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German Pages 286 Year 1998
ANDREA REITMAlER
Die objektive Erfolgszurechnung im Österreichischen Strafrecht
Schriften zum Strafrecht
Heft 114
Die objektive Erfolgszurechnung im Österreichischen Strafrecht unter besonderer Berücksichtigung des fahrlässigen Erfolgsdeliktes
Von
Dr. Andrea Reitmaier
Duncker & Humblot · Berlin
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme
Reitrnaier, Andrea:
Die objektive Erfolgszurechnung im Österreichischen Strafrecht : unter besonderer Berücksichtigung des fahrlässigen Erfolgsdeliktes I von Andrea Reitmaier.- Berlin: Duncker und Humblot, 1998 (Schriften zum Strafrecht; H. 114) Zugl.: Mainz, Univ., Diss., 1994 ISBN 3-428-09037-3
Alle Rechte vorbehalten Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany
© 1998 Duncker &
ISSN 0558-9126 ISBN 3-428-09037-3 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 9
Meinen Eltern
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde durch die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Jobarmes Gutenberg-Universität in Mainz im Wintersemester 1996/97 als Dissertation angenommen. An erster Stelle möchte ich Herrn Prof. Dr. Justus Krümpelmarm danken, der meine Arbeit in der Zeit ihres Entstehens sowohl mit Kritik als auch mit Zustimmung konstruktiv begleitet hat. Danken möchte ich Herrn Prof. Dr. Ernst-Walter Hanack fiir die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Zu Dank verpflichtet bin ich weiterhin Herrn Prof. Dr. Dr. mult. Günther Kaiser, dessen wissenschaftliche Mitarbeiterin am Max-Planck-Institut fiir ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg/Breisgau ich mehrere Jahre sein durfte, und der mir dadurch Zugang zu der gut sortierten und umfangreichen Bibliothek des Instituts verschaffi:e. Allen Mitarbeitern der Bibliothek des Max-Planck-Instituts sei fiir die Hilfsbereitschaft gedankt. Nicht vergessen möchte ich die allmorgendliche Kaffeerunde, in der das eine oder andere Problem angesprochen werden konnte. In diesem Kreis habe ich durch Diskussionen mit den zahlreichen ausländischen Gästen des Instituts fruchtbare Anregungen fiir rechtsvergleichendes Arbeiten erhalten. Nicht zuletzt ein Dankeschön an meinen Ehernarm fiir die sorgfältige Korrektur des Manuskripts. Berlin im Juli 1997
Andrea Reitmaier
Inhaltsverzeichnis 1. Abschnitt: Problemdarstellung ............................................. ;.................. 23
A. Einleitung............................................................................................... 23 B. Einfilhrung ............................................................................................. 25 1. Die heutige Situation bezüglich der objektiven Erfolgszurechnung in Deutschland ......................................................................... 25 2. Die Behandlung der Problematik in Österreich................................ 26 3. Gemeinsame AusgangspWlkte .......................................................... 27 4. Unterschiede in der Entwicklung ..................................................... 28 5. Gemeinsamkeiten in der Behandlung der Problematik .................... 29 6. Zur Methodik der vorliegenden Arbeit ............................................ 29
2. Abschnitt: Die objektive Erfolgszurechnung beim fahrlässigen Begehungsdelikt in Österreich ................................................................. 31 A. Das Fahrlässigkeitsdelikt im allgemeinen .............................................. 31
1. Bedeutung der Fahrlässigkeitsproblematik in Theorie und Praxis ... 31 2. Die Entwicklung des Fahrlässigkeitsdelikts in Österreich................ 33 a) Gesetzliche Grundlagen.............................................................. 33 (1) Die gesetzlichen Grundlagen nach dem öStG von 1852 ....... 33 (2) Die Regelungen im öStGB von 1975 .................................... 36 b) Dogmatische Einordnung der Fahrlässigkeitsproblematik.......... 40 (1) Die Fahrlässigkeit als Schuldform ........................................ 40 (2) Die Fahrlässigkeitstat als eigenständiges Delikt ................... 43 3. Die einzelnen PrilfungspWlkte beim Fahrlässigkeitsdelikt in Österreich im Überblick ................................................................... 44 a) Sorgfaltswidriges Handeln.......................................................... 44 (1) Heranziehung eines Modellmenschen ................................... 44
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Inhaltsverzeichnis
(2) EingrellZWlg der Sorgfaltsanforderungen.............................. 46 (a) Erlaubtes Risiko, Soziale Adäquanz................................ 47 (b) Vertrauensgrundsatz ........................................................ 48 (3) Abweichende Ansicht Triffi:erers: Verzicht auf die objektive Sorgfaltswidrigkeit als eigenständiges Fahrlässigkeitsmerkmal ......................................................................... 51 b) Erfolg und Kausalität .................................................................. 56 ( l) Äquivalenzkausalität.. ........................................................... 56 (2) Unterbrechung der Kausalkette: Anwendung der Regreßverbotslehre ................................................................... 58 B. Die objektive Erfolgszurechnung beim Fahrlässigkeitsdelikt im besonderen ................................................................................................ 61 1. Die Entwicklung einer objektiven Erfolgszurechnung unter dem öStG ................................................................................................. 61 a) Standpunkte der Literatur ........................................................... 63 b) Grundsteinlegung durch die Rechtsprechung ............................. 64 2. Einteilung und Rechtfertigung der objektiven Erfolgszurechnung im heutigen Strafrecht in Österreich ........................................ 66 a) Dreiteilung der Zurechnungskriterien ......................................... 66 b) Fehlende Begründung fiir die grundsätzliche Notwendigkeit einer objektiven Erfolgszurechnung ........................................... 66 c) Reihenfolge der Berücksichtigung der einzelnen Kriterien ........ 68 3. Die Zurechnungsmerkmale im einzelnen ......................................... 68 a) Der Gesichtspunkt der objektiven Vorhersehbarkeit.. ................ 68 (1) Die Behandlung der Thematik durch die Österreichische Literatur ................................................................................ 68 (a) Geringe Relevanz der Vorhersehbarkeitsfrage ................ 69 (b) Adäquanz oder objektive Vorhersehbarkeit .................... 71 (c) Gegenstand objektiver Vorhersehbarkeit ........................ 72 (2) Die Beurteilung des Gesichtspunkts der Vorhersehbarkeit durch die Österreichische Rechtsprechung ..................... 74
Inhaltsverzeichnis
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(a) Das Vorhersehbarkeitskriterium unter der Judikatur ZUlll öStG ......................................................................... 74 (i)
Verankerung des Merkmals im Tatbestand ............. 74
(ii) Abhängigkeit der Beurteilung von der dogmatischen Einordnung der§§ 335, 431 öStG ................ 75 (iii) Behandlung der Thematik durch die Rechtsprechung ...................................................................... 76 (b) Die objektive Vorhersehbarkeit unter dem öStGB .......... 77 (i)
Gesetzliche Vorgaben ............................................. 77
(ii) Situation der Rechtsprechung ................................. 78 (a) Vorhersehbarkeit von Erfolg und Kausalverlauf ....................................................................... 78 (b) Objektive und subjektive Vorhersehbarkeit.. ....... 80 (c) Objektive Vorhersehbarkeit und Risikozusammenhang ............................................................... 81 (d) Bedeutung des V orhersehbarkeitsmerkmals in der Praxis österreichischer Gerichte ..................... 83 b) Der Rechtswidrigkeits- oder Risikozusammenhang ................... 85 (1) Die Bedeutung des Zurechnungsmerkmals in der Bundesrepublik Deutschland und in Österreich im Vergleich ..... 85 (a) Die Situation in der Bundesrepublik ............................... 85 (i)
Konzentration auf das rechtmäßige Alternativverhalten ................................................................. 86
(ii) Benennung des Zurechnungskriteriums .................. 87 (iii) Einordnung der Schutzzweckproblematik............... 87 (a) Behandlung durch die Rechtsprechung ................ 87 (b) Standpunkte der Literatur..................................... 93 (iv) Abschließende Charakterisierung der bundesdeutschen Position .................................................. 95 (b) Die Situation in Österreich .............................................. 96 (i)
Herkunft und Reichweite des Risikozusammenhanges ..................................................................... 96
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Inhaltsverzeichnis
(ii) Der Risikozusammenhang heute ............................. 97 (iii) Bedeutung der Problematik des rechtmäßigen Alternativverhaltens ................................................ 98 (2) Der einfache Risikozusammenhang beim Österreichischen Fahrlässigkeitsdelikt.................................................. 100 (a) Ursprünglicher Inhalt der Lehre vom Rechtswidrigkeitszusammenhang ....................................................... 100 (b) Wurzeln der Lehre......................................................... 101 (i)
Ansatzpunkte in älteren Lehrbüchern ................... 101
(ii) Lehre von der spezifischen Rechtswidrigkeit... ..... 102 (iii) Der Rechtswidrigkeitszusammenhang im Österreichischen Zivilrecht. ........................................... 103
(c) Weiterentwicklung vom Rechtswidrigkeits- zum Risikozusammenhang .......................................................... 104 (i)
Die Schwierigkeiten der dogmatischen Einordnung des Rechtswidrigkeitszusammenhanges in den Fahrlässigkeitsaufbau ..................................... 104
(ii) Umbenennung in Risikozusammenhang ............... 106 (iii) Notwendigkeit der genauen Schutzzweckbestimmung ..................................................................... 107
(3) Der erweiterte Risikozusammenhang .................................. 112 (a) Folgeunfälle................................................................... 113 (i)
Die Fallkonstellation............................................. 113
(ii) Rechtsprechung ..................................................... 114 (iii) Stellung der Literatur ............................................ 115 (b) Ver1etzungserfo1ge beim Eingreifen eines Retters ........ 117 (i)
Fallgestaltung ........................................................ 117
(ii) Die Auffassung der Rechtsprechung ..................... 117 (iii) Kritik an der Rechtsprechung durch die Literatur.......................................................................... 118
(c) Verfolger-Fälle .............................................................. 121
Inhaltsverzeichnis
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(d) Mitwirkung an der freiwilligen Selbstgefährdung anderer Personen (insbesondere im Bereich des Bergund Skirechts)................................................................ 123 (i)
Besonderheiten bei Ski- und Bergunternehmungen im Hinblick auf den Eigenverantwortlichkeitsaspekt....................................................... 123
(ii) Die Österreichische Rechtsprechung zu dieser Fallgestaltung ........................................................ 125 (iii) Die Österreichische Literatur zum Problembereich ...................................................................... 126 (e) Nachträgliches Fehlverhalten eines Dritten oder des Verletzten selbst ............................................................ 127 (i)
Bestimmung der in diesem Zusammenhang auftretenden Fälle .......... :........................................... 127
(ii) Die Entwicklung der Judikatur zur Fallgestaltung ....................................................................... 129 (iii) Weiterentwicklung der Dogmatik durch die Literatur ................................................................ 131
(a) Grad des Verschuldeus beim Dazwischentretenden................................................................. 132 (b) Behandlung der Fälle eines zwischen Primärhandlung und Erfolg liegenden Unterlassens ..... 132 (c) Beziehung zwischen Fehlverhalten und Enderfolg .................................................................. 133 (iv) Neuere, vom dogmatischen Diskurs der Lehre beeintlußte Entscheidungen .................................. 134 (f) Sonstige Folgeverletzungen........................................... l35 (i)
Schockschäden...................................................... 135
(ii) Spätfolgen beim Verletzten................................... 135 (iii) Besondere Konstitution des Betroffenen .............. 136
(4) Schlußfolgerung .................................................................. 136 c) Das rechtmäßige Alternativverhalten ....................................... 13 7 (1) Die Behandlung der Problematik im deutschen Recht... ..... 140 (a) Entwicklung und Stand heutiger Rechtsprechung ......... 141
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Inhaltsverzeichnis
(b) Standpunkte der Literatur .............................................. 147 (c) Auswirkungen der Literaturmeimmg auf die Rechtsprechwtg wtd den Gesetzgeber .................................... 149 (2) Das rechtmäßige Alternativverhalten beim Österreichischen Fahrlässigkeitsdelikt.................................................. 150 (a) Heutige Grwtdsätze in Rechtsprechwtg wtd Lehre ....... 150 (b) Die Gesetzeslage vor (öStG) wtd nach (öStGB) 1975 .. 152 (c) Die Beurteilwtg des rechtmäßigen Alternativverhaltens durch die Praxis ..................................................... 154 (i)
Die Rechtsprechwtg nach dem öStG..................... 155 (a) Gefahrerhöhwtg wtd Kausalität. ......................... 155
(b) Gefahrerhöhwtg ex ante ..................................... 156 (c) Das rechtmäßige Täterverhalten als Vergleichsgröße ....................................................... 157 (d) Die Wahrscheinlichkeit der Gefahrerhöhwtg ..... 159 (e) Bedeutwtg der Rechtsprechwtg wtter dem öStG fiir das neue öStGB ................................... 159
(ii) Die Österreichische Judikatur nach der GesetzesändefWlg ............................................................... 160 (a) Übertragbarkeit der bisherigen Grwtdsätze auf die Fahrlässigkeitskonzeption des öStGB .......... 160 (b) Risikoerhöhwtg ex ante oder ex post? ................ 161 (c) Bedeutwtg des Grwtdsatzes »in dubio pro reo« . 162 (d) Probleme bei der Feststellung einer konkreten Risikoerhöhwtg .................................................. 163 (iii) Abschließende Analyse der Österreichischen Rechtsprechwtg zum rechtmäßigen Alternativverhalten ............................................................... 165
(d) Die Österreichische Literatur zum Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens ........................................ 167 (i)
Die Stellwtg der herrschenden Lehre .................... 167
(ii) Gegenteilige Auffasswtg von Kunst...................... 167 (a) Kriminalpolitische Erwägwtgen ......................... 167
Inhaltsverzeichnis
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(b) Kritische Analyse des Ansatzes ......................... 168 (iii) Strenger Zurechnungsmaßstab bei Steininger ....... 169
(a) Beurteilung der Risikoerhöhung durch den »objektiven Beobachter« .................................... 169
(b) Kritik zu Steiningers Ansatz .............................. 170 (iv) AusgangspWlkte der überwiegenden Literaturmeinung ................................................................ 171 (a) Konzentration auf die Risikoerhöhungslehre ..... 171
(b) Dogmatische Konstruktion der Zurechnungslehre ................................................................... 172 (c) Die Berücksichtigung hypothetischer Geschehensabläufe ........................................................ 174 (d) Der Grundsatz »in dubio pro reo« ...................... 175 (e) Umgang mit den in der Wissenschaft geäußerten Bedenken gegen die Risikoerhöhungslehre .. 175 (f) Gründe für die Favorisierung des Risikoerhöhungsmodells ..................................................... 179 (g) Abschließende Charakterisierung der Österreichischen Position ............................................... 180 (v)
Problematische Sonderflille .................................. 181 (a) Lawinenunfälle ................................................... 182 (b) Wegehalterhaftung im alpinen Gelände ............. 183
d) Sonderproblem: Die objektive Erfolgszurechnung im Arztstrafrecht in Österreich im Vergleich mit der Bundesrepublik . 184
(1) Die einzelnen im Zusammenhang mit der objektiven Erfolgszurechnung hier auftretenden Probleme .................. 186 (a) Im Risikozusammenhang............................................... 186 (b) Im Verhältnis zum rechtmäßigen Alternativverhalten ... 187 (2) Rechtsprechung und Literatur zum Fahrlässigkeitsdelikt des Arztes in Deutschland ................................................... 188 (a) Die Leitlinien der deutschen Rechtsprechung in Arztprozessen ....................................................................... 188
(b) Kritik durch die Literatur .............................................. 190
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Inhaltsverzeichnis
(i)
Der Aspekt der Lebensverkürzung........................ 190
(ii) Der ärztliche Aufklärungsfehler als Anknüpfungspwlld: ............................................................ 191 (3) Das Arztstrafrecht in Österreich.......................................... 193 (a) Besondere Vorschriften im öStG................................... 194 (i)
§ 343 öStG ............................................................ 194
(ii) § 356 öStG ............................................................ 194 (iii) § 499a öStG .......................................................... 196 (iv) Abschließende Bewertung der Bedeutung des öStG für das Arztstrafrecht ................................... 196 (b) Der Bereich ärztlicher Fahrlässigkeit im heutigen öStGB ............................................................................ 197 (i)
§ 88 Abs. 2 Ziff. 2 öStGB ..................................... 197
(ii) § 110 öStGB ......................................................... 197
(iii) Die heute gültigen Aussagen des Gesetzes in bezug auf den Bereich des fahrlässigen ärztlichen Fehlverhaltens .............................................. 198 (c) Auswirkungen der gesetzlichen Regelungen auf die objektive Erfolgszurechnung, insbesondere das rechtmäßige Alternativverhalten in diesem Bereich .............. 200 (4) Das Österreichische Modell. Ein Vorbild für die deutsche Rechtsprechungspraxis? ...................................................... 205 4. Abschließende Bemerkung zur objektiven Erfolgszurechnung beim Fahrlässigkeitsdelikt in Österreich ................................... :.... 206
3. Abschnitt: Die objektive Erfolgszurechnung bei anderen Delikts-
gruppen im Österreichischen Strafrecht ................................................ 208
A. Das erfolgsqualifizierte Delikt ............................................................. 208 1. Die gesetzlichen Regelungen ......................................................... 208 2. Fragen der Zurechnung im einzelnen ............................................. 209 a) Die Voraussetzung der SorgfaltswidrigkeiL ............................ 21 0 b) Die objektive Erfolgszurechnung beim erfolgsqualifizierten Delikt ........................................................................................ 213 B. Delikte mit besonders gefahrliehen Verhaltensweisen ......................... 214
Inhaltsverzeichnis
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1. Die gesetzlichen RegelWlgen ......................................................... 215 2. Die ZurechnWlgsproblematik ......................................................... 217 a) Die StellWlg der ursprünglichen Judikatur zur Kausalfrage ..... 217 b) Die frühere Literatur zur ZurechnWlgsthematik........................ 219 c) Die RechtsprechWlg zu § 81 öStGB ......................................... 220 (1) Voraussetzungen der ZurechnWlg bei§ 81 Ziff. 1 öStGB .. 220 (2) Die BeurteilWlg der ZurechnWlgsfrage bei § 81 Ziff. 2 öStGB ................................................................................. 222 d) Standptmkte der neueren Literatur............................................ 223 e) Kritik an der überwiegend ablehnenden HaltWlg der Österreichischen RechtsprechWlg Wld Literatur zur Frage der ZurechnWlgsnotwendigkeit bei § 81 Ziff. 2 öStGB ...................... 225 C. Das UnterlassWlgsdelikt....................................................................... 226 1. Kausalität Wld ZurechnWlgsfrage ................................................... 227 a) Quasi-Kausalität zwischen UnterlassWlg Wld Erfolg ................ 227 b) Genaue AusgestaltWlg der Kausalitätsprüfung ......................... 228 c) Weitere ZurechnWlgsprobleme ................................................. 230 2. Die Abgrenzung des Unterlassungs- vom Begehungsdelikt ........... 231 a) Der Schwerptmkt der Vorwerfbarkeit und andere Differenzierungsansätze in Deutschland ................................................ 232 b) Das Primat des positiven Tuns in Österreich ............................ 234 3. Die Auswirkungen der Abgrenzung zwischen Tun und Unterlassen auf die ZurechnWlgsproblematik in Österreich .................... 236 D. Das vorsätzliche Delikt ........................................................................ 237 1. Konkrete Zurechnungsfragen ......................................................... 238 a) Adäquanzfragen........................................................................ 238 b) Der Risikozusammenhang beim Vorsatzdelikt ......................... 239 c) Der Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens ............... 240 2. Die objektive Erfolgszurechnung beim Vorsatzdelikt in Österreich ............................................................................................... 240 2 Reitrnaier
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Inhaltsverzeichnis
a) Die Behandlwtg der Frage durch die Österreichische Rechtsprechwtg wtd Literatur ............................................................ 240 b) Das Modell der Unrechtszurechnwtg bei Moos........................ 242 (1) Reichweite der Zurechnwtgskonzeption ............................. 242 (2) Kritik gegenüber dem Ansatz.............................................. 243 (3) Die Vorzüge der Lehre von Moos im Hinblick auf die Abgrenzwtg zwischen wttauglichem Versuch wtd Wahndelikt ................................................................................... 244 4. Abschnitt: Zusammenfassung der Ergebnisse ...................................... 247 A. Die BedeutWlg wtd nähere Ausgestaltwtg der objektiven Erfolgszurechnwtg beim Fahrlässigkeitsdelikt in Österreich........................... 247
B. Zur Beurteilwtg der einzelnen Zurechnwtgskriterien........................... 248 1. Die Vorhersehbarkeitsfrage............................................................ 248 2. Der Rechtswidrigkeits- oder Risikozusammenhang ....................... 249 3. Der Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens..................... 251 C. Abschließende Beurteilwtg des Standes der Österreichischen Zurechnwtgslehre beim Fahrlässigkeitsdelikt ...................................... 254 D. Die Häufigkeit von Fahrlässigkeitsverurteilwtgen im deutschösterreichischen Vergleich ................................................................... 254 E. Zurechnwtgsprobleme außerhalb des fahrlässigen Erfolgsdeliktes ...... 256 1. Die erfolgsqualifizierten Tatbestände ............................................ 256 2. Delikte mit besonders gefährlichen Verhaltensweisen ................... 257 3. Vorsätzliche wtd fahrlässige Unterlasswtgstatbestände ................. 258 4. Vorsatzdelikte ................................................................................ 259 F. Schlußbemerkwtg: Können von der Österreichischen Zurechnwtgskonzeption Impulse für die Behandlwtg der Thematik in der Bwtdesrepublik ausgehen? ......................................................................... 260 Literaturverzeichnis ........................................................................................ 263 Sachwortverzeichnis ....................................................................................... 283
Abkürzungsverzeichnis ABGB
Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch fiir Österreich
Abs.
Absatz
Anh.
Anhang
Anm.
Anmerkung
AnwBl
österreichisches Anwaltsblatt
AT
Allgemeiner Teil
BayObLG
Bayerisches Oberstes Landgericht
BGBl
BWldesgesetzblatt
BGHSt
EntscheidWlgen des (deutschen) BWldesgerichtshofes in Strafsachen
BlgNR
Beilage(n) zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates
BMJ
BWldesministerium der Justiz
BT
Besonderer Teil
ders., dies.
derselbe, dieselbe
Diss.
Dissertation
Eb
Erläuternde Bemerk\Ulgen
EvBl
»Evidenzblatt der RechtsmittelentscheidWlgen« »Österreichische Juristenzeit\Ulg«
f.
folgende
ff.
fortfolgende
FIS
Federation Internationale de Ski
FG
Festgabe
Fn
Fußnote
z•
in:
20
Abkürzungsverzeichnis
FS
Festschrift
GA
Goltdammer's Archiv für Strafrecht
gern.
gemäß
GP
Gesetzgebungsperiode
GS
Gedächtnisschrift
hL
herrschende Lehre
h.M.
herrschende Meinung
HRR
Höchstrichterliche Rechtsprechung
Hrsg.
Herausgeber
Hs.
Halbsatz
idF
in der Fassung
idR
in der Regel
iS
im Sinne
iVm
in Verbindung mit
JA
Juristische Arbeitsblätter
Jura
Juristische.Ausbildung
JBl
Juristische Blätter
JR
Juristische Rundschau
JuS
Juristische Schulung
JZ
Juristenzeitung
K.K.
Kaiserlich und Königlich
lit
litera (Buchstabe)
LG
Landgericht
LJZ
Liechtensteinische Juristenzeitung
LK
Leipziger Kommentar
MDR
Monatsschrift filr Deutsches Recht
m.E.
meines Erachtens
MedR
Medizinrecht
m.w.N.
mit weiteren Nachweisen
Abkürzungsverzeichnis
nF
neue Fassung
NJW
Neue Juristische Wochenschrift
Nr.
Nummer
NStZ
Neue Zeitschrift fiir Strafrecht
ÖJZ
Österreichische Juristenzeitung
ÖJZ-LSK
Leitsatzkartei in: »Österreichische Juristenzeitung«
OGH
Oberster Gerichtshof
OLG
Oberlandesgericht
OWiG
Gesetz über Ordnungswidrigkeiten
RGBl
Reichsgesetzblatt
RGSt
Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen
OGH
Oberster Gerichtshof
s.
21
Seite
s.
siehe
SJZ
Süddeutsche Juristenzeitung
SK
Systematischer Kommentar
s.o.
siehe oben
SSt
Entscheidungen des Österreichischen obersten Gerichtshofes in Strafsachen und Disziplinarangelegenheiten
STG
Strafgesetz
StGB
Strafgesetzbuch
StRÄG
Strafrechtsänderungsgesetz
StVert
Der Strafverteidiger
u.a.
undandere
u.ä.
und ähnliche(s)
UKG2
2. Gesetz zur Bekämpfung der Umweltkriminalität vom 27.6.1994 (BGBL I 1440)
V.
von
vgl.
vergleiche
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Abkürzungsverzeichnis
Vorbem.
Vorbemerkung
VRS
V erkehrsrechtssammlWlg
WK
Wiener Kommentar
z.
Ziffer
z.B.
zum Beispiel
ZStW
Zeitschrift fiir die gesamte Strafrechtswissenschaft
ZVR
Zeitschrift fiir Verkehrsrecht
Die AbkürZWlgen fiir Literaturzitate ergeben sich aus dem Literaturverzeichnis Wld sind bei denjeweiligen Werken angefiihrt.
1. Abschnitt: Problemdarstellung A. Einleitung Ein Apotheker gibt, ohne daß ein ärztliches Rezept vorgelegt wird, ein Medikament aus, an dem der Patient stirbt. Bei späterem Befragen des behandelnden Arztes stellt sich heraus, daß dieser das Rezept bei vorheriger Konsultation durch den Patienten ausgeschrieben haben würde und der tödliche Ausgang selbst für einen Mediziner nicht vorhersehbar war1• Ein Verkehrsteilnehmer bewegt sich mit seinem Moped unbeleuchtet auf der Straße. Ein nachfolgendes Fahrzeug fährt auf, wobei der Unfall sicherlich nicht durch die ordnungsgemäße Beleuchtung des Zweirades vermieden worden wäre2• Ein LKW-Fahrer überholt einen nicht erkennbar angetrunkenen Radfahrer in zu knapp bemessenem Seitenabstand, so daß dieser durch eine eigene Ausweichbewegung unter die Räder des Fahrzeuges gerät und tödliche Verletzungen davonträgt. Allerdings kann nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, daß der Unfall bei ordnungsgemäßem Überholvorgang ebenfalls eingetreten wäre3 • Ein Motorradbesitzer überläßt einem Verwandten, der jedoch keinen Führerschein besitzt, das Gefährt. Infolge Alkoholisierung des Verwandten, der bisher keine Auffälligkeiten in Verbindung mit Alkohol gezeigt hatte, kommt es zu einem folgenschweren Unfall. Dieser Unfall ist nachweislich nicht auf mangelnde Fahrpraxis zurückzufiihren4 • Ein Autofahrer fährt auf Parkplatzsuche langsam rückwärts gegen eine Einbahnstraße und verwirrt damit eine betagte Fußgängerin, die, ohne daß eine Berührung mit dem einparkenden Wagen stattgefunden hätte, stürzt und sich dabei tödlich verletzr.
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So der in Deutschland bekannte »Apothekerfall« in RGSt 15, 151. OGH, ZVR 1958, Nr. 158. Zum deutschen »Radfahrerfall« vgl. BGHSt 11, 1 OGH, SSt 27, Nr. 22 OLG Wien, ZVR 1988, Nr. 1.
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1. Abschnitt: Problemdarstellung
Ein Radfahrer, der ohne Handzeichen links zur Fahrbahn ausschert, wird durch den ihm nachfolgenden PKW, der seinerseits zu schnell fahrt, überfahren 'lUld kommt zu Tode. Der Unfall wäre auch bei Einhalt'Wlg der zulässigen Geschwindigkeit nicht zu vermeiden geweserf. Einer schwangeren Frau wird trotz überlangen Geburtsvorgangs nur ein Wehenmittel verabreicht, obwohl die Durchführung eines Kaiserschnittes medizinisch indiziert gewesen wäre. Das Kind verstirbt infolge Sauerstoffmangels. Im nachhinein kann aber nicht eindeutig festgestellt werden, ob das Neugeborene bei Durchführung einer Kaiserschnittoperation überlebt hätte. In all diesen 'lUld vielen weiteren ähnlich gelagerten Fällen stellt sich die Frage, ob der eingetretene Erfolg demjenigen, der die Kausalkette durch ein inkriminiertes Verhalten in Gang gesetzt hat, zur Last gelegt werden soll.
Daß die 'lUlZWeifelhaft bestehende natürliche Verbind'Wlg zwischen Handl'Wlg 'lUld Erfolg hier einer Korrektur auf normativer GrlUldlage bedarf, wurde in Österreich ebenso wie in der B'Wldesrepublik Deutschland schon vor längerer Zeit erkannt. Die hierzu entwickelte 'lUld im folgenden näher zu 'Wltersuchende Theorie der objektiven Zurechn'Wlg stellt vor diesem Hintergrund eine bedeutende dogmatische Konstruktion dar, deren Auslegoog 'lUld Anwend'Wlg in der Praxis vor allem im Bereich der Fahrlässigkeitsdelikte oftmals über die Frage der Verurteil'Wlg oder des Freispruches entscheiden kann 'lUld der damit sicherlich zu Recht vor allem in letzter Zeit besondere Aufinerksarnkeit zuteil wurde.
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OGH, SSt 28, Nr. 17 Fall nach Lambauer, FS für Maresch, 315.
B. Einf"tihrung 1. Die heutige Situation bezüglich der objektiven Erfolgszurechnung in Deutschland
Die Problematik der objektiven Erfolgszurechnung im Strafrecht, genauer der Feststellung einer normativen Beziehung zwischen Verhalten und Erfolg, gehört nunmehr seit etlichen Jahren zu den Themen, denen die strafrechtliche Literatur in Deutschland und auch in Österreich ein besonderes Interesse entgegenbringt. Trotz lUlZähliger zu diesem Problem in der Bundesrepublik veröffentlichter Arbeiten8 erscheint es allerdings unmöglich, über einen allgemeinen Grundkonsens hinausgehend9, eine gemeinsame Linie der Literaturmeinung zur Frage der objektiven Zurechnung zu beschreiben. So werden die einzelnen Bestandteile dieser juristischen Figur nicht einheitlich festgelegt10; auch über die Bedeutung der Zurechnungskriterien im Gesamtgefüge der Zurechnung herrscht Uneinigk:eit 11 • Dabei scheint vor allem das Problem des rechtmäßigen Alternativverhaltens in der deutschen Literatur mittlerweile zum zentralen Thema der objektiven Erfolgszurechnung avanciert zu sein12• Die bundesdeutsche Rechtsprechung läßt der dogmatische Diskurs eher unbeeinflußt. Trotz einiger, vor allem im Zusammenhang mit Fragen der Zurechnung beim Fahrlässigkeitsdelikt kriminalpolitisch bedenklicher, teilweise in der Begründung auch widersprüchlicher Entscheidungen13 hält der BGH im 8
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Vgl. z.B. die ausführlichen Darstellungen von Ulsenheimer, Pflichtwidrigkeit und Erfolg; Kahrs, Vermeidbarkeitsprinzip; Würfel, Rechtmäßiges Alternativverhalten; sowie zuletzt Erb, Rechtmäßiges Alternativverhalten. Zu Fragen des Schutzzweckes der Norm siehe u.a Rudolphi, JuS 1969, 549ff.; und Roxin, FS filr GaUas, 241 ff. Der sich allerdings im wesentlichen auf die Feststellung der Notwendigkeit einer über die reine Kausalitätsbeurteilung hinausgehenden Erfolgszurechnung beschränkt. Während die meisten Autoren heute von einer Dreiteilung in objektive Vorhersehbarkeit, Fragen des Schutzzweckzusammenhanges und des rechtmäßigen Alternativverhaltens ausgehen, hierzu besonders deutlich Schünemann, JA 1975, 578ff.; sowie Wessels, Strafrecht AT, Rn l80ff., berücksichtigt u.a. Jescheck, Lehrbuch, 258f. weitere Einzelkriterien, wie z.B. den Gesichtspunkt der Risikoverringerung, ohne eine klare Einteilung vorzunehmen. Dies macht sich besonders bei der Gewichtung und Zuordnung der Merkmale des Schutzzweckzusammenhanges und des rechtmäßigen Alternativverhaltens bemerkbar. Vgl. näher hierzu unten. Siehe Roxin, ZStW 74, 4llff.; Würfel, Rechtmäßiges Alternativverhalten; Schaffstein, FS filr Honig, l69ff.; Stratenwerth, FS filr Gallas, 227ff.; Puppe, ZStW 95, 287ft'.; Erb, Rechtmäßiges Alternativverhalten. Vgl. z.B. BGH, VRS 37, 376 und BGHSt 24, 31 sowie bereits BGH, NJW 1968, l532f. Die Gerichte folgen nach außen zwar in bezug auf die Frage des rechtmäßigen Alternativverhaltens
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1. Abschnitt: Problemdarstellung
Gnmdsatz jedoch -von einigen Ausnahmen abgesehen- konstant an der eigenen Doktrin fest 14.
