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German Pages 183 [194] Year 1973
edition suhrkamp Redaktion: Günther Busch
Jörg Huffschmid, geboren r 940 in Köln, studierte Philosophie und Nationalökonomie in Freiburg/Brsg., Paris und Berlin. Er ist Assistent am Institut für Konzentrationsforschung der Freien Universität Berlin. Diese empirische Studie ist unseres Wissens der erste Versuch, die Querund Wirtschaftsverbindungen zwischen Wirtschaftskonzentration politik in der Bundesrepublik im Rahmen einer sozialökonomischen Sach- und Faktenanalyse aufzuweisen. Huffschmid untersucht Besitzverhältnisse und Herrschaftsstrukturen; er zeigt an konkreten Fällen, wie industrielles Wachstum, Einkommensverteilung, Steuerpolitik, Konzentration der Banken und Großbetriebe, Konsumwirtschaft und Wohlfahrtsideologie untereinander zusammenhängen und worauf das Wechselspiel zwischen den Mächtigen des Geschäfts und den geschäftigen Verwaltern der Macht sich gründet.
Jörg Huffschmid Die Politik des Kapitals Konzentration und Wirtschaftspolitik in der Bundesrepublik
Suhrkamp Verlag
edition suhrkamp 3 1 3 9. Auflage, 91.-110. Tausend 1973 © Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1969. Erstausgabe. Printed in Germany. Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Übersetzung, des öffentlichen Vortrags und der Übertragung durch Rundfunk oder Fernsehen, auch einzelner Teile. Satz, Linotype Garamond, Druck und Bindung bei Georg Wagner, Nördlingen. Gesamtausstattung Willy Fleckhaus.
Inhalt Vorbemerkung
7
I Die Verteilung des Eigentums
1:
und Vermögenskonzentration Einkommensverteilung rr I Einkommensverteilung r8 II Sparfähigkeit und Vermögensbildung 28 III Vermögenskonzentration
II Die Verteilung des Eigentums 36 Kapitalkonzentration I II III IV
rr
2:
36 Vermögenskapital und Verfügungskapital 38 Konzentration in der Gesamtindustrie 46 Branchenkonzentration 56 Perspektiven der Kapitalkonzentration
III Die Neuordnung
der Marktwirtschaft
64
64 I Externe und interne Folgen der Konzentration II Der historische Widerspruch zwischen Unternehmens67 wettbewerb und Kapitalentfaltung III Der historische Widerspruch zwischen persönlichem 90 Eigentum und Kapitalentfaltung IV Der historische Widerspruch zwischen Versorgung 99 und Kapitalentfaltung
IV Kapitalentfaltung als öffentliche Aufgabe: 109 Die Theorie der Wirtschaftslenkung 109 Wachstumstheorie I Von der Wettbewerbs- zur II Erhards »formierte Gesellschaft« r r r r 14 III Schillers »gesamtwirtschaftliche Steuerung« r 21 IV Globalsteuerung und Monopolkapitalismus 127 V Der »Kollektivkapitalismus« 132 VI Vom Profitinteresse zum »Allgemeininteresse« V Wirtschaftspolitik als Kapitalentfaltung: 137 Die Praxis der Wirtschaftslenkung
I Die Entscheidung für die Restauration
137
II Restauration der Ideologie: das Wettbewerbsgesetz 143 III Die Zentralisierung der Wirtschaflspolitik: das Stabilitätsgesetz 153 IV Die Reorganisation der Verteilung: Konzertierte 16 1 Gewinnpolitik V Die Reorganisation der Haushaltspolitik: Mittelfristige Rüstungsplanung 171 VI Die Reorganisation der Finanzmasse: 178 Finanzreform für die Zentralinstanz
Vorbemerkung
Im Frühjahr 1967 herrschte in der Bundesrepublik zum ersten Mal in ihrer Geschichte eine ernsthafte wirtschaftliche Krise. Die Zahl der Arbeitslosen stieg im Februar 1967 auf 673 ooo, die Arbeitslosenquote betrug zu dieser Zeit 4,5°/o, das Sozialprodukt für das erste Halbjahr 1967 war rückläufig, während ein Produktionspotential von 30 Milliarden DM im ganzen Jahr ungenutzt blieb. 1 Massenentlassungen verursachten politische Unruhe, im Ruhrgebiet zogen die Arbeiter mit roten Fahnen auf die Straßen. Zwei Jahre später war von dieser Krise nichts mehr zu spüren, der Spuk der Rezession war ebenso schnell verflogen, wie er Ende 1966 aufgetaucht war. Das Jahr 1968 hat einen Rekordaufschwung gebracht, die Zahl der Arbeitslosen sank rapide, Vollbeschäftigung wurde erreicht, ohne daß die Preise zunächst nennenswert stiegen. Die ersten Maßnahmen zur Dämpfung der Hochkonjunktur wurden ergriffen. Unbestreitbar ist die rasche Beendigung der wirtschaftlichen Krise weitgehend das Ergebnis einer neuen Wirtschaftspolitik in der Bundesrepublik gewesen. Diese ist ihrerseits der wesentliche Teil einer neuen Regierungspolitik, deren parlamentarische Auftraggeber im Bundestag über eine nahezu unbeschränkte Mehrheit verfügen. Mit dem Wechsel zur Koalition der beiden mit Abstand größten Parteien der Bundesrepublik wurde eine politische Aktivität entfaltet, die in ihrer effizienten Geschäftigkeit neu bei uns ist und die kaum noch irgendwelche Schranken der Verfassung zu respektieren braucht. Ein bedeutendes Resultat dieser neuen Aktivität ist die im Juni 1968 im Parlament beschlossene Verfassungsänderung durch die Verabschiedung der Notstandsgesetze. Die Pläne zur Knderung des Wahlrechts und damit zur amtlichen Bestätigung des Alleinvertretungsanspruchs der beiden großen Parteien in der parlar Vgl. Jahresgutachten 1967 des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaf/lichen Entwicklung, ET-Drucksache Vi2310, Ziffer 5, 248; zu den Erscheinungen und den Ursachen der Krise vgl. Ernest Mandel, Die deutsche Wirtschaftskrise. Lehren der Rezession 1966/67, Frankfurt/M. 1969.
7
mentarischen Politik auf der einen, die Notstandsgesetze und die Pläne zur Einführung schärferer Disziplinierungsinstrumente, wie z.B. der Vorbeugehaft oder eines Ordnungsrechts an den Hochschulen, und damit zur Aufhebung relevanter außerparlamentarischer Politik auf der anderen Seite deuten an, in welcher Weise die parlamentarischen Mehrheiten genutzt werden sollen und teilweise schon genutzt wurden. Die folgenschwersten Änderungen sind jedoch in der Wirtschaftspolitik durchgesetzt worden. Sie erschöpfen sich nicht darin, daß die Krise kurz und wirkungsvoll mit Hilfe eines pragmatischen Ankurbelungsprozesses beendet wurde, sondern intendieren eine vollständige Neukonstruktion der Wirtschaftspolitik in der Bundesrepublik. Hiermit wird aber nur der Tatsache Rechnung getragen, daß die gegenwärtig in der Bundesrepublik erreichte Phase der Entwicklung der kapitalistischen Wirtschaftsprozesse neue Organisationsformen braucht, daß die alten Organisationsformen, Personaleigentum und Wettbewerb, nicht länger als Vehikel für den Prozeß der Kapitalentfaltung geeignet, sondern diesem Prozeß im Gegenteil zum Hindernis geworden sind. In der Tat spielt sich seit Jahren in der deutschen Privatwirtschaft, abseits und hinter der Regierungspolitik, ein Prozeß ab, der die Neuorganisation auch der Wirtschaftspolitik erfordert. Die anhaltende und sich Jahr für Jahr beschleunigende Konzentration der westdeutschen Wirtschaft einerseits und die aus dem chaotischen Wildwuchs der Privatwirtschaft nach der Währungsreform resultierenden Strukturkrisen und technologischen Lücken andererseits erweisen die Theorie der Wettbewerbswirtschaft nicht nur als offenkundig unrealistisch, sondern auch als unbrauchbar zur Gestaltung der Realität. Die private Wirtschaft hat hieraus bereits Konsequenzen gezogen: sie ist heute schon nicht mehr wettbewerblich strukturiert, und das Privateigentum spielt neben den autonomen großen Kapitalorganisationen eine immer geringere Rolle. Diese Veränderung der Organisation der Kapitalverwertungsprozesse stellt neue Anforderungen an die Theorie und Praxis staatlicher Wirtschaftspolitik als Kapitalsicherungspolitik. Die Aufgabe des Staates ist es nicht mehr, nur den Rahmen für einen sich autonom im Interesse der Kapitalexpansion entwickelnden 8
Wirtschaftsprozeß bereitzustellen und zu sichern, es wird von ihm vielmehr die Planung des Gesamtprozesses im Interesse des Kapitals erwartet. Dieser Aufgabe kommt die neue Wirtschaftspolitik der Bundesregierung weitgehend nach. Die Jahre seit dem Beginn der Großen Koalition haben den Übergang von der tendenziell den Wettbewerb sichernden zu der den Gesamtprozeß planenden Politik des Staates gebracht. Doch die Ablösung des Wettbewerbs privater Unternehmen als historischer Organisationsform der kapitalistischen Wirtschaft durch private und staatliche Planung bedeutet in gar keiner Weise die Einführung nicht-kapitalistischer Wirtschaftsformen; sie bedeutet im Gegenteil die Einführung einer Wirtschaftsorganisation, die in der gegenwärtigen Epoche den Wünschen derer besser Rechnung trägt, deren Interessen sich früher in der und durch die Wettbewerbsorganisation durchsetzten. Durch den Übergang vom einzelwirtschaftlichen Konkurrenzsystem zu den gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts- und Wachstumssystemen ändern sich nicht die beiden Systemen zugrunde liegenden Interessenkonstellationen, ändern sich nicht die Macht- und Klassenverhältnisse in der Gesellschaft. Sie sind nach wie vor strukturiert durch privates (wenn auch nicht persönliches) Eigentum, private Verfügungsmacht über Produktionsmittel und die Ausrichtung des gesamten Wirtschaftsprozesses an den Interessen dieses Privateigentums. Was sich mit der Erscheinungsform dieses Verhältnisses ändert, ist seine Ideologie. War früher die gegen die Arbeiter als Produzenten aller Güter gerichtete Einheit des Kapitalinteresses durch Wettbewerbsideologie und die Konkurrenz einzelner Kapitalisten verdeckt, so tritt sie jetzt durch die offene Kooperation und Konzentration der Kapitalisten unmittelbar zutage. Gleichzeitig formiert sich aber eine neue Ideologie, die den bleibenden Widerspruch zwischen privater Kapitalentfaltung und gesellschaftlicher Produktion in einem umfassenden Begriff von »Allgemeininteresse« begraben will. Ziel dieses Buches ist es, die These von der Kontinuität des kapitalistischen Klassensystems bei umfassender Anderung seiner Steuerungsmechanismen an der Entwicklung der Wirtschaft der Bundesrepublik zu belegen. Zu diesem Zweck wird zunächst ein überblick über die Einkommens- und Besitzverhältnisse in der 9
Bundesrepublik gegeben, indem im 1. Kapitel die zunehmende Konzentration von Einkommen und Vermögen und im 2. Kapitel speziell die qualitativ hiervon verschiedene Kapitalkonzentration dargestellt wird. Im 3. Kapitel wird der Gesamtprozeß der Konzentration analysiert als der Zerfall der traditionellen Koordinations- und Steuerungsmechanismen, ein Zerfall, der die Unbrauchbarkeit dieser Mechanismen zur Rechtfertigung des Kapitalismus offenlegt. Im 4. Kapitel wird beschrieben, wie die Theorie der Wirtschafl:slenkung an die neuen Realitäten und Anforderungen angepaßt wird; das 5. Kapitel schließlich enthält eine Darstellung der praktischen Wandlung der Wirtschaftspolitik im Dienste der Kapitalentfaltung.
I Die Verteilung des Eigentums I: Einkommensverteilung und Vermögenskonzentration I Einkommensverteilung Wer behauptet, die Bundesrepublik sei gegenwärtig trotz allen Veränderungen immer noch eine Klassengesellschafl:,trifft in der Regel auf den Vorwurf, daß er die Wirklichkeit nicht sehe, daß er die riesigen zivilisatorischen Fortschritte nicht anerkenne, die Augen vor den ungezählten - oder vielmehr sehr genau gezählten - Fernsehapparaten, Kühlschränken und Autos verschließe, die ein großer Teil der Bevölkerung heute sein eigen nennt. Schließlich hält man ihm entgegen, daß es dem »Arbeiter noch nie so gut ergangen sei« wie in der Bundesrepublik der sechziger Jahre. Nun zielt die These von der Klassengesellschafl:gewiß nicht nur auf Wohlstand und reichhaltige Ausstattung mit materiellen Gütern. Sie meint ebenso - und gerade mit steigenden materiellen, technischen und wirtschafl:lichen Möglichkeiten - die ausbleibende Befreiung nicht nur von der Herrschafl: des Hungers, der Knappheit, des Mangels, sondern auch von der Herrschafl: des Menschen über den Menschen; sie zielt nicht nur auf eine diffuse Fülle von Gütern, sondern betriffl: ebensosehr die Struktur des Vorrats an Gütern, die den Mitgliedern der Gesellschafl: kollektiv oder privat zur Verfügung stehen und die Art ihrer Produktion durch die Mitglieder dieser Gesellschafl:.Insofern ist der Hinweis auf die imposante Menge dessen, was heute produziert und konsumiert wird, und auf den Unterschied dieser Lage zu der vor hundert Jahren kein Beleg für das Ende der Klassengesellschafl:. Dennoch ist dieser Einwand zunächst einigermaßen zugkräfl:ig, und man wird ihm auch seine Legitimität nicht absprechen können; denn er beruht auf der Einsicht in den Zusammenhang von Klassengesellschafl: und Verarmung. Wer behauptet, die Bundesrepublik sei trotz aller gegenteiligen Beteuerung auch heute noch eine Klassengesellschafl:, muß den Beweis nicht nur II
für die ökonomische Herrschaft, sondern auch für die zumindest relative wirtschaftliche Verarmung bestimmter Gruppen in dieser Gesellschaft erbringen. Es versteht sich, daß ihm die amtliche Statistik dabei keine sehr große Hilfe sein wird. Immerhin, das Problem der Beweislast für die einkommens- und vermögensmäßige Klassenstruktur der Gesellschaft ist nicht unlösbar. Die amtliche Statistik bietet sogar einige wichtige Anhaltspunkte: sie unterteilt nämlich die Empfänger des Sozialproduktes, also des Ergebnisses des Arbeitsprozesses der Gesellschaft, in zwei Gruppen, in die Unselbständigen und die Selbständigen, also grob gesagt in die Arbeitnehmer und Arbeitgeber, und sie deutet damit die ungebrochene Fortsetzung der Gesellschaftsstrukturen des vorigen Jahrhunderts an, in der diese Zäsur deckungsgleich mit der zwischen arm und reich, zwischen mächtig und ohnmächtig, zwischen frei und vogelfrei war. Zumindest was den Unterschied zwischen arm und reich angeht, ist die Unterteilung in Selbständige und Unselbständige kaum noch brauchbar. Im Zeitalter industrieller Imperien und Großbetriebe sowie der wachsenden Bedeutung der Technik erhalten leitende Angestellte, Manager oder qualifizierte Techniker, also unselbständig Beschäftigte, zum Teil Riesengehälter - so zum Beispiel der Generalbevollmächtigte des Springer-Konzerns, Christian Kracht, ein jährliches Gehalt von 1,2 Millionen DM-, 1 andererseits sind durch die Konzentration kleinere selbständige Betriebe in Bedrängnis geraten, was sich natürlich auch auf ihr auswirkt. Generaldirektorengehäl» Unternehmereinkommen« ter machen reich, werden aber auf der Seite der traditionellerweise armen Arbeitnehmer verbucht; das Unternehmereinkommen des selbständigen Würstchenverkäufers ist ein Hungerlohn, schlägt sich aber statistisch auf der Seite der reichen Unternehmer nieder. Durch dieses Verfahren werden beide Seiten einander statistisch näher gebracht: das durchschnittliche Unternehmereinkommen wird durch den Würstchenverkäufer herabgedrückt, das durchschnittliche Arbeitnehmereinkommen durch den Manager angehoben. Gleichwohl kann von einer wirklichen Annäherung oder gar von einer tendenziellen Angleichung nicht die Rede sein: 1968 waren über vier Fünftel der Erwerbstätigen in 1
Hans Dieter Müller, Der Springer-Konzern.
chen 1968, S. 227. 12
Eine kritische Studie,
Mün-
Westdeutschland und Westberlin Arbeitnehmer; ihr Bruttoeinkommen machte jedoch nur die Hälfte des Bruttosozialproduktes, ihr Nettoeinkommen die Hälfte des Volkseinkommens aus. Die »Lohnquote«, d. h. der Anteil der Bruttoeinkommen der unselbständig Beschäftigten am Volkseinkommen, belief sich auf weniger als zwei Drittel. 2 Die Entwicklung dieser Einkommensgrößen seit 1950 wird in Tabelle 1.1 gezeigt (s. Seite 14). Aus ihr geht hervor, daß alle Einkommen zwar absolut gestiegen sind und daß auch der Anteil der Einkommen der Unselbständigen am Gesamteinkommen seit r 9 50 gewachsen ist. Ehe man hieraus jedoch übereilte Schlüsse zieht und vom langsamen aber stetigen Fortschritt spricht, sollte man sich klarmachen, daß nicht nur der Anteil der Löhne und Gehälter am Gesamteinkommen, sondern auch der Anteil der Lohn- und Gehaltsempfänger an den Erwerbstätigen gestiegen ist; er ist sogar stärker gestiegen als die Lohn- und Gehaltsanteile: von r 9 5o bis 1 968 nahm der Anteil der unselbständig Beschäftigten um mehr als r 20/ozu, während die - statistisch schon tendenziell zugunsten der Lohn- und Gehaltsempfänger verzerrende-Lohnquote nur um 6,20/o (oder, wenn wir das Spitzenjahr r 967 zugrunde legen, um 8,60/o)wuchs. Bei den anderen Beziehungen ist die Diskrepanz noch deutlicher: der Anteil der 2 Hierbei ist die amtliche Definition der Lohnquote als des Anteils der Bruttolöhne und -gehälter am Volkseinkommen irreführend. Es wird nicht das Ergebnis der Lohnarbeit mit dem Gesamtprodukt verglichen, sondern es werden vom Gesamtergebnis zunächst indirekte Steuern und Abschrcibun. gen abgezogen. Das so ermittelte Volkseinkommen wird dann in Beziehung zum Einkommen der Selbständigen gesetzt. Der Abzug der Abschreibungen verzerrt die Relationen jedoch insofern, als es den Betrag vom Gesamtergebnis abzieht, der dazu dient, den bestehenden Kapitalstock zu bewahren oder zu erweitern: Abschreibungen sind der Teil des Betriebsvermögens, der in einer Periode verbraucht wird und ersetzt werden muß, damit das Produktivpotential erhalten bleibt. Auch diese Abschreibungen müssen also erwirtschaftet werden, ehe sie als Ersatz des verbrauchten Betriebsvermögens verwendet werden. In der Privatwirtschaft heißt das, daß Abschreibungen den Teil des in einer Periode erwirtschafteten Ertrages ausmachen, der dazu dient, das Betriebsvermögen der privaten Eigentümer zu erhalten. In einer gesellschaftlich neutralen, nicht manipulierten Statistik müßten die Löhne und Gehälter der Gesamtsumme des in der Periode Erwirtschafteten gegenübergestellt werden, bevor man Abzüge für den Kapitalersatz macht. Die zum Zwecke der Konservierung der Eigentumsstruktur gedachten Abschreibungen werden jedoch aus dem Nenner der Lohnquote eliminiert, wodurch diese erheblich größer ausfällt als bei einer neutralen Definition.
