muß, ob das Arbeitsverhältnis überhaupt noch schuldrechtlichen Charakter hat - was er freilich bejaht.407
401
Nikisch, Arbeitsverhältnis, S. 48 ff.
402
Auf v.Gierke beruft sich A. Hueck in Hueck/Nipperdey , Lehrbuch I 2 , § 20 III (S. 87) und § 35 I (S. 158); Hueck, FS Hübner, S. 72; zurückhaltender ders., Treuegedanke, S. 4. 403
Hueck/Nipperdey,
Lehrbuch I 2 , § 20 III (S. 87 f.).
404
Hueck/Nipperdey,
Lehrbuch I 2 , § 35 (S. 158 ff.).
405
Hueck, Treuegedanke, S. 5, 9 ff.; grundlegend schon ders., FS Hübner, 72 f. Vgl. bereits oben, § 1 A II 2 a. Ähnliche Gedanken äußert Heinr. Stoll, DJZ 1936, 414, 418. 406 407
A. Hueck, Treuegedanke, S. 12.
Hueck/Nipperdey, Lehrbuch I, § 22 II (S. 129): "Der Arbeitsvertrag ist also ein personenrechdicher Vertrag."; und § 22 III (S. 131 f.): "Umstritten ist, ob aufgrund der zu II geschilderten neueren Auffassung vom Wesen des Arbeitsvertrages und Arbeitsverhältnisses ihr schuldrechdicher Charakter schlechthin zu verneinen ist.".
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1. Teil: Unmittelbare Rechtsbeziehungen
4. Zu besonderer "Blüte" gelangten der Gemeinschafts- und der Treuegedanke im Nationalsozialismus.408 In § 2 des Gesetzes zur Ordnung der nationalen Arbeit vom 20. Januar 1934 liegt ein positiver Anhalt, der diese Entwicklung fördert, zumal sich in dessen Abs. 2 S. 2 eine gesetzgeberische Stellungnahme zur Dogmatik von Gemeinschaftsverhältnis und Treuepflicht findet: "(1) Der Führer des Betriebes entscheidet der Gefolgschaft gegenüber in allen betrieblichen Angelegenheiten, soweit sie durch dieses Gesetz geregelt werden. (2) Er hat für das Wohl der Gefolgschaft zu sorgen. Diese hat ihm die in der Betriebsgemeinschaft begründete Treue zu halten."
Teils wird in der Vorschrift eine Bestätigung hergebrachter Gedanken gefunden, die Anlaß zur Vertiefung bietet.409 Teilweise entwickeln sich auf diesem Boden neue Gemeinschaftstheorien, die bis zur Abkehr von der vertragsrechtlichen Begründung des Arbeitsverhältnisses reichen.410 Neubegründet wurde die Lehre vom Arbeitsverhältnis unter dem AOG vor allem von Wolfgang Siebert. Er hat die Folgen des Gemeinschaftsdenkens bereits 1935 in seiner einflußreichen Schrift über "Das Arbeitsverhältnis in der Ordnung der nationalen Arbeit" ausgebreitet. Der Arbeitsvertrag wird dort geradezu beseitigt und durch die Eingliederung in die Betriebsgemeinschaft ersetzt.411 Die Betriebsgemeinschaft wird durch die Einordnung, eine "'gemeinschaftsrechtliche Schöpfungshandlung' eigener Art", begründet.412 Erforderlich ist das bewußte Hineinstellen der Persönlichkeit mit ihrer vollen Arbeitskraft
408 Dazu etwa Rüthers, Auslegung, § 19 VI (S. 379 ff.); Ernst Wolf, Arbeitsverhältnis, S. 41 ff.; Mayer-Maly, RdA 1989, 233, 235 f.; Zöllner/Loritz, § 3 IV (S. 32 f.) m.w.N.; Reichold, Betriebsvrfassung, § 11 III (S. 336 ff.); sowie der knappe Abriß von Deventer, JuS 1988, 13 ff. Allgemein zu der "im Nationalsozialismus virulenten Germanenmythologie" und dem "Anspruch auf 'Rechtserneuerung' aus dem Geist des germanischen Rechts" Kroeschell, Deutsche Rechtsgeschichte 3, Kap. 22 m (S. 279 ff.). 409
So etwa bei Nikisch, JW 1935, 1288 ff. S.o. 2.
410
Siebert, ZAkDR 1935,93, 96 ff.; Hueck/Nipperdey/Dietz, AOG, § 2 Rn. 16. Siehe in diesem Zusammenhang auch Larenz, DR 1935, 488 ff., der von einem auf Hegel zurückgehenden Standpunkt aus die Individualfreiheit hinter den Gemeinschaftsgedanken - der "völkische Ordnung" - zurücktreten läßt. 411 So fordert Siebert, Arbeitsverhältnis, S. 68 ff., die Loslösung des Arbeitsverhältnisses aus dem Allgemeinen Teil und dem Schuldrecht des BGB. Soweit im Rahmen der Eingliederung eine Willenseinigung erforderlich sei, dürfe diese nicht als Rechtsgeschäft i.S. des BGB mißdeutet werden; a.a.O. S. 87. Ähnlich begründet Heinr. Stoll, DJZ 1936, 414, 416, die Betriebsgemeinschaft nicht aus dem Arbeitsvertrag, sondern eigenständig; er stellt die Gemeinschaftsbeziehung aber neben den Schuldvertrag. 412
Siebert, Arbeitsverhältnis, S. 85.
§ 2 Schlichte Gemeinschaft der Nebenparteien
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in die Betriebsgemeinschaft und die Aufnahme durch den Betriebsherrn. 413 Der Inhalt des Arbeitsverhältnisses folge aus der "umfassenden Treuepflicht" als "wahrhaft herrschende und gestaltende Grundpflicht". 414 5. Nach 1945 wurde die Gemeinschaftstheorie wieder zurückgeschnitten, vielfach sogar ganz abgelehnt,415 sie behielt gleichwohl noch erheblichen Einfluß. Einer der letzten Vertreter der Gemeinschaftslehre ist Wiedemann , der allerdings in kritscher Auseinandersetzung mit älteren Gemeinschaftslehren zu der zurückhaltenden Kennzeichnung vom "Arbeitsverhältnis als Austausch- und Gemeinschaftsverhältnis" kommt. Er folgt A. Hueck in der Begründung des Gemeinschaftsverhältnisses aus der Treuepflicht, sucht aber die Treuepflicht inhaltlich näher zu kennzeichnen. Aus ihr leitet er ein Verbot ungleichmäßiger Behandlung, eine Reaktionspflicht, einen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sowie die Beurteilung der Gemeinschafter nach dem Gesamtbild ab.416 Auf dieser Grundlage kommt er zu dem Ergebnis, daß zwar das Arbeitsverhältnis nicht schlechthin ein Gemeinschaftsverhältnis sei, sondern ein Austauschverhältnis. Doch werde durch den Vertrag eine faktische Gemeinschaft begründet und gebe es über den Leistungsaustausch hinausgehende Pflichten, so daß doch ein "gemeinschaftsrechtlicher Einschlag" zu konstatieren sei.417
II. Auswirkungen auf das Verhältnis zwischen Arbeitnehmern Ob und wenn ja welche Folgerungen die Annahme einer Gemeinschaft für das Verhältnis von Arbeitnehmern untereinander hat, wird in den angeführten Lehren nicht deutlich. Ihr Anliegen ist es vornehmlich, das Arbeitsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu erklären, nicht das Verhältnis zwischen Arbeitskollegen. Nachfolgend wird untersucht, ob die Gemeinschaftslehren eine Rechtsbeziehung zwischen Arbeitnehmern begründen können.
413
Siebert, Arbeitsverhältnis, S. 87. Deudich etwa a.a.O. S. 15: "Das Arbeitsverhältnis beruht auf totaler Eingliederung der Person in eine sie voll erfassende Gemeinschaft und empfängt daraus einen besonderen personenrechtlichen Charakter." (Hervorhebung im Original) 414
Siebert, Arbeitsverhältnis, S. 100 ff.
415
Neumann, RdA 1951, 1, 2 f.; Ramm, Anfechtung, S. 18 ff.; Mavridis, RdA 1956, 444 ff.; Schnorr v.Carolsfeld, Arbeitsrecht, § 6 A 11 (S. 161 f.); Farthmann, RdA 1960, 5 ff.; SoergelWlotzke/Volze, vor § 611 Rn. 12; Staudinger-Nipperdey/Mohnen, vor § 611 Rn. 10, 34, 300. 416
Wiedemann, Arbeitsverhältnis, S. 26 ff.
417
Wiedemann, Arbeitsverhältnis, S. 33 ff.
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1. Teil: Unmittelbare Rechtsbeziehungen
1. Personenrechtliche
Treuebeziehung
Keinen Ansatz für eine Rechtsbeziehung sollte man bei dem "personenrechtlichen Element" erwarten. Denn das personenrechtliche Element wird aus der Verfügung über die fremde Arbeitskraft, die "von der die Person des Trägers nicht getrennt werden kann", begründet. Eine Verfügung über die Arbeitskraft oder Person seiner Kollegen hat der Arbeitnehmer nicht. Anderes könnte nur gelten, wenn man das personenrechtliche Element mit dem engen persönlichen Kontakt begründete. Solcher wird sich bei Arbeitskollegen häufig nachweisen lassen. Doch wird dieses Verständnis des personenrechtlichen Elements soweit ersichtlich nicht vertreten.418 Es würde auch im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer oftmals versagen, da dort nicht notwendig, praktisch sogar selten ein enges persönliches Verhältnis besteht, zumal wenn der Arbeitgeber eine juristische Person ist. Götz Hueck hingegen, der Gemeinschaftsverhältnisse der Arbeitsvertragsparteien, der Belegschaft und der Betriebsgemeinschaft freilich voraussetzt und nicht eigens begründet, verankert eine Treuebindung in dem personenrechtlichen Element. Denn in dem personenrechtlichen Element des Arbeitsverhältnisses (zwischen den Vertragsparteien) findet er die Treuepflicht begründet. Diese wirkt nach seiner Auffassung - insoweit ähnlich wie im Kapitalgesellschaftsrecht - auch zwischen den Arbeitnehmern.419
2. Gemeinschaftsbegründete
Treuebeziehung
a) Ob nach der Lehre A. Huecks zwischen den Arbeitnehmern eine Rechtsbeziehung besteht, ist unklar, wird doch nicht deutlich, ob er die Gemeinschaft über die Treuepflicht definiert oder umgekehrt. Im ersten Falle dürfte eine Gemeinschaft zu verneinen sein, da zwischen Arbeitskollegen die Geltung einer
418
Die Übersicht ist freilich schwer, da die Begriffe "personenrechdich" und "Gemeinschaft" bei den einzelnen Autoren in je unterschiedlicher Weise begründet und inhaldich bestimmt werden, wie schon Mavridis, RdA 1956, 444, 445, feststellt. Nikisch, RdA 1960, 1, 2 und Arbeitsrecht I, § 19 I 4 (S. 162), spricht davon, daß die Aufnahme in den Lebens- oder Arbeitsbereich eine "persönliche Verbundenheit" und damit personenrechdiche Züge begründe. Doch meint er damit keine persönliche Beziehung, sondern eine Betriebsverbundenheit, wie er in Arbeitsrecht I, § 19 II 6 (S. 169) klarstellt. 419
G. Hueck, Gleichbehandlung, S. 136 f.
§ 2 Schlichte Gemeinschaft der Nebenparteien
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Treuepflicht nicht schon vorausgesetzt werden kann.420 Im zweiten Fall bleibt die Frage offen, da die Bestimmung fehlt, wann eine Gemeinschaft vorliegt. b) Anders liegen die Dinge, wenn man die tatsächlich bestehende Betriebsgemeinschaft für den maßgeblichen Anknüpfungspunkt hält. In diesem Sinne ist nach § 2 Abs. 2 S. 2 AOG die Treuepflicht ausdrücklich in der Betriebsgemeinschaft begründet, wenn dort auch nur von der Treue der "Gefolgschaft" gegenüber dem "Führer des Betriebes" die Rede ist. Ist die Treuepflicht in der Betriebsgemeinschaft begründet, so kann sie auch zwischen den Arbeitnehmern Wirkung entfalten. Das gilt jedenfalls dann, wenn man Arbeitgeber und Arbeitnehmer als grundsätzlich gleichberechtigte Mitglieder der Betriebsgemeinschaft ansieht.421 So nimmt etwa Meissinger an: "Darüber hinaus wird man die gegenseitige Verpflichtung von Arbeitnehmern, auch unter sich Frieden zu halten, gegenseitige Schikanierung usw. zu unterlassen, in diese aus der Gemeinschaft kommende Treuepflicht einzufügen haben. " 422 Entsprechendes folgt, wenn - mit Nikisch - die Gemeinschaft schon durch die Zugehörigkeit zu demselben engeren Lebenskreis entsteht, oder wenn man mit der Eingliederungstheorie den Eintritt in ein persönliches Verhältnis für das rechtsbegründende Moment hält. Nach der spezielleren Definition Nikischs ist für die Annahme einer Gemeinschaft eine Mehrheit von Beteiligten erforderlich; rechtlich ist sie auch dann anzuerkennen, wenn sie nur tatsächlich und nicht rechtsgeschäftlich begründet wird; die darin geltenden Pflichten sind gemeinschaftskonform zu bestimmen.423 Das Erfordernis der Mehrzahl liegt in den betrachteten Fällen der Arbeitskollegen vor. Ob die Arbeitskollegen eine tatsächliche Gemeinschaft darstellen, ist jedoch unsicher zu beurteilen und über den Pflichteninhalt läßt sich ohne weiteres nichts Bestimmtes sagen. Nach dieser Definition wäre eine Gemeinschaft (wohl) zu verneinen.
420
Auch Zöllner, FS BAG, S. 745, 753, der eine Bindung nach Treu und Glauben zwischen Arbeitnehmern annimmt, verneint eine "echte Treupflicht". 421
Zum Verständnis nach dem AOG Hueck/Nipperdey/Dietz,
422
Meissinger, Treuepflicht E IV.
423
S.o. I 2 c.
AOG, § 1 Rn. 2 ff.
1
1. Teil: Unmittelbare Rechtsbeziehungen
3. Gemeinschaft unter Arbeitskollegen
nach Gerhard Müller
Ebenfalls in den vorliegenden Zusammenhang ist die Entscheidung des Großen Senats des BAG zum Haftungsausschluß unter Arbeitnehmern und die Begründung einer Kollegengemeinschaft durch Gerhard Müller zu stellen, wenn auch dieser Ansatz nur lose mit der Lehre vom Arbeitsverhältnis als personenrechtliche Gemeinschaft verknüpft ist. a) Das BAG nahm an, es schaffe "die Arbeit im gleichen Betrieb ein mehr oder weniger enges Gemeinschaftsverhältnis der Arbeitnehmer untereinander, nicht nur als soziologische Erscheinung, sondern auch mit gewissen Rechtsfolgen."424 Das Gericht führt die Eingliederung in den Betrieb an und die Betriebsrisikolehre, bei der es um die Solidarität unter Arbeitnehmern gehe. b) Gerhard Müller 425 hat diesen Ansatz verfolgt. Er stützt sich für seine Annahme einer Gemeinschaftsbindung zwischen Arbeitnehmern auf die zitierte Entscheidung und ferner auf die Sozialauswahl nach § 1 KSchG, den Gleichbehandlungsgrundsatz und den Schutz des Betriebsfriedens nach § 66 Abs. 4 BetrVG 1952 (vgl. § 104 BetrVG 1972).426 Aus diesen Regeln ergebe sich ein nicht nur "nebulöser oder gefühlsbetonter" Gemeinschaftsbegriff, da eine Gemeinschaft konkret bestimmter Arbeitnehmer sowie bestimmte Rechtsfolgen in Rede stünden.427 Die inhaltliche Begründung für die Gemeinschaftsbeziehung findet Müller in "dem Persönlichkeitsgedanken", da bei § 1 Abs. 3 KSchG die schwächere Persönlichkeit geschützt werde; dem Persönlichkeitsschutz diene auch das Willkürverbot, ebenso wie der über § 66 Abs. 4 BetrVG 1952 begründete Schutz bei Störung des Betriebsfriedens und der Schutz vor "unzumutbarer" Haftung. 428
424
BAG (GS), BAGE 5, 1, 16 ff.
425
Gerhard Müller, DB 1958, 712 ff. und 740 ff. Dieselben Gedanken Müllers, vereint mit Ansätzen von Nikisch und Wiedemann, greift Jobs, ZfA 1972, 305, 337 ff. zu seiner Verteidigung der Gemeinschaftslehre wieder auf. Im Anschluß an Müller auch Hessel, DB 1958, 837 f., und Wlotzke, RdA 1963, 1, 4,48, beide unter Berufung auf die Verbundenheit der Arbeitnehmer nach dem Teilstreik-Urteil im Kieler Straßenbahnstreikfall, RGZ 106, 272, 275. Zum Ganzen Wiedemann, Arbeitsverhältnis, S. 44 m:w.N. 426
Müller, DB 1958, 712 ff.
427
Müller, DB 1958, 740.
428
Müller, DB 1958, 740 f.
§ 2 Schlichte Gemeinschaft der Nebenparteien
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c) An die Ausführungen Müllers knüpft Hessel an.429 Aus einer Gemeinschaftsverbundenheit von Arbeitnehmern schließt er, es könne der Arbeitgeber nicht in Annahmeverzug kommen, wenn aufgrund des Verhaltens von Arbeitskollegen - die sich etwa ihren "blauen Montag" nehmen oder ohne Lohn einen kirchlichen, nicht-staatlichen Feiertag begehen - die Arbeitsleistung für den Arbeitgeber sinnlos sei.430 "Das kollektive Element der betrieblichen Ordnungsprinzipien wirkt sich nicht nur im Verhältnis Arbeitgeber-Arbeitnehmer aus, sondern auch im Verhältnis der einzelnen Arbeitnehmer untereinander: sie können nur noch gemeinsame Leistung anbieten."431 Es handelt sich der Sache nach um eine Erweiterung der Betriebsrisikolehre.
m . Stellungnahme
Die Lehren vom personenrechtlichen Gemeinschaftsverhältnis werden heute überwiegend abgelehnt.432 Dem ist beizupflichten. Angesichts ihrer oben nachgezeichneten Entwicklung kann die Lehre zwar nicht schon als "nationalsozialistisches Gedankengut" zurückgewiesen werden.433 Gegen sie sprechen gewichtigere, inhaltliche Bedenken. Als Ausgangspunkt einer "sozialen" Lehre vom Arbeitsverhältnis ist sie - jedenfalls heute - entbehrlich. Die Annahme eines Gemeinschaftsverhältnisses ist nicht überzeugend begründet.
429
Auf den Beitrag von Hessel beruft sich wiederum Hilger, Ruhegeld, S. 263 f. Sie spricht ohne nähere Begründung von einer "Solidarität der Arbeitnehmer", aus der sie den Widerruf von Ruhegeldzusagen rechtfertigen möchte. Der Arbeitnehmer sei an Betrieb, Unternehmen und die "Gemeinschaft mit anderen, die gleich ihm von diesem Unternehmen wirtschaftlich abhängig sind, als Schicksals- und Gefahrengemeinschaft" verbunden, woraus sich unter bestimmten Umständen die Notwendigkeit eines Opfers ergebe. Darin liege eine Parallele zur Betriebsrisikolehre betreffend den Fall der existenzgefährdenden Bedrohung des Unternehmens. 430
Hessel, DB 1958, 837 f.
431
Hessel, DB 1958, 837, 838.
432
Vgl. v.a. Schwerdtner,
Fürsorgetheorie; Ernst Wolf,
Arbeitsverhältnis; Fenn, ArbuR 1971,
321 ff. 433 Ebenso Wiedemann, Arbeitsverhältnis, S. 4; Schwerdtner, Fürsorgetheorie, § 4 II (S. 27); Zöllner, FS BAG, S. 756. Auf der anderen Seite zeigt aber Ernst Wolf, Arbeitsverhältnis, S. 71 ff., eine teilweise Kontinuität auf; dazu auch Mayer-Maty, RdA 1989, 233, 238; Rüthers, Auslegung, § 19 VI 4 f (S. 399 f.).
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1. Teil: Unmittelbare Rechtsbeziehungen
1. Zur Kennzeichnung als "personenrechtlich" a) Die Lehre v.Gierkes hat sich als fruchtbarer Boden für die Ausbildung des Rechts der unselbständigen Dienstverpflichteten erwiesen. Vor allem die Treue- und Fürsorgepflicht sind auf ihrer Grundlage ausgebaut worden. Daß die Lehre vom personenrechtlichen Gemeinschaftsverhältnis dafür erforderlich war, ist freilich zu bezweifeln. Denn es hat schon Wilhelm Ebel aus rechtshistorischer Sicht darauf hingewiesen, daß "die Vertragstreue nach deutschem Recht jedem auf längere Dauer gerichteten Schuldverhältnis ohnehin innewohnt."434 Dementsprechend findet sich auch schon früher die Begründung der Treuepflicht ohne Rekurs auf einen personenrechtlichen Einschlag des Arbeitsverhältnisses.435 Heute ist die Lehre vom personenrechtlichen Verhältnis in ihrer Funktion zur Begründung arbeitsrechtlicher Besonderheiten jedenfalls entbehrlich.436 Vor allem ist es nunmehr möglich, die Treue- und Fürsorgepflichten als Ausprägungen des Systems von Vertragsnebenpflichten und weiteren Verhaltenspflichten nach § 242 BGB zu erkennen und systematisch abzusichern.437 Die arbeitsvertraglichen Nebenpflichten können auf diese Weise mit Rücksicht auf die jeweiligen Sachfragen, z.B. den Schutz der Persönlichkeit, begründet werden. So erübrigt sich der Rekurs auf "das Wesen des Arbeitsverhältnisses", der eine Begründung ohnehin nicht zu ersetzen vermag.438 b) Schon Nikisch hat darauf hingewiesen, daß die "historische Begründung" des personenrechtlichen Elements wenig überzeugt. Rechtshistorisch widerlegt
434
Ebel, ZStW 96 (1936), 319, 332. Er weist daraufhin, daß die personenrechdiche Natur der Gefolgschaft nicht aus der Treuebeziehung fließt, sondern aus der Munt. 435
Kaskel, Arbeitsrecht2, zum Arbeitsvertrag als schuldrechdicher Dienstvertrag § 16 (S. 47 ff.), zur Treuepflicht § 29 (S. 78 f.) und zur Fürsorgepflicht § 35 I (S. 114 f.); Staudinger 7/ 8-Kober, Vorbem. III 2 vor § 611; Staudinger 9-Kober/Nipperdey, Vorbem II 6 vor § 611. Zur Frage des Arbeitnehmerschutzes im BGB ferner Planck, DJZ 09, 23 ff. Die Entwicklung der Treue- und Fürsorgepflicht zeichnet Richardi, Entwicklungstendenzen, S. 45 ff., nach. 436
MünchArbR-Richardi, § 8 Rn. 9. In diese Richtung weist bereits Mayer-Maly, JZ 1961,205, 207: Die Kritik am BGB habe "dazu geführt, das gewiß nicht alle Möglichkeiten konventioneller Interpretations- und Subsumtionskunst ausgeschöpft wurden, sondern Schlüsse aus dem Wesen des Arbeitsverhältnisses den Vorzug erhielten." Mayer-Maly möchte freilich entgegen der schon seinerzeit geäußerten Kritik an der Annahme einer "personenrechdichen Gemeinschaft" festhalten; a.a.O. S. 208 bei und in Fn. 38. 437 So auch Schwerdtner, Fürsorgetheorie, § 10 I (S. 79 ff.). Kritisch aber Richardi, Entwicklungstendenzen, 56 f., der vor allem an der Einsicht A. Huecks über die verschiedenen Intensitätsstufen der Pflichtenbindung festhalten möchte und annimmt, das allgemeine System schuldrechtlicher Verhaltenspflichten werde arbeitsrechtlichen Besonderheiten nicht gerecht. 438
Zum Wesensargument Scheuerle, AcP 163 (1963), 429, 436 ff.
§ 2 Schlichte Gemeinschaft der Nebenparteien
wurde die These v.Gierkes bereits 1936 durch Wilhelm Ebel. 439 Er weist nach, daß es neben der vereinzelt gebliebenen Erscheinung der Gefolgschaft, die wegen der damit einhergehenden Munt personenrechtlicher Natur war, schon früher auch freie Dienstverhältnisse gab. Diese, nicht aber der Treudienstvertrag, waren die Vorläufer des modernen gewerblichen Arbeitsvertrags. 440 Darüber hinaus fehlt der Nachweis, das personenrechtliche Verständnis sei in das Bürgerliche Gesetzbuch übernommen worden. Allein aus den Vorschriften über die Fürsorgepflicht kann das nicht folgen, denn teils gelten diese auch für selbständige Dienstverpflichtete (§§ 617, 618 Abs. 1 BGB), teils knüpfen sie an besondere Tatbestände an (§618 Abs. 2 BGB - "häusliche Gemeinschaft"). 441 Auf der anderen Seite ist der Begründung des personenrechtlichen Elements aus dem Anstellungsvertrag heraus, die Nikisch vorträgt, entgegenzuhalten, daß der Arbeitsvertrag immer nur in - zeitlich und gegenständlich - beschränktem Umfang eine Verfügungsmöglichkeit des Arbeitgebers über den Arbeitseinsatz begründet. Jedenfalls nach heutigem Verständnis kann aus dem Arbeitsvertrag kein Verfügungsrecht über die Person des Arbeitnehmers folgen. 442 Personenrechtliche Subordinationsverträge können Privatrechtssubjekte nicht abschließen.443 Anderes belegen auch Eheschließung und Adoption nicht. Denn die Ehe
439
Ebel, ZStW 96 (1936), 319 ff. Seine Ausführungen blieben indes lange Zeit ohne Wirkung; dazu und zu v.Gierkes Lehre vom Treudienstvertrag Spindler, Von der Genossenschaft zur Betriebsgemeinschaft, S. 143 ff., 152 ff. 440
Ebel, ZStW 96 (1936), 319 ff. Siehe ferner Kroeschell, Deutsche Rechtsgeschichte 3, Kap. 22 III (S. 280); Schwerdtner, Fürsorgetheorie, § 7 11 (S. 45 f.); Schnorr, Arbeitsrecht, § 5 II 1 Fn. 14 (S. 59). 441
Siehe schon Kaskel, Arbeitsrecht2, § 17 V, VI (S. 50 f.), der den deutschrechüichen Einfluß bejaht, aber darauf hinweist, der personenrechdiche Einschlag sei einer schuldrechdichen Ausgestaltung gewichen. 442
Dazu schon v.Savigny, System I, § 53 (S. 338 f.), der das Verständnis der Forderung als absolute Herrschaft an einer Person ausschließt: "Soll dieses nicht seyn, wollen wir uns vielmehr ein besonderes Rechtsverhältnis denken, welches in der Herrschaft über eine fremde Person, ohne Zerstörung ihrer Freyheit, besteht, so daß es dem Eigenthum ähnlich, und doch von ihm verschieden ist, so muß die Herrschaft nicht auf die fremde Person im Ganzen sondern nur auf eine einzelne Handlung derselben bezogen werden; diese Handlung wird dann, als aus der Freyheit des Handelnden ausgeschieden, und unserm Willen unterworfen gedacht. Ein solches Verhältnis der Herrschaft über eine einzelne Handlung derfremden Person nennen wir Obligation." Weniger weit geht das heute herrschende Verständnis von der Forderung. Danach begründet sie auch keine Herrschaft über die Leistungshandlung; Larenz, Schuldrecht I, § 2 II (S. 16 f.). Gegen die Annahme, vom Arbeitsvertrag werde die Person des Arbeitnehmers erfaßt auch Stauding er*Kober/Nipperdey, Vorbem II 6 b vor § 611.
1. Teil: Unmittelbare Rechtsbeziehungen
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ist kein Unterordnungsverhältnis, sie begründet kein Verfügungsrecht über die Person des Partners. Sowohl die Ehe als auch die Annahme als Kind können im übrigen nicht ohne konstitutive staatliche Mitwirkung erfolgen, § 11 Abs. 1 EheG, § 1752 BGB.444 Es ist aber ferner auch nicht möglich, das Verfügungsrecht über die Person eines Partners schuldrechtlich zu vereinbaren. Das folgt nicht erst aus § 138 BGB, sondern unmittelbar aus dem Prinzip der Privatautonomie. Denn die Möglichkeit, über die Selbstbestimmungsbefugnis zu disponieren, entzöge dem Zivilrechtssystem, das vom Zusammenwirken freier und gleicher Partner ausgeht, die Grundlage.445 Schließlich kann ein "personenrechtliches Element" auch nicht auf die Weise begründet werden, daß ein Schuldvertrag die Wirkung einer persönlichen (personenrechtlichen) Verfügungsmacht über den Partner hat. Ein solcher Vertrag ist zwar nicht schon per se ausgeschlossen. Doch ließe der in solcher "personenrechtlichen Wirkung" liegende Ausschluß der Selbstbestimmung den Vertrag in derselben Weise als sittenwidrig erscheinen wie eine vertragliche Knebelung.446
2. Zur Annahme einer Gemeinschaft a) Die eigentlichen Gemeinschaftslehren sind ihrerseits Einwänden ausgesetzt. Generell spricht gegen sie schon ihr freiheitsbedrohendes Potential,447 das 443
Vgl. auch die Ausführungen von Schnorr, Arbeitsrecht, § 5 II 2 (S. 60 ff.) unter Bezugnahme auf die von Coing so bezeichnete iustitia protectiva. 444 Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 11 I (S. 105 ff.) und II 4 (S. 110 ff.) zur Eheschließung, § 68 II (S. 1096 f.) sowie VIII (S. 1124 f.) zur Adoption. 445
Ähnlich Lorenz, Schuldrecht I, § 2 II (S. 16). Vgl. dazu und zum folgenden auch ders., Richtiges Recht, S. 45 ff., 48, 55 sowie S. 63 f. Die Wirksamkeit einer Vereinbarung, die eine Verfügungsmacht über die Person eines Teils begründet, läßt sich auch - im Lichte einer jüngeren Diskussion - aus der Schutzfunktion der Grundrechte begründen. Ansatzpunkt wäre dann, vermittelt über § 138 BGB, die allgemeine Handlungsfreiheit, Art. 2 Abs. 2 GG, sowie die Menschenwürde, Art. 1 Abs. 1 GG. Zu dieser Diskussion statt vieler Singer, JZ 1995,1133, 1136 ff.; Löwisch, ZfA 1996, 293 ff.; ablehnend demgegenüber Zöllner, AcP 196 (1996), 1 ff. 446 So begründet BGHZ 44, 157, 161, die Sittenwidrigkeit damit, daß der Vertragspartner "in einem weiten Bereich seiner wirtschaftlichen Betätigung sich seiner freien Selbstbestimmung entäußert", sich "praktisch selbst entmündigt" habe. Ferner BGH, NJW 1993, 1587, 1588. 447 Schon Neumann, RdA 1951, 1, 3, weist daraufhin: "Für das Arbeitsverhältnis bedeutet die Gemeinschaftstheorie die Unterordnung der Interessen und Rechte des Arbeitnehmers unter ein Gemeinschaftsinteresse, das in der Regel von denen bestimmt wird, die die Macht im Betriebe ausüben, gleichgültig, ob es kapitalitstische oder sozialistische Machthaber sind." Siehe ferner Wiedemann, Arbeitsverhältnis, S. 5, in seiner Ablehnung der Eingliederungstheorie sowie Rittner, AcP 188 (1988), 101, 125 und passim. Beispielhaft für die Gefährlichkeit des "Gemeinschaftsgedankens" Staudinger 11- Kiefersauer, vor § 535 Rn. 4: "Die Beteiligten, d.h. die Mieter und die Vermieter, müssen daran gewöhnt werden, daß die Geltendmachung ihrer gesetzlichen oder
§ 2 Schlichte Gemeinschaft der Nebenparteien
127
sich eindrucksvoll in ihrem Versuch zeigt, das Vertragsrecht abzulösen.448 Droht die Gemeinschaftstheorie schon an sich, die Individualfreiheit zu beschneiden, so tritt aufgrund ihrer Unbestimmtheit noch die Gefahr der Willkür hinzu. Eine Gemeinschaftslehre kommt allenfalls dann in Betracht, wenn Tatbestand und Rechtsfolgen klar umrissen sind. Gerade das aber ist in einer über achtzigjährigen Tradition nicht gelungen.449 b) A. Hueck hat versucht, die Gemeinschaft über die Treuepflicht zu begründen. Unklar bleibt dabei, ob die Treuepflicht aus der Gemeinschaft folgt oder die Gemeinschaft aus der Treuepflicht. In beiden Fällen ist die Begründung eines Gemeinschaftsverhältnisses nicht erbracht: Fließt die Treuepflicht aus der Gemeinschaft, so kann sie nicht deren Voraussetzung sein; das wäre ein Zirkelschluß.450 Im umgekehrten Fall muß die Treuepflicht unterscheidungskräftig gekennzeichnet werden. Eine qualitative Abgrenzung gegenüber Treu und Glauben ist A. Hueck aber nicht gelungen.451 Auch der von Wiedemann unternommene Versuch, die Treuepflicht zu qualifizieren, ermöglicht die Abgrenzung gegen Treu und Glauben nicht: Der Gleichbehandlungsgrundsatz hängt nicht notwendig mit der Gemeinschaft zusammen452 und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz453 gibt es auch im Schuldverhältnis (vgl. z.B. § 251
vertraglichen Rechte und Pflichten immer und überall dem Gedanken der Hausgemeinschaft unterzuordnen ist." Das nennt er "den Erziehungsgedanken". 448
MünchArbR-Richardi, § 8 Rn. 10: "Die mit der Zuordnung zum Personenrecht verbundene Verdrängung des Vertragsprinzips widerspricht dem geltenden Recht." 449 Auch Jobs, ZfA 1972, 305, 336, räumt ein, es sei "bisher nicht gelungen, den Begriff des personenrechdichen Rechtsverhältnisses so klar und scharf herauszuarbeiten, daß daraus bereits praktische Folgerungen gezogen werden könnten." (Hervorhebung nur hier.) Sein Versuch, das Gemeinschafts Verhältnis neu zu begründen, schlägt ebenfalls fehl. Neben einer Abwehr von Kritik erschöpft sich seine positiver Begründung darin, es müßten mehr als zwei Personen beteiligt sein und es sei eine "innere Einstellung" erforderlich (a.a.O. S. 336 f.). Diesen Merkmalen fehlt die Unterscheidungskraft, zumal unklar wird, ob die innere Einstellung Voraussetzung oder Folge der Gemeinschaft sein soll (a.a.O. S. 337). 450
Diesen Vorwurf erhebt Schwerdtner,
451
Scharf ablehnend Ernst Wolf,
Fürsorgetheorie, § 7 I 1 (S. 44).
Arbeitsverhälmis, S. 10 f. Auch Paschke, AcP 187 (1987), 60,
82. 452 Soweit Wiedemann den Gleichbehandlungsgrundsatz anführt, fragt sich überdies, in welchem Verhälmis dieser gelten soll. Daß Arbeitgeber und Arbeitnehmer gleichzubehandeln wären, ist jedenfalls nach bundesdeutschem Recht kaum zu begründen. Der Gleichbehandlungsgrundsatz, der den Arbeitgeber im Verhältnis zu der Belegschaft bindet, erlaubt schon deshalb keine Rückschlüsse auf das Arbeitsverhältnis, weil sonst zwischen Einzelarbeit und Arbeit im Betrieb unterschieden werden müßte.
1. Teil: Unmittelbare Rechtsbeziehungen
128
Abs. 2 BGB), ja sogar im Bürgerverhältnis (siehe nur §§ 227, 228, 904 BGB).454 Auch Reaktionspflichten sind nichts "Gemeinschaftsspezifisches"; so statuiert § 663 BGB eine vorvertragliche (!) Reaktionspflicht, und eine Pflicht, auf Fragen zu antworten, wird man jedenfalls auch in dauernden Geschäftsbeziehungen annehmen müssen.455 Die Treuepflicht entpuppt sich als Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben. Gegenüber Treu und Glauben besteht kein "Wesensunterschied, sondern ein Gradunterschied";456 vielfach läßt sich nicht einmal von einer verschiedenen Intensität sprechen, sondern nur von einer situationsbedingt verschiedenen Ausprägung. c) Nicht weiter hilft auch das Kriterium der Zugehörigkeit zu demselben engeren Lebenskreis oder die Einstellung in ein persönliches Verhältnis, wie Nikisch vorgeschlagen hat. Dieses Merkmal ist schon wegen seiner Unbestimmtheit ungeeignet; sogar ob der engere Lebenskreis eine Gemeinschaft im soziologischen Sinn begründet ist zweifelhaft. 457 Diese Frage kann indes dahinstehen. Denn auch wenn aus soziologischer Sicht eine Gemeinschaft vorläge, wäre daraus eine rechtliche Bindung nicht abzuleiten. Auch der speziellere Begründungsversuch Nikischs 458 bleibt erfolglos. Daß an einer Gemeinschaft mehrere, mindestens zwei Personen beteiligt sind, verhilft jedenfalls bei Zwei-Personen-Gemeinschaften nicht zu einer Unterscheidung vom Schuldverhältnis und bleibt im übrigen eine nur soziologische Beschreibung.459 Vollends hilflos ist die Feststellung, daß eine Gemeinschaft durch Vertrag oder auch nur tatsächlich begründet werden könne und daß eine tatsächliche Gemeinschaft rechtliche Anerkennung verlange.460 Mit der Charakterisierung gemeinschaftsrechtlicher Pflichten beschreibt Nikisch nur Rechtsfolgen der Gemeinschaft, nicht ihre Voraussetzungen. So gründet die Bestimmung tragend allein auf der tatsächlichen Gemeinschaft. 453
Allgemein zum Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Privatrecht Medicus, AcP 192 (1992),
35 ff. 454 Schon Gamillscheg/Hanau, Haftung, § 11,2 (S. 159), stellen fest, daß die arbeitsrechdichen Regeln über Gleichbehandlung, Mitbestimmung und Teilstreik eine Aussage über das Kollegenverhältnis nicht erlauben. 455 Für ein längerdauerndes Mietverhältnis nimmt LG Köln, WuM 1990, 385, 386, eine Bescheidungspflicht des Vermieters auf Mängelanzeigen hin an. 456
So schon Mavridis,
457
Verneinend Mavridis,
458
Vgl. oben I 2 c.
459
Wiedemann, Arbeitsverhältnis, S. 26 f.
460
Zu dem damit anklingenden "konkreten Ordnungsdenken" bereits oben, C I 2 b aa a.E.
RdA 1956, 444, 447. RdA 1956, 444, 445 f.
§ 2 Schlichte Gemeinschaft der Nebenparteien
129
d) Schließlich kann auch der Ansatz G. Müllers ein Gemeinschaftsverhältnis von Arbeitnehmern nicht begründen. Schon Wiedemann' m hat darauf hingewiesen, daß die von Müller angeführten Regeln nicht aus einer Belegschaftsgemeinschaft heraus begründet sind. Der Gleichbehandlungsgrundsatz setzt eine Mehrheit von betriebszugehörigen Arbeitnehmern voraus, aber keine Gemeinschaft. Gleichbehandlung begründet aber auch keine Gemeinschaft. Bei der Sozialauswahl geht es um den Schutz des sozial Schwächsten mehrerer vergleichbarer Arbeitnehmer, gerade hier sind die Arbeitnehmerinteressen kaum gleichgerichtet. Die Sozialauswahl ist im übrigen zwar nach h.M. betriebsbezogen. Doch erstreckt sich die Auswahl immer nur auf vergleichbare Arbeitnehmer,462 so daß auf diesem Wege eine betriebsweite Gemeinschaft meist nicht begründet werden könnte. Auch aus § 66 Abs. 4 BetrVG 1952 (§ 104 BetrVG) läßt sich eine Gemeinschaft nicht begründen. Denn diese Vorschrift spiegelt lediglich Rechte des Arbeitgebers wider und begründet darüber hinaus nur einen Anspruch des Betriebsrats auf Einwirkung. Ein Gemeinschaftsverhältnis der Arbeitskollegen schafft sie nicht.463 Erst recht ist den Ausführungen Hessels zu widersprechen. Darin wird eine Gemeinschaft nicht begründet und im Widerspruch zu den zivilrechtlichen Grundlagen des Arbeitsvertrages eine Art Kollektivschuld angenommen, aufgrund derer nur das Kollektivangebot den Annahmeverzug begründe. Ohne weiteres schuldet aber der einzelne Arbeitnehmer nur seine eigene Leistung und nicht einmal ein Einwirken auf die Arbeitskollegen durch gutes Zureden.464 Es führen die Darlegungen von Hessel noch einmal besonders deutlich vor Augen, wie die Überlagerung einer - vom Gesetz so konzipierten - individualrechtlichen Rechtsbeziehung durch eine Gemeinschaftstheorie unmittelbar die Rechte und die Freiheit des einzelnen bedroht.
3. Zu dem Rechtsverhältnis
zwischen Arbeitnehmern
Mit der Ablehnung der Lehre vom personenrechtlichen Gemeinschaftsverhältnis ist auch das Urteil über die daraus begründete Rechts- oder Gemeinschaftsbeziehung der Arbeitnehmer untereinander schon gefällt. Die bereits genannten
461
Wiedemann, Arbeitsverhältnis, S. 40 ff., 43 ff.
462
MünchAibR-Berkowsky,
§ 135 Rn. 27 ff.
463
Siehe schon die Auführungen zu der strukturell entsprechenden Vorschrift des § 554a BGB, oben C I 2. 464
So bereits Wiedemann, Arbeitsverhältnis, S. 44.
9 Riesenhuber
130
1. Teil: Unmittelbare Rechtsbeziehungen
Bedenken stellen sich erneut, geht man die einzelnen Ansätze zur Begründung von Arbeitskollegenbeziehungen noch einmal durch. So mangelte es flagrant an einem Rechtsgrund, wollte man ein Gemeinschaftsverhältnis allein aus der persönlichen Nähe begründen. Die Annahme von G. Hueck, es könne im Arbeitsverhältnis ähnlich wie im Gesellschaftsrecht eine über die "sternförmigen" Einzelbeziehungen hinausreichende Treuepflicht geben, überzeugt nicht, weil die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht an den gemeinsamen Zweck gebunden ist, den es im Arbeitsverhältnis und im Arbeitskollegenverhältnis gerade nicht gibt. Hinsichtlich der eigentlichen Gemeinschaftslehren schließlich ist nur auf die oben (2.) begründete Ablehnung zu verweisen. Belegschaft und Betriebsgemeinschaft bleiben allein tatsächliche Gemeinschaften, daran ändert sich auch dadurch nichts, daß ihre Mitglieder vom Arbeitgeber gleich zu behandeln sind usf. Den Mangel eines Verbindungsgrundes unterstreicht nicht zuletzt, daß, von Einzelnormen abgesehen, ein Regelungsregime für das Arbeitskollegenverhältnis nicht ersichtlich ist, aus dem sich neben dem Grund auch die notwendige Gestaltung und Begrenzung465 der Gemeinschaft ergäbe.
IV. Ergebnis Die Lehre vom personenrechtlichen Gemeinschaftsverhältnis vermag Rechtsbeziehungen zwischen Arbeitnehmern nicht zu begründen. Zum einen stehen ihr selbst schon entscheidende Bedenken entgegen. Legte man diese Lehre aber zugrunde, so ließen sich aus ihr Rechtsbeziehungen zwischen Arbeitnehmern überzeugend doch nicht herleiten. Denn sie behandelt in erster Linie das Verhältnis von Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Soweit auch das Verhältnis zwischen Arbeitnehmern untersucht wird, überzeugt die Annahme einer Gemeinschaft nicht.
E. Gemeinschaftsverhältnis von Grundstücksnachbarn Auch im Verhältnis von Grundstücksnachbarn wird von einer Gemeinschaft gesprochen. Dem ist nachzugehen. Es ist zunächst zu untersuchen, ob die Charakterisierung als nachbarliches Gemeinschaftsverhältnis zutrifft (I) und
465
Es bestehen insoweit dieselben Bedenken, die schon gegen die von Paschke angenommenen Sozialbeziehungen geltend zu machen waren (oben C 12 b). Deudich zeigt sich die Unbestimmtheit des "Gemeinschaftsgedankens" vor allem in der Entscheidung zum Ausschluß der Haftung unter Arbeitskollegen, BAGE 5, 1 ff. (dazu nochmals oben, C I 2 b bb).
§ 2 Schlichte Gemeinschaft der Nebenparteien
131
sodann, ob die Rechtsregeln, die zwischen Grundstücksnachbarn gelten, auch im Verhältnis von Nebenparteien Anwendung finden können (II). Letzteres könnte besonders für Wohnungsnachbarn nahe liegen.
I. Die Lehre vom nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis L Stand und Entwicklung a) Die Lehre vom nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis geht zurück auf eine Rechtsprechung des Reichsgerichts.466 Danach ergibt sich eine Gemeinschaft aus dem räumlichen Nebeneinander der Grundstücke und der aus dieser Lage folgenden Notwendigkeit, die widerstreitenden Interessen auszugleichen.467 Mit der Figur des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses wurden Unbilligkeiten ausgeglichen, die sich aus der wortgetreuen Anwendung der Nachbarrechtsnormen - besonders § 906 BGB a.F. - ergaben.468 Zu diesem Zwecke werden die Nachbarrechtsnormen "erweitert ausgelegt"469 und die Grundstücksnachbarn dem Grundsatz von Treu und Glauben unterstellt. Es ergibt sich daraus für sie eine gegenüber §§ 138, 226 BGB erhöhte Rücksichtspflicht. 470 b) Der BGH hat die Rechtsprechung des RG fortgeführt. Aufgrund des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses kommt danach z.B. eine Duldungspflicht auch bei grobkörperlichen Immissionen in Betracht,471 eine an sich rechtmäßige Bebauung, die schwere Nachteile für den Nachbarn mit sich brächte, kann sich als Rücksichtsverstoß und somit nachbarrechtswidrig er-
466
Zur Entwicklung Deneke, Gemeinschafts Verhältnis, S. 5 ff.; zu den Funktionen des "nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses" in der Rechtsprechung dies., a.a.O. S. 20 ff. Ferner Baur/Stürner, Sachenrecht, § 25 IV 1 b (S. 251 f.); Brox, JA 1984, 182 ff.; Rüthers, Auslegung, § 19 IV 2 (S. 358 f.); Wieacker, Privatrechtsgeschichte, § 27 I 2 e (S. 523 f.). 467 RGZ 167, 14, 24. Die Ausgangsentscheidung aus dem Jahre 1937, RGZ 154, 161 ff. (Gutehoffnungshütte), hatte sich im wesendichen auf die "Volksgemeinschaft" berufen. 468
RGZ 154,161 (Gutehoffnungshütte): Schutz vor Industrieeinwirkungen des Nachbarn, die die Existenz des landwirtschaftlichen Betriebes gefährdet. 469
RGZ 154, 161, 165 f.; RGZ 159, 129, 139 ff. (Reichsautobahn).
470
RGZ 155, 154, 159; 162, 209, 216; 167, 14, 24.
471
BGHZ 28, 225, 229 ff. (Steinbrocken); s.a. BGHZ 16, 366, 372 f. (Bienenflug).
132
1. Teil: Unmittelbare Rechtsbeziehungen
weisen,472 für Aufwendungen und Schäden, die auf Einwirkungen des Nachbarn beruhen, kann u.U. Ersatz verlangt werden.473 Insgesamt ist die Rechtsprechung allerdings zurückhaltend und zwar sowohl in der Annahme einer nachbarlichen Gemeinschaft als auch hinsichtlich der Folgen des Nachbarverhältnisses. So ist von gegenseitigen Rücksichtspflichten die Rede, "deren Auswirkungen auf den konkreten Fall man unter den in der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Begriff des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses zusammenfaßt."474 Die Rechtsprechung betont, daß die Rechte und Pflichten der Grundstücksnachbarn eingehend in §§ 905 ff. BGB geregelt seien und daß aus diesem Grunde die Anwendung von § 242 BGB auf das Nachbarverhältnis in der Regel keine selbständigen Ansprüche begründe, sondern nur eine Schranke der Rechtsausübung darstelle.475 "Aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis entspringt jedoch nach Treu und Glauben die Pflicht zu gesteigerter gegenseitiger Rücksichtnahme, die in Ausnahmefällen dazu führen kann, daß die Ausübung gewisser aus dem Eigentum fließender Rechte ganz oder teilweise unzulässig wird." 476 Für daraus resultierende Schäden und Aufwendungen kommt - gleichermaßen ausnahmsweise - ein "Ausgleichsanspruch" in Betracht.477
2. Stellungnahme a) Unbegründetheit der Gemeinschaft Es liegt in der Tat die Annahme nahe, die Grundstücksnachbarn teilten mit der gemeinsamen Grenze einen einheitlichen Rechtskreis und es werde auf diesem Wege eine Art Gemeinschaft begründet. Bei näherer Betrachtung überzeugt diese Annahme indessen nicht.
472
BGH, LM § 903 Nr. 2.
473
BGHZ 28, 110, 114 ff. (Ausbauchung der Brandmauer).
474 BGHZ 42, 374, 377; ähnlich auch BGHZ 58, 149, 157; 88, 344, 351; BGH, NJW 1991, 1671, 1672 f. sowie 2826, 2827. 475
BGHZ 28, 110, 114 ff. sowie 225, 229 ff.; 42, 374, 377; 58, 149, 157; 88, 344, 351; BGH, NJW 1991,1671, 1672 sowie 2826, 2827. Freilich hält sich die Rechtsprechung an diese Maxime nicht immer und zieht § 242 BGB doch zur Anspruchsbegründung heran; dazu Brox, JA 1984, 182, 183 f. 476
BGH, NJW 1991, 1671, 1672; GE 1995, 1269.
477
BGH, NJW 1991, 1671, 1673.
§ 2 Schlichte Gemeinschaft der Nebenparteien
133
"Für eine anzunehmende Gemeinschaft fehlt es an einem Gegenstande; denn neben den beiden Nachbargrundstücken giebt es ebensowenig wie in den Fällen des § 854 [E 1 betreffend Grenzanlagen; später § 921 BGB) ein drittes gemeinschaftliches Grundstück."478 Die zutreffende Beschreibung der Motive verdeutlicht, daß es sich um das Angrenzen zweier selbständiger Rechtskreise handelt: Dazwischen gibt es nichts.479 Dem entspricht es, das Nachbarrecht als Inhaltsbestimmung des Eigentums anzusehen.480 Es werden so zwei selbständige Rechtskreise abgesteckt. Nur im Falle gemeinsamer Grenzeinrichtungen und des Grenzbaums gibt es doch etwas "Gemeinsames". Dort findet Gemeinschaftsrecht entweder ohnehin Anwendung,481 oder aber es wird im Wege konstitutiver Verweisung anwendbar (§ 922 S. 4 BGB).482 Dabei handelt es sich aber um Sonderfälle und nicht um das Nachbarverhältnis. Schließlich ist in praktischer Hinsicht zu bedenken, daß das Nachbarrecht so weit reicht, wie die vom Grundstück ausgehenden Einwirkungen. Sollte auch die Gemeinschaft so weit reichen?483 Von einem Gemeinschaftsverhältnis kann keine Rede sein.484 Das Eigentum ist geradezu der Paradefall des individuellen, selbständigen Rechts. Die "gemeinsame" Grenze markiert nur die Schnittstelle der jeweiligen Grundstücke und begründet keinen gemeinsamen Bereich. Das Nachbarrecht handelt von der Abgrenzung der verschiedenen Rechtskreise, nicht von der Teilhabe an dem gemeinsamen Rechtskreis.485
478 Motive III, S. 272 zu § 852 E I (Erläuterung vom Verf.); der Text fährt fort: "Die Vorschriften über Gemeinschaft passen überall nicht...". 479
Zur - beschränkten - Bedeutung des Gemeinschaftsgedankens in den Materialien zum Nachbarrecht, siehe bereits oben, C I 2 a, m.w.N. 480
Motive III, S. 258 ff. Dazu Deneke, Gemeinschafts Verhältnis, bes. S. 106 ff.
481
So bei der Mobilisierung des Grenzbaums, der zu Miteigentum wird, §§ 1008 ff. Dazu Motive in, S. 278. 482
Motive III, S. 276 f. BGHZ 42, 374, 380.
483
So in der Tat RGZ 167, 14, 24, das annimmt, die Gemeinschaft reiche so weit wie die Einwirkungen. 484 Ablehnend auch Baur/Stürner, Sachenrecht, § 5 II 1 b cc (S. 37 f.); Wolff/Raiser, Sachenrecht, § 53 Fn. 1 (S. 188). A.M. Westermann, Sachenrecht, § 6312(S. 310 f.), der eine "räumliche Gemeinschaft der Grundstücke, die zu einer Nutzungsgemeinschaft der an den Grundstücken Berechtigten und damit zu einer gegenseitigen Pflicht zu Rücksichtnahme und Duldung führt." Was eine räumliche Gemeinschaft ist, bleibt unklar, inwiefern sie zu einer Nutzungsgemeinschaft fuhren soll auch unbegründet.
1. Teil: Unmittelbare Rechtsbeziehungen
134
b) Entbehrlichkeit des Gemeinschaftsgedankens Der "Gemeinschaftsgedanke", der zu Recht als "schwammig" bezeichnet wird, 486 ist aber auch überflüssig, um in Problemfällen die sachgerechte Lösung zu begründen.487 Grundsätzlich findet sich in § 906 BGB die gesetzliche Grundlage des Ausgleichs der aufeinandertreffenden Interessen. Der Grundgedanke des Nachbarrechts ist es, die kollidierenden, gleichwertigen Eigentumsrechte der situationsgebundenen Nachbarn auszugleichen. Nach diesem Grundgedanken können die Regelungen des Nachbarrechts auf ungeregelte Fälle analog herangezogen werden.488 Darüber hinaus begründen die Regeln der §§ 906 ff. BGB vielfach schon ein Schuldverhältnis, aufgrund der Vorschriften ist das Grundnachbarverhältnis aber auch so eng verwoben, daß es als ein Fall der Sonderverbindung verstanden werden kann, so daß sich die Anwendung von § 242 BGB auf diese Weise begründen ließe.489 Was ohne die Annahme eines Gemeinschaftsverhältnisses nicht zu begründen ist, läßt sich auch nicht unter Berufung auf ein Gemeinschaftsverhältnis begründen, die letztlich auf eine Begründung aus dem "Wesen" hinausläuft. Die sich aus dem Nachbarverhältnis ergebenden Einschränkungen des Eigentums haben mit einer Gemeinschaft der Grundstücksnachbarn nichts zu tun. Der Begriff ist irreführend, mit dem Postulat eines Gemeinschaftsverhältnisses lassen sich Rechte und Pflichten der Grundstücksnachbarn nicht begründen
485
Deutlich schon Wolff/Raiser, Sachenrecht, § 53 Fn. 1 (S. 188): "Allein die Eigenart des Sachverhalts liegt nicht in der Verbindung, sondern im offenen Widerstreit der Interessen, den es zu schlichten gilt." 486
Baur/Stürner,
Sachenrecht, § 25 IV 2 e ee (S. 258 f.).
487
So schon Wolff/Raiser, Sachenrecht, § 53 Fn. 1 (S. 188): "Indessen bedarf es dieser ideologisch übersteigerten Annahme nicht, um gegenseitige Pflichten der Nachbarn zur Rücksicht, zur Duldung und zum Ausgleich zu begründen". Ebenso Baur/Stürner, Sachenrecht, § 25 IV 2 e ee (S. 258). 488
So etwa Baur/Stürner, Sachenrecht, § 25 IV 2 e ee (S. 258); M. Wolf, Sachenrecht, Rn. 272 ff. Methodisch anders, jedoch inhaldich entsprechend geht Deneke, Gemeinschaftsverhältnis, S. 106 ff. vor. Den Interessenausgleich zwischen Grundstücksnachbarn begründet sie formal alsrichterliche Rechtsfortbildung, inhaldich als Interessenabwägung, die auf § 242 BGB gestützt werden und sich an dem Maßstab des § 906 BGB orientieren könne. Die Analogie lehnt der BGH, NJW 1991, 1671, 1673, ab; er kommt zu der eigenartigen Überlegung, ob nicht die in anderen Fällen analog § 906 Abs. 2 S. 2 BGB begründeten Ausgleichsansprüche "präziser mit einem unmittelbaren Durchgriff auf das nachbarliche Gemeinschaftsverhältnis zu begründen gewesen wären." 489
Vgl. dazu die Übersicht, unten III.
§ 2 Schlichte Gemeinschaft der Nebenparteien
135
oder einschränken, es wird im Gegenteil eine sachliche Begründung verschleiert. Der Begriff sollte aufgegeben werden.490
n. Übertragung der Grundstücksnachbarregeln auf das Mietnachbarverhältnis Liefert das Grundstücksnachbarrecht auch keinen Ansatz zur Begründung eines Gemeinschafts Verhältnisses, so kommt es doch in Betracht, die dort vorgefundenen Regeln, vor allem § 906 BGB, auf das Mietnachbarverhältnis zu übertragen. Ob das möglich ist, wie teilweise angenommen wird (1), ist nachfolgend zu prüfen (2). Der Abgrenzung halber sei vorab darauf hingewiesen, worum es hier nicht geht: Die Frage, ob das Nachbarrecht des BGB auch den Besitzer, insbesondere den Mieter berechtigt. Das ist weitgehend der Fall;491 es gilt vor allem, soweit die §§ 906 ff. BGB "nicht nachbarrechtlicher Natur" sind.492 Insoweit steht der Schutz des Mieters als Grundstücksbesitzer gegenüber dem Grundstücksnachbarn in Frage, der mit den Beziehungen von Nebenparteien nichts zu tun hat.
L Der Standpunkt der Rechtsprechung Die Rechtsprechung hat die Nachbarrechtsregeln in einzelnen Fällen auch für Mietnachbarn angewandt.493 Im Falle der Lärmstörung durch Bauarbeiten in 490
An ihm hält Deneke, Gemeinschaftsverhältnis, S. 44 f., fest mit der Begründung, er sei eingeführt. Schon Zadig wird entgegengehalten "Wer von uns könnte es wagen, ein durch seine lange Gültigkeit geheiligtes Gesetz zu ändern! Gibt es überhaupt etwas Ehrwürdigeres als einen alten Mißbrauch?" Voltaire, Zadig, S. 164. Deneke, a.a.O. S. 45, stützt sich weiterhin auf die wechselseitige Abhängigkeit und darauf, "der vorhandene Raum wird 'gemeinschaftlich' genutzt". Eine gemeinschaftliche Nutzung liegt nicht vor; wechselseitige Abhängigkeit ist kein Spezifikum der Gemeinschaft (vgl. Henke, JA 1989, 186, 190). Rüthers, Auslegung, § 19 IV 2 (S. 359), meint, die Terminologie sei richtig, weil das zufällige räumliche Nebeneinander zweier Grundstücke "an die ähnliche Interessenlage der oft ebenfalls auf den Zufall gegründeten, schlichten Rechtsgemeinschaft" erinnere. Die Ähnlichkeit erschöpft sich jedoch in der vielfach zufälligen Begründung, da es hier im Gegensatz zur Rechtsgemeinschaft gerade keinen gemeinsamen Bereich gibt; insoweit ablehnend auchDeneke, a.a.O. S. 44 f. 491
Siehe etwa Staudinger-Roth,
492
Motive III, S. 258; vgl. zur Nachbarrechtsspezifizität auch Brox, JA 1984, 182, 186.
493
§ 906 Rn. 97 m.w.N.; LG Kempten, NJW 1995, 970.
Zustimmend Staudinger-Roth, § 906 Rn. 97, 210; ablehnend Staudinger-Emmerich, 536 Rn. 262 (mit dem unverständlichen Hinweis, die Mietnachbarn bildeten keine Rechtsgemeinschaft); Köhler, JuS 1977, 652, 653; OLG Nürnberg, NJW-RR 1990, 908, 909.
§§ 535,
136
1. Teil: Unmittelbare Rechtsbeziehungen
der Nachbarwohnung hat der BGH eine deliktische Besitzstörung (§ 823 Abs. 1 BGB - sonstiges Recht) geprüft und die Frage der Rechtswidrigkeit nach Maßgabe des § 906 BGB - also mit Rücksicht auf Erheblichkeit und Ortsüblichkeit - beurteilt. "Diese Vorschrift regelt zwar in erster Linie die Frage der Zulässigkeit von Immissionen auf ein Nachbargrundstück. Sie ist aber auch auf das Verhältnis zwischen den Mietern verschiedener Stockwerke entsprechend anzuwenden." Dabei hat der BGH auch die Heranziehung des Gemeinschaftsgedankens, den er als Anwendungsfall des § 242 BGB versteht, gebilligt: Das "Wohnen und Wirken unter einem Dach schafft eine gewisse Gemeinsamkeit und erfordert von [den Mietnachbarn] eine wechselseitige Rücksichtnahme (§ 242 BGB)".494 Zur Begründung seiner Entscheidung stützt sich der BGH auf eine Entscheidung des RG. 495 Aus § 862 BGB verlangte die Klägerin dort Einstellung des Druckereibetriebs von der Beklagten, da die Buchdruckmaschinen störende Geräusche und Erschütterungen in den Räumen der Klägerin hervorriefen. Das RG billigt die entsprechende Anwendung der "nachbarrechtlichen Grundsätze des § 906 BGB" durch das Berufungsgericht, freilich ohne das näher zu begründen.496
2. Stellungnahme Es kann das Recht der Grundstücksnachbarn nicht auf die Mietnachbarn übertragen werden (a). Das Mietnachbarverhältnis ist aber auch kein Gemeinschaftsverhältnis, auf das § 242 BGB schon aus diesem Grund anwendbar wäre (b).
a) Zu den Grundlagen des Grundstücks- und des Mietnachbarverhältnisses Aus den tragenden Grundlagen des Grundstücksnachbarverhältnisses folgt, daß seine Grundsätze (§§ 906 ff. BGB) auf das Verhältnis von Nebenparteien nicht übertragen werden können. Denn die Schuldverhältnisse können nicht wie
494
BGH, LM Nr. 1 zu § 906.
495
RG, HRR 1931, Nr. 1219 = JW 1932, 2984 Nr. 11 (dort nur LS).
496
Wie das RG, wenden auch AG Starnberg, WuM 1992, 471 und LG Berlin, MM 1994, 33, § 906 BGB auf den Besitzschutz an. Das LG Berlin prüft a.a.O. allerdings anhand von § 906 BGB die Widerrechdichkeit der zuvor bejahten Besitzstörung.
§ 2 Schlichte Gemeinschaft der Nebenparteien
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Grundstücke nebeneinander liegen. Freilich können die Schuldverhältnisse zu einem tatsächlichen Nebeneinander mehrerer Parteien führen. Doch verbietet sich die Anwendung des Nachbarrechts mangels Regelungslücke und Rechtsähnlichkeit. aa) Das Nachbarrecht ist Inhaltsbestimmung des Eigentums. Was Eigentum ist, bestimmt das Gesetz. Deshalb, nämlich weil es sich um eine gesetzliche Rechtsposition handelt, obliegt es dem Gesetzgeber, die Schranken des Eigentums festzulegen. Dabei ist der Gesetzgeber daran gebunden, Widersprüchliches nicht zu normieren (Prinzip der Einheit der Rechtsordnung497). Eine Kollision - und damit ein "Normwiderspruch"498 droht aufgrund von § 903 BGB, weil die Eigentumsrechte gleichwertig sind, und weil "das Grundstück keine gesonderte Existenz [führt], sondern, körperlich betrachtet, Theil eines zusammenhängenden Ganzen [ist]."499 Die Kollision der Eigentümerbefugnisse im Grundstücksnachbarverhältnis zu lösen, ist das Anliegen des Nachbarrechts. Die Rechtsstellung von Nebenparteien hingegen ist privatautonom begründet. Privatrechtssubjekte sind aber an den Grundsatz der Einheit nicht gebunden, sie können auch einander widersprechende Verpflichtungen eingehen. So kann der z.B. Vermieter das Erdgeschoß zum Betrieb eines Nachtlokals vermieten, auch wenn er dem Mieter der Beletage ruhiges Wohnen versprochen hat. Hinzukommt, daß die Rechtspositionen der Nebenparteien relative sind, sie wirken allein im Verhältnis zu dem Vertragspartner. Da Forderungen nicht "allwirksam" sind, berechtigen und verpflichten sie nur die Parteien, nicht auch die Nebenparteien. Von einer auszugleichenden Kollision kann mithin nur in der Person des mehrfach Verpflichteten die Rede sein, die Forderungsrechte selbst kollidieren nicht.500 Die abweichende Meinung, die de Boor vertritt, 501
497
Dazu etwa Engisch, Einfuhrung, S. 160 ff.; Canaris, Systemdenken, § 1 II (S. 13 ff.).
498
Engisch, Einführung, S. 162 f.