2. Die Behandlung der Problematik in Österreich Auch im Österreichischen Strafrecht wurde die Notwendigkeit der Feststellung, daß ein eingetretener Erfolg in einer bestimmten, über die natürliche Kausalverbindung hinausgehenden, Beziehung zum tatbestandsmäßigen Verhalten stehen muß, schon vor einigen Jahrzehnten erörtert. Allerdings ist es hier vor allem der Rechtsprechung des OGH zu verdanken, daß die objektive Erfolgszurechnung überhaupt als ernstzunehmenies Problem erkannt wurde. So hat das oberste Österreichische Strafgericht praktisch im Alleingang den sogenannten »Rechtswidrigkeitszusammenhang« entwickelt. Auch die Frage des rechtmäßigen Alternativverhaltens wurde vom OGH in ihrer Komplexität ohne weitere Begleitforschung realisiert und explizit als Problem behandelt15. Diese Ansätze wurden später von der Literatur aufgenommen und in Einzelheiten weiterentwickelt'6 • Schon an dieser Stelle ist auf die fiir die Österreichische Strafgerichtsbarkeit als wesensmäßig anzusehende und damit auch fiir die Frage der objektiven Zurechnung bedeutsame Ausrichtung an der Dogmatik hinzuweisen17, die dazu fiihrt, daß ein Bemühen der Praktiker um »Kenntnis des Standes der Strafrechtsdogmatik«18 mit dem Ziel der Weiterentwicklung der eigenen Rechtsprechung festzustellen ist. Der damit angestrebten Rechtssicherheit und
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der bisherigen Rechtsprechung, kommen jedoch mit kaum nachvollziehbarer Begründung in allen diesen Fallen zu einem vOUig unerwarteten Ergebnis. Kritisch hierzu Puppe, JuS 1982, 662ft'. und JZ 1985, 29Sf. Siehe auch BGH, VRS 20, 129; VRS 23, 369; VRS 26, 203 und demgegenüber BGHSt 33, 61. Im Zusammenhang mit derselben Norm wird der Schutzzweck von BGHSt 33, 61 neu und gegensatzlieh zu den bisherigen Entscheidungen bestimmt. Die, was das rechtmäßige Alternativverhalten anbelangt, von BGHSt 11, 1 (»Radfahrerfall«) eingeleitet wurde. Zum Schutzzweck der Norm vgl. BGHSt 1, 192; BGHSt 4, 182; BayObLG, NJW 1953, 1641; BGHSt 10, 369; BGHSt 12, 75; BGHSt 15, 110; BGHSt 17, 299; OLG Stuttgart, NJW 1982, 295. OGH, SSt 28, Nr. 17; SST 29, Nr. 13; SSt 30, Nr. 75; EvBl 1960,Nr. 244; SSt 33, Nr. 17; ZVR 1965, Nr. 4; SSt 35, Nr. 52; ZVR 1965, Nr. 271; EvB11966, Nr. 528; ZVR 1968, Nr. 76. Burgsta/ler, Fahrlässigkeitsdelikt, 96ft'., dessen Monographie heute als die für die Rechtsprechung und Literatur maßgebende Arbeit über das Fahrlässigkeitsdelikt bezeichnet wird Bezeichnend hierfür ist z.B. der Verweis in SSt 33, Nr. 44 (8.140). In dieser und vielen anderen Entscheidungen zur selben Zeit wird Welzels damalige Auffassung zum Fahrlässigkeitsbegriff wortwörtlich zur Begründung der eigenen Auffassung wiedergegeben, vgl. Welzel, Das neue Bild, 17. SoSteininger, OJZ 1981,365.
B.Einfiihrung
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Rechtseinheitlichkeit wird sowohl von seiten der Praktiker als auch der Literatur ein besonderer Stellenwert beigemessen19• Für die Zurechnungsfrage bedeutet dies, daß eine mehr oder weniger übereinstimmende Entwicklung zur heutigen Behandlung dieser Problematik in Österreich gefiihrt hat. Nur in Einzelheiten verfolgen Rechtsprechung und Literatur sowie die jeweiligen Autoren untereinander divergierende Ansichten. Nach außen stellt sich dem Betrachter damit die Österreichische Position als klar umgrenzt und in ihren Ergebnissen auch vorhersehbar dar. Inwieweit damit aber gleichzeitig, möglicherweise mangels innovativer Impulse, ein Verharren auf einem status quo verbunden ist, was zur fehlenden eigenen Fortentwicklung in der Strafrechtsdogmatik führen kann, muß an dieser Stelle noch offenbleiben.
3. Gemeinsame Ausgangspunkte Im Ergebnis ist damit sowohl in der Btmdesrepublik als auch in Österreich ein gemeinsamer Ausgangspunkt, was die Erkenntnis der Notwendigkeit einer objektiven Erfolgszurechnung anbelangt, festzustellen. In beiden Ländern finden sich in diesem Zusammenhang Probleme der objektiven Vorhersehbarkeit, des Schutzzwecks der Norm und der Abgrenzung aufeinandertreffender Risikosphären sowie des rechtmäßigen Alternativverhaltens seit längerer Zeit erörtert20 • Trotz der Parallelität dieser Entwicklung ist allerdings nicht unbedingt von einem Anlehnen des einen Rechts an das andere, etwa des Österreichischen an das bis dato in der Dogmatik weiter fortentwickelte deutsche, auszugeherr1• Dies zeigt sich darin, daß die einschlägige Rechtsprechung des OGH zum Rechtswidrigkeitszusammenhang aus der Entwicklung der Österreichischen Zivilrechtsprechung zu dieser Problematik, die dort bereits als solche allgemein anerkannt und behandelt wurde, hervorgegangen ist22 • Geht man noch weiter zurück, so lassen sich erste Gedanken in die Richttmg eines allgemeinen
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Zur Sicht des Praktikers vgl. Steininger, ÖJZ 1981, 365; aus der Position der Literatur: Schild, RZ 1974, 109; Tri.ffterer, FS für Klug, 423; sowie Burgstaller, FS für Pallin, 39, der in diesem Zusammenhang feststellt, daß es den Anschein hat, daß »der Dialog zwischen Rechtsprechung und Lehre in Osterreich besser funktioniert, als in vielen anderen Staaten«.
° Für die Bundesrepublik vgl. z.B. Schünemann, JA 1975, 581ft'.; Wessels, Strafrecht AT, Rn
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185ff.; für Osterreich vgl. Tri.ffterer, Österreichisches Strafrecht, 149ff. Rn 118ff.
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Gleichwohl sich in der Osterreichischen Literatur häufig Bezugnahmen auf deutsche Autoren, z.B. Welzel oder später auch Roxin u.a., finden lassen. Vgl. hierzu Bydlinski, Schadensverursachung, 63; Kozio/, Haftpflichtrecht, 114ft'. ; sowie Burgstaller, Fahrlassigkeitsdelikt, 72f.
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1. Abschnitt: Problemdarstellung
Rechtswidrigkeits- oder Risikozusammenhanges schon in den Lehrbüchern Wld Kommentaren des frühen 20. JahthlUlderts finderr 3 • Die bWldesdeutsche Literatur Wld RechtsprechWlg läßt an keiner Stelle einen Bezug zwn Nachbarland Österreich Wld der dortigen EntwicklWlg der Theorie der objektiven ZurechnWlg erkennen. Vielmehr scheint hier ebenfalls die Problematik teilweise im Zivilrecht bereits behandelt24 Wld von dort in die strafrechtliche RechtsprechWlg übernommen worden zu sein; dies sicherlich nicht Wlbeeinflußt durch die ersten Stimmen in der Literatur, die auf die Notwendigkeit weiterer ZurechnWlgskriterien neben der Kausalität, vor allem im Zusammenhang mit dem Fahrlässigkeitsdelikt, hinwiesen. Hier ist vor allem Welzel zu nennen, der bereits in den frühen Auflagen seines Lehrbuches zwn Strafrecht das Erfordernis des ZurechnWlgszusammenhanges im Rahmen der Fahrlässigkeit als notwendig ansa.JrS. 4. Unterschiede in der Entwicklung Trotz der ähnlichen Ausgangslage Wlterscheidet sich die weitere EntwicklWlg Wld BehandlWlg der einzelnen Kriterien der objektiven ErfolgszurechnWlg in beiden Ländern erheblich. Dies zeigt sich nicht nur im Vergleich der dogmatischen EinordnWlg des Problems durch die Obergerichte26 Wld in der BedeutlUlg, die den einzelnen ZurechnWlgsmerkmalen von RechtsprechWlg Wld Lehre beigemessen wird27 , sondern auch in der teilweise gegenläufigen BeurteilWlg der einzelnen PWlkte. In diesem Zusammenhang ist vor allem auf die AnwendWlg der RisikoerhöhWlgslehre beim rechtmäßigen Alternativverhalten durch die Österreichischen
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Lammasch, Grundriß, 2lff.; Finger, Straftecht Bd 1, 425ft'.; Stooss, Lehrbuch, 107ft'.; Alhnann!Jacob,Konunen~,359,804i
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Siehe z.B. zum Schutzzweck der Norm BGHZ 12, 213; 19, 114; 24, 21; 27, 137; 29, 65; 30, 154;32, 194; 56, 163;44,372. Vgl. Welzel, Straftecht 1947,83. Deutlicher 1954 (3. Auflage), 96ff. So wurde das Problem des Rechtswidrigkeitszusanunenhangs -von der Entscheidung OGH, SSt 27, Nr. 22 abgesehen- lange Zeit im Zusanunenhang mit den allgemeinen Rechtswidrigkeitsmerkmalen erörtert, vgl. OGH, SSt 29, Nr. 70; SSt 30, Nr. 124; SSt 36, Nr. 42; EvB11969, Nr. 158; EvBl 1972, Nr. 118. In der Bundesrepublik war dagegen zu dieser Zeit die systematische Einordnung des Themenkomplexes in den objektiven Tatbestand bereits herrschend- hieraufweist Burgstaller, Fahrlässigkeitsdelikt, 70 (dort Fn 13) hin. In Osterreich wird seit jeher dem Rechtswidrigkeits-(bzw. heute Risiko-)zusanunenhang und vor allem dem Erfordernis des Schutzzweckes der Norm besonderes Augenmerk zugewendet. In Deutschland scheint es dagegen die Problematik des rechtmäßigen Alternativverhaltens zu sein, der ein außergewöhnliches Interesse entgegengebracht wird.
B.Einfiihrung
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Gerichte28 hinzuweisen, während der BGH ja bekanntlich seit dem »Radfahrerfall«29 der sogenannten Vermeidbarkeitslehre folgt. Älmliche, wenn auch nicht so offen zutage tretende Unterschiede lassen sich auch bei der Behandlung weiterer Zurechnungskriterien finden. Der Versuch einer Erklärung dieser Beurteilung durch die Österreichische Rechtsprechung und Literatur aus der historischen Entwicklung heraus soll damit ein Aspekt der vorliegenden Arbeit sein.
5. Gemeinsamkeiten in der Behandlung der Problematik Gemeinsam scheint demgegenüber sowohl in der Bundesrepublik als auch in Österreich die überwiegend von der Literatur bestätigte und -soweit ersichtlich- von der Rechtsprechung niemals bestrittene Annahme zu sein, daß die objektive Erfolgszurechnung sowohl im Vorsatz- als auch im Fahrlässigkeitsbereich gelte30 • Im Widerspruch dazu steht allerdings die Erörterung des Problembereichs in der Praxis, denn diese findet fast ausnahmslos im Zusammenhang mit den Fahrlässigkeitsdelikten statt. Soweit entsprechende Fälle beim Vorsatzdelikt durch die Gerichte überhaupt näher beleuchtet werden, erfolgt dies oftmals im subjektiven Tatbestand31 • Eine Ausnahme hierzu bildet das Unterlassungsdelikt, bei dem aufgrund eines Unterlassens als Ausgangspunkt eine Behandlung der Zurechnungsthematik schon im Rahmen der Kausalität, damit aber im objektiven Tatbestand, erfolgt.
6. Zur Methodik der vorliegenden Arbeit Vor dem Hintergrund dieser recht eindeutigen Tendenz der Gerichte wird in der folgenden Untersuchung zuvorderst die objektive Erfolgszurechnung beim Fahrlässigkeitsdelikt -wobei hier wiederum primär dem fahrlässigen Begehungsdelikt das Hauptaugenmerk zugewendet werden soll- einer 28
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Vgl. hierzu aus der älteren Rechtsprechung OGH, SSt 28, Nr. 17; SSt 29, Nr. 13; SSt 30, Nr. 75; EvBI1960, Nr. 244; SSt 33, Nr. 17; ZVR 1965, Nr. 4; SSt 35, Nr. 52; ZVR 1965, Nr. 271; EvBI1966, Nr. 528; ZVR 1968, Nr. 76; zur neueren Jurisdiktion siehe z.B. OGH, ZVR 1985, Nr. 116; ZVR 1986, Nr. 64. BGHSt 11,1.
° Für Osterreich vgl.
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hierzu z.B. Kienapfel, ZVR 1977, 163; Steininger, OJZ 1981, 369; Trijfterer, FS ftlr Klug, 432ff. Für die Bundesrepublik siehe Ebert, Jura 1979, 566; Roxin, GS ftlr Annin Kaufinann, 240ft'. Worauf Trijfterer, FS ftlr Klug, 422, bezüglich der Situation in Osterreich hinweist. Vgl. im übrigen hierzu 3. Abschnitt Punkt D.
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1. Abschnitt: Problemdarstellung
eingehenden Prüfimg unterzogen. Um die Bedeutung der Zurechnungsproblematik beim fahrlässigen Erfolgsdelikt deutlich zu machen, erscheint es in diesem Zusammenhang angebracht, zuerst den Charakter und den dogmatischen Aufbau des Fahrlässigkeitsdeliktes im Österreichischen Strafrecht, in den die objektive Erfolgszurechnung eingebettet ist, näher zu beleuchten. Über den Bereich der fahrlässigen Erfolgsdelikte hinausgehende Probleme werden demgegenüber in einem gesonderten Teil erörtert. Dabei sind die Bemühungen auf die Darstellung der Entwicklung der Theorie der objektiven Zurechnung durch die Österreichische Rechtsprechung und der Stellung der Lehre zu dieser Problematik gerichtet. Daneben soll untersucht werden, inwieweit die unterschiedliche Behandlung der ebenso in der Bundesrepublik im Gnmdsatz vergleichbar existierenden Zurechnungsproblematik sich auf die Beurteilung der Strafbarkeit ähnlich gelagerter Fälle durch die Rechtsprechung auswirkt.
2. Abschnitt: Die objektive Erfolgszurechnung beim fahrlässigen Begehungsdelikt in Österreich A. Das Fahrlässigkeitsdelikt im allgemeinen 1. Bedeutung der Fahrlässigkeitsproblematik in Theorie und Praxis Das Fahrlässigkeitsdelikt fristete lange Zeit sowohl in der Praxis als auch in der Behandhmg durch die Literatur eine Art Schattendasein. Dies gilt fi1r die Situation in Österreich genauso wie fi1r die Lage in Deutschland lUld ist neben der in beiden Ländern existierenden ähnlichen klassischen Auffassllllg von der dogmatischen Einordnllllg der Fahrlässigkeitl auch durch einen llllgefähr vergleichbaren Stand der technischen Entwicklung zu erklären. Natürlich gab es bereits im letzten Jahrhundert Verurteilungen wegen fahrlässiger Straftaten2; die Anzahl dieser Verurteilungen fiel neben deJjenigen wegen vorsätzlicher Deliktsbegehung jedoch kaum ins Gewicht. Korrespondierend hierzu wurde das Fahrlässigkeitsdelikt auch von der Wissenschaft als Stiefkind betrachtet.3 Noch zu Beginn dieses Jahrhunderts findet sich in der Bundesrepublik Deutschland nur wenig und in Österreich praktisch keine Spezialliteratur, die sich mit diesem Gegenstand beschäftigt. Ein akademischer Streit über Wesen und Ausgestaltung der Fahrlässigkeit konnte damit nicht existieren4 • Eine ungeheure Zunahme der praktischen Relevanz fahrlässiger Begehungsweisen trat im folgenden mit der Industrialisierung ein. Die von diesem Zeitpunkt an einsetzende Technisierung und zunehmende Komplexität der
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So ging man lange Zeit von der Fahrlässigkeit als bloßer Schuldform aus, vgl. dazu unten Punkt 2b. Siehe z.B. das Urteil des k.k.Kassationshofes vom 22. November 1878 zur fahrlässigen Tötung an einer unheilbar Kranken durch eine KUipfuscherin in JBI 1879, Nr. 182; oder: k.k.Kassationshofvom 18. Dezember 1884 zur Frage der Verantwortlichkeit des Baumeisters für die mangelhafte Ausftlhrung der von ihm angeordneten Vorsichtsmaßregeln in JBI 1885, Nr. 716. Vgl. hierzu Exner, Fahrlässigkeit, Vorwort, mit einem Verweis auf Binding, auf den die Bezeichnung »Stiefkind« zurückzufUhren ist. Worauf Exner, Fahrlässigkeit, in seinem Vorwort hinweist.
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2. Abschnitt: Die objektive Erfolgszurechnung
Lebensverhältnisse fiihrte zu immer neuen »gefährlichen« Situationen, die oftmals einen deliktischen Ausgang nahmen. Auch die ständige Zunahme der Verkehrsdichte auf den Straßen. verbunden mit einer großen Anzahl an PKWBesitzern, bewirkte eine erhebliche Arbeitsbelastung der Gerichte, hier vor allem wegen fahrlässiger Delikte5 • Dabei war die Problematik einerseits auf einige wenige Straftatbestände, allen voran die Delikte gegen Leib und Leben6 , beschränkt; auf der anderen Seite betraf sie jedoch einen weiten Täterkreis. Im Gegensatz zur klassischen Kriminalität betriffi die Fahrlässigkeitsproblematik nicht nur bestimmte Gruppen von Personen, als Täter kommen vielmehr alle Bevölkerungsschichten und -abgesehen von den Strafunmündigen- gleich welchen Alters in Betrachf. Ein Blick in die Österreichische Kriminalstatistik der letzten Jahrzehnte verdeutlicht -obwohl nur auf einen engen Zeitraum begrenzt- diese Entwicklung. Wurden 19758 noch 16.092 Täter wegen fahrlässiger Körperverletzung9 und 17.857 wegen sonstiger strafbarer Handlungen gegen Leib oder Leben verurteilt, so veränderte sich dieses Verhältnis in den nächsten Jahrzehnten erheblich. Im Jahr 1990 wurden insgesamt 18.209 Personen wegen fahrlässiger Körperverletzungen und 12.691 Täter wegen sonstiger Delikte gegen Leib oder Leben verurteilt10• Bereits im Jahr 1985 betrug der Anteil der fahrlässigen Körperverletzungen, an der Summe aller abgeurteilten Delikte bemessen, ungeflllir ein Viertel 11 • Die Österreichische Fahrlässigkeitsdogmatik konnte dieser Entwicklung zu Beginn nicht Schritt halten. So stellt Burgstaller einleitend zu seiner Fahrlässigkeitsbeurteilung 1974 fest, daß die bisher existierende wissenschaft-
s Hierzu Frey, Reobjektivierung des Strafrechts, 270f. Vgl. Gössel, FS für Bengl, 23. 7 Frey, Reobjektivierung des Strafrechts, 279, spricht von der »Ubiquität der Gefahren«. Siehe auch Schünemann, JA 1975,435. 6
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Vergleichbare Zahlen vor 1975 liegen nicht vor, da die davor bestehende Gesetzeslage die Tatbestande der fahrlässigen Körperverletzung bzw. Tötung nicht kannte, vielmehr diese als Übertretungen und Vergehen ahndete, wobei die Körperverletzungs- und Tötungshandlungen in dieser Gruppe nicht gesondert ausgewiesen waren. Die fahrlässige Körperverletzung macht den überwiegenden Teil der Verurteilungen im Fahrlässigkeitsbereich aus. Zum Vergleich: 1984 wurden 783 Verurteilungen wegen fahrlässiger Tötung, demgegenOber 21.601 wegen fahrlässiger Körperverletzung ausgesprochen. Quelle: Gerichtliche Kriminalstatistik für das Jahr 1984. Wien 1987, 3. Vgl. Gerichtliche Kriminalstatistik für das Jahr 1990. Wien 1991, 17. Gegenüber dem Vorjahr ist dabei insgesamt die Anzahl der strafbaren Handlungen gegen Leib und Leben um 12%, davon die Summe der verurteilten fahrlässigen Körperverletzungen aber für sich betrachtet um 15% angestiegen. Burgstal/er, OJZ 1987,424.
A. Das Fahrlässigkeitsdelikt im allgemeinen
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liehe Begleitforschung fast ausschließlich aus der Bundesrepublik stamme12• In Österreich gab es zu diesem Zeitpunkt erst wenige Ansätze13• Mit BurgstaUers Gnmdsatzwerk zur Fahrlässigkeit hat sich diese Situation jedoch grundlegend verändert. Seit Mitte der siebziger Jahre stellt die Fahrlässigkeitsproblematik nun auch in Österreich eine vielbeachtete und vieldiskutierte Materie dar14•
2. Die Entwieklung des Fahrlässigkeitsdelikts in Österrekh
a) Gesetzliche Grundlagen Die Geschichte der Österreichischen Strafgesetzgebung läßt sich grob in zwei Abschnitte einteilen. Mit Beginn des Jahres 1975 wurde die Wende vom alten zu einem neuen Österreichischen Strafgesetz vollzogen. Neben anderen Neuerungen hat vor allem der Bereich der Fahrlässigkeit mit dieser Gesetzesänderung erhebliche Wandlungen erfahren. (1) Die gesetzlichen Gnmdlagen nach dem öStG von 1852 Das seit dem Jahre 1852 in unveränderter Form bestehende und in seinem Kern auf das Gesetz über Verbrechen und schwere Polizeiübertretungen von 1803 zurückgehende15 Österreichische Strafgesetz (öStG) enthielt keine eigene Begriffsbestimmung der Fahrlässigkeit im allgemeinen und wenig Fahrlässigkeitstatbestände im besonderen Teil16• So war ein Delikt der fahrlässigen Tötung oder der fahrlässigen Körperverletzung unbekannt. Allerdings konnte derjenige, der unvorsätzlich den Tod oder die Gesundheitsbeschädigung einer anderen Person herbeigefiihrt hatte, wegen eines Vergehens oder einer Über-
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Hieraus läßt sich möglicherweise auch die bis heute festzustellende Orientierung am bundesdeutschen Stand der Dinge erklären. Vgl. hierzu Burgstaller, Fahrlässigkeitsdelikt, 13. Dazu z.B. Kienapfel, ZVR 1977, 29ff. und 162ft'.; Wicht/, ZVR 1980, 97ft'. ; Burgstaller, öAnwBI 1980, 99ff. Vgl. hierzu Moos, Verbrechensbegriff, 311ft'.; ders.,FS für Wilburg, 253ft'.; Burgstaller, Strafrechtsreform, 40. Außerdem Serini, Ursprung und Entwicklung, 7 und 1Of., der betont, daß das bis 1974 geltende Österreichische Strafgesetz das alteste in Europa und eines der ältesten in der ganzen Welt sei und sich nur aufgrund der lebensnahen Rechtsprechung so lange als brauchbares Instrument erwiesen habe. Diese waren: § 357 a öStG: Leichtfertiger Eingriff an einer Schwangeren durch einen Arzt; § 458 öStG: Fahrlässige Gefahr der Herbeiführung einer Feuersbrunst; § 486 öStG: Fahrlässige Krida.
3 Reitmaier
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2. Abschnitt: Die objektive Erfolgszurechnung
tretwlg gegen die Sicherheit des Lebens, § 335 öStG, oder wegen Übertretwlg gegen die körperliche Sicherheit, § 431 öStG, bestraft werden. Dergenaue Wortlaut dieser beiden BestinunWlgen lautete: § 335: »Jede Handlung oder Unterlassung, von welcher der Handelnde schon nach ihren natürlichen, fiir jedermann leicht erkennbaren Folgen oder vermöge besonders bekanntgemachter Vorschriften oder nach seinem Stande, Amte, Berufe, Gewerbe, seiner Beschäftigung oder überhaupt nach seinen besonderen Verhältnissen einzusehen vermag, daß sie eine Gefahr fiir das Leben, die Gesundheit oder körperliche Sicherheit von Menschen herbeizufuhren oder zu vergrößern geeignet sei, soll, wenn hieraus eine schwere körperliche Beschädigung (§ 152Y7 eines Menschen erfolgte, an jedem Schuldtragenden als Übertretung mit Arrest bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 100.000 S; dann aber, wenn hieraus der Tod eines Menschen erfolgte, als Vergehen mit Arrest bis zu einem Jahr geahndet werden.«18 § 431: »Jede der im§ 335 bezeichneten Handlungen und Unterlassungen soll dann, wenn sie keinen der dort genannten Erfolge, jedoch wenigstens sichtbare Merkmale und Folgen(§ 411)19 nach sich gezogen hat, als Übertretung mit Geldstrafe bis zu 25.000 S oder mit Arrest bis zu drei Monaten geahndet werden. Die Bestimmung des Abs. 1 gilt insoweit nicht, als den Täter kein schweres Verschulden trifft und a) die verletzte Person mit dem Täter in auf- oder absteigender Linie verwandt oder verschwägert oder sein Ehegatte, Bruder oder seine Schwester ist oder b) aus der Tat keine Gesundheitsstörung oder Berufsunfahigkeit einer anderen Person von mehr als dreitägiger Dauer erfolgt ist.«20
Beide Delikte waren damit als abstrakte Gefährdungstatbestände konzipiert. Die Strafbarkeit knüpfte an ein gefahrliebes Verhalten des Täters an, das eine Gefahr fUr das Leben, die Gesundheit oder die körperliche Sicherheit von Menschen herbeizufUhren oder zu vergrößern geeignet war. Der eingetretene Erfolg bestimmte weiterhin die Einordnung der Tat: Trat der Tod des Opfers 17 18 19
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§ 152 ordnete hierunter die mindestens zwanzigtägige Berufsunfähigkeit oder Gesundheitsstörung, eine Geisteszerrüttung bzw. eine schwere Verletzung ein. Osterreichisches RGB11852, Nr. 117, S. 556. § 411 enthielt für den Fall der vorsätzlichen bei Raufhändeln vorkommenden körperlichen Beschädigungen ebenfalls die Voraussetzung der schweren sichtbaren Folgen. Osterreichisches RGBl 1852 Nr. 117, S. 572.
A. Das Fahrlässigkeitsdelikt im allgemeinen
35
ein, so lag ein Vergehen, bei schwerer körperlicher Beschädigung eine Übertrettmg im Sinne des § 335 öStG vor. Bei leichter oder auch keiner weiteren nennenswerten Verletzung war dagegen eine Übertrettmg gemäß § 431 öStG gegeben21 • Dieser Erfolg war objektive Bedingung (erhöhter) Strafbarkeit22• Daraus folgte, daß sich die Fahrlässigkeit nicht auf den jeweils eingetretenen Erfolg beziehen mußte23 • Daß diese Deliktskonstruktion Auswirkungen auf die objektive Erfolgszurechnung insgesamt haben mußte, die auch schon vor der Österreichischen Strafrechtsreform 1974 in den Grundsätzen anerkannt war, erscheint offensichtlich und bleibt hier nur festzuhalten. Der Ministerialentwurf zum neuen StGB aus dem Jahre 1964 bezeichnete es im übrigen als großen Vorteil an der Österreichischen Regelung, daß »ein gefährliches V erhalten, das den Umständen nach leicht zu einer Verletzung hätte fUhren können. dem Täter auch dann zum Vorwurf gemacht werden kann, wenn es infolge eines besonderen, dem Täter keineswegs zuzurechnenden Ursachenablaufs im konkreten Fall ausnahmsweise nicht zu einer Verletzung gefiihrt hat«24 , wie dies im Fall des§ 431 öStG möglich war25• Die Österreichische Regelung, so fern sie dem deutschen Verständnis von fahrlässiger Töttmg oder fahrlässiger Körperverletzung auch stehen mag, wurde seinerzeit von einigen Stimmen als echte Alternative zur deutschen Regelung erwogen. Dies zeigt sich z.B. in der Arbeit von Kahrs aus dem Jahr 196826, der dem Gedanken der Einfiihrung eines allgemeinen Gefährdungstatbestandes auch in das deutsche Strafrecht nicht abgeneigt gegenüberstand und betonte, daß insbesondere für kritische Fälle des Arztrechts27 das Bedürfnis für einen solchen allgemeinen Gefährdungstatbestand existiert.
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Vgl. hierzu bereits Altmann, Strafgesetz, 198 und Kaniak, Strafgesetz, § 335 Nr. 74f. (S. 586).
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Hierzu sehr deutlich: OOH, SSt 35, Nr. 52 sowie Entwurf eines Strafgesetzbuches, BT, 11.
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Breycha, Verkehrsdelikte, 105; Schild, RZ 1974, 118. Entwurf eines Strafgesetzbuches, BT, 32. Der Entwurf sah insgesamt eine Beibehaltung der wesentlichen Grundsatze des§ 431 öStG (der im Ministerialentwurf noch als § 112: Gefahrdung der körperlichen Sicherheit konzipiert war) vor. Kahrs, Verrneidbarkeitsprinzip, 280f Vgl. auch schon Exner, Fahrlässigkeit, 213: »Was den Täter verantwortlich macht, ist die fahrlässige Herbeiführung einer Gefahr.« In diesem Zusammenhang verweist Kahrs auf Falle von Krankheiten mit unOhersichtlichem Verlauf, bei denen nach geltendem Recht trotz möglicherweise schwerster Fehler des behandelnden Arztes dieser in der Regel von jeder strafrechtlichen Verantwortung suspendiert wird.
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2. Abschnitt: Die objektive Erfolgszurechnung
(2) Die Regelungen im öStGB von 1975 Das am 1. Januar 1975 in Kraft getretene28 Österreichische Strafgesetzbuch (öStGB), dem eine lange Geschichte voranging29 und das vom Schuld- und vom Bestimmtheitsgrundsatz beherrscht wird, behielt die dem Erfolgshaftungsprinzip entstammenden, sehr weit gefaßten Regelungen des öStG nicht bei. Der § 335 öStG wurde somit in einen Tatbestand der fahrlässigen Tötung, § 80 öStGB30, der§ 431 öStG und einige verwandte Delikte in eine fahrlässige Körperverletzung, § 88 öStGB31 , umgewandelt. Während dabei der § 80 öStGB weitgehend dem bundesdeutschen § 222 StGB entspricht, ist der Österreichische Tatbestand der fahrlässigen Körperverletzung aufgrund seiner Vielgestaltigkeit nicht mit dem§ 230 StGB-BRD zu vergleichen32 •
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Zeitgleich mit dem deutschen StGB, worauf Moos, FS fi1r Wilburg, 253 (dort Fn 1), hinweist: »Das gleichzeitige Inkrafttreten des Osterreichischen und deutschen Gesetzes ergibt sich zufällig und ist doch ein schönes Zeichen gleichen nachbarlichen Strebens nach dem neuen Strafrecht.« Erste Gedanken zur Strafrechtsreform in Österreich fmden sich bereits im Jahre 1861, vgl. Moos, FS für Wilburg, 254; Burgsta/ler, Strafrechtsreform, 40. Vervollständigend sei hier angemerkt, daß die früher in§ 337 öStG enthaltenen Qualifikationen des Vergehens gegen die Sicherheit des Lebens beibehalten wurden und nun in § 81 öStGB geregelt sind. Genangenommen baut § 88 öStGB auf mehreren Tatbestanden des früheren Rechts auf: § 88 Abs. 1 öStGB basiert auf§ 431 Abs.l öStG, § 88 Abs. 2 Nr. 1 und 4 öStGB entsprechen dem § 431 Abs. 2 öStG (wahrend § 88 Abs. 2 Nr. 2 und 3 keinen Vorläufer im früheren Recht haben), § 88 Abs. 3 öStGB entspricht § 432 öStG und § 88 Abs. 4 öStGB dem § 335 öStG, soweit dieser eine Übertretung sanktioniert; vgl Burgstal/er, WK § 88 Rn 1; Zipf, FS fi1r Krause, 437f. § 88 »(1) Wer fahrlässig einen anderen am Körper verletzt oder an der Gesundheit schädigt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen zu bestrafen. (2) Trifft den Täter kein schweres Verschulden und ist entweder 1. die verletzte Person mit dem Täter in auf- oder absteigender Linie verwandt oder verschwägert oder sein Ehegatte, sein Bruder oder seine Schwester oder nach § 72 Abs. 2 (Anm. der Verf: Betrifft Personen, die in außerehelicher Lebensgemeinschaft leben) wie ein Angehöriger des Täters zu behandeln, 2. der Täter ein Arzt, die Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung in Ausübung der Heilkunde zugefugt worden und aus der Tat keine Gesundheitsschädigung oder Berufsunfllhigkeit von mehr als vierzehntägiger Dauer erfolgt, 3. der Täter eine im Krankenpflegefachdienst, in medizinisch-technischen Diensten oder im Sanitätshilfsdienst tätige Person, die Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung in Ausübung eines dieser Berufe zugefugt worden und aus der Tat keine Gesundheitsschädigung oder Berufsunfllhigkeit von mehr als vierzehntägiger Dauer erfolgt, oder 4. aus der Tat keine Gesundheitsschädigung oder Berufsunfahigkeit einer anderen Person von mehr als dreitägiger Dauer erfolgt, so ist der Täter nach Abs. 1 nicht zu bestrafen. (3) In den im § 81 Z.1 und 2 bezeichneten Fällen (Anm. der Verf.: Beim Vorliegen besonders gefährlicher Verhältnisse oder bei Berauschung) ist der Täter mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen.