13
Tabelle 1.1 Entwicklung der Erwerbstätigen, des Bruttosozialproduktes und des Volkseinkommens im Vergleich zur Entwicklung der unselbständig Beschäftigten und ihrer Brutto- und Nettoeinkommen in der Bundesrepublik (ab 1960 einschließlich Saarland und Westberlin), 1950-1968 Jahr
Erwerbstätige• (Mill.) insgesamt unselbständig 2
1950
20,0
51 52 53 54 1955 56 57 58 59 1960 61 62
20,5 20,9 21,4
63 64 1965 66 67 68
22,0
22,8 2 3,4 2 3,9 24,1 24,4 26,3 26,6 26,8 26,9 27,0 27,2 27,1 26,3 26,3
Anteil 3 :2
Bruttosozialprodukt2 (Mrd.)
6
4
3,7 14,3 14,8 l 5,3 16,0 16,8 17,5 l 8,o 18,2 18,5 20,3 20,7
I
21,1
21,3 21,5 21,8 21,9 21,2
21 ,3
68,5 69,8 70,8 71 ,5 72,7 73,7 74,8 75,3 75 ,5 75,8 77,2 77,8 78,7 79, 2 79,6 80,1 80,8 80,6 81,0
Volkseinkommen (Mrd.)
97,9 19,5 136,6 147,1 157,9 180,4 198,8 216,3 231,5 250,9 296,8 326,2 l
3 54,5 377,6 413,8 45 2 ,7 480,8 483,9 528,8
75, 2 91,1 103,8 I 12,I 121,I
139,5 1 54,4 168,3 180,1 194,0 229,8 251,6 271,9 289,0 316,5 345,4 364,8 362,1 402,5
Bruttolöhne und -gehälter am Bruttosozialprodukt stieg von 4 5 um 4,4 auf 49,4°/o, der Anteil der Nettolöhne und-gehälter (vor Umverteilung) am Volkseinkommen von 46,3°/o sogar nur um 0,20/o auf 46,5°/o (im Spitzenjahr 1966 um 2,9°/o auf 49,20/o). Die Entwicklung der Anteile am Arbeitsergebnis, die die unselbständig Beschäftigten erhalten, hinkt also hinter der Entwicklung der selbständig Beschäftigten als Teil der Beschäftigten insgesamt her; ein wachsender Teil der Lohn- und Gehaltsempfänger muß sich mit einem relativ kleinen Teil des Gesamteinkommens begnügen, was eine relative Verminderung der
Jahr
1950 51 52 53 54 1955 56 57 58 59 1960 61 62 63 64 1965 66 67 68
Einkommen der Unselbständigen Bruttol Netto4 8 7
44, 1 5 3,4 59,6 65,8 7 1,9 82,0 91,8 100,5 109,0 IJ6,8 139,8 157,2 173,9 186,5 204,4 225 ,8 243,0 2 43,4 261,0
Anteile der Unselbständigen 8:6 7:6 7 :5 9
34,8 41,6 46,0 5o,9 5 5,9 63,4 70,8 77, 0 82,3 88,6 104,6 117,1 129,0
45,o 44,7 43,7 44,7 45 ,5 45 ,5 46,2 46,5 47, 1 46,6 47, 1 48,2 49, 1
137,9 151,1 168,1 178,4 177,7 187,0
49,4 49,4 50,1 50,8 5o,3 49,4
IQ
5 8,6 5 8,7 57,4 5 8,7 59,4 5 8,8 59,5 59,7 60,5 60,2 60,8 62,5 64,0 64,5 64,6 65,7 67,1 67,2 64,8
II
46,3 45,7 44,3 45,4 46,2 45,4 45,9 45,8 45,7 45,7 45,5 46,5 47,4 47,7 47,7 49,o 49, 2 49, 1 46,5
Quellen: 1
Jahresgutachten 1968 des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, BT-Drucksache V/3550, S. II 8, Tabelle 2 3; für 1968: Wirtschaft und Statistik, Heft 4, 1969,
s. 193. 2 Jahresgutachten 1968, a.a.O., S. 122, Tabelle 26; für 1968: Wirtschaft und Statistik, Heft 2, 1969, S. 58, Tabelle 1. 3 Jahresgutachten 1968, a.a.O., S. 124, Tabelle 27; für 1968: Wirtschaft und Statistik, Heft 2, 1969, S. 60, Tabelle 4. 4
Bruno Gleitze, Sozialkapital und Sozialfonds als Mittel der Vermögenspolitik, Köln 1968, S. 50, Tabelle 9; für 1965-1968: Deutsche Bundesbank, Monatsberichte, März 1969, S. 70.''·
Durchschnittseinkommen der Lohn- und Gehaltsempfänger seit 1950 bedeutet. Deutlich sichtbar wird dies aus einer Gegen15
Tabelle 1.2 Durchschnittliche Bruttowochenverdienste der Bundesrepublik, 1950-1967, in DM
Alle Industriearbeiter männlich weiblich
der Industriearbeiter
m
1950
1955
1960
1965
1967
61 68 40
87 98 57
122 134 82
189 205 128
199 215 138
Quellen: Statistisches Jahrbuch der Bundesrepublik Deutschland 1957 S.516, 1962 S. 5 18, 1966 S. 504, 1968 S. 454.
überstellung von Tabelle 1.1 und r.2: die Brutto-Wochenverdienste der Industriearbeiter in der Bundesrepublik haben sich seit 19 50 etwas mehr als verdreifacht, während das Bruttosozialprodukt um mehr als das Fünffache gestiegen ist. Dieses Zurückbleiben der Einkommen der Unselbständigen hinter der allgemeinen Einkommensentwicklung wurde bislang durch das ziemlich starke absolute Wachstum des Gesamteinkommens und damit auch der Löhne und Gehälter überdeckt; es ist erstmals im Jahre 1968 wieder voll sichtbar geworden, als die Lohnquote mit einem Schlag um 2,4 0/o von 67,2 0/oauf 64,8 0/o zurückging. Was dies konkret für die Unterschiede im Nettoeinkommen und Tabelle 1.3 Haushaltseinkommen nach Anzahl der Personen und sozialer Stellung des Haushaltsvorstands 1962/63, in DM pro Monat 1 Per- 2 Per- 3 Person sonen soncn Selbständiger Landwirt Beamter Angestellter Arbeiter Nichterwerbstätiger
901 654 899 664 467 343
1366 765 1094 1091 737 614
1614 !065 1111 1142 824 9°7
4 Personen
1794 1224 1243 1243 852 963
Quelle: Stat. Jahrbuch r 967, S. 495, Tabelle r.
16
5 Per- zusamsonen men 1942 1355 1394 1390 955 11 11
1589 1195 1174 1079 794 575
Tabelle 1.4 Schichtung der Einkommen privater Haushalte nach sozialer Stellung des Haushaltsvorstandes, 1962/63 0 10
Stel-
lung d. Zahl d. Haus-
halts-
vorst.
Haus-
halte
(in
aller Haushalte rna
L'Jfll_.m
I°\L·ttocinkommcn von
unter
300 400
500 600 700
800 900 1000 l roo 1200 2000 2000 u. mehr
1000)
Selbständ. 1957 1,6 3,8 7,0 12,3 17,9 Landw. IIl8 0,4 l ,8 5,6 9,7 15,6 Beamter II64 0,3 0,5 o,8 3,2 9,7 Angest. 2864 0,2 1,3 4,8 I l ,3 19,3 Arbeit. 6569 1,0 4,3 10,3 23,0 39,7 Nichterwerbst. 5988 26,2 41,3 53,5 64,0 72,4 Alle Haush. 19660 8,5 14,7 21,5 30,8 41,4
24,G 31,3 37,3 42,7 23,G 32,7 42,0 51,9 19,5 3°,o 4o,4 5o,7 29,2 40,2 51,1 60,3 56,7 71,1 81,1 88,2
48,5 60,3 60,5 68,2 92,6
77,5 22,5 92,1 7,9 95,I 4,9 94,8 5,2 99,8 0,2
78,4 83,8 87,7 90,6 92,6 99,1
0,9
52,0 61,9 69,7 76,0 80,9 95,9
4,1
Quelle: Stat. Jahrbuch 1967, S. 495, Tabelle 2.
damit auch im möglichen Lebensstandard bedeutet, geht aus den Tabellen r.3 und r.4 hervor (die leider zum letzten Mal für die Jahre 1962/63 ermittelt wurden). Das bedeutet, daß ein Selbständigenhaushalt unabhängig von der Zahl der Personen, die ihm angehören, über ziemlich genau das doppelte Haushaltsnettoeinkommen verfügt wie ein Arbeiterhaushalt; es bedeutet auch, daß über die Hälfte aller Selbständigenhaushalte mehr als r 200 DM, über die Hälfte aller Arbeiterhaushalte aber weniger als 800 DM Nettoeinkommen im Monat bezogen. Aus den Tabellen r.3 und r.4 läßt sich jedoch auch ablesen, daß die Differenzierung der Einkommen nicht nur zwischen Selbständigen und Unselbständigen, also zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, besteht, sondern daß es eine merkliche Differenzierung innerhalb der Gruppe der Unselbständigen gibt. An der Spitze dieser Differenzierungsskala stehen die Beamten und Angestellten. So verdiente im betreffenden Zeitraum ein alleinstehender Beamter mehr als eine vierköpfige Arbeiterfamilie und etwa das Doppelte wie ein alleinstehender Arbeiter. Ein Zwei-Personen-Angestellten-Haushalt hatte netto 140Mark mehr zur Verfügung als ein Fünf-Personen-Arbeiter-Haushalt.
Diese Differenzierungstendenz spiegelt eine bestimmte Wandlung des Systems wider: zur Aufrechterhaltung der wirtschaftlichen Leistungskraft als Voraussetzung gesellschaftlicher Herrschaft bedürfen die Unternehmen und Kapitalorganisationen in zunehmendem Maße komplizierter staatlicher Eingriffe und Steuerungen sowie der Hilfe qualifizierter Techniker, Manager und Angestellter. Die Leidtragenden dieses Differenzierungsprozesses sind die Nichterwerbstätigen und die Arbeiter, auf deren Ausbeutung die Systemstruktur sich gründet, und die als breite Mehrheit der Gesellschaft noch immer das Fußvolk der Herrschenden und Besitzenden stellen.
II Sparfähigkeit und Vermögensbildung Wenn schon die Einkommensverteilung in der Bundesrepublik sehr ungleich ist, wenn sie die Selbständigen sowie die Beamten und höheren Angestellten zum Nachteil der Arbeiter und Nichterwerbstätigen begünstigt, so verstärkt sich diese Tendenz in der Vermögensverteilung, die aus der Einkommensstruktur ableitbar, wenn auch nicht mit ihr deckungsgleich ist. Klarer noch als auf der Entstehungsseite lassen sich die ungleichen Gewichte und Möglichkeiten verschiedener Einkommensklassen nämlich auf der Verwendungsseite feststellen, auf der über Art und Ausmaß der Bildung von Vermögen entschieden wird. Denn »mit dem Einkommen verändert sich die Rolle des Geldes: niedriges Einkommen gibt Verfügung über Verbrauchsgüter für den jetzigen Verbrauch, höheres Einkommen sichert die Verfügung für späteren Verbrauch, noch höheres Einkommen gewährt Einkommen aus dem gebildeten Kapital, sehr hohes Einkommen gibt Verfügung über Menschen, gibt Macht und Ansehen in der Gesellschaft (Status)«.3 Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten, sein Einkommen, das man in der Form von Geld erhält, zu verwenden: man kann es verbrauchen, d. h. man kauft sich dafür Güter, die verzehrt oder auf andere Weise in Gebrauch genommen werden; das ist der Akt der Vernichtung des Einkommens als Geld, seine Umwand3 Adolf Kozlik, Volkskapitalismus. 1968, s. 26.
18
jenseits der Wirtschaftswunder,
Wien
lung in Güter, die dann - mehr oder minder schnell - ebenfalls vernichtet werden, denn von dieser Vernichtung hängt die Reproduktion des Menschen ab. Man kann sein Einkommen (oder Teile davon) aber auch verwahren. Der verwahrte Teil des Einkommens stellt die Ersparnis oder das Vermögen dar. Vermögensbildung besteht also zunächst in nichts anderem als dem Verzicht auf Vernichtung von Einkommen. Da Vernichtung von Einkommen als Verbrauch jedoch zur Erhaltung des Lebens des Einkommensempfängers nötig ist, wird die Vermögensbildung wesentlich bestimmt sein erstens durch die Höhe des insgesamt zur Verfügung stehenden Einkommens und zweitens durch die Größe des Teils, der davon gespart wird, d. h. der Vermögensbildung zugewendet werden kann. Der Akt des Sparens oder der Vermögensbildung ist abhängig von der Einkommensbildung; es ist daher zu vermuten, daß sich in bezug auf das Vermögen tendenziell dieselbe Differenzierung, d. h. konkret: dieselbe Diskriminierung der Arbeiter und Sozialhilfeempfänger gegenüber den Selbständigen, Gruppen der Beamten und höheren Angestellten beobachten läßt. Daß dies tatsächlich so ist, soll anhand zweier Tabellen gezeigt werden. Der Tabelle r.5 liegt eine Einteilung der Haushalte in drei Typen zugrunde, die das Statistische Bundesamt zum Zwecke seiner Untersuchungen vorgenommen hat. Es handelt sich bei Typ 1 um Zwei-Personen-Haushalte von Renten- und Sozialhilfeempfängern mit geringem Einkommen, bei Typ 2 um Vier-Personen-Arbeitnehmer-Haushalte mit mittlerem Einkommen und bei Typ 3 um Vier-Personen-Haushalte von Beamten und Angestellten mit höherem Einkommen. Aus der Tabelle r.5 wird klar: Renten- und Sozialhilfeempfänger sind nicht in der Lage, erhebliche Beträge von ihren geringen Einkommen zu sparen, ihre Sparquote liegt unter 5 0/o, was im Jahre 1967 dem durchschnittlichen monatlichen Sparbetrag von 19 DM entsprach. Unter 100/o des Nettoeinkommens liegt auch der Betrag, der von Haushalten mit mittlerem Einkommen gespart wird; 1967 machte die monatliche Gesamtersparnis dieser Haushaltsgruppe durchschnittlich 97 DM aus, blieb also unter 100 DM. Absolut und relativ viel Geld können die Haushalte mit hohem Einkommen zur Vermögensbildung verwenden: ihre Sparquote liegt bei 17 0/o,ihr 1967 monatlich auf19
Tabelle I.J Nettoeinkommen und Ausgaben nach Haushaltstypen,
Nettoeinkommen Typ 1 Typ 2 Typ 3 Ausgaben für den privaten Verbrauch Typ 1 Typ 2 Typ 3 Ausgaben in 0/odes Nettoeinkommens Typ l Typ 2 Typ 3 Ersparnis (Nettoeinkommen-Verbrauch) Typ l Typ2 Typ 3 Ersparnis in 0/oder Nettoeinkommen Typ l Typ 2 Typ 3
1962-1967
1962
1964
1965
1966
1967
317 782
37 1 882 1814
401 960 1869
437 1015 1975
448 1009 1946
308 72 3
357 823 1500
384 881 1572
420 926 1613
428 91I 1622
97, 2 9 2,5
96,2 93,3 82,7
95,8 91,8 84,1
96,1 91,2 81,7
95,5 9o,3 83,4
9 59
14 59 3 14
17 79 297
17 89 362
19 98 32 4
2,8 7,5
3,7 6,7 17,3
4,2 8,2 l 5,9
3,9 8,8 8,3
4,5 9,7 16,6
l
Quelle: Stat. Jahrbuch 1968, S. 472 f. gebrachter Sparbetrag belief sich auf 324 DM; das ist mehr als dreimal soviel wie die Ersparnisse der Haushalte mit mittlerem, mehr als sechzehnmal soviel wie die der Haushalte mit geringem Einkommen. Zu ähnlichen Ergebnissen kommt auch die Deutsche Bundesbank in einer im Juni 1968 veröffentlichten Untersuchung über »die Selbvon Arbeitnehmern, Ersparnisbildung lil Haushalten 20
ständigen und Rentnern«.4 Ende r966 gab es dieser Untersuchung zufolge in der Bundesrepublik für die rund 20 Millionen Haushalte 76,5 Millionen Sparkonten, 6,7 Millionen Bausparverträge, p ,7 Millionen Lebensversicherungsverträge und 3,9 Millionen Wertpapierdepots. Im allgemeinen »verfügte somit jeder Haushalt in der Bundesrepublik über drei bis vier Sparbücher und zwei bis drei Lebensversicherungsverträge (einschließlich der Ansprüche aus Gruppenversicherungen). Daneben beteiligte sich etwa jeder dritte Haushalt am Bausparen, und jeder fünfte Haushalt besaß ein Wertpapierdepot bei einem Kreditinstitut« (S. 4). Die Bundesbank fährt jedoch fort: »Die Aufgliederung der privaten Ersparnis nach den drei Haushaltsgruppen zeigt freilich, daß die Arbeitnehmer-, Rentner- und Selbständigen-Haushalte in sehr unterschiedlichem Maße am Sparprozeß [ ... ] beteiligt sind. Je Haushalt legten die Selbständigen in der Referenzperiode (r960-r967, J.H.) aus ihrem in der Privatsphäre verfügbaren Einkommen jährlich rund 3000 DM oder mehr als doppelt soviel wie die Arbeitnehmerhaushalte ( r 300 DM) zurück. Die Rentner haushalte sparten im Durchschnitt jährlich etwa 320 DM.«r Als Haupterklärung für diese Diskrepanz gibt die Bundesbank an: »Die Abweichungen in den durchschnittlichen Sparbeträgen erklären sich einmal aus der unterschiedlichen Höhe der Einkommen in den einzelnen Haushaltsgruppen. So war das für die Privatsphäre der Selbständigen verfügbare Nettoeinkommen (Anmerkung der Bundesbank: das Nettoeinkommen der Selbständigen umfaßt außer den Privatentnahmen aus Unternehmen Teile des Einkommens aus Vermögen sowie von Übertragungen öffentlicher Stellen, z. B. Leistungen aus der Kriegsopferversorgung, Kindergeld u. a. Es enthält dagegen nicht die als nicht entnommene Gewinne in den Unternehmen belassenen Einkommensteile), je Haushalt gerechnet, im Jahresdurchschnitt 1960-1967 mit r7 550 DM um fast ein Drittel höher als das der Arbeitnehmerhaushalte ( 13 5 r o DM). Dagegen standen den Rentnerhaushalten im Durchschnitt der Referenzperiode jährlich nur rund 6 5So DM für Verbrauch und Ersparnis zur Verfügung, d. h. etwa halb soviel wie den Arbeitnehmerhaushal4 Deutsche Bundesbank, Monatsberichte, Juli 1968, S. 3 ff. 5 ebenda S. 4 f. 21
Tabelle r.6 Ersparnis der privaten Haushalte nach Stellung des Haushaltsvorstands im Durchschnitt der Jahre 1960-1967 Insgesamt Arbeitnehmer Selbständige Rentner O/o absol. O/o absol. O/o absol. O/o absol.
