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German Pages 276 Year 1981
Linguistische Arbeiten
101
Herausgegeben von Herbert E. Brekle, Hans Jürgen Heringer, Christian Rohrer, Heinz Vater und Otmar Werner
Werner Heinrichs
Die Modalpartikeln im Deutschen und Schwedischen Eine kontrastive Analyse
Max Niemeyer Verlag Tübingen 1981
CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Heinrichs, Werner: Die Modalpartikeln im Deutschen und Schwedischen : e. kontrastive Analyse / Werner Heinrichs. - Tübingen : Niemeyer, 1981. (Linguistische Arbeiten ; 101) ISBN 3-484-30101-5 NE:GT
ISBN 3-484-30101-5
ISSN 0344-6727
©Max Niemeyer Verlag Tübingen 1981 Alle Rechte vorbehalten. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es auch nicht gestattet, dieses Buch oder Teile daraus auf photomechanischem Wege zu vervielfältigen. Printed in Germany. Druck: fotokop Wilhelm weihe« KG, Darmstadt.
INHALTSVERZEICHNIS
Vorwort
VII
0.
VORBEMERKUNGEN UND THEMATISCHE
0.0 0.1 0.2
Anstelle einer Einleitung Thematische Einführung Materialsammlung
1.
DEFINITION DER MODALPARTIKELN UND DEREN ABGRENZUNG GEGENÜBER ANDEREN WORTARTEN
1.1 1.2 1.3 1.4 1.4.1 1.4.2 2.
EINFÜHRUNG
Definition der Modalpartikeln Abgrenzung der Modalpartikeln gegenüber anderen Wortarten Zusammenfassende Bemerkung zum Problem der Definition und Abgrenzung von Modalpartikeln Die deutschen und schwedischen Modalpartikeln Die deutschen Modalpartikeln Die schwedischen Modalpartikeln DIE PROBLEMATIK DER MODALPARTIKELN IN KONTRASTIVER ANWENDUNG
1
1 2 8
10
10 18 26 30 30 50
66
2.1 2.2 2.3
Modalpartikeln im mehrsprachigen Vergleich Modalausdrücke im Deutschen und Schwedischen Diskussion der bisherigen Ergebnisse
66 75 86
3. 3.1
89
3.2 3.3 3.4
KONTRASTIVE LINGUISTIK Kontrastive Linguistik und vergleichende Sprachwissenschaft Die Ziele der kontrastiven Linguistik Das Verhältnis zum Deskriptionsmodell Das Vergleichskriterium
90 94 97 103
4.
DIE SEMANTISCHE KOMPONENTE
107
4.1
Zur Semantik der Modalpartikeln
107
4.1.1 4.1.2
Wortbedeutung Satzbedeutung
110 116
5. 5.1
DIE PRAGMATISCHE KOMPONENTE Zur Pragmatik der Modalpartikeln
124 124
VI 5.2 5.3
Pragmatik und kontrastive Analyse Die konkrete Berücksichtigung der pragmatischen Komponente in der kontrastiven Analyse der Modalpartikeln Die kontrastive Analyse der deutschen und schwedischen Modalpartikeln auf pragmatischer Basis
140
6.
DIE SYNTAKTISCHE KOMPONENTE
199
6.1
Die lineare Eingliederung der Modalpartikeln im deutschen und schwedischen Satz Die Stellung der deutschen Modalpartikeln im Satz Die Stellung der schwedischen Modalpartikeln im Satz Die Modalpartikeln als Mittel zur kommunikativen Gliederung des Satzes Die kommunikative Gliederung des deutschen Satzes durch Modalpartikeln Die kommunikative Gliederung des schwedischen Satzes durch Modalpartikeln
5.4
6.1.1 6.1.2 6.2 6.2.1 6.2.2
7.
ZUM STAND DER FORSCHUNG
7.1
Das Interesse an den Modalpartikeln in der neueren linguistischen Forschung Neuere Untersuchungen zu den deutschen Modalpartikeln Untersuchungen zu den schwedischen Modalpartikeln
7.2 7.3
8.
ZUSAMMENFASSUNG DER ERGEBNISSE UND DEREN UMSETZUNG FÜR DIDAKTISCHE ZWECKE
126 129
199 201 206 217 218 222 226 226 228 231
234
8.1 8.2 8.3
Ergebnisse für den allgemeinen Sprachvergleich Ergebnisse für die Ubersetzungstechnik Ergebnisse für die Fremdsprachendidaktik
234 236 239
9.