A. Das Fahrlässigkeitsdelikt im allgemeinen
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Über eine Reform dieses im Gegensatz zur bWldesdeutschen LösWlg als Offizialdelikt konzipierten Delikts wird seit einigen Jahren nachgedacht. Ziel dieser Reform soll eine Entkriminalisierung von Bagatellfällen fahrlässiger KörperverletZllllg, vor allem im Verkehrs- aber auch im Sportreche3 oder bei Arbeitsunfällen, sein34• Der Entwurf eines Strafrechtsänderungsgesetzes35 beabsichtigt demgemäß, daß fahrlässige KörperverletZllllgen gern. § 88 öStGB nur noch dann strafbar sein sollen, wenn die KörperverletZllllg entweder schwer war oder die Tat Wlter besonders gefährlichen Verhältnissen oder in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand begangen wurde36• Auf den Straßenverkehr bezogen bedeutet dies, daß »gewöhnliche« SorgfaltsverletZllllgen, die VerkehrsWlfallfolgen bis zur Grenze der schweren KörperverletZllllg nach sich ziehen, nicht mehr bestraft werden37• Da dieser Entwurf nicht Wlumstritten ist38 Wld sich vor allem heftiger Kritik der Gegner einer EntkriminalisierWlg der Delikte im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr ausgesetzt sieht39, bleibt die zukünftige EntwicklWlg abzuwarten.
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(4) Hat die Tat eine schwere Körperverletzung (§84 Abs.1) zur Folge, so ist der Täter mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen, in den im§ 81 Z.l und 2 bezeichneten Fällen aber mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren zu bestrafen.« Hierzu Pichler, JBl 1991, 743f., der in seiner Urteilsanmerkung zu einem Fall im Zusammenhang mit dem Pistenskilauf insgesamt die Frage stellt, ob es aus rechtspolitischer Sicht notwendig und gut sei, Fahrlassigkeitstäter im Bereich des Sports strafrechtlich zu verfolgen. Eingehend hierzu Zipf, ÖJZ 1990, 731 ff. Interessant in diesem Zusammenhang ist, daß in Deutschland bereits in den 60er Jahren vereinzelt über eine Reform des Fahrlässigkeitsdelikts im Verkehrsbereich zugunsten einer Beschleunigung und Intensivierung der Verkehrsjustiz nachgedacht wurde. Allerdings gingen die Vorschläge • die glücklicherweise niemals in die Praxis umgesetzt wurden - dahin, das Schuldprinzip in diesem Bereich aufzugeben bzw. wesentlich einzuschränken, vgl. hierzu Middendorf, Strafzumessung, 343ff. Jescheck, Aufbau und Fahrlässigkeit, 26, plädierte demgegenüber, ähnlich dem neuen Vorstoß im Österreichischen Recht, für ein Ausscheiden der in Frage kommenden Fälle aus dem Kriminalrecht. Soweit heute ersichtlich, wurde jedoch auch diese Anregung nicht weiter aufgegriffen. Entwurfeines Strafrechtsänderungsgesetzes 1992, BMfJZ1318.007/9-II 1/91. Vgl. Messiner, ZVR 1991,327. Siehe hierzu bereits Burgstaller, JBl 1990, 7lf., der allerdings für eine Erweiterung des § 42 öStGB (Mangelnde Strafwürdigkeit der Tat) plädiert. Zur Erweiterung des § 88 öStGB: Hoinkes-Wiljlingseder, RZ 1992, 6f. Auf dem vor einigen Jahren stattgefundenen »9. ötztaler Diskussionsforum« wurde eine Entkriminalisierung des § 88 öStGB in bezug auf Skiunfälle jedoch abgelehnt. Hierzu Hörburger, Strasser, ZVR 1992, 193f. Der OGH sprach sich im Begutachtungsverfahren gegen eine generelle Straflosigkeit der fahrlassigen leichten Körperverletzung aus. Hierzu: Steininger, ZVR 1992, 185. Eine ausführliche Darstellung der für bzw. gegen den Entwurf sprechenden Argumente würde an dieser Stelle zu weit führen. Hierzu im einzelnen als Befürworter der Lösung: HoinkesWiljlingseder, RZ 1992, 6f.; Presslauer, ZVR 1992, 188ff. (mit einer ausführlichen Argumentationsübersicht). Eine eigene Konzeption zur Neufassung des § 88 öStGB entwickeln Zipf, ÖJZ 1990, 731ff. und FS für Krause, 442; Messiner, ZVR 1991, 327ff. und ZVR 1992,
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2. Abschnitt: Die objektive Erfolgszurechnung
Die weiteren Überlegungen gehen deshalb uneingeschränkt von der geltenden Rechtslage aus. D.h., daß auch in bezugauf Delikte im Straßenverkehr bei Verwirklichung aller Tatbestandsmerkmale die Strafbarkeit wegen fahrlässiger Körperverletzung nicht in Frage gestellt wird. Hinzuweisen ist an dieser Stelle allerdings darauf, daß ein Ausschluß der Strafbarkeit leichterer Fälle im Bereich der Verkehrsdelikte, die ohne Zweifel den wesentlichen Anwendungsbereich der fahrlässigen Körperverletzung ausmachen, Folgen für die Behandlung des Fahrlässigkeitsdelikts insgesamt durch die Praxis haben kann. Abzuwarten wäre, ob in den übrig bleibenden Fällen eine veränderte Gangart eingeschlagen würde, was sicherlich auch den Bereich der objektiven Erfolgszurechnung und die Beurteilung der einzelnen Merkmale durch die Gerichte betreffen könnte. Was die Neugestaltung des Österreichischen Strafrechts durch das öStG anbelangt, ist abschließend in diesem Zusammenhang aber festzustellen, daß nun aus ursprünglichen Gefährdungsdelikten Verletzungstatbestände geschaffen wurden, vergleichbar denjenigen aus dem schweizerischen oder deutschen Rechf'O. Dieses Prinzip erlebt allerdings im Bereich der Tötungs- und Körperverletzungsdelikte eine Durchbrechung. So enthält § 89 öStGB für den Fall, daß die Tat unter besonders gefährlichen Verhältnissen oder unter Rausch stattfand, einen Tatbestand der Gefährdung der körperlichen Sicherheit, der auch schon im Ministerialentwurf zum Strafgesetzbuch vorgesehen w.u-41 und auf den früheren § 431 öStG zurückgeht-42• Der § 89 öStGB wurde als ein konkretes Gefiihrdungsdelikt konzipiert.
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75fT. sowie Schwab, ZVR 1992, 238fT.; in Ansätzen auch Steininger, ZVR 1992, 167f. (der sich ansonsten eher ablehnend äußert). Ganzlieh verworfen wird die Idee einer Neufassung des § 88 öStGB von Nurscher in RZ 1991,227 und RZ 1992, 7f. Vor allem im Abschnitt über die »Gemeingefährlichen strafbaren Handlungen und strafbaren Handlungen gegen die Umwelt« fmden sich nunmehr etliche neugeschaffene Fahrlässigkeitstatbestände, vgl. z.B. §§ 170, 172, 174, 177,179, 181, 183 OStGB. Siehe Entwurf eines Strafgesetzbuches, BT, 32. Wobei der § 89 öStGB aufgrund des Mangels an rechtsstaatlicher Bestimmtheit bisher viel Kritik hervorgerufen hat, vgl. Kienapfel, Grundriß, § 89 Rn 2f. m.w.N.
A. Das Fahrlässigkeitsdelikt im allgemeinen
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Ins öStGB neu eingefiihrt wurde außerdem die Definition des Begriffes Fahrlässigkeit im allgemeinen Teil(§ 6 öStGB), die folgendermaßen lautet: »Fahrlässigkeit
§ 6 (1) Fahrlässig handelt, wer die Sorgfalt ausser acht läßt, zu der er nach den Umständen verpflichtet und nach seinen geistigen und körperlichen Verhältnissen beflihigt ist und die ihm zuzwnuten ist, und deshalb nicht erkennt, daß er einen Sachverhalt verwirklichen könne, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht. (2) Fahrlässig handelt auch, wer es für möglich hält, daß er einen solchen Sachverhalt verwirkliche, ihn aber nicht herbeiführen will.«43
Das Gesetz definiert damit eine >mnbewußte« Fahrlässigkeit (Abs. I) und eine »bewußte« Fahrlässigkeit (Abs. 2)44 • Wichtig in diesem Zusammenhang ist daneben § 7 öStGB zu nennen. Diese Vorschrift legt fest, daß, wenn das Gesetz nichts anderes bestimmt, nur vorsätzliches Handeln strafbar sein soll (§ 7 Abs. I öStGB). Daneben wird angeordnet, daß bei erfolgsqualifizierten Delikten die schwere Folge wenigstens fahrlässig herbeigefUhrt werden muß ( § 7 Abs. 2 öStGB). Während § 7 Abs. I öStGB gegenüber dem früheren Recht nur eine Klarstellung enthält, die sich auf die Anzahl der Fahrlässigkeitstaten insgesamt nicht dezimierend auswirJct45, vervollständigt § 7 Abs. 2 öStGB das Bild des zuvor beschriebenen neuen Strafrechts. Die Möglichkeit, Erfolge als objektive Bedingungen erhöhter Strafbarkeit anzusehen, wird damit entschieden beschnitten. Die Einfiihnmg der erfolgsqualifizierten Delikte stellt vor diesem Hintergrund eine Neuerung für das Österreichische Strafrecht druM.
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österreichisches BGBI1974, Nr. 60, S. 647. Hierzu Burgstaller, Fahrlässigkeitsdelikt, 15f. Burgstaller, Fahrlässigkeitsdelikt, 15. Hinzuweisen ist an dieser Stelle noch darauf, daß die neuen Vorschriften des OStGB in der hier beschriebenen Form seit dem 1. Januar 1989 auch in Liechtenstein gelten; davor entsprach das Hechtensteinische Strafrecht dem öStG. Der Gegenstand der vorliegenden Arbeit ist demgemäß auch für Strafrechtsprechung und Lehre in Liechtenstein relevant.
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2. Abschnitt: Die objektive Erfolgszurechnung
b) Dogmatische Einordnung der Fahrlässigkeitsproblematik
Die dogmatische Einordmmg der Fahrlässigkeit gehörte in Österreich, nicht anders als in der Bundesrepublik Deutschland, längere Zeit zu den schwierigeren Aufgaben, mit denen sich die Strafrechtswissenschaftler beschäftigten. Dies nicht zuletzt deshalb, da sowohl das fiiihere als auch das geltende Österreichische Recht die systematische Einordnung der Fahrlässigkeit offenließ47 • Kein anderes Problem in diesem Bereich hat außerdem in den letzten Jahren derartige Veränderungen in der Behandlung durch Rechtsprechung und Literatur erfahren. (1) Die Fahrlässigkeit als Schuldform Ursprünglich wurde die Fahrlässigkeit -Gefahrerhöhung« gleichgesetzt werden. 667 Der Begriff »RisikoerhOhungslehre« wurde dabei von der Literatur (Roxin, ZStW 74, 43lff.; N0111alc0111ski, JBI 1972, 31; Hörburger, ÖJZ 1974, 567; Burgstal/er, Fahrlässigkeitsdelikt, 129ff.) übernommen. Vgl. hierzu OLG lnnsbruck, ZVR 1975, Nr. 121 und OLG Wien, ZVR 1975, Nr. 276. 668 OLG Wien, ZVR 1975, Nr. 276. 669 So die zuvor dargestellte Position der deutschen Rechtsprechung. 670 Über die Genauigkeit der Feststellung einer Risikoerhöhung herrscht allerdings keine Einigkeit. Manche Urteile gehen von einer »größeren Wahrscheinlichkeit des Erfolgseintritts als im Falle des sorgfaltsgernaßen Verhaltens« aus, so: OLG lnnsbruck, ZVR 1975, Nr. 121 und OLG Wien, ZVR 1986, Nr. 64; in anderen Verfahren erfolgt die Zureclmung, wenn eine Steigerung der Gefährdung »olme Zweifel« anzunehmen ist, vgl. OLG Wien, ZVR 1984, Nr. 282 und ZVR 1985, Nr. 71 sowie Nr. 116. Zu fmden ist auch die Forderung, der Erfolg müsse bei sorgfaltsgemäßem Verhalten »mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit« unterblieben sein, so OGH, ZVR 1986, Nr. 143. Dieser konkrete Zureclmungsmaßstab führt jedoch die Risikoerhöhungslehre in der Sache ad absurdum und nähert sich im Ergebnis den deutschen Grundsätzen an. Kritisch zu letzter Entscheidung: Kienapfel, Grundriß, § 80 Rn 116a Zur grundsätzlichen Vereinbarkeit dieser Formel mit dem »in-dubio-Grundsatz« vgl. unten. 671 Dem OLG Wien, ZVR 1975, Nr. 276 und ZVR 1984, Nr. 282, das von der Unmöglichkeit einer Übertragung der im § 335 öStG genannten Gefahrerhöhung auf die Vorschriften des öStGB ausging (dies in der Sache aber dennoch exerzierte), kann daher nur bedingt zugestimmt werden. 666
II Reitmaier
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2. Abschnitt: Die objektive Erfolgszurechnung
hatte hierfür ja ohne nähere Erläutenmg mit der Annahme, eine Normübertretung impliziere immer eine Gefahrerhöhung, ein Gefahrurteil ex ante gewählr71 • Dies wurde nun, nicht zuletzt wegen der bereits zuvor näher beschriebenen Mängel einer solchen Lösung, in der Literatur stark kritisierr73 • Tatsächlich bot die Judikatur zur Gefahrerhöhung nach §§ 335, 431 öStG auch keinerlei Möglichkeit, eine konkrete Einzelfallbeurteilung durchzufiihren. Denn eine solche war nur möglich, wenn man alle im Zeitpunkt des Erfolgseintritts existierenden Tatumstände mitberücksichtigte. Diese wurden aber im Falle der Beurteilung der Gefahrerhöhung nach der Normübertretung irrelevant. Damit wird offensichtlich, daß die neue Rechtsprechung nach dem öStGB, wollte sie sich nicht der gleichen Kritik aussetzen, um eine Beurteilung der Risikoerhöhung unabhängig von der zuvor festgestellten grundsätzlich zur Erfolgsherbeiführung geeigneten Pflichtverletzung des Täters bemüht sein mußte. Eine umfassende Berücksichtigung aller Umstände konnte aber weiterhin nur durch eine ex-post-Betrachtung gewährleistet werden, so schlug es auch BurgstaUer in seiner Monographie zum Fahrlässigkeitsdelikt vo~74 • Einhellig wurde dieser Vorschlag von den Gerichten übernommen, seither wird die Risikobetrachtung von der Österreichischen Judikatur ex post durchgefiibrt675 • (c) Bedeutung des Gnmdsatzes »in dubio pro reo« Dabei setzten sich Gerichte und Lehre mit der Frage der Anwendung des Gnmdsatzes »in dubio pro reo« auseinander. Dieser sollte nur dann zum Tragen kommen, wenn Zweifel im tatsächlichen Bereich bestanden. Wenn also nicht sicher war, ob ein Umstand vorlag, der eine Gefahrerhöhung bedeuten konnte oder wenn Zweifel über das Vorliegen einer Risikodifferenz überhaupt gegeben waren676, so sollte eine Zurechnung verneint werden. Nicht erheblich sind nach dieser Konzeption dagegen Zweifel im Bereich der Hypothesebildung. Dazu zählen vor allem Zweifel im Zusammenhang mit den Umständen, die als hypothetische Vergleichsgrundlage in Betracht kommenm. Für diese soll gerade das Vorliegen einer Risikoerhöhung ausreichen678 • Dazu vorne Punkt (2) i. Hierzu Burgstaller, Fahrlässigkeitsdelikt, 140ff. Vgl. auch Roxin, FS für Honig, 138f (dort Fn 18). 674 Burgstal/er, Fahrlässigkeitsdelikt, 140ff. Siehe ebenfalls Kienapfel, ZVR 1977, 167f. 675 Vgl. nur OLG Wien, ZVR 1985, Nr. 71; ZVR 1985, Nr. 116; ZVR 1986, Nr. 64. 676 Dies war immer dann der Fall, wenn die erhöhte Gefahrdung gegenüber dem rechtmäßigen Alternativverhalten nicht überzeugend dargetan wurde, vgl. oben Fn 665. 677 Burgstal/er, Fahrlässigkeitsdelikt, 143f. 672 673
B. Die objektive Erfolgszurechnung beim Fahrlässigkeitsdelikt im besonderen 163
(d) Probleme bei der Feststelhmg einer konkreten Risikoerhöhung Hiermit hatte sich die Judikatur ein Rüstzeug geschaffen, die einschlägigen Fälle, bei denen der Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens zu bedenken war, zufriedenstellend zu lösen. Daß dies in vielen Sachverhaltskonstellationen nicht gelang und auch heute nicht immer gelingt, liegt an der bereits zuvor in anderem Zusammenhang festgestellten Tendenz der Rechtsprechung, anhängige Fallgestaltungen mit Hilfe einer sehr pauschalen Betrachtungsweise zu lösen. So lassen sich etliche Entscheidungen finden, in denen die Risikoerhöhung nicht aus dem konkreten Sachverhalt heraus, sondern aufgrund allgemeiner Kriterien begründet wird. In der Sache sind diese Urteile nicht weit von der sehr stark angefochtenen OGH-Rechtsprechung, die die Gefahrerhöhung aus der bloßen Normübertretung heraus ableitete679, entfernt. Als Beispiel hierfür soll ein Urteil des OLG Wien aus dem Jahre 1979 stehen680 • Ein mit überhöhter Geschwindigkeit im Stadtbereich fahrender PKWLenker überrollte einen Fußgänger, der unvermittelt und ohne auf den Verkehr zu achten vor ihm auf die Fahrbahn gelaufen war. Nicht eindeutig geklärt werden konnte, ob der Unfall bei Einhaltung der vorgeschriebenen Geschwindigkeit vermieden worden wäre. Das Gericht bejahte dennoch eine Risikoerhöhung, denn: »bei rechtmäßigem Verhalten des Angekl wäre schon wegen des Geschwindigkeitsunterschiedes, wegen der teilweise wirksam gewordenen Verzögerung des PKW vor dem Kontakt und wegen des an sich verkürzten Anhalteweges die negative Chance des Erfolgseintritts in erheblicher Weise vermindert wordenOffenkundige Risikosteigerung« abzustellen, von der Steininger ausgeht. Diese Formulierung steht tatsachlich nicht im Widerspruch zur »zweifelsfreien RisikoerhOhung«, wie sie von der herrschenden Lehre gefordert wird. Was Steiningers Ansatz jedoch von dem der sonstigen Osterreichischen Lehre unterscheidet, ist die »für jedermann einsichtige Risikosteigerung«. Hierzu naheres im Text. Man denke nur an den Fall, daß ein Fußganger plötzlich vor ein zu schnell fahrendes Fahrzeug auf die Fahrbahn lauft und dabei erfaßt und getötet wird. Wie soll der objektive Beobachter hier nach bloßen Laiengesichtspunkten eine eindeutige Risikosteigerung feststellen, wenn ihm detaillierte Kenntnisse über das VerhaltDis von Bremsweg zu Geschwindigkeit, bezogen auf den konkreten Fall fehlen?
B. Die objektive Erfolgszurechnung beim Fahrlässigkeitsdelikt im besonderen 171
Daneben provoziert der von Steininger vorgeschlagene RisikoerhöhWlgsansatz zu einer weiteren Frage, nämlich wie zu verfahren ist, wenn zwar dem laienhaften objektiven Beobachter nach allgemeinen VorstellWlgen ein Geschehen als wesentliche RisikosteigerWlg -verglichen mit dem sich im Rahmen des erlaubten Risikos haltenden Täterverhalten-- vorkommt, dies aber bei wissenschaftlicher BeurteilWlg der Frage keinen Bestand hat'05• Wenn man nWl ausschließlich auf den wissenschaftlich nicht beschlagenen Dritten abstellt, müßte nach obigem Vorschlag eine ZurechnWlg erfolgen. Damit könnte die als zu weitgehende HaftWlgseinschränkung kritisierte LösWlgskonzeption in bestimmten Fällen umgekehrt zu einer bedenklichen HaftWlgserweitefWlg filhren. (iv) Ausgangspunkte der überwiegenden LiteratwmeinWlg Die restliche Wld damit überwiegende Österreichische LiteratwmeinWlg geht, wie zuvor bereits angedeutet, demgegenüber von der RisikoerhöhWlgslehre, so wie sie von Roxin begründet wurde, als einziger denkbarer ZurechnWlgslehre im Hinblick auf das rechtmäßige Alternativverhalten beim Fahrlässigkeitsdelikt aus. (a) Konzentration auf die RisikoerhöhWlgslehre Dies zeigt sich vor allem darin, daß -bis auf die oben geschilderten Ausnahmen- keine andere LösWlgskonzeption in Betracht gezogen wird. Wurde bereits die OGH-RechtsprechWlg zu §§ 335, 431 öStG kritiklos hingenommen, so änderte sich die EinstellWlg der Österreichischen Literatur auch bei der GesetzesänderWlg zum öStGB nicht. Dies ist umso erstaunlicher, da -wie zuvor beschrieben- das neue Gesetz keinerlei Kausalitäts- Wld ZurechnWlgsvorgaben enthielt, die Rechtsprechung Wld vor allem die Literatur damit frei in der EntwicklWlg neuer LösWlgsmodelle gewesen wären. Auch das zu Beginn der näheren Beschäftigung mit Fragen der objektiven ErfolgszurechnWlg festzustellende verbreitete Desinteresse an der bWldesdeutschen
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Eine solche Betrachtung kOnnte sich auch bei der in der vorigen Fußnote geschilderten Fallgestaltung ergeben: Auf den ersten Blick stellt sich die überhöhte Geschwindigkeit sicherlich per se als Indikator tnr eine wesentliche Risikosteigerung im Hinblick auf das beeintrachtigte Rechtsgut dar. Dieser Eindruck konnte aber durch ein Sachverständigengutachten, das feststellt, daß der Fußganger auch bei Einhaltung der vorgeschriebenen Geschwindigkeit wegen des dabei immer noch außerst heftigen Aufpralls keine Überlebenschance gehabt hatte, maßgeblich relativiert werden.
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2. Abschnitt: Die objektive Erfolgszurechnung
Lösungsmethode706 ist, vor allem in Anbetracht der ansonsten bemerkenswerten Orientierung der Österreichischen Rechtsprechung und Literatur an den deutschen Entwicklungen zu vergleichbaren Problemkreisen, wenig verständlich. Die neuere Literatur hat die Rechtsprechung des BGH zur sogenannten Vermeidbarkeitslehre zumindest zur Kenntnis genommen, lehnt ihre Anwendung bezogen auf die Österreichische Fahrlässigkeitskonzeption aber kategorisch, zumeist mit der Begriindung, sie sei kriminalpolitisch nicht vertretbar707, ab. Vor dem Hintergrund der in Deutschland seit Jahrzehnten herrschenden Meinungsverschiedenheiten in der Literatur hinsichtlich der Behandlung des rechtmäßigen Alternativverhaltens, die erst in den letzten Jahren eine eher eindeutige Richtung zur Bevorzugung der Risikoerhöhungslehre oder verwandter Zurechnungsformen beschreiben708, ist die fast ausnahmslos festzustellende Übereinstimmung von Rechtsprechung und Lehre in Österreich zu dieser Frage für den deutschen Betrachter nur schwer verständlich709. Ein näherer Überblick bezüglich der Konstruktion der Risikoerhöhungslehre, wie sie in der Österreichischen Lehre vertreten wird, mag in diesem Zusammenhang weiteren Aufschluß über die oben beschriebene Position geben. (b) Dogmatische Konstruktion der Zurechnungslehre So stellt sich einmal die Frage, welches Ausmaß die Risikosteigerung zur Bejahung der Zurechnungsfrage haben muß. Die Österreichische Lehre stellt hierbei bis heute folgenden Grundsatz auf: Soweit bei sorgfaltsgemäßem Täterverhalten zweifelsfrei eine reale Erfolgsvermeidungschance bestanden hätte, muß der tatsächlich eingetretene Verletzungserfolg zugerechnet werden710 • Damit stimmt die Literatur im wesentlichen mit der Rechtsprechung des OGH überein, der ja ebenfalls in einer Vielzahl von Urteilen eine »sehr wahrscheinliche« oder »zweifelsfreie« Risikoerhöhung711 verlangt. Lediglich die 706 BurgstaUer bemängelt dies bereits in seiner Monographie, vgl. Burgsta/ler, Fahrlässigkeitsde-
likt, 134f. Im einzelnen bei Nowakowski, JBI 1972, 31 f; Hörburger, ZVR 1973, 97ff. und ÖJZ 1974, 567; Kie1Ulpfe/, ZVR 1977, 167f. (wobei in den letzten beiden Beiträgen zumindest am Rande die abweichende Rechtsprechung des BGH erwähnt wird). Lediglich Seiler, JBl 1972, 628f. geht auf die deutsche Position ein, bezieht aber selbst nicht eindeutig Stellung. 707 So schon Burgsta/ler, Fahrlässigkeitsdelikt, 133ff. (insbesondere S.139) und WK § 6 Rn 75; vgl. aber auch Steininger, ÖJZ 1981, 370 und Kie1Ulpfel, Grundriß, § 80 Rn 116 und 118. 708 Dazu vorne Punkt (1) b. 709 Wobei allerdings offenbleibt, ob ein solcher Zustand der Übereinstimmung als »Idealzustand« anzusehen ist oder eher zur Kritik aufrufen muß, da mangels oppositioneller Auffassungen keine Weiterentwicklung in der fraglichen Thematik zu erwarten ist. 71 Kie1Ulpfe/, Grundriß, § 80 Rn 116b. 711 Im näheren hierzu siehe vorne Fn 670.
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B. Die objektive Erfolgszurechnung beim Fahrlässigkeitsdelikt im besonderen 173
Urteile, die verlangen, daß der Erfolg bei normgemäßem V erhalten mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit Wlterblieben wäre712 , werden damit in die RichtWlg einer strengeren ZurechnWlgspraxis korrigiert. Dabei wird heute einhellig eine uneingeschränkte ex-post-Betrachtung gefordert713, die außerdem auf die konkreten Einzelheiten des zu entscheidenden Falles abstellt. Allen Urteilen, die die Frage der RisikoerhöhWlg zu pauschal mit z.B. Argumenten wie der grundsätzlichen Verlängerung des Bremsweges bei höheren Geschwindigkeiten714 oder der allgerneinen Erhöhung der Aufprallwucht'15 beurteilen, wird damit eine Absage erteilt716 • Berücksichtigt man die Konzeption und ZielrichtWlg der RisikoerhöhWlgslehre, so erscheint eine RisikobetrachtWlg unter Berücksichtigoog aller sich zum Tathergang einstellenden Umstände bei AnwendWlg dieser Lehre auch als einzig vorstellbar. Eine bloße ex-ante-Beurteilung717 würde die Risikoerhöhungslehre ad absurdum filhren. Beim Vorliegen einer SorgfaltspflichtverletZWlg, die zudem Erfolge. der vorliegenden Art vermeiden sollte, ist die Chance des Erfolgseintritts gegenüber dem rechtmäßigen Altemativverhalten, selbst wenn man auch hier die konkreten feststehenden Einzelfallumstände von Anfang an mitberücksichtigt718, so gut wie immer erhöht. Lediglich unter Heranziehung aller Tatumstände kann im nachhinein oftmals festgestellt werden, daß -obwohl grundsätzlich bei ÜbertretWlg der konkreten Sorgfaltsnorm von einer Risikoerhöhung im Prinzip auszugehen ist- im zu entscheidenden speziellen Einzelfall eben eine solche wesentliche Chancensteigerung des Erfolgseintritts nicht ailZWlehmen ist'19• Dabei darf nicht vergessen werden, daß es bei der Beantwortung der Frage, ob ein eingetretener Erfolg dem Täter objektiv zugerechnet werden kann, nicht nur darum geht festzustellen, daß der Täter eine Gefahr für das Rechtsgut geschaffen hat, die gegenüber dem erlaubten Risiko höher ist. Will man den Täter nicht schon für die bloße Gefahrschaffung straf-
So z.B. OLG Graz, ZVR 1986, Nr. 143. Burgstaller, Fahrlassigkeitsdelikt, 140ft'.; Steininger, OJZ 1981, 370; Tri.ffterer, Osterreichisches Strafrecht, 154 Rn 136; Kienapfel, Grundriß, § 80 Rn 117; Leukauf/ Steininger, KommentaCl, § 80 Rn 31 . 714 Z.B. OLG Wien, ZVR 1980, Nr. 48. 715 So etwa OLG Graz, ZVR 1979, Nr. 187. 716 Hierzu auch Burgstaller, öAnwBI 1980, 102f. 717 Wobei hier bereits grundsätzliche Schwierigkeiten zu überwinden sind, eine eindeutige Grenze zwischen ex ante und ex post zu bestimmenden Umstanden zu ziehen. Hierzu Straterrwerth, FS für Gallas, 230. 718 So aber Wolter, Objektive und personale Zurechnung, 335. 719 Hierzu schon Burgstaller, Fahrlassigkeitsdelikt, 140. 712 713
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2. Abschnitt: Die objektive Erfolgszurechnung
rechtlich sanktionieren720, sondern nur dann, wenn sich an die Gefahr ein inkriminierter Erfolg anschließt, der mit der Gefahrschaffung in einem bestimmten Zusammenhang steht'21 , so geht die Feststelhmg dieses Zurechnungszusammenhanges über die Frage der ursprünglichen Handlungsgefahr hinaus. Sie umfaßt vielmehr den gesamten Geschehensablaufbis hin zum Erfolg. Dieser fragliche Konnex zwischen Gefahr und Erfolg ist es aber, der lediglich mittels einer umfangreichen ex-post-Beurteilung und nicht bereits unter ex-anteGesichtspunkten zufriedenstellend geklärt werden kann. Daß damit die Entscheidungsträger vor eine schwierige Aufgabe gestellt werden, denn ihnen obliegt es, alle Tatumstände möglichst lückenlos zu rekonstruieren sowie umfassend bei der Prüfung der Risikoerhöhung zu bewerten, steht hier außer Frage722 • Doch dieses Problem ist vielen strafrechtlichen Entscheidungsprozessen immanent, bei denen eine umfassende Würdigung aller sich zum Zeitpunkt der Tat einstellenden Umstände gefordert wird721 • Aufkeinen Fall dürfen aber die möglichen Schwierigkeiten, die bei der Beurteilung ex post auftreten können, dafür ins Fc!ld gefilhrt werden, eine Risikoerhöhung ex ante zu fordern. Der Auffassung der Österreichischen Literatur ist damit in diesem Punkt zuzustimmen. (c) Die Berücksichtigung hypothetischer Geschehensabläufe Allerdings wird im Zusammenhang mit den Überlegungen zur Anwendung der Risikoerhöhungslehre von den Österreichischen Autoren niemals die grundsätzliche Frage gestellt, ob es überhaupt zulässig ist, hypothetische Geschehensabläufe, die ja im Vergleich mit dem rechtmäßigen Alternativverhalten notwendigerweise heranzuziehen sind, zu berücksichtigen. In Deutschland hat dieser Gesichtspunkt, der ja gleichsam die BGH-Lösung, wie die Anwendung der Risikoerhöhungslehre in Frage stellen könnte, zu
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Dann ware der Verstoß gegen das Verbot der Umwandlung von Verletzungs- in Gefthrdungsdelikte und damit ein Rückfall in die alte OGH-Rechtsprechung zum oStG offensichtlich. Dieser Zusammenhang wird bei der Risikoerhöhungslehre eben dann bejaht, wenn sich die geschaffene Gefahr in eine erhöhte Gefthrdung des Rechtsgutes umsetzt. Dies ist auch das Hauptargument, mit dem Samson, Hypothetische Kausalverlaufe, I S4ff. seine Ablehnung der ex-post-Beurteilung begrilndet. So ist auch bereits zur Beantwortung der Frage einer Kausalbeziehung, vor allem, wenn der Kausalverlauf als solcher problematisch erscheint, eine ex-post-Beurteilung notwendig. Ausfilhrlich zur ex-post-Betrachtung der Kausalitatsmerkrnale Kuhlen, Nachtragliehe ex-anteBeurteilung, 346f.
