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German Pages 544 [545] Year 2023
HistorischTheologische Auslegung
Die Offenbarung des Johannes Kapitel 12-22
Gerhard Maier
SCM R.Brockhaus Brunnen
Historisch-Theologische Auslegung
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Neues Testament Herausgegeben von Gerhard Maier ٠ Rainer Riesner ٠ Heinz-Werner Neudorfer ٠ Eckhard J. Schnabel
Die Offenbarung des Johannes Kapitel 12 – 22
Gerhard Maier
SCM R.BROCKHAUS, WITTEN BRUNNEN VERLAG GIESSEN
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© 2012 SCM R.Brockhaus im SCM-Verlag GmbH & Co. KG Bodenborn 43 · 58452 Witten Internet: www.scm-brockhaus.de; E-Mail: [email protected]
Umschlaggestaltung: www.krausswerbeagentur.de, Herrenberg Satz: Satz & Medien Wieser, Stolberg Druck und Bindung: Finidr s.r.o. Gedruckt in Tschechien
ISBN 978-3-417-29728-7 (SCM R. Brockhaus) ISBN 978-3-7655-9728-2 (Brunnen) Bestell-Nr. 229.728 Datenkonvertierung: Stephan Maier, Achern
INHALT
Vorwort der Herausgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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6. Die Folgen der siebten Posaune: Der Antichrist und die Gemeinde, 12,1–14,20 . . . . . . . . Exkurs: Offb 12 in der Kirchengeschichte . . . . . . . 6.1 Die Frau und der Drache, 12,1-6 . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2 Der Kampf im Himmel, 12,7-12 . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3 Die Verfolgung der Frau durch den Drachen, 12,13-18 6.4 Das erste antichristliche Tier, 13,1-10 . . . . . . . . . . . . Exkurs: Bisherige Deutungen . . . . . . . . . . . . . . . . 6.5 Das zweite antichristliche Tier, 13,11-18 . . . . . . . . . . Exkurs zu „Zeichen“ (σημεῖον [semeion]) . . . . . . . 6.6 Das Lamm und die Seinen, 14,1-5 . . . . . . . . . . . . . . . 6.7 Drei Engel mit ihrer Botschaft, 14,6-13 . . . . . . . . . . . Exkurs: Offb 14,6-13 in der Kirchengeschichte . . . Exkurs: Ewige oder zeitlich begrenzte Strafe? . . . . 6.8 Die Schau von der Ernte, 14,14-20 . . . . . . . . . . . . . .
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15 15 17 41 60 72 73 98 105 125 141 143 162 168
7. Die sieben Schalen, 15,1–16,21 . . . . . . . . . . . . . . 7.1 Die Überwinder am gläsernen Meer, 15,1-4 . . . . . 7.2 Die Vorbereitung der sieben letzten Plagen, 15,5-8 7.3 Die Ausgießung der sieben Schalen, 16,1-21 . . . . Exkurs: Offb 16 in der Kirchengeschichte . . . .
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180 180 196 203 205
8. Das Ende Babylons, 17,1–19,10 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.1 Die Hure Babylon und das Tier, 17,1-18 . . . . . . . . . . . . . . Exkurs: Offb 17 in der bisherigen Auslegungsgeschichte . 8.1.1 Die Schau von der Hure Babylon und vom Tier, 17,1-6 . . . 8.1.2 Die Erklärung der Schau durch den Engel, 17,7-18 . . . . . . 8.2 Der Untergang Babylons, 18,1-24 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Exkurs: Offb 18 in der Kirchengeschichte . . . . . . . . . . . 8.2.1 Die Ausrufung des Falles von Babylon, 18,1-3 . . . . . . . . 8.2.2 Die Klage über den Fall von Babylon, 18,4-20 . . . . . . . . .
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247 247 250 252 265 288 291 292 296
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8.2.3 Die Zeichenhandlung zum Fall Babylons, 18,21-24 . . . . . . . . . . 317 8.3 Der Jubel im Himmel und auf Erden, 19,1-10 . . . . . . . . . . . . . . . . 325 9. Die Wiederkunft Jesu, 19,11-21 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345 Exkurs: Beispiele bisheriger Deutungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 347 Exkurs: Die Wiederkunft Jesu . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 370 10. Das Tausendjährige Reich und die letzte Rebellion, 20,1-10 . 10.1 Das Tausendjährige Reich, 20,1-6 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Exkurs: Zu den verschiedenen Auffassungen über das Tausendjährige Reich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.2 Die letzte Rebellion, 20,7-10 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Exkurs: Beispiele bisheriger Auslegungsgeschichte . . . . . .
. . . 372 . . . 372 . . . 374 . . . 391 . . . 393
11. Das Jüngste Gericht, 20,11-15 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 404 Exkurs: Ein Blick auf die bisherige Auslegung von Offb 20,11-15 405 12. Die neue Schöpfung, 21,1–22,5 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Exkurs: Zu den bisherigen Auslegungen von Offb 21–22 . 12.1 Die Gemeinschaft Gottes mit den Erlösten, 21,1-8 . . . . . . . 12.2 Die Herrlichkeit der neuen Schöpfung, 21,9-27 . . . . . . . . . Exkurs: Zur Geschichte des Tempels . . . . . . . . . . . . . . . 12.3 Das Leben in der neuen Schöpfung, 22,1-5 . . . . . . . . . . . .
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418 422 424 445 463 474
C. Epilog (Schlussteil), 22,6-21 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 486 Verzeichnisse . . . . . Literaturverzeichnis Autorenverzeichnis . Stichwortverzeichnis
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513 513 523 533
Vorwort der Herausgeber Die Kommentarreihe „Historisch-theologische Auslegung des Neuen Testaments“ will mit den Mitteln der Wissenschaft die Aussagen der neutestamentlichen Texte in ihrer literarischen Eigenart, im Hinblick auf ihre historische Situation und unter betonter Berücksichtigung ihrer theologischen Anliegen erläutern. Dabei sollen die frühere wie die heutige Diskussion und neben den traditionellen auch neuere exegetische Methoden berücksichtigt werden. Die gemeinsame Basis der Autoren der einzelnen Kommentare ist der Glaube, dass die Heilige Schrift von Menschen niedergeschriebenes Gotteswort ist. Der Kanon Alten und Neuen Testaments schließt den Grundgedanken der Einheit der Bibel als Gottes Wort ein. Diese Einheit ist aufgrund des Offenbarungscharakters der Heiligen Schrift vorgegeben und braucht nicht erst hergestellt zu werden. Die Kommentatoren legen deshalb das Neue Testament mit der Überzeugung aus, dass die biblischen Schriften vertrauenswürdig sind und eine Sachkritik, die sich eigenmächtig über die biblischen Zeugen erhebt, ausschließen. Wo Aussagen der biblischen Verfasser mit außerbiblischen Nachrichten in Konflikt stehen oder innerhalb der biblischen Schriften Spannungen und Probleme beobachtet werden, sind Klärungsversuche legitim und notwendig. Bei der Behandlung umstrittener Fragen möchten die Autoren vier Regeln folgen: 1. Alternative Auffassungen sollen sachlich, fair und in angemessener Ausführlichkeit dargestellt werden. 2. Hypothesen sind als solche zu kennzeichnen und dürfen auch dann nicht als Tatsachen ausgegeben werden, wenn sie weite Zustimmung gefunden haben. 3. Offene Fragen müssen nicht um jeden Preis entschieden werden. 4. Die Auslegung sollte auch für denjenigen brauchbar sein, der zu einem anderen Ergebnis kommt. Unser Kommentar will keine umfassende Darstellung der Auslegung eines neutestamentlichen Buches in Geschichte und Gegenwart geben. Weder bei der Auflistung der Literatur noch in der Darstellung der Forschungsgeschichte oder der Auseinandersetzung mit Auslegungspositionen wird Vollständigkeit angestrebt. Die einzelnen Autoren haben hier im Rahmen der gemeinsamen Grundsätze die Freiheit, beim Gespräch mit der früheren und aktuellen Exegese eigene Akzente zu setzen. Die Kommentarreihe unternimmt den Versuch einer „geistlichen Auslegung“. Über die möglichst präzise historisch-philologische Erklärung hinaus soll die Exegese die Praxis von Verkündigung, Seelsorge sowie Diakonie im Blick behalten und Brücken in die kirchliche Gegen-
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wart schlagen. Die Autoren gehören zu verschiedenen Kirchen und Freikirchen der evangelischen Tradition. Unterschiede der Kirchen- oder Gemeindezugehörigkeit, aber auch unterschiedliche exegetische Meinungen wollen sie weder gewaltsam einebnen noch zum zentralen Thema der Auslegung machen. Der Nähe zur gemeindlichen Praxis wird dadurch Rechnung getragen, dass neben griechischen bzw. hebräischen Texten die entsprechenden Begriffe noch einmal in Umschrift erscheinen. Auf diese Weise kann auch dem sprachlich nicht entsprechend ausgebildeten Laien zumindest eine Andeutung der Sprachgestalt der Grundtexte vermittelt werden. Die Auslegung folgt einem gemeinsamen Schema, das durch römische Ziffern angezeigt wird. Leserinnen und Leser finden unter I eine möglichst genaue Übersetzung, die nicht vorrangig auf eine eingängige Sprache Wert legt. Unter II ist Raum für Bemerkungen zu Kontext, Aufbau, literarischer Form oder Gattung sowie zum historischen und theologischen Hintergrund des Abschnitts. Unter III folgt dann eine Vers für Vers vorgehende Exegese, die von Exkursen im Kleindruck unterbrochen sein kann. Abschließend findet man unter IV eine Zusammenfassung, in der das Ziel des Abschnitts, seine Wirkungsgeschichte und die Bedeutung für die Gegenwart dargestellt werden, soweit das nicht schon im Rahmen der Einzelexegese geschehen ist. Alle Auslegung der Bibel als Heiliger Schrift ist letztlich Dienst in der Gemeinde und für die Gemeinde. Auch wenn die „Historisch-theologische Auslegung“ keine ausdrückliche homiletische Ausrichtung hat, weiß sie sich dem Ziel verpflichtet, der Gemeinde Jesu Christi für ihren Glauben und ihr Leben in der säkularen Moderne Orientierung und Weisung zu geben. Die Herausgeber hoffen, dass die Kommentarreihe sowohl das wissenschaftlich-theologische Gespräch fördert als auch der Gemeinde Jesu Christi über die Konfessionsgrenzen hinaus dient. Im Frühjahr 2004 Bischof Dr. Gerhard Maier, Stuttgart Dr. Heinz-Werner Neudorfer, Weil im Schönbuch Prof. Dr. Rainer Riesner, Dortmund Prof. Dr. Eckhard J. Schnabel, Deerfield/Chicago
Abkürzungen
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Abkürzungen ABD AGJU ALGHJ AncB ANRW AThANT BA BAR BASOR Bauer-Aland
BBB BBR BDAG
BDB BDR BEThL Bib. BigS BiKi Bill. BJRL BJS BNot BS
Anchor Bible Dictionary. Hg. D.N. Freedman Arbeiten zur Geschichte des antiken Judentums und des Urchristentums Arbeiten zur Literatur und Geschichte des hellenistischen Judentums Anchor Bible Aufstieg und Niedergang der römischen Welt. Hg. W. Haase, H. Temporini Abhandlungen zur Theologie des Alten und Neuen Testaments Biblical Archaeologist Biblical Archaeology Review Bulletin of the American Schools of Oriental Research Griechisch-deutsches Wörterbuch zu den Schriften des Neuen Testaments und der frühchristlichen Literatur. Hg. W. Bauer, K. Aland, B. Aland Bonner Biblische Beiträge Bulletin for Biblical Research A Greek-English Lexicon of the New Testament and Other Early Christian Literature. Third Edition. Hg. W. Bauer, F.W. Danker, W.F. Arndt, F.W. Gingrich Hebrew and English Lexicon. Hg. F. Brown, S.R. Driver, C.A. Briggs Grammatik des neutestamentlichen Griechisch. F. Blass, A. Debrunner, F. Rehkopf Bibliotheca Ephemeridum Theologicarum Lovaniensium Biblica Bibel in gerechter Sprache Bibel und Kirche Kommentar zum Neuen Testament aus Talmud und Midrasch. Hg. H.L. Strack, P. Billerbeck Bulletin of the John Rylands Library Brown Judaic Studies Biblische Notizen Bibliotheca Sacra
8 BWANT Byz BZ BZAW BZNW CA CBQ CBQ.MS DJD DJG DLNT DNP DNTB DPL DSD EB EdF EKK ESV ET EtB EThL EÜ EvQ EvTh EWNT FilN FRLANT fzb GBL GN GNB HAL
Die Offenbarung des Johannes Kapitel 12–22
Beiträge zur Wissenschaft vom Alten und Neuen Testament Byzantinischer Text oder Mehrheitstext Biblische Zeitschrift Beihefte zur Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft Beihefte zur Zeitschrift für die neutestamentliche Wissenschaft Confessio Augustana / Augsburger Bekenntnis Catholic Biblical Quarterly Catholic Biblical Quarterly Monograph Series Discoveries in the Judaean Desert (of Jordan) Dictionary of Jesus and the Gospels. Hg. J.B. Green u.a. Dictionary of the Later New Testament and Its Developments. Hg. P.H. Davids u.a. Der Neue Pauly. Hg. H. Cancik, H. Schneider Dictionary of New Testament Background. Hg. C.A. Evans u.a. Dictionary of Paul and His Letters. Hg. G.F. Hawthorne u.a. Dead Sea Discoveries Echter-Bibel Erträge der Forschung Evangelisch-Katholischer Kommentar zum Neuen Testament English Standard Version Expository Times Études Bibliques Ephemerides Theologicae Lovanienses Einheitsübersetzung. Revision 1979 Evangelical Quarterly Evangelische Theologie Exegetisches Wörterbuch zum Neuen Testament. Hg. H. Balz, G. Schneider Filologia Neotestamentaria Forschungen zur Religion und Literatur des Alten und Neuen Testaments Forschungen zur Bibel Das Große Bibellexikon. Hg. H. Burkhardt Gute Nachricht Bibel. Revision 1997 Good News Bible Hebräisches und Aramäisches Lexikon zum Alten Testament. Hg. W. Baumgartner, L. Koehler, J.J. Stamm
Abkürzungen
Hfa HNT HS HSS HThK HThR HUCA ICC IDB IEJ Int. ISBE JAC JBL JBTh JETh JETS JJS JSHRZ JSJ JSNT JSNT.SS JSP JSP.SS JThS Jud. KEK KG KJV KP KuD LN LSJ
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Hoffnung für alle. Die Bibel Handbuch zum Neuen Testament Griechische Grammatik zum Neuen Testament. E. Hoffmann, H. v. Siebenthal Handschriften Herders Theologischer Kommentar zum Neuen Testament Harvard Theological Review Hebrew Union College Annual International Critical Commentary Interpreter’s Dictionary of the Bible Israel Exploration Journal Interpretation International Standard Bible Encyclopedia. Hg. G. W. Bromiley Jahrbuch für Antike und Christentum Journal of Biblical Literature Jahrbuch für Biblische Theologie Jahrbuch für Evangelikale Theologie Journal of the Evangelical Theological Society Journal of Jewish Studies Jüdische Schriften aus hellenistisch-römischer Zeit Journal for the Study of Judaism in the Persian, Hellenistic and Roman Period Journal for the Study of the New Testament Journal for the Study of the New Testament. Supplement Series Journal for the Study of Pseudepigrapha Journal for the Study of Pseudepigrapha. Supplement Series Journal of Theological Studies Judaica Kritisch-exegetischer Kommentar über das Neue Testament Ausführliche Grammatik der griechischen Sprache. Zweiter Teil: Satzlehre. R. Kühner, B. Gerth King James Version Der Kleine Pauly. Hg. K. Ziegler, W. Sontheimer, H. Gärtner Kerygma und Dogma Greek-English Lexicon of the New Testament Based on Semantic Domains. J.P. Louw, E.A. Nida A Greek-English Lexicon. H.G. Liddell, R. Scott, H.S. Jones
10 LThK LÜ LXX Menge MM
MNT NA27 NGÜ NIV NEB Neot. NewDocs NICNT NIGTC NRSV NSS NT NTA NTD NTOA NTS NW OBO OCD ÖTK OTP par(r) PEQ Preisigke
Die Offenbarung des Johannes Kapitel 12–22
Lexikon für Theologie und Kirche Lutherbibel. Revision 1984 Septuaginta Die Heilige Schrift Alten und Neuen Testaments. Übersetzt von H. Menge The Vocabulary of the Greek Testament Illustrated from the Papyri and Other Non-Literary Sources. J.H. Moulton, G. Milligan Münchener Neues Testament. Hg. J. Hainz, M. Schmidl, J. Sunckel Nestle-Aland, Novum Testamentum Graece, 27. Auflage Neue Genfer Übersetzung New International Version Neue Echter-Bibel Neotestamentica New Documents Illustrating Early Christianity. Hg. G.H.R. Horsley, S.R. Llewelyn New International Commentary on the New Testament New International Greek Testament Commentary New Revised Standard Version Neuer sprachlicher Schlüssel zum Griechischen Neuen Testament. W. Haubeck, H. von Siebenthal Novum Testamentum Neutestamentliche Abhandlungen Das Neue Testament Deutsch Novum Testamentum et Orbis Antiquus New Testament Studies Neuer Wettstein. Texte zum Neuen Testament aus Griechentum und Hellenismus. Hg. G. Strecker, U. Schnelle Orbis biblicus et orientalis Oxford Classical Dictionary. Hg. S. Hornblower, A. Spawforth Ökumenischer Taschenbuchkommentar zum Neuen Testament Old Testament Pseudepigrapha. Hg. J.H. Charlesworth und Paralleltext(e) Palestine Exploration Quarterly Wörterbuch der griechischen Papyrusurkunden. F. Preisigke
Abkürzungen
PW RAC RB RdQ RGG RNT RSV SBB SBLDS SBLMS SBL.SP SBS SKKNT SNTSMS SNTU StANT StNT StUNT SÜ TANZ THAT ThBeitr ThBLNT ThHK ThLZ ThR ThWAT ThWNT ThZ TNIV TRE TU TynB VF
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Real-Encyclopädie der classischen Alterthumswissenschaft. Hg. A.F. Pauly, G. Wissowa Reallexikon für Antike und Christentum Revue Biblique Revue de Qumran Religion in Geschichte und Gegenwart. 4. Auflage Regensburger Neues Testament Revised Standard Version Stuttgarter Biblische Beiträge Society of Biblical Literature Dissertation Series Society of Biblical Literature Monograph Series Society of Biblical Literature Seminar Papers Stuttgarter Bibelstudien Stuttgarter Kleiner Kommentar Neues Testament Society of New Testament Studies Monograph Series Studien zum Neuen Testament und seiner Umwelt Studien zum Alten und Neuen Testament Studien zum Neuen Testament Studien zur Umwelt des Neuen Testaments Schlachter-Übersetzung. Revision 2002 Texte und Arbeiten zum neutestamentlichen Zeitalter Theologisches Handwörterbuch zum Alten Testament. Hg. E. Jenni, C. Westermann Theologische Beiträge Theologisches Begriffslexikon zum Neuen Testament. Neubearbeitete Ausgabe. Hg. L. Coenen, K. Haacker Theologischer Handkommentar zum Neuen Testament Theologische Literaturzeitung Theologische Rundschau Theologisches Wörterbuch zum Alten Testament Theologisches Wörterbuch zum Neuen Testament Theologische Zeitschrift Today’s New International Version Theologische Realenzyklopädie Texte und Untersuchungen zur Geschichte der altchristlichen Literatur Tyndale Bulletin Verkündigung und Forschung
12 VT VT.S WBC WdF WMANT WUNT ZAW ZB ZBK ZNW ZPE ZThK
Die Offenbarung des Johannes Kapitel 12–22
Vetus Testamentum Vetum Testamentum Supplements Word Biblical Commentary Wege der Forschung Wissenschaftliche Monographien zum Alten und Neuen Testament Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft Zürcher Bibel. Revision 1971 Zürcher Bibelkommentare Zeitschrift für die neutestamentliche Wissenschaft Zeitschrift für Papyrologie und Epigraphik Zeitschrift für Theologie und Kirche
Abkürzungen biblischer Bücher: Gen Ex Lev Num Dtn Jos Ri Ruth 1Sam 2Sam 1Kön 2Kön 1Chron 2Chron Esr Neh Esth Hiob Ps Prov Koh Hld Jes Jer Klgl Ez Dan Hos Joel Am Ob Jona Mi Nah Hab Zeph Hag Sach Mal Mt Mk Lk Joh Apg Röm 1Kor 2Kor Gal Eph Phil Kol 1Thess 2Thess 1Tim 2Tim Tit Phlm 1Petr 2Petr 1Joh 2Joh 3Joh Hebr Jak Jud Offb Abkürzungen sonstiger zitierter Quellenschriften 1QH Qumran: Loblieder (Hodajot) 1QM Qumran: Kriegsrolle 1QS(b) Qumran: Gemeinderegel (b) 4QTest Qumran: Testimonien ä Hen äthiopische Henochapokalypse Adv. haer. Irenäus: Adversus haereses / Gegen die Irrlehren Ant. Josephus: Antiquitates Judaicae / Jüdische Altertümer b Ab zara Mischnatraktat: Aboda zara b Joma Mischnatraktat: Joma b Sanh Mischnatraktat: Sanhedrin B. J. Josephus: De Bello Judaico / Vom jüdischen Krieg CD Qumran: Damaskusschrift DCD Augustinus: De civitate Die / Vom Gottesstaat De cult. fem Tertullian: De cultu feminarum / Vom Putz der Frauen Dial c Tryph Justin: Dialogus cum Tryphone Judaeo / Dialog mit dem Juden Tryphon H. E. Eusebius: Historia Ecclesiae / Geschichte der Kirche
Abkürzungen
Herodot Hist Leg Gai Ps Clem Recogn Ps Sal Sap Sal Sib Slav Hen Syr Bar Tacitus Ann Tacitus Hist Test Juda Test Levi Test Naft
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Herodot: Historien Philo: Legatio ad Gaium Rufinus: pseudoclementinische Recognitionen Psalmen Salomos Sapientia Salomonis / Weisheit Salomos Sibyllinen slawische Henochapokalypse syrische Baruch-Apokalypse Tacitus: Die Annalen Tacitus: Die Historien Testament der 12 Patriarchen: Juda Testament der 12 Patriarchen: Levi Testament der 12 Patriarchen: Naftali
Kommentare werden lediglich mit dem Namen des Verfassers zitiert. Die übrige Sekundärliteratur wird mit dem Namen des Verfassers sowie einem abgekürzten Titel angeführt. Siehe weitere Abkürzungen bei S. Schwertner. Internationales Abkürzungsverzeichnis für Theologie und Grenzgebiete. Berlin 21992. Siehe ferner L. Coenen / K. Haacker. Theologisches Begriffslexikon zum Neuen Testament. Wuppertal 1997.
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6. Die Folgen der siebten Posaune: Der Antichrist und die Gemeinde, 12,1–14,20
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6. Die Folgen der siebten Posaune: Der Antichrist und die Gemeinde, 12,1–14,20 Exkurs: Offb 12 in der Kirchengeschichte Der Übersetzung sei ein Überblick über die kirchengeschichtliche Bedeutung vorausgeschickt, zunächst zu Offb 12. Spuren einer Auslegung zu Offb 12 begegnen uns zuerst bei Papias ca. 125 n.Chr. Seine Anmerkungen zu Offb 12,7ff hat Andreas von Caesarea herangezogen.1 Erneut ist Ticonius mit seinem Kommentar aus der Zeit um 385 n.Chr. zu erwähnen. Er deutete den Mond zu den Füßen der Frau in Offb 12,1 einmal auf die wahre, zum anderen auf die häretische Kirche.2 Ticonius hat dann vor allem durch seine Deutung der 3½ Zeiten bzw. 1260 Tage in Offb 12,6-14 in die Auslegungsgeschichte eingegriffen. Er sah mit dieser Zeitangabe nämlich schon die vergangene Kirche beschrieben, die Kirche „a primo adventu Domini usque ad secundum eius adventum“.3 Dadurch transportierte er die Kirche der Zukunft in die Vergangenheit und leitete die Ausleger an, Ereignisse der Vergangenheit als Erfüllung der Weissagung der Offb zu verstehen. Joachim von Fiore (gest. 1202 n.Chr.) markiert wiederum einen Umbruch in der Auslegung. Einerseits knüpfte er an die Linie des Ticonius an und ließ die 1260 Tage von Offb 12,6 mit dem ersten Kommen Christi beginnen. Auch blieb er der uralten christlichen Tradition treu, wonach die Frau von Offb 12 die Kirche bedeutet. Andererseits aber fasste er die 1260 Tage von Offb 12,6 als Jahre auf und setzte deshalb den Beginn des dritten, des Geistes-Zeitalters auf die Zeit um 1260 n.Chr.4 Auf diese Weise verlegte er doch einen entscheidenden Teil der Offenbarung wieder in die Zukunft. Wie für Offb 11 brachte das Reformationszeitalter eine unübersehbare Fülle der Auslegungen auch für Offb 12. Wenige Schlaglichter mögen genügen. Offb 12 wurde zum Beispiel für die Polemik herangezogen. Zollikoner Täufer nannten Zwingli den Drachen von Offb 12,3.5 Auch zu Selbstidentifizierungen diente Offb 12. Ein bekanntes Beispiel ist Verena Baumann in der Nordost-Schweiz, die vorgab, das Sonnenweib aus Offb 12,1ff zu sein.6 Leonhard Schiemer zog Offb 12 zur Begründung seiner Naherwartung heran.7 Wie zu erwarten, wird die Notwendigkeit, dass die Täufer Verfolgung leiden müssen, auch aus Offb 12 abgeleitet.8 Melchior Hofman
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Näheres s. Maier Offb S. 41, 47, 62, 66. A.a.O. S. 115, 122f. A.a.O. S. 118f. A.a.O. S. 175. A.a.O. S. 207, 239. A.a.O. S. 233. A.a.O. S. 246. A.a.O. S. 247.
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deutete den Antichrist von Offb 12 auf das Papsttum.9 Insgesamt hat dieses Kapitel in den Täuferbewegungen eine herausragende Beachtung gefunden. Martin Luther bezeichnete in seiner Vorrede von 1530 erstaunlicherweise Offb 12 als „Trostbild“, und zwar wegen „der schwangeren Frau, die ein Knäblein ohne des Drachen Dank gebiert.“10 Mit dem Pietismus kommt es zu einer neuen Blüte der Apokalypsedeutung, vor allem auch im Blick auf Offb 12. Eingeleitet hat diese Blüte im Grunde schon die Föderaltheologie. Johann Coccejus (Koch, 1603–1669) schrieb einen einflussreichen Apokalypse-Kommentar (1665) mit geistlichen und kirchengeschichtlichen Deutungen. Offb 12 wird auf die katholische Kirche bezogen.11 Als Einzelheit sei erwähnt, dass Coccejus das Wasser, das die Schlange in Offb 12,15 ausstößt, auf das Toleranzedikt Konstantins des Großen aus dem Jahr 313 n.Chr. deutet.12 Bei Johann Albrecht Bengel (1687– 1752), dessen Apokalypseauslegung bis heute beachtenswert ist, findet sich eine kirchen- und weltgeschichtliche Deutung von großer Exaktheit. Die 1260 Tage von Offb 12,6 setzt er von 940 bis 1617 n.Chr. an, das dritte Wehe, das er an Offb 12,12 festmacht, von 947 bis 1836 n.Chr. und die 3½ Zeiten von Offb 12,14 dann von 1058 bis 1836 n.Chr.13 Konstant bleibt die Deutung der Frau von Offb 12,1 auf „die Gemeine Gottes und Christi“14. Die Sonne, die sie bekleidet, ist nach Bengels Meinung „das christliche Kaisertum“, der Mond unter ihren Füßen „die mahomedanische Macht“.15 Man kann sagen, dass bei Bengel die Kapitel 12 und 13 sowie 17 und 18 besondere Aufmerksamkeit finden. Der große Feind der Gemeinde bleibt auch für Bengel das abtrünnige Papsttum. Die Entwicklung der historischen Kritik ließ aber gerade Offb 12 als einen Stein des Anstoßes erscheinen. Wir greifen hier Johann David Michaelis (1717–1791) heraus. In der 4. Auflage seiner „Einleitung in die göttlichen Schriften des Neuen Bundes“ von 1788 versuchte er, der Offb gerecht zu werden. Dabei fiel ihm besonders die Widersprüchlichkeit der bisherigen Erklärungen auf. Diese Widersprüchlichkeit war in seinen Augen „der stärkste Einwurf gegen die Göttlichkeit“ der Offb.16 Was nun speziell Offb 12,1 anbelangt, so sieht Michaelis darin „eine sonderbahre … Lehre von einer himmlischen Mutter“, die vom sonstigen Lehrinhalt des NT abweicht.17 In der Folgezeit gingen mit der reichen Entfaltung der wissenschaftlichen Exegese fast selbstverständlich die widersprüchlichen Erklärungen der Offenbarung noch mehr auseinander. Immerhin verkörperte für Karl Barth das, was unter der siebten Posaune in Offb 11,15 9 10 11 12 13 14 15 16 17
A.a.O. S. 256. Luther Vorreden S. 185. Vgl. Maier Offb S. 329. A.a.O. Bengel S. 1060. Bengel S. 571. Bengel S. 573. Vgl. Maier Offb S. 470f. A.a.O. S. 472.
6. Die Folgen der siebten Posaune: Der Antichrist und die Gemeinde, 12,1–14,20
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ausgesprochen wurde („Die Reiche der Welt sind unseres Herrn und seines Christus geworden …“), die „ganze Wahrheit“.18 Auch in der Gegenwart fehlt es nicht an verständnisvollen Würdigungen der Offenbarung und ihres 12. Kapitels. Beispielsweise legen Martin Hengel und Jörg Frey besonderen Wert auf die Nähe zwischen Offb 12 und dem vierten Evangelium.19 Peter Stuhlmacher sieht in Offb 12 einen Beleg für eine wegweisende „Christus-immanente Eschatologie“20.
6.1 Die Frau und der Drache, 12,1-6 I Übersetzung 1 Und ein großes Zeichen wurde am Himmel sichtbar: eine Frau, bekleidet mit der Sonne, und der Mond unter ihren Füßen, und auf ihrem Haupt eine Krone von zwölf Sternen, 2 und sie ist schwanger21, und sie schreit in Kindsnöten und in der Qual der Geburt. 3 Und es wurde ein anderes Zeichen am Himmel sichtbar, und siehe, ein großer roter Drache, der hatte sieben Häupter und zehn Hörner und auf seinen Häuptern sieben Diademe, 4 und sein Schwanz schleppt den dritten Teil der Sterne des Himmels fort und warf sie auf die Erde. Und der Drache stand vor der Frau, die gebären sollte22, um ihr Kind zu verschlingen, wenn sie gebären würde. 5 Und sie gebar einen Sohn, einen Knaben, der einmal alle Völker mit eisernem Stabe weiden wird. Und ihr Kind wurde zu Gott und seinem Thron entrückt. 6 Und die Frau floh in die Wüste, wo sie einen Ort hat, der von Gott vorbereitet ist, dass man sie dort tausendzweihundertsechzig Tage lang ernährt.
II Struktur Unter den Folgen der siebten Posaune zeichnen sich verschiedene Ereignisse ab, die in den Kapiteln 12–14 niedergeschrieben sind: 1) die Frau und der Drache, 12,1-6; 2) der Kampf im Himmel, 12,7-12; 3) die Verfolgung der Frau durch den Drachen, 12,13-18; 4) das erste antichristliche Tier, 13,1-10; 5) das zweite antichristliche Tier, 13,11-18; 6) die Schau vom Lamm und den Seinen,
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1938 in KD I/2 S. 760. Hengel passim. Stuhlmacher Bibl Theol S. 249. ἔχουσα, „a finite verb by a Semiticism“ (Charles I S. 316). Vgl. Blass-Debrunner § 338,3; Hemer S. 261.
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14,1-5; 7) drei Engel mit ihrer Botschaft, 14,6-13; 8) die Schau von der Ernte, 14,14-20.23 Um diesen verschiedenen Ereignissen gerecht zu werden, behandeln wir sie unter der Gesamtüberschrift „Die Folgen der 7. Posaune“ jeweils für sich.24 Mit den „letzten sieben Plagen“ und den „sieben goldenen Schalen“ wird dann nach den sieben Siegeln (6,1–8,5) und nach den sieben Posaunen (8,6–14,20) ein dritter großer Zyklus der Offenbarung sichtbar. Insgesamt geht es jetzt mit großen Schritten auf das Ende der Geschichte zu. Das Vorläufige in den Kapiteln 6–9 sinkt langsam schon hinter den Horizont. Was nun das erste der genannten Ereignisse anbelangt, die Frau und den Drachen (12,1-6), so bleibt es die Grundlage für alle folgenden Ereignisse. Es beschreibt zwar großenteils die Vergangenheit und nicht die Zukunft (vgl. Offb 1,19), gehört aber als eine solide Grundlage bzw. Voraussetzung in den Gesamtzusammenhang von Offb 12–14 hinein. Offb 12,1-6 beginnt mit einer Beschreibung (V. 1-2). Die Fortsetzung in V. 3-6 beinhaltet einen geschichtlichen Abriss. Schließlich blickt V. 6b hinaus auf eine Zukunft, die über die Zahlenangabe „tausendzweihundertsechzig Tage“ offensichtlich in Zusammenhang steht mit Offb 11,2-3 und später Offb 12,14. Der Abschnitt Offb 12,1-6 ist mehr als ein Auftakt. Er stellt gewissermaßen den „Grundlagenabschnitt“ innerhalb der Kapitel 12–14 dar. Seine Auslegung bedeutet also eine Weichenstellung für vieles in den folgenden Teilen von Offb 12–14.
III Einzelexegese V. 1 beginnt nicht mit dem uns vertrauten „Und ich sah“ (καὶ εἶδον [kai eidon]) wie 10,1 und öfter, sondern feierlicher mit καὶ ὤφθη [kai ophthe], und es wurde sichtbar. Schon bei 11,19 hatten wir auf dieses ὤφθη [ophthe] und den Zusammenhang mit den Auferstehungsberichten (Lk 24,34; 1Kor 15,5ff) hingewiesen. Diesmal ist es ein großes Zeichen, das am Himmel25 sichtbar wurde. Zeichen, σημεῖον [semeion], ist ein typischer Begriff des Johannesevangeliums.26 Zeichen, σημεῖα [semeia], werden in der Sprache des Urchristentums aber auch dem Antichrist zugebilligt, sogar große Zeichen (Mt 24,24; 2Thess 23 Ähnlich U.B. Müller S. 228ff; Hadorn S. 127f. 24 Hadorn S. 127 wählt für 12,1–14,20 die Überschrift „Der Antichrist“. 25 Vgl. Bauer-Aland Sp. 521; Hadorn S. 129; Bousset (1896) S. 392f; Kraft S. 163; Zahn S. 438. 26 Vgl. K.H. Rengstorf, Art. σημεῖον usw., ThWNT, VII, 1964, S. 241ff.
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2,7; Offb 13,13). Der Begriff „Zeichen“ ist also durchaus ambivalent. Wenn es Johannes am Himmel bemerkt, heißt das nicht, dass er sich auf der Erde befinden muss.27 Sein Standort bleibt also offen. „Zeichen“ ist ein Ereignis, das Aufmerksamkeit erregt, oft beinahe so viel wie ein „Wunder“.28 Als Erstes, das sichtbar wurde, und zugleich das Zeichen darstellt, nennt Johannes eine Frau (γυνή [gyne]). Das Bild einer Frau ruft im Rahmen der biblischen Prophetie sofort bestimmte Erinnerungen wach. Die „Frau“ dient überraschend oft als Abbild Israels, des Gottesvolkes des Alten Bundes (vgl. Jes 54,1ff; Jer 2,1ff; Ez 16 und 23; Hos 1–2). Die Tatsache, dass „… Nach semitischem Eherecht … auch die Braut bereits γυνή“ (Frau) genannt werden kann (Gen 29,21; Dtn 22,24 LXX; Offb 19,7; 21,9)29, hat diesen Gebrauch gefördert. Demnach ist es falsch, in Offb 12,1 sofort auf ein „Mutter“-Bild zu rekurrieren, wie es z.B. Johann David Michaelis getan hat. In Fortsetzung der alttestamentlichen Metapher von der „Frau“ sieht vielmehr die Exegese mit Recht auch in der Frau von Offb 12,1 das Gottesvolk abgebildet.30 Die weiteren Aussagen können diese Auslegung nur bestätigen. Seltsam mutet es an, dass sie mit der Sonne bekleidet ist. Für sich genommen bedeutet die Sonne Licht und Gerechtigkeit. Als Symbol dafür taucht sie gerade in den eschatologischen Texten des AT auf (vgl. Jes 60,20; Mal 3,20). Die Sonne kann ferner die Nähe Gottes bezeichnen (vgl. Ps 84,12; Jes 30,26; 41,25; Mt 17,2; Offb 1,16). Schließlich können die Gerechten mit der Sonne verglichen werden (Ri 5,31; Dan 12,3; Mt 13,43). Bei der Frau von Offb 12,1 kommen wohl alle diese Dimensionen zusammen: Sie gehört in die Sphäre des Lichts und der Gerechtigkeit, sie ist in der Nähe Gottes, und sie ist bekleidet mit Heil und Gerechtigkeit (vgl. noch Jes 61,10: „wie eine Braut, die in ihrem Geschmeide prangt“). Es besteht sogar eine Parallele zu Gott selbst, von dem es in Ps 104,2 heißt: „Licht ist dein Kleid, das du anhast.“31 Wiederum für sich genommen ist der Mond neben der Sonne ein „kleines Licht“ (Gen 1,16). In Sir 27,12 wird er in Parallele zu einem Narren gebracht. Obwohl in der Umgebung Israels die Mondgötter angesehen waren und Israel selbst einen Mondkalender benutzte, wird der Mond im AT im Unterschied zur Sonne niemals als Zeichen der Nähe Gottes gewertet. Die Wörter unter ihren 27 28 29 30 31
Gegen Hadorn a.a.O.; Bousset (1896) S. 392; Behm S. 65. Hadorn S. 129 leitet das Zeichen von Jes 7,11ff ab, wofür manches spricht. A. Oepke, Art. γυνή, ThWNT, I, 1933, S. 776. Vgl. Hengel S. 136. Vgl. dazu Jörg Frey in Hengel S. 384; Mounce S. 236. Öfters findet sich die Deutung der Sonne auf Christus, was in unserer Deutung sozusagen eingeschlossen ist: P. Müller S. 37; Lawton S. 84; J.M. Hahn S. 333f; Grünzweig I S. 301.
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Füßen (ὑποκάτω τῶν ποδῶν αὐτῆς [hypokato ton podon autes]) erinnern außerdem an die politische oder militärische Sprache, in der damit ein Verhältnis der Unterordnung und der Unterlegenheit zum Ausdruck kommt (vgl. Jos 10,24; 2Sam 22,39; 1Kön 5,17; Ps 8,7; 47,4; 110,1; Mal 3,21).32 Im Unterschied zur Sonne gehört der Mond nicht zur Bekleidung der Frau, sondern befindet sich eben „unter ihren Füßen“. Was besagt dieses Bild? Gibt es der Frau „den Charakter einer kosmischen Machtgestalt“?33 Hat die Frau gewissermaßen die nichtchristlichen Religionen unter ihren Füßen?34 Könnte es auch den ewigen Charakter des Gottesvolkes zum Ausdruck bringen, das über den Mond als Symbol des Kalenders und der Zeit erhaben ist? Es gibt hier nur vermutungsweise Deutungen. Wir neigen in diesem Kommentar zu der Annahme, dass der „Mond unter ihren Füßen“ ein Dreifaches symbolisiert: 1) dass Gottes Volk wie der wahre Mensch zur Krone der Schöpfung berufen ist (vgl. Ps 8); 2) dass Gottes Volk die Mondgötter und damit alle Götter dieser Welt überwindet und folglich etwas anderes ist als die Religionen dieser Welt (vgl. Ps 115; Offb 20,4ff); 3) dass es für die Ewigkeit bestimmt ist (vgl. Offb 2,7.11). Eine dritte Aussage in Offb 12,1 lautet: und auf ihrem Haupt (war) eine Krone von zwölf Sternen. Zum Begriff der Krone oder des „Kranzes“, griechisch στέφανος [stephanos], vgl. die Erklärung bei Offb 2,10. Vom Kontext her muss man in diesem στέφανος [stephanos] eine ehrenhafte Auszeichnung sehen.35 Was aber den Inhalt der Zwölfzahl anbelangt, so lässt er sich nach der richtigen Bemerkung von Karl Heinrich Rengstorf „nicht von dem at.lichen Begriff der zwölf Stämme“ Israels „trennen“.36 Wir haben hier also eine „Zusammenfassung des at.lichen Gottesvolkes“37 vor uns. Mit anderen Worten: Die Frau von Offb 12,1 symbolisiert durch die Zwölfzahl der Sterne auf ihrem Haupt Israel als alttestamentliches Gottesvolk, als alttestamentliche Gemeinde.38 Eine Verengung auf eine einzige Person, z.B. Maria, empfiehlt sich nicht, weil die Gesamtbeschreibung nicht auf eine Einzelperson, sondern auf die ganze alttestamentliche Gemeinde deutet.39 Vgl. K. Weiß, Art. πούς, ThWNT, VI, 1959, S. 624ff. So Weiß a.a.O. S. 629; Mounce a.a.O.: „dominion“. So z.B. Bengel S. 573; Hartenstein S. 170. Vgl. W. Grundmann, Art. στέφανος usw., ThWNT, VII, 1964, S. 630: „als Zeichen göttlicher Ehre“; Mounce S. 236: „royalty“. 36 Art. δώδεκα usw., ThWNT, II, 1935, S. 323. W. Foerster, Art. ἀστήρ usw., ThWNT, I, 1933, S. 502 will die Zwölfzahl der Sterne dagegen von den Tierkreiszeichen ableiten (mit W. Bousset und F. Boll). 37 Rengstorf a.a.O. Anders Mounce S. 236, der auch eine Deutung auf die zwölf Apostel erwägt. Diese Deutung schon bei Hippolyt (Zahn S. 437,5); dann Morris S. 156; Hartenstein S. 170. 38 Anders bei einer Deutung auf die zwölf Apostel.
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Bisher haben wir die verschiedenen Aussagen je für sich betrachtet. Nun gibt es aber die Kombination Sonne/Mond/Sterne schon früher in der biblischen Überlieferung, und zwar bei einem der Träume Josefs in Gen 37,9. Rengstorf hält dies für die Wurzel der Vorstellung von Offb 12,1.40 Man wird ihm so viel zugestehen müssen, dass ein am AT geschulter Leser jedenfalls einen Schlüssel zum Verständnis von Offb 12,1 besaß, nämlich in Gestalt von Gen 37,9. Das Gemeinsame von Josefs Traum und dem Bild von der Frau lässt sich leicht ausmachen: Es sind die Sterne als Symbol für die zwölf Stämme Israels. So bestätigt Gen 37,9 unsere Deutung. Im Übrigen werden wir Bengels Mahnung zu Offb 12,1 in die Erklärung des ganzen Kapitels mit hineinnehmen müssen: dass „der völlige Aufschluss der Weissagung erst aus der endlichen Erfüllung herkommen“ wird.41 Die Diskussion in der Literatur nötigt zu zwei weiteren Klärungen. Erstens wird über die Symbolik der Frau diskutiert. U.B. Müller listet drei hauptsächliche Erklärungsversuche auf: 1) Die Frau symbolisiert Maria als Mutter des Messias; 2) sie symbolisiert Israel als Gottesvolk des Alten Bundes42; 3) sie symbolisiert das als Einheit verstandene Gottesvolk des Alten wie des Neuen Bundes.43 Ad 1) ist zuzugeben, dass es auch um die Mutter des Messias Jesus Christus geht. Darüber hinaus zeigt Jes 7,14, dass vom AT her grundsätzlich in Offb 12,1 auch eine Einzelperson gemeint sein kann. Aber die Verbindung mit der Zwölfzahl (V. 1), die endzeitliche Flucht in die Wüste (V. 6), die große Nachkommenschaft (V. 17) und der überwiegende Gebrauch des Bildwortes von der „Frau“ für ganz Israel im AT legen es doch näher, nicht an eine bestimmte Einzelperson zu denken. Ad 2) haben wir bei der bisherigen Erklärung von Offb 12,1 gesehen, dass nur eine Deutung infrage kommt, die mit Israel als dem Gottesvolk des Alten Bundes Ernst macht.44 Ad 3) ist zu sagen, dass jedenfalls eine Deutung nur auf die Kirche als Gottesvolk des Neuen Bundes verfehlt ist.45 Denn Jesus Christus ist nicht aus der Kirche hervorge39 40 41 42
Ebenso Rengstorf a.a.O. A.a.O. S. 323, 16. Vgl. R.E. Clements, ThWAT, III, 1982, Sp. 942. Bengel S. 574. Z.B. Römer S. 123: „die israelitische Endgemeinde“; Weber S. 28: „die verfolgte israelitische Gemeinde auf Erden“; Zahn S. 442: „das christusgläubige Israel der Endzeit“; Kretschmar S. 40: „die judenchristliche Kirche“; Limbach S. 35. 43 U.B. Müller S. 229f; Ford S. 190; Charles I S. 315. Daneben muss noch die Deutung der Frau auf das himmlische Jerusalem erwähnt werden (Behm S. 66; Caird S. 149). 44 Zahn S. 442 deutet auf das „christusgläubige Israel der Endzeit“. 45 Frey S. 121 deutet auf die „wahre Kirche aller Gläubigen“. Ähnlich J.M. Hahn: „die wahre geistvolle Gemeinde Jesu“ (S. 333). Vitringa vertritt dezidiert, dass die „Kirche des Neuen Bundes“ (Ecclesia Novi Foederii bzw. Testamenti, S. 517) gemeint sei, ebenso Gnilka S. 405.
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gangen, sondern umgekehrt die Kirche aus Jesus Christus (Joh 15,16). Dennoch hat auch die Deutung 3) ein Wahrheitselement in sich. Denn für Johannes fließen unter dem Gesichtspunkt des „wahren Israel“ das Gottesvolk des Alten und des Neuen Bundes in ein einheitliches Gottesvolk zusammen. Für den einen Messias gibt es nicht zwei Völker, sondern nur ein Volk (vgl. Dan 7,27; Joh 10,16). Insofern kann man dann „das als Einheit verstandene Gottesvolk des Alten und Neuen Bundes“ in der Frau von Offb 12,1 symbolisiert finden.46 An Joh 4,22: „… das Heil kommt aus den Juden“ sollte dabei nichts abgebrochen werden.47 Der zweite Diskussionspunkt betrifft die Traditionen und Motive, die im Hintergrund von Offb 12 stehen. Allein mit der Literatur über diesen Punkt ließe sich eine ganze Bibliothek füllen. Allgemeiner kann man sagen, dass vor allem die deutschsprachige Exegese des vergangenen Jahrhunderts stark unter dem Eindruck religionsgeschichtlicher und astralmythologischer Herleitungen stand. Wilhelm Bousset, der sich wiederum auf Hermann Gunkel und Friedrich Boll berief, rechnete mit einer Verwurzelung des Materials von Offb 12 in der „babylonischen Mythologie“.48 Auch Lohmeyer betrachtete den in mehreren Kulturkreisen der Antike nachweisbaren Mythos vom Erlöser-Kind und den Nachstellungen, die es erleidet, als Quelle für Offb 12. Lohmeyers Konzept der Frau als „Himmelskönigin“ verdankte sich Boll: Die zwölf Sterne seien „ursprünglich die 12 Tierkreisbilder“, letztendlich sei der Mythos vom Erlöser-Kind durch den Verfasser der Offenbarung christianisiert worden.49 Freilich müsse man für die Jetztgestalt von Offb 12 die „Weisheit als Mutter des Messias“ voraussetzen, es ginge um die „Geburt des Logos“.50 Ob E. Lohse, ob H. Kraft, ob W. Hadorn: Sie alle nehmen an, dass Offb 12 „astrale Vorstellungen und Mythen zugrunde“ liegen.51 Kraft nennt die „Isissage als nächstliegendes Beispiel“ und findet „ein astrales Abbild in dem Sternbild der Jungfrau“.52 Bei U.B. Müller beobachtet man dann schon eine zunehmende Reserviertheit gegenüber solchen Ableitungen: Offb 12 „erin46 U.B. Müller S. 230f. Vgl. Beale Com. S. 642; Lohse S. 69; Schlatter S. 237; schon Bengel S. 571. Auch P. Müller S. 37: „die glaubende Gemeinde aller Zeiten“; Grünzweig I S. 301; Hartenstein S. 160; Giesen S. 274 (schon Victorin von Pettau!); Schick S. 132; Hadorn S. 131. 47 Ähnlich wie wir Mounce S. 236; Morris S. 256. 48 Bousset (1896) S. 394. 49 Lohmeyer 3 S. 98. Ähnlich Behm S. 66; aber auch Charles I S. 315. 50 Lohmeyer 3 S. 106. 51 Hadorn S. 129. Vgl. Lohse S. 69; Kraft S. 164; Foerster a.a.O. Auch Aune S. 679: „John has incorporated an originally Greek myth“. Ähnlich Conzelmann-Lindemann S. 318. 52 Kraft a.a.O.
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nert“ nur „an astralmythologische Vorstellungen“.53 Vorsichtiger war man im englischsprachigen Raum. Als typisch kann hier vielleicht Mounce gelten, der durchaus „partial parallels“ zugesteht, solche Parallelen aus der griechischen, ägyptischen und babylonischen Mythologie (Leto und Python, Isis und SetTyphon, Tiamat und Marduk) auch nennt, aber dann doch die Frage stellt: Wie soll Johannes, der im Kampf mit dem Heidentum steht, einen paganen Mythos übernehmen?54 In der Tat sind solche Parallelen vorhanden, wie es ja überhaupt viele Parallelen aus antiker Religion und Geschichte zu den Berichten der Bibel gibt. Aber Johannes lebte als Judenchrist in der Welt des Alten Testaments und des Judentums.55 Seine Offenbarung ist ein erstklassiger Zeuge dieser engen Verbindung mit dem AT, dem sich nichts Vergleichbares an die Seite stellen lässt. Schließlich und vor allem: Er ist in erster Linie Seher und erst in zweiter Linie der Verfasser eines Buches. Er schreibt nach eigenem Zeugnis das, was er sah, und nicht das, was er erdachte oder von anderen zusammentrug. Wir würden seine Selbstidentifizierung, seine Authentizität und seine Integrität infrage stellen, wenn wir ihn als Übermittler heidnischer Mythologie auffassen wollten. Darüber hinaus ist, wie unsere Erklärung bisher gezeigt hat, eine Ableitung aus „astralen Vorstellungen und Mythen“ unnötig.56 V. 2 ist zwar nur ein kurzer Vers. Dennoch ist gerade hier eine Disparatheit von Auslegungen anzutreffen. Seit Jahrhunderten wird nicht zuletzt in der interessierten Gemeinde geklagt: „Über diese Fragen ist man verschiedener Meinung. Der eine macht dieß, der andere das daraus.“57 V. 2 bildet die Fortsetzung des ersten Verses: und sie ist schwanger (ἐν γαστρὶ ἔχουσα [en gastri echusa]) und sie schreit (κράζει [krazei]) in Kindsnöten und in der Qual der Geburt (ὠδίνουσα καὶ βασανιζομένη τεκεῖν [odinusa kai basanizomene tekein]). Das Präsens κράζει [krazei] legt es nahe, auch ἔχουσα [echusa] präsentisch zu übersetzen, also: sie ist schwanger.58 Die Schwangerschaft hat den letzten Abschnitt vor der Geburt erreicht. Hier wer-
53 U.B. Müller S. 232. Zurückhaltend auch Behm S. 64f. 54 Mounce S. 235. 55 Häufig wird hier auf Test Naft V, 3f hingewiesen. Aber dort geht es um ganz andere Konstellationen und Bezüge, nur in der Zwölfzahl gibt es eine echte Parallele zu Offb 12,1. Dass Test Naft V, 3f „näher“ an Offb 12,1 sei als Gen 37,9 (Kraft a.a.O.), ist nicht nachvollziehbar. 56 Vgl. Morris S. 155f. Caird dagegen glaubt: „John rewrites the old pagan myth“ (S. 148). 57 J.M. Hahn S. 332. Vgl. Lawton S. 83 und schon Vitringa S. 517. 58 Lutherbibel; Neue Jerusalemer Bibel; Einheitsübersetzung; NGÜ: „war“. Wie wir Behm S. 64; Schlatter S. 236; Zahn S. 435; Revidierte Elberfelder Bibel. Vgl. Aune S. 682.
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den schon die „Geburtswehen der Schwangeren“ geschildert.59 Dabei wird „die Stärke der Wehen … durch den … Ausdruck βασανιζομένη noch unterstrichen“.60 Einigkeit besteht über das Kind, das hier zur Welt kommen soll: Es kann nach dem Zusammenhang der Offenbarung nur der Messias sein. Aber danach gehen die Wege der Erklärungen auseinander: 1) Ist Jes 7,14 wirklich das „Vorbild“, wie z.B. Lohmeyer schreibt61, dann bleibt auch in Offb 12,2 alles auf das Wunder konzentriert, dass der Messias geboren wird. In Jes 7,14 LXX findet sich ein ganz ähnliches Vokabular wie in Offb 12,1f: σημεῖον [semeion] – ἐν γαστρὶ ἕξει [en gastri hexei] – τέξεται [texetai]. Offb 12,1f würde dann sagen: Es erfüllt sich alles, wie es Jesaja vorausgesagt hat, die beigegebenen Schilderungen (καὶ κράζει [kai krazei] usw.) unterstreichen nur die Tatsächlichkeit der messianischen Geburt. 2) Man kann gerade die beigegebenen Schilderungen (κράζει [krazei], ὠδίνουσα [odinusa], βασανιζομένη [basanizomene]) stärker akzentuieren und neben der Messiasgeburt als Bezugnahme auf die „Wehen der Endzeit“ verstehen. Diese sind ja im NT immer wieder ein Thema (vgl. Mt 24,8; Mk 13,8). Wir hätten dann in Offb 12,2 das Bild einer messianischen Geburt, die die Wehen der Endzeit ausbrechen lässt.62 3) Man geht aus von der mehrfachen Darstellung des bedrängten Israel durch das Bild einer in Geburtsnöten befindlichen Frau. Ganz allgemein dient ja das Bild einer gebärenden Frau zur Veranschaulichung von Angst, Not und Bedrängnis (vgl. Jes 13,8; 21,3; 26,17f; 66,7ff; Jer 4,31; Hos 13; Mi 4,9f; Joh 16,21).63 Dann bedeutet Offb 12,1f „Israel as a woman in travail“ und „the true Israel in her pre-messianic agony of expectation“.64 Der Messias wird also von Israel in seiner Not und Sehnsucht nach Erlösung hervorgebracht (vgl. Mi 5,1; Joh 4,22). 4) Eine weitere Erklärung ist die, dass die frühe Kirche bis Konstantin darum ringen musste, dass Christus im Römischen Reich als Herrscher der Völker (Imperator Gentium) anerkannt wurde. Dieses Ringen sei in Offb 12,2 mit den Worten „schreien“, „Kindsnöte“ und „Qual“ zum Ausdruck gebracht. Die Geburt Jesu bedeutet demnach nicht sein Zur-WeltKommen im Stall von Bethlehem, sondern seine Anerkennung als Weltenherrscher.65 J. Schneider, Art. βάσανος usw., ThWNT, I, 1933, S. 561. G. Bertram, Art. ὠδίν usw., ThWNT, IX, 1973, S. 674, 53. Lohmeyer 3 S. 99. Vgl. auch Charles I S. 316. In dieser Richtung interpretiert z.B. U.B. Müller S. 233. Vgl. Lohmeyer 3 S. 99 sowie 1 QH III, 7ff (Lohse S. 69f); Charles I. S. 317. Mounce S. 237 mit Kiddle. Vgl. auch Bousset (1896) S. 393; Lohse S. 69. Schon Bengel S. 576. Ähnlich Caird S. 149, der aber die Geburt im Kreuz erblickt; Pohl II S. 94. 65 So Vitringa S. 519. J.M. Hahn deutet auf die Schmerzen der Wiedergeburt der einzelnen Christen (S. 336). 59 60 61 62 63 64
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Welchem Weg der Erklärung ist zu folgen? Vom gesamtbiblischen Kontext her liegt Jes 7,14 als Ausgangspunkt am nächsten. Dies umso mehr, als die Geburtsgeschichten Jesu erkennbar auf Jes 7,14 rekurrieren (Mt 1,23; Lk 1,31ff; 2,4ff). U.B. Müller hat schon recht: Stellen wie Jes 26,7 oder 66,7f „erklären den Text [= Offb 12,2] nicht wirklich“66. Es geht in Offb 12,2 also um die christologische Grundlage alles Endzeitgeschehens. Die beigefügten Züge der Geburtswehen haben daneben keine selbstständige Bedeutung, sondern veranschaulichen in profilierter Weise die Tatsächlichkeit der Geburt.67 Die oben unter 1) skizzierte Erklärung liegt uns folglich am nächsten. Sie muss aber von 3) her präzisiert werden. Denn es ist ja nun theologisch und heilsgeschichtlich unzweifelhaft, dass Jesus, der Messias, Jude war und aus Israel hervorging. Trotz aller Betonung der Einheit der alt- und der neutestamentlichen Gemeinde darf man nun nicht der Kirche das „Geburtsrecht“ an Jesus zusprechen, sondern muss es Israel lassen. Heilsgeschichtlich muss demnach klar bleiben, dass die Frau von Offb 12, insofern sie Jesus gebiert, das Israel des Alten Bundes darstellt.68 Aus ihm kommt der „Löwe aus dem Stamm Juda“ (Offb 5,5), die „Wurzel Davids“ (Offb 5,5), der „Amen“ (Offb 3,14), der „helle Morgenstern“ (Offb 22,16; Num 24,17).69 – Dagegen scheidet die Erklärung von 4) für uns aus, weil sie zu allegorisch und zu weit vom Text entfernt ist. In V. 3 tritt der Gegenspieler vor unsere Augen: ein großer roter Drache. Bevor wir uns den Einzelheiten zuwenden, muss eine Auffälligkeit festgehalten werden: Der Drache ist in Offb 12,1-6 nicht der Gegenspieler des Christus, sondern der Frau. Seine Ebene ist nicht die des Christus, sondern nur die der Frau. Das ganze Neue Testament ist darauf bedacht, den Teufel nicht auf die Ebene Gottes emporzuheben, ihn nicht zu einer Art Gegengott zu machen, wie die Mythen der Antike oder der Zoroastrismus Gott und Gegengott kennen, sondern ihn tief unten auf der Ebene der Geschöpfe zu belassen. So auch hier. Nun zu den Einzelheiten: Und es wurde ein anderes Zeichen am Himmel sichtbar (καὶ ὤφθη ἄλλο σημεῖον ἐν τῷ οὐρανῷ [kai ophthe allo semeion en to urano]): Das andere Zeichen bildet die Antithese zum ersten in V. 1. Hier liegt eine klare biblische Polarisierung vor. Sie führt zurück zum Sündenfallkapitel Gen 3, wo sich ebenfalls die Frau und die Schlange gegenüberstehen. Wir werden hier unüberhörbar an das Protevangelium in Gen 3,15 erinnert, wo Gott spricht: 66 67 68 69
U.B. Müller S. 233 gegen Kraft S. 164. So auch Bengel S. 574f. Ebenso Morris S. 157. Vgl. wieder Joh 4,22; Röm 9,5; Mi 5,1.
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„Ich will Feindschaft setzen zwischen dir (= der Schlange) und dem Weibe und zwischen deinem Nachkommen und ihrem Nachkommen, der soll dir den Kopf zertreten, und du wirst ihn in die Ferse stechen.“ In Gen 3,15 LXX tauchen tragende Begriffe auf, die auch für Offb 12 entscheidende Bedeutung haben: γυνή [gyne] – σπέρμα [sperma] – κεφαλή [kephale] – ὄφις [ophis]. Fazit: In Offb 12 beginnt offenbar der entscheidende Kampf, der die Prophetie von Gen 3,15 zur Erfüllung bringt. Noch immer geschieht das, was Johannes beobachtet, am Himmel. Die Kommentare schenken dieser Bestimmung relativ viel Aufmerksamkeit und beschäftigen sich oft mit der Standortfrage bezüglich des Sehers.70 Es ist aber zweifelhaft, ob das Interesse des Johannes auf einer solchen Art von Geografie ruht. Was „am Himmel“ geschieht, hat für ihn zunächst einmal erdumspannende, ja schöpfungsumspannende Bedeutung und zeigt das unmittelbare Engagement der himmlischen Welt (vgl. V. 7ff). Was am Himmel sichtbar wird, wird in Bälde die Erde spüren. Aber was ist das andere Zeichen nun genauer? Siehe, ein großer roter Drache, der hatte sieben Häupter und zehn Hörner und auf seinen Häuptern sieben Diademe. Hier hat jedes Wort wieder seine Bedeutung. ἰδοὺ δράκων [idu drakon] – so der Beginn im Griechischen –: Mit einem Schlag wird eine ganze Welt ins Rampenlicht gerückt. Das griechische δράκων [drakon], von dem sich das Wort Drache ableitet, ist in der Regel gleichbedeutend mit „Schlange“71 oder „Seeschlange“. Mit dem Begriff „Schlange“, griech. ὄφις [ophis], sind wir sofort bei Gen 3. Jedoch übersetzt die LXX die hebräischen Begriffe [ ַתּ ִנּיןtannin], „Seeungeheuer“, und [ ִלְוי ָָתןliwjatan], „Leviatan“, öfters mit δράκων [drakon]. Vgl. Hiob 7,12; Ps 74,14; Jes 27,1; 51,9; Jer 51,34; Ez 29,3; 32,2.72 Immer geht es um Ungeheuer, sei es himmlischen oder irdischen Ursprungs, die sich Gottes Herrschaft entziehen wollen. Nun tritt die eigentliche Personifikation, ja sozusagen die Rebellion in Person vor unsere Augen, nämlich in Gestalt des Drachen. Sie wird in den folgenden Versen noch mehr erläutert. Der Drache wird als groß beschrieben (μέγας [megas]). Johannes hat sich gehütet, in V. 3 von einem „großen Zeichen“ zu sprechen. Er wollte dem Drachen nicht zu viel Ehre antun. Nur bei der wunderbaren Frau sprach er von einem „großen Zeichen“ (V. 1). Aber wo es um die Beschreibung des Bösen schlechthin geht, da muss er doch markieren, dass dieser „Vater der Lüge und 70 Vgl. Lohmeyer 3 S. 100; U.B. Müller S. 231f; Bousset (1896) S. 392. 71 Bauer-Aland Sp. 414; W. Foerster, Art. δράκων, ThWNT, II, 1935, S. 284. 72 Vgl. Foerster a.a.O. S. 285f; T.C. Mitchell, Art. „Drache“, GBL, 1, S. 277f.
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Mörder von Anfang an“ (Joh 8,44) im Bösen „groß“ ist. Es ist ja der Teufel selbst. Seine Farbe ist rot (πυρρός [pyrros]). Dasselbe Wort tauchte in Offb 6,4 auf und stand für „Krieg und Blutvergießen“.73 Friedrich Lang sah bei dem „feuerroten Drachen“ „ebenfalls seinen kampflüsternen, mörderischen Charakter veranschaulicht“.74 Im Folgenden konzentriert sich Johannes völlig auf die Häupter und Hörner des Drachen. Nur sein Schwanz wird noch erwähnt (V. 4). Von den Füßen, den Armen, der Brust, sogar von den Augen schweigt Johannes. Das zeigt, dass sich beim Drachen alles Wesentliche durch Denken, Reden und den Mund ereignet. In gewisser Weise verkörpert er die Intelligenz des Geschöpfes par excellence. Der hatte sieben Häupter (ἔχων κεφαλὰς ἑπτά [echon kephalas hepta]): Schon im allgemeinen Sprachgebrauch war Haupt, κεφαλή [kephale], „das Oberste, Höchste, auch Äußerste“ in den Augen der Menschen.75 Im AT ist es nicht anders.76 Wenn unsere Aufmerksamkeit nun auf die Häupter des Drachen gerichtet wird, dann können wir dort also Entscheidendes über sein Wesen beobachten. Hier überrascht uns die Siebenzahl. Bisher haben wir sie als heilige Zahl und als Zahl der Fülle und Vollkommenheit kennengelernt.77 Findet sie sich jetzt beim Drachen, dann muss man wohl zweierlei annehmen: 1) Der Drache macht sich selbst zu Gott, er ahmt mit der „Sieben“ also den wahren Gott nach; 2) „sieben“ beschreibt die volle Kraft, mit der er jetzt in den Kampf eintritt. Karl Heinrich Rengstorf nennt es „die höchste Entfaltung der Kräfte“, die hier dargestellt wird.78 Und er hatte zehn Hörner (καὶ κέρατα δέκα [kai kerata deka]): Auch das erste Tier von Offb 13,1 hat zehn Hörner. Wie die Forschung einhellig bemerkt, stimmt dies mit dem Danielbuch (7,7.24) überein.79 Nach Friedrich Hauck steht die Zehnzahl für „ein abgerundetes Ganzes“, eine „Gesamtmacht“.80 Man wird also auch in Offb 12,3 die zehn Hörner als ein Symbol F. Lang, Art. πῦρ, ThWNT, VI, 1959, S. 952. A.a.O. S. 952f. Vgl. Ford S. 190; Mounce S. 237. H. Schlier, Art. κεφαλή usw., ThWNT, III, 1938, S. 673. Schlier a.a.O. S. 674. Vgl. K.H. Rengstorf, Art. ἑπτά usw., ThWNT, II, 1935, S. 623ff. A.a.O. S. 629. Vgl. Morris S. 158. Nicht von der Hand zu weisen ist die Überlegung, dass die sieben Häupter „eine Nachäffung der sieben Geister Gottes“ sein könnten (so Lawton S. 84; ähnlich J.M. Hahn S. 337). 79 Bousset (1896) S. 394; Lohmeyer 3 S. 99; W. Foerster, Art. κέρας, ThWNT, III, 1938, S. 670; Charles I S. 318; U.B. Müller S. 234; Mounce a.a.O. 80 Art. δέκα, ThWNT, II, 1935, S. 35f.
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für die Zusammenfassung aller bösen Kräfte in der Gestalt des Drachen verstehen dürfen.81 Horn, κέρας [keras], hebr. [ ֶקֶרןqeren], bedeutet ja im AT die Macht.82 Die Leser des Johannes, geschult im AT, mussten also die „zehn Hörner“ als Inbegriff einer die menschlichen Vorstellungen weit übersteigenden Macht auffassen. Für die moderne Exegese dagegen stellt sich das Problem der Inkonzinnität: Wie sollen 10 Hörner zu 7 Häuptern passen?83 Die Antwort lautet heute meist: Johannes hat nur eine alte Tradition mitgeschleppt, die keinen passenden Sinn mehr gibt.84 Hier ist es hilfreich, sich an Johann Albrecht Bengel zu erinnern, der 1746 den Ausleger ermahnte, dass er „dem Buchstaben nicht ungebührlich nachhänge“, und der sich dagegen verwahrte, dass hier ein „abentheuerliches Thier mit sieben Köpfen und zehen Hörnern … sichtbarlich tobete“85. Hier nach den Äußerlichkeiten zu fragen, wäre ebenso unangemessen wie die Frage, ob das Lamm in Offb 5,7 mit den Füßen nach dem Buch gegriffen habe.86 Die Schilderung des Drachen in Offb 12,3 schließt mit den Worten: und auf seinen Häuptern hatte er sieben Diademe (καὶ κέρατα δέκα καὶ ἐπὶ τὰς κεφαλὰς αὐτοῦ ἑπτὰ διαδήματα [kai kerata deka kai epi tas kephalas autu hepta diademata]). Diese Diademe haben in der Religionsgeschichte nirgendwo eine Entsprechung.87 διάδημα [diadema] geht vermutlich auf das hebräische [ ֲעָטָרהatarah] zurück und ist ein Sinnbild für Ehre, Glanz und Königswürde.88 Um das Tragen der Diademe durch den Drachen zu verstehen, ist zunächst der Blick auf Offb 19,12 wichtig. Dort trägt Christus „viele Diademe“.89 Der Drache will also Christus nachahmen. Außerdem ist Jes 62,3 wichtig. Dort wird den Gerechten verheißen: „Du wirst ein Ehrenkranz in der Hand des Herrn sein und ein königliches Diadem in Gottes Hand“ (vgl. Sap Sal 5,16f).90 Der Drache gibt sich also den Anschein, königliche Ehre zu besitzen, ja sogar die Gerechten zu überragen.91 Drittens aber ist Ez 23,42 zu verglei81 Mounce a.a.O.: „universality of power“. Vgl. U.B. Müller S. 233f; Morris S. 158 („Evil is strong“). 82 Foerster a.a.O. S. 668f; B. Kedar-Kopfstein, Art. ֶקֶרן, ThWAT, VII, 1993, Sp. 186ff. 83 Mit diesem Problem hat sich schon Vitringa befasst (S. 521). 84 So Lohmeyer 3 a.a.O.; Bousset (1896) a.a.O.; Charles I S. 319; Behm S. 66. 85 Bengel S. 317. 86 Erwähnt sei jedoch, dass Vitringa a.a.O. die zehn Hörner alle auf dem mittleren der sieben Häupter platziert. 87 Charles a.a.O.: „cannot be illustrated from any ancient source“; Lohmeyer a.a.O. 88 Vgl. D. Kellermann, Art. ָעַטר, ThWAT, VI, 1989, Sp. 30f; Bauer-Aland Sp. 365f. 89 Darauf weist auch Charles I S. 319 hin. 90 Vgl. Kellermann a.a.O. Sp. 31. 91 Mounce nach Hendriksen: „crowns of arrogated authority“. Hemer S. 72, 233; Morris S. 158 („crowns of royalty“).
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chen. Dort sind „prachtvolle Diademe“ ein Zeichen für den Abfall von Gott92 – gerade wie beim Drachen. Jetzt, wo wir die Schilderung des Drachen in Offb 12,3 abgeschlossen haben, stellt sich noch einmal die Frage nach dem religionsgeschichtlichen Hintergrund und damit die Frage nach dem Wesen des Drachen. Liegt hier, wie Charles mit dem ganzen Gewicht seiner Gelehrsamkeit es vertrat, „essentially a heathen myth“ (im Wesentlichen ein heidnischer Mythos) vor?93 Ist speziell der siebenköpfige Drache „ultimately derived from Babylonian mythology“ (letztlich von der babylonischen Mythologie abgeleitet)?94 Charles ist der Meinung, ein solcher Mythos könne zuerst von einem pharisäischen Juden um 67–69 n.Chr. aufgegriffen worden und so zu Johannes gelangt sein.95 Man dürfe, so Charles, nicht nur mit babylonischen oder persischen oder griechischen Quellen rechnen, sondern müsse einen „early international myth (frühen internationalen Mythos)“ voraussetzen.96 Schon Bousset war in seiner Erklärung ähnliche Wege gegangen.97 Den Strang einer solchen religionsgeschichtlichen Erklärung kann man weiter über Lohmeyer bis in die Gegenwart verfolgen.98 Man stellt bei einer solchen Erklärung den Drachen von Offb 12,3 in eine Reihe mit dem griechischen Python, dem babylonischen Mušruššu, dem persischen Aži Dahaka oder dem ägyptischen Typhon.99 Da aber Johannes ganz vom AT geprägt war und sich bewusst an dieses anschloss, ist eine solche viel ferner liegende religionsgeschichtliche Ableitung wenig einleuchtend. Und da Johannes selbst nur wenige Verse später (12,9) den „großen Drachen“ mit der Schlange von Gen 3, dem Teufel und Satan, identifiziert, müssen wir unsere Erklärung an den biblischen Texten des Alten Testaments orientieren. Auch die rabbinischen Texte, die z.B. J. Massyngberde Ford100 und Wilhelm Bousset (nach Wettstein)101 heranziehen, sind hier kaum hilfreich. Die Mischna102 verbietet Geräte mit dem Bild des Drachen, die Gemara103 erzählt von einem Dämon, der als Drache mit sieben Köpfen erschien. 92 93 94 95 96 97 98 99 100 101 102 103
Vgl. Kellermann a.a.O. Sp. 29; Maier Hes z. St. (I S. 322). Charles I S. 310. Charles I S. 317. Ebenso Lohmeyer 3 S. 99. Charles I S. 310 nach Wellhausen. Charles a.a.O. Vgl. auch S. 299f. Bousset (1896) S. 394. Lohmeyer 3 a.a.O.; U.B. Müller S. 233; Behm S. 66; Kiddle S. 215f. So Lohmeyer 3 a.a.O. nach dem Vorgang von Boll, Bousset und Charles (vgl. Charles I S. 318). Ford S. 190. Bousset (1896) S. 394. Ab zara III, 3. Qidduschin 29b. Strack-Billerbeck S. 812 nennt zu Offb 12,3 nur diese Stelle.
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Mischna und Gemara lassen sich auch ohne Zuhilfenahme eines heidnischen Mythos vom AT her verstehen104, wobei im Falle der Gemara allerdings der Volksglaube eine Rolle zu spielen scheint. Auch die religionsgeschichtlich orientierten Forscher weisen auf eine Reihe von Parallelen zu Offb 12,3 im AT hin. Genannt werden Stellen, die von Behemot, Leviatan, Rahab, der Schlange oder dem Drachen sprechen (u.a. Hiob 7,12; 40,15ff; Ps 74,14; Jes 27,1ff; 51,9f; Ez 29,3ff; 32,8ff; Am 9,2ff).105 Derartige Parallelen können veranschaulichen, wie leicht Johannes das in Offb 12,3 Geschaute als „Drachen“ bezeichnen konnte. Aber wiederum ist darauf hinzuweisen, dass er weder einen Behemot noch einen Leviatan oder Ähnliches beschreiben wollte, sondern den in Schlangen-(Drachen-)Gestalt auftretenden Teufel, der seit Gen 3 Gottes Pläne und das Heil der Menschen zunichtemachen will.106 Dazu passt die philologische Beobachtung von Werner Foerster: „δράκων [= Drache] und ὄφις [= Schlange] … wechseln in der Offenbarung ohne erkennbaren Unterschied.“107 Mit V. 4 beginnt ein Abschnitt der Heilsgeschichte, dessen Dramatik schon das Präsens σύρει [syrei] unterstreicht: und sein Schwanz schleppt den dritten Teil der Sterne des Himmels fort und warf sie auf die Erde. Da der Vorgang „am Himmel“ spielt (V. 1), müssen die Sterne des Himmels Engel bezeichnen.108 Dan 8,10 wird öfters als alttestamentlicher Ausgangspunkt genannt109, aber darin liegt eine etwas unsichere Parallele, weil die Sterne in Dan 8,10 evtl. doch Menschen und keine Engel bezeichnen.110 Betroffen ist in Offb 12,4 der dritte Teil (τὸ τρίτον [to triton]) der Engel. τὸ τρίτον [to triton] ist uns schon in Offb 8,7-12; 9,15.18 begegnet. Dort war dieser Begriff auch ein Ausdruck der Schadensbegrenzung und der göttlichen Bewahrung. Man wird sich jedoch davor hüten müssen, diese Bedeutung schematisch auf Offb 12,4 zu übertragen. Hier in Offb 12,4 liegt bei τὸ τρίτον [to triton] der Akzent eher auf der Bedeutung „eine erhebliche Menge“111, ja beinahe: eine 104 Dasselbe gilt von Ps Sal 2,25ff, auf das Bousset (1896) S. 395 rekurriert. 105 Charles I S. 317; Ford a.a.O.; Lohmeyer a.a.O.; Bousset a.a.O. Vgl. Mounce S. 237; Morris S. 157. 106 Vgl. Morris S. 157; Schlatter S. 238. 107 Art. ὄφις, ThWNT, V, 1954, S. 580. 108 Charles I S. 319; Ford S. 191; Grünzweig I S. 308; Schlatter S. 238; P. Müller S. 38. Anders Vitringa S. 524f und Bengel S. 578f: christliche Lehrer und Leiter, J.M. Hahn S. 338; Giesen S. 280. 109 So Schlatter BFchTh S. 67f; W. Foerster Art. ἀστήρ usw., ThWNT, I, 1938, S. 502; U.B. Müller S. 234; Charles I S. 319. Lohmeyer 3 a.a.O. Schon Vitringa S. 524. Vgl. Behm S. 66; Aune S. 685; Bousset S. 337. 110 Vgl. Maier Dan S. 304. 111 So G. Delling, Art. τρεῖς usw., ThWNT, VIII, 1969, S. 220, 33; Mounce S. 238.
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erstaunliche Menge von Engeln.112 Doch was meint er schleppt sie fort (σύρει [syrei])? σύρειν [syrein] kann wie in Apg 8,3; 17,6 ein gewaltsames Fortschleppen bedeuten, aber auch ein Hinter-sich-Herziehen, zum Beispiel im Fischnetz wie in Joh 21,8. Offenbar ist in Offb 12,4 eher Letzteres gemeint, also ein Fortschleppen durch Verführung und schlechtes Beispiel113, weil man sich schwer vorstellen kann, dass der Drache gewaltsam im Himmel raubt und Beute macht.114 Liegen die Dinge aber so, dann ergeben sich daraus einige Konsequenzen für die Auslegung. Ford schreibt mit Recht, dass hier in Offb 12,4 ebenso wie in Jud 6 vom Engelfall die Rede ist.115 Vor einem Jahrhundert hat schon Schlatter auf den Zusammenhang mit Gen 6,1ff hingewiesen.116 Es gibt also eine durchlaufende Linie in der Bibel, die uns über den heilsgeschichtlichen Vorgang informiert, dass es auch im Himmel zu einem „Sündenfall“ und zum Abfall vieler Engel von Gott kam. Erst von daher verstehen wir die Tragweite der wiederholten Aussage „selbst die Himmel sind nicht rein vor ihm“ bzw. „die Sterne sind nicht rein vor seinen Augen“ (Hiob 15,15; 25,5; 4,18). Es geht ein abgrundtiefer Riss durch die Schöpfung.117 Klar ist jetzt auch, dass Offb 12 mit der Erzählung schon vor der Geburt Christi einsetzt. Die Deutung der „Frau“ (Offb 12,1) auf Israel wird von daher noch einmal unterstützt. Schließlich ergibt sich für uns die Annahme, dass auch der „Drache“ = der Teufel (12,9) ein Engelwesen darstellt, genauer gesagt: einen abgefallenen Lichtengel, der noch gerne als solcher auftritt (2Kor 11,14).118 ἡ οὐρὰ αὐτοῦ [he ura autu], sein Schwanz, erinnert uns daran, dass auch die Macht der Heuschrecken und der Rosse (9,10.19) in ihren „Schwänzen“ lag. So ist hier der „Schwanz“ des Drachen der Sitz seiner Verführungs- und Überredungskunst und seiner Einflussmacht. Dass er die abgefallenen Engel auf die Erde warf, muss in seiner doppelten Bedeutung verstanden werden: a) Sein Einfluss ist schuld, dass ihnen künftig der Himmel verschlossen bleibt (vgl. 2Petr 2,4; Jud 6), und b) aus ihrem Abfall resultiert das Abgleiten in eine irdische, niedrige Gesinnung. Die Wortwahl erinnert erneut an Dan 8,10.119 112 Ford S. 190: „a hyperbole“. 113 Anders Giesen S. 280: Der Drache will „die Schöpfung Gottes … zerstören“; Lohmeyer 3 S. 99: „Sterne werden beseitigt und zur Erde geworfen“ (aber σύρω [syro] heißt nicht „herabschleudern“); Hadorn S. 128.130 („fegt hinweg“). 114 Ebenso Bengel S. 578. Falsch dagegen Charles I S. 319, wonach Offb 12,4 „refer to a war in heaven between the good angels and Satan and his angels“. 115 Ford S. 191. Ebenso Hadorn S. 130. 116 BFchTh S. 67f. 117 Vgl. Hadorn S. 130, der an Jes 14,12 erinnert. 118 Ebenso Bengel S. 577. 119 U.B. Müller a.a.O.
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Was hätte der „Drache“ im Guten bedeuten können, wenn er nicht von Gott abgefallen wäre! Bengel schrieb dazu in seiner nachdrücklichen Art: „wiewol er nun sehr böse ist, so bleibet doch seine natürliche Vortrefflichkeit“.120 Die Dramatik steigert sich in der zweiten Hälfte von V. 4: Und der Drache stand vor der Frau, die gebären sollte, um ihr Kind zu verschlingen, wenn sie gebären würde. ἕστηκεν [hesteken] oder ἔστηκεν [esteken], eine hellenistische Neubildung aus ἕστηκα [hesteka], heißt nicht „trat“, wie immer noch oft zu lesen ist121, sondern stand122 bzw. „steht“123 oder „stellte sich hin / hat sich hingestellt“124. Johannes nimmt ihn exakt in der Situation wahr, in der sich der Drache wie ein Raubtier auf das Verschlingen des neugeborenen Kindes konzentriert. „Es stand hochaufgerichtet“, formulieren Holtzmann und Bousset.125 Warum Gott die Frau, die gebären sollte, nicht vor der Geburt entrückt, wird in Offb 12,4 nicht gesagt. Die Antwort finden wir jedoch in den Evangelien und im übrigen NT: Das Kind sollte gerade in unsere irdischen, gefährlichen und angefochtenen Verhältnisse hinein geboren werden (vgl. Mt 1,18ff; 4,1ff; Gal 4,4; Phlm 2,6ff). Der Drache will das Kind (τὸ τέκνον [to teknon]), wenn sie gebären würde, also schon in den ersten Augenblicken seines Lebens, verschlingen (καταφάγῃ [kataphage]). Bei τέκνον [teknon], Kind, das eng mit τίκτω [tikto] = gebären zusammenhängt, steht der Gedanke der Abkunft im Vordergrund.126 Es wird hier in Offb 12,4 also gerade dies betont, dass dieses Kind von der in V. 1 genannten „Frau“ abstammt. Dieselbe Bedeutung der Abstammung von einer bestimmten Frau findet sich auch in Jes 7,14; 66,7f; Lk 1,26ff; Gal 4,4. Der Zusammenhang mit den alttestamentlichen Weissagungen und das Hervorgehen des Messias aus Israel haben also in Offb 12,1ff zentrale Bedeutung. Verschlingen (κατεσθίω [katesthio]) bedeutet zugleich „umbringen“. Von Anfang an hat der Drache den Willen, das Kind, nämlich Jesus, zu töten. Es ist unmöglich, dies auf einen einzigen Vorfall, z.B. den Kindermord des Herodes, zu reduzieren. Vielmehr schwebt über Jesus ständig die Todesdrohung (vgl. Mt 2,16ff; Mk 3,6; Lk 4,29; 13,31; Joh 10,32; 11,50; 19,16).127 Man kann dies zugleich auf den geistlichen Vorgang
120 Bengel a.a.O. Vgl. Römer S. 521; Hartenstein S. 572. 121 Z.B. Lutherübersetzung. 122 So Revidierte Elberfelder Bibel; Neue Jerusalemer Bibel; Bauer-Aland Sp. 1532; Schlatter S. 239; Einheitsübersetzung; Benedikt-Bibel; Aune S. 686. 123 So Behm S. 64. 124 So Zahn S. 435; NGÜ. 125 Bousset S. 337. Ähnlich Behm S. 67. 126 Vgl. Bauer-Aland Sp. 1612f; A. Oepke, Art. παῖς usw., ThWNT, V, 1954, S. 637f. 127 Vgl. Caird S. 150; Morris S. 158f; Charles I S. 320; Mounce S. 238; Ford S. 191.
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der ständigen Versuchung Jesu durch den Teufel beziehen (vgl. Mt 4,1ff parr; 16,23; Lk 4,13; Hebr 4,15). Der erste Satz von Offb 12,5 enthält das Weihnachtsevangelium der Offenbarung: Und sie gebar einen Sohn, einen Knaben, der einmal alle Völker mit eisernem Stabe weiden wird (καὶ ἔτεκεν υἱὸν ἄρσεν, ὃς μέλλει ποιμαίνειν πάντα τὰ ἔθνη ἐν ῥάβδῳ σιδηρᾷ [kai eteken hyion arsen, hos mellei poimainein panta ta ethne en rhabdo sidera]). Man vgl. Lk 2,7: καὶ ἔτεκεν τὸν υἱὸν αὐτῆς τὸν πρωτότοκον [kai eteken ton hyion autes ton prototokon] oder Jes 7,14: καὶ τέξεται υἱόν [kai texetai hyion]. Auch die folgenden Worte ποιμαίνειν [poimainein] usw. sind völlig biblische Sprache, man vgl. Ps 2,9: ποιμανεῖς αὐτοὺς ἐν ῥάβδῳ σιδηρᾷ [poimaneis autus en rhabdo sidera]. Es besteht kein Zweifel, dass hier ein „Zitat aus Ps 2“128 vorliegt (vgl. Offb 19,15; 2,27). Wenn Johannes seine Schilderung so stark aus der biblischen Sprache schöpft, dann ist die Folgerung unausweichlich: Er will hier sowohl die Erfüllung von Jes 7,14 und Ps 2 schildern als auch an das Evangelium von der Geburt Jesu Christi erinnern. Eine andere Deutung als diejenige auf die Geburt des Messias Jesus kommt praktisch nicht infrage.129 Weiden ist seit uralter Zeit ein Bildwort für die Tätigkeit des Hirten, des Königs und des Herrschers.130 Vor allem in Ez 34, dem Kapitel, aus dem Jesus sein Programm schöpfte, und im messianischen Psalm 2 spielt es eine Rolle.131 Die erklärenden Worte mit einem eisernen Stabe gehen auf die griechische Bibel (LXX) zurück. Man nimmt an, dass dort eine „Fehlübersetzung“ des hebräischen Textes („mit eisernem Stabe zerschlagen“) vorliegt.132 Die Sachlage ist aber kompliziert, sodass es ratsam ist, zunächst beide Aussagen nebeneinander stehen zu lassen.133 Jedenfalls geht Johannes davon aus, dass Jesus Christus am Ende einmal über alle Völker herrschen wird.134 Seine Herrschaft beinhaltet sowohl seine vollkommene Verlässlichkeit und Hilfe für alle Gläubigen als auch seine vollkommene Gerechtigkeit, die alle Feinde Gottes straft
128 Kraft S. 166; Barclay II S. 88; Schlatter BFChTh S. 40; U.B. Müller S. 234; Giesen S. 281. 129 Das gilt auch dem sonst so zuverlässigen Zahn gegenüber, der das Kind als „lebensfähigen Kreis von Christen“ versteht (S. 442). Ebenso gegenüber Caird S. 149 („By the birth of the Messiah John means not the Nativity but the Cross“). Wie Hadorn mit Recht sagt, ist Jesus schon seit der Geburt der Messias ( S. 128). 130 Vgl. J. Jeremias, Art. ποιμήν usw., ThWNT, VI, 1959, S. 484ff. 131 Jeremias a.a.O. S. 487, 493. 132 Jeremias a.a.O. S. 493, 87. 133 Vgl. dazu C. Schneider, Art. ῥάβδος usw., ThWNT, VI, 1959, S. 968f. 134 Die Deutung von J. Jeremias „auf das furchtbare Strafgericht über die Heiden, das Christus bei der Parusie abhält“, ist viel zu eng (a.a.O.).
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und ausschaltet. Beides kommt in dem Bild vom eisernen Stabe zum Ausdruck.135 Ein gewisses Problem bedeutet der Doppelausdruck einen Sohn, einen Knaben (υἱὸν ἄρσεν [hyion arsen]). Gunkel wollte als hebräische Urform nach Jer 20,15 [ ֵבּן ָזָכרben sachar] annehmen.136 Jedenfalls liegt hier ein Hebraismus vor.137 Einleuchtend ist die Annahme, dass Johannes Jes 7,14 (τέξεται υἱόν [texetai hyion]) und Jes 66,7 (ἔτεκεν ἄρσεν [eteken arsen]) miteinander verbunden hat.138 Auf diese Weise konnte er zeigen, dass sich in der Geburt Jesu Christi beide Weissagungen erfüllten. Dabei bleibt bemerkenswert, wie stark er sich gerade in Offb 12,5 an der griechischen Bibel (LXX) orientierte.139 Bemerkenswert ist ferner, dass ein menschlicher Vater hier gar nicht infrage kommt.140 Der nächste Satz ist kurz, aber vollgepackt mit Inhalten: und ihr Kind wurde zu Gott und seinem Thron entrückt (καὶ ἡρπάσθη τὸ τέκνον αὐτῆς πρὸς τὸν θεὸν καὶ πρὸς τὸν θρόνον αὐτοῦ [kai herpasthe to teknon autes pros ton theon kai pros ton thronon autu]). Dabei hängt Entscheidendes an dem Begriff entrückt (ἡρπάσθη [herpasthe]).141 Sicher will Johannes nicht nur sagen, das Kind sei durch eine „Vision“ entrückt worden, wie es W. Foerster142 anzunehmen scheint. Vielmehr ist ἁρπάζω [harpazo] in Offb 12,5 verwandt mit dem hebräischen [ לקחlaqach], das „wegnehmen“ bedeuten kann. Dieses [ לקחlaqach] meint in Gen 5,24; 2Kön 2,3 die „Entrückung Henochs und Elias unmittelbar zu Gott“143, in Ez 3,14; 8,3 die Versetzung des Propheten an einen anderen Ort.144 In der Entrückung handelt Gott, gegen sein Handeln gibt es keinen Widerstand.145 Vgl. im NT Apg 8,39; 2Kor 12,2.4; 1Thess 4,17. So auch hier in Offb 12,5. Das Passivum divinum bringt Gottes Handeln zum Ausdruck. Gott holt ihr Kind, also das Kind der Frau von V. 1, zu sich. Wann? Die Antwort des Neuen Testaments lautet völlig einhellig: nach der Kreuzigung Jesu, nämlich bei der Himmelfahrt (vgl. Mk 16,19; Lk 24,51; 135 Vgl. C. Schneider a.a.O. „Weiden“ ist also mehr als „richten“. Vgl. Giesen S. 281; Morris S. 159. Anders aber Hemer S. 124f. 136 Vgl. dazu Bousset S. 338. 137 Lohse S. 71; Hadorn S. 130; Lohmeyer³ S. 99; Behm S. 67. 138 So z.B. Bauer-Aland Sp. 220; Kraft a.a.O.; Blass-Debrunner § 136,4; Giesen S. 281; Beale Com S. 640. 139 Ebenso Hadorn a.a.O. 140 Brighton S. 320; Hadorn S. 131. 141 Zur Grammatik vgl. Blass-Debrunner § 76,1. 142 Art. ἁρπάζω usw., ThWNT , I, 1933, S. 471. 143 Seebass, Art. לקח, ThWAT, IV, 1984, Sp. 593. 144 Seebass a.a.O. 145 Vgl. Bauer-Aland Sp. 218.
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Joh 3,13; 12,32; 20,17; Apg 1,6ff; 1Tim 3,16; Hebr 1,3; 4,14; 9,24).146 Nur der Islam antwortet anders: Jesus sei schon vor der Kreuzigung zu Gott entrückt worden. Mit seiner Himmelfahrt ist die Prophetie von Dan 7,13 erfüllt. Die Worte zu Gott und seinem Thron (πρὸς τὸν θεὸν καὶ πρὸς τὸν θρόνον αὐτοῦ [pros ton theon kai pros ton thronon autu]) haben ein großes Gewicht. Nicht nur, dass sie Dan 7,13 aufnehmen! Vielmehr machen sie auch klar, dass dieses „Kind“ weit enger zu Gott gehört als alle Engel um den Thron herum (Offb 4–5). Nur dieses „Kind“ gelangt auf den Thron Gottes selbst.147 Aus der ganzen Darstellung ergibt sich ferner, dass die Geburt und der bisherige Lebensbereich des Kindes auf der Erde zu suchen sind.148 Bousset war der Ansicht, in Offb 12,5 sei „das ganze Leben Jesu von seiner Geburt bis zur Himmelfahrt … bis auf Null reduziert“ worden.149 In dieser Erklärung mischen sich Wahres und Falsches. Wahr ist, dass in der Perspektive von Offb 12,5 nur der Anfang und das Ende des irdischen Lebens Jesu markiert werden, nämlich Geburt und Himmelfahrt. Falsch aber ist, dass daraus zu folgern sei, alles zwischen Geburt und Himmelfahrt Liegende zähle für Johannes nicht. Eine solche Annahme wäre ebenso falsch und fatal wie die Behauptung, für das Apostolische Glaubensbekenntnis zähle „das ganze Leben Jesu“ nicht, weil auf das „geboren“ sofort das „gelitten“ folgt! Zu welch äußerster Knappheit das NT in der Lage ist, zeigen beispielsweise auch 1Kor 15,3-5 oder 1Tim 3,16. Gerade die elementare Beschränkung in Offb 12,5 lässt die Botschaft des Verses umso klarer hervortreten: Der vom Teufel Verfolgte wird zum Thron Gottes erhoben. Der Sieg gehört dem dreieinigen Gott.150 Der letzte Vers (V. 6) des Abschnittes Offb 12,1-6 rückt die Geschichte der Frau in den Mittelpunkt. In dieser Geschichte springt sofort ein Doppeltes ins Auge: 1) Die Frau wird nicht zusammen mit dem Kind entrückt151, 2) sie wird aber bewahrt. Ihr Geschick ist genau so, wie es Jesus in Joh 17,15 erbeten hat! Und die Frau floh in die Wüste (καὶ ἡ γυνὴ ἔφυγεν εἰς τὴν ἔρημον [kai he gyne ephygen eis ten eremon]): Frau und „Kind“ trennen sich. Das entspricht 146 Barclay II S. 89; Bousset S. 338. Anders U.B. Müller S. 234: Nicht die Geschichte Christi wird beschrieben, sondern nur traditioneller Stoff. 147 Vgl. neben Dan 7,13 noch Hebr 1,5ff. 148 Bousset S. 338; Kraft S. 166; U.B. Müller S. 235; Giesen S. 280. Anders Lohmeyer 3 S. 100: „am sichtbaren Sternenhimmel“. 149 A.a.O. Bousset folgen u.a. Barclay a.a.O.; U.B. Müller S. 234; Charles I S. 299f. 150 Ähnlich wie wir Roloff S. 128; Schick S. 131; Mounce S. 238f; Giesen S. 283 („christologische Kurzfomel“). Ganz anders U.B. Müller S. 234: „Die Angaben von 12,4f stimmen … nicht mit dem Geschick des irdischen Jesus überein.“ 151 Vgl. Roloff S. 128.
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genau Joh 16,16ff. Aber diese Trennung wird nicht als Übel oder gar Katastrophe geschildert, sondern sozusagen als der „normale“ Vollzug des Heilsplanes Gottes. Wie die Fortsetzung zeigt, wird hier die Wüste sogar positiv gesehen. Das entspricht den Erfahrungen Israels aus der Geschichte: In der Wüste erlebte das Volk Israel seine Befreiung aus der Knechtschaft Ägyptens (Ex 3,1ff; 5,1), in der Wüste erlebte es die Treue und Fürsorge Gottes (Dtn 8,3ff; Ps 78,52). Propheten wurden in der Wüste wunderbar ernährt und gestärkt (1Kön 17,2ff; 19,4ff; Jona 4,5ff).152 In der Wüste erfolgte die Stiftung des Alten Bundes (Ex 19,1ff). Deshalb soll Israel auch in der Endzeit in der Wüste sein Heil finden (Jes 35,1ff; 40,3ff; 41,18; 43,19; 44,3; 51,3; Jer 31,2; Hos 2,16).153 Deshalb zog Johannes der Täufer in die Wüste (Mt 3,1ff). Deshalb zogen auch die Qumrangemeinschaft und falsche Messiasse dorthin (vgl. Mt 24,26; Apg 21,38). Heinz Giesen hat insofern recht: In Offb 12,6 ist die Wüste ein „Symbol … für die besondere Nähe Gottes“.154 Zu positiv darf man die „Wüste“ in Offb 12,6 allerdings auch nicht sehen. Sie bleibt wie bei Jesus ein Ort der Prüfung und der Anfechtung.155 Aber inmitten schwerer Prüfungen erfährt die Gemeinde auch die Treue und Fürsorge Gottes. Sie floh, sagt V. 6 (ἔφυγεν [ephygen]). Dass sie dem Drachen ent-fliehen konnte, gehört schon zu den Bewahrungswundern Gottes. Gott macht ihre Flucht ebenso möglich, wie er die Flucht Elias (1Kön 19,1ff) möglich gemacht hatte. Vielleicht hat Johannes auch konkrete geschichtliche Beispiele vor Augen, so die Flucht der Makkabäer in die Wüste (1Makk 2,29f) oder die Flucht Josefs und Marias nach Ägypten (Mt 2,13ff) oder die Flucht der frühchristlichen Gemeinde von Jerusalem nach Pella im Jahre 66 n.Chr. (Eusebius H.E. III,5,3).156 Aber keinesfalls darf man an einzelnen zeitgeschichtlichen Ereignissen hängen bleiben.157 Vielmehr ist die „Flucht in die Wüste“ die Grundstruktur der Gemeinde Jesu während ihrer ganzen Geschichte.158 Immer steht sie unter der Drohung des Drachen, immer bleibt sie verfolgt und ange-
152 Vgl. Lohse S. 71; Kraft S. 166. 153 Die jüdische Heilserwartung schließt sich dem an. Vgl. Giesen S. 236; G. Kittel, Art. ἔρημος, ThWNT, II, 1935, S. 655f; Lohse S. 71 sowie 1QS VIII, 13f; IX, S. 19f; Josephus B. J. II, S. 258ff; VII, S. 437ff; Strack-Billerbeck S. 812; Allo S. 181. 154 Giesen S. 284. 155 Roloff S. 128; Kiddle S. 230; Beale Com S. 645. 156 Vgl. Mounce S. 239; Barclay II S. 89. 157 So auch Mounce a.a.O.; Giesen S. 283; Lohse a.a.O.; Roloff a.a.O.; Hadorn S. 131; Morris S. 159f; Allo S. 181. 158 Vgl. Giesen a.a.O.
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fochten. Gerade so bringt sie aber auch die geistlichen Früchte, von denen Röm 5,3ff spricht (vgl. V. 13ff), auch als scheinbar „hilflose Frau“.159 Wo sie einen Ort hat, der von Gott vorbereitet ist (ὅπου ἔχει ἐκεῖ τόπον ἡτοιμασμένον ἀπὸ τοῦ θεοῦ [hopu echei ekei topon hetoimasmenon apo tu theu]): Nun fällt sozusagen das göttliche Licht auf die Situation der „Frau“ = der Gemeinde. Vorbereitet, ἡτοιμασμένον [hetoimasmenon], bedeutet: Gott hat in seiner Fürsorge und durch die Leitung seines Heiligen Geistes alle Maßnahmen getroffen, die den Ort der Frau, nämlich den Aufenthalt in der Wüste, zum Ort des Heils werden lassen.160 Hier kann seine Gemeinde von den „Pforten der Hölle“, ja vom Drachen = Teufel selbst, nicht ausgelöscht werden (vgl. Mt 16,18). In erstaunlicher Weise stimmen also Jesu Worte und die Botschaft der Offenbarung überein.161 Ja, diese Frau wird in der Wüste sogar ernährt: dass man sie dort tausendzweihundertsechzig Tage lang ernährt (ἵνα ἐκεῖ τρέφωσιν αὐτὴν ἡμέρας χιλίας διακοσίας ἑξήκοντα [hina ekei trephosin auten hemeras chilias diakosias hexekonta]). Wer sie ernährt, wird nicht gesagt162 – ob Engel wie bei Elia (1Kön 19,4ff)163, ob Menschen, die einen „Becher kalten Wassers“ (Mt 10,42) bringen, ob durch Wunder wie bei den „Raben“ Elias (1Kön 17,4ff) oder durch ganz alltägliche Vorgänge. All das ist nicht so wichtig. Entscheidend ist, dass sie auf Anordnung Gottes „ernährt“ wird.164 Doch sollte man, dem biblischen Sprachgebrauch entsprechend, bei „ernährt“ in erster Linie an die Versorgung mit dem Wort Gottes denken (vgl. Jer 15,16; Mt 4,4; Joh 4,34), im weiteren Sinn dann an die Gegenwart Jesu Christi (Joh 6,35ff). In diesem Sinne kann man die Wüste „a place of spiritual refuge“ nennen.165 Bengel sprach von der Wüste der Welt bzw. „Wüste der Völker“ und verstand unter dem Ort diejenigen Länder, die die christliche Botschaft aufnehmen.166 Die Flucht bezog er dann auf solche Länder, aus denen das Christentum durch „Saracenen und Türken“ vertrieben wurde.167 Philologisch bleibt eine solche Auslegung möglich. Es ist jedoch fraglich, ob man τόπος [topos] 159 Schick S. 132. 160 Vgl. W. Grundmann, Art. ἕτοιμος usw., ThWNT, II, 1935, S. 702ff. 161 H. Köster, Art. τόπος, ThWNT, VIII, 1969, S. 202 weist darauf hin, dass die Verbindung τόπος … ὅπου typisch johanneisch ist. Ähnlich Jörg Frey bei Hengel S. 356. 162 Vgl. Lohmeyer 3 S. 100. 163 So Kraft a.a.O. 164 Vgl. Mounce a.a.O.; Rowland S. 649; Hadorn a.a.O. 165 Mounce a.a.O. Giesen versteht „ernährt“ als „deutliche Anspielung“ auf das Manna, sogar auf die Eucharistie (S. 284). Allo wie Beda Venerabilis: Ernährung durch Wort und Sakrament. 166 Bengel S. 585ff. 167 S. 584.
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(„Ort“) in Offb 12,6 auf einen solchen geografischen Begriff verengen soll. Im Unterschied dazu betont Helmut Köster, es handle sich hier um einen „theologischen Ort“.168 Da in Offb 12,1ff die ganze Kirche Jesu Christi in der ganzen Welt im Blick ist, ziehen wir eine weitere Auslegung vor. Das heißt, die Wüste bedeutet die ganze Erde im Gegensatz zum Himmel, und der „Ort“ bedeutet jeden Platz auf dieser Erde, an dem Gott seine Gemeinde bewahrt und versorgt. Doch was ist mit den tausendzweihundertsechzig Tagen = 3½ Jahren? Sind es speziell die 3½ Jahre der antichristlichen Verfolgung (vgl. Offb 12,14; 13,5)?169 Oder muss man mit größeren Zeitabschnitten rechnen, wie es zum Beispiel Bengel tat, der auf 677 Jahre kam?170 Oder ist sogar „die gesamte Zeit der Kirche bis zur Parusie“ gemeint, wie Heinz Giesen171 schreibt? Unseres Erachtens ist die Verbindung mit den 1260 Tagen bzw. 42 Monaten bzw. 3½ Zeiten in 11,2; 11,3; 12,14; 13,5 so eng, dass sie nicht gelöst werden kann. Es geht also tatsächlich um Gottes Bewahrung, gerade in der Zeit der antichristlichen Verfolgung. Aber dies darf nun unseres Erachtens nicht exklusiv verstanden werden. Die Zeitangabe in Offb 12,6 scheint vielmehr eine Angabe pars pro toto zu sein. Der Sinn ist demnach: Sogar in den „tausendzweihundertsechzig Tagen“ des Antichrist erhält Gott die Kirche der glaubenden Christen, und zwar genau so, wie er sie vorher erhalten hat.172 Dass in Offb 12,6 nur „flüchtig von dem Schicksal des Weibes berichtet“ wird173, trifft also nicht zu.
IV Zusammenfassung 1. Die von höchster Symbolkraft erfüllte Sprache zeigt, dass wir mit Offb 12,1-6 in einen zentralen und entscheidenden Teil der Offenbarung eintreten. Dass die christliche Auslegung sich seit der Alten Kirche so intensiv mit Offb 12–13 beschäftigt hat, ist also begründet.174
168 169 170 171 172
A.a.O. S. 207. Bousset S. 338; Kraft a.a.O.; J.M. Hahn S. 341f. Bengel S. 591. Giesen S. 284. Dann kann man mit Mounce a.a.O. auch sagen, die Zeit der Ernährung sei gleich der Zeit der Verfolgung. Wie wir auch P. Müller S. 38; Allo a.a.O.; Beale Com S. 642. 173 So Lohmeyer 3 a.a.O. 174 Vgl. Omerzu S. 167: Offb 12 steht „im Zentrum der Offb des Johannes“. Ähnlich Behm S. 1.
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2. Alle Symbole und Begriffe von Offb 12,1-6 können vom AT her verstanden und erklärt werden175: die Frau, bekleidet mit der Sonne, die Krone, die Sterne, die Zwölfzahl, das Schwangersein, der große rote Drache, die sieben Häupter, die zehn Hörner, die sieben Diademe, die Kraft des Drachenschwanzes, das Fortschleppen des dritten Teils der Sterne, der Sohn, der Knabe, das Weiden mit einem eisernen Stabe, das Entrücken, die Flucht, die Wüste und die 1260 Tage. Nirgendwo ist ein Rückgriff auf heidnische Mythen notwendig.176 Die Erklärung auf der Basis des AT hat einen dreifachen Vorzug: a) Sie liegt näher als die Erklärung aufgrund heidnischer Mythen; b) sie entspricht besser einem judenchristlichen Verfasser; c) sie erfasst die Zusammenhänge viel einleuchtender. 3. Die religionsgeschichtliche Auslegung hat rund hundert Jahre lang die protestantische Exegese dominiert. Ihre Grundüberzeugung richtete sich nach der These von R.H. Charles, dass in Offb 12 „essentially a heathen myth“ vorliege.177 Und dies, obwohl Charles gleichzeitig feststellt: „The idea [kosmischer Konflikt in Offb 12] is Pauline“178, und auf viele enge Parallelen im AT verweist.179 4. Doch in den letzten Jahren hat die religionsgeschichtliche Auslegung viel von ihrer Faszinationskraft verloren. Ihre Parallelen waren teilweise so weit hergeholt, dass ein Ausleger einmal bemerkte, Johannes habe die „Bausteine mythischer Herkunft“ benutzt, ohne sich ihrer Herkunft „bewußt“ zu sein!180 Manchmal lässt man heute die Frage nach dem religionsgeschichtlichen Einfluss einfach offen.181 5. Was Johannes in Offb 12,1-6 berichtet, hat er als Seher wirklich geschaut. Vgl. das zweimalige ὤφθη [ophthe] („wurde sichtbar“) in V. 1 und V. 3.182
175 Richtig Beale Com S. 642 zu 12,6: „saturated with a rich diversity of OT, Jewish and early Christian background“. 176 Ganz anders Bousset: „… das Leben Jesu gibt doch zu diesen Phantasien nicht die Erklärung, und ebenso wenig finden sich zureichende alttestamentliche Parallelen“ (S. 338). Wie Bousset Lohse S. 71. 177 Charles I S. 310. 178 A.a.O. S. 298. 179 A.a.O. S. 317. 180 Behm S. 67. Vgl. Hadorn S. 132: nur „eine gewisse Verwandtschaft mit diesen Mythen … kein bestimmter Mythus als das unmittelbare Vorbild“. 181 So Schick S. 132. 182 Ganz anders Kraft S. 166: Inhalt ab 12,5 „ist nicht vom Seher geschaut, sondern ist Mythos“.
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6. Alttestamentliche Grundstellen, die sich in dieser Schau erfüllen, sind Gen 3,15 und Jes 7,14. Für das Gesicht vom Drachen liegt eine wichtige Anknüpfung bei Dan 7 vor. Hinzu kommt die tragende Rolle von Ps 2,9. 7. Bis zur ersten Hälfte von Offb 12,4 ereignet sich das Geschehen im Himmel, dann ab der zweiten Hälfte dieses Verses auf der Erde. Das Geschehen setzt mit der Geschichte Israels im AT ein (12,1), kommt von da aus zur Geburt und Geschichte Jesu (12,2-5) und schließlich zur künftigen Geschichte der christlichen Gemeinde (12,6). Es geht hier nicht um Gedankenbilder, sondern um eine reale Geschichte, allerdings im Lichte Gottes gedeutet. Die allermeisten Ausleger sind sich darin einig, dass hier die Geburt des Messias Jesus im Mittelpunkt steht.183 8. Das Thema ist aber nicht, wie z.B. Charles184 meinte, „a struggle between God and Satan“ („ein Kampf zwischen Gott und Satan“). Denn Gott und Satan stehen nicht auf gleicher Höhe (vgl. 12,7ff). Vielmehr ist das Thema „Die Feindschaft des Drachen gegen die Gemeinde“.185 Dabei versinnbildlicht der Drache nicht einfach das Römische Reich186, sondern ist der Diabolos, der alle Weltreiche als sein Eigentum reklamiert und sich alle weltlichen Mächte – nicht nur Rom! – dienstbar macht (vgl. Mt 4,8f; Eph 6,20ff). 9. Zielpunkt in Offb 12,1-6 ist eindeutig die Bewahrung der Gemeinde durch Gottes wunderbare Hilfe. Darauf können sich die Glaubenden aller Zeiten verlassen. Das gilt sogar für diejenige Gemeinde, die die antichristliche Verfolgung erleben muss. Darin steckt ein unerschütterlicher Trost für alle Leser der Offenbarung. 10. Weil der Symbolgehalt des in Offb 12,1-6 Geschauten so dicht ist, bleibt für die geistliche Deutung ein großer Spielraum. Allerdings hat die Auslegungsgeschichte der Johannesoffenbarung auch manche Grenzen der Deutung sichtbar gemacht. Eine solche Grenze wird offenbar überschritten, wenn Beda Venerabilis (gest. 735 n.Chr.) sagt: „… ecclesia semper … Christum parit.“187 Denn nicht die Kirche „gebiert“ Christus, sondern die alttestamentliche Gemeinde, nämlich Israel. Und es geht in Offb 12,1ff gerade nicht um einen ständig wiederholten („semper“) Vorgang, sondern um das einmalige heilsgeschichtliche Geschehen der Geburt des Messias. Diese Einmaligkeit des historischen Vorgangs droht auch dort verloren zu gehen, wo Johannes
183 184 185 186 187
Dies betont auch Charles I S. 299. Anders z.B. Zahn S. 442f. Charles I S. 318. Richtig die Überschrift von Allo S. 174: „Vision de la femme et du dragon“. Gegen Hemer S. 12; Giesen S. 281; Kraft a.a.O. Zitiert bei Hadorn S. 130.
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als „an allegorist as Bunyan“ betrachtet188 und alles nur „symbolisch“ bzw. spiritualisierend verstanden wird. Eine Grenze wird auch dort überschritten, wo man im Anschluss an Offb 12,6 nach einem irdischen „Bergungsort“ sucht, an dem die Gemeinde vor dem Antichrist geschützt ist. Als ein solcher „Bergungsort“ wurde z.B. Palästina angesehen189, wohin tatsächlich Auswanderungen erfolgten.190 11. Es bleibt schließlich die christologische Bedeutung von Offb 12,1-6 zu unterstreichen. In diesem Gesicht begegnen uns Grunddaten der Geschichte Jesu Christi: seine Herkunft aus Israel (vgl. Joh 4,22; Röm 1,3), die ständige Bedrohtheit seines Lebens (vgl. 1Petr 2,21ff; Hebr 4,15), die Erfüllung von Jes 7,14, sein Zur-Welt-Kommen ohne menschlichen Vater, d.h. seine jungfräuliche Geburt (vgl. Gal 4,4; Hebr 7,3; Lk 1–2), seine Himmelfahrt und seine zukünftige Weltherrschaft.
6.2 Der Kampf im Himmel, 12,7-12 I Übersetzung 7 Und es kam zu einem Krieg im Himmel: Michael und seine Engel kämpften mit191 dem Drachen. Und auch der Drache kämpfte und seine Engel, 8 aber sie konnten nicht standhalten, und ihre Stätte wurde nicht mehr gefunden im Himmel. 9 Und der große Drache, die alte Schlange, der Teufel genannt wird und der Satan, der den ganzen Erdkreis verführt, wurde geworfen, ja geworfen auf die Erde, und seine Engel wurden mit ihm geworfen. 10 Und ich hörte eine laute Stimme im Himmel sagen: Jetzt ist das Heil und die Kraft und die Herrschaft unseres Gottes gekommen und auch die volle Macht seines Messias, denn der Verkläger unserer Brüder, der sie Tag und Nacht vor unserem Gott verklagte, wurde verworfen. 11 Und sie haben ihn besiegt durch das Blut des Lammes und durch das Wort ihres Zeugnisses. Und sie haben ihr Leben nicht geliebt bis zum Tod. 12 Darum freut euch, ihr Himmel und die darin wohnen! Wehe der Erde und dem Meer! Denn der Teufel ist zu euch hinabgestiegen mit großem Zorn, weil er weiß, dass er nur wenig Zeit hat.
188 189 190 191
So Kiddle S. 229. Dagegen mit Recht Mounce a.a.O. So z.B. J.M. Hahn S. 342; Johann Jakob Friederich (vgl. Maier Offb S. 442f). Vgl. wieder Maier Offb a.a.O. Oder „gegen“, vgl. Blass-Debrunner § 193,6.
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II Struktur Der Einschnitt zwischen 12,6 und 12,7 ist unübersehbar. Die erste Hälfte von 12,1-6 wurde noch ganz durch das doppelte ὤφθη [ophthe], also die prophetische Schau, bestimmt. Dagegen wechselt in 12,7-12 das prophetische Erleben zum Hören, vgl. das ἤκουσα [ekusa] in V. 10. Mehr als die Hälfte des Abschnitts 12,7-12 wird durch den himmlischen Hymnus der Verse 10-12 gefüllt. Die Frau von 12,1ff ist in 12,7ff in den Hintergrund getreten. Stattdessen dominiert jetzt das Motiv des Kampfes zwischen den Engelheeren, an deren Spitze Michael und der Drache stehen. Erst mit V. 13 tritt die Frau wieder vor unsere Augen. Gewechselt hat auch der Schauplatz des Geschehens. In V. 4b-6 war es die Erde gewesen. Jetzt befinden wir uns im Himmel, „in heaven itself“, wie Mounce betont192, und nicht nur „in the sky“. Die Eigenart unseres Abschnitts wird auch dadurch bestimmt, dass hier der einzige Ort der Offenbarung ist, wo Johannes einen Engel mit Namen nennt.193 Wir werden der Bedeutung dieses Umstands im Kommentar nachzugehen haben. Zur Bedeutung unseres Abschnitts trägt ferner bei, dass hier der Gegenspieler der Frau und der Gemeinde mehrfach identifiziert wird. Offb 12,9 beinhaltet wenigstens ansatzweise so etwas wie eine Satanologie. In Offb 20,2 werden wir Ähnliches erleben. Die Abgrenzung zu V. 13ff wird doppelt markiert: durch das Ende des Hymnus und durch den erneuten Themenwechsel zur Frau von V. 1.
III Einzelexegese Trotz der Bedeutsamkeit der Vorgänge behält Johannes seinen knappen Stil bei: Und es kam zu einem Krieg im Himmel (Καὶ ἐγένετο πόλεμος ἐν τῷ οὐρανῷ [Kai egeneto polemos en to urano]), V. 7. Die Satzkonstruktion ist hier so ungewöhnlich, dass Bousset „eine völlig irreguläre Konstruktion“ annahm.194 Düsterdieck schlug wegen dieser Schwierigkeiten vor, die Worte πόλεμος ἐν τῷ οὐρανῷ [polemos en to urano] (Krieg im Himmel) zu streichen. Er konnte für seine Konjektur freilich nicht eine einzige Handschrift anführen, sie war also ein reiner Verzweiflungsschritt.195 Ganz ungewöhnlich ist übrigens die Satzkonstruktion in V. 1 nicht, wenn man mit Blass-Debrunner 192 193 194 195
Mounce S. 240. Hadorn S. 133. Schon unterstrichen von Bengel S. 805. Bousset (1896) S. 397. Sie hätte deshalb auch nicht in den Textapparat von Nestle-Aland gehört.
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zweierlei in Rechnung stellt: a) die Neigung des Verfassers, „den Nom. statt anderer Kasus zu gebrauchen“. So kommt es zur Fortsetzung ὁ Μιχαὴλ [ho Michael] nach οὐρανῷ [urano]. b) Die auch in der LXX vorkommende Konstruktion mit τοῦ [tu] vertritt den hebräischen Inf. cstr. mit [ ְלle]. Sie drückt „die Bereitschaft oder Verpflichtung zu einer Handlung“ aus. So kommt es zu der Fortsetzung τοῦ πολεμῆσαι [tu polemesai] usw.196 Wir sollten also in V. 1 bei dem jetzt von Nestle-Aland abgedruckten Text bleiben. Wieso es gerade jetzt zu einem Krieg im Himmel kam, wird nicht näher erläutert. Wir können nur aus dem Zusammenhang schließen, dass der Drache durch die Geburt und Entrückung des Messias (12,4-6) aufs Äußerste erregt war und auch aufs Äußerste gehen wollte, um den Fortgang des Heils zu verhindern. Sonst hätte er sich unmöglich auf einen Krieg im Himmel eingelassen. Begonnen hat er diesen Krieg freilich nicht. ἐγένετο [egeneto] sollte man nicht mit „entbrannte“197 übersetzen, sondern bei der Wortbedeutung „es geschah“, „es entstand“, „es kam zu“ (= hebr. ַוי ְִהי [wajehi]) bleiben.198 So viel Widerstand, dass ein Kampf „entbrannte“, war dem Drachen gar nicht möglich. Dass im Himmel ein Krieg sein soll, ist für uns befremdlich. Himmel und Krieg passen in der postmodernen Romantik nicht zusammen. Bousset wollte 2Makk 5,2f und Josephus B. J. VI, 296ff zur Erklärung heranziehen.199 Aber dort ist nur von Erscheinungen „am Himmel“ (sky) und nicht von einem Krieg „im Himmel“ (heaven) die Rede. Auch Ass Mo 10,1ff taugt hier nicht, weil hier nur die Geisterwelt angerufen wird. Viel näher liegen biblische Stellen wie Sach 3,2; Dan 10,13.20f; 12,1; Jud 9, die zeigen, dass die Engelwelt in die Kämpfe des Gottesvolkes hineingezogen ist.200 Schlatter wollte Jes 27,1 als Erklärungsbasis heranziehen.201 Aber in Jes 27,1 ist es Jahwe selbst, der zum Schwert greift, sodass diese Stelle nur eine sehr entfernte Parallele darstellt. Die genannten biblischen Stellen spiegeln sich übrigens auch in der Qumranliteratur, sodass wir dort ebenfalls Parallelen zu Offb 12,7 finden (vgl. 1QM IX, 15; XVII, 5ff).202 Alle Parallelen dürfen jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Vorgang in Offb 12,7 einzigartig ist. Denn hier wird der Himmel, der Ort des Heiligen, entweiht und gespalten durch den Kampf 196 Blass-Debrunner §§ 400,10; 136,1. 197 So freilich Lutherübersetzung; Einheitsübersetzung; Neue Jerusalemer Bibel. Anders z.B. Benedikt-Bibel; Revidierte Elberfelder Bibel. 198 So auch Hartenstein; Schlatter; Zahn z. St. 199 Bousset (1896) S. 398. 200 Vgl. U.B. Müller S. 236. 201 Schlatter BFchTh S. 67f. 202 Vgl. U.B. Müller a.a.O.; Roloff S. 129.
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der Engelheere. Man versteht von da aus, warum „selbst die Himmel nicht rein sind vor“ Gott (Hiob 15,15; vgl. 4,18; 25,5). Im Folgenden nennt V. 7 die Gegner: Michael und seine Engel (ὁ Μιχαὴλ καὶ οἱ ἄγγελοι αὐτοῦ [ho Michael kai hoi anggeloi autu]) und der Drache und seine Engel (ὁ δράκων καὶ οἱ ἄγγελοι αὐτοῦ [ho drakon kai hoi anggeloi autu]). Michael, hebr. [ ִמיָכֵאלmichael], ist niemand anders als der aus dem AT und dem frühen Judentum, aber auch dem NT wohlbekannte Engelfürst (vgl. Dan 10,13.21; 12,1; Jud 9; ä Hen 9,1; 10,11; 20,5; 24,6; 40,9; 68,2; 69,14ff; 1QM XVII, 6ff).203 Zwar gibt es auch den menschlichen Personennamen Michael (Num 13,13 u. ö.), aber hier kann kein Zweifel sein, dass der Engel Michael gemeint ist. „Michael“ heißt: „Wer ist wie Gott?“ Seine Persönlichkeit tritt also ganz hinter seinem Zeugnis zurück. Im Danielbuch wird er „Fürst“ (שׂר ַ [sar]) genannt, in Jud 9 „Erzengel“ (ἀρχάγγελος [archanggelos]). Außer Michael findet sich im AT nur noch „Gabriel“ als Engelname (Dan 8,16; 9,21), ebenso im NT (Lk 1,19.26), hinzu kommt in den Apokryphen „Rafael“ (Tobit 3,25; 12,15). Vermutlich hat Hadorn recht mit seiner Annahme, dass Johannes nur deshalb in Offb 12,7 ausnahmsweise einen Engelnamen nennt, „weil dieser Name in der Schrift bezeugt ist“.204 Sonst befleißigt sich Johannes den Engeln gegenüber äußerster Zurückhaltung. Ein Engelkult wird in der Offenbarung ebenso schroff abgelehnt wie im übrigen NT (vgl. Offb 22,8f; Röm 8,38; 1Kor 6,3; Gal 1,8; Kol 2,18). Neben Michael stellt Johannes seine Engel. Das erstaunt. Denn es können ja nur Gottes Engel sein. Sein drückt also kein Besitzverhältnis aus, sondern nur die Zugehörigkeit: Es sind die zu Michael gehörenden, an seiner Seite kämpfenden Engel. Ein Name fällt hier nicht mehr. Allerdings ist klar, dass Michael dieses Heer der guten Engel Gottes anführt. Spätestens jetzt ergibt sich eine weitere wichtige Beziehung: „Michael und seine Engel“ treten wie in Dan 10,13; 10,20f; 12,1 für das Volk Gottes = die Gemeinde ein. Deshalb heißt Jahwe auch „Jahwe Zebaoth“ = „Jahwe der Heerscharen“. Wir wenden uns der Gegenseite zu. Hier stehen der Drache und seine Engel. Der Drache (δράκων [drakon]) erhält keinen Namen. In V. 9 aber wird er identifiziert. Seine Engel bedeutet: Es gibt ein Engelheer, das von Gott abgefallen ist und jetzt seinem Anführer, dem Drachen, anhängt. Auch Jesus spricht in Mt 25,41 vom „Teufel und seinen Engeln“.205 Vgl. zum Abfall einer 203 Vgl. Schlatter BFchTh S. 22. 204 Hadorn S. 133; Schlatter S. 241. 205 Vgl. Mounce S. 241.
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unbekannten Zahl von Engeln Gen 6,1ff; Hiob 1,6ff; 2,1ff; 4,18; 15,15; 25,5; Jes 14,12ff; Sach 3,1ff; 1Kor 6,3; 2Kor 12,7; 2Petr 2,4; Jud 1,6ff. Es zieht sich ein tiefer Riss durch die unsichtbare Welt. Kein Zweifel: Michael und sein Heer beginnen diesen Krieg im Himmel.206 Denn dort, wo wir übersetzten: kämpften mit dem Drachen, ist der Sinn zugleich: „Sie mussten mit dem Drachen kämpfen“207. Letzten Endes geht es also um einen Krieg auf Anordnung und im Auftrag Gottes. Sein Ziel ist eine erste Reinigung des Himmels, darüber hinaus aber auch die Verweisung des Drachen in seine Grenzen. Wenn Bousset schreibt, in Offb 12,7 begegne uns die „Vorstellung, dass der Drache hier mit Gewalt den Himmel zu stürmen sucht“208, dann stellt er die Verhältnisse auf den Kopf. Das wird in der Fortsetzung noch deutlicher. Noch einmal sei das Erstaunliche unterstrichen: Der Drache nimmt den Kampf an: Und auch der Drache kämpfte und seine Engel. Welche Vermessenheit! Allerdings hatte schon in Offb 11,7 „das Tier aus dem Abgrund“ mit der christlichen Gemeinde in Gestalt der zwei Zeugen gekämpft und sie besiegt. Und auch in Jud 9 wagt sich der Drache = Teufel in einen Streit mit Michael. Sehr vorsichtig kann man vermuten, dass der Drache seine Sache noch nicht verloren gibt, solange er es mit „untergeordneten“ Wesen zu tun hat: mit der Gemeinde, mit anderen Engeln, mit dem Mensch gewordenen und „niedrigen“ Gottessohn (vgl. Joh 14,30). Aber gerade dadurch fällt Licht auf einen elementaren Umstand: Nicht Christus, nicht „der Erhöhte selbst tritt hier … in Aktion“209, geschweige denn Gott der Vater. Sondern nur ein Engel, wie es der Drache selbst ja ist: nur Michael. Das genügt.210 Der knappen Art des Johannes entspricht es, auch das Resultat des Krieges so knapp wie möglich zu formulieren: aber sie (= der Drache und seine Engel) konnten nicht standhalten, und ihre Stätte wurde nicht mehr gefunden im Himmel (V. 8). In den Handschriften gibt es zwei ernsthafte Möglichkeiten beim dritten Wort des Verses: ἴσχυσεν [ischysen] oder ἴσχυσαν [ischysan]. Die beiden sonst 206 Auch Hadorn a.a.O.; Bengel S. 605. 207 Vgl. Blass-Debrunner § 400,10 und Bengels Übersetzung S. 603: „hatten zu streiten“; Caird S. 152: „were to wage war“; ebenso Aune S. 650, 654: „had to fight“. 208 Bousset (1896) S. 398. Ähnlich Mounce S. 240; Conzelmann-Lindemann S. 318; Schlatter S. 240f; Omerzu S. 172, 22. 209 Roloff S. 129. 210 Hadorn a.a.O.: Gott war für diesen Kampf „zu erhaben“; Schlatter a.a.O.; Mounce S. 241.
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verlässlichsten Textzeugen, A und C211, sind hier gespalten. Da nach dem vorausgehenden ἐπολέμησεν [epolemesen] eine Änderung in ἴσχυσεν [ischysen] leichter denkbar ist, wird wohl ἴσχυσαν [ischysan] (= sie konnten standhalten) als lectio difficilior vorzuziehen sein.212 Das griechische οὐδέ [ude] bedeutet „auch nicht“, „nicht einmal“.213 ἰσχύω [ischyo] geht auf hebr./aram. [ יכלjachal] zurück.214 [ יכלjachal] hat wie ἰσχύω [ischyo] die Bedeutungen „können; vermögen; gelingen; überlegen sein; siegen; fassen; ertragen; aushalten (können)“. In Offb 12,8 liegt die gesamte Bandbreite vor. Vom Kontext her empfiehlt sich nicht standhalten können.215 Uns scheint, dass Offb 12,8 in bewusstem Gegensatz zu Dan 7,21 formuliert ist, wo es heißt: „Und dieses Horn führte Krieg mit den Heiligen und besiegte sie“ ([ ְוי ְָכָלה ְלהוֹןwejochlah lehon]).216 Das „Horn“ = der Antichrist siegt also (vgl. Offb 13,7). Der Drache aber mit seinem Engelheer siegt nicht! In „sie konnten nicht standhalten“ steckt vielleicht mehr als die trockene Notiz über eine Niederlage. Nicht einmal ein Teilsieg, nicht einmal ein echter Kampf ist dem Drachen möglich. Er hat schlichtweg nichts aufzubieten gegen einen Michael, der durch Gottes Gerechtigkeit den Kampf führt (vgl. Eph 6,11ff; 2Thess 2,8; Offb 19,15).217 Überhaupt darf man sich bei diesen himmlischen Kämpfen nicht an irdischen Schlachtenbildern und materialistischen Vorstellungen orientieren. Der folgende Satz und ihre Stätte wurde nicht mehr gefunden im Himmel (οὐδὲ τόπος εὑρέθη αὐτῶν ἔτι ἐν τῷ οὐρανῷ [ude topos heurethe auton eti en to urano]) hat viele Diskussionen ausgelöst. Er markiert zunächst den Gipfel der Niederlage: Der Drache und sein Heer verlieren nicht nur den Kampf, sondern auch die Heimstätte. Im Gegensatz zur Frau, die nach V. 6 „einen Ort (τόπον) hat, der von Gott vorbereitet ist“, haben sie jetzt „im Himmel“ keinen Ort (τόπος), keine Stätte mehr. In Helmut Kösters Worten: „Nur wer seinen Platz hat, kann wirklich bestehen.“218 Hier kündigt sich das Ende des Drachen und damit das Ende alles Bösen an. Hatten demnach der Drache und seine Engel vorher einen „Ort“, genauer: Aufenthaltsberechtigung und Wohnort im Himmel? Gerade da setzt die Dis211 212 213 214 215 216 217
Vgl. Aland Text S. 250f. Ebenso Aune S. 650, 654; anders aber Nestle-Aland; Bousset S. 341. Blass-Debrunner a.a.O. Vgl. hier und im Folgenden A. Soggin, Art. כל ֹ ָ י, ThWAT, III, 1982, Sp. 682ff. Ebenso Schick S. 135. Vgl. Soggin a.a.O. Sp. 629. Dieser Gedanke hat J.M. Hahn stark bewegt (S. 346). Vgl. Bengel S. 603. Auch deshalb ist Boussets Übersetzung: „Er gewann nicht den Sieg“ (1896, S. 399) zu schwach. 218 H. Köster, Art. τόπος, ThWNT, VIII, 1969, S. 207. Vgl. auch Dan 2,35; Offb 20,11.
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kussion an. Man kann die gestellte Frage aber nur bejahen, trotz aller Rätsel, die sie mit sich bringt.219 Schon im AT ist klar erkennbar, dass der Teufel = Satan und Drache zusammen mit den anderen Engeln „im Himmel“ weilt (Hiob 1,6ff; 2,1ff; Sach 3,1ff, andeutungsweise auch Jes 14,12ff). Jesus vertritt dieselbe Sicht (Lk 10,18). Dann aber ist der Schluss unausweichlich, dass der „Drache“ ehemals ein guter Engel Gottes war, wie die anderen Engel von Gott geschaffen, vermutlich sogar ein hochgestellter Engel, der aber von Gott abfiel, weil er selbst wie Gott sein wollte (vgl. Jes 14,14; Gen 3,5). Als solcher genoss er aus Gottes unergründlicher Liebe noch lange ein Zutritts- und Aufenthaltsrecht im Himmel.220 Wenn ihm verschiedene Forscher aber einen Wohnort „im untersten Himmel“ zugewiesen haben221, so ist das reine Spekulation. V. 9 sagt wieder in ganz kurzen Worten, wie es mit dem Drachen weiterging: Und der große Drache … wurde geworfen, ja geworfen auf die Erde. Zweimal steht hier das Verbum finitum ἐβλήθη [eblethe]222, dazu ἐβλήθησαν [eblethesan] im Blick auf „seine Engel“. Wenn der Drache auf die Erde geworfen wurde, bedeutet dies, dass er aus dem Himmel ausgewiesen wurde.223 „βάλλειν wird … im NT besonders im Zusammenhang des Gerichtsgedankens … gebraucht“, wie F. Hauck bemerkt.224 Ein Gericht vollzieht sich also. Wir stehen hier vor dem berühmten „Drachensturz“ oder „Satanssturz“.225 Die nächste Parallele ist Lk 10,18.226 Dort sagt Jesus: „Ich sah den Satan vom Himmel fallen wie einen Blitz“ (ἐθεώρουν τὸν σατανᾶν ὡς ἀστραπὴν ἐκ τοῦ οὐρανοῦ πεσόντα [etheorun ton satanan hos astrapen ek tu uranu pesonta]). Wann geschah das, was Jesus in Lk 10,18 und Johannes in Offb 12,9 prophetisch schauten? Diese Frage lässt sich durch Joh 12,31 beantworten, die nächste wichtige Parallele. Dort sagt Jesus: „Jetzt ergeht das Gericht über diese Welt; nun wird der Fürst dieser Welt ausgestoßen werden“ (νῦν κρίσις ἐστὶν τοῦ κόσμου τούτου, νῦν ὁ ἄρχων τοῦ κόσμου τούτου ἐκβληθήσεται ἔξω [nyn krisis estin tu kosmu tutu, nyn ho archon tu kosmu tutu 219 So auch Hadorn S. 133; Bousset (1896) S. 399; U.B. Müller S. 237; H. Traub im Art. οὐρανός usw., ThWNT, V, 1954, S. 533; O. Bauernfeind, Art. πόλεμος usw., ThWNT, VI, 1959, S. 513; Bengel S. 606. 220 Vgl. auch Behm S. 68; Barclay II S. 93; anders Wikenhauser S. 97. 221 So Bousset (1896) a.a.O.; U.B. Müller a.a.O. 222 Wohl absichtlich und nicht eine „ungeschickte Wiederaufnahme“ (Bousset S. 341). 223 Hadorn a.a.O. 224 Art. βάλλω usw., ThWNT, I, 1933, S. 525. 225 Vgl. Traub a.a.O.; Bauernfeind a.a.O.; Charles I S. 320. 226 Gegen Schlatter BFchTh S. 67f ist Dan 8,10 keine echte Parallele, weil dort ein ganz anderer Vorgang gemeint ist. Vgl. neben Charles a.a.O. auch Jörg Frey bei Hengel S. 387,1; Traub a.a.O.; Wilckens I, 4 S. 270.
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ekblethesetai exo]). Der Drache = Teufel wird also „ausgestoßen“ aus dem Himmel zum Zeitpunkt des Kreuzestodes Jesu, durch den Sieg Jesu am Kreuz, den Johannes seine „Erhöhung“ nennt (Joh 12,32).227 Erst durch Jesu Kreuzestod erhält Michael im Himmel die Vollmacht zum Hinaus-Werfen Satans. Erst so wird Gottes Recht durchgesetzt. Bei dieser Gelegenheit ist mit Jörg Frey festzuhalten, dass „Offb 12 … in Joh 12,31 … strukturparallel aufgenommen“ ist.228 Wieder begegnet uns die engste Verwandtschaft zwischen Offenbarung und Johannesevangelium. Dieser Drachensturz markiert einen der tiefsten Einschnitte in der Weltgeschichte. Denn bis dahin konnte der Drache = Teufel seine Position mit „groß Macht und viel List“229 im Himmel vertreten. Ab jetzt ist ihm seine Behausung im Himmel, die er seit seiner Erschaffung innehatte, entzogen. Die Folgen schildert gleich anschließend der Hymnus in V. 10ff. Man darf allerdings diesen Drachensturz nicht verwechseln mit dem endgültigen Sieg Gottes am Ende der Zeiten.230 Er ist ein wichtiger Schritt auf dem Wege zu diesem Ziel, aber noch nicht das Heil. Das ergibt sich allein schon durch die Tatsache, dass sich der Drachensturz vor ca. 2000 Jahren unserer Zeitrechnung ereignete, aber das Wüten des Drachen auf Erden durch diese ganze Zeit hindurch weiterging. V. 9 bringt nun weiterhin eine fünffache Identifikation: 1) Es handelt sich um den „großen Drachen“ mit den sieben Häuptern und zehn Hörnern von V. 3. Näheres siehe in der Erklärung zu diesem Vers. 2) Es handelt sich zugleich um die „alte Schlange“ (ὁ ὄφις ὁ ἀρχαῖος [ho ophis ho archaios]). So heißt er auch in Offb 20,2. In V. 13 und 14 ist ebenfalls von der „Schlange“ die Rede. Nach G. Delling ist ὁ ὄφις ὁ ἀρχαῖος [ho ophis ho archaios] „übernommen aus dem (an Gen 3 entstandenen) rabbinischen Sprachgebrauch.“231 Jedenfalls ist der Bezug auf die „Schlange“ von Gen 3,1ff sicher.232 Die „alte Schlange“ ist also die seit Urzeiten auftretende Schlange, die uns schon im Paradies begegnet.233 3) Gleichzeitig wird er „Teufel genannt“ (ὁ καλούμενος Διάβολος [ho kalumenos Diabolos]). Das deutsche Wort „Teufel“ kommt von diesem griechischen „Diabolos“. Johannes formuliert so, als ob „Teufel“ ein 227 Anders Behm S. 69: „am Ende der Tage“. Wie wir Kraft S. 168. 228 A.a.O. S. 387. Vgl. Hengel selbst S. 169 und W. Foerster, Art. διαβάλλω usw., ThWNT, II, 1935, S. 79. 229 EG 362,1. 230 U.B. Müller S. 236f; Bauernfeind a.a.O.: „Auftakt“. 231 Art. ἄρχω usw., ThWNT, I, 1933, S. 485 mit Nachweisen. Ebenso W. Foerster, Art. ὄφις, ThWNT, V, 1954, S. 580. 232 So auch Foerster a.a.O.; Kraft S. 167. 233 Vgl. bei Paulus 2Kor 11,3.
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Zuname wäre („genannt“).234 Vermutlich empfand er den Begriff „Diabolos“ = „Teufel“, der erst von der griechischen Bibelübersetzung geschaffen wurde235, noch immer als etwas Fremdsprachliches.236 „Diabolos“ geht zurück auf διαβάλλω [diaballo], das folgende Bedeutungen hat: „auseinanderbringen; abbringen; anklagen, verleumden; täuschen“.237 Deshalb bedeutet „Diabolos“: „Auseinanderbringer“, „Ankläger“ (vgl. V. 10), „Widersacher“, „Verführer“.238 4) Außerdem ist er „der Satan“ (ὁ Σατανᾶς [ho Satanas]). Hier stoßen wir auf einen biblisch-hebräischen Begriff. Das hebräische שָׂטן ָ [satan] bedeutet „Widersacher“, „Gegner“ und wird öfters auf Menschen angewandt, in Num 22,22.32 sogar auf den Engel Gottes, der zum „Widersacher“ Bileams wird. „Der Satan“ schlechthin ist aber ein bestimmter Engel, der im Himmel auftritt und als Ankläger oder Verführer die Menschen Gottes quälen und zu Fall bringen will (1Chron 21,1; Hiob 1,6ff; 2,1ff; Sach 3,1ff).239 Auch er wird mit dem großen Drachen identifiziert. Das NT hat die Aussagen des AT über den Satan sinngemäß aufgenommen (vgl. Mt 16,23; Lk 10,18; 22,31f). 5) Schließlich ist der große Drache derjenige, „der den ganzen Erdkreis verführt“ (ὁ πλανῶν τὴν οἰκουμένην ὅλην [ho planon ten oikumenen holen]). Das Verführerische klang schon beim Namen „Satan“ an. Jetzt aber tritt es in den Vordergrund. Da im Griechischen hier kein Name mehr steht, wie es von 1) bis 4) der Fall war, sondern ein Partizip (πλανῶν [planon]), könnte sich die Bemerkung der … verführt grammatikalisch auch auf alle vier zuvor genannten Identifikationsfiguren beziehen. Wir betrachten es jedoch als fünfte, selbstständige Identifikation.240 Die Auslegung bleibt dieselbe. πλανάω [planao] heißt „irreführen“, d.h. auf den falschen Weg führen, oder „täuschen“.241 ἡ οἰκουμένη ὅλη [he oikumene hole] (der ganze Erdkreis) bedeutet „die ganze bewohnte Erde“.242 Es darf nicht auf die Heiden eingegrenzt werden243, denn der große Drache versucht auch, die Christusgläubigen zu verführen (vgl. Mt 24,24; 1Petr 5,8). „Verführen“ muss als die Absicht verstanden werden, die Menschen in seinen eigenen Irrweg hineinzuziehen und zur Anbetung 234 235 236 237 238 239 240 241 242 243
Vgl. Blass-Debrunner § 412,5. W. Foerster im Art. διαβάλλω usw., ThWNT, II, 1935, S. 71. Bengel S. 608. Foerster a.a.O. S. 69f. Vgl. Foerster a.a.O. S. 71. Vgl. K. Nielsen, Art. טן ָ שׂ ָ , ThWAT, VII, 1993, Sp. 745ff; W. Foerster, Art. σατανᾶς, ThWNT, VII, 1964, S. 151ff. Anders Aune S. 698; Bousset a.a.O.; Lohse S. 73. Wie wir Schlatter S. 242; Behm S. 69; Kraft S. 167; Wikenhauser S. 96. Vgl. H. Braun, Art. πλανάω usw., ThWNT, V, 1954, S. 230ff. Vgl. O. Michel, Art. οἶκος usw., ThWNT, V, 1954, S. 159ff. Gegen Braun a.a.O. S. 248f. Wie wir P. Müller S. 39; Bengel S. 608; Kraft a.a.O.
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des Drachen statt zur Anbetung des dreieinigen Gottes zu bewegen (vgl. Mt 4,9; Offb 13,4ff). Betrachtet man Offb 12,9, dann wird die Deutung des großen Drachen auf Rom ganz unmöglich.244 Schon menschlich weiß Johannes als gebürtiger Jude, dass das Reich der Römer nicht der ganze Erdkreis ist: Er kennt Nachrichten genug über die Länder jenseits der römischen Grenzen mit ihrer machtvollen Kultur, über Äthiopien, Arabien, Persien, Indien, über Skythen, Germanen, Afrikaner. Wenn er vom „ganzen Erdkreis“ spricht, hat er wie Lukas in Apg 2,5ff und wie die Völkertafel in Gen 10 die ganze Völkerwelt vor Augen. Erst recht ist der „Satan“, der „Teufel“ und Versucher eine universale antigöttliche Macht. Eine Einengung auf das vergängliche Römerreich wird der Wucht und Größe der Aussage von Offb 12 nicht gerecht. Schon der alttestamentliche Sprachgebrauch lässt dies nicht zu.245 Und seine Engel wurden mit ihm geworfen: Das dreimalige geworfen hat den Charakter des Endgültigen. Wer dem Teufel anhängt, teilt sein Schicksal. Der folgende Hymnus der V. 10-12 besingt die Folgen des Satanssturzes: Und ich hörte eine laute Stimme im Himmel sagen (V. 10). Schon öfters begegnete uns die laute Stimme als eine Stimme mit Autorität (vgl. Offb 1,10; 5,2.12 usw.). Sie bringt in Offb 12,10-12 das zum Ausdruck, was Gottes Engel bewegt.246 Ab V. 10 dominiert das Hören bei Johannes, ab V. 13 wieder das „Sehen“. Ein Jubelruf erschallt: Jetzt (ἄρτι [arti]) ist das Heil (σωτηρία [soteria]) und die Kraft (δύναμις [dynamis]) und die Herrschaft (βασιλεία [basileia]) unseres Gottes gekommen. Ein unumstößliches Jetzt! ἄρτι [arti] ist „nahezu synonym mit νῦν“.247 Es bedeutet „in diesem Augenblick“248, „in dieser heilsgeschichtlichen Stunde“. Speziell zu Offb 12,10 bemerkt Gustav Stählin, es gehe hier um die „Vorwegnahme der letzten Dinge“249. Es ist also ein entscheidender Schritt zur Vollendung getan. Doch noch sind wir nicht ganz am Ziel!
244 Gegen Hemer S. 12. 245 Vgl. Schlatter BFchTh S. 69. 246 Es handelt sich also nicht um eine „Einzelstimme“ im strengen Sinne, sondern um eine Stimme, die den gesamten Chor der Engel repräsentiert. Vgl. Aune S. 699: „the sound of a large group“; ähnlich Morris S. 161; U.B. Müller S. 237. Anders Schick S. 236: „Sologesang“ eines der „Ältesten“. 247 G. Stählin, Art. νῦν (ἄρτι), ThWNT, IV, 1942, S. 1100. 248 Stählin a.a.O. S. 1106; Kraft S. 168. 249 Stählin a.a.O. S. 1112f.
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Nebenbei sei notiert, dass der Sprachgebrauch von νῦν [nyn] und ἄρτι [arti] wieder die engste Verwandtschaft von Johannesevangelium und Offenbarung zeigt.250 Vom Heil unseres Gottes ist auch in Offb 7,10; 19,1 die Rede. Heil, σωτηρία [soteria], geht auf die hebräische Wortgruppe [ ישׁעjascha] zurück251 und bedeutet „Hilfe“ und „Rettung“. „Heil unseres Gottes“ meint mehr, als „daß Gott die σωτηρία zukommt und daß sie sein geworden ist“.252 In Offb 12,10 ist vielmehr gemeint, dass Gott das Heil, das nur er schenken und durchsetzen kann253, für die ihm anvertrauten Menschen erreicht hat. Hier ist in der Tat der Endzustand schon vorweggenommen. ἐγένετο [egeneto] muss hier als „entstand“, „kam zustande“, „ist gekommen“ verstanden werden.254 Mit Recht wird der „Klang des Sieges“ an dieser Stelle notiert.255 Hinzu kommt die Kraft unseres Gottes. Auch dazu gibt es Parallelen in Offb 4,11; 7,12; 11,17; 19,1. δύναμις [dynamis] bedeutet Gottes endzeitliche Kraft als „Geschichtskraft, die die Welt und Geschichte zu ihrem Ziele bringt“.256 Durch den Sturz Satans ist ein Haupthindernis für ihre volle Entfaltung aus dem Weg geräumt. Mit Recht können wir jetzt mit dem Vaterunser bekennen: „Denn dein ist das Reich und die Kraft.“ Hinzu kommt als Drittes die Herrschaft unseres Gottes. βασιλεία [basileia] geht zurück auf hebr. [ ַמְמָלָכהmamlachah] oder [ ַמלכוּתmalchut], die beide sowohl die Königswürde als auch das Reich eines Königs bezeichnen.257 Das AT betont, dass letzten Endes Gott der König schlechthin ist (vgl. Ps 93–99; Jes 33,22). Seine Herrschaft wird gepriesen (1Chron 29,11; Dan 2,44; 3,33; 4,31; 7,27; Ob 21). Sie wird am Ende der Zeiten erwartet.258 Bei den jüdiָּ ַמְלכוּת ַה schen Rabbinen zur Zeit Jesu und des Johannes ist viel von der שַׁמי ִם [malchut haschschamajim] = der „Königsherrschaft der Himmel“ die Rede, wobei „die Himmel“ als Umschreibung für „Gott“ dienen.259 Es verwundert, 250 251 252 253 254 255 256 257 258 259
Stählin a.a.O. S. 1113. J.F. Sawyer, Art. ישׁע, ThWAT, III, 1982, Sp. 1043f. Bousset S. 341: „Hebraismus“. Gegen W. Foerster in Art. σῴζω usw., ThWNT, VII, 1964, S. 999. Vielleicht ist hier Gottes σωτηρία [soteria] auch bewusst betont gegen die „Heils“-Ansprüche des römischen Kaisertums (Hemer S. 87). Vgl. Bauer-Aland Sp. 316f; Neue Jerusalemer Bibel: „Jetzt ist er da“; ebenso Einheitsübersetzung; Revidierte Elberfelder Bibel; Benedikt-Bibel; Kraft S. 168; Lohse S. 74; Wikenhauser S. 95. So Foerster a.a.O.; Neue Jerusalemer Bibel. Caird S. 152f übersetzt σωτηρία [soteria] sogar mit „Sieg“ (victory). W. Grundmann, Art. δύναμαι usw., ThWNT, II, 1935, S. 308. Vgl. K. Seybold im Art. לך ֶ ֶמusw., ThWAT, IV, 1984, Sp. 940ff. Vgl. Seybold a.a.O. Sp. 955f. Vgl. K.G. Kuhn im Art. βασιλεύς usw., ThWNT, I, 1933, S. 570ff.
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dass Johannes nicht wie Matthäus oder die Rabbinen βασιλεία τῶν οὐρανῶν [basileia ton uranon] = „Königsherrschaft der Himmel“ formuliert, sondern wie Markus und Lukas βασιλεία τοῦ θεοῦ [basileia tu theu] = „Königsherrschaft Gottes“. Aber das tut er auch im Evangelium (Joh 3,3.5)! Wieder zeigt sich, dass Johannesevangelium und Offenbarung sprachlich eng zusammengehören. Wenn jetzt … die Herrschaft unseres Gottes gekommen ist, dann besingt der Hymnus erneut den Wegfall der satanischen Gegenwirkung im Bereich des Himmels (vgl. 11,15). Auffallenderweise wird der Dreitakt „Heil“ – „Kraft“ – „Herrschaft“ unseres Gottes durch eine vierte Komponente ergänzt: und auch die volle Macht (ἐξουσία [exusia]) seines Messias (τοῦ χριστοῦ αὐτοῦ [tu christu autu]) (ist jetzt gekommen). Wir haben das griechische Wort ἐξουσία [exusia] hier als volle Macht wiedergegeben – nicht als „Vollmacht“ –, um dem Sinn etwas näherzukommen. ἐξουσία [exusia], hebr. שָׁלה ָ [ ֶמְמmemschalah] oder der Wortstamm [ שׁלטschalat], umfasst „Recht“, „Macht“ und „Vollmacht“.260 Die Rabbinen sprechen hier meistens von [ ְרשׁוּתreschut].261 Dem erhöhten Jesus ist nach Mt 28,18 „alle ἐξουσία im Himmel und auf Erden gegeben“. Das heißt, er hat die „Macht“, sie zu regieren, und es ist sein „Recht“, dies zu tun, weil ihm der Vater dazu die Vollmacht gab. Nimmt man Offb 12,7ff ernst, dann erwarb er diese volle, rechtmäßige Macht durch seinen gehorsamen Kreuzestod. Sein Kreuzestod erlaubte Michael und seinen Engeln die Austreibung Satans aus dem Himmel (s. oben). Das Jetzt in Offb 12,10 meint also tatsächlich das „Jetzt“ des Kreuzestodes und Satanssturzes (vgl. Joh 12,31).262 Die Bahn wird frei für das Wirken und Herrschen Jesu, das nichts anderes ist als eine Form der Herrschaft Gottes des Vaters. Das geht auch aus Offb 11,15 hervor.263 Alttestamentlich ist dies in Dan 7,14.27 angekündigt (vgl. Joh 3,35). Der Hymnus nennt nun ausdrücklich den speziellen Grund für die Veränderung in der Heils- und Weltgeschichte264, denn der Verkläger unserer Brüder, der sie Tag und Nacht vor unserem Gott verklagte, wurde verworfen (ἐβλήθη [eblethe]). Der Verkläger ist der Teufel, der Drache. Der „Verkläger“ oder „Ankläger“ heißt hier κατήγωρ [kategor] – das einzige Mal, dass dieser Begriff im NT vorkommt. Bousset erblickte darin eine „Heb260 261 262 263 264
Vgl. W. Foerster, Art. ἔξεστιν usw., ThWNT, II, 1935, S. 557ff. Foerster a.a.O. S. 562. Ebenso Caird S. 152; Jörg Frey bei Hengel S. 387, 366. Vgl. Foerster a.a.O. S. 565. Vgl. Kraft S. 167: „Durch den Sturz des Drachen wird die Weltgeschichte Endgeschichte.“
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raisierung“ des griechischen Wortes κατήγορος [kategoros], doch BauerAland und Blass-Debrunner ziehen eine Ableitung „vom Gen.Pl. auf -όρων“ vor.265 Bleibt auch die Herleitung unsicher, so ist doch der Wortsinn eindeutig. Gemeint ist jedenfalls die anklagende Tätigkeit des Diabolos und Satan, wie sie in Hiob 1,6ff; 2,1ff; Sach 3,1ff erkennbar wird. Sie traf unsere Brüder, wie die Engel sagen. Wer ist das? Wer die „Schar der Vollendeten“ den Hymnus anstimmen lässt266, muss die „Brüder“ selbstverständlich auf die noch lebenden Christen beziehen. Autoren wie Kraft und Wikenhauser oder schon Bengel grenzen die „Brüder“ noch enger ein auf die christlichen Märtyrer.267 Aber auch, wenn man die Engel als diejenigen betrachtet, die den Hymnus singen, können die „Brüder“ sehr wohl Menschen sein.268 Das ergibt sich ohne Weiteres aus der Beobachtung, dass der Satan in Hiob 1,6ff; 2,1ff; Sach 3,1ff; Lk 22,31 nur Menschen anklagt. Es ergibt sich aber auch aus Offb 22,9. Eine Eingrenzung auf die Märtyrer ist angesichts der soeben genannten biblischen Stellen und im Blick auf den universalen Duktus des ganzen Kapitels nicht ratsam. Wir gehen also davon aus, dass mit den „Brüdern“ in der Tat allgemein die Christen gemeint sind.269 Auf der positiven Seite ist zu vermerken, dass die christlichen Gläubigen im gekreuzigten und auferstandenen Jesus Christus den besten Fürsprecher besitzen (Röm 8,34; 1Joh 2,1f; Hebr 7,25).270 Der sie Tag und Nacht vor unserem Gott verklagte: Das griechische ὁ κατηγορῶν [ho kategoron] wird von einigen Auslegern mit dem Präsens übersetzt („der sie verklagt“).271 Aber nach dem Satanssturz kann sein Verklagen – wie Aune richtig argumentiert272 – ja gar nicht mehr im früheren Sinne weitergehen. Unser Gott erscheint jetzt das zweite Mal in unserem Vers: ein Ausdruck der tiefen, liebevollen Beziehung der Engel zu „ihrem“ Gott. Erstmals sagt die Bibel hier, dass Satan Tag und Nacht als Verkläger tätig war. Bengel kommentiert dies so: „Grosser Haß und Kühnheit des Klägers! Unbegreiffliche Langmut Gottes! Preiswürdige Gerechtigkeit und Weisheit! daß er dem 265 Blass-Debrunner § 52,3; Bauer-Aland Sp. 861. Ebenso Aune S. 701. Anders Hadorn S. 143. Lohmeyer 3: „vulgär griechische Form“ (S. 103). 266 So z.B. Lohse a.a.O., Vitringa S. 544; U.B. Müller a.a.O.; Giesen S. 288; Barclay II S. 94 („Loblied der Märtyrer“). 267 Kraft S. 169; Wikenhauser S. 97; Bengel S. 611; auch Aune a.a.O.; Lohmeyer 3 S. 103; Behm S. 69; Hadorn S. 134. 268 So mit Recht Bousset S. 342; Zahn S. 442. Anders Bengel S. 610. 269 So auch J.M. Hahn S. 350; P. Müller S. 39; Morris S. 161; Mounce S. 243; U.B. Müller S. 237; Roloff S. 130; Giesen S. 289; Schick S. 136. 270 Vgl. Hengel S. 169; Jörg Frey bei Hengel S. 386f. 271 So z.B. Schlatter S. 242; Zahn S. 436; Benedikt-Bibel; BigS. 272 Aune S. 655.
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Kläger so lange zusiehet, und erst alsdenn, wenn das Recht wider jenen ausgemacht ist, die Macht ergreift.“273 Vor unserem Gott weist wie Hiob 1,6ff; 2,1ff; Sach 3,1ff darauf hin, dass Satan seine Anklagen im Himmel vorbrachte. Er wurde verworfen (ἐβλήθη [eblethe]) bezieht sich deutlich zurück auf das dreimalige ἐβλήθη [eblethe] (ἐβλήθησαν [eblethesan]) in V. 9. Der Sieg Gottes tritt in den Vordergrund, denn das Passivum divinum führt den Sturz Satans letztlich auf Gottes Handeln zurück. Die universalen Folgen des Satanssturzes werden uns bewusst gemacht. Bisher war vom Sieg Christi am Kreuz und dem davon abgeleiteten Sieg Michaels die Rede. Überraschend wird in V. 11 noch ein dritter Sieger genannt. Das sind die Gläubigen auf Erden. Das „emphatische“274 αὐτοί [autoi] kann sich ja auf niemand anderen beziehen. Aber ist ein solcher Sieg der Gläubigen auf Erden nicht „befremdlich“275, nachdem zuvor Michael im Himmel siegte, ja der entscheidende Sieg durch Jesus Christus selbst am Kreuz errungen wurde? Vgl. das „Es ist vollbracht“ in Joh 19,30. Bei der Antwort auf die gestellte Frage ist zunächst auf die Überwinderaussagen der Sendschreiben hinzuweisen276, die mehrfach von einem „Siegen“ bzw. „Überwinden“ der Gläubigen sprechen (2,7.11.17.26; 3,5.12.21). Sodann hat Roloff wohl recht mit der Bemerkung, dass der Sieg der Gläubigen im Unterschied zum einmaligen Sieg Christi und auch Michaels „sich in ihrer … Existenz immer wieder aufs Neue verwirklicht“.277 Es handelt sich also genau genommen um die Fortsetzung des Sieges Christi im Leben der Gläubigen.278 Das wird gleich noch deutlicher werden. Schließlich beobachten wir, dass sich das Wort νικᾶν [nikan] („siegen“, „überwinden“) vor allem im johanneischen Schrifttum findet. Es gehört also zu den typischen Merkmalen der Sprache des Johannes.279 Wie kommt es zum Sieg der Gläubigen über den Satan (ihn, αὐτον [auton])? Erstens durch das Blut des Lammes (διὰ τὸ αἷμα τοῦ ἀρνίου [dia to haima tu arniu]). διά [dia] gibt den Grund an.280 Aufgrund des von Jesus als dem Lamm vergossenen Blutes kann der Satan die Gläubigen nicht mehr verklagen und nicht mehr unterwerfen. Hier zeigt sich ganz klar, dass der Sieg 273 274 275 276 277 278 279 280
Bengel S. 612. So Mounce S. 243,27; Morris S. 162; schon Bengel S. 612. So U.B. Müller S. 238; ähnlich Caird S. 156. So auch U.B. Müller a.a.O. Roloff a.a.O., ähnlich Giesen S. 289. Lohmeyer 3 a.a.O.: „Folgen des Sieges“ Christi. Ähnlich Schick S. 137. Vgl. Jörg Frey bei Hengel S. 390. Blass-Debrunner § 222, 2.3; Lohmeyer 3 S. 103; Mounce S. 243, 38: nicht instrumental.
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der Gläubigen nur die Fortsetzung des Sieges Jesu Christi ins Einzelleben hinein ist. Mit den Worten von Otto Bauernfeind: Der Sieg der Gläubigen ist „sachlich nichts anderes … als das νικᾶν des Christus“281. Gegen Kraft braucht man nicht an den sakramentalen Empfang des Blutes zu denken282, sondern eher an die grundsätzliche Reinheit, die die Glaubenden durch den Opfertod Jesu und sein Wort empfangen haben (vgl. Joh 13,10; 15,3; 1Joh 1,7ff; 1Kor 1,30 sowie Offb 7,14).283 Der Sieg der Gläubigen über den Satan kommt zweitens durch das Wort ihres Zeugnisses zustande. Hier sind zwei Auslegungsmöglichkeiten denkbar: a) gemeint ist das Zeugnis (μαρτυρία [martyria]), das die Gläubigen über Jesus Christus ablegen; oder b) es ist das „Zeugnis“ gemeint, das sie von Gott empfangen haben (vgl. 2,8ff; 3,7ff). – Wie in Offb 1,2.9 liegt die Annahme a) näher.284 Durch das „Zeugnis“, das sie vor der Welt und trotz der Drohungen Satans ablegten (das Wort ihres Zeugnisses), dokumentierten sie Geist und Kraft Christi und wurden deshalb Sieger. Man vgl. Joh 1,7.19; Offb 6,9; 19,10; Tit 1,13. Drittens haben sie ihr Leben nicht geliebt bis zum Tod. Offensichtlich nimmt hier der Hymnus ein Jesuswort auf, das sich sowohl bei den Synoptikern (Mt 16,25; Mk 8,35; Lk 17,33) als auch im Johannesevangelium (12,25) findet. Dieses Jesuswort zielt darauf ab, dass seine Nachfolger lieber den Tod erleiden als ihre Nachfolge aufgeben. Sind also in Offb 12,11 die Märtyrer gemeint?285 Antwort: Sicher sind die Märtyrer das anschaulichste Beispiel für solche, die ihr Leben nicht geliebt haben bis zum Tod. Dennoch darf der Vers nicht auf die Märtyrer eingeschränkt werden. Vielmehr geht es um alle Glaubenden, die in der Bereitschaft von Mt 16,25 parr; Joh 12,25 ihr Leben führen, und die ja – vor allem in Verfolgungszeiten – alle mit dem Martyrium rechnen müssen.286 Besser spricht man hier nicht vom „bis zum Tode getreue(n) Zeugenmut“287, sondern von Jesu Treue und Kraft in den dazu bereiten Gläubigen.
281 O. Bauernfeind, Art. νικάω usw., ThWNT, IV, 1942, S. 944 zu Offb 12,11. Vgl. Bousset S. 342; Wikenhauser S. 97. 282 Kraft S. 169. 283 Vgl. Wikenhauser a.a.O.; Bengel S. 613; Lohse S. 74. 284 Vgl. Lohse a.a.O., Hadorn a.a.O., Roloff S. 131. Anders Bousset a.a.O., der λόγος [logos] als „Offenbarungswort“ auffasst; Lohmeyer 3 a.a.O.; Behm S. 70. Vgl. auch H. Strathmann, Art. μάρτυς usw., ThWNT, IV, 1942, S. 505f; Wikenhauser a.a.O.; Mounce S. 243; Morris S. 162; Giesen a.a.O. 285 So Kraft a.a.O.; Morris a.a.O.; Aune S. 702f. 286 So mit Recht Roloff a.a.O.; Giesen S. 289f; Barclay II S. 95. 287 So aber Bousset S. 343.
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Der himmlische Jubel mündet in die Aufforderung: Darum freut euch, ihr Himmel und die darin wohnen! (V. 12). Wie Lohmeyer u.a. notieren, ist diese Aufforderung „bewußt alttestamentlich gehalten“.288 εὐφραίνεσθε οὐρανοί [euphrainesthe uranoi] findet sich wörtlich in Jes 49,13 und ganz ähnlich in Jes 44,23; Ps 96,11 (LXX 95,11); Dtn 32,43. Dass die Schöpfung und die Himmel ins Lob Gottes einstimmen, bringt das AT mehrfach zum Ausdruck (vgl. Ps 98; 148; 150). Die Jesajastellen 49,13 und 44,23 haben es speziell mit der endzeitlichen Erlösung zu tun. Diese endzeitliche Erlösung hat nun begonnen, und das ist es, was in Offb 12,12 zum Ausdruck kommt. „Die Himmel“ = שַׁמי ִם ָּ [ ַהhaschschamajim] gehört ganz zur Sprache des AT und ist hier auf die geschaffene Himmelswelt und nicht etwa auf Gott zu beziehen.289 Und die darin wohnen sind die Engel.290 Ein Bezug auf die „vollendeten Christen“ bzw. „Seligen“291 kommt deshalb nicht infrage, weil bis jetzt ja nicht einmal die verstorbenen Märtyrer schlichtweg „im Himmel“ wohnen, sondern in einem besonderen Warteraum „unten am Altar“ (6,9).292 Auffallenderweise schließt sich an den Jubelruf in V. 12 noch ein Weheruf an: Wehe der Erde und dem Meer! Bengel ist darin Recht zu geben, dass es sich hier nach 9,12 und 11,14 um das dritte Wehe handelt, das in 8,13 angekündigt wurde.293 Das dritte ist das schlimmste Wehe. Dargestellt wird es in Offb 12,13–13,18. Man sieht daraus, dass Schicks Überschrift über 12,1–14,5, „Das Kernstück der apokalyptischen Prophetie“294, mindestens teilweise berechtigt ist. Erde und Meer bezeichnen die gesamte Fläche der Erde, zusammengesetzt aus Kontinenten und Ozeanen (vgl. Offb 10,2.5.8).295 Das „Meer“ bedeutet hier also nicht das Völkermeer.296 Stattdessen ist zu beachten, dass das erste und zweite Tier von Offb 13 aus dem „Meer“ und der „Erde“ heraufsteigen (13,1.11)297 – auch wenn „Meer“ in Offb 13,1 eine andere Bedeutung hat.
288 289 290 291 292 293 294 295 296 297
Lohmeyer 3 S. 104; Giesen S. 290; Mounce S. 244; Kraft S. 169. Vgl. Blass-Debrunner § 141,4. Mounce a.a.O.; Bousset S. 343; U.B. Müller a.a.O.; Roloff a.a.O.; Lohse a.a.O. So Lohmeyer 3 a.a.O.: Vollendete; Wikenhauser a.a.O.: „Engel und Selige“; Bengel S. 615: „Heilige“. So mit Recht Lohse S. 74. Bengel S. 616f. Ebenso Charles I S. 314; Hadorn a.a.O. Vgl. Lohmeyer 3 a.a.O.; Lohse a.a.O.; Kraft a.a.O.; Bousset S. 297. Anders Mounce S. 244. Schick S. 127. Roloff S. 131. Hadorn a.a.O. Giesen S. 290.
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Der Wehe-Ruf erinnert an das prophetische Wehe im AT (Jes 1,4.24; Ez 24,9; Hos 7,13; 9,12; Am 5,18).298 Er gilt allen Erdenbewohnern, Christen und Nichtchristen. Für die Christen bedeutet er verschärfte Verführung und Verfolgung (vgl. Mt 24,21ff), für die Nichtchristen das kommende Gericht.299 Begründet wird der Weheruf mit dem Hinabkommen des Teufels auf die Erde, nachdem er seinen Platz im Himmel verloren hat. Er heißt hier in V. 12 nur noch der Teufel (ὁ διάβολος [ho diabolos]). Die anderen Benennungen von V. 9 sind dabei inbegriffen. Denn der Teufel ist zu euch hinabgestiegen: vgl. V. 9. Euch sind die Menschen auf der Erde. κατέβη [katebe], er ist hinabgestiegen, ist nicht dasselbe wie „geworfen“ (ἐβλήθη) in V. 9. Man kann auch nicht sagen, „hinabgeworfen“ sei nach „semitische(r) Redeweise“ dasselbe wie „hinabgestiegen“.300 Vielmehr drückt das „hinabgestiegen“ den Entschluss und die Verantwortlichkeit des Teufels aus, der sich jetzt nach seinem Hinauswurf aus dem Himmel auf die Erde konzentrieren will.301 Er kommt mit großem Zorn, weil er weiß, dass er nur wenig Zeit hat: Diese wenige Zeit (ὀλίγον καιρόν [oligon kairon]) besteht im Wesentlichen aus den 3½ Jahren von Offb 12,14; 13,5. Eine völlige Identifizierung mit den 3½ Jahren oder Zeiten von Offb 12,14; 13,5 sollte man ebenso wie Johannes in Offb 12,12 vermeiden302, weil auch die Ereignisse von 12,13; 19,17ff; 20,1ff Zeit brauchen. Aber sicherlich ist seine Begrenzung auf kurze Zeit der Grund für den gesteigerten Zorn des Teufels.303 Für die Leser der Offenbarung jedoch ist dieser Schluss des Hymnus mit dem er hat nur wenig Zeit (ὀλίγον καιρὸν ἔχει [oligon kairon echei]) eine frohe Botschaft! Zeit, griech. καιρός [kairos], heißt ja von Gott gesetzte Frist, von Gott bestimmte Zeit.304 Nur so lange, als es Gottes Plan und Weltregierung zulässt, darf der Teufel wüten!305
298 299 300 301 302 303
Giesen a.a.O.; U.B. Müller a.a.O. U.B. Müller a.a.O.; Roloff a.a.O. Gegen Lohse a.a.O.; Aune scheint S. 651 wie Lohse zu denken; ähnlich Swete S. 157. Vgl. Lohmeyer 3 a.a.O.; Kraft a.a.O.; Lohse a.a.O.; Bengel S. 617f. Gegen Giesen a.a.O.; Swete S. 157. Vgl. Bengel S. 619. Mounce a.a.O. θυμός [thymos] steht nur Offb 12,12 für den Zorn des Teufels, sonst nur für den Zorn Gottes (vgl. F. Büchsel, Art. θυμός usw., ThWNT, III, 1938, S. 168). 304 Vgl. G. Delling, Art. καιρός usw., ThWNT, III, 1938, S. 463. 305 Vgl. Schick S. 137.
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IV Zusammenfassung 1. Offb 12,7-12 gehört zu den „Kernstücken“ der Offenbarung.306 Der hier berichtete „Satanssturz“ oder „Drachensturz“307 bedeutet eine tiefe Zäsur in der Heils- und Weltgeschichte. Der Satanssturz hat drei hauptsächliche Konsequenzen: a) der Teufel und seine Engel bleiben fortan vom Himmel ausgeschlossen, b) der Teufel kann die Gläubigen wegen ihrer Sünden nicht mehr anklagen, c) er muss sich jetzt auf die Erde konzentrieren. 2. Was in Offb 12,7-12 steht, hat Johannes tatsächlich gesehen und gehört. Es kann keine Rede davon sein, dass hier „zwei Mythen aus der Urzeit … zusammengezogen seien“.308 Auch Parallelen zur Austreibung Ischtars als Morgenstern, wie sie hinter Jes 14,12 und Offb 12,9 angenommen werden309, bleiben in Äußerlichkeiten stecken. Für die Erklärung von Offb 12,7-12 genügen vollkommen das Alte Testament und die Jesusüberlieferung. 3. Damit stimmt überein, dass Offb 12,7-12 einen auffallend hebräischen und alttestamentlichen Sprachcharakter aufweist. 4. Damit stimmt auch überein, dass die Aussage vom Sieg der Gläubigen über den Teufel nicht nur in anderen johanneischen Schriften vertreten wird (vgl. 1Joh 2,13.14; 4,4; 5,4.5), sondern auch sonst im NT (z.B. 1Kor 15,57; 1Petr 5,9; Jak 4,7). 5. Insgesamt bestätigt sich auch in unserem Abschnitt, dass das Johannesevangelium bzw. die anderen johanneischen Schriften und die Offenbarung eng zusammengehören.310 6. Offb 12,7-12 bringt unter anderem wichtige Einsichten zur Realität des Bösen und zur Person des Bösen schlechthin, des Teufels. Es ist beinahe eine Satanologie in nuce. Offb 12,9 identifiziert für den Geltungsbereich der Heiligen Schrift die Schlange von Gen 3 mit dem Teufel, dem Satan und dem großen Drachen und zieht damit eine Gesamtlinie durch die Schrift.311 Offb 12,9 bekräftigt ferner Jesu Aussage vom Satanssturz in Lk 10,18 und lässt uns erkennen, dass dieser Satanssturz im historischen Augenblick des Kreuzestodes Jesu eintrat. Im Schriftvergleich ergibt sich außerdem, dass der Teufel bzw. Satan ein von Gott geschaffener guter Engel war312, der von Gott abfiel
306 307 308 309 310 311
Vgl. Schick S. 127; Behm S. 1. Zur Titulatur vgl. Giesen S. 286. So Kraft S. 167. So Mounce S. 241. Jörg Frey bei Hengel S. 387, 366 hat hier recht. Interessanterweise lässt Offb 12,9 – wie Giesen S. 288 mit Recht beobachtet – alle nichtbiblischen Bezeichnungen Satans aus, z.B. Mastema, Beliar oder Belial. 312 Vgl. Barclay II S. 93.
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und durch diese Rebellion gegen Gott zum „Mörder und Lügner“ wurde (Joh 8,44). So hat mit Recht schon Irenäus im 2. Jh. n.Chr. gedeutet.313 7. In Offb 12,7-12 setzt sich der hymnologische Charakter der Offenbarung fort. Den Hymnus in Offb 12,10-12 als „Akklamation“ zu bezeichnen314, führt zu Missverständnissen. Denn es geht weder um eine Akklamation bei einer Art Thronbesteigung Christi oder gar Gottes noch um irgendeinen Akt der Anerkennung. Sondern es geht um den Jubel der Beschenkten und Staunenden, die aus tiefer geistlicher Betrübnis und Not befreit sind (vgl. Röm 8,22; Offb 6,9ff) – einen echten Befreiungsjubel. 8. Einer Reihe von Deutungsversuchen konnten wir nicht folgen. Dazu gehörte die Reduzierung von Offb 12,7ff auf einen Rechtsstreit, die z.B. G.B. Caird vornimmt.315 So wichtig die rechtliche Seite des Sieges Jesu am Kreuz und die Herstellung des göttlichen Rechts auch ist316, so wichtig ist doch andererseits die Lösung der Machtfrage. Nicht folgen konnten wir der Tendenz, den teuflischen Gegner von Offb 12,7ff wenigstens teilweise auf Rom bzw. das Römische Reich zu deuten.317 Denn Offb 12,7ff geht weit über solche zeitgeschichtlichen Bezüge hinaus und schildert das, was die Zeitgeschichte übergreift und die ganze Schöpfung betrifft. Ebenso führen Bengels chronologische Berechnungen, die das dritte Wehe auf die Zeit von 947 bis 1836 n.Chr. ansetzten318, in die Irre. Einen Fehlweg sehen wir auch in der Deutung, die z.B. Luther, Vitringa und Bengel auf Vorgänge der Welt- und Kirchengeschichte vornahmen: etwa das damalige Papsttum (Luther), die Zeit von Diokletian, Konstantin und Maxentius (Vitringa) oder die Zeit des Swatopluk, Vratislaw, Wenzeslaw und Boleslaw (Bengel).319 9. Schließlich ist festzuhalten, dass Offb 12,10-12 nicht nur proleptischen (vorwegnehmenden) Charakter hat. Vielmehr ereignet sich der Sieg der Gläubigen aufgrund des Kreuzestodes und des Satanssturzes „schon jetzt und fortlaufend“.320 Der Aorist ἐνίκησαν [enikesan] („sie haben gesiegt“) ist nur gewählt, um das Endresultat der ganzen Geschichte zum Ausdruck zu bringen.321 313 314 315 316 317 318 319 320 321
Adv. haer. IV, 40,3; 41,1f. So Omerzu S. 173. Caird S. 155: „a legal battle between opposing counsel“. Ein Gesichtspunkt, den auch die pietistische Auslegung betont. Vgl. P. Müller S. 39; J.M. Hahn S. 349ff. Gegen Aune S. 695; Hemer S. 12; Torrey S. 58. Bengel S. 627. Vgl. Luther Vorreden S. 184f; Vitringa S. 539ff; Bengel S. 613ff. Richtig Giesen S. 289. Als komplexiver oder gnomischer Aorist, vgl. Blass-Debrunner §§ 332 und 333.
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6.3 Die Verfolgung der Frau durch den Drachen, 12,13-18 I Übersetzung 13 Und als der Drache sah, dass er auf die Erde geworfen war, verfolgte er die Frau, die das männliche Kind geboren hatte. 14 Und der Frau wurden die zwei Flügel des großen Adlers gegeben, damit sie in die Wüste an ihren Ort fliegen konnte, wo sie eine Zeit und Zeiten und eine halbe Zeit ernährt wird fern von der Schlange. 15 Und die Schlange spie Wasser wie einen Strom aus ihrem Rachen hinter der Frau her, um sie mit seinem Strom fortzuspülen. 16 Aber die Erde half der Frau und die Erde öffnete ihren Mund und verschlang den Strom, den der Drache aus seinem Rachen gespien hatte. 17 Und der Drache geriet in Zorn über die Frau und ging hin, um mit den übrigen ihrer Nachkommen Krieg zu führen, mit denen, die Gottes Gebote halten und am Zeugnis für Jesus festhalten. 18 Und er trat an den Strand des Meeres.
II Struktur Mit V. 13 wechselt erneut der Schauplatz der Ereignisse, diesmal vom Himmel zur Erde. Ins Zentrum rücken jetzt die Frau und der Drache. Dabei wechselt die Bezeichnung des Gegners zwischen „Schlange“ und „Drache“, ohne dass damit eine sachliche Verschiebung stattfände. Die Abgrenzung des Abschnitts vom vorausgehenden Abschnitt 12,7-12 bereitet keine Schwierigkeiten. Sie lässt sich deutlich machen a) am Subjektwechsel (von den Engeln in V. 10-12 zum Drachen); b) am Stilwechsel. Im Unterschied zum Hymnusstil in V. 10-12 herrscht jetzt ein prosaischer Berichtsstil vor.322 Schwieriger ist die Abgrenzung gegenüber dem folgenden Abschnitt. Gehört V. 18 noch zu 12,13ff oder schon zu 13,1ff? Normalerweise entscheiden sich die Kommentare für die Zugehörigkeit zu 13,1ff.323 Doch gibt es gegen eine solche Abtrennung Bedenken: a) 12,18 behält als Subjekt den Drachen, während in 13,1f zuerst der Seher, dann das Tier das Subjekt ist; b) in 13,1 markiert das καὶ εἶδον [kai eidon] offensichtlich einen Neuansatz, der eingeebnet wird, wenn man den neuen Abschnitt schon mit 12,18 beginnen lässt; c) die Passiv-Formen von ἐβλήθη [eblethe] (V. 13) bis ἐστάθη [estathe] (V. 18) 322 Swete S. 157: „The narrative … is now resumed.“ 323 Sogar Bengel S. 656.
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schaffen einen inneren Zusammenhang der V. 13 bis 18, den man nicht auflösen sollte. Deshalb ziehen wir es vor, Offb 12,18 noch zu 12,13ff zu ziehen.324 Im Übrigen fungiert schon der ganze Abschnitt 12,13-18 als Überleitung zu Offb 13. Noch immer befinden wir uns im Bereich der siebten Posaune (11,15) und ihrer Folgen. Doch woher hat Johannes das in V. 13-18 Berichtete? Im Unterschied zu 12,7ff und 13,1ff fehlt hier ein „Ich sah“ oder „Ich hörte“. Am ehesten wird man annehmen, dass Johannes das Geschehen von 12,13ff „sah“ (vgl. 1,11.19).
III Einzelexegese Und als der Drache sah, dass er auf die Erde geworfen war … (V. 13): Erneut erweist sich der Drache von Offb 12,3ff als höchst intelligentes Wesen. Sein Sehen ist zugleich ein Erkennen der Folgen, die er richtig bewertet325, und ein Akzeptieren, das zum Ausgangspunkt neuer Planungen und Handlungen wird.326 Was für herrliche Dienste hätte er Gott leisten können, wenn er nicht abtrünnig geworden wäre! Das geworfen (ἐβλήθη [eblethe]) bezieht sich offenkundig auf V. 9 und 10 zurück. ἐβλήθη [eblethe] (Aorist) hat hier die Bedeutung des Plusquamperfekts (er war geworfen worden).327 In der Passiv-Form ἐβλήθη [eblethe] kommt zum Ausdruck, dass ihn letztlich Gottes Urteil auf die Erde gestürzt hat. Nach V. 13 ist die Haupttendenz des Drachen auf Erden nicht etwa die Weltherrschaft, sondern die Vernichtung der „Frau“. Mit Charles muss man sich dabei ständig parat halten, dass die „Frau“ das wahre Israel bzw. die Gemeinschaft der Gläubigen bedeutet.328 Kurz gesagt: Es geht ihm um die Vernichtung der wahren Kirche, was nicht unbedingt identisch ist mit der sichtbaren Kirche. Zu den Begriffen „Frau“ (γυνή [gyne]) und „männliches Kind“ (ἄρσην [arsen]) vgl. die Erklärung oben bei V. 1 und V. 5. Mit Recht sagt Swete, der Drache wolle den Sohn treffen, wenn er die Mutter verfolge: „He can hurt the Son through the Mother.“329 Aber seiner Deutung, „doubtless“ (zweifellos) sei hier der Anfang der Christenverfolgung durch Nero (64 n.Chr.) gemeint330, können wir nicht folgen. Denn erstens kommen nach den 324 Ebenso Swete S. 161; Caird S. 160; Lohmeyer 3 S. 104, 110. 325 Zum „sehen“ als geistige Wahrnehmung vgl. W. Michaelis, Art. ὁράω usw., ThWNT, V, 1954, S. 340ff. 326 Vgl. Swete S. 157. 327 Vgl. Blass-Debrunner § 347. 328 Charles I S. 329. 329 Swete a.a.O. 330 A.a.O.
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römischen noch viele andere Christenverfolgungen, und zweitens deckt sich das begrenzte römische Imperium keineswegs mit der universalen Macht des Drachen. V. 14 enthält auf knappstem Raum eine Fülle von Bildern: „Frau“ – „Flügel“ – „großer Adler“ – „Wüste“ – die 3½ „Zeiten“ – „ernährt“ – „fern von der Schlange“. Man wird an Heinz Giesens Bemerkung erinnert, wonach die Offenbarung „zweifellos den meisten Christen nur schwer zugänglich“ sei.331 Kein Wunder, dass hier auch konservative Forscher wie Behm oder Schlatter mit mythologischen Stoffen rechnen.332 Religionsgeschichtliche Forscher wie Franz Boll sind gar davon überzeugt, dass Offb 12,14ff ohne die Herleitung aus dem orientalischen Mythos unverständlich bleibt.333 Andererseits hat schon R.H. Charles darauf hingewiesen, dass die definiten Artikel bei αἱ334 δύο πτέρυγες τοῦ ἀετοῦ τοῦ μεγάλου [hei dyo pteryges tu aetu tu megalu] dazu drängen, nach alttestamentlichen Vorbildern zu suchen.335 Und der Frau wurden die zwei Flügel des großen Adlers gegeben, damit sie in die Wüste an ihren Ort fliegen konnte: Hier durchdringen sich die geistliche und die real-anschauliche Ebene. Will man Fehldeutungen vermeiden, muss man dies stets vor Augen haben. Aus dem AT sind beide Bilder vertraut, das des Adlers und das der Flügel. Wie auf „Adlers“ „Flügeln“ hat Gott sein Volk aus Ägypten durch die Wüste ins verheißene Land gebracht (Ex 19,4; Dtn 32,11). Die ermatteten Gläubigen können „auffahren mit Flügeln wie Adler“ (Jes 40,31; Ps 103,5). Dem fliegenden Adler gleicht eines der vier Wesen vor Gottes Thron (Offb 4,7) und auch ein mächtiger Engel (Offb 8,13). Mit dem „Adler“, der mit seinen „Flügeln“ den Widerstand bricht, werden aber auch Mächtige auf Erden verglichen (Jes 46,11; Jer 48,40; 49,22; Ez 17,3ff; 17,7ff). „ ‚Im Schatten der Flügel‘ Gottes oder ‚unter seine Flügel‘ sich bergen findet sich sowohl in individuellen Klageliedern als auch im Bekenntnis und Wunsch (Ps 17,7; 57,2; 61,5; 36,8; 63,8; 91,4; Ruth 2,12).“336 Überblickt man diesen Tatbestand, dann kann man nicht verstehen, dass Charles die „Flügel“ von Offb 12,14 lediglich „in the tradition“ findet, nicht aber im AT.337 Gerade vom AT her ergeben sich nun zwei Deutungsmöglichkeiten für 331 332 333 334 335 336
Giesen S. 1.1. Vgl. Behm S. 70; Schlatter S. 245. Vgl. Boll S. 113ff. So A, C und andere HSS. Die Streichung des αἱ [hai] bedeutet die leichtere Lesart. Charles I S. 330. Vgl. Schlatter BFchTh S. 77f. Vgl. W. Dommershausen Art. כּנ ָף ָ , ThWAT, IV, 1984, Sp. 246. Vgl. noch T. Kronholm, Art. שׁר ֶ ֶ נ, ThWAT, V, 1986, Sp. 687f. 337 Charles I S. 330. Ganz anders Swete S. 158: Offb 12,14 sei „based on“ Ex 19,4; Dtn 32,11; Jes 40,31.
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den Anfang des 14. Verses: a) Der Adler bezeichnet einen mächtigen Engel, möglicherweise den von Offb 8,13, oder b) Gott selbst. Sprechen die Artikel (αἱ [hai] … τοῦ [tu]) für die erstere Möglichkeit, also für den schon aus 8,13 bekannten „Adler“, so spricht das Attribut der große (= Adler) eher für die zweite Möglichkeit. Sachlich ist zwischen a) und b) kaum ein Unterschied. Wir ziehen jedoch die zweite Möglichkeit vor, weil u. E. „der große Adler“ eine Unterscheidung und Hervorhebung gegenüber dem Adler von 8,13 bedeutet, und verstehen unter dem großen Adler – es gibt nur einen solchen! – Gott selbst.338 Die Flügel bezeichnen seine Fürsorge und seine Macht. Fazit: Gottes Fürsorge und Macht retten die wahre Kirche vor dem Drachen. Daraus darf allerdings nicht der Schluss gezogen werden, die wahre Kirche müsse nicht mehr leiden! Offb 13 beweist das Gegenteil. Nur so viel ergibt sich aus V. 14: Der Drache kann die wahre Kirche nicht vernichten (vgl. Mt 16,18).339 … damit sie in die Wüste an ihren Ort fliegen konnte: Die Wüste ist der Ort, an dem Gott seinem Volk besonders nahe war (Dtn 2,7; 32,10; Ps 78,52; Jer 31,2). In der „Wüste“ ist auch ein Ort zukünftigen Heils (Jes 35,1ff; 40,3ff; 41,18; 43,19; Hos 2,16). Hier darf man die Wüste also in erster Linie nicht als einen Ort der Verlassenheit oder gar des Unheils verstehen. Vielmehr kommt die „Frau“ an den Ort, an dem sie Gottes Nähe und Gnade erlebt. In diesem Sinne ist es ihr Ort (vgl. V. 6). Gerhard Kittel schreibt deshalb zu Offb 12,14: „Die Gemeinde Jesu soll in der Wüste geborgen bleiben, bis Christus wiederkommt und dem Treiben des Satans ein Ende macht.“340 Eine solche Deutung stimmt mit dem Sprachgebrauch des Johannesevangeliums überein (vgl. Joh 3,14; 6,31ff), aber auch mit der jüdischen Tradition, wonach der Messias und das messianische Heil in der Wüste zu suchen sind (vgl. Mt 24,26; Apg 21,38).341 Die genannten Beobachtungen dürfen nun aber nicht dazu führen, die ebenfalls im Begriff „Wüste“ steckenden Gefahren und Belastungen zu übersehen. Auch in der jüdischen Überlieferung im AT und im NT ist die „Wüste“ ja nicht nur Heilsort, sondern zugleich ein Ort der Anfechtung und Gefährdung (vgl. Gen 16,7ff; Ex 16,3; Num 14,1ff; 1Kön 17,2ff; Mt 4,1ff; Lk 8,29; 2Kor 11,26; 338 Swete S. 158 will den „großen Adler“ aus Ez 17,3 ableiten, aber dort geht es nur um „einen großen Adler“ und nicht „den großen Adler“, außerdem wird er in Ez 17,12 als König von Babel entschlüsselt. J.M. Hahn deutet den „großen Adler“ auf einen „großen Monarchen“ (S. 352), Bengel auf das „Kaisertum“ (S. 632). 339 Auch Swete denkt S. 159 an Mt 16,18. 340 Art. ἔρημος usw., ThWNT, II, 1935, S. 656. 341 Vgl. Kittel a.a.O. S. 655f, der auch auf Josephus B. J. II, 259ff; VII, 438 hinweist.
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Hebr 11,38).342 Die „Frau“ = die wahre Kirche muss deshalb damit rechnen, dass die Einsamkeit sie umgibt, dass die Gesellschaft sie ausstößt, dass Not und Anfechtung sie in schwere Gefahren bringen (vgl. Mt 24,22).343 Aber der Herr bringt sie durch. Näheres sagt nun der Schluss von V. 14: wo sie eine Zeit und Zeiten und eine halbe Zeit344 ernährt wird fern von der Schlange. Auch hier schließt V. 14 eng an V. 6 an.345 Ebenso wie „ihr Ort“ in V. 14 dem „von Gott vorbereiteten Ort“ in V. 6 entspricht, so entsprechen sich das Ernähren (τρέφω [trepho]) in V. 14 und V. 6 und auch die 3½ Zeiten von V. 14 und die 1260 Tage von V. 6. Dabei fallen die Hebraismen in V. 14 auf: ὅπου [hopu] – ἐκεῖ [ekei] (wo) = שׁם ָ שׁר ֶ [ ֲאascher scham]346 und ἀπὸ προσώπου [apo prosopu] (fern von) = [ ִמ ְפּנ ֵיmipne]347. Aber nicht nur die Sprache ist alttestamentlichhebräisch gefärbt, sondern auch der Inhalt. Denn offensichtlich gehen eine Zeit und (2) Zeiten und eine halbe Zeit auf Dan 7,25 und 12,7 zurück (aram. [ ִע ָדּן ְוִע ָדִּנין וְּפַלג ִע ָדּןiddan weiddanin uphlag iddan], hebr. [ מוֵֹעד מוֲֹעִדים וֵָחִציmoed moadim wachezi], LXX ἕως καιροῦ καὶ καιρῶν καὶ ἕως ἡμίσους καιροῦ [heos kairu kai kairon kai heos hemisus kairu] bzw. εἰς καιρὸν καὶ καιροὺς καὶ ἥμισυ καιροῦ [eis kairon kai kairus kai hemisy kairu]).348 Damit steht fest, dass Johannes das von ihm Geschaute als Erfüllung von Dan 7,25; 12,7 betrachtet.349 Klar ist damit auch, dass es sich um eine begrenzte Zeit, eine von Gott gesetzte Frist handelt.350 Danach folgt die Wiederkunft Jesu. Und wie in Dan 7,25; 12,7 fällt auf, dass die halbe Zeit am Schluss steht: Sie deutet auf das plötzliche Ende des Drachen und seiner Verfolgung hin (vgl. Mt 24,22). Die Frage bleibt, wie man die Zeiten verstehen muss. Zwar ist der Plural „Zeiten“ (καιροί [kairoi]) wie ein hebr. Dual zu lesen und meint demzufolge „zwei Zeiten“. Aber sind dann die 3½ Zeiten = 3½ Jahre, wie die Parallele 1260 Tage in V. 6 nahelegt?351 Das ist wie in Dan 7,25; 12,7 sehr gut möglich. Aber wie bei den Danielstellen empfiehlt sich eine gewisse Vorsicht. Es könnte sich ja auch um „prophetische“ Zeiten handeln oder um ein göttliches Zeit342 343 344 345 346 347 348 349 350 351
Vgl. wieder Kittel a.a.O. S. 654ff sowie Behm S. 71; Aune S. 705. Vgl. Swete S. 158. Vgl. hier Blass-Debrunner § 164,9. Wie Omerzu S. 172,25 mit Recht betont, besteht aber kein Grund, V. 6 und V. 14 als „Doubletten“ zu behandeln. Vgl. über die Unterschiede schon Bengel S. 632ff. Vgl. Blass-Debrunner § 297,2; Charles I S. 330; Swete a.a.O. Vgl. Blass-Debrunner § 217,1. Vgl. Charles a.a.O. Vgl. Caird S. 159. Vgl. Maier Dan S. 292f. So z.B. Charles a.a.O.
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maß (vgl. Ps 90,4; 2Petr 3,8). Ernähren (τρέφω [trepho]) ist hier wie in V. 6 ein Kernbegriff. Das Passiv τρέφεται [trephetai] zeigt, dass Gott die Frau ernährt. Offb 12,14 klingt wie eine Erfüllung von Ps 33,19. Mehr noch: Offb 12,14 erweist sich als eine Parallele zur Eliageschichte in 1Kön17,2ff.352 Hinzu kommt Israels Erfahrung mit wunderbaren Speisungen in der Wüste, zum Beispiel Wachteln und Manna (vgl. Gen 16,1ff; 17,1ff; Num 11,1ff; 21,16ff).353 Gott „ernährt“ seine Leute auch in Verfolgung und unter schwierigsten Umständen. Der Gemeinde wird die Angst genommen (vgl. Mi 4,9f). Die Wendung ἀπὸ προσώπου τοῦ ὄφεως [apo prosopu tu opheos] (fern von der Schlange) ist nicht ganz einfach zu verstehen. Heißt dieses ἀπό = [ ִמןmin] fern von oder, wie Charles bevorzugt354, „wegen“? Der häufigere Sprachgebrauch und der Duktus der V. 13-17 legen doch die erstere Bedeutung näher, also fern von.355 Daraus ergibt sich aber, dass es einen Bereich gibt, in den die Schlange der Frau nicht folgen kann.356 Sachlich entspricht Offb 12,14 darin Joh 10,28. Die Verfolgung der Frau durch den Drachen setzt sich in V. 15 fort: Und die Schlange spie Wasser wie einen Strom aus ihrem Rachen hinter der Frau her, um sie mit seinem Strom fortzuspülen. Wieder bewegen wir uns im Umkreis alttestamentlicher Prophetie mit ihren Bildern (vgl. Ez 29,3ff; 32,2ff; Jes 43,2; Jon 2,4ff; Ps 18,5; 32,6; 124,4f).357 Vor allem ist hier ein „ägyptischer“ Einschlag spürbar, weil ja bei Hesekiel der Pharao mit einem großen Drachen verglichen wird, der „in seinen Strömen schnaubt“ (Ez 29,3; 32,2).358 Dazu kommt aber das häufige Bild einer ertränkenden Flut (Jes 43,2; Jon 2,4ff; die soeben genannten Psalmstellen).359 Charles’ Verdikt, zu Offb 12,15 gäbe es „no real parallels in the O.T. or in Judaism“360, kann deshalb nicht stehen bleiben. Wie in V. 14 wird der Teufel die Schlange genannt. Sie spie Wasser aus ihrem Rachen: Hier ist wieder zu bedenken, dass wir es gleichzeitig mit einer real-politischen und mit einer geistlichen Dimension zu tun haben. Geistlich aber bedeutet Wasser so viel wie „Wort“ und „Lehre“ 352 353 354 355 356 357 358 359 360
Vgl. P. Müller S. 40. Vgl. Omerzu S. 178. Charles a.a.O.; ebenso Aune S. 706. Grammatisch möglich, vgl. Bauer-Aland Sp. 175. Vgl. Blass-Debrunner § 217,1; Swete a.a.O.; Bauer-Aland Sp. 174. Swete S. 159: „unable to follow the Woman in her flight“. Sachlich schon Bengel S. 648. Vgl. Morris S. 164. Vgl. Swete a.a.O.; Charles I S. 331; Schlatter BFChTh S. 79; Omerzu S. 177,52. Swete a.a.O. denkt auch an die Schilfmeer-Erfahrung; Caird S. 158 an den Pharao, der die israelitischen Kinder im Nil ertränken wollte. Vgl. Behm S. 71. Vgl. Swete a.a.O. Charles a.a.O.
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(vgl. Jes 44,3; Joh 7,37f).361 Das heißt: Offb 12,15 beschreibt nicht nur die leibhaftige Verfolgung, sondern auch die geistliche Verführung und schließt sich damit eng an Mt 24,4ff an. Der Ausdruck Wasser wie einen Strom bedeutet Wasser in riesiger Fülle.362 Wenn in Offb 12,15 formuliert wird hinter der Frau her, dann wird auch hier deutlich, dass der Drache den „Ort“ der Frau nicht direkt erreichen kann. Er kann ihr nur die bösen Wirkungen, die er hervorbringt, hinter-her-schicken. Doch was heißt ἵνα αὐτὴν ποταμοφόρητον ποιήσῃ [hina auten potamophoreton poiese]? Das seltene Wort ποταμοφόρητος [potamophoretos], das sich nur hier im NT findet und das „lange Zeit außerhalb des NT nicht nachgewiesen“ werden konnte363, geht zurück auf die Nilüberschwemmungen und bedeutet „fortgeschwemmt“, „fortgespült“.364 Öfters übersetzt man am Schluss von V. 15: „um sie zu ersäufen / zu ertränken“.365 Aber der Urtext sagt das genau genommen nicht. Rengstorf erklärt in seinem Artikel im ThWNT, es sei hier „lediglich gesagt“, der Drache wolle die Frau „in eine Lage … bringen, in der sie die Verfügung über sich selbst verloren hat“.366 Symbolisiert das Wasser die Verführung und die Irrlehre, dann ist klar, was hier gemeint ist: Der Drache will die Gemeinde Jesu in seine Irrlehren hineinreißen und vom festen Glaubensgrund fortspülen.367 In V. 16 steht eine der rätselhaftesten Stellen der Offb: Aber die Erde half der Frau (καὶ ἐβοήθησεν ἡ γῆ τῇ γυναικί [kai eboethesen he ge te gynaiki]). Warum heißt es nicht: „Aber Gott half der Frau“? Oder: „Aber Michael half der Frau“? Oder: „Ein starker Engel half der Frau“? Eine Lösung dieser Fragen gelingt wiederum nur vom AT her. Die Erde war Gottes Erfüllungsgehilfin in der Mosezeit: Sie öffnete ihren Mund und verschlang die Rotte Korach (Num 16,30ff; 26,10; Dtn 11,6; Ps 106,17).368 Alle Schöpfung steht Gott, dem Schöpfer, zu Diensten: die Eselin bei Bileam (Num 22,21ff), der Ostwind am Schilfmeer (Ex 14,21), Wachteln und Manna in der Wüste (Ex 16,1ff) und eben auch „die Erde“ im Ganzen (vgl. Gen 1,11; 1,24; Ex 15,12; 19,5; Dtn 10,14; Ps 24,1). Wie in der Mosezeit, als Israel von dem „großen Drachen“, dem Pharao, bedrängt war und intern von den abgefallenen Korachitern, hilft jetzt die Erde der Frau = dem wahren Israel in Gestalt der 361 362 363 364 365 366 367 368
Bengel erklärte jedoch „Wasser“ = „Volk“ = „das türkische Volk“ (S. 650). Vgl. K.H. Rengstorf, Art. ποταμός usw., ThWNT, VI, 1959, S. 605. Rengstorf a.a.O. S. 608. Rengstorf a.a.O. Z.B. Lutherbibel; Omerzu S. 173; Behm S. 70. Rengstorf a.a.O. Ähnlich Caird S. 159: „the river of lies“; P. Müller S. 40. Vgl. Swete S. 159; Charles I S. 331. Ähnlich bei Pharao Ex 15,12. Vgl. Omerzu S. 178,5.8.
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wahren Kirche. Wenn es heißt sie half (ἐβοήθησεν [eboethesen]), so handelt es sich hier um einen gnomischen Aorist, der „für dauernd gültige“, auch wiederholte Aussagen Verwendung findet.369 Das heißt: Was Johannes in Offb 12,16 sieht, wird wieder und wieder geschehen. Die Erde öffnete ihren Mund und verschlang den Strom, den der Drache aus seinem Rachen gespien hatte bedeutet also: Die Schöpfung folgt hier nicht dem Drachen, sondern dem Schöpfer und verhindert, dass der Drache die Frau „fortspült“ (vgl. V. 15). Gott muss nicht einmal selbst eingreifen. Wer die Erde in diesem Zusammenhang repräsentiert, ob Weltherrscher, Parlamente, Behörden, die Gesellschaft usw., bleibt ganz offen. Kurz: Der Drache kommt trotz aller List und trotz aller verführerischer Lehren nicht zum Ziel. Ein großes Trostwort!370 Die zeitgeschichtliche Deutung wollte Offb 12,16 auf die Auswanderung der Christen nach Pella (68 n.Chr.) während des Jüdisch-Römischen Krieges deuten.371 Aber solche vergleichsweise vereinzelten Ereignisse, die schon eine ganze Generation hinter Johannes liegen, passen schlecht zu dem universalen Duktus von Offb 12,13-18. Wenn Charles Offb 12,14-16 als „a meaningless survival“ (bedeutungslosen Überrest) aus älteren Quellen beurteilt372, dann ist auch dieses Urteil verfehlt. Denn abgesehen von dem tröstlichen Zuspruch dieser Verse wird hier ein eminenter roter Faden künftiger, für das Schicksal der Kirche wesentlicher Ereignisse sichtbar. Hat der Drache die Frau nicht auslöschen können, so geht er jetzt nach V. 17 gegen einzelne Christen vor.373 Was in Offb 12,13-18 als ein Nacheinander erscheint, kann in der Konkretion der Geschichte durchaus parallel laufen. Das heißt, die Angriffe gegen die wahre Kirche (Frau) und gegen einzelne Christen geschehen meistens zur selben Zeit. Und der Dache geriet in Zorn374 über die Frau: Schon nach V. 12 hatte er „einen großen Zorn“. Jetzt wird der Zorn konkret, evtl. steigert er sich noch.375 Gustav Stählin hat ihn einmal beschrieben als den „große[n] eschatologische[n] Gegenzorn gegen den Gotteszorn“376. Aber der „Zorn“ des Drachen rührt daher, dass er letzten Endes gegen die wahre Kirche nichts ausrichtet (Mt 16,18). Das Erstaunliche ist, dass der Drache nicht aufgibt. Hätten 369 Vgl. Blass-Debrunner §§ 332 und 333. 370 Ob die im Untergrund versickernden Ströme Kleinasiens den ersten Lesern zum Verständnis halfen, wie Swete a.a.O. annimmt, müssen wir offenlassen. 371 Vgl. Charles I S. 331. 372 Charles a.a.O. 373 Swete S. 160. 374 ὠργίσθη [orgisthe] wohl ingressiver Aorist, vgl. Blass-Debrunner § 331. 375 Für Letzteres Bengel S. 654. 376 Art. ὀργή usw. ThWNT, V, 1954, S. 440.
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wir als Christen doch diese Zähigkeit des Drachen! Erst verlor er gegen Christus am Kreuz, dann gegen Michael im Himmel, dann gegen die Frau und die Erde, und dennoch sucht er jetzt seine Chance gegen einzelne Christen! Er ging hin (καὶ ἀπῆλθεν [kai apelthen]): voller Energie und Entschlusskraft. Um mit den übrigen ihrer Nachkommen Krieg zu führen (ποιῆσαι πόλεμον μετὰ τῶν λοιπῶν τοῦ σπέρματος αὐτῆς [poiesai polemon meta ton loipon tu spermatos autes]): Auch hier ist die hebräische Färbung der Sprache stark spürbar. σπέρμα [sperma] hat gut hebräisch/alttestamentlich die Bedeutung „Nachkommenschaft“/Nachkommen. Hier berührt sich die Offenbarung wieder mit dem Johannesevangelium (vgl. Joh 7,42; 8,33.37).377 Wichtig ist der spezielle Bezug auf Gen 3,15, das sog. Protevangelium378: „Ich will Feindschaft setzen zwischen dir (= der Schlange) und dem Weibe und zwischen deinem Nachkommen und ihrem (= der Frau) Nachkommen.“ Johannes sieht also diese Ankündigung durch das erfüllt, was er in Offb 12,17 beschreibt. Sowohl der Bezug auf Gen 3,15 als auch der Duktus der Verse 13ff hindern uns, die „Nachkommen“ nur auf die christlichen Märtyrer zu deuten.379 Es geht vielmehr, wie Swete mit Recht bemerkt380, um alle Christen. Aber eben um einzelne Christen. Steht dem aber nicht οἱ λοιποὶ τοῦ σπέρματος αὐτῆς [hoi loipoi tu spermatos autes] (die übrigen ihrer Nachkommen) entgegen? Das ist dann nicht der Fall, wenn mit den übrigen diejenigen Christen bezeichnet werden, die in der Zeit von Offb 13 noch leben bzw. die vorausgehenden Verfolgungen überlebt haben.381 Krieg führen (ποιῆσαι πόλεμον [poiesai polemon]) hat auch hier einen Doppelklang: a) es bedeutet das äußere, politische Vorgehen, b) es meint den geistlichen Krieg. Die Christen werden hier bezeichnet als diejenigen, die Gottes Gebote halten und am Zeugnis für Jesus festhalten. Das ist ganz johanneische Sprache (vgl. Joh 13,34; 14,15.21; 15,10.12; 1Joh 2,7f; 3,23f; 4,21; 5,3; 2Joh 4; Offb 1,2.9; 6,9; 12,11; 20,4).382 Gottes Gebote halten (τηρεῖν τὰς ἐντολὰς τοῦ θεοῦ [terein tas entolas tu theu]) bedeutet: Gottes Willen tun, so wie ihn Jesus ausgelegt hat.383
377 S. Schulz im Art. σπέρμα usw., ThWNT,VI, 1964, S. 545. 378 Swete a.a.O.: „a clear reference to Gen. iii. 15“, auch Aune S. 708; Omerzu S. 179; Caird S. 160. 379 Gegen Schulz a.a.O. 380 Swete a.a.O., ebenso Behm S. 71; Morris S. 165; Bousset S. 345. 381 Charles a.a.O. ließ ebenfalls die Deutung auf die Kirche im Ganzen offen, tendierte jedoch zu einer Einschränkung auf die Heidenchristen, während die Judenchristen entflohen seien – u. E. zu Unrecht! Wie Charles auch Aune S. 708. 382 Vgl. H. Riesenfeld, Art. τηρέω, ThWNT; VIII, 1969, S. 144f. 383 Vgl. G. Schrenk, Art. ἐντέλλομαι usw., ThWNT, II, 1935, S. 550ff, bes. S. 552.
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Am Zeugnis für Jesus festhalten (ἔχειν τὴν μαρτυρίαν Ἰησοῦ [echein ten martyrian Iesu]) bedeutet, in gehorsamer Liebe zu Jesus seine Botschaft weiterzugeben und vor Verfälschung zu bewahren.384 Wie wichtig ist beides in Zeiten der Verfolgung und Verführung. Es fällt auf, dass in der Endzeit der Name Jesus eine zunehmende Bedeutung bekommt. Offb 12,17 beschreibt also die Christen weniger emotional als vom Willen und liebevollen Gehorsam bestimmt. Das aber ist sozusagen der Originalton Jesu! Man beachte ferner die Querverbindungen zu Offb 6,9; 11,7; 14,2. Eine Parallele im „internationalen Mythus“ gibt es nicht!385 Der Drache ist keineswegs am Ende. Es folgt ein weiterer Schritt: Und er trat an den Strand des Meeres (V. 18). ἐστάθη [estathe] ist besser bezeugt als ἐστάθην [estathen], also: er (= der Drache) trat hin.386 Seine Geschichte aus V. 13-17 setzt sich fort, und deshalb gehört V. 18 noch zum Abschnitt Offb 12,13ff.387 An den Strand des Meeres oder „an das Meeresgestade“388: Es hat seinen Reiz, dass der Drache, nachdem er bei der „Erde“ keine Unterstützung fand, jetzt das Meer (θάλασσα [thalassa]) aufsucht. Damit sind auch schon die Geschehnisse von Kap. 13 eingeleitet. Wir erinnern uns noch, dass das „Meer“ in der Bibel auch ein Symbol für das Völkermeer sein kann und dass es in diesem Sinne bei Daniel (7,2ff) vorkommt.
IV Zusammenfassung 1. Die Christenheit hat in Offb 12,13-18 ein Bild und eine Botschaft vor sich, die ihr den Drachen, den Teufel, als zum Äußersten entschlossenen Gegner zeigen. Seine dominierende Strategie geht auf die Auslöschung der wahren Kirche und der Christen. 2. Dabei gebraucht er beides: die Verfolgung und die Verführung. Offb 12,13-18 steht also in Einklang mit der Endzeitrede Jesu in Mt 24. 3. Darüber hinaus hat Offb 12,13-18 einen stark alttestamentlich-hebräischen Charakter und gleichzeitig eine bemerkenswerte Verwandtschaft mit dem Johannesevangelium und den Johannesbriefen. Was das AT ankündigte, vor allem in Gen 3,15 und Dan 7 bzw. 12, erfüllt sich jetzt beim Drachen. 4. Offb 12,13-18 zeichnet jedoch nicht einfach ein grausames Gemälde, sondern enthält den Trost, dass weder die wahre Kirche noch der wahre Christ vom Drachen verschlungen werden kann. Mt 16,18 und Joh 10,28 werden 384 385 386 387 388
Riesenfeld a.a.O. S. 144f. Charles a.a.O.: „There is no counterpart to it in the international myth.“ Vgl. Bauer-Aland Sp. 775. Vgl. noch einmal Swete S. 161. Bauer-Aland Sp. 90. Eigentlich ἡ ἄμμος [he ammos] = der Sand.
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also bestätigt. Zugleich fordert Offb 12,17 paränetisch dazu auf, Gottes Gebote zu halten und weiterhin Zeugnis für Jesus abzulegen. 5. Kirchengeschichtlich hat gerade Offb 12,13-18 eine Fülle von Deutungen ausgelöst. Dabei ragen zwei Gruppen hervor: a) die kirchengeschichtliche, weltgeschichtliche und zeitgeschichtliche Deutung einerseits, und b) die mythologische Deutung andererseits. 6. Als Beispiele für die kirchen- und weltgeschichtliche Deutung nennen wir Luther, Coccejus und Bengel. Luther bezog das ganze Kapitel 12 auf die Zeit des Papsttums und erblickte darin die tröstliche Zusicherung, dass es auch unter dem entarteten Papsttum noch „fromme Lehrer“ in der Kirche geben werde.389 Coccejus (1603–1669) deutete das „Wasser“ von Offb 12,15 auf das Toleranzedikt Konstantins des Großen im Jahre 313 n.Chr.390 Bengel stellte in seiner genialen Art höchst diffizile Berechnungen an. Die 3½ Zeiten von Offb 12,14 rechnete er aus auf 777 7/ 9 Jahre und erblickte darin die Zeitepoche von 1058 bis 1836 n.Chr.391 In großer Gelehrsamkeit trug er auf fast 25 Seiten seines Kommentars alles zusammen, was sich aus Welt- und Kirchengeschichte an Relevantem für diese Zeitepoche ergab392, stark zugeschnitten auf Türken und Sarazenen. Eine Einzelheit aus Bengels Deutung sei noch besonders erwähnt, weil sie wirklich Geschichte „gemacht“ hat. Bengel zufolge fliegt die Frau „von Morgen gegen Abend“393, also vom Osten nach Westen. Dort im Westen hat die Frau einen Bergungsort, wo sie der Drache nicht mehr erreicht.394 Der Gedanke von einem Bergungsort hat Bengel überlebt. Um 1800 n.Chr. suchten ihn viele jedoch nicht mehr im Westen, sondern im Osten, speziell in Israel. Das führte u.a. zur Auswanderung schwäbischer Siedler in den Osten, nach Bessarabien, Südrussland, Georgien und Palästina.395 Der Gang der Geschichte hat vieles aus der welt- und kirchengeschichtlichen Deutung fragwürdig gemacht oder überholt. Dennoch sollten wir nicht vergessen, dass Offb 12,13-18 sich immer wieder in geschichtlichen „Modellen“ konkretisiert. 7. Die zeitgeschichtliche Deutung hat seit dem 19. Jh. viel Anklang gefunden. Mehrfach wurde das Entrinnen der Frau in Offb 12,13-18 auf die Flucht der Christen nach Pella (68 n.Chr.) gedeutet, wodurch sie den Gräueln des 389 390 391 392 393 394 395
Luther Vorreden S. 185. Maier Offb S. 329. Bengel S. 644f. Bengel S. 632-656. Bengel S. 639.650. Bengel a.a.O. Vgl. Maier Offb S. 442ff.
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Jüdisch-Römischen Krieges entkommen wollten.396 Ein weiterer zeitgeschichtlicher Bezug wird durch die Deutung des Drachen auf Nero, Domitian oder generell den damaligen römischen Kaiserkult hergestellt.397 Überhaupt erfreut sich die Deutung von Offb 12,13-18 auf das Imperium Romanum einiger Beliebtheit.398 Mit Recht aber bemerkt Morris gegenüber solchen Deutungsversuchen: „This seems too simple.“399 Die Gefahr in Offb 12,13ff ist zu groß und ihre Macht zu universal, um im Römischen Reich aufzugehen – auch wenn dieses zu den geschichtlichen Konkretionen („Modellen“) zählte. 8. Seit dem 19. Jh. hat auch die mythologische Deutung einen starken Einfluss ausgeübt. Sie bot an, seltsame Züge der Darstellung in Offb 12,13-18 auf einleuchtende Weise zu erklären. So vertritt Franz Boll 1914 die These, dass „der Isismythus in seiner späten astralen Ausgestaltung den Ausgangspunkt für das Gesicht des Apokalyptikers (= Offb 12) gebildet habe.“400 Hundert Jahre später (2006) geht auch Heike Omerzu davon aus, dass die „paganen (= heidnischen) Überlieferungen … größere Übereinstimmungen mit der Gesamterzählung Offb 12 als vergleichbare Vorstellung der alttestamentlich-jüdischen Tradition“ haben, und stützt sich dabei insbesondere auf den Isis-Leto-Mythos.401 Schon für Boll war eine Kombination des „Mythus von Isis und Horus“ mit der Jungfrau „im Tierkreis“ entscheidend. Auch beim „Adler“ von Offb 12,14 dachte er an „das Sternbild“, bei den „Flügeln“ an die babylonische Ischtar.402 So frappierend auch die mythologischen Parallelen sein mögen, so eindeutig scheitert doch die mythologische Deutung an den Denkhindernissen, die ihr im Wege stehen. Warum hätte ein christlicher Prophet als Verfasser der Offenbarung, der das Heidentum aufs Entschiedenste ablehnte, ausgerechnet die heidnischen Mythen benötigt, um seine Botschaft zu formulieren? Die mythologische Deutung macht aus dem christlichen Verfasser eine Kunstfigur, die bald ins AT, bald in die Jesusüberlieferung, bald in die astralen und sonstigen Mythen der Heiden greift, um am Schreibtisch kunstvolle Gebilde herzustellen. Vor allem aber: Wir sahen uns nicht ein einziges Mal genötigt, Offb 12 „mythisch“ zu erklären. Die Erklärung aus alttestamentlicher und neutestamentlicher Überlieferung einschließlich der Jesusüberlieferung
396 397 398 399 400 401 402
Vgl. Eusebius H. E. III, 5, 3 und Aune S. 706; Charles I S. 331. Vgl. Omerzu S. 179ff. So schon Cyprian (Swete S. 159); Swete S. 159; Hemer S. 12. Morris S. 165. Boll S. 116. Omerzu S. 183 und S. 179ff. Boll S. 113ff.
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genügt vollkommen. Charles musste sogar zu Offb 12,17 anmerken: „There is no counterpart to it in the international myth.“403 9. Seit der frühen Kirche gibt es immer wieder auch allegorische Deutungen. Swete nennt in seinem Kommentar mehrere Beispiele: Hippolyt sah in den zwei Flügeln von Offb 12,14 die ausgestreckten Hände Jesu am Kreuz, Victorinus zwei Propheten, Primasius die beiden Testamente.404 Die Reihe setzt sich in der Moderne fort: Bengel dachte an den Doppeladler im Wappen des mittelalterlichen Kaisertums405, Morris an leichten und raschen Flug406. Solange sie durch andere biblische Aussagen abgedeckt sind, bleiben solche allegorische Deutungen möglich. Es empfiehlt sich jedoch Zurückhaltung.
6.4 Das erste antichristliche Tier, 13,1-10 I Übersetzung 1 Und ich sah aus dem Meer ein Tier heraufsteigen, das hatte zehn Hörner und sieben Häupter und auf seinen Hörnern zehn Diademe und auf seinen Häuptern Namen der Lästerung. 2 Und das Tier, das ich sah, war gleich einem Panther und seine Füße wie die eines Bären und sein Rachen wie ein Löwenrachen. Und der Drache gab ihm seine Kraft und seinen Thron und eine große Macht. 3 Und ich sah eines seiner Häupter wie zum Tode geschlachtet, aber seine tödliche Wunde wurde geheilt. Und die ganze Erde folgte mit Staunen dem Tier, 4 und sie beteten den Drachen an, der dem Tier die Macht gab, und beteten das Tier an und sagten: Wer ist407 dem Tier gleich, und wer kann mit ihm kämpfen? 5 Und es wurde ihm ein Mund gegeben, der große Dinge und Lästerungen redete, und es wurde ihm Macht gegeben, es zweiundvierzig Monate lang zu treiben. 6 Und es öffnete seinen Mund zu Lästerungen gegen Gott, zu lästern seinen Namen und seine Wohnung, die im Himmel wohnen. 7 Und es wurde ihm gegeben, Krieg zu führen mit den Heiligen und sie zu besiegen, und es wurde ihm Macht gegeben über alle Stämme und Völker und Sprachen und Nationen. 8 Und sie werden ihn anbeten, alle, die auf Erden wohnen, jeder, dessen Name nicht geschrieben steht im Buch des Lebens des Lammes, das geschlachtet wurde, von Anfang der Welt an. 9 Wer Ohren hat, 403 404 405 406 407
Charles a.a.O. Swete S. 158. Bengel S. 640. Morris S. 163. Auslassung von ἐστίν [estin] nach Blass-Debrunner § 127,4.