LITERATUR
254
9.1 9.2
Literatur zur Materialsammlung Wissenschaftliche Literatur
254 255
VORWORT
Während eines Studienaufenthalts in Uppsala/Schweden habe ich mich 1975/76 erstmals mit den deutschen und schwedischen Modalpartikeln beschäftigt. 1977 entstand daraus eine Examensarbeit mit dem Titel "Die deutschen Modalpartikeln denn, doch, schon und wohl und ihre schwedischen Entsprechungen". Aus diesem ersten Versuch wurde in den folgenden Jahren die vorliegende, gänzlich neu konzipierte und wesentlich erweiterte Fassung erarbeitet, die im Juni 1980 von der Philosophischen Fakultät der Universität Freiburg im Breisgau als Dissertation angenommen wurde. Darin wird die kontrastive Analyse auf alle deutschen und schwedischen Modalpartikeln ausgedehnt und - wenigstens ansatzweise - auch um andere Modalausdrücke erweitert. Das Hauptgewicht liegt deutlich auf der pragmatischen Ebene, doch wird auch anderen Gesichtspunkten bewußt viel Raum gegeben. Dies kommt vor allem in den ersten Kapiteln zum Ausdruck, wo es gilt, das Problem zu beschreiben und einzugrenzen. Dem ungeduldigen Leser mag dies manchmal zu ausführlich und zu umständlich erscheinen, doch wird man dem Problem wohl nur dann in seinem vollen Umfang gerecht, wenn man es in einem größeren Zusammenhang (Ausdruck von Modalität u s w . ) zu betrachten versucht. Hier sehe ich denn auch Anknüpfungspunkte für eine erneute Beschäftigung mit diesem Thema unter erweiterter Fragestellung. Wie ich überhaupt die vorliegende Arbeit nicht so sehr als etwas Abgeschlossenes und Fertiges betrachte, sondern mehr nur als einen möglichen Beitrag zu einem Thema, das die Sprachwissenschaft erst in den letzten 15 Jahren so recht entdeckte, das sie aber nach meiner Einschätzung - noch viele Jahre unter den verschiedensten Aspekten intensiv beschäftigen wird. Mein Studium der Verwendungsregeln von Modalpartikeln geht
VIII
auf eine Anregung von Professor Otmar Werner (Universität Freiburg, Deutsches Seminar, Abteilung für vergleichende germanische Philologie und Skandinavistik) zurück, Herr Werner war über viele Jahre mein Lehrer und betreute sowohl meine Staatsexamensarbeit als auch meine Dissertation. Durch klärende Gespräche mit zahlreichen Hinweisen und Anregungen und durch eine umfangreiche Korrespondenz trug er ganz wesentlich zum erfolgreichen Abschluß der vorliegenden Arbeit bei. Für diese vielfältige und geduldige Hilfe möchte ich ihm sehr herzlich danken. Bedanken möchte ich mich aber ebenso auch bei vielen deutschen und schwedischen Lehrern und Kommilitonen, die durch Hinweise und kritische Anmerkungen zum Entstehen dieser Arbeit beigetragen haben. Stellvertretend für viele nenne ich hier Frau Eleonor Engbrant-Heider, die mich bei der Auswahl und Bewertung vor allem der schwedischen Modalpartikeln auf vielfältige Weise unterstützt hat. Nicht zuletzt danke ich auch Herrn Windfried Robert, der mit großer Sorgfalt und Geduld das Manuskript geschrieben hat. Haltern, im September 1980 Werner Heinrichs
0.
VORBEMERKUNGEN UND THEMATISCHE EINFUHRUNG
0.0
Anstelle einer Einleitung
Professor Unrat, der eigenwillige und schrullige Gymnasiallehrer in Heinrich Manns Roman "Professor Unrat oder Das Ende eines Tyrannen", schreibt in seiner Freizeit an einer wissenschaftlichen Arbeit, deren Thema - im Sinne Heinrich Manns - durchaus geeignet ist,
den sonderbaren Charakter des Helden zu unterstreichen: Pro-
fessor Unrat beschäftigt sich mit den Partikeln bei Homer (vgl. 1 2 : 3 8 ) . Diese Arbeit scheint ihn außerordentlich stark gefangen zu nehmen, denn längst sind ihm diese Partikeln
in Fleisch und
Blut übergegangen und durch übertriebenen Gebrauch in seiner Alltagsrede zu seinem "Markenzeichen" geworden. Die Unterhaltung zwischen dem Professor und einem Schauspieler eines gastierenden Wandertheaters legt davon ein beredtes Zeugnis ab: " . . . i c h würde recht gern mit meiner Klasse die A u f f ü h r u n g eines klassischen Dichterwerkes besuchen. . . . A b e r " , und Unrat hob den Finger, "es müßte - wahrlich doch - dasjenige von den Dramen unseres Schiller sein, das wir in der Klasse lesen, nämlich - immer mal wieder - die "Jungfrau von O r l e a n s 1 . " Der Schauspieler ließ die Lippe fallen, senkte den Kopf und sah von unten, mit Trauer und Vorwurf, zu Unrat a u f . "Das tut mir aber f a b e l h a f t leid. Weil wir die erst wieder einstudieren müssen, wissen Sie. Ist Ihnen wirklich mit 'm 'Teil 1 nicht gedient? Der ist doch auch ganz hübsch für die Jugend." "Nein", entschied Unrat, "das geht auf keinen Fall. Wir brauchen die ' J u n g f r a u 1 . Und zwar käme es - aufgemerkt nun also! -" Unrat schöpfte Atem, sein Herz klopfte "- ganz besonders auf die Darstellerin der Johanna an. Denn diese soll eine hehre Künstlerin sein, die den Schülern die erhabene Gestalt der Jungfrau immer mal wieder - nahebringt." ( 1 2 : 2 3 f . ) Die Beschäftigung mit einem (scheinbar) weltfremden Thema und die Hereinnahme der Studierstubenerkenntnisse in die eigene Alltagswelt charakterisieren Professor Unrat als einen realitäts-
2
fremden, verknöcherten Gelehrten. Denn wer sich mit solch "nichtssagenden" Wörtern beschäftigt, kann doch in der Tat nur ein sehr gespanntes Verhältnis zur Realität der Gegenwart haben. Daß der Leser so folgert, ist wohl eine der Intentionen Heinrich Manns. Das wissenschaftliche Hobby seines Helden und dessen damit verbundene Eigenart in der Diktion sind dem Autor willkommene Mittel zur Typisierung. Aber sind diese Merkmale tatsächlich zur Charakterisierung im Sinne Heinrich Manns tauglich? Handelt es sich bei den Partikeln wirklich um "nichtssagende" Wörter, und ist demnach die Beschäftigung mit dieser Materie tatsächlich ein Kennzeichen von Realitätsferne? (Ob diejenigen, die sich mit diesem Thema wissenschaftlich auseinandersetzen, verknöcherte Typen von der Art Professor Unrats sind, will ich - da ich selbst betroffen bin - nicht erörtern.) Eines der Ziele der Modalpartikel-Forschung - und damit auch dieser Arbeit - ist es, das Gegenteil zu beweisen, nämlich, daß Partikeln in unserer Rede von ganz wesentlicher Bedeutung sind und gerade eine intensive Kenntnis der Realität (Sprechsituationen, Präsuppositionen, Konventionen, Erwartungen u s w . ) erforderlich ist, um sie richtig zu gebrauchen. Damit verfolgt diese Arbeit nicht nur einen sprachwissenschaftlichen Zweck, sondern auch ein Stück "Ehrenrettung" für den Gymnasialprofessor Unrat. 0.1
Thematische Einführung
Eines der Hauptprobleme beim Erlernen der deutschen Sprache bildet für den (fortgeschrittenen) Ausländer jene große Zahl von Partikelwörtern, durch die der Deutsche seine Rede in feinen Nuancen "abtönt". Er mag in der Schule die deutsche Grammatik noch so sorgfältig gelernt haben, den Unterschied zwischen den folgenden Sätzen dürfte sie ihm jedoch kaum deutlich gemacht haben: (1)
Warum kommst du so
spät?
