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German Pages 301 Year 1992
ANGELIKA MÜLLER
Die Mindestreserve: Ausgestaltung und Wandlungen eines Instrumentes der deutschen Zentralbank seit 1948
Studien zu Finanzen, Geld und Kapital Band 2
Die Mindestreserve: Ausgestaltung und Wandlungen eines Instrumentes der deutschen Zentralbank seit 1948
Von
Dr. Angelika Müller
Duncker & Humblot · Berlin
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme
Müller, Angelika:
Die Mindestreserve : Ausgestaltung und Wandlungen eines Instrumentes der deutschen Zentralbank seit 1948 I von Angelika Müller. - Berlin: Duncker und Humblot, 1992 (Studien zu Finanzen, Geld und Kapital ; Bd. 2) Zugl.: Köln, Univ., Diss., 1991 ISBN 3-428-07348-7 NE:GT
Alle Rechte vorbehalten © 1992 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin 61 Printed in Germany ISSN 0939-5113 ISBN 3-428-07348-7
Vorwort Kein Instrument der Deutschen Bundesbank ist so oft Gegenstand wissenschaftlicher Diskussionen wie die Mindestreserve. Dies und das Vorhaben, im Zuge der europäischen Wirtschafts- und Währungsunion eine Europäische Zentralbank zu errichten, bei der die Mindestreserve ein mögliches Instrument darstellt, machen eine Auseinandersetzung gerade mit diesem Instrument besonders interessant. Die vorliegende Arbeit konnte aufgrund der zahlreichen Unterstützung, die ich erfahren habe, im November 1990 abgeschlossen werden. Zu großem Dank verpflichtet bin ich der Deutschen Bundesbank. Ohne die Bereitschaft, mir in die freigegebenen Dokumente (bis zur Verabschiedung des Bundesbankgesetzes 1957) uneingeschränkte Akteneinsicht zu gewähren und ohne die freundliche Hilfe wäre die Arbeit in dieser Form nicht möglich gewesen. Herrn Professor Dr. Dr. Friedrich-Wilhelm Henning gilt mein aufrechter Dank für seine Bereitschaft, den von mir gewählten Themenbereich zu betreuen. Für seine stete Förderung und Unterstützung der Arbeit möchte ich mich besonders bedanken. Herrn Professor Dr. Rolf Rettig danke ich herzlich für die Übernahme des Korreferates. Frau Professor Dr. Francesca Schinzinger unterstützte mich verständnisvoll durch aufmunternde Worte während meiner Assistententätigkeit Großen Dank schulde ich den Freunden und Kollegen, die mit viel Engagement einen entscheideneo Beitrag zu der Fertigstellung geleistet haben. Mein ganz persönlicher Dank gilt Herrn Dipl.-Kfm. Klaus Kreppein. Aachen, im September 1991 Angelika Müller
Inhaltsverzeichnis A.
Einleitung..................................................................................................................................... 1 I. Einführung in die Problemstellung ....................................................................................... 1 II. Gang der Untersuchung.......................................................................................................... 3 111. Begriffsdefinition und rechtliche Einordnung der Mindestreserve ................................. 6
B.
Die Mindestreserve in der Geldangebotstheorie ................................................................... 9 I. Die Beurteilung der MindestreseiVe in der Geldangebotstheorie ................................... 9 1.
Die MindestreseiVe in der traditionellen Geldangebotstheorie ............................. 11
2.
Die MindestreseiVe in den neueren Ansätzen der Geldangebotstheorie .............. 13
3.
Die empirische Relevanz der Geldangebotstheorie für die Steuerung des Geldangebots durch das Instrument MindestreseiVe ........................................ 15
II. Schlußfolgerungen für die Beurteilung der Funktion und Bedeutung der MindestreseiVC als Zentralbankinstrument aufgrundder Geldangebotstheorie ......... 19 C.
Die Entwicklung der Mindestreserve zum Zentralbankinstrument in Deutschland bis 1948................................................................................................................ 21 I. Die Stadien der Entstehung der gesetzlichen Grundlage der Mindestreserve
in den USA.............................................................................................................................. 21 II. Die Stadien der Entwicklung des ReseiVegedankens in Deutschland ........................... 23 1.
2.
Die Diskussion des Reservegedankens bis zur Bankenkrise von 1931 .................. 25 Die Zielsetzung des Kreditwesengesetzes von 1934 bezüglich der MindestreseiVe ......................................................................................................... 31
111. Zusammenfassung: Der Stand der Entwicklung der MindestreseiVe in Deutschland vor der Einführung in das Instrumentarium der Zentralbank 1948 ....... 35 D.
Die MiAdestreserve als lnstruaaent der deutschen Zentralbank seit 1948 ..................... 39 I. Die prägenden Faktoren und die geldpolitische Konzeption der Zentralbank
zwischen 1948 und 1973 im Hinblick auf die Ausgestaltungen und Wandlungen der MindestreseiVe......................................................................................... 40
VIII
Inhaltsverzeichnis
1. Die politischen und ökonomischen Einflußfaktoren auf die Zentralbank-
politik zwischen 1948 und 1m ............................................................................................ 41 2. Die geldpolitische Konzeption der Zentralbank zwischen 1948 und 1973 .................... 46 3. Die Mindestreserve im Instrumentarium und in der geldpolitischen Konzeption der Zentralbank zwischen 1948 und 1973 ..................................................... SO a) Die Wirkung der Mindestresetve auf die Kreditinstitute und ihre Einordnung in das Instrumentarium der deutschen Zentralbank .......................... SO b) Die Funktion und die Bedeutung der Mindestresetve in der geldpolitischen Konzeption der Zentralbank von 1948 bis 1973 ......................•............. 53 II. Die Mindestresetve als Instrument der Bank deutscher Länder von 1948 bis 1957 ........... 51 1. Die Formulierung der gesetzlichen Grundlage und die Einführung der Mindestreserve als Instrument der Bank deutscher Länder ........................................... 58 a) Der deutsche Beitrag zur Einführung der Mindestresetve nach dem amerikanischen Vorbild ......................................................................................... 61 b) Die erste "Anweisung der Bank deutscher Länder über Mindestresetven• ............................................................................................................ 63 c) Die Resonanz auf die Einführung der Mindestresetve in das Instrumentarium der Bank deutscher Länder ........................................................... 64 2. Die ersten Wandlungen der Mindestresetve als Instrument der Bank deutscher Länder ......................................................................................................... 70 a) Die Verlegung der Stichtage zur Ermittlung des Mindestresetve-Solls ................ 71 b) Die Differenzierung der Mindestresetvesätze nach dem Standort der Kreditinstitute .......................................................................................................... 72 c) Die Differenzierung der mindestresetvepflichtigen Einlagen in Resetveklassen ................................................................................................................ 73 d) Die Mindestresetve der Landeszentralbanken .......................................................... 76 3. Die ersten kritischen Stellungnahmen zur Mindestresetve als Instrument der Bank deutscher Länder .................................................................................................. 80 111. Die Ausgestaltung der Mindestreserve im Bundesbankgesetz............................................... 86 1. Das Instrument Mindestresetve in der Diskussion zum Bundesbankgesetz ................ 86 a) Die Mindestresetve als Instrument der zukünftigen Deutschen Bundesbank ...................................................................................................................... 93
Inhaltsverzeichnis
IX
b) Die Frage einer Verzinsung der MindestreseiVe....................................................... 99 c) Die direkte oder indirekte Haltung der MindestreseiVe........................................ 106 d) Die Einbeziehung der Spareinlagen in die Bemessungsgrundlage der MindestreseiVe.............................................................................................................. 114 e) Der Stellenwert der Liquiditätsfunktion des Zentralbankinstrumentes MindestreseiVe.............•••..............................................,............................................... 126 2. Die Ausgestaltung der MindestreseiVe im Bundesbankgesetz ..................................... 131 IV. Die MindestreseiVe im Instrumentarium der Deutschen Bundesbank: Realisierte und diskutierte Wandlungen von 1957 bis 1973....••.........•...............•.................. 135 1.. Die Wandlungen des Instrumentes MindestreseiVe bis 1973 ....................................... 135
a) Die Differenzierung nach Gebietsansässigen und Gebietsfremdcn ..................... 136 b) Die ZuwachsmindestreseiVe auf der Passivseite gegenüber Gebietsansässigen ...................................................................................................................... 139 2. Die Diskussion über den Einfluß des Mindestreservesystems zwischen
1951 und 1973 auf die Struktur des Bankensektors ........................................................ 140 3. Die Diskussion über Änderungen der gesetzlichen Ausgestaltung der MindestreseiVe ..................................................................................................................... 149 a) Die Ansatzpunkte einer gesetzlichen Modifikation des Instrumentes MindestreseiVe im Bundesbankgesetz ...................................................................... 150 b) Eine AktivmindestreseiVe als Alternative oder Ergänzung des bestehenden Mindestreservesystems......................................................................... 155 aa) Die Ansatzpunkte für die Ausgestaltung einer AktivmindestreseiVe ........... 156 bb) Die zeitlich befristete Aktiv-ZuwachsmindestreseiVe ..................................... 159 ·cc) Die indirekte AktivreseiVe .................................................................................. 162 V. Die präpnden Faktoren und die Konzeption der Geldpolitik der Deutschen Bundesbank seit 1974•••.•.......................•..............................................................•................•..... 164 1. Die Einflußfaktoren auf die Geldpolitik der Deutschen Bundesbank seit 1974 ........................................................................................................................................ 164
2. Der Konzeptionswechsel der Deutschen Bundesbank............••..........................•.•......•• 166
X
Inhaltsverzeichnis
3. Die Funktion der MindestreseiVe im Rahmen der geldpolitischen Konzeption seit 1974 ................................................................................................................................. 175
VI. Die MindestreseiVe im Instrumentarium der Deutschen Bundesbank seit dem Übergang zur Geldmengensteuerung: Wandlungen und Diskussionen seit 1974 ......... 179 1. Die Wandlungen in der Ausgestaltung der MindestreseiVe seit 1974 ......................... 179 a) Das Progressionsstaffelverfahren zur Ermittlung der MindestreseiVepflicht des einzelnen Kreditinstitutes ........................................................................ 179 b) Die Anrechenbarkeit der Kassenbestände auf das Mindestreserve-Soll ............. 182 c) Die Abgrenzung der mindestreseiVepflichtigen Kreditinstitute ........................... 185 d) Die Abgrenzung der mindestreseiVepflichtigen Einlagen...................................... 187
2. Die aktuellen MindestreseiVebestimmungen .................................................................. 190 3. Die neuen Ansätze zur Diskussion des Instrumentes Mindestrese1Ve........................ 193 a) Die Gründe für einen Verzicht auf das Instrument MindestreseiVe ................... 193 aa) Die Frage nach der Funktion und Bedeutung der MindestreseiVe in der heutigen Bundesbankkonzeption ............................................................ 193 bb) Das Instrument MindestreseiVe und finanzielle Innovationen...................... 198
cc) Die MindestreseiVe und die Attraktivität des Finanzplatzes Bundesrepublik ..................................................................................................... 204 b) Die gegenwärtig diskutierten Wandlungen des Instrumentes, insbesondere die Möglichkeit der Verzinsung der MindestreseiVe............................... 1JJ7 c) Die Errichtung einer Europäischen Zentralbank.................................................... 212
E.
Eraebnisse und Penpektiven................................................................................................ 216
Literaturvenekbnis ........................................................................................................................... 225 Anhang.................................................................................................................................................. 248
Abkürzungsverzeichnis Abs. AMR
Absatz Von 1948 bis 1957: Anweisung der Bank deutscher Länder über Mindestreserven Seit 1957: Anweisung der Deutschen Bundesbank über Mindestreserven
BBankG
Bundesbankgesetz
BdL
Bank deutscher Länder
BdLG
Gesetz über die Bank deutscher Länder
BFM
Bundesfinanzministerium
BGBI.
Bundesgesetzblatt
BIZ
Bank für Internationalen Zahlungsausgleich
BMF
Bundesminister der Finanzen
DM
Deutsche Mark
"Eurofed"
Europäische Zentralbank
FDP
Freie Demokratische Partei
HA
Handakte
KWG
Kreditwesengesetz
LZB
Landeszentralbank
LZBG
Landeszentralbankgesetz
Mio.
Million, Millionen
RGBl.
Reichsgesetzblatt
ZBR
Zentralbankrat
Abbildungsverzeichnis Die Einteilung in Reserveklassen von Mai 1952 bis Juli 1959 ....................................................... 75 Die Einteilung in Reserveklassen von August 1959 bis Juni 1968.........•....................................... 76 Die Entwicklung von Passiva, mindestreservepflichtigen Verbindlichkeiten und Mindestreserve-Soll von 1949 bis 1959 ..........................••....................................•..................... 85 Die durchschnittliche Reservehaltung nach Bankengruppen im Jahre 1968 ......•...................... 142 Die Entwicklung des durchschnittlichen Reservesatzes von 1949 bis 1989............................•... 177 Die Einteilung in Reserveklassen von Juli 1968 bis Februar 1977 .............................................. 179 Die Progressionsstufen von März 1m bis Mai 1986 .................................................................... 181 Die Entwicklung von Passiva, mindestreservepflichtigen Verbindlichkeiten und Mindestreserve-Soll von 1949 bis 1989 ••....................•.............................•..•.........•............•••••. 203
A. Einleitung I. Einführung in die Problemstellung Die Auseinandersetzung mit dem Instrument Mindestreserve in Arbeiten neueren Datums erfolgt schwerpunktmäßig vor dem aktuellen geld- und kreditpolitischen Hintergrund und zielt auf Teilaspekte der mit der Mindestreserve verbundenen Problematik1. Die Mindestreserve ist bereits seit ihrer Konzipierung als Instrument der Zentralbank2 zum Gegenstand zahlreicher Kontroversen geworden, und selbst die grundsätzliche Auseinandersetzung mit der Frage nach der 1 vgl. beispielsweise: Schwolgin, Annin, Finanzielle Innovationen und Mindestreservepolitik. Reformvorschläge auf Grund amerikanischer und deutscher Entwicklungen, Frankfurt a. M. 1986; Hepp, Roland, Spielräume und Ansatzpunkte einer ordnungskonformen Gestaltung des Mindestreservesystems in der Bundesrepublik Deutschland, Berlin 1989 2 Die Bezeichnung der Institution, die der Staat mit geld-, kredit- und währungspolitischen Aufgaben betraut, wird in der Literatur sehr unterschiedlich gehandhabt. Die Begriffe "Währungsbank" und "Zentralbank" können synonym veiWendet werden. Während mit der Bezeichnung "Währungsbank" eher auf die Aufgabe hingewiesen wird, deutet der Begriff "Zentralbank" explizit auf die Sonderstellung des Instituts im Bankwesen eines Staates hin. Die in der Literatur oft synonym gebräuchlichen Bezeichnungen "Notenbank" oder "Zentralnotenbank" beziehen sich auf das Recht der Notenemission, das im 19. Jahrhundert im Deutschen Reich noch nicht ausschließlich bei der Deutschen Reichsbank angesiedelt war. Somit wird mit den Bezeichnungen "Notenbank" und "Zentralnotenbank" lediglich eine Funktion der Zentralbank gekennzeichnet. Die Hauptaufgabe der Zentralbank, unter dem Aspekt die Währung zu sichern, die Bank des Staates und die Bank der Banken zu sein, bestimmt dann auch die Bezeichnung "Währungsbank" bzw. "Zentralbank" zum Oberbegriff (vgl. hienu: Hahn, Oswald, Die Währungsbanken der Welt, Bd. 1: Institutionen und Organe, Stuttgart 1968, S. lf; Veit, Otto, Grundriss [!) der Währungspolitik, 3. durchgängig eiWeiterte Auflage, Frankfurt a. M. 1969, S. 27; Pfleiderer, Otto, Schieber, Helmut, Die Zentralnotenbank, in: Geld-, Bank- und Börsenwesen, Hrsg.: Kloten, Norbert und Johann Heinrich von Stein, 38. völlig neubearbeitete und eiWeiterte Auflage, Stuttgart 1988, S. 164- 179, hier S. 164). Unter Währungspolitik werden in dieser Arbeit monetäre Maßnahmen verstanden, die auf die außenwirtschaftliche Absicherung zielen, während sich die Geldpolitik an der binnenwirtschaftlichen monetären Stabilitätspolitik orientiert (vgl.: Dickertmann, Dietrich, Siedenberg, Axel, Instrumentarium der Geldpolitik, 4. neubearbeitete und eiWeiterte Auflage, Düsseldorf 1984, S. 1). ln Analogie dazu erscheint die Bezeichnung "Währungsbank" primär für einen internationalen Vergleich von monetären Institutionen geeignet. Im Rahmen dieser Arbeit stehen die Bank deutscher Länder und die Deutsche Bundesbank im Mittelpunkt und aus diesem Grund wird die Bezeichnung "Zentralbank" präferiert. . 1 A. MUIIcr
2
A Einleitung
Relevanz dieses Instrumentes im Rahmen instrumentariums ist noch nicht abgeschlossen3•
des
Zentralbank-
Dies sind Gründe, die Entwicklung der Mindestreserve als Instrument der deutschen Zentralbank in ihrer gesetzlichen Ausgestaltung und ihren diskutierten und realisierten Wandlungen darzustellen und zu analysieren. Ein weiterer Grund zur Analyse der Entwicklung der Mindestreserve ergibt sich aus der Tatsache, daß seit der KodifiZierung der Mindestreserve im Bundesbankgesetz 1957 nun mehr als drei Jahrzehnte vergangen sind4• Die Ausgestaltung der Mindestreserve durch die Bundesbankgesetzgebung ist seitdem in wesentlichen Bestimmungen nicht revidiert worden. Von Interesse ist aus diesem Grund die Klärung der Frage, mit welchen Argumenten die am Gesetzgebungsprozeß beteiligten Interessenvertreter die Ausgestaltung der Mindestreserve im Bundesbankgesetz zu beeinflussen versuchten5 und welche Argumente schließlich bestimmend für die Fassung von § 16 Mindestreserve-Politik Bundesbankgesetz (BBankG)6 waren. Die Analyse der Wandlungen der Mindestreserve, insbesondere die Herausarbeitung der aktuellen Problemfelder, ist die Basis für den Vergleich der Argumente, die bei der Bundesbankgesetzgebung 1957 für die Formulierung ausschlaggebend waren, mit den Argumenten, die heute 3 vgl. beispielsweise zur grundlegenden Kritik an der Mindestreserve seit der Bekanntgabe eines Geldmengenziels 1974: Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Jahresgutachten 1974/75, Stuttgart 1974, Ziffer 384; Engels, Wolfram, Notenbanktechnik, Instrumente und Verfahren der monetären Stabilitätspolitik, Frankfurt a. M. 1979, S. 13ff; Maier, Gerhard, Die Mindestreserve. Eine Störgröße der Geldpolitik, in: Sparkasse, Heft 7, 99. Jg., 1982, S. 301 - 304; Engels, Wolfram, Das Geldmenge~hlupßoch, in: Wirtschaftswoche, Heft 26, 39. Jg., 1985, S. 132; Starbatty, Joachim, Die neue Geldpolitik, in: Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen, Heft 23, 38. Jg., 1985, S. 1078 - 1082, hier S. 1078ff; Reither, Franco, Mindestreserven und gesamtwirtschaftliche Steuerung, in: Wirtschaftsdienst, Heft 10, 6S. Jg., 1985, S. 503 - 509; Jssing, Otmar, Fossil mit Umlenkungseffekt, in: Wirtschaftswoche, Heft 12, 40. Jg., 1986, S. 102 - lOS und S. 107, hier S. 107; Jssing, Otmar, (1987: a), Der Euro-DM-Markt und die Deutsche Geldpolitik, in: Geldpolitische Regelbindung: theoretische Entwicklungen und empirische Befunde, Hrsg.: Gutowski, Armin, Berlin 1987, S. 163 - 191, hier S. 181 4 Das Bundesbankgesetz wurde am 26. Juli 1957 verkündet und ist seit dem 1. August 1957 in Kraft, (vgl.: Gesetz über die Deutsche Bundesbank (BBankG) vom 26. Juli 1957, Bundesgesetzblatt Teil I (BGBI. I), S. 745 - 755, hier S. 155).
5 vgl.: Hentschel, Volker, Die Entstehung des Bundesbankgesetzes 1949 - 1957. Politische Kontroversen und Konflikte, in: Bankhistorisches Archiv, Heft 1 und 2, 14. Jg., 1988, S. 3 - 31 und S. 79 - 115, hier S. 7f; 30 Jahre Deutsche Bundesbank. Die Entstehung des Bundesbankgesetzes vom 26. Juli 1957. Dokumentation einer Ausstellung, Hrsg.: Deutsche Bundesbank, Frankfurt a. M. 1988, S. lllff 6 vgl.: § 16 BBankG, BGBI. I, S. 747
II. Gang der Untersuchung
3
eventuell geeignet sein können, die gesetzliche Formulierung von § 16 BBankG zu modifiZieren. Mit der Analyse der Entwicklung der Mindestreserve als Instrument der deutschen Zentralbank wird ein weiteres Ziel verfolgt. Die Auseinandersetzung mit der Entwicklung der Mindestreserve ermöglicht die Beantwortung der Frage nach der grundsätzlichen Problematik dieses Instrumentes. Die Kenntnisse dieser Problematik des Instrumentes Mindestreserve der deutschen Bundesbank wird auch bei der Formulierung entsprechender Regelungen für eine Europäische Zentralbank von Bedeutung sein7•
ll. Gang der Untersuchung Um die Mindestreserve als Instrument der Zentralbank analysieren zu können, muß man die Funktion und Bedeutung kennen, die das Instrument Mindestreserve erfüllen soll. Zu überprüfen ist zunächst, welchen Beitrag die Geldtheorie zur Beantwortung dieser Fragestellung leistet. Durch die Geldangebotstheorie soll der Zentralbank eine Grundlage für die Formulierung ihrer geldpolitischen Konzeption offeriert werden. Ermittelt werden muß, welche Bedeutung und welche Funktion der Mindestreserve in den verschiedenen Geldangebotstheorien zur Beeinflussung des gesamtwirtschaftlichen Geldangebots beigemessen wird. Theoretische Standpunkte lassen sich durch empirische Untersuchungen überprüfen. Empirische Ergebnisse gestatten Rückschlüsse auf eine mögliche theoretische Fundierung der Funktion und der Bedeutung, die der Mindestreserve als Zentralbankinstrument zur Steuerung des gesamtwirtschaftlichen Geldangebotes zukommt8. Im Zuge der Währungsgesetzgebung 1948 wurde das Instrument Mindestreserve nach dem amerikanischen Vorbild in das deutsche Zentralbankinstrumentarium eingegliedert. Bevor die Analyse der Entwicklung des Zentralbankinstrumentariums in Deutschland seit 1948 erfolgen kann, muß die Frage geklärt werden, inwieweit die Konzipierung der Mindestreserve in 1 vgl. zu den Überlegungen über die lnstNmente einer Europäischen Zentralbank:
Niets, A European centrat banking system - some analytical and operational considerations, in: Report on economic and monetary union in the European Community, 2. Collection of papers, Hrsg.: Committee for the study of economic and monetary union, Luxembourg 1989, S.169ff 8 vgl.: Kapitel 8 77~>wesen,
4
A Einleitung
Deutschland eine eigenständige historische Entwicklung aufweist, um die Integration der Mindestreserve als Instrument im deutschen Universalbanksystem zu rechtfertigen. Die historische Entwicklung der Mindestreserve zu einem Zentralbankinstrument in Deutschland bis zu ihrer Einführung in das Instrumentarium 1948 wird aus diesem Grund nachvollzogen9• Die Entwicklung des Zentralbanksystems in Deutschland seit seinem Beginn 1876 bis heute ist durch politische und ökonomische Aspekte und Sachzwänge, durch theoretische Auseinandersetzungen und nicht zuletzt auch durch historische Erfahrungen10 geprägt. Diese Faktoren bestimmen auch die jeweilige von der Zentralbank verfolgte monetäre Konzeption und die Entwicklung des geld- und kreditpolitischen Instrumentariums der deutschen Zentralbank11. Die ökonomischen Daten, die Relevanz für die Geldpolitik der Zentralbank hatten, werden jeweils aufgezeigt. Sie waren Einflußfaktoren auf·die jeweilige von der Zentralbank verfolgte monetäre Konzeption. Die von der Zentralbank zugrundegelegte monetäre Steuerungsstrategie bestimmt wiederum die jeweilige Funktion und Bedeutung der Zentralbankinstrumente. Es werden jeweils die Grundzüge der von 1948 bis 1973 und der seit 1974 verfolgten monetären Konzeptionen der Zentralbank dargestellt. Die Funktion und die Bedeutung, die die Mindestreserve in der jeweiligen Konzeption primär innehatte, werden analysiert12•
9 vgl.: Kapitel C 10 vgl.: Klasen, Karl, Vorwort, in: Währung und Wirtschaft in Deutschland 1876- 1975, Hrsg.: Deutsche Bundesbank, Frankfurt a. M. 1976; Wal/ich, Henry C., Forces that Drive International Monetary Evolution, in: Geld- und Währungspolitik in der Bundesrepublik Deutschland, Beihefte zu Kredit und Kapital, Heft 7, Hrsg.: Ehrlicher, Wemer und Diethard B. Simmert, Bcrlin 1982, S. 19 - 32, hier S. 19ff; Ehrlicher, Wemer, Simmen, Diethard B., Einführung, in: Wandlungen des geldpolitischen Instrumentariums der Deutschen Bundesbank, Beihefte zu Kredit und Kapital, Heft 10, Hrsg.: Ehrlicher, Wemer und Diethard B. Simmert, Berlin 1988, S. VII - Xlll, hier S. VII; siehe auch: Prost, Gerhard, Wandlungen im deutschen Notenbankwescn, München 1972; KöUner, Lutz, Von der preussischen Staatsbank zum Europäischen Währungssystem. Hundert Jahre Währung und Politik in Deutschland und Europa, Frankfurt a. M. 1981 11 vgl.: Schlesinger, Helmut, Das Konzept der Deutschen Bundesbank, in: Wandlungen des geldpolitischen Instrumentariums der Deutschen Bundesbank, Beihefte zu Kredit und Kapital, Heft 10, Hrsg.: Ehrlicher, Wemer und Diethard B. Simmert, Bcrlin 1988, S. 3 • 20, hier S. 3f; Gleske, Leonhard, Die Geldmarktpolitik der Bundesbank. Erfahrungen und Probleme, in: Herausforderungen der Wirtschaftspolitik. Festschrift zum 60. Geburtstag von Caus Köhler, Hrsg.: File, Wolfgang, Lotbar Hübl und Rüdiger Pohl, Bcrlin 1988, S. 131 - 146, hierS.131 12 vgl.: Kapitel D, Punkt I. und V.