499
Motive III, S. 258. "Die bewegliche Sache" hingegen "scheidet sich durch ihr körperlich getrenntes Dasein von allen übrigen Sachen ab und nimmt nicht im Räume eine unveränderliche Lage ein." Motive a.a.O. Hinsichtich der Immissionen tritt hinzu, daß wir "auf dem Grunde eines Luftmeeres" leben, wie Motive III, S. 264, feststellen, und einander so beeinträchtigen können. 500 Die Motive I, S. 276, waren der Ansicht: "Gehen mehrere Forderungsrechte auf eine Leistung, welche vermöge ihrer Beschaffenheit nur einem Gläubiger zuteil werden kann, so handelt es sich nicht um eigendiche Rechtskollision. Das Wesen der obligatorischen Willensherrschaft schließt die Möglichkeit einer solchen aus. Nicht die Forderungsrechte, nur das Interesse, welches die Gläubiger an der Erfüllung durch Naturalleistung haben, kann in Widerstreit geraten." De Boor, Kollision, § 2 (S. 12 ff.), hat demgegenüber nachzuweisen unternommen, daß eine Forde-
138
1. Teil: Unmittelbare Rechtsbeziehungen
beruht auf einem unzulässigen Schluß von Sonderregeln auf den allgemeinen Tatbestand.502 Die Relativität der Berechtigung unterscheidet daher die Rechtslage zwischen Nebenparteien wesentlich von jener zwischen Grundstücksnachbarn. Es liegt auch keine planwidrige Regelungslücke vor. Denn die Forderungskollision hielt der Gesetzgeber für ausgeschlossen. Doch legte er für den Tatbestand widerstreitender Erfüllungsverlangen das Präventionsprinzip fest und normierte nur ausnahmsweise besondere Kollisionsregeln.503 Der Gesetzgeber hat das Kollisionsproblem mithin gesehen und geregelt, so daß auch aus diesem Grunde die analoge Anwendung des Nachbarrechts scheitert. bb) Sind aber nicht die Mietnachbarn als Besitzer räumlich angrenzender Bereiche analog der Nachbarrechtsregeln zu behandeln? Auch diese Frage ist zu verneinen. Auch hier scheitert eine Analogie zum Grundnachbarrecht, weil die Regelungssituationen aufgrund der verschiedenen Ausgangspunkte nicht ähnlich sind. Und eben deshalb liegt auch keine Lücke vor. Gegen die Analogie zum Grundnachbarrecht spricht schon, daß es hier um Mietnachbarn geht, regelmäßig also Nachbarn auf ein und demselben Grundstück. Scheitern muß die rechtsähnliche Anwendung aber jedenfalls daran, daß der Besitz nicht grundsätzlich unbeschränkt gedacht ist - im Gegensatz zum Eigentum, § 903 S. 1 BGB. Neben der gesetzgeberischen Entscheidung liegt das auch in der Sache selbst begründet, ist doch der Besitz eine tatsächliche rungskollision möglich ist und insbesondere die "obligatorische Willensherrschaft" sie nicht ausschließt. 501 de Boor, Kollision, § 2 (S. 12 ff.). Übrigens hat die Meinung de Boors Bedeutung nur für die Frage der Problembestimmung, soweit ersichdich spielt sie bei der Lösung der Sachfragen keine Rolle. 502 So meint de Boor, §§ 519 Abs. 2, 659 und 1609 BGB, § 12 KraftFZG (entspr. § 12 StVG), § 23 LuftVG a.F. (vgl. §§ 37,46 LuftVG) und andere Regeln bewiesen, daß auch relative Rechte kollidieren könnten, sei doch andernfalls die Kollisionsregel überflüssig. Doch handelt es sich um jeweils besonders motivierte Ausnahmeregeln. Und zweitens ergibt sich aus ihnen nicht, daß die Forderungen und nicht die Erfüllungsinteressen kollidierten. Auch sein Hinweis (a.a.O.), es beeinflußten auch anderwärts Drittbeziehungen das Schuldverhältnis, verfängt nicht: Der Ersatz des Haftungsinteresses ist eine Ausnahmeregelung (zu ihr ausführlich Windelen, Haftungsinteresse), ebenso wie die vereinbarte Drittbezüglichkeit des Fordeningsinhalts. de Boor meint, der Ausschluß der Forderungskollision sei nur eine Frage der Betrachtungsweise. Die "isolierte Betrachtungsweise" ist jedoch eine methodisch geforderte Konsequenz der Relativität (dazu Denck, Rechtstheorie 12 [1981], 331 ff., bes. 341 ff.) und daher nicht disponibel. 503
So in § 69 VAG, § 12 StVG (und schon § 12 KraftFZG), §§ 37,46 LuftVG, § 30 Seemannsordnung, §§519 Abs. 2, 659, 1609 BGB. Zu diesen Vorschriften als Kollisionsnormen de Boor, Kollision, S. 10 f., 17 ff.
§ 2 Schlichte Gemeinschaft der Nebenparteien
139
Sachherrschaft, die als solche notwendig begrenzt ist. Daraus folgt auch, daß das Fehlen von Regeln über den Ausgleich von Liegenschaftsbesitzern untereinander die Annahme einer Lücke nicht rechtfertigt: Denn hier bestimmt schon die - nach der Verkehrsanschauung begründete und begrenzte504 - Sachherrschaft das Verhältnis. Der Maßstab der Verkehrsanschauung, der nach herkömmlichem Verständnis auch ein normatives Element enthält, sorgt denn auch für den nötigen Ausgleich. cc) Denken ließe sich schließlich, wenn auch Besitzrecht und Besitz nicht je für sich die analoge Anwendung der Grundnachbarregeln rechtfertigen, so doch beide zusammengenommen. Es müsse, so wäre zu argumentieren, der von einem Forderungsrecht flankierte oder der berechtigte Besitz aufgrund seiner auch im Deliktsrecht (§ 823 Abs. 1 BGB - sonstiges Recht) zugegebenen Eigentumsähnlichkeit505 nach den Grundnachbarregeln behandelt werden. Doch trifft auch das nicht. Denn der Deliktsschutz beruht darauf, daß der von einem Forderungsrecht getragene Besitz in Ausschluß- und Zuweisungsgehalt dem Eigentum ähnlich ist. Begründen läßt sich auf diese Weise aber nicht eine Gleichstellung von Wohnungsnachbarn mit Grundnachbarn.506 dd) Letztendlich liegt der Einwand nahe, die angestellten Erwägungen seien zu sehr "technischer" Natur, sie gingen an den gleichgelagerten Interessen vorbei. Hinzufügen ließe sich, daß auch das Wohnungseigentümerverhältnis ähnlichen Nachbarregeln unterliege (§§ 10 ff. WEG). Auch dieser Einwand verfängt indessen nicht. Denn mit der technisch verschiedenen Ausgestaltung gehen entsprechende Konfliktlösungsmechanismen einher, so daß, wie gezeigt, auch keine Lücke vorliegt.
b) Zur Annahme eines mietnachbarlichen Rücksichtnahmegebots Soweit der BGH die Annahme einer (miet-)nachbarlichen Gemeinschaft billigt, ist dem mit den oben, 1., genannten Gründen zu widersprechen. Aber auch die von dem Gericht gegebene Begründung der Anwendbarkeit von § 242 BGB überzeugt nicht. Zwar meint der BGH offenkundig nicht, es entstünden aufgrund der durch das gemeinsame "Wohnen und Wirken" geschaffenen "gewissen Gemeinsamkeiten" schon eine Sonderverbindung. Denn eine Sonderverbindung stellt nach seiner Auffassung nicht einmal das Grundstücksnachbar-
504
Dazu Staudinger-Bund,
§ 854 Rn. 6.
505
Dazu unten, § 5 D II.
506
Zum Wohnungseigentum bereits oben, A IV.
140
1. Teil: Unmittelbare Rechtsbeziehungen
Verhältnis dar (dazu sogleich, III). Auch die Annahme, Mietnachbarn seien einander wie Grundstücksnachbarn verbunden und zu Rücksicht und Duldung verpflichtet, überzeugt nicht. Denn die von der Rechtsprechung angenommenen Rücksichts- und Duldungspflichten von Grundstücksnachbarn sind nicht selbständig, sie begleiten und modifizieren lediglich die §§ 906 ff. BGB. Da, wie zuvor, a), gesehen, die eigentlichen Nachbarrechtsregeln nicht auf die Mietnachbarn übertragbar sind, kommt dies auch nicht für die Begleitpflichten in Betracht.
c) Besitzschutz, deliktsrechtlicher Besitzschutz und deliktsrechtlicher Schutz des Rechts zum Besitz Die weiteren Fragen, ob die Nachbarrechtsvorschriften analog anzuwenden sind zur Begrenzung des Besitzschutzes nach §§ 858 ff. BGB, des deliktsrechtlichen Besitzschutzes nach §§ 823 Abs. 2, 858 ff. BGB und des BesitzrechtsSchutzes nach § 823 Abs. 1 BGB (sonstiges Recht), werden unten, § 5, erörtert.
m . Sonderverbindung zwischen Grundstücksnachbarn und Sonderverbindung zwischen Nebenparteien Ob Grundnachbarn in einer Sonderverbindung stehen, ist umstritten. Die herrschende Meinung lehnt das ab, das "bloßen Nebeneinander" begründe keine schuldrechtlichen Beziehungen. Im Verhältnis der Grundstücksnachbarn sei daher § 278 BGB nicht anwendbar.507 Andererseits wird eine Sonderverbindung entweder ganz allgemein508 oder in einzelnen Beziehungen des Nachbarverhältnisses509 angenommen. Teilweise wird eine Sonderverbindung nur in bezug auf Grenzeinrichtungen (§§ 921 f. BGB) hergeleitet, begründet aus der
507
BGHZ 42, 374, 377 ff.
508
Westermann, Sachenrecht, § 63 12 (S. 304 f.) und IV 2 (S. 314 f.); Mühl, NJW 1960,1133, 1136: Die Regeln über das Schuldverhältnis "paßten" auf das Nachbarverhältnis wegen der gegenüber der allgemeinen Verkehrssicherung erhöhten Pflichten. Ferner kürzlich Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 75 I 4 c (S. 360). 509 So begründet Brox, JA 1984, 182, 186, eine Sonderverbindung mit dem sich aus §§ 906 ff. BGB ergebenden Schuldverhältnis, beschränkt diese jedoch auf spezifisch nachbarrechdiche Regeln. Dagegen sprichtfreilich die Regel des allgemeinen Schuldrechts, wonach die Sonderverbindung auch allgemeine Rechtspflichten, besonders Integritätsschutzpflichten zu "Sonderpflichten" machen kann.
§ 2 Schlichte Gemeinschaft der Nebenparteien
141
Bruchteilsgemeinschaft, deren Recht nach § 922 S. 4 BGB Anwendung findet, 510 oder aus der Abrede über die Grenzeinrichtung.511 Es zeigt sich, daß die Annahme einer Sonderverbindung zwischen Grundnachbarn nichts mit dem "nachbarlichen Gemeinschafts Verhältnis" zu tun hat,512 sondern daß es auch hier um die allgemeine Lehre von der Sonderverbindung geht. In Frage steht, ob die §§ 906 ff. BGB die Annahme eines Schuldverhältnisses zwischen den Grundeigentümern rechtfertigen. Aus diesem Ansatzpunkt erhellt zugleich aber auch, daß eine so begründete Sonderverbindung sich nicht auf das Mietnachbarverhältnis übertragen ließe, da dieses nicht von §§ 906 ff. BGB beherrscht wird. Die Frage, ob zwischen Mietnachbarn eine sonstige individualrechtliche Sonderbeziehung besteht, wird anschließend im 2. Abschnitt dieses Teils erörtert.
IV. Ergebnis Das Verhältnis von Grundstücksnachbarn ist kein Gemeinschaftsverhältnis, es sollte daher auch nicht als solches bezeichnet werden. Die Regeln des Grundnachbarverhältnisses können auf das Verhältnis von Nebenparteien nicht übertragen werden. Denn sie beruhen wesentlich darauf, daß es sich bei den widerstreitenden Rechtspositionen um gesetzliche und absolute Herrschaftsrechte handelt. Bei Nebenparteien liegen hingegen privatautonom begründete und nur relative Rechtspositionen vor.
F. Schlußbetrachtung der Gemeinschaftslehren Der Verlauf der Untersuchung hat den Blick auf eine nicht unerhebliche Anzahl von Gemeinschaftslehren gelenkt. Eine Gemeinschaftsbeziehung zwischen Arbeitnehmern oder zwischen Mietern konnte gleichwohl nicht festgestellt werden. Für eine Bruchteilsgemeinschaft fehlt es am gemeinsamen
510 Baur/Stürner, Palandt/Bassenge,
Sachenrecht, § 5 II 1 c cc (S. 37 f.); Medicus, Bürgerliches Recht, Rn. 799; § 922 Rn. 5.
511
So Staudinger-Löwisch, § 278 Rn. 8. Eine solche Abrede wirkt aber - anders als die §§ 921 f. BGB selbst - nicht gegenüber dem Rechtsnachfolger, so daß diese Auffassung zu nicht gerechtfertigten Differenzierungen führt. 512
Auch Mühl, NJW 1960, 1133, 1136, ein Vertreter der Lehre vom Gemeinschafts Verhältnis, weist darauf hin, die Anwendbarkeit von § 278 BGB sei nicht mit dem "Begriff einer Gefahrengemeinschaft der Grundstücksnachbarn" zu begründen.
142
1. Teil: Unmittelbare Rechtsbeziehungen
Recht. Eine Gemeinschaft i.S. der Bestimmung Larenz' und Ernst Wolfs kam mangels gemeinsamen Rechtskreises nicht in Betracht. Die übrigen Begründungsansätze haben sich als nicht tragfähig erwiesen. Beispielhaft ist insoweit die Lehre von der Interessengemeinschaft. Auf ihrer Grundlage ließe sich eine Gemeinschaftsbindung zwischen Nebenparteien noch am besten begründen, indem eine Interessengleichrichtung angenommen wird. Diese Theorie verdeutlicht aber zugleich exemplarisch die entscheidenden Mängel der "übergesetzlichen" Gemeinschaftslehren: Ein Verpflichtungsgrund ist nicht ersichtlich, der mit Hilfe der Interessengemeinschaftstheorie gewonnene Vergemeinschaftungstatbestand bleibt notwendig schwammig, er ist aber vor allem normativ nicht begründet. Ein Mangel ist deswegen gleichwohl nicht zu beklagen. Denn es hat die Untersuchung an verschiedenen Stellen auch verdeutlicht, daß die Annahme einer Gemeinschaft von Nebenparteien die Vertragsrechte der Beteiligten in Frage stellt. Vor allem die Lehre von der Interessengemeinschaft, die "Sozialbeziehungen" nach Paschke und die Lehre vom Arbeitsverhältnis als Gemeinschaftsverhältnis sind im übrigen mit der Rechtsgeschäftslehre des BGB unvereinbar und bedrohen auf diese Weise die Freiheit des einzelnen.
2. Abschnitt
Individualrechtliche Rechtsbeziehungen Kann ein gemeinschaftsrechtliches Verhältnis zwischen den Nebenparteien nicht festgestellt werden, so ist zu untersuchen, ob sie einander durch individualrechtliche Beziehungen verbunden sind. Da es an einem eigenen vertraglichen Zusammenschluß fehlt, kommt eine Verbindung im Wege der vertraglichen Drittberechtigung (§ 3) oder des vertraglichen Drittschutzes in Betracht (§ 4).
§ 3 Vertrag zugunsten der Nebenparteien I. Meinungsstand Die Annahme, der Arbeitsvertrag enthalte zugleich eine Berechtigung zugunsten der Arbeitskollegen, wurde, soweit ersichtlich, nur von Küchenhoff vertreten. Zur Begründung führt er die gegenüber dem Arbeitgeber bestehende Pflicht zur Wahrung des Betriebsfriedens an.513 Größeren Zuspruch hat in jüngerer Zeit die von M.J. Schmid vertretene Auffassung gefunden, die Hausordnung, verstanden als die Gesamtheit der das Nachbarverhältnis regelnden Normen, sei als Vertrag zugunsten der Nachbarn zu verstehen. Die Annahme der Drittberechtigung gründe auf dem Willen der Vertragsparteien. Denn der Mieter wolle, daß die Regeln der Hausordnung für alle Mieter verbindlich sind. Die Hausordnung sei außerdem allein im Mieterinteresse aufgestellt, sofern der Vermieter nicht im selben Haus wohnt. Dient eine Regelung ausschließlich dem Interesse Dritter, so spreche das für die Drittberechtigung.514
513
Küchenhoff, ArbuR 1965, 129, 130, Fn. 4. Abi. Blomeyer, ZfA 1972, 85, 105 f.: dagegen spreche, daß so der Arbeitnehmer über die Grenze des Betriebsinteresses hinaus zur Rücksicht verpflichtet wäre, mithin weitergehend als gegenüber dem Arbeitgeber selbst. Das käme aber schon wegen § 334 BGB nicht in Betracht. Im übrigen sind auch die Rücksichten, die Blomeyer dem Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitskollegen abverlangt, nach hier vertretener Auffassung zu gering; denn es stört den Betrieb - und beeinträchtigt daher die Arbeitgeberinteressen - schon der nicht nur unerhebliche Unfriede unter den Arbeitnehmern. 514 Schmid, WuM 1987, 71, 72; ihm folgt Palandt-Putzo, § 535 Rn. 11. Siehe auch Zunft, AcP 153 (1954), 373, 386: Zunft erwägt eine Drittberechtigung in Erörterung von OLG Hamburg, LZ
144
1. Teil: Unmittelbare Rechtsbeziehungen
Diese Auffassung hat in der Rechtsprechung Zustimmung gefunden, wenn auch nur vereinzelt.515 Gegen die Auffassung von Schmid wendet sich Emmerich. Zusätzliche Rechte und Pflichten könne die Hausordnung - gemeint ist: in Form allgemeiner Geschäftsbedingungen - ohnehin nicht begründen;516 für die Anwendung von § 328 BGB sei daher "kein Raum".517 Paschke hält die Annahme einer Drittberechtigungsabrede für fiktiv; gegen sie spreche die Vorformulierung der Hausordnung durch den Vermieter; außerdem stünden auf diese Weise die "Sozialbeziehungen" zur Disposition eines Unbeteiligten, des Vermieters.518 Das OLG Köln verneint eine Drittberechtigung auch in dem Fall, daß der Vermieter die Reinigungs- und Verkehrssicherungspflichten den Mietern zur turnusmäßigen Ausführung übertragen hat. Für einen entsprechenden Vertragswillen fehlten konkrete Anhaltspunkte.519
II. Stellungnahme Für die Beurteilung, ob der Mietvertrag oder der Arbeitsvertrag als Verträge zugunsten Dritter zu verstehen sind, ist nach den verschiedenen Pflichten zu unterscheiden. Eine Drittberechtigung könnte erstens aus der allgemeinen
1922, 525 Nr. 2; während das Gericht dem Vermieter im Wege der Drittschadensliquidation einen Ersatzanspruch wegen Verletzung eines Konkurrenzverbots zuspricht, möchte Zunft dem Wettbewerbsverbot ein Drittberechtigung entnehmen. Es dürfte ihm allerdings eher um die - erst späterhin etablierte - Schutzwirkung für Dritte gehen, wie sich aus seinen weiteren Ausführungen, a.a.O. S. 388 f., ergibt. 515
OLG München, NJW-RR 1992, 1097, unter Berufung auf Schmid a.a.O. Die Entscheidung wird beispielhaft und anscheinend zustimmend zitiert von Staudinger-Jagmann, § 328 Rn. 144; Soergel-Hadding, § 328 Rn. 96. 516
Vgl. dazu OLG Düsseldorf, MDR 1993, 1078; LG Frankfurt a.M., NJW-RR 1988, 782, 783; LG Marburg, NJW-RR 1990, 1484. 517 Staudinger-Emmerich, vor §§ 535, 536 Rn. 269, der die Entscheidung des OLG München, NJW-RR 1992, 1097, als abwegig bezeichnet. Gegen die Annahme einer Drittberechtigung zugunsten der Mieter auch schon KG, OLGE 25,14, 15, allerdings ohne Begründung; offengelassen von BGH, NJW 1987, 3132 f.; implizit ablehnend AG Kassel, WuM 1994, 610. Das Argument Emmerichs, die Hausordnung könne zusätzliche Pflichten nicht begründen, wird Schmid freilich nicht gerecht, da jener die "Hausordnung im materiellen Sinne" meint, worunter er jegliche Regeln über das Zusammenleben der Mieter im Haus versteht, unabhängig von ihrer formalen Grundlage in Einzelabrede, Vertrags- oder Hausordnungsformular. 518
Paschke, Wohnraummiete, S. 82 f.
519
OLG Köln, WuM 1995, 316.
§ 3 Vertrag zugunsten der Nebenparteien
145
Rücksichtspflicht fließen, zweitens aus besonderen Pflichten. Nicht in Rede steht hingegen die Drittberechtigung aus den jeweiligen vertraglichen Hauptpflichten.
1. Die Rücksichtspflicht
als Gegenstand der Drittberechtigung
Die Beurteilung, ob und mit welchem Inhalt ein Vertrag eine Drittberechtigung begründet,richtetsich nach der Vereinbarung. Mangels ausdrücklicher Regelung ist der Vertrag nach seinem Zweck, den erkennbaren Parteiinteressen und sonstigen Umständen auszulegen.520
a) Beurteilung nach der Vereinbarung und der gesetzlichen Regelung Arbeit im Betrieb und Wohnung im Mietshaus sind notwendig auf Dritte, die Arbeitskollegen und die Wohnungsnachbarn, bezogen. Dem trägt die allgemeine Nebenpflicht Rechnung, die Nebenparteien nicht zu stören. Diese Pflicht wird im Mietrecht in § 554a BGB, im Arbeitsrecht in § 104 BetrVG vorausgesetzt. Eine Drittberechtigung läßt sich daraus jedoch nicht ableiten. Gegen die Ableitung einer Drittberechtigung aus den Rücksichtspflichten mag man schon den Wortlaut der zitierten Vorschriften anführen. Sie gehen ersichtlich davon aus, daß die Rücksichtspflichten sich zwar auf die Nebenparteien beziehen, sie aber nur dem Vertragspartner geschuldet werden. Ohne weiteres kann deshalb nur der Vertragspartner wegen Pflichtverletzung unmittelbar gegen den Störer vorgehen. Weiterhin ist auch die Pflicht zur Rücksicht auf Nebenparteien nicht konkretisiert, so daß ein forderungsberechtigter Dritter nicht feststeht.521 Gegen die Annahme der Drittberechtigung spricht schließlich, daß es sich bei diesen Rücksichtspflichten nur um unselbständige Begleitpflichten handelt. Zwar ist es nicht ausgeschlossen, solche zum Gegenstand des berechtigenden Vertrags zugunsten Dritter zu machen; Gegenstand der Drittberechtigung kann jedes Tun, Dulden oder Unterlassen sein. Doch gehören Schutzpflichten in den Anwendungsbereich der Schutzwirkung für Dritte. Die Annahme der Drittberechtigung aus Nebenpflichten bedürfte deshalb besonderen Anhalts.522
520
Larenz, Schuldrecht I, § 17 I a (S. 220).
521
Ähnlich schon Friese, MDR 1956, 1.
522
Das meint anscheinend auch OLG Hamburg, VersR 1981, 1133.
10 Riesenhuber
146
1. Teil: Unmittelbare Rechtsbeziehungen
b) Die erkennbare Interessenlage Eine Drittberechtigung begründen auch die Umstände und die erkennbaren Parteiinteressen der Vertragspartner nicht. Soweit Rücksichtspflichten oder auch sonstige gebrauchs- und umgangsordnende Regeln, z.B. über Ruhezeiten im Mietshaus, vereinbart sind, begründet die Interessenlage keinen Schluß auf die Drittberechtigung. Anderes ergibt auch die von Schmid ins Feld geführte Faustregel nicht, wonach Pflichten, die ausschließlich den Interessen eines Dritten dienen, zu dessen Gunsten vereinbart seien.523 Denn die genannten Pflichten bestehen schon im Interesse der Vertragspartner selbst.524 aa) So ist jeder Mieter selbst an den Hausordnungsregeln zumindest insoweit interessiert, als er daraus Rechte herleiten kann. Es hat aber auch der Vermieter ein eigenes, durch seine Pflichten gegenüber den Mietern (§§ 535 ff. BGB) motiviertes Interesse an der Wahrung des Hausfriedens. 525 Zwar sind die Mieter im Verhältnis untereinander nach herrschender Auffassung nicht schon Erfüllungsgehilfen des Vermieters, deren Verschulden er zu vertreten hätte, § 278 BGB.526 Doch trifft den Vermieter die von einem Nachbarn verursachte Gebrauchsstörung jedenfalls insoweit, als der Mieter ihretwegen zur Minderung (§ 537 BGB), u.U. auch zum Schadensersatz (§ 538 BGB) berechtigt ist.527 Auf der anderen Seite würde es den Vermieter auch nicht entlasten, für den Mieter einen eigenen Anspruch gegen seine Mitmieter zu begründen. Schon in den Motiven wird darauf hingewiesen, daß die Gewährleistungsrechte gegen den Vermieter unabhängig von eigenen Ansprüchen des Mieters gegen den Störer sind.528 Der Vermieter kann den Mieter also nicht etwa darauf verweisen, er möchte sich seiner eigenen Rechte (z.B. aus §§ 861 f. BGB) bedie-
523 Zu diesem Satz Palandt-Heinrichs, nicht um eine Vermutung handelt. 524
§ 328 Rn. 3, der zu Recht daraufhinweist, daß es sich
Das übersieht Schmid, WuM 1987, 71, 72.
525
Die Ausführungen gelten für das Arbeitsverhältnis entsprechend. Zu den Pflichten des Vertragspartners (Vermieter bzw. Arbeitgeber) näher unten, Teil 2, bes. § 6. 526
Dazu ausführlich unten, § 7 II.
527
Palandt-Putzo, § 535 Rn. 19; Staudinger-Emmerich, § 537 Rn. 46; Schmid, WuM 1987, 71, 73 f.; BGH, LM Nrn. 6a und 8 zu § 536 BGB. Zum Verschulden des Vertragspartners bei Störung durch die Nebenpartei unten, § 7. 528
Motive II, S. 370 f.
529
Unrichtig daher AG Neustadt a.d. Weinstraße, ZMR 1986, 245.
§ 3 Vertrag zugunsten der Nebenparteien
147
Die Hausordnungsregeln liegen mithin schon im eigenen Interesse der Mietvertragsparteien und nicht ausschließlich im Interesse Dritter. Darüber hinaus hat auch der Vermieter insoweit kein eigenes Interesse, eine Drittberechtigung zugunsten der anderen Mieter zu kontrahieren, als sich seine Rechtsstellung dadurch nicht verbessern würde. bb) Daß jeder Mieter an der allgemeinen Verbindlichkeit der Hausordnungsregeln interessiert ist, wie Schmid weiter anführt, mag man schon bezweifeln. Eine Drittberechtigung ist aber, entgegen Schmid, 530 auch nicht erforderlich, um die Allverbindlichkeit zu begründen. Dafür reicht es aus, daß sich alle Mieter gegenüber dem Vermieter zur Beachtung der Hausordnung verpflichten.
c) Hausordnung und Betriebsordnung Für die Hausordnung und die Betriebsordnimg ergibt sich nichts Besonderes. Daß aus der Hausordnimg eine Drittberechtigung abgeleitet wird, hat bei näherer Betrachtung nicht mit der formalen Einordnung als Hausordnung zu tun, sondern damit, daß in der Hausordnung regelmäßig Nebenpflichten mit Nachbarbezug geregelt werden, während der Mietvertrag selbst sich auf die Pflichten im Verhältnis der Vertragsparteien bezieht.531 Es sind mithin die Pflichten, die in der Hausordnung geregelt sind, inhaltlich von sonstigen Vertrags(neben)pflichten nicht verschieden. Eine Drittberechtigung kann sich daher aus der Hausordnung so wenig ergeben wie aus dem Mietvertrag allgemein.
2. Besondere Nebenpflichten als Gegenstand der Drittberechtigung Kommt eine Drittberechtigung aus der allgemeinen Rücksichtspflicht nicht in Betracht, so können doch besondere Vereinbarungen zugunsten Dritter getroffen sein. Zu denken ist vor allem an die Konkurrenzschutzabrede im Mietvertrag sein. Indessen ist eine allgemeine Konkurrenzschutzklausel nicht anders zu behandeln als sonstige Rücksichtspflichten gegenüber Mitmietern. Hier wie dort kann aus ihrer Verabredung nicht gefolgert werden, es solle dem Mitmieter ein eigener Anspruch auf Unterlassung eingeräumt werden, da sich die Konkurrenzschutzklausel schon im Eigeninteresse des Vermieters an einer
530 531
Schmid, WuM 1987, 71, 72.
Deswegen mag man mit Schmid, WuM 1987, 71, zwischen formellem und materiellem Hausordnungsbegriff unterscheiden.
148
1. Teil: Unmittelbare Rechtsbeziehungen
einheitlichen Vertragsgestaltung im Hause erklärt. Ohne weiteres spricht alles dafür, es wolle sich nur der Vermieter vertragliche Rechte zur Wahrung des Hausfriedens sichern. Anders kann aber der Fall zu beurteilen sein, daß die Konkurrenzschutzabrede speziell auf den Schutz eines Mitmieters gerichtet ist. Das kommt vor allem in der Form in Betracht, daß in dem einen Mietvertrag auf den vereinbarten Zweck des anderen Mietvertrages Bezug genommen und die Konkurrenz auf den so beschriebenen Gebieten untersagt wird. So lagen die Dinge in einem Fall des LG Köln:532 Dort gewährte der Vermieter einem Mieter vertraglich Konkurrenzschutz und inkorporierte die entsprechende Klausel zusammen mit einer Unterlassungsabrede in den Mietvertrag mit einem nachfolgenden Nachbarmieter: "Rechte und Pflichten Dritter. Die Mieterin ist davon unterrichtet, daß in dem Mietvertrag zwischen dem Vermieter und der Firma A. zum Betreiben eines TextilLadengeschäfts folgende Formulierung enthalten ist: 'Ein gleichwertiges Geschäft der Branche darf im Gebäudekomplex nicht geiührt werden.' Die Mieterin wird sich so verhalten, daß berechtigte Ansprüche der Firma A. nicht entstehen, gegebenenfalls stellt die Mieterin den Vermieter von solchen Ansprüchen frei."
Der spezielle Bezug auf den ersten Mieter, zusammen mit der Unterlassungsverpflichtung kann dafür sprechen, daß eine echte Drittberechtigung begründet werden sollte. Hinzu kommt, daß der erste Mieter ein erhebliches Eigeninteresse an der Erfüllung hat und sie aufgrund seiner Sachkenntnis auch selbst besonders gut - regelmäßig besser als der Vermieter - verlangen und kontrollieren kann.533
532
LG Köln vom 28.08.1992 - 31 O 384/92 (nicht veröffendicht). Das LG Köln geht freilich von einer Schutzwirkung für Dritte aus; dazu sogleich, § 4. Auf die Frage des Drittschutzes bzw. der Drittberechtigung kam es in der Berufungsinstanz nicht an, das OLG Köln (vom 21.05.1993 6 U 169/92 [nicht veröffendicht]) gab dem Unterlassungsbegehren aus abgetretenem Recht des Vermieters statt. Der BGH hat die Frage, ob ein Wettbewerbsverbot zugunsten der Mitmieter vereinbart sei, in einer jüngeren Entscheidung offen gelassen; BGH, NJW 1987, 3132 f.; das dort fraglich Wettbewerbsverbot war auch allgemeiner gefaßt. 533
Auf den ersten Blick scheint der Freistellungsanspruch, den sich der Vermieter von dem zweiten Mieter im Fall des LG Köln vom 28.08.1992 zugeben ließ, gegen die Drittberechtigung zu sprechen, drückt sich darin doch die Erwartung der Parteien aus, es sei ein Konfliktfall zwischen den jeweiligen Vertragspartnern auszutragen. Indessen ist zu beachten, daß sich darin auch der Wille der Vertragsparteien zeigt, es solle der Vermieter mit der Angelegenheit nichts zu tun haben. Und auch bei Einräumung einer Drittberechtigung ergibt die Freistellung Sinn, insofern der Vermieter neben dem Ersatzanspruch auch eine Mietminderung zu besorgen hat.
§ 4 Vertrag mit Schutzirkung für die Nebenparteien
149
m . Ergebnis
Der Mietvertrag und der Arbeitsvertrag enthalten grundsätzlich keine Regeln zugunsten der Nebenparteien. Entgegen einer teilweise vertretenen Ansicht ergibt sich anderes auch nicht aus der Hausordnung. Ausnahmsweise können die Dinge anders liegen. Praktisch kommt das in Betracht, wenn eine Konkurrenzschutzklausel im Mietvertrag speziell den Wettbewerb zu einem anderen Mieter untersagt.
§ 4 Vertrag mit Schutzwirkung für die Nebenparteien Ist dem Arbeitsvertrag und dem Mietvertrag eine Drittberechtigung (§ 328 BGB) zugunsten der Nebenparteien regelmäßig nicht zu entnehmen, so kommt noch die "schwächere Form" der Drittbeteiligung in Betracht, die Schutzwirkung für die Nebenparteien.534 Dabei soll es von der Prüfung nicht abhalten, daß Wiedemann die Schutzwirkung für Kollegen und Mitbewohner 1966 als "Eselsbrücke" bezeichnet hat.535 Immerhin ist die Annahme einer im Wege der Schutzwirkung begründeten Sonderverbindung zwischen Nebenparteien der am häufigsten angegangene Weg.536 Schon an dieser Stelle sei die These der Untersuchung vorgestellt: Der Raummietvertrag entfaltet eine Schutzwirkung für die Mietnachbarn, der Arbeitsvertrag für die Betriebskollegen. Auf diese Weise werden wechselseitige Rücksichtspflichten unter Mietnachbarn eines Hauses und Arbeitskollegen eines Betriebes begründet (C). Da die herrschende Konzeption von der Schutzwirkung für Dritte allerdings in entscheidender Hinsicht unklar bleibt (sogleich A), ist es zur Begründung der Schutzwirkung für die Nebenpartei zunächst erforderlich, den Tatbestand der Schutzwirkung näher zu untersuchen (B).
534 Terminologisch wird nachfolgend zwischen dem Schuldner, dem Anschlußgläubiger und dem Dritten unterschieden. Für die Nebenparteien steht damit in Rede, ob etwa der Arbeitnehmer als Schuldner nicht nur seinem Vertragspartner, dem Arbeitgeber (Anschlußgläubiger), gegenüber verpflichtet ist, sondern auch noch dem Arbeitkollegen als Dritten. 535
Wedemann, Arbeitsverhälmis, S. 41. Erfindet, die Konstruktion wirke künsdich, und wendet ein, sie trage bei Grundstücksnachbarn nicht; darin zeige sich die Überflüssigkeit des Umweges. Zu der Frage, ob ohne den Umweg einer solchen "Figur" die Beziehung der Beteiligten dargestellt werden kann unten, B11; zu den Besonderheiten der Wohnungsnachbarbeziehung gegenüber der Grundnachbarbeziehung einerseits oben, § 2 E II, andererseits unten, C I 3 a. 536
Vgl. auch Mayer-Maly,
Rechtsverhältnis, S. 73; zu seiner eigenen Position sogleich, II 3.
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1. Teil: Unmittelbare Rechtsbeziehungen
A. Meinungsstand I. Die Rechtsprechung 1. Grundlagen
537
In der Rechtsprechung wird die Frage der Schutzwirkung für Dritte anhand der Kriterien der Leistungsnähe, der Gläubigernähe, der Erkennbarkeit und der Schutzwürdigkeit geprüft. 538 Nach dem Erfordernis der Leistungsnähe werden nur solche Dritten geschützt, die mit der Leistung bestimmungsgemäß in Berührung kommen und den Gefahren von Schutzpflichtverletzungen gläubigergleich ausgesetzt sind.539 Die Gläubigernähe bezeichnet herkömmlich ein Verhältnis zwischen Gläubiger und Drittem, aufgrund dessen der Gläubiger für "Wohl und Wehe" des Dritten mitverantwortlich ist; gelegentlich wird von einem personenrechtlichen Verhältnis gesprochen.540 In jüngerer Zeit hat die Rechtsprechung ein hinreichendes Interesse des Gläubigers an der Einbeziehung Dritter in den Schutzbereich auch dann bejaht, wenn die Leistung dem Dritten "bestimmungsgemäß zugute kommt" oder der Dritte dem Parteiwillen zufolge mitgeschützt sein soll.541 Leistungsnähe und Gläubigernähe müssen weiterhin für den Schuldner erkennbar sein;542 das entspricht der von der Rechtsprechung verfolgten Begründung der Schutzwirkung im Wege ergänzender Vertragsauslegung. Schutzbedürftig soll schließlich nur derjenige Dritte sein, der nicht schon eigene gleichartige und gleichwertige vertragliche Ansprüche hat. Deshalb wurde die Schutzwirkung des Mietvertrages für den Untermieter verneint, er möge sich an seinen (Unter-) Vermieter halten.543
537
Ausführlich zum Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte die Darstellung und Nachweise bei Gernhuber, Schuldverhältnis, § 21 (S. 510 ff.); ferner etwa Bayer, JuS 1996,473 ff.; Martiny, JZ 1996, 19 ff. Die Rechtsprechung zeichnet jüngst BGH, NJW 1996, 2927, 2928 f. (Nitrierofen) nach. 538 Diese Kriterien erschienen für längere Zeit als der feste Rahmen der Schutzwirkungslehre. Eine vorsichtige Neugewichtung deutet nun aber BGH, NJW 1996, 2927 ff. (Nitrierofen) an. 339
BGHZ 49, 350, 354; 70, 327, 329; 75, 321, 322 f.
540
BGHZ 51, 91, 96; 56, 269, 273; BGH, NJW 1968, 1929, 1931; 1970, 38, 40; 1977, 2208,
2209. 541
BGH, NJW 1976, 1843, 1844; 1983, 1053, 1054; 1984, 355, 356; 1985, 489.
542
BGHZ 49, 350, 354; 75, 321, 323; BGH, NJW 1985, 489 und 2411.
543
BGHZ 70, 327, 330; das Gericht spricht dort von "Ansprüchen desselben Inhalts". Gemeint ist damit anscheinend nicht tatbestandlich identische Ansprüche; BGH, NJW 1995, 1739, 1747 (Girmes); NJW 1996, 2927, 2929 (Nitrierofen).
§ 4 Vertrag mit Schutzirkung für die Nebenparteien
151
2. Schutzwirkung für Nebenparteien Während eine Erörterung der Frage in der arbeitsrechtlichen Rechtsprechung nicht ersichtlich ist, war die Schutzwirkung für den Mietnachbarn verschiedentlich Gegenstand von Entscheidungen. Sie wurde vor allem in Fällen von Wasserschäden praktisch. Die Rechtsprechung hat eine Schutzwirkung zugunsten der Mitmieter jedoch verneint. Um die Grenze zwischen Vertrags- und Deliktshaftung nicht zu verwischen, bedürfe es einer engen Begrenzung der Schutzwirkung für Dritte. 544 Im Verhältnis von Vermieter und Mieter fehle es an der für die Schutzwirkung erforderlichen Gläubigernähe. Zwischen ihnen bestehe keine "enge Bindung", der Vermieter sei dem Mieter gegenüber nicht fürsorgepflichtig, er sei nicht für "Wohl und Wehe" des Mieters verantwortlich.545 Für die Gläubigernähe sei in der Regel ein "personenrechtlicher Einschlag" erforderlich, der zwischen Vermieter und Mieter fehle. 546 Teilweise wird darüber hinaus angenommen, es komme der Mieter nicht bestimmungsgemäß mit den "Leistungen aus einem anderen Mietvertrage in besonderem Maß in Berührung, so daß es an der Leistungsnähe fehlt". Denn der Mitmieter nehme nicht wie Familienmitglieder oder Arbeitnehmer des Mieters am Gebrauch teil.547
II. Das Schrifttum 1. Zustimmung Die Rechtsprechung hat überwiegend Zustimmung gefunden. So ist Köhler der Auffassung, es fehle letztlich an der Gläubigernähe. Zwar treffe den Vermieter "eine gewisse Fürsorgepflicht" gegenüber dem Mieter. Da die Mieter aber "im gleichen Rechtsverhältnis zum Vermieter stehen", lasse sich nicht sagen, der Vermieter schulde einem von ihnen "besondere Fürsorge".548 Ackmann bejaht zwar die Leistungsnähe des Nachbarn, da dieser den Gefahren bestimmter Obhutspflichtverletzungen des Mieters ausgesetzt sei. Mit der
544
OLG Celle, VersR 1984, 1075.
545
BGH, NJW 1964, 33, 34 (obiter dictum); NJW 1969, 41 = JR 1969, 141 m.Anm.v. Berg; LG Köln, NJW 1977, 810; OLG Celle, VersR 1984, 1075; OLG Köln, WuM 1995, 316. 546
OLG Hamburg, VersR 1981, 1133.
547
OLG Celle, VersR 1984, 1075.
548
Köhler, JuS 1977, 652, 653; zustimmend Paschke, Wohnraummiete, S. 81.
152
1. Teil: Unmittelbare Rechtsbeziehungen
Rechtsprechung hält er hingegen die Gläubigernähe nicht für gegeben. Es dürfe das Kriterium des personenrechtlichen Einschlags nicht aufgegeben werden, da sonst die ohnehin schwachen Konturen der Schutzwirkungslehre verschwöm-
Genau umgekehrt beurteilt Krause die Fragen der Leistungsnähe und der Gläubigernähe. Die Gläubigernähe sei zu bejahen, da der Vermieter gem. §§ 536 - 538 BGB dem Mieter besondere Obhut und Fürsorge schulde und deshalb der Mietvertrag einen personenrechtlichen Einschlag habe. Die Leistungsnähe sei aber nur gegeben, wenn der Dritte "typischerweise mit der Hauptleistung des Vertragsschuldners in Berührung kommt oder sich in dem Bereich aufhält, in dem die Leistung erbracht wird." Schäden der Mitmieter seien aber weder durch die Hauptleistung des Mieters vermittelt, noch stünden sie in Zusammenhang mit der Erbringimg der Hauptleistung. Im Ergebnis stimmt Krause daher der Rechtsprechung zu. 550 Auch Larenz meint, der Vermieter sei für das Wohl der Mieter nicht verantwortlich, deshalb habe er regelmäßig keinen Anlaß, für deren Schutz gegenüber den Mitmietern zu sorgen.551
2. Kritik Differenzierend urteilt Weyer. Mit der Rechtsprechung hält er die Frage der Gläubigernähe für das entscheidende Merkmal. Einem Mietverhältnis über Gewerberäume sei solche Gläubigernähe nicht zu entnehmen, ebensowenig wie ein personenrechtlicher Einschlag. Anders verhalte es sich bei der Wohnraummiete. Dort begründeten die Mieterschutzvorschriften eine Fürsorgepflicht des Vermieters. Das wiesen vor allem die zugunsten des Mieters zwingend ausgestalteten Vorschriften sowie der erhöhte Bestandsschutz aus. Einen personenrechtlichen Einschlag gewinne das Mietverhältnis durch den Gedanken der Partnerschaft, der dem Mietrechtsänderungsgesetz 1964 zugrundeliegt.552 Es sei deswegen die Gläubigernähe zwischen Vermieter und Mieter und somit der
549
Ackmann, JuS 1984, 462, 463.
550
Krause, JZ 1982, 16, 17 f.; Zitat a.a.O. S. 18. Ebenso läßt auch Paschke, Wohnraummiete, S. 81 f., die Schutzwirkung für den Mitmieter mangels Haupdeistungsnähe scheitern. 551
Larenz, Schuldrecht I, § 17 II (S. 228).
552
Dazu bereits oben, § 2 C I 2.
§ 4 Vertrag mit Schutzirkung für die Nebenparteien
153
Drittschutz aus dem Mietvertrag (zwischen Vermieter und Nachbarn) im Wohnraummietverhältnis zu bejahen.553
5. Offen gelassen Mayer-Maly hat die Frage offengelassen, ob der Arbeitsvertrag Schutzwirkung für die Kollegen entfalte. Denn jedenfalls könnten auf diesem Wege die Rechtsbeziehungen zwischen Arbeitnehmern nur partiell geregelt werden: Mayer-Maly nimmt an, die Schutzwirkung reiche nicht weiter als das Interesse des Gläubigers am Drittschutz. Das Interesse des Arbeitgebers sei aber allein auf Erhaltung des Betriebsfriedens und der Arbeitsfähigkeit der Arbeitnehmer sowie das eigene Freibleiben von Ersatzansprüchen gerichtet.554 Weiter könne deshalb auch die Schutzwirkung nicht reichen.
m . Erste Stellungnahme Die untersuchte Frage der Schutzwirkung für die Nebenpartei macht deutlich, daß schon verschiedene Einzelfragendes Tatbestands der Schutzwirkung unklar sind. Der Schwerpunkt der Auseinandersetzung liegt bei dem Merkmal der Gläubigernähe. Während sie sich im Verhältnis der Arbeitsvertragsparteien angesichts der arbeitsrechtlichen Fürsorgepflicht (§618 BGB) kaum verneinen läßt und dort von einer ständigen Rechtsprechung bejaht wird, 555 ist die Ablehnung einer Nähebeziehung zwischen den Mietvertragsparteien durchaus plausibel. Dagegen steht freilich eine andere Rechtsprechung, die geradezu selbstverständlich die Gläubigernähe des Mieters zum Vermieter bejaht:556 So entfaltet der Hausverwalter- oder Schornsteinfegervertrag, den der Vermieter abschließt, Schutzwirkung auch für den Mieter. 557 Weiter noch: Die Rechtsprechung hat wiederholt ausgesprochen, es sei die mietvertragliche Beziehung neben der familienrechtlichen und der arbeitsrechtlichen ein typischer Anwen-
553
Weyer,
554
Mayer-Maly,
BB 1972, 339, 341 f. Rechtsverhältnis, S. 71 f.
555
BGHZ 26, 365, 371; BGH, NJW 1956, 1193 m.Anm.v. Lorenz; 1959, 1676, 1677 (Capuzol); ferner BGH, NJW 1968, 1929, 1931. 556 Auf diesen Widerspruch weisen bereits Weyer, BB 1972, 339 f., und Krause, JZ 1982, 16, 17, hin. 557
BGH, NJW 1968,1323,1325 (Hausverwalter); VersR 1959,1009,1010 (Bauvertrag); 1976, 1182 (Wartungsvertrag); 1983, 891, 892 (Werkvertrag); OLG Köln, VersR1976,1182; AG Köln, VersR 1984, 1179, 1180 (Schornsteinfeger).
154
1. Teil: Unmittelbare Rechtsbeziehungen
dungsfall der personenrechtlichen Verbindung.558 Es bestätigt sich der Befund Gernhubers, es sei "eher sentimental als wirklich erhellend, eher einprägsam als wirklich präzisierend" von "Wohl und Wehe" zu sprechen.559 Streitfragen begegnen aber auch hinsichtlich des Merkmals der Leistungsnähe. Vor allem bedarf der Klärung, ob damit, wie Krause meint, eine räumliche oder zweckbestimmte Nähe zur Hauptleistung gemeint ist; denn dann wäre die Schutzwirkung für die Nebenparteien weithin ausgeschlossen. Und auch die mit dem Kriterium der Schutzwürdigkeit begründete Beschränkung auf vertragslose Dritte wirft Fragen auf: Muß sich nicht der Mitmieter oder Arbeitskollege schon an seinen Vertragspartner halten? Schließlich haben Köhler und Mayer-Maly weitere Fragen gestellt, nämlich zum einen, ob die Schutzwirkung nicht ein Überordnungsverhältnis voraussetzt, zweitens, wie weit der aus der Drittwirkung fließende Schutz reicht. Bevor daher die Frage der Schutzwirkung für Mitmieter und für Arbeitskollegen erörtert wird (C), sollen Tatbestand und Ausgestaltung der Schutzwirkung für Dritte untersucht werden (B).
B. Die Lehre vom Drittschutz I. Die Schutzwirkung als rechtlich anerkannte Sozialwirkung des Schuldverhältnisses 1. Vor allem auf die Abhandlung Jherings über "Reflexwirkungen" 560 geht die Erörterung zurück, inwieweit "rechtliche Tatsachen" Rückwirkungen auf Dritte zeigen können, sowie die Frage, in welchem Umfange solche "Sozial-
558 Siehe nur Palandt-Heinrichs, 1931; 1977, 2208, 2209.
§ 328 Rn. 17; BGHZ 51, 91, 96; BGH, NJW 1968, 1929,
559
Gernhuber, Schuldverhältnis, § 21 II 2 (S. 521). Hinsichdich des Kriteriums der personenrechdichen Verbindung ist an die Feststellung von Wiedemann, Arbeitsverhältnis, S. 36, zu erinnern: "Von allen Bezeichnungen, die man dem Arbeitsverhältnis beilegt, ist die Umschreibung als 'personenrechtlich' füglich die dunkelste zu nennen. Deshalb wird sie auch am meisten gebraucht." 560
Jhering, JherJb 10 (1871), 245 ff. Der vollständige Titel lautet: "Die Reflexwirkungen oder die Rückwirkung rechdicher Thatsachen auf dritte Personen". Dazu kürzlich Wagner, AcP 193 (1993), 319, 331 ff.
§ 4 Vertrag mit Schutzirkung für die Nebenparteien
155
Wirkungen"561 rechtliche Anerkennung verdienen. Einen Ausschnitt dieser Themenstellung betrifft die Schutzwirkung von Schuldverhältnissen. Die Schutzwirkung beruht auf richterlicher Rechtsfortbildung auf der Grundlage des Prinzips von Treu und Glauben, § 242 BGB. Heutefindet sie ihren Geltungsgrund in der gewohnheitsrechtlichen Anerkennung. Das gilt nicht nur für die "klassischen Fallgruppen" der Schutzwirkung, sondern für das Institut als solches. Die Tatsache, daß die Anwendung der Schutzwirkungslehre für Einzelfälle umstritten ist, steht der gewohnheitsrechtlichen Anerkennung des Grundsatzes nicht entgegen.562 2. Erkennt man die Beziehung von Schuldner und Drittem als Sozialwirkung des Schuldverhältnisses an, so muß das jeweilige Schuldverhältnis auch Ausgangspunkt für die Bestimmung der Schutzwirkung sein. Demgegenüber ist vielfach der Versuch unternommen worden, (auch) den Drittschutz vom Schuldverhältnis abzulösen und eigenständig zu erklären.563 Das ist in der Lehre vom einheitlichen Schutzpflichtverhältnis angelegt, die schon Dölle 564 mit seiner Vertrauenshaftung 565 aus sozialem Kontakt der Sache
561
Gernhuber, FS Nikisch, S. 249 ff.; ders., Schuldverhältnis, § 19 I 5 (S. 462), § 21 II 6 d (S. 529). 562 Gernhuber, FS Nikisch, S. 269. Nur für einen "Kernbereich" anerkennen etwa Larenz, Schuldrecht I, § 17 TL Fn. 22 (S. 227), Münchener Kommentai-Gottwald, § 328 Rn. 81 und Staudinger-Jagmann, vor § 328 Rn. 100 die gewohnheitsrechdiche Geltung; auf den Kernbereich beschränkt auch Gernhuber, Schuldverältnis, § 21 n 6 e (S. 529). Ablehnend Soergel-Hadding, Anh § 328 Rn. 8. 563
Ablehnend demgegenüber bereits Gernhuber, FS Nikisch, S. 268.
564
Dölle, ZStW 103 (1943), 67 ff., bes. 74 ff., 84. Ähnlich setzen etwa Thiele, JZ 1967, 649 ff., und Esser/Schmidt, Schuldrecht 1/2, § 29 I (S. 129 ff.), an. Zu den Lehren von der Vertrauenshaftung rechnet ferner Frost, Schutzpflichten, S. 49 ff und passim, deren Kriterium der "Aufgabe abwehrbereiter Isolation" ein Derivativum des Vertrauens darstellt. Als einen Anwendungsfall der Lehre vom sozialen Kontakt kann auch Paschke, AcP 187, 60 ff., verstanden werden. 565
Auch bei Dölles Ansatz handelt es sich um eine Spielart der Vertrauenshaftung: "Der, dem von einem anderen bei einem sozialen Kontakt, welcher zur Erreichung eines bestimmten von der Rechtsordnung nicht mißbilligten Zwecks herbeigeführt worden ist, ein besonderes Vertrauen dadurch entgegengebracht wird, das Rechtsgüter des anderen seinem Einfluß ausgesetzt werden, ist dem anderen gegenüber verpflichtet, dafür zu sorgen, daß diese Rechtsgüter nicht im Zusammenhang mit dem verfolgten Zweck Schaden leiden."; ZStW 103 (1943), 67, 84. Nur ist diese Vertrauenshaftung nicht an den rechtsgeschäftlichen, sondern an den sozialen Kontakt geknüpft.
156
1. Teil: Unmittelbare Rechtsbeziehungen
nach vorgetragen hat und die Conans566 als Vertrauenshaftung im rechtsgeschäftlichen Kontakt verficht. Ausdrücklich hat auch die völlig entgegengesetzte Konzeption der Sonderhaftung bei Individualisierung und Vereinzelung von Picker das Ziel, die "Figuren" der Sonderverbindung (culpa in contrahendo, Schutzwirkung für Dritte) zu überwinden.567 Diesen Ansätzen wird hier aus zwei Gründen nicht gefolgt: Zum einen ist es nicht gelungen, ein distinktives Merkmal zur Begründung der Sonderverbindung bzw. Sonderhaftung zufinden (dazu sogleich); zum anderen droht die Abwendimg vom (Anschluß-) Schuldverhältnis die darin liegende Begründimg und vor allem Begrenzung preiszugeben (dazu nachfolgend 3). Den Mangel eines unterscheidungskräftigen Merkmals hat für die verschiedenen Lehren von den "Pfichtverstärkungsfaktoren" (Vertrauen, Nähe, Einwirkungsmöglichkeit usf.) Pickel 1568 ausführlich begründet. Das Vertrauen ist kein sonderungsfähiges Merkmal der Sonderverbindung569 und daher zur Tatbestandsbildung nicht geeignet, ebensowenig wie Nähe und Einwirkungsmöglichkeit. Desgleichen scheitert auch der Versuch, die Grenze nach Intensitätsstufen z.B. des Vertrauens oder mit Hilfe einer Kombination von Vertrauen mit weiteren Elementen zu ziehen.570
566
Canaris, JZ 1965, 475, 478; ders., JZ 1968, 494, 503; ders., Vertrauenshaftung, bes. § 43 IV (S. 539 ff.). Ferner etwa Beierstedt, AcP 151 (1951), 501 ff.; Lorenz, FS Larenz, S. 575 ff.; Stoll, FS Flume, S. 741 ff. 567
Picker, JZ 1987, 1041, 1057 Fn. 9, und ders., AcP 183 (1983), 369 ff.
568
Picker, AcP 183 (1983), 369, 410 ff.; ders., JZ 1987, 1041, 1043 ff. Siehe auch Larenz, MDR 1954, 515, 517, gegen den Ansatz Dölles. Kritisch ferner Münchener Kommentar-Sädter, Einl. vor § 1 Rn. 55 ("völlig konturlos"; unvereinbar mit dem Ausgleich von Privatautonomie und Vertrauensschutz in §§ 116 ff. BGB); zur Beschränkung der Verpflichtungsgründe im BGB auch Mayer-Mafy, FS Nipperdey, S. 509, 321); Flume, Rechtsgeschäft, § 10, 5 (S. 133); Frotz, FS Gschnitzer, S. 171 (Vertrauen begründe die Haftung nicht, es sei nur ein Kausalitätselement); Medicus, Probleme, S. 21 ff. Kritisch gegenüber Frost, Schutzpflichten, Joost, WM 1983, 634 f. Zu dem Ansatz von Paschke, AcP 187 (1987), 60 ff., Larenz/Canaris, Schuldrecht n/2, § 75 14 c (S. 360 Fn. 27) sowie oben, § 2 C I 2 c; als Spielart der Lehre vom sozialen Kontakt ist Paschkes Konzeption den dagegen vorgebrachten Einwänden ausgesetzt. 569
BGH, NJW 1974,1503,1504: "Der Vertrauensgedanke ist dem rechtsgeschäftlichen Bereich nicht so eigentümlich, daß schon um seinetwillen die Annahme einer haftungsrechtiichen Sonderbeziehung nahe läge; er ist nämlich auch dem deliktischen Haftungsbereich nicht fremd." Vgl. auch Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 76 III 3 b (S. 410). Der Hinweis von Canaris, FS Larenz, S. 27, 105 f., es sei das Wesen eines allgemeinen Rechtsprinzips, an verschiedenen Stellen zum Tragen zu kommen, ist unbestritten; aus eben diesem Grund kann aber ein allgemeines Rechtsprinzip auch keine besondere Haftung begründen. 57 0
Medicus, Probleme, S. 20.
§ 4 Vertrag mit Schutzirkung für die Nebenparteien
157
Diese Schwierigkeiten führt die Drittschutzproblematik anschaulich vor Augen: Denn eine Vertrauens- oder Nähebeziehung zwischen dem Dritten und dem Schuldner liegt regelmäßig ferner als eine solche zwischen Anschlußgläubiger und Drittem.571 Bezeichnend ist schon, daß es die Vertreter der Pflichtverstärkungslehren zumeist nicht unternommen haben, den Tatbestand des Drittschutzes auch an einen solchen Verstärkungsfaktor zurückzubinden,572 und daß sie auch an dem Merkmal der Gläubigernähe ausdrücklich festgehalten haben.573 Die Drittschutzfrage führt auch die mangelnde Unterscheidungskraft der Pflichtverstärkungsfaktoren vor Augen, läßt sich mit ihrer Hilfe doch schwerlich der Postbote oder der Besucher von der Schutzwirkung des Mietvertrages ausnehmen. Aus ähnlichen Gründen überzeugt aber auch die Konzeption Pickers nicht. Er nimmt an, die Haftung auch für primäre Vermögensschäden sei stets vorpositiv aus dem Verbot, andere zu schädigen (neminem laedere), begründet.574 Sie werde - im Interesse der Freiheitserhaltung - lediglich auf technisch verschiedenen Wegen beschränkt, je nachdem ob es um eine Jedermannsbeziehung oder um die Beziehung zu bestimmten Personen gehe: Während dort die Beschränkung der Deliktshaftung auf bestimmte Schutzgutverletzungen einen Freiraum gewährleiste, sei dies hier durch die Kenntnis des individualisiertenund vereinzelten anderen Teils gegeben. Damit verlagert sich jedoch die Abgrenzungsfrage nur auf die Ebene der Haftungsbeschränkung. Das von Picker insoweit vorgeschlagene Kriterium der Individualisierung und Vereinzelung ist seiner-
57 1
Gernhuber, Schuldverhältnis, § 21 II 6 c (S. 528); ähnlich Medicus, Probleme, S. 21.
572
Jüngst hat M. Junker den Versuch unternommen, diesem Mangel abzuhelfen und den Drittschutz in Analogie zu §§ 164 ff. BGB als "Vertretung im Vertrauen" (so der Titel seiner Arbeit) zu begründen; kritisch Hagen, AcP 192 (1992), 568, 569 f. Anders liegen die Dinge im Bereich der Vertreterhaftung, für den Ballerstedt, AcP 151 (1951), 501 ff., einen Vertrauenshaftungstatbestand formuliert hat. 573
Besonders das Kriterium der Gläubigernähe müßte auf den Widerspruch der Vertrauenslehre stoßen; Canaris, Bankvertragsrecht Rn. 22, sowie ders., JZ 1995, 441,442 f., hält daran aber für bestimmte Fallgruppen ausdrücklich fest. 574
Dazu Schiemann, JuS 1989, 345 ff., der die Wechsel volle Geschichte des neminem-laedere Prinzips aufzeigt. Kritisch insoweit auch Schwitanksi, Deliktsrecht, S. 295 f., der jedoch irrig annimmt, Gerechtigkeitsprinzip könne nicht sein, was in uneingeschränkter Verwirklichung zu untragbaren Ergebnissen führt; diese Annahme widerlegt schon das Beispiel von Rechtssicherheit und Einzefallgerechtigkeit, die ebenfalls des Ausgleichs bedürfen, z.B. in den Veijährungsregeln; vgl. dazu auch Bydlinski, Fundamentale Rechtsgrundsätze, S. 125 ff. (der Prinzipien als "normative Tendenzen" bezeichnet) und Larenz, Richtiges Recht, S. 42. Kritisch gegenüber Picker ferner Börgers, Deliktsrecht, S. 103 ff., der mit Recht einwendet, Picker begründe nicht, wie aus dem "Elementarsatz" des neminem laedere positives Recht wird.
158
1. Teil: Unmittelbare Rechtsbeziehungen
seits unzureichend bestimmt und nicht hinreichend trennscharf. 575 Mit ihm benennt Picker zwar den entscheidenden Grenzstein zur formalen Scheidung von Delikts- und Sonderhaftimg und damit eine notwendige Voraussetzung für die Zugabe der Sonderhaftung. Es fehlen jedoch hinreichende Kriterien für die Eröffnung der Sonderhaftung. 576 Mit der Ablehnung einer von dem Schuldverhältnis losgelösten Begründung der Sonderverbindung sollen freilich die treffenden Erkenntnisse der genannten Lehren nicht geleugnet werden. So kann vor allem die Bedeutung des Vertrauensgedankens für das Rechtssystem nicht in Frage gestellt werden.577 Stellen Einwirkungsmöglichkeit und Vertrauen auch nicht die Tatbestandsmerkmale für die Sonderverbindung dar, so ist ihnen doch der Grund für die Gewährung von Schutzpflichten innerhalb einer bestehenden Sonderverbindung zu entnehmen. Vertrauen und Einwirkungsmöglichkeit sind m.a.W. die wesentlichen Determinanten für die Ausbildung von Schutzpflichten. Die Individualisierung und Vereinzelung auf der anderen Seite stellt eine im Dienste der Freiheitserhaltung notwendige Voraussetzung für die Zugabe der Sonderhaftung dar; eine allgemeine Haftung für reine Vermögensschäden ist sowohl dem geltenden Deliktsrecht fremd 578 als auch rechtspolitisch bedenklich, da sie die Betätigungsfreiheit zu ersticken und damit eine Voraussetzung der Selbstbestimmung in Frage zu stellen droht.579 Es ist daher bei der Prüfung, ob eine Sonderverbindung besteht, stets im Auge zu behalten, ob die Beteiligten einander aufgrund der gegebenen Individualisierung und Vereinzelung erkennbar sind.580
575
Ähnlich Medicus, Probleme, S. 25 ("höchst unbestimmt"). Siehe ferner den Diskussionsbericht von Schilken, AcP 183 (1983), 521 ff. 576 Das übersieht Reihten, Haftung, S. 119 f., die ihrerseits nur anerkannte Fälle der Anwaltsund Notar"sonderhaftung" daraufhin überprüft, ob sie die von Picker aufgezeigten notwendigen Merkmale aufweisen, und deshalb den Mangel hinreichender Kriterien nicht erkennt. 577
Dazu Larenz, Allgemeiner TeU, § 2 IV (S. 43 ff.); ders., Richtiges Recht, S. 80 ff.
57 8
Picker, AcP 183 (1983), 369 ff., 452 ff., 460 ff.; Börgers, Deliktsrecht, S. 30 ff.; Larenz, Schuldrecht I, § 24 I (S. 369); Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 75 I 3 (S. 354 ff.), 4 c (S. 359 f.) sowie § 76 in 2 c (S. 407 f.). 579
Dazu etwa Zöllner, AcP 188 (1988), 84, 95 f. Zum Ausgleich von Erhaltungs- und Freiheitsinteresse ferner Larenz, Schuldrecht I, § 91 c (S. 121 ff.); Larenz/Canaris, Schuldrecht H/2, § 75 I 1 (S. 350 f.). 580
Zu dieser Begrenzung der Schutz Wirkung auch Gernhuber, Schuldverhältnis, § 21 II 6 i (S. 531).
§ 4 Vertrag mit Schutzirkung für die Nebenparteien
159
3. Neben der eingangs dargestellten Herleitung des Drittschutzes sind es aber nicht nur negative Gründe, die für eine Bindung der Schutzwirkung an das Schuldverhältnis sprechen. Sofindet die mit der Anerkennung einer Schutzwirkung einhergehende Einschränkung des Relativitätsdogmas in der Maßgabe des Schuldverhältnisses zugleich Grund und Grenze: Soweit der Dritte Rechte aus dem Anschlußschuldverhältnis herleitet, ist der Grund dafür auch in diesem Schuldverhältnis zu suchen. Und schließlich erlaubt es das Verständnis der Schutzwirkung als Teilhabe am fremden Schuldverhältnis, den Umfang der Rechte des Dritten sachgerecht zu bestimmen und dabei vor allem den Rechten der "Haupf'parteien ihren Raum zu geben. Denn das Verständnis als Teilhabe ermöglicht es, dem Grundgedanken des § 334 BGB Geltung zu verschaffen, wonach die Rechte des Dritten jene des Vertragspartners (Versprechensempfängers bzw. Anschlußgläubigers) nicht übersteigen.581
II. Bestimmung der Schutzwirkung nach der Anlage des Schuldverhältnisses 1. Ausgangspunkt Der Grund für den Drittschutz ist daher im Schuldverhältnis zu suchen. Der Drittschutz erweitert den persönlichen Schutzbereich der Sonderhaftung. Da die Sonderhaftung sich auf den Bereich der spezifischen Gefahren des Schuldverhältnisses, also dessen "sachlichen Schutzbereich" bezieht, ist zu untersuchen, welche bestimmten Personen die Parteien gemäß den Bedingungen des Schuldverhältnisses in diesen sachlichen Schutzbereich einzuführen berechtigt sind. So formuliert auch Gernhuber: "Grund und Struktur des Drittschutzes im Bereich der weiteren Verhaltenspflichten führt folgerichtig zum Schutz all jener, die sich im Gefahrenbereich des Schuldverhältnisses aufhalten nach einer Bestimmung des Anschlußgläubigers, zu welcher dieser nach Anlage des Schuldverhältnisses befugt war." 582
581
Beispielhaft für die entgegengesetzte Konzeption und diese zugleich konsequent durchführend Esser/Schmidt, Schuldrecht 1/2, § 34 IV 2 (S. 251 ff.), der die Anwendung der Regeln des "Anschluß"schuldverhältnisses samt und sonders ablehnt. Differenzierend demgegenüber die grundlegende Ausarbeitung von Canaris, JZ 1965, 475 ff. Zur Problematik des § 334 BGB im Falle "gegenläufiger Interessen" BGH JZ 1995, 306 m.Anm.v. Medicus und Bespr.v. Canaris, JZ 1995, 441 ff.; neu ist die Themenstellung freilich nicht, sie zeigte sich z.B. bereits im Fall der Zeugnishaftung, BGHZ 74, 281, 290, oder der von Weiland, BB 1979,1096, 1098, angesprochenen Haftung des Arztes für fehlerhafte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. 582 Gernhuber, Schuldverhältnis, § 21 II 6 h (S. 530) und bereits in FS Nickisch, S. 270. Zustimmend Blomeyer, Allgemeines Schuldrecht, § 42 IV 3 (S. 259). Ähnlich ist auch die
160
1. Teil: Unmittelbare Rechtsbeziehungen
Solche Befugnis kann ausdrücklich vorgesehen sein oder von der vertraglichen oder gesetzlichen Regelung des Schuldverhältnisses sinngemäß vorausgesetzt. Stets muß sich die Einbeziehungsbefugnis - im Interesse der Freiheitserhaltung - auf bestimmte oder bestimmbare Dritte beziehen oder es muß dem Schuldverhältnis zu entnehmen sein, daß es dem Schuldner auf die Individualisierung nicht ankomme. Zwei Beispiele verdeutlichen das Gemeinte. Der "klassische" Fall der Schutzwirkung ist die Einbeziehung von Familienangehörigen in den Schutzbereich der Wohnraummiete. Eine entsprechende Befugnis des Mieters ist dem Mietvertrag in der Tat zu entnehmen. Das zeigt sich unabhängig von der einzelnen vertraglichen Abrede583 schon in der gesetzlichen Regelung.584 So gehen die §§ 569a f. BGB davon aus, daß neben dem Mieter dessen Familienangehörige in der Wohnung wohnen, ohne selbst Vertragspartner zu sein. Der Annahme einer Einbeziehungsbefugnis des Mieters entspricht es ferner, wenn der Mitgebrauch durch Familienangehörige nicht als genehmigungsbedürftige Untermiete i.S.v. § 549 BGB angesehen wird. 585 Als zweites Beispiel kann der Gemüseblattfall von BGHZ 66, 51 dienen. Daß die Kunden eines Supermarktes dazu befugt sind, die eigenen Kinder - oder auch deren Spielkameraden - zum Einkauf mitzuführen, entspricht der Verkehrsauffassung, nach der sich die Auslegung des Vertrages richtet (§ 157 BGB). Dieses Verständnis wird auch von Seiten der Verkäufer geteilt, wie Süßwarenregale in Kinderaugenhöhe und geschäftseigene Kinderaufbewahrungsstätten586 zeigen. Die Schutzwirkung ließ sich im Gemüseblattfall auch nicht deshalb ablehnen, weil die Dritten nicht bestimmt waren. Denn hier liegt ein Fall vor, in dem der Schuldner auf die Bestimmtheit verzichtet hat: Wie das Verständnis der entsprechenden Geschäfte als Verträge "für wen es angeht"
Konzeption von Bayer, JuS 1996, 473, 477 f., der aber nicht auf das einzelne Schuldverhältnis, sondern auf den "Typus des Schuldverhältnisses" abstellt. In der Rechtsprechung findet sich ein solcher Ansatz ebenfalls: BGH, NJW 1954, 874; 1959,1676,1677 (Capuzol); JZ 1966,141,142, wo der Drittschutz aus dem "Sinn und Zweck des Vertrages" abgeleitet wird. 583 Aus dem Mietvertrag kann sich freilich auch anderes ergeben, so wenn ein Zimmer untervermietet wird oder eine Wohnung ausdrücklich an eine alleinstehende Person vermietet. 584
Auf die gesetzliche Regelung bezieht sich auch Martiny, JZ 1996, 19, 23, er mißt ihr aber geringeres Gewicht bei. Seine Bestimmung bleibt indes unklar. Zwar stellt auch Martiny auf die bestimmungsgemäße Einwirkungsmöglichkeit ab, er versäumt aber die Konkretisierung, woraus sich die dem Schuldverhältnis entsprechende Bestimmung ergebe. Gerade sein Beispiel der Werkleistung im Haushalt des Bestellers macht die Eingrenzungsschwierigkeiten offenbar. 585
Palandt-Putzo,
586
Vgl. den Kinderparadiesfall von OLG Koblenz, NJW 1965, 2347 f.