(2)
Warum kommst du denn so
spät?
(3)
W a r u m kommst du denn auch so
(4)
Warum kommst du denn auch nur
spät? so
spät?
Sollte er aber wirklich von diesen Partikelwörtern wissen, so wird ihm immer noch die Schwierigkeit bleiben, sie auch selbst richtig zu verwenden. Fehlt dem Ausländer die notwendige Kompetenz, sie intuitiv zu benutzen, so müßte er eine große Zahl komplizierter Regeln beachten. Das Ergebnis wird sein, daß er die Partikelwörter nicht verwendet und dann eben "wie ein Ausländer" spricht: holprig, steif und ohne viel Sinn für die Nuance. Er wird sagen: (5)
Bitte geben Sie mir das Buch!
wogegen der Deutsche vielleicht sagen wird: (6)
A c h , geben Sie mir doch bitte mal das Buch!
oder auch: (7)
Könnten Sie mir viell eicht mal das Buch da geben!
Doch nicht nur der Ausländer, der die deutsche Sprache erlernen will, hat seine liebe Not mit diesen unscheinbaren Wörtern, sondern auch der Deutsche, der eine Fremdsprache erlernen will, sieht sich vor kaum überwindbare Probleme gestellt. Wollte er die Beispielsätze (1) bis (4) ins Englische, Französische oder Schwedische übersetzen, so würde er wohl bald resignierend aufgeben, denn er kann nicht einfach die deutschen Partikelwörter nach einem zweisprachigen Wörterbuch in der Fremdsprache ersetzen. Vielmehr ergibt sich - auch für denjenigen, der Partikelwörter in seiner Muttersprache richtig gebraucht - in der kontrastiven Verwendung eine ganze Reihe von Schwierigkeiten. Ziel dieser Arbeit soll es nun sein, die kontrastive Verwendung eines Teils der Partikelwörter zu untersuchen und Hilfestellung zu geben bei der Übersetzung deutscher Texte ins Schwedische und schwedischer Texte ins Deutsche sowie Vorschläge für die Behandlung von Partikelwörtern im Fremdsprachenunterricht zu erarbeiten. 1
Ich werde von nun an Modalpartikeln und andere hervorzuhebende Textstellen in Beispielen unterstreichen.
Mit dieser Zielsetzung werden grundsätzliche Fragen der Partikelforschung oder intensive einzelsprachliche Untersuchungen der deutschen und schwedischen Partikelwörter von vornherein mehr in den Hintergrund gerückt. Trotzdem wird es notwendig sein, auf viele dieser Fragen einzugehen, um den Gegenstand der Untersuchung enger abzugrenzen und konkreter zu fassen. So habe ich bisher beispielsweise von Partikeln, Partikelwörtern und - im Titel - von Modalpartikeln gesprochen, ohne diese Begriffe zu definieren oder gegeneinander abzugrenzen. Auf diesen Fragenbereich werde ich deshalb schon im nächsten Kapitel ausführlich eingehen. Vorab aber läßt sich bereits sagen, daß ich als Modalpartikeln und von diesen soll hier in erster Linie die Rede sein - solche Partikeln oder Partikelwörter bezeichne, die in Kontexten bestimmte kommunikative E f f e k t e (z. B. Verärgerung, Zweifel, freundlicher Zuspruch) ausdrücken können. Neben der Definition und Abgrenzung werde ich eine Liste der Modalpartikeln zu erstellen haben, die ich in die Untersuchung einbeziehen möchte. Ich werde deshalb eine Reihe von deutschen und schwedischen Partikelwörtern hinsichtlich der Frage analysieren, in welchen Funktionen sie in Texten auftreten können (vgl. Kapitel 1) . Anschließend werden der theoretische Rahmen einer kontrastiven Analyse und die mit der Kontrastierung verbundenen Probleme zu erörtern sein (vgl. Kapitel 2 und 3 ) . Von besonderer Bedeutung wird die Wahl und Diskussion des Deskriptionsmodells sein, das Grundlage des Vergleichs der deutschen und schwedischen Modalpartikeln sein soll. Damit ist zugleich auch die Frage nach dem methodischen Ansatz gestellt. Meines Erachtens ist die kontrastive Untersuchung der Modalpartikeln im Deutschen und Schwedischen von folgenden Ansätzen her möglich: a) stilistisch Vor allem in traditionellen Grammatiken werden Modalpartikeln unter stilistischen Gesichtspunkten erörtert. Sie gelten dort oft als Kennzeichen eines "schlechten" Stils und heißen entsprechend "Flickwörter" (von der Gabelentz 1 9 0 1 ) oder "Füllwörter" (Adler 1964) .