II. Gang der Untersuchung
5
Die erste Phase der Entwicklung der Mindestreserve als Instrument der Bank deutscher Länder von 1948 bis 1957 wird hauptsächlich anband von Gutachten und Sitzungsprotokollen des Zentralbankrates und von Vorlagen für den Zentralbankrat nachvollzogen. Auf diese Weise kann geklärt werden, welchen Beitrag die deutschen Vertreter zu der gesetzlichen Ausgestaltung der Mindestreserve im Zuge der Währungsreform 1948 geleistet haben. Außerdem eröffnen die analysierten Quellen die Möglichkeit, für den Zeitraum von 1948 bis 1957 die Intentionen des Zentralbankrates bei den diskutierten und realisierten Wandlungen aufzuzeigen13• Die realisierten Wandlungen zeigen sich in der Form von Anweisungen der deutschen Zentralbank14. Im Anschluß an die Währungsgesetzgebung 1948 setzte eine lebhafte Diskussion um dieses neue Zentralbankinstrument ein. Sie mündete in die Auseinandersetzung um die Ausgestaltung des Instrumentes Mindestreserve im Bundesbankgesetz von 1957. Das Bundesbankgesetz ist seit seinem lokrafttreten die Rechtsgrundlage für die Mindestreserve. Die Diskussion um die Ausgestaltung der Mindestreserve wird hauptsächlich anband der Vorlagen und Anmerkungen zu den Sitzungsprotokollen des Zentralbankrates der Bank deutscher Länder15, den Protokollen des Ausschusses für Geld und Kredit des Deutschen Bundestages, des umfangreichen Schriftverkehrs der Spitzenverbände der Kreditinstitute und anband der Stellungnahmen zu Fragen der Mindestreserve der am Gesetzfmdungsprozeß Beteiligten nachvollzogen. Die Darstellung dieser Kontroverse bildet die zentrale Grundlage zur Beantwortung der Fragestellung nach der heutigen Relevanz der Ausgestaltung der Mindestreserve16• Für die Beurteilung des Instrumentes ist die Kenntnis der Entwicklung der Mindestreserve als Instrument der Bundesbank seit 1957 bis zu der Konzeptumstellung 1974 von Interesse. Die realisierten und diskutierten 13 vgl.: Kapitel D, Punkt II. 14 Realisierte Wandlungen erfolgen auch heute noch durch Änderungen der Anweisung der Bundesbank über MindestreseJVC (vgl. beispielsweise: Anweisung der Deutschen Bundesbank über Mindestreserven (AMR), in: Geschäftsbericht der Deutschen Bundesbank für das Jahr 1987, [Frankfurt a. M. 1988), S. 96 - 102, hier S. 96). 15 Stenographische Protokolle der Zentralbankratsitzungen standen ausnahmsweise zur Verfügung. 16 vgl. Kapitel D, Punkt 111
6
A. Einleitung
Wandlungen der Mindestreserve in diesem Zeitraum bilden wichtige Stadien bei der Analyse der Entwicklung der Mindestreserve als Instrument der Bundesbank17• Dies gilt auch für die realisierten Wandungen18 der Mindestreserve seit der Konzeptumstellung 1974. Vor dem Hintergrund der aktuellen Mindestreservebestimmungen werden die seit 1974 diskutierten Möglichkeiten für Wandlungen und die Vorschläge für Änderungen der Ausgestaltung der Mindestreserve analysiert19. Die Untersuchung endet mit der Klärung der Fragestellung, inwieweit die Ausgestaltung von § 16 BBankG noch Relevanz für die heutige Funktion und Bedeutung der Mindestreserve hat und welche Möglichkeiten sich für die Ausgestaltung der Mindestreserve als Instrument einer Europäischen Zentralbank aufzeigen lassen20•
111. BegritTsdefinition und rechtliche Einordnung der Mindestreserve Die Formulierung im Bundesbankgesetz bildet den Ansatzpunkt für die Defmition der Mindestreserve21• Man bezeichnet diejenigen Guthaben als Mindestreserve, die die Kreditinstitute22 in Höhe eines Vom-Hundert17 vgl. Kapitel D, Punkt IV. 18 Faktisch endet die Untersuchung mit der AMR in der Fassung vom 16. Juni 1987. Entwicklungen in der Geldpolitik beziehungsweise Diskussionsbeiträge nach diesem Zeitpunkt werden berücksichtigt. 19 vgl.: Kapitel D, Punkt VI. 20 vgl. Kapitel E 21 Diese Vorgehensweise ermöglicht es, den Begriff Mindestreserve der Themenstellung entsprechend zu definieren. Ausschlaggebend für die Wahl der Abgrenzung ist die Intention der Arbeit (vgl. zu dieser Vorgehenswcise auch: Pfleiderer, Otto, Mindestreservenpolitik, in: Handwörterbuch der Sozialwissenschaften, Hrsg.: Bcckerath, Erwin von, u. a., Bd. 7, Stuttgart 1961, S. 349 - 359, hier S. 349; Voß, Peter, Zielkonforme Ausgestaltung der Mindestreservepolitik. Neuere Vorschläge zur Reform des traditionellen Systems, Bcrlin 1972, S. 10; Hepp, Roland, (1989), S. 10f). Einen grundsätzlich anderen Weg wählt Büschgen. Er führt den Begriff auf seine historischen Wurzeln zurück und folgert daraus, daß die Bezeichnung "Pflichteinlagen• die Mindestreserve treffender klassifiZieren könne (vgl.: Büschgen, Hans E[gon], Die gesetzliche Mindestreservenhaltung der Krcditinstitute. Eine betriebswirtschaftliche Untersuchung über ihre Bedeutung, ihre Funktionen und ihre mögliche Neufassung, Habil. Köln (1964) (unveröffentlicht), S. 40ff). 22 Der Begriff "Krcditinstitute• wird im Sinn des Kreditwesengesetzes synonym auch für die Begriffe "Bank" oder "Gcschäftsbank" verwendet (vgl.: § 1 Abs. 1 und § 53 Abs. 1, Gesetz über das Kreditwesen (K.WG) in der Neufassung vom 11. Juli 1985, BGBl. I, S. 1473 - 1496, hier S. 1474 und 1493).
111. Begriffsdefinition und rechtliche Einoldnung der Mindestreserve
7
Satzes ihrer Verbindlichkeiten aus Sichteinlagen, befristeten Einlagen und Spareinlagen sowie aus aufgenommenen kurz- und mittelfristigen Geldem auf Girokonten der Zentralbank unterhalten müssen23• Die Angabe über die Höhe der von den Kreditinstituten zu unterhaltenden Mindestreserve wird im Gesetzestext als Vom-Hundert-Satz bezeichnet. Man spricht bei diesem Vom-Hundert-Satz von dem Mindestreservesatz. Das Mindestreserve-Soll bezeichnet den Betrag, den die Kreditinstitute auf Girokonten bei der Zentralbank unterhalten müssen. Dem Mindestreserve-Soll wird das von der Zentralbank ermittelte tatsächliche Mindestreserve-Ist gegenübergestellt. Die Zentralbank erläßt auf der Grundlage der gesetzlichen Bestimmungen sogenannte Mindestreserveregelungen beziehungsweise -bestimmungen. Die jeweils für die Kreditinstitute gültigen Anweisungen über Mindestreserveregelungen beziehungsweise -bestimmungen werden als Anweisung der Deutschen Bundesbank über Mindestreserve (AMR) bezeichnet. Diese Anweisungen über Mindestreserve enthalten Angaben, welche Kreditinstitute explizit mindestreservepflichtig sind und für welche Ausnahmeregelungen bestehen. Die Verbindlichkeiten, für die Mindestreserven unterhalten werden müssen, werden konkretisiert. Angaben über die Modalitäten zur Ermittlung des Mindestreserve-Solls, die Bestimmungen über Sonderzinsen und die Form der Reservemeldungen werden ebenfalls durch die Mindestreserveregelungen festgelegt. Die AMR werden in ihrer jeweils gültigen Fassung in den Mitteilungen und in dem Geschäftsbericht der deutschen Zentralbank abgedruckt und den Kreditinstituten als Runds.chreiben zugeschickt24• Die Variation der Mindestreservesätze oder die Veränderung der 23 vgt.: § 6, 2. Gesetz zur Neuoldnung des Geldwesens (Emissi~nsgesetz) vom 20. Juni 1948, Militärregierung Deutschland, (Emissionsgesetz), in: Gesetzblatt der Verwaltung d~ Vereinigten Wirtschaftsgebietes 1947- 49, S. llf, hier S. 11; § 16 Abs. 1 BBankG, BGBI. I, S. 747. Während in § 6 Emissionsgesetz die Mindestreserve als Mindestreserven bezeichnet wild, soll im Rahmen dieser Arbeit die im BundesbankgeSetz gewählte Bezeichnung Mindestreserve Verwendung finden. 24 vgl. beispielsweise: AMR, in: Geschäftsbericht der Deutschen Bundesbank für das Jahr 1988, [Frankfurt a. M. 1989), S. 99 - 105; Eine ausführliche Darstellung über den Weg zur Fassung und Ausführung von Beschlüssen des Zentralbankrates (vgl.: Konrad, Walter, Die Lenkung des Kreditbereiches durch die Deutsche Bundesbank. Die sachliche und rechtliche Einoldnung der kreditpolitischen Beschlüsse, Diss. Würzburg 1982, S. 120ff).
8
A Einleitung
Mindestreserveregelungen bezeichnet man als Mindestreservepolitik25• Die jeweils gültigen Mindestreservesätze und -bestimmungen werden vom Zentralbankrat erlassen und sind im Bundesanzeiger zu veröffentlichen26• Sie erlangen faktisch Gültigkeit, sobald sie durch die Medien oder durch Rundschreiben den betroffenen Kreditinstituten zur Kenntnis gebracht werden27• Die gesetzliche Grundlage und die AMR zusammen bilden das Mindestreservesystem der deutschen ,Zentralbank. Die durch die Mindestreservebestimmungen erfolgenden Anordnugen zur Mindestreservehaltung und die Möglichkeit zur Varüerung der Reservesätze " ... stellen unmittelbar verpflichtende Regelungen des öffentlichen Rechts dar."28 Hinzu kommt, daß die Möglichkeit der Kreditinstitute, sich auf rechtlichem Weg gegen eine Entscheidung der Zentralbank29 zu wenden, schon an der Frage einer generellen Zulässigkeit einer gerichtlichen Kontrolle scheitern kann30• Die Mindestreservesatzvariationen oder - bestimmungen können, solange sich die Bundesbank an ihre durch § 16 BBankG bestimmten Grenzen hält, nicht auf dem Rechtsweg verändert werden31.
25 vgl.: Issing, Otmar, (1987: b), Einführung in die Geldpolitik, 2., völlig überarbeitete Auflage, München 1987, S. 86; Hepp, Roland, (1989), S. 11; MindestreseJVeregelungen im Ausland, in: Monatsberichte der Deutschen Bundesbank, Heft 3, 42. Jg., 1990, S. 22 - 29, hier passim. In Abweichung von dieser Deliniton wird ausschließlich die Veränderung des MindestreseJVesatzes als MindestreseJVepolitik bezeichnet (vgl.: Pjleiderer, Otto, (1961), S. 349; Dickertmann, Dietrich, Siedenberg, Axel, (1984), S. 74).
26 vgl.: §§ 6 und 33 BBankG, BGBI. I, S. 745 und 752; Im Gesetz über die Bank deutscher Länder erlangen die Beschlüsse des Zentralbankrats durch Veröffentlichung Gültigkeit. 27 vgl.: Iüeschke, Hans-Uirich, Rechtsprobleme der Diskont- und der MindestreseJVesatzfestsetzung. Rechtsnatur und Möglichkeiten der gerichtlichen Überprüfung, Diss. Tübingen 1964, S. 104; Böckmann, Detlef, Die Rechtsnatur der Mindestreservesatzfestsetzung, Diss. Köln 1969, S. 41ff; Zu der Begründung, daß die MindestreseJVesatzentscheidung des Zentralbankrats bereits bei ihrer Publikation Gültigkeit erlangt (vgl.: ebenda, S. 76).
28 Fröhlich, Wolfgang, Die währungspolitischen Instrumente der Deutschen Bundesbank und ihre Einordnung in die Regelungskategorien des öffentlichen Rechts, Diss. Würzburg 1983, S. 52f; vgl. hierzu auch: Böckmann, Detlef, (1969), S. 48; Iüeschke, Hans-Uirich, (1964), 35-43 29 vgl. explizit zur rechtlichen Stellung der Deutschen Bundesbank: Irrgang, Klaus, Die Rechtsnatur der deutschen Bundesbank, Diss. Köln 1969, S. 106ff 30 vgl.: Fröhlich, Wolfgang, (1983), S. 199
s.
31 vgl.: Böckmann, Detlef, (1969), S. 94f; Kieschke, Hans-Uirich, (1964), S. 138ff
B. Die Mindestreserve in der Geldangebotstheorie Als Zentralbankgeld bezeichnet man im allgemeinen das von der Zentralbank "geschaffene Geld". Buchgeld beziehungsweise Giralgeld entsteht in Form von Sichteinlagen der Nichtbanken bei den Kreditinstituten. Demgegenüber sind Sichtguthaben der Kreditinstitute bei der Zentralbank Zentralbankgeld. Bis zur Konzeptumstellung der Deutschen Bundesbank 1974 wurden unter den Begriffen Zentralbankgeldmenge, monetäre Basis beziehungsweise Geldbasis im allgemeinen die Sichtguthaben der Kreditinstitute bei der Zentralbank und der Bargeldumlauf verstanden1. Mit dieser Abgrenzung werden im folgenden nur noch die Begriffe monetäre Basis beziehungsweise Geldbasis verbunden. Der Begriff der Zentralbankgeldmenge wird ausschließlich in der Definition verwendet, die die Bundesbank seit dem Konzeptwechsel1974 verwendet2•
I. Die Beurteilung der Mindestreserve in der Geldangebotstheorie Die EffiZienz der Geldpolitik wird bestimmt durch Kenntnisse über die reale Geldnachfrage und die darauf abgestimmte genaue Steuerung des Geldangebots. Die zentrale Fragestellung in der Theorie der Geldnachfrage gilt der Klärung des Sachverhaltes, welche Geldmenge die Wirtschaftssubjekte in einer bestimmten Situation realisieren möchten. Im Mittelpunkt der 1 vgl.: Caesar, Rolf, Zentralbankgeldschöpfung und Zentralbankgeldmenge, in: Wirtschaftsdienst, Heft 5, 55. Jg., 1975, S. 267 - 272, hier S. 268; Dickert:nullln, Dietrich, Südenberg, Axel, (1984), S. 38; Issing, Otmar, Einführung in die Geldpolitik, 5. überarbeitete Auflage, München 1984, S. 4ff; Duwendag, Dieter, u. a., Geldtheorie und Geldpolitik, 3. Auflage, Köln 1985, S. 49; Nach 1974 wurde auch in der Literatur noch keine durchgängige Trennung der Definitionen vorgenommen (vgl.: Förster, Gerhard, Der optimale Geldmengenbegriff, Berlin 1981, S. 43, Fußnote 27 und 28). 2 zur Definition siehe S. 169
10
B. Die Mindestreserve in der Geldangebotstheorie
Geldangebotstheorie steht die Frage nach den Einflußfaktoren auf die angebotene Geldmenge und den Möglichkeiten zur Realisierung der relevanten Geldmenge3• Zunächst ergibt sich deshalb das Problem der Festlegung eines geeigneten Geldmengenbegriffes. Neben den von der Zentralbank benutzten Geldmengenbegriffen Ml, M2, M3 und der Zentralbankgeldmenge werden in der Literatur alternative Konzeptionen diskutiert und auf ihre Relevanz hin überprüft4• Die Wege, über die die Zentralbank Zentralbankgeld emittiert, und die Kontrollmöglichkeiten dieser Zentralbankgeldschöpfung stellen weitere Schwerpunkte in der Geldangebotstheorie da?. Entwickelt hat sich die Geldangebotstheorie aus der Analyse der Multiplikatorwirkung6 der Giralgeldschöpfungsmöglichkeiten der Kreditinstitute7• Die Klassifikation der für die Entwicklung am Geldmarkt relevanten Akteure8 und die Analyse ihrer Verhaltensfunktionen bilden in 3 vgl.: Willms, Manfred, Rieche/, Klaus Walter, Geldtheorie und Geldpolitik VII: Geldangebot, in: Handwörterbuch der Wirtschaftswissen14:haft, Hrsg.: Albers, Willi, u. a., Bd. 3, Stuttgart 1981, S. 451 - 464, hier S. 451 4 vgl.: Förster, Gerhard, (1981), S. 21f; Mattfeldt, Harald, Das Geldmengenproblem. Empirische Untersuchungen in der Bundesrepublik Deutschland, Berlin 1973, S. 1SSff; Schober, Jochen, Der Geldangebotsprozeß in der Bundesrepublik Deutschland, Harnburg 1979,5.187 5 vgl.: Gaude, Bemhard, Die Mechanismen der Zentralbankgeldschöpfung und ihre Kontrollierbarkeit durch die Zentralbank, Berlin 1969, S. 30 - 35; Schober, Jochen, (1979), S. 134 - 184; Bachmann, Gerhard, Die geldpolitische Rolle der Bundesbank, Bad Honnef 1981, S. 17- 26; Bocke/mann, Horst, "Streitfragen zur Kontrolle der Geldschöpfung durch die Notenbank", in: Probleme der Geldmengensteuerung, Hrsg.: Ehrlicher, Wemer und Alois Oberhauser, Berlin 1978, S. 39 - 48, hier S. 43ff; Salomo, Wolfgang, Geldangebot und Zentralbankpolitik. Eine Studie zur Theorie des Geldangebots, Tübingen 1971, S. 93ff; Alexander, Volbert, Geldangebot und Geldbasiskontrolle in der Bundesrepublik Deutschland, Berlin 1975, S. 56 - 94 6 vgl. zu der Erklärung und Entwicklung von Multiplikatoren in volkswirtschaftlichen Theorien: Reuig, Rolf, Multiplikatoren, in: Handwörterbuch der Wirtschaftswissenschaft, Hrsg.: Albers, Willi, u. a., Bd. S, 1980, S. 289 - 300, hier S. 289 und S. 291f 7 vgl.: Schoaf, Gerhard, Die Geldschöpfungsmöglichkeiten von Einzelbanken, Bankengruppen und Banksystemen in der Bundesrepublik Deutschland. Theoretische und empirische Beiträge zur Geldschöpfungslehre, Diss. Tübingen 1965, S. 30f; Louda, Dieter E., Das Verhalten der Banken im Geldangebotsprozess (!) und seiner Kontrollierbarkeit durch die Zentralbank. Ein Beitrag zur Geldangebotstheorie unter besonderer Berücksichtigung der institutionellen Rahmenbedingungen des ·westdeutschen Bankensystems, Diss. ErlagenNümberg 1975, passim; Spreter, Jürgen, Theoretische und empirische Analyse der Determinanten des Geldschöpfungsmultiplikators, Krefeld 1983, S. 61ff 8 vgl.: WiUms, Manfred, Rieche/, Klaus Walter, (1981), S. 4S4ff; Neumann, Manfred J. M., (1974: a), Einführung in die Geldangebotsanalyse (I) und (11), in: Das Wirtschaftsstudium, Heft 3 und 4, 3. Jg., 1974, S. 116 -121 und S. 170 -176, hier S. 118
I. Die Beurteilung der MindestreseiVC in der Geldangebotstheorie
11
Verbindung mit den bereits skizzierten Problemkreisen zentrale Fragestellungen in einer umfassenden Auseinandersetzung mit der Geldangebotstheorie unter verschiedenen Gesichtspunkten9. 1. Die Mindestreserve in der traditionellen Geldangebotstheorie
Bis zum Anfang der sechziger Jahre stand die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Geldangebotstheorie ganz im Zeichen der sogenannten Phillips-Tradition10. Die Phillips-Tradition beschränkt sich auf den Ansatz der Geldschöpfungslehre beziehungsweise auf die Theorie des Geldschöpfungsmultiplikators11. Die Größe des Geldschöpfungsmultiplikators wird durch die Barabzugsquote und durch den Mindestreservesatz bestimmt. Je niedriger die Barabzugs~uote und/oder der Mindestreservesatz,. um so größer ist der Multiplikator 2. Durch Multiplikation der monetären Basis mit dem Geldschöpfungsmultiplikator ergibt sich das volkswirtschaftliche Geldangebot13. Mit dieser Gleichung konnte die maximale Kredit- und Geldschöpfungsmöglichkeit des Bankensystems beschrieben werden14. Im Zeichen der Phillips-Tradition stehen auch die Auseinandersetzungen mit der Geldschöpfungslehre in der Bundesrepublik Deutschland15. Besonders die Arbeiten von Schneider16 und Schilcher17 gelten als 9 vgl.: Neldner, Manfred, Die Bestimmungsgründe des volkswirtschaftlichen Geldangebots, Dertin 1976, S. 41; Neumann, Manfred J. M, (1974: a), S. 116; /ssing, Otmar, Grundzüge der Geldangebotstheorie, in: Wirtschaftswissenschaftliches Studium, Heft 10, 6. Jg., 1977, S. 459 - 465, hier S. 459
10 vgl.: Neldner, Manfred, Von der Phillips-Tradition zu einer realitätsnahen Theorie des volkswirtschaftlichen Geldangebots, in: Geldtheorie, Hrsg.: Badura, Jürgen und Otmar lssing, Stuttgart 1979, S. 111 - 123, hier S. 11lf
11 vgt.: Neldner, Manfred, (1976), S. 21; Siebke, Jürgen, Geldangebotstheorie, in: Wirtschaftswissenschaftliches Studium, Heft 10, 3. Jg., 1974, S. 465 - 469, hier S. 466; Neumann, Manfred J. M., (1974: a), S. 116 12 vgl.: Rettig, Rolf, (1980), S. 290 13 vgt.: Neldner, Manfred, (1976), S. 23f; /ssing, Otmar, (1977), S. 459f 14 vgt.: Siebke, Jürgen, (1974), S. 466 15 vgl.: Schaaf, Gerhard, (1965), S. 1 - 6
16 vgl.: Schneider, Brich, Einführung in die Wirtschaftstheorie, Teil 111: Geld, Kredit, Volkseinkommen und Beschäftigung, 9. erweiterte Auflage, Tübingen 1965, S. 14 -121
17 vgl.: Schilcher, Rudolf, Geldfunktionen und Buchgeldschöpfung. Ein Beitrag zur Geldtheorie, 2. Auflage, Dertin 1973, S. 103-178
12
B. Die Mindestreserve in der Geldangebotstheorie
repräsentativ18. Bei der Analyse der Giralgeldschöpfung werden differenzierte Betrachtungen über die Giralgeldschöpfung der Einzelbank, im Bankensektor insgesamt, bei ausschließlich bargeldlosem Zahlungsverkehr und bei der Kombination von bargeldlosem Zahlungsverkehr mit Zentralbankgeld angestellt19. Im traditionellen Ansatz der Geldangebotstheorie wird unterstellt, daß die Kreditinstitute keine Überschußreserve halten wollen20• Da angenommen wird, daß die Kreditinstitute eine maximal mögliche Kreditgewährung anstreben, wird eine Überschußreserve solange zur weiteren Kreditvergabe genutzt, bis sie ganz in die Barabzugsquote und in die Mindestreservequote aufgespalten ist21. Der Giralgeldschöpfungsprozeß wird durch die Werte des Mindestreservesatzes und der Barabzugsquote determiniert. Dies ist unabhängig davon, ob es sich um eine Einzelbank, eine Bankengruppe oder um das Bankensystem insgesamt handelt22• Der Multiplikator wird in der traditionellen Theorie durch den Mindestreservesatz und die Barabzugsquote bestimmt. Dieser Multiplikatoransatz wurde bereits im Rahmen des traditionellen Ansatzes durch die explizite Berücksichtigung von unterschiedlichen Mindestreservesätzen für Sicht-, Termin- und Spareinlagen sowie die Einlagen der Finanzintermediäre erweiter~.
In der traditionellen Geldangebotstheorie wird von der Annahme ausgegangen, daß die Kreditinstitute über die vorgegebene Mindestreservepflicht hinaus keine Guthaben bei der Zentralbank unterhalten24• Da die Barabzugsquote als konstant angesehen wird und die Zentralbank die monetäre Basis bestimmen kann25, wird die Mindestreserve als zweiter Faktor des Multiplikators zur Determinante der Geldmenge. Der traditionelle Ansatz 18 vgl.: Neldner, Manfred, (1976), S. 21 19 vgl.: Schneider, Erleb, (1965), S. 14- 67; Schilcher, Rudolf, (1973), S. 103- 178 20 vgl.: Neldner, Manfred, (1976), S. 23 21 vgl.: Duwendag, Dieter, u. a., (1985), S. 123 22 vgl.: Duwendag, Dieter, u. a., (1985), S. 120f; lssing, Otmar, (1984), S. 52ff 23 vgl.: Duwmdag, Dieter, u. a., (1985), S. 127; Neldner, Manfred, (1976), S. 41f; lssing, Otmar, (1977), S. 460f 24 vgl.: Neldner, Manfrcd, (1976), S. 22 25 vgl.: cbcnda, S. 31
I. Die Beurteilung der Mindestreserve in der Geldangebotstheorie
13
geht davon aus, daß die Zentralbank das gesamtwirtschaftliche Geldangebot durch das Instrument Mindestreserve steuern kann26• Kritik wird insbesondere an der mechanistischen Analyseform der traditionellen Geldangebotstheorie geübt. Die Variablen sind exogen bestimmt, und nicht die tatsächliche, sondern die maximal mögliche Kreditschöpfung wird ermittelt. Da weder das Gewinnmaximierungsstreben der Kreditinstitute noch das Verhalten der Nichtbanken berücksichtigt werden, leistet somit die traditionelle Geldangebotstheorie keinen realitätsnahen Beitrag zur Erklärung des Geldangebots27• Bei den neueren Ansätzen zur Geldangebotstheorie wird eine grundlegende Annahme der traditionellen Theorie aufrechterhalten. Auch die neueren Ansätze haben die Gleichung, daß das Geldangebot das Produkt aus Multiplikator und monetärer Basis ist, zum Ausgangspunkt ihrer Formulierungen von Geldangebotshypothesen gewählt28• 2. Die Mindestreserve in den neueren Ansätzen der Geldangebotstheorie Mit Beginn der siebziger Jahre hat das von Brunner und Mettzer in den sechziger Jahren entwickelte Geldangebotsmodell29 Eingang in die deutsche Literatur gefunden30• Dieser Ansatz hat sich besonders bewährt zur Erklärung des Mechanismus der Geldversorgung unter Berücksichtigung der jeweiligen nationalen institutionellen Besonderheiten der monetären 26 vgl.: Schneider, Erich, (1965), S. 68; Jssing, Otmar, (1977), S. 461; Neldner, Manfred, (1976), S. 60ff; An diese Überlegungen knüpft auch der "Chicago-Pian• an. Zur Kontrolle der Geldschöpfungsfähigkeit der Kreditinstitute durch die Zentralbank wird ein Mindestreservesatz von 100 v. H. für Sichtverbindlichkeiten vorgeschlagen. Da nur der Bestand an Bargeld und die Sichteinlagen zur Geldmenge gerechnet werden, erhält die Zentralbank die Kontrolle über die Steuerung der Geldmenge (vgl.: Gödde, Roland, Der Chicago-Plan, in: Das Wirtschaftsstudium, Heft 11, 14. Jg., 1985, S. 52Sff, hier S. 525). 27 vgl.: Westphal, Uwe, Theoretische und empirische Untersuchungen zur Geldangebotsnachfrage und zum Geldangebot, Tübingen 1970, S. 78; Duwendag, Dieter, u. a., (1985), S. 127; Neldner, Manfred, (1976), S. 58 und 75; Jssing, Otmar, (1977), S. 461
28
vgl.: Neldner, Manfred, (1976), S. 59 29 Die Weiterentwicklung der Geldangebotsmodelle muß im Zusammenhang mit der monetaristischen Geldtheorie gesehen werden. Für die monetaristische Analyse ist die Frage, ob die Geldbasis und/oder Geldmenge durch die Zentralbank steuerbar ist, von zentraler Bedeutung. Ist sie steuerbar, dann besteht die Möglichkeit, über die Geldpolitik gesamtwirtschaftliche Größen zu beeinßußen (vgi.:A/exander, Volbert, (1975), S. 26). 30 vgl.: Neumann, Manfred J. M., (1974: a), S. 116; Siebke, Jürgen, Willms, Manfred, Theorie der Geldpolitik, Dertin 1974, S. 109ff
14
B. Die Mindestresetve in der Geldangebotstheorie
Systeme31• Auf diesem Ansatz basieren die für die Bundesrepublik Deutschland entwickelten Geldangebotsmodelle32• Zielsetzung der neueren Ansätze der Geldangebotstheorie ist die Formulierung von Geldangebotsfunktionen, die auch eine Verbindung zu zentralen makroökonomischen Systemvariablen ermöglichen33• Im Gegensatz zu der traditionellen Geldschöpfungslehre basieren die neueren Ansätze auf Verhaltenshypothesen. Nicht mehr Kreditmaximierung, sondern Gewinnmaximierung wird unterstellt. Die Parameter des Multiplikators werden als Verhaltensparameter konzipiert, die Aufschluß über den Einfluß der relevanten Akteure auf das Geldangebot geben sollen. Der Umfang des Geld- und Kreditschöpfungsspielraumes wird vom Volumen des bereitgestellten Zentralbankgeldes, der Geldbasis, mitbestimmt34. Die neuere Geldangebotstheorie geht von folgenden Grundannahmen aus:
Erstens: Die Zentralbank regelt das Geldangebot durch geldpolitische Tätigkeiten und schafft dadurch Zentralbankgeld. Dies verändert die Geldbasis35. In einem weiteren Schritt wird die Zentralbankgeldschaffung durch die Zentralbank bereits allein durch die Existenz ihres Instrumentes Mindestreserve über den Multiplikator beeinflußt36• Die Größe des Multiplikators wirkt über die Geldbasis auf die Geldmenge. Zweitens: Die öffentlichen Haushalte tragen selber geldpolitische Verantwortung und werden deshalb zur monetären Instanz gerechnet37• Drittens: Die privaten Nicht-Banken wirken durch ihre Entscheidung über die Struktur ihrer Geldhaltung auf das Geldangebot des Bankensystems ein. Die von ihnen jeweils bevorzugten Einlagenarten bei den Kreditinstituten 31 vgl.: Sieb/ce, Jürgen, (1974), S. 466; Neldner, Manfred, (1976), S. 311 - 316 32 vgl.: Salomo, Wolfgang, (1971), S. 84- 92;Alexander, Volbert, (1975), S. 56-68 33 vgl.: Neldner, Manfred, (1976), S. 1Sf
34 vgl.: Duwendag, Dieter, u. a., (198S), S. 128f;
35 vgl.: Siebke, Jürgen, Wülms, Manfred, (1974), S. 122; vgl. zur Zentralbankgeldschöpfung: Gaude, Bemhard, (1969), S. 24f 36
vgl.: Salomo, Wolfgang, (1971), S. 98; Schober, Jochen, (1979), S. 13Sff; Alexmtder, Volbert, (1975), S. 124; Spreter, Jürgen, (1983), S. 37 37 vgl.: Sieb/ce, Jürgen, (1974), S. 468
I. Die Beurteilung der Mindestresetve in der Geldangebotstheorie
15
unterliegen zudem differierenden Mindestreservesätzen. Damit beeinflussen die Entscheidungen der privaten Nicht-Banken den Multiplikator38•
Viertens: Die Kreditinstitute bestimmen durch ihre Portfolioentscheidungen über die Veränderungen von Geldbasis und Multiplikato~9• Demnach wird in den neueren Ansätzen der Geldangebotstheorie die gesamtwirtschaftliche Geldmenge durch das Ergebnis der Entscheidungen der monetären Instanzen, der Kreditinstitute und der privaten Nicht-Banken bestimmt. Institutionelle Faktoren werden zu Argumenten in den Verhaltensfunktionen aller am Entscheidungsprozeß Beteiligten40• Während die Zentralbank durch die Offen-Markt- und Refmanzierungspolitik direkten Einfluß auf die Geldbasis nimmt, wird durch die Variation der Mindestreservesätze der Multiplikator verändert41 . Bei der Annahme, daß die Zentralbank die Geldbasis kontrolliert, gibt ihr das Instrument der Mindestreserve nur eine indirekte Möglichkeit zur Steuerung der monetären Basis42• Berücksichtigt man bei den Einflußgrößen auf das Geldangebot auch außenwirtschaftliche Faktoren, dann kommt der Mindestreserve in der Geldangebotstheorie bezüglich der außenwirtschaftliehen Einflüsse eine besondere Bedeutung zu. Aufgrund der Ausgestaltungsmöglichkeiten der Mindestreserve kann die Zentralbank mit diesem Instrument relativ genau auf das Volumen der Auslandsverbindlichkeiten der Kreditinstitute einwirken43• 3. Die empirische Relevanz der Geldangebotstheorie rur die Steuerung des Geldangebots durch das Instrument Mindestreserve Indem die Geldangebotstheorie monetäre Phänomene erklärt und Wirkungszusammenhänge aufzeigt, soll sie Grundlagen für die geld-
38 vgl.: lssing, Otmar, (1977), S. 464; Siebke, Jürgen, (1974), S. 463; Neumann, Manfred J. M., (1974: a), S. 171; Siebke, Jürgen, Willms, Manfred, (1974), S. 122 39 vgl.: /ssing, Otmar, (1977), S. 462f; Siebke, Jürgen, Willms, Manfred, (1974), S. 122 40 vgl.:Alexander, Volbert, (1975), S. 25 41 vgl.: /ssing, Otmar, (1984), S. 6S 42 vgl.: Siebke, Jürgen, (1974), S. 468f; lssing, Otmar, (1977), S. 461; Alexander, Volbert, (1975), S. 123ff; Salomo, Wolfgang, (1971), S. 95ff; Willms, Manfred, mechel, Klaus Walter, (1981), s. 451 43 vgl.: Siebke, Jürgen, (1974), S. 469; Wülms, Manfred, Rjechel, Klaus Walter, (1981), S.462
16
B. Die Mindestreserve in der Geldangebotstheorie
politische Konzeption der Zentralbank liefem44• Eine VeriflZierung der Geldangebotstheorie und somit eine Wertung der Funktionen, die der Mindestreserve in diesen Hypothesen zugeschrieben werden, kann nur im Rahmen einer empirischen Überprüfung erfolgen. Die Ermittlung der empirischen Relevanz der Geldangebotstheorie beschränkt sich im. Rahmen dieser Arbeit auf Analysen, bei denen die institutionellen Rahmenbedingungen der Bundesrepublik Deutschland zugrunde gelegt wurden. Die einzelnen, im folgenden vorgestellten Analysen können jeweils nur als Beispiele für mögliche Vorgehensweisen bei der Ermittlung der empirischen Relevanz von Geldangebotstheorien gesehen werden. Die jeweilige Fragestellung und der zugrundegelegte Analysezeitraum, die differierenden Ausgangshypothesen und die jeweils gewählten Einflußgrößen varüeren. Daher können die Ergebnisse nur bedingt verglichen werden45• Gemeinsam ist den Theorien die Annahme, daß die Mindestreserve über zwei Wege den Multiplikator und die Geldbasis beeinflußt. Zum einen wirkt die Mindestreserve bei gegebenen Reservesätzen auf die Veränderung der Höhe der Verbindlichkeiten der Kreditinstitute. Das heißt, jede Einlagenexpansion erhöht die Mindestreserveverpflichtung der Kreditinstitute. Zum anderen kann die Zentralbank den Reservesatz varüeren und bereits geschaffenes Zentralbankgeld beispielsweise durch Erhöhung des Satzes binden46• Auf der Basis der traditionellen Geldschöpfungslehre, also unter der Annahme, daß die Zentralbank die Geldbasis steuert, untersuchten Ahrensdorf und Kanesathasan die Frage nach der Kontrolle der Zentralbank über den Geldangebotsmultiplikator und die Einflüsse dieser Veränderungen auf die Geldmenge in Abhängigkeit von der Zeit47• Darüber hinaus berechneten 44 vgl.: Pohl, Rüdiger, Geldbasis versus Liquiditätssaldo. Ein Vergleich zweier geldpolitischer Konzepte, in: Geldpolitik- kontrovers, Hrsg.: Köhler, Qaus, Köln 1973, S. 94-108, hierS. 94 45 vgl.: Kmerer, Kari-Heinz, Probleme der Neo-Quantitätstheorie und der Geldmengenpolitik, Berlin 1975, S. 97ff; Duwendag, Dieter, u. a., (1985), S. 137; Issing, Otmar, (1984), S. 81 46 vgl.: Jarchow, Hans-Joachim, Theorie und Politik des Geldes, Bd. 2, 5. neubearbeitete Auflage, Göttingen 1988, S. 77ff 47 vgl.: Ahrensdorf, Joachim, Kanesathasan, F., Veränderungen des Geldschöpfungsmultiplikators und ihre Folgen für die Zentralbankpolitik, aus dem Englischen übersetzt von Klaus Wieners, in: Geld- und Bankpolitik, Hrsg.: Dürr, Ernst, Köln 1969, S. 142 - 171, hier S. 142; Die Verfasser berücksichtigen bereits explizit die Existenz von Überschußrcserven.