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der höre! 10 Wenn jemand ins Gefängnis soll, geht er ins Gefängnis. Wenn jemand mit dem Schwert getötet werden soll, wird er mit dem Schwert getötet. Hier ist die Geduld und der Glaube der Heiligen!
II Struktur Auf den ersten Blick geht es in Offb 13,1-10 um das erste der beiden Tiere, die in diesem Kapitel auftauchen. Doch der zweite Blick verrät, dass Inhalt und Struktur dieser Verse komplizierter sind. Die Riesengestalt des Drachen wirft ihren Schatten über das ganze Kapitel, und von daher setzt sich auch das Thema vom Kampf des Drachen gegen die Frau (12,1ff) fort. Sodann treten „die Heiligen“ vor unsere Augen (V. 7f.10) – offensichtlich dieselben, die in 12,17 „die übrigen ihrer Nachkommen“ genannt wurden. Daraus ergibt sich, dass wir jetzt in die Konkretion des in 12,17 Geweissagten eintreten. Offb 13 bietet im Zusammenhang damit auch eine grundlegende Paränese für die leidenden Christen (V. 10). Die Verknüpfung mit dem AT, vor allem mit Dan 7, ist offensichtlich. Deshalb ist die Botschaft von Offb 13 auch auf das Ziel ausgerichtet, uns die Erfüllung von Dan 7 zu zeigen und Letzteres zu erläutern. Durch den ganzen Abschnitt 13,1-10 hindurch bleibt die Christologie als Fundament der Eschatologie und der Verkündigung spürbar. Erst als Gegenbild zum geschlachteten Lamm und zum Erlöser, der allein Leben geben kann, gewinnt das Tier sein wahres Gesicht (vgl. 13,3.7.8). Insofern sprechen wir mit sachlichem Recht vom „Antichrist“. Offb 13,1-10 erweist sich als ein geschlossener Abschnitt, weil a) die Worte καὶ εἶδον [kai eidon] in V. 1 einen Neubeginn markieren, und b) dieselben Worte in V. 11, verbunden mit einem zweiten Tier, ebenfalls den Beginn eines neuen Abschnitts anzeigen.408
III Einzelexegese Es empfiehlt sich ein kurzer Überblick über bisherige Deutungen von Offb 13,1-10: Exkurs: Bisherige Deutungen Wie intensiv sich die Christenheit mit Offb 13 beschäftigt hat, sieht man schon an der relativen Ausführlichkeit des Irenäus in seinem Hauptwerk Gegen die Häresien (ca. 180 n.Chr.). Er zitiert Offb 13,1-10 nahezu vollständig!409 Später zitiert er aus 13,11-14 und 13,14-18: insgesamt also fast das ganze 13. Kapi408 Zur Gliederung vgl. Lohmeyer 3 S. 110. 409 Adv. haer. V, 28,2.
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tel.410 Der Auslegung von Offb 13 widmet er sodann eineinhalb Kapitel seines Werkes.411 Er nennt das erste Tier den „Antichrist“412 und kombiniert die Auslegung von Offb 13 mit 1Thess / 2Thess, also Johannes mit Paulus.413 Das erste Tier ist die „Zusammenfassung aller Ungerechtigkeit und allen Truges“414. Mit Hilfe von Gen 2,1f berechnet Irenäus den Weltlauf auf insgesamt 6000 Jahre.415 Ticonius deutete ca. 385 n.Chr. das Tier von Offb 13,1 auf die Gottlosen und Offb 13,3 auf die satanische Nachahmung Christi und das Scheinchristentum.416 In der Reformationszeit beschäftigten sich die Täufer vielfach mit Offb 13,1ff, so Hans Hut oder Balthasar Hubmaier noch in seiner letzten Rechenschaft des Glaubens. Hubmaier verstand die 3½ Jahre von Offb 13,5 nicht als normale Jahre, sondern als Sonnenjahre.417 Der schwärmerische Michael Stifel, Prediger in Lochau, errechnet aus Offb 13,18 und Daniel den 19. Oktober 1533 als Datum des Jüngsten Tages.418 Martin Luther selbst versteht Offb 13 als Kommen des dritten Wehe und deutet es auf „das päpstliche Kaiserstum und kaiserliche Papsttum“419. Interessant sind auch die Einzeldeutungen bei Johann Coccejus (1603–1669): Das erste Tier bezieht sich auf das katholische Kirchenvolk, seine tödliche Wunde auf die heidnische Reaktion unter Kaiser Julian Apostata, die Lästerungen in Offb 13,5 auf die Behauptung, Christus habe einen Stellvertreter mit äußerer Gewalt, und auf die Heiligenverehrung, die 42 Monate = 1260 Tage von Offb 13,5 sind die 1290 Jahre von 292 bis 1552 n.Chr., das zweite Tier in Offb 13,11ff ist die päpstliche Macht.420 Die Bengels Erklärung bleibt in den Spuren Luthers und Coccejus’ und kreist um die Kernthese „Das gegenwärtige römische Pabstthum ist das Thier“ von Offb 13,1ff.421 Weil Bengel zugleich von dem Satz ausgeht „Das Thier ist zu dieser unserer gegenwärtigen Zeit“, spielt also Offb 13 für ihn in der Gegenwart.422 Johann Michael Hahn (1758–1819) wahrte in der Auslegung von Offb 13 große Zurückhaltung. Zwar erwog er einige Zeit, ob nicht Napoleon der Antichrist sei. Doch nahm er davon bald wieder Abstand und mahnte im Blick auf alle möglichen zeitgeschichtlichen Identifizierungen: „Es ist vielleicht blos ein Schreckbild.“ Den Auswanderern hält Hahn entgegen, es gäbe nirgendwo in dieser Welt einen Bergungs-
410 411 412 413 414 415 416 417 418 419 420 421 422
A.a.O. Adv. haer. V, 29,2–30,4. A.a.O. V, 30,3f. Ab Adv. haer. V, 28,2. A.a.O. V, 29,2. A.a.O. V, 28,3. Maier Offb S. 114.123. Maier Offb S. 230.244. Maier Offb S. 271. Vorreden S. 185. Maier Offb S. 329. Bengel S. 664. Bengel S. 663.
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ort.423 Karl August Auberlen (1824–1864), der Bengels Schule weiterführte, erblickte im ersten Tier von Offb 13 den Staat, im tödlich verwundeten Haupt den „christliche(n) Staat sammt der christlichen Cultur“.424 Eine neue Ära der Deutung wird durch die Religionsgeschichtliche Schule eröffnet, die sich mit den 90er-Jahren des 19. Jh. in Deutschland durchsetzt. Sie verbindet die Aussagen der Offb mit der Religionsgeschichte des Orients. Dabei kommt den babylonischen Mythen und Erzählungen eine Hauptrolle zu. Speziell Offb 13 ist für Hermann Gunkel (1862–1932) ein „Absenker von dem Stamme des babylonischen Chaosmythus“.425 Wilhelm Bousset (1865–1920) als ein zweiter hervorragender Repräsentant der Religionsgeschichtlichen Schule verbindet die traditionsgeschichtliche Methode Gunkels wieder mit der zeitgeschichtlichen, die Gunkel verworfen hatte. Boussets bis heute Maßstäbe setzender Offb-Kommentar von 1896 (2. Aufl. 1906) gibt der Forschung zwei nahezu unumstößliche Daten zu Offb 13 mit: a) Das erste Tier ist das Römische Reich, das „steht“ – so Bousset – „bei allen Auslegungen fest“.426 b) Offb 13,18 ist zu lesen als „Caesar Neron“ in hebräischer Gematrie, folglich geht das tödlich verwundete und wieder geheilte Haupt (13,13) auf Nero. Das sei ein „rocher de bronce“, der unerschütterlich sei.427 In der Folgezeit diversifiziert sich freilich die Forschung in viele Richtungen. Als Beispiel erwähnen wir Ernst Lohmeyer (1890 geb., 1946 von den Russen hingerichtet), dessen Offb-Kommentar zuerst 1926, dann 1953 und 1970 erschien. Lohmeyer lässt die Möglichkeit verschiedener Methoden zu, distanziert sich aber doch ein Stück weit von der zeitgeschichtlichen Methode Boussets. Dem Seher ginge es um „die übergeschichtlichen und unterirdischen Mächte“, nicht um Zeit und Geschichte. Offb 13 bezieht sich demzufolge nicht auf Rom, nicht auf einen Nero redivivus, sondern wie 2Thess 2 auf den Antichrist und den Falschpropheten. Die geschichtlichen Entwicklungen wären im internationalen Vergleich noch viel reicher und komplizierter, insbesondere wenn man die englische428 und amerikanische Forschung einbezieht. So konnten wir in diesem Exkurs nur weniges aus der Deutung von Offb 13 zusammenstellen in der Hoffnung, dass dies einer exemplarischen Veranschaulichung dient.
Und ich sah aus dem Meer ein Tier heraufsteigen (θηρίον ἀναβαῖνον [therion anabainon]): Schon die ersten Worte von Offb 13,1 führen uns zu Dan 423 424 425 426
Maier Offb S. 444. Auberlen S. 302.304. Gunkel S. 360. Bousset S. 358. Ebenso Charles I S. 333; Swete S. 161; Hemer S. 12; Omerzu S. 170f; Ratzinger S. 200. 427 Bousset S. 373. Ebenso Charles I S. 334; Swete S. 163. 428 Vor allen Charles und Swete.
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7,3. Die Worte Tier (in Dan 7,3 Plural), aus dem Meer, heraufsteigen, ja sogar das Partizip bei „heraufsteigen“ (ἀναβαῖνον [anabainon], [ ָסְלָקןsalqan]) sind gemeinsam. Ein wenig überraschend ist es allerdings, dass Johannes nur von einem „Tier“ spricht. Aber klar ist: Ohne Dan 7 lässt sich Offb 13 kaum verständlich machen.429 Eine zweite Beobachtung zeigt, dass eine Parallele mit Offb 11,7 vorliegt. Auch dort ist von einem θηρίον ἀναβαῖνον [therion anabainon] die Rede. Bedeutet also ἐκ τῆς θαλάσσης [ek tes thalassees] (13,1) dasselbe wie ἐκ τῆς ἀβύσσου [ek tes abyssu] (11,7)? Wir haben oben bei der Erklärung von Offb 11,7 das dort aufsteigende Tier als „Vorgriff“ auf Offb 13,1ff verstanden.430 Dennoch sollte man die ἄβυσσος [abyssos] in Offb 11,7 nicht vorschnell als dasselbe wie die θάλασσα [thalassa] in Offb 13,1 betrachten.431 Vielmehr muss das Meer in Offb 13,1 analog zu Dan 7,3 als „Völkermeer“ verstanden werden.432 Dann aber geht es in Offb 13,1 um die Entstehung eines Weltreiches. Hinter ihm steht als Inspirator der Drache (12,18). Es folgt nun die Beschreibung des Tieres: das hatte zehn Hörner und sieben Häupter und auf seinen Hörnern zehn Diademe und auf seinen Häuptern Namen der Lästerung. Bevor wir in die Einzelheiten gehen, ist es gut, die Mahnung alter Ausleger zu beherzigen: „Gewiß aber ist es auch, daß Jesus Christus nicht wirklich in der Gestalt eines Löwen oder Lämmleins in dem Himmel stehe oder gehe … So ist auch auf Erden kein abentheuerliches Thier mit sieben Köpfen und zehen Hörnern.“433 Johannes hat zwar reale Bilder vor sich („ich sah“), aber sie bilden geistliche Realitäten ab und keine grob-irdischen. Die Ähnlichkeit mit dem Drachen von 12,3 ist frappierend: beiderseits zehn Hörner, beiderseits sieben Häupter, beiderseits Diademe. Über die enge Verwandtschaft von Tier und Drache kann also kein Zweifel bestehen. Ja, man kann von einer Inkarnation des Drachen im Tier sprechen.434 Andererseits darf man auch die feinen Unterschiede nicht übersehen: 1) Beim Tier sind die Hörner vorangestellt, beim Drachen die Häupter.435 Wir sehen darin den 429 Vgl. Swete S. 161; Charles I S. 345. 430 Ebenso Swete S. 161. 431 Gegen W. Foerster, Art. θηρίον, ThWNT, III, 1938, S. 134; Aune S. 732; Caird S. 161. Aber mit Swete a.a.O. 432 Vgl. Maier Dan S. 262; Zahn S. 449; Swete a.a.O. Bengel S. 658 deutet das Meer auf Europa. 433 Bengel S. 317. 434 U.B. Müller S. 249: „die Inkarnation des Teufels“. Vgl. Lohmeyer 3 S. 110; Morris S. 165. 435 Bousset S. 345; W. Foerster, Art. κέρας, ThWNT, III, 1938, S. 670.
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Hinweis, dass beim Drachen die ungewöhnliche, umfassende Intelligenz die höchste Priorität hat, beim Tier aber die Macht („Horn“ = „Macht“436). 2) Beim Drachen tragen die Häupter die Diademe, beim Tier die Hörner.437 Auch dies könnte ein Hinweis auf die Vorrangstellung der lenkenden Intelligenz beim Drachen sein, während das Tier sich vor allem durch seine Macht durchsetzt. 3) Entsprechend der Verteilung der Diademe auf Häupter oder Hörner hat der Drache nur sieben, das Tier jedoch zehn Diademe.438 Daraus eine Überlegenheit des Tieres über den Drachen abzuleiten, wäre aber ein schlimmes Missverständnis. Denn die Überlegenheit des Drachen steht durch Kap. 12 und 13,2 vollkommen fest. Im Übrigen hat Jesus Christus nach Offb 19,12 „viele Diademe“439 und zeigt sich schon dadurch als der allem Satanischen unendlich Überlegene. Zu den Begriffen „Hörner“, „Häupter“ und „Diademe“ („Kronen“) vgl. die Erklärung oben bei 12,3. Hier ist nur noch der Begriff Namen der Lästerung (ὀνόματα βλασφημίας [onomata blasphemias]) zu klären. Er fehlt nämlich in 12,3 und bildet demnach den vierten Unterschied zu 12,3. Zunächst ist wieder der Bezug zu Dan 7 zu beachten (7,7f.11.20.25; auch 11,26). Wir befinden uns also im Bereich der Widersprüchlichkeit, der Auflehnung gegen Gott und der „Antastung von Gottes Macht und Hoheit“.440 Manche Autoren verstehen „Namen der Lästerung“ oder „lästerliche Namen“441 so, dass das Tier Gottesprädikate benutzte, die es „sich gleichsam anmaßt“.442 U.B. Müller denkt an „jene Titel, die im Rahmen des Kaiserkultes der Vergöttlichung des Herrschers dienen“, also zum Beispiel Augustus, Divus, Herr (Dominus), Gott (Deus) usw.443 Bousset meinte, es seien die „Namen der Cäsaren“444 (römischen Kaiser). Da die Offb keine näheren Angaben macht, bleiben alle diese Vorschläge reine Vermutung. Nur Vermutungen sind es auch dann, wenn man die schlechter bezeugte445 Lesart ὄνομα [onoma] („Name“ in der Einzahl) βλασφημίας [blasphemias] 436 Vgl. Foerster a.a.O. S. 668ff. Charles I S. 347: Die Hörner kommen in 13,1 deshalb zuerst, weil sie der Seher zuerst aus dem Meer auftauchen sieht. So schon Bengel S. 692. 437 Bousset a.a.O. 438 Lohmeyer 3 S. 111. 439 Vgl. Lohmeyer a.a.O. 440 H.W. Beyer, Art. βλασπηεμέω usw., ThWNT, I, 1933, S. 621; vgl. H. Bietenhard, Art. ὄνομα usw., ThWNT, V, 1954, S. 279ff. 441 Vgl. Blass-Debrunner § 165,2. 442 Lohmeyer 3 a.a.O., Bietenhard a.a.O. S. 280. 443 U.B. Müller S. 249. Schon Swete S. 161: Autokrator, Gott, Sebastos. Vgl. Charles I S. 348; Caird S. 163. 444 Bousset S. 360. 445 Vgl. Blass-Debrunner a.a.O.; Bauer-Aland Sp. 285; Zahn S. 445,21; Swete a.a.O.; Aune S. 715f. Charles I S. 348 sieht jedoch beide Lesarten „fairly balanced“.
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vorzieht. Bengel deutete diesen Namen als „Papa“ = Papst446, Bousset wollte dann mit Beda Venerabilis auf „Σεβαστός, divus Augustus“ deuten.447 Wieder müssen wir ehrlicherweise sagen: Auch im Falle der Einzahl wissen wir den „Namen“ nicht. Im Zusammenhang mit den „Namen“ erhebt sich unweigerlich die Frage: Wer ist das Tier von Offb 13? Erneut zeichnen sich in der Auslegungsgeschichte bestimmte Auslegungsrichtungen ab. Eine davon ist die zeitgeschichtliche Deutung, die im Tier das römische Imperium und in den sieben Häuptern sieben römische Kaiser sieht. Demnach ist der von Johannes geschaute Antichrist „sicher ein römischer Cäsar“.448 Von dieser Deutung setzte sich Ernst Lohmeyer entschieden ab. Das Tier von Offb 13 sei nach Dan 7 „gestaltet“, hier seien „alle zeitgeschichtlichen Beziehungen ausgemerzt“.449 Eine Deutung auf Rom kommt hier nicht mehr infrage. Luther hatte unter dem Tier von Offb 13,1ff „das Kaisertum“ verstanden.450 Bengel hingegen identifizierte es mit dem Papsttum. Dabei legte er großen Wert auf die Feststellung, das Tier sei eine „geistlich-weltliche Macht“, kein einzelner Mensch.451 Schon Vitringa machte zwei Auslegungsarten namhaft („duo systemata“), unter denen der Ausleger die Wahl habe: Das Tier sei entweder das ethnische Imperium Romanum oder das antichristliche, abgefallene Rom.452 Welche Entscheidung aber ist nun angemessen? Folgende Gesichtspunkte sind entscheidend: 1) Das Gesicht von Offb 13 geht auf die Zukunft.453 Damit entfällt eine Deutung auf das längst vergangene römische Imperium oder auf das ebenfalls längst vergangene Papsttum des Mittelalters. 2) Die Parallele mit Dan 7 macht klar, dass wir es in Offb 13,1-10 in erster Linie mit einer „Macht“ und erst in zweiter Linie mit Einzelpersonen zu tun haben.454 Wir erleben in Offb 13,1 also zunächst die Entstehung des antichristlichen, endzeitlichen Weltreiches auf Erden. 3) Dass es uns als Tier begegnet, zeigt sein unmenschliches und widergöttliches Wesen, das den Kampf des Drachen gegen die gläubigen Christen fortsetzt. 446 Bengel S. 697. 447 Bousset a.a.O. 448 So Bousset S. 345.359f; Charles I S. 333ff; Caird S. 161; Behm S. 74; Schlatter S. 248ff; Hemer S. 12; Mounce S. 252. Ähnlich U.B. Müller S. 249f. Bousset wehrte sich aber gegen die Deutung der zehn Hörner auf zehn Cäsaren (S. 359), er sah darin die zehn Könige von Offb 17. 449 Lohmeyer 3 S. 110. 450 Luther Vorreden S. 185. 451 Bengel a.a.O. und S. 661. 452 Vitringa S. 570. 453 Richtig Schlatter S. 252: Johannes „weissagt“. 454 Ebenso Hartenstein S. 179.
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Manchmal hat die „Inkongruenz der Zahlensymbolik“455 die Ausleger beschäftigt. Wie soll man sich die Verteilung der zehn Hörner auf die sieben Häupter vorstellen? Und: Sind es ein Maul oder sieben Mäuler?456 Die alten Ausleger hatten hier mit ihrer geistlichen Auslegung weit weniger Schwierigkeiten. So begegnet uns im 4. Esra zum Beispiel ein Adler mit zwölf Flügeln und drei Köpfen (4. Esra 11,1). Johannes sieht ja kein Tier aus einer neuen zoologischen Gattung, sondern Symbole um eine geistliche Macht in Tiergestalt versammelt. Vers 2 setzt zunächst die Beschreibung des Tieres von Offb 13,1 fort: Und das Tier, das ich sah, war gleich einem Panther und seine Füße wie die eines Bären und sein Rachen wie ein Löwenrachen. Erneut drängt sich die enge Beziehung zu Dan 7 auf.457 Sie ist sogar doppelt gegeben: Erstens finden sich die drei Vergleiche mit dem Panther, dem Bären und dem Löwen auch in Dan 7,4-6, zweitens bildet die Gesamterscheinung des Tieres von Offb 13,1 doch noch etwas anderes als eine Art Double zu einem dieser drei danielischen Tiere und stellt insofern ein viertes Tier dar, sodass wir auch die Vierzahl von Dan 7,3-7 erreichen. Wir können diese Entsprechungen zu Dan 7,3ff nur so deuten, dass Offb 13 eine Erfüllung von Dan 7 darstellen will. Aber nun weist Offb 13,2 gegenüber Dan 7,3ff doch einige bemerkenswerte Eigenarten auf.458 Erstens sieht Johannes in Offb 13 nur ein Tier, nicht vier Tiere nacheinander wie Daniel. Man kann also sagen: Die Tiere von Dan 7 fließen in Offb 13,1ff in ein einziges zusammen, bzw. das eine Tier von Offb 13 kombiniert die verschiedenen Tiere Daniels. Zweitens vermissen wir auf den ersten Blick eine Parallele zum vierten Tier in Dan 7, das „ganz anders war“ als die übrigen drei Tiere. Dann aber zeigt sich, dass auch das vierte Tier von Dan 7,3ff in das eine Tier von Offb 13,1ff eingeflossen ist: nämlich in Gestalt der zehn Hörner (vgl. Offb 13,1 mit Dan 7,7ff). Drittens sind die Reihenfolgen verschieden: In Dan 7 „Löwe“ – „Bär“ – „Panther“, in Offb 13 „Panther“ – „Bär“ – „Löwe“.459 Viertens verteilt Offb 13,2 die Tierähnlichkeiten auf bestimmte Körpersektoren: Füße wie die eines Bären, Rachen wie ein Löwenrachen, was eben in Dan 7 nicht der Fall ist. Die Erklärung, die alle diese Gemeinsamkeiten und Unterschiede berücksichtigt, kann nur sein: Das Tier von Offb 13 entspricht dem vierten Tier von Dan 7,3ff und offenbart über Dan 7 hinaus, dass dieses vierte Tier Elemente 455 456 457 458 459
Omerzu S. 177, 52. Charles I S. 348; Bousset S. 360. Vgl. Charles I S. 348; Swete S. 162. Schon Bengel beschäftigte sich mit diesen Unterschieden (S. 692ff). Caird S. 162: „in reverse order“.
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aller vorigen Tiere in sich vereinigt („Panther“, „Bär“, „Löwe“).460 Es gibt also einen Fortschritt der Offenbarung von Dan 7 hin zu Offb 13. Zugleich tritt jetzt sehr klar hervor: Wie das vierte Tier von Dan 7,3ff bedeutet das Tier von Offb 13,1-10 den Antichrist, genauer die antichristliche Weltmacht.461 Es greift also viel zu kurz, wenn man das Tier von Offb 13,1ff auf das Römische Reich von damals eingrenzt.462 Es geht in Offb 13 – unbeschadet aller Züge, die man auf das damalige Rom deuten könnte – um weit mehr: nämlich um den endzeitlichen Antichrist mit seinem Reich. Gegen ihn soll sich die Christenheit wappnen. Das Aufsuchen immer neuer zeitgeschichtlicher Deutungen macht sie nur schlaff. Deutet man so, dann bleibt man auch der Jesusverkündigung in Mt 24,21ff treu. Dann bleibt auch der Zusammenhang mit 2Thess 2,4ff gewahrt. Was zeigen die Tier-Ähnlichkeiten in Offb 13,2 nun inhaltlich? Das griechische ὅμοιον [homoion] bedeutet sowohl „gleich“ als auch „ähnlich“.463 Es besteht also keineswegs immer eine wesentliche Identität, sondern oft nur eine wohlbegründete Ver-„gleich“-barkeit. Gleich einem Panther464 bedeutet demnach: „gleich“ einem gefährlichen Raubtier, das enorm schnell ist (vgl. Jes 11,6; Jer 5,6; Hos 13,7; Hab 1,8). Weil Offb 13,2 das ganze Tier mit einem Panther vergleicht, wird diese Eigenschaft der Gefährlichkeit und Schnelligkeit besonders herausgestellt. Seine Füße wie die eines Bären: Der Bär ist biblisch ein Bild des Schreckens und der Unersättlichkeit (2Sam 17,8; 2Kön 2,24; Prov 17,12; 28,15; Jes 11,7; Klgl 3,10; Hos 13,8; Am 5,19). Somit vereinigt das antichristliche Tier auch diese Eigenschaften des Schreckens und der Unersättlichkeit in seinem Charakter. Und sein Rachen wie ein Löwenrachen: Der Löwe ist öfters das Bild für eine Weltmacht (Jes 15,9; Jer 2,15; 4,7; 25,38; Ez 32,2), er ist wohl ein reißendes Raubtier, hat aber auch etwas Majestätisches und Imponierendes (Gen 49,9; Num 24,9; 2Sam 1,23; Ps 91,13; Jes 11,7; Hos 5,14; Am 3,8). Auffallenderweise wird im NT der „Löwe“ einige Male zum Bild des Teufels und der Gegner der christlichen Gemeinde (2Tim 4,17; 1Petr 5,8; Hebr 11,33; Offb 9,8.17; 13,2). Vor allem der Löwenrachen (στόμα λέοντος [stoma leontos]) hat diese Christen verfolgende, teuflisch inspirierte Bedeutung (2Tim 4,17; 1Petr 5,8; Hebr 11,33). Auch 460 Vgl. U.B. Müller S. 249. 461 Vgl. Maier Dan S. 270ff. 462 Leider ist auch Ratzinger (Benedikt XVI.) der Gefahr dieser falschen Eingrenzung nicht ganz entgangen. 463 Vgl. Joh. Schneider, Art. ὅμοιος usw., ThWNT, V, 1954, S. 186ff; Bauer-Aland Sp. 1148ff. 464 Zu πάρδαλις [pardalis] = „Panther“ oder „Leopard“ vgl. Bauer-Aland Sp. 1260.
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das ist alttestamentlich begründet, nämlich in Ps 22,14.22, einem der Leidenspsalmen Jesu.465 Als Resultat ergibt sich: Der Vergleich mit dem Löwenrachen enthüllt, dass das Tier imponierende Größe und Macht erreicht, aber alles tut, um die Christen zu verfolgen und zum Verschwinden zu bringen. Die Kombination verschiedener Züge beim Tier scheint auch darauf hinzudeuten, dass einmal die eine und ein andermal die andere Eigenschaft stärker hervortritt, dass dieses Super-Weltbild also Größe und Charakterlosigkeit miteinander vereinigt. Die zweite Hälfte von Offb 13,2 schildert wieder ein Ereignis: Und der Drache gab ihm (= dem Tier) seine Kraft und seinen Thron und eine große Macht. Damit ist deutlich, dass das Tier auf Anweisung und kraft der Ausstattung durch den Drachen handelt: Seine Kraft (δύναμις [dynamis]) wird auf das Tier übertragen, seine Herrscherstellung (θρόνος [thronos], Thron)466 ihm verliehen und ihm eine große Macht ermöglicht.467 Klar ist jetzt auch, dass das Aufsteigen des Tieres auf Veranlassung des Drachen geschah (12,18). Die Parallele zu 2Thess 2,9f liegt auf der Hand. Die Kernaussagen der Eschatologie sind also bei Paulus und Johannes dieselben.468 Doch bedarf nun ein leicht übersehbarer Punkt der Aufmerksamkeit: Der Drache kann nur seine Kraft und nur seine Herrscherstellung auf das Tier übertragen. Aber gerade seine Möglichkeiten sind begrenzt: Denn der Drache bleibt ganz abhängig von dem, was ihm Gott auf befristete Zeit eingeräumt hat (vgl. Lk 4,6). Der gläubige Christ kann also Offb 13,2 ohne Schrecken lesen. Eine letzte Bemerkung zu 13,2: Charles hielt die ganze Figur des Tieres für „vollständig fantastisch und räumlich nicht vorstellbar“ („wholly fantastic and not plastically conceivable“).469 Dies trifft aus zwei Gründen nicht zu: Erstens sind Mischwesen wie in Offb 13,2 geradezu typisch für die Art, wie im Orient Götter dargestellt werden und wie sie noch in den römischen Fußbodenmosaiken bis nach Südwestdeutschland hinein unzählige Male vorzufinden sind, zweitens will Johannes überhaupt kein zoologisch „ordentliches“ Tier beschreiben, sondern geistliche Symbole, die sich um eine Tiergestalt sammeln.470 465 Vgl. W. Michaelis, Art. λέων, ThWNT, IV, 1942, S. 257f sowie 1Makk 2,60; Swete S. 162. 466 Vgl. O. Schmitz, Art. θρόνος, ThWNT, III, 1938, S. 166f. 467 Vgl. Bousset S. 358. 468 So sah es schon Irenäus Adv. haer. V, 28,2. 469 Charles a.a.O. Ganz ähnlich Bousset S. 360: „Derartige Mischgestalten sind allerdings charakteristische Erzeugnisse orientalischer Phantasie.“ 470 Vgl. Morris S. 166.
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Die Ereignisse setzen sich fort in V. 3: Und ich sah eines seiner Häupter wie zum Tode geschlachtet, aber seine tödliche Wunde wurde geheilt. Das ich sah (εἶδον [eidon]) aus V. 1 muss auch für V. 3 vorausgesetzt werden.471 Darauf deutet der Akkusativ μίαν … ἐσφαγμένην [mian … esphangmenen] am Anfang von V. 3. Es handelt sich um eines der sieben Häupter des Tieres. Seltsamerweise wird dieses Haupt nicht näher identifiziert. In der Fortsetzung wird so gesprochen, als hätte das Tier nur ein einziges Haupt (V. 12.14).472 Das heißt: Wir sollen das eine (Zahlwort μίαν [mian]!) verwundete Haupt nicht nur als Teilschicksal oder gar Nebensächlichkeit am Tier auffassen, sondern als etwas, was das ganze Tier betrifft und charakterisiert. Deshalb ist es sinnlos, die sieben Häupter mit sieben römischen Kaisern zu identifizieren und nachzuforschen, welcher Kaiser das sein könnte, dessen tödliche Wunde wieder geheilt wurde. Dann aber erweist sich auch die Deutung auf einen Nero redivivus als wissenschaftliches Phantom und als Fehlspur.473 Johannes sieht das Haupt wie zum Tode geschlachtet. Das wie geschlachtet (ὡς ἐσφαγμένην [hos esphangmenen]) erinnert unmittelbar an das Lamm von Offb 5,6, also Jesus Christus. Zum Tode kennzeichnet die Absicht: geschlachtet, um den Tod herbeizuführen.474 Die Wendung besagt aber nicht, dass der Tod tatsächlich eintrat.475 Aber seine tödliche Wunde476 wurde geheilt (καὶ ἡ πληγῆ τοῦ θανάτου αὐτοῦ ἐθεραπεύθη [kai he plege tu thanatu autu etherapeuthe]): Hier ist ganz klar, dass das Haupt zwar einen (Schwert-) Schlag erlitt (V. 14)477, der tödlich wirken konnte, aber eben nicht starb! Werner Foerster hat recht: „Das ‚Tier‘ ist nicht durch den Tod hindurch gegangen, sondern nur tödlich getroffen.“478 ἐθεραπεύθη [etherapeuthe] (wurde geheilt) heißt: Der Schlag wurde überwunden, es trat Heilung ein.479 In diesen wenigen Worten kommt überraschend vieles zum Ausdruck. Das Grundmotiv ist die „bewußte Gegenüberstellung“480 von Tier und Christus, also Antichristus und Christus. Oder anders formuliert: Der Antichrist ahmt Christus nach. Daraus ergibt sich, dass an dieser Stelle ein Umschlag vom 471 472 473 474 475 476 477 478
Charles a.a.O.; Lohmeyer 3 a.a.O.; Zahn S. 452, 34. Vgl. Lohmeyer 3 S. 111; Mounce S. 253; Caird S. 164. Vgl. Morris S. 167. Zum Fehlen des Artikels bei θάνατος [thanatos] vgl. Blass-Debrunner § 257. Also gegen Bauer-Aland Sp. 462 nicht den „Erfolg“! Vgl. Bauer-Aland Sp. 1343. Vgl. U.B. Müller S. 249. Im Artikel θηρίον, ThWNT, III, 1938, S. 135. Ebenso O. Michel, Art. σφάζω usw., ThWNT, VII, 1964, S. 934. 479 Vgl. H.W. Beyer, Art. θεραπεία usw., ThWNT, III, 1938, S. 132. 480 O. Michel a.a.O.
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Antichrist-Reich zur Antichrist-Person stattfindet.481 Denn die Begriffe Haupt, geschlachtet, Tod, geheilt beziehen sich offensichtlich auf eine bestimmte Person und nicht mehr generell auf ein Reich. Darin liegt auch der Wahrheitskern der Suche nach einem römischen Kaiser. Wenn aber der Antichrist hier den Kreuzestod und die Auferstehung Christi nachahmt („geschlachtet“), dann muss man sagen, dass diese Nachahmung an zwei entscheidenden Punkten misslingt: a) stirbt der Antichrist nicht wirklich, wogegen Jesus wirklich gestorben ist (Mt 27,50 parr; 1Kor 15,3f)482; b) ist „geheilt“ etwas total anderes als „auferstanden“. Jesus wurde gerade nicht geheilt, sondern ging den Weg des völligen Sterbens und wahrhaftigen Auferstehens! Manches lässt Offb 13,3 im Dunkeln, ohne es uns aufzudecken: Welches Ereignis hat dem Antichrist einen solchen Schlag versetzt483 bzw. wird ihm einen solchen Schlag versetzen? Wer hat ihn geheilt bzw. wird ihn heilen? Letzten Endes sicherlich Gott als Herr des Lebens. Aber die Einzelheiten müssen wir offenlassen.484 Der Scheinwerfer der Schau des Johannes hebt jedoch eines hervor: und die ganze Erde folgte mit Staunen dem Tier (καὶ ἐθαυμάσθη ὅλη ἡ γῆ ὀπίσω τοῦ θηρίου [kai ethaumasthe hole he ge opiso tu theriu]) oder: „Die ganze Erde staunte, verwunderte sich hinter dem Tier her“.485 Die Sprache ist hier kompliziert, Blass-Debrunner nennen sie „elliptisch.“486 ὀπίσω [opiso] geht wohl auf hebr. [ ַאֲחֵריachare] zurück487, θαυμάζειν [thaumazein] evtl. auf hebr. [ ָתַּמהּtamah].488 ὀπίσω [opiso] = „hinter … her“ bringt öfters „ein besonders enges Verhältnis“ zum Ausdruck489, vor allem in der Wendung ἀκολουθεῖν/ ἐλθεῖν ὀπίσω [akoluthein/elthein opiso] = „nachfolgen“. Diese Bereitschaft, dem Tier Gefolgschaft zu leisten, liegt auch in Offb 13,3 vor. Mit Recht sagt deshalb Georg Bertram: „Das Staunen ist der erste Schritt zu dem Sich-beugen vor dem Tier.“490 Bauer-Aland übersetzen demgemäß unsere Stelle so: „Die ganze Welt lief dem Tier voll Verwunderung nach … (wobei die Verwunde481 Ebenso Charles I S. 349; Schlatter S. 253; Zahn S. 451. 482 Lohmeyer 3 S. 111. Behm S. 74 scheint seinen wirklichen Tod anzunehmen, auch Pohl II S. 124 „setzt den eingetretenen Tod voraus“. 483 Vgl. H.W. Beyer a.a.O. Bengel S. 702 meinte, das Tier sei schon „mit der Wunde selbs aufgestiegen“. Vgl. Morris S. 167. 484 J.M. Hahn deutet auf innere Vorgänge (S. 380). 485 So z.B. Schlatter S. 252. 486 Blass-Debrunner §§ 78,7; 196,3; vgl. Bousset (1896) S. 419. 487 Blass-Debrunner § 215,2. 488 Vgl. U. Berges, Art. מהּ ַ ָתּ, ThWAT, VIII, 1995, Sp. 671ff. 489 H. Seesemann, Art. ὀπίσω usw., ThWNT, V, 1954, S. 290. 490 Im Art. θαῦμα usw., ThWNT, III, 1938, S. 41.
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rung zur Verehrung wird).“491 Die Wortstellung bei ὅλη ἡ γῆ [hole he ge] = die ganze Erde bedeutet jedenfalls eine Hervorhebung.492 Erde steht hier für die Menschheit. Fazit zu Offb 13,3: Das antichristliche Reich konzentriert sich hier in der Person des Antichrist. Dieser versucht, Christus nachzuahmen, insbesondere den Kreuzestod und die Auferstehung.493 Das Wunder der Heilung, das er erlebt, bringt die Menschheit auf seine Seite. Während die Christen ihrem Christus vor allem wegen seines Wortes folgen (Joh 6,68f), folgt die nichtchristliche Menschheit dem Antichristus vor allem wegen seiner Wunder. V. 4 schildert weiter die Reaktion der Erde = Menschheit: und sie beteten den Drachen an, der dem Tier die Macht gab, und beteten das Tier an. Hier entdecken wir erneut wichtige Weichenstellungen. Zunächst geht es um Anbetung, das heißt um Religion.494 Die antichristliche Weltherrschaft gründet also in erster Linie auf der Religion und nicht auf materialistischem Wohlstand, wirtschaftlicher Macht oder dem Militär. Zweitens geht es um die Vergöttlichung des Drachen und des Tieres im Denken und Handeln der Menschen.495 Dem allein wahren Gott wird die Anbetung entzogen. Dem, der nicht Gott, sondern Geschöpf ist, wird sie erwiesen. Drittens wissen die Menschen, dass der „Drache“ dem Tier die Macht gab.496 Mochte der „Drache“ = Teufel (12,9) auch zuerst im Hintergrund bleiben (12,18), so gibt es doch keinen Zweifel an seiner Existenz und an seiner Überlegenheit dem Tier gegenüber. Dabei kann es in dieser künftigen, antichristlichen Zeit durchaus so sein, dass der Drache den Menschen als ein herrlicher „Engel des Lichts“ erscheint (2Kor 11,14). Nun aber wird ausdrücklich nicht nur der Drache angebetet, sondern auch das Tier, das in V. 1-3 beschrieben wurde. Weil man kein Abstraktum anbetet, sondern nur eine bestimmte Gestalt, kann diese Aussage nur so verstanden werden, dass der persönliche Antichrist angebetet wird. Er, obwohl ein Mensch497, lässt sich demnach als Gott verehren. An dieser Stelle ist die Parallele zu den römischen Kaisern am engsten. So ließ sich Domitian, also der Kaiser zur Zeit der Abfassung der Offb, „dominus et deus“ nennen („Herr und 491 Bauer-Aland Sp. 716. NGÜ: „Die ganze Welt staunte darüber und ließ sich völlig in den Bann des Tieres ziehen.“ 492 Vgl. Blass-Debrunner § 275. 493 Vgl. wieder U.B. Müller a.a.O.; Charles a.a.O.; Swete S. 163; Zahn S. 452. 494 Vgl. H. Greeven, Art. προσκυνέω, ThWNT, VI, 1959, S. 759ff. 495 Vgl. wieder Greeven a.a.O. S.764. 496 Anders Bengel S. 709. 497 Zahn S. 451.
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Gott“).498 Solche Beispiele setzen sich bis in die Gegenwart fort. Man kann daraus schließen, dass die römischen Kaiser seit Domitian eine Art Modell des Tieres darstellten, allerdings nicht das Tier selbst, das ja erst zukünftig sein soll. Man fragt: Wer ist dem Tier gleich, und wer kann mit ihm kämpfen? (τίς ὅμοιος τῷ θηρίῳ καὶ τίς δύναται πολεμῆσαι μετ’ αὐτοῦ; [tis homoios to therio kai tis dynatai polemesai met autu?]) Diese Frage erinnert zunächst an den Engelfürsten „Michael“ (12,7), dessen Name „Wer ist wie Gott?“ bedeutet. Offensichtlich bildet die Frage von Offb 13,4 einen schreienden Gegensatz zu diesem „Wer ist wie Gott?“ und teilt dem Tier eine Göttlichkeit zu, die ihm nicht zukommt. Mit Recht können deshalb Lohmeyer, Mounce u.a. die Frage von Offb 13,4 als „Parodie“ auf alttestamentliche Gottesaussagen (z.B. Ex 15,11) bezeichnen.499 Wird so ein Mensch zum Maß aller Dinge, dann wird auch das biblische Menschenbild total auf den Kopf gestellt, weshalb für Zahn der Antichrist nur „eine Karikatur des Menschen Jesus Christus“ ist.500 Wenn die Menschen Ex 15,11 aufgreifen, dann greifen sie damit einen biblischen Hymnus auf und parodieren dadurch sogar die biblische Sprache.501 Ja, die ganze Orientierung der Menschheit auf das Tier stellt sich als eine Art „Nachfolge des Tiers“ dar, die in „Konkurrenz zur Nachfolge Christi“ tritt.502 Aber selbst hier bleiben der Teufel und der Antichrist abhängig vom lebendigen Gott und seiner Offenbarung durch die Bibel. Denn Sprache, Hymnus, Nachfolge, Staunen, Anbetung und das „teuflische Abbild Christi“503 im Schicksal des Tieres sind nichts anderes als Nachahmungen und Übernahmen aus dem biblischen Glauben. Etwas Neues schafft der Teufel nicht.504 Nach V. 4 stehen wir erneut vor der Frage: Schildert die Offb hier einen bestimmten römischen Kaiser? Ist es Nero? Seit dem Aufkommen der zeitgeschichtlichen Deutung ist es ein überwältigender Teil der Literatur, der die Deutung auf Nero vertritt.505 Diese Deutung ist fast mit Selbstverständlichkeit
498 Timpe S. 1. 499 Lohmeyer 3 S. 111; Mounce S. 253. Roloff S. 137 weist auf Ps 89,7; 113,5 hin. Vgl. Kraft S. 176; Bousset (1896) S. 420. Schon Bengel S. 710 verweist auf Ex 15,11. Aune S. 741. 500 Zahn a.a.O. 501 Kraft a.a.O. 502 Kraft a.a.O. 503 Kraft a.a.O. 504 Zu „Wer kann mit ihm kämpfen?“ weist Bousset (1896) auf Ps 35,10; 113,5; Jes 40,25; 44,7; 46,5; Mi 7,18 hin (S. 420). 505 Nur wenige Beispiele: Charles I S. 333; Hemer S. 12; U.B. Müller S. 250; Roloff S. 136; Aune S. 737; Kümmel S. 413; Behm S. 75; Conzelmann-Lindemann S. 395; Brockhaus KL, 1, Sp. 740; Robinson S. 236; Torrey S. 2; Gnilka S. 415.
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bis in die Bibelübersetzungen eingedrungen.506 Aber es gibt auch vorsichtigere Stimmen. Kraft sieht Nero für die Tage des Johannes „nicht als hinreichend aktuell“ an und meint, „in Frage kommt“ nur „die Ermordung Domitians“.507 Mounce zieht eine Deutung auf Vespasian vor, weil mit ihm nach dem DreiKaiser-Jahr 68/69 n.Chr. das ganze Kaisertum repristiniert wurde508, und Offb 13,14 eben nicht von einer Genesung nur eines Hauptes = eines Kaisers spreche, sondern von der des Tiers = des ganzen Kaisertums. Aber Mounce zufolge bleibt es fraglich, ob überhaupt eine historische Anspielung in Offb 13,3f stecke.509 Lohmeyers Meinung, dass in Offb 13,3f „alle zeitgeschichtlichen Bezüge ausgemerzt“ seien510, wurde oben schon referiert. Im Anschluss an Lohmeyer bleibt auch Otto Michel vorsichtig.511 Schon Theodor Zahn hatte sich gegen die Nero-Deutung heftig gewehrt. Zahn war der Meinung, als „Typus“ des Antichrist – nicht als der Antichrist selbst! – entspreche der römische Kaiser Caligula (eigentlich Gaius, 37– 41 n.Chr.) der Schilderung von Offb 13,3f am besten.512 Kein „urteilsfähiger Zeitgenosse“ habe den „Komödianten Nero … für den wirklichen Antichrist oder einen Vorläufer desselben ansehen“ können.513 Doch welche Anhaltspunkte bietet die Gestalt des Nero (54 – 68 n.Chr.)? Nero war verantwortlich für die erste überregional bedeutsame Christenverfolgung im Römischen Reich. Als im Juli 64 n.Chr. ein verheerender Stadtbrand halb Rom verwüstete, wälzte Nero die Beschuldigungen von sich ab, indem er die Christen anklagte, die Schuldigen zu sein.514 Eine „ungeheure Menge“515 wurde verhaftet, viele auf grausamste Weise hingerichtet. Nero ließ sich am 9. Juli 68 n.Chr. auf der Flucht außerhalb Roms durch einen seiner Getreuen töten. Manche Einzelheiten seines Todes blieben offenbar im Dunkeln. Es zeigte sich dann in der Folgezeit der Aberglaube, Nero lebe noch. Falsche „Neros“ tauchten auf.516 Man dachte, Nero sei in den Osten entkommen und werde an der Spitze eines parthischen Reiterheeres zurückkehren. Später, als er altersmäßig gar nicht mehr leben konnte, entstand die Legende 506 507 508 509 510 511 512 513 514 515 516
Vgl. Neue Jerusalemer Bibel S. 1799f. Kraft a.a.O. Auf „die Erneuerung des schwer getroffenen Kaisertums“ hebt auch Kraft a.a.O. ab. Mounce S. 253. Vgl. Morris S. 167. Lohmeyer 3 S. 110. Michel a.a.O. S. 934f. Auch z.B. Morris S. 167. Zahn S. 474ff. Zahn S. 486. Tacitus Ann XV, 44. Tacitus a.a.O. Vgl. Tacitus Hist I, 2.
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seiner Rückkehr ins Leben, also die Sage vom Nero redivivus. Wie zäh solche Nerolegenden weiterleben, sieht man daran, dass die römischen Stadtführer immer noch erzählen, man könne an der Piazza del Popolo in Rom den Geist des Nero rufen hören.517 Die zeitgeschichtliche Deutung verbindet nun diese Nerosagen mit Offb 13,3f und geht davon aus, dass die Heilung der Todeswunde auf den Nero redivivus zu beziehen sei. Dessen Rückkehr also werde in Offb 13,3f erwartet.518 Es muss aber betont werden, dass es eine Deutung auf Nero nicht erst seit dem 19. Jh. gegeben hat, sondern schon viel früher. Unseres Wissens war Victorinus von Pettau (gest. 303 n.Chr.) der Erste, der sie vertrat: „Neronem dicit.“519 Welche Gründe sprechen nun gegen eine solche Deutung auf Nero? Zuerst sind es die alten kirchlichen Ausleger, die dagegensprechen. Irenäus stellt nicht einmal die Erwägung an, ob es etwa Nero sein könnte. Zahn weist darauf hin, dass Irenäus in seinen ausführlichen eschatologischen Partien „nicht ein einziges Mal den Namen eines römischen Kaisers nennt“.520 Erst seit dem 4. Jh. n.Chr. (ab Victorinus) können wir eine christliche Nero-Deutung entdecken. Zweitens ist die Legende vom Nero redivivus erst ab ca. 120 n.Chr. vorstellbar, nachdem Neros natürliche Lebenszeit – er ist 37 n.Chr. geboren – abgelaufen sein musste.521 Dann aber konnte der Verfasser der Offb um das Jahr 95 n.Chr. noch nichts von ihr wissen. Andererseits war um 95 n.Chr. – um es mit Kraft zu formulieren – auch die Gestalt des historischen Nero nicht mehr so „aktuell“, dass man sie hinter Offb 13,3f vermuten dürfte. Drittens kommt hinzu, dass es in Offb 13,3f in erster Linie nicht um das Schicksal eines einzelnen Hauptes, sondern um das des ganzen Tieres geht. Viertens aber geht es in Offb 13 um ein Universalgeschehen, das „die ganze Erde“ betrifft. Eine Verengung auf das Römische Reich und erst recht die Verengung auf eine bestimmte Kaiserpersönlichkeit werden dieser Universalität nicht gerecht. Schließlich wusste gerade ein jüdischer Verfasser von der riesigen Welt, die außerhalb des Römischen Reiches lag: von Babylonien, Persien, Äthiopien, Indien, den Skythen, Germanen, Afrikanern usw. Fünftens, und ganz entscheidend: Johannes blickt mit seiner Schau in eine erst noch kommende Zeit, in die wahre Endzeit. Dafür kann die gegenwärtige
517 518 519 520 521
Vgl. Lothar Adam, Rom, Stuttgart, 1960, S. 18. Vgl. Aune S. 737ff. Swete S. 163. Vgl. noch Mounce S. 252f. Zahn S. 486, 27. Vgl. Irenäus Adv. haer. V, 25-36. Vgl. Zahn S. 490.
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Geschichte zwar „Modelle“ liefern, aber sie ist noch keineswegs jene Endzeit. Deshalb kommt die Deutung auf einen Nero redivivus für uns nicht infrage. V. 5 schildert jetzt zwei hervorragende Gaben, die das Tier erhält: Mund (στόμα [stoma]) und Macht (ἐξουσία [exusia]). V. 6 berichtet, wie es mit dem Mund wirkt, und V. 7f, wie es seine Macht einsetzt.522 Und es wurde ihm ein Mund gegeben, der große Dinge und Lästerungen redete (V. 5): Der Anfang des Verses zitiert aus Dan 7,8 LXX (καὶ στόμα λαλοῦν μεγάλα [kai stoma lalun megala]) und nimmt damit Bezug auf das kleine Horn von Dan 7,8. Wieder zeigt sich: Johannes sieht in Offb 13 die Erfüllung von Dan 7 (vgl. auch Dan 7,11.20.25).523 Zum Antichrist passt übrigens der Mund und das Reden besser als zum Horn von Dan 7. Der „Mund“ des Antichrist ist wieder der völlige Gegensatz zum „Mund“ Jesu Christi (vgl. Mt 5,2; Lk 4,22; 1Petr 2,22; Offb 1,16).524 Dass er μεγάλα [megala] = große Dinge redet, hat neben „Lästerungen“ einen völlig negativen Ton: groß heißt hier „anmaßend“, „stolz“, „versprechen, was er nicht versprechen kann“525 und dabei Gott beleidigen. Lästerungen (βλασφημίαι [blasphemiai]) umfasst auch hier beides: Inanspruchnahme göttlicher Ehren und Verhöhnung Gottes.526 Streiten kann man über das Subjekt des ἐδόθη [edothe]: Ist Gott der Geber, liegt also ein Passivum divinum vor527, oder ist der Teufel der Geber, wie man nach V. 2 schließen möchte?528 Vermutlich liegt es bei Offb 13,5 doch so wie in Lk 4,6: Letztlich ist Gott der Geber529, nämlich als der Schöpfer, aber der direkte Geber bleibt wie in Lk 4,6; Offb 13,2 der Teufel, weil ihm Gott dafür Raum lässt. Ebenso wird man beim zweiten ἐδόθη [edothe] urteilen müssen: und es wurde ihm Macht gegeben, es zweiundvierzig Monate lang zu treiben. Allerdings ist hier Gottes Griff härter zu spüren. Denn wie in 11,2; 11,3; 12,6; 12,14 handelt es sich bei den zweiundvierzig Monaten um eine gottgesetzte Frist.530 Der Antichrist kann sein Wesen nur so lange treiben (ποιῆσαι [poiesai]), wie es ihm Gott erlaubt, und nicht einen Tag länger. „Zweiundvierzig Monate“ à dreißig Tagen entsprechen tausendzweihundertsechzig Tagen 522 Dass Offb 13,5-7 ein „Einschub“ sei (Kraft S. 177), lässt sich nicht begründen. 523 Vgl. Bousset (1896) S. 420; Lohmeyer 3 S. 112; Kraft a.a.O.; Mounce S. 254; Aune S. 742. 524 Vgl. K. Weiß, Art. στόμα, ThWNT, VII, 1964, S. 699. 525 Vgl. Bauer-Aland Sp. 1010. 526 Kraft a.a.O. 527 So Aune S. 743; Behm S. 75; Caird S. 167; Schlatter S. 255f. 528 Bengel S. 712: der Teufel, ebenso J.M. Hahn S. 382. 529 Ebenso Mounce S. 254; Morris S. 168. 530 So schon Dan 7,25; 12,7. Vgl. Bousset (1896) a.a.O.; Roloff S. 137.
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(11,3; 12,6) und dreieinhalb Jahren („Zeiten“, 12,14). Das Rätsel, dass Gott dem Bösen bestimmte Spielräume gibt, begleitet uns also durch die gesamte Johannesoffenbarung hindurch. Jesus hat zu diesem Rätsel in Mt 13,24ff Stellung genommen. Etwas ausführlicher wird zuerst beschrieben, was der Antichrist mit seinem Mund wirkt: Und es (= das Tier) öffnete seinen Mund zu Lästerungen gegen Gott, zu lästern seinen Namen und seine Wohnung, die im Himmel wohnen (V. 6). Insofern kann man mit Roloff sagen, der Mund sei „Wichtigstes Organ des Tieres“.531 Zum Stichwort Lästerungen gegen Gott vgl. die Erklärung bei V. 5. Hier werden die „Lästerungen“ dreifach gegliedert: a) gegen seinen Namen = gegen Gottes Person, b) gegen seine Wohnung = gegen den Himmel, c) gegen die, die im Himmel wohnen = gegen die Engel.532 Der ursprüngliche Text ist an dieser Stelle nicht leicht zu erkennen. Caird bemerkt S. 166: „In Vers 6 haben wir einen der sehr wenigen Fälle in der Offenbarung, wo der Text zweifelhaft ist.“ Jedoch sind die Worte καὶ τὴν σκηνὴν αὐτοῦ [kai ten skenen autu] (und seine Wohnung) verlässlich genug bezeugt, ebenfalls die Worte τοὺς ἐν τῷ οὐρανῷ σκηνοῦντες [tus en to urano skenuntes] (die im Himmel wohnen). Wir begegnen hier einer typisch johanneischen Sprache (vgl. Joh 1,14; Offb 7,15; 12,12; 21,3). So bleibt letzten Endes nur offen, ob vor „die im Himmel“ ein „und“ zu setzen ist. Am Sinn ändert sich dadurch kaum etwas. Man beachte wieder die Parallelen in Dan 7,25; 11,36.533 Uns modernen Menschen mag es merkwürdig vorkommen, dass die Offenbarung so viel Wert auf Worte und „Mund“ des Antichrist legt. Wir leben ja inmitten einer Flut von Worten und Dementis. Man erkennt den Rang der Worte des Antichrist erst, wenn man sie in eine Beziehung setzt zu der Priorität, die in der Bibel das Wort Gottes hat. In der Antichrist-Zeit steht Offenbarung gegen Offenbarung, christliche Überzeugung gegen antichristliche Überzeugung, Predigt gegen Predigt. Der „Mund“ des Antichrist öffnet sich nicht für Lächerlichkeiten, sondern für das Größte, was man gegen Gott sagen kann, aber in völliger Verdrehung der Wahrheit. V. 7 beginnt mit dem dritten καὶ ἐδόθη [kai edothe], dem im selben Vers noch das vierte folgt: Und es wurde ihm gegeben, Krieg zu führen mit den Heiligen und sie zu besiegen (νικῆσαι αὐτούς [nikesai autus]). Erneut müssen wir bei gegeben beides sehen: vordergründig vom Teufel gegeben, letzt531 Roloff S. 137. 532 Roloff S. 138. Lohmeyer 3 S. 112 weist auf Offb 7,15; 11,19; 12,12 hin; vgl. Bousset (1896) S. 421; Behm S. 75. Caird S. 167 deutet die Himmelsbewohner nach Phil 3,20 auf die Gläubigen, ebenso Morris a.a.O.; Aune S. 746. 533 Vgl. Lohmeyer a.a.O.
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lich aber und entscheidend von Gott.534 Dadurch stehen wir jedoch vor einem der größten Rätsel der Geschichte: Wie kann Gott es zulassen, ja sogar den Raum dafür schaffen und die Fähigkeit geben, dass der Antichrist die gläubigen Christen besiegt? Und was heißt besiegen (νικῆσαι [nikesai]) in diesem Zusammenhang? Die Antwort macht es nötig, dass wir Offb 13,7 in einen größeren biblischen Zusammenhang stellen. Zunächst gehen die Worte ποιῆσαι πόλεμον μετὰ τῶν ἁγίων καὶ νικῆσαι αὐτούς [poiesai polemon meta ton hagion kai nikesai autus] auf Dan 7,8.21.25 zurück: καὶ ἐποίει πόλεμον πρὸς τοὺς ἁγίους [kai epoiei polemon pros tus hagius] – συνιστάμενον πρὸς τοὺς ἁγίους καὶ τροπούμενον αὐτούς [sinistamenon pros tus hagius kai tropumenon autus] – καὶ τοὺς ἁγίους τοῦ ὑψίστου κατατρίψει [kai tus hagius tu hypsistu katatripsei] (LXX). Die Heiligen sind demnach das Volk Gottes, im Neuen Bund also die wahren Christen.535 Dass sie besiegt werden, ist schon bei Daniel (7,21.25) prophezeit. Schon in 11,7 hat die Offb darauf Bezug genommen. Aber nicht nur Dan 7, sondern auch 2Thess 2,4.9ff spricht von Triumphen des Antichrist. Ja, Jesus selbst spricht in Mt 24 von der schlimmen „Bedrängnis“ der Gemeinde in antichristlicher Zeit, von falschen Christussen und Propheten und einem großen, universalen Abfall zu den Verführern (Mt 24,9ff.21ff). Die Aussage in Offb 13,7 ist also keineswegs vereinzelt. Zwei Vorgänge werden hier betont. Der erste ist die Konzentration des Antichrist auf die Bekämpfung der wahren Christen. Sein Hauptinteresse ist also das Religiöse. Krieg führen (ποιῆσαι πόλεμον [ poiesai polemon]) ist ein umfassendes Wort. Es schließt den Propaganda-Krieg ebenso ein wie den psychologischen „Krieg“, den „Krieg“ über Medien, alle Arten der Verführung und auch brutalste Verfolgung. Für den Antichrist ist es ein „Macht“Kampf. Die Wahrheit ist nur insofern interessant, als sie Macht verhindert oder stützt. Denn seine eigene Macht ist es, um die er kreist, genauer gesagt: die religiös erhöhte Macht. Er weiß, dass Macht ohne Religion nicht wirklich zu haben ist. Die Religion dient der Lösung der Machtfrage. Deshalb kommt ein atheistisches System wie der Marxismus für den Antichrist nicht infrage. Vergessen wir nicht, dass er Christus nachahmt! Daher kommt auch keine Religion für ihn infrage, die „das Christliche“ ablehnt oder ausschließt. Der zweite Vorgang, der hier betont wird, ist die offizielle Niederlage der Christen (Heiligen). Besiegen (νικᾶν [nikan]) heißt nicht „auslöschen“. Trotz Offb 13,7 bleibt also Mt 16,18 in Kraft: „Die Pforten des Hades werden sie 534 Vgl. Morris S. 169; Schlatter S. 255f; Caird S. 167; J.M. Hahn S. 383. 535 Vgl. O. Procksch im Art. ἅγιος usw., ThWNT, I, 1933, S. 107ff.
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(= die Gemeinde) nicht überwältigen.“ „Besiegen“ heißt allerdings: Der Antichrist steht als der Sieger, als der Überlegene da. Die Öffentlichkeit in ihrer Mehrheit zögert auch nicht, ihn zum Sieger zu erklären. Es gehört zu den Wundern der Antichrist-Zeit, dass dennoch die christliche Mission weitergeht und Menschen zum Glauben an Jesus Christus kommen (Mt 24,14; Offb 11,3ff). Und es wurde ihm Macht gegeben über alle Stämme und Völker und Sprachen und Nationen: Hier tritt unverhüllt die Macht des Antichrist ins Zentrum. Gleichzeitig aber erreicht die Nachahmung Christi einen neuen Gipfel. Denn das ihm wurde Macht gegeben (ἐδόθη αὐτῷ ἐξουσία [edothe auto exusia]) ist eine frappierende Widerspiegelung der Worte des auferstandenen Christus in Mt 28,18: „Mir ist gegeben alle Macht“ (Gewalt), ἐδόθη μοι πᾶσα ἐξουσία [edothe moi pasa exusia]. Und der Machtbereich über alle Stämme und Völker und Sprachen und Nationen entspricht in seinem Wortlaut ganz der Kirche Christi in Offb 5,9; 7,9 sowie Dan 7,14. Nur die Reihenfolge der Begriffe wechselt. Immer deutlicher schält sich im Verlauf des 13. Kapitels heraus: Für den Antichrist ist die Machtfrage entscheidend. Für die Schuldfrage hat er nichts zu bieten. Bei Jesus Christus ist es umgekehrt: Für ihn ist die Schuldfrage entscheidend. Aber auch die Machtfrage wird er lösen. Ausgehend von der Machtfrage wird man mit Roloff festhalten müssen, dass das Tier alle Völker und Nationen „zu einer neuen weltumgreifenden Einheit zusammen“ bringt.536 Dafür schafft er seine Weltreligion.537 V. 8 sagt, wer dem Antichrist folgen wird und wer nicht. Die große Mehrheit entscheidet sich für ihn: Und sie werden ihn anbeten, alle, die auf Erden wohnen, jeder, dessen Name nicht geschrieben steht im Buch des Lebens des Lammes, das geschlachtet wurde, von Anfang der Welt an. Anbeten (προσκυνεῖν [proskynein]) bedeutet die Erweisung göttlicher Ehre. Heinrich Greeven bemerkt: „Wo das Neue Testament προσκυνεῖν gebraucht, ist das Richtungsziel immer etwas … Göttliches.“538 Die Anbetung des Drachen nach V. 4 erweitert sich in V. 4 und V. 8 zur Anbetung des ersten Tieres = des Antichrist. Offb 13,8 betont, dass alle Menschen (die auf Erden wohnen) diese Anbetung vollziehen: Nord- und Südhalbkugel, Osten und Westen, Weiße, Schwarze, mongolische und indische Völker, Indianer, Araber, Australier, Muslime, Buddhisten, Hindus, Animisten, auch Christen, die es nur dem Na536 Roloff S. 138. 537 Schlatter S. 256. 538 Im Art. προσκυνέω usw., ThWNT, VI, 1959, S. 764.
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men nach sind, Reiche, Arme, die Intelligenz und alle Schichten der Bevölkerung. Welteinheit und Welteinheitsreligion sind verwirklicht. Es gibt nur „eine“ Ausnahme: Das sind die echten christlichen Gläubigen, deren Name geschrieben steht im Buch des Lebens des Lammes, das geschlachtet wurde. Wie in Offb 3,5, ja schon in Dan 12,1 zeigt sich die Wichtigkeit dieses Buches des Lebens (ἡ βίβλος [he biblos] oder τὸ βιβλίον τῆς ζωῆς [to biblion tes zoes], vgl. Phil 4,3; Offb 17,8; 20,12.15; 21,27). Es geht zurück auf das AT (Ex 32,32f; Ps 69,29; Jes 4,3; Dan 12,1).539 Hier, im Buch des Lebens, sind alle verzeichnet, die Gottes Heil erleben in Zeit und Ewigkeit. Dabei „reichen sich … göttliche Vorherbestimmung und menschliche Willigkeit … die Hand“540. Denn das Heil anzunehmen, ist eine Sache freier menschlicher Entscheidung, ohne Zwang oder Vorprägung. Andererseits weiß Gott alle menschlichen Entscheidungen im Voraus und gründet darauf seinen Plan. Deshalb existiert dieses „Buch des Lebens“ schon von Anfang der Welt an (ἀπὸ καταβολῆς κόσμου [apo kataboles kosmu]541). Vgl. noch Lk 10,20; Phil 4,3; Hebr 12,23 im NT. Auffällig ist in Offb 13,8 die ausführliche Titulierung Buch des Lebens des Lammes, das geschlachtet wurde. Nur Offb 21,27 ist ähnlich ausführlich. Jedoch ergibt sich sehr klar der Sinn dieser Aussage: „Die Erlösungstat im Kreuze“ ist „das Fundament … für die Errettung“.542 Nur durch Jesu Sühnetod und unseren Glauben an diesen Jesus können wir ins Buch des Lebens kommen. Noch einmal: Die wahren Christen, die in diesem Buch des Lebens stehen, werden dem Antichrist nicht folgen und werden ihn nicht anbeten. Was für eine schreckliche Minderheitensituation! Und doch geborgen in Jesu Hand (Joh 10,28f). Er, der auferstandene Jesus Christus, wird auch zur Zeit des Antichrist „alle Gewalt im Himmel und auf Erden“ besitzen (Mt 28,18). V. 9 bringt den Aufmerksamkeitsruf 543 der Evangelien (Mt 11,15; 13,9; 13,43; Mk 4,23; Lk 14,35) und der Sendschreiben (Offb 2,7.11.17.29; 3,6.13.22): Wer Ohren hat, der höre! Er klingt schon im AT an (Ez 3,27), ist aber typisch für Jesus. Durch Offb 13,9 wird also klargemacht, dass Jesus
539 Vgl. G. Schrenk, Art. βίβλος usw., ThWNT, I, 1933, S. 618. 540 Schrenk a.a.O. S. 619. 541 Zur Artikellosigkeit vgl. Blass-Debrunner § 253,6. Wir verbinden also „von Anfang der Welt“ mit „geschrieben“. Ebenso Aune S. 747. 542 Schrenk a.a.O. 543 Vgl. zu Begriff und Sache Eve-Marie Becker, Markus 13 revisited, in Apokalyptik, S. 95-124, dort S. 119f. „Weckruf“ passt aber nicht für Offb 13,9. Jörg Frey bei Hengel S. 413: „Aufmerkformel“.
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selbst seine Gemeinde warnt.544 Der Aufmerksamkeitsruf betrifft den ganzen Inhalt der Verse 1-10.545 Rätselhaft ist die erste, größere Hälfte von V. 10: Wenn jemand ins Gefängnis soll, der geht ins Gefängnis. Wenn jemand mit dem Schwert getötet werden soll, der wird mit dem Schwert getötet. Die Textvarianten zeigen, dass die bewusst kurze Formulierung546 schon bald große Verstehensprobleme bereitete. Der Text, den Nestle-Aland drucken, fußt auf der Majuskel A: εἴ τις εἰς αἰχμαλωσίαν, εἰς αἰχμαλωσίαν ὑπάγει· εἴ τις ἐν μαχαίρῃ ἀποκτανθῆναι αὐτὸν ἐν μαχαίρῃ ἀποκτανθῆναι [ei tis eis aichmalosian, eis aichmalosian hypagei; ei tis en machaire apoktanthenai auton en machaire apoktanthenai]. Außer ὑπάγει [hypagei] (er geht) steht hier kein Verbum finitum. Wörtlich übersetzt heißt dies: „Wenn jemand in Gefangenschaft, geht er in Gefangenschaft. Wenn jemand mit dem Schwert getötet, wird er selbst547 mit dem Schwert getötet.“ Für die Übersetzung gibt es zwei Alternativen: a) „Wenn jemand ins Gefängnis soll, geht er ins Gefängnis. Wenn jemand mit dem Schwert getötet werden soll, wird er mit dem Schwert getötet.“ b) „Wenn jemand ins Gefängnis führt, geht er ins Gefängnis. Wenn jemand mit dem Schwert getötet werden soll, wird er mit dem Schwert getötet.“ Hier greifen viele Handschriften so ein, dass sie nach εἰς αἰχμαλωσίαν [eis aichmalosian] ein ἀπάγει [apagei] („er führt weg/ab“) einfügen. Dadurch erhalten sie den Text „Wenn jemand ins Gefängnis führt“ usw. Dasselbe geschieht, wenn αἰχμαλωσίαν [aichmalosian] durch αἰχμαλωτίζει [aaichmalotizei] ersetzt wird.548 Eine noch weitergehende Änderung erfolgt, wenn wiederum eine Reihe von Handschriften, darunter die angesehene Handschrift C, das erste ἀποκτανθῆναι [apoktanthenai] ersetzen durch ἀποκτενεῖ, δεῖ [apoktenei, dei] oder ἀποκτείνει, δεῖ [apokteinei, dei]. Offb 13,10 lautet dann: „Wenn jemand ins Gefängnis führt, geht er ins Gefängnis. Wenn jemand mit dem Schwert tötet, muss er selbst mit dem Schwert getötet werden.“549 Damit würde in Offb 13,10 die lex talionis zum Ausdruck kommen, und zwar, wie William Milli544 Anders E.-M. Becker a.a.O. S. 120: „von dem Apokalyptiker selbst“; so auch Behm S. 75; Schlatter S. 257. 545 Vgl. Morris S. 170. Auf V. 10 bezieht ihn Aune S. 748. 546 Swete S. 167: „epigrammatic style“; Hemer S. 146 nach Beckwith: „John’s manner of abruptly interjecting“; wie Swete auch Lohmeyer 3 S. 112. 547 Charles I S. 355 betrachtet αὐτόν [auton] als „corrupt for αὐτός“. 548 Vgl. den kritischen Apparat bei Nestle-Aland S. 657. 549 So z.B. Milligan S. 225f; Primasius; schon Bengel S. 722 und Vitringa S. 608; Zahn S. 446; Schlatter S. 257; Hartenstein S. 177f; Grünzweig I S. 331; Strack-Billerbeck S. 815; Kraft S. 174 (S. 178 meint er, das Textproblem könne man nicht „endgültig … entscheiden“); Bousset 1896 S. 423.
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gan 1889 schrieb, zum Trost der Verfolgten.550 Manche nehmen auch eine Mischform an, die dann im Deutschen so lautet: „Wenn jemand ins Gefängnis soll, geht er ins Gefängnis. Wenn jemand mit dem Schwert tötet, muss er selbst mit dem Schwert getötet werden.“551 Aber diese Mischform begegnet, wie Charles ausführt, starken Bedenken. Sie zerstört den Parallelismus membrorum und bringt hart nacheinander zwei verschiedene Inhalte: dass Verfolgung („Gefängnis“) nach Gottes Willen sein wird und dass die Verfolger mit dem ius talionis (Vergeltung durch dasselbe, was sie praktizieren) konfrontiert werden.552 So ist vermutlich doch der von Nestle-Aland gedruckte Text der Majuskel A der beste.553 Man kann sich vorstellen, dass die anderen Textformen sich auf der Grundlage dieses A-Textes entwickelt haben.554 Doch was besagt dieser Text? Zum Verständnis hilft die alttestamentliche Stelle, auf der er aufbaut, nämlich Jer 15,2 (vgl. Jer 43,11).555 Jer 15,2 lautet in der LXX: „Ὅσοι εἰς θάνατον, εἰς θάνατον· καὶ ὅσοι εἰς μάχαιραν, εἰς μάχαιραν· καὶ ὅσοι εἰς λιμόν, εἰς λιμόν· καὶ ὅσοι εἰς αἰχμαλωσίαν, εἰς αἰχμαλωσίαν“ [Hosoi eis thanaton, eis thanaton; kai hosoi eis machairan, eis machairan; kai hosoi eis limon, eis limon; kai hosoi eis aichmalosian, eis aichmalosian], also: „Wer zum Tod bestimmt ist, gehe zum Tod; und wer zum Schwert, zum Schwert; und wer zum Hunger, zum Hunger; und wer zur Gefangenschaft, zur Gefangenschaft.“ Die entscheidende Bestimmung trifft Gott. Jetzt verstehen wir, was Offb 13,10 in enger Parallele zu Jer 15,2 sagen will: Wem es Gott bestimmt hat (Wenn jemand ins Gefängnis556 soll), der geht in der Antichrist-Zeit auch ins Gefängnis. Und wem Gott den Tod bestimmt hat (Wenn jemand mit dem Schwert getötet werden soll), der wird in der Antichrist-Zeit den Tod erleiden (der wird mit dem Schwert getötet). Die Gemeinde erduldet das Äußerste. Aber sie hat eine doppelte Gewissheit: 1) Es geschieht nur das, was Gott bestimmt hat; 2) sie wird auch in der Antichrist-Zeit nicht von der Erde verschwinden.
550 Milligan S. 226. Vgl. Charles a.a.O. Bengel a.a.O. sieht die ungehorsamen Christen betroffen. 551 Der dritte Text bei Charles I S. 357. Vertreten z.B. durch Swete S. 167f; Caird S. 161.169f; Morris S. 170. 552 Charles a.a.O. 553 So Charles I S. 355: „A … alone is right“; W. Michaelis, Art. μάχαιρα, ThWNT, IV, 1942, S. 531,9; Neue Jerusalemer Bibel S. 1798; Einheitsübersetzung; NGÜ; Behm S. 72; Aune S. 718f.749f; Lohmeyer 3 S. 112. 554 Ebenso Lohmeyer 3 S. 112. 555 Zum hebräischen Charakter vgl. besonders Charles a.a.O. 556 Oder: „in die Gefangenschaft“. Dagegen passt „Kriegsgefangenschaft“ hier nicht (gegen Bauer-Aland Sp. 51).
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Offb 13,10 berührt sich mit Mt 26,52.557 Aber diese Berührung ist weit weniger eng als die mit Jer 15,2.558 In ähnlich knappem Stil formuliert der letzte Satz von Offb 13,10 die Anweisung an die Gemeinde der Endzeit: Hier ist die Geduld und der Glaube der Heiligen! Zweierlei ist von Anfang an klar: 1) Auf Erden bleibt eine Gemeinde Jesu bis zum Ende des Antichrist, ja bis zur Wiederkunft Jesu bestehen (vgl. Offb 14,12; Kap. 19–20). 2) Sie leidet, aber sie bekämpft den Antichrist nicht mit irdischen Waffen, schon gar nicht mit militärischen. Nun zum Einzelnen: Hier (ὧδε [hode]) ist ein Lieblingswort Jesu (Mt 12,6; 12,41.42; 24,23 parr) und der Offb (13,10; 13,18; 14,12; 17,9). Es bezeichnet den Platz des Christus oder seiner Gemeinde.559 „Hier“ in Offb 13,10 bedeutet also so viel wie: „Hier“ in der Gemeinde Jesu – im Unterschied zur Welt. Das ist (ἐστίν [estin]) hat dauerhafte Bedeutung.560 Die Heiligen (οἱ ἅγιοι [hoi hagioi]) sind wie sonst in der Offenbarung die wahren Christusgläubigen (vgl. Offb 5,8; 8,3f; 11,18; 13,7). Was Christus durch seinen heiligen Geist bei ihnen bewirkt, ist zunächst die Geduld (ἡ ὑπομονή [he hypomone]). Seit der Verkündigung Jesu sind ὑπομένειν [hypomenein] und ὑπομονή [hypomone] Hauptworte der Christenheit. Ihr Bedeutungsspielraum reicht von „harren“, „bleiben“, „warten auf“ bis hin zu „dulden“, „druntenbleiben“, „aushalten“ und „standhalten“.561 „Vor allem aber preist die Apokalypse, das Buch der Märtyrerkirche, in 7-facher Wiederholung die ὑπομονή als die rechte und notwendige Haltung der Gläubigen in der letzten Stunde des alten Aeons.“562 ὑπομονή [hypomone] wird von den Auslegern in Offb 13,10 vorzugsweise als „Standhaftigkeit“ aufgefasst.563 Damit kommt ein wesentliches Moment zum Ausdruck. Das andere wesentliche Moment ist das bewusste Erleiden und Auf-sich-Nehmen und Am-Glauben-Bleiben. Deshalb blieben wir bei der altertümlichen Übersetzung „Geduld“. An die Seite der Geduld tritt der Glaube (ἡ πίστις [he pistis]). Auch dieser Begriff weist eine beträchtliche Bedeutungsbreite auf: „Glaube“, „Gehorsam“, „Vertrauen“, „Treue“, „Zuverlässigkeit“.564
557 558 559 560 561 562 563
Vgl. Swete S. 168. Anders Kraft S. 178; Bousset 1896 S. 423. Wie wir Lohmeyer 3 S. 113. Falsch Lohmeyer 3 S. 112: „So ist’s der Heil’gen Harren und ihr Glaube.“ Vgl. zum durativen Präsens Blass-Debrunner § 319. Vgl. F. Hauck, Art. μένω usw., ThWNT, IV, 1942, S. 589ff. Hauck a.a.O. S. 592. So Hauck a.a.O. S. 593; Neue Jerusalemer Bibel a.a.O.; Bauer-Aland Sp. 1687; NGÜ; Behm S. 72.76; Morris S. 170; Schlatter S. 257. 564 Vgl. R. Bultmann im Art. πιστεύω usw., ThWNT, VI, 1959, S. 203ff; Bauer-Aland Sp. 1332ff.
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In Offb 13,10 favorisieren die Ausleger gerne die „Treue“.565 Aber man wird auch in Offb 13,10 die ganze Bedeutungsbreite annehmen müssen.566 Wir lassen es deshalb bei der herkömmlichen Übersetzung „Glaube“, weil dieser die Wurzel allen christlichen Verhaltens ist (vgl. Gal 5,6). Sind es aber „Geduld“ und „Glaube“ gemeinsam, die Gott seiner Gemeinde gegenüber dem Antichrist gebietet, dann warnt er sie vor Aufstand und gewaltsamer Gegenwehr.567 Positiv gesprochen ermutigt er sie aber zum Zeugnis des „Glaubens“ in Wort und Tat. Und er bereitet sie darauf vor, dass sie einen langen Atem („Geduld“) braucht. Damit ist eine Grundentscheidung allen Verfolgern gegenüber getroffen, die in der Geschichte auftreten und sich schließlich im Antichrist konzentrieren. Diese Grundentscheidung der „Geduld“ und des „Glaubens“ steht in Übereinstimmung mit zwei anderen Weichenstellungen des Neuen Testaments, nämlich Mt 10,16568; 22,21 (Jesus) und Röm 13,1-7 (Paulus). Es kann also keine Rede davon sein, dass der Römerbrief und die Johannesoffenbarung unterschiedliche oder sogar gegensätzliche Positionen („Unterordnung“ bzw. „Hass“) gegenüber dem Staat einnehmen würden.569
IV Zusammenfassung 1. Offb 13,1-10 prophezeit den endzeitlichen Gipfel des Leidens der Christen. Am Ende der irdischen Geschichte steht nicht der Triumph der Christenheit, sondern ihre größte Anfechtung und Leidenszeit. Dadurch sind die Christen vor allem billigen Fortschrittsglauben bewahrt. 2. Auslöser dieser Leiden ist das erste „Tier“ von Offb 13,1-10. Man nennt es traditionell den „Antichrist(us)“. Das ist biblisch gut begründet durch den Sprachgebrauch des Johannes in 1Joh 2,18; 2,22; 4,3; 2Joh 7570, aber auch durch den Sprachgebrauch Jesu in Mt 24,5.23.24 und sachlich durch 2Thess 2,3ff. Der Antichrist hat eine Doppelgestalt: Einerseits stellt er ein endzeitliches Weltreich dar, andererseits den persönlichen Herrscher dieses endzeitlichen Weltreiches. Eingesetzt, inspiriert und geleitet wird er vom „Drachen“, dem Teufel. 3. Offb 13,1-10 steht also nicht isoliert. Vielmehr gehört der Text in eine gesamtbiblische Linie, die mit der Prophezeiung des Antichrist-Reiches in 565 566 567 568 569 570
So Bultmann a.a.O. S. 208; BigS; NGÜ; Pohl II S. 132; Bousset a.a.O. Neue Jerusalemer Bibel a.a.O.; deshalb „Glaubenstreue“. Swete S. 168: „a warning … to resist its persecutors“. Darauf weist Schlatter S. 258 mit Recht hin. Ähnlich Caird S. 170; Goppelt S. 522. Vgl. Aune S. 752; Lohmeyer 3 S. 114; Charles I S. 357.
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Dan 7,7ff beginnt571, zur Verkündigung Jesu in Mt 24,4ff parr führt und über Paulus (2Thess 2,3ff)572 zu Johannes (1Joh 2,18ff; 4,3; 2Joh 7; Offb 13,10ff) geht.573 4. Für diese gesamtbiblische Linie steht es außer Zweifel, dass hier ein dualistisches Denken keinen Platz finden kann.574 Mag der Drache oder der Antichrist noch so wüten, er kann stets nur so weit agieren, als es ihm Gott erlaubt. Keine Sekunde ist zweifelhaft, dass allein der dreieinige Gott regiert. Ein Gegengott kommt nicht infrage. Ja nicht einmal die Ebene des Christus kann der Antichrist erreichen (dies ist der Haupteinwand gegen den Gebrauch des Begriffes „Antichrist“). Der Drache und der Antichrist bleiben Geschöpfe. Das ist der tiefste Trost der leidenden Gemeinde. 5. Drache und Antichrist bleiben beherrscht von der Machtfrage. Zur Schuldfrage der Menschheit haben sie nichts beizutragen. Ja sie vergrößern die Schuld der gottentfremdeten Menschheit. Sie sind „gepaart mit der Zersetzung der sittlichen Ordnungen durch eine zynische Art von Skepsis und Aufklärung.“575 Man darf sich die Antichrist-Zeit also nicht einfach als brutale Verfolgungszeit vorstellen, sondern sie ist gleichzeitig eine subtile Verführungszeit. 6. Auffallend ist die Nachahmung Christi durch den Antichrist. Otto Böcher fasste es so zusammen: Der Antichrist „hat Vollmacht vom Drachen (Offb 13,2) wie Christus von Gott, ist tödlich verwundet (Offb 13,3) wie das Lamm (Offb 5,6) und wird wie Christus neu belebt (Offb 13,3), wird inthronisiert (Offb 13,2) wie das Lamm (Offb 5,12)“.576 Wir haben allerdings im Kommentar auf die Grenzen dieser Nachahmung hingewiesen: Dem Antichrist mangelt eine wirkliche Auferstehung, ebenso wie er den Tod nicht wirklich erleidet. Aber im Streben nach der Nachahmung Christi, bei aller „teuflische(n) Imitation“577, wird gerade eines sichtbar: Wie er völlig auf Christus fixiert ist und damit dessen Bedeutung bestätigt. Zu den gravierendsten Unterschieden gehört es, dass der Antichrist im Gegensatz zu Christus ein irdisches Einheitsreich578 mit einer Einheitsreligion schafft. Schon Bengel stellte dazu
571 572 573 574 575 576
Vgl. Maier Dan S. 259ff. Vgl. dazu Metzger passim. Schon von Irenäus Adv. Haer. V, 28,2 betont. Richtig Roloff S. 137. Ratzinger S. 200. Ebenso J.M. Hahn S. 380. Zitiert von Jörg Frey bei Hengel S. 410. Schon Beda: „imitatio veri capitis nostri“ (Swete S. 163). 577 Wilckens I 4 S. 271. 578 Morris S.166.
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einst die Frage: „Werden nicht nur die falsche (sic!) Christen, sondern auch Juden, Türken [= Muslime] und Heiden diese greuliche Anbetung thun?“579 7. Offb 13,1-10 liegt in der Zukunft.580 Deshalb scheidet eine Deutung des Tieres auf Rom und das Imperium Romanum aus, mag sie auch noch so viele Vertreter haben.581 Ebenso scheidet eine Deutung auf einzelne zeitgeschichtliche Ereignisse aus, wie sie z.B. Kraft bei Offb 13,7 vornimmt, wenn er den Vers auf die domitianische Verfolgung deutet.582 Trotz all seiner Gelehrsamkeit können wir darum auch Bengel nicht folgen, wenn er z.B. Offb 13,7 auf den Krieg gegen die Waldenser 1208/1209 deutet583 oder die „Macht über alle Stämme und Völker“ usw. (ebenda) auf die Ausdehnung der päpstlichen Macht im Zeitalter der Entdeckung Amerikas.584 Dass es einzelne vorlaufende Modelle des Antichrist im Lauf der Geschichte gibt, soll damit nicht geleugnet werden. 8. An den Schluss der Zusammenfassung stellen wir den schönen Gedanken Vitringas, dass die christlichen Kirchen heute schon „Geduld und Glauben“ einüben sollten – begleitet allerdings von der hellsichtigen Warnung, dass zur Antichrist-Zeit einmal Christen mit Christen kämpfen müssten.585
6.5 Das zweite antichristliche Tier, 13,11-18 I Übersetzung 11 Und ich sah ein anderes Tier aus der Erde heraufsteigen. Und es hatte zwei Hörner gleich einem Lamm und redete wie ein Drache. 12 Und es übt alle Macht des ersten Tieres vor seinen Augen aus und bringt es so weit, dass die Erde und ihre Bewohner das erste Tier anbeten, dessen tödliche Wunde wieder geheilt wurde. 13 Und es tut große Zeichen, sodass es auch Feuer vom Himmel auf die Erde herabkommen lässt vor den Augen der Menschen 14 und die Bewohner der Erde durch die Zeichen verführt, die ihm gegeben wurden, dass es sie vor den Augen des Tieres 579 Bengel S. 720. 580 Mit Recht betont von Roland Bergmeier in einer Rezension von Th. Witulski in der ThLZ, 133, 2008, S. 171. 581 Neuerdings z.B. Witulski passim. Unter den Vertretern dieser Auffassung sind Hemer S. 12; Behm S. 74f; Aune S. 746; Bousset S. 420. Dagegen auch Lohmeyer 3 S. 114: „eine Deutung … auf Rom nicht möglich“. 582 Kraft S. 177. 583 Bengel S. 716f. 584 Bengel S. 717f. 585 Vitringa S. 609: „Christianis hic pugnandum erat cum Christianis.“
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tut, indem es den Bewohnern der Erde sagt, dass sie ein Bild machen sollen dem Tier, das die Schwertwunde hat und dennoch wieder lebendig wurde. 15 Und es wurde ihm gegeben, dem Bild des Tieres Geist einzuhauchen, sodass das Bild des Tieres sogar reden kann, und es bewirkt, dass alle, die das Bild des Tieres nicht anbeten, getötet werden. 16 Und es bewirkt, dass alle, die Kleinen und die Großen, und die Reichen und die Armen, und die Freien und die Sklaven, sich ein Zeichen geben auf ihre rechte Hand oder auf ihre Stirn, 17 und dass niemand kaufen oder verkaufen kann, es sei denn, er hat das Zeichen, nämlich den Namen des Tieres oder die Zahl seines Namens. 18 Hier ist die Weisheit! Wer Verständnis hat, der berechne die Zahl des Tieres, denn es ist die Zahl eines Menschen, und seine Zahl ist sechshundertundsechsundsechzig.
II Struktur Mit καὶ εἶδον [kai eidon] in V. 11 beginnt ein neuer Abschnitt. V. 18 fällt mit seinem eigenartigen Charakter auf und bedeutet offenbar stilistisch den Abschluss des Abschnittes V. 11ff. Das wird bestätigt durch das erneute καὶ εἶδον [kai eidon] in 14,1, das wiederum einen Neubeginn markiert. So weist unser Abschnitt eine eindrückliche Geschlossenheit auf. Diese Geschlossenheit wird noch unterstrichen durch das Stichwort ποιεῖ/ποιεῖν [poiei/poiein], das den gesamten Abschnitt durchzieht (V. 12.13.14.15.16). Überwiegt in V. 11-14 der Zustandsbericht, so überwiegt in V. 15-17 der Geschehnisbericht, in dem nacheinander verschiedene Geschehnisse geschildert werden. Man kann deshalb 13,11ff in die beiden Unterabschnitte V. 11-14 und V. 15-17 sowie die Schlussaufforderung in V. 18 einteilen. Thematisch geht es hier vor allem um das zweite antichristliche Tier, in V. 11 das „andere Tier“ genannt. Der Schluss in V. 18 bezieht sich jedoch wieder auf das erste Tier von V. 1-10. Schon diese Anordnung lässt erkennen, dass das erste Tier dem zweiten übergeordnet bleibt. Nach wie vor spielen die Bezugnahmen auf das AT, vor allem auf Daniel, eine wichtige Rolle. Bedenkt man, dass sich das Stichwort vom „heraufsteigenden Tier“ (θηρίον ἀναβαῖνον [therion anabainon]) seit 11,7 durchzieht, dann wird deutlich, dass dieser ganze Mittelteil der Offenbarung genau durchreflektiert ist und keinen Gedanken an eine Art „Sammelsurium“ alter Traditionen erlaubt. Es bewährt sich auch von diesen Beobachtungen her, dass wir Offb 12,1–14,20 unter die einheitliche Thematik der „Folgen der siebten Posaune“ zusammengefasst haben.
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III Einzelexegese Und ich sah ein anderes Tier aus der Erde heraufsteigen (V. 11): So beginnt dieser Abschnitt ganz analog dem Abschnitt V. 1ff. Johannes formuliert ein anderes Tier (ἄλλο θηρίον [allo therion]) und nicht: „ein zweites Tier“. Vermutlich wollte er beim Leser das Missverständnis ausschalten, als ob dieses „andere Tier“ entsprechend Dan 7,3ff ein zweites Weltreich nach dem Antichrist-Reich von 13,1ff darstelle. Nein, das Reich bleibt dasselbe wie in Offb 13,1-10. Es erhält jetzt nur neben dem ersten Tier einen zweiten Repräsentanten, eben in Gestalt des „anderen Tieres“. Aber sofort erinnert die Bezeichnung Tier wieder an das ungöttliche, „tierische“ Wesen. Und wieder bedeutet das Heraufsteigen wie in 11,7; 13,1, dass es von „unten“ und eben nicht vom Himmel kommt. Die Wendung aus der Erde (ἐκ τῆς γῆς [ek tes ges]) hat eine lebhafte Diskussion hervorgerufen. Muss man γῆ [ge] mit „Land“ übersetzen? So z.B. Bengel, der auf Asien deutet586, oder Bousset, der hier ursprünglich Palästina gemeint sieht.587 Aber der Gegensatz zu γῆ [ge] ist in V. 1 das Meer, und so darf man nicht an ein bestimmtes, einzelnes Land denken, sondern muss von der Erde als der „Gesamtheit des festen Landes“588 ausgehen. Steht dann hinter dem Tier aus dem Meer der Leviatan aus Hiob 40 und hinter dem Tier aus der Erde der Behemot? Und evtl. sogar hinter dem Leviatan und dem Behemot von Hiob 40 ein babylonischer Mythos? Manche Forscher haben in dieser Richtung gedacht.589 Aber der alttestamentliche Kontext von Offb 13 ist eindeutig Dan 7 und nicht Hiob 40. Ein babylonischer Mythos kann zur Erklärung von Offb 13 nichts beitragen. Beliebt ist auch die symbolische Deutung des „Meeres“ in V. 1 auf Rom als Macht aus dem Westen und der „Erde“ in V. 11 auf die Kaiserpriesterschaft im einheimischen Kleinasien.590 Aber das „Tier aus dem Meer“ (Offb 13,1) war eben nicht Rom, sondern im Sinne von Dan 7,3 zu verstehen. Und eine Deutung des Tieres aus der Erde mit seiner weltumfassenden Wirksamkeit591 auf eine lediglich provinzielle Priesterschaft geht am Text von Offb 13,11ff vorbei. Wir werden also in anderer Richtung suchen müssen. Dabei gehen wir davon aus, dass „Meer“ und „Erde“ in Offb 13,1.11 keine Gegenwelten bedeuten, sondern komplementär aufzufassen 586 587 588 589 590
Bengel S. 725. Bousset 1896 S. 424. Vgl. H. Sasse, Art. γῆ usw., ThWNT, I, 1933, S. 677. So z.B. Charles I S. 358; Conzelmann-Lindemann S. 318; Kraft S. 179; Aune S. 755. So z.B. Bousset 1896 S. 424 mit Holtzmann und Pfleiderer; Charles I S. 357 (er verweist schon auf Victorinus); Conzelmann-Lindemann S. 319; Gnilka S. 415; Wilckens I, 4, S. 271; Aune S. 756; Behm S. 77; Caird S. 171f; Mounce S. 258. 591 Vgl. hier Lohmeyer 3 S. 115f.
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sind. Der Schlüssel liegt in Offb 10,2.5.8; 12,12. Dort stellen Erde und Meer bzw. Meer und Erde zusammen ein Ganzes dar, nämlich unseren Planeten mit seiner Land- und Wasseroberfläche.592 So treten auch die beiden Tiere von Offb 13 gemeinsam auf unserer Erde auf und repräsentieren sie gleichzeitig nach ihrer Ganzheit von Kontinenten und Meeren. Mit Offb 13,1 und 13,11 erfüllt sich ja auch der Weheruf von Offb 12,12.593 V. 11 beschreibt nun das zweite Tier nach zwei Richtungen. Zunächst nach seiner Gestalt: Es hatte zwei Hörner gleich einem Lamm (ὁμοία ἀρνίῳ [homoia arnio]). Gemeint ist: So, wie ein Lamm zwei Hörner besitzt.594 Dass gerade ein Lamm zum Vergleich herangezogen wird, bedeutet, dass das zweite Tier eine Ähnlichkeit mit Christus als dem „Lamm wie geschlachtet“ (5,6.12; 13,8) beansprucht.595 Normalerweise sind Hörner ein Symbol der Kraft. Nicht so beim Lamm. Von vornherein ist also klar, dass das zweite Tier im Unterschied zum ersten nicht seine eigene Stärke demonstriert. Dennoch bleibt auch für das zweite Tier die Machtfrage („Hörner“!) zentral. Wie, werden wir im Folgenden sehen. Hingewiesen sei noch auf Dan 8,3, wo ebenfalls ein (männliches) Schaf mit zwei Hörnern eine Rolle spielt – wenn auch in einem anderen Zusammenhang. Sodann wird das zweite Tier nach seiner Botschaft beschrieben: und es redete wie ein Drache (καὶ ἐλάλει ὡς δράκων [kai elalei hos drakon]). Hier fällt das Verständnis nicht leicht. Bousset hatte damit „einige Schwierigkeiten“596, Charles bekannte: „I can make nothing of it“ („Ich kann nichts damit anfangen“).597 Charles hatte zwei Verbesserungsvorschläge: a) ein ὁ [ho] einzufügen und b) ein zugrundeliegendes hebr. [ ותדברwattedabber] als Verderbnis für ursprüngliches [ ותאבדwatteabbed] anzusehen, womit sich als Sinn ergäbe: „Aber es war ein Verderber (ein ἀπολλύων [apollyon]) wie der Drache.“598 Auch Gunkel nahm seine Zuflucht zu einer Konjektur, indem er für ἐλάλει [elalei] ein ursprüngliches hebr. [ ותארwetaar] konjizierte, was dann den Sinn ergab: „aber es sah aus wie ein Drache.“599 Aber alle diese Konjekturen sind unnötig. Sie haben überdies keinen Anhalt am überlieferten Text. In Wirklichkeit braucht der δράκων [drakon] (Drache) ebenso wenig einen Artikel wie das ἀρνίον [arnion] (Lamm). Dennoch ist für beides der Bezugspunkt 592 593 594 595 596 597 598 599
Vgl. wieder Sasse a.a.O. Ebenso Roloff S. 140. Vgl. Blass-Debrunner § 194,1. Vgl. Lohmeyer 3 S. 115; Bousset a.a.O. Anders Mounce S. 259. Bousset a.a.O. Charles I S. 358. A.a.O. Vgl. dazu Bousset a.a.O.
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und die Aussage klar: die Lammesähnlichkeit bedeutet die Nachahmung Jesu Christi, die Drachenähnlichkeit die Entsprechung zum Drachen. Es redete wie ein Drache heißt also: In der Art und in der Zielsetzung ganz dem Drachen von Offb 12,9 gemäß.600 So, wie es nach 1Joh 2,18ff mehrere Antichristusse gibt, so gibt es eben neben „dem“ Drachen schlechthin sozusagen noch einen weiteren, „abgeleiteten“ Drachen in Gestalt des zweiten Tieres von Offb 13,11. Dabei mag durchaus die „Erinnerung“ an Gen 3,13601 und überhaupt das Auftreten der Schlange in Gen 3 eine Rolle spielen. Vielleicht dürfen wir noch einen Schritt weitergehen: Wenn reden (λαλεῖν [lalein]) im positiven Sinn die Verkündigung der Botschaft Jesu ist602, so ist das „Reden“ des zweiten Tieres die Verkündigung der Botschaft des Antichrist. Diese Deutung wird bestätigt durch Offb 16,13, wo das zweite Tier der falsche Prophet (ψευδοπροφήτης [pseudoprophetes]) genannt wird.603 Das zweite Tier erfüllt also die Weissagung über die endzeitlichen falschen Propheten, die Jesus in Mt 24,11.24 parr ausgesprochen hat.604 Ja, es verkörpert diese sogar und stellt ihren Gipfel dar. Insofern erfüllt es auch Mt 7,15605 (vgl. 2Kor 11,13ff). Insgesamt beobachten wir beim zweiten Tier einen schreienden Gegensatz zwischen seiner milden, christusähnlichen Erscheinung606 und seinem scharfen, christusfeindlichen und die Menschen dem ewigen Tod ausliefernden Reden.607 Da es erst in der Zukunft auftreten wird, „sind alle Ratereien auf einzelne Personen“ der Vergangenheit wie z.B. Simon Magus zu unterlassen.608 Und es übt alle Macht (τὴν ἐξουσίαν … πᾶσαν [ten exusian … pasan]) des ersten Tieres vor seinen Augen aus (V. 12): Dem ersten Tier hatte der Drache „eine große Macht“ gegeben (V. 2). Jetzt wird diese Macht (ἐξουσία [exusia]) weiterdelegiert an das zweite Tier.609 Die Bemerkung vor seinen Augen (ἐνώπιον αὐτοῦ [enopion autu] = vor den Augen des ersten Tieres) kann nur so verstanden werden, dass das erste Tier vollkommen damit einverstanden ist. Dann aber hat das erste Tier selbst diese Machtübertragung vorgenommen. 600 Bengel S. 726: „giftig, feurig, gewalttätig, grausam“; W. Foerster, Art. δράκων, ThWNT, II, 1935, S. 285: ein „Bild für das Dämonisch-Satanische“; J.M. Hahn S. 385. 601 So Bousset a.a.O.; Kraft S. 180; Mounce S. 259. 602 So G. Kittel im Art. λέγω usw., ThWNT, IV, 1942, S. 122. 603 Charles I S. 357. 604 So schon Bengel S. 724. 605 Bousset a.a.O.; Charles I S. 358; Lohmeyer 3 S. 115; Behm S. 77; Mounce S. 258. 606 Charles a.a.O.: „the mild appearance“; Mounce a.a.O. 607 Schon Primasius: „agnum fingit, ut Agnum invadat“ (Lohmeyer a.a.O.). 608 Vgl. Bousset a.a.O; Lohmeyer 3 S. 116; Kraft a.a.O. 609 Mounce S. 259.
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Mehr noch: auch der Drache will diese Machtübertragung. Es ist also berechtigt, wenn Irenäus das zweite Tier den „Waffenträger“ des ersten nennt610 oder Bengel vom „Herold, Waffenträger, Zutreiber“ des ersten Tieres spricht.611 Was die Macht anbetrifft, sollte man sie in diesem Kontext besser nicht in die Nähe von „Gewalt“ („Gewalt ausüben“)612 rücken, sondern eher mit Werner Foerster613 als „Macht, die zu sagen hat, fast gleich Einfluß“ oder „Autorität“ auffassen. Das zweite Tier kann also im gesamten Reich des Antichrist dessen Autorität, ja sogar letztlich die Autorität des Drachen, in Anspruch nehmen.614 Als Haupterfolg hält V. 12 fest: Das zweite Tier bringt es so weit, dass die Erde und ihre Bewohner das erste Tier anbeten, dessen tödliche Wunde wieder geheilt wurde. Die Erde und ihre Bewohner sind die Menschen in ihrer erdrückenden Mehrzahl.615 ποιεῖν [poiein] hat hier den Sinn von „bewirken“, „es schaffen, dass“, es dahin bringen.616 Angebetet wird nicht etwa das zweite Tier, sondern nach V. 12 das erste Tier (τὸ θηρίον τὸ πρῶτον [to therion to proton]). Diese Anbetung verläuft wohl parallel zur Anbetung des Drachen, wie es schon V. 4 zum Ausdruck bringt. Dann aber ist das „Triumvirat des Bösen komplett“.617 Mehr noch: Offb 13,11ff beschreibt eine satanische Trinität.618 In ihr spielt der Drache die Rolle Gottes des Vaters, der Antichrist (13,1ff) die Rolle Gottes des Sohnes und der falsche Prophet (das zweite Tier) die Rolle des Heiligen Geistes. Mit Recht beobachtet Mounce, dass der falsche Prophet ebenso den Antichrist verherrlicht, wie der Heilige Geist nach Joh 16,14 Christus verherrlicht.619 Wohl ist der falsche Prophet eine „religiöse“ oder „spirituelle Macht“.620 Aber wie der Heilige Geist hat er einen Doppelcharakter: Er ist Macht/Kraft und zugleich doch auch Person. Der falsche Prophet bzw. das zweite Tier wird sich also am Ende in einer Person verdichten – genauso wie der Antichrist zunächst ein Reich, dann aber eine Person darstellt.621
610 611 612 613 614 615 616 617 618 619 620 621
Adv. haer. V, 28,2. Bengel S. 724. Vitringa S. 617: „inspector“. So Bauer-Aland Sp. 1367.563; Roloff S. 140. Im Art. ἐξεστιν usw., ThWNT, II, 1935, S. 565. Ebenso Mounce a.a.O.; Brighton S. 358; Aune S. 757. Mounce a.a.O.: „all mankind“. Vgl. H. Braun, Art. ποιέω usw., ThWNT, VI, 1959, S. 463; Bauer-Aland Sp. 1367. Mounce S. 258: „The evil triumvirate is now complete.“ Vgl. Kraft S. 179. Jörg Frey bei Hengel S. 409. Mounce a.a.O. Ähnlich Jörg Frey bei Hengel S. 410, 474. So Mounce S. 259; Brighton a.a.O. Ebenso Bengel S. 726.
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Dass beim ersten Tier die Aussage von V. 3 wiederholt wird: dessen tödliche Wunde wieder geheilt wurde, zeigt, dass es nun tatsächlich um die Religion der Menschen geht. Das war schon klar beim Begriff „anbeten“, bestätigt sich jetzt aber erneut. Denn die Heilung der „tödlichen Wunde“ gehört in den Bereich der Wunder.622 Die Erwähnung dieser Heilung schafft außerdem wie in V. 3 eine gewollte Parallele zum auferstandenen Christus. Mit anderen Worten: Der falsche Prophet setzt an die Stelle des wahren Christus einen falschen Christus in Gestalt des „Anti-(anstelle-von-623)Christus“. Wie er das tut, sagen V. 13 und 14 genauer. Aber auch diese Verse gehen nur wenig ins Detail. So gibt es mancherlei Vermutungen über das Vorgehen des falschen Propheten. Bengel dachte daran, dass sein Auftreten den Eindruck erwecken werde, es sei „alles ganz christlich“ an ihm.624 Mounce dachte an „den universalen Sieg des Humanismus“.625 Hartenstein sah hier die „widerchristliche Weltweisheit“, „eine unerhört suggestive, planmäßige, geistige Tätigkeit“ am Werk.626 P. Müller zog aus der Nachahmung Christi den Schluss: Der falsche Prophet „verwendet auch Bibelworte, aber verdreht und falsch zusammengefügt“.627 In all diesen Vermutungen steckt offenbar ein Stück Wahrheit. Jedenfalls gewinnt der falsche Prophet das Vertrauen der Menschen628 und erreicht so sein Ziel: die Anbetung des Antichrist in einer neuen Welteinheitsreligion. Dabei wird sich evtl. vieles ereignen, was jene letzte Generation – einschließlich der Christen! – überrascht. Auffallenderweise sagte Johannes bisher nicht direkt, als was der Antichrist angebetet wird. Schlatter meinte: als Gott629, Bengel: als „eine heilige Macht“630, Irenäus: „als … Christus“631. Vermutlich kommt Irenäus der Wahrheit am nächsten: Der Anti-Christus will als wahrer Christus, das heißt als der Erlöser, angebetet werden. In einem behält Schlatter jedoch recht: Der Mensch „begehrt eine Religion“632 und kann deshalb nur durch eine Religion, niemals aber durch eine atheistische Ideologie befriedigt werden. 622 Dass jetzt nicht nur ein Haupt, sondern das ganze Tier geheilt wurde, sollte nicht überbetont werden. Offb 13,12 erklärt Offb 13,3: Der tödliche Schlag trifft auch in 13,3 das gesamte Tier. 623 Vgl. Bauer-Aland Sp. 146; F. Büchsel, Art. ἀντί, ThWNT, I, 1933, S. 373. 624 Bengel S. 726. 625 Mounce S. 259: „the universal victory of humanism“. 626 Hartenstein S. 185. 627 P. Müller S. 42. 628 Brighton S. 357. 629 Schlatter S. 259. Ebenso Metzger S. 161. 630 Bengel S. 728. 631 Adv. haer. V, 28,2. 632 Schlatter S. 258f.
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Die Beschreibung der Tätigkeit des zweiten Tieres = des falschen Propheten setzt sich in den Versen 13 und 14 fort. Lohmeyer machte einst die Bemerkung: Diese Tätigkeit habe „keinerlei ‚Tieres‘-Merkmale“.633 Damit hat er zunächst einmal recht. Schon Bengel hat ja energisch darauf hingewiesen, in Offb 13 würde „auf Erden kein abentheuerliches Thier … sichtbarlich“ herum-„toben“.634 Dennoch hat das Tierbild eine tiefe innere Berechtigung. Denn das Wirken des Tieres zerstört die Gottesbeziehung des Menschen und zieht ihn dadurch auf die Stufe des Tierischen herab. Und es tut große Zeichen (καὶ ποιεῖ σημεῖα μεγάλα [kai poiei semeia megala]): Exkurs zu „Zeichen“ (σημεῖον [semeion]) Das Zeichen hat eine lange biblische Geschichte. Sprachlich geht das griechische Wort σημεῖον [semeion] meist auf das hebräische [ אוֹתot] (fem.) zurück.
Der Grundsinn von [ אוֹתot] ist: sichtbarer Hinweis; gewissmachendes Anzeichen.635 Häufig bestätigen „Zeichen“ eine Botschaft. So zeigt sich Gott in Zeichen und Wundern.636 Auch die prophetische Botschaft des AT wurde von Zeichen begleitet.637 Das erste Gotteszeichen begegnet uns in der Schöpfungsgeschichte (Gen 1,14). Es setzt sich fort im Kainszeichen (Gen 4,15) und im Regenbogen der Sintflutgeschichte (Gen 9,12ff). Danach entdecken wir die Zeichen gehäuft in der Mosezeit und bei der Befreiung Israels aus Ägypten (vgl. Ex 3,12ff; 4,8ff; 7,3ff usw.).638 Später glaubte man in Israel, wenn der Messias, der zweite Mose nach Dtn 18,15ff, käme, würden sich die Zeichen der Mosezeit wiederholen (vgl. Sir 48,10; Joh 6,30ff).639 Was die prophetischen Wunder und Zeichen anlangt, so hat Gott seine Propheten immer wieder ermächtigt, solche Zeichen anzukündigen, ja anzubieten, wie z.B. Samuel (1Sam 10,2ff) oder Jesaja (7,10ff). In anderen Fällen ließ er sie selbst Zeichenhandlungen vornehmen, wie z.B. Jesaja (8,1ff; 20,1ff), Hosea (1,2ff), Jeremia (32,6ff) und besonders Hesekiel (4,1ff; 5,1ff; 12,1ff; 24,15ff). Ja, sie konnten sogar Wunder tun, vor allem in der Zeit Elias und Elisas (1Kön 17; 18; 2Kön 1; 2Kön 2,19ff; 4,1ff; 5,1ff; 6,1ff). Besondere Beachtung verdienen die Bundeszeichen. Sie bestätigen den Bund, den Gott mit seinem Volk geschlossen hat. Helfmeyer nennt hier unter 633 Lohmeyer 3 S. 115. 634 Bengel S. 317. 635 Vgl. K.H. Rengstorf, Art. σημεῖον usw., ThWNT, VII, 1964, S. 207ff; F.J. Helfmeyer, Art. אוֹת, ThWAT, I, 1973, Sp. 182ff. 636 Rengstorf a.a.O. S. 214f. 637 Rengstorf a.a.O. S. 215f. 638 Vgl. Rengstorf a.a.O. S. 214; Helfmeyer Sp. 186ff. 639 Vgl. Rengstorf a.a.O. S. 239.
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anderem die Beschneidung (Gen 17,11), das Blut der Passalämmer (Ex 12,13) und den Sabbat (Ex 31,13ff).640 Einen Gipfel sowohl der Gotteszeichen als auch der prophetischen Zeichen erreichen wir bei Jesus. Nach dem Urteil der Zeitgenossen tat keiner in Israel mehr Wunder, als sie Jesus getan hat (Joh 7,31; Lk 7,16). Sogar die Pharisäer und die sadduzäischen Hohepriester bestätigen dies (Mt 27,42; Joh 3,2; 9,16; 11,47). Jesu Zeichen und Wunder fielen umso mehr auf, als Johannes der Täufer unseres Wissens keine Wunder getan hat (Joh 11,47). Auch der Talmud bestätigt Jesu Wunder, wenn auch in versteckter Form.641 Unter den Evangelien ist es besonders das Johannesevangelium, das Jesu Zeichen hervorhebt (vgl. neben Joh 12,37; 20,30 noch Joh 2,11; 2,23; 3,2; 4,54; 6,2.14.26; 9,16; 11,47; 12,18).642 Jesus selbst sprach von den Zeichen der Endzeit (vgl. Mt 24,3ff.30), wobei er sogar „große Zeichen“ (σημεῖα μεγάλα [semeia megala]) erwähnte (Lk 21,11) und nicht zuletzt darauf hinwies, dass am Ende die falschen Christusse und Propheten „große Zeichen und Wunder“ (σημεῖα μεγάλα καὶ τέρατα [semeia megala kai terata]) tun würden (Mt 24,24). Zeichen begleiteten dann auch die Apostel bzw. die apostolische Zeit (vgl. Mk 16,17.20; Apg 3,1ff; 4,16; 5,12ff usw.; 2Kor 12,12 sowie 1Kor 12,9f.28ff). Unser Überblick wäre unvollständig, wenn wir nicht noch eine ganz andere Linie von Zeichen erwähnen würden. Das sind die Zeichen, die von den Feinden Gottes, letztlich dem Teufel, vollbracht werden. Es gibt in der Bibel also auch satanische Wunder, und zwar in erstaunlicher Bandbreite und Quantität. Oft werden solche Wunder und Zeichen von der kritischen Forschung der Magie der heidnischen Priester zugeordnet.643 Aber eine solche Zuordnung und erst recht die Einstufung als „Gaukelspiel“644 greift zu kurz. Denn es handelt sich zum Teil um echte Wunder. Zu nennen sind die Wunder der ägyptischen Zauberer in Ex 7,11.22; 8,3, die noch das NT beschäftigen (2Tim 3,8), die Traumdeutungen durch heidnische Priester in Ägypten und Babylonien (Gen 41,8; Dan 2,2; Jes 47,12ff), die zutreffende und richtige Ankündigung von Zeichen und Wundern nach Dtn 13,2ff und die Tätigkeit gerade jüdischer Zauberer zur Zeit des Neuen Testaments (Apg 13,6ff; 19,13ff; vgl. auch 16,16ff). Besonderes Gewicht hat der Hinweis Jesu, wonach die Endzeit eine Blütezeit falscher Christusse und Propheten sein wird, die mit „großen Zeichen und Wundern“ die Menschheit verführen (Mt 24,5.23ff parr). Paulus spricht in 2Thess 2,9f ebenfalls vom „Gesetzlosen“ der Endzeit, der in der Macht Satans Zeichen und Wunder vollbringt.
640 641 642 643 644
Helfmeyer a.a.O. Sp. 185, 197ff. b Sanh 106a. Rengstorf a.a.O. S. 227; 241ff. Vgl. Charles I S. 359; Swete S. 170: „the magic of the priests“. So Roloff S. 141; Bousset 1896 S. 425.
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Wenden wir uns jetzt wieder Offb 13,13 zu, dann eröffnen sich auf dem soeben geschilderten biblischen Hintergrund eine Reihe von Einsichten: 1) Die Sprache des ποιεῖ σημεῖα μεγάλα [poiei semeia megala] ist ganz und gar johanneisch (vgl. Joh 2,23; 3,2; 4,54; 6,2.14; 9,16; 10,41; 11,47; 12,37; 20,30).645 2) Gerade die Sprache charakterisiert Offb 13,13 als eine „Art … negativen Gegenstücks“ zu den Wundern Jesu.646 3) Die großen Zeichen sollen die Menschen gewiss machen, dass die Verkündigung des falschen Propheten die richtige ist. 4) Sie sollen darüber hinaus den Eindruck erwecken, dass der falsche Prophet in der Linie der alttestamentlichen Propheten und in der Linie Jesu steht. Er wird sehr wahrscheinlich die biblischen Propheten nicht nur nachahmen, sondern sie zusammen mit Jesus für sich als Autoritäten in Anspruch nehmen. 5) Sie sollen also den Antichrist als wahren Christus = Messias beweisen. 6) Es sind keineswegs nur vorgegaukelte Wunder, sondern zum Teil echte Wunder. 7) Gerade die „großen Zeichen“ des falschen Propheten lassen Jesu Weissagung wörtlich in Erfüllung gehen, wonach am Ende die falschen Christusse und Propheten mit großen Zeichen und Wundern die Menschheit verführen (Mt 24,5.23ff). V. 13 erwähnt nun ein sehr charakteristisches Zeichen bzw. Wunder des falschen Propheten: sodass es auch Feuer vom Himmel auf die Erde herabkommen lässt vor den Augen der Menschen. ἵνα [hina] hat hier den Sinn von ὥστε [hoste]647, καί [kai] den Sinn von auch oder „sogar“.648 ἐνώπιον τῶν ἀνθρώπων [enopion ton anthropon], vor den Augen der Menschen, bedeutet: im Angesicht der ganzen Welt649, vor den Augen der Öffentlichkeit. Roloff hat demnach recht, wenn er von einem „Schauwunder mit propagandistischem Effekt“ spricht650, also dem Gegenteil der Wunder, die Jesus tat. Feuer vom Himmel auf die Erde herabkommen zu lassen, erinnert uns sofort an die berühmten Eliawunder vom Karmel (1Kön 18,37f) und die späteren Wunder von 2Kön 1,10ff. Es ist wahr: Der falsche Prophet imitiert die Wunder des wahren Propheten Elia.651 Aber gerade hier treten auch entscheidende Unterschiede zutage: 1) Der falsche Prophet „macht“ (ποιῇ [poie]) von sich aus die Wunder, während Elia sie vom Herrn erbat. 2) Der falsche Prophet 645 646 647 648 649 650 651
Ebenso Rengstorf a.a.O. S. 227, 243, 254; Jörg Frey bei Hengel S. 357; Aune S. 759. Rengstorf a.a.O. S. 254. Blass-Debrunner § 391,5; Charles I S. 358; Swete a.a.O.; Bousset 1896 S. 425. Swete a.a.O.; Aune S. 720. Swete a.a.O. Roloff a.a.O. Swete a.a.O.; Lohmeyer 3 S. 116; Mounce S. 259; F. Lang, Art. πῦρ usw., ThWNT, VI, 1959, S. 942. Er imitiert aber auch die beiden christlichen Zeugen von Offb 11,5f, worauf vor allem Zahn S. 454f hinweist.
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verführt (V. 14) die Menschen durch seine Wunder, während Elia das Volk zum wahren Gott zurückführte. Der falsche Prophet erweist sich also gerade durch Offb 13,13ff als ein Verführer im Sinne von Dtn 13,2ff. 3) Feuer vom Himmel ist nach 2Kön 1,10ff und Lk 9,54 ein Strafwunder. Will also der falsche Prophet alle diejenigen beeindrucken und sogar bestrafen, die noch nicht an den Antichrist glauben? Swete machte die feine Beobachtung, dass Johannes ja einst selbst von Jesus ein solches Feuer-Strafwunder erbeten hatte, aber von Jesus abgewiesen wurde (Lk 9,54f).652 Swetes weitere Überlegung, das „Feuer“-Wunder könnte in Verbindung mit einem Gottesdienst („worship“) für das erste Tier stehen653, bleibt dagegen reine Vermutung. Allerdings erhebt sich eine weitere Frage geistlicher und theologischer Art: Wie kann der falsche Prophet „machen“, dass Feuer ausgerechnet vom Himmel (wörtlich: „aus dem Himmel“, ἐκ τοῦ οὐρανοῦ [ek tu uranu]) kommt, also aus der Sphäre Gottes? V. 14 deutet die Antwort an: Alle Zeichen und Wunder sind dem falschen Propheten „gegeben“. Das heißt, sie sind ihm von Gott ermöglicht und erlaubt – eben bis zu der Grenze, die ihm Gott gesetzt hat. Nur sofern Gott es will und erlaubt, kann er handeln. Das antichristliche Treiben fällt also unter das Geheimnis, dass Gott in seinem Heilsplan auch ein Ausreifen des Bösen bis zum höchsten Reifepunkt vorsieht. So erklärt es Jesus in Mt 13,24ff.36ff. Summa summarum: Das zweite Tier = der falsche Prophet will „sich den Schein göttlicher Legitimität … geben“.654 Manches von dem, was V. 14 berichtet, wurde schon auf den vorausgehenden Seiten angesprochen, so z.B. die Verführungskraft des zweiten Tieres (= des falschen Propheten): sodass es die Bewohner der Erde durch die Zeichen verführt … διά [dia] mit Akk. heißt hier „kraft“, „durch“.655 Wie in V. 13 ist auch in V. 14 von Zeichen (σημεῖα [semeia]) in der Mehrzahl die Rede, sie stehen dem zweiten Tier also in Menge zur Verfügung. Aber nun bringen die Worte, die ihm gegeben wurden (ἃ ἐδόθη αὐτῷ [ha edothe auto]) eine entscheidende Abklärung. Denn das zweite Tier (= der falsche Prophet), das so grandios, so unüberwindlich auftritt, erweist sich hier als total abhängig. Es kann nur das einsetzen, was ihm eine andere Macht gegeben hat. Wer ist diese andere Macht? Vordergründig ist es der Drache, der Teufel, mit seinen Dämonen. So sagte schon Irenäus: „Kein Wunder, wenn er, wo Dämonen und
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Swete a.a.O.; vgl. Zahn S. 455. A.a.O. So mit Recht Lang a.a.O.; Schlatter S. 261. Vgl. Blass-Debrunner § 222,3.
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apostatische Geister ihm dienen, durch sie diese Zeichen wirkt.“656 Aber im letzten Grunde ist es doch Gott selbst (Passivum divinum!), der ihm diesen Spielraum und diese Fähigkeit gegeben hat. Letzten Endes bleibt also der falsche Prophet ein Werkzeug Gottes, auch wenn er das nicht sein will.657 Den Begriff verführen (πλανάω [planao]) darf man nicht nur mit den Ohren unserer westlichen Tradition hören. In der westlich-abendländischen Tradition sind ja „Verführer“ mitunter große Helden. Vielmehr müssen wir ihn im Sinne der Bibel hören und deuten. Wie Herbert Braun herausgestellt hat, bedeutet πλανάω [planao] im griechischen Alten Testament (LXX) in der Regel „das religiöse Verführen … zu Bilder- und Götzendienst“.658 Genau diese Bedeutung liegt in Offb 13,14 vor.659 Außerdem gilt es festzuhalten, dass πλανάω [planao] „ein Attribut des großen Drachen“ ist.660 Er heißt ja in 12,9 „der Verführer (ὁ πλανῶν [ho planon])“, und als solcher wird er auch in 20,3.8.10 angesprochen. Das zweite Tier besorgt also ein typisch satanisches Geschäft, wenn es die Bewohner der Erde verführt. Wenn Herbert Braun so selbstgewiss schreibt: „Die Gemeinde wird von diesem πλανᾶν (= Verführen) nicht erreicht“661, ist allerdings ein kräftiger Abstrich an solch christlicher Selbstsicherheit angebracht. Jesus rechnet in Mt 24,10f.22f durchaus damit, dass die Verführung auch die Gemeinde erreicht und dass große Scharen von Christen dem Tier nachlaufen werden. Nur Menschen, die im Sinne von Joh 10,27ff fest mit Jesus verbunden sind, werden nicht verführt.662 Zu der Aussage, dass es sie vor den Augen des Tieres (= des ersten Tieres) tut, vgl. die Erkärung bei V. 12. Aber nun läuft die Verführung sehr strategisch auf ein bestimmtes Ziel zu (V. 14). Das ist das Bild für das erste Tier. Das zweite Tier sagt663 nämlich den Bewohnern der Erde, dass sie ein Bild machen sollen dem Tier, das die Schwertwunde hat und dennoch wieder lebendig wurde. λέγων [legon] und ὅς [hos] rechnet Blass-Debrunner zu den Solözismen, bietet aber selbst die Erklärung an, dass es sich um eine constructio ad sensum handle, was in
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Adv. haer. V, 28,2. Ebenso Aune S. 760 unter Verweis auf 2Thess 2,11. Art. πλανάω usw., ThWNT, VI, 1959, S. 236. Vgl. wieder Braun a.a.O. S. 248f. Braun a.a.O. S. 248. Braun a.a.O. S. 249. Zu eng ist Hemers (S. 164) Begrenzung auf „die Feinde der Kirche“, denn es werden ja auch gleichgültige Menschen und laue Christen mit erfasst. Wie wir Morris S. 172. 663 Ob man „sagen“ mit „befehlen“ gleichsetzen darf, wie es Swete S. 170 tut, ist mehr als fraglich. Denn das Tier arbeitet wesensmäßig mit Verführung und nicht mit Zwang.
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der Tat zutrifft.664 Das erste Tier von Offb 13,1-10 wird hier beschrieben als das Tier, das die Schwertwunde (τὴν πληγὴν τῆς μαχαίρης [ten plegen tes machaires]) hat und dennoch wieder lebendig wurde.665 Erstmals erfahren wir, dass die „tödliche Wunde“ von V. 3.12 von einem Schwert herrührte. Ob „Schwert“ hier im äußeren oder im übertragen-geistlichen Sinne (vgl. Mt 10,34; Eph 6,17; Hebr 4,12) aufzufassen ist, muss offenbleiben.666 Jedoch spricht die Parallele Antichristus/Christus eher für eine äußere „Schwertwunde“. Ist es so, dann könnte gerade eine solche Schwertwunde darauf hindeuten, dass der persönliche Antichrist sich seine Position zuerst in schweren Kämpfen erobern musste. Jedenfalls aber ist hier nicht mehr wie in V. 3 ein einzelnes Haupt das Subjekt, sondern das ganze erste Tier. Deutet das auffallende Präsens ἔχει [echei] (hat) vielleicht darauf hin, dass man auch beim Antichrist diese Wundmale noch sieht? Ein weiterer Punkt fällt auf: Beim zweiten Tier ist ständig von einem machen (ποιεῖν [poiein]) die Rede – fünf Mal in den vier Versen 11-14. Die Antichrist-Zeit wird also geprägt sein von einem maßlosen Machbarkeitswahn. Aber nun das Entscheidende: Was ist das für ein Bild? Fast unisono antworten die Exegeten: Es ist das Bild des römischen Kaisers.667 Aber die Spur dieses Bildes geht viel weiter zurück in die Geschichte. Sie beginnt dort, wo Aaron ein Stierbild machte (ἐποίησεν [epoiesen], Ex 33,4 LXX). Sie wird deutlich sichtbar in Dan 3,1ff, wo Nebukadnezar ein goldenes Bild machen ließ (ἐποίησεν εἰκόνα [epoiesen eikona] LXX). Eines ist also klar: Nebukadnezars Bild wird weit übertroffen durch das Bild des Antichrist. Und doch vereinigt beide Bilder ein gemeinsamer Grundcharakter: Beide sind sie Götterbilder. Allerdings nun mit einem gravierenden Unterschied: Die Götterbilder des AT reden nicht, wie Ps 115,5 feststellt, das Bild des Antichrist dagegen redet, wie V. 15 sofort darlegen wird. Halten wir noch einmal fest: Das zweite Tier will das Bild nicht für sich, sondern für das erste Tier. Wie viele Exemplare eines solchen „Bildes“ entstehen sollen, wird übrigens nicht gesagt.668
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Vgl. Blass-Debrunner § 136,4. Ingressiver Aorist (Blass-Debrunner § 331,2). Vgl. W. Michaelis, Art. μάχαιρα, ThWNT, IV, 1942, S. 530ff. So z.B. G. Kittel im Art. εἰκών, ThWNT, II, 1935, S. 385f; Behm S. 78; Schlatter S. 262; Caird S. 171f; Hemer S. 12; Roloff S. 141; Charles I S. 360; Swete S. 170; Bousset 1896 S. 425f; Torrey S. 59. Ablehnend jedoch Lohmeyer 3 S. 116. 668 Bengel S. 732: Es wird „häufig nachgemachet werden“.
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Nach all den genannten Überlegungen halten wir es für ausgeschlossen, dass hier ein römisches Kaiser-„Bild“ gemeint sein soll.669 Die römischen Kaiserbilder und der Kult, der sich in der Antike mit ihnen verbunden hat, können nur Vorläufer, nur Modelle gewesen sein für das, was noch kommen wird und was uns alle überraschen wird. Und es wurde ihm gegeben, dem Bild des Tieres Geist einzuhauchen (δοῦναι πνεῦμα [dunai pneuma]), sodass das Bild des Tieres sogar reden kann (V. 15): Zunächst sind die ersten Worte dieses 15. Verses entscheidend. Es wurde ihm gegeben (ἐδόθη αὐτῷ [edothe auto]) bedeutet nach unserer bisherigen Auslegung: Gott hat ihm diese Gabe gegeben (Passivum divinum!). Schon zum zweiten Mal (vgl. V. 14) erscheint diese Aussage in unserem Abschnitt. Wenn es aber Gott ist, der dem zweiten Tier solche Dinge erlaubt und möglich macht, dann ist die göttliche Geschichtslenkung keine Sekunde unterbrochen, dann bleibt auch das schlimmste Geschehen in Gottes Hand. Dem Bild des Tieres Geist einzuhauchen (wörtlich: zu geben), sodass (es) … reden kann (λαλήσῃ [lalese]): Häufig wird hier auf die „Priestergaukeleien der damaligen Zeit“ verwiesen.670 Die Exegeten haben eine Menge Material aus dem Alten Orient zusammengetragen. Roloff z.B. erwähnt den Bericht Lukians, wonach die Statuen des Tempels von Hierapolis sich bewegen könnten, Orakelsprüche von sich gäben und nachts eine Stimme im Allerheiligsten rede.671 Weiter nennt man immer wieder das in Ps Clem Recogn III, 47 überlieferte Wort des Simon Magus: Ego statuas moveri feci et animavi exanima. Erwähnt werden auch Apollonius von Tyana, Apelles von Askalon, Mithrasmysterien, eine bei Athenagoras ca. 180 n.Chr. auftauchende Statue in Troas (Schutzschrift c. 26) und ägyptische Priester.672 Aber es erscheint merkwürdig, dass Johannes weithin bekannte Priestergaukeleien im Sinn gehabt haben soll, als er von der einmaligen und schrecklichen Wunderkraft des Tieres schrieb. Sollte Gott nicht mehr eingegeben haben als auch sonst vorkommende Priestergaukeleien? Irenäus sah hier tiefer, als er dem Tier zugab, dass es sich der Macht der „Dämonen und apostatischen Geister“ bedienen könne.673 Man kann sich dem Verständnis unserer schwierigen Stelle auch von einer anderen Seite her nähern. Das ist der Weg, auf den vor allem Adolf 669 Wie wir Lohmeyer 3 S. 116. Vorsichtig auch Kraft S. 180. 670 Bousset S. 367f; Charles I S. 359; Swete S. 170; Ritt S. 72; Wikenhauser S. 103; G. Kittel im Art. εἰκών, ThWNT, II, 1935, S. 386. 671 Roloff S. 142. 672 Bousset S. 367f; Kittel a.a.O.; Wikenhauser a.a.O.; Lohmeyer 3 S. 117; Caird S. 172; Aune S. 762ff; Charles I S. 363. 673 Adv. haer. V, 28,2.
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Schlatter und Gerhard Kittel aufmerksam gemacht haben, nämlich der Weg jüdischer Erfahrung und Geschichte. Schlatter zitiert eine jüdische Auslegung, wonach das Bild Nebukadnezars redete.674 Doch lässt sich das Alter dieser jüdischen Auslegung nur schwer bestimmen. G. Kittel675 verweist auf Josephus B. J. II, 169ff; Ant XVIII, 55ff, wonach Pilatus den vergeblichen Versuch unternahm, Kaiserbilder in Jerusalem aufzustellen. Ähnliches geschah unter Caligula (37–41 n.Chr.).676 Hier haben wir sicheren historischen Boden, sodass ein Verständnis des Vorgangs in Offb 13,15 als Entheiligung Gottes (vgl. Ex 20,4f) leichter gemacht wird. Dennoch reichen diese Beispiele an den Vorgang von Offb 13,15 nur teilweise heran. Denn die Kaiserbilder unter Tiberius und Caligula haben unseres Wissens nicht geredet. Außerdem überschreitet Offb 13,15 bei Weitem den zeitgenössischen Kaiserkult. So wird man in den damaligen Priestergaukeleien und in den Ereignissen der jüdischen Geschichte jeweils nur gewisse Anschauungsbilder und ziemlich mangelhafte „Modelle“ für das erblicken dürfen, was sich nach Offb 13,15 einmal der ganzen Welt zeigen wird. Wer das redende Bild nicht anbetet (ἐὰν μὴ προσκυνήσωσιν [ean me proskynesosin]), wird mit dem Tode bestraft: Das ist die dürre Aussage der zweiten Hälfte von V. 15. Dieselbe Sanktion mit der Todesstrafe findet sich schon bei Nebukadnezar (Dan 3,6.15).677 Man beachte, dass das erste Tier, das im Bild repräsentiert wird, für die Todesstrafe verantwortlich ist (es bewirkt, dass alle … getötet werden).678 Ca. 20 Jahre nach der Offenbarung des Johannes beschreibt der römische Statthalter von Bithynien in Kleinasien, Plinius der Jüngere, ein Verfahren, das auffallend an Offb 13,15 erinnert.679 Im Jahre 112 n.Chr. schreibt er an Kaiser Trajan (98–117 n.Chr.), dass die Leugner des Christentums „die Götter anriefen, deiner Büste mit Wein und Weihrauch opferten und außerdem Christus lästerten“. Wahre Christen ließen sich zu dieser von Plinius angeordneten Prozedur aber nicht zwingen. Auf diese Weise unterschieden sich wahre Christen und nur fälschlich Denunzierte. Die wahren Christen wurden von Plinius hingerichtet. Man kann in diesem Verfahren des Plinius eine erste ‚teilweise‘ Erfüllung der Prophetie von Offb 13,15 erblicken. Weitere Teilerfüllungen fin674 BFchTh S. 92 (r. zum Hohelied 7,9). 675 A.a.O. 676 Kittel a.a.O. S. 385f (Josephus Ant. XVII, 261; Philo Leg Gai 188). Vgl. Schlatter S. 262f. 677 Vgl. Roloff S. 142. 678 Vgl. Zahn S. 447; Behm S. 78; Aune S. 765. Anders Morris S. 172. 679 Ep. X, 96.
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den sich im Martyrium Polycarps Kap. 8 (wohl im Jahre 156 n.Chr.) und in Eusebius’ Kirchengeschichte (H. E. VII, 15).680 Wieder ist darauf hinzuweisen, dass das römische Kaisertum noch keineswegs die volle Erfüllung von Offb 13,15 darstellt.681 Auch V. 16 enthält mit dem Zeichen (oft auch „Malzeichen“, „Kennzeichen“ o.ä. genannt) eines der großen Rätsel von Offb 13. Was ist es? Es sei ein Zeichen auf ihre rechte Hand oder auf ihre Stirn, sagt V. 16 (χάραγμα ἐπὶ τῆς χειρὸς αὐτῶν τῆς δεξιᾶς ἢ ἐπὶ τὸ μέτωπον αὐτῶν [charagma epi tes cheiros auton tes dexias e epi to metopon auton]). Das griechische χάραγμα [charagma] bedeutet zunächst „Inschrift“ oder „Aufschrift“.682 Das dazu gehörende Verb χαράσσω [charasso], „aufschreiben“, gibt gelegentlich hebr. [ חקקchaqaq] wieder.683 In der griechischen Bibel fehlt leider χάραγμα [charagma]. In seiner weiteren Bedeutung bezeichnet χάραγμα [charagma] den „Stempel“, „häufig als amtlicher Stempel“ oder „kaiserliche(r) Stempel zur Beglaubigung“. Eine dritte Bedeutung hat es als „Gepräge“ (von Münzen).684 Ausgehend von χάραγμα [charagma] = Stempel und aufgrund der Annahme, wir hätten es in Offb 13,11ff mit dem Kaiserkult des Römischen Reiches zu tun, erblickte man im Zeichen von Offb 13,16 speziell den „Kaiserstempel“.685 Man zog dabei die Parallele zur Stigmatisation von Sklaven oder zum Einbrennen der Zeichen von Gottheiten an Heiligtümern.686 In der Tat liegt bei dieser Stigmatisation eine gewisse Parallele zu Offb 13,16 vor. Problematisch bei dieser Parallelisierung sind jedoch zwei Punkte: 1) Es scheint fraglich, ob man χάραγμα [charagma] außerhalb der Offenbarung als Bezeichnung für die Stigmatisation benutzte687; 2) die Betonung von Hand und Stirn in Offb 13,16 wird damit nicht erfasst. – Es bietet sich jedoch noch eine zweite Möglichkeit der Erklärung an, nämlich vom AT her. Von dort her lassen sich Hand und Stirn in Offb 13,16 besser verstehen.688 Die berühmten Tefillin = Gebetsriemen sollen nach Dtn 6,8; 11,18 als Zeichen ([ אוֹתot] LXX σημεῖον [semeion]) „auf deiner Hand“ und „zwischen deinen 680 Vgl. Swete S. 170; Bousset S. 368; Roloff a.a.O.; Wikenhauser a.a.O. 681 Lohmeyer 3 S. 117. Anders viele moderne Exegeten wie z.B. Wikenhauser a.a.O.; Swete a.a.O.; Charles a.a.O.; Hemer S. 12; Behm S. 78. 682 U. Wilckens, Art. χάραγμα, ThWNT, IX, 1973, S. 405. 683 Wilckens a.a.O. S. 406. 684 Wilckens a.a.O. S. 405. 685 So Wilckens a.a.O. S. 406. 686 Wilckens a.a.O. Vgl. C. Schneider, Art. μέτωπον, ThWNT, IV, 1942, S. 639; 3Makk 2,28. 687 Ablehnend Wilckens a.a.O. S. 406, 5. 688 C. Schneider (s. folgende Anm.) S. 639: „deutlich auf die Tefillin angespielt“.
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Augen“ (LXX πρὸ ὀφθαλμῶν σου [pro ophthalmon su] oder ὑμῶν [hymon]) = „auf deiner Stirn“ dienen. Was der Falschprophet in Offb 13,16 verlangt, wäre also eine Nachäffung dieser frommen israelitischen und jüdischen Übung.689 Auch bei dieser Erklärung gibt es freilich Unebenheiten. In Dtn 6,6; 11,18 wird nämlich nicht gesagt, auf welche Hand die Tefillin = Gebetsriemen zu binden sind. Auch Mt 23,5 sagt es nicht. Carl Schneider bemerkt: „Es ist keineswegs sicher, daß die Tephellin zZt des NT schon allgemein am linken Arm getragen wurden.“690 Erst aus den Targumim, also aus nach-neutestamentlicher Zeit, wissen wir dies sicher.691 Vielleicht ist jedoch bereits Prov 6,21 ein Hinweis auf dies Tragen an der linken Hand bzw. am linken Arm. Warum lässt dann der Antichrist sein Zeichen auf der rechten Hand anbringen? Vermutlich aus doppeltem Grund: 1) Er will seine Anhänger vom wahren Volk Gottes unterscheiden; 2) die rechte Seite ist die Seite von Macht und Gewalt und passt daher zu diesem Gewaltherrscher, während die linke Seite als Seite des Herzens zum Glaubensbekenntnis Israels (Dtn 6,4f) passt. Versucht man, in der Linie dieser Erklärung zu deuten, dann erweist sich unter Umständen Ez 13,18 mit dem magischen Missbrauch der Tefillin692 als eine Art Zwischenschritt zu Offb 13,16. Es gibt aber noch eine weitere Möglichkeit der Erklärung vom Alten und Neuen Testament her. Diese Erklärung nimmt ihren Ausgangspunkt bei Ez 9,4.693 Dort zeichnet der Engel Gottes alle Treugebliebenen in Jerusalem mit einem Zeichen an der Stirn oder einem „T an der Stirn“.694 Gott kennzeichnet also die Seinen und entnimmt sie dem ewigen Gericht. Die Johannesoffenbarung nimmt Ez 9,4 auf und spricht in 7,1ff; 9,4ff; 14,1ff von den „Versiegelten“, die aus Gottes Gericht gerettet werden. Sie sind auf ihren Stirnen versiegelt (Offb 7,3; 9,4; 14,1). Greift man diese Hinweise auf, dann erhält man eine scharfe Alternative zwischen den von Gott Versiegelten und den vom Antichrist Versiegelten.695
689 Darin zeigt sich bei Weitem keine „antijüdische Haltung der Apokalypse“, wie Carl Schneider, Art. μέτωπον, ThWNT, IV, 1942, S. 639 meinte, sondern im Gegenteil eine eng mit Israel und dem Judentum verbundene Haltung. 690 A.a.O. S. 639, 5. 691 C. Schneider a.a.O. 692 Siehe Maier Hes I S. 191f. 693 So z.B. C. Schneider a.a.O. S. 639; vgl. O. Betz, Art. στίγμα, ThWNT VII, 1964, S. 662ff; Aune S. 767. 694 Vgl. Maier Hes I S. 145f. 695 So z.B. Ritt S. 73; Wilckens a.a.O. S. 406; Aune S. 767; schon Bengel S. 735.
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Fazit: Alle diese Erklärungsversuche können Wichtiges zur Erklärung von Offb 13,16 beisteuern.696 Sie alle zeigen gewissermaßen „Modelle“, in denen sich Offb 13,16 vorlaufend realisiert. Die Stigmatisierung von Sklaven, gerade der mit Verbrechen belasteten Sklaven697, weist darauf hin, dass der Antichrist die mit dem Zeichen Versehenen versklavt und sich nicht mehr nehmen lassen will. Die Einbrennung von Zeichen, die die Zugehörigkeit zu einer Kultgottheit aussagten698, weist darauf hin, dass auch in Offb 13,16 die mit einem „Zeichen“ Versehenen sich als Verehrer des Antichrist ausweisen. Der Vergleich des χάραγμα [charagma] mit einem Kaiserstempel unterstreicht, dass die solcherart Gezeichneten für den Antichrist „glaubwürdig“ waren. Die Parallele mit den Tefillin von Dtn 6,8; 11,18 zeigt, dass der Antichrist das wahre, biblische Gottesvolk nachäfft und pervertiert, aber doch nicht vom Vorbild Gottes loskommt. Die rechte Hand unterstreicht, dass es dem Antichrist vordringlich um die Machtfrage und nicht um die Schuldfrage geht. Der Antichrist will mit seiner ungeheuren Macht auch die Seinen versiegeln, wie Gott die Seinen versiegelt. Aber was kann er gegen Gott ausrichten? Dreierlei ist für V. 16 noch nachzutragen. Das ist einmal die Kennzeichnung des Hohepriesters auf der Stirn laut Ex 28,36: „Heilig dem Herrn“, und auch eine ähnliche Kennzeichnung der endzeitlichen Gläubigen in Jes 44,5. Hier finden wir wiederum den Gegenpol zum „Zeichen“ des Antichrist in Offb 13,16. Sodann geht es um die Bedeutung des griechischen ἤ [e] = oder in Offb 13,16. Nach Blass-Debrunner699 kann „oder“ (ἤ [e]) im Griechischen auch wie eine Kopula wirken und demgemäß wie ein „und“ zu verstehen sein. So fassen wir es auch in Offb 13,16 auf.700 Schließlich ist nach dem Subjekt von V. 16 zu fragen. Wer bewirkt (ποιεῖ [poiei]) dies alles? Doch wohl das zweite Tier, also der falsche Prophet (vgl. V. 12-14).701 Die Kleinen und die Großen, und die Reichen und die Armen, und die Freien und die Sklaven beschreibt die gesamte Menschheit: sozial, politisch, ökonomisch und verfassungsrechtlich.702 Solche Aufzählungen sind in der Offenbarung beliebt (vgl. 6,15; 19,18).
696 Vgl. die „drei Wurzeln“ bei C. Schneider a.a.O. S. 639; grundsätzlich auch Roloff S. 143; Morris S. 173; Caird S. 173. 697 Vgl. O. Betz, a.a.O., S. 658f; Charles I S. 363, 1. 698 Vgl. wieder Betz a.a.O. S. 659f. 699 § 446,1. 700 Ebenso C. Schneider a.a.O. S. 638. Vgl. Aune S. 766. 701 Aune S. 765. 702 Aune S. 766.
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Zur zeitgeschichtlichen Erklärung von Offb 13,16 notierte selbst Bousset schon 1896 „das vergebliche Umherraten der Exegeten bisher“.703 Was hier passiert, kann weder auf eine „verschollene ältere Tradition“704 noch auf „zeitgeschichtliche Bedingungen der römischen Geschichte“705 noch auf „vorlängst Geschehenes“706 abgeschoben werden, sondern steht in seiner ganzen Seltsamkeit, Unbegreiflichkeit und Einzigartigkeit noch vor uns.707 Wir fügen noch einige Worte aus Schlatters Auslegung hier an: „Es liegt darin eine tiefe Wahrheit, daß Johannes sagt, dieser völlige Verzicht auf Freiheit und eigene Würde sei das Werk der falschen Weissagung. Denn zur absoluten Hingabe, die den Willen des Menschen völlig bindet, bewegt ihn nur die Religion … Wenn sich … die Macht mit religiöser Verklärung umgibt, dann endet jeder Widerstand; nun sieht der Mensch in seiner Knechtung seine Ehre, in seiner Entehrung ein Geschenk, in seiner Vernichtung sein Glück.“708 V. 17 beinhaltet die oft besprochene „Boykottdrohung“, die z.B. Christen in Südwestdeutschland dazu bewog, im Bankverkehr die Zahl 666 abzulehnen. Das zweite Tier bewirkt (ποιεῖ [poiei] in V. 16), dass niemand kaufen oder verkaufen kann, es sei denn, er hat das Zeichen, nämlich den Namen des Tieres oder die Zahl seines Namens. Kaufen und Verkaufen sind Grundbegriffe des Wirtschaftslebens. Wer hier nicht teilnehmen kann (δύνηται [dynetai]), der bleibt vom wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen. Das „kann“ hat hier juristische und religiöse Bedeutung. „Können“ beschreibt die staatsrechtliche und religionsrechtliche Erlaubnis. Wieder fällt die enge Verzahnung von Staats- und Religionsrecht auf. Zugang verschafft das Zeichen (τὸ χάραγμα [to charagma]). Es muss also äußerlich sichtbar sein.709 Eine rein geistliche Auslegung wird Offb 13,17 nicht gerecht. Aber nun stehen wir vor einem neuen Rätsel: Inhaltlich, sagt V. 17, bedeutet das Zeichen … den Namen des Tieres oder die Zahl seines Namens. Es muss also, erkennbar für andere, der Name des Tieres = des Antichrist auf Stirn oder Hand der Anhänger ablesbar sein. Hans Bietenhard erklärt dazu sehr nüchtern: „Die Versuche, diese Zahl zu enträtseln und auf den Namen
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Bousset (1896) S. 427. So Bousset a.a.O. So Hemer S. 12. So Bengel S. 734. Vgl. Irenäus Adv. haer. V, 30. Schlatter S. 264. Behm S. 78. Anders Caird S. 173.
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eines bestimmten Menschen zu deuten, führen zu keinem sicheren Ergebnis.“710 Wir werden diese Problematik bei V. 18 aufgreifen. Zu V. 17 sei nur noch Folgendes angemerkt: Die Vielzahl der Varianten zeigt, dass man sich bei der Erklärung der Worte „nämlich den Namen“ usw. schon immer schwergetan hat.711 Bousset nahm an, sie seien nur eine ältere, schon von Johannes nicht mehr verstandene Tradition.712 Sodann haben die Ausleger darauf aufmerksam gemacht, dass nach V. 17 den treuen Christen nicht nur „die Existenzmöglichkeit genommen“ wird, sondern auch die Anzeige bei der Obrigkeit droht, weil ihnen das Zeichen fehlt.713 Interessant ist die Bemerkung Zahns, wonach die Anordnung von Offb 13,17 „einen Anstrich von Liberalität“ zeigt. Denn dem Handelsverkehr würden dadurch „pedantische Vorschriften über die Form der Legitimationskarte“ erspart.714 Demgegenüber betont Behm715 den „Terror“ von Offb 13,17, der dem Antichrist die freie Bahn verschafft. Wir kommen nun zum wohl größten Rätsel der Kapitel 12 und 13, nämlich zu der geheimnisvollen Zahl 666 in Offb 13,18.716 Bei den Beobachtungen zur Struktur war uns oben (II.) der eigenartige Charakter von V. 18 aufgefallen, der uns als abschließende Aufforderung des Abschnitts 13,11ff begegnet und nicht mehr vom zweiten Tier handelt, sondern wieder vom ersten. Hier kommen nun auch die Begriffe σοφία [sophia] und νοῦς [nus] in enger Verknüpfung vor, außerdem das einzige ψηφίζω [psephizo] der Offenbarung. Schon die einleitenden Worte Hier ist die Weisheit (ὧδε ἡ σοφία [hode he sophia]) sind nicht leicht zu verstehen. Auffallenderweise ließen die Textvarianten diese Worte unverändert. Das griechische ὧδε [hode] (hier) kann im Zusammenhang von Offb 13 einen doppelten Sinn haben. Entweder heißt es streng örtlich „hier“.717 Dann würde der Anfang von V. 18 besagen: „Hier“ in der Gemeinde Jesu Christi ist die Weisheit vorhanden, um die Zahl des Tieres zu entschlüsseln. Oder ὧδε [hode] heißt „hierbei“, „bei dieser Gelegenheit“.718 Dann wäre der Sinn von V. 18: „Hierbei“ brauchen wir in der Gemeinde Jesu Christi die Weisheit, um die Zahl des Tieres zu entschlüsseln. 710 711 712 713 714 715 716 717 718
Im Art. ὄνομα usw., ThWNT, V, 1954, S. 280. Vgl. Bousset 1896 S. 428. Bousset a.a.O. So z.B. Wikenhauser S. 104; Charles II S. 363. Zahn S. 456. A.a.O. Hemer S. 31: eine der „most cryptic difficulties“. Bauer-Aland Sp. 1786. Vgl. Blass-Debrunner §103,3. Bauer-Aland a.a.O.
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So übersetzen z.B. Behm und Zahn.719 Man wird beide Deutungsmöglichkeiten nebeneinander offenlassen müssen. Der Vergleich mit Offb 13,10 und 14,12 bewegt uns allerdings dazu, die zweite Möglichkeit („wir brauchen“ usw.) zu favorisieren.720 Mit der Weisheit (σοφία [sophia]) begegnet uns wieder eines der wichtigen biblischen Schlüsselworte. Im Hintergrund steht wohl hebr. [ ָחְכָמהchochmah], das seinerseits eng verwandt ist mit [ ִבּינ ָהbinah] = „Einsicht“.721 Nicht nur die Weisheitslehre in Israel, sondern auch Prophetie und Apokalyptik legen Wert auf die Weisheit.722 Gerade im Danielbuch, das ja eine besondere Nähe zur Offenbarung aufweist, spielt sie eine große Rolle.723 Von daher kann man die „Weisheit“ in Offb 13,18 als endzeitliches Verständnis für den Plan Gottes auffassen.724 Hinzu kommt ein weiterer Aspekt. Es ist ja nicht nur ganz allgemein „Weisheit“, was benötigt wird, sondern die Weisheit (ἡ σοφία [he sophia] mit Artikel!725). „Die Weisheit“ aber ist nach Offb 7,12 Gottes Weisheit (vgl. Christi Weisheit nach Offb 5,12; 1Kor 1,30). Jetzt lassen sich die gemachten Beobachtungen zusammenfassen: Hier ist die Weisheit! in Offb 13,18 bedeutet, dass die Gemeinde Jesu Gottes Weisheit benötigt, um in der Endzeit Gottes Plan und insbesondere die Zahl des Tieres richtig zu verstehen. Diese Weisheit wird ihr zu gegebener Zeit auch geschenkt. Es empfiehlt sich also nicht, von einem „esoterischen Geheimwissen“ der Christenheit zu sprechen.726 Damit wird nur verdunkelt, dass die gesamte Offenbarung ein Stück christlich-öffentlicher Verkündigung ist und Gott zu seiner Zeit auch das heute noch Verborgene offenbaren wird.727 Die Fortsetzung lautet: Wer Verständnis hat, der berechne die Zahl des Tieres (ὁ ἔχων νοῦν ψηφιστάτω τὸν ἀριθμὸν τοῦ θηρίου [ho echon nun psephistato ton arithmon tu theriu]). Das griechische νοῦς [nus] ist nicht leicht zu übersetzen. Bauer-Aland beschreiben es als „das sinnliche und geistige Wahrnehmungsvermögen“, im Einzelnen als „Verstand“, „Verständigkeit“, „Sinn“, 719 Behm S. 76; Zahn S. 446. 720 Also wie Bauer-Aland; Behm; Zahn jeweils a.a.O. Temporal fasst es Bengel S. 738 auf: „da die Verführung aufs höchste kommt“. 721 Vgl. hier und im Folgenden U. Wilckens / G. Fohrer, Art. σοφία usw., ThWNT, VII, 1964, S. 476ff. 722 Vgl. Fohrer a.a.O. S. 480ff. 723 Vgl. Dan 1,17; 2,20ff; 5,11.14; 9,22 und Fohrer a.a.O. S. 489; Wilckens a.a.O. S. 503f. 724 Vgl. Wilckens a.a.O. S. 525. Wikenhauser S. 104 deutet Weisheit auf „Scharfsinn“. 725 Die Lutherübersetzung lässt den Artikel leider aus. Vgl. Bengel S. 739. 726 Gegen Wilckens a.a.O. 727 Vgl. Bengel S. 740.
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„Gesinnung“, „Gedanke“, „Meinung“, „Ratschluss“.728 Wenn der νοῦς [nus] in Offb 13,18 als Konsequenz der σοφία [sophia] erscheint, dann ist es wohl am besten, ihn hier als eine Frucht der Weisheit aufzufassen.729 Schon Bengel ist diesen Weg gegangen.730 Behm hat leider im ThWNT einen einschränkenden Weg verfolgt. Er fasste – unseres Erachtens zu eng – den νοῦς [nus] von Offb 13,18 „als intellektuelles Organ“ auf, als „Verstand … der in apokalyptische Geheimnisse eindringt“.731 Gerade diese einseitige Intellektualität aber hat νοῦς [nus] in Offb 13,18 nicht. Vielmehr geht es um eine sicherlich nüchterne, jedoch von Gottes Geist geleitete „Calculation oder Rechnung“732. Deshalb zogen wir die Übersetzung Verständnis (hebr. [ ִבּינ ָהbinah]?) vor, obwohl auch „Verstand“ eine gute Möglichkeit bleibt. Nun geht es um den Vorgang des Berechnens, griechisch ψηφίζω [psephizo]. Georg Braumann zufolge tritt ψηφίζω [psephizo] in der LXX für hebr. ספר [saphar] ein, bezeichnet also „das Zählen u. Berechnen“.733 Dies ist eine nüchterne Tätigkeit und eben kein „esoterisches Geheimwissen“. Geradezu provozierend bleibt, dass Johannes regelrecht zu einem solchen Kalkulieren auffordert: der berechne! Was hier herauskommt, muss von anderen überprüft und akzeptiert werden können (vgl. 1Thess 5,21). Bengel beklagte einst lebhaft die aufgeblähten Versuche, sich hier mit einer Lösung zu brüsten: „O wie viel menschliche schwache Einfälle werden, auch wol unter dem Vorwand geistlicher Weisheit und Verstandes, bey diesem Versicul [= Vers] insbesonderheit vor =, und der in der Schrift=Stelle selbs liegenden Weisheit unter den Weg geleget!“734 Die nächsten Zeitalter werden noch mehr davon bringen. In der Tat ist das, was bisher beim „Berechnen“ herauskam, abschreckend. Braumann selbst riet auf die gnostische Ogdoas (8) und meinte, hier sollte „die Gnosis … bekämpft werden“735. Als ob Johannes den letzten Entscheidungskampf um die Welt bei der Gnosis erblickt hätte! Selbst der gescheite Bengel deutet „die Zahl des Namens“ auf Papa = Papst und meinte, um das Papsttum ginge der universale Endkampf!736
Bauer-Aland Sp. 1101f; J. Behm im Art. νοέω usw., ThWNT, IV, 1942, S. 956ff. Anders Lohmeyer 3 S. 117: νοῦς [nus] und σοφία [sophia] seien „Wechselbegriffe“. Bengel S. 739f. A.a.O. S. 957. Bengel S. 739. Auch Lohmeyer a.a.O.: „Pneumatiker“. G. Braumann, Art. ψῆφος usw., ThWNT, IX, 1973, S. 601. Vgl. Bauer-Aland Sp. 1780; Blass-Debrunner §310,1. 734 Bengel S. 739. Wohltuend auch die Vorsicht bei J.M. Hahn S. 388. 735 Braumann a.a.O. S. 603. 736 Bengel S. 736ff.
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Aber was soll nun berechnet werden? Die Zahl des Tieres (τὸν ἀριθμὸν τοῦ θηρίου [ton arithmon tu theriu]) sagt Offb 13,18. Gemeint ist das erste Tier von Offb 13,1-10, nicht das zweite Tier von Offb 13,11-17. Gemeint ist also der Antichrist.737 Zur „Zahl des Tieres“ gibt die Offenbarung vier Hilfestellungen: 1) Es ist die Zahl eines Menschen; 2) seine Zahl ist sechshundertundsechsundsechzig; 3) es ist der Name des Tieres (V. 17); 4) es ist die Zahl seines Namens (V. 17). Trotz dieser Hilfestellungen wissen wir bis heute den Namen des Antichrist nicht. Sehen wir noch einmal Offb 13,18 an. Die Zahl eines Geschöpfes lässt sich berechnen, wenn es sich um einen Namen handelt, dessen Buchstaben sich in Zahlenwerte übertragen lassen. Davon gehen Bousset und die ganze Religionsgeschichtliche Schule aus. So hat man nach dem hebräischen Alphabet und nach den hebräischen Zahlenwerten für dessen Buchstaben herausgefunden: [ קסר נרוןqesar neron] = Cäsar Nero = 100 ([ קq]) + 60 ([ סs]) + 200 ([ רr]) + 50 ([ נn]) + 200 ([ רr]) + 6 ([ וo]) + 50 ([ נn]) = 666.738 Zugleich ist diese Lösung: sechshundertsechsundsechzig = Qesar Neron = Kaiser Nero höchst problematisch739. Irenäus, aus Kleinasien stammend und Angehöriger der johanneischen Schule (um 180 n.Chr. Bischof von Lugdunum = Lyon), beharrt darauf, „dass die Namenszahl des Tieres nach griechischer Zählung in den einzelnen Buchstaben“ gefunden werden muss und nicht nach dem hebräischen Alphabet.740 Demnach scheidet das hebräische Alphabet für uns aus. Irenäus lagen schon mehrere Deutungen vor: Euanthas, Lateinos, Teitan = Titan. Er verwirft sie alle, und das mit guten Gründen.741 Doch was ist nun seine Lösung, nachdem er Schüler derer war, die „Johannes noch von Angesicht zu Angesicht gesehen haben“?742 Erstaunlicherweise bekennt Irenäus, er wisse es nicht. Das heißt zugleich: Weder Irenäus noch die Lehrer des Irenäus – z.B. Polykarp oder Papias – haben es gewusst. Mehr noch: Auch Johannes selbst hat es nicht gewusst, jedenfalls seine Schüler nicht wissen lassen.743 Sollten wir heute klüger sein? Noch immer ist das Wort des Irenäus 737 Vgl. W. Foerster, Art. θηρίον, ThWNT, III, 1938, S. 133ff; Aune S. 780. Anders Pokorny-Heckel S. 591: Zahl des zweiten Tieres. 738 Vgl. Eckhardt S. 64f; Wikenhauser S. 110; Ritt S. 73; Roloff S. 141ff; Brockhaus KL S. 740; Conzelmann-Lindemann S. 319; Torrey S. 60; Berger S. 569ff; Strobel S. 183; Bousset S. 369ff; Swete S. 170; Jörg Frey bei Hengel S. 411; Wilckens I, 4 S. 270; Pokorny-Heckel S. 602. Man darf jedoch nicht übersehen, dass die normale Schreibweise [ קיסר נרוןqesar neron] lautet, was den Zahlenwert 676 ergibt. Vgl. Aune S. 770. 739 Schon Zahn S. 506 dagegen. 740 Adv. haer. V, 30, 1. 741 Adv. haer. V, 30, 3. 742 Adv. haer. V, 30, 1. 743 Vgl. Adv. haer. V, 30, passim.
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über Offb 13,18 beherzigenswert: „Sicherer und gefahrloser ist es also, die Erfüllung dieser Prophetie abzuwarten, als allerlei Namen zu vermuten und zu weissagen.“744 Wir werden also die Zahl des Tieres erst in der letzten Zeit der Geschichte erfahren, dann aber zuverlässig. Weiter kommen wir in unserer Zeit nicht.745 Nun lässt sich eine Schneise erkennen: 1) Die Deutung auf den „Kaiser Nero“ ([ קסר נרוןqesar neron]) scheidet aus, denn Offb 13,18 verlangt das griechische Alphabet. Außerdem weiß Irenäus nichts von Nero, und die seltsame Absicht, Nero zum Gegenspieler des auferstandenen Christus zu machen, darf Johannes nicht zugemutet werden.746 2) Die gelegentlich überlieferte Zahl „sechshundertundsechzehn“ anstelle von sechhundertsechsundsechzig ist falsch. Schon Irenäus musste sich mit ihr herumschlagen.747 Auch die alten Handschriften sprechen für die 666. Ebenso falsch ist die Zahl 665 in der Minuskel 2344. 3) Ausdrücklich bemerkt V. 18, es ginge um die Zahl eines Menschen. Resultat der Berechnung ist also ein bestimmter Mensch (ἄνθρωπος [anthropos]).748 Bengels Auslegung, „Eines Menschen Zahl“ bedeute „eine Zahl menschlicher … Jahre“749, hat vor dem Text keinen Bestand. Bengel hat sie 750 2 Kein Zweifel, dass er näher ausgerechnet auf 666 666 999 = 3 „gemeine Jahre“. damit dem Text Gewalt angetan hat. 4) Geht es um einen bestimmten Menschen, der mit der Zahl des Tieres = des Antichrist identisch ist, dann ist ebenso klar, dass am Ende ein persönlicher Antichrist auftreten wird, dessen Namens-Zahl eben sechshundertsechsundsechzig betragen wird. Damit stimmt Paulus in 2Thess 2 völlig überein, denn in 2Thess 2,3 schreibt er, der Antichrist komme als ein Mensch (ἄνθρωπος [anthropos]), und zwar als ein „Mensch der Ungerechtigkeit (oder Gesetzlosigkeit)“.751 744 Adv. haer. V, 30,3. 745 Dass aus der 666 als „Dreieckszahl“ eine 8 zu gewinnen sei, ist viel zu fachtechnisch und zu kompliziert. Gegen Lohmeyer 3 S. 118f. Vgl. Caird S. 176. 746 Wikenhauser a.a.O.: Die Nero-These hat „keinen Anspruch auf volle Sicherheit“. Wie wir Zahn Einl S. 622: Deutung auf Nero „ist von äußerster Unwahrscheinlichkeit“; Guthrie S. 958; Mounce S. 259; ablehnend auch Lohmeyer 3 a.a.O.; Morris S. 38. Sogar Kümmel schreibt S. 414 zur Zahl 666: „Ihre Auflösung (ist) völlig unsicher geblieben“, ähnlich Conzelmann-Lindemann a.a.O. Auch Aune bleibt S. 780 unsicher. 747 Adv. haer. V, 30,1. 748 Ebenso Wikenhauser S. 104. Schon das alte Rabbinat hat solche Berechnungen angestellt (Schlatter BFchTh S. 74). 749 Bengel S. 741. Vor ihm Luther (Hofmann S. 431f). 750 A.a.O.
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5) Wenn der Name des Tieres sich in einer bestimmten Zahl seines Namens ausdrückt, gibt es immer noch verschiedene Möglichkeiten, diesen Namen zu konkretisieren. Es kann z.B. ein privater Personenname, eine allseits anerkannte politische Namensform oder eine staatsrechtlich einmalige Benennung sein. 6) Wertvoll bleibt der Gedanke des Irenäus, wonach schon die dreimalige Abfolge der „6“ (6 – 6 – 6) eine Botschaft enthalte. Er zieht eine Linie zur 6Zahl beim Bild Nebukadnezars, das nach Dan 3 60 Ellen Höhe und 6 Ellen Breite maß, und schließt daraus, dass 6 die Zahl der Sünde sei. Eine Bestätigung dafür findet er in der Sintflutgeschichte. Dort erreichte die Sünde ihren Höhepunkt, als Noah 600 Jahre alt war (Gen 7,11). Infolgedessen betrachtet Irenäus die 666 als „Zusammenfassung aller Ungerechtigkeit und allen Truges“ bzw. als „Rekapitulation der gesamten Apostasie (= Abfalls von Gott)“ in der Geschichte der Welt.752 7) Nicht zu vergessen ist, dass der Name des Tieres = der Name des Antichrist, in Kurzform ausgedrückt durch die Zahl seines Namens, den Inhalt des Zeichens von V. 16 und 17 bildet. Doch alle diese Erwägungen ändern nichts daran, dass wir die „666“ bis heute nicht entschlüsseln können.753
IV Zusammenfassung 1. Mit dem zweiten Tier von Offb 13,11-18 vervollständigt sich die satanische Trinität („satanische Dreieinigkeit“754). Sie besteht aus dem Satan selbst (dem „Drachen“ und der „Schlange“), dem Antichrist = dem ersten Tier und dem Falschpropheten = dem zweiten Tier. Unschwer erkennt man darin eine Parallele zur göttlichen Trinität mit Gott dem Vater, Gott dem Sohn und Gott dem Heiligen Geist. 2. Dieses zweite Tier sucht alle Verehrung auf das erste Tier zu ziehen, analog dem Heiligen Geist, der alles auf die Verehrung Christi und des Vaters richtet. Das zweite Tier ist also der Agent des ersten, sein Propagandist, sein Verkündiger, sein Sachwalter. Bei ihm geht es in erster Linie um das Reden und Verführen (13,11.14), wie es für falsche Propheten typisch ist. Im Unterschied zur wahren, göttlichen Prophetie stützt es sich jedoch zentral auf Zei751 Lutherbibel: „Mensch der Bosheit“. 752 Adv. haer. V, 29,2; 28,2. In ähnliche Richtung geht Morris S. 174. Er sieht die 666 als ständige Verfehlung der 7, nämlich des Gottgemäßen. 753 Im Ergebnis auch Schlatter S. 265; Behm S. 80f; Hartenstein S. 186. 754 Heinrich Schlier, Vom Antichrist, Theologische Aufsätze, Karl Barth zum 50. Geburtstag, München, 1936, S. 114. Pokorny-Heckel S. 591: „Antitrinität“.
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chen, die es in auffallender Häufigkeit und in größtem Ausmaß vollbringt (13,13-15). 3. Durch sein Wirken bringt es eine Welteinheitsreligion zustande, wie sie schon Nebukadnezar nach dem Danielbuch (Dan 3) anstrebte. Sie tritt nach außen wie das wahre Christentum auf (13,11). Dadurch erhält das AntichristReich einen stark religiösen Charakter. In vielfältiger Weise werden Gott und Jesus nachgeäfft755: durch Gottesdienst und Anbetung, durch prophetische Zeichen und Predigt, sogar Zeichen, die an Elia erinnern, sowie durch Malzeichen, die an die biblischen Tefillin (Gebetsriemen) erinnern. Aus 13,17 kann man entnehmen, dass dann eine Art äußerer Segen und Wohlstand herrschen wird. 4. Dennoch bleibt die Macht im Zentrum der satanischen Trinität. Die Menschen, die dem Antichrist anhängen, tragen ihre Zeichen an Hand und Stirn, auch wie Sklaven, die stigmatisiert wurden, damit sie ihrem Herrn (dem Antichrist) nicht mehr entlaufen sollen. Es herrscht keine echte Religionsfreiheit. Ja, weil das Antichrist-Reich völlig dem Machtstreben ergeben ist, tötet es alle, die sich seiner Religion entziehen. Seine dunkle Seite ist die ständige Verfolgung und Verführung der wahren Christen. Auch das zweite Tier hat an diesem tödlichen System Anteil, denn „es übt alle Macht des ersten Tieres aus“ (13,12). Es gleicht in der Tat dem reißenden Wolf im Schafskleid von Mt 7,15. 5. Offb 13,11-18 verschafft uns auch vermehrte Gewissheit über das erste Tier, den Antichrist. Zunächst muss die „tödliche Wunde“, von der schon 13,3 sprach, auf das ganze erste Tier bezogen werden und nicht nur auf eins seiner Häupter (13,12). Sodann wird in dem Abschnitt 13,11-18 erstmals erklärt, dass diese tödliche Wunde von einem Schwert herrührt (13,14). Noch wichtiger ist, dass der Antichrist am Ende durch einen bestimmten Menschen verkörpert wird (13,18). Vielleicht darf man analog dazu annehmen, dass auch der Falschprophet, mindestens am Ende, in einem bestimmten Menschen Gestalt gewinnt. 6. Dies alles liegt in der Zukunft. Wir können Luthers und Bengels Auslegung, „daß der Auftritt des Thiers … schon vorlängst geschehen sey“756, nicht teilen. Offb 12 und 13 übersteigen bei Weitem das bisher von der Christenheit Erlebte. Eine volle Verwirklichung in der Zukunft schließt freilich nicht aus, dass es im Verlauf der Geschichte so etwas wie „vorlaufende Mo-
755 Vgl. Lohmeyer 3 S. 116: „Nachäffungen der Gestalt des Erlösers“. 756 Bengel S. 734; Luther Vorreden S. 185 (vgl. Hofmann S. 428ff).
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delle“ gibt und dass sich dabei die eine oder andere Gestalt aus Offb 12 und 13 „je und je verkörpert“757. 7. Liegt aber Offb 13,11-18 erst in der Zukunft wie überhaupt alles in den Kapiteln 12 und 13 Geschaute, dann genügt eine rein zeitgeschichtliche Deutung nicht mehr. Damit entfällt die beliebte Deutung des ersten Tieres auf das Römische Reich oder auf Kaiser Nero. Für Wilhelm Bousset war diese Deutung noch der „feste Punkt“, der „rocher de bronce“ aller Auslegung von Offb 13 gewesen.758 Sie hatte sich bis weit in die Kreise des Biblizismus hinein Anerkennung verschafft, wie man z.B. an Hans Emil Weber sehen kann.759 Es entfällt dann aber auch die Deutung des zweiten Tiers auf den Kaiserkult und seine Priesterschaft.760 Ebenso wenig wie die Nero-Deutung lässt sich die Deutung auf Domitian aufrechterhalten, die z.B. Roland Schütz, Ethelbert Stauffer und Adolf Pohl vertreten haben.761 Auch Luther und Bengel greifen mit ihrer Deutung auf das Papsttum zu kurz762, mag auch das entartete Papsttum des Mittelalters manche Einzelzüge von dem verkörpert haben, was Offb 13 schildert. 8. Die schwerwiegenden und weitreichenden Inhalte von Offb 13,11-18 bestätigen erneut, dass wir in Offb 12–14 einen „Höhepunkt der apokalyptischen Weissagung“763, ja die „Mitte des Buches“764 vor uns haben. Übrigens gibt es unseres Erachtens keinen Anhaltspunkt für die Vermutung Aunes765, der Vers 18 sei eine „redaktionelle Hinzufügung“, habe also nicht zum ursprünglichen Text gehört. 9. Besonderes Augenmerk erfordern das Zeichen (χάραγμα [charagma]) von V. 16 und die Zahl sechshundertundsechsundsechzig in V. 18. Diese Verse gehören zu den am häufigsten besprochenen der Offenbarung. Immerhin hat Bengel seine „apokalyptische Entdeckung“ der Zahlen am 2. Advent 1724 an Offb 13,18 gemacht.766 Es bleibt ferner festzuhalten, dass Irenäus im 2. Jh. ein ganzes Kapitel seines Werkes Gegen die Häresien der Zahl 666 gewidmet hat.767 Das Zeichen von Offb 13,16 besteht im Zahlenwort des Na757 Kraft S. 180. 758 Bousset S. 120.373 (vgl. Maier Offb S. 533). 759 Vgl. seine Abhandlung „Zum Verständnis der Offenbarung Johannis“, Aus Schrift und Geschichte, Stuttgart, 1922, S. 53f. 760 Gegen Swete S. 170; Roloff S. 141; Charles I S. 360. 761 R. Schütz, Die Offenbarung des Johannes und Kaiser Domitian, Göttingen, 1933; E. Stauffer, CNT, XI, 1947, S. 237ff; Pohl II S. 147f. 762 Vgl. Luther a.a.O.; Bengel S. 736ff. 763 Bousset S. 335 sogar „Der Höhepunkt …“! 764 Goppelt S. 520 (bezogen auf Offb 13). 765 Aune S. 769. 766 Vgl. Maier Offb S. 396.
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mens des Antichrist. Dass man bei Sanktion der Todesstrafe verpflichtet ist, dieses Zeichen auf der rechten Hand und auf der Stirn zu tragen, zeigt einerseits die Nachahmung der biblischen Anordnungen, andererseits die religiöse Verehrung des Antichrist und die Stigmatisierung seiner Anhänger, die seiner Herrschaft nicht mehr entrinnen sollen. Die Zahl 666 lässt sich bis heute als Namenszahl nicht auflösen. Wir wissen also den Namen des Antichrist nicht – so wenig wie die ersten Christen. Allerdings geht es nach unserer Überzeugung in Offb 13,18 nicht um ein „esoterisches Geheimwissen“768 oder eine „Geheimweisheit“ für „bestimmte enge Kreise“769. Vielmehr handelt es sich um eine geistgewirkte Erkenntnis der wahren Kirche. Wie Irenäus und andere denken wir, dass diese Erkenntnis und damit die volle Auflösung der Zahl 666 in der letzten Zeit geschenkt wird.770 Schon heute aber lässt sich Folgendes sagen: Bei der Zahlenangabe „666“ spricht keineswegs „ein tändelnder Mensch“, wie F. A. Stroth 1771 schrieb.771 Sie ist durchaus ernst gemeint: So wird es Johannes zufolge einmal kommen. Andere überlieferte Zahlen wie z.B. 616 verdienen gegenüber der 666 kein Vertrauen.772 Die 666 drückt den menschlichen Namen des in Gestalt eines Menschen auftretenden Antichrist aus. Es geht also nicht um Jahreszahlen.773 Die Zahl 666 lässt sich außerdem heute schon geistlich deuten: als Ausdruck für Sünde, Abfall, antichristliches Wesen und das vergebliche Bemühen, es dem Heiligen (mit der Zahl 7) gleichzutun.774
6.6 Das Lamm und die Seinen, 14,1-5 I Übersetzung 1 Und ich sah, und siehe, das Lamm stand auf dem Berg Zion und mit ihm hundertvierundvierzigtausend, die seinen Namen und den Namen seines Vaters auf ihren Stirnen geschrieben hatten. 2 Und ich hörte eine Stimme aus dem Himmel wie eine Stimme vieler Wasser und wie eine große Donnerstimme, und die Stimme, die ich hörte, war wie von Harfen767 768 769 770 771 772 773 774
Adv. haer. V, 30. Gegen Wilckens ThWNT, VII, 1964, S. 525. Gegen Behm S. 79. Irenäus Adv. haer. V, 30, 3. In: Freymüthige Untersuchungen die Offenbahrung Johannis betreffend, S. 239. Gegen Schlier a.a.O. S. 114ff. Gegen Bengel und Luther, s. oben. So nicht nur Irenäus Adv. haer. V, 28,2ff, sondern z.B. auch Johann Christian Konrad von Hofmann 1841/1844, vgl. Maier Offb S. 490.
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spielern, die auf ihren Harfen spielen. 3 Und sie singen ein neues Lied775 vor dem Thron und vor den vier Wesen und den Ältesten, und niemand konnte das Lied lernen außer den hundertvierundvierzigtausend, die von der Erde erkauft sind. 4 Das sind diejenigen, die sich nicht mit Frauen verunreinigt haben, denn sie sind jungfräulich, das sind diejenigen, die dem Lamm nachfolgen, wo es auch hingeht. Die wurden von den Menschen erkauft als Erstlinge für Gott und das Lamm, 5 und in ihrem Mund wurde kein Falsch gefunden. Sie sind untadelig.
II Struktur Obwohl ein kleiner Abschnitt, weist Offb 14,1-5 schon äußerlich betrachtet eine klare Eigenständigkeit auf.776 Wie in 13,1; 13,11; 14,6; 14,14 markieren die einleitenden Worte Und ich sah (καὶ εἶδον [kai eidon]) einen Neubeginn. Mit 14,1 und 14,6 hat unser Abschnitt also seine klaren Grenzen. Aber auch thematisch tritt seine Eigenständigkeit hervor. Die Thematik vom Drachen und den beiden Tieren (13,1-18) ist jetzt zu Ende. Stattdessen geht es um das Lamm und die Seinen. Ihre Bezeichnung als „hundertvierundvierzigtausend“ schlägt den Bogen zurück zu Offb 7,4ff. Auch diese deutliche Anknüpfung an Offb 7,4ff zeigt, dass die Offenbarung ein bewusst durchkomponiertes Buch darstellt. Ferner gehört Offb 14,1-5 zu den „Pausen“ im Buch. Nach der atemberaubenden Dramatik der Geschehnisse in Offb 13 liegt nun über Offb 14,1ff ein Hauch himmlischen Friedens und himmlischer Geborgenheit. Das einzige Verbum finitum, das den Hundertvierundvierzigtausend zugeordnet wird, ist ᾄδουσιν [adusin]: „sie singen“.777 Dem Lamm gar wird als einziges Tätigkeitswort ein Partizip zugeordnet: ἑστός [hestos] (V. 1). In Offb 14,1-5 setzt sich außerdem der hymnische Charakter des ganzen Buches fort. Er prägt die Verse 2 und 3, aber auch 4 und 5, wenn es sich auch nicht um einen direkten Hymnus wie in 12,10-12 handelt. Bei alledem darf aber nicht vergessen werden, dass Offb 14,1-5 von einer geheimen Spannung gegenüber 13,1-18 erfüllt ist. Ja, diese Spannung wird geradezu eine Art inhaltlicher Antithese zu 13,1ff: Während das zweite Tier in 13,11 „wie ein Lamm“ auftrat, begegnet uns jetzt in 14,1 das wahre Lamm 775 Vor ὠδήν [oden] fügen viele HSS ein ὡς [hos] ein. Zahn hat sich S. 507 für die Ursprünglichkeit dieses ὡς [hos] ausgesprochen. Aber kaum mit Recht, vgl. Offb 5,9; 15,3. Aune S. 808 wie Zahn. 776 Aune S. 796: „a clearly defined unit“. 777 Nach Charles II S. 7 ist ᾄδουσιν [adusin] jedoch wie ᾀδόντων [adonton] zu lesen.
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schlechthin; während in 13,3ff „die ganze Erde“ sich dem Tier anschloss, sind nun beim Lamm nur diejenigen, die von der Erde erkauft sind (14,3); während 13,16f von den Anhängern des Antichrist berichtet, dass sie dessen „Namen auf ihrer Stirn“ tragen, ist jetzt in 14,1 von denen die Rede, die den Namen des Lammes und den Namen seines Vaters auf ihren Stirnen geschrieben haben; während der Antichrist und der Falschprophet mit dem Drachen ihr Wesen „auf der Erde“ treiben (12,9.12f; 13,3ff.11ff), steht das Lamm mit den Seinen auf dem Berg Zion (14,1); während die Anhänger des Antichrist sich mit dem Götzendienst verunreinigen (13,15), befinden sich beim Lamm diejenigen, die sich nicht verunreinigt haben (14,4) – sie sind untadelig; während der Falschprophet voll Lug und Trug ist (13,11), befinden sich beim Lamm diejenigen, in deren Mund kein Falsch gefunden wurde (14,5); während „die ganze Erde“ dem Drachen und dem Antichrist nachfolgt (13,3), sind auf dem Berg Zion diejenigen versammelt, die dem Lamm nachfolgen (14,4); und während in 13,15 das Götzenbild auf Erden reden muss, wird in 14,1-5 eine göttliche Stimme aus dem Himmel vernommen. Der Gegensatz zwischen Offb 13 und Offb 14,1-5 könnte nicht schreiender sein! Insofern ist Offb 14,1-5 also ein Gegenbild zu 13,1ff.
III Einzelexegese Mit dem neuen Und ich sah wendet sich Johannes einer ganz anderen Sphäre zu778, als er sie in 13,1ff und 13,11ff sah. Das Zentrum der neuen Schau bildet das Lamm (τὸ ἀρνίον [to arnion]), V. 1. Der Artikel ohne weitere Apposition macht klar, dass es sich um das Lamm von Offb 5,6ff; 6,1ff; 7,9ff; 8,1ff; 12,11; 13,8ff handelt, also um Jesus Christus. In der Schau von Offb 14,1-5 steht das Lamm. Der griechische Text enthält nur das Partizip ἑστός [hestos] ohne ein „ist“ (ἐστίν [estin]) oder „war“ (ἦν [en]).779 Durch diese Ausdrucksweise wird das Bild völliger Ruhe und Überlegenheit noch verstärkt. Welch ein Gegensatz zum nimmer ruhenden, aktionistischen „machen“ (ποιεῖν [poiein]) der beiden Tiere von Kapitel 13! Der Seher gibt uns den Ort des Lammes an: auf dem Berg Zion. Das weckt eine lange Kette von Erinnerungen. Zunächst an die Berge, die Jesus so oft aufsuchte, auf denen er lehrte und wo er betete (z.B. Mt 5,1; 14,23; Joh 6,15). Dann an die Berge der Offenbarung Gottes im Alten Bund, an den Sinai, Garizim, Ebal, Nebo, Tabor und andere (Ex 19,1ff; Dtn 27,11ff; 34,1ff; Ri 4,6ff). Dann auch die Erinnerung daran, dass Zion im Laufe der Zeit zur Be778 Vitringa S. 638: „Alia … scena“. 779 Vgl. Blass-Debrunner §§ 96; 128,12.
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zeichnung für Jerusalem oder ganz Israel wurde.780 Ursprünglich war „Zion“, hebr. [ ִציּוֹןzijon], wohl die „topographische Bezeichnung … für den Südosthügel des späteren Stadtgebietes“ Jerusalems.781 Prägend aber wird der Name „Zion“ durch seine Verwendung in der prophetischen Verkündigung. Hier ist es in erster Linie „die Stadt der eschatologischen Heilszeit“.782 Man denke an Jes 2,3; 4,5; 40,9; 49,14; 52,8; 60,14; 62,1ff; Joel 3,5; Ob 17; Sach 9,9ff und andere Stellen. Ähnliches gilt für das Neue Testament, wobei dort freilich der Name „Zion“ hinter dem Namen „Jerusalem“ zurücktritt.783 Ist nun in Offb 14,1 das irdische oder das himmlische Zion gemeint? Für das irdische hat sich vor allem R.H. Charles ausgesprochen. Er nimmt an, dass Offb 14,1-5 das Tausendjährige Reich („Millenial Kingdom“) zum Gegenstand hat. Die vollendeten Gläubigen, die in Offb 7,4ff schon im Himmel waren, seien in 14,1ff auf die Erde zurückgekehrt, um am Millenium teilzunehmen, dessen irdisches Zentrum der Berg Zion sei.784 Bousset lässt eine solche Deutung zu.785 Doch stößt eine solche Ortsveränderung – vorausgesetzt, die 144 000 sind in 7,4ff und 14,1ff dieselben – auf Bedenken. Auch spielen sich die übrigen Ereignisse von Offb 14 überwiegend im Himmel ab. Außerdem haben wir in der Offenbarung bisher noch nichts davon gelesen, dass ein Tausendjähriges Reich errichtet wurde. Deshalb liegt die Deutung auf ein himmlisches „Zion“ oder Jerusalem näher.786 Insofern bildet Offb 14,1 eine Parallele zu Hebr 12,22 und Offb 21–22. Etwas weniger präzise auch zu Gal 4,26; Eph 2,6; Phil 3,20.787 Noch einmal wird uns die Spannung zwischen Offb 12–13 und 14 bewusst. Die satanische Trinität ist irdisch bestimmt und tobt sich auf Erden aus. Die Gläubigen aber, die mit dem Lamm verbunden sind, sind himmlisch bestimmt und am Ende auch sichtbar im Himmel beheimatet. Hier berühren sich Paulus und Johannes sehr eng (vgl. Eph 2,6; Phil 3,14ff; Kol 3,1f).788 Swete hat darauf aufmerksam gemacht, dass ἑστός [hestos] (stand) in Offb 14,1 wie eine
780 781 782 783 784 785 786 787 788
Vgl. G. Fohrer/E. Lohse, Art. Σιών usw., ThWNT, VII, 1964, S. 291ff. Fohrer a.a.O. S. 293. Fohrer a.a.O. S. 298, 311ff. Vgl. Lohse a.a.O. S. 326ff. Charles II S. 1.5. Ebenso Lohse a.a.O. S. 336; Aune S. 803. Ähnlich Zahn S. 511ff; Pohl II S. 149f; Roloff S. 148; Hadorn S. 149. Bousset 1896 S. 437f („Es ist schwer zu sagen …“). So auch Swete S. 177; Lohmeyer 3 S. 122; Bengel S. 745; Wilckens I, 4 S. 272; Morris S. 175; Schlatter S. 266; J.M. Hahn S. 405; Giesen S. 320. Vgl. Swete a.a.O.; Lohmeyer a.a.O. Vgl. Swete a.a.O.
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Antwort auf das ἐστάθη [estathe] („trat“) klingt: „The Beast is on the sand, the Lamb on the rock.“789 Und mit ihm hundertvierundvierzigtausend: Der Gleichklang der Zahl bei 7,4 und 14,1 kann kein Zufall sein. Dennoch wird in der Literatur stellenweise die Meinung vertreten, die 144 000 von Offb 14,1 seien andere als die in Offb 7,4.790 Man stützt dies vor allem auf das Fehlen des Artikels: Es heißt ja nur hundertvierundvierzigtausend und nicht: „die hundertvierundvierzigtausend“. Charles hat demgegenüber mit Recht darauf hingewiesen, dass auch in den vergleichbaren Fällen von 14,9 und 15,2 der Artikel fehlt.791 Die Bezeichnung ἀπαρχή [aparche] („Erstlinge“) für die 144 000 in V. 4 steht einer Identifizierung mit 7,4 nicht im Wege.792 Denn ἀπαρχή [aparche] muss nicht in jedem Fall eine zeitliche Einteilung zum Ausdruck bringen, sondern kann auch den Charakter eines Opfers bezeichnen.793 Sprachlich steht Offb 14,4 insofern Jak 1,18 nahe. Wir gehen also mit Charles, Swete, Lohmeyer u.a. davon aus, dass die 144 000 von Offb 14,1 dieselben sind wie die von Offb 7,4.794 Dann aber handelt es sich wie in Offb 7,4ff um die Vollzahl aller geretteten Christen, um die gesamte wahre und erlöste Kirche Jesu Christi.795 Sie ist überdies identisch mit den vollendeten Gläubigen von Offb 7,9ff.796 Eine Einschränkung auf die Märtyrer, wie sie bei Charles oder Lohmeyer erfolgt797, können wir jedoch nicht vornehmen. Die Offenbarung ist für die Gemeinden schlechthin bestimmt (1,11; 2,7ff) und nicht nur für eine hervorgehobene Gruppe von Christen.798 Man kann höchstens mit Charles sagen, dass Offb 14,1-5 alle Gläubigen auf das bevorstehende „universale Martyrium“ vorbereiten will.799 Dieses universale Martyrium verdichtet sich in der Antichrist-Zeit, durchzieht aber zugleich die gesamte Geschichte der Christenheit: Kein Jahrhundert ist ohne Märtyrer. Keinesfalls aber werden alle Gläubi789 Swete S. 177. 790 So z.B. Bousset 1896 S. 438. 791 Charles II S. 5. Leider spekuliert er S. 6 über einen Interpolator, der den Artikel zerstört habe. 792 So auch Charles II S. 6: ἀπαρχή [aparche] = „Opfer“. 793 Vgl. Bauer-Aland Sp. 162. 794 Charles II S. 4; Swete S. 176; Lohmeyer 3 S. 122; Zahn S. 510. Im Ergebnis auch Bengel S. 745f; Vitringa S. 638; Caird S. 178; Behm S. 82; Hirschberg S. 195; Hadorn S. 149; Giesen S. 321. 795 Vgl. unsere Erklärung zu Offb 7,4ff. Vitringa S. 638: Ecclesia vera. 796 Vgl. Charles II S. 4; Swete S. 177 („the living Church“). 797 Charles II S. 1; Lohmeyer 3 S. 119, 123; Caird S. 180; auch Kiddle S. 261ff. 798 Ebenso Giesen S. 320. 799 Charles a.a.O.
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gen unterschiedslos in allen Zeiten zu Märtyrern im engeren Sinne. Deshalb sollte auch bei Offb 14,1 keine Einschränkung auf die Märtyrer im Sinne von Blutzeugen erfolgen.800 Das Merkmal, das alle 144 000 auszeichnet, ist eine zweifache Namensaufschrift: die seinen Namen und den Namen seines Vaters auf ihren Stirnen geschrieben hatten. Sofort werden wir an Offb 3,12 und 22,4 erinnert. Im Sendschreiben nach Philadelphia finden wir die Verheißung an die Überwinder, dass Jesus den Namen Gottes des Vaters und den Namen des neuen Jerusalem und seinen eigenen Namen auf sie schreiben werde (3,12). Hier handelt es sich um einen dreifachen Namen, in Offb 14,1 dagegen nur um einen doppelten. In Offb 22,4 erscheint sogar nur ein Name (Einzahl), der allerdings sowohl auf Gott den Vater als auch auf das Lamm bezogen ist. Die Wendung auf ihren Stirnen (ἐπὶ τῶν μετώπων αὐτῶν [epi ton metopon auton]) ist in Offb 22,4 und 14,1 wörtlich dieselbe. Man muss also die Namensaufschriften in Offb 3,12; 14,1 und 22,4 in einer Linie sehen. Entscheidend ist, dass es sich an allen Stellen um Erlöste handelt, die schon allen irdischen Kämpfen entnommen sind. Also um das, was die alten Dogmatiker die ecclesia triumphans nannten. Nach den furchtbaren Kämpfen der Kapitel 12 und 13 sieht also Johannes die Schar der treu gebliebenen und erlösten Gläubigen bei dem Lamm. Welche Ermutigung! Und es ist eine überraschend große Zahl, die da aus allen irdischen und antichristlichen Kämpfen hervorgegangen ist: hundertvierundvierzigtausend. Der eigentliche Sieger aber ist Gott der Vater und das Lamm, deren Namen auf den Stirnen der Erlösten geschrieben sind. Blicken wir noch einmal zurück auf Offb 14,1. Zuerst bemerken wir, dass Offb 14,1 eine Erfüllung von Joel 3,5 darstellt, wo es heißt: „Auf dem Berg Zion und zu Jerusalem wird Errettung sein.“801 Darüber hinaus bedeutet Offb 14,1 auch eine Erfüllung aller Verheißungen von der künftigen Herrlichkeit Zions (z.B. Jes 4,5; 51,3; 52,1; 59,20; 60,1ff; 62,1ff; Sach 8,3). Sodann beobachten wir, dass die Aufschrift auf ihren Stirnen ja auch bei den Versiegelten in Offb 7,3 begegnet. Das heißt nichts anderes als: Die Schar auf dem Zion in Offb 14,1 ist versiegelt worden und aufgrund der göttlichen Bewahrung ans Ziel gekommen. Damit hat sich auch Ez 9,4ff endzeitlich erfüllt. Im Übrigen befinden wir uns in Offb 14,2 auf einem himmlischen „Zion“, und deshalb stehen die „Namen“ vermutlich nicht in einem fleischlich-äußerlichen Sinn auf den Stirnen, sondern in einem geistlichen. Schließlich ist noch festzuhalten, dass Offb 14,1 ein starkes Zeugnis für die Trinität (Dreieinigkeit 800 Ebenso Morris S. 175; Giesen a.a.O.; Kraft S. 190; Grünzweig II S. 21. 801 Vgl. Charles II S. 4; Lohmeyer 3 S. 122.
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Gottes) bedeutet. Denn wenn a) der Name des Lammes (sein Name) und der Name Gottes des Vaters so eng miteinander verbunden sind (vgl. 22,4) und b) Gott als sein Vater (= des Lammes, also Jesu Christi) bezeichnet wird, dann bleibt nur der Schluss übrig, dass beide als göttlich im Sinne der Trinität aufgefasst sind.802 Fazit: Es bleibt entscheidend, ob wir den Namen des satanischen Tieres (13,17) oder den der göttlichen Dreieinigkeit tragen (14,1).803 Das „Sehen“ des Johannes wird in V. 2 vom Hören abgelöst: Und ich hörte eine Stimme aus dem Himmel (φωνὴν ἐκ τοῦ οὐρανοῦ [phonen ek tu uranu]). Dass er jetzt die Stimme aus dem Himmel hört, ist kein Beweis dafür, dass der „Berg Zion“ von V. 1 auf der Erde liegen müsse. Vielmehr liegt der Standort des Johannes unverändert auf der Erde, und von da aus erkennt er im prophetischen Gesicht sowohl den himmlischen Zion als auch die himmlische Stimme. Im Übrigen geschieht es oft, dass er eine „Stimme aus dem Himmel“ vernimmt (vgl. 4,1; 7,4; 9,16; 10,4.8; 14,13; 18,4). Die „Stimme“ wird näher charakterisiert wie eine Stimme vieler Wasser und wie eine große Donnerstimme. Das zweimalige ὡς [hos] (wie) warnt uns vor allzu irdischen Vorstellungen. Beide Vergleiche, der mit den vielen Wassern und der mit dem Donner, erinnern an die Gotteserscheinungen im AT (vgl. Ex 19,16ff; Ps 104,7; Ez 1,25; 43,2).804 Noch näher liegt Offb 1,15, wo der auferstandene Jesus = der Menschensohn eine Stimme wie eine Stimme vieler Wasser (ὡς φωνή ὑδάτων πολλῶν [hos phone hydaton pollon]) besitzt. Ist also auch in Offb 14,2 die Stimme des auferstandenen Jesus gemeint?805 Wir nehmen es in unserem Kommentar an.806 Aber diese gewaltige Stimme gleicht nicht nur vielen Wassern und einem mächtigen Donner, sondern auch dem Spiel und Gesang von Harfenspielern. Das ist eine überraschende Kombination. Das griechische Wort für Harfenspieler, κιθαρῳδός [kitharodos], bezeichnet jemand, der sowohl spielt als auch singt.807 Die κιθά-
802 Vgl. Bengel S. 746. 803 Vgl. Swete S. 177. In der Literatur wird auf die Nähe zum 4Esr hingewiesen (u.a. Bousset 1896 S. 437; Charles II S. 5), vor allem 4Esr 13,35ff. Eine solche Nähe wird durch den gemeinsamen Bezug auf das AT erklärbar. Allerdings ist im 4Esr vom irdischen Berg Zion die Rede. Die Offenbarung ist älter als der 4Esr. Aune S. 803 nimmt für Offb 14,1ff und 4Esr 13,35ff eine gemeinsame Quelle an. 804 Vgl. O. Betz, Art. φωνή usw., ThWNT, IX, 1973, S. 287. 805 Auf die Stimme der 144 000 deutet Morris S. 176; Grünzweig II S. 14; auf „himmlische Geister“ Zahn S. 513; auf „Engelchöre“ Behm S. 82; Pohl II S. 151; Aune S. 806; Lohmeyer 3 S. 122; Charles II S. 7. 806 Ebenso J.M. Hahn S. 406; ähnlich Kraft S. 187. 807 Vgl. Bauer-Aland Sp. 878f. Bengel S. 748: „vocaliter et instrumentaliter“.
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ρα [kithara] (Harfe) stellt ein „harfenartiges Instrument“ dar.808 Dabei sind die Einzelheiten dieses Instruments, das es mindestens seit dem 3. Jahrtausend in mehreren Formen gab, für uns nicht mehr erkennbar.809 Nicht einmal die Übersetzung „Harfe“ ist ganz sicher.810 Dagegen steht fest, dass die „Harfe“ einen engen Bezug zum Gottesdienst hat. In der griechischen Bibel findet sich dort immer wieder die κιθάρα [kithara] (LXX Ps 42,3; 56,9; 107,3; 150,3). Lob, Dank und Anbetung Gottes finden darin ihren Ausdruck. Nicht weniger gilt dies für die himmlische Liturgie in Offb 5,8; 15,2.811 Fazit: Die übermenschliche Himmelsstimme leitet zu einer himmlischen Liturgie des Lobpreises, des Dankes und der Anbetung an. Was für ein Unterschied zur grausamen Machtdemonstration des Antichrist in Kap. 13! In Offb 14,2 geht es nicht um einen Päan, ein Siegeslied oder einen begeisternden Gesang vor oder nach dem Kampf 812, sondern um den himmlischen Lobpreis. Auch hier ist die himmlische Liturgie stärker als alle teuflischen Mächte. Im Übrigen ist die dreifache Alliteration κιθαρῳδῶν κιθαριζόντων … κιθάραις [kitharodon kitharizonton … kitharais] ein bewusster Ausdruck für die Schönheit des Gehörten.813 In V. 3 steht das neue Lied (ᾠδὴ καινή [ode kaine]) im Mittelpunkt. Und sie singen ein neues Lied: Wer singt es? Der Plural ᾄδουσιν [adusin] (sie singen) könnte sich auf den Plural Harfenspieler in V. 2 zurückbeziehen. Das neue Lied wäre in diesem Fall eine Erläuterung dessen, was diese Harfenspieler singen: Dann würde es sich um einen himmlischen Chor handeln. Dagegen spricht, dass in V. 2 nur eine Stimme Subjekt ist814, und lediglich diese Stimme mit dem Spiel und Gesang von Harfenspielern verglichen wird. Hinzu kommt, dass erstens in V. 3 eindeutig die 144 000 als Sänger des neuen Liedes genannt werden und zweitens auch in Offb 15,2f die Erlösten das Lied des Mose singen. Deshalb neigen wir mit Bengel, Schlatter, Morris u.a. zu der
808 A.a.O. 809 Vgl. V. Schmidt, Art. Musik/Musikinstrumente, GBL, 2, S. 998ff. 810 Zahn S. 507 „Cither“; BigS lässt Kithara unübersetzt; Betz a.a.O. S. 286: „singende Zitherspieler“. 811 Dan 3,5 ist dazu eine Art Gegenpol mit seiner Verwendung von Saiteninstrumenten zum Götzendienst. Vgl. insgesamt G. Delling, Art. ὕμνος usw., ThWNT, VIII, 1969, S. 499; Kraft S. 188; Giesen S. 321. 812 Caird S. 178: „paean of victory“. 813 Vgl. Aune S. 808. Zugleich Paronomasie, vgl. Blass-Debrunner § 488,1. 814 Anders Kraft S. 187: Es handle sich hier um zwei verschiedene Stimmen. Kraft muss aber zugeben, dass der „größere Teil der Überlieferungen nur von 1 Stimme ausgeht“. Wie wir Giesen S. 321.
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Annahme, dass das „neue Lied“ in Offb 14,3 von den Erlösten, also von den 144 000 gesungen wird.815 Was ist das neue Lied? Wieder müssen wir auf das AT zurückgreifen, um diese Aussage richtig zu verstehen. Neu bedeutet hier nicht unbedingt einen neuen Inhalt, sondern die Antwort auf eine „neue“ Offenbarung der Herrlichkeit und der Rettermacht Gottes. So erklingt das „neue Lied“ schon im AT „zum Preis neuer Heilsgaben Gottes“ und „als Loblied der Endheilszeit“816 (vgl. Ps 33,3; 40,4; 96,1; 98,1; 144,9; 149,1; Jes 42,10). Nicht anders ist es in Offb 5,9, wie ja überhaupt Offb 5,8-10 eine Art Modell für Offb 14,3 darstellt.817 Von da aus lässst sich das neue Lied von Offb 14,3 genauer bestimmen: Es ist ein Loblied über die Vollendung des Heils und zugleich das Danklied der Erlösten. Nicht ein Einziger aus der Schar der wahren Christen ist verloren gegangen (vgl. Joh 10,28f; 17,12; Offb 7,3ff). Nicht ein Einziger ist zur Beute des Antichrist geworden. Ps 98,1: „Singt dem Herrn ein neues Lied, denn er tut Wunder“ und Ps 149,1: „Singt dem Herrn ein neues Lied; die Gemeinde der Heiligen soll ihn loben“, gehen jetzt mit Offb 14,3 aufs Tiefste in Erfüllung. Auch das schöne Wort der Rabbinen: „Ein neues Lied wird Israel erst singen in den Tagen des Messias als Loblied für die Wunder seiner Erlösung“818 erfüllt sich mit Offb 14,3. Heinrich Schlier hat den neutestamentlichen Begriff der ᾠδή [ode], des Liedes, dreifach bestimmt: a) als „Kultlied der Gemeinde“, b) als inspiriertes Lied, c) als gegenseitigen Zuspruch des Wortes Christi.819 Alle drei Bestimmungen treffen auf die Gemeinde der Erlösten, die sich auf dem himmlischen Zion um das Lamm versammeln, zu. Das neue Lied der Erlösten wird vor dem Thron und vor den vier Wesen und den Ältesten dargebracht. Der Thron ist eine Umschreibung für Gott (vgl. 4,10; 7,9). Die vier (Engel-)Wesen sind Gott am nächsten (4,6; 5,6.8.11). Die (vierundzwanzig) Ältesten bilden den zweiten Kreis um Gott (4,4; 5,6ff). Das neue Lied erschallt also nicht in die Welt hinein, ist keine Proklamation an die Schöpfung, sondern an Gott in seiner Herrlichkeit gerichtet. Das stimmt mit unseren vorausgehenden Beobachtungen zusammen. Und niemand konnte das Lied lernen (μαθεῖν [mathein]) außer den hundertvierundvierzigtausend: Folglich mussten auch die hundertvier815 Bengel S. 748; Schlatter S. 268; Morris S. 176; J.M. Hahn S. 406ff; Lawton S. 96; P. Müller S. 44; Hartenstein S. 189f; Grünzweig II S.16. Anders z.B. Bousset 1896 S. 438; Hadorn S. 149; Giesen a.a.O. 816 J. Behm, Art. καινός usw., ThWNT, III, 1938, S. 451, 11. 817 Vgl. Caird S. 179. 818 Strack-Billerbeck S. 801. 819 Art. ᾄδω usw., ThWNT, I, 1933, S. 164f.
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undvierzigtausend das neue Lied erst lernen. Sie brachten es nicht schon mit. Die Anleitung kann nach dem Kontext nur eine himmlische gewesen sein (vgl. V. 2). Der Unterschied zwischen den 144 000 und den nicht erlösten Menschen besteht nach Offb 14,3 darin, dass die Erstgenannten es eben lernen konnten (ἐδύνατο [edynato]), die anderen nicht.820 Wer aber „kann“ es? Offb 7,14 gibt die Antwort: Wer a) durch Leiden und Trübsal (θλῖψις [thlipsis]) ging; b) die Kleider der Gerechtigkeit sich aufgrund des Sühnetodes Jesu schenken ließ; und c) in der Gemeinschaft mit dem Lamm = Jesus Christus blieb. Der Artikel (die) steht jetzt vor den 144 000, weil es die soeben in V. 1 Genannten sind. Bei den 144 000 wird hinzugefügt: die821 von der Erde erkauft sind (οἱ ἠγορασμένοι ἀπὸ τῆς γῆς [hoi egorasmenoi apo tes ges]). Der Begriff erkaufen oder „freikaufen“ spielt auch in Offb 5,9 eine wichtige Rolle. Offb 5,9 stellt klar, dass Jesus Christus derjenige ist, der uns durch sein Blut = durch seinen Sühnetod „erkauft“ hat. Wovon? Von der Herrschaft der Sünde, des Todes und des Teufels, die seit dem Sündenfall den Menschen (Gen 3) regieren.822 In Offb 14,3 heißt es nun sehr speziell von der Erde erkauft. Hier hat Erde den Sinn von „Menschenwelt“ und „Stätte der Sünde“.823 Die Erlösten sind also aus der sündigen Menschenwelt und aus dem Herrschaftsbereich der Sünde heraus freigekauft worden. Dafür hat Jesus sein Blut gegeben. Wir treffen hier auf eine wichtige Linie der Christologie (Christuslehre) und Soteriologie (Erlösungslehre) der Offenbarung. Wie Friedrich Büchsel einst bemerken konnte, es sei in Offb 5,9 und 14,3f „keine christliche Heilslehre zu suchen“824, bleibt unverständlich. Auch bei Paulus spielt dieses „Erkaufen“ eine maßgebende Rolle (vgl. 1Kor 6,20; 7,23; Gal 3,13; 4,5; Eph 5,16; Kol 4,5).825 Mit Recht stellt Jürgen Roloff das „garstige alte Lied“ der Menschheit dem neuen Lied der Erlösten gegenüber.826 In V. 4 und 5 erläutert Johannes, inspiriert vom Heiligen Geist, wer zu den 144 000 gehört. Diese Verse sind also kein Teil des Hymnus, den die 144 000 820 Lernen, μαθεῖν [mathein], bedeutet hier: das Lied singen können. Lernen ist hier wirklich elementar gemeint und nicht nur als „vertieftes Hören“, wie es K.H. Rengstorf im Art. μανθάνω usw., ThWNT, IV, 1942, S. 409; Hadorn S. 150; Pohl II S. 152; Lohmeyer 3 S. 122 auffassen wollen. 821 Diesmal οἱ [hoi] (mask.), weil schon auf V. 4 geblickt wird. 822 Vgl. hier und im Folgenden F.B. Büchsel, Art. ἀγοράζω usw., ThWNT, I, 1933, S. 126ff; Hadorn S. 150. 823 H. Sasse, Art. γῆ usw., ThWNT, I, 1933, S. 677.679; Schlatter S. 268. Anders, nämlich geografisch (aus allen Teilen der Erde) interpretiert Aune S. 809f. 824 A.a.O. S. 126. 825 Vgl. Zahn S. 514. 826 Roloff S. 149.
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nach V. 3 singen. Aber sie zeigen, wie wichtig es für Johannes war, den Gemeinden klarzumachen, wer sich zu jener Schar der Erlösten rechnen darf. Vier Zugehörigkeitsmerkmale werden hier genannt: Das sind diejenigen, die sich nicht mit Frauen verunreinigt haben, denn sie sind jungfäulich – so lautet das erste Merkmal (V. 4). Die Deutung auf „Asketen“ = ehelos Lebende scheidet sofort aus.827 Gegen eine solche Deutung hat Wilhelm Hadorn alles Nötige gesagt: Nirgendwo redet Johannes gegen die Ehe.828 Auch Paulus, der in 1Kor 7,1-8 die Ehelosigkeit seelsorgerlich empfiehlt, hat die Ehelosigkeit oder Askese nirgends zur Voraussetzung der Erlösung gemacht. Im Gegenteil: Er hat asketisch lehrende Irrlehrer bekämpft (Kol 2,20ff; 1Tim 4,3). Erst recht hat Jesus die Ehe heilig gehalten und jeden Gedanken, man könne sich durch Ehelosigkeit das Himmelreich verdienen, ausgeschlossen (Mt 19,1-10; 5,27ff). Dass nur eine Elite von Asketen zu den 144 000 gehöre, wird außerdem vom ganzen Zusammenhang der Offenbarung widerlegt.829 Dann aber müssen wir παρθένοι [parthenoi] (jungfräulich, mask.) im geistlichen, übertragenen Sinne verstehen. Im Rahmen einer solchen übertragenen Deutung kommen immer noch mehrere spezielle Auslegungen infrage: 1) ein auf die sexuelle Reinheit bezogenes Verständnis, das z.B. W. Hadorn hinsichtlich der Verunreinigung mit Frauen empfiehlt.830 Insofern will er also Offb 14,4 „wörtlich … verstehen“, als es um die sexuellen Reinheitsvorschriften der Bibel geht. Dafür kann man sich z.B. auf Mt 5,27; 19,11ff berufen. 2) Ausgehend von dem biblischen Verständnis, wonach Ehebruch ein Symbol für den Abfall von Gott und für den Götzendienst sein kann (vgl. Ez 16; 23; Hos 1–2)831, lassen sich die Gläubigen, die sich nicht mit Frauen verunreinigt haben, als solche verstehen, die nicht zum Götzendienst abfielen. Das wären also Christen, die im Verlaufe der Kirchengeschichte Jesus treu blieben, vor allem auch unter dem Antichrist (vgl. Offb 13,1ff). Eine solche Deutung schlagen z.B. G. Delling832 und F. Hauck833 vor. 3) Caird geht davon aus, dass wir uns in der Endschlacht zwischen Gott und seinem Messias einerseits (vgl. Ps 2) und den antigöttlichen Mächten
827 Gegen Bousset 1896 S. 439 (er beruft sich auf Augustin, Hieronymus, Beda, Holtzmann); Roloff S. 149; Lohmeyer 3 S. 123; Behm S. 83. 828 Hadorn S. 150. 829 So auch F. Hauck, Art. μολύνω usw. ThWNT, IV, 1942, S. 744f; Caird S. 179; Kraft S. 190. 830 Hadorn a.a.O. 831 Vgl. F. Hauck, Art. μοιχεύω usw., ThWNT, IV, 1942, S. 738ff, 742f. 832 Im Art. παρθένος, ThWNT, V, 1954, S. 835. 833 Im Art. μολύνω, ThWNT, IV, 1942, S. 745. Auch Giesen S. 322. Schon Vitringa S. 647.
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andererseits befinden.834 Dieses „military setting“ erinnere uns an die Vorschriften des AT über den Heiligen Krieg. Zu ihnen gehöre auch die Pflicht zur sexuellen Reinheit (Dtn 23,10ff). Die „Jungfräulichkeit“ in Offb 14,4 sei in diesem Sinne der Reinheit der kämpfenden Christen zu verstehen, nämlich im übertragenen Sinn als „Reinheit des Herzens“.835 In allen solchen Erklärungsversuchen steckt Wertvolles. Vielleicht lassen die Harfenspieler von Offb 14,2 noch am wenigsten an die Vorschriften über den Heiligen Krieg denken. Am besten kombiniert man wohl die beiden Auslegungen unter 1) und 2), ohne 3) ganz abzulehnen.836 Dann sind also die Erlösten auf dem Berg Zion, die das neue Lied singen, diejenigen, die nicht von Christus abgefallen sind und seine Gebote gehalten haben, insbesondere auch in Bezug auf Sittlichkeit und Sexualität. Die Jungfrauen von Offb 14,4 entsprechen also Mt 25,1ff; 2Kor 11,2 und den Forderungen der Sendschreiben (Offb 2,14; 2,20ff).837 Das zweite Zugehörigkeitsmerkmal lautet: das sind diejenigen, die dem Lamm nachfolgen, wo es auch hingeht (V. 4). Hier fällt das Präsens nachfolgen (ἀκολουθέντες [akoluthentes]) bzw. hingeht (ὑπάγῃ [hypage]) auf, das unter lauter Aoristen steht. Es handelt sich wohl um ein perfektisches838 oder besser noch um ein zeitloses Präsens: Wer auch immer und wo er auch immer dem Lamm nachfolgt, der gehört zu den Erlösten von V. 1. Offensichtlich liegt hier ein enger Bezug zu den Jesusworten in Mt 10,38; 16,24; Joh 8,12; 10,4; 12,26 vor (vgl. Mt 19,27; 1Petr 2,21).839 Jedenfalls spiegelt sich in „nachfolgen“ (ἀκολουθεῖν [akoluthein]) die älteste Jesusüberlieferung wider. Man muss vielleicht noch mehr zuspitzen: Die Worte wo es auch hingeht weisen auf den Leidensweg des Lammes hin. Wer dem Leidensweg des Lammes folgt, geht selbst ins Leiden (Mt 10,38; 16,24; Joh 21,18ff).840 So kommen diese Nachfolger alle „aus der großen Trübsal“ (Offb 7,14). Erneut beobachten wir, wie stark die Johannesoffenbarung mit den Jesusworten der Evangelien zusammenhängt. Das dritte Zugehörigkeitsmerkmal lautet: Die wurden von den Menschen erkauft als Erstlinge für Gott und das Lamm (V. 4). Zum theologischen 834 835 836 837
Caird S. 178f. Giesen S. 323 verweist außerdem auf Qumran (1QM 7,3ff). Ebenso Giesen a.a.O. Vgl. wieder Delling a.a.O.; Hauck a.a.O.; Kraft a.a.O.; Giesen a.a.O. Vitringa a.a.O. kurz und treffend: „ecclesia pura“. 838 Vgl. Blass-Debrunner § 322. 839 Ebenso G. Kittel, Art. ἀκολουθέω usw., ThWNT, I, 1933, S. 215: „deutlich Anwendung von Mt 10,38“; Hadorn S. 150; Bousset 1896 S. 439; Lohmeyer a.a.O. 840 Vgl. Aune S. 812ff.
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Kernbegriff erkauft (ἠγοράσθησαν [egorasthesan]) vgl. die Erklärung oben bei V. 3. Hieß es in V. 3 „von der Erde erkauft“, so heißt es jetzt „von den Menschen erkauft“. Der Sinn bleibt derselbe: Die Gläubigen sind aus der sündigen Menschenwelt freigekauft, und zwar durch das Blut Jesu. Doch jetzt wird am Ende von V. 4 noch etwas sehr Spezielles angesprochen: Sie seien als Erstlinge (ἀπαρχή [aparche]) erkauft worden. Der Begriff Erstlinge/ „Erstlingsgabe“ ist umstritten. Vom griechischen Sprachgebrauch her wie auch im AT kann ἀπαρχή [aparche] ein Dreifaches bedeuten: 1) die erste Abgabe, z.B. von Erntefrüchten, in einem zeitlichen Sinn, 2) die Weihegabe an Gott ohne einen zeitlichen Sinn, 3) die besondere Gabe, die sich vor anderen auszeichnet.841 – Geht man in Offb 14,4 von der Bedeutung 1) aus, dann sind die 144 000 eine Art Vorhut der Erlösten, der noch andere Erlöste folgen werden. Wir hätten also in Offb 14,1-5 nur einen Teil, und zwar den zeitlich ersten Teil, der Gläubigen vor uns.842 Geht man von der Bedeutung 2) aus, dann haben wir unter dem Bild der 144 000 alle Erlösten vor uns. Sie werden charakterisiert als Gläubige, die sich Gott selbst zum Opfer gebracht haben. Geht man von der Bedeutung 3) aus, dann bilden die 144 000 wiederum nur einen Teil der erlösten Gläubigen, und zwar einen besonderen und hervorragenden, etwa die Märtyrer.843 Alle drei Deutungen wurden im Lauf der Auslegungsgeschichte schon vertreten. Am ehesten trifft unseres Erachtens die Bedeutung 2) zu.844 Gegen 3) spricht, wie schon früher bemerkt, dass die Verheißungen der Offenbarung der ganzen Gemeinde gelten und nicht nur den Märtyrern bzw. Blutzeugen. Gegen 1) spricht, dass die Schau von 14,1-5 nicht nur einen Anfang der Missionsgeschichte markieren will, sondern die gesamte Christus treu gebliebene Gemeinde vor Augen führt. Die Bedeutung 2) hingegen fügt sich sehr gut dem bisherigen Ablauf der Offenbarung und der Situation schon nach dem Ende des Antichrist ein. Versteht man also die „Erstlinge“ von Offb 14,4 als Bezeichnung aller Gläubigen und Erlösten, die ihr Leben Gott geweiht haben845, dann stimmen wir auch mit Röm 12,1-2; Ps 50,23; Röm 6,22 überein. Für Gott und das Lamm sind sie erkauft und haben sie ihr Leben geweiht. Diese kleine Bemerkung kennzeichnet noch einmal ihre Lebensrichtung. 841 Vgl. G. Delling, Art. ἄρχω usw., ThWNT, I, 1933, S. 483; Bauer-Aland Sp. 162. 842 So z.B. Hadorn S. 150; Barclay II S. 127; Kraft S. 186, 190; Schlatter S. 270; Caird S. 180f; Grünzweig II S. 24. 843 So z.B. Bousset 1896 S. 439; Charles II S. 1; Lohmeyer 3 S. 119. Auf Judenchristen deuten Bengel S. 753; Zahn S. 517. 844 Ebenso Roloff S. 150; Mounce S. 270f; Lohmeyer 3 S. 123; Giesen S. 324; Morris S. 177; Aune S. 818; P. Müller S. 44. 845 Gleichgültig, ob sie nun zu Blutzeugen wurden oder nicht.
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Nicht auf den Antichrist, nicht auf den Falschpropheten, nicht auf die Irrlehre und nicht auf das eigene Ich waren sie ausgerichtet, sondern auf den dreieinigen Gott. Denn die Zusammenstellung „Gott und das Lamm“ ist erneut ein Hinweis auf die göttliche Trinität und den trinitarischen Glauben der Christen.846 V. 5 enthält das vierte Zugehörigkeitsmerkmal: und in ihrem Mund wurde kein Falsch (ψεῦδος [pseudos]) gefunden. Wie die Ausleger durchgehend bemerken,847 beruht die Formulierung hier auf Zeph 3,13 und Jes 53,9, also auf der Beschreibung des messianischen Gottesknechts und des endzeitlichen, geretteten Israel. Allerdings spricht die LXX dort nicht von ψεῦδος [pseudos], sondern von δόλος [dolos] bzw. γλῶσσα δολία [glossa dolia]. Vielmehr ist ψεῦδος [pseudos] ein Lieblingswort des Johannes (Joh 8,44; 1Joh 2,21.27; Offb 14,5; 21,27; 22,15). Es muss deshalb sowohl aus dem Horizont des AT als auch aus der Sprachwelt des Johannes erklärt werden. Schon im AT ist ψεῦδος [pseudos] mehr als unser Alltagswort „Lüge“, obwohl die Lüge in diesem Begriff mit eingeschlossen ist. Wie Hans Conzelmann ausführt, bedeutet ψεῦδος [pseudos] im AT dreierlei: 1) ein Vergehen gegen die Wahrheit, 2) Trug und Lüge gegenüber dem Nächsten, 3) Abfall zum Götzendienst.848 Insofern ist Giesens Erklärung zu Offb 14,5, ψεῦδος [pseudos] sei das „Nachlaufen fremder Götter“ (sic!), berechtigt.849 Was nun den johanneischen Sprachgebrauch anbelangt, so ist hier nach Conzelmann charakteristisch 1) das Gegenüber zur Wahrheit, 2) die Verleugnung des Bekenntnisses, 3) die fälschliche Inanspruchnahme dessen, was dem Betreffenden nicht zusteht.850 – Angesichts dieser Weite des Begriffs ist die Übersetzung Falsch für ψεῦδος [pseudos] angemessener als „Lüge“. Hinzu kommt, dass gerade im NT der Mund Organ des Bekenntnisses ist (vgl. Mt 12,34; 21,16; Lk 21,15; 22,71; Röm 10,9f; Offb 10,9f; 13,2.5)851, aber auch Organ der missionarischen Botschaft (vgl. Apg 8,35; 10,34; 15,7; 18,14).852 Wir verstehen also die Aussage kein Falsch in ihrem Munde so: Sie hingen der Wahrheit in Person, nämlich Jesus Christus, an, bekannten ihn treu in Anfechtung und Verfolgung, handelten wahrhaftig, gaben die Botschaft Jesu 846 Bousset a.a.O. fand die Aussage „für das Lamm“ seltsam. Es müsse eigentlich heißen „durch das Lamm“. Wie Bousset Kraft S. 190. 847 Vgl. Barclay II S. 127; Giesen S. 324; Kraft S. 190; Lohmeyer 3 S. 123; Mounce S. 271; Hadorn S. 150; Bousset 1896 S. 440. 848 Im Art. ψεῦδος usw., ThWNT, IX, 1973, S. 594f. 849 Giesen a.a.O. Schon Bengel S. 753. 850 Conzelmann a.a.O. S. 598f. 851 Vgl. K. Weiß, Art. στόμα, ThWNT, VII, 1964, S. 700. 852 Weiß a.a.O.