Zahl der Haushalte (Mio) 20 100 II 55 6 30 3 15 Verfügbares Einkommen (Mrd. DM) 254 IOCJ 152 60 41 16 56 22 Ersparnis (Mrd. DM) 29 100 16 56 10 34 9 3 Verfügbares Einkommen pro Haushalt (DM) 12 400 13 po 6 580 17 55° Sparquote 10,4 17,2 4,8 9,7 Ersparnis pro Haushalt (DM) I 290 I 310 3 020 320 Quelle: Deutsche Bundesbank, Monatsberichte, Juli 1968, S. 5.
ten [ ... J.«6 Die Ergebnisse der Untersuchung der Bundesbank sind in Tabelle 1.6 enthalten und lassen sich in folgenden Bemerkungen zusammenfassen: 1. Die Haushalte der Arbeitnehmer stellen etwas mehr als die Hälfte der Gesamtersparnis aller privaten Haushalte; ihr Anteil an den Haushalten entspricht dem Anteil an der Gesamtersparnis. 2. Das verfügbare Einkommen der Arbeitnehmer liegt um rund 500/o unter dem der Selbständigen (die zudem schon Vermögen haben), so daß der Anteil ihres Einkommens, der in den Verbrauch geht, notwendigerweise höher sein muß als der Anteil der Einkommen der Selbständigen; die Sparquote der Selbständigen ist daher fast doppelt so hoch wie die der Unselbständigen. 3. Der kumulative Effekt der Ersparnisbildung besteht darin, daß die Selbständigen nicht nur aus einem höheren Einkommen den gleichen Teil sparen wie die Unselbständigen - dann bliebe die Struktur der Vermögensbildung die gleiche wie die Struktur 6 ebenda S. 5. 22
der Einkommensverteilung - , sondern daß sie einen höheren Teil des höheren Einkommens sparen, wodurch sich die Proportion der Vermögensbildung um ein weiteres Mal zu ihren Gunsten verschiebt: eine doppelt so hohe Sparquote, angewandt auf ein eineinhalbmal so großes Einkommen, ergibt eine dreimal so hohe absolute Ersparnis. 4. Für die Rentner gelten diese Benachteiligungen in noch stärkerem Maße. Das bedeutet: Obwohl die Arbeitnehmer einen wesentlich höheren Prozentsatz zur Bildung des Sozialprodukts beitragen als die Selbständigen - wie sich aus der Einkommensbildung ergibt-, obwohl ihr Anteil am verfügbaren Einkommen höher ist als das der Selbständigen - wenn die Proportionen auch noch längst nicht der Relation der Beschäftigten entsprechen -, ist es den Arbeitnehmern offensichtlich unmöglich, einen annähernd gleich hohen Teil ihres Einkommens zu sparen wie die Selbständigen. Die entscheidende Ursache hierfür ist, wie die Bundesbank dargelegt hat, der relativ hohe Betrag, der von den Unselbständigen für ihre Lebenserhaltung ausgegeben werden muß, also verbraucht wird. In Ausdrücken der Keynesianischen Nationalökonomie handelt es sich um die Tatsache, daß die » Verbrauchsneigung« der Wirtschaflenden so geartet ist, daß die höchsten Verbrauchsquoten bei dem niedrigsten Einkommen auftreten, bei höheren Einkommen dagegen die Verbrauchsquoten sinken. 6 • Im Grunde bedeutet diese Erscheinung nichts anderes als die sozial aufgebesserte Formel David Ricardos und der klassischen Nationalökonomen über den »natürlichen« Preis: »Der natürliche Preis der Arbeit ist jener Preis, welcher nötig ist, die Arbeiter in den Stand zu setzen, einen wie den anderen, sich zu erhalten und ihr Geschlecht fortzupflanzen.«7 Die Höhe der Entlohnung der Arbeitskrafl ist gleich der Höhe ihrer Reproduktionskosten, denn »die beständige Erhaltung und Reproduktion der Arbeiterklasse bleibt beständige Bedingung für die Reproduktion des Kapitals. Der 6a John Maynard Keynes, The General Theory of Employment, lnterest and Money, London (1936), 1964, Chapter 8, III, S. 96 ff. 7 David Ricardo, On the Principles of Political Economy and Taxation, London 1817, deutsch Jena 1923, S. 81; vgl. dazu auch Werner Hofmann, Einkommenstheorie. Vom Merkantilismus bis zur Gegenwart, Berlin 1965, s. 55 ff.
23
Kapitalist kann ihre Erfüllung getrost dem Selbsterhaltungsund Fortpflanzungstrieb der Arbeiter überlassen. Er sorgt nur dafür, ihre individuelle Konsumtion möglichst auf das Notwendige einzuschränken.« 8 Im Laufe der wirtschaftlichen Entwicklung hat sich zweifellos die Menge und Qualität des »Notwendigen« geändert, Tatsache bleibt jedoch, daß wenig übrigbleibt, was der Arbeiter sparen, wodurch er Vermögen bilden und somit selber Kapitalist werden könnte. Der Arbeiter muß heute wie vor hundert Jahren Arbeitskraft verkaufen; er bekommt dafür einen Lohn, den er wie vor hundert Jahren zum größten Teil verbrauchen muß, so daß er immer wieder sich gezwungen sieht, seine Arbeitskraft zu verkaufen. An dem Mechanismus der relativen Verarmung durch Ausbeutung und dem Zurückbleiben des Arbeiters hinter dem tatsächlichen (und erst recht dem potentiellen) materiellen Fortschritt der Gesellschaft hat sich nichts geändert. Niedrige Sparquoten als Folge niedriger Einkommen bewirken, daß sich die Unterschiede der Einkommensverteilung in der Vermögensstruktur verschärfen und vergrößern. Eine weitere Potenzierung der Diskriminierung von Beziehern niedriger Einkommen wird durch die unterschiedlichen Möglichkeiten der Geldanlage verursacht, die für hohe und niedrige Beträge bestehen. Es handelt sich dabei nicht nur darum, daß der Arbeiter nicht in gleicher Weise informiert ist über die Chancen, Risiken und Erträge der Kapitalanlage wie der Großunternehmer oder Finanzier, und daß die Beratungsdienste der Banken eben doch mehr für Großkunden als für kleine Anleger eingerichtet sind. Es handelt sich vor allem darum, daß kleinere Geldbeträge nicht nur absolut, sondern auch relativ geringere Erträge bringen, und dies aus folgendem Grund. Die Vermögensbildung hat zwei Seiten: die Bildung von Nominalvermögen, d. h. das Sparen der privaten Haushalte, Unternehmen und öffentlichen Haushalte, und die Bildung von Sach- oder Realvermögen, d. h. die Verwendung von Nominalvermögen zu produktiven Zwecken, zur Produktion und damit zur Schaffung weiterer Einkommen und Vermögen. Letzteres ist die Investition. Es ist nun eine der wichtigsten Erkenntnisse der modernen volkswirtschaftlichen Theorien seit Keynes, daß die beiden 8 Karl Marx, Das Kapital, r. Band, MEW, Bd. 23, Berlin 1968, S. 597/8.
Aspekte der Vermögensbildung personell getrennt realisiert werden können und in der Regel auch realisiert werden. 8a Es wird nicht mehr angenommen, daß man sozusagen mit jeder ersparten Mark unmittelbar Unternehmer werden, d. h. sie produktiv in Investitionen anlegen könne, daß, mit anderen Worten, jede ersparte Mark ein Schritt aus der Abhängigkeit in die unternehmerische Selbständigkeit bedeute. Die Bildung von Nominalvermögen bei bestimmten Personen, so hat man erkannt, schließt keineswegs die Beteiligung an der Bildung von Sachvermögen in gleicher Höhe bei denselben Personen ein. Zwischen Ersparnis und Investition schieben sich vielmehr Instanzen, die gespartes Geld von privaten Haushalten, Unternehmen und öffentlichen Haushalten sammeln und an die investierenden Stellen als Kredit abgeben. Zwischen Sparer und Investor treten die Kapitalsammelstellen, deren Funktion es ist, Geldvermögen zu bilden und als Kredite an die Investoren weiterzugeben. Diese Instanzen sind nicht nur kreislauftheoretisch interessant; hinter ihnen verbirgt sich die ungenannte Realität der Klassengesellschafl. Sie manifestiert sich im Prozeß der Umwandlung von Nominalvermögen (oder Ersparnis) in Sachvermögen, und sie äußert sich in der Vermögensstruktur. Es ist nicht nur, wie schon gezeigt, die Beteiligung an der Geldvermögensbildung, also an der Finanzierung der Realvermögensbildung bei den Selbständigen und bei den Unselbständigen sehr unterschiedlich, vielmehr sind die Unselbständigen praktisch von der realen Vermögensbildung weitgehend ausgeschlossen. Ein Bezieher niedriger Einkommen hat nur zwei Verwendungsmöglichkeiten für seine notwendigerweise geringen Ersparnisse: er kann entweder ausweichen in die »häuslichen Investitionen«, also langlebige Gebrauchsgüter wie Autos, Kühlschränke, Fernsehapparate oder, im günstigsten Fall, Eigenheime erwerben und damit die produktive Potenz seines Geldvermögens vernichten; oder aber er bildet Geldvermögen, d. h. er bringt seine Ersparnisse zu einer Kapitalsammelstelle, hat aber dann keine Möglichkeiten, aus der Abstraktion dieser Form des Geldvermögens herauszukommen. Der Weg, den Ba Vgl. z.B. Andreas Paulsen, Neue Wirtsd,af/slchrc. Einführung in die Wirtschaflstheorie von John Maynard Keynes und die Wirtschaflspolitik der Vollbeschäflig1mg, Berlin, Frankfurt/M. 1958, 19674, S. 30 ff.
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seine Ersparnisse zum Zweck der Vermögensbildung gehen können, ist bei den Kapitalsammelstellen zu Ende; die Kredite, die von dort zu den Unternehmen gehen, gehören nicht mehr ihm, sondern den Banken und Kreditanstalten; diese finanzieren die produktive Investition und profitieren am meisten von ihren Erträgen. Diese Grenze der Vermögensbildung gilt für den kleinen Sparer, gleichgültig, ob er sein Geld als Sicht- oder Spareinlage bei einer Bank oder Sparkasse hält; sie gilt aber auch, wenn er Wertpapiere kauft. Aufgrund der geringen Höhe seiner Ersparnisse ist es ihm nicht möglich, die abstrakte Form des Vermögens zu durchstoßen und direkt in den Bereich der produktiven Vermögensbildung und -vermehrung vorzudringen, so daß er in eigener unternehmerischer Regie konkreten Gebrauch davon machen könnte. Den Unternehmen und öffentlichen Haushalten dagegen ist dies möglich; einen erheblichen Teil ihrer Ersparnisse verwenden sie direkt für produktive Investitionen im eigenen Unternehmen, mit einem anderen Teil können sie wegen der höheren Einzelbeträge ihrer Geldvermögensbildung immerhin aktiven Einfluß auf reale Vermögensbildung nehmen. Der kleine Sparer greift jedoch in den realen wirtschaftlichen Prozeß auf keine Weise ein. Er stellt sein Geld vielmehr anderen zur Verfügung, finanziert mit seinem Geld das Sachvermögen anderer, nämlich der Selbständigen, die nach eigenem Ermessen damit wirtschaften können und ihr eigenes »Spareinkommen« auf diese Weise durch das ihnen nicht gehörende, aber in ihrer Verfügung stehende »Verfügungseinkommen«, wie Kozlik das nennt 86, erhöhen. Der Ertrag für diese Finanzierung ist entsprechend der Entfernung der einzelnen Kleinbeträge von der Quelle der produktiven Vermögensvermehrung und wegen der Einschiebung von Kapitalsammelstellen als vermittelnder Instanzen geringer als bei direkter Investition, denn diese Instanzen sind ihrerseits private gewinnorientierte Unternehmen, die ein Maximum der erwirtschafteten Erträge zu absorbieren trachten. Wo diese Zwischeninstanz fortfällt, zum Beispiel bei der Selbstfinanzierung der Unternehmen, ist der Ertrag naturgemäß höher. Vermögen, so zeigt sich immer wieder, vermehrt sich da, wo schon Sb Adolf Kozlik, Volkskapitalismus, a.a.O., S. 79 ff.
26
Vermögen ist: bei den Unternehmern und Wohlhabenden, und große Vermögen wachsen absolut und relativ schneller als die kleinen und mittleren Vermögen. Arbeiter und Nichterwerbstätige haben aufgrund dieser eingebauten Vermögenskonzentrationsautomatik keine Chance, mit ihren individuellen Ersparnissen in die Macht- und Dispositionssphäre der Unternehmer und in die Akkumulations- und Steuerungszentrale der Wirtschaft einzudringen. Daraus folgt: Gerade die Tatsache, daß es für kleine Beträge kaum Anlagemöglichkeiten gibt, deren Erträge nicht durch die jährlichen Geldentwertungen aufgezehrt würden, veranlaßt die Bezieher von kleinen und mittleren Einkommen häufig, ihre Ersparnisse in der Form »häuslicher Investitionen« anzulegen, von denen man wenigstens den unmittelbaren und meistens langfristigen Gebrauchswert erntet. Dies ist keine Verschwendung oder hemmungslose Genußsucht, wie von Ignoranten gelegentlich behauptet wird; es ist vielmehr eine vom Standpunkt der Bezieher niedriger Einkommen höchst rationale Alternative zum aussichts- und ertragslosen Anlegen des abstrakten Geldvermögens auf der Bank oder Sparkasse. Von dem Einkommen, das sie nicht für kurzfristigen Verbrauch ausgaben, steckten 1965 Arbeitnehmer fast zwei Drittel und Rentner über 50 0/oin diese häuslichen Investitionen. Bei den Selbständigen dagegen beträgt der Prozentsatz des ersparten Einkommens, der auf diese Weise verschwindet, weniger als ro 0/o;er hat sich in den letzten Jahren bei 8 0/oeingependelt.9 Andererseits ist genau dies die Handlungsweise, die den vermögenden Unternehmern in die Hand arbeitet. Diese nämlich sind vor allem daran interessiert, daß die Haushalte ihr Geld für Dinge ausgeben, die sie, die Unternehmer, herstellen, wodurch ihre Erlöse, Gewinne und damit auch ihr produktives Vermögen sich erhöht. Die Konzentration der Vermögen bei den Unternehmern wächst mit der Verbrauchsquote der Haushalte, und eine Erhöhung der Verbrauchsquote der Haushalte wird um so attraktiver sein, je stärker das produktive Vermögen bei den Unternehmern konzentriert ist. Dies ist der zweite Mechanismus, der die Konzentration von Vermögen bei den Vermögen9 Bruno Gleitze, Sozialkapital politik, Köln 1968, S. 6.
und Sozialfonds als Mittel der Vermögens-
den verursacht und beschleunigt. Ein Verbrauch - sozusagen ein Verbrauch mangels anderer attraktiver Möglichkeiten - des von den Haushalten Ersparten durch Erwerb von nicht zum unmittelbaren Verzehr bestimmten Gebrauchsgütern kommt den Unternehmen zugute, da er ihnen kein Vermögen entzieht, sondern ihnen im Gegenteil alles für die Entlohnung der Arbeitskraft ausgegebene Geld auf dem kürzesten Wege wieder zuführt und den Prozeß der Vermögenskonzentration fortsetzt.