B. Die objektive Erfolgszurechnung beim Fahrlässigkeitsdelikt im besonderen 175
kontroversen Beurteilwtgen wtd zur neueren Entwicklwtg alternativer Zurechnwtgsmodelle gefiihrt724 • (d) Der Grundsatz »in dubio pro reo« Eng verbwtden mit der Beriicksichtigung hypothetischer V ergleichsgrwtdlagen ist die Frage, wie denn im Falle, daß der gedachte Geschehensablauf nicht sicher festgestellt werden kann -Wld hiervon ist aufgrwtd der notwendigen Prognosen bezüglich der Erfolgsverursachwtg bei rechtmäßigem Alternativverhalten im Regelfall wohl auszugehen- die Zurechnwtg zu beurteilen ist. Hierauf gibt das Österreichische Schrifttum, seiner Grundkonzeption folgend wtd damit übereinstimmend zur vorne geschilderten Behandlwtg der Frage durch die Österreichische Judikatur, eine klare Antwort: Unsicherheiten im Bereich der Feststellwtg der hypothetischen Vergleichsgrwtdlage sollen nicht zugunsten des Täters behandelt werden, d.h. eine Sicherheit, daß der Erfolg auch bei sorgfaltsgemäßem V erhalten eingetreten wäre, darf nicht verlangt werden. Lediglich dann, wenn beide Vergleichsgrwtdlagen gegenübergestellt werden wtd dabei eine Risikoerhöhwtg nicht mit großer Wahrscheinlichkeit festzustellen ist, soll wteingeschränkt der GrWldsatz »in dubio pro reo« gelten725 • Angewendet auf die Praxis bedeutet dies, daß der Richter eine Risikoerhöhwtg im konkret zu entscheidenden Einzelfall filr sehr wahrscheinlich halten muß. Nur dann ist die Annahme der objektiven Erfolgszurechnwtg möglich. Dieser letzte Punkt zur näheren AusgestaltWlg des Risikoerhöhwtgsprinzips durch die Österreichische Literatur leitet gleichsam zur ebenfalls in diesem Zusammenhang interessanten Fragestellwtg über, ob wtd wie die einzelnen Autoren bei der Bevorzugung einer Anwendwtg der Risikoerhöhungslehre auf die jeweiligen, grwtdsätzlich gegen dieses Zurechnungsprinzip geltend gemachten, Einwände reagieren. (e) Umgang mit den in der Wissenschaft geäußerten Bedenken gegen die Risikoerhöhungslehre Hier kommt einmal der in diesem Zusammenhang von der deutschen Lehre wohl am häufigsten gerügte Verstoß gegen den Grundsatz »in dubio pro reo« in 724
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Hierzu z.B. Krümpe/mann, FS ftlr Jescheck, 322ft". und ihm folgend Erb, Rechtmäßiges Alternativverhalten, 136ft"., die zur Vermeidung der Berücksichtigung hypothetischer Kausalverlaufe das Modell der normativen Korrespondenz entwickelten. Burgstaller, Fahrlässigkeitsdelikt, 143; Tri.ffterer, Osterreichisches Strafrecht, 154; Leukauf/Steininger, Kommentar, § 80 Rn 28.
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2. Abschnitt: Die objektive Erfolgszurechnung
Betracht. Die Österreichische Risikoerhöhungskonzeption mit der Anwendung des Grundsatzes lediglich im Falle, daß die Risikoerhöhung als solche überaus wahrscheinlich sei, kann den Vorwurf der Mißachtung des auch im Österreichischen Strafrecht als sehr bedeutsam eingestuften »in-dubio«-Prinzips nicht entkräften. Auch wenn BurgstaUer hiergegen einwendet, bei der Beurteilung einer unsicheren Risikoerhöhungssituation zugunsten des Angeklagten, wie sie sowohl von der Österreichischen Rechtsprechung als auch von der Lehre vorgeschlagen wird, könne von einem Verstoß gegen »in dubio pro reo« nicht die Rede sein726, ist damit nur die nähere Ausgestaltung des Risikoerhöhungsprinzips gegen den obigen Vorwurf verteidigt727• Übrig bleibt die Konzeption der Chancenerhöhung als solche, die ja auf den Nachweis verzichtet, daß der Erfolg sicherlich auch bei rechtmäßigem Alternativverhalten eingetreten wäre. Die Entbehrlichkeit dieses Nachweises versucht Burgstaller nun aus dem Zweck der Sorgfaltsnorm heraus zu erklären: Sieht man den Sinn der Fahrlässigkeitsstrafbarkeit darin, daß der Täter dafiir sanktioniert wird, daß er eine Sorgfaltswidrigkeit beging und dadurch ein Verletzungserfolg eintrat, so soll im Rahmen der objektiven Erfolgszurechnung lediglich geklärt werden, ob die Norm, gegen die der Täter im konkreten Einzelfall verstoßen hat, auch zur Erfolgsverhinderung tauglich war. Ist dies nicht der Fall, d.h. also bei Normversagen, muß der Verstoß gegen die entsprechende Norm als unerheblich angesehen werden, eine Zurechnung ist zu verneinen. Da aber Sinn und Zweck jeder Sorgfaltsnorm die generelle Geeignetheit der Verhinderung von Verletzungsfolgen sei, erscheint jede Norm nur solange sinnvoll, als feststeht, daß die Wahrscheinlichkeit des Erfolgseintritts aufgrunddes Normverstoßes größer war als im Falle des rechtmäßigen Alternativverhaltens. Würde nun im weiteren verlangt werden, daß sicher feststehen muß, daß der Erfolg bei rechtmäßigem Alternativverhalten vermieden worden wäre, so käme dies einer erheblichen Verkürzung der Funktion der Sorgfaltsnorm gleich, denn eine bloße Geeignetheit zur Erfolgsverhinderung würde damit im nachhinein als nicht ausreichend betrachtet. Aus diesem Gesichtspunkt will Burgstaller die bereits aus dem Normzweck gebotene Anwendung der Risikoerhöhungslehre heraus ableiten728 • Eine plausible Erklärung, weshalb es angebracht sein soll, bei der Beurteilung der objektiven Erfolgszurechnung im Sinne der Risikoerhöhungslehre zu
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Burgstaller, Fahrlassigk:eitsdelikt, 143. Denn damit steht lediglich fest, daß bei der Anwendung der Risikoerhöhungslehre nicht gegen den in-dubio-Grundsatz verstoßen wird. Burgsta/ler, Fahrlässigk:eitsdelikt, 138f.
B. Die objektive Erfolgszurechnung beim Fahrlässigkeitsdelikt im besonderen 177
entscheiden, erscheint damit aber noch nicht gehmgen. Dies vor allem nicht, wenn man bedenkt, daß sich Unsicherheiten bei der Bestimnumg der hypothetischen Umstände zwangsläufig zu Lasten des Täters auswirken müs· sen729• Auch wenn das Urteil über den hypothetischen Tatablauf nur eine Wahrscheinlichkeitslösung sein kann, bleibt im Ergebnis festzustellen, daß Schwächen in diesem Wahrscheinlichkeitsurteil -diese mögen technischer oder auch menschlicher Art sein- sich nach der Österreichischen Konzeption der Risikoerhöhungslehre unweigerlich zum Nachteil des Angeklagten auswirken730 • Selbst der -in der Sache unzutreffende731- Rückgriff auf den allgemeinen Normzweck kann sich über diesen Verstoß gegen elementare Strafrechtsprinzipien nicht hinwegsetzen. Ein weiteres, in der Bundesrepublik vielfach gegen die Anwendung der Risikoerhöhungslehre hervorgebrachtes, Argwnent ist der Vorwurf, hierdurch würden Verletzungsdelikte in Gefährdungstatbestände umgewandelf32; dies deshalb, da zur Feststellung der Beziehung einer Sorgfaltswidrigkeit zum Erfolg die bloße Risikosteigerung ausreiche. Eine Überschreitung des erlaubten Risikos, die sich in irgendeiner Weise in diesem Verletzungserfolg realisiert733 , müsse dagegen nicht vorliegen. Die Österreichische Lehre hält sich im Hinblick auf die Entkräftung dieses gegen das Risikoerhöhungsprinzip geltend gemachten- Einwandes bedeckt734 • Dagegen hat sich insbesondere Stratenwerth als Befiirworter der Anwendung der Risikoerhöhungslehre in einem mit der Österreichischen Konzeption vergleichbaren Sinne schon vor längerer Zeit um die Verteidigung des
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734
Samson, Hypothetische Kausalverläufe, 4 7f. AufGrundlage dieser Problematik wurde der nicht unumstrittene Ansatz von Puppe, ZStW 95, 293ff. mit der Unterscheidung in einen indeterminierten und einen determinierten Bereich entwickelt. Im Ergebnis wohl ebenso Stratenwerth, FS für Gallas, 229ff. Dieser Rückgriff ist im Zusammenhang mit der Beurteilung des rechtmaßigen Alternativverhaltens, das im Gegensatz zur Risikobeurteilung den konkreten Einzelfall und nicht die allgemeine Erfolgseignung näher beleuchtet, untauglich. Samson, Hypothetische Kausalverlaufe, 155; Ebert, Jura 1979, 572. Die Ausführungen von Roxin, Strafrecht AT, § 11 Rn 74, können an dieser Stelle nicht überzeugen. Danach liegt eine ausreichende Begründung für eine Strafbarkeit des Täters aufgrund der Verwirklichung des insgesamt verbotenen Risikos immer dann vor, wenn der Erfolg auch eintritt und nur hierauf komme es ja an. Probleme im Zusammenhang mit den oben aufgeführten Einwänden stellen sich nach der Auffassung Roxins daher nicht. Jedoch wird auch mit dieser Konzeption der Täter für die Überschreitung des erlaubten Risikos bestraft und dies selbst dann, wenn nur zufllllig ein dazu passender Verletzungserfolg eintritt. Der Einwand der Umwandlung von Verletzungs- in Gefährdungsdelikte wird damit aber nicht plausibel aus der Welt geschaft\. Selbst Burgstaller behandelt in seiner Monographie zum Fahrlässigkeitsdelikt diesen gegen die Anwendung der Risikoerhöhungslehre gerichteten Einwand nicht.
12 Reitmaier
178
2. Abschnitt: Die objektive Erfolgszurechnung
Risikoerhöhungsprinzips in dieser Hinsicht bemüht'35• Danach wird durch eine wnfassende ex-post-Beurteilung die vollständige Erfassung der Tatwnstände gewährleistet. Soweit nach einer Berücksichtigung aller verwertbaren Tatsachen aber feststehe, daß der Täter eben diejenige Gefahr geschaffen bzw. erhöht habe, die später in den Erfolg umgeschlagen sei, so sei dem Täter über diese eigentliche Gefahrschaffimg bzw. -vergrößerung hinaus auch der eigentliche Verletzungserfolg zur Last zu legen736• Die Tatsache, daß damit sicher gesagt werden kann, daß sich eben die vom Täter angelegte Gefahrrealisierung in dem tatsächlich eingetretenen Erfolg weiter fortsetzt, entkräftet nach der Auffassung Stratenwerths die Vorstellung, hier handele es sich um die Bestrafung wegen einer bloßen Gefahrschaffimg oder -erhöhung in entschiedenem Maße737• Dennoch weckt diese Argumentation erhebliche Zweifel, was die Annahme der grundsätzlichen Fahrlässigkeitskonzeption betrifft. Denn ob nach dem Willen des Gesetzgebers beim Fahrlässigkeitsdelikt eine bloße Gefahrschaffimg -wobei sich eben diese Gefahr im eingetretenen Verletzungserfolg fortsetztzur Begründung einer Strafbarkeit des Beschuldigten überhaupt ausreichen kann, dies ist die grundsätzliche Frage, die sich die Vertreter der Risikoerhöhungslehre zu stellen haben. Trotz der Weiterwirkung der Gefahr im Zusammenhang mit der realen Rechtsgutsbeeinträchtigung besteht die Möglichkeit, daß es eben nicht der Sorgfaltswidrigkeitsaspekt der Täterhandlung war, der den eingetretenen Schaden verursacht hat. Im Ergebnis läuft die Argumentation Stratenwerths wiederum auf die ursprüngliche Frage hinaus, ob damit der Grundsatz »in dubio pro reo« genügend beachtet wird. Denn wenn lediglich Voraussetzung ist, daß eine Gefahrschaffimg durch den Täter feststeht und diese sich nur irgendwie im Verletzungserfolg fortgesetzt haben muß, so krankt diese Überlegung ebenso wie die zuvor erläuterte Argumentation Burgstallers daran, daß Unsicherheiten, ob es auch wirklich das pflichtwidrige Verhalten des Täters war, das den Erfolg verursacht hat, ohne Berücksichtigung bleiben. Somit können diese wesentlichen Faktoren bei der Strafbarkeitsbeurteilung auch nicht zugunsten des Täters in die Entscheidung einbezogen werden. Der Einwand, die Risikoerhöhungslehre wandle Verletzungs- in Geflihrdungstatbestände um, ist damit eng mit dem Vorwurf des Verstoßes gegen den m Stratenwerth, FS für Gallas, 236f. So auch Rudolphi im SK Vor§ 1 Rn 70. 737 Die in der deutschen Literatur vielfach anzutreffende Argumentation, das fahrlässige Erfolgsdelikt setze ohnehin nur voraus, daß ein auf dem Täterverhalten beruhender Erfolg existiere und daß schon deshalb eine Umwandlung vom Verletzungs- in ein Gefährdungsdelikt nicht gegeben sei, greift dagegen zu kurz. Denn damit ist die Verbindung zwischen der pflichtwidrigen Handlung des Taters und dem eingetretenen Erfolg, reduziert auf die eigentliche Pflichtwidrigkeitskomponente, die ja den Gegenstand der objektiven Erfolgszurechnung ausmacht, noch nicht festgestellt. Hinzukommen muß weiterhin die oben erläuterte Konnexität zwischen Gefahrrealisierung und erhöhter Gefährdung des Rechtsgutes. 736
B. Die objektive Erfolgszurechnung beim Fahrlässigkeitsdelikt im besonderen 179
Gnmdsatz »in dubio pro reo« verknüpft. Dies leitet wiederum zur Gretchenfrage der zulässigen Fahrlässigkeitskonzeption über: Muß der Erfolg durch das pflichtwidrige Element des Verhaltens verursacht worden sein oder reicht die Herbei:fiihrung des Verletzungserfolges durch die irgendwie sorgfaltswidrige Täterhandlung, die unzweifelhaft eine beachtliche Ausgangsgefahr ffir das betroffene Rechtsgut gesetzt hat, aus? Soweit man es -im Sinne von Burgstaller und Stratenwerth- ausreichen läßt, daß zur Fahrlässigkeitsbeurteilung eine Gefahrrealisierung und ein damit in einem Zusammenhang stehender Erfolg im Sinne der Körperverletzungs- oder Tötungstatbestände gegeben ist, können beide Einwände problemlos entkräftet werden. Was an dieser Stelle allerdings fehlt, ist die Begrilndung daffir, weshalb die Fahrlässigkeitstatbestände so auszulegen sein sollen, daß Gefahrschaffung und Erfolgseintritt nur ineinander übergehen, jedoch nicht in einem direkten Zusammenhang von der Pflichtwidrigkeit zum Schaden bestehen. (f) Gründe für die Favorisierung des Risikoerhöhungsmodells Neben den damit teilweise doch recht erheblichen und keinesfalls überzeugend widerlegbaren Bedenken gegen die Anwendung der Risikoerhöhungslehre als Zurechnungsprinzip sind es vor allem kriminalpolitische Argumente, die sowohl in der Bundesrepublik731 als auch in Österreich739 ffir diese Lehre ins Feld gefilhrt werden. Aus den Äußerungen österreichischer Autoren tritt dabei die Beffirchtung hervor, eine allzu großzügige Handhabung der Zurechnungsfrage in bezug auf das rechtmäßige Alternativverhalten könnte zu einer Flut von Schutzbehauptungen der Angeklagten in den einschlägigen Prozessen führen740• Daneben könnte in vielen Fällen, in denen aufgrund technischer, wissenschaftlicher oder anderer Unzulänglichkeiten eine sichere Erfolgsabwendungsmöglichkeit bei rechtmäßigem Alternativverhalten nicht festgestellt werden kann, bei Zugrundelegung einer täterfreundlicheren, etwa der deutschen Praxis angenäherten, Konzeption eine objektive Erfolgszurechnung niemals bejaht werden741 • Will man dieses, nach außen hin kaum erklärbare Ergebnis aber vermeiden, so bietet sich die Anwendung einer Formel, mit deren Hilfe die Zurechnung nicht an äußerlichen Schwierigkeiten scheitert, geradezu an. Die Möglichkeit, unter Anwendung der Risikoerhö-
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Vgl. nur Schünemann, JA 1975, 651; Rudolphi im SK Vor§ 1 Rn 66ff. Burgstal/er, Fahrlässigkeitsdelikt, 139; Kienapfel, ZVR 1977, 167f.; Steininger, OJZ 1981,
370.
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Kienapfel, ZVR 1977, 167: »Vor allem der anwaltlieh beratene Angeklagte pflegt sich nicht ungeschickt damit zu verteidigen, daß derselbe Erfolg auch eingetreten wäre, wenn er sich rechtmassig...verhalten hatte.« Vgl. Punkt (I) a zur Situation in der Bundesrepublik
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2. Abschnitt: Die objektive Erfolgszurechnung
hungs1ehre in diesem Zusammenhang kriminalpolitisch befriedigende Ergebnisse zu erzielen, wird von der Österreichischen Lehre daher auch als großer Vorzug geschätzt'42• (g) Abschließende Charakterisierung der Österreichischen Position Grundsätzlich kann damit aber auch die Literatur in Österreich die Bedenken, die gegen die Anwendung der Risikoerhöhungslehre erhoben werden (insbesondere den Einwand, das Zurechnungsmodell verstoße gegen den Grundsatz »in dubio pro reo«) nicht zerstreuen. Zuzugeben ist den Österreichischen Autoren allerdings, daß vor allem im Bereich des Straßenverkehrs durch den Gesichtspunkt der Gefahrerhöhung kriminalpolitisch vertretbare Ergebnisse erzielt werden können. Inkonsequente oder nur schwer nachvollziehbare Beurteilungen, wie sie in der deutschen Rechtsprechung doch vielfach zu finden sind743 , können -soweit die Österreichische Ausgangsposition zutreffend weiterverfolgt wird744- ausgeschieden werden. Verglichen mit der Behandlung der Problematik im deutschen Recht bleibt an diesem Punkt der Betrachtungen festzustellen, daß sich die überwiegende Literaturmeinung in der Bundesrepublik mit der Österreichischen Position sowohl in der Favorisierung des Risikoerhöhungsmodells als Zurechnungslehre zur Behandlung der Fälle des rechtmäßigen Alternativverhaltens als auch im wesentlichen in der Ausgestaltung des Risikoerhöhungsprinzips deckt. Die Rechtsprechung des BGH folgt demgegenüber rein formal seit BGHSt 11,1 der Vermeidbarkeitslehre. Um zu kriminalpolitisch vertretbaren Ergebnissen zu gelangen, weicht die Judikatur allerdings in einigen Fällen in der Sache von der ursprünglichen Rechtsprechung im Radfahrerfall ab. Dies hat zur Folge, daß oftmals der Risikoerhöhungslehre nahekommende Ergebnisse erzielt werden. Damit läßt sich dieser Teil der deutschen Rechtsprechung aber ebenfalls in die Nähe der Zurechnung nach Risikoerhöhungsgesichtspunkten rücken. Größere Unterschiede bestehen weiterhin lediglich bei den direkten Nachfolgeurteilen zu BGHSt 11,1. Zwar können, wie zuvor näher ausgeführt, weder die Österreichische Lehre noch die Rechtsprechung die grundsätzlichen dogmatischen Bedenken gegen die Anwendung der Risikoerhöhungslehre ausräumen. Allerdings hat die
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Hierzu Steininger, OJZ 1981, 370; Triffterer, Osterreichisches Strafrecht, 154. Hierzu vorne Punkt (I) a Dies bedeutet aber auch, daß die zuvor geschilderten Mangel bei der Anwendung der Risikoerhöhungslehre, wie z.B. die Probleme bei der Feststellung einer konkreten Risikoerhöhung, vermieden werden müssen.
B. Die objektive Erfolgszurechnung beim Fahrlässigkeitsdelikt im besonderen 181
Behandlwtg der Problematik durch die Österreichische Literatur wtd Judikatur wtd diesem Aspekt sollte im vorliegenden Zusammenhang besondere BedeutWlg beigemessen werden- den V orteil der kriminalpolitisch befriedigenderen Löswtg auf ihrer Seite. Dies nicht zuletzt aufgrwtd der, verglichen mit der deutschen Position, weitreichenderen Gradlinigkeit wtd Überschaubarkeit, die ein verstärktes Gefühl der Rechtssicherheit vermittelt. Als Vorbild für die Behandlwtg der Thematik in Deutschland wird die Österreichische Position, trotz dieser Vorzüge, dennoch nur bedingt angesehen werden können. Allzu schwer wiegen die für den deutschen Juristen wohl offensichtlich drängenderen dogmatischen Gegenargumente, die bisher nicht entkräftet werden konnten. Ungeachtet dessen bleibt es kritikwürdig, wenn deutsche Gerichte wtter dem Vorwand freier Beweiswürdigwtg der Risikoerhöhwtgslehre nahekommende Entscheidwtgen fällen, jedoch dabei nach außen hin die Anwendwtg dieser Lehre rigide ablehnen. Insofern ist der Österreichischen Methode wohl sicherlich der Vorzug zu geben. (v) Problematische Sonderfälle Bei den Erläuterungen zur Problematik des rechtmäßigen Alternativverhaltens fällt auf, daß diese sich hauptsächlich auf Verkehrsdelikte wtd die Frage, wie sich das Geschehen beim Hinwegdenken eines gegebenen Verkehrsverstoßes entwickelt hätte, konzentrieren. Tatsächlich sind es auch die zahlreichen Delikte im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr, die die Österreichische Praxis am meisten wtd vor allem im Hinblick auf die Einwände vom rechtmäßigen Alternativverhalten beschäftigen745 • Daneben wird die Problematik aber ebenso relevant im ärztlichen, wie überhaupt im gesamten naturwissenschaftlichen wtd technischen, Bereich746• Für Österreich, als Alpenregion, ist außerdem das Skifahren wtd Bergsteigen wtd damit im Zusammenhang stehende Unfälle ein die Strafgerichte häufig beschäftigender Bereich. Zwar werden Skiunflille allgemein wie Delikte im Straßenverkehr behandelt'47 wtd bergen darüber hinausgehend keine besonderen Probleme in sich. Allerdings stellen sich oftmals Fragen im Gefüge der Bereitstellwtg von Skipisten wtd Bergwanderwegen, die mit der bisher dargestellten Konzeption der objektiven Erfolgszurechnwtg, insbesondere der Beurteilwtg des 745
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In diesem zur Berücksichtigung von Fällen des rechtmäßigen Alternativverhaltens geradezu prädestinierten Bereich stellt sich, aufgrund der meist komplexen Straßenverkehrssituation, vielfach die Frage, ob ein Verstoß gegen Straßenverkehrsvorschriften tatsächlich die Ursache für einen eingetretenen Verletzungserfolg war. Siehe hierzu im nächsten UnterkapiteL Die FIS-Regeln, obwohl nicht als gesetzliche Regeln anzusehen, stellen dabei unumstößliche Sorgfaltsnormen dar.
182
2. Abschnitt: Die objektive Erfolgszurechnung
rechtmäßigen Alternativverhaltens, nicht zufriedenstellend zu beantworten sind. Auf zwei im Gefilge mit dem Bergsteigen bzw. Skifahren auftretende Problempunkte, die auch als solche von Teilen der Österreichischen Literatur erörtert werden, sei nun im folgenden kurz eingegangen. (a) LawinenunOOie Einmal ist in diesem Zusammenhang auf die strafrechtliche Fahrlässigkeitsverantwortlichkeitbei LawinenunOOien hinzuweisen748• So sind Fehler der Verantwortlichen bei der Beurteilung der Lawinengefahr denkbar, die mit einer Freigabe des entsprechenden Geländes und teilweise verhängnisvollen Unflillen der Benutzer verbunden sein können749• Hier stellt sich vielfach die Frage, ob die betreffenden Personen wegen fahrlässiger Tötung oder Körperverletzung belangt werden können. Soweit eine Sorgfaltspflichtverletzung festgestellt wird, ist zu überprüfen, ob bei Hinwegdenken des Sorgfaltsverstoßes bzw. bei Hinzufilgen der sorgfaltsgemäßen Handlung, die Kenntnis vom konkret in Frage stehenden Lawinenabgang bestanden hätte. Dies kann nur mit Hilfe von Prognosen beantwortet werden. Oftmals stellt sich die Situation jedoch so dar, daß die geforderten Untersuchungen bezüglich desBestehenseiner Lawinengefahr, die in den konkreten Situationen nicht mit der geforderten Sorgfalt durchgefiihrt wurden, ex post betrachtet auch keinen sicheren Hinweis auf die konkrete Lawinengefahr gegeben hätten750• In einem solchen Fall, wie übrigens in nahezu allen Konstellationen des naturwissenschaftlich-technischen Bereichs, hilft auch die Anwendung der Risikoerhöhungslehre nicht weiter. Denn es kann ja gerade nicht sicher festgestellt werden, inwieweit durch das sorgfaltswidrige Verhalten das Risiko des Erfolgseintritts, hier also die Gefahr der Tötung oder Verletzung von Pisten- und Wegebenutzern durch ein Lawinenunglück, erhöht wurde.
748
Burgstaller, Lawinenunfllle, 137f.
Damit handelt es sich hierbei nach Osterreichischer Auffassung fast immer -vgl. dazu im naheren unten, 3. Abschnitt C- um fahrllssige BegehiDigsdelikte, da an die Freigabe des Geländes bzw. an die unsorgfältig durchgeführte Lawinenüberwachung angeknüpft wird. 150 Burgsta/ler, Lawinenunfllle, 157f. 749
B. Die objektive Erfolgszurechnung beim Fahrlässigkeitsdelikt im besonderen 183
(b) Wegehalterhaftung im alpinen Gelände Älmliche Probleme stellen sich im Zusammenhang mit der Wegehalterhaftwl.g im alpinen Gelände751 • Soweit hier ein Sorgfaltsverstoß des verantwortlichen Wegehalters, z.B. das Anbringen eines niedrigen oder nicht witterungsbeständigen Geländers oder die ungenügende Ebnung eines Weges, festgestellt werden kann und auch eine Abgrenzung von Risikosphären zueinander nicht zu einer Ablehnung des erweiterten Risikozusammenhanges filhrt'~2 , bleibt zu ergründen, ob das Risiko des Erfolgseintritts durch die Vomahme einer sorgfaltsgemäßen Handlung vermindert worden wäre. War es im Fall der Lawinenunglücke fraglich, ob hier eine sichere Risikoerhöhung festzustellen war, so ist es im Bereich der Wegehalterhaftung oftmals bereits schwierig, überhaupt ein rechbnäßiges Alternativverhalten, das als Vergleichsgrundlage herangezogen werden könnte, zu finden. Denn wie in all jenen Lebenssituationen, in denen keine festgefaßten Sorgfaltsbestimmungen existieren und entsprechende Nonnen bzw. verkehrsübliche Verhaltensweisen nur im Ansatz bestehen, gelingt es lediglich in wenigen Fällen, ein rechbnäßiges Alternativverhalten als Grundlage für den jeweiligen Risikovergleich zu charakterisieren. Zur Erörterung der eigentlichen Risikoerhöhungsproblematik kann es dann aber nicht mehr kommen. Die Zurechnungsfrage muß wegen grundlegender Unzulänglichkeiten zugunsten des Angeklagten gelöst werden. Abschließend bleibt hierzu festzustellen, daß die im Straßenverkehrsbereich als kriminalpolitisch wünschenswert charakterisierte Anwendung der Risikoerhöhungslehre in anderen Bereichen -vor allem in solchen, in denen bereits die Grundlagen des Einwands vom rechbnäßigen Alternativverhalten fraglich sind sowie dann, wenn es an verläßlichen Angaben zur Gefahrerhöhung durch das pflichtwidrige V erhalten fehlt- kein wirksames Instrument zur Behandlung der Zurechnungsproblematik darstellt. Die bisher entwickelten Zurechnungskriterien für das Fahrlässigkeitsdelikt reichen zur Beurteilung dieser Fallkonstellationen jedenfalls heute nicht mehr aus. Dies gilt für die Situation in der Bundesrepublik genauso wie für die Lage in Österreich. Die Hoffilung, daß die Zukunft weniger immer weiter ausgefeilte Lösungsansätze zu bekannten Denkmustern, als vielmehr konkrete Lösungsvorschläge zur Behandlung konkreter bisher scheinbar unlösbarer SachverhaltsgestaltwJ.gen biete, bleibt hier nur am Rande vermerkt. Dieser Ansatz kann im Rahmen der vorliegenden Arbeit jedoch bereits aus thematischen Gründen nicht weiter verfolgt werden.
7~ 1 152
Pirker, ZVR 1991, 199.
Hier kommt vor allem der Einwand einer Berücksichtigung des eigenverantwortlichen Fehlverhaltens des Verletzten sowie der Eigengefllhrdung, zum Tragen. Hierzu vorne.
184
2. Abschnitt: Die objektive Erfolgszurechnung
d) Sonderproblem: Die objektive Erfolgszurechnung im Arztstrafrecht in Öste"eich im Vergleich mit der Bundesrepublik Ein besonders heikles Thema strafrechtlicher Haftung stellt seit jeher der Bereich ärztlichen Fehlverhaltens dar. Vom Grundsatz der Tätigkeit her bereits gefahrgeneigt, ist hier die Versuchung besonders groß, nahezu bei jedem unerwarteten negativen Ausgang einer Behandlungsmaßnahme einen ärztlichen Fehler anzunehmen. Dies ist in der Regel verbunden mit einer zivilrechtlichen, darüberhinaus teilweise auch strafrechtlichen, Untersuchung und Entscheidung über denjeweiligen Fall. Von Seiten der Ärzte und ihres juristischen Beistands wird besonders in Deutschland die in diesem Bereich zunehmende Verrechtlichung kritisiert'53• Riskante, aber allein lebensrettende oder gesundheitsverbessernde ärztliche Maßnahmen fordern -so die Mediziner- Opfer und können ärztliches und damit menschliches Fehlversagen zur Folge haben. Eine allzu restriktive juristische Vorgehensweise wird gerade in diesem Zusammenhang mit einer Hemmung des Fortschritts der ärztlichen Heilungsmethoden und einer eher defensiven Behandlungspraxis der Mediziner in Verbindung gebracht'54• Damit können, so die Argumentation der Ärzte, zwar nicht mehr Menschenleben gerettet bzw. Gesundheiten wiederhergestellt werden - vielmehr dürfte eher das Gegenteil der Fall sein. Die Gefahr fiir die betroffenen Mediziner, gerichtlich zur Verantwortung gezogen zu werden, wird aber beseitigt. Daß einer solchen Entwicklung durch die Praxis juristischer Entscheidungen entgegenzutreten ist, liegt klar auf der Hand. Auf der anderen Seite darf eine großzügige juristische Handhabung der Materie nicht dazu führen, daß ärztlichen Mißbräuchen -und derer gibt es auch heute noch genügend- sowie unzuverlässigen und wenig gewissenhaften Medizinern in ihrem Handeln Tor und Tür geöffnet wird. Der mit der Entscheidung befaßte Jurist befindet sich hier auf einer Gratwanderung, die einmal eine realistische Einschätzung der Situation, in der sich die Ärzte befinden, jedoch auch ebenso ein Durchgreifen gegen allzu sorgloses medizinisches Vorgehen erfordert. Hinzu kommt, daß vielfach von dritter Seite Druck durch die Krankenversicherungen ausgeübt wird. Dieser wirkt sich aber zuvorderst auf die zivilrechtliche Beurteilung ärztlichen Fehlverhaltens aus, geht es doch in der Regel darum, jeden aufgrund eines Arztfehlers entstandenen zusätzlichen Krankenhaustag sowie jede zusätzliche
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Vgl. hierzu nur: Ulsenheimer, MedR 1984, 161ff., ders.: Arztstrafrecht, Rn 227, ders.: MedR 1992, 127; Laufs, MedR 1986, 164ff., Eser, Medizin und Strafrecht, 333ff. Siehe auch Lambauer, FS für Maresch, 318.
754
Laufs, MedR 1986, 164; Ulsenheimer, MedR 1992, 127.