I. Die Beurteilung der Mindestreserve in der Geldangebotstheorie
17
sie, wie sich diese Einflüsse auf die drei Determinanten des Multiplikators, die Relation Bargeldumlauf zu Geldmenge und die Quotienten aus den Mindestreservesätzen beziehungsweise aus dem Überschußreservesatz und den Sichteinlagen auswirkten. Sie kamen zu dem Ergebnis, daß die Annahme einer kurzfristigen Stabilität des Geldschöpfungsmultiplikators nicht gerechtfertigt sei48• Dies bedeute auch, daß eine stringente Steuerung des Multiplikators durch die Mindestreserve nicht möglich sei. Denn hierzu sei eine Stabilisierung des Multiplikators Voraussetzung49• Siebke und Willms strebten mit ihrer Untersuchung eine quantitative Analyse der wesentlichen Determinanten des Geldangebots in der Bundesrepublik an. Die empirische Analyse von Siebke und Willms für die Zeit von 1958 bis 1968 basiert auf den Hypothesen der neueren Geldangebotstheorie50. Nach ihren Ergebnissen war das Geldmengenwachstum (M1) für diesen Zeitraum im Durchschnitt zu 85 v. H. durch Veränderungen der monetären Basis51 und zu 15 v. H. durch Multiplikatorwirkungen bestimmt. Da in dem betrachteten Zeitraum keine nennenswerten Überschußreserven gehalten wurden, spiegelt die Zeitreihe die durchschnittliche Entwicklung des Reservesatzes der Mindestreservepolitik der Deutschen Bundesbank wider. Die 15 v. H. der Wachstumsrate der Geldmenge, die über den Multiplikator bestimmt wurden, führten sie auf Änderungen des Mindestreservesatzes zurücl22• Dieses Ergebnis wurde durch den Vergleich einzelner Perioden bestätigt. Bei Veränderung der Geldbasis infolge außenwirtschaftlicher Einflüsse konnte ein expansiver Effekt durch eine Mindestreservesatzänderung kompensiert werden. Siebke und Willms kamen zu dem Ergebnis, daß im Rahmen des Instrumentariums der Deutschen Bundesbank nur die Mindestreserve ein effizientes Instrument zur Beeinflussung der Geldmenge darstelle53. Ketterer nahm eine weitere Bearbeitung der Daten von Siebke und 48 vgl.: Ahrensdorf, Joachim, Kanesathasan, F., (1969), S. 143f 49 vgl.: Spreter, Jürgen, (1983), S. 186
SO vgl.: Sieb/ce, Jürgen, Willms, Manfred, Das Geldangebot in der Bundesrepublik Deutschland. Eine empirische Analyse für die Periode von 1958 bis 1968, in: Zeitschrirt für die Gesamte Staatswissenschaft, Heft 1, Bd. 126, 1970, S. SS - 74, hier S. S8f 51 In dem Analysezeitraum haben zeitweise Devisenzuflüsse das Wachstum der Geldbasis bestimmt. 52 vgl.: Sieb/ce, Jürgen, Wlllms, Manfred, (1970), S. 64 53 vgl.: Sieb/ce, Jürgen, Wlllms, Manfred, S. 66ff und S. 73
2 A. MUll«
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B. Die Mindestresetve in der Geldangebotstheorie
Willms vor. Durch eine Differenzierung dieser Datenbasis kam er zu dem Schluß, daß sich nur 17 v. H. der Veränderung der Geldmenge aus Veränderungen der Geldbasis54, aber 70 v. H. auf Veränderungen des NichtBankenverhaltens zurückführen lassen. Damit sei in dem Zeitraum von 1960 bis 1971 der Publikumseinfluß und nicht die Zentralbank dominierend für die Geldmengenentwicklung gewesen55• Damit komme auch der Mindestreserve als möglichem Instrument zur Steuerung der Geldmenge keine Bedeutung zu. Neldner formulierte Hypothesen über Verhaltensfunktionen der NichtBanken auf der Basis einer Variante des Modells von Brunner und Meltze~6• Für den Zeitraum von 1968 bis 1974 stellte er große Schwankungen in der Geldnachfrage der Nicht-Banken fest. Bestimmungsgrößen für Bargeld- und Termingeldquotienten waren nach Neldner Einkommen, Vermögen, Zinssätze und bestimmte Preisniveaus. Die Spareinlagenbewegungen seien primär durch Einzelhandelsumsätze, Sparzinsen und Vermögen bestimmt. Somit seien die Veränderung des Volkseinkommens und des Vermögens, die Marktzinssätze und das gesamtwirtschaftliche Preisgefüge dominierend für das Verhalten der Nicht-Banken57• Ein Ansatzpunkt zur Beeinflussung des Nicht-Bankenverhaltens durch das Zentralbankinstrument Mindestreserve wäre somit nicht gegeben. Für den Zeitraum von 1958 bis 1970 hat Willms für die Bundesrepublik Deutschland ermittelt, daß die Deutsche Huridesbank das Geldangebot kurzfristig kontrollieren könne. Er kam zu dem Ergebnis, daß die Bundesbank durch den antizyklischen Einsatz ihres wichtigsten Instrumentes, der Mindestreserve, die Geldmenge steuern könne58• Dies wurde von Alexander und Loef durch Kritik an den Modell54 vgl.: Ketterer, Karl-Heinz, (1975), S. 94f 55 vgl.: ebenda, S. 108 56 vgl.: Neldner, Manfred, Der Einfluß der Nicht-Banken auf das gesamtwirtschaftliche
Geldangebot Eine empirische Untersuchung im Rahmen der linearen Geldangebotstheorie von Brunner und Meltzer, in: Kredit und Kapital, Heft 4, 10. Jg., 1977, 5.461-489 57 vgl.: ebenda, S. 488 58 vgl.: Wlllms, Manfred, Controlling Money in an Open Economy: The German Case, in: Review of the Federal Resetve Bank of St. Louis, Heft 4, Bd. 53, 1971, S. 10- 27, hier S. 20ff; Alexander, Volbert, Loef, Hans Edi, Die Kontrolle der Geldbasis und ihrer Komponenten. Eine empirische Analyse für die BRD [!], in: Kredit und Kapital, Heft 4, 7. Jg., 1974, S. SOS 542, hier S. 512 - 515
II. Schlußfolgerungen
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annahmen von Willms relativiert. Durch Modifizierung der Hypothesen gelangten sie zu dem Schluß, daß eine Kontrolle der Geldbasis aufgrund der außenwirtschaftliehen Verflechtungen bezweifelt werden müsse59• Demnach leistete die Mindestreserve keinen effizienten Beitrag zur Steuerung der Geldmenge. Für die Zeit von 1963 bis 1968 ermittelte Westphal, daß die Kreditinstitute etwa die Hälfte eines Zuflusses an Zentralbankgeld zur Nachfrage nach Anlagemöglichkeiten einsetzten. Die andere Hälfte wurde zur Minimierung der Zentralbankgeldverschuldung ·und zur Erfüllung der mit der Einlagensteigerung verbundenen neuen Mindestreserveverpflichtung verwendet60• Damit weist er explizit auf die Funktion der Mindestreserve hin, allein durch ihre Existenz einen Zentralbankgeldbedarf zu erzeugen.
II. Schlußfolgerungen für die Beurteilung der Funktion und Bedeutung der Mindestreserve als Zentralbankinstrument aufgrund der Geldangebotstheorie Louda kam bei seinem Versuch einer Zusammenfassung der empirischen Testergebnisse zu der Erkenntnis, daß die Kreditinstitute einen relativ großen Einfluß auf die Geldbasis ausüben61 • Da auch die außenwirtschaftliche Komponente eine große Wirkung auf die Geldbasis habe und die Mindestreserve als außenwirtschaftlich orientiertes Instrument der Deutschen Bundesbank verwendungsseitig ausgerichtet sei, zog er den Schluß, daß die Deutsche Bundesbank mit ihrem Instrumentarium insgesamt keinen Einfluß auf die Geldbasis gehabt habe62• Die differierenden Ergebnisse der empirischen Analysen zeigen, daß die portfoliotheoretischen Ansätze noch keineswegs als empirisch fundiert angesehen werden können63• Die Ausgangshypothesen und die jeweiligen Einflußgrößen der theoretischen Ansätze sind zu unterschiedlich. Dementsprechend ungleich gestaltet sich die Beurteilung des Instrumentes 59 vgl.:Alexonder, Volbert,Loef, Hans Edi, (1974), S. 523 und S. 540 60 vgl.: Westphal, Uwe, (1970), S. 131f 61 vgl.: l..outül, Dieter E., (1975), S. 388
62 vgl.: l..outül, Dieter E., (1975), S. 389f 63 vgl.: Duwendag, Dieter, u. a., (1985), S. 138
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B. Die MindestreseiVC in der Geldangebotstheorie
Mindestreserve. Die differierenden Ergebnisse der empirischen Analysen führen zu dem Schluß, daß die Ansätze der Geldangebotstheorien demnach nicht die Basis für die Analyse von Ausgestaltung und Wandlung des Instrumentes Mindestreserve darstellen können. Die zentrale Fragestellung der Geldangebotstheorie ist zudem primär auf den Einfluß des Instrumentariums auf gesamtwirtschaftliche monetäre Größen gerichtet. Da die Instrumente der Zentralbank nicht direkt auf das Ziel Preisniveaustabilität einwirken können, orientiert sich die Zentralbank an der Entwicklung der von ihr beeintlußbaren monetären Größen, primär Zinsniveau, Wechselkurs und Liquidität. Die Zentralbank verfolgt eine Konzeption, durch die der zins- und liquiditätspolitische Einsatz der einzelnen Instrumente festgelegt wird. Erst die Kenntnis von Funktion und Bedeutung der Mindestreserve im Rahmen des Instrumentariums ermöglicht die Analyse der Effizienz von Ausgestaltung und Wandlungen des Zentralbankinstrumentes. Aus diesem Grund muß ein Ansatz gewählt werden, der die Funktion und Bedeutung der Mindestreserve genau festlegt. Das geschieht durch die jeweilige geldpolitische Konzeption der Zentralbank, die ihrerseits wiederum durch geldtheoretische Erkenntnisse beeinflußt wird. Die Basis für die Analyse der Ausgestaltung und Wandlungen eines Instrumentes der Zentralbank, wie hier beispielsweise der Mindestreserve, bildet die von der Zentralbank verfolgte geldpolitische Konzeption64.
64 vp. zu dieser Vorgehensweise: Beckh, Susanne, Das Instrumentarium der Deutschen Bundesbank seit dem Übe.cpng zur Geldmengensteuerung, Berlin 1990, S. 24f
C. Die Entwicklung der Mindestreserve zum Zentralbankinstrument in Deutschland bis 1948 Das amerikanische Mindestreservesystem steht beispielhaft für eine konsequente Entwicklung des Zentralbankinstrumentes Mindestreserve1. In Deutschland beobachtete man die Entwicklung der Mindestreserve in den USA. Bei der Reorganisation des deutschen Zentralbanksystems 1948 war das amerikaDisehe System für die Mindestreserve das Vorbild für die gesetzliche Grundlage zur Zentralbankgesetzgebung in Deutschland2• Wegen ihres großen Einflusses soll deshalb ein kurzer Überblick über die Entwicklung in den USA der Darstellung der Diskussion in Deutschland vorangestellt werden.
I. Die Stadien der Entstehung der gesetzlichen Grundlage der Mindestreserve in den USA Mit dem Federal Reserve Act von 1913 wurden die amerikanische Zentralbank und die Federal Reserve Banken geschaffen. Der Federal 1 Die Frage, wann und wo es die ersten gesetzlichen Bestimmungen gab, ist primär eine Frage der Definition, und so ergeben sich in der Literatur unterschiedliche Standpunkte über Zeitpunkt und Ursprung: Man kann sowohl die "Peel'sche Akte" von 1844 in England als Ursprung ansehen (vgl.: Andreae, Wilhelm, Geld und Geldschöpfung, Stuttgart 1953, S. 225; Zwoll, Johann Hermann van, Mindestreserven als Mittel der Geld- und Kreditpolitik, Berlin 1954, S. 10), als auch auf die "Preußischen Normativ-Bedingungen• von 1848 (vgl.: Eisfeld, Curt, Mindestreserven, in: Handwörterbuch der Betriebswirtschaft, Hrsg.: Seischab, Hans und Karl Schwantag, Bd. 3, 3. Auflage, Stuttgart 1960, Sp. 3994 - 4014, hier Sp. 3995) oder auf das amerikanische Nationalbankengesetz von 1863 (vgl.: Tudyko, Kurt, System und Politik der Mindestreserve, Berlin 1964, S. 41) verweisen. 2 vgl.: Leutwiler, Fritz, Mindestreserven als Instrument der Notenbankpolitik, in: Schweizerische Zeitschrift für Volkswirtschaft und Statistik, 92. Jg., 1956, S. 87- 95, hier S. 90; Tomberg, Willy, Das Mindestreservesystem in den Vereinigten Staaten, in: Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen, Heft 19, 2. Jg., 1949, S. 446 - 449, hier S. 446f; Donner, Otto, Mindestreservepolitik in den USA, in: Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen, Heft 18 und 19, 5. Jg., 1952, S. 467ff und S. 493ff, hier S. 467; Veit, Reinhold, Mindestreservenpolitik, in: Staatslexikon, Hrsg.: Görres-Gesellschaft, Bd. 5, 6. neue und erweiterte Auflage, Freiburg 1960, S. 726 - 730, hier S. 726; W.tte, Horst, Zur historischen Entwicklung der Mindestreserven und Mindestreservenpolitik, in: Blätter für Genossenschaftswesen, Heft 23, 104. Jg., 1958, S. 424- 427, hier S. 425; Tudyko, Kurt, (1964), S. 41; Schwolgin, Armin, (1986), S. 19ff
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C. Die Entwicklung der Mindestresetve in Deutschland bis 1948
Reserve Act stellt den Beginn des amerikanischen Zentralbanksystems in seiner heutigen Form dar3• Gesetzliche Reserveverpflichtungen für Einlagen, die von Bundesstaat zu Bundesstaat differierten, bestanden bereits seit Mitte des 19. Jahrhunderts4 • Die ausschließliche Unterhaltung dieser nach Bankenplatz und Fristigkeit gestaffelten Reserven bei den Federal Reserve Banken wurde durch eine Gesetzesänderung im Jahre 1917 bestimmf. 1930 wies Keynes darauf hin, daß es bereits 1917, zum Zeitpunkt der Gesetzesergänzung, beim Federal Reserve Board den Vorschlag gab, diese Pflichtreserven "... mit einer angemessenen Frist und in geringem Ausmaß zu varüeren." Keynes griff diesen Vorschlag des Board auf und erklärte, daß die Variation der Pflichtreservesätze einen "reaktionären" Akt darstelle, daß aber dennoch seiner "... Ansicht nach eine Vorschrift wie diese, gebührend gesichert, den Befugnissen einer idealen Zentralbank der Zukunft hinzugefügt werden" sollten, weil sie eine präzise Wirkung erzielen "anstatt sich auf die indirekten und umständlich wirkenden Einflüsse zu verlassen, .....6. Mit dem sogenannten "Thomas Amendment" vom Mai 1933 erhielt der Board of Governors die Möglichkeit, die Reservesätze zu erhöhen, unter der Bedingung, daß der Präsident zustimme und durch eine Kreditexpansion ein "Notstand" entstehen würde. Durch das Bankgesetz vom 23. August 1935 wurde der Board of Governors ermächtigt, die Reservesätze nach eigenem Ermessen zu varüeren7• Aufgrund eines Mangels an Offen-Markt-Papieren im Zentralbankportefeuille wurde die
3 vgl. hienu: The Federal Resexve System. Purposes and Functions, Editor: Board of Govemors of the Federal Resetve System, 3rd printing, Washington (D.C.) 1980, S. lff 4 vgl.: Tudyko, Kurt, (1964), S. 40 - 44; Tomberg, Willy, (1949), S. 446; Burgess, Randolph W., Die Re5etve Banken und der Geldmarkt in den Vereinigten Staaten, Berlin [1928], S. 39ff
5 vgl.: Tudy/Cil, Kurt, (1964), S. 45; Tomberg, Willy, (1949), S. 447; Donner, Otto, (1952), S. 467. Zu der Beurteilung des ReseiVCSystems nach seiner Einführung in Amerika (vgl.: Burgess, Randolph W., [1928), S. 38- 52). 6 Keynes, John Maynard, A Treatise on Money, deutsche Übersetzung: Krämer, Carl, unter Mitwirkung von Louise Krämer, Vom Gelde, München 1932, S. 356f und S08ff;Aheam, Daniel S., Federal Resetve Policy Reappraised 1951 - 1959, New York 1963, S. 149f 7 vgl.: Geisler, Rudolf P., Notenbankverfassung und Notenbankentwicklung in USA und Westdeutschland, Berlin 1953, S. 52; Tomberg, Willy, (1949), S. 447; Donner, Otto, (1952), S. 467; Tudyko, Kurt, (1964), S. 45; Veil, Reinhold, (1960), S. 726
II. Die Stadien der Entwicklung des Resel'Vegedankes in Deutschland
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Mindestreserve 1935 bereits als geld- und kreditpolitisches Instrument der amerikanischen Zentralbank eingesetzt8. Durch die Schaffung der gesetzlichen Grundlage und den aktiven Einsatz in der Zentralbankpolitik wurde die Mindestreserve ab 1935 in den USA zum geldpolitischen Instrument9•
II. Die Stadien der Entwicklung des Reservegedankens in Deutschland Das Verständnis geldpolitischer Regelungen für das Instrument Mindestreserve wird durch die Kenntnis der Entstehung des Instrumentes bestimmt10• In deutschen Monographien wird die Entwicklung der Mindestreserve im allgemeinen nur kurz skizziert11, oder es werden lediglich einzelne Aspekte herausgestellt12• Im folgenden sollen die Stadien der Entwicklung der Mindestreserve in Deutschland dargestellt werden. Die ersten Ansätze der Mindestreserve zum Zentralbankinstrument in Deutschland zeigten sich bei der Bankenquete 1908/09. Der Ausgangspunkt für die Entwicklung der Mindestreserve in Deutschland war die Forderung, für die Einlagen der Kreditinstitute eine Reserve zu unterhalten13, ver8 vgl.: Aheam, Daniel S., (1963), S. 150f; Pjleiderer, Otto, (1961), S. 351; Andreae, Wilhelm, (1953), S. 221 9 vgl. zu einem kurzen Überblick über die Entwicklung der Mindestresel'Ve im amerikanischen Zentralbanksystem als Vorläufer für das deutsche Mindestreservesystem mit unterschiedlich gewichteten Standpunkten auch: Müller, Bemhard, Funktion und Wirkungsweise der Mindestreserven, Diss. Göttingen 1950, S. 7ff; Die Problematik der Mindestresel'Ven. Beitrag der Sparkassenorganisation zur Gestaltung des künftigen Bundesnotenbankgesetzes, Hrsg.: Die Sparkassenorganisation, Stuttgart [1952], S. 12ff; Trouvain, Franz-Josef, Mindestreserven und Ausgleichsforderungen bei den Volksbanken, Maiburg/Lahn 1954, S. 15f; Floss, Eberhard, Auswirkungen der Mindestresel'Veptlicht unter besonderer Berücksichtigung der Sparkassen, Berlin 1956, S. 9ff; Witte, Horst, (1958), S. 42Sf; Kreibich, Volkmar, Die Bedeutung der Mindestreserven für die Währunppolitik der deutschen Notenbank, Diss. Neuchatel 1962, S. 19ff; Böckmann, Detlef, (1969), S. 2Sf und S. 29; Hagenmüller, Karl Friedrich, Der Bankbetrieb, Bd. 1, 4. Auflage, Wiesbaden 1976, S.28S 10 vgl.: Schwolgin, Armin, (1986), S. 18f 11 vgl.: ebenda, S. 18 12 vgl.: Wute, Host, (1958), S. 426f; Tudyka, Kurt, (1964), S. 40ff; Hagenmüller, Karl Friedrich, (1976), S. 28Sf 13 Die Forderung nach Einf"uhrung einer Resel'Vehaltung f\ir die Einlagen der Kreditinstitute rechnet man zu den Anf"ängen der Bankenaufsicht.