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auftragsgemäß weiter und weigerten sich, vom dreieinigen Gott abzufallen. In alledem sind sie das Gegenteil der Nikolaiten und anderer Irrlehrer (Offb 2,14.15.20).853 Dagegen darf man Offb 14,5 nicht so weit ausdehnen, dass die 144 000 in ihrem Erdenleben niemals gelogen hätten. So etwas kann kein Christ von sich behaupten. Johannes sagt selbst: „Wenn wir sagen, wir haben keine Sünde, so betrügen wir uns selbst, und die Wahrheit ist nicht in uns“ (1Joh 1,8). Wohl aber haben sie dann stets die Vergebung und die Reinigung durch das Blut Jesu in Anspruch genommen (1Joh 1,9; Offb 7,14).854 Insgesamt zeigt die Parallelität mit Jes 53,9; 1Petr 2,2, dass die 144 000 das Ziel hatten, so zu leben, wie ihr Meister und Erlöser lebte. Ferner zeigt der Vergleich mit Zeph 3,13, aber auch Ps 32,2, dass sich im Leben der Christusgläubigen jene Prophetie des AT erfüllt hat.855 Die große Bedeutung, die das Falsch oder die „Lüge“ in der Offenbarung hat, werden wir noch einmal in Offb 21,8; 21,27; 22,15 beobachten. Die Schlussfeststellung über die 144 000 lautet: Sie sind untadelig (ἄμωμοί εἰσιν [amomoi eisin]).856 ἄμωμος [amomos], hebr. [ ָתִּמיםtamim], wird häufig für fehlerlose Opfertiere gebraucht (LXX Ex 29,1; Lev 1,3; 4,3; 5,15; Ez 43,22f).857 Aber schon im AT drückt es auch die sittlich-religiöse Tadellosigkeit aus, sogar von Gott selbst (vgl. 2Sam 22,24.31; Ps 17,31; 18,8 LXX). Beide Aussagereihen setzen sich im NT fort (vgl. 1Petr 1,19; Hebr 9,14 einerseits und Eph 1,4; 5,27; Phil 2,15; Kol 1,22; Jud 24 andererseits).858 Wir werden also gut daran tun, bei der Erklärung von Offb 14,5 beides zu berücksichtigen: Die 144 000 sind einerseits mit makellosen Opfertieren zu vergleichen, weil sie ihr Leben ganz im Dienst des dreieinigen Gottes hingegeben haben.859 Andererseits haben sie diesen Dienst untadelig ausgeführt (vgl. wieder Eph 1,4; 5,27; Phil 2,15; Kol 1,22; Jud 24). Wohl ist es wahr, was Friedrich Hauck schreibt860, „daß die Christen solche Tadellosigkeit vor dem Urteil Gottes und Christi“ immer wieder neu „zu bewähren haben“. Zugleich darf aber niemals vergessen werden, dass die Tadellosigkeit der Christen ein Geschenk Jesu Christi ist. Denn nur durch Jesus Christus finden wir „zur Weis853 854 855 856 857 858
Giesen S. 324. Anders Lohmeyer 3 S. 123: Offb 14,5 spreche „dem Märtyrer Sündenreinheit zu“. Giesen a.a.O. Vgl. Bousset 1896 S. 440; Mounce S. 271. Viele Handschriften fügen ein γάρ ein, was aber doch wohl die leichtere Lesart darstellt. Vgl. F. Hauck, Art. μῶμος usw., ThWNT, IV, 1942, S. 836; Barclay a.a.O. Hauck a.a.O. Mounce S. 271 hebt auf „ethically blameless“ ab; ähnlich Aune S. 822 („moral purity“). 859 Giesen a.a.O.; Morris S. 178. 860 Hauck a.a.O.
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heit und zur Gerechtigkeit und zur Heiligung und zur Erlösung“ (1Kor 1,30).861 Die 144 000 von Offb 14,1-5 sind also begnadigte Sünder, deren Dienst Gott gnädig ermöglicht und angenommen hat.
IV Zusammenfassung 1. In Offb 14,1-5 tritt Christus mit den Erlösten dem Antichrist und seiner Anhängerschaft gegenüber, die in Kap. 13 geschildert wurde. So kurz der Abschnitt 14,1-5 auch ist, so deutlich bildet er doch einen Gegenpol zu Kap. 13. 2. Wir können Offb 14,1-5 weder mit Charles ein „Intermezzo“862 nennen noch mit Lohmeyer Offb Kap. 14 zum „Höhepunkt der Apc“863 erklären. Wohl enthalten die Kapitel 12–14 entscheidende Weichenstellungen und sind insofern durchaus Höhepunkte im Mittelteil des Buches, aber „der“ Höhepunkt liegt am Schluss (Kap. 21–22). 3. Die Versuche z.B. von Aune und Kraft, mit der Annahme von Interpretationen, Einschüben und Glossen in Offb 14,1-5 zu arbeiten864, sind unseres Erachtens misslungen. Weder der Kontext noch der Duktus der Darstellung noch der Sprachstil fordern solche Annahmen, auch nicht der Zustand der handschriftlichen Überlieferung. Offb 14,1-5 geht vielmehr ganz auf den Verfasser der Offenbarung zurück. 4. Der inhaltliche Zusammenhang mit anderen Teilen der Offenbarung ist eng. Das gilt vor allem hinsichtlich der 144 000 von Offb 7,3ff, die als Versiegelte vor dem Abfall und vor dem Gericht bewahrt wurden und die uns in einem anderen Bild auch in Offb 7,9ff als die Erlösten mit dem Lamm begegnen. Das gilt aber auch hinsichtlich des Gotteslobes mit den Harfen und dem neuen Lied (vgl. Offb 5,8ff) und ebenso hinsichtlich des Gottesnamens auf den Stirnen (vgl. 3,12; 22,4). Schließlich gilt es sub contrario im Verhältnis zu Nikolaiten, „Bileams“ Nachfolgern und Nachfolgern der „Isebel“ in den Sendschreiben (vgl. 2,6.14.15.20ff), die als radikales Gegenbild zu den 144 000 von Offb 14,1ff erscheinen. 5. In Offb 14,1-5 lehnt sich die Offenbarung erneut an die Jesusworte der Evangelien an. Man erinnere sich an die Nachfolge des Lammes, „wo es auch hingeht“ (vgl. Mt 10,28; 19,27).865 Man erinnere sich ferner an die Bedeutung des Begriffes „erkaufen“, der in einem Zusammenhang mit Mt 20,28 par steht.
861 862 863 864 865
Ebenso Kraft a.a.O. Charles II S. 1. Lohmeyer 3 S. 119. Aune S. 810 (nach Charles); Kraft S. 189. Vgl. Zahn S. 516.
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6. Offb 14,1-5 macht alle Glaubenden gewiss866, dass sich der Weg dem Lamme nach lohnt, auch wenn er durch schwere Leiden führt. Die Überschrift von Heinz Giesen „Die Heilszuversicht der Christen“867 trifft insofern den Nagel auf den Kopf, und man kann Boussets Urteil: „Den Kritikern hat dieser Abschnitt große Schwierigkeit bereitet“868, nicht so recht verstehen. Das Lamm und die Seinen werden in Ewigkeit zusammen sein, und vor dieser Ewigkeit ist der Antichrist nur ein – wenn auch unbegreiflich schrecklicher – Bruchteil der Geschichte: Diese wiederholte Versicherung869 der Offenbarung stärkt die Gemeinde aller Jahrhunderte im Glauben und in der Geduld (vgl. Offb 13,10). 7. Allerdings fängt mit Offb 14,1-5 noch nicht die Herrschaft des Lammes an.870 Diese Herrschaft beginnt erst mit Offb 19,11ff. Dazwischen liegen noch weitere Ereignisse.
6.7 Drei Engel mit ihrer Botschaft, 14,6-13 I Übersetzung 6 Und ich sah einen andern Engel im Zenit fliegen, der hatte ein ewiges Evangelium, um es denen zu verkündigen, die auf Erden wohnen, und zwar allen Nationen und Stämmen und Sprachen und Völkern. 7 Mit lauter Stimme sagte er: Fürchtet Gott und gebt ihm Ehre! Denn die Stunde seines Gerichts ist gekommen. Und betet den an, der den Himmel und die Erde und Meer und Wasserquellen gemacht hat! 8 Und ein anderer Engel, ein zweiter, folgte und sagte: Sie ist gefallen, sie ist gefallen, Babylon, die Große, die vom Wein des Zornes ihrer Unzucht alle Völker getränkt hat. 9 Und ein anderer Engel, ein dritter, folgte ihnen und sagte mit lauter Stimme: Wenn jemand das Tier und sein Bild anbetet und ein Zeichen auf seine Stirn oder auf seine Hand nimmt, 10 dann wird auch er trinken vom Wein des Zornes Gottes, der unvermischt eingeschenkt ist im Kelch seines Zorns, und er wird gequält werden mit Feuer und Schwefel vor den heiligen Engeln und vor dem Lamm. 11 Und der Rauch ihrer Qual steigt auf von Ewigkeit zu Ewigkeit. Und diejenigen, die das Tier 866 867 868 869
Also nicht nur die Märtyrer! Giesen S. 319. Bousset 1896 S. 440. Offb 14,1-5 ist keineswegs „die erste und einzige [Vision des Lammes], die es unter den Gläubigen zeigt“, wie Lohmeyer 3 S. 121 schrieb. Vgl. Offb 7,9; 20,4ff. 870 Gegen Lohmeyer a.a.O.
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und sein Bild anbeten, und wer das Zeichen seines Namens annimmt, die haben Tag und Nacht keine Ruhe. 12 Hier ist die Geduld der Heiligen, die die Gebote Gottes und den Glauben an Jesus bewahren!871 13 Und ich hörte eine Stimme aus dem Himmel sagen: Schreibe: Glücklich zu preisen sind die Toten, die im Herrn872 sterben von nun an! Ja, der Geist sagt, dass sie ruhen werden873 von ihrer Mühsal, denn ihre Werke folgen ihnen nach.
II Struktur Dieser Abschnitt ist nicht so leicht abzugrenzen wie 14,1-5. Vor allem ist die Frage, wo die Einheit 14,6ff endet. Das Motiv des ἄλλος ἄγγελος [allos anggelos] (ein anderer Engel) setzt sich ja über V. 13 hinaus fort in V. 15.17.18. Auch die Geschehnisse im Himmel bzw. am Himmel setzen sich fort bis 14,20. Hinzu kommt inhaltlich das Thema vom Gericht, das die V. 6-20 miteinander verbindet. Deshalb ist es gut verständlich, wenn Autoren wie Aune, Behm, Schlatter oder Morris die V. 6-20 zusammenfassen, etwa unter der Überschrift „Die Ankündigung des Gerichts“874. Dennoch ziehen wir es vor, den Abschnitt 14,6ff mit V. 13 endigen zu lassen.875 Denn: Erstens markiert das καὶ εἶδον [kai eidon] in V. 14 ebenso einen neuen Abschnitt wie in 13,1.11; 14,1.6; zweitens gehören die drei Engel von Offb 14,6-13 nach der Regel de tri untereinander enger zusammen als diese drei mit den übrigen Engeln des 14. Kapitels; drittens befinden wir uns mit den V. 6-13 noch ganz im Bereich der Proklamation, während es sich ab V. 14 schon um Geschehnisse handelt. Es sind Gestalten und Stimmen aus dem himmlischen Bereich, denen wir hier begegnen. Von 14,1 bis 14,20 ist es also immer die himmlische Szene, in der sich die Schau bewegt. Dennoch wird Johannes zum Schluss in V. 13 auch persönlich angesprochen. Mit 14,6 treten wieder die Engel in den Vordergrund, die seit 13,1ff im Hintergrund geblieben waren. Ihre Aufgabe ist es, Werkzeuge der göttlichen Regierung zu sein.
871 Nach Kraft S. 195 ist der Nominativ οἱ τηροῦντες [hoi teruntes] „überraschend“, nach Blass-Debrunner § 136,2 gibt es solche Fälle aber „oft“ in der Offenbarung. 872 Zur Übersetzung vgl. Blass-Debrunner § 254,3. 873 Zur grammatischen Form vgl. Blass-Debrunner § 78,6. Zur Übersetzung vgl. Zahn S. 509. 874 So Schlatter S. 271; Behm S. 83. Vgl. Morris S. 178. Aune fasst allerdings 14,1-20 zusammen unter der Überschrift „Visions of Eschatological Salvation and Judgment“. Ähnlich Zahn S. 507ff. 875 Ebenso Charles II S. 2.11; Kiddle S. 271; Swete S. 181.
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Ein weiteres Charakteristikum des Abschnitts V. 6-13 ist es, dass die Proklamationen der ganzen Menschheit gelten. Stand in 14,1-5 die christliche Gemeinde mit dem Lamm im Mittelpunkt, so verändert sich jetzt die Sicht zur Weltsicht. Eine schwierige Frage ist es, ob 14,6-13 noch zur Epoche der siebten Posaune (11,15) rechnet. Da diese siebte Posaune die letzte Posaune war, und die sieben Posaunen erst in 15,1ff durch die sieben Schalen abgelöst werden, müssen wir annehmen, dass Offb 14,6-13 immer noch zu den Konsequenzen der siebten Posaune (11,15) gehört. Die Gliederung in Offb 14,6-13 ist relativ einfach anhand des Auftretens der drei Engel: 1) 14,6-7 der erste Engel mit seiner Botschaft, 2) 14,8 der zweite Engel mit seiner Botschaft, 3) 14,9-12 ein dritter Engel mit seiner Botschaft, 4) 14,13 ein Makarismus über die verstorbenen Gläubigen.
III Einzelexegese Exkurs: Offb 14,6-13 in der Kirchengeschichte Erstaunlich ist das wirkungsgeschichtliche Echo, das Offb 14,6-13 in der Kirchengeschichte ausgelöst hat. Dabei spielt in erster Linie der Begriff „ewiges Evangelium“ (14,6) eine Rolle. Wieder können wir in diesem Exkurs nur weniges davon erwähnen. Es war Joachim von Fiore (gest. 1202 n.Chr.), der in seiner Drei-ZeitalterLehre dem „ewigen Evangelium“ einen prominenten Platz einräumte, und zwar in der Zukunft, im bald heraufziehenden Zeitalter des Geistes. Dieses „ewige Evangelium“, vom Geist gegeben, kann nur geistlich (durch die intelligentia spiritualis) erfasst werden. Es ist aber grundsätzlich dasselbe wie das Evangelium des Sohnes, d.h. des Neuen Testamentes.876 Die Denkmuster, die Joachim gegeben hatte, wirkten über Jahrhunderte weiter und bis in den säkularen Bereich hinein. So hat Gotthold Ephraim Lessing 1777 die Zuversicht ausgesprochen: „Sie wird gewiß kommen, die Zeit eines neuen ewigen Evangeliums“, nämlich die Zeit der Vollendung des Menschengeschlechts.877 Martin Luther hat das „ewige Evangelium“ mit demjenigen Evangelium gleichgesetzt, das die Reformation ans Licht brachte.878 Also ist der Engel mit dem ewigen Evangelium die Reformation.879 876 877 878 879
Vgl. Maier Offb S. 174. Die Erziehung des Menschengeschlechts § 86. Vorreden S. 186; Hofmann S. 434. Auch Vitringa S. 650: „Ecclesiae Reformatio“.
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Luthers Anhänger, u.a. Michael Stifel und Bugenhagen, gingen jedoch weiter und identifizierten den Engel von Offb 14,6 mit Luther selbst.880 Karl Barth erregte sich in seiner „Kirchlichen Dogmatik“ über solche „Exzesse“, vor allem über Johann Gerhards „Loci“ von 1610, die ebenfalls den Engel mit dem ewigen Evangelium auf Luther deuteten.881 Bengel erblickte im ersten Engel (Offb 14,6) Johann Arndt, im zweiten (Offb 14,8) Philipp Jakob Spener.882 In seinem Kommentar erwähnt er noch eine ganze Reihe ähnlicher Deutungsversuche, u.a. auf Calvin, Flacius und Chemnitz.883 Solche Aktualisierungen mahnen uns zu größter Vorsicht.884
Und ich sah einen anderen Engel (V. 6): Die Ausleger rätseln, warum Johannes von einem anderen Engel (ἄλλος ἄγγελος [allos anggelos]) spricht. Bezieht er sich zurück auf den Engel von 11,15?885 Oder auf den von 10,1 oder 8,13?886 Mit Recht lehnt Charles die Vorschläge von Bousset (Dittografie) und Joh. Weiss (Korruption) ab.887 Am besten erklärt sich der Ausdruck „anderer Engel“ aus der Tatsache, dass Johannes bisher schon von vielen Engeln sprach (vgl. Offb 5,2.11; 7,1.2.11; 8,2.3ff; 9,1.13.14; 10,1.7; 11,15; 12,7) und der Engel von Offb 14,6 nun als neuer, weiterer Engel eingeführt werden soll.888 Diesen Engel sah Johannes im Zenit fliegen, also im höchsten Scheitelpunkt des Himmels. Ähnliches war vom Adler in 8,13 berichtet, der ja gleichfalls ein Engelwesen darstellt. Swete wird recht haben mit dem Hinweis, dass ihn im Zenit alle sehen und hören konnten.889 Der hatte (ἔχοντα [echonta]) ein ewiges Evangelium (εὐαγγέλιον αἰώνιον [evanggelion aionion]): Der Ausdruck hatte besagt nicht, dass er das Evangelium als Rolle oder Buch bei sich trug. Haben (ἔχειν [echein]) ist in der Offenbarung ein allgemeines Wort890, das die Verfügung, den Besitz oder die Beauftragung bezeichnet. Offensichtlich war dieser Engel mit der Verkündigung beauftragt, also „der Verkündiger des Evangeliums“.891 880 881 882 883 884 885 886 887 888
Vgl. Maier Offb S. 271.312. Barth KD I/2 S. 675. Bengel S. 758ff.767ff. Bengel S. 758. J.M. Hahn nahm S. 419 bewusst Abstand von solchen Ratereien. So Swete S. 181. Beides von Charles II S. 12 erwogen. Vgl. Bengel S. 754; Behm S. 84. A.a.O. Die Übersetzung von Charles a.a.O. „another, an angel“ überzeugt angesichts der Stellen aus der Offb, die oben genannt sind, nicht. Ähnlich wie wir Mounce S. 272. 889 Swete a.a.O. 890 Vgl. H. Hanse, Art. ἔχω usw., ThWNT, II, 1935, S. 818. 891 G. Friedrich, Art. εὐαγγελίζομαι usw., ThWNT, II, 1935, S. 733.
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Aber was bedeutet nun ein ewiges Evangelium? Das Wort ewig (αἰώνιος [aionios]) kommt im NT vor allem „den göttlichen Gütern und Gaben“ zu.892 Es ist also ein von Gott gegebenes Evangelium, wozu der Engel und der Schauplatz im Zenit stimmen.893 Als göttliches Evangelium ist es ewig gültig und zeitlos.894 Es bedeutet also eine Botschaft, die Gott allen Menschen zu allen Zeiten und an allen Orten zukommen lässt.895 Ein Widerspruch zum neutestamentlichen Evangelium besteht nicht. Denn Letzteres ist die Konkretion und Zuspitzung des „ewigen Evangeliums“ für diese letzte Weltzeit vor der Wiederkunft Jesu Christi. Man beachte, dass bei „ewiges Evangelium“ der bestimmte Artikel fehlt.896 Auch daraus geht hervor, dass es sich nicht um ein bestimmtes Buch handelt, sondern um eine allgemeine, sich im Laufe der Zeit in verschiedenen Formen wiederholende Botschaft. Der Fehler des Joachim von Fiore und seiner Nachfolger lag darin, dass sie aus der zeitlos erklingenden Rettungsbotschaft Gottes ein nur in der Zukunft angesiedeltes neues Evangelium machen wollten. Die zweite Missdeutung von Offb 14,6 bestand darin, dass man aus dem Engel einen Menschen (Luther, Arndt, Spener usw.) machen wollte.897 Der verantwortliche Verkündiger des ewigen Evangeliums bleibt aber ein himmlischer, vom dreieinigen Gott beauftragter Bote. Um es denen zu verkündigen, die auf Erden wohnen, und zwar allen Nationen und Stämmen und Sprachen und Völkern (V. 6): Die Botschaft ist universal. Sie ist weder auf Israel noch auf die Kirche begrenzt. Allen, die auf Erden wohnen, soll sie verkündigt werden: Das ist der Auftrag des Engels.898 οἱ καθήμεναι ἐπὶ τῆς γῆς [hoi kathemenai epi tes ges] entspricht hebr. [ כל ישבי־הארץkol joschwe haarez].899 Die Aufzählung Nationen und Stämme und Sprachen und Völker unterstreicht die Universalität (vgl. Offb 7,9; 10,11; 11,9; 13,7 und Dan 3,4ff; 7,14). Besondere Beachtung verdient das Verb εὐαγγελίσαι [evanggelisai] (verkündigen). Gerade wenn es sonst in den johanneischen Schriften zurücktritt900, muss es in Offb 14,6 Träger eines 892 H. Sasse, Art. αἰών usw., ThWNT, I, 1933, S. 208. 893 Ebenso Sasse a.a.O. S. 209. 894 Deshalb auch vom neutestamentlichen Evangelium zu unterscheiden. Ebenso Charles a.a.O. Vgl. Schlatter S. 271f; Grünzweig II S. 29. Richtig Aune S. 826: „The message … always will be valid.“ 895 Anders Giesen S. 328: Adressaten sind die Christen. Vgl. aber Charles II S. 12; Swete S. 182. 896 Darauf macht Friedrich a.a.O. aufmerksam. Schon Bengel S. 756. 897 So bei Bengel S. 758ff; J.M. Hahn S. 414. Karl Barth wandte sich in KD I/2 scharf gegen solche Versuche, die er u.a. bei Johann Gerhard beobachtete (S. 675). 898 Swete S. 182: „defines the purpose“. 899 Swete a.a.O. 900 So Friedrich a.a.O. S. 714.
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besonderen Sinnes sein. Dieser Sinn ergibt sich zum einen aus dem AT, in dem das hebräische Äquivalent [ ִבּ ַּשׂרbissar] „ganz allgemein eine Freudenbotschaft verkünden“ heißt.901 Er ergibt sich zum andern aus dem neutestamentlichen Sprachgebrauch, wonach εὐαγγελίζεσθαι [evanggelizesthai]902 die Verkündigung der Freuden- und Rettungsbotschaft durch Jesus und seine Jünger bedeutet (vgl. nur Mt 11,5; Lk 2,10; 4,18; 9,6; Gal 1,11; 1Petr 1,25; 4,6). Wir können deshalb „verkündigen“ (εὐαγγελίσαι [evanggelisai]) in Offb 14,6 nur so verstehen, dass die Botschaft des Engels ein Rettungsangebot an die Menschheit enthält.903 Im Rückblick auf das universale Evangelium von Offb 14,6 erinnern wir uns an Colin Hemer, der darin den Gegensatz zum Evangelium des Weltherrschers Augustus erblickte, dessen archäologische Reste uns in Priene, Dorylaeum, Apamea und Eumenea begegnen (9 v.Chr.).904 Sofern in den Gemeinden des Johannes ein historisches Gedächtnis dafür bestand, können die Leser von Offb 14,6 sehr wohl den Gegensatz zwischen dem göttlichen ewigen „Evangelium“ und dem zeitlichen, nur menschlichen des Augustus empfunden haben. Näheres ist jetzt bei V. 7 zu klären: Mit lauter Stimme (ἐν φωνῇ μεγάλη [en phone megale]) gibt der Engel seine Botschaft. Wir haben schon mehrfach besprochen, dass die laute oder „starke“ Stimme ein Ausdruck der Autorität ist (vgl. die Erklärungen bei 7,2 und 10,3). So kommt auch hier die göttliche Beauftragung und Legitimität zum Ausdruck. Das griechische λέγων [legon] statt λέγοντα [legonta] ist eine in der Offenbarung übliche grammatische Irregularität.905 Wie lautet seine Botschaft? Fürchtet Gott und gebt ihm Ehre … Und betet den an, der den Himmel und die Erde und Meer und Wasserquellen gemacht hat! Mit Recht wehrt sich Gerhard Friedrich gegen die Vorstellung, diese Botschaft sei eine Gerichtspredigt: „Inhalt des Evangeliums ist nicht das Gericht“906. Es ist vielmehr die Einladung und Aufforderung, mit Gott ins Reine zu kommen. Und in der Tat: Dieses Evangelium ist seit Urzeiten erklungen und wird bis zur Wiederkunft Jesu weiter erklingen als ein „ewiges Evangelium“. Es steckt schon hinter dem ersten Gebot an den Menschen (Gen 901 Friedrich a.a.O. S. 705. 902 εὐαγγελίζειν [eyanggelizein] und εὐαγγελίζεσθαι [euanggelizesthai] haben hier dieselbe Bedeutung. Vgl. Blass-Debrunner § 309,2; Friedrich a.a.O. S. 710ff. 903 Ebenso Friedrich a.a.O. S. 733; Wilckens I, 4 S. 272. 904 Hemer S. 87. 905 Vgl. Charles II S. 13; Blass-Debrunner § 136,5. 906 Friedrich a.a.O. Anders z.B. Swete S. 181: „announces the Parousia and the consummation“.
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2,16f; vgl. 3,1ff) wie hinter den noachitischen Geboten (Gen 9,1ff), es liegt dem Verhältnis Gottes zur Heidenwelt zugrunde, wie Petrus und Paulus bezeugen (Apg 10,35; Röm 1,19ff), es war ein steter Bestandteil der prophetischen Predigt in Israel (z.B. Jer 13,16) und begleitete die missionarische Predigt der Christenheit von ihren Anfängen an (Apg 14,15ff; 1Thess 1,9).907 Es wird bis in die letzten Tage der Menschheit hinein weiter erklingen (Offb 11,13; 14,7). Wenn die Jesusbotschaft bis zum Weltende gepredigt wird (Mt 24,14), ist das „ewige Evangelium“ mit eingeschlossen. In der Tat besteht eine enge Verwandtschaft zwischen Mt 24,14 und Offb 14,7908, aber auch zwischen Offb 14,7 und der Zusammenfassung der Jesuspredigt in Mk 1,15.909 Zwischen die Imperative der Engelbotschaft (Fürchtet – gebt – betet an!) ist eine Begründung eingeschoben: Denn die Stunde seines Gerichts ist gekommen (ὅτι ἦλθεν ἡ ὥρα τῆς κρίσεως αὐτοῦ [hoti elthen he hora tes kriseos autu]). Die Sprache ist hier typisch johanneisch.910 Vgl. zur Stunde Joh 2,4; 4,21.23; 5,25.28; 7,30; 8,20; 12,23; 13,1; 16,2.4.21.25.32; 17,1. Die Verantwortung vor dem Gericht Gottes ist für die Menschheit in ihrer ganzen Geschichte gegeben. Sie gehört zu den allgemeinen religiösen Erkenntnissen und ist noch keine Gerichtsbotschaft in einem speziellen Sinne. Aber in Offb 14,7 hat die Aussage einen dringlichen Klang: gekommen ist die Stunde …, denn Jesu Wiederkunft und das Ende der alten Welt mit dem Tribunal des Weltenrichters stehen nahe bevor. Noch einige Einzelheiten zu Offb 14,7: Die Imperative φοβήτητε [phobetete] – δότε [dote] – προσκυνήσατε [proskynesate] (Fürchtet usw.) sind ingressive Imperative des Aorist. Das heißt, sie sollen ein neues Verhalten im Gegensatz zum bisherigen herbeiführen.911 Insofern kann man sie als „Bußruf“ bezeichnen.912 Fürchtet geht vermutlich auf die hebr. Wurzel [ יראjara] zurück, die „fürchten“, „in Ehren halten“ bedeutet.913 Die Gottesfurcht besteht grundsätzlich in der Ehrfurcht. So ist es auch im NT. Horst Balz bestimmt das Gott fürchten im NT grundsätzlich so, „dass jede lähmende Angst verworfen wird, während die Furcht vor Gott als Grundhaltung des von Gott ganz und gar abhängigen Menschen vom Glauben nicht zu trennen ist“.914 In Offb 14,7 erläutern sich die beiden Teile des Aufrufs Fürchtet Gott und gebt ihm Eh907 908 909 910 911 912 913 914
Vgl. Behm S. 84; Aune S. 827. Friedrich a.a.O.; Swete S. 181; Behm S. 84. Wieder Friedrich a.a.O.; Charles a.a.O. Charles a.a.O. Blass-Debrunner § 337,1. So Lohmeyer 3 S. 119; Aune S. 827. Vgl. H. Balz / G. Wanke, Art. φοβέω usw., ThWNT, IX, 1973, S. 194. A.a.O. S. 204.
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re! gegenseitig. Gott Ehre geben ist nichts anderes, als ihn als Gott anzuerkennen und zu preisen (Röm 1,21). Der Lobpreis erweitert sich zum allgemeinen Anbeten, griech. προσκυνεῖν [proskynein], das heißt zum Anrufen und Bekennen Gottes im Gebet.915 Am Ende von V. 7 wird Gott als derjenige bezeichnet, der den Himmel und die Erde und Meer und Wasserquellen gemacht hat. Solche Aufzählungen sind alttestamentlich (z.B. Ex 20,11; Jona 1,9).916 Sie werden vom NT übernommen (z.B. Apg 4,24; 14,15; 17,24). Die Artikel bei Himmel und Erde erklären sich wohl aus der Erinnerung an Gen 1,1. Das Fehlen des Artikels vor Meer und Wasserquellen ist nicht unüblich.917 Dass neben dem Meer die Wasserquellen besonders genannt sind, hängt evtl. mit der Rolle der Wasserquellen in der Offenbarung zusammen (vgl. Offb 8,10f; 16,4), vielleicht auch mit ihrer besonderen Bedeutung im wasserarmen Orient.918 Jedenfalls rückt die Botschaft des Engels am Schluss den Schöpfer in die Mitte, der alles gemacht hat (Gen 1,1ff; Joh 1,1ff; Röm 4,17; Hebr 11,3; Offb 4,11). Diesen Schöpfer konnte und durfte die Menschheit niemals übersehen (Röm 1,20ff; Ps 19). Sie wusste stets, dass sie sich nicht selbst geschaffen hat, geschweige denn die Welt. Sie hat ein Urbewusstsein ihrer Geschöpflichkeit (Pred 5,1). Wie sollte sie da den nicht anbeten, der alles gemacht hat? Wie sollte sie dem Schöpfer die Ehre verweigern? Man denke an Christian Fürchtegott Gellerts Verse von 1757: „Und diesen Gott sollt ich nicht ehren und seine Güte nicht verstehen? Er sollte rufen, ich nicht hören, den Weg, den er mir zeigt, nicht gehn? Sein Will ist mir ins Herz geschrieben, sein Wort bestärkt ihn ewiglich: Gott soll ich über alles lieben und meinen Nächsten gleich als mich.“919 Fazit: Das „ewige Evangelium“ hat die Menschheit in der Form, die Offb 14,7 zum Ausdruck bringt, seit ihren ersten Tagen begleitet. Es wird auch noch bis zum letzten Tag unserer Weltgeschichte verkündigt: deshalb „ewig“. Zugleich ist es autorisiert von Gott. Der Engel von Offb 14,6f personifiziert sozusagen dieses Evangelium, das dann im Laufe der Heilsgeschichte von verschiedenen menschlichen Boten mit jeweils speziellen Akzenten weitergegeben wird.920 Aber die Grundform bleibt diejenige von Offb 14,7. Wir haben es in Offb 14,6f also nicht mit einem Spezialereignis irgendwo zwischen AntiVgl. H. Greeven, Art. προσκυνέω usw., ThWNT, VI, 1959, S. 759ff. H. Braun, Art. ποιέω usw., ThWNT, VI, 1959, S. 460f. Vgl. Blass-Debrunner § 253,3; Charles II S.14. Vgl. W. Michaelis, Art. πηγή, ThWNT, VI, 1959, S. 115ff sowie 1Mo 7,11; Jer 51,36 LXX. 919 EG 607,4. 920 Deshalb kann man aber nicht mit Kiddle S. 274 sagen, „a literal view“ des Engels sei „impossible“.
915 916 917 918
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christ und Jesu Wiederkunft zu tun, sondern mit einem permanenten Vorgang in unserer Geschichte, der freilich während der Endereignisse mit neuer, höchster Dringlichkeit hervortritt.921 Und wie verhält sich nun dieses ewige Evangelium von Offb 14,6f zum Evangelium von Jesus Christus? Antwort: Beide sind wohl zu unterscheiden, bilden aber keine Gegensätze. Ein Gegensatz ist schon deshalb undenkbar, weil beide vom selben Urheber ausgehen: nämlich dem dreieinigen Gott selbst. Ein Gegensatz ist aber auch deshalb undenkbar, weil das ewige Evangelium in diesen letzten Zeiten mit Notwendigkeit in das Evangelium von Jesus Christus mündet. Denn wie kann der sündige Mensch Gott, seinen Schöpfer, wirklich fürchten, lieben und anbeten (Dtn 6,4f.13; Mt 4,10; 22,36f), wenn er nicht zuvor erlöst ist durch Jesus Christus? So kann man im Evangelium von Jesus Christus die aktuellste und höchste Zuspitzung des ewigen Evangeliums erblicken. In V. 8 begegnet uns der zweite Engel mit seiner Botschaft: Und ein anderer Engel, ein zweiter, folgte und sagte … Wenn Johannes die Engel zählt: zweiter (V. 8), dritter (V. 9), dann sieht er sie in enger Zusammengehörigkeit. Dieselbe Zusammengehörigkeit ergibt sich aus der Bemerkung, dass der zweite Engel dem ersten (nach-)folgte (ἠκολούθησεν [ekoluthesen]). Auf den ersten Blick allerdings hebt sich dessen Botschaft stark von der des ersten Engels ab: Sie ist gefallen, sie ist gefallen, Babylon, die große (ἔπεσεν ἔπεσεν Βαβυλὼν ἡ μεγάλη [epesen epesen Babylon he megale]). Das ist unzweifelhaft ein Gerichtswort. Insofern hängt es allerdings doch mit der Botschaft des ersten Engels zusammen, in der dieser sagte: „Die Stunde seines Gerichts ist gekommen.“ Sie ist gefallen, sie ist gefallen: nämlich von ihrer bisherigen Höhe und aus ihrer bisherigen Position. Das alttestamentliche Vorbild ist Jes 21,9.922 Die Verdoppelung des ἔπεσεν [epesen] zeigt, dass es a) um einen vernichtenden Fall geht; und b) jeder Zweifel daran ausgeschlossen werden soll.923 Aber nun machen wir eine überraschende Beobachtung: Das Thema wird sofort wieder abgebrochen. Wohl wird das Subjekt des Falls, nämlich Babylon, noch mit einigen wenigen Worten beschrieben, aber der Fall überhaupt 921 Die Begrenzung auf die künftige christliche Mission ist deshalb unrichtig. Gegen Hadorn S. 150; Wilckens I, 4 S. 272; Zahn S. 520. Vgl. Kiddle S. 278; Mounce S. 273. Auch Vitringa S. 651ff verengt das „ewige Evangelium“ auf das Evangelium der Reformation. 922 Jörg Frey bei Hengel S. 374; Zahn S. 520; Lohmeyer 3 S. 124; Schlatter BFch S. 90. 923 Bauer-Aland Sp. 1328. Vgl. W. Michaelis, Art. πίπτω usw., ThWNT, VI, 1959, S. 162f; Blass-Debrunner § 493,2.
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nicht. In V. 9 folgt schon ein anderes Thema. Dafür handeln Offb 16,19, die Kap. 17 und 18 und schließlich 19,1ff in breitestem Umfang von Babylon und seinem Fall. Wenn irgendwo, dann möchte man Theodor Zahn bei Offb 14,8 recht geben, wenn er sagt: „Man hat den Eindruck, daß hier wieder einmal ein Thema flüchtig berührt wird, das später ausführlich behandelt werden soll.“924 Eine genauere Besprechung des Falles Babylons müssen wir also auf später aufschieben (bei Kap. 16–19). Hier notieren wir nur in Kürze die in Offb 14,8 erkennbaren Einzelheiten. Babylon wird nicht als Größe der Vergangenheit behandelt, sondern als etwas Gegenwärtiges oder Zukünftiges. Denn als Proklamation eines längst vergangenen Sturzes ergibt Offb 14,8 keinen Sinn. Also ist der Name „Babylon“ symbolisch. Unter diesem Symbol verbirgt sich eine gottfeindliche Macht.925 Welche, ist später zu klären. Babylon erhält den Beinamen die große (ἡ μεγάλη [he megale]). Die erwähnte gottfeindliche Macht hat also auch in Gottes Augen eine hohe Bedeutung (vgl. Offb 11,8; Gen 10,12; Dan 4,27). Schwieriger sind die folgenden Worte zu verstehen. Babylon tränkte von ihrem Wein … alle Völker. Folglich war auf Erden ihr Einflussbereich so groß wie der der christlichen Botschaft (πάντα τὰ ἔθνη [panta ta ethne] = Mt 28,19). Vom Wein tränken heißt hier: zu dem Geist und Leben verführen, die den Ausschenkenden selber beseelen.926 Im Falle Babylons ist genauer noch vom Wein ihrer Unzucht (ἐκ τοῦ οἴνου τῆς πορνείας αὐτῆς [ek tu oinu tes porneias autes]) die Rede. In Offb 17,2; 18,3 wiederholt sich dieser Ausdruck, in Jer 51,7 ist sein alttestamentliches Vorbild. Unter Unzucht bzw. „Hurerei“ versteht die Bibel Alten und Neuen Testaments jedes sexuelle Handeln, das Gottes Geboten für die Ehe, Familie und die Einzelnen zuwiderläuft. Solche Verstöße galten als typisch für die heidnische Völkerwelt außerhalb Israels. Darüber hinaus wird „Unzucht“ zum Ausdruck für die Untreue gegenüber Gott, also für den Götzendienst.927 Gerade in der Offenbarung bilden Götzendienst und Unzucht geschwisterliche Hauptmerkmale der Sünde und des Abfalls von Gott (vgl. 2,14.15.20ff; 9,21).928 Man wird auch bei der Beurteilung Babylons in Offb 14,8 beide in Anschlag bringen müssen. Der Wein aber ist nicht nur der Wein ihrer Unzucht, sondern gleichzeitig auch ein Wein des 924 Zahn S. 520. 925 Schon Ticonius: die civitas diaboli (Maier Offb S. 115). Vgl. K.G. Kuhn, Art. Βαβυλών, ThWNT, I, 1933, S. 512f. 926 Vgl. H. Seesemann, Art. οἶνος, ThWNT, V, 1954, S. 166f; L. Goppelt, Art. πίνω usw., ThWNT, V, 1954, S. 138ff. 927 Vgl. F. Hauck / S. Schulz, Art. πόρνη usw. ThWNT, VI, 1959, S. 586f. 928 Vgl. Hauck/Schulz a.a.O. S. 594f; Kraft S. 194.
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Zornes (οἶνος τοῦ θυμοῦ [oinos tu thymu]), nämlich des Zornes Gottes. Vgl. Offb 14,10; 16,19; 19,15. Auch dieses Bildwort stammt aus dem AT (Jes 51,17.22; Jer 25,15ff; 49,12; Ez 23,31ff u.a.).929 Kurz gesagt: Babylon hat aus ihrem Becher den Völkern den Wein ihrer Unzucht eingeflößt, nun schenkt Gott ihnen allen aus seinem Becher den „Wein seines Zornes“ ein.930 Wann geschieht das? In Kap. 16–19. Offb 14,8 schildert dieses Gericht vorausgreifend, „proleptisch“.931 Ähnlich hatte Offb 11,7 teilweise schon auf Offb 13,1ff vorgegriffen. Wir müssen also damit rechnen, dass die Offenbarung gelegentlich vorausgreifend und summarisch eine Entwicklung anspricht, die erst später entfaltet wird. Warum steht dann Offb 14,8 schon hier, im Kontext des 14. Kapitels? Vermutlich deshalb, um den Trost und die Stärkung der glaubenden Gemeinde, die schon in 14,1-7 ausgesprochen waren, noch einmal zu bekräftigen. Die Erklärung, Offb 14,8 sei nachträglich durch einen „Redaktor“ in das Kapitel eingeführt worden932, befriedigt nicht. Weder der Überlieferungsbefund noch die Sprache oder der Kontext können eine solche Interpolationshypothese begründen. Was aber die beliebte Deutung auf Rom oder eine andere Größe der Vergangenheit betrifft, so ist sie – wie schon bemerkt – später zu prüfen. Mit V. 9 tritt ein dritter Engel auf. Die Zählung als dritter (τρίτος [tritos]) nach den beiden Engeln von V. 6 und 8 beweist, dass alle drei eng zusammengehören. Die Formulierung, dass er ihnen folgte (vgl. V. 8), beweist dies noch einmal. Während über die Stimme des zweiten Engels jede Bemerkung fehlt, wird beim dritten Engel wie beim ersten ausdrücklich vermerkt, er habe mit lauter Stimme gesprochen (λέγων ἐν φωνῇ μεγάλῃ [legon en phone megale]). Der dritte Engel nimmt direkt Bezug auf Kap. 13: Wenn jemand das Tier und sein Bild anbetet und ein Zeichen auf seine Stirn oder auf 933 seine Hand nimmt … So eng die drei Engel auch zusammengehören934, so rasch erfolgt doch gleichzeitig ein Perspektivwechsel: Der erste hatte eine zeitlose, 929 Seesemann a.a.O. 930 Anders erklärt Aune S. 831: Es handle sich um den „Wein, der ihre unmoralische Leidenschaft ist“. Aune fasst also θυμός [thymos] nicht als „Zorn“, sondern als „Leidenschaft“ auf. Dagegen jedoch F. Büchsel, Art. θυμός usw., ThWNT, III, 1938, S. 168: „Überall im NT bedeutet θυμός Zorn“; auch Offb 14,8; sowie Goppelt a.a.O. S. 151, 27; Lohmeyer 3 S. 125. 931 Charles II S.1. 932 So z.B. Aune S. 832: „a redactional insertion“. 933 Der Wechsel von Genitiv und Akkusativ bei ἐπί [epi] bedeutet keinen Sinnunterschied (Blass-Debrunner § 233,2). 934 Vgl. Bengel S. 778.
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ewig gültige Botschaft, der zweite verkündete den Sturz einer gigantischen widergöttlichen Macht, der dritte das Gericht über die Anhänger des Antichrist. Und doch hängen auch diese drei Perspektiven wiederum untereinander zusammen: Sie stellen das Handeln Gottes in Umkehr und Gericht vor Augen, ganz im Gegensatz zur Welt der Gottesfeindschaft, die zuletzt im Antichrist kulminierte. Die Gerichtsdrohung der V. 9ff darf als pars pro toto aufgefasst werden. Das heißt, ein solches Gericht erwartet alle Gottesfeinde!935 Die Gerechtigkeit Gottes, die im Einzelfall unterschiedlich straft (vgl. Lk 12,47f), wird dadurch nicht infrage gestellt. Zur Anbetung des Tieres und seines Bildes und zum Zeichen auf Stirn oder Hand vgl. die Erklärung bei 13,12-17. V. 10 zieht jetzt die Konsequenz: … dann wird auch er trinken936 vom Wein des Zornes Gottes. Die Formulierung auch er (καὶ αὐτός [kai autos]) zeigt, dass schon viele andere von diesem Zorneswein (ἐκ τοῦ οἴνου τοῦ θυμοῦ [ek tu oinu tu thymu]) trinken mussten.937 Das bestätigt unsere obige Auslegung, wonach es sich in Offb 14,10f nicht um eine Spezialstrafe für die Anhänger des Antichrist handelt, sondern um eine allgemeine Strafe für alle von Gott abgefallenen Menschen. Die Satzverbindung mit καί [kai] nach εἰ [ei] „ist wesentlich durch das Hebr. bedingt“.938 Vom „Zorneswein“ war schon in V. 8 die Rede, jetzt wird ausdrücklich hinzugefügt τοῦ θεοῦ [tu theu] = Gottes. Die Grundvorstellung ist also die, dass Gott einen Becher oder Kelch mit seinem Zorn = Gericht füllt. Dieses Gericht wird unter dem Bild des Weines dargestellt. Gott selbst reicht diesen Becher, gefüllt mit seinem „Zorn“, und der Schuldige muss von ihm trinken. Wie schon gesagt, ist das hier benutzte Bild ganz alttestamentlich (vgl. Ps 75,9; 60,5; Jes 51,17ff; Jer 25,15ff; 49,12; 51,7; Ez 23,31ff; Hab 2,16).939 Zwei nähere Beschreibungen erläutern den „Zorneswein“. Das ist einmal die Angabe, dass er sich im Kelch seines Zorns (ἐν τῷ ποτηρίῳ τῆς ὀργῆς αὐτοῦ [en to poterio tes orges autu]) befinde. Derselbe „Zorn“ Gottes, der sich im Bild vom Wein als „Zorneswein“ darstellt, macht jetzt im Bild von Zorneskelch oder „Zornesbecher“ aus dem üblichen Kelch oder „Becher“ (hebr. [ כּוֹסkos]) eben den speziellen Kelch des Zornes Gottes.940 Die zweite Erläu935 936 937 938 939
Ebenso Lohmeyer a.a.O. Zu πίεται [pietai] vgl. Blass-Debrunner § 74,5. Bengel S. 780. Blass-Debrunner § 442,14. Büchsel a.a.O.; Blass-Debrunner § 165,2; Seesemann a.a.O.; Goppelt a.a.O. S. 149ff; Kraft S. 194; Lohmeyer a.a.O. 940 Vgl. wieder Goppelt a.a.O. S. 148ff.
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terung besteht in der Angabe, der Wein sei dort unvermischt eingeschenkt. Unvermischt, ἄκρατος [akratos], bedeutet: ohne Beimischung von Wasser. Sonst trank man in der Antike den Wein oft als Wein-Wasser-Gemisch. Auf Wasserzusatz zu verzichten, machte den Wein stärker und berauschender. Ohne Bild für Offb 14,10 ausgedrückt: Das Gericht Gottes ergeht941 ohne Milderung, „in voller Stärke“942. Das Partizip Perfekt Passiv κεκερασμένος [kekerasmenos] von κεράννυμι [kerannumi]943 bedeutet eigentlich „gemischt“, und zwar im Sinne von tischfertig gemacht, aufgetischt, kredenzt. So wird es in Offb 14,10 häufig mit eingeschenkt übersetzt.944 Manche verstehen es sogar als Hinzufügen von „Ingredienzien“, die den berauschenden Charakter des Weines verstärken.945 Das Gericht würde dadurch ein weiteres Mal als ein strenges Gericht gekennzeichnet. Die soeben besprochenen Erläuterungen unterstreichen also die „Größe und Furchtbarkeit des göttlichen Zornes“.946 Der Schluss von V. 10 spricht sogar von der Qual, die das göttliche Gericht bedeutet: und er wird gequält werden mit Feuer und Schwefel. Seit dem Untergang Sodoms und Gomorrhas sind Feuer und Schwefel Bildworte für das Gericht Gottes (vgl. Gen 19,24; Dtn 29,22; Ps 11,6; Jes 1,9f; 13,19; Ez 38,22; Am 4,11; Lk 17,29; 2Petr 2,6).947 Vor allem für die Offenbarung trifft das zu (14,10; 19,20; 20,10.14f; 21,8).948 In ganz ähnlicher Weise sprach Jesus vom „ewigen Feuer“, das die im Gericht Verworfenen erwartet (Mt 25,41; Mk 9,43ff).949 Das AT hat in dieser Beziehung den Sprachgebrauch der Juden (Apokalyptik, Rabbinismus, Qumran)950 und Christen (Jesus, NT, speziell die Offb)951 nachhaltig geprägt. Das Wort für quälen, βασανίζω [basanizo] im Griechischen, taucht in der Bibel relativ spät auf. „Eine entsprechende Grundlage im hebr. Text fehlt fast an allen Stellen.“952 Jedoch spricht auch Jesus in Lk 16,23.28 von der Qual der Gottlosen nach ihrem Tode.953 In der Offenbarung wird zwei Μal von dieser Qual gesprochen, in 14,10 und 20,10. Bei all diesen Bildworten: „Wein des Zornes“, „Kelch des Zornes“, 941 942 943 944 945 946 947 948 949 950 951 952 953
Vgl. Goppelt a.a.O. S. 151. So Bauer-Aland Sp. 63. Vgl. Blass-Debrunner § 101,38; Bauer-Aland Sp. 872. Z.B. Bauer-Aland a.a.O. So Lohmeyer 3 S. 125; Mounce S. 275; Seesemann a.a.O. S. 167. Seesemann a.a.O.; Giesen S. 330. Vgl. F. Lang, Art. πῦρ usw., ThWNT, VI, 1959, S. 935f; Kraft a.a.O.; Lohmeyer a.a.O. Lang a.a.O. S. 946. Lang a.a.O. S. 943. Vgl. Lang a.a.O. S. 937ff. Vgl. Lang a.a.O. S. 940ff. Joh. Schneider, Art. βάσανος usw., ThWNT, I, 1933, S. 560. Schneider a.a.O. S. 561.
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„trinken“, „Feuer und Schwefel“, darf man sich aber nicht von irdisch-materialistischen Vorstellungen leiten lassen. So real auch die Sachverhalte sind, um die es hier geht, so sehr muss uns bewusst bleiben, dass es sich um eine jenseitige Welt handelt. Zuletzt wird in V. 10 bemerkt, das Gericht geschehe vor den954 heiligen Engeln und vor dem Lamm. Von den heiligen Engeln sprach schon Jesus (Mk 8,38). Auch dieser Sprachgebrauch geht auf das AT zurück, das die Engel an mehreren Stellen Heilige nennt (Hiob 5,1; 15,15; Ps 89,6.8; Dan 8,13; Sach 14,5).955 Aune meint, für das Gericht vor den Engeln und dem Lamm gebe es keine Parallele in frühjüdischen oder frühchristlichen eschatologischen Szenarien.956 Sachlich betrachtet, trifft aber gerade das Gegenteil zu. Mehrfach sagt nämlich Jesus, dass Engel ihn bei seiner Wiederkunft begleiten und als Gerichtshelfer beim Endgericht mitwirken (Mt 13,39ff; 13,49; 16,27; 24,31; 25,31; Mk 8,38; 13,27; Lk 9,26; 12,8f). Paulus hat dies in seiner Lehre festgehalten (1Thess 4,16; 2Thess 1,7). Im Blick aufs NT urteilt Gerhard Kittel sogar: „Am stärksten ist die Beteiligung der Engel beim endzeitlichen Geschehen vorausgesetzt“, und fügt dann hinzu: „Die Johannesapokalypse führt … in breiten Bildern aus, was als feste Meinung der Urchristenheit vorliegt.“957 Und wieder erweist sich das Danielbuch als alttestamentlicher Ausgangspunkt (Dan 7,9ff). Es unterliegt also keinem Zweifel, dass die Bemerkung vor den heiligen Engeln und vor dem Lamm nur bekräftigt, was seit Jesus in der christlichen Gemeinde geglaubt wird. Fragen kann man allerdings, weshalb das Lamm = Jesus Christus erst nach den Engeln erwähnt wird. Zu Boussets Zeit (Ende des 19. Jh.) strichen „fast alle Kritiker“ die Worte und vor dem Lamm958 und glaubten, auf diese Weise die Frage gelöst zu haben. Auch in der Gegenwart will Aune die betreffenden Worte als „Glosse“ beseitigen, weil er glaubt, in Offb 14,10 werde sonst das Lamm den Engeln untergeordnet.959Aber welcher frühchristliche Glossator sollte ein Interesse daran gehabt haben, Christus unter die Engel hinabzudrücken? Boussets eigene Antwort ist vernünftiger: Auch in Offb 1,4ff werde Jesus Christus erst nach den „sieben Geistern“ erwähnt, deshalb sei die Reihenfolge in Offb
954 Viele HSS setzen den Artikel vor den Engeln, der aber in der deutschen Übersetzung in jedem Falle wiederzugeben ist. 955 Vgl. O. Proksch im Art. ἅγιος usw., ThWNT, I, 1933, S. 89.111; Aune S. 836. 956 Aune S. 835. 957 Im Art. ἄγγελος usw., ThWNT, I, 1933, S. 83. Vgl. Bousset 1896 S. 444; Lohmeyer a.a.O. 958 Bousset 1896 S. 444. 959 Aune a.a.O.
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14,10 nichts Auffälliges.960 Lohmeyer meinte, die heiligen Engel seien ursprünglich eine Umschreibung für Gott und deshalb vor dem Lamm erwähnt.961 Man könnte aber auch an das hebräische „Gesetz des Achtergewichts“ denken, wonach das Wichtigste am Schluss steht. Dann haben die Schlussworte „und vor dem Lamm“ eine besondere Betonung: Es ist gerade das von den Gottlosen verachtete „Lamm“, das am Ende der Weltenrichter sein wird. Das stimmt – wie gesagt – mit der Jesusverkündigung und besonders dem Johannesevangelium überein (Mt 13,41ff; 16,27; 19,28; 24,29ff; 25,31ff; 26,64; Mk 14,62; Lk 21,25ff; Joh 5,22ff; Offb 6,16). Vers 11 verstärkt die Ankündigung des Gerichts. Der Engel sagt: der Rauch ihrer Qual steigt auf von Ewigkeit zu Ewigkeit. Caird ist darin recht zu geben, dass das Bild vom aufsteigenden Rauch besser zum Untergang einer Stadt als zum Gericht über einen Einzelnen passt962 (vgl. Jos 8,20; Jes 34,8ff). Man sieht auch in Offb 14,11 förmlich das ganze Weltreich des Antichrist in Schutt und Asche sinken (vgl. Offb 18,9.18). Und doch kann der gleichzeitige Bezug auf das Schicksal des Einzelnen nicht geleugnet werden. Schon längst ist ja der „Rauch“ ein Zeichen des Gerichts geworden (vgl. Jes 34,10; Joel 3,3; Offb 9,2.3.17.18; 19,3). Wie in Offb 14,10f verbindet er sich in Jes 34,9ff, der alttestamentlichen Ausgangsstelle für Offb 14,10f 963, mit Feuer und Schwefel (vgl. auch Joel 3,3; Apg 2,19). Das ihr (αὐτῶν [auton]) in V. 11 bezieht sich offensichtlich auf die Anbeter des Antichrist in V. 9 und diejenigen, die „keine Ruhe haben“. Trotz aller Härte müssen wir also das Bildwort vom Rauch ihrer Qual für die gerichteten Gottlosen stehen lassen. Es war noch ein anderer Punkt, der die Aufmerksamkeit der Ausleger gefunden hat. Das ist die ewige Dauer der Qual: Sie dauert ja von Ewigkeit zu Ewigkeit (εἰς αἰῶνας αἰώνων [eis aionas aionon]).964 Das ist dieselbe Dauer, wie sie der Anbetung Gottes, der neuen Schöpfung und dem ewigen Gott selbst zugemessen wird (Offb 4,9; 4,10; 5,13; 22,5). Demnach kommt in Offb 14,11 „der eigentliche Begriff der Ewigkeit“ zum Ausdruck.965 Weil dieser Punkt für die christliche Glaubenslehre über Offb 14,11 hinaus Bedeutung hat, greifen wir ihn anschließend in einem Exkurs noch einmal auf.
960 961 962 963 964
Bousset a.a.O. Lohmeyer 3 S. 125. Ebenso Giesen S. 331; Roloff S. 153. Caird S. 186. Lohmeyer 3 S. 125; Schlatter BFchTh S. 90. Morris S. 181; Bengel S. 781; Kraft S. 194; Mounce S. 276; Giesen S. 331; Roloff S. 153; Goppelt a.a.O. S. 151 („ewige Verdammnis“). 965 H. Sasse, Art. αἰών usw., ThWNT, I, 1933, S. 199; vgl. Bauer-Aland Sp. 52.
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Zunächst sind noch die Schlussworte von V. 11 zu betrachten: Und diejenigen, die das Tier und sein Bild anbeten, und wer das Zeichen seines Namens annimmt, die haben Tag und Nacht keine Ruhe. Diejenigen, die das Tier … anbeten und … das Zeichen seines Namens annehmen, sind nach Offb 13,4.15-17 die Anhänger des Antichrist. Vermutlich stehen sie aber nach der Regel pars pro toto für alle Gottlosen.966 Tag und Nacht drückt die unbestimmte Zeit aus. Das Gericht wird hier mit den Worten beschrieben: sie haben keine Ruhe. Wahrscheinlich befinden wir uns hier nicht mehr im Bereich der Bildworte wie bei „Rauch“, „Feuer“, „Schwefel“, „Zorneskelch“, „Zorneswein“, sondern schon bei einer direkten Sachaussage. Zur Ruhe (Gottes) kommen, ist nach Hebr 4,1ff das Ziel der Gläubigen in der Heilsvollendung.967 Auch Jesus verspricht seinen Nachfolgern die „Ruhe (ἀνάπαυσιν [anapausin]) für eure Seelen“ (Mt 11,29), offenkundig unter Bezug auf Jes 28,12 und Jer 6,16.968 „Sie haben keine Ruhe“ bedeutet demnach: Sie sind vom ewigen Heil ausgeschlossen. Nicht zur „Ruhe“ kommen können, nicht einmal im Grab, nicht einmal im jenseitigen Leben, ist für den Menschen eine weit schlimmere Qual als Rauch und Schwefel.969 Übrigens haben auch die vier Wesen in Offb 4,8 Tag und Nacht keine Ruhe: aber in ihrem unaufhörlichen, unübertrefflich glücklichen Lobpreis, der gerade die Frucht der Ruhe in Gott ist.970 So bilden sie den völligen Gegenpol zu Offb 14,11. Bei der Strukturanalyse (II) haben wir V. 12 noch zur Botschaft des dritten Engels gerechnet. Wir können uns dabei auf Zahn berufen.971 Viele Ausleger nehmen jedoch an, dass in V. 12 Johannes selbst sich „direkt an die Leser“ wendet.972 Eine solche Annahme ist möglich. Da aber V. 12 noch unter der Überschrift „ein anderer Engel sagte“ (14,9) steht, und das „ich“ des Johannes erst in V. 13 wieder einsetzt, scheint es näherliegend, hier mit Worten des Engels zu rechnen. Die Parallele zu 13,10 ist äußerst eng: Hier ist die Geduld der Heiligen (ὧδε ἡ ὑπομονὴ τῶν ἁγίων ἐστίν [hode he hypomone ton hagion estin]). Gegenüber 13,10 fehlen nur die Worte „und der Glaube“. Offenbar liegt in Offb 14,12 der Akzent noch ein wenig stärker auf der Geduld. Was die Begriffs966 Anders Bengel S. 781: „eine … besondere Strafe“. 967 Dort steht allerdings κατάπαυσις [katapausis], nicht ἀνάπαυσις [anapausis]. 968 Vgl. O. Bauernfeind, Art. ἀναπαύω usw., ThWNT, I, 1933, S. 352f. Im Hintergrund steht auch wie bei Hebr 4,1ff der 95. Psalm (95,11, vgl. Kraft a.a.O.). 969 Vitringa S. 660 verweist auf Jes 57,21: „Die Gottlosen haben keinen Frieden.“ 970 Vgl. Morris S. 181f; Caird S. 187. 971 Zahn S. 520. Übrigens auch Vitringa S. 661; Lohmeyer 3 a.a.O. 972 So Roloff a.a.O.; Mounce S. 277; Bousset 1896 S. 445; Giesen S. 332; Behm S. 85.
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erläuterungen angeht, vgl. unsere Auslegung bei 13,10.973 Dass die „Geduld“ so stark betont wird, könnte damit zusammenhängen, dass die lange Dauer der letzten Endereignisse gerade diese „Geduld“, dieses standhafte Durchhalten, erfordert. Wer in einer aufgeregten Naherwartung lebt, wirbt kaum um so viel Geduld. Ein weiteres Mal ist damit auch klargestellt, dass irgendeine bewaffnete Form des Widerstandes gegen den Antichrist nicht infrage kommt. Die Heiligen sind hier wie öfters in der Offenbarung die gläubigen Christen (vgl. 13,7.10). V. 12 schildert sie noch ein wenig genauer als diejenigen, die die Gebote Gottes und den Glauben an Jesus bewahren. πίστις [ pistis] heißt hier wirklich Glaube an Jesus (vgl. Offb 2,13) und nicht etwa „Glaube Jesu“ oder „Treue Jesu“.974 Ebenso wie der Ruf zum „Glauben an Jesus“ ist das Bewahren der Gebote Gottes typisch für die johanneischen Schriften (vgl. Joh 8,51ff; 14,15ff; 15,10ff; 20,31; 1Joh 2,3ff; 3,22; 5,3; Offb 3,3.8; 12,17).975 In Offb 14,12 liegt außerdem ein spezieller Rückbezug auf Offb 12,17 vor, wo die Nachkommenschaft der Frau fast wörtlich genauso beschrieben wird wie die Gläubigen von 14,12.976 Es fällt auf, dass der Glaube an Jesus bzw. das Zeugnis von Jesus bei Johannes immer wieder aufs Innigste verknüpft wird mit dem Halten der Gebote. Diese Verknüpfung geht auf Jesus selbst zurück (Joh 15,1ff). Wer also Jesus liebt, hält die Gebote; wer die Gebote nicht hält, liebt Jesus nicht. Schließlich beachten wir, dass Johannes, der sonst die herrlichsten Titel Jesu erwähnt (Offb 2–3), manchmal nur sehr schlicht von Jesus (ohne Titel!) spricht – was einer gespreizten christlichen Dogmatik gelegentlich schwerfällt. Das Wort Hier gleicht in der Offenbarung einer eingerammten Flagge. Es kennzeichnet den geistlichen Ort, an dem sich die wahre Gemeinde sammelt (vgl. Offb 13,10; 13,18; 14,12; 17,9). Vers 13 „bricht“, wie Lohmeyer bemerkt977, in gewisser Weise aus der Abfolge der Verse in Offb 14,6ff „heraus“. Wir stoßen hier auf den zweiten Makarismus der Offenbarung nach 1,3 (vgl. 16,15; 19,9; 20,6; 22,7; 22,14) – insgesamt sind es sieben Makarismen (Seligpreisungen), eine wohl absichts-
973 Lohmeyer a.a.O. versteht ὑπομονή [hypomone] nicht als „Geduld“, sondern als „Harren“; ähnlich Kraft S. 195: „Erwartung“. Der Kontext legt aber „Geduld“ oder „Standhaftigkeit“ weit näher als die Erwartung. So auch F. Hauck im Art. μένω usw., ThWNT, IV, 1942, S. 593; Mounce S. 277; Bousset 1896 S. 445; Hemer S. 165; Bengel S. 781f; Caird S. 187f; Schlatter S. 275; Lohse S. 85; Hadorn S. 153; U.B. Müller S. 268. 974 Bousset 1896 S. 445; Giesen S. 332; Zahn S. 521, 90. 975 Lohmeyer 3 S. 126; Jörg Frey bei Hengel S. 355. 976 Bousset a.a.O. 977 Lohmeyer a.a.O.
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volle Zahl. Inmitten der Proklamationen und Geschehnisse der V. 6-20 wirkt dieser 13. Vers wie ein Ruheort, den ein erschöpfter Wanderer erreicht. Und ich hörte eine Stimme aus dem Himmel: Es muss eine andere Stimme sein als die der drei Engel von V. 6 bis 12. Aber weil sie aus dem Himmel kommt, hat auch sie göttliche Vollmacht. Öfters hört Johannes eine solche Stimme aus dem Himmel (vgl. Offb 10,4.8; 14,2.13; 18,4). Aber wir können nicht sagen, wer hier in Offb 14,13 der Sprecher ist.978 Nur so viel ist klar: Es handelt sich um das „Diktat einer himmlischen Stimme“979. Denn sie sagt: Schreibe. Sowohl allgemein (Offb 1,11.19) als auch an speziellen Stellen steht Johannes unter einem Schreibbefehl (2,1–3,14; 14,13; 19,9; 21,5). So kommen die Worte dieses Buches zustande, die nicht mehr verändert werden dürfen (Off 22,18f). Glücklich zu preisen sind die Toten, die im Herrn sterben von nun an! – was für eine eigenartige Botschaft! Hier ist der Begriff der „counterproclamation“ berechtigt, den Mounce gebraucht.980 Die Seligpreisung von Offb 14,13 ist in der Tat eine „Gegenproklamation“ zu all den verlogenen Versprechungen des Antichrist und zugleich eine „Gegenproklamation“ zu all den Todesängsten dieser Welt.981 μακάριοι … [makarioi] = שֵׁרי ְ [ ַאaschre] = glücklich zu preisen sind ist in Analogie zur Bergpredigt formuliert (Mt 5,3ff; Lk 6,20ff). In 1,3; 16,15; 20,6 und 22,7 herrscht dagegen der Singular μακάριος [makarios]. Doch nun werden ja die Toten seliggepriesen, allerdings nur ein Teil von ihnen. Wer ist damit gemeint? Geistlich Tote können es nicht sein (vgl. Mt 8,22; Lk 15,24ff; Eph 2,1ff; 5,14; Kol 2,13; Jak 2,17ff; Offb 3,1). Somit geht es um real Sterbende und Abgeschiedene. Wichtig ist, dass sie im Herrn sterben (ἐν κυρίῳ ἀποθνῄσκοντες [en kyrio apothneskontes]). Das heißt, dass sie in der Gemeinschaft mit Jesus Christus gelebt haben und gestorben sind (vgl. Röm 14,8)982. Eine formale oder rein äußere Mitgliedschaft in einer christlichen Gemeinde genügt dafür nicht. Man kann die Toten im Herrn aber auch nicht auf die Märtyrer begrenzen, sondern muss darunter alle wahren Christen verstehen, die sterben.983 Von nun an (ἀπ’ ἄρτι [ap’ arti]) heißt: „Von der jetzigen Zeit an“. Diese Bemerkung ist hochinteressant, weil sie 978 979 980 981 982 983
Giesen S. 332. Roloff a.a.O. Mounce S. 274. Schlatter BFchTh S. 70 leitet sie aus Dan 12,13 ab. Giesen S. 333. Vgl. R. Bultmann, Art. νεκρός usw., ThWNT, IV, 1942, S. 896ff. So mit Recht Giesen a.a.O. gegen Beckwith, Bousset, Charles, Lohse u.a. Wie Giesen und wir auch Brighton S. 385; Hadorn S. 154; Schlatter S. 277.
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wie die Sendschreiben schon die unmittelbare Gegenwart des Johannes betrifft. Sie gilt ausdrücklich nicht erst „von der Zeit des Antichrist an“. Mit anderen Worten: Alle christlichen Gemeinden können sich ab sofort auf die Zusage von Offb 14,13 berufen.984 Schwieriger zu verstehen ist die zweite Hälfte von V. 13: Ja, der Geist sagt, dass sie ruhen werden von ihrer Mühsal. Ja, ναί [nai], dient der Bekräftigung. Es bedeutet „Ja, in der Tat“985. Vermutlich will Johannes nicht nur bekräftigen, dass hier der Geist redet, sondern auch alles Folgende mit dieser Bekräftigung unterstreichen. Doch welcher Geist redet hier? Der Artikel vor τὸ πνεῦμα [to pneuma] – der Geist – lässt eigentlich nur die Antwort zu, dass es derselbe Geist ist wie in den Sendschreiben (2,7.11.17.29; 3,6.13.22).986 Und dieser Geist ist kein anderer als der Heilige Geist der Trinität. Insofern ist er eins mit dem Herrn, nämlich Jesus Christus (vgl. wieder Kap. 2–3).987 Es empfiehlt sich also nicht, den „Geist“ von Offb 14,13 als besonderen „prophetischen Geist“ aufzufassen oder gar mit Giesen zu erklären, es sei „also nicht der Heilige Geist“.988 Richtig dagegen Wilckens: „In dem, was Johannes als Prophet sagt, hat unmittelbar der Geist Gottes selbst das Wort.“989 Doch woher weiß Johannes, was der Geist sagt? Johannes lässt hier keinerlei Zweifel erkennen. Die Antwort muss an dieser Stelle wohl eine doppelte sein: Erstens befindet sich Johannes während der gesamten Schau der Offenbarung „im Geist“ (ἐν πνεύματι [en pneumati]), vgl. 1,10; zweitens hat der Geist schon bei Jesus und in den Schriften des AT von der Ruhe der im Glauben Verstorbenen gesprochen (vgl. Mt 11,29 und Ps 95,11; Jes 57,2; Dan 12,13). Wir wenden uns nun der Sachaussage zu: dass sie ruhen werden von ihrer Mühsal (ἵνα ἀναπαήσονται ἐκ τῶν κόπων αὐτῶν [hina anapaesontai ek ton kopon auton]). Der Sinn ist: „Sie sollen ausruhen …“990. Das ist das pure Gegenteil dessen, was die Gottlosen erwartet, von denen es heißt: „sie haben Tag und Nacht keine Ruhe“ (14,11).991 Die verstorbenen Gläubigen, 984 Anders Bousset 1896 S. 445; U.B. Müller S. 268. Sie beziehen die Verheißung a) nur auf die Märtyrer, b) erst von der zukünftig beginnenden Verfolgung an. Auch die Begrenzung auf die Teilnehmer des Millenniums (Charles II S. 1) ist unberechtigt. 985 Blass-Debrunner § 441,2. 986 Ebenso Hadorn S. 154. 987 Vgl. E. Schweizer im Art. πνεῦμα usw., ThWNT, VI, 1959, S. 448; Brighton a.a.O. 988 Giesen a.a.O. Vgl. U.B. Müller a.a.O. 989 Wilckens I, 4 S. 280. Auch Wilckens vertritt die trinitarische Deutung. 990 Blass-Debrunner §§ 456,2; 387,4; 369,5. ἵνα [hina] ist abhängig vom Nächstliegenden, nämlich λέγει [legei], und hat keinen kausalen Sinn. Gegen Bousset 1896 S. 446. 991 Vgl. Brighton a.a.O.
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um die sich die noch auf Erden weilende Gemeinde keine Sorgen machen muss (vgl. 1Thess 4,13ff)992, werden in den vollendeten Gottesfrieden und in die vollendete Gottesruhe eingehen. Mt 11,29 und Hebr 4,1ff formulieren dasselbe Ziel. Unter diesem Gesichtspunkt gilt selbst für die Märtyrer, „dass die Leiden dieser Zeit nicht ins Gewicht fallen gegenüber der Herrlichkeit, die an uns offenbart werden soll“ (Röm 8,18). Dort, am himmlischen Ziel, endet aller Kampf und Streit, den wir hier manchmal aufs Bitterste durchleiden. Denn die Erlösten ruhen von ihrer Mühsal. κόπος [kopos] heißt „Sichabmühen“, „mühevolle Anstrengung“, „in LXX meist Wiedergabe von “ ָעָמל.993 Schon im AT ist dem Gläubigen die Rettung daraus verheißen (Ps 25,18; 88,16; 107,12; Jes 65,23).994 Auffallenderweise stehen auch in Mt 11,28f κοπιᾶν [kopian] und ἀναπαύειν [anapauein] nebeneinander. Gott weiß, wie schwer wir es auf dieser Erde haben, und der Geist spricht es aus (auch Jesus Mt 6,34; Joh 16,33).995 Aber nun gibt es doch noch eine Überraschung. Sie liegt in den Schlussworten von V. 13: denn ihre Werke folgen ihnen nach (τὰ γὰρ ἔργα αὐτῶν ἀκολουθεῖ μετ’ αὐτων [ta gar erga auton akoluthei met auton]).996 Mit anderen Worten: Die verstorbenen Gläubigen werden nach dem Tode von ihren Werken begleitet. Doch was bedeutet diese Bemerkung? Protestantische Ausleger betonen gerne, dass hier nicht „der jüdische Verdienstgedanke“ vorliege997, weil sie um die Rechtfertigungslehre fürchten. Demgegenüber hat Roloff darauf hingewiesen, dass die Offenbarung „jenseits der paulinischen Rechtfertigungsproblematik“ steht.998 Manche Ausleger sehen hinwiederum Offb 14,13 „ganz jüdischen Vorstellungen“ verhaftet, wobei sie etwa auf 4Esr 7,35 oder Pirke Abot VI, (9.) 10 verweisen.999 Eduard Lohse ordnet Offb 14,13 dem typischen „Judenchristentum“ zu, wie es auch in Jak 2,14ff zur Sprache komme.1000 Insgesamt tun sich die Ausleger hier schwer.
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Vgl. Hadorn a.a.O. F. Hauck, Art. κόπος usw., ThWNT, III, 1938, S. 827. Hauck a.a.O. S. 828. Bei ἐκ τῶν κόπων αὐτῶν [ek ton kopon auton] liegt ein Genitivus separationis vor. Die Mühsal trennt sich von den Erlösten. Vgl. Blass-Debrunner § 180,7. ἀκολουθέω μετά [akolutheo meta] wie ἀκολουθέω [akolutheo] mit Dativ, vgl. BlassDebrunner § 193,1. So Hadorn a.a.O. Roloff S. 154. So U.B. Müller S. 269; Lohse S. 85; vgl. Bousset a.a.O. Schon Schlatter BFchTh S. 70 und vor ihm Wettstein S. 810. Lohse a.a.O.
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Auch an dieser Stelle muss man auf Jesus und das AT zurückgehen, um richtig zu verstehen. Im AT ist es ganz selbstverständlich, dass Gott den Menschen nach seinen Taten (שׂים ִ [ ַמֲעmaasim]) und seinem praktischen Verhalten 1001 Er achtet auf seine Taten (Ps 33,15; Jes 66,18) und ([ ֶדֶּרְךderech]) beurteilt. vergilt nach diesen Taten (Ps 62,13). In seiner Gerechtigkeit würdigt er jeden Einzelnen und auch jede Veränderung im Verhalten Gott gegenüber (Ez 18,1ff; 33,10ff). In einer Vorwegnahme von 2Kor 5,10 heißt es in Pred 12,14: „Gott wird alle Werke vor Gericht bringen, alles, was verborgen ist, es sei gut oder böse.“ Die LXX gibt in der Regel שׂה ֶ [ ַמֲעmaaseh] mit ἔργον [ergon] wieder. Auch Jesus lehrt, dass unser Verhalten und Tun die Grundlage des göttlichen Gerichts sein wird. Wenn er als der Weltenrichter wiederkommt, wird er einem jeden vergelten nach seinem Tun (κατὰ τὴν πρᾶξιν αὐτοῦ [kata ten praxin autu]), sagt er unter Anknüpfung an Ps 62,13; Prov 24,12 in Mt 16,27. Petrus, Paulus, Jakobus und die Offenbarung des Johannes lehren nichts anderes (1Petr 1,17; 2Kor 5,10; Jak 2,17ff; Offb 2,2.5; 3,2.8.15; 14,4).1002 Überall im NT gehören Glaube und Werke zusammen (vgl. Gal 5,6; Jak 2,14ff; die soeben genannten Stellen der Offb)1003. Deshalb ermahnt das NT an so vielen Stellen zu guten Werken (vgl. Röm 2,6f; 2Kor 9,8; Eph 2,10; Kol 1,10; 2Tim 3,17; Tit 2,7.14; Hebr 10,24; 13,21). Hier bleiben Christen und Juden eng zusammen. Es genügt, aus dem frühen Judentum zwei Aussagen anzuführen, die uns an Offb 14,13 erinnern: 4Esr 7,35 („das Werk folgt nach, der Lohn zeigt sich, die gerechten Toten erwachen, die ungerechten schlafen nicht mehr“) und Pirke Abot VI, 10 („beim Hinscheiden des Menschen begleiten ihn nicht Silber und nicht Gold, auch nicht Edelsteine und nicht Perlen, sondern nur die Tora und gute Handlungen“). Jedoch kommt es im NT zu zwei entscheidenden Klärungen: Erstens erklärt Jesus, dass ein einziges, grundlegendes „Werk“ (ἔργον [ergon]) über Heil oder Unheil entscheidet, nämlich der Glaube an ihn, den Erlöser. Denn ohne die Erlösungstat Jesu kann der sündige Mensch nicht gerettet werden (Joh 6,27f; 1Kor 1,30; 3,11-15). Zweitens sind gute Werke nur durch den Heiligen Geist möglich, den wir im Glauben an Jesus empfangen (Lk 24,49; Joh 20,22f; Apg 2,38; Röm 8,1ff), also durch die Gnade. Die Toten im Herrn von Offb 14,13 haben beides: den Glauben an Jesus und die Gabe des Heiligen Geistes. Folglich haben sie auch gute Werke. So können sie im Frieden sterben, ohne ihre „Werke“ aufzählen oder abzählen zu 1001 Vgl. H. Ringgren, Art. שׂה ָ ָע, ThWAT, VI, 1989, Sp. 429. 1002 Vgl. wieder Roloff a.a.O.; Brighton a.a.O.; Giesen S. 334. 1003 Lohse a.a.O.
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müssen. Sie können getrost auf das warten, was ihnen an „Werken“ nachfolgt.1004 Allerdings wird dann jeder Gläubige entsprechend seinen persönlichen „Werken“, die auf Glauben und Gnade aufbauen, auch im Gericht Gottes jeweils für sich und verschieden von anderen beurteilt (vgl. Lk 12,48; 19,11ff; Joh 5,29; 1Kor 3,11ff; 2Kor 5,10; Eph 6,8). Nicht der Verdienstgedanke steckt also hinter Offb 14,13, als könnten wir uns das Himmelreich verdienen, wohl aber der Verantwortungsgedanke: Wir sind verantwortlich für unser Tun und Lassen. Der Mensch und seine „Werke“ bilden in seiner Lebensgeschichte eine unauflösliche Einheit: Das lehrt uns auch Offb 14,13. Heinz Giesen behandelt die Frage, ob gemäß Offb 14,13 die Heilsvollendung „nicht erst mit der Parusie …, sondern direkt nach dem Tod“ beginne. Er möchte diese Frage bejahen und meint, „daß der Glaubende unmittelbar nach dem Tod ohne vorausgehendes Gericht in die Heilsvollendung eingeht“.1005 Aber das NT gibt uns keine Begründung für eine solche These. Jesus widerspricht ihr (Lk 23,43; Joh 5,28f). Dasselbe gilt für Paulus (1Thess 4,15ff). Die Offenbarung selbst lässt für eine solche unmittelbare, direkt-persönliche Heilsvollendung vor dem Gericht keinen Raum (Offb 6,9ff; 11,18; 20,5f; 20,11ff). Exkurs: Ewige oder zeitlich begrenzte Strafe? Offb 14,11 hatte uns mit der Frage nach der Dauer der Strafe im endzeitlichen Gericht konfrontiert. Die Formulierung dort lautet relativ kurz: Der Rauch ihrer Qual steigt auf von Ewigkeit zu Ewigkeit. Hermann Sasse hat darauf hingewiesen, dass der Plural bei αἰών [aion] „den eigentlichen Begriff der Ewigkeit“ zum Ausdruck bringt.1006 Normalerweise treffen wir hier in der Offenbarung auf die Wendung εἰς τοὺς αἰῶνας τῶν αἰώνων [eis tus aionas ton aionon]1007 (vgl. 1,18; 4,9.10; 5,13; 10,6; 15,7; 19,3; 20,10; 22,5). In Offb 14,11 ist diese Wendung jedoch leicht abgewandelt: εἰς αἰῶνας αἰώνων [eis aionas aionon]. In Offb 14,11 fehlen also die Artikel. Kann man daraus den Schluss ziehen, dass hier doch keine Ewigkeit im strengsten Sinn gemeint sei, also eine zeitlich begrenzte Strafe angedeutet sei? Bengel, der in seinem Kommentar für solche philologischen Einzelheiten äußerst sensibel war, hat auffallenderweise diese Konsequenz nicht gezogen. Er hielt daran fest, dass es „eine ewige und … ununterbrochene Qual“ sei.1008
1004 1005 1006 1007 1008
Bengel S. 788 sagt sogar: „Sie fragen nichts darnach.“ Giesen a.a.O. unter Verweis auf Lk 23,43; Phil 1,23; 2Kor 5,8. Sasse a.a.O. Sasse a.a.O. Bengel S. 781. Auch Sasse a.a.O. deutet keine Ausnahme an.
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Ganz allgemein vertreten die Ausleger die Meinung, dass in Offb 14,11 tatsächlich von einer ewigen Strafe gesprochen wird.1009 Oft weisen sie dabei auf Jes 66,24 hin, wo ebenfalls die Ewigkeit der Strafen prophezeit sei. Das führt uns zu der Frage, was AT und Jesus dazu sagen. In der ganzen Bibel ist Gott ein Richter.1010 Ebenso gehört es zu den Grundaussagen der Bibel, dass der Mensch vor ihm Rechenschaft ablegen muss. Gott „kommt, zu richten das Erdreich“ (Ps 96,13; Apg 17,31). Die praktische Durchführung des Gerichts überträgt er dem Messias (Jes 11,3; Ps 110,6; Joh 5,24ff; Apg 17,31). Das Gericht ergeht nicht schematisch und nicht pauschal, sondern in äußerster Gerechtigkeit: „Er wird den Erdkreis richten mit Gerechtigkeit und die Völker mit seiner Wahrheit“ (Ps 96,13). Ohne Abstriche trifft dies auch auf den Messias zu, der deshalb den Namen trägt: „Jahwe unsere Gerechtigkeit“ (Jer 23,6). Gott achtet genau auf die Wege der Menschen und nimmt jede Bekehrung, aber auch jeden Abfall wahr (Ez 18,1ff; 33,10ff). Das Wissen um ein göttliches Gericht verbindet sich im Laufe der Offenbarungsgeschichte mit der Gewissheit des Glaubens, dass Gott den glaubenden Menschen von den Banden des Todes befreit und gnädig bei sich aufnimmt (Ps 16,10; 49,16; 73,24; Hos 13,14). Die Propheten verkündigen die Auferstehung und das gleichzeitige Gericht, in dem die einen das ewige Leben, die andern aber die ewige Gottesferne erben werden – je nachdem, wie sie gelebt haben (Jes 26,19; Ez 37,1ff; Dan 12,2; Hos 13,14). In diesem Zusammenhang ist auch Jes 66,24 zu verstehen. Mit Recht weist Franz Delitzsch in seiner Auslegung von Jes 66,24 darauf hin, dass das dort Angekündigte keinesfalls „in buchstäbischer Wirklichkeit zu denken“ ist.1011 Es geht vielmehr um Zeitloses, um das Jenseits unserer jetzigen Geschichte, und deshalb in der Tat um eine „ewige Strafe“.1012 Blickt man jetzt auf Jesus, dann erkennt man, dass er die Aussagen des AT grundsätzlich bestätigt (Mt 5,17ff; Lk 24,44ff; Joh 10,35). Ins Zentrum tritt jetzt allerdings – dem Neuen Bund angemessen – die Verkündigung der Auferstehung und des neuen Äons (Gottesreich, ewiges Leben, vgl. Mt 4,17; Mk 1,15; Lk 6,20ff; Joh 3,16; 7,37ff; 10,10; 11,25f). Verstärkt wird auch die Aussage, dass er als der Menschensohn von Dan 7 der endzeitliche Weltenrichter sein wird (Mt 13,37ff; 16,27f; 19,28ff; 25,31ff; 26,64; Joh 5,21ff; 6,39ff). Als dieser kommt er wieder in Macht und Herrlichkeit (Mt 13,41ff; 19,27; 24,30f.45ff; 25,1ff.14ff; 26,64; 1Thess 1,10; 4,13ff; 2Thess 2,1ff; Apg 1,11). In diesem Zusammenhang spricht er von „Feuer“, Dunkel und Qual, die die Gottlosen erwartet (Mt 13,42ff; 25,30.41ff). Den Strafort nennt er „Geënna“ (Mt 5,29f; Mk 1009 So z.B. Giesen S. 331 („Umkehr und Vergebung wird es nicht mehr geben“); Kraft S. 194; Lohmeyer 3 S. 125; Mounce S. 276; Roloff S. 153; Bengel a.a.O. 1010 Vgl. den Artikel κρίνω usw., ThWNT, III, 1938 (F. Büchsel / V. Herntrich). 1011 Delitzsch, Jesaja S. 686. 1012 Delitzsch a.a.O.
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9,43ff), nach einer bildhaften jüdischen Bezeichnung, die sich vom Hinnomtal bei Jerusalem ableitet (aus ה ֹנּם ִ [ ֵגּי־ge-hinnom]).1013 Im Unterschied zum Ha-
des ist die Gehenna der endgültige Strafort (vgl. noch Mt 5,22; 10,28; 23,15.33; Lk 12,5). Dort erwartet die Verurteilten „die ewige Pein“1014 (Mk 9,48 nach Jes 66,24). In Mt 25,46 spricht Jesus ausdrücklich von der ewigen Strafe (εἰς κόλασιν αἰώνιον [eis kolasin aionion]). Sie dauert offenbar genauso lange wie das unmittelbar daneben stehende „ewige Leben“ (ζωὴ αἰώνιος [zoe aionios]).
Wer die Bibel auslegt, kommt also nicht daran vorbei, von „ewiger Strafe“ für die Verurteilten zu sprechen. Das gilt auch für die Offenbarung. Nicht nur Offb 14,11 stellt uns eine ewige Strafe vor Augen, sondern nachdrücklicher noch Offb 20,101015: Die Qual wird erlebt Tag und Nacht, von Ewigkeit zu Ewigkeit (εἰς τοὺς αἰῶνας τῶν αἰώνων [eis tus aionas ton aionon]). Bestätigt wird die Endgültigkeit der Strafe noch einmal ganz am Schluss der Offenbarung in 22,15, wo es heißt: „Draußen sind die Hunde und die Zauberer … alle, die die Lüge lieben und tun“ (ἔξω οἱ κύνες [exo hoi kynes] usw.). Demnach gibt es keine Revision des Ausschlusses vom ewigen Leben. Die Endgültigkeit der Strafen wird auch durch den Gedanken nicht aufgehoben, dass es nach dem Tode Läuterungsmöglichkeiten gibt. Das frühe Judentum scheint mit solchen Läuterungsmöglichkeiten gerechnet zu haben (T Sanh 13,3; 2Makk 12,39ff). Joachim Jeremias nimmt sogar an, dass ein solcher Läuterungsgedanke Mk 9,49 oder 1Kor 3,13ff zugrunde liegen kann.1016 Auf klare Schriftaussagen lassen sich diese Überlegungen aber nicht stützen, und was nicht der Schrift entspricht, kann für niemand maßgebend oder verbindlich sein.1017 Immerhin lassen 1Petr 3,18f und 4,6 Veränderungen in der Totenwelt vor der Auferstehung erkennen. Grundsätzlich aber hat sich die Scheidung in erlöste und unerlöste Menschen aufgrund unserer eigenen Entscheidung schon beim Sterben vollzogen und ist nach Lk 16,26 nicht mehr rückgängig zu machen. Die Einwände gegen die Ewigkeit der Strafen entstammen weniger der Auslegung der Texte selbst – wo sie auch schwer zu begründen sind –, sondern vor allem zwei Quellen außerhalb der unmittelbaren Exegese: Das ist 1) der christliche Gottesgedanke, der es nicht zulasse, dass Gott auch nur ein einziges seiner Geschöpfe durch eine ewige Strafe „verliere“, und das ist 2) die allgemeine Weltauffassung, wonach die Liebe und nicht die Verdammung das letzte Wort haben müsse.
1013 1014 1015 1016 1017
Vgl. J. Jeremias, Art. γέεννα, ThWNT, I, 1933, S. 655f. Jeremias a.a.O. S. 655; vgl. Mounce S. 277. Vgl. Sasse a.a.O. S. 209. Jeremias a.a.O. S. 656. Vgl. Bengel S. 786 gegen Fegefeuerlehre.
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Mit der Lehre von der Verlorenheit bestimmter Menschen und überhaupt mit der Vorstellung eines Gerichts haben sich weite Kreise der Aufklärung schwergetan. Johann Salomo Semler kommentierte die Aussage von der Verlorenheit der Nichtchristen mit den Worten: „O entsetzliche ungeheure Lehre!“1018 Die Distanz zum Thema Gericht/Strafen ist dem modernen Protestantismus deutlich abzuspüren. Heinrich Otts „Antwort des Glaubens“ von 1972 enthält beispielsweise den Satz: „In der neueren theologischen Diskussion ist man sich weitgehend einig darüber, daß das Problem offengelassen werden muß, daß also weder die Wirklichkeit einer Apokatastasis (= Wiederbringung aller) noch die Wirklichkeit eines doppelten Ausgangs gelehrt werden darf.“1019 Als „Beispiel für diese Lösung“ des Offenlassens wird Karl Barth hervorgehoben.1020 Eine bemerkenswert ehrliche Haltung vertritt Jürgen Roloff in seinem Kommentar. Nachdem er exegetisch bei Offb 14,11 in aller Klarheit eine „Bestrafung ohne Ende“ konstatiert hat, formuliert er als seine persönliche Auffassung: Es bleibe „ein Rest, der nicht aufgeht“.1021 Ähnliche Argumentationsstränge und Stimmungen treffen wir im angelsächsischen Bereich. So notiert Mounce, dass manche Autoren Offb 14,11 als unchristlich, als „sub-Christian“ betrachten.1022 Caird schreibt: „If we protest that we cannot accomodate our minds to the idea of eternal torment, the answer ist that neither could John.“ Johannes vertrete nicht die ewige Strafe, sondern „extinction and total oblivion (xx.14ff)“1023, also „Auslöschung und totale Vergessenheit“ für die Gottlosen. Wir sollten solchen von tiefem Humanismus getragenen Urteilen mit Respekt begegnen. Aber die Texte der Schrift sagen etwas anderes, wenn wir sie recht verstehen, und der Ausleger bleibt an die Schrift als norma normans gebunden. Aber wie ist es mit dem anderen Einwand, dass der christliche Gottesgedanke es nicht zulasse, dass Gott auch nur ein einziges seiner Geschöpfe durch eine ewige Strafe „verliere“? Muss man da nicht den Gedanken einer „Wiederbringung aller“, einer endlichen Erlösung auch der bösesten Geschöpfe denken?1024 Viele Jahrhunderte lang hat dieses Anliegen Christen beschäftigt. Unter denen, die „glaubten, diese Frage an der Hand der Schriftstellen beantworten zu können, die universal klingen und die ganze Menschheit in das kommende Heil einschließen“, nennt Karl Heim z.B. Origenes, Zinzendorf, Oetinger, Bengel und Jung-Stilling.1025 Vor allem im Reformationszeitalter hat die Lehre der Apokatastasis (Lehre von der Wiederbringung) weite Kreise des Täufertums beeinflusst. Zum Beispiel vertrat Hans Denck die Auffassung, am Ende würden 1018 1019 1020 1021 1022 1023 1024 1025
Maier Offb S. 451 (Abhandlung von freier Untersuchung des Canon, I, 1771, S. 55). Ott S. 469. Ott a.a.O. Roloff S. 153. Mounce S. 276, festgemacht an Glassen. Caird S. 186 bzw. S. 187. Vgl. dazu Heim Weltvollender S. 226. A.a.O.
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alle Gottlosen und auch der Teufel selig.1026 Hans Bünderlin, Jakob Kautz und Clemens Ziegler sind andere Namen aus diesem Umkreis. Bekanntheit erlangte der dritte Artikel der „neuen Christen zu Augsburg“ von 1525 mit dem Satz: „Der Satan und die Gottlosen werden endlich auch selig.“1027 Mit aller Deutlichkeit hat das erste große protestantische Glaubensbekenntnis, die Augsburgische Konfession, solche Auffassungen zurückgewiesen. CA XVII formuliert: Es werden diejenigen „verworfen (damnant), so lehren, daß die Teufel und verdammte Menschen nicht ewige Pein und Qual haben werden.“1028 Die Augsburgische Konfession von 1530 befindet sich darin in Übereinstimmung mit der ganzen alten Kirche vor Origenes und auch mit den Lehrentscheidungen, die die ganze christliche Kirche seit der Verurteilung des Origenes permanent getroffen hat.1029 Aber auch die Augsburgische Konfession hat es nicht vermocht, den Gedanken der Apokatastasis in den protestantischen Kirchen auszulöschen. Ebensowenig vermochten es die reformierten Bekenntnisse.1030 Jane Leade, Johann Wilhelm Petersen, Johann Konrad Dippel, Petrus Hoffstede de Groot, Frederic Farrar und andere lehrten die „Wiederbringung aller Creaturen“.1031 Eine starke Neigung dazu bestand im württembergischen Pietismus, bekannt ist etwa Johann Michael Hahn. Der Ernst dieses Gottesgedankens und die Schriftstellen, die man dabei heranzieht, verbieten es, hier die christliche Liebe außer Acht zu lassen und mit fleischlichem Eifer zu diskutieren (vgl. 1Kor 3,3; 2Kor 10,3f). Auf eines müssen wir jedoch mit Karl Heim hinweisen: „Wir haben in dieser schweren Frage kein Recht, aus den Gedanken, die wir uns selbst über das Wesen Gottes machen können, irgend etwas zu postulieren.“1032 Mit anderen Worten: Wir bräuchten eine klare, unzweideutige Aussage der Schrift, dass am Ende alle gerettet werden. Die aber gibt es nicht. Im Gegenteil: Jesu Worte und auch die Johannesoffenbarung kündigen ein ewiges Gericht und eine ewige Strafe an.1033 Wir sehen deshalb in unserem Kommentar keine Möglichkeit, von dieser Ankündigung abzugehen.
1026 1027 1028 1029 1030 1031 1032 1033
Maier Offb S. 216. Vgl. Maier Offb S. 218. Nach BELK, 5. Aufl., Göttingen, 1963, S. 72. Vgl. Lexikon der katholischen Dogmatik, hrsg. von Wolfgang Beinert, Freiburg/Basel/ Wien, 1987. Vgl. etwa Confessio Helvetica Posterior (1566), 8. Kapitel. Vgl. Hirsch II S. 232f, 281; III S. 275, 346. Heim a.a.O. So auch Heim a.a.O. S. 226f.
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IV Zusammenfassung 1. Offb 14,6-13 stellt drei Engelbotschaften zusammen, die bis zum letzten Gericht reichen. Sie überschreiten also noch die Zeit des Antichrist (Kap. 12–13) und sagen letzte Ereignisse an. Insofern haben sie alle drei einen „proleptischen“ (vorwegnehmenden) Charakter.1034 2. Das gilt auch für die erste dieser Botschaften in 14,6-7. Denn das „ewige Evangelium“ ist Gottes Wort für alle Zeiten, auch die letzten, und erinnert an die menschliche Verantwortung im „Jüngsten Gericht“. 3. Bengel behält hier recht: Alle drei Engel bringen „eine gute und heilsame Botschaft“.1035 Dies gilt trotz und gerade wegen des Ernstes ihrer Proklamation: „Denn es ist auch diß eine heilsame Botschaft, die uns vor der schweresten Schuld und Strafe warnet.“1036 4. Adressat von Offb 14,6-13 bleibt die christliche Gemeinde. Aber inhaltlich gelten alle drei Botschaften der ganzen Menschheit.1037 5. Die dogmatisch umstrittenste Frage ist die nach der Ewigkeit der göttlichen Strafe im Gericht. Trotz der gegenwärtigen Neigung, sie zu bestreiten, mussten wir sie aus Achtung und Liebe zum Text festhalten.1038 6. Wilhelm Bousset sah in Offb 14,6-13 ein „Kriegsmanifest gegen den Caesarenkultus“.1039 Diese Einschätzung trifft nicht zu.1040 Weder setzt Offb 14,6ff Rom mit Babel gleich1041, noch befindet sich die christliche Gemeinde in einem „Krieg“ gegen die Caesaren und ihren (wie weit schon entwickelten?) Kult, vgl. V. 12. Offb 14,6-13 kündigt vielmehr die Ereignisse am Ende der Geschichte an, wenn Rom schon längst versunken ist.1042 7. Wilhelm Bousset hat jedoch darin recht, dass die These von Interpolationen oder Glossen in Offb 14,6-13 keinen Anhaltspunkt findet: „Vers für Vers kann man … in dem Abschnitt den in der Apk herrschenden Sprachgebrauch nachweisen.“1043 Dem ist nichts hinzuzufügen.1044 1034 1035 1036 1037 1038 1039 1040 1041 1042 1043 1044
Vgl. Charles II S. 1; Roloff S. 151. Bengel S. 778. Bengel a.a.O. Roloff S. 153. Ebenso Bengel S. 781; Vitringa S. 660; Luther Vorreden S. 189; Mounce S. 276; Giesen S. 331. Bousset 1896 S. 445. Ähnlich U.B. Müller S. 268. So auch Caird S. 188. So aber Bousset a.a.O. S. 443; Mounce S. 273. Falsch also die Annahme, hier gehe es um das Gericht gegen das Römische Reich. Gegen Charles II S. 2.11. Wie wir Lohmeyer 3 S. 124f. Bousset a.a.O. S. 447. Ebenso Hadorn S. 154. Charles II S. 1,1 will 14,12-13 „immediately“ nach 13,18 einschieben. S. 2 nennt er als „interpolations“ 14,4-5; 14,12-13; 14,15-17.
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8. Offb 14,6-13 ist mehr als ein „Intermezzo“1045 oder eine bloße „Einleitung“ zu den folgenden Gerichtsszenen.1046 Es ist vielmehr ein Dokument des fortgesetzten Werbens Gottes um die Menschheit. Es markiert also ebenso wie Offb 14,1-5 den Gegenpol zur Herrschaft des Satans (Kap. 13).
6.8 Die Schau von der Ernte, 14,14-20 I Übersetzung 14 Und ich sah, und siehe, eine weiße Wolke, und auf der Wolke saß einer, der einem Menschensohn glich. Der hatte eine goldene Krone auf seinem Haupt und in seiner Hand eine scharfe Sichel. 15 Und ein anderer Engel kam aus dem Tempel und rief mit lauter Stimme dem, der auf der Wolke saß, zu: Sende deine Sichel und ernte! Denn die Stunde zu ernten ist gekommen, denn die Ernte der Erde ist reif geworden. 16 Und der, der auf der Wolke saß, sandte seine Sichel auf die Erde und die Erde wurde abgeerntet. 17 Und ein anderer Engel kam aus dem Tempel im Himmel, und auch er hatte eine scharfe Sichel. 18 Und ein anderer Engel kam vom Altar, der hatte Macht über das Feuer und rief mit lauter Stimme dem, der die scharfe Sichel hatte, zu: Sende deine scharfe Sichel, und ernte die Trauben des Weinstocks der Erde, denn seine Weintrauben sind reif! 19 Und der Engel sandte seine Sichel auf die Erde und erntete den Weinstock der Erde ab und schüttete es in die große Kelter des Zornes Gottes. 20 Und die Kelter wurde draußen vor der Stadt1047 getreten, und Blut ging aus der Kelter bis zu den Zügeln der Pferde, tausendsechshundert Stadien weit.1048
II Struktur Die häufige Einleitungsformel καὶ εἶδον [kai eidon] (vgl. 10,1; 13,1; 13,11; 14,1; 14,6) markiert auch hier den Beginn einer neuen Schau. Dieselbe Formel in 15,1 lässt erkennen, dass unser Abschnitt mit 14,20 sein geplantes Ende erreicht hat. Dennoch steht unser Abschnitt Offb 14,14-20 nicht isoliert. Die „Gerichtsthematik“ und das „Motiv des anderen Engels“ verbindet ihn mit dem Voran1045 1046 1047 1048
Gegen Charles II S. 1. Vgl. Lohmeyer 3 S. 120. Gegen Bousset 1896 S. 447; Mounce S. 271 („Interlude“). Zur Grammatik vgl. Blass-Debrunner § 184,1. ἀπό [apo] mit Gen. auf die Frage „Wie weit entfernt?“ ist typisch johanneisch (vgl. Joh 11,18; 21,8). Vgl. Blass-Debrunner § 161,3.
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gehenden.1049 Das Motiv des „Zornes Gottes“ (V. 19) verbindet ihn mit dem Folgenden (15,1). Das Bild von der „Kelter des Zornes Gottes“ weist außerdem schon voraus auf Offb 19,15.1050 Hier deutet sich bereits der proleptische Charakter unseres Abschnittes an, der ihn ein weiteres Mal mit 14,6-13 verbindet. Es ist nicht zu übersehen, dass am Ende des siebten Posaunengesichts, speziell der Kapitel 12–14, die Schärfe der Gerichtsankündigung zunimmt. Die Motive von Weizen und Wein im Zusammenhang mit dem Gericht sind auch bisher der Offenbarung nicht fremd gewesen (vgl. 6,6). Jetzt aber gewinnen sie in Offb 14,14-20 eine erhöhte Bedeutung. Dadurch wird gleichzeitig eine verstärkte Verbindung mit der Jesusüberlieferung der Evangelien geschaffen (vgl. Mt 13,24ff.36ff; Mk 4,26ff; Joh 4,35ff). Dasselbe gilt hinsichtlich des AT (vgl. die Einzelexegese). Hier sei nur auf Jes 63,1ff und Joel 4,13 hingewiesen. Dass Gottes Gericht in einer Mehrzahl von Bildern Ausdruck findet, ergibt sich gerade aus dem AT (Joel 4,13) und der Jesusverkündigung (vgl. Mt 13,36ff und 13,47ff sowie Mt 24,40ff; Lk 17,34f). Insofern kann es uns nicht überraschen, dass auch in Offb 14,14ff Weizen- und Weinernte als eine Art Diptychon nebeneinanderstehen.
III Einzelexegese Das Erste, was Johannes hier erblickt, ist eine weiße Wolke (V. 14). Weiß ist uns schon mehrfach in der Offenbarung als „himmlische Farbe“ begegnet (vgl. 1,14; 3,4f; 4,4; 6,11; 7,9.13f).1051 Die Wolke ist schon im AT Gottes Gefährt und ein Anzeichen der Gegenwart Gottes (Ps 104,3; Jes 19,1; Ex 13,21f; 19,16; 24,15ff; 40,34 usw.).1052 Nicht anders ist es im NT (Mt 24,30; Mk 9,7 par; 13,26; 14,62; Apg 1,9; Offb 10,1; 11,12).1053 Wir sind jetzt also vorbereitet auf eine Begegnung mit einem Wesen aus der himmlischen Welt. Und auf der Wolke saß einer, der einem Menschensohn glich: Wer ist das? Grundsätzlich kommen nur zwei Möglichkeiten in Betracht: Entweder ist es Christus selbst oder ein Engel. Für Christus sprechen handfeste Gründe: 1) Der Begriff Menschensohn begegnet uns häufig als Selbstbezeichnung Jesu in den Evangelien (vgl. Mt 8,20; 13,37ff; 16,13; 20,28; 24,30; 26,64; Joh 1,51;
1049 1050 1051 1052 1053
Giesen S. 336. Giesen a.a.O. Vgl. W. Michaelis, Art. λευκός, usw., ThWNT, IV, 1942, S. 252ff. Vgl. A. Oepke, Art. νεφέλη usw., ThWNT, IV, 1942, S. 907f. Vgl. Oepke a.a.O. S. 909ff.
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3,13f; 5,27; 6,27ff; 12,23; 13,31 usw.).1054 2) In der alttestamentlichen Bezugsstelle Dan 7,13 ist mit „einer wie ein Menschensohn (LXX: ὡς υἱὸς ἀνθρώπου [hos hyios anthropu])“ der Messias gemeint.1055 3) Ist die Wolke ein Gefährt Gottes, dann liegt auch von daher die Deutung auf Christus nahe. 4) In der Parallelstelle 1,13 handelt es sich zweifellos um Christus. Muss dann nicht dasselbe für 14,14 gelten? Sieht man genauer zu, dann wird die Deutung auf Christus aber sehr fragwürdig: 1) Seit V. 6 sind es sonst ausnahmslos Engel, die Johannes bei einer Tätigkeit sieht. Müsste Christus, wenn er diese Reihe unterbricht, nicht stärker hervorgehoben sein? 2) Die Formulierung „ein anderer Engel“ in V. 15 legt es nahe, auch in V. 14 an einen Engel zu denken. 3) Vor allem aber verträgt es sich nicht mit der Position Christi, dass er in V. 14 wie ein „Befehlsempfänger“1056 den Befehl eines Engels benötigen soll. Nach der Erhöhung Jesu Christi muss Gott der Vater keinen Engel einschalten, um Gott dem Sohn eine Mitteilung zu machen.1057 Der eine, der auf der Wolke saß und der einem Menschensohn glich (ὅμοιον υἱὸν ἀνθρώπου [homoion hyion anthropu])1058, ist also unserer Auffassung nach ein Engel und nicht Christus.1059 Für diese Auffassung sprechen übrigens noch weitere Gründe: 1) Die „Schnitter“ bei der „Ernte der Welt“ sind nach Mt 13,39 ausdrücklich die Engel.1060 2) Die Engel sind auch sonst die Helfer beim Gericht (Mt 16,27; 24,31; 25,30.31 usw.). 3) Nach dem Sprachgebrauch der Evangelien ist Jesus nicht nur „einer, der einem Menschensohn gleicht“, sondern wird direkt mit dem Titel „der Menschensohn“ bezeichnet.1061 Wenn also der Engel einem Menschensohn gleicht, dann kommt darin eine enge Zugehörigkeit zu Christus als dem Menschensohn zum Ausdruck. Außerdem wird hier im Unterschied etwa zu den vier Wesen von Offb 4,6ff
1054 Vgl. Cullmann passim; C. Colpe, Art. ὁ υἱὸς τοῦ ἀνθρώπου, ThWNT, VIII, 1969, S. 433ff. 1055 Colpe a.a.O. S. 424 anders: ein „Engel“. 1056 Kraft S. 197. 1057 Zahn S. 525. 1058 Die Lesart υἱόν [hyion] ist dem υἱῷ [hyio] vorzuziehen als Assimilation an ὅμοιον, vgl. Blass-Debrunner §§ 182,6 und 136. 1059 Ebenso Zahn S. 524f; Kraft a.a.O.; Ritt S. 77; Bengel S. 789; Vitringa S. 665f; Schlatter S. 278; Morris S. 183f; Aune S. 841. Auf Christus deuten z.B. Lohmeyer 3 S. 127; Giesen S. 336; Hadorn S. 156; Oepke a.a.O. S. 912; Colpe a.a.O. S. 467; Mounce S. 279; Hartenstein S. 188; S. 191; Wikenhauser S. 116; Charles II S. 2; Behm S. 86. J.M. Hahn S. 449 deutet auf einen „vollendeten Gläubigen“. 1060 Kraft a.a.O. 1061 Anders ist es allerdings in Offb 1,13.
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seine Menschenähnlichkeit betont.1062 Insgesamt erinnert seine Erscheinung sehr stark an den Engel von Offb 10,1ff. Der hatte (ἔχων [echon]) eine goldene Krone (oder: Kranz, στέφανον [stephanon]) auf seinem Haupt: Das erinnert an die vierundzwanzig Ältesten in Offb 4,4, die nach unserer Erklärung ja ebenfalls Engel sind. Und in seiner Hand eine scharfe Sichel: Die Grundform der Sichel ist seit Jahrtausenden gleich geblieben, wie die unzähligen Funde seit der Steinzeit zeigen. Auch in unserer Generation schneidet man das Futter für die Kleintiere mit der Sichel. Biblisch-prophetisch wurde die „Sichel“ ein Bild für die Ernte (Jes 2,4; Joel 4,13; Mk 4,29; Offb 14,14ff), die Ernte hinwiederum für das endzeitliche Geschehen und das Gericht (Jes 27,12; Joel 4,9ff; Mt 3,12; 9,27f; 13,30ff; Mk 4,29; Joh 4,35).1063 Die alten jüdischen Lehrer haben dieselben Bilder benutzt (4Esr 4,28ff; 9,17ff). Fazit: In Offb 14,14 bereitet sich ein Engel darauf vor, das Gericht Gottes an der Menschheit durchzuführen. Und ein anderer Engel (ἄλλος ἄγγελος [allos anggelos]) kam aus dem Tempel (V. 15): Die Formulierung anderer Engel deutet darauf hin, dass wir es auch in V. 14 mit einem Engel zu tun hatten. Den Tempel verstehen wir wie in 7,15; 11,9 in einem geistlichen Sinn, das heißt als Ort der Gegenwart bzw. Nähe Gottes (vgl. 2Kor 5,1; Offb 21,22).1064 Dieser „andere Engel“ kommt also aus der unmittelbaren Umgebung Gottes. Deshalb hat er eine autorisierte Gottesbotschaft zu verkündigen. Er rief mit lauter Stimme dem, der auf der Wolke saß, zu: Die laute Stimme unterstreicht wie an vielen anderen Stellen die Autorität (vgl. 1,10ff; 5,2.12; 7,2; 8,13; 10,3; 14,7.9). Die Autorität dieses Engels ist so groß, dass er dem anderen Engel auf der Wolke einen Befehl übermitteln kann. Dass Engel sich untereinander im Namen Gottes Befehle geben können, ist uns schon in Offb 7,2f begegnet. Wie lautet nun dieser Befehl? Sende deine Sichel und ernte! Dahinter steckt die hebräische Redewendung [ שלח מגלschalach magal]. Sie treffen wir z.B. in Joel 4,13 an, und es zeigt sich, dass das Wort von Offb 14,15 ein etwas breiter ausgeführtes Zitat von Joel 4,13 darstellt.1065 Aber auch in Jer 51,33 mit dem Gericht über Babel liegt eine Parallele vor. Schon Jesus hat sich auf Joel 4,13 bezogen (Mk 4,29). Auf die Jesustradition stoßen wir dann ein weiteres Mal mit der Formulierung die Stunde ist gekommen (ἦλθεν ἡ ὥρα [elthen he hora]), vgl. Joh 2,4; 4,21ff; 5,28; 7,30; 13,1; 16,2ff; 17,1 sowie Mt 10,19; 24,36ff; 25,13. Hier 1062 Vgl. Zahn S. 525. 1063 Vgl. F. Hauck, Art. θερίζω usw., ThWNT, III, 1938, S. 132f; Ritt S. 77. 1064 O. Michel, Art. ναός, ThWNT, IV, 1942, S. 893 rechnet dagegen mit einem realen Tempel im Himmel. Wie wir Lohmeyer 3 S. 127; Mounce S. 279; Morris S. 184. 1065 Vgl. Bousset S. 389; Wikenhauser S. 116; Lohmeyer 3 S. 127; Kraft S. 195.
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wird auch erneut die sprachliche Nähe der Offenbarung zum Johannesevangelium sichtbar. Dieselbe Nähe ergibt sich aus dem Vergleich mit Joh 4,35f. Die Ernte der Erde ist reif geworden (wörtlich: „dürr geworden“, entspr. hebräischem [ בשׁלbaschal]) erklärt, warum jetzt die Stunde zu ernten da ist. Das Bild ist aus der Anschaulichkeit der Getreideernte genommen. An dieser Stelle kommt in der Offenbarung ein Gedanke zum Ausdruck, der für Jesus stets wichtig gewesen ist: der Gedanke der Reifung. Die Menschheit reift dem Gericht entgegen, und insbesondere die Bösen mit ihrer Bosheit reifen über lange Zeiträume hin, bis sie endlich dem Gericht verfallen. Hier darf nicht vorschnell eingegriffen werden, auch wenn das Böse oft kaum mehr zu ertragen ist (Mt 13,24ff.31f.33ff.36ff.47ff; 21,33ff; 24,45ff; Mk 4,26ff). Es fällt auf, dass der Auferstandene diesen Gedanken auch in der Offenbarung nachdrücklich unterstreicht (vgl. Offb 6,9ff; 10,11; 13,10; 14,12.15). Unerbittlich aber kommt dann doch einmal die Stunde, in der Gericht gehalten wird.1066 Der Ausdruck die Ernte der Erde (ὁ θερισμσὸς τῆς γῆς [ho therismos tes ges]) ist so zu verstehen, dass die gesamte Erde = Menschheit jetzt in die Ernte = ins Jüngste Gericht kommt. Die Auslegungsgeschichte nötigt uns, auf zwei weitere Punkte einzugehen. Erstens müssen wir betonen, dass die Botschaft von Offb 14,15 an einen Engel geht und nicht an einen Menschen. Es war ein schlimmes Missverständnis, dass Thomas Müntzer 1521 Offb 14,15 auf sich selbst bezog und in seinem Prager Manifest schrieb: Gott habe ihn „gemit (= gemietet) in sein ernde. Ich habe meine sichel scharf gemacht …“.1067 Zweitens bedeutet die Ernte der Erde wirklich das Gericht über die gesamte Menschheit und nicht nur das Einsammeln der Gerechten. Bengel sprach einst davon, dass in Offb 14,14f „die Gerechten in die Himmels-Scheure“ (= Himmelsscheune) eingebracht würden1068, während Offb 14,16ff stattdessen die Gottlosen beträfe. Seither ist das eine beliebte Deutung geblieben.1069 Gegen eine solche Deutung sprechen jedoch mehrere Gründe: Erstens bezieht sich die alttestamentliche Grundstelle Joel 4,13 auf die Völker ([ גּוֹי ִםgojim], V. 9) und nicht auf die Gerechten in Israel. Zweitens bezieht sich auch Jer 51,33 auf das Gericht über
1066 1067 1068 1069
Vgl. G. Delling, Art. ὥρα, ThWNT, IX, 1973, S. 678. Vgl. Maier Offb S. 221f. Bengel S. 788. Caird S. 191f bezieht beides, die Getreide- und die Weinernte auf das Einsammeln der Gerechten. Siehe ferner Hartenstein S. 191f; J.M. Hahn S. 450; Grünzweig II S. 47ff; Frey S. 163; Behm S. 86; vorsichtig Aune S. 845; Barclay II S. 136f.
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das gottlose Babel und nicht über Gerechte. Drittens wird eben die Erde geerntet wie in Mt 13,36ff und nicht nur die Gemeinde der Gerechten.1070 Vers 16 beinhaltet die Ausführung des Befehls von V. 15. Bei der Ausführung werden dieselben Worte benutzt wie in V. 15. Es wird lediglich πέμπω [pempo] durch βάλλω [ballo] ersetzt. Das führt einige Autoren zu der etwas merkwürdigen Aussage, der Engel auf der Wolke habe seine Sichel auf die Erde herabgeschleudert.1071 Aber das hebräische [ שלחschalach] bedeutet sowohl „senden“ als auch „werfen“, sodass sich an der Redefigur er sandte seine Sichel auf die Erde nichts ändert.1072 Auffallend ist jedoch die Kürze des Verses. Das ganze dramatische Weltgericht am Ende der Zeiten wird in die vier griechischen Worte gefasst: καὶ ἐθερίσθη ἡ γῆ [kai etheristhe he ge] (und die Erde wurde abgeerntet). Wirklich „an interesting display of brevity“ („ein interessantes Monument der Kürze“)!1073 Aber diese Kürze ist sinnvoll. Denn Offb 14,16 ist nur eine Vorwegnahme des noch kommenden Gerichts.1074 Interessant ist ein Vergleich von Offb 14,16 mit Mt 13,38.1075 Jesu Satz „Der Acker ist die Welt“ enthüllt eine große Nähe zu Offb 14,16 („die Erde wurde abgeerntet“), obwohl dort vom κόσμος [kosmos] anstelle der γῆ [ge] von Offb 14,16 die Rede ist. David Aunes Vermutung einer überlieferungsgeschichtlichen Verbindung zwischen Mt 13,38f und Offb 14,16 besteht wohl zu Recht.1076 Das heißt, Johannes hat Offb 14,16 in Erinnerung an Jesu Predigt in Mt 13,36ff formuliert. Mit V. 17 wechselt die Szene. Erneut tritt ein anderer Engel auf. Das bisherige Bild der Getreideernte wird abgelöst durch das Bild der Traubenernte. Dieses Bild von der Traubenernte wird jetzt auch in breiteren Zügen geschildert. Die Ausleger beschäftigt dieses „Doppelbild“.1077 Giesen erwägt, ob nicht das biblische Zeugenrecht, das zwei oder drei Zeugen verlangt (Dtn 19,15), zu einer Doppelung geführt hat.1078 Aber eine Ansage im Namen Gottes benötigt zu ihrer Gültigkeit keine Verdoppelung der Bilder. Näher liegt die Erwägung, dass eschatologische Ausblicke gerne mit einer Mehrzahl von Bildern arbeiten (vgl. Mt 24,40f; 25,1ff.14ff; Lk 17,26ff.34f). 1070 Ähnlich Charles II S. 2; Giesen S. 336; Morris S. 185; Schlatter S. 279; Mounce S. 279f. 1071 So z.B. Pohl II S. 166; Neue Jerusalemer Bibel S. 1799. 1072 Vgl. F. Hauck, Art. βάλλω usw., ThWNT, I, 1933, S. 524ff. 1073 Mounce S. 280. Auch Lohmeyer 3 S. 128 notiert die auffallende „Kürze“. 1074 Kraft S. 196 („… weit vorauseilt“); Wikenhauser S. 115; Behm S. 86. 1075 Vgl. Aune S. 845. 1076 Aune a.a.O. 1077 Bousset S. 389. Vgl. Lohmeyer 3 S. 127; Giesen S. 336; Kraft S. 195; Mounce S. 278f. 1078 A.a.O.
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Wie der Engel von V. 15 kam auch der Engel von V. 17 aus dem Tempel, dem hier noch die Worte im Himmel angefügt werden. Und wiederum rechnen wir in Entsprechung zu 7,15; 11,19; 14,15 mit einem geistlichen Sinn dieser Aussagen. Wir rechnen also nicht mit einem realen Gebäude im Himmel, sondern betrachten den Tempel im Himmel als eine Bezeichnung der besonderen Nähe zum Throne Gottes.1079 Und auch er hatte eine scharfe Sichel: Er war also ebenso ausgerüstet wie der Engel von V. 14, der auf der Wolke saß. Nun wiederholt sich der Vorgang von V. 15 in V. 18: Und ein anderer Engel kam vom Altar, der hatte Macht über das Feuer und rief mit lauter Stimme dem, der die scharfe Sichel hatte, zu: Sende deine scharfe Sichel1080 …! Mit V. 15 stimmen zum Teil wörtlich überein und ein anderer Engel kam – und rief mit lauter Stimme dem … zu – Sende deine Sichel! Bleiben wir noch einen Augenblick bei V. 18. Der Engel, der hier auftritt, ist im Abschnitt Offb 14,6-20 insgesamt der siebte. Ein sogenannter Zufall kann das nicht sein. Wir haben in der Offenbarung sieben Gemeinden, sieben Sendschreiben, sieben Siegel, sieben Posaunen, sieben Schalen, und überall ist die Zahl Sieben ein Ausdruck für Gottes Planung und Leitung und für das Gottgemäße. Karl Heinrich Rengstorf sieht in der Sieben „die Zahl der Totalität“ und mit Schlatter in ihr „die Vollkommenheit des göttlichen Wirkens verbürgt“.1081 Dies alles lässt sich auf Offb 14,6-20 anwenden: Die sieben Engel Gottes, die hier auftreten, haben wirklich Gottes Wort und verkündigen, was in Gottes Plan und Willen liegt. Sowohl das „ewige Evangelium“ (V. 6) als auch die verschiedenen Gerichtsansagen und Gerichtshandlungen setzen die Menschheit darüber ins Bild, was auf sie zukommt und worauf sie zugeht. Der Engel von V. 18 kam vom Altar. Wieder ist der Altar ein geistlicher Ort, also die nächste Nähe Gottes. Im Vergleich zur allgemeineren Angabe aus dem Tempel erscheint beim „Altar“ die Nähe zu Gott noch um eine Stufe intensiver.1082 Zum „Altar“ vgl. Offb 6,9; 8,3.5; 9,13. Zum Engel wird ausdrücklich vermerkt: der hatte Macht über das Feuer. Ist hier das Feuer von Offb 8,5 gemeint? Jedenfalls besteht zwischen dem Engel von Offb 8,3ff und dem von Offb 14,18 eine auffallende Parallelität.1083 Die Macht über das 1079 Ebenso Lohmeyer 3 S. 127: Tempel bedeutet „Gottes Gegenwart“. 1080 Obwohl das griechische δρέπανον [drepanon] = „Sichel“ in allen Versen von V. 14-19 dasselbe bleibt, wechselt die Lutherbibel immer wieder die Bezeichnungen: „Sichel“ – „Winzermesser“ – „scharfes Messer“. 1081 Art. ἑπτά usw., ThWNT, II, 1935, S. 629. 1082 Umgekehrt Lohmeyer 3 S. 128: Der Engel vom Altar stehe „unter“ dem Engel vom Tempel, weil der Altar im Vorhof sei! 1083 Als identisch betrachtet die beiden Engel Mounce S. 281; Roloff S. 155.
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Feuer hatte er deshalb, weil sie ihm von Gott gegeben war. „Feuer“ ist in diesem Zusammenhang sehr wahrscheinlich ein Symbol für das göttliche Gericht.1084 Es handelt sich also um einen besonders beauftragten Gerichtsengel. Seine Autorität dokumentiert sich auch durch die laute Stimme. In seiner Autorität kann er dem Engel mit der scharfen Sichel (V. 17) Gottes Befehl übermitteln: Sende deine scharfe Sichel. Es bleiben also die Zeitpunkte aller endzeitlichen Geschehnisse allein von Gott bestimmt. Die Ernte wird jetzt mit einer Weinlese verglichen: und ernte die Trauben des Weinstocks der Erde. Dieser Vergleich des Gerichts mit der Weinlese ist wieder alte biblische Tradition (Jes 63,3ff; Jer 25,30; Joel 4,13). Das griechische Wort für „Weinlese halten“, ernten (τρυγάω [trygao]) wird auch in Lk 6,44 benutzt. Weinstock der Erde bedeutet: die ganze Erde = Menschheit ist jetzt der Weinstock1085, den es zu ernten = zu richten gilt. Denn seine Weintrauben sind reif: Nur Gott sieht, wann es so weit ist. Wir nicht, weder als mit Intelligenz begabte Geschöpfe noch als Christen (Mt 13,24ff). Für reif sein steht hier im Griechischen ein anderes Wort (ἀκμάζω [akmazo]) als in V. 15, weil Trauben bei der Weinlese nicht „dürr“ sind, sondern im vollen Saft stehen. Das Böse welkt also nicht vor sich hin, sondern gelangt erst gegen Ende zu seiner vollen Stärke. Die Engel Gottes kennen keine Gehorsamsprobleme. Der sicheltragende Engel tut in V. 19 genau das, was ihm befohlen wurde: Und der Engel sandte1086 seine Sichel auf die Erde und erntete den Weinstock der Erde ab. In diesen Versen beeindruckt immer wieder der Ton der Endgültigkeit.1087 Was längst – seit den Zeiten des Alten Bundes – angekündigt war, vollzieht sich jetzt. Was den Menschen wieder und wieder gesagt worden war, was sie aber wieder und wieder zur Seite oder vor sich herschieben wollten, das tritt jetzt ein und lässt keine Ausflucht mehr offen. Die zweite Hälfte von V. 19 bleibt dem Bild von der Weinlese treu: Der Engel schüttete (ἔβαλεν [ebalen]) das Geerntete in die große Kelter des Zornes Gottes. Groß ist sie – die Schlussworte τὸν μέγαν [ton megan]1088 sind betont –, weil sie a) im Dienste Gottes steht, b) dem Gericht über die ganze Menschheit dient und c) der Zorn Gottes (ὁ θυμὸς τοῦ θεοῦ [ho thymos 1084 So auch F. Lang, Art. πῦρ usw., ThWNT, VI, 1959, S. 942; Behm a.a.O.; Morris S. 186; Aune S. 846. Anders Schlatter S. 280: Feuer = „Wärme und Kraft für das Leben“. 1085 Giesen S. 338 (Gen. epexegeticus!). 1086 Wieder ἔβαλεν [ebalen] wie in V. 16. 1087 Vgl. Bousset 1896 S. 451. 1088 Zum Genuswechsel bei ληνός [lenos], das sich als „doppelgeschlechtig“ erklären lässt (Lohmeyer 3 S. 129; Bousset 1896 S. 450), vgl. Blass-Debrunner § 49,1.
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tu theu]) groß ist (vgl. Offb 14,10). Der Vergleich des Gerichts mit einer Kelter ist wieder alte biblische Tradition (vgl. Jes 63,2ff; Jer 25,30; Klgl 1,15; Joel 4,13).1089 Er konzentriert jedoch den Blick auf Blut und Verderben, sodass das Kelterbild fast nur noch an das Schicksal der Gottlosen denken lässt.1090 Insofern kann man es verstehen, dass doch wieder eine Tendenz auftritt, in der „Ernte“ von V. 16 das „Einsammeln der Gläubigen“1091 und in der Ernte von V. 19f das Strafgericht über die Gottlosen zu erblicken. Wir sollten aber beides nicht auseinanderreißen.1092 Zu weit hergeholt ist die Überlegung von Kraft, dass Weizen und Trauben in Offb 14,14-20 als „Ausgangsstoffe für die Elemente des Abendmahls“ bedacht werden müssten.1093 So richtig es ist, dass Brot und Wein die Kernstoffe der menschlichen Nahrung und auch die Grundelemente der geistlichen Speise des Abendmahls darstellen, so wenig lässt sich doch das Grundmotiv der Ernte als Gerichtsmotiv mit dem Abendmahl verknüpfen. V. 20 hat einen deutlich erkennbaren Fokus: Das ist die Strenge des Gerichts. Alle Einzelzüge bleiben diesem Fokus untergeordnet. Da wir es nicht mit einem irdischen Geschehen zu tun haben, sondern mit einem Geschehen in der göttlichen Sphäre, dürfen wir nicht vordergründigen Vorstellungen verfallen, sondern müssen den geistlichen Aussagen nachgehen. Klar ist die Kelter als Bild für den Gerichtsvorgang. Dass sie getreten wird, bezeichnet eben den Gerichtsvorgang.1094 Aber warum wurde sie in der Schau des Johannes draußen vor der Stadt getreten? Bousset nennt diese Frage „ein schwer zu lösendes Rätsel“.1095 Dennoch gibt es verschiedene Erklärungen: 1) Nach jüdischer Auffassung findet das Gericht über die Völker draußen vor der Stadt = Jerusalem statt.1096 So ist es mit dem „Tal Joschafat“ nach Joel 4,12, obwohl wir dieses Tal geografisch nicht mehr identifizieren können. So ist es nach ä Hen 53,1, das mit dem Hinnomtal verbun-
1089 1090 1091 1092 1093 1094
Bousset 1896 S. 450. Vgl. Zahn S. 525. So Lohmeyer 3 S. 129. So auch Mounce S. 279f. Kraft S. 196. Ist ἐπατήθη [epatethe] Passivum divinum (Giesen S. 339)? Aber Johannes liegt jetzt nichts an einer Klärung, wer denn genau die Kelter tritt. Analog Mt 13,24ff.47ff wird man zunächst an die Gerichtsengel denken, die aber natürlich als Werkzeug Gottes handeln. 1095 Bousset 1896 S. 450; ähnlich G. Bornkamm, Art. ληνός usw., ThWNT, IV, 1942, S. 260f. 1096 Vgl. Lohmeyer 3 S. 129.
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den ist, oder bei Gog und Magog nach Offb 20,9.1097 2) Auch Jesus hat draußen vor dem Tor gelitten (Hebr 13,12; Joh 19,17).1098 Sollen nun die Gottlosen durch den Ort des Gerichts an das erinnert werden, was sie Jesus angetan haben? 3) Noch einmal anders ist es, wenn man die Stadt auf die „Gottesstadt“ = die Gemeinschaft der Gläubigen bezieht (vgl. Ps 46,5ff; Ez 48,35; Eph 2,20ff; 1Petr 2,5; Offb 21,10ff). Dann werden in Offb 14,20 die Gerichteten aus der Gemeinschaft der Gläubigen entfernt (vgl. Mt 13,40ff) und draußen an einem besonderen Ort gerichtet.1099 Von den genannten Möglichkeiten her lässt sich nun ein Verständnis für die Aussage von V. 20 gewinnen. Die erste Möglichkeit bedeutet einen prophetischen Hinweis des AT auf das Ende der Zeiten, darf also nicht vordergründig und bloß menschlich verstanden werden. Das Hauptgewicht kommt unseres Erachtens allerdings den Möglichkeiten 2) und 3) zu, die wir für unsere Erklärung übernehmen möchten. Sie stimmen hervorragend mit anderen Aussagen des NT überein, z.B. mit Mt 13,40ff; 25,32ff; Offb 22,15.1100 Die Strenge des Gerichts tritt nun in den Schlussworten von V. 20 mit aller Schärfe hervor: und Blut ging aus der Kelter bis zu den Zügeln der Pferde, tausendsechshundert Stadien weit. Der rote Saft der gekelterten Trauben wird in der Bildsprache sofort zu Blut, weil ja die Kelter das Gericht darstellt. Aber „Schwer zu deuten ist die Maßangabe“.1101 Bis zu den Zügeln der Pferde (ἄχρι τῶν χαλινῶν τῶν ἵππων [achri ton chalinon ton hippon]) sei das Blut gegangen. Manche Ausleger nehmen an, dass sich hier das Bild von der Kelter mit einem anderen Bild vermischt, nämlich dem von „der endzeitlichen Entscheidungsschlacht“.1102 Es zeigt sich jedoch, dass die Begriffe „Pferd“/ „Zügel“/„Zaum“ in der Bibel öfters eine übertragene oder symbolische Bedeutung haben (vgl. Ps 32,9; Ez 38,4; Jak 1,26; 3,2). Man sollte hier also nicht das Bild einer Entscheidungsschlacht eintragen, die sowieso zum Gerichtsvorgang nicht passt, sondern längst davor hätte stattfinden müssen. Auch die vielzitierte Stelle ä Hen 100,1-31103 legt eher einen sprichwortartigen Gebrauch der Begriffe „Pferd“ / „bis an die Brust“ / „im Blut der Sünder waten“ nahe, so
1097 Vgl. Lohmeyer a.a.O.; Bornkamm a.a.O.; Mounce S. 282; Lohse S. 86; Roloff a.a.O. 1098 Vgl. Aune S. 847; Mounce S. 282. 1099 Vgl. Schlatter S. 280; Roloff S. 156. Lohmeyer 3 S. 129 dagegen: Die Stadt ist der „Repräsentant der Welt“. 1100 Vgl. Giesen a.a.O. 1101 Roloff S. 155; Bousset a.a.O.; Caird S. 195; Barclay II S. 137. 1102 So Roloff a.a.O.; Bornkamm a.a.O. S. 261; Behm S. 87; Aune S. 847. 1103 Vgl. O. Michel, Art. ἵππος, ThWNT, III, 1938, S. 339.
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wie wir zum Beispiel die Redewendung „bis über die Ohren“ benutzen.1104 Wir ziehen es in diesem Kommentar vor, die Worte „bis zu den Zügeln der Pferde“ in einem übertragenen Sinne zu verstehen, also etwa im Sinne von: „im Übermaß“. Gilt Ähnliches auch für die zweite Maßangabe, nämlich die tausendsechshundert Stadien? Deutungsversuche gibt es hier wieder mehrere. Unter anderem dachte man an die „Länge Palästinas“, die ungefähr 1600 Stadien = ca. 300 km entsprechen würde.1105 Ein Stadion ist ca. 185 m lang, also ein Längenmaß. In jüngster Zeit mehren sich jedoch die Stimmen, die für eine symbolische Deutung der Zahl „tausendsechshundert Stadien“ eintreten – mit Recht. Ausgangszahl ist demnach die Vier. Das ist die Zahl der Welt mit ihren vier Enden (vgl. Mt 24,31). Schon Victorinus deutete die 1600 auf die „vier Teile (quattuor partes)“ der Erde, also auf die ganze Erde.1106 Nimmt man die Vier im Quadrat und die Quadratzahl (16) nochmals mal 100, um die „Ganzheit der Welt“1107 zu unterstreichen, dann sind das Resultat jene 1600 von Offb 14,20.1108 Dass das Blut nicht mit einem Hohlmaß, sondern mit einem Längenmaß erfasst wird (… Stadien weit), soll vermutlich den Umfang des Gerichts betonen. Weitere Einzelheiten werden nicht genannt.
IV Zusammenfassung 1. Es ist deutlich geworden, dass die Schau von Offb 14,14-20 einen proleptischen Charakter hat.1109 Das heißt, sie nimmt nur vorweg, was ganz am Ende, in Offb 19 und 20, geschehen wird. Man darf sie nicht mit dem Endgericht selbst verwechseln. 2. Offb 14,14-20 ist also Ankündigung von etwas, das kommt, und zwar mit aller Gewissheit kommt. Insofern mahnt es die Christenheit und die Menschheit mit höchstem Ernst, sich der Verantwortung und des kommenden Gerichts bewusst zu sein. 3. Auch Offb 14,14-20 beruht in großem Ausmaß auf alttestamentlicher Tradition wie Joel 4,13; Jes 63,2ff und anderen Stellen. Es ist falsch, spätere 1104 Auch Günter Bornkamm nennt die Sprache von Offb 14,20 „formelhaft“ (im Art. ληνός usw., ThWNT, IV, 1942, S. 261,8); ebenso S. Uhlig, Das Äthiopische Henochbuch, JSHRZ, V, 6, 1984, S. 729; Mounce S. 282: „The hyperbolic nature of the metapher“. 1105 Vgl. Bousset a.a.O. Schon Bengel S. 794. Dann Barclay II S. 136f; Hadorn S. 157. 1106 Bousset a.a.O. 1107 Roloff a.a.O. 1108 Vgl. auch Bornkamm a.a.O. S. 262; Behm S. 87; Morris S. 186; Mounce S. 283; Lohse a.a.O.; Bousset 1896 S. 450; Giesen S. 339; Lohmeyer a.a.O. 1109 Vgl. Giesen S. 339; Roloff S. 154. Barclays Überschrift „Beginn des Gerichts“ (II S. 134) passt deshalb nicht. Besser Beckwith S. 255ff: „Announcement of the last judgment, warning and promise“ (zu 14,6-20).
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jüdische Traditionen wie ä Hen 100,1ff zum Ausgangspunkt der Erklärung zu nehmen, wie es z.B. Bousset1110 tut. Unnötig ist auch Boussets Annahme, der Verfasser habe „fremde Elemente … aufgenommen“1111. 4. Was jedoch mit beachtlicher Stärke neben die alttestamentliche Tradition tritt, ist wieder die Jesusüberlieferung. Immer wieder wurden wir an Mt 13,24ff.36ff.47ff; 24,31ff; 25,1ff.14ff.31ff; Mk 4,26ff und weitere Stellen erinnert. Nach der unmittelbaren Schau und der Botschaft des AT ist die Jesusverkündigung die dritte große Formkraft, die zu Offb 14,14-20 beigetragen hat. 5. Eine Reihe von sieben Engeln verbindet Offb 14,6-20 zu einer größeren, übergeordneten Einheit. Auch beim Menschensohn-Ähnlichen in V. 14 haben wir es mit einem Engel, und nicht mit Christus, zu tun. Die Rolle der Engel als Gerichtshelfer tritt hier stark hervor. Sie erinnert besonders an die Jesusverkündigung in Mt 13,24ff.47ff; 16,27; 24,31; 25,31ff, aber auch an Dan 7,10ff. 6. Einer speziellen kirchen- oder weltgeschichtlichen Deutung in Offb 14,14-20 können wir nicht folgen. Beispielsweise wollte Coccejus Offb 14,19 auf Episkopale, Independenten und Presbyterianer anwenden.1112 Auch die ausschließliche Deutung von Offb 14,14-20 auf die Märtyrer1113 erscheint als nicht angemessen.1114 7. Die Hauptaussage von Offb 14,14-20 ist und bleibt: Gottes Gericht wird über die ganze Erde gehen. Es wird ein strenges Gericht sein. Nur die Erlösung durch Jesus Christus rettet. Die Zeit des Gerichts bestimmt allein Gott. Zeitlich hat Johannes diese Schau nach der Schau von 12,1–14,13 empfangen. Aber sie beinhaltet eine Wahrheit, die von den Tagen des Johannes an bis zum Jüngsten Gericht gilt.
1110 1111 1112 1113 1114
Bousset 1896 S. 451. Bousset a.a.O. Maier Offb S. 329. So Caird S. 192ff. Giesen a.a.O.
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7. Die sieben Schalen, 15,1–16,21 7.1 Die Überwinder am gläsernen Meer, 15,1-4 I Übersetzung 1 Und ich sah ein anderes Zeichen am Himmel, groß und wunderbar: Sieben Engel, die hatten die letzten sieben Plagen, denn mit ihnen kommt der Zorn Gottes zur Vollendung. 2 Und ich sah etwas wie ein gläsernes Meer vermischt mit Feuer,1115 und sah diejenigen, die dem Tier und seinem Bild und der Zahl seines Namens gegenüber den Sieg behalten haben, an dem gläsernen Meer stehen, und sie hatten Harfen Gottes. 3 Und sie singen das Lied des Mose, des Knechtes Gottes, und das Lied des Lammes und sagen: Groß und wunderbar sind deine Werke, Herr, Gott, Allmächtiger!1116 Gerecht und wahrhaftig sind deine Wege, du König der Nationen!1117 4 Wer sollte nicht, Herr, deinen Namen fürchten und preisen? Denn du allein bist heilig. Ja, alle Nationen werden kommen und vor dir anbeten1118, denn deine gerechten Gerichte sind offenbar geworden.
II Struktur Unter Strukturgesichtspunkten gehören diese wenigen Verse zu den problematischsten der Offenbarung.1119 Das zeigt schon die äußere Gliederung in den Kommentaren. Zahn beispielsweise ordnet 14,1–15,4 als ein Ganzes zusammen, sodass 15,1-4 als Abschluss von Kap. 14 erscheint.1120 Aber auch dort, wo man 15,1-4 dem 15. Kapitel zuordnet, gibt es zwei grundsätzliche Möglichkeiten: Entweder man begreift 15,1-4 als eigenständigen Abschnitt1121, oder man nimmt 15,1-8, also das ganze 15. Kapitel, als eine Einheit zusammen. Letzteres geschieht dann in der Regel unter der Überschrift „Vorbereitung“ (des Folgenden).1122 1115 Zur Grammatik vgl. Blass-Debrunner §§ 29,2; 195,9. 1116 Zur Grammatik vgl. Blass-Debrunner § 147,5. 1117 Auch τῶν αἰώνων [ton aionon] ist gut bezeugt. Die Entscheidung ist schwierig, vgl. Swete S. 197. 1118 Vgl. Blass-Debrunner §§ 151,3; 214,9. 1119 Swete S. 193: nicht „easy to understand“. 1120 Zahn S. 507ff. 1121 So etwa Beale Com S. 784; Bousset S. 392; Wilcock S. 136; Hadorn S. 158; Charles II S. 28. 1122 So etwa Swete S. 193; Giesen S. 340; Roloff S. 156; Mounce S. 284; Morris S. 187; Smalley S. 380; Lohse S. 89; U.B. Müller S. 273.
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Auszugehen ist von der engen Zusammengehörigkeit der beiden Kapitel 15 und 16 unter dem Thema der sieben Schalen.1123 Diese Thematik beginnt aber schon mit den sieben Engeln und den sieben Plagen in 15,1, die ja in V. 5f ausdrücklich wieder aufgegriffen werden. Deshalb ist es nicht möglich, V. 1-4 dem 14. Kapitel zuzuschlagen. Andererseits markiert das καὶ μετὰ ταῦτα εἶδον [kai meta tauta eidon] in V. 5 eine deutliche Zäsur. Darin ist Zahn1124 recht zu geben. Auch tauchen die Überwinder der Verse 15,2-4 später im 15. und 16. Kapitel nicht mehr auf. Außerdem hat der Hymnus in 15,3-4 sein eigenes stilistisches Gepräge. Alle diese Gründe veranlassen uns, Offb 15,1-4 eine relative Selbstständigkeit zuzubilligen und als eigenen Abschnitt zu behandeln. Die Beschwerde von O.A. Piper, die Offenbarung zeige „keine klar erkennbare Gliederung“1125, ist also auch an diesem Punkt unberechtigt. Problematisch ist vor allem die Einordnung von Offb 15,1ff in die Gesamtstruktur der Offenbarung. Manche Fragen werden erst in der Einzelauslegung beantwortet werden können. Muss man wie beispielsweise Bousset und Smalley die Verse 15,1-8 oder auch 15,2-4 als „Intermezzo“ oder „interval“ betrachten?1126 Gibt es Interpolationen?1127 Weit schwerer wiegt die Frage: Wohin gehört Offb 15,1-4 zeitlich? Weil 15,1-4 einen Teil des Zusammenhangs 15,1–16,21 bildet, betrifft diese Frage zugleich die Kapitel 15 und 16 im Ganzen. Hat Roloff recht, wenn er sagt, Offb 15,1–16,21 führe „zeitlich wieder“ „hinter 14,6-20 zurück“?1128 Kann man sogar mit Allo und anderen sagen, Offb 15–16 sei nur eine „Rekapitulation“ („récapitulation“) der schon vorher geschilderten Endereignisse?1129 Also im Grunde nichts Neues? Roloff formuliert: „Die Visionen der Apk wollen nicht die lineare zeitliche Abfolge der Endzeitereignisse nachzeichnen, sondern diese unter verschiedenen Aspekten durchleuchten.“1130 Es ist nur eine Variation dieser These, wenn Kiddle das Neue in Kap. 15 und 16 auf „new details“ beschränkt.1131 Insgesamt hat die Rekapitulationstheorie einen star1123 So im Allgemeinen die Literatur: Aune S. 849ff; Pokorny/Heckel S. 591; Behm S. 87; Caird S. 196; Schlatter S. 281; Beckwith S. 255ff; Frey S. 5ff; Carson/Moo/Morris S. 466f; Elwell/Yarbrough S. 377f. 1124 Zahn S. 534. 1125 Piper Sp. 822. 1126 Bousset a.a.O.; Smalley a.a.O. 1127 Von 15,1 nimmt dies Charles II S. 26 an. 1128 Roloff a.a.O. 1129 Allo S. 248. 1130 Roloff a.a.O. Ähnlich Mounce S. 284; Smalley S. 383. 1131 Kiddle S. 297. Vgl. dazu Guthrie S. 970.
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ken Einfluss auf die Auslegung gehabt, und zwar schon seit Victorinus von Pettau (ca. 300 n.Chr.).1132 Eine andere Position vertritt beispielsweise R.H. Charles. Für ihn sind die Siegel, Posaunen und Schalen „a distinct development and not a mere recapitulation“1133. Die chronologische Ordnung schreitet ihm zufolge von Kap. 13 zu Kap. 15 fort, wobei Kap. 14 infolge seines „proleptischen“ Charakters herausfällt.1134 Wir müssen also diese Kapitel in einem zeitlichen, linearen Nacheinander lesen.1135 Doch wenn es so ist, bedeutet dann die Abfolge der Kapitel in der Offenbarung, dass auf die Zeit des Antichrist noch eine Zeit der letzten Plagen folgt? Wäre dann der Grundriss der christlichen Eschatologie: höchste Trübsal für die Gemeinde – Antichrist – letzte Plagen – Untergang Babylons – Wiederkunft Jesu? Wo und wie wäre demnach der Antichrist vor den letzten Plagen usw. verschwunden? Und wie wäre das Verhältnis dieses Grundrisses zu Mt 24 parr zu beurteilen? In der Tat sieht man in der Auslegungsliteratur öfters die Plagen von Offb 15–16 als letzte Phase der Geschichte zwischen dem Antichrist und der Wiederkunft: Stephen Smalley betrachtet sie als „ultimate divine warnings“1136, Lohse als „eine letzte Folge von Ereignissen … vor dem Ende“, worauf das „Gericht an Babylon“ und das „Kommen Christi“ folgen1137, Barclay als „letzte Schrecken“ der Geschichte1138, Bousset als „die allerletzten Plagen … nach dem in Kap. 12–14 geschilderten Unheil“1139, Hadorn etwas vorsichtiger als „letzte vorbereitende Gerichte“1140, Charles als „the last series of cosmic woes upon the earth“1141. Wir werden bei der Einzelauslegung darauf zurückkommen. Speziell zur Struktur von 15,1-4 sei noch Folgendes bemerkt: Die sieben Engel mit den sieben Plagen erinnern sofort an die sieben Engel mit den sieben Posaunen in Offb 8,2 und auch an die sieben Siegel in Offb 5,1, sodass der Leser auf eine ähnliche Abfolge von Ereignissen eingestellt wird. Die Thematik der „Plagen“ steht ihrerseits in einer engen Beziehung zur Gerichtsthema1132 Vgl. Aune S. xci ff; Guthrie S. 969f; Beckwith S. 318ff; J.M. Hahn S. 462ff; Hartenstein S. 193ff; Pohl II S. 169; Philberth S. 196ff. 1133 Charles II S. 27. 1134 A.a.O. S. 26. 1135 Dieselbe Auffassung z.B. bei Frey S. 165; Grünzweig II S. 63ff. 1136 Smalley S. 383. 1137 Lohse S. 89. 1138 Barclay II S. 134. 1139 Bousset S. 392. 1140 Hadorn S. 157. 1141 Charles II S. 27. Vgl. auch Pohl II S. 172; Grünzweig II S. 62.
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tik von Offb 14,5-20, sodass der Leser auch eine Weiterführung dieser Thematik erwarten darf. Dass in 15,3-4 ein Hymnus erklingt, bettet unseren Abschnitt aufs Passendste in das gesamte Gefüge der Offenbarung ein. Die Verbindung zum Folgenden, nämlich zu 15,5ff, wird durch die Motive der „sieben Engel“ (ἄγγελοι ἑπτά [anggeloi hepta]), der „sieben Plagen“ (πληγαὶ ἑπτά [plegai hepta]), des „Zornes Gottes“ (ὁ θυμὸς τοῦ θεοῦ [ho thymos tu theu]) und der Gerechtigkeit Gottes (δίκαιος [dikaios] – δικαιώματα [dikaiomata] – κρίσεις [kriseis]) hergestellt. Offb 15,1-4 begegnet uns also in einem organischen Zusammenhang mit den übrigen Schilderungen des großen Berichtsbogens der Kap. 12–16. Die starke hebräische Prägung1142 des Abschnitts und derselbe Sprachstil wie in der übrigen Offenbarung machen die Annahme von Interpolationen von vornherein wenig wahrscheinlich. Offb 15,1-4 besteht im Einzelnen aus a) einer Einleitung (V. 1), die zugleich die Einleitung der beiden Kapitel 15 und 16 darstellt1143; b) der Schau einer Art gläsernen Meeres und einer Schar von Überwindern an diesem Meer (V. 2); und c) dem Hymnus, den diese Überwinder singen (V. 3 und 4).1144
III Einzelexegese Der Anfang des ersten Verses Und ich sah (καὶ εἶδον [kai eidon]) ist der übliche für solche Abschnitte in diesem Teil der Offenbarung (vgl. 13,1.11; 14,1.6.14). Die weitere Beschreibung der Schau ein anderes Zeichen am Himmel, groß und wunderbar (ἄλλο σημεῖον ἐν τῷ οὐρανῷ μέγα καὶ θαυμαστόν [allo semeion en to urano mega kai thaumaston]) benutzt fast dieselben Worte wie 12,1 und 12,3. Auf diese Weise wird eine zunächst geheimnisvolle Verbindung zu Kap. 12 und 13 hergestellt.1145 Soll also 15,1ff die Kette der Ereignisse von 12,1ff fortsetzen? Zur näheren Erklärung betreffs Zeichen, am Himmel und groß siehe die Auslegung bei 12,1 und 12,3. Neu ist die Charakterisierung des Zeichens als wunderbar (θαυμαστόν [thaumaston]). „Wunderbar“ ist das, was Menschen aus der Alltäglichkeit reißt und zum Staunen bringt. Georg Bertram weist hier auf die Verwandtschaft mit dem lobpreisenden Psalmstil hin.1146 Johannes sagt sofort, worin dieses Zeichen bestand, nämlich in sieben Engeln. Sie werden noch in Kap. 16 (16,1), ja sogar noch in Kap. 21 (21,9) eine Rolle spielen. Aber schon bei den Posaunengerichten traten sieben Engel auf 1142 1143 1144 1145 1146
Charles II S. 29 spricht vom „Strongly Hebraic character of XV“. Ebenso U.B. Müller S. 273; Aune S. 869. Vgl. Smalley S. 382. Vgl. Swete S. 193; schon Bengel S. 794; Kraft S. 201. Art. θαῦμα usw., ThWNT, III, 1938, S. 41. Ebenso U.B. Müller S. 275.
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(8,2.6ff), und überdies im Eingangsteil der Offenbarung, nämlich bei den sieben Sendschreiben (1,20; 2,1ff). Die Siebenzahl ist auch in Offb 15,1 eine göttliche Zahl. Sie drückt aus, dass hier etwas geschieht, das vollkommen dem göttlichen Willen entspricht.1147 Dass Engel den göttlichen Willen ausführen, ist uns in der Offenbarung längst vertraut. Die hatten die letzten sieben Plagen (ἔχοντας πληγὰς ἑπτὰ τὰς ἐσχάτας [echontas plegas hepta tas eschatas]): Hier wird weder die Schönheit noch die Gestalt der Engel beschrieben, sondern nur das, was sie nach Gottes Willen zu tun hatten, nämlich die sieben Plagen herbeizuführen. Auch ihre Namen erfahren wir nicht. Es bleibt seltsam: Trotz einer Vielzahl von Engeln, die hier auftreten, gibt die Offenbarung keinerlei Basis für einen Engelkult! Sie hatten bedeutet: Sie besaßen die Macht und Autorität, um die Plagen eintreten zu lassen.1148 Von Plagen (πληγαί [plegai]) war schon in 9,18.20; 11,6 die Rede. Vgl. dort die Erklärung der Wortbedeutung. Es sind erschütternde Schläge, die Gott versetzt, um die Menschen wachzurütteln.1149 Zur Sieben vgl. das oben Bemerkte. Aber nun fällt eines auf: Diese sieben Plagen werden ausdrücklich als letzte bezeichnet. Damit werden sie klar von den Strafen in Lev 26,18.21.24.28 (LXX: πληγὰς ἑπτά [plegas hepta]) und von den „ägyptischen Plagen“ (Ex 11,1 LXX: ἔτι μίαν πληγήν [eti mian plegen]) unterschieden. Zwar sind Lev 26,21ff und die ägyptischen Plagen eine Art Modell für Offb 15,1. Manche Ausleger sprechen sogar von einer „Exodustypologie“1150 oder einem „New Exodus“1151. Mounce nennt Offb 15,1ff „a poetic expansion of Lev XXVI.21“.1152 Jedoch beziehen sich die Plagen von Offb 15–16 gerade nicht auf das Gottesvolk, sondern auf die ganze Erde (16,1). Und außerdem zielt Offb 15–16 nicht auf einen Exodus der Gläubigen, sondern auf Einkehr und Bekehrung der Ungläubigen. Gerade dies besagen die Schlussworte von V. 1: denn mit ihnen kommt der Zorn Gottes zur Vollendung (ἐτελέσθη [etelesthe]). Mit ihnen bezieht sich auf die Plagen. Denn bezieht sich auf den Begriff letzte: Sie heißen deshalb „letzte“ Plagen, weil mit ihnen eben Gottes Zorn zur Vollendung kommt. Schwierigkeiten bereitet das griechische ἐτελέσθη [etelesthe]. Schon die Vielzahl der Übersetzungen lässt diese Schwierigkeiten erkennen. Die Lutherbibel übersetzt: „Es ist vollendet der Zorn Gottes.“ Ähnlich die Revidierte Elberfel1147 1148 1149 1150 1151 1152
Vgl. K.H. Rengstorf, Art. ἑπτά usw., ThWNT, II, 1935, S. 629. Anders Bousset a.a.O.: „haben“ = „in den Händen tragen“. Vgl. Bauer-Aland Sp. 1343. Giesen S. 340; Caird S. 197; Smalley S. 383; Lohmeyer 3 S. 131; Caird S. 197. Smalley S. 380. Mounce S. 284.
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der Bibel und Benedikt-Bibel sowie die Neue Genfer Übersetzung: „… wurde vollendet“.1153 Danach dürfte eigentlich kein „Zorn Gottes“ mehr kommen. Aber schon Bengel stellte in seiner Erklärung fest, nur „dieser Grimm“, also der in Kap. 15 und 16 geschilderte, sei vollendet. An anderer Stelle höre er durchaus „nicht auf“.1154 Deshalb formulierten die Einheitsübersetzung und die Neue Jerusalemer Bibel vorsichtiger: „… erreicht sein Ende“. Besser an dieser Stelle noch die BigS: „kommt zum Abschluß“. In unserem Kommentar verstehen wir ἐτελέσθη [etelesthe] als ingressiven Aorist1155 und übersetzen kommt zur Vollendung. Gesagt ist mit Offb 15,1, dass die Zorngerichte in ihre Endphase eintreten, ohne dass doch schon mit Offb 15–16 das Ende selbst da wäre (vgl. Offb 19,20; 20,10-15).1156 Beim Zorn Gottes (ὁ θυμὸς τοῦ θεοῦ [ho thymos tu theu]) ist an Gottes entschlossene, wohlbegründete Ablehnung der Sünde zu denken und an sein absolut gerechtes Gericht über die Sünder.1157 Wie die BigS an dieser Stelle „die Wut Gottes“ übersetzen kann, bleibt unverständlich. Das Verständnis der folgenden Verse und Kapitel hängt entscheidend an dem Begriff letzte (= letzte Plagen).1158 Die Formulierung die letzten sieben Plagen wiederholt sich in Offb 21,9. Das lässt darauf schließen, dass ein innerer Zusammenhang von Kap. 15f bis Kap. 21f reicht.1159 Ist es so, dann dürfen wir nach diesen sieben letzten Plagen keine neue selbstständige Gerichtszeit vor der Wiederkunft Jesu mehr erwarten. Andererseits hat das andere Zeichen am Himmel eine Brücke zu Kap. 12f geschlagen. Gehört also Offb 15 kraft der Überschrift in 15,1 sowohl in einen Zusammenhang mit Kap. 12ff als auch in einen Zusammenhang mit Kap. 16ff, dann liegt es nahe, die letzten sieben Plagen noch in die antichristliche Zeit zu setzen.1160 Auf diese Weise wird man nicht gezwungen, in Abweichung von Mt 24 und anderen Aussagen des NT zwischen Antichristzeit und Wiederkunft noch eine besondere Epoche der „letzten Plagen“ einzuschieben. Vielmehr bleibt man in Übereinstimmung mit dem Aufriss von Mt 24. 1153 Ebenso Lohse S. 89; U.B. Müller S. 272; Aune S. 852; Giesen S. 341; Allo S. 250: „parfait prophétique“. 1154 Bengel S. 796. Ihm folgen z.B. Bousset a.a.O.; Swete S. 193; Smalley S. 383. 1155 Vgl. Blass-Debrunner § 331. 1156 Ähnlich interpretiert Zahn S. 529,5, der hier „logisch“ einen futurischen Sinn erblickt, sowie Morris S. 187. Angemessen auch die Übersetzung bei Kraft S. 200: „endet Gottes Zorn“. 1157 Vgl. F. Büchsel, Art. θυμός usw., ThWNT, III, 1938, S. 167f. 1158 Vgl. G. Kittel, Art. ἔσχατος, ThWNT, II, 1935, S. 694f. 1159 Vgl. P. Müller S. 47. 1160 Derselbe Zeitansatz bei J.M. Hahn S. 475; Frey S. 165ff; Römer S. 155ff; Weber S. 50.
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Eine Konsequenz dieses Zeitansatzes ist es, dass die Antichrist-Zeit keineswegs nur ein „Goldenes Zeitalter“ für die gottlose Menschheit bedeutet. Vielmehr bringt sie neben materiellem Wohlstand und den Wundern des falschen Propheten auch gewaltige Erschütterungen in Gestalt der sieben Plagen mit sich, durch die Gott die Menschen zur Umkehr bewegen will. Der Ablauf der Gesichte in Kap. 15–16 legt die Annahme nahe, dass diese sieben Plagen eher in die zweite Hälfte bzw. in den Schluss der Antichrist-Zeit gehören. Sieht man die Dinge so, dann erklärt sich die typologische Verwandtschaft mit den ägyptischen „Plagen“ am besten: Auch diese sollten dem gewaltigen Herrscher seine Grenzen bewusst machen und die Ägypter zur Annahme der Botschaft Gottes bewegen. Unserer zeitlichen Einordnung steht beispielsweise unter den modernen Kommentaren U.B. Müller nahe. Er sieht die Schalenvisionen in Offb 15 und 16 noch als „Teil des Gerichtsgeschehens, das durch die siebte Posaune in Gang gesetzt wird (11,15ff)“.1161 Auch Offb 17,1–19,10 ist für ihn ein „Teil des durch die siebte Posaune ausgelösten Geschehens“.1162 Aber schon Vitringa hatte sich grundsätzlich in diesem Sinne entschieden. Die sieben Plagen sind für ihn die Plagen eines „geistlichen Ägypten“ (Aegypti spiritualis).1163 Sie treffen das Reich des Antichrist und führen zum Untergang dieses Reiches. Deshalb geht es nach Vitringa in Offb 15f um das „Excidium Imperii Bestiae“.1164 Konsequenterweise fallen die letzten sieben Plagen in die Zeit der siebten Posaune („nimirum plagae in tempus septimi Tubicinii incidunt“).1165 In unserem Kommentar können wir also der These einer Rekapitulation hier nicht folgen. Vielmehr sehen wir die Gesichte der Offenbarung wie R.H. Charles, E. Lohmeyer, U.B. Müller u.a. in einem stetigen zeitlichen Fortschreiten.1166 Johannes schildert die Dinge nicht nur nacheinander, sondern sie kommen auch in einem Nacheinander. Noch einmal in Kürze formuliert: Die letzten sieben Plagen gehören in die Schlussphase der antichristlichen Zeit. Dafür, dass Offb 15,1 Interpolation sei, gibt es keinen Anhaltspunkt.1167 Mit Und ich sah führt V. 2 ein neues Bild ein. Es handelt sich um etwas wie ein gläsernes Meer, vermischt mit Feuer. Etwas wie ein gläsernes Meer 1161 U.B. Müller S. 271. Dieselbe Sicht schon bei Bengel S. 796. Dann Kraft a.a.O. Dann Wilckens I, 4 S. 272. 1162 A.a.O. S. 272. Auch Giesen S. 340 sieht die Zusammenhänge deutlich. 1163 Vgl. Swete S. 195: „spiritual Egypt“. Ähnlich Lohmeyer 3 S. 131. 1164 Vitringa S. 676. 1165 Vitringa S. 678. 1166 Vgl. nochmals Charles II S. 27; U.B. Müller a.a.O.; Lohmeyer 3 S. 120. Gegen Allo S. 248. 1167 So richtig Allo S. 249f gegen Charles II S. 26.
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(ὡς θάλασσαν ὑαλίνην [hos thalassan hyalinen]) sah Johannes auch in Offb 4,6. Vermutlich handelt es sich also in Offb 4,6 und 15,2 um dasselbe1168, bei starker Verwandtschaft mit Ez 1,22. Die Kommentare nennen es oft den „Himmelsozean“.1169 Aber schon der vorsichtige Vergleich etwas wie (ὡς [hos]) sollte uns vor solchen Identifikationen warnen. Wichtiger sind die inhaltlichen Aspekte: Glas war in der Antike wertvoll1170, sein Glanz wurde bewundert und stellte ein gutes Anschauungsbeispiel für die himmlische Lichtherrlichkeit dar (Ez 1,22; Offb 4,6). Nach den genannten biblischen Stellen befand sich das, was einem gläsernen Meer glich, ganz in der Nähe des Thrones Gottes. Die folgende Szene spielt also in der Nähe Gottes. Johannes fügt hinzu, es sei mit Feuer vermischt gewesen. Bousset schrieb einst: „Was es bedeuten soll, dass das Meer mit Feuer gemischt erscheint, ist bis jetzt ein Rätsel geblieben.“1171 Schlatter wies auf die alte rabbinische Auffassung hin, wonach der Himmel aus einem Gemenge von Wasser und Feuer bestünde.1172 Diese Ansicht der Rabbinen dürfte aus Ez 1,22ff abgeleitet sein. Näher an den Sinn der Aussage von Offb 15,2 führt die Erinnerung an die ägyptischen Plagen, speziell Ex 9,24 (vgl. Offb 8,7).1173 Das Feuer von Offb 15,2 könnte auf die Blitze hindeuten1174, die von dem Thron Gottes ausgehen (vgl. Offb 4,5). Aber auch ein Bezug auf das Rote Meer bzw. Schilfmeer könnte gegeben sein, und zwar durch die rote Farbe des Feuers.1175 Lohmeyer sieht im „Feuer“ eine „Reminiszenz“ an Sodom1176, U.B. Müller deutet allgemein auf „das anhebende Gericht“1177, ähnlich Swete, der hier aber auch das Feuer erkennen will, durch das die Märtyrer zu gehen hatten.1178 In der Tat kommt man mit einer einseitigen Erklärung nicht aus. Ausgangspunkt ist die Beschreibung der Umgebung des Thrones Gottes in Ez 1,22ff und Offb 4,2ff, wo „Feuer“ und gläsernes Meer bzw. Kristall miteinander verbunden sind. Ein zweiter Bezugspunkt liegt im alttestamentlichen Exodusbericht mit den ägyptischen Plagen, wo Blitze und Meer eine Rolle spielen (Ex 9,24; 14,1ff). Ein dritter Bezugspunkt liegt darin, dass das „Feuer“ in der Bibel oft ein Bild 1168 So auch Swete S. 194; Kraft S. 201; Lohmeyer 3 S. 130; Giesen S. 342; Bengel S. 797. 1169 So Giesen a.a.O.; Kraft a.a.O.; Bousset S. 392; U.B. Müller S. 274. Vgl. Schlatter BFchTh S. 24; Behm S. 89. 1170 Vgl. D.J. Wiseman, Art. Glas, GBL, 1 S. 468. 1171 Bousset a.a.O. 1172 Schlatter a.a.O. 1173 Swete a.a.O. 1174 In diese Richtung gehen Lohmeyer a.a.O.; U.B. Müller a.a.O.; alternativ Giesen a.a.O. 1175 Dies erwägt Giesen a.a.O.; Swete a.a.O. 1176 Lohmeyer 3 S. 131. 1177 U.B. Müller a.a.O. Ähnlich Aune S. 871. 1178 Swete a.a.O.: „Red Sea of Martyrdom“; ebenso Caird S. 198.
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für das Gericht Gottes ist.1179 So stehen wir auch hier in Offb 15 am Beginn großer Gerichte. Und (sah) diejenigen, die dem Tier und seinem Bild und der Zahl seines Namens gegenüber den Sieg behalten haben, an dem gläsernen Meer stehen, und sie hatten Harfen Gottes (V. 2): Ebenso, wie Johannes in Offb 7,9ff und 14,1ff die Schar der Erlösten sah, so sieht er jetzt die Schar der Sieger (τοὺς νικῶντας [tus nikontas]). An anderen Stellen haben wir das griechische νικάω [nikao] zum Teil mit „überwinden“ übersetzt.1180 Hier passt aber die Übersetzung den Sieg behalten besser.1181 Es will beachtet sein, dass es heißt νικῶντας [nikontas] und nicht νικήσαντας [nikesantas].1182 Das Präsens νικῶντας [nikontas] kann verschiedene Bedeutungen haben: 1) Es kann sich um ein futurisches Präsens1183 handeln, sodass der Sinn wäre „die den Sieg behalten werden“; 2) es kann sich um ein perfektisches Präsens1184 handeln, sodass der Sinn wäre „die den Sieg behalten haben“; 3) es kann sich um ein zeitloses Präsens handeln, das grundsätzlich verschiedene Zeiten umfasst und einem Substantiv entspricht, also mit „Sieger“ zu übersetzen ist.1185 – Alle drei Bedeutungen sind hier gut möglich. Die Parallele in Offb 14,1-5 und die Tatsache, dass die Betreffenden nach Offb 15,2-4 schon auf das Tier und sein Bild zurückschauen, lässt uns die zweite Bedeutung (die den Sieg behalten haben) leicht favorisieren. Insofern hat der Hymnus tatsächlich einen „proleptischen“ Charakter.1186 Doch was sind es nun für Sieger? Es sind diejenigen, die durch Verführung und Verfolgung dem Tier und seinem Bild aus Kap. 13 ausgesetzt waren. Die Zahl seines Namens, die als dritte Größe – fast als pseudo-trinitarische Größe! – danebentritt, konkretisiert, dass das Tier von Kap. 13 bereits erschienen und identifiziert ist (vgl. 13,18). Diejenigen, die den Sieg gegenüber dem Tier usw. behalten haben, sind die treu gebliebenen Christen. Sie haben das erste Tier nicht angebetet (vgl. 13,3ff) und die Zahl des Namens des Tieres nicht als ihr Zeichen angenommen (vgl. 13,16ff).
1179 Vgl. F. Lang, Art. πῦρ usw., ThWNT, VI, 1959, S. 935ff. Schlatter S. 283 deutet das Feuer als „Glanz des Meeres“. 1180 Vgl. Offb 2,7ff; 3,5ff; 12,11. 1181 Vgl. Lutherbibel; Neue Jerusalemer Bibel; NGÜ; O. Bauernfeind, Art. νικάω usw., ThWNT, IV, 1942, S. 944. 1182 Swete S. 194; Bengel S. 797. 1183 Vgl. Blass-Debrunner § 323. 1184 Vgl. Blass-Debrunner § 322. 1185 Vgl. Aune S. 852. 1186 U.B. Müller S. 275; Swete S. 194; Lohmeyer 3 S. 129.
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Man darf diese Treugebliebenen nicht auf die Märtyrer im strengen Sinne begrenzen.1187 Vielmehr umfasst das νικᾶν [nikan], das „den Sieg behalten“, alle diejenigen, die sogar unter den schweren Bedingungen des antichristlichen Reiches in der Nachfolge Jesu ausgeharrt haben, wie Mt 24,13 und Offb 13,10 beweisen. In der Offenbarung geht es nicht um den Glanz einer christlichen Elite, sondern um die herrliche Erlösung schwacher Menschen, des in dieser Welt verachteten Gottesvolkes.1188 Zu denken gibt hier der seltsame griechische Satzbau. Den Sieg behalten wird an dieser Stelle1189 mit ἐκ [ek], wörtlich „aus“, konstruiert. Wir müssten streng genommen also übersetzen „den Sieg behalten aus dem Tier heraus“ / „vor dem Tier“. Bauer-Aland schlagen deshalb vor: „sich durch den Sieg befreien von“.1190 Aber dadurch wird das Missverständnis nahegelegt, die Betreffenden hätten sich dem Reich des Antichrist entziehen können. Der Vorschlag von Blass-Debrunner lautet, Offb 15,2 so zu verstehen, als stünde hier τηρήσαντες ἑαυτοὺς ἐκ τοῦ θηρίου [teresantes heautus ek tu theriu] usw. = „die sich bewahrt haben vor dem Tier“.1191 Aber dadurch ginge das Element des Sieges fast unter. Deshalb nennt Swete diesen Vorschlag „frigide“.1192 Angemessener ist hier schon die NGÜ: „die siegreich aus dem Kampf mit dem Tier hervorgegangen waren“.1193 Und wie kam dieser Sieg zustande? Der Vergleich mit Offb 7,14; 12,11 und 14,4 lässt nur eine Antwort zu: Durch das Blut des Lammes, auf das sie sich im Glauben verließen. Jeder Gedanke an eigene Kraft, an eigenes Verdienst, ist in Offb 15,2-4 ausgeschlossen.1194 Johannes sah sie an dem gläsernen Meer stehen (ἑστῶτας ἐπὶ τὴν θάλασσαν τὴν ὑαλίνην [hestotas epi ten thalassan ten hyalinen]). Manche Ausleger legen Wert darauf, dass die Sieger „auf dem Meer“ stehen würden. Swete verglich das Meer mit einem soliden Pflaster, auf dem sie stünden, im
1187 Gegen Swete S. 193; Lohmeyer a.a.O.; Charles II S. 27f; Weiß-Heitmüller S. 300; Bousset S. 393; Caird S. 196ff; Wilckens I, 4 S. 273. 1188 Wie wir Giesen S. 342; Allo S. 229; Smalley S. 384; Vitringa S. 680; Schlatter S. 282ff; Hartenstein S. 197; Grünzweig II S. 66ff. 1189 Nur hier im NT. Vgl. Aune a.a.O. 1190 Sp. 472. Ähnlich Swete a.a.O.: „They escape out of the hand of the enemy“; Caird S. 198. 1191 Blass-Debrunner § 212,3. 1192 Swete S. 194. 1193 Vgl. Zahn S. 509: „die Sieger in dem Kampf mit der Bestie“ usw. 1194 Deshalb geht auch die Übersetzung der BigS „die sich nicht hatten unterkriegen lassen“ haarscharf an der Gedankenstruktur von Offb 15,1-4 vorbei. Vgl. Lohmeyer 3 S. 129.
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Gegensatz zu den Israeliten, die nur „am Ufer“ des Schilfmeers standen.1195 Aber ἐπί [epi] heißt ganz allgemein „auf, über, an“.1196 Es hier auf die Bedeutung auf zu beschränken, geht nicht. Wir blieben deshalb bei der allgemeinen und offeneren Übersetzung an dem Meer. Ein Vorteil dieser stärkeren Offenheit ist es, dass dadurch die Parallele mit dem Israel des Alten Bundes deutlicher hervortritt (vgl. Ex 14,30f). Wenn die Sieger und Überwinder an diesem gläsernen Meer von Offb 4,6; 15,2 stehen, heißt das, dass sie jetzt ganz in Gottes Nähe sind.1197 Und sie hatten Harfen Gottes (ἔχοντας κιθάρας τοῦ θεοῦ [echontas kitharas tu theu]): Zu den Harfen ist oben schon bei 5,8 und 14,2 einiges gesagt. Harfen Gottes meint wohl: von Gott geschenkte Harfen.1198 Ein Artikel vor den Harfen fehlt in den zuverlässigsten Handschriften. Die Verse 3 und 4 schildern das Tun der Sieger in der himmlischen Welt. Es besteht hier überraschenderweise nur in einem: in einem Lied! Besser kann man die Befreiung von Not und Tränen, Schmerz und Geschrei gar nicht darstellen. Und sie singen das Lied des Mose … und das Lied des Lammes (V. 3): In Offb 15,3-4 kann nur ein einziges Lied gemeint sein.1199 Denn das Zitat nach λέγοντες [legontes] (sie sagen) ist nur ein einziges, ungetrenntes.1200 Sehen wir die Einzelheiten an: Das Präsens sie singen (ᾄδουσσν [adusin]) ist wie in Offb 5,9 sozusagen ein zeitloses, eine Art Praesens aeternum. Wichtig ist, dass singen nicht nur eine musikalische Tätigkeit bezeichnet, sondern auch ein Reden: „Der Übergang vom gesprochenen Wort zum Gesang ist fließend.“1201 Mit dem Lied des Mose hat es in der Bibel eine besondere Bewandtnis. Mose ist für die gesamte Bibel unzweifelhaft eine geschichtliche Persönlichkeit. Seine hervorragende Stellung in Israel kommt immer wieder durch die Ehrenbezeichnung Knecht Gottes (ὁ δοῦλος τοῦ θεοῦ [ho dulos tu theu]) zum Ausdruck (vgl. Num 12,7; Dtn 34,5; Jos 1,2.7; 14,7; Hebr 3,1ff). Genau genommen gibt es im Alten Testament zwei Moselieder, nämlich in Ex 1195 Swete S. 195. Ähnlich Lohmeyer 3 S. 131; Giesen S. 342; Kraft S. 201; Smalley S. 385; Vitringa S. 679f; Behm a.a.O. 1196 Bauer-Aland Sp. 584. 1197 Richtig Bengel S. 798; Aune S. 872; Caird S. 196; ähnlich Morris S. 188; Zahn S. 509 („um das gläserne Meer her“); Grünzweig II S. 68f. 1198 Kraft a.a.O.; Smalley a.a.O.; Grünzweig II a.a.O. Als Harfen, die zu Gottes Lob bestimmt sind, deuten Vitringa S. 681; Bengel S. 798. 1199 Für zwei Lieder votieren Zahn S. 530; Bousset a.a.O. 1200 Für ein Lied auch Kraft a.a.O.; Mounce S. 286; U.B. Müller S. 274; Lohmeyer a.a.O.; Bengel S. 799; Vitringa S. 681f; Behm S. 89; Caird S. 198. 1201 H. Schlier, Art. ᾄδω usw., ThWNT, I, 1933, S. 163.
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15 und Dtn 32.1202 Man darf aber jetzt nicht fragen, ob mit dem Lied des Mose (ᾠδὴ Μωϋσέως [ode Moÿseos]) in Offb 15,3 das Lied von Ex 15 oder das von Dtn 32 gemeint sei. Zwar deutet der Kontext mit den Plagen und dem Meer darauf hin, dass Johannes in erster Linie auf Ex 15 Bezug nimmt.1203 Aber was er höchstwahrscheinlich sagen will, ist doch dies, dass Moses Lobpreis sich mit dem Lobpreis Jesu als des Lammes vereinigt. Alles, was Alter und Neuer Bund zum Ruhme Gottes, des Vaters, sagen können, fließt hier zusammen!1204 Die Sänger von Offb 15 ersinnen keine individuellen Gesänge, sondern schließen sich zu einem universalen Chor der Erlösten zusammen. Ex 15 und – ein wenig schwächer – Dtn 32 sind dafür Modelle.1205 Und das Lied des Lammes (καὶ τὴν ᾠδὴν τοῦ ἀρνίου [kai ten oden tu arniu]): „Fast sämtliche Kritiker streichen hier“ das Lied des Lammes, bemerkte Bousset 1906.1206 Er selbst tat das allerdings nicht, und heute tut man es noch weniger.1207 Mit Recht: Für die alten Handschriften sind diese Worte ursprünglich. Aber auffallend ist diese Wendung schon. Bisher wurde das Lamm = Jesus nur be-sungen (Offb 5,8ff; 7,10; 12,10ff; 14,3). Ge-sungen hat es bisher nicht. Wohl aber hat Jesus nach den Evangelien seinen Lobpreis dem Vater dargebracht und sein ganzes Wirken als einen solchen Lobpreis verstanden (vgl. Mt 11,25ff; Joh 17,1ff). Vermutlich ist das Lied des Lammes in Offb 15,3 so zu verstehen, dass die Erlösten den Lobpreis fortsetzen wollen, den Jesus in Wort und Tat dem Vater dargebracht hat.1208 Was sie sagen, wird in V. 3 und 4 in einigen Kernaussagen greifbar. Groß und wunderbar sind deine Werke (μεγάλα καὶ θαυμαστὰ τὰ ἔργα σου [megala kai thaumasta ta erga su]): Einerseits werden hier die Stichwörter groß und wunderbar aus V. 1 aufgegriffen. Das beweist, dass Offb 15,1-4 von vornherein als geschlossener Abschnitt gelten muss. Andererseits werden wir an das θαυμαστός [thaumastos] im Moselied Ex 15,11 und an Psalm-Stellen wie Ps 110,2 LXX (μεγάλα τὰ ἔργα κυρίου [megala ta erga kyriu]) und 138,14 1202 Wilcock S. 137f; M. Kleer im Art. שׁיר ִ , ThWAT, VII, 1993, Sp. 1283ff. Aune S. 872 rechnet mit drei Moseliedern, indem er auch Ps 90 dazuzählt. 1203 Vgl. Bousset S. 393; Vitringa S. 681; Schlatter S. 283; Aune a.a.O.; Swete S. 195. Anders Zahn S. 531. 1204 Swete a.a.O.; Bengel S. 805. 1205 Vgl. noch einmal Schlier a.a.O. S. 165. Interessant Wettstein S. 813: „Dogma de uno Deo praecipue asseruit Moses et Christus.“ 1206 Bousset S. 393. Heute noch Aune S. 873: „addition“. 1207 Vgl. Bousset a.a.O.; Lohmeyer a.a.O.; Kraft a.a.O. 1208 Dass hier das „Lamm als neuer Mose“ erscheinen soll (Kraft a.a.O.), ist zwar ein richtiger Teilaspekt, verengt aber die Dimension, die Offb 15,3 hat. Ähnlich wie wir Schlatter S. 284. Jedoch Aune a.a.O.: „song about the lamb“ (Genitivus obj.).
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LXX (θαυμάσια τὰ ἔργα σου [thaumasia ta erga su]) erinnert.1209 In der Tat ist Offb 15,3f „fast durchgehend durch Aufnahme atl. Wendungen gekennzeichnet“1210 (vgl. Ex 34,10). Die Werke Gottes umfassen sein gesamtes Handeln in Schöpfung und Geschichte (vgl. Jes 28,29). Dreifach wird Gott hier angesprochen: Herr (κύριε [kyrie]), Gott (ὁ θεός [ho theos]), Allmächtiger (ὁ παντοκράτωρ [ho pantokrator]). Schon in 1,8; 4,8 und 11,17 stehen diese Begriffe nebeneinander.1211 Sie bezeichnen Gott, den Vater. Herr (κύριος [kyrios]) steht in der Regel für hebr. „Jahwe“, Gott (θεός [theos]) für „Elohim“ oder „El“, Allmächtiger (παντοκράτωρ [pantokrator]) für „Zebaoth“ oder „Schaddaj“. In den Tagen des Johannes werden diese Titel gerne von den weltlichen Herrschern bis hin zu den Kaisern in Anspruch genommen. So nannte sich Domitian (81–96 n.Chr.), der Kaiser, unter dem die Offenbarung geschrieben wurde, „dominus et deus“ (κύριος καὶ θεός [kyrios kai theos]). Aber der lebendige Gott der Bibel (vgl. 1Tim 4,10) ist der wahre „Herr und Gott und Allmächtige“. Die Erlösten preisen ihn: Gerecht und wahrhaftig sind deine Wege, du König der Nationen! (V. 3). Die Wege sind ein zusammenfassender Begriff für alle Handlungs- und Verhaltensweisen, führen also noch eine Stufe tiefer als die Werke. Das Wort gerecht (δίκαιος [dikaios]) bringt die Tadellosigkeit zum Ausdruck: Man kann Gott keinerlei Vorwurf machen. In wahrhaftig (ἀληθινός [alethinos]) kommen die Bedeutungen „wahr“, „richtig“ und „verlässlich“ zusammen.1212 Es ist ein gesamtgeschichtliches Urteil, das die Erlösten hier aussprechen und das sich in die kurzen Worte kleiden ließe: Gott hat alles wohl gemacht (vgl. Mk 7,37; Ps 37,5). Du König der Nationen (ὁ βασιλεὺς τῶν ἐθνῶν [ho basileus ton ethnon]) ist der vierte Titel Gottes in V. 3. So wird Gott auch in Jer 10,7 tituliert, hebr. [ ֶמֶלְך ַהגּוֹי ִםmelech haggojim].1213 Dabei geht es in Jer 10 um den Gegensatz von toten Götzen und dem lebendigen Gott. Der König der Nationen ist also der einzig wahre und lebendige Gott, zu dem die Menschen kommen können. Liegt darin eine Andeutung, dass die Menschheit gerade während der kommenden sieben Plagen sich bekehren und ihre Zuflucht bei diesem Gott nehmen sollte?1214
1209 1210 1211 1212 1213 1214
U.B. Müller S. 275. U.B. Müller S. 274; Lohmeyer a.a.O.; Kraft S. 202. Vgl. die Erklärungen dort. Vgl. R. Bultmann im Art. ἀλήθεια usw., ThWNT, I, 1933, S. 249f. Vgl. schon Wettstein S. 813. So Charles II S. 27.
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Die Ausrichtung auf Gott zeigt, dass es sich in Offb 15,2-4 wirklich um ein Preislied, nicht um ein Siegeslied handelt.1215 Hingewiesen sei noch einmal auf die Fülle alttestamentlicher Parallelen (vgl. LXX Dtn 32,4; Ps 110,4; 144,17). Es bestätigt sich also unsere Auslegung, wonach Offb 15,2-4 die ganze Lobpreis-Tradition des Alten und des Neuen Testamentes aufnehmen will.1216 Ohne Zweifel ist Offb 15,3-4 von Gottes Geist inspiriert.1217 Jedoch geht es weder um „Todessymbolik“ noch um „Taufsymbolik“1218, sondern um die reale künftige Herrlichkeit der Überwinder. Für die Bibelauslegung interessant ist die Beobachtung, dass Moses Lied in Ex 15 und Dtn 32 eine tiefere, geistliche Bedeutung hat: Es erfüllt sich erst durch Christus am Ende der Geschichte. Ebenso ist die Erlösung Israels aus Ägypten ein Modell für die endzeitliche Erlösung des Volkes Gottes.1219 Der Hymnus setzt sich fort in V. 4: Wer sollte nicht, Herr, deinen Namen fürchten und dich preisen? Zunächst bestätigt es sich, dass Offb 15,3f ein Preislied darstellt.1220 Die erste Aussage Wer sollte nicht fürchten … wird in der Textüberlieferung verschieden konstruiert. Entweder fügt man mit vielen Textzeugen hinter τίς [tis] ein σε [se] ein und muss dann lesen: „Wer sollte dich, Herr, nicht fürchten und deinen Namen preisen?“1221 Oder man lässt dieses σε [se] mit den doch wohl überzeugenderen Textzeugen aus und muss dann sowohl φοβηθῇ [phobethe] als auch δοξάσει [doxasei] auf den Namen beziehen. Mit Aune1222 entscheiden wir uns für dieses Zweite. Deutlich ist, dass Offb 15,4 zu Beginn auf Jer 10,7 zurückgeht.1223 In gewisser Weise entpuppt sich Offb 15,3-4 also als eine „Catene“ (Kette) aus dem AT.1224 Der Name vertritt die Person. κύριε [kyrie] ist Wiedergabe des „Jahwe ( “)יהוהin Jer 10,6f. Wir haben also einen „synonymen Parallelismus“ vor uns.1225 Die Antwort auf die Frage in Offb 15,4 kann nur lauten: Keiner! Gott kann man
1215 Richtig Lohmeyer a.a.O.; Aune a.a.O.; Swete S. 196. Dagegen Wilcock S. 134: „Song of Victory“. 1216 Morris S. 188: „Moses is not in opposition to Christ, nor the law to the gospel.“ 1217 Kraft a.a.O. 1218 Gegen Kraft S. 201. 1219 Morris a.a.O.; Vitringa S. 680ff; Behm a.a.O. 1220 δοξάζω [doxazo] typisch für „preisen“/„ehren“, vgl. G. Kittel im ThWNT, II, 1935, S.257. 1221 So z.B. Bousset S. 393,4 („fast unentbehrlich“); Zahn S. 509. 1222 Aune S. 853.875. 1223 Swete S. 196. 1224 Swete a.a.O.: „catena“. 1225 Aune S. 875 nach Jörns.
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nur fürchten und preisen!1226 Das Lob des universalen Weltenschöpfers und Weltenlenkers wird hier angestimmt. Furcht ist hier nicht lähmende Angst, sondern eine positive Gottesbeziehung, wie sie Horst Balz beschrieb: „die Furcht vor Gott als Grundhaltung des von Gott ganz und gar abhängigen Menschen“.1227 Es geht also um die staunende und zum Vertrauen bereite Ehrfurcht. Denn du allein bist heilig: Den modernen Leser überrascht es, dass jetzt die Bezeichnung heilig erscheint. Was bedeutet dieses heilig (ὅσιος [hosios])? Zuerst erkennen wir, dass erneut das AT den Ausgangspunkt bildet, und zwar Dtn 32,4 LXX, wo sich viele Stichwörter aus Offb 15,3f wiederfinden: θεός, ἀληθινὰ τὰ ἔργα αὐτοῦ, καὶ πᾶσαι αἱ ὁδοὶ αὐτοῦ κρίσεις, θεὸς πιστός, καὶ οὐκ ἔστιν ἀδικία, δίκαιος καὶ ὅσιος κύριος [theos, alethina ta erga autu, kai pasai hai hodoi autu kriseis, theos pistos, kai uk estin adikia, dikaios kai hosios kyrios]. Hinzu kommen viele andere Aussagen über Gottes Heiligkeit, z.B. LXX Lev 11,44; 19,2; Ps 21,4; 76,14; 114,17. Auch in den Johannesschriften ist seine Heiligkeit betont (Joh 17,11; 1Joh 2,20; Offb 3,7; 4,8; 6,10). Heilig bedeutet: 1) unterschieden von der Welt und ihrem Wesen, 2) geschieden von aller Sünde und tadellos.1228 Du allein (μόνος ὅσιος [monos hosios]):1229 Das ist der genaue Gegensatz zum sündigen Menschen, von dem gesagt werden muss: „Da ist keiner, der Gutes tut“ (Ps 14,1.3; 53,2.4). Als der Heilige unterscheidet sich der biblische Gott meilenweit von den heidnischen Göttern mit ihrer Eifersucht und Rache, mit ihren Ehebrüchen und Irrtümern. Darum sollen und werden Menschen aus der gesamten Menschheit zu ihm kommen: Ja, alle Nationen werden kommen und vor dir anbeten, denn deine gerechten Gerichte sind offenbar geworden. So haben es schon die Propheten des AT verheißen (Jes 2,2ff; Jer 16,19ff; Mi 4,1ff; Sach 14,8ff; Mal 1,11; Ps 86,9).1230 Wie Allo eindrucksvoll herausgearbeitet hat, ist das Martyrium kein Gegenstand dieses Hymnus. Auch deshalb sollte man Offb 15,1-4 nicht auf die Märtyrer begrenzen.1231 Stattdessen zielt der Hymnus auf das endzeitliche Bekenntnis aller Nationen zum wahren, dreieinigen Gott. Damit
1226 Vgl. Blass-Debrunner § 365,5: οὐ μή [u me] wie in Offb 15,4 ist „die bestimmte Form der verneinenden Aussage“. 1227 Im Artikel φοβέω usw., ThWNT, IX, 1973, S. 204. 1228 Vgl. F. Hauck, Art. ὅσιος usw., ThWNT, V, 1954, S. 490f. 1229 εἶ [ei] ist zu ergänzen, vgl. Blass-Debrunner § 128,2. 1230 Dass Offb 15,4 die „Völkerwallfahrt zum Zion“ aufgreife (so U.B. Müller S. 275), lässt sich zwar begründen, darf aber nicht zum entscheidenden Auslegungsgesichtspunkt werden. Es handelt sich nur um eine Teilperspektive. 1231 Allo S. 251.
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ist, wie Allo richtig bemerkt, der „triomphe messianique“ (messianische Triumph) die geheime Mitte des Hymnus.1232 Trifft dies zu, dann muss man auch nicht mehr mit Swete eine „jüdische Quelle“1233 annehmen. Paulus hat in Phil 2,6ff eine ähnliche Sicht. Der Schluss von V. 4 ist nicht leicht zu verstehen: denn deine gerechten Gerichte sind offenbar geworden (ὅτι τὰ δικαιώματά σου ἐφανερωθησαν [hoti ta dikaiomata su ephanerothesan]).1234 Die Erklärung hängt an dem Plural δικαιώματα [dikaiomata]. Er hat hier sehr wahrscheinlich die Bedeutung: „Handlungen, die dem unübertrefflichen Gottesrecht entsprechen“.1235 Gerechte Gerichte (δικαιώματα [dikaiomata]) meint also nicht nur Gerichtsakte im engeren Sinn oder Strafgerichte. Sondern es bedeutet das rechtmäßige Handeln Gottes in Schöpfung und Geschichte, dem jedermann sein Recht zugestehen muss. Vgl. Phil 2,11: „dass alle Zungen bekennen sollen …“ (Jes 41,1ff; 43,8ff; 45,29ff). Sie sind offenbar geworden: Das sagen die Erlösten im Rückblick. Offenbar geworden sind die Rechtmäßigkeit und die Berechtigung von Gottes Handeln insbesondere in den Vorgängen der Endzeit, wie sie in der Offenbarung beschrieben werden.
IV Zusammenfassung 1. Die Schau von den Überwindern am gläsernen Meer zeigt die ewige Herrlichkeit all derer, die dem Antichrist nicht nachgefolgt sind. Sie gehören jetzt zu den endgültig Erlösten, die wir schon in Offb 7,4ff.9ff; 14,1ff erblickt haben. 2. Offb 15,1-4 greift also weit voraus in die Zukunft – diese Passage hat, wie man dies nennt, einen „proleptischen“ Charakter. 3. Kennzeichnend für ihre ewige Herrlichkeit ist das Lied, das sie singen. Als „Lied des Mose und Lied des Lammes“ vereinigt es die gesamte Lobpreistradition des Alten und des Neuen Bundes. 4. Auffallenderweise besingen sie nicht ihre Leiden oder ihren Kampf und Sieg gegenüber dem Antichrist, sondern den einzigartigen dreieinigen Gott und seinen Triumph am Ende der Geschichte. Klar ist dennoch, dass sie wie das Gottesvolk des Alten Bundes das ganze „Meer“ der Leiden durchschritten haben und hier kein Platz ist für eine „Entrückung“ vor oder inmitten der Trübsal.
1232 1233 1234 1235
Allo S. 251f. Swete S. 197. Wie wir Bousset S. 394. Vgl. Caird S. 199. Bauer-Aland Sp. 398: „Rechtstaten“ oder „strafende Urteile“. Ähnlich Aune S. 876.
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5. Offb 15,1-4 ist ganz durchtränkt von Sprache und Hoffnung des AT. Vor allem die Nähe zu den ägyptischen Plagen und zum Exodusgeschehen ist faszinierend. Daraus ergibt sich, dass jene alttestamentlichen Geschichtsvorgänge neben der historischen auch eine typologische Dimension haben: Sie sind „typisch“ für die Endzeit und erfüllen sich in ihrem tiefen geistlichen Sinn erst durch Christus und in der Endzeit, also christologisch und eschatologisch (1Kor 10,6.11). Insofern kann man die Welt, mit der es die Überwinder zu tun hatten, als ein „geistliches Ägypten“ bezeichnen.1236 Dagegen bleibt die Bezeichnung von Offb 15,2-4 als „Exodus Hymn“1237 unzureichend, denn das Wesentliche am Sieg der Überwinder ist nicht ihr Auszug aus der Welt, sondern ihre Bewährung in der Welt (Joh 17,15). 6. Dafür, dass Offb 15,1-4 ein Stück sei, das Johannes von einem anderen Verfasser übernommen habe1238, gibt es keine ausreichenden Gründe. Dasselbe gilt hinsichtlich der Annahme einer Rekapitulation.1239 Eine Rekapitulation liegt deshalb nicht vor, weil Offb 15,1-4 erstmals zeigt, was aus denen wird, die dem Antichrist nicht nachfolgen und Christus treu bleiben. Auch erfahren wir hier zum ersten Mal vom „Lied des Mose und Lied des Lammes“. 7. Die Einschätzung als „Zwischenstück“ oder „Zwischenspiel“1240 wird dem Charakter von Offb 15,1-4 nicht gerecht. Wohl gehört Offb 15,1-4 zu den „Pausen“ im Geschichtsablauf, die den Blick nach oben, in Gottes himmlische Welt richten. Aber diese Blicke in die ewige Welt sind für die Offenbarung im Ganzen nicht weniger wichtig als die Progression unserer irdischen Geschichte.
7.2 Die Vorbereitung der sieben letzten Plagen, 15,5-8 I Übersetzung 5 Und danach sah ich, und der Tempel der Stiftshütte im Himmel wurde geöffnet, 6 und heraus aus dem Tempel kamen die sieben Engel, die die sieben Plagen hatten, bekleidet mit reiner, schimmernder Leinwand und gegürtet um die Brust mit goldenen Gürteln. 7 Und eines von den vier Wesen gab den sieben Engeln sieben goldene Schalen voll vom Zorn des Gottes, der lebt von Ewigkeit zu Ewigkeit. 8 Und der Tempel wurde ge1236 1237 1238 1239 1240
Vgl. Vitringa S. 680ff. So Smalley S. 383. So Weiß-Heitmüller S. 300; Swete a.a.O.; dagegen Bousset S. 394. Eine solche wieder bei Weiß-Heitmüller a.a.O. So Lohmeyer 3 S. 129; Mounce S. 286; Behm S. 89.
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füllt vom Rauch aus der Herrlichkeit Gottes und aus seiner Kraft, und niemand konnte in den Tempel hineingehen, bis die sieben Plagen der sieben Engel vollendet waren.
II Struktur Die Worte Und danach sah ich (Καὶ μετὰ ταῦτα εἶδον [Kai meta tauta eidon]) bilden eine Zäsur, die zu beachten ist.1241 Sie setzen den Abschnitt 15,5ff deutlich ab von dem vorausgehenden Abschnitt 15,1-4. Andererseits gibt das Stichwort hören (ἤκουσα [ekusa] 16,1.5.7) den Versen 16,1ff ein eigenes, neues Gepräge. Hier folgt die Audition der vorausgehenden Vision. Außerdem unterscheidet sich die Ausgießung der Schalen in 16,1ff von der Vorbereitung der Schalen in 15,5-8. Deshalb liegt es nahe, die Verse 15,5-8 als eigenen Abschnitt aufzufassen.1242 Im Aufbau der Offenbarung erfüllt er die Funktion einer Überleitung und Verbindung zwischen 15,1-4 und 16,1ff. Denn er greift die Thematik der sieben Engel und der sieben Plagen aus 15,1 wieder auf. Zugleich führt er die Thematik durch die neue Information über die sieben Schalen fort. Insofern dient er gleichzeitig als Einleitung zu 16,1ff. Es fällt auf, dass erneut von einem Tempel Gottes im Himmel die Rede ist (vgl. 7,15; 8,3ff; 11,19; 14,15.17). Die Verbindung der Engel mit diesem Tempel ist eng (vgl. 8,3ff; 14,15.17). Vom gläsernen Meer ist hier jedoch nicht mehr die Rede.
III Einzelexegese Die Bedeutung der Zäsur Und danach sah ich (V. 5) wurde oben schon bei II. hervorgehoben. Die griechische Satzkonstruktion erlaubt es, mit „sah ich, dass der Tempel geöffnet wurde“ usw. zu übersetzen.1243 Wegen der Einfachheit der Sätze beließen wir es aber bei dem sah ich, und der Tempel … wurde geöffnet. Das Passivum wurde geöffnet (ἠνοίγη [enoige]) beschreibt Gottes Handeln (Pass. divinum). Gott selbst ordnet also an, dass sich dieser Tempel öffnen muss. Er wird hier sehr genau beschrieben als der Tempel der Stiftshütte im Himmel (ὁ ναὸς τῆς σκηνῆς τοῦ μαρτυρίου ἐν τῷ οὐρανῷ [ho naos tes skenes tu martyriu en to urano]). Die Benennung der Stiftshütte als ἡ σκηνὴ τοῦ μαρτυρίου [he skene tu martyriu] geht auf hebr. [ ֹאֶהל מוֵֹעדohel 1241 Vgl. Zahn S. 534. 1242 Die Gliederungen sind sehr verschieden. G.L. Beale fasst 15,5–16,21 zusammen (S. 801); Hadorn 15,5–16,1 (S. 160); Mounce 15,1-8 (S. 284); Allo 15,1–16,1 (S. 249); Roloff 15,1–16,21 (S. 156) usw. 1243 Blass-Debrunner § 442,13.
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moed] (Ex 27,21 u. ö.) oder [ ֹאֶהל ָהֵעדוּתohel haedut] zurück.1244 Auffällig aber ist die Wendung Tempel der Stiftshütte, die wir nur in Offb 15,5 finden. Schließt nicht das eine das andere aus? Doch kann kein Zweifel sein, dass derselbe Tempel wie in 11,19 gemeint ist.1245 Wir nehmen deshalb an, dass sowohl der Tempel als auch die Stiftshütte dasselbe himmlische Heiligtum meinen, etwa in dem Sinne: „Der Tempel, der gleichzeitig die Stiftshütte ist.“1246 Angespielt wäre auf das himmlische Urbild, das Mose nach Ex 25,40; 26,30; Apg 7,44 gezeigt wurde. Außerdem kann man vermuten, dass die Erwähnung der Stiftshütte erneut die Befreiung aus Ägypten in Erinnerung rufen soll.1247 Aber auch an dieser Stelle dürfen wir nicht vergessen, dass die Offenbarung hier nicht von äußerlich-materiellen Gebäuden spricht, sondern von geistlichen Dingen (vgl. 2Kor 5,1). Wir bleiben deshalb auch in Offb 15,5 bei der bisherigen Deutung des himmlischen Tempels, wonach er einen Bereich besonderer Nähe zu Gott darstellt und eben kein Gebäude. Auch öffnen hat von daher einen übertragenen, geistlichen Sinn: Gott entlässt die Engel aus diesem besonderen Bereich zu ihrem Dienst in der Endzeit. V. 6 zeigt das Geschehen genauer: und heraus aus dem Tempel kamen die sieben Engel, die die sieben Plagen hatten. Das ist ein wörtlicher Anklang an V. 1. Nur steht jetzt vor den Engeln und den Plagen der Artikel, weil es eben die in V. 1 erwähnten sind. Außerdem fehlt die Apposition „letzte“ bei den Plagen, weil diese Apposition nach V. 1 als bekannt vorausgesetzt wird. Die Ausleger verhandeln öfters die Frage, wie Johannes schon in V. 1 die sieben Engel hätte sehen können, wenn sie doch erst in V. 6 aus dem Tempel herauskämen.1248 Solche kleinlichen Fragen sind wenig förderlich. Erstens konnte Johannes in der Einleitung und Überschrift, die V. 1 ja darstellt, schon das Ergebnis der folgenden Visionen mitteilen und das Genauere später folgen lassen. Zweitens konnte ihm Gott zuerst nach V. 1 das umfassende, große Zeichen zeigen und dann erst verschiedene Einzelvorgänge folgen lassen. Die Engel waren, so erfahren wir jetzt, bekleidet mit reiner, schimmernder Leinwand und gegürtet um die Brust mit goldenen Gürteln. Diese Beschreibung weckt zwei Erinnerungen: einmal an die Gestalt des auferstandenen Jesus in Offb 1,13, zum andern an den Engel von Dan 10,5. Die Ähnlichkeit mit dem auferstandenen Jesus drückt vermutlich ihre Nähe zu Gott 1244 Vgl. W. Michaelis, Art. σκηνή usw., ThWNT, VII, 1964, S. 376; O. Michel, Art. ναός, ThWNT, IV, 1942, S. 893; Aune S. 877. 1245 Michaelis a.a.O.; Behm S. 89; Aune S. 876ff. 1246 Ähnlich Aune S. 853. 1247 Morris S. 190. 1248 Vgl. Bousset 1896 S. 455.
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aus. Die Ähnlichkeit mit dem Engel von Dan 10,5 kann als ein Hinweis verstanden werden, dass wir es mit hochrangigen eschatologischen Geschehnissen zu tun haben (vgl. Ez 9,2).1249 Allo meinte, die sieben Engel von Offb 15,1.6 seien dieselben wie die der sieben Posaunen (8,2ff).1250 Das ist aber wenig wahrscheinlich, da die sieben Engel von Offb 15 in V. 1 ohne Artikel als neue Engel („ein anderes Zeichen“) eingeführt werden.1251 Die Einzelheiten von V. 6 sind aufschlussreich. Die Bekleidung mit Leinwand (λίνον [linon])1252 entspricht der Dienstkleidung der israelitischen Priester (Ex 28,39ff). Die sieben Engel kommen also nicht nur aus einem priesterlichen Ort (Tempel, Stiftshütte), sondern sie gehen auch zu einem priesterlichen Dienst. Es ist hochinteressant, dass die sieben Schalen, die letzten Plagen der Menschheitsgeschichte, in der Offenbarung nicht als pure Katastrophen oder göttliche Rache gewertet werden, sondern als ein Priesterdienst. Rein (καθαρόν [katharon]) ist die Leinwand, weil sie „für den heiligen Gebrauch“ tauglich ist.1253 λαμπρόν [lampron] ist ein typisches Kennzeichen himmlischer Kleidung: schimmernd oder „weiß“ oder „leuchtend“.1254 Immer wieder begegnet uns die Himmelswelt als eine Welt wunderbaren Lichts. Auch das Gold gehört zur Priesterkleidung (Ex 28,4ff), gerade zu deren Gürteln (Ex 28,4f). Im apokryphen Sirachbuch wird der Hohepriester mit einem „Kelch von getriebenem Gold“ verglichen (Sir 50,10). All dies unterstreicht noch einmal den priesterlichen Charakter der Engel und ihres Tuns.1255 In V. 7 wird die Überreichung der sieben Schalen geschildert. Es ist das erste Mal, dass diese Schalen, die ja den „Schalengesichten“ den Namen geben, erwähnt werden: Und eines von den vier Wesen gab den sieben Engeln sieben goldene Schalen. In Offb 8,2 war nur ganz allgemein gesagt, dass den Engeln sieben Posaunen gegeben wurden (ἐδόθησαν [edothesan]). Jetzt aber wird genauer gesagt, wer die Schalen überreicht: nämlich eines von den vier Wesen (ἓν ἐκ τῶν τεσσάρων ζῴων [hen ek ton tessaron zoon]) von Offb 4,6. Allerdings gaben schon in Offb 6,1ff die vier Wesen Gottes Befehle an andere Engel weiter. Ohne Zweifel handelt auch hier das eine Wesen im Auftrag und Sinne Gottes. Das golden bedeutet wieder eine himmlische Farbe und deutet Bousset 1896 S. 455 sah 15,5 „nach Ez 9,2 entworfen“. Allo S. 250. Auch Bengel S. 807f rechnet mit verschiedenen Engeln. Nur hier in der Offenbarung. Vgl. A. Oepke, Art. λάμπω usw., ThWNT, IV, 1942, S. 27, 40. 1253 F. Hauck im Artikel καθαρός usw., ThWNT, III, 1938, S. 427. 1254 Oepke a.a.O. S. 27. 1255 Vgl. Behm a.a.O. 1249 1250 1251 1252
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auf einen priesterlichen Vorgang. Ebenso gehören Schalen in Offb 5,8 zur himmlischen Liturgie.1256 So sind auch die kommenden Strafgerichte eine Art Gottesdienst – so seltsam uns das erscheinen mag. Sie führen Gottes heiligen Willen aus. Nun verstehen wir, warum von den Schalen gesagt wird, sie seien voll vom Zorn des Gottes (γεμούσας τοῦ θυμοῦ τοῦ θεοῦ [gemusas tu thymu tu theu]), der lebt von Ewigkeit zu Ewigkeit. Gott ist der ganz andere (Pred 5,1). Er allein lebt seinem Wesen nach von Ewigkeit zu Ewigkeit (εἰς τοὺς αἰῶνας τῶν αἰώνων [eis tus aionas ton aionon]).1257 Kein Wunder, dass eine Reihe alter Handschriften am Ende von V. 7 ein „Amen“ einfügte! Vgl. Offb 4,9. Seinen Zorn darf man sich nicht nach den Typen menschlichen Zorns vorstellen. Die Redewendung Zorn Gottes (θυμὸς τοῦ θεοῦ [thymos tu theu]) hebt in der Offenbarung ganz bewusst auf den besonderen Zorn Gottes ab1258, der heilig ist und Sünde und Tod aus der Schöpfung ausschalten will. Das Stichwort voll (γεμούσας [gemusas]) deutet darauf hin, dass jetzt die Zeit der enormen Geduld Gottes abgelaufen (vgl. Röm 3,25f; 2Petr 3,9) und das Maß menschlicher Sünde voll geworden ist (vgl. Mt 13,27ff; Offb 14,10). Im Hintergrund stehen solche Stellen des AT wie Jes 51,17; Jer 25,15; Ps 75,9.1259 Swete trifft trotz seiner guten Beobachtungen den Nerv der Dinge wohl kaum, wenn er die sieben Schalen zu einem Teil des Dramas „of the long conflict between the Church and the World“ erklärt.1260 Der letzte Vers unseres Abschnitts lenkt unseren Blick überraschenderweise nun nicht zur Erde, dem Schauplatz der Strafgerichte1261 (16,1), sondern noch einmal zurück zum himmlischen Tempel: Und der Tempel wurde gefüllt vom Rauch aus der Herrlichkeit Gottes und aus seiner Kraft (V. 8). Mit Recht erinnert Schlatter1262 an das Erscheinen der Wolke über der Stiftshütte (Ex 40,34). Auch dort „erfüllte die Herrlichkeit Jahwes ([ כבוד יהוהkewod jahweh]) die Wohnung“. Offensichtlich vertritt der Rauch in Offb 15,8 die Wolke von Ex 40,34. Wir befinden uns also erneut im Umkreis der Exodustradition. Noch näher führt uns der Rauch an Jes 6,1-4 heran.1263 Dort heißt es: „und das Haus (= der Tempel) ward voll Rauch“. Offb 15,8 zeigt, dass 1256 Aune S. 879: Schale „a cultic utensil“. Morris S. 191 erinnert an Offb 5,8, wo die Schalen die Gebete der Heiligen enthielten. 1257 Vgl. hier H. Sasse, Art. αἰών usw., ThWNT, I, 1933, S. 199. 1258 Vgl. F. Büchsel, Art. θυμός usw., ThWNT, III, 1938, S. 168. 1259 Schlatter BFchTh S. 87. 1260 Swete S. 193. 1261 Wilcock S. 136: „Punishment for the World“. 1262 Schlatter S. 285. 1263 Vgl. Schlatter BFChTh S. 27.
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diese Vorgänge ein himmlisches Gegenbild haben. Der Rauch muss hier folglich in erster Linie als positives Zeichen der Gegenwart Gottes verstanden werden1264, nicht als Gerichtszeichen wie in Offb 9,2ff; 14,11. Otto Michel interpretiert ihn noch spezieller als Zeichen „der Unnahbarkeit des zornigen Gottes“1265. Jedenfalls entspringt der Rauch aus (ἐκ [ek]) der Herrlichkeit (δόξα [doxa]) und aus der Kraft (δύναμις [dynamis]) Gottes, die beide in der Offenbarung immer wieder gelobt werden (4,11; 5,12f; 7,12; 11,17f; 12,10). Herrlichkeit ist hier geradezu so viel wie Präsenz, Kraft ein Inbegriff für das Handeln Gottes. Im himmlischen Heiligtum wird also offenbar, dass der unvergleichliche, lebendige und ewige Gott jetzt handelt und seine Ziele verwirklicht. Dabei sollten wir nicht vergessen, dass Tempel und Rauch keine irdisch-materiellen Dinge darstellen, sondern geistlich-himmlische Größen sind. Und niemand konnte in den Tempel hineingehen, bis die sieben Plagen der sieben Engeln vollendet waren: Auch das ist ein Zug der Exodustradition, der Befreiungsgeschichte aus Ägypten. Dort lesen wir in Ex 40,35: „Und Mose konnte nicht in die Stiftshütte hineingehen, weil die Wolke darauf ruhte und die Herrlichkeit des Herrn die Wohnung erfüllte.“ Immer deutlicher wird es, dass die Strafgerichte der sieben Schalen zugleich Befreiungsgerichte sind, denn sie zielen auf die Befreiung der Erde vom Bösen und auf die Befreiung der Gemeinde Jesu Christi von ihren Bedrückern. Wir befinden uns ja in der zweiten Hälfte der Antichristherrschaft. Aber nicht nur zur Exodustradition besteht eine Beziehung, sondern auch zur Geschichte des Tempels in Israel. Denn 1Kön 8,10f und 2Chron 5,13f sagen uns, dass die Priester im neu erbauten salomonischen Tempel anfangs „nicht zum Dienst hinzutreten konnten wegen der Wolke; denn die Herrlichkeit des Herrn erfüllte das Haus des Herrn“. Wo der Schöpfer residiert, können sich nicht gleichzeitig die Geschöpfe aufhalten.1266 In Offb 15,8 bezieht sich niemand (οὐδείς [udeis]) auf die Wesen, die Ältesten und die Engel1267, aber selbstverständlich nicht auf das Lamm. Den Engelwesen bleibt der Tempel verschlossen, bis die sieben Plagen vollendet = vollständig ausgeführt sind.1268 Bedeutet das eine Pause für die gesamte himmlische Liturgie? Antwort: Nein. Denn der Gottesdienst von Offb 4,8ff geht unaufhörlich weiter. Wohl aber bedeutet die Schlussbemerkung von Offb 15,8, dass man im Himmel mit ungeheurer Span1264 1265 1266 1267 1268
Bengel S. 809: „Rauch ist eine Decke der göttlichen Majestät.“ Im Art. ναός, ThWNT, IV, 1942, S. 893. Vgl. Schlatter S. 285f. Ähnlich Aune a.a.O. Bengel S. 810. Vgl. Bauer-Aland Sp. 1616f.
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nung auf die Bekehrung der Menschen wartet, die durch die Schalen hervorgerufen werden soll (vgl. Offb 16,9.11; 2Petr 3,9; Lk 15,7.10.11ff).1269
IV Zusammenfassung 1. Offb 15,5-8 bildet zusammen mit 15,1-4 das kürzeste Kapitel der Offenbarung1270 und schildert die Vorbereitung der sieben Schalen mit den letzten sieben Plagen. Erstmals ist jetzt von sieben Schalen die Rede. 2. Eine Besonderheit von Offb 15,5-8 liegt darin, dass die kommenden Plagen, also göttliche Gerichte, nicht durch einen leidenschaftlichen Zorn Gottes oder einen Ruf nach Rache seitens der christlichen Gemeinde erklärt werden, sondern als ein heiliger Dienst der Engel Gottes, ja geradezu als eine Art Gottesdienst. Hellmuth Frey hat das einprägsam ausgedrückt: Die Handlungen der Engel „dienen gleich der schönsten und feierlichsten Liturgie der Verherrlichung Gottes“1271. Wir müssen hier also alle menschlichen Strafvorstellungen verabschieden. 3. Die göttlichen Strafgerichte, die in 15,5-8 vorbereitet werden, sind gleichzeitig Befreiungsgerichte. Denn sie erschüttern das antichristliche Weltsystem und stärken damit die Hoffnung der glaubenden Christen auf ihre endgültige Erlösung. Vor allem die starke Parallelität zur Befreiung aus Ägypten und zur Exodustradition deutet in diese Richtung. 4. Neben die Strafe und die Vorbereitung der Befreiung tritt ein drittes Ziel: Die Bekehrung der antichristlich orientierten Menschheit. Sogar in einem so späten Stadium der Geschichte wartet Gott noch auf die Bekehrung der Menschen und will sie dazu bewegen. 5. In der Kirchengeschichte hat das 15. Kapitel der Offenbarung nur eine geringe Rolle gespielt.
1269 Vgl. Hadorn S. 157. Dass niemand in den Tempel gehen konnte, wird z. T. so erklärt, dass jetzt „die Gnadenzeit abgelaufen“ sei (P. Müller S. 48) oder dass jetzt „der Zorn“ Gottes regiere (Behm a.a.O.); Grünzweig II S. 83; J.M. Hahn S. 482f; Pohl II S. 178f; Römer S. 157; Bousset a.a.O.; Lohmeyer 3 S. 132. 1270 Vgl. Mounce S. 284. 1271 Frey S. 172.
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7.3 Die Ausgießung der sieben Schalen, 16,1-21 I Übersetzung 1 Und ich hörte eine gewaltige Stimme aus dem Tempel, die sagte zu den sieben Engeln: Geht hin und gießt die sieben Schalen des Zornes Gottes aus auf die Erde! 2 Und der erste ging und goss seine Schale aus auf die Erde, und es entstand ein böses und schlimmes Geschwür an den Menschen, die das Zeichen des Tieres hatten und sein Bild anbeteten. 3 Und der zweite goss seine Schale aus auf das Meer, und es wurde zu Blut wie von einem Toten, und jedes lebendige Wesen im Meer starb. 4 Und der dritte goss seine Schale aus auf die Flüsse und Wasserquellen, und es wurde zu Blut. 5 Und ich hörte den Engel der Wasser sagen: Gerecht bist du, der da ist und der da war, du Heiliger, dass du dieses Urteil gesprochen hast. 6 Denn sie haben das Blut von Heiligen und Propheten vergossen, und Blut hast du ihnen dafür zu trinken gegeben, sie haben es verdient. 7 Und ich hörte den Altar sagen: Ja, Herr, Gott, Allmächtiger, wahrhaftig und gerecht sind deine Gerichte. 8 Und der vierte goss seine Schale aus auf die Sonne, und es wurde ihr gegeben, die Menschen mit Feuer zu versengen. 9 Und die Menschen wurden von großer Hitze versengt, aber sie lästerten den Namen des Gottes, der die Macht hat über diese Plagen, und bekehrten sich nicht, ihm die Ehre zu geben. 10 Und der fünfte goss seine Schale aus auf den Thron des Tieres, und sein Reich wurde verfinstert, und sie bissen sich in ihre Zungen vor Schmerz, 11 und sie lästerten den Gott des Himmels wegen ihrer Schmerzen und ihrer Geschwüre und bekehrten sich nicht von ihren Werken. 12 Und der sechste goss seine Schale aus auf den großen Strom Euphrat, und sein Wasser trocknete aus, damit der Weg für die Könige vom Sonnenaufgang bereitet würde. 13 Und ich sah aus dem Maul des Drachen und aus dem Maul des Tieres und aus dem Maul des falschen Propheten drei unreine Geister wie Frösche kommen. 14 Denn es sind Geister von Dämonen, die Zeichen tun, die da hervorkommen auf die Könige der ganzen bewohnten Erde, um sie zu versammeln für den Kampf am großen Tag Gottes, des Allmächtigen. 15 Siehe, ich komme wie ein Dieb. Glücklich zu preisen ist der, der wacht und seine Kleider bewahrt, damit er nicht nackt herumgehen muss und man seine Schande sieht. 16 Und sie versammelten sie an dem Ort, der auf Hebräisch Harmagedon heißt. 17 Und der siebte goss seine Schale aus auf die Luft. Und es erscholl eine gewaltige Stimme aus dem Tempel von dem Thron, die sagte: Es ist geschehen. 18 Und es ge-
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schahen Blitze und Stimmen und Donner und es geschah ein großes Erdbeben, von einer Art, wie es so1272 groß noch nie gewesen ist, seitdem ein Mensch auf Erden lebte. 19 Und aus der großen Stadt wurden drei Teile, und die Städte der Nationen stürzten ein. Und Babylons, der großen, wurde vor Gott gedacht, um ihr den Kelch des Zornweines seines Zorns zu geben. 20 Und alle Inseln flohen, und Berge wurden nicht mehr gefunden. 21 Und ein großer Hagel wie Talente schwer kommt vom Himmel herab auf die Menschen, aber die Menschen lästerten Gott wegen der Plage des Hagels, denn seine Plage ist besonders groß.