B. Die objektive Erfolgszurechnung beim Fahrlässigkeitsdelikt im besonderen 185
Behandlungsmaßnahme aus der versicherungsrechtlichen Erstattung auszuscheidenm. Daneben stellt sich aber auch regelmäßig die Frage der strafrechtlichen Verantwortlichkeit im Falle des sogenannten »Kunstfehlers«756 • Hier kommt so gut wie immer eine Strafbarkeit wegen eines fahrlässigen Körperverletzungsoder Tötungsdeliktes in Betracht. Dabei ist die kausalrechtliche Verbindung zwischen dem Handeln des betroffenen Mediziners und dem eingetretenen Erfolg, d.h. der Verschlechterung des Zustandes des Patienten, nur in seltenen Fällen fraglich. Daß der zur Beurteilung anstehende Verletzungs- oder Todeserfolg aufgrund der ärztlichen Behandlungsmaßnahme eingetreten ist, kann oftmals zweifelsfrei geklärt werden757 • Wenig sicher ist dagegen in der Regel die Problematik der objektiven Erfolgszurechnung bei rechtmäßigem Alternativverhalten festzustellen. Einmal handelt es sich um einen Bereich, in dem der Jurist auf das Urteil medizinischer Sachverständiger angewiesen ist, zum anderen kann auch der Fachmann in vielen Fällen keine präzise Angaben über den Geschehensablauf im Falle des ärztlichen rechtmäßigen Alternativverhaltens machen. Hier sind regelmäßig nur Wahrscheinlichkeitsaussagen möglich, deren Einbindung über die objektive Erfolgszurechnung in das Fahrlässigkeitsdelikt nun wiederum dem Juristen viel Mühe bereitet. Insgesamt stellt das Arztstrafrecht also eine Materie dar, deren juristische Bewältigung -bei der Betrachtung der einschlägigen Fallkonstellationen- bis heute nicht überzeugend gelungen ist. Dies gilt noch mehr für die Situation in der Bundesrepublik als für die in Österreich. Insgesamt lassen sich in beiden Ländern etliche Kritiker der einzelnen vorgeschlagenen bzw. durchgeführten Entscheidungsmöglichkeiten benennen758 •
Hieraufweist Schick, Der ärztliche Behandlungsfehler, 219 (dort Fn 91) hin. Die früher übliche Bezeichnung als »Kunstfehler« wird heute zumeist durch den neutraleren Begriff des »BehandlWlgsfehlers« ersetzt. Naheres bei Eser, Medizin Wld Strafrecht, 339f., der selbst beide Begriffe als tennini technici ablehnt. Vgl. zur UnterscheidWlg in »echte Kunstfehler« Wld »Behandlungsfehler« auch Schick, Die strafrechtliche VerantwortWlg, 124f. 151 Dennoch können sich an dieser Stelle schon Fragen der generellen Kausalität, d.h. der wissenschaftlich gesicherten Erkenntnis der grundsatzlieh möglichen Erfolgsherbeifilhrung, stellen. So z.B. im bekannten Contergan-Prozeß, vgl. LG Aachen, JZ 1971, 507ff [510ff.]. Gerade in diesem Fall zeigt sich aber, daß die Grenze zwischen Kausalität Wld ZurechnWlg in ärztlichen -wie übrigens auch in verwandten- Bereichen nicht immer genau bestimmt werden kann. Vgl. auch Armin Kaufmann, JZ 1971, 572ff. 758 In Deutschland vor allem Ulsenheimer: Arztstrafrecht, Rn 209ff.; ders.: FS ftlr Weißauer, 165ff., ders.: MedR 1992, 127ff. In Osterreich vgl.: Loebenstein, ÖJZ 1978, 311f.; Dirnhofer, Die Aizthaftung, 26ff.; Schick, Der ärztliche BehandlWlgsfehler, 216f.; Lambauer, FS ftlr Maresch, 317f. 155 756
186
2. Abschnitt: Die objektive Erfolgszurechnung
Dennoch wird die folgende Darstelhmg der deutschen und der Österreichischen Situation im Vergleich zeigen, daß die Ärzteschaft in Österreich sich auf sehr viel sicherem Posten befindet, als dies in der Bundesrepublik der Fall isf59• Die Privilegierung der Mediziner hat in Österreich eine lange Tradition, die auch durch die Einfilhrung des öStGB nicht vollständig beseitigt wurde. Dies mag mit ein Grund dafilr sein, daß -im Gegensatz zur Lage in Deutschland- so gut wie keine obergerichtliehen Entscheidungen im Hinblick auf die Folgen ärztlichen Fehlverhaltens existieren. Abhandlungen, die den Themenbereich der ärztlichen Strafbarkeit zum Gegenstand haben760, sind daher auch eher theoretischer Natur, sollten jedoch in der Bedeutung für die Fahrlässigkeitsdogmatik in diesem speziellen Bereich nicht unterschätzt werden. (1) Die einzelnen im Zusammenhang mit der objektiven Erfolgszurechnung hier auftretenden Probleme (a) Im Risikozusammenhang
Im Zusammenhang mit der Problematik der objektiven Erfolgszurechnung ist in manchen Fällen ärztlichen Fehlverhaltens bereits das Vorliegen eines Risikozusammenhanges fraglich761 • Man denke nur an die Situation während einer Operation. Hier arbeiten mehrere Arztkollegen, etwa Chirurg und Anästhesist, Hand in Hand. Dabei kann es vorkommen, daß ein einmal bestehender ärztlicher Fehler fahrlässig nicht erkannt wird, sich schwerere Erfolge aber erst aufgrund der Weiterbehandlung durch das ursprüngliche ärztliche Fehlverhalten einstellen762 • In diesem Fall geht es in der Regel um eine Abgrenzung verschiedener Risikosphären, wie sie auch in anderen Lebensbereichen vorzunehmen ist763 • Was in bezugauf das ärztliche Handeln in diesem Zusammenhang oftmals klargestellt werden muß, ist die Frage, inwieweit das nachträgliche Fehlverhalten für den eingetretenen Erfolg von Bedeutung war,
Die Situation und Behandlung der Thematik in der Bundesrepublik wird denn auch von Osterreichischen Autoren als eine Art Negativ-Vorbild betrachtet. Hierzu Lambauer, FS für Maresch, 318. 760 Dazu in neuerer Zeit: Zipf, Die strafrechtliche Haftung, ltf.; Loebenstein, OJZ 1978, 309ft'.; Dimhofer, Die Arztstrafrecht, 13fT.; Schick, Der arztliehe Behandlungsfehler, 193fT.; Lambauer, FS für Maresch, 307fT. 761 Die Darstellung folgt dem zuvor erläuterten Osterreichischen Zurechnungsmodell, wonach der Risikozusammenhang die zentrale Stellung im Rahmen der objektiven Erfolgszurechnung einnimmt, das rechtmäßige Alternativverhalten erst danach zu prüfen ist. 762 Hierzu Fall 2 nach Lambauer, FS filr Maresch, 312. 763 Vgl. vorne Punkt 2 c. 159
B. Die objektive Erfolgszurechnung beim Fahrlässigkeitsdelikt im besonderen 187
d.h. ob sich dieser nicht auch ohne das Dazwischentreten des Dritten in der gleichen Weise entwickelt hätte. Die Lösung dieses Problems, obwohl es sich hier wn den speziellen Themenbereich des Arztstrafrechts handelt, ist nach den vorne in anderem Zusammenhang näher dargestellten Kriterien764 durchaus möglich: Abzustellen ist weniger darauf, ob dem letzthandelnden Mediziner ein grob fahrlässiges Verhalten zur Last zu legen ist, als darauf, inwieweit er das Gesamtgeschehen noch dominieren konnte; anders ausgedrückt ist zu prüfen, wie gravierend der Ersthandelnde in bezug auf den schließlich eingetretenen Erfolg eingegriffen hat. Notwendig ist also eine Gesamtbetrachtung und Gesamtabwägung des Geschehens76s. Anders stellt sich die Situation dagegen dar, wenn überhaupt fraglich ist, ob der Dazwischentretende den existenten Verletzungserfolg beeinflussen konnte. In einem solchen Fall müßte wohl »in dubio pro reo« zugunsten des Letzthandelnden davon ausgegangen werden, daß sein V erhalten keinen Einfluß auf den Eintritt des inkriminierten Erfolges nehmen konnte. Besondere, sich nur im Zusammenhang mit dem Arztrecht stellende Probleme, die nicht mit den bisher erarbeiteten Zurechnungskriterien zu lösen wären, beinhaltet allerdings auch diese Fallgestaltung nicht.
(b) Im Verhältnis zum rechtmäßigen Alternativverhalten Damit konzentriert sich -wie bereits zuvor angedeutet- die wnstrittene ärztliche Fahrlässigkeitsproblematik im Zusammenhang mit der objektiven Erfolgszurechnung auf den Bereich des rechtmäßigen Alternativverhaltens. Soweit ein ärztlicher Behandlungsfehler766 (der im übrigen ja die Grundvoraussetzung zur Annahme einer Fahrlässigkeitsstrafbarkeit in diesem Bereich darstellt'67) zweifellos festgestellt wurde, sind zwei wesentliche Gesichtspunkte, die letztendlich über die Annahme oder Ablehnung der objektiven Erfolgszurechnung in einem zur Beurteilung anstehenden Fall entscheiden, zu klären. Einmal ist Voraussetzung eine genaue Bestimmung desjenigen Verhaltens, das im konkreten Fall als rechtmäßiges Alternativverhalten zugrundegelegt werden soll. Dann ist -wie bereits zuvor herausgearbeitet wurde- festzustellen, inwie764
Punkt (3)(d).
Lambauer, FS fi1r Maresch, 313f. Zurnaheren Definition vgl. Schiele, Der arztliehe Behandlungsfehler, 193ft'. 767 Auch wenn der arztliehe Eingriff in der Regel vorsAtzlieh durchgeführt wird, kommt in bezug auf einen bestimmten außerplanmäßigen Verletzungserfolg ein Fahrlässigkeitsdelikt in Betracht. Denn hinsichtlich dieses konkreten Erfolges steht -soweit der betreffene Medinziner nicht mutwillig schädigend eingreift- immer ein nichtgewolltes und damit auch ein fahrlässiges Fehlverhalten zur Diskussion. Allerdings darf nicht verkannt werden, daß es bei Fehlern in der RisikoabwAgung manchmal nicht leicht ist, den Eventualvorsatz auszuschließen. 76s 766
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2. Abschnitt: Die objektive Erfolgszurechnung
weit das gedachte rechtmäßige Verhalten den tatsächlich eingetretenen Erfolg verhindert hätte. Hierbei ist die in fast jedem Fall grundsätzlich bestehende gesWtdheitliche Angeschlagenheit des Patienten -denn ohne eine solche fänden die meisten ärztlichen BehandlWigen erst gar nicht statt- mit einzubeziehen. Daß damit bereits ein erhöhtes Ausgangsrisiko zu verzeichnen ist, steht außer Frage. Je höher aber diese AusgangsgefährdWlg zu beurteilen ist, wnso Wlffiöglicher scheint es, eine mehr oder weniger sichere hypothetische ErfolgsverhinderWtg bei rechtmäßigem Arztverhalten anzunehmen. Erschwert wird dieses Unterfangen zusätzlich dadurch, daß absolut sichere BehandlWigsmethoden nur in den seltensten Fällen existieren. Auch lege artis durchgefiihrte ärztliche Maßnahmen bergen daher immer eine -jeweils Wlterschiedlich große-Gefahr des Fehlgehens in sich. Der Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens in arztbezogenen Prozessen ist demgemäß -dies zeigt vor allem die Situation in der BWldesrepublik- auch recht häufig768• Wie sich Gesetzgeber, Gerichte Wld Literatur der aufgezeigten Problematik sowohl in Deutschland als auch in Österreich stellen, soll in der nWl folgenden GegenüberstellWig herausgearbeitet werden. Auch hier wird, wie bereits in den vorangegangenen Passagen, der Schwerpunkt auf der BeurteilWlg der Österreichischen ProblembewältigWig liegen. (2) RechtsprechWlg Wld Literatur zwn Fahrlässigkeitsdelikt des Arztes in Deutschland (a) Die Leitlinien der deutschen RechtsprechWlg in Arztprozessen Unter der Prämisse der AnwendWlg der Grundsätze aus BGHSt ll,P69 ist eine ZurechnWlg in den oben geschilderten Fällen des rechtmäßigen Alternativverhaltens in Deutschland so gut wie nie zu erreichen770 • Denn sobald ein bestimmtes Ausgangsrisiko besteht bzw. sobald auch im Falle einer lege artis durchgefiihrten BehandlWlg eine gewisse Wahrscheinlichkeit des Eintritts des tatsächlich gegebenen Erfolges bestanden hätte, muß nach der Vermeidbarkeitsformel die objektive ErfolgszurechnWig insgesamt verneint werden. Es kann nicht sicher festgestellt werden171 , daß der im konkreten Fall eingetretene Erfolg auf dem Pflichtwidrigkeitsmoment der ärztlichen HandlWig beruht.
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769 170 111
Ulsenheimer, Arztstrafrecht, Rn 219ff. m.w.N.
Vgl. Punkt c (1). Deutlich Lambauer, FS fUr Maresch, 316;. Siehe auch Kahrs, Vermeidbarkeitsprinzip, 126. Wobei »sicher« in diesem Zusammenhang meint, daß keine vernünftigen Zweifel im Hinblick auf die Erfolgsverhinderung bei rechtmäßigem Alternativverhalten bestehen. Hierzu neuerdings: Ulsenheimer in Laufs/Uhlenbruck, § 140 Rn 38.
B. Die objektive Erfolgszurechnung beim Fahrlässigkeitsdelikt im besonderen 189
Dennoch existieren etliche Entscheidungen, in denen die Gerichte trotz des Einwands eines rechtmäßigen Alternativverhaltens die Zurechnung bejahten. Dies einmal in den bereits zuvor geschilderten Fallgestaltungen, in denen zwar nicht sicher angenommen werden konnte, daß der Patient bei Hinwegdenken des ärztlichen Behandlungsfehlers überlebt hätte, jedoch sicher war, daß er zumindest eine gewisse Zeit -in der letzten Entscheidung waren dies einige Stunden- länger gelebt hätte772 • Soweit sich ein Sachverständiger finden ließ, der eben dies bescheinigte713 , konnte damit eine Annahme einer Fahrlässigkeitsstrafbarkeit des betreffenden Arztes erfolgen. Daneben ersannen die Gerichte einen weiteren Kunstgriff, in den oben näher dargestellten Fällen zu einer Annahme der objektiven Erfolgszurechnung zu kommen. War nicht zweifelsfrei feststellbar, daß ein rechtmäßiges Arzthandeln den Erfolg sicher vermieden oder zeitlich in die Zukunft verschoben hätte, so konnte immer noch auf einen rechtswidrigen Aufklärungsmangel rekurriert werden. Lag ein solcher vor -wobei die Anforderungen, die die Gerichte an eine allfällige Aufklärung des Patienten stellen, hoch sind774-, so wurde und wird weiterhin geprüft, ob der Patient im jeweiligen Fall bei voller Kenntnis aller möglichen Gefahren in die vorgenommene Behandlungsmaßnahme eingewilligt hätte. Ist dies zu verneinen -im Falle des Todes des Patienten kann nur hypothetisch gearbeitet werden-, so wäre bei Beachtung der an den Arzt gestellten Aufklärungsanforderungen die Behandlung abgelehnt worden, der tatsächlich gegebene Erfolg aber erst gar nicht eingetreten775 • Auch in dieser Sachverhaltskonstellation kann unter Vorverlagerung der strafrechtlichen Anknüpfung vom Behandlungs- auf den Aufklärungsmangel im Ergebnis die Zurechnung bejaht werden776 •
So schon ansatzweise im »Myokarditis-Fall«, BGHSt 21, 59; später unter fortscheitender Verkürzung der notwenigen Überlebensspanne: BGH, NStZ 1981, 218 Gedenfalls um einen Tag); BGH, NStZ 1985, 26 (mindestens um einige Stunden). Näher dazu vorne. 773 Den Sachverstllndigen fltllt es allerdings in der Regel schwer, eine sichere hypothetische Überlebensspanne vorherzusagen. Vgl. Ulsenheimer, MedR 1992, 131. Zur schwierigen Stellung der sachverstandigen Gutachter in Arzthaftungsprozessen siehe auch Dimhofer, Die Arzthafblng,23ff. 774 Hierzu Ulsenheimer, MedR 1992, 133. 775 Allerdings muß in einer solchen Fallgestaltung feststehen, daß die ärztliche Maßnahme nicht erfolgt. der Erfolg damit nicht eingetreten wäre. Soweit durch den Aufklärungsmangel die Behandlung dagegen lediglich früher stattfand, der Erfolg damit auch -um die Zeitspanne, die die geforderte Aufklärung und Bedenkzeit für den Patienten gedauert hatte, verkürzt- früher eintrat, ist eine Zurechnung bereits aufgrund des mangelnden Schutzzweckzusammenhanges abzulehnen. 776 So z.B. in BGHSt 12, 379; vgl. auch die zivilrechtliehen Urteile: BGH, NJW 1984, 1395 und NJW 1984, 1397 (mit Anmerkung Deutsch, NJW 1984, 1399f., der es bedauert, daß die Zulassung des rechtmäßigen Alternativverhaltens-Einwands im Aufklärungsbereich [hier wohl die Folge der oben geschilderten Rechtsprechungsentwicklung vom Behandlungs- zum 772
190
2. Abschnitt: Die objektive Erfolgszurechnung
(b) Kritik durch die Literatur
Die deutsche Literatur steht dieser Entwicklung der Rechtsprechung in Arztstrafsachen nicht unkritisch gegenüber. Zwar ist es allgemein anerkannt, daß ein Arzt, soweit ihm ein Behandlungsfehler vorzuwerfen ist, der Grundlage für den Eintritt eines Erfolges im Sinne der §§ 222, 230 StGB-BRD war, nach den allgemein geltenden Grundsätzen über die objektive Erfolgszurechnung strafrechtlich behandelt werden sollte. D.h. aber, daß eine Verurteilung wegen einer fahrlässigen Körperverletzung oder Tötung die Folge sein muß, wenn mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden kann, daß der Erfolg auch tatsächlich auf der pflichtwidrigen Handlung des Betreffenden beruht (so die Autoren, die der Vermeidbarkeitslehre des BGH folgen) bzw. durch die sorgfaltswidrige Arzthandlung das Risiko des Erfolgseintrittes wesentlich erhöht wurde (so die Vertreter der Risikoerhöhungslehre). Daß dies nicht -vor allem nicht in bezug auf leichtere Verletzungen- unbedingt zwingend ist, wird die unten darzustellende Situation des Arztstrafrechts in Österreich zeigen. Immerhin werden auch in der Bundesrepublik Stimmen laut, die die Einführung einer Art »Ärzteprivileg«, ähnlich dem Österreichischen Modell, fordem777• Darüberhinaus wird der über diese allgemeinen Grundsätze hinausgehenden speziell auf das Arztstrafrecht bezogenen deutschen Rechtsprechungsentwicklung jedoch energisch entgegengetreten. (i) Der Aspekt der Lebensverkürzung So unterliegt die Konzentration auf das Lebensverkürzungsmoment in der deutschen Literatur erheblichen Bedenken. Vor allem Ulsenheimer hat sich in diesem Zusammenhang ablehnend geäußertns, da durch die Beurteilung nach Lebensverlängerungskriterien einmal eine Hinwendung zum Geflihrdungs-
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Aufklärungsfehler) umgekehrt zu einer Einschrankung der Aufklärungspflicht filhren kann); außerdem LG Gießen, Arztrecht 1989, 261. So vor allem Ulsenheimer, MedR 1984, 162 und MedR 1992, 129. Ulsenheimer, MedR 1984, 163; ders.: Arztstrafrecht, Rn 222ft'.; ders.: MedR 1992, 130f.; ders. in Laufs/Uhlenbruck, § 140 Rn 3Sff.
B. Die objektive Erfolgszurechnung beim Fahrlässigkeitsdelikt im besonderen 191
tatbestandm, zmn anderen eine eklatante Verletzung des Grundsatzes »in dubio pro reo«780 zu verzeichnen sei. Diese generelle Ablehnung der BGH-Rechtsprechung im vorliegenden Zusammenhang kann -so bedenklich der zu verzeichnende Weg, den die Judikatur hier einschlägt, auch scheint- nicht unbedingt überzeugen. So ist die Verkürzung des Lebens sehr wohl die von § 222 StGB-BRD betroffene Tathandlung. Denn jede Tötung stellt ja genau betrachtet eine Lebensverkürzung dar. Wenn die Gerichte die betreffenden Angeklagten wegen des Vorliegens von § 222 StGB-BRD bestrafen, so kann darin keinesfalls die Verurteilung nach GeflihrdungsgesichtspWlkten bzw. eine Verletzung des »in dubio«-Grundsatzes gesehen werden781 • Allerdings ist Ulsenheimer dann zuzustimmen, wenn man die Hinwendung der Rechtsprechung von mehreren Tagen zu letztens mehreren Stunden als Lebensverlängerungszeitraum betrachtet. Um dem Verdacht zu entgehen, vom gewünschten Ergebnis her die objektive Erfolgszurechnung zu begründen712, sollten die Gerichte um eine eindeutige Festlegung der Zeitspanne, in der die Lebensverkürzung tatbestandlieh eine fahrlässige Tötung darstellt, bemüht sein. Daß die Verurteilung wegen einer möglicherweise nur Bruchteile von Sekunden ausmachenden Lebensverkürzung nicht den Sinn und Zweck erfiillt, den der Gesetzgeber mit der Sanktionierung der Tötung anderer Personen verfolgte, steht außer Frage. Schon im Sinne der Rechtssicherheit sollte hier eine eindeutige Entscheidung die Befilrchtungen, die Gerichte würden die Zeitspanne der Lebensverkürzung immer weiter zu Lasten des Angeklagten nach unten korrigieren, zerstreuen. (ii) Der ärztliche Aufklärungsfehler als Anknüpfungspunkt
Weitaus problematischer wird demgegenüber die Vorverlagerung des Behandlungsfehlers in den Bereich ärztlicher Aufklärung beurteilt. Diese Entwicklung ist vor dem Hintergrund einer -vor allem von ärztlicher Seite- stark
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780
781 782
Durch eine auf »kleinste zeitliche Differenzen abstellende atomistische Erfolgsbetrachtung« werde praktisch das Rechtsgut Leben relativiert. Die Verurteilung finde -nach Ulsenheimerdann lediglich aufgrundder Gefahrsetzung durch den Angeklagten statt. Vgl. Ulsenheimer in Laufs!Uhlenbruck, § 140 Rn 37. Ausgehend von der Tatsache, daß es den Richtern unmöglich erscheint, eine Gewißheit für das Leben des Patienten zu konstatieren, wird der Kunstgriff der Gleichstellung von Tötung und Lebensverkürzung in den vorliegenden Fallen nach Ulsenheimers Auffassung im Ergebnis vor allem dazu verwendet, zuungunsten des Angeklagten zu entscheiden. Hierzu Ulsenheimer in Laufs!Uhlenbruck, § 140 Rn 37. So auch Wolfs/ast, NStZ 1981, 219f. Hierzu vorne Punkt (I) (a).
192
2. Abschnitt: Die objektive Erfolgszurechnung
kritisierten, da äußerst rigiden, Rechtsprechung zur Aufklärungspflicht zu sej hen783 • So wurden mittlerweile sehr differenziert Grundsätze entwickelt, die die Aufklärungspflicht der Ärzte von der Häufigkeit und Schwere zu befilrchtender Komplikationen, von der Notwendigkeit sowie vom Grad der Gefährlichkeit des Eingriffs abhängig machen784. Dabei ist es vor allem die sogenannte Risikoaufklärung785, die den Ärzten besondere Probleme bereitet. Denn einmal ist fraglich, bis zu welcher Komplikationsdichte eine Mitteilung an den Patienten erfolgen muß. So wurde bei einer Gefahr von 1:2000 bereits eine Aufklärungspflicht des Arztes bejahf86• Zwn anderen sind es oftmals medizinische Gründe, weshalb Ärzte fordern, von einer wnfassenden Aufklärung der Patienten absehen zu dürfen. So kann die Vielzahl der Risiken, die bei nahezu jedem Eingriff bestehen, den Patienten in größtem Maße verunsichern. Läßt er die Behandlung dennoch -da oftmals Iebens- oder gesundheitsnotwendig- zu, steht dem Arzt ein verschüchterter, oftmals verkrampfter, Mensch gegenüber. Die ärztliche Tätigkeit wird dadurch nicht selten erschwert, der gewünschte Heilungserfolg möglicherweise in Frage gestellt. Soweit aber ein -vor diesem Hintergrund handelt es sich in vielen Fällen787 sicherlich wn ein verständliches ärztliches Vorgehen- juristischer Aufklärungsmangel788 als Anknüpfungspunkt fiir eine Haftung des Arztes wegen einer fahrlässigen Körperverletzung oder Tötung benutzt wird, so ist dies unverständlich. Dies gilt einmal filr sich aus einer zivilrechtliehen Deliktshaftung ergebende Folgen, wnso mehr aber fiir das Strafrecht. In dogmatischer Hinsicht kann gegen diese Rechtsprechung eingewendet werden, daß sie einen wie auch immer begründbaren Verstoß gegen das Selbstbestimmungsrecht der Patienten dazu nutzt, eine Strafbarkeit wegen eines Körperverletzungs- oder Tötungsdeliktes herzuleiten. Wie eine Vereinbarung der unterschiedlichen Schutzzwecke: Selbstbestimmungsrecht des Patienten auf der einen Seite, Gesundheit und Leben demgegenüber andererseits, möglich sein soll bzw. wie eine Mißachtung eines bestimmten Schutzzwecks zur
783 Der
Gesetzgeber hat hierzu keine näheren Regelungen getroffen. Vgl. Laufs in Laufs/Uhlenbruck, § 61 Rn 16. 784 Einen umfassenden Überblick gibt Laufs in Laufs!Uhlenbruck, 11. Kapitel, § 61 bis § 68. 785 Unstreitig ist dagegen die Therapieaufldarung notwendig und im Zusammenbang mit der arztliehen Tatigkeit in den entsprechenden Fallen uneingeschränkt zu fordern. Hierzu Laufs in Laufs/Uhlenbruck, § 62. 786 BGH, NJW 1976,363. 787 Natürlich darf die Problematik der Situation nicht dazu führen, daß arztliehe Entscheidungen völlig über die KOpfe der betreffenden Patienten hinweg geführt werden. Ein gewisses Maß an fachmännischer Aufklärung im Vorfeld einer medizinischen Behandlung oder eines Eingriffs ist sicherlich notwendig und soll an dieser Stelle auch nicht bestritten werden. 788 Die Entscheidung, inwieweit in einem konkreten Einzelfall aufzuklaren ist, muß aber immer dem Arzt überlassen bleiben und kann nicht von juristischer Seite festgelegt werden.
B. Die objektive Erfolgszurechmmg beim Fahrlässigkeitsdelikt im besonderen 193
Begründung eines Deliktes mit einem davon unterschiedlichen Schutzzweck herangezogen werden kann, bleibt offen und wird auch durch die Gerichte nicht plausibel begriindef89• Daneben sprechen aber auch erhebliche praktische Einwände gegen die Judikatur des BGH in diesem Zusammenhang. Eine Kriminalisierung dieses Bereichs ärztlicher Tätigkeit geht fehl Wld kann die Mängel der geltenden Zurechnungskonzeption im naturwissenschaftlichen Bereich nicht beseitigen. Gilt es doch, der Beurteilung riskanter oder versuchsmäßig durchgeführter ärztlicher Behandlungen, die zu einem fatalen Ende filhren, bei denen mangels existierender V ergleichsgroodlagen aber überhaupt keine oder nur sehr unsichere Aussagen zum rechtmäßigen Alternativverhalten gemacht werden können, Herr zu werden. Der Rückgriff auf eine möglicherweise gegebene fehlerhafte Aufklärung führt hier bei der Lösung des eigentlichen Zurechnungsproblems nicht weiter, zumal es sich hierbei um einen allgemein kritisierten juristischen Eingriff in die medizinische Beurteilungsfreiheit handelt. Abschließend beurteilt kann damit die -wenn auch zahlenmäßig nicht sehr häufige- Praxis der deutschen Gerichte in Arztstrafsachen790 keinesfalls überzeugen. Vor diesem Hintergrood und im direkten Vergleich dazu stellt sich die Situation im Nachbarland Österreich sehr viel positiver dar. (3) Das Arztstrafrecht in Österreich
In Österreich wird das Arztstrafrecht traditionell bedingt als eine besondere und differenziert von den sonstigen Lebensbereichen zu regelnde Materie begriffen. Was den Bereich der fahrlässigen Verantwortlichkeit der Me~er im Falle eines Behandlungsfehlers anbelangt, so wird zwar auch -und dies in gleichem Maße wie in der Bundesrepublik- die objektive Erfolgszurechnung und vor allem der Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens als problematisch erkannf91 • Dennoch hat der Österreichische Gesetzgeber Regeln geschaffen, die der Beurteilung ärztlicher Fahrlässigkeitstaten in bestimmtem Umfang Grenzen setzen. Dies galt besonders für die betreffenden Bestim789
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791
Damit ist in diesen Fallen bereits der Schutzzweckzusammenhang im weiteren Sinne zu verneinen: Der Schutzzweck Selbstbestimmungsrecht des Patienten ist nicht von §§ 222, 230 StGB-BRD umfaßt. Nach Ulsenheimer, FS fOr Weißauer, 165 kann allerdings nicht vom spärlichen Urteilsmaterial auf die tatsachliche Situation geschlossen werden. Denn bei Einbeziehung der Rechtsprechung von (oftmals nicht veröffentlichten) Amts- und Landgerichtsurteilen sei in den letzten Jahren eine rapide Zunalune arztstrafrechtlicher Verfahren zu verzeichnen. Insgesamt geht Ulsenheimer, MedR 1992, 127 von ca 2500 jährlichen Ermittlungsverfahren gegen Ärzte aus. Vgl. nur Dimhofer, Die Arzthaftung, 2Sf.; Schick, Der ärztliche Behandlungsfehler, 215ft'.; Lambauer, FS fOr Maresch, 314ff.
13 Reitmaier
194
2. Abschnitt: Die objektive Erfolgszurechnung
mungen im öStG, wirkt aber gleichsam auch auf das neue Österreichische Strafrecht fort. (a) Besondere Vorschriften im öStG Das frühere Strafgesetz enthielt einige Normen, die speziell auf den Fall fahrlässigen Handeins von Ärzten anzuwenden waren. (i) § 343 öStG So bestimmte § 343 öStG, daß derjenige sich strafbar machte, der ohne ärztliche Approbation eine Heilbehandlung vornahm. Aus der Existenz dieser Vorschrift wurde von vielen Strafrechtswissenschaftlern der Umkehrschluß gezogen, daß eine durch einen ausgebildeten Mediziner durchgeführte Behandlungsmaßnahme und wenn sie auch den Körper des Patienten beeinträchtigte, keine tatbestandsmäßige Körperverletzung sei792 • Obwohl diese Annahme nicht zwingend war -konnte man doch ebenso davon ausgehen, daß § 343 öStG lediglich ein Verbot der Kurpfuscherei enthielt, ohne damit aber eine eindeutige Aussage zur Tatbestandsmäßigkeit der lege. artis vorgenommenen sonstigen Heilbehandlung zu treffen793- prägte dieses Verständnis das Verhältnis der Österreichischen Juristen zum ärztlichen Heileingriff. Bis heute ist es herrschende Meinung in Österreich, daß die ärztliche Behandlung, soweit sie kunstgerecht durchgeführt wurde und keine über das vorauszusehende Maß hinausgehenden Folgen bewirkte, nicht das Tatbild einer fahrlässigen Körperverletzung erfllllt, auch wenn eine dem § 343 öStG entsprechende Norm dem neuen öStGB fremd ist'94•
(ii) § 356 öStG Was den ärztlichen Behandlungsfehler anbelangte, so war § 356 öStG von besonderer Bedeutung. Wenn ein Arzt aus Unwissenheit einen Fehler beging, 792
Hierzu Benda!Lichem, Strafgesetzbuch, 350f. ; Lotheissen, Österreichische Ärztezeitung I 965, 7 (der allerdings später seine Auffassung änderte, s. u. ).
793
So wohl z.B. die Auffassung von Gebauer, Zulassigkeit ärztlicher Experimente, 12; Lotheissen, RZ 1975,2.
794
Hierzu Zipf, Die strafrechtliche Haftung, 5ff.: Die den Regeln der arztliehen Wissenschaft entsprechende, erfolgreiche Behandlung soll keine strafrechtliche Haftung unter dem Gesichtspunkt der Körperverletzung auslösen. Ein Überblick des derzeitigen Meinungsstandes findet sich bei Kienapfel, Grundriß, § 83 Rn 25f.