Allerdings muß zugestanden werden, daß Adler am Ende seiner Arbeit der Rolle der Modalpartikeln stärker gerecht wird, als dies nach dem von ihm gewählten Terminus zu vermuten ist: "Die reinen Füllwörter sind weder an sich Modewörter noch bloße Flickwörter, also weder Aufputz noch notwendiges Vehikel. Sie runden den Sprechund Schreibstil ab, oft wäre der Stil ohne sie ärmlich" (Adler 1964:54). b) textsortenlinguistisch Unter diesem Gesichtspunkt wird untersucht, in welchen Texten Modalpartikeln vorkommen und in welchen nicht. Dieser Ansatz ist eng verbunden mit einem soziolinguistischen Ansatz, bei dem die Verwendung von Modalpartikeln in Texten verschiedener soziologischer Gruppen untersucht wird. c) syntaktisch-linear Der syntaktische Ansatz berücksichtigt bereits sehr konkret die Verwendungsregeln für Modalpartikeln. Er darf meines Erachtens bei keiner ausführlichen Untersuchung zu den Modalpartikeln außer acht gelassen werden (vgl. Kapitel 6 ) . Der syntaktisch-lineare Ansatz untersucht nur die Stellung der Modalpartikeln in der linearen Wortfolge. Dieser Gesichtspunkt hat beispielsweise bei den Arbeiten von Krivonosov eine herausragende Bedeutung. Dort werden die Modalpartikeln in diesem Zusammenhang auch als Mittel zur linearen kommunikativen Gliederung des Satzes analysiert. d) syntaktisch-strukturell Dieser zweite syntaktische Ansatz stützt sich auf die Methoden des Strukturalismus oder der generativen Transformationsgrammatik. Er ist meines Wissens in der Modalpartikelforschung noch nicht in umfassender Weise angewandt worden. Als einen Versuch hierzu werte ich Clement/Thümmel 1975, wo allerdings der Begriff Modalpartikeln vor allem für kognitive Modaladverbien (vgl. Kapitel 1) benutzt wird. Ich sehe auch nur geringe Chancen, von diesem Ansatz her wesentliche Erkenntnisse über Modalpartikeln zu erzielen, da sich ihre Funktion strukturell kaum niederschlägt.
e) semantisch-intonatorisch Darunter verstehe ich den Versuch, die Funktionen der Modalpartikeln in Intonationsmustern zu erklären. Dieser Ansatz wird vor allem In Krivonosov 1965b und kontrastiv in Schubiger 1965 verfolgt. Folgendes Beispiel mag hier weitere Erläuterungen ersetzen: "Die Intonation des Satzes läßt sich durch Symbole auf Notenlinien darstellen, wobei die Zahlen die bedingte Tonhöhe, das Symbol ( ' ' ) die Hauptbetonung und das Symbol ( ' ) die Nebenbetonung bezeichnen. ff a s ist
b 4 3 2 1
das?
u
Intonationsschema Nr. 1 ( 2 I I 3 ' 1 )
'.
Der Satz mit der modalen Partikel denn (was ist denn das?) ist kein neutraler Fragesatz mehr. Sein Ziel ist es, ... auch die Stellungnahme des Sprechenden zur Aussage oder seine Gefühle und Emotionen auszudrücken (subjektive Modalität). Das findet seinen Ausdruck auch in der Satzintonation. 'Weißt
du, Christine,
was Sozialismus ist?'
'Um Gotteswillen, was ist Was
5 4 3 2
ist
denn
denn das?'
(J.
Becher, Abschied)
das?
't
Nr. 2 ( 3 " 5 5 ' 2 ) " (Krivonosov 1965b:577)
1
"Die modalen Partikeln sind auf das engste mit der Satzintonation verbunden und dienen auch dem Zweck, die subjektiv-modale Bedeutung auszudrücken. ... Der Satz mit der modalen Partikel wird in einer h ö h e r e n Tonlage, m i t einer s t ä r k e r e n dynamischen Betonung, m i t einem g r ö ß e r e n Tonhöhenunterschied zwischen der tiefsten und der höchsten Tonlage des Satzes gesprochen bzw. gelesen." (Krivonosov 1965b:587) Dieser Ansatz kann beim Vergleich Deutsch-Englisch sehr hilfreich sein (vgl. Schubiger 1 9 6 5 ) , da Funktionen der deutschen Modalpartikeln im Englischen hauptsächlich von bestimmten Satzintonationsmustern übernommen werden. Für den Vergleich Deutsch-
Schwedisch ist
er dagegen weniger von Bedeutung (vgl. jedoch
Borgstam 1 9 7 5 ) . f)
semantisch-logisch (synchron)
Ich meine damit den Ansatz, die Semantik der Modalpartikeln durch eine Analyse des logischen Zusammenhanges im Kontext zu bestimmen. Diesem Gesichtspunkt wird in Bublitz 1978 sehr viel Aufmerksamkeit
gewidmet. Der Vorteil liegt hier besonders darin,
daß der Kontext in die Analyse mit einbezogen wird. Doch besteht ein wesentlicher Nachteil durch die Notwendigkeit, für jeden Kontext erneut die logische Struktur beschreiben zu müssen. Hierfür scheinen jedoch die Möglichkeiten der Beschreibung
(z. B. durch
Klassifizierung oder Typisierung von Kontexten) noch nicht ausreichend erforscht zu sein, so daß auf eine Beschreibung zurückgegriffen werden muß (wie bei Bublitz zum Beispiel), die sehr stark auf den konkreten Einzelfall abgestellt ist
und damit eine
kontrastive Untersuchung äußerst schwierig macht. g) semantisch-logisch (diachron) Hierunter verstehe ich einen Ansatz, der die Partikelwörter in ihrer vollständigen und vielseitigen funktionalen
Verwendung
erfaßt und diachron nach der semantischen und funktionalen D i f f e renzierung fragt. Ein solcher Ansatz ist,
soweit mir bekannt ist,
noch nie in Erwägung gezogen worden. Einen ersten Einstieg zu diesem Ansatz bietet von Stuckrad 1967; allerdings liegt das Schwergewicht dieser Arbeit nur "auf der Darstellung der formal-bedeutungsmäßigen Differenzierung" (von Stuckrad 1 9 6 7 : 4 8 9 ) der Partikeln denn und dann. Auch scheinen mir die Grundlagen hierfür noch nicht ausreichend erforscht zu sein. Damit bleibt dieser Ansatz nur eine Forderung, die ich in einem engen Zusammenhang zur Forderung von SchliebenLange 1975:86 nach einer "historischen Pragmatik" sehen möchte (vgl. auch
Schlieben-Lange 1 9 7 6 ) .