II Struktur Auf den ersten Blick ist die Struktur von Offb 16,1-21 sehr einfach. Und der erste … goss seine Schale aus … Und der zweite goss seine Schale aus …: So geht es sieben Mal in diesem Abschnitt. Der Rhythmus erinnert an die Tage der Schöpfungsgeschichte in Gen 1. Allerdings sind die Unterabschnitte in der Mitte (bei der dritten Schale) und am Schluss (bei der sechsten und siebten Schale) länger. Getroffen werden die Menschen, das Meer, die Flüsse und Wasserquellen, die Sonne, der Thron des Tieres und die Menschen seines Reiches, der Euphrat, die Luft und wieder die Menschen, kurz gesagt: die Menschen und die Welt, in der sie leben. Aus der Tatsache, dass eines der vier Wesen von Offb 4,6 die Schalen überreicht (15,7) und die vier Wesen die Schöpfung repräsentieren, darf also nicht geschlossen werden, dass die sieben Plagen nur der Schöpfung gelten. Die Verse 2 und 10 stellen sicher, dass wir uns noch in der Zeit des Antichrist befinden. Unser obiger Zeitansatz, wonach die sieben Schalen und Plagen in die zweite Hälfte des Antichrist-Reiches fallen, bestätigt sich also von Neuem. Umso erstaunlicher ist es, dass meist nur von den Menschen im Allgemeinen, von der Erde und der Schöpfung die Rede ist, aber höchstens en passant vom Tier, seinem Reich und seinem Zeichen. Es trifft also den Inhalt von Offb 15,1–16,21 nicht genau, wenn Roloff in diesen Versen die „Erweise des strafenden Zornes Gottes über seine Widersacher“ sieht.1273 Vielmehr müssen wir das Motiv der erwarteten Bekehrung (V. 9.11.21) und der dann tatsächlich erfolgten Lästerung (ebenfalls V. 9.11.21) stärker gewichten. Jedoch scheitert
1272 Zu οὕτω vgl. Blass-Debrunner § 21,2. 1273 Roloff S. 156.
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der Versuch Gottes, durch seine Gerichte eine Bekehrung der Menschen hervorzurufen – weil sie nicht wollen. Die Parallelität mit der Befreiung Israels aus Ägypten setzt sich auch in Offb 16,1-21 fort. Die Motive des Geschwürs, des Blutes, des Hagels und des Austrocknens des großen Stroms beweisen es (vgl. Ex 9,8ff; 7,17ff; 10,21ff; 9,13ff; 14,21ff). Daneben aber hat Offb 16 weitere alttestamentliche Themen aufgenommen: den Kelch des Zornweines Gottes, das Blut der Heiligen und Propheten, unreine Geister wie Frösche (vgl. 1Kön 22,20ff), Harmagedon, Babylon, das Verschwinden von Inseln und Bergen. Hinzu kommen Themen aus den Jesuslogien (V. 15). Man tut also gut daran, sich nicht vorschnell auf bestimmte Auslegungsschemata („Exodustradition“) festzulegen.
III Einzelexegese Exkurs: Offb 16 in der Kirchengeschichte Im Vergleich mit Offb 15 hat das 16. Kapitel der Offenbarung in der Kirchengeschichte doch eine stärkere Beachtung gefunden. Wir nennen einige Beispiele: Originell ist Luthers Deutung der sieben Schalen. Er wertet sie als positiven Vorgang und erklärt sie als „viele gelehrte fromme Prediger“.1274 Durch ihre Evangeliumsverkündigung wird „des Tieres Stuhl“, das ist das Papsttum, „finster, unselig und verachtet“.1275 Mit einem Wort: Die sieben Plagen sind Plagen für das Papsttum, und die sieben Schalen bedeuten die Reformation. Aber das Papsttum wehrt sich. Es benutzt die „drei Frösche, drei unsaubere Geister aus des Tieres Maul“ (vgl. 16,13f), um „die Könige und Fürsten wider das Evangelium zu reizen“.1276 Diese Frösche sind die Sophisten, also Luthers Gegner, „wie Faber, Eck, Emser etc., die viel quaken wider das Evangelium, und schaffen doch nichts und bleiben Frösche“1277. Im Täufertum der Reformationszeit fand der Euphrat von Offb 16,12 besonderes Interesse. Man erwartete hier ein großes Heer aus dem Norden oder Osten, das die Welt bestrafen sollte.1278 Nahe bei Luther steht Coccejus (1603–1669), der die Schalen von Offb 16,5ff auf den Fall des Papsttums deutet.1279
1274 1275 1276 1277 1278 1279
Vorreden S. 187. A.a.O. A.a.O. A.a.O. Vgl. Maier Offb S. 255f. Maier Offb S. 330, vgl. S. 327.
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Auch Bengel wandte dem „großen Strom Euphrates“ seine besondere Aufmerksamkeit zu. Die Zornschale des sechsten Engels, die auf diesen Strom ausgegossen wird, trifft seiner Meinung nach vor allem die Türken. Denn sie liegen diesseits des Euphrat. Die morgenländischen Könige, die zum Strafgericht gegen sie heranziehen, kommen dann aus Persien und Indien.1280 Philipp Jakob Spener (1635–1705) betrachtete mit Ausnahme von Offb 16,10f alle Schalengerichte als noch zukünftig.1281 Das half ihm, die eschatologische Perspektive und die Zukunftserwartung stärker zu vertreten, als es bis dahin im Luthertum üblich war. Interessant ist, dass die existenziale Theologie bei Wolfgang Trillhaas, die die gesamte kosmologische Eschatologie ausschied, doch einen positiven Gebrauch von der Doxologie in Offb 16 machen konnte.1282 Im letzten Jahrhundert spielte das Harmagedon von Offb 16,16 bei vielen Sondergemeinschaften eine wichtige Rolle. So wird nach den Zeugen Jehovas in der Schlacht von Harmagedon die Macht Satans vollkommen vernichtet. „Hier findet“ ihnen zufolge „die alte Welt … ihr Ende“.1283 Harmagedon ist also der eigentliche Abschluss der Weltgeschichte. Ähnlich leitet bei der „Kirche Gottes“ (Herbert Armstrong) die Schlacht von Harmagedon das Tausendjährige Reich ein1284 – ein Gedanke, den auch die Philadelphia-Gemeinde vertritt.1285 Wir betreten also mit Offb 16 ein interessantes Gebiet der Auslegung.
Bei V. 1 Und ich hörte bewegen wir uns vor allem im Bereich der Audition. Die gewaltige Stimme (μεγάλη φωνή [megale phone]) kann nur Gottes Stimme sein.1286 Denn er allein ist jetzt im Tempel. Den sieben Engeln, die sich in V. 5-8 vorbereitet hatten, wird in 16,1 der grundlegende Auftrag gegeben: Geht und gießt die sieben Schalen des Zornes Gottes aus auf die Erde! Zu den Schalen des Zornes Gottes vgl. die Erklärung bei 15,1 und 15,7. Das Bild vom Ausgießen des Zornes Gottes treffen wir mehrfach im AT (Ps 69,25; Jer 7,20; 10,25; 42,18; 44,6; Ez 14,19; Zeph 3,8).1287 Das Gegenteil wäre das Ausgießen des Heiligen Geistes, der Liebe Gottes und der Gnade 1280 1281 1282 1283 1284 1285 1286
Bengel S. 824f. Hirsch II S. 152. Trillhaas S. 120. Kurt Hutten, Seher, Grübler, Enthusiasten, 10. Aufl., Stuttgart, 1966, S. 94. Hutten a.a.O. S. 200. Hutten a.a.O. S. 224. Bousset 1896 S. 456; Lohmeyer 3 S. 132. Weshalb Giesen S. 349 einschränkt: „auch wenn er nicht der Sprecher ist“, ist nicht ganz verständlich. Weiter Mounce S. 293; Kraft S. 204; Swete S. 200. Anders Pohl II S. 181: Eines der vier Wesen. 1287 Vgl. Giesen a.a.O.
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(Jes 32,15; Ez 36,25; 39,29; Joel 3,1f; Sach 12,10; Apg 10,45; Röm 5,5; Tit 3,6).1288 Auf die Erde (εἰς τὴν γῆν [eis ten gen]) sollen alle Schalen ausgegossen werden. Erde ist hier die gesamte Lebenswelt des Menschen, also nicht nur das trockene Land im Gegensatz zu den Ozeanen. Hermann Sasse kennzeichnet sie „als Schauplatz der Geschichte“.1289 Jedenfalls bedeutet auf die Erde mehr als „auf das Tier“ oder „sein Reich“. Deshalb greift es zu kurz, nur „die Anhänger des Kaiserkultes und … das Römische Reich“ als „die Betroffenen des Gerichtsgeschehens“ auszumachen.1290 Ebenso führt es in eine Sackgasse, wenn man mit Bousset in Offb 16 alles „gegen das Cäsarentum“ deuten will.1291 Auch die christliche Gemeinde, die jene Zeit erlebt, bekommt manche Auswirkungen der Schalen zu spüren. Für sie gibt es kein „Insel-Paradies“ (vgl. Joh 17,15). In den Worten Geht hin und gießt aus! liegt etwas erschreckend Endgültiges.1292 Im AT vgl. Jes 66,6.1293 Und der erste ging und goss seine Schale aus auf die Erde (V. 2): Bengel schloss aus dem Umstand, dass es nur heißt der erste, aber nicht „der erste Engel“, dass die Schalen sehr schnell aufeinanderfolgen.1294 Das ist wohl eine Überinterpretation. Allerdings bemerken wir gegenüber den Posaunengerichten (8,7ff: „… der zweite Engel / der dritte Engel“) eine Komprimierung bei den Schalengerichten. Im Vergleich mit 8,7–11,5 ist 16,1-21 wirklich knapp gefasst. Johannes geht jetzt zügiger der Wiederkunft Jesu und der Neuschöpfung entgegen. In die Linie dieser Verknappung gehört auch der Umstand, dass ἀπῆλθεν [apelthen] (er ging) nur beim ersten Engel steht, obwohl es sachlich zu allen gehört.1295 Das Ausgießen der ersten Schale bewirkt ein böses und schlimmes Geschwür an den Menschen. Böse und schlimm (κακὸν καὶ πονηρόν [kakon kai poneron]) meint wohl: „unheilbringend und alles zum Bösen wen-
1288 Vgl. J. Behm, Art. ἐκχέω usw., ThWNT, II, 1935, S. 465f. 1289 Im Art. γῆ usw., ThWNT, I, 1933, S. 677. Anders Frey S. 175 („Raum der Kirche“); Hadorn S. 161: das Festland und seine Bewohner; Bengel S. 813: Asien; U.B. Müller S. 279: Festland. 1290 Gegen Giesen S. 347. 1291 Bousset a.a.O. 1292 Morris S. 192: „air of finality“. 1293 Mounce a.a.O.; Kraft a.a.O.; Aune S. 882. 1294 Bengel S. 811: „Die Schalen werden … sehr geschwind nacheinander ausgegossen.“ Ihm folgt Pohl II S. 182. 1295 Bei ἀπῆλθεν [apelthen] darf das „weg“-gehen nicht zu sehr betont werden. Denn es heißt oft ganz einfach: „er ging hin“ (Bauer-Aland Sp. 168). Gegen Bengel S. 813; Morris S. 193.
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dend“.1296 Geschwür (ἕλκος [helkos]) begegnet uns bei der sechsten ägyptischen Plage (Ex 9,10f). Die Parallelität mit den ägyptischen Plagen setzt sich also fort. Auch in Dtn 28,35 finden wir mit ἐν ἕλκει πονηρῷ [en helkei ponero] (LXX) eine verwandte Wendung. Das Geschwür kann körperlich betrachtet Krebs sein1297, aber auch ein epidemisches Geschwür, bösartige Pusteln, Pestbeulen oder eine sonstige Hautkrankheit.1298 Vgl. noch Hiob 2,7f. Betroffen sind solche Menschen, die das Zeichen des Tieres hatten und sein Bild anbeteten (vgl. Offb 13,15-18). Kurz gesagt: Es sind die Anhänger des Antichrist.1299 Daraus ergibt sich: Wir befinden uns tatsächlich noch in der Zeit des Antichrist.1300 Wir fragen noch einmal: Was ist das für ein Geschwür? Verschiedene Möglichkeiten wurden oben aufgezählt. Auch an die Folgen eines Atomkrieges kann man denken.1301 Nicht auszuschließen ist eine Auswirkung im „unsichtbar-geistigen“ Bereich, die manche Ausleger1302 erwogen haben. Die Bibel lässt es offen, was die genauen Erscheinungsformen und Auswirkungen sind, und deshalb lassen wir es ebenfalls offen.1303 Johann Michael Hahn machte einst (1815) die nachdenkliche Anmerkung, wenn alles so „grausamen Unordnungen“ unterworfen werde, würden indirekt auch auf die Gläubigen „vielerlei Geschwüre, Krankheiten und Seuchen“ zukommen.1304 Da die Gemeinde Jesu in jener Zeit noch auf der Erde weilt – sonst wäre der Schluss von Offb 16,2 nicht geschrieben worden!1305 – wird seine Überlegung zutreffen. Deutlich besteht außerdem eine Beziehung zwischen dem Zeichen des Antichrist und dem Geschwür: Derselbe Mensch und derselbe Leib, der als Ei-
1296 Die Deutung von πονηρόν [poneron] auf „schmerzhaft“ (z.B. Hadorn S. 164; G. Harder, Art. πονηρός usw., ThWNT, VI, 1959, S. 554; Bauer-Aland Sp. 1385) wird durch relativ wenige Belege gestützt. 1297 So z.B. Philberth S. 198ff. 1298 Vgl. D.H. Trapnell / W. Bittner-Schwob, Art. Krankheit, GBL, 2, S. 830ff. 1299 Anders Lohmeyer 3 S. 133: „nicht die Menschen Gegenstand der Plage, sondern ebenso das Land“. 1300 Lohse S. 91. 1301 P. Müller S. 49; Philberth a.a.O. 1302 Vgl. Grünzweig II S. 92; Hartenstein S. 202; Frey S. 175; Giesen S. 349f. Ganz dagegen Bengel S. 814: „nach dem Buchstaben zu verstehen“. Wie Bengel Hadorn S. 164. 1303 Vgl. Allo S. 255: „au sens physique ou au sens moral“. 1304 J.M. Hahn S. 489. 1305 Nur vom Darbysmus beeinflusste Auslegungen rechnen mit einer „Entrückung“ der Gemeinde vor den Schalengerichten oder mitten in der „Trübsal“, so z.B. Frey S. 165; Grünzweig II S. 193.
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gentum des Antichrist markiert wurde, wird nun gut erkennbar das Kainsmal der Strafe Gottes tragen.1306 Der 3. Vers betrifft das Meer: Und der zweite goss seine Schale aus auf das Meer1307 … Von nun an bilden die Worte Und der zweite/dritte usw. goss seine Schale aus den gliedernden Rhythmus des ganzen Kapitels. Das Meer ist wieder Teil der Lebenswelt des Menschen, also das System der Ozeane auf dieser Erde. Am besten nimmt man das Meer hier im äußeren, buchstäblichen Sinn1308, und nicht im Sinne des Völkermeeres.1309 Sonst müsste ja „jedes lebendige Wesen“ = jeder Mensch in diesem Völker-„Meer“ sterben! Die Folgen sind dennoch schrecklich: Das Meer wurde zu Blut wie von einem Toten (ὡς νεκροῦ [hos nekru]), und jedes lebendige Wesen (πᾶσα ψυχὴ ζωῆς [pasa psyche zoes]) im Meer starb. An sich könnte man πᾶσα ψυχή [pasa psyche] als „jedermann“, „jeder Mensch“ deuten.1310 Aber da das Meer nicht als dauerhafter Lebensraum für Menschen dient, muss man πᾶσα ψυχὴ ζωῆς [pasa psyche zoes] als „animalisches Leben“ verstehen.1311 Es handelt sich also um die Meerestiere, und zwar aller Arten. Sie sterben, weil das Meer … zu Blut wurde (ἐγένετο αἷμα [egeneto haima]). Darin liegt zunächst eine Parallele zur ersten ägyptischen Plage (Ex 7,17ff). Allerdings blieb diese Plage beschränkt auf Ägypten. Sodann bildet Offb 16,3 eine Parallele zum sechsten Posaunengericht in Offb 8,8f. Aber wiederum beobachten wir, dass Offb 8,8f beschränkt blieb auf den dritten Teil des Meeres, während jetzt das gesamte Meer des Erdballs in Blut verwandelt wird. Wie die Ausleger mit Recht betonen, widerrät schon die gewaltige Steigerung der Plagen in Offb 16 der Annahme einer Rekapitulation der Posaunengerichte.1312 Zwei griechische Worte charakterisieren das Blut näher: wie von einem Toten (ὡς νεκροῦ [hos nekru]). Macht schon die Verwandlung des Wassers zu Blut die Meere stinkend und eklig (Ex 7,18.21), so erzeugt die Verbindung von Blut und Leichnam erst recht den Ekel, erweckt Offb 16,3 doch den Eindruck „ei1306 Pohl a.a.O.; Limbach S. 47; Kraft S. 205; Giesen S. 350; Schlatter S. 286f; Hadorn S. 164; Roloff S. 162. 1307 Hadorn S. 161: „in das Meer“ – sachlich kein Unterschied. Wie Hadorn Bengel S. 815. 1308 Vgl. wieder Bengel a.a.O., der aber S. 815 das Meer auf Europa deutet. Anders Hartenstein a.a.O. 1309 Gegen Limbach S. 47; Frey S. 176; Grünzweig a.a.O.; Hartenstein a.a.O. Vgl. Vitringa S. 702ff, der sich mit geistlichen Auslegungen z.B. bei Medus und Coccejus auseinandersetzt. 1310 Vgl. A. Dihle und E. Schweizer im Art. ψυχή usw., ThWNT, IX, 1973, S. 630.654. Bengel S. 815: „Menschen, Thiere, Fische“. 1311 So Schweizer a.a.O. S. 654; Roloff a.a.O. 1312 Vgl. Bousset 1896 S. 456; Lohse S. 91; Giesen S. 347f; Mounce S. 291; Hadorn S. 164. Anders Lohmeyer 3 S. 133: Offb 15–16 sei „eine Wiederholung von 7,9–9,21“.
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nes in seinem Blute schwimmenden Ermordeten“1313 oder von „Verwesungsblut“, verbunden mit „Leichengeruch“1314. Außerdem war der Blutgenuss im AT verboten (Lev 17,10ff; Dtn 12,23), und ein Toter, den man berührte, machte unrein (Lev 21,1ff). Ekelerregend, todbringend, verunreinigend: So sind also die Meere nach der zweiten Schale.1315 Die Auswirkungen für die Menschen im Antichrist-Reich müssen verheerend sein: Es wird „der Lebensbereich Meer vernichtet“1316, damit eine der Ernährungsgrundlagen der Menschheit und die Seefahrt zumindest eingeschränkt. Philberth sprach hier ganz konkret von „mit Radioisotopen verseuchtem Wasser“1317, doch müssen wir heute die Einzelheiten noch offenlassen.1318 V. 4 hat die dritte Schale zum Gegenstand. Der dritte Engel goss seine Schale aus auf die Flüsse und Wasserquellen und es wurde zu Blut. Der Vorgang von V. 3 weitet sich also aus auf alle Süßwasser-Flüsse und -Quellen. Auch in Offb 8,8-10 fand eine Ausweitung auf das Süßwasser statt. Vgl. die Erklärung dort. Die ausführliche Erwähnung der Flüsse macht die Parallele zur ersten ägyptischen Plage noch enger, wo es um die Verwandlung der „Ströme und Kanäle und aller Wasserstellen“ (ποταμοὶ … καὶ … πᾶν … ὕδωρ [potamoi … kai … pan … hydor]) in Blut geht (Ex 7,19; vgl. Ps 78,44). Wieder werden wir zuerst an die Flüsse und Quellen der Erde im äußeren Sinne zu denken haben.1319 Allerdings ist Wasser in der Bibel ein häufiges Bild für Wort und Lehre, sodass auch eine Deutung in geistlich-übertragenem Sinne nicht ausgeschlossen werden kann.1320 Der Effekt der Verwandlung des Wassers in Blut wird schon in Ex 7,17ff beschrieben: Die Gewässer werden stinkend, die Fische sterben, das bisherige Wasser kann man nicht mehr trinken.1321 Man wundert sich, wie die Menschheit so etwas übersteht. Und ebenso wundert man sich, wie die Menschheit trotz dieser Strafgerichte weiterhin die Herrschaft des Antichrist erträgt. Die Steigerung gegenüber Offb 8,10 ist offensichtlich: Dort wurde nur der dritte Teil der Gewässer in Mitleidenschaft gezogen, jetzt sind es alle Gewässer. 1313 1314 1315 1316 1317 1318
Lohmeyer a.a.O.; Giesen S. 350. So Hadorn a.a.O. und S. 162; Roloff a.a.O. Vgl. Kraft S. 205. U.B. Müller S. 279; Lohmeyer a.a.O. Philberth S. 201f. Vgl. die vorsichtige Auslegung bei Vitringa, der „jedes lebendige Wesen“ als hyperbolisch auffasst, also im Sinne von „viele Lebewesen“ oder „Lebewesen aller Art“ (S. 702); sowie P. Müller S. 49. 1319 Bengel a.a.O. deutet auf Afrika, vor allem Ägypten. 1320 So deutet Vitringa S. 706 auf „Doctrina“ und „Doctores“ der Kirche. 1321 Philberth S. 201: „vollständige Ungenießbarkeit“. Vgl. Hadorn S. 162.
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Die V. 5-7 fallen nun aus dem bisherigen Rhythmus heraus. Denn sie enthalten eine Lobpreisung (Doxologie), die von zwei unvermuteten Seiten kommt: vom Engel der Wasser und vom Altar. Dieser doppelte Lobpreis hat aber ein einheitliches und gemeinsames Zentrum, und das ist das Stichwort gerecht. Inmitten schwerster Strafgerichte wird hier Gottes Gerechtigkeit gerühmt. Schon dieser Umstand macht die Verse 5-7 zu etwas Besonderem. Und ich hörte den Engel der Wasser sagen: Gerecht bist du … (V. 5): Wer ist dieser Engel der Wasser (ἄγγελος τῶν ὑδάτων [anggelos ton hydaton])? Wir erinnern uns an Offb 14,18, wo ein Engel erwähnt wird, „der Macht über das Feuer hatte“. Nach den jüdischen Lehrern, die in der Zeit um Christi Geburt den Mittelteil des äthiopischen Henochbuches schrieben, hat Gott „über die Wasserkräfte“ bestimmte „Engel gesetzt“.1322 Im AT sind gelegentlich ebenfalls „Bereichsengel“ angedeutet (vgl. Dan 10,13.20; 12,1; Mal 3,1). Es könnte also auch mit dem Engel der Wasser ein solcher „Bereichsengel“ gemeint sein. Eine andere Möglichkeit der Erklärung ist die, dass man im Engel der Wasser eben den „die Gewässer vergiftenden Engel“ von Offb 16,3ff sieht.1323 Aber nach Offb 16,3f handelt es sich um zwei solche Engel. Sind sie also beide gemeint? Die verwandte Stelle Offb 14,18 und die übrigen biblischen Stellen lassen uns doch eher der Annahme eines „Bereichsengels“ zuneigen.1324 Gerecht bist du (Gott): Das ist die Kernaussage unseres Hymnus. Wörtlich wird hier das Gotteslob des Alten Testaments aufgenommen (Dtn 32,4; Ps 119,137; 145,17). Dieses δίκαιος εἶ [dikaios ei] ist u.a. deshalb so erstaunlich, weil der Engel der Wasser ja die Zerstörung seines bisherigen Bereichs, der seit der Schöpfung existierenden Gewässer, erleben muss.1325 Aber Gottes Weg ist heilig (Ps 77,4). Deshalb fügt er ausdrücklich hinzu du Heiliger (ὁ ὅσιος [ho hosios]).1326 Es scheint, dass dieses ὅσιος [hosios] zusammen mit δίκαιος [dikaios] direkt aus Ps 145,17 (144,17 LXX) genommen ist, wo wir lesen: δίκαιος κύριος … καὶ ὅσιος ἐν πᾶσιν τοῖς ἔργοις αὐτοῦ [dikaios kyrios … kai hosios en pasin tois ergois autu].1327 Die Gottesanrede der da ist und der da war (ὁ ὢν καὶ ὁ ἦν [ho on kai ho en]) begegnete uns schon in Offb 1,4.8; 4,8; 11,17. Wie in Offb 11,17 fehlt auch in Offb 16,5 „der kommt“ 1322 ä Hen 66,2. Vgl. S. Uhlig, Das Äthiopische Henochbuch, JSHRZ, V, 6, 1984, S. 494. 1323 So Roloff a.a.O.; Mounce S. 294f; Römer S. 158. 1324 Ebenso U.B. Müller S. 280; Swete S. 202; Allo S. 255; Hadorn S. 162; Morris S. 194; Schlatter S. 287; Behm S. 90; Caird S. 202; Aune S. 884. 1325 Vgl. Schlatter S. 287. 1326 ὁ ὅσιος [ho hosios] ist hier Vokativ (Swete S. 202). 1327 Vgl. auch Ps 22,4; 99,3; 111,9; Jes 6,3; Lk 1,49.
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(ὁ ἐρχόμενος [ho erchomenos]). Die alttestamentliche Ausgangsstelle ist bekanntlich Ex 3,14. Angerufen wird also der gerechte, heilige und ewige Gott. Der Engel der Wasser nennt als Grund1328 seines Lobpreises, dass du dieses Urteil gesprochen hast (ὅτι ταῦτα ἔκρινας [hoti tauta ekrinas]). Gemeint ist das strafende Gerichtsurteil, wonach die Wasser in Blut verwandelt wurden (V. 3 und 4). V. 6 wird gleich noch mehr dazu sagen. Es lohnt, hier einen Augenblick innezuhalten. Die Gerechtigkeit Gottes gehört zu den Kernfragen des Theodizeeproblems. Das Theodizeeproblem bricht mit großer Wucht im Hiobbuch auf. Es spitzt sich noch einmal zu während der Katastrophe Jerusalems und der babylonischen Gefangenschaft, wo Hesekiel sich der Aussage stellen muss: „Der Herr handelt nicht recht.“1329 Aber auch die Dialoge des Maleachibuches sind von diesem Problem durchzogen. Offb 16 lässt uns nun deutlich spüren, dass unter den Katastrophen und Strafgerichten der Endzeit die Theodizeefrage: „Ist Gott gerecht – und wie?“ einer letzten Zuspitzung entgegenläuft. Sie wird in der Engelwelt nicht weniger aufmerksam registriert als in der Menschenwelt (vgl. Offb 16,5-7). Aber während Letztere Gott und Gottes Gerechtigkeit in Abrede stellt, bekennt sich die himmlische Welt zusammen mit der glaubenden Gemeinde zum „gerechten Gott“. Auch die furchtbaren Vorgänge von Offb 16 widerlegen die Wahrheit nicht, dass Gott der gerechte und heilige bleibt, bestätigen es vielmehr. Die Schuld der Menschheit hat sich am Ende so hoch aufgetürmt, dass sie die schwersten Strafen verdient hat (vgl. Lk 12,47f). Straflos könnte sie nur bleiben, wenn es keine Gerechtigkeit mehr gäbe (vgl. Offb 6,10; Ps 58,12). Aber Gott handelt nicht nur deshalb gerecht, weil die „Strafe dem Vergehen entspricht“1330, sondern auch deshalb, weil er das Talionsprinzip oder das „Prinzip der adäquaten Vergeltung“1331 überbietet durch seine unbeschreibliche Liebe. Diese Liebe zur „Welt“ (κόσμος [kosmos]; Joh 3,16) dokumentiert sich darin, dass er die Strafgerichte von Offb 16 einsetzt, um die Menschheit doch noch zur Bekehrung, zur Umkehr, zu bewegen. V. 6 gibt nun die Begründung für das Gottes-Urteil von V. 5. Wie Swete (S. 203) fassen wir V. 6 als neuen Satz auf. Gottes Urteil der Verwandlung von Wasser in Blut erging, weil sie das Blut von Heiligen und Propheten vergossen haben. Blut vergießen, αἷμα ἐκχεῖν [haima ekchein], hebräisch 1328 Allo S. 255 betrachtet allerdings das ὅτι [hoti] als „explicatif, non causatif “. Begründendes ὅτι [hoti] auch nach Aune S. 885. 1329 Ez 18,29; 33,17. Vgl. die Kapitel 18 und 33 insgesamt. 1330 Roloff a.a.O. 1331 U.B. Müller S. 280; Kraft a.a.O.
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([ ָשַׁפְך ָדּם ) ָדִּמיםschaphach dam (damim)], heißt einen Mord begehen. Da im Hebräischen auch die Pluralform [ ָדִּמיםdamim] stehen kann1332, könnte in V. 6 sowohl die Einzahl αἷμα [haima] als auch die Mehrzahl αἷματα [haimata] ursprünglich sein.1333 Im AT vgl. Gen 9,6; 37,22; Num 35,33; Dtn 21,7; Ps 79,3.10; Ez 16,38; 18,10. Wer hat Heilige und Propheten (der Artikel fehlt!) ermordet? Heilige sind Angehörige des Volkes Gottes, übrigens schon im AT (Dan 7,18.27); bei den Propheten kann man an alttestamentliche oder neutestamentliche Propheten oder an beide denken. In der Offenbarung sind uns ermordete Heilige schon in 2,13; 6,9ff; 12,11; 13,10.15 begegnet. Ein Blick in die biblischen Zusammenhänge lehrt, dass die Ermordung von Angehörigen des Volkes Gottes von Abel an (Gen 4) durch die gesamte Geschichte hindurch stattgefunden hat. Sie setzte sich bis in die Tage des Johannes fort (Apg 12,1; Offb 2,13) und wird sich bis zur Wiederkunft Jesu fortsetzen (Offb 6,11; 17,6). Ähnliches lässt sich in der Geschichte der Propheten beobachten (vgl. 1Sam 22,6ff; 1Kön 18,3ff; 2Chron 24,20ff; Jer 38–39; Hebr 11,32ff). So sah es Jesus selbst (Mt 23,35). Angesichts dieser Zusammenhänge sollte man Heilige und Propheten nicht auf das NT beschränken. Besser ist es, mit Allo1334 hier sowohl das AT als auch das NT, also die gesamte Menschheitsgeschichte, eingeschlossen zu finden. Dann meint das Subjekt in ἐξέχεαν [exechean] – das unbestimmte sie – die Schuld der gesamten Menschheit. Israel ist davon nicht ausgenommen (vgl. Mt 23,35; Ez 24,7; 36,18). Diese Gesamtschuld der Menschheit hat Gott zu den Plagen des 16. Kapitels bewegt.1335 Und Blut hast du ihnen dafür zu trinken gegeben: Es ist ein häufiger biblischer Grundsatz, mit dem zu strafen, womit man sich verschuldet hat (vgl. Gen 9,6; Ex 21,23ff; Jes 49,26; Ez 35,6; Mt 26,52; Sap Sal 11,16). So auch hier. Dadurch kommt Gerechtigkeit sinnenfällig zum Ausdruck. Leider missbraucht die menschliche Rachsucht auch diesen Gerechtigkeitsgrundsatz. Etwas unglücklich sprechen wir von einem „Talionsprinzip“ oder „Prinzip der adäquaten Vergeltung“ – als ob es um „Prinzipien“ ginge! In Wirklichkeit handelt es sich um Gerechtigkeitsurteile Gottes. Gerade dies kommt in den Schlussworten zum Ausdruck: sie haben es verdient! Griechisch sind es zwei Wörter: ἄξιοί εἰσιν [axioi eisin]. Ein „denn“ oder Ähnliches steht nicht dabei. Eindrücklich ist diese Feststellung besonders 1332 1333 1334 1335
Vgl. Gesenius S. 164. Vgl. Swete S. 202; Allo S. 256; Blass-Debrunner § 141,10. Allo a.a.O. Anders Swete S. 203: Nur Christen und ihre Führer sind mit den „Heiligen und Propheten“ gemeint; wie Swete auch Barclay II S. 147; Behm S. 90; Aune S. 886ff; Frey S. 176; Pohl II S. 184; Satake KEK S. 334.
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für jene, die etwa bei einer Ehrenpromotion in Osteuropa den vielstimmigen Zuruf „Axios!“ vernommen haben. Es entspricht – wenn auch in schauerlicher Weise – vollkommen jener „Würde“, die die schuldigen Menschen sich zugelegt haben, dass sie jetzt mit Blut getränkt werden.1336 Hinter ihrem Verhalten steckt ja eine Lebensentscheidung gegen Gott. Swete nennt diese Worte von Offb 16,6 „a terrible antithesis“ zu Offb 3,4 und verweist auf Lk 12,48; Röm 1,32; Hebr 10,29.1337 Eine geistliche Auslegung1338 kann nur unter größter Zurückhaltung erfolgen. Das Primat der realistischen, schöpfungsmäßigen Deutung auf die tatsächlichen Gewässer sollte sie nicht infrage stellen. Ein zweiter Hymnus schließt sich in V. 7 an. Er geht auffallenderweise vom Altar aus: Und ich hörte den Altar sagen … Das erneute καὶ ἤκουσα [kai ekusa] beweist, dass diese zweite Stimme neben dem Engel der Wasser durchaus ihre eigene Bedeutung hat. V. 5f und V. 7 treten nebeneinander, um als zwei Zeugen nach dem alttestamentlichen Zeugenrecht (Dtn 19,15) die Gerechtigkeit Gottes auszusagen. Dass der Altar (τὸ θυσιαστήριον [to thysiasterion]) selbst spricht, ist einmalig. In Offb 14,18 kommt zwar ein Engel vom Altar, aber der Altar selbst redet nicht. Und auch in Offb 9,13 hört Johannes nur eine Stimme „aus den vier Hörnern des goldenen Altars“, aber den Altar selbst nicht. Der redende Altar in Offb 16,7 kann verschieden verstanden werden1339: a) als personifizierter Altar; b) als Engel des Altars1340; oder c) als „Stimme der betenden und leidenden Kirche Christi“1341. Die Abschreiber der alten Bibelhandschriften stolperten zum Teil über die ungewöhnliche Aussage und veränderten den Text so, dass „ich hörte einen vom Altar her reden“ zu lesen war.1342 Am besten versteht man den Bericht des Johannes so, dass er den Altar im Himmel als personifiziert erlebte.1343 Dass Tempel und Altar im Himmel keine irdisch-materiellen Bauten sind, sondern geistliche Bereiche, haben wir bei unserer ganzen Auslegung erkennen müssen. Ein solcher himmlischer Bereich aber kann durchaus eine Stimme bekommen. 1336 Vgl. W. Foerster, Art. ἄξιος usw., ThWNT, I, 1933, S. 378f. 1337 Swete S. 203. αὐτοῖς [autois] bezieht sich auf diejenigen, die Blut vergossen haben, vgl. die Diskussion bei Aune S. 887f. 1338 Beispiele: Frey a.a.O.; Grünzweig II S. 96; Hartenstein S. 202f. Realistisch dagegen die Deutung bei J.M. Hahn S. 501ff, der auch Bengels Deutung der Gewässer auf Afrika (S. 817f) ablehnt. 1339 Vgl. Swete a.a.O. 1340 So z.B. Kraft S. 206. 1341 Vgl. Barclay a.a.O. S. z.B. Roloff a.a.O. 1342 Handschriften 046, 2329 pc a. So fasst es auch Aune S. 888 auf. 1343 Allo S. 256: „personnifié“; Giesen S. 352.
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Hätte Johannes einen „Engel des Altars“ vorausgesetzt, hätte er es vermutlich auch so formuliert – die Parallele zum „Engel der Wasser“ hätte ja nahegelegen. Die Worte, die er hört, sind: Ja, Herr, Gott, Allmächtiger1344, wahrhaftig und gerecht sind deine Gerichte. Die Anrufung Herr, Gott, Allmächtiger (κύριε ὁ θεὸς ὁ παντοκράτωρ [kyrie ho theos ho pantokrator]) entspricht vollständig den Hymnen in 4,8; 11,17; 15,3. Was der Altar sagt, sagten auch die vier Wesen, die vierundzwanzig Ältesten und die Überwinder am gläsernen Meer. Es ist das Bekenntnis der himmlischen Welt. Zu den Einzelheiten vgl. die Erklärung bei 4,8; 11,17; 15,3. Unterstrichen sei hier nur, dass die Dreifachanrede Herr – Gott – Allmächtiger auch als Hinweis auf die Trinität gedeutet werden kann. Das Ja (ναί [nai]) bedeutet wie in 1,7 und 14,13 eine Bekräftigung, beinahe so viel wie „Amen“.1345 Dann folgt das Kernwort der ganzen Verse 5-7: wahrhaftig und gerecht sind deine Gerichte (ἀληθιναὶ καὶ δίκαιαι αἱ κρίσεις σου [alethinai kai dikaiai hai kriseis su]). Swete hat recht: Diese Aussage ist „nahezu wörtlich vom Lied des Mose und des Lammes, … in der Tat … eine Kurzform davon (almost verbally from the ‚Song of Moses and of the Lamb‘, … indeed … an epitome of it)“1346. Vgl. Offb 15,3. Im Hintergrund stehen die Aussagen des AT, z.B. in Ps 18,10; 118,137 LXX1347, deren Richtigkeit also vom Altar bestätigt wird. κρίσεις [kriseis] geht auf das hebr. שׁ ָפִּטים ְ [ ִמmischpatim] zurück.1348 Die Bedeutungsbreite reicht von „Schaffung des Rechts“ über „Entscheidung“ und „Urteilsspruch“ bis hin zu „Strafgericht“ und Gericht.1349 Gott stellt das Recht her: Das ist der Grundgedanke. Und er tut dies vollkommen recht-mäßig, wahrhaftig (ἀληθινός [alethinos]) = der Wahrheit gemäß und ohne jeden Abstrich gerecht (δίκαιος [dikaios]). Wer erlöst ist, braucht sich nicht zu fürchten (1Joh 3,20; 4,18). Wer die Erlösung abgelehnt hat, kann im Gericht „auf tausend nicht eins antworten“ (Hiob 9,3). So hat sich das Bekenntnis des gerecht-Seins Gottes von Offb 15,3 über 15,4 und 16,5 bis 16,7 hindurchgezogen. Aber noch etwas anderes fällt auf: Das ist der enge Bezug von Offb 16,7 zu Offb 6,9ff. Dort war der himmlische Altar der Aufenthaltsbereich der toten 1344 1345 1346 1347 1348
Die Nominative vertreten den Vokativ. Blass-Debrunner § 441,2; Aune a.a.O. Swete a.a.O. Schlatter BFchTh S. 27 will Offb 16,7 aus Jes 6,6 ableiten. Vgl. F. Büchsel im Artikel κρίνω usw., ThWNT, III, 1938, S. 942; V. Herntrich a.a.O. S. 922ff. 1349 Herntrich a.a.O. S. 923.
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Märtyrer. Insofern kann man wirklich sagen, dass der Altar ein „Symbol für die Seelen der Gemordeten“ sei1350, ja sogar der „Sprecher der zerschlagenen Blutzeugen“1351. Wenn jetzt der Altar das Bekenntnis ausspricht, Gottes Gerichte in Kap. 16 seien gerecht, dann muss man sagen, dass der Ruf der Märtyrer in Offb 6,9ff nach dem Richten Gottes (κρίνειν [krinein]) jetzt erfüllt ist.1352 Wichtig ist noch eine weitere Beziehung. Ist nicht dieser Altar nach Offb 8,3ff der Ort, an dem die Gebete der Heiligen = der Christen niedergelegt werden? Insofern repräsentiert er die Gebete der Kirche1353, ja die Kirche selbst. Stimmt jetzt die Kirche durch die Stimme des Altars mit dem himmlischen Bekenntnis der Gerechtigkeit Gottes (15,3-4; 16,5) überein, dann vereinigen sich himmlische Welt und glaubende Gemeinde, Engel und Gläubige. Mit Allo kann man sogar sagen, Offb 16,7 „exprime la conformité des volontés de l’Église avec celles de Dieu“ (drückt die Willensübereinstimmung zwischen der Kirche und Gott aus).1354 Der vierte Engel bewirkt durch die vierte Schale, dass die Menschen mit Feuer versengt werden (V. 8). Er gießt seine Schale aber nicht auf die Erde, deren Meer, Wasserquellen etc. aus, sondern auf die Sonne (ἐπὶ τὸν ἥλιον [epi ton helion]). Erinnert man sich an die Generalanweisung von Offb 16,1, dann wird hier die Sonne wie in Gen 1,14ff als eine Art Zubehör für die Erde, eben als ihre „Leuchte“ behandelt. Schon beim sechsten Siegel (Offb 6,12) und bei der vierten Posaune (Offb 8,12) war die Sonne betroffen. Sogar in der Endzeitrede Jesu gelten Veränderungen an der Sonne als Zeichen endzeitlicher Vorgänge (Mt 24,29). Eine gewisse Verwandtschaft mit der neunten ägyptischen Plage, der Finsternis (Ex 10,21ff), liegt ebenfalls auf der Hand.1355 Aber jetzt, bei der vierten Schale, geht es nicht um eine Verfinsterung der Sonne, sondern um eine Erhöhung ihrer Ausstrahlung, also eine Steigerung ihres Potenzials. Es wurde ihr1356 nämlich gegeben, die Menschen mit Feuer zu versengen. καυματίζειν [kaumatizein] heißt „ausdörren“, „durch Hitze quä1350 1351 1352 1353 1354
U.B. Müller a.a.O. Roloff a.a.O.; Satake KEK a.a.O. U.B. Müller a.a.O; Schlatter S. 287. Swete a.a.O.; Allo a.a.O.; Barclay a.a.O. Allo a.a.O. Bengel schließt aus Offb 16,7, dass doch einige Menschen Buße getan haben und dass der Altar ihnen eine Stimme verleihe. 1355 Anders Zahn S. 537: „Der 4. u. 5. Schale Ap 16,8-11 entspricht in der Reihe der ägyptischen Plagen überhaupt nichts.“ Aber vgl. Smalley S. 383. Wie Zahn Giesen S. 353. 1356 αὐτῶ [auto] bezieht sich wohl auf ἥλιος [helios] (Sonne). Ebenso Mounce S. 296; Swete S. 203; Hadorn S. 164; Schlatter S. 288; Morris S. 195; Pohl II S. 185; Bousset 1896 S. 457. Anders Bengel S. 820: ihm = dem Engel; wie Bengel J.M. Hahn S. 505.
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len“.1357 Johannes Schneider versteht die Stelle so, dass die Sonne „die Menschen mit Feuer und Hitze verbrennt“1358. Wir haben etwas vorsichtiger mit versengen statt „verbrennen“ übersetzt, weil die betroffenen Menschen ja überleben.1359 Feuer ist hier die ausgestrahlte Sonnenenergie. Bernhard Philberth hält solche Vorgänge schon aufgrund eines nuklearen Krieges für möglich.1360 In der Formulierung gegeben (ἐδόθη [edothe]) kommt zum Ausdruck, dass Gott selbst eine solche Verstärkung der Sonnenstrahlung ermöglicht. Übrigens beobachten wir, dass sich die großen Wohltaten in der Schöpfung – Erde, Meer, Flüsse, Wasserquellen, Sonne – in der Zeit der Gerichte Gottes in Strafwerkzeuge verwandeln. Was der Mensch missbraucht hat, z.B. im Götzendienst (vgl. Röm 1,20ff), das wird ihm jetzt zur Not und Strafe. Der Pietismus in der Gestalt von Johann Albrecht Bengel und Johann Michael Hahn deutet Offb 16,8 realistisch auf Vorgänge in der Natur.1361 Doch bei Luther und Coccejus finden wir geistliche Deutungen auf die Reformation und den Fall der römischen Kirche.1362 Der späte Pietismus hat dann die geistliche Deutung in großer Breite wieder aufgenommen. Beispielsweise verstand er unter der Sonne das „Licht des Evangeliums“1363 oder „Recht und Religion“1364 oder „Gott“1365 und „Jesus“1366. Die verschiedenen Deutungen mahnen erneut zu größter Vorsicht. Grundlage des Verständnisses müssen auf jeden Fall die Vorgänge in der äußeren Schöpfung bleiben.1367 Infolge der intensivierten Sonnenausstrahlung wurden die Menschen von großer Hitze versengt (V. 9). Hier ist die Frage, ob nur die Anhänger des Antichrist ein Opfer der großen Hitze (καῦμα μέγα [kauma mega]) werden, vgl. V. 2. Ist man wie Charles der Ansicht, dass die Christen bei den Schalengerichten überhaupt nicht mehr auf der Erde weilen1368, dann stellt sich dieses Problem natürlich nicht. Die frühen pietistischen Ausleger, die von der späteren angelsächsischen Eschatologie noch nichts wussten, hat es aber bewegt. Teils lautet ihre Antwort, dass Gott die dann noch lebenden Christen „zu scho1357 1358 1359 1360 1361 1362 1363 1364 1365 1366 1367 1368
Joh. Schneider, Art. καῦμα usw., ThWNT, III, 1938, S. 643. A.a.O. Ebenso Philberth S. 202; Behm S. 90; Pohl II S. 184f. Philberth S. 202f. Vgl. P. Müller S. 50. Vgl. Bengel S. 819f; J.M. Hahn S. 505f. Luther Vorreden S. 187; Maier Offb S. 330. Hartenstein S. 203. Frey a.a.O. Grünzweig II S. 97. P. Müller a.a.O. Ebenso Hadorn S. 164. Charles II S. 44.
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nen wissen“ wird1369, teils dass die Christen zwar auch getroffen, aber die Plagen doch nur als „Gnadengerichte und Züchtigungen“ ihres Vaters im Himmel erfahren werden.1370 Deutet man wie viele Ausleger in der Kirchengeschichte allegorisch1371, dann öffnet sich erneut ein Weg, die Christen von den spirituellen Auswirkungen der vierten Schale auszunehmen.1372 Wir gehen in diesem Kommentar davon aus, dass die Christen noch auf der Erde sind, bis Jesus nach Offb 19,11ff wiederkommt. Wir gehen ferner davon aus, dass die Wirkungen der bisherigen vier Schalen in erster Linie schöpfungsmäßig, äußerlich sind. Dann aber können wir nicht ausschließen, dass auch die Christen in Mitleidenschaft gezogen werden. Nach dem christlichen Glauben verstehen sie aber diese Ereignisse als Zeichen baldiger Befreiung und im Sinne Jesu: „Seht auf und erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht“ (Lk 21,28). Überhaupt ist Lk 21,25-28 ein ausgezeichneter Kommentar zu Offb 16,2-9. Das kommende Geschick der Erlösten aber wird das Gegenteil von Offb 16,8f sein: οὐδὲ μὴ πέσῃ ἐπ’ αὐτοὺς ὁ ἥλιος οὐδὲ πᾶν καῦμα [ude me pese ep autus ho helios ude pan kauma] (Offb 7,16; Jes 49,10).1373 Das Resultat des göttlichen Straf- und Bußgerichts ist beinahe unglaublich: aber1374 sie lästerten den Namen des Gottes, der die Macht hat über diese Plagen, und bekehrten sich nicht, ihm die Ehre zu geben (V. 9). Statt Gott zu fürchten, ihm die Ehre zu geben und ihn durch Jesus Christus anzubeten, lehnen sie sich auf. Bousset hatte schon recht, wenn er bemerkte: „Es trifft das Gegenteil des 14,6f; 15,4 beabsichtigten Erfolges ein.“1375 Und auch Mounce sieht richtig, dass der Erfolg von Offb 11,13 nur zeitweilig („temporary“) war.1376 Ob sie vollständig reflektierten, dass der dreieinige Gott der Bibel die Macht (τὴν1377 ἐξουσίαν [ten exusian]) über diese Plagen hat, interessiert hier nicht. Genug, dass sie erkannten: Hier ist Gott am Werk! Und zwar der Schöpfer und Richter aller Welt, den der Antichrist und sein Prophet gleichfalls lästerten (13,1.5.6.11).1378 Der Name steht für Gott selbst (Ex 1369 So Bengel S. 820. 1370 So J.M. Hahn S. 489, 506. 1371 So Luther a.a.O.; Coccejus a.a.O.; Caird S. 204; Kiddle S. 321; Hartenstein a.a.O.; Frey a.a.O.; Grünzweig a.a.O.; Giesen S. 353 (unter Verweis auf Sap Sal 11,5). 1372 Mounce S. 297. 1373 Mounce a.a.O.; Charles II S. 44; Swete a.a.O. 1374 καί [kai] ist hier wohl adversativ, vgl. Blass-Debrunner § 442,1. 1375 Bousset 1896 S. 458. 1376 Mounce a.a.O. 1377 Mit Charles II S. 44 lesen wir τήν [ten]. 1378 Vgl. Mounce a.a.O.; Giesen S. 353.
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3,13f). Vielleicht ist aber in Offb 16,9 auch ganz spezifisch gemeint, dass die Namen Gottes nach V. 7: Herr – Gott – Allmächtiger gelästert wurden, sei es, dass man sie dem Tier oder dem Drachen zuerkannte (vgl. Mt 4,9)1379, sei es, dass man sie verhöhnte. Und sie bekehrten sich nicht1380: Wie ein cantus firmus geht dieser Satz durch die Heilsgeschichte. So klagt Ps 55,20 über die Gottlosen: „Sie werden nicht anders und wollen Gott nicht fürchten.“ So erlebt es der Herr sogar mit der Mehrheit des eigenen Volkes: „Mein Volk ist umsonst weggeführt … und mein Name wird immer den ganzen Tag gelästert“ (Jes 52,5). Ähnliches bezeugt die Erfahrung der Apostel bis in die eigene Gemeinde hinein (Röm 2,24; Jak 2,7). Nun wird es eine Art Refrain1381 der Offenbarung: sie bekehrten sich nicht (οὐ μετενόησαν [u metenoesan]), Offb 9,20.21; 16,9.11. Wie oberflächlich muten demgegenüber manche Erwartungen eines raschen Friedensreiches auf Erden an!1382 Ihm die Ehre zu geben (δοῦναι αὐτῷ δόξαν [dunai auto doxan]) ist ein konsekutiver1383 oder explikativer1384 Infinitiv: Die Bekehrung würde sich eben darin äußern, dass man Gott über alles ehrt. Die Menschen (οἱ ἄνθρωποι [hoi anthropoi]), die hier Subjekt sind, bezeichnen die maßgebende Mehrheit der Menschheit, ihre dominierenden Medien und Stimmen. Einzelbekehrungen werden dadurch nicht ausgeschlossen (vgl. Mt 24,14). Warum bekehren sie sich nicht? Die einstimmige Antwort der jüdischen und christlichen Lehrer lautet: Weil sie nicht wollen (Ps 55,20; Ez 18 und 33; Dtn 30,15; Sir 15,11ff; P. Abot III,19; Mt 23,2f.37). Hier hilft weder Augustins Anschauung von der massa perditionis, noch Calvins Prädestinationslehre, noch Luthers De servo arbitrio. Weit besser wurde die biblische Sicht von den alten Kirchenlehrern erfasst.1385 Das Jesuslogion in Mt 23,37: „und ihr habt nicht gewollt“ (καὶ οὐκ ἠθελήσατε [kai uk ethelesate]) drückt den Tatbestand aufs Kürzeste aus. Versuche, dieses Phänomen zu erklären, erschließen nur Teildimensionen. Natürlich hat z.B. Giesen recht, wenn er sagt, im Antichrist-Reich entstünden aus der Ablehnung der Bekehrung „große Vorteile“.1386 Aber die tiefgehendste Erklärung dürfte doch Gen 3,5 geben: Die
1379 1380 1381 1382 1383 1384 1385 1386
Vgl. Giesen a.a.O.: „schließt den götzendienerischen Kaiserkult ein“. Swete S. 204 nennt es einen Doppeleffekt. Swete S. 204 „like a refrain“; ebenso Johnson S. 550; Lohmeyer 3 S. 135. Ein Beispiel im EG: Nr. 426,3. So Blass-Debrunner § 391,8. So Bousset 1896 a.a.O. Beispielsweise von Irenäus Adv. haer. IV, 37. Giesen S. 354.
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Menschen lehnen Gott ab, „wollen ihr eigenes Leben leben“, weil sie sein wollen „wie Gott“. Notiert sei zum Schluss die weitere Parallele zu den ägyptischen Plagen in Ex 7–12. Wie Pharao trotz aller Wunderzeichen immer wieder Gottes Wort ablehnte, so tun es die Menschen der Endzeit auch.1387 Von „Verstockung“ sollte man aber in Offb 16,9f nicht sprechen.1388 Denn Verstockung ist ein besonderes Straf- und Führungsinstrument Gottes, und so weit war es in Offb 16,9 noch nicht. Auch die Behauptung, die Menschen hätten schon in Offb 16,8f keine Möglichkeit mehr zur Buße1389, schießt weit über den Text hinaus. Die Klage in 16,11 und 16,21 zeigt deutlich, dass während des ganzen 16. Kapitels von Gott aus betrachtet noch die Möglichkeit zur Buße bestanden hat.1390 Die Schale des fünften Engels trifft den Thron des Tieres (τὸν θρόνον τοῦ θηρίου [ton thronon tu theriu]), V. 10. Seltsamerweise wird erst jetzt der Antichrist direkt getroffen. Bisher waren es immer die Menschen seines Reiches oder die Geschöpfe in den Gewässern. Und auch in V. 10 wird die Auswirkung nicht auf das Tier persönlich, sondern auf sein Reich und seine Menschen geschildert. Schont Gott den Satan und den Antichrist für eine bestimmte Zeit (vgl. Hiobbuch; Offb 12,12ff; 20,1ff; 20,10)? Zum Thron des Tieres = des ersten Tieres, also des Antichrist, vgl. 13,2, aber auch 2,13.1391 Streng genommen wird weder über den Drachen von Kap. 12 noch über das Tier von Kap. 13 persönlich etwas gesagt. Folge der Schalenausgießung ist zunächst, dass das Reich (βασιλεία [basileia]) des Antichrist verfinstert wurde (ἐγένετο ἐσκοτωμένη [egeneto eskotomene]). Nach Kap. 13 ist dies sein weltumspannendes Reich. Im Weltmaßstab tritt also eine Verfinsterung ein. Das ist eine Parallele zur neunten ägyptischen Plage (Ex 10,21ff; Ps 105,28), die aber weit übertroffen wird. Übertroffen wird auch die Finsternis des fünften Posaunengerichts in Offb 9,1ff sowie die Finsternis von Offb 8,12. Man kann diese Finsternis wieder geistlich verstehen (kein Zugang zum Vaterhaus mehr, Verlust der Ordnung, kein Licht der Wahrheit usw.).1392 Wer das Tier auf „Rom“ oder das Papsttum deutet1393, legt dagegen Wert auf äu1387 1388 1389 1390 1391 1392
Giesen S. 353; Mounce a.a.O.; Swete a.a.O.; Aune S. 889; Lohse S. 92. Gegen Giesen a.a.O.; Hadorn S. 164. So Satake KEK S. 335. So mit Recht Charles II S. 46; Grünzweig II S. 97; P. Müller a.a.O.; Pohl II S. 185. Charles II S. 45; Swete a.a.O. So Frey a.a.O.; Hartenstein a.a.O.; P. Müller a.a.O.; Grünzweig II S. 98f; Allo S. 257; Pohl II S. 186. 1393 So z.B. Bengel S. 821ff.
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ßerlich-historische Abläufe. Wir sehen in unserem Kommentar das Tier und seinen Thron als zukünftig an und halten überdies daran fest, dass es sich um geistliche Größen handelt. Deshalb ist für uns der geschichtlich-realistische Vorgang maßgebend1394, aber eine geistliche Deutung bleibt eingeschlossen.1395 Die Einzelheiten der Verfinsterung können wir noch nicht erkennen. Offb 16,10 lässt uns jedoch eine Folge jener Vorgänge erkennen: und sie bissen sich in ihre Zungen vor Schmerz. Die Ausleger rätseln allerdings, was den Schmerz (πόνος [ponos]) verursachen soll.1396 Die Finsternis von V. 10 scheint alleine nicht in der Lage, solche quälenden Schmerzen zu erzeugen. Sind es also die Geschwüre der ersten Schale (V. 2)?1397 Oder sind es die skorpionenhaften Qualen der fünften Posaune in Offb 9,3ff ?1398 Man muss dann annehmen, dass die früheren Plagen noch andauern1399, was aber im Falle von Offb 9,3ff wegen der zeitlichen Befristung in 9,5.10 schwierig ist. Bousset meinte, nicht Schmerz, sondern „Ingrimm und Wut“ würden die Menschen bewegen.1400 Aber ἐκ τοῦ πόνου [ek tu ponu] heißt nicht „vor Wut“, sondern „vor Schmerz“.1401 Entweder dauert also die Auswirkung der ersten Schale noch an, oder die Finsternis der fünften Schale verursacht doch bestimmte Schmerzen1402, oder man denkt mit Sap Sal 17,1ff von vornherein nur an moralische und geistliche Schmerzen.1403 Das Resultat der fünften Schale ist so niederschmetternd wie bei der vierten: und sie lästerten den Gott des Himmels wegen ihrer Schmerzen und ihrer Geschwüre und bekehrten sich nicht von ihren Werken (V. 11). Was sich wiederholt, ist umso schlimmer. Am Ende, bei V. 21, wird die Ablehnung Gottes dreifach sein – sie bekommt dann den Charakter der Endgültigkeit (vgl. Hiob 33,29f; Mt 26,44; 2Kor 12,8). Sie lästerten (ἐβλασφήμησαν [eblasphemesan]) wie in V. 9 und wie der Antichrist und sein Prophet (13,1.5.6.11). Als Gott des Himmels (ὁ θεὸς τοῦ οὐρανοῦ [ho theos tu uranu]) hat Gott alle Macht des Schöpfers und des Richters, folglich auch über alle Plagen (vgl. 1394 Ähnlich Charles II S. 45, der das „verfinstert“ auf eine Sonnenfinsternis deutet. 1395 Zu eng hier Bengel, der hier „die falsche (sic!) Christen“ getroffen sieht (S. 821). 1396 Vgl. Lohse S. 92; Bousset 1896 S. 458; Giesen S. 354; Satake KEK S. 335; Behm S. 90; Aune S. 890. 1397 So Roloff S. 163; Behm a.a.O. 1398 So Lohse a.a.O.; Hadorn S. 165. 1399 Swete a.a.O.; Mounce a.a.O.; Giesen a.a.O.; Morris S. 196. 1400 Bousset a.a.O. Ähnlich Schlatter S. 288; P. Müller a.a.O. 1401 Vgl. Bauer-Aland Sp. 1386. 1402 So z.B. Bengel S. 823. Erst recht bei einer Deutung auf „Luftkriegführung“ (Philberth S. 206f). 1403 So z.B. Giesen a.a.O.; Caird S. 205; J.M. Hahn S. 507; Allo S. 257; Roloff a.a.O.; Johnson S. 550. Hadorn lässt hier wie auch unser Kommentar die Deutung offen.
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V. 9). Gott des Himmels ist nicht nur eine beliebte Gottesbezeichnung bei Daniel1404 (Dan 2,18.44), sondern auch eine im ganzen Orient bekannte Gottesbezeichnung (vgl. Jona 1,9; Offb 11,13). Es hat vielleicht doch seine besondere Bedeutung, dass hier gerade dieser Ausdruck benutzt wird. Denn es ist dieser Schöpfergott, den nach Röm 1,19ff alle Menschen erkennen können. So haben auch die heidnischen Völker und die Menschen ohne Bibel im Antichrist-Reich durchaus die Möglichkeit, den Schöpfer und Richter zu erkennen. Aber sie lästern ihn, verweigern ihm also Anbetung und Ehre. Wegen ihrer Schmerzen und ihrer Geschwüre: Sie können die Bestrafung ihrer Sünden nicht akzeptieren. Auch darin liegt ein tiefer Unterschied: Der Glaube akzeptiert Gottes Nein zur Sünde, der Unglaube akzeptiert nur die Wohltaten eines „liebenden“ Gottes. Dass hier die Schmerzen (πόνοι [ponoi]) und die Geschwüre von V. 2 so dicht nebeneinandergestellt sind, könnte übrigens darauf hindeuten, dass auch der Schmerz von V. 10 von den Geschwüren der ersten Schale (16,2) verursacht wurde. Jedenfalls dauern die Folgen der ersten vier Schalen mindestens bis zur fünften fort.1405 Und sie bekehrten sich nicht von ihren Werken: Das οὐ μετενόησαν [u metenoesan] bleibt ein cantus firmus, ein schrecklicher Grundakkord der Geschichte. Vgl. die Erklärung bei V. 9. Die Hinzufügung von ihren Werken (ἐκ τῶν ἔργων αὐτῶν [ek ton ergon auton]) ist ganz alttestamentlich, vgl. die Erklärung bei 9,20 und 9,21. Vielleicht steht hier sogar speziell Ez 18,1ff und 33,10ff im Hintergrund. Werke sind die gesamten Handlungen und Verhaltensweisen.1406 Wer die Schmerzen von V. 10 geistlich als „peines morales“ (menschliche Schmerzen) deutet1407, der muss das auch in V. 11 tun.1408 Immerhin rechnet Allo damit, dass sich diese moralischen Schmerzen mit physischen Schmerzen mengen und vervielfachen.1409 Nicht bestreiten sollte man die tatsächlich gegebene Umkehrmöglichkeit in V. 11.1410 Noch immer steht diese endzeitliche Welt unter dem Wort aus 1Tim 2,4: „Gott will, dass allen Menschen geholfen werde (σωθῆσαι [sothesai]) und sie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen“, und unter dem Missionsbefehl Jesu (Mt 24,14; 28,19). Vgl. auch Joel 2,11f. 1404 Vgl. Charles II S. 46; Swete S. 205. 1405 Bousset 1896 a.a.O.; Satake KEK S. 335. 1406 Viel zu eng Giesen a.a.O.: Werke = „Verhalten im Blick auf den Kaiserkult“. Vgl. Swete a.a.O. 1407 So Allo a.a.O. 1408 Wieder Allo a.a.O. 1409 A.a.O. 1410 Gegen Giesen a.a.O. („Von einer Umkehrmöglichkeit ist hier nicht die Rede.“).
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Schwierig wird die Deutung bei der sechsten Schale. Hier nimmt die Länge des Berichts zu (Offb 16,12-16), ebenso wie bei der siebten und letzten Schale (Offb 16,17-21). V. 12 bringt uns zunächst zum Thema Euphrat, das uns schon bei der sechsten Posaune (Offb 9,1ff) beschäftigte: Und der sechste goss seine Schale aus auf den großen Strom Euphrat, und sein Wasser trocknete aus, damit der Weg für die Könige vom Sonnenaufgang bereitet würde. Groß ist in der Offenbarung, was für Gott eine besondere Bedeutung hat, z.B. außerordentliche Zeichen (12,1; 15,1), schlimmste Lästerungen (13,5), Babylon (14,8; 16,19) oder jetzt der Euphrat (9,14; 16,2). Dass die sechste Schale einen speziellen Fluss trifft, ist auffällig. Denn bisher ging es um generelle Größen: Erde, Meer, Flüsse, Wasserquellen, Sonne. Selbst der Thron des Tieres kann als universale Institution gelten. Außerdem sind nach Offb 16,4 alle Flüsse zu Blut geworden, was Lohmeyer zu der Konsequenz führte, im Euphrat keinen geografisch bestimmten Fluss zu sehen.1411 Wir erinnern uns ferner an die Auslegungen in der Kirchengeschichte, bei denen der Euphrat besonderes Interesse fand.1412 Jedenfalls ist Offb 16,12 einigermaßen rätselhaft. Der Euphrat, hebr. [ ְפָּרתperat], keilschriftlich Ufratu = „der sehr breite“, daraus griech. Εὐφράτης [Euphrates], gilt in der Bibel als der große Strom schlechthin (Gen 15,18; Dtn 1,7; Jos 1,4) oder einfach als der Strom (Jes 7,20; 8,7). Diesen Sprachgebrauch hat die Offenbarung übernommen (9,14; 16,12). In dreierlei Beziehung gewinnt er darüber hinaus Bedeutung: Erstens als einer der vier Paradiesflüsse (Gen 2,14), zweitens zusammen mit dem Nil als ein Sinnbild für Mächte (Jer 2,18), drittens als eindrucksvolle Grenze (Ex 23,31; Mi 7,12; 1Makk 7,8). Seit der Entstehung des Römischen Reiches blieb der Euphrat trotz mancher Grenzverschiebungen eine konstante Grenze auch in den Augen der Heiden, wie aus Tacitus hervorgeht.1413 Sie schied die Zivilisation von der Wildnis, die Kultur von der Barbarei. Bei der sechsten Schale steht offenbar diese Grenzfunktion im Mittelpunkt. Denn das Austrocknen des Euphrat-Wassers bereitet den Weg für die Könige von Sonnenaufgang, sodass sie den Euphrat überschreiten können. Hier werden wir ein weiteres Mal an die Exodustradition erinnert. Denn beim Auszug aus Ägypten durchschritt Israel das von Gott ausgetrocknete 1411 Lohmeyer 3 S. 135. Allerdings macht er den Fehler, die Flüsse als „vernichtet“ zu betrachten. Sie sind nicht vernichtet, sondern zu „Blut“ verwandelt, fließen also weiter wie der Nil in Ex 7. 1412 Vgl. Maier Offb S. 225f. 1413 Tacitus Ann XV, 17.26.
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Die Offenbarung des Johannes Kapitel 12–22
Schilfmeer (Ex 14,21ff; Ps 106,9; Jes 51,10).1414 Für die Zukunft kündigen die Propheten erneut ein solches Austrocknen an, damit das Gottesvolk das Heil erlebt, ja, sogar speziell das Austrocknen des Euphrat (Jes 11,15; vgl. Jes 44,27; Jer 50,38; 51,36; Sach 10,11). Wenn Offb 16,12 vom Überschreiten des Euphrat spricht, müssen wir beide Dimensionen im Blick behalten: 1) die Dimension des Schreckens, dass jetzt die bisherigen Feinde eindringen können, und 2) die Dimension des Heils, das jetzt inmitten aller Schrecknisse für das Volk Gottes anbricht. In der Wendung ἑτοιμασθῇ [hetoimasthe], bereitet würde, sehen wir Gottes Walten, ein Passivum divinum.1415 Vgl. Jes 40,3ff; 41,2.25; 46,11. Die Könige vom Sonnenaufgang sind die „Könige vom Osten“ oder „im Osten“.1416 Man muss klar sehen, dass Offb 16,12 an den geografischen und historischen Realitäten ansetzt. Deshalb erwarteten die Täufer1417 ein Heer aus dem Osten, das den Okzident bestrafen sollte, oder Bengel die morgenländischen Könige aus Persien oder Indien.1418 Es ist falsch, wenn man hier zu schnell in eine allegorische oder geistliche Deutung hinüberspringt. Geht es also zunächst um Vorgänge auf der sichtbaren Erde (Offb 16,1)1419, dann müssen wir registrieren, dass das Welteinheitsreich des Antichrist kein so monolithischer Block ist, wie man manchmal annimmt. Vielmehr gibt es auch dort Teiltendenzen und zentrifugale Kräfte. Was auf Macht und Gewalt aufgebaut ist, kann leicht durch Macht und Gewalt wieder bedroht werden. Damit ist freilich nicht gesagt, dass geistliche Deutungen in einer zweiten Linie nicht doch zum Zuge kommen. So kann man mit Lohmeyer in den Königen des Ostens Repräsentanten „dämonischer Wesen“ sehen.1420 Dann wird die Parallele zu Offb 9,14 enger. Oder man sieht in Offb 16,12 den „geistige(n) und soziale(n) Bankrott“ der christuslosen Welt.1421 Allerdings sollte man nicht meinen: „Das Weltreich wird jetzt zur Tatsache.“1422 Denn das war es schon unter dem Antichrist in Kap. 13. 1414 Ähnliches beim Jordan (Jos 3,9ff), vgl. Morris S. 197; Roloff S. 163; Aune S. 891. 1415 Vgl. W. Grundmann, Art. ἕτοιμος usw., ThWNT, II, 1935, S. 702ff. Ebenso Römer S. 159. 1416 Blass-Debrunner § 141,5; vgl. § 253,2.7. 1417 Vgl. Maier Offb a.a.O. 1418 Bengel S. 824f. 1419 Eine „historische Reminiszenz“ an die Eroberung Babels durch Trockenlegung des Euphrat in der Zeit des Kyrus scheint allzu weit hergeholt. Denn es geht in Offb 16,12 ja nicht um einen Zug nach Osten oder gen Babel, sondern umgekehrt nach Westen. Gegen Hadorn S. 166. 1420 Lohmeyer a.a.O. 1421 Frey a.a.O. Ähnlich Hartenstein S. 204; Grünzweig II S. 101; Philberth S. 207. 1422 So aber Hadorn S. 165.
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Am Wesentlichen vorbei geht jedoch eine Deutung, die Offb 16,12 in die Vergangenheit verbannt und meint, die Könige vom Sonnenaufgang seien die Parther, die in der Zeit des Johannes Rom bedrohten, evtl. unter Führung des sagenhaften Nero redivivus.1423 Hier wird alles durch den Flaschenhals einer „römischen“ Deutung gepresst, wobei für das Heute lediglich einige Allgemeinheiten übrigbleiben, die man auch woanders gewinnen könnte.1424 Fazit: Die sechste Schale, gefüllt mit Gottes Zorn (15,7; 16,1), bewirkt, dass gegen Ende des Antichrist-Reiches Mächte aus dem Osten auftauchen, die zu einer Änderung der Verhältnisse führen. Gott richtet es so ein, dass sie ihre bisherigen Grenzen überschreiten: Er „trocknet den Euphrat aus“. Damit verbinden sich geistige und geistliche Vorgänge, über die uns die folgenden Verse nun genauer informieren. V. 13 berichtet: Und ich sah aus dem Maul des Drachen und aus dem Maul des Tieres und aus dem Mund des falschen Propheten drei unreine Geister wie Frösche kommen. Kommen steht im griech. Text nicht da. Es fehlt überhaupt ein Verb. Sinngemäß muss aber kommen ergänzt werden (vgl. V. 14). Satake erkennt in V. 13f „keine Entwicklung der ersten“ Szene in V. 12. 1425 Dennoch muss für Johannes ein Zusammenhang bestanden haben, denn er nimmt das Thema von den Königen in V. 14 wieder auf. Aber um welchen Zusammenhang handelt es sich? Als Zeit für die Vorgänge von Offb 16 haben wir die Schlussphase des Antichrist angenommen. Dazu stimmt es, dass jetzt wie in Kap. 13 die satanische Trinität auftritt: Drache (δράκων [drakon]) – Tier (θηρίον [therion]) – und falscher Prophet (ψευδοπροφήτης [pseudoprophetes]). Auf denselben Impuls und zum selben Zweck kommen aus ihrem Maul/Mund drei unreine Geister (πνεύματα τρία ἀκάθαρτα [pneumata tria akatharta]) hervor. Einen ähnlichen Vorgang berichtet 1Kön 22,21ff, wo ein Lügengeist aus dem Munde der falschen Propheten spricht. Für Johannes sind sie wie Frösche. Damit erinnert er an die zweite ägyptische Plage in Ex 7,26ff (vgl. Ps 78,45; 105,30).1426 Vermutlich fasste Johannes schon die Frösche Ägyptens als unreine Geister auf. Dazu könnte der ägyptische Tierkult beigetragen haben, wo-
1423 So z.B. Hadorn a.a.O.; Roloff a.a.O.; U.B. Müller S. 281; Schlatter BFchTh S. 86f; Bousset 1896 S. 458f; Lohse S. 92; Satake KEK S. 336; Caird S. 205; Ritt S. 83. 1424 Vgl. die Kritik bei Johnson a.a.O. 1425 Satake KEK S. 335. 1426 Lohmeyer 3 S. 136; U.B. Müller S. 282; Lohse a.a.O.; Roloff a.a.O.; Satake KEK S. 336.
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nach die Frösche dort als heilige Tiere galten.1427 Aber dies alles bleibt ein Vergleich (wie!), sodass wir es nicht mit wirklichen Fröschen zu tun haben. Die drei unreinen Geister bilden wohl einen bewussten Kontrast zu den drei heiligen Engeln in 14,6ff.1428 Für Israel waren Frösche unreine Tiere (Lev 11,10.41).1429 Wie schon die alten Ausleger notierten1430, wird hier in Offb 16,13 das zweite Tier von 13,11ff erstmals falscher Prophet (ψευδοπροφήτης [pseudoprophetes]) genannt. V. 14 erklärt jetzt die drei unreinen Geister von V. 13 etwas genauer: 1) Es sind Geister von Dämonen (εἰσὶν γὰρ πνεύματα δαιμονίων [eisin gar pneumata daimonion]). Kein Gedanke also an physische Frösche! Als dämonische Geister stehen sie im Dienste der satanischen Trinität, haben deren Autorität und Wirkungskraft. 2) Sie kommen hervor auf die Könige der ganzen bewohnten Erde (ἐκπορεύεται ἐπὶ τοὺς βασιλεῖς τῆς οἰκουμένης ὅλης [ekporeuetei epi tus basileis tes oikumenes holes]). Also auch auf die Könige vom Sonnenaufgang (V. 12)!1431 Das Antichrist-Reich ist bemüht, seine Einheit zu festigen, evtl. neu herzustellen.1432 Der Name Könige (βασιλεῖς [basileis]) darf nicht nur monarchisch gedeutet werden, sondern schließt alle Verantwortlichen und Führungspersönlichkeiten ein. Was ein dämonischer Geist bei Führern dieser Erde bewirken kann, lässt sich modellhaft an Nero oder Hitler beobachten. 3) Ihr Ziel ist, diese Könige zu versammeln (συναγαγεῖν [synagagein]) für den Kampf (εἰς τὸν πόλεμον [eis ton polemon]) am großen Tag Gottes, des Allmächtigen. Noch immer ist Kampf und Krieg (πόλεμος [polemos]) und damit die Machtfrage im Zentrum des Denkens der satanischen Trinität (vgl. 12,7.17; 13,7). Nicht von Gott geht dieser Krieg1433 aus, sondern vom Drachen und seinem Antichrist samt dem Pseudopropheten. Das Versammeln von Offb 16,14 hat seine großen urgeschichtlichen und historischen Vorbilder: etwa den Turmbau von Babel (Gen 11), das Heranziehen der Feinde gegen Jerusalem (Jer 31,15ff; Ez 38,1ff), das Versammeln der falschen Propheten auf dem Karmel (1Kön 18) und bei Micha ben Jimla (1Kön 22,5ff). Der große Tag Gottes deutet an, dass es ein Gerichtstag sein wird (Joel 2,11; 1427 1428 1429 1430 1431
Vgl. Lohmeyer 3 a.a.O. Lohmeyer a.a.O.; U.B. Müller S. 281; Lohse a.a.O. Johnson a.a.O.; Holtz NTD S. 111; Mounce S. 299. Bestritten von Kraft S. 208. Bengel S. 827; Vitringa S. 725. Die Nachstellung von ὅλης [holes] schafft eine Betonung: „der bewohnten Erde – und zwar der ganzen“ (Blass-Debrunner § 275,5). 1432 Die Spannung, die Aune zwischen den „Königen vom Sonnenaufgang“ und den „Königen der Erde“ empfindet (S. 895), besteht in Wirklichkeit nicht, sofern man vom Einheitsstreben des Antichrist ausgeht. 1433 Anders offenbar Satake KEK S. 337: „Die Initiative liegt bei“ Gott.
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3,4; Zeph 1,14). Und die Bezeichnung Gottes als des Allmächtigen lässt erkennen, dass Gott allein den Sieg behält und dass es Wahnsinn ist, gegen ihn zu rebellieren. 4) Sie tun Zeichen (ποιοῦντα σημεῖα [poiunta semeia]). Das hat auch der falsche Prophet getan (Offb 13,13ff). Die Tätigkeit der dämonischen Geister besteht also zu einem wesentlichen Teil in einer wundergestützten Propaganda. Noch einmal dokumentiert sich hier die faszinierende Verführungsmacht des Bösen. σημεῖα [semeia] bleiben im NT zweideutig, der Hunger des Menschen nach Zeichen gefährlich. Der zentrale Punkt bleibt das Versammeln aller Kräfte außerhalb der Gemeinde Christi zur Rebellion gegen Gott. Von Offb 16,14 führt die Linie hinüber bis Offb 20,7ff. Offb 16,14 macht es auch verständlich, dass hier immer wieder nach der angemessenen geistlichen Deutung gesucht wurde. Luther deutete die „drei Frösche, drei unsaubere Geister“ auf die „Sophisten“ (Faber, Eck, Emser usw.), die gegen ihn stritten.1434 Vitringa sah darin die Mönchsorden, vorzüglich die Jesuiten, und die „falschen Doktoren“ der Kirche.1435 Antichristliche Ideologien, die „geistige Vereinigung aller christusfeindlichen Kräfte“ sind weitere Deutungen.1436 Daneben suchte man künftige Geschichtsabläufe nach der Prophetie von Offb 16 festzustellen. So dachte Bengel, „die Könige in der Türkey selbs und unter türkischem Schutz“ seien in Offb 16,14 gemeint, herbeigerufen zum letzten Kampf nach Offb 19,19ff.1437 Philberth glaubte in den sechs Schalen die „langfristigen Auswirkungen der Nuklearkriegführung“ zu erkennen.1438 Caird u.a., die der zeitgeschichtlichen Deutung anhingen, erblickten auch in Offb 16,14 eine Anspielung auf den Nero redivivus, allerdings – so jedenfalls Caird – sollte nur Neros weiterlebender Geist („Nero’s spirit“) gemeint sein.1439 Unseres Erachtens trifft man den ursprünglichen Sinn von Offb 16,14 am besten, wenn man mit realen künftigen Geschichtsentwicklungen rechnet.1440 Man darf jedoch nicht den Fehler einer vorzeitigen Aktualisierung machen. Niemand weiß, welche geschichtlichen Verhältnisse herrschen, wenn sich Offb 16,14 einmal erfüllt.1441 Dass hinter diesen 1434 Vorreden S. 187. 1435 Vitringa S. 725f. 1436 Frey a.a.O.; Hartenstein a.a.O.; Grünzweig II S. 101ff; Römer S. 159f; Lawton S. 105; vgl. Roloff S. 164. 1437 Bengel S. 828. 1438 Philberth S. 242. 1439 Vgl. Caird S. 206; Roloff S. 161. Auch der Hinweis auf ä Hen 56,5ff (z.B. StrackBillerbeck S. 820) macht nur bei einer zeitgeschichtlichen Auslegung Sinn. 1440 Das tut auch Schlatter S. 289f; Behm S. 90. 1441 Vgl. die Situation bei Offb 13,18.
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Geschichtsentwicklungen aber geistig-geistliche Vorgänge stehen, ist nicht zu bezweifeln. Insofern haben auch geistliche Deutungen ihre grundsätzliche Berechtigung. Als Überraschung registrieren die Ausleger den 15. Vers: Siehe, ich komme wie ein Dieb. Er unterbricht nicht nur die Schalenausgießungen, sondern auch das Geschehen innerhalb ein und derselben Schale, nämlich der sechsten. Die Fortsetzung von V. 14 ist ja V. 16. Unser 15. Vers zählt also zu den „inhaltlichen Spannungen“ von Kap. 16.1442 Lohmeyer meint sogar, er sei „nach Form und Inhalt an dieser Stelle unmöglich“. Er sei „durch irgendein Versehen“ an die jetzige Stelle „versprengt“ worden.1443 Aber wie soll man sich ein solches Versehen technisch vorstellen? Und wie könnte ein solcher Vorgang textgeschichtlich ausgesehen haben? Deshalb bleiben wir mit H. Kraft und U.B. Müller dabei, dass V. 15 am richtigen Platz steht.1444 Dann muss aber der Charakter des Verses bestimmt werden. Handelt es sich um eine „plötzliche Ich-Rede des Christus“?1445 Oder wurde Johannes hier „zu einem Prophetenspruch“ „inspiriert“?1446 Siehe, ich komme wird zweifellos von Christus gesagt (vgl. 1,7). Den Vergleich seiner Wiederkunft mit dem Kommen eines Diebes hat Jesus selbst1447 gebildet (Mt 24,43; Lk 12,39). Aus der Jesusüberlieferung abgeleitet, ging er dann in die apostolische Verkündigung ein (vgl. 1Thess 5,2.4; 2Petr 3,10; Offb 3,3; 16,15). Natürlich bleibt Diebstahl für die Christen eine Sünde (vgl. Mt 19,18; Joh 10,1ff; Röm 2,21; 1Kor 6,10; Eph 4,28; 1Petr 4,15). Der Vergleich der Wiederkunft Jesu mit einem Dieb (κλέπτης [kleptes]) soll „das Plötzliche, Unvermutete“ seines Kommens zum Ausdruck bringen1448: Auf diesen Punkt kommt alles an. Wir gehen also davon aus, dass es sich in Offb 16,15 tatsächlich um eine Ich-Rede des auferstandenen Jesus Christus handelt,1449 und nicht um einen Prophetenspruch des Johannes. Der Auferstandene unterbricht an dieser Stelle mit einem kurzen prägnanten Wort den Fluss der Visionen. Warum? 1442 Vgl. Roloff S. 161. 1443 Lohmeyer 3 S. 136f. Ebenso Charles II S. 49; H. Preisker, Art. κλέπτω usw., ThWNT, III, 1938, S. 755, 6. Aune S. 896 hält ihn für eine Interpolation. 1444 Vgl. Kraft S. 208f; U.B. Müller S. 282; Hemer S. 145, 151; Satake KEK S. 337, 586; Caird S. 208. 1445 So U.B. Müller a.a.O. 1446 So Kraft a.a.O.; Ritt S. 83; Bousset S. 398 („Prophet … in der Verzückungsrede“). 1447 Kraft S. 209 hält Jer 49,9; Ob 5 für den alttestamentlichen Ausgangspunkt. Aber dort sind Diebe und Räuber ganz negativ gesehen. 1448 Preisker a.a.O. S. 755; Kraft S. 209 („Unvorhersehbarkeit“); Mounce S. 300; Morris S. 199. 1449 Ebenso Mounce a.a.O.; Kraft S. 209; Bengel S. 829; Aune S. 896; Zahn S. 539, 25; Holtz NTD S. 112; Morris S. 199.
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Erstens erinnert er seine Gemeinde an das Gleichnis (Maschal) vom Dieb. Damit erinnert er sie zugleich an die überlieferte christliche Lehre und überhaupt an seine eigene messianische Verkündigung. Das kann nur bedeuten, dass sich seine Gemeinde inmitten aller Schrecken an ihn und seine Worte erinnern soll (Joh 14,25.29). Zweitens erinnert er daran, dass „sein“ Handeln das entscheidende Moment der Weltgeschichte ist und nicht etwa das, was der Drache, der Antichrist oder die Könige der Erde planen. Drittens macht er klar, dass „er“ Zeit und Stunde allen Seins und Geschehens bestimmt und nicht etwa der Antichrist. Viertens bekräftigt er, dass er als das Lamm im Zentrum des Geschehens steht und nicht der Antichrist und seine Helfer. Hinzu kommt ein Fünftes: Offb 16,15 ist auch eine ernste Warnung an seine Gemeinde.1450 Das werden wir sogleich im Folgenden sehen. Hier sei nur so viel bemerkt: In ἔρχομαι [erchomai] steckt einer der wichtigsten Christustitel, nämlich ὁ ἐρχόμενος [ho erchomenos], „der Kommende“, zurückgehend auf hebr. ַה ָבּא [habba] in Ps 118,26 (vgl. Mt 11,3; 21,9; 23,39; Dan 7,13). ἔρχομαι [erchomai] (ich komme) ist also ein königliches Wort. Es folgt die dritte Seligpreisung der Offenbarung nach 1,3; 14,13: Glücklich zu preisen (μακάριος [makarios]) ist der, der wacht und seine Kleider bewahrt, damit er nicht nackt herumgehen muss und man seine Schande (ἀσχημοσύνην [aschemosynen]) sieht.1451 Das Wachen (γρηγορεῖν [gregorein]), das heißt die wache Bereitschaft für die Wiederkunft Jesu und das Ende des persönlichen Lebens und der Welt, gehört zu den großen christlichen Tugenden. Öfters ist es mit Gebet verbunden.1452 Gerade dort, wo Jesus von seinem Kommen wie ein Dieb spricht, findet sich auch seine Mahnung Wachet (γρηγορεῖτε [gregoreite], Mt 24,42f). Etwas schwerer zu verstehen ist die Seligpreisung dessen, der seine Kleider bewahrt (ὁ τηρῶν τὰ ἱμάτια αὐτοῦ [ho teron ta himatia autu]). Ist der Soldat gemeint, der im Alarmfall seine Kleider nicht mehr findet und deshalb nackt davonrennen muss?1453 Eher ist doch wohl das biblische Bild von den Kleidern des Heils heranzuziehen1454 (vgl. Jes 61,10; Mt 22,11f; Lk 15,22; Offb 3,18; 7,9.14). Dann ermahnt und ermutigt Jesu Seligpreisung alle Christen, in jenen Endzeittagen das geschenkte Heil festzuhalten und nicht etwa in einer „Welt der Versuchung und 1450 Mounce S. 300: „interjection of a warning“; Ritt a.a.O.; Bengel S. 829; Hemer S. 146; Caird S. 207. 1451 Ab hier handelt es sich nach Kraft a.a.O. um einen „Prophetenspruch“. 1452 A. Oepke, Art. ἐγείρω usw., ThWNT, II, 1935, S. 337. 1453 So Mounce S. 301. Ähnlich schon Bengel S. 829; Schlatter S. 291. 1454 So auch H. Riesenfeld, Art. τηρέω usw., ThWNT, VIII, 1969, S. 143. Kraft a.a.O. verengt auf gute Werke.
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der Gefahr des Abfalles“ aufzugeben.1455 Erst in zweiter Linie kann man daran denken, dass Jesus der Gefahr von Endzeitberechnungen entgegentreten will.1456 Dabei muss man sich vor Augen halten, dass die Geschehnisse von Offb 16 eine Zeit höchster Krise („a period of supreme crisis“) für die christlichen Gläubigen darstellen.1457 Die Stellung von V. 15 inmitten des 16. Kapitels ist deshalb gänzlich angemessen.1458 Fehlt das Wachen und Bewahren, dann geht der Betreffende nackt herum, das heißt, ihm fehlt das Heil in Christus und damit jede Möglichkeit, vor den Augen Gottes zu bestehen (vgl. Mt 22,11f; Offb 3,17f). Ja, man sieht seine Schande. Schande (ἀσχημοσύνην [aschemosynen]) kann in doppeltem Sinne verstanden werden: erstens im physiologischen Sinne als Schamteile (vgl. Ex 20,26; Dtn 23,14)1459, zweitens im übertragenen Sinne als Schmach und Schande nach dem Urteil Gottes.1460 Die Parallelstellen Offb 3,18 und Dan 12,2 sprechen entschieden für die zweite Deutung. Damit bewegt sich Offb 16,15 ganz im Rahmen der Parusiereden Jesu in Mt 24.1461 Auch dort geht es um sein plötzliches Kommen, auch dort spitzt sich alles auf das Wachsein der Gemeinde zu, auch dort steht Leben oder Tod, Annahme oder Verdammnis auf dem Spiel (vgl. besonders Mt 24,36-51). Plötzliche Übergänge wie den von 16,14 zu 16,15 gibt es übrigens in der Offb öfters, vgl. 22,7.12.20.1462 Kurz ist V. 16, aber geheimnisvoll und umstritten. Auch er gehört noch zur sechsten Schale: Und sie versammelten (συνήγαγεν [synegagen]) sie an dem Ort, der auf Hebräisch Harmagedon heißt. Schon das zweite griechische Wort ist in der Textüberlieferung umstritten: Heißt es συνήγαγεν [synegagen] oder συνήγαγον [synegagon] („er versammelte“ oder sie versammelten)? Mit Nestle-Aland u.a. wird man den Singular συνήγαγεν [synegagen] vorziehen müssen, weil der Plural wohl eine Angleichung an V. 13f, also die leichtere Lesart, darstellt.1463 Aber nun lässt gerade der Singular verschiedene grammatische Verbindungen zu. Subjekt könnte
1455 1456 1457 1458 1459 1460 1461 1462 1463
Riesenfeld a.a.O. S. 141; Ritt S. 83; Holtz a.a.O.; Hartenstein S. 205. So Kraft a.a.O. Mounce S. 300. Mounce a.a.O.: „entirely appropriate“. Ebenso Swete S. 209. So Bauer-Aland Sp. 239; Mounce S. 301, 32. Vgl. dazu R. Bultmann, Art. αἰσχύνω usw., ThWNT, I, 1933, S. 188ff. Vgl. Caird S. 209; Hemer S. 145. Ritt a.a.O.; schon Bengel a.a.O.; Hemer S. 146. Ebenso Aune S. 858.
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„Gott, der Allmächtige“ sein, der am Ende von V. 14 genannt wird.1464 Man könnte noch weiter zurückgreifen und im Engel von V. 12 das Subjekt sehen.1465 Auch der auferstandene Christus von V. 15 ist nicht von vornherein ausgeschlossen. Sieht man im Drachen die Hauptfigur des 13. Verses, käme auch er als Subjekt in Betracht.1466 Schließlich kann sich der Singular συνήγαγεν [synegagen] auf die dämonischen Geister von V. 14 beziehen, weil bekanntlich griechische Neutra wie πνεύματα [pneumata] mit dem Verb im Singular korrespondieren (vgl. V. 14: πνεύματα … ἃ ἐκπορεύεται [pneumata … ha ekporeuetai]).1467 Weil diese Geister nach V. 14 die klare Aufgabe haben, die Könige der ganzen bewohnten Erde zu versammeln (συναγαγεῖν [synagagein]), ist es am natürlichsten, sie auch als Subjekt von V. 16 zu betrachten. So viele Ausleger und Übersetzungen, denen wir uns anschließen.1468 Halten wir fest: Zu den schlimmen Auswirkungen der sechsten Schale gehört es, dass die satanische Trinität mit ihren unreinen Geistern in die Lage versetzt wird, alle Machthaber der Erde zum Kampf gegen Gott (V. 14) zu versammeln (vgl. Offb 20,8). Aber auch das bleibt festzuhalten: Es ist letzten Endes Gott selbst, der diese Situation ermöglicht und regiert.1469 In der Perspektive dieser Einsicht ist es auch sachlich nicht ganz falsch, zu übersetzen: „Er versammelte“.1470 Sie (αὐτούς [autus]) sind jedenfalls die Könige der ganzen bewohnten Erde (V. 14), also alle maßgeblichen irdischen Machthaber. Schwieriger und geheimnisvoller ist der Ort (τόπος [topos]) der Versammlung, den V. 16 nennt. εἰς τὸν τόπον [eis ton topon] kann heißen: „in Richtung auf den Ort“ – „zu dem Ort hin“ – oder (wie ἐν τῷ τόπῳ [en to topo]) an dem Ort.1471 „An den Ort“ und an dem Ort sind also in V. 16 gleichberechtigte Übersetzungen. Auffallenderweise nennt Johannes einen bestimmten Namen, und zwar auf Hebräisch: an dem (oder: an den) Ort, der auf Hebräisch Harmagedon
1464 1465 1466 1467 1468
So z.B. Grünzweig II S. 106. So Bengel S. 830. Zahn S. 539 sieht ihn tatsächlich als Subjekt. Vgl. Blass-Debrunner § 133. Vitringa S. 729; Neue Jerusalemer Bibel; Einheitsübersetzung; Benedikt-Bibel; NGÜ; Behm a.a.O.; Schlatter S. 291; Caird S. 203; Morris a.a.O.; Satake KEK S. 332; Aune S. 851; Giesen S. 356; Roloff S. 160; Charles II S. 50; Swete S. 209. 1469 Giesen S. 360; Hadorn S. 166. 1470 So z.B. Lutherbibel; Bengel S. 830; Beza (Vitringa S. 729); Zahn S. 533; Holtz NTD S. 110; Revidierte Elberfelder Bibel; Hadorn S. 163 (anders S. 166). 1471 Vgl. Blass-Debrunner §§ 205; 206; 218; Bauer-Aland Sp. 459ff.
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(Ἁρμαγεδών [Harmagedon]) heißt. Bis heute ist das Rätsel dieser Ortsangabe nicht gelöst. Mounce schrieb, eine „final answer“ stehe immer noch aus.1472 Deutlich ist zunächst so viel, dass die Wendung Ἑβραϊστί [Hebraisti] = auf Hebräisch im NT nur bei Johannes vorkommt (Joh 5,2; 19,13.17.20; 20,16; Offb 9,11; 16,16). Zwei dieser Vorkommen finden sich in der Offenbarung (9,11; 16,16). Johannes hat also den Sprachstil des Evangeliums in der Offenbarung fortgesetzt. Er gibt damit zu erkennen, dass er Hebräisch gut genug versteht. Damit entfällt Boussets (auch von Gunkel vertretene) Theorie, den Namen von Offb 16,16 habe der Verfasser „selbst kaum mehr verstanden“, weil er hebräisch sei!1473 Und auch die weitergehende Theorie, in V. 16 träfen wir auf „eine ältere nicht mehr verstandene Tradition“1474, wird damit höchst fragwürdig. Es lag nahe, Harmagedon in eine Beziehung zur Stadt Megiddo am Rand der Jesreelebene zu setzen. Megiddo kommt als [ ְמִגדּוֹןmegiddon] in Sach 12,11 vor, und als [ ְמִגדּוֹmegiddo] = Μαγεδδω [Mageddo] LXX in Jos 17,11 sowie als [ ְמִגדּוֹmegiddo] = Μαγεδων [Magedon] LXX in 2Chron 35,22, was unserem Ἁρ-μαγεδών [Har-magedon] in Offb 16,16 jedes Mal nahekommt.1475 ἅρ [har] = hebr. [ ַהרhar] bedeutet Berg. Sofort aber ist zu sagen, dass es im AT kein Harmagedon gibt.1476 Das hängt damit zusammen, dass das geschichtliche und alttestamentliche Megiddo weder in einem Gebirge noch auf einem Berg liegt, sondern am Rand der Jesreel-Ebene, ca. 30 km südöstlich von Haifa.1477 Allerdings war es eine bedeutende Stadt, besiedelt seit dem 4. Jt. v.Chr.1478 Es kontrollierte den wichtigen Pass von der Mittelmeerküste in die Jesreel-Ebene. Hier führte die legendäre Via Maris („Weg am Meer“, vgl. Jes 8,23) vorbei. Infolge seiner strategischen Bedeutung war es der Schauplatz zahlreicher Schlachten: Hier besiegte der Pharao Thutmosis III. ca. 1468 v.Chr. eine asiatische Koalition. Hier errangen Debora und Barak in der Richterzeit einen entscheidenden Sieg über die Könige der Kanaaniter (Ri 4,6ff; 5,19). Hier starb der judäische König Ahasja auf der Flucht vor Jehu (2Kön 9,27) und erlitt der fromme König Josia 609 v.Chr. seine Niederlage und einen tragischen Tod im Kampf gegen Pharao Necho (2Kön 23,25ff; 1472 Mounce S. 301. Vgl. J. Jeremias, Art. Ἅρ Μαγεδών, ThWNT, I, 1933, S. 468; Charles II S. 50. 1473 Bousset S. 399. 1474 Bousset a.a.O.; Lohse S. 92. 1475 Vgl. Jeremias a.a.O. 1476 Vgl. Charles II S. 50; Morris S. 199; Zahn S. 540. 1477 Vgl. T.C. Mitchell, Art. Megiddo, GBL, 2, S. 947; R. Riesner, Art. Harmagedon, a.a.O. S. 525f; Giesen S. 361; Bousset a.a.O. 1478 Mitchell a.a.O. S. 950.
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2Chron 35,20ff). Salomo machte Megiddo zu einer seiner Festungs- und Garnisonsstädte (1Kön 9,15ff). Unter den Assyrern war Megiddo Haupstadt einer gleichnamigen assyrischen Provinz.1479 Noch Lord Allenby, der 1917 Palästina im Krieg gegen die Türken eroberte, kämpfte hier beim ehemaligen Megiddo.1480 Mit Megiddo als „one of history’s famous battlefields“1481 ließe sich also der Gedanke an den Versammlungsort der gottfeindlichen Könige durchaus verbinden. Diesen Weg gehen z.B. Hadorn und Frohnmeyer. Sie nehmen an, dass Offb 16,16 am Modell von Ri 4,6ff; 5,19 orientiert sei und Gott den Königen von 16,14 „eine zweite Niederlage von Megiddo“ bereiten wolle „wie den Königen der Kanaaniter“.1482 Man wird dagegen nicht einwenden dürfen, dass ein „Berg von Megiddo“ – so die mögliche Übersetzung von Harmagedon – nicht als Schlachtort infrage komme, weil man auf einem Berg keine Schlacht schlage.1483 Denn erstens könnte an das Hügelland nahe Megiddo gedacht sein1484, zweitens sind Schlachten an einem Berg oder im Gebirge geschichtlich schon geschlagen worden1485, drittens prophezeit auch Ez 38,8; 39,2ff endzeitliche Schlachten auf den Bergen Israels, viertens findet ja in Offb 16,16 noch gar keine Schlacht statt. Dennoch bleiben Bedenken, ob Harmagedon ein geografischer Ort sein soll. Ist es nicht eher ein symbolischer Name? Beispielsweise führte man Harmagedon auf [ ַהר־מוֵֹעדhar-moed] = „Versammlungsberg“ zurück.1486 Ein solcher „Berg der Versammlung“ wird tatsächlich in Jes 14,13 erwähnt. Er liegt dort in der göttlich-himmlischen Sphäre. Wollen also die „Könige der Erde“ Gott gleich sein wie der Weltherrscher von Jes 14?1487 Aber Johannes hätte nicht den Namen Harmagedon gewählt, wenn er wirklich vom „Harmoëd“ hätte sprechen wollen.1488 Bousset ließ den Verfasser auf „eine … mythologische Phantasie“ von einem Kampf der Götter auf einem Berg zurückgreifen, wobei „Dämonenheere den heiligen Götterberg zu erstürmen“ versuchten. Johannes habe dies in 1479 1480 1481 1482 1483 1484 1485 1486 1487 1488
Vgl. die Karte GBL, 3, S. 1568. Vgl. Mitchell a.a.O. S. 948ff; Riesner a.a.O. S. 525; Mounce a.a.O. Mounce a.a.O. Vgl. Ritt S. 83. So Hadorn S. 163.166; J. Frohnmeyer in CBL S. 273f; schon Bengel S. 831; ähnlich Morris S. 200; Grünzweig II S. 106f; Römer S. 161. So aber Bousset S. 399; U.B. Müller S. 282. Vgl. Mounce a.a.O. Hadorn S. 166 erinnert an die „Gebirgskriege“ des Ersten Weltkriegs; vgl. die Schlacht am Weißen Berge 1620. Vgl. Jeremias a.a.O.; Mounce a.a.O. Kraft S. 209 nennt Jes 14,13 das „Vorbild“ von Offb 16,16. In diese Richtung geht auch Hartenstein S. 204f. Vgl. die Kritik von Jeremias a.a.O.; U.B. Müller a.a.O.
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„zeitgeschichtliche(r) Wendung“ auf den Kampf der Parther gegen Rom übertragen.1489 Aber eine solche Lösung vergrößert nur die Probleme. Sie übergeht 1) die alttestamentliche Überlieferung, kann 2) nicht erklären, weshalb Johannes gerade hier die „mythologische Phantasie“ zu Hilfe nimmt, und trägt 3) Elemente ein, die in V. 16 gar nicht vorkommen, so das „Erstürmen“ oder den „heiligen Berg“. Lohmeyer übersetzte Harmagedon mit „Gebirge von Megiddo“ und verstand darunter den Karmel.1490 Der Karmel aber sei in Analogie zu ä Hen 6,5ff der „Versammlungsort der bösen Geister“, an dem die „Könige der Erde“ als „Geistermächte“ zusammenkämen.1491 Doch beinhaltet ä Hen 6,5ff mit dem „Schwurberg“ der abgefallenen Engel (Hermon) eine ganz andere Tradition, und außerdem kann Lohmeyer nicht erklären, wie der Karmel zu dem sonst nirgends bezeugten Namen Harmagedon kommen soll.1492 Es verwundert nicht, dass man Harmagedon als Rätselwort aufschlüsseln wollte. So lässt Giesen Sympathie für den Vorschlag von Oberweis erkennen, wonach in Harmagedon „Nod“ (vgl. Gen 4,16) und „Gomorra“ enthalten seien.1493 Aber weshalb gibt dann Johannes im Unterschied zu Offb 9,11 und 13,18 keinerlei Verständnishilfen? Wie sollen die Leser auf so komplizierte „Lösungen“ kommen? In symbolischer Deutung kann man Harmagedon als „ein Bild für die ‚Aufgipfelung‘ widergöttlicher Macht (vgl. Offb 19,19-21) und den Gegenpol (Hebr 12,22ff; vgl. Offb 21,10) zum endzeitlichen Gottesberg“ bezeichnen.1494 Allerdings hat man den Namen selbst dann nicht erklärt. Am ehesten überzeugt die sachliche Nähe, die zwischen dem „Ereignis“1495 von Offb 16,16 und dem Untergang von Gog und Magog „auf den Bergen Israels“ besteht (Ez 38,8; 39,2ff).1496 Dagegen sind Lösungen, die mit einer Textkorruption oder speziell der Annahme von [ ִעירir] = „Stadt“ statt ַהר
1489 Bousset a.a.O.; offenbar von Bauer-Aland Sp. 215 aufgenommen. Ähnlich Weiß-Heitmüller S. 300. 1490 Lohmeyer 3 S. 137: „ohne Zweifel der Karmel“. Auch Charles II a.a.O.: „the mountains of Megiddo“. 1491 Lohmeyer a.a.O. 1492 Vgl. wieder die Kritik bei Jeremias a.a.O. 1493 Giesen S. 361. 1494 Riesner a.a.O. S. 526. Ähnlich Ritt S. 83. 1495 Darauf legt Giesen S. 363 mit Recht den Ton. 1496 Vgl. wieder Riesner a.a.O.; Mounce a.a.O.; U.B. Müller S. 282; Swete a.a.O.; Charles a.a.O.
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[har] = „Berg“ arbeiten1497 oder von Jer 51,25 ausgehen wollen1498, wenig überzeugend. Was aber den Namen Harmagedon selbst betrifft, bleibt es einstweilen beim Urteil von Joachim Jeremias aus dem Jahre 1933: „Das Rätsel des Ἅρ Μαγεδών harrt noch der Lösung.“1499 Fassen wir zusammen: Die dämonischen Geister führen alle irdischen Machthaber an einem bestimmten Ort zusammen. Sie demonstrieren auf diese Weise ihre antigöttliche Welteinheit. Und sie sind bereit, gegen Gott und Christus zu kämpfen. Bis heute können wir den Ort, nämlich Harmagedon, nicht genauer entschlüsseln. Er steht jedoch geistlich und symbolisch für das wahnwitzige Unterfangen, den Kampf gegen Gott aufzunehmen (vgl. Offb 12,7).1500 Es muss offenbleiben, ob wir nur geistlich-symbolisch deuten dürfen1501 oder ob nicht doch ein Ort dieser Erde im Blick ist. Die Erwähnung der „Berge Israels“ in Ez 38–39 und die Erwähnung der Erde und Jerusalems in Offb 20,9 erlauben unseres Erachtens eine solche irdische Lokalisierung. Man müsste dann in erster Linie an einen Ort in Israel denken.1502 Auszuschließen ist dagegen eine Deutung, die bei Offb 16,16 von einer „Schlacht von Harmagedon“ spricht1503: Denn die „Schilderung“ der ganzen sechsten Schale „bricht abrupt vor dem Beginn des Kampfes ab“1504, von einer Schlacht ist gar nicht die Rede1505, und nach Offb 19,17ff hat der wiederkommende Jesus Christus eine Schlacht überhaupt nicht nötig.1506 Es ist auch noch nicht ausgemacht, ob der Schauplatz von Offb 19,17ff derselbe ist wie der von Offb 16,16.1507 Jedenfalls ist Harmagedon nicht das Zentrum der Endereignisse, sondern nur eine Station auf dem Weg zur Wiederkunft Christi. 1497 So Holtzmann; Hilgenfeld u.a. Vgl. dazu Bousset a.a.O.; Mounce a.a.O.; Charles a.a.O. 1498 Vgl. Mounce a.a.O. 1499 Jeremias a.a.O. Vgl. U.B. Müller a.a.O. Interessant ist, dass die jüdische Überlieferung nach Strack-Billerbeck S. 821 kein „Harmagedon“ kennt. Vgl. noch Holtz NTD S. 112. Auch Charles mit seinen Vorschlägen „fruitful mountain“ oder „desirable city“ (a.a.O.) überzeugt nicht. Vgl. Hartenstein S. 204. 1500 Vgl. Mounce a.a.O. 1501 So Giesen S. 361: „kein geographischer Ort gemeint“, nur ein „Symbolname“; auch Schick S. 176 sieht nur einen „symbolischen Namen“; ähnlich Holtz a.a.O.; Morris a.a.O.; Pohl II S. 90f. 1502 Bengel „deutet auf das Land Israel“ (S. 831); Charles a.a.O. auf Jerusalem; Schlatter S. 291 auf Palästina. 1503 Gegen U.B. Müller a.a.O.; Lohse a.a.O.; Satake KEK S. 339. 1504 Roloff S. 165. 1505 Giesen S. 362; Pohl II S. 190. 1506 Ebenso Giesen S. 363; Grünzweig II S. 107. 1507 Für die Identität der Schauplätze Giesen S. 360; Ritt S. 83; Lohse a.a.O.
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Mit V. 16 ist die sechste Schale zu Ende. Von V. 17 bis zum Schluss des Kapitels (V. 21) haben wir es nun mit der siebten und letzten Schale zu tun: Und der siebte goss seine Schale aus auf die Luft (ἐπὶ τὸν ἀέρα [epi ton aera]), V. 17. Es liegt nahe, bei der Erwähnung von Erde (V. 1f), Wasser (V. 3f), Feuer (V. 8) und Luft an die vier Weltelemente der Antike zu denken.1508 Aber Offb 16 geht von einer anderen Struktur aus, nämlich der Welt und Umwelt, wie sie dem Menschen das Leben ermöglicht und auch unserer praktischen Lebenserfahrung den Rahmen gibt. Das ist unsere Gesundheit (V. 1), das Meer als Nahrungsquelle und Verkehrsmittel, das Wasser als unentbehrliches Lebensmittel, die Sonnenstrahlung als Quelle des Lichts, als Wärme- und Energiequelle, dazu die staatliche Ordnung als Bedingung des Zusammenlebens. Wenn jetzt von der Luft (ἀήρ [aer]) die Rede ist, dann werden wir wie bei der Sonne (vgl. Offb 9,2) zunächst an die äußeren irdischen Lebensbedingungen denken müssen: an das Atmenkönnen, an die schützende und Leben fördernde Hülle um die Erde. Insofern ist die Luft wohl das umfassendste Element im 16. Kapitel.1509 Im Hebräischen steht vermutlich hinter ἀήρ [aer] [ רוַּחruach] mit all seinen Bezügen. Aber nun hat Luft im NT noch eine zweite Dimension: Sie ist der Bereich der Geister, die vom Satan regiert werden (Eph 2,2).1510 Man wird in Offb 16,17 beide Dimensionen zusammen sehen müssen. Das bedeutet aber: Im selben weltgeschichtlichen Augenblick, in dem sich der Aufmarsch aller bösen Geister gegen Gott vollzieht (Offb 16, 12-16), erreicht Gottes Strafe schon Satans ureigenstes Reich in der Luft.1511 Und während auf der Seite der satanischen Trinität – Drache, Antichrist, Falschprophet – unendliche Heere sich versammeln, genügt auf Gottes Seite ein einziger Engel (der siebte), um die ganze satanische Macht zu erschüttern. In der zweiten Hälfte von V. 17 vernimmt Johannes eine gewaltige Stimme (φωνὴ μεγάλη [phone megale]), die von dem Thron aus dem Tempel erscholl (ἐξῆλθεν [exelthen]). Kam sie vom Thron, dann war es Gottes Stimme1512 (vgl. 4,2ff). Der Tempel ist auch an dieser Stelle kein Gebäude, sondern der Bereich von Gottes Thron (vgl. 7,15; 11,19; 14,15.17; 15,5.6.8; 16,1; Jes 66,6). Doch was sagte sie? Im griechischen Text ist es ein einziges Wort: γέγονεν [gegonen]. In Offb 21,6 finden wir es in leicht veränderter Form (γέγοναν [gegonan]) wieder.1513 γέγονεν [gegonen], es ist geschehen, drückt das 1508 1509 1510 1511 1512 1513
So z.B. Aune S. 899. Vgl. Swete S. 210. Vgl. dazu W. Foerster, Art. ἀήρ, ThWNT, I, 1933, S. 165. Vgl. Morris S. 200. Ebenso Lohmeyer 3 S. 137; Holtz NTD S. 112. Vgl. Charles II S. 51; Lohmeyer a.a.O.; Swete S. 210.
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Vollendete und Dauerhafte aus.1514 Andersherum formuliert: Es wird nie wieder so sein wie zuvor. Nun hat aber Swete darauf aufmerksam gemacht, dass man γέγονεν [gegonen] auf zweierlei Art und Weise deuten kann. Entweder bringt es zum Ausdruck, dass jetzt die ganze Serie der Plagen von Kap. 16 komplett ist.1515 Oder es bringt zum Ausdruck, dass jetzt die Anordnung Gottes bezüglich der Schalen vollständig befolgt ist.1516 Wir neigen dieser zweiten Deutung zu. Denn die Plagen, die infolge der siebten Schale kommen, setzen sich ja bis V. 21 fort und außerdem noch – wie wir sehen werden – in Kap. 17 und 18.1517 γέγονεν [gegonen]: Nur Gott steht das Urteil zu, ob etwas endgültig geschehen ist oder nicht. Äußerlich erkennbare Effekte der siebten Schale sind zunächst Blitze und Stimmen und Donner und … Erdbeben (V. 18). Blitze und Stimmen und Donner sind Zeichen der Gegenwart Gottes: Hier handelt der Herr! (vgl. 4,5; 8,5; 11,19). Diese Erscheinungen gehen bis zur Bundschließung am Sinai zurück (Ex 19,16). Sie setzen sich in der Geschichte der Prophetie fort (vgl. Ez 1,13). Im Grunde ist es mehr als erstaunlich, dass die Offenbarungen Gottes sogar während der Antichrist-Zeit – in der wir uns mit Kap. 16 noch befinden – weitergehen. Dass es Gerichtsoffenbarungen sind, hebt die Tatsache ja nicht auf, dass Gott damit die Menschen anredet und ihnen auf diese Weise die Gelegenheit zur Umkehr gibt (vgl. V. 21). Besonders hebt Johannes das Erdbeben hervor: und es geschah ein großes Erdbeben, von einer Art, wie es so groß noch nie gewesen ist, seitdem ein Mensch auf Erden lebte. Es war also größer als die Erdbeben von Offb 6,12; 8,5; 11,13 und 11,19, größer als die historischen Erdbeben von Pompeji, Lissabon, Krakatau usw. Die Formulierung erinnert an eine Bemerkung anlässlich der ägyptischen Plagen in Ex 9,24, hält also auch bei der siebten Schale die Verwandtschaft mit den ägyptischen Plagen fest.1518 Sie erinnert weiter an Dan 12,11519 und unterstreicht damit, dass wir es in Kap. 16 mit zukünftigen Ereignissen zu tun haben (eschatologische Perspektive). Vor allem aber erinnert sie an Jesu Aussage in Mt 24,211520 und macht damit deut1514 Blass-Debrunner § 340. 1515 So deutet z.B. Satake KEK S. 340; Bousset 1896 S. 461. 1516 Swete a.a.O.; Bengel S. 833, der ebenfalls auf Lk 14,22 hinwies, aber auch auf Ez 9,11; Hadorn S. 166; J.M. Hahn S. 522. 1517 Es bleibt daher zweifelhaft, ob man Offb 16,17-21 mit Lohmeyer a.a.O. schon als „die äußerste Vernichtung der Erde“ bezeichnen kann. 1518 Vgl. Smalley S. 383. 1519 Charles II S. 52 notiert mit Recht hier die „Phraseologie“ von Dan 12,1. Vielleicht ist davon Ass Mos 8,1 beeinflusst. Vgl. Kraft S. 211; Lohmeyer 3 S. 137. 1520 Swete verweist a.a.O. auf die Parallelstelle Mk 13,19.
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lich, dass Mt 24 immer noch den Grundriss für den Aufbau der Offenbarung bildet. Die Verkündigung des „irdischen“ Jesus und die Weissagung des erhöhten Jesus Christus decken sich (christologische Perspektive).1521 Im AT vgl. Hag 2,6. Die globale Sicht der Verse 17 und 18 fokussiert sich in V. 19 auf ein spezielles, zentrales Thema: das der großen Stadt. Begleitet wird ihr Geschick freilich durch andere Städte, die Städte der Nationen: Und aus der großen Stadt wurden drei Teile und die Städte der Nationen stürzten ein. Die große Stadt (ἡ πόλις ἡ μεγάλη [he polis he megale]) muss identisch sein mit Babylon, der großen (Βαβυλὼν ἡ μεγάλη [Babylon he megale]). Das ergibt sich auch aus Offb 14,8; 17,5.18; 18,2.10.21.1522 Aber welche Stadt ist es nun genauer? Das geschichtliche Babylon, das Babel des AT, war zur Zeit des Johannes „verödet“.1523 Es kommt also nicht infrage. In Offb 11,8 spricht die Offenbarung selbst von der großen Stadt, die „geistlich (πνευματικῶς [pneumatikos])“ „Sodom und Ägypten genannt wird“. Wir können also durchaus mit einer geistlichen Bedeutung des Namens Babylon rechnen.1524 Vom ganzen Zusammenhang der Offenbarung her muss es sich um eine gottfeindliche Macht der Zukunft handeln. Kommt dann Rom infrage? Auf Rom deuten fast alle Ausleger.1525 Selbst Zahn, der sonst vor zeitgeschichtlichen Deutungen warnte, war der Meinung: „Die ersten Leser (der) … Apokalypse mußten Βαβυλών als einen typischen Namen der Welthauptstadt ihrer Gegenwart d.h. Roms auffassen.“1526 Aber da jetzt die „Weltlage“ eine andere ist, muss der moderne Leser nach Zahn „die johanneische Methode der ‚geistlichen‘ Umwertung der Ortsnamen“ anwenden und deshalb „Babylon“ auf eine jetzige Welthauptstadt deuten. Zahn sagt: „Es kann dies ebensogut Paris oder Moskau oder Konstantinopel
1521 Es genügt nicht, in Offb 16,18 eine Profilierung gegenüber dem „Jahrhundert der Erdbeben“ (= dem 1. Jh. n.Chr.) zu erblicken, wie es Swete a.a.O. tut (vgl. auch Hemer S. 134.144). Das wird der universalen, eschatologischen Perspektive nicht gerecht. 1522 Anders sehen es z.B. Bengel S. 835f; Schlatter S. 292; Grünzweig II S. 109. 1523 Strabo XVI, 1,5: ἐρημία μεγάλη ’στιν ἡ μεγάλη πόλις [eremia megale ’stin he megale polis]. Vgl. K.G. Kuhn, Art. Βαβυλών, ThWNT, I, 1933, S. 512; Zahn S. 548ff. 1524 Lohmeyer 3 S. 138. 1525 Beispiele: Charles II S. 51; Lohse a.a.O.; Bousset 1896 S. 461; Giesen S. 364f; Kuhn a.a.O. S 514; Swete S. 203f; Allo S. 254; Aune S. 900; Schlatter a.a.O.; Satake KEK S. 341; Caird S. 209; Behm S. 91; Hadorn S. 166f; Mounce S. 304; Roloff S. 165. Anders z.B. Lohmeyer 3 S. 138; Johnson S. 550; Moris S. 201; W. Foerster, Art. ὄρος, ThWNT, V, 1954, S. 486. Unentschieden Holtz a.a.O. 1526 Zahn S. 549.
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sein.“1527 Für Rom werden gewichtige Gründe geltend gemacht. Erstens ist Babylon in 1Petr 5,13 vermutlich ein Deckname für Rom, da Petrus gegen Ende seines Lebens in Rom wirkte. Zweitens ist Babylon als ein Deckname für Rom offenbar dem Judentum der damaligen Zeit „ganz geläufig“.1528 Drittens wird Babylon in Offb 17,9 mit „sieben Bergen“ verbunden, was an Rom als die Siebenhügelstadt erinnert.1529 Nun kann es ja durchaus sein, dass die ersten Leser der Offenbarung an Rom dachten. Aber die entscheidende Frage ist nicht, was die ersten Leser dachten, sondern was die Offenbarung selbst meint. Und da ist es doch sehr deutlich, dass die Offenbarung nicht die Gegenwart schildert1530, sondern Kap. 16 in eine Letztzeit der Weltgeschichte legt (vgl. Offb 1,1.19; 10,11; 15,1). Ist Babylon aber eine Größe der Zukunft, dann muss der Name symbolisch verstanden werden.1531 Kurz gesagt: Es ist die Welthauptstadt des Antichrist. So verstehen wir auch die beigefügte Aussage über die Städte der Nationen (αἱ πόλεις τῶν ἐθνῶν [hai poleis ton ethnon]). Die Nationen (ἔθνη [ethne]) stellen in der Offenbarung wie im übrigen NT einen ambivalenten Begriff dar. Einerseits ist Gott „der König der Nationen“ (15,3), und die Nationen haben eine Heilszukunft (15,4; 21,24.26; 22,2). Andererseits stehen sie im Verlauf der irdischen Geschichte immer wieder gegen Gott auf (11,2.18; 12,5; 14,8). Der Kontext von Offb 16,1ff, besonders 16,14, zeigt, dass hier in V. 19 die Mehrheit der Nationen gemeint ist, die es nach Offb 13,3ff mit dem Antichrist hält. Ihre Städte werden deshalb ins Gericht einbezogen. Doch was geschieht? Die große Stadt = Babylon wird durch das Erdbeben von V. 18 in drei Teile gespalten. Der Untergang ist das noch nicht.1532 Aber ein Menetekel dessen, was in Kap. 17 und 18 noch geschehen wird. Weltweit stürzten die Städte ein.1533 Auch das ist noch nicht das Ende. Aber die Proklamation des Engels von Offb 14,8 beginnt sich zu erfüllen. Es ist eine Unheilslinie eröffnet, die sich fortsetzen wird: Und Babylons, der großen, wurde vor Gott gedacht, um ihr den Kelch des Zornweines seines Zorns zu geben. Uns 1527 1528 1529 1530 1531
Zahn S. 552. Kuhn a.a.O. S. 514, der Apk Bar 67,7; Sib 5,143.159 nennt. Vgl. Zahn S. 548ff; Kuhn a.a.O. S. 513f. Deshalb tragen hier auch Stellen wie Josephus B. J. V, 367ff nichts aus. Ebenso Kuhn a.a.O. S. 512; Lohmeyer 3 S. 138: keine „empirische Stadt“; Foerster a.a.O. Radikal anders Caird S. 209f, der Johannes nur das Ende der römischen Welt weissagen lässt. 1532 Anders Satake a.a.O. („vollkommenen Sturz“). 1533 Vgl. W. Michaelis, Art. πίπτω usw., ThWNT, VI, 1959, S. 162f.
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mutet die Formulierung es wurde gedacht (ἐμνήσθη [emnesthe]) seltsam an. Jedoch ist sie „für die biblische Gottesanschauung zentral“1534. Gedenken vor Gott, zurückgehend auf hebr. [ ָזַכרsachar], bedeutet nicht, dass Gott etwas in die Erinnerung gerufen werden müsste. Vielmehr bedeutet es, dass Gott jetzt den Entschluss zum Handeln gefasst hat.1535 Er will Babylon nun den Kelch des Zornweines seines Zorns geben, also das in 14,8ff Angekündigte erfüllen (vgl. Jes 51,17.22; Jer 25,15; Ps 75,9). Die einzelnen Begriffe sind bei 14,8 und 14,10 erklärt. Hier zeigt es sich, dass das Erdbeben von V. 18 tatsächlich nur eine „Vorstrafe“1536 war und noch nicht die völlige Vernichtung (vgl. Jer 30,24). Es fällt auf, dass die von jüdischer Hand stammenden Oracula Sibyllina im dritten Buch das Ende Roms in ähnlicher Terminologie ankündigen: „Zu Boden stürzen werden“ die „Mauern“, das Ende kommt von Gott „durch Feuer und Regengüsse und … Schwefel … und Steinhagel“ (Or Sib III, 685ff). Doch lassen sich diese Orakel erklären durch die Aufnahme von Prophetien des AT (vgl. Jes 29,5f; 30,30).1537 Der kurze 20. Vers – acht Wörter im Griechischen – berichtet von einer tiefgreifenden Veränderung der Schöpfung: Und alle Inseln flohen, und Berge wurden nicht mehr gefunden. Das ist schlimmer als Offb 6,14.1538 Denn in Offb 6,14 geht es um eine Ortsveränderung der Berge und Inseln, in Offb 16,20 dagegen verschwinden sie ganz. Zu fliehen vgl. Offb 20,11. Zum Zorngericht Gottes, das Inseln und Berge zum Verschwinden bringt, vgl. vor allem Ez 38,19ff.1539 An Jes 40,3ff sollte man hier nicht denken1540, da es in Jes 40,1ff um eine Heilszusage geht. Ein Verschwinden von Inseln und Bergen ist als Folge des weltumspannenden Erdbebens von V. 18 wenigstens in Umrissen vorstellbar. Man denke an Krakatau, Mount St. Helens und andere modellartige Ereignisse. Dabei darf nicht vergessen werden, dass das AT durchaus „heilige Berge“ kennt, z.B. den Berg Zion, der noch in Offb 14,1 in dieser positiven Weise erwähnt wird (vgl. 1Kön 19,8; Ps 2,6; 15,1; 24,3; 78,68; Jes 2,2; 11,9; Joel 3,5). Man vergleiche damit Jesu Liebe zu den Bergen (Mt 5,1.14; 14,23; 17,1; 28,16; 2Petr 1,18). 1534 O. Michel, Art. μιμνῄσκομαι usw., ThWNT, IV, 1942, S. 678. 1535 Vgl. Lohmeyer 3 S. 138; Michel a.a.O. S. 680. Zahn S. 547f erschließt daraus einen „göttlichen Gerichtshof“ mit Beratung. Ähnlich Satake a.a.O. 1536 So mit Recht Bousset 1896 S. 462; Limbach S. 48; Hadorn a.a.O. 1537 Vgl. H. Merkel in JSHRZ V, 8, S. 1104; Aune S. 900. 1538 Giesen S. 366. 1539 Vgl. wieder Giesen a.a.O.; Foerster a.a.O.; Lohmeyer a.a.O.; Hadorn S. 167; Bengel S. 838. 1540 Gegen Kraft S. 211; Hadorn a.a.O.
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Auf der anderen Seite bemerken wir, dass Berge durchaus ein Sinnbild für sündigen Hochmut sein können (Ps 97,5; Jes 2,14).1541 So stellt sich auch in Offb 16,20 die Frage einer geistlichen Deutung.1542 Zuerst wird man im Sinne der Endzeitrede Jesu in Mt 24 (vor allem V. 29f) tatsächlich mit kosmischen Veränderungen rechnen müssen.1543 Es ist – um mit Bengel zu sprechen1544 – nicht gut, jedem geistlichen „Einfall“ zu folgen. Aber hinter den kosmischen Veränderungen, die alle Menschen sehen können (vgl. Mt 24,27), öffnen sich doch geistige Dimensionen, in denen ebenfalls Veränderungen stattfinden. In dieser Perspektive kann man im Verschwinden von Inseln und Bergen die „Erschütterung“ der antichristlichen „Macht und Sicherheit“, ja sogar die „symbolhafte Vorwegnahme des Gerichts“ über alles antigöttliche Wesen erkennen.1545 Manche Autoren sehen in Offb 16,20 eine Widerspiegelung der Erfahrungen mit Naturkatastrophen, die Johannes und seine Generation machten.1546 Eine solche Annahme ist aber unnötig und auch nicht besonders naheliegend, da Offb 16,20 nur sehr allgemein redet. Der letzte Vers des Kapitels (V. 21) scheint mit dem Thema des Hagels nur eine Ergänzung zu V. 17-20 darzustellen, bringt aber in seiner zweiten Hälfte ein Gesamtresümee des ganzen Kapitels. Blitze und Stimmen und Donner und ein Erdbeben und ein großer Hagel: Das war genau so die Reihenfolge der Phänomene in Offb 11,19 wie in Offb 16,18-21. So schließt sich der Anfang von Offb 16,21 fast selbstverständlich an die V. 17-20 an: Und ein großer Hagel … kommt vom Himmel herab auf die Menschen. Vom Himmel herab (ἐκ τοῦ οὐρανοῦ [ek tu uranu]) bedeutet in diesem Zusammenhang wohl: vom siebten Engel her und aus dessen Schale (V. 17). Damit ist zugleich klargestellt, dass es sich um eine göttliche Strafe handelt. Dies und das Stichwort Hagel verbinden unseren Vorgang in Offb 16 wiederum mit den ägyptischen Plagen, speziell deren siebten Plage in Ex 9,13ff.1547 Die Hagelkörner haben ein ungewöhnliches Ge-
1541 Vgl. Foerster a.a.O. S. 479f.486. 1542 Dafür plädiert Foerster a.a.O. S. 486; Pohl II S. 194f; Frey a.a.O.; Hartenstein S. 206. 1543 Ebenso Roloff a.a.O.; U.B. Müller S. 283f; Bengel S. 837f; Morris S. 201; Holtz a.a.O.; J.M. Hahn S. 520ff. 1544 Bengel S. 835. 1545 Foerster a.a.O. Caird S. 209 akzeptiert nur eine geistlich-symbolische Deutung, ebenso Giesen S. 366. 1546 Vgl. Hemer S. 30, 144. 1547 Kraft S. 211; Hemer S. 222.
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wicht: wie Talente schwer (ὡς ταλαντιαία [hos talantiaia]). Ein Talent wird verschieden berechnet, es kann bis zu 40 kg betragen.1548 Ein Anschauungsbeispiel liefert Josephus in B. J. III, 167; V, 270, wonach römische Schleudersteine gegen die Verteidiger Jerusalems ebenfalls Talente schwer (ταλαντιαῖοι [talantiaioi]) waren. Von einer ungewöhnlichen Hagelgröße ist auch in Ex 9,24 und Jos 10,111549 die Rede, außerdem werden Gog und Magog in Ez 38,22 durch Hagel gerichtet. Dafür, dass die Hagelsteine während der „Schlacht bei Harmagedon“ fielen, wie man es gelegentlich lesen kann1550, gibt es keinen Anhaltspunkt. Jedoch halten wir auch hier fest, dass es zunächst um reale, kosmische Geschehnisse geht.1551 Wir sind nun Zeugen großer und größter Gerichte gewesen. Sie haben die Welt erschüttert und verändert. Aber die geistliche Situation ist verheerender als am Ende des zweiten Wehe in Offb 11,13.1552 Dort gaben ja viele Menschen Gott die Ehre. Jetzt aber, am Ende der sieben Schalen, wird nichts Derartiges mehr vermerkt. Im Gegenteil: die Menschen lästerten Gott lautet die Gesamtbilanz am Ende von V. 21, und es wird nicht einmal eine Ausnahme erwähnt. Nur aus Mt 24,14 und dem Fortgang der Verkündigung kann man schließen, dass Einzelne weiterhin für den Glauben an Jesus Christus gewonnen werden. Aber die Gesamtbilanz sieht nicht auf Einzelne, sondern die maßgebende Mehrheit der Menschen. Sie lästerten (ἐβλασφήμησαν [eblasphemesan]): Zum dritten Mal erklingt dieses Wort in Offb 16 (V. 9.11.21).1553 Mit der Dreizahl ist die Endgültigkeit ausgedrückt (vgl. Mt 26,44ff; 2Kor 12,8f). Das heißt: Der Versuch der Liebe Gottes, die Menschen durch die schweren Wege der Gerichte zur Umkehr zu bewegen, ist gescheitert.1554 Sie bleiben in „der Art dieser (antichristlichen) Welt“ (Eph 2,2). Ihre Lästerung begründen sie mit der Plage des Hagels, denn seine Plage ist besonders groß.1555 In der Formulierung klingt diese Begründung an ein Motiv der Wüstenwanderung an (Num 11,33 LXX: πληγὴν μεγάλην σφόδρα [plegen megalen sphodra]) und macht damit bewusst, dass die Menschen aller Zeitalter sich Gott gegenüber ähnlich verhalten. Gott akzeptieren wollen sie nur, wenn Wohltaten 1548 1549 1550 1551 1552 1553 1554
Vgl. Giesen a.a.O.; Hadorn a.a.O. Vgl. Mounce a.a.O.; Bousset 1896 S. 462; Lohmeyer a.a.O. Z.B. J.M. Hahn S. 523. Mit U.B. Müller a.a.O. gegen Giesen a.a.O. Wie Müller auch Lohmeyer a.a.O. Hadorn S. 167. Vgl. Bousset a.a.O. Warum Satake KEK S. 341 bei V. 21 von einer „Verfluchung der Menschen“ redet, ist unverständlich. Grünzweig II S. 111 verneint, dass bei Offb 16,21 eine Bußmöglichkeit bestehe. 1555 Bei ἐκ τῆς πληγῆς [ek tes pleges] ist ἐκ [ek] kausal, vgl. Blass-Debrunner § 212,3.
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vorliegen. Ein göttliches Gericht – auch wenn hundertmal verdient – akzeptieren sie nicht und leugnen jedes Motiv einer göttlichen Liebe, das ihnen im Gericht entgegentritt.1556 Die Verhärtung der Menschen schreitet fort: Die endzeitliche Verhärtung wird die schlimmste sein.1557
IV Zusammenfassung 1. Die Ausgießung der sieben Schalen in Offb 16,1-21 bedeutet eine Steigerung der göttlichen Gerichte gegenüber den Siegelgerichten und Posaunengerichten. 2. Die Schalengerichte stellen auch nicht nur eine Wiederholung oder Variation der Posaunengerichte von Kap. 8 und 9 dar, wie z.B. Bousset es wollte.1558 Vielmehr ist die Situation in Kap. 16 eine ganz andere als in Kap. 8 und 9: Inzwischen hat der Drache konzentriert gehandelt, das erste Tier und das zweite Tier – also Antichrist und Falschprophet – sind erschienen, man hat im antichristlichen Weltreich die Anbetung des Tieres vollzogen und die Verfolgung der Christen enorm intensiviert und auch schon das Zeichen von Offb 13,16ff eingeführt.1559 Die Steigerung, die Lohmeyer als eine „in jeder Hinsicht erhabene Steigerung“ beschrieb1560, wird dort am auffälligsten, wo in Offb 8,7ff konstant τὸ τρίτον [to triton] (das Drittel) in Mitleidenschaft gezogen wird, während es in Kap. 16 jeweils die ganze Erde trifft.1561 Andere „distinct differences“1562 haben wir im Kommentar aufgewiesen. 3. Die Ähnlichkeiten zwischen Kap. 8/9 einerseits und Kap. 16 andererseits legten für eine ganze Reihe von Auslegern die Rekapitulationstheorie nahe. Theodor Zahn formulierte sie so: In Kap. 8/9 (Posaunengerichte) und Kap. 16 (Schalengerichte) hätten wir nicht „zwei Reihen von sachlich verschiedenen Ereignissen, sondern … dieselben Ereignisse unter verschiedenem Gesichtspunkt“ vor uns.1563 Unter den jüngeren Auslegern stellte sich U.B. Müller als Vertreter einer gemäßigten Rekapitulationstheorie die Entstehungsverhältnisse so vor, „daß derselbe Verfasser (= derjenige von Offb 8–9) denselben Stoff noch einmal aufarbeitete“.1564 Victorinus von Pettau (ca. 300 1556 Vgl. Römer a.a.O. 1557 Ganz anders wird die Perspektive, wenn man mit Giesen a.a.O. den Seher nur bis zum Untergang des Römischen Reiches blicken lässt. 1558 Bousset 1896 S. 462. Vgl. Mounce S. 291; Lohmeyer 3 S. 133. 1559 Vgl. Hadorn S. 161. 1560 Lohmeyer 3 S. 138. Vgl. Giesen S. 348. 1561 Schon von Bengel S. 812 betont. 1562 So Mounce a.a.O. 1563 Zahn S. 538. 1564 U.B. Müller S. 278.
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n.Chr.)1565, Coccejus1566, Lohmeyer1567, Allo1568 und H. Frey1569 sind weitere Beispiele von Vertretern der Rekapitulationstheorie. Doch diese scheitert an dem Umstand, dass Situation, Zeit und Einzelabläufe in Offb 8/9 einerseits und Offb 16 andererseits verschieden sind. Offb 16 bildet gegenüber 8 und 9 ein fortgeschritteneres Stadium der Endgeschichte.1570 4. Als Zeit der Ereignisse von Offb 16 haben wir die zweite Hälfte des antichristlichen Reiches bzw. dessen Schlussphase bestimmt. Die Herrschaft des Antichrist ist noch keineswegs „zu Ende“.1571 Erst recht ist den Ereignissen von Offb 16 noch kein „Kommen des Menschensohnes“ (nach Kap. 14) vorausgegangen.1572 Der Menschensohn = Christus kommt erst in Kap. 19 wieder. Im Hinblick auf die Herrschaft des Antichrist bedeutet dies, dass die anfänglich von Wundern verklärte „Goldene Zeit“ der Menschheit zunehmend in Katastrophen und göttliche Gerichte übergeht. 5. Mit dieser Zeitbestimmung auf ein noch künftiges Geschehen, nämlich die Antichrist-Zeit, wird es unmöglich, im damaligen Rom oder Römischen Reich1573 diejenige Macht zu sehen, der Offb 16 das Gericht androht. Ebenso wenig kommt das Papsttum der Vergangenheit infrage.1574 Auch Jerusalem scheidet aus, weil es in der Offenbarung nicht „die große Stadt“ genannt wird.1575 Vielmehr bedeutet „Babylon, die große“, die mit „der großen Stadt“ identisch ist, die Welthauptstadt des künftigen Antichrist-Reiches. Hinfällig ist damit auch Zahns Forderung, je nach Weltlage eine „‚geistliche‘ Umwertung der Ortsnamen“ vorzunehmen.1576
1565 1566 1567 1568 1569 1570 1571 1572 1573
1574 1575 1576
Vgl. dazu Aune S. XCIff. Vgl. Maier Offb S. 330. Lohmeyer 3 S. 133. Allo S. 254. Frey S. 276. Auch Weiß-Heitmüller S. 300. So mit Recht Charles II S. 40; Mounce a.a.O.; Hadorn a.a.O.; schon Bengel S. 811ff. Zur Wichtigkeit der Frage, ob Fortschritt oder Rekapitulation, vgl. Aune S. XCV; Beckwith S. 318ff; Guthrie S. 969; Elwell/Yarbrough S. 380. Gegen Lohmeyer 3 S. 120.130. Wieder entgegen Lohmeyer 3 S. 133. Auf Rom deuten in neuerer Zeit die meisten, z.B. Bousset 1896 S. 458; Lohse S. 92; Hadorn S. 161ff; Swete S. 203f; Roloff S. 165; U.B. Müller S. 279, 283; Mounce S. 304; Giesen S. 365; Charles II S. 45; Omerzu S. 170f; Barclay II S. 147; Kuhn a.a.O. S. 514; Karrer S. 836. Gegen Luther Vorreden S. 186f; Vitringa S. 737. Vgl. Zahn S. 552. Vgl. den Kommentar zu Offb 11,8 und 16,19. Gegen Schlatter S. 292; J.M. Hahn S. 509f; Kraft S. 211; Limbach S. 48; Frey S. 178; Bengel S. 835. Wie wir Giesen a.a.O. Zahn S. 553.
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6. Kritisch zu bewerten sind die Versuche, im Verfasser von Offb 16 einen Bearbeiter älterer Vorlagen zu sehen. Hier ist die Fantasie der Ausleger zum Teil seltsame Wege gegangen. Beispielsweise wollte Bousset im Gefolge Gunkels in Offb 16 eine „ältere“, aber von Johannes „nicht mehr verstandene Tradition“ ausmachen.1577 Speziell in Offb 16,13-16 habe Johannes „eine von ihm nicht oder nur halb verstandene mythologische Phantasie weitergegeben und verarbeitet“.1578 Später betrachtet Bousset Offb 17 als ursprünglich „selbstständiges Fragment“, das Johannes seinem Werk eingliederte, und kommt angesichts der von ihm vermuteten Arbeitsweise des Johannes zu dem Urteil: „Aber seine Phantasie erlahmt hier.“1579 Warum Johannes ausgerechnet auf solche mythologischen Stoffe zurückgriff, weshalb ihm Unverstandenes so unverzichtbar und wertvoll war und wie sich all dies mit seinen Kenntnissen des AT und der Jesusüberlieferung vertrug, erklärt Bousset nicht. Entsprechend scharf ist die Kritik bei Swete und Roloff.1580 Demgegenüber bleibt mit Allo1581 festzuhalten, dass es in Offb 16 keine erkennbaren Quellen gibt, die Johannes verarbeitet hätte. Ebenso wenig können wir Glossen und Interpolationen feststellen.1582 7. Skepsis bleibt auch angebracht, wenn vermutete Patmos-Erlebnisse des Johannes zur Erklärung dienen sollen. Dahin tendieren u.a. englische Autoren. Beispielsweise bemerkt Barclay zu Offb 16,3: „Vielleicht kam Johannes der Gedanke an das Meer von Blut auf der Insel Patmos, wo sich das Meer im Glanz der untergehenden Sonne gewiß oftmals blutrot färbte.“1583 Ähnliches findet man bei Swete und Hemer.1584 Der Text bei Johannes sagt jedoch etwas anderes, er führt die Bilder auf ein Sehen und Hören im Geist zurück. 8. Eine geistliche Deutung von Offb 16 war in der Kirche seit Jahrhunderten üblich. Bekannte Beispiele der Vergangenheit sind Luther, Coccejus oder Vitringa. Da wir es nicht nur mit irdisch-materiellen Verhältnissen zu tun haben, sondern auch mit geistigen und geistlichen, bleibt eine solche geistliche Deutung berechtigt. Grundlage jeder Auslegung muss aber zunächst der äußere Wortsinn sein, die Worte eben, die Johannes niedergeschrieben hat. Insofern hat Johann Albrecht Bengel recht, wenn er zu den Schalengerichten an1577 1578 1579 1580 1581 1582 1583 1584
Bousset S. 399. Bousset a.a.O. Bousset 1896 S. 462. Swete S. 210 bezüglich Gunkels: „The fancy of Gunkel … does not merit serious consideration.“ Vgl. Roloff S. 161. Allo S. 254. Gegen Charles II S. 43f. Barclay II S. 146. Swete S. 201; Hemer S. 134.144 (aber vorsichtig S. 30).
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merkt: Sie sind „nach dem Buchstaben zu verstehen“.1585 Berechtigt ist auch seine Warnung, man solle „nicht aus einem jeden geschwinden Einfall“ eine geistliche Deutung machen.1586 Gerade bei den eschatologischen Ereignissen von Offb 16 hält uns der Vergleich mit Mt 24 an, zunächst die äußeren naturhaften Umwälzungen ernst zu nehmen. Erst danach kann die geistliche Deutung einsetzen, die die unsichtbaren und geistigen Vorgänge zu erfassen versucht. 9. Die bisherige Auslegung hat nicht immer genügend beachtet, dass der Zweck der Ereignisse von Offb 16 zunächst in der Bekehrung der Menschen liegt.1587 Die Dreifachaussage von Offb 16,9.11.21 ist dafür der beste Beweis. Noch in den härtesten Gerichten begegnen wir der suchenden Liebe Gottes. Das Drama und die Tragik von Offb 16 liegen nicht in der Schrecklichkeit der Vorgänge, sondern in der fast unglaublichen Verhärtung der Menschen. Man darf auch nicht übersehen, dass die Erde in Offb 16 keineswegs eine „völlige Zerstörung“ erlebt, wie Lohmeyer einst schrieb1588, sondern durchaus ein eingeschränkt lebensfähiger Organismus bleibt. Freilich stimmt es auch nicht ganz, dass – wie Giesen meint – die Schalengerichte „nur die gottfeindlichen Menschen“ treffen.1589 Von den kosmischen Vorgängen werden selbstverständlich auch die dann lebenden Christen betroffen. Aus Offb 16,2 lässt sich allerdings der Schluss ziehen, dass sie spezielle Bewahrungen erleben. Eines sollte man jedoch nicht in Zweifel ziehen: dass nämlich auch zur Zeit von Offb 16 eine Christenheit auf Erden existiert.1590 Das ergibt sich schon aus Offb 16,2 und später aus Offb 17,6ff, sowie aus 1Kor 15,52f und 1Thess 4,15ff. 10. In den Kapiteln 15 und 16 fällt ein weiterer Zug auf, der in der Auslegung gelegentlich ebenfalls zu kurz kommt. Das ist die Rolle der Doxologien inmitten gesteigerter Gerichte. Mag manche Einzelheit „den heutigen Leser … bizarr“ anmuten, wie Roloff bemerkt1591, so fordert doch der hymnische Lobpreis Gottes, der hier dreifach erscheint (15,3-4; 16,5-6; 16,7), noch weit mehr Aufmerksamkeit. Erlöste und Engel bestätigen in ihrem Lobpreis die vollkommene Gerechtigkeit Gottes, sie preisen Gottes Wege und seinen herrlichen Namen. Es gibt also für die Gemeinden Jesu Christi keinen Grund,
1585 1586 1587 1588 1589 1590 1591
Bengel S. 814. Vgl. dazu neuerdings U.B. Müller S. 283f. Bengel S. 835. Betont aber z.B. von Giesen S. 348. Lohmeyer 3 S. 138. Giesen a.a.O. Von Charles II S. 41 ohne zureichende Begründung verneint. Roloff S. 161.
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am gerechten Weltregiment Gottes zu zweifeln oder von Christus um äußerer Vorteile willen abtrünnig zu werden.
8. Das Ende Babylons, 17,1–19,10 8.1 Die Hure Babylon und das Tier, 17,1-18 I Übersetzung 1 Und es kam einer von den sieben Engeln, die die sieben Schalen hatten, und redete mit mir und sagte: Komm, ich werde dir das Gericht über die große Hure zeigen, die an vielen Wassern sitzt, 2 mit der die Könige der Erde Hurerei1592 getrieben haben und mit deren Wein der Hurerei sich die Bewohner der Erde betrunken haben. 3 Und er brachte mich im Geist fort in die Wüste. Und ich sah eine Frau auf einem scharlachroten Tier sitzen, das war voller Namen der Lästerung, mit sieben Häuptern und zehn Hörnern. 4 Und die Frau war bekleidet mit Purpur und Scharlachrot und geschmückt mit Gold und Edelstein und Perlen, sie hatte einen goldenen Becher in ihrer Hand voller Gräuel, und dazu die Unreinheit ihrer Hurerei, 5 und auf ihrer Stirn hatte sie einen Namen geschrieben, ein Geheimnis, nämlich: Babylon, die große, die Mutter der Huren und der Gräuel auf Erden. 6 Und ich sah die Frau, trunken vom Blut der Heiligen und vom Blut der Zeugen Jesu. Und ich verwunderte mich über die Maßen, als ich sie sah. 7 Und der Engel sagte zu mir: Warum verwunderst du dich? Ich werde dir sagen das Geheimnis der Frau und des Tieres, das sie trägt, das die sieben Häupter und die zehn Hörner hat. 8 Das Tier, das du gesehen hast, war und ist nicht und soll aufsteigen aus dem Abgrund und geht ins Verderben. Und es werden sich verwundern die Bewohner der Erde, deren Name nicht geschrieben steht im Buch des Lebens von Anfang der Welt an, wenn sie nämlich das Tier sehen, dass es war und nicht ist und wieder sein wird. 9 Hier ist das Verständnis, das Weisheit besitzt! Die sieben Häupter sind sieben Berge, auf denen die Frau sitzt, und es sind sieben Könige. 10 Die fünf sind gefallen, der eine ist, der andere ist noch nicht gekommen, und wenn er kommt, muss er eine kleine Zeit bleiben. 11 Und das Tier, das war und nicht ist, das ist der achte und ist einer von den sieben, und es geht ins Verderben. 12 Und die 1592 Ebenso gut kann man wie in 14,8 mit „Unzucht“ übersetzen. Vgl. Giesen S. 368.
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zehn Hörner, die du gesehen hast, sind zehn Könige, die noch keine Herrschaft empfangen haben, sondern sie werden eine Macht wie Könige für eine einzige Stunde zusammen mit dem Tier empfangen. 13 Diese haben eine einzige Meinung und geben ihre Kraft und Macht dem Tier. 14 Diese werden mit dem Lamm Krieg führen und das Lamm wird sie besiegen, denn es ist der Herr aller Herren und der König aller Könige, und die bei ihm sind, sind Berufene und Auserwählte und Gläubige. 15 Und er sagt zu mir: Die Wasser, die du gesehen hast, wo die Hure sitzt, sind Völker und Massen und Nationen und Sprachen. 16 Und die zehn Hörner, die du gesehen hast, und das Tier, die werden die Hure hassen und werden sie verwüsten und nackt machen und ihr Fleisch essen und sie mit Feuer verbrennen. 17 Denn Gott gab es in ihre Herzen, seinen Willen durchzuführen und einstimmig zu handeln und ihre Herrschaft dem Tier zu geben, bis die Worte Gottes sich erfüllt haben.1593 18 Und die Frau, die du gesehen hast, ist die große Stadt, die die Herrschaft über die Könige der Erde hat.
II Struktur Für jeden Ausleger, der die Struktur des 17. Kapitels untersuchen will, sind diese 18 Verse eine starke Herausforderung. Die Fülle des Inhalts ist manchmal verwirrend. Perspektiven verschieben sich. So notierte Lohmeyer: „Tier und Könige sind … einmal die Feinde des Lammes, dann die Werkzeuge Gottes im Kampf gegen die Feindin des Lammes.“1594 Der Fülle korrespondiert das Gewicht der Aussagen. Zu den Hauptfragen der Exegese der gesamten Offenbarung zählte Beckwith etwa die folgenden: Wer ist die große Hure von Offb 17,1ff – das heidnische Rom? Oder das päpstliche Rom? Oder die künftige Hauptstadt des abgefallenen Weltreiches? Oder die abgefallene Kirche? Oder: Sind die sieben Häupter von Offb 17,9ff „certain great historical kings“ oder Symbole böser Mächte in der spirituellen Welt?1595 Vor allem die Häupter von Offb 17,9-11 suchte man immer wieder als historische Herrscher zu bestimmen. Nur wenige Beispiele: Wettstein sah in den ersten fünf: Caesar, Augustus, Tiberius, Gaius (Caligula), Claudius, sodann im sechsten Nero, im siebten Galba und schließlich im achten Otho 1593 Vgl. Blass-Debrunner §§ 383,1; 455,6. 1594 Lohmeyer 3 S. 139. 1595 Beckwith S. 318ff.
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(Johannes hörte „Ogdoos“).1596 Nicht mit Caesar, sondern Augustus beginnt John A.T. Robinson. Er schließt Galba, Otho und Vitellius in die Reihe von 17,9ff ein.1597 Gnilka rechnet so, dass der sechste Herrscher Domitian ist.1598 Aber nicht wenige Ausleger bezweifeln, ob Offb 17,9ff überhaupt historische römische Imperatoren meint. Sie ziehen eine symbolische Deutung vor.1599 Noch einmal anders verfährt eine dritte Deutung, die sich bis Andreas von Caesarea zurückverfolgen lässt. Sie rechnet nicht mit individuellen Herrschern, sondern ganzen Reichen bzw. „Phasen der gottfeindlichen Weltmonarchie“.1600 Für uns bedeutet diese Problematik, dass sich die Auslegung nicht vorschnell festlegen darf. Dieselbe Vorsicht ist gegenüber der weitverbreiteten Deutung auf Nero bzw. den Nero redivivus1601 angebracht. Zu den festen Exponenten der zeitgeschichtlichen Deutung gehört ferner die Gleichung Hure = Rom. Allerdings war im Mittelalter schon eine Gleichsetzung der Hure mit dem römischen Papsttum entwickelt worden. Für die Erfassung der Struktur ist nun zunächst die Beobachtung wichtig, dass sich in Offb 17 viele Motive und Verkündigungselemente aus den Kapiteln 12–16 wiederfinden: 1) die sieben Engel und sieben Schalen (15,1ff.7ff; 16,1ff), 2) die Hurerei und die Hure (14,8), 3) die Könige der Erde (16,14), 4) das Tier mit den Namen der Lästerung und mit sieben Häuptern und zehn Hörnern (13,1), 5) der Becher (14,10), 6) die Schrift auf der Stirn (13,16), 7) Babylon, die große (14,8; 16,19), 8) das Blut der Heiligen (16,6), 9) das Wundern der Erdbewohner (13,3), 10) das Buch des Lebens (13,8), 11) das geheimnisvolle Weisheitswort (13,18), 12) das Motiv der kleinen Zeit (12,2), 13) das Motiv des Kampfes gegen das Lamm (12,7ff.17; 13,7), 14) die Völker, Massen, Nationen und Sprachen (13,7). Hinzu kommt 15) als Gegenbild zur Frau von 17,3ff die Frau von 12,1ff. Die Geschwisterschaft der Motive und die teilweise sehr enge Berührung mit Offb 12–16 weisen auf den Zusammenhang hin, in dem Offb 17 mit Offb 12–16 steht. Im weiteren Sinne handelt es sich hier immer noch um die Konsequenzen der siebten Posaune (11,15). Wir haben diese strenge Rückbindung an die Kap. 12–16 bei der Auslegung zu beachten. 1596 1597 1598 1599 1600 1601
Wettstein S. 822f. Robinson S. 243. Gnilka S. 415. Vgl. Strobel S. 182f. Guthrie S. 955ff; Lohse S. 6f. Zahn Einl S. 620f. Vgl. Aune S. lxiii. Dafür z.B. Gnilka S. 416; Strobel S. 183; Robinson S. 245ff; Eckhardt S. 64; Niebergall S. 641; Kümmel S. 413; Conzelmann-Lindemann S. 319.
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Nun darf aber auch die Verbindung zu den nachfolgenden Kapiteln nicht außer Acht gelassen werden. Viele Ausleger sehen in Kap. 16 eine Einleitung zu dem Berichtsbogen 17,1–19,10.1602 Wir werden diese These prüfen müssen. Jedenfalls aber verknüpft die Thematik von der „großen Babylon“ (16,19; 17,5; 18,2) die Kapitel 16–18 sehr eng und diese drei Kapitel wiederum mit Kap. 19,1-10 (vgl. 19,2). Haben wir die Verknüpfungen wahrgenommen, dann müssen wir jetzt auch die notwendigen Differenzierungen vornehmen. Zunächst schafft das Auftreten des Engels in der dem Johannes als Angelus Interpres begegnet, eine neue Situation.1603 Die Tätigkeit dieses Erklärungsengels endet offenbar mit V. 18 (vgl. 17,3.7.9.15). Denn mit 18,1 tritt ein anderer Engel in Tätigkeit. Außerdem beinhaltet Kap. 17 eine Art erklärte Geschichte, hebr. einen pescher, worin die handelnden Gestalten und bestimmte Geschichtsakte erklärt werden, während Kap. 18 in der Hauptsache ein Klagelied über den Fall Babylons darstellt.1604 Deshalb empfiehlt es sich, Offb 17,1–19,10 als größeren Zusammenhang unter der Überschrift „Das Ende Babylons“ zu besprechen und dabei Offb 17,1-18 als Unterabschnitt jenes größeren Zusammenhangs unter der Überschrift „Die Hure Babylon und das Tier“ zu betrachten.1605 Seinerseits zerfällt Offb 17,1-18 dann wieder in zwei kleinere Einheiten: 1) die Schau von der Hure Babylon und vom Tier (17,1-6), 2) die Erklärung der Schau durch den Engel (17,7-18).1606
III Einzelexegese Wieder schicken wir einen kurzen Exkurs zur Auslegungsgeschichte voraus: Exkurs: Offb 17 in der bisherigen Auslegungsgeschichte Zumindest seit der Reformation hat Offb 17 eine hervorgehobene Rolle gespielt, war zeitweilig mit Offb 13 zusammen sogar im Zentrum der Aufmerksamkeit. Schon 1297 tritt in der Postilla super Apocalypsim des Franziskanerspiritualen Petrus Johannis Olivi aus Sérignan (Languedoc) ein Modell auf, das Jahrhunderte prägen sollte: die Babylonis meretrix magna (große babylonische Hu1602 Bousset 1896 S. 462; Lohmeyer 3 S. 138; Allo S. 253; Lohse S. 92; U.B. Müller S. 272.282; Kraft S. 210; Giesen S. 364.367; Hadorn S. 161. 1603 Vgl. Lohmeyer 3 S. 140. 1604 Vgl. Mounce S. 306. 1605 Vgl. die ähnlichen Gliederungen und Überschriften bei Beckwith S. 309; Bousset S. 402; Behm S. 1; Giesen S. 367; Roloff S. 166; Satake KEK S. 342. 1606 Ebenso gliedert z.B. Swete S. 218; Charles II S. 67.
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re) ist Rom, sofern es zu Babel geworden ist.1607 Von den Franziskanerspiritualen und den vorreformatorischen Bewegungen läuft diese Linie weiter zu Luther und den Anhängern der Reformation. Für Luther steht es außer Zweifel, dass Offb 17 das Papsttum meint. Das Römische Reich zur Zeit des Johannes kann auf keinen Fall gemeint sein, denn es ist ja „längst dahin“.1608 Die Offenbarung aber enthüllt das Zukünftige.1609 Da immerhin „etliche Länder und dazu die Stadt Rom auch noch da“ sind1610, kann dennoch ein Bezug zu Rom hergestellt werden, und der liegt eben vor in Gestalt des römischen Papsttums. Diese Auslegungstradition setzt sich fort in der Föderaltheologie, z.B. Coccejus (1603–1669)1611, und im Pietismus1612. Für manche Täufergruppen erweitert sich der Begriff Babylon dahin, dass er die jeweiligen Gegner bezeichnet – ganz gleich, ob sie aus der römischen oder der reformatorischen Kirche kommen. Es kann zum Namen und Symbol für theologische Systeme, für den Pfaffenhaufen, für kirchliche und weltliche Mächte1613 werden. In den Parallelbewegungen zum kirchlich verbliebenen Pietismus setzt sich diese Spur der Täufer fort. Hier erscheinen manchmal die verfassten Kirchen schlechthin als das Babylon der Offenbarung.1614 Einer der Repräsentanten dieser Auffassung war Johann Wilhelm Petersen (1649–1727). Typisch für solche Kreise ist „Babels Grablied“ von Gottfried Arnold (1666–1714): „Wolt ihr der Hur noch Reverenz beweisen? Die balde soll mit Feuer seyn verbrandt?“ Aus den Täufergruppen und den genannten Bewegungen kommt vor allem ein Gedanke auch im kirchlichen Pietismus zu einer breiteren Entfaltung: dass nämlich nicht das Papsttum in vorderster Linie die Hure Babel sei, sondern vielmehr die verweltlichte Kirche, wo immer sie sich findet. Man sah hier auch einen Teil der evangelischen Kirche als das Babel von Offb 17–18 an. In Württemberg begegnen wir solchen Auffassungen schon um 1685, also vor Bengels Geburt.1615 Spätere Repräsentanten sind beispielsweise J.M. Hahn1616, Johann Christian Konrad von Hofmann (1810–1877)1617, Ernst Wilhelm Hengstenberg (1802–1869)1618 und Carl August Auberlen (1824–1864)1619. 1607 Vgl. Maier Offb S. 181ff. Von Vitringa S. 748 ausdrücklich gelobt! 1608 Luther Vorreden S. 187. 1609 Auch Nikolaus von Lyra (ca. 1270–1350 n.Chr.) sah die Erfüllung von Offb 17–20 noch ausstehen (Maier Offb S. 191). 1610 Luther a.a.O. 1611 Vgl. Maier Offb S. 329f. 1612 Z.B. Bengel S. 770ff; Spener (Maier Offb S. 358). 1613 Vgl. Maier Offb S. 217, 258, 261, 266. 1614 A.a.O. S. 320, 370ff, 338. 1615 Vgl. Maier Offb S. 384ff. 1616 J.M. Hahn S. 530. 1617 Vgl. Maier Offb S. 488ff. 1618 A.a.O. S. 502ff. 1619 A.a.O. S. 494ff.
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In eine ganz andere Richtung geht die kritische Theologie. Als frühes Beispiel nennen wir Heinrich Corrodi (1752–1793). Er beurteilt die Offenbarung „nach den Regeln der Dichtkunst“1620. Die Offenbarung teilt ihm zufolge nicht das Künftige mit, sondern das Schicksal der Christen im ersten Jahrhundert.1621 Damit ist die Weiche zugunsten einer zeitgeschichtlichen Erklärung gestellt. Es klingt wie eine Fortführung von Corrodi, wenn Wilhelm Bousset (1865– 1920) ein rundes Jahrhundert später zur Offenbarung äußert, sie sei „gedichtet und nicht geschaut“1622. Insgesamt ist die Zukunftsanschauung des Verfassers „durch den Horizont seiner zeitgeschichtlichen Situation bestimmt“1623. Deshalb kommt der Erwartung eines Nero redivivus auch in Offb 17 eine Schlüsselrolle zu. Jedenfalls geht es in Offb 17 um Rom und den Cäsarenkult. Damit hat sich die zeitgeschichtliche Deutung von Offb 17 durchgesetzt. Die boussetschen Grundvoraussetzungen prägen bis heute die Mehrheit der Ausleger im kontinentaleuropäischen Raum. Daneben darf allerdings nicht untergehen, dass gerade im Raum der OffbAuslegung eine Vielfalt von Deutungen fortexistiert. Wir erwähnen beispielhaft Hermann Gunkel (1862–1932), der auch Offb 17 von der zeitgeschichtlichen Erklärung ablösen wollte und dieses Kapitel als „Absenker von dem Stamme des babylonischen Chaosmythos“ betrachtete. Doch weshalb übernahm das Christentum, weshalb übernahm Johannes diese babylonische Tradition? Gunkel meint, dies sei „nur aus der heiligen Scheu vor dem tiefen Geheimnis dieser Offenbarung zu verstehen“1624. In welchem Verhältnis diese „heilige Scheu“ zur geheiligten Nachfolge Jesu stand, bleibt offen. Im Grunde stoßen wir heute bei der Auslegung von Offb 17 auf Fortsetzungslinien all der oben genannten Bewegungen, wozu mittelalterliche, traditionell katholische und unübersehbar viele Einzelimpulse der christlichen Kirchen, Gemeinschaften und Gruppen kommen. Angesichts dieser Vielfalt kann ein Kommentar nur mit größter Bescheidenheit und Zurückhaltung seinen Weg suchen.
8.1.1 Die Schau von der Hure Babylon und vom Tier, 17,1-6 Der Anfang von V. 1 ist ungewöhnlich: Und es kam einer von den sieben Engeln … (Καὶ ἦλθεν εἷς ἐκ τῶν ἑπτὰ ἀγγέλων [kai elthen heis ek ton hepta anggelon]). Zwar wurde Johannes auch in Offb 5,5 und 7,13 von Ältesten angesprochen, die ja Engelwesen sind, und auch in 10,4.8 geschah Ähnliches. 1620 1621 1622 1623 1624
A.a.O. S. 465. A.a.O. S. 466. Vgl. Maier Offb S. 533. A.a.O. Vgl. zu Gunkel a.a.O. S. 528f.
8. Das Ende Babylons, 17,1–19,10
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Aber dass einer der Engel, die das Gericht ausführen, so direkt auf Johannes zugeht, ist neu. Auch hier fehlt der Name oder eine nähere Beschreibung des Engels. Wir sind fernab von jedem Engelkult. Zu den sieben Engeln, die die sieben Schalen hatten, vgl. die Erklärung bei 15,1.6; 16,1. Das Gespräch wird also von diesem Engel eröffnet und nicht von Johannes (und er redete mit mir und sagte). Seine Aufforderung ist relativ lang und umfasst V. 1b und V. 2: Komm, ich werde dir das Gericht (τὸ κρίμα [to krima]) über die große Hure zeigen … Die Formulierung große Hure (πόρνη ἡ μεγάλε [porne he megale]) erinnert uns sofort an Βαβυλών ἡ μεγάλη [Babylon he megale] in 14,8; 16,19; 17,5. Das Bild von der großen Hure weist also eine Kontinuität zum großen Babylon auf 1625, das heißt eine Kontinuität zur Welthauptstadt des Antichrist.1626 Roloff meinte jedoch, das „Bild der Hure“ werde in 17,1 „völlig neu eingeführt“.1627 Auch diese Beobachtung hält etwas Wichtiges fest. Denn als Hure/πόρνη [porne] wurde bisher weder ein Organ des antichristlichen Reiches noch eine untreue christliche Gemeinde noch Babylon bezeichnet. Es kommt also in die Schau von Offb 17 und 18 eine neue Dimension hinein, mag man auch noch so sehr betonen, dass Offb 17,1–19,10 nur eine „Entfaltung“ von Offb 16,19 sei.1628 Einerseits hängt diese Dimension mit der Sünde der Hurerei (πορνεία [porneia]) zusammen, die in Offb 14,8 angeklagt wurde, und bleibt insofern wieder in der Kontinuität zur „großen Babylon“. Andererseits aber gewinnt die Hure von Offb 17,1 ihr Profil durch das Gegenüber zur Frau von Offb 12 und zur Braut von Offb 19,6ff 1629 und überhaupt im Sinne des AT als Bezeichnung des abgefallenen Gottesvolkes.1630 Die Ausleger nennen hier besonders Jes 1,21; Jer 2,20ff; Ez 16,15ff; 23,1ff; Hos 2,4ff; 4,12ff; 5,3. Das Bild weitet sich aber noch durch die Beobachtung, dass weitere antigöttliche Machtzentren wie Tyrus (Jes 23,15ff) oder Ninive (Nah 3,4) im AT ebenfalls als Hure bezeichnet werden.1631 In der großen Hure kommen demzufolge mehrere Aussagelinien zusammen: 1) Sie steht in Kontinuität zum großen Babylon, wie später Offb 17,5 ausdrücklich sagen wird; 2) sie stellt das Gegenbild zur Frau von Offb 12, also zum treuen Gottesvolk, dar; 3) sie ist auch das Gegenbild zur Braut von Offb
1625 1626 1627 1628 1629 1630
Giesen S. 367. Zahn S. 558; Römer S. 163ff. Roloff S. 166. So Roloff selbst S. 165. Vgl. Roloff S. 166; Giesen S. 368; Charles II S. 64; Morris S. 203; Pohl II S. 196. Roloff S. 168; Giesen S. 369; Berger S. 578; Holtz NTD S. 114. Swete S. 213 zitiert Primasius: „meretricem vocans, quia relicto creatore daemonibus se prostituit“. 1631 Vgl. Giesen a.a.O.; Lohmeyer 3 S. 139; Roloff a.a.O.; Schlatter BFchTh S. 90.
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19,6ff 1632; 4) sie ist darüber hinaus das Gegenbild zum himmlischen Jerusalem1633; 5) sie bildet wie die alttestamentlichen Städte Babel, Tyrus und Ninive ein Zentrum gottfeindlicher Verführungsmacht.1634 Das Gericht über die große Hure (κρίμα [krima]) ist ein umfassendes göttliches Gericht, also nicht nur ein vereinzeltes oder partielles Strafgericht.1635 Zeigen (δείκνυμι [deiknymi]) bedeutet die anschließende Schau samt der Deutung durch den Engel.1636 Der Engel fügt in V. 1-2 drei Bemerkungen zur großen Hure an. Zunächst ist es die, die an vielen Wassern sitzt (τῆς καθημένης ἐπὶ ὑδάτων πολλῶν [tes kathemenes epi hydaton pollon]). Für die Vertreter einer zeitgeschichtlichen Romdeutung war dies irritierend.1637 Bousset konnte sich eine solche Bemerkung nur als „Herübernahme einer älteren apokalyptischen Tradition“ erklären1638, wobei die Gründe des Johannes für diese „Herübernahme“ schleierhaft blieben. Roloff sprach von einer „geistlichen Topographie“, die gewissermaßen das Gesamtbild Babels einschließlich Jer 51,13 auf Rom übertrug.1639 Im Rahmen einer solchen „geistlichen Topographie“ könnte man auch auf die „Hure“ Tyrus verweisen, die nach Ez 27,3 ebenfalls „an vielen Wassern“, genauer: „an den Zugängen des Meeres wohnt“. Aber Rom, die Sieben-Hügel-Stadt? Noch immer kann man mit O’Donovan, Bovon und Giesen sagen, die Wasser seien „die Gewässer des Mittelmeers“.1640 Doch wird dann die entscheidende Rolle von Offb 17,15 übersehen.1641 Dort werden die Wasser ausdrücklich als Völker erklärt. Man muss also die Erklärung von Offb 17,1 grundsätzlich vom Rom der Kaiserzeit lösen und in der großen Hure die antichristliche Welthauptstadt und Verführungsmacht der Zukunft sehen1642, nicht aber das Rom des 1. Jh. n.Chr.1643 1632 Bengel S. 839. 1633 Giesen S. 368; Roloff S. 166; Satake a.a.O. 1634 Vgl. hier insgesamt den Artikel πόρνη usw. im ThWNT, VI, 1959, S. 579ff, von Friedrich Hauck und Siegfried Schulz; Seebass S. 110. 1635 Vgl. Bauer-Aland Sp. 915; Jer 51,9. 1636 Giesen S. 369; Lohmeyer 3 S. 140. 1637 Vgl. Bousset 1896 S. 464; Bousset S. 403. 1638 A.a.O. 1639 Roloff S. 168; ähnlich Seebass S. 110; Charles II S. 63. 1640 Vgl. Giesen S. 369. Ähnlich Satake KEK S. 344: Tiber und Ostia. 1641 Bengel S. 841; Schlatter S. 292. 1642 Wie wir L. Goppelt, Art. ὕδωρ, ThWNT, VIII, 1969, S. 324; W. Foerster a.a.O.; Lohmeyer 3 S. 138; Holtz NTD S. 113 „offen“ für eine „übergeschichtliche Deutung“. 1643 Auf dieses Rom deuten viele Ausleger, z.B. F. Hauck / S. Schulz a.a.O. S. 594; Seebass a.a.O.; Giesen S. 367; Bousset S. 403; Aune S. lxi; Bruce S. 113; Hemer S. 12; Torrey S. 58; Omerzu S. 171.192; Pokorny/Heckel S. 589ff; Wilckens I, 4 S. 273; Satake a.a.O.; Behm S. 92; Swete S. 213ff; Charles II S. 54ff; Aune S. 930ff.
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In sitzen am Ende von V. 1 steckt mehr als unser Wort „Wohnsitz“. Gemeint ist vielmehr das Sitzen auf einem Thron und damit die Herrschermacht.1644 Die zweite Bemerkung des Engels geht dahin, dass die Könige der Erde mit ihr Hurerei getrieben haben (ἐπόρνευσαν [eporneusan]), V. 2. Wie in 6,15 und 16,14 müssen die Könige der Erde als die Herrscher der Menschheit auf Erden verstanden werden.1645 Und wie in Offb 16,12ff blicken wir ein Stück weit hinein in das hoch entwickelte, differenzierte Machtsystem des Antichrist, der zu seinem Nutzen eine Vielzahl einzelner Mächte auf Erden wirken lässt. Aber alle diese Mächte bzw. Herrscher taten alles, um die Gunst des antichristlichen Weltzentrums zu erlangen. Die Offenbarung drückt das aus mit der Formulierung sie trieben Hurerei, nämlich mit der großen Hure. Darin steckt auch der Abfall von dem einen, lebendigen Gott und Schöpfer des Alls. Die dritte Bemerkung lautet: mit deren Wein der Hurerei sich die Bewohner der Erde betrunken haben (V. 2). Vom Wein der Hurerei Babylons war schon in 14,8 die Rede, vgl. die Erklärung dort. Auch in Offb 17,2 müssen wir wie in Offb 14,8 davon ausgehen, dass sowohl der Götzendienst als auch die Unzucht von Babylon propagiert werden.1646 Wein ist in diesem Zusammenhang die Verführungsmacht, die Babylons Religion und Lebensweise auf andere überträgt. Die Bewohner der Erde ist ein viel weiterer Begriff als „die Könige der Erde“. Er bezeichnet alle Menschen, die auf Erden leben. Also nicht nur die herrschenden Eliten haben sich an der babylonischen Verführung berauscht! Vielmehr haben sich alle diesen Wein schmecken lassen, bis hinab in die untersten Schichten.1647 Das griechische Wort ἐμεθύσθησαν [emethysthesan] (sie haben sich betrunken) hat hier einen üblen Sinn. Man beachte, dass Wörter mit der Wurzel μεθ- [meth-] viermal in den Lasterkatalogen des NT vorkommen (Röm 13,13; 1Kor 5,11; 6,10; Gal 5,21).1648 Wie wohltuend ist demgegenüber die biblische Nüchternheit (vgl. Mt 24,49 par; 1Kor 15,34; 1Thess 5,6; 1Petr 1,13). Vielleicht bildet das Betrunken von Offb 17,2 sogar ein bewusstes Pendant zu den Betrunkenen der eschatologischen Reden Jesu
1644 Giesen S. 369; Bengel S. 841. Swete S. 213 dagegen: καθῆσθαι [kathesthai] = κατοικεῖν [katoikein]. 1645 Swete S. 213: „human rulers in general“. 1646 Charles II S. 63: „They … shared in the vices and idolatries of Rome.“ 1647 Swete S. 215. 1648 Vgl. H. Preisker, Art. μέθη usw., ThWNT, IV, 1942, S. 552.
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(Mt 24,49 par).1649 Mit Recht sagt Swete zu Offb 17,2: „The imagery comes from the O. T.“1650 Wie auch sonst in der Offb, so schwingt hier eine typisch-zeitübergreifende Dimension mit, die eine geistliche Deutung erlaubt. Als ein unseres Erachtens gelungenes Beispiel einer solchen erwähnen wir einen Satz aus Bengels Kommentar: „Kein Wein kan (sic!) einen Trinker heftiger überwältigen, als der babylonische Religions-Eifer diejenigen, die davon eingenommen sind.“1651 V. 3 unterbricht die Worte des Engels, die sich erst in V. 7 fortsetzen. Mehr noch: V. 3 „introduces a new vision“ (führt eine neue Vision ein)1652. Dies geschieht einigermaßen überraschend: Und er (= der Engel von V. 1) brachte mich im Geist fort in die Wüste. Bis V. 6 erzählt jetzt Johannes. Wie Kraft bemerkt, ist die Aussage im Geist (ἐν πνεύματι [en pneumati]) „nicht eindeutig“.1653 Sie kann entweder die leibliche Entrückung oder den innerlichen, spirituellen Ortswechsel bedeuten. Für beides gibt es biblische Beispiele. Vgl. einerseits Ez 3,14f; Apg 8,39f und Ez 8,3; 11,24; 1Kor 5,3; 2Kor 12,2ff andererseits.1654 Vorsichtigerweise wird man wie in Offb 1,10; 4,2 einen Wechsel im Bewusstsein (spirituellen Ortswechsel) und nicht gleich eine leibliche Entrückung annehmen.1655 Aber was ist mit der Wüste (ἔρημος [eremos]), in die Johannes weggebracht wurde? Ist es die „Behausung des Teufels und der Dämonen“1656, sodass Johannes besser in die dämonische Welt hineinsieht, mit der er es in Offb 17 zu tun hat? Oder eine „Wüste des inneren Lebens“?1657 Oder eine gottverlassene Welt?1658 Oder schon die Vorwegnahme der Verwüstung Babylons in Entsprechung zu Jes 14,12ff; 21,1 LXX?1659 Oder sollte man die Wüste von Offb 17,3 gar als Parallele zur Wüste von Offb 12,6.14 betrachten, folglich als einen Ort der Nähe zu Gott? Keine dieser Deutungen kann man a limine ausschließen. Am nächsten liegt unseres Erachtens diejenige Auffassung, die in der Wüste den Ort des Redens Gottes erblickt (vgl. Num 1,1; Jes 40,3; Hos 2,16; Mt 4,1; Lk 5,16) und damit auch eine Charles II leitet das „betrunken“ von Jer 51,7 ab (S. 63). Swete a.a.O. Ebenso Mounce S. 306; Seebass S. 110; Holtz a.a.O.; Aune S. 930. Bengel S. 843. Charles a.a.O. Kraft S. 213. Vgl. Lohmeyer 3 S. 141; Swete a.a.O. So auch Swete S. 214; Bengel S. 843; Morris S. 205. So Lohmeyer a.a.O. Von Swete S. 214 mit Recht abgelehnt. So Swete a.a.O. Schon Primasius (vgl. Swete a.a.O.): „divinitatis absentia“. Charles II S. 63 sieht Babylon selbst in der Wüste. 1659 Vgl. wieder Swete a.a.O.; schon Wettstein S. 820.
1649 1650 1651 1652 1653 1654 1655 1656 1657 1658
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Nähe zu Offb 12,6.14 aufweist.1660 Hier ist Johannes aus dem babylonischen Treiben herausgenommen. Hier sieht er in der Perspektive Gottes die wahren Verhältnisse.1661 Wieder sah er eine Frau. Sofort werden wir an Offb 12,1 erinnert. Jetzt tritt also das Gegenbild zum wahren Gottesvolk vor unsere Augen. Das Erste, was Johannes von dieser Frau berichtet, ist nicht eine Personenbeschreibung, sondern eigenartigerweise ihr Reittier. Ihre Position, ihr Charakter, ihr grundlegender geschichtlicher Radius ist demnach durch das Reittier bestimmt! Er sah sie nämlich auf einem scharlachroten Tier sitzen. Wie in V. 1 bezeichnet sitzen einen Herrschersitz. Sie gibt also vor zu herrschen, ist aber völlig vom Tier abhängig. Beim Tier ist sich die Auslegung weithin einig: Es ist das Tier (θηρίον [therion]) von Offb 13,1, also das antichristliche Reich, das schließlich vom persönlichen Antichrist repräsentiert wird. Klar wird schon jetzt: Der Antichrist trägt die Frau. Ob sich das scharlachrot (κόκκινον [kokkinon]) auf die Decke (Schabracke)1662 oder das Tier selbst bezieht, muss offenbleiben. Doch wieder ist allgemein einsichtig, was diese scharlachrote Farbe symbolisieren kann. In erster Linie „gottfremde Üppigkeit und weltliche Lust“1663. So geht es aus der prophetischen Predigt hervor (Jer 4,30 LXX; Jes 3,23 LXX).1664 In zweiter Linie jedoch dient die scharlachfarbene Wolle als Sühnemittel (Lev 14,4.6.49.51.52; Num 19,6; Hebr 9,19). Der kultische Gebrauch roter Wolle reicht bis in die Liturgie des Großen Versöhnungstages hinein. Nach der Mischna1665 band man nämlich dem Sündenbock, der Israels Sünden zu Asasel in die Wüste hinaustrug, einen roten Wollstreifen zwischen die Hörner. Hinzu kommt die Ausstattung des Heiligtums mit roten Teppichen und Textilien (Ex 25,4; 26,1.31.36; 27,16; 28,5.8.15.33; 31,4; 35,6.25.35; 36,9.10.12.31; 37,3)1666, wobei die LXX das κόκκινος [kokkinos] von Offb 17,3 verwendet. Ist κόκκινος [kokkinos] dort unzweifelhaft positiv gefüllt, so ist es in einer dritten Gruppe von Aussagen wieder fragwürdig und negativ. Es handelt sich hier um diejenigen Aussagen, die es mit der römischen Herrschaft zu tun haben. Rot 1660 Vgl. G. Kittel, Art. ἔρημος usw., ThWNT, II, 1935, S. 656. 1661 Manche Ausleger rechnen damit, dass Jes 21,1 LXX auf die Formulierung von Offb 17,3 Einfluss gehabt hat. Das ist nicht auszuschließen. Vgl. Lohmeyer 3 S. 141; Charles II S. 63; Behm S. 92. Eigenartig Bengel S. 842, der die Wüste auf die Campagna di Roma deutet. Ähnlich wie wir Morris a.a.O.; Caird S. 213; Holtz a.a.O. 1662 So Lohmeyer a.a.O. 1663 So O. Michel, Art. κόκκος usw., ThWNT, III, 1938, S. 813. 1664 Michel a.a.O. Vgl. Charles II S. 64. 1665 Joma VI, 6, 8. 1666 Vgl. Michel a.a.O.
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war „das Zeichen des (römischen) Feldherrn und Kaisers außerhalb Italiens“1667. Rot war auch der römische Soldatenmantel. Jesus wurde bei seiner Verspottung in einen solchen „scharlachroten Mantel“ (χλαμύδα κοκκίνην [chlamyda kokkinen]) der Soldaten gehüllt, um ihn als König der Juden verächtlich zu machen (Mt 27,28). Es ist gut, wenn man bei der Farbe scharlachrot in Offb 17,3 alle diese Symbolgehalte im Auge behält: Das Tier will Herrscher und Krieger sein, sein Metier ist Macht und Kampf (vgl. Offb 13,7.10; 16,4), es repräsentiert gottfeindliche Pracht und weltliche Lust und installiert seine eigene Religion und seinen eigenen Kult.1668 Zur technischen Seite bleibt noch nachzutragen, dass im Altertum der scharlachrote (oder karmesinrote) Farbstoff aus der Kermes-Schildlaus gewonnen wurde, die man an der Kermes-Eiche (Quercus ilicis) fand.1669 Die drei zusätzlichen Bemerkungen zum Tier: a) voller Namen der Lästerung, b) mit sieben Häuptern, c) mit zehn Hörnern, ermöglichen die Identifizierung mit dem Tier von Offb 13,1.1670 Zu den Einzelheiten vgl. die Erklärung dort. γέμοντα [gemonta] anstelle des zu θηρίου [theriu] passenden γέμον [gemon] ist constructio ad sensum, meint also eine menschliche, männliche Gestalt, das heißt den persönlichen Antichrist.1671 Es ergibt wenig Sinn zu fragen, ob das Tier inwendig voller lästerlicher Namen1672 steckt oder äußerliche Aufschriften gemeint sind.1673 In Parallele zu Offb 13,1 wird man eher an das Letztere denken. Die lästerlichen Namen zeigen jedenfalls die Erfüllung von Dan 7,7ff an. Immerhin ist es interessant, dass orientalische Göttinnen auf Tieren reiten, z.B. die Magna Mater („Große Mutter“ = Kybele).1674 Die Dichte der religiösen Bezüge beim Antichrist erstaunt uns stets aufs Neue. In den V. 4-6 erfolgt jetzt eine nähere Beschreibung der Frau selbst. Sie beginnt mit der Kleidung. Dabei erinnern wir uns, dass die Kleider in der Bibel oft auch die innere Persönlichkeit charakterisieren (vgl. Jes 3,16ff; Ez 28,13f; Am 6,4ff; Lk 16,19). Die Frau war bekleidet mit Purpur und 1667 1668 1669 1670 1671 1672 1673
Michel a.a.O.; Lohmeyer a.a.O. Vgl. Michel a.a.O. S. 814f; Omerzu S. 177. GBL, 3, S. 1359f. Swete a.a.O.; Lohmeyer a.a.O. Lohmeyer a.a.O.; Kraft S. 214; Swete S. 215. So nach Blass-Debrunner § 165,2 zu übersetzen. Wohl eher Letzteres, gegen Kraft a.a.O. Swete a.a.O. hält den ganzen Körper für bedeckt mit solchen Namen. 1674 Lohmeyer a.a.O.; Kraft S. 213; Seebass S. 110; Bousset 1896 S. 456f (nach Gunkel von Babylonien abzuleiten); Kuhn a.a.O. S. 513.
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Scharlachrot: Die beiden Farben Purpur und Scharlachrot und die dementsprechend gefärbten Gewänder gehören eng zusammen.1675 Durch ihre rote Farbe dokumentiert die Frau ihre Zusammengehörigkeit mit dem ebenfalls scharlachroten Tier (V. 3). Zugleich wirkt sie dadurch aufreizend. Sie war geschmückt mit Gold und Edelstein und Perlen: Goldschmuck kennzeichnet die Götter der Nationen (Ex 32,1ff; Jes 40,19; Ez 28,13; Dan 5,4). Auch diese Frau wünscht sich göttliche Ehre und Verehrung. Aber Gold kommt in der Bibel speziell dem Messias zu (Jes 60,6; Ps 72,15; Mt 2,11), ja Gott selbst (Jes 6,19; Hag 2,8; Offb 21,18ff). So nimmt sie dem dreieinigen Gott und dem Messias Jesus die Ehre. Edelstein oder „kostbarer Stein“ (λίθος τίμιος [lithos timios]1676) diente ebenfalls zum Schmuck heidnischer Götterbilder (Ez 28,13). Andererseits schmückte er den Hohepriester (Ex 28,9ff) und soll einmal zum Schmuck des himmlischen Jerusalem dienen (Offb 21,19ff). Hier enthüllt sich, dass die Frau von Offb 17 eben doch das Gegenbild des wahren Gottesvolkes und des himmlischen Jerusalem darstellt. Dasselbe ergibt sich aus der Bemerkung über die Perlen (vgl. Offb 21,21). Damals galten Perlen „als größte Kostbarkeit“1677. Die prunkvolle Erscheinung1678 vollendet sich durch den goldenen Becher in ihrer Hand. Sie ahmt damit nach, was Gott in Jer 51,7 tut. Aber der Inhalt des Bechers ist Jer 51,7 total entgegengesetzt: Statt des Zornweines Gottes befinden sich darin alle nur möglichen Gräuel, speziell die Unreinheit ihrer Hurerei. Die Frau thront also auf dem Tier wie die oberste Göttin des Götzendienstes schlechthin und aller sexuellen Schrankenlosigkeit dazu.1679 Nordafrikanische Kirchenväter wie z.B. Tertullian haben Offb 17,4 zum Anlass genommen, die christlichen Frauen ihrer Zeit vor unsittlicher Prunksucht zu warnen.1680 Es lässt sich auch nicht leugnen, dass eine Verbindung von Offb 17,4 zu 1Tim 2,9 und 1Petr 3,3ff führt. Festzuhalten bleibt, dass nicht etwa die Frau sich „in der Wüste“ befindet, wie z.B. Bousset annahm1681, sondern Johannes.1682 Wer also ist diese Frau? Diese Frage erörtern wir nach V. 6. 1675 1676 1677 1678 1679
Swete S. 215. Vgl. dazu Blass-Debrunner § 49,1. F. Hauck, Art. μαργαρίτης, ThWNT, IV, 1942, S. 476. Vgl. Charles II S. 64; Bousset 1896 S. 465; Kraft S. 214. Wenn Swete S. 214 sagt: „The Harlot reposes“ (ruht) auf dem Tier, dann dürfte die Vorstellung von einem „Ruhen“ dieser agilen Verführerin doch den Ton von Offb 17,1ff nicht treffen. 1680 De cult. fem. II, 12. Vgl. Swete S. 215. 1681 Bousset 1896 S. 466. 1682 U.B. Müller S. 288.
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Vers 5 setzt die Beschreibung der Frau fort: und auf ihrer Stirn hatte sie einen Namen geschrieben, ein Geheimnis … Fast monoton verweisen moderne Ausleger seit Wettstein auf die römische Sitte. In Rom „trugen vornehme römische Frauen“ ein Stirnband.1683 Die Prostituierten aber trugen auf einem solchen Stirnband ihren Namen und machten ihn auf diese Weise publik. Entspricht die babylonische Hure also diesem Vorbild der römischen Huren? Viele Ausleger meinen es.1684 Aber Mounce macht darauf aufmerksam, dass wir in der Offenbarung insgesamt siebenmal einer Aufschrift auf der Stirn begegnen (13,16; 14,9; 17,5; 20,4 und 7,3; 9,4; 22,4).1685 Ein Stirnband scheidet jedenfalls für Offb 7,3; 9,4 und 22,4 aus und ist auch für Offb 13,16; 14,9 und 20,4 nicht unbedingt vorauszusetzen. Deshalb muss man in Offb 17,5 ebenfalls mit mehreren Möglichkeiten rechnen. Kraft sieht die engste Parallele in den Anbetern des Tiers Offb 13,16.1686 Eine Parallele zum Stirnblatt des Hohepriesters Ex 28,36 kommt ebenfalls infrage (vgl. Offb 22,4): Die Frau wäre dann die Hohepriesterin der Gottlosigkeit bzw. des unechten Gottesvolkes. Dass auf ihrer Stirn ein Name erscheint, favorisiert jedenfalls die Annahme, dass Offb 13,16 bzw. Dtn 6,8; 11,18 einerseits und Ex 28,36 bzw. Offb 22,4 andererseits die nächsten Parallelen darstellen.1687 So, wie die Worte in Offb 17,5 lauten, ist der geschriebene Name (ὄνομα γεγραμμένον [onoma gegrammenon]) ein Geheimnis (μυστήριον [mysterion]). Grammatisch wäre es allerdings möglich, Geheimnis schon zur Aufschrift selbst zu ziehen, was in der deutschen Satzschreibung so aussähe: „… einen Namen geschrieben: Geheimnis, Babylon, die große usw.“1688 Aber eine solche Satzstellung wäre ungewöhnlich und würde vielleicht bei Babylon eher einen Genitiv erwarten lassen. Ist aber der geschriebene Name ein Geheimnis1689, dann muss er als eine endzeitliche Offenbarung verstanden werden, die man nur im Geist Jesu Christi richtig verstehen kann (vgl. Mt 13,11; Röm 11,25; Eph 3,9; 2Thess 2,7; Offb 10,7). Darin eingeschlossen ist das „geistliche“ Verständnis (πνευ1683 Bousset a.a.O. 1684 Wettstein S. 820; Bousset a.a.O.; Lohmeyer a.a.O.; U.B. Müller S. 289; Barclay II S. 157; C. Schneider, Art. μέτωπον, ThWNT, IV, 1942, S. 640; Mounce S. 310 (nur „probably“!); Seebass S. 110; Satake KEK S. 345; Behm S. 92; Kuhn a.a.O., S. 512,5; Charles II S. 65. 1685 Mounce S. 310. Hinzu kommt 14,1: also achtmal. 1686 Kraft S. 215. 1687 Gegen die Parallele mit dem römischen Stirnband auch Giesen S. 372. 1688 Vgl. Mounce a.a.O.; Bousset 1896 S. 466. So Zahn S. 556; Swete S. 217; Vitringa S. 761. 1689 G. Bornkamm, Art. μυστήριον usw., ThWNT, IV, 1942, S. 830; Schlatter S. 293; Behm S. 91; Morris S. 206; Aune S. 936; Kuhn a.a.O. S. 512,3; Charles II S. 65.
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ματικῶς [pneumatikos]), wie es ähnlich in 1Kor 2,1.13f; Offb 11,8; 13,18; 17,9 gefordert wird.1690 Wie lautet nun der geheimnisvolle Name? Babylon, die große, die Mutter der Huren und der Gräuel auf Erden (V. 5). Babylon, die große (Βαβυλὼν ἡ μεγάλη [Babylon he megale]) ist uns schon in 14,8 und 16,19 begegnet. Vgl. die Erklärungen dort. Wie wir gesehen haben, ist Babylon die Welthauptstadt des künftigen Antichrist. Nur so kann auch sein Name ein Geheimnis (μυστήριον [mysterion]) sein. Ein bloßer Deckname für Rom wäre noch kein μυστήριον [mysterion] im biblischen Sinne.1691 Hinzugefügt wird jetzt die Mutter der Huren (ἡ μήτηρ τῶν πορνῶν [he meter ton pornon]). Dabei ist umstritten, ob wir πορνῶν [pornon] = der Huren1692 oder πορνείων [porneion] = „der Hurereien“1693 zu lesen haben. Die Bezeugung für πορνῶν [pornon] ist jedoch die bessere. Mutter der Huren heißt: „die größte Hure, die es in der Welt gibt“1694. Bei der Mutter, die Lohmeyer als das eigentliche Namensgeheimnis betrachtet1695, schwingen allerdings noch zwei weitere Dimensionen mit. Das ist einmal Mutter als Personifikation einer Stadt1696 – was ja Babylon wirklich ist! –, zum andern Mutter als Ursprungsbezeichnung.1697 In der großen Babylon haben also alle Huren der antichristlichen Welt ihren Ursprung, von dort beziehen sie ihre Imagination, ihre Verführungskunst, ihren Daseinszweck.1698 Huren muss auch hier als ein Begriff mit religiösem Inhalt verstanden werden: Εs handelt sich um all jene Gestalten, die den Kult des Antichrist propagieren und gleichzeitig den Abfall vom lebendigen dreieinigen Gott fördern. Schließlich ist das Babylon von Offb 17,5 auch die Mutter der Gräuel auf Erden (ἡ μήτηρ τῶν βδελυγμάτων τῆς γῆς [he meter ton bdelugmaton tes ges]). Jene antichristliche Welthauptstadt wird die größten Gräuel aufweisen, von ihr aus werden sich alle Gräuel auf Erden ausbreiten. Der Begriff Gräuel (βδέλυγμα [bdelyngma]) geht auf hebr. שׁקּוּץ ִ [schiqquz] oder [ תּוֵֹעָבהtoewah] zurück und meint a) einen Götzen, b) etwas, das Gottes Abscheu erregt.1699 In den babylonischen Gräueln 1690 1691 1692 1693 1694 1695 1696 1697
Schon Bengel S. 849. Gegen Kraft a.a.O. So Bauer-Aland Sp. 1390. So Ticonius; Primasius; Beatus von Liebana; Lohmeyer 3 S. 142; Kraft a.a.O. U.B. Müller S. 289; Kuhn a.a.O. S. 512,3. Lohmeyer 3 S. 141. Vgl. Bauer-Aland Sp. 1053; W. Michaelis, Art. μήτηρ, ThWNT, IV, 1942, S. 645.647. Vgl. wieder Bauer-Aland a.a.O.; Bengel S. 851; Morris S. 207; Aune S. 937; Swete a.a.O. 1698 Vgl. auch F. Hauck / S. Schulz, Art. πόρνη usw., ThWNT, VI, 1959, 199, S. 594f. 1699 Vgl. W. Foerster, Art. βδελύσσομαι usw., ThWNT, I, 1933, S. 598ff.
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kommt also wieder ein Doppeltes zusammen: a) die antichristliche Religion, b) der antichristliche Verhaltens- und Lebensstil mit all seinen unsittlichen Folgeerscheinungen. Ein gutes Anschauungsbeispiel liefert Tacitus, auf den Charles hinweist1700, bei seiner Beschreibung Roms zu den Zeiten Neros: Er nannte es die Stadt, „wo von allen Seiten alle nur denkbaren Gräuel und Abscheulichkeiten zusammenfließen“.1701 Nur, dass die Gräuel nach Offb 17,5 in Babylon nicht „zusammenfließen“, sondern entspringen! V. 6, der letzte Vers der Beschreibung der Frau, verrät etwas von ihrem geschichtlichen Wirken. Da es jetzt nicht mehr um das Aussehen geht, sondern sozusagen um eine neue Kategorie, eben das geschichtliche Handeln, setzt Johannes neu ein mit den Worten Und ich sah die Frau (καὶ εἶδον τὴν γυναῖκα [kai eidon ten gynaika]). Es ist jedoch nur ein einziger Zug dieses geschichtlichen Handelns, den Johannes erwähnt: ihr Berauschtsein vom Blut der Christen.1702 Sie war trunken (μεθύουσαν [methyusan]) vom Blut der Heiligen und vom Blut der Zeugen Jesu. μεθύουσαν [methyusan] nimmt ἐμεθύσθησαν [emethysthesan] von V. 2 wieder auf. „(Be-)trunken“ oder „berauscht“1703 bedeutet nicht, dass sie ihre Opfer selbst umgebracht hat.1704 Es zeigt aber ihren Blutdurst und ihre unbändige Freude daran, dass dieses Blut vergossen wurde. Johannes erwartet offensichtlich für die Zukunft Ströme christlichen Blutes. Man vgl. Offb 6,10; 16,6; 18,24; 19,2. Die Heiligen (ἅγιοι [hagioi]) deutet man am besten auf Christen (1Kor 1,2 u. ö.)1705, bei den Zeugen Jesu ist dies von vornherein klar. Die Offenbarung stellt uns also auf die zunehmende Verfolgung von Christen ein, was ja schon im 20. und 21. Jahrhundert grausame Wirklichkeit geworden ist. Aus dem AT vgl. die Klage von Ps 79,2f.10: „Sie haben das Blut deiner Knechte vergossen wie Wasser.“ Das antichristliche Machtzentrum, die künftige Welthauptstadt, fordert also das Blut der Christen. Darüber staunt Johannes: Und ich verwunderte mich über die Maßen (ἐθαύμασα θαῦμα μέγα [ethaumasa thauma mega]), als ich sie (= Babylon) sah. Warum eigentlich? Hat nicht schon Jesus von der Kette der Blutzeugen gesprochen, die mit dem gerechten Abel (Gen 4) beginnt und sich durchs ganze AT hindurchzieht (Mt 23,35)? Musste nicht schon das irdische Jerusa1700 1701 1702 1703 1704 1705
Charles II S. 65; vgl. Mounce a.a.O. Tacitus Ann. XV, 44. Schlatters Erklärung beginnt S. 295 mit den Worten: „Das Weib hat einen Rausch.“ Vgl. Bauer-Aland Sp. 1012. Anders Morris S. 207: „The harlot had slain.“ So auch O. Procksch, Art. ἅγιος usw., ThWNT, I, 1933, S. 111; Kraft S. 215f; Mounce S. 311; Hemer S. 86; Morris a.a.O.; Swete S. 217f.
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lem durch Ströme von Blut waten, als die Babylonier die Stadt eroberten (Klgl 2,20ff)? Ja, hat sich nicht Jerusalem selbst mit vergossenem Blut befleckt (Jes 1,15; 59,3)? Das Sich-Wundern des Johannes lässt sich angesichts der Predigt Jesu und der biblischen Überlieferung wohl nur in zwei Richtungen verstehen: 1) als ein Sich-Wundern über das Ausmaß der blutigen Verfolgung von Christen; 2) als ein Sich-Wundern, dass gerade die Frau so stark dem antichristlichen Blutrausch verfällt.1706 Vielleicht gehören sogar beide Aspekte zusammen. Man kann beide Aspekte gut zusammendenken, wenn „die große Hure Babylon“ als Zentrum des Antichrist-Reiches zugleich das abgefallene Gottesvolk darstellt, wie wir es oben vorausgesetzt haben. Dann wendet sich also die abgefallene Gemeinde voller Blutdurst gegen die treu gebliebene Gemeinde Jesu. Genau dies ist es, was Jesus selbst in Mt 24,10 vorausgesagt hat.1707 Nach V. 3-6 stellt sich noch einmal die Frage: Wer ist diese Frau? Für die meisten Ausleger der Gegenwart heißt die Antwort: Rom.1708 Sie können sich dabei auf eine reiche mittelalterliche Tradition berufen. Seit den Franziskanerspiritualen stand die Romdeutung bis hin zu Luther, den Täufern und den Reformationsbewegungen im Vordergrund. Allerdings lässt sich gerade in diesem Verhältnis ein kräftiger Unterschied nicht übersehen: Die soeben erwähnte Tradition hatte es nicht mit dem Rom des vergangenen Imperium Romanum zu tun, sondern mit dem päpstlichen Rom, präziser noch: mit dem Papsttum.1709 Dasselbe gilt für die Romdeutung eines J.A. Bengel und die kirchengeschichtliche Strömung, die er vertritt.1710 In der Gegenwart aber dominiert eine zeitgeschichtliche Sicht, die das Rom des Johannes, das Rom also des 1. Jh. n.Chr., in der Frau dargestellt findet. Purpur und Scharlach, Luxus und „splendour of imperial Rome“1711, die sieben Hügel (V. 9) und das scheinbare Stirnband der Dirne, die zeitgenössischen Schilderungen von
1706 Öfters bezieht man das Staunen allerdings auf die Pracht der Frau, während Johannes auf eine Ruine eingestellt war (vgl. V. 1). So z.B. Swete S. 218. 1707 Nur als ein „Stilmittel“, um die Erklärung zu provozieren, betrachten das Staunen z.B. Kraft S. 216; Giesen S. 375. Anders Lohmeyer 3 S. 142: Das „Staunen ist … der erste Schritt zu dem „Sich beugen vor dem Tier“. Vgl. noch Giesen S. 373. 1708 So Barclay II S. 156; U.B. Müller S. 288; Mounce S. 310; Kraft S. 215f; Bruce S. 113; Wettstein S. 820ff; Seebass S. 110; Bousset 1896 S. 464; Niebergall S. 641; Charles II S. 64; Swete S. 215; Satake KEK S. 345; Schlatter S. 295; Zahn S. 560; Behm S. 93; Caird S. 213ff; Aune S. 934ff; Kuhn a.a.O. S. 514; Kiddle S. 345; Giesen S. 373; Morris S. 209; Robert-Feuillet S. 647; Ritt S. 85; Schick S. 185. 1709 Vgl. Luther Vorreden S. 187. 1710 Vgl. Bengel S. 839ff. 1711 Charles II S. 64.
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Tacitus bis Juvenal und Horaz1712 – das alles dient zur Bekräftigung dieser zeitgeschichtlichen Sicht, wobei sich in der Tat eindrucksvolle Parallelen ergeben. Man darf aber auch die Argumente nicht übersehen, die in eine andere Richtung als die zeitgeschichtliche Erklärung weisen. Da ist die beständige Warnung Jesu vor einer kurzatmigen Naherwartung (Mt 24,6.8.14; 25,5.19; Lk 12,38). Da ist das Insistieren der apostolischen Verkündigung darauf, dass der Tag des Herrn eben noch nicht da ist (2Thess 2,2; 2Petr 3,3ff). Da ist das Zeugnis des Irenäus, im Einklang mit der „kleinasiatischen Schule“, dass der Antichrist und die Frau von Offb 17 noch am Ende des 2. Jh. n.Chr. als zukünftige Größen betrachtet werden müssen, folglich keinesfalls im Rom des Johannes erblickt werden dürfen.1713 Da sind, wie Lohmeyer mit Recht bemerkt1714, Züge der Schilderung in Offb 17, die eher auf „eine dämonische Macht“ als auf das zeitgenössische Rom deuten. Da ist schließlich und entscheidend die eigene Aussage des Johannes, er berichte, was danach geschehen soll (ἅ μέλλει γενέσθαι μετὰ ταῦτα [ha mellei genesthai meta tauta], 1,19), und die Fortführung seiner Offenbarung bis zum Ende der Tage, bis zur Neuschöpfung, unter Einschluss einer Epoche von 1000 Jahren (20,1ff). Man kann dies alles unmöglich im Rom seiner eigenen Zeit aufgehen lassen. Demzufolge ist Babylon eine künftige, noch vor uns liegende Größe. Es ist die Welthauptstadt und das verführerische Machtzentrum des Antichrist, der noch kommt. Gespeist wird es auch von der abgefallenen Christenheit.1715 Damit berühren wir uns mit der Deutung im Pietismus seit dem 18. Jh. Seiner Auffassung nach ist die Hure „die ganze geistlose … Christenheit“1716. Also „nicht die Stadt Rom allein, auch nicht allein die katholische Religion, auch nicht eine andere mit Ausschluß der andern, sondern alle zusammen genommen“1717. Carl August Auberlen hat es 1854 in den klassischen Satz gefasst: „Die Hure Babylon ist die verweltlichte Kirche.“1718 Da wir oben in der „großen Hure Babylon“ das Gegenbild zur Frau von Offb 12 und zur Braut von Offb 19 erkannt haben, ist es unausweichlich, diese Dimension bei der Auslegung zu berücksichtigen. Nur darf die verweltlichte, abgefallene Kirche nicht an die Stelle der antichristlichen Welthauptstadt treten. Vielmehr ist es 1712 1713 1714 1715
Vgl. Wettstein S. 820ff; Charles II S. 65. Irenäus Adv. haer. V, 30,4. Lohmeyer a.a.O. Vgl. wieder Lohmeyer 3 S. 138, 141; Holtz NTD S. 114; Pohl II S. 202f (lässt die Deutung offen); Römer S. 164ff; W. Foerster, Art. θηρίον, ThWNT, III, 1938, S. 134f. 1716 So J.M. Hahn S. 530. 1717 J.M. Hahn a.a.O. 1718 Auberlen S. 279. Von neueren Auslegungen gehen in diese Richtung z.B. Hartenstein S. 209ff; Grünzweig II S. 115ff; P. Müller S. 52; Lawton S. 108f; Limbach S. 51ff.
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so, dass diese Welthauptstadt durch den Anschluss der abgefallenen Christenheit in ihrer kulturellen und religiösen Macht verstärkt wird.
8.1.2 Die Erklärung der Schau durch den Engel, 17,7-18 Wie in V. 1 beginnt dieser Abschnitt durch ein Handeln des Engels (V. 7). Es ist derselbe (vgl. den Artikel!) wie in V. 1. Mehrfache Interpretationen durch bestimmte Engel begegnen uns auch im Danielbuch (vgl. Dan 7,16.23; 8,13ff; 9,20ff; 10,5ff; 12,5ff). Warum verwunderst du dich?, wird Johannes gefragt. Was in der himmlischen Welt völlig klar ist, erscheint auf der Erde als komplex, paradox oder sogar widersprüchlich.1719 Ich werde dir sagen das Geheimnis der Frau und des Tieres, das sie trägt, das die sieben Häupter und zehn Hörner hat: Der Engel handelt hier nicht willkürlich, sondern wie Gabriel in Dan 8,16; 9,22f im Auftrag Gottes. Gott will, dass die Gemeinde Jesu dieses Geheimnis kennt und versteht. Das Geheimnis besteht im Wesen und geschichtlichen Handeln von Frau und Tier.1720 Die Frau wird wie in 17,1ff an die Spitze gestellt. Das Tier war ja schon in 13,1ff Gegenstand der Schilderung. Das Tier – und nun beginnt der Engel doch mit dem Tier! –, das du gesehen hast, war und ist nicht und soll aufsteigen aus dem Abgrund (ἐκ τῆς ἀβύσσου [ek tes abyssu]) und geht ins Verderben: So setzt die Engelerklärung in V. 8 ein. Nichts von dem hier Gesagten ist neu. Es wird nur neu beleuchtet und in einen größeren geschichtlichen Zusammenhang gebracht. Das Tier, das du gesehen hast: Dreimal hat es Johannes schon gesehen, in 11,7; 13,1ff und 17,3. Es ist der Antichrist1721, zuerst als Reich, dann als Person. In war und ist nicht1722 und soll aufsteigen (ἦν καὶ οὐκ ἔστιν καὶ μέλλει ἀναβαίνειν [en kai uk estin kai mellei anabainein]) hat man schon lange eine Kontrastformel zu Offb 1,4.6; 4,8 erkannt.1723 Ja, es ist sogar eine Parodie auf die Gottesbezeichnung.1724 Das Tier äfft also Gott nach und will selber göttlich sein, so wie es ja auch in Offb 13,12ff angebetet sein wollte (vgl. 2Thess 1719 Vgl. Kiddle S. 345ff. 1720 Giesen S. 375: „das eigentliche Wesen der Frau und des Tiers“; Kraft S. 217: „Geschichte geweissagt“. 1721 Giesen a.a.O. 1722 Im Gegensatz zur Lutherbibel steht im Urtext kein „jetzt“. 1723 Giesen a.a.O.; Lohmeyer 3 S. 142; Kraft S. 217; Swete S. 218; Kiddle S. 345. Schon Bengel S. 855. 1724 Charles II S. 68; Caird S. 215; Aune S. 939.
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2,4).1725 In war und ist nicht haben wir denselben Vorgang wie in Offb 13,3.12.14. Das Tier, das schon existierte, hat, im Bild gesprochen, einen tödlichen Schwertstreich empfangen, dessen nähere Einzelheiten nicht geschildert sind. Insoweit gibt es in der Biografie des Tieres einen Zeitabschnitt, von dem man sagen muss: es (= das Tier) ist nicht. Seine Bestimmung lautet aber: es soll aufsteigen aus dem Abgrund. Genau das geschieht, wenn die tödliche Wunde des Antichrist nach Offb 13,3.12.14 wieder geheilt wird. Satanische Wunderkräfte, die aber nur durch Gottes Zulassung wirken können, vollbringen diese Heilung. Insofern kommt das Tier oder der Antichrist auch wirklich aus dem Abgrund (ἐκ τῆς ἀβύσσου [ek tes abyssu]), nämlich dem Machtbereich des Drachen. Es ist, wie Kiddle1726 formuliert, eine „mysteriöse Auferstehung (mysteroius resurrection)“. Und nicht zu Unrecht nennt Kraft die Abyssos „seine Heimat“.1727 Aber der Engel weist auch sofort darauf hin, was den Antichrist am Ende erwartet: Er geht ins Verderben.1728 Der geschilderte Weg des Antichrist hat noch einmal die Parallelen zum Lamm, zu Christus, erkennbar gemacht.1729 Auch der Antichrist erscheint „wie geschlachtet“ (13,3), auch er wird ins Leben zurückgeholt in einer Art Auferstehung. Dennoch treten gerade in Offb 17,8 die Unterschiede aufs Schärfste hervor: Das Tier kommt aus dem Abgrund, das Lamm als Gottessohn vom Vater; das Tier geht ins Verderben, das Lamm zum Thron und zur ewigen Herrlichkeit. Selbst die Parodie auf den Gottesnamen ist misslungen: Wo bei Gott steht „der ist und der war und der kommt“, heißt es beim Antichrist „der war und der nicht ist und aufsteigen soll“. Die heutige Auslegung greift bei Offb 17,8 besonders gerne zur Nerolegende, um von ihr her die Offenbarung zu erklären. So meint Kiddle, es stehe ohne allen Zweifel fest („clear beyond doubt“)1730, dass das Tier den Nero redivivus abbilde, der nach seinem Tod zurückkehre, um Rom zu zerstören. Es ist nur eine leichte Variation dieser Erklärung, wenn beispielsweise Swete in Offb 17,8 den Untergang Neros und das Wiedererstehen des Kaisertums durch Vespasian wiederfindet.1731 Giesen kann sagen: „Nur wenige sehen in Offb 17 keinen historischen Bezug“, nämlich keinen Bezug zur Nerolegen-
1725 1726 1727 1728 1729 1730 1731
Ebenso Omerzu S. 161. Kiddle a.a.O. Kraft S. 218. Vgl. besonders Offb 11,7. Ähnlich wie wir Grünzweig II S. 131; Römer S. 168f; Pohl II S. 205. Vgl. Bousset 1896 S. 468; Kraft S. 217; Foerster a.a.O. S. 135; Charles II S. 68. Kiddle a.a.O. Ähnlich Giesen a.a.O.; Behm S. 93; Satake KEK S. 349; Aune S. 940. Swete S. 219.
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de.1732 Seit Wettstein, spätestens seit Bousset1733, hat sich diese Art der Erklärung mehrheitlich durchgesetzt. Aber sie trägt mehr zur Verwirrung als zur Erhellung von Offb 17 bei. Da die Kapitel 11 und 13–17 zusammenhängen, muss sie mit einem abnorm starken Einfluss der Nerolegende auf die Johannesoffenbarung rechnen, und das ausgerechnet bei einem aus dem Israelland stammenden Judenchristen als Verfasser, der immer noch am einleuchtendsten mit dem Apostel Johannes identifiziert wird. Darüber hinaus wird sie der Bedeutung von Dan 7 nicht gerecht, dem Kapitel, das für die ganze Konzeption des Tieres in der Offenbarung eine wesentliche Rolle spielt. Über weitere Einzelheiten vgl. die folgende Erörterung.1734 Die zweite Hälfte von V. 8 greift Offb 13,3 und 13,8 wieder auf: Und es werden sich verwundern die Bewohner der Erde, deren Name nicht geschrieben steht im Buch des Lebens von Anfang der Welt an, wenn sie nämlich das Tier sehen1735, dass es war und nicht ist und wieder sein wird. Die weitgehende wörtliche Wiederholung erfolgt offenbar sehr bewusst. Sie soll unterstreichen, dass wir es erneut mit den Vorgängen von Offb 13 zu tun haben. Das unterstützt die obige Erklärung. Staunen hat wie in 13,3 den Sinn von „bewundern“, „ein Anhänger werden“. Nur die treuen, echt in Christus verwurzelten Christen werden sich diesem Sog der Mehrheit entziehen können. παρέσται [parestai] markiert den springenden Punkt: Das Tier ist nach seiner wunderbaren Heilung wieder voll da und agiert.1736 Weitere Einzelheiten vgl. bei der Auslegung von Offb 13,3.8. Wie vorsichtig man gerade bei Offb 17,8ff mit Aktualisierungen sein muss, zeigt die früher einmal angestellte Erwägung, ob V. 8 nicht auf den aus Elba zurückkehrenden Napoleon zutreffe.1737 Eine gewisse Anziehungskraft behält dagegen die Deutung Luthers und Vitringas, wonach Rom als Imperium einmal war, in der Gegenwart als Imperium nicht mehr ist, aber in Gestalt des Papsttums eine Wiederkehr erlebte.1738
1732 Giesen S. 374. Als Ausnahmen nennt er Lohmeyer, Sickenberger, Rissi. 1733 Wettstein S. 821; Bousset 1896 S. 467. 1734 Vgl. auch Kraft S. 218: „Hier jedenfalls ist nicht die Rückkehr Neros, sondern die Erscheinung des Antichristen geweissagt.“ Ablehnend ferner Foerster a.a.O. S. 134f. Nur als „Folie“ betrachtet Holtz NTD S. 115 die Nerolegende. Abweisung der Nerolegende bei Zahn S. 561; Lohmeyer 3 S. 142. 1735 βλεπόντων [bleponton] richtet sich nach ὧν [hon]. Kein Gen. abs. (gegen Blass-Debrunner § 423). 1736 Vgl. Bauer-Aland Sp. 1261. Swete S. 219: „ventura est“; Aune S. 941: „will be present again“. 1737 Vgl. dazu Maier Offb S. 444. 1738 Vgl. Luther Vorreden S. 187; Vitringa S. 766f.
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V. 9 unterbricht den Fluss der Erklärung, ähnlich wie ihn Offb 16,15 unterbrochen hat. Inhaltlich aber erinnert uns der Anfang des 9. Verses an Offb 13,18: Hier ist das Verständnis, das Weisheit besitzt (wörtlich: hat).1739 Und wie in 13,18 verstehen wir das Hier (ὧδε [hode]) im Sinne von „Hierbei brauchen wir …“ Allerdings könnte hier auch den Sinn haben: „Hier in der Gemeinde Jesu ist das notwendige Verständnis vorhanden …“. Doch was ist nötig? ὁ νοῦς ὁ ἔχων σοφίαν [ho nus ho echon sophian] sagt V. 9. νοῦς [nus] haben wir wie in 13,18 mit Verständnis übersetzt. Denn es besteht ein enger Zusammenhang mit σοφία [sophia] (Weisheit). Bousset meint: „Hier kommts auf den Verstand an, der Weisheit hat.“1740 Aber der Begriff „Verstand“ erscheint als zu einseitig, zu intellektualistisch. Swete war sich dieses Problems bewusst, als er schrieb: „a higher gift than ordinary intelligence“ sei nötig.1741 Wie die Weisheit ist das Verständnis eine Gabe des Heiligen Geistes (vgl. Prov 1,1ff; Sirach 24,1ff; Sap Sal 8,8; Jak 1,5). Lohmeyer übersetzte deshalb geradezu: „Hier ist der Geist, der Weisheit voll.“1742 Fazit: Ein geistliches, aus der Gemeinschaft mit dem dreieinigen Gott stammendes Verständnis ist nötig, das die Weisheit besitzt, die folgenden Erklärungen aufzunehmen und in das Ganze der biblischen Botschaft einzuordnen. Einem solchen Verständnis will der Engel dienen. Er tut damit grundsätzlich nichts anderes als Gabriel in Dan 9,22, der Daniel „zum rechten Verständnis“ ([ ִבּינ ָהbinah], LXX διάνοια [dianoia]) helfen wollte. Der Engel fährt in der zweiten Hälfte von V. 9 mit seiner Erklärung fort: Die sieben Häupter sind sieben Berge (ὄρη [ore]), auf denen die Frau sitzt, und es sind sieben Könige (βασιλεῖς [basileis]). Auf den ersten Blick fällt zweierlei auf: 1) die Deutung geschieht doppelt, nämlich gleichzeitig auf Berge und Könige1743; 2) die Benennung des Sitzes der Frau wechselt ständig: in V. 1 war es an „vielen Wassern“, in V. 3 und 7 ein „scharlachrotes Tier“, jetzt in V. 9 sind es sieben Berge, die sieben Könige sind. Dennoch muss ein Zusammenhang bestehen, denn es handelt sich immer um dieselbe Frau. Werden die sieben Häupter des Tieres von Offb 13,1ff; 17,3ff als sieben Berge gedeutet, die sieben Könige darstellen, dann scheidet eine Deutung auf die „Siebenhügelstadt“ (Septimontium) Rom aus. Denn es geht dann eindeutig um sieben verschiedene Größen oder Personen. Die Frau ist es ja, die mit einer „Stadt“ identisch ist (17,18), und es ist eines der sieben Häupter, das 1739 1740 1741 1742 1743
Vgl. Charles II S. 68. Bousset 1896 S. 468. Noch intellektualistischer Satake KEK S. 350: „Vernunft“. Swete S. 219. Lohmeyer a.a.O.; vgl. Kiddle S. 347; J.M. Hahn S. 340. Lohmeyer a.a.O.; Bousset a.a.O.; Aune S. 944.
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nach 13,3 tödlich verwundet und wunderbar geheilt wurde. Weder das Tier noch die sieben Häupter können mit der Siebenhügelstadt Rom identifiziert werden.1744 Dann aber muss nach einer übertragenen Bedeutung des Begriffes Berg (ὄρος [oros]) gesucht werden. Sie ist nicht schwer zu finden. In einer ganzen Reihe von Stellen des AT ist Berg so viel wie „Macht“ (vgl. Ps 87,1ff; Jes 2,2f.14; Jer 51,25; Ez 35,2; Dan 2,45; Sach 4,7).1745 Dieser Sprachgebrauch setzt sich im Judentum der Zeitenwende fort.1746 Ein Beispiel dafür sind ä Hen 18,13; 21,3; 108,4.1747 Sieben steht in der Offenbarung für Vollkommenheit und Fülle. Sieben Berge bedeuten demzufolge: Die Gesamtheit der irdischen Macht, das heißt die gesamte Machtfülle des Antichrist. Darauf sitzt die Frau.1748 Diese Deutung stimmt ausgezeichnet mit V. 3-6 überein. Ähnlich ist das Resultat, wenn man die sieben Könige betrachtet.1749 Sieben muss auch hier zunächst als Zahl der Vollkommenheit und Fülle aufgefasst werden.1750 Es geht also um eine Gesamtheit von Königen. Sonst könnte die Frau nicht auf ihnen allen sitzen. Nun dient die Mehrzahlform Könige in AT und NT öfters zur Bezeichnung der Gesamtheit menschlicher Herren. So jedenfalls bei den „Königen der ganzen bewohnten Erde“ in Offb 16,14. So auch bei den „Königen der Erde“ (רץ ֶ [ ַמְלֵכי־ֶאmalche-erez]) in Ps 2,2; 89,28 (vgl. Ps 72,11; 102,16; 110,5; Jes 60,3; 62,2; Dan 2,47; Lk 22,25; 1Tim 6,15; Offb 17,2.14; 19,16). Karl Ludwig Schmidt hat recht: In der Offenbarung ist der „Königstitel in einen kosmologischen Sprachgebrauch hinein“ gesteigert.1751 Dann aber müssen wir die sieben Könige als Gesamtheit der Herrscher auf Erden verstehen. Erneut verträgt sich diese Deutung ausgezeichnet mit Offb 17,1-6. Sie passt auch sehr gut zu den Kapiteln 13 und 16, wo wir mehrfach beobachtet haben, dass das antichristliche Reich ein differenziertes und gegliedertes Machtgefüge darstellt.1752 Jedenfalls zeigt uns der Begriff Könige die kommenden Gewalthaber von ihrer persönlichen Seite, während uns der Begriff Berge die kommenden Mächte von ihrer institutionellen Seite zeigt. 1744 1745 1746 1747 1748 1749 1750 1751 1752
So auch mit Recht W. Foerster, Art. ὄρος, ThWNT, V, 1954, S. 486. Foerster a.a.O. S. 479. Schon Auberlen S. 273. Foerster a.a.O. S. 479f. Foerster a.a.O. Kiddle S. 349 kommt unserer Deutung nahe, wenn er die sieben Berge als „essential qualities“ versteht, als „personal attributes“, die die Macht des Tieres beschreiben. Schon Bengel trat S. 864f dafür ein, dass die Deutungen der Berge und der Könige nicht auseinanderfallen dürften, weil es um dasselbe Tier gehe. Schick S. 186. Im Art. βασιλεύς usw., ThWNT, I, 1933, S. 578. Die Unterschiede, die Lohmeyer 3 S. 142 zwischen 17,8 und 13,1-10 feststellen will, existieren in Wirklichkeit nicht, wie hoffentlich aus unserer Erklärung hervorgeht.