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C. Die Entwicklung der Mindestreserve in Deutschland bis 1948
bunden mit der Erkenntnis, daß der verstärkte bargeldlose Zahlungsverkehr14 für die Kreditinstitute die Möglichkeit der Giralgeldschöpfung verbesserte15• Vor dem Ersten Weltkrieg wurde zwar die Fähigkeit zur Giralgeldschöpfung der Kreditinstitute mit der Forderung nach einer Reservehaltung verbunden16, aber die Möglichkeit zur Schaffung eines neuen Zentralbankinstrumentes Mindestreserve wurde noch nicht erkannt. Während in den USA zu diesem Zeitpunkt bereits erste Überlegungen zu einer monetären Konjunkturbeeinflussung angestellt wurden, setzten diese Überlegungen in Deutschland erst nach der Währungsstabilisierung von 1924 ein17. In dieser Zeit vollzog sich in Deutschland die Weiterentwicklung der Mindestreserve zum geldpolitischen Instrument. Die Geschichte der Bankengesetzgebung macht deutlich, daß die wirtschaftliche Entwicklung in der Regel der Gesetzgebung vorausgeht18. Die Erfahrungen aus der Bankenkrise von 1931 haben im Deutschen Reich zur Konzipierung des Kreditwesengesetzes (KWG) vom 5. Dezember 1934 geführt19. Durch § 16 KWG wurde der gesetzliche Rahmen für die Mindestreserve als neues Instrument der Geldpolitik geschaffen20•
14 vgl.: Döring, Pranz, Die Kehrseite des bargeldlosen Zahlungsverkehrs, in: Die Bank, Heft 1, 10. Jg., 1917, S. 906-917, hier S. 906f 15 Zum Ansatz einer differenzierten Darstellung des Reservegedankens in Deutschland (vgl.: Pjleiderer, Otto, (1961), S. 3SOf). 16 vgl. hienu insbesondere: Heiiigenstadt, C[arl), Der deutsche Geldmarkt, in: Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft im Deutschen Reich, Heft 4, 31. Jg., 1907, S. 1539 - 1573, hier passim; Lumm, [Karl) von, Diskontpolitik, in: Bank-Archiv, Heft 12, 11. Jg., 1912, S. 179 - 187, hier S. 182ff; Bankenquete 1908. Stenographische Berichte. Die Verhandlungen der Gesamtkommission zu den Punkten I- V des Fragebogens, Berlin 1909, Frage V, S. VII; Cohnstaedt, L., Ergebnisse der Bank-Enquete, Frankfurt 1909, S. 56ff 17 vgl. hienu zum Beispiel: Schmölders, Günter, Die Konjunkturpolitik der Vereinigten Staaten, Leipzig 1934, S. 23ff; Gleske, Leonhard, Die Liquidität in der Kreditwirtschaft, Frankfurt a. M. [1953], S. 95; Pfleiderer, Otto, (1961), S. 350f 18 vgl.: Wande4 Eckhard, Das deutsche Bankwesen im Dritten Reich (1933 - 1945), in: Deutsche Bankengeschichte, Hrsg.: Aschhoff, Gunther, u. a., Bd. 3, Frankfurt a. M. 1983, S. 149 - 203, hier S. 153 19 vgl.: Bähre, Inge Lore, Der Zusammenhang zwischen wirtschaftlicher Entwicklung und Bankenaufsicht von 1934 bis zur Gegenwart, in: Der Zusammenhang zwischen wirtschaftlicher Entwicklung und Bankgesetzgebung, Achtes Beiheft zum "Bankhistorisches Archiv", Hrsg.: Pohl, Manfred, Frankfurt a. M. 1982, S. 23 - 35, hier S. 23 20 vgl.: § 16, Reichsgesetz über das Kreditwesen (KWG) vom 5. Dezember 1934, in: Reichsgesetzblatt Teil I (RGBI. I), S. 1201 - 1214, hier S. 1207; siehe Anlage 1: Reichsgesetz über das Kreditwesen vom 5. Dezember 1934, in: Reichsgesetzblatt Teilt, S. 1203 - 1214, hier S.1207
II. Die Stadien der Entwicklung des Reservegedankes in Deutschland
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1. Die Diskussion des Reservegedankens bis zur Bankenkrise von 1931 Nach Überwindung der Gründerkrise des Deutschen Reiches bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges war das deutsche Bankwesen im Trend durch eine kontinuierliche Aufwärtsentwicklung geprägt21• Am 1. Januar 1876 hatte die Reichsbank als Zentralbank des Deutschen
Reiches ihre Tätigkeit aufgenommen22• Noch im selben Jahr, am 10. April 1876, führte sie den kostenfreien Giroverkehr ein, gemäß ihrem gesetzlichen Auftrag zur Förderung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs23• Voraussetzung für die Teilnahme am Giroverkehr der Reichsbank war die Eröffnung eines Girokontos bei ihr. Auf diesem Konto mußte ein sogenanntes "Mindestguthaben" unterhalten werden, dessen Höhe sich an den zu erwartenden Umsätzen auf dem Konto orientierte24•
Durch die rasche Expansion des Reichsgironetzes war die Reichsbank in der Lage, ihre Goldreserven zu schonen, denn der bargeldlose Zahlungsverkehr unterlag nicht den Deckungsbestimmungen für umlaufende Banknoten25• Der bargeldlose Zahlungsverkehr der Reichsbank war somit nicht nur unter zahlungstechnischen, sondern auch unter gesamtwirtschaftlichen Aspekten ein Fortschritt26• Die zunehmende Konzentration im Bankensektor27 förderte die Bildung selbständiger Girosysteme, die rasch an Bedeutung gewannen. Ein prägnantes Beispiel für diese Entwicklung war das Gironetz der Sparkassen28• 21 vgl.: Pohl, Manfred, Festigung und Ausdehnung des deutschen Bankwesens zwischen 1871 und 1914, in: Deutsche Bankgeschichte, Hrsg.: Ashauer, Günther, u. a., Bd. 2, Frankfurt a. M. 1982, S. 223- 356, hier S. 227 22 vgl.: Eynern, Gert von, Die Reichsbank. Probleme des deutschen Zentralnoteninstituts in geschichtlicher Darstellung, Jena 1928, S. 1 23 vgl.: Seeger, Manfred, Die Politik der Reichsbank von 1876 - 1914 im Lichte der Spielregeln der Goldwährung, Berlin 1968, S. 25; Pohl, Manfred, (1982), S. 247f 24 vgl. die Erläuterungen zur Technik des Reichsgiroverkehrs bei: Döring, Pranz, (1917), S. 913; Zur Entwicklung des Reichsgiroverkehrs (vgl.: Seeger, Manfred, (1968), S. 100- 105). 25 vgl.: Döring, Pranz, (1917), S. 908; Eynen, Gert von, (1928), S. 143
26 vgl.: Döring, Pranz, Rückblick auf die Zeit vor dem Kriege und im Krieg, in: Untersuchung des Bankwesens 1933, Teil I, Vorbereitendes Material, Hrsg.: Untersuchungsausschuß für das Bankwesen 1933, Bd. 2, Berlin 1933, S. 137- 157, hier S. 143 27 vgl.: Pohl, Manfred, (1982), S. 271ff 28 vgl.: Döring, Pranz, (1933), S. 141ff
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C. Die Entwicklung der Mindestreserve in Deutschland bis 1948
Die zunehmende Anwendung bargeldloser Zahlungsmethoden im Bereich der Kreditinstitute eröffnete diesen die Möglichkeit, ihren Einlagen ebenfalls "Geldqualität" zuzuordnen und somit ihre Kreditvergabefazilitäten unabhängig von der Reichsbank zu erweitern. In welchem Umfang dies tatsächlich der Fall war, ist nachträglich anband der vorhandenen statistischen Unterlagen nicht mehr zu beurteilen29• Es läßt sich aber belegen, daß sich die Barliquidität der Kreditinstitute und deren Giroguthaben bei der Reichsbank verringerten30• Man befürchtete, daß durch die Ausdehnung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs innerhalb des Bankensektors die Stellung der Reichsbank am Geldmarkt beeinträchtigt würde. Der Wunsch, die Stellung der Reichsbank am Geldmarkt zu stärken, führte bei der Bankenquete von 1908/09 zu der ersten Verknüpfung zwischen dem bargeldlosen Zahlungsverkehr und den "Mindestguthaben" auf den Girokonten bei der Reichsbank31• Bei der Bankenquete wurde der Vorschlag von Heiligenstadt beraten, die "Mindestguthaben" der Teilnehmer am Giroverkehr der Reichsbank zu erhöhen. Neben konkreten Vorstellungen über die Höhe dieser Guthaben schlug er vor, die weitere Zusammenarbeit zwischen der Reichsbank und den Kreditinstituten von der Bereitwilligkeit der Kreditinstitute abhängig zu machen, der Forderung nach Erhöhung der Guthaben nachzukommen32• Aus der Bankenquete von 1908/09 erfolgten diesbezüglich keine gesetzlichen Regelungen, aber die Erkenntnis fand zunehmend Beachtung, daß die weitere Ausdehnung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs33 innerhalb der Kreditinstitute theoretisch die Stellung der Reichsbank am Geldmarkt 29 vgt.: Döring, Pranz, (1933), S. 142f; BorchLlrdl, Knut, Währung und Wirtschaft, in: Währung und Wirtschaft in Deutschland 1876 - 1975, Hrsg.: Deutsche Bundesbank, Frankfurt a. M. 1976, S. 3- 55, hier S. 42 30 vgt.: Döring, Pranz, (1933), S. 143f 31 vgt.: Heilige11SUldl, C(arl], (1907), S. 1560 32 vgl.: Heiligenstadl, C(arl), (1907), S. 1559 - 1562; Bankenquete 1908/09. Materialien zur Frage des Depositenwesens, Berlin 1910, S. 43f 33 Die Diskussion um den bargeldlosen Zahlungsverkehr im Rahmen der Bankenquete 1908/09 soll nach Rittershausen zu seiner Ausdehnung beigetragen haben (vgt.: RittershLlusen, H[einrich], Die Bankenqueten von 1908 und 1933 und die Entwicklung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs, in: Zahlungsverkehr und Bankbetrieb, Heft 10, 15. Jg., 1933, S. 236 - 242, hier S. 240). Kalveram sieht diese Diskussion sogar als Ausgangspunkt fur die weitere Entwicklung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs (vgt.: Kalveram, Wilhelm, Zur Frage der Vervollkommnung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs, in: Bankwissenschaft, Bd. 2, 4. Jg., 1927/28, S. 759 - 772, hier S. 759).
II. Die Stadien der Entwicklung des Rcservegedankes in Deutschland
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beeinträchtigen konnte34• Der bei der Bankenquete gemachte Vorschlag wurde in der Literatur weiterverfolgt Die "Mindestguthaben" der Kreditinstitute auf den Girokonten bei der Reichsbank sollten als "... das unentbehrliche Korrelat zur Ausdehnung der bargeldlosen Zahlungsmethode"35 allmählich erhöht werden36• Es wurde keine starre Reserve propagiert, sondern eine durchschnittliche Reservehaltung, die Unterschreitungen erlaubte, wenn "... zu anderen Zeiten entsprechend höhere Reserven vorhanden sind".37 Außerdem wurde aufgezeigt, daß eine allgemeine Reserveerhöhung nicht zu einer langfristigen, überproportionalen Beanspruchung der Kreditlinien bei der Reichsbank durch die Kreditinstitute führen müßte38• Als Grund für die Reservehaltung bei der Reichsbank wurden in der Literatur gesamtwirtschaftliche Interessen angeführt39• Nicht zuletzt durch die Ankündigung eines Depositenbankgesetzes40 zeigten sich die Kreditinstitute an einer allgemeinen Verbesserung der Barliquidität interessiert41• Der erste konkrete Ansatz wurde im Juni 1914 vorgenommen. Der Reichsbankpräsident unterbreitete den Berliner Großbanken den Vorschlag, innerhalb von zwei Jahren ihre "Mindestguthaben" bei der Reichsbank oder ihre Barreserven auf durchschnittlich 10 v. H. ihrer "Kreditoren" zu erhöhen. Die Höhe sollte sich an der Geldmarktsituation orientieren, und die Banken sollten Mitte und Ende des Monats über die Erfüllung dieser Richtlinie Rechenschaft ablegen. Dieser Vorschlag soll
34 vgl.: Lumm, (Karl) von, (1912), S. 185; Karl von Lumm war Mitglied des Reichsbankdirektoriums. , 35 Lumm, (Karl) von, (1912), S. 185
36 vgl.: Stucken, Rudolf, Liquidität der Banken, Berlin 1940, S. S3f 37 Amold, Anton, Die Barreserve der Kreditbanken und die Inanspruchnahme der Reichsbank, in: Bank-Archiv, Heft 23, 11. Jg., 1912, S. 365 - 375, hier S. 367; Anton Arnold war Direktor der Statistischen Abteilung der Reichsbank. 38 vgl... ebenda 39 Stucken, Rudolf, (1940), S. 185f; vgl.: Amo/d, Anton, (1912), S. 366 40 Im Rahmen der Bankenquete 1908/09 eJWies sich eine genaue Definition des Begriffes "Depositen• als problematisch (vgl.: Bankenquete 1908/09. Materialien zur Frage des Depositenwesens, (1910), S. 26 - 29). Als Depositen werden in der Regel Sicht- und Termineinlagen bezeichnet (vgl.: Aslrouer, Günter, Das Einlagengeschäft, in: Geld-, Bank- und Börsenwesen. Ein Handbuch, Hrsg.: Kloten, Norbert und Johann Heinrich von Stein, 38. Auflage, Stuttgart 1988, S. 443 - 464, hier S. 443). 41 vgl.: Döring, Pranz, (1933), S. 153; Eynert, Gert von, (1928), S. 52
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C. Die Entwicklung der Mindestreserve in Deutschland bis 1948
auch bei den Kreditinstituten Zustimmung erfahren haben, wurde aber infolge des Beginns des Ersten Weltkrieges nicht weiter verfolgt42• Die Politik der Reichsbank wurde zunächst durch kriegsbedingte Aspekte und dann durch die inflationären Folgen dieses Krieges bestimmt. Die Reorganisation der deutschen Währung stand in engem Zusammenhang mit dem Dawes-Plan und dem daraus resultierenden Londoner Abkommen, aus dem auch das Bankgesetz vom 30. August 1924 folgte43• Diese waren die Grundlagen für die weitere Entwicklung des Geldwesens in Deutschland44• Das Bankgesetz von 1924 enthielt keine expliziten Bestimmungen über eine Geldschöpfung der Kreditinstitute45• Im Anschluß an die Währungsstabilisierung von 1924 wurde in der Literatur die Frage nach der Kontrollierbarkeit der Geldschöpfung erneut aufgeworfen. Die Auseinandersetzung knüpfte an die Beiträge aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg an46• 42 vgl.: Nordhoff, Karl, (1933: a), Die Maßnahmen der Reichsbank zur Verbesserung der Publizität, Liquidität und Solidarität der Banken, in: Untersuchung des Bankwesens 1933, Teil I, Vorbereitendes Material, Hrsg.: Untersuchungsausschuß für das Bankwesen 1933, Bd. 2, Berlin 1933, S. 243 - 260, hier S. 253f 43 vgl.: Das Bankgesetz von 1924, Hrsg.: Notzke, Joh(annes], Berlin 1924, S. 10 - 15; Das Bankgesetz vom 30.8.1924. Mit Anmerkungen von Hermann W. Förster, Oldenburg 1934; Prost, Gerhard, (1972), S. 34ff; Der Gesetzgebung war deutlich das Bestreben anzumerken, an die Verhältnisse vor dem Ersten Weltkrieg anzuknüpfen (vgl.: Eynert, Gert von, (1928), S.105). 44 vgl.: Kalveram, Wilhelm, Die Entwicklung des deutschen Bankwesens in der Nachkriegszeit, in: Bankwissenschaft, Bd. 1, 5. Jg., 1929, S. 161 -196, hier, S. 163ff; Stucken, Rudolf, Deutsche Geld und Kreditpolitik 1914 bis 1953, 2. Auflage, Tübingen 1953, S. 69; Veit, Otto, Die veränderte Währungspolitik und ihre Folgen, Frankfurt a. M. 1957, S. 542; Born, Karl Erich, Vom Beginn des Ersten Weltkriegs bis zum Ende der Weimarer Republik (1914 1933), in: Deutsche Bankgeschichte, Hrsg.: Aschhoff, Gunther, u. a., Bd. 3, Frankfurt a. M. 1983, S. 17-146, hier S. 63ff und S. 69 45 vgl.: Das Bankgesetz von 1924, S. 34 - 39; Stucken, Rudolf, (i953), S. 61; Allerdings enthielt § 35 des Bankgesetzes Ausruhrungen über eine 40 v. H. Deckung der Giroguthaben der Kreditinstitute durch besonders liquide, kurzfristig fallige Forderungen. Diese Bestimmung stellte eine Aufforderung an die Reichsbank dar, die Liquiditätsentwicklung zu beachten, und nicht den Versuch, die Geldschöpfung der Geschäftsbanken zu kontrollieren (vgl.: Das Bankgesetz von 1924, S. 38; Stucken, Rudolf, (1953), S. 66). 46 vgl.: Mellerowicz, Konrad, Zur Frage der volkswirtschaftlichen Liquidität der deutschen Banken, in: Bankwissenschaft, Heft 4, 11 und 12, Bd. 1, 4. Jg., 1927, S. 113 - 122, S. 385 - 396 und S. 452 - 460, hier S. 121; Dreyse, F(ritz), Fragen der Währungspolitik, in: Bank-Archiv, Heft 1, 27. J&., 1927, S. 1 - 4, hier S. 4; Rau, Hans, Die Kassenliquidität der Banken, in: Magazin der Wirtschaft, Heft 32, 3. Jg., 1927, S. 1239ff, hier S. 1239; Victorius, Curt, Zur Frage der Barreserve der Banken, in: Bank-Archiv, Heft 24, 26. Jg., 1927, S. 511f, hier S. 511; Wirtschaftswissenschaftler und Vertreter der Reichsbank waren die Hauptbeteiligten bei dieser Diskussion. Konrad Mellerowicz und Ernst Wagemann waren Wissenschaftler und Fritz Dreyse Vizepräsident des Reichsbankdirektoriums; Hans llau und Curt Victorius vertraten die Interessen der Kreditinstitute.
ß. Die Stadien der Entwicklung des Reservegedankes in Deutschland
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Analysen zur Entwicklung in Deutschland kamen zu dem Ergebnis, daß infolge der Bankenkonzentration und der Ausdehnung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs der Kreditvergabespielraum der Geschäftsbanken gewachsen war47• Die Höhe der Einlagen und die Barabzugsquote bestimmten den Umfang der Kreditschöpfung48• Ihren weiteren Bedarf an Zentralbankgeld konnten die Kreditinstitute bei der Reichsbank im Zuge der Diskontpolitik decken. Hier setzte die Kritik an. Infolge der bargeldlosen Zahlungsmethoden war die Barabzugsquote gefallen und das Kreditvolumen gestiegen. Die Liquidität im Bankensektor insgesamt war . gesunken49• Bei den Analysen wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die Ausdehnung der bargeldlosen Zahlungsmöglichkeiten begrüßenswert sei. Es müßten aber auch die aus dieser Entwicklung resultierenden Konsequenzen, die "... von fundamentaler Bedeutung für das Kreditsystem ..." seien, dementsprechend herausgestellt werden50• Dadurch, daß die Kreditinstitute in der Lage waren, Giralgeld51 zu schaffen, gewannen sie Einfluß "... auf das gesamte Kreditvolumen der Wirtschaft und damit auf das Preisniveau und die Wechselkurse'..s2• Auf dieser Erkenntnis basierte Mellerowiczs Forderung, die Geldschöpfungstätigkeit der Kreditinstitute "... in ein festes Verhältnis zur Geldschöpfung der Zentralbank ..." zu bringen53• Die Reichsbank sollte nicht primär der Liquiditätsgarant der Wirtschaft
47 vgl.: Mellerowicz, Konrad, (1927), S. 113; Dreyse, F(ritz], (1927), S. 3; Wagemann, Ernst, Geld- und Kreditreform, Berlin 1932, S. 23; Victorius, Curt, (1927), S. 511 48 vgl.: Rau, Hans, (1927), S. 1239; Auch wenn bei Dreyse und Mellerowicz keine expliziten Aussagen über die Wirkung der Barabzugsquote gemacht wurden, so kann man aufgrund der Ausführungen unterstellen, daß diese implizit berücksichtigt wurde. 49 vgl.: Mellerowicz, Konrad, (1927), S. 113f; Nordhoff, Karl, (1933: b), Über die Liquiditätsfrage, in: Untersuchung des Bankwesens 1933, Teil I, Vorbereitendes Material, Hrsg.: Untersuchungsausschuß für das Bankwesen 1933, Bd. 1, Dertin 1933, S. 475 - 491, hier S. 480f; Pohl, Manfred, (1982), S. 257; Zu den Gründen, die für die Entwicklung der Bankenliquidität zwischen 1924 und 1931 maßgeblich waren (vgl.: Henning, Friedrich-Wilhelm, Die Liquidität der Banken in der Weimarer Republik, in: Finanz- und wirtschaftspolitische Fragen der Zwischenkriepzeit, Hrsg.: Winkel, Harald, Dertin 1973, S. 43- 92, hier S. 85ft). 50 Mellerowicz, Konrad, (1927), S. 113 51 Mellerowicz spricht von "Schreibgeldschöpfung". 52 Mellerowicz, Konrad, (1927), S. 116 53 ebenda,S.118f
30
C. Die Entwicldun1 der MindestreseiVC in Deutschland bis 1948
sein54, sondern die Möglichkeit haben, konjunkturelle Ausschläge zu mildem55• Im Verlauf der Erörterungen wurde auf die gesetzliche Regelung von 1917 in den USA verwiesen56• Die Befürworter einer Reservehaltung gingen davon aus, daß Krisen im Kreditsektor "... das Eingeständnis der Banken, daß sie vorher mit ihrer Kreditgewährung zu weit gegangen sinl57, darstellten. Die Reichsbank hätte dann nur noch die Möglichkeit, auf die erfolgte Expansion zu reagieren58• Zudem konstatierten die Befürworter, daß weder die Diskontpolitit59 noch das 1924/25 angewandte Mittel der Kreditrationierung als Zentralbankinstrumente über eine hinreichende EffiZienz verfügten60• Als zusätzliches Argument für die notwendige Erweiterung des geld- und kreditpolitischen Instrumentariums der Deutschen Reichsbank wurde auf die kurzfristigen Finanzierungsmöglichkeiten hingewiesen, die den deutschen Kreditinstituten im Ausland61 angeboten wurden und die durch das bestehende Instrumentarium nicht beeinflußt werden konnten62• Quintessenz aus diesen Erkenntnissen war die Forderung nach einem neuen Zentralbankinstrument zur Beeinflussung des Zahlungsmittelumlaufs und des Kreditvolumens63, die Forderung nach der Reservepolitik. Die Entwicklung des Kreditvolumens sollte nicht eine Angelegenheit der Kreditinstitute sein64• 54
vaJ.: Lansburgh, Alfred, Die
Liquidität der deutschen Banken, in: Die Bank, Bd. 46,
23. Jg., 1930, S. 1945 • 1949, hier S. 1949
55 vgl.: Mellerowicz, Konrad, (1927), S. 122; Dreyse, F(ritz), (1927), S. 4 56 vgl.: MeUerowicz, Konrad, (1927), S. 121; Dreyse, F(ritz], (1927), S. 4; Wagemann, Ernst, (1932), s. 24 51 Mellerowicz. Konrad, (1927), S. 393
58 vgl.: Dreyse, F(ritz], (1927), s. 1 59 vgl.•. Lansburgh, Alfred, (1930), s. 1949
60 vgl.: MeUerowicz, Konrad, (1927), S. 456; Wagemann, Ernst, (1932), S. 24 61 Aufgrund der internationalen Kontrolle, unter der die Deutsche Reichsbank stand, und des hohen Zinsniveaus war Deutschland für das Ausland ein interessantes Anlageland (vgl.: Bom, Karl Brich, (1983), S. 71). 62 vgl.: MeUerowicz, Konrad, (1927), S. 454; Dreyse, F(ritz), (1927), S. 2
63 vgl.: MeUerowicz, Konrad, (1927), S. 122 und S. 396; Dreyse, F(ritz], (1927), S. 4; Als Argument gegen diese Forderung wurde angeführt, daß die Banken bei der sehr angespannten Situation nicht in der Lage seien, ihre Guthaben bei der Reichsbank zu erhöhen (vgl.: VICtorius, Curt, (1927), S. 512; llau, Hans, (1927), S. 1239). 64 vgl.: MeUerowicz, Konrad, (1927), S. 459; Ernst, (1932), s. 2
Drey~.
F(ritz], (1927), S. 28; Wagemann,
II. Die Stadien der Entwicklung des ReseiVegedankes in Deutschland
31
Über die Form der Ausgestaltung der Reservepolitik bestand keine Einigkeit. Anknüpfend an die Vorschläge aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg, etwa 10 v. H. der Gesamtkreditoren als Kassenreserve oder auf Reichsbankgirokonten zu halten65, wurde der Ansatz zur Unterhaltung einer starren Barreserve bei den Kreditinstituten erörtert66• Es wurde auch der Vorschlag gemacht, einen im Monatsdurchschnitt variablen Reservesatz auf Reichsbankorokonten und eine Kassenreserve bei den Kreditinstituten zu unterhalten . Eine weitere Möglichkeit sah man in der Deckung der Reichsbankgirokonten nach genau definierten Deckungsvorschriften68• Die Kritik der Gegner einer Reservepolitik, dies waren in erster Linie die Interessenvertreter der Kreditinstitute, betraf insbesondere die Möglichkeiten zur Ausgestaltung der Reservepolitik69. Gesetzliche Konsequenzen wurden nicht gezogen. Die Ursache muß auch in der Situation der Deutschen Reichsbank zur Zeit des Dawes-Plans gesehen werden. Insbesondere die Problematik der hohen Reparationsbelastungen und die Eindämmuni des Zuflusses ausländischer Kredite bestimmten die Reichsbankpolitik' . l. Die Zielsetzung des Kreditwesengesetzes von 1934 bezüglich der Mindestreserve Bis zur Bankenkrise von 1931 fehlte eine Gesetzgebung zur Aufsicht des Kreditwesens in Deutschland. Die staatliche Aufsicht beschränkte sich auf allgemeine Gesetze und Verordnungen71• Die Bankenkrise von 1931 machte
65 vgl.: Mellerowicz, Konrad, (1927), S. 118f; Dreyse, F(ritz], (1927), S. 4 66 vgl.: Mellerowicz, Konrad, (1927), S. 127 67 vgl.: Dreyse, F[ritz], (1927), S. 4
68 vgl... Wagemann, Ernst, (1932), S. 27f 69 vgl.: Rau, Hans, (1927), S. 1239f; Jlictorius, Curt, (1927), S. 512
70 vgl. zur Stellung der Reichsbank: Stucken, Rudolf, (1953), S. 75; Schacht, Hjalmar, Die Stabilisierung der Mark, Berlin 1927, S. 174ff; Mellerowicz, Konrad, Die Stellung der Reichsbank im deutschen Geldmarkt, in: Bankwissenschaft, Heft 6, Bd. 2, 4. Jg., 1927/28, S. 545 - 558, passim 71 vgl.: Wandel, Eckhard, Die deutsche Bankengesetzgebung vom Beginn der Industrialisierung bis zur Weltwirtschaftskrise in ihren zeitgeschichtlichen Zusammenhängen, in: Der Zusammenhang zwischen wirtschaftlicher Entwicklung und Bankgesetzgebung, Achtes Beiheft zum "Bankhistorisches Archiv", Hrsg.: Pohl, Manfred, Frankfurt a. M. 1982, S. 13- 20, hier S. 19f; Born, Karl Erich, Die Auseinandersetzung um die Einführung der Bankenaufsicht (1931), in: Die Banken im Spannungsfeld von Notenbank und Bankenaufsicht, 4. Symposium zur Bankengeschichte, Hrsg.: Pohl, Manfred, Frankfurt a. M. 1978, S. 13 - 20, hier S. 13f
C. Die Entwicklung der Mindestreserve in Deutschland bis 1948
32
deutlich72, daß im Bankensektor die Notwendigkeit zu der Formulierung einer gesetzlichen Regelung bestand. Bevor rechtsetzende Schritte veranlaßt werden konnten, sollten im Rahmen einer Bankenquete die Gründe untersucht werden, die zu der Bankenkrise von 1931 geführt hatten. Als Grundlage für die Beratung wurden zu den einzelnen Problemfeldern Ausarbeitungen73 von Wissenschaftlern und Vertretern des Bankwesens erstellt. Sie sollten als Basis für die Gesetzgebung dienen74• Obwohl die Untersuchung des Bankwesens durch die nationalsozialistische Regierung angeordnet wurde, blieb das Material, das Grundlage des Kreditwesengesetzes75 wurde, weitgehend unbeeinflußt von der nationalsozialistischen Ideologie76• Geprägt wurde das Kreditwesengesetz von 1934 durch die starke Stellung der Reichsbank, die sie infolge der Bankenkrise 1931 bei geldpolitischen Entscheidungen hatte, und durch die Persönlichkeit von Schachtn, der seit 1933 wieder das Amt des Präsidenten der Deutschen Reichsbank innehatte78• Ihren neugewonnenen Einfluß nutzte die Reichsbank, um die seit längerem geforderten allgemeinen Liquiditätsvorschriften79 durch das Kreditwesengesetz zu realisieren80• 72 vgl. zu den Gründen: Born, Karl Erich, Die deutsche Bankenkrise 1931, Munchen 1967, S.10f 73 Veröffentlicht als: Untersuchung des Bankwesens 1933, Teil I, Vorbereitendes Material, Hrsg.: Untersuchungsausschuß für das Bankwesen 1933, Bd. 1 und 2, Bertin 1933 74 vgl.: Stucl«n, Rudolf, (1953), S. 104; Wandel, Eckard, (1983), S. 150 75 Das Kreditwesengesetz der Bundesrepublik von 1961 wurde durch das Kreditwesengesetz von 1934 geprägt. 76 vgl.: Born, Karl Erich, Geld und Banken im 19. und 20. Jahrhundert, Stuttgart 1m, S.501
n Welche Haltung Schacht explizit zur Frage einer Reservepolitik eingenommen hat, kann weder anband seiner Veröffentlichung zur Bankreform (vgl.: Schachl, Hjalmar, Nationalsozialistische Bankreform. Vortrag im Institut für Weltwirtschaft an der Universität zu Kiel am 26. Januar 1934, Berlin 1934), noch aus seinen Memoiren (vgl.: Schachl, Hjalmar, 76 Jahre meines Lebens, Wörishofen 1953), noch aus einer Festschrift (vgl.: Probleme des Deutschen Wirtschaftslebens. Erstrebtes und Erreichtes, Hjalmar Schacht gewidmet, Hrsg.: Deutsches Institut für Bankwissenschaft und Bankwesen, Berlin 1937) geklärt werden. 78 vgl.: Stucl«n, Rudolf, (1953), S. 104; ; Born, Karl Erich, (1983), S. 140; Wandel, Eckard, (1983),
s. 149
79 vgl.: Bankenquete 1908/09. Materialien zur Frage des Depositenwesens, (1910), S. 43;
Kritisiert wurde die Haltung der Kreditinstitute, die der eingetretenen Liquiditätsminimierung im Banksektor nicht die entsprechende Aufmerksamkeit schenkten und statt dessen die Reichsbank als Liquiditätsgaranten ansahen (vgl.: Nordhaff, Karl, (1933: b ), S. 484t). 80 vgl.: Nordhaff, Karl, (1933: b ), S. 485
II. Die Stadien der Entwicklung des Reservegcdankes in Deutschland
33
Im "Untersuchungsausschuß für das Bankwesen" wurde auch die Frage nach dem Einfluß des bargeldlosen Zahlungsverkehrs81 auf die Bankenliquidität analysiert. Der Untersuchungsausschuß vertrat die Meinung, daß der Umfang der Giralgeldschöpfung durch die Kreditinstitute gesetzlich geregelt werden solle. Er war der Ansicht, daß dem Vorschlag zur Bildung einer Barreserve nicht mit dem Argument einer grundsätzlichen Rentabilitätsminimierung begegnet werden könne. Die Barreserve müsse vielmehr unter dem Aspekt der Konjunkturglättung analysiert werden. Zudem bestehe die Möglichkeit, eine Barreserve so zu gestalten, daß von jedem zusätzlich gewährten Kredit ein Teil in die Liquiditätsreservefließe und sich über die Barabzugsquote eine automatische Bremswirkung auf die Kreditschöpfungsmöglichkeiten der Kreditinstitute ergeben müsse82• Die Ergebnisse des Untersuchungsausschusses waren ein Bericht83 und der Entwurf eines Kreditwesengesetzes84 85, der nahezu unverändert zum Reichsgesetz über das Kreditwesen wurde86• In dem Bericht wurde erklärt, daß nach einer "gewissen Entwicklungszeit" eine Liquiditätsreserve entstehen solle, deren Struktur sich an dem Grad der Liquidisierbarkeit der Einlagen orientiere. Explizit wurde festgestellt, daß die Giralgeldschöpfung der Kreditinstitute so unter die Aufsicht der Reichsbank gestellt werden könne87• Entsprechend dem Gesetzentwurf des Untersuchungsausschusses wurde im Kreditwesengesetz das bei der Reichsbank einzurichtende Aufsichtsamt
81 vgl. hierzu auch: Schoele, Otto, Der bargeldlose Zahlunpverkehr im Programm der Bankenquete, in: Zahlungsverkehr und Bankbetrieb, Heft 9, 15. Jg, 1933, S. 197 - 206, hier S.199ff 82 vgl.: Nordhoff, Karl, (1933: b), S. 486 83 vgl.: Das Reichsgesetz über das Kreditwesen mit Schlußbericht des Untersuchunpausschusses für das Bankwesen, Frankfurt a. M. 1935, S. 25 - 36, (zitiert als: Das Reichsgesetz); Reichsgesetz über das Kreditwesen vom 5. Dezember 1934 mit Begleitbericht, Erläuterungen und Begründung, Hrsg.: Jesscn, Jens, Berlin 1935, S. 11-34, (zitiert als: Jcsscn, Jens)
84 vgl.: Fischer, Otto Chr., Das Reichsgesetz über das Krcditwesen. Kommentar, Leipzig 1935, S. 1 - 6; Stucken, Rudolf, (1953), S. 105
85 vgl.: Begründung zum Gesetzentwurf des Untersuchunpausschusses zu § 16 KWG, abgedruckt bei: Reichardt, Wolfgang, Das Gesetz über das Kreditwesen vom 25. September 1939 mit allen Ergänzungs- und Durchführungsvorschriften, Berlin 1942, S. 297ff 86 vgl••. lessen, Jens, (1935), S. 34 87
vgl.: ebenda, S. 25 - 28
3 A. Mllller
34
C. Die Entwicklung der Mindestreserve in Deutschland bis 1948
für das Kreditwesen zum Aufsichtsorgan bestimmt88• Der Reichsbankpräsident war zugleich der Vorsitzende des Aufsichtsamtes und traf seine Entscheidungen nach dem Führerprinzip89• Verantwortlich für die Durchführung der Beschlüsse des Aufsichtsamtes war der Reichskommissar90• § 16 Abs. 1 KWG verpflichtete die Kreditinstitute, eine Barreserve in einem bestimmten vom-Hundert-Satz ihrer Verbindlichkeiten zu unterhalten. Die Spareinlagen waren ausdrücklich von den Verbindlichkeiten ausgenommen91• Die Barreserve sollte sich aus dem Kassenbestand sowie den Guthaben der Kreditinstitute bei der Reichsbank und den deutschen Postscheckämtern zusammensetzen und nicht mehr als 10 v. H. betragen. Der Barreservesatz konnte für "... einzelne Arten oder Gruppen von Kreditinstituten" unterschiedlich festgesetzt werden92• Dies galt auch für die nach § 16 Abs. 2 KWG in Form von Handelswechseln und Wertpapieren93 zu unterhaltende Barreserve. Dieser Reservesatz auf Wertpapiere und Handelswechsel durfte 30 v. H. nicht überschreiten94• Die nach§ 16 KWG gebildeten Reserven waren auf die Liquiditätsvorschriften anzurechnen95• Der Charakter der Barreserve nach § 16 KWG wurde in der zeitgenössischen Literatur nicht einheitlich beurteilt. Es bestand Unklarheit, ob es die primäre Intention des Gesetzgebers war, eine Variation der Reservesätze oder vielmehr die Ansammlung einer starren Reserve anzustreben96• Für die Variation des Reservesatzes sprachen nicht nur die im Rahmen des Untersuchungsausschusses gemachten Anmerkungen zu variablen Sätzen, sondern auch die Tatsache, daß ein starrer Reservesatz durch das Gesetz hätte fixiert werden können. Hinzu kommt, daß eine feste Liquiditätsreserve den Kreditinstituten gerade dann nicht zur Verfügung gestanden hätte, 88 vgl.: § 30 Abs. 1 KWG vom 5. Dezember 1934, RGBI. I, S. 1209 89 vgl.: Stucken, Rudolf, (1953}, S. 110f
90 vgl.: § 33 Abs. 3 KWG vom S. Dezember 1934, RGBI. I, S. 1210 91 vgl. hierzu aber auch§ 19 KWG vom 5. Dezember 1934, RGBI. I, S. 1208 92 § 16 Abs. 1 KWG vom 5. Dezember 1934, RGBI. I, S. 1207 93 Sie mußten gcnau definierten Anforderungen erfüllen. 94 vgl.: § 16 Abs. 2 KWG vom 5. Dezember 1934, RGBI. I, S. 1207
95 vgl.: § 11 Abs. 1 KWG vom 5. Dezember 1934, RGBI. I, S. 1205 96 vgl.: Lutz, Friedrich, Das Grundproblem der Geldvcrfassung, Stuttgart 1936, S. 83; Reicluudt, Wolfgang, (1942), S. 298; Während Lutz und Reichardt diese Frage stellen, &eht FliCher davon aus, daß eine starre Liquiditätsreserve zur Sicherung der Liquidität anptrcbt wurde (VJI.: Fiscller, Otto Cllr., (1935), S. 113).