B. Die objektive Erfolgszurechnung beim Fahrlässigkeitsdelikt im besonderen 195
so machte er sich, wenn daraus eine schwere Körperverletzung folgte, einer Übertretung, wenn daraus der Tod des Patienten resultierte, eines Vergehens, schuldig; er war deshalb mit einem Berufsverbot zu belegen79'. Diese fiir die Beurteilung der ärztlichen Fahrlässigkeit als Zentralnorm fungierende Bestimmung des früheren Österreichischen Strafrechts enthielt zwei Kernaussagen, die fiir das Verständnis der heute in Österreich gefiihrten Diskussion um das sogenannte Ärzteprivileg796 • Denn dadurch wird sowohl unmittelbar als auch mittelbar die Thematik der objektiven Erfolgszurechnung in diesem Bereich betroffen797 • Einmal stellte§ 356 öStG eine Sonderregelung dar, die die Anwendung der allgemeinen Normen, §§ 335, 431 öStG, ausschloß798 • Zum anderen sah die Vorschrift im Gegensatz zu den sonstigen Regelungen im öStG eine eigene, auf die Tätigkeit des Arztes zugeschnittene, Sanktion vor. Dem nachlässigen Mediziner drohte weder eine Geld- noch eine Gefängnisstrafe, vielmehr war die richterliche Verhängung eines Berufsverbotes vorgesehen. Die Österreichische Vorstellung von der Privilegierung der Ärzte durch das Strafrecht leitet sich aber daraus ab, daß der Mediziner fiir Kunstfehler, die nur zu einer konkreten Gefährdung oder bloß zu einer leichten Körperverletzung des Patienten fiihrten, überhaupt nicht sanktioniert wurde799• Insgesamt waren jedoch die Ansichten darüber, ob die Verhängung eines Berufsverbotes in den strafbewehrten Fällen tatsächlich gegenüber einer zu zahlenden Geldstrafe eine Bevorzugung darstellte, geteiltBOO.
In dogmatischer Hinsicht fiel lediglich der ärztliche Kunstfehler im engeren Sinne unter die Vorschrift des§ 356 öStG. Wenn dem Mediziner dagegen eine allgemeine Fahrlässigkeit, d.h. eine Nachlässigkeit, die unabhängig von seiner ärztlichen Unwissenheit bestand, zur Last zu legen war, griff der § 358 öStG
Näheres bei Benda/Lichem, Strafgesetzbuch, 354; Gruß, Die allgemeinen Fahrlässigkeitsparagraphen, 21. 196 Heute: § 88 Abs. 2 Ziff. 2 öStGB. 797 Zum einen kann eine Privilegierung der entsprechenden Berufsgruppe zur grundsatzliehen tatbestandliehen Eliminierung der ansonsten bei der Frage der objektiven Erfolgszurechnung relevant werdenden möglichen erfolgsbezogenen Handlungsweisen ftlhren. Mittelbar wirkt sich ein existierendes Ärzteprivileg daneben durch ein entsprechendes Anzeige- und Verfolgungsverhalten aus, hierzu unten. 798 Gruß, Die allgemeinen Fahrlassigkeitsparagraphen, 14. 199 Lotheissen, Österreichische Ärztezeitung 1965, 7. 800 Nach Lotheissen, Österreichische Ärztezeitung 1965, 7, stellt das Berufsverbot gewissermaßen die Todesstrafe ftlr die bürgerliche Existenz eines Arztes dar; Mikula/Urbarz, ÖSterreichische Ärztezeitung 1965, 1753ff. sahen dagegen die Ärzteparagraphen als rein privilegierende Vorschriften an, die »eine der Schwierigkeit der Berufsausübung Rechnung tragende Sonderbehandlung« enthielten. 795
13*
196
2. Abschnitt: Die objektive Erfolgszurechnung
ein. Dabei handelte es sich um einen allgemeinen Fahrlässigkeitstatbestand fiir Heil- und Wundärzte bei wesentlicher Vernachlässigung des Patienten. Hierauf war die zuvor beschriebene privilegierende Behandlung durch den Gesetzgeber nicht anwendbar. (iii) § 499a öStG
Vervollständigt wird das vom öStG gezeichnete Bild der früheren Beurteilung ärztlicher Fahrlässigkeit schließlich durch § 499a öStG, der eine eigenständige Sanktionierung der eigenmächtigen Heilbehandhmg enthielt. Soweit die Einwilligung -oder mutmaßliche Einwilligung- des Patienten nicht vorlag, der Arzt aber dennoch eine Behandlung vornahm, zog dies, selbst wenn der Eingriff lege artis durchgeführt wurde, bei entsprechender Antragstellung durch den Patienten eine Bestraftmg nach sich. (iv) Abschließende Bewertung der Bedeutung des öStG fiir das Arztstrafrecht Abschließend kann das öStG im Hinblick auf die Beurteilung der ärztlichen Fahrlässigkeit dahingehend charakterisiert werden, daß hier ein gesamter Bereich der in der allgemeinen Fahrlässigkeitsbetrachtung problematischen Fälle des Medizinrechts ausgegliedert und einer eigenen, vollständig durchnormierten, Beurteilung unterworfen wurde. Das Österreichische Gesetz wurde und wird auch heute noch- von vielen Seiten als besonders fortschrittlich in dieser Hinsicht angesehen. Mit den im öStG getroffenen Regelungen glaubte man, den bestmöglichen Kompromiß zwischen der Berücksichtigung medizinischer Behandlungsfreiheit und der juristischen Beurteilung derselben gefunden zu haben. Daß das neue Gesetz von 1975 eine weitgehende Einschränkung der ärztlichen Privilegierung vorsah801 , wurde daher von vielen mit Unverständnis aufgenommen802 • Bis heute werden immer wieder Forderungen laut, den ursprünglichen Zustand wiederherzustellen803 •
801
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Zum ursprungliehen Entwurf des Bundesministers der Justiz vgl. Mikula/Urbarz, Österreichische Ärztezeitung 1965, 1754. Lotheissen, Österreichische Ärztezeitung 1965, 16; Mikula/Urbarz, Österreichische Ärztezeitung 1965, 1753ff. So z.B. Schick, Der arztliehe Behandlungsfehler, 222.
B. Die objektive Erfolgszurechnung beim Fahrlässigkeitsdelikt im besonderen 197
(b) Der Bereich ärztlicher Fahrlässigkeit im heutigen öStGB Das neue öStGB enthält lediglich zwei Bestimmungen, die speziell das Arztstrafrecht betreffen. (i) § 88 Abs. 2 Ziff. 2 öStGB Einmal beinhaltet § 88 Abs. 2 Ziff. 2 öStGB 804 folgende Regelung: »...Trifft den Täter kein schweres Verschulden und ist...der Täter ein Arzt, die Körperverletzung oder Gesundheitsbeschädigung in Ausübung der Heilkunde zugefUgt worden und aus der Tat keine Gesundheitsbeschädigung oder Berufsunfähigkeit von mehr als vierzehntägiger Dauer erfolgt,..., so ist der Täter nach Abs. 1 (Anm. der Verf.: betrifft den Fall der fahrlässigen Körperverletzung) nicht zu bestrafen.>die Vomahme der gebotenen Handlung die Chancen zur Erhaltung des bedrohten Rechtsguts zweifelsfrei erhöht hätte« (Hervorhebungen im Original). Naheres bei Pirker, ZVR 1991, 199ff. 2. Abschnitt Punkt B 3 b.
232
3. Abschnitt: Die objektive Erfolgszurechnung bei anderen Deliktsgruppen
vor allem im Zusammenhang mit sogenannten mehraktigen Verhaltensweisen, denen sowohl ein aktives Handeln als auch ein Unterlassungsmoment innewohnt. Ein besonderes Problem bilden vor diesem Hintergrund auch die allgemeinen Fahrlässigkeitsdelikte, wenn man berücksichtigt, daß jeder Pflichtverstoß ein Unterlassungselement -nämlich die Nichtbeachtung der erforderlichen Sorgfalt- beinhaltet. Damit könnte, je nachdem welches Ergebnis gewünscht ist, in kritischen Fällen des rechtmäßigen Alternativverhaltens sowohl ein Begehungstatbestand -mit der Folge der Anwendung der Risikoerhöhungslehre im Rahmen der objektiven Erfolgszurechnung- als auch ein Unterlassungsdelikt -wobei die sogenannte Vermeidbarkeitslehre als Kausalitätsformel gilt- angenommen werden. Bedenkt man also, welche Auswirkungen die Entscheidung: Begehungs- oder Unterlassungsdelikt auf die Zurechnungsfrage gerade in Verbindung mit dem rechtmäßigen Alternativverhalten in Österreich99 haben kann, so wird klar, daß im Rahmen der vorliegenden Untersuchung gesondert auf das allgemeine Abgrenzungsproblem in diesem Kontext einzugehen ist. Die Österreichische Lehre und Rechtsprechung haben in diesem Problembereich eigene, sich von der Behandlung der Frage im deutschen Recht wesentlich unterscheidende Grundsätze entwickelt.
a) Der Schwerpunkt der Vorwerjbarkeit und andere Differenzierungsansätze in Deutschland Die in der Bundesrepublik von der Rechtsprechung100 und einem Teil der Literatur101 zur Abgrenzung von Tun und Unterlassen vertretene Formel vom »Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit«, wonach »aus dem Gesamtgeschehen bzw. Gesamtverhalten des Täters mittels Wertung der "Punkt" herausgegriffen wird, an den die strafrechtliche Prüfungaufgrund seiner Schwere anzuknüpfen hat« 102, wird in der Österreichischen Literatur -wie übrigens auch von vielen deutschen Autoren- als wenig tauglich abgelehnt103 • Hauptangriffspunkt ist die Unschärfe dieser Formel, die es bei vielen mehrdeutigen Handlungsweisen je nach Begründung erlaubt, sowohl einen
99
Dies ist damit anders als in der Bundesrepublik (soweit der Vermeidbarkeitslehre der Rechtsprechung auch beim Begehungsdelikt gefolgt wird).
100
Ausgehend von BGHSt 6, 46. Vgl. auch OLG Karlsruhe, GA 1980, 429ff.; BGH bei Holtz, MDR 1982, 624; OLG Frankfurt, GA 1987, 549ff.
101
Sch.Schr.Stree, Vorbem. §§13ft'. Rn 158; Wessels, Strafrecht AT, Rn 699. Einen Überblick hierzu gibt Stoffers, Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit, 23ft'. Sto.ffers, Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit, 13. Burgstaller, Fahr1ässigkeitsdelikt, 131 (dort Fn 13); Kienapfel, ZVR 1986,334.
102 103
C. Das Unterlassungsdelikt
233
Begehungs- als auch einen Unterlassungstatbestand anzunehmen104• Von der oben dargestellten Prämisse der Zurechnungskonstruktion in Deutschland ausgehend, hat die Differenzierung zwischen Begehungs- oder Unterlassungsdelikt allerdings auf das gefundene Ergebnis in der Regel keine allzu großen Auswirkungen. Abgesehen davon, daß beim unechten Unterlassungsdelikt sowohl in der Vorsatz- als auch in der Fahrlässigkeitsvariante zwingend im Rahmen der Kausalität eine Überprüfung des Geschehens anhand der V ermeidbarkeitsfonnel stattfinden muß, dies aber im Fall des . vorsätzlichen Begehungsdeliktes aufgrund der teilweisen Negierung der Notwendigkeit einer objektiven Erfolgszurechnung nicht unbedingt erfolgt105, wird die justizielle Behandlung der Kausalitäts- bzw. Zurechnungsfrage durch die Entscheidung: Begehungs- oder Unterlassungsdelikt in der Bundesrepublik nicht wesentlich beeinflußt. Daß daneben Probleme im Zusammenhang mit der Herleitung von Garantenstellungen beim Unterlassungsdelikt gegen die oben dargestellte wenig präzise Unterscheidung zwischen Tun oder Unterlassen sprechen mögen, bleibt an dieser Stelle, da für die eigentliche objektive Erfolgszurechnung ohne Bedeutung, nur zu erwähnen. Allerdings erklärt sich hieraus die Vielzahl der in der deutschen Literatur entwickelten Differenzierungsansätze, mit denen man der Thematik Herr zu werden versucht106• Im Ergebnis streben viele der Reformvorschläge in die Richtung, einen Vorrang des Tuns vor dem Unterlassen herauszuarbeiten107• Dies ist auch mit der gegenwärtigen Gesetzeslage in Deutschland zu erklären. Denn das Strafgesetzbuch sieht eine Strafbarkeit wegen eines unechten Unterlassungsdeliktes nur bei Gleichwertigkeit mit dem positiven Tun vor108• Eine eigenständige Unterlassungsstrafbarkeit existiert nicht. Nach dem Willen des Gesetzgebers folgt das Unterlassungsdelikt vielmehr dem Begehungstatbestand nach.
Als Beispiel mag hier ein Beschluß des BGH, bei Holtz, MDR 1982, 624, dienen. Eine Mutter hatte ihr Kind nicht regelmäßig emabrt, verabreichte ihm dann sehr viel Nahrung auf einmal, so daß das Baby erstickte. Die Richter knüpften nicht an die eigentlich zum Tode filhrende Handlung (dh. die letzte übermäßige Nahrungsgabe) an, sondern sahen den Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit darin, daß das Kind zuvor nicht regelmäßig emabrt und gepflegt worden war und daher ein Zerfall des körperlichen Zustandes eingetreten war, der den Erstickungstod maßgeblich beeinflußt hatte. Weitere kritische Fälle bei Stoffers, Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit, Sff. 105 Hierzu unten im nächsten Prüfungsabschnitt. 106 Einen umfassenden Überblick hierzu gibt Stoffers, Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit, 69ff. 107 Hierzu ausfUhrend Stoffers, Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit, 249ff. Vgl. auch die Lösungen von Engisch, FS für Gallas, 163ff (»Energieansatz«) und Samson, FS für Welzel, S79ff. (»Kausalitätsmodell«). 108 Vgl. den Wortlaut des§ 13 StGB-BRD.
104
234
3. Abschnitt: Die objektive Erfolgszurechnung bei anderen Deliktsgruppen
b) Das Primat des positiven Tuns in Österreich Von Kienapfel begründet, gehen Lehre wtd Rechtsprechwtg in Österreich vom Vorrang des strafbarkeitsausschöpfenden TWlS bei mehrdeutigen Verhaltensweisen aus109• Dies bedeutet, daß immer dann, wenn der Täter »ein bestimmtes geflihrliches (riskantes) Twt setzt wtd dabei nichts oder nicht genügend zur Hintanhaltwtg der damit verbwtdenen Gefahren unternimmt«, ein Begehwtgsdelikt anzwtehmen ist110• In der Praxis heißt dies, daß in all denjenigen Fallkonstellationen, in denen positives Tun und Unterlassen gleichsam in der Vorgeschichte, die zu einem bestimmten Verletzungserfolg filhrte, festgestellt werden, ein Begehungstatbestand zu prüfen ist111 • Begründet wird diese Beurteilungsweise von Kienapfel mittels eines V ergleichs mit entsprechenden Absichtsdelikten. Wenn ein Mensch eine andere Person töten möchte und dies bewerkstelligt, indem er vorsätzlich die Geschwindigkeit seines Wagens nicht vermindert, mit dem er auf den Betreffenden zuflihrt, so liegt zweifellos ein Mord durch positives Tun vor112• Nicht anders kann -so die Auffasswtg Kienapfels- die Entscheidung über Tun oder Unterlassen aber im allgemeinen und damit über die Fälle des absichtlichen Verhaltens hinausgehend, erfolgen. Ein weitaus schlagkräftigeres Argument stellt in diesem Zusammenhang jedoch der Rückgriff auf die gesetzliche Bestimmung des § 2 öStGB dar. Die in dieser Norm enthaltene Gleichwertigkeitsklausel -die Herbeifiihrung eines Erfolges durch Unterlassen ist, vergleichbar mit der Regelung im deutschen Recht, nur strafbar, wenn es dem Tun gleichwertig ist- deutet auf die nachrangige Funktion des Unterlassens gegenüber dem aktiven Handeln hinm. Allerdings ist dabei sicherzustellen, daß der Unwert, der Tun und Unterlassen in einem konkreten Fall zukommt, gleich ist oder das Handeln gegenüber dem in Frage kommenden Unterlassen einen höheren Unwert verkörpert.
Kienapfel, Aktuelle Probleme, 83ft'. (88) und OJZ 1976, 281ft'. (283). Zur Rechtsprechung siehe z.B. OOH, 1811989, 457; SSt 57, Nr. I. 11 Kienapfel, OJZ 1976,283. 111 Im obigen Fall (Fn 105) wäre damit von einem Begehungsdelikt auszugehen (Die Mutter überfütterte ihr Kind). 112 Kienapfel, OJZ 1976, 284. m Der Kritik von Stoffers, Schwerpunkt der Verwertbarkeit, 251f., zu diesem Argument kann nicht gefolgt werden. Denn anders als der Autor in seiner Auseinandersetzung mit Kienapfels Ansatz annimmt, ist nicht davon auszugehen, daß der Gesetzgeber eine Entscheidung zugunsten des positiven Tuns lediglich auf der Konkurrenzebene begründen wollte. Allgemein anerkannt ist doch vielmehr, daß dann, wenn ein Begehungstatbestand in Betracht kommt, die weitere ErOrterung des Unterlassens bezüglich des gleichen Erfolgsunwerts nach den Wertungen des Gesetzes bereits tatbestandlieh ausgeschlossen wird. 109
°
C. Das Unterlassungsdelikt
235
Im tungekehrten Fall ist, vom obigen Prinzip abweichend, eine Ausnahme anzuerkennen. Wenn also beispielsweise die Bestrafung wegen eines Tuns den Unwert des Gesamtgeschehens nicht vollständig ausschöpft -Kienapfel nennt hier den Fall, daß der Täter fahrlässig sein Opfer ins Wasser stößt, dann aber vorsätzlich jegliche Rettungsmaßnahme unterläßt114- , so ist dem Unterlassungsdelikt der Vorrang einzuräwnen. Gleiches gilt in Sachverhaltsgestaltungen, bei denen eine Bestrafung wegen eines Tuns ausscheidet, demgegenüber aber eine strafrechtliche Verantwortlichkeit wegen Unterlassens in Betracht kommt115 • Jedoch sind diese als Ausnahme vom Primat des positiven Tuns konzipierten Fallkonstellationen116 wegen der fehlenden Überlappung von Handeln und Nichtstun hinsichtlich des Verhaltensunwertes ohnehin nicht mehr unmittelbar unter die Abgrenzungsfrage zwischen Tun und Unterlassen zu subswnieren. Den von Kienapfel aufgestellten Grundsatz können sie nicht wesentlich beeinflussen. Der in der deutschen Literatur vorzufindenden Kritik gegenüber dem Ansatz von Kienapfel, die sich unter anderem darauf bezieht, daß die erforderlichen Ausnahmefiille das Vorrang-Prinzip aufweichen würden117, kann nicht gefolgt werden, denn die eigentlichen Abgrenzungsfragen sind von den herangezogenen Ausnahmen überhaupt nicht betroffen. Die meisten der auftretenden Zweifelsflille können vielmehr mit Hilfe von Kienapfels Lösungsmodell eindeutig gelöst werden. Dies ist ein Ergebnis, von dem die deutsche Behandlung der Thematik in der Praxis noch weit entfernt ist. Der Problembewältigung durch die Österreichische Rechtsprechung und Literatur118 kann in diesem Zusammenhang der Vorteil einer weitgehenden Rechtssicherheit nicht abgesprochen werden.
114
Kienapfel, ÖJZ 1976, 285.
m OGH, EvBI1967, Nr. 314: Wer infolge eines Reifendefektes auf der Fahrbahn liegenbleibt, es
aber weiterhin unterläßt, nachfolgende Fahrzeuge zu warnen ist, soweit es zum Auffahrunfall mit Körperschaden kommt, wegen fahrlässiger Tötung oder Körperverletzung durch Unterlassen strafbar. (Ähnlich OGH, ZVR 1968, Nr. 106). 116 Kienapfel, ÖJZ 1976, 28Sf. 117 Sto.ffers, Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit, 25lf. 118 Ob es allerdings tatsächlich angebracht erscheint, dem Begehungsdelikt gegenüber der Unterlassungstäterschaft einen solch eminenten Vorzug zu gewähren, bleibt offen und kann an dieser Stelle nicht näher erörtert werden. Jedoch wurde bisher -wie die Bemühungen der Strafrechtswissenschaftler im deutschen Recht zeigen- noch keine praktikable Abgrenzungsformel entwickelt, die eine vergleichbare Rechtssicherheit garantieren könnte.
236
3. Abschnitt: Die objektive Erfolgszurechnwtg bei anderen Deliktsgruppen
3. Die Auswirkungen der Abgrenzung zwischen Tun und Unterlassen auf die Zurechnungsproblematik in Österreich
Die zwar dogmatisch konsequente jedoch mit der ansonsten in Österreich allgemein anerkannten strengen Zurechnungslehre des Risikoerhöhungsansatzes nicht vereinbare Kausalitätsformel beim unechten Unterlassungsdelikt wirkt sich in den meisten Fällen der Praxis nicht unbedingt aus. Die enge Abgrenzung zwischen Tun und Unterlassen durch die Österreichische Lehre und Rechtsprechung läßt praktisch nur in den Fallkonstellationen, in denen überhaupt kein positives Tun des Täters festzustellen ist119, die Annahme eines unechten Unterlassungstatbestandes zu. Damit reduziert sich die Anwendung der sogenannten Venneidbarkeitsformel im Falle des Einwands vom rechtmäßigen Alternativverhalten, der wie zuvor dargestellt beim Unterlassungsdelikt ja bereits im Rahmen der hypothetischen Kausalität erörtert wird, erheblich. Die vorne näher erläuterten Sachverhaltsgestaltungen, in denen es besonders auf die Entscheidung über den Erfolgseintritt bei pflichtgemäßem Täterverhalten ankommt, sei es nun im Straßenverkehr120 oder im Arztrecht121 werden vom täterfreundlichen Zurechnungsmaßstab beim unechten Unterlassungsdelikt kaum betroffen. In den meisten Fallkonstellationen liegt nämlich ein positives Tun neben dem -wenn überhaupt gegebenen- Unterlassungsmoment vor. Der Österreichischen Konzeption zufolge ist daher insgesamt von einem Begehungsdelikt -mit der Folge der Anwendung der allgemeinen Zurechnungskriterienauszugehen. Dennoch hat die hier festgestellte Kausalitätsbegründung beim unechten Unterlassungsdelikt mit Hilfe der Formel von der mit an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit über das bloße dogmatische Interesse hinausgehend in bezug auf die einschlägigen Unterlassungsfälle eine zum Teil weitreichende Bedeutung. So hat z.B. der OGH, SSt 55, Nr. 46 aufgrund der ungeklärten Frage, ob der betreffende Erfolg (hier: Der Tod eines Kindes) mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit weggedacht werden muß, wenn man die vom Täter pflichtwidrig unterlassene Handlung (hier: Die Beiziehung eines Arztes) hinzudenkt, den betreffenden Fall zur neuen Entscheidung an die untere Instanz zurückverwiesen.
Beispiele sind die zuvor geschilderten Fälle aus dem Ski- und Bergrecht, in denen Pisten- und Wegehetreiber ihren Instandhaltungspflichten nicht nachkommen. Weitere Sachverhaltgestaltungen aus der Rechtsprechung: OGH, SSt 31, Nr. 87 (ein Baumeister überwachte Aushubarbeiten nicht); OGH, ZVR 1967, Nr. 82 (der Leiter einer Skischule kümmerte sich nicht um den Abtfansport einer von ihm betreuten Skigruppe). 120 2. Abschnitt Punkt B 3 c. 121 2. Abschnitt Punkt B 3 d. 119
D. Das vorsätzliche Delikt
237
D. Das vorsätzliche Delikt Die Problematik der objektiven Erfolgszurechnung wird vielfach als ein speziell im Fahrlässigkeitstatbestand verwurzeltes Thema angesehen. Dies ist in Deutschland nicht anders als in Österreich122 und läßt sich einmal damit erklären, daß -wie zuvor nachgewiesen wurde- die Zurechnungsfrage erstmals im Zusammenhang mit der fahrlässigen Verursachung gestellt wurde. Zum anderen darf, wie ebenfalls bereits vorne erwähnt, nicht verkannt werden, daß die Mehrzahl der im Gefilge der Fragen einer objektiven Erfolgszurechnung auftretenden Probleme das Fahrlässigkeitsdelikt im weiteren Sinnem betreffen. Dennoch ist nicht einzusehen, weshalb die Zurechnungsthematik auf die allgemeinen Fahrlässigkeitstatbestände und eng damit verbundene Delikte beschränkt bleiben sollte. Denn sowohl Vorsatz- als auch Fahrlässigkeitsdelikte knüpfen an eine Täterhandlung oder Unterlassung an, die zum eingetretenen Verletzungserfolg in einer konkreten Kausalbeziehung stehen muß. Beim Vorsatzdelikt ist es allerdings die schadensverursachende Handlung selbst, die den Ausgangspunkt filr Zurechnungsüberlegungen bildet124• Auch im Falle vorsätzlichen Handeins sind jedoch Sachverhaltsgestaltungen denkbar -zugegebenermaßen weitaus weniger häufig als in entsprechenden Fahrlässigkeitskonstellationen-, in denen zwar die Täterhandlung äquivalent kausal zum Taterfolg filhrte, jedoch fraglich ist, ob dadurch eine rechtlich mißbilligte Gefahr geschaffen wurde, deren konkret innewohnendes Risiko sich im Erfolg verwirklicht hat125• Allerdings ist -und dies anders als bei vergleichbaren Fahrlässigkeitstatbeständen- zu beachten, daß etwaige Zurechnungsfragen beim Vorsatzdelikt im Rahmen des subjektiven Tatbestandes aufgefangen werden können. Denn im Zusammenhang mit der näheren Betrachtung des Tätervorsatzes stellt sich gleichsam die -eigentlich nur in einer den konkreten Tätervorsatz betreffenden Hinsicht aufzuwerfende- Frage, inwieweit der subjektive Tatbestand neben der Handlung und dem Taterfolg auch die eigentlichen zum Erfolg fUhrenden Umstände umfaßt.
122
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Für die Lage in Osterreich vgl. Triffierer, FS für Klug, 419f. Für Deutschland zuletzt Erb, Rechtmäßiges Altemativverhalten, 264ft'. Damit auch Erfolgsqualiftkationen, Delikte mit besonders gefährlichen Verhaltensweisen und fahrlässige Unterlassungstatbestande. Fahrlässigkeits- und Vorsatzdelikte unterscheiden sich bezüglich der Frage der Zurechnung nur insofern, als beim Fahrlässigkeitsdelikt die Zurechnung an die Pflichtwidrigkeitskomponente anknüpft, die zwar in der Täterhandlung steckt, jedoch nicht mit dieser identisch ist. Moos, WK § 75 Rn 15; Tri.ffterer, Österreichisches Strafrecht, 130f. Rn 49; Kienapfel, Grundriß, § 75 Rn 14.
238
3. Abschnitt: Die objektive Erfolgszurechnung bei anderen Deliktsgruppen
Diese von der deutschen Rechtsprechung126 und einem Teil der deutschen Literatur127 praktizierte Vorgehensweise der Zurechnungsprüfung beim Tätervorsatz umgeht die Problematik der objektiven Erfolgszurechnung beim Vorsatzdelikt nicht, vielmehr findet eine tatbestandliehe Verlagerung statt. Von der dogmatischen Warte aus gesehen ist diese Praxis wenig einleuchtend, denn es werden zugleich objektive als auch subjektive Zurechnungskriterien im subjektiven Tatbestand erörtert121• Allerdings ist Annin Kaufmann darin Recht zu geben, daß eine zweimalige Zurechnungsprüfung, sowohl im objektiven als auch im subjektiven Unrechtstatbestand, wenig ökonomisch erscheint129• Im Ergebnis bleibt es in jedem Fall bei der in Zweifelsfiillen notwendigen Erörterung der Zurechnungsproblematik auch beim Vorsatzdelikt. 1. Konkrete Zurechnungsfragen
Die in Österreich ebenso wie in der Bundesrepublik herrschende Äquivalenztheorie130 bedarf wegen ihrer Weite auch beim Vorsatzdelikt der Einengung durch normative Begrenzungskriterien. Die in diesem Zusammenhang immer wieder herangezogene Schreckensvision, daß im Falle eines Mordes über die Äquivalenzkausalität auch die Eltern und weitere direkte Vorfahren des Mörders objektiv filr die Tat verantwortlich seien, stellt die grundsätzlichen Mängel der geltenden Kausalitätstheorie am anschaulichsten dar. Einer Korrektur bedarf es damit aber auch beim vorsätzlichen Delikt an den zuvor im Zusammenhang mit dem Fahrlässigkeitsdelikt herausgearbeiteten neuralgischen Stellen.
a) Adäquanzfragen So ist einmal die objektive Vorhersehbarkeit des eingetretenen Taterfolges und des dazu führenden Kausalverlaufes zu prüfen. Bei regelwidrigen bzw. atypischen Kausalverläufen ist diese auch beim Vorsatzdelikt zu verneinen. Man denke nur an den Fall, daß das Opfer einem Mordversuch durch den Täter entkommt, bei der Flucht aber von einem herabstürzenden Ast erschlagen wird131 . Daß der Täter nicht wegen eines vollendeten Mordes zu bestrafen ist, steht wohl außer Frage, läßt sich dogmatisch aber am einleuchtendsten mit der 126 Vgl. z.B. BGHSt 7, 325; 14, 193; 23, 133. Kritisch hierzu Wolter, ZStW 89, 469ff. 127 So etwa: Armin Kaufmann, FS fQr Jescheck, 256ft'. 128 Hierzu auch Wessels, Strafrecht AT, Rn 258. 129 Armin Kaufmann, FS fi1r Jescheck, 261ft'. 130 Hierzu vorne 2. Abschnitt A 3 b. 131
Fall nach Kienapfel, Grundriß, § 75 Rn 18.
D. Das vorsätzliche Delikt
239
fehlenden objektiven Voraussehbarkeit des konkreten zum Tod des Opfers fUhrenden Kausalgeschehens erklären. Auf die subjektive, speziell auf den Täter bezogene, eigene Vorstellung vom Tatgeschehen kommt es dagegen bei solch offensichtlich und filr jedermann einsichtigen atypischen Kausalgestaltungen nicht mehr an.
b) Der Risikozusammenhang beim Vorsatzdelikt Weitaus problematischer stellen sich die zuvor näher untersuchten Probleme im Gefüge des einfachen wie auch des erweiterten Risikozusammenhanges dar. Herangezogen sei hier der Fall, daß ein Einbrecher sich im Keller eines Wohnhauses zu schaffen macht, der Hausherr dies vernimmt und im Dunkeln da er sich entschließt, den Einbrecher nicht auf sich aufinerksam zu machenbei der Verfolgung des Täters über die Kellertreppe stürzt und sich dabei erheblich verletzt132• Die Frage, inwieweit der Einbrecher filr die Verletzungsfolgen beim Hausherrn verantwortlich ist, läßt sich mit Hilfe des Schutzzwecks der Norm lösen. Da die vom Täter begangene Pflichtverletzung, d.h. der Verstoß gegen die Eingriffsverbote im Zusammenhang mit den Diebstahlsdelikten, nicht zugleich das Risiko der Verletzung von Leib und Leben anderer Personen in sich birgt, fehlt es hier am Merkmal des Risikozusammenhanges. Der Erfolg steht nicht im Schutzzweckzusammenhang der übertretenen Diebstahlsverbote. Daneben sind Fallkonstellationen im Zusammenhang mit dem erweiterten Risikozusammenhang denkbar. Die bereits an anderer Stelle zuvor erörterten Sachverhaltsgestaltungen in Verbindung mit dem Autonomieprinzip, d.h. der Eigenverantwortlichkeitsfrage133, werfen auch und gerade beim Vorsatzdelikt oftmals erhebliche Probleme auf. Erinnert sei nur an die bekannten Fälle der Weitergabe von Suchtmitteln134, jedoch auch neuerdings an Sachverhalte des ungeschützten Geschlechtsverkehrs von HIV-Infizierten mit die Infektion kennenden Partnernm. Hier ist einmal mehr zu prüfen, inwieweit das eigenverantwortliche Verhalten des späteren Opfers die Zurechnung im
Hierzu Wessels, Strafrecht AT, Rn 190. Siehe vorne 2. Abschnitt B 3 b. 134 Näheres hierzu Kienapfel, Grundriß, § 75 Rn 16. 135 Kienapfel, Grundriß, § 83 Rn 9. Hier ist allerdings zu bemerken, daß selbst dann, wenn man die Zurechnung in einem solchen Fall bezüglich der Körperverletzungsdelikte verneinen würde, bei vorsatzliebem Handeln in Österreich eine Strafbarkeit nach § 178 öStGB: Vorsätzliche Gefährdung von Menschen durch übertragbare Krankheiten (Strafrahmen: Geldstrafe bis zu 360 TagessAlzen oder Freiheitssstrafe bis zu drei Jahren) in Betracht kame. Ftlr das Gefahrdungsdelikt ist der Einwand des eigenverantwortlichen Opferverhaltens nach herrschender Lehre in ÖSterreich nämlich nicht relevant. 132 133
240
3. Abschnitt: Die objektive Erfolgszurechnung bei anderen Deliktsgruppen
Hinblick auf den Tatbestand einer (schweren) Körperverletzung unterbrechen kann.
c) Der Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens Schließlich sind, freilich in sehr viel geringerem Umfang als bei fahrlässiger Begehungsweise, auch beim vorsätzlichen Delikt Probleme bei der Frage des rechtmäßigen Alternativverhaltens denkbar. Hierunter können Fallgestaltungen wie etwa folgende subsumiert werden: Eine Krankenschwester verabreicht dem verhaßten Patienten eine Überdosis eines Narkotikums, der Patient verstirbt an Kreislaufversagen. Aufgrund einer erst später attestierten Überempfindlichkeit gegen das Medikament wäre allerdings -selbst bei ordnungsgemäßer Dosierung- ohne Zweifel derselbe Erfolg eingetreten136• Miteinzubeziehen sind darüber hinaus Fälle der Risikoverringerung. Wenn A einen Schlag gegen den Kopf des B ablenkt, so daß dieser nur die Schulter des Opfers verletzt, dann ist die Zurechnung zu verneinen, denn das Risiko der Erfolgsherbeiführung wurde ja sogar vermindert137• Abschließend läßt sich damit feststellen, daß auch das vorsätzliche Delikt genügend Möglichkeiten für Zurechnungsüberlegungen läßt. Die Österreichische Literatur hat dies -anders als die Österreichische Rechtsprechung, die sich zwar nie explizit gegen eine Zurechnung beim Vorsatzdelikt ausgesprochen hat, jedoch erst in den letzten Jahren in problematischen Fallgestaltungen gezielt eine konkrete Zurechnungsprüfung durchfiihrt138- bereits früh erkannt139• Hierbei wurden subtile Lösungsmodelle entwickelt, die im folgenden nur im Ansatz dargestellt werden können.