III Vermögenskonzentration Die einkommens- und vermögensmäßige Schichtung der westdeutschen Gesellschaft beruht auf einer dreifachen Benachteiligung der Bezieher niedriger Einkommen, die sich zum größten Teil aus Arbeitern und Nichterwerbstätigen rekrutieren. Erstens: ihr Einkommen, und damit ihr Lebensstandard, ist erheblich niedriger als das der Selbständigen, der Beamten und der höheren Angestellten. Zweitens: dieses niedrige Einkommen zwingt sie, einen relativ großen Teil hiervon zu verbrauchen, so daß ein relativ (und selbstverständlich auch absolut) geringer Teil für das Sparen, d. h. für die Bildung von Geldvermögen zur Verfügung steht. Drittens: die kleineren Einzelbeträge, die von Arbeitern und Nichterwerbstätigen der Vermögensbildung zugeführt werden, bringen einen nicht nur absolut, sondern auch relativ geringeren Ertrag als größere Beträge, wie sie von Beziehern höherer Einkommen gespart werden können. Diese kumulativen Effekte einer ungleichen Einkommensverteilung führen zu einer von Jahr zu Jahr ungleichmäßiger werdenden Vermögensstruktur, deren Konzentrationsprozeß sich automatisch entwickelt und beschleunigt, denn jedes Vermögen ist wiederum Quelle von zusätzlichem Einkommen und damit von neuer Vermögensbildung. Dieser Mechanismus sich beschleunigender Vermögenskonzentration hat dazu geführt, daß sich die Struktur des Realvermögens seit 1950 erheblich zuungunsten der Arbeitnehmer und Rentner verschoben hat, wie die folgende Tabelle zeigt: 28
Tabelle Struktur
1 .7
des Realvermögens
Arbeitnehmer Rentner und Pensionäre Selbständige und Unternehmungen öffentliche Haushalce
in der Bundesrepublik
r950-r965,
in 0/o
r950
r955
r960
1965
34,7 5,r
18,2 2,7
15,6 2,5
17,2 2,6
45,7 14,5
46,8 32,3
49,3 32,6
46,6 33,6
Quelle: Bruno Gleitze, Sozialkapital und Sozialfonds als Mittel der Vermögenspolitik, Köln 1968, S. 6.
Der Anteil der Arbeitnehmer und Rentner am Gesamtvermögen ist von , 9 50 bis r 96 5 um jeweils die Hälfte zurückgegangen, der der Unternehmer und Selbständigen leicht gestiegen, während sich der Anteil der öffentlichen Haushalte mehr als verdoppelt hat. über 80 0/o des realen Vermögens der Bundesrepublik konzentrierten sich r 96 5 bei Unternehmen und öffentlichen Haushalten, während die Masse derer, die durch Erwerbstätigkeit erst Vermögen schaffen, nämlich die mehr als 20 Millionen Arbeitnehmer sowie die früheren Erwerbstätigen, die Rentner, zusammen knapp 200/o des gesamten Realvermögens besaßen. Wenn man hiervon noch die häuslichen Investitionen abzieht, die bei Arbeitnehmern 63,4°/o und bei Rentnern 54,4°/o ihrer Ersparnisse ausmachten, so erhält man als Restbetrag einen Anteil der Arbeitnehmer und Rentner am Gesamtvermögen (ohne häusliche Investitionen) von 8,9°/0. 10 Betrachtet man die Schichtung der Vermögensbildung allein bei den privaten Haushalten (was die Unternehmer-Haushalte, nicht aber die Unternehmungen selbst eiqschließt), so ergibt sich ein nicht minder eindeutiges Bild: » Von dem gesamten r 9 5o bis r963 gebildeten Vermögen der privaten Haushalte entfielen auf die Unselbständigen 560/o (Arbeiter: 17°/o; Angestellte 19°/o; Beamte 70/o; Rentner 130/o), auf die Selbständigen 44°/o (Landwirte 60/o; übrige Selbständige 38 0/o). Die Pro-KopfVermögensbildung 1950 bis 1963 betrug bei den Unselbständi10
ebenda, S. 6.
29
gen 3200 DM (Arbeiter 2roo DM; Angestellte 4800 DM; Beamte 6800 DM; Rentner 2900 DM), bei den Selbständigen r 2 700 DM (Landwirte 3400 DM; übrige Selbständige 22 ooo DM). In diesen Zahlen zeigt sich besonders die Ungleichheit der Vermögensbildung.« 11 Tabelle I.8 bei den unbeschränkt steuerpflichtigen naVermögenskonzentration türlichen Personen'' am 1. Januar 1963 und am 1. Januar 1966, in °/o
1963
1966
Veränderung in 0/o Zahl Rohvermögen
3,8
2,6 9,3 20,2 27,3 40,6
- 5,0 - 1,8 +4,0 +2,3 +0,5
Rohvermögen Anzahl der Gesamtvermögen (Mrd. DM) von ... bis unter ... Steuerpflichtigen 1963
unter 50 ooo 21,4 50 000-100 000 33,3 100 000-250 000 29,0 250 000-1 Mill. 13,4 1 Million u. mehr 2,9 100
1966
16,4 31,5 33,o 15,7 3,4 100
II,O
19,8 26,4 39,0 100
-
1,2
- 1,7 +0,4 +0,9 +1,6
100
Quelle: Wirtschaft und Statistik, Heft 12, 1968, S. 586. * Von den gesamten Vcrmögenssteuerpflichtigen waren am r. Januar 1966 96,7°/o unbeschränkt steuerpflichtig, hiervon waren wiederum 86,8 Prozent natürliche Personen.
Der gleiche Mechanismus akzelerierter Vermögenskonzentration erzeugt neben der zunehmenden Begünstigung der Vermögenden gegenüber den Nichtvermögenden eine Differenzierung innerhalb der Gruppe derer, die Vermögen besitzen. Hierüber gibt Tabelle r .8 einen groben Aufschluß. Es muß allerdings angemerkt werden, daß diese Zahlen mit äußerster Vorsicht zu betrachten sind; die zahlreichen Freibeträge und Absetzungsmöglichkeiten machen es wahrscheinlich, daß ein großer Teil der Vermögen bis etwa 50 ooo DM gar nicht in der Statistik erscheint. Auf der anderen Seite taucht mit mindestens ebenso großer Wahrscheinlichkeit wegen der legalen und illegalen Wilhelm Krelle, Johann Schunde, Jürgen Siebke, Überbetriebliche Ertragsbeteiligung der Arbeitnehmer. Mit einer Untersuchung über die Vermögensstruktur der Bundesrepublik Deutschland, Tübingen 1968, S. 489. II
30
Umgehungsmöglichkeiten ein großer Teil der Großvermögen nicht in den Steuerstatistiken auf. »Wenn er die höchste Einkommensschicht erreicht, wendet sich der Mann besonders den steuerfreien Anlagen zu, um die schweren Bundeseinkommenssteuern zu vermeiden« 12 , schreibt Kozlik über die Verhältnisse in den USA, die wohl auch für die Bundesrepublik tendenzieli zutreffen. Es spricht gleichwohl nichts dagegen, daß man aus diesen Zahlen die Struktur und Tendenz der Vermögenskonzentration im groben richtig ablesen kann. Insgesamt sind 1966 rund 4 5 5 ooo Personen mit einem gesamten Rohvermögen von 138,5 Milliarden DM zur Vermögenssteuer veranlagt worden; davon lag gut die Hälfte in den Vermögensklassen über roo ooo, fast 200/o über 250000 DM; das von ihnen gehaltene Rohvermögen machte jedoch fast neun Zehntel beziehungsweise rund zwei Drittel des gesamten steuerlich erfaßten Rohvermögens natürlicher Personen aus. Diese Anteile lagen damit erkennbar über denen von 1963, so daß die Konzentration und Verlagerung von Vermögen in die oberen Vermögensklassen unbezweifelbar ist. Die gleiche konzentrierte Struktur ist bei den Großvermögen (mehr als 1 Million DM) natürlicher Personen zu beobachten. Am 1. 1. 1966 wurden in der Bundesrepublik und in Westberlin 15 404 Vermögensmillionäre gezählt, das sind 3,30/o der natürlichen Personen, die der Vermögenssteuer unterworfen sind. Diese 30/o waren im Besitz von fast 50 Milliarden DM oder 42,10/o des gesamten der Vermögenssteuer unterworfenen Gesamtvermögens natürlicher Personen, das sich auf 117,4 Milliarden DM belief (s. Tabelle r.9). Den Versuch, die Ungenauigkeiten und Verzerrungen der Vermögenssteuerstatistik zu kompensieren und zu korrigieren, machen Krelle, Siebke und Schund{_in ihrem 1968 vorgelegten Gutachten über die Ertragsbeteiligung der Arbeitnehmer. Ihm ist die Tabelle r.10 entnommen, die sich allerdings auf den Stand vom 1. r. 1960 bezieht.'3 Daraus geht hervor: 305 ooo Adolf Kozlik, Volkskapitalismus,
a.a.O., S. 52. die die Verfasser an der Vermögenssteuerstatistik vornehmen, führen u. a. dazu, daß sie 14 ooo Vermögensmillionäre ausweisen gegenüber 8855 in der amtlichen Vermögenssteuerstatistik für 1960. 12
13 Zum Vergleich: Die Korrekturen,
31
Tabelle z.9 Steuerliche Großvermögen natürlicher Personen am 1. Januar 1966 Vermögensgruppe von ... bis ... unter (Mill. DM)
Anzahl der Steuerpflichtigen inO/o absolut
2,5 2,5 - 5,0 5,0- 10,0 20 10 .20 - 50 50 - 100 100 -.200 200 und mehr
10 841 .2 886 l 082 393 152 28 16 6 15 404
Gesamtvermögen'} absolut
in 8/o
7o,4 18,7 7,0 2,6 1,0 0,2 0,1 o,o
16 270 9 866 7 463 5 385 4 2 51 1 810 2 163 2 220
100
49 428
32,9 19,9 l 50 1 10,9 8,6 3,7 4,4 4,5 100
'' Das Gesamtvermögen ist das um Schulden und bestimmte Abzüge verminderte Rohvermögen.
Quelle: Wirtschaft und Statistik, Heft 12, 1968, S. 588. Tabelle z.ro Anteile der oberen Vermögensgruppen am privaten Gesamtvermögen in der Bundesrepublik und in Westberlin am 1. Januar 1960 Gesamtvermögen von ..• bis ... DM
über 10 Mill. Mill. l -10 I O,IMill. unter 0,1 Mill. Alle
Zahl der in 0/oaller Gesamtvermögen Anteil am privaten Geder Klasse Haushalte Haushalte in Mill. DM samtvermögen in 0/o
460 13 54° .291000 17 585 000 17 890 000
0,0026 0,0758 1,627 98,295 100
12 170 27 810 66 550 197 070 303 600
4,01 9,16 21,90 64,90 100
Quelle: Wilhelm Krelle, Johann Schunck, Jürgen Siebke, überbetriebliche Ertragsbeteiligung der Arbeitnehmer. Mit einer Untersuchung über die Vermögensstruktur der Bundesrepublik Deutschland, Band II, Tübingen 1968, S. 378.
32
oder r,7°/o aller Haushalte in der Bundesrepublik verfügen über 3 5°/o des gesamten privaten Vermögens, während 98,30/o der Haushalte nur 650/o des Vermögens besitzen. Weniger als rO/o der Haushalte verfügt über mehr als 1 o 0/o, nämlich über r 3 0/o des gesamten Privatvermögens. Auch der schon beschriebene Effekt der Konzentration der produktiven Vermögensarten bei den oberen Vermögensklassen wird durch diese Untersuchung vollständig bestätigt, wie Tabelle LII zeigt. 89°/o des landwirtschaftlichen Vermögens, 84°/o Tabelle 1. II Anteile der oberen Vermögensgruppen in°/o, am r. Januar 1960
an den Vermögensarten,
Gesamtvermögen Gesamt- Landw. Grund- Betriebs- Kapital- Geldvon ... bis ... DM vermögen vermögen vermög. vermög. anteile vermögen
über 10 Mill. l -10 Mill. 0,1- l Mill. unter 0,1 Mill.
0,21 4,01 0,89 1,92 6,70 15,70 2,02 2,02 18,84 27,50 9,16 4,33 21,90 13,77 45, 10 26,20 14,05 7,77 64,90 89,32 84,00 29,36 30,60 79,7° 100 100 100 100 100 100
Quelle: Wilhelm Krelle, Johann Schunck, Jürgen Siebke, Oberbetriebliche Ertragsbeteiligung der Arbeitnehmer. Mit einer Unters.uchung über die Vermögensstruktur der Bundesrepublik Deutschland, Band II, Tübingen 1968, S. 379.
des Grundvermögens und 79 0/o des Geldvermögens, also der allergrößte Teil der drei unproduktiven und wenig ertragreichen Vermögensarten, sind den Haushalten zuzurechnen, die weniger als roo ooo DM Vermögen haben; diesen 17,6 Millionen Haushalten, das sind 98,3 0/o aller Haushalte in der Bundesrepublik, gehörten dagegen nur jeweils 30 0/o, d. h. weniger als ein Drittel, des Betriebs- und Kapitalvermögens. Die übrigen 305 ooo oder 1,70/o aller Haushalte, denen gut ein Drittel des Gesamtvermögens gehörte, besaßen jeweils 70 0/o des Betriebsund des Kapitalvermögens. Auf weniger als I Promille aller Haushalte entfielen in der untersuchten Zeit mehr als ein Viertel des gesamten Betriebs- und 43,20/o des gesamten privaten 33
Kapitalvermögens in der Bundesrepublik. »Und das ist eine recht erhebliche Konzentration, wenn man bedenkt, daß es etwa nur 14 ooo solcher Haushalte gab.« 1 4 Dies zeigt noch einmal in aller Deutlichkeit: Die Produktionsmittel in der kapitalistischen Gesellschaft, die privaten Betriebe und das private Kapital, sind monopolisiert bei denen, die als Unternehmer, Beamte oder höhere Angestellte hohe Einkommen beziehen und große, sich kumulativ selbst vermehrende Vermögen bilden können; die breite Masse der Bevölkerung bleibt wegen der diskriminierenden Einkommensstruktur entweder ganz von der Vermögensbildung ausgeschlossen oder kann sich allenfalls durch passives Sparen an ihr in geringem Umfange beteiligen. Die direkte und ertragreichste Anlage in der produktiven Investition bleibt ihr jedoch verwehrt. Sie ist denen vorbehalten, die entweder als Eigentümer hohe Summen direkt in eigene Projekte investieren und den gesamten Ertrag einstreichen oder eine aus vielen kleinen Kapitalien bestehende große Summe für fremde produktive Projekte anbieten und dafür einen Teil des Ertrages kassieren. Diese durch gewichtige eigene oder verwaltete Vermögen legitimierten Gruppen entscheiden über die produktive Verwendung des gesamten gesellschaftlichen Vermögens in der Wirtschaft, allerdings nicht im Interesse der vielen abhängigen Bezieher kleiner Einkommen und nach deren Bedürfnissen, vielmehr fällen sie ihre Produktionsentscheidungen und damit die Entscheidung über den gesamten Wirtschaftsverlauf im Interesse der Vermehrung des akkumulierten Vermögens, im Interesse der Erhaltung und des Wachstums oder, wie die modernen Fachausdrücke lauten, im Interesse der Stabilität, Rentabilität und Expansion der gesamten Wirtschaft, die ihnen gehört. Niemand sollte sich durch diese Allgemeinwohl verheißenden Vokabeln täuschen lassen: in einer Gesellschaft, in der fast das gesamte Vermögen sich in den Händen relativ weniger Eigentümer befindet und der Rest der Gesellschaft abhängig von diesen Arbeit »nehmen« muß, bedeutet Stabilität und Expansion der Wirtschaft eben Stabilisierung der Macht und Ausdehnung des privaten Vermögens dieser Eigentümer. Daran ändert sich auch nichts, wenn viele Vermögen nicht 14 Wilhelm Krelle u. a., Überb:triebliche .• . a.a.O., S. 490,
34
mehr unmittelbar Privatpersonen oder Haushalten zuzurechnen sind, sondern als große Gesellschaften oder Konzerne eine eigene Rechtspersönlichkeit und auch eine faktische Sonderexistenz angenommen haben. Gerade die zunehmende Konzernierung und Konzentration bei unveränderten Rechtsgrundlagen und Steuerungsformen der Wirtschaft läßt das Prinzip der einzelwirtschafl:lichen Sicherung und Expansion ohne Rücksicht auf die Interessen einzelner Personen oder gar der Gesellschaft als das Grundprinzip des Kapitalismus desto deutlicher hervortreten. Das Prinzip des Privateigentums in unserer Gesellschaft funktioniert auch dann (und dann sogar in besonderer Reinheit), wenn der Eigentümer nicht mehr persönlich und direkt in die Prozesse der Vermehrung des Eigentums eingreift, sondern diese der Eigendynamik des privaten Eigentums, des Kapitals überläßt. Das Prinzip dieser Eigendynamik aber ist Akkumulation, Vermehrung und Zusammenfassung partikularer Vermögensmassen um der Vermehrung willen, Expansion um der Selbsterhaltung und Selbsterhaltung um der Expansion willen. Mit diesem Aspekt der Konzentration und der Verselbständigung des Betriebs- und Kapitalvermögens als dem wichtigsten Bereich des wirtschaftlichen Gesamtvermögens müssen wir uns im folgenden Kapitel ausführlicher beschäftigen, denn in diesem' Bereich ist die Macht in der Gesellschaft angesiedelt.