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In alledem gilt es jedoch, die Mahnung von Swete zu beherzigen, dass „more than one solution may be found“ (mehr als eine Lösung gefunden werden mag).1753 V. 10 nimmt das zuletzt genannte Stichwort von den sieben Königen auf: Die fünf (oder: fünf von ihnen1754) sind gefallen, der eine ist, der andere ist noch nicht gekommen, und wenn er kommt, muss er eine kleine Zeit bleiben. In einem einzigen Punkt sind sich die Kommentare einig: Die Auslegung fällt hier besonders schwer. Der sehr vorsichtig urteilende Colin J. Hemer sieht in Offb 17,10 „the most cryptic difficulties (die geheimnisvollsten bzw. rätselhaftesten Schwierigkeiten)“.1755 David E. Aune konstatiert, dass bisher keine einzige Lösung gefunden wurde, der unter den Forschern wirkliche Anerkennung zuteilwurde.1756 Traugott Holtz kam zu dem Ergebnis: „Das Spiel mit ihrer Zahl (V. 10f) verführt zu viel Raterei mit Blick auf die ‚Kaiser‘ des 1. Jh. n.Chr.“1757 Weil die Diskussion „zu keinem allseitig anerkannten Ergebnis geführt“ hat, erwägt er: „Möglicherweise kann (und soll!) sie das auch gar nicht.“1758 Eine solche Situation ist umso auffälliger, als man in 17,9-11 „central verses“1759, vor allem in 17,10 „the all-important (überaus wichtigen) verse“1760 erblickt und die Deutung der sieben Häupter / sieben Könige zu den Hauptfragen der Apokalypseauslegung rechnet.1761 David E. Aune hat die bisherigen Lösungen in drei Kategorien eingeteilt: 1) den historischen Zugang, 2) den symbolischen Zugang, 3) eine Kombination beider.1762 Der historische Zugang („historical approach“) bezieht die sieben Könige von Offb 17,9-11 auf historische Personen des 1. Jh. n.Chr., nämlich auf ganz bestimmte römische Kaiser.1763 Der Begriff βασιλεύς [basileus] = König erlaubt dies grundsätzlich. Aber welche Kaiser sind es nun? Aune listet neun
1753 1754 1755 1756 1757 1758 1759 1760 1761 1762 1763
Swete S. 220. Vgl. Blass-Debrunner §§ 247,9; 265,2. Hemer S. 31; vgl. S. 3; Caird S. 217; Robinson S. 242. Aune S. 946: „No single solution has found wide support among scholars.“ Ebenso Holtz NTD S. 116. Holtz NTD S. 115f. Holtz NTD S. 116. Robinson S. 242. Torrey S. 60. Beckwith S. 318f. Aune S. 946ff. Vgl. Torrey S. 58ff; Robert-Feuillet S. 647; Schick S. 186; U.B. Müller S. 291; Satake KEK S. 350; Behm S. 94.
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verschiedene Zählungen auf.1764 Eine offene Frage bei solchen Zählungen ist es, ob man mit Julius Cäsar (101–44 v.Chr.) oder mit Augustus (Imperator 27 v.Chr. bis 14 n.Chr.) beginnen soll. Ein weiteres Problem bilden die drei Kaiser des sog. „Drei-Kaiser-Jahres“, nämlich Galba (Juni 68 bis Januar 69 n.Chr.), Otho (69 n.Chr.) und Vitellius (69 n.Chr.). Soll man sie einrechnen oder nicht? Manche Autoren kommen hier zu sehr präzisen Festlegungen. So sieht John A.T. Robinson zur Zeit der Abfassung der Offenbarung Galba auf dem Thron sitzen als den einen, der ist (Offb 17,10).1765 Ebenso Eckhardt und andere.1766 Strobel dagegen will nur „postmessianische Kaiser“ zählen und kommt somit auf Domitian (81–96 n.Chr.), unter dem Johannes geschrieben habe.1767 Hadorn zufolge kommt „entweder Galba oder Vespasian“ (69– 79 n.Chr.) infrage als der eine, der ist, Letzterer dann, wenn die Zählung bei Augustus beginnt und das Drei-Kaiser-Jahr übergeht.1768 Auf diesen Vespasian als den sechsten Kaiser deutet auch F.F. Bruce.1769 Originell Wettstein: Der eine, der ist, sei Nero; der noch nicht gekommen ist, Galba; und der achte schließlich Otho, dessen Namen Johannes als ὄγδοος [ogdoos] (V. 11) verstanden habe.1770 Diese wenigen Beispiele mögen genügen. Sehr oft enden solche Zählungen dann bei der Annahme, der achte, der einer von den sieben ist (V. 11), sei Nero redivivus.1771 Nach 200 Jahren Forschungsgeschichte, in denen ein „historischer“ Zugang versucht wurde, kann man das Resultat nur mit den Worten von Conzelmann-Lindemann formulieren: „Die Zählung der Kaiser bleibt allerdings unklar.“1772 Ob es die Leser der Offenbarung je besser verstanden, ist höchst fraglich.1773 Dann aber bleibt nur der Schluss, den Caird gezogen hat: Der sog. „historische Zugang“ ist „the wrong sort of solution (die falsche Art der Lösung)“.1774 Im Übrigen handelt es sich nicht
1764 1765 1766 1767 1768 1769 1770 1771
1772 1773 1774
Aune S. 947. Robinson S. 248. Eckhardt S. 64; Schlatter S. 298 (unsicher); Hengel S. 220, 39. Strobel S. 183. Ebenso Gnilka S. 415; Prigent S. 260f; U.B. Müller S. 291 (gezählt wird hier ab Caligula!); Jörg Frey bei Hengel S. 426. Hadorn S. 221. Bruce S. 114. Wettstein S. 822. Charles II S. 54; Kiddle S. 345ff; Gnilka S. 416; Conzelmann-Lindemann S. 319; Kümmel S. 413; Robinson S. 245ff; Strobel a.a.O.; Eckhardt a.a.O.; Niebergall S. 641; Aune S. lxii; Robert-Feuillet a.a.O.; Ritt S. 87; Prigent S. 260; U.B. Müller S. 290. Conzelmann-Lindemann S. 395. Ebenso Wilckens I, 4 S. 273; Caird S. 217f; Aune S. lxi; Ritt S. 85; Prigent S. 261; U.B. Müller S. 291; Giesen S. 378. Kiddle S. 346; Caird S. 218. Caird a.a.O. Ebenso Lilje S. 206.
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eigentlich um einen historischen Zugang, sondern um einen zeitgeschichtlichen. Was Aune den symbolischen Zugang („symbolic approach“) nennt1775, schließt ein verhältnismäßig breites Spektrum ein. Wir rechnen dazu auch diejenige Lösung, die unter den sieben Königen sieben Weltreiche versteht. Ein prominenter Vertreter dieser Lösung ist Theodor Zahn. Ganz dezidiert erklärt er, eine Deutung der sieben Häupter auf die römischen Kaiser sei „doch unhaltbar“.1776 Seinerseits fasst er die Häupter als „Phasen … der gottfeindlichen Weltmonarchie“ zusammen und kann dadurch dem Gedanken einer Einheit der sieben Häupter entsprechen.1777 Im Einzelnen handelt es sich Zahn zufolge um Ägypten, Assyrien, Babylonien, Medopersien, Griechenland, Rom und den Antichrist.1778 Dasjenige, das wiederkehrt als achtes dieser Reihe und zugleich eines von den sieben, ist „das griechisch-macedonische Reich“.1779 Zahn sieht sich darin in Übereinstimmung mit der Prophetie Daniels, speziell bezüglich des Antiochus IV. Epiphanes.1780 Man muss zugeben, dass Zahns Erklärung gegenüber der zeitgeschichtlichen mehrere Vorteile aufweist: Erstens kann er einen Einklang zwischen Dan 7 und Offb 17 herstellen; zweitens entgeht er den Aporien, die jeder Zählung der römischen Kaiser anhaften; drittens stimmt er mit der Absicht des Johannes überein, Ereignisse der Zukunft zu schildern und nicht seiner Gegenwart (1,19); viertens wird er der Tatsache gerecht, dass wir es zwar mit sieben Häuptern, aber doch nur einem einzigen Tier zu tun haben. – Übrigens führt Aune eine solche Weltreichedeutung bis auf Andreas von Caesarea zurück.1781 Vor Zahn ist vor allem Auberlen zu erwähnen.1782 Eine Deutung der sieben Häupter auf sieben Weltreiche bleibt jedenfalls eine gute Möglichkeit der Erklärung. Man muss dabei keineswegs sieben konkrete Weltreiche aufsuchen, sondern kann von der Sieben als Zahl der Fülle und Vollkommenheit ausgehen und deshalb die sieben Häupter bzw. „sieben Könige“ als gottfeindliche Weltmacht während der ganzen menschlichen Ge-
1775 1776 1777 1778 1779 1780 1781 1782
Aune S. 948. Zahn Einl S. 621. Zahn Einl S. 620. Zahn S. 562ff. Ähnlich P. Müller S. 53; Grünzweig II S. 135. Zahn S. 566. A.a.O. Vgl. Einl S. 620. Aune S. lxiii. Auberlen S. 273ff.
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schichte verstehen. Wir stünden dabei in der Nähe des Wortes in der Versuchungsgeschichte Mt 4,8f.1783 In letztere Richtung geht tatsächlich Hanns Lilje bei seiner Erklärung. Die sieben Häupter = sieben Könige verkörpern seines Erachtens „die lange Reihe der Gestaltungen, in denen die imperiale Macht, das Zentrum des schärfsten widergöttlichsten Verhaltens, auftrat“. Der Achte ist das Tier von Offb 17,11. Es ist deshalb „einer von den sieben“, weil es „seinem ganzen Wesen nach“ zu diesen imperialen Machtgestaltungen gehört.1784 Lilje wahrt hier die Einheit des Tieres mit seinen sieben Häuptern, kann jeweils die Einzelausgestaltung in einem Haupt ernst nehmen und erliegt doch nicht der Aporie, die auch Zahn noch anhaftet, nämlich bestimmte konkrete Weltreiche aus einer langen Reihe auswählen zu müssen. Eine ähnliche symbolische Deutung, wonach die sieben Könige „a complete … number of rulers“1785 oder die Gesamtheit der Weltmächte darstellen, vertreten beispielsweise Aune, Caird, Guthrie, Foerster, Lohmeyer, Lohse.1786 Eine Variante symbolischer Deutung begegnet uns bei Autoren wie Kiddle oder J.M. Hahn. Ihnen zufolge sind die Häupter und Könige Bilder für satanische „Grundkräfte“ oder „essential qualities“.1787 Doch entfernen wir uns hier vom biblischen Bild- und Begriffsrahmen, der eben auf Mächte und Herrschaft bezogen bleibt. Erneut lautet das Fazit: Insgesamt erweist sich eine „symbolische“ Deutung gegenüber einer zeitgeschichtlichen als überlegen.1788 Wir wenden uns jetzt der speziellen Auslegung von V. 10 zu. Es geht hier um sieben Größen, die im Bild der Häupter, Berge und Könige von V. 9 erscheinen. Aber gleichzeitig bleibt es bei dem einen Tier, das wir seit Offb 11,7 über 13,1-10.12-18; 14,9; 16,2.10.13; 17,3.7ff konstant vor uns haben. Mit Recht nennt U.B. Müller das Tier „die zentrale Figur“ auch für die V. 811.1789 Und es ist zu wenig, wenn Prigent dem Tier von Kap. 17 nur eine „quasi-identité“ mit dem Tier von Kap. 13 zugesteht.1790
1783 In ähnliche Richtung will Morris S. 210 unter Berufung auf Hendriksen gehen, ähnlich auch Schick S. 186. 1784 Lilje S. 206f. Ähnlich Römer S. 168ff; Hartenstein S. 212; Pohl II S. 207; Frey S. 184f. 1785 So Aune S. lxii. 1786 Aune S. lxii., 948; Caird S. 218f; Guthrie S. 958f., 961; Lohse S. 6f; Foerster a.a.O. S. 486; Lohmeyer 3 S. 143. 1787 Kiddle S. 349; J.M. Hahn S. 541. 1788 Sogar Robinson anerkennt S. 245 die symbolische Deutung als eine echte Möglichkeit. 1789 U.B. Müller S. 287. Ebenso Holtz NTD S. 116. 1790 Prigent S. 260.
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Eine ausreichende Erklärung muss also der Einheit des Tieres gerecht werden. Sie muss ferner den alttestamentlichen Hintergrund, vor allem Dan 7, berücksichtigen.1791 Wenn fünf Häupter gefallen sind (πέντε ἔπεσαν [pente epesan]), erinnert dieser Vorgang zunächst an Dan 7,8.20ff. Aber dort handelt es sich um Hörner, die „ausgerissen wurden“ bzw. „fielen“ und gestürzt wurden (Dan 7,8.20.24). Hier in Offb 17,10 dagegen handelt es sich um Häupter. Immerhin bleibt der Vergleich mit Dan 7 insofern wertvoll, als innerhalb des einen antichristlichen Tieres ein Antagonismus sichtbar wird. Spuren eines Antagonismus innerhalb des Antichrist-Reiches haben wir auch in Offb 13,14 und 16,12ff beobachtet (vgl. die Erklärung dort). Könnte es sein, dass die fünf gefallenen Könige bzw. Häupter in dieselbe Richtung weisen? In Offb 9,5 bedeutet fünf evtl. eine absichtsvoll „gebrochene Zahl“. So könnte Gott auch die fünf absichtsvoll beschränkt haben, damit Raum für die Folgenden entsteht. Bei einem solchen Verständnis bleibt es offen, ob wir an frühere antigöttliche Mächte (vgl. Dan 7) zu denken haben oder aber an Machtkämpfe innerhalb des letzten Reiches, des Antichrist-Reiches der Endzeit. Nach Meinung des Verfassers dieses Kommentars nötigt uns Offb 17,9 (Hier ist das Verständnis, das Weisheit besitzt) ebenso wie Offb 13,18 zu der Annahme, dass die Gemeinde Christi erst in der Endzeit, in der Zeit der Erfüllung1792 dieser Prophetie, vollen Aufschluss über das in Offb 17,9ff Gemeinte erhalten wird. Offenbleiben muss auch, ob ἔπεσαν [epesan] (gefallen) auf einen gewaltsamen Tod oder ein „Untergehen“ im allgemeinen Sinn deutet.1793 Der eine ist (ὁ εἷς ἔστιν [ho heis estin]) bezieht sich auf die Zukunft. Es handelt sich also nicht, wie die zeitgeschichtliche Deutung annimmt, um die Gegenwart des Johannes.1794 Vielmehr versetzen ihn der Heilige Geist (V. 3) und der Engel (V. 7) in jene kommende Zeit, in der das sechste Haupt = der sechste König ist. Die Tatsache, dass wir es mit dem sechsten von sieben Häuptern zu tun haben, verweist uns auf die zweite Hälfte des Antichrist-Reiches oder – wenn man die sieben Häupter auf alle Mächte der Weltgeschichte beziehen will – auf das Endstadium der Weltgeschichte. Es fällt auf, dass der eine, der ist, relativ kurz abgehandelt wird. Aber das hängt damit zusammen,
1791 So Prigent S. 261 mit Recht. 1792 Vgl. Irenäus Adv. haer. V, 30,3. 1793 Für Letzteres W. Michaelis, Art. πίπτω usw., ThWNT, VI, 1959, S. 163; Giesen S. 380 (wohl mit Recht). Eher an einen gewaltsamen Tod denkt U.B. Müller S. 291 im Anschluss an Brun; Strobel; auch Aune S. 949. 1794 Gegen Giesen S. 382.
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dass „die ganze Reihe“ auf „den achten Herrscher“ abzielt.1795 Das Präsens ist weniger wichtig als das Futur! Auch dem siebten Haupt gilt relativ wenig Interesse. Johannes sagt nur: der andere (= der Siebte) ist noch nicht gekommen (ὁ ἄλλος οὔπω ἦλθεν [ho allos uto elthen]), und fügt fast abwertend hinzu: und wenn er kommt, muss er eine kleine Zeit bleiben. Der Sinn des griechischen ὀλίγον [oligon] ist „nur wenige Zeit“, „nur ein bißchen“.1796 Man vgl. damit die kurze, bemessene Frist des Teufels in Offb 12,12 oder die jüdischen Stellen in 4Esr 12,30; Ass Mos 6,7.1797 Es entsteht in Offb 17,10 der Eindruck eines Drängens nach der Macht. Es ist derselbe Eindruck, dem wir auch in Dan 7 und im Jesuswort Mt 20,25 begegnen. Die Häupter des Tieres erliegen dem Machtwahn, weil sie „artverwandt“1798 sind mit dem Tier und das Tier selbst dem Machtwahn erlegen ist, ja der Teufel selbst von ihm getrieben wird (vgl. Mt 4,8f).1799 Und das Tier, das war und nicht ist (καὶ τὸ θηρίον ὃ ἦν καὶ οὐκ ἔστιν [kai ho therion ho en kai uk estin]), V. 11: Hier gibt es keine Identitätsfragen. Die wörtliche Wiederholung von V. 8 setzt es außer Zweifel, dass wir es mit dem Tier von 17,3ff; 13,1ff; 11,7 zu tun haben, also mit dem Antichrist. Zu den Einzelheiten vgl. die Erklärung bei V. 3. Aber nun überrascht uns Johannes noch einmal. Denn dieses Tier ist der achte1800 von den Königen der Verse 9 und 10. Die Sieben, sonst Zahl der Vollkommenheit, wird also regelrecht aufgebrochen nach vorne in die Zukunft hinein. Die sieben Könige vollenden sich nicht in sich selbst, sondern erwarten ihre „krönende Vollendung“1801 durch den achten.1802 Auf diese achte Gestalt läuft alles zu. Um sie zu charakterisieren, macht Johannes noch zwei weitere Anmerkungen: 1) Sie ist einer von den sieben (ἐκ τῶν ἑπτά ἐστιν [ek ton hepta estin]), 2) sie geht ins Verderben (εἰς ἀπώλειαν ὑπάγει [eis apoleian hypagei]). Die Aussage es (= das Tier) geht ins Verderben ist ebenfalls wörtlich aus V. 8 übernommen. Die maskulinen Formen αὐτός [autos] und ὄγδοος [ogdoos] beim Neutrum θηρίον [therion] weisen darauf hin, dass wir 1795 1796 1797 1798 1799
Schick S. 187. Bauer-Aland Sp. 1142f. Vgl. Lohmeyer 3 S. 143; Prigent S. 261. Schick a.a.O. Die Identifizierung des siebten Haupts mit dem nur kurz regierenden Nerva (96–98 n.Chr.) ist verlockend und wird z.B. von Victorinus und Kraft S. 222 vertreten (dazu Aune S. 950). Aber dann bleibt man wieder in der Zeit des Johannes stecken. 1800 Wörtlich: „ein achter“. 1801 Schick a.a.O. 1802 Aune S. 950 weist auf Pred 11,2 und Mi 5,4, wo ebenfalls die „sieben“ durch eine „acht“ überboten wird. Vgl. Lohmeyer a.a.O.
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es am Ende mit einem persönlichen Antichrist in Menschengestalt zu tun haben1803 (vgl. Offb 13,18; 2Thess 2,3). Verderben ist das Gericht Gottes (vgl. Offb 19,20). Doch inwiefern ist das Tier einer von den sieben? Die sieben sind ja nur Häupter (V. 9). Wie kann das Tier jetzt auf eine Stufe mit bloßen Häuptern gestellt werden? Und warum spricht der Engel nicht von einem achten Haupt? Offenbar liegt darin ein Teil des Geheimnisses von V. 7. Sind die sieben Häupter von Offb 17,3ff jeweils konkrete Ausgestaltungen des Antichrist-Reiches und zugleich Personen (Könige), die diese konkrete Ausgestaltung im Einzelnen verkörpern, so geht es bei dem Tier von V. 11 nicht mehr um konkrete Einzelgestaltungen. Im Tier muss vielmehr – so legt es der Ablauf der V. 9-11 nahe – das ganze Wesen des Antichrist-Reiches ungehemmt zum Ausdruck kommen. Mögen die bisherigen Häupter auch bisweilen sympathische, „menschliche“ Züge aufgewiesen haben, so tritt jetzt mit dem Tier die satanische Trinität in voller Macht auf. Schon vorher war sie in den Sieben präsent.1804 Deshalb kann gesagt werden, das Tier sei einer von den sieben. Aber jetzt überbietet das Tier in seiner antichristlichen Fülle alles Vorausgehende. Ob das auch ein Hinweis auf die zunehmende Zentralisierung im Antichrist-Reich ist? Jedenfalls tritt jetzt der persönliche, als Mann dargestellte (Maskulin-Formen!) Antichrist ohne Abstriche in Erscheinung.1805 Man sollte im Blick auf den Zeitablauf einen Schematismus vermeiden. Niemand kann sagen, ob die sieben Häupter wirklich alle nacheinander kommen. Nur beim siebten König, der als noch nicht gekommen beschrieben wird, lässt sich ein Erscheinen nach den sechs Vorgängern mit einiger Wahrscheinlichkeit annehmen. Noch nicht einmal der Ausdruck gefallen (ἔπεσαν [epesan]) macht es sicher, dass die ersten fünf Könige verschwunden sind. Sie könnten durchaus fortexistieren, auch wenn ihre spezielle Macht „untergegangen“ ist. Erst recht kann das Tier schwerlich ohne seine Häupter existieren! Für V. 11 nehmen wir deshalb an, dass die sieben Häupter-Könige (vgl. 13,1; 17,3) in irgendeiner Form weiter vorhanden sind. Nach all dem Dargelegten scheint es aber ausgeschlossen, dass Johannes hier auf die schwach bezeugte Nerolegende zurückgegriffen haben soll.1806
1803 1804 1805 1806
Aune S. 950: „a male person“ (eine männliche Person). Schick S. 187. Ebenso Schick S. 187. Gegen Satake KEK S. 352; Caird S. 219; Giesen S. 381; U.B. Müller S. 290.
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Ebenso scheitern hier alle Versuche, auf eine Reihe römischer Kaiser zu deuten.1807 Die V. 12-14 schlagen ein anderes Thema an. Der Engel von V. 1 und 7 erklärt jetzt die zehn Hörner: Und die zehn Hörner, die du gesehen hast – Johannes hat sie in 13,1; 17,3.7 „gesehen“ –, sind zehn Könige. Das ist nichts anderes als eine Wiederholung der Engelerklärung von Dan 7,24, bezogen auf Dan 7,7.20.1808 Hier liegen Johannesoffenbarung und Daniel 7 völlig ineinander. Wir sollten uns nicht irritieren lassen durch den Umstand, dass jetzt schon wieder Könige auftauchen. Auch die Häupter wurden ja als Könige gedeutet (V. 9-10). Die Prophetie ist sozusagen mehrsprachig. Sie kann ein und dasselbe Bild, ein und dasselbe Symbol verschieden ausdeuten. Man kann es auch anders formulieren: Unsere menschliche Sprache hat eine Struktur, die mehrere Dimensionen zulässt. Jedenfalls gehören die Könige von V. 12ff in eine andere Kategorie, als es diejenige der Häupter ist. Aber in welche? Zehn kann in der Bibel verschiedene Bedeutungen haben: als anschauliche Zahl des Lehrers (Lk 19,13), als Zahl der Erprobung (Dan 1,12.14f; Offb 2,10), als Zahl des Gerichts (10 ägyptische Plagen, Ex 7–11), als Zahl der Macht.1809 In Dan 7,7.20.24; Offb 13,1; 17,3.7 und auch in 17,12 ist es wohl vor allem die Zahl der Macht. In Offb 17,12 sind die zehn Könige auf dem Weg zur Machtergreifung: sie haben (momentan!) noch keine Herrschaft empfangen (βασιλείαν οὔπω ἔλαβον [basileian upo elabon]). Empfangen können sie diese im AntichristReich nur durch das Tier. Es scheint, dass sich eine Art Personenwechsel ereignet, in dessen Verlauf das Tier in den einzelnen Machtzentren seines Reiches jeweils ganz verlässliche, ihm hundertprozentig ergebene Machthaber einsetzt.1810 Dass das Antichrist-Reich ein gegliedertes und ausdifferenziertes Ganzes darstellt, haben wir ja gesehen. Die Fortsetzung von V. 12 bestätigt diese Deutung. Sie (= die zehn Könige) werden eine Macht (oder: Herrschergestalt1811, oder: einen Herrschaftsbereich1812) wie Könige für eine einzige Stunde zusammen mit dem Tier empfangen. Die Stunde bedeutet hier eine
1807 Sogar Satake meint, dass Johannes „sich die sieben Könige nicht konkret vorstellt, sondern einheitlich auffasst“ (S. 352, 643). Wie wir Lohmeyer 3 S. 143. Auch Kraft S. 217 spricht von einer „übergeschichtlichen Schau“ in Offb 17. 1808 Vgl. Aune a.a.O. 1809 Vgl. F. Hauck, Art. δέκα, ThWNT, II, 1935, S. 35f. 1810 Bengel S. 888: „nicht nach- sondern nebeneinander“; Aune S. 950; ähnlich Frey S. 185; Charles II S. 54. 1811 Bauer-Aland Sp. 563. 1812 Vgl. W. Foerster, Art. ἔξεστιν usw., ThWNT, II, 1935, S. 564.
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knappe Zeitstrecke der Weltgeschichte, deren genaues Maß wir nicht angeben können.1813 Dabei ist zu beachten, dass wir uns schon in der zweiten Hälfte der Antichrist-Zeit befinden. Ein besonderer Akzent liegt auf den Worten zusammen mit dem Tier (μετὰ τοῦ θηρίου [meta tu theriu]), die man auch übersetzen könnte: „in Gemeinschaft mit dem Tier“.1814 Denn diese Gemeinschaft mit dem Tier ist das pure Gegenteil der Gemeinschaft, die die Gläubigen nach V. 14 mit dem Lamme haben. Für die zehn Könige gilt die Devise: „Niemals sich trennen lassen von dem Tier.“ Auch hier geht die Deutung auf „Partherfürsten“1815 oder ähnliche Personen der damaligen Zeitgeschichte1816 gänzlich an dem vom Text Gemeinten vorbei. Dagegen wird man Offb 17,12ff als endgültige Erfüllung der Prophetie Daniels in Dan 7,8.20ff verstehen müssen. V. 13 erklärt noch genauer, wie die zehn Könige mit dem Tier zusammen wirken. Zunächst haben sie untereinander eine einzige Meinung (μίαν γνώμην [mian gnomen]) – inspiriert eben vom Drachen und vom Tier. Es fällt auf, welche Bedeutung das Zahlwort eins in den V. 12, 13 und 17 hat. Zentralismus und die Abschaffung von Toleranz prägen das Handeln des Tieres, auch wenn sein Mund ganz anders redet. Dann aber geben die zehn Könige alle ihre Kraft (δύναμιν [dynamin]) und alle ihre Macht (ἐξουσίαν [exusian]) dem Tier.1817 Bengel stellte sich vor, dass dies „in einem Convent und Versammlung“1818 geschehe, was durchaus möglich ist. Er knüpfte aber zugleich die Bemerkung an, dass der Beifall „der Hohen in der Welt“ ein Zeichen nicht der wahren, sondern der falschen Lehre und der falschen Kirche sei.1819 Jedenfalls geschieht die Machtübergabe an das Tier freiwillig.1820 V. 14 ist eine Ankündigung für die Zukunft und ein Vorgriff auf Offb 19,1121.1821 Die Ankündigung ist eine doppelte: 1) Das Tier und sein Anhang werden mit dem Lamm Krieg führen (πολεμήσουσιν [polemesusin]), 2) das Lamm wird sie alle besiegen (νικήσει [nikesei]). Diese (οὗτοι [hutoi]) sind auf jeden Fall die zuvor in V. 13 genannten zehn Könige und das Tier. 1813 1814 1815 1816 1817 1818 1819 1820 1821
G. Delling, Art. ὥρα, ThWNT, IX, 1973, S. 681: „für eine kurze Zeit“. Vgl. Bauer-Aland Sp. 1031. So Gnilka S. 416, 57. So Aune S. 951. Freilich sind es nicht „autonomous kings“, wie Aune S. 952, sondern „Reichsstatthalter“ (P. Müller S. 53) im Sold des Antichrist. Besser Hanns Lilje: „ein Vasallenverhältnis“ (S. 207). Bengel S. 889. A.a.O. Zahn S. 568. Ebenso Bengel S. 890; Ritt S. 88.
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Man darf diese Aussage aber nicht als exklusiv verstehen. Hinzu kommt der gesamte Anhang des Tieres = des Antichrist, den Offb 19,18-19 näher auflistet, also vor allem „die Könige der Erde und ihre Heere“. Die „Könige der Erde“ wurden ja schon nach Offb 16,14 zu diesem Kampf versammelt. Wir sehen, es läuft jetzt alles auf die letzten Auseinandersetzungen zu. Dabei liegt in V. 14 eine unausgesprochene Spannung, die wir nicht übersehen dürfen. Sie resultiert aus der sprachlichen Überraschung, dass ausgerechnet das Lamm Krieg führt. Der wehrlose Christus der Geißelung und Kreuzigung, der sich wie ein Lamm zur Schlachtbank führen ließ (vgl. Jes 53,7; Jer 11,19; 1Petr 1,19), kommt in einer Macht und Herrlichkeit wieder, der niemand widerstehen kann. Eine Spannung liegt aber auch vor im Verhältnis von Offb 17,14 zu Offb 13,4ff. Denn in Offb 13,4 wird das Tier bejubelt mit der Frage „Wer kann mit ihm kämpfen (πολεμῆσαι [polemesai])?“ Mehr noch: In Offb 13,7 besiegt das Tier die Heiligen. Jetzt aber ist alles umgekehrt: das Lamm wird das Tier besiegen. Warum? Weil es der Herr aller Herren und der König aller Könige ist (κύριος κυρίων [kyrios kyrion], βασιλεὺς βασιλέων [basileus basileon]). Vgl. 19,16. Damit wird ein Titel Gottes auf den Gottessohn, das Lamm Jesus Christus, übertragen (vgl. Dtn 10,17; Ps 136,3; Dan 2,47). Das ist durchaus sachgemäß und geschieht in der Offenbarung öfters (vgl. 1,17; 3,7).1822 Es entspricht auch den messianischen Weissagungen (Ps 2,6ff; Jes 9,5f). Eine „Christologie von unten“, wie sie in der systematischen Theologie manchmal beliebt ist, kann solche Bezüge allerdings leicht übersehen. Das Lamm ist nicht allein. Bei ihm oder „mit ihm“ / „in seiner Gemeinschaft“ sind die Erlösten. Offb 17,14 beschreibt sie mit drei Begriffen: Berufene, Auserwählte und Gläubige. Es handelt sich hier nicht um drei Gruppen, sondern um drei Aspekte ein und desselben Personenkreises. Berufene (κλητοὶ [kletoi]) sind als zum Himmelreich Eingeladene alle Christen (1Kor 1,2; Phil 3,14).1823 Auserwählte (ἐκλεκτοί [eklektoi]) sind diejenigen, an denen Gott wegen ihres Glaubens Gefallen hat, die er in seinen ewigen Heilsratschluss eingeschlossen und in den endzeitlichen Drangsalen bewahrt hat (Mt 22,14; 24,21ff).1824 Gläubige (πιστοί [pistoi]) oder „Treue“ sind wiederum diejenigen Christen, die mit Jesus im Glauben verbunden sind und diese Glaubensverbundenheit auch in Verführung und Verfolgung treu bewahrt haben.1825 Man wird „Glauben“ und „Treue“ in Offb 17,14 nicht voneinander 1822 1823 1824 1825
Eine Bestätigung der Gottheit des Lammes, Schlatter BFchTh S. 34. K.L. Schmidt, Art. καλέω usw., ThWNT, III, 1938, S. 495f. Vgl. G. Schrenk, im Art. λέγω usw., ThWNT, IV, 1942, S. 191ff. Vgl. R. Bultmann im Art. πιστεύω usw., ThWNT, VI, 1959, S. 203ff, der bei Offb 17,14 eher zur „Glaubenstreue“ tendiert (S. 204).
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trennen können. Wichtig ist, dass es sich in Offb 17,14 nicht einfach um eine allgemeine Gottgläubigkeit handelt, sondern dezidiert um einen Christusglauben. Sonst wären die Betreffenden nicht bei ihm. Übrigens geht die Aussage, dass bei der Wiederkunft Jesu die Seinen bei ihm sind, auf Jesus selbst zurück (Mt 24,31). Für Paulus hat sie ebenfalls Bedeutung (1Thess 4,13ff).1826 Die V. 15-18 bilden den Schlussabschnitt.1827 Noch immer erklärt der Engel (vgl. V. 15 mit V. 7). Das Thema Geheimnis (μυστήριον [mysterion]) steht also auch über diesem Schlussabschnitt. Aber nun geht es nicht mehr um das Tier, wie in V. 8-14, sondern um die Frau von V. 1ff. V. 15 markiert einen deutlichen Einschnitt, indem die Engelrede neu einsetzt (Und er sagt zu mir). Der Engel greift zurück bis zu den Wassern von V. 1 und erklärt jetzt, was dieses Bild bedeutet: Die Wasser, die du gesehen hast, wo die Hure sitzt, sind Völker und Massen (ὄχλοι [ochloi]) und Nationen und Sprachen. Es handelt sich also nicht nur um die Übernahme der Tradition von Jer 51,13; Ez 27,21828 auf das neue apokalyptische Babylon, sondern um einen ganz bestimmten Bildinhalt. Er zeigt, dass die Hure Babylon Weltgeltung hat, weil sie eben das Machtzentrum und die Welthauptstadt des Antichrist darstellt.1829 Dabei entspricht die Deutung der Wasser auf das Völkermeer ganz dem alttestamentlichen Modell in Dan 7,2f. Zur Weltgestaltung vgl. die ähnlichen Formeln in Offb 5,9; 7,9; 10,11; 11,9; 13,7 und 14,6. Dort aber lautet die entsprechende Viererreihe Völker und Stämme und Nationen und Sprachen (die Reihenfolge wechselt allerdings). In keiner der bisherigen Aufreihungen erschien dagegen das Stichwort Massen (ὄχλοι [ochloi]). Steckt darin nicht doch ein Hinweis auf die Vermassung und die Massenpsychosen, die sich im Umkreis der Hure und des Antichrist ereignen werden? In stärkster Spannung zur soeben noch festgestellten Weltgeltung der Hure schildert jetzt in V. 16 der Engel das Gericht, das sie trifft. Er tut dies mit wenigen, aber drastischen Strichen. Die zehn Hörner von V. 2.12 und das Tier vollziehen das Gericht. Zuerst baut sich ihr Hass auf: Sie werden die
1826 Auf S. 956 spekuliert Aune darüber, ob die Gläubigen am Krieg gegen das Tier teilnehmen werden. Eine aktive Rolle in 17,14 spielt jedoch nur das Lamm. Auch Cairds Meinung (S. 220), dass der „final victory“ durch die Märtyrer geschehe, kann sich nicht auf den Text stützen. Richtig dagegen Morris S. 212: „These are His retinue, not His resources“; und Bengel S. 891; Pohl II S. 215. 1827 Lohmeyer 3 S. 144 betrachtet V. 15 als „verdächtig“ und sekundär. 1828 Daran erinnert z.B. Seebass S. 110. 1829 Anders Zahn S. 568: „das Babylon … vor dem Auftreten des Antichrists“.
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Hure hassen.1830 Für Leser des AT ist diese Aussage nicht unbedingt überraschend. Denn auch die Hure von Ez 16 und 23 wird von ihren früheren Liebhabern gehasst (Ez 16,39; 23,29).1831 Man vergleiche auch Gottes Gericht gegen das treulose Israel nach Hos 2,5. Wenn der Hass ein bestimmtes Maß erreicht hat, geht das Tier zusammen mit den zehn Hörnern = zehn Königen (V. 12) gnadenlos gegen die Hure Babylon vor – dieselbe Hure, die dieses Tier vorher auf sich sitzen ließ und die es trug (V. 3). Sie werden sie verwüsten (ἠρημωμένην ποιήσουσιν αὐτὴν [eremomenen poiesusin auten]), wörtlich: „zu einer Verwüsteten (oder Entvölkerten) machen“: Das ist wohl der erste Schritt. So ging es Tyrus (Ez 26,19). Erneut zeigt sich, dass Tyrus eines der Modelle des apokalyptischen Babylon ist.1832 Sie werden sie nackt machen: Das ist wohl der zweite Schritt. Wieder ist das ehebrecherische Israel in Ez 16,39 und 23,29; Hos 2,5 ein typologisches Vorbild. Nackt machen bedeutet demnach: der Hure ihr Geschmeide, ihren Schmuck und ihre Pracht nehmen (vgl. auch Offb 3,17f). Sie werden ihr Fleisch essen (τὰς σάρκας αὐτῆς φάγονται [tas sarkas autes phagontai]): Das ist dann der dritte Schritt. Nachdem ihr alles genommen ist, geht es an sie selbst (vgl. Mi 3,2f). Was man von ihr essen = genießen kann, verleiben sich der Antichrist (Tier) und die Könige (zehn Hörner) ein.1833 Das ist selbstverständlich keine Art von Kannibalismus, sondern geistige, kulturelle und religiöse „Verwertung“. Schließlich wird in einem vierten Schritt das, was nicht verwertet werden kann, mit Feuer verbrannt. Es geht der Hure also am Ende so, wie es einer Priestertochter geht, die sich durch Hurerei entheiligt hat (Lev 21,9).1834 Diese kurze Schilderung in V. 16 erweckt zwei Fragen. Die erste lautet: Wie kann sich der Antichrist (das Tier) gegen seine eigene Welthauptstadt und gegen sein eigenes Machtzentrum (die Hure Babylon) wenden? Verstößt das nicht gegen das Wort Jesu, dass der Satan nicht mit sich selbst uneins sein kann (Mt 12,25f)? Antwort: Wo der Machttrieb regiert, da können sich die einzelnen Repräsentanten des satanischen Reiches durchaus bekämpfen. Das satanische Prinzip gerät dadurch nicht in Widerspruch mit sich selbst, und Satans Reich bleibt hier dennoch ein einheitliches Reich. Hanns Lilje verweist mit Recht auf die Erfahrungen unserer menschlichen Geschichte. Es sei „ein 1830 οὗτοι [hutoi] nach κέρατα [kerata] und θηρίον [therion]: die maskulinische Form deshalb, weil „a re significante transitur ad significatam“ (Vitringa S. 780). 1831 Aune S. 956f. 1832 Vgl. Seebass a.a.O. 1833 Vitringa a.a.O.: „Opes et divitias … consumerent.. Ähnlich Bengel S. 893. Aune S. 957 sieht hier eine Anspielung auf das Schicksal Isebels (1Kön 21,23f; 2Kön 9,10ff). Auberlen S. 321 deutet das Fleisch auf die „Fülle fleischlichen Wesens“. 1834 Vgl. Aune S. 957.
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furchtbares und geheimnisvolles Gesetz der politischen Geschichte, nach dem jede revolutionäre Macht den Keim der Selbstzerstörung in sich trägt. Die Revolution wird von ihren eigenen Kindern verschlungen.“1835 Man denke an die Säuberungen Robespierres und Stalins. Mit Offb 17,16 wird es zur Gewissheit, was wir schon bei Offb 13,14; 16,12ff; 17,10.12 beobachtet haben: Die Machtgier, der sich das Antichrist-Reich ergibt, führt zu Antagonismus und Machtkämpfen einzelner Machthaber untereinander. Dort verwirklicht sich das Gegenteil der Gemeinschaft der Liebe und des Glaubens, die Jesus den Seinen schenkt. Die zweite Frage lautet: Was wird aus den abgefallenen Christen, die sich der Hure Babylon angeschlossen haben und einen nicht unwichtigen Teil dieser Hure bilden? Antwort: Auch sie werden vom Antichrist nicht länger geduldet und hofiert, sondern angegriffen, verwüstet, „nackt“ gemacht, verschlungen und radikal ausgelöscht. Weder der „Christen“-Name noch das Kreuzeszeichen wird sie schützen (vgl. Mt 7,22f). Die Wohltaten, die sie dem Antichrist erwiesen haben, zählen nicht mehr. Vermutlich werden ihre Gemeinschaften oder „Kirchen“ geplündert und verboten. Die schreckliche Verfolgung, die sie zusammen mit antichristlichen Mächten und Instruktionen über die treuen Christen gebracht haben (V. 6), trifft sie jetzt selbst.1836 V. 17 hat einen einzigen Hauptgedanken: Das Gericht über die Hure wird nach Gottes Willen vollzogen. Ja, Gott gab es in ihre Herzen, seinen Willen durchzuführen (θεὸς ἔδωκεν εἰς τὰς καρδίας αὐτῶν ποιῆσαι τὴν γνώμην αὐτοῦ [theos edoken eis tas kardias auton poiesai ten gnomen autu]). Das griechische γνώμη [gnome] heißt hier Wille, „Beschluss“, „Entscheidung“.1837 Dieser göttliche Wille war die letzte Ursache dafür, dass die zehn Könige ihrerseits μίαν γνώμην [mian gnomen] haben und einstimmig handeln konnten (vgl. V. 13). Dieser göttliche Wille brachte es fertig, dass sie ihre Herrschaft dem Tier gaben (vgl. wieder V. 13). Und am Ende sorgt er dafür, dass die Worte Gottes sich erfüllt haben (τελεσθήσονται οἱ λόγοι τοῦ θεοῦ [telesthesontai hoi logoi tu theu]). Erfüllt hat den Sinn von „verwirklicht“.1838 τελέω [teleo] hat in der Offenbarung eine hohe Bedeutung (vgl. 10,7; 15,1; 15,8; 17,17).1839 Im Übrigen gehört es zu den Grundklängen der Bibel, dass Gottes Worte sich erfüllen (vgl. Jos 21,45; 23,14; Ps 33,4.9; Mt 5,18; Offb
1835 1836 1837 1838 1839
Lilje S. 208; ähnlich Morris S. 213; Caird S. 221; Römer S. 174; Pohl II S. 217. Vgl. Auberlen S. 317ff; J.M. Hahn S. 545f; Hartenstein S. 213. R. Bultmann, Art. γινώσκω usw., ThWNT, I, 1933, S. 717. G. Delling, Art. τέλος usw., ThWNT, VIII, 1969, S. 60f. Vgl. Delling a.a.O.
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10,7). Wenn aber Gottes Worte sich erfüllen, wird auch das Gericht über die Hure erfüllt, das in V. 1 angekündigt wurde. Zwei Punkte müssen wir an dieser Stelle noch festhalten. Zuerst bleibt es auffallend, dass Gott sogar den bösen, antichristlichen Königen von 17,12ff etwas ins Herz geben kann. Die Kraft der göttlichen Inspiration ist also stärker als jede satanische Inspiration. Es bestätigt sich die Wahrheit von Prov 16,9: „Des Menschen Herz erdenkt sich seinen Weg; aber der HERR allein lenkt seinen Schritt.“ Der Drache oder das Tier sind nicht in der Lage, diese Eingebung Gottes zu verhindern. Warum gibt Gott dann nicht allen Geschöpfen, Engeln und Menschen, Gutes ins Herz? Weil er den Glauben nicht erzwingen, sondern die Antwort unserer Entscheidung und unserer Liebe erwarten will.1840 Der zweite Punkt betrifft die Tatsache, dass selbst die bösesten Geschöpfe noch helfen müssen, den Willen Gottes zu erfüllen. Auch der Teufel muss am Ende den Willen Gottes tun. Auf diese Weise regiert Gott die ganze Welt, und er regiert auch die ganze Geschichte. Es bleibt jedoch ein grundlegender Unterschied: Gottes Mitarbeiter (vgl. 1Kor 3,9) dienen ihm freiwillig und mit Freude, die gegen Gott rebellierenden Geschöpfe aber müssen ihm gezwungen dienen. Für die leidende und verfolgte Gemeinde ist dieser zweite Punkt ein unermesslicher Trost. Der Schlussvers (V. 18) sichert, dass wir von der Frau (γυνή [gyne]), die Johannes gesehen hat, den richtigen Begriff haben. Sie wird ausdrücklich als die große Stadt (ἡ πόλις ἡ μεγάλη [he polis he megale]) bezeichnet. So heißt sie auch in 18,10.16, und das ist wiederum identisch mit „Babylon, der großen“ (Βαβυλὼν ἡ μεγάλη [Babylon he megale]) in 14,8; 16,19; 17,5; 18,2.10.21. Man wird schwerlich von dem Stadt-Charakter absehen können und die Bezeichnung Stadt lediglich als Bezeichnung einer geistlichen Größe verstehen dürfen. Lohse hat recht: Es handelt sich hier um „die Hauptstadt der Welt“1841, nämlich der antichristlichen Welt. Erst danach dürfen wir nach geistigen Größen suchen, die zugleich durch sie symbolisiert werden. Wir sind bei Offb 17 ja noch ganz in irdischen Verhältnissen. Zur Frau bzw. zu „Babylon“ wird hinzugesetzt: die die Herrschaft über die Könige der Erde hat. Diese Könige sind eben die einzelnen Machthaber in dem sehr differenzierten Antichrist-Reich, denen wir z.B. in Offb 16,14; 17,2.9f.12ff begegnet sind. Die Frau übt ihre Herrschaft in der Weise aus, dass sie mit diesen Königen 1840 Holtz NTD S. 117: „Damit ist nicht an eine unentrinnbare Determination des Einzelnen gedacht, wohl aber an eine Determination der Geschichte.“ 1841 Lohse S. 96.
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Hurerei treibt, das heißt, sie zu Götzendienst und Unsittlichkeit verführt (V. 2). Wie dieses unsittliche Band sich auflöst und die Könige der Erde zusammen mit dem Tier die Frau vernichten, wurde soeben in V. 16 und 17 beschrieben. Nach V. 18 bleibt für den Leser manches offen. Hat Johannes noch mehr über den Untergang dieser Frau zu sagen? Was passiert in der Folge mit dem Tier und den Königen und dem Antichrist-Reich? Vielleicht ist V. 18 keine echte Überleitung zu Kap. 181842, aber dieser Schlussvers hält doch die Spannung offen für die noch folgenden eschatologischen Ereignisse. Wir bemerken noch, dass eine Deutung des Schlussverses von der Nerosage her1843 deplatziert anmutet. Ebenso wenig passt die Gleichsetzung von Babylon und Imperium Romanum.1844 Wenn schon, dann müsste die Gleichung Babylon = Stadt Rom lauten.1845 Aber auch die Deutung auf das zeitgenössische Rom1846 kommt nicht infrage – aus denselben Gründen wie oben bei 17,3-6.1847
IV Zusammenfassung (Kap. 17) 1. Offb 17 gehört zu den am häufigsten ausgelegten Kapiteln der Offenbarung. Die Wirkung dieses Kapitels in der Kirchengeschichte war außerordentlich. 2. Die Arbeit an diesem Kapitel macht den Ausleger sehr bescheiden. Trotz allen Bemühens, die Aussagen klar zu erfassen, muss er sich an manchen Stellen eingestehen, dass „mehr als eine Lösung möglich ist“1848. 3. Klar ist, dass die „Hure Babylon“ ein schreckliches Gericht erwartet. Dieses Gericht wird von dem Antichrist (Tier), der sie bisher trug, und seinen Helfern selbst durchgeführt. Es bedarf keines direkten Eingreifens Gottes. Wohl aber dienen auch die antichristlichen Mächte am Ende noch Gott. 4. Klar ist auch, dass in der zweiten Hälfte des Antichrist-Reiches innerhalb dieses antichristlichen Weltreiches erstaunliche Spannungen und Antagonismen auftreten, Rivalitäten und interne Machtkämpfe. Noch einmal sehen wir, dass das Antichristwesen zwar verlockend (Hure!) ist, aber doch kein Paradies bietet. Neben die Katastrophen von Kap. 16 treten die mörderischen 1842 1843 1844 1845 1846
So Kraft S. 225 gegen U.B. Müller S. 296; Holtz a.a.O.; Lohmeyer 3 S. 144. So U.B. Müller a.a.O. Seit Bousset 1896 S. 474ff häufig. Gegen Ritt S. 89. Vgl. U.B. Müller a.a.O. So U.B. Müller a.a.O.; Kraft S. 225; Hemer S. 127; Satake KEK S. 354; Holtz a.a.O.; Aune S. 959; Schlatter S. 301; Behm S. 94; Bousset 1896 S. 474; Giesen S. 389; Ritt S. 87. 1847 Vgl. Lohmeyer 3 S. 145ff. 1848 Mit Swete S. 220: „More than one solution may be found.“
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Machtkämpfe von Kap. 17. Jesus behält auch hier am Ende recht: Der Teufel ist ein Mörder von Anfang an (Joh 8,44).1849 5. Die Kap. 17 und 18 gehören eng zusammen. Das Strafgericht an der Hure, das Kap. 17 einzig in V. 16 erwähnt, wird erst in 18,1-24 ausführlich geschildert.1850 6. Wer ist die Hure? Trotz der Engelerklärung in Offb 17,18 wird diese Frage bis heute heiß diskutiert. Es gibt Stimmen, die die Hure als Imperium Romanum (Römisches Reich) verstehen wollen.1851 Aber das Reich – gleich, ob man zeitgeschichtlich oder zukünftig deutet – ist im „Tier“ verkörpert und nicht in der Hure.1852 Ist die Hure die geschichtliche Stadt Rom zur Zeit des Johannes, evtl. mit Betonung des Kultes der Dea Roma1853 oder der Magna Mater1854 oder überhaupt des Götzendienstes1855? Doch wie wir oben gezeigt haben, greift diese Deutung zu kurz. Man muss es gerade umgekehrt sehen: Johannes will die „möglichen Probleme der Zukunft lösen“ und nicht nur den gegenwärtigen Glauben stärken.1856 Hier hat Mounce recht: Das große Babylon „is more than first-century Rome“1857. Ist die Hure das päpstliche Rom, wie es die Franziskaner-Spiritualen, Luther und Bengel wollten?1858 Doch jenes verdorbene Papsttum, das sie im Auge hatten, ist Vergangenheit. Ist die Hure „die ganze geistlose … Christenheit“1859? Ja, das ist sie auch. Aber eben nicht nur eine solche falsche Christenheit, sondern zugleich und prägnant ein reales Zentrum des Antichrist. Dieselbe Erwägung betrifft Auberlens Erklärung, die Hure sei die verweltlichte Kirche.1860 Auch dabei droht das reale Machtzentrum des Antichrist an den Rand zu geraten. Ist die Hure „die von Gott losgelöste Kultur“1861? Erneut ist damit Wesentliches erfasst. Jedoch müssen die Komponenten Macht und Herrschaft (ἡ ἔχουσα βασιλείαν [he echusa basileian] V. 18!) stärker berücksichtigt werden. So scheint uns noch 1849 1850 1851 1852 1853 1854 1855
1856 1857 1858 1859 1860 1861
Vgl. auch Mk 5,13. Giesen S. 367. Kiddle S. 348; Roloff S. 166. So ganz klar Charles II S. 55, 64. Caird S. 211f; Omerzu S. 192; Kraft S. 213. So Seebass S. 110; Caird S. 212. So viele Ausleger, z.B. Bousset 1896 S. 464.474; Robert-Feuillet S. 647; Wettstein S. 821; Giesen S. 375; Swete S. 215; Charles II S. 55.64; Kiddle S. 345; Schick S. 185; U.B. Müller S. 288; Kraft S. 213; Barclay II S. 156; Bruce S. 114; Schlatter S. 296ff. Vgl. Giesen S. 382. Mounce S. 320. Vgl. Lohmeyer 3 S. 145ff; Pohl II S. 196. Vgl. Luther Vorreden S. 187; Bengel S. 770ff. So J.M. Hahn S. 530. Auberlen S. 279ff; Grünzweig II S. 115ff; Hartenstein S. 209ff. So P. Müller S. 52; ähnlich Pohl II S. 197.
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immer diejenige Erklärung am angemessensten, die in der Hure die Welthauptstadt des Antichrist mit all ihren Verführungskünsten sieht, der sich auch die abgefallene Christenheit anschließt. 7. Wer ist das Tier von Kap. 17? Es ist das antichristliche Reich der Endzeit1862, das sich in einem persönlichen Antichristus verkörpert. Es ist dasselbe wie das erste Tier von Kap. 13. Unterschiede liegen nur in manchen Modalitäten und dem fortschreitenden Geschichtsprozess.1863 Wer sind die sieben Häupter von 17,9-11? Eine Deutung auf römische Kaiser ist, wie wir gesehen haben, nicht möglich, mag sie auch von der zeitgeschichtlichen Erklärung bis in die Gegenwart bevorzugt werden. Stattdessen handelt es sich entweder um die Gesamtheit der gottfeindlichen Weltmächte im Verlauf der menschlichen Geschichte oder um verschiedene Machthaber im AntichristReich. Wer sind die zehn Hörner von 17,12ff? Auch sie sind Machthaber im Antichrist-Reich. Sie befinden sich ja wie die sieben Häupter an demselben Tier. Aber nach dem Zusammenhang ist ihre Machtstellung geringer als diejenige der sieben Häupter = Könige von 17,9. Manches bleibt bei den Versen 912 offen und wird vielleicht erst in der fortgeschrittenen Endzeit der Gemeinde enthüllt (vgl. V. 9; 13,18).1864 8. Mit dem Gesagten wird auch deutlich, dass die Nerosage für die Erklärung von Offb 17 nicht infrage kommt.1865 Sie ist viel zu unbedeutend, um den zentralen Mittelteil der Offenbarung von Kap. 13–17 inhaltlich zu verantworten. Sie passt sodann überhaupt nicht in den Gesamtduktus der Offenbarung, der im prophetischen Geist bis in die weite Zukunft reicht.1866 9. Die Annahme von Interpolationen, Glossen oder Dubletten legt sich nirgends nahe.1867 Ebenso wenig die Annahme von Dislokationen.1868 Bousset wollte einst Offb 17 von einer „Quelle aus der Zeit Vespasians“ ableiten. Fantasievoll vermutet er, dass „die Vernichtung Roms durch den mit den Parthern wiederkehrenden Nero geweissagt worden wäre“1869. Charles vermutete
1862 Also nicht das Imperium Romanum des 1. Jh. n.Chr. Gegen Giesen S. 375; RobertFeuillet S. 647; Charles II S. 68. 1863 Lohmeyer hat die Unterschiede übersteigert (3 S. 142). Vgl. dagegen Kraft S. 217. Auch Swete spricht S. 219 von einer „inconsistency“ zwischen Kap. 13 und 17. 1864 So auch Irenäus Adv. haer. V, 30,4. 1865 Gegen Prigent S. 260; Robert-Feuillet a.a.O.; Ritt S. 87; Giesen S. 375; Kümmel S. 413; Robinson S. 245ff; Charles II S. 65ff; Bousset 1896 S. 467. 1866 Gegen Giesen S. 382. 1867 Gegen Bousset 1896 S. 467, 479; Charles II S. 66, 55. 1868 Charles II S. 55 wollte 17,17 vor 17,16 und 17,14 nach 17,16 stellen als Beispiele für „dislocations“. 1869 Bousset 1896 S. 479.
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ebenfalls Quellen.1870 Roloff dachte an „Rätselsprüche“ des palästinischen Judenchristentums, auf denen Offb 17 basiere.1871 Nirgends erweisen sich solche Vermutungen als hilfreich oder überzeugend. U.B. Müller kommt deshalb zu dem Urteil: „Überlegungen hinsichtlich Quellenbenutzung (sind) fehl am Platz.“1872 10. Was lehrt Offb 17 die Gemeinde des Neuen Bundes? Zuerst lehrt sie, die Schau des Johannes als Auslegung der alttestamentlichen Prophetie und als Hinweis auf deren endgültige Erfüllung zu verstehen. Tragende Bedeutung haben Babel, Tyrus, Ninive, aber auch Jerusalem für das Bild der Hure (Jes 23,17; Jer 51,1ff; Ez 16; 23; 26–28; Nah 3,4), ja sogar das untreue Israel insgesamt nach Jes 1,21; Hos 1–2 und anderen Stellen.1873 Tragende Bedeutung hat außerdem das Tierbild aus Dan 7. Wie ernst die frühe Christenheit diese Verbindung zwischen AT und NT und die letztliche Einheit beider Testamente genommen hat, sieht man an der Auslegung, die Irenäus Offb 17 angedeihen ließ.1874 Ein zentraler Vorgang ist darin zu sehen, dass die Gemeinde der Christusgläubigen mit der zukünftigen Verführung und Verfolgung vertraut gemacht wird. Einen rein humanitären Fortschrittsmythos wird sie niemals predigen können. Eng damit verknüpft ist der tiefe Trost für die Gläubigen, der darin besteht, dass Gott niemals – auch nicht für einen Augenblick – seine Weltregierung aus der Hand gibt. Gerade Offb 17,17 stellt fest, dass alles Künftige nach Gottes Willen geschieht. Auch Satan, der Antichrist und ihre Helfershelfer müssen dem Willen Gottes dienen. Das schwere Gericht über die Hure zeigt, dass wir alle verantwortlich sind für unsere Taten. Die Glaubenden werden durch Offb 17 erneut vor Abfall und vor Anpassung an die Welt gewarnt. Von Paul Le Seur stammt das Wort: „Eine Christenheit, die sich der Welt nicht anpaßt, wird schwer durchkommen in der Welt, aber sie nimmt großen Einfluß auf die Welt. Eine Christenheit dagegen, die sich der Welt anpaßt, wird leicht durchkommen in der Welt, aber die Welt nimmt großen Einfluß auf sie.“1875 Erschreckend ist, wie nahe eine solche Anpassung, eine Babylon-Stromlinie nach Offb 17, für die christliche Gemeinde liegt. Sie besteht ja zu Anfang 1870 1871 1872 1873 1874 1875
Charles II S. 55. Roloff S. 167. U.B. Müller S. 289, vgl. S. 290. Vgl. auch Berger S. 578; Kraft S. 214. Adv. haer. V, 26,1; 30,4. Nach Grünzweig II S. 118.
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keineswegs aus Unmoral, vielmehr aus gut meinendem Idealismus und aufgeblähter Toleranz. Wo man die uneingeschränkte Anerkennung des Pluralismus, den Beitrag zu einer Allgemeinreligion etwa in Form einer Zivil-, Sozialoder Kulturreligion, die Forderung nach einem mündigen Subjekt ohne konfessionelle Prägung und zugleich den notwendigen Beitrag aller religiösen Organisationen zur Gesellschaft zu den Voraussetzungen der kirchlichen Existenz macht, da wird Babylon die Kirche willkommen heißen. Die Glaubenskirche jedoch hält sich an Ps 93,5: „Deine Gesetze sind fest und verlässlich.“
8.2 Der Untergang Babylons, 18,1-24 I Übersetzung 1 Danach sah ich einen anderen Engel herabkommen aus dem Himmel. Der hatte große Macht, und die Erde wurde erleuchtet von seinem Lichtglanz. 2 Und er rief mit starker Stimme: Sie ist gefallen, sie ist gefallen, Babylon, die große, und ist zu einer Behausung der Dämonen geworden und zu einem Gefängnis aller unreinen Geister und zu einem Gefängnis aller unreinen Vögel und zu einem Gefängnis aller unreinen und verhassten Tiere. 3 Denn vom Zornwein ihrer Hurerei haben alle Nationen getrunken, und die Könige der Erde haben mit ihr Hurerei getrieben und die Kaufleute der Erde sind von der Macht ihres Luxus reich geworden. 4 Und ich hörte eine andere Stimme aus dem Himmel, die sagte: Geht hinaus, mein Volk, aus ihr, damit ihr nicht teilhabt an ihren Sünden und von ihren Plagen nichts abbekommt! 5 Denn ihre Sünden ragten bis zum Himmel auf, und Gott gedachte an ihr Unrecht. 6 Vergeltet ihr, wie sie selbst vergolten hat, und verdoppelt es ihr nach ihren Werken! In dem Becher, den sie gemischt hat, mischt ihr das Doppelte! 7 So viel sie sich selbst verherrlichte und in Üppigkeit lebte, so viel gebt ihr an Qual und Trauer! Denn in ihrem Herzen sagt sie: Ich throne als Königin und bin keine Witwe, und Trauer werde ich niemals sehen. 8 Deshalb werden ihre Plagen an einem einzigen Tag kommen, Tod und Trauer und Hunger, und sie wird mit Feuer verbrannt werden. Denn stark ist Gott der Herr, der sie richtet. 9 Und die Könige der Erde, die mit ihr Hurerei getrieben und in Üppigkeit gelebt haben, werden über sie weinen und trauern, wenn sie den Rauch sehen, während sie verbrannt wird. 10 Von ferne werden sie stehen, weil sie ihre Qual fürchten, und werden sagen: Weh, weh, die große Stadt, Babylon, die starke Stadt! Denn in einer einzigen Stunde ist dein Gericht gekommen. 11 Und auch die Kaufleute der Erde weinen und
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tragen Leid um sie, weil niemand mehr ihre Ware kauft: 12 Ware von Gold und Silber und Edelstein und Perlen und Byssusgewand1876 und Purpurgewand und Seidengewand und Scharlach und all das Thujaholz und all die elfenbeinernen Gegenstände1877 und all die Gegenstände aus Edelhölzern und aus Erz und Eisen und Marmor, 13 und Zimt und Kardamom und Räucherwerk und Myrrhe und Weihrauch und Wein und Öl und feinstes Weizenmehl und Weizen und Vieh und Schafe und Pferde und Reisewagen und Leiber und Seelen von Menschen. 14 Und deine Früchte, an denen deine Seele Lust hatte, sind von dir verschwunden. Und all die Kostbarkeiten und all die Pracht sind für dich verloren, und man wird sie nicht mehr finden.1878 15 Deren Kaufleute1879, die sich an ihr bereichert haben, werden von ferne stehen, weil sie ihre Qual fürchten, werden weinen und Leid tragen 16 und sagen: Weh, weh, die große Stadt, die mit Byssusgewand und Purpurgewand und Scharlach bekleidet und mit Gold und Edelstein und Perlen geschmückt war! 17 Denn in einer einzigen Stunde wurde dieser so große Reichtum verwüstet. Und alle Schiffskapitäne und alle, die irgendwo zur See fahren, und die Matrosen und alle, die durch das Meer Arbeit finden, standen von ferne 18 und schrien, als sie den Rauch sahen, während sie verbrannt wurde, und sagten: Wer ist der großen Stadt gleich?, 19 und warfen Staub auf ihre Häupter und schrien und weinten und trugen Leid und sagten: Weh, weh, die große Stadt, an deren Fülle von Kostbarkeiten alle reich geworden sind, die auf dem Meer ihre Schiffe unterhielten! Denn in einer einzigen Stunde wurde sie verwüstet. 20 Freue dich über sie, Himmel, und ihr Heiligen und Apostel und Propheten! Denn Gott hat an ihr das Gericht vollzogen, das sie euretwegen verdient hat. 21 Und ein starker Engel hob einen Stein wie einen großen Mühlstein empor und warf ihn ins Meer und sagte: So wird Babylon, die große Stadt, im Sturm niedergeworfen und nie mehr gefunden werden. 22 Und die Stimme der Sänger mit der Harfe und der Musiker und der Flötenspieler und Trompetenspieler wird nie mehr in dir gehört, und kein Handwerker, der irgendein Handwerk ausübt, wird je mehr in dir gefunden. Und die Stimme der Mühle wird nie mehr in dir gehört. 23 Und das Licht der Lampe wird nie mehr in dir leuchten, und die Stimme des Bräutigams und der Braut wird nie mehr in dir gehört. Denn deine Kaufleute waren die Vornehmen der Erde, denn 1876 1877 1878 1879
Zur Übersetzung vgl. Blass-Debrunner § 241,10. Wir übersetzen σκεῦος [skeuos] mit „Gegenstand“ wie Hadorn S. 181. Zur Übersetzung vgl. Blass-Debrunner § 431,7. Vgl. Blass-Debrunner § 284,7.
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durch deine Zauberei wurden alle Nationen verführt, 24 und in ihr wurde das Blut der Propheten und Heiligen und aller, die auf Erden hingemordet wurden, gefunden.
II Struktur Drei Abschnitte heben sich hier klar heraus: 18,1-3; 18,4-20 und schließlich 18,21-24. Jeder Abschnitt wird durch einen Engel oder eine himmlische Stimme eingeleitet.1880 Inhaltlich bringen V. 1-3 die Ausrufung des Sturzes von Babylon, V. 4-8 Aufrufe zur Bestrafung der Sünden Babylons, V. 9-19 die Ankündigung der Klage über den Sturz Babylons, V. 20 einen Freudenruf und V. 21-24 eine Zeichenhandlung. Aus dieser Übersicht ergibt sich, dass Offb 18,1-24 die Detailschilderung zu der generellen Aussage in Offb 17,16 bzw. Offb 17,1 darstellt. Es erfolgt also über Offb 17,16 hinaus kein weiterer Schritt in der Geschichte. Es zeigt sich jetzt immer deutlicher, dass der ganze Zusammenhang Offb 17,1–19,10 die Zerstörung des Zentrums des Antichrist zum Thema hat, bis schließlich in Offb 19,11-21 der Antichrist selbst untergeht. Wo bleibt der Angelus interpres, der deutende Engel von 17,1ff? Er hat seine Aufgabe mit 17,18 abgeschlossen und tritt in 18,1-24 nicht mehr auf. Auf den ersten Blick schon zeigt sich, dass Offb 18 mit Zitaten und Anspielungen aus Hesekiel, vor allem Ez 26 und 27, gesättigt ist. Wenn irgendwo, dann hat Klaus Berger bei diesem Kapitel recht mit seiner These, dass die Offenbarung ein „fortlaufender Midrasch“ zu Hesekiel sei.1881 Aber auch Jesaja und Jeremia haben Offb 18 mit geprägt. Was das bedeutet, wird in der Einzelexegese zu prüfen sein. Man kann in Offb 18 ein Stück weit formgeschichtliche Begriffe anwenden, die sich gerade durch die Nähe zum AT nahelegen. So betrachtet Ritt Offb 18,1-8 als „Gerichtsrede“, Offb 18,9-19 als „Leichenklagelied“ und Offb 18,21-24 als „Zeichenhandlung“.1882 Doch tut man gut daran, diese originäre Schau nicht zu eng in das Prokrustesbett überlieferter Begriffe zu pressen. Wir gliedern im Folgenden: 1) Die Ausrufung des Falles von Babylon, 18,1-3; 2) die Klage über den Fall von Babylon, 18,4-20; 3) die Zeichenhandlung zum Untergang Babylons, 18,21-24.
1880 Lohmeyer 3 S. 147; Giesen S. 389; Hadorn S. 176; Satake KEK S. 356. In die Abschnitte 18,1-8.9-19 (20).21-24 gliedern z.B. Mounce S. 322; Ritt S. 89; Roloff S. 174. 1881 Berger S. 575. 1882 Ritt a.a.O.; ähnlich Kraft S. 225.
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III Einzelexegese Exkurs: Offb 18 in der Kirchengeschichte Das 18. Kapitel der Offenbarung gehört mit den Kapiteln 11, 12, 13, 17 und 20 zu den am häufigsten ausgelegten Kapiteln der Johannesoffenbarung. Unserer eigenen Auslegung sei wieder ein kleiner Überblick vorausgeschickt: Nach der Beschäftigung des Ticonius (2. Hälfte des 4. Jh. n.Chr.) mit unsrem Kapitel anlässlich seiner Überlegungen zu „Gottesstaat“ und „Teufelsstaat“1883 fällt die Rolle von Offb 18 in den vorreformatorischen Bewegungen ins Auge. Für viele ähnlich Denkende steht der seit 1472 in Livland wirkende Johann Hilten, der zur Hure Babylon von Offb 18 bemerkt: „Illa meretrix est Roma.“1884 Die Münsteraner Täufer, die die Stadt bis zum 24./25. Juni 1535 beherrschten, leiteten aus Offb 18 das Recht zur göttlichen Rache ab, die sie an den Gottlosen vollziehen mussten.1885 Für große Teile der Täuferbewegung galt dann die Kirche schlechthin, ob römisch oder lutherisch, als die babylonische Hure. Luther hingegen setzt die Linie der vorreformatorischen Kritiker darin fort, dass er das päpstliche Rom mit der Hure Babylon identifiziert.1886 In seiner Vorrede von 1530 erklärt er die Eroberung Roms und den Sacco di Roma durch die Truppen des deutschen Kaisers Karl V. „zum Anfang der endlichen Zerstörung“1887. Der Föderaltheologe Johann Coccejus (1603–1669) bleibt ebenfalls dieser Linie verpflichtet1888, auch Spener1889. Spener erwartete allerdings für die Zukunft „einen noch größeren Fall des päpstlichen Roms“. Luther habe Rom nur einen ersten Stoß gegeben. Folglich steht die ganze Erfüllung von Offb 18 noch aus.1890 Der Separatist Johann Wilhelm Petersen (1649–1727) bewegt sich in der kirchenkritischen Spur mancher Täufergruppen. Er hält sowohl die reformatorische als auch die katholische Kirche für das Babel von Offb 17 und 18. Jetzt gewinnt Offb 18,4 eine zentrale Bedeutung. Denn es gilt, die bestehenden Kirchen zu verlassen und sich der Auswahlgemeinde außerhalb der traditionellen Kirchen anzuschließen. Was im Mittelalter die antipäpstliche Kritik war, das wird jetzt die antikirchliche Kritik.1891 Wie stark solche Gedankengänge auch in innerkirchliche Kreise eindrangen, kann man an dem Württemberger Johann Jakob Zimmermann beobachten, der seit 1684 eschatologische Schriften publizierte. Er hielt die evangelische Kirche zwar nicht für das Babel von Offb 18, 1883 1884 1885 1886 1887 1888 1889 1890 1891
Vgl. Maier Offb S. 116f; Hofmann S. 211f. Maier Offb S. 198. A.a.O. S. 236. Hofmann S. 210ff. Luther Vorreden S. 188. Maier Offb S. 329f. A.a.O. S. 357f. Spener Pia Desideria S. 40ff. Vgl. Maier Offb S. 371f.
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meinte aber, dass doch viele evangelische Christen zu diesem Babel gehören.1892 Bengels Position und wichtige Stimmen aus dem Pietismus nach Bengel werden wir im Verlauf der Einzelexegese besprechen.
8.2.1 Die Ausrufung des Falles von Babylon, 18,1-3 Das uns wohlbekannte μετὰ ταῦτα εἶδον [meta tauta eidon] (Danach sah ich) leitet auch in Offb 18,1 einen neuen Abschnitt ein (vgl. 4,1; 7,1.9; 15,5). Johannes erblickt einen anderen Engel als denjenigen, der ihm in Kap. 17 Aufschluss gab. Er kam aus dem Himmel herab, das heißt, er „war“ wie der Engel von Offb 10,1 speziell von Gott gesandt (vgl. auch 20,1). Und wie der Engel von 10,1 hatte er große Macht (ἔχοντα ἐξουσίαν μεγάλην [echonta exusian megalen]) bzw. Vollmacht und einen auffallenden Lichtglanz. Ja, sein Lichtglanz (δόξα [doxa]) strahlte universal auf die ganze Erde aus. Dies erinnert nicht nur an den Engel von Offb 10,1, sondern auch an Gottes eigene Herrlichkeit nach Ez 43,2 (LXX: δόξα θεοῦ [doxa theu] … ἡ γῆ ἐξέλαμψεν [he ge exelampsen] … ἀπὸ τῆς δόξης [apo tes doxes]).1893 Vgl. Lk 2,9. Durch diese Bemerkungen wird die Autorität des Engels aufs Höchste gesteigert.1894 Der andere Engel rief mit starker Stimme: Sie ist gefallen, sie ist gefallen, Babylon, die große (V. 2). Vom Standpunkt unserer Chronologie aus betrachtet, ist das die Ankündigung und Ausrufung vor dem tatsächlichen Fall.1895 Auch die Engel-Ankündigung in 17,16f geschieht ja vor diesem Fall und ist ganz im Futur gehalten („werden hassen“ usw.). Aber von der Warte Gottes aus ist das Angekündigte so sicher, dass jetzt im Aorist formuliert werden kann: Sie ist gefallen.1896 Der Wortlaut der fünf Wörter von ἔπεσεν [epesen] bis μεγάλη [megale] stimmt völlig mit Offb 14,8 überein. Jedoch bleibt zu beachten, dass zwischen 14,8 und 18,2 der Gang der Ereignisse fortgeschritten ist: Inzwischen sind die sieben Zornschalen ausgegossen (16,1ff), die antichristlichen Kräfte haben sich erneut gesammelt (16,13ff; 17,12ff), und wir sind auch schon darüber unterrichtet, dass und wie der Antichrist selbst mit seinen Helfern (den zehn Königen) der Hure Babylon den Garaus 1892 Vgl. Maier Offb S. 384. 1893 Vgl. Hadorn S. 177; Roloff S. 175; Mounce S. 322f; Giesen S. 391; Lohmeyer 3 S. 148; Bousset 1896 S. 481; G. Kittel, Art. δοκέω usw., ThWNT, II, 1935, S. 255. 1894 Vgl. Morris S. 214. Von „gottgleich“ (Holtz NTD S. 119) sollte man aber nicht sprechen. 1895 Charles II S. 87: „proleptic“. 1896 Hadorn a.a.O.; Roloff a.a.O.
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machen wird (17,16ff). Wir haben bisher diese Feststellungen vom Standpunkt unserer menschlichen Chronologie aus getroffen. Darüber darf man nicht vergessen, dass, vom überzeitlichen Standpunkt der himmlischen Welt aus betrachtet, das in Offb 18,2 Ausgerufene schon in der Vergangenheit liegt. Insofern hat Zahn nicht ganz unrecht, wenn er schreibt, Johannes sei hier „in die Zeit nach Vollzug des Gerichtes über Babylon versetzt“1897. Die starke Stimme (ἐν ἰσχυρᾷ φωνῇ [en ischyra phone]) unterstreicht wieder die Autorität des Engels (vgl. 7,2; 10,3; 14,7.9.15). Babylon, die große ist konstante Ausdrucksweise in der Offenbarung (vgl. 14,8; 16,9; 17,5). Man darf diese Ausdrucksweise nicht als bloße Ironie verstehen, sondern muss bedenken, dass Babylon wie auch Ninive in Gottes Augen wirklich bedeutende Städte sind (vgl. Gen 10,11f; Jona 4,11). Festzuhalten bleibt auch hier, dass Babylon eine Stadt und das Machtzentrum des Antichrist darstellt.1898 Wichtig ist, dass die Engelstimme eng an das AT anschließt, speziell an Jes 21,9, wo es heißt: „sie ist gefallen, sie ist gefallen, Babel“ (LXX: Πέπτωκεν Βαβυλών [Peptoken Babylon]). Dadurch wird dokumentiert, dass die endgültige Erfüllung des AT erst jetzt, am Ende der Zeiten, geschieht. Christen legen deshalb das AT auch unter eschatologischer (endzeitlicher) Perspektive aus. Was Babylon in Gottes Augen schon geworden ist (ἐγένετο [egeneto]) und in der Menschen Augen noch werden wird, zeigt die Fortsetzung von V. 2: zu einer Behausung der Dämonen und zu einem Gefängnis aller unreinen Geister und zu einem Gefängnis aller unreinen Vögel und zu einem Gefängnis aller unreinen und verhassten Tiere. Ob die Worte und zu einem Gefängnis aller unreinen Tiere ursprünglich sind, lässt sich nicht mehr sicher entscheiden, ist aber für die Gesamtauslegung ohne größere Bedeutung. Jedenfalls ist das Bildmaterial ganz und gar alttestamentlich, vgl. Jes 13,21f; 34,11ff; Jer 9,10; 50,39; Zeph 2,14. Man kann wirklich von einer „Palette der alttestamentlichen Prophetie“1899 sprechen. φυλακή [phylake] haben wir mit Gefängnis übersetzt, wie es dem allgemeinen Sprachgebrauch des NT entspricht.1900 Wo es um den Aufenthaltsort unreiner Geister und Tiere geht, möchte Georg Bertram allerdings zugleich die Bedeutung „letzte Zufluchtsstätte“ und „Verbannungsort“ mithören.1901 Schick weist darauf hin, dass in Lev 11,13ff „alle Nachtvögel und Fledermäuse zu den unreinen Tierarten“
1897 1898 1899 1900 1901
Zahn S. 571. Schick S. 193: „die Weltstadt Babylon, die Residenz des Antichrist“. Hadorn a.a.O. Vgl. Bousset 1896 S. 481; Mounce S. 323; Lohmeyer 3 S. 148. G. Bertram, Art. φυλάσσω usw., ThWNT, IX, 1973, S. 239. A.a.O. S. 240. Vgl. Hadorn a.a.O.; Lohmeyer a.a.O.
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gezählt werden.1902 Im gefallenen Babylon, das einmal so prachtvoll und blendend thronte, sind jetzt nur noch solch unheimliche Bewohner anzutreffen. Von menschlichen Bewohnern ist nicht mehr die Rede. Man kann sich gut vorstellen, dass Babylon zwischen seiner Vernichtung durch den Antichrist (17,16) und dem Ende des Antichrist (19,20) in einen solch erschütternden, desolaten Zustand gerät. Selbst im Falle des antichristlichen Machtzentrums gilt, was immer in der Geschichte gilt: Wer sich mit dem Teufel einlässt, bereitet sich selbst den Untergang (vgl. Joh 8,44). Nun müssen wir allerdings einen Punkt notieren, der immer deutlicher hervortritt: Wir erleben Babylons Untergang niemals direkt, sondern immer nur wie in einem Spiegel.1903 Dieser Spiegel ist die Schilderung des Untergangs durch Engel, durch andere Beobachter oder auch einfach in Gestalt einer Zeichenhandlung. Niemals aber sagt Johannes: „Ich sah Babylon fallen“ o. Ä. Gerade dadurch aber erhält der Untergang Babylons etwas Unheimliches und zugleich etwas Unausweichliches. Bengel und die Vertreter verwandter Positionen schöpften aus Offb 18,2 die Hoffnung auf den bevorstehenden Fall des päpstlichen Rom.1904 Vers 3 begründet, weshalb Babylon fallen muss. Dreierlei wird hier erwähnt. Zuerst, dass vom Zornwein ihrer Hurerei alle Nationen (πάντα τὰ ἔθνη [panta ta ethne]) getrunken1905 haben. In Hurerei (πορνεία [porneia]) ist wieder beides zu sehen: die Untreue Gott gegenüber und die Unsittlichkeit, die aus dieser Untreue resultiert.1906 Von Babylon verführt, haben alle Nationen diesen giftigen Trank ihrer Hurerei getrunken. Aber was Babylon in seinem verführerischen Becher anbot, rief zugleich Gottes Zorn hervor und kann deshalb mit dem Bild vom Wein des Zornes bzw. Zornwein ausgedrückt werden (vgl. 14,8; 16,19; 17,4f). Zur Auslegung vgl. auch die Erklärung oben bei Offb 14,8. Die zweite Begründung lautet, dass die Könige der Erde mit Babylon Hurerei getrieben haben (ἐπόρνευσαν [eporneusan]). Auch hier vereinigen sich verschiedene Dimensionen. Die Könige der Erde sind die menschlichen Machthaber zur Zeit Babylons. Nach F. Hauck und S. Schulz ist die Aussage von Offb 18,3 „zunächst dahin zu verstehen, daß sie politisch und wirtschaftlich um ihre Gunst gebuhlt haben“1907. Hinzu 1902 1903 1904 1905
Schick S. 192. Vgl. Roloff S. 174; Holtz NTD S. 119. Bengel S. 897. Zu πέπωκαν [pepokan] vgl. Blass-Debrunner § 133,3 und die ausführliche Diskussion bei Aune S. 965, der sich für πέπτωκαν [peptokan] entscheidet. 1906 Vgl. F. Hauck / S. Schulz, Art. πόρνη usw., ThWNT, VI, 1959, S. 594f. 1907 A.a.O. S. 594.
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kommt aber, dass sie durch Babylon zur Untreue gegen Gott und auch zur Sittenlosigkeit ständig inspiriert wurden. Schließlich flößte Babylon diesen Königen auch das Gift des Machttriebes und Machtrausches ein, das sie selbst durchströmte. Offb 17,2 ist hier wörtlich wiederaufgenommen und dadurch zugleich der alttestamentliche Hintergrund bezüglich Tyrus und Ninive in Jes 23,17; Nah 3,4. Nachdem die Nationen und Könige erwähnt wurden, nennt die dritte Begründung die Kaufleute der Erde (οἱ ἔμποροι τῆς γῆς [hoi emporoi tes ges]). Der Zusammenhang macht deutlich, dass hier nicht der Kaufmann um die Ecke gemeint ist, sondern das, was wir heute transnationales Management oder globale Unternehmen nennen.1908 Worin liegt Babylons Schuld? F. Hauck und W. Kasch finden sie darin, „daß die Kaufleute … in den Untergang der Stadt hineingerissen werden“1909. Das ist aber nur eine Teilauskunft. Der griechische Text spricht von der δύναμις τοῦ στρήνους [dynamis tu strenus] Babylons, der „Dynamik ihrer Üppigkeit“ oder ihres Luxus, aus der (ἐκ [ek]!) diese Kaufleute ihren Reichtum bezogen haben. Zwar hat „Reichtum“ in der Bibel noch nicht automatisch einen negativen Klang, aber in Verbindung mit Üppigkeit und Luxus doch die Tendenz zu Gottesferne und Selbstvergötzung (vgl. Ps 73,3ff; Prov 30,8; Mt 6,24; 11,8; 19,16ff; Lk 16,19ff; Jak 5,1ff). Das gilt insbesondere im Falle von Tyrus (Ez 26–28), der Stadt, die für Babylon Modell stand. So wird man die Macht ihres Luxus bei Babylon als gottwidrigen Egoismus und gleichzeitig als eine wirtschaftliche und geistige Lebensform deuten müssen, die das ganze Antichrist-Reich durchdringt und zwar Reichtum verschafft, aber Gott und Moral verdrängt.1910 Auch hier wird man sich vor vorschnellen Aktualisierungen hüten müssen. Das zeigt schon Luthers Deutung auf den Sacco di Roma von 1527.1911 Hadorn sprach 1928 von einer „Verbindung von Imperialismus und Kommerzialismus“1912, was heute, beinahe ein Jahrhundert später, schon anachronistische Töne aufweist. Beinahe harmlos klingt Roloffs Beurteilung: „Der Zusammenbruch einer Wohlstandsgesellschaft wird geschildert.“ (1987)1913 Da wir die systematischen Zusammenhänge der antichristlichen Zeit noch nicht kennen, sollten wir uns mit allzu genauen Konkretisierungen zurückhalten. 1908 1909 1910 1911 1912 1913
Bauer-Aland Sp. 518: ἔμπορος [emporos] = „Großhändler“. Im Art. πλούτος usw., ThWNT, VI, 1959, S. 328f. Schick S. 192: „frivoler Luxus“. Vorreden S. 188. Hadorn S. 177. Roloff S. 175.
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Im Rückblick auf Offb 18,1-3 zeigt sich jetzt deutlicher, dass eine völlige Gleichsetzung von Babylon und abgefallener Kirche zu kurz greift. Denn was sollten die Bemerkungen über alle Könige und Kaufleute der Erde, wenn es sich nur um ein verweltlichtes Kirchenwesen handelt?
8.2.2 Die Klage über den Fall von Babylon, 18,4-20 Mit der anderen Stimme (ἄλλη φωνή [alle phone]), die Johannes aus dem Himmel hörte (V. 4), beginnt ein neuer Unterabschnitt. Von wem diese andere Stimme kommt, wird im Text nicht direkt gesagt. In den Parallelstellen Offb 10,4 und 14,2 handelte es sich um Christi Stimme, in 14,13 musste es offenbleiben. Die Anrede mein Volk legt es aber auch in Offb 18,4 nahe, an die Stimme Christi zu denken.1914 Es ist eine überraschende Aufforderung, die wir hier vernehmen: Geht hinaus1915, mein Volk, aus ihr (= aus Babylon)! An dieser Stelle werden Jesaja und Jeremia zum Modell der Offenbarung, und das ezechielische Modell Tyrus tritt zurück. In Jes 52,11 LXX finden wir das ἐξέλθατε [exelthate] wieder, in Jes 48,20 ἔξελθε [exelthe], in Jer 51,45 [ ְצאוּ ִמתּוָֹכהּ ַע ִמּיzeu mittochah ammi], in Jer 50,8 = LXX 27,8 wieder ἐξέλθατε [exelthate], das in Jer 51,6 = LXX 28,6 durch φεύγετε [pheugete] („flieht“) ersetzt wird.1916 In den alttestamentlichen Stellen ist ein wörtliches, äußerliches Verlassen des gerichtsreifen Babels gemeint. Aber wie ist es in Offb 18,4? Paulus hat diese alttestamentlichen Weisungen in 2Kor 6,17 geistlich und nicht äußerlich verstanden. So stehen wir bei Offb 18,4 vor zwei verschiedenen Deutungsmöglichkeiten: Die erste ist die äußere Trennung von allem, was Babylon heißt. So haben es eine Reihe von mittelalterlichen Reformbewegungen1917, ferner die Münsteraner Täufer1918 oder der Separatismus eines Johann Wilhelm Petersen verstanden.1919 Insbesondere die Trennung von der traditionellen Kirche als einer „abgefallenen“ Kirche wird hier als notwendig angesehen. Für diejenigen, die zeitgeschichtlich argumentieren, tauchen an dieser Stelle jedoch schwieri1914 Bousset 1896 S. 482: „Stimme Christi oder Gottes“; Charles II S. 97; Bengel S. 899; Vitringa S. 790. Aber Lohmeyer 3 S. 149; Pohl II S. 222f; Kraft S. 228; U.B. Müller S. 304; Swete S. 228; Giesen S. 393: ein Engel. Über ὁ λαός μου [ho laos mu] als Vokativ vgl. Blass-Debrunner § 147,4. 1915 ἐξέλθατε [exelthate] als „Plural beim Collectivum“ (Bousset 1896 S. 482). 1916 Vgl. Schlatter BFchTh S. 90. 1917 Vgl. auch Hofmann S. 219ff; speziell zu Luther S. 213f. 1918 Vgl. Maier Offb S. 234ff. 1919 Vgl. oben den Exkurs.
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ge Probleme auf. Setzt man nämlich Babylon mit dem Rom des 1. Jh. gleich, dann erhebt sich die Frage: Was soll Offb 18,4 den Gemeinden sagen, die als Adressaten ja nicht in Rom, sondern in Kleinasien leben?1920 Und was ist, wenn man mit G.B. Caird annimmt, dass es zur Zeit von Offb 18 gar keine Christen mehr in Rom gibt, weil sie auf Adlers Flügeln längst in die sichere Wüste gebracht wurden?1921 Caird kann sich nur so helfen, dass er die unbekehrten Einwohner von Rom zu Gottes Volk macht, weil Gott diejenigen mein Volk nennen würde, die bislang nicht sein Volk waren (unter Verweis auf Hos 2,1ff).1922 Die zweite Deutungsmöglichkeit besteht darin, im Gefolge des Paulus den Auszugsbefehl in einem geistlichen Sinne zu verstehen. Das heißt ganz praktisch: den dreieinigen Gott anbeten, treu Jesus nachfolgen und nicht dieselben Sünden begehen wie Babylon (vgl. 2Joh 11).1923 Wir halten in diesem Kommentar die zweite Deutungsmöglichkeit grundsätzlich für die bessere, das heißt dem Sinn von Offb 18,4 besser entsprechende. Bestärkt werden wir darin durch die Beobachtung, dass die frühen Christen unseres Wissens nicht an einen Auszug aus Rom gedacht haben, auch nicht Offb 18,4 als einen solchen Befehl aufgefasst haben. Selbst für die Welthauptstadt des Antichrist-Reiches kann man sich nicht vorstellen, dass Christen, die in Abhängigkeitsverhältnissen leben und eventuell nicht einmal ihren Wohnort frei wählen können, einfach von dort wegziehen könnten. Denn Christen wird es im Antichrist-Reich bis zu dessen Ende geben (vgl. 13,10; 13,18).1924 Eher wird man sich im Sinne dessen orientieren, was ein alter Ausleger schrieb: „Nicht leiblich, aber geistlich-mystisch muß der wahre Christ alle Tage von Babel ausgehen.“1925 Das bedeutet dann allerdings auch den Verzicht auf alle Auswanderungsaufforderungen und -bestrebungen in einem äußeren Sinne. Bemerkenswert ist noch der Hinweis von Barclay, dass Offb 18,4 keinen Zeitpunkt für den Auszug nennt.1926 Die zweite Hälfte von V. 4 gibt einen doppelten Grund für die Trennung an. Sie soll zunächst deshalb erfolgen, damit ihr nicht teilhabt (συγκοινωνήσητε [syngkoinonesete]) an ihren (= Babylons) Sünden. Hier wird sehr realistisch mit der Verführungskraft (δύναμις [dynamis] V. 3!) Babylons gerechnet, der 1920 Vgl. dazu Aune S. 991. Barclay II S. 172 meint allen Ernstes, hier werde den Christen „befohlen, Rom vor dem Untergang zu verlassen“. 1921 Caird S. 223. 1922 Caird S. 224. 1923 Barclay verweist hier (II S. 172f) auf Gen 12,1; 19,12ff; Num 16,23ff sowie die Jesajaund Jeremiastellen. 1924 Gegen Caird S. 223. Wie wir Bengel S. 899f; Römer S. 183; Kiddle S. 364. 1925 So J.M. Hahn S. 565. 1926 Barclay II S. 173.
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auch Christen rasch erliegen können. Die Sendschreiben der Kapitel 2 und 3 sind ja ein Beweis für die Kraft weltlicher und religiöser Verführungen durch unsere Umwelt (vgl. Dtn 11,16). Zweitens soll die Trennung deshalb erfolgen, damit ihr von ihren Plagen nichts abbekommt (ἐκ τῶν πληγῶν αὐτῆς ἵνα μὴ λάβητε [ek ton plegon autes hina me labete]). Gemeint sind hier die Plagen als göttliche Strafen. Nicht gemeint sein können hier äußere Nachteile und Leidenswege, die allein daraus resultieren, dass die betreffenden Christen noch auf der Welt oder körperlich in der „großen Stadt“ Babylon (17,18) leben. Denn die schweren Gerichte von Kap. 17 und 18 werden nicht spurlos an der Gemeinde vorübergehen, auch wenn sie sich geistlich vom babylonischen Wesen getrennt hat (vgl. Joh 17,15). So weist uns auch die zweite Hälfte von Offb 18,4 in Richtung eines geistlichen Verständnisses.1927 Wenn Hadorn schreibt, man werde der Sünden anderer auch dann teilhaftig, „wenn man durch Bleiben an einem Ort sie gleichsam billigt“1928, können wir ihm nicht zustimmen. Sonst hätten sich auch Jesaja und Jeremia durch ihr Ausharren in Jerusalem der Sünden Jerusalems schuldig gemacht (Jes 6–8; Jer 7ff), und von den Aposteln hätte man später dasselbe sagen müssen (Apg 1–12; 15; 21). Treffender ist da die Auslegung von Offb 18,4 durch Augustin: „Die prophetische Mahnung ist geistlich so zu verstehen, daß wir aus dem Staate dieser Welt, der Genossenschaft gottloser Engel und Menschen, mit den Schritten des Glaubens, der durch die Liebe tätig ist, hinwegfliehen und dem lebendigen Gott entgegeneilen sollen.“1929 Der 5. Vers erinnert an Jer 51,9: Ihre (= Babylons) Sünden ragten bis zum Himmel auf. Auch in der menschlichen Perspektive konnte Gott sie nicht mehr übersehen: und Gott gedachte an ihr Unrecht. Gedenken, μνημονεύειν [mnemoneuein], bedeutet hier nicht „zu Bewusstsein kommen“, sondern bedeutet den Entschluss einzuschreiten. Vgl. Gen 11,4ff; Esr 9,6; Ps 109,14; Gen 18,20. Übrigens lässt die Formulierung ἐκολλήθησαν ἄχρι [ekollethesan achri] erkennen, dass menschliche Schuld anwachsen, ja sich bergehoch auftürmen kann.1930 1927 Ebenso Lohmeyer a.a.O.; Giesen S. 383f; U.B. Müller S. 305; Roloff S. 175; Schick S. 193; Augustinus DCD XVIII, 18; Satake KEK S. 358; Morris S. 215f; Aune S. 991; Hartenstein S. 216f; P. Müller S. 54; Frey S. 189; Pohl II S. 223; Grünzweig II S. 149ff. An einen äußeren Auszug („Emigration“) denken dagegen Bengel S. 900f; Hadorn S. 178. Vitringa fasst S. 789f Babel als „mystica“ auf und verbindet geistliche und äußerliche Trennung. Wie Bengel auch Schlatter S. 302f; J.M. Hahn S.563f; Römer S. 183f. 1928 Hadorn S. 178. 1929 Augustinus DCD XVIII,18. Ihm stimmt Swete S. 228 zu. 1930 Vgl. Roloff a.a.O.; Bousset 1896 S. 482.
8. Das Ende Babylons, 17,1–19,10
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Die V. 6-8 gehören untereinander besonders eng zusammen. Es ist vor allem das Stichwort (ἀπο-)δίδωμι [(apo-)didomi], vergelten/geben, das sie miteinander verbindet. Der Einsatz in V. 6 überrascht uns wieder: Vergeltet ihr (= Babylon), wie sie selbst vergolten hat (ἀπόδοτε αὐτῇ ὡς καὶ αὐτὴ ἀπέδωκεν [apodote aute hos kai aute apedoken]). Die andere Stimme (V. 4) hat keinen Übergang von V. 5 nach V. 6 geschaffen. In vergelten fließen zwei Bedeutungen zusammen: 1) zurückgeben, was man zuvor von anderen erhielt, 2) die souveräne göttliche Entscheidung über Lohn oder Strafe für das Handeln des Menschen oder die Nachahmung dieser Entscheidung durch den Menschen.1931 In Offb 18,6 liegt der Ausgangspunkt bei der Vergeltung, die Babylon in Anmaßung göttlicher Rechte an anderen vollzogen hat: wie sie selbst vergolten hat. Man denke an das Einschenken des Zornweines für alle Völker (14,8; 16,19; 18,3), an die unheilvolle Beeinflussung der Völker durch Götzendienst und Unsittlichkeit (14,8; 17,2.5; 18,3), an das Vergießen des Blutes gläubiger Christen (16,6; 17,6) oder ganz allgemein an ihre Beteiligung an den Untaten des Antichrist (17,3ff). Die Aufforderung Vergeltet ihr, wie sie selbst vergolten hat! entspricht dem gerechtesten aller irdischen Gesetze1932, nämlich dem sog. Talionsprinzip: Die Strafe entspricht genau der Schuld. Denkwürdig formuliert ist dieses Gesetz in Ex 21,23f: „Leben um Leben, Auge um Auge, Zahn um Zahn“. Angewendet auf das Verhältnis des Menschen zu Gott kommt allerdings eine niederdrückende Konsequenz dieses Gesetzes zum Vorschein. Denn würde Gott nach dem Grundsatz „Auge um Auge“ mit uns verfahren, würde kein Mensch im Endgericht gerettet (vgl. Lk 18,26). Wir alle sind ja Sünder (Röm 2,1ff). Deshalb bleiben wir auf die Erlösung angewiesen, durch die uns Gott um Jesu willen aus reiner Gnade rettet. Aber an wen ergeht die Aufforderung von Offb 18,6? Nach dem Zusammenhang an diejenigen, die nach Gottes Willen die Strafe vollziehen sollen. Diese Gerichtswerkzeuge Gottes sind nach Offb 17,16f der Antichrist und die zehn Könige.1933 Es war ein verheerendes Missverständnis, dass in der Kirchengeschichte manche Gruppen meinten, die Aufforderung von Offb 18,6 sei 1931 Vgl. F. Büchsel, Art. δίδωμι usw., ThWNT, II, 1935, S. 170f. 1932 U.B. Müller S. 305: „Prinzip der adäquaten Vergeltung“; vgl. Caird S. 224; Charles II S. 98; Swete S. 230. 1933 Barclay II S. 174 denkt an einen Engel; Kraft S. 231: „Strafengel“; ebenso U.B. Müller S. 305; Behm S. 96; Caird S. 224; Frey S. 189; Pohl II S. 225. Wieder anders Giesen S. 394: „göttlicher Urteilsspruch“. Vgl. noch Hadorn S. 178f; Roloff a.a.O. Wie wir Bousset 1896 S. 483; Schick S. 193; Zahn S. 573; Giesen S. 395; Grünzweig II S. 153; P. Müller S. 55; J.M. Hahn S. 567; Swete S. 229.
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an Menschen gerichtet, die nun die Strafe Gottes an irgendwelchen „Ungläubigen“ vollstrecken müssten.1934 Die Fortsetzung von V. 6 ist schwerer zu verstehen: und verdoppelt es ihr nach ihren Werken! In dem Becher, den sie gemischt hat, mischt ihr das Doppelte! Zwar bleibt ein Fixpunkt erhalten, den wir leicht bejahen können. Das ist das Gericht nach ihren Werken (κατὰ τὰ ἔργα αὐτῆς [kata ta erga autes]), also nach ihrem tatsächlichen Verhalten.1935 Aber warum das Doppelte, von dem hier dreifach – διπλώσατε [diplosate], τὰ διπλᾶ [ta dipla], διπλοῦν [diplun] – die Rede ist? Eine erste Antwort gibt uns das AT. Sowohl nach Jes 40,2 als auch nach Jer 16,18 straft Gott die Sünden doppelt. Ähnliches finden wir in Ex 22,3.6.8.1936 Den Weg zum Verständnis bahnt uns hier Jer 2,13. Danach hat die Sünde eine doppelte Auswirkung: 1) Sie schädigt die Menschen; 2) sie verfehlt sich an Gott selbst. Bedenkt man diese zweifache Auswirkung, dann ist auch eine doppelte Strafe angemessen. Genau dieser Tatbestand liegt bei Babylon vor. Der Becher, den sie für alle Menschen gemischt hat, zerstörte jedes positive Gottesverhältnis und bedeutete gleichzeitig die Auflehnung gegen Gott selbst. Bedenken sollten wir aber noch einen weiteren Punkt: den Punkt nämlich, dass Gott nicht schematisch verfährt, sondern souverän bleibt. So kann er nicht nur eine doppelte Strafe aussprechen, sondern auch doppelt belohnen, ja weit über das hinaus, was wir erwartet haben. Vgl. Hiob 42,10; Jes 61,7; Mt 25,21ff; Eph 3,20; vor allem jedoch Röm 9,20: „Lieber Mensch, wer bist du denn, dass du mit Gott rechten willst? Spricht auch ein Werk zu seinem Meister: Warum machst du mich so?“ Es genügt also nicht, in der Verdoppelung nur eine „poetische Steigerung“1937 oder den „Ausdruck besonders unnachsichtigen Gerichts“1938 zu sehen. Der Becher, der jetzt für Babylon gemischt wird, bedeutet das Gericht, das Babylon erleiden muss.1939 Die alttestamentliche Prophetie, die sich hier erfüllt, finden wir vor allem in Jer 50 (LXX 27), 15.29, und Ps 137,8.1940
1934 So dachten z.B. die Münsteraner Täufer 1534 (Maier Offb S. 234). Nicht ungefährlich Bengel S. 901: Die Gläubigen angeredet, aber sie „thun das ihrige dabey nicht mit der Faust, sondern im Geist“. Auffallenderweise vertritt auch Aune S. 993f die These, dass die Christen zur Vergeltung an Babylon aufgefordert seien. 1935 Vgl. wieder Büchsel a.a.O. 1936 Satake KEK S. 359; Swete S. 230 („abundant support“). 1937 So Kraft S. 230. 1938 So U.B. Müller S. 305; Giesen S. 349. Besser Hadorn S. 179: „göttlicher Rechtsgrundsatz“; ebenso Roloff S. 176. 1939 U.B. Müller a.a.O.; Giesen a.a.O. 1940 Kraft a.a.O.; U.B. Müller a.a.O.; Giesen S. 395; Schlatter BFchTh S. 90.
8. Das Ende Babylons, 17,1–19,10
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Vers 7 schildert noch einmal den inneren Zustand der Hure Babylon, wie er schon in 17,3-6 angedeutet war. Sie verherrlichte sich selbst, rühmte, pries und ehrte sich selbst statt Gott. Damit beraubte sie Gott. Was der Teufel beim Sündenfall versprach: „Ihr werdet sein wie Gott“ (Gen 3,5), das hat sie sich genommen. Die Konsequenz war ein Leben nach dem Genussprinzip: Sie lebte in Üppigkeit. Was die westliche Welt zurzeit kennzeichnet, das führt sie zu voller Reife. Jesus hat ein solches Leben in der Gestalt des reichen Mannes von Lk 16,19ff anschaulich gemacht. An dieser Stelle kehrt Offb 18 zum Talionsprinzip zurück: So viel sie sich verfehlte, so viel gebt ihr an Qual und Trauer! Wieder denken wir an Jesu Erzählung in Lk 16,25, die das Strafmaß in gleicher Weise schildert. Das Wort von der Qual (βασανισμός [basanismos]) – geistlich und äußerlich – ist uns schon in Offb 14,10ff begegnet. Was Babylon in ihrem Herzen (= zu sich selber) sagt, ist praktisch ein Zitat von Jes 47,7ff.1941 Ich throne (κάθημαι [kathemai]) als Königin1942 spiegelt das καθημένη [kathemene] / κάθηται [kathetai] von 17,1.3.9.15 wider, genauso wie βασίλισσα [basilissa] das ἔχουσα βασιλείαν [echusa basileian] in 17,18. Hier ist die enge Zusammengehörigkeit der Kap. 17 und 18 mit Händen zu greifen. Babylon verstand ihr Sein als Königin als ein Sein in Ewigkeit (Jes 47,7). Dasselbe gilt für die folgenden Aussagen. Ich bin keine Witwe steht auch in Jes 47,8. Das heißt: Ich werde niemals vereinsamt, niemals Randfigur, niemals verachtet sein (vgl. Lk 18,2ff).1943 Nach Gustav Stählin „sind Königin und Witwe“ „die äußersten Gegensätze von Frauenschicksalen“.1944 Und Trauer werde ich niemals1945 sehen: Gegen Bultmann1946 meint Trauer (πένθος [penthos]) hier nicht „speziell die Totenklage“, sondern jegliche belastende Trauer (vgl. Jes 61,3; 66,10; Jer 31,13). Vgl. wieder Lk 16,19: „Er lebte alle Tage herrlich und in Freuden“, und die Beschreibung der Gottlosen in Ps 73,5: „Sie sind nicht in Mühsal … und werden nicht wie andere Menschen geplagt.“ Aber auch Tyrus stand hier Modell (Ez 28,2).1947 Was für ein Wahnsinn, ein solches Leben auf ewig zu beanspruchen
1941 1942 1943 1944 1945
Vgl. Kraft S. 231; schon Bengel S. 903; Schlatter a.a.O. Vgl. Bauer-Aland Sp. 790; Roloff S. 173. Vgl. G. Stählin, Art. χήρα, ThWNT, IX, 1973, S. 434, 447f. A.a.O. S. 448. Vgl. Blass-Debrunner § 365: οὐ μή [u me] ist „die bestimmteste Form der verneinenden Aussage über Zukünftiges“. 1946 Im Art. πένθος usw., ThWNT, VI, 1959, S. 42. 1947 Charles II S. 99.
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und sich für unangreifbar zu halten!1948 Bengel nannte Babylon deshalb ein „Antitetragrammaton“1949. Vers 8 deckt die Realität auf, die der Selbstsicherheit von Babylon diametral entgegengesetzt ist. An einem einzigen Tag vergehen ihre Macht, ihr Luxus, ihre Herrlichkeit, ihre Üppigkeit und ihre Herrschaft. Ihre Plagen, das heißt ihre Strafen, bestehen in Tod (θάνατος [thanatos]), Trauer (πένθος [penthos]), Hunger (λιμός [limos]) und Feuer (πῦρ [pyr]). Die Ansage einer Vierzahl von Strafen ist typisch für Hesekiel. So spricht Gott z.B. in Ez 14,21 von „meinen vier schweren Strafen, Schwert, Hunger, wilde Tiere und Pest“ (vgl. Ez 5,17; Lev 26,16ff). Auch andere Reihungen von Strafen sind dem AT wohlvertraut (vgl. Ez 5,2.12; 6,11; 23,47; Jer 15,3). Dennoch hat der Vers Offb 18,8 sein spezielles Profil. Das gilt von der Trauer und vor allem vom Feuer, durch das Babylon nach 17,16 und 18,9ff untergeht. Den Tod wollen mehrere Ausleger1950 nach alttestamentlicher Analogie als „Pest“ verstehen. Das ist unnötig und vom Wortgebrauch der Offenbarung her im Hinblick auf θάνατος [thanatos] überhaupt nicht empfehlenswert (vgl. Offb 1,18; 2,10.11; 2,23; 9,6; 12,11; 13,3.12; 20,6.13.14; 21,4.8). Besser ist es, bei der allgemeinen Bedeutung Tod zu bleiben.1951 Am wenigsten scheint der Hunger in den Zusammenhang von Offb 18,8 zu passen.1952 Aber er ist ja doch der genaue Kontrast zu der Üppigkeit, in der Babylon lebte. Jetzt also verschwinden Üppigkeit und Überfluss, und Mangel und Hunger stellen sich für die zunächst noch Überlebenden ein.1953 Jes 47,5-11 und Jer 50,1ff erfüllen sich ein weiteres und letztes Mal in der Geschichte.1954 Denn stark ist Gott der Herr (ὅτι ἰσχυρὸς κύριος ὁ θεός [hoti ischyros kyrios ho theos]), der sie richtet. Wenn er Babylons Untergang beschlossen hat, kann sie niemand mehr retten. So sagte es schon Jer 50,34.1955 Mit Vers 9 treten wir in die eigentliche Klage über den Fall von Babylon ein. Sie wird von drei Gruppen, gewissermaßen Chören des Untergangs, angestimmt: den Königen (V. 9-10), den Kaufleuten (V. 11-17a) und den Seefahrern (V. 17b-19).1956 1948 Vgl. Hadorn S. 179; Giesen S. 394. 1949 Bengel a.a.O. 1950 So Lohmeyer 3 S. 149f; Giesen S. 394; U.B. Müller S. 305; Charles II S. 100; Satake KEK S. 360; Aune S. 996. 1951 So auch Swete S. 231; Hemer S. 121, 65; Morris S. 218. 1952 Satake a.a.O. sieht darin einen bloßen „Topos“; ebenso Aune a.a.O. 1953 Vgl. Swete a.a.O.; Bengel S. 904. 1954 Vgl. Schick S. 193. 1955 Giesen S. 395. 1956 Charles II S. 87; Swete S. 231; Roloff S. 174.
8. Das Ende Babylons, 17,1–19,10
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Die Könige der Erde (οἱ βασιλεῖς τῆς γῆς [oi basileis tes ges]) werden an die Spitze gestellt. Es sind diejenigen, die mit Babylon Hurerei getrieben haben (17,2; 18,3), die ebenfalls in Üppigkeit gelebt haben (vgl. noch 16,12.14; 17,18). Die Hurerei als Götzendienst und Sittenlosigkeit war der innere Lebensstil, die Üppigkeit der äußere. Diese Könige, von Swete sehr allgemein als „ruling class“ bezeichnet1957, sind, präziser gesehen, die verschiedenen wichtigen Machthaber im antichristlichen Reich.1958 Wieder werden wir daran erinnert, dass dieses Reich ein sehr differenziertes, ausgeklügeltes und effizientes System politischer, wirtschaftlicher und vor allem religiöser Macht darstellt. Wir sollten alle diese Dimensionen hier zusammensehen. Die genannten Machthaber werden über sie weinen und trauern1959, wenn sie den Rauch sehen, während sie verbrannt wird. Die Kombination der griechischen Verben κλαίω [klaio] (weinen) und κόπτω [kopto] (trauern) lässt vor unsern Augen die Lebhaftigkeit der orientalischen Totenklage erstehen. Babylon wird hier schon behandelt wie eine Tote. Rengstorf sieht darüber hinaus in den V. 9-19 schon „das Erwachen der Erkenntnis Gottes und des Einblicks in die Folgen der bisherigen Gottlosigkeit“1960. Im Hintergrund von Offb 18,9ff steht jedenfalls die prophetische Totenklage.1961 Speziell zu Offb 18,9 bemerkt Gustav Stählin: „Die Idee stammt aus Jesaja (14,4ff), die Worte aus Ezechiel (26,16; 27,30ff).“1962 Stählins Vermutung, in der Klage der Könige schwinge „auch die Klage um sie selber mit“1963, dürfte zutreffen. Freilich sehen sie nur den Rauch …, während sie verbrannt wird. Rauch ist wie Jes 34,10; Offb 14,11; 19,3 ein Zeichen des göttlichen Gerichts. Wer jemals während des Bombenkrieges Rauch und Feuerschein einer brennenden Stadt erlebte, hat darin ein winzig kleines Anschauungsbeispiel zu Offb 18,9. Sonst könnte Bernhard Philberth nicht die Parallele zum „Detonationsqualm“ des modernen Atomkrieges ziehen, der riesige Flächen „tödlich radioverseucht“.1964 Doch die Könige der Erde denken nicht daran, das Schicksal Babylons zu teilen, dem sie doch so viel verdanken. Im Reich des Antichrist herrscht der sich selbst rettende Egoismus, nicht die Dankbarkeit oder die Treue. Von fer1957 Swete S. 228. Holtz NTD S. 119: „Herrscher der Welt“. 1958 Swete S. 231: „the subordinate and allied princes who had flourished under the protection“ von Babylon. 1959 Zur Grammatik vgl. Blass-Debrunner § 148,3. 1960 K.H. Rengstorf, Art. κλαίω usw., ThWNT, III, 1938, S. 724. 1961 Vgl. G. Stählin, Art. κοπετός usw., a.a.O., S. 838ff. 1962 A.a.O. S. 850. Vgl. Swete a.a.O.; Lohmeyer 3 S. 150; Roloff S. 175; Charles II S. 100. 1963 A.a.O. 1964 Philberth S. 249.
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ne werden sie stehen (V. 10): In diesen kurzen Worten liegen mehrere Ebenen. Sicher ist es auch ein Stück des „grimmigen Humors“, von dem Swete sprach.1965 Ebenso deutlich liegt darin die innere Distanz. Aber auch der Abscheu vor Tod und Leid liegt darin: weil sie ihre Qual fürchten. Schließlich ist es die kühle Kalkulation, nicht selbst geschädigt werden zu wollen. Ob unter den Königen der Erde auch die zehn Könige sind, die Babylon nach Offb 17,16 das Ende bereitet haben? Nach dem Wortlaut von Offb 18,9f muss man es annehmen.1966 V. 10 überliefert die Worte, die die Könige sprechen: Weh, weh, die große Stadt, Babylon, die starke Stadt! Denn in einer einzigen Stunde ist dein Gericht gekommen. Die Klagen über Tyrus (Ez 26,17) und Babel (Jer 51,8) bilden das Modell für Offb 18,10.1967 Die Himmelsstimme, die seit V. 4 in diesem Abschnitt der Offenbarung spricht, nimmt offenbar bewusst die alttestamentlichen Aussagen auf, um uns das Ende aller gottfeindlichen Mächte vor Augen zu führen (vgl. auch Dan 7,11f) und die endzeitliche Erfüllung der alttestamentlichen Prophetie zu zeigen. Die große Stadt ist uns seit 14,8; 16,19; 17,5.18; 18,2 vertraut. Die starke Stadt: So hat sie sich selbst gepriesen (V. 7; Ez 26,17), und zwar in bewusstem Gegensatz zu dem lebendigen Gott, der allein stark (ἰσχυρός [ischyros], V. 7) ist. Das doppelte Weh unterstreicht die Schwere des Gerichts (vgl. 8,13; 18,16).1968 Die einzige Stunde spitzt den „einzigen Tag“ von V. 8 und damit die Plötzlichkeit und Grauenhaftigkeit des Sturzes noch zu. Es lässt sich nicht übersehen, dass Babylons Fall unerwartet kommt. Unerwartet sind aber nicht nur Tag oder Stunde (vgl. Mt 24,36-51), sondern auch die Art des Untergangs, nämlich durch den Antichrist selbst und seine Machthaber (17,16f).1969 Alle Elemente in der Klage der Könige: Rauch – verbrannt – die große Stadt – die starke Stadt weisen darauf hin, dass es sich tatsächlich um eine „Weltstadt“1970 handelt, nämlich um die Welthauptstadt des Antichrist-Reiches und sein Machtzentrum sowohl im äußeren als auch im spirituell-geistlichen Sinne. In Offb 18,9-10 Babylon nur in einem geistlichen Sinne oder nur als verweltlichte Kirche aufzufassen, wäre schwierig.
1965 1966 1967 1968
Swete a.a.O. Ebenso Bengel S. 904f. Neue Jerusalemer Bibel S. 1803; Charles II S. 100. Vgl. zum hebräischen [ הוֹיhoj] bzw. [ אוֹיoj], auf das οὐαί [uai] zurückgeht, H.-J. Zobel, ThWAT, II, 1977, Sp. 382ff. Zur Epanadiplosis vgl. Blass-Debrunner § 493. 1969 Kraft S. 231 sagt sogar: „Babels Strafe ist die Folge eines feindlichen Sieges.“ 1970 Lilje S. 213.
8. Das Ende Babylons, 17,1–19,10
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Der Klage der Könige folgt in V. 11-17 die Klage der Kaufleute (ἔμποροι [emporoi]). ἔμπορος [emporos] ist der Großkaufmann, der Großhändler.1971 Während die Klage der Könige prinzipiell ausgerichtet ist, gehen die Kaufleute ausführlich ins Praktische. Zwei historische Vergleiche helfen zum Verständnis von Offb 18,11-17. Da ist einmal das Klagelied über Tyrus in Ez 27,1-36, an das wir immer wieder erinnert werden.1972 Da ist zum andern das berühmte Foro delle Corporazioni im antiken Ostia mit seinen Kontoren rings um den Platz, charakterisiert durch Zeichen für die jeweils gehandelten Waren. Auch wenn Rom nicht gleich Babylon ist, liefert es doch manche interessante Veranschaulichung. Der Begriff Kaufleute der Erde macht wieder klar, dass es sich um ein globales Geschehen handelt (V. 11). Weinen und Leid tragen entspricht dem „weinen und trauern“ von V. 9. Aber die Begründung ist noch um einen Ton egoistischer als in V. 9f: weil niemand mehr ihre Ware (= die der Kaufleute) kauft. Ist Babylon verschwunden, gibt es keinen Absatz und keinen Markt mehr. Für Ware steht griech. γόμος [gomos], in Apg 21,3 die „Schiffsladung“, eigentlich die transportierte „Ladung“ oder „Last“ oder „Fracht“, wobei es sich um den Transport durch Schiffe, Pferde, Esel (vgl. Ex 23,5) oder Kamele handeln kann.1973 Hinter γόμος [gomos] steht wohl das hebr. ִעְזבוִֹנים [iswonim] aus Ez 27,12.14.16.19.22.27.33, das vielleicht das von Karawanen Abgeladene wiedergibt.1974 Als anschauliches Beispiel aus der Zeit des Johannes nennt Swete die direkten Seewege, die von Seleukia, Ephesus, Smyrna, Korinth, Alexandria, Karthago, Marseille und Spanien nach Ostia, dem Hafen Roms, führten.1975 Erst recht ist der heutige Welthandel über die Atlantik- und Pazifikrouten oder das immer dichtere Luftfrachtsystem ein Beispiel für Offb 18,11. Die V. 12 und 13 listen exemplarisch einige Waren für die Weltstadt Babylon auf. Natürlich konnte Johannes nur das auffassen und nennen, was er in seiner Zeit verstand. Was uns heute als Ware reizt, wird dadurch nicht ausgeschlossen. Wir werden überdies sehen, dass in den genannten Waren etwas Typisches liegt, das auch für unsere Gegenwart und für die Zukunft zutrifft. Die Auflistung beginnt mit zwei wertvollen Edelmetallen: Ware von Gold und Silber. In Ez 27,12 steht Silber an der Spitze, Gold folgt erst in Ez 27,22. 1971 1972 1973 1974 1975
Bauer-Aland Sp. 518. Vgl. Maier Hes II S. 41ff. Swete S. 232. Gesenius S. 577; vgl. dazu Gerstenberger, Art. עזב, ThWAT, V, 1986, Sp. 1200ff. Swete a.a.O.
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Das hängt daran, dass Ez 27 nach geografischen Herkunftsorten gliedert. Offb 18,12f gliedert jedoch nach „Produktarten“.1976 Im Verzicht auf eine geografische Gliederung spiegelt sich die Globalisierung, die sich in der Offenbarung ausprägt. Den Edelmetallen folgen Edelstein und Perlen (vgl. wieder Ez 27,22). An dieser Stelle ist zu bemerken, dass alle vier Artikel, Gold, Silber, Edelstein und Perlen im Verlauf der Geschichte der letzten 2000 Jahre niemals ihre Anziehungskraft verloren haben. Dieselbe Anziehungskraft werden sie auf Babylon ausüben (Offb 17,4). Vierfach folgen hoch geschätzte Textilien: Byssusgewand aus feiner Leinwand, Purpurgewand für die Reichen und Vornehmen (vgl. Lk 16,19), Seidengewand, wohl aus China und über die Seidenstraße importiert1977, und Scharlach(gewand), das Tier und Hure nach 17,3f selber tragen. Vgl. Ez 27,16.24. Erneut ist festzustellen, dass die Wertschätzung für Kleidung bis zum heutigen Tag dieselbe ist und bis zum Schluss bleiben wird. Im Folgenden hören die Genitiv-Verbindungen mit γόμος [gomos] auf. Stattdessen gebraucht die Aufzählung Akkusative. Zuerst wird Thujaholz (ξύλον θύϊνον [xylon thyinon]) genannt. Die Auskünfte sind hier verschieden. Einmal wird „Holz vom nordafrikanischen Thujabaum“1978, ein andermal Holz vom „Citrusbaum“1979 angegeben. θύϊνος [thyinos] kommt nur hier im NT vor. Dementsprechend schwanken die Übersetzungen: „wohlriechende Hölzer“1980, „Thujaholz“1981, „Zitrusholz“1982, „Sandelholz“1983. Wir müssen offen sagen: Die genaue Bedeutung kennen wir nicht. Jedenfalls handelt es sich um wertvolles Holz für luxuriöse Einrichtungen. Die elfenbeinernen Gegenstände oder „Utensilien“ (σκεῦος ἐλεφάντινον [skeuos elephantinon]) können z.B. Bänke, Sessel oder Throne sein.1984 Auch Elfenbein behielt seinen Wert und sein Prestige durch die ganze Geschichte hindurch.1985 Ebenso Einrichtungsgegenstände aus Edelhölzern (ἐκ ξύλου τιμιωτάτου [ek xylu timiotatu]), wörtlich: „aus besonders kostbarem Holz“. Auch in Ez 27,15 stehen Elfenbein und kostbares Holz nebeneinander. Gegenstände aus Erz (oder: 1976 Satake KEK S. 362. 1977 Lohmeyer a.a.O.; vgl. Josephus B. J. VII, 126; Blass-Debrunner § 42,4. σιρικός [sirikos] oder σηρικός [serikos] wohl abzuleiten von „Serica“ = China (Hadorn S. 181). 1978 Lohmeyer a.a.O.; Joh. Schneider, Art. ξύλον, ThWNT, V, 1954, S. 38; Hadorn a.a.Ο.; Giesen S. 398. 1979 Bauer-Aland Sp. 742. 1980 Lutherbibel; Neue Jerusalemer Bibel; Einheitsübersetzung. 1981 Revidierte Elberfelder Bibel; Benedikt-Bibel. 1982 BigS. 1983 NGÜ. 1984 Vgl. 1Kön 10,18; Josephus B. J. VII, 126. 1985 Satake a.a.O.
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Bronze, σκεῦος ἐκ χαλκοῦ [skeuos ek chalku]) geht auf hebr. שׁת ֶ [ ְכִּלי ְנֹחkeli nechoschet] zurück, das wir in Ez 27,13 finden. Solche Bronzegeräte begegnen uns in allen Jahrhunderten als Kunstgegenstände, Musikinstrumente usw. Berühmte antike Beispiele sind das Osttor am inneren Tempelbezirk in Jerusalem1986 oder die Bronzetür der Curia auf dem Forum Romanum. Geräte aus Eisen (σκεῦος ἐκ σιδήρου [skeuos ek sideru]) erinnert an Ez 27,12.19. Seit der Eisenzeit (in Europa ab ca. 1000 v.Chr.) war das Eisen die Grundlage der menschlichen Ökonomie. Um Eisenbergwerke wurden zahllose Kriege geführt. Wie hoch man Eisen und Stahl schätzte, geht daraus hervor, dass der indische Fürst Poros Alexander dem Großen einen 15 kg schweren Stahlbarren schenkte. Zuletzt nennt V. 12 Gegenstände aus Marmor (σκεῦος ἐκ μαρμάρου [skeuos ek marmaru]). μάρμαρος [marmaros] kommt wieder nur hier im NT vor. Als Marmor bezeichnet man jede Art von Kalkstein, die sich wegen ihrer Farbe oder Polierbarkeit zu künstlerischen Arbeiten eignet. Ob Antike1987 oder Gegenwart: Marmor genießt hohe Wertschätzung und ist gleichzeitig Statussymbol. Sowohl der salomonische als auch der herodianische Tempel waren aus Marmor erbaut.1988 Wie V. 12 nennt auch V. 13 insgesamt 14 einzelne Waren. Im Ganzen sind es also in der Klage der Kaufleute 28 Waren, die hier aufgelistet werden. An der Spitze steht in V. 13 κιννάμωμον [kinnamomon], Zimt. Zimt benötigte man für die Herstellung des heiligen Salböls (Ex 30,23), aber auch für erlesene Speisen. Wie wertvoll er war, geht daraus hervor, dass Josephus die Auslieferung von Zimt an die siegreichen Römer im Jahre 70 n.Chr. ausdrücklich erwähnt.1989 Zimt kam wohl aus Ceylon und Java.1990 Um solche Gewürze führten die europäischen Mächte bis ins 18. Jh. Krieg. Vgl. Ez 27,19. Neben Zimt tritt ἄμωμον [amomon].1991 Wir übersetzen es mit Kardamom, obwohl es häufig mit „Balsam“1992 oder „Haarbalsam“1993 wiedergegeben wird.1994 „Balsam“ hätte allerdings an Ez 27,17 eine Stütze. ἄμωμον [amomon] ist wieder neutestamentliches Hapaxlegomenon. Kardamom stammt aus Indien, Sri Lanka (Ceylon), Indonesien, Hinterindien, China und einigen Regionen Afri1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992
Josephus B. J. VI, 293. Vgl. Josephus B. J. IV, 532. 1Kön 5,27ff; 1Chron 29,2. B. J. VI, 390. Vgl. GBL, 2, S. 837. In den Handschriften teilweise ausgelassen, doch überwiegend bezeugt. So Lutherbibel; Benedikt-Bibel; Neue Jerusalemer Bibel; Einheitsübersetzung; Lohmeyer a.a.O. 1993 Revidierte Elberfelder Bibel. 1994 Kardamon bzw. Kardamom auch Bauer-Aland Sp. 93; BigS; NGÜ.
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kas. Aus den Kapselfrüchten gewinnt man ein ätherisches Öl. Sowohl die Kapseln als auch das Öl sind sehr aromatisch, stärken den Magen, würzen Speisen und werden für die Herstellung von Likören verwendet. Ein Stück Luxus also für die Weltstadt Babylon! Einfacher zu bestimmen ist die dritte Größe aus Offb 18,13, das Räucherwerk (θυμιάματα [thymiamata]). Hierunter fasst man verschiedene Spezereien zusammen, u.a. Weihrauch, die man beim Gottesdienst darbrachte (vgl. Ex 30,35). Auch Ez 27,17.19 spricht von solchen Waren. Wozu brauchte Babylon Räucherwerk? Antwort: für seine Gottesdienste. Wir dürfen nicht vergessen, dass Babylon eine starke religiöse Größe mit einem blendenden Gottesdienstleben ist. Sonst könnte die Anbetung des Tieres und seines Bildes gar nicht stattfinden (Offb 13,4ff.14f; 2Thess 2,4). Nun wird die Myrrhe (μύρον [myron]) erwähnt. Sie ist kostbar, duftet kräftig und balsamisch und wird als Myrrhenharz in den Handel gebracht. Man verwendet sie für die Medizin, für Salben und für gottesdienstliches Räucherwerk (Ex 30,23). Vermutlich stand die gottesdienstliche Verwendung in Babylon im Vordergrund, da in Offb 18,13 die Myrrhe zwischen Räucherwerk und Weihrauch erscheint. Zu ihrer Hochschätzung vgl. Prov 7,17; Hld 3,16; 4,14; 5,5.13; Esth 2,12; Mt 2,11. Weihrauch (λίβανος [libanos]) entsteht als Harz durch Einschnitte an Boswellia-Bäumen. Er wurde zu Johannes’ Zeiten aus Afrika, Arabien und Indien importiert. Damals galt er als wertvolles Geschenk (Jes 60,6; Mt 2,11). Sein herrlicher Duft führte zu häufiger Verwendung in heidnischen und israelitischen Gottesdiensten (Ex 30,34ff; Lev 2,1ff; 24,7). Zur Hochschätzung vgl. wieder Hld 3,6; 4,6.14. Bis heute gebraucht man den Weihrauch auch in den christlichen Gottesdiensten. Wein gehört seit uralten Zeiten zum Leben der Menschen, speziell zum Leben im Luxus. Auf dem Wandgemälde eines Grabes in Theben ca. 1420 v.Chr. sieht man eine ägyptische Weinpresse dargestellt.1995 Kanaan war schon lange vor der israelitischen Einwanderung ein Land des Weines (Gen 14,18; Num 14,21ff). Bei Nebukadnezar (604–562 v.Chr.) gehörten berühmte Weine zur Königsspeise (Dan 1,5).1996 In Hesekiels Handelsliste ist auch „Wein von Helbon“ bei Damaskus verzeichnet (27,18). Wein fand vielfältige Verwendung bei der Ernährung, in der Medizin (Lk 10,34; 1Tim 5,23) und vor allem bei den heidnischen Gottesdiensten.1997 Der Gebrauch war aber von den ältesten Zeiten an auch von Missbrauch begleitet (Gen 9,20ff). Das AT warnt nachdrücklich vor dem Weinsaufen (Jes 5,11.22; Prov 3,30; 20,1). Ganz zu schwei1995 GBL, 3, S. 1674. 1996 Vgl. Maier Dan S. 75. 1997 Seltener im israelitischen Gottesdienst, z.B. Ex 29,40.
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gen von den Weinorgien in Griechenland und in Rom, im Mittelalter und besonders in unsern Tagen. Babylon liebte Üppigkeit und Luxus und deshalb auch den Wein. Wir müssen aber damit rechnen, dass Babylon den Wein auch deshalb in seinen antichristlichen Gottesdiensten einsetzt, weil es die Nähe zum christlichen Abendmahl sucht. Dem Wein folgt in V. 13 das Öl (ἔλαιον [elaion]). Ohne Übertreibung kann man sagen, dass Öl, meist das Olivenöl, zu den elementaren Lebensgrundlagen ganzer Epochen der Menschheit gehört.1998 Das Spektrum seiner Verwendung ist breit: im Gottesdienst (Ex 25,6; 29,2.40; Lev 8,26; 14,10ff; 24,2; Num 6,15; 7,13ff), bei Salbungen (1Kön 1,39; Jak 5,14), als Medizin (Jes 1,6; Lk 10,34), für Lampen (Mt 25,1ff), zur Körperpflege (Ruth 3,3; Lk 7,46) und zur Ernährung (1Kön 17,12ff; Offb 6,6). Vgl. Ez 27,17. Noch heute verwenden wir es in einem breiten Spektrum. Das kann man beim feinsten Weizenmehl (σεμίδαλις [semidalis])1999 nicht sagen. σεμίδαλις [semidalis] geht eventuell auf das hebr. [ ֹסֶלתsolet] zurück, das die Lutherbibel als „feinstes Mehl“ wiedergibt (Lev 2,1ff). Jedenfalls unterschied man schon in alttestamentlicher Zeit zwischen qualitativ verschiedenen Weizensorten, wie z.B. der „Weizen von Minnit“ (im Ostjordanland) in Ez 27,17 zeigt. Feinstes Weizenmehl brauchte Babylon für seine leckeren Speisen. Ähnlich der Weizen, der nun folgt (σῖτος [sitos]). „Weizen gilt als bestes Brotgetreide“2000, schon in der Antike. Vgl. wieder Ez 27,17. Paulus fuhr nach Apg 21,38 auf einem Schiff, das Weizen aus Alexandria/Ägypten nach Rom brachte. Bis heute ist der Zugriff auf Weizen und Getreide für die Weltpolitik ein Spitzenthema. Mitten in V. 13 wechselt die Aufzählung von pflanzlichen Stoffen zu Lebewesen, nämlich Tieren und Menschen. Die Liste wird buchstäblich immer „beseelter“. Zunächst wird hier das Vieh (κτήνη [ktene]) genannt. Vieh ist ein Sammelname für alle Haustiere (vgl. Ex 22,4).2001 Da dem Menschen seit dem Bund mit Noah das Essen von Tieren freigegeben ist (Gen 9,2ff)2002, waren Viehzucht und Viehschlachtung seit uralter Zeit wichtige Grundlagen des menschlichen Lebens. Offb 18,13 erwähnt neben dem Vieh speziell Schafe (πρόβατα [probata]). Wieder finden wir in Ez 27 Parallelen (V. 18.21). Bis zum heutigen Tag spielen die Schafe bei der Ernährung eine wichtige Rolle. Sie sind in
1998 1999 2000 2001 2002
Vgl. R.K. Harrison, Art. „Öl“, GBL, 2, S. 1086ff. Wieder ein neutestamentliches Hapaxlegomenon. GBL, 1, S. 14. Lohmeyer 3 S. 151: „alles Vieh“. Einschränkungen wie in Lev 11 gelten nur auf Zeit, vgl. Mk 7,19; Apg 15,19ff.
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nahezu allen Religionen erlaubt. Auf die Schafe folgen Pferde.2003 Die Einführung gezähmter Pferde bedeutete eine der größten Revolutionen in der Militärgeschichte. Heute ist das Pferd immer noch ein Statussymbol. Ez 27 liefert erneut Parallelen (27,14.20). Interessant ist die Erwähnung der Reisewagen (ῥέδαι [rhedai]). ῥέδη [rhede], ein „ursprüngl. keltisches Wort“2004, bezeichnet den vierrädrigen Reisewagen. Wieder werden wir in die Welt der reichen Leute versetzt.2005 Am Ende von V. 13 stehen die Leiber (Genitiv!) und Seelen (Akkusativ!) von Menschen. Offensichtlich bedeutet dieser Abschluss der Handelsliste eine Steigerung: Sogar Menschen hast du, Babylon, zu deiner Ware gemacht! Vielleicht liegt innerhalb der fünf Worte selbst noch einmal eine Steigerung: Leiber (Gen.: σωμάτων [somaton]) scheint von γόμος [gomos] V. 12 („Ware“, „Fracht“) abzuhängen2006, der Akkusativ καὶ ψυχὰς ἀνθρώπων [kai psychas anthropon] die Bedeutung zu haben: und – wie es denn wirklich ist – Seelen von Menschen. Beide Ausdrücke, Leiber und Seelen, sind geläufig zur Bezeichnung von Sklaven.2007 Jedenfalls bleibt die Abfolge σωμάτων [somaton] … ψυχάς [psychas] auffällig.2008 Bauer-Aland schlagen deshalb die Übersetzung „Sklaven und Leibeigene“ vor2009, Hadorn2010 erwägt, ob hier nicht „Prostituierte“ und „Gladiatoren“ gemeint seien. Es empfiehlt sich jedoch nicht, Leiber und Seelen auf verschiedene Klassen aufzuteilen.2011 Dem widerrät schon die Parallele in Ez 27,13, sodann aber auch der allgemeine Sprachgebrauch. Eher kann man mit Eduard Schweizer davon ausgehen, dass „in dem volleren Ausdruck ψυχαὶ ἀνθρώπων“ [psychai anthropon] der „Abscheu vor dem Verkauf von Sklaven, die doch immerhin menschliche Personen sind“, stärker ausgeprägt ist.2012 Man erinnere sich daran, dass die Stellung der Sklaven in Israel weit humaner geregelt war als in der übrigen antiken Welt.2013
2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013
Im Gen. plur. Bauer-Aland Sp. 1471; Lohmeyer a.a.O.; Blass-Debrunner § 5,6. Hadorn a.a.O. Lohmeyer a.a.O.: „Galawagen“. So Giesen S. 398. E. Schweizer im Art. σῶμα usw., ThWNT, VII, 1964, S. 1034.1054; im Art. ψυχή usw. ThWNT, IX, 1973, S. 654; Giesen a.a.O. So auch Bauer-Aland Sp. 1782. A.a.O. Hadorn a.a.O. Wie wir Giesen a.a.O.; Schweizer ThWNT, IX, 1973, S. 654. Schweizer a.a.O. Vgl. z.B. Lev 25,39ff.
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Mit V. 14 kommt stärker in den Blick, „daß die Stadt selbst … zu leiden hat“.2014 Wie so oft, macht die Bibel den Wechsel der Situation auch hier an typischen, konkreten Einzelheiten fest: Und deine Früchte, an denen deine Seele Lust hatte, sind von dir verschwunden. Das griechische ὀπώρα [opora], ein neutestamentliches Hapaxlegomenon, bedeutet eigentlich die Zeit Juli bis September, in der die Früchte reifen.2015 Man denke an die Märkte im Mittelmeerraum im Hochsommer und Frühherbst. Diese Früchte sind ein elementarer Teil des Lebens im Süden. Fehlen sie, ist ein Stück Leben dahin. Man kann auch hier beobachten, dass die Welthauptstadt Babylon in die Kategorien des Israellandes und der Mittelmeerländer eingezeichnet wird und von daher ein südliches Gepräge trägt. Und all die Kostbarkeiten und all die Pracht sind für dich verloren, und man wird sie nicht mehr finden. Mit einem Wort: Sie sind für Babylon ewig verloren. Hinter Kostbarkeiten (λιπαρά [lipara]) und Pracht (eigentlich „glänzende Dinge“, λαμπρά [lampra]) stehen wohl alttestamentliche Begriffe, wie z.B. [ ָהָדרhadar] (Ez 27,10), [ ֳיִפיjaphi] (Ez 27,4.11; 28,12.17), [ י ְִפָעהjiphah] (Ez 28,7.17) oder [ ֶחְמ ָדּהchemdah], [ ַמְחָמדmachmad]. Hier lässt sich wieder erkennen, dass Tyrus (vgl. Ez 26–28) ein Modell für Babylon darstellt und dass Babylon ebenso seine glänzende Stellung verlieren wird wie einst jenes Tyrus. Im Übrigen spricht hier immer noch der Engel von V. 4.2016 In der Forschung wird die Frage diskutiert, ob V. 14 am richtigen Platz steht.2017 Lohmeyer wollte den Vers hinter V. 23 einschieben.2018 Nach Hadorn hat vielleicht erst „ein Abschreiber“ die heutige Reihenfolge hergestellt, möglicherweise gehöre der Vers hinter die V. 22-24.2019 Aber die alten Handschriften geben uns keinerlei Begründung für eine solche Umstellung. Außerdem überrascht uns die Offenbarung auch an anderen Stellen mit einem auffälligen Themenwechsel (vgl. Offb 13,18; 14,13; 16,15; 17,9). Deshalb wird es bei dem Urteil bleiben müssen, dass V. 14 am ursprünglichen und richtigen Platz steht.2020 V. 15-17 stellt uns noch einmal die Kaufleute vor Augen. Sie sind die einzige Gruppe, die zweimal erwähnt wird, weil es hier um die Pracht und den Glanz von Babylon und seine Tyrusähnlichkeit geht. 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020
Giesen S. 399. Bauer-Aland Sp. 1167. Giesen a.a.O. Schon Vitringa S. 794, der hier Beza und Launaeus aufnimmt. Lohmeyer 3 S. 151. So schon Vitringa a.a.O.; dann Lilje S. 211. Hadorn S. 182 wie Vitringa a.a.O. Giesen a.a.O.; Satake KEK S. 363.
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Deren Kaufleute2021 in V. 15 sind die Kaufleute, die mit den Gütern von V. 12-14 gehandelt und sich an Babylon bereichert haben. Wie die Könige von V. 9f werden sie von ferne stehen, weil sie ihre Qual fürchten. Das heißt, sie verabscheuen Babylons Leid und Untergang, und sie wollen nicht in dieses Untergangsgeschehen hineingezogen werden. Dass sie weinen und Leid tragen, sagte mit denselben griechischen Worten schon V. 11. Vgl. Ez 27,36. Es gibt zu denken, dass es auf der Ebene Babylon/Antichrist zwar Trauer und Bestürzung gibt, aber keine gegenseitige Liebe und Aufopferung. V. 16 und 17 berichten, was die Kaufleute sagen: Weh, weh, die große Stadt, die mit Byssusgewand und Purpurgewand und Scharlach bekleidet und mit Gold und Edelstein und Perlen geschmückt war! Das doppelte Wehe kennen wir schon von den Königen in V. 10, ebenso die Bezeichnung Babylons als die große Stadt (vgl. Offb 14,8; 16,19; 17,5.18). Ihre Kleidung aus Byssusgewand und Purpurgewand und Scharlach erinnert uns an Offb 17,4, genauso wie der Schmuck aus Gold und Edelstein und Perlen. Teilweise treffen wir dort dieselben Begriffe und Redewendungen. Zur näheren Erläuterung vgl. die Erklärungen dort. Die betreffenden Gegenstände hat Babylon alle importiert (V. 12). Dass der Engel Offb 18,16 und Offb 17,4 in eine solch enge Parallele rückt, unterstreicht die Identität des Babylon von Offb 18 mit dem Babylon von Offb 17 und die Zusammengehörigkeit beider Kapitel.2022 Den Grund für das Wehe gibt V. 17 an: Denn in einer einzigen Stunde2023 wurde dieser so große Reichtum verwüstet. Verwüstet (ἠρημώθη [eremothe]) ist ein Ausdruck, der sich eigentlich auf eine Stadt oder ein Land bezieht (vgl. Offb 17,16). Aber es geht ja um Babylon, und deshalb kann auch von seinem Reichtum gesagt werden, dass er verwüstet wurde. Von der einen einzigen Stunde (μιᾷ ὥρᾳ [mia hora]) sprachen auch die Könige (V. 10). Dreimal taucht diese Feststellung in Kap. 18 auf (V. 10.17.19). Sie zeigt die grenzenlose Macht Gottes. Aber noch einmal müssen wir bemerken, dass nirgends eine genauere und direkte Schilderung des Untergangs von Babylon erfolgt. Wir haben nur die Echos. Einzig die Worte von ihrem Brand (πύρωσις [pyrosis]) und ihrem Verbranntwerden mit Feuer (κατακαύσουσιν ἐν πυρί [katakaususin en pyri]) zeigen, dass Babylon wie Sodom und Gomorra (Gen 19,24ff) im Feuer untergeht (Offb 17,16; 18,9.18; 19,3). Das Feuer bedeutet
2021 Bengel S. 909: „Kaufleute dieser Dinge“; Charles II S. 105. 2022 Vgl. noch Aune S. 1004. 2023 Vgl. Blass-Debrunner § 200,8.
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dabei sowohl den Zorn Gottes als auch das irdisch-reale Feuer, das die Welthauptstadt des Antichrist verzehrt. In V. 17b-19 folgt nun nach den Königen und Kaufleuten die dritte Gruppe der Klagenden. Es sind 1) die Schiffskapitäne; 2) alle, die irgendwo zur See fahren; 3) die Matrosen; und 4) ganz allgemein alle, die durch das Meer Arbeit finden (V. 17). Man darf sich über diese Auflistung von vier Untergruppen nicht wundern. Denn dahinter steht Ez 27,1-36 mit seiner ebenfalls reichhaltigen Aufzählung von „Ruderern“, „Schiffsmannschaft“, „Schiffszimmerleuten“, „Schiffsbesatzungen“ und „Schiffsleuten“.2024 Die Einzelheiten bleiben zum Teil unsicher. κυβερνήτης [kybernetes] übersetzen wir nicht mit „Steuermann“2025, sondern mit Schiffskapitän2026. ὁ ἐπὶ τόπον πλέων [ho epi topon pleon] wurde schon von vielen alten Handschriften nicht mehr verstanden.2027 Auch Bauer-Aland urteilen, es sei „In der Bed[eutung]. unbestimmt“.2028 Gerne übersetzt man es mit „Küstenfahrer“2029. Mit Recht sind hier aber die Neue Jerusalemer Bibel und die Lutherbibel vorsichtiger.2030 Ein Vergleich mit Apg 27,2 legt es nahe, an Schiffsreisende oder seefahrende Kaufleute o. Ä. zu denken.2031 Wir haben deshalb alle, die irgendwo zur See fahren übersetzt. Übrigens würde es auch in Ez 27 kein Pendant zu „Küstenfahrer“ geben. Klar dagegen ist, dass ναῦται [nautai] die Matrosen sind, nach Ez 27,27 die Schiffsleute. Etwas umständlicher mutet die Wendung ὅσοι τὴν θάλασσαν ἐργάζονται [hosoi ten thalassan ergazontai] an. τὴν θάλασσαν [ten thalassan] dürfte ein Akkusativ der Beziehung sein, sodass die Wendung im weitesten Sinne bedeutet „die bezüglich des Meeres eine Arbeit ausüben“. Bauer-Alands „auf d. Meere tätig sein“2032 bedeutet demgegenüber schon wieder eine Einschränkung, erst recht Lohmeyers Übersetzung „Fischer“2033. 2024 Vgl. Maier Hes II S. 41ff. 2025 So aber H. W. Beyer, Art. κυβέρνησις, ThWNT, III, 1938, S. 1034f; Revidierte Elberfelder Bibel; Bauer-Aland Sp. 927. 2026 So auch Lohmeyer 3 S. 151; Neue Jerusalemer Bibel S. 1803; Lutherbibel: „Schiffsherr“; Charles II S. 105 und Swete S. 236: לים ִ [ ֹחְבchowlim]. 2027 Varianten: τὸν ποταμόν [ton potamon], τῶν πλοίων [ton ploion], πόντον [ponton]. Doch ist oben genannter Text von A, C und vielen anderen gut bezeugt. Charles II S. 105f mit Nestle für πόντον [ponton]. 2028 Bauer-Aland Sp. 1343. 2029 Bauer-Aland a.a.O.; Lohmeyer a.a.O.; Revidierte Elberfelder Bibel; Lilje S. 212; Holtz NTD S. 118; Aune S. 1006; Roloff S. 173. 2030 Neue Jerusalemer Bibel: „Schiffsreisende“; Lutherbibel: „Steuerleute“. 2031 Vgl. Neue Jerusalemer Bibel a.a.O.; H. Köster, Art. τόπος, ThWNT, VIII, 1969, S. 203; Bengel S. 910; Schlatter S. 305 („wer nach einem Handelsplatz fährt“); Satake KEK S. 364; Aune S. 1004ff: „seafarer“; Swete S. 237. 2032 Sp. 711. 2033 Lohmeyer a.a.O.
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Denn neben Schiffern und Fischern gehören sehr wahrscheinlich auch die Schiffbauer, die Ruderer, die Reeder, die Schiffsagenturen und Kontore (siehe Ostia!) und Hafenarbeiter zu den in V. 17 Gemeinten, eben alle, die durch das Meer Arbeit finden. Ez 27,4ff.26ff bestätigt diese Auffassung.2034 Wie die Könige und Kaufleute (V. 10.15) standen auch diese Seeleute beim Untergang Babylons von ferne, ängstlich darauf bedacht, nicht selber Schaden zu leiden und den schrecklichen Untergang mit ansehen zu müssen. Intensiv wird ihre Klage dargestellt: sie schrien und weinten und trugen Leid … (ἔκραζον κλαίοντες καὶ πενθοῦντες [ekrazon klaiontes kai penthuntes]), V. 18-19. Zweifellos lehnt sich diese Aussage an Ez 27,28ff an2035, das in der griechischen Bibel dieselben Stichwörter enthält: τὴν φωνὴν τῆς κραυγῆς σου [ten phonen tes krauges su] … καὶ κεκράξονται [kai kekraxontai] … καὶ ἐδάκρυσεν [kai edakrysen]. Aber auch Jes 23,1-14 weist eine große sachliche Nähe auf. Als sie den Rauch sahen, während sie verbrannt wurde hat seine wörtliche Parallele in V. 9 bei den Königen. Babylon geht also im Feuer unter (vgl. 17,16). Vor der Klage in V. 19 steht eine Frage, die das Überdimensionale des Geschehens ins Bewusstsein rückt: Wer ist der großen Stadt gleich? Vgl. Jes 47,10; Jer 22,8; Ez 27,32 (MT). Ähnlich wurde in 13,4 wegen des Tiers gefragt. Sowohl das Tier als auch Babylon sind unerreichte Spitzengestalten der Geschichte, allerdings im negativen Sinne. Dass solche Spitzengestalten untergehen sollen – undenkbar! Und doch sind sie sterbliche, vergängliche Geschöpfe. Sie warfen Staub auf ihre Häupter (V. 19) reflektiert einen alten Trauerbrauch der Israeliten, wie die fast wörtliche Parallele in Jos 7,6 beweist.2036 Aber auch Ez 27,30 wiederholt sich in Offb 18,19. Die Worte der Klage in V. 19 beginnen wie die Klage der Könige und der Kaufleute in den V. 10 und 15. Noch einmal wird mit Bewunderung und Schaudern an die große Stadt erinnert. Dass sie in einer einzigen Stunde verwüstet wurde, wiederholen V. 17a und V. 10. Die Schilderung des untergehenden Tyrus in Ez 26,15ff und 27,27ff bleibt der alttestamentliche Vorläufer. Doch warum klagen gerade die Seefahrer und Kaufleute zur See? Swete, Schlatter und Morris haben recht: Es ist der materielle Verlust, der beklagt wird. „Gewinn und … Lust“, wie es Schlatter formuliert2037, sind die einzigen Maßstäbe. Wehe sagen die Klagenden, weil die Fülle von Kostbarkeiten, die 2034 Vgl. Neue Jerusalemer Bibel a.a.O.: „alle, die ihren Unterhalt auf See verdienen“; Aune S. 1004; Charles II S. 106; Swete a.a.O. 2035 Charles II S. 105f; Swete a.a.O.; Lohmeyer a.a.O. 2036 Swete a.a.O. 2037 S. 305. Vgl. Swete S. 236.
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alle am Handel mit Babylon Beteiligten reich werden ließ2038, jetzt zu Ende ist. Babylon braucht sie nicht mehr. Und auch die bittere Wahrheit gilt, von der Morris sprach: Babylon brachte „profit to many but affection to none“2039. An dieser Stelle wird die Offenbarung zur unmittelbaren Predigt vor allem an den Westen des 20. und 21. Jahrhunderts, der in Genuss und Lust sein Ein und Alles sieht. In scharfem Kontrast zur Klage schließt der Engel von V. 4 diesen Abschnitt:2040 Freue dich über sie (= Babylon), Himmel, und ihr Heiligen und Apostel und Propheten! (V. 20).2041 Der Klage der Sünder auf Erden, der Könige, Kaufleute und Seefahrer, die ihre Hoffnung verloren haben, antwortet also die Freude im Himmel über die Erfüllung der Worte Gottes. Denn was lange angekündigt worden war (vgl. Offb 14,7.8.9ff.15f.17ff; 5,7; 16,19; 17,16ff und Jes 21,9; Jer 51,8ff.48ff), ist jetzt Realität geworden. Freue dich über sie ist weder ein Ruf der Schadenfreude noch der Rache, sondern ein Ruf der Befreiung vom Bösen und des endzeitlichen Sieges Gottes. Das griechische Wort für freue dich, εὐφραίνου [euphrainu], ließe sich auch nur schwer mit bösen Gedanken der Rache verbinden. Denn es bedeutet die festliche Freude, z.B. „die Freude des festlichen Mahles“2042. Dass der Himmel zur Freude aufgefordert wird, entspricht Offb 12,12 sowie Dtn 32,43 LXX; Ps 96,11; Jes 44,23; 49,13; Jer 51,48; Hab 3,3 und zeigt, dass die gesamte himmlische Welt, ja die gesamte Schöpfung an diesem Sieg Gottes Anteil nehmen soll. Übrigens steht der Himmel entgegen hebräischem Sprachgebrauch hier im Singular (οὐρανέ [urane]). Außer dem Himmel fordert der Engel noch drei Gruppen von Menschen besonders zur Freude auf. Das sind die Heiligen und Apostel und Propheten (οἱ ἅγιοι καὶ οἱ ἀπόστολοι καὶ οἱ προφῆται [hoi hagioi kai hoi apostoloi kai hoi prophetai]). Die Heiligen sind alle Christen (vgl. Offb 11,18; 13,7.10; 14,12; 16,6; 17,6; 18,24).2043 Auffallenderweise stehen sie hier an erster Stelle, noch vor den führenden Personen der Apostel und Propheten. Wie sich aus Offb 21,14 ergibt, sind mit den Aposteln sehr wahrscheinlich die 2038 Swete S. 237 erklärt ἐκ τῆς τιμιότητος αὐτῆς [ek tes timiotetos autes] als „by reason of valuableness“. Vgl. Bauer-Aland Sp. 1631. 2039 Morris S. 221. 2040 Anders Roloff S. 174, der Offb 18,20 für einen „Kommentar des Verfassers“ hält. Wie wir Giesen S. 401; Caird S. 228. 2041 Zur Grammatik vgl. Blass-Debrunner §§ 135,3; 147,2; 196,3. 2042 R. Bultmann, Art. εὐφραίνω usw., ThWNT, II, 1935, S. 772. Vgl. Giesen S. 395 (gegen Wengst). 2043 Vgl. O. Procksch im Art. ἅγιος, ThWNT, I, 1933, S. 107ff; Giesen a.a.O.; Satake KEK S. 365; Lilje S. 214.
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zwölf Apostel der Evangelien gemeint (vgl. Mt 10,1ff; Mk 3,13ff; Lk 6,12ff; Joh 6,67ff; 20,24; Apg 1,13.15ff; 1Kor 15,5).2044 Die Reihenfolge Heilige – Apostel – Propheten legt es nahe, bei den Propheten von Offb 18,20 an christliche Propheten zu denken, also an Propheten im Sinne von Mt 23,34; 1Kor 12,10.28; Eph 4,11; Apg 13,1.2045 Ganz sicher ist das aber nicht. Es könnten hier auch alt- und neutestamentliche Propheten zusammengefasst sein. Jedenfalls sollen alle Gläubigen, alle Erlösten, zusammen mit dem Himmel jubeln. Es ist jetzt ja auch eingetreten, was in Offb 6,7-11 versprochen war: das Ende der Martyrien und das Gericht über die Feinde Gottes. Dabei darf man keine der drei Gruppen, weder die Heiligen noch die Apostel noch die Propheten, auf „Himmlische“ bzw. schon Verstorbene beschränken.2046 Wir müssen vielmehr im Sinne des Textes die Begriffe in ihrer umfassenden Bedeutung stehen lassen, das heißt sowohl die noch Lebenden als auch die schon Verstorbenen umfassend (vgl. Röm 14,9).2047 Offb 18,20 richtet sich nicht nur an die ecclesia triumphans (die triumphierende oder vollendete Kirche), sondern auch an die ecclesia militans (die noch auf Erden streitende Kirche). Nun nennt V. 20 ausdrücklich den Grund der Freude: Denn Gott hat an ihr das Gericht vollzogen, das sie euretwegen verdient hat.2048 Es ist ein gerechtes Gericht, denn Gottes Gerichte sind vollkommen gerecht (Offb 15,3f; 16,5-7). Es war schon in 17,1 angekündigt. Und es ist die genaue Antwort auf Babylons Schuld: Sie hat ja das „Blut der Heiligen und der Zeugen Jesu“ getrunken (17,6) und damit das Gericht euretwegen verdient.2049 Ja, nach 18,5 „ragten ihre Sünden bis zum Himmel auf“. Das Gericht an Babylon bedeutet also wirklich die Befreiung der Welt vom Bösen und den endzeitlichen Sieg Gottes über die gottfeindliche Macht.2050
2044 Swete lässt die Frage offen (S. 238). Wie wir Giesen S. 401; Bousset 1896 S. 489; Aune S.1007. 2045 Ebenso Bousset a.a.O.; G. Friedrich im Art. προφήτης usw., ThWNT, VI, 1959, S. 851; Bengel S. 910f; Zahn S. 575ff; Aune a.a.O. 2046 Gegen Procksch a.a.O. S. 111; Mounce S. 332; Giesen a.a.O. Wie wir Satake KEK S. 365; Frey S. 190; Römer S. 187. 2047 Oft versteht man darunter nur die Märtyrer, z.B. Vitringa S. 795; Bousset a.a.O.; Hadorn a.a.O.; Behm S. 97; Caird S. 228f. 2048 Zur Übersetzung vgl. Bauer-Aland Sp. 915. 2049 Eine Anspielung auf den Tod des Petrus und anderer Märtyrerapostel (so Hadorn S. 182) ist möglich, aber unsicher (Giesen a.a.O.). Vgl. Lilje a.a.O.; Zahn a.a.O.; Schlatter S. 306. 2050 Ebenso Giesen a.a.O. Vgl. F. Büchsel, Art. κρίνω usw., ThWNT, III, 1938, S. 944; P. Müller S. 55.
8. Das Ende Babylons, 17,1–19,10
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In der Literatur wird diskutiert, ob Offb 18,20 nicht hinter 18,23 seinen ursprünglichen Platz hat.2051 Aber für eine solche Umstellung geben die alten Handschriften keinen Grund. Es entspricht vielmehr dem Stil der Offenbarung, mit solchen Kontrasten wie zwischen 18,19 und 18,20 zu arbeiten (vgl. 16,15 nach 16,14; 18,14 nach 18,13; 14,12 nach 14,11).2052 Diskutiert wird ferner, ob die Apostel in Offb 18,20 einen Einschub aus späterer Zeit darstellen.2053 Aber Bousset hat recht: „Man hat gar keinen Grund … das οἱ ἀπόστολοι für interpoliert zu erklären.“2054 Ebenso bemerkt Hadorn mit Recht, dass die Erwähnung der Apostel in Offb 18,20 keineswegs bedeutet, dass ein Apostel nicht der Verfasser der Offenbarung sein kann. Er dürfte sonst ja auch kein Prophet sein (vgl. 1,3; 22,6ff)!2055
8.2.3 Die Zeichenhandlung zum Fall Babylons, 18,21-24 Dieser dritte Abschnitt von Kap. 18 wird bestimmt durch einen starken Engel, der nicht identisch ist mit den Engeln von V. 1 und V. 4 (V. 21: εἷς ἄγγελος ἰσχυρός [heis anggelos ischyros]). Er führt eine Zeichenhandlung aus, die den Fall Babylons symbolisiert, und kündigt zugleich an, was in Zukunft von Babylon zu erwarten ist: Und ein starker Engel hob einen Stein wie einen großen Mühlstein empor und warf ihn ins Meer (V. 21). Ein starker Engel begegnet uns auch in 5,2 und 10,1. Wie dort bedeutet stark (ἰσχυρός [ischyros]) die hervorgehobene Stellung, die Macht und Autorität. Steine haben in der Bibel oft die Bedeutung eines Symbols, nicht zuletzt als Gerichtswerkzeug (vgl. Dan 2,34f.44f; Mt 18,6; 21,42ff). So ist es auch hier, wobei der Vergleich mit einem großen Mühlstein der Anschaulichkeit dient. Jesus hat in Mt 18,6 ähnlich anschaulich gesprochen, ohne dass man sicher sagen könnte, ob Offb 18,21 nach Mt 18,6 modelliert ist oder nicht.2056 Jedoch ist es höchst wahrscheinlich, dass Offb 18,21 bewusst an Jer 51,61ff erinnern will (vgl. noch Neh 9,11).2057 Vom Standpunkt der Offenbarung aus erfüllt sich also Jer 51,61ff erst jetzt endgültig. Vermutlich haben auch die Sibyllinischen Orakel So z.B. Charles II S. 88. Radikaler noch Aune S. 1007: 18,20 ist „later interpolation“. So mit Recht Mounce a.a.O.; Hemer S. 146. Vgl. dazu Bousset 1896 S. 489. A.a.O. Ebenso Hadorn a.a.O. Hadorn a.a.O. Gegen Lohse S. 5f; Hengel S. 33, 103, 311; Pokorny/Heckel S. 645. Vgl. K.G. Kuhn, Art. Βαβυλών, ThWNT, I, 1933, S. 513; Giesen S. 404; Caird S. 231; Holtz NTD S. 120. 2057 Giesen S. 403; Hadorn S. 183; Bousset 1896 S. 487; Mounce S. 333; Bengel S. 911; Behm S. 97; Morris S. 222; Satake KEK S. 365f; Aune S. 1008. 2051 2052 2053 2054 2055 2056
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(V, 155ff) aus Jer 51 geschöpft. Im Übrigen sind Zeichenhandlungen im AT häufig, besonders in der Prophetie (vgl. nur 1Kön 11,29ff; Jes 8,1ff; 20,1ff; Jer 19,1ff; Ez 4,1ff; Sach 11,15ff).2058 Im Folgenden erläutert der Engel, was seine Zeichenhandlung aussagen soll: So wird Babylon, die große Stadt, im Sturm niedergeworfen und nie mehr gefunden werden (V. 21). So (οὕτως [hutos]) heißt: so schnell, so völlig, so endgültig.2059 ὁρμήματι [hormemati] kann übersetzt werden als „mit stürmischer Gewalt“ (vgl. Mk 5,13)2060, „mit einem Schwung“2061 oder eben im Sturm, wobei nicht die Gewalt, sondern die Schnelligkeit des Gerichts betont wird. Jedenfalls drückt βληθήσεται [blethesetai] das Niedergeworfenwerden als ein Verworfenwerden im Gericht aus.2062 Zu Babylon, die große Stadt vgl. 14,8; 16,19; 17,5.18; 18,2.10 und die Erklärungen dort. Die griechische Grammatik bei der Aussage und sie wird nie mehr gefunden werden stellt „die bestimmteste Form der verneinenden Aussage über Zukünftiges“2063 dar (οὐ μή [u me]), ja diese verneinende Form wird noch einmal verstärkt durch ein ἔτι [eti]2064. Bauer-Aland übersetzen οὐ μὴ ἔτι [u me eti] mit „ganz und gar nicht mehr“, „nimmermehr“ (Sp. 639). Babylon wird also in Zukunft absolut nie mehr gefunden werden. Es bleibt Vergangenheit. So sagte es Ez 26,21 auch von Tyrus.2065 Leben und Licht erlöschen endgültig in ihr (V. 22-23). Lilje nannte V. 22f „ein lyrisches, fast zartes Totenlied“2066. Die Stimme (hebr. [ קוֹלqol]) der Sänger mit der Harfe und der Musiker und der Flötenspieler und Trompetenspieler wird nie mehr in dir gehört: Wie schon bei Offb 14,2 bemerkt, bezeichnet das griechische κιθαρῳδός [kitharodos] einen Sänger, der zugleich das Instrument zu seinem Gesang spielt.2067 Das Instrument selbst wird öfters mit „Zither“ übersetzt2068, doch bevorzugen wir mit anderen Bibelübersetzungen die Wiedergabe mit Harfe.2069 μουσικός [musikos], der Musiker, kommt nur hier im NT vor. Gemeint ist wieder ein Instrumentenspieler 2058 2059 2060 2061 2062 2063 2064 2065 2066 2067 2068 2069
Giesen a.a.O. Vgl. Giesen S. 404; Hadorn a.a.O.; Bengel S. 912. Bauer-Aland Sp. 1179. Bousset a.a.O. Vgl. F. Hauck, Art. βάλλω usw., ThWNT, I, 1933, S. 524f. Blass-Debrunner § 365. Mounce a.a.O.; Morris S. 222. Vgl. Schlatter BFchTh S. 90. Lilje S. 215. Bauer-Aland Sp. 878. Bauer-Aland a.a.O.; BigS. So Revidierte Elberfelder Bibel; Neue Jerusalemer Bibel; Einheitsübersetzung; NGÜ; Benedikt-Bibel.
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(vgl. Dan 3,5 LXX). Die Stimme der Flötenspieler (αὐλητῶν [auleton]) gehört markant zu festlichen Gelegenheiten. Über Jahrtausende ist der Flötenspieler oder die Flötenspielerin bei Feiern und Festmahlen in Ägypten, Griechenland und im Orient dargestellt worden. Erlischt die Stimme der Flötenspieler in Babylon, dann hören dort die sakralen und profanen Feste auf. Aufhören wird auch die Stimme der Trompetenspieler (σαλπιστῶν [salpiston]). σαλπιστής [salpistes], Trompetenspieler, findet sich wieder nur hier im NT.2070 Das Wort könnte auf heidnische oder antichristliche Kulte deuten, da man die Trompete nicht in normale Orchester aufnahm.2071 Nach der vierfachen Erwähnung der Musik schwenkt das himmlische Klagelied um zu Handwerk und Gewerbe: und kein Handwerker, der irgendein Handwerk ausübt, wird je mehr in dir gefunden. Die griechischen Wörter an dieser Stelle (πᾶς τεχνίτης πάσης τέχνης [pas technites pases technes]) bilden eine kunstvolle Klangfigur, eine sog. Symploke.2072 Als Abendländer werden wir an die eng verwandten Worte „Techniker“ und „Technik“ erinnert. Das technische Zeitalter, das durch Babylon ebenfalls repräsentiert wurde, wird also zu Ende gehen. Mit der Stimme der Mühle schließt sich Johannes eng an die Propheten und die hebräische Sprachwelt an. Man vgl. Jer 25,10f einerseits und Mt 24,41 andererseits. Jetzt sind wir bei der engsten Hausgemeinschaft, der Zelle des politischen und gesellschaftlichen Lebens. Auch dort erlischt jeder Lebensfunke. Mit dem μύλος [mylos] ist die Hand-Mühle gemeint, auf der täglich das für den Brotbedarf nötige Mehl gemahlen wurde (vgl. Mt 24,41). Sachlich und sprachlich gehört der Anfang von V. 23 mit V. 22 zusammen. Dabei bleiben wir in der Bildwelt der engsten Hausgemeinschaft. Mit dem Licht der Lampe (φῶς λύχνου [phos lychnu]) ist das Licht der Öl-Lampe gemeint, das „allen leuchtet, die im Hause sind“ (Mt 5,15). Menschen, Häuser, Lichter – das alles wird es in Babylon nie mehr geben. Dann wird auch die höchste irdische Freude, die es in jüdischen Augen gibt, nämlich die Hochzeitsfreude, verschwunden sein: die Stimme des Bräutigams und der Braut wird nie mehr in dir gehört (vgl. Jer 7,34; 16,9; 25,10; 33,11; Joh 3,29). Im alttestamentlichen Hintergrund treten vor allem zwei Bilder auf, die uns zum Verständnis von Offb 18,22-23 helfen können. Da ist zunächst das Bild vom Untergang von Tyrus in Ez 26. Man vgergleiche vor allem Ez 2070 In der LXX fehlt das Wort, vgl. G. Friedrich, Art. σάλπιγξ usw., ThWNT, VII, 1964, S. 78. 2071 Vgl. Friedrich a.a.O. S. 88. 2072 Blass-Debrunner § 491.
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26,13.14.21.2073 Die stolze irdische Macht, die sich selbst vergötterte, wird dem verdienten Untergang ausgeliefert – das ist es, was Tyrus und Babylon verbindet. Als ein zweites Bild erscheint daneben Dan 3. Bei der Verehrung des goldenen Bildes von Nebukadnezar tauchen in Dan 3,5 LXX drei Begriffe auf, die wir in Offb 18,22f wiederfinden: φωνὴ τῆς σάλπιγγος [phone tes salpinggos] – κιθάρα [kithara] – μουσικοί [musikoi]. Es geht also in Babylon nicht nur um Festmusik im säkularen Sinne, sondern wie in Dan 3 um den heidnisch-antichristlichen Kult, der sich auch der musikalischen Instrumente bedient. Die folgenden Verse werden dies betont herausstellen. Die V. 23b-24 begründen noch einmal, weshalb Babylon untergeht. Nach 18,3; 18,5; 18,7 und 18,20 ist dies die fünfte Begründung im 18. Kapitel. C. S. Lewis hat eindrucksvoll dargestellt2074, wie absolut rechtmäßig Gott handelt und auch dem Teuflischsten und Bösesten seine Rechte zugesteht. So wird auch Babylon nach dem Maßstab vollkommener Gerechtigkeit behandelt. Jedes fleischliche Triumphgefühl verbietet sich hier. Es ist eine doppelte Schuld2075, die hier namhaft gemacht wird: a) Babylons Zauberei (φαρμακεία [pharmakeia]), b) ihre Schuld am Blut von Märtyrern und Unschuldigen. Etwas überraschend ist der Einsatz: Denn deine Kaufleute waren die Vornehmen der Erde (οἱ μεγιστᾶνες τῆς γῆς [hoi megistanes tes ges]). Ein Groß-Kaufmann (ἔμπορος [emporos]) oder ein Vornehmer auf der Erde zu sein, ist für sich genommen noch nichts Böses (vgl. Jak 4,13-15; Dan 2,37f; Mk 6,21). Aber im Falle von Offb 18,23 handelt es sich um ein Zitat aus Jes 23,82076 und dort macht es der Zusammenhang klar, dass wir es mit dem Stolz und der Selbstvergötterung von Tyrus zu tun haben. Genauso steht es mit Babylon: Seine Kaufleute repräsentieren Babylons Stolz, Einfluss und Selbstvergötterung. Erst recht zeigt sich dieser Sachverhalt an der „Ware“, die Babylons Kaufleute unter die Menschen brachten: deine Zauberei, durch die alle Nationen verführt wurden. Des Sehers Auge bleibt also nicht am Äußeren haften: nicht an den schönen und Konjunktur stiftenden Export- und Importgütern. Es blickt tiefer: auf den Geist dieser ökonomischen Beziehungen, auf die Lebensart, die dadurch verbreitet wurde, und auf das allumfassende antichristlich-religiöse System, dem sie dienten. Zauberei: Das ist nicht nur der Hokuspokus magischer Rituale für Neugierige, sondern das Gift des Antichristentums (vgl. Offb 9,20f).2077 In dem Begriff Kaufleute 2073 2074 2075 2076 2077
Vgl. Berger S. 578; Mounce S. 334; Hadorn S. 183; Satake KEK S. 366. Vgl. den Film „Narnia“. Vgl. P. Müller S. 55. Satake KEK S. 367 registriert „drei Gründe“. Schlatter BFchTh a.a.O.; Satake a.a.O.; Aune S. 1010. Eine Einengung auf die „Reize der Großstadt“ nimmt Hadorn a.a.O. vor.
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steckt also auch eine geistig-geistliche Dimension: Sie handelten mit den geistigen und religiösen Gütern Babylons.2078 Vgl. Nah 3,4. Zur zweiten Schuld Babylons vgl. Offb 6,10; 16,6; 17,6; 19,2. Wie die genannten Stellen sagt auch Offb 18,24 nicht, dass Babylon direkt die Christenverfolgung dirigierte. Der Text bleibt vorsichtiger und sagt nur, man habe das Blut der Propheten und Heiligen in ihr gefunden. Die direkte Verantwortung behält der Antichrist (Offb 13,7.10.15). Aber Babylon, die Welthauptstadt und das Machtzentrum des Antichrist, berauschte sich an diesem Blut (17,6). Das Blut der Heiligen (wörtlich nur: „Blut von Heiligen“) ist das Blut der Christen (16,6; 17,6). Das Blut der Propheten (αἷμα προφητῶν [haima propheton]) bedeutet dann vermutlich das Blut christlicher Propheten, also von Predigern, Lehrern und leitenden Persönlichkeiten der Kirche (vgl. Mt 23,34; Apg 13,1; 1Kor 12,28f; 14,1ff; Offb 22,6.9).2079 Aber nun tritt noch eine dritte Gruppe hinzu: Das ist das Blut aller, die auf Erden hingemordet wurden (πάντων τῶν ἐσφαγμένων ἐπὶ τῆς γῆς [panton ton esphangmenon epi tes ges]). Historisch stimmt das nicht. Denn längst vor der antichristlichen Welthauptstadt Babylon wurde unschuldiges Blut auf der Erde vergossen, vom Blute Abels angefangen, wie Jesus sagt (Mt 23,35). Dann aber müssen wir die Aussage von Offb 18,24 im Sinne von Mt 23,35f deuten: Weil Babylon bewusst zur Ermordung unzähliger Menschen auf Erden beitrug, legt Gott die Gesamtverantwortung für das unschuldig vergossene Blut auf Babylon.2080 Denn ἐσφαγμένοι [esphangmenoi], Hingemordete, bezeichnet Menschen, die gewaltsam und unrechtmäßig ums Leben gebracht wurden.2081 Eine solche gewaltsame Ermordung Unschuldiger wird in der ganzen Bibel zu den schweren Sünden gerechnet (vgl. Gen 4,3ff; Ex 20,13; Jer 51,49; Ez 24,6ff; 36,18; Röm 1,29).2082 In der Beteiligung des antichristlichen Machtzentrums an solchem Blutvergießen erweist sich noch einmal die Wahrheit des Jesuswortes: „Der Teufel ist ein Mörder von Anfang an“ (Joh 8,44). Mit 18,24 schließt die in Offb 18,21 begonnene Engelrede. Das nächste Kapitel lässt uns einer neuen Situation begegnen.
2078 Vgl. Behm S. 97f. 2079 Ebenso Bengel S. 914; Zahn S. 575ff; Aune S. 1010f; Bousset 1896 S. 489. 2080 Vgl. P. Müller a.a.O.: „daß der Geist Babels durch die ganze Menschheitsgeschichte hindurch alle Personen auf dem Gewissen hat, die eines gewaltsamen Todes starben“. Satake KEK S. 368 schränkt auf ermordete Christen ein. 2081 Vgl. J. Behm, Art. αἷμα usw., ThWNT, I, 1933, S. 172f. 2082 Vgl. Schlatter a.a.O.
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IV Zusammenfassung 1. Das 18. Kapitel der Offenbarung, das den Untergang Babylons zum Thema hat, gehört nicht nur zu den am häufigsten zitierten Kapiteln der Offenbarung, sondern auch aufgrund seiner Sprache, seiner Gestaltungskraft und des Reichtums seines Inhalts zu den eindrücklichsten.2083 Die zahlreichen Hapaxlegomena sind dafür ein Indiz.2084 2. Es gibt keine direkte Schilderung des Untergangs Babylons. Wir sehen und hören nur ständig, wie sich dieser Untergang in den Worten und Handlungen der Engel und in den Klagen der Könige, Kaufleute und Seefahrer spiegelt. 3. In drei großen Teilen wird in Kap. 18 der Fall Babylons ausgerufen (18,1-3), beklagt (18,4-20) und zeichenhaft dargestellt (18,21-24). Dabei nimmt die Klage (V. 4-20) bei Weitem den größten Raum ein. Es zeigt sich, dass das ganze Kapitel die Erfüllung von Offb 17,16 schildert und keinen geschichtlichen Fortschritt über Offb 17,16 hinaus bringt. Offb 17 und Offb 18 gehören also aufs Engste zusammen. Außerdem ist ein enger Zusammenhang mit den Kap. 13–16 gegeben. 4. So bedrückend auch der Untergang Babylons erscheinen mag und so einfühlsam auch die Schilderung ist, so wenig darf doch vergessen werden, dass sich hier ein notwendiger Akt des Sieges Gottes über das Böse ereignet. Schon die Parallele von Offb 18,1 und Ez 43 zeigt deutlich genug, dass Gott jetzt alles Böse beseitigt und auf dem Weg zur neuen Schöpfung ist.2085 Offb 18 ist also ein Evangelium. Deshalb die Betonung der Freude im Himmel (18,1.20). Ja, hier ist das Gebet der Märtyrer von Offb 6,10 erhört. 5. In alledem begegnet uns eine selbst für die Offenbarung überraschende Fülle alttestamentlicher Zitate und Aussagen. Wieder und wieder haben wir Tyrus und das historische Babel als Modelle für Babylon erlebt, wieder und wieder sind uns Jesaja, Jeremia, Hesekiel, Daniel und Nahum als Vorbilder begegnet, wobei Hesekiel in Offb 18 die Priorität zukommt. Der Bezug ist so dicht, dass Bousset meinte, der Inhalt von Offb 18 sei „Satz für Satz den alttestamentlichen Vorbildern … entlehnt“2086. Dieser Sachverhalt lässt sich unseres Erachtens nur so deuten, dass die endgültige Erfüllung der alttestamentlichen Prophetie erst in der Endzeit stattfindet, also zur Zeit der Offenba-
2083 2084 2085 2086
Vgl. Lilje S. 215f. Jörg Frey bei Hengel S. 337. Vgl. Caird S. 222; Schlatter S. 302. Bousset 1896 S. 488. Vgl. Roloff S. 174; Schlatter BFchTh S. 90; Gnilka S. 400; Seebass S. 110.
8. Das Ende Babylons, 17,1–19,10
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rung. Die Offenbarung wird auf diese Weise zu einem großartigen, entscheidend wichtigen Kommentar des AT. 6. Dass Babylon in der Offenbarung die Welthauptstadt des Antichrist und sein verführerisches Machtzentrum ist, hat sich auch in Offb 18 bestätigt: Es kann nicht nur im allgemeinen Sinne „alle irdischen Städte (all earthly cities)“ bezeichnen, wie Morris, Kiddle, Hadorn u.a. wollten.2087 Denn erstens passen dann die spezifischen Städte Tyrus (Ez 26–28), Ninive (Nah 3,4) und Babel (Jes 14; 23; Jer 50–51) nicht mehr als Modell für Babylon. Zweitens bliebe unklar, weshalb sich der Antichrist gegen alle Städte seines Reiches wenden sollte (17,6). Drittens entstünde die elementare Frage, ob etwa alle Städte der Endzeit sündiger sein sollten als die übrige Menschheit. Und wie sollten viertens dann die Christen in der Endzeit alle Städte verlassen (18,4)?2088 Es kann aber auch nicht schlechterdings „die falsche Kirche“ aller Zeiten bezeichnen, wie J.M. Hahn, C.A. Auberlen u.a. wollten.2089 Denn das Babylon der Offenbarung hat einen ausgesprochenen Stadt-Charakter.2090 Was würde denn der Import von Thujaholz für einen Sinn ergeben, wenn es sich nicht um eine Stadt, sondern um eine Kirche handeln sollte (18,12)? Luxusgüter wie diejenigen von 18,12-13 passen gut für eine Jeunesse dorée, für „Feinschmecker“ in einer Welthauptstadt2091, aber nicht für eine „falsche Kirche“ und „geistliche Christenheit“. Zudem hat Paul Müller recht: Bisher führten alle Austritte aus Kirche und Gemeinschaft aufgrund von 18,4 „in wenigen Jahren zu einem neuen Babel“2092. 7. Das Babylon von Offb 17 und 18 ist nicht das Rom der Zeit des Johannes, nicht die Hauptstadt des Imperium Romanum. Man kann nur mit Kraft feststellen: „Eine Bezugnahme auf Rom ist hier schlechterdings unmöglich.“2093 Zwar ist die zeitgeschichtliche Deutung auf das damalige Rom immer noch eine Standardbehauptung der modernen Exegese.2094 Aber ein Vorgehen des Römischen Reiches gegen seine eigene Hauptstadt kann man sich
2087 2088 2089 2090 2091 2092 2093 2094
Morris S. 223; Kiddle S. 364; Hadorn S. 178. Vgl. Kiddle a.a.O.; Giesen S. 393. J.M. Hahn S. 572f; Auberlen a.a.O. Vgl. Schick S. 195, 198. Hadorn S. 181; Schick S. 192. P. Müller S. 54. Kraft S. 229. Vor Kraft schon Lohmeyer S. 145ff; Zahn Einl S. 621. Vertreten z.B. durch Bousset 1896 S. 474ff; Charles II S. 87; Mounce S. 333; Swete S. 231ff; Caird S. 221ff; Hadorn S. 183; Schlatter S. 292ff; Robinson S. 245ff; Seebass a.a.O.; Wilckens I, 4 S. 273.
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Die Offenbarung des Johannes Kapitel 12–22
bei dieser Deutung nur so vorstellen, dass der wiederkehrende Nero aus dem Osten heranzieht und Rom vernichtet (vgl. Offb 17,16).2095 Ein solch prägender Einfluss der dubiosen Nerolegende auf das ganze Korpus der Kapitel 13–18 der Offenbarung ist aber eine kaum mehr rational begründbare Annahme. Soll etwa der Siegeszug des Petrusmörders Nero eine solche Freude im Himmel auslösen (vgl. 18,1f.20)? Stattdessen führt uns Offb 18 in eine ganz andere Welt: an das Ende der Geschichte statt ins zeitgenössische Rom, an das Ende aller Christenverfolgungen (18,24) und zur endlichen Durchsetzung der Gerechtigkeit Gottes (18,5ff.8.17.19.24). 8. Entfällt die zeitgeschichtliche Deutung auf das Rom des 1. Jh. n.Chr., dann entfällt auch eine ganze Reihe zeitgeschichtlicher Einzelerklärungen, wie z.B.: Johannes habe „an Bord eines Schiffes oder Fischerbootes“ den Brand Roms unter Nero erlebt2096; oder der Hunger von 18,8 entstehe deshalb, weil der wiederkehrende Nero Rom im Osten von der Versorgung abschneide2097; oder 18,24 beziehe sich auf die Massaker unter Nero und Domitian2098; oder in Offb 18 spreche „auch kleinasiatischer Provinzialhass“2099. 9. Manche Ausleger rechnen mit früheren Quellen, etwa aus der Zeit Vespasians (69–79 n.Chr.), oder dem nachträglichen Versetzen einzelner Verse an einen falschen Platz. Beispielsweise spricht Charles von „great dislocations (großen Umgruppierungen)“.2100 Er möchte 18,14 nach 18,21, und 18,20 nach 18,23 einfügen.2101 Wie Bousset lässt er Offb 18 auf „eine Quelle aus der Zeit Vespasians“ zurückgehen.2102 Mit redaktionellen Änderungen rechnet auch Aune.2103 Für solche Annahmen gibt es aber keine ausreichende Begründung. 10. Die große Summe der Einzelbeobachtungen darf uns nicht blind machen für das „eine“ große Hauptthema des 18. Kapitels: Gott wird am Ende alles Böse richten (18,20). Widergöttliches gibt es nur befristet. Das gilt auch für alles antichristliche Wesen. Offb 18 ist durchzogen von einem Geist des Aufatmens, des wieder Freiwerdens der Schöpfung, ja schon vom Anbruch einer neuen Schöpfung. Die strahlenden Engelgestalten sind ein Ausdruck dieses Geistes. Hans Lilje hatte deshalb recht, als er jedes Verständnis „im 2095 2096 2097 2098 2099 2100 2101 2102 2103
Vgl. Lohmeyer S. 145ff; Charles II S. 98ff. Eckhardt S. 63; ähnlich Robinson S. 249. Charles II S. 100. Mounce S. 335. Bousset 1896 S. 489. Charles II S. 92. A.a.O. S. 88. Ähnlich Lohmeyer 3 S. 151: 18,14 gehöre hinter 18,23. A.a.O. Bousset 1896 S. 479 hatte dies allerdings auf Offb 17 bezogen. Aune S. 1011.
8. Das Ende Babylons, 17,1–19,10
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Sinne kleinlicher menschlicher Rachsucht“ zurückwies.2104 Niemand hat einen Grund zur Schadenfreude über den Untergang Babylons. Am wenigsten eine Kirche, die nicht mehr mit der Wiederkunft Jesu Christi rechnet oder sich vom babylonischen Wesen angezogen fühlt. Die Träume der Menschen im Westen wie im Osten werden platzen. Der Antichrist räumt mit seinen eigenen Kindern auf. Doch das Böse kann nicht ewig sein: Der ewige, dreieinige Gott behält den Sieg. Der Glaube antwortet darauf nicht mit Rachsucht oder menschlichem Triumphgefühl, sondern mit beschämtem Dank und Lob Gottes (vgl. Offb 19,1-10).2105
8.3 Der Jubel im Himmel und auf Erden, 19,1-102106 I Übersetzung 1 Danach hörte ich etwas wie eine mächtige Stimme einer großen Menge im Himmel, die sagten: Halleluja! Das Heil und die Herrlichkeit und die Kraft gehören unserm Gott, 2 denn wahrhaftig und gerecht sind seine Gerichte. Denn er hat die große Hure gerichtet, die die Erde mit ihrer Hurerei verdorben hat, und er hat das Blut seiner Knechte an ihr gerächt. 3 Und noch einmal sagten2107 sie: Halleluja! Und ihr Rauch steigt auf in alle Ewigkeit. 4 Und die vierundzwanzig Ältesten und die vier Wesen fielen nieder und beteten Gott, der auf dem Thron sitzt, an und sagten: Amen, Halleluja! 5 Und eine Stimme kam vom Thron her und sagte: Lobt unsern Gott, alle seine Knechte, und die ihn fürchten, die Kleinen und die Großen! 6 Und ich hörte etwas wie die Stimme einer großen Menge und wie eine Stimme vieler Wasser und wie eine Stimme starker Donner, die sagten: Halleluja! Denn der Herr, unser2108 Gott, der Allmächtige, hat seine Herrschaft angetreten. 7 Wir wollen uns freuen und jubeln und ihm die Ehre geben. Denn die Hochzeit des Lammes ist gekommen, und seine Frau hat sich bereitet, 8 und Gott hat ihr gegeben, dass sie sich mit leuchtendem, reinem Byssusgewand kleiden kann. Das Byssusgewand, das sind nämlich die gerechten Taten der Heiligen. 9 Und er sagt zu mir: 2104 Lilje S. 213. 2105 Es ist bewegend, wie J.M. Hahn seine Auslegung des 18. Kapitels schließt: „Und hiermit habe ich euch genug davon geschrieben; es ist mir entleidet, denn diese Sachen nähren nicht den Geist. Seid allesammt gegrüßt und Gott befohlen sammt mir Armen!“ (S. 573). 2106 Vgl. die Überschrift bei Schick S. 198. 2107 Das Perfekt ist hier narrativ (Blass-Debrunner § 343,2). 2108 ἡμῶν [hemon] muss als lectio difficilior stehen bleiben. Ebenso Mounce S. 339.
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Schreibe: Selig sind, die zum Hochzeitsmahl des Lammes geladen sind. Und er sagt zu mir: Dies sind wahrhaftige Worte Gottes. 10 Und ich fiel zu seinen Füßen nieder, um ihn anzubeten. Aber er sagt zu mir: Unter keinen Umständen! Ich bin dein Mitknecht und der deiner Brüder, die das Zeugnis Jesu haben. Bete Gott an! Denn das Zeugnis Jesu ist der Geist der Prophetie.
II Struktur Auf den ersten Blick scheint die Struktur von Offb 19,1-10 keine besonderen Probleme zu bieten. Doch ist die Einteilung in den Kommentaren verschieden gehandhabt worden. Manche fassen wie die Kap. 17–18 so auch das 19. Kap. zu einem Ganzen zusammen.2109 Andere lassen wenigstens die V. 19,1-10 eine Einheit sein.2110 Wieder andere untergliedern noch stärker, z.B. 19,1-8 und 19,9-10 oder 19,1-5 und 19,6-10.2111 Im griechischen Text regiert zunächst ein vierfaches Halleluja die V. 1-6, die deshalb nicht auseinandergenommen werden sollten. In V. 7-8 folgen dann Hortative, die grammatisch und inhaltlich so eng mit V. 1-6 verbunden sind, dass sie davon nicht abgetrennt werden dürfen. In V. 9f wechselt das Subjekt und das Genre. Dennoch bleibt die inhaltliche Verbundenheit mit V. 1-8. Außerdem gibt es keine spezifische Verbindung mit dem nächsten Stück in 19,11ff, sodass man auch die V. 9 und 10 im Gesamtzusammenhang von 19,1-10 belassen muss. Gegenüber Kap. 17 und 18 findet sich in 19,1ff zunächst die Szenerie im Himmel und nicht mehr auf der Erde. Es setzt sich sozusagen eine geistige Linie von 18,20 nach 19,10 fort. Dennoch haben wir es auch in Offb 19,1-10 mit der Thematik der „großen Hure“ von 17,1 zu tun. Immer stärker tritt allerdings jetzt auch der Gegenpol vor unsere Augen, nämlich die Braut des Lammes. In V. 1-10 fallen die zahlreichen Begründungen auf. Das erinnert uns an 18, 3.5.7.20.23f. Das Recht bzw. die Gerechtigkeit Gottes spielt nach wie vor eine starke Rolle. Man vergleiche auch die Aussagen in 19,2 und 19,8. Die Offenbarung tut alles, uns nicht an einen willkürlichen oder nur von der Macht be-
2109 Z.B. Schlatter S. 307ff; Zahn S. 578ff; Bengel S. 916ff. 2110 So z.B. Behm S. 98; Holtz NTD S. 121ff; Satake KEK S. 368ff; Lohmeyer 3 S. 153; Giesen S. 207; Lohse S. 99; Prigent S. 275; Ritt S. 94; Kraft S. 240. 2111 Z.B. Aune S. 1012ff; Morris S. 224ff; Caird S. 232ff; Lilje S. 216ff; P. Müller S. 56ff; Mounce S. 336ff; Hadorn S. 184ff.
8. Das Ende Babylons, 17,1–19,10
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stimmten Gott glauben zu lassen, sondern an einen vollkommen gerechten und rechtmäßig handelnden Gott. Schließlich setzt Offb 19,1-10 auch den liturgischen und hymnischen Stil der Offenbarung fort, den wir schon so oft beobachtet haben (vgl. nur im II. Band 12,10ff; 14,4f; 15,3f; 16,5f.7; 18,21ff).
III Einzelexegese Die Worte Danach hörte ich (Μετὰ ταῦτα ἤκουσα [Meta tauta ekusa]) in V. 1 leiten einen neuen Abschnitt ein (vgl. 4,1; 7,1.9; 15,5; 18,1). Dieser Abschnitt ist ganz vom Hören des Johannes bestimmt.2112 Eine Versetzung des Johannes in den Himmel wie in 4,1ff findet nicht statt. Mit Charles kann man außerdem festhalten, dass 19,1ff eine Antwort auf 18,20 darstellt.2113 Johannes bleibt in seiner Sprache zurückhaltend: ich hörte etwas wie eine mächtige (oder: laute) Stimme (ὡς φωνὴν μεγάλην [hos phonen megalen]) einer großen Menge im Himmel. Also nur etwas wie! Nur ein Vergleich wird gezogen. Die große Menge im Himmel bezeichnet die Engel.2114 Die Deutung auf die „seligen Vollendeten“, die Bousset erwägt und die Bengel und Vitringa vornahmen2115, empfiehlt sich nicht, da die selig Verstorbenen noch auf ihre Auferstehung warten (20,4ff) und noch nicht im Himmel sind. Trotz der großen Menge sind sich die Engel einig in dem, was sie sagten. An der Spitze ihrer Worte steht das Halleluja, das unsern ganzen Abschnitt prägen wird. Halleluja, griech. ἁλληλουϊά [halleluia], geht zurück auf das hebr. „ = ַהְללוּ־י ָהּPreiset Jahwe“.2116 Die griechische Bibel des AT enthält dieses Wort häufig in den Psalmen (LXX Ps 104–106; 110–112; 113–118; 134– 135; 145–150). Es wurde auch in den jüdischen und frühchristlichen Gottesdiensten gesungen.2117 Im NT finden wir es nur in Offb 19,1.3.4.62118 – ein Zeichen für die starke Verwurzelung des Johannes im AT, aber auch für die Kontinuität der Gottesdienste des Gottesvolkes des Alten Bundes, sogar in der
2112 Vgl. Zahn S. 580; Kraft S. 242. 2113 Charles II S. 88; P. Müller S. 56; Giesen S. 408. 2114 Ebenso Satake KEK S. 370; Lilje S. 217; Morris S. 224; Aune S. 1024; J.M. Hahn S. 582f; Lohmeyer a.a.O.; Wilckens I, 4 S. 274; Lohse S. 99; P. Müller S. 56; Kraft S. 242; Hadorn S. 185. 2115 Bousset 1896 S. 490; Bengel S. 916; Vitringa S. 811; auch Schlatter S. 308; Mounce S. 336f; Ritt S. 94; Zahn S. 582; Caird S. 232; Giesen S. 408; Prigent S. 278 (Engel und Vollendete). 2116 H. Schlier, Art. ἀλληλουϊά, ThWNT, I, 1933, S. 264. 2117 Schlier a.a.O. 2118 Schlier a.a.O.; Bousset a.a.O.
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himmlischen Welt.2119 Jedenfalls kündet es den Jubel und die Freude, die im Himmel herrschen. Dieser Jubel ist ganz auf Gott konzentriert und besingt keine eschatologischen „Schlachten“. Gott wird auch von den Engeln wie von den vierundzwanzig Ältesten und den vier Wesen und den Erlösten unser Gott genannt (vgl. Offb 4,11; 5,10ff; 7,10). Denn es ist der Gott, dem sie in Liebe und Vertrauen verbunden sind. Ihm kommen das Heil und die Herrlichkeit und die Kraft zu. Denn von ihm geht alles Heil – wörtlich: jede „Rettung“ (σωτηρία [soteria])2120 – und alle Herrlichkeit (δόξα [doxa]) und alle Kraft (δύναμις [dynamis]) aus, zu ihm führen sie zurück. Alle drei Aussagen fanden sich schon in den Hymnen 4,11; 7,10.12, 12,10; vgl. die Einzelerklärungen dort. V. 2 lässt eine Begründung folgen (erstes ὅτι [hoti]), die dann ihrerseits wieder begründet wird (zweites ὅτι [hoti]). Zweimal erscheint der Stamm κρι- und zweimal der Stamm δεικ-. Erneut tritt also das rechtliche Handeln, die göttliche Gerechtigkeit, in den Vordergrund.2121 Dass wir einen Gott des Rechts haben, ist der Liebe-Gottes-Lyrik des westlichen Christentums weithin abhandengekommen. Denn wahrhaftig und gerecht sind seine Gerichte (ὅτι ἀληθιναὶ καὶ δίκαιαι αἱ κρίσεις αὐτοῦ [hoti alethinai kai dikaiai hai kriseis autu]): Das ist der Grund dafür, dass ihm Heil, Herrlichkeit und Kraft zukommen. Das ist zugleich der Grund für das himmlische Halleluja. Inhaltlich wiederholt Offb 19,2 fast wörtlich Offb 16,7 und 15,3.2122 Die Häufigkeit dieser Aussagen bestätigt, wie recht F. Büchsel mit seiner Bemerkung hatte: „Auch hier zeigt sich die zentrale Bedeutung des Gerichtsgedankens im NT.“2123 Wahrhaftig (ἀληθινός [alethinos]) deutet man am besten als „die Wahrheit ans Licht bringend“2124, gerecht (δίκαιος [dikaios]) als „den höchsten Maßstäben der Gerechtigkeit entsprechend“2125, Gericht (κρίσις [krisis]) schließt hier sowohl das Urteil als auch dessen Vollzug ein.2126 Psalmaussagen wie Ps 19,10; 119,137 sprachen dieselbe Erkenntnis schon für das AT aus. V. 2 untermauert nun die Aussage der ersten Zeile durch das historische Geschehen: Denn er hat die große Hure gerichtet, die die Erde mit ihrer 2119 Schick leitet es von der Jerusalemer Tempelliturgie ab, die von der Jerusalemer Urgemeinde übernommen worden sei (S. 199). 2120 Vgl. Schlatter S. 307. 2121 Vgl. Mounce S. 337. 2122 Bousset a.a.O.; Lohmeyer a.a.O. 2123 Im Art. κρίνω usw., ThWNT, II, 1938, S. 940. 2124 Vgl. Bauer-Aland Sp. 71; R. Bultmann im Art. ἀλήθεια usw., ThWNT, I, 1933, S. 250. 2125 Vgl. G. Schrenk im Art. δίκη usw., ThWNT, II, 1935, S. 190. 2126 Vgl. F. Büchsel a.a.O. S. 942f.
8. Das Ende Babylons, 17,1–19,10
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Hurerei verdorben hat, und er hat das Blut seiner Knechte an ihr gerächt. Das „Gericht über die große Hure = Babylon wollte der Engel in 17,1 zeigen (vgl. 17,15). Als große Hure erscheint auch Ninive im AT (Nah 3,4). Jetzt, mit dem Untergang Babylons, ist wirklich die große Hure der Endzeit gerichtet. Dass sie die Erde mit ihrer Hurerei verdorben hat, wurde mehrfach festgestellt (vgl. 14,8; 17,2.4f; 18,3.23; für das alttestamentliche Babel vgl. Jer 51,25), wobei im Begriff Hurerei beides enthalten ist: die Verführung zum antichristlichen Götzendienst und die Verführung zur Unsittlichkeit. Aber nicht nur die Strafe für Hurerei hat Babylon empfangen, sondern dazu noch eine sehr spezielle Strafe: Gott hat das Blut seiner Knechte an ihr gerächt. Der griech. Text lautet ein ganzes Stück komplizierter als unsere Übersetzung. Wörtlich heißt es hier: „Er hat das Blut seiner Knechte aus ihrer Hand mit Strafe geahndet“,, oder: „Er hat das Blut seiner Knechte gerächt, das ihre Hand vergossen hatte“2127 (ἐξεδίκησεν τὸ αἷμα τῶν δούλων αὐτοῦ ἐκ χειρὸς αὐτῆς [exedikesen to haima ton dulon autu ek cheiros autes]). Da aber ἐκ χειρὸς αὐτῆς [ek cheiros autes] in dieser Wendung verblasst ist und nur die betroffene Person anzeigt, wählten wir mit Schlatter (S. 307) die Kurzform an ihr gerächt. Auch die Schuld Babylons am Blut der Knechte Gottes wurde schon mehrfach in der Offenbarung angesprochen (vgl. 16,6; 17,6; 18,24). Knechte fasst sie alle zusammen: „Heilige“ = allgemein die Christen, „Propheten“ = christliche Prediger, Lehrer, Gemeindeleiter und „Zeugen Jesu“ = bekennende Christen. Alttestamentliche Vorbilder sind Dtn 32,43; 2Kön 9,7; Ps 79,10; Jer 51,49. Man denke auch zurück an Offb 6,9ff. Die Ermordung seiner Gläubigen ist in Gottes Augen keine Kleinigkeit. „Der Tod seiner Heiligen wiegt schwer vor dem Herrn“, sagt schon Ps 116,15. Deshalb schafft Gott die vollkommene Gerechtigkeit, indem er ihr Blut ahndet. Die Wendung er hat gerächt bleibt dafür eine höchst mangelhafte deutsche Wiedergabe. Denn „Rache“ ist für unsere Ohren fleischlicher Eifer, ja ungöttlicher Fanatismus. Das biblische Rächen dagegen, ausgedrückt durch das griech. ἐκδικεῖν [ekdikein] = Recht schaffen oder Recht wiederherstellen, hat nichts mit jenen Rachegedanken zu tun, sondern stellt das durch die Mörder verletzte Recht wieder her – im Falle Babylons so, dass sie ihr Lebensrecht verliert, weil es andern das Lebensrecht genommen hat (vgl. 18,6).
2127 Vgl. 2Kön 9,7 und Bauer-Aland Sp. 480; G. Schrenk, Art. ἐκδικέω usw., ThWNT, II, 1935, S. 441.
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Die Offenbarung des Johannes Kapitel 12–22
Wie Holtzmann und Bousset bemerken, ist mit 19,2 „die Anfrage 6,10 erledigt“.2128 Ebenso ist jetzt das Versprechen von 17,1 eingelöst. Mehrere Ausleger haben Offb 19,1ff als Siegeslied2129, als „Siegeshymnus“2130 oder „Triumphlied“2131 bezeichnet. Sie sehen Babylon bzw. den Sieg über Babylon im Mittelpunkt. Damit wird aber ein wichtiger Akzent verschoben. Denn nicht Babylon steht für Offb 19,1ff im Mittelpunkt, sondern Gott. Und nicht ein Schlachtensieg wird hier gefeiert, sondern Gottes Gerechtigkeit und Gericht, für das es keines Schlachtengemäldes bedarf.2132 V. 3 lässt gewissermaßen denselben Chor der Engelstimmen ein zweites Mal erschallen: Und noch einmal sagten sie (Καὶ δεύτερον εἴρηκαν [Kai deuteron eirekan]) … Das Halleluja! von V. 1 wiederholt sich. Solche Wiederholungen kennen wir aus den Psalmen (Ps 113; 146–150).2133 Inhaltlich aber geht dieses zweite Halleluja von einem anderen Blickwinkel aus. In V. 12 war es unser großer Gott, den alle Aussagen zum Gegenstand hatten. In V. 3 aber rückt Babylon noch einmal in die Mitte des Bildes. Allerdings genügt dafür ein einziger Satz: Und ihr Rauch steigt auf in alle Ewigkeit. Mit anderen Worten: Babylon bleibt eine rauchende Ruinenstätte und belebt sich niemals wieder. Die feierliche Rahmung dieser Aussage durch Halleluja und in alle Ewigkeit (εἰς τοὺς αἰῶνας τῶν αἰώνων [eis tus aionas ton aionon]) verleiht der Aussage selbst eine Ewigkeitsbedeutung und unumstößliche Wahrheit.2134 Die Prophetie von Offb 14,11 hat sich erfüllt (vgl. Jes 34,10 über Edom und Offb 18,9.18).2135 Was für ein Gegensatz in den beiden HallelujaSätzen von V. 1f und V. 3! Hier der ewige, gerechte Gott – dort das ewig rauchende Babylon als Inbegriff von Sünde und Antichrist. V. 4 stellt den Abschluss des ersten Hymnusteiles in 19,1ff dar: Und die vierundzwanzig Ältesten und die vier Wesen fielen nieder und beteten Gott, der auf dem Thron sitzt, an und sagten: Amen, Halleluja! Auch dieser Vers hat etwas außerordentlich Feierliches an sich: Die beiden engsten Kreise um den Thron, die vierundzwanzig Ältesten und die vier Wesen von Offb 4,4-7, treten in die Anbetung ein; sie bestätigen damit die Anbetung der großen Menge von Engeln in V. 1; es ist außer Offb 5,8 das einzige Mal, dass 2128 2129 2130 2131 2132
Vgl. Bousset a.a.O.; sowie Bengel S. 918; Lohmeyer a.a.O.; Giesen S. 410. Lohmeyer 3 S. 153; Giesen S. 409; Wilckens I, 4 S. 274; Holtz NTD S. 121. So Schlier a.a.O. Ähnlich Behm S. 98. So Caird S. 232 („song of triumph“); Zahn S. 581; Lohse S. 99; Ritt S. 94. Besser Aune S. 1024 nach Deichgräber: „a judgment doxology“. Richtig Schlatter S. 308: „Der Blick … ruht … auf dem, was Gott erhält.“ 2133 Vgl. Zahn S. 581f; Aune S. 1026. 2134 Giesen S. 410: „das Gericht … ist definitiv.“ 2135 Vgl. Bousset 1896 S. 490.
8. Das Ende Babylons, 17,1–19,10
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auch die vier Wesen niederfielen; es ist selten, dass außer dem, der auf dem Thron sitzt, noch Gott selbst ausdrücklich genannt wird; den feierlichen Schluss machen zwei hebräische Wörter: Amen, Halleluja; und es ist das einzige Mal in der Offenbarung, dass Halleluja und Amen nebeneinandertreten. Notieren wir noch einige Einzelheiten. Dass hier die vierundzwanzig Ältesten vor den ranghöheren vier Wesen genannt werden, kann darin seinen Grund haben, dass in Offb 19,1-4 die Anbetung gewissermaßen vom äußersten Kreis, den unzähligen Engeln, über die Ältesten zum innersten Kreis, eben den vier Wesen, aufsteigt.2136 Der Grund kann aber auch einfach in der Anlehnung an 4,4-7 liegen. Denn so viel ist deutlich: Offb 19,1-4 lenkt uns auf 4,2ff; 5,1ff zurück.2137 Aus diesen frühen Teilen der Offenbarung stammt auch die Bezeichnung der auf dem Thron sitzt für Gott. Halten wir weiter fest, dass die vier Wesen in der ganzen Offenbarung nur zwei Mal bei der Proskynese niederfallen: in 5,8 bei der Eröffnung des versiegelten Buches, also bei der Eröffnung der Zukunftsereignisse, und in 19,4 nach dem Untergang Babylons, also kurz vor der Vollendung der Endereignisse.2138 Interessant ist ferner, dass Amen, Halleluja! auch im AT nur einmal nebeneinanderstehen, nämlich im hebräischen Text von Ps 106,48.2139 Dort aber schließt das Amen, Halleluja das vorletzte (= das vierte) Psalmbuch ab.2140 Ist nicht auch mit dem Untergang Babylons ein Vorletztes abgeschlossen, bevor als letzte Epoche der irdischen Geschichte das Tausendjährige Reich beginnt? Das hebräische Amen (ἀμήν [amen] = [ ָאֵמןamen]) hat eine lange Tradition. Seine deutsche Bedeutung ist: „Es steht fest und es gilt“2141. Öfters schließt es eine Lobpreisung, eine Doxologie, ab (vgl. 1Chron 16,36; Neh 8,6; Ps 41,14; 72,19; 89,53; 106,48; Offb 5,14). Das gilt dann auch für die liturgische Akklamation im christlichen Gottesdienst.2142 So wertet also die himmlische Welt die heilsgeschichtliche Situation, die mit Kap. 19 eingetreten ist, als einen Höhepunkt im Geschichtshandeln Gottes und will diesem Gott die höchste Ehre zukommen lassen. Insofern ist Offb 19,1-4 zugleich eine Erfüllung der Vaterunserbitte: „Dein Name werde geheiligt“ (Mt 6,9). Mit V. 5 setzt sich das
2136 2137 2138 2139
So Bengel S. 920. Giesen a.a.O.; Holtz NTD S. 121; Kraft S. 240. Vgl. Giesen a.a.O. Nicht in der griech. Bibel! Sie hat γένοιτο, γένοιτο [genoito, genoito]. Aber vgl. noch 1Chron 16,36. 2140 Vgl. Mounce S. 338. 2141 H. Schlier, Art. ἀμήν, ThWNT, I, 1933, S. 339. 2142 Schlier a.a.O. S. 340f; vgl. Lohmeyer 3 S. 153.
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Die Offenbarung des Johannes Kapitel 12–22
Geschehen von 19,1ff fort. Manche Ausleger sprechen im Blick auf 19,5ff oder 19,6ff von „zwei Hymnen“, die in 19,1-10 vereinigt seien.2143 Es ist aber fraglich, ob man wirklich von zwei Hymnen ausgehen darf. Denn für Johannes setzt sich zunächst der Hörvorgang von V. 1 und 3 in V. 5 und 6 fort, ohne dass ein tieferer Einschnitt erkennbar wäre. Außerdem handelt es sich sachlich eher um die Erweiterung der Doxologie auf den Kreis der Knechte (V. 5) als um einen selbstständigen neuen Hymnus. Allerdings taucht jetzt das neue Thema von der „Hochzeit des Lammes“ (V. 7) auf. Alles in allem möchten wir lieber von einem neuen Teil des Gesamthymnus V. 1-8 ausgehen, also dem, was Giesen nach Deichgräber ein einziges „hymnisches Finale“ nennt.2144 An diesem neuen Teil sind nun gewissermaßen zwei „Parteien“ beteiligt: eine Himmelsstimme in V. 5 und eine „große Menge“ in V. 6-8. Johannes berichtet: Und eine Stimme kam vom Thron her (oder: „Und eine Stimme ging aus vom Thron“). Wenn die Stimme wirklich ἀπὸ τοῦ θρόνου [apo tu thronu] kam, kann sie nur eine göttliche Stimme oder eventuell die Stimme eines der vier Wesen2145 (vgl. 4,6) sein.2146 In Analogie zu 16,1 und 16,17 möchten wir die Deutung auf eine göttliche Stimme vorziehen. Da aber unser Gott gelobt werden soll, kann es nur die Stimme Christi sein.2147 Lobt unsern Gott, alle seine Knechte! lautet die Aufforderung. Alle seine Knechte sind alle gläubigen Christen.2148 Jetzt also wird nach der Doxologie der Himmlischen auch die Doxologie des auf Erden lebenden Gottesvolkes angestimmt, und Christus ist wie ihr Chorleiter.2149 Mit dem himmlischen Haupt stimmt der ganze Leib der Gemeinde mit ein in das herrliche Gotteslob. Unser Gott (ὁ θεὸς ἡμῶν [ho theos hemon]) wird gepriesen, das heißt der Gott des Vaterunsers, der Gott aller Christusgläubigen, der Gott, der seine Gemeinde und Kirche wunderbar durch alle Zeiten trägt. Es ist kein Gott des Individualismus, der einsam in sich gekehrten Seele, der beliebigen „Glaubensaussagen“. Zuerst wird er um seinetwillen gepriesen (V. 6-7). Aber dann auch um 2143 Z.B. Holtz a.a.O. 2144 Giesen S. 408; ähnlich Ritt S. 95. 2145 So Bengel S. 920; Schick S. 200. Ähnlich Vitringa S. 814: Engel um den Thron; Mounce S. 338. 2146 Anders Lohmeyer 3 S. 154: „weder Gott … noch Christus“; Giesen S. 410: „nur schwer zu bestimmen“; vgl. Morris S. 225. 2147 Ebenso Bousset a.a.O.; unsicher Prigent S. 280; wie wir Ritt a.a.O.; P. Müller S. 56. Aune S. 1027 lässt es offen, auch Lilje S. 217. Nach Satake KEK S. 371 spricht der Thron selbst. 2148 Lohmeyer a.a.O.; Giesen S. 411; Ritt a.a.O; Caird S. 233 begrenzt auf die Märtyrer. 2149 Deshalb dürfen wir auch kein „my God“ erwarten (gegen Mounce S. 338).
8. Das Ende Babylons, 17,1–19,10
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unsretwillen (V. 7-8) und schließlich auch deshalb, weil er das Gebet von Ps 119,84 erhört hat: „Wie lange soll dein Knecht noch warten? Wann willst du Gericht halten über meine Verfolger?“ (vgl. Offb 6,9f). Die Aufforderung Lobt unsern Gott, alle seine Knechte prägt unseren Psalter. Vgl. εὐλογεῖτε τὸν κύριον, πάντες οἱ δοῦλοι κυρίου [eulogeite ton kyrion, pantes hoi duloi kyriu] LXX Ps 133,1; αἰνεῖτε, δοῦλοι, κύριον [aineite, duloi, kyrion] LXX Ps 134,1. Jetzt ist die Erfüllung gekommen. Dass Christus in 19,5 gerade von den Knechten Gottes spricht, hat seinen Grund wohl in der bewussten Anknüpfung an die Psalmen.2150 Bezeichnet alle seine Knechte schlechthin die Christen, dann gilt dasselbe im Blick auf die, die ihn fürchten, und im Blick auf die Kleinen und Großen. Jedenfalls ergibt der Vergleich mit Offb 11,18, dass es sich auch hier ganz allgemein um die Christen handeln muss (vgl. noch Offb 20,12; Ps 115,13).2151 Fürchten meint die Ehrfurcht und die daraus resultierende treue Nachfolge. In der Wendung Kleine und Große spiegelt sich die Gliederung der Gemeinde mit ihren sehr verschiedenen Gaben.2152 Vielleicht sollten wir noch anmerken, dass das griech. αἰνεῖν [ainein] (loben) sehr profiliert das „freudige … Loben Gottes“ zum Ausdruck bringt.2153 Den Grund des Lobes hat Schlatter in die Worte gefasst: „Durch das, was vollbracht ist, ist erwiesen, daß Gott die rettet, die ihm dienen, und die Erde von denen reinigt und befreit, die sie verderben.“2154 Wir mussten feststellen, dass die in Offb 19,5 angeredeten Christen hier auf Erden und „noch am Leben“ sind.2155 Dann aber ergibt sich eine doppelte Konsequenz: 1) Die Christen werden keineswegs vor der großen Trübsal oder vor dem Antichrist-Reich entrückt; 2) es gelingt dem Antichrist nicht, die Christen auszulöschen, sondern Jesu Gemeinde bleibt trotz aller Bedrängnisse bestehen (Mt 16,18; 16,28; 24,13.31). Nach der Aufforderung von V. 5 hörte Johannes erneut eine gewaltige Stimme: etwas wie eine Stimme einer großen Menge und wie eine Stimme vieler Wasser und wie eine Stimme starker Donner (V. 6). Das dreimalige wie (ὡς [hos]) schärft uns ein, dass wir es nur mit einem Vergleich zu tun haben. Aber alle drei Vergleiche machen uns zugleich klar, dass es um außergewöhnliche, ja sogar himmlische Phänomene geht (vgl. Offb 1,15; 6,1; 10,4; 2150 Ebenso K.H. Rengstorf, Art. δοῦλος usw., ThWNT, II, 1935, S. 276. 2151 Lohmeyer a.a.O.; Giesen a.a.O.; Prigent S. 281; Behm S. 98; Mounce S. 338; Hadorn S. 185; Zahn S. 582. Anders Bengel a.a.O.; Holtz NTD S. 122 („Glieder des Gottesvolkes und die, die zu ihm halten“). 2152 Ähnlich Mounce a.a.O.: „every stage of spiritual maturity“. 2153 H. Schlier. αἰνέω usw., ThWNT, I, 1933, S. 176. 2154 Schlatter S. 308. 2155 Satake KEK a.a.O.; Zahn S. 582.
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14,2; 19,1; Ez 1,24; 43,2). Wie kommt es, dass ein irdischer Chor, nämlich „die noch auf Erden weilenden … Christen“2156, so dargestellt wird wie sonst nur himmlische Stimmen? Weil das, was sie singen, wirklich im Sinne der Bibel „ein neues Lied“ ist, vergleichbar mit dem der 144 000 auf dem Zion (14,1ff) und dem Lied der Überwinder in 15,2ff, also ein Lied ewiger, himmlischer Wahrheit. Was sie in V. 6f sagten, das wird der Aufforderung in V. 5 „Lobt unsern Gott“ voll gerecht. Ein viertes und letztes Mal in der Offenbarung hören wir das Halleluja!, dem wir in V. 1, 3 und 4 begegneten. Ein Lobpsalm mit Ewigkeitsbedeutung wird also angestimmt. Sie sagen auch, warum, und nennen zwei Gründe: 1) Denn der Herr, unser Gott (κύριος ὁ θεὸς ἡμῶν [kyrios ho theos hemon]), der Allmächtige (ὁ παντοκράτωρ [ho pantokrator]), hat seine Herrschaft angetreten (ἐβασίλευσεν [ebasileusen]). In der dreifachen Gottesbezeichnung – Herr, Gott, Allmächtiger – klingt das Trishagion (Jes 6,3) an (vgl. Offb 4,8; 11,17). Zu den Inhalten der einzelnen Gottesbezeichnungen vgl. die Erklärung bei Offb 4,8 und 1,8. Dass Gott einmal sichtbar in der ganzen Schöpfung seine Herrschaft antreten wird2157 bzw. (so wörtlich) „König sein“ wird, das feiern die Psalmen im Voraus (Ps 93,1; 96,10; 97,1; 98,6; 99,1; 146,10; 47,8f) und das kündigen die Propheten an (Sach 14,9). Jetzt, nach dem Untergang Babylons, beginnt es tatsächlich, der ganzen Erde sichtbar zu werden.2158 Der letzte Punkt der irdischen Geschichte ist damit allerdings noch nicht erreicht.2159 Die Vaterunserbitte: „Dein Reich komme“ (Mt 6,10) ist also noch nicht ganz in Erfüllung gegangen.2160 2) Nach V. 7 wird der Lobpsalm deshalb angestimmt, weil die Hochzeit des Lammes gekommen ist. Der Chor der glaubenden Gemeinde feiert damit ein zentrales heilsgeschichtliches Ereignis, an dem er selbst beteiligt ist. Wir haben schon öfters gesehen, dass persönliches Involviertsein und Engagement keineswegs ausschließen, dass über ein Wort oder Ereignis berichtet wird. So kann Johannes durchaus über die Apostel berichten (18,20; 21,14), obwohl er selbst Apostel ist, und er kann nicht weniger über die Propheten berichten (11,18; 16,6; 18,20.24; 22,6.9), obwohl er selbst Prophet ist. In ähnlicher Weise besingt hier die gläubige
2156 Zahn a.a.O.; Giesen S. 411f; Lohse S. 100; Hadorn a.a.O. Anders Satake KEK S. 371: „eine himmlische Stimme“; Lilje S. 217: die „Vollendeten“ im Himmel. 2157 Zur Übersetzung vgl. Hadorn S. 186; Bauer-Aland Sp. 273; Mounce S. 339, 11; Holtz NTD S. 121. 2158 Vgl. Schlatter BFchTh S. 95f. 2159 Kraft S. 241; Mounce S. 340. 2160 Gegen Hadorn S. 186.
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Christenheit die bevorstehende Hochzeit des Lammes, obwohl sie selbst die Braut und den Kreis der Geladenen darstellt. Wir wollen uns freuen und jubeln und ihm die Ehre geben: Das ist die dreifache Aufforderung, die die Lobpreisenden an sich selbst richten.2161 Sich selbst zum Lob aufzufordern, ist typischer Psalmstil: „Lobe den Herrn, meine Seele“ (Ps 104,1) – „Lasst uns freuen und fröhlich sein“ (Ps 118,24). Entgegen Hans Conzelmann2162 sind χαίρω [chairo] und ἀγαλλιάομαι [agalliaomai] in Offb 19,17 nicht einfach „synonym“. χαίρω [chairo] bedeutet sich freuen in einem umfassenden, allgemeinen Sinn. ἀγαλλιάομαι [agalliaomai] hat demgegenüber in der LXX den Sinn der „kultische(n) Freude, die Gottes Hilfe und Taten feiert und preist“2163. Es ist also ein typisch religiöses Wort, das für hebr. [ ִגּילgil] und [ רנןranan] steht. In der griechischen Bibel wird es regelrechter eschatologischer Terminus. Nicht anders im NT. Wie R. Bultmann bemerkt, kommt dieser eschatologische (endzeitliche) Sinn „am deutlichsten“ in Offb 19,7 zum Ausdruck: Hier gilt der Jubel der „eschatologischen Heilstat Gottes“.2164 Umfassende, uneingeschränkte Freude – die Feier des endzeitlichen Heils – Gott die Ehre geben: Das also will die Gesamtheit der Gläubigen nach Offb 19,7. Denn – und jetzt treten wir in die Begründung ein – die Hochzeit des Lammes ist gekommen (ἦλθεν ὁ γάμος τοῦ ἀρνίου [elthen ho gamos tu arniu]). Das sind gefährliche Worte. Götterhochzeiten kennt die griechische Welt en masse, man denke an die Hochzeiten des Zeus mit Götterfrauen und Menschenfrauen. Götterhochzeiten erfüllen ferner die ganze orientalische Welt.2165 Welchen Kampf hat Israel dagegen geführt! Man denke an das Goldene Kalb (Ex 32), an den Götzendienst mit dem Baal-Peor (Num 25) oder an die Baals- und Ascherapriester der Isebel (1Kön 18). Auch heute sind es gefährliche Worte. Man denke an das Eindringen der Geschlechterfrage in die christliche Theologie: Ist Gott Mann oder Frau?, oder an die hemmungslose Sexualisierung der westlichen Kultur. Wie also sollen wir die Aussage von der Hochzeit des Lammes verstehen? Einen ersten Zugang bahnt uns das AT. Dort wird der Bund zwischen Gott und seinem Volk unter dem Bild der Ehe dargestellt (Jes 54,4ff; 62,4f; Hes 16,1ff; 23,1ff; Hos 1,2ff; 2,4ff; 2,4ff)2166. Das Bild von der Hochzeit kann von da aus 2161 2162 2163 2164 2165 2166
Vgl. Mt 5,12. Im Art. χαίρω usw., ThWNT, IX, 1973, S. 357. So R. Bultmann, Art. ἀγαλλιάομαι usw., ThWNT, I, 1933, S. 19. A.a.O. Vgl. E. Stauffer, Art. γαμέω usw., ThWNT, I, 1933, S. 651. Vgl. Stauffer a.a.O.; Bousset 1896 S. 491.