§ 549 Rn. 4; Münchener Kommentar-Voelskow, § 549 Rn. 9.
§ 4 Vertrag mit Schutzirkung für die Nebenparteien
161
belegt, kommt es dem Verkäufer nicht auf die Person des Kunden an; entsprechendes gilt für die einzubeziehenden Dritten.
2. Überprüfung
der Kriterien
der Rechtsprechung
Die Tatbestandsmerkmale, die die Rechtsprechung für den Drittschutz aufgestellt hat, stellen sich nach der hier vertretenen Konzeption als Indizien für die Schutzwirkung dar.
a) Leistungsnähe Besondere Überzeugungskraft hat das Kriterium der Leistungsnähe, also einer bestimmungsgemäßen Berührung mit der Leistung oder gläubigergleichen Gefährdung. Spricht die Nähe zur Leistung den Eintritt in den sachlichen Schutzbereich an, so erweist sich in dem Erfordernis der Bestimmungsmäßigkeit, daß die Einbeziehung des Dritten im Schuldverhältnis selbst angelegt und dadurch legitmiert wird. Ist von der Leistungsnähe und der gläubigergleichen Gefährdung die Rede, so darf das indessen nicht zu der Annahme verleiten, erforderlich sei eine Teilhabe an der Hauptleistung.587 Eine bestimmungsgemäße Teilhabe an der Hauptleistung liegt zwar in zentralen Fällen der Schutzwirkung vor, so vor allem bei der Erstreckung des mietvertraglichen Schutzes auf die Hausgenossen. Zur Begründung der Schutzwirkung ist sie indessen niqjit erforderlich. Dafür reicht es aus, daß der Anschlußgläubiger befugt ist,; den Dritten in irgendeiner Weise in den sachlichen Schutzbereich - den Gefahrenbereich des Schuldverhältnisses - einzuführen. Da die Funktion des Drittschutzes gerade auch darin liegt, Dritte in den Schutz weiterer Verhaltenspflichten einzubeziehen, kann es entscheidend nicht auf die Teilnahme an der Hauptleistung ankommen. Besonders deutlich wird das wiederum in dem Gemüseblattfall (BGHZ 66, 51). Dort verletzte sich das Kind des Anschlußgläubigers im Geschäft des Schuldners, bevor es noch zu einem Vertragsschluß kam. Die Schutzwirkung entsprang mithin einem Verhandlungsverhältnis, also einem Schuldverhältnis ohne Hauptleistungspflicht. Und auch ^venn der Vertrag geschlossen worden wäre, hätte doch eine Hauptleistungsnähe (§ 433 Abs. 1 S. 1 BGB) nicht vorgelegen. Entsprechendes zeigt das Beispiel der Haftung gegenüber Gehilfen des Werkunternehmers, die in den Räumen des Bestellers
587 So in jüngerer Zeit v.a. Ziegltrum, Schutz Wirkung, S. 186 ff.; aus der Rechtsprechung kürzlich auch BGH, NJW 1996, 2927, 2928 und 2929 (Nitrierofen). 11 Riesenhuber
162
1. Teil: Unmittelbare Rechtsbeziehungen
tätig werden: Die Leistung des Bestellers besteht in der Zahlung des Werklohns; mit ihr haben die Gehilfen indes nichts zu tun, in Rede steht wiederum allein die Verkehrssicherung.
b) Gläubigernähe Gernhuber hat schon frühzeitig darauf hingewiesen: "Wir haben nicht nach Linien zu suchen, die den geschädigten Dritten mit dem Gläubiger oder mit dem Schuldner verbinden, sondern nach Fäden, die ihn mit dem Schuldverhältnis verknüpfen. 11588 In Verfolgung seines hier zugrundegelegten Ansatzes ist das konsequent. Nicht zutreffend erscheint aber der von Gernhuber unterstellte strikte Gegensatz von einer Verbindung zum Gläubiger einerseits und einer Verbindung zum Schuldverhältnis andererseits. Wäre die "Mitverantwortlichkeit des Anschlußgläubigers für Wohl und Wehe des Dritten" völlig irrelevant, so hätte sie sich kaum so beharrlich und allen Einwänden zum Trotz als Tatbestandsmerkmal behaupten können. Die Bedeutung der Gläubigernähe liegt ebenfalls in einer Indizwirkung.589 Denn eine besondere Beziehung zwischen Drittem und Gläubiger schlägt sich regelmäßig auch in der vertraglichen oder gesetzlichen Regelung nieder und begründet so die Einbeziehung des Dritten in den Schutzbereich.590 Keine Grundlage hat aber die Beschränkung des Schutzkreises auf gläubigernahe Dritte im Sinne der herkömmlichen Formel. So war es schon immer bedenklich, die Schutzwirkung des Hausverwaltungsvertrages auf die "personenrechtliche Beziehung" zwischen Vermieter und Mieter oder eine Fürsorgepflicht des Mieters zu stützen. Sehr viel weniger enge Verbindungen zwischen Anschlußgläubiger und Drittem reichen aus. Da zu entscheiden ist, ob der Dritte entsprechend der Anlage des Schuldverhältnisses in den sachlichen Schutzbereich eintritt, ist es folgerichtig, auch die Gläubigernähe als Funktion des Schuldverhältnisses zu begreifen. Die Gläubigernähe ist daher zu verstehen
588
Gernhuber, FS Nikisch, S. 249, 270; zust. kürzlich Martiny, JZ 1996, 19, 23; ferner Bayer, JuS 1996, 473, 477; Ziegltrum, Schutz Wirkung, S. 184, 192. Medicus, Probleme, S. 22, hält demgegenüber das erkennbare Schutzinteresse des Anschlußgläubigers für entscheidend. Rückhalt in der dort von ihm vertretenen erweiterten Vertrauenshaftungslehre findet dasfreilich nicht. Das erkennbare Schutzinteresse deutet eher auf eine Vertragslösung hin. Die Grenzen dieses Ansatzes sind jedenfalls bei der Problematik "gegenläufiger Interessen" erreicht; dazu BGH, JZ 1995,306 f. 589 Und aus dieser Indizwirkung erklärt sich auch der Befirnd v. Caemmerers, FS Wieacker, S. 318, es habe sich die Wohl-und-Wehe Formel praktisch bewährt. 590
Ebenso BGH, NJW 1959, 1676, 1677 (Capuzol).
§ 4 Vertrag mit Schutzirkung für die Nebenparteien
163
als ein von dem Schuldverhältnis als beachtlich anerkanntes Interesse des Gläubigers am Schutz des Dritten. Dem hier vertretenen Verständnis von der Gläubigernähe als ein dem Schuldverhältnis zu entnehmendes Indiz für die Befugnis, Dritte in den Schutzbereich einzubeziehen, stimmt auch die neuere Formel der Rechtsprechung überein. Diese stellt darauf ab, ob die Leistung dem Vertragsinhalt nach bestimmungsgemäß dem Dritten zugute kommen soll, oder ob sich aus den Umständen oder der Abrede Anhaltspunkte für den Drittschutz ergeben.
c) Erkennbarkeit Die unverzichtbare Funktion der Erkennbarkeit der Beteiligten für die Annahme einer Sonderverbindung bzw. Sonderhaftung wurde bereits aufgezeigt. Eine Sonderhaftung kommt nur in Betracht, wenn die Beteiligten auch individualisiert sind, da sonst die Betätigungsfreiheit unerträglich weit eingeschränkt würde. Das Merkmal der Erkennbarkeit gewinnt aber nach der hier verfolgten Konzeption keine eigenständige Bedeutung, da es in der "Anlage" des Schuldverhältnisses - bestimmt nach Parteivereinbarung, Gesetz und Verkehrssitte aufgeht. Die Erkennbarkeit spielt daher nur die Rolle einer Gegenprobe.
d) Schutzbedürftigkeit Keine eigene Bedeutung kommt dem von BGHZ 70, 327 im Jahre 1978 aufgestellten Erfordernis der Schutzbedürftigkeit zu, die fehlen soll, wenn der Dritte eigene gleichwertige Ansprüche gegen den Anschlußgläubiger oder einen Vierten hat.591 Konsequent ist das Erfordernis schon in der Rechtsprechung nicht durchgeführt worden. So stand es z.B. der Schutzwirkung für die Arbeitnehmer oder Mieter des Bestellers nie entgegen, daß diese Ansprüche gegen ihren Vertragspartner hatten - verschuldensunabhängig nach § 538 Abs. 1 Fall 1 BGB oder aus pVV i.V.m. § 278 BGB.592 Unter der Überschrift "Schutzwürdigkeit" werden denn auch der Sache nach andere, durchaus berechtigte Sachfragen behandelt. Vornehmlich geht es um zweierlei: Es kann
591
BGHZ 70, 327, 330, spricht von Ansprüchen desselben Inhalts. Die nachfogende Rechtsprechung ist darüber hinaus gegangen; vgl. kürzlich BGH, NJW 1995, 1739, 1747 (Girmes); NJW 1996, 2927 (Nitrierofen). 592 Der Unternehmer ist nicht selten auch Erfüllungsgehilfe des Bestellers, § 278 BGB. So etwa wenn der Vermieter oder Arbeitgeber im Rahmen seiner Schutzpflicht eine defekte Rohrleitung auswechseln läßt.
164
1. Teil: Unmittelbare Rechtsbeziehungen
sich aus dem eigenen Schuldverhältnis des Dritten mit dem Anschlußgläubiger593 oder aus dem Anschlußschuldverhältnis ergeben,594 daß der Dritte nicht oder nur eingeschränkt geschützt sein soll. Zwei Beispiele aus der Rechtsprechung verdeutlichen den letztgenannten Gesichtspunkt. In dem Ausgangsfall für das Erfordernis der Schutzbedürftigkeit, BGHZ 70, 327, verlangte der Untermieter vom Hauptvermieter Ersatz eines Wasserschadens, den er auf die unzureichende Kapazität der Regenrinne zurückführte. Der BGH lehnte einen Anspruch aus Schutzwirkung ab. Sollte es sich in dem Fall um eine reguläre Untermiete gehandelt haben, so wäre der Entscheidung zu widersprechen. Denn dann ist der Vertrag unzweifelhaft auf die Teilnahme des Untermieters angelegt, es sei denn, die Erlaubnis wäre verweigert worden. Die Schutzwirkung zuzugeben, ist auch nach der Gesamtregelung der Untermiete sachgerecht. Denn der Vermieter kann die Erlaubnis zur Untervermietung grundsätzlich verweigern (§ 549 Abs. 1 BGB). Anders liegt es auch bei der Wohnraummiete nur, wenn durch die Untervermietung die Wohnung nicht überbelegt würde und die Untervermietung dem Vermieter auch sonst nicht unzumutbar ist (§ 549 Abs. 2 S. 1 Hs. 2 BGB). Ist der Vermieter aber verpflichtet, die Erlaubnis zu erteilen, so kann er im Gegenzug eine angemessene Erhöhung des Mietzinses verlangen, wenn ihm anderes nicht zuzumuten ist. In der Tat wird man es aber für dem Vermieter unzumutbar halten müssen, das erhöhte Haftungsrisiko zu tragen, wenn nicht eine Mieterhöhimg damit einhergeht, die eine entsprechende Vorsorge, z.B. durch Versicherung, abdeckt. In ähnlich gelagerten Fällen wurde die Schutzwirkung denn auch zugegeben, z.B. für den Vorbehaltsverkäufer, dessen Waren im gemieteten Lager des Käufers einen Wasserschaden nehmen.595 Zutreffend könnte die Entscheidung von BGHZ 70, 327 lediglich dann gewesen sein, wenn es sich bei der Verhältnis der ersten Stufe um eine "Zwischenmiete" handelte, also einen Pachtvertrag zur Verwertung der Räume durch Vermietung. Dann liegt es nahe, daß der Eigentümer nicht als Vermieter auftreten und mithin die Risiken der Vermietung, vor allem die Gewährleistungspflichten nicht übernehmen wollte.596 Daß ein solcher Vertrag keine
593 BGH, NJW 1993, 655 f.; OLG Hamm, NJW-RR 1987, 725; Gernhuber, Schuldverhältnis, § 22 (S. 542 ff.). 594
Gernhuber, Schuld Verhältnis, § 21 II 7d (S. 533 f.) und bereits ders., FS Nikisch, S. 268.
595
Auf diesen WertungsWiderspruch der Entscheidung von BGHZ 70,327 weist auch Haase, JR 1978, 285, 286, hin. 596 Ob über die Verweisung in § 581 Abs. 2 BGB auch § 537 Abs. 3 BGB Anwendung findet, kann hier dahinstehen, da es nicht um Wohnräume ging.
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Schutzwirkung entfalten kann, versteht sich. Will der Eigentümer schon dem "Hauptmieter" gegenüber nicht oder nur eingeschränkt mietrechtlich verpflichtet sein, so kann auch der "Untermieter" aus dem Obervertrag weitergehende Rechte nicht herleiten (Rechtsgedanke des § 334 BGB). Eine andere Entscheidung, bei der das Schutzwürdigkeitserfordernis eine vitale Rolle zu spielen scheint, ist der Wachmann-Fall.597 Dort wollte der bestohlene Eigentümer Ersatz nicht nur von dem Wachunternehmen, sondern auch von dem zur Tatzeit eingesetzten Wachmann, dessen Arbeitsvertrag Schutzwirkung für ihn entfalte. Mit den Kriterien der Leistungs- und Gläubigernähe wie der Erkennbarkeit läßt sich dem wenig entgegensetzen, jedenfalls dann, wenn es mit der neueren Formel für die Gläubigernähe ausreicht, daß die Leistung dem Vertrag nach "bestimmungsgemäß dem Dritten zugute kommen soll". Dann bietet die Schutzbedürftigkeit scheinbar den letzten Rettungsanker, um die Außenhaftung des Arbeitnehmers für genuine Unternehmerrisiken zu vermeiden. Und auch diese Rettungsleine ist nur dünn, sofern einmal ein vertragloser Dritter Ansprüche erhebt. Besser läßt sich die Entscheidung begründen, wenn man die maßgeblichen Wertungen dem Anschlußschuldverhältnis entnimmt, dem sie ja auch entstammen.598 Denn es bedarf bei einer weniger schematischen Betrachtung keines besonderen Aufwandes festzustellen, daß der Arbeitsvertrag nicht darauf angelegt ist, die Vertragspartner des Arbeitgebers vertraglich mitzuschützen. Die so begründete vertragliche Einstandspflicht des Arbeitnehmers für Unternehmerrisiken widerspräche dem primären Schutzziel des Arbeitsvertrages, ebenso wie seiner Risikoverteilung. Unter Verzicht auf den Schleier der "Schutzbedürftigkeit" läßt sich mithin begründen, daß der Arbeitnehmer für Unternehmerrisiken gegenüber Dritten nicht einzustehen hat. Es zeigt sich ferner, daß insoweit Raum besteht, den Arbeitnehmerschutz auch nach außen wirksam werden zu lassen, d.h. es werden auf diesem Wege immerhin vertragliche Ansprüche nicht auf Dritte erstreckt.599
597 598
BGH, NJW 1987, 2510 f.
Vgl. zur methodischen Begründung dieses Vorgehens die Ausführungen von Bydlinski, prinzipiell-systematische Rechtsfindung im Privatrecht, passim und exemplarisch S. 16 f.
Über
599 Zu den Grenzen der Reichweite des Arbeitnehmerschutzes im Verhältnis zu Dritten eindringlich Denck, JZ 1990, 175 ff. und ders., Außenhaftung, passim.
1. Teil: Unmittelbare Rechtsbeziehungen
166
3. Die Ausgestaltung des Drittschutzes Die Ausgestaltung des Drittschutzes wirft zahlreiche Fragen auf. Dazu kann im einzelnen hier nicht Stellung genommen werden. Auf verschiedene Aspekte, die für das Verhältnis von Nebenparteien von Bedeutung sein können, ist jedoch einzugehen: Den sachlichen Schutzbereich des Drittschutzes (a), die Möglichkeit des Drittschutzes bei Gleichrangigkeit von Schuldner und Drittem (b) und die Klagbarkeit von Schutzpflichten gegenüber Dritten (c).
a) Die Beschränkung des Drittschutzes infolge seines Teilhabecharakters aa) Entwickelt man den Drittschutz aus dem Anschlußschuldverhältnis, so ist er auch durch dieses gestaltet und begrenzt. Das ist der Grundgedanke von § 334 BGB, der auch hier Platz greift. 600 Darin liegt gerade eine Stärke der Schutzwirkungslehre: Die durch sie begründete Verpflichtung gegenüber Dritten wahrt den Rahmen der Rechte und Pflichten aus dem Schuldverhältnis und trägt insoweit der privatautonomen Gestaltung Rechnung. Aufgrund seines Teilhabecharakters kann der Drittschutz daher keinesfalls Verhaltenspflichten begründen, die mit den eigenen Vertragsrechten des Schuldners in Widerspruch stehen. Die Verhaltenspflichten gegenüber Dritten sind zudem in ihrer Ausgestaltung, etwa dem Haftungsmaßstab und der Verjährung, von den Vorschriften des Anschlußschuldverhältnisses abhängig. bb) In seiner Untersuchung der Rechtsbeziehungen zwischen Arbeitnehmern hat Mayer-Maly darüber hinaus angenommen, es reiche der Drittschutz nur so weit wie auch das Interesse des Gläubigers daran; aus diesem Grunde hat er die Schutzwirkung für Dritte als zur Ordnung des Kollegenverhältnisses untauglich angesehen.601 Indes ist der damit angesprochene sachliche Schutzbe-
600
BGHZ 33, 247, 250 (Spannbetonplatte). Zu § 334 BGB näher Larenz, Schuldrecht I, § 17 I b (S. 223 f.). Zu den Grenzen des § 334 BGB im Rahmen der Schutzwirkung BGH, JZ 1995, 306 m. Anm. v. Medicus und Bespr.v. Canaris JZ 1995,441 ff. In dieser Entscheidung hat der BGH die Ansprüche des Käufers gegen den Sachverständigen, der ein fehlerhaftes Gutachten erstellt hatte, nicht nach §§ 334, 242 BGB begrenzt, obwohl der Verkäufer als Auftraggeber des Gutachtens die Fehlerhaftigkeit böswillig herbeigeführt hatte. Dem Zweck des Gutachtens widerspräche eine solche Begrenzung in der Tat, das wird deudich, wenn man sich das Gutachten mit einem entsprechenden Vorbehalt vorstellt. Es handelt sich daher um einen Sonderfall, den Canaris a.a.O. der Vertreterhaftung zurechnet. 601
Mayer-Maly,
Rechtsverhältnis, S. 72. Siehe oben, A II 3.
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167
reich nicht solchermaßen beschränkt.602 Schon nach der Konzeption der Rechtsprechung und der ihr folgenden herrschenden Meinung dient die Gläubigernähe nur dazu, den persönlichen Schutzbereich abzustecken. Den sachlichen Schutzbereich bestimmt aber allein das Anschlußschuldverhältnis. Anderes hat, soweit ersichtlich, auch Bydlinski 603 nicht zu begründen gesucht, auf den sich Mayer-Maly beruft. 604 Nach der hier vertretenen Auffassung kommt der Gläubigernähe ohnehin nur indizielle Wirkung zu im Hinblick auf die eigentlich entscheidende Frage nach der auf die Teilhabe des Dritten gerichtete Anlage des Schuldverhältnisses. Mithin bestimmt oder begrenzt die Gläubigernähe nicht einmal den persönlichen Schutzbereich. Ohne Zweifel ist es im übrigen, daß den Schuldner in seinem Verantwortungsbereich, dem sachlichen Schutzbereich, auch gegenüber dem Dritten spezifische Pflichten treffen können, die er dem Anschlußgläubiger gegenüber nicht hat.605 Denn bestimmte Gefahren drohen nur dem Dritten, nicht auch dem Gläubiger. So verhält es sich etwa bei der Schutzwirkung des Mietvertrags für die Kinder des Mieters: Der erwachsene Mieter wäre nicht eigens davor zu schützen, daß er sich nicht an den Reinigungschemikalien in der Reinigungskammer verletzt; eine Pflicht, diese verschlossen zu halten, obliegt dem Vermieter allein in Hinblick auf die Kinder. Auch in dieser Hinsicht trifft mithin das Bedenken von Mayer-Maly nicht, es trage die Schutzwirkung nicht weit genug.
602 Aus ähnlichen Erwägungen ist die Beschränkung der Schutzpflichten gegenüber Arbeitskollegen, die Blomeyer, ZfA 1972, 85 ff., annimmt, nach der hier vertretenen Konzeption abzulehnen: Blomeyer untersucht die Reichweite der Betriebsfriedenspflicht nach § 104 BetrVG. Die Pflicht zur Wahrung des Betriebsfriedens sieht er als Grenze der Rücksicht gegenüber Arbeitskollegen an. Indessen sind die drittschützenden Pflichten, wie Schutzpflichten allgemein, nach Maßgabe von § 242 BGB zu bestimmen. Unabhängig davon stellt sich die Grenzziehung, die Blomeyer vornimmt, als zu eng dar und als ungereimt. So nimmt er an, es habe der Arbeitgeber den Arbeitnehmer vor Belästigungen zu schützen, die Belästigung stelle aber keine Pflichtverletzung des störenden Kollegen (gegenüber dem Arbeitgeber) dar (a.a.O. S. 106). D.h., es ist keine Vertragsverletzung, auf andere Vertragsparteien so einzuwirken, daß der Arbeitnehmer ihnen gegenüber verpflichtet ist, Sicherungsmaßnahmen (so Blomeyer, a.a.O. S. 106) zu ergreifen! S.a. MünchArbRBlomeyer, § 52 Rn. 11. 603
Bydlinski,
604
Mayer-Maly,
605
Gernhuber, Schuldverhältnis, § 21 II 3 (S. 524).
JB1 1960, 359 ff. RechtsVerhältnis, S. 72.
1. Teil: Unmittelbare Rechtsbeziehungen
168
b) Kein Ausschluß des Drittschutzes wegen Gleichrangigkeit der Beteiligten Köhler hat angenommen, es komme der Drittschutz zwischen Mietern deshalb nicht in Betracht, weil sie gleichrangig stehen. Wegen der Gleichrangigkeit könne von einer besonderen Fürsorge eines von ihnen keine Rede sein.606 Aus zwei Gründen trifft der Einwand nicht. Schon nach der hergebrachten Konzeption kann es auf eine "besondere Fürsorge" nicht ankommen. Anhalt findet dieses Erfordernis in der Wohl-undWehe Formel nicht. Die Maßgabe einer Mitverantwortlichkeit bedeutet im Gegenteil, daß es auf den Grad dieser Mitverantwortlichkeit nicht ankommen kann. Nichts anderes ergibt sich, wenn man auf ein personenrechtliches Verhältnis abstellt. Denn ein solches besteht oder es besteht nicht. Ein "bißchen" bestehen kann es nicht, deshalb kann es auf seine Intensität nicht ankommen. Schließlich würde das Kriterium der besonderen Fürsorge die bekannten Abgrenzungsschwierigkeiten eröffnen: Wieviel ist besonders? Nach der hier vertretenen Konzeption kommt der Gläubigernähe ohnehin nur eine Indizfunktion zu. Den Ausschluß des Drittschutzes kann weder die geringe noch die gänzlich fehlende Gläubigernähe begründen. Mit dem Gedanken der Gleichrangigkeit spricht Köhler indessen einen Gesichtspunkt an, der unausgesprochen auch der gerichtlichen Ablehnung der Schutzwirkung zwischen Mietern zugrundeliegen mag, und der ferner bei der Frage der Schutzwirkung des Bauhandwerkervertrages für andere Bauhandwerker 607 eine Rolle spielen dürfte. In anderen Fällen der Schutzwirkung ist der Schuldner dem Gläubiger und dem Dritten gleichsam "übergeordnet", vor allem weil er einen Gefahrenbereich beherrscht: So hat der Vermieter die Verantwortung für die Verkehrssicherheit des Treppenhauses, es beherrscht die Bank das Lastschriftverfahren usf. Hingegen kann es unter "Gleichgeordneten" von vornherein ausschließlich um allgemeine Verhaltenspflichten gehen. Doch führt dieser Befund allein zurück zu der Frage, ob die Schutzwirkung auf Fälle der Teilhabe an der (Haupt-) Leistung beschränkt ist. Das wurde bereits verneint (oben, 2 a). Aus anderer Blickrichtung betrachtet: Es hat zwar die Annahme einer Schutzwirkung eine besondere Plausibilität dort, wo der Schuldner einen Verkehr eröffnet oder einen Gefahrenbereich beherrscht und daher die Schutzpflichten als in das Vertragsrecht transponierte Verkehrspflichten erscheinen.608 Eine Beschränkung der Schutzwirkung auf Fälle der
606
Vgl. oben, A II 1.
607
BGH, NJW 1970, 38, 40; dazu auch noch unten, C I 4 b.
§ 4 Vertrag mit Schutzirkung für die Nebenparteien
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Verkehrsverantwortlichkeit widerspricht indes ihrer Begründung aus den vertraglichen Verhaltenspflichten, die darüber hinausgreifen. Es wäre sachlich nicht gerechtfertigt, zwischen Verhaltenspflichten zur Verkehrssicherung und sonstigen Verhaltenspflichten zu unterscheiden und somit die Sachverantwortlichkeit (für einen sachlichen Gefahrenbereich) des Schuldners höher zu bewerten als die Personenverantwortlichkeit (für von der eigenen und Hilfspersonen ausgehende Gefahren). Mit dem Aspekt der Gleichrangigkeit könnte schließlich noch ein Drittes angesprochen sein: Wenn die Beteiligten gleichgeordnet sind, so ließe sich argumentieren - sollen sie sich an ihren Vertragspartner halten. Damit ist erneut das von der Rechtsprechung entwickelte Kriterium der "Schutzwürdigkeit" angesprochen. Dazu wurde bereits oben (2 d) Stellung genommen.
c) Pflicht zur Erfüllung von drittschützenden Verhaltenspflichten ("Klagbarkeit") Wenig erörtert ist die Frage, ob der geschützte Dritte einen Anspruch auf Erfüllung der Schutzpflichten hat bzw. ob er sie einklagen kann.609 In der Rechtsprechung findet sich soweit ersichtlich nur eine vereinzelte Stellungnahme.610 Die Lehre weist lediglich darauf hin, es handele sich bei der Schutzwirkung für Dritte um ein "Schuldverhältnis ohne primäre Leistungspflicht".611 Soweit es sich bei den Schutzpflichten gegenüber Dritten um einen Anwendungsfall der weiteren Verhaltenspflichten handelt, ist zunächst zu klären, inwieweit diese klagbar sind (aa). Sodann ist zu prüfen, ob nicht, wie es die Formulierung vom Schuldverhältnis ohne primäre Leistungspflicht nahelegt, 608 Zur Bestimmung der Verkehrspflichten durch vorangegangenes Tun, Bereichsverantwortlichkeit und Übernahme Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 76 III 3 (S. 406 ff.). Auch wenn man eine Beschränkung der Schutzpflichten auf den Bereich der Verkehrspflichten annähme, wäre die Schutzwirkung zwischen Nebenparteien freilich keineswegs ausgeschlossen, da auch diese für die Gefahren des eigenen Bereichs selbst (besonders hinsichdich der Gehilfen) oder kraft Übernahme vom Vertragspartner verantwortlich sein können! 609 Herkömmlich ist von der "Klagbarkeit" die Rede, wenn es auch unabhängig von der prozessualen Durchsetzung um den Erfüllungsanspruch geht. 610
LG Köln vom 28.8.1992 - 31 O 384/92 - (nicht veröffendicht); die Entscheidung wurde in der Berufung im Ergebnis bestätigt, zur Schutzwirkung nimmt das OLG Köln indes nicht Stellung, da es den Fall aus abgetretenem Recht des Vermieters entscheidet; OLG Köln vom 21.05.1993 6 U 169/92 (nicht veröffentlicht). 611 Larenz, Schuldrecht I, § 17 II (S. 229). Vgl. ferner die kurze Besprechung von Vogt, MDR 1993, 498, 499.
170
1. Teil: Unmittelbare Rechtsbeziehungen
Besonderheiten des Drittschutzes der Annahme einer Erfüllungspflicht entgegenstehen (bb). aa) Die Klagbarkeit von Schutzpflichten ist umstritten, die besseren Gründe sprechen dafür, sie zuzugeben.612 Nicht zu verkennen ist zwar, daß damit die Belastung des Gläubigers noch intensiviert wird. 613 Denn es macht einen Unterschied, unmittelbar oder nur mittelbar im Wege der Sanktionsdrohung gezwungen zu werden. Daß diese Unterscheidung auch rechtlich relevant ist, weisen die §§ 887, 888 ZPO aus. Indes ist grundsätzlich davon auszugehen, daß Pflichten auch klagbar sind.614 Dafür spricht schon die Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG. Ist eine Pflicht gegeben, so bedarf es keiner besonderen Begründung, warum diese klagbar sei, das Gegenteil bedürfte der Rechtfertigung. Auch die Naturalobligationen z.B. der §§ 656, 762, 764 BGB615 stellen nur besonders motivierte Ausnahmen von diesem Grundsatz dar. Gegen die Klagbarkeit von Schutzpflichten wird eingewandt, sie seien nicht hinreichend konkretisiert.616 Ein Spezifikum der Schutzpflichten stellt die mangelnde Konkretisierung jedoch nicht dar, wie z.B. § 550 BGB zeigt.617 Es handelt sich bei der Frage der Konkretisierung allein um eine Einschränkung im Bereich des Tatsächlichen, die höchstens im Einzelfall, nicht aber im Grundsatz den Ausschluß der Klagbarkeit begründen kann. Nicht zu überzeu-
612
Zum Ganzen vor allem Stürner, JZ 1976, 384 ff.; Motzer, JZ 1983, 884 ff.; Medicus, Schuldrecht I, § 35 III 2 (S. 197, Rn. 424 f.); ders. Bürgerliches Recht, Rn. 208; Köhler, AcP 190 (1990), 469, 509 ff. (unter den Voraussetzungen, daß (1) die Pflicht inhaldich bestimmt, (2) eine Verletzungsgefahr gegeben und (3) zumutbares Ausweichen nicht möglich ist); MünchArbRBlomeyer, § 54Rn. 3 f.; MünchenerKommentar-Kramer, § 241 Rn. 15 ff.; Münchener KommentUT-Roth, § 242 Rn. 209. 613
Henckel, AcP 174 (1974), 97, 111 f.
614
Gernhuber, Schuldverhältnis, § 2 IV 3 (S. 25).
615
Weitere Beispiele: Art. VIII Abschnitt 2 b S. 1 des Übereinkommens über den Internationalen Währungsfonds (BGBl. II 1978, S. 13 ff.): "Aus Devisenkontrakten, welche die Währung eines Mitglieds berühren und den von diesem Mitglied in Übereinstimmung mit diesem Übereinkommen aufrechterhaltenen oder eingeführten Devisenkontrollbestimmungen zuwiderlaufen, kann in den Hoheitsgebieten der Mitglieder nicht geklagt werden." (dazu und zur Frage der Rechtsnatur dieser Bestimmung Kumpel, Bankrecht, Rn. 7.37); auch aus dem Anstellungsverhältnis des Geschäftsführers wird ein Leistungsanspruch nicht zugegeben, wenn das Organisationsrecht der GmbH entgegensteht {Lutter/Hommelhoff, Anh. § 6 Rn. 15. 616
Lorenz, Schuldrecht I, § 2 I (S. 11 f.).
617
Darauf weist schon Motzer, JZ 1983, 884, 886, hin.
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gen vermag auch die Verweisung des Gläubigers auf die Vermeidung der Gefahrsituation. 618 Wenn es eine Pflicht gibt, dann muß das korrespondierende Recht auch durchsetzbar sein, will man nicht einem Zurückweichen vor dem Umecht das Wort reden. Hinzutritt, daß gerade im Miet- und Arbeitsverhältnis eine Vermeidung der Gefahrsituation nicht zumutbar ist.619 Schließlich spricht auch die Entwicklung im Deliktsrecht, wo der vorbeugenden Unterlassungsklage zunehmend Raum gegeben wird, für die Anerkennung eines Erfüllungsanspruchs bei Schutzpflichten, denn es erschiene widersprüchlich, in der Jedermannsbeziehung mehr zuzugeben als im Sonderkontakt.620 Geradezu zwingend erscheint das Gleichziehen mit der deliktsrechtlichen Entwicklung, wenn man dafür hält, es beruhten Schutzpflichten und deliktische Verkehrspflichten auf demselben Geltungsgrund.621 bb) Bejaht man grundsätzlich einen Anspruch auf Erfüllung von weiteren Verhaltenspflichten bzw. deren Klagbarkeit, so ist zu untersuchen, ob ihr nicht Besonderheiten des Drittschutzes entgegenstehen. Insoweit wird in der Tat herrschend angenommen, einen Erfüllungsanspruch könne es nicht geben. Darauf zielt schon die Beschreibung, die Schutzwirkung begründe ein Schuldverhältnis ohne primäre Leistungspflicht.622 Gemeint ist damit nicht allein, daß es keine Hauptpflicht auf Leistung gebe, sondern auch, daß es keinen Primäranspruch auf Erfüllung gebe, nur einen Sekundäranspruch auf Schadensersatz wegen Pflichtverletzung. Der Mangel eines Erfüllungsanspruchs wird sogar als das Kriterium zur Abgrenzung der Schutzwirkung für Dritte vom berechtigenden Vertrag zugunsten Dritter (§§ 328 ff. BGB) angeführt. 623
618 Zumutbares Ausweichen halten Stürner, JZ 1976, 384,386 f., Münchener Kommentar-/tof/i, § 242 Rn. 201 und Köhler, AcP 190 (1990), 469, 509 ff., für vorrangig. 619
Daraufweist Stürner, JZ 1976, 384, 386 f., zutreffend hin. Aus diesem Grunde ist auch der Auffassung von Köhler, AcP 190 (1990), 496, 511, zu widersprechen, die Fürsorgepflicht des § 618 BGB sei nicht klagbar, weil oder soweit der Arbeitnehmer der Gefahrsituation schon durch Ausübung seines Zurückbehaltungsrechts ausweichen könne; denn damit wird sein Beschäftigungsinteresse unzulässig beschränkt. 620
Motzer, JZ 1983, 884, 886 f. Zur Entwicklung der quasinegatorischen Unterlassungs- und Beseitigungsklage RGZ 60, 6 ff.; v.Caemmerer, Wandlungen, S. 52 ff; Larenz/Canaris, Schuldrecht n/2, § 86 I 1 a (S. 673 f.). 621
Anders gleichwohl Stoll, FS v.Hippel, S. 528.
622
Larenz, Schuldrecht I, § 17 II (S. 229).
623
Gernhuber, Schuldverhältnis, § 21 I 5 a (S. 515); Vogt, MDR 1993, 498 f.
172
1. Teil: Unmittelbare Rechtsbeziehungen
Das Widerstreben, einen Erfüllungsanspruch aus der Schutzwirkung für Dritte zu begründen, führt auch die Entscheidung im Fall der wegen unterbliebener Testamentserrichtung verhinderten Erbin vor Augen:624 Ihrem Schadensersatzbegehren wurde entgegengehalten, es handele sich um einen Ersatzanspruch wegen Nichterfüllung und also ein Äquivalent für den Erfüllungsanspruch. Das lasse sich aus der Schutzwirkung für Dritte nicht begründen. Daß diese Entscheidung aus übergeordneten, sachlichen Erwägungen richtig ist, hat v. Caemmerer gezeigt. Er weist darauf hin, daß es schlechthin keinen Unterschied machen kann, ob die Testamentserrichtung wegen Anwaltsverschuldens unterblieben ist (Nichterfüllung) oder ob das errichtete Testament wegen eines Formfehlers unwirksam errichtet wurde (Schlechterfüllung). 625 Doch ging es in dieser Entscheidung nur darum, ob auch die Hauptpflicht eine Schutzwirkung für Dritte entfalten kann; das ist heute unbestritten. Eine andere und u.U. weitergehende Frage ist, ob die Pflichten, die eine Schutzwirkung für den Dritten entfalten - seien es Hauptpflichten oder weitere Verhaltenspflichten-, auch einen Erfüllungsanspruch begründen. Kannm.a.W. das Kind des Mieters aus eigenem Recht die Sicherung eines baufälligen Balkons verlangen, und kann in dem Testament-Fall die Erbin bei drohender Nichterfüllung aus eigenem Recht von dem Anwalt Erfüllung verlangen? An den Beispielen wird deutlich, woher das Unbehagen rührt: Gibt man dem durch das Schuldverhältnis geschützten Dritten einen Erfüllungsanspruch zu, so läßt sich die Schutzwirkung für Dritte in ihrer Wirkung von dem Vertrag zugunsten Dritter vielfach nicht mehr unterscheiden. Indessen bedarf es zunächst der Begründung, weshalb der Vertrag zugunsten Dritter überhaupt eine Obergrenze für die Schutzwirkung darstellen soll. Plausibel mag dies erscheinen, wenn man die Schutzwirkung als "schwächeren Typus"626 des Vertrages zugunsten Dritter versteht. Sachfragen lassen sich aus dieser Formulierung, die wohl ohnehin als didaktische Beschreibung eher gedacht ist denn als dogmatische Begründung, nicht lösen, zumal völlig unklar bleibt, in welcher Hinsicht die Schutzwirkung schwächer sei. Gegen eine Sperrwirkung des Vertrages zugunsten Dritter sprechen sämtliche Konzeptionen der Schutzwirkung, insofern sie die Schutzwirkung für Dritte losgelöst von §§ 328 ff. BGB begründen. Das gilt zunächst für die - wie auch immer begründeten - Lehren vom einheitlichen Schutzpflichtverhältnis. Für diese Lehren ist die Annahme der Erfüllungspflicht geradezu zwingend, sofern man sie den
624
BGH, JZ 1966, 141 ff. m.Anm.v. Lorenz.
625
v. Caemmerer, FS Wieacker, S. 321 f.; ihm folgt Medicus, Bürgerliches Recht Rn. 847a.
626
Larenz, Schuldrecht I, § 17 II (S. 226).
§ 4 Vertrag mit Schutzirkung für die Nebenparteien
173
Verhaltenspflichten schon allgemein beilegt. Nicht anders liegt es, wenn man die Schutzwirkung als (im Kern) zu Gewohnheitsrecht verfestigte richterliche Rechtsfortbildung anerkennt, liegt doch auch darin eine Emanzipation vom Vertrag zugunsten Dritter. 627 Der Einwand, die Klagbarkeit habe keinen Anteil an der gewohnheitsrechtlichen Anerkennung, überzeugt dagegen nicht. Denn auch das Gewohnheitsrecht ist der dogmatischen Durchdringung und Gestaltung zugänglich, und auch das Gewohnheitsrecht hat Anteil an der Entwicklung der Dogmatik. Selbst wenn man drittens die Schutzwirkung im Wege ergänzender Vertragsauslegung begründet, folgt daraus keine Sperrwirkung der §§ 328 ff. BGB. Allenfalls ließe sich dann nach Maßgabe des Einzelfalls ein Ausschluß der Klagbarkeit anhand der Parteiinteressen begründen - ein Unterfangen, das freilich ebenso hilflos bleiben muß, wie die Feststellung der Schutzwirkung selbst im Wege der Auslegung. Das Unbehagen darüber, daß dieselben Rechtsfolgen aufgrund eines anderen Tatbestands herbeigeführt werden können, kann demnach eine Sperrwirkung des Vertrags zugunsten Dritter nicht begründen. Denn der Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte ist ein gegenüber dem Vertrag zugunsten Dritter eigenständiger, gewohnheitsrechtlich anerkannter Tatbestand. Es handelt sich nicht um einen Vertrag zugunsten Dritter, dem wegen geringerer Intensität die Klagbarkeit fehlte. Ebensowenig läßt sich sagen, es werde so eine Drittberechtigung nach geringeren Anforderungen begründet. Der Unterschied ist ein qualitativer, kein quantitativer. Führt man die Emanzipation der Schutzwirkung von den §§ 328 BGB auf diese Weise konsequent durch, so kann der Vertrag zugunsten Dritter auch keine Obergrenze sein, hinter welcher der Vertrag mit Schutzwirkung zurückbleiben müßte. Aus dem Tatbestand der Schutzwirkung folgen also keine eigenen Einwände gegen die Klagbarkeit der daraus fließenden drittschützenden Pflichten. 628
C. Schutzwirkung für die Nebenpartei Damit sind die Kriterien des Drittschutzes abgesteckt. Die Schutzwirkung ist begründet, wenn die Anlage des Anschlußschuldverhältnisses die Einbeziehung
627 Der BGH hat die Lösung vom Vertrag zugunsten Dritter im Anschluß mLarenz, NJW 1956, 1193 bereits in der Entscheidung NJW 1959, 1676 (Capuzol) anerkannt. 628
Im Ergebnis ebenso LG Köln vom 28.8.1992 - 31 O 384/92 - (nicht veröffendicht), das sich freilich nur auf allgemeine Erwägungen zur Klagbarkeit von Nebenpflichten stützt; die Berufungsentscheidung des OLG Köln (vom 21.05.1993 - 6 U 169/92 - [nicht veröffendicht]) beruht auf abgetretenem Recht des Vermieters, so daß es auf die Klagbarkeit drittschützender Pflichten nicht ankam.
174
1. Teil: Unmittelbare Rechtsbeziehungen
des Dritten rechtfertigt. Eine Schutzwirkung zugunsten der Mietnachbarn und der Arbeitskollegen ist auch nicht von vornherein ausgeschlossen, weil Mieter und Nachbar bzw. Arbeitnehmer und Kollege im Verhältnis zum Vertragspartner gleichrangig stehen. Die Beschränkung der Schutzwirkung infolge ihres Teilhabecharakters macht sie nicht wirkungslos. Daher ist auf die Ausgangsfrage der Untersuchung zurückzukommen: Entfaltet der Mietvertrag bzw. der Arbeitsvertrag eine Schutzwirkung zugunsten der jeweiligen Nebenparteien?
I. Die Schutzwirkung für die Nebenpartei und ihre Abgrenzung 1. Schutzwirkung für die Nebenpartei im Mietverhältnis und im Arbeitsverhältnis Die Frage der Schutzwirkung wird in beiden Fällen zunächst anhand der als Indizien erkannten Kriterien der Rechtsprechung untersucht und sodann ergänzend mit Rücksicht auf die Anlage des Schuldverhältnisses betrachtet.
a) Mietverhältnis aa) Leistungsnähe und Gläubigernähe als Indizien Die Frage, ob der Mieter den Gefahren des Mietverhältnisses seines Wohungsnachbarn ebenso ausgesetzt ist wie der Vermieter (Leistungsnähe), wurde von der Rechtsprechung in einem Fall verneint, allerdings nur mit einer ablehnenden Paraphrasierung des Tatbestandsmerkmals und ohne Begründung.629 Auch Krause verneint eine Leistungsnähe, da der Mieter mit der Hauptleistung des Nachbarn nicht in Berührung komme.630 Ackmann hingegen bejaht die Leistungsnähe in Besprechung eines Wasserschaden-Falles: Die Beispiele des Wasser- oder Feuerschadens zeigten, daß der Mieter der Gefährdung durch Obhutspflichtverletzung des Oberliegers in demselben Maße ausgesetzt sei wie der Vermieter.
629
OLG Celle, VersR 1984, 1075; siehe oben, A l l .
630
Krause, JZ 1982, 16, 18.
§ 4 Vertrag mit Schutzirkung für die Nebenparteien
175
Der Einwand von Krause greift nicht durch, da es, wie gezeigt, auf eine Nähe zur Hauptleistung nicht ankommt.631 Ackmann zeigt hingegen an zwei Beispielen auf, daß Mieter und Vermieter durch das Nachbarmietverhältnis gleichermaßen gefährdet werden. Droht dem Vermieter durch einen Wasseroder Feuerschaden die Beeinträchtigung des Hauses, so steht für den Nachbarn sein eingebrachtes Hab und Gut auf dem Spiel. Die Gleichheit der Gefährdung wird deutlich, wenn man annimmt, es wohnte der Vermieter zusammen mit verschiedenen Mietern in demselben Haus. Die gläubigergleiche Gefährdung zeigt sich aber auch im täglichen Umgang. Der Gefahr, im Hausflur von der Haushaltshilfe des einen Mieters geschädigt zu werden, ist der Mieter ebenso ausgesetzt wie der Vermieter. Regelmäßig wird die Beobachtung von Sorgfaltspflichten sogar im überwiegenden Interesse des Mitmieters geschuldet, nämlich dann, wenn der Vermieter gar nicht in dem Mietshaus wohnt.632 Eine Nähebeziehung des Vermieters zu seinen Mietern sowie seine besondere Verantwortung für deren Wohl (Gläubigernähe) wird teilweise bejaht. Nicht zu überzeugen vermag das, soweit eine "personenrechtliche Beziehung" gemeint ist. Gewicht hat die Einsicht jedoch in dem Sinne, daß der Vermieter aufgrund der weitreichenden Gebrauchsgewährungs- und -erhaltungspflichten der §§ 535 ff. BGB in erheblichem Maße für das Wohl seiner Mieter verantwortlich ist. Darin kann man ein Indiz dafür sehen, daß er sie auch besonders geschützt sehen will, soweit er mit Dritten in bezug auf das Mietverhältnis kontrahiert. Der zwischen Wohnraummiete und Geschäftsraummiete unterscheidenden Beurteilung der Gläubigernähe, die Weyer vorgeschlagen hat,633 kann jedoch nicht zugestimmt werden. Weyer sucht sie damit zu begründen, daß nur in der
631
Aus diesem Grunde ist auch der Einwand des OLG Hamm, VersR 1984, 1075, verfehlt, es nehme der Mitmieter nicht wie z.B. Familienangehörige oder Arbeitnehmer des Mieters am Mietgebrauch teil. Mit dieser Begründung wäre auch die Schutzwirkung zugunsten der Ehefrau des Vermieters zu verneinen. Der Vergleich ist im übrigen schief, da die strukturelle Parallele der Vergleichsfälle fehlt: Denn hier geht es um den Schutz vor dem Mieter, dort aber um den Schutz vor dem Vermieter. 632 Darauf weist auch das AG Köln, VersR 1984, 1179, 1180, zur Begründung der Schutzwirkung des Schornsteinfegervertrags mit dem Hauseigentümer für die Mieter hin. In diesem Zusammenhang ist ferner an die Vorschrift von § 541b BGB zu denken, in deren Abs. I S . 1 die Vermieter- und die Mitmieterinteressen gleichgestellt werden - wenn auch nur für die Zwecke der Gewichtung hinsichdich vermieterseitigen VerbesserungsWunsches. 633 Die Rechtsprechung hat eine solche Differenzierung früher ebenfalls vorgenommen, indem sie den Angestellten eines Geschäftsraummieters den Vertragsschutz versagte, weil dort die Hausgemeinschaft lockerer sei als bei der Wohnraummiete; KG, JW 1939, 287. Diese Unterscheidung ist heute aufgegeben; BGHZ 61, 227, 233.
1. Teil: Unmittelbare Rechtsbeziehungen
176
Wohnraummiete eine Fürsorgepflicht und damit die Gläubigernähe gegeben sei; er möchte die Mitverantwortlichkeit für Wohl und Wehe dort vor allem den Bestandsschutzvorschriften entnehmen.634 Schon nach der Drittschutzkonzeption der Rechtsprechung ist das nicht überzeugend: Denn der Bestandsschutz dient dem Ausgleich der widerstreitenden Interessen der Parteien, eine Fürsorgepflicht begründet er nicht. Ebensowenig verfängt die Begründung mit Hilfe des "Partnerschaftsgedankens": 635 Der Partnerschaftsgedanke hat einerseits keinen eigenständigen Gehalt, würde aber andererseits eine Fürsorgepflicht auch des Mieters gegenüber dem Vermieter begründen. Gründet man die Annahme einer Nähebeziehung auf die §§ 535 f. BGB, so kommt die Unterscheidung von Wohn- und Geschäftsraummiete nicht in Betracht, gelten diese Vorschriften doch jeweils. Letztlich führte die Differenzierung aber auch zu wenig überzeugenden Ergebnissen. Denn warum sollte der Unterlieger aus Schutzwirkung Ersatz für einen Wasserschaden verlangen können, wenn er das Stockwerk bewohnt, nicht aber, wenn er darin sein Geschäft betreibt oder es gleichermaßen zu Wohn- und Geschäftszwecken nutzt?
bb) Begründung aus der vertraglichen
und gesetzlichen Anlage
Die Kriterien der Leistungs- und der Gläubigernähe sprechen mithin dafür, dem Mietvertrag über Räume eine Schutzwirkung für die Mietnachbarn beizulegen. Diese Annahme bestätigt auch eine nähere Untersuchung der Anlage des Mietvertrages. Entscheidend sind dafür zum einen die tatsächlichen Vorgaben des Raummietvertrages, die die Auslegung gemäß § 157 BGB mitbestimmen, zum anderen sind es die gesetzlichen Vorschriften. Entsprechend den tatsächlichen Gegebenheiten ist die Miete im Mehrparteienhaus auf ein Zusammenleben mit anderen Mietern hin angelegt, mit welchen auch Gemeinschaftseinrichtungen geteilt werden. Der Mieter geht deshalb davon aus, daß er nicht allein, sondern zusammen mit anderen untergebracht ist. Es entspricht der Vertragsabrede, daß der Vermieter befugt ist, mehrere Mieter unter einem Dach zusammenzufügen. Die vertraglich bestimmte Befugnis des Vermieters, die Mietnachbarn in den spezifischen Gefahrenbereich des Mietvertrages einzuführen, wird auch von der Hausordnung vorausgesetzt, die das Zusammenleben der Mietnachbarn regelt und ordnet. Am deutlichsten tritt der vertragliche Drittbezug aber in den
634
Weyer,
635
Weyer, BB 1972, 339, 342; siehe zum Partnerschaftsgedanken bereits oben, § 2 C 12 c bb.
BB 1972, 339, 342.
§ 4 Vertrag mit Schutz Wirkung für die Nebenparteien
177
§§ 541b, 554a BGB zutage. Ist diesen Vorschriften auch in erster Linie zu entnehmen, daß in bestimmter Hinsicht die Interessen anderer Mieter zugleich Vermieterinteressen sind, so besagen sie doch auch, daß der Vermieter gemäß den Regeln des einzelnen Mietvertrages berechtigt ist, die Mietnachbarn in den besonderen Einwirkungsbereich des Mieters einzuführen. Verlangt § 554a BGB von den Mietern Rücksicht auf die Hausgenossen, so setzt die Vorschrift zugleich voraus, daß sich die Mitmieter den Bestimmungen des Anschlußvertrages entsprechend in seinem sachlichen Schutzbereich aufhalten. Es kann insoweit auch auf die zutreffenden Beobachtungen verschiedener Gemeinschaftslehren zurückgegriffen werden. So hatte Paschke ausgeführt, daß die Vorschriften der §§ 554a, 541b BGB "das Phänomen der Eingebundenheit jedes einzelnen Mieters in den Sozialverband der Mitmieter eines Hauses anerkennen und ordnend erfassen. (..) Der Rechtsbegriff des Hausfriedens bezeichnet das Erfordernis gegenseitiger Rücksichtnahme sämtlicher Bewohner eines Wohnhauses untereinander, bezieht sich also tatbestandlich nicht auf die Beziehungen der Mietvertragsparteien zueinander, sondern auf das Verhältnis der Mieter dieses Hauses untereinander."636 Wüst fand die Mieter in eine "nachbarrechtlich orientierte Interessengemeinschaft" eingeordnet.637 Auch andere Autoren sprechen häufig von einer "Hausgemeinschaft". Wird hier auch der Annahme einer Rechtsgemeinschaft widersprochen, so ergibt sich doch aus dem treffenden Befund der Gemeinschaftslehren, daß der Mietvertrag den Schutz der Nachbarn gerade im Hinblick auf die von ihm vorausgesetzte Einordnung des Mieters in eine "tatsächliche Gemeinschaft" rechtfertigt. Weil der Mietvertrag auf Einordnung des Mieters in eine verhältnismäßig beständige Personengesamtheit gerichtet ist, ist ihm auch ein Bezug auf die anderen Teilnehmer dieser "Hausgemeinschaft" zu entnehmen. Die Beständigkeit einerseits und die räumliche Bindung andererseits machen zudem den Teilnehmerkreis bestimmt, mindestens aber bestimmbar.
cc) Zwischenergebnis Die Anlage des Vertrages ebenso wie die Indizien der Leistungs- und der Gläubigernähe begründen, daß dem Raummietverhältnis eine Schutzwirkung zugunsten der Mietnachbarn zukommt. Die Mietnachbarn sind Einwirkungen des Mieters in demselben Maße ausgesetzt, wie der Vermieter selbst; der
636
Paschke, Wohnraummiete, S. 120 sowie zum tatsächlichen Befund noch S. 75 ff. Zu seinem Ansatz näher oben, § 2 C I 2. 637
Wüst, Interessengemeinschaft, S. 127.
12 Riesenhuber
178
1. Teil: Unmittelbare Rechtsbeziehungen
Vermieter hat außerdem ein erhebliches Interesse an ihrem Schutz. Darüber hinaus belegt die Anlage des Vertrages, ausgedrückt vor allem in der Vorschrift des § 554a BGB, daß der Vermieter berechtigt ist, weitere Mieter in den Gefahrenbereich des Mietverhältnisses einzubeziehen und daß diese also geschützt sein sollen. Ist der Mietvertrag auf die Einordnung des Mieters in eine "Hausgemeinschaft" angelegt, so liegt darin zugleich ein Bezug auf Dritte, die der Vermieter in den sachlichen Schutzbereich des Mietvertrages einzuführen berechtigt ist.
b) Arbeitsverhältnis aa) Leistungsnähe und Gläubigernähe als Indizien Arbeitnehmer sind den Gefahren des Arbeitsverhältnisses mit einem Kollegen regelmäßig in gleichem Maße ausgesetzt wie der Arbeitgeber selbst, wenn sie auch mit der Hauptleistung des Kollegen nur ausnahmsweise in Berührung kommen, sofern diese z.B. auf Leitung, Überwachung oder Schutz anderer Arbeitnehmer gerichtet ist. Die Leistungsnähe ist hier aus denselben Erwägungen wie im Verhältnis der Mitmieter zu bejahen. Offenbar ist das in einem kleinen Betrieb, etwa dort, wo der Handwerksmeister mit wenigen Handwerkern zusammenarbeitet. Nichts anderes gilt aber dann, wenn der Arbeitgeber nur Geschäftsführungsaufgaben wahrnimmt und mit der eigentlichen Betriebstätigkeit nicht in Berührung kommt bzw. wenn der Arbeitgeber eine juristische Person ist: Hier liegt die Gefährdung durch das Nebenarbeitsverhältnis überwiegend bei den Arbeitskollegen.638 Ein Näheverhältnis des jeweils anderen Arbeitnehmers zum Arbeitgeber ist nach h.A. ohne weiteres gegeben, es liegt in der Fürsorgepflicht, § 618 BGB, begründet. Auch für das Arbeitsverhältnis erklärt sich die Nähe mithin aus einer besonderen, vertraglich begründeten Verantwortlichkeit, die aufgrund der Intensität der Verbindung ("personales Element") zusätzlich besonders weit reicht.
bb) Begründung aus der vertraglichen
und gesetzlichen Anlage
(1) Die bestimmungsgemäße Teilhabe und Einbeziehung in den Gefahrenbereich ist regelmäßig schon der vertraglichen Anlage zu entnehmen, nämlich
638
Vgl. auch die Analyse der Interessenlage betreffend den Betriebsfrieden bei Blomeyer, ZfA 1972, 85, 92.
§ 4 Vertrag mit Schutzirkung für die Nebenparteien
179
dann, wenn nicht nur Einzelarbeit geschuldet wird. Arbeit heißt in diesem Falle Zusammenarbeit mit Arbeitskollegen,639 so daß der Bezug vertraglicher Pflichten (auch) auf diese sich aus der geschuldeten Leistung ergibt. Auch für das Arbeitsverhältnis findet sich eine positive Verankerung des Bezugs auf die Nebenparteien. Sie liegt in § 104 BetrVG, der die Betriebsfriedenspflicht festschreibt, die auch zur Rücksicht auf Kollegen verpflichtet. 640 Auch außerhalb der Betriebsverfassung ist der Arbeitgeber jedoch ohne Zweifel dazu befugt, weitere Arbeitnehmer in den Gefahrenbereich des Arbeitsverhältnisses einzubeziehen. So bestimmt z.B. § 85 ArbGB-E 1992: "Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, im Rahmen der betrieblichen Organisation mit den anderen Arbeitnehmern zusammenzuarbeiten und auf sie Rücksicht zu nehmen."641 Mit Recht wird daher die Pflicht zur Wahrung des Betriebsfriedens und zur Rücksicht auf die Kollegen jedem Arbeitsverhältnis beigelegt.642 Desweiteren wird der Kollegenbezug des Arbeitsverhältnisses nunmehr auch vom Beschäftigtenschutzgesetz gesetzlich anerkannt. Wiederum ist den gesetzlichen Vorschriften zu entnehmen, daß Gläubiger- und Leistungsnähe der Nebenparteien als Funktionen des Schuldverhältnisses gegeben sind, daß also das Schuldverhältnis den Eintritt der Kollegen in den Schutzbereich ebenso anerkennt wie das Schutzinteresse des Gläubigers. Auch im Arbeitsverhältnis kann darüber hinaus an die Beobachtungen der Gemeinschaftslehren angeknüpft werden. Denn soweit das Arbeitsverhältnis zur
639
So ausdrücklich § 85 ArbGBE-1992 und § 85 sächs. ArbVGE (BR-Drs. 293/95). Für den Bereich des Gruppenakkords hat Wüst, Gruppenakkord, S. 20 diesen Wechselbezug bereits zu Recht hervorgehoben. Vgl. auch die treffende Darstellung der Interessenlage hinsichdich des Betriebsfriedens bei Blomeyer, ZfA 1972, 85, 91 f. Siehe ferner Mummenhoff, RdA 1976, 364, 371, wonach jeder Arbeitnehmer "Störungen hinnehmen (muß), die sich für jedermann aus seiner Eingliederung in die Gemeinschaft ergeben". 640
Im Ansatz ebenso Küchenhoff, ArbuR 1965, 129, 130, Fn. 4, der freilich weitergeht und einen Vertrag zugunsten Dritter zu begründen sucht. (Die Abgrenzung zum Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte war auch 1965 schon bekannt und kann auch Küchenhoff nicht entgangen sein, wie sein Bezug auf Heinr. Lange, NJW 1965, 657 ff. belegt.) 641 Entsprechend lautet § 85 sächs. ArbVGE (BR-Drs. 293/95); in der Begründung (BR-Drs. 293/95 v. 23.05.1995) heißt es: "Als allgemeine Aufgaben sind die Zusammenarbeit im Rahmen des Arbeitsverhältnisses und die Rücksichtnahme festgehalten. Jedes Individualarbeitsverhältnis besteht im Rahmen der betrieblichen sozialen Organisation von Betrieb und Unternehmen. Die Einzelaufgaben sind in diesem Rahmen zu erfüllen und müssen darin eingepaßt sein. Das verpflichtet zu gegenseitiger Rücksichtnahme. Im AGB-DDR hieß das 'kameradschaftliche Zusammenarbeit und gegenseitige Hilfe', drückt aber nur einen allgemein gültigen Gedanken aus (...)." 642 Küchenhoff, I 6 (S. 156).
ArbuR 1965, 129, 130, Fn. 4; beiläufig auch Zöllner/Loritz,
Arbeitsrecht, § 13
180
1. Teil: Unmittelbare Rechtsbeziehungen
Mitarbeit im Betrieb verpflichtet, ist die "Eingliederung in die Betriebsgemeinschaft" vertraglich angelegt.643 Die Einordnung in die Belegschaft bedeutet zugleich einen Bezug auf bestimmte Dritte, die gemäß der vertraglichen Abrede bestimmungsgemäß mit dem Arbeitnehmer in Berührung kommen bzw. in den sachlichen Schutzbereich des Parallelarbeitsverhältnissses eintreten. (2) Freilich wurde oben (B II 2 d) ebenfalls aus der Anlage des Arbeitsverhältnisses begründet, der Vertrag zwischen Wachmann und Wachunternehmen entfalte keine Schutzwirkung für den Eigentümer der zu bewachenden Gegenstände. Das widerspricht der Annahme einer Schutzwirkung für die Arbeitskollegen indes nicht. Denn im Wachmannfall geht es um die Haftung für ein spezifisches Unternehmerrisiko; dieses darf dem Arbeitnehmer nicht aufgebürdet werden. Die hier in Rede stehenden Verhaltenspflichten hingegen treffen den Arbeitnehmer wie jeden Vertragspartner. Auch die Arbeitnehmerstellung bedeutet keine Entlassung aus jeglicher Verantwortung. Nicht zu widersprechen ist aus diesem Grunde auch der Auffassung, der Leiharbeitsvertrag zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer entfalte Schutzwirkung für den oder die Entleiher.644 Auch der Leiharbeitnehmer muß auf diese Weise freilich nicht für die Unternehmerrisiken des Verleihers einstehen, sondern nur für die jedem Arbeitsvertrag innewohnenden Arbeitnehmerrisiken.
cc) Zwischenergebnis Auch im Arbeitsverhältnis weisen die Indizien der Gläubigernähe und der Leistungsnähe darauf hin, daß die Arbeitskollegen in den Schutz des Arbeitsvertrages einbezogen sind. Das bestätigt die Anlage des Vertrages. Denn der Arbeitsvertrag verpflichtet regelmäßig zum Zusammenwirken mit anderen, die somit vom Arbeitgeber bestimmungsgemäß in den Gefahrenbereich des Arbeitsverhältnisses eingeführt werden. Der Arbeitsvertrag entfaltet daher eine Schutzwirkung zugunsten der Arbeitskollegen.
643
Es wird sogar gesagt, jeder Arbeitnehmer müsse "die Störungen hinnehmen, die sich aus seiner Eingliederung in die Gemeinschaft ergeben." Mummenhoff, RdA 1976, 364, 371. 644 Dazu Walker, AcP 194 (1994), 295, 314 ff., der sichfreilich mit der Frage der Schutzbedürftigkeit und dem Wachmann-Fall nicht auseinandersetzt.
§ 4 Vertrag mit Schutzirkung für die Nebenparteien
181
c) Zusammenfassung: Schutzwirkung und Einordnung in eine "Gemeinschaft" Dem Mietvertrag und dem Arbeitsvertrag ist eine Schutzwirkung zugunsten der Nebenparteien deshalb zu entnehmen, weil Mieter und Arbeitnehmer vertragsgemäß mit ihren Nebenparteien zu einer Einheit zusammengefaßt werden. Man kann diese Einheit als eine "tatsächliche Gemeinschaft" in dem (untechnischen) Sinne verstehen, wie auch der Sprachgebrauch sie anerkennt: Als Hausgemeinschaft und als Betriebsgemeinschaft. Auf diese Weise gewinnt der Ausgangspunkt, den verschiedene Gemeinschaftslehren genommen haben, eine neue Bedeutung. In der Tat kommt der vertraglich bestimmten Zusammenfassung mehrerer Mieter unter einem Dach und der Einordnung mehrerer Arbeitnehmer in einen Betrieb auch rechtliche Bedeutung zu. Weil diese Einordnung vertraglich vereinbart ist und weil sie sich auf eine durch den Betrieb oder das Haus abgegrenzte und bestimmte Personenmehrheit bezieht, ist es gerechtfertigt, den Verträgen eine Rücksichtspflicht zugunsten der anderen Teilnehmer zu entnehmen.