111. Zusammenfassung
35
wenn die ökonomische Situation angespannt gewesen wäre. Eine Änderung eines festen Reservesatzes hätte zu einem solchen Zeitpunkt wie ein Alarmsignal wirken müssen97• In der Begründung zu § 16 KWG hatte der Untersuchungsausschuß ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die Barreserve nicht nur als Liquiditätsvorsorge für eine Krisensituation verstanden wurde. Sie sollte vielmehr vorrangig einer übermäßigen Kreditausdehnung vorbeugen, indem bei einer Kreditgewährung ÜQmer ein Anteil dem zinslosen Girokonto bei der Reichsbank zugeführt werden mußte98• § 16 KWG wurde als Rahmenvorschrift formuliert. Eine sofortige Einführung der Barreserve hätte die liquiditätspolitischen Möglichkeiten der Kreditinstitute überfordert. Aus diesem Grund sollte die Ansammlung der Barreserve allmählich erfolgen99•
III. Zusammenfassung: Der Stand der Entwicklung der Mindestreserve in Deutschland vor der Einführung in das Instrumentarium der Zentralbank 1948 Die Möglichkeit entsprechend den Erkenntnissen aus der Diskussion die Giralgeldschöpfung der Kreditinstitute einer gesetzlichen Regelung zu unterwerfen, erhielt die Reichsbank erst, als sie infolge der Bankenkrise auf dem Geldmarkt eine exponierte Stellung erlangte. Das Ergebnis stellte § 16 Abs. 1 KWG dar. Die Auffassung, daß § 16 Abs. 1 KWG als Kodifizierung der Mindestreserve in Deutschland zu werten sei, wird in der Literatur nicht durch
97 vgl.: Stucken, Rudolf, Neue Liquiditätspolitik als Mittel der Kreditpolitilt, in: BankArchiv, Heft 7, 34. Jg., 1935, S. 152 - 154, hier S. 152; Die gesetzliche Regelung des Barreservegedankens kann als Konsequenz aus den Erkenntnissen der vorangegangenen Diskussionen gewertet werden (vgl.: Gestrich, Hans, Neue Kreditpolitik, Stuttgart 1936, S. 4f). 98 vgl.: Reichardl, Wolfgang, (1942), S. 298; !essen, Jens, (1935), S. 55f 99 vgl.: Fischer, Otto Chr., (1935), S. 12; Reichardl, Wolfgang, (1942), S. 299f; Reichardt vermutete 1942, daß § 16 KWG vom 25. September 1939 eine Rahmenverordnung geblieben war, da es Schwierigkeiten gab, einen geeigneten Satz festzulegen (vgl.: ebenda); Stucken Rudolf, (1953), S. 111
36
C. Die Entwicklung der Mindestreserve in Deutschland bis 1948
gängig geteilt. Veit behauptet beispielsweise, daß "... damals niemand an eine währungspolitische Steuerung durch die Reservepflicht dachte ..."100• Diese Haltung wird aber durch die Aussage eines Teilnehmers der Enquete widerlegt. Stucken betonte, daß er während der Beratungen der Bankenquete ausdrücklich auf die von Keynes beschriebene Möglichkeit der Reservesatzvariation und damit auf dieses neue Zentralbankinstrument hingewiesen habe101• Inwieweit diese Haltung Stuckens Eingang in die Formulierung des Gesetzes fand ist nicht dokumentiert. Im Rahmen der Diskussion über § 16 KWG ist eine differenzierte Betrachtungsweise angebracht. § 16 KWG ist in drei Absätze unterteilt. Zwei Absätze verfolgen unterschiedliche Zielsetzungen. § 16 Abs. 1 und 2 KWG nehmen Bezug auf die Fragen der Reservepolitik und der Liquiditätsreserve. Der dritte Absatz dient der Konkretisierung der beiden ersten102• Die Vorschriften von 1931 über die Liquiditätshaltung im Sparkassenbereich waren allein aus liquiditätspolitischen Motiven bestimmt103, und auch § 16 Abs. 2 KWG kann als ein Mittel zur Sicherung der Liquidität angesehen werden. Die Reservehaltung von sekundären Finanztiteln erfolgte primär aus liquiditätspolitischen Motiven104• In § 16 Abs. 2 KWG
100 Veit, Otto, (1969), S. 293; Das Urteil von Veit wurde in dieser eindeutigen Aussage nur von der deutschen Sparkassenorganisation geteilt (vgl.: Die Problematik der Mindestreserven, [1952), S. 10); Trouvain begründet seine ablehnende Einschätzung der geld- und kreditpolitischen Funktion von § 16 KWG mit dem Hinweis, daß die Reserve nicht ausschließlich bei der Reichsbank unterhalten werden mußte (vgl.: Trouvain, Franz-Josef, (1954), S. 169). Büschgen sieht das Jahr 1948 als Datum der gesetzlichen Grundlage für die Mindestreserve an, weil der kreditpolitische Gedanke im Kreditwesengesetz 1934 nur in "gewissem Sinne• berücksichtigt wurde (vgl.: Büschgen, Hans E[gon], [1964), S. und s. 781). 101 vgl.: Stucken, Rudolf, (1935), S. 152; derselbe, Offenmarktpolitik oder Veränderung der Pflichtreservesätze, in: Weltwirtschaftliches Archiv, Bd. 68, Teil I, 2. Jg., 1952, S. 198 - 202, hier S. 198; derselbe, Notenbank und Banken, in: Kredit und Kapital, Heft 2, 6. Jg., 1973, S. 99 - 110, hier S. 99 102 siehe Anlage 1: Reichsgesetz über das Keditwesen vom 5. Dezember 1934
m
103 vgl.: § 5, Kapitel I, Fünfter Teil, Dritte Verordnung des Reichspräsidenten zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen und zur Bekämpfung politischer Ausschreitungen vom 6. Oktober 1931, in: RGBI. I, S. 538 - 568, hier S. 554 104 vgl.: Stucken , Rudolf, (1935), S. 154; Lutz, Friedrich, (1936), S. 83f; Gestrich, Hans, (1936), S. 63f; Stucken, Rudolf, (1940), S. 149ff; Reichardl, Wolfgang, (1942), S. 298; Floss, ~erhard,(1956),S.17
III. Zusammenfassung
37
wurde die seit Anfang des 20. Jahrhunderts105 geforderte Liquiditätsreserve als Gläubigerschutz realisiert106• Die dargestellte Diskussion und die Formulierung von § 16 Abs. 1 KWG machen deutlich, daß mit dem Kreditwesengesetz von 1934 erstmals die gesetzliche Grundlage für die Mindestreserve als Instrument in Deutschland geschaffen wurde107• Damit ist § 16 Abs. 1 KWG als der Vorläufer der gesetzlichen Bestimmungen zur Mindestreserve im Rahmen der Währungsgesetzgebung von 1948 zu werten108• Zum einen bildet § 16 Abs. 1 KWG die Grundlage zur Einführung des seit der Währungsstabilisierung 1924 von Wissenschaft und Reichsbank109 geforderten neuen Instrumentes Mindestreserve110. Zum anderen gab die Variation des Reservesatzes innerhalb der gesetzlichen Grenzen die Möglichkeiten einer effizienten Steuerung des Geldmarktes und der Konjunkturbeeinflussung111. Durch die Entwicklung des Kreditvolumens erhielt die Reichsbank gleichzeitig Informationen zur konjunkturellen Lage112• Die Funktionen sowohl der Liquiditätsreserve als auch des Zentralbank-
105 vgl. beispielsweise: Wagner, Adolph, Bankbrüche und Bankkontrollen, in: Deutsche Monatsschrift für das gesamte Leben der Gegenwart, Heft 1 und 2, 1. Jg., 1901, S. 74 - 8S und S. 248 - 258, hier S. 15, S. 82ff und 257f 106 vgl.: Bom, Karl Erich, (1967), S. 182; Wandel, Eckard, (1983), S. 153 107 vgl. hierzu auch zeitgenössische Urteile: Stucken, Rudolf, Deutsche Geld- und Kreditpolitik, Hamburg 1937, S. 113; Schachtschabel, H. G., Die Entwicklung der deutschen Währungsgesetzgebung seit der Reichsgründung, in: Deutsche Geldpolitik, Hrsg.: Bayrhoffer, Walter, u. a., Berlin 1941, S. 51 - 85, hier S. 83 108 vgl. beispielsweise: Witte, Horst, (1960: a), Die Mindestreservepolitik in der Bundesrepublik Deutschland, unter besonderer Berücksichtigung einer gleichen Belastung der Banken, Diss. Marburg 1960, S. 5; Pfleiderer, Otto, Mindestreserven im Dienste der Kreditpolitik, in: Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen, Heft 3, 1. Jg., 1948, S. 58f; derselbe, (1961), S. 351; Tudylw., Kurt, (1964), S. 51; ; Honeck, Gerhard, Indirekte Aktivmindestreserve, Berlin 1978, S. 65; Issing, Otmar, (1987), S. 86; Schwolgin, Armin, (1986), S. 26 109 siehe S. 29f 110 vgl.: Fischer, Wemer, Die Mindestreservepolitik der Zentralbank. Ein Mittel zur Beeinflussung der Kreditschöpfung, München 1949, S. 106; Ittershagen, Alfred, Die Mindestreserven der Volksbanken, Diss. Köln 1957, S. 27; Floss, Eberhard, (1956), S. 17. Floss äußert aber auch Bedenken wie Trouvain. 111 vgl.: Stucken, Rudolf, (1935), S. 153f; Gestrich, Hans, (1936), S. 47f, S. 64; Lulz, Friedrich, (1936), S. 83; Ein Unterschied, ob die Befugnis aus § 16 KWG nun bei dem Aufsichtsamt für das Kreditwesen oder bei der Reichsbank liegt, wird nicht gemacht (vgl.: Stucken, Rudolf, (1935), S. 152; Gestrich, Hans, (1936), S. 64; Schachtschabel, H. G., (1941), S. 83). 112 vgl.: Reichardt, Wolfgang, (1942), S. 298
38
C. Die Entwicklung der Mindestreserve in Deutschland bis 1948
instrumenteswurden in§ 16 KWG nebeneinandergestellt113. Als Erklärung dieser Form der Formulierung kann die aufgezeigte Entwicklung der Mindestreserve angenommen werden. Obwohl § 16 KWG als das gesetzliche Resultat der Erfahrungen aus der Zeit vor und während der Bankenkrise von 1931 anzusehen ist, konnte es nicht in Aktivitäten der Bankenaufsicht umgesetzt werden114. Hierfür ist nicht die Ansiedlung der gesetzlichen Grundlage für die Mindestreserve im Kreditwesengesetz als Grund anzusehen, denn zwischen der Bankenaufsicht und der Reichsbank bestanden enge Verflechtungen115. Mit den Novellierungen des Kreditwesengesetzes 1939 und 1944 erhielten auch der Reichswirtschaftsminister und das Reichsbankdirektorium die Befugnisse gemäß § 16 KWG. Jedoch zeigte keine der drei Institutionen Interesse, eine Durchführungsverordnung für die Mindestreserve zu erlassen und somit die Möglichkeiten dieses Paragraphen auszuschöpfen116. Der Grund hierfür liegt in der politischen Orientierung der Nationalsozialisten. Diese Politik fand ihren Niederschlag ebenfalls in der Geldpolitik117. Auch der Bankensektor sollte in die gelenkte Wirtschaft des Dritten Reiches eingebunden werden118• "Die aus der Wirtschaftskrise hergeleiteten Zielvorstellungen von den Aufgaben einer Bankenaufsicht - Herbeiführung und Erhaltung eines funktionsfähigen Kreditwesens - wurden durch die NS-Gesetzgebung pervertiert"119. Der Zielrichtung der nationalsozialistischen Geldpolitik widersprach einer durch das Instrument Mindestreserve möglichen Reglementierung des Kreditvolumens. Dies hatte zur Folge, daß für die Mindestreserve keine Durchführungsverordnung erlassen wurde und § 16 KWG eine Rahmenvorschrift blieb120. 113 vgl.: Honeck, Gerhard, (1978), S. 65; Hier kann der Ursprung der Frage, inwieweit die Mindestreserve eine Liquiditätsfunktion erfüllt, angenommen werden. Diese Fragestellung wurde sowohl bei der späteren Einführung durch das Emissionsgesetz als auch bei der Auseinandersetzung um das Bundesbankgesetz bedeutsam. 114 vgl.: Bähre, Inge Lore, (1982), S. 26; Zwoll, Johann Hermann van, (1954), S. lOlf 115
vgl.: Tudyka, Kurt, (1964), S. 51; Prost, Gerhard, (1m), S. 43
116 vgl.: Honeck, Gerhard, (1978), S. 65
117 vgl.: Wandel, Eckhard, (1983), S. 154; aus zeitgenössischer Sicht vgl.: Stucken, Rudolf, (1935), s. 153 118 vgl.: Wandel, Eckard, (1983), S. 153; Bähre, Inge Lore, (1982), S. 25; Prost, Gerhard, (1m), s. 48; KJjUner, Lutz, (1981), s. 34ff
119 BähTe, Inge Lore, (1982), S. 27
120 vgl.: Tudyka, Kurt, (1964), S. 51
D. Die Mindestreserve als Instrument der deutschen Zentralbank seit 1948 Die Mindestreserve als Instrument der deutschen Zentralbank wurde in ihrer Entwicklung durch unterschiedliche Faktoren geprägt. Relevanz für die Entwicklung der Mindestreserve haben ökonomische und politische Daten sowie institutionelle Bedingungen. Sie bilden den Hintergrund für die von der Zentralbank verfolgte geldpolitische Konzeption. Das geldpolitische Steuerungskonzept der Zentralbank wiederum bestimmt die Bedeutung, die der Mindestreserve im Rahmen dieser Konzeption zugewiesen wird1• Institutionelle Bedingungen und gesamtwirtschaftliche Zielsetzung folgten aus der Zentralbankgesetzgebung im Zuge der Währungsreform von 1948 und aus dem Bundesbankgesetz von 1957. Die Gesetze bestimmten das gesamtwirtschaftliche Ziel und die für die Zielerreichung notwendigen Instrumente der Zentralbank2• Die Aufgabe der Bank deutscher Länder war e3 "...die Währung sowie das Geld- und Kreditsystem zu festigen... . Die Bundesbank verfolgt das gesetzlich festgelegte Ziel,"... die Währung zu sichern .....4. Die von den Geset~ebern gewählte Formulierung kann unterschiedlich interpretiert werden . Die 1
vgl.: Hepp, Roland, (1989), S. 24f 2 vgl.: /ssing, Otmar, (1987: b ), S. 9; Dickertmann, Dietrich, Siedenberg, Axel, (1984), S. 2
3 Gesetz zur Errichtung der Bank deutscher Länder vom 1. Män 1948, Verordnung Nr. 129 des britischen Kontrollgebietes, in: Amtsblatt der Militärregierung Deutschland, Britisches Kontrollgebiet, S. 696 - 702, hier S. 696 4 § 3 BBankG, BGBI. I, S. 145; Diese Fonnulierung wurde bei der Erörterung des Bundesbankgesetzes bewußt der der Preisniveaustabilität vorgezogen (vgl.: Deutsche Bundesbank - Historisches Archiv, HA Bd. 385 Unterlagen betr. Vorbereitung des Bundesbankgesetzes 1953: Dr. Willi Schmidt, Materialien zum Thema Bundesnotenbankgesetz, 3. Februar 1953; Emminger, Otmar, Zwanzig Jahre Deutsche Geldpolitik. Rückblick und Ausblick. Vortrag bei einem Empfang der Landeszentralbank in BadenWürttemberg am 4. Män 1968 im Neuen Schloß zu Stuttgart, Stuttgart 1968, S. 7; Dickertmann, Dietrich, Siedenberg, Axel, (1984), S. 3).
5 Während aus monetaristischer Sichtweise der Interpretation der Zentralbank zugestimmt wird, kritisieren gewerkschaftlich orientierte Kreise diesen Ansatz. Sie fordern die stärkere Berücksichtigung von beschäftigungspolitischen Zielen (vgl. beispielsweise: Dickertmann, Dietrich, Siedenberg, Axel, (1984), S. 3f; Spindler, Joachim von, Becker, Willy, Starke, 0.- Ernst, Die Deutsche Bundesbank. Grundzüge des Notenbankwesens, 4. Auflage, Stuttgart 1973, S. 15 ff, S. 172ff; Beck, Heinz, Gesetz über die Deutsche Bundesbank vom 20. Juli 1957. Kommentar, Mainz-Gonsenheim 1959, S. 147- 152).