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zum Bild für die Erneuerung des Bundes und die endzeitliche Erlösung werden. Den zweiten, ebenso wichtigen, Zugang bahnt uns das NT. Dort vergleicht Jesus sein messianisches Kommen, aber auch seine Wiederkunft als Messias mit einer Hochzeit. Er selbst bezeichnet sich mit dem Bildwort als Bräutigam, seine Jünger und seine Gemeinde sind einmal die Braut, dann die Hochzeitsgäste (Mt 9,15; 22,1ff; 25,11ff; Lk 12,36; 14,15ff; Joh 3,29).2167 Ihm folgt die apostolische Verkündigung (2Kor 11,2; Eph 5,25ff).2168 Vom Standpunkt der Offenbarung aus kann es sich in Offb 19,7 bei der Hochzeit des Lammes nur um die Wiederkunft Jesu handeln.2169 Diese wird in 19,11ff beschrieben. Der Lobpreis der Gläubigen aber kündigt sie jetzt schon in V. 7 an. Dabei tritt – und das ergibt sich aus dem Bild von der Hochzeit fast von selbst – eine bestimmte Dimension des Wiederkunftsgeschehens in den Vordergrund: Das ist die dann stattfindende Vereinigung Jesu mit seiner Gemeinde. Schon im Jesuswort Mt 24,31 steht diese Vereinigung im Vordergrund (vgl. 1Kor 15,51f; 1Thess 4,15ff). Offb 19,7f betont sie erneut. Auffallend bleibt allerdings, dass ausgerechnet von der Hochzeit des Lammes und nicht etwa „des Christus“, „des Sohnes Gottes“ o. Ä. die Rede ist. Wurde der Ausdruck Hochzeit des Lammes eventuell auch deshalb gewählt, weil er jede Abirrung ins Erotische verbietet?2170 V. 7 fügt hinzu: und seine Frau hat sich bereitet (καὶ ἡ γυνὴ αὐτοῦ ἡτοίμασεν ἑαυτήν [kai he gyne autu hetoimasen heauten]). Man muss dazu wissen, dass schon die Verlobte, deren Ehevertrag abgeschlossen ist, in der Bibel als Frau bezeichnet wird (vgl. Mt 1,20 und Gen 29,21; Dtn 22,23f).2171 Verlobt aber sind wir als Christen mit Christus durch den Glauben. Die Frau ist also die Gesamtheit der Glaubenden. Sie hat sich bereitet bedeutet, dass sie Jesu Worte über das Bereitsein befolgt hat (Mt 24,42.44; 25,13; Lk 12,40) und geistlich-glaubensmäßig auf seine Wiederkunft ausgerichtet ist. V. 8 wird noch mehr darüber sagen. Jedenfalls genügt eine äußere Zugehörigkeit zur Kirche oder Gemeinde nicht.2172
2167 Vgl. Jörg Frey bei Hengel S. 384.391; Lohmeyer 3 S. 156. 2168 Vgl. Lohmeyer 3 S. 154; Mounce S. 340; Hadorn S. 187; Ritt S. 95; Stauffer a.a.O. S. 652ff. 2169 Die Wiederkunft ist jedoch nicht einfach „identisch“ mit dem Kommen des Reiches Gottes, wie Hadorn a.a.O. schreibt. Vgl. U.B. Müller S. 315. 2170 Eine Ableitung des Hochzeit-Bildes von „außerbiblischen Quellen“, wie sie Lohmeyer a.a.O. vornehmen will, ist unnötig und irreführend. 2171 Lohmeyer 3 S. 155; Mounce a.a.O.; Hadorn a.a.O.; Giesen S. 412. 2172 Das wird durch die einfache Gleichsetzung Braut = Kirche manchmal ein Stück weit verdunkelt. So bei Ritt a.a.O. Vgl. Zahn S. 583.
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Im Übrigen sei angemerkt, dass gerade beim Motiv von der Hochzeit des Lammes eine auffallende sprachliche und theologische Nähe der Johannesoffenbarung zum Johannesevangelium festzustellen ist.2173 Der 8. Vers dreht sich um das Gewand der Braut Christi. Dieses Interesse am Gewand hat einen sehr speziellen Hintergrund. Da ist zuerst das AT zu nennen, in dem die „Kleider des Heils“ eine Rolle spielen als Ausdruck der Gnade und der Erlösung (Jes 9,4; 61,3.10; 64,5). Da ist zweitens die Jesusverkündigung mit ihrer Frage nach dem „hochzeitlichen Gewand“ zu nennen (Mt 22,11ff). Und da ist drittens die Offenbarung selbst, in der die „weißen Kleider“ immer wieder ein Merkmal der Erlösten sind (Offb 3,18; 7,9.13ff; 19,8). So ist auch hier in Offb 19,8 das leuchtende, reine Byssusgewand für die Braut des Lammes (βύσσινον λαμπρὸν καθαρόν [byssinon lampron katharon]) das Zeichen ihrer ewig gültigen Erlösung. Zu Byssusgewand, oft übersetzt als „Leinen“ oder „Leinwand“, vgl. die Erklärungen bei Offb 18,12.16. Leuchtend oder „glänzend“, „weißglänzend“, kommt im NT „fast ausschließlich in Apk“ vor2174 (15,6; 18,14; 19,8; 22,1.16) und hat nach Albrecht Oepke einen ausgesprochenen „Jenseitscharakter“2175. Die Betonung, dass es sich um ein reines Gewand handelt, bringt zum Ausdruck, dass Gott keinerlei Tadel am Gewand und also auch nicht an der Braut findet. Hier lässt sich die Anlehnung an das Jesuswort Mt 22,11f erkennen. Die Reinheit kann nur durch das Blut des Lammes kommen (Offb 7,14; 12,11). Doch stimmt damit die zweite Hälfte von V. 8 überein? Viele moderne Ausleger verneinen diese Frage. Denn hier wird erklärt: Das Byssusgewand, das sind nämlich die gerechten Taten2176 der Heiligen (τὸ γὰρ βύσσινον τὰ δικαιώματα τῶν ἁγίων ἐστίν [to gar byssinon ta dikaiomata ton hagion estin]). In der Auslegung wird darauf hingewiesen, dass am Anfang von V. 8 ein ἐδόθη [edothe] = Gott hat ihr gegeben (Pass. divinum) steht. Dadurch sei das Heil eindeutig als Geschenk und Gabe Gottes bezeichnet (vgl. Jes 61,10). Wenn jetzt das Heil, symbolisiert durch das Byssusgewand, mit den gerechten Taten der Heiligen = Christen gleichgesetzt werde, dann werde das Heil auf die Werke der Christen zurückgeführt. Beides sei nicht miteinander vereinbar. Folglich streicht man V. 8b als „Glosse“ und glaubt, damit den 2173 2174 2175 2176
Jörg Frey bei Hengel S. 383ff. A. Oepke, Art. λάμπω usw., ThWNT, IV, 1942, S. 27. A.a.O. Wir übersetzen δικαιώματα [dikaiomata] mit „gerechte Taten“. Die übliche Übersetzung „Rechttaten“ (z.B. Bousset 1896 S. 491; G. Schrenk im Art. δίκη usw., ThWNT, II, 1935, S. 226) ist heute unverständlich. Morris S. 227 sucht einen anderen Weg des Verständnisses: „sentence of justification“. Schlatter S. 309: „gerechte Gerichte“. Aune S. 1030: „righteous deeds“.
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„Widerspruch“ gelöst zu haben.2177 Eine solche gewalttätige Streichung eines ganzen Satzes der Offenbarung stößt aber auf schwere Bedenken: Erstens ist dieser Satz in den Handschriften unzweifelhaft überliefert, d.h. textkritisch gesichert2178, zweitens zeigen die Worte vom „Waschen der Kleider“ in Offb 7,14; 22,14 oder vom „Besudeln“ der Kleider in Offb 3,4, dass die Kleider tatsächlich doch menschliches Handeln symbolisieren können2179, was ja auch nach dem Jesuswort Mt 22,11f der Fall ist; drittens stellt die Offenbarung vermutlich die δικαιώματα [dikaiomata] (gerechten Taten) der Heiligen bewusst den ἀδικήματα [adikemata] der Hure gegenüber2180; viertens folgen „die Werke“ der Heiligen nach Offb 14,13 beim Sterben in die Ewigkeit nach; fünftens legt sogar Paulus Wert auf das Handeln der Gläubigen (Gal 5,6; Phil 2,12ff; Eph 2,10; Tit 2,14)2181. Wir betrachten also die beiden Vershälften 8a und 8b nicht als Widerspruch, sondern als ein zusammengehöriges Ganzes: Das Heil ist ein Geschenk Gottes (gegeben) aufgrund des Sühnetodes Jesu, aber es muss vom Menschen angenommen und in der gottgeschenkten Kraft praktisch gelebt werden (gerechte Taten). Zerreißt man diesen Zusammenhang, dann stellt man sich nicht nur gegen Jesus (Mt 7,21ff; 22,11ff; 25,1ff), Paulus (s. obige Stellen), Jakobus (Jak 2,14ff), Petrus (1Petr 1,7; 1,13ff; 4,15ff) und Johannes (1Joh 1,5ff; 3,3ff), sondern dann liefert man sich auch einer der beiden Häresien aus: entweder der reinen Werkgerechtigkeit oder dem bloßen Lippenbekenntnis.2182 Die Braut Christi aber hat beides: das unverdiente Gottesgeschenk des Heils und das bewusste Leben in der Glaubensfolge.2183 Es bleibt noch, auf einen Punkt hinzuweisen: Das ist der Gegensatz von Braut und Hure.2184 Die Kleidung der Braut ist herrlich2185, aber ohne Prunk: Nur ein Byssusgewand wird erwähnt. Die Kleidung der Hure Babylon aber ist weder herrlich noch rein, dafür voller Prunk: „Purpur“, „Scharlach“, „Gold“, „Edelstein“ und „Perlen“ (17,4). Der Teufel und seine Gefolgschaft versu2177 So Bousset 1896 S. 491; Lohmeyer 3 S. 155; Lohse S. 100; Ritt S. 96; Lilje S. 218; Aune S. 1030. 2178 Giesen S. 413. 2179 So Giesen a.a.O.; Kraft S. 244; Prigent S. 283; Roloff S. 182; Schick S. 201; Hadorn S. 187. 2180 Hadorn a.a.O.; Satake KEK S. 372. 2181 Mounce S. 340; Schick a.a.O. 2182 Vgl. auch Roloff a.a.O.; Schick; Hemer S. 201; P. Müller S. 57; Satake a.a.O. 2183 Kurz und klar Bengel S. 923f: „die dieses Namens vor andern werth sind“. Ebenso Lawton S. 118. 2184 Vgl. Giesen S. 412f; Schick a.a.O.; Mounce a.a.O.; Lohse a.a.O.; schon Wettstein S. 833; Satake KEK S. 372. 2185 „Einfach“ (Ritt S. 96) kann man nicht sagen.
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chen, Gott und Gottes Volk stets zu übertrumpfen, kommen aber nicht über die Denkmäler ihres Egoismus hinaus. Überraschend sind wieder die V. 9 und 10. Sie schließen ja nicht nur den Abschnitt 19,1-10, sondern zugleich den ganzen Zusammenhang 17,1–19,10 ab. Zunächst ist die Frage: Wer spricht hier? Die Worte Und er sagt zu mir (Καὶ λέγει μοι [Kai legei moi]) nennen kein Subjekt. In 1,11.19; 2,1–3,22 gibt Christus den Befehl: „Schreibe!“, in 21,5 ist es Gott der Vater, in 14,13 eine Stimme aus dem Himmel. Aber hier in V. 9-10 macht der 10. Vers klar, dass es ein Engel ist, vermutlich der Engel, der in 17,1ff sprach.2186 Die nächste Parallele zum Befehl Schreibe! (V. 9) ist also Offb 14,13. Das gilt auch für die Seligpreisung: μακάριοι οἱ … [makarioi hoi …]. Hier in V. 9 haben wir die vierte von insgesamt sieben Seligpreisungen der Offenbarung vor uns (vgl. 1,3; 14,13; 16,15): Selig sind, die zum Hochzeitsmahl des Lammes geladen sind. Form und Inhalt dieser Seligpreisung erinnern an Lk 14,15.2187 Wer zum Hochzeitsmahl des Lammes geladen ist, der wird auch ins Reich Gottes und ins ewige Leben aufgenommen. Es fällt auf, dass das Bild hier wechselt. In V. 7 sind uns die erlösten Gläubigen unter dem Bild der Braut begegnet, jetzt begegnen sie uns als Gäste des Hochzeitsmahles. Aber ein solcher Bildwechsel findet sich immer wieder in den Evangelien (vgl. Mt 9,15; 22,1ff; 25,1ff; Lk 14,15ff; Joh 3,29) wie in der Offenbarung selbst (vgl. 3,20; 12,1.17; 19,7.9; 21,2.7.9; 22,17). Hinzu kommt eine Vielfalt anderer Bilder, wie z.B. Kinder Gottes und Knechte Gottes. Ein solcher Bildwechsel sollte uns also nicht erstaunen. Mounce bezeichnet ihn sogar als „a normal characteristic of apocalyptic writing“2188. Braut und Gäste sind also nicht verschiedene Gruppen2189, sondern dieselbe Gruppe der erlösten Gläubigen wie auch in 7,1-17; 14,1-5.12-13; 15,1-4; 16,15.2190 Und wer ist geladen (κεκλημένος [keklemenos])? Im NT ist es der dreieinige Gott, der Menschen zum Heil einlädt oder (noch wörtlicher) ruft. Karl Ludwig Schmidt urteilt mit Recht, „daß καλεῖν im NT ein terminus technicus für den Heilsvorgang ist“2191. Nach Jes 49,6 und nach den Worten Jesu erstreckt sich die Einladung zum Heil auf „alle“ Menschen und nicht nur auf eine bestimmte Gruppe oder 2186 2187 2188 2189 2190
Mounce S. 340; Giesen S. 413; Kraft S. 244f; Bengel S. 924; Aune S. 1031. Roloff S. 182; Aune S. 1032. Mounce S. 341. Jedoch unterschiedlich gesehen bei Bengel S. 924; P. Müller S. 57; J.M Hahn S. 589. Mounce a.a.O.; Giesen a.a.O.; vgl. Jörg Frey bei Hengel S. 390f; Aune S. 1034; Hartenstein S. 220f; Lawton S. 117f; Grünzweig II S. 179f. 2191 Im Art. καλέω usw., ThWNT, III, 1938, S. 490.
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bestimmte Auserwählte (vgl. Mt 22,1ff; 28,19; Lk 14,16ff; Joh 6,37).2192 Es ist aber notwendig, dass der eingeladene Mensch auch das angebotene Heil annimmt (vgl. Mt 22,11ff; 23,37; Lk 8,13; 18,17; Joh 17,8).2193 Wir müssen also in Offb 19,9 beide Ebenen in der Wendung zum Abendmahl des Lammes geladen wahrnehmen: Es sind die von Jesus erlösten Menschen, die 1) wie alle anderen Menschen zum Heil eingeladen wurden; und die 2) diese Einladung auch angenommen haben. Dem ersten Satz des Engels in V. 9 folgt ein zweiter: Und er sagt zu mir: Dies sind wahrhaftige Worte Gottes (οὗτοι οἱ λόγοι ἀληθινοὶ τοῦ θεοῦ εἰσιν [hutoi hoi logoi alethinoi tu theu eisin]). Hier lässt die Grammatik zwei Möglichkeiten des Verständnisses zu: Entweder sind „diese Worte Gottes wahrhaftig“, oder es sind dies „wahrhaftig“ = in Wahrheit „Worte Gottes“ und nicht Worte eines anderen.2194 Da die griechischen Wörter τοῦ θεοῦ [tu theu] nicht bei λόγοι [logoi], sondern bei ἀληθινοί [alethinoi] angefügt sind, ziehen wir die zweite Verstehensmöglichkeit vor, also „diese Worte sind wirkliche Worte Gottes“.2195 Der Engel betont damit, dass er tatsächlich im Namen Gottes spricht (vgl. Offb 22,6). Sowohl die Seligpreisung als auch der Ernst der Einladung werden dadurch unterstrichen.2196 V. 10 berichtet ein eigenartiges Geschehen.2197 Zunächst könnte man es wie ein Anhängsel betrachten. Aber dann entpuppt es sich als eine neue Versicherung der Wahrheit der Offenbarung. Johannes fiel zu den Füßen des Engels nieder, um ihn anzubeten. Die Ausleger rätseln, warum er einen Engel anbeten wollte. War er „erschreckt“, weil er hier „wirkliche Worte Gottes“ vernahm?2198 War er „unter dem erschütternden Eindruck“ des ganzen „Schlußchores“ von V. 1-8?2199 Oder ist V. 10 ein Stilmittel, um die göttliche Autorität „dieser Worte“ zu unterstreichen?2200 Noch weiter gehen diejenigen, die in Offb 19,10 eine nachträgliche 2192 Vgl. auch Lohmeyer 3 S. 156. 2193 Hier hat der Mensch die Freiheit der Entscheidung. 2194 Vgl. R. Bultmann im Art. ἀλήθεια usw.; ThWNT, I, 1933, S. 250. Die Varianten zeigen, dass man sich hier schon früher schwertat. 2195 Ebenso Bultmann a.a.O.; Schick S. 202; Caird S. 233; Zahn S. 584. Vitringa S. 818 vertritt beide Verstehensmöglichkeiten, was durchaus akzeptabel ist. Dagegen fügt Satake KEK S. 374 ein „und“ ein, was aber im Text und allen Varianten gerade fehlt. 2196 Eine Erstreckung der Engelworte auf den ganzen „Visionenzyklus“ von Kap. 12 an ist unnötig. Gegen Roloff a.a.O.; Lohmeyer a.a.O. Vgl. Ritt S. 96. Wie wir Holtz NTD S. 123. 2197 U.B. Müller S. 319: eine „merkwürdige Szene“; Kraft S. 245: „gibt … Probleme auf“. 2198 Zahn S. 584. Vgl. Schick S. 202. 2199 Lilje S. 219; ähnlich Behm S. 99. 2200 Satake KEK S. 376.
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Einfügung erblicken, die nach dem Muster von 22,8f gestaltet sei.2201 Aber warum wurde eine solche Einfügung (Interpolation) hier für notwendig erachtet? Und gab es nicht auch vorher schon erschreckende und erschütternde Szenen, ohne dass es zu einem solchen Versuch der Engelanbetung kam? Johannes selbst gibt keine Erklärung. Deshalb bleiben wir auf Vermutungen angewiesen.2202 Unsere Vermutung geht dahin, dass Johannes im Sturz des antichristlichen Machtzentrums den entscheidenden Durchbruch vor der Wiederkunft Jesu sah und dass er sich hier der Proskynese (Anbetung) der Himmlischen (vgl. V. 4) anschließen wollte, wobei er den Engel des Herrn wie den Herrn selbst betrachtete.2203 Vielleicht sah er ähnlich wie Abraham in Gen 18 in diesem Engel keine separate Gestalt, sondern den Repräsentanten des dreieinigen Gottes.2204 Die Zurückweisung ist scharf: ὅρα μή [hora me] (zu ergänzen ποιήσῃς [poieses]2205) = Unter keinen Umständen! Nur noch in Offb 22,9 taucht dieses ὅρα μή [hora me] ein zweites Mal im NT auf. Die Begründung folgt sofort: Ich bin dein Mitknecht (σύνδουλος [syndulos]) und der deiner Brüder, die das Zeugnis Jesu haben. Mitknecht oder „Mitdiener“ bringt zum Ausdruck, dass der Engel demselben Gott und Herrn dient wie Johannes. Lebt man aber im selben Dienstverhältnis, dann ist die Anbetung des einen durch den andern unmöglich. Dabei muss die „Augenhöhe“ keineswegs schematisch sein (vgl. Kol 1,7; 4,7). Wer aber sind die Brüder des Johannes, die das Zeugnis Jesu haben? Man kann mit Strathmann2206 von Offb 22,9 her argumentieren und kommt dann zu dem Ergebnis, dass es sich um Propheten handelt, so wie auch Johannes ein Prophet ist. Diese Antwort bleibt möglich. Da aber in Offb 19,10 nur von Brüdern und nicht von Propheten die Rede ist und außerdem der Begriff die das Zeugnis Jesu haben (οἱ ἔχοντες τήν μαρτυρίαν Ἰησοῦ [hoi echontes ten martyrian Iesu]) in Offb 12,17 (ähnlich in 12,11; 17,6) unzweifelhaft alle Christen bezeichnet, liegt es unseres Erachtens näher, in den Brüdern von Offb 19,10 alle Mitchristen zu sehen.2207 Das würde auch 2201 So Charles und Bousset, dagegen Lohmeyer 3 S. 156 und H. Strathmann, Art. μάρτυς usw., ThWNT, IV, 1942, S. 506. 2202 Interessant Bengel S. 934f: Johannes dachte, die Engelworte von 19,9 seien der Schluss der gesamten Offenbarung. Schlatter S. 311: Johannes war bewegt durch die „Größe der Verheißung“. 2203 Ähnlich Hadorn S. 187. 2204 Mounce macht aufmerksam auf Jos 5,14; Ri 13,20 (S. 341). 2205 Blass-Debrunner § 480,5. 2206 A.a.O.; ebenso Weiß-Heitmüller S. 306; Hadorn S. 187. 2207 Ebenso U.B. Müller S. 320; Roloff S. 182. Eine Einschränkung auf die Märtyrer lässt sich nicht begründen, gegen Lohmeyer 3 S. 157; vgl. Hadorn a.a.O.
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mit Offb 1,9; 6,11; 12,10 übereinstimmen. Jeder Christ hat ja eine Gabe empfangen und steht im Dienst für Gott (1Kor 12–14). Deshalb sagt der Engel mit Recht, er sei der Mitknecht deiner Brüder. Und wieder gilt: Wo man dasselbe Dienstverhältnis teilt, verbietet sich jede Anbetung untereinander. Es kommt nur eins infrage: Bete Gott an! Gemeint ist der dreieinige Gott (vgl. 22,9). Damit hat sich eine weitreichende Klärung ergeben. Für den christlichen Glauben kommt nur eine Anbetung des dreieinigen Gottes – Vater, Sohn, Heiliger Geist – infrage. Menschen können nicht angebetet werden, auch wenn sie die hervorragendsten Gaben besitzen, also nicht einmal die Apostel (Apg 10,25f; 14,11ff). Ebenso wenig irgendein Engel, selbst wenn es sich um einen der Cherubim oder Erzengel handelt (Offb 19,10; 22,9). Ausgeschlossen bleibt jeder Engelkult, sei es der der Gnostiker (Kol 2,18), sei es der einer anderen Glaubensgemeinschaft. Sogar die Engelspekulationen der jüdischen Apokalyptiker wie etwa in ä Hen 1,6ff werden vom christlichen Glauben abgelehnt.2208 Aber nun steht hier noch ein merkwürdiger Satz: Denn das Zeugnis Jesu ist der Geist der Prophetie (ἡ γὰρ μαρτυρία Ἰησοῦ ἐστιν τὸ πνεῦμα τῆς προφητείας [he gar martyria Iesu estin to pneuma tes propheteias]). Er ist so schwer zu verstehen, dass selbst ein besonnener Ausleger wie U.B. Müller zu der Ansicht kommt, er sei eine „sekundäre Glosse“2209. Wir haben bisher das Zeugnis Jesu als dasjenige Zeugnis aufgefasst, das die glaubenden Christen über Jesus ablegen (Gen. objectivus) – eingeschlossen selbstverständlich, was Jesus selbst nach dem Evangelium verkündigt hat.2210 Nun ist dieses Zeugnis hier identifiziert mit dem Geist der Prophetie, nämlich der wahren Prophetie im Sinne des NT. Mit anderen Worten: der Geist der Prophetie steht im Dienste Jesu. Es scheint, dass im Kontext von Offb 19,10 gerade dieser Dienstcharakter der Prophetie und der Offenbarung betont wird. So wäre noch einmal der Grundgedanke von V. 10 hervorgehoben. Wir alle, auch du, Johannes, mit deinem Buch der Prophetie und deine Brüder (vgl. 1,3; 22,7ff), stehen im Dienst für denselben Herrn. Deshalb ist eine gegenseitige Anbetung der 2208 Viele sind jedoch mit U.B. Müller S. 319 der Meinung, Offb 19,10 enthalte keine „Polemik gegen Engelverehrung“. Angesichts der jüdischen Apokalyptik und Kol 2,15ff (Kolossä liegt in der Empfängerregion der Offb!) scheint mir das zweifelhaft. Anders Lohmeyer a.a.O. Wie wir Roloff S. 182; Hemer S. 142; Bousset 1896 S. 493; Morris S. 228. 2209 U.B. Müller S. 320. Vgl. Mounce S. 343. Auch Beckwith nimmt eine Glosse an; dann Bousset 1896 S. 493; Satake KEK S. 376. 2210 Anders z.B. Mounce S. 342 (Gen subj.); Kraft a.a.O.; Zahn S. 584; Caird S. 237; Hadorn a.a.O. Wie wir jedoch Aune S. 1038f; Bousset 1896 S. 493.
8. Das Ende Babylons, 17,1–19,10
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Diener dieses Herrn völlig ausgeschlossen.2211 Trifft diese Deutung zu, dann weist Offb 19,10 eine große Nähe zu Joh 16,13-14 auf, wonach es ebenfalls die Aufgabe des Geistes ist, Jesus zu verherrlichen.2212 Blicken wir von da aus noch einmal zurück auf V. 10, dann betont dieser Vorgang nicht nur die alleinige Anbetung des dreieinigen Gottes, sondern auch die Wahrheit der Johannesoffenbarung.2213 Denn Johannes erhält ja die Versicherung, dass er ein wahrer und zuverlässiger Diener Gottes und Jesu Christi ist und wirklich den Geist Gottes hat.
IV Zusammenfassung 1. Offb 19,1-10 gehört zu jenen Stücken der Offenbarung, die gewissermaßen innehalten und den Blick mehr nach oben als auf neue Ereignisse der Zukunft richten. Ja, es blickt sogar bewusst zurück auf die Kap. 17 und 18 und schließt diese Kapitel ab. Insofern ist es berechtigt, wenn manche Autoren von einem „hymnischen Finale“ sprechen.2214 2. Vor allem die V. 1-8 sind hymnisch und doxologisch geprägt. Hier werden die Doxologien der Kap. 4; 5; 7; 11; 12; 14; 15 und 16 fortgesetzt. Der doxologische Charakter prägt also das Buch bis zum Schluss. Auffällig ist in diesem Zusammenhang das vierfache Halleluja der Verse 1, 3, 4 und 6. Es verbindet Offb 19,1-10 innig mit den Psalmen und lässt uns in Offb 19,1-10 einen wichtigen Teil des „neuen Liedes“ (Ps 33,3; 96,1; 98,1; 144,9; 149,1; Jes 42,10) erkennen. 3. Ebenso wichtig ist die Verbindung mit der Jesusverkündigung. Sie wird vor allem in der Ankündigung der Hochzeit des Lammes (V. 7.9), in der Betonung des Gewandes der Braut (V. 8) und im Verweis auf das „Zeugnis Jesu“ (Gen. obj., V. 10) anschaulich. Dabei drängt sich insbesondere die Nähe zum Johannesevangelium auf (vgl. Joh 3,29; 16,13f). 4. Zugleich weisen uns nicht nur die psalmartigen hymnischen Elemente, sondern auch die Bilder von der Braut und von der Hure, vom Lamm und der Hochzeit, vom Mahl und von den Kleidern der Gerechtigkeit auf den alttestamentlichen Hintergrund hin.
2211 Ganz ähnlich Wettstein S. 833: „Aequales autem ab aequalibus adorari non convenit.“ Vgl. noch Prigent S. 287. 2212 Ebenso Jörg Frey bei Hengel S. 392f; Behm S. 99; Holtz a.a.O. Vgl. Hadorn a.a.O. 2213 Ebenso U.B. Müller a.a.O.; Lohse S. 100; Schick S. 202; Giesen S. 415; Behm a.a.O.; Satake a.a.O.; Holtz a.a.O. 2214 Giesen S. 408 nach Deichgräber; U.B. Müller S. 314.
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5. Das Thema von der Gerechtigkeit, mit der Gott alles Sein und Geschehen regiert, und insbesondere von der Gerechtigkeit seiner Gerichte zieht sich von Offb 15 an bis in Offb 19,1ff hinein. 6. Offb 19,1-10 markiert einen tiefen Einschnitt im Aufbau der Offenbarung: Ab jetzt gibt es kein Babylon mehr. Das völlige Verschwinden des Antichrist und seiner Macht ist nur noch eine Sache kürzester Fristen (vgl. Offb 19,11-21). 7. Offb 19,1-10 gehört ferner zu jenen Passagen des NT, die jedem Engelkult den Boden entziehen.2215 8. Der Inhalt von Offb 19,1-10 ist keineswegs der Sturz Roms. Weiß und Heitmüller gingen so weit, zu schreiben, „daß der Sturz Roms die Vorbedingung für die Errichtung der Königsherrschaft Gottes“ sei.2216 Davon kann keine Rede sein. Denn Babylon ist nicht das Rom des 1. Jh. n.Chr., wie wir oben dargelegt haben. Babylon ist vielmehr eine Größe, die noch vor uns steht, und eine Größe, die jenes vergangene Rom bei Weitem übertrifft. 9. Offb 19,1-10 schildert nicht nur den „Jubel im Himmel“, wie manche Überschriften2217 vermuten lassen, sondern auch den Jubel auf Erden. Es besteht also auch in jener Zeit noch eine Gemeinde Jesu auf Erden.2218 In diesem Zusammenhang sei noch einmal betont, dass die „Brüder“ des Johannes nach V. 10 nicht nur andere christliche Propheten, sondern ganz allgemein die Mitchristen des Johannes sind. Wir teilen also nicht die Ansicht von Ernst Lohmeyer, wonach die Offenbarung „ein Buch für Propheten und Gnostiker“ sei.2219 Der Jubel von Offb 19,1-10 gilt allerdings der erst noch kommenden Hochzeit des Lammes. Diese Hochzeit kann nicht vor der Wiederkunft stattfinden.2220 10. Der Text von Offb 19,1-10 gibt uns keinen Anlass, „Quellen“ oder übernommene Traditionsstücke oder „Glossen“ anzunehmen.2221 11. Das Ziel von Offb 19,1-10 ist es nicht nur, uns zur Treue gegenüber dem dreieinigen Gott zu motivieren.2222 Vielmehr will uns diese Textpassage zum Lob dieses unvergleichlichen Gottes führen und uns Gewissheit über Gottes Wege in der Zukunft geben. Zugleich stellt Offb 19,1-10 jeden Leser 2215 2216 2217 2218 2219 2220 2221 2222
So mit Recht Bousset 1896 S. 493f. Weiß-Heitmüller S. 306. Z.B. Weiß-Heitmüller a.a.O.; Einheitsübersetzung. Gegen Charles II S. 96, der annimmt, dass es seit Kap. 13 keine Christen mehr auf Erden gebe. Lohmeyer a.a.O. Ebenso Mounce S. 340; Schick S. 200; Kraft S. 241. Ebenso Hadorn S. 188; Schick S. 201; Mounce S. 342. Darin sieht Giesen S. 416 die Absicht des Abschnitts.
9. Die Wiederkunft Jesu, 19,11-21
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vor die Frage: Werde ich selbst zur Braut gehören und an der Hochzeit des Lammes teilnehmen?
9. Die Wiederkunft Jesu, 19,11-21 I Übersetzung 11 Und ich sah den Himmel aufgetan, und siehe: ein weißes Pferd, und der darauf saß, hieß Treu und Wahrhaftig. Und er richtet und kämpft in Gerechtigkeit. 12 Seine Augen aber waren wie2223 eine Feuerflamme, und auf seinem Haupt trug er viele Diademe. Er hatte einen Namen geschrieben, den niemand kannte als er selbst. 13 Und er war bekleidet mit einem Gewand, das in Blut getaucht war, und sein Name heißt: Das Wort Gottes. 14 Und die himmlischen Heere folgten ihm auf weißen Pferden, bekleidet mit weißen reinen Byssusgewändern. 15 Und aus seinem Munde geht ein scharfes Schwert, dass er damit die Völker schlägt. Und er wird sie mit eisernem Zepter regieren. Und er tritt die Kelter des Weines des grimmigen Zornes Gottes, des Allmächtigen. 16 Und er hat auf sein Gewand und auf seinen Schenkel einen Namen geschrieben: König aller Könige und Herr aller Herren. 17 Und ich sah einen Engel in der Sonne stehen und er rief mit lauter Stimme allen Vögeln zu, die im Zenit des Himmels flogen: Auf, versammelt euch zum großen Mahl Gottes, 18 damit ihr Fleisch von Königen und Fleisch von Befehlshabern und Fleisch von Starken und Fleisch von Pferden und ihren Reitern und Fleisch von allen Freien und Sklaven und Kleinen und Großen fresst! 19 Und ich sah das Tier und die Könige der Erde und ihre Heere versammelt, um Krieg zu führen mit dem, der auf dem Pferd saß, und mit seinem Heer. 20 Und das Tier wurde gefangen und mit ihm der falsche Prophet, der die Zeichen vor ihm getan hatte, mit denen er diejenigen verführte, die das Zeichen des Tieres angenommen hatten und sein Bild anbeten. Lebendig wurden die beiden in den Feuersee geworfen, der mit Schwefel brennt. 21 Und die Übrigen wurden mit dem Schwert dessen getötet, der auf dem Pferd saß, das aus seinem Munde ging. Und alle Vögel wurden satt von ihrem Fleisch.
2223 ὡς [hos] ist besser bezeugt als die Auslassung.
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Die Offenbarung des Johannes Kapitel 12–22
II Struktur Dass sich Offb 19,11-21 nicht so ohne Weiteres erfassen lässt, merkt man an der Verschiedenheit der Überschriften: „Die erste eschatologische Schlacht“2224, „Die Messiasschlacht“2225, „Der Sieg Christi über das Tier und sein Heer“2226, „The Divine Warrior and His Conquests“2227, „The Destruction of the Destroyers“2228, „Der Reiter auf dem weißen Pferd“2229, Liegt hier der Ton meist auf dem „Christus Victor“2230, so verwundert es den Beobachter, dass „Die Wiederkunft Christi“, um die es sich ja offensichtlich handelt, in den Überschriften eine verhältnismäßig kleine Rolle spielt.2231 Zunächst halten wir fest, dass das Sehen des geöffneten Himmels in V. 11 eine starke Zäsur bedeutet.2232 Nach den sieben Schalen und deren Konsequenzen sowie der ganzen Reihe erklärender Engel, die uns in Offb 15,1– 19,10 begegneten, ist jetzt durch die Worte „Und ich sah den Himmel aufgetan“ (vgl. 4,1; 11,19) eine andere Situation gegeben. Erst recht gilt diese bezüglich des Inhalts. Es geht jetzt in Offb 19,11-21 um eine einzige Zentralfigur, den Reiter auf dem weißen Pferd, und die Geschichte, die sie macht. Vom Hymnus zum Handeln: Dies ist der Weg, den das 19. Kapitel einschlägt. Dabei besteht aber auch ein sehr enger Zusammenhang zwischen 19,11-21 und den Kapiteln 13–18.2233 Das Tier von 13,1ff, das seit 17,17 nicht mehr erwähnt wurde, taucht wieder auf (19,19) und ebenso der falsche Prophet von 13,11ff (vgl. 16,13), aber auch die „Könige der Erde“ mit ihren Heeren von 16,14ff; 17,12ff. Außerdem erinnern uns 19,14 und 19,16 an 17,14. Ferner greift Offb 19,19 offensichtlich auf Offb 16,14ff zurück. Was die Verbindung nach vorne, also zu Kap. 20, anbetrifft, so ist sie allein schon durch Christus als die beiderseitige Zentralgestalt gegeben. Andere Elemente, die wir später besprechen werden, treten hinzu. Dennoch setzt sich das Geschehen von Offb 20,1ff durch die Aktionen des „Engels aus dem Himmel“ 2224 2225 2226 2227 2228 2229 2230 2231
Neue Jerusalemer Bibel S. 1804. Weiß-Heitmüller S. 306; ähnlich Kraft S. 245ff. Benedikt-Bibel; ähnlich Revidierte Elberfelder Bibel; Behm S. 99. Aune S. 1040. Caird S. 239. Holtz a.a.O. So die Überschrift bei Lilje S. 219 zu 19,11-16. Ausnahme z.B. Hartenstein S. 229; P. Müller S. 58; Zahn S. 578; Satake KEK S. 377; Brighton S. 504; Elwell-Yarbrough S. 377f; Rissi S. 12; Wilckens I, 4 S. 274; Roloff S. 183; U.B. Müller S. 322. 2232 Bousset 1896 S. 494; Lohmeyer 3 S. 157; Bengel S. 925f; Aune S. 1052; Holtz NTD S. 124. 2233 Vgl. Swete S. 213.
9. Die Wiederkunft Jesu, 19,11-21
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klar gegen Offb 19,11-21 ab. Wir haben also in Offb 19,11-21 einen gut abgrenzbaren, selbstständigen Abschnitt vor uns, der sich formal und inhaltlich von seiner Umgebung abhebt. Allerdings – und auch dies gehört zu den Charakteristika von Offb 19,1121 – bildet unser Abschnitt eine Art Diptychon. In zwei etwa gleich großen Unterabschnitten werden zuerst das Kommen Christi (V. 11-16) und dann der Untergang des Tiers, des falschen Propheten und der Könige der Erde (V. 1721) geschildert. Man sollte aus dieser Strukturierung aber nicht den Schluss ziehen, dass die beiden Unterabschnitte jeweils für sich als selbstständige Einheiten zu behandeln wären.2234 Vielmehr ist der Untergang des Tieres und seiner Anhänger eine ganz unmittelbare Folge des Kommens Christi und gehört mit Letzterem in einem großen Abschnitt zusammen.
III Einzelexegese Exkurs: Beispiele bisheriger Deutungen Wie überall in der Offenbarung begegnet uns auch hier ein breites Spektrum von Deutungen. Wir greifen einige von ihnen heraus: Irenäus zitiert in Adv. haer. IV, 20,11 den Abschnitt Offb 19,11-16 fast vollständig. Es ist für ihn ganz klar, dass der Reiter auf dem weißen Pferd identisch ist mit dem Jesus der Evangelien, dem Logos des Johannesevangeliums, dem Stein von Dan 2,34f und vor allem mit dem Lamm von Offb 5. Ebenso eindeutig geht es für ihn hier in Offb 19,11ff um die Wiederkunft Christi in Macht und Herrlichkeit. Martin Luther sah auch in Offb 19 den Kampf mit dem Papsttum abgebildet. Das Tier und der Falschprophet stellen nichts anderes dar als eben das entartete Papsttum. Die Initiative zum Kampf mit dem Reiter auf dem weißen Pferd geht vom Tier und vom falschen Propheten aus.2235 Dagegen deutete Johann Coccejus (1603–1669) Offb 19,11ff nicht auf die Wiederkunft Christi. Vielmehr hätten wir es bei Offb 19,11ff mit der Offenbarung Jesu Christi in der reformatorischen Verkündigung zu tun.2236 Auch Philipp Jakob Spener (1635–1705) hat Schwierigkeiten, Offb 19,11ff auf die Wiederkunft Christi zu deuten. Spener geht davon aus, dass Offb 20,1-6 eine eschatologische Blütezeit der Kirche beschreibe. Die sichtbare Wiederkunft Christi kann aber erst danach stattfinden, nämlich in Offb 20,11ff. So kommt er auf die Lösung, dass Offb 19,11ff keine sichtbare Wiederkunft, son-
2234 Gegen Kraft S. 245ff. 2235 Luther Vorreden S. 188. 2236 Vgl. Maier Offb S. 330.
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Die Offenbarung des Johannes Kapitel 12–22
dern nur eine solche „in der that und krafft“ berichte, also ein mit leiblichen Augen nicht wahrnehmbares Wirksamwerden Jesu Christi.2237 Damit berührt sich in manchem die Auslegung von Ernst Wilhelm Hengstenberg (1802–1869). Er betrachtet als strenger Lutheraner Offb 19,11ff von der Prämisse aus, dass der Chiliasmus eine Irrlehre sei. In der Gegenwart hätten wir diejenige Zeit erreicht, die Offb 20,7.9 entspricht. Was ist dann die Aussage von Offb 19,11ff? Antwort: Dass Gott durch die darin geschilderten schweren Gerichte die Herrschaft „des gottfeindlichen Principes“ in der Welt bricht.2238 Will man also in Offb 19,11ff die Wiederkunft Christi sehen, dann darf sie nicht als ein sichtbares Ereignis betrachtet werden. Carl August Auberlen (1824–1864) hingegen kehrt zur traditionellen Deutung von Offb 19,11ff zurück. Dieser Abschnitt besagt, dass „der Herr Jesus Christus vom Himmel erscheinen, dem ganzen bisherigen Weltlauf ein Ende machen und sein Reich der Herrlichkeit auf Erden errichten“ wird.2239 Insgesamt erstaunt es, wie viele protestantische Ausleger im Gegensatz zur Alten Kirche in Offb 19,11ff keine sichtbare Wiederkunft sehen. Die Diversifizierung der Deutungen verschärft die Mahnung an den heutigen Ausleger, mit seiner Exegese von Offb 19,11-21 vorsichtig zu bleiben.
Wie schon oben betont, stellt Καὶ εἶδον [Kai eidon] (Und ich sah) in V. 11 einen Neueinsatz dar. Eröffnet wird damit eine neue, selbstständige Vision. Den Himmel aufgetan (τὸν οὐρανὸν ἠνεῳγμένον [ton uranon eneongmenon]) hat nur eine entfernte Ähnlichkeit mit Offb 4,1 und 11,19. Näher steht Apg 10,11, noch näher Ez 1,1. Es geht in Offb 19,11 nicht um eine Tür, durch die Johannes in den Himmel blickt oder in den Himmel steigt. Sondern es geht um die Öffnung der unsichtbaren Welt Gottes, um wichtige Ereignisse vorzubereiten. Und siehe: ein weißes Pferd: Auch wenn der Wortlaut in Offb 6,2 gleich ist, so sind doch die Zusammenhänge völlig verschieden. Nur in einem Punkt treffen sich Offb 19,11 und Offb 6,2: Weiß ist eine Farbe des Sieges.2240 Zugleich und viel mehr noch ist es hier in Offb 19,11 die Farbe der himmlischen Welt und der Reinheit.2241 Schon jetzt lässt sich also vom Reiter auf dem weißen Pferd sagen, dass er aus der himmlischen Welt kommt, im Gegensatz zu Antichrist und Babylon rein von Sünden ist und den Sieg erringen wird.
2237 2238 2239 2240 2241
Vgl. Maier Offb S. 362f. A.a.O. S. 503ff. Auberlen S. 325. O. Michel, Art. ἵππος, ThWNT, III, 1938, S. 339; Morris S. 229; Bengel S. 926. Michel a.a.O.; W. Michaelis, Art. λευκός usw., ThWNT, IV, 1942, S. 255f.
9. Die Wiederkunft Jesu, 19,11-21
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2Makk 3,25, das manchmal als Parallele genannt wird, hat daneben nur eine schattenhafte Bedeutung. Der, der darauf saß, trägt die beiden Bezeichnungen Treu und Wahrhaftig (πιστὸς καὶ ἀληθινός [pistos kai alethinos]). Schon in Offb 1,5; 3,7; 3,14 wurde der auferstandene Jesus so genannt, sodass kein Zweifel daran besteht, dass auch hier der auferstandene Jesus gemeint ist.2242 Treu oder „zuverlässig“ ist er, weil er einschließlich seiner Lebenshingabe den Willen des Vaters erfüllt hat (vgl. 1Tim 6,13). Wahrhaftig ist er, weil er die göttliche Wahrheit verkörpert. Hinter dem griech. ἀληθινός [alethinos] steht die hebräische Wortgruppe [ אמןamen] / [ אמתemeth].2243 Ernst Lohmeyer verweist hier auf die schöne Stelle in b Joma 69b, wonach „Wahrheit das Siegel des Heiligen“ sei.2244 Allerdings bleibt zu beachten, dass das griech. καλούμενος [kalumenos] („er hieß“ oder „er wurde genannt“) besagt, dass jemand oder etwas mit einem bestimmten Namen benannt wird, der nicht unbedingt der eigentliche Eigenname sein muss. So ist es auch hier. Die späteren Namen, die in V. 12 und V. 13 erwähnt werden, sind sozusagen die intimeren Eigennamen, ohne dass doch an der Berechtigung von Treu und Wahrhaftig etwas abzubrechen wäre. Die letzte Aussage von V. 11 lautet: er richtet und kämpft in Gerechtigkeit (ἐν δικαιοσύνῃ κρίνει καὶ πολεμεῖ [en dikaiosyne krinei kai polemei]). Dass die Worte in Gerechtigkeit (ἐν δικαιοσύνῃ [en dikaiosyne]) im griechischen Text vorangestellt sind2245, könnte darauf hindeuten, dass sie betont werden sollen. So stünde noch einmal Gottes Welt in schärfstem Gegensatz zur Ungerechtigkeit (ἀδικήματα [adikemata], 18,5) Babylons und des Antichrist. Dem auferstandenen Jesus wird also Gerechtigkeit (δικαιοσύνη [dikaiosyne]) beigelegt. Schon für das AT und das Judentum stellte Gottlob Schrenk fest: „Der Messias heißt gerecht, weil sein ganzes Wesen und Tun genau der Norm des Gotteswillens entspricht.“2246 Er nennt im AT Jes 53,11; Jer 23,5f; 33,15; Sach 9,9 und im frühen Judentum Ps Sal 17,25.28.31.35.42; 18,8f; ä Hen 38,2; 53,6.2247 Hinzu treten u.a. Ps 72,2; Jes 9,6; 11,3ff; Apg 17,31.2248 In den Psalmen wird außerdem das göttliche Gericht immer wieder als ein 2242 2243 2244 2245 2246 2247 2248
Vgl. Brighton S. 508. Vgl. Aune S. 1053. Lohmeyer 3 S. 157. Nach Blass-Debrunner § 219 ist ἐν δικαιοσύνη [en dikaiosyne] = δικαίως [dikaios]. Im Art. δίκη usw., ThWNT, II, 1935, S. 188. A.a.O. Lohmeyer a.a.O.
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„Richten mit Gerechtigkeit“ beschrieben (Ps 9,9; 96,13; 98,9). Daraus ergibt sich für die Auslegung von Offb 19,11: 1) Der Reiter auf dem weißen Pferd vollzieht das göttliche Gericht; 2) er tut genau das, was in den Psalmen als ein Handeln Gottes beschrieben wird, und ist deshalb göttlichen Wesens; 3) er ist der im AT angekündigte Messias; 4) er ist in seiner Gerechtigkeit das genaue Gegenteil des Antichrist. Richten (κρίνειν [krinein]) geht demnach auf dieses jetzt durchgeführte göttliche Gericht, das dem wiederkehrenden Christus anvertraut ist.2249 Doch was besagt das danebenstehende πολεμεῖ [polemei] (er kämpft)?2250 Darauf werden die V. 13-21 antworten. Es sei noch darauf hingewiesen, dass Offb 19,11 eine enge Sachparallele zu Joh 3,31ff; 5,22ff darstellt.2251 Wieder zeigt sich die Verbundenheit zwischen dem Johannesevangelium und der Offenbarung. Brighton sieht in Offb 19,11 eine Erfüllung von Apg 1,10f.2252 Eine Nähe zu Apg 1,10f ist sicher insofern gegeben, als beide Stellen die Wiederkunft Jesu zum Thema haben. Dennoch darf ein grundlegender Unterschied nicht übersehen werden: Apg 1,10f beschreibt ähnlich wie Mt 24,30 und 26,64 die Wahrnehmungserfahrung, die alle Menschen vom wiederkommenden Jesus machen, während Offb 19,11 nur die prophetische Vision enthält – eine Vision, die Johannes alleine hat. Dadurch erklärt sich auch der Unterschied: hier weißes Pferd, dort die Wolken, was Brighton Kopfzerbrechen macht.2253 Die Beschreibung des wiederkommenden Christus, die in V. 11 begann, setzt sich nun bis V. 16 fort. Seine Augen aber waren wie eine Feuerflamme (V. 12) entspricht wörtlich 1,14 und mit geringer Abweichung 2,18. Dadurch ist sichergestellt, dass wir es in 19,11ff tatsächlich mit dem auferstandenen Jesus zu tun haben. Zur Erklärung vgl. dort bei 1,14; 2,18. Inhaltlich bleibt festzuhalten, dass sich diese Christusbeschreibung an die Gottesschau von Dan 7,9 anschließt und auch deshalb die Göttlichkeit Christi betont wird. Die Augen wie eine Feuerflamme sind voll himmlischen Glanzes, aber sie durchdringen auch alles.2254 Im Unterschied zu Offb 1,12ff werden auffallenderweise in Offb 19,11ff das Haupt und das Gesicht Christi nicht beschrieben. Dafür wird bemerkt, dass er 2249 2250 2251 2252 2253 2254
Schrenk a.a.O. S. 199. Gegen Satake KEK S. 379 sind die beiden Verben nicht „synonym“. Vgl. Brighton S. 508. Brighton S. 507. Brighton S. 507f. Vgl. F. Lang, Art. πῦρ usw., ThWNT, VI, 1959, S. 946f; Bengel S. 927; Schlatter S. 312; Morris S. 229.
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bei seiner Wiederkunft viele Diademe auf seinem Haupt (ἐπὶ τὴν κεφαλὴν αὐτοῦ διαδήματα πολλά [epi ten kephalen autu diademata polla]) trägt. διάδημα [diadema] ist im Unterschied zu στέφανος [stephanos] das „Symbol d. Königswürde“2255. Leider werden in deutschen Bibelübersetzungen στέφανος [stephanos] und διάδημα [diadema] oft unterschiedslos mit „Krone“ übersetzt, und dadurch wird der Unterschied beider eingeebnet. Die vielen Diademe des wiederkommenden Christus stehen in bewusstem Gegensatz zu den sieben Diademen des Drachen (12,3) und den zehn Diademen des Antichrist (13,1): Er übertrifft sie beide.2256 Er ist der Herrscher über alle (vgl. V. 16).2257 Rätselhaft aber ist nun die Schlussaussage in V. 12: Er hatte einen Namen geschrieben, den niemand kannte als er selbst. Einen Schritt zum Verständnis bahnt Offb 2,17. Dort wird im Überwinderspruch gesagt, dass der Überwinder einen neuen Namen erhält, den nur er allein kennt. Wir kamen dort zu der Erklärung, dass damit die einzigartige persönliche Verbindung zu Gott ausgesagt sei. Folglich muss die Erklärung auch in 19,12 so lauten, dass hier die einzigartige Verbindung des Christus zu Gott ausgesagt ist, nämlich das Verhältnis des Sohnes zum Vater.2258 Offb 3,12 bestärkt und verdeutlicht diese Erklärung. Der „neue Name“ ist hier der für alle Ewigkeit gültige und der Name, der speziell dem Weltenrichter und Weltvollender Christus zukommt (vgl. Phil 2,9). Im AT vgl. man Jes 62,2; 65,15. Zwei Einzelheiten sollte man noch festhalten: 1) Der Name ist von Gott dem Vater geschrieben (Passivum divinum!) und damit verliehen, das heißt, der Vater selbst begründet dieses einzigartige Verhältnis zu Jesus als seinem Sohn; 2) das, was geschrieben steht, hat einen hohen Rang.2259 Ganz abwegig ist die Deutung von Wilhelm Bousset, der Name bedeute eine „Zauberformel“, mit der Christus die Macht über alle ausübt.2260 Denn jede Art von Zauber lehnt die Offenbarung auf das Entschiedenste ab (Offb 9,21; 18,23; 21,8; 22,15). Auch Satakes Vermutung, Johannes beschreibe hier Christus als „absoluten Machthaber“, „ohne sich über das … Gesamtbild Gedanken zu machen“2261, ist abenteuerlich. Denn die zeitliche Abfolge in Offb 19–22 nötigte den Verfasser durchaus, sich „über das Gesamtbild“ Christi „Gedanken zu machen“. Ganz abgesehen davon geht es in Offb 19,11ff nicht 2255 2256 2257 2258 2259 2260 2261
Bauer-Aland Sp. 365. Aune S. 1054f. Vgl. W. Grundmann, Art. στέφανος usw., ThWNT, VII, 1964, S. 630f. So auch Schlatter S. 313; H. Bietenhard, Art. ὄνομα usw., ThWNT, V, 1954, S. 272. Dagegen wird nicht gesagt, wo dieser Name geschrieben stand (Zahn S. 586). Bousset 1896 S. 495. Satake KEK S. 379.
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um „Gedanken“ des Johannes über Christus, sondern um eine getreue Wiedergabe der Visionen. Dass der besondere Name von Offb 19,12 eine spätere Hinzufügung sei2262, hat keinerlei Stütze in den handschriftlichen Überlieferungen. Richtig hingegen Traugott Holtz: „Die explizite Nennung der Namen“ – V. 11.13.16 – „hebt die Aussage V. 12 nicht auf“, denn die „mannigfachen Namen für die gleiche Person benennen jeweils verschiedene Aspekte ihres Wesens“.2263 Bengel verwies auf Prov 30,4; Mt 11,27.2264 Wilckens glaubt, dass der Name von Offb 19,12 in V. 13 und V. 16 enthüllt werde2265, was aber das Gewicht von V. 12 aufhebt.2266 Die Bekleidung spielt in der Offenbarung eine wichtige Rolle, wie wir schon an Offb 1,12ff beobachtet haben. So auch hier. Der wiederkehrende Christus ist bekleidet mit einem Gewand (ἱμάτιον [himation]), das in Blut getaucht war2267 (βεβαμμένον αἵματι [bebammenon haimati]), V. 13. Auf den ersten Blick mutet es befremdlich an, dass Christus ein solches Gewand tragen soll. Aber die Schilderung nimmt hier Bezug auf Jes 63,1ff 2268, wo Gott in einem solchen Gewand zum Gericht erscheint – und zwar, wie betont wird, zum gerechten Gericht.2269 Folglich darf man sich nicht von oberflächlich-grausamen Vorstellungen blenden lassen. Vielmehr lässt das in Blut getauchte Gewand erkennen, dass Christus 1) zum Gericht wiederkommt; 2) dass er anstelle Gottes, das heißt als Gottes Sohn, handelt; 3) dass er gerecht richtet; 4) dass er für die Feinde unwiderstehlich ist. Letztlich müssen wir also die Prophetie von Jes 63,1ff auf Christus deuten. Gemeint ist mit dem Gewand von Offb 19,13 das Obergewand, der Mantel.2270 Und sein Name heißt: Das Wort Gottes lautet die Fortsetzung in V. 13. Der Name Das Wort Gottes ist so charakteristisch für die Johannesschriften (Joh 1,1.14; 1Joh 1,1), dass er nur im engsten Zusammenhang mit diesen ver-
2262 2263 2264 2265 2266 2267 2268 2269
So Wellhausen, Charles, Aune. Vgl. Aune S. 1055. Holtz NTD S. 125. Bengel S. 927. Wilckens I, 4 S. 274. So auch Caird S. 242. Swete S. 252 hält mit Hort ῥεραμμένον [rherammenon] für ursprünglich. Bousset 1896 S. 495. Schlatter BFchTh S. 47 dachte an Gen 49,11. An das Versöhnungsblut Jesu ist hier nicht gedacht, vgl. Bousset a.a.O.; U.B. Müller S. 327; J.M. Hahn S. 595; Satake a.a.O.; Charles II S. 133. Anders Morris S. 230; O. Michel, Art. κόκκος usw., ThWNT, III, 1938, S. 814; Holtz NTD S. 126; Swete S. 252; P. Müller S. 58; Grünzweig II S. 188; Hartenstein S. 231; Pohl II S. 255. 2270 Vgl. U. Wilckens, Art. στολή, ThWNT, VII, 1964, S. 690. Von einem weißen Mantel ist hier aber gegen Lilje S. 220 nicht die Rede (Bengel S. 927).
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standen werden kann.2271 ὁ λόγος τοῦ θεοῦ [ho logos tu theu] wird zwar im NT häufig als Bezeichnung für die christliche Botschaft verwandt (z.B. Röm 9,6; 1Kor 14,36; 2Kor 2,17; Phil 1,14; 1Thess 2,13; 2Tim 2,9; Tit 2,5; Hebr 4,12; 13,7; 2Petr 3,5; Offb 1,2.9). Aber als Name und Wesenskennzeichnung für Jesus Christus ist er eben typisch johanneisch.2272 Inhaltlich bedeutet Das Wort Gottes so viel wie: die Offenbarung Gottes, also die Gesamtheit alles dessen, was Gott der Menschheit mitgeteilt hat. Wie der Zusammenhang mit Joh 1,1ff zeigt, wird damit auch die Gottheit Jesu Christi unterstrichen.2273 Aber dass er jetzt als Wort (λόγος [logos]) kommt, hat noch einmal eine besondere Nuance: Seine Waffe ist das Wort. „Mit dem Hauch seines Mundes“ wird er allen Gottesfeinden ein Ende machen, wie es Paulus in 2Thess 2,8 sagt. Der wiederkommende Jesus hat kein Schlachtgetümmel nötig.2274 Zugleich kommt hier zum Ausdruck, dass das Wort Gottes Leben und Kraft ist – ein Gedanke, der auch in Joh 6,68 betont wird (vgl. Hebr 4,12). Wir werden erinnert an Jes 55,11: Das Wort Gottes „wird tun, was mir gefällt, und ihm wird gelingen, wozu ich es sende“. Erneut zeigt sich also die enge Verwandtschaft von Offenbarung und Johannesevangelium. Dass solche Gedanken auch dem frühen Judentum nicht fremd waren, ergibt sich aus Sap Sal 18,15f.2275 Eine „christliche Interpolation“, die zur Zeit Boussets viele Kritiker annahmen2276, ist reine Spekulation.2277 Die Beschreibung fährt in V. 14 fort: Und die himmlischen Heere folgten ihm auf weißen Pferden usw. Der Anfang lautet genauer: Und die Heere im Himmel (Καὶ τὰ στρατεύματα ἐν2278 τῷ οὐρανῷ [Kai ta strateumata en to urano]). Vermutlich steht der Begriff „Heere im Himmel“ in Verbindung mit Jes 40,26 und ähnlichen Stellen, bezeichnet also dasselbe wie das hebr.
2271 Vgl. G. Kittel im Art. λέγω usw., ThWNT, IV, 1942, S. 124ff; Bousset a.a.O.; Jörg Frey bei Hengel S. 388.403ff; Behm S. 100f; Charles II S. 134; Swete S. 253; Weiß-Heitmüller S. 308. 2272 Vgl. auch Bauer-Aland Sp. 972; H. Bietenhard, Art. ὄνομα usw., ThWNT, V, 1954, S. 272. Anders Wilckens I, 4 S. 257.284; Satake KEK S. 380. 2273 Zu Christus als Gott in Offb 19,15 vgl. Schlatter BFchTh S. 34. 2274 Vgl. Lohmeyer a.a.O.; Behm S. 100. 2275 Bousset 1896 S. 494; Charles II S. 134; Swete S. 253; Jörg Frey a.a.O. S. 406.418; Satake KEK S. 380; Aune S. 1058. 2276 Bousset 1896 S. 495,5; u.a. Wellhausen und heute noch U.B. Müller S. 323f. Dagegen mit Recht Jörg Frey a.a.O. 2277 Vgl. Charles II S. 134; Giesen S. 422f. 2278 τά als lectio levior muss auch in Abwägung der HS ausgeschieden werden.
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שַׁמי ִם ָּ [ ְצָבאוֹת ַהzewaoth haschschamajim] und meint damit die Engel Gottes.2279 Es sind also Engelheere, die dem wiederkommenden Christus folgen, und nicht Heere von Märtyrern oder erlösten Christen (anders in 17,142280). Das entspricht genau Mt 24,31; 13,41; 16,27; 25,31; 2Thess 1,7. Es ist ja auch noch keine Auferstehung geschehen (vgl. 20,4ff). Dennoch hat folgten (ἠκολούθει [ekoluthei]) auch einen geistlichen Klang. Die Engelheere begleiten Christus nicht nur äußerlich, „kriegsmäßig“, sondern in innerer Anbetung und Verbundenheit (vgl. 1Tim 3,16; Hebr 1,14). Weiß ist auch hier die Farbe des Himmels, der Reinheit und des Sieges. Dass Pferde und Gewänder der Engel in reinem Weiß erstrahlen und nicht blutbefleckt sind, zeigt, dass keine erbitterte Schlacht „Mann gegen Mann“ geschlagen werden muss, sondern dass der Sieg Christi schon feststeht.2281 V. 15 ist wegen seiner Sprache für heutige Leser besonders schwer verständlich. Mit drei Stichwörtern wird hier die Wiederkunft Christi charakterisiert: Schwert – Zepter – Kelter. Sie lassen schon ahnen, dass es hier um ein schweres Gericht geht. Von daher begreift man es, dass der wiederkommende Christus gerne als „Warrior“2282, als „Krieger“, dargestellt wird. Dennoch sollte man mit solchen Begriffen vorsichtig bleiben. Denn erstens kommt es zu keiner Schlacht, zweitens trägt Christus keine militärische Rüstung. Sehen wir genauer zu: Und aus seinem Munde geht ein scharfes Schwert: Da man beim Kampf das Schwert entweder gürtet oder in der Hand trägt (Num 22,23; 1Sam 17,39; Jes 45,1; Mt 26,51), nicht aber im Mund (στόμα [stoma]), muss das Schwert hier ein Symbol sein (vgl. Offb 1,16; 2,16). Zu einem solchen symbolischen Gebrauch führen schon die Bilder des AT (Jes 49,2). Eph 6,17; Hebr 4,12 und der Name „Das Wort Gottes“ klären, dass auch hier mit dem Schwert das göttliche Wort des Christus gemeint sein muss. Swete hat recht: „Seine Waffen sind geistlich“2283. Dass er damit die Völker schlägt: Erneut befinden wir uns in der Bildund Sprachwelt des AT. Hier sind es Jes 11,4 und Ps 2,8f, die in Offb 19,15 2279 Vgl. H. Ringgren, Art. בה ָ ָצ, ThWAT, VI, 1989, Sp. 873f; O. Bauernfeind, Art. στρατεύομαι usw., ThWNT, VII, 1964, S. 707f; Ritt S. 98. 2280 Schlatter BFchTh S. 20 wollte Offb 19,14 exegetisch von 2Kön 6,17 herleiten. Vgl. Aune S. 1059; Satake a.a.O.; Swete a.a.O.; Lilje S. 220; Schlatter S. 313f; Bengel S. 928 identifiziert 17,14 und 19,14. Anders Caird S. 244; Charles a.a.O. Anders auch Giesen S. 423; P. Müller S. 59: die Christen. 2281 Satake a.a.O.: „kein militärisches Element“; weiter Morris S. 231. 2282 So Charles a.a.O.; Brighton S. 507; U.B. Müller S. 323f, 327; schon Vitringa (S. 820: Proelium Christi); Weiß-Heitmüller S. 307. 2283 Swete S. 254. Vgl. W. Michaelis, Art. ῥομφαία, ThWNT, VI, 1959, S. 998.
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fast wörtlich wiederaufgenommen werden. Mit anderen Worten: Jesus Christus ist der Messias, der in Ps 2 und Jes 11 prophezeit wurde. In den genannten Stellen geht es um das Gericht, das der Messias an der gesamten Völkerwelt durchführt.2284 So ergibt sich als Sinn der Worte dass er damit die Völker (τὰ ἔθνη [ta ethne]) schlägt: dass er mit seinem Wort das Gericht an allen Völkern durchführt – vollkommen gerecht und in Übereinstimmung mit dem Vater im Himmel (Jes 11,3-5).2285 Jesus ist der Weltenrichter, den das Apostolische Glaubensbekenntnis bekennt: „Von dort wird er kommen, zu richten die Lebenden und die Toten.“ Es ist frappierend, dass die sehr wahrscheinlich pharisäischen Psalmen Salomonis aus der Zeit ca. 50 v.Chr. den kommenden Messias ganz genau so schildern: „Er wird die Erde schlagen durch das Wort seines Mundes“ (17,35), er wird „vernichten gesetzlose Völkerschaften durch das Wort seines Mundes“ (17,24).2286 An dieser Stelle zeigt sich das gemeinsame Glaubensgut von Juden und Christen.2287 Vgl. auch ä Hen 62,2f. Dagegen stellt Sap Sal 18,22 nur eine entfernte Parallele dar.2288 Sehr schön fasst Swete zusammen: „The Word of God fights with the sword of the word.“2289 Und er wird sie mit eisernem Zepter regieren: Das ist ein Zitat von Ps 2,9, den auch die frühen Juden messianisch deuteten. Welches Gewicht die Offenbarung diesem messianischen Psalm beimisst, sahen wir bereits in Offb 2,27 und 12,5. Erneut befinden wir uns in Übereinstimmung mit den Psalmen Salomonis (17,23f) und dem äthiopischen Henochbuch (46,4; 62,1ff). Zur näheren Erklärung können wir auf die Auslegung von Offb 2,27 und 12,5 verweisen. Zepter, griech. ῥάβδος [rhabdos], hebr. שֶׁבט ֵ [schewet] oder ַמ ֶטּה [matteh], bedeutet ursprünglich den Stab, z.B. den Hirten- oder Herrscherstab.2290 Bei ποιμαίνειν [poimainein], das wir mit regieren übersetzt haben, bleibt der exakte Sinn umstritten. Zunächst heißt es „Hirtentätigkeit ausüben“, „weiden“, dann auch „leiten“ und „herrschen“.2291 Joachim Jeremias gibt ihm in Offb 19,15 den Sinn von „vernichten“2292. Das entspricht Ps Sal 17,24 („mit eisernem Stab zu zerschlagen“). Ob man den Wortsinn von ποιμαίνειν [poimainein] so weit ausdehnen darf, ist jedoch zweifelhaft, auch wenn schon 2284 2285 2286 2287 2288 2289 2290 2291 2292
Vgl. wieder Michaelis a.a.O.; U.B. Müller S. 327; Giesen S. 424f. Vgl. Brighton S. 508. Nach Svend Holm-Nielsen in JSHRZ IV, 2, 1977, S. 105, 102. Charles II S. 136; Swete S. 254. Vgl. insgesamt Charles a.a.O.; Swete a.a.O. A.a.O. Vgl. C. Schneider, Art. ῥάβδος usw., ThWNT, VI, 1959, S. 966ff. Vgl. Bauer-Aland Sp. 1371. Im Art. ποίμην usw., ThWNT, VI, 1959, S. 493, 500. Bauer-Aland a.a.O. stimmt hier zu.
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Charles ποιμαίνειν [poimainein] als „punishment and destruction“ definierte.2293 Die Menschheit wird ja weder in Ps 2 noch im Kontext der Offenbarung völlig ausgelöscht.2294 So beließen wir es bei der vorsichtigen Übersetzung regieren.2295 Und er tritt die Kelter des Weines des grimmigen Zornes Gottes, des Allmächtigen: sprachlich umständlich bei fünf (!) Genitiven im selben Versteil.2296 Sachlich aber ist dieses Geschehen schon in Offb 14,19f und 14,10 angekündigt. Vgl. die Erklärung dort. Die alttestamentliche Prophetie, auf der auch dieser Versteil fußt, liegt in Jes 63,2ff und Joel 4,13 vor.2297 Von daher ist so viel deutlich: Wir haben es auch hier mit dem endzeitlichen Gericht zu tun. Die Bildelemente Kelter und (endzeitlich) „Ernte“ gehören zusammen. Die weiteren Bildworte vom Wein, vom Grimm (θυμός [thymos]), vom Zorn (ὀργή [orge]) Gottes, des Allmächtigen (τοῦ παντοκράτορος [tu pantokratoros]) unterstreichen den Ernst des „furchtbaren Strafgerichts“2298. Doch sollten wir die alttestamentlichen Ausgangsstellen sorgfältig hören. In Jes 63,2ff klagt der göttliche Richter, dass er alles allein tun muss: „Ich trat die Kelter allein … Und ich sah mich um, aber da war kein Helfer.“ Franz Delitzsch bemerkt dazu in seinem Jesajakommentar: „Weder menschliche Mitwirksamkeit noch der natürliche Gang der Dinge leisteten der Vollführung seines Vorhabens Vorschub; darum entsagte er menschlicher Hilfe und durchbrach den Entwickelungsgang durch eine wunderbare Selbstthat.“ Genau dies ist die Situation von Offb 19,11ff. Der wiederkommende Christus tritt die Kelter allein.2299 Niemand sonst ist daran beteiligt. Die Kleidung der Engelheere bleibt weiß und wird nicht bespritzt. Mit seiner „wunderbaren Selbstthat“ macht Christus der Geschichte des Bösen und dem Bösen selbst ein Ende. Und noch etwas ergibt sich aus Jes 63,1ff: Der göttliche Richter kommt als ein Helfer (Jes 63,1) und will die Seinen erlösen („mein Erlösungs-Jahr war herbeigekommen“, Jes 63,4). Wieder trifft dies genau die Situation von Offb 19,11ff: Um Verführung und Verfolgung des Antichrist-Reiches zu beenden, um die bedrängte Gemeinde zu erlösen, kommt Christus in Macht und Herrlichkeit vom Himmel her.2300
2293 2294 2295 2296 2297 2298 2299 2300
Charles II a.a.O. Bengel S. 929. Auch Morris S. 231: „rule“; ebenso Aune S. 1061. Vgl. Blass-Debrunner § 168,2. Vgl. Schlatter BFchTh S. 90; Lilje S. 221. J. Jeremias a.a.O. S. 493, 87. Bengel S. 929; Delitzsch, Jesaja in der 3. Aufl., 1879, nachgedruckt 1984, S. 636. Vgl. Charles a.a.O.
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In V. 16 hören wir einen vierten Namen Jesu: König aller Könige und Herr aller Herren (Βασιλεὺς βασιλέων καὶ κύριος κυρίων [Basileus basileon kai kyrios kyrion]). Die Ausleger verweisen auf einen doppelten Sachverhalt: Erstens pflegten sich die orientalischen Großkönige so zu nennen (vgl. 2Makk 13,4)2301, zweitens wird im AT Gott ähnlich genannt (vgl. Dtn 10,17; Ps 136,2f).2302 Daraus ergibt sich, dass Christus auch hier wie in Offb 17,14 die Ehrenbezeichnungen des Vaters zukommen, weil er Gottes Sohn ist und weil er der wahre oberste König ist.2303 Ferner zeigt sich erneut, dass es bei der Wiederkunft Jesu um die Lösung der Machtfrage geht. Die Schuldfrage wurde bereits am Kreuz gelöst. Allerdings stand der Königs-Titel schon auf der Kreuzesinschrift (Joh 19, 19parr) und Herr (κύριος [kyrios]) wird Jesus ständig seit seiner Auferstehung genannt (Joh 20,18.28; 1Kor 12,3). Aber jetzt tritt es vor aller Welt zutage. Eine Einzelheit wird nachhaltig diskutiert: Wo steht der Name geschrieben? Bei den anderen Namen in V. 11, 12 und 13 war kein Ort genannt. Und das Wort für Schenkel, μηρός [meros], kommt nur hier im NT vor. Man kann den Vergleich mit einer Statue ziehen, auf die damals gelegentlich Inschriften eingraviert wurden, auch auf den Schenkel.2304 Man kann ferner das καί [kai] vor dem Schenkel epexegetisch verstehen2305, im Sinne von „und zwar“, und erhält dann mit Hadorn das Ergebnis, dass der Name auf dem Gewand steht, und zwar dort, wo es über den Schenkel herabfällt.2306 Giesen meint, die Frage sei „nicht mehr zu klären“2307. Wir neigen jedoch mit Hadorn der zweiten der oben angegebenen Lösungen zu. Sonst wären die Worte auf sein Gewand wenig sinnvoll.2308 Es handelt sich also um einen Namen, der öffentlich lesbar und erkennbar ist.2309
2301 U.B. Müller S. 328; Giesen S. 425. 2302 U.B. Müller a.a.O. 2303 Caird S. 246 neigt zu der Annahme, dass er König über das Haus Gottes bzw. die Überwinder ist. 2304 So z.B. Swete S. 255; vorsichtig U.B. Müller a.a.O.; Holtz NTD S. 126; Aune S. 1062. Originell Charles II S. 137: Weil die Gewänder beim Reiten nach hinten „strömen“, wird die Inschrift auf dem Schenkel sichtbar. 2305 Vgl. Blass-Debrunner § 442,6. 2306 Vgl. Giesen a.a.O. Auch Behm S. 101; Zahn S. 588; Schlatter S. 314; Satake KEK S. 381. 2307 A.a.O. 2308 So schon Vitringa S. 827; Bengel S. 932. Caird S. 246f geht davon aus, dass dieser Name doppelt geschrieben steht, auf der Hüfte und auf dem Gewand, ebenso Morris S. 231; Lohmeyer 3 S. 159. 2309 Roloff S. 186 sieht „möglicherweise“ in Jes 11,5 den alttestamentlichen Hintergrund.
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Kehren wir noch einen Augenblick zu der Tatsache zurück, dass Christus in den sechs Versen von Offb 19,11-16 nicht weniger als vier Namen2310 gegeben werden: Treu und Wahrhaftig – ein Name, den nur er selbst kannte – Das Wort Gottes – und König aller Könige und Herr aller Herren. Das zweifache γεγραμμένον [gegrammenon] in V. 12 und 16 (geschrieben) deutet darauf hin, dass es Gott der Vater ist, der ihm diese Namen gibt. Das steht auch in Übereinstimmung mit Phil 2,9. Warum also diese vier Namen? Der biblische Kontext führt zu der Antwort, dass ein einziger Name nicht genügt, um die Einzigartigkeit und Herrlichkeit Jesu Christi auszusagen. So trägt er schon im Evangelium mehrere Namen: „Rabbi“, „Messias“, „Menschensohn“, „Gottes Sohn“, „Wort“ usw. Auch die Briefe der Apostel sind Zeugnisse der Namensvielfalt, z.B. „Herr“, „Sohn Davids“, „Gott“ (Röm 9,5), „Sohn“, „Erstgeborener“, „Haupt“, „Hohepriester“ usw. Nichts anderes gilt für Offb 19,11-16. Es wäre völlig verkehrt, hier die einzelnen Namen exklusiv und alternativ einander gegenüberstellen zu wollen, z.B. „Das Wort Gottes“ gegen den verborgenen Namen von V. 12, und nur einen davon für berechtigt zu erklären.2311 Gerade die Vierzahl der Namen (als beabsichtigte Universalzahl?) weist auf die unbeschreibliche Würde des Wiederkommenden hin, und jeder Name bringt eine Seite seines Wesens zum Ausdruck. Schon Irenäus hat sich vehement für die Berechtigung all dieser Namen ausgesprochen (gegen Bestreiter in der damaligen Zeit?): „Nicht in einer Gestalt oder einer Form ließ er sich erblicken, sondern je nach den Ursachen oder Veranlassungen seiner Erscheinung.“2312 Damit verlassen wir den ersten Teil des Diptychons (V. 11-16) und wenden uns dem zweiten (V. 17-21) zu. Noch immer ist der Himmel geöffnet (V. 11). Aber nun konzentriert sich der Blick des Sehers auf einen hervorgehobenen Engel: Und ich sah einen Engel in der Sonne stehen (V. 17). Die Sonne hat in der Offenbarung überwiegend einen positiven Klang (1,16; 10,1; 12,1). So auch hier. Wenn der Engel in der Sonne steht, dann bedeutet dies vermutlich ein Doppeltes: 1) er ist in himmlischen Glanz getaucht2313, 2) er hat eine Botschaft von Gott. Seine laute Stimme unterstreicht beides: seine große Nähe zu Gott und seine große Autorität.2314 2310 Aune zählt a.a.O. nur drei Namen, weil er annimmt, dass der Name von V. 16 derselbe sei, der in V. 12 noch verborgen war. Ähnlich Lilje S. 221: Der Name von V. 16 sei in V. 12 noch „nicht erkennbar“ und noch nicht „lesbar“ gewesen. Weiß-Heitmüller S. 308: Der verborgene Name sei Logos tu theu. 2311 So aber U.B. Müller S. 323f. 2312 Adv. Haer. IV, 20,11. 2313 Hartenstein S. 233. 2314 Anders Satake KEK S. 381.
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Dass mit diesem Engel der Zenit des Himmels (ἐν μεσουρανήματι [en mesuranemati]) verbunden wird, erinnert an die Engelgestalten in Offb 8,13 und 14,6.2315 Vermutlich ist der Engel in Offb 19,17 aber ein anderer. Seine Aufgabe ist die Überbringung einer Botschaft und Einladung im Auftrag Gottes. Er rief … allen Vögeln zu, die im Zenit des Himmels flogen: Auf, versammelt euch zum großen Mahl Gottes …! Dieser Vorgang erinnert an Ez 39,4.17-20. Offensichtlich stellt Ez 39,4.17ff eine Art Modell für Offb 19,17f dar.2316 Darüber hinaus begegnen wir im AT öfters den Vögeln als Verderbens- und Gerichtswerkzeugen (vgl. Gen 40,17ff; 1Sam 17,44; Jer 7,33; Ez 39,17ff; im NT vgl. Mt 13,4).2317 So ist die Einladung an die Vögel als Ankündigung eines universalen Gerichts zu verstehen. Vögel, die im Zenit des Himmels fliegen, sind Raubvögel und Aasgeier.2318 Hadorn nennt sie „die Totengräber der Schlachtfelder im Altertum“2319. Gerade als solche werden sie benötigt. Das δεῦτε συνάχθητε [deute synachthete] entspricht dem συνάχθητε καὶ ἔρχεσθε [synachthete kai erchesthe] in Ez 39,17 LXX, das εἰς τὸ δεῖπνον τὸ μέγα [eis to deipnon to mega] dem ἐπὶ τὴν θυσίαν μεγάλην [epi ten thysian megalen] ebenda.2320 Das große Mahl Gottes bedeutet also Gottes Gericht und den Tod der Feinde Gottes. So sicher ist der Sieg Gottes und Jesu Christi2321, dass man jetzt schon die Aasgeier und Raubvögel zu ihrem grausigen Mahl einladen kann.2322 Bei alledem darf man nicht vergessen, dass die Vögel ein Symbol für Tod und Untergang sind, aber nun nicht buchstäblich am Ende der Geschichte herbeifliegen müssen.2323 Tod und Untergang der Gottesfeinde sind allerdings Realität, wie der Text klarmacht, während ja die Vögel nur noch ein Mal in V. 21 kurz erwähnt und ansonsten nicht in ihrem Tun geschildert werden. Der moderne Leser stellt häufig die Frage: Warum so grausame Bilder? Antwort: Gerade der moderne Mensch geht grausam mit seinen Feinden um und hat deshalb kein Recht, an Gott eine solche Frage zu richten (vgl. Röm 2315 Das Wort μεσουράνημα [mesuranema] kommt im NT nur in der Offenbarung vor (8,13; 14,6; 19,17). 2316 Hadorn S. 192; Bengel S. 933; Behm S. 101; Holtz NTD S. 216; Zahn S. 589. 2317 Vgl. A. Stiglmair, Art. עוף, ThWAT, V, 1986, Sp. 1179ff. 2318 Hadorn a.a.O. 2319 S. 191. 2320 Vgl. Maier Hes II S. 236ff; Roloff S. 187. 2321 Der Begriff „Mahl Gottes“ verbindet Gott den Vater und Gott den Sohn wieder aufs Engste, Satake KEK S. 382. 2322 Vgl. Roloff S. 186f; Swete S. 255; Auberlen S. 327; Caird S. 247; Lilje S. 223, wonach vielleicht auch Mt 24,28 par auf Offb 19,17 „eingewirkt“ hat; Bengel S. 933. 2323 Hartenstein a.a.O. deutet sie richtig als „Gerichtsboten“, Frey jedoch auf „Völker“ (S. 203). Vgl. auch Römer S. 196.
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2,1). Der Mensch hält sich dabei nicht einmal an das Recht, sondern trifft ununterbrochen Unschuldige, Kinder, Teile der Schöpfung, ja im Selbstmord sich selbst. Gott aber bleibt nach Offb 15,3; 19,2 vollkommen gerecht und wahrhaftig. Er hatte auch mit den schlimmsten Feinden eine unglaubliche Geduld über Jahrtausende hin (vgl. Röm 2,4; 2Petr 3,9; Offb 6,10). Sein Gericht trifft jetzt am Ende der Zeiten diejenigen, die das Blut des Volkes Gottes vergossen, ja sich daran berauscht haben (Offb 13,10.15; 17,6; 18,24; 19,2). Seine Feinde haben jede Chance zur Umkehr abgelehnt (Offb 16,9.11.21; 18,5). Nur das, was ihre Taten wert sind, empfangen sie jetzt im Gericht. Wäre es nach ihnen gegangen, hätten sie den lebendigen Gott vernichtet. Nun haben sie selbst ihr Lebensrecht verwirkt. All dies können wir nur aussprechen, wenn wir selbst zu Buße und Umkehr bereit sind. V. 18 sagt, wozu sich die Vögel unter dem Himmel versammeln sollen: damit ihr Fleisch von Königen … und Fleisch von allen Freien und Sklaven und Kleinen und Großen fresst! Diese Versammlung bildet demnach das völlige Gegenteil der Versammlung der antichristlichen Könige von Offb 16,14-16. Deren antichristliche Koalition unter Führung der satanischen Trinität wollte ja den „Kampf am großen Tag Gottes“ führen. Wie es ihr ergeht, erfahren wir jetzt. Offb 19,17f nimmt also Offb 16,14ff wieder auf. Dabei bestimmt Gott jede Sekunde des Geschehens. Das Bild vom Fleisch fressen (griech.: φαγεῖν σάρκας [phagein sarkas], eigentlich „Fleischstücke fressen“2324) passt zu den Vögeln, die ja in der Regel die Knochen übrig lassen. Die Formulierung bleibt zurückhaltend. Es ist nicht die Rede vom Fressen „des“ Fleisches „der“ Könige usw.2325, sondern unbestimmterweise davon, dass sie Fleisch von Königen usw. (alles ohne Artikel!) fressen sollen. Vermutlich liegt darin eine Andeutung, dass die Einzelschicksale verschieden sein können. Das entspräche jedenfalls der vollkommenen Gerechtigkeit Gottes (vgl. Lk 12,47f). Die Aufzählung beginnt mit den Königen, die sich den Einflüsterungen der satanischen Trinität hingegeben haben (Offb 16,14ff) und als Führer die größte Verantwortung tragen. Die weitere Aufzählung Befehlshaber (χιλίαρχοι [chiliarchoi], „Führer von Tausend“, römisch der tribunus militum = Befehlshaber einer Kohorte) – Starke (ἰσχυροί [ischyroi]) – Pferde – Reiter – Freie – Sklaven – Kleine – Große erinnert an Offb 6,15. Vgl. die Einzelerklärung dort. Neu gegenüber Offb 6,15 sind jetzt nur: 1) die Pferde, die das Gegenbild 2324 Vgl. Bauer-Aland Sp. 1487; Swete S. 256. 2325 Gegen die Lutherbibel.
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der himmlischen Pferde von Offb 19,11-14 darstellen und hier eine Schicksalsgemeinschaft mit den Menschen bilden; 2) die Reiter, auch sie ein Gegenbild zu Offb 19,11-14, aber zugleich wie die eben erwähnten Pferde schon in Ez 39,20 aufgelistet; 3) die Kleinen und Großen als Ausdruck der Gesamtheit aller, die sich dem Heer des Tieres und der Könige angeschlossen haben. Das Begriffspaar Kleine und Große bezeichnet in der Bibel ja häufig eine Gesamtheit von Menschen (vgl. Apg 8,10; 26,22; Hebr 8,11 nach Jer 31,34; Offb 11,18; 13,16; 19,5; 20,12). Die Aufzählung all der verschiedenen Gruppen im Zusammenhang mit ihrer Verurteilung ist wohl auch ein Hinweis darauf, das sich jeder Mensch für seine Entscheidungen Gott gegenüber verantworten muss.2326 Das Modell bleibt auch hier Ez 39 (vgl. 39,18).2327 Mit V. 19 nähert sich rasch das Ende des Antichrist. Der Seher konzentriert sich jetzt ganz auf bestimmte Ausschnitte aus dem grandiosen Geschehen. In V. 19 steht schon zum dritten Mal in dem kleinen Abschnitt ein Καὶ εἶδον [Kai eidon] = Und ich sah. Er erwähnt hier dreierlei: das Tier (τὸ θηρίον [to therion]) – und die Könige der Erde – und ihre2328 Heere (τὰ στρατεύματα αὐτῶν [ta strateumata auton]). Der Artikel vor dem Tier macht klar, dass wir es mit dem uns seit 11,7 und 13,1ff bekannten Tier zu tun haben, nämlich mit dem Antichrist. Wir können noch mehr sagen: Es ist nicht nur ein Staat oder System gemeint, sondern, wie der Kontext zeigt, der persönliche Antichrist von 13,18. Die Könige der Erde (οἱ βασιλεῖς τῆς γῆς [hoi basileis tes ges]) sind dieselben wie in Offb 16,14 (statt τῆς γῆς [tes ges] heißt es dort τῆς οἰκουμένης ὅλης [tes oikumenes holes]); 17,2.18; 18,3.9.2329 Von ihren Heeren war bisher explizit nicht die Rede, aber in 16,14ff wurden sie vorausgesetzt (εἰς τὸν πόλεμον [eis ton polemon]). Das Wort versammelt/versammeln (συνηγμένα, συναγαγεῖν [synengmena, synagagein]) war ebenfalls typisch für Offb 16,14.16. Christus musste sein Gefolge nicht „versammeln“. Es folgte ihm wie selbstverständlich (V. 14). Aber das Tier = der Antichrist ist ein Meister im Schmieden von Koalitionen, ein Meister im „Vernetzen“ (16,13ff; 17,9ff; 17,12ff; 19,19ff), und setzt sich unter vielerlei Rivalitäten immer wieder an die Spitze (Dan 7,8.20.24; Offb 13,3.14; 16,13ff; 17,12ff). Die Ausdrucksweise in Offb 19,19 ist so, dass sie tatsächlich an 16,14ff anknüpft.2330 Kiddle stellte Offb 2326 Swete S. 256: Der eschatologische Krieg „draws its recruits from every class“. 2327 Aune S. 1064; Zahn a.a.O. 2328 Manche, z.B. Charles II S. 138, wollen lieber mit A ein αὐτοῦ [autu] statt αὐτῶν [auton] lesen. Die Frage nach der Ursprünglichkeit muss offenbleiben. 2329 Vgl. Charles a.a.O.; Lohmeyer 3 S. 160. 2330 Charles a.a.O.; Hadorn S. 192; Roloff S. 187; Swete S. 256; Aune S. 1064.
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19,17-21 sogar unter die Überschrift „Harmagedon“2331, was aber ein Schritt zu viel ist, wie wir später noch sehen werden. Eindeutig ist jedoch die Absicht des Tieres in 19,19 dieselbe wie in 16,14 und 17,14, nämlich Krieg zu führen (ποιῆσαι τὸν πόλεμον [poiesai ton polemon]) mit Christus und seinem Heer, das heißt seinen Engeln.2332 Ununterbrochen erleben wir also das Tier beim Krieg führen, schon in 11,7 (ποιήσει πόλεμον [poiesei polemon]), dann in 13,7 (ποιῆσαι πόλεμον [poiesai polemon]), 16,14 (εἰς τὸ πόλεμον [eis to polemon]), 17,14 (πολεμήσουσιν [polemesusin]), jetzt in 19,19 (ποιῆσαι τὸν πόλεμον [poiesai ton polemon]). Nichts demonstriert deutlicher, dass es dem Tier um die Macht geht. Für die Lösung der Schuldfrage hat es nichts anzubieten. Hier kommt zugleich der ganze Wahnsinn zum Vorschein, der darin liegt, mit Gott und seinem Christus kämpfen zu wollen. Bleiben wir noch einen Augenblick bei V. 19. Wie ist die Situation? Swete fasst sie kurz zusammen: „Babylon ist nicht mehr, aber das Tier überlebt.“ Er sieht das Tier über den Ruinen von Babylon seine neue Macht sammeln.2333 Damit hat er die Situation treffend beschrieben. Um die Vorgänge richtig zu deuten, lohnt sich ein weiterer Blick auf das AT. „Die Könige der Erde lehnen sich auf … wider den HERRN und seinen Gesalbten“, lesen wir in Ps 2,2. Diese Aussage erfüllt sich jetzt mit Offb 19,19ff im endzeitlichen Sinne.2334 Erneut ist auch an die Kap. 38 und 39 bei Hesekiel zu erinnern, in denen ein endzeitlicher Gegner das Gottesvolk mit seinem „ganzen Heer, Rosse und Reiter, alle voll gerüstet“, angreift (Ez 38,4). Die endgültige Erfüllung dieser Kap. ereignet sich zwar erst in Offb 20,7ff, aber schon in Offb 19,19ff begegnen wir einer Teilerfüllung. Die Ausleger diskutieren schließlich die Frage: Wo findet das Geschehen von Offb 19,19ff statt? Kiddle antwortet: Bei Harmagedon, aber dieser Name sei nicht geografisch zu verstehen, sondern „symbolisch“ („symbolically“).2335 Jedenfalls sei es nicht mehr auf den Bergen Israels wie bei Hesekiel und auch nicht mehr in der Nachbarschaft Jerusalems wie bei Sacharja.2336 In letzterem Punkt trifft er sich mit Schlatter, der seinerseits betont: „Der Christus kommt nicht nach Jerusalem; die Gemeinde wird nicht dort versammelt und nicht dort stehen die Toten auf.“2337 Charles wiederum sieht Christus mit seinem Gefolge „sweeping downward from hea2331 2332 2333 2334 2335 2336 2337
Kiddle S. 387. Anders Kiddle S. 388: Heer = Märtyrer. Swete S. 256; ähnlich U.B. Müller S. 325. Vgl. Swete a.a.O. Kiddle a.a.O. Kiddle a.a.O. Schlatter BFchTh S. 139. Ebenso Hadorn S. 193.
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ven and onward against … the Beast“2338. Bei einem solchen „Herabschweben vom Himmel“ ergibt es wenig Sinn, nach einer irdischen, eng begrenzten Lokalität Ausschau zu halten. Geht man vom Text in Offb 19,11-21 aus, dann wird dort in der Tat kein irdischer Ort genannt.2339 Alles spielt sich zwischen dem geöffneten Himmel von V. 11 und dem Feuersee von V. 20 ab. Wir sollten deshalb auch nicht nach einem irdischen Ort suchen. Insofern ist Kiddles Überschrift „Harmagedon“2340 nicht angemessen. Das Geschehen lässt sich mit unseren kleinen menschlichen Vorstellungen einfach nicht so erfassen, wie es den göttlichen Dimensionen entspricht. Die beste Orientierung gibt uns Jesus selbst in Mt 24,26-31: nicht in der Wüste, nicht in einem Haus, sondern weltumspannend und vom Himmel her wird seine Wiederkunft sein. Man erwartet, dass nach dem Aufmarsch von V. 19 nun in V. 20 eine Schlacht geschildert wird. Das ist aber nicht der Fall. Es wird in Offb 19,1121 überhaupt keine Schlacht und schon gar kein Krieg geschildert. Insofern hat Hadorn völlig recht, wenn er schreibt: „… die Bezeichnung ‚Messiasschlacht‘ ist höchst unangebracht.“2341 Wenn der sonst so nüchterne Swete hier „the imagery of the battlefield“ erblicken will und das Tier auf der Flucht nach verlorener Schlacht ergriffen sieht2342, dann hat er damit seiner Fantasie nachgegeben. In Wirklichkeit beginnt der 20. Vers mit den einfachen Worten: Und das Tier wurde gefangen (καὶ ἐπιάσθη τὸ θηρίον [kai epiasthe to therion]). πιάζειν [piazein] heißt bei Menschen in der Regel „ergreifen“, „gefangen nehmen“, „verhaften“, bei Tieren „fangen“, so z.B. beim Fischfang (Joh 21,3.10). Weil der Antichrist immer noch unter dem Bild eines Tieres dargestellt wird, wird er folglich gefangen. Übrigens gehört πιάζειν [piazein] zu den bevorzugten Wörtern des Johannesevangeliums.2343 Giesen betrachtet das Passiv er wurde gefangen als Passivum divinum im Sinne von „Gott hat gefangen“.2344 Hier ist jedoch Zurückhaltung angebracht. Denn in der Bibel sind es Gottes Engel, die mit den bösen Mächten ringen oder sie gefangen setzen, nicht aber Gott selbst, der sich nicht auf diese Ebene begibt (vgl. Dan 10,13; 10,20f; Sach 3,1ff; Jud 9; Offb 12,7ff; 20,1ff). Die frühen jüdischen Lehrer 2338 Charles II S. 137. 2339 Manche Ausleger meinen aufgrund von Sach 14,4 aber doch, dass sich die Wiederkunft Jesu in oder bei Jerusalem ereigne, so P. Müller S. 59. 2340 Kiddle S. 387. 2341 Hadorn a.a.O. Gegen Kraft S. 245ff; Weiß-Heitmüller S. 306. Vgl. Auberlen S. 327; Grünzweig II S. 200. 2342 Swete S. 257. J.M. Hahn rechnete sogar mit einem „Gemetzel“ (S. 598ff). 2343 Dort achtmal, dazu einmal in der Johannesoffenbarung. Im übrigen NT nur dreimal. Vgl. Hadorn a.a.O.; Charles II S. 139; Bousset 1896 S. 497. 2344 Giesen S. 417f; ebenso Lohmeyer a.a.O.
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teilten diesen Standpunkt der Bibel (ä Hen 10,4ff; 1 QS IV, 11f). Wir nehmen also an, dass es die Engel im Gefolge Jesu Christi sind (vgl. V. 14), die die Gefangennahme des Tieres vollziehen.2345 Und mit ihm der falsche Prophet, der die Zeichen vor ihm getan hatte, mit denen er diejenigen verführte, die das Zeichen des Tieres angenommen hatten und sein Bild anbeten: Der falsche Prophet (ψευδοπροφήτης [pseudoprophetes]) ist das zweite Tier von Offb 13,11ff. Es heißt jetzt schon zum zweiten Mal ψευδοπροφήτης [pseudoprophetes] (vgl. 16,13; auch 20,10). Charakterisiert wird es wie in 13,13 durch seine Zeichen und wie in 13,14 durch seine Verführungsmacht. Erneut finden wir auch den Hinweis, dass seine Taten vor ihm = vor dem ersten Tier geschahen, also mit dessen Wissen, Billigung und sogar Auftrag. Nur diejenigen aber konnte es verführen, die sich entschieden, das Zeichen des Tieres (τὸ χάραγμα τοῦ θηρίου [to charangma tu theriu]) anzunehmen (vgl. 13,16; 14,9.11; 16,2). Die wahren, mit Jesus verbundenen Christen konnte es nicht verführen (vgl. Joh 10,28). Die Verführung durch den Falschpropheten erreichte dort ihr Ziel, wo man das Bild des ersten Tieres anbetete (13,14ff). Die Formulierung in V. 20: die sein Bild anbeten (προσκυνεῖν [proskynein] im Präsens!) deutet darauf hin, dass sich dieser antigöttliche Kult bis zum Augenblick der Ergreifung der beiden Tiere fortsetzt. So eng die beiden Tiere während ihrer irdischen Wirksamkeit (Kap. 13–17) miteinander verbunden waren, so eng verbunden bleiben sie auch durch ihre Strafe: Lebendig wurden die beiden in den Feuersee geworfen, der mit Schwefel brennt. Was ist der Feuersee, griech. λίμνη τοῦ πυρός [limne tu pyros]? Hemer schrieb, dieser Ausdruck scheine „ohne Parallele im AT und den Apokalyptikern“ zu sein.2346 Als am ehesten vergleichbare Stelle nannte er ä Hen 10,13.2347 Dort ist die Rede von einem „Abgrund des Feuers“, und zwar als Strafort für die führenden abgefallenen Engel von Gen 6,1ff. Geht man dieser Spur nach, trifft man auf eine stattliche Anzahl von ähnlichen Aussagen, zunächst im äthiopischen Henochbuch selbst (10,6; 18,11; 21,1ff; 46,4ff; 90,24ff; 91,9; 100,9), dann aber auch in Qumran und in anderer frühjüdischer Literatur (vgl. 1QS 2,8; 4,13; 1QH 6,18; 8,20; 17,13; 1QM 11,10f; 14,1; 1QpHab 10,5.13; 4Esr 7,36.38).2348 Friedrich Lang meinte sogar, dass im 2345 2346 2347 2348
Ebenso J.M. Hahn S. 599. Hemer S. 260, 52; übernommen von Satake KEK S. 382. A.a.O. Vgl. S. Uhlig, Das Äthiopische Henochbuch, JSHRZ, V, 6, 1984, S. 549; F. Lang, Art. πῦρ usw., ThWNT, VI, 1959, S. 937ff.
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griechischen Text von ä Hen 90,25 ein λίμνη [limne] anzunehmen sei.2349 Nahe an Offb 19,20 stehen ferner die Aussagen in 1QpHab 10,5.13, wonach der dort erwähnte Lügenprophet samt Anhang in „Feuergerichte“ übergeben wird, die als „Schwefelfeuer“ erläutert werden. Alles in allem kann man wohl sagen, dass der Feuersee von Offb 19,20 zumindest für judenchristliche Leser gut verständlich war. Da der Einfluss des Judenchristentums in Kleinasien insgesamt beträchtlich war, kann man sogar mit Swete sagen, dass ein Verständnis dieses Ausdrucks ganz allgemein in den kleinasiatischen Gemeinden vorausgesetzt werden kann. Darauf weist der Artikel vor λίμνη [limne] (in den Feuersee) hin.2350 Die hinzugefügten Worte der mit Schwefel brennt (τῆς καιομένης ἐν θείῳ [tes kaiomenes en theio]) zeigen entweder an, dass das Feuer mit Schwefel verbunden ist2351 oder dass das Feuer mithilfe des Schwefels brennt.2352 Jedenfalls bildet der Untergang von Sodom und Gomorra in Gen 19,24ff das Modell für die Strafe der beiden Tiere.2353 Aber auch Babylon ging im Feuer unter (Kap. 18).2354 Außerdem werden Feuer und Schwefel als Gericht für Gog und Magog (Ez 38,22) und für alle Gottlosen bestimmt (Ps 11,6; Jes 30,33; 34,9; Offb 14,10; 21,8). Ebenso ist die Übereinstimmung mit Dan 7,11 gegeben.2355 Grammatisch freilich ist die Anknüpfung τῆς καιομένης [tes kaiomenes] (der brennt) an τὴν λίμνην [ten limnen] irregulär.2356 Die Mehrheit der Handschriften verbessert denn auch in τὴν καιομένην [ten kaiomenen].2357 Sachlich entspricht der Feuersee dem „höllischen Feuer“, der γέεννα τοῦ πυρός [geenna tu pyros], in den Evangelien (Mt 5,22; 18,9; Mk 9,43.47f).2358 Diese wiederum geht auf Jes 66,24 zurück. Wie der innerbiblische Vergleich lehrt, ist also die Strafe und Verdammnis im Feuersee eine ewige Strafe (Jes 66,24; Dan 12,2; Mk 9,43ff). Die Aussage sie wurden geworfen (ἐβλήθησαν [eblethesan]) bezieht sich wie das vorausgehende Passiv „es wurde gefangen“ auf das Handeln der Ge-
2349 2350 2351 2352 2353 2354 2355 2356 2357 2358
Lang a.a.O. S. 938, 51. Swete S. 258. Lang a.a.O. S. 946: „schwefliger Feuersee“. Vgl. Bauer-Aland Sp. 525ff; so Zahn S. 589; Schlatter S. 315. Ritt S. 99: „See von brennendem Schwefel“. Swete a.a.O.; Lang a.a.O. Swete a.a.O. Swete a.a.O.; Hadorn S. 193; Lohmeyer a.a.O. Swete a.a.O. Charles II S. 139: „a slip“; Lohmeyer a.a.O.: Schreibfehler oder „Zusammenfassung“ von λίμνη [limne] und πυρός [pyros]; vgl. Bousset a.a.O. Blass-Debrunner §§ 249,2; 423,10 erwägt, ob τῆς [tes] ein αὐτῆς [autes] vertritt. Lang a.a.O.; Lohmeyer a.a.O.; schon Irenäus Adv. haer. V, 35,2.
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richtsengel, das im Namen des dreieinigen Gottes erfolgt.2359 Dass man die beiden lebendig (ζῶντες [zontes]) in den Feuersee warf, erinnert einerseits an die Rotte Korach (Num 16,30ff)2360 und Ps 55,16, andererseits ist es ein Ausdruck besonders schimpflicher Strafe.2361 Denn ein Begräbnis gibt es in diesem Falle nicht. Klar ist, dass der Antichrist und der Falschprophet hier als Personen verstanden werden.2362 So erfüllt sich also Offb 14,10, aber auch Mt 25,41 und schließlich Offb 17,14. Zu betonen sind noch zwei Einzelpunkte: 1) Es handelt sich um eine ewige Strafe, wie Jesus selbst in Mt 25,41 sagt2363; 2) Offb 19,20 steht sowohl mit dem AT (Ps 11,6; Jes 30,33; 34,9; Ez 38,22; Dan 7,11.26)2364 als auch mit dem übrigen NT (Joh 15,6; 2Thess 2,8; 1Kor 15,24f)2365 in Übereinstimmung. Offb 19,11ff ist also keine isolierte Botschaft. Etwas freilich bleibt verwunderlich: dass der Untergang des Antichrist und des Falschpropheten mit so wenigen Worten berichtet wird. Wie viele Details möchte unsere Neugierde wissen! Wie viel wird in der Christenheit vom Antichrist gesprochen! Aber die Kürze der Worte in Offb 19,17ff macht klar: Für Gott ist der Antichrist kein Problem. Zu seiner Stunde wird er dem Antichrist in einem Nu, mit einem Hauch ein Ende machen. Doch was wird mit den Übrigen, nämlich den Königen der Erde und ihren Heeren (V. 19)? Darauf antwortet der 21. Vers: Und die Übrigen wurden mit dem Schwert dessen getötet, der auf dem Pferd saß, das aus seinem Munde ging. Wer die Heere von V. 19 auf die „gesamte noch übrige Menschheit“ deutet2366, der muss jetzt in V. 21 mit dem Untergang der ganzen Menschheit rechnen. Es würde also niemand überleben. Doch widerstreitet eine solche Auffassung den folgenden Aussagen in 20,3.4.6, wonach es im Tausendjährigen Reich durchaus noch eine Menschheit gibt. Dann aber muss man die Übrigen auf die antichristlichen Heere von V. 19 im strengen Sinne deuten, also – um es mit Bousset zu formulieren – auf „alle Tieranbeter, die mitgekämpft haben“2367, das heißt, die an der Versammlung von Offb 16,14; 17,14; 19,19 2359 Giesen S. 417f: Passivum divinum; ebenso Lohmeyer a.a.O. Aune S. 1065: Christus der Werfende. 2360 Swete a.a.O. 2361 Swete a.a.O.; Hadorn S. 192f; Aune S. 1067f. 2362 Bengel S. 934f. 2363 Swete a.a.O.; Brighton S. 509; Roloff S. 187; Lang a.a.O.; Satake KEK S. 383; Behm S. 101. 2364 Schlatter BFchTh S. 99; Roloff a.a.O.; Berger S. 578. 2365 Vgl. Hadorn a.a.O.; Jörg Frey bei Hengel S. 384, 356. 2366 So Lohmeyer a.a.O. 2367 Bousset a.a.O. Ebenso Bengel S. 936; Aune S. 1067; Römer S. 200; Lawton S. 122.
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teilgenommen haben und gegen Christus kämpfen wollten. Die andern, die sich an diesem Heereszug – ob real oder geistlich – nicht beteiligt haben, werden auch von dem Gericht in Offb 19,21 nicht getroffen. Was mit diesen zuletzt Erwähnten im Einzelnen geschieht, sagt uns Johannes nicht. Die Könige der Erde und ihre Heere wurden mit dem Schwert dessen getötet, der auf dem Pferd saß, nämlich auf dem weißen Pferd von V. 11. Das Schwert deuteten wir oben (vgl. V. 15) auf das Wort (das aus seinem Munde ging). Hier hat Lohmeyer recht: „… das Schwert des Logos (= des Wortes) vollbringt alles allein.“2368 Auch jetzt müssen die Engel im Heer des Christus nicht kämpfen. Es gibt auch hier keine Schlacht. Es gibt nur das souveräne, göttliche Gerichtswort. Der Tod – der ja noch nicht gerichtet ist (vgl. 20,14) – hält eine solche Ernte, dass alle Vögel von ihrem Fleisch satt wurden, das heißt vom Fleisch der Könige und ihrer Heere. An dieser Stelle ist es noch einmal wichtig, sich an die geistliche Dimension dieser Aussagen zu erinnern. So real der Tod der Christusbekämpfer ist, so wenig müssen hier die Vögel in einem äußeren Sinn herbeifliegen (vgl. die Erklärung oben bei V. 17-18).2369 Erfüllt sind jedoch die Prophetien von Ps 2,9; Jes 11,4 und Ez 39,17ff.2370 Christus ist jetzt der Messias, der mit eisernem Zepter regiert (Ps 2,9; Jes 11,4; Offb 19,15) und die „Kelter des Zornes Gottes tritt“ (Offb 19,15), das heißt das Gericht Gottes durchführt. Man vergleiche Joh 5,22f; 1Kor 15,23ff; Mt 21,42ff; 22,41ff. Was die Bewertung des Todes der Könige und ihrer Heere betrifft, so ist eine gewisse Zurückhaltung geboten. Ihre Strafe ist jedenfalls milder als diejenige für die beiden Tiere, denn sie kommen noch nicht in das ewige Gericht voller Pein. Die Ausleger weisen häufig darauf hin, dass sie nur die vom Antichrist „Verführten“ seien.2371 Als Getötete kommen sie in die Totenwelt, hebr. Scheol, griech. Hades (vgl. Offb 6,8; 20,13.14; Ez 32,18ff). Von dort werden sie auferstehen, im Jüngsten Gericht Rechenschaft ablegen und das gerechte Urteil Gottes empfangen, das durchaus nicht für alle dasselbe sein muss (Off 20,12ff; Lk 12,47f).2372 Aus der satanischen Trinität ist jetzt nur noch der Satan, der große Drache, übrig. Aber: „Jetzt rückt für den Satan selbst das Gericht heran.“2373 2368 2369 2370 2371
Lohmeyer a.a.O.; vgl. Roloff S. 187. Vgl. Swete S. 259; U.B. Müller S. 330; Frey S. 204. Vgl. Lohmeyer 3 S. 161; Zahn S. 589. Behm S. 101; Hadorn S. 193; Swete S. 259; Charles II S. 140; Schlatter S. 315; Auberlen S. 327; Hartenstein S. 233. 2372 Vgl. Grünzweig II S. 201. 2373 Behm a.a.O. Vgl. Roloff S. 187.
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IV Zusammenfassung 1. Offb 19,11-21 hat die Wiederkunft Jesu zum Inhalt. Das muss angesichts abweichender Meinungen in der Kirchengeschichte (z.B. Coccejus, Hengstenberg) und in der Gegenwart (z.B. Holtz2374) betont werden.2375 2. Sie beendet die Epoche des antichristlichen Reiches (vgl. Kap. 13–18) und vollzieht eine ewige Strafe am Antichrist und am Falschpropheten, also am ersten und zweiten Tier von Offb 13. 3. Eine Schlacht ist dafür nicht nötig und wird auch nicht beschrieben.2376 Es genügt das Wort aus dem Munde Jesu Christi, um alle Feinde zu überwinden und sie dem Gericht auszuliefern. Auch wird hier kein Ort genannt, weder für die Ankunft Jesu Christi noch für die letzte Auseinandersetzung mit dem Antichrist.2377 Mt 24,26-31, die beste Erklärung von Offb 19,11-21, macht jedoch deutlich, dass die Wiederkunft Jesu sich für alle Menschen sichtbar ereignet und eine globale Begegnung mit der ganzen Erde und Menschheit, und nicht nur an einem bestimmten Ort, sein wird. 4. Die Wiederkunft Jesu ist ein künftiges Ereignis. Bei seiner Besprechung des Inde venturus im Apostolicum hat Karl Barth mit Recht gerade dieses Eine unterstrichen: Es geht um „ein Futurum“, und: „… die Kirche … hat … eine Zukunft.“2378 Demzufolge kann sich Offb 19,11f mit dem Antichrist und dem Falschpropheten unmöglich auf das Rom und die Priesterschaft des Kaiserkultes des 1. Jh. n.Chr. beziehen, wie es immer noch beliebte Deutung ist.2379 Ausleger wie Lohmeyer und Roloff wehren sich mit Recht gegen eine solche zeitgeschichtliche Deutung.2380 5. Offb 19,11-21 ist eng verknüpft mit dem AT, das gewissermaßen die „Modelle“ liefert. Das gilt besonders für Ps 22381 und Jes 11 einerseits und Ez 32; 38–39 andererseits, aber auch z.B. für Dan 7,11. Ein Rückgriff 2382 auf 2374 Holtz NTD S. 126: Die Vision Offb 19,11-21 „als Bild der Parusie zu bezeichnen, ist zumindest mißverständlich“. 2375 Römer S. 200f deutet auf eine nicht sichtbare Wiederkunft. 2376 Nicht einmal „in barest outline“ (gegen Kiddle S. 389). Roloff S. 186f; Hadorn S. 191f; Lohmeyer 3 S. 160; Ritt S. 98. 2377 Schlatter BFchTh S. 139; Hadorn S. 193. 2378 Im Credo, München, 1935, S. 104. 2379 So bei U.B. Müller S. 325ff; Charles II S. 133ff; Hadorn S. 193; Swete S. 256ff; Giesen S. 417ff; Ritt S. 98. Dort taucht dann auch der Nero redivivus wieder auf: z.B. U.B. Müller S. 331; Charles II S. 138. 2380 Lohmeyer a.a.O.; Roloff a.a.O. Freilich übertreibt Lohmeyer, wenn er schreibt: „Hölle und Erde stehen im Kampfe gegen den Himmel.“ Denn nach Offb 12,16 hilft die Erde der Gemeinde Jesu. Vgl. auch Hadorn S. 193. 2381 Vgl. Schlatter BFchTh S. 40. 2382 So bei Lohmeyer 3 S. 157.160; Charles II S. 139.
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Parallelen der persischen Religionsgeschichte wie Ahriman oder Ahura Mazdah ist deshalb weder naheliegend noch nötig. Die einheitliche Prägung von Offb 19,11-21 von der Sprache und vom alttestamentlichen Hintergrund her machen es ferner unmöglich, wie besonders Bousset betont2383, innerhalb des Abschnitts Offb 19,11-21 Quellen herauszufiltern oder auszuscheiden. 6. Eng ist auch die Verbindung zwischen Offb 19,11ff und anderen Wiederkunftsaussagen im NT. Paul Metzger hat dies bezüglich des 2. Thessalonicherbriefes sorgfältig herausgearbeitet.2384 Wir selber hatten immer wieder Grund, Mt 24 für die Auslegung von Offb 19,11-21 heranzuziehen. Der Kürze halber sei hier auf den anschließenden Exkurs verwiesen. 7. Im Mittelpunkt von Offb 19,11-21 steht der Wiederkommende, Jesus Christus selbst. Seine Beschreibung nimmt hier mehr Platz ein als das Gericht über den Antichrist. Es ist ja erstaunlich, dass dessen Untergang, der Untergang also des bisher größten Weltherrschers, so unglaublich knapp geschildert wird. Aber gerade dieser Umstand dient dazu, die Aufmerksamkeit auf Jesus Christus zu fokussieren. Insofern bewahrheitet es sich erneut, dass die Offenbarung in erster Linie ein Jesusbuch ist. Dabei steht bei der Schilderung Jesu nicht „der gewaltige Kriegsheld“ im Vordergrund, wie Bousset und andere meinten2385 – sein Schwert ist ja sein Wort. Vielmehr ist wichtig, dass er der prophezeite Messias ist (Ps 2!) und im Gehorsam dem Vater gegenüber das Gericht über die gottfeindlichen Mächte durchführt (Ps 2,9ff; Jes 11,3ff; Joh 5,22ff; 1Kor 15,21ff). Wenn Weiß-Heitmüller einst über den Verfasser von Offb 19,11-21 schrieben: „Sein Herz schrie nach Rache“2386, und selbst Bousset Offb 19,11-21 unter die „Rachescenen“ rechnete, dann werden entscheidende Inhalte dieses Abschnitts überhört. Nicht um Rache für Märtyrer geht es – die Märtyrer tauchen im ganzen Abschnitt Offb 19,11-21 nicht ein einziges Mal auf! –, sondern um die höchste Gerechtigkeit Gottes und das Ende des Bösen, das die Menschheit seit ihren ersten Tagen ersehnt hat. Bernhard Meuser hat eine Seite dieser Wahrheit besser erfasst, wenn er Christen tadelt, die ihr Christentum in fließendem Übergang in Johann Sebastian Bach, Ethik, Psychologie oder buddhistisch getönter Esoterik aufgehen lassen, und dann anmerkt: „… da steht Christus nicht mehr groß, fremd und fordernd vor uns, wie es sein muss.“2387 Schließlich ist die Meinung von H. Kraft zurückzuweisen, wonach das Lamm „zu unserer Szene (= Offb 19,11-21) gar keine Bezie2383 2384 2385 2386 2387
Bousset 1896 S. 498. In Apokalyptik S. 145ff. Bousset 1896 S. 499; Brighton S. 507. Weiß-Heitmüller S. 307. Nach idea Spektrum, 29/30/2009 vom 15. Juli 2009, S. 3.
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hung“ habe.2388 Diese Ansicht geht schon deshalb fehl, weil das Lamm in 17,14 denselben Namen trägt wie der Wiederkommende in 19,16.2389 Zudem ist für den Antichrist der Kampf gegen den Wiederkommenden zugleich ein Kampf gegen das Lamm (vgl. 19,19 mit 17,14). 8. Wenn etwas erstaunlich bleibt an Offb 19,11-21, dann dies, dass der Wiederkunft nur ein relativ kurzer Abschnitt gewidmet wird.2390 Welches Gemälde wäre entstanden, wenn hier die Fantasie die Feder geführt hätte! Schon deshalb ist es abwegig, wenn Weiß-Heitmüller Offb 19,11-21 als „Phantasie jüdischen Ursprungs“ bezeichneten.2391 Nicht die Fantasie, sondern das tatsächlich Geschaute bestimmt Offb 19,11ff. 9. Für das heutige Verständnis ist es nicht uninteressant, auf die Warnungen zu hören, die manche Exegeten schon vor Jahrzehnten im Zusammenhang mit Offb 19,11-21 ausgesprochen haben. Wir nennen zwei Beispiele. Zuerst Swete. Er fand es nicht unmöglich, sich vorzustellen, „dass eine Zeit kommen könnte, in der der Geist des Antichrist innerhalb der Christenheit (Christendom) mit Unterstützung des Staates sich endgültig gegen diejenigen Christen (Christianity) stellt, die loyal zur Person und Lehre Christi stehen“2392. Als zweites Beispiel nennen wir Hadorn. Er warnt vor der Annahme, „daß es auf dem Wege des Evolutionismus durch einen fortschreitenden Aufstieg des Menschengeschlechtes zu einer höheren sittlichen und religiösen Stufe“ kommen würde.2393 10. In all den harten, schweren Bildern und in all den Mahnungen, die mit Recht an uns Christen gerichtet werden, darf ein wesentliches Moment nicht untergehen: Das ist die Freude über das zweite Kommen Jesu und über die universale Erlösung vom Bösen, die damit verbunden ist. Das Wort Jesu in Lk 21,28 sollte auch hier der Leitstern sein: „Seht auf und erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht.“ Exkurs: Die Wiederkunft Jesu Die Wiederkunft Jesu gehört ohne Zweifel zu den wichtigen Themen des Neuen Testaments. In der heutigen Zeit begegnet sie uns zuerst als ein umstrittenes Thema. Im 20. Jh. hatte vor allem die existenziale Interpretation der Bibel die größten Schwierigkeiten mit ihr. In seinem berühmten Alpirsbacher Vortrag „Neues 2388 2389 2390 2391 2392 2393
Kraft S. 246. So auch Swete S. 255. Morris S. 232: nur „a small section“. Weiß-Heitmüller a.a.O. Swete S. 257. Hadorn a.a.O., wohl auch gegen Lessing gerichtet.
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Testament und Mythologie“ (1941) formulierte Rudolf Bultmann die maßgebliche Sicht vieler existenzialer Interpreten: „Erledigt ist die Erwartung des mit den Wolken des Himmels kommenden ‚Menschensohnes‘.“2394 Bei Wolfgang Trillhaas (1962) wurde die überlieferte Eschatologie, insofern sie kosmologische Eschatologie ist, der „Fiktion einer überschaubaren Heilsgeschichte“ zugerechnet und damit auch die universale Wiederkunft Jesu praktisch ausgeschieden.2395 In Heinrich Otts „Die Antwort des Glaubens“2396 (1972) sucht man vergebens nach einer wirklichen Erörterung der Wiederkunft Jesu. Es war geradezu tapfer, dass der Evangelische Erwachsenenkatechismus (ausgearbeitet 1974, in 4. Aufl. 1982) die Wiederkunft Jesu in traditionell christlicher Weise erwähnte: „Jesus Christus … wird am Ende dieser Zeit und Welt so kommen, dass alle ihn erkennen. Er wird die Welt richten …“2397. Inmitten aller kritischen Operationen und „Reinigungs“-Versuche hielt auch Karl Barth „an einem zweiten und letzten umfassenden Ostertag … des Herrn“ fest.2398 Exegetisch ist die Ankündigung von einem zweiten Kommen Jesu in Macht und Herrlichkeit in den Worten Jesu selbst verankert. Dabei zeichnen sich drei Schwerpunkte in der Verkündigung Jesu ab: 1) Seine Aussage im Prozess, dass er „auf (mit) den Wolken des Himmels kommen“ werde (Mt 26,64; Mk 14,62); 2) seine Parusie-(Wiederkunfts-)Gleichnisse (z.B. Mt 24,37ff par; 24,45ff par; 25,1ff; 25,14ff parr; 25,31ff); 3) seine Endzeitreden (Mt 24,23ff parr; Lk 17,20ff; 21,5ff). Zu Letzterem vgl. auch Joh 5,21ff; 6,39ff. Es fällt allerdings auf, dass Jesus seine Wiederkunft nirgends breit ausmalt. Darin liegt eine gewisse Parallele zur Kürze der Vision in Offb 19,11-21. Andererseits kann er seine Wiederkunft auch über die drei Schwerpunkte hinaus bei anderen Gelegenheiten wie selbstverständlich erwähnen (z.B. Mt 7,21; 10,23; 13,41ff; 16,27; 19,28; 21,44; 23,39). Die apostolische Botschaft und die Hoffnung der frühen Christen waren stark auf die Wiederkunft Jesu hin orientiert. Im vielleicht ältesten paulinischen Brief lesen wir, dass die Gemeinde in Thessalonich im „Warten auf Gottes Sohn vom Himmel“ lebt (1Thess 1,10). Paulus schließt sein zentrales Auferstehungskapitel mit dem Ausblick auf den wiederkommenden Christus (1Kor 15,21ff) und räumt diesem Thema auch sonst viel Platz ein (z.B. Phil 4,5; 1Thess 4,13ff; 5,1ff; 2Thess 2,1ff). Ebenso Petrus (1Petr 1,7; 4,5; 5,4; 2Petr 3,1ff) und Jakobus (5,7ff). Beim Abendmahl wurde der „Tod des Herrn, bis er kommt“ verkündigt (1Kor 11,26). Einer der wenigen Sprachfetzen, die das griechische NT aus der 2394 Kerygma und Mythos, hrsg. von H.W. Bartsch, 2. Aufl., Hamburg-Volksdorf, 1951, S. 17. 2395 Trillhaas S. 468ff. 2396 1. Aufl., Stuttgart, 1972. 2397 In der 4. Aufl., 1982, S. 405. 2398 Im Credo, München, 1935, S. 108. Wie anders auch Exegeten mit dem Thema Wiederkunft Jesu umgehen konnten, zeigt Oscar Cullmanns „Die Christologie des Neuen Testaments“ (1957), 3. Aufl., Tübingen, 1963, S. 233.
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aramäischen Sprache Jesu aufbewahrt, lautet „Marana tha“ = „Unser Herr, komm!“ (1Kor 16,22; Offb 22,20). Was Johannes in Offb 19,11-21 berichtet, fügt sich hervorragend in diese Zeugenkette des NT ein. Sowohl die Erscheinung Jesu Christi in Macht und Herrlichkeit als auch sein Kommen mit den Engeln und sein Gericht über die antigöttlichen Mächte und schließlich auch seine Namen stehen – wie wir oben im Kommentar gezeigt haben – in völliger Übereinstimmung mit dem übrigen NT. Dass die kurze Vision in Offb 19,11-21 die Wiederkunft Jesu nicht erschöpfend und nicht in allen Details und Dimensionen behandelt, versteht sich von selbst.
10. Das Tausendjährige Reich und die letzte Rebellion, 20,1-10 10.1 Das Tausendjährige Reich, 20,1-6 I Übersetzung 1 Und ich sah einen Engel aus dem Himmel herabkommen, der den Schlüssel zum Abgrund und eine große Kette auf seiner Hand hatte. 2 Und er ergriff den Drachen, die alte Schlange, die Teufel und der Satan ist, und band ihn für tausend Jahre 3 und warf ihn in den Abgrund und verschloss ihn und brachte über ihm ein Siegel an, damit er nicht mehr die Völker verführen sollte, bis die tausend Jahre vollendet sind. Danach muss er für eine kleine Zeit los werden. 4 Und ich sah Throne, und sie setzten sich darauf, und ihnen wurde das Gericht übergeben. Und ich sah die Seelen derer, die enthauptet worden waren um des Zeugnisses für Jesus und um des Wortes Gottes willen und die das Tier und sein Bild nicht angebetet hatten und das Zeichen nicht auf ihre Stirn und ihre Hand genommen hatten. Und sie lebten und herrschten mit Christus tausend Jahre lang. 5 Die übrigen von den Toten wurden nicht wieder lebendig, bis die tausend Jahre vollendet sind. Das ist die erste Auferstehung. 6 Glücklich zu preisen und heilig ist derjenige, der teilhat an der ersten Auferstehung. Über diese hat der zweite Tod keine Macht, sondern sie werden Priester Gottes und Christi sein und werden mit ihm tausend Jahre lang herrschen.
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II Struktur Ähnlich wie Offb 19,11-21 stellt 20,1-6 eine Art Diptychon dar. Zuerst wird die Bindung Satans geschildert (V. 1-3), dann die Herrschaft Christi mit den Seinen (V. 4-6). Die Abgrenzung gegenüber 19,11-21 ist klar: Der Erscheinung Christi in 19,11ff folgt jetzt die Erscheinung eines Engels (20,1), und statt der Thematik Antichrist/Falschprophet wird jetzt der Satan und das Tausendjährige Reich zum Thema. Schwieriger ist die Frage der Abgrenzung zu den folgenden Abschnitten. Schlatter nimmt das ganze 20. Kap. zusammen und stellt es unter die Überschrift „Die Herrschaft des Christus über die Erde“2399. Zahn geht noch weiter. Er fasst Offb 20,1–21,8 als neunte Vision unter der Überschrift „Antritt und Ende der sichtbaren Königsherrschaft Christi auf Erden“ zusammen.2400 Holtz bildet einen größeren Abschnitt mit dem ganzen 20. Kap., dann allerdings einen Unterabschnitt mit dem Titel „Die Bändigung Satans über das tausendjährige Reich“, die V. 20,1-10 umfassend.2401 Lilje nimmt „Die Fesselung des Drachen“ (20,1-3) und „Das Tausendjährige Reich“ (20,4-6) als Abschnitte jeweils für sich.2402 Genug der Beispiele.2403 In diesem Kommentar gehen wir mit U.B. Müller von der Beobachtung aus, dass die Verse 20,7-10 „nicht mehr als eigener Visionsbericht“2404 erscheinen. Vielmehr liegt in Offb 20,710 eine Art Geschehensbericht vor wie z.B. in Offb 21,9ff. Außerdem setzt Offb 20,7 mit den Worten ὅταν τελεσθῇ τὰ χίλια ἔτη [hotan telesthe ta chilia ete] eine deutliche Zäsur, die durch das μετὰ ταῦτα [meta tauta] in V. 3 schon angekündigt wurde. Deshalb beschränken wir uns hier auf Offb 20,1-6 als einen in sich geschlossenen, abgerundeten Abschnitt. Vorausgesetzt wird in Offb 20,1-6 die Bekanntschaft mit dem Drachen von Offb 12,3ff. Erinnert wird an seine verschiedenen Namen, die wir schon in 12,9 kennenlernten. Vorausgesetzt wird ferner die Bekanntschaft mit dem Tier, seinem Bild und seinem Malzeichen in Offb 13,1ff. Das Wort von der „Auferstehung“ erinnert an Offb 1,5 und 1,18, das Wort von den „Priestern Gottes“ an Offb 1,6 und das Wort von den „Thronen“ an Offb 3,21. So ist Offb
2399 2400 2401 2402 2403
Schlatter S. 316. Ähnlich Elwell/Yarbrough S. 377f. Zahn S. 590. Holtz NTD S. 127. Ähnlich Ritt S. 99. Lilje S. 223f. Interessant noch Frey, der 17,1–20,6 unter der Überschrift „Verwerfung der Hure und Annahme der Brautgemeinde“ zusammenfasst; ähnlich Carson/Moo/Morris S. 466f (17,1–20,15 als „Triumph des allmächtigen Gottes“). 2404 U.B. Müller S. 333.
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20,1-6 inhaltlich verknüpft mit Offb 1; 3; 12 und 13 und jedenfalls kein Fremdkörper im Ganzen der Offenbarung. Allerdings darf auch die Eigenart von Offb 20,1-6 nicht übersehen werden. Während die Throne und das Mitherrschen mit Christus im übrigen NT ihr Echo finden, ist die Figur der „tausend Jahre“ neu. Wettstein hat auf jüdische Parallelen zu diesen tausend Jahren hingewiesen.2405 Aber außerhalb der Offenbarung taucht diese Zahl im NT nicht mehr auf.
III Einzelexegese Exkurs: Zu den verschiedenen Auffassungen über das Tausendjährige Reich Eine Geschichte dieser Auffassungen zu schreiben, würde mehrere Bände erfordern. Deshalb versuchen wir wieder, das Spektrum wenigstens in einigen Beispielen aufscheinen zu lassen. Die Christen des 2. Jh. gingen vom Wortsinn in Offb 20,1-6 aus und erwarteten ein reales, sichtbares Reich Christi auf Erden, das σωματικῶς [somatikos] = leibhaftig erfahrbar sei.2406 Explizit wendet sich Irenäus gegen diejenigen, die „derartige Stellen (wie z.B. Offb 20,1ff) allegorisch deuten“2407. Er selbst zitiert aus Offb 20,1-6.2408 Doch im 3. Jh. n.Chr. gewann die allegorische und spiritualistische Deutung im Osten rasch an Boden. Einer ihrer Hauptvertreter, Bischof Dionysius von Alexandria, setzte um die Mitte des 3. Jh. alles daran, die ägyptischen Christen davon zu überzeugen, dass die Offenbarung „nicht nach dem geläufigen Wortsinn aufgefaßt werden könne“2409. Im Westen des Römischen Reiches blieb man der allegorischen Deutung gegenüber auf Distanz. Erst Ticonius (2. Hälfte des 4. Jh.) und Augustin (354– 430 n.Chr.) brechen auch hier der allegorischen Deutung Bahn. Augustin zitiert in DCD XX, 7 Offb 20,1-6 vollständig. Seine Deutung ist diese: Die „erste Auferstehung“ meint die „Auferstehung der Seelen“ in Glaube und Taufe (DCD XX,6), geschieht also in der Gegenwart bzw. der ganzen Zeit der Kirche; die tausend Jahre aber meinen – weil Tausend ein „perfectus numerus“ ist – wieder die ganze Zeit der Kirche, gehören also wiederum in die Gegenwart und nicht in die Zukunft (DCD XX, 7); die Völker von Offb 20,3 sind die Kirche (DCD XX, 7-8). Diese Deutung Augustins blieb im Westen bis ins 13.
2405 2406 2407 2408 2409
Wettstein S. 836f. So Papias ca. 125 n.Chr. nach Eusebius H. E. III, 39,11ff. Adv. haer. V, 35,1. A.a.O. V, 34,2. Nach Eusebius H. E. VII, 25,6.
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Jh. führend. Sie zeigte den Sieg einer geistlichen und zugleich kirchenzentrierten Auslegung über die frühere christliche und stärker realistische. Martin Luther folgte Augustin zumindest in einem wesentlichen Punkt: Die tausend Jahre von Offb 20 sind „anzufangen … um die Zeit, da dies Buch (= die Offenbarung) geschrieben ist“2410. Sie bezeichnen also die Zeit der Kirche, keine künftige Epoche. Inzwischen aber hatte sich im Abendland ein zweiter Zweig der Auslegung neben derjenigen Augustins etabliert. Dieser zweite Zweig geht auf den süditalienischen Abt Joachim von Fiore (Gioacchino da Fiore, gest. 1202 n.Chr.) zurück. Joachim rechnete mit drei Heilszeitaltern, dem des Vaters, dem des Sohnes und dem des Heiligen Geistes. Das Geistzeitalter war für ihn noch Zukunft. Es sollte eine Blütezeit der Vollendung und der Kirche sein.2411 Die Segenszeit, die es bedeutete, erinnert stark an das Tausendjährige Reich von Offb 20, obwohl Joachim noch mit Augustin daran festhielt, dass die tausend Jahre mit der Auferstehung Christi begonnen haben. In der Folge näherte sich der Joachimismus der Tausendjahrreich-Erwartung der frühen Christen noch stärker an und konzentrierte den Blick vieler auf eine kommende Segenszeit. Bei den Täufern der Reformationszeit gibt es Gruppen, die die Erwartung eines künftigen Tausendjährigen Reiches pflegen.2412 Die reformatorische Bewegung um Luther und Melanchthon fürchtete, mit revolutionären täuferischen Bestrebungen in einen Topf geworfen zu werden, und nahm deshalb unter die Artikel des Augsburgischen Glaubensbekenntnisses einen speziellen Artikel zur Wiederkunft Christi auf, in dem es u.a. heißt: Es werden „verworfen auch etlich judisch Lehren, … daß vor der Auferstehung der Toten eitel Heilige, Fromme ein weltlich Reich haben und alle Gottlosen vertilgen werden“ (CA 17)2413. Seitdem streitet man im Luthertum darüber, ob nach CA 17 alle Tausendjahrreich-Erwartungen verworfen sein sollen oder nur „iudaicae opiniones“ (jüdische Lehren) über das Tausendjährige Reich. Bis heute differieren die Ansichten über das Tausendjährige Reich in einem ungewöhnlichen Ausmaß. Für die einen ist es eine große „eschatologische Häresie“2414, für andere, wie Carl August Auberlen und große Teile des deutschen Pietismus, eine eschatologische Zentrallehre, ohne die „die ganze Prophetie des A. B. (= Alten Bundes) … gar nicht wahrhaft verstanden werden“ kann2415. Für die einen, unter anderem Hengstenberg2416, bleibt es bei Augustins Auffassung, dass die erste Auferstehung die Seligkeit des Glaubens bedeute. Für andere, 2410 2411 2412 2413 2414 2415 2416
Vorreden S. 188. Vgl. Maier Offb S. 173ff. Vgl. Maier S. 210ff. Zitiert nach BSLK, 5. Aufl., 1963, S. 72. So Trillhaas S. 460f. Auberlen S. 328f. Vgl. dazu Auberlen S. 409ff.
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neuerdings etwa Giesen, ist die erste Auferstehung „die endgültige leibliche Auferstehung“ aller Christen, die samt und sonders „vom Endgericht ausgenommen sind“.2417 Wieder andere erklären die erste Auferstehung als die Auferstehung bestimmter Gruppen.2418 Und ist die Abfolge der Offenbarung (Wiederkunft Christi – Tausendjähriges Reich – letzte Rebellion – Jüngstes Gericht) überhaupt als eine chronologische Abfolge anzusehen? Ritt und Giesen verneinen es2419, U.B. Müller bejaht es.2420 Die Ausleger werfen überdies weitere Fragen auf: Ist das Tausendjährige Reich auf Erden oder nicht? Wann beginnt es? Mit dem Wirken Christi auf der Erde oder mit der Bekehrung des Römischen Reiches oder erst in der Zukunft?2421 Warum wird der Drache zuerst gebunden und dann wieder befreit?2422 Warum darf er vor seiner Vernichtung noch einen Feldzug gegen Gott und die Heiligen unternehmen?2423 Kann man Offb 20,1-6 „nur auf dem Hintergrund jüdisch-apokalyptischer Vorstellungen … begreifen“,2424 handelt es sich genauer gesagt um eine „jüdische Erwartung“2425 oder tritt hier ein alter orientalischer Schöpfungsmythos mit der „Fesselung des Chaostiers“ vor unsere Augen?2426 In einem behält Ritt jedenfalls recht: Die Verse Offb 20,1-6 „waren in der Erklärung der Offenbarung immer den größten Mißverständnissen ausgesetzt“2427. Doch wenden wir uns jetzt der Einzelexegese zu.
Offb 20,1 beginnt mit den Worten Und ich sah einen Engel aus dem Himmel herabkommen (Καὶ εἶδον ἄγγελον καταβαίνοντα ἐκ τοῦ οὐρανοῦ [kai eidon anggelon katabainonta ek tu uranu]) – Worte, die uns schon in 10,1 und 18,1 begegnet sind.2428 Aus dem Himmel heißt: Er kommt in Auftrag und Vollmacht Gottes. Die Bewegung des Herabkommens deutet an, dass er eine außerhimmlische Sphäre aufsucht. Der den Schlüssel zum Abgrund und eine große Kette auf seiner Hand hatte: Beides, Schlüssel und Kette, sind ihm von Gott anvertraut. Die Formulierung auf seiner Hand (ἐπὶ τὴν χεῖρα 2417 2418 2419 2420 2421 2422 2423 2424 2425 2426 2427 2428
Giesen S. 435.429. Vgl. P. Müller S. 61. Ritt S. 99; Giesen S. 418. U.B. Müller S. 333. Auch z.B. Schlatter BFchTh S. 93. Beckwith S. 318ff. Kraft S. 254. Kraft a.a.O. U.B. Müller S. 334. E. Lohse, Art. χιλιάς usw., ThWNT, IX, 1973, S. 459. So Kraft a.a.O. Vgl. weiter Caird S. 249. Ritt a.a.O. Vgl. noch Berger S. 548ff; Morris S. 233; Caird a.a.O. Manche HS gleichen an 10,1; 18,1 noch stärker an, indem sie vor ἄγγελον ein ἄλλον einfügen.
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αὐτοῦ [epi ten cheira autu]) ist ungewöhnlich2429, findet sich aber ähnlich schon in 5,1. Sie bedeutet vermutlich, dass der Engel den Schlüssel und die Kette wie eine Art Reichsinsignien auf seiner Hand trug und sie nicht krampfhaft festhalten musste.2430 Der Abgrund (ἡ ἄβυσσος [he abyssos]) bezeichnet die Unterwelt, vor allem als Ort der bösen Mächte und Dämonen.2431 In der „Abyssos“ waren: die Dämonen (Lk 8,31), die heuschreckenähnlichen Engel von Offb 9,3ff, ein böser Engelfürst namens Abaddon (Offb 9,11) und der Antichrist (Offb 11,7; 17,8). Gott verschließt diesen bösen Ort, er allein kann ihn auch mit seinem Schlüssel öffnen (Offb 9,1ff). Vielleicht ist bei diesem Schlüssel Gottes sogar speziell an Jesus Christus als den Sohn Gottes gedacht, weil dieser ja das Schlüssel-Amt der Weltgeschichte hat (Offb 1,18; 3,7). „Daß Gott die Macht und Bestimmung über die ihm feindliche Geisterwelt hat, kommt in der neutestamentlichen Vorstellung vom Geistergefängnis scharf zum Ausdruck.“2432 Die Kette (ἅλυσις [halysis]) ist ein Instrument der Fesselung (vgl. Mk 5,3; Lk 8,29; Apg 12,6f; 21,33; 28,20; Eph 6,20). Weitere Ausmalungen, wie z.B. dass der Engel einen „glänzenden Schlüssel“ gehabt habe2433 oder sein Name Michael laute2434, sind nicht empfehlenswert. Auch deshalb nicht, weil Schlüssel und Kette nicht irdisch-materiell, sondern symbolisch und geistlich zu verstehen sind.2435 Die Frage nach dem „Wann“ der Ereignisse von 20,1ff werden wir im Folgenden aufgreifen. Höchst anschaulich und vorbildlich präzis sagt die Fortsetzung in V. 2: Und er ergriff (ἐκράτησεν [ekratesen]) den Drachen … In dem griech. Wort κρατεῖν [kratein] kommen verschiedene Nuancen zum Ausdruck: „Macht besitzen“, „besiegen“, „ergreifen“, „festnehmen“, „verhaften“. Es hat auch ein ausgesprochen juristisches Element: „rechtmäßig festnehmen / beschlagnahmen“.2436 Was der Engel tut, ist also ein rechtmäßiges, siegreiches Handeln und unwiderstehliches Festnehmen. Einen Kampf hat er nicht nötig.2437 Vom Drachen war zuletzt in 16,13 die Rede. Es handelt sich um den (Artikel!) Drachen, der in den Kapiteln 12 und 13 die dominierende Figur war. Offb 20,1-6 steht also in einem engen, unauflöslichen Zusammenhang mit den übrigen Kapiteln der Offenbarung. Das zeigt sich erneut bei den Namen, die dem 2429 2430 2431 2432 2433 2434 2435 2436 2437
Wieder „verbessert“ eine Gruppe von HS in ἐν τῇ χειρί [en te cheiri]. Vgl. Bousset 1896 S. 499. Vgl. J. Jeremias, Art. ἄβυσσος, ThWNT, I, 1933, S. 9. J. Jeremias a.a.O. So Lilje S. 224. So Kraft S. 255. Richtig Morris S. 235; J.M. Hahn S. 619. Vgl. W. Michaelis, Art. κράτος usw., ThWNT, III, 1938, S. 910. Lohmeyer 3 S. 161; Grünzweig II S. 215.
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Drachen gegeben werden und die fast vollständig mit Offb 12,9 übereinstimmen: a) die alte Schlange (ὁ ὄφις ὁ ἀρχαῖος [ho ophis ho archaios])2438, das heißt die verführerische Schlange, die seit der Urzeit des Paradieses auftritt (vgl. Gen 3,1ff; 2Kor 11,3; Offb 12,9ff); b) Teufel (Διάβολος [Diabolos])2439 als gewöhnliche griechische Benennung; c) der Satan (ὁ Σατανᾶς [ho Satanas]) als häufige hebräische Benennung. – Mit dem Drachen (δράκων [drakon]) sind das vier Namen.2440 Warum nennt sie Johannes nach Offb 12,9 ein zweites Mal? Vermutlich aus mehreren Gründen: Auf diese Weise identifiziert er den Drachen von Offb 20,2 „todsicher“ mit dem von Offb 12,3ff; er erinnert seine Leser noch einmal an die riesenhafte Bedrohung durch den Drachen und zugleich an die weit überlegene Macht Gottes; er macht den Ablauf der Geschichte und das Erreichen der göttlichen Ziele klar. Und band ihn für tausend Jahre (καὶ ἔδησεν αὐτὸν χίλια ἔτη [kai edesen auton chilia ete]): Statt band könnte man auch übersetzen „legte in Fesseln“.2441 Der Akkusativ χίλια ἔτη [chilia ete] antwortet auf die Frage: Wie lange?2442, bedeutet also „tausend Jahre lang“, für tausend Jahre. Auch hier ist die Sprache symbolisch. Binden heißt demnach: die weitere Tätigkeit Satans unterbinden, ihm die Macht und die Wirksamkeit nehmen. Die Forschung beschäftigt sich hauptsächlich mit der Frage: Woher kommt das alles? Vorweg ist eines festzustellen: Die Fesselung Satans für tausend Jahre gibt es nur in der Offenbarung. Es gibt keine „Quelle“, aus der sie Johannes hätte übernehmen können. Doch suchte man immer wieder nach Parallelen. In den letzten 100 Jahren war der Verweis auf einen persischen Mythos beliebt. Diesem Mythos zufolge ist die Schlange Azi-Dahak im Berg Demavend gefesselt, bis sie am Ende der Tage wieder frei und dann endgültig besiegt wird.2443 Lohmeyer sieht im Parsismus sogar den Ursprungsort, „woher im Judentum das Motiv stammt“2444. Es kommen nach Lohmeyer aber auch weitere heidnische Mythen in Betracht, um Offb 20,1ff zu erklären, so der Osirismythos Ägyptens oder der nordische Fenriswolf.2445 Demgegenüber hat Jakob Wettstein schon vor 200 Jahren die Suche in die Richtung jüdischer 2438 Zum auffallenden Nominativ vgl. Blass-Debrunner § 136,2. Eine Reihe von HS verbessert in den Akk. 2439 Der Artikel vor Διάβολος [Diabolos] in manchen HS ist wohl nicht ursprünglich. 2440 Der fünfte Name nach Offb 12,9 ὁ πλανῶν [ho planon] wird von einer Reihe von HS nachgetragen. 2441 Vgl. Bauer-Aland S. 355f. 2442 Vgl. Blass-Debrunner § 161,2. 2443 Vgl. Bousset 1896 S. 500; Lohmeyer a.a.O.; U.B. Müller S. 334; Giesen S. 430. 2444 Lohmeyer a.a.O. 2445 A.a.O.
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Traditionen gelenkt.2446 Er wies für die tausend Jahre besonders auf den Traktat Sanhedrin im Talmud hin. In der Tat findet sich in b Sanh 98b–99a eine längere Diskussion über die Dauer der Jahre des Messias. Einer Meinung zufolge dauern sie 40 Jahre, nach anderen: 70 Jahre oder drei Generationen oder 400 Jahre oder 365 Jahre oder 7000 Jahre.2447 Dabei ist zweierlei bemerkenswert: Erstens werden „die messianischen Jahre“ klar unterschieden von der „zukünftigen Welt“ bzw. neuen Schöpfung; zweitens wird mit einer nur begrenzten Zeit der Herrschaft des Messias auf dieser Erde gerechnet. Hierin liegt eine Parallele zu Offb 20,1ff. Allerdings taucht die Zahl tausend im Traktat Sanhedrin nirgends auf. Ähnliches entdecken wir in 4Esr 7,28f. Dort herrscht der Messias 400 Jahre lang, „nach diesen Jahren wird … der Messias sterben“. Vielleicht sind die 400 Jahre analog b Sanh 99a doch ursprünglich jüdisch. Im Übrigen bleibt das vermutlich um 100 n.Chr.2448 entstandene 4. Esrabuch belastet mit dem Verdacht christlicher Interpolationen. Auch ist der markante Unterschied zu Offb 20,1ff unübersehbar: Nach 4Esr 7,29 stirbt der Messias nach den 400 Jahren seiner Herrschaft, während in Offb 20,1ff Christus der Auferstandene und ewig Lebende bleibt. Die übrigen Stellen, die man hier öfters aus der jüdischen Literatur zitiert, z.B. ä Hen 91-94; Ps Sal 11,11ff; Sib III, 1-62; syr Bar 30; 40,3; slav Hen 332449, geben das nicht her, was man ihnen im Blick auf Offb 20 entnehmen wollte. Unsere Beobachtungen und Überlegungen lassen sich wie folgt zusammenfassen: Am ehesten helfen bei der Erklärung der tausend Jahre jüdische Überlieferungen, nicht aber persische oder sonstige heidnische Mythen. Denn in den jüdischen Überlieferungen geht es um den Messias und die Dauer seiner Herrschaft auf Erden. Darin sind sie mit Offb 20 verwandt. Sie helfen allerdings nicht bei der doch sehr profilierten Zahl tausend, auch wenn gelegentlich in Jahrtausenden analog den sieben Schöpfungstagen gerechnet wird.2450 Deshalb kam Adolf Schlatter zu dem Urteil: „Als jüdisches Dogma kann man … den Chiliasmus nicht bezeichnen.“2451 Die Zahl tausend und damit auch der Chiliasmus (= Tausendjahrreich-Erwartung) bleibt eine Eigenart des NT und des Christentums. Johannes hat sie nicht abgeschrieben oder sich von religiösen Traditionen vermitteln lassen, sondern im Heiligen Geist gesehen und vernommen.2452 2446 2447 2448 2449 2450 2451 2452
Wettstein S. 836f. B Sanh 99a. So Josef Schreiner in JSHRZ, V, 4, 1971, S. 301. Vgl. Bousset 1896 S. 501; Lohmeyer a.a.O. So z.B. slav Hen 33; b Sanh 99a. Vgl. Schlatter BFchTh S. 100. BFchTh S. 101. Spätere Aussagen, wie Barn 15,4f; Irenäus Adv. haer. V, 28,3 fußen auf AT und NT, können aber unsere Stelle nicht erklären.
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Bezüglich des Bindens oder Fesselns ist die Lage anders. Zunächst gibt es hier die Prophetie über das Gottesgericht in der Endzeit nach Jes 24. Zu dieser jesajanischen Prophetie gehört auch die Ankündigung des Gerichts über die außerirdischen Mächte, das sog. „Heer der Höhe“ (Jes 24,21). Dieses Gericht wird wie folgt geschildert: „Und sie werden eingesteckt (Lutherbibel: gesammelt), wie man Gefangene einsteckt in die Grube ([ בּוֹרbor]), und eingeschlossen in den Kerker ([ ַמְס ֵגּרmasger]), und nach Ablauf vieler Tage werden sie heimgesucht.“2453 Es kommt also nicht zu einem sofortigen Endurteil, sondern die Mächte werden zunächst eingeschlossen, „um das endgültige Gericht abzuwarten“2454. Helmer Ringgren deutet hier [ ַמְס ֵגּרmasger] auf „das unterirdische Totenreich“2455. Damit liegen alle wesentlichen Elemente von Offb 20,1-2 schon in Jes 24,21-22 vor: das Gerichtshandeln Gottes am Ende der Zeiten, das Vorgehen gegen überirdische sündige Mächte, die zeitlich befristete Einschließung dieser Mächte und danach erst das endgültige Gericht. Delitzsch bezeichnete deshalb mit Recht Offb 20,1ff als „sachlich parallel“ zu Jes 24,21f.2456 Ja, man kann sogar sagen, dass Offb 20,1ff eine Erfüllung von Jes 24,21f darstellt. Die jesajanische Prophetie hat offenbar später im Judentum fortgewirkt. Das lässt sich zunächst am äthiopischen Henochbuch beobachten, genauer gesagt am Buch der Wächter, das ä Hen 1–36 umfasst und in die Zeit „zwischen dem Ende des 3. und der Mitte des 2. Jh. v.Chr.“ datiert wird.2457 Dort wird in den Kapiteln 18–21 vom „Gefängnis“ der gefallenen Engel gesprochen, die auf zehntausend Jahre „zusammengebunden“ sind (ä Hen 18,14; 21,3ff). S. Uhlig weist hier ausdrücklich auf die Verbindung mit Jes 24,21 hin.2458 In ähnlicher Tradition scheint das Gebet Manasses 2–4 zu stehen2459, das Bousset im Blick auf Offb 20,1ff als „besonders interessant“ bezeichnete2460 und Lohmeyer als Offb 20 „nächstverwandt“ betrachtete.2461 Hier wird Gott als der gepriesen, der „den Abgrund (τὴν ἄβυσσον [ten abysson]!) verschlossen (ὁ κλείσας [ho kleisas]) und versiegelt (καὶ σφραγισάμενος [kai sphragisamenos])“ hat.2462 Bis in die Wortwahl hinein werden wir an Offb 2453 2454 2455 2456 2457 2458 2459
Übersetzung nach Franz Delitzsch, Jesaja, 5. Aufl., Gießen-Basel, 1984, S. 282. H. Ringgren, Art. סַגר ָ , ThWAT, V, 1986, Sp. 755. Ringgren a.a.O. A.a.O. S. 283. Vgl. Bousset 1896 S. 500; U.B. Müller S. 334; Giesen a.a.O. So S. Uhlig in JSHRZ, V, 6, 1984, S. 494. A.a.O. S. 550. Vgl. Lohmeyer a.a.O. Die zeitliche Einordnung muss nach E. Oßwald, JSHRZ, IV, 1, 2. Aufl., 1977, S. 20 offenbleiben. 2460 Bousset a.a.O. 2461 Lohmeyer a.a.O. Vgl. U.B. Müller a.a.O. 2462 Übersetzung nach E. Oßwald a.a.O. S. 23.
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20,3 (εἰς τὴν ἄβυσσον καὶ ἔκλεισεν καὶ ἐσφράγισεν [eis ten abysson kai ekleisen kai esphragisen]) erinnert. Auf heidnisch-mythologische Erklärungsversuche sind wir also bei Offb 20,1-3 nicht angewiesen. Stattdessen zeigt sich erneut die Verknüpfung der Offenbarung mit dem AT und mit den Überlieferungen des frühen Judentums.2463 Dennoch behält die Offenbarung ihr einmaliges Profil als echte prophetische Schau des Johannes. Was folgt aus der Bindung Satans? Darüber gibt uns Offb 20,3 Auskunft: und warf ihn in den Abgrund und verschloss ihn und brachte über ihm ein Siegel an, damit er nicht mehr die Völker verführen sollte, bis die tausend Jahre vollendet sind. Danach muss er für eine kleine Zeit los werden. Im Werfen kommt die unwiderstehliche Macht des Engels zum Ausdruck. Was für eine Demütigung Satans: „Der stolze Drach muß sich von einem Engel binden lassen“2464 – einem Engel überdies, von dem noch nicht einmal der Name genannt wird! Zum Abgrund vgl. die Erklärung oben bei V. 1. Der Engel verschloss ihn (= den Abgrund), wie die Tür eines Gefängnisses verschlossen wird (vgl. Apg 12,10; 16,23f). Er sichert das Gefängnis zusätzlich, indem er über ihm (= Satan) ein Siegel anbrachte (ἐσφράγισεν [esphragisen]). Das Siegel hat vermutlich einen doppelten Sinn: 1) Es stellt sicher, dass Gott der Eigentümer dieses Gefangenen ist, und es zeigt 2) an, dass nur Gott ihn wieder freilassen kann.2465 Als Wirkung nennt Offb 20,3, dass er nicht mehr die Völker verführen kann. Dabei war die Verführung sein Hauptgeschäft! Vgl. Offb 12,9; 13,14; 16,13; 19,20; Mt 24,24. An diesem Punkt sollten wir ein wenig stehen bleiben. Erstens beachten wir, dass die Völker (τὰ ἔθνη [ta ethne]) durchaus noch auf der Erde sind.2466 In Offb 19,17ff wurden ja nur diejenigen getötet, die mit dem Antichrist und den Königen der Erde in den Kampf gegen Christus zogen.2467 Zweitens zeigt sich uns der Satan erneut als ein globaler Fürst der Finsternis (vgl. Mt 4,1ff). Drittens ist in Offb 20,3 keine Rede davon, dass die Menschen nun keine Sünder mehr wären. Der Mensch bleibt – abgesehen von den Nachfolgern Christi – auch im Tausendjährigen Reich der alte Mensch.2468 Die Bibel schiebt die Sünde ja nicht auf den Teufel ab, auch nicht auf Gott, sondern 2463 2464 2465 2466 2467
Vgl. Lohse a.a.O.; Schlatter BFchTh S. 99f. Bengel S. 940. Vgl. G. Fitzer, Art. σφραγίς usw., ThWNT, VII, 1964, S. 950; Mt 27,66. Grünzweig II S. 217; Caird S. 251; Behm S. 103. Ganz anders Giesen S. 431; Satake KEK S. 384; Pohl II S. 265ff: Es gibt keine Völker mehr auf der Erde. 2468 So mit Recht Grünzweig II S. 218; Bengel S. 947; Frey S. 206; Römer S. 204f.
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macht den Menschen selbst dafür verantwortlich (Jak 1,13ff; Ez 18,1ff; 33,10ff). Aber mit dem Verschließen Satans im Abgrund ist die von außen kommende Verführungsmacht (Gen 3,1ff) aufgehoben. Der „Geist der Zeit“, die öffentlichen Medien und Moden, die Systeme der Gesellschaft sind nicht mehr vom Bösen durchdrungen, so wie wir es in unserer ganzen Geschichte gewohnt waren. Die Worte Jesu „Das hat ein Feind getan“ (Mt 13,28) treffen jetzt nicht mehr zu. Der Atem wird frei. Nun müssen wir uns der Chronologie stellen. Forscher wie Ritt und Giesen verneinen eine chronologische Abfolge in Offb 20.2469 Die Folge ist z.B. bei Giesen, dass Offb 20,4-6 schon den vollen „Heilszustand“ der Christen schildert, der „später in 21,1–22,5“ nur noch „breiter … ausgemalt“ wird.2470 Zu ähnlichen Ergebnissen führt es, wenn man mit Kraft das Tausendjährige Reich als „eine Verdoppelung der Endereignisse“ betrachtet.2471 Demgegenüber müssen wir mit A. Schlatter, U.B. Müller, K.G. Kuhn u.a.2472 an einer chronologischen Abfolge in Offb 19,11–20,15 festhalten. Die Argumente dafür sind folgende: 1) Die Prophetie Hesekiels weist in Ez 37–40 einen ganz ähnlichen Ablauf auf wie Offb 20,4-152473; 2) die Rabbinen kennen ebenfalls die Chronologie: jetzt bestehende Geschlechter – Tage des Messias – Tage von Gog und Magog – kommende Welt2474; 3) die neutestamentlich verwandte Stelle 1Kor 15,23-28 ist unzweifelhaft chronologisch aufgebaut; 4) vor allem aber nötigt die wiederholte Bemerkung bis die tausend Jahre vollendet sind (ἄχρι τελεσθῇ τὰ χίλια ἔτη [achri telesthe ta chilia ete]) in Offb 20,3; 20,5 (und 20,7) zusammen mit dem μετὰ ταῦτα [meta tauta] in Offb 20,3 zur Annahme eines chronologischen Ablaufs. Dagegen sollte man die Frage offenlassen, ob hier tausend Jahre nach menschlicher Zeitrechnung gemeint sind oder nach einer ganz anders schlagenden Gottesuhr analog 2Petr 3,9 oder im Sinne einer symbolischen Zahl.2475 V. 3 endet mit den Worten: Danach muss er (= Satan) für eine kleine Zeit los werden. Auf den chronologischen Charakter von danach (μετὰ ταῦτα [meta tauta]) haben wir schon hingewiesen. Die kleine Zeit (μικρὸς χρόνος [mikros chronos]) kann nicht, wie Bengel meinte, in eine bestimmte Zahl von 2469 2470 2471 2472
Ritt S. 99; Giesen S. 418ff. Giesen S. 429. Kraft S. 253. Schlatter BFchTh S. 93f; K.G. Kuhn, Art. Γὼγ καὶ Μαγώγ, ThWNT, I, 1933, S. 790ff; U.B. Müller S. 333. Ebenso Bengel S. 944ff; Cullmann Christologie S. 233. 2473 Kuhn a.a.O. S. 790. 2474 Schlatter a.a.O. S. 94. 2475 Vgl. Auberlen S. 331; Hartenstein S. 235 (symbolisch).
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Jahren umgerechnet werden.2476 Sie ist Ausdruck einer kurz bemessenen Spanne, die dem Satan nach seinem Gefängnis noch einmal zur Verfügung steht, ähnlich Offb 12,12. Sie schließt sich an die tausend Jahre an. Das griechische Wort λυθῆναι [lythenai] (los werden), eigentlich „losgebunden werden“2477, lässt erkennen, dass nur Gott ihn freilassen kann. Zusammen mit δεῖ [dei] (muss) ist also klargestellt, dass Gott der souverän Handelnde bleibt. In der Loslassung Satans liegt eine göttliche Absicht. Wozu und warum? Für uns bleibt dies zunächst ein Rätsel. Wir versuchen, die Frage später noch einmal aufzugreifen. Welche Probleme Offb 20,1-3, vor allem der 3. Vers, den Auslegern bereitet, zeigt das Spektrum der verschiedensten Meinungen. Nur wenige seien hier aufgelistet: Gaius von Rom (ca. 200 n.Chr.), der den Ketzer Kerinth statt des Apostels Johannes als den Verfasser der Offenbarung ansah, wandte gegen Offb 20,2-3 ein, der Satan sei ja nach Mt 12,29 schon längst durch Christus gebunden.2478 Augustinus deutete die Völker von Offb 20,3 auf die Kirche.2479 Nach Coccejus (1603–1669) bedeutet das Werfen Satans in den Abgrund, dass die Apostel Christi mit ihrer Verkündigung wirken können.2480 Spener (1635–1705) bekannte, dass ihm mehrere Punkte in Offb 20,1-3 undeutlich seien: was das „Binden“ des Drachen bedeute, wie das Verführen der Völker und überhaupt die Existenz von Völkern im Tausendjährigen Reich zu verstehen sei, ob die tausend Jahre von Offb 20,2-6 buchstäblich oder symbolisch aufzufassen seien.2481 Bengel (1687–1752) glaubte, die tausend Jahre von Offb 20,2f seien andere als die tausend Jahre von Offb 20,4ff, hing also einem Di-Chiliasmus (Lehre von zweimal tausend Jahren) an.2482 Philipp Matthäus Hahn (1739–1790) freute sich auf die glückselige Zeit der tausend Jahre unter Christus, die die nächste Weltperiode darstellt.2483 Friedrich Lücke (1791–1855), ein Schüler Schleiermachers und früher Vertreter der zeitgeschichtlichen Auslegung, ließ zwar die Tausendjahrreich-Erwartung stehen, sah aber in ihr nur „eine niedere Stufe in der Entwicklung der christlichen Lehre“2484. 2476 2477 2478 2479 2480 2481 2482 2483 2484
Bengel S. 960: 888 8/9 Jahre. Vgl. F. Büchsel im Art. λύω usw., ThWNT, IV, 1942, S. 337. Vgl. Maier Offb S. 75. Augustinus DCD XX, 7. Maier Offb S. 330. Maier Offb S. 363. Bengel S. 946ff. P.M. Hahn, Predigten und Betrachtungen, 10. Aufl., Reutlingen, 1964, S. 17ff. F. Lücke, Versuch einer vollständigen Einleitung in die Offenbarung des Johannes usw., II, 2. Aufl., Bonn, 1852, S. 919ff.
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In den V. 4-6 tritt uns die zweite Hälfte des Diptychons entgegen, von dem wir oben unter II. gesprochen haben. Vom gefesselten Satan wandert der Blick des Sehers zu einem völligen Kontrast, nämlich zu den Thronen der Erlösten und zum königlich herrschenden Christus. Dabei besteht dieser Teil des Diptychons (Zwei-Tafel-Bildes) aus nur ganz wenigen, allerdings kräftigen Strichen: Und ich sah Throne (V. 4): offensichtlich zunächst leer. Diese Worte klingen fast wie ein Zitat aus Dan 7,9 (LXX: ἐθεώρουν ἕως ὅτου θρόνοι ἐτέθησαν [etheorun heos hotu thronoi etethesan]).2485 Wir haben es also mit einem Vorgang des Richtens und Regierens zu tun, wie auch Mt 19,28 und 1Kor 6,2 nahelegen. Vgl. noch Offb 3,21. Und sie setzten sich darauf: Wer sie sind, bleibt zunächst ungesagt. Es muss sich aber um diejenigen handeln, die im Folgenden erwähnt werden.2486 Die Formulierung sie setzten sich bedeutet wie in Dan 7,9 eine rechtmäßige Handlung und keine Usurpation der Throne. Das bestätigen nun die nächsten Worte: und ihnen wurde das Gericht übergeben (καὶ κρίμα ἐδόθη αὐτοῖς [kai krima edothe autois]). Als Passivum divinum ließe sich ἐδόθη [edothe] auch übersetzen: „Und Gott übergab ihnen das Gericht.“ Im Vergleich mit dem Johannesevangelium fällt dieser Ausdruck besonders auf.2487 Denn Jesus sagt in Joh 5,22: „Der Vater hat alles Gericht dem Sohn übergeben“ (δέδωκεν [dedoken], vgl. Joh 5,27). Die in Offb 20,4 Erwähnten empfangen also eine ganz ähnliche Rechtshoheit wie der Gottessohn selbst! Aber das hat im Grunde schon Jesus in Offb 3,21 und Mt 19,28 gesagt, und es ist konstante apostolische Lehre geblieben (Röm 8,17; 1Kor 6,2; 2Tim 2,12).2488 Gericht, κρίμα [krima], bedeutet sowohl die richterliche Entscheidung – eine Hauptaufgabe der antiken Könige! – als auch das daraus entspringende Urteil über jemanden.2489 Wem Gott die Rechtshoheit überträgt, der sorgt für das Recht und regiert im eigentlichen Sinne „fürsorglich“.2490 Wer ist das nun? Und ich sah die Seelen derer, die enthauptet worden waren um des Zeugnisses für Jesus und um des Wortes Gottes willen und 2485 Giesen S. 431 will Offb 20,4 jedoch ausdrücklich nicht nach Dan 7,9f erklären. Richtig Lohmeyer 3 S. 161. 2486 Bengel S. 955; Frey S. 210; Lohmeyer 3 S. 161. 2487 Vgl. Wettstein S. 837. 2488 Eine Analogie zu Mt 19,28; 1Kor 6,2f bestritten bei Giesen S. 431. Das Richtige bei Lohmeyer 3 S. 161. 2489 Vgl. F. Büchsel im Art. κρίνω usw., ThWNT, III, 1938, S. 943f; Aune S. 1084: „the authority to judge“; Holtz NTD S. 129. 2490 Ganz anders deutet z.B. Schlatter S. 319: Offb 20,4 schildere das Gericht über die „Seelen“ bzw. Christen; ähnlich Römer S. 206.
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die das Tier und sein Bild nicht angebetet hatten und das Zeichen nicht auf ihre Stirn und ihre Hand genommen hatten. Gerade wegen der Knappheit der V. 4-6 fällt diese breite Beschreibung auf. Die Seelen müssen wie in Offb 6,9 als nach dem irdischen Tode fortlebende Persönlichkeiten verstanden werden (vgl. die Erklärung dort). Zunächst denkt man, es seien die Märtyrer gemeint.2491 Denn es ist von Enthaupteten (πεπλεκισμένοι [pepelekismenoi]) die Rede.2492 Das Zeugnis für Jesus (μαρτυρία Ἰησοῦ [martyria Iesu]) und das Wort Gottes (λόγος τοῦ θεοῦ [logos tu theu]) sind uns seit Längerem vertraut (vgl. Offb 1,2.9; 6,9; 12,11.17; 19,10 und die Erklärungen dort). Aber nun weitet sich der Kreis doch über die Märtyrer im engeren Sinn hinaus: alle, die das Tier und sein Bild nicht angebetet hatten und das Zeichen nicht auf ihre Stirn und ihre Hand genommen hatten, sind in Offb 20,4 mit eingeschlossen.2493 Das heißt alle, die in der antichristlichen Verfolgung von Offb 13–18 treu geblieben sind, auch wenn sie die Todesstrafe nicht erduldet haben. Von da aus kommt man zu der Annahme, dass in Offb 20,4 tatsächlich die treuen Christen aller Zeiten gemeint sind. Auf diese Weise stimmt dann Offb 20,4 mit dem übrigen NT überein (Mt 24,31; 1Kor 6,2; 15,23; 1Thess 4,17; 2Tim 2,12; Mt 13.43).2494 Von diesen treuen Christen heißt es: Und sie lebten und herrschten mit Christus tausend Jahre lang. In sie lebten (ἔζησαν [ezesan]) steckt mehr, als man auf den ersten Blick vermutet. Leben bildet hier nämlich die Entsprechung zu dem „ich bin lebendig“ in Offb 1,18 und heißt deshalb: „sie lebten als Auferstandene“2495. Die V. 5 und 6 bestätigen dies. Die Aussage sie herrschten (ἐβασίλευσαν [ebasileusan]) deckt sich ein ganzes Stück mit der vorigen Aussage „ihnen wurde das Gericht übergeben“. Allerdings drückt das Herrschen eine viel umfassendere Realität aus. Wir denken wieder an Offb 1,6; 5,10 und andere Stellen. Der Schlüssel zum richtigen Verständnis liegt in den Worten μετὰ τοῦ2496 Χριστοῦ [meta tu Christu] (mit Christus). Da bei Χριστός [Christos] der Artikel steht, lautet die genauere Übersetzung „mit dem Christus“ bzw. „mit dem Messias“. Lohmeyer schrieb in seinem ansons2491 Auf die Märtyrer begrenzt z.B. Caird S. 254; Aune S. 1088; Lilje S. 225; Behm S. 103; Holtz NTD S. 129; U.B. Müller S. 333; Charles II S. 184f; Morris S. 237; Römer S. 206ff; Bousset 1896 S. 502; Lohmeyer a.a.O. Bousset 1896 S. 501 will am liebsten die Frage „ganz unbeantwortet … lassen“. 2492 Wörtlich: „mit dem Beil Getötete“. 2493 Für Aune a.a.O. handelt es sich jedoch um ein und dieselbe Gruppe. 2494 Ebenso Zahn S. 594; Satake KEK S. 386; Giesen S. 433f; Bengel S. 955f; Auberlen S. 334f; Grünzweig II S. 220f; P. Müller S. 60f; Pohl II S. 267. 2495 Bauer-Aland Sp. 680; Aune a.a.O. 2496 Der Artikel ist in den HSS zwar umstritten, aber besser bezeugt als seine Auslassung.
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ten wichtigen Kommentar bezüglich Offb 20,1ff: „Von dem Messias ist hier keine Rede mehr.“2497 Angesichts der Worte mit dem Christus kann man das aber nicht sagen. Mit dem Christus bedeutet: Die Herrschaft kommt in erster Linie Jesus Christus zu. Er ist es, der die Prophetie von Ps 2 erfüllt und 1Kor 15,21ff; Offb 19,15 verwirklicht. Wir sind jetzt in Offb 20,1-6 in „das Reich des Menschensohnes und seiner Heiligen“ eingetreten, wie Auberlen schreibt.2498 Das Herrschen der auferstandenen treuen Christen ist also ein Mitherrschen mit Christus, ganz in dessen Sinne und nach dessen Willen. Es wäre in der Tat nicht nur ein Verstoß gegen die reformatorischen Bekenntnisse, sondern gegen die Bibel, wenn wir annehmen wollten, dass die „Frommen ein weltlich Reich haben und alle Gottlosen vertilgen werden (pii regnum mundi occupaturi sint, ubique oppressis impiis)“.2499 Die Zeitansage tausend Jahre lang entspricht genau den tausend Jahren der Gefangenschaft Satans in V. 2 und 3. Gegen J.A. Bengel haben wir es also nicht mit zwei verschiedenen Tausendjahrspannen zu tun. Im Übrigen besagt die Formulierung tausend Jahre lang (χίλια ἔτη [chilia ete]) nicht, dass danach das Mitherrschen mit Christus aufhört. Sie besagt nur, dass danach eine Veränderung der Verhältnisse eintritt (vgl. V. 7-10). Ein Punkt bleibt außerdem festzuhalten: Die Herrschaft Christi und das Mitherrschen der Erlösten betrifft noch die alte Erde.2500 Eine neue Erde gibt es ja erst im 21. Kap. Dieselbe alte Erde, die das Kreuz Jesu sah, sieht auch seine Herrlichkeit. Dieselbe Erde, die das Leid der Christusgläubigen sah und ihr Blut trank, sieht auch ihre Verklärung im Tausendjährigen Reich.2501 Diese Botschaft zieht sich seit Ps 37,11; Dan 7,27 und Mt 5,5 durch die Bibel. Ist es so, dann wird auch von dieser Seite her klargestellt, dass die Erde nach dem Sturz des Antichrist und nach der Gefangennahme Satans bevölkert sein muss. Eine Herrschaft über eine leere Erde wäre ein Unsinn, wie Caird sagt: „It would be a singularly empty recognition of their services if they were to reign over a world of which they were the sole inhabitants.“2502 Vers 5 bildet eine Art Erläuterung zum 4. Vers: Die übrigen von den Toten (οἱ λοιποὶ τῶν νεκρῶν [hoi loipoi ton nekron]) wurden nicht wieder lebendig, bis die tausend Jahre vollendet sind. Interessanterweise fehlt dieser ganze Satz in den meisten alten Handschriften, wird jedoch von Nestle-Aland 2497 2498 2499 2500 2501 2502
Lohmeyer 3 S. 161. Auberlen S. 328. Dagegen richtet sich das Verwerfungsurteil in CA 17. Vgl. Charles II S. 185. Irenäus Adv. haer. V, 35,1; 32,1; 33,1ff. Caird S. 251. Anders Pohl II S. 265.
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aufgrund seiner Bezeugung durch A in den Text aufgenommen. Wir können heute nicht mehr mit Gewissheit sagen, ob er ursprünglich in der Offenbarung gestanden hat oder nicht. Einen neuen Gedanken bringt er allerdings nicht. Wer sind die übrigen von den Toten? Die Antwort kann nur lauten: die verstorbenen Nichtchristen.2503 Sie wurden nicht wieder lebendig (οὐκ ἔζησαν [uk ezesan]) heißt: Sie erstanden noch nicht auf. Ihre Auferstehung geschieht erst in Off 20,12. Das stimmt mit 1Kor 15,23f, aber auch Mt 24,31 überein. Wichtiger ist der zweite Satz von Offb 20,5: Das ist die erste Auferstehung (Αὕτη ἡ ἀνάστασις ἡ πρώτη [haute he anastasis he prote]).2504 Er gehört zu den vielen Definitionssätzen (vgl. nur 17,18; 19,8.10), durch die uns die Offenbarung ihr Verständnis erleichtert. Die erste Auferstehung wird in der Offenbarung von der „zweiten Auferstehung“ unterschieden (vgl. Offb 20,5f.12f), genauso wie in 1Kor 15,23f. Hier gibt es ein klares „zeitliches Nacheinander“.2505 Wenn nun Offb 20,4 als erste Auferstehung definiert wird, dann bedeutet dies, dass die Aussagen sie lebten (ἔζησαν [ezesan]) und wurden nicht wieder lebendig (οὐκ ἔζησαν [uk ezesan]) wirklich als Auferstehungsaussagen zu interpretieren sind. Das heißt, die Betreffenden sind tatsächlich leiblich auferstanden. Das heißt aber noch mehr: Weil die „Auferstehung des Lebens“ (Joh 5,29) und die Auferstehung überhaupt jeweils das Gericht über die Auferstandenen einschließt (vgl. Dan 12,2), muss über die in Offb 20,4 Auferstandenen das Gericht ergangen sein, bevor sie sich auf die Throne setzen konnten (vgl. 2Kor 5,10). Deshalb also waren in V. 4 die Throne zunächst leer: Erst musste den auferstandenen Christen im Gericht ihr Freispruch verkündigt werden, bevor sie sich auf die Throne setzen konnten.2506 V. 6 fasst noch einmal zusammen und bekräftigt wichtige Aussagen zum Tausendjährigen Reich. Eingeleitet wird dieser 6. Vers durch die fünfte Seligpreisung der Offenbarung: glücklich zu preisen und heilig ist derjenige, der teilhat an der ersten Auferstehung (vgl. 1,3; 14,13; 16,15; 19,9). Dabei fällt auf, dass μακάριος [makarios] (glücklich zu preisen) jetzt erstmals durch ein ἅγιος [hagios] (heilig) ergänzt wird. Vermutlich soll durch heilig der ewige Zustand der Erlösung und die ständige Gemeinschaft mit Gott ausgedrückt werden.2507 Zugleich kommt zum Ausdruck, dass wir es hier mit den wahren Heiligen zu tun haben,
2503 2504 2505 2506 2507
Ebenso Giesen S. 435; Wettstein S. 837 („Idololatrae“); Satake KEK S. 387. Vgl. Blass-Debrunner § 62,1. Unerklärlicherweise bestritten von Giesen S. 434. Ebenso U.B. Müller S. 333. Vgl. Holtz NTD S. 130; Behm S. 103; Satake KEK S. 388.
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die in Dan 7,18ff gemeint sind.2508 Der Begriff erste Auferstehung (ἡ ἀνάστασις ἡ πρώτη [he anastasis he prote]) wiederholt sich jetzt. Es zeigt sich also, dass für die Offenbarung die erste Auferstehung eine hohe Bedeutung hat. Mit Recht sieht Lohmeyer2509 in der Wendung teilhat (ἔχων μέρος [echon meros]) ein „johanneisches Wort“ (vgl. Joh 13,18). Die sprachliche Verwandtschaft zwischen Offenbarung und Johannesevangelium bestätigt sich also erneut. Es kann kein Zweifel bestehen, dass Johannes mit dieser prophetischen Seligpreisung die bedrängten Gemeinden seiner Tage zur Standhaftigkeit ermutigen will. Daraus aber mit Bousset eine Aufmunterung zur „wilden Todesfreudigkeit“2510 oder mit den heutigen Medien eine Talibanähnlichkeit zu machen, zeigt nur, unter welch groben Missverständnissen die Offenbarung ununterbrochen zu leiden hat. Über diejenigen, die an der ersten Auferstehung teilnehmen, hat der zweite Tod keine Macht (ὁ δεύτερος θάνατος οὐκ ἔχει ἐξουσίαν [ho deuteros thanatos uk echei exusian]). Diese Aussage ist ein Vorgriff auf 20,14 und 21,8, schließt sich aber zugleich an 2,11 an (vgl. die Erklärung dort). Demnach bedeutet der zweite Tod die Qual der ewigen Verdammnis (vgl. Offb 14,10f).2511 Die freigesprochenen Christen, die mit Christus im Tausendjährigen Reich Gemeinschaft haben und herrschen, haben von diesem zweiten Tod nichts mehr zu befürchten. Stattdessen werden sie Priester Gottes und Christi sein. Priester sein ist seit dem Sinai die Bestimmung des Volkes Gottes (Ex 19,6; 1Petr 2,9; Offb 1,6; 5,10), und das bedeutet: Gott die Ehre geben, Fürbitte, Seelsorge und Fürsorglichkeit für die Menschen, lehren, ermahnen und trösten. Dass die „Herrschaft“ der auferstandenen Christen im Tausendjährigen Reich irgendetwas mit Machtgier, Egoismus, Ausbeutung oder Beraubung zu tun hat, wird durch Offb 20,6 ausgeschlossen. Gott und Christus gehören hier so eng zusammen, dass nur ein trinitarischer Glaube der Offenbarung gerecht wird.2512 Mit ihm heißt „mit Christus“ (vgl. V. 4). Christus bleibt die Mitte. Sie werden herrschen wiederholt und bekräftigt V. 4. Wie wir oben sagten: Offb 20,4-6 als zweiter Teil des Diptychons 20,1-6 weist nur ganz wenige, aber kräftige Striche auf. Lohmeyer sprach sogar von einer „absichtliche[n] Kargheit“2513. Vermutlich hat er hier recht. Man darf
2508 2509 2510 2511 2512 2513
Anders Bengel S. 967: heilig „wegen des Priesterthums“. Lohmeyer 3 S. 162; ebenso Jörg Frey bei Hengel S. 357. Bousset 1896 S. 502. Hemer S. 75 sieht im „zweiten Tod“ eine jüdische Wendung. Bengel S. 968. Lohmeyer 3 S. 161.
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Offb 20,1-6 weder unterschätzen noch überfordern. Dass hier wilde Spekulationen hereinschossen, ist leider geschichtlich wahr. Wir versuchen im Folgenden, noch einmal das Wesentliche zusammenzufassen.
IV Zusammenfassung 1. Trotz der vielen Fragen, die Offb 20,1-6 offenlässt, darf man nicht vergessen, dass die Botschaft vom Tausendjährigen Reich eine beglückende und ermutigende Botschaft darstellt. Der Kampf gegen eine Tausendjahrreich-Erwartung, z.B. aus konfessionell-lutherischen Positionen2514, ist vergeblich, und dies schon deshalb, weil die tausend Jahre unaustilgbar in der Bibel stehen. 2. Der entscheidende Inhalt von Offb 20,1-6 ist, dass Christus nach seiner Wiederkunft zusammen mit den Seinen eine bestimmte Zeit lang noch über die alte Erde herrscht. Unsere von Sünde befleckte und blutgetränkte Erde, die ihn kreuzigte und die die Christen verfolgte, sieht die Herrlichkeit Christi und seiner Gemeinde, bis ein letzter Aufstand zum Jüngsten Gericht überleitet.2515 3. Im Zusammenhang mit diesem Herrschaftsantritt Jesu Christi ereignet sich die erste Auferstehung. An ihr nehmen alle treuen Christen, die bis dahin verstorben sind, teil. Es bleibt deshalb ein geistliches Ziel für alle Christen, an der ersten Auferstehung teilnehmen zu können. Ergänzt wird der Vorgang der ersten Auferstehung durch die Verwandlung der noch auf Erden lebenden Gemeinde und die Vereinigung der verwandelten Christen mit Jesus nach Mt 24,31; 1Kor 15,51ff; 1Thess 4,15ff. Da nach der gesamten Bibel eine Auferstehung zum Leben und die Vereinigung mit Christus nicht ohne ein Gericht auch über die Christen und die Gemeinde denkbar ist (2Kor 5,10; Mt 24,36– 25,46), findet dieses Gericht im Zusammenhang mit der ersten Auferstehung statt. Erst danach können die Erlösten mit Christus herrschen.2516 4. Die Botschaft vom Tausendjährigen Reich steht weder isoliert noch ohne Parallelen im NT. Einzigartig ist nur die Zahlenangabe „tausend“. Im Übrigen setzt Jesus selbst ein solches Christusreich voraus (Mt 13,41ff; 16,28; 19,28; 25,31ff), und Paulus weist ausdrücklich darauf hin (1Kor 15,12ff; 1Thess 4,13ff; 2Thess 2,1ff).2517
2514 Beispiele: Trillhaas S. 460f; Kümmel S. 419. 2515 Vgl. Irenäus Adv. haer. V, 32,1. 2516 Ganz anders Giesen S. 429, der meint, „dass die treuen Christen vom Endgericht ausgenommen sind“. 2517 Ebenso Hengel Apok S. 392.
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5. Es gibt in der Offenbarung wie im übrigen NT eine klare zeitliche Abfolge: Die erste Auferstehung ereignet sich vor der zweiten Auferstehung2518, das Gericht über die Christen vor dem allgemeinen Weltgericht (Offb 20,4-15; 1Kor 15,23ff; 1Thess 4,13ff; 1Petr 4,17; 1Kor 11,32; Lk 23,31; Phil 3,11 ἐξανάστασις [exanastasis]).2519 6. Die erste Auferstehung darf nicht nur als eine resurrectio mystica, eine geistliche Auferstehung, gedeutet werden.2520 Vielmehr ist sie genauso leiblich real wie die zweite Auferstehung in Offb 20,11ff. Der Gedanke von Morris, es könnte sich lediglich um eine vorläufige Auferstehung ohne Leib handeln2521, hat keinen Grund in den Texten. 7. Die erste Auferstehung gehört allem nach, was die Texte sagen, in die Zukunft. Hier behält Irenäus2522 gegenüber Augustinus2523 recht.2524 8. Doch wo regiert der wiederkommende Christus mit den Seinen? Zu den Auffälligkeiten von Offb 20,4-6 gehört es, dass kein Ort genannt wird, weder Jerusalem noch ein sonstiger. Die Frage nach dem „Wo?“ rechnet Beckwith mit Recht zu den umstrittenen Hauptfragen der Offenbarungsexegese.2525 Uns scheint jedoch, dass die Texte, vor allem die Aussagen Jesu in Mt 13,41ff; 16,28; 19,28; 24,31; 25,1 sowie die Formulierungen bei Paulus in 1Kor 15,51ff; 1Thess 4,15ff eher auf eine Herrschaft Christi vom Himmel her deuten.2526 9. Die Frage „Was geschieht im Tausendjährigen Reich?“ wird immer wieder gestellt. Zugleich mahnt uns die Auslegungsgeschichte gerade an dieser Stelle zur Vorsicht. Caird nannte die Lehre vom Tausendjährigen Reich „the paradise of cranks and fanatics“2527 („das Paradies der Leute mit fixen Ideen und der Fanatiker“). Spener bekannte, sieben wesentliche Punkte aus Offb 20,1-6 nicht zu verstehen.2528 Und Hartenstein schrieb frei und offen, er könne keiner der bisherigen Deutungen folgen, für ihn bleibe das Tausendjährige 2518 Vgl. wieder Hengel a.a.O. 2519 Giesen S. 434 lehnt ein „zeitliches Nacheinander“ ab und will hier nur „eine sachlichtheologische Aussage“ wiederfinden. 2520 Gegen Wettstein S. 837; Vitringa S. 855ff; Augustinus DCD XX,7,10; Leonhard Schiemer (Maier Offb S. 248). 2521 Morris S. 237. 2522 Irenäus Adv. haer. V, 34,2. 2523 Vgl. Augustinus DCD XX,7,10. 2524 Cullmann Christologie S. 233. 2525 Beckwith S. 318ff. 2526 Ebenso Bengel S. 959; J.M. Hahn S. 623; P. Müller S. 61; Römer S. 206; Grünzweig II S. 221; Frey S. 210; Morris S. 236; Giesen S. 432; Auberlen S. 337. 2527 Caird S. 249. 2528 Vgl. Maier Offb S. 363.
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Reich ein „Geheimnis“, und er glaube, dieses Geheimnis werde „erst in der Erfüllung klarwerden“.2529 Zwar kann man bestimmte Dinge mit einiger Gewissheit ausscheiden, so z.B., dass es im Tausendjährigen Reich wieder einen Tempel in Jerusalem geben werde. Denn die Tempelverheißung Hesekiels (Kap. 40–48) wird erst in der Neuschöpfung erfüllt (Offb 22,1ff), und es gibt keinen Grund, weshalb Christus, der mit seinem Opfertod den alttestamentlichen Opferkult abgeschafft hat (vgl. Mt 26,61; Joh 2,18ff; Röm 3,24f; 1Petr 1,18f; 2,5; Hebr 9,1-28; 10,1-18), nun im Tausendjährigen Reich ausgerechnet den Tempel wieder aufrichten sollte. Ausschließen kann man auch eine doppelte Wiederkunft Jesu Christi.2530 Auszuschließen sind ferner alle Vorstellungen „sinnlicher Wonne“ und fleischlicher Genüsse, die angeblich die alten Chiliasten pflegten.2531 Dagegen kann man mit derselben Gewissheit annehmen, dass auch Israel im Tausendjährigen Reich Jesus als seinen Messias erkennt (Mt 23,39) und dass das Tausendjährige Reich unter der Herrschaft Christi eine wunderbare Segenszeit sein wird, in der sich noch viele Prophetien erfüllen. In Einzelheiten aber sollte man zurückhaltend bleiben.
10.2 Die letzte Rebellion, 20,7-10 I Übersetzung 7 Und wenn die tausend Jahre vollendet sind, wird der Satan los werden aus seinem Gefängnis, 8 und er wird ausziehen, um die Völker2532 an den vier Enden der Erde zu verführen,2533 den Gog und Magog, und um sie zum Kampf zu versammeln, sie, deren Zahl wie der Sand am Meer ist. 9 Und sie zogen hinauf auf die breite Fläche der Erde und umringten das Lager der Heiligen und die geliebte Stadt, aber es kam Feuer aus dem Himmel herab und verzehrte sie. 10 Und der Teufel, der sie verführte, wurde in den See von Feuer und Schwefel geworfen, wo auch das Tier und der Falschprophet sind, und sie werden gequält werden Tag und Nacht in alle Ewigkeit. 2529 Hartenstein S. 237ff, 242. Unter den Modernen vgl. Lohmeyer 3 S. 163: „Alles nähere bleibt in dieser Vision dunkel.“ 2530 Hartenstein S. 242. 2531 Vgl. Eusebius H. E. III, 39; VII, 24. 2532 πάντα [panta] vor ἔθνη [ethne] ist eine verständliche Ergänzung, aber gerade deshalb vermutlich sekundär. 2533 καί [kai] vor συναγαγεῖν [synagagein] in einer größeren Zahl von Handschriften bedeutet eine Erleichterung in einem komprimierten Text und ist deshalb kaum ursprünglich.
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II Struktur Zunächst fällt auf, dass Johannes gegen seine sonstige Gewohnheit nicht direkt angibt, woher er die in 20,7-10 enthaltenen Informationen hat. Sonst sagt er in der Regel „Und ich sah“, „Und ich hörte“ oder Ähnliches. Wir können nur annehmen, dass auch die V. 7-10 zu dem noch in 20,4 Geschauten gehören. Innerhalb Offb 20,7-10 findet ein Stilwechsel statt: Die V. 7 und 8 werden regiert vom Futur, die V. 9 und 10 vom erzählenden oder komplexiven Aorist. V. 7 mit seinen Futurformen hebt sich deutlich vom vorausgehenden Makarismus ab. V. 10 schließt mit einem solennen εἰς τοὺς αἰῶνας τῶν αἰώνων [eis tus aionas ton aionon]. Beides erlaubt, Offb 20,7-10 als eigenen Abschnitt aufzufassen. Vor allem wird die Selbstständigkeit des Abschnitts 20,7-10 inhaltlich begründet. Das Geschehen der Loswerdung Satans, seines neuen aktiven Handelns und die daraus resultierende Völkerrebellion sind Ereignisse mit eigenem Gewicht und Profil, die deshalb auch für sich darzustellen sind. Dabei soll nicht übersehen werden, dass Offb 20,7-10 vielfältig in den Kontext der ganzen Offenbarung eingebettet ist. Das Stichwort Satan verbindet es mit den voraufgehenden Kapiteln der Offenbarung seit Kap. 12, die Formulierung τελεσθῇ τὰ χίλια ἔτη [telesthe ta chilia ete] besonders mit Offb 20,2 und 20,5, das λυθήσεται [lythesetai] mit dem λυθῆναι [lythenai] von Offb 20,3, die Aussage über die φυλακή [phylake] des Satans mit Offb 20,1-3. Das πλανῆσαι τὰ ἔθνη [planesai ta ethne] hat seinen Widerhall in Offb 20,3. In dem συναγαγεῖν εἰς τὸν πόλεμον [synagagein eis ton polemon] wiederholt sich Offb 16,14 und 19,19. In ἡ ἄμμος τῆς θαλάσσης [he ammos tes thalasses] begegnet uns eine Wendung, die wir schon in Offb 12,18 fanden. Den See von Feuer und Schwefel, in den der Teufel geworfen wurde, kennen wir seit Offb 19,20. Mehr noch: Offb 20,10 erinnert uns explizit an das Tier und den Falschpropheten von Offb 19,20 und Offb Kap. 13–17. Schließlich weist das gequält werden Tag und Nacht in alle Ewigkeit zurück auf Offb 14,9ff. Angesichts so vieler Querverbindungen empfiehlt es sich, Offb 20,7-10 in enger Anlehnung an den gesamten Kontext der Offenbarung zu interpretieren. Hinzu kommt auch in Offb 20,7-10 die augenscheinliche Verknüpfung mit der Prophetie des AT, vor allem mit Hesekiel, aber auch mit der Eliageschichte.
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III Einzelexegese Exkurs: Beispiele bisheriger Auslegungsgeschichte Auch die Auslegungsgeschichte von Offb 20,7-10 weist interessante Aspekte auf. Einige davon seien beispielhaft genannt: Augustin interpretierte das Loswerden Satans in Offb 20,7 als einen geistlichen Vorgang, nämlich so, dass damit Verfolgungen und Bedrängnisse der Kirche gemeint seien.2534 Er hat damit ein Muster für die kirchliche Auslegung vieler Jahrhunderte geschaffen. Unter anderem ist ihm Luther darin gefolgt.2535 Manche Ausleger scheinen Offb 20,7ff einfach zu übergehen, wie z.B. Petrus Johannis Olivi oder Johann Hilten.2536 Den zur Gewalt greifenden Münsteraner Täufern diente Offb 20,7ff als eine der rechtfertigenden Textstellen. Luther glaubte, dass die Zeit von Offb 20,7ff seine Gegenwart sei. Auch bei Coccejus finden wir eine geistliche Deutung.2537 Satans Loswerden setzt er mit der Enthüllung des antichristlichen Papsttums gleich.2538 Zu Speners offenen Fragen zählte auch die Frage, wer in Offb 20,8 Gog und Magog sei.2539 Bengel hat dann Gog und Magog auf Russland bezogen und damit wiederum eine lange Erklärungstradition eröffnet, in der Russland und der Feind aus dem Norden zusammengehörten.2540 Weiter hinaus griff Ernst Wilhelm Hengstenberg (1802–1869). Er sah in Gog und Magog „alle zukünftigen Feinde des Reiches Gottes“2541.
Offb 20,7 beginnt so, dass mit den Worten Und wenn die tausend Jahre vollendet sind auf Offb 20,2.3.4.5 zurückgegriffen wird. Johannes leitet also eine Art Fortsetzungsgeschichte zu Offb 20,1-6 ein. Damit ist klar, dass sich das heilsgeschichtliche Nacheinander von Offb 19 und 20 fortsetzt und die Ereignisse von Offb 20,7ff in der Zukunft liegen.2542 Der bestimmte Artikel in die tausend Jahre (τὰ χίλια ἔτη [ta chilia ete]) verwehrt es überdies, mit Bengel von zweimal tausend Jahren auszugehen. Es ist immer dieselbe Tausendjahrspanne gemeint. Im Übrigen mussten wir offenlassen, ob die tausend Jahre als normale Jahre im Sinne unserer Zeitrechnung zu verstehen sind oder als eine symbolische Zahl. 2534 2535 2536 2537 2538 2539 2540 2541 2542
Augustinus DCD XX, 8. Vorreden S. 188. Vgl. Maier Offb S. 181ff.199. A.a.O. S. 289ff. A.a.O. S. 330. A.a.O. S. 363. Bengel S. 970ff. Die Offenbarung des heiligen Johannes, 2. Bd., 2. Aufl., Berlin, 1862, S. 300ff. Irenäus Adv. haer. V, 34,2.
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… wird der Satan los werden aus seinem Gefängnis (λυθήσεται ὁ σατανᾶς ἐκ τῆς φυλακῆς αὐτοῦ [lythesetai ho satanas ek tes phylakes autu]) fährt Johannes fort. Mit einem gewissen Recht spricht Lohmeyer hier von einer „prophetischen Erzählung“2543. λυθήσεται [lythesetai] kann als Passivum divinum verstanden werden, in dem Sinn: „wird Gott den Satan loslassen aus seinem Gefängnis“. Weder in Offb 20,7 noch in einem anderen Vers wird ein Grund für diese Freilassung angegeben. Die Offenbarung bleibt hier nahezu „undurchsichtig“, wie Lohmeyer formuliert.2544 Was man zunächst sagen kann, ist dies, dass wir uns im Umkreis jüdischer Tradition befinden.2545 Als Zweites muss bedacht werden, dass Gott niemandem Rechenschaft über seine Gründe schuldig ist (Hiob 40,1–42,6; Jes 45,9; Röm 9,14ff). Nur sehr vorsichtig kann man vermuten, dass Gott als ein Gott äußerster Gerechtigkeit und Langmut (vgl. Röm 2,4; 2Petr 3,9.15) auch dem Satan noch eine „zweite Chance“ oder „letzte Chance“ zur Umkehr geben wollte. Wie wir sehen werden, hat dieser weder die tausend Jahre als Zeit der Besinnung noch die letzte Chance bei seiner Freilassung genutzt. Johann Michael Hahn sagte geradezu: Der Satan „sollte sich bessern“2546. Adolf Pohl meinte: „Seine Befreiung dient seiner letzten Enthüllung.“2547 Bei anderen Auslegern rückt der Gedanke einer „Echtheitsprobe“ für den Glauben der Völker im Tausendjährigen Reich in den Vordergrund.2548 Nur mit Erstaunen, ja Erschrecken, kann man die einleitenden Worte in V. 8 lesen: und er wird ausziehen, um die Völker an den vier Enden der Erde zu verführen. „Voluntas enim Satanae semper eadem est“, bemerkte Vitringa einst zu dieser Stelle2549: „Denn der Wille des Satans ist immer derselbe.“ Gerade darin liegt das Problem. Hat diese Engelsgestalt – auch wenn es ein abgefallener Engel ist – nicht mehr die Fähigkeit, sich zu ändern, am Ende sich zu bekehren? Die Fähigkeit schon, muss man nach den biblischen Quellen (z.B. 2Kor 11,14) sagen. Aber eben nicht den Willen. Es gibt ein Böses, das sich nicht bekehrt, weil es sich nicht bekehren will. Vor dieser harten Tatsache stehen wir in der ganzen Schöpfung. Wie oberflächlich, wenn auch gut-
2543 Lohmeyer 3 S. 163. Bousset 1896 S. 503: „der prophetische Stil“; Holtz NTD S. 130: „Johannes … referiert.“ 2544 A.a.O. 2545 Wettstein S. 837; Schlatter BFchTh S. 93; Bousset a.a.O.; Lohmeyer a.a.O. 2546 J.M. Hahn S. 621. 2547 Pohl II S. 280. 2548 So z.B. Grünzweig II S. 233ff. 2549 S. 870. Ähnlich Swete S. 267; Mounce S. 361.
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meinend, ist demgegenüber die Erwartung der europäischen Aufklärung, dass „der Mensch … das Gute tun wird, weil es das Gute ist“2550. Der Stil der Schilderung in V. 8 ist der der prophetischen Ankündigung.2551 Ausziehen (ἐξελεύσεται [exeleusetai]) beschreibt sowohl das Verlassen des Gefängnisses, des „Abgrunds“ von V. 1 und 3, als auch das beginnende strategische und praktische Handeln. Die Völker (τὰ ἔθνη [ta ethne]) bedeutet „alle Völker“.2552 An dieser Stelle kommt es in der Auslegung zu einer interessanten Diskussion, die mit den hinzugefügten Worten an den vier Enden der Erde zusammenhängt. Genauer übersetzt heißt es hier: „an den vier Ecken der Erde“.2553 Dafür gibt es zwei Möglichkeiten des Verständnisses. Entweder man versteht die vier Ecken (γωνίαι [goniai]) im Sinne der altorientalischen Kosmologie geografisch2554, oder man versteht sie als Ausdruck der Universalität, im Sinne einer symbolischen Vierzahl, die eben alle vier Himmelsrichtungen enthält (vgl. Jes 11,12; Jer 49,36; Ez 37,9; Dan 7,2; Sach 6,5; Mt 24,31).2555 Da es sich im ganzen Kontext um ein globales Geschehen handelt, liegt für uns die zweite Verstehensmöglichkeit näher. Die vier Ecken oder Enden der Erde bezeichnen also keine Randposition2556, sondern sämtliche Völker auf diesem Erdenball.2557 Steht es so, dann ist es nicht mehr möglich, die Völker an den vier Enden der Erde auf die Völker außerhalb des damaligen Imperium Romanum zu beziehen. Eine solche Deutung vertreten beispielsweise Schlatter und Hadorn. Schlatter meinte: „Es gibt noch unbekannte Völker, die an den Ecken der viereckigen Fläche wohnen, auf der die Menschheit ihre Heimat hat, während die im Römischen Reich vereinigten Völker die Mitte der Erde … besitzen.“2558 Diese „Völkerwelt“ sei jetzt in Offb 20,8 an der Reihe, sagt auch Hadorn2559, während das Gericht über die Völker des Römerreiches schon in Offb 19,17ff vollzogen wurde. Aber nichts deutet in Offb 19,17ff eine Begrenzung auf das Römerreich an. Und wenn das Babylon von Offb 18 wirklich Rom wäre, wie Schlatter und Hadorn voraussetzen, müsste ja in Offb 20,7-10 entweder Jerusalem oder eine andere Stadt die Hauptstadt des einstmals römischen Impe2550 2551 2552 2553 2554 2555 2556 2557 2558 2559
Lessing § 85. Bousset a.a.O.; Lohmeyer a.a.O.; Swete a.a.O.; Charles II S. 187. Vgl. die Einfügung πάντα [panta] in einer Reihe von Handschriften. Vgl. J. Jeremias, Art. γωνία usw., ThWNT, I, 1933, S. 792. So z.B. Jeremias a.a.O.; Behm S. 105. So z.B. Mounce S. 362; Swete S. 267. So aber Roloff S. 194: „Von den Rändern der Erde.“ Ebenso Augustin DCD XX, 11. Schlatter S. 323. Hadorn S. 200.
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riums geworden sein und die Unterscheidung Imperium Romanum / nichtrömisches Gebiet nach dem Ablauf von tausend Jahren immer noch gelten. Das sind keine sehr glaubwürdigen Annahmen. Charles rang seitenlang mit dem Problem der angeblich menschenlosen Erde, die nach Offb 19,17ff zurückgeblieben sei.2560 Im Tausendjährigen Reich sah er nur noch die mit Christus verbundenen Gläubigen auf der Erde. Aber Offb 20,8 bestätigt, was wir schon bei Offb 19,17-21 und 20,1-6 annehmen mussten, dass es eben sehr wohl noch Völker im Tausendjährigen Reich auf der Erde gibt. Eben diese Völker nennt Johannes den Gog und Magog (τὸν Γὼγ καὶ Μαγώγ [ton Gog kai Magog]). Es ist eine weitverbreitete Ansicht, dass hier in Offb 20,8 aus dem „Fürsten Gog“ und dem „Land Magog“ von Ez 38,2 zwei verschiedene Völker gemacht würden.2561 Einer näheren Prüfung hält diese Ansicht aber nicht stand. Johannes spricht keineswegs von „zwei“ Völkern, sondern von „allen“ Völkern der Erde, denen er in ihrer Gesamtheit den Namen Gog und Magog verleiht. τὸν Γὼγ καὶ Μαγώγ [ton Gog kai Magog] ist Apposition zu τὰ ἔθνη [ta ethne]. Beide Begriffe dienen, wie Mounce mit Recht sagt, als „symbolic figures“, die eben alle Völker der Erde repräsentieren.2562 Das Ergebnis ist kein anderes, wenn man die u. E. schlechter bezeugte Lesart τὸν Γὼγ καὶ τὸν Μαγὼγ [ton Gog kai ton Magog] nimmt. Einig ist man sich darüber, dass Ez 38–39 mit seiner Gog-Magog-Weissagung die alttestamentliche Typologie und das Modell für Offb 20,7-10 darstellt.2563 Schon die alten Ausleger wie Irenäus, Vitringa, Bengel oder Wettstein haben auf den Zusammenhang mit Ez 37–39 hingewiesen.2564 Zweifellos werden in Ez 38,1ff Gog und Magog mit dem Norden in Verbindung gebracht: In Ez 38,6 ist vom „äußersten Norden“ die Rede, Meschech und Tubal deuten auf den kleinasiatisch-anatolischen Raum, und schon Josephus identifizierte den Magog von Gen 10,2; 1Chr 1,5 mit den Skythen.2565 Diese Verbindung von Ez 38,2 mit dem Norden hat manche Ausleger, darunter Vitringa und Bengel, dazu gebracht, das [ ֹראשׁrosch] des hebräischen Textes auf „Russland“ und „Meschech“ auf „Moskau“ zu deuten.2566 Doch 2560 Charles II S. 184ff. 2561 Vgl. Bousset a.a.O.; Lohmeyer a.a.O.; Hadorn a.a.O.; Roloff S. 194. 2562 Mounce a.a.O.; schon K.G. Kuhn, Art. Γὼγ καὶ Μαγώγ, ThWNT, I, 1933, S. 790ff; ja schon Augustin DCD XX, 11; weiter Morris S. 238; Satake KEK S. 394; Aune S. 1093ff. 2563 Vgl. auch Berger S. 578; Gnilka S. 400; Kraft S. 253. 2564 Irenäus Adv. haer. V, 34,1; Vitringa S. 870; Bengel S. 970; Wettstein a.a.O. 2565 Josephus Ant. I, 123. 2566 Vitringa a.a.O.; Bengel a.a.O.; J.M. Hahn S. 629.
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שׂיא ֹראשׁ ִ [ ְנnesi rosch] heißt „oberster Fürst“ und nicht „Fürst von Rus = Russland“, und „Meschech“ hat mit Moskau nichts zu tun.2567 Außerdem ist zu beachten, dass es schon in Ez 38 nicht nur um Völker aus dem Norden geht, sondern auch um die Perser und das afrikanische Kusch und Put (Ez 38,5), also im Grunde um Völker der ganzen Welt. Es hat also seine innere Berechtigung, wenn die frühjüdischen Rabbinen z.B. in b Aboda zara 3b die Namen Gog und Magog zum Sammelnamen für die heidnischen Völker machten, die „gegen den Herrn und seinen Gesalbten“ zum Kampfe heraufziehen.2568 Ähnliches beobachten wir in anderer frühjüdischer Literatur, z.B. den Sibyllinen (Or Sib III, 319f.512). Johannes ist also nicht der Einzige, der Gog und Magog als Sammelbezeichnung für die antigöttliche Völkerwelt am Ende der Zeiten gebraucht. Verführt seien sie, sagt Offb 20,8. Denn der Satan wird ausziehen, um die Völker … zu verführen (πλανῆσαι [planesai]). Damit stehen wir vor der nächsten Frage: Wie ist es möglich, Völker zu verführen, die unter der Herrschaft Jesu Christi die Segenszeit des Tausendjährigen Reiches erlebt haben? Roloff meinte, diese und ähnliche Fragen blieben in der Offenbarung „ohne Antwort“2569. Eine direkte Antwort gibt es freilich nicht. Wohl aber eine Antwort aus dem Kontext der Bibel: Wenn schon die ersten Menschen, die täglich in sichtbarer und unmittelbarer Gemeinschaft mit dem dreieinigen Gott lebten, durch den Satan zum Abfall von Gott verführt werden konnten (Gen 3), warum sollten dann nicht auch die Völker, die durch Christus vom Himmel her regiert wurden, vom Satan verführt werden können? Überdies ist das Geschehen von Offb 20,7-10 ja durch Ez 38–39 prophezeit, und was im Namen Gottes prophezeit ist, trifft ein (Dtn 18,21f). In gewisser Weise ist das Geschehen von Offb 20,7ff tatsächlich eine Neuauflage des Sündenfalls von Gen 3.2570 Die Verführung hat ein Ziel: um sie zum Kampf zu versammeln (συναγαγεῖν αὐτοὺς2571 εἰς τὸν πόλεμον [synagagein autus eis ton polemon]). Dieser Zielpunkt ergibt sich aus dem Kontext unabhängig davon, ob man συναγαγεῖν [synagagein] grammatisch von πλανῆσαι [planesai] abhängen lässt2572 oder ob man vor συναγαγεῖν [synagagein] mit einer Reihe von Handschriften ein καί [kai] einfügt, das doch wohl epexegetisch zu verstehen wäre. Die Wen2567 Vgl. Maier Hes II S. 221ff sowie Mounce S. 362, 28. 2568 Vgl. Kuhn a.a.O.; Schlatter BFchTh S. 93f; Hadorn a.a.O.; Wettstein S. 838; Charles II S. 189. 2569 Roloff S. 194. 2570 Vgl. Römer S. 210. 2571 αὐτούς [autus] bezieht sich auf τὸν Γὼγ καὶ Μαγώγ [ton Gog kai Magog]. 2572 So Mounce S. 361f.
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dung συναγαγεῖν αὐτοὺς εἰς τὸν πόλεμον [synagagein autus eis ton polemon] stimmt wörtlich mit Offb 16,14 und außerdem sachlich mit Offb 17,12ff; 19,19 überein.2573 Grundanliegen des satanischen Wesens werden hier sichtbar: Machtentfaltung, Führungsanspruch und ständig größeres Koalieren. Dies alles dient dem zentralen Anliegen des Bösen: dem Kampf gegen Gott. Aus dem biblischen Zusammenhang wird außerdem klar, dass sich gerade so Ps 2 erfüllt: „Warum toben die Heiden und murren die Völker so vergeblich? Die Könige der Erde lehnen sich auf wider den HERRN und seinen Gesalbten“ (Ps 2,1-2).2574 Deren Zahl wie der Sand am Meer ist: ein „Hebraismus“, wie Charles betont2575, der auf Gen 22,17; Jos 11,4; Ri 7,12; Offb 12,18 verweist. Unzählige also, und nicht nur eine bestimmte Gruppe, beteiligen sich am Kampf gegen Gott.2576 Mit Augustin2577 denken wir dabei an einen realen geschichtlichen Vorgang auf der alten Erde und nicht nur an ein geistliches Geschehen. In V. 9 weicht das Futur dem Aorist: Und sie zogen hinauf (ἀνέβησαν [anebesan]) auf die breite Fläche der Erde (ἐπὶ τὸ πλάτος τῆς γῆς [epi to platos tes ges]). Johannes berichtet, als sähe er jetzt schon das Ergebnis der satanischen Verführung wie eine geschichtliche Szene sich abspielen. Hinauf zog man nach Jerusalem (vgl. Ps 122,4; Lk 19,28; Joh 7,8), aber auch nach anderen, als höher empfundenen Orten.2578 Bei πλάτος [platos] gibt es erneut eine Diskussion über das genauere Verständnis. πλάτος [platos] heißt wörtlich „Breite“. Doch nach Bauer-Aland „ist der Sinn undeutl[ich]“ – in Offb 20,9.2579 Die Übersetzungen schwanken. Zahn bleibt bei „Breite der Erde“2580. Satake hat „Ebene der Erde“2581. Behm übersetzt „die Erde, so weit sie ist“2582, Hadorn „Plateau“2583. Bousset und Charles gehen von der Bedeutung „Nabel der Erde“ aus.2584 Wichtig ist die Beobachtung, dass τὸ πλάτος τῆς γῆς [to platos tes ges] auch in der Septuaginta, dem griechischen AT, vorkommt und dort in Hab 1,6 am besten mit „so weit die Erde ist“ übersetzt wird 2573 Vgl. Swete S. 268; Charles II S. 189. 2574 Schon die frühen Rabbinen sahen in Gog und Magog eine Erfüllung von Ps 2: b Ab zara 3b. 2575 Charles II S. 189. 2576 Charles a.a.O.: „all the faithless upon the earth“. 2577 DCD XX, 11. 2578 Vgl. Bauer-Aland Sp. 97f. 2579 A.a.O. Sp. 1341. 2580 Zahn S. 590; ebenso Schlatter S. 321. 2581 Satake KEK S. 393; ebenso Lohmeyer 3 S. 163. 2582 Behm S. 102. 2583 Hadorn S. 200. Holtz NTD S. 127: „Plattform der Erde“. 2584 Bousset 1896 S. 504; Charles II S. 190; ähnlich Aune S. 1097.
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(vgl. Dan 12,2 neben Hab 1,6).2585 Auch sonst ist das Bild von Hab 1,6 eng mit Offb 20,9 verwandt. Mit Bauer-Aland2586 haben wir in Offb 20,9 zwar sehr vorsichtig die breite Fläche der Erde übersetzt. Dem offenkundigen Sinn nach ist jedoch gemeint: „Sie überzogen die ganze Erdoberfläche mit ihren Heeren.“2587 Die Überzeugung, dass die Feinde gegen Jerusalem oder das Heilige Land ziehen, sollte also nicht vorschnell auf die Übersetzung einwirken. Und sie umringten das Lager der Heiligen und die geliebte Stadt: Wieder eröffnen sich mehrere Möglichkeiten des Verständnisses. Das Wort für Lager, παρεμβολή [parembole], wird meist militärtechnisch gebraucht. Es steht in der Septuaginta für das Lager der Israeliten bei der Wüstenwanderung (Ex 29,14; Lev 4,12.21; 10,4f; Num 2,1ff; vgl. Hebr 13,11) oder für das Heer (Ex 14,19f; Ri 4,16; 1Kön 14,16; vgl. Hebr 11,34).2588 Es kann aber auch im übertragenen Sinne gebraucht werden und bezeichnet dann z.B. in Hebr 13,13 eine Gemeinschaft von Menschen. Damit deuten sich schon die beiden grundsätzlichen Möglichkeiten des Verständnisses in Offb 20,9 an: Entweder ist mit dem Lager der Heiligen ein geografischer Ort auf dieser alten Erde gemeint, oder es ist die christliche Gemeinde, die Kirche Jesu, gemeint. Hier differieren die Ausleger. Charles deutet auf die „himmlische Stadt“ und schließt das irdische Jerusalem aus.2589 Mounce denkt an die irdische Hauptstadt des Tausendjährigen Reiches.2590 Hadorn denkt an Palästina analog Offb 16,16, genauer noch an Jerusalem, wohin sich die christliche Gemeinde „geflüchtet hat, so daß diese (= Jerusalem) jetzt ein gewaltiges Heerlager … bildet“2591. Für Roloff handelt es sich nicht um „das reale Jerusalem“, sondern um die christliche „Heilsgemeinde“2592. Swete scheint zu schwanken: „Zweifellos (doubtless)“ sei das Israelland das Ziel der verführten Scharen, aber das Lager der Heiligen sei die „universale Kirche (Universal Church)“, und das Angriffsziel sei „das geistliche Jerusalem (The spiritual Jerusalem)“.2593 Bousset wiede-
2585 Vgl. Bauer-Aland a.a.O.; Charles II S. 189; Mounce S. 363; Vitringa S. 871. 2586 A.a.O. 2587 Vgl. Behms Übersetzung S. 102 und Neue Jerusalemer Bibel S. 1805: „Sie schwärmten aus über die weite Erde.“ 2588 Hebr. חנ ֶה ֲ ַ[ מmachaneh]. 2589 Charles II S. 190. 2590 Mounce S. 362 („millenial capital“). 2591 Hadorn a.a.O. 2592 Roloff S. 194. 2593 Swete S. 268f.
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rum deutet auf das irdische Jerusalem2594, und für Lohmeyer ist hier alles „schillernd“2595. Ähnlich verlaufen die Linien bei der Auslegung der geliebten Stadt (ἡ πόλις ἡ ἠγαπημένη [he polis he egapemene]). Das AT legt es nahe, dabei an Jerusalem zu denken (vgl. Ps 78,68; 87,2; Jer 11,15; 12,7), obwohl der genaue Ausdruck die geliebte Stadt sich dort nicht findet.2596 Man kann aber auch hier wieder verschiedene Wege gehen: Entweder man denkt an das reale irdische Jerusalem im Israelland2597, oder an ein „himmlisches Jerusalem“2598, die „universale Kirche“2599 bzw. die Gläubigen, das Volk Gottes2600, das „wahre Israel“2601. Halten wir zunächst fest, worüber in der Auslegung relative Einigkeit besteht: 1) Das Heerlager der Heiligen und die geliebte Stadt bezeichnen dasselbe2602; 2) beide Begriffe sind im AT verwurzelt, wobei vor allem das bedrohte und gefährdete Israel der Wüstenwanderung, aber auch das immer wieder umkämpfte Jerusalem vor Augen stehen; 3) das Angriffsziel der immensen feindlichen Heere ist das Volk Gottes, das sich in der Defensive befindet. Das Wort ἐκύκλευσαν [ekykleusan] = sie umringten oder „umzingelten“ deutet die Überlegenheit von Gog und Magog an und lässt die Lage der Heiligen = Christen2603 als menschlich hoffnungslos erscheinen. Übrigens kommt dieses Wort nur hier und in einer Variante von Joh 10,24 vor. Geht man vom Weiterbestehen der alten Erde aus, geht man weiter davon aus, dass es sich um wirkliche Völker und um ein reales Kampfes-Geschehen handelt, und auch davon, dass noch einmal Verführung und Abfall sich auf der alten Erde wie in Gen 3 wiederholen, dann reicht eine rein geistliche Deutung der Vorgänge in Offb 20,9 nicht aus. Stattdessen müssen wir annehmen, dass die Heiligen, d.h. die Christen, in jener letzten Rebellion aufs Äußerste bedrängt werden und physisch vernichtet werden sollen. Dieser Vorgang hat allerdings auch eine geistliche Dimension, wie es Augustin mit seiner Annahme einer „offenen Verfolgung“ sehr schön herausgearbeitet hat.2604 Mit den 2594 2595 2596 2597 2598 2599 2600 2601 2602 2603
Bousset 1896 S. 504. Lohmeyer a.a.O. Vgl. H. Strathmann, Art. πόλις usw., ThWNT, VI, 1959, S. 530. So z.B. Strathmann a.a.O.; Bousset a.a.O.; Aune S. 1096; Zahn S. 596. So Charles II S. 187 („Heavenly Jerusalem“). Swete S. 269. Ähnlich Roloff a.a.O. („Heilsgemeinde“); schon Vitringa S. 871f. Morris S. 239; Mounce S. 363. F.F. Bruce (Mounce a.a.O.); ähnlich Pohl II S. 282f. Anders Zahn S. 596f: „Millionen“ von Christen von Dan bis Beerscheba. Aune S. 1098 bezieht „Heilige“ sowohl auf Gläubige als auch auf Engel. Dagegen mit Recht Satake KEK S. 395. 2604 DCD XX, 11.