h) semantisch-pragmatisch Dieser letzte Ansatz sucht die "Bedeutung" von Modalpartikeln
8
innerhalb eines pragmatischen
Rahmens zu ergründen. Im Vorder-
grund stehen dabei nicht Sätze, sondern Sprechakte. Der Vorteil dieses Ansatzes besteht vor allem darin, daß die kommunikative Funktion der Modalpartikeln im illokutionären Akt von der Proposition getrennt werden kann. Es bleibt dann allerdings die Schwierigkeit, die illokutionären Akte zu beschreiben und zu definieren und sie damit für kontrastive Zwecke verwendbar zu machen. Ähnlich wie beim synchronen semantisch-logischen Ansatz zeigt die Erforschung der theoretischen Grundlagen auch dieses Ansatzes noch erhebliche Lücken, was die Hoffnung auf eindeutige Ergebnisse leider trübt. Ich werde die Modalpartikeln des Deutschen und des Schwedischen vor allem unter semantisch-pragmatischen Gesichtspunkten
unter-
suchen. Doch wird daneben auch der syntaktisch-lineare Ansatz berücksichtigt werden, um die in beiden Sprachen unterschiedlichen Möglichkeiten
der kommunikativen Gliederung des Satzes durch Mo-
dalpartikeln zeigen zu können. Wie bereits erwähnt,
ist
die Erforschung der Grundlagen des
semantisch-pragmatischen Ansatzes noch nicht so weit fortgeschritten, daß eine unmittelbare Anwendung auf ein konkretes Problem in jedem Falle möglich wäre. Unzulänglichkeiten
bei den
Ergebnissen dieser Analyse sind deshalb teilweise auf Unzulänglichkeiten in der Erforschung der theoretischen Grundlage zurückzuführen. Daß ich mich trotz des Eingeständnisses einer mangelnden theoretischen Basis für den semantisch-pragmatischen und nicht für den synchronen semantisch-logischen Ansatz entschieden habe, liegt vor allem an der kontrastiven Verwendbarkeit der Sprechakttheorie, wie dies besonders Habermas 1971 mit seinen "pragmatischen Universalien" gezeigt
0.2
hat.
Materialsammlung
Meine Untersuchung stützt sich auf etwa 2 500 Einzelbeispiele von denen hier allerdings nur ein Teil präsentiert wird -,
die
ich im Laufe von ungefähr zwei Jahren zu diesem Thema gesammelt habe. Dabei bin ich zunächst streng empirisch vorgegangen,
indem
ich deutsche und schwedische Texte je für sich auf Modalpartikeln
hin untersucht habe. Später bin ich dann dazu übergegangen, Originaltexte mit Übersetzungen zu vergleichen. Im einzelnen entstammen meine Beispiele folgenden Quellenarten: deutsche und schwedische literarische Texte; deutsche literarische Texte und deren Übersetzungen ins Schwedische; schwedische literarische Texte und deren Übersetzungen ins Deutsche; Texte aus deutschen und schwedischen Zeitschriften und Magazinen; Notizen aus Sendungen des schwedischen Rundfunks und Fernsehens; gezielte Befragungen von deutschen und schwedischen Informanten; deutsche und schwedische Grammatiken und Wörterbücher. Die Titel der deutschen und schwedischen literarischen Texte gebe ich gesondert im Quellenverzeichnis an. Die Zahlenkombinationen hinter jedem Zitat aus literarischen Texten setzt sich aus der laufenden Nummer des Quellenverzeichnisses und der Seitenzahl im jeweiligen Werk zusammen. Beispiele aus Wörterbüchern und Grammatiken werden mit Kürzeln angegeben, die im Anschluß an das Quellenverzeichnis aufgeschlüsselt werden. Alle schwedischen Beispiele stützen sich ausschließlich auf die genannten Quellen. Von mir selbst formulierte schwedische Sätze kommen nicht vor. Dagegen entstammen die deutschen Beispiele nur überwiegend den genannten Quellen. Einige Beispiele habe ich selbst formuliert, wozu ich als Sprecher des Deutschen ja auch die Kompetenz habe.
1.