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D. Die MindestreseiVe als Instrument der Zentralbank seit 1948
Zentralbank hat jedoch keinen Zweifel daran gelassen, daß sie mit der Sicherung der Währung die Aufrechterhaltung der Stabilität des Preisniveaus meint6• Ausschließlich diese Zielsetzung wird auch für den weiteren Gang der Untersuchung unterstellt. Während die institutionellen Bedingungen und die gesamtwirtschaftliche Zielsetzung einen langfristigen Charakter haben, orientiert sich die geldpolitische Konzeption auch an kurzfristigen ökonomischen Einflußfaktoren, die Ursache für Veränderungen der Konzeption werden können. 1974 erfolgte ein grundlegender Wandel in der von der Deutschen Bundesbank verfolgten geldpolitischen Konzeption7• Diese interdependenten Beziehungen zwischen institutionellen Bedingungen, ökonomischen Entwicklungen und der jeweiligen geldpolitischen Konzeption stellen seit 1948 die Konditionen für die Ausgestaltung und Wandlungen der Mindestreserve im Instrumentarium der Zentralbank dar8•
I. Die prägenden Faktoren und die geldpolitische Konzeption der Zentralbank zwischen 1948 und 1973 im Hinblick auf die Ausgestaltungen und Wandlungen der Mindestreserve Die Ausgestaltung der Mindestreserve bei ihrer Einführung 1948, die Diskussion um die Ausgestaltung im Rahmen der Bundesbankgesetzgebung 1957 und die Wandlungen des Instrumentes in dem Zeitraum von 1948 bis 1973 wurden durch die bereits aufgezeigten interdependenten Beziehungen zwischen politischen und ökonomischen Daten sowie durch die geldpolitische Konzeption der Zentralbank beeinflußt. Aus diesem Grund erfolgen zunächst eine kurze Übersicht über die 6 vgl.: Schmölders, Günter, Geldpolitik, 2. neubearbeitete Auflage, Tübingen 1%8, S. 129; Köhler, Qaus, Geldwirtschaft. Geldversorgung und Kreditpolitik, Bd. 1., 2. veränderte Auflage, Berlin 1977, S. 373f; Dickenmann, Dietrich, Siedenberg, Axel, (1984), S. 4; Duwendag,
Dieter, u. a., (1985), S. 207ff; Die Deutsche Bundesbank, Geldpolitische Aufgaben und Instrumente, Hrsg.: Deutsche Bundesbank. Sonderdruck Nr. 7, 4. Auflage, Frankfurt a. M. 1987,5.9 1 vgl.: Ehrlicher, Wemer, Wandlungen in den Konzepten der Geld-, Finanz- und Lohnpolitik 1948- 1986, in: Herausforderungen der Wirtschaftspolitik. Festschrift zum 60. Geburtstag von Oaus Köhler, Hrsg.: File, Wolfgang, Lotbar Hübl und Rüdiger Pohl, Berlin 1988, S. 315 - 336, hier S. 316 8 vgl. in Analogie zu dieser Vorgehensweise: Pütz, Theodor, Die wirtschaftspolitische Konzeption, in: Zur Grundlegung wirtschaftspolitischer Konzeptionen, Hrsg.: Seraphim, Hans-Jürgen, Berlin 1960, S. 9- 21, hier S. 11
I. Die Faktoren und die geldpolitische Konzeption 1948 bis 1973
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wichtigsten, die Zentralbankpolitik prägenden Ereignisse und eine für die Themenstellung relevante kurze Skizzierung der geldpolitischen Konzeption von 1948 bis 1973 sowie die Klärung der Frage nach der Funktion und der Bedeutung, die dem Zentralbankinstrument Mindestreserve in dieser Konzeption zukam. 1. Die politischen und ökonomischen Einflußfaktoren auf die Zentralbankpolitik zwischen 1948 und 1973 Die wirtschaftliche Entwicklung in den westlichen Besatzungszonen und seit 1949 in der Bundesrepublik Deutschland war von Ende 1948 bis Ende 1960 durch eine außergewöhnlich hohe Wachstumsrate der Wirtschaft von durchschnittlich 10 v. H. gekennzeichnet9• In der Phase von 1961 bis 1973 'normalisierte' sich die Wachtumsrate auf durchschnittlich 6,1 v. H .. Geprägt wurde der letztgenannte Zeitraum unter anderem durch die Verdreifachung des Außenhandels. Gleichzeitig nahm der Einfluß der internationalen Märkte auf die wirtschaftliche Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland erheblich zu10• Die politische Verantwortung für die Währungsreform 1948 trugen die Militärregierungen der westlichen Zonen11• Aber die ökonomische Verantwortung für die neue Währung "Deutsche Mark" (DM) übernahm die Bank deutscher Länder, zunächst unter Kontrolle der Alliierten Bankenkommission12. Durch die Währungsgesetzgebung von 1948 war für den kreditpolitischen Spielraum ein gemäßigter Kurs abgesteckt13• Im Vergleich zu früheren Perioden schien zu diesem Zeitpunkt die durch die Währungsreform zur 9 vgl.: Henning, Friedrich-Wilhelm, Wirtschaftliche und soziale Entwicklung, in: Deutsche Verwaltungsgeschichte, Hrsg.: Jeserich, Kurt G. A., Hans Pohl und Georg-Christoph von Unruh, Bd. S, Die Bundesrepublik Deutschland, Stuttgart 1987, S. 30- 53, hier S. 41 und S. 45 10 vgl.: Henning, Friedrich Wilhelm, (1987), S. 46f
11 vgl.: Dreissig, Wilhelmine, Möller, Hans, Aktuelle Fragen der Währungsreform, Frankfurt a. M. 1948, S. S; Köhler, Oaus, Geldwirtschaft, Bd. 3, Wirtschaftspolitische Ziele und wirtschaftspolitische Strategie, Dertin 1983, S. 251 12 vgl.: Geschäftsbericht der Bank deutscher Länder für die Jahre 1948 und 1949, [Frankfurt a. M. 1949], S. 1; Stucken, Rudolf, Deutsche Geld- und Kreditpolitik 1914 bis 1963, 3. Auflage, Tübingen 1964 13 vgl.: Dreissig, Wilhelmine, Möller, Hans, (1948), S. 27
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D. Die Mindestreserve als Instrument der Zentralbank seit 1948
Verfügung gestellte Geldmenge zu eng bemessen. Der relativ große Anteil von "Konsumentengeld" an der Geldmenge und die hohe Umlaufgeschwindigkeit des Geldes sind als Ursache zu nennen, wenn bei einer rückblickenden Analyse das mit der Währungsreform gesteckte Mengengerüst als zu großzügig bewertet werden muß14• Das war die binnenwirtschaftliche monetäre Konstellation für die Geldpolitik der Bank deutscher Länder seit 1948. Nach dem Zweiten Weltkrieg waren die wirtschaftlichen Aktivitäten auf den Wiederaufbau der Wirtschaft gerichtet15• An diesem Ziel orientierte sich auch die geldpolitische Ausrichtung der Bank deutscher Länder16• Aufgrund der Konstellation der monetären Märkte war sie in ihren geldund kreditpolitischen Möglichkeiten zunächst auf Diskont- und Mindestreservesatzvariationen beschränkt17• Zum Zeitpunkt der Übernahme durch deutsche Instanzen war der Zahlungsverkehr mit dem Ausland bereits durch bilaterale Verrechnungsabkommen geregelt. Den Außenwert der DM hatten die Militärregierungen zunächst auf 3,33 DM je Dollar festgelegt18, aber bereits bei der allgemeinen Abwertung im September 1949 wurde er auf 4,20 DM je Dollar korrigiert. Diese Abwertung der DM war die letzte Entscheidung der Militärregierungen über den deutschen Währungskurs19• Die Zahlungsbilanz der Bundesrepublik Deutschland war aufgrund der
14 vgl.: Die Entwicklung der Bankenliquidität seit der Währungsreform, in: Monatsberichte der Bank deutscher Länder, Heft 2, 1. Jg., 1949, S. 14- 24, hier S. 15; Geschäftsbericht der Bank deutscher Länder für die Jahre 1948 und 1949, S. 4; Stucken, Rudolf, Geldpolitik und Bankenliquidität in Westdeutschland seit der Währungsreform, in: Finanzarchiv, Bd. 13., 1951/52, S. 204; Müller, Heinz, Die Politik der deutschen Zentralbank 1948 - 1967. Eine Analyse der Ziele und Mittel, Tübingen 1969, S. 41 15 vgl.: Köhler, aaus, (1983), s. 251
16 vgl.: Deutsche Bundesbank - Historisches Archiv, HA Bd. 386 Unterlagen betr. Vorbereitung des Bundesbankgesetzes 1953: Vermerk: Die Mindestreserve-Vorschriften im Bundesbankgesetzentwurf, 27. Februar 1953; Schlesinger, Helmut, (1976: a), Geldpolitik in der Phase des Wiederaufbaus (1950 - 1958), in: Währung und Wirtschaft in Deutschland 1876 1975, Hrsg.: Deutsche Bundesbank, Frankfurt a. M. 1976, S. 555 - 607, hier S. 563; vgl. auch Stucken, Rudolf, (1951/52), S. 199f 17 vgl.: Köhler, aaus, (1977), S. 38Sff; Schlesinger, Helmut (1976: a), S. 563 18 vgl.: lerchow, Friedrich, Der Außenkurs der Mark 1944- 1949, in: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte, Heft 2, 30. Jg., 1982, S. 256- 289, hier S. 275f 19 vgl.: ebenda, S. 293 und 297f
I. Die Faktoren und die geldpolitische Konzeption 1948 bis 1m
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Importabhängigkeit der Nachkriegswirtschaft defizitm-20. In dieser Situation wurde die Koreakrise 1950 für die von Erhard verfolgte Wirtschaftspolitik21 eine starke Belastungsprobe. Erhard hatte den Außenhandel teilweise bereits liberalisiert, obwohl die Bank deutscher Länder nur über unzureichende Währungsreserven verfügte22• Die Bundesrepublik wurde wegen der Importabhängigkeit und der fehlenden Währungsreserven der erste große "Defizit-Fall" der am 1. Juli 1950 in Kraft getretenen Europäischen Zahlungsunion23• Die Preissteigerungen im Zuge der Koreakrise veranJaßten die Bank deutscher Länder im Oktober 1950 zu restriktiven Maßnahmen, gegen den ausdrücklichen Wunsch von Adenauer24• Letztlich hatte die Koreakrise aber einen positiven Effekt für die deutsche Wirtschaft. Die terms of trade entwickelten sich zugunsten der Bundesrepublik Deutschland, und ab 1951 verzeichnete die Leistungsbilanz Überschüsse25• Ab 1952 war die Bundesrepublik "extremes Überschußland" der Europäischen Zahlungsunion26• Das belastete die Geldpolitik der Bank deutscher Länder zunächst nichr7• Die Hoffnung der Bank deutscher Länder, daß der infolge der Koreakrise gestiegene Liquiditätsgrad im Banksektor zur Wiederbelebung
20 vgl.: Schlesinger, Helmut, (1976: a), S. 558; Köhler, Oaus, (1977), S. 387; Müller, Heinz, (1969), s. 44 21 vgl. zur Beurteilung der Wirtschaftspolitik Erhards: Henning, Friedrich-Wilhelm, (1987), s. 42 22 vgl.: Stucken, Rudolf, (1951/52), S. 210f; Müller, Heinz, (1969), S. 42f; Schleiminger, Günther, Europäische Zahlungsunion, in: Handwörterbuch der Wirtschaftswissenschaft, Hrsg.: Albers, Willi, u. a., Bd. 2, Stuttgart 1980, S. 507- 512, hier S. 509 23 vgl.: Emminger, Otmar, (1986: a), Ordnungs- und währungspolitische Probleme der Korea-Krise, in: Die Korea-Krise als ordnungspolitische Herausforderung der deutschen Wirtschaftspolitik. Texte und Dokumente, Symposion der Ludwig-Erhard-Stiftung am 7. November 1984 in Bonn, Hrsg.: Ludwig-Erhard-Stiftung, Stuttgart 1986, S. 13 - 31, hier S. 17ff; Die Europäische Zahlungsunion existierte von 1950 bis 1958 als multilaterales Abrechnungssystem für mehrere europäische Länder (vgl.: Schleiminger, Günther, (1980), S.508ft). 24 vgl.: Emminger, Otmar, Deutsche Geld- und Währungspolitik im Spannungsfeld zwischen innerem und äußerem Gleichgewicht (1948- 1975), in: Währung und Wirtschaft in Deutschland 1876 - 1975, Hrsg.: Deutsche Bundesbank, Frankfurt a. M. 1976, S. 4&S -554, hier S. 489f; Köhler, Qaus, (1977), S. 388f
2S vgl.: Emminger, Otmar, (1986: a), S. 29; Köhler, Oaus, (1977), S. 388f 26 Schleiminger, Günther, (1980), S. 510 27 vgl.: Emminger, Otmar, (1976), S. 489f; Stucken, Rudolf, (1964), S. 229f; Müller, Heinz, (1969), s. 46
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D. Die Mindestreserve als Instrument der Zentralbank seit 1948
des Kapitalmarktes beitragen würde, erfüllte sich nicht. Die Situation auf dem Kapitalmarkt blieb unbefriedigend28• Seit die Bundesrepublik 1952 dem Abkommen über den Internationalen Währungsfonds (Bretton-Woods-System) beigetreten war, bestand für die Zentralbank die Verpflichtung, Devisen zur Aufrechterhaltung der Währungsparität zum festgesetzten Interventionskurs zu kaufen29• Dem Abkommen über den Internationalen Währungsfonds entsprechend ging die Bundesrepublik Deutschland 1958 zur Konvertibilität über und schuf somit wesentliche Voraussetzungen für die Ausdehnung des Außenhandelsvolumens und des internationalen Kapitalverkehrs30• Damit unterlag die DM binnen- und außenwirtschaftliehen Einflüssen31• Der zunehmende Umfang der Exporte und der daraus resultierende Devisenumtausch führten bis 1963 zu einer zusätzlichen Expansion von Zentralbankgeld32• Eine erste Konsequenz dieser Einflüsse33 war die DM-Aufwertung 1961. Die außenwirtschaftlich bedingten Einflüsse können bis 1967 für die Geldpolitik der Zentralbank noch nicht als problematisch bezeichnet werden34• Durch das "Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft" von 1967 sollten die öffentlichen Haushalte und die Deutsche Bundesbank veranlaßt werden, eine gleichgerichtete Konjunkturpolitik zu betreiben35• Erst seit dem Erlaß dieses Gesetzes kann man von einer antizyklischen Fiskal- und Wirtschaftspolitik in Deutschland sprechen. Bis zu diesem Zeitpunkt betrieb die Bundesbank hauptsächlich eine monetäre 2S vgl.: Schlesinger, Helmut, (1976: a), S. 579; Köhler, Oaus, (1977), S. 390 29 Adebahr, Hubertus, Währungstheorie und Währungspolitik, Berlin 1978, S. 404ff
30 vgl.: Emminger, Otmar, (1986: b), D-Mark, Dollar, Währungskrisen, Stuttgart '1986,
5.407
31 vgl.: Köhler, Oaus, (1977), S. 393; Emminger, Otmar, (1976), S. 500; Zu dieser Problematik (vgl.: Möller, Hans, Probleme der Geld- und Kreditpolitik bei Währungskonvertierbarkeit, in: Geld- und Bankpolitik, Hrsg.: Dürr, Ernst, Köln 1969, S. 405 - 418). 32 vgl.: Neue kreditpolitische Maßnahmen, in: Monatsberichte der Deutschen Bundesbank, Heft 3, 16. Jg., 1964, S. 3 - 6, hier S. 3ff; Müller, Heinz, (1969), S. 58; Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Jahresgutachten 1964/65, Stuttgart 1964, Ziffer 167 33 vgl. hierzu aber die Kontroverse, die dieser Aufwertung vorausging: Emminger, Otmar, (1976), S. 503 - 507; Köhler, aaus, (19n), S. 394f 34 vgt.: Emminger, Otmar, (1976), S. 509
35 vgl.: Stern, Klaus, Münch, Paul, Hansmeyer, Kari-Heinrich, Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft. Kommentar, 2. neubearbeitete und erweiterte Auflage, Stuttgart 1967, S. 32f
I. Die Faktoren und die geldpolitische Konzeption 1948 bis 1973
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Steuerung der Konjunktur, die aber vor dem Hintergrund mangelnder Koordination der Politikbereiche zum Teil auch prozyklische Wirkungen zeigte36• Der Rezession im Jahre 1967 konnte durch eine abgestimmte Geld- und Fiskalpolitik erfolgreich begegnet werden37• Der Zeitraum von 1968 bis 1975 war durch Währungskrisen gekennzeichnet, die zu einem Konflikt zwischen innerer und äußerer Stabilität fübrten38• Die DM-Aufwertung im Jahr 1969 brachte nur eine kurzfristige Entspannung der währungspolitischen Situation. Die stabilitätspolitischen Ansätze, die sich infolge der Befreiung von der Interventionspflicht der Bundesbank gegenüber dem Dollar im Mai 1971 abzeichneten, endeten mit dem "Smithsonian-Agreement" im Dezember 197139• Die erneute Interventionspflicht zwang die Deutsche Bundesbank zu einer restriktive.n Geldpolitik. Erschwerend kamen spekulative und durch die Etablierung der Euro-Märkte40 zinsinduzierte Devisenzuflüsse hinzu. Im März 1973 wurde der feste Wechselkurs gegenüber dem Dollar aufgegeben und zum "Block-Floaten" übergegangen41• Damit endete die Wechselkursregelung des Internationalen Währungsfonds von 1945. Der Zeitraum zwischen 1967 und 1973 wurde durch die antizyklische Geldpolitik der Bundesbank geprägt. Sie konnte aber vor dem Hintergrund der fehlenden außenwirtschaftliehen Absicherung ihr Ziel Preisniveaustabilität nicht erreichen42•
36 vgl.: Ehrlicher, Wemer, (1988) S. 318ff; Köhler, Oaus, (1977), S. 384; Schlesinger, Helmut, Die Geldpolitik der Deutschen Banken 1%7 - 1977, in: Kredit und Kapital, Heft 1, 11. Jg., 1978, S. 3- 29, hier S. 5f 37 vgl. hierzu als eine kritische Beurteilung: Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Jahresgutachten 1%7/68, Stuttgart 1967, Ziffer 219 - 246 38 vgl.: Ehrlicher, Wemer, (1988), S. 32Sff; Emminger, Otmar, (1976), S. 517; Zur ausführlichen Darstellung dieser Problematik (vgl.: Narr-Undner, Gudrun, Grenzen monetärer Steuerung. Die Restriktionspolitik der Bundesbank 1964 - 1974, Frankfurt a. M. 1984). 39 vgl.: Schlesinger, Helmut, (1978), S. 7ff 40 vgl. zur Entstehung und Entwicklung: Junne, Gerd, Der Eurogeldmarkt. Seine Bedeutung für Inflationen und lnOationsbekämpfung, Frankfurt a. M. 1976, S. 28ff 41 vgl.: Ehrlicher, Wemer, (1988), S. 326; Schlesinger, Helmut, (1978), S. 15
42 vgl.: Ehrlicher, Wemer, (1988), S. 326
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D. Die Mindestreserve als Instrument der Zentralbank seit 1948
2. Die geldpolitische Konzeption der Zentralbank zwischen 1948 und 1973 Da die Zentralbank ihre Zielvariable Preisniveaustabilität nicht direkt beeinflussen kann, bildet eine geldpolitische Konzeption die Voraussetzung für eine effiziente Geldpolitik43• Diese Konzeption leitet die Zentralbank aus dem ökonomischen Ziel und aus den theoretischen Grundlagen ab. Die Konzeption muß die Möglichkeiten zur Realisierung der Ziele und hierauf aufbauend die Kriterien zur Bestimmung des Instrumenteneinsatzes beinhalten. Ein in sich konsistentes System der drei Faktoren geldpolitisches Ziel, theoretische Fundierung und lnstrumenteneinsatz, das präzise Rückschlüsse auf die Konzeption zuläßt, ist vorrangig das Ergebnis theoretischer Überlegungen und praktischer Erfahrungen. Die einer Wirtschaftspolitik zugrundeliegende Klassifizierung einer Konzeption - für die Zentralbank die einer geldpolitischen Konzeption - wirft entsprechende Probleme auf'. Die Erfüllung ihres geldpolitischen Ziels Preisniveaustabilität kann die Zentralbank nicht auf direktem Weg durch administrative Festlegung erreichen. Ihr stehen prinzipiell zwei Ansatzpunkte zur Realisierung ihrer Zielsetzung zur Verfügung. Das sind zum einen die Zinspolitik und zum anderen die Liquiditätspolitik. Über die Zinspolitik will die Zentralbank primär die Investitionsneigung, über die Liquiditätspolitik die Fähigkeit der Kreditinstitute beeinflussen, Investitionen zu finanzieren. Zwischen beiden Ansatzpunkten bestehen Interdependenzen, weil zinspolitische Maßnahmen immer auch einen Liquiditätseffekt haben und umgekehrt45• Die deutsche Zentralbank kann mit ihren Instrumenten nur auf Größen einwirken, an denen sich die Kreditinstitute bei ihren Dispositionen orientieren46• Die Transmission eines geldpolitischen Impulses und die eventuelle Wirkungsverzögerung machen es nicht möglich, unerwünschte Entwicklungen 43 vgl.: Pohl, Rüdiger, Grundzüge einer liquiditätspolitischen Konzeption für die Zentralbankpolitik, in: WSI-Mitteilungen, Heft 3, 26. Jg., 1973, S. 105 - 116, hier S. 105; Schlesinger, Helmut, (1988), S. 3 44 vgl.: Booms, Helmut, Geldtheoretische und politische Konzepte der Deutschen Bundesbank. Ermittlung und Kritik, Bochum 1980, S. 7; Fautz, Wolfgang, Analyse einer geldund kreditpolitischen Konzeption der Deutschen Bundesbank für die Jahre 1958 bis etwa 1970, in: Kredit und Kapital, Heft 4, 8. Jg., 1975, S. 450 - 472, hier S. 450ff 45 vgl.: Köhler, Qaus, (1977), S. 232; Die Deutsche Bundesbank, (1987), S. 44; Dickertmann, Dietrich, Siedenberg, Axel, (1984), S. 6 und S. 63f; Dudler, Hermann-Josef, Geldpolitik und ihre theoretischen Grundlagen, Frankfurt a. M. 1984, S. 79 46 vgl.: Kiihler, Qaus, (1977), S. 220f
I. Die Faktoren und die geldpolitische Konzeption 1948 bis 1m
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umgehend zu korrigieren. Die Zentralbank muß ihre Konzeption so anlegen, daß sie diese Unsicherheit und zeitlichen Verzögerungen berücksichtigt47• Die Zentralbank wählt den Umweg über die Definition von Ersatzgrößen. Die Variable, auf die der geld- und kreditpolitische Instrumenteneinsatz gerichtet ist, kann als monetäres Zwischenziel bezeichnet werden48• Ein monetäres Zwischenziel stellt eine Ersatzgröße für das eigentliche Ziel der Geldpolitik dar, für das zur angestrebten Zielrealisierung eine enge Verbindung mit dem gesamtwirtschaftlichen Ziel Preisniveaustabilität angenommen wird49• Da die Exogenität der Zwischenzielgröße nicht durchgängig gegeben ist, sollen induzierte Abweichungen durch Indikatoren der Geldpolitik aufgedeckt werden50• Zu dem Problem der Indikator-/Zwischenziel-Konstruktion, insbesondere aber über die Transmission monetärer Impulse in den realen Bereich, eröffnen die alternativen Ansätze in der Geldtheorie der Zentralbank divergierende Empfehlungen51 • Die deutsche Zentralbank hat bisher eine eindeutige theoretische Festlegung ihrer Konzeption vermieden52 • Aber die Entscheidung für ein Zwischenziel und für Indikatoren ermöglichen Rückschlüsse auf die von der Zentralbank bevorzugte theoretische Fundierung ihrer Konzeption53• 47 vgl.: Duwendag, Dieter, u. a., (1985), S.176ff; Issing, Otmar, (1987: b), S. 129ff; Jarclww, Hans-Joachim, (1988), S. 171ff 48 vgl.: Booms, Helmut, (1980), S. 17f; Mögliche Ansatzpunkte der Geldpolitik können der Zinssatz, die Bankenliquidität, die Geldmenge in der Abgrenzung Ml, M2, M3 oder eine andere von der Zentralbank fiir relevant gewertete Größe des monetären Rechensystems sein (vgl. beispielsweise: Köhler, aaus, (1977), S. 164ff, S. 219ff und S. 347ff; Jarclww, HansJoachim, (1988), S. 71ff; Issing, Otmar, (1987: b ), S. 53ff). 49 Da aber eine Zwischenzielgröße auch eine endogene Größe darstellt, beinhaltet sie auch eine Unsicherheit (vgl.: Neumann, Manfred J. M., (1974: b), Zwischenziele und Indikatoren der Geldpolitik, in: Geldtheorie, Hrsg.: Brunner, Karl, Hans G. Monissen und Manfred J. M. Neumann, Köln 1974, S. 360- 377, hier S. 370ff). 50 vgl.: Dickmmann, Dietrich, Siedenberg, Axel, (1984: b), S. 32; Issing, Otmar, (1987: b), S.150f 51 vgl.: Booms, Helmut, (1980), S. 32
52 vgl.: Fautz, Wolfgang, (1975), S. 4Slf; Pohl, Reinhard, Geldtheoretische Analyse der Deutschen Bundesbank als Element einer Strategie der Überredung, Berlin 1971, S. 42ff; Basler, Hans-Peter, Wirtschaftspolitische Zielpräferenzen und theoretische Orientierung in der Geldpolitik der Bundesrepublik Deutschland, Diss. Konstanz 1978, S. 127ff 53 vgl.: Fautz, Wolfgang M., (1975), S. 452; Basler, Hans-Peter, (1978), S. 91ff; Booms, Helmut, (1980), S. 40f
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D. Die Mindestreserve als Instrument der Zentralbank seit 1948
Der keynesianischen Theorie über die Zinselastizität der Investitionen folgend war bis zum Ende der fünfziger Jahre das Zinsniveau zunächst Zwischenziel, dann auch Indikator der Geldpolitik der Bank deutscher Under. Mit dem Übergang zur stärker "mengenorientierten" Mindestreservepolitik Ende 1957 kristallisierten sich die Bankenliquidität als neues Zwischenziel und die freien Liquiditätsreserven als Indikator heraus54• Das Zwischenziel der Bundesbank war bis Ende 1974 die Steuerung der Bankenliquiditäf5. Die freien Liquiditätsreserven dienten als Indikator für das Zwischenziel Bankenliquiditäf6• Erst 1965 hat die Bundesbank eine eindeutige Definition gegeben, was sie unter freien Liquiditätsreserven verstand57• Gleichzeitig wies die Bundesbank· darauf hin, daß sich diese Abgrenzung an der institutionellen und ökonomischen Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland orientierte58• Die freien Liquiditätsreserven setzen sich zusammen aus der positiven Differenz zwischen dem Mindestreserve-Soll und dem Mindestreserve-Isf9, den sogenannten Überschußreserven60, aus den in die inländische Geld54 vgl.: Booms, Helmut, (1980), S. 52ff; Müller, Heinz, (1969), S. 26; Monatsberichte der Deutschen Bundesbank, Heft 10, 9. Jg., 1957, S. 48f; lrmler, Heinrich, The Deutsche Bundesbank'& Concept of Monetaey Theoey and Monetaey Policy, in: Proceedings of the First Konstanzer Seminar on Monetary Theoey and Monetaey Policy, Hrsg.: Brunner, Kar!, Beihefte zu Kredit und Kapital, Heft 1, Berlin 1972, S. 137 - 164, hier S. 141; Fautz, Wolfgang M., (1975), S. 468 55 vgl.: Jrmler, Heinrich, (1972), S. 154
56 vgl.: Geschäftsbericht der Deutschen Bundesbank für das Jahr 1964, [Frankfurt a. M. 1965], S.43 57 vgl.: Methodische Erläuterungen zur Analyse der Bankenliquidität, in: Monatsberichte der Deutschen Bundesbank, Heft 4, 17. Jg., 1965, S. 29- 37, hier S. 30- 37 58 vgl.: Methodische Erläuterungen zur Analyse der Bankenliquidität, (April 1965), S. 30; Zu einer ausführlichen Darstellung zur Entwicklung der Abgrenzung der freien Liquiditätsreserven (vgl.: Mussel, Gerhard, Freie Liquiditätsreserven und Geldbasis als Indikatoren der Zentralbankpolitik, Diss. Hohenheim 1974, S. 7- 25; Hanmann, Manfred, Die Bestimmungsgründe der Zentralbankgeldschaffung und der freien Liquiditätsreserven der Kreditinstitute, Berlin 1980, S. 19- 23; Fuchs, Rudolf, Die geldpolitische Bedeutung der freien Liquiditätsreserven und der lnterbankengeschäfte, Würzburg 1981, S. 1 - 13; Oberhauser, Alois, Der Charakter der frei verfügbaren Liquiditätsreserven, in: Kredit und Kapital, Heft 3, 15. Jg., 1982, s. 411 - 428). 59 Bei der Ermittlung des Mindestreserve-Solls als Komponente der freien Liquiditätsreserven wird die Mindestreserve der Post für die Postscheck- und Postsparkassen nicht erfa8t (vgl.: Erläuterungen zur Liquiditätsanalyse der Bundesbank, in: Monatsberichte der Deutschen Bundesbank, Heft 7, 22. Jg., 1970, S. 28 - 37, hier S. 37). 60 Die Überschußguthaben werden seit 1969 zu den freien Liquiditätsreserven gerechnet. Bis dahin stellten sie eine statistisch zu vernachlässigende Größe dar (vgl.: Erläuterungen zur Liquiditätsanalyse der Bundesbank, (Juli 1970), S. 31).