Behält man die vorgestellte besondere Bestimmung der "Gemeinschaft" im Auge, so lassen sich die für die Begründung der Schutzwirkung herangezogenen Vorschriften der §§ 554a BGB, 104 BetrVG als Ausdruck der Anerkennung von "Gemeinschaftsbeziehungen" verstehen. In diesem Sinne kann man von einer "Schutzwirkung aufgrund vertraglich bestimmter Einordnung in ein Gemeinschaft" sprechen.
2. Die Gegenprobe der Haftungsbegrenzung Nach der hier vorgestellten Begründung kommt sämtlichen Betriebskollegen oder Hausgenossen der Drittschutz zugute. Auf diesem Wege könnte eine uferlose Haftung zu besorgen sein, nämlich dann, wenn Großbetriebe oder Hochhäuser in Rede stehen. Die Zahl der Schutzpflicht-Gläubiger könnte dann leicht auf über tausend anwachsen. Die hier für notwendig anerkannte Individualisierung und Vereinzelung wäre kaum noch zu bejahen. Die zu einer Eingrenzung erforderliche nähere Bestimmung kann jedoch abstrakt nicht getroffen werden. Sie ergibt sich aus dem Gefahrenbereich, der seinerseits mit der ausgeübten Tätigkeit bzw. der Lage der Wohung und sonstigen fallspezifischen Merkmalen zusammenhängt. Es verhält sich hier nicht anders als im Spannbetonplatten-Fall.645 Dort verletzte eine herabfallende
645
BGHZ 33, 247 ff.
182
1. Teil: Unmittelbare Rechtsbeziehungen
Betonplatte, die ein vom Arbeitgeber beauftragter Werkunternehmer mangelhaft angebracht hatte, Arbeitnehmer eines Stahlwerks. Der beklagte Unternehmer versuchte, die Schutzwirkung für die Arbeitnehmer unter Berufung auf die unübersehbare Zahl potentieller Gläubiger zu vermeiden. Der BGH verwies demgegenüber zu Recht auf die Möglichkeit der Grenzziehung: Bestimmungsgemäß seien jedenfalls die in der Werkhalle ständig tätigen Arbeitnehmer mit der Leistung in Berührung gekommen, zu welchen die Verletzten gehörten; insofern handele es sich um eine "zahlenmäßig beschränkte und räumlich zusammengefaßte Gemeinschaft".646 Auch an der Schutzwirkung des Hausverwaltungsvertrags,647 des Schornsteinfegervertrags 648 oder des Wartungsvertrages649 wurde soweit ersichtlich nie deshalb gezweifelt, weil je nach Größe des Hauses eine unübersehbare Reichweite drohe. Daß die Besonderheiten des einzelnen Vertragsverhältnisses auf die Zahl der geschützten Dritten Einfluß haben kann, ist kein Spezifikum der Schutzwirkung für die Nebenpartei. Von der Art der gekauften Maschine und ihrer Nutzung hängt es ab, ob der Käufer allein sie bedient, oder ob er einen oder mehrere Arbeitnehmer zuzieht.650 Von der Art des Geschäftsbetriebes hängt es ab, ob und in welchem Umfang der Gewerberaummieter Vorbehaltsware einlagert.651 Zweifel daran, daß die Arbeitnehmer durch den Kaufvertrag und die Vorbehaltskäufer durch den Mietvertrag geschützt werden, entstehen deshalb gleichwohl nicht. Für die Nebenparteien im Miet- und Arbeitsverhältnis gilt als Faustregel, daß diejenigen in den Schutz weiterer Verhaltenspflichten kommen, die unmittelbar mit dem Betreffenden zu tun haben. Im Mietverhältnis sind das die nächsten Anlieger, also vor allem die Mieter der angrenzenden Wohnungen, im Arbeitsverhältnis sind es die Kollegen der nächsten Betriebseinheit. Zahlreiche Besonderheiten kommen aber in Betracht. So reicht der persönliche Schutzbereich des Arbeitsvertrages eines Personalmitarbeiters wegen des ihm eröffneten weitgehenden Einwirkungsbereiches besonders weit; das ergibt die Anlage seiner vereinbarten Tätigkeit. Seinem Zugang zu den Personalakten entspricht eine besonders weitgehende Verantwortung. Im Mietverhältnis ist der persönli-
646
BGHZ 33, 247, 249.
647
BGH, NJW 1968, 1323 f.
648
AG Köln, VersR 1984, 1179 f.
649
OLG Köln, VersR 1976, 1182 f.
650
Vgl. nur BGH, NJW 1956, 1193 m.Anm.v. Larenz (Antriebsscheibe).
651 BGHZ 49, 350, 353 ff. Zu den Grenzen BGH, NJW 1985, 489 f. Ferner BGH, VersR 1970, 162: Einbeziehung von Kunden des Lagerhalters, der die Räume zur gewerbsmäßigen Lagerung und Aufbewahrung von Gütern gemietet hat.
§ 4 Vertrag mit Schutzirkung für die Nebenparteien
183
che Schutzbereich z.B. dann besonders weit gezogen, wenn der Mieter in einer "Schlüsselposition" steht. So verhält es sich etwa, wenn das Ladenlokal im Erdgeschoß vermietet ist und der Mieter deshalb besonderen Einfluß auf den Eingangsbereich des Hauses hat. Demgemäß kommt die Verantwortlichkeit des Geschäftsinhabers für seine Gehilfen aus § 278 BGB auch gegenüber "entfernteren" Mitmietern in Betracht, wenn etwa der Gehilfe durch aufdringliche Werbung deren Kunden abschreckt.
3. Abgrenzung von verwandten Fällen a) Hausnachbarn Die Schutzwirkung wurde hier für die Mitmieter bejaht. Es fragt sich, wie es um den Schutz der "Hausnachbarn" steht, also den Schutz der Eigentümer oder Mieter benachbarter Häuser. Besonders für die Lehren, die den Drittschutz auf Vertrauen, sozialen Kontakt oder erhöhte Einwirkungsmöglichkeit gründen, liegt es nahe, den Drittschutz auf die Hausnachbarn zu erstrecken. Nach der hier vertretenen Konzeption kommt das hingegen nicht in Betracht. Der persönliche Schutzbereich des Mietverhältnisses wurde aus der Anlage des Mietvertrags begründet, die ausweislich der Anerkennung der "Hausgemeinschaft" in § 554a BGB die Einbeziehung der Nebenparteien rechtfertigt. Nur die Mieter desselben Hauses, nicht aber die Bewohner benachbarter Häuser weist der Mietvertrag als Teilnehmer am vertraglichen Schutz aus. Begründet man die Schutzwirkung für Mietnachbarn in dem oben (1 c) vorgestellten Sinne als "Schutzwirkung kraft Einordnung in eine Gemeinschaft", so liegt darin zugleich eine deutliche Bestimmung und Abgrenzung der begünstigten Personen. Da die Bewohner benachbarter Häuser der vertraglich bestimmten Gemeinschaft nicht angehören, kommt ihnen die Schutzwirkung auch nicht zugute.
b) Mieter von Wohnungseigentum Unabhängig von der Form ihrer Begründung - durch Vertrag oder durch Teilung - stellt die Wohnungseigentümergemeinschaft eine Sonderverbindung dar, 652 die die Beteiligten zu wechselseitiger Rücksicht, darüber hinaus sogar in gewissem Umfang zur Treue verpflichtet. 653 Auch das Gemeinschafts verhält-
652 653
Weitnauer-Lüke,
§ 10 Rn. 10; BayObLGE 1984, 198, 202 ff.; WuM 1993, 85, 86.
Weitnauer-Weitnauer, vor § IRn. 32; Weitnauer-Lüke, § 10 Rn. 10,12,52;BayObLGWuM 1993, 85, 86; OLG Karlsruhe, OLGZ 85, 133, 137 f.; OLG Düsseldorf, NJW-RR 1995, 1165 f. Siehe dazu bereits oben, § 2 A I 2 a bb.
184
1. Teil: Unmittelbare Rechtsbeziehungen
nis der Wohnungseigentümer kann Schutzwirkung für Dritte entfalten. In erster Linie kommt ein Schutz für diejenigen in Betracht, die in häuslicher Gemeinschaft mit einem der Wohnungseigentümer leben. Darüber hinaus ist aber auch eine Schutzwirkung für die Mieter eines Wohnungseigentümers begründet.654 Denn die Vermietung des Wohnungseigentums ist keine nachrangige Form der Verwertung, sie - und also auch die Einbeziehung von Mietern in den Schutzbereich des gesetzlichen Schuldverhältnisses - ist in dem Gemeinschaftsverhältnis ebenso angelegt wie die Eigennutzung, § 13 Abs. 1 WEG. Da die Zahl derjenigen Mitbewohner, welchen Rücksicht geschuldet wird, nicht wesentlich steigen kann, ist auch keine überzogene - "uferlose" - Haftung zu besorgen. Der Mieter einer Eigentumswohnung, auf der anderen Seite, ist seinerseits den übrigen Hausbewohnern ebenso schutzpflichtig wie in dem Regelfall der Miete.655 Die dort gegebene Begründung läßt sich ohne weiteres auch hier anwenden. Das bestätigt auch die Vorschrift des § 554a BGB, die auf den Fall der Wohnungseigentumsmiete gleichermaßen paßt und anwendbar ist.656
c) Leiharbeitnehmer Leiharbeitnehmer nehmen in tatsächlicher Hinsicht ebenso wie "richtige" Arbeitnehmer am Betrieb teil, ein Arbeitsverhältnis zum Entleiher besteht jedoch nicht. Aus zwei Gründen ist gleichwohl die Einbeziehung des Leiharbeitnehmers in den Schutz der Arbeitsverhältnisse der Entleiherarbeitnehmer gerechtfertigt. Erstens liegt in der - für den Drittschutz mitentscheidenden Maßgabe des Betriebsfriedens ein tatsächlicher Bezug, der nicht auf die formale Frage nach dem Leiharbeitnehmerstatus abstellt. Auch eine Störung von Leiharbeitnehmern ist mithin nach der Betriebsfriedenspflicht verboten. Im übrigen ist aber der Leiharbeitnehmer aufgrund der Aufteilung der Arbeitgeberbefugnisse auch rechtlich mit dem Entleiherbetrieb verbunden. Dem
654 Die Gegenauffassung von M.J. Schmid, Vermietung, S. 79, überzeugt nicht: Unergiebig ist sein Hinweis, es lasse sich dem Gemeinschafts Verhältnis keine Drittberechtigung entnehmen; nach hier vertretener Auffassung trifft ferner die Ablehnung der Schutzwirkung des Mietvertrags für den Untermieter nicht zu, auch im Vergleich zu dieser Rechtslage ist die Schutzwirkung daher begründet. Mangels Gläubigernähe lehnt auch Kirchhoff, ZMR 1989, 323, 325, die Schutzwirkung für Mieter des Wohnungseigentümers ab; Bärmann/Pick/Merle, § 26 Rn. 83, lehnen aus demselben Grund die Schutzwirkung des Verwaltervertrags für die Mieter ab. Abgesehen von den Schwächen der auf die Gläubigernähe gestützten Begründung überzeugt das deshalb nicht, weil BGH, NJW 1968, 1323, 1325, die Schutzwirkung des ("normalen") Hausverwaltervertrages für den Mieter ausdrücklich bejaht hat, ebenso wie die Nähebeziehung zwischen den Mietvertragsparteien. 655
A.A. wiederum M.J. Schmid, Vermietung, S. 82.
656
Ohne Erläuterung offenbar a.A. Weitnauer-Luke,
Anh. § 13 Rn. 1.
§ 4 Vertrag mit Schutzirkung für die Nebenparteien
185
Entleiher steht nicht nur das Direktionsrecht zu, der Leiharbeitnehmer wird auch in den Betrieb des Entleihers eingegliedert und unterliegt der Betriebsordnung,657 und er kann von dem Entleiher Fürsorge beanspruchen. Es sprechen daher auch die Indizien der Leistungs- und der Gläubigernähe für eine Einbeziehung des Leiharbeitnehmers in die Schutzwirkung der Arbeitsverträge zwischen dem Entleiher und seinen Arbeitnehmern. Auch das Verständnis der Schutzwirkung für die Nebenpartei als Schutzwirkung kraft vertraglicher Einordnung in eine "Gemeinschaft" bestätigt diesen Befund. Denn die "Gemeinschaft" auf die sich der Arbeitsvertrag bezieht, schließt auch Leiharbeitnehmer mit ein, die in den Betrieb eingeordnet sind. In umgekehrter Richtung gilt dasselbe: Auch den Leiharbeitnehmer treffen weitere Verhaltenspflichten gegenüber den Arbeitskollegen des Entleiherbetriebes. An einer diesbezüglichen Pflicht des Leiharbeitnehmers gegenüber seinem Arbeitgeber (Verleiher) und durch diesen vermittelt auch gegenüber dem Entleiher kann kein Zweifel bestehen.658 Der Sache nach steht unabhängig von der Einbeziehung des Leiharbeitnehmers in die Betriebsverfassung des Entleihers der entsprechende Drittbezug auf dessen Arbeitnehmer fest, weil und soweit seine Tätigkeit gerade auf die Zusammenarbeit mit (wechselnden) anderen angelegt ist. Auch hier folgt also der Drittbezug schon aus der Anlage des eigenen Schuldverhältnisses. Auch hinsichtlich der haftungsrechtlich erforderlichen Erkennbarkeit des Schutzkreises bestehen keine Bedenken, da diese schon durch den tatsächlichen Kontakt und unabhängig von der arbeitsrechtlichen Stellung des Kollegen gegeben ist. Die durch die Schutzwirkung begründete Rücksichtsbeziehung zwischen Arbeitnehmern und Leiharbeitnehmern läßt sich auch mit Hilfe des Gedankens der vertraglich bestimmten Einordnung in eine abgegrenzte Gemeinschaft erhellen. Auch der Vertrag des Leiharbeitnehmers mit dem Verleiher bestimmt, daß der Leiharbeitnehmer in Betriebsgemeinschaften der Entleiherbetriebe eingeordnet werden soll. Damit ist zugleich ein Bezug auf die dort tätigen Arbeitnehmer vereinbart. Daß der Bezug auf die geschützten Dritten im Fall der Leiharbeit erst aufgrund nachfolgender Konkretisierung bestimmbar wird, entspricht der besonderen Abrede des Leiharbeitsvertrages und Stellthier sowenig wie bei der Schutzwirkung für den Entleiher einen Hinderungsgrund
657 Schaub, Handbuch, § 120 IV 1 (S. 930). Bei der Einstellung eines Leiharbeitnehmers steht dem Betriebsrat daher auch das Mitbestimmungsrecht nach § 99 BetrVG zu, BAG, AP Nrn. 2, 6 zu § 99 BetrVG 1972. 658
314 ff.
Zur Schutzwirkung des Leiharbeitsvertrags für den Endeiher Walker,
AcP 194 (1994), 295,
186
1. Teil: Unmittelbare Rechtsbeziehungen
dar. Das damit einhergehende größere Haftungsrisiko für den Leiharbeitnehmer entspricht den Besonderheiten des Vertrages.
4. Schutzwirkung ßr Nebenparteien jedes Vertragsverhältnisses? Wurden hier die Beziehungen zwischen Mietern und zwischen Arbeitnehmer als Anwendungsfälle des Rechtsverhältnisses von Nebenparteien dargestellt, so stellt sich die Frage, ob darin nicht ein allgemeiner Satz liegt: Sind jegliche Nebenparteien in den Schutzbereich des Parallelschuldverhältnisseseinbezogen?
a) Grundsatz Dagegen spricht schon die große Vielfalt der Erscheinungsformen von Nebenparteien. Denn die Rechtsbeziehungen zwischen Nebenparteien können von höchst unterschiedlicher Intensität und Bedeutung sein. Die Menschenmenge in einem Kaufhaus ist eine Gruppe von Nebenparteien und ebenso die an einem Bankautomaten wartenden Kunden oder die Besucher eines Schwimmbades. Bettnachbarn im Krankenhaus sind Nebenparteien ebenso wie Teilnehmer einer Reisegruppe und Bahnreisende. Der Drittschutz zwischen Mitmietern und Arbeitskollegen wurde hier maßgeblich auf die Anerkennung ihrer Rechtsbeziehungen in der Anlage des Schuldverhältnisses gegründet, welche die gesetzlichen Vorschriften ausweisen. Anders beschrieben ist es die vertraglich bestimmte Einordnung der Mietnachbarn oder Arbeitskollegen in eine "Gemeinschaft", aus der sich die Schutzwirkung rechtfertigt. In den meisten sonstigen Fällen läßt sich eine entsprechende Anlage des Schuldverhältnisses nicht feststellen. Keinen Drittschutz für andere Kunden kann demnach der Kaufvertrag oder der Bankvertrag begründen, da es hier an einer entsprechenden Drittrichtung fehlt, die sich aus der Anlage des Vertrags ergäbe. Die anderen Kunden derselben Bank kommen zwar auch berechtigt mit dem einen Kunden in Kontakt, sie nehmen aber an seinem Bankvertrag nicht bestimmungsgemäß teil. Anders als der Mieterkontakt ist das Zusammentreffen von Bankkunden nicht im Vertrag angelegt, sondern eher zufällig. Hier anders als bei den Mietnachbarn und den Arbeitskollegen ist die Einordnung in eine bestimmte "Gemeinschaft", aus der sich dort die Schutzwirkung begründet, nicht vereinbart.
§ 4 Vertrag mit Schutzirkung für die Nebenparteien
187
b) Grenzfälle Grenzfälle stellen vor allem Verträge mit Elementen der Raummiete dar, besonders der Krankenhausaufhahmevertrag, der Altenheimvertrag, aber auch Reisegruppenverträge. Eine Antwort auf die Frage des Drittschutzes kann sich nur aus einer Bewertung des einzelnen Vertragstyps ergeben und u.U. aus einer Anlehnung an den Fall der Raummiete. Der Altenheimvertrag ist danach ebenso zu behandeln wie die Miete. Ihn prägen in besonderem Maße mietvertragliche Elemente, so daß auch die Vorschrift des § 554a BGB anwendbar ist, aus der sich ein vertraglich verabredeter Bezug auf die Mitbewohner bzw. die vertraglich vereinbarte Einordnung in die "Hausgemeinschaft" ergibt. Auch die Bewohner eines Altenheims sind einander daher - kraft vereinbarter Einordnung in eine Gemeinschaft - vertraglich zu Rücksicht verpflichtet. Auch der Krankenhausaufhahmevertrag begründet einen Bezug zu weiteren Patienten und Krankenhausordnungen verpflichten nicht selten zu Rücksicht auf andere Patienten. Indes ist der Kreis der zu schützenden Dritten wegen der hohen Fluktuation in diesen Fällen auf diese Weise nicht bestimmt. Nicht zufällig wird hier - anders als im Mietshaus - denn auch nicht von einer "Hausgemeinschaft" gesprochen. Die Mitpatienten werden daher im Regelfall keinen vertraglichen Drittschutz genießen. Differenzierend ist auch bei Reisegruppen zu urteilen. Während den Mitreisenden im Zug der Drittschutz wegen des eher zufälligen, nicht vertraglich bestimmten Zusammentreffens zu versagen ist, kann für "individuelle Gruppemeisen" anders zu entscheiden sein, etwa für die Teilnehmer einer Bergtour.659 Eine strukturelle Ähnlichkeit zu dem Arbeitskollegenverhältnis liegt im Verhältnis mehrerer selbständiger Unternehmer vor, die an einem einheitlichen Projekt arbeiten. So etwa, wenn mehrere Handwerker auf einer Baustelle tätig sind. Konfliktfälle treten nicht nur bei Integritätsverletzungenauf, sondern auch z.B. dann, wenn der eine Unternehmer wegen mangelhafter Vorarbeiten des anderen sein Werk nicht ausführen kann und infolge des Leerlaufs einen Vermögensschaden erleidet: Der Maler kann seine Arbeiten nicht ausführen, weil die Wände nicht oder nicht ordnungsgemäß verputzt wurden. Die Schutzbeziehung ist gleichwohl zu verneinen. Denn anders als im Verhältnis unter Arbeitskollegen fehlt es hier an einem Bezug der Nebenparteien, der sich aus der Anlage des Schuldverhältnisses entnehmen ließe. Es fehlt eine dem § 104 BetrVG entsprechende Bestimmung, aus der sich ergäbe, daß die Beziehung
659
Handelt es sich nicht um die Teilnahme an einer Reiseveranstaltung, sondern um einen Zusammenschluß der Teilnehmer untereinander, so kann schon eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts vorliegen; Schünemann, VersR 1982, 825 ff.
188
1. Teil: Unmittelbare Rechtsbeziehungen
der Unternehmer vertragsgemäß erfolgt. Zwar fordert auch in diesen Fällen die Leistungstreuepflicht eine Rücksicht auf die anderen beteiligten Unternehmer; doch wird diese Rücksicht nur dem Auftraggeber geschuldet, nicht auch den anderen Unternehmern unmittelbar, weil und soweit diese von dem Vertrag nicht individualisiert werden. Andererseits hat der BGH angenommen, eine Schutzwirkung für den Parallelunternehmer komme dann in Betracht, wenn es der Abrede mit dem Auftraggeber entspricht, daß diese zusammenarbeiten sollen.660 Das stimmt mit der hier gezogenen Grenzlinie überein. Liegt nämlich eine solche Vereinbarung vor, dann sind die Schuldverhältnisse in bestimmter Weise wechselseitig aufeinander bezogen. Diese Anlage rechtfertigt den Schluß auf den Drittschutz, da durch eine solche Abrede die Unternehmer zu einer Einheit ("Gemeinschaft") zusammengefügt werden. Nach Maßgabe ihrer Verträge ist das Zusammentreffen der Unternehmer dann nicht mehr zufällig, sondern bestimmungsgemäß. Ahnliche Abgrenzungsfragen warf kürzlich der Nitrierofenfall des BGH auf. 661 Zwei Kunden hatten einem Unternehmen, daß sich mit dem Härten von Stahl befaßt, Werkstücke übergeben, die gleichzeitig in einem Nitrierofen behandelt wurden. Kurz nach beginn des Nitriervorgangs kam es zu einer Explosion, bei der die Werkstücke zerstört wurden. Der eine Kunde klagte gegen den anderen auf Schadensersatz mit der Begründung, dieser habe entgegen den Vorschriften des Härtungsunternehmens - Werkstücke zur Bearbeitung eingereicht, die Flüssigkeit enthalten hätten, wodurch es zu der Explosion gekommen sei. Der BGH lehnt eine Schutzwirkung zugunsten des Kunden ab, weil er mit der Hauptleistung des anderen Kunden - Geldzahlung nicht bestimmungsgemäß in Berührung komme. Daß diese Begründung, die vorliegend besonders formalistisch erscheint, nicht zu überzeugen vermag, wurde bereits dargelegt (oben, § 7 B II 2 a). Nach der hier vertretenen Konzeption läßt sich das Ergebnis gleichwohl rechtfertigen. Zwar entspricht es der Vertragsabrede, daß der Unternehmer die Werkstücke verschiedener Kunden zusammenführen darf. So kann ein Kunde in den Gefahrenbereich kommen, der von den Sachen eines anderen Kunden ausgeht. Nach der - aus dem Urteil erkennbaren - Lage des Falles war indessen dieser Kontakt eher zufällig und nicht bestimmt. Die Nebenparteien waren daher in den Schutzbereich des Vertrages nicht einbezogen.
660
BGH, BauR 1985, 704, 705; ähnlich nun BGH, NJW 1996, 2927, 2929 (Nitrierofen).
661
BGH, NJW 1996, 2927 ff.
§ 4 Vertrag mit Schutzwirkung für die Nebenparteien
189
II. Verhältnis von Verhaltenspflichten gegenüber der Nebenpartei und eigenen Rechten des Schuldners Es wurde bereits aufgezeigt, daß die Verhaltenspflichten, die im Wege der Schutzwirkung begründet werden, infolge des Teilhabecharakters beschränkt sind. Das gewinnt besonders im Verhältnis zwischen Nebenparteien Bedeutung. Die Schutzwirkung für die Nebenpartei kann die Vertragsrechte der Parteien des Anschlußvertrages nicht derogieren (1). Wegen dieses Vorrangs der eigenen Rechte ist es um so dringender, die Vertragspositionenen der Nebenparteien kompatibel zu gestalten (2).
1. Innervertragliche
Einheit
Die Ableitung des Drittschutzes aus dem Anschlußschuldverhältnis führt dazu, daß es zu einem Widerstreit von eigenen Vertragsrechten des Schuldners und Verhaltenspflichten gegenüber der Nebenpartei nicht erst kommen kann. Die Verhaltenspflichten gegenüber der Nebenpartei ordnen sich unter. Erst im jeweiligen Vertragsverhältnis z.B. zum Vermieter entsteht eine "Forderungskollision", die mittels der Regeln über das Unvermögen gelöst wird (dazu unten, § 6 IV). Wird ein Mieter, dem der Vermieter besondere Ruhe zugesichert hat, von seinem Nachbarn gestört, der einen geräuschvollen Betrieb unterhält, so hilft ihm die Schutzwirkung gleichwohl nicht, wenn sich der Nachbar im Rahmen seiner vertraglichen Rechte hält. In einem Fall des LG Kaiserslautern begehrte ein Mieter, der Wohnungsnachbar möge bei einer Außentemperatur von 10° C die Wohn- und Schlafzimmerfenster nicht länger als 30 Minuten öffnen. Aus der Schutzwirkung läßt sich ein solcher Anspruch nicht begründen, weil und soweit der Mieter nur seine vertraglichen Rechte ausübt.662 Aus entsprechenden Gründen kann die Schutzwirkung daher in aller Regel auch einen Konkurrenzschutz nicht begründen. Mittelbarfinden außerdem die Interessen des Schuldners vorrangig Berücksichtigung. Das folgt allerdings nicht erst aus der Ableitung von Verhaltenspflichten aus dem Anschlußschuldverhältnis, sondern bereits aus dem Grund der Verhaltenspflichten in § 242 BGB. Denn die Verhaltenspflichten werden "nur" nach Treu und Glauben geschuldet und stellen daher einen Ausgleich von Gläubiger- und Schuldnerinteressen dar. Mit Recht weist die Rechtsprechung
662
Das LG Kaiserslautern, MDR 1981, 144, prüft den Fall allerdings sub specie Besitzschutz. Auch Temperatureinwirkungen können den Besitz beeinträchtigen (dazu noch unten, § 5 A I).
1. Teil: Unmittelbare Rechtsbeziehungen
190
deshalb stets darauf hin, es sei keine Partei verpflichtet, "gleichrangige eigene Interessen" gegenüber den Belangen des anderen Teils zurückzustellen.663 So ist z.B. ein Arbeitnehmer, der einer Strafttat verdächtigt wird, nicht durch die Rücksichtspflicht gegenüber seinen Kollegen in seiner Verteidigung beschränkt. Die Verhaltenspflichten gegenüber Dritten stehen aber, wie sich besonders im Verhältnis zwischen Nebenparteien zeigt, nicht nur unter dem Vorbehalt eigener Vertragsrechte des Schuldners. Darüber hinaus gehen auch die Vertragspflichten des Schuldners gegenüber dem Anschlußgläubiger vor. Es können die Verhaltenspflichten gegenüber Dritten die Vertragsrechte des Anschlußgläubigers m.a.W. weder übersteigen (Rechtsgedanke des § 334 BGB) noch derogieren. Eine Pflicht, Arbeitskollegen nicht anzuschwärzen, kann es daher jedenfalls dann nicht geben, wenn der Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber zur Anzeige verpflichtet ist.664 Aufgrund dieser Vorrangigkeit auch der Rechte des Vertragspartners steht der Schuldner (Arbeitnehmer oder Mieter) u.U. vor der "Wahl", welchen Interessen er Genüge tun soll: Jenen des Vertragspartners oder jenen der Nebenpartei. Die theoretisch klar zu ziehende Grenze stellt praktisch oftmals eine Grauzone dar. So, wenn, wie nicht eben selten, Unklarheit darüber besteht, ob der Arbeitnehmer zur Anzeige gegenüber dem Arbeitgeber verpflichtet ist.665 Es wäre unzumutbar, den Schuldner in diesem Fall zwischen zwei Haftungsrisiken wählen zu lassen. Im Zweifel ist daher ein Vorrang des Vertragspartners zugegeben werden, dem sich der Schuldner stets näher fühlen wird.
2. Intervertragliche
Einheit
Es wurde bereits darauf hingewiesen, daß Privatpersonen nicht gebunden sind, unvereinbare Vertragspflichten zu begründen.666 Dem Käufer steht es frei, doppelt zu verkaufen. Ebenso hindert kein Einheitsgrundsatz daran, einerseits an ein Meditationszentrum zu vermieten, das sich Ruhe zusichern läßt, ande-
663
Siehe z.B. BGH, LM § 455 Nr. 21 Bl. 2; § 242 (Be) Nr. 36; Münchener Kommentar-Ttor/i, § 242 Rn. 158. 664
Zur Anzeigepflicht des Arbeitnehmers und ihren Grenzen etwa MünchArbR-Blomeyer, § 52 Rn. 3-5; Motzer, Vertragsverletzung, § 8 I 4 (Sf 92 f.); BGH, NJW-RR 1989, 614 f. 665
Z.B. hängt das Bestehen einer Anzeigepflicht u.U. von der Größe des drohenden Schadens ab; vgl. MünchArbR-Blomeyer, § 52 Rn 5. 666
S.o. § 2 E II 2 a.
§ 4 Vertrag mit Schutzwirkung für die Nebenparteien
191
rerseits aber das unterliegende Ladenlokal einem Gastwirt zu überlassen. Der Arbeitgeber kann einen zwanghaften Raucher einstellen, der sich diese Freiheit ausbedingt, auch wenn er weiß, daß dessen Absonderung und der Schutz von Arbeitkollegen an Raummangel und der Notwendigkeit zur Zusammenarbeit scheitern wird. Gleichwohl ist offenbar, daß ein Vertragspartner in aller Regel kein Interesse daran haben kann, sich einander widersprechenden Forderungen auszusetzen, zumal er befürchten muß, deren Befriedigung letztlich nicht selbst steuern zu können: Anders als im Falle des Doppelverkaufs liegt es in den untersuchten Fällen der Miete und des Arbeitsverhältnisses nicht so, daß der Schuldner die Gläubiger durch einseitige Leistung vor vollendete Tatsachen stellen könnte. So kommt es in Betracht, daß das Meditationszentrum auf dem Rechtsweg erreicht, daß der Vermieter den Gaststättenbetrieb einschränken muß:667 Der Vermieter findet sich dann nicht - wie vielleicht erhofft - den geringen Ersatzforderungen des Meditationszentrums ausgesetzt, sondern jenen des Gastwirts. Eine Einheit der verschiedenen Verträge können folgende Mechanismen herstellen: a) ffGemeinschafts"ordnung Gerade im Miet- und im Arbeitsverhältnis sind "Gemeinschafts"ordnungen bekannt und verbreitet: Hausordnungen und Betriebsordnungen. Sofern sie allenthalben vertraglich vereinbart - oder im Rahmen seines Weisungsrechts vom Arbeitgeber gesetzt bzw. mit dem Betriebsrat vereinbart (§ 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG) - werden, bieten sie im Rahmen ihrer Regelung eine Einheitsgewähr. Dasselbe gilt für Ordnungsregeln im Vertragsformular (Einheitsarbeitsvertrag). Auch die Betriebsübung wirkt einheitsstiftend. So kommt ein Widerspruch zwischen den Rechtspositionen mehrerer Mieter nicht in Betracht, wenn die Hausordnung die Ruhezeiten668 oder die Benutzung von Gemeinschaftsräumen vorschreibt. Wegen dieses Regelungsziels und wegen ihres Normcharakters, der eine objektive Auslegung verlangt, hat hier auch der Einheitsgrundsatz wieder Platz.669 Es kann daher auch die Auslegung der Hausordnung nichts Widersprüchliches ergeben.
667
Das mag er etwa im Wege des Besitzschutzes erreichen, vgl. unten, § 5 A I 2 b.
668
OLG München, NJW-RR 1992, 1097: Bestimmung der Musizierzeiten in der Hausordnung.
669
Vgl. zu einer ähnlichen Problematik bei Vereinssatzungen Münchener Kommentar-Ztewter, § 25 Rn. 14; BGHZ 14, 25, 36 f.
192
1. Teil: Unmittelbare Rechtsbeziehungen
b) Einheitsgewähr durch Vertragsauslegung Einheitsstiftend wirkt die Auslegung der verschiedenen Verträge am selben Maßstab oder mit Rücksicht aufeinander. Ersteres ist im Falle der Auslegung mit Rücksicht auf die Verkehrssitte der Fall, § 157 BGB. Demgemäß ist auch ohne besondere Vereinbarung davon auszugehen, daß der übliche, sozialadäquate Kinderlärm hinzunehmen ist. Aus dem Mietvertrag der Familie folgt eine solche Berechtigung, aus jenem des darunter wohnenden Ehepaars eine entsprechende Duldungspflicht.670 Ohne besondere Abrede ist ein Mietvertrag über eine Wohnung im Mehrfamilienhaus dahin auszulegen, daß die üblichen, aus dem Zusammenleben fließenden Einschränkungen hinzunehmen sind.671 Entsprechend wird für das Arbeitsverhältnis geltend gemacht, es müsse jeder Arbeitnehmer "die Störungen hinnehmen, die sich für jedermann aus seiner Eingliederung in die Gemeinschaft ergeben."672 In gewissem Maße kann darüber hinaus die Vertragsauslegung auch Rücksicht auf andere Verpflichtungen des Vertragspartners gebieten; der Grundsatz der Einheit findet dann als Auslegungsregel Anwendung. Ohne weiteren Anhalt ist in den meisten Fällen davon auszugehen, daß eine Partei widersprechende Rechte seiner Vertragspartner nicht begründen wollte. So will der Vermieter den Mietern regelmäßig konvergente Rechte und Pflichten einräumen; das folgt aus der eingangs geschilderten Interessenlage. Gerade im Miet- und im Arbeitsverhältnis kommt hinzu, daß widersprechende Vertragspositionen den Vertragszweck deswegen gefährden, weil eine Ungleichbehandlung Unruhe heraufbeschwört. Daher bedürfte die Annahme, es solle der eine Befugnisse haben, die mit den Rechten des anderen unvereinbar sind, besonderer Begründung. Voraussetzung für die Relevanz der Abrede eines Vertrags für die Auslegung eines Parallelvertrages ist jedoch, daß jene zumindest erkennbar ist. Das kommt in Betracht, wenn der Vertragspartner den anderen Teil in Kenntnis setzt oder wenn die anderweitige Verpflichtung offenkundig ist. Letzteres würde etwa dann gelten, wenn der andere Teil seinerseits eine entsprechende Regel im Vertragsformular vorfindet; dann muß er damit rechnen, daß gleiches auch für die Nebenparteien gilt und deshalb seine Rechte mit den ihren vereinbar und daher begrenzt sein müssen.673
670
AG Starnberg, WuM 1992, 471 f.
671
LG Köln, WuM 1990, 385, 386.
67 2
Mummenhoff,
673
RdA 1976, 364, 371.
Vgl. beispielsweise BGH, NJW 1967, 46, 48 f. Siehe ferner die oben, § 3 II 2 besprochene Entscheidung des LG Köln vom 28.8.1992 - 31 O 384/92 (nicht veröffendicht).
§ 4 Vertrag mit Schutzwirkung für die Nebenparteien
193
Ein weiteres Beispiel für eine erkennbare Berechtigung eines anderen Vertragspartners kann der mietvertragliche Konkurrenzschutz darstellen. Freilich ist entgegen der h.M. 674 nicht schon jedem Mietvertrag der Schutz vor anderen Mietern, die denselben Hauptartikel675 anbieten, immanent.676 Denn es kann, zumal in der Marktwirtschaft, durchaus dem Zweck eines Geschäftsbetriebs entsprechen, daß Konkurrenten in der Nähe, sogar im selben Haus anbieten ("Konkurrenz belebt das Geschäft!"). Ohne weiteres ist jedenfalls nicht davon auszugehen, daß Konkurrenz dem Geschäftsbetrieb schade.677 Doch kommt ein Konkurrenzschutz des Nachbarn, m.a.W. ein Wettbewerbsverbot des Mieters, auch ohne besondere Vereinbarung ausnahmsweise dann in Betracht, wenn der Geschäftsbetrieb bekanntermaßen in einem bestimmten Bereich Exklusivität erfordert, um durchführbar zu sein. In einem solchen Fall oder auch dann, wenn nachkommenden Mietern eine Konkurrenzklausel wegen Branchenüblichkeit bekannt ist, kommt es in Betracht, auch ihre Verträge dahin auszulegen, daß sie den Konkurrenzschutz beachten, zu dem der Vermieter andererseits verpflichtet ist.678 Auf diese Weise kann die Auslegung eine Einheit herstellen.
HI. Exemplarische Schutzpflichten zwischen Nebenparteien Ein Kennzeichen der weiteren Verhaltenspflichten ist, daß ihr Inhalt nicht von vornherein bestimmt ist. In der Regel sind sie situationsbezogen und spontan zu erfüllen. Einer umfassenden abstrakten Beschreibung entziehen sie
674
BGH, NJW-RR1988,717 f.; OLG Frankfurt, NJW-RR1988,396 f.; OLG Hamm, NJW-RR 1988, 911; Staudinger-Emmerich, §§ 535, 536 Rn. 35 ff.; Larenz, Schuldrecht H/1, § 48 II a (S. 219). 675
Zu den Schwierigkeiten, den Hauptartikel zu bestimmen vgl. OLG Hamm, NJW-RR 1988, 911; kritisch auch Münchener Kommentar-Voelskow, § 535 Rn. 77. 676 Ähnlich Münchener Kommentar- Voelskow, § 535 Rn. 77, mit Hinweisen auf die Entwicklung der Rechtsprechung. S.a. Haase, JR1978,195,196, der allerdings nur die Ausdehnung immanenten Konkurrenzschutzes auf Freiberufler kritisiert, zudem mit dem fragwürdigen Argument, es könne der Vermieter nicht weitergehend gebunden sein als der Konkurrent (hier: nach ärztiichem Standesrecht). Zu den wettbewerbsrechtiichen Implikationen der Annahme immanenten Konkurrenzschutzes unten, § 5 C 2, Fn. 251. 677
Begrüßenswert ist die (anfangliche) Auffassung des Juweliers, die RGZ 131,274,275 zitiert: Durch Konkurrenz "werde er nicht benachteüigt, das Gegenteil sei der Fall; in der K.Straße befänden sich sowieso viele Juweliergeschäfte; dadurch werde die Kundschaft in die Straße gezogen; jeder Kunde gehe schließlich dahin, wo er am besten zu kaufen glaube." 678
Zum Konkurrenzschutz noch unten, III 6. Zum wettbewerbsrechtiichen Schutz, vgl. die Skizze unten, § 5 C. 13 Riesenhuber
194
1. Teil: Unmittelbare Rechtsbeziehungen
sich aus diesem Grunde.679 Daher kann es im folgenden nur darum gehen, exemplarisch typische Verhaltenspflichten vorzustellen, die im Verhältnis von Mitmietern oder Arbeitskollegen bedeutsam werden können.
7. Integritätsschutz
und Verkehrssicherung
a) Grundsatz Mieter und Arbeitnehmer sind verpflichtet, Rechtsgüter ihrer Nebenparteien nicht zu verletzen sowie Gefährdungen der Nebenparteien vorzubeugen, die aus dem eigenen Bereich entstehen können; in Gemeinschaftsbereichen dürfen sie Gefahrquellen nicht schaffen. In den Grenzen des Zumutbaren sind Mieter und Arbeitnehmer zur Anzeige und/oder Beseitigung auch von fremdverursachten Gefahren für ihre Nebenparteien verpflichtet. Diesem Grundsatz entspricht die Vorschrift des § 79 Abs. 2 S. 1 ArbGB-E 1977: "Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, einen dem Betrieb oder einem anderen Arbeitnehmer drohenden Schaden zu verhindern, soweit ihm dies möglich und zumutbar ist."680 Auch der Entwurf befaßt sich freilich nicht mit Pflichten zwischen Arbeitskollegen, gemeint ist dort nur eine gegenüber dem Arbeitgeber bestehende Pflicht. Der hier aufgezeigte Drittschutz wendet diese Pflicht jedoch auch gegen den Arbeitskollegen.
b) Anwendungsbeispiele aa) Es ist demnach etwa der Mieter verpflichtet, Obacht zu geben, daß er das Treppenhaus nicht auf gefährliche Weise verschmutzt. Der Mieter muß für die Nachlässigkeit seiner Zugehfrau einstehen, wenn der Nachbar einen Schaden erleidet, weil er auf dem Gemüseblatt ausrutscht, das die Zugehfrau im Hausflur verloren hat. In einem vom OLG München entschiedenen Fall681 hatte der Mieter eines Ladenlokals Chemikalien auf eine für Kinder verlockende Weise offen stehen 679
Vgl. auch § 85 ArbGB-E 1992, der nur allgemein von "Rücksicht" spricht.
680
Abgedruckt bei Ramm, Entwürfe, S. 451.
681
OLG München, VersR 1977, 654 f. Offenbar in dem Bestreben, eine dann zu gewährende Anrechnung des elterlichen Mitverschuldens (§ 278 BGB) zu vermeiden, hat das Gericht den Drittschutz gegenüber den Kindern des Vermieters verneint und die Haftung aus Delikt begründet, nach hier vertretener Auffassung zu Unrecht.
§ 4 Vertrag mit Schutzwirkung für die Nebenparteien
195
lassen. Verletzen sich die Kinder des Wohnungsnachbarn daran, so ist der Mieter nach Vertragsgrundsätzen verantwortlich, er haftet daher auch für selbständige Gehilfen und ohne Entlastungsmöglichkeit. bb) Die bereits angesprochenen Feuer- und Wasserschäden-Fälle gehören ebenfalls hierher. Der Mieter hat besondere Gefahrquellen, die er unterhält, sorgfältig zu überwachen, etwa die Waschmaschine682 oder ein Heizgerät.683 Gefahrquellen, für die er wegen der Lage seiner Wohnung verantwortlich ist, muß er unter Kontrolle halten: So hat er frostgefährdete Wasserleitungen auch bei Abwesenheit durch Heizung der Räume zu sichern.684 In einer Entscheidung des LG Köln hatte der Oberlieger einen Wasserhahn nicht sorgfältig abgesperrt, so daß Wasser in die darunterliegende Wohnung einsickerte. Dem Unterlieger entstand ein Vermögensschaden, da die Tapete beschädigt wurde, der Mieter aber die Schönheitsreparaturen vertraglich übernommen hatte und ihm deshalb die Wiederherstellung oblag.685 Aufgrund der durch Schutzwirkung begründeten Haftung nach Vertragsgrundsätzen ist der Schaden schon als "reiner Vermögensschaden" ersatzfähig, auf eine Verletzung des Rechts zum Besitz (§ 823 Abs. 1 BGB - sonstiges Recht)686 kommt es nicht an.687 cc) Ein Drittschutz kommt auch dann in Betracht, wenn der Mieter oder Arbeitnehmer vertraglich drittbezogene Verkehrssicherungspflichten übernommen hat. Verpflichtet sich ein Mieter gegenüber dem Vermieter zur Reinigung
682 Zu der entsprechenden Gebundenheit des Mieters gegenüber dem Vermieter StaudingerEmmerich, §§ 535, 536 Rn. 180. 683
OLG Hamm, VersR 1984, 1075. Dort wird eine Schutzwirkung für Dritte abgelehnt, der Deliktsschutz scheitert an der Nachweisbarkeit von Verkehrspflicht- und (subjektiver) Sorgfaltspflichtverletzung. 684
Zu der entsprechenden Mietvertragspflicht BGH, NJW 1969, 41.
685
LG Köln, NJW 1977, 810 m.Anm.v. Ruhwedel und Besprechung von Köhler, JuS 1977,
652 ff. 686 687
Dazu unten, § 5 D II.
Der deliktische Eigentumsschutz scheitert an § 93 BGB: Die Tapeten werden mit Anbringung Vermietereigentum. Köhler, JuS 1977, 652, 653 f., findet die Lösung im Schutz des Rechts zum Besitz, § 823 Abs. 1; da auf diesem Wege eine Schutzgutverletzung begründet wird, eröffnet auch der Deliktsschutz den Ersatz des (daraus folgenden) Vermögensschadens; vgl. aber naher unten, § 5 D II. Hilflos ist diese Lösung aber gegenüber dem Gehilfenproblem. Im übrigen scheitert der Deliktsschutz des Besitzers wegen Sachbeschädigung dann, wenn man den Besitzer auf den Ersatz des Nutzungsschadens beschränkt und den Ersatz des Substanzschadens dem Eigentümer vorbehält; dazu unten, § 5 D n 2.
196
1. Teil: Unmittelbare Rechtsbeziehungen
des Treppenhauses, so begründet dies zugleich eine Schutzpflicht auch gegenüber den Mitmietern.688 dd) Wegen des Haftungsprivilegs der §§ 637, 636 RVO spielt der Schutz von Körper und Gesundheit im Kollegenverhältnis nur eine geringe Rolle. Doch kann der Eigentums- und Vermögensschutz, den das Anschlußschuldverhältnis vermittelt, Bedeutung gewinnen. Ist z.B. einem Arbeitnehmer auf der Ladefläche des Lastwagens ätzende Batterieflüssigkeit ausgelaufen, so ist er dem Beifahrer gegenüber zur Warnung verpflichtet und zur Absicherung, damit dessen Kleider keinen Schaden nehmen. Der Arbeitnehmer haftet nach Vertragsgrundsätzen (§ 278 BGB689), wenn er sich eine Pizza ins Büro liefern läßt und der Lieferant den Anzug des Kollegen mit Pizza-Sauce690 bekleckert.
2. Rücksichtnahme a) Grundsatz Arbeitnehmer und Mieter haben auf ihre Nebenparteien angemessene Rücksicht zu nehmen, sie dürfen deren private und geschäftliche Interessen nicht unverhältnismäßig beeinträchtigen.691 Besonders bei der Ausgestaltung der Rücksichtnahmepflichten ist jedoch zu beachten, daß der Schuldner nicht verpflichtet ist, eigene berechtigte Interessen hinter den Belangen des Gläubigers (Dritten) zurückzustellen.692 Für die Mietnachbarn kann man in Anlehnung an § 14 Nr. 1 WEG einen Unterfall der Rücksichtnahmepflicht dahin formulieren: Die Mieter sind verpflichtet, von der Wohnung nur in solcher Weise Gebrauch zu machen, daß
688
So im Fall von OLG Köln, VersR 1995, 801 f. Das OLG ist freilich in der Sache a.M. und nimmt nur deliktische Ansprüche an. 689
Zur Anwendbarkeit von § 278 BGB im Fall von Verhaltenspflichtverstößen unten, § 7.
690
Zu Beschädigung von Kleidern durch auslaufende Pizza-Sauce vgl. LG Frankfurt, NJW-RR 1986, 966 f. 691
Vgl. nochmals § 85 ArbGBE-1992: "Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, im Rahmen der betrieblichen Organisation mit den anderen Arbeitnehmern zusammenzuarbeiten und auf sie Rücksicht zu nehmen. " ; ähnlich § 85 sächs. ArbVGE (BR-Drs. 293/95). Zu weiteren " Verträglichkeits(!)geboten", besonders im österreichischen Arbeitsrecht, Mayer-Maty, Rechtsverhältnis, S. 61 f. 692
Dazu oben, II 1.
§ 4 Vertrag mit Schutzwirkung für die Nebenparteien
197
dadurch keinem der anderen Mieter über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus ein Nachteil erwächst.
b) Anwendungsbeispiele aa) Gegen das Rücksichtnahmegebot verstößt es, wenn der Versicherungsmakler die Lage seiner Büroräume im Eingangsbereich des Hauses nutzt, um die eintretenden Patienten einer Arztpraxis desselben Hauses zu werben. Als rücksichtslos wird man ebenfalls das plastische Plakat gegen Tierversuche bewerten dürfen, das die Kunden des nebenliegenden argentinischen Restaurants abschreckt.693 bb) Die Rücksicht gebietet es im Miet- und im Arbeitsverhältnis, die Nebenpartei nicht übermäßig durch Geruchs- und Geräuschimmissionen zu stören. So ist der Arbeitnehmer verpflichtet, seine Kollegen nicht über Gebühr durch Rauchen zu beeinträchtigen.694 Danach kommt Pfeifen- und Zigarrenrauchen in Einwirkungsnähe der Kollegen regelmäßig gar nicht in Betracht. Zigarettenrauchen ist nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit einzurichten. Entsprechendes gilt für Grillbetrieb auf dem Balkon, der bei übermäßiger Rauchbelästigung der Nachbarn unzulässig ist.695 Nach denselben Grundsätzen zu behandeln sind das Singen oder Musikhören am Arbeitsplatz,696 aber auch die entsprechende Sachverhalte im Mietrecht.697
693 Anders liegt es dann, wenn der Tierschutzverein gerade zu den bestimmten Werbezwecken ein Schaufenster gemietet hat. Dann gehen die Vertragsrechte den Rücksichtpflichten vor; s.o.,
n 1. 694 Zum Rauchen am Arbeitsplatz noch Löwisch, DB 1979, Beü. Nr. 1; Mummenhoff, 1976, 364 ff. 695
AG Hamburg, MDR 1973, 853 (nur LS); ebenso nach § 14 Nr. 1 WEG unter Wohnungseigentümern, LG Düsseldorf, ZMR 1991, 234. Eine Rücksichtswidrigkeit kann auch in der übermäßigen Zufuhr von Abluft des Wäschetrockners liegen; LG Köln, WuM 1990, 385 f. (dort zu den Ansprüchen gegen den Vermieter). 696 697
MünchAibR-Blomeyer,
§ 51 Rn. 9-18.
OLG München, NJW-RR 1992, 1097: Unterlassung von Geigespielen. Zu Recht weist das Gericht das Begehren des Nachbarn zurück, die Musizierzeiten enger zu beschränken, als es die beiderseits mitvereinbarte Hausordnung vorsieht. Die Begründung ist jedoch fehlerhaft, soweit ein Vertrag zugunsten Dritter angenommen wird, s.o. § 3; die Hausordnung dürfte i.ü. allenfalls ein Indiz für die Ortsüblichkeit i.S.v. §§ 862, 906 BGB sein, nicht aber eine "Beschreibung der Ortsüblichkeit", wie das OLG meint. AG Dortmund, NJW-RR 1994, 910, spricht einen Schmerzensgeldanspruch wegen Gesundheits Verletzung des Wohnungsnachbarn durch Lärmeinwirkung aus dem Fernsehmusiksender zu; aus der Schutzwirkung folgt ein Unterlassungsanspruch schon bei
RdA
198
1. Teil: Unmittelbare Rechtsbeziehungen
Nicht selten wird aber die Violinistin oder der Schlagzeuger sich mietvertraglich besondere Übungszeiten ausbedungen haben, so daß diese Bestimmung vorgeht. Auch die Bäckerei, die durch "ekelerregende Gerüche" und schlafstörenden Lärm den Oberlieger beeinträchtigt,698 wird in gewissem Rahmen vertraglich abgesichert sein, so daß Schutz nur vor gewissen äußersten Beeinträchtigung in Frage kommt. Der Mieter haftet den Mitmietern für Schäden, die seine Haustiere verursachen, aber auch für Beeinträchtigungen durch von ihm durch Fütterung angelockte Tiere. 699 Lockt der Oberlieger durch regelmäßiges Füttern Tauben an mit der Folge, daß durch die damit verbundenen Belästigungen und Verschmutzungen die Besucher des unterliegenden Cafés ausbleiben, so muß er für den Gewinnausfall einstehen.700 Dasselbe gilt, wenn seine Bienenzucht den Biergarten unbenutzbar macht. In allen Fällen der Geruchs- und Geräuschbelästigung kommt es nicht darauf an, daß eine Sach- oder Gesundheitsverletzung eingetreten wäre oder drohte.701 Anders als der deliktische Schutz gewährt die Schutzwirkung Hilfe auch im Falle bloßer Belästigung.702 Ein Vermögensschaden ist auch dann zu ersetzen, wenn ein Rechtsgut oder absolutes Recht nicht verletzt ist. Auch für einen Unterlassungsanspruch kommt es nicht darauf an, daß eine Sach- oder Gesundheitsverletzung droht. Es kann daher der Arbeitskollege unabhängig vom
"bloßer" Belästigung. Vgl. auch KG, NJW-RR 1988, 586 zu den nach § 14 Nr.l WEG zu ziehenden Grenzen der Geräuscheinwirkung sowie zur Rücksichtspflichtverletzung durch Beschimpfung. 698 So der Sachverhalt von LG Berlin, MM 1995, 33 f. Das Gericht prüft den Sachverhalt nur unter dem Aspekt des durch § 906 BGB ausgestalteten Besitzschutzes, so daß sich die Frage der mietrechdichen (petitorischen) Befugnis nicht stellt. 699 Vgl. den Sachverhalt von AG Bonn, NJW 1986, 1114 (Minderung wegen Belästigung durch vom Wohnungsnachbarn angelockte Katzen) und AG Karlsruhe, NJW-RR 1992, 463 f. (Besitzschutz gegen den Nachbarn, der Tauben angelockt hatte, wegen Störung durch "Verkotung"). 700 Anders als beim Schutz des "Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs", der ohnehin umstritten und zweifelhaft ist (dazu Larenz/Canaris, Schuldrecht BT II/2, § 81 [S. 537 ff.]), kommt es hier auf eine "Unmittelbarkeit" oder "Betriebsbezogenheit" nicht an; die Sonderhaftung erfaßt eben auch primäre Vermögensschäden. 701
Das ist z.B. hinsichdich des Passivrauchens (wohl) immer noch medizinisch umstritten; vgl. die Nachweise bei Staudinger-Oetker, § 618 Rn. 113; Möllers, JZ 1996, 1050, 1051 m.N. in Fn. 8. 702
Ebensowenig wie der Arbeitgeber muß aber der rauchende Kollege auf Idiosynkrasien der Kollegen Rücksicht nehmen; so weit reicht seine gegenüber dem Arbeitgeber bestehende Pflicht ohne besondere Arbrede nicht.
§ 4 Vertrag mit Schutzwirkung für die Nebenparteien
199
Nachweis der Gesundheitsgefährdung Unterlassen des Rauchens verlangen, der Mieter ebenso Verzicht auf die Raubtierhaltung durch den Nachbarn.703 Hat ein Arbeitnehmer eine ansteckende Infektionskrankheit, so trifft ihn nicht nur gegenüber dem Arbeitgeber eine Anzeigepflicht,704 sondern auch gegenüber seinen Arbeitskollegen. cc) Auch in weniger außergewöhlichen Fällen wird die Rücksichtspflicht aktualisiert. Sie schützt auch vor ungerechtfertigten Anschuldigungen oder "Abmahnungen". Pflichtwidrig handelt - auch unabhängig von rüpelhaftem Auftreten - der Mieter, der den Nachbarn wegen eines "sozialadäquaten" und hinzunehmenden Mietgebrauchs zur Ordnung ermahnt. Das letzte Beispiel weist freilich auf ein praktisches Hauptproblem hin: Die Beweisbarkeit der Störung. Denn ohne Zweifel werden beide Seiten sich im Recht wähnen. Auf das Problem wechselseitiger Störung ist zurückzukommen.705
3. InformationS'
und Geheimnisschutz
Eine besondere Rolle spielt der Geheimnisschutz im Arbeitsverhältnis. Denn die vertragsbedingte Nähebeziehung und der tägliche Kontakt führen fast notwendig zur Preisgabe persönlicher Informationen. So fordert Mayer-Maly: "Weil das Arbeitsverhältnis die Persönlickeit des Arbeitnehmers in der Regel sehr weitgehend erfaßt und deshalb Arbeitskollegen zwangsläufig Einblick in Bereiche der Persönlichkeitsentfaltung ihrer Kollegen bekommen, ist ein schutzwürdiges Interesse an der Geheimhaltung der die Person eines Kollegen besonders berührenden Angelegenheiten zu bejahen."706 Besonders empfindlich ist dabei der Bereich der Personalverwaltung, da in den Personalakten sehr weitgehend persönliche Daten wie etwa Krankheitsbescheinigungen gesammelt werden.707
703 Das entspricht den Grundsätzen des Wohnungseigentumsrechts gem. § 14 Nr. 1 WEG; OLG Frankfurt a.M., NJW-RR 1990, 1430 (Ratten- und Schlangenhaltung). 704
Dazu Motzer, Vertragsverletzung, § 7 II (S. 79 ff.); zu "arbeitsrechdichen Fragen von AIDSErkrankung und AIDS-Infektion" Löwisch, DB 1987, 936 ff. 705
Siehe unten § 6 m 2 - 5.
70 6
Mayer-Maly,
707
Rechtsverhältnis, S. 64.
Siehe nur die Aufzählung bei Schaub, Handbuch, § 148 I a (S. 1148 ff.): "Unterlagen des Werkschutzes, ärzdiche Gutachten, Schlußberichte im Disziplinarverfahren, bei der Bewerbung
200
1. Teil: Unmittelbare Rechtsbeziehungen
a) Grundsatz Den Grundsatz formuliert § 80 Abs. 1 S. 3 ArbGB-E 1977:708 "Der Arbeitnehmer hat auch Verschwiegenheit über Tatsachen zu wahren, die die Person des Arbeitgebers oder eines anderen Arbeitnehmers in besonderem Maße berühren und die er auf Grund seiner Tätigkeit im Betrieb erfahren hat." Es versteht sich aufgrund des tatsächlichen Gegebenheiten, daß sich diese Pflicht im Mietverhältnis nicht in gleichem Maße aktualisiert.
b) Anwendungsbeispiele Besonders verpflichtet sind insoweit Personalmitarbeiter. Ihnen obliegt es auch vertraglich, über die Daten der Kollegen, die ihnen anvertraut sind, Stillschweigen zu wahren. Wurde soeben (oben 2 b bb) eine Anzeigepflicht des Arbeitnehmers gegenüber dem Kollegen wegen Infektionskrankheiten angenommen, so korrespondiert damit auf der anderen Seite eine Geheimhaltungspflicht. Aber auch sonstigen Arbeitnehmern obliegt in erhöhtem Maße Geheimhaltung. Es darf etwa ein Arbeitnehmer den Alkoholismus oder Ehebruch seines Kollegen, von dem er tätigkeitsbedingt Kenntnis erlangt, nicht Dritten offenbaren. Verletzt er diese Pflicht und entsteht dem Kollegen deshalb ein Schaden, weil er z.B. seine lukrative Nebentätigkeit aufgeben muß oder weil seine Kinder infolgedessen nicht in den kirchlichen Kindergarten aufgenommen werden, so muß der Störer dafür einstehen.
4. Ehrschutz, Respektierung der Persönlichkeit a) Grundsatz Arbeitnehmer und Mieter sind dazu verpflichtet, Ehre und Geltungsanspruch ihrer Nebenparteien nicht zu verletzen und deren Persönlichkeit und Persönlichkeitsäußerungen zu respektieren.
entstandene Unterlagen, es sei denn, daß sie aus Sicherheitsüberprüfungen stammen. (..) Grundsätzlich steht es dem Arbeitgeber frei, welche Unterlagen in die Personalakten aufgenommen werden. Sie müssen nur mit dem Arbeitsverhältnis in Zusammenhang stehen." 708
Abgedruckt bei Ramm, Entwürfe, S. 452. Zu entsprechenden Bestimmungen ferner MayerMaty, Rechtsverhältnis, S. 63 f.
§ 4 Vertrag mit Schutzwirkung für die Nebenparteien
201
b) Anwendungsbeispiele Ein Arbeitnehmer darf seine Kollegen nicht wegen ihrer Religionszugehörigkeit und -betätigung herabsetzen. Eine drittschützende Verpflichtung verletzte etwa der Arbeitnehmer, der in einem Fall des BAG seinen Kollegen wegen der Teilnahme an einer Fronleichnamsprozession verächtlich zu machen versuchte. 709 In gleicher Weise ist es unzulässig, einen Kollegen oder Nachbarn wegen seiner Nationalität herabzusetzen oder zu hänseln.710 Der gestörte Kollege oder Nachbar kann von dem Störer aus eigenem "Vertrags"recht Unterlassung verlangen. Zwingen ihn die Beeinträchtigimg zur Kündigung oder kündigt z.B. der Arbeitgeber dem Betroffenen auf Druck des Störers,711 so steht ihm aus der Schutzwirkung des Vertrages ein Ersatzanspruch zu.
5. Wahrheits- und Lauterkeitspflicht a) Grundsatz Soweit es um besondere Informationen und Kenntnisse geht, die ein Mieter oder Arbeitnehmer über seine Nebenparteien im Vertragszusammenhang erlangt hat, kommt neben der Geheimhaltungspflicht in bestimmten Grenzen eine Wahrheits- und Lauterkeitspflicht in Betracht. Diese stellt ein Korrelat zu der mit der Vertragsposition zusammenhängenden besonderen Einsichtsmöglichkeit dar, mit der eine besondere diesbezügliche Glaubwürdigkeit des Betreffenden einhergeht.
b) Anwendungsbeispiele Zu denken ist beispielweise daran, daß ein Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber gegenüber Angaben "ins Blaue hinein" macht und damit die Beförderung des Kollegen verhindert. Die Frage eines Konflikts von Vertragspflichten und Drittschutzpflichtenkann hier zurückgestellt werden, indem davon ausgegangen wird, der Arbeitgeber sei lediglich an wahren Angaben interessiert.
709
BAG, AP Nr. 28 zu § 66 BetrVG.
710
Vgl. ArbG Hamm, BB 1993, 1218 ff. m.Anm.v. Däubler; danach ist die Weitergabe ausländerfeindlicher Texte "eine grobe, in der Regel nicht entschuldbare Verletzung arbeitsvertraglicher Verhaltenspflichten des Arbeitnehmers". 711
Zur Druckkündigung näher unten, 6 b, sowie § 6 III 4.
202
1. Teil: Unmittelbare Rechtsbeziehungen
Ein weiteres Beispiel: Ein Arbeitnehmer verlegt ein teures Werkzeug, sein Kollege verdächtigt aufs Geratewohl einen anderen, der ihm schon immer suspekt war. Letzterem wird verdachtshalber gekündigt. Infolge des Einkommensausfalls kann er den laufenden Grundkredit nicht mehr bedienen und muß deshalb sein Haus verkaufen. Als das Werkzeug wieder auftaucht, scheitert seine Wiedereinstellung daran, daß der Arbeitsplatz bereits neu besetzt ist. Die Verdächtigung war pflichtwidrig, so daß der Täter die Vermögensnachteile zu ersetzen hat.
6. Besondere Anwendungsfälle a) Konkurrenzschutz Eine Rücksichtspflicht, Konkurrenz gegenüber dem Nachbarn zu unterlassen, gibt es grundsätzlich nicht. Wettbewerbsschutz zugunsten der Nachbarn als allgemeine Verhaltenspflicht anzuerkennen, verstieße gegen den Grundsatz, daß die eigenen Interessen nicht gegenüber gleichrangigen Interessen des Partners zurückzustellen sind. Weil weiterhin ein immanenter Konkurrenzschutz des Mietvertrages nach hier vertretener Auffassung abzulehnen ist,712 kommt auch insoweit ein Nachbarschutz nicht in Betracht. Nicht selten werden aber Wettbewerbsverbote in den Mietvertrag aufgenommen. Eine solche Abrede kann unter den oben (§ 3 II 2) beschriebenen Voraussetzungen bereits eine Berechtigung zugunsten des Nachbarn bedeuten (§ 328 BGB). Häufig ist das nicht der Fall. Dann stellt sich die Frage, ob nicht das Wettbewerbsverbot eine Schutzwirkung zugunsten der Nachbarn entfaltet. Nach hier vertetener Auffassung ist das zu bejahen.713 Das Wettbewerbsverbot stellt sich dann als ein Fall der Rücksichtnahme dar, die ausnahmsweise nicht hinter den eigenen Vertragsrechten des Schuldners (Nachbarn) zurücktritt (§ 334 BGB), da diese von vornherein begrenzt waren.
b) Druckkündigung In den Zusammenhang der Störungen durch die Nebenpartei gehört auch die Druckkündigimgsproblematik. In diesen Fällen schließen sich Mietnachbarn oder, praktisch häufiger, Arbeitskollegen zusammen und verlangen vom Ver-
712 713
Dazu oben, U 2 b.
Ebenso LG Köln vom 28.8.1992 - 31 O 384/92 die dort zu beurteilende Klausel entfaltete freilich nach hier vertretener Auffassung sogar eine Drittberechtigung nach § 328 BGB; s.o. § 3 II 2.
§ 4 Vertrag mit Schutzwirkung für die Nebenparteien
203
tragspartner unter Androhung von Nachteilen die Kündigimg eines Mieters oder Arbeitnehmers. Eine Rücksichtspflichtverletzung liegt freilich nur in der aggressiven Druckausübimg, nicht aber der defensiven, mit der sich z.B. die Arbeitskollegen eines Tyrannen entledigen wollen. Die Druckkündigung wird - wenn auch nur in engen Grenzen - für zulässig erachtet,714 da, unter Berücksichtigung der Notstandslage des Arbeitgebers, die Drucksituation, unabhängig von ihrer ursprünglichen Berechtigimg und somit als Datum genommen wird. So wird das Opfer zum Störfaktor, dessen sich der Arbeitgeber oder Vermieter entledigen darf. Freilich gewähren manche dem aufgrund Druckes gekündigten Arbeitnehmer eine Entschädigungsanspruch nach Aufopferungsgrundsätzen, da er zum Wohl des Betriebes ein Opfer gebracht habe.715 Weil und soweit die Kündigung aber rechtmäßig war, kommt ein Ersatzanspruch gegen den Arbeitgeber wegen Vertragsverletzung nicht in Betracht.716 Die Verletzung einer drittschützenden Pflicht ist indessen den Arbeitskollegen vorzuwerfen, die durch rechtswidrige Druckausübung die Kündigung herbeigeführt haben. Wegen seines Vermögensschadens kann sich deshalb der gekündigte Arbeitnehmer bei ihnen erholen.717 Dieser Anspruch begegnet geringen Durchsetzungsschwierigkeiten, steht doch der Schadensfall infolge der - regelmäßig im Kündigungsschutzprozeß für wirksam erkannten - Kündigung fest. Und auch die Passivlegitimierten lassen sich identifizieren, da die Offenlegung zu den Erfordernissen einer substantiierten Begründung der Druckkündigung durch den Arbeitgeber zu rechnen ist. Darüber hinaus ist der Arbeitgeber aber auch im Rahmen seiner Fürsorgepflicht gebunden, die Namen derjenigen preiszugeben, die den zur Kündigung führenden Druck ausgeübt haben.