II Die Verteilung des Eigentums Ka pitalkonzen tra tion
2:
I Vermögenskapital und Verfügungskapital Ungleiche Einkommensverteilung führt zu ungleicher Verteilung des Gesamtvermögens und der verschiedenen Vermögensarten. Das Vermögen der Bundesrepublik befindet sich zu einem sehr großen Teil im Besitz eines sehr kleinen Teils der Bevölkerung, und seine ertragreichsten Teile, das Kapital- und Betriebsvermögen, sind bei noch weniger Eigentümern konzentriert. Diese im vorangegangenen Kapitel dargestellte Einkommensund Vermögenskonzentration, in der eine eigentumsmäßige Zuordnung des gesamten privaten Vermögens erfolgt, wird überlagert von einer zweiten Konzentrationserscheinung, die nicht durch die personelle Zuordnung, sondern durch die funktionale Zusammenballung von Eigentum als Betriebs- und Kapitalvermögen im Prozeß der Produktion und des Absatzes von Wirtschaftsgütern bestimmt ist. Kapital- und Betriebskonzentration, von denen jetzt die Rede sein wird, würden sich dann mit Vermögenskonzentration decken, wenn jede eigentumsmäßig getrennte Vermögenseinheit sich in einem eigenen Unternehmen oder Betrieb niederschlüge. Dies ist jedoch nicht der Fall. Es gibt auf der einen Seite Vermögen, das überhaupt nicht in Unternehmensform zu transformieren ist - bestimmte Arten des Boden- und Grundbesitzes etwa-, auf der anderen Seite gibt es Kapital- und Betriebsvermögen, das keine separaten Unternehmen konstituiert, sondern das als kleiner Kapital- oder Betriebsanteil eigentumsmäßig nicht den reichen Schichten zugerechnet werden kann, gleichwohl aber Element eines Kapitalblocks oder Unternehmens ist, das in einer Branche oder gar der Gesamtwirtschaft eine führende Rolle spielt. Zwar ist Betriebs- und Kapitalvermögen nur ein Teil des Gesamtvermögens, dennnoch ist Betriebs- und Kapitalkonzentration nicht nur ein Unterbegriff der Vermögenskonzentration. Sie greift vielmehr in den nicht konzentrierten Vermögensbereich
ein und hinüber. Auch nicht-konzentriertes Vermögen arbeitet nicht selten für konzentriertes Kapital und hilft, dieses Kapital vermehren, wodurch sich die Vermögenskonzentration zugunsten der Großeigentümer weiter verschärf!:. Diese verfügen nicht nur über das von ihrem eigenen Kapital erwirtschaftete Verbrauchs- und Spareinkommen, sondern zusätzlich noch über einen Einkommensteil, der eigentumsmäßig zum Beispiel den Kleinaktionären als ihr Anteil am Gesamtgewinn einer Aktiengesellschaft zukommt, der aber, um die Unternehmenssubstanz zu stärken, auf Beschluß des Großaktionärs nicht als Dividende verteilt, sondern vom Unternehmen einbehalten wird und dem Großaktionär als » Verfügungseinkommen« zur beliebigen Verwendung zur Verfügung steht.' Unternehmenskonzentration geht sicher zum größten Teil auf Eigentumsund Einkommenskonzentration zurück, konzentriertes Eigentum bedient sich jedoch auch des nicht konzentrierten Eigentums in der Form des Verfügungskapitals zur eigenen Expansion. Es ist zweifellos wichtig zu wissen, wem die Produktionsstätten in der Gesellschaft gehören. Noch wichtiger aber ist es, zu wissen, wie sich die Produktionsstätten selber entwickeln und in welchen Beziehungen sie zueinander und zu den produzierenden und kaufenden Mitgliedern unserer Gesellschaft stehen. Denn erst diese Entwicklungen und Beziehungen durchbrechen die Fassade des abstrakten Eigentums und legen den Mechanismus konkreter Herrschaft durch Eigentum frei. Kapital- und Betriebsvermögen sind als konkrete Träger und Manifestation der wirtschaftlichen Entwicklung entsprechend der Veränderung der ökonomischen Kräfte und Fortschritte ständigen Veränderungen unterworfen - im Gegensatz zum unveränderlichen Grund und Boden auf der einen und zum abstrakten Geldvermögen auf der anderen Seite. Betriebe und reale Kapitalien sind konkreter Ausdruck der wirtschaftlichen Prozesse und müssen sich mit diesen verändern. In der privatwirtschaftlich verfaßten Gesellschaft sind die Unternehmen dadurch gekennzeichnet, daß sie - sei es als Handwerksbetrieb vom Meister, sei es als kleiner oder mittlerer Industriebetrieb vom I Der Begriff des • Verfügungseinkommens« stammt von Kozlik. Vgl. Adolf Kozlik, Volkskapitalismus, Wien 1968, S. 79 ff.
37
Eigentümer-Unternehmer, sei es als große Gesellschaft vom Management - autonom geführt werden, und daß die Unternehmensentscheidungen prinzipiell im Hinblick auf die eigene isolierte Effizienz, Expansion oder Rentabilität, also prinzipiell ohne Rücksicht auf äußere gesamtwirtschaftliche Effekte, getroffen werden. Die Bezugsbasis dieser Autonomie ist das eingesetzte Kapital, das nicht als gesellschaftliches Produktivvermögen, sondern als Privateigentum einzelner Individuen angesehen wird und dessen Rendite auch das Privateigentum dieser oder, in der Form von Verfügungseinkommen, anderer Individuen vermehrt. Es ist nun zu fragen, wie sich die Produktionsstätten in der Bundesrepublik seit dem Zweiten Weltkrieg entwickelt haben und welche Struktur sie heute zeigen. Die dominierende Erscheinung in der Entwicklung sind das Wachstum und die zunehmende Konzentration der Betriebe und der Unternehmen, wobei unter Konzentration hier zunächst nur der Prozeß der eigentumsmäßigen Zusammenfassung produktiven Vermögens zu Funktionseinheiten zu verstehen ist, sei es, daß ein einziger Eigentümer sein produktives Vermögen vermehrt, sei es, daß viele Eigentümer ihr mehr oder minder großes Produktivvermögen zu einem einzigen Kapitalkomplex bündeln.
II Konzentration in der Gesamtindustrie Zunehmendes Betriebs- und Unternehmenswachstum in der Bundesrepublik bedeutet vor allem, daß Betriebe und Unternehmen immer größer werden und daß sich mehr Kapital in ihnen akkumuliert. Dies kann das Ergebnis von Wachstumsprozessen bestehender Unternehmen in einer wachsenden Wirtschaft - etwa aufgrund des »Gesetzes« der Massenfabrikation oder als Reaktion auf bestimmte Erfordernisse der technischen Entwicklung - sein; es kann aber auch seine Ursache haben in der Zusammenlegung verschiedener, früher selbständiger Betriebs- oder Unternehmenseinheiten durch Übernahme oder Fusion. Das Wachstum der Betriebe und Unternehmen läßt sich allerdings kaum am Betrag des eingebrachten Eigenkapitals messen,
da hierüber in den privaten Gesellschaften keine zuverlässigen Angaben existieren und da außerdem die von den Publikumsgesellschaften ausgewiesenen Eigenkapitalposten weitgehend nach Belieben manipuliert werden können. Bessere Indikatoren für betriebliche und unternehmerische Größenverhältnisse und deren Entwicklung vermitteln die Angaben über die Beschäftigten beziehungsweise den Umsatz der einzelnen Einheiten. Die kapitalmäßige Einheit, und die daraus abgeleitete Dispositionsautonomie, ist das - im nächsten Kapitel noch einzuschränkende - Identifizierungsmerkmal und Abgrenzungskriterium für ein Unternehmen; ein Maßstab für seine ökonomische Bedeutung ist sie nicht. über die Entwicklung der Größenstrukturen der industriellen Betriebe, die die Hälfte des Inlandsproduktes in der Bundesrepublik herstellen', gibt Tabelle 2.r (S. 40) Aufschluß. Die industrielle Produktion der Bundesrepublik und Westberlins wird seit dem Abschluß der Wiederaufbauphase in rund hunderttausend Betrieben hergestellt; davon haben mehr als die Hälfte, nämlich sechzigtausend, weniger als zwanzig Beschäftigte, zählen also zu den kleinen Betrieben. Rund drei Viertel aller Betriebe arbeiten mit weniger als fünfzig Beschäftigten. Eine Herrschaft der Großbetriebe mit Tausenden von Arbeitnehmern scheint es also nicht zu geben. Maßgeblich für die Beurteilung der Konzentration ist jedoch der Blick auf die Umsätze und die Zahl der Beschäftigten. Zwar ist es richtig, daß in dem genannten Zeitraum nur etwa r,2 0/oaller Betriebe, nämlich rroo-1250 Betriebe, tausend und mehr Arbeitnehmer beschäftigten, dieses r 0/oder Betriebe allerdings produzierte in den drei Jahren fast 400/o des Industrie2 Wenn nicht ausdrücklich anders vermerkt, beschränke ich mich auf die Darstellung des Sektors der Industrie, weil er nach wie vor von gleichbleibender Wichtigkeit ist. Die Anteile der vier Sektoren Land- und Forstwirtschaft, Industrie, Dienstleistungen, Handel und Verkehr an der Erstellung des Bruttoinlandsproduktes verteilen sich seit 1950 wie folgt (in °/o): 1950 1960 1965 1968 Land- und Forstwirtschaft 10,4 6,o 4,4 3,9 Industrie 49,6 53,3 52,6 50,9 Handel und Verkehr 19,9 19,7 19,5 19,1 Dienstleistungen 20,2 21,0 23,5 26,1 Quelle: Deutsche Bundesbank, Monatsberichte, Nov. Dez. 1968, S. 104; für 1968: Monatsberichte, März 1969, S. 65,
39
Tabelle 2.1 Betriebe, Beschäftigte und Umsatz nach Beschäftigtengrößenklassen 1957, 1961 und 1967 Betriebsgröße (Anzahl der Beschäftigten)
1957''·
Betriebe
Beschäftigte (in 1000)
1961
Umsatz
Beschäftigte (in 1000)
(in Mio)
Umsatz
(in Mio)
Betriebe
1967
Beschäftigte (in rooo)
Betriebe
Umsatz (in Mio)
A. Betriebe, Beschäftigte, Umsatz in absoluten Werten l- 9 43 857 10- 19 31 172 20- 49 5o- 99 9 593 100-199 6 037 5 8l 5 200-999 1000 u. mehr l lJI Zusammen 97 605
179 754
396 l 612
674 844 2 334 3 050 7 835
l 3 88 l 781 5 698 7 47° 18 345
43 7 17 12 952 18 249 lO l l 3 6 583 ·6 309 l 246 99 169
166 184 577 710 9 17 2 536 3 428 8 5I 8
502 552 l 549 l 952 2 571 8 175 10 •601 25 902
44 375 14 63 l 18 41 l 10 004 6 500 6 068 l 100 101 089
172 206 582 701 908 2 430 3 007 8 006
2
698 819 173
599 3 561 l I 226 l 3 I 36 34 212 2
B. Anteile der Beschäftigtengrößenklassen an Betrieben, Beschäftigten und Umsatz 1- 9 10- 19 20- 49 5o- 99 100-199 200-999 1000 u. mehr
Zusammen''*
44,9
2,3
2,2
3 1,9
9,6
8,8
9,8 6,2 6,o 1,2 100
8,6 ro,8 29,8 38,9 100
7,6 9,7 31, 1 40,7 100
44,l 13,1 18,4 10,2
6,6 6,4 1,3 100
1,9 2,2 6,8 8,3 10,8 30,0 40,2 100
1,9 2,l 6,o
43,9 14,5 18,2
7,5 9,9 31,6 4o,9 100
9,9 ·6,4 6,o l,l 100
2,2 2,6 7,3 8,8 l 1,3 3o,3 37,6 100
2,0 2,4 6,4 7,6 10,4 32,8 38,4 100
Betriebsgröße (Anzahl der Beschäftigten)
1957
Betriebe
Beschäftigte (in rooo)
Umsatz (in Mio)
Betriebe
Umsatz 1961 Beschäfl:igte (in Mio) (in rooo)
Betriebe
C. Kumulierte Anteile der Beschäftigtengrößenklassen an Betrieben, Beschäftigten und Umsatz unter 10 44,9 2,3 2,2 44,1 1,9 1,9 43,9 unter 20 57,2 4,1 4,0 58,4 unter 50 76,8 11,9 1 r,o 75 ,6 10,9 10,0 76,6 unter 100 86,6 18,6 85 ,8 20,5 19,2 86,5 17,5 unter 200 30,0 27,4 92,8 28,3 9 2 ,9 31,3 9 2,4 60,0 unter 1000 61,1 98,8 98,8 59,o 98,9 59,4 Alle 100 100 100 100 100 100 100
Umsatz 1967 Beschäftigte (in Mio) (in rooo)
2,2 4,8 I 2,I
20,9 32,2 62,5 100
2,0 4,4 10,8 18,4 28,8 61,6 100
* 1957 ohne Saarland ,:-,:-Abweichungen in der Addition sind auf Abrundungen zurückzuführen Quellen: 1957: Statistisches Bundesamt, Die Industrie der Bundesrepublik Deutschland, Reihe 4, Sonderveröffentlichungen, Heft 19, Beschäftigung und Umsatz, Brennstoff- und Energieversorgung r954 bis r957, Jahreszahlen der Industrieberichterstattung, Stuttgart 1958, S. 43, 45, 47; Berliner Statistik, Statistische Berichte El, Die Industrie in Berlin (West), Ergebnisse der Totalerhebung 1958, Berlin 1959, S. 4 f.; 1961: Statistisches Bundesamt, Fachserie D, Industrie und Handwerk Reihe 4, Sonderbeiträge zur Industriestatistik, Betriebe, Beschäftigte .und Umsatz nach Betriebsgrößenklassen 1961, Stuttgart und Mainz 1962, S.6 f., 10 f., 14 f., 17, 19; Berlin wie oben, Totalerhebung 1961, Berlin 1962, S. 4 f.; 1967: Statistisches Bundesamt, Fachserie D, wie oben, Stuttgart und Mainz 1968, S. 6 f., 10 f., 14 f., 17, 19.
umsatzes und beschäftigte fast 40 0/o aller in der Industrie tätigen Arbeitnehmer der Bundesrepublik. Weniger als 8 0/o aller Industriebetriebe in der Bundesrepublik hatten r 967 200 und mehr Arbeitnehmer; auf ihr Konto gehen jedoch 70 0/odes westdeutschen und westberliner Industrieumsatzes, sie sind die Arbeitgeber für mehr als zwei Drittel der westdeutschen und westberliner Industriebeschäftigten. Eine andere Statistik gliedert die Unternehmen mit über r o Beschäftigten - die zwar nur rund die Hälfte aller Industrieunternehmen stellen, dafür aber 980/o der Industriebeschäftigten und etwa ebensoviel des Industrieumsatzes auf sich vereinigen, in dieser Hinsicht also als das Ganze genommen werden können nach Umsatzgrößenklassen und kommt zu folgendem Ergebnis: Tabelle 2.2 Unternehmen, Beschäftigte und Umsatz nach Umsatzgrößenklassen in der Industrie (ohne Bauindustrie) 1965 in Unternehmen mit über 10 Beschäftigten Umsatz von ... bis unter ... DM
unter 5oo ooo 500 000-l Mill. l- 2Mill. 2- 5Mill. 5- ro Mill. IO25 Mill. 25- 50 Mill. 50-roo Mill. 100-250 Mill. über 250 Mill. Zusammen
Zahl der Unternehmen in °/o abs. 7 959 16,8 9 400 19,8 9 588 20,2 10 l l 5 21,3 4 761 10,0 3 446 7,3 l 140 2,4 1,2 547 308 0,65 168 o,3 5 47432 100
Beschäftigte abs. in °/o
132 144 236 680 405 467 828 929 797 3 l l l 178 716 851 854 745 768 931 183 2 385 671
1,6 2,8 4,8 9,8 9,4 13,9 10,0
8,8 I I,O
28,1
8 493 723 100
Umsatz in Mill.DM abs. inO/o 2 61 l 6 853
13 73 2 32 265 33 348 52 882 39 88 3 37 334 47 221 140 486
o,6 1,7 3,4 7,9 8,2 13,0 9,8 9,2 II,6 34,6
406 605 100
Quelle: Statistisches Jahrbuch 1968, S. 196.