DEFINITION DER MODALPARTIKELN UND DEREN ABGRENZUNG GEGENÜBER ANDEREN WORTARTEN
1.1
Definition der Modalpartikeln
Es stellt sich die Frage, ob bereits hier eine abschließende Definition der Modalpartikeln gegeben werden soll oder ob es nicht besser wäre, diese Definition im Laufe der Untersuchung gleichsam von selbst entstehen zu lassen. Das erste Verfahren hätte den Vorteil, daß es von vornherein eindeutig wäre, wovon die Rede ist. Der Nachteil aber wäre, daß diese Definition einen präskribierenden und normativen Charakter haben könnte und gleichzeitig der Untersuchungsgegenstand eingeschränkt werden würde. Das zweite Verfahren hätte dagegen den Vorteil, daß dadurch die Definition mit Sicherheit auch immer mit den Ergebnissen der Untersuchung übereinstimmen würde und der deskriptive Charakter der Arbeit stärker zum Ausdruck käme. Dagegen bestünde bei nachfolgender Definition der Nachteil, daß der Leser dieser Untersuchung nur schwer überprüfen könnte, ob der Ablauf der Abhandlung jederzeit mit dem Thema und dem zu untersuchenden Gegenstand übereinstimmt. Konkret formuliert müßte der Leser immer wieder die Frage stellen, ob es sich im Einzelfall um eine Modalpartikel handelt oder nicht, ohne für die Beantwortung dieser Frage irgendwelche Kriterien zur Verfügung zu haben. Vor allem diese Schwierigkeit des Lesers, der Untersuchung kritisch zu folgen, aber auch der zuerst genannte Vorteil - es ist von vornherein eindeutig, wovon die Rede ist -, lassen es mir als sinnvoller und gerechtfertigter erscheinen, eine Definition an den Anfang zu stellen. Allerdings soll diese Definition - und hier liegt ein Kompromiß zwischen den eben diskutierten gegensätzlichen Ansätzen vor nur eingrenzender Art sein. Dabei soll vor allem deutlich werden,
11
wann eine Partikel Modalpartikel
ist
- und dies vorwiegend an
Hand negativer Kriterien -, weniger soll die mit positiven Kriterien zu beantwortende Frage nach dem Wesen und der Funktion einer Modalpartikel erörtert werden. Diese Antwort kann nur die gesamte Arbeit leisten. Dadurch soll meine Untersuchung keineswegs präskriptiv werden. Präskriptiv und normativ wäre sie dann, wenn sie in jedem Einzelfall des Gebrauchs von Modalpartikeln zwischen einer richtigen und falschen Anwendung unterscheiden würde. Hier will ich mir aber allergrößte Zurückhaltung auferlegen und eine Präskription nur insofern gelten lassen, als dies für die Übersichtlichkeit der Arbeit erforderlich ist. Der Grundcharakter dieser Arbeit soll eindeutig deskriptiver Natur sein. Die Schwierigkeiten, eine korrekte Definition zu geben, kommen schon darin zum Ausdruck, daß es offensichtlich für den gleichen Gegenstand keinen einheitlichen Ausdruck gibt. Obwohl nachweislich stets mehr oder weniger von der gleichen Gruppe von Wörtern die Rede ist, werden in der Fachliteratur die verschiedensten Termini verwandt. Unter anderem kommen folgende Bezeichnungen vor: Flickwörter (von der Gabelentz 1901, Christensen 3 1908:36) Einfühlungs- und Erlebniswörter (Azzalino 1950:200) Füllwörter (Adler 1964:52) Würzwörter (Thiel 1962:71, Trogsch 1 9 6 2 : 2 1 4 ) Färbewörter (Colditz 1966) Modalwörter (Lehmann/Spranger 1966:241) Modalglieder (Schulz/Griesbach 9 1 9 7 2 : 3 5 0 f f . ) Modaladverbien (Kolde 1970:116, Jung 2 1966:316) Partikeln (Admoni 3 - | 9 7 C ) : 2 0 4 f . , Helbig/Buscha 1974:428) rangverleihende Partikeln (Jung 2 1966:95) kommunikative Partikeln (Rath 1 9 7 5 : 2 2 2 ) Satzpartikeln (Asbach-Schnitker 1975:303) emotional-expressive Partikeln (Erben 1 1 1972:178) Abtönpartikeln (Hüllen 1973:91) Abtönungspartikeln (Grebe 3 1973 § 748, Weydt 1969, Iwasaki 1972: 103) modale Partikeln (Krivonosov 1963) Modalpartikeln (Brinkmann 2 1 9 7 1 : 4 9 9 , weydt 1977) Bublitz 1978:31 f. geht ebenfalls auf die Frage der uneinheitlichen Bezeichnung der Modalpartikeln ein und gibt dabei auch Belege aus älteren Grammatiken an (ab 1 7 5 4 ) . Diese Liste ist
keineswegs vollständig; sie wurde von mir auch
nur unsystematisch zusammengestellt.
12
Die terminologische Verwirrung hinsichtlich des Gegenstandes, den ich Modalpartikel nenne, dürfte wohl nicht auf eine mangelnde wissenschaftliche Kommunikation zurückzuführen sein. Vielmehr scheint sie mir ein Symptom zu sein für die Unsicherheit und das Unbehagen, das viele Linguisten bei diesem Gegenstand noch empfinden. Erst in jüngster Zeit wurde dieses Unbehagen durch intensive Forschung etwas gemildert und parallel dazu wurde auch die Terminologie einheitlicher. Spätestens seit Erscheinen des Sammelbandes "Aspekte der Modalpartikeln" (Weydt 1 9 7 7 ) scheint sich die Bezeichnung "Modalpartikel" mehr und mehr durchzusetzen. Dieser Trend und keineswegs ein inhaltlicher Grund - ist es auch, der mich veranlaßt hat, in dieser Arbeit den Terminus "Modalpartikel" zu wählen. Welche Folgen dies für die Definition und für die Abgrenzung gegenüber anderen Wortarten hat, wird noch zu diskutieren sein. Weydt, der lange Zeit am Terminus "Abtönungspartikel" festhielt, in letzter Zeit aber (seit etwa 1976) den Terminus "Modalpartikel" bevorzugt, verficht diesen Gebrauch auch nicht gerade