714
BAG, NZA 1991, 468 ff.; KR-Hillebrecht, (S. 252).
§ 626 Rn. 148 ff.; Zollner/Loritz,
§ 22 III 2 d
715 Herschel, FS Lehmann, S. 662 ff.; KR-Hillebrecht, § 626 Rn. 151. MünchenerKommentarSchwerdtner, § 626 Rn. 155, begründet den Anspruch analog §§ 9, 10 KSchG. 716
Anders liegt es etwa dann, wenn der Arbeitgeber es schuldhaft versäumt, sich schützend vor den bedrängten Arbeitnehmer zu stellen; Staudinger 12-Neumann, § 626 Rn, 55, sieht darin den wesendichen Anknüpfungspunkt für Ersatzansprüche. 717
Die h.M. gibt einen Deliktsanspruch nach § 826 BGB oder § 823 Abs. 1 BGB - Recht am Arbeitsplatz zu; KR-Hillebrecht, § 626 Rn. 152; Münchener Kommentzi-Schwerdtner, Rn. 155. Zum Recht am Arbeitsplatz näher unten, § 5 D III.
§ 626
204
1. Teil: Unmittelbare Rechtsbeziehungen
D. Ergebnis und Schlußbetrachtung zu Abschnitten 1 und 2 1. Die Untersuchimg hat ergeben, daß weder Mieter noch Arbeitnehmer untereinander durch ein Gemeinschaftsband verbunden sind. Mangels eines gemeinsamen Zwecks scheitert die Annahme einer Gesellschaft; auch Arbeitnehmer verfolgen grundsätzlich keinen privatautonom vereinbarten gemeinsamen Zweck, sie werden lediglich vom Arbeitgeber auf einen arbeitstechnischen und unternehmerischen Zweck hin eingesetzt. Mangels eines gemeinsamen Rechtskreises scheitert die Annahme einer schlichten Gemeinschaft: Die Schuldverhältnisse der Nebenparteien laufen parallel, sie begründen keine rechtliche Einheit. Die Parallelschuldverhältnisse haben grundsätzlich auch keinen gemeinsamen Gegenstand. "Gemeinsam" ist ihnen nur eine Grenze, die aber nur die Schnittstelle abgegrenzter Rechtskreise darstellt, nicht einen gemeinsamen Rechtskreis. Gezeigt hat sich aber auch, daß in der Ablehnung einer Gemeinschaft kein Mangel liegt, sondern ein Vorzug. Denn die mit der Gemeinschaft einhergehende Bindung droht die Individualfreiheit übermäßig zu beschränken. In ihrer schwächsten Form ("Sozialbeziehungen") soll die Gemeinschaft immerhin noch Duldungspflichten begründen. Andere Modelle (Interessengemeinschaft) gehen darüber hinaus und begründen eine Mehrheitsherrschaft über den "gemeinsamen Bereich". Als Folgen einer Gemeinschaft sind solche Bindungen nicht zu bestreiten. Ihre Reichweite führt aber vor Augen, daß die Annahme einer Gemeinschaft der sorgfältigen Begründung eines Verpflichtungstatbestandes bedarf. Aus den "nebeneinander" liegenden Schuldverhältnissen folgt eine Gemeinschaftsbegründung ebensowenig wie aufgrund einer - vermeintlichen Interessengleichrichtung oder einer tatsächlichen Gemeinschaft. Auf der anderen Seite ließ sich jedoch eine wechselseitige Einbindung der Nebenparteien in das Schuldverhältnis der jeweils anderen im Wege der Schutzwirkung begründen. Dabei konnte die treffende Beobachtung, von der verschiedene Gemeinschaftslehren ausgehen, fruchtbar gemacht werden, daß nämlich die Mietnachbarn eines Hauses und die Belegschaft eines Betriebes in einem untechnischen Sinne - Gemeinschaften formen. Die Schutzwirkung für die Mietnachbarn bzw. die Arbeitskollegen liegt gerade darin begründet, daß sie von ihrem Vertragspartner bestimmungsgemäß zu einer Einheit ("Hausgemeinschaft", "Betriebsgemeinschaft") zusammengefaßt werden. Handelt es sich auch nicht im rechtlichen Sinne um eine Gemeinschaft, so bildet doch die Abrede, in eine bestimmte Hausgemeinschaft oder Betriebsgemeinschaft einzutreten die Grundlage für die Anerkennung einer Schutzwirkung.
§ 4 Vertrag mit Schutzwirkung für die Nebenparteien
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Arbeitskollegen ebenso wie Mitmieter stehen damit in einem wechselseitigen Rücksichtsverhältnis. Individualrechtlich ist solche allseitige Schutzwirkung die Erscheinung, die einem Gemeinschaftsverhältnis am nächsten kommt. Sie bietet den Vorteil, der schuldvertraglich begründeten Nähebeziehung eine entsprechende Verantwortung an die Seite zu stellen. Dabei verpflichtet die Schutzwirkung aber nur zu wechselseitiger Rücksicht, sie hat also im wesentlichen eine negative oder abwehrende Funktion. Im übrigen trägt sie dem zuvor festgestellten grundsätzlichen Nebeneinander Rechnung und unternimmt nicht die Integration der Nebenparteien. Damit ist vor allem gewährleistet, daß es jeder Partei vorbehalten bleibt, sich auf ihre Vertragsposition zurückzuziehen. Die Freiheit des einzelnen, deren Erhaltung wesentlicher Grund für die Ablehnung einer Gemeinschaftsbeziehung war, wird freilich auch durch die Annahme von Rücksichtspflichten eingeschränkt. Diese Einschränkung ist jedoch nicht nur von geringerer Intensität, sondern von anderer Qualität. Denn die Gemeinschaftsbindung führt dazu, daß der Rechtskreis des einzelnen integriert wird in einen einheitlichen Rechtskreis der Gemeinschaft und infolgedessen von der Gemeinschaft bzw. deren Mehrheit (mit-) bestimmt werden kann. Demgegenüber läßt die Rücksichtsbeziehung die verschiedenen Bereiche isoliert und setzt nur eine erhöhte Sorgfalt durch. Vereinfachend läßt sich sagen, daß die Gemeinschaftsbeziehung vereinnahmt, während die Rücksichtsbeziehung nur, gleichsam negativ, abgrenzt. 2. Nicht ausgeräumt werden konnte das Bedenken Wiedemanns, die über den gemeinsamen Vertragspartner begründete Verbindung gestalte sich kompliziert. Denn die Schutzwirkung für Dritte wird durch das Anschlußverhältnis begründet und bleibt daher auch durch das Anschluß Verhältnis begrenzt. Indes ist die Konstruktion keineswegs unnötig kompliziert. Im Gegenteil. Es erweist sich das Verständnis der Schutzwirkung als Anschluß an ein Fremdschuldverhältnis als besonders wertvoll, um Rücksichtspflichten zu begründen, dabei aber - dem Grundgedanken des § 334 BGB folgend - Rechte des Schuldners aus dem Anschlußschuldverhältnis nicht zu derogieren. Darin liegt zugleich ein Grund dafür, die Sonderverbindung des Drittschutzes nicht als "Figur" aufzugeben und als Teil eines gesetzlichen Schutzpflichtverhältnisses von dem jeweiligen Anschlußschuldverhältnis zu lösen. Die Schutzwirkung aus dem Anschlußschuldverhältnis ist aus gutem Grunde durch dieses begrenzt. Zugkräftig bleibt die Schutzwirkung gleichwohl. Das kann vor allem dadurch gewährleistet werden, daß die Schutzpflichten (auch hier) als zu erfüllen und klagbar anerkannt werden. Die Ausgestaltung der Schutzpflichten belegt, daß es mit ihrer Hilfe möglich ist, Schutzlücken zu schließen, die der gesetzliche Rechtsschutz bestehen läßt. Das gilt einmal ganz allgemein, nämlich soweit der
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1. Teil: Unmittelbare Rechtsbeziehungen
Vermögensschutz gewährleistet und die Gehilfenhaftung erweitert ist. Zum anderen erlaubt es die Schutzwirkung auch, vor gesetzlich nicht erfaßten Belästigungen zu schützen. Die damit vorgestellte zivilrechtliche, individualrechtliche Lösung stellt freilich nur das geltende Recht vor, sie beansprucht nicht, für alle Konfliktund Regelungsfragen Antworten geben zu können. Insbesondere bietet auch die vorgeschlagene Rücksichtsbeziehung praktisch keinen effektiven Schutz für Mobbing-Opfer. Indessen ist zweifelhaft, ob Konflikte dieser Art überhaupt auf der Grundlage des herkömmlichen zivilrechtlichen und zivilprozessualen Instrumentariums sinnvoll gelöst werden können. Denn dieses zwingt das "Gruppenphänomen" in eine dualistische Betrachtung und verkürzt z.B. das Mobbing als Streitigkeit eines Arbeitnehmers mit einem oder mehreren Kollegen oder als Anspruch gegen den Arbeitgeber. Einer anderen Untersuchung muß indessen vorbehalten bleiben, ob und inwieweit "alternative Konfliktlösungen" wie etwa die Mediation718 Erfolg versprechen. 3. "Würde Rudolf v. Jhering heute als hinkender Teufel die Dächer abdekken, um einen Blick in die Studierzimmer der Theoretiker zu werfen, er würde seine Wette darauf richten, daß die Hälfte augenblicklich damit beschäftigt ist, eine neue Sonderverbindung zu konstruieren." Die mit diesen Worten von Brehm 719 beschriebene Tendenz zur Ausweitung der Sonderhaftung720 bestätigt sich auch in der vorliegenden Untersuchung: Mit Hilfe der Lehre von der Schutzwirkung wird eine Sonderverbindung zwischen Mietnachbarn einerseits und zwischen Arbeitskollegen andererseits begründet. Hier wie sonst wird mit Hilfe der Sonderverbindung eine Rechtsbeziehung dem Instrumentarium des Vertragsrechts zugeführt und werden so die Defizite des Deliktsrechts vermieden. Erweitert wird der Anwendungsbereich der umstrittenen "dritten Spur" des Haftungsrechts. Ist es wirklich angezeigt, dieser Tendenz zu folgen, sollte ihr nicht vielmehr entgegengewirkt werden? Dazu ist hier zweierlei zu sagen. Zum einen kann die Sonderhaftung - aufgrund Schutzwirkung - nicht hinsichtlich einzelner Anwendungsfälle zurückgeschnitten werden, sondern nur als
718
Zu ihr Breidenbach, Mediation, passim.
719
Brehm, JZ 1984, 675 f. in Anlehnung an Jhering, Scherz und Emst, S. 6 f.
720
Deudich artikuliert von Canaris, FS Larenz, S. 93, der empfiehlt, man sollte den in der Vertrauenshaftung liegenden Ansatz zur Rechtsforbildung "kräftig nutzen".
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solche. Legt man sie zugrunde, so lassen sich nur systemwidrige Entwicklungen aufhalten. Dazu zählen die hier vorgestellten nicht. Zum anderen aber erscheint es als zweifelhaft, ob die Sonderhaftung für Schutzpflichtverletzungen wirklich eine Fehlentwicklung darstellt.721 Dagegen spricht schon die Tatsache, daß sie sich so weitgehend durchgesetzt hat. Das wäre kaum möglich gewesen, würde sie nicht von überzeugenden Sachgesichtspunkten getragen. An erster Stelle steht die Überzeugungskraft der Einsicht, daß eine besondere Nähe und Einwirkungsmöglichkeit auch mit einer besonderen Einstandspflicht verknüpft werden soll. Zweitens ist die Sonderhaftung für Schutzpflichtverletzung auch systematisch treffend, insoweit sie in § 618 BGB angelegt ist.722 Hinzu kommt - neben den Defiziten der deliktischen Gehilfenhaftung -, daß nach einer Grundentscheidung des Haftungsrechts im BGB primäre Vermögensschäden unter dem Regime des Deliktsrechts grundsätzlich nicht ersatzfähig sind. Angesichts dieser Eckdaten, von welchen die Lösung im deutschen Recht ausgehen muß, erscheint der Hinweis, es handele sich um "genuines Deliktsrecht",723 von geringerem Gewicht. Die treffende Einsicht der Rechtsvergleichung ist eher, daß technisch verschiedene Wege zur Lösung derselben Sachfragen offenstehen. 724 Daß die Lösung mit Hilfe des Deliktsrechts jener über die Schutzpflichten überlegen sei, ist gleichfalls zweifelhaft. Die eigentlich entscheidende Sachfrage lautet doch, zwischen welchen Personen eine Haftung für primäre Vermögensschäden zugegeben werden kann, ohne die Individualfreiheit zu weitgehend zu beschneiden.725 Die dabei auftretenden Abgrenzungsschwierigkeiten stellen sich aber auch auf dem Boden des Deliktsrechts. Exemplarisch zeigt sich das für den Fall der Haftung des Anwalts gegenüber dem verhinderten Erben wegen fehlerhafter oder unterbliebener Testamentserrichtung, den kürzlich Werner Lorenz noch einmal rechtsvergleichend besprochen
721 Zum historischen Kontext Reinhard Zimmermann,The Law of Obligations, ch. 1 II (S. 10 ff.)- Zimmermann zeichnet die Entwicklung er Zweiteilung der Obligationsgründe in Vertrag und Delikt nach und zeigt auf, daß sich die Anerkennung einer dritten Haftungsspur zwischen Vertrag und Delikt als notwendig herausgestellt habe; die Beibehaltung der hergebrachten Dichotomie zwinge demgegenüber zu einer Pervertierung des Vertragsrechts. 722
Darauf hat Canaris, vertragliche Schutzpflichten. 723
FS Larenz, S. 85, hingewiesen. Auch § 241 BGB-KE anerkennt
v. Bar, JZ 1979, 728, 729.
724
So Canaris, FS Larenz, S. 86.
725
Das hat besonders deudich Picker, AcP 183 (1983), 369, 473 ff., herausgestellt.
208
1. Teil: Unmittelbare Rechtsbeziehungen
hat.726 Im englischen Recht wird die Haftung auf das Delikt der negligence gestützt, wobei sich die Frage stellt, wem der Schädiger eine duty of care schuldet. Sorgfalt schuldet aber auch nach englischem Recht der Schuldner grundsätzlich nur seinem Vertragspartner, im Beispielsfall also dem Erblasser. Die Ersatzfähigkeit von Schäden Dritter wird - auf der Grundlage unterschiedlicher Konzeptionen - unter anderem danach bestimmt, ob zu dem Dritten eine proximity or neighborhood, bestand, eine special relationship und ob der Schuldner die Drittschädigung vernünftigerweise vorhersehen (reasonably forsee) konnte.727 Es zeigt sich mithin, daß die Abgrenzungsschwierigkeiten gleichermaßen bestehen und sich sogar die Lösungsansätze ähneln. Die Zuordnung zum Deliktsrecht oder Vertragsrecht nimmt demgegenüber eine nachrangige Stellung ein.728 4. Besonders im Verhältnis von Arbeitskollegen drängen sich neben solchen schuldrechtssystematischen Fragen noch weitere auf. Während man es (weithin) gewohnt ist, die Beziehungen zwischen Mietern rein vertragsrechtlich zu sehen, liegt über dem Arbeitsverhältnis auch nach Überkommen der Gemeinschaftslehren ein Schleier von emotional geprägten Vorstellungen, mit welchen die hier vertretene Sichtweise unvereinbar sein kann. Zwei Fragen sind es vor allem: Wird die Annahme vertragsähnlicher Verhaltenspflichten - und damit einer Sonderhaftung - dem Gedanken der Betriebsgemeinschaft oder, allgemeiner, der Arbeitnehmersolidarität gerecht und, zweitens, behindert solche Haftungsdrohung nicht die spontane, schöpferische und tatkräftige Einsatzfreude? Wie weit es mit der Arbeitnehmersolidarität her ist, läßt sich schwer beurteilen. Sie zeigt sich öffentlich im wesentlichen in Form des Streiks, aber auch des Mobbing.729 Im Streik liegen die Dinge zudem besonders, weil die Arbeit-
126
Lorenz, JZ 1995, 317 ff. in Erörterung der Entscheidung White v. Jones, (H.L.(E.)) [1995] 2 W.L.R. 187. Zu der Problemstellung auch die rechtsvergleichende Untersuchung von Reihlen, Die Haftung von Rechtsanwälten und Notaren gegenüber Drittbegünstigten für Fehler bei der Testamentserrichtung, passim. 727 Vgl. die Nachweise bei Lorenz, JZ 1995, 317, 319; er übersetzt diese Kriterien als Leistungsnähe und Sonderbeziehung! 728
In der besprochenen Entscheidung White v. Jones (H.L.(E.)) [1995] 2 W.L.R. 187, 189 ff. erwägt Lord Goff in seiner Begründung des MehrheitsVotums, ob die deutsche Erfahrung mit der Schutz Wirkung für das englische Recht fruchtbar gemacht werden könne, verneint aber eine Vertragshaftung, da das englische Recht (consideration doctrine; doctrine ofprivity ofcontract) einer vertraglichen Drittbegünstigung entgegenstehe (dazu Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, § 34 (S. 453 ff.), besonders unter IV und V (S. 463 ff.).
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nehmer dort aus einem bestimmten und außergewöhnlichen Anlaß zusammenkommen bzw. -geführt werden. Sofern es sich bei dem Solidaritätsgedanken um eine rechtspolitische Forderung handelt, kann sie ohnehin die zivilrechtliche Betrachtung nicht unmittelbar beeinflussen. Zumal im Bereich des Integritätschutzes wäre es auch bedenklich, ideologischen Postulaten folgend Verantwortung und Haftung zurückzuhalten. Mit Recht ist daher auch das Beschäftigtenschutzgesetz ohne Scheu. Sieht man von diesen Einschränkungen ab, gilt folgendes. Besondere Verbundenheit einerseits und besondere Haftung andererseits sind auch im Verhältnis von Arbeitskollegen nicht als widersprüchlich, sondern als komplementär, jedenfalls aber als verträglich anzusehen. Jeder Vertrag ist idealiter eine "Partnerschaft" der Beteiligten, es liegt darin sogar untechnisch - die Verfolgung eines gemeinsamen Zwecks, des Austauschzwecks. Die Verbundenheit darf indes nicht über die verbleibenden Interessengegensätze hinwegtäuschen: Nicht einmal bei der Personengesellschaft steht die Gemeinsamkeit der Annahme besonderer Pflichten und einer besonderen Haftung entgegen. Es ist sogar als "ontologisches Gesetz" und "sachlogische Struktur" bezeichnet worden, daß intensivere Beziehungen stärkere und umfassendere Verhaltensanforderungen stellen.730 Die hier angenommene besondere Haftung steht demnach zu einer Solidarität und Einheit der Arbeitnehmer nicht in Widerspruch. Was die Arbeitsmoral angeht, sollte Gefahr ebensowenig drohen. Es wird dem Arbeitnehmer nicht mehr Rücksicht auf die Kollegen abverlangt, als er sie ohnehin schon arbeitsvertraglich, gegenüber dem Arbeitgeber, zu gewähren verpflichtet ist - nur daß diese Pflichten hier nach außen gekehrt werden. Sorge ist freilich hier wie allgemein geboten, die Verhaltenspflichten nicht zu überdehnen. Unangefochten bleibt im übrigen das arbeitsrechtliche Haftungsprivileg, das den Arbeitnehmer vor der Haftung für unternehmerische Risiken bewahrt. Fragen ließe sich schließlich, ob nicht mit der hier abgelehnten Gemeinschaftsbeziehung eine "unheilvolle Individualisierung" noch befördert wird. Denn gerade die schlimmen Arbeitnehmerkonflikte, namentlich die Feindseligkeiten des Mobbing, werden auch mit einer gesamtgesellschaftlich beobachteten 729
Zu Recht stellt Däubler, BB 1995, 1347, 1351, fest: "Mobbing ist schon der äußeren Erscheinungsform nach das exakte Gegenteil von solidarischem Verhalten. Warum dieses Phänomen heute so häufig auftritt, läßt sich deshalb auch nur im Zusammenhang mit wachsender Individualisierung und steigendem Konkurrenzdenken erklären." 730 Wiedemann, Arbeitsverhältnis, S. 28. Darüber darf § 708 BGB, dessen rechtspolitische Begründung ohnehin zunehmend in Zweifel gerückt wird, nicht täuschen: Die Vorschrift beruht darauf, daß die Gesellschafter einander nehmen wie sie sind, nicht aber auf ihrem Verhältnis als Gemeinschaftsbeziehung; siehe oben, § 2 A 2 b. 14 Riesenhuber
210
1. Teil: Unmittelbare Rechtsbeziehungen
Vereinzelung in Verbindung gebracht.731 Diesen Phänomenen kann die hier vertretene Ablehnung einer Gemeinschaftsbeziehung nicht entgegenwirken, die angenommene Rücksichtsbeziehung ist von vorneherein auf Abgrenzung ausgerichtet, nicht auf Verbindung. Indessen ist zu bezweifeln, ob eine Gemeinschaft, die nach den obigen Feststellung ja nur in Form einer Zwangsverbindung in Betracht käme, geeignet wäre die gesuchte soziale Integration zu leisten. Die Abgrenzung der je privaten Bereiche, die das Rücksichtsverhältnis leistet, schafft demgegenüber den Freiraum, der die Voraussetzung eines autonomen und willensgetragenen Zusammenschlusses ist. Eine zu weitgehende Verrechtlichung dürfte auch im Bereich der Gruppenbildung eher hinderlich als förderlich sein.732 Solange Mieter und Arbeitnehmer untereinander keine Verbindungen eingehen, seien sie nun rechtsgeschäftlicher oder sozialer Natur, ist es die dem Arbeitgeber überlassene Aufgabe, in eigener Person oder durch nachgeordnete Gehilfen die gewünschte Integration zu leisten und so eine produktive Arbeitsatmosphäre zu schaffen.
731 732
Däubler, BB 1995, 1347, 1351.
Vgl. dazu auch die Darstellung des Gemeinschafts Verhältnisses bei Coing, Grundzüge der Rechtsphilosophie, Kap. III, bes. 4. (S. 171 ff.). Going weist darauf hin, daß die Gemeinschaftals soziale Beziehung der rechtiichen Durchdringung kaum zugänglich ist, da wahre Gemeinschaft wesendich von der inneren Einstellung lebt, die nicht erzwingbar ist.
3. Abschnitt
Bürgerbeziehung § 5 "Jedermannsschutz" der Nebenparteien Nachfolgend soll eine Übersicht über die wichtigsten Ansätze gesetzlichen Schutzes der Nebenparteien gegeben werden. Es geht hier nicht mehr darum, ob Arbeitskollegen oder Mietnachbarn als Nebenparteien eine besondere Rechtsbeziehung (Sonderverbindung) verbindet, sondern darum, welche Regeln des "Jedermannsschutzes" in ihrem Verhältnis besonders praktisch werden können. Vollständigkeit kann die Darstellung freilich schon deshalb nicht anstreben, weil die Möglichkeiten wechselseitiger Beeinträchtigung zu vielgestaltig sind, als daß sie erschöpfend erörtert werden könnten. Darum geht die Darstellung nicht von tatsächlichen Problemlagen, sondern von rechtlichen Lösungsansätzen aus, die in ihrer Relevanz für das Verhältnis von Mitnachbarn und von Arbeitskollegen dargestellt werden. A. Besitzschutz733 Besonders im Mietrecht kann der Besitzschutz Bedeutung erlangen, also der Schutz, den das Recht dem Mieter in seiner Stellung als Besitzer gibt: §§ 858 ff. BGB. Nur um die tatsächliche Sachherrschaft, nicht auch um die mietrechtliche Berechtigung geht es dabei. Nach § 858 BGB ist die Besitzentziehung oder Besitzstörung widerrechtlich, die ohne Willen des Besitzers und ohne gesetzliche Ermächtigung erfolgt. Im Verhältnis der Raummieter geht es vor allem um die Besitzstörung. § 859 BGB gestattet dem Besitzer, sich der verbotenen Eigenmacht durch Selbsthilfe zu erwehren, § 861 BGB gibt ihm einen Anspruch auf Wiedereinräumung entzogenen Besitzes, § 862 BGB einen Anspruch auf Beseitigung und Unterlassung von Störungen. Gegen diese Ansprüche kann sich der Störer nicht unter Berufung auf eine obligatorische Berechtigung wehren, sondern im wesentlichen nur
733
Speziell zum Besitzschutz unter Mietnachbarn Friese, MDR 1956, 1, 3 f.
212
1. Teil: Unmittelbare Rechtsbeziehungen
durch Negierung des Verletzungstatbestands: der verbotenen Eigenmacht, § 863 BGB.734
I. Tatbestand 1. Besitzentziehung und -Störung Besitzentziehung ist die vollständige und andauernde Beseitigimg der Sachherrschaft, 735 z.B. durch Verstellen der Zufahrt zum Parkplatz oder des Zugangs zu Wohnung oder Keller. Sie kann auch durch psychische Einwirkung erfolgen, 736 etwa indem der Unterlieger dem Oberlieger androht, er werde ihn verhauen, sobald er den Treppenansatz passiert. Die Grenze zur Besitzstörung ist fließend. Besitzstörung ist die Beeinträchtigung des unmittelbaren Besitzers in seiner Sachherrschaft, die nicht schon eine Besitzentziehung darstellt.737 Auch sie kann durch körperliche Einwirkungen, v.a. Immissionen erfolgen, aber auch durch psychische. In Betracht kommt z.B. das Eindringen von Wasser, Gerüchen, Geräuschen usf. Eine Besitzstörung begeht etwa der Mieter, dessen Taubenzucht die Cafeterasse des Nachbarn verunreinigt. Eine Besitzstörung war auch dem Unterlieger vorzuwerfen, der in die Decke zum Oberlieger mit "elektrisch betriebenen Boschhämmern 500 Löcher" in Tag- und Nachtarbeit bohren ließ.738
2. Grenzen Es stellt sich aber die Frage, ab welcher Grenze eine Beeinträchtigung so gewichtig ist, daß sie zur Störung wird. Lädt der Oberlieger einmal monatlich Gäste zu einem ruhigen Abendessen ein, so kann trotz völlig geordneten Ablaufs sich der Unterlieger durch das Klappern der Schuhe gestört fühlen, das bei Gängen in Küche und Bad entsteht.
734
Dazu etwa Soergel-Mühl,
735
Staudinger-Bund,
736
Raape, JW 1928, 497 unter Hinweis auf Labeo.
737
Staudinger-Bund,
738
BGH, LM Nr. 1 zu § 906 BGB.
§ 863 Rn. 3.
§ 859 Rn. 12.
§ 859 Rn. 14.
§ 5 " Jedermannsschutz" der Nebenparteien
213
a) Ortsüblichkeit und Erheblichkeit Das Beispiel zeigt, daß die jeweiligen Besitztatbestände der verschiedenen Mietparteien auszugleichen und abzugrenzen sind. Auf den ersten Blick liegt eine dem Grundstücksnachbarverhältnis ähnliche Sachlage vor. Die h.M. will denn auch das Grundnachbarrecht, §§ 906 ff. BGB, analog heranziehen.739 Im Ergebnis trifft das im wesentlichen, dogmatisch ist es aber verfehlt. 740 § 906 BGB gilt in den betrachteten Fällen nicht unmittelbar: Denn es handelt sich nicht um den Ausgleich unter Grundstücksnachbarn, sondern um jenen unter Wohnungsnachbarn, die auf demselben Grundstück Besitz haben. Aber auch eine Analogie kommt nicht in Betracht. Denn bei den Grundnachbarn geht es darum, das unbeschränkt gedachte Eigentum (§ 903 S. 1 BGB) der Grundnachbarn entsprechend den Erfordernissen räumlicher Gebundenheit zu begrenzen. Der Besitz ist demgegenüber kein Recht und auch nicht unbeschränkt gedacht. Es handelt sich von vornherein nur um die tatsächliche Sachherrschaft. Aus diesem Befund ergibt sich zugleich die mangelnde Rechtsähnlichkeit und das Fehlen einer Lücke. Als tatsächliches Verhältnis bestimmt sich der Besitz nach der Verkehrsanschauung.741 Daher kommt es gar nicht in Betracht, jeden Besitz als unbeschränkt i.S.v. § 903 S. 1 BGB zu denken. Denn die tatsächliche Herrschaft des einen oder des anderen muß notwendig zurücktreten. Mithin ist beim Besitz der tatbestandliche Regelfall, was für das Eigentum aufgrund der grundsätzlichen Schrankenlosigkeit in §§ 906 ff. BGB ausnahmsweise bestimmt wird. Der Ausgleich zwischen widerstreitenden Besitzpositionen erfolgt schon auf Tatbestandsebene: Eine Sache kann nicht gleichzeitig der (Allein-) Herrschaft von mehreren unterliegen. Man möchte einwenden, ohne den Maßstab von § 906 BGB sei der Ausgleich unter "Nachbarbesitzern" dem Recht des Stärkeren anheimgestellt. Doch trifft das deshalb nicht zu, weil die tatsächliche Sachherrschaft nicht nur nach dem Individualwillen zu beurteilen ist, sondern auch nach der Verkehrsanschauung. Im übrigen liegt es aber in der rechtlichen Anerkennung der tatsächlichen Verhältnisse (§ 854 Abs. 1 BGB) begründet, daß bei entsprechender Verfestigung auch die
739
RG,HRR 1931, Nr. 1219 = JW 1932, 2984 Nr. 11 (dort nur LS); s.a. RGZ 105,213,216; BGH, LM Nr. 1 zu § 906 BGB; OLG Nürnberg, NJW-RR 1990, 908, 909; AG Starnberg, WuM 1992, 471; LG Berlin, MM 1994, 33; Friese, MDR 1956, 1, 3; Staudinger-Roth, § 906 Rn. 97, 210; Staudinger-Emmerich, §§ 535, 536 Rn. 262; Köhler, JuS 1977, 652, 653. 740
Siehe bereits oben, § 2 E II 2.
741
So die h.M. für den Entstehungstatbestand, siehe nur Staudinger-Bund,
§ 854 Rn. 6.
214
1. Teil: Unmittelbare Rechtsbeziehungen
allein durch tatsächliche Durchsetzungsmacht begründete Sachherrschafit durchdringt.742 Im Ergebnis wird die hier vertretene Position freilich in aller Regel nicht zu gegenüber der h.M. (§ 906 BGB analog) abweichenden Ergebnissen führen. Denn Ortsüblichkeit und Erheblichkeit sind Faktoren, die ihrerseits auf die Verkehrsanschauung Bezug nehmen. So ist es gleichermaßen nicht ortsüblich und über die nach der Verkehrsanschauung bestimmten Grenzen hinausgehend, wenn der Unterlieger 500 Bohrlöcher in Tag-und-Nacht Arbeit mit BoschHämmern in die Decke stemmen läßt. Es scheitert an beiden Maßstäben gleichermaßen das Begehren, es möge der Nachbar seine Abendeinladungen unterlassen oder Kinderlärm oder normale Fernseh- und Musikgeräusche unterbinden.
b) Grundsätzliche Unbeachtlichkeit vertraglicher Berechtigung des Störers Keinen Einfluß auf das Besitzrecht des Gestörten hat aber die vertragliche Berechtigung des Störers. Der Bienenzüchter stört auch dann den Besitz des Cafebetreibers, wenn er sich die entsprechende Nutzung der Gartenparzelle vertraglich gegenüber dem Vermieter ausbedungen hatte. Noch weiter: Sein vertragliches Recht wird ihm auch in einem Folgeprozeß - gestützt auf die obligatorische Berechtigung die im Besitzstreit grundsätzlich außer Betracht bleibt - nichts nützen, sofern es nicht auch dem gestörten Besitzer gegenüber besteht. Der Nachbar ist aber aus der Bienenzuchtabrede des Mieters mit dem Vermieter ohne weiteres nicht gebunden. Es muß die Bienenzucht weichen, der Mieter kann sich nur an seinen Vermieter wenden.743
n. Selbsthilfe Der Selbsthilfeanspruch berechtigt den Mieter, sich wieder in Besitz des angemieteten Lagerraums zu setzen, den der Nachbar zum Verstauen einer Warenlieferung in Beschlag genommen hat.744 Die Besitzwehr wird allerdings von der h.M. "nach § 242 BGB" beschränkt: So muß der Besitzer im Beispiel
742
Man denke nur an den Besitzschutz, der Hausbesetzern zugegeben wird, wenn diese sich erst einmal etabliert haben; Wolf, Sachenrecht, Rn. 126. 743
Dazu und zur Lösung dieser Konfliktfrage unten, § 6 IV.
744
BGH, WM 1968, 1356, 1357; ferner BGH, NJW 1967, 46, 47 f.
§ 5 "Jedermannsschutz" der Nebenparteien
215
die entfernten Gegenstände im Rahmen des Zumutbaren vor Umwelteinflüssen und Zugriff Dritter schützen.745 Es hat sich gezeigt, daß die Praxis besonders mit Wasser- und Feuerschäden zu tun hat. Daher ist es von Interesse, ob der gestörte Mieter nach § 859 Abs. 1 BGB dazu befugt ist, in die Wohnung des Nachbarn einzudringen, in der (vermeintlich) das Wasser überläuft oder ein Brand schwelt. Das ist in der Tat zuzugeben. Zu einem "Gefahrerforschungseingriff" ist der gestörte Mieter indes nicht berechtigt. Zeigt sich, daß z.B. das Wasser nicht aus der überprüften Wohnung sickert, so rechtfertigt § 859 BGB das Eindringen nicht mehr, es erweist sich im nachhinein als rechtswidrig. Es trägt m.a.W. der Gestörte insoweit das Aufklärungsrisiko.
i n . Wiedereinräumungsanspruch Der Wiedereinräumungsanspruch des § 861 BGB kann etwa dann eine Rolle spielen, wenn der Mieter des Ladenlokals seine Caf&ische auf die Terassenhälfte gestellt hat, die der Nachbar gemietet hat. Nach § 861 BGB kann der Mieter vom Nachbarn die Räumung seines Parkplatzes verlangen und auch die Beseitigung der Hindernisse, die ihn am Zugang zu seinem Kellerraum hindern.
IV. Beseitigungs- und Unterlassunganspruch Der Beseitigungsanspruch setzt eine andauernde Beeinträchtigung voraus. So liegt es, wenn der Nachbar den Keller des Mieters in Beschlag genommen hat. Nach § 862 BGB kommt auch ein Schutz vor der nachbarlichen Bienenzucht in Betracht, die den ungestörten Restaurantbetrieb beeinträchtigt. Bei Wiederholungsgefahr gibt § 862 BGB einen Unterlassungsanspruch zu. Er findet besonders bei Ruhestörungen Anwendung.746 Dabei werden die Grenzen zunehmend weit gezogen.747 Der Mieter kann verlangen, der Nachbar
745 Staudinger-Bund, § 859 Rn. 8, der die Grenzen nach dem Maßstab der Erforderlichkeit zieht: Die Erforderlichkeit begrenze die Selbsthilfe ebenso wie die Notwehr. 746
LG Berlin, MM 1991,27 f. (nächdiche Ruhestörung durch "Live Band"); MM 1991, 329 f.; AG Karlsruhe, NJW-RR 1992, 463 (Besitzstörung durch Anlocken von Tauben). 747
Zu dieser Tendenz vgl. Staudinger-Emmerich,
§§ 535, 536 Rn. 46.
216
1. Teil: Unmittelbare Rechtsbeziehungen
möge während der Ruhezeiten nicht Cello üben,748 aber auch außerhalb der Ruhezeiten nicht über Zimmerlautstärke Radio hören;749 sogar ein Besitzschutz vor Trittschall kommt in Betracht.750
V. Schranke des § 866 BGB Der an die tatsächliche Sachherrschaft knüpfende Schutz der §§ 858 ff. BGB soll obligatorische Berechtigungen nicht berücksichtigen, insofern er bezweckt, eigenmächtiges Vorgehen zu hindern oder doch nicht durchdringen zu lassen.751 Der schneidige Schutz müßte an der Maßgabe der materiellrechtlichen Berechtigimg aber auch scheitern, da diese, anders als die tatsächliche Sachherrschaft, nicht augenscheinlich ist und daher in Störungsfällen geradezu notwendig umstritten. Dem entspricht es, wenn § 866 BGB den Besitzschutz zwischen Mitbesitzern versagt, soweit es um die Grenzen des Gebrauchs geht. Denn hinsichtlich der Grenzen des Besitzrechts, "verwandelt sich der Besitzanspruch in einen Anspruch aus dem Recht".752 Haben zwei in demselben Mietgebäude gelegene Geschäfte Mitbesitz an einem Lastenaufzug,753 so kann sich der eine mit § 861 BGB dagegen wehren, daß ihn der andere völlig von der Benutzung ausschließt. Der Besitzschutz hilft ihm aber nicht, wenn er geltend machen möchte, es benutze der andere den Aufzug abredewidrig häufig.
B. Das Beschäftigtenschutzgesetz Auf das Beschäftigtenschutzgesetz ist an dieser Stelle nicht einzugehen. Denn es begründet keine unmittelbaren Rechtsbeziehungen zwischen den Arbeitnehmern, sondern nur Ansprüche gegen den Arbeitgeber.
748
LG Köln, ZMR 1967, 273 f.
749
LG Berlin, NJW-RR 1988, 909.
750
LG München, DWW 1991, 111; das Gericht ist der - sehr weitgehenden - Auffassung, auch die Gäste des Mieters müßten Hausschuhe tragen. 751
Zum Zweck des § 866 BGB sowie zur Gesetzgebungsgeschichte, in deren Verlauf sich die Ausgestaltung als reines possessorium erst durchsetzte, Staudinger-Bund, § 866 Rn. 25. 752
So die treffende Formulierung von Schwab/Prutting,
753
So im Fall von BGHZ 62, 243 ff.
Sachenrecht, § 11 II 4 (S. 40 f.).
§ 5 "Jedermannsschutz" der Nebenparteien
217
C. Wettbewerbsschutz Der Wettbewerbsschutz kann vor allem bei der Geschäftsraummiete praktisch werden. Wettbewerbsschutz kann der Mieter zum einen kontrahieren, indem er mit dem Vermieter Konkurrenzschutz vereinbart oder mit dem Nachbarn ein Wettbewerbsverbot. Darum geht es hier nicht oder doch nicht unmittelbar.754 Als "Jedermannsschutz" steht das Recht gegen unlauteren Wettbewerb in Rede. Noch weniger als auf den anderen Gebieten ist im Wettbewerbsrecht eine umfassende Darstellung möglich. Nachfolgend können nur einzelne Beispielsfälle aufgezeigt werden. Herausgegriffen werden zwei Fallgruppen des nach der Generalklausel des § 1 UWG unlauteren Wettbewerbs: Der Kundenfang und der Rechtsbruch.
1. Kundenfang Beim Kundenfang wird der potentielle Kunde nicht nur durch Information geworben, sondern es wird durch eine besondere Art oder Intensität der Einwirkung in seine Entscheidungsfreiheit eingegriffen. 755 Es ist vor allem an den Tatbestand der Belästigung zu denken. Danach ist insbesondere das sog. "Anreißen", die aufdringliche Werbung, unlauter, zum Beispiel die Werbung durch Ansprechen auf der Straße usw., die den Betroffenen gegen seinen Willen der persönlichen Einwirkung aussetzt und ihn so in eine Zwangslage bringt.756 Wegen Belästigung unlauter ist es z.B., wenn der im Erdgeschoß geschäftsansässige Versicherungsmakler im Hauseingang die einströmenden Patienten von anderen Mietern durch den Hinweis auf das Risiko von Behandlungsfehlern zum Abschluß einer Lebensversicherung zu bewegen sucht. Zu beanstanden ist schon das persönliche Ansprechen, zu dem situationsbedingt noch die erhebliche, das sittliche Empfinden verletzende Taktlosigkeit hinzutritt.757
754
Vgl. insoweit schon die Darstellung oben, § 4 C II.
75 5
Rittner,
75 6
Baumbach/Hefermehl,
Wettbewerbs- und Kartellrecht, § 2 B I (S. 40 ff.). § 1 Rn. 57, 60.
757 Ähnlich wie bei der Werbung im Todesfall {Baumbach/Hefermehl, § 1 Rn. 78) handelt es sich um eine geschmacklose Werbung, die in grobem Maße gegen Pietät und Takt verstößt (Baumbach/Hefermehl, § 1 Rn. 84).
218
1. Teil: Unmittelbare Rechtsbeziehungen
2. Rechtsbruch In bestimmten Grenzen ist auch die zu Wettbewerbszwecken verübte Verletzung außerwettbewerbsrechtlicher Vorschriften unlauter.758 In Betracht kommt sowohl die Verletzung gesetzlicher Vorschriften als auch die Verletzung vertraglicher Bindungen. Ohne weiteres ist ein Rechts- oder Vertragsbruch freilich nicht unlauter, denn § 1 UWG fordert nicht ein rechtswidriges, sondern ein sittenwidriges Verhalten, das vor allem bei wettbewerbsneutralen Vorschriften nicht schon in der Übertretung selbst liegt. Hinzukommen muß neben dem Handeln im Wettbewerb etwa die Verleitung des anderen Teils zum Rechtsbruch oder die bewußte und planmäßige Ausnutzung des fremden Rechtsbruchs in der Absicht, sich einen sachlich nicht gerechtfertigten Vorsprung zu verschaffen. 759 Der Rechtsbruchstatbestand ist verschiedentlich im Verhältnis zwischen Mietern aktuell geworden. Die bereits angedeutete Problematik widerstreitender Vertragsbindungen des Vermieters760 gewinnt dann wettbewerbsrechtliche Relevanz, wenn der nachträglich abschließende Mieter sich eine Vertragsposition einräumen läßt, die mit anderen (Miet-) Vertragsverpflichtungen des Vermieters unvereinbar sind. Verleitet der zweite Mieter den Vermieter zu der Vereinbarung oder nutzt er den Vertragsbruch des Vermieters in verwerflicher Weise aus, so verstößt dies gegen § 1 UWG. In zwei Fällen des BGH ging es um den Verstoß des Vermieters gegen ein Wettbewerbsverbot, das sich der erste Mieter hatte einräumen lassen. In beiden Fällen hatte der zweite Mieter zwar nicht kollusiv mit dem Vermieter zusammengewirkt. Doch mußte ihm in dem einen Fall die Konkurrenzschutzabrede zugunsten des anderen Mieters klar sein, da sie branchenüblich war. Davor durfte er die Augen nicht verschließen, auch dann nicht, wenn der Vermieter lediglich fahrlässig handelte.761 In dem anderen Fall mietete ein Internist Praxisräume an, ungeachtet der Tatsache, daß ein Fachkollege schon im selben Haus tätig war. 762 Nachdem der ansässige Mieter ihn auf ein - ihm
75 8
Rittner, Rn. 608 ff.
Wettbewerbs- und Kartellrecht, § 2 B IV (S. 51 ff.); Baumbach/Hefermehl,
75 9
Baumbach/Hefermehl,
760
Siehe oben, § 4 C II sowie unten, § 6 IV.
§ 1 Rn. 696, 706; Köhler/Piper,
§ 1 Rn. 385 (zu Vertragsbruch).
761
BGH, NJW 1967, 46, 49 (Streckenwerbung); in dem Fall ging es freilich nicht um eine Raummiete. 762
§1
BGH, NJW 1976,2301. Dieses Verhalten verstieß nicht gegen ärzdiches Standesrecht, so daß auf diesem Wege ein Wettbewerbs verstoß auch nicht begründet werden konnte.
§ 5 "Jedermannsschutz" der Nebenparteien
219
seiner Auffassung nach mündlich eingeräumtes - Konkurrenzschutzversprechen hinwies, erkundigte sich der Neue beim Vermieter. Auf dessen verneinende Antwort durfte er sich nach Auffassung des Gerichts verlassen, die Nachfrage genügte den Erfordernissen zumutbarer Aufklärung. Daher fiel dem zweiten Mieter in diesem Fall kein Wettbewerbsverstoß zur Last.763 Auch in seiner anderen Dimension kommt der Vertragsbruchtatbestand in Betracht: Nämlich als Verstoß des Nachbarn gegen ein ihm vertraglich auferlegtes Wettbewerbsverbot. Die Begründung der Unlauterkeit bedarf hier indes besonderen Aufwandes, da nur die eigene Vertragsbindung in Rede steht.764 Keinen Wettbewerbsverstoß legte der BGH daher dem Drogeriebetreiber zur Last, der gegen ein eigens zugunsten der benachbarten Apotheke vereinbartes Konkurrenzverbot verstieß.765
D. Deliktsschutz Von den Tatbeständen des Deliktsrechts werden nachfolgend der Gesundheitsschutz, das Recht zum Besitz, das allgemeine Persönlichkeitsrecht und die Schutzgesetzverletzung untersucht. Geprüft wird außerdem, ob das "Recht am Arbeitsplatz" als "sonstiges Recht" Schutz nach § 823 Abs. 1 BGB beanspruchen kann. Auf den negatorischen Schutz, der mit dem Deliktsschutz einhergeht, wird dabei jeweils hingewiesen.
763 BGH, NJW 1976, 2301 f.; ebenso OLG Koblenz, WRP 1983, 368 (nur LS). Zu bemerken ist freilich: Folgt man der - hier abgelehnten, vgl. oben, § 4 C II 2 b - Rechtsprechung zum immanenten Konkurrenzschutz, so läßt sich ein unlauteres Verhalten kaum noch verneinen. Denn wenn Konkurrenz dem Vertragszweck der Geschäftsraummiete grundsätzlich widerspricht - eine Annahme die sich auf die Auslegung nach der Verkehrssitte stützen soll dann muß dies jeder Mieter wissen. Dementsprechend wäre zu verlangen, daß ein neuer Mieter sich vom Vermieter einen Konkurrenzschutzverz/c/zf des ansässigen Konkurrenten nachweisen läßt. Und weiter: Ist dem Neuen bekannt, daß der Vermieter mehrere Häuser eignet, so müßte man konsequentereweise auch verlangen, daß er sich erkundigt, ob der Vermieter nicht in anderen Häusern an Konkurrenten vermietet hat, da der immanente Konkurrenzschutz sich ja nicht auf das nämliche Haus beschränken soll. Immanenten Konkurrenzschutz hatte ein anderer Senat des BGH denn auch in dem Folgeprozeß des ansässigen Internisten gegen seinen Vermieter bejaht; BGHZ 70, 79 = JR 1978, 193 f. m.Anm.v. Haase. Widersprüchlich erscheint unter diesem Blickwinkel OLG Koblenz, WRP 1983, 368. 76 4
Baumbach/Hefermehl,
765
BGH, NJW 1987, 3132 f.
§ 1 UWG Rn. 694 f.
220
1. Teil: Unmittelbare Rechtsbeziehungen
I. Gesundheitsschutz Bedeutung erlangt der Schutz der Gesundheit, wenn ein Arbeitnehmer Opfer einer Belästigung durch Arbeitskollegen wird ("Mobbing") und dadurch schließlich psychische oder physische Schäden erleidet.766 Wird ihm daraufhin gekündigt - z.B. wegen Unabsehbarkeit der Genesung767 -, so kann er auch den daraus resultierenden Vermögensschaden ersetzt verlangen. Im Falle von Mittätern kommt ihm § 830 Abs. 1 S. 1 BGB zugute. Zusätzlich reicht die Mitursächlichkeit für die Schadensentstehung aus und spielt nach anerkannten schadensrechtlichen Grundsätzen die Prädisposition des Opfers im Rahmen der Adäquanz keine Rolle. So schneidig diese Lösung auf den ersten Blick wirkt: Praktisch wird sie häufig an beweisrechtlichen Problemen scheitern. Denn die Zusammenrottung der Arbeitskollegen wird nicht gerade im Prozeß aufbrechen und dem Opfer einen Zeugen bescheren. Eine Gesundheitsverletzung durch Passivrauchen ist praktisch nicht nachweisbar,768 daher kommt weder ein Ersatzanspruch noch die Abwehr nach § 1004 BGB nicht in Betracht.769 Nicht selten wird unter Mietern Unterlassung von nächtlichen Ruhestörungen auch mit Rücksicht auf die dadurch verursachte Gesundheitsverletzung geltend gemacht. Bei entsprechender Nachweisbarkeit ist das nach §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB möglich.770 Ein Unterlassungsanspruch wegen drohender Gesundheitsverletzung kommt auch dann in Betracht, wenn schädliche Immissionen übermäßig zugeleitet werden, etwa von der benachbarten chemischen Reinigung.771
766
Den Deliktsschutz des § 823 BGB - Gesundheit - siehtDäubler, BB 1995, 1347, 1348 f., als den einzigen Ansatzpunkt für ein Vorgehen des Mobbing-Opfers gegen die Täter an. Er weist ausführlich auf die Problematik hin, Kausalität und Verschulden des Täters zu begründen (a.a.O. S. 1349). 767 Zur krankheitsbedingten Kündigung KR-Etzel, unabsehbarer Genesung BAG, NZA 1993, 497 ff. 768
§ 1 KSchG Rn. 310 ff.; zur Kündigung bei
Dazu bereits oben, § 3 C III 2 b bb. Vgl. Staudinger-Oetker, 1996, 1050, 1051 m.N. in Fn. 8. 76 9
Mummenhoff,
770
LG Berlin, MM 1991, 27 f.
771
KG Berlin, MM 1988, 27.
RdA 1979, 364, 369 ff.
§ 618 Rn. 113; Möllers, JZ
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II. Recht zum Besitz 1. Sonstiges Recht a) Der Besitz ist kein sonstiges Recht i.S.v. § 823 Abs. 1 BGB.772 Zwar ist er sozialtypisch offenkundig. 773 Ferner statten die §§ 858 ff. BGB die tatsächliche Sachherrschaft auch mit einer Ausschlußfunktion aus. Doch ist der Besitz zunächst schon kein Recht, sondern nur die tatsächliche Sachherrschaft. Als tatsächlicher Herrschaft fehlt dem Besitz auch der Zuweisungsgehalt. Daher hat der Besitz nicht die für das "sonstige Recht" erforderliche eigentumsähnliche Struktur.774 Den fehlenden Zuweisungsgehalt ergänzt aber eine entsprechende obligatorische Berechtigung des Besitzers, wie sie vor allem der Mietvertrag begründet. Darüber hinaus ist das Recht zum Besitz durch §§ 571, 986 BGB den dinglichen Rechten in wichtiger Hinsicht gleichgestellt. Denn durch diese Vorschriften wird das Recht zum Besitz sukzessionsfest und auch gegenüber dem Eigentümer selbst abgesichert. Das Recht zum Besitz ist aus diesen Gründen als "sonstiges Recht" anerkannt. b) Die Zusammensetzung des "sonstigen Rechts" zum Besitz aus der obligatorischen und der possessorischen Berechtigung bringt eine Eigentümlichkeit mit sich. Sie bedingt, daß die obligatorische Berechtigung als sonstiges Recht nicht weitergehend geschützt werden kann, als der Besitzschutz über §§ 858 ff. reicht, und daß der Besitz nicht weitergehend geschützt werden kann, als die Berechtigung reicht. Denn das "Recht zum Besitz" stellt nur die gedankliche Vereinheitlichung von obligatorischer und possessorischer Berechtigung in der Person des Klägers dar. Es ist daher doppelt begrenzt: Durch die Berechtigung einerseits und den possessorischen Besitzschutz andererseits. Bildlich gesprochen ist als Recht zum Besitz weder der Rechtskreis des obligatorischen Rechts geschützt noch jener des possessorischen, sondern nur deren Schnittmenge. Denn nur in diesem Bereich sind die kumulativ erforderlichen Voraussetzungen der Ausschluß- und Nutzungsfunktion gegeben.
772 Dazu und zum folgenden grundlegend Medicus, AcP 165 (1965), 115, 117 f., 136; aus der Rechtsprechung etwa BGHZ 114, 304, 313 f. 773
Zu diesem Erfordernis Fabricius, (S. 355).
AcP 160 (1961), 275, 289 ff.; Larenz/Canaris,
§ 75 13 a
774 Zur Bestimmung des "sonstigen Rechts" etwa Medicus, Bürgerliches Recht, Rn. 607; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 7611 c (S. 375) und II 4 a (S. 392); zu weiteren Nachweisen unten, III.
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1. Teil: Unmittelbare Rechtsbeziehungen
Praktisch relevant wird das insofern, als der Immobilienbesitz im Verhältnis zu Nachbarn nach der Verkehrsanschauung oder - folgt man der h.M. - analog § 906 BGB begrenzt ist (s.o. A I 2). Demgegenüber kann die obligatorische Berechtigung weiter reichen. Sie kann auch Nutzungen erfassen, die das verkehrstypische oder ortsübliche Maß übersteigen. Diese überschießende obligatorische Berechtigung kommt aber nicht in den Genuß des deliktsrechtlichen "Besitzschutzes", da sie nicht possessorisch flankiert ist und ihr daher die Ausschlußfunktion fehlt. Zum Beispiel: Hat der Mieter sich zum Betrieb eines Meditationszentrums "absolute Ruhe" ausbedungen und wird sein Betrieb durch "normalen" Kinderlärm aus der Oberliegerwohnung (schon) gestört, so kann er Ansprüche gegen den Oberlieger nicht auf § 823 Abs. 1 BGB - "sonstiges Recht" zum Besitz stützen. Zwar ist hier seine obligatorische Berechtigung verletzt, wegen der Maßgabe der Verkehrsanschauung bzw. analog § 906 BGB jedoch nicht der Besitz. In diesem Bereich des "obligatorischen Überschusses" gibt es keinen deliktsrechtlichen Schutz. Denn insoweit fehlt es an der ergänzend erforderlichen Ausschlußfunktion, die erst der Besitz(schutz) herstellt.
2. Verhältnis zum Eigentumsschutz Der über das Recht zum Besitz vermittelte Schutz kommt vor allem dem Mieter zugute. Zum Beispiel begründet § 823 Abs. 1 BGB in dem oben (§ 4 C III 1 b bb) angesprochenen Wasserschaden-Fall des LG Köln einen Ersatzanspruch wegen der beschädigten Tapeten. Doch ist dessen Durchsetzung mindestens praktisch unsicher. Denn die h.M. gesteht dem Besitzer nur einen Ersatz des Nutzungsschadens, nicht aber auch einen Ersatz des Substanzschadens zu, der dem Eigentümer vorbehalten bleibt.775 Der Mieter könnte danach etwa die Kosten für eine Interimsunterkunft ersetzt verlangen, wenn der Wohnungsnachbar die Hauswand so durchfeuchtet hat, daß seine Wohnung infolge reicher Schimmelblüte unbenutzbar wird. Die Geltendmachung der Instandsetzungskosten wäre Sache des Vermieters.776
77 5 77 6
Wieser, JuS 1970, 557 ff.
Wieser, JuS 1970, 557, 559. Im Ergebnis stimmt mit dieser Lösung im Wege der Differnzierung der Schadensarten auch der Ansatz von Flume, Rechtsgeschäft, § 42 4 e (S. 740 ff.), überein, der - freilich beschränkt auf den Fall der Verletzung des Vorbehaltseigentums - eine rechtsgeschäftlich begründete Surrogation annimmt, infolge welcher der Schadensersatzanspruch an die Stelle des gestörten Vorbehaltseigentums tritt und also dem Eigentümer zustehet, jedoch mit Beschränkungen zugunsten des Vorbehaltskäufers versehen ist. Die Erfüllung des Anspruchs an
§ 5 "Jedermannsschutz" der Nebenparteien
223
Anderer Meinung zufolge 777 steht der Ersatzanspruch Eigentümer und Besitzer analog §§ 432, 1281 BGB gemeinsam zu.778 Sie können danach Leistung an sich gemeinsam fordern oder einverständlich an einen Teil. Im Streitfalle könnte sich der Schuldner durch Hinterlegung befreien. Letztere Meinung hat den Vorzug, daß sie Vorsorge bezüglich der Verwendung des Ersatzbetrages trifft: Es wird vermieden, daß der Eigentümer oder der Besitzer Schadensersatz in Geld erlangt und unter Verstoß gegen die interne Bindung nicht zur Wiederherstellung, sondern anderweit verwendet. Doch betrifft diese Lösung nur den Substanzschaden. Daneben kommt für den Besitzer zusätzlich der Ersatz des Nutzungsschadens in Betracht, sofern dieser eigenständig ist. 3. Zur Anwendbarkeit des § 866 BGS77 9 Das Recht zum Besitz stellt, wie gesehen, die Einheit von Besitztatbestand und obligatorischer Berechtigung dar. Deshalb ist sein Deliktsschutz, wie ebenfalls betont wurde, beschränkt auf den Bereich, in welchem Recht und Besitz zusammenfallen. Konsequenterweise wäre auch der deliktische Schutz den Grenzen des Besitzschutzes, hier: § 866 BGB, unterworfen, es sei denn, die Anwendung der Vorschrift Vorschrift könnte im Wege der teleologischen Reduktion ausgeschlossen werden. Gegen die Erstreckung des § 866 BGB auf den deliktsrechtlichen Schutz des Rechts zum Besitz hatte in der Tat der BGH eingewandt, das sei vom Zweck der Vorschrift her nicht geboten. Denn sie diene nur dazu, den schneidigen Besitzschutz zu erhalten, für den es auf die "internen" Grenzen der Gebrauchsbefugnis nicht ankommen kann. Im Rahmen des Deliktsschutzes spiele das
den Eigentümer bedarf folglich der Zustimmung des Vorbehaltskäufers. Ungeklärt läßt Flume jedoch die Frage des Besitzschadensersatzes, den er ohne nähere Begründung für vernachlässigbar hält. 777
Zu weiteren Lösungsansätzen, vgl. den Überblick von Köhler, JuS 1977, 652, 654.
77 8
Medicus, AcP 165 (1965), 115,244 f. Ferner Köhler, JuS 1977,652, 654, der noch den Fall vorbehält, daß der Schädiger den Besitzer gutgläubig für den Eigentümer hält und dann durch Leistung an ihn nach § 851 BGB frei wird. 779 Dazu wie zu anderen Besitzschutzschranken Medicus, AcP 165 (1965), 115 ff.; Wieser, JuS 1970, 557, 560 f.
224
1. Teil: Unmittelbare Rechtsbeziehungen
indes keine Rolle, da hier ohnehin auch das Recht zum Besitz geprüft werden müsse.780 Medicus hat demgegenüber angenommen, die Verweisung des § 866 BGB auf das entweder zwischen den Mitbesitzern oder zwischen jedem von ihnen und einem Dritten bestehende Rechtsverhältnis beanspruche auch gegenüber dem Deliktsschutz Geltung. Es sei der Ausgleich auf der Grundlage dieses Rechtsverhältnisses und, bei dessen Nichtigkeit, aufgrund Bereicherungsrechts zu suchen.781 Dem ist entgegen verschiedener Kritik zuzustimmen. Denn es kann hier der gesetzliche Schutz nicht sinnvoll zur Geltung kommen. Das zeigt sich dann, wenn z.B. zwei Mieter widersprüchliche Gebrauchsbefugnisse an demselben Gegenstand haben, also etwa zu sich zum Teil überschneidenden Zeiten denselben Lastenaufzug zu nutzen berechtigt sind. Dann muß das Deliktsrecht versagen, ebenso wie der Besitzschutz - sieht man von dessen primärem Schutzzweck einmal ganz ab. Zwar betrifft diese Frage nur einen Ausschnitt der Anwendungsfälle des Mitbesitzes. Doch gebietet es die Rechtssicherheit, nicht auf die Einzelfallprüfung zu verweisen: Dafür eignet sich der Besitzschutz nicht und auch nicht der Deliktsschutz des Rechts zum Besitz, ist hier doch im Interesse der Freiheitserhaltung die Berechenbarkeit von besonderem Gewicht. Auch der Einwand des BGH, es drohten Rechtsschutzlücken,782 verfängt demgegenüber nicht. Denn entweder hilft das zugrundeliegende Rechtsverhältnis oder das Bereicherungsrecht. Angesichts der Entscheidung des § 866 BGB läßt sich dagegen auch nicht sagen, es sei der Bereicherungsschutz unzureichend;783 denn er entspricht der Wertung des § 866 BGB einerseits und der betreffenden Nichtigkeitsvorschrift andererseits.
m . Recht am Arbeitsplatz Von einer - anscheinend immer noch herrschenden - Meinung im arbeitsrechtlichen Schrifttum wird auch ein Recht am Arbeitsplatz anerkannt. Freilich ist nicht immer klar, was damit gemeint ist. So "präzisiert" Nipperdey, es
780 BGHZ 62, 243, 248 ff., zust. Berg, JR 1974, 468 f. Zu diesem Argument auch schon Medicus, AcP 165 (1965), 115, 138. 78 1
Medicus, AcP 165 (1965), 115, 138 f.
782
BGHZ 62, 243, 250.
78 3
Wieser, JuS 1970, 557, 561; einen weiteren Einwand Wiesers a.a.O. hatte bereits BGHZ 62, 243, 249 verworfen: Die Regeln über die Anspruchskonkurrenz, auf die Wieser verweist, bestimmen nur, was im Falle des Zusammentreffens mehrerer Ansprüche gilt; zur Anspruchsbegründung ergeben sie nichts.
§ 5 "Jedermannsschutz" der Nebenparteien
225
handele sich um das "Recht auf Betätigung am Arbeitsplatz" als Erscheinungsform des subjektiven Rechts auf freie berufliche und gewerbliche Betätigung.784 Fabricius meint, "man kann den Arbeitsplatz daher bestimmen als den objektiven betriebsorganisatorischen, regelmäßig durch einen Arbeitsvertrag funktionell und räumlich in Bezug genommenen Tätigkeitsbereich, der einem Arbeitnehmer in dem Betrieb zugewiesen wird, und innerhalb dessen der Arbeitgeber von der Arbeitskraft des Arbeitnehmers Gebrauch machen kann, mit den sich daraus ergebenden Rechten und Pflichten." 785 Begründet wird der Schutz des Rechts am Arbeitsplatz zum einen mit einer aus dem Kündigungsschutzgesetz fließenden Verfestigung, die heute zusätzlich von § 613a BGB flankiert wird, 786 zum anderen damit, es müsse der Arbeitsplatz mit dem Gewerbebetrieb gleichbehandelt werden, und schließlich mit dem Schutz der wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG, ausgestaltet durch das Sozialstaatsprinzip.787 Fabricius hat demgegenüber die sozialtypische Offenkundigkeit als entscheidende Voraussetzung fiir den Schutz eines "sonstigen Rechts" angenommen und ausgeführt, diese sei auch beim Recht am Arbeitsplatz gegeben.788 Für die Anerkennung eines "sonstigen Rechts" ist es erforderlich, daß dieses Recht den anderen nach § 823 Abs. 1 BGB geschützten Positionen ähnlich ist. Das setzt voraus, daß es einerseits Ausschluß- und Zuweisungsfunktion hat, andererseits, daß es sozialtypisch offenkundig ist. Mit den erstgenannten Merkmalen wird eine Angleichung an den Grundfall des von § 823 Abs. 1 BGB geschützten Rechts gesucht: Es muß sich um ein Recht handeln, das strukturell dem Eigentum ähnlich ist.789 Mit dem zweitgenannten Erfordernis soll der vom Deliktsrecht gesuchte Ausgleich von Restitutionsinteresse und Freiheitsinteresse gewahrt werden.790 An diesen Kriterien ist das Recht am Arbeitsplatz zu messen.
78 4
Hueck/Nipperdey,
78 5
Fabricius,
786
Dazu Ebert, Recht am Arbeitsplatz, S. 18 ff., 112 ff.
78 7
Hueck/Nipperdey,
78 8
Fabricius,
Lehrbuch II/2, § 49 A II 2 (S. 995 ff.).
AcP 160 (1960), 275, 307.
Lehrbuch II/2, § 49 A II 2 (S. 995 ff.).
AcP 160 (1960), 273, 305 ff.
789
Zur Ausschluß- und Zuweisungsfunktion etwa Larenz/Canaris, Schuldrecht U/2, § 76 11 c (S. 375); Medicus, Bürgerliches Recht, Rn. 607; ders., FS Steffen, S. 340 und 345. 790
Zu dieser Funktion Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 75 I (S. 350 ff.); Picker, AcP 183, 469, 480 ff.; grundlegend zu dem Merkmal der "sozialtypischen Offenkundigkeit" Fabricius, AcP 160 (1961), 275 ff.; kritisch demgegenüber Medicus, FS Steffen, S. 335 (freilich einstweilen nur mit Vorbehalt gegen den "Zauberpräfix" sozial). 15 Riesenhuber
226
1. Teil: Unmittelbare Rechtsbeziehungen
Erste Voraussetzung bleibt jedoch, daß ein Recht gegeben ist. "Am Arbeitsplatz", also an der Einrichtung, in der ein Arbeitnehmer tätig wird, hat der Arbeitnehmer indes kein Recht. Ohnehin wäre dann jenen Arbeitnehmern nicht geholfen, die nicht an einem gegenständlichen Arbeitsplatz tätig sind, sondern z.B. im Außendienst. Auch die Arbeitnehmer, die im Betrieb arbeiten, haben aber kein Recht an ihrem Arbeitsplatz. Sie haben allein einen vertraglichen Anspruch gegen den Arbeitgeber auf Lohnzahlung, der von einem Beschäftigungsanspruch begleitet wird. Der Anspruch mag auch darauf gerichtet sein, an einem bestimmten Arbeitsplatz beschäftigt zu werden - vorbehaltlich freilich der Befugnis zur Umsetzung im Rahmen des Direktionsrechtsund der Betriebsverfassung. Doch ist auch damit noch kein Recht an dem Arbeitsplatz ersichtlich. Hergestellt wird solches Recht auch nicht durch den Kündigungsschutz, denn darin kommt gerade zum Ausdruck, daß der Arbeitgeber aus betrieblichen Gründen berechtigt sein kann, dem Arbeitnehmer einen anderen Arbeitsplatz zuzuweisen (§ 1 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 b KSchG) und, wenn auch in Grenzen, ihn zu entlassen. Es bleibt mithin als möglicher Gegenstand des Deliktsschutzes nur das Forderungsrecht des Arbeitnehmers. Das lenkt den Blick auf die allgemeinere Frage, ob die Forderung ein "sonstiges Recht" darstellt. Für die Anerkennung hat sich neuerdings Canaris ausgesprochen,791 seine Ablehnung demgegenüber hat daraufhin Medicus vertieft. 792 Auch die von Canaris verfochtene Meinung anerkennt einen Schutz der Forderung freilich nur gegenüber der unberechtigten Einziehung, die - z.B. nach § 407 BGB - gegenüber dem Gläubiger wirksam ist, und gegenüber sonstigen Verfügungen; Larenz hatte das sprachlich als Schutz vor Eingriffen in die Forderungszuständigkeit ausgedrückt.793 Um diese Schutzrichtung geht es jedoch beim Arbeitsplatz nicht. Auch als Schutz des arbeitsvertraglichen Forderungsrechts läßt sich ein deliktsrechtlicher Schutz des "Rechts am Arbeitsplatz" nicht begründen. Ein darüber hinaus reichender Schutz des Forderungsrechts vor Einwirkungen auf den Leistungsgegenstand ist jedenfalls abzulehnen. Insoweit hat Larenz zu Recht darauf hingewiesen: "Einen Rechtssatz des Inhalts, daß der Gläubiger vermöge seines Forderungsrechts von Dritten verlangen könne, Einwirkungen auf den Leistungsgegenstand oder auf den Schuldner zu unterlassen, die diesen
791
Canaris, Schuldrecht H/2, § 76 n 4 g (S. 397 ff.) und vertieft in FS Steffen, S. 85 ff. jeweils m.N. zum Streitstand. 792
Medicus, FS Steffen, S. 333 ff. m.w.N. zum Meinungsstand.