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Einzelheiten bleibt jedoch Offb 20,9 äußerst zurückhaltend. So bleiben wir es auch. Nicht einmal die Namen „Israel“ und „Jerusalem“ werden genannt.2605 Man kann mit Hadorn und Mounce daraus sogar den Schluss ziehen: „Die geographische Fixierung des Kampfes ist für Joh Nebensache“2606. Wir vermuten jedoch, dass in der geliebten Stadt wohl ein Hinweis auf Jerusalem und Israel steckt.2607 Ein völliges Aufgeben der realen Deutung würde uns jedenfalls von der Auslegung der ältesten Christen2608 trennen. Es geht auch nicht an, alle Aussagen der Offenbarung in „nonhistorical truths“ zu verwandeln.2609 Das Ende der letzten Rebellion kommt mit einem einzigen Atemzug (vgl. 2Thess 2,8): aber (oder: und, καί [kai]) es kam Feuer aus dem Himmel herab und verzehrte sie. Johannes braucht dafür nur ein einziges Zitat aus 2Kön 1,10.12: καὶ κατέβη πῦρ ἐκ τοῦ οὐρανοῦ καὶ κατέφαγεν αὐτούς [kai katebe pyr ek tu uranu kai katephagen autus]. Hier dient die Eliageschichte als Modell, so wie in der ersten Vershälfte die Elisageschichte (2Kön 6,14) als Modell gedient hatte. Dass Gog und Magog in einem Feuer-Sturm untergehen, prophezeiten überdies Ez 38,22 und 39,6.2610 Wer die speziellen Akteure sind, wird nicht gesagt, vermutlich sind es Engel (vgl. Offb 14,9ff.18). Jedenfalls ist es der dreieinige Gott, der das Feuer aus dem Himmel herabsendet (vgl. 2Thess 1,8). Die Heiligen konnten sich ja nicht selber helfen. Was wie der Untergang der Gemeinde Gottes aussah, ist wie ein Spuk verschwunden. Auf „einen“ Punkt sei noch hingewiesen: Der Ausdruck Lager der Heiligen bedeutet nicht, dass die Christen militärisch organisiert wären oder gar eine christliche Armee mit irdischen Waffen gegen die Heere von Gog und Magog kämpfen würde. Ein solches Missverständnis wird durch Mt 26,52; Eph 6,10ff; Offb 13,10; 14,12 ausgeschlossen.2611 V. 10 beinhaltet die endgültige Strafe für den Teufel: Und der Teufel, der sie verführte, wurde in den See von Feuer und Schwefel geworfen, wo auch das Tier und der Falschprophet sind. Von den vielen Satansnamen in Offb 12,9 und 20,2 wird hier nur ὁ διάβολος [ho diabolos], der Teufel, erwähnt. Aber das genügt. Der Teufel wurde also nicht von dem Feuer verzehrt, 2605 Vgl. Hadorn a.a.O. 2606 Hadorn a.a.O.; Mounce S. 362; Swete S. 267f; Holtz NTD S.130. 2607 Vgl. Bengel S. 972; Zahn S. 596; unter sorgfältiger Abwägung Römer S. 211f; vorsichtig auch P. Müller S. 61. 2608 Irenäus Adv. haer. V, 32-35; Justin Dial c Tryph 81,4; Papias nach Eusebius H. E. III, 39,12f. 2609 Mounce a.a.O. gegen Caird. 2610 Vgl. Maier Hes II S. 233, 238; F. Lang, Art. πῦρ usw., ThWNT, VI, 1959, S. 945. 2611 Deshalb ist es gefährlich, wenn Morris S. 239 von „soldiers of God“ spricht. Besser Bengel S. 973: dass „die Heiligen nur zusehen dürfen“.
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von dem V. 9 berichtet. Warum, wissen wir nicht. Die Strafe ist jener See von Feuer und Schwefel, von dem wir in Offb 19,20 lasen. Vgl. die Erklärung dort. Wie das Tier = der Antichrist und der Falschprophet von Offb 19,20; 13,1ff; 16,13 wurde auch der Teufel dorthin geworfen, vermutlich von den Gerichtsengeln Gottes (vgl. Offb 20,1ff). Widerstand konnte er nicht leisten. Nun ist die „unheilige Trinität“2612 in der Strafe wieder vereint. Auffällig bleibt, dass der Teufel als Spiritus rector alles Bösen keine größere Strafe erhält als der Antichrist und der Falschprophet (vgl. Mt 25,41). Sie werden gequält werden Tag und Nacht in alle Ewigkeit: Das heißt auf immer.2613 Vgl. unseren Exkurs zu Offb 14,10f. Ein Ende dieser Strafe ist aus Offb 20,10 nicht abzulesen. Die Qual, von der hier die Rede ist, darf allerdings nicht menschlich-irdisch oder gar unter dem Eindruck mittelalterlicher oder moderner Foltermethoden verstanden werden. Sie besteht in der Trennung von Gott, in der Weiterexistenz der Schuld, in der Erkenntnis des Versäumten und des Zu-Spät, in der Unmöglichkeit zu lieben, sich zu freuen oder Gott von Herzen zu loben.2614 Eine unaussprechliche Tragik liegt über dem Negativcharakter dieser dämonischen, ständig gegen Gott rebellierenden Genialität. Damit ist der letzte Kampf in der Offenbarung zu Ende, die letzte Rebellion der Schöpfungs- und Menschengeschichte gescheitert.2615
IV Zusammenfassung 1. Offb 20,7-10 kündigt eine letzte Rebellion der Völkerwelt gegen den dreieinigen Gott und seine Gemeinde an. Sie geht auf satanischen Einfluss zurück. Doch die Rebellion scheitert durch ein wunderbares Eingreifen Gottes, der Feuer aus dem Himmel sendet, und Satan erleidet zusammen mit dem Antichrist und dem falschen Propheten seine ewige Strafe im Feuersee. Alle diese Ereignisse spielen sich nach dem Tausendjährigen Reich und nach der Loslassung Satans aus seinem Gefängnis (Offb 20,1-6) ab. Der Text benötigt hier keine Umstellung.2616 2. In der Prophetie Hesekiels und bei den frühen Rabbinen herrscht derselbe Ablauf: Befristetes messianisches Reich – Gog und Magog – die kommende neue Welt.2617 Diese Übereinstimmung führte Karl Georg Kuhn zu der 2612 Mounce S. 363. 2613 Vgl. Mounce S. 363; Morris S. 240; Behm S. 104; Holtz NTD S. 130; Pohl II S. 283ff; Römer S. 214; Hartenstein S. 244f; Grünzweig II S. 238. 2614 Vgl. Hartenstein a.a.O. 2615 Vgl. Lohmeyer 3 S. 163; Bousset 1896 S. 505; Vitringa S. 872. 2616 Gegen Charles II S. 362ff. 2617 Schon Schlatter BFchTh S. 94, dann Kuhn a.a.O. S. 790f; Mounce S. 361; Charles II S. 187.
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These, in diesem Punkt stünde die Offenbarung „der schriftgebundenen Apokalyptik der Rabbinen weit näher als den Apokryphen und Pseudepigraphen“2618. 3. Offb 20,7-10 ist nicht so dunkel, wie Vitringa meinte, als er schrieb, diese Prophetie gehöre „haud dubie inter obscurissimas hujus Libri“2619. Johannes hat hier auch nicht manche Inhalte der vorigen Abschnitte „vergessen“ („forgotten“), wie Aune annimmt.2620 Jedoch hat Lilje recht: „Es wird nur knapp berichtet“2621. Das macht uns besonders vorsichtig bei der Deutung und lässt für den Leser manches offen, was er gerne gewusst hätte. Dieselbe Vorsicht bemerken wir bei den alten Auslegern der Kirche. Typisch dafür ist Augustin, der zu dem Feuer aus dem Himmel von Offb 20,9 anmerkt, das sei noch nicht die letzte Strafe, die käme erst noch beim Jüngsten Gericht.2622 4. Deutlich ist allerdings, dass es zur Zeit der letzten Rebellion zahlreiche Völker auf der Erde gibt und außerdem eine stattliche Gemeinde Jesu. Die Ansicht von Charles2623, am Ende des Tausendjährigen Reiches sei die Erde gänzlich ohne Einwohner, weil sich Christus mit den Gläubigen wieder in den Himmel zurückgezogen habe, ist falsch. Nicht besser steht es mit der unbegründeten Ansicht, dass die Völker von Offb 20,8f aus der Unterwelt kämen.2624 5. Bei der Auslegung von Offb 20,7-10 wird es immer eine Spannung zwischen geistlicher und geschichtlich-realer Deutung geben. Eine rein geistliche Deutung steht in der Gefahr, den Bezug zur Geschichte zu verlieren und aus Offb 20,7-10 nur zeitlose und permanente Wahrheiten herauszulesen. Ein Beispiel in dieser Richtung ist George Bradford Caird, der in Offb 20,8 „a permanent spiritual fact“ sieht.2625 Ein noch früheres Beispiel finden wir bei Johann Coccejus, der in Offb 20,9 die Religionskriege einschließlich des Dreißigjährigen Krieges abgebildet sah.2626 Eine rein geschichtlich-reale Deutung steht auf der anderen Seite in der Gefahr, sich mit Detailfragen wie z.B. der künftigen Geografie Jerusalems und des Israellandes aufzuhalten2627 oder all2618 2619 2620 2621 2622 2623 2624 2625
A.a.O. S. 791 unter Berufung auf Schlatter. Vitringa S. 869. Aune S. 1093. Lilje S. 230. DCD XX, 12. Vgl. Charles II S. 186f.189. So z.B. Roloff a.a.O.; Pohl II S. 281 unter Berufung auf Rissi. Dagegen Aune S. 1095. Caird S. 257. Dagegen Mounce S. 362. Auch Swete, der sich an Augustin und Primasius anschließt, favorisiert manchmal sehr stark eine geistliche Deutung (S. 266, 269), ebenso Augustin DCD XX, 11. 2626 Vgl. Maier Offb S. 330. 2627 Deutlich erkennbar bei Zahn S. 596f.
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zu irdisch-fleischliche Vorstellungen zu hegen.2628 Wir haben deshalb versucht, beiden Deutungsmöglichkeiten Raum zu geben. Unseres Erachtens kann man keine von den beiden aufgeben, ohne dem Bericht des Johannes Gewalt anzutun. Deshalb vertritt dieser Kommentar auch die Meinung, dass die alten Ausleger recht haben, wenn sie die Ereignisse von Offb 20,7-10 mit Jerusalem und Israel verbinden. 6. Noch einmal sei darauf hingewiesen, dass Offb 20,7-10 auch eine Erfüllung von Ps 2 darstellt.2629 7. Die häufig gestellte Frage, warum der Satan noch einmal losgelassen wird2630, ist in Offb 20,7-10 nicht direkt beantwortet. Aus dem Kontext der Offenbarung und der Bibel lässt sich aber die Überlegung ableiten, ob nicht Gott als ein Gott äußerster Gerechtigkeit (Offb 15,3f; 19,2.11) noch einmal den Satan und die Völkerwelt auf die Probe stellen will, bevor er zum Endgericht kommt.2631 Beide haben diese Probe, die ja die Möglichkeit zur Umkehr in sich schloss, nicht bestanden.2632
11. Das Jüngste Gericht, 20,11-152633 I Übersetzung 11 Und ich sah einen großen weißen Thron und den, der auf ihm saß, vor dessen Angesicht die Erde und der Himmel floh. Und für sie wurde keine Stätte gefunden. 12 Und ich sah die Toten, die Großen und die Kleinen, vor dem Thron stehen. Und Bücher wurden geöffnet, und auch ein anderes Buch wurde geöffnet, welches ist das Buch des Lebens, und die Toten wurden nach dem gerichtet, was ihren Werken entsprechend in den Büchern geschrieben steht. 13 Und es gab das Meer die Toten heraus, die in ihm waren, und der Tod und die Totenwelt gaben die Toten heraus, die in ihnen waren, und sie wurden gerichtet, jeder nach seinen Werken. 14 Und der Tod und die Totenwelt wurden in den Feuersee geworfen. Das ist der zweite Tod: der Feuersee. 15 Und wenn jemand nicht im Buch des Lebens geschrieben gefunden wurde, wurde er in den Feuersee geworfen. 2628 So der Vorwurf bei Dionysius A. und Eusebius gegen die alten Ausleger wie Papias, Irenäus, Nepos. Vgl. Eusebius H. E. II, 39, 11ff; VII, 24,1ff. 2629 Hier hat Caird S. 256f recht. 2630 So bei Kraft S. 254. 2631 So auch Augustin DCD XX, 8. 2632 P. Müller S. 61. 2633 Hadorn S. 201.
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II Struktur Hier haben wir ein einziges geschlossenes Bild vor uns: das letzte der göttlichen Gerichte. Vorausgegangen sind die Gerichte am Antichrist, am Falschpropheten und am Satan (Offb 19,20; 20,10). Vorausgegangen ist auch das Gericht an den Gläubigen, die an der ersten Auferstehung teilnehmen (Röm 14,10; 2Kor 5,10; 1Petr 4,17 in Verbindung mit Offb 20,4). Vorausgegangen sind Gottes Gerichte im Verlauf der Weltgeschichte, so an Babylon (Offb 17,1–19,10), an den Heeren des Antichrist (Offb 19,20) und an Gog und Magog (Offb 20,9). Was jetzt in Offb 20,11-15 folgt, ist das Jüngste Gericht im Wortsinn, das Gericht über den „Rest“, das τέλος [telos], von dem Paulus in 1Kor 15,24 sprach. Dieser spezielle Inhalt gibt Offb 20,11-15 seine Geschlossenheit und seinen Charakter. Gegen das Vorausgehende ist Offb 20,11ff durch das Καὶ εἶδον [Kai eidon] abgehoben. Ein neues Καὶ εἶδον [Kai eidon] eröffnet in Offb 21,1 den folgenden Abschnitt. So grenzt sich Offb 20,11-15 ohne Mühe als ein einheitlicher Text ab, was auch in den Gliederungen der Kommentare zum Ausdruck kommt.2634 Innerhalb von Offb 20,11-15 berichtet Johannes in vier Schritten: 1) vom Thron und dem thronenden Richter, 2) von den Toten und den Büchern, 3) von der Herausgabe der Toten, 4) vom Vollzug des Gerichts. Die Verknüpfung mit dem AT ist wieder vielfach, wie die Einzelexegese aufdecken wird. Auch Offb 20,11-15 ist mit der übrigen Offenbarung gut vernetzt. So spielt die Thematik der Bücher immer wieder eine Rolle (vgl. Offb 1,11; 5,1ff; 10,8; 13,8; 17,8; 21,27; 22,7ff). Dies gilt auch für das Buch des Lebens (vgl. Offb 13,8; 17,8; 21,27). Dass das Gericht nach den Werken erfolgt, sagten schon Offb 2,23; 14,13; 18,6 unmissverständlich. In den Evangelien vgl. man besonders Joh 5,28f. Der Tod und der Hades bilden auch in Offb 6,8 ein enges Paar. Schließlich begegnete uns der Feuersee schon in Offb 19,20 und 20,10. In der Schilderung herrscht wieder die äußerste Knappheit.
III Einzelexegese Exkurs: Ein Blick auf die bisherige Auslegung von Offb 20,11-15 Bis heute bestimmt Offb 20,11-15 die kirchliche Verkündigung und christliche Endzeiterwartung in starkem Maße. Ein Beispiel ist das in EG 149 abgedruckte Lied, dessen dritte Strophe von Bartholomäus Ringwaldt 1586 ganz nach Offb 2634 Vgl. Giesen S. 444; Lohmeyer 3 S. 163.
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20,12.15 gedichtet wurde: „Danach wird man ablesen bald / ein Buch, darin geschrieben, / was alle Menschen, jung und alt, / auf Erden je getrieben; / da denn gewiß ein jedermann / wird hören, was er hat getan / in seinem ganzen Leben.“ Aber schon von den Ursprüngen des Christentums an ist Offb 20,11ff Gegenstand der Meditation und Auslegung gewesen. In Augustinus’ Gottesstaat sind ihm zwei Kapitel (DCD XX, 14 und 15) gewidmet. Augustin zitiert Offb 20,11-15 ausführlich. Vor ihm hatte auch schon der im 2. Jh. schreibende Irenäus diese Passage der Offenbarung fast vollständig zitiert und mit Anmerkungen versehen.2635 Martin Luther lässt „das jüngste Gericht“ von Offb 20,11-15 „flugs“ auf die Türken folgen. Er verbindet es mit Dan 7.2636 Stark ins Allegorische geht die Deutung wieder bei Johann Coccejus. Er sieht im „Fliehen“ von Himmel und Erde (Offb 20,11) die Niederlage der römischen Kirche in der Reformation. Die Toten von Offb 20,12 sind die geistlich Toten. Das Öffnen der Bücher im selben Vers deutet er auf die Erschließung der Schrift durch die Reformation. In Parallele zu Augustin fasst er das Meer von V. 13 als Bezeichnung der Völkerwelt2637 auf. Aus jüngerer Zeit seien nur zwei, freilich sehr verschiedene, Beispiele genannt. Das eine entnehmen wir Heinrich Otts Antwort des Glaubens (1. Aufl., 1972), das andere dem Evangelischen Erwachsenenkatechismus (4. Aufl., 1982). Ersteres beginnt den Artikel über „Das Jüngste Gericht“ mit der Feststellung: „Die traditionelle Vorstellung einer Gerichtsverhandlung am Ende der Zeit ist kaum mehr lebendig. Wenige Christen lassen sich wohl in ihrem Christsein im Alltag noch durch die Vorstellung eines Jüngsten Gerichtes beunruhigen“2638 – eine Feststellung, die offensichtlich ebenso falsch ist wie Rudolf Bultmanns berühmtes Diktum von 1941, dass man „nicht elektrisches Licht und Radioapparat benutzen“ und „gleichzeitig an die Geister- und Wunderwelt des Neuen Testaments glauben“2639 könne. Heute, im Zeitalter Harry Potters, der Renaissance der Religionen und inmitten der digitalen Systeme, kommen uns solche Aussagen aus dem Neuprotestantismus des 20. Jh. fast komisch vor. Heinrich Otts zentrale Antwort auf die Fragen zum Jüngsten Gericht lautet: Es müsse heute „die Vorstellung einer Gerichtsverhandlung am Ende der Zeit dahinfallen. Diese ganze Vorstellung mit allen ihren Elementen (Richter, Angeklagte, gesetzlicher Kodex und Kanon, Lohn und Strafe) kann höchstens symbolischer Hinweis sein.“2640 2635 2636 2637 2638 2639
Adv. haer. V, 35,2. Luther Vorreden S. 188. Vgl. Maier Offb S. 330f; Augustin DCD XX, 15. Ott S. 466. In Kerygma und Mythos, hrsg. von Hans Werner Bartsch, 2. Aufl., Hamburg-Volksdorf, 1951, S. 18. 2640 Ott S. 470.
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Etwas anders wird nun doch im zweiten Beispiel, dem im Auftrag einer Kommission der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands entstandenen Evangelischen Erwachsenenkatechismus, verfahren. Er geht von einer allgemein-menschlichen Beobachtung aus, indem er zu Anfang die Frage stellt: „Woher kommt es, daß wir immer wieder erwartend in die Zukunft blicken?“2641 Über neutestamentliche und kirchengeschichtliche Aussagen führt er zur Reflexion in der Gegenwart. Dazu zählt die Frage: „Wer beurteilt mein Leben?“2642 Unter anderem weist er auf eine Anzeige hin, die am 4. Juni 1976 in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung erschien, in der sich ein Unternehmer postum an die Öffentlichkeit wandte und die mit den Worten schloss: „Ich hoffe, trotz allem einen gütigen und verständnisvollen Richter zu finden – denn nach christlicher Erkenntnis ist am Ziel unseres Erdenlebens unser Sein noch nicht zu Ende.“2643 Die Reflexion im Evangelischen Erwachsenenkatechismus endet damit, dass am Ziel unseres Erdenlebens „der Richter sein abschließendes Wort“ sprechen wird.2644 Sicherlich ist der Evangelische Erwachsenenkatechismus lebensnäher als Heinrich Otts Antwort des Glaubens. Dennoch gibt es einen sehr wesentlichen Punkt, an dem sich beide begegnen. Das ist die Problematik, die der europäische Mensch seit der Aufklärung mit der Erwartung eines Jüngsten Gerichts, ja mit der Vorstellung eines göttlichen Gerichtes überhaupt, verbindet. Aber man empfindet dieses Gericht nicht nur als problematisch, sondern hört seine Ankündigung mit einem deutlichen inneren Widerstand. Typisch schon Johann Salomo Semler, der 1771 ein Verlorensein im Gericht Gottes als „entsetzliche, ungeheure Lehre“ bezeichnete.2645 Wenn der Mensch, wie man in der Aufklärung glaubte2646, wesenhaft gut ist, was soll dann ein solches Gericht? Mit Offb 20,11-15 betreten wir also den Raum einer jahrhundertelang lebendigen und bis heute höchst aktuellen Diskussion und zugleich den Wirkungskreis einer zentralen Schriftaussage.
Und ich sah (V. 11): Im Unterschied zu V. 7ff teilt Johannes hier mit, dass er das Folgende einer prophetischen Schau verdankt. Das Erste, was er sieht, ist ein Thron, groß und weiß. Alles deutet hier auf die himmlische Welt: der Thron als Bezeichnung des Ortes der göttlichen Regierung (vgl. Offb 4,2ff; Dan 7,9ff), groß als Bezeichnung für Gewicht und Bedeutung (vgl. Offb 2641 2642 2643 2644 2645
Evangelischer Erwachsenenkatechismus, 4. Aufl., Gütersloh, 1982, S. 872. A.a.O. S. 885. A.a.O. S. 895. A.a.O. S. 896. Vgl. Maier Hermeneutik S. 239; Semlers Abhandlung von freier Untersuchung des Canon, I, Halle, 1771, S. 55. 2646 Vgl. Lessing § 74ff.
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19,17), weiß als Bezeichnung der Reinheit und Herrlichkeit (vgl. Offb 1,14; 3,4f; 4,4; 7,9; 19,14).2647 Danach sieht Johannes den, der auf ihm (= dem Thron) saß. Hier kommt nur Gott der Vater oder Jesus Christus, der Sohn Gottes, infrage (vgl. Offb 3,21; 5,6ff; 20,4ff). Viele Kommentatoren entscheiden sich für Gott den Vater.2648 Da der Kontext aber seit 19,11 bis 20,6 von Christus berichtet, liegt es auch hier in Offb 20,11 nahe, an Christus zu denken. Eine solche Deutung steht auch in Einklang mit dem übrigen johanneischen Schrifttum (Joh 5,21ff), ja mit dem ganzen NT (Mt 16,27; 19,28; 24,45ff; 25,31ff; Apg 17,31; 2Kor 5,10; Jak 5,7ff) und dem Glaubensbekenntnis der Kirche: Jesus „wird kommen, zu richten die Lebenden und die Toten“ (Apostolicum; Nicaenum).2649 Christus wird näher bezeichnet als der, vor dessen Angesicht die Erde und der Himmel floh. Augustin legte Wert darauf, dass Johannes nicht formulierte: „Und vor seinem Angesicht entflohen Himmel und Erde.“ Vielmehr müssten wir die Stelle so lesen, dass beide „erst nachher“, erst nach dem Jüngsten Gericht flohen.2650 Augustins Auffassung zufolge sind also die alte Erde und der alte Himmel noch vorhanden, wenn das Jüngste Gericht stattfindet. Sie verschwinden erst mit Offb 21,1. Lohmeyer jedoch sieht den Thron und die Toten „in einer ungeheuren Leere“ stehen.2651 Aber existiert diese „Leere“ wirklich? Das Meer – und zwar das Meer der alten Schöpfung – ist ja noch vorhanden, ebenso der Tod und die Totenwelt (V. 13). Kein Zweifel, dass bereits kosmische Veränderungen eingetreten sind (Mt 24,29ff; Offb 20,10). Aber offensichtlich ist die neue Schöpfung noch nicht in die Existenz getreten. Stattdessen wird immer noch das Szenarium der alten Schöpfung vorausgesetzt. Dafür spricht auch der Umstand, dass ja der alte Himmel und die alte Erde selbst dem Gericht unterzogen werden (vgl. Hiob 4,18; 15,15; 25,5; Jes 34,4; 51,6; 1Kor 6,2f; 2Petr 2,4ff; Jud 6). Augustin behält folglich
2647 Vgl. U.B. Müller S. 345; Swete S. 270f. Charles II S. 191 und Swete a.a.O. betonen den Unterschied zwischen dem göttlichen Thron und den Thronen von Offb 20,4. 2648 So Ritt S. 103; Giesen S. 445; Bousset 1896 S. 506; Lohmeyer 3 S. 164; Roloff S. 195; Hadorn S. 201; Morris S. 240; Lilje S. 231; Holtz NTD S. 131; Schlatter S. 325; Behm S. 105; Aune S. 1100f; Satake KEK S. 395; Hartenstein S. 245; Pohl II S. 290; Charles II S. 192; Swete S. 271. 2649 Für Christus auch Bengel S. 977; Vitringa S. 878; Augustin DCD XX, 30; Irenäus Adv. haer. V, 27; J.M. Hahn S. 632f; Römer S. 215. Grünzweig II S. 239: Gott Vater und Christus zusammen, ebenso Swete S. 271. 2650 Augustin DCD XX, 14. 2651 Lohmeyer a.a.O. In der Sache auch Hadorn S. 201: „Das Erste … ist daß (sic!) Verschwinden von Erde und Himmel“; sowie Lilje S. 231; Behm a.a.O.; Aune S. 1100; Charles II S. 192.
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recht.2652 Das Fliehen von Erde und Himmel, also der ganzen alten Schöpfung (vgl. Gen 1,1), erfolgt erst danach und infolge des Jüngsten Gerichts. Fliehen (φεύγειν [pheugein]) hat hier den Sinn von „verschwinden“.2653 Die Aussage Und für sie wurde keine Stätte gefunden (καὶ τόπος οὐχ εὑρέθη αὐτοῖς [kai topos uch heurethe autois]) erinnert an Ps 114,3.7; Off 6,14; 16,20; 21,1; vor allem aber an Offb 12,8. Es kann nicht übersehen werden, dass in dieser Aussage ein Gericht zum Ausdruck kommt. Aufgrund der Sündengeschichte in der Schöpfung (Engelwelt) und in der Menschheit haben die bisherige Erde und der bisherige Himmel nicht mehr das Wohlgefallen Gottes.2654 Sie müssen ins Gericht und haben in der neuen Schöpfung nichts mehr zu suchen: keine Stätte mehr. Helmut Köster bemerkt hinsichtlich Offb 20,11, dass „das Fehlen des Ortes gleichbedeutend mit der Vernichtung, der Auslöschung der Existenz“ sei.2655 Aus Offb 20,11 in Verbindung mit Offb 21,1 muss man ferner den Schluss ziehen, dass die alte Schöpfung nicht modifiziert, sondern völlig durch die neue Schöpfung ersetzt wird. Hadorn schreibt hier mit Recht, dass Offb 20,11ff „so etwas wie einen Weltuntergang“ bedeute.2656 Dass die alte Schöpfung bleibende Schöpfungsgedanken Gottes und sogar Schöpfungsmodelle für die neue Schöpfung enthält, wird dadurch nicht ausgeschlossen. Im Übrigen steht Offb 20,11 in Übereinstimmung mit Jesu Aussage in Mt 24,35/Mk 13,312657, ebenso mit 2Petr 3,7ff; Ps 102,27; Jes 51,6.2658 Der 12. Vers enthält ein Bild elementarster Wucht: Und ich sah die Toten, die Großen und die Kleinen, vor dem Thron stehen. Gerade hier muss uns klar bleiben, dass die Schilderung in Offb 20,11ff von äußerster Knappheit ist.2659 Vieles wird nicht geschildert, was doch an anderen Stellen der Bibel zum Ausdruck kommt: das Gericht über die Engel (1Kor 6,2; 2Petr 2,4; Jud 6), über die Dämonen (Mk 1,24; Jak 2,19), über gottfeindliche Mächte (vgl.
2652 Ebenso Aune S. 1101; Satake KEK S. 395f („Vorwegnahme“). Im AT spricht u.a. Joel 4,2.12ff für diese Sicht. Vgl. ä Hen 53,1. 2653 Bauer-Aland Sp. 1707. 2654 Hadorn S. 202 unter Verweis auf Gen 3,17; Caird S. 258f; Hartenstein a.a.O.; Kiddle S. 401, der auf Jes 24,19f hinweist. 2655 Im Art. τόπος, ThWNT, VIII, 1969, S. 207. 2656 Hadorn a.a.O. Anders Augustin DCD XX, 14: nur eine „Veränderung der Dinge“; anders auch Irenäus Adv. haer. V, 36,1; Schlatter a.a.O.; Aune S. 1101; J.M. Hahn S. 634; Swete S. 271. Wie Hadorn und wir auch Grünzweig a.a.O.; P. Müller S. 62; Pohl II S. 291; Charles II S. 193. 2657 Roloff a.a.O. 2658 Vgl. Swete S. 271. 2659 Vgl. Roloff a.a.O.; Lohmeyer 3 S. 163; Lilje a.a.O.
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Offb 19,21) oder auch die einzelnen Vorgänge beim Gericht über Erde und Himmel (vgl. V. 11).2660 Zunächst erfolgt eine Konzentration ganz auf die Menschen. Sie nämlich sind mit den Toten, die Großen und die Kleinen, gemeint. Dabei sind die gläubigen Christen, die an der ersten Auferstehung teilnahmen, ausgenommen. Denn sie wurden schon bei der ersten Auferstehung gerichtet (1Kor 15,23; 2Kor 5,10; Offb 20,4-6). Es geht jetzt also um „die übrigen von den Toten“ nach Offb 20,5, das sind „alle Menschen, die je gelebt haben (V. 13) und nicht schon durch die ‚erste Auferstehung‘ an der tausendjährigen Herrschaft des Christus teilhatten (V. 4-6)“2661. Die Offenbarung hat also eine klare, durchsichtige Abfolge. Johannes sieht sie vor dem Thron stehen (ἑστῶτας [hestotas]). Das setzt voraus, dass sie im Gericht einen Leib haben2662, obwohl Roloff sie sich „nur als leiblose Seelen“ vorstellen will.2663 Man kann also im Blick auf Offb 20,11ff mit Recht von einer „zweiten Auferstehung“2664 oder einer „allgemeinen Auferstehung aller Toten“2665 sprechen. Ins Gericht kommen die Großen und die Kleinen (οἱ μεγάλοι καὶ οἱ μικροί [hoi megaloi kai hoi mikroi]), mit anderen Worten: sämtliche Menschen. Man kann dies noch spezifizieren. So schreibt Hadorn, hier stünden alle Menschen „herab bis zu den unbedeutendsten Existenzen“2666. J.A. Bengel bezieht es auf „Junge und Alte“2667, H.B. Swete sagt: „whatever their condition on earth may have been“2668. Inbegriffen sind alle früheren Generationen, alle Heiden, alle Israeliten, alle Gottesleugner, alle Gleichgültigen, alle Weltherrscher, alle Philosophen, alle Religionsstifter und Geistesgrößen, alle Spötter, alle, die groß oder gering von sich dachten. Wir müssen sogar mit Swete annehmen, dass auch alle diejenigen dabei sind, die eventuell die Ereignisse von Offb 20,7-10 überlebt haben.2669 Da Johannes ganz auf die Menschen konzentriert
2660 Vgl. U.B. Müller S. 345. 2661 Holtz a.a.O. Ebenso Bousset 1896 S. 507. 2662 Hadorn a.a.O.: „Natürlich sieht er sie leibhaftig“. Ebenso Wilckens I, 4 S. 275; U.B. Müller S. 346; Holtz a.a.O. 2663 Roloff S. 196. Früher schon Charles II S. 192ff. 2664 So Lohmeyer 3 S. 164. Skeptisch Roloff a.a.O. 2665 So Bousset 1896 S. 506. Skeptisch Giesen S. 445. Aber zutreffend U.B. Müller S. 346; Swete S. 271. 2666 Hadorn a.a.O. 2667 Bengel S. 179, 562. 2668 Swete S. 272. Vgl. Charles II S. 194. 2669 Swete S. 271f, wobei Swete erwägt, ob die Überlebenden nicht eine solch unbedeutende Minderheit bilden, dass sie nicht erwähnt werden mussten. Aber hier streifen wir ans Spekulative.
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bleibt, werden die Engelwesen, die nach Offb 4,4ff den Thron umgeben, nicht auch noch erwähnt.2670 Vgl. 1Kor 15,23. Und Bücher wurden geöffnet, und auch ein anderes Buch wurde geöffnet, welches ist das Buch des Lebens: So also vollzieht sich das Gericht. Wieder finden wir die Ankündigung dieses Vorgangs schon in Dan 7 (7,10).2671 Wir erinnern uns an die eminente Rolle, die das Buch schlechthin in der Offenbarung spielt (1,11; 5,1ff; 10,8; 13,8; 17,8; 22,7ff; 22,18f). Schon allein deshalb ist den Christen die Verachtung der „Bibel“, des Buches (βιβλίον [biblion]), nicht möglich. Hier in Offb 20,12 ist ganz klar, dass das Jüngste Gericht auf den Büchern des Gerichts basiert, „rests upon written evidence“2672. Das geschieht „gemäß der atl.-jüd. Erwartung“2673. Wie man sich die Bücher genauer vorzustellen hat, muss offenbleiben. Augustin deutete sie auf „eine göttliche Kraftäußerung …, die bewirkt, daß einem jeden seine Werke … ins Gedächtnis zurückgerufen und mit dem Blick des Geistes wunderbar schnell überflogen werden“2674. Beda Venerabilis (gest. 735 n.Chr.) sah darin die praescientia Dei, das Vorauswissen Gottes.2675 Ähnlich deutet Vitringa auf die notitia, die Kenntnis Gottes und Jesu2676, und auch Bengel hielt fest, dass die Bücher von Offb 20,12 nicht „mit Tinten und Federn geschrieben sind“2677. In diese Richtung geht auch unser Verständnis in diesem Kommentar.2678 Das Passiv wurden / wurde geöffnet weist darauf hin, dass die Eröffnung vonseiten des göttlichen Gerichts erfolgt. Das andere Buch, das Buch des Lebens, hat eine lange Geschichte in der Bibel (vgl. Ex 32,32f; Ps 69,29; Jes 4,3; Dan 12,1; Mal 3,16; Lk 10,20).2679 In ihm stehen alle von Gott begnadigten und erlösten Menschen verzeichnet, die Gott aufgrund seines Vorauswissens kennt. Es bildet also eine Art „Register der Gerechten“ („register of the rigtheous“).2680 Roloffs Meinung, in Offb 20,12 sei nur von zwei Büchern die Rede2681, hat keinen Anhalt am Text. Vielmehr erscheinen zuerst 2670 2671 2672 2673 2674 2675 2676 2677 2678
Swete a.a.O. Swete S. 272; Vitringa S. 878; Schlatter BFchTh S. 96. Swete a.a.O. Holtz a.a.O. DCD XX, 14. Dazu Swete a.a.O. Vitringa S. 880. Bengel S. 979. Vgl. auch J.M. Hahn, der die Bücher auf „die menschlichen Gewissen“ und das Lebensbuch auf „das heilige Gedächtnis Jesu“ deutet (S. 634f). 2679 Vgl. Schlatter BFchTh S. 97; Hemer S. 148. 2680 So Charles a.a.O. Dass ἄλλο βιβλίον [allo biblion] eine „Glosse“ sein soll, wie Charles will, ist unbegründet, auch wenn Aune S. 1102 Charles aufnimmt. 2681 Roloff S. 196; ebenso Aune S. 1102.
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Bücher (ohne Artikel) in der Mehrzahl und dann ein anderes Buch in der Einzahl. Auf diesem Sachverhalt baute schon Augustinus auf. Dabei erklärte er die Bücher als „die heiligen Schriften des Alten und Neuen Testamentes“2682, was kaum zutrifft, wie wir gleich sehen werden. Der letzte Satz von V. 12 lässt uns weiter in den Vorgang des Gerichts hineinblicken: und die Toten wurden nach dem gerichtet, was ihren Werken entsprechend in den Büchern geschrieben steht (ἐκ τῶν γεγραμμένων ἐν τοῖς βιβλίοις κατὰ τὰ ἔργα αὐτῶν [ek ton gegrammenon ek tois bibliois kata ta erga auton]). Inhalt der Bücher (Mehrzahl) sind also die Werke, die Handlungen, Unterlassungen und Verhaltensweisen, die sich in jedem Menschenleben finden. Charles in seiner anschaulichen Sprache nennt dies „a record of all that men have done“2683. Vitringa definierte den Inhalt einerseits als „Leges“ (Gesetze), andererseits als „hominum acta, gesta, dicta, cogitata“ (Taten, Verhaltensweisen, Aussprüche, Überlegungen der Menschen)2684, wobei das Erstere wiederum nur eine Mutmaßung ist. So viel bleibt in jedem Fall als Resultat erkennbar: Das allgemeine Weltgericht erfolgt nach den Werken (κατὰ τὰ ἔργα [kata ta erga]), und zwar in äußerster Gerechtigkeit. Diese Aussage deckt sich völlig mit dem Johannesevangelium (5,29), mit Paulus (2Kor 5,10; Eph 6,8)2685, mit Petrus (1Petr 3,8ff), mit Jakobus (2,14ff) und mit Jesus selbst (Mt 7,21ff; 25,31ff; Joh 5,29).2686 Die Spannung dieser Aussage zur protestantischen Dogmatik ist unübersehbar. Viele protestantische Ausleger betonen deshalb, dass im Weltgericht auch die Gnade zum Zug komme2687, dass es „bei der Wahl der Gnaden“ bleibe2688, dass auch hier „Gottes freie Entscheidung“ den Ausschlag gebe2689 usw. Zweifellos hat aber der biblische Text mehr Gewicht als die Dogmatik. Deshalb darf man das Gericht nach den Werken nicht preisgeben oder herabsetzen. Warnendes Beispiel ist unter anderem der Majoristische Streit unter Lutheranern in der Mitte des 16. Jh.2690 Dabei ging Nikolaus von Amsdorf in einem Traktat von 1559 so weit, die These „Gute Werke sind zur Seligkeit schädlich“ als „eine rechte, wahre, 2682 DCD XX, 14. Ebenso Vitringa S. 879f. 2683 Charles a.a.O., wobei er unnötigerweise κατὰ τὰ ἔργα αὐτῶν [kata ta erga auton] als Interpolation betrachtet. Vgl. Bousset 1896 S. 506. 2684 Vitringa S. 879. 2685 Ebenso Swete a.a.O. 2686 Vgl. Morris S. 241. 2687 U.B. Müller S. 347. 2688 Hadorn S. 202. 2689 Roloff a.a.O. 2690 Vgl. Handbuch der Dogmen- und Theologiegeschichte, hrsg. von Carl Andresen, 2, 1988, S. 113ff.
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christliche“ Lehre zu behaupten.2691 Größer könnte der Widerspruch zur Offenbarung und zum NT nicht sein. Dennoch behält der Hinweis auf Gottes Gnade Sinn. Das gilt sogar in dreifacher Hinsicht: 1) Unsere Werke stellen kein Verdienst dar, sie berechtigen niemals zu Ansprüchen Gott gegenüber. Vielmehr ist die Erlösung des Menschen ein unverdientes Gnadengeschenk. Um dies deutlich zu machen, spricht Paulus genauer von „Werken des Gesetzes“, die eben nicht retten können (Röm 3,20ff u. ö.). 2) Gott gibt den Erlösten weit mehr, als sie je verdienen würden, ja mehr, als sie es sich ausrechnen können (Eph 3,20; 1Joh 3,19f). Bengel fasste dies in die kurzen Worte: „Die Belohnung wird weit darüber gehen.“2692 3) Nach den Worten Jesu in Lk 12,47f sind die Strafen im Gericht sehr unterschiedlich. Hier wird Gott bzw. Christus auch der Gnade und Barmherzigkeit Raum geben – vielleicht in einer Weise, die wir uns auf Erden gar nicht vorgestellt haben. Dadurch wird das Gericht nicht aufgehoben, es wird aber auch da das Element der Gnade nicht fehlen. Im Übrigen sollten wir der Spekulation strenge Zügel anlegen, denn wir kennen bei Weitem nicht jede Einzelheit. Die Schilderung des Gerichts, wie es Johannes sah, setzt sich in V. 13-15 fort. Auffallenderweise handelt V. 13 zunächst von der Herausgabe der Toten aus verschiedenen Aufbewahrungsorten. Denn ἔδωκεν [edoken] und ἔδωκαν [edokan] gehen, wie Charles bemerkt, auf das hebräische [ נתןnathan] zurück. [ נתןnathan] = διδόναι [didonai] heißt hier herausgeben2693 oder „zurückgeben“. Die Schilderung ist so knapp, dass nicht einmal ein Befehlswort zur Herausgabe überliefert wird. So selbstverständlich gehorchen die personifizierten Mächte, die bisher die Toten aufnehmen, dem Willen Jesu Christi. Zuerst heißt es: Und es gab das Meer die Toten heraus, die in ihm waren. Swete weist darauf hin, wie schrecklich damals das Sterben auf See empfunden wurde. Auf dem Meer konnte man weder eine Grabstele noch ein Kolumbarium errichten.2694 Man denke auch daran, dass manchmal die Asche der Märtyrer ins Meer geschüttet wurde. Nun aber kommen alle Menschen hervor, die der Tod ins Meer führte, und zwar als leiblich Auferstandene. Denn auch darin hat Swete recht: „The Resurrection … is now described.“2695 Aber hätte V. 13 nicht vor V. 12 erzählt werden müssen? Abendländische Logik legt dies 2691 2692 2693 2694
A.a.O. S. 115f. Bengel S. 980. Charles II S. 198f; Bauer-Aland Sp. 389. Swete a.a.O. Vgl. die hebräische „Furcht vor dem Meer“, J.G.S.S. Thompson, Art. Meer, GBL, 2, S. 947. 2695 A.a.O.
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nahe. Charles sah denn auch in V. 13 „a hopeless confusion of thought“ und wollte V. 13 vor V. 12 stellen.2696 Weil auch das Meer nach V. 11 ja schon verschwunden sei!2697 Aber hier geht es nicht um die Gesetze einer abendländischen Logik. Vielmehr ist V. 13 nach V. 12 das, was man „nachholenden hebräischen Stil“ nennt (vgl. Jona 1,10).2698 Außerdem verschwinden, wie wir oben festgehalten haben, Erde und Himmel samt dem Meer erst nach dem Jüngsten Gericht. Der zweite Aufbewahrungsort, der genannt wird, ist der Tod samt der Totenwelt: und der Tod und die Totenwelt gaben die Toten heraus, die in ihnen waren (καὶ ὁ θάνατος καὶ ὁ ᾅδης ἔδωκαν τοὺς νεκροὺς τοὺς ἐν αὐτοῖς [kai ho thanatos kai ho hades edokan tus nekrus tus en autois]). Schon in Offb 6,8 sind Tod und Totenwelt aufs Engste miteinander verbunden. Totenwelt, griechisch ᾅδης [hades] („Hades“), geht auf das hebräische שׁאוֹל ְ [scheol] zurück, das in der griechischen Bibel durchgängig mit ᾅδης [hades] übersetzt wird.2699 Für שׁאוֹל ְ [scheol] wird häufig der Begriff „Unterwelt“ gebraucht.2700 In der Verbindung mit dem Tod legt sich aber der Begriff Totenwelt nahe.2701 Im neutestamentlichen Sprachgebrauch dient diese Totenwelt teils zur Bezeichnung des Aufenthaltsortes sämtlicher Verstorbener, teils als Bezeichnung des Aufenthaltsortes nur der Gottlosen.2702 In Offb 20,13 müssen wir den weiteren Begriff voraussetzen, das heißt den Aufenthaltsort sämtlicher Verstorbener. Alle also, die auf Erden verstorben sind, müssen von der Totenwelt herausgegeben werden. Sachlich entspricht dies Joh 5,28: „Alle, die in den Gräbern sind, werden seine (= Jesu) Stimme hören“, und auch Dan 12,2: „Viele von denen, die in der Erde schlafen, werden aufwachen“. Hier haben wir es mit der „zweiten Auferstehung“ zu tun, also einer leiblichen Auferstehung.2703 Wir vermeiden durch diese Deutung die Aporien, in die Charles mit seiner These von einer leiblosen Auferstehung der Gottlosen und der rein spekulativen Änderung von ἡ θάλασσα [he thalassa] (das Meer) in τὰ ταμεῖα [ta tameia] (Aufbewahrungsorte) geriet.2704 Wir vermeiden aber auch die Engführung, die nur noch Gottlose im Gericht von Offb 20,11ff erblickt.2705 2696 2697 2698 2699 2700 2701 2702 2703 2704 2705
Charles II S. 194. Charles II S. 195. Vgl. schon Augustinus DCD XX, 14. L. Wächter, Art. שׁאוֹל ְ , ThWAT, VII, 1993, Sp. 903. So Wächter passim. So auch J. Jeremias im Art. ᾄδης, ThWNT, I, 1933, S. 146ff. Jeremias a.a.O. S. 149. Swete S. 272f; Lohmeyer 3 S. 164. Charles II S. 194ff. So Charles a.a.O.; Lohmeyer 3 S. 164; Giesen S. 445.
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Welcher Zug aus der Totenwelt wird uns hier vor die Augen gestellt! Die Gewaltigen der Weltgeschichte, die Könige und Eroberer, die Toten aller Völker bis hinab zu den Geringsten der menschlichen Gesellschaft erscheinen, sofern sie nicht schon an der ersten Auferstehung (Offb 20,4-6) teilgenommen haben (vgl. Ez 31,15ff; 32,17ff). Die mittelalterlichen Gemälde haben durchaus zutreffende Züge dieses Geschehens bewahrt.2706 Die Frage, was jemand persönlich glaubte oder für möglich hielt, spielt bei diesem Zug aus der Totenwelt keine Rolle mehr – alle müssen erscheinen nach dem Wort Jesu: „Es kommt die Stunde, in der alle, die in den Gräbern sind, seine Stimme hören werden und … hervorgehen“ (Joh 5,28f). Der letzte Satz von V. 13 wiederholt praktisch den letzten Satz von V. 12: und sie (= die Toten) wurden gerichtet, jeder nach seinen Werken. Neu ist nun die Einfügung des Wortes jeder (ἕκαστος [hekastos]).2707 Damit konzentriert sich der Blick auf die Einzelnen. Die Konsequenzen, die sich daraus ergeben, sind weitreichend: 1) Jeder einzelne Mensch behält demzufolge seine Individualität und seinen Namen über den Tod hinaus; 2) keiner kann sich hinter einem andern verstecken; 3) alle unsere Werke, also Handlungen, Unterhaltungen und Verhaltensweisen, kommen in das helle Licht des Jüngsten Tages; 4) jeder erhält seine völlig individuelle Strafe nach Lk 12,47f; 5) Christus und der dreieinige Gott verherrlichen sich durch ihre vollkommene Gerechtigkeit. Es gibt keine Pauschalurteile, sondern nur Einzelurteile, die den Maßstäben höchster Angemessenheit, aber zugleich auch höchster Barmherzigkeit und höchsten Ernstes entsprechen. Nur Gott kann diese Maßstäbe der Gerechtigkeit, der Angemessenheit, des Ernstes und der Barmherzigkeit zusammenfügen.2708 Wir dürfen annehmen, dass dieses jeder nach seinen Werken nicht nur für die menschlichen Toten gilt, sondern für alles, was ins Gericht des Jüngsten Tages kommt. V. 14 sagt in äußerster Kürze: der Tod (ὁ θάνατος [ho thanatos]) und die Totenwelt (ὁ ᾅδης [ho hades]) wurden in den Feuersee geworfen. Auch in der Verdammnis bilden sie ein Paar. Es wird jetzt ganz deutlich, dass sie beide personifizierte, gottfeindliche Mächte darstellen.2709 Paulus sagt in 1Kor 15,26 mit Recht: „Der letzte Feind, der weggetan wird (oder: entmachtet wird,
2706 Vgl. das monumentale Fresko über dem Chorbogen des Ulmer Münsters. 2707 Swete S. 273 verweist hier auf Mt 16,27; Röm 2,6; 14,12; 1Kor 3,13; 2Kor 5,10; 1Petr 1,17; Offb 2,23. Vgl. Hadorn S. 202. 2708 Vgl. Römer S. 216. 2709 Ritt S. 104; Caird S. 260.
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καταργεῖται [katargeitai]), ist der Tod.“2710 Der Feuersee, den wir schon aus Offb 19,20 und 20,10 kennen, ist also der Endpunkt für Tod und Totenwelt. Sie teilen diesen Gerichtsort mit dem Antichrist, dem falschen Propheten (Offb 19,20) und dem Teufel (Offb 20,10). Sie teilen auch deren Qual (Offb 20,10; Mt 25,41).2711 Sie alle wurden geworfen (ἐβλήθησαν [eblethesan]), das heißt durch Gottes Gerichtsengel in einem Nu dorthin gebracht, ohne dass sie Widerstand leisten konnten. Es stimmt also nicht, wenn man den Tod als etwas „Natürliches“ betrachtet. Er ist vielmehr unnatürlich und erst als Folge und Strafe des Sündenfalls in die Welt gekommen (Gen 2,17; Röm 5,12ff; 1Kor 15,20ff; vgl. Joh 11,35.38). Es folgt die Definition: Das ist der zweite Tod: der Feuersee (οὗτος ὁ θάνατος ὁ δεύτερός ἐστιν, ἡ λίμνη τοῦ πυρός [hutos ho thanatos ho deuteros estin, he limne tu pyros]). Dieser Satz wird von einer Reihe von Handschriften ausgelassen, ist jedoch insgesamt gut bezeugt. Man kann auch übersetzen: „Dieser Tod ist der zweite: der Feuersee.“2712 So viel ist jedenfalls klar: Hier wird der Feuersee von Offb 19,20; 20,10; 20,14 als der zweite Tod bezeichnet, und zwar im Unterschied zum „ersten Tod“, nämlich dem leiblichen, kreatürlichen. Der Tod, der den ersten Tod gar nicht sterben kann, ja diesen ersten Tod sogar unmittelbar verursacht, muss also am Ende doch den zweiten Tod erdulden, also selbst sterben.2713 Zum Thema „des Todes Tod“ vgl. 1Kor 15,54ff und schon im AT Jes 25,8; Hos 13,14. Martin Luthers Osterlied fasst dies einprägsam in die Worte: „Die Schrift hat verkündet das, wie ein Tod den andern fraß, ein Spott aus dem Tod ist worden“ (EG 101,4).2714 Die Gerichtsschilderung schließt mit dem Satz: Und wenn jemand nicht im Buch des Lebens geschrieben gefunden wurde, wurde er in den Feuersee geworfen (V. 15). Dieser Satz bezieht sich auf Menschen, Engel und Mächte, auf Christen und Nichtchristen. Im Grunde erläutert er V. 12. Jedenfalls sind in V. 15 alle „übrigen Toten“ im Sinne von Offb 20,5 inbegriffen. Erstaunlicherweise gibt es in der Literatur eine Debatte über den Wirkungsbereich des Gerichtes nach Offb 20,15. Am weitesten geht wohl Heinz Giesen. Ihm zufolge kennt das Gericht von Offb 20,11-15 „nur noch die Verurtei-
2710 Hadorn S. 201; Bousset 1896 S. 507; Caird a.a.O. 2711 Es ist deshalb irreführend, von einer „Vernichtung“ zu sprechen. Gegen Ritt a.a.O.; Lilje S. 232; U.B. Müller S. 347. Richtig Holtz NTD S. 132; Römer S. 218; Mounce S. 367. 2712 So z.B. BigS. 2713 Schlatter BFchTh S. 97 weist darauf hin, dass die Lehre von einem zweiten Tod auch rabbinisch ist. Ebenso Hemer S. 75. 2714 Vgl. EG 106,3; 113,1ff.
11. Das Jüngste Gericht, 20,11-15
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lung“2715. Christen kommen seiner Auffassung nach überhaupt nicht ins Gericht, sondern nehmen alle „ohne vorausgehendes Gericht“ am Tausendjährigen Reich teil.2716 Letzteres ist aber durch Mt 25,14ff; 2Kor 5,10; 1Petr 4,16; Offb 2,11 ausgeschlossen. Auch Christen legen nach den genannten Stellen am Ende Rechenschaft ab. Mit Recht betont U.B. Müller: „In der Offenbarung trifft das Gericht nach den Werken auch die Christen“ (vgl 2,23; 22,12).2717 Aber wer kann in Offb 20,15 noch zu den Geretteten zählen? Für U.B. Müller sind es alle Christen, die nicht zu den Märtyrern gehören, weil er die erste Auferstehung von Offb 20,4ff auf die Märtyrer beschränkt.2718 Wir können diese Sicht nicht teilen, weil unseres Erachtens alle treuen Christen an der ersten Auferstehung teilnehmen. Aber wer ist dann in Offb 20,15 noch als ein Geretteter übrig? Wir gehen zunächst vom Text aus. Wenn es hier heißt: wenn jemand nicht im Buch des Lebens geschrieben gefunden wurde, sei er zum Feuersee verurteilt worden, wird doch offensichtlich vorausgesetzt, dass der endzeitliche Richter ins Buch des Lebens hineinblickt. Ein solches Verfahren wäre aber schwer vorstellbar, wenn dort keiner von den Toten verzeichnet sein könnte. Fazit: Es muss auch solche geben, die beim Gericht nach Offb 20,15 im Buch des Lebens stehen.2719 Ob es nur wenige sind2720, ist dabei von sekundärer Bedeutung. Wir denken hier vor allem an diejenigen, die im Tausendjährigen Reich zu einem echten Glauben gekommen sind, aber auch an diejenigen, die durch die Predigt Jesu Christi im Totenreich gewonnen wurden (1Petr 3,19; 4,6). Das Los der Verurteilten ist der Feuersee, zusammen mit dem Satan, dem Antichrist, dem falschen Propheten, dem Tod und der Totenwelt. Mit Offb 20,15 endet die alte Welt. Sie weicht der neuen (Offb 21,1–22,5). Zugleich wird das Kapitel des Gerichts geschlossen. Mit dem nächsten Vers schon kommen wir in den Horizont des ewigen Lebens hinein.
IV Zusammenfassung 1. Alle Menschen werden sich einmal im Gericht Gottes und Jesu Christi verantworten müssen. Das Urteil lautet entweder auf Annahme bei Gott nach dem „Buch des Lebens“ oder auf Verwerfung nach den „Büchern“ des Gerichts. 2715 2716 2717 2718 2719 2720
Giesen S. 435. Giesen S. 445. U.B. Müller S. 346. U.B. Müller S. 346f. Ebenso Bousset 1896 S. 502. Ähnlich U.B. Müller S. 347. So Lohmeyer 3 S. 165.
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2. Auch die andern Geschöpfe, sogar ganz umfassend Erde und Himmel, kommen ins Gericht, ohne dass wir alle Einzelheiten erkennen. 3. Es handelt sich dabei nicht um „bloße Bilder“, sondern um einen „realen Geschehensablauf“.2721 Allerdings sollten wir dabei nicht mit Spekulationen arbeiten, sondern uns mit der Knappheit der Schilderung in Offb 20,11-15 begnügen. Weil es um Realitäten – freilich nicht unserer irdischen Welt! – geht, sollte man auch sehr vorsichtig mit „geistlichen“ Deutungen sein, z.B. das Meer nicht auf die „Welt“ oder die „Völker“ deuten.2722 4. Der Richter auf dem großen weißen Thron ist Christus. 5. Offb 20,11-15 spricht nicht von einer Annihilatio oder „Vernichtung“ der Verurteilten, sondern vom „Feuersee“ als einem Ort der Gottesferne und Verdammnis.2723 Auch dort gibt es eine Art von Fortexistenz. Wieder sollten wir darauf verzichten, uns Einzelheiten auszumalen oder die Schau des Johannes durch eine eigene, unter Umständen gefühlsbetonte Schau zu ersetzen. Es genügt, dass uns in Offb 20,11-15 wie in Dtn 30,15ff die Wahl zwischen Leben und Tod vorgelegt ist. Auch wir Christen gehen ins Gericht.2724 6. Umstellungen vorzunehmen oder mit Interpolationen zu rechnen, gibt es in Offb 20,11-15 keinen Anlass.2725 7. Werner Georg Kümmels Urteil, „daß der Apokalyptiker (= Johannes) in Gefahr steht, Gottes Ziel mit der Weltgeschichte allzu eindeutig und einheitlich zu beschreiben, ja darüber verfügen zu wollen“2726, ist verfehlt. Der Ausleger leidet eher unter der Knappheit der Aussagen.
12. Die neue Schöpfung, 21,1–22,5 I Übersetzung 1 Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde. Denn der erste Himmel und die erste Erde sind vergangen, und das Meer ist nicht mehr. 2 Und ich sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott aus dem Himmel herabkommen, bereitet wie eine geschmückte Braut für ihren Mann. 3 Und ich hörte eine laute Stimme vom Thron, die sprach: Siehe 2721 2722 2723 2724 2725 2726
Gegen Roloff S. 195. Gegen Augustinus DCD XX, 15; Hartenstein S. 246. Holtz S. 132. Gegen Zahn S. 604ff. Mit U.B. Müller S. 346 gegen Giesen S. 434ff. Gegen Charles II S. 144ff. Kümmel S. 419.
12. Die neue Schöpfung, 21,1–22,5
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da, die Wohnung Gottes bei den Menschen! Und er wird bei ihnen wohnen, und sie werden seine Völker sein, und er selbst, Gott, wird bei ihnen als ihr Gott sein. 4 Und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein, denn das Erste ist vergangen. 5 Und der auf dem Thron sitzt, sprach: Siehe, ich mache alles neu!, und er spricht: Schreibe, denn diese Worte sind glaubwürdig und wahrhaftig! 6 Und er sprach zu mir: Es ist geschehen. Ich bin das A und das O, der Anfang und das Ende. Ich werde dem Durstigen geben aus der Quelle des Wassers des Lebens umsonst. 7 Wer überwindet, wird dies zum Erbe haben, und ich werde sein Gott sein, und er wird mein Sohn sein. 8 Den Feigen aber und Ungläubigen und Frevlern und Mördern und Unzüchtigen und Zauberern und Götzendienern und allen Lügnern gilt: Ihr Teil wird in dem See sein, der mit Feuer und Schwefel brennt. Das ist der zweite Tod. 9 Und es kam einer von den sieben Engeln, die die sieben Schalen voll mit den sieben letzten Plagen hatten, und sprach mit mir und sagte: Komm, ich werde dir die Braut, die Frau des Lammes, zeigen. 10 Und er führte mich im Geist weg auf einen großen und hohen Berg und zeigte mir die heilige Stadt, Jerusalem, von Gott aus dem Himmel herabkommen. 11 Sie hatte die Herrlichkeit Gottes. Ihr Glanz glich dem kostbarsten Edelstein, wie einem Stein von kristallglänzendem Jaspis. 12 Sie hatte eine große und hohe Mauer, hatte zwölf Tore und auf den Toren zwölf Engel und Namen darauf geschrieben, das sind die Namen der zwölf Stämme der Israeliten: 13 im Osten drei Tore und im Norden drei Tore und im Süden drei Tore und im Westen drei Tore. 14 Und die Mauer der Stadt hatte zwölf Grundsteine und darauf zwölf Namen von den zwölf Aposteln des Lammes. 15 Und derjenige, der mit mir sprach, hatte als Maßstab ein goldenes Rohr, um die Stadt und ihre Tore und ihre Mauer zu vermessen. 16 Und die Stadt war viereckig angelegt und ihre Länge war ebenso groß wie ihre Breite. Und er vermaß die Stadt mit dem Rohr mit dem Ergebnis: zwölftausend Stadien, wobei ihre Länge und ihre Breite und ihre Höhe gleich sind. 17 Und er vermaß ihre Mauer: einhundertvierundvierzig Ellen nach Menschenmaß, das der Engel gebrauchte. 18 Und ihr Mauerwerk war aus Jaspis und die Stadt von reinem Gold, gleich reinem Glas. 19 Die Grundsteine der Mauer der Stadt waren mit Edelsteinen aller Art geschmückt. Der erste Grundstein war ein Jaspis, der zweite ein Saphir, der dritte ein Chalzedon, der vierte ein Smaragd, 20 der fünfte ein Sardonyx, der sechste ein Sarder, der siebte ein Chrysolith, der achte ein Beryll, der neunte ein Topas, der zehnte ein Chrysopras, der
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elfte ein Hyazinth, der zwölfte ein Amethyst. 21 Und die zwölf Tore waren zwölf Perlen, wobei jedes einzelne der Tore aus einer einzigen Perle bestand. Und die Straße der Stadt war von reinem Gold wie durchsichtiges Glas. 22 Und ich sah keinen Tempel in ihr, denn der Herr, Gott, der Allmächtige ist ihr Tempel, und das Lamm. 23 Und die Stadt benötigt weder die Sonne noch den Mond, dass sie ihr scheinen. Denn die Herrlichkeit Gottes erleuchtete sie, und ihre Leuchte ist das Lamm. 24 Und die Völker werden leben in ihrem Licht, und die Könige der Erde werden ihre Herrlichkeit in sie bringen. 25 Und ihre Tore werden am Tag nicht verschlossen werden, denn dort wird keine Nacht mehr sein. 26 Und sie werden die Herrlichkeit und die Kostbarkeiten der Völker in sie bringen. 27 Und nichts Unreines wird in sie hineinkommen und auch nicht, wer Gräuel und Lüge praktiziert, nur diejenigen, die im Buch des Lebens des Lammes geschrieben sind. 1 Und er zeigte mir einen Strom lebendigen Wassers, klar wie Kristall, der ausgeht vom Thron Gottes und des Lammes. 2 Inmitten der Straße der Stadt und des Stroms waren auf beiden Seiten Bäume des Lebens, die zwölfmal Früchte bringen, jeden Monat bringen sie ihre Frucht, und die Blätter der Bäume dienen zur Heilung der Völker. 3 Und keinerlei Verfluchtes wird es mehr geben. Und der Thron Gottes und des Lammes wird in ihr sein, und seine Knechte werden ihm dienen 4 und werden sein Angesicht sehen, und sein Name wird auf ihren Stirnen sein. 5 Und es wird keine Nacht mehr sein, und sie benötigen weder das Licht einer Leuchte noch das Licht der Sonne, denn Gott der Herr wird auf sie leuchten, und sie werden herrschen in alle Ewigkeit.
II Struktur Das uns wohlbekannte Καὶ εἶδον [Kai eidon], das so häufig die Offenbarung gliedert (z.B. 13,1.11; 14,1.6; 15,1; 19,11.17; 20,1.4.11), taucht im ganzen Abschnitt Offb 21,1–22,5 nur ein einziges Mal auf, und zwar in 21,1, allerdings in modifizierter Form dann noch einmal in 21,2 und 21,22. Schon diese Beobachtung spricht dafür, den ganzen Abschnitt Offb 21,1–22,5 als einheitlichen Abschnitt zu behandeln. Allerdings fassen Ausleger wie Swete und Charles die Versgruppen 21,1-8 und 21,9–22,5 jeweils als eigene Abschnitte auf.2727
2727 Swete S. 274ff; Charles II S. 154, 204ff (allerdings mit einer modifizierten Verseinteilung); Aune S. 1108ff.
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Auch inhaltlich hängen die Verse 21,1–22,5 aufs Engste zusammen. Die heilige Stadt, Jerusalem ist sowohl in 21,2 als auch in 21,10 ein Thema. Aber auch der neue Himmel und die neue Erde sind sowohl in 21,1ff als auch in 22,1ff thematisiert. Wichtig ist ferner der Ausschluss der Unreinheit sowohl in 21,8 als auch in 21,27 und 22,3. Hinzu kommt, dass das Lamm in Offb 21,1– 22,5 erstaunlich oft erwähnt wird (21,14.22.23.27; 22,1.3). In gewisser Weise ist Offb 21,1–22,5 ein richtiger „Lammes“-Abschnitt. Wir lassen also Offb 21,1–22,5 trotz seiner Länge zusammen.2728 Außerdem beobachten wir, dass Offb 21,1ff sehr gut in das Ganze der Offenbarung eingebettet ist. Der neue Himmel und die neue Erde sind schon in 20,11 angekündigt worden. Sie stehen auch in der Parallelapokalypse Mt 24 / Mk 13 am Ende der Prophetie (vgl. Mt 24,29ff par). Die Sendschreiben konnten hier in Offb 2,7 und 3,12 schon vorausgreifen. Die neue Schöpfung schließt auch in Jes 65,17; 66,22 die Kette der Zukunftsereignisse ab.2729 Überhaupt durchdringt das AT bis in Einzelwendungen der Sprache hinein den ganzen Bereich von Offb 21,1 bis 22,5. Die eigenartige Sprachgestalt unseres Abschnittes rührt oft einfach davon her, dass zitatartig auf das AT zurückgegriffen wird.2730 Mehr darüber in der Einzelauslegung. Eigenartig ist die Aufteilung der Details. Während z.B. die V. 12-21 im 21. Kap. außerordentlich detailreich sind, was den Schmuck des neuen Jerusalem anbelangt, fehlen andernorts die Details, die man so gern erfahren möchte. Zu gerne wüsste man z.B. Näheres über den Dienst der Knechte in 22,3 oder auch über Tiere und Pflanzen in der neuen Schöpfung. Dahinter tauchen noch andere Fragen auf, z.B.: Wie können die Erlösten glücklich sein, wenn ihre Angehörigen eine ewige Strafe erleiden müssen? Wir müssen uns darauf einstellen, dass manches offenbleibt und dass auch Offb 21,1–22,5 kein Konversationslexikon zu Fragen der Ewigkeit darstellt. Die Schilderung in Offb 21,1–22,5 verläuft in drei großen Schritten: 1) Die Gemeinschaft Gottes mit den Erlösten (21,1-8); 2) die Herrlichkeit der neuen Schöpfung (21,9-27); 3) das Leben in der neuen Schöpfung (22,1-5). 2728 Kiddle S. 409 fasst 21,1-27 unter der Überschrift „The Holy City“ zusammen; Beckwith S. 309 nimmt sogar 20,7–22,5 zusammen; Vitringa S. 2 lässt den Epilog erst mit 22,8 beginnen. Wie wir Bousset 1896 S. 508; Holtz NTD S. 132; Morris S. 242; Mounce S. 368; Carson/Moo/Morris S. 466f; Karrer Sp. 836f; Elwell/Yarbrough S. 377f; Schlatter S. 327. Moderne Ausleger trennen oft 21,1-8 und 21,9–22,5. So Hadorn S. 203ff; U.B. Müller S. 348ff; Giesen S. 450ff; Swete S. 274ff; Aune S. 1108ff; Lohmeyer 3 S. 165f (21,1-5; 21,5–22,7). 2729 Vgl. Giesen S. 451: 21,1ff sei „voll von thematischen Querverbindungen zu den vorausgehenden Abschnitten“. 2730 Leider macht dies Nestle-Aland nicht durch Kursivdrucke ausreichend deutlich.
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III Einzelexegese Exkurs: Zu den bisherigen Auslegungen von Offb 21–22 Es ist ohne Weiteres verständlich, dass sich die Christen von Anfang an mit den beiden letzten Kapiteln der Offenbarung beschäftigt haben. Nach alter Überlieferung hat Papias von Hierapolis im vierten Buch seines fünfbändigen Werkes mündliche apostolische Traditionen aufgenommen, die von der außerordentlichen Fruchtbarkeit der neuen Schöpfung sprachen.2731 Papias schrieb dieses Werk ca. 120 n.Chr.2732 Er betonte damit auch den Realismus der Zukunftsprophetie des Johannes. Besonders stark tritt diese Tendenz bei dem ca. 180 n.Chr. schreibenden Irenäus von Lyon hervor. Er stützt sich nicht nur auf Papias, sondern auch auf andere Schüler des Johannes, die Presbyter der sog. kleinasiatischen Schule. In der Neuschöpfung sieht er „die ganze Kreatur … eine Menge jeglicher Speise aus dem Tau des Himmels und der Fruchtbarkeit der Erde hervorbringen“.2733 Alle Tiere würden sich mit diesen Speisen nähren und sich nicht mehr gegenseitig töten.2734 Irenäus rechnet also ganz realistisch mit Tieren und Pflanzen in der neuen Schöpfung. Er wehrt sich gegen eine allegorische Auffassung, ja sagt definitiv: „Nichts kann man allegorisch deuten“, und bemerkt dazu unter anderem: „Wie nämlich Gott es wahrhaft ist, der den Menschen auferweckt, so wird der Mensch auch wahrhaft und nicht allegorisch von den Toten auferstehen.“2735 Zwei Jahrhunderte später hat die Allegorese bei Augustinus einen festen Platz gefunden, wenn auch in gemäßigter und kontrollierter Form. Augustinus’ Eschatologie hat keineswegs den biblischen Realismus aufgegeben. Eher kann man von einer Kombination realistischer und allegorischer Elemente sprechen. Manches fand Augustinus in der Offenbarung schwierig. Er konzedierte, dass in der Offenbarung „vieles dunkel gesagt (obscure multa dicuntur)“ sei.2736 Aber er traf in hervorragender Weise den Hauptton der Kapitel 21 und 22 mit seiner berühmten Formulierung: „Er selbst (= Gott) wird das Endziel unserer Sehnsucht sein, den wir ohne Ende schauen, ohne Überdruss und Müdigkeit lieben werden und loben.“2737 Für Martin Luther war die Offenbarung hauptsächlich ein Buch „zur Tröstung“. Dementsprechend vollendet sich dieses Buch im 21. und 22. Kapitel. In
2731 2732 2733 2734 2735 2736 2737
Vgl. Irenäus Adv. haer. V, 33,4; Eusebius H. E. II, 39,11ff. Vgl. Maier Offb S. 7f. Adv. haer. V, 33,3. A.a.O. A.a.O. DCD XX, 17. DCD XXII, 30.
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seiner Vorrede von 1530 hält Luther denn auch für Offb 21 fest, hier werde „der endliche Trost gebildet“2738. Eigenwillig deutet wieder Johann Coccejus. Der Menschensohn aus Dan 7,13f ist für ihn die endzeitliche Kirche. So wird die endzeitliche Kirche der wesentliche Inhalt von Offb 21f. Beispielsweise findet er in Offb 21,24 die Aussage, dass am Ende der Zeiten die Völker und Regenten der Kirche dienen.2739 Hier hat sich ein allegorisches, spiritualisierendes Verständnis durchgesetzt. Die gegenwärtige dogmatische Diskussion spiegelt die Krise wider, in die die protestantische Eschatologie seit der Aufklärung geriet. Immer wieder sagen uns protestantische Dogmatiker als „das letzte Wort“, dass biblisch doch nur „verschiedene Gedanken theoretisch unausgeglichen nebeneinander“ stünden.2740 So diskutiert man weiter, ob „Gott auch für die Abgeschiedenen noch Gnadenwirkungen bereit hat“2741. Obwohl man die katholische Fegefeuerlehre ablehnt, tut man sich doch schwer mit der Endgültigkeit einer Trennung in Erlöste und Verworfene.2742 Dogmatisch umstritten ist es, „ob die Überwindung des Bösen auch dessen ontisches Nicht-mehr-Sein bedeutet“2743, mit anderen Worten, ob die Verworfenen noch irgendwie existieren oder (so die sog. Annihilatio) einfach verschwunden sind. Darf man das ewige Leben als „das eigentliche und endgültige Ziel“ und als den „Inbegriff der christlichen Hoffnung“2744 bezeichnen, oder ist das viel zu individualistisch gegenüber dem universalen Reich-Gottes-Gedanken mit seiner Heilung der gesamten Schöpfung? 2745 Auch solche Perspektiven haben eine eminente Bedeutung für die Auslegung von Offb 21 und 22. Eine kardinale Frage ist es schließlich, ob wir es in der Offenbarung mit einem geschichtlichen Verlauf, einer wie immer gearteten „Zeitstrecke“ und „Verlaufszeit“2746 zu tun haben oder nicht.2747 Cullmann hat diese Frage mit Nachdruck bejaht: Er sieht im Neuen Testament „eine deutliche Linie“, „eine heilsgeschichtliche Perspektive“ und „Heilslinie“.2748 Weber ist hier weit zurückhaltender, weil er davon ausgeht, dass Gott unsere „Verlaufszeit durchbricht“2749. Noch schärfer urteilen existenziale Interpreten: Für sie hört
2738 2739 2740 2741 2742 2743 2744 2745 2746 2747 2748
Luther Vorreden S. 188f. Maier Offb S. 328ff. So Trillhaas S. 500. Trillhaas a.a.O. Vgl. Trillhaas S. 454ff; Weber II S. 742f. Weber II S. 755. So Trillhaas S. 500. Für Weber II S. 745 „die Mitte der Eschatologie“. Vgl. zu diesen Begriffen Weber II S. 739ff. Skeptisch Weber a.a.O. Cullmann S. 326.331; auch Ev. Erwachsenenkatechismus, 4. Aufl., 1982 („ein zeitliches Nacheinander“, S. 879); Jörg Frey bei Hengel S. 388. 2749 Weber II S. 744.
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„die Eschatologie … auf, ein geschichtlicher bzw. endgeschichtlicher Mythos zu sein und wird zu einer Frage unserer Existenz“2750. Offb 21–22 lässt uns all diesen Deutungen und Fragestellungen begegnen.
12.1 Die Gemeinschaft Gottes mit den Erlösten, 21,1-8 Auch wenn es sich um den „krönenden Abschluß des Buches“2751 handelt, bleibt Johannes in Offb 21f bei seiner gewohnten, grundsätzlich bescheidenen Sprache. Und ich sah (Καὶ εἶδον [Kai eidon]) beginnt das 21. Kap. ohne jede weitere Anmerkung oder gar Ausschmückung – als käme nun die einfachste Sache von der Welt.2752 Doch es kommt Gottes neue Schöpfung: einen neuen Himmel und eine neue Erde (οὐρανὸν καινὸν καὶ γῆν καινήν [uranon kainon kai gen kainen]). Die griechische Bibel beginnt mit den Worten: Ἐν ἀρχῇ ἐποίησεν ὁ θεὸς τὸν οὐρανὸν καὶ τὴν γῆν [En arche epoiesen ho theos ton uranon kai ten gen] (Gen 1,1). Offb 21,1 knüpft zweifellos an diesen Bibelanfang an. Damit ist klar markiert, dass es sich in Offb 21,1ff um die neue Schöpfung handelt. Aber indirekt knüpft Offb 21,1 auch an Joh 1,1 an, wo es heißt: Ἐν ἀρχῇ ἦν ὁ λόγος [En arche en ho logos] – „Am Anfang war das Wort.“ Denn es ist Gottes Wort, das sowohl die alte als auch die neue Schöpfung zuwege bringt (Gen 1,3; Offb 21,5). Neu heißt absolut neu: „καινός ist der Inbegriff des ganz Anderen, Wunderbaren.“2753 Deshalb haben Giesen, Kraft, U.B. Müller, Wikenhauser, Roloff u.a. recht: Hier geht es um „eine absolute Neuschöpfung“2754 und nicht nur um eine „Umwandlung“.2755 Aber noch andere Dimensionen sind wichtig: In Offb 21,1 haben wir den neuen Äon, den [ עוָֹלם ַה ָבּאolam habba] der alten Rabbinen, vor uns.2756 Von ihm sprach auch Jesus (Mt 12,32; Mk 3,29; Joh 4,14 und viele Stellen bei Johannes). Ferner: In Offb 21,1 erfüllt sich die Prophetie Jesajas in Jes 65,17; 2750 Trillhaas S. 471; weniger radikal Ott S. 459ff. 2751 So Giesen S. 451; Caird S. 261: „the most important part of this book“; Lohmeyer 3 S. 165: „die Krönung des ganzen Baues“. 2752 Aune S. 1116: „abruptly and enigmatically“. 2753 J. Behm, Art. καινός usw., ThWNT, III, 1938, S. 451. 2754 Vgl. Giesen S. 452; U.B. Müller S. 349; Aune S. 1117f; Holtz NTD S. 132f; Morris S. 243; Roloff S. 198. Anders Satake KEK S. 398. 2755 Gegen Caird S. 260f; Römer S. 220ff. Auch „völlige Umgestaltung“ (Zahn S. 597) genügt nicht. 2756 Vgl. H.D. Preuß, Art. עוָֹלם, ThWAT, V, 1986, Sp. 1157f; Hadorn S. 203.
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66,22.2757 Jes 65,17 sagt: ἔσται γὰρ ὁ οὐρανὸς καινὸς καὶ ἡ γῆ καινή [estai gar ho uranos kainos kai he ge kaine], 66,22 spricht von ὁ οὐρανὸς καινὸς καὶ ἡ γῆ καινή [ho uranos kainos kai he ge kaine]. Johannes sagt nicht nur: einen neuen Himmel, sondern auch: eine neue Erde. Mit anderen Worten: eine neue Schöpfung (vgl. Gen 1,1). In Entsprechung zu Offb 20,11 bringt er bewusst die neue Erde in die Weissagung ein. Es wird die Zukunft also nicht nur „himmlisch“, sondern auch „irdisch“ sein. Mit Recht bemerkt Weber in seinen Grundlagen der Dogmatik: „Gott hält es mit der Welt“ – „Gott will … seine, die geschöpfliche Welt. Auf diese Welt richtet sich die christliche Erwartung.“2758 Wir orientieren uns als Christen nicht nur zum Himmel, sondern zur ganzen neuen Schöpfung einschließlich der neuen Erde. Mit dem Stichwort neue Erde ist eine weitere Entscheidung gefallen: Die Neuschöpfung beherbergt auch Tiere und Pflanzen. Die uralte Auslegung des Irenäus (ca. 180 n.Chr.) behält also recht.2759 Mit Hadorn2760 ist noch klarzustellen, dass der neue Himmel nicht die Erneuerung der Wohnung Gottes im engeren Sinn (vgl. Offb 4,1ff) bedeutet, sondern den kreatürlichen Himmel von Gen 1,1ff. Der zweite Satz von Offb 21,1 nimmt Bezug auf 20,112761: Denn der erste Himmel und die erste Erde sind vergangen, und das Meer ist nicht mehr. Nach Offb 20,11 sind sie verschwunden („es wurde keine Stätte mehr für sie gefunden“), also vernichtet und nicht mehr existent. Aber nun überrascht uns die letzte Bemerkung von V. 1: und das Meer ist nicht mehr (καὶ ἡ θάλασσα οὐκ ἔστιν ἔτι [kai he thalassa uk estin eti]). In Offb 20,11-15 wurde im Unterschied zu Tod und Totenwelt über das Geschick des Meeres nichts gesagt.2762 Wenn es jetzt heißt, es ist nicht mehr, müssen wir annehmen, dass es ähnlich verschwunden ist wie der erste Himmel und die erste Erde. Das ergibt sich eigentlich ganz selbstverständlich aus seiner Zugehörigkeit zur alten Schöpfung (Gen 1,9ff).2763 Aber nun wird es doch besonders erwähnt. Warum? Die Ausleger haben eine Reihe von Gründen zusammengetragen: 1) Es sei die „Wohnstätte widergöttlicher und menschenfeindlicher Mächte“2764; 2) aus ihm sei der Antichrist emporgestiegen (13,1), es sei deshalb für die neue 2757 U.B. Müller S. 349; Mounce S. 368; Schlatter BFchTh S. 101; Giesen S. 451; Hadorn S. 204; Roloff a.a.O.; Lohmeyer 3 S. 165. 2758 Weber II S. 753f. 2759 Adv. haer. V, 33–36. Vgl. Swete S. 274f. Ebenso Luther WA. Tr 1,1150. 2760 Vgl. Hadorn S. 204. 2761 Hadorn a.a.O. 2762 Giesen S. 452. 2763 Vgl. H. Ringgren, Art. י ָם, ThWAT, III, 1982, Sp. 650. 2764 Giesen a.a.O.; Lohmeyer a.a.O.
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Schöpfung disqualifiziert2765; 3) es sei das personifizierte Prinzip des Chaos in der Schöpfung („principle of disorder in the creation“)2766; 4) es habe in Jes 65,17; 66,22 keine Verheißung2767; 5) es passe bei Johannes nicht in die neue Schöpfung2768; 6) es verschwinde auch nach frühjüdischen Quellen wie Ass Mos 10,6; Test Levi 4,1; Or Sib 5,158f.4472769; 7) dahinter stünde „der alte Mythos von dem gottfeindlichen Meerungeheuer“2770. – Mit Ausnahme der letzten Bemerkung, die wir nicht nachvollziehen können, steckt wohl in all diesen Beobachtungen ein Korn Wahrheit.2771 Da aber Johannes keine Begründung gibt, bleibt dies nur Vermutung.2772 Eines allerdings lässt der letzte Satz von Offb 21,1 erkennen: Die neue Schöpfung ist keine Kopie der alten. Sie hat durchaus ihre eigene Schönheit und eigene Gestalt, mögen auch noch so viele Eigenarten der alten Schöpfung eine Art Modell gebildet haben. Im Übrigen hat 2Petr 3,13 eine auffallende Nähe zu Offb 21,1. Die Begriffe „Wiedergeburt“ in Mt 19,28 und „Wiederbringung“ (ἀποκατάστασις [apokatastasis]) in Apg 3,21 entsprechen Offb 21,1.2773 Die alte Frage: Realistische oder allegorische (geistliche) Deutung?, bricht an Offb 21,1 von Neuem auf. Kiddle z.B. legt Wert auf die Feststellung, es handle sich hier um eine „geistliche Wiedergeburt (spiritual rebirth)“2774. Hadorn will beides zusammenhalten: Die neue Welt sei „nicht bloß kreatürlich … sondern … sittlich“2775. Die Schöpfungsterminologie in Offb 21,1 verbietet es allerdings, auf das rein Allegorische („Sittliche“, „Geistliche“) auszuweichen. Es geht um eine reale, neue, schöne Welt. Und zwar sowohl nach außen als auch nach innen. Sie ist leibhaft und wesenhaft, „geografisch“ und „spirituell“ zugleich: ganz neu, ganz anders, ganz real, ganz geistlich. Mit unseren armseligen, diesseitigen Vorstellungen werden wir scheitern. In der Begegnung mit 2765 2766 2767 2768 2769 2770 2771
2772 2773 2774 2775
Giesen a.a.O.; U.B. Müller S. 349; Mounce S. 369; Hadorn S. 204. Kiddle S. 411; Aune S. 1119; Morris S. 243. Schlatter BFchTh S. 101; Hadorn S. 204. Mounce S. 369f; Swete S. 274f; Charles II S. 205. Mounce a.a.O.; Charles II S. 204. Bousset 1896 S. 508; Charles II S. 205; Caird S. 262. Etwas seltsam Swete S. 274f: Johannes habe eine Abneigung gegen das Meer, weil es ihn in Patmos einschloss! Als ob es ihn in Patmos nicht auch beschützt hätte! Ähnlich Satake KEK S. 398f. Bei Augustin DCD XX, 16 wird das Meer allegorisch auf „die unruhevolle und stürmische Welt“ gedeutet. Interessant Bengel S. 987: Gott nennt sich oft einen „Gott des Himmels und der Erde“, „aber nicht des Meeres“. Swete a.a.O. Kiddle S. 410. Hadorn a.a.O. Ähnlich Caird S. 262f.
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alten kirchengeschichtlichen Deutungen ist zu sagen: Offb 21,1 beschreibt „nicht die Kirche … sondern die ewige Herrlichkeit“ selbst.2776 Auch ist die „Zeitlinie“ offensichtlich: „Die tausend Jahre sind vor dem Ende aller Dinge: Aber der neue Himmel und die neue Erde … gehören in das Neue All.“2777 Wir fügen noch Roloffs richtige Bemerkung zu Offb 21,1 an: „Der Schöpfungsakt selbst bleibt dem Auge des Sehers verborgen.“2778 In V. 2 wird die neue Schöpfung besiedelt, in Parallele zur Besiedelung der alten Schöpfung in Eden (Gen 2,8ff). Die Bewohner der neuen Schöpfung sind nach Offb 21,2 die Erlösten. Ihre Gemeinschaft wird unter dem Bild des neuen Jerusalem dargestellt: Und ich sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott aus dem Himmel (ἐκ τοῦ οὐρανοῦ ἀπὸ τοῦ θεοῦ [ek tu uranu apo tu theu]) herabkommen. Der Titel heilige Stadt (ἁγία πόλις [hagia polis]) wird schon dem irdischen Jerusalem beigelegt (Jes 48,2; 52,1; Dan 9,24; Neh 11,1.18; Mt 4,5; 27,53). Das frühe Judentum hat diese Bezeichnung fortgesetzt.2779 Wie ist dann erst recht das neue, himmlische Jerusalem heilig! Heilig (ἅγιος [hagios]) heißt: Gott ganz hingegeben, ganz für Gott da.2780 Man kann aber die heilige Stadt der Zukunft nicht trennen von den „Heiligen“ des NT, das heißt den durch Jesu Blut Geheiligten (vgl. 1Kor 1,30), also den wahren Christen. Die heilige Stadt ist die Stadt der „Heiligen“! Ihre zweite Benennung lautet: das neue Jerusalem (Ἰερουσαλὴμ καινή [Ierusalem kaine]). Mit dieser Bezeichnung treten wir wieder in mehrere Dimensionen des Verständnisses ein. Da ist zunächst die Erwartung eines neuen Jerusalem am Ende der Zeiten bei den jüdischen Lehrern zwischen den beiden Testamenten und in neutestamentlicher Zeit (z.B. Tob 13,10ff; ä Hen 57; 90,28ff; 4Esr 7,26; 13,13ff; syr Bar 68,5; Jub 1,28; 4,26; Or Sib III, 787; V, 251f; Ps Sal 17,20f).2781 Allerdings entsteht dieses Jerusalem hier auf der alten Erde und grundsätzlich nach den Bedingungen der alten Welt. Aber wie nah die Erwartungen beieinanderliegen, sieht man an Tobit2782 13,17f: „Jerusalem wird wieder aufgebaut aus Saphir und Smaragd; seine Mauern macht man aus Edelstein, seine Türme und Wälle aus reinem Gold; Jerusalems Plätze werden ausgelegt mit Beryll und Rubinen und mit Steinen aus Ofir. Halleluja ruft man in all seinen Gassen …“2783 Vgl. dazu Offb 21,11ff. Auch die alten jüdischen 2776 2777 2778 2779 2780 2781 2782 2783
Bengel S. 984. Bengel a.a.O. Roloff a.a.O. Die Stellen bei E. Lohse im Art. Σιών usw., ThWNT, VII, 1964, S. 319. Vgl. O. Procksch im Art. ἅγιος usw., ThWNT, I, 1933, S. 90ff. Vgl. Lohse a.a.O. S. 324f. Das Tobit-(Tobias-)Buch ist eventuell um 200 v.Chr. geschrieben worden. Übersetzung nach der Neuen Jerusalemer Bibel S. 608.
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Lehrer nahmen ihren Ausgangspunkt bei den alttestamentlichen Verheißungen. Wir zitieren aus den vielen alttestamentlichen Stellen, u.a. Jes 4,2f; 49,16ff; 60,5ff; 62,6ff; 66,5ff; Jer 31,38ff; Ez 48,30ff; Joel 4,18ff; Mi 7,11; Hag 2,6ff; Sach 1,16; 2,6ff; 14,10ff2784, nur Jes 54,11ff: „Siehe, ich will deine Mauern auf Edelsteine stellen und will deinen Grund mit Saphiren legen und deine Zinnen aus Kristallen machen und deine Tore von Rubinen … Und alle deine Söhne sind Jünger des HERRN.“ Vgl. wieder Offb 21,11ff. Es ist ganz deutlich, dass Offb 21,2ff die Erfüllung dieser alttestamentlichen Prophetie sein will. Vor allem Roloff hat darauf hingewiesen, dass in der Offenbarung das irdische Jerusalem niemals ausdrücklich genannt wird.2785 Der Name Jerusalem taucht nur hier und in Offb 3,12 auf.2786 Hier drückt sich sehr wahrscheinlich ein gewisser Abstand zum irdischen Jerusalem mit seinem Tempel und seinen Opfern aus (vgl. Offb 11,1ff). Johannes richtet unsern Blick ganz auf das endzeitliche und himmlische Jerusalem. Eine Berührung mit Hebr 11,16; 12,22; Gal 4,26 ist gegeben.2787 Dennoch sollte man vorsichtig sein mit der Aussage, in Offb 21,2 sei das neue Jerusalem präexistent.2788 Denn in Offb 21,2 befinden wir uns mitten im Vorgang der neuen Schöpfung, und deshalb liegt der Gedanke näher, dass das neue Jerusalem jedenfalls in seiner endgültigen Gestalt jetzt zusammen mit dem neuen Himmel und der neuen Erde geschaffen wird.2789 Die Worte von Gott aus dem Himmel herabkommen (καταβαίνουσαν ἐκ τοῦ οὐρανοῦ ἀπὸ τοῦ θεοῦ [katabainusan ek tu uranu apo tu theu]) besagen, dass es aus dem „Bereich Gottes“ herabkommt. Ein kreatürlicher Himmel wird hier nicht vorausgesetzt.2790 Entscheidend bleibt, dass wir es beim Bild von der Stadt mit der vollendeten Gemeinschaft der Erlösten zu tun haben.2791 Nur so wird auch der Wandel des Bildes im Verlaufe des 21. Kap. verständlich. Sowohl was die Bildebene
Vgl. G. Fohrer im Artikel Σιών usw., ThWNT, VII, 1964, S. 311ff. Roloff a.a.O. Roloff a.a.O. Vgl. Hemer S. 167. Vgl. Roloff S. 199; U.B. Müller S. 350. Gegen Roloff S. 198; Giesen S. 453. Vgl. die Überlegungen bei Charles II S. 205. Wie wir Schlatter S. 328. Roloff a.a.O. Bousset 1896 S. 508: ἐκ [ek] bezeichnet den „Ursprung“, ἀπό [apo] den „Urheber“. 2791 Hadorn S. 205; Giesen a.a.O.; Roloff a.a.O.; H. Strathmann, Art. πόλις usw., ThWNT, VI, 1959, S. 532. Swete sagt S. 276: „a new Metropolis“; Behm S. 108. Zurückhaltend Aune S. 1122.
2784 2785 2786 2787 2788 2789 2790
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als auch was die Sachebene betrifft, kann man sagen, dass dieses neue Jerusalem das vollkommene Gegenteil von Babel (Kap. 18) darstellt.2792 Die letzten Worte von V. 2 bringen nun den schon angedeuteten Bildwandel: bereitet wie eine geschmückte Braut für ihren Mann. Die Gemeinde der Erlösten ist also gleichzeitig Stadt und Braut. Zur Bezeichnung Braut (νύμφη [nymphe]) vgl. die Erklärung bei Offb 19,7. Die Worte geschmückte Braut führen uns auf Jes 61,10 zurück. Der Mann (ἀνήρ [aner]) ist Christus. So sagen es auch Paulus in 2Kor 11,2; Eph 5,32 und der Täufer in Joh 3,28f.2793 Dass die Braut gleichzeitig Frau ist (V. 9) und der Bräutigam ihr Mann, gilt vom Abschluss des Ehevertrages an.2794 Unser „Ehevertrag“ ist der Neue Bund von Golgatha, in den wir durch Glauben und Taufe nach Mk 16,16 eintreten und an den uns jedes Abendmahl erinnert (1Kor 10,16f; 11,26).2795 Geschmückt (κεκοσμημένη [kekosmemene]) ist die erlöste Gemeinde mit Gerechtigkeit und Reinheit (Offb 19,8; Jes 61,10). Vgl. noch Ez 16,10ff. In der äußerst knappen2796 Schilderung von Offb 21,2 findet sich also eine bemerkenswerte Dichte von Aussagen. In V. 3 hört Johannes eine laute Stimme, also voller Autorität, vom Thron. Auch in Offb 16,17 und 19,5 ging eine Stimme vom Thron Gottes aus. Dort haben wir sie als eine göttliche Stimme gedeutet. So auch hier: Es handelt sich vermutlich um die Stimme Christi oder Gottes des Vaters. Andere Annahmen2797 oder gar die Vermutung, es könne Adams Stimme gewesen sein2798, leuchten nicht ein. Dass Gott dann von sich selbst in der dritten Person spricht, ist angesichts des Sprachgebrauches Jesu, der oft in der dritten Person von sich sprach (z.B. Mt 19,28; Mk 2,10; Lk 19,10), überhaupt nicht erstaunlich. Die Stimme sprach: Siehe da, die Wohnung Gottes bei den Menschen (ἡ σκηνὴ τοῦ θεοῦ μετὰ τῶν ἀνθρώπων [he skene tu theu meta ton anthropon]). Das ist ein ganz zentraler Vorgang der Heilsgeschichte. Aber schauen wir zuerst den Text genauer an: Der Ausruf Siehe da (ἰδού [idu]) muss auf irgendetwas deuten, das der Seher mit seinem geistigen Auge wahrnehmen kann. Mehr noch: Nach dem Zusammenhang handelt es sich nicht nur um ein pneumatisches Erlebnis, sondern um eine Realität in der 2792 2793 2794 2795 2796 2797
Roloff S. 199; Giesen S. 454; Behm S. 108; Lilje S. 232ff; Satake KEK S. 399f. Vgl. Jörg Frey bei Hengel S. 284, 391. Vgl. J. Jeremias, Art. νύμφη usw., ThWNT, IV, 1942, S. 1092f. Anders Zahn S. 594, der den Beginn der „Ehe“ auf die Wiederkunft datiert. Lohmeyer 3 S. 165; Lilje S. 233. Lohmeyer 3 S. 166: „nicht die Gottes oder Christi“; Barclay II S. 224: Engel; Aune S. 1122; Swete S. 277: Engel. 2798 J.M. Hahn S. 652.
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neuen Schöpfung, also um etwas, das sich nach Bengels Worten „in der That äussert“2799. σκηνή [skene] wird verschieden übersetzt: mit „Zelt“2800, „Behausung“2801, „Wohnung“2802 oder „Hütte“2803. Da σκηνή [skene] „auf den dauernden Aufenthalt abzielt“2804, empfiehlt sich die Übersetzung „Zelt“ oder „Hütte“ nicht, so sehr sie an die Tradition der Stiftshütte anknüpfen könnte. Denn „Zelt“, „Hütte“ oder Ähnliches erinnern in unserer heutigen Sprache an Vorläufiges, an etwas, das rasch wieder abgebrochen wird. Deshalb wählten wir die Übersetzung Wohnung. Statt bei den Menschen könnte man auch übersetzen „inmitten der Menschen“2805. Erstaunlicherweise ist der Text ohne bemerkenswerte Varianten, also einhellig, überliefert! Aber nun zum Inhalt. Wenn Gott als der Dreieinige seine bleibende Wohnung bei den (oder inmitten der) Menschen aufschlägt, ist das die radikale Umkehr aller heutigen Verhältnisse. Denn das tief eingedrückte Charakteristikum unserer Zeit liegt in der Trennung von Gott und Menschen, von Jenseits und Diesseits, von unsichtbarer und sichtbarer Welt. Die Rede vom „verborgenen Gott“ (Deus absconditus) ist selbst für Theologen ein niemals endendes Thema. Seit dem Sündenfall (Gen 3) ist der Vorhang gefallen, den der Mensch mit keinen Mitteln mehr beseitigen kann. Und selbst das Gottesvolk klagt: „Ach dass du den Himmel zerrissest und führest herab“ (Jes 63,19). Auch in der Zeit des Neuen Bundes bleibt Gott der eine, „der allein Unsterblichkeit hat, der da wohnt in einem Licht, zu dem niemand kommen kann, den kein Mensch gesehen hat noch sehen kann“ (1Tim 6,16). Jetzt, in der neuen Schöpfung, wird das völlig anders. Gott und die erlösten Menschen wohnen zusammen, noch enger und inniger als einst im Paradies (Gen 2–3). Gott wird also sichtbar. Es wird alles klar und aufgedeckt sein. Wenn Gott seine Wohnung bei den Menschen nimmt, gehen zugleich zahlreiche Verheißungen des AT in Erfüllung.2806 Vor allem Hesekiel weist in seiner Botschaft darauf hin, dass am Ende Gott mit seinem Volk zusammenwohnt (vgl. Ez 34,30f; 37,27; 47,7; 48,35). Typischerweise lautet der Name der endzeitlichen Stadt bei Hesekiel „Hier ist der Herr“ (48,35). 2799 Bengel S. 988. 2800 Revidierte Elberfelder Bibel; Benedikt-Bibel; Lohmeyer 3 S. 164, 166; Pohl II S. 300.307; Schick S. 223. 2801 BigS. 2802 Neue Jerusalemer Bibel; Einheitsübersetzung; NGÜ. 2803 Lutherübersetzung; Hadorn S. 203. 2804 W. Michaelis, Art. σκηνή usw., ThWNT, VII, 1964, S. 379. 2805 Bauer-Aland Sp. 1029. Neue Jerusalemer Bibel, Einheitsübersetzung und BenediktBibel: „unter den Menschen“. 2806 Lohmeyer a.a.O.
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Weiter: Offb 21,3 knüpft unübersehbar an das Johannesevangelium an. Dort heißt es in 1,14 vom ewigen Gottessohn: „Er wohnte unter uns“, wobei dasselbe griechische Verb für wohnen benutzt wird wie in Offb 21,3 (er wird bei ihnen wohnen, σκηνώσει [skenosei], in Joh 1,14 ἐσκήνωσεν [eskenosen]).2807 Aus dem Wohnen des Gottessohnes in seinem irdischen, vergehenden Leib wird in Offb 21,3 das Wohnen des dreieinigen Gottes in der unvergänglichen neuen Schöpfung. Von da aus kann man zurückfragen, ob bei der Auslegung des ἐσκήνωσεν [eskenosen] im Johannesevangelium die eschatologische Dimension immer genügend bedacht wird.2808 Schließlich ist zu beachten, dass Gottes Wohnen nach Offb 21,3 ganz allgemein bei den Menschen (μετὰ τῶν ἀνθρώπων [meta ton anthropon]) angekündigt wird, während die alttestamentlichen Stellen wie Lev 26,11f; Ez 34,30f; 37,27; 43,7; Joel 4,21; Sach 2,14f vorwiegend an Israel denken lassen. Allerdings überschreiten Stellen wie Jes 11,10; Sach 2,14f; Ez 48,35 schon den Rahmen Israels. In Offb 21,3 geht es jedenfalls um „universale Ausmaße“.2809 Der zweite Satz von V. 3 verdeutlicht, was in der ersten Hälfte des Verses gemeint ist: Und er (= Gott) wird bei ihnen wohnen, und sie werden seine Völker sein, und er selbst, Gott, wird bei ihnen als ihr Gott sein. Für wohnen, griech. σκηνοῦν [skenun], liegt wieder „die Bedeutung dauernd wohnen vor“2810, sodass sich die Übersetzung mit „zelten“ o.ä. nicht empfiehlt.2811 Wohl aber tritt jetzt ein anderer Aspekt in den Vordergrund, nämlich das Wohnen als Existenz an einem bestimmten Ort. Sowohl das im Hintergrund stehende hebr. Wort שַׁכן ָ [schachan] als auch σκηνοῦν [skenun] lassen sich nur schwer von einer solchen Ortsangabe trennen. Gemeint ist also in Offb 21,3 offensichtlich, dass Gott dort wohnt, wo die erlösten Menschen sind, also im neuen Jerusalem. Bengel sagt geradezu, es werde „sein Thron in der Stadt“ sein.2812 Doch hier drängt sich oft stark die allegorische Deutung ein. Wenn Vitringa das neue Jerusalem als „mystica“ verstehen und auf die Kirche der Endzeit deuten will2813, dann droht die Realität der neuen Schöpfung verloren zu gehen. Ähnlich bei Augustin, wenn er ebenfalls auf die Kirche deutet und dazu bemerkt, sie sei „vom Anfang ihres Bestehens an“ vom Himmel herab2807 2808 2809 2810 2811 2812 2813
Vgl. Jörg Frey bei Hengel S. 392; Harrington S. 251. Vgl. Michaelis a.a.O. S. 388, wo diese Dimension doch sehr zurücktritt. Giesen S. 452; U.B. Müller S. 350. Michaelis a.a.O. S. 387. Gegen Pohl II S. 300ff; Zahn S. 591 („in der Hütte wohnen“). Bengel S. 989. Vitringa S. 887.
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gefahren (vgl. Offb 21,2).2814 Dagegen blieb die eschatologische Hoffnung bei Irenäus von einem kräftigen Realismus geprägt. Er schrieb, im Zelt Gottes nach Offb 21,3 werde „Gott mit den Menschen wohnen“, und das alles sei „sicher wahr und wirklich“2815. In allen diesen Deutungen steckt ja Wahres. Wir werden aber die allzu menschlichen Vorstellungen ablegen müssen und ein geistliches Verständnis für das völlig Andere der neuen Schöpfung suchen müssen. Wir sollten jedoch nicht alles ins „Mystische“ abgleiten lassen. Fazit: Gott nimmt wirklich seinen Ort bei den Erlösten. Jerusalem (vgl. V. 2) als Bezeichnung der erlösten Gemeinde Jesu muss also ergänzt werden durch eine zweite Dimension, nämlich als Bezeichnung der Wohnstätte der Erlösten in der neuen Schöpfung.2816 Beide Dimensionen kommen im Folgenden zum Tragen. Und sie werden seine Völker sein (καὶ αὐτοὶ λαοὶ αὐτοῦ ἔσονται [kai autoi laoi autu esontai]): Hier ist man in der Forschung nicht sicher, ob der Plural Völker oder der Singular „Volk“2817 vorzuziehen ist. Die handschriftliche Bezeugung für „Völker“ ist jedoch besser, außerdem ist dies die lectio difficilior, sodass wir dem Plural Völker den Vorzug geben.2818 Dann aber kommt etwas sehr Charakteristisches zum Ausdruck: Während im AT nur vom „Volk“ im Singular die Rede ist2819, weist der Plural Völker auf die vielen Völker der Erde hin, aus denen die Gemeinde Jesu kommt (vgl. Jes 42,4; 45,22; Mal 1,11; Mt 8,11; 28,19; Joh 10,16; Apg 1,8; Röm 1,16; Eph 2,11ff; Offb 7,9ff). Vielleicht darf man sogar annehmen, dass die sündlosen Eigenarten der verschiedenen Völker in der neuen Schöpfung vorhanden sein werden. Und er selbst, Gott, wird bei ihnen als ihr Gott sein (καὶ αὐτὸς ὁ θεὸς μετʼ αὐτῶν ἔσται αὐτῶν θεός [kai autos ho theos met auton estai auton theos]): Hier ist wieder unsicher, ob die beiden letzten griechischen Worte, αὐτῶν θεός [auton theos], ursprünglich sind.2820 Jedoch kann man mit Giesen sagen: „Am Sinn der Aussage ändert sich dadurch allerdings nichts.“2821 Der 2814 Augustin DCD XX, 17. 2815 Adv. haer. V, 35,2. 2816 Hartenstein S. 247; J.M. Hahn S. 653; P. Müller S. 63; Römer S. 224f; Barclay II S. 224; Giesen S. 454; Hadorn S. 203; auch von U.B. Müller S. 350 betont; Bengel S. 988ff; Zahn S. 596. 2817 So z.B. Hadorn S. 203; Lutherübersetzung; Charles II S. 207. 2818 Mit Nestle-Aland; Giesen S. 455; Roloff S. 199; Aune S. 1123; Satake KEK S. 400f; Harrington S. 251; Lilje S. 235. 2819 Giesen a.a.O. 2820 Ablehnend z.B. Lohmeyer a.a.O.; U.B. Müller S. 351; letzten Endes auch Giesen a.a.O.; Charles II S. 207. 2821 Giesen a.a.O.
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Sinn dieser Worte ist: Die Erlösten haben mit Gott selbst Gemeinschaft – und nicht nur mit dem „Engel des HERRN“, der „Schechina“ (Gegenwart Gottes, z.B. in der Stiftshütte) oder einem ähnlichen Repräsentanten.2822 Nein, jetzt erfüllt sich 1Joh 3,2: „Wir werden ihn sehen, wie er ist.“ Und ebenso erfüllt sich erneut Jes 7,14 („Immanuel“).2823 Unser Umgang mit Gott selbst wird so sein wie im Paradies, wo Gott abends „im Garten ging“ (Gen 3,8), ja sogar noch viel vertrauter. Dem Zusammenhang nach spielt sich dies auf der neuen Erde ab (vgl. V. 2: „herabkommen“).2824 Man darf aber diese neue Erde nicht als Kontrast zum neuen Himmel auffassen, weil sie beide zusammen in der neuen Schöpfung eine Einheit bilden. Es ist gerade charakteristisch für die neue Schöpfung, dass die Trennung von Erde und Himmel, die den alten Äon kennzeichnet, aufgehoben wird. So stellt uns Offb 21,3 vor eine unfassbare neue Herrlichkeit. Der 4. Vers nennt einige wesentliche Konsequenzen aus dem Wohnen Gottes bei den Menschen. Die erste lautet: Und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen. Im Unterschied zu Offb 7,17 fehlt hier ὁ θεός [ho theos], sodass es ganz wörtlich nur heißt: „Und er wird abwischen …“ Im Übrigen aber wiederholt Offb 21,4 den betreffenden Satz aus Offb 7,17 aufs Genauste. Doch müssen wir noch weiter gehen: Der Anfang von Offb 21,4 zitiert sinngemäß Jes 25,8 und Jer 31,16 MT. Was lange angekündigt war, erfüllt sich jetzt. Genaues Hinhören auf die alttestamentlichen Stellen zeigt: Im Abwischen der Tränen drückt sich die sorgenlose Freude, aber auch die Beseitigung aller Schmach aus, die das Gottesvolk bisher erlitten hat. Fast unvorstellbar ist die zweite Konsequenz: der Tod wird nicht mehr sein. Auch darin erfüllt sich die Prophetie des AT (Jes 25,8; Hos 13,14; vgl. 1Kor 15,54ff). Der Tod, der erst durch den Sündenfall in die Schöpfung eindrang (vgl. Gen 2,17; 3,19; Röm 5,12; 6,23), wird in der neuen Schöpfung keinen Platz mehr finden. Er ist ja seit Offb 20,14 am Gerichtsort des „Feuersees“. Es gibt also kein Sterben mehr, kein Altwerden, keine Krankheit, kein Ende des Lebens. Neben dem Gott des Lebens haben gottfeindliche Mächte keinen Raum mehr. So ergibt sich als dritte Konsequenz: noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein. Leid (πένθος [penthos]) oder „Trauer“ wird also in der neuen Schöpfung weder die Menschen noch die Schöpfung selbst ergreifen.2825 Erneut konstatieren wir eine Erfüllung der alttestamentlichen 2822 Wir bleiben deshalb distanziert gegenüber allen Versuchen, Offb 21,3 mit dem „Motiv der Schekina“ zu verbinden. So z.B. Giesen S. 455; Barclay II S. 225. 2823 Lilje S. 234. 2824 Hadorn a.a.O. 2825 Vgl. R. Bultmann, Art. πένθος usw., ThWNT, VI, 1959, S. 40ff.
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Prophetie (vgl. Jes 35,10; 51,11; 60,20; 61,3; 65,16ff; 66,10; Jer 31,13).2826 Aber auch Jesu Verheißung aus der Bergpredigt (Mt 5,4) geht in Erfüllung. Ähnliches gilt für κραυγή [krauge] (Geschrei). Die Lexika geben dafür mehrere Übersetzungsmöglichkeiten an: „Geschrei von Aufgeregten“, „Angstgeschrei“, „Jammerrufe“, „Hilferufen zu Gott“.2827 All das wird es in der neuen Schöpfung nicht mehr geben: Aufgeregtheit, Angst, Jammer und Not (vgl. Jes 65,19). Mit Leid und Geschrei verschwindet auch jeder Schmerz aus der neuen Schöpfung. Das griechische Wort πόνος [ponos] bedeutet „Arbeit“, „Mühe“, „Mühsal“, „Schmerz“.2828 Verschwinden werden „Dornen und Disteln“ und der „Schweiß des Angesichts“, die seit Gen 3,18-19; 5,29 die menschliche „Arbeit“ kennzeichnen. Es wird weder „Mühe“ noch „Müdigkeit“ mehr geben (vgl. Jes 40,28-31) und erst recht keinen Schmerz. Es fehlt ja alles, was Schmerzen verursachen könnte. Offb 21,4 ist von solch grandioser Einfachheit, dass Augustin hier anmerkte, es sei „mit zwingender Klarheit“ geschrieben.2829 V. 4 endet mit den Worten: denn das Erste ist vergangen (ὅτι τὰ πρῶτα ἀπῆλθαν [hoti ta prota apelthan]). Das griechische ἀπῆλθαν [apelthan] nimmt das ἀπῆλθαν [apelthan] von V. 1 wieder auf. Das Erste meint also den ersten Himmel und die erste Erde (V. 1), auf der wir heute leben, samt allen Bedingungen der alten Schöpfung.2830 Das Erste ist vergangen: Diese Worte drücken etwas Endgültiges aus. Die alte Schöpfung kann nie wieder zurückkehren, und sie wiederholt sich auch nicht. Sinngemäß wurde dies schon in Jes 65,17 prophezeit: „daß man der vorigen (= Schöpfung) nicht mehr gedenken wird“. Wenn Roloff meint: „Man kann die Neuschöpfung nicht positiv beschreiben“2831, dann bedarf diese Aussage einer doppelten Korrektur: Erstens stellt Offb 21,4 die positive Beschreibung abwischen alle Tränen betont an die Spitze; zweitens sind die Bemerkungen über die Abwesenheit von Tod, Leid, Geschrei und Schmerz nicht nur negativ, sondern auch positive Befreiungsaussagen für die Erlösten.2832 Bengel zog aus der Formulierung nicht mehr
2826 2827 2828 2829 2830
Bultmann a.a.O. S. 42. Bauer-Aland Sp. 912f; W. Grundmann, Art. κράζω usw., ThWNT, III, 1938, S. 903. Bauer-Aland Sp. 1386. Augustinus DCD XX, 17. Vgl. W. Michaelis, Art. πρῶτος usw., ThWNT, VI, 1959, S. 867: πρῶτος [protos] so viel wie „voriger“, „früherer“. 2831 Roloff S. 199: „nur negativ umschrieben“. 2832 Spürbar in Max Beckmanns Zeichnung zu Offb 21,4.
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mit Recht die Folgerung, dass es bis dahin Tod, Tränen, Leid usw. gegeben haben muss2833 – also auch noch im Tausendjährigen Reich.2834 V. 5 enthält die göttliche Deutung der Vorgänge: Und der auf dem Thron sitzt, sprach: Siehe, ich mache alles neu! Der auf dem Thron sitzt (ὁ καθήμενος ἐπὶ τῷ θρόνῳ [ho kathemenos epi to throno]2835) bezeichnet den dreieinigen Gott. Diese Umschreibung Gottes erinnert uns an die Sitte der Rabbinen, möglichst nicht die direkte Gottesbezeichnung zu gebrauchen. Manche Kommentare legen Wert darauf, dass hier „das erste ausdrückliche Wort Gottes“ in der Offenbarung vorliege.2836 Andere sind vorsichtiger.2837 Wir haben jedoch schon in Offb 16,1.17; 19,5; 21,3 eine göttliche Stimme annehmen müssen. Charles verweist überdies auf Offb 1,8.2838 Fazit: Es ist hier nicht das erste Mal in der Offb, dass Gott selber spricht. Wohl aber ist es das erste Mal im Zusammenhang der Neuschöpfung.2839 Siehe leitet eine wichtige Aussage ein. Sie besteht im Urtext aus drei Worten: καινὰ ποιῶ πάντα [kaina poio panta] = ich mache alles neu. Das Wort alles (πάντα [panta]) hebt diese Aussage weit über Jes 43,19 (ἰδοὺ ποιῶ καινά [idu poio kaina] LXX) und 2Kor 5,17 (ἰδοὺ γέγονεν καινά [idu gegonen kaina]) hinaus.2840 Drei Ebenen kommen hier zusammen: 1) Das göttliche Ich, also Gott selbst, und zwar Gott allein, bringt die neue Schöpfung hervor. Weder Engel noch Menschen wirken hier mit. Das entspricht der ersten Schöpfung in Gen 1–2 sowie der apostolischen Deutung in Röm 4,17; Hebr 11,3. Das Wort machen, griech. ποιεῖν [poiein], hebr. שׂה ָ [ ָעasah], ist typisch für die Schöpfungssprache (vgl. Gen 1,7.16.25.26.31; 2,3). Jede Anmaßung der Kirche oder der Menschheit, dass sie hier Mitschöpfer sei, ist zurückzuweisen. 2) Alles (πάντα [panta]) umgreift Himmel und Erde, die Auferstehung der Toten und das ewige Leben, auch sämtliche Lebensbedingungen der neuen Schöpfung. Es geht nicht um die Renovierung des Alten, sondern um die Hoffnungsperspektive des ganz Neuen.2841 3) Neu ist ein Qualitätsbegriff, nicht nur ein Zeitbegriff.2842 Neu im Sinne der Offenbarung heißt gleichzeitig 2833 2834 2835 2836 2837 2838 2839 2840 2841 2842
Bengel S. 991. Ebenso Augustinus a.a.O. Zu ἐπί [epi] mit Dativ vgl. Blass-Debrunner § 233,2. Hadorn S. 205; Barclay II S. 226; Caird S. 265; Schlatter S. 329; Römer S. 224. Swete S. 279 („probably“); Harrington S. 252 („for the first time unmistakably“); Holtz NTD S. 134; Roloff S. 200. Charles II S. 202. Ebenso Mounce S. 373; Satake KEK S. 402. Ebenso Charles a.a.O.; Morris S. 245. J.M. Hahn S. 655f betont den dreieinigen Gott. Swete S. 279; Bengel S. 993; Satake KEK S. 402; Roloff a.a.O. Deshalb genügt auch Hadorns Gedanke von der Wiederherstellung des Paradieses nicht (S. 203f). Vgl. Giesen S. 456. Vgl. J. Behm, Art. καινός usw., ThWNT, III, 1938, S. 451f.
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„gut“ und „schön“. Dass etwas „neu“, „gut“ und „schön“ ist, bedeutet im NT aber auch, dass es Gott entspricht, vom Geist Gottes durchdrungen ist.2843 Das Nähere werden wir gleich noch sehen. In der zweiten Hälfte von Offb 21,5 begegnen wir einem Schreibbefehl: und er spricht: Schreibe, denn diese Worte sind glaubwürdig und wahrhaftig! Wer spricht2844 hier? Ein Engel?2845 Dann würde ohne Nennung eines neuen Subjektes und ohne wirklichen Grund der Redeteil der V. 5-8 unterbrochen und die Fortsetzung der Gottesrede erst wieder in V. 6 erfolgen. Diese Annahme ist wenig einleuchtend. Mit Vitringa, Harrington u.a.2846 beziehen wir deshalb die Worte καὶ λέγει [kai legei] (und er spricht) ebenfalls auf Gott. Dass in 19,9 ein Engel den Schreibbefehl erteilte, ist kein Einwand. Denn in Offb 1,11 und 1,19 ist es Christus, der Gottessohn, der ihn erteilt. Die Anweisung Schreibe (γράψον [grapson]) bedeutet, dass die ganze Prophetie der Kapitel 21 und 22 für die folgenden Generationen gesichert und aufbewahrt werden muss. Diese Formulierung ist zugleich Ausdruck der Inspiration, der die Offenbarung ihre Entstehung verdankt. Hadorn bemerkte mit Recht: „Wir haben hier das neutestamentliche Inspirationsbewußtsein.“2847 Der Schreibbefehl wird auch inhaltlich begründet: denn diese Worte sind glaubwürdig und wahrhaftig. οὗτοι οἱ λόγοι πιστοὶ καὶ ἀληθινοί [hutoi hoi logoi pistoi kai alethinoi] wiederholt sich wörtlich in Offb 22,6. Wir tun deshalb gut daran, diese Worte auf die gesamte prophetische Schau der Kap. 21 und 22 zu beziehen. Glaubwürdig (πιστός [pistos]) heißt, dass sich sowohl die Kirche als auch der einzelne Christ vollkommen auf diese Aussagen verlassen kann.2848 Wahrhaftig (ἀληθινός [alethinos]) bedeutet, dass sie wahr sind und nicht auf Täuschung oder Illusion beruhen.2849 Aber hat es Gott nötig, sogar seine eigenen Worte auf diese Weise zu bekräftigen bzw. zu bestätigen?2850 Nein, nötig hat er es nicht. Aber der schwache Glaube der Christen wird dadurch
2843 Vgl. Kiddle S. 410. 2844 Das auffallende Präsens dient der Aktualität und Verlebendigung der Szene. Vgl. Blass-Debrunner § 321: ein Präsens historicum „In lebhaft vergegenwärtigender Erzählung“, häufig auch im Johannesevangelium. 2845 So z.B. Charles II S. 203; Swete S. 279 („doubtless“); Römer S. 225; Barclay a.a.O.; Bengel S. 993; Morris S. 245. 2846 Vitringa S. 889; Harrington a.a.O.; Aune S. 1125; Holtz a.a.O.; U.B. Müller S. 352; Schlatter S. 329; Behm S. 108; Satake KEK S. 401; Giesen S. 456; Roloff a.a.O. 2847 Hadorn a.a.O. 2848 Vgl. Bauer-Aland Sp. 1336f. 2849 Vgl. Bauer-Aland Sp. 71f. 2850 Weil Charles II S. 204 dies verneint, hält er den Schreibbefehl für eine Interpolation.
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gestärkt.2851 Ein ähnlicher Fall liegt ja dort vor, wo Gott seine eigenen Aussagen beschwört (vgl. Num 14,21; Ps 95,11; Hebr 4,3). Im Blick auf Offb 21,4-5 wird öfters der Barnabasbrief angesprochen, wo es in VI, 13 bzw. VI, 29 – eingeführt durch λέγει κύριος [legei kyrios] – heißt: „Siehe, ich mache das Letzte wie das Erste (ἰδοὺ ποιήσω τὰ ἔσχατα ὡς τὰ πρῶτα [idu poieso ta eschata hos ta prota]).“2852 Ein solches Herrenwort ist uns allerdings aus dem NT nicht bekannt. Diese Barnabasbrief-Stelle2853 hat jedenfalls einen anderen Inhalt als Offb 21,5 (Siehe, ich mache alles neu). Denn sie kann höchstens die Wiederherstellung des Paradieses zum Ausdruck bringen. Aber Offb 21,5 geht weit über eine solche Wiederherstellung hinaus.2854 Sie besagt nicht weniger als eine völlige, umfassende Neuschöpfung und nicht bloß eine restitutio.2855 Die V. 6-8 setzen die Gottesrede fort.2856 Am Anfang von V. 6 lesen wir: Und er sprach zu mir (καὶ εἶπέν μοι [kai eipen moi]). Man kann nicht übersehen, dass durch das μοι [moi] (zu mir) ein persönlicherer Ton hineinkommt, etwas Wärmeres, Tröstenderes, Seelsorglicheres.2857 Doch was meinen die folgenden Worte: Es ist geschehen (im Griechischen nur ein Wort: γέγοναν [gegonan])? Wie schwer sich schon frühere Ausleger getan haben, zeigt sich an den Varianten der alten Handschriften. Man findet dort: „Ich bin geworden (γέγονα [gegona]) das A und das O“, in relativ vielen Handschriften.2858 Vermutlich handelt es sich um eine Glättung des ursprünglichen Textes, wie er bei Nestle-Aland abgedruckt ist. γέγοναν [gegonan] heißt wörtlich: „Sie sind geschehen.“ Das kann sich entweder auf die „Worte (λόγοι [logoi])“ von V. 5 beziehen2859 oder auf das πάντα [panta] („alles“) von V. 5.2860 Man vgl. die Aussage in Offb 16,17 (γέγονεν [gegonen]). Vom Zusammenhang und auch von Offb 16,17 her möchte man eher vermuten, dass die Ereignisse von V. 1-5 gemeint sind, also die ganze Neuschöpfung.2861 Was für die auf Erden lebenden Christen noch Futur2862 ist (σκηνώσει [skenosei], 2851 2852 2853 2854 2855 2856 2857 2858 2859 2860
Ähnlich Swete a.a.O. Vgl. Charles II S. 203; Swete S. 279. Der Barnabasbrief ist vermutlich ca. 130 n.Chr. entstanden. Gegen Hadorn S. 203f. Ebenso Charles II S. 203; Swete a.a.O.; Holtz a.a.O.; Giesen a.a.O. Aune S. 1125; Satake KEK S. 401; U.B. Müller S. 352. U.B. Müller a.a.O. Römer übernimmt dies (S. 225). So z.B. U.B. Müller a.a.O.; Roloff S. 200. So z.B. Giesen S. 457; Mounce S. 373f; Hartenstein S. 249; Satake KEK S. 402; Morris S. 246. 2861 Bengel S. 994; Holtz NTD S. 134. 2862 Vgl. Lohmeyer 3 S. 165.
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ἔσονται [esontai], ἔσται [estai], ἐξαλείψει [exaleipsei], futurisches ποιῶ [poio] 2863 ), ist im Aspekt der Ewigkeit schon vollzogen.2864 Im Endeffekt liegen aber die beiden Deutungsmöglichkeiten – Bezug auf die „Worte“ oder „alles“ – nicht allzu weit auseinander. Mit einem ἐγώ εἰμι [ego eimi]2865 (Ich bin) ruft Gott in Erinnerung, wer und was er ist. Diese Sprache ist mit der des Johannesevangeliums eng verwandt, wie ja überhaupt Offb 21,1-8 eine große Nähe zum Johannesevangelium aufweist.2866 Zum ἐγώ εἰμι [ego eimi] vgl. aber auch die Selbstvorstellung Gottes in Ex 3,14 sowie Offb 1,8; 22,13. In Offb 21,6 macht Gott zwei parallele Aussagen über sich selbst: 1) Ich bin das A und das O (ἐγώ εἰμι τὸ ἄλφα καὶ τὸ ὦ [ego eimi to alpha kai to o]). A[lpha] und O[mega] sind der erste und der letzte Buchstabe des griechischen Alphabets. Interessanterweise tauchen sie nur in der Offenbarung auf (1,8; 21,6; 22,13), die von vornherein an griechische Leser gerichtet war. A und O bedeutet Anfang und Ende alles dessen, was sich in Sprache ausdrücken lässt, das heißt alles Seienden.2867 2) Ich bin der Anfang und das Ende (ἐγώ εἰμι ἡ ἀρχὴ καὶ τὸ τέλος [ego eimi he arche kai to telos]). Sachlich entspricht dies Jes 48,12 bzw. 44,6 LXX: ἐγώ εἰμι πρῶτος, καὶ ἐγώ εἰμι εἰς τὸν αἰῶνα [ego eimi protos kai ego eimi eis ton aiona] (vgl. wieder Offb 22,13).2868 Anfang (ἀρχή [arche]) enthält verschiedene Dimensionen: Ausgangspunkt, Quelle, Ursprung.2869 Ende (τέλος [telos]) ist das, worin ein Geschehen endet: Abschluss, Schlusspunkt, Ziel, Bestimmung.2870 Es sind also höchst intensive Begriffe, denen wir hier begegnen. Neben der Zeitebene muss auch die Qualitätsebene beachtet werden: A und O, Anfang und Ende drücken die „absolute Hoheit“ Gottes2871 aus. Wenn aber Delling meint, diese Begriffe würden einen Gott charakterisieren, „auf den die Zeitkategorie keine Anwendung findet“, schießt er über das Ziel hinaus. Denn es ist ja gerade dieser dreieinige Gott, welcher der Schöpfung und der Geschichte einen Anfang setzt, sie in ihrem Verlauf lenkt
2863 2864 2865 2866 2867 2868 2869 2870
U.B. Müller a.a.O. Giesen S. 457. Vermutlich doch ursprünglich. Vgl. Jörg Frey bei Hengel S. 395ff, bes. S. 400. Vgl. Bauer-Aland Sp. 1. Mounce S. 374. Mounce a.a.O.; Swete S. 280. Vgl. Bauer-Aland Sp. 1617ff; Mounce a.a.O.; G. Delling, Art. τέλος usw., ThWNT, VIII, 1969, S. 52f; Swete a.a.O. 2871 Delling a.a.O. S. 56.
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und zu seinem göttlichen Ziel bringt, der also die Zeit schafft und benutzt. Sein ist die Zeit ebenso wie die Ewigkeit (vgl. 2Petr 3,8ff). Es ist bemerkenswert, dass die jüdischen Lehrer in der neutestamentlichen Zeit ganz ähnlich von Gott sprachen. So nennt Josephus (ca. 37–100 n.Chr.) Gott „ἀρχὴ καὶ τέλος τῶν ἁπάντων [arche kai telos ton hapanton]“2872. Und ein Kernsatz der Qumrangemeinschaft lautet: „Vom Gott der Erkenntnis kommt alles Sein und Geschehen“ (1QS III, 15). Höchstwahrscheinlich stehen hier Jes 44,6; 48,12 und ähnliche Stellen im Hintergrund. Mitten in V. 6 erfolgt nun ein Umschlag, der die vorausgehende persönliche Anrede (zu mir) erst richtig ins Licht treten lässt: Ich werde dem Durstigen geben aus der Quelle des Wassers des Lebens umsonst. Das ist ganz die Sprache Jesu nach dem Johannesevangelium (vgl. Joh 4,10ff; 6,35; 7,37f). Dort finden sich dürsten, Quelle, Wasser und Leben.2873 Dieser jesuanische Wortschatz wird aber auch durch die Bergpredigt bezeugt (Mt 5,6).2874 Umsonst (δωρεάν [dorean]) ist außerdem für Röm 3,24 ein wichtiger Begriff. Durstig (διψῶν [dipson]) ist in diesem Zusammenhang derjenige, der sich nach Gott sehnt.2875 Vgl. Ps 42,3 (LXX 41,3): ἐδίψησεν ἡ ψυχή μου πρὸς τὸν θεὸν τὸν ζῶντα [edipsesen he psyche mu pros ton theon ton zonta], sowie Jes 55,1; Jer 2,13. Klar bleibt, dass ein solcher Dürstender sich nicht selbst tränken kann. Er hängt ganz von dem ab, was Gott schenkt. Insofern hat der Hinweis auf die Ausschaltung der Werkgerechtigkeit und des Verdienstgedankens seine Berechtigung.2876 Gott gibt aus der Quelle des Wassers des Lebens, das heißt, er gibt das ewige Heil der Gottesgemeinschaft. Wasser des Lebens begegnet uns in AT und NT immer wieder als Bild für das von Gott geschenkte Heil (vgl. Ps 23,2; 42,2; 63,2; Jes 12,3; 44,3; 55,1; Jer 2,13; 17,8.13; Sach 14,8; Joh 4,10; 7,38). Aus der Quelle (ἐκ τῆς πηγῆς [ek tes peges]) des Heils kann Gott geben, weil er selbst diese Quelle ist (Jak 1,5.17; Joh 7,37). Die Aussage umsonst (δωρεάν [dorean]) wurde offenbar an den Schluss des Verses gestellt, um sie zu betonen.2877 „Geschenkweise“, „unent-
2872 2873 2874 2875
Ant. VIII, 280. Vgl. Jörg Frey bei Hengel S. 395ff; Aune S. 1128f. Roloff S. 200. Nicht nur derjenige, „der sehnsüchtig auf das Leben in der neuen Welt wartet“ (so Giesen S. 458), der „Durst nach der Ewigkeit leidet“ (Behm S. 108) oder gar Sehnsucht nach dem Martyrium hat (Lilje S. 236). Vgl. J. Behm, Art. διψάω usw., ThWNT, II, 1935, S. 230. 2876 Roloff a.a.O.; Swete S. 280; Holtz NTD S. 134; Satake KEK S. 403. 2877 Roloff a.a.O.; Holtz a.a.O.; Satake a.a.O.
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geltlich“, „unverdientermaßen“2878 gibt also Gott das umfassende Heil (vgl. Mt 10,8; Röm 3,24; 2Kor 11,7).2879 Verheißung Gottes und Realisierung im menschlichen Leben, Gottes Geschenk und menschliche Tat gehören zusammen – Zusammenhänge, die wir gerne auseinanderreißen. Auch in Offb 21,7 tritt ein solcher Zusammenhang ans Licht. Dieser Vers knüpft an die Überwindersprüche der Sendschreiben an, wenn er mit den Worten beginnt: Wer überwindet (ὁ νικῶν [ho nikon]), vgl. Offb 2,11.26; 3,5.12.21. Überwinden (νικᾶν [nikan]) deutet darauf hin, dass es im Christenleben nicht ohne Kampf geht, nicht ohne Stehen und Fallen und Wiederaufstehen.2880 Ein christlicher „Spaziergänger“ gehört nicht zu den Adressaten von Offb 21,7. „Wer überwindet“, ist derjenige, der die Kraft Christi anzieht (Eph 6,10ff) und in der Kraft Christi treu bleibt bis zum Ende (vgl. Mt 13).2881 Was ihm Gott schenkt, ist unausdenkbar: Der Überwinder wird dies – das heißt die Neuschöpfung2882 – zum Erbe haben (κληρονομήσει [kleronomesei]). So wie in Israel jeder sein „Erbteil“ im Verheißenen Land besaß, so wird jeder überwindende Mensch seinen Anteil an der neuen Schöpfung besitzen. Das ist durchaus individuell gemeint. Denn jeder Mensch bewahrt auch nach der Auferstehung seine Identität. Ferner gilt Gottes Zusage: und ich werde sein Gott sein (καὶ ἔσομαι αὐτῷ θεός [kai esomai auto theos]). Eine Zusage, die Gott Israel oft und oft gegeben hat: „Ich will euer Gott / ihr Gott sein“ (vgl. Lev 26,12; Jer 7,23; 11,4; 24,7; 30,22; 31,1.33; 32,38; Ez 11,20; 14,11; 34,30; 37,27; Sach 8,8), wird hier in Offb 21,7 wieder individualisiert und jedem einzelnen Überwinder verheißen. Das heißt, in Offb 21 geht es nicht um Kollektiverrettung, sondern um Errettung aufgrund persönlichen Glaubens.2883 Die dritte Zusage lautet: und er wird mein Sohn sein (καὶ αὐτὸς ἔσται μοι υἱός [kai autos estai moi hyios]). Das heißt, der Überwinder wird in den Stand des Davidssohnes (2Sam 7,14) hinaufgerückt.2884 Sämtliche Überwinder werden zu „Brüdern“ des wahren Davidssohnes Jesus, wie das schon Hebr 2,10-28 beschrieben hat. Ein solches Hi2878 Vgl. Bauer-Aland Sp. 423f. 2879 Ist das Heil umfassend, dann gehören selbstverständlich die Sakramente dazu. Giesen verweist explizit auf Taufe und Eucharistie (S. 458), aber auch die Geistesgabe ist eingeschlossen (Harrington S. 253). 2880 In der Postmoderne ist der Kampf verpönt. Es gibt aber zu denken, was Bengel S. 995 schrieb: „Ein Ueberwinder … ist auch tapferer, denn sonst einer, den es dürstet.“ 2881 Vgl. O. Bauernfeind, Art. νικάω usw., ThWNT, IV, 1942, S. 941ff. 2882 U.B. Müller S. 353; Bengel S. 995. 2883 Abwegig sind manche Erörterungen, weshalb hier „Gott“ statt „Vater“ stünde. Dazu bemerkt Satake KEK S. 403f das Richtige. Gegen U.B. Müller a.a.O.; Lohmeyer a.a.O. Die Individualisierung eingeebnet bei Aune S. 1129. 2884 Roloff S. 201: „Natansweissagung … gleichsam demokratisiert“. Vgl. Mounce S. 374.
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naufrücken an die Seite Jesu haben auch schon die Sendschreiben in Offb 2,26ff; 3,21 versprochen. Mehr kann man über das „Glück“ in der neuen Schöpfung eigentlich nicht sagen. Doch muss „ein“ Punkt noch betont werden, den vor allem Caird2885 unterstrichen hat. Das ist die Orientierung der christlichen Hoffnung auf den ἔσχατος [eschatos], nämlich auf den dreieinigen Gott, und nicht auf ein ἔσχατον [eschaton]. Unsere christliche Endzeithoffnung ist entschieden personal geprägt2886 und an Bedingungen, Sachverhalten u.Ä. nur sekundär interessiert. Friede, Gerechtigkeit und was man sonst aus ähnlichen Erwartungshorizonten nennen mag, sind zwar nicht gleichgültig, aber auch nicht zentral. Im Zentrum steht nur eines: die persönliche Gemeinschaft der vollendeten Christen mit dem dreieinigen Gott2887: sein Gott – mein Sohn (noch wörtlicher: „ihm Gott“ – „mir Sohn“).2888 Dass hier auch unsere Geschlechterszenarien Mann/Frau keine Rolle mehr spielen, ist schon durch Gal 3,28 klargestellt. Den verheißungsvollen Annahmeversen 6 und 7 folgt ein beinahe abrupter Verwerfungsvers (V. 8)2889: Den Feigen aber und Ungläubigen und Frevlern und Mördern und Unzüchtigen und Zauberern und Götzendienern und allen Lügnern gilt … Man könnte diese Aufzählung mit dem Stichwort „Lasterkatalog“ systematisieren2890 und damit ein Stück weit in die Vergangenheit abschieben. Die Dringlichkeit der Paränese fordert aber ein größeres Ernstnehmen. Das aber (δέ [de]) bildet den Gegenhorizont zu den Überwindern von V. 7. In diesem Gegenhorizont tauchen zunächst die Feigen (οἱ δειλοί [hoi deiloi]) auf. Die Parallele2891 in Mt 8,26; Mk 4,40 legt es nahe, die Feigen in die Nähe der „Kleingläubigen“ (ὀλιγόπιστοι [oligopistoi]) zu rücken. Aus Mangel an Glauben können sie also Christus nicht treu bleiben und erliegen der Werbung und dem Druck des Antichrist bzw. des Satans.2892 Auch unsere persönliche Feigheit kann Jesus Christus wie bei der Sturmstillung wieder zurechtbringen. Aber wenn Feigheit und Unglaube zur Lebens2885 2886 2887 2888 2889
Vgl. Caird S. 266ff. Vgl. Behm S. 109; Schlatter S. 329. Ähnlich Roloff a.a.O. Dativus commodi. Richtig Schlatter S. 329. Öfters als „Drohung“ bezeichnet. Lohmeyer 3 S. 169; U.B. Müller a.a.O.; Behm S. 109; Lilje S. 237. Aber V. 8 ist keine Drohung (gegen Apostaten?), sondern ein Satz eschatologischer Rechtsprechung oder „ernste Mahnung“ (Hadorn S. 206). 2890 Z.B. Holtz NTD S. 135; Satake KEK S. 404; ähnlich Behm a.a.O.; U.B. Müller S. 353. 2891 Aune S. 1131. 2892 Als Feigheit gegenüber den Feinden Christi deuten es z.B. U.B. Müller a.a.O.; unter Verweis auf 2Tim 1,7 Lohmeyer 3 S. 169; Mounce S. 375; Schlatter S. 330; Morris S. 246. Ähnlich wie wir Hadorn a.a.O. („Verzagte“); Bengel S. 996 („Furchtsame“); Satake KEK S. 404.
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einstellung werden, droht uns das Verlorensein. Folgerichtig werden sofort nach den Feigen die Ungläubigen (ἄπιστσοι [apistoi]) genannt. Häufig bezeichnet der Begriff ungläubig im NT die Nichtchristen.2893 Hier in Offb 21,8 hat er aber wohl einen speziellen Akzent. Ähnlich wie in Joh 20,27 bezieht er sich vermutlich auf den Glauben an Christus, sagt also die bewusste Ablehnung eines solchen Glaubens an Jesus Christus aus.2894 Vgl. Lk 12,46. An dritter Stelle folgen die Frevler (ἐβδελυγμένοι [ebdelyngmenoi]). Diese Partizip-Form Perfekt Passiv gibt es im NT nur hier in Offb 21,8. Wörtlich übersetzt heißt es: „Abscheuliche“. Das zugehörige Substantiv βδέλυγμα [bdelyngma] bezeichnet in der griechischen Bibel (LXX) Götzen oder Gesetzlosigkeit, grundsätzlich eben das, was Gott missfällt.2895 Im Zusammenhang von Offb 21,8 handelt es sich also um Menschen, die bewusst entgegen dem Willen Gottes leben.2896 Ihnen folgen die Mörder (φονεῖς [phoneis]). Mord ist im Dekalog eindeutig untersagt (Ex 20,13; Dtn 5,17). Er wird von Jesus und der ganzen apostolischen Literatur streng verurteilt (Mt 15,19; Röm 1,29; 1Petr 4,15). An fünfter Stelle werden die Unzüchtigen (πόρνοι [pornoi]) erwähnt. Unzüchtig ist im AT wie im NT ein Mensch, der Gottes Gebote im sexuellen Bereich nicht befolgt. Mord und Unzucht werden auch von Jesus in Mt 15,19 nebeneinandergestellt. πόρνος [pornos], Unzüchtiger, kann in Offb 21,8 doppelt gedeutet werden: erstens als jemand, der seine eigene sexuelle Lebensweise unter Missachtung der Gebote Gottes praktiziert, zweitens speziell als jemand, der als Mann Prostitution anbietet. Die maskuline Form πόρνος [pornos] könnte unter Umständen die zweite Möglichkeit nahelegen (vgl. Röm 1,28ff; 1Kor 6,9; 1Tim 1,19).2897 1Kor 5,9; Eph 5,5 und Hebr 13,4 sprechen allerdings für die erste Möglichkeit.2898 In ihr wäre jedoch die zweite Deutungsmöglichkeit mit eingeschlossen. Sechstens ist von Zauberern (φάρμακοι [pharmakoi]) die Rede. Auch in Gal 5,20; Offb 9,21; 18,23 wird der Umgang mit Zaubermitteln abgelehnt. Vermutlich ist dabei an die schwarze und weiße Magie gedacht, wie sie schon die ägyptischen Zauberer ausübten (Ex 7,11ff) und wie sie gerade in neutestamentlicher Zeit von jüdischen Zauberern praktiziert wurden (vgl. Mt 12,27; Apg 13,6; 19,13ff).2899 GötzenR. Bultmann im Art. πιστεύω usw., ThWNT, VI, 1959, S. 205. Mounce a.a.O.: nicht „secular pagan world“, sondern Apostaten. Vgl. W. Foerster, Art. βδελύσσομαι usw., ThWNT, I, 1933, S. 598ff. Auf Teilnehmer an heidnischen Kulten deutet Lohmeyer a.a.O., auf den Kaiserkult Mounce a.a.O., auf Homosexualität oder Sodomie Aune S. 1131. Wie wir Morris S. 247. 2897 Vgl. F. Hauck / S. Schulz, Art. πόρνη usw., ThWNT, VI, 1959, S. 580.594f. 2898 Ebenso Mounce a.a.O.; Morris a.a.O. 2899 Mounce S. 375. Hadorn a.a.O.: „Giftmischer“. 2893 2894 2895 2896
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diener (εἰδωλολάτραι [eidololatrai]), die als Siebte genannt werden, sind alle, die sich außerbiblischen Religionen und Kulten angeschlossen haben. Eine Eingrenzung auf den Kaiserkult empfiehlt sich nicht. In all den genannten Gruppen wird es Apostaten (Abtrünnige vom christlichen Glauben) gegeben haben. Aber es geht zu weit, wenn Mounce in Offb 21,8 nur die Apostaten angesprochen findet.2900 Schließlich ist achtens von allen Lügnern (πᾶσιν τοῖς ψευδέσιν [pasin tois pseudesin]) die Rede. Die Formulierung sieht so aus, als diene sie zur Zusammenfassung aller in V. 8 genannten Gruppen. Das nimmt denn auch eine Reihe von Auslegern an2901, und vielleicht verhält es sich so. Jedoch darf das Spezifische beim Lügner (ψευδής [pseudes]) nicht übersehen werden: Es handelt sich um einen Menschen, der der göttlichen Wahrheit (ἀλήθεια [aletheia]) widerstrebt und ein antigöttliches Leben führt. Man denke an Joh 8,44 mit der Kennzeichnung des Teufels als „Vater der Lüge“, während umgekehrt bei den Erlösten auf dem Berg Zion keine Lüge gefunden wird (Offb 14,5).2902 Auch an dieser Stelle kommt wieder die enge Verwandtschaft zwischen dem Johannesevangelium (vgl. 14,6) und der Offenbarung zum Ausdruck.2903 All den in V. 8 Genannten gilt: Ihr Teil wird in dem See sein, der mit Feuer und Schwefel brennt. Auch sie haben also ein „Erb“-Teil wie die Überwinder in V. 7. Aber es ist völlig konträr zu Letzteren: Ihr An-Teil liegt im Feuersee, in dem sich schon der Antichrist, der falsche Prophet (19,20), der Teufel (20,10), der Tod und die Totenwelt (20,14) befinden. Schon in Offb 20,15 wurde angekündigt, dass dorthin auch alle Unerlösten kommen werden, also diejenigen, die die Erlösung durch Jesus Christus nicht angenommen haben. Zu der Aussage Das ist der zweite Tod vgl. die Erklärung bei 20,14; 20,6.
IV Zusammenfassung 1. Offb 21,1-8 ist der grundlegende Abschnitt für die Gesamtschau der Kapitel 21 und 22.2904 2. Gott ergreift hier feierlich das Wort und verspricht eine völlige Neuschöpfung. Sie wird ausschließlich sein eigenes Werk sein.
2900 Mounce a.a.O. 2901 Hadorn S. 206; Lohmeyer 3 S. 169; U.B. Müller a.a.O.; Bengel S. 998; Holtz a.a.O.; Behm a.a.O. 2902 Vgl. auch H. Conzelmann, Art. ψεῦδος usw., ThWNT, IX, 1973, S. 599. 2903 Vgl. Mounce a.a.O.; Lohmeyer a.a.O. 2904 U.B. Müller S. 353: „Prolog“ zu 21,9–22,5.
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3. Das Ganze ist Futur (Zukunft). Man sollte deshalb auch in das ποιῶ [poio] („ich mache“) von V. 5 nicht den Gedanken eines gegenwärtigen Schöpfungshandelns (creatio continua) hineintragen2905, selbst wenn sich dieser Gedanke gesamtbiblisch rechtfertigen lässt. 4. Weil es um eine völlige Neuschöpfung geht, sollte man nicht von einer Wiederherstellung paradiesischer Zustände sprechen.2906 Eine solche Zielbestimmung greift zu kurz und lässt die inzwischen erfolgten Geschichtsereignisse außer Betracht. 5. Die Sprache von Offb 21,1-8 führt uns immer wieder zum Johannesevangelium, aber auch zum Jesus der Synoptiker (Bergpredigt!) zurück.2907 Hier besteht eine nicht zu leugnende Verwandtschaft. Dionys von Alexandrien hat also ein Fehlurteil gefällt, wenn er der Offenbarung unterstellte: „Sie hat … kaum eine Silbe mit ihnen (= Joh und 1Joh) gemein.“2908 6. Zweifelsfrei knüpft Offb 21,1-8 in breitem Maßstab an das AT an, vor allem an Jesaja, Jeremia, Hesekiel und Sacharja, aber auch an die Davidsweissagung in 2Sam 7. Für Johannes darf man annehmen, dass er in Offb 21 und 22 eine wesentliche Erfüllung des AT erblickte. Die seit den Zeiten Fr. Chr. Oetingers2909 immer wieder vorgebrachte Einschätzung, es handle sich bei der Offenbarung um einen jüdischen Verfasser „mit jüdischen, leichtglaubigen, unphilosophischen Bildern“2910, liegt demnach daneben. Denn die Anklänge an die Jesustradition und die Rolle des Lammes in Offb 21,1–22,5 lassen nur auf einen christlichen Verfasser – allerdings einen Judenchristen – schließen. 7. Allegorische Deutungen in einem Ausmaß, wie sie z.B. Coccejus vornimmt2911, sind abzulehnen. Ebenso wenig sind hier fleischlich-materialistische Erwartungen am Platz.2912 Stattdessen sollte die Auslegung versuchen, geistliche und realistische Deutung miteinander zu verbinden. Hier bleibt M. Kiddle nachdenkenswert: „The perfection of material things … is but a reflex of spiritual perfection.“2913
2905 Gegen Giesen S. 457; Hadorn S. 205; Morris S. 245. Richtig U.B. Müller S. 352; Satake KEK S. 403, 817. 2906 Gegen Hadorn S. 203f. 2907 Vgl. Jörg Frey bei Hengel S. 394ff. 2908 Eusebius H.E. VII, 25,22. 2909 Vgl. Oetinger S. 7. 2910 So nach Oetinger a.a.O. 2911 Vgl. Maier Offb S. 330f. 2912 Vgl. Hengel S. 24ff. 2913 Kiddle S. 410.
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8. Textumstellungen sind unnötig. Ein warnendes Beispiel ist R.H. Charles, bei dem hier vieles durcheinandergerät.2914 Auch die Annahme einer Interpolation drängt sich nirgends auf, ebenso wenig die Annahme verschiedener Quellen.2915
12.2 Die Herrlichkeit der neuen Schöpfung, 21,9-27 Die Engel mit den sieben Schalen haben schon mehrfach eine Rolle gespielt (vgl. 15,6f; 16,1ff; 17,1). In Offb 17,1 kam einer von den sieben Engeln, die die sieben Schalen hatten, und zeigte Johannes die Hure Babylon. Jetzt, in Offb 21,9, wiederholt sich der Vorgang fast wörtlich: Und es kam einer von den sieben Engeln, die die sieben Schalen voll2916 mit den sieben letzten Plagen hatten, und sprach mit mir und sagte: Komm, ich werde dir die Braut, die Frau des Lammes, zeigen. Sogar die Worte καὶ ἐλάλησεν μετʼ ἐμοῦ λέγων· δεῦρο, δείξω σοι [kai elalesen met emu legon: deuro, deixo soi] finden sich in Offb 17,1 und 21,9 wortwörtlich gleich. Nur ein Unterschied besteht, und das ist der entscheidende Punkt: In Offb 17 wird die Hure Babylon gezeigt, in Offb 21 die Braut Christi. Beide bilden in jeder Beziehung den äußersten Kontrast.2917 Komm (δεῦρο [deuro]) bedeutet ein Mitkommen im Geist (V. 10). Die Braut, die Frau des Lammes ist die Gemeinde der durch Christus Erlösten in der neuen Schöpfung. Die Braut-Metaphorik verbindet Offb 21,9 mit dem Johannesevangelium (3,29)2918, aber auch mit Paulus (2Kor 11,2; Eph 5,22ff). Weil die Braut durch den Ehevertrag schon in die Rechtsstellung einer Ehefrau aufrücken konnte, war es durchaus angemessen und jüdischem Sprachgebrauch entsprechend, sie als Frau zu bezeichnen.2919 Die Braut, die Frau des Lammes bedeutet also keine unverständliche Doppelung2920, sondern eine sachgemäße Ausdrucksweise. Zur Braut vgl. die Erklärung bei Offb 21,2,
2914 Charles II S. 200ff. 2915 Roloff S. 197. 2916 Nach Blass-Debrunner § 136,2 ist τῶν γεμόντων [ton gemonton] statt γεμούσας [gemusas] ein Solözismus. 2917 Ob in Offb 17,1 derselbe Engel redet wie in 21,9 (so Bengel S. 998), müssen wir offenlassen. 2918 Vgl. Jörg Frey bei Hengel S. 384ff. 2919 Vgl. J. Jeremias, Art. νύμφη usw., ThWNT, IV, 1942, S. 1092f. 2920 Aune S. 1151 betrachtet die „Frau“ als späteren Einschub.
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zur Frau bei Offb 19,7. Schlatter dachte, dass die Braut des Lammes aus dem Hohelied zu erklären sei.2921 Nach V. 10 führte (oder: brachte) der Engel Johannes im Geist weg auf einen großen und hohen Berg. Die Versetzung der inneren Persönlichkeit an einen anderen Ort durch den Geist Gottes ist in der Prophetie nichts Ungewöhnliches, vor allem bei Hesekiel (Ez 8,3ff; 11,1ff; 37,1ff; 40,1ff). Ein großer und hoher Berg (ὄρος μέγα καὶ ὑψηλόν [oros mega kai hypsilon]) kann ein Ort der Versuchung (Mt 4,8; vgl. Offb 17,9) sein, aber auch ein Ort der Gottesnähe und Gottesoffenbarung (vgl. Dt 3,27; 34,1; Ez 40,1ff; Mt 5,1; 17,1; 28,16).2922 In Offb 21,10 ist verständlicherweise das Zweite gemeint. Die Stichworte führen (LXX Ez 40,1 ἤγαγέν με [egagen me]), auf einen sehr hohen Berg (LXX 40,2 ἐπ̓ ὄρους ὑψηλοῦ σφόδρα [ep orus hypselu sphodra]), Stadt (πόλις [polis]) und zeigen (LXX Ez 40,4, δεικνύω [deiknyo] – δεῖξαι [deixai] – δείξεις [deixeis]) verbinden Offb 21,10 besonders eng mit Ez 40,14. Das kann nur bedeuten, dass Johannes in Offb 21,10ff die Erfüllung der Tempelprophetie von Ez 40–48 sieht. Anders gesagt: Unsere Deutung von Ez 40–48 kann nur im Licht von Offb 21,10ff geschehen. Ez 40–48 ist also endzeitlich gemeint und bezieht sich auf die Schöpfung.2923 Johannes sieht nun die heilige Stadt, Jerusalem, von Gott aus dem Himmel herabkommen. Das ist im griechischen Text eine wörtliche Wiederholung von V. 2. Nur das Stichwort neu fehlt. Aber dieses Stichwort musste jetzt nicht noch einmal genannt werden, weil wir uns ja längst in der neuen Schöpfung befinden. Natürlich bedeutet V. 10 nicht ein zweites Herabkommen nach V. 2, sondern in V. 2 und V. 10 ist dasselbe gemeint, nur dass es jetzt um die Einzelheiten geht.2924 Zum Näheren vgl. man also die Erklärung bei V. 2. Eines sei jedoch erneut betont: Diese heilige Stadt hat einen Doppelcharakter. Sie bedeutet einerseits die Gemeinschaft der Erlösten in der neuen Schöpfung. Andererseits aber ist sie die Wohnstätte Gottes und der Erlösten.2925 Die Beschreibung der Stadt nimmt nun auffallend viel Platz ein, nämlich den ganzen langen Abschnitt V. 11-27.
2921 Schlatter BFchTh S. 52. 2922 Vgl. P. Müller S. 63. 2923 Vgl. Berger S. 578. Schon die alten Ausleger, wie Vitringa (S. 895) und Bengel (S. 1000), besprachen die Verwandtschaft von Ez 40 und Offb 21. Vgl. noch Caird S. 269; Aune S. 1151; Giesen S. 462; U.B. Müller S. 356. 2924 Unverständlicherweise sieht Charles II S. 205 die „heilige Stadt“ von Offb 21,9ff als „clearly distinguished“ von derjenigen in Offb 21,2 an. Siehe jedoch Morris S. 248; Caird S. 270f. 2925 Vgl. U.B. Müller S. 355.
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Die Beschreibung beginnt in V. 11 mit einer Art Generalsatz: Sie (nämlich die heilige Stadt) hatte die Herrlichkeit Gottes (ἔχουσαν τὴν δόξαν τοῦ θεοῦ [echusan ten doxan tu theu]). Kein Adjektiv hätte die Herrlichkeit der Stadt angemessener zum Ausdruck bringen können als diese Worte die Herrlichkeit Gottes. Dabei ist τοῦ θεοῦ [tu theu] ein Genitivus objectivus.2926 Nicht ganz leicht ist der Begriff δόξα [doxa] (Herrlichkeit) zu fassen. Bezeichnet er das „Licht“, den „Glanz“? Dann wäre er ein Wechselbegriff zum folgenden φωστήρ [phoster]. Oder bezeichnet er die Verschmelzung von Ehre, Schönheit und Würde, die für das alttestamentliche [ ָכּבוֹדkawod], das hier die griechische δόξα [doxa] prägt, so charakteristisch ist? Der Zusammenhang legt es nahe, δόξα [doxa] in Offb 21,11 in einem weiteren Sinn zu verstehen, also in Richtung der zweiten oben angedeuteten Möglichkeit. Herrlichkeit in diesem weiteren Sinne kommt also der ganzen Gemeinschaft der Erlösten zu, aber auch ihrer Wohnstätte: Ehre, Schönheit, Würde, Pracht. Diese Herrlichkeit ist das Gegenteil der Verachtung, Schwäche, Unterdrückung und Glanzlosigkeit, die der Christenheit und der Kirche seit ihren Anfängen anhaftete (1Kor 1,26ff; Offb 13,7ff). Jetzt hat sie Gott „herrlich“ gemacht (vgl. Jes 43,3ff; Röm 8,30; Eph 5,27; 1Petr 1,8). Dass den dreieinigen Gott selbst, der bei ihnen wohnt, eine solche „Herrlichkeit“ umhüllt2927, braucht nicht extra gesagt zu werden. Jedenfalls erfüllen sich jetzt die großen Prophetien von Jes 43,4ff; 52,1; 55,5; 60,1ff u. a.2928 Die Ausleger waren von Offb 21,11ff immer wieder tief beeindruckt. So schrieb Kiddle: „Light, love, happiness, joy – these are the architectural principles upon which the new City is constructed.“2929 Und Lilje korrespondiert ihm mit seiner Bemerkung: „Der erste Eindruck dieses majestätischen Bildes ist von einer unbeschreiblichen Fülle von Licht, Glanz und Farben.“2930 Die zweite Vershälfte von V. 11 beschreibt nun speziell den Glanz des neuen Jerusalem: Ihr Glanz (ὁ φωστὴρ αὐτῆς [ho phoster autes]) glich dem kostbarsten2931 Edelstein, wie einem Stein von kristallglänzendem Jaspis. Das griechische φωστήρ [phoster] kann auch den Leuchtkörper oder eine
2926 Vgl. Blass-Debrunner § 163. Ebenso Bengel S. 1001; Aune S. 1154; auch J.M. Hahn S. 659; Grünzweig II S. 269. 2927 Giesen S. 465; U.B. Müller S. 357. 2928 Giesen S. 464; U.B. Müller a.a.O. 2929 Kiddle S. 410. 2930 Lilje S. 240. 2931 Vgl. Blass-Debrunner § 60,2.
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Leuchte bezeichnen2932, also eine Lichtquelle, die ihre Umgebung erleuchtet. Vermutlich fällt das Licht des neuen Jerusalem auf die neue Schöpfung.2933 Verglichen wird es mit dem kostbarsten Edelstein, wie einem Stein von kristallglänzendem2934 Jaspis. Der Vergleich mit Edelstein ist alt (Jes 54,12; Ez 28,13). Jaspis wird in Offb 4,3 sogar zu einem Vergleich für Gott herangezogen. So passen also der Thron Gottes und die heilige Stadt von Offb 21,11 in ihrem Glanz wunderbar zusammen2935 – ein Symbol auch für das innere Einssein. Jaspis taucht aber auch auf der Brusttasche des Hohepriesters auf (Ex 28,29; 39,13). Das heißt, der Glanz des neuen Jerusalem ist wirklich ein heiliger Glanz, wie er dem wahren Priestertum zukommt. Wir kennen jedoch nicht jede Einzelheit. So wird der Jaspis einmal als weißer2936, einmal als grüner2937 Stein bezeichnet. κρυσταλλίζω [krystallizo] kann heißen wie Kristall glänzen, „wie Kristall aussehen“, „durchsichtig sein“.2938 In den V. 12-14 setzt sich die Beschreibung des neuen Jerusalem hinsichtlich seiner Mauer und seiner Tore fort: Sie hatte eine große und hohe Mauer (V. 12; jetzt ἔχουσα [echusa] statt dem ἔχουσαν [echusan] von V. 112939). Die Wörter groß und hoch erinnern an V. 10. Alles macht einen überwältigenden Eindruck auf Johannes. Daneben darf man nicht vergessen, dass groß (μέγας [megas]) typisch ist für die eschatologische Vollendung.2940 Was die Exegeten aber am meisten beschäftigt, ist die Frage, weshalb das himmlische Jerusalem überhaupt noch eine Mauer benötige. Sie brauche doch keinen Schutz!2941 Öfters lautet die Antwort, nach „antiker Vorstellung“ gehöre eben zu jeder Stadt eine Mauer.2942 Eine andere Antwort lautet, die Mauer diene wohl der Abgrenzung.2943 Doch scheint uns die Antwort in anderer Richtung zu liegen: Erstens enthält Ez 40,5ff die Prophetie von einer endzeitlichen Mauer, auf die Offb 21,12ff mit ihrer Erfüllung antwortet; zweitens ist die Aussage über die Tore Jerusalems, die Ez 40,6ff und 48,30ff widerspiegelt, auf die Mauer ange2932 Vgl. H. Conzelmann, Art. φῶς usw., ThWNT, IX, 1973, S. 304. Wohl kaum „Leuchter“ (gegen Schlatter S. 331). 2933 Bengel a.a.O.; Schlatter S. 331. 2934 Vgl. Blass-Debrunner § 108,4. 2935 Vgl. Holtz NTD S. 138. 2936 Giesen S. 465. 2937 I.H. Marshall, Art. Edelsteine, GBL, 1, S. 287. 2938 Bauer-Aland Sp. 923; Blass-Debrunner a.a.O. Auf einen Diamanten deuten z.B. Mounce S. 378; Schick S. 228. 2939 Vgl. Blass-Debrunner § 136,5. 2940 W. Grundmann, Art. μέγας usw., ThWNT, IV, 1942, S. 537. 2941 Giesen a.a.O.; Schick a.a.O. 2942 Lohmeyer a.a.O.; U.B. Müller a.a.O.; Mounce S. 379. 2943 Giesen a.a.O.
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wiesen; drittens kennzeichnet die Mauer das neue Jerusalem als ein einheitliches Ganzes2944; viertens symbolisiert die Mauer, die ja auch geistlich verstanden werden muss, den immerwährenden Schutz, die immerwährende Bewahrung und die immerwährende Sicherheit der Erlösten bei Gott. Man vgl. die ewige Unsicherheit, das ewige Gejagtsein der verfolgten Gemeinde als Kontrast! So heißt es in Prov 14,26: „Wer den Herrn fürchtet, hat eine sichere Festung“ (ähnlich Prov 18,10). Noch eindrücklicher ist die Weissagung über das endzeitliche Jerusalem in Jes 26,1: „Zu unserem Schutz baute der Herr Mauern und Wälle“ (Neue Jerusalemer Bibel, vgl. Jes 60,18).2945 Außerdem hatte die Stadt zwölf Tore (V. 12). Das entspricht Ez 48,35ff. Immer mehr enthüllt sich Ez 40–48 als eine Art Planungsmodell für Offb 21– 22.2946 Auf den Toren befanden sich zwölf Engel. Die Symbolzahl zwölf setzt sich also von Offb 7,4ff; 12,1; 14,1ff bis Offb 21,12ff fort. Sie bedeutet die Vollendung der Pläne Gottes am Ende der Geschichte. Zwölf Tore sagen dem Leser: Die Stadt ist perfekt in ihrer Schönheit, makellos rein von Sünde und ganz so, wie Gott sie will. Die Tore deuten auch darauf hin, dass es ein „Drinnen“ und ein „Draußen“ gibt.2947 Durch diese Tore strömen Völker und Schätze und gerettete Menschen (Offb 21,24-26; 22,14). Draußen aber bleibt alle Unreinheit und Sünde und jeder, der Böses tut (Offb 21,27; 22,15). Wer aber sind die Engel? Man beruft sich gerne auf Jes 62,6 und deutet dann die Engel als Wächterengel oder Torwächter.2948 Bengel nannte für sie eine doppelte Aufgabe: „Die Engel halten Wacht und dienen zur Zierde.“2949 Nach Vitringa regeln sie in ähnlicher Weise den Zugang zur Gottesstadt (Civitas Dei): „Si quis adversus judicium et sententiam Ministrorum Ecclesiae irrumpere vellet in communionem Civitatis Dei: hunc arcent Angeli.“2950 In Ez 48,35ff fehlen die Engel und auch in Offb 21,12 erhalten wir keine direkte Auskunft. Deshalb kann man hier nur eine vorläufige Antwort geben. Uns scheint bei den zwölf Engeln ein doppelter Bezug vorzuliegen: Erstens repräsentieren sie die zwölf Stämme Israels, so wie Michael das ganze Israel repräsentiert (Dan 10,21; vgl. Mt 18,10; Apg 12,15; Hebr 1,14); zweitens stehen sie in einer Beziehung zu den Engeln, die einst nach Gen 3,24 das Paradies ver-
2944 2945 2946 2947 2948
Schick S. 228. Vgl. Römer S. 231. Vgl. Hemer S. 161, 174. Schick a.a.O.; Grünzweig II S. 270. Lohmeyer a.a.O.; Giesen a.a.O.; U.B. Müller a.a.O.; Mounce S. 379. Schon Schlatter BFchTh S. 102; Aune S. 1155; Behm S. 11; J.M. Hahn S. 661; Römer S. 231. 2949 Bengel S. 1002. Ähnlich Morris S. 249: „a mark of dignity“. 2950 Vitringa S. 898.
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schlossen. Zu Letzteren bilden sie sozusagen den heilsgeschichtlichen Gegenpol, weil sie jetzt das paradiesische Jerusalem der neuen Schöpfung gewissermaßen öffnen.2951 Allerdings ist damit nicht gesagt, dass sie nicht auch als Wächter dienen. Viele Aussagen der Offenbarung weisen ja so etwas wie eine Mehrdimensionalität auf. Auf den Toren waren nach dem Bericht des Johannes Namen darauf geschrieben, das sind die Namen der zwölf Stämme der Israeliten.2952 Als Ort einer solchen Inschrift kann man sich nur den Torbau oder aber einen Turm über dem betreffenden Tor vorstellen.2953 Allerdings erwähnt weder Ez 48,35ff noch Offb 21 einen Turm. Aber das griechische πυλών [pylon] bedeutet eben den „Torbau“, nicht bloß eine Öffnung.2954 Dass hier ausgerechnet die Namen der zwölf Stämme der Israeliten auftauchen, erinnert uns wieder an mehrere biblische Beziehungsebenen: Erstens wird im Kontext mit den zwölf Apostelnamen von V. 14 deutlich, dass es eine Kontinuität der Heilsgeschichte und eine „Einheit des alttestamentlichen und neutestamentlichen Heilsvolkes“ gibt2955; zweitens drückt die Symbolzahl zwölf die Vollendung des göttlichen Heilsplanes aus2956; drittens erinnert uns die Erwähnung Israels an die Treue Gottes zu seinem Volk2957; viertens ist mit der Nennung Israels auch der biblische Gott in Erinnerung gerufen, der vor allem bei Jesaja häufig der „Heilige Israels“ genannt wird (1,4; 5,24; 12,6; 29,19; 30,11ff; 37,23; 41,14; 43,3; 47,4; 49,7; 54,5); fünftens ist jetzt die alte Hoffnung Israels in Erfüllung gegangen, wonach am Ende alle „Stämme Jakobs wieder aufgerichtet werden“ sollten (Sir 48,10; Ps Sal 17,44; Achtzehngebet 10; 1QM 2,2ff; 3,14f; 5,1; 1QSa 1,15.29)2958; sechstens spiegelt sich in den Namen der zwölf Stämme der Israeliten sowohl die Abrahamsverheißung, wonach in Abraham „alle Geschlechter auf Erden gesegnet werden“ (Gen 12,3), als auch Jesu Feststellung, dass „das Heil aus den Juden kommt“ (Joh 4,22)2959; siebtens ist, wie Schlatter notiert hat2960, Offb 21,12 die Erfüllung
2951 2952 2953 2954 2955 2956 2957 2958 2959 2960
Vgl. Aune S. 1154f. Zur Formulierung vgl. Offb 7,4. Mounce S. 378. J. Jeremias, Art. πύλη usw., ThWNT, VI, 1959, S. 921; Mounce a.a.O. Schick S. 229. Vgl. H. Bietenhard, Art. ὄνομα usw., ThWNT, V, 1954, S. 281; C. Maurer, Art. φυλή, ThWNT, IX, 1973, S. 244f; Mounce S. 379. Schick a.a.O. Mounce S. 379: „abundant entrance“. Vgl. Ratzinger S. 208. Maurer a.a.O. Für Ferdinand Christian Baur war Offb 21,12 ein Zeugnis des antipaulinischen Judenchristentums (Maier Offb S. 483). Vgl. Maurer a.a.O.; Aune S. 1155. Ähnlich Holtz NTD S. 138. Schlatter BFchTh S. 76f. Vor ihm z.B. Bengel S. 1003.
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von Ez 48,31: „Die Tore der Stadt werden nach den Namen der Stämme Israels genannt werden.“2961 Die vier mal drei Tore von V. 13 entsprechen ebenfalls Ez 48,35ff. Eine gewisse Verwandtschaft ist auch zu Jes 43,5; 49,12; 59,19 gegeben. Vgl. ferner Lk 13,29. Es ist berechtigt, wenn Schick die Zahlen Vier und Drei als „Symbolzahlen“ versteht, wobei die Drei für das Göttliche und die Vier für den Kosmos steht.2962 Jedoch darf die geistliche Deutung nie die Realität des in der Offenbarung Geschauten aufheben. Auch wenn an irdische Materialität nicht zu denken ist, begegnet uns in Offb 21–22 doch eine leibhafte neue Schöpfung (vgl. 1Kor 15,35ff). Die Abfolge der Tore wird in Offb 21,13 in der Reihe Osten – Norden – Süden – Westen geschildert. Ez 48,31ff hat dagegen die Reihenfolge Norden – Osten – Süden – Westen, also im Uhrzeigersinn. Jedoch folgt z.B. Lk 13,29 nicht dem Uhrzeigersinn (Osten – Westen – Norden – Süden), auch nicht Jes 43,5 und 49,12. Die Ausleger hat die Frage nach den Gründen der Anordnung in Offb 21,13 stark beschäftigt. Im Endeffekt dürfte Lohmeyer recht behalten: Sie „ist nicht sicher zu erklären“2963. Faszinierend bleibt Cairds Meinung, wonach Johannes durch diese Anordnung jede Orientierung an den Tierkreiszeichen verhindern wollte.2964 Wertvoll ist auch Schlatters Beobachtung, dass „durch die Regelmäßigkeit der räumlichen Verhältnisse“ erreicht wird, dass kein „Teil der Stadt … ärmer und schwächer als der andere“ ist.2965 V. 14 nimmt noch einmal das Thema von der Mauer der Stadt auf: Und die Mauer der Stadt hatte2966 zwölf Grundsteine und darauf zwölf Namen von den zwölf Aposteln (ἀποστόλων [apostolon]) des Lammes. Bei uns hat sich die Übersetzung Grundstein für θεμέλιος [themelios] eingebürgert.2967 Gemeint ist hier jedoch das Fundament eines jeden der insgesamt zwölf Mauerabschnitte.2968 Dabei muss man sich vor Augen halten, dass der antike Städtebau den Mauern und ihren Fundamenten besondere Aufmerksamkeit schenkte. W.Th. In der Smitten beschrieb sie so: „Die oft geböschten Stadtmauern waren in den Fundamenten, die nach Möglichkeit auf gewachse2961 Hartenstein schwächt hier ab, wenn er nur vom „geistlichen Israel“ redet (S. 252). Vgl. Grünzweig a.a.O. 2962 Schick S. 228. 2963 Lohmeyer 3 S. 173. 2964 Caird S. 271f. Mounce S. 379 sympathisiert mit ihm. 2965 Schlatter S. 332. 2966 ἔχων [echon] bei Blass-Debrunner § 136,5 als Solözismus. 2967 Neben Lutherbibel auch Revidierte Elberfelder Bibel; Einheitsübersetzung; Neue Jerusalemer Bibel; NGÜ; BigS; Bauer-Aland Sp. 723. 2968 Vgl. K.L. Schmidt, Art. θεμέλιος usw., ThWNT, II, 1938, S. 63f.
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nen Fels hinabreichten, bis zu zehn Metern stark und etwa ebenso hoch.“2969 Dem θεμέλιος [themelios], dem Fundament, kam also im wörtlichsten Sinne eine „tragende“ Bedeutung zu. Deshalb wurde dieser Begriff schon früh in übertragener Bedeutung benutzt, und zwar in zweierlei Richtung: a) um die grundlegenden Anfänge zu bezeichnen, b) um die notwendigen Grundlagen zu bezeichnen.2970 Wenn Offb 21,14 die Fundamente der Mauer des neuen Jerusalem mit den zwölf Aposteln verbindet, dann sind beide Aussagerichtungen einzubeziehen. Denn die zwölf Apostel der Christenheit stellen die grundlegenden Anfänge der Kirche dar. Sie bilden außerdem durch ihre Lehre und ihr Wort die notwendige Grundlage für die Kirche aller Zeiten. Das gilt erst recht von den Schriften der Apostel und ihrer Schüler, die bei Weitem die Hauptmasse des NT darstellen.2971 Dass auf den zwölf Grundsteinen oder Fundamenten ihre zwölf Namen stehen, ist also berechtigt. Abgesehen von diesem Kerninhalt von V. 14 sind weitere Details interessant. Zunächst zeigt sich, dass Offb 21,14 keineswegs isoliert steht, sondern durch andere Aussagen des NT bekräftigt wird, z.B. Mt 16,18; Lk 22,28ff; 1Kor 15,1ff; Eph 2,20ff; 1Petr 2,4ff. Zweitens ist dezidiert von den zwölf Aposteln des Lammes die Rede. Damit wird die historische Tatsache unterstrichen, dass Jesus, das Lamm, die Zwölf selbst ausgewählt hat (vgl. Mt 10,1ff parr). Drittens bedeutet die Wiederholung der Zwölfzahl aus V. 12, dass sowohl Israel (zwölf Stämme der Israeliten) als auch die Gemeinde Jesu aus allen Völkern (zwölf Apostel) im neuen Jerusalem repräsentiert sind. Die Kontinuität des Gottesvolkes durch alle Zeiten wird also betont. Dasselbe ist in Eph 2,11ff der Fall.2972 Johannes führt in Offb 21,14 die Namen der Apostel nicht im Einzelnen auf. Vielleicht spielt hier eine gewisse Zurückhaltung mit, da er sonst genötigt gewesen wäre, auch seinen eigenen Namen zu erwähnen. Auf gar keinen Fall darf die Erwähnung der zwölf Apostel in Offb 21,14 als Argument dafür benutzt werden, dass die Offenbarung eben nicht vom Apostel Johannes stamme.2973 Als ob er sich in Offb 21,14 auch nur das Geringste anmaße, was er nicht hätte sagen dürfen! Im Art. מה ָ חוֹ, ThWAT, II, 1977, Sp. 807. Vgl. K.L. Schmidt a.a.O.; Bauer-Aland a.a.O. Ausnahmen sind eigentlich nur Jak und Jud. Man kann also nicht mit U.B. Müller S. 357 sagen, die Frage nach der endzeitlichen Rettung Israels liege „außerhalb der Betrachtung des ganzen Visionsberichts“. Ebenso wenig stimmt die Überschrift „Außenansicht“, die Schick S. 226 für Offb 21,5-21a vorschlägt. 2973 Gegen Lohse S. 5f; Wikenhauser S. 16; Hengel S. 33, 311. Wie wir Hadorn S. 209; Behm S. 111; an diesem Punkt auch Zahn S. 616ff.
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Manche Ausleger fragen, wer mit den Zwölf gemeint sei, wenn Judas abgerechnet werden müsse.2974 Die biblische Antwort liegt in Apg 1,15 vor, wo Matthias von Gott zum zwölften Apostel bestimmt wird. Jedenfalls hat Paulus nie in Anspruch genommen, zu den Zwölfen zu gehören (vgl. 1Kor 15,5ff), obwohl ihn Thorvaldsen und andere Künstler als Zwölften abgebildet haben.2975 Mitten in der Schau des neuen Jerusalem tritt ein Ereignis ein, nämlich die Vermessung der Stadt (V. 15). Allerdings geschieht das „hier wortlos“2976. Der Vermessende (derjenige, der mit mir sprach) ist vermutlich der Engel von V. 92977 (vgl. Ez 40,3.5). Im Unterschied zum Engel von Ez 40,3 wird nur ein Maßstab erwähnt, keine „leinene Schnur“. Maßstab, μέτρον [metron], ist in Offb 21,15ff das „Werkzeug zum Messen“, speziell das „Längenmaß“.2978 Es besteht aus einem goldenen Rohr(stab): ein Hinweis auf die unvorstellbaren Werte, um die es hier geht. Der Engel hat den Auftrag, die Stadt (= das neue Jerusalem) und ihre Tore und ihre Mauer zu vermessen.2979 Messen heißt, ihre Maße ermitteln, und zwar so, dass Johannes es auffassen kann. Schon im hebr. Wort für „messen“, vermessen, [ מדדmadad], liegt ein kommunikatives Element. Im Blick auf das Vermessen in Ez 40–48 bemerkt Heinz-Josef Fabry ausdrücklich, es sei „ein indirekter Offenbarungsterminus“, ja es sei „auf Verkündigung ausgerichtet“.2980 Beides trifft auch auf Offb 21,15ff zu: Durch das Vermessen des Engels wird dem Johannes etwas offenbart, und zwar mit der Zielsetzung, dass er das Offenbarte in seinem Buch der Christenheit verkündigen soll.2981 Auf diese Weise erfüllt sich Ez 40,3ff.2982 Die Vermessung der Stadt wird in V. 16-17 äußerst knapp berichtet. Sie ist so knapp, dass die Tore dabei nicht einmal erwähnt werden. Die erste Angabe lautet: Die Stadt war viereckig angelegt und ihre Länge war ebenso groß wie ihre Breite. Das heißt, dass ihr Grundriss ein Quadrat darstellt.2983 Dasselbe prophezeite Hesekiel in 48,16. Quadratische Grundrisse hatten auch der 2974 So Mounce a.a.O.; Zahn S. 619f. 2975 Anders Hadorn S. 210: Wer der Zwölfte ist, können wir nicht erfahren. Ähnlich wie wir Schlatter S. 332. Auf Paulus deutet z.B. Zahn a.a.O. 2976 Roloff S. 205. 2977 Mounce S. 379; Bengel S. 1005; Holtz a.a.O. 2978 Deißner, Art. μέτρον usw., ThWNT, IV, 1942, S. 635f. 2979 καὶ τὸ τεῖχος αὐτῆς [kai to teichos autes] ist gut bezeugt. 2980 Im Art. מדד, ThWAT, IV, 1984, Sp. 703. 2981 Ähnlich Roloff a.a.O.: Vermessen „hat faktisch die Funktion einer Deutung“; Caird S. 272. 2982 Vgl. Hadorn S. 210; Roloff a.a.O; Mounce S. 380; U.B. Müller a.a.O.; Satake KEK S. 409. 2983 Mounce S. 380; Roloff a.a.O.; Hadorn S. 210; U.B. Müller a.a.O.; Giesen S. 465.
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Brandopferaltar (Ex 27,1), der Räucheraltar (Ex 30,2), der salomonische Altar in 2Chr 4,1, das Allerheiligste (1Kön 6,20) und der hesekielische Altar in Ez 43,16f. Diese Bezugsstellen deuten an, dass wir es beim neuen Jerusalem wirklich mit einer heiligen Stadt (Offb 21,2.10) zu tun haben. Roloff geht aber zu weit, wenn er daraus ableitet, dass das neue Jerusalem „ein riesiger Tempel“ sei.2984 Der Begriff der Stadt, der πόλις [polis], ist in Offb 21,1–22,5 viel zu fest verankert, als dass man ihn zugunsten eines Tempels eliminieren dürfte (vgl. 21,2.10.15.16.18.19.21.23; 22,3). Am Ende von V. 16 ergibt dann die Messung, dass es sich beim neuen Jerusalem um einen Würfel, einen sog. Kubus, handelt: ihre Länge und ihre Breite und ihre Höhe sind gleich (ἴσα ἐστίν [isa estin]).2985 Jede Seite wird auf zwölftausend Stadien vermessen. Ein Stadion hat 1922986 oder 1852987 Meter. Es sind also zwischen 2200 und 2300 km, auf die jede Seitenlänge des Kubus berechnet wird. So einfach der Wortlaut von V. 16 ist, so schwierig ist es, das angemessene Verständnis zu entdecken. Hat der Engel schon in V. 16 ein „Menschenmaß“ gebraucht, was wohl zutrifft (vgl. V. 17), dann kann man zwölftausend Stadien Menschenmaß nicht einfach ins Allegorische oder Mythische hinein auflösen. Andererseits ist klar, dass uns der Engel nicht nur rohe mathematische Maße vermitteln will. Die meisten Ausleger favorisieren deshalb eine „symbolische“ Deutung.2988 Was die symbolische Deutung dann zutage fördert, ist durchaus sinnvoll. Roloff sieht in Offb 21,16 ein „Bild höchster Vollkommenheit“, eine Schau, die „erlesene Kostbarkeit“, „übermächtige Größe“ und „harmonische Schönheit“ vereinigt.2989 Ähnlich erblickt Mounce hier „enormous size and perfect symmetry“2990. Überall wird auch erkannt, dass die Zahl zwölftausend eine geistliche Deutung benötigt. Vgl. die zwölf Stämme und Apostel, die göttliche Dreizahl und die Vier als Schöpfungszahl, die Zwölfzahl auf der Brusttasche des Hohepriesters (Ex 28,15ff) und auch die Tausende, die Gott dienen (Dtn 33,2; Dan 7,10; Offb 5,11). Dem, was die symbolische Deutung vorschlägt, können wir also zustimmen. Dennoch bleibt ein geheimnisvoller Rest, den wir nicht aufschlüsseln können. Das Geheimnis lüftet sich erst ganz, wenn wir dort sind. Deshalb behält Johann Michael Hahn
2984 Roloff a.a.O. 2985 Manchmal wird auch eine Pyramide vorgeschlagen. Vgl. Mounce a.a.O.; so z.B. Lilje S. 241. 2986 So Bauer-Aland Sp. 1526. 2987 So GBL, 2, S. 938. 2988 Mounce S. 380f (in den Spuren von Beckwith); Roloff a.a.O.; Hadorn S. 210. 2989 Roloff a.a.O. 2990 Mounce S. 380, vgl. S. 281.
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recht: „Wir wollen uns … mehr um das kümmern, wie wir möchten in die Stadt kommen, als um das, wie groß sie sei.“2991 Nur ein einziges Detail wird bei der Stadt vermessen, nämlich ihre Mauer (V. 17). Die Bemerkung nach Menschenmaß erinnert an Dtn 3,11 und soll vermutlich den Gedanken abwehren, als müsse man in Offb 21,27 besondere, „engelhafte“ Maße voraussetzen.2992 Allerdings ist die Angabe einhundertvierundvierzig Ellen = ca. 72 m2993 im Verhältnis zum Übrigen geradezu winzig.2994 Auch bleibt zunächst offen, ob die Dicke oder die Höhe der Mauer gemeint ist, und ferner, wie wir uns die Höhe oder Dicke der Mauer vorzustellen haben, wenn wir uns einem Kubus von 2300 x 2300 x 2300 km gegenübersehen.2995 Wir müssen klipp und klar sagen, dass wir „des Rätsels Lösung“2996 nicht haben, auch wenn man bei „symbolischer Deutung“ darauf hinweisen kann, dass die Mauer nicht mehr zur Verteidigung benötigt wird.2997 Auffallend bleibt das Maß einhundertvierundvierzig. Es steht unleugbar in einer Verbindung mit der Gemeinschaft der Erlösten (Offb 7,4; 14,1).2998 Dass berühmte Städte des Altertums, wie Babylon, Ninive und Rom, ebenfalls ursprünglich quadratisch geplant wurden, mag das Verständnis der V. 16 und 17 erleichtert haben.2999 Mit V. 18 kommt der Bericht zu den „Baumaterialien“3000 der Stadt. Ihr Mauerwerk war aus Jaspis (καὶ ἡ ἐνδώμησις τοῦ τείχους αὐτῆς ἴασπις [kai he endomesis tu teichus autes iaspis]) lautet die erste Angabe. Dabei wissen wir nicht genau, was ἐνδώμησις [endomesis] bedeutet. „Einbau“? „Unterbau“?3001 Die Übersetzung mit „Material“ hat einst H. Strathmann vorgeschlagen.3002 Doch kommt darin das Charakteristische des griechischen ἐνδώμησις [endomesis] zum Ausdruck? Am ehesten möchte man vermuten, dass damit diejenigen Teile der Stadt gemeint sind, die der Betrachter als Mauerwerk auffassen musste. Es fällt nun auf, dass nach V. 11 schon zum zweiten 2991 J.M. Hahn S.662f. 2992 Ob hier „gegen Engelverehrung polemisiert“ wird (so Roloff a.a.O.), kann man dahingestellt sein lassen. 2993 GBL, 2, S. 938. 2994 Giesen S. 466; Roloff a.a.O.; Hadorn a.a.O. 2995 Vgl. Mounce S. 381. 2996 Gegen Giesen S. 466f. 2997 So Giesen S. 467; vgl. Hadorn S. 210; Morris S. 251. Vgl. Bengels Probleme S. 1006ff. 2998 Roloff a.a.O.; Hadorn a.a.O. 2999 Vgl. Herodot Hist I, 178; Giesen S. 466; Hemer S. 51; Aune S. 1160. 3000 Giesen a.a.O.; U.B. Müller S. 359. 3001 Auch Bauer-Aland Sp. 533 unsicher, ebenso Giesen a.a.O. 3002 H. Strathmann, Art. πόλις usw., ThWNT, VI, 1959, S. 532, 74.
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Mal der Jaspis als Element des neuen Jerusalem erwähnt wird; in V. 19 wird es gleich das dritte Mal sein. Wir können uns diese Anhäufung von „ἴασπις [iaspis]“-Aussagen in Offb 21 nur so erklären, dass dadurch der Zusammenhang mit Offb 4,3 unterstrichen werden soll und auf diese Weise bekräftigt wird, dass die Stadt wirklich „die Herrlichkeit Gottes hatte“ (V. 11). Von der Mauer geht die Beschreibung sofort zur Stadt im Ganzen über: und die Stadt war von reinem Gold, gleich reinem Glas. Der Gedanke der Reinheit hat die Priorität, denn zweimal steht das καθαρόν [katharon]. Neben ihm steht der Gedanke der Kostbarkeit. Denn Gold in seiner Höchststufe als reines Gold und Glas in seiner Höchststufe als reines Glas verkörpern allerhöchste Werte. Wir müssen beides wohl auf die Stadt im Ganzen, also den Kubus von V. 16 beziehen. Und wieder ist die Verbindung mit dem Thron Gottes in Offb 4,6 gegeben. Lange Zeit leitete man Offb 21 von der antiken Himmelsmythologie ab. So schrieb Hermann Strathmann 1959: „Den wichtigsten Beitrag (= zu Offb 21) aber hat die antike Himmelsmythologie geliefert.“3003 Doch der alttestamentliche Kontext liegt viel näher. Schon Vitringa und Bengel, die historisch viel zuverlässiger arbeiteten als gemeinhin angenommen, zogen beispielsweise Jes 54,11ff für die Auslegung heran.3004 Dort heißt es: „Siehe, ich will deine Mauern auf Edelsteine stellen und will deinen Grund mit Saphiren legen und deine Zinnen aus Kristallen machen und deine Tore von Rubinen und alle deine Grenzen von erlesenen Steinen.“ Tobit 13,16ff ist wohl ein späteres Echo auf diese Jesajastelle. Dabei bleiben die Einzelheiten variabel. Es kommt hier auf das Gesamtkonzept an.3005 Führt uns Offb 21,18 zur Prophetie des AT zurück, so gibt es dort u.a. folgende Beobachtungen: 1) Aus Gold „werden die höchstgeschätzten Geräte im Kult … und am Königshof … angefertigt“3006; 2) Gold wird „wegen seines Wertes in den Dienst Gottes gestellt“3007; 3) „Goldbesitz ist der offensichtliche Segen Gottes“3008, vor allem in den endzeitlichen Schilderungen. Alle diese Beobachtungen lassen sich auf das neue
3003 Strathmann a.a.O. S. 532. Vgl. Morris S. 252; Lilje S. 241f; Lohmeyer 3 S. 174; U.B. Müller S. 358. Abgelehnt bei Satake KEK S. 411. Aber Hadorn ging S. 211 so weit, dass er schrieb, die astralmythologische Grundlage habe „Boll … überzeugend nachgewiesen“. 3004 Vitringa S. 901; Bengel S. 1021. Jetzt Giesen S. 467. 3005 Giesen a.a.O. 3006 B. Kedar-Kopfstein, Art. הב ָ ָז, ThWAT, II, 1977, Sp. 540. 3007 Kedar-Kopfstein a.a.O. Sp. 543. 3008 Kedar-Kopfstein a.a.O.
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Jerusalem übertragen. Es verkörpert in Gottes Augen einen Höchstwert, es stellt sich ganz in den Dienst Gottes, es steht unter dem unbegrenzten Segen Gottes. Ob es jedoch „durchsichtig“ ist3009, lassen wir dahingestellt. In V. 19 geht der Bericht über zu den Grundsteinen der Mauer der Stadt. Bei V. 14 haben wir gesehen, dass Grundstein hier das Fundament bezeichnet, und zwar jeweils das Fundament eines der zwölf Mauerabschnitte. Diese Deutung setzen wir jetzt voraus. Klar ist dann auch, dass jedes dieser zwölf Fundamente den Namen eines der zwölf Apostel trägt. Sie waren mit Edelsteinen aller Art geschmückt, sagt V. 19. Heißt das, dass sie von außen mit solchen Gemmen geschmückt waren wie eine Krone oder dass Edelsteine eine Art Intarsien darstellten? Die Fortsetzung führt uns zusammen mit V. 21 auf eine dritte Lösung: Offenbar bestand das gesamte Fundament aus jeweils einem der im Folgenden genannten Edelsteine.3010 Erneut sprengt also der Bericht das Maß des menschlich üblicherweise Vorstellbaren. Besondere Ausstellungen wie die am 27. Oktober 2009 in den Staatlichen Antikensammlungen in München eröffnete „Sammlung James Loeb“ können wenigstens ungefähr einen Begriff geben, mit welchen Schätzen wir es zu tun haben. Der erste Grundstein war ein Jaspis (ἴασπις [iaspis]): Hier begegnet uns das dritte Mal der Jaspis in Offb 21 (vgl. V. 11.18). Erneut wird die göttliche Herrlichkeit der Stadt unterstrichen (vgl. V. 11 und Offb 4,3). Es wäre ein Fehlweg, nach einem Apostel zu suchen, den wir mit den Eigenschaften des Jaspis in Verbindung bringen könnten.3011 Nicht der Name eines Apostels wird geschmückt, sondern das neue Jerusalem. Zum Jaspis vgl. Jes 54,12; Ez 28,13; Ex 28,18; 39,11. Der Vergleich vor allem mit der Brusttasche des Hohepriesters in Ex 28,15ff zeigt, dass in Offb 21,19f starke priesterliche Elemente aufgenommen werden: Das neue Jerusalem ist also eine königliche und eine priesterliche („heilige“, V. 2.10) Stadt zugleich. Der zweite ein Saphir (σάπφιρος [sapphiros]): Auch auf der Brusttasche des Hohepriesters stehen Jaspis und Saphir nebeneinander. Beim Saphir handelt es sich vermutlich um Lapislazuli, einen Edelstein, der in der Antike öfters zum königlichen Schmuck gehörte.3012 Auch Ez 28,13.
3009 So Giesen S. 468. 3010 Ebenso Bengel S. 1020; Satake KEK S. 411. Offen bleibt die Frage bei U.B. Müller S. 359. 3011 Gegen Bengel S. 1022ff. 3012 Vgl. I.H. Marshall, Art. Edelsteine, GBL, 1, S. 282ff.
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Der dritte ein Chalzedon (χαλκηδών [chalkedon]): Der Begriff Chalzedon findet sich in der Bibel nur in Offb 21,19. Die Erklärung muss hier passen: „Was Apk gemeint ist, bleibt ungewiß.“3013 Der vierte ein Smaragd (σμάραγδος [smaragdos]): Hier sind wir wieder auf festerem Boden. Das Eigenschaftswort σμαραγδίνος [smaragdinos] findet sich auch bei der Beschreibung des göttlichen Thrones in Offb 4,3. Wir müssen deshalb σμάραγδος [smaragdos] wie ἴασπις [iaspis] als einen Begriff betrachten, der die göttliche Herrlichkeit der Stadt anschaulich machen soll. Ez 28,13 kann das nur unterstreichen. Wir münden jetzt wieder in die Parallelität mit der Brusttasche des Hohepriesters ein. Dort erscheint Smaragd (LXX σμάραγδος [smaragdos]) in Ex 28,17. Gemeint ist „der grüne Smaragd“3014. Der fünfte ein Sardonyx (σαρδόνυξ [sardonyx]), V. 20: Nur hier steht σαρδόνυξ [sardonyx] im NT. Im AT hat der Sardonyx jedenfalls keine direkte Parallele. Man versteht ihn in der Regel als eine „Spielart des Achat“3015. ְ [schewo], kommt auf der Brusttasche des HoheAchat allerdings, hebr. שׁבוֹ priesters vor (Ex 28,19; 39,12). Der sechste ein Sarder (σάρδιον [sardion]): Es ist nicht ganz sicher, ob in Offb 21,20 (τὸ [to]) σάρδιον [sardion] oder (ὁ [ho]) σάρδιος [sardios] die ursprüngliche Form darstellt. Auch Offb 4,3, wo das Wort noch einmal auftaucht, hilft hier wenig, da es ähnlich changiert. Immerhin macht Offb 4,3 das eine sicher, dass der Sarder etwas vom Lichtglanz der himmlischen Herrlichkeit verkörpert – ähnlich wie Jaspis und Smaragd. Klar ist ferner die Verbindung zur Brusttasche des Hohepriesters, bei der sich der Sarder, hebr. ֹאֶדם [odem], an der Spitze aller Steine befindet (Ex 28,17). Vgl. Ex 39,10; Ez 28,13. [ ֹאֶדםodem] heißt „Rötlicher“, und er wird üblicherweise als roter Karneol, z.T. auch als Rubin beschrieben.3016 Der siebte ein Chrysolith (χρυσόλιθος [chrysolithos]): Chrysolith heißt auf Deutsch „Goldstein“. Es handelt sich um den gelben Topas.3017 Er begegnet uns auch auf der Brusttasche des Hohepriesters (Ex 28,17) und in Ez 28,13. Der achte ein Beryll (βήρυλλος [beryllos]): Wie der Chrysolith findet sich der Beryll im NT nur hier in Offb 21,20. Man ist sich darüber einig, dass in Offb 21,20 ein „Edelstein v. meergrüner Farbe“ gemeint ist3018, obwohl man3013 3014 3015 3016 3017 3018
Bauer-Aland Sp. 1746. I.H. Marshall a.a.O. S. 287. Bauer-Aland Sp. 1486; I.H. Marshall a.a.O. S. 288. I.H. Marshall S. 288; Bauer-Aland a.a.O.; Gesenius S. 11. Marshall a.a.O. S. 285; Bauer-Aland Sp. 1771. Bauer-Aland Sp. 280; Marshall a.a.O. S. 285.
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ches in der Schwebe bleibt. Ist z.B. βηρύλλιον [beryllion] in Ex 28,20 LXX nur eine Nebenform von βήρυλλος [beryllos]? Dürfen wir also den Beryll zu den Steinen auf der Brusttasche des Hohepriesters rechnen? Oder entspricht das hebräische שׁישׁ ִ [ ַתְּרtarschisch] in Ex 28,20 unserem Beryll? Vgl. auch Ez 28,13.3019 Der neunte ein Topas (τοπάζιον [topazion]): Hier handelt es sich höchstwahrscheinlich um einen gelben Stein. Die Benennungen Topazion und Chrysolith überschneiden sich jedoch teilweise. Beide Benennungen begegnen uns sowohl in Ex 28,17ff bei der Brusttasche des Hohepriesters als auch beim Schmuck des Königs von Tyrus in Ez 28,13. Der zehnte ein Chrysopras (χρυσόπρασος [chrysoprasos]): Auch das ist ein völlig vereinzelter Begriff (Hapaxlegomenon) im NT. Bauer-Aland und I.H. Marshall beschreiben ihn als apfelgrünen Stein3020, wobei allerdings der Name – so Marshall – „an eine goldgetönte Unterart denken“ lasse. Auf der hohepriesterlichen Brusttasche und in Ez 28,13 fehlt er. Der elfte ein Hyazinth (ὑάκινθος [hyakinthos]): I.H. Marshall hält ihn für einen blauen Stein, wobei seines Erachtens Aquamarin, Saphir oder Türkis infrage kommen.3021 Entschieden erklärt er: „Der heutige Hyazinth ist ein völlig anderer Stein.“3022 Weder auf der Brusttasche des Hohepriesters noch in Ez 28,13 können wir ihn entdecken. Der zwölfte ein Amethyst (ἀμέθυστος [amethystos]): Erneut ein Hapaxlegomenon im NT. Amethyst ist kristalliner Quarz. Hier hat sich die Sprachtradition bis heute durchgehalten. Amethyst gehört zur Brusttasche des Hohepriesters (Ex 28,19) wie zum Schmuck des Königs von Tyrus (Ez 28,13). Von den zwölf Edelsteinen begegnen uns acht auf der Brusttasche des Hohepriesters: Jaspis, Saphir, Smaragd, Sarder, Chrysolith, Beryll (sehr wahrscheinlich), Topas und Amethyst. Nur vier fehlen auf der alttestamentlichen Brusttasche: Chalzedon, Sardonyx, Chrysopras und Hyazinth. Die starke Parallele zur Brusttasche des Hohepriesters kann kein Zufall sein. I.H. Marshall zog daraus den Schluss, dass die Schau von Offb 21 „von der Beschreibung der zwölf Steine auf der Brusttasche des Hohepriesters beeinflußt“ sei.3023 Was ist aber mit den vier Steinen, die nicht in dieses Schema passen? Und 3019 Vgl. Maier Hes II S. 67. 3020 Bauer-Aland Sp. 1771; Marshall a.a.O. In der Tat sind die beiden Chrysoprase auf meinem Schreibtisch, der eine aus Minas Gerais, Brasilien, und der andere aus Schlesien, von einem lebhaften Apfelgrün. 3021 Marshall a.a.O. S. 287. 3022 A.a.O. 3023 Marshall a.a.O. S. 289.
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was ist mit den andern Steinen auf der Brusttasche, die Johannes gleichzeitig gesehen haben müsste, die er aber nicht berücksichtigte? Hinzu kommt eine weitere Überlegung: Wir sind uns über Namen und Begriffe keineswegs sicher. Welche hebräischen Worte mit welchen griechischen Begriffen wiedergegeben wurden, können wir oft nur erraten oder vermuten. Bleibt man bei der notwendigen Zurückhaltung, dann lässt sich im Blick auf Offb 21,19 und 20 doch so viel festhalten: 1) Das neue Jerusalem hat eine einzigartige Herrlichkeit, die man wirklich göttlich nennen kann; 2) es übernimmt die priesterliche Aufgabe des alten Gottesvolkes als seine eigene Aufgabe; 3) es bleibt nicht sklavisch an frühere Modelle und Regelungen gebunden, sondern hat in königlicher, gottgeschenkter Freiheit einen „Überschuss“, etwas wunderbar „Neues“, was sich nicht „ableiten“ lassen muss. Über die Vergeblichkeit der Spekulationen, die sich an die Ordnung der Edelsteine hängen wollen, hat schon Caird S. 274ff eine Reihe guter Bemerkungen gemacht. Der Stoff, aus dem das neue Jerusalem gebaut ist, wird in V. 21 hinsichtlich der Tore und der Straße der Stadt komplettiert. Wenn wir vom „Stoff“ sprechen, bleibt uns ein Doppeltes bewusst: 1) Es handelt sich eben nicht um „Baumaterial“ aus der jetzigen, vergänglichen Welt; 2) es handelt sich aber auch nicht um rein spirituelle Dinge, sondern um reale, leibhaftige Bestandteile der neuen Schöpfung. Und die zwölf Tore waren zwölf Perlen, wobei jedes einzelne der Tore aus einer einzigen Perle bestand: Perlen (μαργαρῖται [margaritai]) gehören schon im Altertum zu den geschätztesten Kostbarkeiten. Man erinnere sich an die Rolle der Perlen in der Predigt Jesu (Mt 7,6; 13,45f). Normalerweise ist dabei an die rosafarbenen Perlen gedacht, die man am Roten Meer, am Persischen Golf und Indischen Ozean gewann.3024 Jes 54,12 kündigt an, dass das Jerusalem der Endzeit „Tore von Karfunkeln“ oder „Beryll“ haben werde. Aber die alten jüdischen Rabbinen nannten „Edelsteine und Perlen“, die für diese Tore infrage kämen.3025 R. Jochanan sagte, Gott werde solche Edelsteine und Perlen von dreißig Ellen Größe = ca. 15 Kubikmeter für Jerusalem bereitstellen. Ein Schüler verspottete ihn mit den Worten: „Wenn es solche (= Perlen und Edelsteine) in der Größe eines Reihereies nicht gibt, wie sollte es solche in dieser Größe geben?“3026 Aber Offb 21 geht ja noch weit über jene alten jüdischen Lehrer hinaus: Statt 30 Ellen nennt Offb 21,17 144 Ellen 3024 Marshall a.a.O. S. 287; F. Hauck, Art. μαργαρίτης, ThWNT, IV, 1942, S. 475f. 3025 B Baba bathra 75a. Vgl. Schlatter BFchTh S. 102. 3026 A.a.O.
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= ca. 72 m für die Mauer, wobei man sich die Tore mindestens ebenso hoch denken muss wie die Mauer. Allerdings blieb in Offb 21,17 offen, ob von der Dicke oder der Höhe der Mauer die Rede ist. Jedenfalls aber haben wir es in Offb 21,21 nicht mit Zahlenspekulationen zu tun, sondern mit der klaren Botschaft des Engels (vgl. V. 9ff). Jedes einzelne der Tore bestand aus einer einzigen Perle: Nur Gottes Allmacht und Güte kann solche Schätze für das neue Jerusalem bereitstellen. Wie armselig mutet hier das Gegenbild an, nämlich die mit Perlen geschmückte Hure Babylon (Offb 17,4; 18,6)! Bezüglich der Stoffe, aus denen das neue Jerusalem besteht, wird zuletzt die Straße der Stadt erwähnt (V. 21). In V. 18-21 werden also fünf Bestandteile angesprochen: Mauerwerk – Gesamtstadt – Grundsteine – Tore – Straße der Stadt. Dabei taucht die Straße der Stadt erst jetzt auf. Bei der Vermessung ist von ihr nicht die Rede. In Jes 54,11ff fehlt unser Stichwort ebenfalls.3027 Erstaunlicherweise hören wir hier nichts von den „Straßen der Stadt“ (Mehrzahl), sondern stoßen auf die Einzahl die (bestimmter Artikel!) Straße der Stadt. Viele Ausleger greifen auf eine astralmythologische Deutung zurück und leiten diese eine Straße der Stadt von der Milchstraße ab.3028 Unterstützt wird diese Deutung durch die Annahme, dass die vorausgehenden Zwölferzahlen des neuen Jerusalem in den zwölf Tierkreiszeichen wurzeln. Aber sobald man die Deutung aus der Himmelsmythologie mangels Begründung zur Seite legt, hat auch die Ableitung der Straße von der Milchstraße nur noch spekulativen Charakter. Dann bleiben jedoch mehrere andere Möglichkeiten: 1) die Straße der Stadt ist eine Art kollektiver Singular3029, gemeint wären dann alle Straßen der Stadt (vgl. Offb 11,8); 2) die Straße der Stadt ist die Hauptstraße der Stadt3030; 3) die Straße der Stadt ist wie in Offb 22,2 eine Art Haupt- und Lebensachse des neuen Jerusalem3031. Vermutlich trifft 3) zu, wobei aber 1) und 2) mit aufgenommen werden können. Wir verstehen also die Straße der Stadt als ihre Haupt- und Lebensach3032 se. Sie war in der Schau des Johannes von reinem Gold, ohne jede wertmindernde Beimengung. Sie war gleichzeitig wie durchsichtiges Glas, also wie Glas in seiner reinsten Form und durchsichtig. Nichts Unklares, nichts Unreines, nichts Verstecktes oder Heimliches gibt es mehr auf dieser Straße. Jedoch erwähnt Tob 13,17 αἱ πλατεῖαι Ιερουσαλημ [hai plateiai Ierusalem]. So Lilje S. 241f; vorsichtig Behm S. 111; auch U.B. Müller S. 360; Hadorn S. 210. Vgl. Blass-Debrunner § 139. So Caird S. 278; Holtz NTD S. 136. So Satake KEK S. 412. Ähnlich Lilje S. 241; Holtz NTD S. 139 („Platz oder Achse“); Hadorn S. 210: eventuell „eine via sacra“. 3032 Andere Ausleger deuten ἡ πλατεῖα [he plateia] auf einen Platz: „Der freie Platz in der Stadt“ oder „Marktplatz“ (Schlatter S. 334f); ähnlich Aune S. 1166.
3027 3028 3029 3030 3031
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Vgl. V. 18 und als Gegenbild die Gassen des sündigen Jerusalem in Prov 7,6ff; Zeph 1,4ff. Wie tief das Bild von den „goldenen Gassen“ des neuen Jerusalem die christliche Zukunftshoffnung prägte, wird an ihren Liedern erkennbar. Man denke an das bekannte, volkstümliche Lied: „Wenn nach der Erde Leid, Arbeit und Pein ich in die goldenen Gassen zieh ein, wird nur das Schaun meines Heilands allein Grund meiner Freude und Anbetung sein.“3033 Zugleich zeigen solche Lieder, wie die erweckliche Hoffnung der Christen durchaus die richtigen geistlichen und theologischen Prioritäten setzen konnte: „… wird nur das Schaun meines Heilands allein Grund meiner Freude und Anbetung sein.“ Für einen im AT geschulten Apostel und Propheten muss es einen unglaublichen Eindruck gemacht haben, was er mit dürren Worten nun in V. 22 beschreibt: Und ich sah keinen Tempel in ihr (= der Stadt von Offb 21,10ff). Es war nicht so, dass der Engel ihm das gesagt oder dass er es ihm gezeigt hätte. In seiner prophetischen Schau fasste Johannes das neue Jerusalem so vollständig als möglich auf: mit seinem Glanz, der Mauer, den Toren, den Grundsteinen der Mauer, der Gesamtanlage und der Straße. Nach diesem Durchgang steht ebenso pneumatisch und klar fest: Es gibt im neuen Jerusalem kein Tempelgebäude. ναός [naos], das hier gebrauchte griechische Wort für Tempel, ist im NT das hauptsächlich für einen Tempel verwandte Wort und bezeichnet entweder das Tempelgebäude oder den Tempelbezirk oder den geistlichen Tempel in Gestalt eines Glaubenden oder der Gemeinde (zu Letzterem vgl. Joh 2,19ff; 1Kor 3,16f; 6,19; 2Kor 6,16; Eph 2,21).3034 Die Formulierung Und ich sah keinen Tempel in der Stadt kann also nur bedeuten, dass Johannes weder ein Tempelgebäude noch einen Tempelbezirk sah und dass es beides nicht mehr gibt. Unsere Vorsicht bei der bisherigen Auslegung der „Tempel“-Stellen in der Offenbarung hat sich also bewährt. Wir haben ja bei der Auslegung von Offb 7,15; 11,1f.19; 14,15ff; 15,5ff; 16,1.17 ναός [naos] / Tempel nicht als Tempelgebäude aufgefasst, sondern als einen Bereich in der Nähe Gottes bzw. als Bezeichnung der Gemeinde. Gerade das wird jetzt durch Offb 21,22 bestätigt.3035 3033 Jesu Name nie verklinget, Verlag Friedrich Hänssler, Stuttgart-Plieningen, o. J., Nr. 134. Vgl. Nr. 162; 218. 3034 Vgl. O. Michel, Art. ναός, ThWNT, IV, 1942, S. 886f. 3035 Unbefriedigend ist die manchmal rasche Art, plötzlich den Tempel von Offb 7,15 usw. „zu den vorläufigen Dingen“ zu zählen, „die inzwischen abgetan sind“. So U.B. Müller S. 360f; Giesen S. 470.
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Dahinter öffnet sich die weite Perspektive der Geschichte des Tempels in der Bibel. Exkurs: Zur Geschichte des Tempels Der erste Tempel, der salomonische (ca. 955 v.Chr.), wurde nicht auf Anordnung Gottes errichtet, sondern nur mit Erlaubnis Gottes (2Sam 7,1ff). D.F. Payne sagt direkt: „Davids Wunsch, dem Herrn ein ‚Haus‘ zu bauen, wird abgelehnt.“3036 Die Propheten Israels lassen immer wieder eine Distanz zu diesem Tempel erkennen. Diese Distanz hat hauptsächlich drei Gründe. Der erste liegt in der Erfahrung, dass reichhaltige Opfergottesdienste ohne innere Bekehrung abgehalten werden: „Was soll mir die Menge eurer Opfer? spricht der HERR. Ich bin satt der Brandopfer … Wascht euch, reinigt euch, tut eure bösen Taten aus meinen Augen, lasst ab vom Bösen!“, sagt Jesaja in 1,11f. Ihm korrespondiert Hosea, „der einzige ‚Schriftprophet‘ des Nordreichs“3037: „Ich habe Lust an der Liebe und nicht am Opfer, an der Erkenntnis Gottes und nicht am Brandopfer“ (6,6).3038 Der zweite Grund liegt in der Beobachtung, dass der Tempel und der Tempeldienst oft zu einer Verdienstquelle umfunktioniert wurden. Vgl. Jeremias Wort über den Tempel als „Räuberhöhle“ in Jer 7,11, das Jesus dann später in Mt 21,13 aufgriff. Der dritte Grund liegt in einer verfälschten Heilstheologie und Heilsprophetie, die davon ausgeht, dass Jerusalem nicht untergehen kann, solange darin Gottes Tempel steht. Jeremia zitiert solche „Lügenworte“ in seiner berühmten Tempelrede: „Sie sagen: Hier ist des HERRN Tempel, hier ist des HERRN Tempel, hier ist des HERRN Tempel!“ (7,4). Jeremia weist am Beispiel von Silo nach, dass Gott durchaus „einen altangesehenen Kultort liquidieren kann“3039. Und Hesekiel sieht, wie die Herrlichkeit Gottes Jerusalem verlässt (11,22ff) und damit den Tempel der Zerstörung preisgibt. Anders ist die Situation nach dem babylonischen Exil. Jetzt wird der zweite Tempel auf dringende Anordnung Gottes gebaut. Im Frühjahr 515 v.Chr. wird er eingeweiht. Es sind vor allem die Propheten Haggai und Sacharja, die auf diesen Tempelbau hinwirken. Gleich zu Anfang seiner Botschaft wendet sich Haggai gegen die „resignierte Sicherheit“3040 der gerade wieder auflebenden Provinz Juda: „Dies Volk spricht: Die Zeit ist noch nicht da, dass man des HERRN Haus baue … Aber eure Zeit ist da, dass ihr in getäfelten Häusern
3036 3037 3038 3039 3040
Brockhaus Kommentar zur Bibel, I, 1980, Wuppertal, S. 367. G. von Rad, Theologie des Alten Testaments, II, 4. Aufl., München, 1965, S. 146. Vgl. Am 5,21ff. Von Rad a.a.O. S. 204. Von Rad a.a.O. S. 291.
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wohnt!“ (1,2.4). Gerhard von Rad hat recht: Damals „war die Frage des Tempelbaus zum status confessionis geworden“3041. Vgl. Sach 4,6ff; 8,9ff. Im Rückblick muss man sagen, dass Israels Existenz als Gottesvolk damals wesentlich vom Tempel abhängig war. Er verschaffte ihm die Duldung als Religionsgemeinschaft im Perserreich (539–332 v.Chr.). Er blieb exklusiv auf Israel bezogen und ermöglichte eine alle Israeliten einigende Religionsausübung und Religionsentwicklung. Im welchem Verhältnis Ez 40–48 zum zweiten geschichtlichen Tempel steht, ist nach wie vor eine umstrittene Frage. Forscher wie Gerhard von Rad bezweifeln sogar, ob die Kapitel 40–48 ursprünglich von Hesekiel stammen.3042 Hat Ez 40–48 jemals auf die Entstehung des zweiten Tempels einen spürbaren Einfluss gehabt? Liegt hier nicht ein menschlicher Entwurf vor, der eben in der Geschichte nicht zum Zug kam?3043 Oder soll es der Tempel für das Tausendjährige Reich sein?3044 Für jeden realistischen Betrachter, der von den Bedingungen der gegenwärtigen Welt ausgeht, enthält Ez 40–48 etwas Un-Irdisches, besser gesagt: etwas Über-Irdisches. Es zielt auf eine Welt, die erst noch kommt. Ez 40–48 muss folglich eschatologisch und symbolisch verstanden werden. Das heißt aber auch: Aufgrund von Ez 40–48 können wir nicht einfach mit einem Tempel in einem äußeren Sinn rechnen. Ob Gottes neue Schöpfung überhaupt ein Tempelgebäude enthält, ist aus Ez 40–48 allein nicht zu beantworten. Wie sieht – und das ist für einen christlichen Ausleger eine entscheidende Frage – Jesus die Zukunft bezüglich des Tempels? Nach Jesus gibt es im neuen Äon keinen äußeren Tempel mehr. Der samaritanischen Frau am Jakobsbrunnen sagte er: „Es kommt die Zeit, dass ihr weder auf diesem Berge (= Garizim) noch in Jerusalem den Vater anbeten werdet“ (Joh 4,21). Es wird also weder ein Gebäude noch einen Kultort im Sinne des Alten Bundes mehr geben. Stattdessen „werden die wahren Anbeter den Vater im Geist und in der Wahrheit anbeten“ (Joh 4,23). Infolgedessen bezieht Jesus den Begriff „Tempel“ auf seinen Leib (Joh 2,19ff). Später haben die Apostel den Begriff „Tempel“ auch auf den Leib eines glaubenden Menschen oder auf die Gemeinde im Ganzen bezogen (1Kor 3,16; 6,19; 2Thess 2,4). In der Spur der Lehre Jesu haben die Christen keinen Versuch gemacht, den früheren Tempel in Jerusalem wieder aufzubauen oder woanders einen Tempel zu errichten. Auch wo sie ihre Kirchengebäude „templum“, „tempio“, „temple“ oder ähnlich nannten, blieb es klar, dass es um Versammlungen im Namen Jesu Christi ging, aber nicht um Fortsetzungen des früheren Tempeldienstes. Durch die Sühne am Kreuz und das einmalige, ewig
3041 3042 3043 3044
A.a.O. A.a.O. S. 307, 32. So im Endergebnis Carroll und Greenberg, vgl. Maier Hes II S. 249. Vgl. wieder Maier Hes II S. 248f.
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gültige Opfer Jesu hatte der alte Tempeldienst sein Ziel erreicht (vgl. Hebr 4,14–10,18). Er konnte – innerlich betrachtet – gar nicht fortgesetzt werden.
Johannes befindet sich also in vollkommener Übereinstimmung mit Jesus, wenn er feststellt: Und ich sah keinen Tempel in ihr.3045 Allerdings war die jüdische Erwartung seiner Zeit sehr stark auf einen endzeitlichen Tempel gerichtet. Otto Michel beschreibt die hier zutage tretende Spannung mit den Worten: „Hier tritt das Urchristentum in völligen Gegensatz zum Spätjudentum, denn für das Judentum verband sich die Vorstellung des neuen Jerusalem notwendig mit dem Gedanken eines reichen und berühmten Tempels.“3046 Zur jüdischen Erwartung vgl. man Tobit 14,5; Jub 1,17; 28; ä Hen 90,28ff; 93,7; Test Lev 18,6; Test Benj 9,2; Or Sib II, 290.657; V, 422 und die Tempelrolle von Qumran.3047 Allerdings darf nicht übersehen werden, dass es auch auf jüdischer Seite zur Zeit des NT eine Tempelkritik gab3048 und dass frühe prophetische Hinweise existieren, wonach Gott selbst zum endzeitlichen Heiligtum werden kann (Ez 11,16; 37,26ff).3049 Aber nun steht der Satz Und ich sah keinen Tempel in ihr ja nicht isoliert. Er wird vielmehr von einem zweiten Satz ergänzt: denn der Herr, Gott, der Allmächtige (ὁ γὰρ κύριος ὁ θεὸς ὁ παντοκράτωρ [ho gar kyrios ho theos ho pantokrator]) ist ihr Tempel, und das Lamm (ναὸς αὐτῆς ἐστιν καὶ τὸ ἀρνίον [naos autes estin kai to arnion]). Das heißt, es gibt im neuen Jerusalem sehr wohl einen Tempel. Aber eben nicht in Gestalt eines Gebäudes, sondern in Gestalt einer Person. Genauer gesagt: in Gestalt des dreieinigen Gottes. Deshalb ist das Lamm = Jesus Christus zusammen mit Gott dem Vater (der Herr, Gott, der Allmächtige) erwähnt. Beide bilden im Heiligen Geist eine untrennbare Einheit. Wir haben oben schon auf die starken Züge einer Lammestheologie in Offb 21,9–22,5 hingewiesen (vgl. 21,9.14.22.23.27; 22,1.3). Zu der in der Offenbarung häufigen Dreifachbezeichnung Herr (κύριος [kyrios]) – Gott (θεός [theos]) – Allmächtiger (παντοκράτωρ [pantokrator]) vgl. Offb 1,8; 4,8; 15,3; 16,7; 19,6 und die Erläuterungen dort. Fazit: Der dreieinige Gott selbst ist der Tempel der neuen Schöpfung und erfüllt so alle Weissagungen der Heiligen Schrift. Auch die jüdischen Tempelerwartungen sind so „in
3045 Vgl. Hadorn S. 211; Roloff S. 206; Jörg Frey bei Hengel S. 392. 3046 Michel a.a.O. S. 894. Vgl. Giesen S. 469; Lohmeyer 3 S. 174; U.B. Müller S. 360; Roloff S. 206; Strack-Billerbeck S. 852; J. Ådna, Art. Tempel, GBL, 3, S. 1533ff. 3047 Vgl. Michel a.a.O.; Ådna a.a.O. S. 1540. 3048 Ådna a.a.O. S. 1539f. 3049 Vgl. dazu Maier Hes I S. 5.163f; II 2000, S. 215ff.
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einem neuen Sinn erfüllt“3050. Im „direkten Zugang“3051 zu Gott ist alles gewährleistet, was sich je auf vorläufige Weise im Tempeldienst spiegelte (vgl. Hebr 9,1–10,18). V. 23 zieht die Konsequenz aus der Präsenz Gottes noch in anderer Richtung: Das neue Jerusalem braucht keine geschöpfliche Lichtquelle mehr. Denn Gottes Glanz ist Licht genug für sie. Es lohnt sich wieder, genau hinzuhören: die Stadt (= das neue Jerusalem) benötigt weder die Sonne noch den Mond, dass sie ihr scheinen. Sonne und Mond sind also als Lichtquellen unnötig. Hier stellt die neue Schöpfung das Gegenteil der alten dar (vgl. Gen 1,14ff). Es verwirklicht sich zugleich, was die Prophetie Israels schon lange vorausgesagt hatte (Jes 60,1.19f; Ez 43,2ff).3052 Genau genommen wird aber nicht gesagt, dass es Sonne und Mond überhaupt nicht mehr gibt. Es wird nur festgestellt, dass sie als Lichtquellen überflüssig sind. Stellen wie Jes 24,23; 60,19f könnten darauf hindeuten, dass sie auch in der neuen Schöpfung in erneuter Form noch vorhanden sind, z.B. wegen ihrer Schönheit und zur Erinnerung an die Geschichte.3053 Denn die Herrlichkeit (δόξα [doxa]) Gottes erleuchtete sie: Hier wird V. 11 noch einmal bestätigt. δόξα [doxa] ist hier vor allem der nach außen strahlende Lichtglanz Gottes. Und ihre Leuchte (λύχνος [lychnos]) ist das Lamm: Leuchte, λύχνος [lychnos], bedeutet so viel wie „Lichtquelle“. Die Betonung, die zum wiederholten Male auf dem Lamm = Jesus Christus liegt (vgl. V. 9.14.22), fällt auf. Im Vordergrund steht die trinitarische Gotteserkenntnis. Aber es könnte auch mitschwingen, dass uns Johannes die eschatologische Erfüllung des Jesuswortes „Ich bin das Licht der Welt“ (Joh 8,12) zeigen will.3054 Die Bemerkungen der V. 22 und 23 unterstreichen noch einmal, dass das neue, himmlische Jerusalem mehr ist als eine Kopie des alten. Es ist wirklich etwas Neues, wunderbar und nach unsern üblichen Kategorien unvorstellbar. Der nächste Vers stellt die Ausleger vor große Herausforderungen: Und die Völker werden leben (περιπατήσουσιν [peripatesusin]) in ihrem Licht, und die Könige der Erde werden ihre Herrlichkeit (τὴν δόξαν αὐτῶν [ten doxan auton]) in sie bringen. Gibt es also außerhalb des neuen Jerusalem noch Völ3050 U.B. Müller a.a.O.; Giesen a.a.O. 3051 U.B. Müller a.a.O. 3052 Vgl. Giesen S. 470; U.B. Müller S. 361. Schlatter BFchTh verweist noch auf Ps 132,17 (S. 51). 3053 Anders Hartenstein S. 253: Sie sind „verschwunden“. Wie wir z.B. J.M. Hahn S. 665. 3054 Natürlich meint Offb 21,23 keine zwei Lichtquellen, sondern trinitarisch nur eine! Giesen S. 470; Hadorn S. 211.