Neun Zehntel der Industrieunternehmen mit mehr als ro Beschäftigten kommen hiernach nur für weniger als ein Drittel der 42
Beschäftigten und für rund ein Fünfl:el des Gesamtumsatzes auf, während 1 0/o- d. h. etwa ½ 0/o der Gesamtzahl aller Industriebetriebe - 40 0/o der Arbeitnehmer beschäftigte und 46 0/o des Umsatzes erzielte. Nach dieser Statistik kamen 1965 nur noch 168 Industriebetriebe auf einen Umsatz von über 250 Millionen DM; das ist 1/3 0/o der Gesamtzahl. Bei diesen 168 Unternehmen aber waren 28,10/o der Industriebeschäftigten in Lohn, und ihr Anteil am Gesamtumsatz der Industrieunternehmen betrug rund 3 50/o, also mehr als ein Drittel. Das bedeutet, daß die Mehrheit aller Industriebetriebe in der Bundesrepublik kleine Betriebe mit bis zu 20 Beschäftigten sind. Daran hat sich in den letzten zehn Jahren nichts geändert, wenngleich zweifellos ein absolutes Wachstum der Betriebsgrößen zu beobachten war, das sich in dem Ansteigen des durchschnittlichen Umsatzes anzeigt. Der Umsatz dieser Betriebe beträgt zusammen etwa 1/9 des Umsatzes der zahlenmäßig geringeren Großbetriebe mit über 1000 Beschäftigten, in denen achtmal mehr Arbeiter beschäftigt sind. Nicht alle kleinen Betriebe und Unternehmen sind selbständig. Diejenigen, die selbständig sind, finden sich in einem Interaktionssystem, das durch die Größenstrukturen schon so vorgeformt ist, daß sich die kleinen Betriebe der erdrückenden übermacht der Konzerne gegenübersehen, gegen deren ökonomisches Gewicht weder unternehmerische Initiative noch unternehmerischer Wettbewerb etwas vermag. Es ist nicht zu bezweifeln, daß dieses Übergewicht der Großen über die Kleinen ständig und von Jahr zu Jahr wächst. Die Großbetriebe bestimmen zwar nicht unbedingt das Gesicht der Wirtschafl:stätigkeit in der Bundesrepublik, aber sie sind ganz zweifellos der wirtschaftlich mit Abstand gewichtigste Faktor in der deutschen Wirtschaft. Dies gilt vor allem für die Spitzengruppe unter den Großbetrieben selbst. Denn ihr Anteil am gesamten Industrieumsatz und damit auch am gesamten Bruttoinlandprodukt nimmt laufend zu, während der Anteil der Größenklasse mit über 1000 Beschäftigten am Industrieumsatz von erstaunlicher Konstanz ist. Die folgende Tabelle gibt einen überblick über die Entwicklung der Anteile der 50 und der 100 größten Industrieunternehmen in der Bundesrepublik am gesamten Industrieumsatz: 43
Tabelle 2.3
Konzentration in der westdeutschen Industrie, 1954-1967, gemessen am Umsatz in Mrd. DM
Umsatz der 50 größten Industrieunternehmen Umsatz der 100 größten Industrieunternehmen Umsatz der Gesamtindustrie Anteil der 50 größten am Gesamtumsatz in °/o Anteil der 100 größten am Gesamtumsatz in 0/o
1954
1960
1963
1966
1967
36,8
9 2,3
n8,o
156,4
160,5
48,6 144,8
110,4 275,5
140,6 183,6 326,4 402,0
380,6
2 5,4
33,5
36,2
38,9
33,6
40,1
43, 1
45,7
42,2
Quellen: 1954: Bericht über das Ergebnis einer Untersuchung der Konzentration in der Wirtschaft, Anlagenband zu BT-Drucksache IV/i320, S. 554. 1960--66: Helmut Arndt, Recht, Macht und Wirtschaft, Berlin 1968, s. 82. 1967: Die Zeit Nr. 46 v. 15. November 1968, S. 47; Stat. Jahrbuch 1968, S. 208, eigene Berechnungen. Rund ein Drittel des gesamten Industrieumsatzes wurde 1954 von den 100 größten Industrieunternehmen der Bundesrepublik erzielt, 1960 waren schon die 50 größten Unternehmen in der Lage, denselben Anteil des Industrieumsatzes auf sich zu vereinigen, wobei nicht vergessen werden darf, daß dieses Umsatzdrittel sich in absoluten Zahlen bald verdoppelt hat. Sieben Jahre später, 1967, kommen die 50 größten Unternehmen bereits auf einen Anteil von 42,2 0/oam Industrieumsatz. Es zeigt sich auch hier, daß die zunehmende Konzentration fast ausschließlich auf das Konto der ersten 50 Unternehmen geht, während die zweiten 50 einigermaßen proportional zum Gesamtumsatz wachsen: in den drei Jahren, für die Material vorliegt, schwankt der Umsatzanteil der zweiten 50 Unternehmen um weniger als ¼ 0/o,während der der ersten 5o um 9 0/ogestie44
gen ist. Zum Schluß noch eine übersieht über die 10 größten Industrieunternehmen in der Bundesrepublik und Westberlin. Diese 10 Konzerne allein beschäftigten 1967 knapp 1 5 0/oaller in Tabelle 2.4 Entwicklung von Umsatz und Beschäftigten bei den 10 umsatzgrößten Industrieunternehmen der Bundesrepublik 1965-1967
Volkswagenwerk AG Siemens AG Farbwerke Hoechst AG August ThyssenHütte AG Farbenfabriken Bayer AG Vereinigte Elektrizitäts- und Bergwerks AG Daimler-Benz AG Allgemeine Elektrici tä ts-Gesellschaft AEG/Telefunken AG Badische Anilin& Soda-Fabrik AG (BASF) Krupp-Konzern Zusammen
Veränderung in 0/o Gesamter Industrieumsatz (Mrd. DM) Veränderung in 0/o Anteil der 10 größten in 0/o Beschäftigte in der Industrie Veränderung in °/o Anteil der 10 größten in 0/o
Umsatz (Mill. DM) 1966 1967 1965
Beschäftigte (Tausend) 1966 1965 1967
9 268 7 179
9 998 7 831
9 335 7 937
257,0
127,3 257,0
5 236
5 827
6 601
72,9
79,4
81,8
6 899
6778
6 550
94, 2
91,8
8 5,2
5 389
5 912
6 338
81,7
83,6
86,o
5 510 5 125
5 832 5 789
6 190 5 795
84,3 108,0
80,2 II2,5
74,l II5,4
4 638
4 861
5 166
143,0
138,1
135,5
4 050 5 007 58 301
4 4II 4 975 62 214 +6,7
5 036 4 848
112,0
63 796 +2,5
122,7
56,0
l l3I,8
127,7 242,0
71,2
59,8 102,4
I 132,1
+0,03
9o,4 l 109,3 -
2,0
374 612 388 029 380 659 +3,6 -1,9 15,6
+16,0
16,8 8 460
8 38 5 - 0,9
13,4
l 3,5
7 843 - 6,5 14,1
Quellen: Stat. Jahrbuch 1968, S. 198; Gerold Lingnau, Die hundert größten Unternehmen, in: FAZ vom 9. September 1967, S. 5; FAZ vom 24. August 1968, S. 17.
45
der Industrie Tätigen und erzielten knapp r7°/o des gesamten Industrieumsatzes. Um ungefähr das gleiche Ergebnis, nämlich einen Umsatzanteil von r6,r0/o, zu erreichen, mußten im Jahre r960 noch die 25 und im Jahre r954 gar die 50 größten Unternehmen bemüht werdenJ (Umsatzanteil r7,7°/o). Es zeigt sich an dieser Aufstellung auch, daß die Großunternehmen offensichtlich in besonderer Weise vor den Auswirkungen allgemeiner Wirtschaftskrisen geschützt sind. Während im Krisenjahr r 967 der gesamte Industrieumsatz um r,9°/o zurückging, stieg er bei den 10 größten Unternehmen um insgesamt 2,5°/o, so daß sich ihr Anteil am Gesamtumsatz um fast rO/oerhöhte.
III Branchenkonzentration Deutlicher als in den globalen Zahlen über die gesamte Industrie, aus der seit der Gründung der Bundesrepublik gleichmäßig die Hälfte des Bruttoinlandprodukts kommt, zeigt sich das Übergewicht der Großunternehmen in den einzelnen Branchen. über diese Tenden~.md ihre Entwicklung können die »concentration ratios« eine erste Auskunft geben. »Concentration ratios« sind Kennziffern, die angeben, welchen Prozentsatz vom Umsatz (oder von den Beschäftigten) einer Branche die Umsätze (oder Beschäftigtenzahlen) einer bestimmten Anzahl der größten Unternehmen dieser Branche, also der vier oder acht oder zehn größten Unternehmen dieser Branche, auf sich vereinigen. In der Bundesrepublik gibt es dazu keine neueren offiziellen Statistiken, die einzigen amtlich bekanntgemachten Zahlen stammen aus der sogenannten Konzentrations-Enquete, die von 1961 bis 1963 unter mißlichen Umständen und unzumutbaren Bedingungen4 im Auftrage der Bundesregierung durchgeführt wurde. Sie beziehen sich auf die Periode von 19 54 bis 1960. Es wurden 30 Branchen untersucht und die Umsatzanteile der zehn größten Unternehmen für r954 und r960 ver3 Bericht über das Ergebnis einer Untersuchung der Konzentration in der Wirtschaft, BT-Drucksachc IV/2320, (im folgenden zitiert als Konzentrationsbericht) Anlagenband S. 519 und 52 5. 4 Vgl. dazu Helmut Arndt, Erfahrungen ohne Enquete, in: Wirtschaf/sdienst 44 (r964), Heft 7, Juli 1964, S. 277 ff.
glichen, In 21 der 30 Fälle sind diese Umsatzanteile gestiegen, d. h. ist die Konzentration fortgeschritten, und nur in 9 Fällen ist sie zurückgegangen,! Tabelle 2.5 »Concentration ratios« für die 10 umsatzgrößten Unternehmen in einzelnen Branchen, 1954 und 1960
Branche
Mineralölverarbeitung Tabakverarbeitende Industrie Schiffsbau Fahrzeugbau Kautschuk und Asbest verarbeitende Industrie Eisenschaffende Industrie Glasindustrie NE-Metallindustrie Bergbau Holzschliff, Zellstoff, Papier und Pappe erzeugende Industrie Chemische Industrie Elektrotechnische Industrie Feinkeramische Industrie Ledererzeugende Industrie Feinmechanische und optische Industrie Gießerei-Industrie Kunststoff verarbeitende Industrie
Anteil der 10 umsatzgrößten Unternehmen am Gesamtumsatz der Branche Veränderung 1960 1954. 72.,6 68,8 7 1 ,5 58,6
9 1 ,5 84,5 69,0 67,0
+18,9 + 15,7 2.,5 + 8,4
60,7 p,6 45,7 44,o 34,6
59,7 57,8 P,7 44,7 42.,0
+ + + +
6,2. 6,o 0,7 7,4
38,5 37,5 37,8 2.8,5 36,5
4 1,5 40;6 38,4 37,5 37,3
+ + + + +
3,0 3,1 o,6 9,0 o,8
2.5,3 2.5,3
2.5,2 2.2.,4
-
O,I
2.7,9
2.0,5
- 7,4
-
1,0
- 2.,9
5 über die Besonderheiten der Industriezweige, in denen die Umsatzkonzentration der zehn umsatzstärkstcn Unternehmen abgenommen hatte, vgl. Hans Otto Lenel, Ursachen der Konzentration, unter besonderer Berücksichtigung der deutschen Verhältnisse, Tübingen 1962, zweite, neubcarbeitete Auflage 1968, S. 25 ff.
47
Branche
Anteil der 10 umsatzgrößten Unternehmen am Gesamtumsatz der Branche Veränderung 1960 1954
Stahlbau (einschl. Leichtmetallbau) Lederverarbeitende und Schuhindustrie Industrie der Steine und Erden Ziehereien und Kaltwalzwerke, Stahlverformung Papier und Pappe verarbeitende Industrie Maschinenbau Druckerei- und Vcrvielfältigungsindustrie Ernährungsindustrie Sägewerke und heizbearbeitende Industrie Eisen-, Blech- und Metallwarenindustrie Bekleidungsindustrie Holzverarbeitende Industrie Textilindustrie
25 ,6
20,2
21,3 16,4
19,9 17,9
17,8
1 7,5
12,2 14,6
I
11,5 11,7
12,0
- 5,4 - 1,4 1,5
+
- 0,3
17,5 3,4
+
13,4
+ +
1,9 0,3
-
5,3 I,2
9,7
11,9
+
2,2
8,o 6,5 6;6 7,1
9,3 7,4 7,3 7,2
+ + + +
1,3 0,9 0,7 0,1
Quelle: Bericht über das Ergebnis einer Untersuchung der Konzentration in der Wirtschaft, Ergebnisbericht, BT-Drucksache IV/z320, s. 13.
Für spätere Jahre sind im Institut für Konzentrationsforschung der Freien Universität Berlin für ro Branchen »concentration ratios« nach amerikanischem Muster, d. h. jeweils für die 4 und - soweit möglich - die 8 größten Unternehmen berechnet worden. Das Ergebnis ist hier noch viel klarer. Nur in einem einzigen Fall - dem des Stahl-, Leichtmetall- und Maschinenbaus ist die Konzentration zwischen 1960 und 1966 zurückgegangen. In 7 der 10 untersuchten Branchen verfügen die 4 größten Unternehmen bereits über 400/o Marktanteil.
Tabelle 2.6 »Concentration ratios« für einzelne Branchen, für die vier und die acht umsatzgrößten Unternehmen, 1960 und 1966 Branche
Anteil der vier größten Anteil der acht größten Unternehmen am Unternehmen am Branchenumsatz in 0/o Branchenumsatz in 0/o 1960 1966 Anderung 1960 r966 Anderung
Montanindustrie Mineralöl und Erdgas Stahl-, Leichtmetall-, Maschinenbau Fahrzeugbau Schiffsbau Elektrotechnik Chemie Textil und Bekleidung Elektrizität Gummi und Asbest
22,5 70,2
32,9 83,7
+10,4 + 13,5
37,6
46,9
+ 9,3
9,2 71,2 48,4 43,3 40,0 6,3 46,6 42,6
8,3 81,3 54,2 47,4 49,o 8,1
- 0,9 +10,1 + 5,8 + 4,1 + 9,0 + 1,8 + 2,9 + 2,4
13,0 8 r,5
12,5 9o,4
- 0,5 + 8,9
54,7 47,o 8,8 61,r
·61,9 57,3 10,9 63,7
+ 7,2 +10,3 + 2,1 + 2,6
49,5 45,o
Quelle: Helmut Arndt, Recht, Macht und Wirtschaft, Berlin 1968,
s. 84. Die Angaben der »concentration ratios« in einzelnen Branchen vermitteln zwar eine etwas präzisere Vorstellung als die globale Konzentrationsziffer der Gesamtindustrie, doch auch sie vermitteln noch immer ein äußerst verharmlostes Bild von den wahren Konzentrationsverhältnissen, selbst dann, wenn man darunter, wie das in diesem Kapitel der Fall ist, allein die Kapitalkonzentration, d. h. die eigentumsmäßige Ballung und Verflechtung von Kapital versteht. Denn in den Branchen, auf die sich diese Angaben beziehen, wird in der Regel eine Vielzahl von Gütern produziert, die nicht durch einander ersetzbar sind, d. h. die Branchen umfassen in der Regel mehrere Märkte. 6 So werden zum Beispiel in der Branche Fahrzeugbau nicht nur Personenwagen, sondern ebenso Kombinationskraftwagen, Omnibusse, Lastkraftwagen und Sattelzugmaschinen hergestellt, Produkte, die in keiner Weise ausgetauscht werden 6 Vgl. Hans Otto Lenel, Ursachen .. . a.a.O., S.• 16 f.
49
können. Niemand wird sich, wenn ein bestimmter PKW ihm nicht gefällt, statt dessen einen Omnibus oder einen Traktor kaufen, und niemand, der sich einen Zweitonnen-Lastwagen kaufen will, den er für bestimmte Zwecke braucht, wird sich für einen Zehntonner entscheiden. Wenn man die Branche Fahrzeugbau in dieser Weise realistisch aufteilt, ergibt sich hinsichtlich der Konzentrationsverhältnisse ein Bild, das ganz anders aussieht, als die immerhin schon außerordentlich hohe Zahl von 90,4°/o für die 8 größten Unternehmen es vermuten läßt. Bei den Personenkraftwagen gab es 1966 8 kapitalmäßig unabhängige Hersteller, bei den Kombinationskraftwagen waren es nur 4, bei den Kraftomnibussen 6 und bei den Sattelzugmaschinen ebenfalls 6 Produzenten. Lastkraftwagen wurden von insgesamt 9 deutschen Unternehmen hergestellt; wenn man die LKWs in Größenklassen unterteilt, ergibt sich folgendes Bild: Für LKWs bis 2 Tonnen gab es 3, von 2-6 Tonnen gab es 5, von 6-8 Tonnen gab es 2, von 8-ro Tonnen gab es 4, von 10-12 Tonnen gab es 5, von 12-16 Tonnen gab es 6 und über 16 Tonnen gab es 5 inländische Hersteller (mit einer Produktion von mindestens 50 Stück).7 Das heißt, für alle diese Märkte muß die »concentration ratio« der 8 größten inländischen Produzenten mit 100 0/o angesetzt werden. Interessant daran ist, daß die Produktionskonzentration verbunden war mit extrem unwirtschaftlichen Betriebsgrößen in der LKW-Industrie, so daß die Konzentration nicht einmal einen ökonomischen Rationalitätseffekt einbrachte. 8 Mittlerweile haben die LKW-Produzenten aus dieser Lage die Konsequenzen gezogen: Krupp stellte Mitte 1968 die LKW-Produktion ein9, die Salzgitter AG gab die Hälfte des Kapitals der 1962 erworbenen Büssing-Automobilwerke AG an die Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg AG (MAN) ab, mit dem Ziel, die LKW-Pro7 Vgl. Verband der Automobilindustrie e. V. (VDA), Tatsachen und Zahlen aus der Kraf/verkehrswirtschafl 1966/67, Frankfurt/M. 1967, S. 42 ff. 8 Helmut Arndt, Über ökonomische Konzentration, in: Recht, Macht und Wirtscha/1, Berlin 1968, S. 90 f. 9 Vgl. Handelsblatt vom 29. 2. 1968, S. 7.
50
duktion beider Unternehmen arbeitsteilig aufeinander abzustimmen und »die Marktstellung beider Unternehmen zu stärken«. 10 Schließlich legten die Daimler-Benz AG und die Rheinstahl AG ihre LKW-Produktion in der »Hanomag-Henschel Fahrzeugwerke GmbH« zusammen, an der beide Unternehmen mit je 500/obeteiligt sind. 11 Diese Konzentrationsprozesse bedeuten die Möglichkeit, in größeren Serien und damit rentabler als bisher zu produzieren. Freilich verstärkt sich so die Konzentration auf dem LKWMarkt noch mehr; in der gesamten Lastwagenindustrie gibt es heute nur noch 3 voneinander unabhängige Produzenten: die Hanomag-Henschel GmbH, die Klöckner-Humboldt-Deutz AG und die Unternehmen von MAN (wozu eben auch Büssing zu 5o 0/ogehört). Seit r 966 hat es eine Reihe weiterer Konzentrationsvorgänge gegeben, die die »concentration ratios« als weitgehend überholt erscheinen lassen. So gibt es zum Beispiel in der PKW-Industrie, nachdem die Volkswagen AG erst die Auto-Union und dann die NSU, und nachdem BMW im Oktober 1966 die Hans Glas GmbH gekauft hat, nur noch 6 nicht durch Kapitalbeteiligung verbundene deutsche Produzenten, nämlich die Volkswagen AG, die Daimler-Benz AG, die Ford-Werke AG, die Adam Opel AG, die Bayerischen Motorenwerke AG und die Firma Porsche (die allerdings durch Vertriebs- und Entwicklungsbindungen von der Volkswagen AG abhängig ist). Es haben - um nur einige Großunternehmen aus zwei Branchen zu nennen - seit Anfang r 967 12 ganz oder teilweise übernommen: in der Chemieindustrie die Badische Anilin- & Soda-Fabrik AG (BASF) die Chemische Düngerfabrik Rendsburg (Grundkapital r,2 Mio.) die Phrix-Werke AG (77 Mio.) die Dr. Beck & Co AG (3 Mio.) 10 Vgl. Die Welt vom 3. 2. 1969, S. 8. 11 Vgl. Der Volkswirt Nr. 2 vom IO. 1. 1969, S. 42. 12 Eine relativ ausführliche übersieht über die wichtigsten übernahmen und Fusionen bis zum Jahre 1966 gibt Hans Otto Lenel, Ursachen ... a.a.O., S. 21-42.