793
Larenz, Schuldrecht n 1 2 , § 72 I a (S. 604 f.).
§ 5 "Jedermannsschutz" der Nebenparteien
227
an der Erfüllung der Forderung hindern, ist nicht nachweisbar." Es fehlt m.a.W. - insoweit794 - die Ausschlußfunktion, die für die Anerkennung als sonstiges Recht essentiell ist. Scheitert die Annahme eines "sonstigen Rechts" am Arbeitsplatz bereits an der Ausschlußfunktion, so können auch die übrigen Argumente daran nichts ändern; sie überzeugen zudem nicht. So erscheint schon die sozialtypische Offenkundigkeit des Arbeitsplatzes fraglich, 795 zumal wenn man in Betracht zieht, daß Arbeitsplätze zunehmend von Maschinen ausgefüllt werden, als Telearbeitsplätze ausgelagert sind oder als Dienstleistungsarbeitsplätze keine oder doch nur eine geringe "Verkörperung" aufweisen.796 Auch der Zuweisungsgehalt der Berechtigung aus dem Arbeitsvertrag ist zu verneinen, zumindest aber auf die Forderungszuständigkeit zu beschränken. Denn es wird dem Arbeitnehmer ein bestimmter Arbeitsplatz oder eine bestimmte Tätigkeit nicht ausschließlich zugewiesen.797 Daran ändert auch der Bestandsschutz nichts, da die Beschränkung des Lösungsrechts keine eigentumsgleiche Zuweisung begründet.798 Schließlich verheißt auch die Gleichstellung mit dem "Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb" noch nichts. Sie erfordert zunächst den Nachweis, daß es sich bei diesem um ein "sonstiges Recht" handelt, was zunehmend in Frage gestellt wird. 799 Deutlich wird der Mangel im übrigen, wenn für den Arbeitsplatz geltend gemacht wird, das "subjektive Recht auf freie wirtschaftliche Betätigimg" solle geschützt werden. Denn damit ist eindeutig der Schutzbereich des § 823 Abs. 1 BGB verlassen,
794
Für die "Forderungszuständigkeit" hat Canaris, FS Steffen, S. 90, näher ausgeführt, daß es auch einen negatorischen Anspruch, also einen Anspruch auf Unterlassung unberechtigter Verfügung gebe; zudem stehe dem Gläubiger gegenüber unberechtigten Zugriffen auch die Drittwiderspruchsklage nach § 771 ZPO zu. 795 Grundsätzlich ablehnend Ebert, Recht am Arbeitsplatz, S. 126 ff., der zudem auf Friktionen hinweist, die sich aus der alleinigen Maßgabe der sozialtypischen Offenkundigkeit ergäben. 796
Für den Schutz der Forderungszuständigkeit hat Canaris, FS Steffen, S. 93 ff., freilich angenommen, es sei die sozialtypische Offenkundigkeit im Wege der teleologischen Reduktion entbehrlich, da die Körperlichkeit bei einer Verletzung durch Rechtsakt als Warnfunktion naturgemäß versagen müsse. 797
Ebenso Zöllner,
798
Zöllner, FS BAG, S. 745, 747 f.; Zöllner/Loritz,
799
Zur Kritik statt aller Larenz/Canaris,
FS BAG, S. 745, 747 f. § 14 I (S. 161 f.).
Schuldrecht II/2, § 81 II (S. 544 ff.).
1. Teil: Unmittelbare Rechtsbeziehungen
228
stellt doch die wirtschaftliche Betätigungsfreiheit nur einen Anwendungsfall der deliktisch nicht bewehrten allgemeinen Handlungsfreiheit dar. 800
IV. Allgemeines Persönlichkeitsrecht Neben dem Schutz nach § 824 BGB - der wegen des Unwahrheitsnachweises wenig tragfähig ist801 - ist das allgemeine Persönlichkeitsrecht, das als sonstiges Recht anerkannt ist, von praktischer Bedeutung für den Schutz vor Belästigungen.802 Das kann sich im Mietverhältnis aktualisieren, vor allem aber im Arbeitsrecht. Im Tatbestand des Persönlichkeitsrechts hat auch der Schutz vor geschlechtsbezogenen Herabsetzungen Platz. Es wird hier der Ehrschutz einerseits und der Schutz der sexuellen Selbstbestimmung der Frau (§ 825 BGB) andererseits ergänzt.803 Die informationelle Selbstbestimmung ist als Persönlichkeitsäußerung ebenfalls geschützt. Eine Persönlichkeitsrechtsverletzung kann etwa der Mieter beklagen, der von seinem Nachbarn beleidigt wird. 804 Wird ein Mieter mittels Abhörgerät von seinem Nachbarn belauscht oder beim Sonnenbaden auf dem Balkon photographiert, so verletzt dies sein Persönlichkeitsrecht.805 Unter dem Aspekt der informationellen Selbstbestimmung ist auch die Weitergabe persönlicher Daten durch einen Personalmitarbeiter zu beurteilen. Insoweit kommt sogar eine Rechtswidrigkeitsindikation in Betracht, da die Information dem Täter anvertraut war. 806 Anders verhält es sich aber, wenn die fraglichen Tatsachen dem Täter nur aufgrund der (tätigkeitsbedingten) tatsächlichen Nähebeziehung offenbar wurden. Hier kommt es weiterhin auf die positive Feststellung der Rechtswidrigkeit an.
800 Zur Ausnahme der Handlungsfreiheit vom Deliktsschutz Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 76 II 2 a (S. 385 f.); zur Ablehnung eines "sonstigen Rechts" am Gewerbebetrieb aus ebendiesem Grunde dies., a.a.O. § 81 II 1 (S. 544 f.). 801
Ein Beispiel für diese Hürde bietet die Entscheidung des LAG Hamm, LAGE Nr. 1 zu § 823
BGB. 802
Larenz/Canaris,
Schuldrecht II/2, § 80 II 7 (S. 516 f.).
803
Larenz/Canaris,
Schuldrecht II/2, § 80 II 2 (S. 500 ff.).
804
KG, NJW-RR 1988, 586 (Wohnungseigentümer).
805
Larenz/Canaris,
Schuldrecht II/2, § 80 II 4 (S. 503 ff.).
806
Larenz/Canaris,
Schuldrecht II/2, § 80 II 5 (S. 508 ff.).
§ 5 "Jedermannsschutz" der Nebenparteien
229
V. Schutzgesetzverletzung 1. Beschäftigtenschutzgesetz Das Beschäftigtenschutzgesetz kommt als Schutzgesetz in Betracht, da es erstens Gesetz ist, zweitens dem Individualschutz dient und drittens der Schutz vor sexueller Belästigung und der Schutz der Würde der Arbeitnehmer eine systemgerechte Erweiterung des Persönlichkeitsrechts darstellen kann.807 Es ist gleichwohl kein Schutzgesetz i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB. Denn das erkennbare Ziel des Gesetzes ist, den von ihm gewährten Schutz auf den Bereich vertraglicher Lösung zu beschränken. Das zeigt sich schon darin, daß der Gesetzgeber mit keinem Wort die sexuelle Belästigung verboten, sondern nur das Selbstverständliche festgeschrieben hat: Daß die sexuelle Belästigimg eine Vertragsverletzung darstellt (§ 2 BeschäftigtenschutzG). Der "Tatbestand" der sexuellen Belästigung ist eine bloße Definitionsnorm (§ 2 Abs. 2 BeschäftigtenschutzG). Die Rechtsfolgen beschränken sich auf das vertragsrechtliche Repertoire: Die Schutz- und Sanktionspflichtendes Arbeitgebers (§§ 2 Abs. 1, 4 Abs. 1 BeschäftigtenschutzG) sowie das Beschwerde- und Zurückbehaltungsrecht des Arbeitnehmers (§§3,4 Abs. 2 BeschäftigtenschutzG). Zwar kommen nicht bloß strafbewehrte Verbote als Schutzgesetze in Betracht. Hier aber ist der Gesetzgeber hinter der Strafbewehrung noch weit zurückgeblieben und hat zum Ausdruck gebracht, daß die Konfliktlage gerade nur vertragsrechtlich ausgetragen werden soll. Ausweislich der Normierung soll es nicht einmal darauf ankommen, ob der vertragsrechtliche Schutz auch ausreicht.808 Der Gesetzgeber wollte die Problematik sexueller Belästigung auf den Vertragsbereich verweisen und es für den Deliktsschutz bei den Regelungen in § 825 BGB, § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 174 ff. StGB und § 823 Abs. 1 BGB (Allgemeines Persönlichkeitsrecht) belassen. Ist die sexuelle Belästigung nach dem Beschäftigtenschutzgesetz nicht die Verletzung eines gesetzlichen Verbots, sondern lediglich gesetzlich konstatierte Vertragsverletzung, so kommt ein Deliktsschutz nach § 823 Abs. 2 BGB nicht in Betracht. Der über das BeschäftigtenschutzG i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB begründete Schutz würde im übrigen auch nicht weiter reichen als der "allgemeine"
807 Zur Bestimmung des Schutzgesetzcharakters Canaris, FS Larenz, S. 45 ff.; Larenz/Canaris, Schuldrecht n/2, § 77 II (S. 433 ff.). 808
Die ausreichende gesellschaftsrechdiche Absicherung der Gläubiger fand der BGH entscheidend für die Ablehnung des Schutzgesetzcharakters von §§ 30 GmbHG, 57 AktG; BGHZ 110, 342, 359 f.; kritisch Larenz/Canaris, Schuldrecht n/2, § 77 H 4 b (S. 437).
1. Teil: Unmittelbare Rechtsbeziehungen
230
Deliktsschutz. Er hätte allein den Vorteil der tatbestandlichen Fassung (§ 2 Abs. 2 BeschäftigtenschutzG) für sich.
2. Besitzschutz Auch die Vorschriften der §§ 858 ff. BGB sind Schutzgesetze, die sich zugunsten des Mieters auswirken können.809 Der aus §§ 823 Abs. 2, 858 ff. BGB begründete Besitzschutz reicht tatbestandlich weiter als jener aus § 823 Abs. 1 BGB - sonstiges Recht, da es hier auf ein Recht zum Besitz nicht ankommt.810 In beiden Fällen begrenzen indes die §§ 858 ff. BGB den Schutzbereich.811
5. Arbeitsschutznornem Auch Arbeitsschutznormen kommen als Schutzgesetze in Betracht,812 das gilt vor allem für den Bereich des technischen Arbeitsschutzes.813 Diese Vorschriften wenden sich zudem nicht ausschließlich an den Arbeitgeber, sie verpflichten zum Teil auch die einzelnen Arbeitnehmer814 und intendieren den Schutz der Arbeitskollegen. Außerhalb des Haftungsausschlusses von § 637 RVO können sich auf diese Weise Ansprüche unter Arbeitskollegen aus § 823 Abs. 2 BGB ergeben. Die Einzelheiten sind hier nicht darzustellen.815
809 BGHZ 114, 305, 313 f.; Larenz/Canaris, Schuldrecht U/2, § 77 HI 1 c (S. 440); a.M. v. Caemmerer, Wandlungen, S. 83; Medicus, AcP 165 (1965), 115, bes. 118 f.; 137. 810
LarenzJCanaris
8,1
S.o. A l l e .
t
Schuldrecht n/2, § 75 III 2 (S. 440 f.).
812
Sie dienen ferner dazu, die Verkehrssicherungspflichten (§ 823 Abs. 1 BGB) zu konkretisieren; MünchArbR-Wlotzke, § 202 Rn. 15 ff.; Hanau, FS Wlotzke, S. 42 f. 813 Wlotzke, FS Hüger/Stumpf, S. 732 ff.; MünchArbR-Wfoizfc?, § 202 Rn. 6, 28; zu Unfallverhütungsvorschriften als Schutzgesetze MünchArbR-Wlotzke, § 200 Rn. 34. 814
Nipperdey,
815
Näher MünchArbR-Wtofcte, § 202 Rn. 40 m.w.N.
Festgabe Reichsgericht, S. 226 ff.
§ 5 "Jedermannsschutz" der Nebenparteien
231
4. Lärmschutzverordnung Auch Lärmschutzverordnungen, wie sie von den Ländern teilweise erlassen wurden,816 kommen als Schutzgesetze in Betracht. Auf die Verletzung der Vorschriften über das Abspielen von Tonbändern in § 4 der Berliner LärmVO i.V.m. §§ 823 Abs. 2, 1004 BGB konnte daher ein Mieter sein Unterlassungsbegehren gegenüber dem Nachbarn stützen.817
VI. Zur Konkurrenz von Ansprüchen aus Drittschutz und gesetzlichen Ansprüchen Das weite Feld des Einflusses der Vertragsordnung auf die gesetzliche Haftung kann hier nicht abgesteckt werden.818 An dieser Stelle ist lediglich darauf hinzuweisen, daß vertragliche Haftungsprivilegien ihrem Zweck nach auch Geltung im Bereich der gesetzlichen Haftung beanspruchen können. Das kann vor allem im Arbeitskollegenverhältnis praktisch werden. Denn die über den Drittschutz begründeten Ansprüche in ihrem Verhältnis untereinander unterliegen aufgrund des Teilhabecharakters gleichermaßen dem arbeitsrechtlichen Haftungsprivileg (herkömmlich sog. "schadensgeneigte Arbeit"). Sperrt daher dieses Haftungsprivileg einen Anspruch aus Schutzwirkung wegen eines leicht fahrlässig verursachten Sachschadens, so kann dieser Anspruch auch über die Deliktshaftung nicht durchdringen.
816
Siehe z.B. die Berliner Verordnung zur Bekämpfung des Lärms v. 14.6.1984, GVB1. S. 862, geändert durch VO v. 21.6.1994, GVB1. S. 183. § 1 LärmVO bestimmt die Nachtruhe, § 4 LärmVO enthält Regeln über das Abspielen von Tonbändern und Musizieren. 817
LG Berlin, MM 1991, 329 f.
818
Dazu Schlechtriem,
Vertragsordnung und außervertragliche Haftung (1972).
Zweiter
Teil
Mittelbare Rechtsbeziehungen zwischen Nebenparteien In diesem Teil der Arbeit wird der Frage nachgegangen, welche Vertragsrechte im Hinblick auf die Nebenpartei bestehen. Auch insoweit kommen wieder verschiedene Dimensionen in Betracht: Einerseits ist an die Ordnung des Nebenparteienverhältnisses zu denken, vor allem in Form der Haus- oder Betriebsordnung; andererseits an den Ausgleich der widerstreitenden Interessen, vor allem den Schutz vor Störungen. Die Untersuchung beschränkt sich darauf, in Ergänzung zu den Ausgleichslösungen, die im ersten Teil der Arbeit gefunden wurden, Aspekte des Anspruchs auf Störungsschutz zu untersuchen: In welchem Umfang können die Nebenparteien von ihrem Vertragspartner Schutz verlangen? Die Bezeichnung dieser Frage als "mittelbare Rechtsbeziehungen" stellt freilich eine Verkürzung dar, weil nicht alle Vertragsrechte im Hinblick auf die Nebenpartei auch eine Beziehung zur Nebenpartei eröffnen. Erbittet etwa ein Mieter Schutz wegen Lärmeinwirkungen, so kann der Vermieter darauf reagieren, indem er die Mieträume des Beschwerdeführers isoliert und somit, ohne daß die störende Nebenpartei davon berührt würde. Die Darstellung beschreibt zunächst die Schutzpflicht des Vertragspartners und ihre Ausgestaltung (§ 6). Anschließend wird untersucht, inwieweit der Vertragspartner Störungen durch die Nebenpartei nach § 278 BGB zu vertreten hat (§ 7). Damit ist freilich der Kreis der Rechtsbehelfe, die einem gestörten Mieter oder Arbeitnehmer zu Gebote stehen, nicht erschöpft. Hinzutreten vor allem Zurückbehaltüngsrechte sowie das Minderungsrecht des Mieters. Das Verhältnis der Nebenparteien begründet indes für diese Behelfe nur wenige Besonderheiten, so daß hier auf eine nähere Untersuchung verzichtet werden kann.
§ 6 Die Schutzpflicht des Vertragspartners Die Schutzpflicht des Vertragspartners ist Bestandteil seines vertraglichen Pflichtenprogramms. Vorliegend sollen nicht sämtliche Aspekte der Vertragsdurchführung und der Durchsetzung der Schutzpflicht dargestellt werden, sondern, neben einigen Grundfragen, die für die Nebenparteien besonders aktuellen Aspekte. Im Anschluß an die Untersuchung der Grundlagen der
§ 6 Die Schutzpflicht des Vertragspartners
233
Schutzpflicht (I) wird der Frage nachgegangen, auf welchem Wege diese nur durch ihren Erfolg bestimmte Pflicht im Einzelfall konkretisiert werden kann (II). Sodann geht es um mögliche Inhalte der Schutzpflicht (III): Neben der allgemeinen Bestimmung ist praktisch von einigem Gewicht, ob der Vertragspartner verpflichtet ist, Störungssachverhalte aufzuklären, und inwieweit die betroffenen Nebenparteien dabei mitzuwirken haben, sowie die Frage, ob der Vertragspartner berechtigt und verpflichtet ist, sich vermittelnd einzuschalten, und inwieweit die Nebenparteien an einem Schlichtungsversuch aussöhnungsbereit teilzunehmen haben. Schließlich ist auch im Verhältnis zu dem Vertragspartner zu untersuchen, welche Auswirkungen es für die Rechtsstellung der Nebenparteien hat, daß er beiden von ihnen - u.U. in inkompatibler Weise verpflichtet ist (IV).
I. Begründung, Rechtsnatur, Erfüllungspflicht und Klagbarkeit 7. Mietverhältnis a) Die Schutzpflicht des Vermieters gegenüber dem Mieter zur Abwendung von Störungen folgt aus §§ 535, 536 BGB, wonach er den ungestörten Gebrauch zu überlassen und zu erhalten verpflichtet ist.1 Die Gebrauchsgewährung und -erhaltung ist eine vertragliche Hauptpflicht. Da auch Störungen seitens der Mitmieter den Gebrauch beeinträchtigen, ist die diesbezügliche Schutzpflicht nur ein Anwendungsfall der vertraglichen Hauptpflicht.2 Daneben kommen auch andere Schutzpflichten in Betracht, die nicht schon aus §§ 535 f. BGB fließen. Beispielsweise ist der Vermieter gegenüber dem Mieter nach § 242 BGB zu "Schutzgewährung" verpflichtet, wenn er ihn wegen Vertragsangelegenheiten in seine Wohnung bestellt. Im Verhältnis zwischen Mietern aktualisiert sich aber in aller Regel die erstgenannte Schutzpflicht, die aus der Gebrauchserhaltungspflicht fließt. Das liegt darin begründet, daß die Pflicht, ungestörten Gebrauch zu gewähren, nach h.M. sehr weit reicht, mit der Folge, daß die Schutzpflicht weithin darin aufgeht.3 So beeinträchtigt es schon den ungestörten Gebrauch, wenn der Mieter beim Zugang
1
Staudinger-Emmerich, §§ 535, 536 Rn. 45 ff.; Münchener Kommentar-Voelskow, Rn. 76; RGRK-Gelhaar, § 535 Rn. 44; LG Köln, WuM 1990, 385, 386.
§§ 535, 536
2 Palandt-Putzo, § 535 Rn. 19, 21. Anders anscheinend Lorenz, Schuldrecht II/l, § 48 II a (S. 219), der ohne nähere Begründung von einer Nebenpflicht spricht; unklar Münchener Kommentar- Voelskow, §§ 535, 536 Rn. 76, der die Pflicht zum Schutz vor Störungen als Erhaltungspflicht bezeichnet, sich aber auf Larenz beruft. 3
Staudinger-Emmerich,
§§ 535, 536 Rn. 151.
234
. Teil:
ittelbare Rechtsbeziehungen
zum Haus von einem Handwerker des Vermieters oder von dem Mietnachbarn verletzt wird. b) Die h.M. bejaht ganz selbstverständlich, daß den Vermieter auch eine Erfüllungspflicht zur Gebrauchserhaltung trifft. 4 Teilweise wird aber einschränkend dafür gehalten, es könne jedenfalls die Schutzpflicht nicht eine Verpflichtung begründen, einem störenden Mitmieter nach § 554a BGB zu kündigen, weil es dem Vermieter unzumutbar sei, das damit einhergehende Risiko zu tragen.5 Paschke scheint demgegenüber anzunehmen, Störungsschutz sei nicht als Pflicht geschuldet, ihn zu leisten, sei nur eine Obliegenheit des Vermieters.6 Jedenfalls lehnt er einen "klagbaren Erfüllungsanspruch auf Störungsabwehr" ab; Gebrauchsbeeinträchtigungen könne nur mit Minderung oder Schadensersatz begegnet werden.7 Der Vermieter ist indes zur Gebrauchsgewährung und -erhaltung verpflichtet, für sie zu sorgen ist nicht nur eine Obliegenheit. Das zeigt schon das Gesetz: Deutlicher als mit den Worten "Der Vermieter ist verpflichtet" und "Der Vermieter hat .. zu" kann eine Pflicht nicht beschrieben werden. Dem entspricht es auch, wenn § 538 Abs. 1 Fall 3 BGB davon ausgeht, es könne der Vermieter mit der Mangelbeseitigung in Verzug kommen.8 Nicht täuschen darf die Tatsache, daß der Verkäufer trotz ähnlich formulierter Mängelhaftung nicht zur Herstellung verpflichtet ist. Denn das stellt eine Ausnahmeregelung dar, für die es im Mietrecht keine Entsprechung gibt.9
4 BGH, LM Nrn. 2 und 8 zu § 536 BGB; NJW 1987, 831, 833; LG Offenburg, DWW 1990, 273; Münchener Kommentar-Voelskow, §§ 535, 536 Rn. 40, 76; Staudinger-Emmerich, §§ 535, 536 Rn. 32, 45. 5
RGRK-Gelhaar,
§ 535 Rn. 44.
6
Paschke, Wohnraummiete, S. 80 Fn. 182, hält nämlich jenen, die einen Anspruch auf Erfüllung annehmen, entgegen, sie verkennten den Unterschied zwischen Obliegenheiten und Pflichten. 7
Paschke, Wohnraummiete, S. 80. Die Autoritäten, die Paschke beruft, tragen ihn freilich nicht stets: Zur Position Gelhaars vgl. soeben im Text (bei Fn. 5) und die Stellungnahme unten, II 2 c bb; Wüst, Interessengemeinschaft, S. 123 f., macht nur soziologische Ausführungen; der Hinweis auf Larenz, Allgemeiner Teil, § 12 Fn.17 geht fehl, soweit § 12 n d (S. 205 f.) gemeint ist, findet sich dort nur die allgemeine Abgrenzung zwischen Obliegenheit und Pflicht. Der Vorwurf mangelnder "Reflexion der Unterscheidung von klagbaren Erfüllungsansprüchen und sog. rechdichen Gebundenheiten" (a.a.O. Fn. 182 a.E.) fällt auf Paschke selbst zurück, der eine Auseinandersetzung mit § 536 BGB vermissen läßt. 8
Vgl. auch das argumentative Vorgehen von BGH, LM Nr. 8 zu § 536 BGB, wo erst die Vermieterpflicht zur Störungsbeseitigung festgestellt wird, dann die Folgerung gezogen, also stelle die Nichtbeseitigung einen Mangel dar.
§ 6 Die Schutzpflicht des Vertragspartners
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Gibt es mithin eine Erfüllungspflicht, so ist sie selbstverständlich auch klagbar. Der Einwand, es könne dem Vermieter wegen des Prozeßrisikos nicht zugemutet werden, zwecks Störungsbeseitigung dem Störer zu kündigen, betrifft nicht die Herstellungspflicht im allgemeinen, sondern deren Ausgestaltung und Grenzen. Darauf ist unten (II 2 c bb) zurückzukommen.
2. Arbeitsverhältnis a) Auch den Arbeitgeber trifft die Pflicht, die Arbeitnehmer vor Eingriffen Dritter und besonders vor Eingriffen der Arbeitskollegen zu schützen.10 Die Schutzpflicht des Arbeitgebers ist Ausfluß seiner Fürsorgepflicht, die in § 618 BGB verankert ist. Die Fürsorgepflicht ist eine Nebenpflicht.11 Denn es verspricht der Arbeitgeber nicht hauptsächlich einen störungsfreien Arbeitsplatz, so wie der Vermieter eine störungsfreie Mietwohnung verspricht. Hauptsache im Arbeitsverhältnis sind Arbeit und Lohn. b) Die Tatsache, daß es sich um eine Nebenpflicht handelt, bedeutet nicht, daß sie nicht zu erfüllen wäre, und auch nicht, daß sie nicht klagbar sei. Die Klagbarkeit von Nebenpflichten wurde bereits oben begründet.12 Hier ist nur darauf hinzuweisen, daß der Einwand, es seien Nebenpflichten regelmäßig zu wenig konkretisiert, um dem Gläubiger einen Erfüllungsanspruch zuzugeben, im Dauerschuldverhältnis keine Rolle spielt, soweit es um wiederkehrende Gefahrensituationen geht. Speziell hinsichtlich der Fürsorgepflicht des § 618 BGB zur Beachtung von Arbeitsschutzbestimmungen13 wird gegen den Erfüllungsanspruch aber eingewandt, dieser sei einerseits nicht erforderlich, weil der Arbeitnehmer sich schon durch Zurückhaltung seiner Arbeitsleistung schützen könne (§ 273
9
Siehe nur Medicus, Schuldrecht II, § 88 III 1 (S. 96 f., Rn. 192); Staudinger-Emmerich, §§ 535, 536 Rn. 32. 10 MiinchAibR-Blomeyer, § 95 Rn. 26 f.; ders., ZfA 1972, 85, 104 ff.; Zöllner/Loritz, § 16 I 2 (S. 183); Möllers, JZ 1996, 1050, 1053 f. Blomeyer zieht allerdings die Grenzen enger als hier, ausgehend von der Annahme, der Arbeitnehmer habe nur solche Störungen zu unterlassen, die auf den Betriebsfrieden durchschlagen. 11
Zöllner/Loritz,
§ 16 vor I (S. 182) und I (S. 183 ff.).
12
§ 4 B H 3 c. Dazu nochmals Münchener Kommentar-Gramer, § 241 Rn. 17, der namendich die Klagbarkeit der Fürsorgepflicht aus § 618 bejaht. 13
Dazu grundlegend Nipperdey, Festgabe Reichsgericht, S. 203 ff. Zur.Entwicklung, siehe vor allem Wlotzke, FS Hüger/Stumpf, S. 723 ff., und kürzlich Hanau, FS Wlotzke, S. 37 ff.
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BGB),14 ferner sei der individuelle Rechtsstreit nicht das geeignete Verfahren, um kollektive Ansprüche durchzusetzen.15 Das überzeugt nicht. Denn erstens läßt die Verweisung auf das Leistungsverweigerungsrecht das auch verfassungsrechtlich begründete Beschäftigungsinteresse des Arbeitnehmers außer acht. Zweitens handelt es sich beim Arbeitsschutz nicht ausschließlich um "kollektivbedeutsame Maßnahmen", sondern durchaus um individualschützende;16 das zeigt schon die Anwendbarkeit des Zurückbehaltungsrechts, die auch die Gegenmeinung zugibt. Ist mithin gerade im Arbeitsrecht ein Anspruch auf Erfüllung von Nebenpflichten anzuerkennen, so stellt sich im Anschluß an die vorstehende Erörterung doch die Frage, ob dieser nicht nur dann zuzugeben ist, wenn auch ein Beschäftigungsanspruch besteht, oder nur dann, wenn der Arbeitnehmer tatsächlich beschäftigt wird. 17 Damit ist eine richtige Sachfrage angesprochen, die jedoch weder mit der Erfüllungspflicht noch mit der Klagbarkeit zu tun hat. Denn es betrifft schon das Bestehen einer Schutzpflicht selbst, ob dem Prätendenten tatsächlich eine Gefahr droht. Der Grund dafür ist, daß die Schutzpflicht situationsbezogen ist.18 Daher hat der Arbeitnehmer keinen Schutzanspruch, daß Geräte, mit welchen er nicht in Berührung kommt, arbeitssicher gehalten werden. Ebensowenig kann er die Sicherheit für Zeiten seiner Abwesenheit verlangen.19
14
Köhler, AcP 190 (1990), 469, 511; (Zöllner)/Loritz, Arbeitsrecht, § 29 II 2 (S. 307); anders wohl für die Schutzpflicht allgemein Zöllner/(Loritz), § 16 I 1 a.E. (S. 183). 15
Zöllner/Loritz,
Arbeitsrecht, § 29 II 2 (S. 307).
16
Darin liegt doch gerade der Grundgedanke der Übertragung von Arbeitschutzregeln auf das Arbeits vertragsrecht! Richtig ist freilich, daß Arbeitsschutznormen nach h.A. nur dann über § 618 BGB in das Vertragsrecht einfließen, wenn sie Individualnormen enthalten, nicht aber, wenn sie ausschließlich Organisations- oder Ordnungsnormen enthalten oder etwa Betriebseinrichtungen betreffen; Nipperdey, Festgabe Reichsgericht, S. 219 ff.; Hueck/Fikentscher, Arbeitsschutz 1957, 65 f.; Hueck/Nipperdey, Lehrbuch I, § 48 III 2 (S. 409 ff.). 17
Wlotzke,
FS Hilger/Stumpf, S. 745; Staudinger-Oetker,
§ 618 Rn. 14.
18
Deswegen geht auch die Gegenauffassung von MünchArbR-Wlotzke, § 202 Rn. 19, fehl. Er begründet, die Arbeitssicherheits- und Unfallverhütungsvorschriften würden ohne den Vorbehalt einer aktuellen Gefahr oder eines Beschäftigungsanspruchs Inhalt der Fürsorgepflicht. Das trifft zu, ändert aber nichts daran, daß die Fürsorgepflicht ihrerseits aufgrund der Situationsbezogenheit diese weiteren Voraussetzungen verlangt. Die Inkorporation der Arbeitssicherheitsvorschriften in das Vertragsrecht hat zur Folge, daß dessen Regeln nunmehr regieren. 19
Eine andere Grenze der Schutzpflicht zeigt ein Beschluß des BAG, MDR 1995, 1146, auf: Auf der Heimfahrt gerieten sich zwei verschwägerte Arbeitskollegen in die Haare, weil einer den anderen gehindert hatte zu überholen. Dieser Streit war nicht "arbeitsrechdich" i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 9 ArbGG; er lag aber auch außerhalb des sachlichen Schutzbereichs der Fürsorgepflicht.
§ 6 Die Schutzpflicht des Vertragspartners
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Der Anspruch auf Gewährung von Schutz vor Beeinträchtigungen durch Kollegen ist mithin primär auf Erfüllung gerichtet, sekundär, bei schuldhafter Verletzung, auf Schadensersatz. Auch der Erfüllungsanspruch ist klagbar.20
II. Konkretisierung des Anspruchs Gibt man einem Mieter oder einem Arbeitnehmer einen Anspruch auf "Schutz", so ist damit nur der erstrebte Erfolg bezeichnet, nicht aber, wie er zu erreichen sei. Auch wenn eine Störung eingetreten ist, kommen zumeist mehrere Wege in Betracht, auf denen Schutz erreicht werden kann. Dann ist es für den betroffenen Mieter oder Arbeitnehmer von Interesse, ob die Schutzpflicht inhaltlich konkretisiert werden kann. Denn eine Konkretisierung erleichtert sowohl die Durchsetzung als auch die Kontrolle. Ein unbestimmter Antrag auf Gewährung von "Schutz" vor näher bestimmten Störungen ist zwar nach h.M. nicht schon wegen Unbestimmtheit (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) unzulässig.21 Doch hat er ein langwieriges Verfahren zur Folge, da die Bestimmung dann erst im Zwangsvollstreckungsverfahren überprüft wird (§ 888 ZPO). Eine Konkretisierung wäre dann gewährleistet, wenn die Schutzpflichtbestimmung dem Vertragspartner gem. § 315 BGB nach Ermessen obläge.22
20 Hueck/Nipperdey, Lehrbuch I, § 48 II 5 (S. 396 ff.); MünchArbR-Blomeyer, § 94 Rn. 21; Wlotzke, FS Hilger/Stumpf, S. 732, 744 und ders. in MünchArbR § 202 Rn. 19; Erfüllungsanspruch neben § 273 BGB: Löwisch, DB 1979, Beil. 1, S. 12; ders., DB 1987, 936, 938. LAG München, LAGE Nr. 4, 5 zu § 618 BGB. 21
Das Bestimmtheitsgebot des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zwingt nach h.M. nur in Grenzen zu einer Konkretisierung. So wird etwa ein allgemein gehaltener Beseitigungsantrag nach § 1004 BGB für zulässig gehalten; es sei nicht Sache des Gerichts, die Beseitigungsmittel vorzuschreiben; Schneider/Schneider, MDR1987,639; Münchener Kommentar-Med/cws, § 1004 Rn. 86; Staudinger-Gursky, § 1004 Rn. 216. Dem entspricht auch das Urteil des LAG Berlin, DB 1989, 935: Es hält zwar den Antrag, dem Kläger einen "tabakrauchfreien Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen" für unbestimmt, aber nur deshalb, weil "tabakrauchfrei" nicht erkennen lasse, wie weitgehend Tabakrauch ausgeschlossen sein soll. Auch LG Offenburg, DWW 1990, 273, 274, verlangt nur eine Präzisierung der Beanstandung, nicht der Abhilfe. 22 Die Schutzpflicht verstehen als Pflicht zum Vorgehen nach billigem Ermessen: LAG Hamm, LAGE Nr. 3 zu § 618 BGB; LAG München, LAGE Nrn. 4 und 5 zu § 618 BGB; Wotzke, FS Hilger/Stumpf, S. 732, 745; Mummenhoff, RdA 1976, 364, 374; Staudinger-Oetker, § 618 Rn. 168 sowie Rn. 113; RGKK-Schick, § 618 Rn, 171; Münchener Kommentar-Lorenz, § 618 Rn. 64; sämdichefreilich ohne Ausführungen zu § 315 BGB. Vgl. auch BGH, LM Nr. 18 zu § 823 (Ea) BGB zur deliktischen Verkehrssicherungspflicht und im Anschluß daran AG Neuss, NJW-RR 1989, 206, 207, zur Verkehrssicherungspflicht nach § 536 BGB: Ermessendes Vermieters.
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1. Schutzpflichtkonkretisierung
nach § 315 BGB
Die Anwendung von § 315 BGB setzt voraus, daß in einem Rechtsverhältnis ein Leistungsinhalt unbestimmt ist und von einem Teil bestimmt werden soll.23 Bei der Schutzpflicht ist die Unbestimmtheit und die Einräumung des Bestimmungsrechts zweifelhaft.
a) Unbestimmtheit Bestimmt ist die Schutzpflicht, wenn man auf den Erfolg abstellt. Doch ist eine nur durch ihr Ziel ausgezeichnete Pflicht stets insoweit unbestimmt, als mehrere Wege zu dessen Erreichung in Betracht kommen. So verhält es sich in vielen Fällen, vor allem bei Nebenpflichten und Nebenleistungspflichten: Denn diese dienen ja nur dazu, den durch die Hauptpflicht festgelegten Erfolg zu unterstützen. Beispiele für Pflichten, die hinsichtlich "des Weges" unbestimmt sind, hinsichtlich des Erfolges aber bestimmt, sind etwa die Leistungszeit (-stunde) oder andere Leistungsmodalitäten, wie z.B. die Verpackung. Nicht bei jeder nur erfolgsbestimmten Pflicht kommt hingegen die Anwendung von §§ 315 ff. BGB in Betracht. Denn zum einen genügt die Erfolgsbestimmtheit den Anforderungen an den Vertragsschluß, der mittels §§ 315 ff. BGB gesichert werden soll. Zum anderen paßt die Rechtsfolge des § 315 Abs. 3 BGB in vielen Fällen nicht: Denn nach dieser Vorschrift wird dem Berechtigten die Bestimmung aus der Hand genommen. Zu bedenken ist insoweit, daß statt dessen auch in Betracht kommt, den Berechtigten nur durch die Erzwingbarkeit der Bestimmung (in angemessener Frist) zu binden.24 Dann kann der andere Teil auf Bestimmung klagen und vollstrecken; - freilich ein umständlicheres Verfahren, das aber dem Berechtigten größere Freiheit läßt. Entsprechend diesen Gesichtspunkten kann zwischen zwei Kriterien unterschieden werden, nach denen bei einer erfolgsbestimmten Pflicht zu entscheiden ist, ob die Art und Weise der Herbeiführung nach § 315 BGB geschuldet ist. Zum ersten muß es den Parteien über die Fixierung durch den Erfolg hinaus auch auf die Art und Weise der Herbeiführung ankommen. Denn wenn es auf die Herbeiführung nicht ankommt, ist nach dem Parteiwillen gar nichts unbestimmt. Zweitens müssen sie eine Bindung - nicht notwendig die Bindung
23
Soergel-Wolf,
24
Larenz, Schuldrecht I, § 6 II a (S. 82).
§ 315 Rn. 8-16; Staudinger-Mader,
§ 315 Rn. 18 ff., 89 ff.
§ 6 Die Schutzpflicht des Vertragspartners
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an billiges Ermessen - gewollt haben.25 Denn wenn eine Bindung nicht gewollt ist, paßt die richterliche Kontrolle und Ersetzung nicht; dann käme nur die Herbeiführung der Bestimmung durch Verurteilung zur Handlung (Bestimmung) und Vollstreckung nach § 888 ZPO in Betracht. Praktisch laufen diese beiden Kriterien aber auf ein und dieselbe Frage zu: Kommt es den Parteien auf die Art und Weise der Herbeiführung des Erfolges an oder allein auf den Erfolg und seine Sicherung durch die Erfüllungs- und Ersatzpflicht? 26 Beispielhaft bewährt sich diese Formel an der Frage, ob die Art der Verpackung nach § 315 BGB zu bestimmen sei. In den meisten Fällen wird man das verneinen. Ein Fernseher ist ab Fabrik ausreichend verpackt, darauf kann man sich normalerweise verlassen. Sollten Transportschäden trotzdem auftreten, so reicht es aus, darauf mit einem Nachlieferungs-, Minderungs- oder Schadensersatzbegehren zu reagieren oder sich vom Vertrag zu lösen. Eine etwaige Verzögerung ist in aller Regel nur lästig, nicht essentiell. Will hingegen der Winzer seinen Wein in besonderen Flaschen verkaufen und kommt es ihm wegen seiner eigenen Verkaufsverpflichtungen und Kundenpflege auf die rechtzeitige, vollständige und unversehrte Lieferung an, so hat er nicht nur ein Interesse am Erfolg, sondern auch an der Art und Weise der Herbeiführung. Er will nicht nur "zufällig unversehrte" Flaschen. Denn es ist ihm nicht damit gedient, Nachlieferung, Minderung oder Schadensersatz geltend zu machen oder vom Vertrag zurückzutreten und sich anderweit einzudecken. Seine Kundenbeziehungen kann und will er nicht "liquidieren".27 In diesem Fall kommt es ihm auf die Art und Weise der Erfolgsherbeiführung an; sie bestimmt sich nach § 315 BGB.28
25 Ähnlich die Unterscheidung von Larenz, Schuldrecht I, § 6 II a (S. 82). Wohlgemerkt: In Rede steht hier nicht die Frage, inwieweit der Berechtigte bei seiner Bestimmung gebunden sei darum geht es in § 315 Abs. 1 BGB -, sondern darum, ob er gebunden ist. 26 Dahin ist wohl auch Soergel-Wolf, §315 Rn. 13,zu verstehen, wenn er formuliert, Voraussetzung für die Anwendbarkeit von § 315 BGB hinsichdich der Leistungsmodalitäten sei der Vorbehalt eines Leistungsbestimmungsrechts, mangels dessen anzunehmen sei, die Fesdegung stehe dem Schuldner frei. Auch die Feststellung von Larenz, Schuldrecht I, § 6 II a (S. 81 f.), läuft auf dasselbe hinaus, wenn sie auch nur eine Umschreibung der Frage stellt: Larenz möchte § 315 BGB auf "untergeordnete Leistungsmodalitäten" nicht anwenden. Mit Recht. Doch erfordert das die Bestimmung, welche Kriterien "nicht nur untergeordnet" sind. 27 Vgl. auch die Besprechung des Beispiels unter dem Gesichtspunkt des Erfüllungsanspruchs bei Nebenpflichten von Medicus, Bürgerliches Recht, Rn. 208. 28
Darüber sollte nicht täuschen, daß es unpraktisch wäre, hinsichdiche der Leistungsmodalitäten eine Erklärung zu fordern; so Larenz, Schuldrecht I, § 6 II a (S. 82). Die Erklärung kann nämlich auch konkludent erfolgen, praktisch vor allem durch die Leistung; Soergel-Wolf, § 315 Rn. 33. Damit erübrigt sich das Bestimmungsrecht keineswegs: Zwar entscheidet regelmäßig der Erfolg, so daß die unbillige Bestimmung letzdich keine Folgen zeitigt, wenn er eingetreten ist. Doch kann
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Wie verhält es sich mit den Schutzpflichten im Mietverhältnis und im Arbeitsverhältnis? Auch hier ergibt die nach den erkennbaren Interessen ausgelegte Vereinbarung, daß es dem Mieter und dem Arbeitnehmer nicht nur auf den Erfolg, sondern auch auf die Art seiner Herbeiführung ankommt. Denn in beiden Fällen ist die Schutzpflicht für die Erreichung des Vertragszwecks wesentlich. Selbstverständlich ist das bei der Raummiete der Fall. Denn hier ist der Schutz (mit-) entscheidend für die Erlangung der Hauptleistung: des ungestörten Gebrauchs. Auch dem Arbeitnehmer kommt es aber nicht nur darauf an, daß er effektiv geschützt wird vor Belästigungen und ihm letztendlich ein ordentlicher Arbeitsplatz zur Verfügung steht. Dem Arbeitnehmer ist nicht damit gedient, seine Leistung mangels Schutzerfolgs zurückzuhalten, weil er damit sein Beschäftigungsinteresse hintanstellen müßte. Das kommt etwa auch in § 618 BGB zum Ausdruck, wo auf die Handlung abgestellt wird und der Erfolg lediglich als eine Ziel- oder Zweckbestimmung erscheint. Dem Mieter und dem Arbeitnehmer kommt es mithin auch auf die Art und Weise der Schutzgewährung an; bei der Auswahl soll der Vermieter bzw. Arbeitgeber nicht frei sein, sondern gebunden.
b) Bestimmungsrecht eines Teils § 315 BGB setzt weiter voraus, daß einem Teil ein Bestimmungsrecht eingeräumt wurde. Eine ausdrückliche Übertragung fehlt. Doch kann sich das Bestimmungsrecht auch aus den Umständen und dem Zweck des Rechtsverhältnisses ergeben. Das Bestimmungsrecht hinsichtlich der Konkretisierung der Schutzpflichten ist dem Vermieter29 bzw. dem Arbeitgeber zugewiesen. Für den Fall der Störung durch die Nebenpartei tritt das klar zutage, da der Vertragspartner jeweils ein besonderes Interesse daran hat, selbst festzulegen, wie er mit den anderen (störenden) Mietern bzw. Arbeitnehmern umgeht. Denn die Reaktion auf deren Verhalten beeinflußt u.U. in erheblichem Maße den unternehmerischen Gestaltungsbereich des Arbeitgebers bzw. die wirtschaftliche Verwertungsmöglichkeit des Vermieters.30
z.B. der Käufer auch über die unversehrte Belieferung ein Interesse an der Verpackung haben, etwa weil er die Ware weiterversenden will. Fernerhin spielt die Bestimmung noch für künftige Teillieferungen eine Rolle. 29 30
Zum Auswahlvorrecht des Vermieters auch Schmid, WuM 1988, 343, 346.
Vgl. auch die Anerkennung der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit ("autonome Unternehmerentscheidung") und der wirtschaftlichen Verwertungsmöglichkeit (§ 564b Abs. 2 Nr. 3 BGB) im Kündigungsrecht.
§ 6 Die Schutzpflicht des Vertragspartners
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Das Auswahlvorrecht des Vermieters folgt auch aus §§ 538 Abs. 2, 547 BGB. Denn diese Vorschriften beschränken das Recht des Mieters, für Aufwendungen der Ersatzvornahme oder Verwendungen Ersatz zu verlangen. Dies geschieht im Interesse des Vermieters, die erforderlichen Arbeiten selbst kostengünstig und seinen Wünschen entsprechend - vorzunehmen.
c) Bestimmungsmaßstab Ist damit grundsätzlich die Anwendung von § 315 BGB eröffnet, so fragt sich doch, ob dessen Zweifelsregel zugunsten "billigen Ermessens" Geltung erlangen kann. Vorrangig ist ein gesetzlich vorgesehener oder vertraglich vereinbarter Maßstab, der etwa "freies Ermessen" zugibt. Wiederum entscheidet die Auslegung. Eine ausdrückliche Bindung an einen bestimmten Prüfungsmaßstab fehlt. Den Umständen ist auch keine geringere Bindung als das "billige Ermessen" zu entnehmen. Im Gegenteil kommt nach der bereits dargelegten Interessenlage eine geringere Bindung nicht in Betracht: Denn sonst würde das Äquivalenzinteresse des Mieters bzw. entweder das Persönlichkeits- oder das Beschäftigungsinteresse des Arbeitnehmers aufs Spiel gesetzt. Bei der Auswahl der Schutzinstrumente sind daher Vermieter und Arbeitgeber an den Maßstab des billigen Ermessens gebunden.
d) Harmonie mit dem arbeitgeberischen Direktionsrecht Die so begründete Bindung des Vertragspartners an die Schutzleistung nach billigem Ermessen fügt sich besonders im Arbeitsrecht harmonisch in das Vertragsgefüge ein. Denn der Arbeitgeber ist bei der Schutzbestimmung wie bei der Ausübung seines Direktionsrechts an denselben Maßstab gebunden. Das bewährt sich, wenn der Arbeitgeber zum Schutz eines Arbeitnehmers diesem oder dem Störer gegenüber Maßnahmen ergreift. Setzt er einen von den Streitbeteiligten um oder weist er ihm andere Aufgaben zu, so ist die Schutzmaßnahme als Schutz gegenüber dem Gestörten und als Direktion gegenüber Störer oder Gestörtem an demselben Maßstab zu messen. Damit kann es zu widerstreitenden Ergebnissen nicht kommen, - vorbehaltlich nur besonderer vertraglicher Vereinbarungen.31
31
Zur Kollision der Verpflichtungen des Vertragspartners gegenüber streitenden Nebenparteien näher unten, IV. 16 Riesenhuber
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2. Durchsetzungsverfahren a) Auswahlvorrecht des Vertragspartners Zunächst ist es Sache des Vertragspartners, Schutzmaßnahmen auszuwählen. Im Regelfall wird nach erfolgter Auswahl auch die Durchsetzung nicht scheitern. Hat der Vertragspartner eine (nach § 315 Abs. 3 S. 1 BGB verbindliche) Wahl getroffen, so ist diese Gestaltung bindend. Mit der Auswahl ist die Schutzpflicht konkretisiert. Von nun an kann der Vertragspartner mit der Leistung auch in Verzug kommen. Einklagen kann der gestörte Mieter oder Arbeitnehmer nur noch die gewählte Schutzleistung. Erst wenn sich herausstellt, daß der Schutz auf die gewählte Weise nicht zu erreichen ist, aktualisiert sich die Schutzpflicht wiederum. Es hat dann der Vertragspartner erneut zu wählen.
b) Herbeiführung und Kontrolle der Bestimmung Mit dem Bestimmungsrecht des Vertragspartners korrespondiert eine Bestimmungspflicht als Teil der Schutzpflicht. Die gestörte Nebenpartei kann gleichwohl die Bestimmung selbst nicht verlangen oder klageweise erstreben. Denn es fehlt ihr wegen der - spezifischeren - Möglichkeit, nach § 315 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 BGB vorzugehen, das Rechtsschutzbedürfhis.32 Diese Vorschrift erlaubt es dem Gläubiger, auf Leistung nach billigem Ermessen zu klagen, wobei die fehlende Bestimmung durch den Schuldners vom Gericht nachgeholt wird. Entsprechendes gilt auch dann, wenn die Bestimmung in unbilliger Weise getroffen wurde. Denn solche Bestimmung ist unverbindlich (§315 Abs. 3 S. 1 BGB), sie wird daher durch richterliche Gestaltung ersetzt.
c) Ermessenskontrolle aa) Kontrollumfang Wie weit die Ermessenskontrolle reicht, ist umstritten. Wohl herrschend ist die Ansicht, es werde lediglich das Ergebnis daraufhin überprüft, ob es den
32
Daß einer Pflicht ausnahmsweise ein Erfüllungsanspruch nicht zur Seite steht, da ein spezifischerer Rechtsschutz zu Gebote steht, ist nichts Besonderes, wie § 375 HGB ausweist (dazu Canaris, Handelsrecht, § 29 VI 3 [S. 422]). Hinsichdich der Klagbarkeit gilt Entsprechendes, stellt doch das Rechtsschutzbedürfhis eine allgemeine Sachurteilsvoraussetzung dar.
§ 6 Die Schutzpflicht des Vertragspartners
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Rahmen zulässiger Entscheidungen einhält.33 Nach anderer Auffassung sind demgegenüber auch der Entscheidungsvorgang und die Motive des Bestimmungsberechtigten zu überprüfen. 34 Danach wäre nicht allein entscheidend, ob ein billiges Ergebnis "getroffen" wurde, sondern auch, ob es aufgrund zutreffender Sachverhaltsermittlung und ohne Einstellung sachfremder Erwägungen zustandegekommen ist. Ein billiges Ergebnis könnte wegen solcher Mängel im Entscheidungsvorgang gleichwohl unverbindlich sein.35 Die Ermessenskontrolle entspräche jener des Verwaltungsrechts.36 Die Kontrolle des Ermessens beschränkt sich indes auf eine Überprüfung des Ergebnisses. Der Entscheidungsvorgang und die Motive des Bestimmungsberechtigten bleiben grundsätzlich außer Betracht. Denn eine Motivationskontrolle findet im Zivilrecht grundsätzlich nicht statt,37 nur ausnahmsweise ist sie als Sittenwidrigkeitsschranke vorgesehen, §§ 138, 226, 826 BGB.38 Entscheidend kommt es vor allem im Vertragsrecht nur auf Wille und Erklärung an, nicht aber darauf, wie dieser Wille zustandegekommen ist und auf welchen Motiven er beruht. Dem entspricht es, daß Motivfehler nur ausnahmsweise eine Anfechtung begründen (§ 119 Abs. 2 BGB). Eine Kontrolle des Ermessensvorgangs wäre zudem nur dann sinnvoll, wenn der Berechtigte dazu verpflichtet wäre, die seiner Bestimmung zugrundeliegenden Erwägungen offenzulegen. Das sieht jedoch das Gesetz nicht vor. 39 Auch
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Larenz, Schuldrecht I, § 6 II (S. 81); Münchener Kommentar -Gottwald, Staudinger-Mader, § 315 Rn. 62 ff.; Soergel-Wolf, § 315 Rn. 38 f.
§ 315 Rn. 15 ff.;
34 Rieble, Kontrolle, § 7 n (S. 111 ff.), der seine Meinung für § 315 BGB auf eine Analyse der Rechtsprechung stützt, darüber hinaus aber eine allgemeine Lehre der Abwägungsentscheidung und -fehler erarbeitet; a.a.O. § 8 (S. 152 ff.). 35 Der Streit ist keineswegs "akademisch". Die Verbindlichkeit der Entscheidung ist z.B. für die Fälligkeit von Bedeutung. Kontrolliert man auch Motivation und Entscheidungsvorgang, so kommt es in Betracht, daß eine Leistung nicht fällig ist, obgleich die Bestimmung im Ergebnis nicht zu beanstanden ist. 36
Dazu statt aller Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 7 Rn. 19 ff.; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, § 31 Rn. 44 ff. 37 Medicus, Allgemeiner Teil, Rn. 4, 172 ff.; Zöllner, AcP 188 (1988), 85, 95; Köndgen, AcP 184 (1984), 600, 602 ("Die jeweiligen Motivationen des Privatrechtssubjekts bleiben tabu ..") 38
Soweit Rieble, Kontrolle, § 7 I (S. 110), auf § 226 BGB und andere Vorschriften hinweist, wonach das Motiv berücksichtigt wird, ergibt sich daraus in der Tat nicht mehr, als daß "eine Motivationskontrolle dem Privatrecht nicht schlechthin fremd ist". 39
Ausnahmsweise bestimmen Sonderregelungen anderes, so z.B. § 564a Abs. 1 S. 2 BGB ("sollen"!); § 1 Abs. 3 S. 1 Hs. 2 KSchG; zu weiteren Ausnahmen Münchener KommentarGottwald, § 315 Rn. 21: Er führt zum Beispiel an, daß eine Erklärung erst durch ihre Begründung
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die Konsequenz einer Kontrolle des Ermessensvorgangs ist nicht zu teilen: Eine Bestimmung wäre dann schon - wegen Ermessensausfalls - unwirksam, wenn der Berechtigte die Gründe nicht angibt, die ihn bewogen haben;40 entsprechend läge es dann, wenn er die Bestimmung "über den Daumen" getroffen hätte: Jeweils käme es nicht darauf an, ob das Ergebnisrichtigist. Auch der Zweck der §§ 315 ff. BGB gebietet es nicht, den Entscheidungsvorgang und die Motive des Berechtigten zu kontrollieren. Die Ermessenskontrolle dient dazu, bei der einseitigen Bestimmung die Richtigkeitsgewähr herzustellen, die sonst der Vertrag leistet. Dazu reicht es aber aus, das Ergebnis zu überprüfen. Denn um das Ergebnis zu überprüfen, muß das Gericht seinerseits einen Entscheidungsrahmen bilden und so bestimmen, welche Erwägungen heranzuziehen sind, und überflüssige Gesichtspunkte ausscheiden. Somit erübrigt sich die Kontrolle des Heranziehungsüberhangs und -defizits. Die subjektiven Einstellungen des Berechtigten spielen hier - im Grundsatz ebensowenig eine Rolle wie bei der vertraglichen Regelung. Sie fallen erst dann ins Gewicht, wenn die Sittenwidrigkeitsgrenze erreicht ist oder andere besondere Vorschriften das erfordern.
bb) Überprüfungskriterien Die Bestimmung ist mithin daraufhin zu prüfen, ob sie den Rahmen billigen Ermessens im Ergebnis einhält. Regelmäßig werden verschiedene Bestimmungen in Frage kommen, ausnahmsweise auch eine einzige. Um den Rahmen möglicher Entscheidungen abzustecken, ist es erforderlich, die Kriterien für die Ermessensentscheidung zu bestimmen. Hängen diese auch vielfach vom Einzelfall ab, so lassen sich folgende allgemeine Maßstäbe benennen. Die Schutzmaßnahme muß mindestens zur Störungsbeseitigung geeignet sein. Geschuldet wird damit nicht das effektivste Mittel, aber doch immerhin ein solches, von dem eine zuverlässige Abhilfe zu erwarten ist. Zu berücksichtigen ist dabei etwa auch, ob die Maßnahme dem Gewicht der Störung und einer
verständlich wird, sowie den Fall, daß (innerhalb einer Sonderverbindung) der Gegner die Begründung zur Vermeidung unnötiger Prozeßrisiken beanspruchen kann (wobei diese Nebenpflicht nicht klagbar, sondern nur ersatzbewehrt sei); letzteres entspricht der zitierten Vorschrift des KSchG. 40
Es würde dem Berechtigten dann nicht einmal nutzen, Gründe aufzuzeigen, die ihn hätten bewegen können. Denn für die Kontrolle kommt es auf das aktuelle Geschehen an!
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Wiederholungsgefahr angemessen Rechnung trägt. Danach kann es beispielsweise erforderlich sein, mit einer Abmahnung zugleich die Androhung künftiger weiterer Sanktionen zu verbinden. Auf der anderen Seite darf der Vertragspartner auch seine Interessen zur Geltung bringen. Das heißt in erster Linie, daß er nicht gezwungen werden kann, besondersriskanteSchritte zu unternehmen. Hier hat das von Gelhaar vorgetragene Bedenken Berechtigung, es könne dem Vermieter nicht zugemutet werden, eine Kündigung auszusprechen:41 In der Tat kommt nur in Fällen besonders schwerer Störungen in Betracht, dem Vermieter aufzugeben, dem Störer die Kündigung auszusprechen. Generell ausgeschlossen ist das aber nicht. Dringt ein Mieter mit Waffengewalt in die Wohnung des Nachbarn ein, so ist die Kündigimg nicht nur im Interesse des Nachbarn geboten, sondern dem Vermieter auch zuzumuten.42 Nicht nur riskante Schritte liegen jenseits der Zumutbarkeitsgrenze. Darüber hinaus ist im Rahmen der Ermessensentscheidung auch der unternehmerischen Gestaltung oder der Verwertung durch den Eigentümer angemessen Raum zu gewähren.43 Hier wie sonst versteht sich, daß die vertragliche Bindung gegenüber dem Mieter oder Arbeitnehmer vorbehaltlich dieses Freiraums erfolgt. Dasselbe drückt sich, wie bereits gezeigt, auch im Kündigungsrecht aus, wo § 564b Abs. 2 Nr. 3 BGB das Verwertungsinteresse des Eigentümers anerkennt und § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG das Leitungsinteresse des Arbeitgebers.44 Eine besondere Frage führt das Problem des Mobbing vor Augen. Effektiv wird es vielfach allein durch eine Änderung der Betriebsorganisation zu bekämpfen sein.45 Eine entsprechende Pflicht kann man nur in Grenzen annehmen, auch insoweit muß die Zumutbarkeitsschwelle beachtet und der unternehmerischen Gestaltungsfreiheit genügt werden.
41
RGHK-Gelhaar,
§§ 535, 536 Rn. 44.
42
Vgl. auch das Beispiel von Löwisch, DB 1987, 936, 938: Ein AIDS-Infizierter droht, Kollegen durch vorsätzliche Verletzung anzustecken. Ferner BAG, AP Nr. 1 zu § 72 BPersVG (die Zivilklage gegen einen Kollegen war mitentscheidend für die Kündigung). 43
LAG München, LAGE Nr. 5 zu § 618 BGB.
44
Zur "autonomen Unternehmerentscheidung" aus jüngerer Zeit etwa Preis, NZA 1995,241 ff.
45
Schneider, AuA 1994, 180, 181.
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. Teil:
ittelbare Rechtsbeziehungen
d) Möglichkeit und Pflicht zur Bestimmung abgestufter Schutzmaßnahmen Praktisch wird nicht selten eine gestufte Vorgehensweise gegen den Störer angezeigt erscheinen, etwa in der Weise, daß Abmahnung, Versetzung, Kündigungsdrohung und Kündigung einander folgen. Ist der Berechtigte zur Bestimmung eines gestuften Vorgehens verpflichtet und kann das Gericht ein gestuftes Vorgehen bestimmen? Ohne Zweifel ist der Vertragspartner berechtigt, ein abgestuftes Vorgehen zu wählen. Das kann für ihn von eigenem Interesse sein, nämlich dann, wenn er zunächst nur ein relativ mildes Mittel einsetzen möchte, etwa aus Rücksicht auf seine gute Vertragsbeziehung zu dem Störer. Denn man wird eine verhältnismäßig "leichte" Sanktion dann um so eher als angemessen ansehen. Es werden sich weiterhin aber auch Fällefinden, in welchen nur ein gestuftes Vorgehen den Anforderungen billigen Ermessens genügt. Das kommt vor allem in Betracht, wenn eine Wiederholung der Störung zu besorgen ist. Weiterhin kann ein gestuftes Vorgehen auch mit Rücksicht auf die Interessen des Bestimmungsberechtigten geboten sein, nämlich dann, wenn seine eigene Vertragsposition ihn dazu verpflichtet. Das ist etwa im Arbeitsverhältnis der Fall, soweit auch die außerordentliche Kündigung regelmäßig eine Abmahnung voraussetzt. Trifft der Berechtigte keine oder nur eine unbillige Bestimmung, so kommt ersatzweise das Gericht zum Zuge. Auch dem Gericht ist die Möglichkeit zuzubilligen, ein gestuftes Vorgehen zu bestimmen. Zum einen gilt das ohne weiteres dann, wenn schon die Art der Störung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen ein stufenweises Einschreiten erfordert. Aber auch darüber hinaus ist die Vorschrift stufenweisen Vorgehens zulässig und aus Gründen der Prozeßökonomie geboten. Denn es wird den Anforderungen eines effektiven Rechtsschutzes nicht gerecht, wenn man von dem Betroffenen fordert, er möge abwarten, ob sich die bestimmte Schutzmaßnahme als tauglich erweist, und dann gegebenenfalls erneut klagen.
m . Inhalt der Schutzpflicht Ging es bisher vornehmlich um die Grundlagen der Schutzpflicht und darum, auf welche Weise die Schutzpflicht konkretisiert werden kann, so soll nun der Inhalt der Schutzpflicht näher beleuchtet werden. Im Anschluß an eine allgemeine Bestimmung der Schutzpflicht wird Fragen nachgegangen, die im Verhältnis zwischen Nebenparteien besondere Bedeutung haben: Trifft den
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Vertragspartner im Streitfalle die Pflicht, den Sachverhalt aufzuklären, und sind die Nebenparteien zur Mitwirkung an einer Sachverhaltsermittlung des Vertragspartners verpflichtet (2 und 3)? Trifft den Vertragspartner die Pflicht, zwischen den streitenden Nebenparteien zu vermitteln, und haben diese Aussöhnungsbereitschaft zu zeigen, wenn der Vertragspartner sich schlichtend einschaltet (4 und 5)?
1. Allgemeine Bestimmung Die Schutzpflichten können zahlreiche verschiedene Inhalte haben. Das liegt einerseits daran, daß unterschiedliche Störungen unterschiedliche Reaktionen erfordern. Andererseits aber kann der Vertragspartner in unterschiedlicher Weise auf Zwistigkeiten zwischen Nebenparteien reagieren: Indem er entweder auf den Täter einwirkt oder das Opfer in Schutz nimmt. Jeweils kommt einerseits in Betracht, gegen die eingetretene Störung vorzugehen, andererseits, künftige Störungen zu verhindern.
a) Schutz des Opfers Die Schutzpflicht kann erfordern, daß der Vertragspartner die betroffene Nebenpartei verteidigt. So wird von dem Arbeitgeber verlangt, sich schützend vor einen Arbeitnehmer zu stellen, der z.B. ungerechtfertigten Vorwürfen oder Peinigungen der Kollegen ausgesetzt ist.46 Präventiv kommt es in Betracht, den Gestörten im Rahmen der vertraglich vorgesehenen Möglichkeiten umzusetzen. Daran ist vor allem im Arbeitsverhältnis zu denken.47 Im Mietverhältnis wird das nur ausnahmsweise möglich sein, etwa in einem Studentenwohnheim. Im übrigen gibt der Vertrag dem Vermieter nur die Möglichkeit, einen entsprechenden Umzug anzubieten, nicht aber, ihn zu erzwingen.48
46
Zöllner/Loritz, Arbeitsrecht, § 16 12 (S. 183); MünchAibR-Blomeyer, NZA 1991, 468, 469 (Druckkündigung).
§ 95 Rn. 26 f.; BAG,
47 So begehrte der Kläger im Fall von LAG Berlin, DB 1989, 935, die Zuweisung eines "tabakrauchfreien" Arbeitsplatzes. Ebenso hatte in der Entscheidung von BAG, AP Nr. 1 zu § 72 BPersVG der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer, der sich gestört fühlte, einen anderen Arbeitsraum angeboten. 48
Anders als im Arbeitsverhältnis, wo eine Versetzung in gewissem Rahmen vom Direktionsrecht des Arbeitgebers gedeckt ist.
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Auch weniger einschneidende Maßnahmen können zur Vorbeugung gegen künftige Störungen ergriffen werden. Lärmstörungen kann der Vermieter u.U. durch eine Schalldämmung der Wohnung des Gestörten vorzubeugen suchen.49 Im Arbeitsverhältnis kommt eine Änderung der Betriebsorganisation in Betracht, die die Streitenden auseinanderbringt oder sonst Reibungen verhindert.50 Zum Rauchschutz kann eine Zwischenwand oder eine Belüftungsanlage ausreichen.51
b) Einwirkung auf den Täter Daneben oder anstelle dessen kommen Einwirkungen auf den Störer in Betracht. Eine Schallisolierung mag in seiner Wohnung angebracht werden; er mag an einen anderen Arbeitsplatz verwiesen werden. Nicht selten ist darüber hinaus eine Einwirkung auf den Störer unerläßlich, z.B. dann, wenn der Arbeitnehmer einen Kollegen beleidigt hat. Denn hier kann die räumliche Trennung der Streitparteien nur künftige Störungen verhindern, nicht aber den gebotenen Ausgleich für das Fehlverhalten in der Vergangenheit geben. Abhängig von der Art der Störung wird die Einwirkung auf den Täter doch in der Regel abgestuft sein.52 Als erstes ist an eine Abmahnung zu denken. Sodann an die Versetzung,53 die Kündigungsdrohung und die Kündigimg.54 Bei besonderen Verletzungen oder Gefahren kann es geboten sein, die Polizei55 oder die Staatsanwaltschaft56 einzuschalten. Der vorbeugende Schutz kann im Mietverhältnis dahin gehen, die Mieträume des Störers zu isolieren usf.