überzeugend: "Was die Wahl des Terminus b e t r i f f t , also die Festlegung eines Namens für die abgegrenzte Klasse, so hat sie zwar grundsätzlich stipulativen Charakter und ist arbiträr. Doch scheint mir unter den Konkurrenten der Terminus Abtönungspartikel der zu sein, der am wenigsten Konfusion hervorruft und der am wenigsten für anderes verbraucht ist. Der Terminus Partikel (ohne weitere Bestimmung) ist zu weit, denn für die meisten Linguisten bezeichnet er die ganze Klasse der unflektierten Wörter, so auch Konjunktionen, Präpositionen usw. Satzpartikel verweist nur auf ein einziges, noch dazu rein syntaktisches Merkmal und sollte deshalb, da ebenfalls zu weit, nicht benutzt werden. Modalpartikel schließlich, ein Terminus, der oft gebraucht wird, schließt mindestens solche Partikeln wie sicher, gewiß, wahrscheinlich, vielleicht ein, die von den Partikeln, die hier zur Rede stehen, abgegrenzt werden sollten, da sie ein ganz anderes syntaktisches und semantisches Verhalten haben (z. B. können sie die Antwort auf eine Frage bilden)" (Weydt 1 9 7 7 : 2 1 9 ) . Auch im Schwedischen ist die Bezeichnung für das, was ich Modalpartikeln nennen w i l l , keineswegs einheitlich. Folgende Bezeichnungen sind mir begegnet: -
allmänt satsadverbial (Beckmann 9 1968:181, Thoreil 1973 §§ 736, 7 4 6 ) allmänna satsadverb (Nylund-Brodda/Holm 1 9 7 0 § 6 0 4 ) satsadverb oder satsadverbial (Wessen 1968:118) nyanseringssatzsadverbial (Brandt 1973:115)
13
talaktsadverbial (Andersson 1975) modala partiklar (Aijmer 1 9 7 7 ) Doch scheint sich auch hier die Bezeichnung "modala partiklar" immer mehr durchzusetzen. Sowohl im Schwedischen als auch im Deutschen dürfte dabei der Einfluß der englischen Terminologie eine gewisse Rolle gespielt haben, denn dort ist die Bezeichnung "modal particles" bereits seit längerem üblich (vgl. Arndt 1960 und Schubiger 1 9 6 5 ) . Um einer Begriffsbestimmung einen weiteren Schritt näherzukommen, sollen die Modalpartikel zunächst einmal an Hand vorhandener Untersuchungen extensional und intensional definiert werden. Eine extensionale Definition ist die "Bestimmung des Umfangs (= Extension) eines Begriffs" (Ulrich 1 9 7 5 : 2 6 ) , indem die unter diesem Begriff subsumierten einzelnen Wörter aufgezählt werden. Ich habe dazu eine Reihe von Arbeiten ausgesucht, die alle für sich in Anspruch nehmen, die Modalpartikeln im Deutschen mehr oder weniger umfassend zu behandeln oder aufzuführen: Krivonosov 1963, Weydt 1969, Grebe 3 1973, Krivonosov 1977, Bublitz 1978. Daraus ergibt sich folgende Liste:
14
. unter^v suchunModal·^1 parti- \. kein \.
Kr i von. 1963
Weydt 1969
Grebe 3 1973
Krivon. 1977
Bublitz 1978
aber
X
X
X
X
X
also
X
auch
X
X X
X
bitte
X X
bloß
X
X
denn
X
X
doch
X
eben
X
eigentlich
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
einfach
X
einmal
X
erst
X
etwa
X
X X
X
X
gerade
X
gleich
X
halt
X
X
X
X
immer
X
X X
ja
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15
Das Ergebnis dieses Versuchs, die Modalpartikeln an Hand vorhandener Untersuchungen extensional zu definieren, kann nur verwirren. Wer hoffte, auf diese Art und Weise erfahren zu können, was Modalpartikeln sind, dürfte außerordentlich entmutigt sein. Offensichtlich besteht nur hinsichtlich weniger Wörter (aber, auch, denn, doch, eben, etwa, ja, mal, nur) völlige Übereinstimmung darüber, daß es sich um Modalpartikeln handelt. Doch vielleicht läßt sich durch eine intensionale Definition größere Klarheit erzielen. Eine intensionale Definition ist die "Bestimmung der Bedeutung (= Intension) eines Begriffs, indem die Eigenschaften des Bezeich2 neten angegeben werden" (Ulrich 1 9 7 5 : 2 6 ) . Solche Definitionen stehen oft am Anfang von Untersuchungen, da sie besonders dazu geeignet sind, Klarheit über den zu behandelnden Gegenstand zu vermitteln. Folgende Auswahl von Definitionen intensionaler Art aus der Fachliteratur soll dazu ein erster Schritt sein: Admoni 1970:204: "Die Partikeln sind völlig unveränderliche Hilfswörter (es fehlt ihnen, wie den Präpositionen und Konjunktionen, sogar die Komparation), die mit den Vollwörtern verbunden werden, um ihre Bedeutung näher zu umgrenzen und hervorzuheben. Sie sind oft stark emotional. Indem sie die einzelnen Wörter im Satz besonders hervorheben und identifizieren, tragen sie dazu bei, die Wirklichkeit der Äußerung oder eines Bestandteils zu betonen oder irgendwie zu modifizieren. Das macht die Partikeln den Modalwörtern verwandt. Aber die meisten Partikeln charakterisieren nicht eine Beziehung, sondern ein einzelnes Wort, und keines von ihnen nimmt eine selbständige Stelle im Satz ein." Brinkmann 1971:499: Modalpartikeln stellen "die Verbindung mit dem Horizont des Gesprächspartners ... her. Sie bringen zusätzliche Momente ins Spiel, die sich aus der Erwartung der Partner ergeben. ... Für die zeitliche Gliederung hat die Modalpartikel eine doppelte Bedeutung: 1. Sie ist Bestandteil der Satzintention und folgt darum in der Regel unmittelbar auf die Personalform. ... 2. Nach der Modalpartikel steht, was kommunikative Bedeutung hat. "
16
Erben
11