die Wintershall AG (176 Mio.) die Herbol-Werke Herbig Haarhaus AG (10 Mio.) die Nordmark-Werke GmbH (14 Mio.) die Guano-Werke AG (15 Mio.) die Farbwerke Hoechst AG die Reichhold Chemie AG (10,5 Mio.) die Süddeutsche Chemiefaser AG (12 Mio.) die Schroeder und Stadelmann AG die Firma Marbert Kosmetik die Farbenfabriken Bayer die Faserwerke Hüls GmbH die Troponwerke die Schering AG die Isar-Chemie GmbH (1,1 Mio.) in der Elektroindustrie die AEG/Telefunken AG die S. Küppersbusch & Söhne AG (8 Mio.) die Eltro GmbH (1,5 Mio.) die Linde-Hausgeräte GmbH (20 Mio.) die Hartmann und Braun AG (15 Mio.) die Telefonbau und Normalzeit Lehner & Co KG die Neff-Werke (24 Mio.) die Ako-Werke GmbH & Co (5 Mio.) die Telefunken Radio Television SPA (TRT) die Kabelwerke Rheydt AG (26,4 Mio.) die Steatit Magnesia AG (10 Mio.) die Siemens AG die Zuse KG (9 Mio.) die Blohm und Voß AG (30,7 Mio.) die Robert Bosch GmbH die Fr. Hesser Maschinenfabrik AG (10 Mio.) die Dr. Masing & Co KG die Akkord Radio GmbH (15 Mio.) die Brown Boveri & Cie AG die Metrawatt AG die ITT die Alfred Teves GmbH (100 Mio.) die Fa. Friedrich Grohe Armaturen
die Gilette Company die Braun AG (24 Mio.) die General Telephone & Elektronics Corp. die Saba Schwarzwälder Apparatebau Anstalt Schwer Söhne GmbH (16 Mio.) die Litton Industries Inc. die Triumph-Werke Nürnberg AG (16 Mio.) die Adlerwerke, vorm. Heinr. Kleyer AG (15 Mio.) Die einschneidendste Fusion seit Bestehen der Bundesrepublik kam im Februar 1969 zustande, als das wichtigste Rohöl fördernde deutsche Unternehmen, die Gelsenkirchener BergwerksAG (48 5 Mio.), an den größten deutschen Elektrizitätskonzern, die Rheinisch-Westfälische Elektrizitätswerk AG ( 1200 Mio.), zu 43 0/overkauf!: wurde. 1 J Diese Liste, die sich fortsetzen ließe und die in den nächsten Monaten mit Sicherheit fortgesetzt werden wird, zeigt eins in aller Deutlichkeit: die Konzentration nimmt nicht deshalb in so erstaunlichem Tempo zu, weil einige Unternehmen schneller als die anderen wachsen und so ihren Vorsprung vor anderen und damit auch ihren Marktanteil vergrößern, sondern weil sich die Fälle mehren, in denen mehrere selbständige Unternehmen zu größeren Einheiten zusammengefaßt werden, sei es durch Übernahme, durch Fusion oder durch die sogenannte Teilfusion. Besonders die letztere Spielart der Konzentration hat mehr und mehr an Bedeutung gewonnen. Das Prinzip der Teilfusion und des Gemeinschafl:sunternehmens besteht darin, daß zwei (oder auch mehrere) Unternehmen einen Teilbereich ihres Produktionsprogrammes rechtlich aus dem Konzern herauslösen und mit den entsprechenden Teilbereichen des Partners (oder der Partner) in einem neu gegründeten Unternehmen vereinigen, wobei das neue Unternehmen zwar rechtlich selbständig ist, ökonomisch aber den beiden »kooperierenden« Unternehmen gehört, die damit von Konkurrenten zu Partnern geworden sind. Der erste spektakuläre Fall dieser Art ereignete sich im April 1966, als Siemens und Bosch die »Bosch-Siemens-Hausgeräte GmbH« zum Zweck der Entwicklung und Produktion von Haushaltsgeräten, Rundfunk- und Fernsehapparaten gründeten. Es folgte die Gründung der »Linde-Hausgeräte GmbH« mit dem Zweck 13 Vgl. Der Volkswirt Nr. 6 vom 7. 2. 1969, S. 55.
53
der Entwicklung und Fertigung von Elektro-Haushaltsgeriiten durch die AEG und die Linde GmbH, wodurch sich die Anzahl der ursprünglich vier Konkurrenten auf diesem Markt auf zwei verringerte. 1 Ja Allein in den ersten vier Monaten des Jahres 1969 wurden vier bedeutende Teilfusionen mit dem Ergebnis einer verstärkten Marktstellung der Partner bekanntgegeben: die Daimler-Benz AG und die Rheinstahl AG vereinigten ihre Lastkraftwagenproduktionin der »Hanomag-Henschel-Fahrzeugwerke GmbH« und schufen sich damit einen Marktanteil von über 900/o bei Lastkraftwagen zwischen 4 und 6 Tonnen und von über 60 0/o bei Lastkraftwagen mit über 6 Tonnen Gesamtgewicht1 4; die Mannesmann AG und die August Thyssen AG haben mit der Gründung der »Mannesmann-Röhren-GmbH« die Röhrenproduktion in der Bundesrepublik zu 70 0/o unter ihre Kontrolle gebracht 1 s; die AEG und die Siemens AG haben zum I. 4. 1969 gleich zwei gemeinsame Unternehmen gegründet, an denen sie jeweils zu 50 0/o beteiligt sind: in der »Kraftwerks-Union GmbH« wird die Turbinenproduktion beider Gesellschaften zusammengefaßt, während das Transformatorengeschäft in der Transformatoren-Generatoren-Union GmbH vereinigt wird. Durch diese Kombination steigt der Anteil der deutschen Spitzenunternehmen im Transformatorenbau auf dem deutschen Markt auf 500/ound bei den Turbinen auf fast 700/o.16 Die Zahl derartiger Kapitalverschmelzungsvorgänge aufgrund von übernahmen, Fusionen und Gemeinschaftsgründungen hat sich in den letzten Jahren sprunghaft vermehrt, wie eine übersieht des Bundeskartellamtes zeigt (s. Tabelle 2.7). Nach den Vorschriften des § 2 3 des Gesetzes gegen W ettbewerbsbesdi.ränkungen müssen Zusammenschlüssevon Unternehmen dem Kartellamt angezeigt werden, wenn eines der beteiligten Unternehmen oder beide zusammen entweder einen Marktanteil von mindestens 20 0/ooder wenn beide zusammen ein Jahr vor dem Zusammenschluß mindestens 10 ooo Beschäftigte oder 500 Mil13a Vgl. Capital, 1969, Nr. 3, S. 38. 14 Vgl. Handelsblatt vom 6. 1. 1969, S. 7. 15 Vgl. Handelsblatt vom 7/8. 2. 1969, S. 3. 16 Vgl. Süddeutsche Zeitung vom 30.10.1968, 16.
s.
54
S. 23, und vom 31.10.1968,
lionen DM Umsatz oder eine Milliarde DM Bilanzsumme hatten. Während es in den Jahren 19 58 bis r 960 im Schnitt nur r 7, 3 Fusionen gab, stieg ihre Zahl für die 4-Jahresperiode r 96 r bis 64 auf durchschnittlich 32,2 und in den nächsten drei Jahren r 96 5 bis r 967 auf 52,7 meldepflichtige Zusammenschlüsse an. Tabelle 2.7 Zusammenschlüsse, bei denen ein Marktanteil von mehr als steht oder im Spiele ist, 195 8-r 967
20
0/oent-
Branche NE-Metall u. MetallHalbzeug Maschinenbau Landfahrzeuge Elektrotechn. Erzeugnisse Eisen-Blcchu. Metallwaren Chemische Erzeugnisse Feinkeramische Erzeugnisse Glas und Glaswaren Handel und Handelshilfsgewerbe Verkehrswirtschaft Versorgungswirtschaft Feinmechan. u. optische Incl. Uhren Übrige Zusammen
2 2
3
2
2
2
2
4
4
2
2
6
13
2 2
2
7
6
7
2
6 4
2
IO
2
2
2
2 22
26
17
44
II
38
IO
2
I2
6
II
6
2
4
2
II
2
r 6 15
20 29
2
4
6 15
3
I2 2
4
I
5
7
8
r r6
16
21
ro ror
29
36
50
43
65
339
Quelle: Bericht des Bundeskartellamtes über seine Tätigkeit im Jahre r967 sowie über die Lage und Entwicklung auf seinem Auf gabengebiet, ET-Drucksache V/2841, S. 32.
55
IV Perspektiven der Kapitalkonzentration Welches sind die Perspektiven für die Struktur einer Wirtschaft, die sich in unvermindertem Tempo weiter konzentriert, ohne daß ihre grundlegende Wirtschafl:sverfassung, die auf dem Prinzip der isolierten (privaten) Gewinnmaximierung beruht, sich ändert? Zwei Tendenzen stehen hier auf der Tagesordnung, von denen die erste in der Bundesrepublik bereits aktuell ist, während die zweite erst im Hinblick auf die in der ökonomischen Konzentration einerseits weiter fortgeschrittenen, andererseits schärfer kontrollierten Länder als Konsequenz eines bestimmten Entwicklungsstadiums der spätkapitalistischen Systeme in Erscheinung tritt. Zunächst bedeutet die in der Bundesrepublik in den letzten Monaten und Jahren in verstärktem Maße erfolgte Konzentration durch Kapitalverschmelzung die Entwicklung sowohl einiger weniger großer Unternehmen als auch jeweils eines einzigen großen Konzerns für einzelne Märkte, des Branchenkonzerns oder der Einheitsgesellschaft. Gerade die Aufspaltung großer Vielproduktkonzerne und die Zusammenlegung gleicher Produktionen dieser Konzerne in einem »Gemeinschaftsunternehmen« bestätigt diese These. So können, um ein Modell zu konstruieren, fünf Konzerne, die sich auf fünf Märkten mit fünf Produkten Konkurrenz machen, ihre Interessen für jeden einzelnen Bereich in eine gemeinschaftlich betriebene, auf den speziellen Markt ausgerichtete Gesellschaft einbringen und damit alle fünf Märkte monopolisieren, d. h. ein Maximum an Gewinn aus ihnen herausholen. Die alten Konzerne selbst fungieren dann im Grunde nur noch als Holding- oder Kapitalverwaltungsgesellschaften, die die Fünftelbeteiligungen an den jeweiligen Monopolgesellschaften verwalten. In einem Falle ist eine solche Einheitsgesellschaft in der Bundesrepublik bereits beschlossene Sache, in anderen zeichnet sie sich mehr oder minder deutlich ab. Zumindest im rechtlichen Sinne verwirklicht ist ein derartiger Branchenkonzern seit der Gründung der »Ruhrkohle AG« am 27. r r. r 968. Der Plan hierzu ging zurück auf Überlegungen, die in Kreisen der deutschen Industrie schon seit r965 zur Sa-
nierung des deutschen Steinkohlebergbaus angestellt wurden. 1 1 Anfang 1967 schlug der Vorstandsvorsitzer der Hoesch AG, Willy Ochel, öffentlich vor, die deutschen Zechen zu verstaatlichen und in einer staatlichen Einheitsgesellschaft zusammenzufassen; nur so könne der Bergbau auf die als vertretbar angesehene Fördermenge von 75 Millionen Tonnen Steinkohle reduziert werden. 18 Obwohl es sich hier offensichtlich um nichts anderes als um eine Sozialisierung der Verluste handeln würde die unrentablen Zechen sollten vom Staat übernommen und auf Kosten des Staates rationalisiert werden -, griff der Wirtschaftsminister der Großen Koalition den Plan auf und drängte auf seine Realisierung. Inzwischen hatte sich die Industrie jedoch etwas Neues ausgedacht, das eine entscheidende Veränderung in die Verhandlung brachte: aus der staatlichen Einheitsgesellschaft wurde die private Einheitsgesellschaft mit staatlicher Gewinngarantie für die Besitzer der eingebrachten Zechen. Die Gewinngarantie besteht darin, daß der Kaufpreis, zu dem die »Ruhrkohle AG« die Zechen der Bergbauunternehmen - nicht aber ihre rentablen Kraftwerke und Wohnungsbaugesellschaften - erwirbt, vom Bund und vom Land Nordrhein-Westfalen garantiert wird. Entwickelt sich der Bergbau rentabel, so kann die »Ruhrkohle AG« den Kaufpreis aus eigener Tasche zahlen, andernfalls springt der Staat ein; in jedem Fall sind die Zechen für die alten Gesellschaften gewinnbringend.19 Am Ende des ganzen Prozesses steht nicht der mit Hilfe und auf Kosten des Staates gesundgeschrumpfte Bergbau in staatlicher Hand, sondern der mit Hilfe und auf Kosten des Staates (durch Subventionen an die Einheitsgesellschaft) rationalisierte Bergbau in privater Hand: »Die Zechen werden zwar an die Ruhrkohle AG verkauft, aber die alten Zecheneigentümer sind die Aktionäre dieser neuen Ruhrkohle AG. Die Musik dieser Transaktion liegt in dem staatlich verbürgten Kaufpreis. Diese Staatsbürgschaft gibt nämlich den alten Zecheneigentümern die Chance, ihren Bergbau teuer zu verkaufen, und zudem noch einen großen Teil ihrer langfristigen Schulden, für die ebenfalls der Staat als Bürge auftritt, loszuwerden. Das 17 Vgl. Der Volkswirt Nr. 5 vom 3.2.1967, S. 139. 18 Vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom r. 3. 1967, S. 17. 19 Vgl. Handelsblatt vom 10. 3. 1969, S. 9.
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ganze Bergbaurisiko wird so auf den Steuerzahler abgewälzt, und zwar zusätzlich zu den bereits bestehenden Subventionen zugunsten der deutschen Kohle. Aufgrund dieser ausgeklügelten Konstruktion können die ihren Bergbau abgebenden Unternehmen in Ruhe zuschauen, wie sich die Absatzmöglichkeiten der deutschen Kohle weiterentwickeln. Im ungünstigen Falle wäre ihre Beteiligung an der Ruhrkohle AG schließlich nichts mehr wert, aber sie hätten ja für ihren Bergbau einen stolzen Preis erlöst. Wenn sich aber die Dinge für die deutsche Kohle günstig entwickeln sollten, wären sie nach zwanzig Jahren gemeinsam Eigentümer eines Bergbauunternehmens, das sich auf Kosten der Staatskasse gesundgeschrumpft hat.« 20 Am 15.5.1968 hat diese Konstruktion als »Gesetz zur Anpassung und Gesundung des Steinkohlebergbaus und der deutschen Steinkohlenbergbaugebiete« Gesetzeskraft erlangt, im November wurde die »Ruhrkohle AG« gegründet, im Februar 1969 im Handelsregister eingetragen, und im Sommer soll die Vermögensübertragung erfolgen. Dann wird der deutsche Steinkohlenbergbau weitgehend von einem privaten Superkonzern beherrscht sein. In der Mineralölindustrie bahnt sich eine ähnliche Entwicklung an. Im August 1968 wurde im Bundeswirtschaftsministerium eine Studie vorgelegt, die einen Pool der 8 deutschen Mineralölgesellschaften vorsieht 21 , und Karl Schiller selbst schrieb am 28. 11. 1968 im Industriekurier: »Um ihre Wettbewerbsfähigkeit für die Zukunft zu sichern und auch weiterhin die Behauptung eines angemessenen Anteils an der Versorgung unseres Marktes zu erreichen, ist eine organisatorische Zusammenfassung aller wirtschaftlichen Kräfte erforderlich. Diese Entwicklung bedarf der Absicherung und Unterstützung durch den Bund.« 22 Diese Unterstützung wurde im Februar 1969 konkretisiert. Als Starthilfe erhält die von den 8 Mineralölfirmen gegründete und in privater Hand verbleibende »Deutsche Erdölversorgungs-GmbH« in den ersten 6 Jahren insgesamt 575 Millionen DM. 2 J 20 Vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 4. 2. 1969, S. 14. Vgl. Südde11tsche Zeitung vom 6. 8. 1968, S. 7. 22 Industriekurier vom 28. 11. 1968, S. q. 23 Vgl. Der Spiegel Nr. 10 vom 3. 3. 1969, S. 49 f. 21
Daß auch die führenden Vertreter der deutschen Flugzeugindustrie Pläne für eine forcierte Konzentration haben, und daß auch in diesem Falle, wie bei Kohle und öl, die Regierung derartige Interessen tatkräftig unterstützt, geht aus den folgenden Bemerkungen des Vizepräsidenten des Bundesverbandes der deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie im Unternehmerbrief Nr. 13/r967 des Deutschen Industrieinstituts hervor, die es verdienen, ausführlich zitiert zu werden: »Die führenden Techniker im Bundesverteidigungsministerium haben in den letzten Wochen gezeigt, daß sie ein abgerundetes Konzept für die deutsche Luftfahrtindustrie haben. Die Abteilung Technik des Verteidigungsministeriums hat in vorbildlicher Zusammenarbeit mit der Luftfahrtindustrie eine mittelfristige Zielvorstellung entwickelt und vorgelegt. [ ... ] Mit einer langfristigen Planung kann die Bundesregierung andererseits von der Luft- und Raumfahrtindustrie erwarten, durch Fusionen und Arbeitsgemeinschaften eine Konzentration in der Industrie herbeizuführen, die ganz automatisch zu einer Projektbereinigung führt. Ohne langfristige Planung aber ist die Aufforderung zur Konzentration sachlich nicht begründet. Elementares Problem einer Fusion sind schließlich die Umsatzerwartungen der Partner. Den Beschlüssen der Ausschüsse für Verteidigung und Haushalt in den letzten Wochen dankt es die Industrie, daß eine schwere Krise, die zwangsläufig zur Abwanderung von Spezialisten in das Ausland geführt hätte, im letzten Augenblick vermieden wurde, weil der entsprechende Titel um 175 Mio. DM erhöht worden ist. [ ... ] Die Luftfahrtindustrie wäre schlecht beraten, wenn sie nach dieser Bereinigung des Etats ihre ernsthaften Vorsätze zur Konzentration nicht energisch genug betreiben würde. [ ... ] Hier sind Bundesregierung und Industrie als Auftraggeber und Auftragnehmer Partner in der Verpflichtung des Parlaments.«24 Diese Überlegungen sowie der massive Druck von Wirtschaftsminister Schiller im Sommer 1968 haben im November 1968 zur Fusion der Bölkow GmbH und der Messerschmitt-Flugzeugunion-Süd GmbH zur Messerschmitt-Bölkow GmbH geführt, der im Mai 1969 noch die im Besitz der Familie Blohm 24 Unternehmerbrief 2, 1967,
s.
des Deutschen Industrieinstituts,
Nr. 13 vom 30. 3.