49 Freilich dann nicht, wenn dadurch die Wohnung wesendich umgestaltet wird, z.B. wenn eine Zwischendecke den Stuck verdeckt oder die Raumhöhe erheblich absenkt. 50
MilnchArbR-Blomeyer, § 95 Rn. 92: "[Der Arbeitgeber] muß mit seiner Organisationsgewalt sicherstellen, daß Persönlichkeitsverletzungen durch Betriebsangehörige grundsätzlich unterbleiben." Ferner Blomeyer, ZfA 1972, 85, 104 ff., der aber die Schutzpflicht zu eng auf Fälle begrenzt, wo die Störung der Nebenpartei zugleich eine Störung des Betriebsablaufs darstellt. 51
Vgl. LAG Berlin, DB 1989, 935.
52
Dazu auch von Hoyningen-Huene, BB 1991, 2215, 2219 f.
53
Zur Versetzungspflicht Staudinger-Oetker,
54
v.Hoyningen-Huene, NZA 1987, 577, 579.
55
§ 618 Rn. 124.
BGHZ 99,182,191; zust. Emmerich, JuS 1987,489,490; Staudinger-Emmerich, Rn. 47.
§§ 535,536
56 In Betracht kommt das etwa im Falle antisemitischer Äußerungen im Betrieb, §§ 130 f. StGB. Zu Antisemitismus und Ausländerfeindlichkeit im Betrieb - freilich nur unter dem Aspekt der Straftat als Kündigungsgrund - Krummel/Küttner, NZA 1996, 67, 74.
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c) Vorrang der Einwirkung auf den Täter? Nicht selten konkurrieren die beiden Möglichkeiten, zum Schutz des Opfers auf ihn selbst einzuwirken oder auf den Störer. Gesondert steht nur der repressive Schutz in Form der Abmahnung oder einer sonstigen Maßregelung des Täters; sie kann vor allem zur Befriedigung des Genugtuungsinteresses des Opfers, das als Persönlichkeitsäußerung die Schutzpflicht mitbestimmt, geboten sein. In vielen Fällen geht es hingegen nicht um Streitereien, sondern um Konflikte, in denen ein klares Täter-Opfer-Verhältnis nicht zu bestimmen ist, wie etwa beim Rauchen am Arbeitsplatz. Dann liegt es im Ermessen des Vertragspartners, auf welche Weise er präventiv für Schutz sorgt, durch Einwirkung auf den "Täter" oder das "Opfer" ("Störerauswahlermessen"). Insoweit ist dem Arbeitgeber ein unternehmerischer Gestaltungsspielraum zuzugeben,57 dem Vermieter Freiraum zur Verwertung seines Eigentums.58 Es mag den Nichtraucher hart ankommen, daß er vor dem Raucher weichen soll.59 Doch geht es hier darum, für einen geordneten Betriebsablauf und einen ruhigen Arbeitsplatz zu sorgen. Insoweit ist, wenn betriebliche Gründe dies gebieten, auch das "Opfer" zur Kooperation verpflichtet. 60
2. Sachverhaltsermittlungspflicht Eine praktische Hauptschwierigkeit im Streit zwischen Nebenparteien ist der Nachweis der Störung.61 Die Rechtsstellung des Betroffenen würde es daher erheblich verbessern, könnte er von seinem Vertragspartner verlangen, dieser möchte den Sachverhalt ermitteln.
57 Darüber besteht weithin Einigkeit, umstritten ist, an welcher (Rang-) Stelle dieser unternehmerische Freiraum zur Geltung kommt; dazu BAG, JZ 1996, 1083 f. und etwa die Konzeption von Möllers, JZ 1996, 1050, 1053. 58
Zu dieser Zumutbarkeitsgrenze bereits oben, II 2 c bb.
59
Beispielhaft ist der Fall von BAG, AP Nr. 1 zu § 18 BPersVG, wo das Ansinnen, in ein anderes Büro zu wechseln den Gestörten anscheinend zu erheblichem Widerspruch reizten. 60 61
Vgl. auch KR-Hillebrecht,
§ 626 Rn. 151 (betreffend Druckkündigung).
Das wirkt sich vor allem in Fällen des Mobbing aus; dazu etwa Däubler, Arbeitsrecht 2, 5.3.2. (S. 278), und ders., BB 1995, 1347, 1350.
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a) Die Grundregel im Zivilrecht aa) Wen die Last trifft, einen Streitsachverhalt zu ermitteln, zeigt die Beweislastverteilung im Prozeß. Derjenige, der aus einem Sachverhalt eine Rechtsfolge ableiten möchte, muß diesen grundsätzlich auch darlegen und beweisen. Zuerst ist das der von einer Störung Betroffene: Verlangt er von seinem Vertragspartner Abhilfe, so muß er die Störung nachweisen. Geht daraufhin - der Vertragspartner gegen den Störer vor, so muß nunmehr er die Störung nachweisen. Der Vertragspartner kann den Störer an die Feststellungen des ersten Prozesses binden, indem er ihm im Prozeß mit dem Gestörten den Streit verkündet (§§ 72, 73, 74, 68 ZPO).62 Die Beweislastverteilung ist freilich nur eine Risikoverteilung. Sie begründet weder die Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung noch ein subjektives Recht weder des Pflichtigen, noch des Gegners. Das Beweisangebot wird - auch dem Gericht - nicht geschuldet, es liegt nur im eigenen Interesse des Beweispflichtigen, Beweis anzubieten.63 In einem weiteren Sinne kann man die Beweislast als Obliegenheit64 bezeichnen, wenn auch der aus der Nichterfüllung fließende Nachteil nicht im materiell-rechtlichen Bereich eintritt. Nach der herrschenden, wenn auch zunehmend umstrittenen Auffassung gibt es auch keine prozessualen Aufklärungspflichten. 65 Die Rechtsprechung gibt eine prozessuale Aufklärungspflicht nur nach Maßgabe des materiellen Rechts zu.66 Zivilrechtliche Auskunftsansprüche gibt es aber nur aufgrund besonderer
62 Die Streitverkündung führt freilich nicht stets zur gewünschten Bindung, so etwa, wenn der Mieter - was für seinen Minderungsanspruch ausreicht - nur die Lärmstörung nachweist, nicht aber den Störer. 63 Ausführlich zum Ganzen Rosenberg, Beweislast, § 5 (S. 54 ff.). S.a. Arens, ZZP 96 (1983), 1, 2; Stürner, Aufklärungspflicht, § 7 (S. 71 ff.). 64
Zu ihr statt aller Lorenz, Allgemeiner Teil, § 12 II d (S. 205). Kritisch gegenüber der Bestimmung der Beweislast als Obliegenheit aber Rosenberg, § 5 II (S. 55: Hilfskonstruktion unnötig), der zwar eine Ähnlichkeit zur indirekten Verpflichtung sieht, die etwa § 377 HGB begründe (S. 57 f.), letzdich aber eine "Pflicht" eigener Art annimmt, die in gewisser Hinsicht mit dem Aneignungs"recht" vergleichbar sei und eine "Möglichkeit" darstelle, § 5 ni a.E. und IV (S. 59 f.). 65
BGH, JZ 1991, 630 f.; Arens, ZZP 96 (1983), 1 ff.; Stein/Jonas-Leipold, § 138 Rn. 22 ff.; für eine weitergehende prozessuale Aufklärungspflicht Stürner, Aufklärungspflicht; ders., ZZP 104 (1991), 208 ff.; Schlosser, JZ 1991, 599 ff. 66
BGH, JZ 1991, 630, 631 im Anschluß an Stein/Jonas-Leipold, Schlosser, JZ 1991, 599, 606.
§ 138 Rn. 22; dagegen
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gesetzlicher Regelung, z.B. in §§ 444, 666, 713 BGB,67 oder ausnahmsweise nach Treu und Glauben, wenn innerhalb einer bestehenden Sonderverbindung der Berechtigte in entschuldbarer Weise in Ungewißheit ist, die er nicht mit zumutbarem Aufwand selbst beseitigen kann, und der andere Teil unschwer Auskunft geben kann.68 Eine - über die Auskunft weit hinausgehende - Pflicht des Vertragspartners zur Sachverhaltsermittlung ist erst recht abzulehnen. Es gibt sie im Zivilrecht nicht. Das liegt nicht zuletzt darin begründet, daß sich die Zivilrechtssubjekte auf der Ebene der Gleichordnung begegnen und keiner Seite die Zwangs- und Erkenntnismittel öffentlicher Verfahren zustehen, die eine Sachverhaltsermittlung erleichtern.69 Es ist Sache des einzelnen, sich um die Durchsetzung seiner Rechte zu kümmern, und also auch, die dafür erforderliche Sachverhaltskenntnis zu gewinnen. bb) Auch eine Anhörungspflicht - gegenüber dem Adressaten einer Kündigung - gibt es entgegen Äußerungen im Schrifttum grundsätzlich nicht. Allgemein ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet, den Arbeitnehmer vor der Kündigung anzuhören, ebensowenig wie der Käufer gehalten ist, vor der Wandelung den Verkäufer anzuhören.70 Jeweils bietet die Anhörung oder die Sachverhaltsermittlung nur eine größere Sicherheit, daß die Voraussetzungen für die ergriffene Maßnahme objektiv gegeben sind.71 Allein darauf aber, daß sie objektiv gegeben sind, kommt es bei der Ausübung und der gerichtlichen Kontrolle an.72 Die Aufklärung ist mithin nur eine Obliegenheit des Vermieters oder
67 Dazu und zu weiteren speziellen Auskunftsansprüchen Larenz, Schuldrecht I, § 13 IU (S. 187 ff.). 68
BGHZ 81, 21,24; 91, 188, 192; Köhler, NJW 1992,1477, 1480. Nicht um Sachverhaltsaufklärung, sondern um Warnung vor Gefahren geht es hingegen bei der in contrahendo geschuldeten Aufklärung. 69
Darauf weist Zöllner, ZZP 84 (1970), 365, 392, in anderem Zusammenhang hin.
70
Nachdem dies von BAG, EzA Nr. 3 zu § 123 BGB, offen gelassen worden war, lehnen auch BAG, EzA Nr. 11 zu § 626 BGB n.F. und Nr. 18 zu § 103 BetrVG 1972 eine allgemeine Anhörungspflicht des Arbeitgebers vor Ausspruch der Kündigung ab; dazu m.w.N. zum Meinungsstand KR-Hillebrecht, § 626 Rn. 79. 71 72
Zu den Besonderheiten der Verdachtskündigung sogleich unter b.
Zöllner, ZZP 83 (1970), 365, 392; Stahlhacke/Preis, Rn. 9, 437 f.; KR-Hillebrecht, § 626 Rn. 50,79 ff. Auch Münchener Kommentor-Schwerdtner, § 626 Rn. 43, begründet letzdich nichts anderes: Spricht er auch von einer Aufklärungspflicht, so zeigt doch die Rechtsfolge, daß es sich um eine bloße Obliegenheit handelt.
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2. Teil: Mittelbare Rechtsbeziehungen
Arbeitgebers.73 Anderes bestimmen § 13 Abs. 2 BAT und § 82 Abs. 1 BetrVG.74 Danach haben Angestellte im öffentlichen Dienst und Arbeitnehmer im verfaßten Betrieb das Recht, in bestimmten Angelegenheiten gehört zu werden. Über den Regelungsbereich der Vorschriften hinaus gilt das nicht.75 cc) Allerdings hat das Bundesarbeitsgericht gelegentlich ausgesprochen, bei der Verhängung einer Betriebsbuße seien die "die allgemeinen rechtsstaatlichen Grundsätze" zu wahren.76 Dazu könnten auch Anhörungs- und Sachverhaltsermittlungspflicht zu rechnen sein. Indessen sind Betriebsbußen als Vertragsstrafe zu verstehen.77 Die Geltung rechtsstaatlicher Verfahrenserfordernisse bei ihrer Verhängung ist hier so wenig wie sonst begründet,78 und auch aus Treu und Glauben läßt sich ein Anhörungserfordernis nicht ableiten.79 Gegen das Verständnis der Betriebsbuße als Vertragsstrafe wird vor allem eingewandt, die Betriebsbuße diene der Sicherung der betrieblichen Ordnung, die Vertragsstrafe hingegen der Sicherung der Vertragserfüllung; 80 der Be-
73 Stemel, Mietrecht, Rn. 11/263, scheint eine Pflicht anzunehmen, Störungen nachzugehen, ohne nähere Begründung. 74
S.a. § 83 ArbGB-E 1992, der ein Beschwerderecht des Arbeitnehmers und eine Bescheidungspflicht des Arbeitgebers vorsieht. 75 A.M. Schaub, NJW 1990, 872, 876; zweifelnd demgegenüber wiederum Stahlhacke/Preis, Rn. 9. 76
BAG, AP Nr. 1 zu § 56 BetrVG Betriebsbußen; ebenso GK-Wiese, § 87 Rn. 222; Galperin/Lömsch, § 87 Rn. 78 ff; Hueck/Nipperdey, Lehrbuch II/2, § 70 II 6 b (S. 1378). 77 Zöllner, ZZP 83 (1970), 365, 385 ff.; Dietz/Richardi, § 87 Rn. 182 f.; Hueck/Nipperdey, Lehrbuch6, § 70 II 1 f (S. 829); Staudinger-Rieble, vor §§ 339 ff. Rn. 102; für verfassungsrechtlich geboten hält Baur, JZ 1965, 163, 164, das Verständnis der Betriebsjustiz als Vertragsstrafe, da Art. 92 ff. GG neben den staadichen Gerichten als private "Gerichtsbarkeit" nur die Vertragsstrafe und die Schiedsgerichtsbarkeit zuließen, die Schiedsgerichtsbarkeit aber im Arbeitsrecht durch § 101 ArbGG weitgehend ausgeschlossen ist. Kritisch Schumann, Gedächtnisschrift für Dietz, S. 323 ff., der aber gegen die Begründung als Vertragsstrafe keine durchgreifenden Bedenken geltend macht, sondern nur Einschränkungen (a.a.O. S. 341 ff.); im Anschluß an Schumann auch v. Hoyningen-Huene, Billigkeit, § 17, 9 (S. 190 ff.) und ders., BB 1991, 2215, 2217. 78 A.M. Dietz/Richardi, § 87 Rn. 191, der die Verfahrensgarantien für eine zulässige richterliche Rechtsfortbildung auf der Grundlage der Inhaltskontrolle des Einzelarbeitsverhältnisses ansieht. Ohne nähere Begründung verlangt auch Baur, JZ 1965, 163, 166, die Wahrung rechtsstaadicher Verfahrensanforderungen. 79
Zöllner, ZZP 83 (1970), 365, 392, verwirft die Annahme, es regierten rechtsstaadiche Grundsätze das Verfahren, er deutet aber an, das Anhörungserfordernis ließe sich aus § 242 BGB begründen.
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triebsbuße fehle die Schadensersatzfunktion; sie werde verhängt, nicht, wie § 339 BGB voraussetzt, verwirkt. 81 Diese Einwände überzeugen indessen nicht.82 Die Unterscheidung eines Betriebsordnungszwecks von einem Vertragsdurchsetzungszweck geht schon deshalb fehl, weil es die vertragliche Pflicht des Arbeitnehmers ist, die betriebliche Ordnung zu wahren.83 Im übrigen ist die Vertragsstrafe "nicht Sicherung von Vertragspflichten, sondern vertragliche Sicherung von Pflichten".84 Auch die Wahrung der Betriebsordnung ist mithin ein tauglicher Gegenstand der Vertragsstrafe. Daß auch die Schadensersatzfunktion nicht essentiell zur Vertragsstrafe gehört, zeigt sich an § 340 Abs. 2 S. 1 BGB, geht die Vorschrift doch davon aus, daß die Vertragsstrafe verwirkt sein kann, ohne daß dem Gläubiger ein Anspruch auf Schadensersatz zusteht. Im übrigen kann die Ersatzfunktion aber abbedungen werden oder sich auf einen "Ersatz" für enttäuschte Erwartungen beschränken.85 Der Unterschied von Verwirkung und Verhängung schließlich kann eine Differenzierung nicht begründen, weil die Vorschrift des § 339 BGB insoweit dispositiv ist.86 Handelt es sich aber bei der Betriebsbuße um eine Form der Vertragsstrafe, so läßt sich hier so wenig wie sonst die Geltung der "allgemeinen rechtsstaatlichen Grundsätze" begründen, ganz abgesehen von der Unbestimmtheit dieses Postulats.87 Die Verhängung einer Vertragsstrafe ist weder Rechtsprechung noch liegt darin eine Ausübung von Strafgewalt. 88 Als rechtsgeschäftliches Verhalten ist sie nur an die zivilrechtlichen Vorgaben gebunden. Dazu gehört die Anhörung des anderen Teils gerade nicht.89 Besonders deutlich zeigt sich die Unbegründetheit der Verfahrensanforderungen im Vergleich der Vertragsstrafeverhängung mit der Kündigung: Verpflichtet nicht einmal die Kündigung 80 Dietz, Anm. zu BAG AP Nr. 1 zu § 56 BetrVG Betriebsbuße; GK-Wiese, Galperin/Löwisch, § 87 Rn. 72. 81
GK-Wiese,
§ 87 Rn. 207;
§ 87 Rn. 207.
82
Auch die Gegenvorstellung von einer in der Sozialautonomie wurzelnden Strafgewalt ist abzulehnen; kritisch etwa Dietz/Richardi, § 87 Rn. 158 ff. 83 Leinemann, ArbuR 1970, 134, 141; Zöllner, ZZP 83 (1970), 365, 387. Die Meinung von Blomeyer, ZfA 1972, 85 ff., nicht jeder Ordnungsverstoß sei zugleich eine Vertragsverletzung, ist nach hier vertretener Auffassung zu eng. 84
So treffend Staudinger-Rieble,
85
Siehe nur Staudinger-Rieble,
86
So mit Recht Staudinger-Rieble,
87
Zöllner, ZZP 83 (1970), 365, 391.
88
Zöllner,
89
vor §§ 339 ff. Rn. 3. vor §§ 339 ff. Rn. 25. vor §§ 339 ff. Rn. 129.
ZZP 83 (1970), 365, 379 ff.
Zur Unanwendbarkeit rechtsstaadicher Verfahrenserfordernisse bei der Vertragsstrafeverhängung ausfuhrlich Staudinger-Rieble, vor §§ 339 ff. Rn. 63 ff., zur Anhörung Rn. 70.
254
2. Teil: Mittelbare Rechtsbeziehungen
zur Anhörung, so kann es die leichtere Sanktion der Vertragsstrafe erst recht nicht.90 Und auch die Verdachtskündigung ist nicht an rechtsstaatliche Verfahrensregeln wie den Anhörungsgrundsatz oder die Unschuldsvermutung gebunden. Das dortige Anhörungserfordernis ist anders begründet, wie sogleich (b) zu zeigen ist. Verfahrensregeln, insbesondere auch die Anhörungspflicht, können aber vertraglich vereinbart werden und namentlich in Betriebsbußenordnungen vorgesehen sein. Gebietet der rechtsgeschäftliche Verkehr auch keine Anhörung, so läßt er doch den Raum, sie in Selbstverpflichtung vorzusehen. Auch eine Sachverhaltsermittlungspflicht könnte vereinbart werden. Welche Bedeutung diese - besonderen - Verfahrensregeln habe, ist durch Auslegung zu ermitteln, ebenso wie im Falle rechtsgeschäftlich vereinbarter Form (§ 125 S. 2 BGB). Eine eigenständig einklagbare Pflicht wird meist nicht gewollt sein. Die Mißachtung vereinbarter Verfahrensregeln muß aber regelmäßig zur Unwirksamkeit der Verhängung der Vertragsstrafe führen, jedenfalls dann, wenn sie eine erhebliche Sanktion bedeutet oder den Betroffenen nach der sozialen Anschauimg sogar mit einem Unwerturteil belegt. Denn in diesen Fällen ist davon auszugehen, daß das Verfahren nicht nur "Formsache" sein sollte. Festzuhalten ist aber: Allgemein wird auch bei der Verhängung von Vertragsstrafen (Betriebsbußen) eine Anhörung oder Sachverhaltsermittlung nicht geschuldet. dd) Auch aus der Charakterisierung der Schutzpflicht als nach billigem Ermessen geschuldete Leistung ergibt sich keine Ermittlungspflicht. Anders liegt es im Verwaltungsverfahren (§ 24 VwVfG), wo eine Entscheidimg schon wegen ihrer unzureichenden Tatsachengrundlage fehlerhaft sein kann. Das private Ermessen wird aber auf Fehler im Entscheidungsvorgang grundsätzlich nicht überprüft, eine unzureichende Aufklärung führt daher nicht ohne weiteres zur Fehlerhaftigkeit der Bestimmung.91 Selbst wenn man aber annähme, es könnten auch Mängel des Bestimmungsvorgangs - unzureichende Sachverhaltsermittlung - eine Bestimmung nach § 315 BGB ermessensfehlerhaft machen, folgte daraus doch kein Anspruch des anderen Teils auf Sachverhaltsermittlung. Denn der andere Teil kann nicht einmal die Bestimmung selbst erzwingen, sondern nur klageweise ihre Erset-
90
So schon Zöllner, ZZP 83 (1970), 365, 392.
91
S.o., II 2 c aa.
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zung erreichen (§ 315 Abs. 3 BGB). Daher kommt es erst recht nicht in Betracht, Vorgänge selbständig durchzusetzen, die der Entscheidung vorgelagert sind.92
b) Sachverhaltsermittlung und Persönlichkeitsschutz Ausnahmsweise ist gleichwohl eine Pflicht zur Sachverhaltsermittlung zuzugeben, und zwar im Arbeitsverhältnis, soweit die Rücksicht auf das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers dies erfordert. Das kommt einerseits in Betracht, bevor der Arbeitgeber Maßnahmen gegenüber einem Arbeitnehmer ergreift, andererseits als Ausfluß der Fürsorgepflicht. aa) Möchte der Arbeitgeber eine Maßnahme gegenüber dem Arbeitnehmer ergreifen, die auf einem Verdacht fußt, so ist er verpflichtet, zuvor den zugrundeliegenden Sachverhalt im Rahmen des Zumutbaren zu erforschen. Der sachliche Grund für diese Ermittlungspflicht liegt darin, daß die Kündigung aufgrund bloßen Verdachts einen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers darstellt. Im Bereich des Arbeitsverhältnisses ist es jedoch gerade die Pflicht des Arbeitgebers, die Persönlichkeit des Arbeitnehmers zu achten und zu schützen. Die Fürsorgepflicht zum Schutz der Persönlichkeit verpflichtet dann zur Sachverhaltsermittlung, wenn der Arbeitgeber eine Maßnahme beabsichtigt, die unabhängig von der Möglichkeit ihrer nachfolgenden gerichtlichen Überprüfung und Korrektur in das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers eingreift. Die Ermittlungspflicht gewährt mithin Persönlichkeitsschutz durch Verfahren. Die so begründete Pflicht zur Anhörung und Sachverhaltsermittlung erklärt auch die entsprechende Voraussetzung bei der Verdachtskündigung.93 Wie aufgezeigt, kommt es bei einer Kündigung im Normalfall nicht darauf an, ob der Kündigende sich Klarheit über die tatsächlichen Voraussetzungen des
92
Ein ähnlicher Gedanke liegt § 44a VwVfG zugrunde: Danach können Verfahrenshandlungen grundsätzlich nicht gesondert gerichdich überprüft werden, sondern nur im Zusammenhang mit der Entscheidung. 93
Nicht zu überzeugen vermag der Versuch, die Anhörungspflicht aus der Rechtsnatur der Verdachtskündigung als Kündigung wegen Vertrauensverlustes zu erklären: Denn es gibt keinen Satz, wonach nur der sich auf einen Vertrauensverlust berufen dürfte, der seinerseits alles Zumutbare unternommen hat, das Vertrauen wiederherzustellen. Woher auch: Es ist das eigene Risiko hier: des Arbeitnehmers - in Verdacht zu geraten! Anders liegt es nur, wenn der Arbeitgeber selbst den Verdacht heraufbeschwört, oder wenn der Verdacht seinem betrieblichen Risikobereich entstammt.
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2. Teil: Mittelbare Rechtsbeziehungen
Kündigungsgrundes verschafft hat. Allein auf deren objektives Vorliegen kommt es an. Daß die Anhörung eine Voraussetzung für die Verdachtskündigung ist, ergibt sich aber aus ihrem Schutzzweck. Die Sachverhaltsermittlungspflicht ist eine Nebenpflicht. Die Verletzung von Pflichten, die aus dem Vertrag fließen, hat dann Einfluß auf die Wirksamkeit die Kündigung, wenn deren Schutzzweck das fordert. Bekannt ist das für die gewillkürte Form (§§ 125 S. 2, 154 Abs. 2 BGB): Dient sie nur dem Beweiszweck, so ist die Kündigung wirksam, auch wenn die Form nicht gewahrt wurde. Der Schutzzweck der hier besprochenen Anhörungs- und Ermittlungspflicht gebietet es, eine Kündigung, die dagegen verstößt, für unwirksam zu halten. Der Zweck der Anhörung ist es, dem Arbeitnehmer die Chance zu geben, den Verdacht auszuräumen oder sonst das Vertrauen soweit wiederherzustellen, daß das Arbeitsverhältnis Bestand haben kann. Sie dient also gerade dazu, der Kündigimg noch vorzubeugen. Aus diesem Grunde stellt die Sachverhaltsermittlung ein konstitutives Erfordernis der Verdachtskündigung dar. Erkennt man, daß das Anhörungserfordernis bei der Verdachtskündigung aus der Ermittlungspflicht zum Persönlichkeitsschutz begründet ist, so hat das Konsequenzen für das Verständnis der Verdachtskündigung: Erstens wird offenbar, daß die Anhörung nicht selbst zum Tatbestand der Verdachtskündigung gehört. Der Tatbestand ist allein durch den verdachtsbedingten Vertrauenswegfall ausgezeichnet. Zweitens folgt daraus, daß dem Arbeitgeber der Beweis mangelnder Kausalität offen bleibt.94 Drittens kommt es nicht darauf an, ob der Arbeitgeber die Ermittlung schuldhaft versäumt hat. Auf ein Verschulden käme es nur für den Ersatzanspruch an. bb) Auch dann, wenn der Arbeitgeber nicht selbst Maßnahmen ergreifen möchte, kann er in Grenzen dazu verpflichtet sein, einen Sachverhalt zu erforschen. Denn der Arbeitgeber ist verpflichtet, sich gegenüber Vorwürfen Dritter schützend vor seinen Arbeitnehmer zu stellen.95 Dazu wird es freilich meist ausreichen, weitere Nachrede zu untersagen und z.B. eine Ehrenerklärung für den betroffenen Arbeitnehmer abzugeben. Indes können die Umstände ergeben, daß diese Maßnahmen allein nicht befrieden. Wenn nur eine Ent-
94
Den Arbeitgeber trifft aber, entsprechend der Risikozuweisung aus dem Schutzzweck der Ermittlungspflicht, auch insoweit die Last nachzuweisen, die Anhörung usf. hätte nichts anderes ergeben. (Zur entsprechenden Beweislastverteilung bei Verletzung der Aufklärangspflicht Larenz, Schuldrecht I, § 29 IV [S. 518]). Diese Beweislast wiegt umso schwerer, als der Arbeitgeber bei der Sachverhaltsermitdung und Anhörung zu Aufgeschlossenheit und Unvoreingenommenheit verpflichtet ist. Daß sich die Sachverhaltsermitdung auf seine Entscheidung nicht ausgewirkt hätte, wird er deshalb in aller Regel nicht dartun können. 95
KR-Hillebrecht,
§ 626 Rn. 150, im Zusammenhang mit der Druckkündigung.
§ 6 Die Schutzpflicht des Vertragspartners
257
kräftigung der Vorwürfe den Arbeitnehmer rehabilitiert und ihm die ungestörte Arbeit ermöglicht, so ist der Arbeitgeber grundsätzlich auch dazu verpflichtet, diese zu betreiben. Hier wie sonst gilt aber, daß der Arbeitgeber nur im Rahmen des Zumutbaren verpflichtet sein kann, für seine Leute Partei zu ergreifen. Auch insoweit ist die Schutzpflicht freilich durch die Zumutbarkeit begrenzt, so daß die Sorge um einen Arbeitnehmer nicht das Betriebswohl beeinträchtigen kann. Hier ist die Grenze zwischen betrieblichem Risiko und dem "allgemeinen Lebensrisiko" des Arbeitnehmers zu ziehen. cc) Ein Beispiel: Es beschweren sich zwei Mitarbeiter über ihren Vorgesetzten, er habe sich ihnen mit homosexuellen Angeboten unsittlich genähert. Hier erfordert die Schutzpflicht gegenüber den Beschwerdeführern ein Einschreiten, wenn sich die Vorwürfe als berechtigt erweisen. Möchte der Arbeitgeber zu ihren Gunsten tätig werden, so aktualisiert sich die oben aa) beschriebene Ermittlungspflicht. Dazu gehört es, den Sachverhalt zu ermitteln und beide Teile anzuhören. Es reicht nicht aus, den verdächtigten Arbeitnehmer darauf zu verweisen, er könne nachträgliche Gerichtskontrolle und auf diesem Wege die Beseitigung der Abmahnung erreichen. Denn es betrifft der Vorwurf sexueller Belästigung sein Persönlichkeitsrecht auch dann, wenn er späterhin gerichtlich ausgeräumt wird. So kann es im Beispiel dem Arbeitnehmer unzumutbar werden, weiterhin in demselben Betrieb zu arbeiten, nachdem der Arbeitgeber ihn wegen sexueller Belästigimg eines Kollegen versetzt hat selbst wenn diese Versetzung späterhin mit gerichtlicher Hilfe wieder aufgehoben wurde. Fällt dem Arbeitgeber in dieser Situation ein Fehler bei der Sachverhaltsaufklärung zur Last, z.B. weil er den Arbeitnehmer nicht angehört hat, und entsteht diesem wegen der so veranlaßten Eigenkündigung ein Schaden, so ist der Arbeitgeber ersatzpflichtig. Fordern die Beschwerdeführer gar kein Einschreiten, z.B. weil sie nur politische Ziele verfolgten oder weil sie dem Vorgesetzten mit dem Vorwurf nur eins auswischen wollten, und verlangt der Vorgesetzte seinerseits vom Arbeitgeber Hilfe, so ist es nicht damit getan, daß sich der Arbeitgeber zu dem Vorgesetzten bekennt. Um ihm effektive Hilfe zu gewähren, muß er den Sachverhalt ermitteln, wie oben (bb) beschrieben. dd) Dient die Ermittlungspflicht dazu, einem eigenständigen Schaden vorzubeugen, der durch das uninformierte Vorgehen droht - Persönlichkeitsverletzung durch Verdachtskündigung ohne Anhörung des Betroffenen -, so muß dem Betroffenen auch ein selbständiger Anspruch auf Ermittlung einschließlich Anhörung zustehen. Freilich wird die selbständige Ermittlungspflicht in den Fällen von oben, bb), wenig praktisch sein, denn in aller Regel wird der 17 Riesenhuber
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2. Teil: Mittelbare Rechtsbeziehungen
Arbeitnehmer die Maßnahme zu spüren bekommen, bevor er seinen Anspruch auf Aufklärung geltend machen kann.
c) Ergebnis Eine allgemeine Anhörungs- oder Sachverhaltsermittlungspflichtdes Vertragspartners (Arbeitgeber oder Vermieter) gibt es nicht. Allgemein läßt sich nur sagen, daß er dem Aufklärungsbemühen einer gestörten Partei nicht treuwidrig im Wege stehen darf und es im Rahmen des Zumutbaren nach Kräften unterstützen muß. Nach allgemeinen Grundsätzen ist auch der Arbeitgeber oder Vermieter verpflichtet, gem. § 242 BGB Auskunft zu erteilen. Zur Sachverhaltsermittlung verpflichten nur besondere Tatbestände, die im Arbeitsrecht begegnen. Zum einen normieren die §§ 13 Abs. 2 BAT und 82 BetrVG eine Anhörungspflicht. Zum anderen ist der Arbeitgeber gebunden, den Sachverhalt sorgfältig zu ermitteln, sofern er eine Maßnahme beabsichtigt, die unabhängig von ihrer nachträglichen Kontrolle oder Aufhebung das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers beeinträchtigt. Diese Ermittlungspflicht ist es, die sich im Rahmen der Verdachtskündigimg auch aktualisiert. Darüber hinaus kann es der Schutz eines Arbeitnehmers erfordern, einen von Kollegen geäußerten Verdacht aufzuklären.
3. Mitwirkungspflicht von Störer und Gestörtem bei der Sachverhaltsermittlung Der Vertragspartner ist mithin nur sehr eingeschränkt zur Sachverhaltsermittlung verpflichtet. Unter verschiedenen Aspekten sind auf der anderen Seite die Nebenparteien verpflichtet, bei der Sachverhaltsermittlung mitzuwirken.
a) Anzeigepflicht Arbeitnehmer und Mieter können gebunden sein, einen Schadensfall anzuzeigen. Für den Mieter ist das in § 545 BGB ausgedrückt. Die Vorschrift hat zwei Seiten. Einerseits formuliert sie eine Obliegenheit: Nämlich soweit der Mieter im eigenen Interesse gebunden ist, einen Mangel anzuzeigen, um sich die Gewährleistungsrechte zu erhalten, § 545 Abs. 2 Hs. 2 BGB. Darüber hinaus trifft den Mieter die Nebenpflicht, bestimmte Schäden anzuzeigen. Verletzt er sie, so ist er zum Schadensersatz verpflichtet, § 545 Abs. 2 Hs. 1 BGB.
§ 6 Die Schutzpflicht des Vertragspartners
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Im Arbeitsrecht wird eine allgemeine96 Anzeigepflicht des Arbeitnehmers dann angenommen, wenn besonders hohe Schäden drohen.97 Das ist eine Nebenpflicht, deren Verletzung den Arbeitnehmer ersatzpflichtig machen kann. Es besteht aber auch eine Anzeigeobliegenheit, sofern der Arbeitnehmer aus einer Störung Rechte herleiten möchte. Insofern drückt § 545 Abs. 2 Hs. 2 BGB einen allgemeinen Rechtsgedanken aus, der auch § 162 BGB zugrundeliegt: Wer die Störungsbeseitigung durch Unterlassen der dafür erforderlichen Anzeige selbst verhindert, kann aus der Störung keine Recht herleiten. Freilich spielt das im Arbeitsverhältnis keine so große Rolle wie im Mietrecht, da dem Arbeitnehmer kein der Minderung vergleichbares Recht zusteht. Darüber hinaus kommt eine Anzeige- oder Aufklärungsobliegenheit des gestörten Mieters oder Arbeitnehmers insoweit in Betracht, als ihr Unterlassen einen Schaden mitherbeiführt oder intensiviert, § 254 BGB.
b) Allgemeine Mitwirkungspflicht aa) Den Mieter oder Arbeitnehmer trifft eine allgemeine Pflicht, den Vertragspartner bei der Untersuchung von Störungen und ihren Ursachen nach Kräften zu unterstützen. Im Falle von Störungen durch die Nebenpartei ist diese Mitwirkungspflicht von um so größerem Gewicht, als der Vertragspartner regelmäßig keinen unmittelbaren Einblick in den Streitsachverhalt hat. Er ist deshalb in besonderem Maße auf die Mitwirkung der Streitenden angewiesen. Die Mitwirkungspflicht der Nebenparteien bedeutet ohne weiteres, daß der Vertragspartner nicht in die Irre geleitet werden darf. Seine Fragen sind vollständig und richtig zu beantworten, auf erkennbar wichtige und entscheidungsrelevante Umstände muß der andere Teil auch ungefragt hinweisen. In besonderem Maße ist derjenige zur Mitwirkung verpflichtet, der von seinem Vertragspartner das Einschreiten gegen einen (vorgeblichen) Störer verlangt. Mieter sind verpflichtet, dem Vermieter zwecks Ermittlung der Vorwürfe Zugang zu ihren Wohnungen zu gewähren, etwa wenn es darum geht, die Ursache von Feuchtigkeitsschäden oder Lärmstörungen oder deren Ausmaß zu untersuchen. Derjenige, der den Vertragspartner zum Einschreiten veranlassen möchte, ist verpflichtet, bei der Beschaffung von Beweismitteln mitzuwirken
96
Besondere Anzeigepflichten kommen nach vertraglicher Vereinbarung in Betracht, z.B. auch konkludent dadurch, daß dem Arbeitnehmer eine besondere Vertrauensstsellung eingeräumt wird; MünchAibR-Blomeyer, § 52 Rn. 3. 97
Zöllner/Loritz,
§ 13 II 2 a (S. 157).
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2. Teil: Mittelbare Rechtsbeziehungen
und z.B. Zeugen zu benennen. Praktisch ist es nicht selten so, daß ein Arbeitnehmer sich über andauernde Sticheleien beschwert oder ein Mieter über regelmäßige Lärmstörungen. In diesen Fällen sind die Betroffenen verpflichtet, auf Wunsch ein "Störungstagebuch" zu führen, um dem Vertragspartner einen substantiierten Vortrag vor Gericht zu ermöglichen. Eine Grenze findet die Mitwirkungspflicht an den berechtigten Interessen der Nebenparteien. Namentlich kann die Mitwirkungspflicht nicht so weit gehen, daß der (angebliche) Störer in seiner Verteidigung beschränkt wird. Auch die Mitwirkungspflicht bedeutet nicht, er hätte sich selbst zu belasten. bb) Die Mitwirkungs"pflicht" kann als Obliegenheit oder als Nebenpflicht begegnen. Eine Obliegenheit ist die Mitwirkung, soweit der Vertragspartner ohne sie nicht in der Lage ist, schützend tätig zu werden. Insofern setzt sich die Anzeigeobliegenheit des § 545 BGB fort. Solange danach der Mieter die zur Abmahnung des Nachbarn erforderlichen Informationen nicht hergibt, ist der Vermieter zum Einschreiten nicht verpflichtet. Mitwirkungsobliegenheit ist es also, die Grundinformationen herzugeben, ohne die der Vertragspartner gar nichts unternehmen kann. Darüber hinaus muß man aber auch eine Mitwirkungspflicht zugeben, die in gewisser Hinsicht mit der Anzeigepflicht des § 545 BGB korrelliert. Die Mitwirkung wird dann zur Nebenpflicht, wenn der Vertragspartner zum Einschreiten in der Lage ist, und ihm infolge unterlassener oder fehlerhafter Information erkennbar Schäden drohen. Die schuldhafte Verletzung der Mitwirkungspflicht begründet einen Schadensersatzanspruch. Eine unzumutbare Haftungsbelastung bringt die Mitwirkungspflicht gleichwohl nicht. Denn sie entlastet den Vertragspartner nicht von seiner Obliegenheit, eigene Untersuchungen anzustellen und nachzufragen. Ein voreiliger Vertragspartner "ist selber schuld", § 254 BGB. Auf der anderen Seite kann auf eine Mitwirkungspflicht deshalb nicht verzichtet werden, weil sonst der Vertragspartner in unzumutbarer Weise Haftungsrisiken ausgeliefert würde: Schreitet er nicht ein, so drohen ihm Minderung und Schadensersatz (z.B. § 538 BGB) von Seiten des (vorgeblich) Belästigten, schreitet er gegen den (vermeintlichen) Störer ein, so droht ihm das Prozeßrisiko. cc) Zum Beispiel: Verlangt ein Arbeitnehmer, der Arbeitgeber möchte gegen einen Kollegen einschreiten, der ihn geschlagen hat, versäumt er aber zu offenbaren, daß dafür seine ausländerfeindliche Provokation ausschlaggebend war, so ist er dem Arbeitgeber zum Ersatz der Prozeßkosten verpflichtet, wenn dieser unterliegt. Hat der Arbeitgeber dem vermeintlichen Störer infolge der
§ 6 Die Schutzpflicht des Vertragspartners
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unvollständigen Information (unwirksam) gekündigt, so ist der Anzeigende auch zum Ersatz etwaiger Annahmeverzugskosten verpflichtet, die seit dem Kündigungstermin entstanden sind. Soweit auf der anderen Seite der Arbeitgeber ohne zureichende Sachverhaltsermittlung die Kündigung ausgesprochen hat, ist die Haftung des Anzeigenden anteilig, § 254 Abs. 1 BGB.
4. Schlichtungs- und Vermittlungspflicht Die Schutzpflicht des Arbeitgebers oder Vermieters kann sich (nach billigem Ermessen) als Schlichtungs- und Vermittlungspflichtkonkretisieren, 98 und nicht selten wird sich Vermittlung und Schlichtung als erste Stufe des Einschreitens zwecks oder nach der Sachverhaltsaufklärung - empfehlen." Das kommt vor allem dann in Betracht, wenn ein Streit sich von seiner ersten Ursache entfernt und gleichsam verselbständigt hat, so daß es sinnlos ist, einen Verursacher als "Schuldigen" zu ermitteln. In einem vom BAG behandelten Fall hatte ein Arbeitnehmer schwere Vorwürfe und nachteilige Tatsachen über seinen Kollegen geäußert. Der Arbeitgeber nahm sich der Sache an und schlug vor, der Arbeitnehmer möge zur Genugtuung des Kollegen eine Ehrenerklärung abgeben. Das BAG fand, der Arbeitgeber sei "berechtigt, ja sogar den Streitenden als ihren Arbeitnehmern gegenüber verpflichtet (gewesen), sich vermittelnd einzuschalten".100
98
Diese Schlichtungs- und Vermitdungspflicht ist es auch, die sich im Falle des Kündigungsverlangens anderer Arbeitnehmer aktualisiert (vgl. etwa KR-Hillebrecht, § 626 Rn. 151): Dann ist der Arbeitgeber verpflichtet, sich schützend vor den Arbeitnehmer zu stellen und - sofern das nach Sachlage in Betracht kommt - sich vermittelnd und schlichtend einzuschalten. In ähnlicher Weise, wie die Sachverhaltsermitdungspflicht bei der Verdachtskündigung Gewicht gewinnt, kommt die Vermitdungs- und Schlichtungspflicht bei der Druckkündigung ins Spiel. 99
v.Hoyningen-Huene, NZA1987, 577 und 581 spricht davon, es stelle die "die Möglichkeit des Gesprächs mit dem Versuch argumentativen Überzeugens die erste Stufe im System der betrieblichen - wie übrigens auch jeder privaten - Streitschlichtung dar". Er läßt allerdings offen, ob und nach welchem Maßstab der Arbeitgeber dazu verpflichtet ist. Eine andere Frage ist es, ob die Treubindung der (Arbeits-) Vertragsparteien dazu verpflichtet, an einem solchen Gespräch teilzunehmen, wie v.Hoyningen-Huene a.a.O. annimmt; man wird differenzieren müssen: Da es die Prärogative des Arbeitgebers ist, den Betriebsablauf zu steuern und zu bestimmen, wie er seine Arbeitnehmer schützt, kommt es regelmäßig nicht in Betracht, daß der Arbeitnehmer ihm ein Schlichtungsgespräch aufzwingt. Anders verhält es sich, wenn der Arbeitgeber ein Schlichtungsgespräch unternimmt; dazu sogleich 4. 100
BAG, AP Nr. 5 zu § 242 BGB Kündigung unter III. Vgl. auch v.Hoyningen-Huene, 1987, 577.
NZA
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2. Teil: Mittelbare Rechtsbeziehungen
5. Pflicht zur Aussöhnungsbereitschaft a) Grundsatz Aus der Pflicht zur Wahrung und Erhaltung des Haus- bzw. Betriebsfriedens heraus sind die streitenden Parteien auf der anderen Seite verpflichtet, an einer Beilegung des Streites mitzuwirken.101 Sie haben zu diesem Zwecke an einem Schlichtungsversuch des Vertragspartners - Arbeitgebers oder Vermieters aufgeschlossen teilzunehmen. Im Rahmen ihrer vertraglichen Rechte kann von ihnen auch ein wechselseitiges Nachgeben verlangt werden. Kompromißbereitschaft ist vor allem dann zu erwarten und zu fordern, wenn die Sachlage verfahren oder verworren ist und eine Aufdeckung im einzelnen unverhältnismäßig aufwendig wäre. In dem soeben (4. a.E.) zitierten Fall hatte der Arbeitgeber die Ehrenerklärung gegenüber einem Vorschlag des verletzten Kollegen etwas abgeschwächt.102 Unter dem Gesichtspunkt der Pflicht zur Aussöhnungsbereitschaft kam es in Betracht, daß der Verletzte sich damit zu begnügen hatte.
b) Grenzen und Kontrolle Auch gegen eine Pflicht zur Aussöhnungsbereitschaft wird indessen der Vorwurf der "Betriebsjustiz" erhoben. Hinsichtlich der Betriebsbuße wurde bereits oben (2 a cc) dargelegt, daß sie nicht als "Betriebsjustiz" verworfen werden kann, sondern daß es sich um eine Form der Vertragsstrafe handelt, die gemäß § 343 BGB der Gerichtskontrolle unterliegt. Auch soweit die Vermittlungspflicht einerseits und die Pflicht zur Aussöhnungsbereitschaft andererseits in Frage stehen, ist die Sorge vor einer Privatgerichtsbarkeit unbegründet, da auch die so begründete Sanktionsmöglichkeit des Vertragspartners der Kontrolle unterliegt. Zum einen ist der Vertragspartner bei seiner Schlichtungsentscheidung gebunden, die berechtigten Interessen und zumal die (Vertrags-) Rechte der Beteiligten zu respektieren. In dem zitierten Fall des BAG103 kam es deshalb nicht
101
v.Hoyningen-Huene, NZA 1987, 577, 579, freilich nur für den Fall des Streits zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Vgl. auch KR-Hillebrecht, § 626 Rn. 151. 102
BAG, AP Nr. 5 zu § 242 BGB Kündigung.
103
BAG, AP Nr. 1 zu § 242 BGB Kündigung.
§ 6 Die Schutzpflicht des Vertragspartners
263
in Betracht, nur eine private Entschuldigung zu akzeptieren; nachdem der Verletzer seine Vorwürfe gegenüber Dritten geäußert hatte, mußte er auch einen Widerruf erklären. Zum anderen ist auch ein Außerkraftsetzen der staatlichen Gerichtskontrolle nicht zu befürchten. Es bleibt den Streitenden unbenommen, einen tatsächlich oder vermeintlich unzumutbaren Schlichtungsvorschlag auszuschlagen. Ergreift der Vertragspartner deswegen Sanktionen, so kann der Betroffene deren Berechtigung und damit den Schlichtungsvorschlag gerichtlich nachprüfen lassen.104 Umgekehrt kann der Verletzte, wenn er meint, der Schlichtungsvorschlag gehe nicht weit genug, klagen mit dem Antrag, seinen Vertragspartner zu weiterreichenden Schutzmaßnahmen zu verurteilen. Auch dann findet eine Gerichtskontrolle statt. Daß dieser Kontrollmechanismus funtkioniert, belegt der erwähnte Fall des BAG.105 Dort war dem verletzten Arbeitnehmer (u.a. deshalb) gekündigt worden, weil er die vom Arbeitgeber vorgeschlagene Ehrenerklärung nicht annahm. Dann bot der Kündigungsrechtsstreit das geeignete Forum, um zu überprüfen, ob die Ehrenerklärung zumutbar war oder nicht.106
c) Ausschließlichkeit oder Vorrang der privaten (innerbetrieblichen) Streitschlichtung? Die erörterte Entscheidung des BAG107 hat auch die Frage aufgeworfen, ob die innerbetriebliche Streitschlichtung einen Vorrang genießt, so daß es dem Verletzten verwehrt ist, sich straf- oder zivilgerichtlicher Hilfe zu bedienen: In dem zugrundeliegenden Fall hatte der Arbeitgeber seine Kündigung u.a. darauf gestützt, daß der verletzte Arbeitnehmer sich außerbetrieblicher Hilfe bedient und Widerrufs- und Schadensersatzklage erhoben sowie Strafantrag gegen den Verletzter gestellt hatte. Zwei Fragen sind zu unterscheiden: Kann den Neben-
104
BAG, AP Nr. 5 zu § 242 BGB Kündigung. Zur Betriebsjustiz auch schon oben, III 2 a cc m.w.N. 105
BAG, AP Nr. 5 zu § 242 BGB Kündigung.
106
Nicht überprüft werden kann anhand des papiernen Sachverhalts, ob die konkrete Entscheidung des BAG richtig war. Heftige Vorwürfe erhebt Nikisch, NJW 1964,2387 ff., gegen sie; kritisch auch Arndt, NJW 1965, 26 f. 107 BAG, AP Nr. 5 zu § 242 BGB Kündigung; vgl. zum folgenden auch BAG, AP Nr. 1 zu § 72 BetrVG.
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2. Teil: Mittelbare Rechtsbeziehungen
Parteien mit Rücksicht auf die private Streitschlichtung der staatliche Rechtsschutz genommen werden, und fließen aus der Vertragsbindung Einschränkungen bei der Inanspruchnahme staatlichen Gerichtsschutzes? aa) Die erste Frage wurde bereits implizit beantwortet. Es bleibt dem Störer unbenommen, Maßnahmen, die gegen ihn ergriffen wurden, gerichtlich überprüfen zu lassen. Dem Gestörten bleibt es unbenommen, einen weiterreichenden Schutz geltendzumachen oder sonst seine Rechte auszuüben.108 bb) Die weitere Frage, ob die Vertragsbindung Einschränkungen bei der Rechtsausübung begründet, behandelt § 612a BGB.109 Nach dieser Vorschrift darf der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer bei einer Vereinbarung oder Maßnahme nicht deswegen benachteiligen, weil der Arbeitnehmer "in zulässiger Weise" seine Rechte ausübt. Der Hinweis, es dürfe ein Arbeitnehmer (oder auch Mieter) nicht vom Vertragspartner gemaßregelt werden, weil er "in zulässiger Weise" seine Rechte ausgeübt hat, ist überflüssig und gesetzgebungstechnisch verfehlt. 110 Denn er drückt einerseits nur etwas Selbstverständliches aus. Andererseits bleibt unklar, welche Rechtsausübung "zulässig" ist. Deutlich wird nur - wohl eher entgegen der Intention der Verfasser - daß nicht jede Rechtsausübung zulässig ist, sondern es für die Beurteilung der "Zulässigkeit" auf die Art und Weise der Ausübung ankommt. Das wiederum ist eine Regel, die in den Allgemeinen Teil des Bürgerlichen Rechts und - soweit die Bindung im Schuldverhältnis betroffen ist - des Schuldrechts gehört. Ausschnittweise wird diese Frage denn auch in § 226 BGB behandelt. In welcher Weise kann also der Arbeitnehmer oder der Mieter, der von einer Nebenpartei gestört wird, seine Rechte ausüben? Im Grundsatz ist es bis zur Schikanegrenze zulässig, seine Rechte auszuüben. Strengere Maßstäbe fließen aber aus der Pflicht zur Loyalität und Rücksicht, die den Vertragspartner trifft.
108
Vgl. dazu Dütz, Gerichtsschutz, § 29 II (S. 278 ff.).
109
Ähnlich § 4 Abs. 3 BeschäftigtenschutzG; § 7 ArbGB-E.
110
Larenz, Schuldrecht H/1, § 52 II c (S. 326): "besagt nur eine Selbstverständlichkeit". Die Vorschrift entspricht den modernen Normierungen von Umgehungsverboten, etwa in § 18 S. 2 VerbrKrG. Zur Umgehung von Verbotsgesetzen Flume, Rechtsgeschäft, § 17 5 (S. 350 f.), der aufzeigt, wie alt die Diskussion ist. Dort auch zu der Frage, ob eine überflüssige Vorschrift wegen ihrer psychologischen Wirkung aufgenommen werden sollte. Gerade dem Rechtsbewußtsein von Arbeitnehmern wird insoweit häufig zu wenig zugetraut. Im übrigen trägt die Unklarheit der zitierten Regelungen eher zu größerer Verwirrung bei, als den Arbeitnehmer in der Wahrnehmung seiner Rechte zu bestärken.
§ 6 Die Schutzpflicht des Vertragspartners
265
Als allgemeiner Maßstab gilt daher, daß bei der Rechtsausübung auf die Interessen des Vertragspartners angemessene, loyale Rücksichtnahme zu üben ist. Eine allgemeine Antwort, was zulässig ist, läßt sich nicht geben, da die "Angemessenheit" des Vorgehens von zahlreichen Variablen abhängt. Allerdings geht es nicht um eine "umfassende Abwägung", sondern um die Gewichtung bestimmter Faktoren. Diese sind vor allem: Das Gewicht der persönlichen Verletzung; die Wahrscheinlichkeit einer befriedigenden innerbetrieblichen Lösung; die Erforderlichkeit der außerbetrieblichen Maßnahme zur Befriedigung des Opfers; der Einfluß auf den Betriebsfrieden; der Grad der Betroffenheit betrieblicher Belange. Es handelt sich um ähnliche Erwägungen wie jene, die bestimmend sind für das Anzeigerecht des Arbeitnehmers bei betrieblichen Mißständen.111 Für die Zulässigkeit der Rechtsausübung spricht es, wenn der Arbeitgeber gegen schwere kreditschädigende Äußerungen eines Arbeitnehmers nur zögerlich einschreitet. Ebenso, wenn der Arbeitgeber den Täter über Gebühr in Schutz nimmt und durch seinen Vermittlungsvorschlag zu erkennen gibt, daß er angemessene Genugtuung nicht zu geben bereit oder in der Lage ist.112 Auf der anderen Seite fällt ins Gewicht, wenn der außerbetriebliche Ehrschutz dazu führt, daß das Unternehmen in besonderer Weise in ein negatives Licht gerückt wird. In eingeschränktem Maße kann auch berücksichtigt werden, ob der außerbetriebliche Schutz zu einer Störung der Belegschaftsmoral führt. 113 Bedient sich die gestörte Nebenpartei des staatlichen Gerichtsschutzes, sei es der Zivil- oder der Strafgerichte, so darf von ihr erwartet werden, daß sie es an einem Mindestmaß an Kollegialität auch hier nicht fehlen läßt. Grobe Anwürfe und unsachliche Polemik hat der gestörte Mieter oder Arbeitnehmer im Interesse des Haus- bzw. Betriebsfriedens zu unterlassen. Indes darf man die Rücksichtsanforderungen nicht überspannen. Der betroffene Mieter oder Arbeitnehmer darf in seiner Rechtsverfolgung nicht übermäßig beschränkt
111 Dazu etwa Denck, DB 1980, 2132 ff.; Preis/Reinfeld, AuR 1989, 361, 369, 371; weitergehend Nikisch, NJW 1964, 2387, 2388 ; vgl. auch § 84 ArbGB-E 1992. Denck erwägt hinsichdich der individualrechdichen vorrangigen Schritte nur das Zurückbehaltungsrecht, verneint aber dessen Vorrang vor der Anzeige, da der Arbeitnehmer im kleinen Betrieb Repressionen zu befürchten hätte. Repressionen dürften freilich weit eher wegen der Anzeige drohen. 112
Insofern war die Kritik an BAG, AP Nr. 5 zu § 242 BGB, geradezu herausgefordert, denn das Gericht erörtert die aufgezeigten Bestimmungsfaktoren gar nicht, sondern pflichtet ohne nähere Begründung dem Arbeitgeber bei und begrüßt dessen VermitdungsVorschlag. 113
Nur eingeschränkt verdient dieser Aspekt Beachtung, weil es sonst leicht zu einer Herrschaft des "Mobs" kommen kann. Zwar dringt diese schon im Falle der Druckkündigung durch; indessen sollte solche Erscheinung nicht noch verstärkt werden, indem man der Macht der Mehrheit in weiteren Fällen Legitimationskraft zubilligt.
266
2. Teil: Mittelbare Rechtsbeziehungen
werden. Hinsichtlich des Umgangstons ist zu beachten, daß vor Gericht üblicherweise auch "mit harten Bandagen" gekämpft wird. 114 Als Maßstab für die Beurteilung können die Regeln gelten, die zum Verschulden bei der Einlegung von Rechtsmitteln herausgebildet wurden:115 Eine vorwerfbare Pflichtverletzung ist nur ausnahmsweise dann anzunehmen, wenn der Betreffende mutwillig gehandelt hat.
IV. Kollision der Schutzpflicht mit gesetzlichen Pflichten und anderen Vertragspflichten Bereits im Zusammenhang mit den aus dem Drittschutz fließenden Pflichten zwischen Nebenparteien wurde die Frage der Kollision erörtert. Sie stellt sich erneut, wenn es um Schutzpflichten des Vertragspartners geht. Soweit die Schutzpflicht eine Einwirkung auf den Störer gebietet, kann diese Einwirkung zum einen mit den Vertragspflichten gegenüber dem Störer in Konflikt geraten (1), zum anderen mit gesetzlichen Pflichten, die den Vertragspartner treffen
(2). 1. Schutzpflicht
gegenüber dem "Opfer" und Vertragspflichten gegenüber dem "Täter"
Daß der Schutzanspruch des einen mit den Vertragsrechten seiner Nebenpartei konfligieren kann, zeigt besonders deutlich die Pflicht zum Konkurrenzschutz:116 In einem Haus ist ein Ladenlokal an einen Bäcker vermietet. Das andere Ladenlokal vermietet der Eigentümer zum Zwecke eines KaffeehausBetriebes. Dabei vereinbaren die Parteien eine Pflicht des Vermieters, vor Konkurrenz im selben Haus zu schützen. Als der Bäcker ein Stehcafe einrichtet, verlangt der Kaffeehausbetreiber vom Vermieter, er möge für Beseitigung und Unterlassung sorgen. Der Bäcker verweist auf seinen Mietvertrag, der ausdrücklich eine Bäckerei mit Kaffee-Ausschank vorsieht. Beide Verträge sind auf lange Zeit befristet. 117
114
Zum Beispiel LG Osnabrück, WuM 1990, 429 f., wo verschiedene Behauptungen eines Mieters, die er im Rahmen einer Strafanzeige gegen den Nachbarn gemacht hatte, den Vermieter zur Kündigung veranlaßt hatten; das Gericht lehnt eine Störung des Hausfriedens (§ 554a BGB) mit Recht ab. 115
Münchener Kommentar-Hartaw, § 276 Rn. 126.
116
Dazu bereits oben, § 4 C II 2 b.
117
BGH, NJW 1974, 2317.
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Sofern der Bäcker nicht im Verhandlungswege zur Aufgabe zu bewegen ist, kann der Kaffeehausbesitzer mit seinem primären Schutzbegehren nicht durchdringen, da das Unterlassungsverlangen außerhalb des Vermögens des Vermieters liegt.118 Es steht ihm nur ein Minderungsanspruch zu, § 537 BGB. Darüber hinaus kann er, sofern ein entgangener Gewinn nachweislich ist, Schadensersatz verlangen, da der Vermieter für sein anfängliches Unvermögen einstehen muß, § 538 Abs. 1 Fall 2 BGB. Unter Umständen haftet der Vermieter auch aus Verschulden bei den Vertragsverhandlungen. Mit Unterschieden hinsichtlich des jeweils anwendbaren besonderen Leistungsstörungsrechts gilt diese Regel allgemein: Soweit der Vertragspartner infolge einer anderweitigen vertraglichen Bindung außer Stande ist, den Schutz zu leisten, zu dem er sich einerseits vertraglich verpflichtet hat, liegt anfängliches oder nachträgliches rechtliches Unvermögen vor. Daher muß die Primärverpflichtung zurücktreten. Der Vertragspartner ist dann zum Schadensersatz wegen Nichterfüllung verpflichtet, im Falle nachträglichen Unvermögens freilich nur, wenn ihn Verschulden trifft.
2. Gesetzliche Bindungen des Vertragspartners Auf der anderen Seite stehen gesetzliche Bindungen des Vertragspartners. 119 In aller Regel will sich der Vertragspartner freilich nicht zu etwas verpflichten, das er von Gesetzes wegen nicht leisten kann. Besonders bei gesetzlichen Bindungen ist daher in erster Linie sorgfältig zu prüfen, ob der Vertrag überhaupt dahin ausgelegt werden kann, daß die Schutzpflicht so weit gehe. Soweit es sich um die "gesetzliche" Schutzpflicht handelt, die nicht auf einer besonderen Vertragsvereinbarung beruht, kommt aufgrund der Vorgabe der
118
Unvermögen liegt freilich nicht schon allein deshalb vor, weil (z.B.) der Vermieter gegenüber dem anderen Mieter keinen entsprechenden Anspruch hat; entscheidend kommt es auf die tatsächliche Durchsetzungsmöglichkeit, etwa auch im Verhandlungswege, an; BGHZ 56, 308, 311; BGH, NJW 1974, 2317; Palandt-Heinrichs, § 275 Rn. 15. 119 Vor allem insoweit geht es um ein allgemeines, nicht auf die widerstreitenden Interessen von Nebenparteien beschränktes Problem, das sich z.B. auch dann zeigt, wenn mietvertraglich ortsübliche Immissionen (§ 906 BGB) nicht zu dulden sind. Dazu etwa Staudinger-Roth, § 906, Rn. 3; Staudinger-Emmerich, § 537, Rn. 41 ff. m.w.N.; LG Göttingen, NJW 1986, 1112, 1113; BayObLG NJW 1987,1950,1951 f.; OLG München, NJW-RR1994,654; gegen die früher h.M., die z.B. BGH, WM 1961, 654, 657 und Weimar, JR1960, 93, vertreten. Auf andere Weise zeigt sich hier, daß der Einheitsgrundsatz im privaten Rechtsverkehr nicht gilt: Es kann der Vermieter dem Mieter eine weitergehende oder engere Rechtsposition einräumen, als die, die er selbst im Verhältnis zu seinem Nachbarn hat. Zu der Problematik im Mietnachbarverhältnis auch Schmid, WuM 1987, 71, 72.
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Einheit der Rechtsordnung überhaupt nicht in Betracht, daß der Schutz über die gesetzlichen Bindungen hinausgeht. So zum Beispiel im Arbeitsrecht: Der Pflicht des Arbeitgebers, die Gesundheit zu schützen, wird ohne weiteres im Rahmen der Betriebsverfassung geschuldet. Macht es der Gesundheitsschutz erforderlich, ein Rauchverbot zu erlassen, so kommt aufgrund des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats (§ 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG) nur ein Anspruch des beeinträchtigten Arbeitnehmers dahin in Betracht, gegenüber dem Betriebsrat die Initiative zu ergreifen. 120 Doch kann es vertragliche Pflichten geben, die über die gesetzlichen Bindungen hinaus- oder hinweggehen. Und sofern das betreffende Gesetz nicht gerade solche Vereinbarungen verhindern möchte, scheitern diese auch nicht an § 134 BGB. Z.B. mag ein Arbeitgeber dem Arbeitnehmer zusichern, notfalls ein Rauchverbot zu erlassen, wenn jener den üblichen Tabakrauch nicht verträgt. Kann er dieser Verpflichtung nicht genügen, weil z.B. der Betriebsrat dem berechtigt - nicht zustimmt, so ist der Arbeitgeber ersatzpflichtig nach §§ 275, 280 BGB.
V. Zusammenfassung Die Vielzahl der geschilderten, teilweise wechselbezüglichen Rechte und Pflichten scheint verwirrend. Wie soll im Einzelfall der Arbeitgeber oder Vermieter vorgehen, wenn sich Arbeitnehmer oder Mieter über Störungen beklagen, welche Rechte und Pflichten treffen die Parteien?
7. Vorgehen des Vermieters
oder Arbeitgebers
Erfährt der Vertragspartner von einem Konflikt, so gebietet ihm das eigene Interesse zunächst, den Sachverhalt aufzuklären (oben III 2). Ausnahmsweise kann der Arbeitgeber dann zur Sachverhaltsermittlung verpflichtet sein, v.a. wenn er verdachtshalber gegen einen Arbeitnehmer einschreiten möchte (oben III 2 b). Die Aufklärung beginnt damit, der Beschwerde des Betroffenen ein offenes Ohr zu schenken. Darüber hinaus obliegt dem Arbeitnehmer stets die Anhörung auch des anderen Teils. Im Besonderen ist der Arbeitgeber nach §§13
120
Löwisch, DB 1979, Beil.l S. 14.
§ 6 Die Schutzpflicht des Vertragspartners
269
Abs. 2 BAT, 82 BetrVG und vor Ausspruch einer Verdachtsmaßnahme verpflichtet, dem Betroffenen Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben (oben III 2 a, b). In geeigneten Fällen kann der Vermieter oder Arbeitgeber sodann eine Vermittlung und Schlichtung unternehmen. Je nach Sachlage genügt schon dieses Vorgehen seiner Schutzpflicht gegenüber dem Mieter (§§ 535, 536 BGB) oder Arbeitnehmer (§§ 618, 242 BGB). Die beteiligten Mieter oder Arbeitnehmer sind verpflichtet, an einem solchen Vermittlungsversuch aufgeschlossen und kompromißbereit teilzunehmen; ihre Rechte und berechtigten Interessen brauchen sie dabei jedoch nicht preiszugeben (oben III 3 und 4). Kommt eine Vermittlung nicht in Betracht oder scheitert sie, so steht als Nächstes an, einen Störer auszumachen und gegen ihn vorzugehen, oder unabhängig davon, wer Täter und wer Opfer ist, Schutzmaßnahmen (z.B. Schall- oder Rauchabschirmung) zu ergreifen. Die streitenden Mieter oder Arbeitnehmer sind dann verpflichtet, bei einer erforderlichen weiteren Sachverhaltsklärung mitzuwirken. Die Mieter haben dem Vermieter zu diesem Zwecke Zugang zu den Mieträumen zu gewähren. Mieter oder Arbeitnehmer sind verpflichtet, richtige und vollständige Auskunft zu geben und auch ungefragt über entscheidende Fragen zu informieren (oben III 3). Kommt der Vermieter oder Arbeitgeber zu dem Ergebnis, daß weiteres Vorgehen nicht geboten sei, so wird es nicht selten so sein, daß ihn eine der streitenden Parteien auf Schutz in Anspruch nimmt. Kommt es daraufhin zum Prozeß, so ist es zweckmäßig, daß der Beklagte dem (vorgeblichen) Störer den Streit verkündet (oben III 2 a). Schließlich kommt das Einschreiten zum Schutz vor weiteren Störungen in Betracht - sei es aufgrund einer Verurteilung oder aus eigenem Entschluß. Der Vermieter oder Arbeitgeber ist verpflichtet, nach billigem Ermessen (§315 BGB) Schutzmaßnahmen zu bestimmen und zu ergreifen. Das gewählte Mittel muß zu effektivem Schutz vor Störungen geeignet sei; Maßnahmen, deren Berechtigung in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht zweifelhaft sind, brauchen nicht ergriffen zu werden. Besonders dann, wenn eine Wiederholungsgefahr droht, empfiehlt es sich, ein gestuftes Vorgehen zu wählen, das etwa mit einer Verwarnung anfängt und schrittweise weiter geht. Nur in extremen Fällen ist sogleich eine Kündigung geboten (oben II).