2. Die objektive Erfolgszurechnung beim Vorsatzdelikt in Österreich a) Die Behandlung der Frage durch die Österreichische Rechtsprechung und Literatur Die Österreichische Literatur steht geschlossen hinter dem Grundsatz, daß es einer objektiven Erfolgszurechnung auch beim vorsätzlichen Delikt -soweit ein
136
Fall nach Erb, Rechtmaßiges Altemativverhalten, 267 (dort Fn 71).
Triffterer, Österreichisches Strafrecht, 155 Rn 139f. OGH, JBI1984, 326; SSt 55, Nr. 86; EvBI 1991, Nr. 206. Vgl. jedoch auch OGH, EvBI1977, Nr. 60. Die Entscheidung enthalt bereits Ansätze für eine objektive Zurechnung beim Vorsatzdelikt. 139 Tri.ffterer, FS fiir Klug, 419ff.; Moos, WK § 75 Rn 15ff. 137
138
D. Das vorsätzliche Delikt
241
konkreter Sachverhalt AnhaltspWlkte fiir kritische Fragen dergestalt enthält- bedarf'40. Gegenläufige Tendenzen, vergleichbar mit denen in der Boodesrepublik, d.h. Ansätze, die die Notwendigkeit einer Zurechnung beim Vorsatzdelikt entweder gänzlich verneinen141 oder erst im Zusammenhang mit dem Vorsatz des Täters die Frage nach der über die einfache Kausalbeziehoog hinausgehenden normativen Verbindoog zwischen Täterhandloog ood Erfolg stellen142, werden soweit ersichtlich in der Österreichischen Lehre nicht vertreten. Auch die Österreichische Rechtsprechung behandelt, wie bereits kurz erwähnt, in kritischen FallgestaltWlgen vorsätzlicher Begehoogsweisen mittlerweile ausdrücklich die Frage der objektiven Zurechnoog. So wurde in einem Sachverhalt, in dem der Täter sein Opfer mit Benzin übergossen hatte, dieses aber nicht anzündete, vielmehr ein Funken aus der elektrischen LeitWlg schwere Brandfolgen bei der betreffenden Person hervorrief, ausführlich erörtert, ob einmal die quasi solchermaßen erfolgte Selbstentzündoog objektiv voraussehbar, zum anderen ob der Risikozusammenhang gegeben war, d.h. ob der konkrete Verletzoogserfolg sich als Verwirklichoog gerade derjenigen Gefahr darstellte, der die übertretene allgemeine Sorgfaltsnorm (hier: Die strafrechtlichen Bestimmoogen zum Schutz von Leib ood Leben) entgegenwirken solP43 • Im Ergebnis wurde die Zurechnoog im vorliegenden Fall bejaht, was die Literatur in diesem PWlkt auch mit Zustimmoog begleitete144• In einer weiteren Entscheidoog hatte sich der OGH mit der Problematik auseinanderzusetzen, inwieweit der Teilnehmer an einer Messerstecherei auch fiir schwere, durch ein ärztliches Fehlverhalten entstandene, Folgen -hier der Tod des ursprünglich Verletzten- einzustehen hat 14s. Vergleichbar mit der zuvor im Zusammenhang mit dem Fahrlässigkeitsdelikt bereits näher erläuterten Thematik1.c.s wurde die Frage der objektiven Vorhersehbarkeit genauso wie das Vorliegen des notwendigen Risikozusammenhanges positiv beantwortet.
Vgl. nur Triffterer, Osterreichisches Strafrecht, 138ft'.; Moos, Wk § 75 Rn 15f.; Kienapfel, Grundriß, § 75 Rn 14ff. m.w.N. 141 Nachweise bei Erb, Rechtmäßiges Altemativverhalten, 262ft'. 142 So z.B. Armin Kauftnann, FS für Jescheck, 260ft'. 143 OGH, JBI1984, 326. 144 Fuchs, JBI 1984, 328f., der sich allerdings gegen die Annahme der subjektiven Zurechnung im vorliegenden Fall wendet, da für den Täter in seiner konkreten Lage tatsächlich nicht vorherzusehen gewesen sei, daß sich das Benzin, mit dem er sein Opfer überschüttet hatte, selbst entzünden konnte. 14s OGH, EvBI1991, Nr. 206. 146 Vorne 2. Abschnitt B 3 b.
140
16 Reitmaier
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3. Abschnitt: Die objektive Erfolgszurechnung bei anderen Deliktsgruppen
b) Das Modell der Unrechtszurechnung bei Moos
Demgegenüber geht allerdings Moos über die bisher geschilderte Zurechmmgskonzeption, die ja gänzlich auf die Hinfühnmg des inkriminierten Verhaltens zum konkreten Verletzwlgserfolg, also auf das Erfolgsunrecht der Tat zielt, hinaus. Er bezieht das Handlungsunrecht mit ein und weitet die Erfolgszurechnung beim Vorsatzdelikt zu einer sogenannten Unrechtszurechnung aus1•1.
(1) Reichweite der Zurechnungskonzeption In der Sache bedeutet dies, daß neben die Frage nach der normativen Verbindung zwischen Täterhandlung und dem konkreten Verletzwlgserfolg die Problematik der grundsätzlichen Erfolgsgeeignetheit der Handlung selbst tritt. So ist, zusätzlich zu den oben geschilderten Zurechnungsfragen bei der Erfolgszurechnung, nach der Konzeption von Moos außerdem zu überlegen, ob die Handlung des Täters bereits einen Grad der Sozialschädlichkeit erreicht hat, vor dem die betreffende Strafuorm gerade schützen sollte. Dies ist dann nicht gegeben, wenn die Handlung aus empirischer Sicht nach allgemeiner Lebenserfahrung von vomeherein nicht zum angestrebten Erfolg filhren kann 148.
Auch wenn die teleologische Auslegung des jeweiligen Deliktstypus erkennen läßt, daß er von vomeherein gewisse Bereiche noch sozialschädlichen Verhaltens nicht erreichen wird, soll wegen zu geringer Quantität149 oder wegen der allgemein nicht als verletzend empfundenen Qualität der angestrebten Verletzwlg die Zurechnung verneint werden150. Ziel dieser umfassenden Unrechtszurechnung ist es, nur solche Verhaltensweisen zu pönalisieren, denen eine generelle d.h. adäquate oder typische Eignung zur Erfolgsherbeiführung innewohnt.
147 Moos, WK § 75 Rn 15. Ähnlich auch Schmoller, ÖJZ 1982, 452, der im Ergebnis allerdings die
148
genaue Ausgestaltung des Kausalverlaufes (d.h. nicht das »Ob« aber das »Wie« der Kausalbeziehung) gllnzlich aus dem objektiven Unrechtstatbestand ausldanunert und als objektive Strafbarkeitsbedingung ansieht. Darunter fallen z.B. die bekannten Fallkonstellationen der Verwünschungen ungeliebter Menschen, eine Tätigkeit, die heute sogar von bestimmten Personen gewerblich betrieben wird.
149 So etwa im bekannten Erbonkel-Fall: Der Neffe schickt den Erbonkel bei Gewitter aufs Feld,
damit dieser vom Blitz erschlagen werde. So geschieht es denn auch. Oder abgewandelt: Der Neffe schenkt dem Erbonkel eine Flugreise mit einer wenig sicheren Fluggesellschaft und hoffi, daß die Maschine -was auch tatsachlich eintriffi- über dem Ozean abstürzt. 150 Die Euthanasie ist nach Moos ein Fall der qualitativen Einschrankung der Zurechnung. Moos, WK Vorbem. §§ 75ft'. Rn 21 und§ 75 Rn l 5.
D. Das vorsätzliche Delikt
243
Jedoch kann die von Moos angestrebte allgemeine Unrechtszurechnung beim Vorsatzdelikt nur erfolgen, wenn der entsprechende Vorsatz des Täters mit einbezogen wird. Aus diesem leitet sich der Charakter der in Frage stehenden Handlung ab. Darüber hinaus sollen weitere willensbezogene Handlungsfragen -hierunter fallen die Abweichungen des tatsächlichen vom vorgestellten Kausalverlauf, die aberratio ictus, der error in persona sowie die Fälle des dolus generalis-- mit in die Unrechtszurechnung einbezogen werden. Auf diesem Weg erhofft sich Moos eine adäquate Haftungsbegrenzung beim Vorsatzdelikt zu erreichenu•. (2) Kritik gegenüber dem Ansatz Gegen diesen Ansatz hat sich in der deutschen Literatur W essels in einer Vorauflage seines Lehrbuches zum Allgemeinen Teil ausgesprochen. Er bemängelt, daß durch die V erknüpfimg der Frage der Erfolgszurechnung mit der Vorsatzproblematik die Vorzüge des schrittweisen Vorgehens verloren gingen, die sich aus der Unterscheidung zwischen objektiver und subjektiver Zurechnung ergäben152• Jedoch läßt Wessels in seiner kurzgehaltenen Kritik an der Österreichischen Vorgehensweise offen, um welche Vorzüge es sich bei besagter Differenzierung nach objektiven sowie nach subjektiven Kriterien handeln soll. Läßt man den dogmatischen Bruch, den eine allgemeine Unrechtszurechnung im objektiven Tatbestand des vorsätzlichen Deliktes bedeutet, beiseite, so sind keine weiteren Bedenken in bezug auf die von Moos vorgeschlagene Zurechnungskonzeption geltend zu machen. Vorteile, die sich bei einer strengen Trennung nach objektiver und subjektiver Zurechnung gegenüber der allgemeinen Unrechtszurechnung ergeben könnten, sind nicht ersichtlich. Vor allem hat die von Wessels und vielen anderen Autoren propagierte Zurechnung beim Vorsatzdelikt nicht den Vorzug der größeren Klarheit für sich. Denn viele Fragen, vor allem solche subtiler Natur, wie der sozialschädliche Charakter einer Täterhandlung im einzelnen oder die Quantität der erstrebten Verletzung, die das V erhalten des Täters bestimmte, lassen sich korrekterweise nur beantworten, wenn man die entsprechende Vorstellung des Handelnden mit einbezieht. Dennoch ist unstreitig, daß die Problematik der Erfolgsgeeignetheil aus objektiver Sicht zu bestimmen ist, damit als Bestandteil der objektiven Zurechnung angesehen werden muß.
151 152
Moos, WK § 75 Rn 15ft'. Wessels, Straftecht AT22 , S. SS.
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3. Abschnitt: Die objektive Erfolgszurechnung bei anderen Deliktsgruppen
Daß sich objektive Wld subjektive ZurechnWlg nicht immer voneinander trennen lassen, haben auch in Deutschland einige Autoren erkannt. Daraus wird allerdings ~ies im Einvernehmen mit der RechtsprechWlg des BGH- vielfach der Schluß gezogen, die objektive ErfolgszurechnWlg sei beim Vorsatzdelikt, da es hier primär auf den dolus des Täters Wld damit auf die subjektive ZurechnWlg ankäme, entbehrlich153 • Die Österreichische Lehre argwnentiert, dem oben vorgestellten Modell folgend, dagegen in umgekehrter Weise: Wenn sich objektive Wld subjektive ZurechnWlg beim Vorsatzdelikt nicht klar voneinander Wlterscheiden, dann sollte die ZurechnWlgsfrage insgesamt im objektiven Unrechtstatbestand Wld im Zusammenhang mit der objektiven ErfolgszurechnWlg gestellt werden. Diese LösWlg folgt konsequent der im Fahrlässigkeitsbereich üblichen Konzentration der ZurechnWlg auf den objektiven Unrechtsteil 154 • Soweit allerdings lediglich ein Versuch des Deliktes in Frage steht, da ein VerletzWlgserfolg von vomeherein nicht gegeben ist, kommt es zur gesamten Prüfung der UnrechtszurechnWlg, d.h. aller objektiven Wld subjektiven ZurechnWlgsmerkmale, im Zusammenhang mit dem Tatvorsatz. (3) Die Vorzüge der Lehre von Moos im Hinblick auf die AbgrefiZWlg zwischen Wltauglichem Versuch Wld Wahndelikt Darüber hinaus beinhaltet die UnrechtszurechnWlg nach der obigen Konzeption neben der bisher geschilderten Klarheit im Prüfungsaufbau sowie der gfWldsätzlich gewünschten Ökonomie in der vorgegebenen BetrachtWlgsweise weitergehende praktische Vorzüge. Soweit im Rahmen der von Moos vorgeschlagenen Prüfung des HandlWlgscharakters Mängel festzustellen sind, die gegen eine ZurechnWlg sprechen, entfällt automatisch auch der Versuch des entsprechenden Deliktes. Die UnrechtszurechnWlg beim Vorsatzdelikt ermöglicht damit gleichsam eine EntscheidWlg darüber, ob eine Strafbarkeit wegen eines Versuches näher in Betracht zu ziehen ist. Nur soweit sich die Mängel nämlich nicht auf die HandlWlg, vielmehr auf die eingangs geschilderten Probleme der objektiven ErfolgszurechnWlg beziehen, bleibt demgegenüber eine Versuchsstrafbarkeit bestehen.
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Armin Kaufmann, FS filr Jescheck, 265. Auch hier kommt ja niemand auf die Idee, die Zurechnungsfrage an die subjektive Fahrlässigkeit des Täters anknüpfen zu wollen, obwohl dies in ähnlicher Weise wie beim Vorsatzdelikt -was hätte der Täter in seiner Lage erkennen können?- möglich wäre.
D. Das vorsätzliche Delikt
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Bedeutsam wird diese Vorgehensweise vor allem in Fällen des absolut untauglichen Versuchesm. Diese sind, da der Täter sowohl in Deutschland als auch in Österreich dafUr nicht bestraft wird, vom grundsätzlich strafbaren relativ untauglichen Versuch abzugrenzen. Fällt die Abgrenzung bereits oftmals schwer, so ist es darüber hinaus bisher nicht gelungen, eine Begründung fiir die grundsätzliche Straflosigkeit des absolut untauglichen Versuchs zu erlangen. Hier wird einmal der Grundsatz »nullum crimen sine lege« zitiert156, der jedoch genausogut auch fiir den strafbaren relativ untauglichen Versuch Geltung beanspruchen kann. Auch die Argumentation, der Versuch höre auf deliktisch zu sein, wenn er auf etwas gerichtet sei, was objektiv besehen nicht unter einen bestimmten Straftatbestand fielets7, kann die Straflosigkeit nicht plausibel erklären. Denn viele Fallkonstellationen im Zusammenhang mit strafbaren untauglichen Versuchen -man denke nur an die vermeintliche Tötung einer Leiche- erfiillen objektiv nicht den Tatbestand des entsprechenden Verletzungsdeliktes. Die bisher existierenden Erklärungsversuche zielen damit allesamt eher in die Richtung -etwa vergleichbar mit dem italienischen und türkischen Strafrecht-, eine grundsätzliche Straflosigkeit von allen Arten untauglicher Versuche anzuerkennen158• Mit der geltenden Versuchskonzeption stimmen sie jedoch nicht überein. Anders dagegen könnte die Abgrenzung zwischen relativ untauglichem und absolut untauglichem Versuch nach dem Modell der Unrechtszurechnung erfolgen. Nach den oben dargestellten Grundsätzen werden nämlich alle Handlungen, die von vomeherein nicht geeignet sind, einen bestimmten Verletzungserfolg herbeizuführen, aus der weiteren Zurechnungsbetrachtung und damit auch aus der weiteren Deliktsprüftmg ausgeschieden. Handlungen dagegen, denen eine generelle Eignung zur Erfolgsherbeiführung innewohnt, bleiben demgegenüber als grundsätzlich strafwürdig erhalten, selbst wenn es nicht zu einem bestimmten Erfolg kommen sollte. Mit diesem Ansatz ist es aber möglich, zwischen straflosen und strafbaren untauglichen Versuchen zu unterscheiden. Die völlig ungeeignete und auch nicht sozialschädliche Handlung, das »Totbeten« etwa oder das Abschießen eines Flugzeuges mit einem Luftgewehr oder auch Fälschungsversuche mit einer primitiven Kopie des Originals sind, da in ihnen kein spezifischer
15 Abs. 3 öStGB. Der Täter bleibt straflos, weM »...die Vollendung der Tat...unter keinen Umstanden möglich war.« 156 Herzberg, JZ 1981, 469. 1s7 Burghardt, JuS 1980, 688. ISB So wohl im Ergebnis auch Burghardt, JuS 1980, 688. ISS§
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3. Abschnitt: Die objektive Erfolgszurechnung bei anderen Deliktsgruppen
Verletzungscharakter enthalten ist, von der Strafbarkeit auszuschließen. Anders dagegen ist der Fall des relativ untauglichen Versuchs zu beurteilen: Auch wenn im konkreten Sachverhalt die Erfolgseignung fehlt, so haftet der entsprechenden Täterhandlung doch eine grundsätzliche Verletzungsqualität an. Der Tötungsakt an einer Leiche kann nach diesem Modell damit unproblematisch als versuchter Mord bzw. Totschlag geahndet werden. Abschließend stellt sich die von Moos vorgeschlagene Unrechtszurechnung beim vorsätzlichen Delikt, die im vorliegenden Rahmen nur am Rande gestreift werden konnte, als überzeugende Lösung vieler der im Zusammenhang mit dem Vorsatzdelikt insgesamt auftretenden Zurechnungsprobleme dar. Der dogmatische Bruch, der dieser Konzeption zugrundeliegt, läßt sich -berücksichtigt man die enge Beziehung zwischen objektiven und subjektiven Zurechnungskriterien-- nicht vermeiden, bietet aber andererseits die Gewähr dafilr, daß alle die eigentliche Zurechnung beeinflussenden Faktoren, seien sie nun objektiver oder subjektiver Natur, berücksichtigt werden.
4. Abschnitt: Zusammenfassung der Ergebnisse Die objektive Erfolgszurechnung im Österreichischen Strafrecht ähnelt, was die äußeren Gegebenheiten anbelangt, der Situation im deutschen Recht.
A. Die Bedeutung und nähere Ausgestaltung der objektiven Erfolgszurechnung beim Fahrlässigkeitsdelikt in Österreich So wurden Probleme im Zusammenhang mit Fragen zur objektiven Zurechnung auch in Österreich vor allem beim Fahrlässigkeitsdelikt erörtert. Der Prüfungsaufbau und die dogmatische Einordnwtg sind in beiden Rechtsordnungen durchaus vergleichbar1• In der Sache geht es bei der objektiven Erfolgszurechnung beim Fahrlässigkeitstatbestand -genauer dem fahrlässigen Erfolgsdeliktum die Feststellung eines über die gnmdsätzlich 'POsitiv festgestellte Kausalverbindung zwischen der Täterhandlung und dem konkret im Einzelfall eingetretenen Verletzungserfolg hinausgehenden zusätzlichen normativen Konnexes zwischen dem im Täterverhalten steckenden Sorgfaltswidrigkeitsmoment -in der Regel ist dies der Verstoß gegen eine bestimmte Verhaltensnorm- und eben dem Taterfolg. Bedeutsam sind in Österreich neben den in diesem Kontext besonders häufig auftretenden Verkehrsstraftaten, die allgemein in den Industriestaaten zweifellos das Gros aller Fahrlässigkeitsverurteilungen ausmachen, Entscheidungen im Zusammenhang mit Ski- und Bergunfällen2• Den Gerichten bieten sich in diesem Bereich den Fallkonstellationen im Gefilge des Straßenverkehrs durchaus vergleichbare Sachverhaltsgestaltwtgen, die neben Fragen der allgemeinen Vorhersehbarkeit auch die weiteren Kriterien der objektiven Erfolgszurechnung in Zweifel stellen3 • Allerdings gehen die Gemeinsamkeiten von deutschem und österreichischem Strafrecht zur Zurechnwtgsproblematik über diese Gegebenheiten sowie die 1 2 3
Zum Fabrlassigkeitsdelikt im Osterreichischen Strafrecht vgl. vorne 2. Abschnitt A. Hierzu insbesondere 2. Abschnitt B m2c, cc. Wobei es sich vor allem um die Frage der Mitwirkung an der freiwilligen Selbstgefährdung anderer Personen handelt. 2. Abschnitt B m2c, cc.
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4. Abschnitt: Zusammenfassung der Ergebnisse
Grobeinteilung in mehrere Zurechnungskriterien, unter ihnen allgemeine Vorhersehbarkeit und Rechtswidrigkeits- bzw. Risikozusammenhang, nicht hinaus. Bereits die genaue Bezeichnung der Merkmale einer objektiven Erfolgszurechnung weicht im Nachbarland von dem im deutschen Recht allgemein bekannten Modell ab. In Österreich herrscht -dies wird sowohl von der Österreichischen Rechtsprechung als auch der Literatur unstreitig angenommen- eine strenge Dreiteilung der Zurechnungsbestandteile in allgemeine Vorhersehbarkeit, Rechts- (später Risiko-)zusammenhang und Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens vor". Die einzelnen Zurechnungsmerkmale werden auch, dies läßt sich an den entsprechenden Gerichtsentscheidungen sehr gut nachvollziehen', nach dieser Aufzählung in den kritischen Fallgestaltungen der Reihe nach abgearbeitet.
8. Zur Beurteilung der einzelnen Zurechnungskriterien Dabei ist besonders bedeutsam die Akzentuierung, die Judikatur und Lehre im Österreichischen Strafrecht den jeweiligen Zurechnungsgesichtpunkten beimessen. 1. Die Vorhersehbarkeitsfrage Vergleichbar mit der Lage im deutschen Recht kommt dem ersten Zurechnungsmerkmal, der Frage der objektiven Vorhersehbarkeit des konkreten Erfolges sowie des zu diesem Erfolg führenden Kausalverlaufes im einzelnen, im Gefiige der objektiven Erfolgszurechnung keine überragende Stellung zu. Zwar leiten nahezu alle Gerichtsentscheidungen, die der Frage des Vorliegens eines normativen Zurechnungszusammenhanges nachgehen, ihre Überlegungen mit einer Erörterung der Vorhersehbarkeit von Erfolg und Kausalverlauf ein. Jedoch wird die allgemeine Vorhersehbarkeit diesbezüglich nur in atypischen Fallgestaltungen, erinnert sei an die zwei von den Gerichten entschiedenen Gasbrandflille6, verneint. Fast alle Urteile gelangen daher über die erste Hürde der Zurechnungsprüfi.mg mit Leichtigkeit hinaus7• Dieses Ergebnis wird von der Österreichischen Literatur im übrigen ebenfalls nicht näher in Frage gestellt'.
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6 7
8
2. Abschnitt B D. Vgl. 2. Abschnitt B m. OGH, SSt 46, Nr. 67 und OLG Wien, ZVR 1981, Nr. 176. 2. Abschnitt B m1b. 2. Abschnitt B m1a.
B. Zur Beurteilung der einzelnen Zurechnungskriterien
249
2. Der Rechtswidrigkeits- oder Risikozusammenhang In den MittelpWlkt der Österreichischen Zurechnungsüberlegungen tritt damit die zweite Stufe der objektiven Erfolgszurechnung, der Rechtswidrigkeits- bzw. Risikozusammenhang. An dieser Stelle wird einmal näher erläutert, inwieweit ein spezieller Taterfolg vom Schutzzweck der übertretenen Sorgfaltspflicht überhaupt erfaßt wurde. In vielen Fällen des Straßenverkehrs, jedoch auch des Ski- und Bergrechts ist diese Frage nicht ohne weiteres zu beantworten. Vor allem ist in diesem Zusammenhang darauf zu achten, daß eine über die zuvor erfolgte Vorhersehbarkeitsprüfung hinausgehende Erörterung des Risikozusammenhanges erfolgt. Soweit nämlich nur nach den allgemein vorhersehbaren Folgen im ZeitpWlkt der Übertretung einer bestimmten Sorgfaltsnorm gefragt wird, der konkret eingetretene Verletzungserfolg aber nicht näher in die Zurechnungsbetrachtungen einbezogen wird, findet eine an dieser Stelle wenig brauchbare Verkürzung des Risikourteils statt9•
Darüber hinaus wird -dies allerdings erst seit der Einfiihrung des öStGB im Jahr 1975 und wohl nicht unwesentlich beeinflußt von der zu diesem ZeitpWlkt erschienenen Monographie Burgstallers zum Fahrlässigkeitsdelikt- der erweiterte Risikozusammenhang von der Österreichischen Rechtsprechung problematisiert. Die Literatur hat als AnhaltspWlkt hierfiir bestimmte Fallgruppen der Abgrenzung von Risikosphären entwickelt. Diese reichen von der Thematik der Folgeunfälle 10, der Verletzungsfolgen beim Eingreifen von Rettern•• sowie den Verfolger-Fällen12 über Fallkonstellationen der Mitwirkung an der freiwilligen Selbstgefiihrdung anderer Personen13, bis zum nachträglichen Fehlverhalten des Verletzten selbst oder eines Dritten14 und verwandten Sachverhaltsgestaltun· gen•s. Die differenzierende Beurteilung der einzelnen Themenkomplexe im Zusammenhang mit dem erweiterten Risikozusammenhang zeigt bereits, daß es sich hier nach der Österreichischen Zurechnungskonzeption um das eigentliche Kernstück der Zurechnungsbetrachtungen handelt. Dabei hat sich -dies wird bei der Durchsicht der Beiträge österreichischer Autoren aber auch der Rechtsprechung zu zweifelhaften Fragen überaus deutlich- eine beachtliche Dogmatik in diesem Bereich entwickelt. Diese ist gekennzeichnet von den Bemühungen, die
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12 13 14 IS
Hierzu vorne 2. Abschnitt B m2b, cc (3). 2. Abschnitt B m 2c, aa. 2. Abschnitt B m2c, bb. 2. Abschnitt B ill 2c, cc. 2. Abschnitt B ill 2c, dd 2. Abschnitt B m 2c, ee. 2. Abschnitt B m 2c, ff.
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4. Abschnitt: Zusammenfassung der Ergebnisse
Besonderheiten der jeweiligen Fallkonstellationen vor dem Hintergrund des geltenden ZurechnWtgsmodells wnfassend zu berücksichtigen. In der Praxis bedeutet dies, daß im Mittelpunkt die Frage nach einer möglichen UnterbrechWlg des ZurechnWtgszusammenhanges steht. Beim Dazwischentreten dritter Personen oder des Opfers selbst wird die EntscheidWlg, inwieweit eine solche UnterbrechWlg angenommen werden kann, dabei weniger von der Bedeutung, die der Zwischenakt filr den tatsächlich eingetretenen Verletzungserfolg hatte, abhängig gemacht, als davon, welches Maß an Verschulden den Dazwischentretenden trifft. In AnlehnWlg an die frOher geltende Lehre von der UnterbrechWlg des Kausalverlaufs wird beim vorsätzlichen, jedoch auch bereits beim grob fahrlässigen Eingreifen im Ergebnis sowohl von der Österreichischen RechtsprechWlg als auch der Literatur eine UnterbrechWlg des ZurechnWtgszusammenhanges angenommen16• Soweit ein von außen herantretender Umstand oder andere Faktoren, wie etwa die Prädisposition des Opfers, die Frage nach dem Vorliegen des Risikozusammenhanges aufwerfen, findet demgegenüber eine BeurteilWtg nach allgemeinen Lebensrisiken statt17• Insgesamt zeigt die nähere Betrachtung des Risikozusammenhanges im Österreichischen Recht wenig Älmlichkeiten mit der BehandlWlg der Frage in Deutschland. So wurde festgestellt, daß bereits die konkrete BezeichnWlg des ZurechnWtgskriteriums nicht übereinstimmt. Zwar existiert der Begriff Rechtswidrigkeits- oder Risikozusammenhang auch in der BWtdesrepublik Wld wird im Zusammenhang mit der objektiven ErfolgszurechnWlg verwendet. Jedoch ist damit im deutschen Strafrecht in der Regel die BeurteilWlg des Einwands vom rechtmäßigen Alternativverhalten gemeint. Die Problematik des Schutzzwecks der verletzten Sorgfaltsnorm sowie die ErweitermtgsflUle im Gefiige der notwendigen Abgrenzung von Risikosphären zueinander, was genauer bedeutet, die grundsätzliche Reichweite des jeweiligen Fahrlässigkeitstatbestandes festzulegen, wird in Deutschland fast ausnahmslos im Zusammenhang mit der zur allesüberragenden Problematik avancierten Thematik in VerbindWlg mit dem Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens erörtert. Dies fiihrt zu erheblichen Problemen, man betrachte sich nur die gerichtliche BeurteilWlg des bereits legendären Myokarditis-Falles18, der durch das Gericht allein aufgrund von Überlegungen zum rechtmäßigen Alternativverhalten gelöst wurde. Aus heutiger Sicht ist der Fall dagegen im Lichte von Schtutzzwecküberlegungen zu sehen. Auch in vielen Fallgestaltungen neueren Datums werden Schutzzweckfragen einfach übergangen, da sie in die Betrachtungen zum rechtmäßigen Alternativverhalten eingebaut, oftmals darin Wtterge-
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2. Abschnitt B m2c, aa - ee. 2. Abschnitt B ill 2c, ff. BGHSt21, 49.