I. Die Faktoren und die geldpolitische Konzeption 1948 bis 1973
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marktregulierung einbezogenen Geldmarktpapieren und aus den unausgenutzten Refinanzierungskontingenten der Kreditinstitute. Bis zur Einstellung der Interventionspflicht im März 197361 zählten zu den freien Liquiditätsreserven zusätzlich die Geldmarktanlagen der Kreditinstitute im Ausland62• Bereits bei der Anpassung der Liquiditätsanalyse im Juni 197363 zeichnete sich ab, daß die freien Liquiditätsreserven für die monetäre Analyse an Aussagekraft eingebüßt hatten64, weil sich die Kreditinstitute auch nach der Wechselkursfreigabe nicht an der Höhe der Liquiditätsreserven orientierten65• Die Geldpolitik in der Bundesrepublik war bis 1973 von der Grundüberlegung bestimmt, das Kreditangebot der Banken und die daraus resultierende Zunahme der Geldmenge über die Bankenliquidität zu steuern und überdies die Kreditnachfrage der Nichtbanken durch Veränderung des Zinsniveaus zu beeinflussen66• Bis zum Ende der sechziger Jahre folgte die theoretische Fundierung der Zentralbankkonzeption allgemeinen keynesianischen Gesichtspunkten67•
61 vgl.: Neuabgrenzung der "freien Liquiditätsreserven" der Banken, in: Monatsberichte der Deutschen Bundesbank, Heft 6, 25. Jg., 1973, S. 47f; Duwendag, Dieter, u. a., {1985), S. 52 62 vgl.: Erläuterungen zur Liquiditätsanalyse der Bundesbank, (Juli 1970), S. 31; Dickertmann, Dietrich, Freie Liquiditätsreserven und Zentralbankgeld, in: Wirtschaftsdienst, Heft 9, 54. Jg., 1974, S. 48S - 492, hier S. 486 63 vgl.: Neuabgrenzung der "freien Liquiditätsreserven" der Banken, (Juni 1973), S. 48; Dickertmann, Dietrich, (1974), S. 487 64 vgl.: Geschäftsbericht der Deutschen Bundesbank für das Jahr 1973, [Frankfurt a. M. 1974), s. 3f
65 vgl.: Zentralbankgeldmenge und freie Liquiditätsreserven der Banken. Erläuterungen zur Liquiditätsrechnung der Bundesbank, in: Monatsberichte der Deutschen Bundesbank, Heft 7, 26. Jg., 1974, S. 14- 23, hier S. 14 66 vgl.: Geschäftsbericht der Deutschen Bundesbank für das Jahr 1972, [Frankfurt a. M. 1973), s. 26 67 vgl.: Ehrlicher, Wemer, (1988), S. 320
4 A. MUIIer
SO
D. Die Mindestreserve als Instrument der Zentralbank seit 1948
3. Die Mindestreserve im Instrumentarium und in der geldpolitischen Konzeption der Zentralbank zwischen 1948 und 1973 a) Die Wirkung der Mindestreserve auf die Kreditinstitute und ihre Einordnung in das Instrumentarium der deutschen Zentralbank Die Veränderung des Mindestreservesatzes bedeutet für ein Kreditinstitut einen unmittelbaren Eingriff in seine Liquiditätsposition. Eine Variation zwingt das Kreditinstitut dazu, seine Liquiditätsdispositionen zu überdenken68• Da das Kreditinstitut seine Mindestreserveguthaben unverzinslich auf einem Girokonto der Zentralbank unterhalten muß, bedeutet dies für ein Kreditinstitut eine Rentabilitätsbelastung69• Durch die Modalitäten der Mindestreserveregelungen wird dem Kreditinstitut eine monatliche Dispositionsmöglichkeit des Mindestreserveguthabens bei der Zentralbank eröffnet. Das einzelne Kreditinstitut muß außerdem zur Abwicklung des Zahlungsverkehrs ein Guthaben bei der Zentralbank unterhalten. Aber lediglich der Teil, der über die Höhe dieses Zahlungsverkehrskontos hinausgeht, verursacht dem Kreditinstitut Kosten. Diese Kosten kann es an seine Kunden weitergeben70• Die Mindestreserve wirkt auf die einzelnen Kreditinstitute des gesamten Bankensektors unterschiedlich71 und soll deshalb die Ursache für Wettbewerbsverschiebungen innerhalb der einzelnen Bankengruppen sein. Seit der Zunahme der Bedeutung des Euro-Geldmarktes wird sie auch als Grund für die Beeinträchtigung des Bankenplatzes Bundesrepublik im internationalen Vergleich angesehen. Bestrebungen, diese Beeinträchtigungen zu umgehen, sollen die Ursache für fmanzielle Innovationen auf dem deutschen Geldmarkt sein72• Zum Instrumentarium der Geldpolitik sind neben der Mindestreserve die Offen-Markt-Politik, die Diskont- und Lombardpolitik, die Einlagenpolitik sowie die Instrumente der Devisenkurspolitik und Kapitalverkehrs68 vgl.: Upfert, Helmut, Der Geldmarkt, Frankfurt a. M. 1962, S. n; Zu den möglichen Reaktionen des Kreditinstitutes auf eine Variation und zu der Beurteilung dieser Maßnahmen des Kreditinstitutes aus volkswirtschaftlicher Sicht siehe S. 18Sff und S. 53f. 69 vgl.: Büschgen, Hans E[gon], (1964], S. 83ff; Siehe S. 106 70 siehe S. 194f 71 siehe S. 148f
72 siehe S. 199f und S. 206ff
I. Die Faktoren und die geldpolitische Konzeption 1948 bis 1973
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regeJungen zu zählen73• Eine stringente Einordnung der Mindestreserve in dieses Zentralbankinstrumentarium ist problematisch74• Bei der Festsetzung der Mindestreservesätze handelt es sich unter rechtlichen Gesichtspunkten um einen hoheitlichen Akt der Zentralbank. Aus der Feststellung, daß es sich um einen hoheitlichen Akt handelt, kann gefolgert werden, daß die Mindestreserve ein direktes Kontrollinstrument der Geldpolitik ist, weil durch die Mindestreservesatzvariation die Gewinnsituation der Kreditinstitute beeinflußt wird75• Aber Instrumente, die unmittelbar Einfluß auf die Bankenliquidität und den Zinsmechanismus an den Finanzmärkten nehmen, gehören nicht zum Instrumentarium der deutschen Zentralbank76• Auch die Mindestreserve wirkt indirekt auf die Bankenliquidität und den Zinssatz. Bei einer Bewertung der Mindestreserve im Rahmen des geld- und kreditpolitischen Instrumentariums der Deutschen Zentralbank bezüglich der Durchsetzungsfähigkeit der vom Zentralbankrat angestrebten geldpolitischen Richtung wird der Zentralbank durch die Mindestreserve eine vergleichsweise konsequente Möglichkeit zur Verfolgung ihrer jeweiligen Zielvorstellung gegeben77• Ein Kommentar aus dem Jahr 1957 zum Bundesbankgesetz hat durch seine Behauptung bei dem Instrument Mindestreserve handele es sich, im Verhältnis zu den Refinanzierungsinstrumenten und der Offenmarktpolitik, um "... ein verhältnismäßig hart wirkendes und auf einem gesetzlichen Zwang beruhendes währungspolitisches Instrument, das im Gegensatz zu den vorgenannten Instrumenten nicht marktkonform, sondern quasiadministrativ" wirke, einen Beitrag zu der Verbreitung der Annahme geführt, daß die Mindestreserve kein marktkonformes Instrument der Bundesbank darstelle78• In deutlich abgeschwächter Form fmdet sich diese 73 vgl. beispielsweise: Köhler, Claus, (1977), S. 232ff; Dickertmann, Dietrich, Siedenberg, Axel, (1984), S. 63ff; larchow, Hans-Joachim, (1988), S. 71ff. Einige Autoren rechnen auch "Moral Suasions" und "Gentlemen's Agreements" zu den geldpolitischen Instrumenten der deutschen Zentralbank (vgl.: Duwendag, Dieter, u. a., (1985), S. 193; /ssing, Otmar, (1987: b), s. 114ff). 74 vgl.: Dickertmann, Dietrich, Siedenberg, Axel, (1984), S. 63 15
vgl.: ebenda, S. 69 76 siehe Kapitel D, Fußnote 48 77 vgl.: Fröhlich, Wolfgang, (1983), S. 130f
78 Spindler, Joachim von, Becker, Willy, Starke, 0.- Ernst, Die Deutsche Bundesbank. Grundzüge des Notenbankwesens und Kommentar zum Gesetz über die Deutsche Bundesbank, Stuttgart 1957, S. 162 4•
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D. Die Mindestreserve als Instrument der Zentralbank seit 1948
Aussage in der Ausgabe des Kommentars von 1973 wieder. Hier wird die Mindestreserve als das am wenigsten marktkonforme Instrument der Bundesbank bezeichnet79• In der neueren Literatur findet sich auch die Feststellung, daß die Mindestreserve ein marktinkonformes Instrument der Bundesbank sei80• Dem kann entgegengehalten werden, daß es sich bei der Mindestreserve um ein geldpolitisches Instrument handelt81, auf das die Feststellung zutrifft, daß Regulierungen im Kreditwesen unter gesamtwirtschaftlichen Aspekten mit dem Ziel der Geldmengen- und Preisniveaukontrolle erfolgen82• Die Marktkonformität des Instrumenteneinsatzes wird aus der ordnungspolitischen Zielsetzung einer durch Wettbewerb geprägten Wirtschaft bestimmt83. In diesem Sinne ist die Mindestreserve ein marktkonformes Instrument der deutschen Zentralbank. Eine andere Möglichkeit zur Einordnung der Mindestreserve im Rahmen des Instrumentariums bietet der von Köhler gewählte Ansatz bezüglich der Einflußmöglichkeiten der einzelnen Instrumente. Die Unterteilung erfolgt in Instrumente, die global den Umfang der Bankenliquidität verändern oder die Einfluß auf das Verhalten der Nicht-Banken nehmen und in Instrumente, die Einfluß auf die Verwendung liquider Mittel der Kreditinstitute haben. Bei dieser von Köhler gewählten Ordnung zählt die Mindestreserve zu den Instrumenten, die "Einfluß auf Verwendung liquider Mittel der Banken" nehmen84• Durch die Ausrichtung der Zentralbankinstrumente auf den Zinssatz und insbesondere auf die Bankenliquidität soll das Kreditangebotsverhalten der Kreditinstitute und die Geld- und Kreditnachfrage der am Wirtschaftsprozeß Beteiligten gelenkt werden85• Die Deutsche Bundesbank unterscheidet entsprechend der geldpolitischen Ansatzpunkte zins- und liquidi79 vgl.: Spind/er, Joachim von, Becker, Willy, Starke, 0.- Emst, (1973), S. 62 80 vgt.: Maier, Gerhard, (1982), S. 302 81 vgt.: Bericht der Bundesregierung über die Untersuchung der Wettbewerbsverschiebungen im Kreditgewerbe und über eine Einlagensicherung vom 18. November 1968, Deutseher Bundestag 5. Wahlperiode, Drucksache V /3500, S. 86 82 vgt.: Baltensperger, Emst, Die Regulierung des Bankensektors, in: Das Wirtschaftsstudium, Heft 2, 17. Jg, 1988, S. 53 - 51, hier S. 53 83 vgl.: Blume, Reinhard, Marktwirtschaft, soziale, in: Handwörterbuch der Wirtschaftswissenschaft, Hrsg.: Albers, Willi, u. a., Bd. 5, Stuttgart 1980, S. 153-168, hier S. 156 84 Köhler, Caus, (1977), S. 230; vgl. hienu auch: Dickertmann, Dietrich, Siedenberg, Axel,
(1984), s. 63f 85 vgl.: Die Deutsehe Bundesbank, (1987), S. 44
I. Die Faktoren und die geldpolitische Konzeption 1948 bis 1973
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tätspolitische Instrumente. Es wird jedoch nicht der Versuch unternommen, das Instrumentarium in diese zwei Kategorien zu unterteilen, weil sich die Aktionsparameter Zins und Liquidität gegenseitig beeinflussen. Vielmehr ordnet die Bundesbank einzelne Instrumente beispielhaft den beiden Kategorien zu. Die Mindestreserve steht als Beispiel für ein "wichtiges liquiditätspolitisches Instrument•86• Ferner bietet sich eine Einteilung in Instrumente nach der Zielorientierung der Geldpolitik mit primär binnen- oder außenwirtschaftlicher Orientierung an. Bei dieser Systematik wird die Mindestreserve gleichrangig beiden Komponenten zugerechnet87• Die Gewichtung des einzelnen geldpolitischen Instrumentes im praktischen Zentralbankgeschäft wird entscheidend von der konzeptionellen Grundorientierung der monetären Politik geprägt88• Dies bestimmt auch hier die weitere Vorgehensweise. Die Einordnung des Instrumentes Mindestreserve erfolgt entsprechend der Funktion und Bedeutung, welche die Mindestreserve im Instrumentarium der Zentralbank in der jeweiligen geldpolitischen Konzeption hatte. b) Die Funktion und die Bedeutung der Mindestreserve in der geldpolitischen Konzeption der Zentralbank von 1948 bis 1973 Die geldpolitische Funktion der Mindestreserve beruht zum einen auf der Kopplung des Zentralbankgeldbedarfs der Kreditinstitute an die Entwicklung ihrer mindestreservepflichtigen Verbindlichkeiten. Zum anderen hat die Zentralbank die Möglichkeit, den Umfang des Zentralbankgeldbedarfs durch eine Variation der Reservesätze zu bestimmen89• In der von 1948 bis 1973 verfolgten Konzeption war für die Zentralbank von den Funktionen der Mindestreserve die Variation der Reservesätze von 86 Die Deutsche Bundesbank, (1987), S. 44; vgl. hienu auch: Dudler, Hermann-Josef, (1984), s. 80 87 vgl.: Dickenmann, Dietrich, Siedenberg, Axel, (1984), S. 66
88 vgl.: Simmert, Diethard B.; Zweig, Gerhard, Instrumente auf dem Prüfstand, in: Wirtschaftsdienst, Heft 5., 60. Jg., 1980, S. 226 - 230, hier S. 228; Geiger, Helmut, Instrumentelle Aspekte der Geldpolitik, in: Geld- und Währungspolitik in der Bundesrepublik Deutschland, Beihefte zu Kredit und Kapital, Heft 7, Hrsg.: Ehrlicher, Wemer und Diethard B. Simmert, Berlin 1982, S. 195-205, hier S. 205 89 vgl.: G~, Leonhard, (1953), S. 100; Die Deutsche Bundesbank, (1987), S. 63f
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D. Die Mindestreserve als Instrument der Zentralbank seit 1948
besonderem Interesse90• Durch die Änderung der Mindestreservesätze wird unmittelbar Einfluß auf die Liquidität der Kreditinstitute genommen. Durch die Senkung des Mindestreservesatzes erhalten die Kreditinstitute die Möglichkeit, über Zentralbankgeld zu verfügen, das bisher zur Erfüllung des Mindestreserve-Solls diente91• Die Kreditinstitute unterhalten in der Regel über das Mindestreserve-Soll hinaus keine Überschußreserven auf ihrem Girokonto bei der Zentralbank92• Das einzelne Kreditinstitut wird vielmehr bemüht sein, eine ertragbringende Anlageform zu wählen oder seine Zentralbankverschuldung abzubauen. Ertragbringende Anlageformen sind beispielsweise der Erwerb von Geldmarktpapieren oder die Gewährung von Krediten. Die Zentralbankverschuldung könnte durch die Rückführung des Refinanzierungsvolumens gesenkt werden. Nutzt das Kreditinstitut die Möglichkeit, die durch die Mindestreservesatzsenkung entstandene Überschußreserve zur Ausdehnung seines Kreditvolumens einzusetzen, so führt das zu einer Vergrößerung der Geldmenge. Unter gesamtwirtschaftlichen Gesichtspunkten betrachtet kann erwartet werden, daß die Mindestreservesatzsenkung zu einer Liquidisierung des Geldmarktes führt. Das hätte bei der Annahme normaler Reaktionen des Geldmarktes eine Senkung des Zinsniveaus zur Folge93• Die Kreditinstitute können durch die Senkung des Zinsniveaus ihren Liquiditätsstatus verbessern, indem sie Geldmarktpapiere erwerben und/ oder die Zentralbankverschuldung weiter reduzieren. Prämisse ist dabei, daß die Zentralbank die Zinssätze für Geldmarktpapiere und die Instrumente der Refinanzierung konstant hält. Die Kreditausweitung würde durch diesen "Sekundäreffekt" abgeschwächt. Die Zentralbank kann diesem Effekt durch Senkung ihrer Zinssätze begegnen. Während die Senkung der Mindestreservesätze den Kreditinstituten alternative Möglichkeiten zur Verwendung der entstehenden ÜberschuBreserve eröffnet, führt eine Erhöhung der Mindestreservesätze zu einer Bindung von Zentralbankgeld. Sieht man von möglichen Ausweich-
90 In diesem Zeitraum hat sie allein die Mindestreservesätze für Verbindlichkeiten gegenüber Gebietsansässigen 51 mal verändert (vgl.: 40 Jahre Deutsche Mark. Monetäre Statistiken 1948-1987, Hrsg.: Deutsche Bundesbank, Frankfurt a. M. 1988, S. 186f). Siehe S. 177 91 vgl.: /~lrow, Hans-Joachim, (1988), S. 77 92 vgl.: Die Deutsche Bundesbank, (1987), S. 62 93 vgl.: Issing, Otmar, (1987: b ), S. 87; /~lrow, Hans-Joachim, (1988), S. 77
I. Die Faktoren und die geldpolitische Konzeption 1948 bis 1973
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reaktionen ab94, gibt es für die Kreditinstitute keine sinnvollen Möglichkeiten, der Mindestreservesatzerhöhung nicht nachzukommen. Es sei denn, ein Kreditinstitut nimmt es in Kauf, Sonderzinsen zu entrichten und einen Verlust an Bonität zu riskieren. Die Kreditinstitute haben mehrere Möglichkeiten, der Mindestreservesatzerhöhung nachzukommen. Sie können ihren Bestand an Geldmarktpapieren abbauen, die Zentralbankverschuldung erhöhen oder in einem Extremfall Kreditzusagen zurückziehen. Bei konstanten Sollzinssätzen am Geldmarkt werden die Kreditinstitute ihr Kreditangebot einschränken. Das führt zu einer Verringerung der Geldmenge. Dieser Effekt wird noch verstärkt, wenn die Zentr.albank außer der Mindestreservesatzerhöhung auch die von ihr bestimmten Zinssätze erhöht95 • Diese dargestellte Funktion der Mindestreserve entspricht der Funktion, die die Mindestreserve in der Konzeption der Zentralbank von 1948 bis 1973 hatte. Bis Ende 1957 hat die Zentralbank versucht, mit dieser Funktion den Indikator Zinsniveau zu steuern. Nach ihrer Aussage war das Instrument Mindestreserve in diesem Zusammenhang nicht immer glücklich gehandhabt worden96• Die Mindestreserve wurde mit dem Wechsel des Indikators 1957 vom Zinsniveau zu den freien Liquiditätsreserven97 das bevorzugte Instrument im Rahmen des Bundesbankinstrumentariums98• Die Zentralbank hat die Steuerung der freien Liquiditätsreserven als Indikator gewählt, weil sie davon ausging, daß nicht die aktuellen Zentralbankguthaben, sondern die potentiellen Möglichkeiten der Zentralbankgeld-
94 Möglich ist zum einen, die Umstrukturierung der Einlagen in Richtung niedrigerer Reservesätze zu betreiben, was aber nur in begrenztem Rahmen möglich ist, oder zum anderen der Versuch, die Mindestreserve zu umgehen (vgl. beispielsweise: Petm, Rainer, Mindestreservepolitik und bankbetriebliche Liquiditätsdisposition, Harnburg 1980, S. 75ff; Schwolgien, Armin, (1986), S. 187ft). 95 vgl.: Jarchow, Hans-Joachim, (1988), S. 78ff
96 vgl.: Deutsche Bundesbank - Historisches Archiv, HA Bd. 2028 Allgemeine Korrespondenz Vocke und HA Bd. 387 Unterlagen Betr. Vorbereitung des Bundesbankgesetzes 1954 -1955: Korrespondenz zwischen Wilhelm Vocke und Per Jacobssen (BIZ) vom 12. Mai 1955 bezüglich des BBankG; HA Bd. 387 und HA Bd. 2028: Korrespondenz zwischen Wilhelm Vocke und Per Jacobssen (BIZ) vom 28. Juni 1955 bezüglich des BBankG; Es kann vermutet werden, daß Vocke bezüglich der Handhabung des Instrumentes Mindestreserve die relativ großen Spannen bei den MindestreseiVCSatzvariationen und die Zeitpunkte der Variationen kritisch bewertete. 97 siehe S. 48 98 vgl.: Booms, Helmut, (1980), S. 52f
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D. Die Mindcstreacrve als Instrument der Zentralbank seit 1948
schaffung durch die Kreditinstitute ausschlaggebend für monetäre Dispositionen seien99• Die Entwicklung der freien Liquiditätsreserven wird durch die Nichtbanken infolge ihrer Bargeldpräferenzen und Vermögensanlagedispositionen beeinflußt100• Auf das Verhalten der Nichtbanken und die daraus resultierenden Wirkungen auf die freien Liquiditätsreserven hat die Zentralbank praktisch keinen Einfuß101• Die Kreditinstitute bewirken durch ihre jeweiligen Liquiditätspräferenzen Veränderungen der freien Liquiditätsreserven. Die Variation von Einlagenhöhe und -struktur, die realisierte Zinsdifferenz sowie die Refinanzierungsmöglichkeiten im Ausland bestimmen die Entscheidung der Kreditinstitute über die Höhe ihrer Liquiditätsreserven102• Verfolgt die Zentralbank eine restriktive Geldpolitik, kann sie den Mindestreservesatz anheben und so direkten Einfluß auf die freien Liquiditätsreserven nehmen, wenn unterstellt wird, daß die freien ÜberschuBreserven keinen nennenswerten Umfang haben. Dieser Einfluß der Zentralbank ist jedoch abhängig von der subjektiven Einschätzung der Kreditinstitute über eine als angemessen betrachtete Liquiditätsversorgung103• Die Mindestreservepflicht stellt für die Kreditinstitute die exogen bedingte Größe ihres Bestandes an Zentralbankgeld dar. Aus den aufgezeigten Gründen werden die Kreditinstitute bestrebt sein, das Mindestreserve-Soll zu erfüllen. Mit ihren übrigen Instrumenten kann die Zentralbank die Dispositionen der Kreditinstitute nur indirekt beeinflussen104• Die Mindestreserve als von der Zentralbank zu steuernder Bestandteil
99 vgl.: Dickertmann, Dietrich, (1974), S. 485f, Zcntralbankgeldmenge und freie Liquiditätsreserven der Banken, (Juli 1974), S. 14; Förster, Gerhard, (1981), S. 26 100 vgl.: Mussel, Gerhard, (1974), S. 26ff 101 vgl.: ebenda, S. 61ff und S. 91; siehe S. 168
102 vgl.: ebenda, S. 36ff l03 vgl.: Mussel, Gerhard, (1974), S. 71 und S. 91f 104 vgl.: Müller, Heinz, (1969), S. 27; Erläuterungen zur Liquiditätsanalyse der Bundes-
bank, (Juli 1970), S. 32; Dickertmann, Dietrich, (1974), S. 486; Schober, Jochen, (1979), S. 66; Booms, Helmut, (1980), S. 54; Förster, Gerhard, (1981), S. 27f; Bestätigt wird diese Aussage auch durch die Häufigkeit der Variation der Mindestreservesätze in dieser Phase (vgl. hienu auch: 40 Jahre Deutsche Mark, (1988), S. 186ff).
II. Die Mindestrescrvc von 1948 bis 1957
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des Indikators war bis 1973 das wichtigste Instrument der Zentralbank zur Beeinflussung der freien Liquiditätsreserven105• Die Gründe, warum die Mindestreserve "... das wichtigste liquiditätspolitische Instrument" der Deutschen Bundesbank106 zur Steuerung der Bankenliquidität bis 1973 war, sind im Zusammenhang mit der Konvertibilität der DM im Rahmen des Festkurssystems von Bretton Woods und der fortschreitenden Liberalisierung des Kapitalverkehrs zu sehen107• Mit dem Instrument Mindestreserve konnte die Bundesbank auch auf die aus der Konvertibilität und der Liberalisierung resultierenden außenwirtschaftliehen Einflüsse einwirken108• In der von der Zentralbank bis 1973 verfolgten Konzeption fiel der Mindestreserve im Rahmen des Zentralbankinstrumentariums eine dominierende Rolle zu109•
II. Die Mindestreserve als Instrument der Bank deutscher Länder von 1948 bis 1957 Im Verlauf der Diskussion um die Ausgestaltung der Mindestreserve im Instrumentarium der Bank deutscher Länder und in der Auseinandersetzung um das Bundesbankgesetz wurde die Funktion der Mindestreserve immer in eine kreditpolitische und eine liquiditätspolitische unterteilt. Die kreditpolitische Funktion entpricht der Funktion der Mindestreserve im Rahmen der Zentralbankkonzeption110• In der Diskussionen über die Mindestreserve als Instrument der Bank deutscher Länder und anläßtich der Bundesbankgesetzgebung wird mit der liquiditätspolitischen Funktion explizit eine liquiditätsreservepolitische Bedeutung der Mindestreserve 105 vgl. hierzu die ausführliche Darstellung der Mindestreservepolitik zwischen 1948 und Anfang der 60cr Jahre bei: Bitte, Horst, (1960: a), S. 19 - 46; Kreibich, Volkmar, (1962), S. 42ff 106 Geschäftsbericht der Deutschen Bundesbank für das Jahr 1962, [Frankfurt a. M. 1963], s. 14 107 vgl.: Booms, Helmut, (1980), S. S3ff; Müller, Heinz, (1969), S. 27; Kreibich, Volkmar, (1962), S. 101ff; Geschäftsbericht der Deutschen Bundesbank für das Jahr 1972, [Frankfurt a. M. 1973), S. 26; (vgl. zu dem Anspruch an das gcld- und kreditpolitische Instrumentarium bei festen Wechselkursen: Möller, Hans, (1969), S. 409, Fußnote 17). 108 siehe S. 44f 109 vgl.: Müller, Heinz, (1969), S. 27; siehe beispielsweise: Geschäftsbericht der Bank deutscher Länder für das Jahr 1954, [Frankfurt a. M. 1955), S. 23 und Geschäftsbericht der Deutschen Bundesbank für das Jahr 1962, [Frankfurt a. M. 1963], S. 14 110 siehe S. S3f
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D. Die Mindestreserve als Instrument der Zentralbank seit 1948
angesprochen. Mit diesem Begriff wurde ausschließlich die Frage nach der Liquiditätsreserve eines Kreditinstitutes im Sinne des Kreditwesengesetzes angesprochen. Mit dieser liquiditätspolitischen Funktion wird nicht die Möglichkeit verstanden, durch die Mindestreserve die gesamtwirtschaftliche Liquidität zu beeinflussen. Diese Begriffsdefinition wird beibehalten, weil so dem Charakter der bearbeiteten Quellen entsprochen werden kann. Wird in den Kapiteln D II. und D III. von der liquiditätspolitischen Funktion der Mindestreserve gesprochen, dann wird ausschließlich auf die betriebswirtschaftliche Definition der Liquidität abgestellt, wie sie für Kreditinstitute in dem Kreditwesengesetz verankert ist. 1. Die Formulierung der gesetzlichen Grundlage und die Einführung der Mindestreserve als Instrument der Bank deutscher Länder Ende 1947, Anfang 1948 wurde deutlich, daß die drei westlichen Besatzungsmächte in ihren Zonen auch gleichgerichtete wirtschaftspolitische Ziele verfolgten. Dies traf auch für das Geld- und Bankwesen zu111.
Im Herbst 1945 legte Dodge112 Pläne für die Neuordnung des Bankwesens in der amerikanischen Zone vor113• Unter anderem sollten die Kreditinstitute nach dem amerikanischen Vorbild einen bestimmten Prozentsatz ihrer Einlagen als Mindestreserve bei den neu zu schaffenden Landeszentralbanken unterhalten. Der Verwaltungsrat der entsprechenden Landeszentralbanken sollte einen nach "Bankengruppen und Reserveklassen" differenzierten Mindestreserve-Satz festlegen114• 111 vgl.: Möller, Hans, Die westdeutsche Währungsreform von 1948, in: Währung und Wirtschaft in Deutschland 1876 - 1975, Hrsg.: Deutsche Bundesbank, Frankfurt a. M. 1976, S. 433 - 483, hier S. 442ff; Wandel, Eckhard, Die Entstehung der Bank deutscher Länder und die deutsche Währungsreform 1948, Frankfurt a. M. 1980, S. 26 112 Joseph M. Dodge war Direktor der Finance Division der amerikanischen Militärregierung in Deutschland und Repräsentant der USA im Finanzdirektorat des Alliierten Kontrollrat. 113 vgl.: Hontmonn, Theo, Um "das schlechteste Bankensystem der Welt". Die interalliierten Auseinandersetzungen über amerikanische Pläne zur Reform des deutschen Bankwesens 1945/46, in: Bankhistorisches Archiv, Heft 1, 11. Jg., 1985, S. 3- 27, hier S. 3f 114 vgl.: Wandel, Eckhard, (1980), S. 51f; Es kann angenommen werden, daß mit den "Resetveklassen" in diesem Zusammenhang die Einlagearten gemeint waren (vgl. hierzu auch: Thdyka, Kurt, (1964), S. 51 -55).
II. Die Mindestresetve von 1948 bis 1957
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Die erste gesetzliche Grundlage zur Einführung der Mindestreserve in Deutschland enthielt das Landeszentralbank-Gesetz (LZBG) der amerikanischen Zone, das am 1. Januar 1947 in Kraft trat. Durch § 15 Abs. (1) LZBG wurden die neu zu schaffenden Landeszentralhanken unter anderem befugt, unverzinsliche Gelder im Giroverkehr anzunehmen. Weitetin wurden die Kreditinstitute verpflichtet, Mindestreserven zu unterhalten, "... die in einem festen Verhältnis zu ihren fremden Geldern ..." standen. Höhe und Art der Unterhaltung sollten vom Verwaltungsrat der Landeszentralbanken in Abstimmung mit der Zentralbank angeordnet werden. § 15 Abs. (2) LZBG ermächtigte den Verwaltungsrat, Anordnungen zur Erfüllung der Mindestreserve zu treffen115• Bereits am 19. Dezember 1946 faßte der Unterausschuß für das Bankwesen des Zweimächte-Finanzausschusses den Beschluß, den Gemeinsamen Deutschen Finanzrat aufzufordern, Vorschläge über die Höhe der von den "einzelnen Arten von Kreditinstituten" zu unterhaltenden "Mindestkassenreserven" zu unterbreiten116• Der Unterausschuß für Geld- und Kreditangelegenheiten des Gemeinsamen Deutschen Finanzrates kam am 14. Februar 1947 zu dem Schluß, daß die Einführung der Mindestreserve im Zuge der Währungsreform erfolgen sollte. Aus diesem Grund müsse auch erst zu diesem Zeitpunkt ein konkreter Mindestreservesatz festgelegt werden. Der erneuten Aufforderung zum Überdenken dieser Haltung legte der ZweimächteFinanzausschuß eine Informationsschrift über das amerikaDisehe Mindestreserve-System117 bei. Der Unterausschuß hielt an seinem 115 vgt.: § 15 Abs. (1) und (2), Gesetz Nr. 66 der amerikanischen Militärregierung vom 1. Januar 1947, hier zitiert nach der in bczug auf die Mindestresetve gleichlautenden britischen Fassung, Artikel XIV, Abs. 36 und 37, Verordnung Nr. 132 der britischen Militärregierung vom 14. Februar 1948, in: Amtsblatt der Militärregierung Deutschland, Britisches Kontrollgebiet, S. 703 - 710, hier S. 707; siehe Anlage 2: Gesetz zur Errichtung der Landeszentralbanken vom 14. Februar 1948, Verordnung Nr. 132 des britischen Kontrollgebietes, in: Amtsblatt der Militärregierung Deutschland, Britisches Kontrollgebiet, S. 703 - 710; Die Landeszcntralbank-Gesetze, die in der britischen Zone am 14. Februar 1948 und in der französischen Zone am 1. März 1948 in Kraft traten, wurden nach dem amerikanischen Beispiel ccschaffcn (vgt.: Wandel, Eckhard, (1980), S. 61 • 65; Geschäftsbericht der Bank deutscher Länder für die Jahre 1948 und 1949, Frankfurt a. M. 1950, s. 103). 116 Deutsche Bundesbank - Bibliothek: Pfleiderer, Otto, Zur Frage der Haltung von Mindcstkasscnresetven durch Krcditinstitute, 3. September 1947 117 Der Titel der Informationsschrift lautete: "Tbc Function of Bank Reseavcs•.