270
2. Teil: Mittelbare Rechtsbeziehungen
2. Vorgehen des gestörten Mieters oder Arbeitnehmers Wird ein Mieter oder Arbeitnehmer durch seinen Nachbarn oder Arbeitskollegen gestört und wünscht er, daß der Vermieter oder Arbeitgeber ihn deshalb schützt, so obliegt ihm zuerst, den Vorfall anzuzeigen (§ 545 BGB), sofern nicht der Vertragspartner ohnehin schon in Kenntnis ist. Mit der Anzeige wird er schon im eigenen Interesse eine vollständige Schilderung aller relevanten Umstände verbinden. Fragen des Vertragspartners muß er beantworten. Diese Mitwirkung schuldet er dem Arbeitgeber aber auch, sofern die mangelhafte Information für diesen ein Haftungsrisiko birgt (oben III 3). Kommt der Vertragspartner der Aufforderung zum Schutz nicht nach, so ist eine weitere Aufforderung, ggf. unter Fristsetzung geraten, wenn nicht der Arbeitgeber den Schutz schon rundheraus verweigert hat. Wird der Vertragspartner nicht oder nur in unzureichendem Maße tätig, so steht dem Mieter oder Arbeitnehmer Klage auf Schutzleistung zu. Dabei handelt es sich um eine verdeckte Gestaltungsklage: Denn das Gericht ersetzt dann die fehlende oder fehlerhafte Bestimmung der Schutzmaßnahmen (§ 315 Abs. 3 BGB). Das Gericht kann dabei in geeigneten Fällen auch ein gestuftes Vorgehen wählen, wonach etwa einer Verwarnung eine Abmahnung mit Kündigungsdrohung und schließlich die Kündigung folgt (oben II).
§ 7 Einstandspflicht des Vertragspartners für Verschulden der Nebenparteien Ging es oben, § 6, um die Schutzpflicht des Vermieters und des Arbeitgebers, so ist nun zu untersuchen, inwieweit der Vertragspartner für Schutzpflichtverletzungen zu Schadensersatz verpflichtet ist. Voraussetzung dafür ist das Vertretenmüssen, das als Einstandspflicht für eigenes oder fremdes Verschulden in Betracht kommt. Die Einstandspflicht für eigenes Verschulden des Vertragspartners (§ 276 BGB) kommt vor allem als mangelnde Sorgfalt bei Auswahl oder "Überwachung" von Nebenparteien in Betracht. Fragen, die für die Nebenparteienproblematik spezifisch wären, wirft dieser Bereich nicht auf; ihm wird hier nicht weiter nachgegangen. Von besonderem Interesse ist aber, inwieweit der Vertragspartner nach § 278 BGB für die Nebenparteien untereinander einzustehen hat. Diese Frage ist umstritten.
§ 7 Einstandspflicht des Vertragspartners für die Nebenparteien
271
I. Meinungsstand Die Frage, ob Nebenparteien Erfüllungsgehilfen ihres Vertragspartners sind, wurde vor allem für das Mietverhältnis erörtert. Ihre Hoch-Zeit hatte die Diskussion Ende der dreißiger, Anfang der vierziger Jahre.121
1. Rechtsprechung a) Mietrecht In einem Fall der dem Reichsgericht vorlag, hatte ein Mieter das Tor zum Hof nicht verschlossen, weshalb einem anderen Mieter zwei Pferde gestohlen wurden. Das Reichsgericht führt aus, es seien nicht sämtliche Mieter Erfüllungsgehilfen des Vermieters im Verhältnis untereinander. Erfüllungsgehilfe sei aber derjenige Mieter, der vom Vermieter mit der abendlichen Schließung des Tores beauftragt ist.122 Das Reichsgericht lehnte auch die Einstandspflicht des Vermieters für den Mieter und dessen Ehefrau ab, die mit einem Spirituskocher die ganze Etage in Brand gesetzt hatte. Ob der Vermieter für den Mieter - und gegebenenfalls dessen Erfüllungsgehilfen (Ehefrau) - nach § 278 BGB einzustehen habe, läßt das Gericht offen, da die Einbringung offenen Feuers polizeiwidrig gewesen sei und den vertragsgemäßen Gebrauch überschritten habe. Gemeint ist damit, der Mieter habe jedenfalls nicht "in Erfüllung" seiner Verbindlichkeit gehandelt.123 Das Kammergericht befand, der Mieter sei Erfüllungsgehilfe des Vermieters, wenn er mit dessen Erlaubnis in seiner Wohnung einen Ofen einbaut; der Einbau war mangelhaft, für den Brandschaden machte das KG den Vermieter gem. § 278 BGB verantwortlich.124 Der BGH ging in der Autogeyser-Enscheidung der Frage nach, ob der Mieter Erfüllungsgehilfe des Vermieters hinsichtlich dessen "Fürsorgepflicht" zur Verkehrssicherung der (anderen) Wohnräume sei. Aufgrund eines Rohrscha-
121
Sie war gleichwohl nicht nationalsozialistisch inspiriert, ausgenommen nur vereinzelte überschwengliche Worte, z.B. des LG Berlin, JW 1935, 68, 69. 122
RGZ 103, 371, 374.
123
RGZ 159, 27 = JW 1939, 557, 558 m.Anm.v. Dahmann.
124
KG, Recht 1927, S. 97, Nr. 333.
272
2. Teil: Mittelbare Rechtsbeziehungen
dens in der Wohnung eines Mieters sickerte Wasser in das unterliegende Ladenlokal und verdarb dort die Waren der Briefmarkenhandlung. Es kam in Betracht, daß der Oberlieger seine Anzeigepflicht (§ 545 BGB) verletzt hatte. Der BGH verneint die Gehilfeneigenschaft: Mit der Anzeigepflicht übernehme der Mieter nicht den entsprechenden Ausschnitt der Fürsorgepflicht des Vermieters, da die Anzeige allein dem Schutz des Vermieters diene.125
b) Arbeitsrecht Auch mit der Verletzung durch den Arbeitskollegen hat sich schon das Reichsgericht beschäftigt: Da sie ein Fenster nicht allein herunterheben konnte, holte die Putzfrau eine Kollegin hinzu. Dieser fiel das bereits aus der Verriegelung gelöste Fenster auf den Kopf. Das Gericht spricht davon, es handele sich um eine "selbständige Gefährdung", für die der Arbeitgeber nicht verantwortlich sei, zumal sie von der anderen Reinigungsfrau nur bei Gelegenheit ihrer Arbeit gesetzt worden sei.126 In einem vom BAG entschiedenen Fall brannte infolge mangelhafter Aufsicht von Conferencier und Geschäftsführer die Bar ab, der klagende Arbeitnehmer verlangte Annahmeverzugslohn und Ersatz für eingebrachte Sachen, die der Brand zerstört hatte. Das Gericht rechnete dem Arbeitgeber das Fehl verhalten der genannten Mitarbeiter nach § 278 BGB zu, da ihnen " Arbeitgeberfunktionen" zukämen. Die Betriebsrisikolehre und § 615 BGB finde deshalb keine Anwendung, der Arbeitgeber sei zur Lohnzahlung nach § 324 BGB und wegen Fürsorgepflichtverletzung zum Schadensersatz verpflichtet. 127 Das LAG Frankfurt hielt den Büroleiter und Vorgesetzten des klagenden Arbeitnehmers aus denselben Gründen für einen Erfüllungsgehilfendes Arbeit-
125
BGH, WM 1969, 1011, 1012 (Autogeyser).
126
RGZ 106, 293, 294. Gerne wird zur Frage der Erfullungsgehilfeneigenschaft der Arbeitnehmer gegenüber Kollegen auch RGZ 102, 372, 374 zitiert. Es handelt sich um den berühmten Milzbrandfall, der aber für die untersuchte Frage unergiebig ist. Auch RGZ 159, 283, 290 ergibt insoweit nichts: Das Gericht lehnt die Anwendung von § 278 BGB von vornherein ab, da eine allgemeine Verkehrssicherungspflicht in Rede stehe, nicht aber die von § 278 BGB vorausgesetzte individuelle Verbindlichkeit. 127
BGH, NJW 1969, 766, 777 = AP Nr. 2 zu § 324 m.zust.Anm.v. Hueck. Münchener Kommentar-//awiw, § 278 Rn. 21 Fn. 105 hält die Entscheidung für zu eng, insofern sie die Einstandspflicht nach § 278 BGB auf Mitarbeiter beschränkt, die Arbeitgeberfunktionen ausüben.
§ 7 Einstandspflicht des Vertragspartners für die Nebenparteien
273
gebers: Er sei nicht als Kollege, sondern in Ausübung von Arbeitgeberfunktionen aufgetreten, als er dem Kläger eine erhaltene Belohnung von DM 3.000,-ablistete, indem er ihm mitteilte, die Auslobung sei widerrufen worden.128
2. Schrifttum a) Mietrecht Die Rechtsprechung hat weithin Zustimmung gefunden. Dahmann stützt sie damit, daß der Mieter seine eigene Obhutspflicht zu erfüllen habe, die von der des Vermieters verschieden sei: "Die Sorgfaltspflicht des Vermieters gegenüber dem Mieter bezieht sich auf dessen Mietraum, die Obhutspflicht des anderen Mieters bezieht sich auf den anderen Raum."129 Genau das Gegenteil sucht Bandmann zu begründen. Den Vermieter treffe eine Obhutspflicht gegenüber seinem Mieter, die übrigen Räume des Hauses verkehrssicher zu halten. Im Anschluß an eine Entscheidung des Reichsgerichts130 nimmt er an, es sei dies dieselbe Obhutspflicht, die auch den Mieter gegenüber dem Vermieter treffe, die Obhutspflicht gehe also auf den Mieter über. Da aber § 414 BGB einer einseitigen Entledigung von der Obhutspflicht entgegenstehe, schalte auf diesem Wege der Vermieter den Mieter in die Erfüllung der Obhutspflicht ein.131 Roquette hingegen folgt im Ergebnis der Rechtsprechung. Er grenzt schon die Pflichten des Vermieters enger ein: Eine Obhutspflicht treffe ihn nur hinsichtlich der gemeinschaftlichen Anlagen, Hausflur, Dach usw., die er regelmäßig zu überprüfen habe. Die vermieteten Wohnungen habe er hingegen nicht zu überwachen, dazu fehle es schon am nötigen Zugang, weil auch das Zugangsrecht begrenzt sei. Hingegen treffe den Vermieter keine allgemeine Fürsorgepflicht, Schäden von Person und Eigentum des Mieters fernzuhalten. Auch wenn man eine so weitgehende Fürsorgepflicht annehme, so komme doch § 278 BGB nicht in Betracht, da es sich nicht um Einzelleistungen handele,
128
LAG Frankfurt a.M., DB 1991, 552.
129
Dahmann, JW 1939, 558, 559. Ähnlich Schlegelberger/Vogels-Weitnauer,
130
RGZ 106, 133 ff.
131
Bandmann, DR 1941, 1125 ff.
§ 278 Rn. 26.
274
2. Teil: Mittelbare Rechtsbeziehungen
sondern hauptsächlich um Unterlassungen, hinsichtlich derer eine Erfüllungshilfe nicht möglich sei.132 Gleichsam abschließend hat Zunft die Frage untersucht. Seine Ausfuhrungen folgen Dahmann darin, daß zwischen der Obhutspflicht des Vermieters und jener eines Mieters zu unterscheiden sei: Die des Vermieters ende mit der Vermietung, ihr gegenüber sei die Obhutspflicht des Mieters eigenständig und verschieden. Mit Roquette nimmt er aber eine Obhutspflicht für Gemeinschaftsanlagen an, hier hält er die Erfüllungshilfe für möglich. Aus diesem Grunde sei die Entscheidung von RGZ 103, 374 (oben 1 a) falsch, da sich der Vermieter hinsichtlich der Torschließung der Mitmieter bedient habe. Eine Einstandspflicht komme ferner auch bei Unterlassungen in Betracht, so vor allem bei Wettbewerbsverboten.133
b) Arbeitsrecht Das arbeitsrechtliche Schrifttum stimmt im Ergebnis überwiegend mit der Rechtsprechung überein: Grundsätzlich seien Arbeitnehmer keine Erfüllungsgehilfen ihres Arbeitgebers im Verhältnis zu Arbeitskollegen. Anderes gelte nur dann, wenn sie zu Aufsicht und Überwachung bestellt sind;134 zur Bestimmung dessen werden teilweise die §§ 14 StGB, 9, 130 Abs. 2 OWiG herangezogen.135 Zur Begründung wird geltend gemacht, es seien Arbeitnehmer nicht in die Erfüllung der Fürsorgepflicht eingeschaltet, sofern sie nur gelegentlich der eigenen Verrichtung handelten und nicht vom Arbeitgeber willentlich mit der Fürsorge beauftragt seien.136 Grund für die Zurückhaltung scheint auch die Sorge vor einer zu weitreichenden Haftungsbelastung des Arbeitgebers zu sein.137
132
Roquette, DR 1941, 178, 179 f.
133
Zunft,
AcP 153 (1954), 373, 383 ff.
134 Neumann-Duesberg, VersR 1968,1,7; Soergel ta¿-Lorenz, § 618 Rn. 72. 135
Wlotzke,
11
-Kraft,
FS Hilger/Stumpf, S. 749 f.; Staudinger
§ 618 Rn. 53; Münchener Kommen-
12
-Oetker, § 618 Rn. 189.
136
Münchener Kommentar-Lorenz, § 618 Rn. 72; zust. MünchArbR-ß/omeyer, § 94 Rn. 25 und 46; ähnlich Däubler, BB 1995, 1347, 1349. 137 Hueck/Nipperdey, Lehrbuch I, § 48 II 5 c aa (S. 397 f.) und III 1 (S. 408). "Es können nicht alle Arbeitnehmer als Gehilfen des Arbeitgebers bei der Erfüllung der Fürsorgepflicht angesehen werden."
§ 7 Einstandspflicht des Vertragspartners für die Nebenparteien
275
Hanau geht darüber hinaus. Seiner Meinung nach sind Arbeitnehmer zugleich Erfüllungsgehilfen des Arbeitgebers bei der Fürsorgepflicht. Anderes gelte nur für den Bereich des Betriebsparkplatzes.138
n. Stellungnahme Der Schuldner hat ein Verschulden der Personen, deren er sich zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit bedient, in gleichem Umfange zu vertreten wie eigenes Verschulden, § 278 BGB. Schwierigkeiten bereitet die Frage, inwieweit der Schuldner sich eines Dritten "zur Erfüllung einer Verbindlichkeit" bedient und zwar sowohl im allgemeinen wie in der fiir den Einzelfall zu treffenden Bestimmung.
1. Grundlage: Die Anwendung von § 278 BGB auf Schutzpflichtverletzungen a) Von der Formel des § 278 BGB ohne weiteres gedeckt sind nur die Fälle, in denen es um die Erfüllung einer Leistungspflicht oder Nebenleistungspflicht geht. Allerdings war auch insoweit umstritten, ob die Erfüllungshilfe bei Unterlassungspflichten in Betracht komme. Denn es bereitet die Vorstellung Schwierigkeiten, jemand "bediene" sich eines anderen, um zu unterlassen. Indessen geht es in diesen Fällen darum, dem Schuldverhältnis den sachlichen Verantwortungsbereich zu entnehmen, für den der Schuldner einzustehen hat.139 Für diejenigen Dritten, die er in diesen Verantwortungsbereich "einschaltet", also willentlich einführt, muß er nach § 278 BGB einstehen. Wenn § 278 BGB von Verbindlichkeit spricht, so ist damit ebenso wie bei §§ 194, 241 BGB ein Anspruch oder Schuldverhältnis i.e.S. gemeint, die auch ein Unterlassen betreffen können. Der Grund für die Zugabe einer Garantiehaftung liegt in diesen Fällen darin, daß die Einschaltung weiterer Personen für den Gläubiger eine Risikohäufung140 darstellt, die nicht ihm auferlegt werden kann, sondern vom Schuldner zu tragen ist, der auch den Nutzen daraus zieht.
138 Münchener Kommentar-tfa/iaw, § 278 Rn. 21 mit Fn. 105 (enger freilich ders. in Erman, § 618 Rn. 16). Die Entscheidung RGZ 159, 283, auf die sich Hanau stützt, trägt indes nicht; dazu oben, Fn. 126. Für die Ausnahme, die Hanau für den Parkplatz macht, beruft er BAG AP Nr. 4 zu § 611 Parkplatz; dort geht es aber nicht um die Einstandspflicht nach § 278 BGB, sondern um die Haftung des Arbeitgebers selbst wegen Fürsorgepflichtverletzung; dazu unten II 2 c a.E. 139
Lehmann, Unterlassungspflichten, § 25 (S. 288 ff.); ferner z.B. Kleinewefers/Wilts, 1963, 2345, 2347. 140
Soergel-Wolf,
§ 278 Rn. 1, 37 ff.
NJW
276
2. Teil: Mittelbare Rechtsbeziehungen
Besondere Fragen wirft aber die Erfüllungshilfe bei Schutzpflichten auf. Auch hier versagt die Vorstellung, es bediene sich der Schuldner des Dritten zur Erfüllung. Denn auch in den Fällen, in welchen der Dritte einerseits eine Leistungspflicht des Schuldners erfüllt und dabei andererseits aus Fahrlässigkeit Rechtsgüter des Gläubigers verletzt, läßt sich nicht wohl davon sprechen, bei der Integritätsverletzung helfe er dem Schuldner. Auch die dargestellte ratio des § 278 BGB paßt allenfalls eingeschränkt. Denn den Nutzen hat der Schuldner nur von der eigentlichen Erfüllungshandlung, nicht von der Schutzpflichtverletzung, mag letztere auch untrennbar mit ersterer verknüpft sein. Und auch die Risikoerhöhung - aus der Sicht des Gläubigers - läßt sich nur modifiziert feststellen, denn es geht hier nicht mehr um das Risiko der Leistungserbringung, also um das Risiko von Unmöglichkeit und Verzug, das § 278 BGB vor Augen hat. Sondern es geht um die Risiken, die dem Erhaltungsinteresse des Gläubigers drohen. Anerkannt ist deshalb, daß die Einstandspflicht für Bewahrungsgehilfen anders begründet ist, als die für Erfüllungsgehilfen. Hier muß sich der die Schutzpflichten tragende Gedanke fortsetzen: 141 Ist in der Sonderverbindung Raum dafür, der besonderen Einwirkungsmöglichkeit einen entsprechenden Schutz gegenüberzustellen, so muß sich das auch auf die Einstandspflicht für Dritte auswirken, die ein Teil in seinen aus der Sonderverbindung bestimmten sachlichen Verantwortungsbereich einführt. Insoweit paßt denn auch der Risikoerhöhungsgedanke wieder. Diese Erweiterung der Verantwortlichkeit des Schuldners drückt Eike Schmidt rechtssatzförmig so aus: "Der Schuldner hat das Fehl verhalten von Personen, die mit seinem Willen zur Erfüllung oder in sonstiger Weise im Rahmen seiner Verbindlichkeit tätig werden oder sich in seinem Obligationsbereich aufhalten, in gleichem Umfang zu vertreten wie eigenes Fehlverhalten."142 Der von Schmidt genannte "Obligationsbereich" entspricht dem hier sogenannten sachlichen Verantwortungsbereich, den das Schuldverhältnis den Parteien zuweist.143 Wie weit der sachliche Verantwortungsbereich zu ziehen ist, bestimmt sich nach dem jeweiligen Schuldverhältnis.144
141
Eike Schmidt, AcP 170 (1970), 502, 506 ff.; Staudinger-Löwisch,
§ 278 Rn. 34.
142
Eike Schmidt, AcP 170 (1970), 502, 513; im Ergebnis ähnlich Picker, AcP 183 (1983), 369, 486 ff. 143
Larenz, Schuldrecht I, § 20 VIII (S. 301), stellt demgegenüber auf den "Umkreis der mit dem Schuldverhältnis zusammenhängenden, demSchuldner obliegenden Verrichtungen" ab. Demgegenüber ist es Vorzugs würdig, von dem Verantwortungs- oder Obligationsbereich zu sprechen, weil der räumliche Bezug ("Umkreis") zu Fehlvorstellungen verleitet und die normative Bestimmung durch das Schuldverhältnis vernachlässigt. 144
Eike Schmidt, AcP 170 (1970), 502, 513; Staudinger-Löwisch,
§ 278 Rn. 35.
§ 7 Einstandspflicht des Vertragspartners für die N e b e n p a r t e i e n 2 7 7
Damit ist zugleich auch die Frage angesprochen, ob die Einstandspflicht begrenzt ist auf das Verhalten "in Ausfuhrung" der übertragenen Tätigkeit. Erstreckt sich die Gehilfenhaftung auf Verhaltenspflichten und kann sie auch dann eingreifen, wenn der Schuldner den Gehilfen allein in seinen Verantwortungsbereich einbezogen hat, so muß sich das auch auf die Beurteilung des "Sachzusammenhangs" auswirken. Man kann an diesem Kriterium festhalten. Es muß indes ebenfalls mit Rücksicht auf die Verhaltenspflichten modifiziert verstanden werden. Die Frage lautet, ob der Verhaltensfehler in Zusammenhang mit der eröffneten Einwirkungsmöglichkeit steht. Zu Recht beschreibt M. Wolf dies als eine Abgrenzung der Risikobereiche;145 umgekehrt betrachtet geht es auch hier darum, die Verantwortungsbereiche der Parteien des Schuldverhältnisses abzustecken.146 Gerade wenn man die Verbindung des "Sachzusammenhangs" ("in Ausführung" - "gelegentlich") mit der Verantwortung auch für die Wahrung weiterer Verhaltenspflichten anerkennt, ist indessen kein Raum für eine Differenzierung danach, ob "vertragsspezifische" oder sonstige Störungen vorliegen.147 Die Vertragsspezifizität ist auch sonst kein Kriterium für die Abgrenzung von Verhaltenspflichten. Seine Einführung würde eine Haftungserleichterung durch Delegation begründen. Gerade das Gegenteil bezweckt jedoch § 278 BGB, nämlich die Verantwortlichkeit des Schuldners unabhängig davon, ob er selbst zu Werk schreitet oder sich eines Gehilfen bedient. Zu betonen ist allein, daß damit nicht alle Dämme einreißen. Denn es bleibt die Bestimmung der jeweiligen Verantwortungsbereiche Sache der Vertragsparteien, es bleibt die Auswahl seiner Gehilfen in der Hand des Schuldners. Eben in der Auswahl liegt auch die "Beherrschung", die es sachlich rechtfertigt, dem Schuldner die Verantwortung zu übertragen.148 b) In der Literatur wird die Gehilfenhaftung vielfach weiter eingeschränkt. So findet sich öfter die Formulierung, es sei der Schuldner für Dritte verantwortlich, die für ihn "tätig werden".149 Hanau läßt die bloß tatsächliche Ein-
145
Soergel-Wolf,
§ 278 Rn. 37 ff.
146
Wie hier Eike Schmidt, AcP 170 (1970), 502, 509 ff.; Picker, AcP 183 (1983), 369, 486 ff.; Medicus, Schuldrecht I, § 30 III 1 d (S. 159 ff., Rn. 332 f.); Soergel-Wolf, § 278 Rn. 37 ff. 147
Dafür aber Larenz, Schuldrecht I, § 20 VIII (S. 302).
148
Daher und insoweit greift der Einwand von Staudinger-Löwisch, § 278 Rn. 42, nicht, es beherrsche der Schuldner das Verhalten außerhalb der Ausführung ebensowenig wie der Gläubiger. Löwisch (a.a.O.) argumentiert weiterhin, die Beschränkung auf Ausführungsfehler sei im Interesse eines Gleichklangs der deliktischen (§ 831 BGB) mit der Sonderhaftung geboten. Ein Gleichlauf ist indes nicht geboten und auch das Beispiel Löwischs läßt seine Notwendigkeit nicht erkennen. 149 Larenz, Schuldrecht I, § 30 VIII (S. 301); Medicus, Schuldrecht I, § 30 IU 1 b bb (S. 157, Rn. 326).
278
2. Teil: Mittelbare Rechtsbeziehungen
Wirkungsmöglichkeit, unabhängig von einem Tätigwerden, nur dann ausreichen, wenn der Dritte "den Vertragsgegenstand nutzt", eine Formulierung, die offenbar auf die Einbeziehung von Dritten in die Mietwohnung gemünzt ist. Begründet sind diese Einschränkungen nicht. Denn für die Schutzpflichten kommt es auf ein Tätigwerden nicht an, entscheidend ist allein die durch die Sonderverbindung bedingte Einwirkungsmöglichkeit. So kann es keinen Unterschied machen, ob der Lehrling, der den Spiegel des Bestellers beschädigt, vom Meister mit der Ausführung des Auftrags betraut war oder ob er ihn nur zu Ausbildungszwecken begleitete. Im einen wie im anderen Fall ist die haftungsrelevante Risikoerhöhung gegeben. Der BGH hegt dagegen das Bedenken, es könne bei einer zu weitgehenden Erfüllungsgehilfenhaftung die Grenze zur Leutehaftung150 überspielt werden. Als Voraussetzung für die Einstandspflicht eines Krankenhauses für die Schädigung eines Patienten durch einen Arbeitnehmer hat er deshalb angenommen, die Schädigung müsse sich aus der dem Arbeitnehmer übertragenen oder einer ihm gestatteten Tätigkeit ergeben.151 Das ist einerseits überflüssig, andererseits nicht begründet. Denn das Erfordernis der Gestattung ist schon durch die Einschaltung, die willentliche Eröffnung des schuldnerischen Verantwortungsbereichs abgedeckt. Auf der anderen Seite kann die Einstandspflicht nicht auf die übertragene Tätigkeit begrenzt werden; das wurde soeben schon begründet. Zutreffend, aber nicht neu ist nur die Begrenzung der Einstandspflicht auf den Rahmen des eröffneten Verantwortungsbereichs. Die Grenze zur Leutehaftung, die der BGH zu wahren sucht, ist aber in der Tat neu zu bestimmen. Denn infolge der Anerkennung von Schutzpflichten ist notwendig auch der Erfüllungsgehilfenhaftung ein weiterer Bereich eingeräumt worden, der sich teilweise mit dem der Leutehaftung deckt. Zur Vermeidung sachfremder Differenzierungen hatte daher U. Huber in seinem Gutachten zur Überarbeitung des Schuldrechts eine Ergänzung der Erfüllungsgehilfenhaftung um eine Leutehaftung vorgeschlagen.152 In jüngerer Zeit wurde sogar die
150 Die Leutehaftung, die z.B. §§ 431, 456, 607 HGB vorsieht, begründet bekanndich eine Einstandspflicht für jegliche Angestellte des Schuldners, ohne Rücksicht auf deren Einsatz in bezug auf die dem Gläubiger geschuldete Leistung. 151 BGHZ 23, 319, 323; ihm folgt offenbar Münchener Kommentar-//a/zflw, § 278 Rn. 17, der annimmt, es hafte der Arbeitgeber seinen Gläubigern für ein Arbeitnehmerverschulden bei der privaten Nutzung von betrieblichen Einrichtungen nur, wenn diese erlaubt war. Kritisch gegenüber der so gewonnenen Differenzierung U. Huber, Gutachten, S. 725, der aus diesem Grunde für das allgemeine Zivilrecht eine Leutehaftung vorgeschlagen hat, die freilich die Kommission ablehnte (Abschlußbericht, S. 125).
§ 7 Einstandspflicht des Vertragspartners für die Nebenparteien
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Ansicht vertreten, die zivilrechtliche Erfiillungsgehilfenhaftung habe sich zu einer Leutehaftung entwickelt,153 die Leutehaftung sei deswegen obsolet.154 Ist 152
U. Huber, Gutachten, S. 637, Erläuterung auf S. 725. Der Vorschlag wurde nicht in den Kommissionsentwurf übernommen: Die Leutehaftung bedeute eine Haftung auch außerhalb der Erfüllung der Schuldnerverbindlichkeit; die Leute hätten dann "nur zufällig (also ohne gezielte Einschaltung) mit der Leistungsstörung zu tun", deshalb sei die Haftung des Schuldners für sie nicht einzusehen; schließlich aber sei die Erweiterung überflüssig, soweit § 241 Abs. 2 BGB-KE die Schutzpflicht als (auch alleinigen) Inhalt des Schuldverhältnisses anerkenne und auch dann § 278 BGB Anwendung finde; Abschlußbericht S. 125. Der letztgenannte Gesichtspunkt bestätigt die hier vertretene Auffassung. Er steht aber zugleich in einer Spannung zu den vorgenannten: Wenn nämlich die Rücksicht alleiniger Inhalt des Schuldverhältnisses ist, so kann es auf die "Einschaltung zur Erfüllung" nicht ankommen. In diesem Fall muß es ausreichen, daß der Gehilfe dem Risikobereich des Schuldners zuzuordnen ist, weil dieser ihm willendich die Einwirkungsmöglichkeit eröffnet hat. Gibt man dies zu, so erscheint auch die Haftungslast nicht mehr unzumutbar, ist doch die Störung durch den Gehilfen keineswegs nur zufällig. 153 K.Schmidt, FS Raisch, S. 201 f. Zum Beispiel führt er den Fall an, daß der vom Meister geschickte Klempner ein Gemälde des Auftraggebers und das Fahrrad von dessen Vermieter stehle. Dann, so meint Schmidt, hafte der Meister dem Auftraggeber für den Klempner nach § 278 BGB, nicht aber der Auftraggeber dem Vermieter für den Klempner. Indes läßt sich die Frage der Zurechnungsbeschränkung ("in Ausführung" oder "gelegendich") im Hinblick auf dieselbe Pflicht (Obhut) nicht je verschieden beantworten, sondern nur einheidich dahin, es komme darauf an oder nicht (dazu nachfolgend im Text). Daß der Fall nichts mit einer zivürechdichen Leutehaftung zu tun hat, zeigt sich auch, wenn man den Sachverhalt geringfügig und unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten unwesentlich moduliert: (a) So ist an der Haftung des Auftraggebers gegenüber dem Vermieter für das Gehüfen-Gehilfen Verschulden nicht mehr zu zweifeln, wenn der Klempner aus Unachtsamkeit - in Ausführung seiner Tätigkeit - einen Wasserschaden am Vermietereigentum herbeiführt. Und umgekehrt: (b) Beauftragt der vom Mieter mit der Reparatur betraute Architekt einen Klempner, so ist der Architekt gegenüber dem Mieter (und ebenso der Mieter gegenüber dem Vermieter!) für diesen verantwortlich, obwohl der Klempner selbständig ist und daher nicht zu den Leuten des Architekten gehört. Es kann bei der Einstandspflicht nach § 278 BGB für Schutzpflichtverletzungen keine Unterscheidung zwischen "Leuten und dritten Erfüllungsgehilfen" geben. Denn diese Unterscheidung spiegelt sich in der für die Einstandspflicht entscheidenden Frage nach der Einbeziehung in den Verantwortungsbereich nicht wider. Soweit K. Schmidt annimmt, es seien in seinem Beispiel die Leute (Klempner) in die Pflichten des Unternehmers (Meister) weitaus umfassender eingeschaltet, als in jene des Auftraggebers (Mieter), ist dem allgemein nicht zu widersprechen. Soweit es aber um die Schutzpflicht geht, den Auftraggeber nicht zu schädigen, läßt sich nicht differenzieren, da diese Pflichten allein von der tatsächlich gewährten Zugangsmöglichkeit abhängen. Im Rahmen des eröffneten Zugangs zu dem Verantwortungsbereich haftet der Schuldner für Gehilfen, seien es nun seine Leute oder Dritte. 154
So im Ansatz bereits Denck, Außenhaftung, S. 153 ff., 162, und nunmehr in aller Konsequenz K. Schmidt, Karlruher Forum 1993, S. 9 und ders., FS Raisch, S. 189, 192, 200, der annimmt, die zivilrechdiche Gehilfenhaftung habe sich an dem handelsrechdichen Vorbild orientiert, er sieht darin einen Beleg für die "abgeschlossene Verallgemeinerung handelsgesetzlicher Speziairegeln" (FS Raisch, S. 192). Zu seiner These kann an dieser Stelle nicht ausführlich Stellung genommen werden. Bemerkt sei aber, daß zumindest der entwicklungsgeschichdiche Teü seiner Ausführungen Zweifeln begegnet. Nach hier vertretener Auffassung beruht die Entwicklung der Erfüllungsgehilfenhaftung auf der Anerkennung weiterer Verhaltenspflichten (ähnlich Denck a.a.O.; auch die Kommission zur Überarbeitung des Schuldrechts hielt die Einführung einer
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2. Teil: Mittelbare Rechtsbeziehungen
aber die Erfüllungsgehilfenhaftung, wie der BGH voraussetzt, durch die Leutehaftung beschränkt? Das ist zu verneinen. Dagegen spricht schon, daß das spezielle Gesetz das allgemeine nicht beschränken kann. Entscheidend ist aber, daß der Zweck der Leutehaftung allein die Erweiterung der Geschäftsherrnverantwortlichkeit in einem Spezialbereich war, 155 nicht zugleich aber die Beschränkung der allgemeinen Einstandspflicht für Erfüllungsgehilfen auf diese Obergrenze. Eine solche Beschränkung lag dem Gesetzgeber des Handeslgesetzbuchs von 1897 schon deshalb fern, weil derzeit noch nicht absehbar war, wie sich die Erfüllungsgehilfenhaftung des § 278 BGB in der Praxis entwickeln würde.156 Unabhängig von der Frage, inwieweit die Gehilfenhaftung nach § 278 BGB schon zu einer Leutehaftung geworden ist, kann deshalb die Leutehaftung die Erfüllungsgehilfenhaftung nicht beschränken. Schließlich verfängt auch der Einwand nicht, der Schuldner werde durch die hier verfolgte Bestimmung übermäßig belastet.157 Zum einen ist die Einstandspflicht dadurch wirksam und für den Schuldner steuerbar begrenzt, daß sie nur dann eingreift, wenn der Schuldner dem Dritten willentlich Zugang zu dem Verantwortungsbereich gewährt hat (Einschaltung).158 Zumindest bei Vertragsverhältnissen liegt es außerdem (auch) in der Hand des Schuldners, seinen Verantwortungsbereich zu begrenzen. Zum anderen aber bedeutet die Risikobegrenzung zugunsten des Schuldners im Schuldverhältnis zugleich eine Risikoerhöhung zu Lasten des Gläubigers, so daß das rechtspolitische Argument ohnehin von begrenzter Aussagekraft ist. Geht es m.a.W. nur um die Zuweisung des Risikos zu dem einen oder dem anderen Teil, so spricht die Einschaltung und damit Auswahl durch den Schuldner dafür, ihm auch das Risiko aufzuerlegen. Er ist näher daran als der Gläubiger, der nur durch einen
allgemeinen Leutehaftung mit Rücksicht auf die vorgeschlagene gesetzliche Anerkennung von weiteren Verhaltenspflichten, § 241 BGB-KE, für überflüssig; Abschlußbericht S. 125). Eine Vorbildfunktion des Handelsrechts ist demgegenüber nicht zu erkennen, im Gegenteil belegt die hier erörterte Entscheidung von BGHZ 23, 319, daß die Unterscheidung von Erfüllungsgehilfenhaftung und Leutehaftung sich in der Rechtsprechung geradezu als Hemmschuh für die Entwicklung dargestellt hat. 155
K. Schmidt, FS Raisch, S. 200 ff.
156
Vgl. dazu auch K. Schmidt, FS Raisch, S. 200.
157
Aus entsprechenden Erwägungen lehnt die Kommission zur Überarbeitung des Schuldrechts die Einführung einer allgemeinen Leutehaftung ab, Abschlußbericht, S. 125. 158
Es versteht sich, daß mit der Anerkennung von Schutzpflichten und der Einstandspflichten des Schuldners auch für Schutzpflichtverletzung von Erfüllungsgehilfen auch ein modifiziertes Verständnis der Einschaltung einhergehen muß; eben darin liegt auch die Möglichkeit, die Gehilfenhaftung zu beschränken.
§ 7 Einstandspflicht des Vertragspartners für die N e b e n p a r t e i e n 2 8 1
entsprechenden Ausschluß der Zuziehung weiterer Personen Einfluß nehmen und steuern kann.
2. Nebenparteien als Erfüllungsgehilfen Auf dieser Grundlage ist nunmehr zu prüfen, inwieweit die Nebenparteien als Erfüllungsgehilfen des Vertragspartners anzusehen sind.
a) Bei Einschaltung in die Erfüllung von Leistungs- und Nebenleistungspflichten Erfüllungsgehilfen sind die Nebenparteien unbestritten insoweit, als der Schuldner sie in die Erfüllung seiner Leistungs- und Nebenleistungspflichten einschaltet. Das ist gemeint, wenn die Arbeitsgerichte - etwas schief - davon sprechen, es seien Arbeitnehmer Erfüllungsgehilfen des Arbeitgebers, soweit sie "Arbeitgeberfunktionen" ausüben. Zu Recht hat das BAG daher den Geschäftsführer und den Conferencier im Barbrandfall als Erfüllungsgehilfen hinsichtlich der Verkehrssicherungspflicht angesehen. Ebenso sind die Wartungs- und Putzleute Erfüllungsgehilfen hinsichtlich der Sicherungspflicht des Arbeitgebers. Erfüllen sie ihre Pflichten nicht oder unzureichend, so muß der Arbeitgeber schon nach der originären Konzeption des § 278 BGB für sie einstehen. Entsprechendes gilt, wenn der Vermieter einen Mieter mit der Treppenhausreinigung oder mit dem Schneeräumen beauftragt. Es macht keinen Unterschied, ob sich der Vermieter insoweit einer Hausverwaltung bedient159 oder eines Mieters.
b) Bei Schutzpflichtverletzungen im Rahmen der Erfüllungshilfe bei Leistungs- und Nebenleistungspflichten In den Fällen von oben, a, dürfte aber auch unzweifelhaft sein, daß der Vertragspartner für Schutzpflichtverletzungen der Betreffenden einzustehen hat. Einzustehen hat danach der Vermieter, wenn der mit der Reinigung beauftragte Mieter durch ungeschicktes Hantieren mit dem Besen das Verdeck des im Hausflur (berechtigt) abgestellten Kinderwagens eines anderen Mieters durchstößt. Einzustehen hat der Arbeitgeber, wenn die Kleider eines Arbeitnehmers
159
Zur Haftung des Vermieters für die Hausverwaltung etwa BGH, VersR 1965, 364, 365.
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2. Teil: Mittelbare Rechtsbeziehungen
durch Reinigungschemikalien beschädigt werden, die der Reinigungsmann ungesichert stehen ließ.160
c) Außerhalb konkreter Erfüllungshilfe Der Vertragspartner hat aber auch für ein Fehlverhalten von Arbeitnehmern oder Mietern einzustehen, die er nicht besonders eingesetzt hat. Denn auch sie hat er willentlich in seinen vertraglich begründeten Verantwortungsbereich eingeführt. Kann an der willentlichen Einschaltung kein Zweifel bestehen, so ist doch nicht unbestritten, daß es insoweit noch um den Verantwortungsbereich des Vermieters bzw. Arbeitgebers geht. Das verdeutlicht aber der - von Bandmann 161 zu Recht angestellte - Vergleich mit der Situation, daß der Vertragspartner selbst gehandelt hätte. Es kann für den Mieter keinen Unterschied machen, ob der Vermieter selbst das Obergeschoß bewohnt oder ein anderer Mieter; für den Arbeitnehmer kann es keinen Unterschied machen, ob er mit dem Arbeitgeber selbst zusammenarbeitet oder mit einem anderen Arbeitnehmer. Das wird besonders deutlich, wenn insoweit erst nachträglich eine Änderung eintritt. Überläßt der Vermieter das Obergeschoß, das er bisher selbst bewohnte, nunmehr einem anderen Mieter, so darf dadurch die Rechtsstellung des Unterliegers nicht beeinträchtigt werden. Dagegen läßt sich nicht einwenden, es liege meist so, daß der Mieter von vornherein ausschließlich mit anderen Mietern zu tun hat, der Arbeitnehmer ausschließlich mit Arbeitskollegen. Daß der Schuldner die betreffende Leistung nicht selbst erbringen kann, spielt auch sonst keine Rolle. Aus diesem Grunde kommt es auch nicht darauf an, daß der Vermieter nur ein beschränktes Zugangsrecht zu den anderen Wohnungen hat. Der Verantwortungsbereich des Vermieters läßt sich daher nicht auf Gemeinschaftsräume begrenzen, wie Zunft vorschlägt. Denn auch die vermietete Wohnung gehört zu dem Bereich, der eine besondere Einwirkung durch das Mietverhältnis eröffnet. Es wäre auch ungereimt, sollte es einen Unterschied machen, ob das Wasserrohr im Bereich des Dachbodens ein Leck hat oder im Bereich der Oberliegerwohnung. Das mangelnde Zugangsrecht des Vermieters wird übrigens mietvertraglich durchaus ausgeglichen und zwar durch die Anzeigepflicht des Mieters, der bei
160 Zu der dann entscheidenden Frage, inwieweit der Schuldner auch für "Gelegenheitsdelikte" haftet, siehe bereits oben, 1 a a.E. 161
Bandmann, DR 1941, 1125 ff.
§ 7 Einstandspflicht des Vertragspartners für die N e b e n p a r t e i e n 2 8 3
schuldhafter Versäumung ersatzpflichtig wird, § 545 BGB. Es geht mithin nur um dierichtigeVerteilung des Insolvenzrisikos - und da ist der Vermieter, dem es offensteht, die Mieter auszuwählen und Sicherheit von ihnen zu verlangen, "näher daran". Im Mietverhältnis spricht für die Einstandspflicht des Vermieters auch die Parallele zum Wohnungseigentumsrecht. Dort ist es anerkannt, daß ein Wohnungseigentümer den anderen gegenüber für seine Mieter nach § 278 BGB einzustehen hat, soweit es um die rücksichtsvolle Nutzung nach § 14 Nr. 1 WEG geht.162 Der Verantwortungsbereich des vermietenden Wohnungseigentümers gegenüber den anderen Wohnungseigentümern, der sich aus § 14 Nr. 1 WEG ergibt, unterscheidet sich aber nicht von dem Verantwortungsbereich des Vermieters gegenüber seinen Mietern. Denn der Vermieter ist in aller Regel nach Treu und Glauben (§§ 133, 157 BGB) verpflichtet, von den anderen Wohnungen sowie den Gemeinschaftsanlagen nur in solcher Weise Gebrauch zu machen, daß dadurch dem Mieter kein über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus ein Nachteil erwächst. Aus diesem Grunde muß auch die Einstandspflicht für Dritte entsprechend ausgestaltet sein. Im Ergebnis übereinstimmend nimmt auch Hanau eine Einstandspflicht des Arbeitgebers für die Arbeitnehmer an. Er formuliert das dahin, es seien sämtliche Arbeitnehmer Erfüllungsgehilfen des Arbeitgebers hinsichtlich der Fürsorgepflicht. Ausnehmen möchte er allerdings den Bereich des Parkplatzbetriebes (s.o. 1 b bb). Dieser Ausnahme kann man zustimmen, wenn auch nicht wegen Besonderheiten der Gehilfenhaftung, sondern mit Rücksicht auf den sachlichen Verantwortungsbereich des Arbeitgebers. Darum geht es denn auch in der Entscheidung des BAG vom 25.6.1975,163 auf die sich Hanau 164 bezieht. Das BAG stellt fest, der Arbeitnehmer habe diejenigen Risiken selbst zu tragen, die ihn auf dem Werkparkplatz ebenso treffen wie auch sonst als Kraftfahrzeughalter. 165 Insofern treffe den Arbeitgeber keine Fürsorgepflicht. Grenzt man den
162
BayObLG, NJW 1970, 1550, 1554; OLG Düsseldorf, NJW-RR 1995, 1163; zust. Staudinger-Löwisch, § 278 Rn. 96; Kirchhoff, ZMR 1989, 323, 324 f.(der allerdings über das Kriterium "in Ausführung" wesendich einschränkt); M.J. Schmid, Vermietung, S. 75; ebenso wohl auch Weitnauer-Lüke, § 10 Rn. 12 (die Verweisstelle § 13 Rn. 18 enthält konkrete Aussage betreffend die Mieter). 163
BAG, AP Nr. 4 zu § 611 BGB Parkplatz.
164
Münchener Kommentar-ifa/ia«, § 278 Rn. 21.
165
BAG, AP Nr. 4 zu § 611 Parkplatz m.zust.Anm.v. Weitnauer/Holtkamp. Die tatsächlichen Umstände beurteilt Wiedemann, SAE 1967, 40, 41 f., anders; auch er begrenzt den sachlichen Verantwortungbereich aber im Grundsatz auf vertragsspezifische Risiken. Zur Haftung des Arbeitgebers allgemein Salje, DAR 1988, 151, 154 ff.
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2. Teil: Mittelbare Rechtsbeziehungen
sachlichen Verantwortungsbereich so ein, so kommt auch die Einstandspflicht für Dritte nicht in Betracht.
Ergebnisse Gegenstand der Untersuchung sind die Rechtsbeziehungen zwischen mehreren Vertragspartnern derselben Person, den hier sogenannten Nebenparteien. Diese wurden anhand der Rechtsbeziehungen dargestellt, die zwischen Arbeitskollegen bestehen, und jenen, die zwischen Mietnachbarn bestehen. Zuerst wurde die Frage untersucht, ob es zwischen den Nebenparteien schon "unmittelbare Rechtsbeziehungen" gibt (1. Teil, §§ 1 bis 5), anschließend wurden einige Fragen aus dem Bereich der über den Vermieter vermittelten Beziehungen ("mittelbare Rechtsbeziehungen") erörtert (2. Teil, §§ 6 und 7). Im einzelnen kommt die Untersuchimg zu folgenden Ergebnissen: 1. Die Mitglieder einer Zweckgemeinschaft sind einander durch die Treuepflicht verbunden, unabhängig von der formalen Ausgestaltung als Körperschaft oder Personengesellschaft. (§ 1 A) Nebenparteien stehen indessen in keiner Zweckgemeinschaft. Zum einen verbinden sie sich schon nicht rechtsgeschäftlich. Zum anderen aber konnte ein gemeinsamer Zweck nicht festgestellt werden: Den Arbeitszweck verfolgen die Arbeitnehmer nur parallel, ebenso wie die Mieter den "Wohnzweck". Auch die Wahrung der gemeinsamen Interessen ist kein gemeinsamer Zweck. Lediglich akzidentiell lassen sich Zweckverbindungen feststellen, so etwa wenn Arbeitnehmer oder Mieter sich zusammenschließen, um ihnen zustehende Rechte gemeinsam auszuüben. (§ 1 B I und C I) Arbeitnehmer bilden aber auch mit dem Arbeitgeber keine Zweckgemeinschaft. Auf den Betriebszweck werden sie ausgerichtet, zu dem Unternehmenszweck werden sie eingesetzt: Jeweils handelt es sich nicht um eigene Zwecke der Arbeitnehmer und scheitert somit auch die Annahme eines gemeinsamen Zwecks. Aber auch die Koordinierung ihrer Arbeitskraft mit dem Kapital des Arbeitgebers zur Erzielung einer Dividende ist kein von den Arbeitnehmern geteilter Zweck. (§ 1 B II) Ein Mitgliedschaftsverhältnis der Arbeitnehmer im arbeitgeberischen Unternehmensverband wird schließlich auch nicht durch die Zuweisung von Mit-
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Ergebnisse
gliedschaftsrechten durch die Unternehmensmitbestimmung oder die Betriebsverfassung begründet. Die daraus fließenden Rechte bleiben hinter den "echten" Mitgliedschaftsrechtender Anteilseigner zurück. (§ 1 B III) 2.
Nebenparteien stehen auch nicht in einem Gemeinschaftsverhältnis.
Die Parallelschuldverhältnisseder Mietnachbarn oder Arbeitskollegen begründen keine schlichte Rechtsgemeinschaft i.S.v. §§ 741 ff. BGB, da nicht ein Recht mehreren gemeinsam zusteht, sondern mehrere gleichartige Rechte "nebeneinanderliegen". (§ 2 A) Auch die Lehre von der Interessengemeinschaft vermag eine Gemeinschaftsbeziehung zwischen Nebenparteien nicht zu begründen. Zwar ließen sich "gleichgerichtete Interessen" in ihrem Verhältnis durchaus begründen. Indessen sind "gleichgerichtete Interessen" kein tauglicher Entstehungstatbestand für eine Gemeinschaft. Gegen eine solche Lehre von der Interessengemeinschaft spricht nicht nur die Schwierigkeit, die Interessengleichrichtung zu überprüfen und eine entsprechende Feststellung zu begründen. Sie fügt sich vor allem nicht in das System des BGB ein, das entscheidend auf dem Prinzip der Privatautonomie i.S. einer Willensherrschaft fußt. Damit verträgt sich eine Interessenherrschaft nicht. (§ 2 B) Auch "außervertragliche Sozialbeziehungen" lassen sich zwischen Nebenparteien nicht begründen. Der dahingehende Ansatz von Paschke hat sich als nicht tragfähig erwiesen, vor allem deshalb, weil ein Geltungsgrund für eine solche Rechtsbeziehung nicht auszumachen war. (§ 2 C I) Bestimmt man Gemeinschaftsrecht hingegen im Anschluß an Larenz und Ernst Wolf maßgeblich als Organisation- und Teilhaberecht, so ist weder im Mietnachbar- noch im Arbeitskollegenverhältnis ein gemeinschaftsrechtlicher Einschlag zu erkennen. Gemeinschaftsrechtliche Züge weist allein das Betriebsverfassungsrecht auf. Doch ist die durch das BetrVG begründete Gemeinschaft in verschiedener Hinsicht besonders und vor allem nicht durch schuldrechtliche Rechte und Pflichten der Beteiligten geprägt; deswegen lassen sich aus ihr gemeinschaftsrechtliche Rechte und Pflichten der Arbeitnehmer untereinander nicht begründen. (§ 2 C II). Die Lehre vom Arbeitsverhältnis als personenrechtliches Gemeinschaftsverhältnis ist nach hier vertretener Auffassung unbegründet. Sollen ihre Verdienste auch nicht in Abrede gestellt werden, so erscheint sie doch heute zur Begründung und Erklärung des Arbeitsverhältnisses entbehrlich. Rechtsverhältnisse zwischen Arbeitskollegen vermochte diese Lehre zwar in Ansätzen zu
Ergebnisse
begründen. Mit der Ablehnung der Lehre an sich entfällt dieser Begründungsstrang indessen. Im übrigen konnte auch die auf die Lehre vom personenrechtlichen Gemeinschaftsverhältnis gestützte Begründung von Arbeitkollegenbeziehungen nicht überzeugen. Auch hier wurde der Mangel eines Rechtsgrundes und damit einhergehend eine Bedrohung der Individualfreiheit offenbar. (§ 2 D) Eine Gemeinschaftsbeziehung konnte schließlich auch nicht in Anlehnung an die Lehre vom nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis begründet werden. Das Grundnachbarverhältnis entbehrt schon der Züge eines Gemeinschaftsverhältnisses. Die für das Grundnachbarverhältnis entwickelten Regeln lassen sich aber auch nicht auf das Verhältnis von Mietern eines Hauses übertragen. (§ 2 E) 3. Die individualrechtliche Beziehung begründet in Form der Sonderverbindung erhöhte Sorgfaltspflichten unter den Beteiligten. Eine Sonderverbindung zwischen den Nebenparteien läßt sich in der Tat begründen. Der Vertrag zugunsten Dritter, §§ 328 ff. BGB, ist dafür zwar regelmäßig kein tauglicher Ansatzpunkt. Nur im Einzelfall kann angenommen werden, es wollten die Miet- oder Arbeitsvertragsparteien schon eine Berechtigung für die Mietnachbarn bzw. Arbeitkollegen begründen. Das kommt ausnahmsweise z.B. bei besonders auf den Nachbarn bezogenen Wettbewerbsverboten in Betracht. (§ 3) 4. Eine Sonderverbindung zwischen Arbeitskollegen eines Betriebes und zwischen Mietern eines Hauses begründet aber - entgegen der in der Rechtsprechung vorherrschenden Auffassung (§ 4 A) - die vertragliche Schutzwirkung. Die Schutzwirkung für Dritte wird hier als eine rechtlich anerkannte Drittwirkung des Schuldverhältnisses verstanden. Sie ist im Einzelfall aus der Anlage des Schuldverhältnisses zu begründen, die von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien der Leistungsnähe und der Gläubigernähe sind dafür Indizien. Als Teilhabe am Anschlußschuldverhältnis ist die Schutzwirkung aus diesem begründet, sie ist aber auch durch das Anschlußschuldverhältnis begrenzt. Ihr steht es nicht entgegen, daß Schuldner und Dritter gleichrangig stehen, wie dies im Verhältnis der Nebenparteien der Fall ist. Die aus der Schutzwirkung fließenden Verhaltenspflichten sind grundsätzlich ebenso klagbar wie sonstige weitere Verhaltenspflichten. (§ 4 B) Das Arbeitsverhältnis und das Wohnraummietverhältnis sind regelmäßig auf Zusammenarbeiten mit Arbeitskollegen respektive Zusammenwohnen mit Mietnachbarn hin angelegt. Das ergibt sich zum einen aus den Indizien der
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Ergebnisse
Leistungs- und der Gläubigernähe, zum anderen aber auch aus der gesetzlichen und vertraglichen Regelung. Wesentliche Anhaltspunkte dafür finden sich in den Vorschriften der §§ 554a BGB, 104 BetrVG. Beziehen diese sich auch auf das Verhältnis der Vertragsparteien untereinander, so drücken sie doch aus, daß sowohl die Nähe und Einwirkungsmöglichkeit der Nebenparteien als auch die Rücksicht aufeinander angelegt ist. Die so begründete Schutzwirkung läßt sich wirksam von anderen, verwandten Fällen abgrenzen und damit beschränken. Nicht begründet ist damit eine Schutzwirkung für Nebenparteien in jeglichem Schuldverhältnis. Die Schutzwirkung für Dritte erlaubt es, vor allem Rücksichtspflichten der Nebenparteien herauszuarbeiten. (§ 4 C) 5. In einer Übersicht wurde dargestellt, nach welchen allgemeinen gesetzlichen Regeln die Nebenparteien einander berechtigt und verpflichtet sind. Praktische Bedeutung haben vor allem der Besitzschutz, der Wettbewerbsschutz und der Deliktsschutz. Ein deliktisch geschütztes "Recht am Arbeitsplatz" konnte nicht festgestellt werden. (§ 5) 6. Die Nebenparteien können auch von ihrem Vertragspartner Schutz beanspruchen. Dieser Schutzanspruch ist auch auf Erfüllung gerichtet und also klagbar. (§ 6 I) Der nur durch seinen Erfolg beschriebene Schutzanspruch ist auf Leistung nach billigem Ermessen, § 315 BGB, gerichtet. Dadurch läßt er sich konkretisieren und wirksam durchsetzen. (§ 6 II) Die für den wirksamen Schutz erforderliche Sachverhaltsermittlung zu betreiben ist regelmäßig Aufgabe des Betroffenen. Nur ausnahmsweise ergibt der arbeitsvertraglich geschuldete Persönlichkeitsschutz einen Anspruch auf Sachverhaltsermittlung durch den Arbeitgeber. Bemüht sich der Vertragspartner darum, einen Streitsachverhalt aufzuklären, so sind die Nebenparteien verpflichtet, ihn dabei zu unterstützen. Der Vertragspartner kann u.U. gehalten sein, sich vermittelnd in einen Streit einzuschalten. Die Nebenparteien auf der anderen Seite trifft die Pflicht, an einem Schlichtungsversuch aufgeschlossen und versöhnungsbereit teilzunehmen. (§ 6 III) 7. Störungen durch die Nebenpartei muß der Vertragspartner vertreten (§ 276 BGB), wenn ihmein Auswahl- oder Überwachungsverschulden oder ein Nichtabhilfeverschulden zur Last fällt. Darüber hinaus muß der Vertragspartner aber auch für eine Störung durch die Nebenpartei einstehen, die diese im
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Rahmen der ihr durch das Vertragsverhältnis eröffneten Einwirkungsmöglichkeit verursacht, § 278 BGB. (§ 7)
19 Riesenhuber
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actio pro socio 28 Altenheimvertrag 187 Anzeigeobliegenheit 258 f. Anzeigepflicht 258 f. Arbeitskampfzusammenschluß 37 f. Arbeitskollegen - außervertragliche Sozialbeziehungen 95, 104 f. - gemeinschaftsrechtliche Beziehung 111 ff. - als Bruchteilsgemeinschafter 72 ff. - als Interessengemeinschafter 84 f., 91 ff. - als Mitglieder einer Zweckgemeinschaft 29 ff. - als Nebenparteien 19 ff. - personenrechtliches Gemeinschaftsverhältnis 114 ff. - Schutzwirkung zugunsten der 150 ff., 178 ff. Arbeitsschutz - Schutzgesetz 229 Arbeitsverhältnis - gesellschaftsrechtliche Elemente 50 ff. - im Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit 118 f. - Otto v. Gierke 114 f. - Alfred Hueck 117 - Arthur Nikisch 115 ff. - personenrechdiches Gemeinschaftsverhältnis 114 ff. - Herbert Wiedemann 119 Arbeitszweck 36
Außervertragliche Sozialbeziehungen (Paschke) 94 ff. Aussöhnungsbereitschaft, Pflicht zur 262 ff. Beschäftigtenschutzgesetz 179, 216 - als Schutzgesetz 229 f. Besitz 211 ff. - Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch 215 - Besitzschutz 211 ff. - Besitzschutz als Schutzgesetz 230 - Gemeinschaft aufgrund gemeinsamen 74 f. - Recht zum Besitz als sonstiges Recht 221 ff. - Schranke des § 866 BGB 216 - Selbsthilfe 214 f. - Störung und Entziehung 212 ff. - Wiedereinräumungsanspruch 215 Betrieb 42 Betriebsbuße 252 ff., 262 ff. Betriebsgemeinschaft 42 f. Betriebsordnung 147 Betriebsverfassung 58 f., 72 f., 112 f., 179 f. Deliktsschutz - des Allgmeinen Persönlichkeitsrechts 228 ff. - des Rechts am Arbeitsplatz 224 ff. - des Rechts zum Besitz 221 ff. - des Forderungsrechts 226 ff. - der Gesundheit 220 f.
Sachwortverzeichnis Direktionsrecht 241 Druckkündigung 202 f. Ehrschutz 200 f. Einheit der Rechtsordnung 137 - und Vertragspflichten, 137, 190, 266 ff. Einheitsgewähr bei Vertragspflichten 266 ff. Erfüllungsgehilfe 270 ff. - und Leutehaftung 278 ff. - Nebenparteien als 271 ff., 275 ff. - und Schutzpflichtverletzung 275 ff. Erkennbarkeit 150, 163 Ermessenskontrolle 242 ff. Fischereigenossenfall 81 Förderpflicht 29 ff., 34, 44 f. Geheimnisschutz 199 f. gemeinsamer Zweck 29 f. - Zweckbestimmung Adomeits 46 ff. - Arbeitszweck 36 - Arbeitskampfzweck 37 - Betriebszweck 43 ff. - Zweck des BetrVG 37 - partiarische Miete 63 - Unternehmenszweck 43 ff. Gemeinschaftslehre (s.a. Interessengemeinschaft) 93 ff. - außervertragliche Sozialbeziehungen (Paschke) 94 ff. - von Larenz 106 f., 108 ff. - und Treuepflicht 109 f. - von Ernst Wolf 107, 108 ff. Gemeinschaftsverhältnis - Arbeitsverhältnis als personenrechtliches 114 ff. - nachbarliches 130 ff. Genossenmiete 60 ff.
313
Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit 118 f. Gewerkschaftsmitgliedschaft 39 f. Gewinnbeteiligung 47 ff., 63 Gleichbehandlung 77 ff., 90 f., 127 Gläubigernähe 150, 162 f. Grundstücksnachbarn 97, 130 ff. Gruppenarbeit 36, 84 Gruppenreisevertrag 187 Hausfriede 95, 102 f., 145 Hausgemeinschaft 23, 83 Hausnachbarn 183 Hausordnung 24, 143, 147 Informationsschutz 199 f. Integritätsschutz 194 ff. Interessengemeinschaft 77 ff. - von Arbeitskollegen 84, 91 ff. - von Mietnachbarn 82 f., 91 ff. - als Ordnungsprinzip des Privatrechts (Wüst) 80 ff. - in der Rechtsprechung 81 f. - Würdingers Theorie der schlichten 77 ff. Kollision von Forderungsrechten 77, 137 f. Konkurrenzschutz 148 - und Rücksichtspflicht gegenüber der Nebenpartei 202 - und Wettbewerbsrecht 218 f. Krankenhausaufhahmevertrag 187 Lärmschutzverordnung 231 Lauterkeitspflicht 201 f. Leiharbeit 184 ff. Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen 237 ff. Leistungsnähe 150, 161 f., 174 ff., 178
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arverzeichnis
Mietnachbarn - außervertragliche Sozialbeziehungen 95 f., 104 f. - gemeinschaftsrechtliche Beziehung 113 ff. - als Bruchteilsgemeinschafter 70 ff. - als Interessengemeinschafter 82 f., 91 ff. - als Mitglieder einer Zweckgemeinschaft 59 ff. - als Nebenparteien 19 ff. - personenrechdiches Gemeinschaftsverhältnis 114 ff. - Schutzwirkung zugunsten der 150 ff., 174 ff. Mitarbeit Unternehmensbeteiligter 53 ff. Mitgliedschaft 29 - und Betriebsverfassung 58 f. - und Unternehmensmitbestimmung 57 Mitwirkungspflicht - der Nebenparteien bei der Sachverhaltsermitdung 258 ff. Mobbing 208 f., 220 nachbarliches Gemeinschaftsverhältnis 130 ff. Nebenpartei - Begriff 19 -keinGemeinschaftsverhältnis27 ff., 141 f. - Rücksichtsverhältnis kraft Schutzwirkung 149 ff. Organisationsrecht - Gemeinschaftsrecht als 108 f. partiarisches Mietverhältnis 63 Partnerschaftsgedanke im Mietrecht 96
personenrechdich 120 f., 124 ff., 150, 153 f. Persönlichkeitsschutz - Allgemeines Persönlichkeitsrecht 228 ff. - vertragsrechdicher 200 f. Präventionsprinzip 85 Privatautonomie 89 ff., 102, 125 ff., 141 f. 204 f. Recht am Arbeitsplatz 224 ff. Reflexwirkungen 77, 154 Rücksichtnahme 196 ff. Rücksichtsverhältnis 205 f. Sachverhaltsermittlung (s.a. Schutzpflicht 249 ff. - Beweislastverteilung 250 - prozessuale Aufklärungspflicht 250 f. - Anhörungspflicht 251 f. - Persönlichkeitsschutz durch 255 ff. Schlichte Gemeinschaft 64 f. Schlichte Rechtsgemeinschaft 65 ff. - Rechtsbeziehungen zwischen Gemeinschaftern 66 ff. - und Besitz 64 f. - Sonderverbindung 66 ff. - Treuepflicht 69 Schutzbedürftigkeit 150, 163 ff. Schutzgesetz - Arbeitsschutznormen 230 - Beschäftigtenschutzgesetz 229 f. - Besitzschutz 230 - Lärmschutzverordnung 231 Schutzpflicht 232 ff. - abgestufte Schutzmaßnahmen 246 - des Arbeitgebers 235 ff. - und Arbeitsschutzrecht 235 f. - Einwirkung auf den Täter 248 f. - Klagbarkeit 169 ff, 234 f., 235 f.
Sachwortverzeichnis - Konkretisierung nach § 315 BGB 237 ff. - Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen 237 ff. - Persönlichkeitsschutz 255 ff. - Rechtsnatur 233 f., 235 f. - Sachverhaltsermittlung 249 ff., 255 ff. - Schlichtungspflicht 261 - Schutz des Opfers 247 - des Vermieters 233 ff. - Vermittlungspflicht 261 - Verhältnis zu anderen Rechten und Pflichten 189 ff., 266 ff. - Zumutbarkeitsgrenze 245 Schutzwirkung für die Nebenpartei - im Mietverhältnis 174 ff. - im Arbeitsverhältnis 178 ff. Schutzwirkung für Dritte kraft Einordnung in eine "Gemeinschaft" 181 Sonderverbindung 31 f., 140 f., 155 ff., 206 ff. - Konzeption Pickers 156 ff. - Vertrauenshaftung 155 f. - Vertrauenshaftung aus sozialem Kontakt 155 ff. Sorgfaltspflichten siehe Schutzpflich ten Sozialwirkung des Schuldverhältnisses 154 ff. Streik - gewerkschaftlicher 37 f. - wilder 38 f. Tendenzunternehmen 49 f.
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Treuepflicht - gemeinschaftsrechtliche 69, 109 f. - in der Genossenschaft 61 f. - der Zweckgemeinschaft 31 ff. Umsatzmiete 63 Unternehmen 43 Unternehmensmitbestimmung 55 ff. Unternehmensträger 43 Verkehrssicherung 194 ff. Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte 149 ff. (s.a. Schutzwirkung) - bei Gleichrangigkeit von Drittem und Schuldner 168 f. - Klagbarkeit von Schutzplfichten 169 ff. - Schutzwirkung für die Nebenpartei 174 ff. - Teilhabecharakter 166 ff. Vertrag zugunsten Dritter 143 ff. Vertragsstrafe 252 ff. Vertrauenshaftung 155 f. Wahrheitspflicht 201 f. Wettbewerbsschutz 217 ff. - Kundenfang 217 - Rechtsbruch 218 ff. Wettbewerbsverbot siehe Konkurrenzschutz Wohnungseigentum 75 f. - Miete von 183 f. Zuckerrübensamenentscheidung 81