1 9 7 2 : 1 7 8 "definiert" die Modalpartikeln als "emotional-
expressive Partikeln, die besonders in umgangssprachlicher Rede geläufig sind und meist emphatisierend wirken." Sie bilden "mit dem verbalen Aussagekern (Prädikat) eine syntaktische und phonetische Einheit ..., gewöhnlich dem Verbum unmittelbar folgend und im selbständigen Satz meist nur durch schwachtonige Wörter vom Verbum getrennt." Grebe
1973 § 748: "Abtönungspartikeln: Bestimmte Adverbien
werden vor allem in der gesprochenen Sprache verwendet, um eine Aussage zu färben und abzutönen. Der Sprecher zeigt mit ihnen seine Verwunderung, seine Verärgerung, seinen Zweifel, seine Resignation u. ä. an. Sie werden als 'Füllwörter' oder 'Würzwörter' in die Rede eingestreut." Weydt 1969:68: "Abtönungspartikel sind unflektierte Wörtchen, die dazu dienen, die Stellung des Sprechers zum Gesagten zu kennzeichnen. Diese Wörtchen können in gleicher Bedeutung nicht die Antwort auf eine Frage bilden und nicht die erste Stellung im Satz einnehmen. Sie beziehen sich auf den ganzen Satz; sie sind im Satz integriert. In anderer syntaktischer Stellung oder anders akzentuiert haben sie alle eine oder mehrere andere Bedeutungen. In dieser anderen Verwendung gehören sie dann anderen Funktionsklassen an." Diese fünf Definitionen sind zwar keineswegs einheitlich, sie berühren aber alle mehr oder weniger deutlich eine Reihe von bestimmten Merkmalen, die man demnach als Wesensmerkmale der Modalpartikeln ansehen kann. Diese Wesensmerkmale lassen sich nach verschiedenen Gesichtspunkten ordnen: a) nach der Wortfunktion Tritt ein unflektierbares Wort als Modalpartikel a u f , so ist dies nur eine von verschiedenen möglichen Wortfunktionen. Das gleiche Wort kann in anderer Funktion auch Modaladverb, Konjunktion oder Adjektiv sein. (Vgl. Abschnitt 1.2: Abgrenzung der Modalpartikeln gegenüber anderen Wortarten.) Z. B. d e n n : (8) Wie heißt (9)
du denn? (Modalpartikel)
B e e i l ' dich, denn ich kann nicht lange wartenl
(Konjunktion)
17
b) morphologisch Modalpartikeln sind nicht flektierbar. c) semantisch-pragmatisch Modalpartikeln haben einen besonderen pragmatischen Wert, indem sie die Sprechereinstellung zum Ausdruck bringen können. Außerhalb des Sprechakts, also isoliert von der konkreten Äußerung, läßt sich ihre Bedeutung nicht oder nur sehr schwer bestimmen (vgl. Kapitel 5 ) . d) syntaktisch Modalpartikeln können nicht allein stehen, können also in dieser Funktion auch nicht Antwort auf eine Frage sein. Auch können diese Wörter in der Funktion als Modalpartikel nie am Satzanfang stehen. Die Modalpartikeln können durch ihre Stellung im Satz die kommunikative Gliederung des Satzes beeinflussen (vgl. Kapitel 6 ) . Hinzuzufügen ist noch ein phonologisches Merkmal, das in den zitierten Defintionen nicht erwähnt wird: d) phonologisch Modalpartikeln sind stets satzunbetont 12, 1965a, 1966 und 1 9 7 7 : 2 1 1 ) .
(vgl. Krivonosov 1963:
Zu den anderen Verwendungsweisen wie z. B. ( 1 0 ) Er hat es doch gemacht vgl.
(auch wenn er es nicht zugeben
will).
die mehrfachen Hinweise in Abschnitt 1 . 4 . 1 .
Auf diese Skizzierung von Kriterien will ich mich vorläufig beschränken. In den folgenden Kapiteln werden die einzelnen Wesensmerkmale noch weiter konkretisiert werden. Eine sehr differenzierte und detaillierte Merkmalsbeschreibung der deutschen Modalpartikeln liegt jetzt mit der Untersuchung von Krivonosov 1977 vor. Eine intonatorische Hervorhebung einzelner Lexeme im Satz gebe ich durch Akzentzeichen ( ' ) an.
18
1.2
Abgrenzung der Modalpartikeln gegenüber anderen Wortarten
Die Vielfalt der Bezeichnungen für Modalpartikeln rührt zum Teil daher, daß die Wortarten auf unterschiedliche Weise klassifiziert werden. Es kann deshalb auch nicht von falschen oder richtigen Termini gesprochen werden, sondern nur von geeigneten und weniger geeigneten. Wenn man die Merkmale, wie sie am Ende des letzten Abschnittes aufgezählt wurden, zugrunde legt, muß man zugestehen, daß auch beispielsweise die Bezeichnungen "Modaladverbien" oder "Partikeln" durchaus gerechtfertigt sind. Wenn man sich für den einen oder anderen Begriff entschließt, liegt dem jeweils ein anderes Einteilungsprinzip der Wortarten zugrunde. Bevor also von Modalpartikeln die Rede ist, sollte geklärt werden, wo man die Modalpartikeln innerhalb der Klassifizierung der Wortarten hinzustellen beabsichtigt, denn "die Abrenzung der Modalpartikeln ist nicht die Vollendung ihrer Analyse, sondern eine Voraussetzung für ihre erschöpfende Erforschung" (Krivonosov 1 9 7 7 : 2 1 5 ) . Vorherrschend ist die Regel, daß man - in Sprachen, die Flexionsendungen kennen - als Partikeln alle Wortarten bezeichnet,"die unflektierbar sind, nämlich Präpositionen, Konjunktionen und Adverbien (vgl. Grebe 3 1973 § 7 2 9 ) . Durchbrochen wird das Prinzip der Unflektierbarkeit der Partikeln von einigen Adverbien, zu denen sich Vergleichsformen bilden lassen (vgl. Grebe 3 1973 § 7 5 8 ) . Eine Ausnahme von dieser grundsätzlichen Klassifizierung macht Admoni 3 1 9 7 0 : 1 9 7 f f . , der Adverbien (§ 4 1 ) , Modalwörter H
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