59
befindliche Hamburger Flugzeugbau GmbH angeschlossen wurde. Der neue Konzern, die Messerschmitt-Bölkow-Blohm GmbH, ist das mit Abstand größte Flugzeugbauunternehmen in der Bundesrepublik, neben dem es im wesentlichen nur noch zwei andere Firmen, die Dornier GmbH (Familienbesitz) und die Vereinigten Flugtechnischen Werke GmbH (Krupp-Konzern) gibt; letztere sind im Mai 1969 eine Fusion mit dem holländischen Unternehmen N. V. koninklijke Nederlandse Vliegtuigenfabriek Fokker eingegangen. 24a Die zweite der beiden Entwicklungstendenzen, die die Perspektive der Konzentration privater Wirtschaftsmacht in spätkapitalistischen Gesellschaftssystemen bestimmen, setzt ein, wenn entweder die Ausdehnung von Branchenkonzernen auf bestimmten Gebieten abgeschlossen ist oder wenn sie - etwa durch das in einigen kapitalistischen Ländern existierende System der Konzentrationskontrolle und Wettbewerbsförderung - behindert, abgebrochen oder gar - wie in den USA - rückgängig gemacht wird. Die Fortsetzung einer abgeschlossenen oder die Ausweichbewegung einer behinderten Markt- oder Branchenkonzentration ist die sogenannte diagonale oder konglomerale Konzentration. Sie besteht nicht darin, daß sich ein Unternehmen Betriebe aus vor- oder nachgelagerten Produktions- und Verarbeitungsstufen angliedert - das wäre vertikale Konzentration -, noch daß es mehrere oder alle Anbieter eines Gutes zusammenfaßt - das wäre horizontale Konzentration -, sondern darin, daß ein Unternehmen mit einem anderen vereinigt wird, ohne daß eine horizontale oder vertikale Produktbeziehung zwischen beiden besteht. Das ist z. B. dann der Fall, wenn sich ein Textilfabrikant einen Filmverleih angliedern würde: keines dieser beiden Unternehmen würde die Herstellung oder den Absatz der Produkte des anderen in irgendeiner Weise fördern. Die diagonale Konzentration oder die »Mischkonzerne« sind in der Bundesrepublik noch nicht sehr verbreitet; sie sind meist Produkte des Zufalls oder der Steuergesetzgebung nach dem Krieg, die vor allem den Wohnungsbau und den Schiffsbau begünstigt haben, so daß mancher sein Geld, das er in ganz anderen Branchen verdiente, zum Bau von Wohnungen oder 24a Vgl. Der Spiegel Nr. 21 vom 19. 5. 1969, S. 89 ff.
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Schiffen verwendete. Das bekannteste Beispiel ist das des Oetker-Konzerns, der Puddingpulverfabriken, Reedereien, Versicherungen, Brauereien und eine Reihe weiterer Unternehmen in verschiedenen Branchen umfaßt. Im Quandt-Konzern (Großaktionär bei BMW) werden nicht nur die meisten aller deutschen Autobatterien, sondern ebenso Werkzeugmaschinen, Waffen, Pharmazeutika, Container und Textilien produziert. 2 5 Die Gruppe, der die Westdeutsche Al/gemeine Zeitung (W AZ), die zweitgrößte deutsche Tageszeitung, gehört, betätigt sich in so verschiedenen Bereichen wie im Versandgeschäft (Otto-Versand), im Handel mit Autozubehör und im Reedereigeschäfl: (Constantia-Reederei). 26 Der größte Zigarettenhersteller der Bundesrepublik, die Firma H. F. & Ph. F. Reemtsma, betreibt seit einigen Jahren systematisch die Konglomeratsstrategie durch Eindringen in den Getränkemarkt: ihr gehören die Sektkellerei Carstens KG und jeweils über 2 5 0/oAnteile der Henningerbräu KG a. A. in Frankfurt, der drittgrößten Brauerei der Bundesrepublik, der Bräu AG in Nürnberg und der Brauerei Moninger in Stuttgart. Im Frühjahr 1968 tauchte Reemtsma plötzlich auch als mit 8 0/o beteiligter Großaktionär bei der größten deutschen Brauerei, der Dortmunder Union Brauerei AG, auf. Eine weitverbreitete Erscheinung und ein systematisch vorangetriebener Prozeß ist diese diagonale Konzentration in der Bundesrepublik jedoch noch nicht. Andererseits ist klar, daß sie sich beschleunigen wird, sobald die mehr traditionelle horizontale und vertikale Konzentration weit genug fortgeschritten und der Spielraum des Wettbewerbsrechts ausgeschöpft ist. Die Entwicklungen in den USA und in England lassen hier einigermaßen klare Prognosen zu. In den USA, wo einerseits die Methoden der privatwirtschaftlichen Konzentration, Marktbeherrschung, Wettbewerbsbeschränkung und Ausbeutung sehr viel weiter entwickelt sind als bei uns, und wo andererseits seit I 890 ein scharfes Wettbewerbsrecht herrscht, das von Zeit zu Zeit den neuesten Ausweichmanövern der Konzerne angepaßt wird, tritt diese Art der Zusammenschlüsse in den letzten Jahren häufiger auf, die konzentrationspolitisch - wegen der 25 Vgl. Die Zeit vom 7.3.1969,
S. 31 f.
26 Vgl. Der Spiegel Nr. 12 vom 17. 3. 1969, S. 68.
zumindest anfänglich niedrigen Marktanteile, die ein Ausflug in andere Branchen bringt - bislang nicht zu fassen war.27 Inzwischen hat die Entfaltung dieser Konzentrationspraktiken - 1968 haben in den USA zwei Drittel aller Fusionen Konglomeratscharakter gehabt 28 - zu einer starken Beunruhigung der mit der Konzentrationskontrolle befaßten Behörden geführt, und der Leiter der Anti Trust Division im amerikanischen Justizministerium, Richard W. McLaren, hat angekündigt, daß die bestehenden Anti-Trust-Gesetze in Zukunft auch gegen diese »conglomerates« angewendet würden, und bereits erste Maßnahmen ergriffen. 9 In England sind die ersten als systematisch zu bezeichnenden diagonalen Konzentrationen jüngeren Datums: nachdem die englische Monopolkommission im Jahre 1966 eine Untersuchung über die Waschmittelindustrie angestellt hatte, die die beiden größten Waschmittelproduzenten, Unilever und Procter & Gamble, schwer belastete - so wurde z.B. festgestellt, daß die Verkaufskosten (Marktforschung, Anzeigen usw.) bei beiden Konzernen etwa ein Viertel des gesamten Verkaufspreises ausmachten und daß Unilever einen Gewinn von 23,4 0/ound Proctor & Gamble sogar von 53,2 0/oauf das eingesetzte Kapital erzielten 2 9a -, beugten sich die Unternehmen 1967 dem Druck der Öffentlichkeit und der Regierung und brachten ein um 20 0/o billigeres Waschmittel auf den Markt.J 0 Damit waren einer weiteren Expansion in diesem Bereich Grenzen gezogen. Ende November 1968 gab Unilever dann seine Absicht bekannt, die Allied Breweries Ltd., die zweitgrößte englische Brauerei, zu übernehmen, und kündigte damit die größte Fusion in der englischen Geschichte an.i 1 Zwei Monate später teilte die Rank Organisation, die hauptsächlich im Kino-, Fernseh- und Filmgeschäft tätig ist, der Öffentlichkeit mit, daß sie den Banknoten- und Spielkartenhersteller de la Rue sich anzugliedern beabsichtige. Beide Zusammenschlüsse wurden im Januar 1969 vom Wirtschaftsministerium zunächst 2
27 Vgl. Frankfurter Rundschau vom 5. 1r. 1968, S. 4. 28 Vgl. Die Welt vom 19.3.1969, S. 9. 29 Vgl. Frankfurter Al/gemeine Zeitung vom 18.4.1969, S. 17. 29a Vgl. The Monopolies Commission, Household Detergents, London 1966, §§ 99 u. 109, s. 34 u. 39. 30 Vgl. Die Welt vom 6. 5. 1967, S. 17. 31 Vgl. Frankfurter Al/gemeine Zeitung vom 2.12.1968, S. 15.
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einmal so lange gestoppt, bis die Monopolkommission ein Gutachten über ihre Auswirkungen auf das Allgemeininteresse angefertigt hat.i 2 Mittlerweile hat Unilever seine Absichten geändert.33 Auch die Fusion von Rank und de la Rue ist zunächst gestoppt.34
32 Vgl. Times vom 29. 1. 1969, S. 17. 33 Vgl. Times vom 7.6.1969, S. rr. 34 Vgl. Times vom 12. 6. 1969, S. 19.
III Die Neuordnung der Marktwirtschaft
I Externe und interne Folgen der Konzentration I und 2 ist zweierlei gezeigt worden: Einkommen und Vermögen in der Bundesrepublik konzentrieren sich nach wie vor in den Händen einer kleinen Schicht der Bevölkerung, die sich vorwiegend aus Unternehmern sowie aus ihren leitenden Angestellten und Managern zusammensetzt, während der überwiegende Teil der Bevölkerung vermögenslos ist und sein Einkommen fast zur Gänze verbrauchen muß, jedenfalls aber mit den geringen Ersparnissen den Zustand der Vermögenslosigkeit nicht zu durchbrechen vermag. spielt die Konzen2. Innerhalb der Vermögenskonzentration tration von Kapital- und Betriebsvermögen eine besondere Rolle: Kapital- und Betriebskonzentration entstehen nicht nur in der Hand der reichsten Leute, sondern saugen auch als quasiautonome Organisationen das Eigentum der Besitzer geringerer Vermögensmengen auf. Dieses Eigentum verliert dadurch faktisch seine isolierte Personenbezogenheit und wird Teil einer Kapitalorganisation, die eine eigenständige und nicht selten führende Rolle auf einem Markt, in einer Branche oder in der Gesamtwirtschaft spielt. Die zunehmende Kapitalkonzentration in der Bundesrepublik hat eine externe und eine interne Folge: Die externe Folge betrifft die Beziehungen zwischen den großen Kapitalblöcken als rechtlich selbständigen Unternehmen zu den anderen Unternehmen auf einem Markt; sie impliziert, daß die häufig anzutreffenden Größenunterschiede der Unternehmen zu Machtungleichgewichten und Abhängigkeiten führen, daß die Macht der Großunternehmen sich praktisch auch auf die kleinen Unternehmen erstreckt, ohne daß Kapitalverflechtungen bestehen. Mit anderen Worten: das von den Apologeten der Privatwirtschaft gepriesene Regulativ für das Zusammenwirken aller Unternehmen auf einem Markt, der freie Wettbewerb als Freiheit der ökonomischen Betätigung aller Unternehmer (als Kapitalbesitzer), ist aufgehoben, weil die Markt-
In den Kapiteln 1.
struktur und die Machtunterschiede die Selbständigkeit vieler Marktteilnehmer zwar rechtlich garantieren, faktisch aber die Herrschaft der Konzerne solche Selbständigkeit unmöglich macht. Die interne Folge der Kapitalkonzentration in der Bundesrepublik betrifft die Beziehungen der Eigentümer innerhalb eines großen Kapitalblocks zueinander und zum Management der großen Gesellschaften; sie besteht in der Tatsache, daß Eigentümer geringerer Vermögenswerte zwar rechtlich in »ihrem« Unternehmen mitbestimmen, faktisch aber keinen Einfluß nehmen können, denn über Einfluß verfügen ausschließlich die Großaktionäre, die Banken und das Management. Mit anderen Worten: der von den Apologeten der Privatwirtschaft gepriesene Motor des wirtschaftlichen Fortschritts, die freie Entfaltung der Unternehmerinitiative als Freiheit der selbständigen unternehmerischen Disposition über die Produktionsmittel des einzelnen Eigentümers, spielt für die große Masse aller Eigentümer keine Rolle, da die interne Machtstruktur in den großen Unternehmen den Kleinaktionären praktisch keine Chance gibt. Wenn aber das private und isolierte Eigentum nicht mehr als Motor des wirtschaftlichen Fortschritts und wenn der Wettbewerb nicht mehr als Transmissionsriemen zur Weitergabe dieses Fortschritts an die gesamte Gesellschaft in Anspruch genommen werden können, dann bricht mit diesen beiden Theoremen auch ein drittes zusammen, das aus der Motorfunktion des Eigentums und der Transmissionsfunktion des Wettbewerbs die Fähigkeit der Privatwirtschaft konstruierte, die wirtschaftliche Gesamtversorgung optimal zu steuern, die Bedürfnisse der Mitglieder der Gesellschaft im Rahmen der objektiven Möglichkeiten tatsächlich zu befriedigen und sich den Änderungen der Bedürfnisstruktur schnell anzupassen. Die Frage nach der Versorgung, die sich zuvor durch reine Deduktion sozusagen von selbst beantwortet hatte, muß nach dem Wegfall der Prämissen neu gestellt werden. Es wäre indes falsch, aus der Aufhebung bzw. Aushöhlung von Wettbewerb und persönlichem Eigentum als den »konstitutiven« Elementen der Marktwirtschaft zu schließen, daß das System selbst dadurch aufgehoben werde. Ein derartiger Schluß »geht auf eine Verwechslung von persönlichem und privatem
Eigentum an Kapital zurück. Sie verkennt, daß auch das bekannte Hauptwerk von K. Marx nicht den Titel trägt ,Der Unternehmerensch.481 3 54 Habermas, Protestbcwcgun~ Habermas, Technik unJ Wissenschaft 287 1m Lcgitimatiomproblcme Habermas, 623 Spätkapitalismus Hacks, Das Poetische 544
Hacks, Stiick nach Stücken 11. 2 47 Hacks, Zwei Bearbeitungen Hamelink, Horror vacui 22 1 Handke, Die Innenwelt 307 Handke, Kaspar )22 , 77 Handkc, Publikumsbeschimpfung Handke, Wind und Meer 4 J 1 Handkc, Ritt Lib. d. Bodensee 509 über Peter Handke 5 18 Hannover, Rosa Luxemburg 2 3 3 Sprache 4 5J Hartig/Kurz, 236 Haug, Antifaschismus 51J Haug, Kritik d. Warenästhetik H~1.ug, Bestimmte Negation 607 Hayden, Prozeß von Chicago 477 Hecht, Sieben Studien i.iber Brecht 570 Philosophie Hegels 44 1 Heller, Niet?sLhc 67 Heller, Studien zur Literatur 42 Heller, Hypothese zu einer marxisti56 ~ schen Werttheorie Henrich, Hl•gel 5 1o Herbert, Ein Barbar 1 1 r 1 Herbert, Ein Barbar 2 36 5 Herbert, Gedichte 88 Hess/Mechlcr, Ghetto ohne Mauern 606 E. Hesse, Bcckett. Eliot. Pound 491 Hesse, Geheimnisse 5 2 Hesse, Sp:i.tc Prosa 2 84 Hesse, T ractat \'Om Stcppcnwolf Heydorn, Neufassung des Bildungsbegriffs \ J \ Hi\deshcimer, Das Opfer Helena 118 297 Hildcsheimcr, Interpretationen 190 Hi\deshcimer, Mozart/Bcckett 23 Hildeshcimer, Nachtsti.ick Hildeshcimcr, Walsc-rs Raben 77 488 Uber Wolfgang Hildesheimer Hintun, f;-imhen 566/67 437 Hirsch, Wiss.-tech. Fortschritt 480 Bildungspolitik Hirsch/Lcibfried, Camilo Torres 363 Hochman/Sonntag, Hobsbawm, Industrie 1 31 5 Hobsbawm, Industrie 2 3 16 Hofmann, Abschied 399 Hofmann, Stalinismus 21.2 Hofmann, Universit:it, Ideologie 261 Höllerer, CL-dichte 8 3 599 Hondrich, Theorie der Herrschaft Vietnam 173 Horlemann/Gäng, 2 55 Horlemann, Konterrevolution 199 Horn, Drcs,\ur oder Erziehung 5 _18 Horn, GruppenJynamik Hortleder, Ingenieur f94
Materialien zu Odön nrn HorYith 436 Materialien zu Odön von Horv.iths Geschichten aus dem Wienerwald 53 3 Materialien zu Hurviths >Kasimir und Karolinl'• 61 r über OJön von Horvath 584 B. Horvat, Die jugosl. Gesellschaft 56 1 Hrabal, Die Batler 180 Hrabal, Tanzstunden 126 Hrabal, Zuglauf überwacht 256 Hlifncr, Straßentheater 424 Huffschmid, Politik des Kapitah J 13 Huppert, Majakowskij 182 Hyry, Erzählungen 137 Imperialismus und strukturelle Gewalt. Herausgg. von Dieter Scnghaas 56 3 Institutionen in prim. Gescllsch. 195 Jaeggi, Literatur u. Politik 522 Jakobson, Kindersprache _l30 Janker, Aufenthalte 198 Jaric, Geh mir aus der Sonne 524 Jaug, Literaturgeschichte 418 Jedlicka, Unterwegs 328 Jendryschik, Frost und Feuer 635 Jensen, Epp 206 Johnsl)n, Das dritte Buch 100 Johnson, Karsch 59 über Uwl' Johnson 405 Jonke, Glashausbesichtigung 504 J onke, Ll'u..:httürme 45 2 Joyce, Dubliner Tagebuch 2 16 Materialien zu Joyces Dub!incr 3 57 Jugendkriminalität 325 Juhasz, Gedichte 168 Kalivoda, Marxismus 373 Kantowsky, Indien 543 Kasack, Das unbck,wnte Ziel 3 5 Kaschnitz, Beschreibung 188 Kidron, Rüstung und wirt~chaftl. Wachstum 464 Kipphardt, Hund des Generals 14 Kipphardt, Joel Brand 139 Kipphar(h, Oppcnheimer 64 Kipphard1, Die Soldaten 273 Kirchheiml'f, Polit. Herrschaft 220 Kirchheimcr, Politik u. Verfassung 95 Kirchheimcr, Funktionen des Staats 54S Kkcmann, Studcntt'nopposition 381 Kolko, Besitz und Macht 239 KovaC, Schwester Elida 238 Kracaucr, Stragen von Berlin 72 Krämer-Badoni/Grvmer/ Rodens tei n, Bedeutung des A~iton10bil, qo
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