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ker und Könige? Und in welchem Verhältnis stehen diese zur heiligen Stadt? Sind es Gerettete, aber noch Unvollendete, denen „Volljährigkeit und Vollkommenheit“ fehlt3055, die aber irgendwann diese Vollkommenheit erreichen?3056 Oder kommen hier die ewigen Schöpfungsgedanken Gottes mit den Völkern zur Vollendung?3057 Oder geht es um die neue „vielfach gegliederte … Menschengemeinschaft“3058? Oder ist hier von den „Nationen“ als „Israels Mitgenossen“ die Rede?3059 Oder müssen wir dies alles, wie es einst Vitringa wollte, „geistlich“ deuten, und zwar auf die endzeitliche Kirche?3060 Entscheidend ist zunächst die Beobachtung, dass V. 24 sich auf Jes 60,3ff; 66,18 und ähnliche Prophetien bezieht und deren Erfüllung verkündigt.3061 Eine ganze Menschheit vereinigt sich also in der Anbetung des dreieinigen Gottes. Die Völker werden leben in ihrem Licht heißt im Zusammenhang der V. 22 und 23, dass der Lichtglanz der unmittelbaren Präsenz Gottes im neuen Jerusalem auch den Völkern volles Licht und Leben gibt. περιπατεῖν [peripatein], sonst oft „umhergehen“ oder „gehen“, hebr. in der Regel auf הלך [halach] zurückgehend, hat hier den Sinn von „seinen Lebenswandel führen“, leben.3062 Es ist hier keine Rede davon, dass etwa die Bürger der Stadt dieses Licht zu den Völkern hinausbringen müssten oder, wie Hadorn schreibt, „durch die Mission der Kirche die Heiden … Heimatrecht“ fänden.3063 Nein, die Völker bestehen nach dem Zusammenhang aus erlösten Menschen. Insofern ist Giesen zuzustimmen: „Gemeint ist … (auch da) wieder die christliche Heilsgemeinde.“3064 Man kann also nicht mit Caird3065 die Einwohner des neuen Jerusalem auf die Märtyrer beschränken und dann im Wege eines Heilsuniversalismus alles Wertvolle der menschlichen Geschichte in Gestalt der Völker mit ihnen zusammen das Heil ererben lassen.3066 Offb 21,24 eignet sich auch nicht, um die „Wiederbringung aller Dinge“ zu begründen.3067 Vollends verkehrt ist es, die Völker von Offb 21,24 so auszulegen, dass hier auch 3055 3056 3057 3058 3059 3060 3061 3062 3063 3064 3065 3066 3067
So J.M. Hahn S. 666. So auch P. Müller S. 64. So Hartenstein S. 253. Römer S. 234; Hartenstein a.a.O. So Bengel S. 1029. Vitringa S. 904: „Agi in hoc Viso de statu Ecclesiae in his terris.“ Lohmeyer a.a.O.; Giesen a.a.O.; Roloff S. 207; schon Bengel S. 1028; Aune S. 1170. Vgl. H. Seesemann / G. Bertram, Art. πατέω usw., ThWNT, V, 1954, S. 940ff; BauerAland Sp. 1308f; NGÜ; Aune S. 1171. Hadorn S. 212. Giesen S. 471. Dagegen Hadorn S. 212. Caird S. 278f. Richtig Giesen a.a.O. Mit Recht Giesen a.a.O.
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die ungläubigen Menschen in der neuen Welt Gottes ihren Platz fänden.3068 Allerdings ist es andererseits zu wenig, wenn Roloff Offb 21,24 auf ein bloßes „Sinnbild des … Miteinanders der Menschen“ reduziert, und dies deshalb, weil es außerhalb des neuen Jerusalem = der Heilsgemeinde nichts mehr gebe.3069 Angesichts der begrenzten Maße der Stadt und angesichts der Verse Offb 21,1.8.10.24.26; 22,15 kann man keinesfalls behaupten, es würde außerhalb der Stadt nichts mehr geben. Dann aber legt sich eine Deutung nahe, die alle in der neuen Schöpfung lebenden Menschen als Erlöste, als mit ewigem Leben erfüllte Gemeinde Jesu begreift.3070 Die Erlösten aber müssen nicht in der Stadt bleiben, ihnen steht die gesamte neue Schöpfung, der neue Himmel und die neue Erde (V. 1), offen. Als Gemeinschaft bilden sie freilich die Stadt. Aber ihre Wohnstätte bleibt eben nicht auf die Stadt beschränkt. Die Tore sind ja offen! Wir müssen es akzeptieren, dass bei der Beschreibung einer neuen Welt die Gesichtspunkte wechseln und mehrere Dimensionen angesprochen werden können. Wir verstehen die Völker also als die erlöste Vielfalt der Menschen „aus allen Nationen und Stämmen und Völkern und Sprachen“ (Dan 7,14; Offb 5,9; 7,9). In den Völkern erkennen wir gleichzeitig eine gegliederte Vielfalt, einen wunderbaren Organismus der erlösten Gemeinde. Und schließlich finden hier die ursprünglichen und ewigen Schöpfungsgedanken Gottes ihren Ausdruck, mit denen er die Völker schuf und speziell begabte. Was bedeutet dann und die Könige der Erde werden ihre Herrlichkeit in sie bringen? Antwort: Auch das ist eine Erfüllung der Prophetie. Vgl. Jes 60,3: „… die Könige werden zum Glanz ziehen, der über dir aufgeht“, sowie Jes 60,11: „Deine Tore sollen stets offen stehen … dass ihre Könige herzugeführt werden“, und Jes 62,2: „… alle Könige sehen deine Herrlichkeit.“ Was immer die Könige der Erde an Gott wohlgefälligen Gaben besitzen (ihre Herrlichkeit), werden sie zur Gemeinschaft der Erlösten beitragen (werden sie in das neue Jerusalem bringen). Allerdings darf ein entscheidender Unterschied nicht übersehen werden: Bisher waren die Könige der Erde in der Offenbarung eine negative Größe (vgl. Offb 6,15; 16,12.14; 17,2.9.18; 18,3.9; 19,18.19). Jetzt aber bilden die Könige der Erde in V. 24 eine positive Größe: Sie gehören zu den Erlösten. Jetzt ist es ihre Freude, Gott und der erneuerten Menschheit zu dienen. Ein gewisses Geheimnis umgibt sie allerdings. Denn wen sollen wir uns als einen solchen König auf Erden konkret vorstellen? Es 3068 Ebenso mit Recht Giesen S. 470f. 3069 Roloff a.a.O. 3070 Ähnlich Schlatter S. 336. Nach Satake KEK S. 414 wandeln allerdings die Völker „in der Stadt“.
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gibt grundsätzlich zwei Möglichkeiten: 1) Entweder sind alle Erlösten gemeint, die durch das Blut Jesu „zu Königen und Priestern gemacht“ wurden (Offb 5,10; 1,6; 20,6; 1Petr 2,9). Dann besagt Offb 21,24, dass alle diese königlichen Erlösten ihre wunderbaren Gaben in die erneuerte Menschheit einbringen. 2) Oder es sind einzelne hervorragende Gestalten unter den Erlösten gemeint, ihre „herrlichsten und würdigsten“, wie Bengel sagt.3071 – Wir neigen der erstgenannten Deutungsmöglichkeit zu3072 und sehen demzufolge in den „Königen der (neuen) Erde“ alle Erlösten, die ja nach Gottes Heilsabsicht königlich-regierende und priesterlich-dienende Aufgaben in sich vereinigen. Die offenen Tore des neuen Jerusalem sind eine Voraussetzung für Gemeinschaft und Austausch in der gesamten neuen Schöpfung. Deshalb sagt V. 25 ausdrücklich: Und ihre Tore werden am Tage nicht verschlossen werden, denn dort wird keine Nacht mehr sein. Üblicherweise verschloss man die Tore der befestigten Orte für die Nacht (Jos 2,5)3073, und zwar bei Anbruch der Dunkelheit, also tatsächlich noch am Tage. Wenn es aber in der neuen Schöpfung keine Nacht mehr gibt, besteht weder eine Notwendigkeit noch ein Zeitpunkt für das Verschließen der Tore. Dass keine Nacht mehr sein wird, hängt damit zusammen, dass man Sonne und Mond nicht mehr als Lichtquellen benötigt (V. 23). Keine Nacht mehr: Das bedeutet auch, dass es nichts Finsteres, Bedrohliches, Feindseliges, Angstmachendes mehr gibt. Alles ist nur Leben und Licht!3074 Vielleicht sollten wir einen weiteren Punkt beachten: Im Alten Orient und auch in Israel definiert „der freie Ein- und Austritt aus dem Tor … das Bürgerrecht des Freien“3075. Die stets offenen Tore des neuen Jerusalem kennzeichnen also alle Bürger der neuen Schöpfung als freie, als erlöste Menschen! Sie alle, die Völker und die Könige, haben ja stets freien Zugang durch die Tore! So also erfüllen sich Jes 60,11: „Deine Tore sollen stets offen stehen und weder Tag noch Nacht zugeschlossen werden“, und Sach 14,7: „Es wird ein einziger Tag sein … es wird nicht Tag und Nacht sein.“3076 V. 26 mutet wie eine Wiederholung von V. 24 an. Allerdings ist jetzt die Perspektive umfassender: Und sie werden die Herrlichkeit (δόξαν [doxan]) 3071 3072 3073 3074
Bengel S. 1029. Hadorn a.a.O. hält dies für möglich. Ebenso Giesen S. 470f. E. Otto, Art. שַׁער ַ , ThWAT, VIII, 1995, Sp. 385. Eine Begrenzung des „dort“ auf die Stadt ergibt keinen Sinn, da die Stadt keinen solchen Exklusivstatus hat und „Nacht“ außerhalb der Stadt gerade das Verschließen der Tore nötig machen würde. Gegen Morris S. 254; Aune S. 1173; Bengel S. 1030. 3075 Otto a.a.O. 3076 Giesen S. 471; Aune S. 1172. Eine Glosse ist V. 25 nicht (gegen Aune S. 1173), weil der Vers ohne Schwanken und Varianten in der Überlieferung festsitzt.
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und die Kostbarkeiten (τιμήν [timen]) der Völker in sie bringen. Von den „Königen der Erde“ ist jetzt nicht mehr die Rede. Es geht jetzt allein um die Völker (τὰ ἔθνη [ta ethne]) der neuen Schöpfung, also um die Gesamtheit der Erlösten.3077 Sie bringen in sie = in das neue Jerusalem als Gemeinschaft der Erlösten und als Wohnung Gottes alle ihre Herrlichkeit. Das entspricht wieder Jes 60,11, aber auch dem messianischen Psalm 72,10ff. Herrlichkeit versteht man hier am besten wie in V. 24 als Gott wohlgefällige Gaben. Der zweite Begriff, τιμή [time], ist schwieriger zu deuten. Im Griechischen kann er 1) die „Ehre“, 2) den „Wert“, die „Kostbarkeit“ bezeichnen. Beides könnte in Offb 21,26 passen. Dementsprechend gehen die Übersetzungen auseinander.3078 Der hebräische Text von Jes 60,11 hat [ ֵחיל גּוֹי ִםchel gojim], die LXX δύναμιν ἐθνῶν [dynamin ethnon]. Von daher legt sich die Übersetzung „Ehre“ weniger nahe als Kostbarkeiten.3079 Allerdings muss unser Verständnis sowohl bei der Herrlichkeit als auch bei den Kostbarkeiten weit genug bleiben. Umfasst werden hier sowohl leibhaftige Gaben aus der neuen Stofflichkeit der ewigen Welt als auch geistige und geistliche Güter, die Gott gefallen (vgl. Röm 12,2). Noch einmal sei betont, dass V. 26 keine Demuts- oder Unterwerfungsprozessionen beschreibt, wie sie in der Alten Welt nach Jes 60 und Ps 72 und anderen Stellen stattfinden, sondern die von Herzen kommenden, aus der Gottesliebe in der ewigen Welt hervorgehenden Beiträge der Erlösten zum Leben in der neuen Schöpfung. Man darf die Äonen nicht miteinander verwechseln!3080 V. 27 bestätigt zum Schluss die bisherige Deutung: Und nichts Unreines wird in sie hineinkommen, und auch nicht, wer Gräuel und Lüge praktiziert, nur diejenigen, die im Buch des Lebens des Lammes geschrieben sind. Wir sind schon durch Offb 21,8 auf diesen Sachverhalt eingestimmt worden, und Offb 22,15 wird ihn erneut aufgreifen. Darüber hinaus hat die ganze Prophetie Israels deutlich vorausgesagt, dass im endzeitlichen Jerusalem nichts Unreines mehr sein wird (vgl. Jes 35,8; 52,1; 60,12.18.21; Ez 33,29; 44,9; Joel 4,17). Am einprägsamsten wird dies wohl in Jes 60,21 zusammengefasst: „Dein Volk sollen lauter Gerechte sein“ (ὁ λαός σου πᾶς δίκαιος [ho laos su pas dikaios]). 3077 Aune S. 1173 sieht dagegen immer noch die Könige der Erde als Subjekt von V. 26 an. 3078 Z.B. „Ehre“: Revidierte Elberfelder Bibel; BigS; Satake KEK S. 405; Lilje S. 238; Aune S. 1173; Giesen S. 461; z.B. „Kostbarkeiten“/„Reichtum“: Lutherbibel; NGÜ; Neue Jerusalemer Bibel; Einheitsübersetzung. 3079 So auch J. Schneider, Art. τιμή usw., ThWNT, VIII, 1969, S. 179; Ritt S. 112. 3080 Deshalb können wir hier Bengel nicht zustimmen, wenn er S. 1030 meint, nicht „alle Nationen“, sondern nur „der herrlichste und geschmückteste Auszug von denselben“ werde nach Offb 21,26 ins neue Jerusalem hineinkommen. Wie wir Schlatter S. 336.
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Doch sehen wir V. 27 genauer an. Es geht um diejenigen, die in sie (= das neue Jerusalem) hineinkommen, also freien Zugang durch ihre Tore haben, am Leben der Stadt teilnehmen und für Gott und die Gemeinschaft der Erlösten ihre Gaben bringen (vgl. V. 24-26). Ausgeschlossen davon ist alles Unreine (πᾶν κοινόν [pan koinon]). Friedrich Hauck umschreibt Offb 21,27 so: „Die hl Stadt wird frei von allem Profanen sein.“3081 Unrein, „profan“ ist alles, was nicht religiös rein ist3082, also der Reinheit und Gerechtigkeit der Braut des Lammes (Offb 19,8; 21,9) ermangelt. Schon an dieser Stelle scheitern alle Theorien, die über die erlösten Christen hinaus einen „Heilsraum für Menschen“ annehmen, die nicht zum Gottesvolk des Christus gehören oder gar ungläubig sind.3083 Ausgeschlossen ist ferner jeder, „der Gräuel praktiziert“ (ὁ ποιῶν βδέλυγμα [ho poion bdelyngma]). In Offb 17,5 wird die Hure Babylon als „Mutter der Gräuel der Erde“ bezeichnet. Vgl. die Erklärung dort. Sagen wir es kurz: Wer babylonisches Wesen an sich trägt und nicht durch Christus ganz erneuert ist, hat im neuen Jerusalem nichts zu suchen.3084 Drittens wird genannt, wer Lüge praktiziert (ὁ ποιῶν ψεῦδος [ho poion pseudos]). ψεῦδος [pseudos], Lüge, kann in der Offenbarung geradezu als Zusammenfassung aller Sünden dienen (Offb 14,5; 22,15).3085 In dieser weiten Bedeutung ist es vermutlich auch hier aufzufassen. Noch einmal wird klar: Wer nicht durch Jesu Blut ganz gereinigt und erlöst, wer nicht durch Christus völlig erneuert und wer nicht frei von allen Sünden ist, kann in das neue Jerusalem = die neue Schöpfung nicht hineinkommen. Folglich sind auch die Völker und die Könige der V. 24-26 nur solche Menschen, die ganz erlöst und gereinigt sind, nicht aber „Zwischenstufen“ auf dem Weg der Erlösung oder gar christuslose Menschen. Die neue Welt ist vollkommen frei von Sünde! Was mit denen geschieht, die Gräuel und Lüge praktizieren, wird allerdings im Unterschied zu Offb 21,8 und 22,15 in Offb 21,27 nicht gesagt. Augustin fand für diese neue Welt die schönen Worte: „… ihre gottverliehene Herrlichkeit wird so groß und neu aufleuchten, dass keine Spuren des alten Wesens zurückbleiben.“3086 Die positive Seite der Einlassordnung in das neue Jerusalem beschreibt die zweite Hälfte von V. 27: nur diejenigen kommen hinein, die im Buch des Im Art. κοινός usw., ThWNT, III, 1938, S. 797. Hauck a.a.O. Gegen Caird S. 279f. Vgl. Giesen S. 470f. Giesen S. 472 deutet Gräuel auf Götzendienst. Vgl. H. Conzelmann, Art. ψεῦδος usw., ThWNT, IX, 1973, S. 599; Giesen a.a.O.; Satake KEK S. 415. 3086 DCD XX, 17. 3081 3082 3083 3084 3085
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Lebens des Lammes geschrieben sind. Das heißt: die durch Jesus Christus Erlösten, die seine Erlösung im Glauben angenommen haben.3087 Auch hier bleibt kein Platz für eine „Weltversöhnung“ im Sinne eines von Christus unabhängigen Heilsuniversalismus oder irgendwelche Zwischenstufen.3088 Völker und Könige müssen also im Sinne von Offb 3,5; 5,9; 7,9 interpretiert werden. Schon Jes 4,3 hat diese Einlass-Ordnung für das neue Jerusalem angekündigt. Natürlich hat Offb 21,27 auch eine paränetische Absicht:3089 Die verfolgten und bedrückten Christen werden aufgerufen, „bis ans Ende zu beharren“ (Mt 24,13). Erneut fällt die Nennung des Lammes auf. Aber es geht ja um die zentrale Wahrheit, dass wir nur durch das Blut des Lammes in die neue Schöpfung gelangen können (Offb 1,5f; 3,5; 5,9f; 7,9.14; 12,11; 14,4; 20,15; 1Petr 1,18f).
Zusammenfassung 1. Offb 21,9-27 zeigt uns die Herrlichkeit der neuen Schöpfung. Dabei steht das neue Jerusalem im Mittelpunkt. Wie Schick mit Recht bemerkt, ist diese letzte Schilderung der Offenbarung „die am breiteste ausgeführte des ganzen Buches“3090. 2. Diese relative Breite der Schilderung darf aber nicht zu weitergehenden Spekulationen verführen. Manche Details bleiben doch sehr knapp (z.B. V. 16-17). 3. Die Auslegung ist gut beraten, wenn sie sowohl die Dimension des Leibhaft-Realen als auch des Geistlich-Symbolischen im Auge behält. 4. Gegen Zahn S. 611ff kann man eindeutig sagen, dass es sich in Offb 21,9-27 nicht um das Millennium handelt, sondern um die ewige neue Schöpfung Gottes. Denn die Kapitel Offb 21–22 stehen unter der Überschrift „Neuer Himmel und neue Erde“ (21,1). 5. Von Offb 21,9-27 her kann man ebenso eindeutig sagen, dass sich für Johannes Ez 40–48 bisher noch nicht erfüllt hat, sondern erst in der neuen Schöpfung erfüllen wird. 6. Nicht folgen können wir solchen Auslegungen, die statt der neuen Schöpfung die Kirche als Subjekt von Offb 21,9-27 betrachten, der jetzt alle
3087 Giesen S. 472f; U.B. Müller S. 362. 3088 Giesen a.a.O.; U.B. Müller a.a.O.; Roloff S. 207; Mounce S. 385; Holtz NTD S. 140. Zwischenstufen gibt es allerdings bei J.M. Hahn S. 667. 3089 U.B. Müller a.a.O.; Giesen S. 472. 3090 Schick S. 226.
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Völker und Könige dienen, z.B. Coccejus3091, Spener3092 oder Vitringa3093. Auch starke Allegorisierungen können uns nicht überzeugen, wie z.B. die Deutung der zwölf Grundsteine von Offb 21,14 auf „die zwölf verschiedenen Gemüthseigenschaften der Gesandten des Herrn“3094. 7. Kritisch sind ferner Urteile, die die Aussagen über die Herrlichkeit des neuen Jerusalem aufgrund einer modernen Armenideologie infrage stellen. So bemerkte z.B. Satake bei Offb 21,21, man müsse „fragen, ob das Bild einer Stadt, die allein aus kostbaren Materialien besteht, theologisch ohne weiteres annehmbar ist“3095. 8. Als ein Hauptpunkt der Deutung erwies sich die Frage, ob die Völker und Könige von V. 24-26 im alttestamentlichen Sinne als „Heiden“, „gentiles“ o. Ä. aufzufassen sind oder als vollwertige Mitglieder der Gemeinschaft der Erlösten.3096 Fasst man sie im alttestamentlichen Sinne auf, dann öffnet sich die Tür zur Annahme von allerhand Zwischenstufen zwischen gerade noch Geretteten an den Rändern der neuen Schöpfung und den voll und ganz Erlösten. Oder es scheint sich sogar Platz zu bieten für eine „Weltversöhnung“, oder eine „eschatologische Befreiung“ aus dem Feuersee. Mit Giesen, Holtz, Mounce, U.B. Müller, Roloff u.a.3097 muss man demgegenüber daran festhalten, dass auch die Völker und Könige erlöste Christen bezeichnen (vgl. Offb 3,5; 5,9; 7,9), also Erlöste im umfassenden Sinn der neuen Schöpfung. 9. Offensichtlich ist das Lamm in Offb 21,9-27 betont. Das unterstreicht den trinitarischen Charakter der Offenbarung. Das unterstreicht aber auch die durchgängige Aussage der Offenbarung, dass ewiges Heil und Leben nur durch Jesus Christus geschenkt werden.
3091 3092 3093 3094 3095 3096 3097
Vgl. Maier Offb S. 328, 331. A.a.O. S. 339, 362. Vitringa S. 904. So J.M. Hahn S. 661. Satake KEK S. 412 nach Wengst. Vgl. wieder die Diskussion bei Mounce S. 384f. Giesen S. 470ff; U.B. Müller S. 362; Holtz NTD S. 140; Mounce S. 385; Roloff S. 207; Ritt S. 112; Lohse S. 111.
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12.3 Das Leben in der neuen Schöpfung, 22,1-5 In der Regel fassen die Ausleger Offb 22,1-5 als eigenen Unterabschnitt auf, Ritt z.B. unter der Überschrift „Ort des unerschöpflichen göttlichen Lebens“.3098 Dem schließen wir uns an.3099 Dass Offb 22,1 tatsächlich einen Neueinsatz darstellt, geht aus den einleitenden Worten Und er zeigte mir hervor (vgl. 21,9). Gemeint ist wohl derselbe Engel wie in 21,9 und 21,15. Gezeigt wird jetzt ein Teil der neuen Schöpfung und das Leben in ihr, so wie vorher das neue Jerusalem gezeigt wurde. Es handelt sich um einen Strom lebendigen Wassers (oder: Wassers des Lebens, ποταμὸν ὕδατος ζωῆς [potamon hydatos zoes]), … der ausgeht vom Thron Gottes und des Lammes. Mit diesem Strom lebendigen Wassers wird eine ganze Fülle prophetischer und geschichtlicher Dimensionen im AT angeschnitten. Das beginnt mit der elementaren und immer wieder erinnerten Tatsache, dass Gott während der Wüstenwanderung lebendiges Wasser aus dem Felsen fließen ließ (Jes 48,21; Ex 17,6; Dtn 8,15; 1Kor 10,4). Lebendiges Wasser ist von da an feststehende Metapher für das Leben, vor allem das Leben aus Gott. Von da aus werden „Bäche“ oder Ströme des Wassers zum Bild für die Heilsgaben Gottes, speziell seinen Geist und sein Wort (vgl. Jes 44,3ff; 12,3; 32,15; 35,6; 43,20; Spr 18,4). Noch die frühjüdischen Rabbinen verglichen die Worte der Weisheit oder der Gelehrten mit Wasser (Sir 15,3; 24,29.34ff, P. Abot I, 11).3100 Auf diesem Hintergrund hat Jesus sein berühmtes Wort formuliert, dass vom Leib des Glaubenden „Ströme lebendigen Wassers (ποταμοὶ … ὕδατος ζῶντος [potamoi … hydatos zontos]) fließen werden“ (Joh 7,38). Wieder wird hier das lebendige Wasser auf den Geist gedeutet (Joh 7,39).3101 Noch näher an Offb 22,1 heran führt uns die alttestamentliche Prophetie von der endzeitlichen Tempelquelle. Sie begegnet uns bei Joel (4,18; vermutlich 8. Jh. v.Chr.). Vor allem Ez 47,1ff steht in engster Verbindung mit Offb 22,1ff, wie die Einzelauslegung zeigen wird.3102 Nun berührt sich allerdings der Lebensstrom von Offb 22,1 auch mit dem Paradiesesstrom von Gen 3098 Ritt S. 113; Schick S. 226: „das neue Paradies“. 3099 Eine Ausnahme bildet Zahn, der 21,9–22,7 zusammenfasst (S. 608ff), sowie ElwellYarbrough, die S. 377f Offb 21,1–22,6 zusammenordnen. 3100 Vgl. L. Goppelt, Art. ὕδωρ, ThWNT, VIII, 1969, S. 321. 3101 Vgl. Goppelt a.a.O. S. 326; K.H. Rengstorf, Art. ποταμός usw., ThWNT, 1959, S. 606f. 3102 Vgl. Berger S. 578; Schlatter BFchTh S. 102.
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2,10ff (LXX: ποταμὸς δὲ ἐκπορεύεται ἐξ Εδεμ [potamos de ekporeuetai ex Edem]). K.H. Rengstorf konnte sagen, Offb 22,1 fasse „gewissermaßen den Paradiesesstrom des Anfangs (Gen 2,10ff) und den eschatologischen Tempelquellstrom Ezechiels (47,1ff …) in sich zusammen.“3103 Sehen wir nun die Einzelheiten an: Der Strom lebendigen Wassers …, der ausgeht erinnert sofort an Sach 14,8 (LXX: ἐξελεύσεται ὕδωρ ζῶν ἐξ Ιερουσαλημ [exeleusetai hydor zon ex Ierusalem]) und Ez 47,1 (ὕδωρ ἐξεπορεύετο [hydor exeporeueto]) sowie Joel 4,18 (πηγὴ ἐξ οἴκου κυρίου ἐξελεύσεται [pege ex oiku kyriu exeleusetai]). Allerdings hat der Strom in Offb 22,1 seinen Ursprung am Thron Gottes und des Lammes (ἐκπορευόμενον ἐκ τοῦ θρόνου τοῦ θεοῦ καὶ τοῦ ἀρνίου [ekporeuomenon ek tu thronu tu theu kai tu arniu]). In Ez 47,1 dagegen ist er „unter der Schwelle des Tempels nach Osten zu“, in Sach 14,8 in „Jerusalem“, in Joel 4,18 im „Haus Jahwes“. Das ist aber deshalb kein Widerspruch, weil Offb 21,22 vom neuen Jerusalem ausdrücklich sagt: „Gott ist ihr Tempel und das Lamm.“ Folglich kommt auch der Strom von Offb 22,1 vom (geistlichen und persönlichen) Tempel. Man vergleiche noch Ps 46,5. Zum Begriff Lebenswasserstrom merkte K.H. Rengstorf an, dass diese Begrifflichkeit nur hier und in Joh 7,38 vorkomme. Wir sind damit im Bereich johanneischer Sprache.3104 „Genaue religionsgeschichtliche Par fehlen.“3105 Klar wie Kristall (λαμπρὸν ὡς κρύσταλλον [lampron hos krystallon]) heißt, dass sich in diesem Strom keinerlei Verunreinigungen finden.3106 Zugleich wird die Brücke zum kristallglänzenden Jaspis von Offb 21,11 geschlagen. Der Strom und das neue Jerusalem spiegeln also dieselbe Herrlichkeit Gottes (vgl. noch Offb 4,6). Fazit: Vom Thron Gottes und des Lammes geht in Erfüllung der alttestamentlichen Prophetie eine Fülle des ewigen Lebens aus, unermesslich und unaufhörlich, und vor allem konkretisiert im Geist und Wort Gottes.3107 Hier in Offb 22,1 erfüllen sich auch Offb 7,1; 21,6 und 22,17.3108 An der trinitarischen Throngemeinschaft von Vater und Jesus Christus besteht keinerlei Zweifel. V. 2 setzt die Beschreibung des Stromes fort. Aber der genaue Wortlaut macht Schwierigkeiten. Die Verhältnisse seien „nur in undeutlichen Worten 3103 3104 3105 3106 3107 3108
Rengstorf a.a.O. S. 605. Vgl. Ritt S. 113. Schon Bengel S. 1032. Jörg Frey bei Hengel S. 395f. Rengstorf a.a.O. Bengel S. 1032. Vgl. Ritt a.a.O.; Schlatter S. 337. Goppelt a.a.O. S. 325.
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beschrieben“, sagt Lohse.3109 Heißt ἐν μέσῳ τῆς πλατείας αὐτῆς καὶ τοῦ ποταμοῦ [en meso tes plateias autes kai tu potamu] „mitten auf ihrer Straße und mitten im Strom“?3110 Aber wie soll man sich das denken? Als eine „Allee“?3111 Verläuft diese Allee dann zwischen Straße und Strom?3112 Aber Ez 47,12 rechnet mit Bäumen auf beiden Ufern des Stromes. Oder müssen wir den leitenden Gedanken nach Gen 2,9 (LXX: ἐν μέσῳ τῷ παραδείσῳ [en meso to paradeiso]) bestimmen, sodass inmitten bzw. „in der Mitte“ die Lage im Zentrum aussagt?3113 Ehrlicherweise muss man gestehen, dass die Details auf der realen Seite von Offb 22,2 für uns nicht mehr oder noch nicht erkennbar sind.3114 Es empfiehlt sich, von dem Bild in Ez 47,12 auszugehen, also von Bäumen auf beiden Ufern des Stromes. Dann behalten auch die Worte auf beiden Seiten3115 ihren klaren Sinn. Die Bäume sollen ja auch „gepflanzt sein an den Wasserbächen“ (Ps 1,3; Jer 17,8). ξύλον [xylon] haben wir hier entsprechend dem [ ֵעץez] in Ez 47,12 mit Bäume übersetzt.3116 Allerdings ist in ַ [ ֵעץ־ez-maachal])“ die Rede. Ez 47,12 nur von „fruchtbaren Bäumen (מֲאָכל Jetzt aber lesen wir in Offb 22,2 von Bäumen des Lebens (ξύλον ζωῆς [xylon zoes]). ξύλον τῆς ζωῆς [xylon tes zoes] begegnet uns in der LXX in Gen 2,9; 3,22.24; Jes 65,22.3117 Von daher ist es klar, dass Off 22,2 auf den „Baum des Lebens“ im Paradies zurückverweist.3118 Ähnlich spricht auch Offb 2,7 vom „Baum des Lebens, der im Paradies Gottes ist“.3119 Fazit: In den Bäumen von Offb 22,2 haben wir sowohl die Bäume von Ez 47,12 vor uns, die geistliche Speise bringen, als auch den Baum des Lebens, der den Erlösten ewiges Leben spendet (Gen 3,22).3120 Zugleich erfüllen sich die Segenssprüche über die Gerechten in Ps 1,3; 36,9f und Jer 17,7f. Die zweite Hälfte von Offb 22,2 bestätigt zunächst unsere bisherige Deutung im Anschluss an Ez 47,12. Denn es sind „Bäume, die jeden Monat ihre Frucht bringen“ (Offb 22,2 wie Ez 47,12). Anders formuliert: sie bringen 3109 3110 3111 3112 3113 3114 3115 3116 3117 3118 3119 3120
Lohse S. 111. Vgl. Behm S. 112; Satake KEK S. 416. So offensichtlich Bauer-Aland Sp. 1028. So Ritt S. 113. So Ritt a.a.O. An eine „Insel“ denkt Hadorn S. 214. In diese Richtung geht Ritt S. 113; Lohse S. 111; auch Bengel S. 1033; Satake KEK S. 416; J.M. Hahn S. 679. Caird dachte an Kanäle, die jede Straße Jerusalems begleiten (S. 280). Ritt a.a.O.: „hüben und drüben“. Ebenso Bauer-Aland Sp. 1113; Joh. Schneider, Art. ξύλον, ThWNT, V, 1954, S. 40. Vgl. Schneider a.a.O. S. 37. Das geschieht wohl auch bei den „Bäumen des Lebens“ (חי ִים ַ [ ֲעֵציaze chajim]) in 1QH VIII, 5ff. Mit „Baum des Lebens“ übersetzt z.B. in Offb 22,2 Hadorn S. 214. Vgl. nach Ez 31,8f LXX und Schneider a.a.O. Ebenso Schneider a.a.O. S. 40.
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zwölfmal Früchte. Das δώδεκα [dodeka] verstehen wir wie Lohmeyer und Blass-Debrunner als zwölfmal.3121 Da in der Ewigkeit die alte irdische Zeitrechnung vergangen ist, muss die Zwölf als symbolische Zahl der Fülle und der Vollendung des Heilsplanes Gottes verstanden werden. Aber was heißt nun: und die Blätter der Bäume dienen zur Heilung der Völker? Zunächst enthält Ez 47,12 wieder eine ähnliche Aussage, nämlich dass „ihre Blätter zur Arznei (LXX: εἰς ὑγίειαν [eis hygieian]) dienen“. Schon dort ist die Überwindung von Krankheit und Tod prophezeit. θεραπεία [therapeia] muss im Zusammenhang von Offb 22,2 als Heilung verstanden werden.3122 H.B. Beyer übersetzt: zur „Genesung für die Völker“3123. Allein damit wird das Missverständnis genährt, als ob die Völker erst in der Neuschöpfung allmählich geheilt werden müssten.3124 So aber ist es nicht. Wie oben dargelegt, können nur erlöste Menschen und erlöste Völker in der neuen Schöpfung leben. Man darf hier nicht zurückfallen in die alttestamentlichen, speziellen Weissagungen von einer Völkerwallfahrt nach Jerusalem (Jes 2,2ff; Jer 3,17f; Mi 4,2; Sach 14,16ff), die sich sehr wahrscheinlich im Tausendjährigen Reich ereignen wird. Dann aber besagt das Bild von den Blättern der Bäume, dass die Menschen (Völker) in der neuen Schöpfung von ewig heilenden Kräften erfüllt sind und dass sie nichts Schädliches, nichts Krankmachendes, nichts Schwächendes mehr befallen wird.3125 Neben die Früchte = die ewige geistliche Speise treten also die Blätter der Bäume = das ewige Leben in umfassender Heilungskraft. Oft vergleicht man die Verhältnisse von Offb 22,2 mit dem Paradies von Gen 2, was ja durch das Thema von den Bäumen des Lebens nahegelegt wird, und spricht dann vom „Paradies der Endzeit“3126. Hier muss man jedoch zurückhaltend bleiben. Einerseits sind die Verhältnisse in der neuen Schöpfung wirklich paradiesisch. Andererseits wird das Paradies von Gen 2 durch 3121 Blass-Debrunner § 248,4. Aune S. 1178 deutet auf „zwölf verschiedene Arten von Früchten“. 3122 Vgl. H.W. Beyer, Art. θεραπεία usw., ThWNT, III, 1938, S. 132. 3123 A.a.O. Ebenso Joh. Schneider a.a.O. 3124 Von Gewicht ist hier das Beispiel Bengels, der die „Genesung der Nationen“ auf die Heiden bezieht, „die das Evangelium nicht vernommen haben“ (S. 1034). Ferner J.M. Hahn, dem zufolge „diejenigen auf der neuen Erde zur völligen Genesung kommen sollen, die mit einem schwachgeistlichen Leben aus dieser Welt geschieden sind“ (S. 672). Vgl. auch Grünzweig II S. 282; Hadorn S. 214. 3125 Ähnlich Ritt a.a.O.: „das universale Heil der Endzeit“; und Lohse S. 111: „weder Krankheit noch Leid noch Tod“. Ebenso Schlatter S. 337f; Satake KEK S. 417; Aune S. 1178; Hartenstein S. 255; Römer S. 235. Giesen S. 475 deutet jedoch Heilung = Bekehrung. 3126 Joh. Schneider a.a.O. Ähnlich Lilje S. 243: „Das Paradies ist wieder da.“ Vgl. Hadorns Überschrift S. 213: „das wiedergefundene Paradies“.
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Offb 22 weit übertroffen. Denn die Menschen in der neuen Schöpfung haben im Unterschied zum einstigen Paradies a) den Zugang zum Baum (bzw. zu den Bäumen) des Lebens, b) das ewige Leben, c) die Freiheit vom Versucher. Ein tiefer Gedanke wird hier durch die christliche Kunst zum Ausdruck gebracht. Sie verbindet nämlich seit dem 2. Jh. n.Chr. die Motive von Lebensbaum und Kreuz und macht dadurch sichtbar, dass das Holz (ξύλον [xylon]) des Kreuzes Jesu das ewige Leben ermöglicht, von dem in Offb 22,2 die Rede ist.3127 Die V. 1 und 2 handelten von den Lebensgrundlagen der neuen Schöpfung. Nun aber wird ab V. 3 das Leben in der neuen Schöpfung genauer dargestellt. Es beginnt mit dem befreienden Satz in V. 3: Und keinerlei Verfluchtes wird es mehr geben. Das ist einerseits eine Anknüpfung an Sach 14,11 (LXX: οὐκ ἔσται ἀνάθεμα ἔτι [uk estai anathema eti]) und andererseits eine erneute Bezugnahme auf die Paradiesesgeschichte.3128 Zweimal taucht ja beim Sündenfall das Urteil verflucht (ἐπικατάρατος [epikataratos], Gen 3,14.17) auf, bevor die Engel den Garten Eden verschließen. Jetzt aber ist das neue, ewige Eden nicht mehr verschlossen. Jetzt gibt es in Gottes neuer Schöpfung nichts Verfluchtes3129 mehr, weil es keine Sünde mehr gibt. Es bleibt aber bewegend, von Offb 22,3 zu Gal 3,13 hinüberzublicken, wo es heißt: „Christus wurde zum Fluch (κατάρα [katara]) für uns, denn … verflucht (ἐπικατάρατος [epikataratos]) ist jeder, der am Holz (ξύλον [xylon] wie Offb 22,2!) hängt.“ Weil Christus für uns den Fluch der Sünde trug, sind wir frei und ist jeder Fluch in der neuen Schöpfung aufgehoben. Im AT vgl. noch Jos 7,10-15. Der zweite Satz von V. 3 lautet: Und der Thron Gottes und des Lammes wird in ihr sein. In ihr: Das ist die heilige Stadt Jerusalem. Dass der Thron Gottes dort ist, ergab sich schon aus 21,22 und 22,1. Jedes Mal wird zu Gott (dem Vater) hinzugefügt: „und das Lamm“ bzw. und des Lammes. Die Betonung der Trinität setzt sich also fort. Zugleich wird das Erlösungswerk Jesu, des Lammes „wie geschlachtet“ (vgl. Offb 5,6 usw.), unterstrichen. Es bewährt sich jetzt, dass wir seit Offb 3,21 daran festgehalten haben, dass das Lamm auf dem Thron des Vaters sitzt und dass es in der Offb nur „einen“ göttlichen Thron gibt.3130
3127 3128 3129 3130
Vgl. Joh. Schneider a.a.O. und vor allem die Mosaiken von S. Clemente in Rom. Vgl. Hemer S. 44. κατάθεμα [katathema], ein Hapaxlegomenon im NT. Vgl. Jörg Frey bei Hengel S. 403. Aune S. 1179 betrachtet „und des Lammes“ als Glosse.
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Schließlich lesen wir in V. 3 einen dritten Satz, der für das Leben in der neuen Schöpfung fundamentale Bedeutung hat: Und seine Knechte werden ihm dienen (καὶ οἱ δοῦλοι αὐτοῦ λατρεύσουσιν αὐτῷ [kai hoi duloi autu latreususin auto]). Es wäre eine verfehlte Frage, wenn man nachforschen wollte, ob sich das ihm (αὐτῷ [auto]) auf Gott oder das Lamm bezieht. Johannes und dem ihn leitenden Engel kommt es gerade darauf an, das Einssein des dreieinigen Gottes aufzuzeigen. Ihm bezieht sich also auf beide gleichzeitig, ebenso die Wendung seine Knechte (οἱ δοῦλοι αὐτοῦ [hoi duloi autu]).3131 Dienen, λατρεύειν [latreuein], zurückgehend auf hebr. [ עבדawad]3132, ist ein Wort mit weitgespannter Bedeutung. In der LXX wird von λατρεύειν [latreuein] vor allem dann gesprochen, wenn es um eine religiöse Beziehung geht.3133 Für das NT sagt Hermann Strathmann sogar: „Das mit λατρεύειν bezeichnete Dienen gilt immer Gott.“3134 Von daher ist auch für Offb 22,3 (und 7,15!) klar, dass es nicht um eine Art Sklavendienst geht, sondern um Verehrung und Hingabe. Strathmann sieht im λατρεύειν [latreuein] (dienen) von Offb 22,3 vor allem den „Sinn von Anbetung“3135. Das dürfte nun angesichts der Wortgeschichte allerdings zu eng sein. Zu beachten ist, dass im Hebräischen der Stamm [ עבדawad] zweimal in Offb 22,3 auftaucht: als [ ֲעָבִדיםawadim] (Knechte) und als Verb [ ָעַבדawad] (dienen). Geht man vom Hebräischen aus, dann umschließt der Begriff [ ֶעֶבדewed] = Knecht die Propheten Gottes (z.B. Jer 7,25; Dan 9,6; Sach 1,6)3136 und berühmte Namen wie Abraham, Isaak, Jakob, Mose, Kaleb, Josua, David, Eljakim, Hiob, Hiskia und Serubbabel – sie alle waren „Knecht Jahwes“.3137 Ja, sogar der Messias wird in Jes 41–53 prononciert als „Knecht Gottes“ bezeichnet.3138 Kehrt man von da aus zu Offb 22,3 zurück, so sind die Knechte der Offenbarung also zur selben Stellung erhoben wie einst Abraham, David und Mose und die Propheten des Herrn. Sie rücken sogar an die Seite des speziellen „Knechtes Gottes“, nämlich Jesus. Es erfüllt sich tatsächlich, was Jesus einst voraussagte (Mt 28,10; vgl. Hebr 2,11ff; Joh 20,17), dass wir seine „Brüder“ sein werden. Welche Auszeichnungen enthält Offb 22,3!
3131 3132 3133 3134 3135 3136 3137 3138
Satake KEK S. 418; Holtz NTD S. 141. H. Strathmann, Art. λατρεύω usw., ThWNT, IV, 1942, S. 59. Strathmann a.a.O. A.a.O. S. 62. A.a.O. S. 63. Vgl. H. Ringgren im Art. ָעַבד, ThWAT, V, 1986, Sp. 1002f. Ringgren a.a.O. Sp. 1001. H. Simian-Yofre, a.a.O., Sp. 1003ff (kritisch).
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Das Ganze gewinnt noch an Anschaulichkeit, wenn man das hebräische ָעַבד [awad], dienen, betrachtet. Helmer Ringgren hat hier folgende Elemente herausgearbeitet: „die alleinige und treue Verehrung“ Gottes (nach Riesener); das Halten seiner Gebote, das Hören auf seine Stimme; die Verbindung von Dienst und Liebe Gottes.3139 Überträgt man dies auf Offb 22,3, dann darf man annehmen, dass dienen in der neuen Schöpfung Anbetung, Dank und Lobpreis Gottes bedeutet, sodann ein Leben ganz in Übereinstimmung mit dem Willen Gottes, ein stetes Hören auf ihn, der gerade in der neuen Schöpfung seine herrlichen Gedanken kontinuierlich den Erlösten offenbart, und das Erfülltsein mit der Liebe zu Gott. Das alles geschieht, indem die Erlösten ihre Aufgaben in der neuen Schöpfung wahrnehmen3140: ein Bauen und Bewahren analog Gen 2,15; ein förderndes und segnendes Regieren über die Tiere analog Gen 1,26; Aufgaben in und für die Gemeinschaft der Erlösten entsprechend den Worten Jesu in Lk 19,17ff. Vieles verbirgt sich unserm kleinmütigen und engen irdischen Horizont. Weil das Hören auf Gott (s. oben) aber immer auch ein Wachsen in der Gottes- und Schöpfungserkenntnis bedeutet, kann man nicht ausschließen, dass es in der neuen Schöpfung so etwas wie Lernen und Wachsen gibt. Augustin fasste das Leben in der neuen Schöpfung einst in die wundervollen Worte: „Wir werden ohne Ende schauen, ohne Überdruss und Müdigkeit lieben und loben.“3141 Und doch sagt er fast zu wenig, wenn er hier das dienen nicht erwähnt. Dennoch erinnert er uns an eine weitere Dimension des Dienens, wenn er fortfährt: „Daß es jedoch Stufen geben wird, ist nicht zweifelhaft.“3142 In der Tat ergeben sich solche Stufen aus Lk 12,47f; 19,17ff; 1Kor 3,12ff; 2Kor 5,10; Offb 14,13. In der neuen Schöpfung werden die Aufgaben verschieden sein, und jeder wird seine besondere Aufgabe haben. Aber die Verschiedenheit und die Stufen werden nicht zu Neid und zu Rivalität, sondern zu mehr Liebe untereinander führen. Das Leben in der neuen Schöpfung wird weiter in V. 4 beschrieben: und sie (= seine Knechte) werden sein3143 Angesicht sehen. Mit ὄψονται [opsontai] setzen sich die Futur-Formen fort, die in V. 3 (ἔσται [estai]) begannen. Man darf aber aus dem Wechsel vom Präsens in V. 1f zum Futur in V. 3-5 nicht schließen, dass Johannes die Zustände in V. 1-2 von denen in V. 3-5 zeitlich 3139 Ringgren a.a.O. Sp. 993. U.B. Müller S. 363 sieht das Dienen als Erfüllung von Dtn 10,12. 3140 Vgl. Grünzweig II S. 284. 3141 DCD XXII, 30. 3142 A.a.O. 3143 „Sein“ bezieht sich wieder auf Gott und das Lamm. Giesen S. 476.
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unterscheiden wollte. Vielmehr handelt es sich um ein einheitliches, der Zukunft angehörendes Bild, das der Engel von V. 1 zeigt.3144 Das Sehen des Angesichts Gottes übersteigt erneut unsere Vorstellungskraft. Der Thron Gottes und des Lammes (V. 3) wird also nicht in einem verhüllten Schrein stehen, auch nicht in einem unzugänglichen Allerheiligsten (vgl. Lev 16,2ff). Es wird vielmehr zu einer „unmittelbaren Gemeinschaft mit Gott“ kommen.3145 Es ist der dreieinige Gott, denn die Worte sein Angesicht (τὸ πρόσωπον αὐτοῦ [to prosopon autu]) beziehen sich wie seine Knechte gleichzeitig auf Gott und das Lamm. Letztere bilden ja die immer wieder in Offb 21,9–22,5 betonte trinitarische Einheit.3146 Uns Menschen ist es seit dem Sündenfall unmöglich, das Angesicht Gottes zu sehen (Ex 33,20; Jes 6,5; Joh 1,18; 1Tim 6,16). Aber es gehört zu den unbegreiflichen Wundern der neuen Schöpfung, dass wir „ihn sehen, wie er ist (ὀψόμεθα αὐτὸν καθώς ἐστιν [opsometha auton kathos estin])“, 1Joh 3,2. So hat es Jesus in Mt 5,8 verheißen (τὸν θεὸν ὄψονται [ton theon opsontai]). So war es die Sehnsucht der Beter in den Psalmen (11,7; 17,15; 24,3ff; 42,3). Was dies bedeutet, können wir anhand der Paradiesesgeschichte von Gen 3 nur erahnen, wo Adam sich dann „vor dem Angesicht Gottes des HERRN unter den Bäumen im Garten“ verstecken musste (Gen 3,8). Jetzt ist in der neuen Schöpfung alles umgekehrt: die Bäume nicht mehr zum Versteck, sondern zum Leben im Licht, das Angesicht Gottes gesucht und geliebt. Moderne Autoren wie H. Giesen und U.B. Müller legen Wert darauf, dass in Offb 22,4 „die Geretteten ihr Angesicht nicht vor (dem zornigen) Gott verbergen“ müssten.3147 Das ist richtig. Aber der volle Inhalt der Aussage ist damit noch nicht erfasst. Denn es geht gleichzeitig um die Hinwendung zu Gott in Liebe und Hingabe und die Leitung der Erlösten durch die „Augen“ Gottes (vgl. Ps 32,8). Noch einmal sei an die Geschichte der Sehnsucht erinnert, Gott zu sehen: von Mose (Ex 33,18) über Hiob (42,5), Amos (9,1), Hesekiel (Kap. 1 und 10) zu Augustin (DCD XXII, 30) und zu Tersteegen. Letzterer schrieb vor 300 Jahren: „Majestätisch Wesen, möcht ich recht dich preisen und im Geist dir Dienst erweisen. Möcht ich wie die Engel immer vor dir stehen und dich gegenwärtig sehen. Laß mich dir für und für trachten zu gefallen, liebster Gott, in allem“ (EG 165,4). Zum Leben in der neuen Schöpfung bemerkt V. 4 weiter: und sein3148 Name wird auf ihren Stirnen sein. Sofort werden wir an die Verheißungen 3144 3145 3146 3147 3148
Vgl. Giesen S. 475. Giesen a.a.O. Bengel S. 1035: „den nächsten Zutritt“. Hadorn S. 214; Giesen a.a.O.; Wilckens I, 4 S. 280f. Giesen a.a.O.; U.B. Müller S. 363. Sowohl Gott als auch das Lamm.
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in Offb 3,12 und 14,1 erinnert. In Offb 3,12 gehört zum Kontext der Tempel, und in Offb 14,1 handelt es sich um die Versiegelten, die Gott gehören. Von daher ergibt sich für den Namen auf ihren Stirnen in Offb 22,4 eine doppelte Aussage: a) Er kennzeichnet seine Knechte3149 als priesterlich tätig, b) er bringt zum Ausdruck, dass sie Gottes Eigentum sind. Gegen U.B. Müller und H. Giesen3150 darf man sich nicht auf den Aspekt des Eigentums beschränken. Vielmehr ist durchaus eine Verbindung zum Stirnblatt des Hohepriesters in Ex 28,36ff gegeben. Überdies besagen Offb 1,6; 5,10; 20,6 und Jes 61,6 ausdrücklich, dass die Erlösten zu Priestern in Ewigkeit gemacht sind.3151 Wer so zum ewigen Dienst für Gott und zu seinem ewigen Eigentum bestimmt ist (vgl. 1Petr 2,9), der wird nie mehr „hinausgehen“ aus der neuen Schöpfung (Offb 3,12). Den Bericht vom Leben in der neuen Schöpfung schließt V. 5: Und es wird keine Nacht mehr sein, und sie benötigen weder das Licht einer Leuchte noch das Licht der Sonne. Damit werden Offb 21,23.25 bestätigt. Vgl. die Erklärungen dort. Auch der nächste Satz: Gott der Herr (κύριος ὁ θεός [kyrios ho theos]) wird auf sie leuchten (φωτίσει ἐπʼ αὐτούς [photisei ep autus]) mutet zunächst wie eine Wiederholung von Offb 21,23 an. Bei genauerem Zusehen enthüllt sich jedoch die Verwandtschaft mit dem aaronitischen Segen, wo es in Num 6,25 heißt: „Der HERR lasse sein Angesicht über dir leuchten“ (LXX: ἐπιφάναι κύριος τὸ πρόσωπον αὐτοῦ ἐπὶ σέ [epiphanai kyrios to prosopon autu epi se]). Diese Segensbitte ist in der neuen Schöpfung erfüllt. Erfüllt sind auch Ps 4,7; 80,4; 118,127; 119,135; Dan 9,17.3152 Erfüllt ist damit nicht zuletzt die Gnadenbitte aus Num 6,25. Gottes Gnade und Zuwendung beschert den Erlösten ein vollkommenes Licht, das keine Ergänzung benötigt. Gott der Herr ist wieder der trinitarische Gott, also einschließlich des Lammes (vgl. Offb 21,23). Auffallenderweise betrifft der letzte Satz von Off 22,1-5 noch einmal die Erlösten und nicht Gott.3153 Das bedeutet wohl doch, dass Offb 22,1-5 aus der Perspektive der Erlösten geschrieben ist. Wir lesen hier: und sie (= die Knechte Gottes, die Erlösten) werden herrschen in alle Ewigkeit (καὶ βασιλεύσουσιν εἰς τοὺς αἰῶνας τῶν αἰώνων [kai 3149 Wie stets in solchen Zusammenhängen sind die Frauen eingeschlossen, da in der neuen Schöpfung nicht mehr spezifisch zwischen Mann und Frau unterschieden wird. 3150 U.B. Müller S. 363f; Giesen S. 476. Auch Hadorn äußert sich a.a.O. ähnlich, übrigens auch Bengel a.a.O.; Holtz a.a.O.; Satake KEK S. 418. 3151 In der früheren Literatur vgl. J.M. Hahn S. 681ff. Vgl. P. Müller S. 65; Hartenstein S. 255; Römer S. 236; Wilckens I, 4 S. 277. 3152 Vgl. U.B. Müller a.a.O.; Giesen a.a.O.; Holtz NTD S. 141. 3153 Vgl. Satake KEK S. 418.
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basileususin eis tus aionas ton aionon]). Herrschen heißt: ihre göttliche Bestimmung erfüllen (vgl. Offb 1,6; 5,10; 20,6; 1Petr 2,9). Herrschen heißt: die neue Schöpfung verwalten (vgl. Lk 19,15ff). Nun sagt jedoch Giesen (S. 476): „In der vollendeten Heilsgemeinde gibt es keine Beherrschten.“ Die Frage ist, ob das zutrifft.3154 Bengel sah die „Untertanen“ in den Bewohnern der neuen Erde außerhalb des himmlischen Jerusalem.3155 Hadorn nannte als die Beherrschten die in Offb 21,24ff; 22,2 erwähnten Völker, „welche an dem Heil der Endzeit Anteil haben, aber doch von den δοῦλοι Gottes, der Gemeinde, unterschieden werden.“3156 Manche verweisen in diesem Zusammenhang auf Dan 7,18.27.3157 Aber wir haben gesehen, dass in der neuen Schöpfung nur Erlöste leben, nicht Halb- oder Teilerlöste. Insoweit behält Giesen ein Stück weit recht. Dennoch bleibt zu fragen, ob der Begriff „Beherrschte“, der doch eher mit dem griechischen κατακυριεύειν [katakyrieuein] (vgl. Mt 20,25; 1Petr 5,3) zusammenhängt, hier am Platz ist. Die Frage spitzt sich zu, sobald man diesen Begriff von den modernen, überall negativ eingefärbten Herrschafts- und Gewalttheorien her inhaltlich füllt. Besser scheint es, bei der Erklärung von der ursprünglichen Schöpfungsbestimmung des Menschen auszugehen.3158 Wir haben ja schon mehrfach die enge Verbindung von Offb 21– 22 mit den ersten Kapiteln der Bibel beobachtet. Gen 1,26 beschreibt den ursprünglichen Schöpfungsauftrag des Menschen unter anderem mit den Worten: „Sie sollen herrschen über die Fische … und Vögel … und das Vieh und über die ganze Erde“ usw. (vgl. Gen 1,28). Die LXX benutzt für herrschen ἄρχειν [archein], das in seinem Bedeutungsgehalt eng mit dem βασιλεύειν [basileuein] von Offb 22,5 verwandt ist. Es geht zurück auf hebr. [ ָרָדהradah]3159. Zu den Charakteristika dieses [ ָרָדהradah] rechnet H.-J. Zobel: Es gehört „in die königliche Sprache“ und bezeichnet sehr oft das königliche Herrschen3160, es ist in Gen 1,26.28 „als Segnung verstanden“3161, und es soll „zur Erhaltung und Förderung der Schöpfung Gottes beitragen“3162. Das alles lässt sich sehr gut auf Offb 22,5 übertragen. Wir möchten deshalb annehmen, dass sich in der Aussage und sie werden herrschen in alle Ewigkeit auch der 3154 „Herrschen“ wird öfters als problematisch empfunden: Morris S. 257; Holtz NTD S. 141. 3155 Bengel S. 1036. 3156 Hadorn S. 215. 3157 Revidierte Elberfelder Bibel. 3158 Vgl. Römer S. 26. Wie wir Lawton S. 138; Pohl II S. 339. 3159 Vgl. H.-J. Zobel, Art. רָדה ָ , ThWAT, VII, 1993, Sp. 351ff. 3160 A.a.O. Sp. 353f. 3161 Zobel a.a.O. Sp. 356. 3162 A.a.O. Sp. 357.
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ursprüngliche Schöpfungsauftrag des Menschen verwirklicht. Eingeschlossen ist demnach das segensreiche, fördernde Herrschen über Tiere und Pflanzen. Eingeschlossen ist die Fürsorge und ein Gemeinschaftsverhalten innerhalb der Gesamtheit der Erlösten, denn es werden ja alle Erlösten herrschen. Nicht vergessen darf man, dass dies alles unter der übergeordneten Herrschaft des dreieinigen Gottes geschieht (vgl. 1Kor 15,28) und in die Perspektive der Ewigkeit eingeordnet ist.3163 Von einem „Be-herrschen“ in unserm üblichen Sprachsinn kann hier keine Rede sein.3164 Mit Recht bemerkt Satake zu den Schlussworten in alle Ewigkeit: „Der ganze Visionenteil der Offenbarung endet … mit einem an den Gottesdienst erinnernden Wort.“3165
Zusammenfassung 1. Das Leben in der neuen Schöpfung wird in Offb 22,1-5 eher in Andeutungen als in ausgefüllten Bildern beschrieben. Dennoch sprengen diese Andeutungen unsere menschliche Vorstellungskraft und eröffnen überwältigende Perspektiven. 2. Leben aus Gott und Lebenskraft ohne jede Trübung sind die Grundlagen für das ewige Leben der Erlösten. Sein Inhalt besteht darin, zu Mitarbeitern Gottes (Knechten) berufen zu sein, dem dreieinigen Gott in Hingabe, Verehrung, Anbetung, im Hören, Handeln und in der Liebe zu dienen, der Gemeinschaft der Erlösten und der neuen Schöpfung in der Verschiedenheit der Aufgaben Förderung und Segen zuzuwenden, den dreieinigen Gott zu sehen, jederzeit unmittelbar Zugang zu ihm zu haben, den priesterlichen und den königlichen Dienst miteinander zu verbinden und schließlich segensreich mit Gott über die neue Schöpfung, konkret die Tiere und die Pflanzen, zu herrschen, und all dies in Ewigkeit, befreit von den gegenwärtigen Grenzen durch Raum und Zeit, zu leben. 3. Mit Recht kann man sagen, dass hier an das Paradies der Vorzeit angeknüpft wird. Aber die Kapitel Offb 21–22 sind keine Wiederholung des Paradieses, sondern übertreffen es bei Weitem. 4. Ez 47,1ff erfüllt sich erst in dieser neuen Schöpfung. Offb 21–22 ist insofern auch die Antwort auf die rabbinischen Diskussionen, die über Ez 47 geführt wurden.3166 3163 J.M. Hahn bemerkte S. 683 zu Offb 22,5: „Sie werden nicht nur die Titel, sondern auch die Aemter haben.“ 3164 Vgl. Wilckens I, 4 S. 281. 3165 Satake a.a.O. (Wortlaut von uns verbessert). 3166 Vgl. Strack-Billerbeck S. 854ff.
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5. Es bleibt eindrucksvoll, dass die alten pietistischen Ausleger Fragen der Neugierde abwehrten und sich ganz auf das Eine konzentrieren wollten: Wer kommt hinein? Als Beispiel sei Bengel zitiert: „Aber wer kommt hinein? wer kommt nicht hinein? Selig sind, die seine Gebote thun.“3167
3167 Bengel S. 1037. Sodann J.M. Hahn S. 684; G. Tersteegen, EG 392,2-4.
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C. Epilog (Schlussteil1), 22,6-21 I Übersetzung 6 Und er sagte zu mir: Diese Worte sind glaubwürdig und wahrhaftig, und der Herr, der Gott der Geister der Propheten, hat seinen Engel gesandt, um seinen Knechten zu zeigen, was in Bälde geschehen muss. 7 Und2 siehe, ich komme bald. Glücklich zu preisen ist, wer die Worte der Prophetie dieses Buches bewahrt. 8 Und ich, Johannes, bin es, der dies hörte und sah. Und als ich es gehört und gesehen hatte, fiel ich nieder, um anzubeten zu den Füßen des Engels, der mir dies zeigte. 9 Und er sagt zu mir: Unter keinen Umständen! Ich bin dein Mitknecht und der deiner Brüder, der Propheten, und derer, die die Worte dieses Buches bewahren. Bete Gott an! 10 Und er sagt zu mir: Versiegle nicht die Worte der Prophetie dieses Buches, denn die Zeit ist nahe. 11 Wer Unrecht tut, der tue weiterhin Unrecht, und wer unsauber ist, beflecke sich weiterhin, der Gerechte aber praktiziere weiterhin Gerechtigkeit und der Heilige halte sich weiterhin heilig. 12 Ich komme bald, und auch mein Lohn mit mir, um jedem zu vergelten, wie es seinem Werk entspricht. 13 Ich bin das A und das O, der Erste und der Letzte, der Anfang und das Ende. 14 Glücklich zu preisen sind,3 die ihre Gewänder waschen, damit4 sie ein Anrecht haben am Baum des Lebens und durch die Tore in die Stadt hineingehen können. 15 Draußen sind die Hunde und die Zauberer und die Unzüchtigen und die Mörder und die Götzendiener und jeder, der Lüge liebt und praktiziert. 16 Ich, Jesus, habe meinen Engel gesandt, um euch das zu bezeugen um der Gemeinden willen. Ich bin die Wurzel und das Geschlecht Davids, der helle Morgenstern. 17 Und der Geist und die Braut sprechen: Komm! Und wer es hört, der spreche: Komm! Und wer dürstet, der komme. Wer will, der nehme Wasser des Lebens umsonst. 18 Ich bezeuge jedem, der die Worte der Prophetie dieses Buches hört: Wenn jemand etwas hinzufügt, wird Gott ihm die Plagen zufügen, von denen in diesem Buch geschrieben steht. 19 Und wenn jemand von den Worten des Buches dieser Prophetie etwas wegnimmt, wird Gott seinen Anteil wegnehmen vom Baum des Lebens und seinen Anteil an der heiligen Stadt, 1 Hadorn überschreibt „Schlußwort“ (S. 215); ebenso Römer S. 237; Grünzweig II S. 290; Pohl II S. 340; Schick S. 240. „Buchschluß“ z.B. bei Roloff S. 208; Giesen S. 479. 2 καί [kai] ist besser bezeugt als sein Fehlen. 3 Vgl. Blass-Debrunner § 128,1. 4 Vgl. Blass-Debrunner § 456,2.
C. Epilog (Schlussteil), 22,6-21
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von denen in diesem Buch geschrieben steht. 20 Der dies bezeugt, spricht: Ja, ich komme bald. Amen, komm, Herr Jesus! 21 Die Gnade des Herrn Jesus sei mit allen!
II Struktur Der Epilog enthält verschiedenartige Elemente. Es heben sich zunächst vier Aussagegruppen ab: 1) ein Gespräch zwischen Johannes und dem Engel (V. 69); 2) mahnende Worte des Engels und des Herrn (V. 10-15), 3) Worte Jesu, des Geistes, der Braut und des Johannes (V. 16-20); 4) ein briefschlussähnlicher Schlusswunsch (V. 21). Aber jede Aussagegruppe berührt sich auch eng mit den andern und ist thematisch nicht so verselbstständigt, dass man sie als abgeschlossene Einheit behandeln könnte. Deshalb lassen wir die Verse Offb 22,6-21 als ein größeres Ganzes in unserer Auslegung zusammen.5 Auffällig sind hier die Wiederholungen.6 Immer wieder werden wir in der Einzelexegese Anlass haben, auf zum Teil wörtliche Zitate aus früheren Teilen der Offenbarung hinzuweisen.7 Aber das ist für den Schlussteil eines solchen Werkes durchaus natürlich. Immerhin sind diese bewussten Wiederholungen mit ihren Variationen8 ein Fingerzeig dahin, dass offenbar das Ganze des Buches von „einer“ Hand mit Überlegung gestaltet wurde. Auffällig ist ferner die dialogische Struktur des Schlussteils.9 Hier kommen verschiedene Beteiligte zu Wort: Johannes, Jesus, ein Engel, der Geist, die Braut.10 Diese dialogische Struktur, die formal ein wenig an Joh 14 erinnert, nimmt den Leser verstärkt in das Geschehen hinein. Achtet man auf die Inhalte, dann ist man überrascht von der Intensität der Anrede. Hier geht es nicht nur um lebhafte Paränese. Sondern der Epilog trägt auch ausgesprochen evangelistische Züge. Man denke an die Aufforderungen in V. 11, die Makarismen in V. 7 und V. 14, an das ὑμῖν [hymin] (euch) in V. 16, das Komm! der Gemeinde in V. 17, die Einladung zum Wasser des Lebens in V. 17 analog Joh 7,37 und den Gebetswunsch in V. 20. Kein Buch des NT endet so evangelistisch wie die Offenbarung. Ein Letztes: Kein Kapitel der Offenbarung konfrontiert den Leser so direkt mit Jesus wie Offb 22,6-21. Die Aussagen von Offb 1,1f und 5,5 sind hier zu 5 Vergeblich wäre es, in Offb 22,6-21 eine „restored order“ im Sinne unserer modernen Logik herstellen zu wollen. Hier hat sich sogar ein so großer Forscher wie R.H. Charles verrannt (Charles II S. 211ff, 376). 6 Schon Bengel wies S. 1037 darauf hin. 7 Vgl. Swete S. 302; Mounce S. 390. 8 Vgl. Charles II S. 218. 9 U.B. Müller S. 367: „Eindruck lebhaft bewegter Wechselrede“. 10 Charles II S. 211: Gott der Vater, Jesus, Johannes.
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unmittelbaren Selbstaussagen Jesu geworden (V. 16), das ἐγώ εἰμι [ego eimi] von 1,17f ist in V. 16 wieder aufgenommen, wir hören das Gebet zu Jesus (V. 20), und vieles begegnet uns im Ich-Stil im Munde Jesu (siehe Einzelexegese). Vom Epilog her ist die Frage, ob wir es bei der Offenbarung überhaupt mit einem christlichen Buch zu tun hätten11, kein Thema mehr. Um es positiv zu formulieren: Die Offenbarung ist ebenso ein Jesusbuch wie die Evangelien, nun allerdings das Buch des wiederkommenden Jesus (vgl. das dreifache ἔρχομαι ταχύ [erchomai tachy] in V. 7.12.20).
III Einzelexegese Fast ansatzlos wechselt Johannes von der Beschreibung des Lebens in der neuen Schöpfung zu einer Engelanrede: Und er sagte zu mir … (V. 6) Wer ist es? „Zweifellos“12 der Engel von 21,9.15; 22,1, also einer der sieben Schalenengel von Offb 15,1ff, und wahrscheinlich identisch mit dem Engel von 17,1.13 Diese Worte sind glaubwürdig und wahrhaftig (πιστοὶ καὶ ἀληθινοί [pistoi kai alethinoi]): Der Engel wiederholt hier wörtlich Offb 19,9 und 21,5. Siehe zur Erklärung dort. Mit Swete bezieht man diese Worte hier am besten auf das ganze Buch der Offenbarung.14 Es bleibt auffallend, wie oft der Inhalt der Offenbarung als glaubwürdig bekräftigt wird (vgl. auch 1,1f; 22,8f). Sicher geschah das nicht, um eine „pia fraus“ (frommen Betrug) zu unterstützen, sondern weil die Alltagserfahrungen der verfolgten Gemeinden oft dagegensprachen. Und der Herr, der Gott der Geister der Propheten (καὶ ὁ κύριος ὁ θεὸς τῶν πνευμάτων τῶν προφητῶν [kai ho kyrios ho theos ton pneumaton ton propheton]), hat seinen Engel gesandt, um seinen Knechten zu zeigen, was in Bälde geschehen muss (ἃ δεῖ γενέσθαι ἐν τάχει [ha dei genesthai en tachei]): Swete hielt diesen Teil von V. 6 für „quasi-epexegetic“, das heißt mit dem Zweck gesprochen, die Glaubwürdigkeit der Worte im ersten Teil des Verses zu begründen.15 Das scheint aber zu eng. Denn es geht hier auch darum, die Fürsorge Gottes für seine auf Erden leidende Gemeinde zu unterstreichen und die Wichtigkeit dieser Botschaft hervorzuheben. Von δεῖξαι [deixai] 11 Vgl. Bultmann NT. 12 So Swete S. 302; Bengel a.a.O.; Satake KEK S. 420; Hadorn S. 215; Mounce a.a.O.; U.B. Müller S. 368; Roloff S. 209; Schick a.a.O. 13 Anders Charles II S. 217 („words of Christ“); Wilckens I, 4 S. 281 („Jesus“); Holtz NTD S. 142 („Christus“); Behm S. 113 („Christus“); Lilje S. 246 (Christus); Giesen S. 482 (Jesus); Lohmeyer 3 S. 177 („deutlich Christus“). 14 Swete a.a.O.; Holtz NTD S. 142; Mounce a.a.O.; U.B. Müller S. 367; Schick a.a.O. 15 Swete a.a.O.
C. Epilog (Schlussteil), 22,6-21
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(zeigen) bis ἐν τάχει [en tachei] (in Bälde) haben wir wieder ein Verbatimzitat aus Offb 1,1 vor uns.16 Offb 1,1 und 22,6 rahmen also alles Dazwischenstehende ein. In Bälde ist nach dem Zeitmaß Gottes zu verstehen (vgl. Lk 18,8; Röm 16,20; 2Petr 3,8ff). Es besagt jedenfalls, dass das in der Offenbarung Prophezeite unverzüglich beginnt. Vgl. auch die Erklärung bei Offb 1,1. Einen besonderen Charakter hat die Gottesbezeichnung in Offb 22,6: der Herr, der Gott der Geister der Propheten. Die ersten Begriffe: der Herr, (der) Gott sind in der Offenbarung öfters nebeneinandergestellt (z.B. 1,8; 4,8.11; 22,5).17 Vgl. die Erklärungen dort. Doch was heißt der Gott der Geister der Propheten? Die Kommentare verweisen an dieser Stelle auf Num 16,22; 27,16; 1Kor 12,10 und 14,12.32.18 In der Tat legen es diese Verweisstellen nahe, an die schöpfungsmäßigen Geister der Propheten zu denken bzw. mit Swete an den Gott, der die Quelle der prophetischen Gaben ist.19 Keinesfalls sind hier die sieben Geister von Offb 1,4; 3,1; 4,5; 5,6 gemeint, die ja den Heiligen Geist und damit eine Person der Dreieinigkeit bezeichnen.20 Sondern hier ist von Gott als dem Schöpfer des Menschen die Rede, der diesem Menschen den Geist gibt (vgl. Num 16,22; 27,16). Infolgedessen sind die Geister der Propheten unter Gottes Kontrolle, ja sogar nach 1Kor 14,32 unter der Kontrolle und im Verantwortungsbereich der Propheten selbst.21 Er hat seinen Engel gesandt bezieht sich wieder zurück auf Offb 1,1. Gottes Engel vermittelt also die Offenbarung. Der Gang der Ereignisse in der Offenbarung legt es nahe, dass der Engel nicht immer derselbe sein muss, sondern als generischer Singular von verschiedenen Engeln gemeint sein kann, die wechselweise in den verschiedenen Situationen das Wort ergreifen oder etwas zeigen (vgl. Offb 5,5; 7,13; 10,1; 14,6ff; 17,1.7.15; 18,1ff.21; 21,9.15ff; 22,1.6ff). V. 7 ist eines der Beispiele dafür, dass es in Offb 22,6-21 manchmal schwierig ist, die sprechenden Personen voneinander zu unterscheiden.22 Die Aussage Und siehe, ich komme bald lässt sich wegen der Ich-Form nur mit Schwierigkeiten dem Engel von V. 6 zuschreiben. Näherliegend ist die An16 17 18 19 20 21
Swete a.a.O. Swete a.a.O. Swete S. 302f; Charles II S. 218; Bengel S. 1038; Aune S. 1182f; Hadorn S. 216. Swete S. 303; Bengel a.a.O. Swete a.a.O.; Charles II a.a.O.; Mounce a.a.O. Vgl. wieder Swete und Charles a.a.O. Lohmeyer 3 S. 177 und U.B. Müller S. 368 setzen πνεύματα τῶν προφητῶν [pneumata ton propheton] einfach mit „Propheten“ gleich. 22 Swete S. 302; Mounce S. 389; U.B. Müller S. 366; Satake a.a.O.; Aune S. 1183; Giesen S. 479.
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nahme, dass hier in V. 7 Christus selbst das Wort ergreift.23 Die betonte (Und siehe!) Zusage ich komme bald begegnete uns schon in Offb 3,11 und wird nun zu einem Hauptinhalt des Schlussteils (dreimal: V. 7.12.20).24 Zu bald (ταχύ [tachy]) vgl. in V. 6 in Bälde (ἐν τάχει [en tachei]). Wieder ist darauf zu achten, dass dieses bald nicht in einen menschlichen Zeitrahmen gepresst wird. Es handelt sich vielmehr um eine Anzeige auf Gottes Uhr (2Petr 3,8ff). Doch enthält es auf jeden Fall die Zusage, dass das Kommen Jesu (vgl. Offb 19,11ff) nicht verzögert wird.25 Im Übrigen zeigt das Christuswort ich komme bald, dass die Wiederkunft Jesu ein zentrales theologisches und geistliches Thema der frühen Christen war. Glücklich zu preisen ist (μακάριος [makarios]), wer die Worte der Prophetie dieses Buches bewahrt (ὁ τηρῶν τοὺς λόγους τῆς προφητείας τοῦ βιβλίου τούτου [ho teron tus logus tes propheteias tu bibliu tutu]): Hier begegnet uns nach 1,3; 14,13; 16,15; 19,9 und 20,6 erneut eine Seligpreisung. Manche Autoren zählen sie als die siebte und letzte Seligpreisung der Offenbarung.26 In Wirklichkeit ist es die sechste27 und vorletzte (vgl. 22,14). Mit den Seligpreisungen schließt sich die Offenbarung an den Sprachgebrauch Jesu in den Evangelien an (vgl. Mt 5,3ff; 11,6; 13,16; 16,17; 24,46; Joh 13,17; 20,29). Hier in Offb 22,7 unterstreicht der auferstandene Jesus die Wichtigkeit des Bewahrens, genauer des Bewahrens der Worte der Prophetie dieses Buches. Mit τηρεῖν [terein] (bewahren) stoßen wir auf einen Schlüsselbegriff der Offenbarung (vgl. 1,3; 3,10; 16,15; 22,7.9). Harald Riesenfeld hat in seinem immer noch exzellenten Artikel im ThWNT darauf hingewiesen, dass τηρεῖν [terein] im johanneischen Schrifttum „besonders häufig ist“28. Beim Bewahren der Worte der Offenbarung geht es um „das gläubige Halten des Wortes“ und darum, es „vor Fälschung zu hüten“.29 Gerade für eine christliche Gemeinde, die von Verführung und Verfolgung bedroht ist, bleibt dies lebenswichtig. Die Worte der Prophetie dieses Buches beziehen sich auf die ganze Offenbarung. Von Anfang an hat sie den Charakter eines Buches und nicht der mündlichen Verkündigung. Sie ist wahre Prophetie, wie es schon Offb 1,3 sagte. Auch insofern rahmen Offb 1,3 und 22,6 die 23 Hadorn S. 216; Mounce S. 391; Holtz a.a.O.; Schick S. 240. Swete bietet S. 303 eine Zwischenlösung: die Stimme Christi „behind, or speaking through, the voice of His angel“. 24 Mounce S. 390; Satake a.a.O.; Behm S. 114. 25 Mounce S. 391: „without delay“. 26 So Mounce a.a.O.; Charles II S. 218. 27 Aune S. 1185; Lilje S. 246; P. Müller S. 66; Giesen S. 483. 28 Art. τηρέω, ThWNT, VIII, 1969, S. 144. 29 Riesenfeld a.a.O. S. 144, 145.
C. Epilog (Schlussteil), 22,6-21
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Offenbarung ein (vgl. aber 22,18 und 19). „Höre!“ – „Halte fest!“ – „Bewahre!“ ist ein entscheidender Dreiklang für die Gemeinde Jesu aller Zeiten, eine Orientierung, ohne die sie der Ziellosigkeit verfällt. Der 8. Vers beginnt mit einem weiteren Zeugnis für die Glaubwürdigkeit der Offenbarung: „Und ich, Johannes, bin es, der dies hörte und sah (Κἀγὼ Ἰωάννης ὁ ἀκούων καὶ βλέπων ταῦτα [Kago Ioannes ho akuon kai blepon tauta]). Drei Zeugen stehen also für ihre Glaubwürdigkeit ein: der Engel (V. 6), der auferstandene Jesus Christus (V. 7) und der Apostel Johannes (V. 8).30 Dahinter steht Gott der Vater selbst mit seinem Zeugnis in Offb 21,5. Ganz ähnlich ist es in Offb 1,1f. Sehen wir uns die Einzelheiten an. Das Ich (ἐγώ [ego]) ist betont.31 Wer seine Person so in die Waagschale werfen kann, der stellt eine Autorität dar. Der kann sich ruhig als Apostel unter Aposteln fühlen (vgl. Offb 18,20; 21,14). In dieselbe Richtung weist der einfache Name Johannes. Nach 1,1.4.9 taucht er jetzt zum vierten Mal auf. Er erscheint immer in derselben Weise, nämlich ohne Vatersnamen und ohne Herkunftsort. Das ist ein starkes Argument dafür, dass es sich um „den“ Johannes handelt, der für Kleinasiens Gemeinden unverwechselbar und konkurrenzlos war32, nämlich den Apostel und Zebedäussohn Johannes. Ich hörte und sah dies: Das spielt auf die zwei hauptsächlichen Arten der Offenbarungsübermittlung an: nämlich Audition (Hörvorgang) und Vision (Sehvorgang). In βλέπων [blepon] mag auch noch das alttestamentliche [ ֹחֶזהchoseh] (Seher) anklingen. Dies (ταῦτα [tauta]) bezieht sich vermutlich auf den ganzen Buchinhalt.33 Die Art, wie Johannes hier schreibt, erinnert im Übrigen sehr stark an seinen Stil im Johannesevangelium (19,35; 21,24; vgl. noch 1Joh 1,1-3). Er berichtet nun von sich selbst, dass er wie in Offb 19,10 niederfiel, um zu den Füßen des Engels anzubeten, der mir dies zeigte. Die Worte ἔπεσα προσκυνῆσαι ἔμπροσθεν τῶν ποδῶν [epesa proskynesai emprosthen ton podon] finden sich genauso in Offb 19,10 wieder. Die erstmalige Ablehnung seiner Handlung dort hatte also nichts genützt. Wie hartnäckig und uneinsichtig sind auch Apostel und Propheten und Jünger Jesu (vgl. Mk 6,52; 8,17; Joh 4,1ff)! Lohmeyer sieht in Offb 22,8 ein Arrangement, das dazu dient, das „prophetische Selbstbewusstsein“ des Johannes zum Ausdruck zu bringen –
30 Giesen S. 483; Roloff a.a.O.; Lohmeyer 3 S. 178; Satake KEK S. 421; Holtz NTD S. 143; Schick a.a.O. 31 Lohmeyer 3 S. 178. 32 Ebenso Giesen a.a.O. Vgl. Schick a.a.O. 33 Aune S. 1186.
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weil er sich nämlich vor dem Engel nicht beugen muss.34 Umgekehrt argumentiert Roloff: „Jeden besonderen Geltungsanspruch … lehnt er (= Johannes) jedoch ab“ – weil hier alle Christen gleichgestellt würden. Es käme vielmehr darauf an, „daß das Zeugnis Jesu zu Wort kommt“35. Unseres Erachtens handelt es sich aber in Offb 22,8f überhaupt nicht um ein Arrangement bzw. literarisches Ausdrucksmittel, sondern darum, dass Johannes von der göttlichen Botschaft so überwältigt wird, dass er den Engel als Repräsentanten Gottes anbeten will.36 Eine Polemik gegen den Engelkult liegt wohl nicht vor.37 De facto haben allerdings Stellen wie Offb 19,10 oder 22,8f dem Engelkult in den christlichen Gemeinden gewehrt. Jedenfalls lehnt der Engel in Offb 22,9 so entschieden ab wie in 19,10: Unter keinen Umständen (ὅρα μή [hora me])! Seine Begründung lautet, dass er im selben Dienst steht wie Johannes: Ich bin dein Mitknecht. Diese Formulierung kennen wir wörtlich aus Offb 19,10. Nur geringfügig abweichend von 19,10 fügt er hinzu und der deiner Brüder, der Propheten, und derer, die die Worte dieses Buches bewahren. Mit einem Wort: Der Engel bezeichnet sich als Mitknecht aller Christen. Die Engel stehen nicht höher als die erlösten Menschen! Dasselbe sagen Paulus (1Kor 6,3) und der Hebräerbrief (Hebr 1,14). Zu der Bezeichnung der Christen als derer, die die Worte dieses Buches bewahren, vgl. V. 7. Aber nun wird eine Gruppe von Christen doch besonders angesprochen, nämlich die Propheten. Ihre Erwähnung markiert den Unterschied zwischen Offb 22,9 und 19,10.38 Vorbereitet wurde diese Erwähnung durch Offb 22,6 (der Gott der Geister der Propheten) und 22,7 (die Prophetie dieses Buches). Gemeint sein können nur christliche Propheten39 (vgl. Apg 11,27; 13,1; 15,32; 21,9ff; Röm 12,6; 1Kor 12,10.28; 14,1ff; Eph 4,11; Offb 16,6; 18,20.24; vor allem Mt 23,34). Bei diesen christlichen Propheten nehmen wir hauptsächlich zwei Tätigkeiten wahr: 1) Sie können Zukünftiges weissagen (Apg 11,27ff; 21,10ff), 2) sie verkündigen vollmächtig die christliche Botschaft (siehe die übrigen der obigen Stellen). Zweifellos überwog im christlichen Prophetentum die zweite dieser Tätigkeiten.40 Wir tun deshalb gut daran, auch deine Brüder, die Propheten in Offb 34 Lohmeyer a.a.O. Ähnlich Giesen S. 483. 35 Roloff S. 209. 36 Ähnlich Vitringa S. 912; Bengel S. 1040; Schick S. 241; Hadorn S. 217. Schlatter S. 340 nennt Dankbarkeit als Grund. 37 Giesen a.a.O.; Lohmeyer a.a.O. Anders Morris S. 258; Caird S. 283; Aune S. 1186. 38 Offb 22,9 ist also keine Dublette von 19,10, wie Aune S. 1186 meint. Richtig Lilje S. 247; Hadorn S. 217. 39 G. Bornkamm, Art. πρέσβυς usw., ThWNT, VI, 1959, S. 669, 111. 40 Vgl. G. Friedrich im Art. ποφήτης usw., ThWNT, VI, 1959, S. 829.
C. Epilog (Schlussteil), 22,6-21
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22,9 in erster Linie auf solche vollmächtigen Verkündiger der christlichen Botschaft zu beziehen. Der Apostel Johannes war ja selbst ein solcher (Joh; 1–3Joh). Nur in Ausnahmefällen ging es um die Weissagung der Zukunft. Für diese Deutung spricht auch das Jesuswort in Mt 23,34. Von da aus ergibt sich dann weiter: Johannes gehört mit vielen Brüdern zusammen, seien es nun solche Propheten oder eben Christen im allgemeinen Sinne (die die Worte dieses Buches bewahren).41 Die Betonung von Roloff, er habe keinen „besonderen Geltungsanspruch“ erhoben42, und von Swete, er isoliere sich nicht „from the rest of the Christian Society“43, haben also ihr relatives Recht. Freilich darf diese Beobachtung nicht dazu führen, nun den Apostel in das Niveau eben der „gewöhnlichen“, vielleicht sogar anonymen, Christen einzuebnen. Das ich, Johannes bin es (V. 8) behält seine unverwechselbare Würde. Ähnlich ist es bei Petrus (1Petr 5,1), ja bei Jesus selbst (Mt 28,10). Fazit: Johannes ist nicht nur Apostel, sondern auch Prophet. In unaufdringlicher, aber eindrücklicher Weise bestätigt ihm der Engel seine Erwählung, sein von Gott geschenktes Prophetentum.44 Bete Gott an (τῷ θεῷ προσκύνησον [to theo proskyneson]) lauten die letzten Worte von V. 9. Das betonte τῷ θεῷ [to theo] erinnert an Israels Glaubensbekenntnis in Dtn 6,4: „Jahwe ist unser Gott, Jahwe allein.“ Nur der dreieinige Gott kann die Proskynese empfangen – ganz gleich, wie die Umstände liegen. Im Übrigen vgl. die Erklärung bei 19,10, das dieselben Worte aufweist. Mit V. 9 schließt die erste Aussagegruppe des Epilogs, in der es hauptsächlich um die Glaubwürdigkeit der Offenbarung ging. Wir kommen nun zu den V. 10-15 mit Mahnungen des Engels und des auferstandenen Jesus. Zuerst ergreift noch einmal der Engel45 von Offb 21,9.15; 22,1.6.9 das Wort. Und er sagt zu mir: Versiegle nicht die Worte der Prophetie dieses Buches, denn die Zeit ist nahe (V. 10). Nicht versiegeln (σφραγίζειν [sphragizein]) bedeutet in diesem Zusammenhang: „nicht geheimhalten“, „nicht verbergen“.46 Johannes muss also gerade das Gegenteil dessen tun, was Daniel in Dan 12,4.9 befohlen worden war.47 So unterschiedlich können Gottes Weisungen sein! Man wird an Bengels Satz erinnert: „Distingue tempora, et concor41 42 43 44 45 46 47
Charles II S. 218. Roloff a.a.O. Swete S. 303. Schick a.a.O.; Lilje a.a.O. An Christus denken Lohmeyer 3 S. 179; Behm S. 114; Lilje S. 248. G. Fitzer, Art. σφραγίς usw., ThWNT, VII, 1964, S. 950. Schick S. 242; Hadorn S. 217.
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dabit Scriptura.“48 Allerdings hatte Johannes früher schon ebenfalls einen Versiegelungsbefehl erhalten (Offb 10,4). Jetzt aber muss er die Offenbarung sofort an die kleinasiatischen Gemeinden senden (Offb 1,1f.11.19). Denn die Zeit ist nahe: Das heißt, die Ereignisse beginnen jetzt schon zu laufen, und die christliche Gemeinde muss ab sofort die Möglichkeit haben, diese Ereignisse zu verstehen und richtig einzuordnen.49 Im Übrigen legten Jesus und die christliche Gemeinde von allem Anfang an Wert darauf, dass ihre Botschaft keine Geheimbotschaft war, dass nichts versteckt werden musste und dass ihr nichts „Apokryphes“ oder „Esoterisches“ anhaftete (vgl. Mt 10,27; 26,55). Wenn uns jemand etwas „Geheimnisvoll-Christliches“ anvertrauen will, können wir es ruhigen Gewissens sofort ablehnen. M. Hengel schloss aus Offb 22,10, dass die Offenbarung von Anfang an „für den Gottesdienst der Gemeinden bestimmt war“50. Ist es so, dann kann die Naherwartung der Offenbarung keine „Sofort“erwartung gewesen sein, als ob dies alles innerhalb einer einzigen Generation oder in noch kürzerer Zeit geschähe.51 Vielmehr müssen sich die Gemeinden mit ihren Gottesdiensten auf längere Zeiträume eingerichtet haben.52 Für moderne Ohren fast unverständlich ist der 11. Vers: Wer Unrecht tut, der tue weiterhin Unrecht, und wer unsauber ist, beflecke sich weiterhin, der Gerechte aber praktiziere weiterhin Gerechtigkeit und der Heilige halte sich weiterhin heilig. Zuerst muss man notieren, dass die Worte und wer unsauber ist, beflecke sich weiterhin eventuell erst später in den Text eingedrungen sind. Wir ließen sie als ursprünglich stehen, aber nur unter Bedenken. Allerdings ändert ihr Fehlen oder Hinzutreten nichts Wesentliches. Über den Sinn der einzelnen Worte besteht wenig Streit: Unrecht tun (ἀδικεῖν [adikein]) ist hier ein Verstoß gegen Gottes Gebote und ist demnach Sünde (vgl. 1Kor 6,7f), Gerechtigkeit praktizieren (wörtlich: tun) ist den Willen Gottes tun (vgl. Jes 56,1), sich heilig halten (ἁγιάζειν [hagiazein]) ist „sich Gott weihen“, „sich reinigen“53, und ῥυπαρός [rhyparos] (unsauber, „befleckt“) bzw. ῥυπαίνω [rhypaino] (beflecken, „beschmutzen“, „besudeln“) das Gegenteil derer, die „ihre Kleider gewaschen“ haben (Offb 7,14; 19,8).54 Neben die Sprache der Ethik (Unrecht, Gerechtigkeit) tritt die priesterliche 48 49 50 51 52 53 54
Bengel S. 964. Schick a.a.O.; Hadorn a.a.O. Hengel S. 271. Ebenso Giesen S. 479; U.B. Müller S. 367. Vgl. dazu Metzger S. 161f. Vgl. Giesen S. 479; U.B. Müller S. 367. Bauer-Aland Sp. 14f; O. Proksch, im Art. ἅγιος usw., ThWNT, I, 1933, S. 112ff. Steht dahinter hebr. [ טמאtame]?
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Sprache (unsauber, sich beflecken, sich heilig halten).55 Beide entspringen aus dem Willen Gottes. Stark verkürzt könnte man sagen: „Wer Gott ablehnt, lehne ihn weiterhin ab, wer aber mit Gott lebt, lebe weiterhin mit Gott.“ ἔτι [eti] bedeutet hier „weiterhin“.56 Doch was besagt V. 11 inhaltlich? Dieser Vers ist einer der dringlichsten Aufrufe zur Buße. Er weist darauf hin, dass der Mensch gerne in der Spur des bisherigen Lebens bleibt: Unrecht setzt sich fort, wer aber durch Jesus gerecht ist, will diese Gerechtigkeit nicht verlieren. Aber dahinter steht die furchtbare Möglichkeit, dass es für die Unrechttäter und Unsauberen keine Umkehr mehr gibt. Man vgl. den aus der Liebe Gottes geborenen Ruf in Jes 55,7, die drastische Mahnung J.M. Hahns, keine „Schlafhaube“ zu sein57, und die ganz schweren Aussagen der Schrift in Ez 3,27; Dan 12,10; Mk 3,28f; 1Joh 5,16; Hebr 6,4ff; 10,26ff, die von einer Endgültigkeit des Verlorenseins sprechen.58 Kein Sich-Wehren der Dogmatiker59 kann den Ernst solcher Aussagen aufheben. Fazit: Angesichts von Offb 22,11 soll der Leser und Hörer erschrecken. Er soll sich fragen, wie sein eigenes Leben von ihm gestaltet wird, und notfalls umkehren zum dreieinigen Gott.60 Hat er dazu die Freiheit des Willens, die Freiheit der Entscheidung? Ja, sagen die Ausleger in erstaunlicher Breite.61 Und mit Recht. Denn AT, frühjüdische Lehrer, Jesus und Johannes sind sich darin einig (Ez 18,23; Dtn 30,15ff; Sir 15,11ff; Pirke Abot III, 19; Mt 23,37; Offb 22,11). Schick zitiert H.H. Rowley, wonach „diejenigen, die nicht darin (= in der neuen Schöpfung) sein wollen, nicht darin sein können“62. Zu der Art, wie der Engel sich hier ausdrückt – ein literarischer Tropus nach Schick63 – vgl. Am 4,4f; Jer 7,21; Ez 3,27; Mt 23,32.64 In V. 12 ergreift offensichtlich wieder Christus das Wort (vgl. V. 7): Ich komme bald, und auch mein Lohn mit mir, um jedem zu vergelten, wie es seinem Werk entspricht. Bis auf das fehlende „Siehe“65 wiederholt der 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65
Vgl. Satake KEK S. 422. Hadorn a.a.O.; Blass-Debrunner § 459,4. J.M. Hahn S. 686. Vgl. Hadorn a.a.O.; Holtz NTD S. 143f. Vgl. Ott S. 466ff. Dass es um „klare Fronten“ geht, ist höchstens ein Nebeneffekt. Gegen Behm a.a.O. Vgl. Schick S. 243; Hadorn a.a.O.; Bengel S. 1042: „der thue es auf sein Abentheuer“; Caird S. 284; Römer S. 239f; Grünzweig II S. 299. Schick a.a.O. Schick a.a.O. U.B. Müller S. 369; Giesen S. 486. καί [kai] ist in manchen Handschriften später eingeschoben, was Aune S. 1196f für ursprünglich hält.
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Versanfang die ersten Worte von V. 7. Durch diese Wiederholung wird Jesu Ankündigung nur noch dringlicher. Die Gemeinden sollen hellwach auf die Ereignisse achten – ein Anliegen, das schon dem auf Erden weilenden Jesus wichtig war (vgl. Mt 24,44.45ff; Mk 13,23.33ff). Der wiederkommende Jesus bringt seinen Lohn mit. Hier wird Jes 40,10; 62,11 aufgegriffen66, aber auch Offb 11,18. Was in Offb 11,18 die Tat des dreieinigen Gottes ist, das ist in Offb 22,12 die Tat des wiederkommenden Christus (mein Lohn). Wir haben in der Offenbarung ja oft beobachtet, dass von Christus dasselbe gesagt werden kann wie von Gott. Was ist sein Lohn? Jedem zu vergelten, wie es seinem Werk entspricht (ἀποδοῦναι ἑκάστῳ ὡς τὸ ἔργον ἐστὶν αὐτοῦ [apodunai hekasto hos to ergon estin autu]). Das ist absolute Gerechtigkeit. Jeder erhält individuell, was ihm zusteht. Werk (Einzahl!) ist hier zusammenfassender Ausdruck für den „Gesamtertrag seines Lebens“.67 Mit Recht hat Hadorn darauf hingewiesen, dass die Vergeltung nach den Werken „zum gemeinsamen urchristlichen Glaubensbestand“ gehörte.68 Der auferstandene Jesus spricht in Offb 22,12 nicht anders, als der Mensch Gewordene in Mt 16,27 gesprochen hat. Vgl. Röm 2,6; 2Kor 5,10; 2Joh 8; Jak 2,14ff; Offb 2,23; 14,13; 18,6; 20,12f; Ps 62,13; Spr 24,12; Jer 17,10.69 Über alldem darf aber nicht übersehen werden, dass das entscheidende Werk im gläubigen Anschluss an Jesus Christus liegt (Joh 6,29; 1Kor 3,15). Das Vergelten oder „Zurückgeben“, von dem Offb 22,12 spricht, vollzieht Jesus als der Weltenrichter (Offb 20,12ff).70 Insofern sind die beiden Sätze von Offb 22,12 logisch miteinander verbunden. In Vers 13 begründet Christus, warum er Lohn und Vergeltung in endgültiger Weise zuteilt: Ich bin das A und O, der Erste und der Letzte, der Anfang und das Ende. In Offb 1,8 und 21,6 hat das Gott von sich gesagt. Aber schon in Offb 1,17 und 2,8 konnte sich Jesus Christus der Erste und der Letzte nennen. Dass sich der Auferstandene selbst genauso vorstellt wie der dreieinige Gott (Ich bin, ἐγώ [ego]), macht ein weiteres Mal deutlich, dass Jesus Christus eine Person der dreieinigen Gottheit ist und dass die Offenbarung tatsächlich eine „trinitarische Struktur“71 besitzt. In V. 14 wird der christlichen Gemeinde noch einmal das herrliche Ziel vor Augen gestellt. Dies geschieht in Form der siebten und letzten Seligpreisung 66 Hadorn S. 218; Giesen a.a.O. 67 Hadorn S. 217. Schon Bengel S. 1043. Mit Recht weist Aune S. 1218 eine Abhängigkeit der Offenbarung von 1Clem 34,3 ab. 68 Hadorn S. 218. Ebenso Hengel S. 143, 161; Morris S. 259. 69 Vgl. auch Preisker im Art. μισθός usw., ThWNT, IV, 1942, S. 704. 70 Anders Giesen a.a.O.: Es handle sich nicht um ein zukünftiges Geschehen, sondern um ein Geschehen in der Gegenwart. Richtig Aune S. 1218. 71 Wilckens I, 4 S. 281. Hadorn verweist a.a.O. auf Joh 10,30.
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der Offenbarung. Vgl. V. 7 und die Erklärung dort. Glücklich zu preisen sind, die ihre Gewänder waschen …: Damit greift Offb 22,14 auf 7,14 zurück. Wir halten noch einmal fest: Ob man dieses Waschen durchführt, ist Sache und Entscheidung jedes einzelnen Menschen.72 Aber dass ein solches Waschen, das heißt die Annahme des Heils, möglich ist, verdanken wir allein Jesus Christus, der sein Leben und Blut für uns geopfert hat. Ein „Verdienst“ gläubiger Menschen ist daraus niemals ableitbar. Wer nun das Heil in Jesus annimmt, der hat ein legitimes Anrecht am Baum des Lebens (ἡ ἐξουσία ἐπὶ τὸ ξύλον τῆς ζωῆς [he exusia epi to xylon tes zoes]), das heißt am paradiesischen Baum des Lebens von Gen 2,9; 3,22 und gleichzeitig an den Bäumen des Lebens von Offb 22,2 (vgl. 2,7). Kurz gesagt: Der hat das ewige Leben in der neuen Schöpfung. Damit verbunden ist ein Zweites: Solche Menschen können durch die Tore in die Stadt (= das neue Jerusalem) hineingehen. Sie gehören also zu den in Offb 21,24-26 erwähnten Menschen – „Völkern“ und „Königen“ – und haben das freie Bürgerrecht73 im neuen Jerusalem. Offb 22,14 bestätigt somit unsere obige Deutung der „Völker“ und „Könige“ auf alle Erlösten. Eine Einschränkung auf die Märtyrer lässt Offb 22,14 nicht zu.74 Vgl. Ps 118,19f. In der Forschung diskutiert man, ob das Waschen ein einmaliger Akt ist, z.B. die Taufe, oder ein „Handeln, das der Taufe folgt“.75 Diese Diskussion trägt aber spätere kirchengeschichtliche Diskussionen in Offb 22,14 zurück. Offb 22,12 hat weder eine Aussage über die Taufe noch über das Herrenmahl zum Ziel.76 Das Waschen umschließt hier sowohl die Bekehrung zu Jesus Christus als auch die dauerhafte, lebenslange Glaubensnachfolge.77 Natürlich kann man „aus dem empfangenen Heil auch wieder herausfallen“.78 Aber was Christus79 in seiner Seligpreisung ausspricht, soll ja gerade ein solches „Herausfallen“ verhindern. Eindrücklich bleibt es, dass Jesus Christus in Offb 22,14 nicht droht, sondern lockt. Ebenso glasklar ist die Warnung von V. 15: Draußen sind die Hunde und die Zauberer und die Unzüchtigen und die Mörder und die Götzendiener
72 73 74 75 76 77 78 79
Schlatter S. 342; Aune S. 1220. Roloff S. 211. Vgl. U.B. Müller S. 359; Lilje S. 249. Giesen S. 487. Anders Wilckens I, 4 S. 286; Caird S. 285; Lilje S. 249. Vgl. Giesen a.a.O. Morris S. 260: „a continuous washing“. Vgl. auch Holtz NTD S. 144; Aune S. 1220f. Insoweit hat Giesen S. 487f recht; ebenso U.B. Müller S. 367; Satake KEK S. 424. Aune S. 1220. So Roloff S. 211; Aune S. 1220. Vgl. U.B. Müller S. 370; Zahn S. 628. Anders Morris S. 260: In Offb 22,14 spreche Johannes.
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und jeder, der80 Lüge liebt und praktiziert (πᾶς φιλῶν καὶ ποιῶν ψεῦδος [pas philon kai poion pseudos]). Der griechische Text klingt noch zugespitzter, weil das sind (εἰσίν [eisin]) fehlt.81 Draußen (ἔξω [exo]) kann verschieden verstanden werden. Jüdisch betrachtet kann es die Nichtjuden meinen, christlich betrachtet die Nichtchristen82 (vgl. Mk 4,11; 1Kor 5,12f; Kol 4,5; 1Thess 4,12). Man kann es aber auch räumlich auffassen und auf Bereiche außerhalb einer bestimmten Region anwenden (vgl. Hebr 13,11.13). Dementsprechend ergänzt Hadorn in Offb 22,15 ein τῆς πόλεως [tes poleos] = außerhalb der heiligen Stadt.83 Schließlich können auch Gesetzesunkundige und Ketzer darunter verstanden werden.84 In Offb 22,15, eingebettet in den Kontext des Zugangs zur neuen Schöpfung und zur himmlischen Stadt (vgl. V. 14), liegt die räumliche Bedeutung am nächsten. Bestimmte Menschen können also das himmlische Jerusalem nicht betreten. Öfters benutzen die Kommentare hier den Begriff „ausgeschlossen“85. Dieser Begriff ist allerdings misslich, denn er verdeckt, dass die Betreffenden sich durch die Ablehnung Christi selbst ausgeschlossen haben (Joh 3,19ff). Sie verfehlen das neue Jerusalem „aus eigener Schuld“86. Gerade damit dies nicht geschieht, warnt Offb 22,15 alle Menschen – Christen und Nichtchristen – vor dem Abfall und der Ablehnung Gottes und Jesu Christi. Aufgezählt werden zunächst fünf konkrete Gruppen. Dabei werden wir mehrfach an Offb 21,8 und 21,27 erinnert. Hund (κύων [kyon]) ist normalerweise „der lästige und verachtete orientalische Straßenhund“87. Der Vergleich mit einem Hund ist im AT entehrend (1Sam 17,43; 24,15; 2Sam 9,8; 16,9; 1Kön 14,11; 16,4; 21,19.24; 22,38; 2Kön 8,13; Ps 22,17.21; Jes 56,10f; Spr 26,11). Hund dient gelegentlich zur Bezeichnung männlicher Prostituierter (Dtn 23,19). Im rabbinischen Judentum werden auch Unwissende, Gesetzlose und Heiden Hunde genannt.88 Jesus und die Apostel nehmen den Begriff Hunde in einem negativen Sinne auf (Mt 7,6; Phil 3,2; 2Petr 2,22). Dabei differiert die Bedeutung im Einzelnen: Irrlehrer, Widersacher, Abgefallene usw.89 Hier, in Offb 22,15, empfiehlt es sich, von der Bezeichnung Hunde in 80 81 82 83 84 85 86 87 88 89
Vgl. Blass-Debrunner § 413,5. Vgl. Blass-Debrunner § 128. Vgl. J. Behm, Art. ἔξω, ThWNT, II, 1935, S. 572f. Hadorn S. 218. Behm a.a.O. S. 572. Z.B. Hadorn S. 217; Barclay II S. 250; Satake KEK S. 424. Schick S. 244. O. Michel, Art. κύων usw., ThWNT, III, 1938, S. 1100. Michel a.a.O. S. 1101. Vgl. wieder Michel a.a.O. S. 1101ff; Giesen S. 489; Roloff S. 211.
C. Epilog (Schlussteil), 22,6-21
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einem weiteren Sinne auszugehen: Gemeint sind alle Menschen, die dem Sündenleben verhaftet bleiben und die die Erlösung ausschlagen.90 Vgl. noch Ps 101,7. Die folgenden vier Gruppen, Zauberer (φάρμακοι [pharmakoi]), Unzüchtige (πόρνοι [pornoi]), Mörder (φονεῖς [phoneis]) und Götzendiener (εἰδωλολάτραι [eidololatrai]) sind uns schon in Offb 21,8 begegnet. Vgl. die Erklärung dort. Nun folgt aber noch ein Sechstes. Das ist jeder, der Lüge liebt und praktiziert. Es empfiehlt sich auch hier, diese Wendung in einem weiteren Sinn zu verstehen und wie in Offb 14,5; 21,8 die Lüge als Zusammenfassung aller gegen Gott und seine Wahrheit (Joh 14,6!) gerichteten Verhaltensweisen aufzufassen.91 Stellt man Offb 22,15 in den gesamtbiblischen Zusammenhang, dann muss zunächst die Übereinstimmung mit dem AT notiert werden. Psalmen und Propheten machen ebenso wie Offb 22,15 den Zutritt zum „Berg des HERRN“, zum „Haus des HERRN“, zum Jerusalem der Endzeit und zum „HERRN“ selbst davon abhängig, ob der Mensch sich zu Gott bekehrt und von seiner Sünde gereinigt wird (Ps 24,3ff; 118,19f; Jes 2,2ff; Joel 4,17; Mi 4,1ff; Sach 14,8ff). Zweitens entspricht Offb 22,15 ganz der Lehre Jesu (Mt 5,3ff; Joh 21,15ff) und des übrigen NT (Röm 1,28ff; 1Kor 6,9f; Eph 5,5). Die Schärfe in Offb 22,15, die aus der werbenden Liebe des Auferstandenen geboren ist, darf uns deshalb nicht verwundern.92 Seltsam schweigsam werden manche Kommentare, wenn es um die Frage geht, wo denn die Sünder von Offb 22,15 bleiben. Lohmeyer z.B. bemerkt nur, sie müssten „außerhalb der Stadt wohnen“93. Hadorn sagt: „Die Verworfenen bleiben vom Heil ausgeschlossen.“94 Gelegentlich deutet man Offb 22,15 auf den Ausschluss vom Abendmahl.95 Dagegen votieren mit Recht H. Giesen und U.B. Müller.96 Wir müssen in Offb 22,15 schon damit rechnen, dass es hier um das „ewige Heil“ und „das endgültige Schicksal der Gottlo-
90 Ebenso Michel a.a.O. S. 1103; Schick a.a.O.; Hadorn a.a.O.; Satake a.a.O. 91 So auch Lohmeyer 3 S. 180. Hadorn a.a.O. empfindet diese Worte als typisch johanneisch. Vgl. noch Giesen S. 489 („auf der Seite Satans“) sowie 1Joh 1,6. Wie Hadorn auch Jörg Frey bei Hengel S. 357. Vgl. weiter Satake a.a.O.; Swete S. 308f. Behm S. 114 begrenzt auf die „groben Sünder“. 92 Schick a.a.O. verfehlt diese Absicht von Offb 22,15, wenn er darin „ein gleichsam vorausgenommenes Verdammungsurteil“ erblickt. Auch Bensons „out, ye dogs“ geht an Offb 22,15 vorbei (Swete S. 308), ebenso wie Zahns (S. 626) „Hinaus die Hunde!“. 93 Lohmeyer a.a.O. 94 Hadorn a.a.O. Ebenso Giesen S. 487. 95 So bei Roloff S. 211. 96 U.B. Müller S. 370; Giesen S. 488.
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sen“ geht.97 Auch Bengel sagte von den Sündern in Offb 22,15: „Sie werden ewiglich nicht hineinkommen.“98 Er deutet dann an, dass die das Heil Verweigernden in den Feuersee (Offb 19,20; 20,10.14.15) geworfen werden.99 So hat es Offb 21,8 zum Ausdruck gebracht. Auch das Draußen von Offb 22,15 können wir nicht anders interpretieren.100 Damit berühren wir ein Geheimnis, das zum letzten Horizont der Gesichte der Offenbarung gehört. Wenn die ganze Schöpfung völlig neu ist, wenn dort keine Sünde und keine Unreinheit mehr existieren – wo ist dann der Feuersee, der Ort der Verlorenen? Gibt es zur neuen Welt der Erlösten eine Art Gegenwelt? Man kann es verstehen, dass manche Christen auf den Gedanken der Allversöhnung gekommen sind. Doch für diesen Gedanken gibt es keine klare Basis in der Bibel. Die Kirche aller Jahrhunderte hat deshalb den Gedanken der Allversöhnung verworfen. Einige Linien zeichnen sich in der Schrift jedoch deutlich ab: 1) Gott wird sein „alles in allem (oder: in allen, πάντα ἐν πᾶσιν [panta en pasin])“, das heißt, er wird alles ohne Widerspruch regieren (1Kor 15,28); 2) „alle Zungen werden bekennen, dass Jesus Christus der Herr ist“ (Phil 2,11), das heißt das Heil in Jesus Christus anerkennen; 3) wer Jesus Christus abgelehnt hat, kann auf ewig nicht das himmlische Jerusalem betreten und hat sich auf ewig von Gottes neuer Welt geschieden.101 In diesem Zusammenhang gibt es erneut zu denken, dass die letzte Seite der Bibel immer noch von einem Draußen spricht und die Offenbarung am Schluss noch dreimal die Warnung vor dem ewigen Verlorensein wiederholt (21,8; 21,27; 22,15). In V. 16 bestätigt der auferstandene Jesus die Wahrheit und Glaubwürdigkeit der Offenbarung noch einmal mit der Glut werbender Liebe: Ich, Jesus, habe meinen Engel gesandt, um euch das zu bezeugen um der Gemeinde willen. Das erste Wort, ἐγώ [ego] (ich), ist betont und soll Leser und Hörer unmittelbar mit dem Auferstandenen konfrontieren. Dreimal erscheint dieses ἐγώ [ego] im Schlussteil in ähnlicher Weise im Munde Jesu (V. 13.16 zweimal; vgl. auch V. 18) – sicher kein Zufall. Er nennt sich hier nur mit seinem Namen Jesus, mit dem „human personal name“102, den ihm Josef und Maria gaben 97 Giesen a.a.O.; U.B. Müller a.a.O.; Hadorn a.a.O.; Kiddle S. 453. Anders Charles II S. 212: Ausschluss vom Tausendjahrreich. Aber wie wir schon die Alte Kirche, vgl. Polykarp ad Phil 5,3. 98 Bengel S. 1044. 99 S. 1045. 100 Ebenso Kiddle S. 453; Bousset S. 458. Caird S. 286 setzt jedoch das „Draußen“ mit „oblivion“ (Vergessen) gleich. 101 Ebenso Karl Heim, vgl. Maier Offb S. 580; Bengel a.a.O.; Vitringa S. 914. 102 Swete S. 309. Vgl. Kiddle S. 454.
C. Epilog (Schlussteil), 22,6-21
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(Mt 1,25; Lk 1,31). Dieser „historische“, dieser „menschliche Personenname“103 bleibt ihm in Ewigkeit. Wir beobachten, dass alle johanneischen Schriften eine besondere Vorliebe für den einfachen Jesusnamen haben. Erneut erweist es sich als polemisches Fehlurteil, was Dionysius Alexandrinus im 3. Jh. schrieb: „Es fehlt jede Verbindung und Verwandtschaft (= zwischen der Offenbarung und dem Johannesevangelium bzw. den Johannesbriefen). Ja, sie (= die Offenbarung) hat sozusagen kaum eine Silbe damit gemein.“104 Aber nun ist Jesus nicht mehr der Bespuckte und Verachtete, sondern der Auferstandene und Göttlich-Hoheitsvolle. Jetzt kann er sagen: Ich habe meinen Engel gesandt105 – einen Engel, um den er auf Erden noch hätte bitten müssen (Mt 26,53). ἄγγελος [anggelos] kann einfach mit „Bote“ übersetzt werden. Von daher kommt z.B. Wilckens zu der Annahme, mein Engel = „mein Bote“ sei Johannes.106 Aber bei ἀπέστειλεν τὸν ἄγγελον [apesteilen ton anggelon] in V. 6 und beim ἄγγελος [anggelos] von V. 8f ging es zweifellos um einen Engel. Johannes war davon klar abgehoben (V. 8). Sollte jetzt ein plötzlicher Sprachwechsel einsetzen? Das ist unwahrscheinlich. So deuten wir den Engel Jesu auf den in Offb 1,1f und Offb 22,6ff erwähnten Engel.107 Aufgrund der trinitarischen Struktur der Offenbarung kann ja grundsätzlich jeder Engel Gottes des Vaters auch ein Engel Jesu sein. Fazit: Mit dem Hinweis auf den Engel unterstreicht Jesus seine außergewöhnliche Fürsorge, mit der er eine unerschütterlich glaubwürdige Offenbarung vermitteln wollte. Die folgenden Worte unterstützen dies, wobei einige Details nicht einfach zu verstehen sind. Der Kernpunkt ist allerdings klar: Im Auftrag und im Namen Jesu soll der Engel ein Zeuge für die Offenbarung sein (bezeugen, μαρτυρῆσαι [martyresai]108). Überraschenderweise heißt es nicht, „um dir das zu bezeugen“, sondern um euch das zu bezeugen. Euch (ὑμῖν [hymin]) muss analog zu Offb 1,1ff und 1,4ff alle Leser und Hörer der Offenbarung meinen, also nicht nur Johannes und die christlichen Propheten109, sondern alle Mitglieder der sieben Gemeinden in Asien110 und alle Christen, die dann in der Folgezeit die Offenbarung lesen und hören.111 Das (ταῦτα [tauta]) ist der ge103 104 105 106 107 108
Kiddle und Swete a.a.O. Eusebius H.E. VII, 25,22. Vgl. das ganz andere Urteil von Jörg Frey bei Hengel S. 400f. ἔπεμπψα [epempsa] ist eigentlich ein schlichtes „geschickt“. Wilckens I, 4 S. 281. Ähnlich Bousset S. 458; Bengel S. 1045. μαρτυρεῖν [martyrein] ist johanneischer Vorzugsbegriff. Vgl. H. Strathmann, Art. μάρτυς usw., ThWNT, IV, 1942, S. 492. 109 Gegen Bousset a.a.O.; Aune S. 1225; U.B. Müller S. 370. 110 Swete a.a.O. 111 So schon Bengel S. 1046. Auch Morris S. 261; Swete a.a.O.; Satake KEK S. 425.
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samte Inhalt der Offenbarung.112 Schwieriger zu fassen sind die Worte ἐπὶ ταῖς ἐκκλησίαις [epi tais ekklesiais]. ἐπί [epi]113 kann hier den Grund oder den Zweck bezeichnen.114 Man kann also übersetzen „wegen der Gemeinden“, das heißt, die christlichen Gemeinden brauchen ein starkes Zeugnis durch den Engel.115 Oder man kann übersetzen für die Gemeinden116, das heißt zum Zweck einer glaubensgewissen Weitergabe an die christlichen Gemeinden.117 Jedenfalls hat der auferstandene Jesus hier seine Gemeinden ebenso liebevoll im Blick wie in Offb 1,20. Ruhte das Interesse bisher auf den christlichen Gemeinden118, so wird nun in der zweiten Hälfte von V. 16 alles Interesse auf Jesus selbst konzentriert: Ich bin die Wurzel und das Geschlecht Davids, der helle Morgenstern (ἐγώ εἰμι ἡ ῥίζα καὶ τὸ γένος Δαυίδ, ὁ ἀστὴρ ὁ λαμπρὸς ὁ πρωϊνός [ego eimi he rhiza kai to genos Dauid, ho aster ho lampros ho proinos]). Mit diesem vierten ἐγώ εἰμι [ego eimi] „im Munde des erhöhten Christus“ stoßen wir erneut auf eine „auffällige Entsprechung“ zum Johannesevangelium (vgl. Offb 1,17; 2,23; 22,13; 22,16).119 Zu ἡ ῥίζα Δαυίδ [he rhiza Dauid] vgl. Offb 5,5 und Röm 15,12. Die Wurzel Davids ist in den gemeinchristlichen Sprachgebrauch eingegangen, aber auch dem frühen Judentum bekannt (Sir 47,25; Test Juda 24,5).120 Es handelt sich um eine Messiasprädikation, die auf die ἡ ῥίζα τοῦ Ιεσσαι [he rhiza tu Iessai] in Jes 11,1 und 11,10 zurückgeht. Weil Isai der Vater Davids ist und spätere messianische Weissagungen in David den Typus des Messias sehen (vgl. 2Sam 7,12ff; Ps 89,4ff; Jes 55,3; Jer 23,5ff; Ez 34,23; Sach 3,8), wurde „die Wurzel Isais“ sachgemäß in die Wurzel Davids umformuliert. Fazit: In Offb 22,16 tritt Jesus als der im AT angekündigte Messias vor uns. Dies wird bestätigt durch seine zweite Selbstprädikation: Ich bin das Geschlecht Davids. Sie hängt eng mit der ersten zusammen.121 Der Auferstan112 Swete a.a.O. 113 Ersetzt durch ἐν [en] in einer Reihe von Handschriften, wobei ἐπί [epi] als lectio difficilior den Vorzug verdient. 114 Vgl. Blass-Debrunner § 235. 115 Vgl. Swete a.a.O.: eine „reference to the needs of Christians“. 116 Mit „für“ übersetzen z.B. Lutherbibel; Revidierte Elberfelder Bibel; NGÜ; BenediktBibel. Mit „was die Gemeinden betrifft“ Neue Jerusalemer Bibel; Einheitsübersetzung; BigS. „Über die Gemeinden“ Satake KEK S. 419; U.B. Müller S. 370. 117 Eine dritte Möglichkeit des Verständnisses ist die räumliche Auffassung: „bei den Gemeinden (-versammlungen)“. So Zahn S. 628. 118 Swete a.a.O.: „the Christian societies throughout the world“. 119 Jörg Frey bei Hengel S. 400. 120 Vgl. C. Maurer, Art. ῥίζα usw., ThWNT, VI, 1959, S. 988; Jörg Frey a.a.O. S. 400f. 121 Jörg Frey a.a.O. S. 401, 433: „nur scheinbar zwei Prädikate“.
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dene betont hier, dass er echter Davidide (Davidsnachkomme) ist. Dasselbe betonen Matthäus (1,1ff), Markus (12,35ff), Lukas (1,32; 3,23ff), Johannes (Offb 3,7; 5,5; 22,16) und Paulus (Röm 1,3; 2Tim 2,8). Ich bin das Geschlecht Davids bedeutet: Ich stamme aus dem Geschlecht Davids, ebenso wie „Ich bin die Wurzel Davids“ bedeutet: „Ich bin die Wurzel (= der Spross), die von David abstammt.“122 Maria, die Mutter Jesu, ist ja durch den Ehevertrag mit Josef, der schon vor der Schwangerschaft abgeschlossen wurde, ein Mitglied der davidischen Familie geworden (vgl. Lk 1,32). Ohne eine echte davidische Abstammung hätte Jesus kein Recht gehabt, sich als Messias zu bezeichnen oder als „Sohn Davids“ anrufen zu lassen (Mt 9,27; 15,22; 21,9; Mk 10,47f und öfters). Die dritte Selbstprädikation lautet: Ich bin der helle Morgenstern (ἐγώ εἰμι ὁ ἀστὴρ ὁ λαμπρὸς ὁ πρωϊνός [ego eimi ho aster ho lampros ho proinos]). Auch sie geht auf das AT zurück, nämlich auf Num 24,17.123 Dort sagt der heidnische Prophet Bileam in seiner großen Zukunftsweissagung, es werde ein Stern (LXX: ἄστρον [astron]) aus Jakob = Israel aufgehen. Nach dem Kontext ist dies der Herrscher der Endzeit. Es ist umstritten, ob Num 24,17 eine „messianische“ Weissagung darstellt.124 In der Folgezeit teilen sich die Linien. In einer dieser Linien wird der „Stern“ zum Symbol der menschlichen Anmaßung und Selbstvergötzung. So im Spottlied auf den König von Babel in Jes 14, wo es in V. 12 heißt: „Wie bist du vom Himmel gefallen, du Glanzgestirn, Sohn der Morgenröte!“125 Die LXX hat hier ὁ ἑωσφόρος ὁ πρωὶ ἀνατέλַ שׁ ָ [ ֵהיֵלל ֶבּן־helel benλων [ho heosphoros ho proi anatellon], der MT חר schachar] („Morgenstern, Sohn der Morgenröte“). Aber selbst das Spottlied lässt erkennen, welch glanzvolle, an die Gottheit reichende Gestalt mit solchen Bildworten wie „Stern“ oder Morgenstern bezeichnet wird. Eine zweite Linie führt zu einer konsequent messianischen Deutung. Sie ist klar erkennbar in Qumran (CD VII, 18ff; 1QM XI, 6ff; 1QSb V, 27; 4Q Test 9ff)126, in den Testamenten der Zwölf Patriarchen (Test Levi 18,3ff; Test Juda 24,1ff), bei Bar-Kochba (dem „Sohn des Sterns“) des jüdischen Aufstandes 132–135 n.Chr.127 und eben im frühen Christentum (2Petr 1,19; Offb 2,28; 22,16; auch
122 C. Maurer a.a.O. S. 986; Swete a.a.O.; Kiddle S. 454. 123 Schlatter BFchTh S. 51f. 124 G. von Rad, Theologie des Alten Testaments, II, 4. Aufl., 1965, S. 23, eher dafür; J.A. Thompson, 4. Mose, Brockhaus Kommentar zur Bibel, I, 1980, S. 229, eher ablehnend. 125 Übersetzung nach Hermann Eising, Das Buch Jesaja, I, Geistliche Schriftlesung, 12/1, Leipzig, 1969, S. 120. 126 Vgl. Jörg Frey a.a.O. 127 Vgl. auch Eusebius H.E. IV, 6,1ff.
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in Mt 2,1ff?).128 Die Autorität des auferstandenen Christus bestätigt uns, dass Num 24,17 tatsächlich eine messianische Weissagung darstellt. Die abweichende Auffassung vieler Ausleger, dass die Symbolik des Morgensterns dem „Vorstellungsmaterial“ der „babylonischen Apokalyptik“ entstamme129, ist viel weiter hergeholt und lässt sich weit schwerer begründen. Doch was besagt die Aussage Ich bin der helle Morgenstern nun inhaltlich? Längst ist ja deutlich, dass hier keine „Bezeichnung für den Planeten Venus, der am Abend als erster, am Morgen als letzter Stern sichtbar ist“130, vorliegt. Vielmehr erklärt Jesus hier in feierlicher Form, der Stern ([ כּוָֹכבkochaw], LXX ἄστρον [astron]) der Bileamsweissagung in Num 24,17 und damit der Messias und Welterlöser zu sein. Dreimal hat er sich in Offb 22,16 auf die Schrift, das AT, berufen und damit ein Grundmuster für die christliche Lehre vom Christus entworfen. Beeindruckend schließlich, wie der Auferstandene in Offb 22,16 selbst die Verbindung mit dem „historischen Jesus“, dem Sohn Davids, herstellt.131 Während Bousset schreibt, es bleibe „völlig unerklärbar“, weshalb der Messias Morgenstern genannt werde132, weist Kiddle darauf hin, dass der hier erwähnte Morgen „a morning which is eternal“ sei133 (vgl. Offb 21,25; 22,5), und Bengel nennt ihn einen Ausdruck für „Splendor und Glanz“ und Frieden.134 V. 17 ist zunächst ein typisches Beispiel für die Schwierigkeiten, im Epilog zu unterscheiden, wer hier spricht:135 Und der Geist und die Braut sprechen. Komm! Und wer es hört, der spreche: Komm! Und wer dürstet, der komme. Wer will, der nehme Wasser des Lebens umsonst. Mounce zählt in V. 17 „vier Einladungen (four invitations)“136, U.B. Müller „drei Aufforderungen“137. Die Abfolge der Subjekte τὸ πνεῦμα καὶ ἡ νύμφη [to pneuma kai he nymphe] – ὁ ἀκούων [ho akuon] – ὁ διψῶν [ho dipson] – ὁ θέλων [ho thelon] ebenso wie die Abfolge der Verba finita λέγουσιν [legusin] – εἰπάτω [eipato] – ἐρχέσθω [erchestho] – λαβέτω [labeto] spricht eher für eine Viergliedrigkeit des Verses. Jedenfalls gehören πνεῦμα [pneuma] und νύμφη [nym128 Vgl. Hemer S. 125; Caird S. 286. 129 So Bauer-Aland Sp. 236; Behm S. 115; teilweise bei U.B. Müller S. 370. Kritisch Kiddle a.a.O. 130 GBL, 2, S. 991. Vgl. Hemer S. 126. 131 Vgl. Kiddle a.a.O. 132 Bousset a.a.O. Ähnlich Holtz NTD S. 144. 133 Kiddle a.a.O. 134 Bengel S. 1047. 135 Swete S. 302; Satake KEK S. 426. 136 Mounce S. 395. 137 U.B. Müller S. 371.
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phe] zusammen. Ersteres bezeichnet den Heiligen Geist138; das Zweite die Gemeinde Jesu Christi (vgl. Offb 21,2.9; 19,7ff). Man könnte also beinahe übersetzen „die geisterfüllte Gemeinde“. Doch mahnen andere Stellen wie Röm 8,26f; Offb 2,7; 14,13, den Geist als eigenständiges Subjekt nicht preiszugeben. Er tritt hier unterstützend und inspirierend wie in Röm 8,26 an die Seite der Gemeinde.139 Eine Trennung zwischen dem „in den Propheten redenden Geist“ und der übrigen Gemeinde, wie sie U.B. Müller vornimmt140, können wir dagegen nicht entdecken. Immerhin wäre es denkbar, dass νύμφη [nymphe] im Zusammenhang von Offb 22,17 die Gemeinde der Erlösten in der neuen Schöpfung bezeichnet, die nun den auf Erden Lebenden zuruft: Komm! In diese Richtung geht z.B. Mounce, der den ganzen Vers als Einladung an die Welt versteht.141 Eine andere Möglichkeit des Verständnisses scheint jedoch näherzuliegen. Zweimal sprach Jesus schon im Epilog von seinem Kommen (22,7.12) und das Thema seiner Wiederkunft prägt diesen Abschnitt auch weiterhin (22,17.20). Deshalb sehen wir in dem Ruf Komm! die Antwort der irdischen Gemeinde auf die zweimalige Ankündigung Jesu „Ich komme bald“ (V. 7.12).142 V. 20 und das μαράνα θά [marana tha] in 1Kor 16,22 bestätigen diese Auslegung. Und wer es hört, der spreche: Komm! Auch dieses Komm! richtet sich gemäß dem Vorangehenden als ein Gebetsruf an Jesus.143 Die Wendung wer es hört lässt sich gut auf die gottesdienstliche Gemeinde in ihren Versammlungen beziehen144, schließt aber auch die Einladung an alle Menschen ein, sich an diesem Gebetsruf zu beteiligen. Hier hat Mounce den Nagel auf den Kopf getroffen: Im ganzen 17. Vers ist eine „große evangelistische Kraft (great evangelizing force)“ zu spüren.145 Es bleibt beeindruckend, wie Gregor der Große (590–604 Papst) unsere Stelle ausgelegt hat. Er entnahm ihr nämlich die Aufforderung an die Christen, auch andere die Botschaft hören zu lassen und sie auf dem Weg des Glaubens mitzunehmen.146 Weil der wiederkommende Jesus der Weltenrichter und ewige Gottessohn ist, stellt sich sofort die Frage, wer vor ihm bestehen kann (vgl. 6,17; 19,15; 20,11ff; 22,12). Darum wird jetzt der nach dem Heil Dürstende (ὁ διψῶν [ho 138 139 140 141 142 143 144 145 146
Mounce a.a.O. Schon Bengel S. 1048. U.B. Müller a.a.O.; ebenso Wilckens I, S. 278. Mounce a.a.O.; ähnlich Wilckens a.a.O. So Bengel a.a.O.; Schlatter S. 343; Holtz NTD S. 145. Vgl. wieder Mounce a.a.O. So z.B. U.B. Müller a.a.O. Mounce a.a.O. Texte der KV, III, S. 422f.
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dipson]) eingeladen: der komme (ἐρχέσθω [erchestho]). Erneut zeigt sich die „große evangelistische Kraft“ des Schlussteils der Offenbarung. Wer dürstet nach dem Heil147, wird durch die ganze Bibel hindurch eingeladen, zu Gott zu kommen (vgl. Jes 55,1; Mt 5,6; Joh 4,14; 6,35; 7,37ff; Offb 21,6). Er hat die feste Zusage, Wasser des Lebens = das Heil bzw. alles zum ewigen Leben Notwendige umsonst von Gott zu erhalten (Jes 55,1; Röm 3,24; Offb 21,6; 22,17). Es hängt vom Menschen ab, ob er es will148: Wer will (ὁ θέλων [ho thelon]), der nehme Wasser des Lebens umsonst (λαβέτω ὕδωρ ζωῆς δωρεάν [labeto hydor zoes dorean]) lautet die zweite Einladung in Offb 22,17. Auch sie richtet sich an alle Menschen und nicht nur an die Mitglieder der christlichen Gemeinde.149 Es scheint, dass die Offenbarung hier bewusst an das Johannesevangelium anknüpft (Joh 4,14; 6,35; 7,37).150 Auffällig ist das ständige Präsens in V. 17. Am besten erklärt man es so, dass Offb 22,17 etwas für die ganze Weltgeschichte Gültiges zum Ausdruck bringt.151 Sowohl die dialogische Struktur als auch manche Anklänge an die Abendmahlsliturgie ließen die Ausleger fragen, ob hier eine „gottesdienstliche Situation“152 oder gar eine gewollte Entsprechung zur Eucharistie vorliege.153 Beides dürfte nicht zutreffen. Denn die beiden Einladungen zielen auf alle Menschen. Ja, sogar schon bei dem, der es hört, ist eine Überschreitung der Gemeindegrenzen intendiert. Überdies reichen die verwandten Stellen Jes 55,1; Mt 5,6; Joh 4,14; 6,35; 7,37 weit über eine gottesdienstliche Situation hinaus. Vermutlich spricht in der zweiten Hälfte von Offb 22,17 nicht Christus, wie es z.B. Wilckens annimmt154, sondern Johannes in der Vollmacht des Geistes.155 Die V. 18 und 19 charakterisiert man oft als „Kanonisierungsformel“156. Doch hat dieser starre Begriff offensichtlich Mängel. Er wird weder dem Prozess noch dem Geschehen gerecht, in die wir hier eintreten.157 Sehen wir die Einzelheiten an: 147 Vgl. J. Behm, Art. διψάω usw., ThWNT, II, 1935, S. 230f. 148 P. Müller S. 67. 149 Gegen U.B. Müller a.a.O.; Satake KEK S. 426. Richtig Mounce a.a.O.; Bengel S. 1049; Morris S. 261. 150 Vgl. Jörg Frey bei Hengel S. 357, 384, 391, 393, 395f, 421. 151 Mounce a.a.O. Also durativer Imperativ Präsens, vgl. Blass-Debrunner § 335,1. 152 So U.B. Müller a.a.O.; Wilckens I, 4 S. 278; Satake KEK S. 426,23. 153 Vgl. zur Diskussion U.B. Müller S. 371f; Giesen S. 479. Bejahend z.B. Jörg Frey bei Hengel S. 387.397f; Caird S. 286f. 154 Wilckens a.a.O. 155 Lilje S. 250. 156 Giesen a.a.O. 157 Vgl. Aune S. 1231.
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Mit Ich bezeuge (Μαρτυρῶ ἐγώ [Martyro ego]) jedem, der die Worte der Prophetie dieses Buches hört beginnt V. 18. Offensichtlich ist dies gleichzeitig die Einleitung zu V. 19. Wer bezeugt hier? Das betonte ἐγώ [ego] schließt an das ἐγώ [ego] von V. 16 an. Das Mαρτυρῶ [Martyro] wird sogleich wieder aufgenommen durch das ὁ μαρτυρῶν ταῦτα [ho martyron tauta] in V. 20. In beiden Bezugsstellen handelt es sich um Jesus. Deshalb deutet man Μαρτυρῶ ἐγώ [Martyro ego] in V. 18 am besten ebenfalls auf Jesus.158 Der Auferstandene stellt also seine ganze Autorität hinter das Buch der Offenbarung. Es handelt sich ja nach Offb 1,1 tatsächlich um die „Offenbarung Jesu Christi“! Jesu Zeugnis richtet sich an jeden Hörer der Worte der Prophetie dieses Buches (παντὶ τῷ ἀκούοντι [panti to akuonti] usw.). Schon einmal ist der Hörer in diesen Versen in Pflicht genommen worden (V. 17). Es ist ganz klar, dass der Kreis der Hörer ein weiterer ist als der der Leser oder gar der Vorleser.159 Wer also die Offenbarung oder einzelne Teile aus ihr hört, darf nichts daran verändern – ob er diese Worte versteht oder nicht. Zu der Wendung die Worte der Prophetie dieses Buches, die den ganzen Inhalt der Offenbarung bezeichnen, vgl. oben V. 7.10 und die Erklärung dort. Die erste mögliche Veränderung der Offenbarung besteht in einem Hinzufügen: Wenn jemand etwas hinzufügt, wird Gott ihm die Plagen zufügen, von denen in diesem Buch geschrieben steht. Hinzufügen – zufügen ist auch im Griechischen ein Wortspiel (ἐπιθῇ [epithe] – ἐπιθήσει [epithesei]).160 Mit dieser Aussage von V. 18 stoßen wir auf eine „lange Geschichte“.161 Gerhard von Rad verfolgte sie von Dtn 4,1f; 12,32; Spr 24,29; Jer 26,2 und Pred 3,14 bis hin zu Sir 18,6.162 Rolf Rendtorff163 weist ergänzend auf Spr 30,5f hin. Im Kern geht es darum, dass das heilige Gotteswort so stehen bleiben soll, wie es Gott seinen ersten Boten, z.B. Mose, übermittelt hat. In der Sache erklärt Jesus dasselbe in Joh 10,35: „… die Schrift kann nicht aufgelöst (λυθῆναι [lythenai]) werden.“ Der Zeitgenosse der Apostel, der jüdische Schriftsteller 158 Anders Zahn S. 628f: Johannes. Wie Zahn auch Hadorn S. 215.219; Bengel S. 1049; Caird S. 287f; Schlatter S. 344; Lilje S. 251; Behm S. 115; Satake KEK S. 427; Hartenstein S. 259; J.M. Hahn S. 690. Holtz a.a.O. lässt es offen, ebenso Aune S. 1229. Wie wir Römer S. 243; Frey S. 259; Mounce S. 396; Allo S. 333; Charles II S. 222ff; Giesen S. 492. 159 Mit Recht wehrt sich Aune S. 1230 gegen die Einschränkung auf Gemeindeversammlungen. 160 Vgl. Blass-Debrunner § 488,5. 161 G. von Rad, Theologie des Alten Testaments, I, München, 1962, S. 86, Fußnote 8. 162 A.a.O. 163 In: Das Alte Testament, Neukirchen-Vluyn, 1983, S. 270.
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Josephus, bemerkt denn auch voller Stolz über die heiligen Schriften Israels: „… obwohl schon eine so lange Zeit vergangen ist, hat niemand gewagt, etwas hinzuzufügen oder davon etwas wegzunehmen oder etwas umzustellen.“164 Was in Offb 22,18 steht, ist also für jüdische und für christliche Ohren gleich gut verständlich. Die Ausgangsstellen im AT haben wir schon genannt: Es sind Dtn 4,2 und 13,1, die jede Veränderung am Gesetz Gottes verbieten. Wendet Jesus bzw. Johannes diese Aussagen auf die Offenbarung an, dann ist damit klar, dass sie ebenso heilige Schrift ist wie das Mosegesetz.165 Doch wie kann man hinzufügen (ἐπιτίθημι [epitithemi], LXX in Dtn 4,2; 13,1 προστίθημι [prostithemi])? Antwort: Durch menschliche Zusätze und Ergänzungen aller Art.166 Jesus rechnete dazu z.B. „die Satzungen der Menschen“ (παράδοσις τῶν ἀνθρώπων [paradosis ton anthropon]), falls diese das Wort Gottes aufheben (Mk 7,8).167 Der gute Wille spielt dabei keine Rolle, auch nicht das Argument: „Das haben die biblischen Verfasser noch nicht gewusst (oder: wissen können).“168 Den, der hinzufügt, trifft Gottes Verwerfungsurteil: ihm wird Gott die Plagen zufügen, von denen in diesem Buch geschrieben steht. Plage ist hier ein umfassender Ausdruck für Gottes Strafgericht.169 Dazu gehört das Verlorensein im „Feuersee“ nach Offb 20,11ff ebenso wie der Ausschluss vom ewigen Leben und von der neuen Schöpfung nach Offb 22,15. Denn wer Gottes heiliges Wort – und dazu zählt die Offb (1,1ff)! – verändert, gehört zu denen, die „die Lüge lieben“ (22,15). Vgl. Dtn 29,19ff. Die zweite mögliche Veränderung der Offenbarung besteht in einem Wegnehmen (ἀφαιρεῖν [aphairein], Aor. Inf. ἀφελεῖν [aphelein]): Und wenn jemand von den Worten des Buches dieser Prophetie etwas wegnimmt … Die Worte des Buches dieser Prophetie sind nur eine leichte Abwandlung gegenüber den Worten der Prophetie dieses Buches in V. 18. Beide Male ist dasselbe gemeint, nämlich der ganze Inhalt der Offenbarung. Wie vollzieht sich ein Wegnehmen? Durch absichtliche Weglassung von Worten oder In164 Josephus Contra Apionem I, 42. 165 Vgl. G. Schrenk in den beiden Artikeln βίβλος usw., ThWNT, I, 1933, S. 613ff, und γράφω usw., a.a.O., S. 742ff. 166 Einschränkungen auf Spezialfälle sind nicht hilfreich und auch vom Text nicht gewollt (z.B. auf Abschreiber). 167 Hemer weist S. 173 auf das interessante Beispiel in Eusebius H.E. V, 16,3 hin. 168 Mit Recht sieht Bengel a.a.O. auch manipulierte Übersetzungen und Textausgaben als Fälle an, in denen ein „Hinzufügen“ oder „Wegnehmen“ geschieht. 169 Nicht nur die sieben Plagen von Offb 15,1ff, wie manche Handschriften sagen. Auch Bengel vertritt S. 1055 einen weiteren Begriff; ebenso Lilje S. 251f; Satake KEK S. 427f; Hadorn S. 219; Giesen S. 493.
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halten der Offenbarung oder durch deren permanente Bestreitung. Nicht gemeint ist nach dem Kontext (vgl. „die Lüge lieben“ in V. 15!) die unbewusste, unabsichtliche Weglassung oder nur zeitweise Bestreitung. Allerdings kann sich eine Bestreitung auch in der Form vollziehen, dass man böswillig Texte umstellt.170 Demjenigen, der sich so an der Offenbarung Jesu Christi versündigt, wird Gott seinen Anteil wegnehmen vom Baum des Lebens und seinen Anteil an der Heiligen Stadt, von denen in diesem Buch geschrieben steht. Die Ausdrucksweise ist teilweise parallel zu V. 18. Kurz gesagt: Wer sich hier versündigt, verliert das ewige Heil. Dieses ewige Heil erscheint in den beiden wohlvertrauten Bildern vom Baum (wörtlich: Holz) des Lebens (vgl. Offb 2,7; 22,2.14) und von der heiligen Stadt, das heißt dem neuen Jerusalem (vgl. Offb 21,2.10). Wer aber durch Gottes Gericht das ewige Heil verliert, dem bleibt nur das „endgültige Gericht“171, die ewige Verwerfung. Jesus sagt ausdrücklich, dass keine menschliche oder kirchliche Instanz dieses Urteil fällen wird, sondern Gott selbst (zweimal ὁ θεός [ho theos] V. 18f). Zu denken gibt der Begriff Anteil (μέρος [meros]). μέρος [meros] kennzeichnet in der johanneischen Sprache wiederholt die Gemeinschaft mit Gott und Jesus Christus oder den Gütern des Heils (vgl. Joh 13,8; Offb 20,6; 22,19). Die Wegnahme eines solchen Anteils setzt dann voraus, dass die bis dato bestehende Gemeinschaft mit Gott verloren geht. Es können also auch Christen nach Offb 22,18-19 schuldig werden. Man braucht dies nicht auf die Christen oder Irrlehrer der Zeit des Johannes einzugrenzen, sondern muss mit solchen Vorgängen in allen Zeitaltern der Kirche rechnen.172 Martin Luther hat sich einst daran gestoßen, dass die angedrohten Strafen in Offb 22,18 und 19 „so hart“ sind.173 Diese Härte erklärt sich jedoch daraus, dass es hier nicht um zeitliche, irdische Güter geht, sondern um das ewige Heil. Wer Gottes Wort verfälscht, der nimmt uns den einzigen zuverlässigen Wegweiser zum Heil (vgl. Gal 1,8f; 2Petr 1,19ff). Der vorletzte Vers der Offenbarung (22,20) beeindruckt aufs Stärkste durch die völlige Konzentration auf die persönliche Verbindung mit Jesus. Der dies bezeugt (ὁ μαρτυρῶν ταῦτα [ho martyron tauta]) kann ja aufgrund des Ich im anschließenden ich komme bald kein anderer sein als Jesus.174 Er war auch der Bezeugende in V. 18f. Er spricht (λέγει [legei]) ist ein zeitloses Prä170 171 172 173 174
Vgl. das μεταθεῖναι [metatheinai] bei Josephus Contra Apionem I, 42. Giesen S. 493; Aune S. 1232. Vgl. Aune S. 1231; Giesen S. 493; Hadorn S. 219f. Luther Vorreden S. 180. Ebenso Giesen S. 493; Aune S. 1232; Jörg Frey bei Hengel S. 405. Anders Bengel S. 1056: Johannes.
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sens.175 Denn so spricht Jesus für alle Generationen der Christenheit bis zu seiner Wiederkunft. Ja, ich komme bald (ναί, ἔρχομαι ταχύ [nai, erchomai tachy]): Hier hat das Ja doppelten Sinn: Erstens dient es zur Bekräftigung, zweitens wiederholt es nachdrücklich das schon zuvor Gesagte.176 Denn es ist jetzt das dritte Mal in dem Abschnitt 22,6-20, dass Jesus dieses ich komme bald spricht (22,7.14.20). Was aber dreimal geschieht, hat den Charakter des Endgültigen, Feststehenden (vgl. Mt 26,34; 26,36ff; 2Kor 12,8; Hiob 33,29). Bedeutet es sein Kommen als „Beistand für die Gemeinde und für jeden einzelnen Christen“177? Also in dem Sinne, wie es Paulus in 2Tim 4,17 erlebt hat? So sehr dies eingeschlossen ist, so kurzsichtig wäre es, Offb 22,20 auf diese Ebene zu beschränken. Nein, in erster Linie ist Jesu Kommen bei seiner Wiederkunft gemeint, also sein Kommen in Macht und Herrlichkeit (Offb 19,11ff), sein Kommen zum Weltgericht (22,12; 20,11ff) und sein Kommen zur Weltvollendung (vgl. 1Kor 4,5; 11,26; 15,21ff; 16,22).178 Die Gemeinde Jesu antwortet in Offb 22,20 mit einem „responsorischen Amen“179: Amen, komm, Herr Jesus (Ἀμήν, ἔρχου κύριε Ἰησοῦ [Amen, erchu kyrie Iesu]). Die Auffüllung mit ναί [nai] und Χρίστε [Christe] in einer Reihe von Handschriften ist sicher sekundär. Der liturgisch anmutende Charakter von V. 20 konnte leicht zu einer solchen Auffüllung verführen. In dem Amen, dem sechsten der Offenbarung (vgl. 1,7; 3,14; 5,14; 7,12; 19,4), sagt die Gemeinde: „Ja, wahrhaftig, so ist es – du kommst bald.“ Wiederum spricht die Gemeinde aller Zeiten bis zur Wiederkunft. Wir erinnern uns: bald (ταχύ [tachy]) heißt hier „ohne Verzögerung“ (vgl. 2Petr 3,8ff), aber in einem Zeitmaß, das Gott festlegt und das nicht auf der Menschenuhr abgelesen werden kann. Der Ruf komm, Herr Jesus! entspricht dem aramäischen marana tha von 1Kor 16,22180 („Unser Herr, komm!“). Die Bemerkung in 1Kor 11,26 lässt daran denken, ob dieser Ruf nicht in die Abendmahlsfeier gehört. Aber auch hier muss man sich vor Engführungen hüten. So gut der Ruf zur Abendmahlsfeier passt, so weit reicht er doch darüber hinaus.181 Der Ruf umschreibt nicht weniger als eine Grundeinstellung der wahren Christenheit, die niemals von ihrer Hoffnung sprechen kann, ohne an den wiederkommenden Herrn zu denken. In dem komm, Herr Jesus vereinigt sich die innere Bereitschaft182, 175 176 177 178 179 180 181 182
Blass-Debrunner § 322,3. Blass-Debrunner § 441,2. Giesen a.a.O. und S. 479. Ähnlich Caird S. 288. Richtig Hadorn S. 219f; Aune S. 1233; Satake KEK S. 428. Giesen a.a.O. Giesen a.a.O.; Pokorny/Heckel S. 131, 165. Giesen a.a.O.; Holtz a.a.O.; Aune S. 1236. Gegen Pokorny/Heckel S. 736; Caird S. 288. Vgl. EG Nr. 11 (Paul Gerhardt) „Wie soll ich dich empfangen?“.
C. Epilog (Schlussteil), 22,6-21
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den wiederkommenden Herrn zu empfangen, mit der Sehnsucht, dass doch bald alles Böse, und damit auch Verfolgung, Verführung und Lüge, enden möge. Eine solche Hoffnung und Sehnsucht kann durchaus das persönliche Sterben von Christen charakterisieren. Aber Offb 22,20 gehört grundsätzlich in den Universalhorizont, der die ganze Offenbarung prägt. Vgl. auch die zweite Bitte des Vaterunsers.183 Hadorn schrieb den nachdenkenswerten Satz: „Das ganze NT … protestiert gegen eine Kirche, die das ἔρχου preisgibt.“184 Ganz ähnlich Karl Barth: Es gibt keine Erkenntnis des Glaubens „ohne die Bitte: ‚Amen, ja komm, Herr Jesus!‘ (Apoc. 22,20)“185. Man kann bei Hadorn hinzufügen: Auch das Apostolische und Nizänische Glaubensbekenntnis, auch die traditionellen Lieder der Reformation186, auch die Kirchenlehrer protestieren gegen eine Kirche, die die Wiederkunft Jesu preisgibt. Jede christliche Kirche ist auch eine eschatologische, auf das Ende der alten und den Beginn der neuen Schöpfung ausgerichtete Kirche.187 Der Schlussvers (V. 21) der Offenbarung, oft „Briefschluss“ genannt und teilweise separat vom Epilog (Schlussteil Offb 22,6ff) gestellt188, ist kurz: Die Gnade des Herrn Jesus sei mit allen! Solch kurze Briefschlüsse sind im NT beliebt, am nächsten kommt 2Thess 3,18 (vgl. noch Röm 16,20.23; 1Kor 16,23; 1Thess 5,28).189 Hier haben die alten Handschriften auffallend oft ergänzt. Am meisten stießen sich die Abschreiber an dem einfachen mit allen (μετὰ πάντων [meta panton]). Sie wollten den Bezug auf die Christen sicherstellen und änderten deshalb in: „mit den Heiligen“, „mit allen Heiligen“ oder „mit euch allen“. Doch die betreffenden Handschriftengruppen sind jeweils für sich zu schwach. So wird als die wohl ursprüngliche Lesart nach der Regel der lectio difficilior doch das einfache mit allen stehen bleiben müssen.190 Hat Johannes bei diesem Schlussvers, den er selbst formulierte, vorausgesetzt, dass mit allen eben nur alle Christen bezeichnet werden? Interessanterweise gibt es beim Schlussvers kein Verb. Zwei Übersetzungsmöglichkeiten stehen 183 184 185 186 187 188 189
Hadorn S. 220. A.a.O. Barth KD I/2 S. 131. EG Nr. 147–152. Vgl. Lilje S. 253f. So bei Swete S. 302; Lilje S. 253; Satake KEK S. 429. Dass Johannes mit seinem Briefschluss Paulus „nachahmt“ (so Wilckens I, 4 S. 258), ist rein spekulativ. 190 Anders Zahn S. 629, der sich für μετὰ πάντων τῶν ἁγίων. ἀμήν [meta panton ton hagion. amen] entscheidet. Wie Zahn Lilje S. 253. Behm S. 113: „mit allen Heiligen“. Caird S. 282: „mit euch allen“. Wie wir z.B. Bengel S. 1057f; Satake KEK S. 429; Lawton S. 140; Grünzweig II S. 291; Neue Jerusalemer Bibel; Lutherbibel.
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hier nebeneinander: „Die Gnade … sei mit allen“ oder „Die Gnade … ist mit allen“.191 Bevorzugt man – wie wir192 – den Wunsch, dann bleibt die Möglichkeit offen, dass Johannes in evangelistischer Absicht allen Menschen und nicht nur allen Christen die Gnade des Herrn Jesus wünscht.193 Bevorzugt man jedoch das ist mit allen, dann können freilich nur alle Christen gemeint sein. Wir werden beides offenlassen müssen. Über eines gibt es aber keinen Zweifel: Nur die Gnade des Herrn Jesus bringt uns ins ewige Leben der neuen Schöpfung. Wieder genügt der einfache Name Jesus, um diesen elementaren Sachverhalt zum Ausdruck zu bringen.194 Seine Gnade besteht im Opfer seines Lebens, im Vergießen seines Blutes und der dadurch bewirkten Erlösung. Das geschah ohne unser Verdienst („umsonst“, V. 17) und ohne unsere Mitwirkung. Dafür hat diese Erlösung aber auch eine unerschütterliche Gültigkeit für jeden, der sie im Glauben annimmt. Herr (κύριος [kyrios]) ist Jesus, weil er vom Vater die Vollmacht zur Erlösung und die ewige Herrschaft auf dem göttlichen Thron empfing (vgl. 3,21; 5,6ff; 22,1ff). Mit den Worten Die Gnade des Herrn Jesus sei mit allen! stellt uns Johannes, gleichviel ob wir im Gottesdienst versammelt sind195 oder die Worte der Offenbarung für uns allein lesen, noch einmal vor den einen, der der Urheber der Offenbarung (1,1) und der einzige Weg zum Heil (Joh 14,6) ist: Jesus.196
191 192 193 194 195 196
Giesen S. 498. Und Aune S. 1239; Satake KEK S. 429. In diesem Sinn interpretiert Bengel S. 1058. Vgl. Giesen a.a.O. So Giesen a.a.O.; Behm S. 115. Mit Recht betont Zahn a.a.O., dass Offb 22,21 dafür spricht, dass die Offenbarung an die ganze Christenheit gerichtet ist. Ebenso Holtz NTD S. 146.
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Wilckens, Ulrich, Theologie des Neuen Testaments, Band I, Teilband 4, Neukirchen-Vluyn, 2005 [Wilckens I, 4] Wilcock, Michael, The Message of Revelation, The Bible Speaks Today, Leicester, 1975 [Wilcock] Witulski, Thomas, Die Johannesoffenbarung und Kaiser Hadrian, FRLANT, 221, 2007 [Witulski JohOffb] Witulski, Thomas, Kaiserkult in Kleinasien, NTOA, 63, 2007 (nur 1 Kapitel) [Witulski Kaiserkult] Zahn, Theodor, Apostel und Apostelschüler in der Provinz Asien, in FGNK, VI, 1900, S. 1-224 [Zahn FGNK] Zahn, Theodor, Die Offenbarung des Johannes, KNT, 18, 3. Aufl., 1924 (nachgedruckt 1986, R. Brockhaus Verlag, Wuppertal) [Zahn] Zahn, Theodor, Einleitung in das Neue Testament, 2 Bde., Leipzig, 1899 [Zahn Einl] Zohary, Michael, Pflanzen der Bibel, 2. Aufl., Stuttgart, 1986 [Zohary]
Autorenverzeichnis
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Autorenverzeichnis A Aland, Kurt 7, 10, 18, 26, 28, 32, 34, 42-43, 46, 51, 53, 65, 69, 77, 80, 82-84, 88, 93-95, 103-104, 117119, 129, 131, 137, 149, 153, 155, 184, 189-190, 195, 201, 207-208, 221, 230-231, 234, 254, 261-262, 267, 275, 277-278, 295, 301, 305307, 310-311, 313, 315-316, 318, 328-329, 334, 351, 353, 355, 360, 365, 378, 385-386, 398-399, 409, 413, 421, 430, 432, 434, 436-438, 440, 448, 451-452, 454-455, 458459, 467, 476, 494, 504 Allo, E.-B. 36-38, 40, 181, 185-186, 189, 194-195, 197, 199, 208, 211214, 216, 220-222, 238, 244-245, 250, 507 Auberlen, Carl August 75, 251, 264, 269, 272, 281-282, 285, 323, 348, 359, 363, 367, 375, 382, 385-386, 390 Augustinus 298, 383, 390, 393, 406, 412, 414, 418, 422, 434-435 Aune, David E. 22-23, 30, 32, 4546, 49-50, 53, 55, 57, 59, 64-65, 68, 71, 76-77, 85, 87-89, 92-94, 96, 98, 100, 103, 107, 109, 111112, 114-115, 120-121, 124, 126, 128, 131-132, 134, 136-137, 139140, 142, 145, 147, 151, 154, 170, 172-173, 175, 177, 181-183, 185, 187-191, 193, 195, 198, 200-201, 207, 211-215, 220-221, 224, 226, 228, 230-231, 236, 238, 240, 244, 249, 254, 256, 260-261, 263, 265-
268, 270-278, 280-281, 284, 294, 297-298, 300, 302, 312-314, 316317, 320-321, 324, 326-327, 330, 332, 337-339, 342, 346, 349, 351354, 356-358, 361, 366, 384-385, 396, 398, 400, 403, 408-409, 411, 420-421, 424, 426, 428-429, 432, 436-437, 439-442, 445-447, 449450, 455, 461, 467, 469-470, 477478, 489-492, 495-497, 501, 506507, 509-510, 512 B Barclay, William 33, 35-36, 47, 53, 55, 58, 137-139, 172, 177-178, 182, 213-214, 216, 244-245, 260, 263, 285, 297, 299, 429, 432-433, 435-436, 498 Barth, Karl 16, 122, 144-145, 165, 368, 371, 511 Bauer, Walter 7, 18, 26, 28, 32, 34, 51, 53, 65, 69, 77, 80, 82-84, 88, 94-95, 103-104, 117-119, 129, 131, 137, 149, 153, 155, 184, 189190, 195, 201, 207-208, 221, 230231, 234, 254, 261-262, 267, 275, 277-278, 295, 301, 305-307, 310311, 313, 315-316, 318, 328-329, 334, 351, 353, 355, 360, 365, 378, 385, 398-399, 409, 413, 430, 434, 436, 438, 440, 448, 451-452, 454455, 458-459, 467, 476, 494, 504 Beale G.L. 22, 34, 36, 38-39, 180, 197 Becker, Michael 92-93
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Die Offenbarung des Johannes Kapitel 12–22
Beckwith, Isbon T. 93, 158, 178, 181-182, 244, 248, 250, 270, 342, 376, 390, 421, 454 Behm, Johannes 19, 21-23, 28-30, 32, 34, 38-39, 47-49, 53, 55, 58, 62, 64-66, 68, 78, 83, 85, 88-89, 93-95, 98, 100, 102, 110, 112113, 116, 118-119, 122, 125, 129, 131, 133, 135, 142, 144, 147, 156, 170, 172-173, 175, 177-178, 181, 187, 190, 193, 196, 198-199, 202, 207, 211, 213, 217, 221, 227, 231, 238, 250, 254, 257, 260, 263, 266, 270, 284, 299, 316-317, 321, 326, 330, 333, 340, 343, 346, 353, 357, 359, 366-367, 381, 385, 387, 395, 398, 402, 408, 424, 428-429, 435436, 439, 441, 443, 449, 452, 461, 476, 488, 490, 493, 495, 498-499, 504, 506-507, 511-512 Bengel, Johann Albrecht 16, 20-22, 24-25, 28, 30-32, 37-38, 42, 4547, 49, 53-57, 59-60, 63-67, 70, 72, 74, 76-79, 83-85, 88, 93-94, 97-98, 100, 102-105, 110, 114, 116, 118-119, 121, 123-125, 128129, 131-133, 137-138, 144-145, 151-152, 155-157, 162-165, 167, 170, 172, 178, 183, 185-188, 190191, 199, 201, 206-210, 216-218, 220-221, 224, 226-231, 233, 235, 237-238, 240-241, 243-246, 251, 254-257, 261, 263, 265, 269, 277278, 280-281, 285, 292, 294, 296298, 300-302, 304, 312-313, 316318, 321, 326-327, 330-333, 338339, 341, 346, 348, 350, 352, 354, 356-357, 359, 366, 381-386, 388, 390, 393, 396, 401, 408, 410-411,
413, 426-427, 430-432, 434-437, 440-441, 443, 445-450, 453, 456457, 467, 469-470, 475-476, 481483, 485, 487-489, 492, 494-496, 500-501, 504-509, 511-512 Berger, Klaus 120, 253, 287, 290, 320, 366, 376, 396, 446, 474 Billerbeck, Paul 29, 36, 93, 133, 227, 235, 465, 484 Blass, Friedrich 7, 17, 34, 41-43, 45-46, 49, 53-54, 56, 59, 61, 6465, 67, 72, 77, 82-84, 92, 95, 101, 107-110, 115, 117, 119, 127, 132, 136, 142, 146-149, 151-153, 159160, 168, 170, 175, 180, 185, 188189, 194, 197, 204, 213, 215, 218219, 224, 226, 231, 237, 242, 248, 258-259, 267, 270, 289, 294, 296, 301, 303-304, 306, 310, 312, 315, 318-319, 325, 341, 349, 356-357, 365, 378, 387, 435-436, 445, 447448, 451, 461, 477, 486, 495, 498, 502, 506-507, 510 Böcher, Otto 97 Bösen, Willibald 26-27, 46, 58, 89, 103, 108, 172, 201, 207, 227, 315316, 356, 369-370, 382, 398, 402, 423, 463 Boll, Franz 20, 22, 29, 62, 71, 456 Bousset, Wilhelm 18-20, 22, 24, 2630, 32, 34-35, 38-39, 42-43, 4547, 49, 51-53, 55-56, 68, 75-79, 81, 83, 85, 88-89, 93, 95-96, 98, 100-102, 106-107, 110-111, 113, 116-117, 120, 124, 128-129, 131, 133, 135-139, 141, 144, 154-160, 167-168, 171, 173, 175-182, 184185, 187, 189-191, 193, 195-196, 198-199, 202, 206-207, 209, 216,
Autorenverzeichnis
218-219, 221-222, 225, 228, 232235, 237-238, 240, 242-245, 250, 252, 254, 258-260, 263, 266-268, 284-286, 292-293, 296, 298-299, 316-318, 321-324, 327-328, 330, 332, 335, 337-338, 341-342, 344, 346, 351-353, 363, 365-366, 369, 377-380, 385, 388, 394-396, 398400, 402, 408, 410, 412, 416-417, 421, 426, 428, 500-501, 504 Brighton, Louis A. 34, 103-104, 158-159, 161, 346, 349-350, 354355, 366, 369 Bruce, F.F. 254, 263, 271, 285, 400 Bultmann, Rudolf 95-96, 158, 192, 230, 279, 282, 315, 328, 335, 340, 371, 433-434, 442, 488 C Caird, George Bradford 21, 23-24, 32-33, 45, 51-52, 54, 59, 61, 6466, 68, 76-79, 82, 88-90, 94, 96, 100, 110-111, 115-116, 121, 129, 132-133, 135-137, 155-157, 165, 167, 172, 177, 179, 181, 184, 187, 189-190, 195, 211, 218, 221, 225, 227-231, 238-239, 241, 257, 263, 265, 270-271, 273, 276, 282, 285, 297, 299, 315-317, 322-323, 326327, 330, 332, 340, 342, 346, 352, 354, 357, 359, 376, 381, 385-386, 390, 401, 403-404, 409, 415-416, 424, 426, 435, 441, 446, 451, 453, 460-461, 467, 471, 476, 492, 495, 497, 500, 504, 506-507, 510-511 Carson, D.A. 181, 373, 421 Charles, R.H. 17, 21-22, 24, 27-32, 35, 39-40, 47, 56, 61-62, 64-69, 71-72, 75-79, 81-85, 93-94, 96,
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100-102, 106-107, 110-111, 113, 115, 117, 124, 126, 128-131, 137, 140, 142, 144-148, 151, 158-159, 167-168, 170, 173, 180-183, 186, 189, 192, 217-218, 220-222, 228, 231-232, 234-238, 244-246, 250, 253-257, 259-260, 262-266, 268, 271, 277, 285-287, 292, 296, 299, 301-304, 312-314, 317, 323-324, 327, 341, 344, 352-357, 361-363, 365, 367-368, 385-386, 395-400, 402-403, 408-414, 418, 420, 426, 428, 432, 435-437, 445-446, 487490, 493, 500, 507 Conzelmann, Hans 22, 45, 85, 100, 120-121, 138, 249, 271, 443, 448, 471 Cullmann, Oscar 170, 382, 390, 423 D Debrunner, Albert 7, 17, 34, 41-43, 45-46, 49, 53-54, 56, 59, 61, 6465, 67, 72, 77, 82-84, 92, 95, 101, 107-110, 117, 119, 127, 132, 136, 142, 146-149, 151-153, 159-160, 168, 170, 175, 180, 185, 188-189, 194, 197, 204, 213, 215, 218-219, 224, 226, 231, 237, 242, 248, 258259, 267, 270, 289, 294, 296, 301, 303-304, 306, 310, 312, 315, 318319, 325, 341, 349, 356-357, 365, 378, 387, 435-436, 445, 447-448, 451, 461, 477, 486, 495, 498, 502, 506-507, 510 Delitzsch, Franz 163, 356, 380 E Eckhardt, Karl August 120, 249, 271, 324
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Die Offenbarung des Johannes Kapitel 12–22
Elwell, Walter A. 181, 244, 346, 373, 421, 474 F Feuillet, A. 263, 270-271, 285-286 Ford, J. 21, 27, 29-32 Frey, Hellmuth 17, 19, 21, 37, 4748, 52-54, 58, 92, 97, 103, 107, 120, 149, 157, 172, 181-182, 185, 202, 207-209, 213-214, 217-218, 220, 224, 227, 241, 244, 271, 273, 277, 298-299, 316, 322, 336-337, 339, 343, 353, 359, 366-367, 373, 381, 384, 388, 390, 423, 429, 431, 438-439, 444-445, 465, 475, 478, 499, 501-503, 506-507, 509 Frohnmeyer, J. 233 G Giesen, Heinz 22, 30-31, 33-38, 40, 53-59, 62, 128-130, 132-133, 135-139, 141, 145, 153, 155-159, 161-163, 167, 169-170, 173, 175180, 184-187, 189-190, 206-210, 214, 216, 218-222, 231-232, 234235, 238, 240-244, 246-247, 250, 253-255, 260, 263, 265-267, 271, 274, 276, 284-286, 290, 292, 296, 298-300, 302, 306, 310-311, 315318, 323, 326-327, 330-334, 336, 338-339, 343-344, 353-355, 357, 363, 366, 368, 376, 378, 380-382, 384-385, 387, 389-390, 405, 408, 410, 414, 416-418, 421, 424-426, 428-429, 431-433, 435-440, 444, 446-449, 453, 455-457, 462, 465473, 477, 480-483, 486, 488-492, 494-500, 506-510, 512
Gnilka, Joachim 21, 85, 100, 249, 271, 278, 322, 396 Goppelt, Leonhard 96, 124, 150153, 155, 254, 474-475 Grünzweig, Fritz 19, 22, 30, 93, 130-131, 133, 137, 145, 172, 182, 189-190, 202, 208-209, 214, 217218, 220, 224, 227, 231, 233, 235, 238, 242, 264, 266, 272, 285, 287, 298-299, 339, 352, 363, 367, 377, 381, 385, 390, 394, 402, 408-409, 447, 449, 451, 477, 480, 486, 495, 511 Grundmann, Walter 20, 37, 51, 224, 351, 434, 448 Gunkel, Hermann 22, 34, 75, 101, 232, 245, 252, 258 Guthrie, Donald 121, 181-182, 244, 249, 273 H Hadorn, Wilhelm 18-19, 22, 31, 3334, 36-37, 39-40, 42, 44-45, 47, 53, 55-56, 128-129, 133-138, 149, 157-160, 167, 170, 178, 180, 182, 197, 202, 207-211, 216-217, 220221, 224-225, 231, 233, 237-238, 240, 242-244, 250, 271, 289-290, 292-293, 295, 298-300, 302, 306, 310-311, 316-318, 320, 323, 326327, 333-334, 336, 338, 341-344, 357, 359, 361-363, 365-368, 370, 395-399, 401, 404, 408-410, 412, 415-416, 421, 424-426, 428, 430, 432-433, 435-437, 441-444, 452456, 461, 465-467, 469, 476-477, 481-483, 486, 488-490, 492-496, 498-500, 507-511
Autorenverzeichnis
Hahn, Johann Michael 19, 21, 2324, 27, 30, 38, 41, 46, 53, 59, 63, 74, 83, 88, 90, 97, 102, 119, 128, 131, 133, 144-145, 166, 170, 172, 182, 185, 202, 208, 214, 216-218, 221, 237, 241-242, 244, 251, 264, 268, 273, 282, 285, 297-299, 323, 325, 327, 339, 352, 363-364, 377, 390, 394, 396, 408-409, 411, 429, 432, 435, 447, 449, 454-455, 466467, 472-473, 476-477, 482, 484485, 495, 507 Hahn, Philipp Matthäus 383 Harrington, Wilfrid J. 431-432, 435-436, 440 Hartenstein, Karl 20, 22, 32, 43, 78, 93, 104, 122, 133, 170, 172, 182, 189, 208-209, 214, 217-218, 220, 224, 227, 230, 233, 235, 241, 264, 273, 282, 285, 298, 339, 346, 352, 358-359, 367, 382, 390-391, 402, 408-409, 418, 432, 437, 451, 466467, 477, 482, 507 Heckel, Ulrich 120, 122, 181, 254, 317, 510 Heim, Karl 165-166, 500 Heitmüller, Wilhelm 189, 196, 234, 244, 341, 344, 346, 353-354, 358, 363, 369-370 Hemer, Colin J. 17, 28, 34, 40, 5051, 59, 71, 75, 78, 85, 93, 98, 110, 113, 116-117, 146, 157, 228-230, 238, 241, 245, 254, 262, 270, 284, 302, 317, 338, 342, 364, 388, 411, 416, 428, 449, 455, 478, 504, 508 Hengel, Martin 17, 19, 37, 47-48, 52-54, 58, 92, 97, 103, 107, 120, 149, 157, 271, 317, 322, 336-337, 339, 343, 353, 366, 388-390, 423,
527
429, 431, 438-439, 444-445, 452, 465, 475, 478, 494, 496, 499, 501502, 506, 509 Herodot 455 Hirsch, Emanuel 166, 206 Hirschberg, Peter 129 Hofmann, Hans-Ulrich 121, 123, 125, 143, 251, 291, 296 Holtz, Traugott 226, 228, 230-231, 235-236, 238, 241, 253-254, 256257, 264, 267, 270, 273, 283-284, 292, 294, 303, 313, 317, 326, 330334, 340, 343, 346, 352, 357, 359, 368, 373, 384-385, 387, 394, 398, 401-402, 408, 410-411, 416, 418, 421, 424, 435-437, 439, 441, 443, 448, 450, 453, 461, 472-473, 479, 482-483, 488, 490-491, 495, 497, 504-505, 507, 510, 512 Horn, Friedrich Wilhelm 28, 46, 77, 88 I Irenäus 59, 73-74, 81, 87, 97, 103104, 108, 111, 116, 120-122, 124125, 219, 264, 274, 286-287, 347, 358, 365, 374, 379, 386, 389-390, 393, 396, 401, 404, 406, 408-409, 422, 425, 432 J Jeremias, Joachim 33, 164, 232235, 355-356, 377, 395, 414, 429, 445, 450, 463 Johnson, Alan 219, 221, 225-226, 238 K Karrer, Martin 244, 421
528
Die Offenbarung des Johannes Kapitel 12–22
Kiddle, Martin 24, 29, 36, 41, 129, 142, 148-149, 181, 218, 263, 265266, 268-269, 271, 273, 285, 297, 323, 361-363, 368, 409, 421, 426, 436, 444, 447, 500-501, 503-504 Kraft, Heinrich 18, 22-23, 25, 3340, 48-53, 55-58, 85-88, 93, 95, 98, 100, 102-103, 111, 124, 130132, 135-138, 140, 142, 150, 152153, 155-157, 163, 170-171, 173, 176, 183, 185-187, 190-193, 206207, 209-210, 212, 214, 226, 228230, 233, 237, 240-241, 244, 250, 256, 258-263, 265-267, 275, 277, 284-287, 290, 296, 299-301, 304, 323, 326-327, 331, 334, 338-340, 342, 344, 346-347, 363, 369-370, 376-377, 382, 396, 404, 424 Kretschmar, Georg 21 Kümmel, Werner Georg 85, 121, 249, 271, 286, 389, 418 L Lawton, Anna 19, 23, 27, 133, 227, 264, 338-339, 366, 483, 511 Lessing, Gotthold Ephraim 143, 370, 395, 407 Lilje, Hanns 271, 273, 278, 281282, 304, 311, 313, 315-316, 318, 322, 324-327, 332, 334, 338, 340, 346, 352, 354, 356, 358-359, 373, 377, 385, 403, 408-409, 416, 429, 432-433, 439, 441, 447, 454, 456, 461, 470, 477, 488, 490, 492-493, 497, 506-508, 511 Limbach, S. 21, 209, 240, 244, 264 Lindemann, Andreas 22, 45, 85, 100, 120-121, 249, 271
Lohmeyer, Ernst 22, 24, 26-31, 3435, 37-38, 53-57, 61, 73, 75-78, 82-83, 85-86, 88-89, 93-96, 98, 100-102, 105, 107, 110-111, 113, 119, 121, 123, 128-131, 134-141, 147, 149, 151-157, 163, 167-168, 170-171, 173-178, 184, 186-193, 196, 202, 206, 208-210, 219, 223226, 228, 234, 236-240, 242-244, 246, 248, 250, 253-254, 256-258, 260-261, 263-265, 267-269, 273, 275, 277, 280, 284-286, 290, 292293, 296, 298, 302-303, 306-307, 309-311, 313-314, 323-324, 326328, 330-333, 336, 338, 340-342, 344, 346, 349, 353, 357, 361, 363, 365-368, 377-380, 384-386, 388, 391, 394-396, 398, 400, 402, 405, 408-410, 414, 417, 421, 424-425, 429-430, 432, 437, 440-443, 448449, 451, 456, 465, 467, 477, 488489, 491-493, 499 Lohse, Eduard 22, 24, 34, 36, 39, 49, 51, 53, 55-57, 128, 157-158, 160-161, 177-178, 180, 182, 185, 208-209, 220-221, 225-226, 232, 235, 238, 244, 249-250, 273, 283, 317, 326-327, 330, 334, 338, 343, 376, 381, 427, 452, 473, 476-477 M Maier, Gerhard 1, 6, 15-16, 29-30, 41, 64, 70, 74-76, 80, 97, 114, 124-125, 143-144, 150, 165-166, 172, 179, 205, 217, 223-224, 244, 251-252, 267, 291-292, 296, 300, 305, 308, 313, 347-348, 359, 375, 383, 390, 393, 397, 401, 403, 406-
Autorenverzeichnis
407, 422-423, 444, 450, 459, 464465, 473, 500 Meer, Frits van der 100, 413 Metzger, Paul 97, 104, 369, 494 Milligan, William 93-94 Moo, Douglas J. 181, 373, 421 Morris, Leon 20, 22-23, 25, 27-28, 30, 32, 34, 36, 50, 53-55, 65, 68, 71-72, 76, 81-83, 86, 88-90, 9395, 97, 109, 112, 115, 121-122, 128, 130-133, 137, 139, 142, 155156, 170-171, 173, 175, 178, 180181, 185, 190, 193, 198, 200, 207, 211, 216, 221, 224, 228, 231-233, 235-236, 241, 253, 256-257, 260263, 273, 280, 282, 292, 298, 302, 314-315, 317-318, 323, 326-327, 332, 337, 342, 348, 350, 352, 354, 356-357, 370, 373, 376-377, 385, 390, 396, 400-402, 408, 412, 421, 424, 426, 435-437, 441-442, 444, 446, 449, 455-456, 469, 483, 492, 496-497, 501, 506 Mounce, Robert H. 19-20, 22-24, 27-28, 30, 32, 35-38, 41-42, 4445, 53-58, 78, 82, 85-88, 100-104, 107, 121, 137-139, 144, 149, 153, 155-158, 163-165, 167-168, 170171, 173-174, 176-178, 180-181, 184, 190, 196-197, 202, 206-207, 209, 211, 216, 218, 220-221, 226, 228-230, 232-235, 238, 242-244, 250, 256, 260, 262-263, 285, 290, 292-293, 316-318, 320, 323-328, 331-334, 336, 338-339, 341-342, 344, 394-397, 399-403, 416, 421, 425-426, 435, 437-438, 440-443, 448-451, 453-455, 472-473, 487490, 504-507
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Müller, Ulrich B. 18-19, 21-31, 33, 35, 38, 43, 47-50, 53-54, 56-57, 59, 65-66, 76-78, 80, 82, 84-85, 104, 133, 137, 157, 159-160, 167, 180, 183, 185-188, 190, 192, 194, 202, 207-208, 210-212, 216-217, 220-221, 225-226, 228, 233-235, 241-244, 246, 250, 259-261, 263264, 270-274, 276, 278, 284-285, 287, 296, 298-300, 302, 316, 320321, 323, 326-327, 332, 336, 338343, 346, 352-355, 357-358, 362363, 367-368, 373, 376, 378, 380, 382, 385, 387, 390, 401, 404, 408410, 412, 416-418, 421, 424-426, 428, 431-432, 436-438, 440-441, 443-444, 446-449, 452-453, 455457, 461-462, 465-467, 472-473, 480-482, 487-490, 494-495, 497, 499-502, 504-506 Müntzer, Thomas 172 N Niebergall, Friedrich 249, 263, 271 O Oetinger, Friedrich Christoph 165, 444 Omerzu, Heike 38, 45, 59, 64-66, 68, 71, 75, 79, 244, 254, 258, 266, 285 Ott, Heinrich 165, 406, 424, 495 P Philberth, Bernhard 182, 208, 210, 217, 221, 224, 227, 303 Piper, O.A. 181 Pohl, Adolf 24, 83, 96, 124, 128, 131, 134, 173, 182, 202, 206-207,
530
Die Offenbarung des Johannes Kapitel 12–22
209, 213, 216-217, 220, 235, 241, 253, 264, 266, 273, 280, 282, 285, 296, 298-299, 352, 381, 385-386, 394, 400, 402-403, 408-409, 430431, 483, 486 Prigent, Pierre 271, 273-275, 286, 326-327, 332-333, 338, 343 R Ratzinger, Joseph 75, 80, 97, 450 Rissi, Mathias 267, 346, 403 Ritt, Hubert 111, 114, 120, 170-171, 225, 228-230, 233-235, 263, 271, 278, 284, 286, 290, 326-327, 330, 332, 336, 338, 340, 354, 365, 368, 373, 376, 382, 408, 415-416, 470, 473-477 Robert, A. siehe Feuillet, A. Robinson, John A.T. 85, 249, 270271, 273, 286, 323-324 Roloff, Jürgen 35-36, 43, 45, 53-57, 85, 88-89, 91, 97, 101, 103, 106107, 110-113, 115, 120, 124, 128, 134-135, 137, 155-156, 158, 160161, 163, 165, 167, 174, 177-178, 180-181, 197, 204, 209-212, 214, 216, 221, 224-225, 227-228, 231, 235, 238, 241, 244-246, 250, 253254, 285, 287, 290, 292, 294-295, 298-303, 313, 315, 322, 338-342, 346, 357, 359, 361, 366-368, 395397, 399-400, 403, 408-412, 418, 424-425, 427-429, 432, 434-437, 439-441, 445, 453-455, 465, 467468, 472-473, 486, 488, 491-493, 497-499 Römer, Christian 21, 32, 50, 185, 202, 211, 224, 227, 233, 243, 253, 264, 266, 273, 282, 297-298, 307,
316, 359, 366, 368, 381, 384-385, 390, 397, 401-402, 408, 415-416, 424, 432, 435-437, 449, 467, 477, 482-483, 486, 495, 507 Rowland, Christopher C. 37 S Satake, Akira 213, 216, 220-222, 225-226, 228, 231, 235, 237-240, 242, 250, 254, 260, 263, 266, 268, 270, 276-277, 284, 290, 298, 300, 302, 306, 311, 313, 315-317, 320321, 326-327, 332-334, 338, 340, 342-343, 346, 350-354, 357-359, 364, 366, 381, 385, 387, 396, 398, 400, 408-409, 424, 426, 429, 432, 435-437, 439-441, 444, 453, 456457, 461, 468, 470-471, 473, 476477, 479, 482, 484, 488-491, 495, 497-499, 501-502, 504, 506-508, 510-512 Schick, Eduard 22, 35, 37, 39, 46, 50, 53-54, 56-58, 235, 263, 269270, 273, 275-276, 285, 293-295, 298-299, 302, 323, 325, 328, 332, 338, 340, 343-344, 430, 448-452, 472, 474, 486, 488, 490-495, 498499 Schlatter, Adolf 22-23, 30-33, 4345, 47, 49-50, 53, 62, 65, 78, 83, 88, 90-91, 93, 95-96, 104, 108, 110, 112, 116, 121-122, 128, 132134, 137, 142, 145, 149, 155, 157158, 160, 170, 173-175, 177, 181, 187-189, 191, 200-201, 209, 211, 215-216, 221, 225, 227, 229, 231, 235, 238, 244, 253-254, 260, 263, 271, 279, 284-285, 296, 298, 300301, 313-314, 316, 318, 320-323,
Autorenverzeichnis
326-330, 333-334, 337, 341, 350354, 356-357, 362, 365-368, 373, 376, 379, 381-382, 384, 394-395, 397-398, 402-403, 408-409, 411, 416, 421, 425-426, 428, 435-436, 441, 446, 448-451, 453, 460-461, 466, 468, 470, 474-475, 477, 492, 497, 503, 505, 507 Schmidt, Ludwig 132, 269, 279, 339, 451-452 Schrenk, Elias 68, 92, 279, 328-329, 337, 349-350, 508 Seebass, Horst 34, 254, 256, 258, 260, 263, 280-281, 285, 322-323 Semler, Johann Salomo 165, 407 Smalley, Stephen S. 180-185, 189190, 196, 216, 237 Spener, Philipp Jacob 144-145, 206, 251, 291, 347, 383, 390, 393, 473 Strack, Hermann L. 7, 29, 36, 93, 133, 227, 235, 465, 484 Strobel, August 120, 249, 271, 274 Stuhlmacher, Peter 17 Swete, Henry Barclay 57, 60-69, 7172, 75-77, 79, 81, 84, 87, 93-97, 106-111, 113, 120, 124, 128-129, 131, 142, 144-147, 180, 183, 185191, 193, 195-196, 200, 206, 211216, 218-222, 230-231, 234, 236238, 244-245, 250, 253-256, 258263, 265-268, 270, 284-286, 296, 298-300, 302-305, 313-316, 323, 346, 352-355, 357, 359-363, 365368, 370, 394-395, 398-401, 403, 408-415, 420-421, 425-426, 428429, 435-439, 487-490, 493, 499504, 511
531
T Tacitus 86, 223, 262, 264 Timpe, Dieter 85 Torrey, Charles C. 59, 85, 110, 120, 254, 270 Trillhaas, Wolfgang 206, 371, 375, 389, 423-424 V Vitringa, Campegius 21, 23-24, 28, 30, 53, 59, 78, 93, 98, 103, 127, 129, 135-136, 143, 149, 156, 167, 170, 186, 189-191, 193, 196, 209210, 226-227, 231, 244-245, 251, 260, 267, 281, 296, 298, 311, 316, 327, 332, 340, 354, 357, 390, 394, 396, 399-400, 402-403, 408, 411412, 421, 431, 436, 446, 449, 456, 467, 473, 492, 500 W Weber, Otto 423, 425 Weber, Theodor 21, 185 Weiß, Johannes 20, 88, 138, 169, 189, 196, 234, 244, 341, 344, 346, 348, 353-354, 358, 363, 369-370 Wettstein, Iacobus 10, 29, 160, 191192, 248-249, 256, 260, 263-264, 267, 271, 285, 338, 343, 374, 378379, 384, 387, 390, 394, 396-397 Wikenhauser, Alfred 47, 49, 51, 53, 55-56, 111, 113, 117-118, 120121, 170-171, 173, 424, 452 Wilckens, Ulrich 47, 97, 100, 113114, 118, 120, 125, 128, 146, 149, 159, 186, 189, 254, 271, 323, 327, 330, 346, 352-353, 410, 481-482, 484, 488, 496-497, 501, 505-506, 511
532
Die Offenbarung des Johannes Kapitel 12–22
Wilcock, Michael 180, 191, 193, 200 Witulski, Thomas 98 Z Zahn, Theodor 18, 20-21, 23, 32-33, 40, 43, 53, 76-77, 82-87, 93, 107108, 112, 117-118, 120-121, 126, 128-129, 131-132, 134, 137, 140, 142, 149-150, 156-157, 170-171, 176, 180-181, 185, 189-191, 193, 197, 216, 228, 231-232, 238-240, 243-244, 249, 253, 260, 263, 267, 272-273, 278, 280, 293, 299, 316, 321, 323, 326-327, 330, 333-334, 336, 340, 342, 346, 351, 357, 359, 361, 365, 367, 373, 385, 398, 400401, 403, 418, 424, 429, 431-432, 452-453, 472, 474, 497, 502, 507, 511-512
Stichwortverzeichnis
533
Stichwortverzeichnis A Abaddon 377 Abendmahl 176, 309, 340, 371, 429, 499, 510 Abfassung, Abfassungszeit 84, 271 Abgrund 45, 247, 265f, 364, 372, 376f, 380-382, 395 Ablauf 137, 186, 196, 221, 227, 244, 276, 378, 380, 382, 396, 402 Abraham 341, 450, 479 Achtzehngebet 450 Adler 60, 62f, 71f, 79, 144, 297 Adressat 145, 167, 297, 440 Ägypten 36, 62, 105f, 186, 193, 196, 198, 201f, 205, 209f, 223, 225, 238, 272, 309, 319, 378 Aktualisierung, aktualisiert 144, 227, 267, 295 Alexander 307 Allegorie, allegorisch 25, 72, 218, 224, 374, 406, 422f, 426, 431, 444, 454, 473 Allmacht, Allmächtiger 192, 215, 219, 227,, 231, 334, 356, 373, 420, 461, 465 Altar 56, 168, 174, 203, 211, 214216, 454 Altes Testament 23, 29f, 32, 40, 52, 56, 58, 62, 64f, 69, 81, 85, 100, 152, 154f, 178f, 193, 211, 222, 280, 287, 293, 296, 302, 304, 311, 319, 322, 356, 396, 428, 447, 456 Amen 25, 200, 215, 331, 349, 510f Amt 377 Anbetung 49f, 84f, 91, 103f, 132, 152, 155, 243, 308, 330f, 341343, 467, 479f
Antichrist 18, 38, 41, 46, 73-75, 78, 80, 83-86, 88-92, 94-98, 102-104, 107f, 110, 114-117, 120-129, 132f, 137f, 140f, 152, 155-159, 182, 186, 195f, 204, 208-210, 217-229, 236-239, 243f, 253, 255-287, 290-299, 303f, 312f, 321-325, 333, 344, 348-351, 361363, 366-373, 381, 386, 402, 405, 416f, 425, 441, 443 Apokalyptik 71, 118, 153, 342, 364, 403, 418, 504 Apokatastasis 165f, 426 Apokryphen 44, 199, 403 Apollyon 101 Apostel, Apostelamt, falsche(r) Apostel 106, 219, 267, 298, 315317, 334, 342, 358, 383, 450-454, 457, 464, 491, 493, 498 Apostolicum 368, 408 Aramäisch 372, 510 Arbeit 313f, 434 Astral 22f, 71, 456, 461 Auferstehung, Auferstandene, Auferstandener 18, 53, 83f, 91f, 97, 104, 121, 131, 163f, 172, 198, 228, 231, 266, 327, 349f, 354, 357, 367, 371-379, 385-390, 405, 410, 413-417, 422, 440, 490-493, 496, 499-507 Aufgabe 142, 231, 290, 343, 359, 384, 449, 460, 469, 480 Aufklärung 97, 165, 395, 407, 423 Aufmerksamkeitsruf 92f Auge 27, 102, 107, 114, 299, 350, 427, 429, 481
534
Die Offenbarung des Johannes Kapitel 12–22
B Baal 335 Babel 167, 171, 173, 224, 226, 238, 251, 254, 287, 291-293, 296f, 298, 304, 321-323, 329, 429 Babylon 22f, 29, 75, 100, 149-151, 182, 205, 223, 238-240, 244, 247, 249-253, 255-258, 260-264, 280285, 288-325, 329-331, 338, 344, 348f, 362, 395, 445, 461, 471, 504 Baum 306, 308, 476-478, 481, 497, 509 Baum des Lebens 476-478, 497, 509 Beauftragung, Berufung, Berufungsvision 144, 146 Bedrängnis 24, 90, 393 Bekehrung 184, 202, 204f, 219, 246, 376, 463, 497 Bekenntnis 138, 194, 215f Berg 127f, 130f, 136, 232-235, 239241, 268f, 273, 378, 446, 464, 499 Bewahrung 30, 36, 38, 40, 130, 246, 449 Bewusstsein 256, 298, 491 Bileam 49, 66, 140, 503f Bischof, Gemeindeleiter 120, 329, 374 Blitz 47, 187, 237, 241 Blut 54f, 106, 134, 137, 176-178, 205, 209-214, 223, 245, 262f, 299, 316, 320f, 329, 352, 427, 469, 512 Blut des Lammes 54, 106, 189, 337, 472 Böses 207, 283, 320, 394 Briefschluss 487, 511 Bronze 307 Bruder 52f, 341f, 344, 440, 479, 492f
Buch 28, 124, 144f, 331, 404-406, 411f Buch des Lebens 72, 91f, 247, 249, 267, 404f, 411, 416f, 420, 470 Bund 19, 21f, 25, 36, 90, 105, 127, 163, 175, 190f, 195, 287, 327, 375, 429f, 464 Buße, Bußruf, Umkehr 147, 186, 212, 220, 237, 242, 360, 394, 404, 495 C Cherub, Cherubim 342 Chiliasmus, Tausendjähriges Reich, 1000 Jahre 128, 206, 331, 348, 366, 373-376, 379, 382f, 386-391, 394, 396f, 399, 402f, 417, 435, 464, 477 Christentum 37, 123, 328, 379, 503 Christenverfolgung 61f, 86, 321, 324 Christologie 73, 134, 279 christologisch 25, 41, 196, 238 Chronologie 292f, 382 D Dämonen 29, 108, 111, 203, 224, 226f, 233, 235, 256, 288, 293, 377, 409 Daniel 64, 69, 79, 90, 99, 222, 268, 272, 277f, 493 Danielbuch 27, 44, 118, 123, 154, 265 Dank 132f, 325, 480 David 25, 358, 440, 463, 479, 502504 Dekalog 442 Diadem 17, 26, 28f, 39, 72, 76f, 345, 351
Stichwortverzeichnis
Dieberei, Dieb 203, 228f Dienst 66, 139f, 175, 198f, 201f, 226, 342, 421, 456f, 480-482, 484, 492 Domitian 71, 84-86, 98, 124, 192, 249, 271, 324 Doxologie, Lobpreis 132, 148, 156, 183, 191, 193, 195, 206, 211f, 246, 331f, 343, 480 Drache 15-18, 25-32, 36f, 39-52, 58, 60-73, 76-78, 81, 84, 91, 9698, 101-103, 108f, 122, 126f, 203, 219f, 225f, 229-231, 236, 243, 266, 278, 283, 351, 372f, 376378, 383 E echt 267 Ehebruch 135 Ehre 135, 150, 335 Elia 37, 107f, 123 Endzeit 21, 24, 36, 69, 87f, 95, 106, 118, 195f, 198, 212, 220, 274, 286, 322f, 329, 380, 431, 460, 477, 483, 499, 503 Engel, Engelwesen 18, 30f, 35-37, 41-50, 53, 56, 58, 62f, 66, 84, 89, 114, 133, 141-151, 154-158, 167175, 179-184, 196-199, 201f, 207, 210-216, 231, 234, 236, 241, 246256, 265-268, 276f, 280, 288-294, 298, 311f, 315-318, 322, 327-329, 339-342, 345f, 354, 358f, 363f, 367, 376f, 380f, 394, 401, 411, 433-436, 445f, 449, 453f, 474, 478-481, 486-495, 500-502 Entrückung 34, 43, 195, 208, 256 Entscheidung (freie) 92, 164, 215, 282f, 299, 340, 384, 412, 495, 497
535
Ephesus 305 Erdbeben 204, 237-241 Erde 26, 30f, 35, 38, 40-42, 47-49, 56-58, 60f, 66-69, 83f, 87, 98103, 127f, 131, 134, 137, 148, 172-175, 178, 216-218, 226, 231, 235f, 255, 269, 320f, 328f, 334, 368, 373, 381, 386, 389, 394-400, 403, 408-410, 421, 424-428, 433435 erkaufen 126f, 134, 136f, 140 Erkenntnis 125, 147, 222, 303, 328, 407, 439, 463, 466, 480, 511 Erlöser, Erlösung 22, 24, 56, 73, 92, 104, 133-135, 139, 161, 165, 179, 189, 193, 202, 215, 299, 336f, 356, 370, 387, 413, 443, 471f, 499, 504, 512 Erstgeborener 358 Erz 289, 306 Eschatologie 17, 73, 81, 182, 206, 217, 371, 422-424 Euphrat 203-206, 223-225 Evangelium 33, 52, 141, 143-149, 167, 174, 205, 322, 342 Ewigkeit 92, 141, 155, 162-164, 167, 200, 330, 338, 391f, 402, 421, 438f, 477, 482-484, 501 Exodus 184, 196 F Farbe 27, 169, 187, 199, 257-259, 348, 354, 458 Feind 16, 382, 393, 415 Fels 452 Feuer 107f, 153-156, 163, 174f, 186-188, 211, 216f, 236, 240, 251, 281, 302, 312-314, 365, 392, 401-403, 443
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Die Offenbarung des Johannes Kapitel 12–22
Flucht 36f, 39, 70, 86, 232, 363 Flügel 62f Frau 15-26, 31-35, 37-39, 42, 46, 60-70, 157, 247-249, 253, 257265, 268f, 283f, 336, 429, 445f Freiheit 116, 460, 478, 495 Furcht 147, 194, 413 G Gattung 79 Geburt, Geburtswehen 23-25, 3235, 40f, 43 Geduld 95f, 98, 156f, 200, 360 Geheimnis 108, 247, 252, 260f, 265, 280, 391, 454, 468 Geist 55, 87, 111, 143, 150, 159161, 193, 226f, 256, 260, 268, 321, 324-326, 342f, 370, 436, 445f, 474f, 504f Geist, Heiliger 95, 103, 122, 134, 159-161, 274, 342, 379, 465, 489 Gemeinde 20-23, 25, 36-38, 40-42, 44f, 63, 80, 90, 94-97, 109, 117f, 133, 137, 143, 151, 157f, 167, 182, 201f, 207f, 216, 229f, 263, 268, 274, 283, 286f, 332-336, 344, 371, 389, 399-403, 429, 432, 445, 452, 462, 464, 468, 488, 490496, 505f, 510 Gerechtigkeit 19, 33, 46, 134, 140, 152, 161-163, 183, 211-216, 246, 320, 324, 326-330, 344f, 349f, 360, 394, 404, 412, 415, 441, 471, 494-496 Gericht 47, 57, 114, 140, 142, 146f, 151-156, 161-172, 175-177, 179, 185, 187f, 215, 239, 243f, 253f, 276, 280-284, 287, 300, 304, 316318, 328-330, 349-356, 359f,
365-369, 372, 380, 384f, 387-390, 395, 405-418, 509 Gesicht 40f, 73, 78, 131, 350 Gewand, Kleid 19, 306, 337, 352, 357 Gewissen 411 Glaube 95f, 156f, 161, 222, 325, 388, 436 Glaubensbekenntnis 35, 114, 166, 355, 408, 493, 511 Gnade 161, 299, 337, 412f, 482, 511f Gnosis, Gnostiker 119, 342, 344 Gog und Magog 177, 234, 242, 365, 382, 393, 396-398, 400-402, 405 Gold 161, 199, 259, 305f, 312, 338, 427, 456, 461 Gottesdienst 108, 123, 132, 200202, 308f, 331, 484, 494 Gotteserscheinung 131 Gottesstaat 291, 406 Götzendienst 109, 127, 135, 138, 150, 217, 255, 284, 299, 303, 329 Grab 156 Güte 148, 461 H Hagel 241f Hand 28, 92, 113-116, 123, 125, 151f, 171, 329, 376f, 385 Hapaxlegomenon 307, 309, 311, 459, 478 Häresie, Irrlehre 66, 138, 348, 375 Harfe 132, 318 Harmagedon 205f, 230-235, 242, 362f Hass 96, 280f Hebraismen, Hebräisch 64, 68, 212, 230-232
Stichwortverzeichnis
Heiligkeit 194 Heilsgeschichte 30, 148, 219, 371, 429, 450 Henochbuch 355, 364, 380 Herodes 32 Herr 77, 83f, 115, 123, 158f, 161, 192f, 201, 212, 215, 219, 237, 269, 279, 283, 302, 334, 341-343, 357f, 371f, 398, 430, 433, 449, 463, 465, 482, 487-489, 499f, 510-512 Herrschaft 33, 50-52, 134, 141, 168, 210, 244, 273, 277, 282f, 285, 334, 348, 373, 379, 386-391, 410, 484, 512 Herrscher 24, 96, 186, 248f, 255, 269, 275, 303, 351, 503 Hesekiel 65, 105, 212, 290, 302, 322, 362, 392, 430, 446, 453, 463f Himmel 19, 25f, 30f, 38, 40-58, 76, 89, 92, 100, 107f, 127f, 131, 142, 146-148, 158, 171, 174, 183-185, 187, 197, 201, 214, 241, 292, 296298, 315f, 322-328, 344-346, 348, 353-360, 363, 376, 390, 401-410, 418, 421, 424f, 427-435, 446, 472 Hohepriester 115, 199, 259f, 448, 454, 457-459 Holz 306, 478, 509 Horn 28, 46, 77, 88 Hunger 302, 324 Hure, Hurerei 150, 248f, 253-255, 259-261, 264, 280-288, 294, 303, 306, 326, 328f, 338, 343 Hure Babylon 250, 260, 263f, 280284, 291f, 301, 338, 445, 461, 471 Hymnus 42, 48, 50, 52f, 55, 57, 59f, 85, 126, 134, 181-183, 188, 193195, 211, 214, 330-332
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I Inspiration 283, 436 Irenäus 59, 73f, 81, 87, 103f, 108, 111, 120-125, 264, 287, 347, 358, 374, 396, 406, 422, 425, 432 Isebel 140, 335 Israel 19-25, 31f, 36, 40f, 61, 65f, 70, 105f, 114, 118, 128, 138, 147, 172, 190, 193, 205, 213, 223, 226, 234f, 257f, 267, 281, 287, 310f, 391, 399-404, 431, 440, 449-452, 463f, 466f, 469f, 493, 503 J Jahwe 43f, 163, 192f, 200, 327, 475, 479, 493 Jakob 450, 503 Jakobus 161, 338, 412 Jaspis 447f, 455-459, 475 Jerusalem 112, 114, 128, 130, 176, 212, 235, 244, 254, 259, 263, 287, 298, 362f, 390f, 395, 398-401, 403f, 421, 427-429, 431f, 446457, 460-478, 483, 497-500, 509 Jesaja 24, 56, 290, 296-298, 303, 380, 424, 450, 456 Jesus Christus 21f, 33, 53-55, 76f, 82, 85, 91f, 127, 134, 138f, 149, 154, 158f, 179, 228, 235, 238, 279, 348, 353, 355, 369-371, 377, 386, 408, 442f, 465f, 472f, 475, 491, 496f, 500 Jesusworte, Jesusüberlieferung 58, 71, 136, 140, 169, 179, 228, 245, 321, 466 Joachimismus 375 Johanneische Schule 120 Johannes 491-495, 501
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Die Offenbarung des Johannes Kapitel 12–22
Johannesevangelium 17f, 51f, 55, 58, 63, 68f, 106, 155, 172, 337, 347, 350, 363, 388, 412, 431, 438f, 443-445, 501f Juda 25, 463 Judenchristentum, Judenchristen 23, 68, 160, 267, 287, 365, 444 Judentum, Jude 23, 25, 50, 114, 161, 164, 269, 349, 353, 378-381, 427, 465, 498 Jüngstes Gericht, Endgericht 167, 179, 356, 367, 376, 389, 403-408, 411, 414 K Kaiserkult, Kaiserverehrung 71, 112f, 124, 222, 443 Kanon 406 Kelch 152f, 199, 205, 239f Kind 24, 32-35, 61 Kirche 15, 21-25, 38, 40, 61, 63f, 67-72, 125, 129, 166, 216f, 251, 264, 285, 291, 296, 316, 323, 325, 347f, 374f, 399f, 423, 427, 431, 452, 467, 500, 511 Kirchengeschichte 143, 205, 218, 284, 299, 368 Kleinasien 67, 100, 297, 365, 491 Knecht 190, 329, 332f, 339, 341f, 421, 479-484, 488, 492 König 51, 192, 223-227, 232f, 268286, 295f, 303-305, 312-315, 334, 357-361, 384, 467, 469-473 Könige der Erde 231, 233f, 249, 255, 269, 279, 283f, 294, 303305, 346f, 361f, 366f, 466, 468f Kraft 27f, 50-52, 55, 81, 200f, 283, 298, 328, 338, 440, 505f
Krankheit 208, 433, 477 Kranz, Krone 20, 171, 351, 457 Kreuz, Kreuzestod, Kreuzigung, Kreuzeszeichen 34f, 48, 52f, 54, 58f, 83f, 92, 279, 357, 464, 478 Krieg, Kampf 42f, 45f, 68, 89f, 136, 226, 231, 233-235, 278-280, 307, 360, 362f, 370, 397f, 400-402 Kristall 428, 448, 456, 475 Kybele 258 L Lamm 54, 73, 82, 91f, 101, 126f, 130f, 136-138, 140f, 154f, 189192, 229, 248f, 266, 278-280, 332, 334-340, 369f, 421, 444-446, 451f, 465f, 472-475, 478-482 Lästerung 74, 76f, 88f, 223, 242, 258 Leichnam 209 Leid, Leiden 96f, 136, 160, 195, 304f, 312, 314, 433-435 Letzte Rebellion 376, 402 Liebe 69, 164, 166, 212, 242f, 246, 328, 480f, 495, 499f Lied 132-136, 140, 190f, 193, 195f, 215, 334, 343, 462 Liturgie 132, 200-202, 257 Lob, Lobpreis 132f, 148, 156, 191, 193f, 211f, 246, 331-336, 480 Löwe 25, 76, 79-81 M Macht, Mächte 28, 40, 50, 52, 59, 62f, 71, 74-79, 81, 84, 88, 90f, 98, 102-104, 108, 123, 150, 174f, 218, 221, 223, 241, 244, 255, 264f, 269, 273-279, 282-286, 292,
Stichwortverzeichnis
302f, 312, 351, 362f, 372, 377f, 380f, 413, 415f Mahl 315, 359 Mahnung 229, 493 Makarismus, Seligpreisung 143, 157f, 229, 339f, 387f, 392, 490, 496f Manna 37, 65f Martyrium, Märtyrer, Märtyrerkirche 53, 55f, 95, 113, 129f, 137, 141, 158-160, 179, 189, 194, 216, 316, 322, 341, 369, 385, 413, 417, 467, 497 Meer 56, 69, 75-77, 100f, 148, 186191, 195, 209f, 215-217, 245, 254, 313f, 406, 408, 413f, 418, 425f Mensch 30, 53, 84f, 91, 104f, 107, 116, 120-123, 134, 136, 145, 161166, 194, 204, 208, 216f, 219222, 242f, 246, 255, 299-301, 310, 339f, 359-361, 381, 407, 410-413, 422, 430-433, 440, 468f, 471, 497-499, 506 Menschensohn 131, 163, 169f, 179, 244, 358, 371, 386, 423 Methode 75, 238 Monate 38, 74, 88 Mond 15f, 19-21, 466, 469 Mord, Mörder 59, 213, 285, 321, 441f, 497-499 Morgenstern 25, 58, 502-504 Mose 190f, 193, 195f, 215 Mythos, Mythologie 22f, 29f, 62, 71, 100, 371, 378, 424, 426
539
N Nachfolge (auch Glaubensnachfolge) 55, 85, 136, 140, 189, 252, 333, 381, 497 Naherwartung 15, 157, 264, 494 Name 44, 49, 69, 77f, 85, 89, 92, 116f, 119-122, 125, 127f, 130f, 150, 163, 188, 193, 218f, 226, 231-235, 238f, 258, 260f, 349, 351-353, 357f, 377f, 430, 450452, 457, 481f, 491, 500 Nation 91, 145, 192, 194, 238f, 280, 294f, 467f Nebukadnezar 110, 112, 122f, 308, 320 Nero, Nero redivivus, neronisch 75, 82, 85-88, 120f, 225-227, 248f, 252, 266, 271, 324, 368 Neue Schöpfung, Neuschöpfung 264, 391, 408f, 421f, 424427, 433-437, 443f, 451, 466, 468, 471f, 477, 483f Neues Testament, NT 35, 47, 49, 66, 138f, 145, 147f, 154, 161f, 213, 236, 293, 306f, 318f, 335-337, 339, 357, 371f, 379, 390, 413, 436f, 442, 452, 459, 479, 511 Nikolaiten 139f O Offenbarung 58, 89, 118, 126, 140f, 151, 160, 162, 180f, 183, 189, 238f, 252, 290, 293, 315, 317, 322f, 344, 351, 375-377, 381, 388, 390, 403, 422f, 444, 450, 452, 473, 487-491, 494, 496, 500f, 506-509 Öl 308f
540
Die Offenbarung des Johannes Kapitel 12–22
P Pantokrator 192, 215, 334, 465 Papst, Papsttum, Papstkirche 16, 70, 74, 78, 98, 119, 124, 205, 248f, 251, 263, 267, 285, 291, 347, 393 Paradies 378, 433, 435, 437, 449, 474, 476-478, 484 Parusie 33, 38, 162, 368, 371 Patmos 245, 426 Paulus 81, 106, 121, 128, 134f, 147, 154, 161f, 280, 296f, 338 Petrus 147, 161, 239, 316, 371, 412, 493 Pferd 177f, 310, 346-348, 350, 353f, 360f, 366f, 371, 389f, 412f, 453, 510f Philadelphia 130, 206 Pietismus 16, 166, 217, 251, 264, 375 Plage 18, 181-187, 191f, 196-199, 201-205, 208-210, 213, 216, 218, 220f, 225, 237, 241f, 298, 302, 507f Posaune 16-18, 61, 99, 143, 182, 186, 199, 216, 221, 223, 249 Posaunengerichte 169, 183, 207, 209, 220, 243 Prädestination 219 Presbyter 179, 422 Priester, Priestertum, Priesterschaft 100, 106, 111, 124, 199201, 368, 373, 388, 448, 457, 469, 482, 484 Prophet, Prophetenamt, Prophetie, Seher, Weissagung, Zukunftsweissagung 19, 26, 34-36, 39, 47, 56f, 102-109, 112, 118, 121-123, 138f, 147, 159, 212f, 224-228, 240,
274, 277f, 287, 300, 304, 315319, 329, 334, 341f, 364-368, 380, 392, 394f, 402f, 424, 428f, 436, 446-448, 462f, 470, 474f, 488-493, 507f Q Qual 153, 155, 162-164, 301, 304, 402, 416 Quellen 29, 164, 245, 287, 324, 344, 426 Qumran, Qumrangemeinschaft, Qumranliteratur 36, 43, 136, 364, 439, 503 R Rabbinen 51f, 187, 382, 397, 402f, 424, 435, 474 Rauch 155f, 162, 200f, 303f, 330 Räucherwerk 308 Rechtfertigungslehre 81 Reformation, Reformationszeit 74, 143, 165, 205, 217, 250f, 375, 406, 511 Regenbogen 105 Reich Christi, Reich Gottes 339, 374, 393, 423 Reich, Königreich 51, 272 Reichtum 295, 312 Reinheit 55, 135f, 337, 348, 354, 408, 429, 471 Reiter 346-348, 350, 360-362 religionsgeschichtlich 22, 29f, 39, 62, 75 Religionsgeschichtliche Schule 75 Rest 405 Rohr 453 Rom 50, 75, 78, 86f, 98, 100, 167, 220, 238-240, 248f, 251f, 261-
Stichwortverzeichnis
264, 266-269, 284-286, 291, 294, 297, 305, 323f, 344, 395f Römisches Reich 24, 50, 71, 75, 80, 86f, 113, 207, 244, 251, 285, 374, 395 S Sakramente 440 Sarder 458f Satanologie, Satan, satanisch, Teufel 25, 27, 29, 30-33, 40-42, 45, 47-55, 57f, 65, 69, 74, 84f, 88f, 102f, 106, 108f, 122f, 168, 206, 225f, 231, 236, 266, 275, 281, 287, 360, 367, 373, 378, 381-384, 386, 392-394, 397f, 402, 404f Satanssturz 50, 52, 58f Schale, Schalen-Gerichte 197, 199207, 209f, 216-218, 220-223, 228, 230f, 236f, 242f, 245f, 445 Schlange 25f, 29f, 48, 60, 64f, 68, 102, 378 Schlüssel 376f Schöpfung 31, 66f, 133, 200, 204, 240, 322, 324, 379, 408f, 421428, 430-435, 440f, 446, 450f, 464-474, 477-484, 500, 511 Schrift 58, 164-166, 406, 500f, 507f Schwanz 27, 30f Schwefel 153-156, 364f, 392, 401f, 443 Schwert 93f, 110, 123, 302, 354, 366f, 369 Seele 310f, 374, 384f Sendschreiben 54, 130, 140, 159, 184, 298, 421, 440f Siegel, Siegel-Gerichte 182, 243, 349, 381 Silber 305f
541
Smaragd 427, 458f Sodom 187, 238, 365 Sohn Gottes 279, 336, 352, 357f, 377, 408, 431 Solözismus 445, 451 Sonne 19-21, 216f, 236, 358, 466, 469, 482 Sonnenweib 15 Sprache 33, 38, 64, 68, 83, 85, 107, 196, 354, 372, 378, 424, 438f, 483, 494f Stab 33f, 355, 453 Standhaftigkeit 95, 388 Stärke 101, 153 Stein 317, 427, 447f, 456-461 Stern 20-22, 30f, 39, 503f Stiftshütte 197-199, 201, 430, 433 Stimme 50, 127, 131, 146, 151, 158, 171, 174f, 206, 214, 236f, 241, 292f, 296, 318f, 327, 332f, 358, 414f, 429, 490 Stirn 113-116, 123, 125, 127, 130, 152, 260, 481f Strafe 152, 156, 162-167, 212, 241, 298-300, 302, 329, 364-368, 401403, 415, 421 Strom 65-67, 205f, 223, 474-476 Sühne, Sühnetod 92, 134, 338, 464 Sünde 122, 125, 134, 139f, 150, 185, 200, 222, 257, 297-301, 381, 449, 471, 478, 499f Sündenfall 31, 134, 301, 397, 416, 430, 433, 478, 481 Symbolik 21, 79, 504 T Tage 15f, 18, 37-39, 64, 74, 88f, 204, 382, 415 Talmud 106, 379
542
Die Offenbarung des Johannes Kapitel 12–22
Taufe 374, 440, 497 Täufer, Täufertum 15f, 74, 165, 205, 251, 291, 375 Tausendjähriges Reich 128, 206, 366, 373-376, 381-383, 386-391, 394, 396f, 402f, 417, 464, 477 Tempel 171, 174, 197-202, 214, 236, 307, 391, 454, 462-465, 475, 482 Testamente der Zwölf Patriarchen 503 Teufel, siehe auch Satan Teufelsstaat 291 Theologie 252, 279 Thron 34f, 81, 133, 187, 220f, 223, 236, 255, 271, 330-332, 384, 387, 405, 407-411, 429, 431, 435, 448, 456, 458, 474f, 478, 481 Tier 27, 45, 56, 73-89, 91, 96, 98105, 108-112, 116-118, 120-124, 126f, 188f, 204f, 208, 219-221, 223, 225f, 243, 248-250, 257-260, 265-269, 272-286, 293, 309, 314, 346f, 361-365, 367f, 385, 392, 401f Tobit 427, 456, 465 Tod, Totenwelt 82f, 94, 97, 112, 162f, 302, 367, 388, 405, 408, 414-418, 433, 443 Totenreich, Hades, Scheol 164, 367, 380, 405, 414f Tradition 15, 22, 63, 71, 109, 116f, 175f, 178f, 193, 195, 200-202, 205, 223, 234, 252, 254, 263, 280, 379f Traditionsgeschichte, traditionsgeschichtlich 75 Treue 95f, 279, 344, 450
Trinität, Dreieinigkeit 103, 122f, 128, 130f, 138, 159, 215, 225f, 236, 276, 360, 367, 402, 478, 489 Trompete, siehe auch Posaune Trost 69, 97, 283, 287, 422f, 437 Typologie 184, 396 U Überlieferung, Überlieferungsgeschichte 63, 71, 132, 136, 140, 169, 173, 179, 230, 234f, 245, 263, 352, 379, 381, 422 Überwinder 54, 181, 183, 193, 195f, 334, 351, 440f Überwinderspruch 351, 440 Unzucht 150f, 255, 441f, 499 Urzeit 48, 58, 146, 378 V Vater 34, 41, 127, 130f, 351, 375, 384, 408, 440, 464f, 478 Venus 504 Verfolgung, Trübsal 38, 40, 57, 65f, 68f, 86, 94, 97f, 123, 136, 182, 188, 243, 262f, 279, 282, 287, 321, 333, 356, 385, 393, 400, 511 Verführung 31, 57, 66, 69, 90, 97, 108f, 123, 188, 227, 254f, 286f, 297f, 329, 364, 381f, 397f, 400 Verheißung 130, 137, 159, 341, 426, 428, 430, 434, 440, 450, 481 Verkündigung 73, 95, 102, 107, 118, 128, 144, 146, 163, 179, 228f, 238, 242, 264, 336f, 343, 347, 371, 383, 405 Versuchung 33, 137, 159, 168, 178f, 183, 273, 446 Vision, Gesicht, Schau 17f, 34, 4042, 87, 107, 127, 131, 186, 195,
Stichwortverzeichnis
543
197f, 228, 250, 252-254, 256, 277, 287, 340, 348, 350, 368, 371373, 381, 407, 418, 436, 443, 453f, 459, 462, 484, 491 Volk 20-22, 33, 36f, 44, 90-92, 105, 114, 145, 172, 213, 219, 254, 280, 296f, 299, 335, 354f, 381, 383, 395-398, 402f, 432, 452, 466-473, 477, 483, 497 Vollmacht 48, 52, 158, 292, 376, 492f, 506, 512
346-348, 350f, 354, 357, 368-372, 375f, 389, 391, 490, 510f Wille 116, 184, 282f, 287, 349, 384, 394, 494f Wolke 169-171, 173f, 200f, 350, 371 Wort Gottes 37, 89, 352-354, 358, 385, 435 Wunder, Wunderzeichen 19, 37, 84, 91, 104-108, 183, 220, 244 Würde 51, 214, 351, 358, 493 Wüste 35-39, 62f, 256f, 259
W Wahrheit 22, 90, 104, 116, 138f, 179, 212, 215, 220, 222, 283, 321, 328, 330, 340, 343, 349, 369, 443, 472, 499f Wasser 65f, 70, 131, 148, 153, 209212, 214, 217, 223, 236, 254, 280, 439, 474-476, 487, 506 Wehe 24f, 56f, 59, 74, 242 Wein, Zornwein 150-153, 169, 175f, 239f, 255f, 294, 299, 308f, 356 Weisheit 22, 117-119, 268, 274, 474 Weizen 169, 176, 309 Welt 92, 107, 122, 147f, 178, 196, 206, 212, 215f, 222, 224, 265, 272f, 283, 287, 348f, 379, 417f, 425-427, 460, 464, 468, 470f, 500 Weltherrschaft 41, 61, 84 Werk 160-162, 191f, 221f, 300, 337f, 405, 411-413, 415, 443, 495f Wesen 29, 45, 61f, 81, 100, 133, 156, 169f, 199-201, 204, 209f, 330-332 Wiederkunft 64, 95, 145-147, 154, 182, 185, 228f, 280, 336, 344,
Z Zahl 27, 45, 79, 116-122, 124f, 129f, 174, 178, 188, 269f, 274, 277, 382, 393, 451, 454, 477 Zahlen 1 10, Zehn 26-28, 39, 76-79, 258, 277f, 280-282, 286, 292, 299, 304, 351, 452 12, Zwölf 20-23, 39, 79, 449-454, 457, 459-461, 473, 477 1000, Tausend 264, 360, 374f, 378-386, 389, 393f, 396, 427, 454 1260, Tausendzweihundertsechzig 15f, 18, 37-39, 64, 74, 88 1600, Tausendsechshundert 177f 12000, Zwölftausend 454 144000, Hundertvierundvierzigtausend 125f, 129f, 133f, 455 3 3, Drei 52, 79, 89, 115, 130, 142f, 151f, 167, 205, 215, 25-227, 238f, 242, 271, 279, 300, 320, 354, 375, 379, 451, 454, 491, 500, 504, 510
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Die Offenbarung des Johannes Kapitel 12–22
3½, Dreieinhalb 15f, 38, 57, 62, 64, 70, 74, 89 4 4. Esra 79, 379 4, Vier 49, 62, 79f, 120, 133, 135, 138, 173-178, 192, 199, 204, 214-216, 218, 221-223, 236, 255, 302, 306, 313, 330-332, 434, 357f, 378, 394f, 451, 454, 459, 499, 504 42, Zweiundvierzig 88 6 666, Sechshundertsechsundsechzig 116f, 120-122, 124f 7 7, Sieben, Siebenzahl 18, 26-29, 76-79, 82, 143, 157, 174, 181186, 197-206, 239, 248f, 252254, 268-270, 272f, 276, 286, 339, 351, 445 7000, Siebentausend 379 Zauberei, Zauberer 106, 164, 320, 351, 441f, 499 Zeichen 18-20, 25f, 29, 105-109, 113-117, 122-125, 151f, 155f,
183, 185, 198f, 201, 208, 216, 227, 237, 303, 305, 317f, 364 Zeit 57, 64, 70, 158, 181, 275, 382, 438f, 489, 494 Zeitalter, Epoche 15, 70, 143, 165, 185f, 264, 319, 331, 375 zeitgeschichtlich, Zeitgeschichte 59, 67, 70f, 74f, 78, 80, 85-87, 98, 116, 124, 227, 238, 249, 252, 254, 263f, 272-274, 278, 285f, 323f, 368 Zeuge 45, 107, 137, 173, 214, 262, 316, 329, 491, 501 Zeugnis 23, 44, 55, 68-70, 96, 157, 341-343, 384f, 491f, 502, 507 Zorn 57, 67, 151-153, 169, 175, 183-185, 200-206, 225, 239f, 294, 313, 356, 367 Zorn Gottes 57, 152, 175, 184f, 200, 202, 313 Zukunft 15, 18, 78, 98, 102, 123f, 143, 145, 150, 195, 206, 237-239, 251f, 272, 274f, 278, 318, 343f, 390, 393, 421, 425, 444, 462, 492f Zuversicht 143