B. Zur Beurteilung der einzelnen Zurechnungskriterien
251
hen. Das Österreichische Strafrecht stellt sich an dieser Stelle als die sehr viel konsequentere Lösung dar. 3. Der Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens
Erst in einem dritten Schritt wird hier, nachdem die Vorhersehbarkeitsfrage positiv beantwortet und der Risikozusammenhang bejaht wurde, die Problematik des rechtmäßigen Alternativverhaltens näher erläutert. Die Überlegungen können sich in diesem Zusammenhang, da alle weiteren Zurechnungsfragen bis hierher geklärt sind, auf die eigentliche Fragestellung beim rechtmäßigen Alternativverhalten beziehen: Ersetzt man das pflichtwidrige Verhalten des Täters durch ein sorgfaltsgemäßes, würde dann der konkrete Verletzungserfolg entfallen oder bestehenbleiben? Dieser Bestandteil objektiver Zurechnungsüberlegungen in Österreich ist fiir den deutschen Betrachter besonders interessant. Denn im Ergebnis verwenden Rechtsprechung und Lehre in Österreich nahezu einhellig die in der Bundesrepublik seit Jahren umstrittene Risikoerhöhungslehre als Zurechnungsmaßstab fiir das rechtmäßige Alternativverhalten. Im Gegensatz zu der seit BGHSt 11,1 von der deutschen Judikaturangewandten sogenannten VermeidbarkeitsformeP9 wird damit in Österreich die filr die Beurteilung der Zurechnung zur Herstellung einer Vergleichsgrundlage aufzuwerfende Frage, inwieweit ein denkbares rechtmäßiges Verhalten des Täters den Erfolg in einer mit der tatsächlich vorgenommenen pflichtwidrigen Täterhandlung vergleichbaren Weise verursacht hätte, an andere Beurteilungskriterien gekoppelt, die leichter eine Zurechnung des pflichtwidrigen Täterverhaltens zum eingetretenen Verletzungserfolg ermöglichen: Nur dann, wenn sich ex post betrachtet das Risiko des Erfolgseintrittes auf Seiten des Opfers im Falle des sorgfaltsgemäßen Verhaltens vergleichbar darstellt, also nicht wesentlich verringert würde, soll eine objektive Zurechnung in einem konkret zur Entscheidung anstehenden Sachverhalt insgesamt verneint werden20• Die nähere Analyse der Behandlung des Zurechnungsproblems im Zusammenhang mit dem rechtmäßigen Alternativverhalten und dies nach den Grundsätzen der Risikoerhöhungstheorie hat dabei ergeben, daß die Risikoerhöhungsformel in allen kritischen Fällen angewendet wird. Dies vor allem im Straßenverkehr und im Ski- und Bergrecht21 , jedoch auch im Zusammenhang mit arztrechtlichen Fallgestaltungen22 • In letzteren kommen die Merkmale der 19 20
21 22
2. Abschnitt B m3a, aa. 2. Abschnitt B m3b, aa. 2. Abschnitt B m 3b, cc und dd (6). 2. Abschnitt B m 4.
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4. Abschnitt: Zusanunenfassung der Ergebnisse
Betrachtwlg nach Risikoerhöhungsgesichtspunkten besonders zwn Tragen, geht es doch in den kritischen Fallkonstellationen oftmals darum, eine Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines inkriminierten Verletzungserfolges bei sorgfaltsgemäßem Täterverhalten nach Prozentpunkten zu bestimmen. Die Anwendung der Risikoerhöhungslehre wirkt sich in diesem Bereich mathematisch aus. Soweit das Risiko für den Erfolgseintritt durch die festgestellte sorgfaltswidrige Täterhandlung wn 50% oder mehr über demselben Risiko im Falle eines hinzugedachten pflichtgemäßen Verhalten liegt, wird die Zurechnung angenommen. Anders würden diese Sachverhaltgestaltwlgen dagegen nach der in Deutschland vorherrschenden Zurechnungslehre der mit an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit beurteilt; hier muß, wn die Voraussetzungen für das Vorliegen einer Zurechnung anzunehmen, feststehen, daß der Erfolgseintritt bei rechtmäßigem Alternativverhalten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eingetreten wäre23 • Die Anwendung der Risikoerhöhungslehre wirkt sich in diesem konkreten Beispiel damit in einer Größenordnung von ungefahr 35-50% strenger aus. Daß dennoch kawn Fälle der strafrechtlichen Verurteilung von Ärzten nach Maßgabe der Risikoerhöhungslehre in Österreich existieren, hat andere Gründe. Hier ist einmal das sogenannte »Ärzteprivileg«, das sich auf die gesamte Einstellung zur Fahrlässigkeitsstrafbarkeit im Bereich der ärztlichen Kunstfehler auswirkt, nicht unberücksichtigt zu lassen24 • Maßgeblich dürfte aber sein, daß es in den meisten Fallgestaltwlgen, vor allem denjenigen, denen bereits ein hohes Ausgangsrisiko zugrundeliegt, schon an verläßlichem Zahlenmaterial fehlt. Risikoerhöhungsüberlegungen müssen daher bereits aufgrund der nicht vorhandenen zuverlässigen rechnerischen Grundlage entfallen. So wie in Deutschland sind auch in Österreich Fallgestaltwlgen mit unsicherem Grundlagenmaterial »in dubio pro reo« zu entscheiden. Die in der Praxis am häufigsten auftretenden Situationen, in denen die Anwendung des Risikoerhöhungsmodells relevant wird, sind demgemäß solche im Zusammenhang mit Unfällen des Straßenverkehrs. Hier wirkt sich die Zurechnung durch die Österreichische Rechtsprechung und Lehre auch am eklatantesten aus. Der in BGHSt 11,1 mit einem Freispruch endende Radfahrerfall hätte wohl nach der Österreichischen Konzeption -die in Verkehrssituationen mit klar nachgewiesenen Verkehrsverstöße von der ex ante stets gegebenen Gefahrerhöhung gegenüber rechtmäßigem Alternativverhalten stark beeinflußt wird- zu einer Verurteilung wegen fahrlässiger Tötwlg (die Gefahr, unter den LKW zu kommen war -auch unter Zugrundelegung der Trunkenheit des Radfahrers
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2. Abschnitt B ill 4c, cc. 2. Abschnitt B ill 4c.
B. Zur Beurteilung der einzelnen Zurechnungskriterien
253
beurteilt- höher zu veranschlagen, wenn der Lastwagen in geringerem als dem vorgeschriebenen Seitenabstand überholte) führen müssen. Zu fragen bleibt, ob eine derartig strenge Behandlung der Problematik gerechtfertigt werden kann. Der Österreichischen Judikatur und Lehre stand hier bis zur Gesetzesänderung im Jahr 1975 das öStG zur Seite, das eine Zurechnung nach Gefahrerhöhungsgesichtspunkten in den mit der heutigen fahrlässigen Tötung und fahrlässigen Körperverletztmg vergleichbaren Delikten ja sogar im Wortlaut der entsprechenden Normen vorsah25 • Mit der Einführung des öStGB wurde es den Gerichten und der Begleitforschung allerdings freigestellt, eine eigene Zurechnungskonzeption, etwa angelehnt an die Behandlung der Thematik in der Bundesrepublik, zu entwickeln. Daß dies nicht geschah, vielmehr die bisherige Rechtsprechung mit leichten Korrekturen und einer genaueren dogmatischen Durchdringung, jedoch im Grundsatz unbestritten, beibehalten wurde, kann nur zum Teil mit der angestrebten Rechtssicherheit erklärt werden. Vielmehr hat sich, so die Auffassung in der Österreichischen Rechtsprechung und Literatur, das bisher entwickelte Zurechnungsmodell bewährt. Dun wird vor allem zugutegehalten, daß damit eine kriminalpolitisch zufriedenstellende Lösung der kritischen Fallgestaltungen ermöglicht wird. Unbefriedigend bleibt demgegenüber die dogmatische Begründung für den Risikoerhöhungsansatz. Weder die Judikatur noch die herrschende Lehre kann die in Deutschland sehr ernst genommenen Argumente, die gegen die Anwendung des Risikoerhöhungsmodells ins Feld gefiihrt werden, entkräften. Allerdings hat es nicht den Anschein, als würden sich die Gerichte oder auch die Autoren große Mühe mit der Zerstreuung der Bedenken gegen die Konzeption der Risikoerhöhungslehre geben. Dem Argument der im Ergebnis zufriedenstellend, da »gerecht« entschiedenen Fälle wird -dies oftmals mit einem kritischen Seitenblick auf bedenkliche bzw. schwer nachvollziehbare Entscheidungen der deutschen Gerichte, die die Anwendung der Vermeidbarkeitslehre nicht immer konsequent durchhalten können oder wollen26- hier die alleinige und allesüberragende Bedeutung beigemessen27 •
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2. Absclmitt B m3b, bb. 2. Absclmitt B m3a 2. Absclmitt B m3b, dd.
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4. Abschnitt: ZusammenfassWlg der Ergebnisse
C. Abschließende Beurteilung des Standes der Österreichischen Zurechnungslehre beim Fahrlässigkeitsdelikt Im Ergebnis stellt sich die objektive Erfolgszurechnung beim Fahrlässigkeitsdelikt in Österreich damit als recht sicherer Faktor dar. Im Gegensatz zum deutschen Recht findet eine genau festgelegte und von den einzelnen Autoren näher ausgestaltete Zurechnungsprüfung statt, an die sich die Gerichte in den entscheidenden Fällen im wesentlichen halten. Dies wird sicherlich begünstigt durch den das Österreichische Strafrecht in diesem komplexen Bereich kennzeichnenden weitgehenden Konsens zwischen Literatur und Rechtsprechung. Nach außen hin bietet sich dem Betrachter, jedoch auch dem Betroffenen, hier ein einheitliches und recht übersichtliches Bild der Zurechnung beim Fahrlässigkeitsdelikt, das in Deutschland in dieser Form unbekannt ist.
Allerdings fallen die Nachteile einer solch gefestigten Problembewältigung, in der wenig Bewegung auszumachen ist, ins Auge, wenn man nach dogmatischen Untermauerungen der Beurteilungskriterien sucht. Die lange Tradition aber auch die fehlende Kritik führen wohl dazu, diesen für das deutsche Recht sehr bedeutsamen Aspekt bei der Rechtsanwendung -vor allem, wenn es sich um einen solch sensiblen Bereich wie das Strafrecht handelt- auszublenden. An dieser Stelle soll keine Lanze für die deutsche Rechtswissenschaft gebrochen werden; die aus dem Ausland übermittelte Kritik an der deutschen Gründlichkeit ist bekannt. Unbefriedigend bleiben jedoch -insbesondere im Hinblick auf die Anwendung der Risikoerhöhungslehre beim Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens- in Österreich etliche Fragen der dogmatischen Absicherung des Zurechnungsmodells offen28 •
D. Die Häufigkeit von Fahrlässigkeitsverurteilungen im deutsch-österreichischen Vergleich Inwieweit die streng vorgegebene Zurechnungsprüfung vor allem im Hinblick auf die Behandlung des rechtmäßigen Alternativverhaltens-Einwands unmittelbare Auswirkungen auf die Verurteiltenquote zeigt, kann an dieser Stelle nicht endgültig entschieden werden. Tatsache ist jedoch -vergleicht man die Verurteilungen wegen fahrlässiger Tötung bzw. fahrlässiger Körperverletzung in Deutschland und Österreich-, daß in Österreich sehr viel mehr Straftaten, gemessen an der Bevölkerungszahl, zur Aburteilung gelangen.
28
Vgl. im 2. Abschnitt B ID 3b, dd.
D. Die Häufigkeit von Fahrlässigkeitsverurteilungen
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Im Jahr 1990 kam es in Deutschland29 zu insgesamt 2.736 Verurteilwtgen wegen fahrlässiger TötWlg (davon 2.380 im Strassenverkehr) wtd zu 57.607 Verurteilwtgen wegen fahrlässiger Körperverletzung (davon 52.443 im Strassenverkehr). Gemessen an der strafmündigen Bevölkerwtg (53.841.100 auf dem Gebiet der alten Bwtdesrepublik) ergibt sich damit eine Verurteiltenziffer von 112,07 auf je 100.000 Einwohner0 • In Österreich kam es im selben Jahr zu 668 Verurteilwtgen wegen fahrlässiger TötWlg (d.h. §§ 80, 81 öStGB) wtd zu 18.209 Verurteilwtgen wegen fahrlässiger Körperverletzung. Im Verhältnis zur strafmündigen Bevölkerwtg (im Jahr 1990 waren dies 6.374.693 Personen31 ) bedeutet dies eine Verurteilwtgsquote von 296,12 auf 100.000 Einwohner2• Die BelastWlg mit Verurteilwtgen wegen der beiden bedeutsamsten fahrlässigen Erfolgsdelikte ist damit in Österreich ca. 2,5 mal so hoch wie in der Bwtdesrepublik.
Aus diesem Ergebnis eine Wlmittelbare Auswirkoog der Zurechnwtgsbeurteilwtg auf die Häufigkeit der Verurteilwtgen im Fahrlässigkeitsbereich schliessen zu wollen, wäre sicherlich verfehlt. Dafiir sind Deutschland wtd Österreich von ihrer Demographie her bereits zu wtterschiedlich. Ein kleines Land wie Österreich mag z.B. einen besser funktionierenden Ermittlwtgs- wtd Justizapparat besitzen, dies kann sich wesentlich auf die Ermittlwtgsdichte wtd schließlich auch auf die Verurteiltenziffer auswirken. Auch eine wtterschiedliche Handhabwtg von Verfahrenseinstellwtgen mag hier Einfluß nehmen. Hinzukommt, daß Österreich ein klassisches Urlaubsland darstellt, die Fahrlässigkeitsverurteilwtgen aber -wie die Aufteilwtg in der deutschen Verurteiltenstatistik zeigthauptsächlich im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr stattfinden. Insgesamt kann nicht ausgeschlossen werden, daß sich wtter den in der Österreichischen Kriminalstatistik ausgewiesenen Verurteilwtgen überproportional viele ausländische Täter, als durch-, an- oder herumreisende Touristen, befinden. Eine entscheidende Rolle im Zusammenhang mit den registrierten Fahrlässigkeitsdelikten dürfte außerdem die Konstruktion der Fahrlässigkeitstatbestände als Offizialdelikte im Österreichischen Strafrecht spielen. Dennoch weisen die eindeutigen Zahlen in die RichtWlg einer schärferen Gangart der Österreichischen Gerichte, was die Behandlwtg von Fahrlässigkeitsstrafbarkeiten anbelangt. Soweit man die Österreichische Zurechnwtgskonzeption als die wegen ihrer Klarheit wtd Verläßlichkeit überzeugendere Behandlwtg der Materie ansieht, sollte dieser Aspekt, der im übrigen auch die Kritiker
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Die Zahlen beziehen sich auf die alten BundesHinder. Quelle: Statistisches Bundesamt. Rechtspflege. Reihe 3. Strafverfolgung. 1990. Wiesbaden 1992. Quelle: Statistisches Handbuch fllr die Republik Österreich. Wien 1991. Quelle: Gerichtliche Kriminalstatistik fllr das Jahr 1990. Wien 1991.
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4. Abschnitt: ZusammenfassWlg der Ergebnisse
der Risikoerhöhungslehre unterstützen dürfte, nicht aus den Augen verloren werden.
E. Zurechnungsprobleme außerhalb des fahrlässigen Erfolgsdeliktes Die Problematik der objektiven Zurechnung wird nicht nur beim fahrlässigen Erfolgsdelikt, sondern auch bei anderen Deliktsarten, die nur teilweise mit dem Fahrlässigkeitstatbestand verwandt sind, relevant. Dies ist in Österreich nicht anders als in der Bundesrepublik, jedoch haben die Österreichische Lehre und Rechtsprechung außerhalb der besonders relevanten Frage der Zurechnung im Zusammenhang mit dem Fahrlässigkeitsdelikt eine differenzierte Beurteilungspraxis entwickelt.
1. Die erfolgsqualifiZierten Tatbestände Bei den erfolgsqualifizierten Tatbeständen33 wird neuerdings streng zwischen der Behandlung der eigentlichen Zurechnungsprobleme und der Problematik, welche Voraussetzungen an das Vorliegen des Sorgfaltswidrigkeitselements zu stellen sind, differenziert. Beim erfolgsqualifizierten Delikt wird in bezug auf den letzten Problemaspekt insbesondere die Frage relevant, ob eine vorsätzliche (in Österreich auch fahrlässige) Begehung des Grunddeliktes ausreicht, um per se eine Pflichtwidrigkeit hinsichtlich einer eingetretenen schweren Verletzungsfolge herzuleiten. Daß dies nicht in jedem Fall so ist, vielmehr gesondert geprüft werden muß, ob es sich in der vorliegenden Fallgestaltung um eine konkret erfolgsspezifische Sorgfaltswidrigkeit handelt, wurde von der Judikatur und Literatur in Österreich bereits früh erkannt. Allerdings wurde die Thematik lange Zeit im Zusammenhang mit der objektiven Zurechnung erläutert34• Erst in den letzten Jahren hat die Rechtsprechung und ihr folgend auch die herrschende Lehre erkannt, daß es sich hierbei um ein Problem im Zusammenhang mit dem Merkmal der Sorgfaltspflichtverletzung handelt, die aber von der weiteren Frage der objektiven Erfolgszurechnung streng zu trennen ist35• Erst wenn das spezifische Pflichtwidrigkeitsmerkmal festgestellt wurde, kommt es zur Prüfung der Zurechnungskriterien. Hier ist zu fragen, ob das ex
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3. Abschnitt A. 3. Abschnitt A li 1. 3. Abschnitt A li.
E. Zurechnungsprobleme außerhalb
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ante als sorgfaltswidrig in bezug auf die konkret eingetretene Tatfolge erkannte Täterverhalten der Zurechnungserörterung ex post standhält. In Fällen atypischer Kausalverläufe oder beim Aufeinandertreffen verschiedener Risikosphären muß die Zurechnung nach den bekannten Kriterien konsequent verneint werden. 2. Delikte mit besonders gefährlichen Verhaltensweisen
Eine eng mit den erfolgsqualifizierten Tatbeständen verwandte Spezialität des Österreichischen Strafrechts stellen die sogenannten Delikte mit besonders geilihrliehen Verhaltensweisen daf6 • Im Gegensatz zur Erfolgsqualifikation, die ihren gegenüber dem Grunddelikt verschärften Strafrahmen aus der besonders schweren Taterfolg ableitet, knüpfen die Delikte mit besonders gefahrliehen Verhaltenweisen an das Täterverhalten an, das gegenüber der »typischen« Sorgfaltswidrigkeit ein besonders stark ausgeprägtes Pflichtwidrigkeitsmerkmal enthält37• Dieses Relikt aus dem früheren öStG wird in Österreich vielfach kritisiert. Die vorangegangene Analyse des Deliktstypes hat im Einklang mit den vorgebrachten Kritikpunkten dessen Notwendigkeit im geltenden Österreichischen Strafrechtssystem nicht belegen können. Eine geringfügige Strafrahmenerweiterung bei den fahrlässigen Grunddelikten sowie die Einführung von -etwa dem deutschen Strafrecht vergleichbaren- Straftatbeständen der Gefahrdung und Trunkenheit im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr und anderen unfallträchtigen Bereichen wäre im Ergebnis viel eher dazu geeignet, das postulierte Sanktionierungsziel zu erreichen38• Auf diesem Wege könnte man auch den vielfältigen Zurechnungsproblemen entgehen, die sich insbesondere im Zusammenang mit dieser Deliktsart stellen und die bis heute weder von der Österreichischen Rechtsprechung noch von der Literatur befriedigend bewältigt werden können. So stellt sich bei den Delikten mit besonders geilihrliehen Verhaltensweisen die umstrittene Frage, inwieweit gerade diese besonders geilihrliehe Verhaltensweise mit dem eingetretenen Verletzungserfolg im Zurechnungszusammenhang stehen muß. Im Falle der zur eigentlichen pflichtwidrigen Täterhandlungen hinzukommenden besonders gefahrliehen Verhältnisse (§ 81 Ziff. 1 öStGB) wird neuerdings eine objektive Erfolgszurechnung auch in bezug auf eben diese besonde-
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3. Abschnitt B. 3. Abschnitt BI. 3. Abschnitt B I.
17 Reitmaier
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4. Abschnitt: Zusammenfassung der Ergebnisse
ren Verhältnisse gefordert39• Anders dagegen bei der Berauschung (§ 81 Ziff. 2 öStGB). Soweit zu einer Sorgfaltswidrigkeit des Täters ein Rauschzustand hinzukommt, reicht dies -so die Österreichische Rechtsprechung und die herrschende Lehre- aus, um den erhöhten Strafrahmen des§ 81 öStGB zu rechtfertigen. Die Berauschung des Täters stellt damit quasi eine objektive Strafbarkeitsbedingung im Gefüge der Qualifikation des § 81 öStGB ~. Die widersprüchliche Behandlung der Zurechmmgsfrage bei § 81 Ziff. 1 öStGB und§ 81 Ziff. 2 öStGB kann weder von der Rechtsprechung noch von der Literatur in Österreich zufriedenstellend begründet werden41 • Im Ergebnis erscheint damit aber über die Beurteilung der objektiven Erfolgszurechnung in diesem Bereich hinausgehend, die gesamte Deliktskonstruktion fragwürdig. 3. Vorsitzliehe und fahrlässige Unterlassungstatbestände Die Zurechnungsproblematik stellt sich bekannterweise auch beim -vorsätzlichen sowie fahrlässigen- Unterlassungsdelikt, hier allerdings bereits im Rahmen der Kausalitätsbegründung. In diesem Bereich zeigt sich die Österreichische Problembewältigung als konsequent, im Ergebnis zudem bemerkenswert42 • Vom Standpunkt ausgehend, daß die Risikoerhöhungslehre als Maßstab für die Behandlung des Einwands eines rechtmäßigen Alternativverhaltens eine reine Zurechnungskonzeption sei, wenden Rechtsprechung und Literatur in Österreich durchgängig im Zusammenhang mit der Kausalitätsfeststellung beim Unterlassungsdelikt die sogenannte Vermeidbarkeitslehre und damit das im gesamten Zurechnungsbereich von der deutschen Judikatur vertretene Zurechnungsmodell an. Im Gegensatz zur übrigen Beurteilung des rechtmäßigen Alternativverhaltens wird damit beim Unterlassungsdelikt vorausgesetzt, daß feststehen muß, daß das gebotene Tun nicht hinzugedacht werden kann, ohne daß der konkret eingetretene Verletzungserfolg mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit entfiele43 • Nur in diesem Fall kann die (Quasi-) Kausalbeziehung bejaht werden. Damit wird beim Unterlassungsdelikt ein sehr viel täterfreundlicherer Maßstab die Frage der Berücksichtigung des gebotenen Tuns betreffend angewendet, als dies in der vergleichbaren Situation der Berücksichtigung des Einwan-
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3. Abschnitt B D 3a 3. Abschnitt B D 3b. 3. Abschnitt B D 4. 3. Abschnitt C. 3. Abschnitt CI.
E. Zurechnungsprobleme außerhalb
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des vom rechtmäßigen Alternativverhalten beim fahrlässigen Erfolgsdelikt und verwandten Tatbeständen der Fall ist. Um eine gewisse Rechtssicherheit bezüglich des anzuwendenden Zurechnungsmaßstabes -von dem nicht selten überhaupt die Verurteilung des Täters abhängt- zu schaffen, ist eine klare Abgrenzung zwischen Tun und Unterlassen, dies vor allem bei den sogenannten mehrdeutigen Verhaltensweisen, notwendig. Rechtsprechung und Lehre in Österreich gehen in diesem Zusammenhang vom »Primat des positiven Tuns« aus"". Soweit in irgendeiner Weise ein Handeln des Täters festzustellen ist, wird damit -von einigen Ausnahmen abgesehen- ein Begehungsdelikt angenommen. Auf das Unterlassungsdelikt bezogen formuliert bedeutet dies, daß in Österreich eine Unterlassungstäterschaft nur dann vorliegt, wenn der betreffenden Person tatsächlich lediglich ein Nichtstun zum Vorwwf gemacht werden kann. Auf der deutschen Behandlung der Thematik vergleichbare Überlegungen zum »Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit« lassen sich Rechtsprechung und Literatur in Österreich dagegen nicht ein. Die Anzahl der Unterlassungsdelikte in der Österreichischen Praxis vermindert sich damit erheblich. Über die in den meisten Sachverhaltsgestaltungen notwendige Abgrenzung des Tuns vom Unterlassen wurde somit ein Korrektiv zur Verhinderung der Ausweitung von Kausalitätsbeurteilungen nach Maßgabe der oben beschriebenen V ermeidbarkeitstheorie geschaffen.
4. Vorsatzdelikte Schließlich wird die Problematik der objektiven Erfolgszurechnung auch beim Vorsatzdelikt akut. Hier lassen sich, zwar in vermindertem Umfang, jedoch durchaus denkbar, dem Fahrlässigkeitsdelikt vergleichbare Fallkonstellationen finden, die eine konkrete Zurechnungsbeurteilung erfordern45•
In Österreich hat sich in der Literatur in diesem Zusammenhang ein Ansatz, der eine umfassende Unrechtszurechnungsprüfung vorsieht, entwickelt. Über die Erfolgszurechnung hinausgehend soll beim Vorsatzdelikt das Handlungsunrecht mit einbezogen werden, d.h. zusätzlich stehen in diesem Bereich Fragen der Quantität und Qualität der Täterhandlung sowie willensbezogene Handlungsfragen zur Diskussion46• Damit erklärt sich, weshalb dieses weitgreifende Zurechnungsmodell gerade vor dem Hintergrund des vorsätzlichen Deliktes entwickelt wurde. Denn hier ist es nicht zuletzt der voluntative und kognitive
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!7•
3. Abschnitt C ll 2. 3. Abschnitt D I. 3. Abschnitt D ll 2.
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4. Abschnitt: Zusammenfassung der Ergebnisse
Tätervorsatz -was hat der Täter in seiner konkreten Situation gewollt und tatsächlich erkannt?-, der die Zurechnung bestimmt. Dogmatisch erscheint die angestrebte Unrechtszurechnung nicht ganz sauber, werden doch subjektive Kriterien im Zusammenhang mit der objektiven Erfolgszurechnung beim Vorsatzdelikt erörtert. Allerdings zeigt die bisherige Behandlung der Problematik nicht nur in Österreich, sondern auch in der Bundesrepublik, daß es schwierig ist, in diesem Zusammenhang objektive und subjektive Zurechnungsmerkmale auseinanderzuhalten47• Demgegenüber beinhaltet der umfangreiche Zurechnungsvorschlag Vorteile in bezug auf die Abgrenzung des untauglichen Versuches vom Wahndelikt. Mit Hilfe der Überlegungen zur Handlungsqualität -war das konkrete Täterverhalten grundsätzlich geeignet, einen Erfolg der vorliegenden Art hervorzurufen?- ist eine plausible Entscheidung zwischen straflosem absolut untauglichem Versuch und strafbarem relativ untauglichem Versuch möglich48• Im Ergebnis stellt sich die Unrechtszurechnung beim ·Vorsatzdelikt damit als brauchbarer Ansatz zur Bewältigung der Problematik dar.
F. Schlußbemerkung: Können von der Österreichischen Zurechnungskonzeption Impulse für die Behandlung der Thematik in der Bundesrepublik ausgehen? Die Österreichische Position scheint auf den ersten Blick bei der Behandlung der einzelnen Zurechnungsprobleme vor allem beim fahrlässigen Erfolgsdelikt, jedoch auch darüber hinausgehend, gegenüber der Beurteilung der Thematik durch die deutschen Gerichte und Strafrechtswissenschaftler erhebliche Vorteile in sich zu vereinigen. So besticht vor allem die klare Auf- und Untergliederung der jeweiligen Merkmale im Rahmen der Erläuterungen zur objektiven Erfolgszurechnung. Die fast in allen Punkten festzustellende einmütige Problembewältigung durch Rechtsprechung und Literatur in Österreich trägt ein übriges zu dem geordneten Bild, als das sich die Zurechnungskonzeption insgesamt darstellt, bei. Dem deutschen Betrachter, der gerade im Zurechnungsbereich in der Bundesrepublik von einer Veröffentlichungsflut mit den unterschiedlichsten Ansätzen nahezu erschlagen, darüber hinaus von vielfach kritisierten Gerichtsentscheidungen in bezug auf die Lösung von Problemen im Zusammenhang mit der objektiven
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3. Abschnitt D Il I. 3. Abschnitt D Il2c.
F. Schlußbemerkung
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Erfolgszurechnwtg venmsichert wird, erscheinen die Verhältnisse im Nachbarland Österreich in diesem Bereich nahezu ideal. Die nähere BetrachtWlg der Behandhmg strittiger Zurechnwtgsfragen durch die Österreichische Rechtsprechwtg wtd Literatur relativiert diesen ersten überaus positiven Eindruck jedoch erheblich. Die Gefahr wtverständlicher wtd kaum nachvollziehbarer Urteile kann auch in Österreich nicht völlig ausgeschlossen werden. Trotz der einheitlichen Vorgaben im Zurechnwtgsbereich lassen sich immer wieder Entscheidwtgen finden, die eklatant von den allgemeinen Grwtdsätzen abweichen. Daneben scheint die wenig ausgeprägte dogmatische Untermauerwtg der Beurteilwtgskriterien durch die Österreichische Literatur wtd Rechtsprechwtg, dies vor allem in bezug auf die restriktive Behandlwtg des Einwands vom rechtmässigen Altemativverhalten, überaus bedenklich. Die hohe Verurteiltenquote im Fahrlässigkeitsbereich in Österreich -auch wenn diese nur sehr eingeschränkt als Folge der strengen Beurteilwtgspraxis zu sehen ist- trägt ein übriges zur kritischen Würdigwtg der Zurechnwtgskonzeption im Nachbarland bei. Dennoch kann die Österreichische Position wertvolle Impulse für die Zurechnwtgssituation in der Bwtdesrepublik bieten, nicht nur was die Klarheit wtd Übersichtlichkeit der Zurechnwtgsproblematik insgesamt anbelangt. Auch die Beurteilwtg einzelner Problemfelder, so etwa die Konzentration auf den Risikozusammenhang, das ärztliche Fehlverhalten im Rahmen der fahrlässigen Erfolgsdelikte oder die dogmatische Durchdringwtg der außerhalb des Fahrlässigkeitsbereichs angesiedelten Zurechnwtgsfragen, sind beachtenswert. Unverständlich ist daher, daß in Deutschland im Zusammenhang mit der Beurteilwtg von Zurechnwtgsproblemen kaum Kenntnis von der Behandlwtg der jeweiligen Thematik in den Nachbarländern -sei es nwt Österreich oder auch die Schweiz mit einer dem deutschen Strafrecht durchaus vergleichbaren Zurechnwtgskonzeption- genommen wird, wie dies im übrigen in Österreich mit einem Blick auf das deutsche Recht vielfach der Fall ist. Die Löswtg der vielen bei der Behandlwtg der Thematik auftretenden Probleme läßt sich hieraus zwar nicht Wlmittelbar ableiten, eine rechtsvergleichende BetrachtWlg kann jedoch, dies zeigt sich in Österreich im Zusammenhang mit Seitenblicken auf die deutsche Situation vielfach, in jedem Fall zur Bestätigwtg oder darüber hinaus auch zur In-Frage-Stellwtg der eigenen Position beitragen. Einer Weiterentwicklwtg der bis heute nicht einheitlich geklärten wesentlichen Zurechnwtgsfragen kann dies nur zuträglich sein.
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Sachwortverzeichnis Äquivalenztheorie 56f; 64f; 134; 237
224; 226; 229; 230; 231; 235; 239;241;244;248;251;256
Arztstrafrecht 90; 94; 96; 143; 148f; 185; 187; 189; 191f; 194; 198;208
Fahrlässigkeitsproblematik 31; 33; 40; 187
Aufklä.n.mgsfehler 191 Behandhmgsfehler 97f; 101; 128f; 130; 185ff; 190; 194f; 197f; 200ff; 207 Bergrecht 231; 238; 254 Beweislastumkehr 143; 230 Erfolgsdelikte 29; 54; 74; 160; 209;218;256;260 Erfolgshaftung 54; 62; 138 erlaubtes Risiko 47 Fahrlässigkeit 28; 31; 33; 35; 37; 39f; 42f; 51ff; 56; 69; 81; 132; 149; 195f; 203; 245 Fahrlässigkeitsdelikt 25ff; 29; 31; 33; 39f; 43ff; 48ff; 53f; 56ff; 61f; 64ff; 78; 83; 85f; 88; 95; 97; 100; 102ff; 106f; 109f; 116ff; 120f; 127f; 130; 132; 136; 137; 142ff; 152; 154; 158; 162ff; 168; 173ff; 185f; 188; 201; 206; 211; 214; 216; 221f;
Fehlverhalten Dritter 214 Folgeunfälle 97; 101; 114; 119; 249 GefithrdWlgsdelikte 152; 174; 178
56; 65; 75;
geflihrliches Verhalten 56 HandlWlgsWlwert 42
in dubio pro reo 143; 145; 148; 160; 162; 166; 175f; 179f; 187; 207;226;230;255 Kausalität 27; 29; 41; 56f; 59; 63; 72; 87; 93f; 95; 98; 112; 138f; 142; 148; 156; 185; 228; 232; 237 Kausalverlauf 60; 70; 72; 78; 83; 243;248 Kreuzmtgsfall 91 KIUnüuUsmtistik 32;217;255f
284 Kunstfehler 198f
Sachwortverzeichnis
83; 128f; 185; 195;
Schutzzweck der Norm 25; 27; 41; 66; 69; 82; 83; 89; 91ff; 107; 137; 224
Lawinenunfalle 182f Lebensver~zung
Schutzzweckzusammenhang 96; 132; 192
190;205
94;
Schwerpunkt der Vorwertbarkeit 232ff; 258f
Modellmensch 46
Selbstbestimmungsrecht 193
normative Korrespondenz 94 objektive 242
Schockschäden 135
Strafbarkeitsbedingung
Sorgfaltspflichtverletzung 43f; 47; 52; 54; 91; 109; 113; 142; 174; 182; 210f; 213f; 257 Spätfolgen 135f; 168
Primat des positiven Tuns 259
235;
spezifische Rechtswidrigkeit 102 Tatbild 39f; 195
Radfahrerfall 23; 25; 28; 41; 88; 141; 146; 180 rechtmäßiges Alternativverhalten 89ff; 140; 158; 183; 202; 231 Rettungsmaßnahmen 98; 117; 121 Risikodifferenz 162 Risikoerhöhung 147; 150ff; 159ff; 169ff; 175; 200f; 206; 229f Risikosphären 27; 59; 88; 100; 130; 136; 183; 187; 250f; 257 Risikosteigerung 203f
149; 170; 178;
Risikoverminderung 140f Risikozusammenhang 42; 66f; 70; 82; 85; 93ff; 101f; 106; 110; 114; 118; 124; 127ff; 136; 139; 152; 168; 188; 207; 216; 224; 226; 239; 241; 249ff; 262
untauglicher Versuch 247 Unterbrechung des Kausalverlaufs 41;59; 101 Unterlassungsdelikt 226ff; 258f
143; 147;
Verkehrsdelikte 35; 38; 182 Verletzungstatbestände 208
38; 65;
Vertrauensgrundsatz 48ff; 132 Vorhersehbarkeit 25; 27; 41; 44; 55; 65; 67ff; 104; 110; 126; 129; 153;214;242;248f Vorsatzdelikt 29; 40; 53; 55; 78; 231; 237ff; 247; 259f
Sachwortverzetchnis
Wahndelikt 245f.; 260f Wegehalterhaftung 124; 184
Zwischenursachen 57; 60; 63
285