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D. Die Mindestreserve als Instrument der Zentralbank seit 1948
Botschluß fest, beauftragte aber Pfleiderer, die Haltung des Ausschusses zu begründen. Die Stellungnahme Pfleiderers "Zur Frage der Haltung von Mindestkassenreserven durch Kreditinstitute" lag am 3. September 1947 vor118• Mit der Gründung der Landeszentralbanken in der amerikanischen Zone am 1. Januar 1947 wurde zur Koordinierung ihrer Geschäftspolitik ein Bankenrat geschaffen. Jede Landeszentralbank und jedes Finanzministerium der amerikanischen Zone entsandte Vertreter in dieses Gremium. Eine Aufgabe des Bankenrats betraf die Einführung der Mindestreserve119• Am 10. September 1947 setzte der Bankenrat einen Ausschuß zur "Prüfung der Frage der Mindestreserven" ein. Mitglieder des Ausschusses waren Veit als Vorsitzender, Pfleiderer, der Verfasser der Stellungnahme vom 3. September 1947, und Hartlieb120•
Nach "eingehender schriftlicher und mündlicher Erörterung des gesamten Fragenbereichs" erstattete dieser Ausschuß am 26. Mai 1948 seinen Bericht, der zugleich die Antwort auf den "Vorschlag zur Regelung der Mindestreserven in der amerikanischen Zonevom 27. Februar 1948" war121• Am 1. März 1948 trat das Gesetz über die Bank deutscher Länder (BdLG) in Kraft. Durch Artikel III Abs. 11 (c) BdLG war die Bank deutscher Länder befugt, die Mindestreservehaltung der Kreditinstitute zu regeln122•
Im Rahmen der Währungsreform wurde mit § 6 des Zweiten Gesetzes zur Neuordnung des Geldwesens (Emissionsgesetz) vom 20. Juni 1948 die gesetzliche Grundlage für die Mindestreserve in der noch heute gültigen, 118 vgl.: Pfleiderer, Otto, Zur Frage der Haltung von Mindestkassenreserven durch Kreditinstitute, 3. September 1947 119 vgl.: Wandel, Eckhard, (1980), S. 61f; Geisler, Rudolf P., (1953), S. 85
120 Otto Veit war Landeszentralbank-Präsident von Hessen, Otto Pfleiderer Landeszentralbank-Präsident von Württemberg-Baden und Heinrich Hartlieb Vizepräsident der Landeszentralbank von Bayern. 121 vgl.: Deutsche Bundesbank - Historisches Archiv, HA Bd. 2 Protokolle der ZBRSitzungen 1948 und HA Bd. 393 Handakte Vocke. Materialien zu ZBR-Sitzungen: Bericht des Ausschusses des Bankenrats zur Prüfung der Frage der Mindestreserven vom 26. Mai 1948 122 siehe Anlage 2: Artikel 111, Abs. 11 (c), Gesetz zur Errichtung der Bank deutscher Ländervom 1. März 1948, Verordnung Nr. 129 des britischen Kontrollgebietes, in: Amtsblatt der Militärregierung Deutschland, Britisches Kontrollgebiet, S. 697
II. Die Mindestreserve von 1948 bis 1957
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durch das Bundesbankgesetz modifizierten Form geschaffen. Durch Anordung des Zentralbankrats wurde die Mindestreserve seit dem 1. Juli 1948 in das Instrumentarium der deutschen Zentralbank eingereiht123• a) Der deutsche Beitrag zur Einführung der Mindestreserve nach dem amerikanischen Vorbild Sowohl in der Stellungnahme von Pfleiderer vom 3. September 1947 als auch in dem Bericht vom 26. Mai 1948 des vom Bankenrat eingesetzten Ausschusses wurde die Einführung der Mindestreserve in das Instrumentarium der Zentralbank ausdrücklich befürwortet. Von deutscher Seite stimmte man der Einführung der Mindestreserve in das Instrumentarium ebenfalls zu124 125• Die Funktion der Mindestreserve wurde in der Steuerung der Giralgeldschöpfung der Kreditinstitute durch die Zentralbank gesehen. Betont wurde die Effizienz des Instrumentes in Phasen restriktiver Geldpolitik126• Zudem bildete die Mindestreserve die Grundlage zur Abwicklung des Zahlungs~ verkehrs mit der Zentralbank. Das Mindestreserve-Soll sollte deshalb nur im Monatsdurchschnitt erfüllt werden. Bei Unterschreitung des Mindestreserve-Solls war ein Sonderzins vorgesehen. Bei außergewöhnlichen Konstellationen des Geldmarktes sollte für die Zentralbank die Möglichkeit bestehen, die Kreditinstitute von der Mindestreservepflicht zu befreien. In diesem Fall erfüllte die Mindestreserve für die Kreditinstitute die Funktion einer Liquiditätsreserve127• Der Argumentation Pfleiderers folgend wurde die Frage nach der Höhe des Mindestreservesatzes in Abhängigkeit von dem Zeitpunkt der 123
V
gl.: § 6 E MISSIOnsgesetz . .
124 vgl. bezüglich der amerikanischen Vorbildfunktion insbesondere: Tudyko, Kurt, (1964), S. 59 - 78; Deutsche Bundesbank - Historisches Archiv, HA Bd. 401 Handakte Vocke. Materialien zu ZBR-Sitzungen: Vermerk von Harmening, Betr.: Mindestreserve vom 6. September 1949 125 vzl.: Pjleiderer, Otto, Zur Frage der Haltuna von Mindestkassenreserven durch Kreditinstitute, 3. September 1947; HA Bd. 2 und HA Bd. 393: Bericht des Ausschusses des Bankenrats zur Prüfung der Frage der Mindestreserven vom 26. Mai 1948 126 vzl.: ebenda 127 vgl.: HA Bd. 2 und HA Bd. 393: Bericht des Ausschusses des Bankenrats zur Prüfung der Frage der Mindestreserven vom 26. Mai 1948
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D. Die MindestreseJVe als Instrument der Zentralbank seit 1948
Einführung der Mindestreserve gesehen. Da die Liquidität der einzelnen Kreditinstitute noch stark von Zufälligkeilen geprägt war, hätte selbst ein noch so niedriger Satz einzelne Institute unverhältnismäßig stark belastet. Zudem stellte der Ausschuß fest, daß zum Zeitpunkt der Erstellung des Berichts nur eine geringe Kreditnachfrage und somit noch kein Bedarf bestand, das Kreditvolumen durch die Mindestreserve zu steuern128. Durch Artikel ßl Abs. 11 (c) BdLG129 und durch die Regelungen der erwarteten Währungsreformgesetzgebung rückte die Frage nach der Ausgestaltung der Mindestreserve in den Vordergrund. In der 9. Zentralbankratsitzung am 1. Juni 1948 wurde der Bericht des Ausschusses den Mitgliedern des Zentralbankrates übergeben. Es wurde explizit darauf hingewiesen, daß dem deutschen Vorschlag, die Einführung der Mindestreserve an die Währungsreform zu koppeln, gefolgt wird. In der Stellungnahme von Pfleiderer und dem Bericht des Ausschusses wurde in diesem Zusammenhang ausdrücklich darauf hingewiesen, daß der Umfang des Kreditvolumens der Kreditinstitute erst im Rahmen der Währungsreform abgesteckt wird. Der Einsatz der Mindestreserve erschien erst sinnvoll, wenn die monetären Rahmenbedingungen festgelegt waren130. Der Gesetzestext zu § 6 Emissionsgesetz lag dem Zentralbankrat bei der 10. Zentralbankratsitzung bereits vor131• Die Zentralbankrat-Mitglieder wurden darauf hingewiesen, daß der Bericht mit dem :zU erwartenden § 6 Emissionsgesetz hinsichtlich der Höhe des Mindestreservesatzes übereinstimme132. In seiner 10. Sitzung am 15. und 16. Juni 1948 stimmte der Zentral128 vgl.: Pfleiderer, Otto, Zur Frage der Haltung von MindestkassenreseJVen durch Kreditinstitute, 3. September 1947; HA Bd. 2 und HA Bd. 393: Bericht des Ausschusses des Bankenrats zur Prüfung der Frage der Mindestreserven vom 26. Mai 1948
129 siehe Anlage 2: Artikel III, Abs. 11 (c), Gesetz zur Errichtung der Bank deutscher Ländervom 1. März 1948, Verordnung Nr. 129 des britischen Kontrollgebietes, in: Amtsblatt der Militärregierung Deutschland, Britisches Kontrollgebiet, S. 697 130 vgl.: Pfldderer, Otto, Zur Frage der Haltung von MindestkassenreseJVen durch Kreditinstitute, 3. September 1947; HA Bd. 2 und HA Bd. 393: Bericht des Ausschusses des Bankenrats zur Prüfung der Frage der Mindestreserven vom 26. Mai 1948
131 vgl.: HA Bd. 2: Protokoll über die 10. Sitzung des Zentralbankrats am lS./16. Juni 1948; HA Bd. 393: Vorläufige Ait-isung über MindestreseJVen vom 15./16. Juni 1948 132 vgl.: HA Bd. 393: Anträge und Begründungen vom Präsident der Landeszentralbank von Hessen (Otto Veit) für die 9. Sitzung vom 1. Juni 1948, hier Mindestresetven der Kreditinstitute bei den Landeszentralbanken; HA Bd. 2: Niederschrift über die Be&chlüsse des Zentralbankrats von der 10. Sitzung am 15. und 16. Juni 1948
11. Die Mindestreserve von 1948 bis 1957
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bankrat dem im Bericht und damit dem im zu erwartenden Emissionsgesetz genannten Mindestreservesatz zu133• Von deutscher Seite stimmte man dem Instrument grundsätzlich zu, unterbreitete Vorschläge für Mindestreservesätze und setzte sich nachhaltig für die Einführung der Mindestreserve im Zuge der Währungsgesetzgebung ein. b) Die erste "Anweisung der Bank deutscher Länder über Mindestreserven" Dem Bericht des Ausschusses vom 26. Mai 1948 war bereits der Entwurf einer Anordnung der Verwaltungsräte zur Mindestreserve und das Muster einer Reservemeldung als Durchführungsverordnung beigefügt134• Die erste Durchführungsverordnung zur Mindestreserve wurde für die Landeszentralbanken in der amerikanischen Zone entworfen. In § 2 Abs. (1) der Anweisung wurden 10 v. H. für Sichteinlagen und 5 v. H . für Termineinlagen als Mindestreservesätze festgelegt. § 2 Abs. (3) c der Anweisung bestimmte, daß zu den Termineinlagen auch Spareinlagen im Sinne von § 22 KWG zu rechnen waren. § 2 Abs. (2) der Anweisung besagte, daß die Einlagen nicht mindestreservepflichtig sind, die bereits bei der Bemessung der Mindestreserve eines anderen Kreditinstitutes herangezogen wurden. Diese Regelung wurde gewählt, damit die Mindestreserve-Pflicht da ansetzen konnte, wo die Kreditvergabe stattfand135•
Diese Durchführungsverordnung des Ausschusses für die Landeszentralbanken in der amerikanischen Zone diente der Rechtsabteilung der Bank deutscher Länder als Vorlage für die "Vorläufige Anweisung über Mindestreserven"136 und entsprach der Durchführungsverordnung des 133 vgl.: HA Bd 2: Protokoll der 10. Sitzung des Zentralbankrats am 15. und 16. Juni 1948 134 vgl.: HA Bd. 2 und HA Bd. 393: Bericht des Ausschusses des Bankenrats zur Prüfung der Frage der MindestreseiVen vom 26. Mai 1948; HA Bd. 393: Anordnung zur Durchführung des §15 (2) Landeszentralbankengesetz (LZBG) vom 15. und 16. Juni 1948. Beispiel für eine "Reservenmeldung•; siehe Anlage 4: Deutsche Bundesbank - Historisches An:hiv, HA Bd. 2 Protokolle der ZBR- Sitzungen 1948 135 vgl.: HA Bd. 2 und HA Bd. 393: Bericht des Ausschusses des Bankenrats zur Prüfung der Frage der Mindestreserven vom 26. Mai 1948 136 vgl.: HA Bd. 2: Protokoll über die 10. Sitzung des Zentralbankrats im Hause der Bank deutscher Länder (Frankfurt, Taunusanlage 4/5) am 15. und 16. Juni 1948
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D. Die MindestreseJ:Ye als Instrument der Zentralbank seit 1948
Ausschusses für die Landeszentralbanken in der amerikanischen Zone137• Lediglich das Formblatt für die Reservemeldung wurde umgestaltet. Nicht alle Kalendertage, sondern vier Stichtage wurden zur Ermittlung des Mindestreserve-Solls vorgeschrieben138• Die in der Zentralbankratsitzung am 15. und 16. Juni 1948 beschlossene "Vorläufige Anweisung über Mindestreserven" trat am 1. Juli 1948, im Anschluß an die Währungsreform vom 20. Juni 1948, in Kraft139• c) Die Resonanz auf die Einführung der Mindestreserve in das Instrumentarium der Bank deutscher Länder Als Reaktion auf das am 1. Juli 1948 neu eingeführte Instrument der Zentralbank erhielt die Bank deutscher Länder Eingaben von verschiedenen Landeszentralbanken, staatlichen Instanzen, Verbänden der Kreditinstitute und einzelnen Kreditinstituten. Von diesen Eingaben hob sich die der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Sparkassen- und Giroverbände und Girozentralen zum einen durch ihren Zeitpunkt ab. Sie war die erste, datiert auf den 1. Juli 1948, das heißt auf den Tag, an dem die erste Anweisung über Mindestreserven in Kraft trat. Zum anderen beinhaltete nur sie die Beschwerde, daß sich die Sparkassenorganisation durch die Art der Einführung übergangen fühlte140• Bei der Bank deutscher Länder wurden von Irmler141 die wichtigsten
137 vgt.: HA Bd. 2: Niederschrift über die Beschlüsse des Zentralbankrats von der 10. Sitzung am 15. und 16. Juni 1948; HA Bd. 393: Anordnung zur Durchführung des §1S (2) LZBG vom 15. und 16. Juni 1948. Beispiel für eine "Reservenmeldung"; siehe Anlage 4: Deutsche Bundesbank- Historisches Archiv, HA Bd. 2 Protokolle der ZBR- Sitzungen 1948 138 vgl.: HA Bd. 2: Niederschrift über die Beschlüsse des Zentralbankrats von der 10. Sitzung am 15. und 16. Juni 1948; HA Bd. 393: Anordnung zur Durchführung des §1S (2) LZBG vom 1S. und 16. Juni 1948 - Beispiel für eine "Reservenmeldung"; siehe Anlage 4: Deutsche Bundesbank - Historisches Archiv, HA Bd. 2 Protokolle der ZBR- Sitzungen 1948 139 vgl.: HA Bd. 393: Vorläufige Anweisung über Mindestreserven vom 1S. und 16. Juni 1948 140 vgl.: HA Bd. 393: Schreiben der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Sparkassen- und Giroverbände und Girozentralen an die Bank deutscher Länder vom 1. Juli 1948 141 Heinrich lrmler, Leiter der Hauptabteilung Volkswirtschaft und Statistik der Bank deutscher Länder
II. Die MindestreseJVe von 1948 bis 1957
6S
Eingaben bezüglich der Mindestreserve zusammengestellt, versehen mit Angaben zum Einsender und mit seinen Stellungnahmen142. Auf der Basis dieser Zusammenstellung verfaßte Irmler anschließend das "Memorandum zur Frage der Mindestreserven"143. Das Memorandum war die Vorlage für die am 2. und 3. November 1948 vorgesehene Diskussion über die Mindestreserve in der 21. Zentralbankratsitzung144. Aus den Eingaben zur Mindestreserve sind vier Themenschwerpunkte besonders hervorzuheben: 1.
Forderung nach Streichung der gesetzlichen Regelung zur Mindestreserve,
2.
Ausklammerung der Spareinlagen aus der Bemessungsgrundlage,
3.
Forderung, die unmittelbare Mindestreservehaltung nicht auf die ländlichen Kreditgenossenschaften zu beschränken und
4.
Anrechenbarkeit der Kassenbestände auf die Mindestreserve145.
Die Forderung nach Streichung der gesetzlichen Regelung der Mindestreserve erhob ausdrücklich die Landeszentralbank von Bayern. Sie stellte die Mindestreserve als ein für deutsche Verhältnisse ilDgeeignetes Zentralbankinstrument dar, das die Rentabilität der Kreditinstitute schwer belasten werde. Daher sollten bis zur geforderten Streichung von § 6 Emissionsgesetz die im Gesetz als Untergrenzen vorgesehenen Sätze 142 vgl.: Deutsche Bundesbank - Historisches Archiv, HA Bd. 3182 ZBR MindestreseJVen 1948- 1951: Ausarbeitung vom Leiter der Hauptabteilung Volkswirtschaft und Statistik der Bank deutscher Länder (Heinrich lrmler) "Zur Frage der Mindestreserven• vom 13. Oktober
1948
143 In dem Memorandum sind die Angaben zur Herkunft der Eingaben nicht mehr aufgeführt. Wenn im folgenden der Eingeber explizit erwähnt wird, dann wurde diese Angabe der Zusammenstellung von Irmler entnommen.
144 vgl.: Deutsche Bundesbank - Historisches Archiv, HA Bd. 394 Handakte Vocke. Materialien zu ZBR-Sitzungen und HA Bd. 3182: Memorandum von der Hauptabteilung Volkswirtschaft und Statistik der Bank deutscher Länder zur Frage der MindestreseJVen vom 27. Oktober 1948; Handschriftlich wurde von Vocke angemerkt, daß er sich zu der Zentralbankratsvorlage seine Stellungnahme vorbehalten möchte. 145 Der vierte Themenschweipunkt wird im Rahmen der Differenzierung der MindestreseiVesätze nach dem Standort 1978 behandelt. Siehe S. 182
66
D. Die Mindestreserve als Instrument der Zentralbank seit 1948
angewendet werden146• Die Sparkassenorganisation unterstützte diese Forderung, jedoch im Rahmen der Argumentation zur Freistellung der Spareinlagen von der Mindestreserve. Die Stellungnahme von Irmler zu diesem Punkt hebt hervor, daß die grundsätzliche Bedeutung der Mindestreserve in der Möglichkeit zur Beeinflussung der Giralgeldschöpfung der Kreditinstitute durch die Bank deutscher Länder gesehen werde. Es wurde angemerkt, daß wegen der Konstellation des Geldmarktes im Herbst 1948 von den Instrumenten der Zentralbank lediglich die Mindestreserve anwendbar war. In Irmlers Ausarbeitung fmdet sich der Nachsatz, daß bei einer Variation des Mindestreservesatzes nur eine Anhebung der Sätze in Frage kommen könne147• Die Ausklammerung der Spareinlagen aus der Bemessungsgrundlage forderte die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Sparkassen- und Giroverbände und Girozentralen in ihrer Eingabe vom 1. Juli 1948. Aus ihrer Sicht war mit der Mindestreservepfficht eine Rentabilitätseinbuße verbunden. Sie wies auf die Unwirksamkeit der Mindestreserve als Instrument zur Verfolgung einer expansiven Geldpolitik und auf die einseitige Begünstigung der Landeszentralhanken bei Kreditvergabemöglichkeiten hin. Nach Meinung der Sparkassenorganisation sollten zumindest die Spareinlagen von der Mindestreservepfficht befreit werden148• In Irmlers Vorlage für den Zentralbankrat wurde die Forderung nach Freistellung der Spareinlagen von der Mindestreservepfficht analysiert. Da über Spareinlagen nicht bargeldlos, sondern lediglich149 im Wege der Barabhebung verfügt werden kann und sie nicht zur Giralgeldschöpfung herangezogen werden, können sie aus der Bemessungsgrundlage herausfallen. Aus rein kreditpolitischen Gründen ergaben sich daher laut Irmler keine Bedenken bei einer Freistellung der Spareinlagen von der Mindestreserve. Berücksichtigt werden müßte aber die Liquiditätsreserve, die die Spar146 vgl.: HA Bd 3182: Der Präsident der Landeszentralbank von Bayern an den Vorsitzenden des Zentralbankrats der Bank deutscher Länder, 30. Juli 1948 147 vgl.: HA Bd. 3182: Ausarbeitung vom Leiter der Hauptabteilung Volkswirtschaft und Statistik der Bank deutscher Länder (Heinrich lrmler) "Zur Frage der Mindestreserven• vom 13. Oktober 1948 148 vgl.: HA Bd. 393: Schreiben der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Sparkassen- und Giroverbände und Girozentralen an die Bank deutscher Länder vom 1. Juli 1948 149 Unterstreichung im Original
ß. Die Mindestreserve von 1948 bis 1957
67
kassen in Höhe von 10 v. H. bei ihren Girozentralen unterhalten mußten150• Dies entsprach genau dem Höchstsatz für Mindestreserven nach dem Emissionsgesetz. Da die Mindestreserve auf die Liquiditätsreserve anrechenbar sei und da der niedrigen Verzinsung von gesetzlicher Liquiditätsreserve bei den Girozentralen die sichere Anlage auf Girokonten der Zentralbank gegenüberstehe, ergebe sich dagegen aus liquiditätspolitischen Gründen der Anlaß, die Spareinlagen nicht aus der Bemessungsgrundlage auszuschließen151• Die Zulassung einer mittelbaren Mindestreserve-Haltung bei Zentralkassen beziehungsweise Girozentralen regten die Verbände der Sparkassen, Volksbanken und ländlichen Genossenschaften an. Unterstützt wurde diese Forderung von den Verwaltungsräten der Landeszentralbanken von Niedersachsen und von Rheinland-Pfalz152• Begründet wurde die Forderung damit, daß sie keinen Iiquiditäts- und kreditpolitischen Unterschied zur Haltung der Mindestreserve bei der Zentralbank sahen. Irmler betonte, daß die Einlagen jedoch auch bei den Zentralkassen beziehungsweise Girozentralen nur sogenannte Durchgangsposten ohne Verzinsung darstellen. Daher blieben nur dispositionstechnische Argumente und das reiche als Begründung für eine Gesetzesänderung nicht aus153• In der Zusammenstellung der Eingaben und seiner Stellungnahmen bewertete Irmler die Erfolgsaussichten der einzelnen Eingaben bei einer Erörterung im Zentralbankrat Diese Angaben über die Diskussions-
150 vgl.: § 5, Dritte Verordnung des Reichspräsidenten vom 6. Oktober 1931 151 HA Bd. 3182: Ausarbeitung vom Leiter der Hauptabteilung Volkswirtschaft und Statistik der Bank deutscher Länder (Heinrich lrmler) "Zur Frage der Mindestreserven" vom 13. Oktober 1948; HA Bd. 394 und HA Bd. 3182: Memorandum von der Hauptabteilung Volkswirtschaft und Statistik der Bank deutscher Länder zur Frage der Mindestreserven vom 27. Oktober 1948 152 vgl.: HA Bd. 3182: Schreiben des Verwaltungsrats der Landeszentralbank Niedersachsen an den Vorsitzenden des Zentralbankrats vom 2. Oktober 1948; In der Handakte befinden sich noch weitere Eingaben. 153 vgl.: HA Bd. 3182: Ausarbeitung vom Leiter der Hauptabteilung Volkswirtschaft und Statistik der Bank deutscher Länder (Heinrich Irmler) "Zur Frage der Mindestreserven" vom 13. Oktober 1948; HA Bd. 394 und HA Bd. 3182: Memorandum von der Hauptabteilung Volkswirtschaft und Statistik der Bank deutscher Länder zur Frage der Mindestreserven vom 27. Oktober 1948
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D. Die Mindestreserve als Instrument der Zentralbank seit 1948
würdigkeitder einzelnen Forderungen und Vorschläge wurden nicht in die Zentralbankratsvorlage übernommen154• Aussicht auf Annahme im Zentralbankrat hatte nach Irmlers Meinung eine Gesetzesänderung, die die Freistellung der Spareinlagen im Sinne von § 22 KWG zum Ziel hatte, sowie der Vorschlag, bis dahin den gesetzlichen Mindestsatz für Spareinlagen anzuwenden155• In weiteren Schreiben drängte der Sparkassenverband wiederholt auf die gesetzliche Änderung der Bemessungsgrundlage. Die Spareinlagen sollten von der Mindestreservepflicht ausgeklammert werden. Dies wurde unter anderem damit begründet, daß eine Freistellung die Entwicklung des Kapitalmarktes fördere und daß Großbanken mit Filialsystem besser gestellt seien als die Sparkassen156• Aus den Materialien zu den Zentralbankratsitzungen geht hervor, daß der Zentralbankrat die grundsätzliche Funktion der Mindestreserve prüfte. Zum einen bestand in den Zentralbankratsitzungen die Meinung, daß die Iiquiditäts- und kreditpolitische Funktion der Mindestreserve den gleichen Stellenwert habe157• Zum anderen wurde die liquiditätspolitische Rolle der Mindestreserve durch die noch ungeklärte Frage der Liquiditätsvorschriften anerkannnt; aber primär wurde die Mindestreserve in den internen Stellungnahmen der Bank deutscher Länder als kreditpolitisches Steuerungsinstrument zur Beeinflußung der Giralgeldschöpfung der Kreditinstitute angesehen158• 154 vgl.: HA Bd. 3182: Ausarbeitung vom Leiter der Hauptabteilung Volkswirtschaft und Statistik der Bank deutscher Länder (Heinrich lrmler) "Zur Frage der Mindestreserven" vom 13. Oktober 1948; HA Bd. 394 und HA Bd. 3182: Memorandum von der Hauptabteilung Volkswirtschaft und Statistik der Bank deutscher Länder zur Frage der Mindestreserven vom 27. Oktober 1948 155 vgl.: HA Bd. 3182: Ausarbeitung vom Leiter der Hauptabteilung Volkswirtschaft und Statistik der Bank deutscher Länder (Heinrich Irmler) "Zur Frage der Mindestreserven" vom 13. Oktober 1948 156 vgl.: HA Bd. 393: Schreiben der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Sparkassen- und Giroverbände und Girozentralen an die Bank deutscher Länder vom 1. Juli 1948; HA Bd. 3182: Schreiben der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Sparkassen- und Giroverbände und Girozentralen vom 16. September 1948 an die Bank deutscher Länder; Deutsche Bundesbank - Historisches Archiv, HA Bd. 399 Handakte Vocke, Materialien zu ZBR-Sitzungen: Schreiben der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Sparkassen- und Giroverbände und Girozentralen vom 6. Juli 1949 und vom 27. August 1949 an die Bank deutscher Länder; Unterstützung ihrer Forderungen fand die Sparkassenorganisation nach eigener Aussage durch den Verwaltungsrat der Landeszentralbank von Nordrhein-Wcstfalen. 157 vgl.: HA Bd. 401: Vermerk von Joscf Heiliger (Hauptabteilungsleiter Organisation und Revision der Bank deutscher Länder) vom 8. August 1949, Betr.: Mindestreserven 158 vgl.: HA Bd. 401: Vermerk von Rudolf Harmening (Währunpabteilung der Bank deutscher l.inder) vom 6. September 1949, Betr.: Mindestreserven
II. Die Mindestrcsetve von 1948 bis 1957
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Der Zentralbankrat lehnte eine gesetzliche Änderung der Bemessungsgrundlage ab, die das Ziel hatte, die Spareinlagen aus der Mindestreserve auszuschließen. Bedenken aus kreditpolitischen Gründen bestanden bei dem Zentralbankrat nicht. Aber er wies auf die liquiditätspolitische Funktion der Mindestreserve hin. Das Argument, daß die Freistellung der Spareinlagen eine belebende Wirkung für den Kapitalmarkt haben könnte, entkräftete der Zentralbankrat mit dem Hinweis auf die Anrechenbarkeit der Mindestreserve auf die von der Sparkassenorganisation zu unterhaltenden Liquiditätsreserven. Auch dieser Entschluß wurde bei der 21. Zentralbankratsitzung getroffen und durch die Stellungnahme des Direktoriums der Bank deutscher Länder erneut bestätigt159• Die Suspendieruns der Mindestreservevorschriften sowie eine mittelbare Reservehaltung der Kreditinstitute durch ihre Zentralinstitute standen nach Irmlers Einschätzung der Eingaben nicht zur Debatte. Eine "Suspendierung der Mindestreserve" wurde entsprechend Irmlers Ansichten durch den Zentralbankrat grundsätzlich abgelehnt160• Entgegen Irmlers Annahme bestanden bezüglich einer mittelbaren Haltung der Mindestreserve im Zentralbankrat unterschiedliche Präferenzen. In der 21. Zentralbankratsitzung am 2. und 3. November 1948 forderte der Zentralbankrat die Währungsabteilung auf, einen Entwurf zur Änderung des Emissionsgesetzes zu erstellen. Zur 27. Zentralbankratsitzung wurde der Entwurf als Vorlage des Direktoriums vorgestellt. § 6 Abs. 1 Emissionsgesetz sollte durch den Satz ergänzt werden: "Sparkassen und Kreditgenossenschaften, die einer Girozentrale oder Zentralkasse angeschlossen sind, können ihre Mindestreserve mittelbar durch ihre Girozentrale oder Zentralkasse halten, haben aber in diesem Falle mindestens in gleicher Höhe Guthaben bei ihrer Girozentrale oder Zentralkasse zu halten.• § 6 Abs. 2 Satz 2 Emissionsgesetz sollte gestrichen werden161• 159 vgl.: HA Bd. 399: Stellungnahme des Direktoriums zu den Eingaben der .Aibeitsgemeinschaft Deutscher Sparkassen- und Giroverbände und Girozentralen vom 10. Juli 1949 160 HA Bd. 394 und HA Bd. 3182: Memorandum von der Hauptabteilung Volkswirtschaft und Statistik der Bank deutscher Länder zur Frage der Mindestreserven vom 27. Oktober 1948; HA Bd. 3182: Auszug aus dem Protokoll der 21. ZBR-Sitzung am 2. und 3. November 1948 161 Deutsche Bundesbank - Historisches Archiv, HA Bd. 396 Handakte Vocke. Materialien zu ZBR-Sitzungen: Bctr.: Mittelbare Haltung der Mindestresetve vom 13. Januar 1949
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D. Die MindestreseJ:Ye als Instrument der Zentralbank seit 1948
Die Währungsabteilung der Bank deutscher Länder führte in ihrer Vorlage aber Bedenken gegen die Änderungen an. Sie befürchtete, daß die Änderung des Emissionsgesetzes in bezug auf die Frage des Zahlungsverkehrs präjudizierend wirken könne. Der Zahlungsverkehr der Geschäftsbezirke der Girozentralen und genossenschaftlichen Zentralkassen, der nicht deckungsgleich mit den Landesgrenzen und dem Bezirk der einzelnen Landeszentralbank war, solle vorrangig eine Regelung erfahren. Zudem bestehe aufgrund der Formulierung die Möglichkeit, daß bestehende Girokonten bei der Landeszentralbank aufgelöst werden könnten162• Kreditpolitische Gründe, die gegen eine mittelbare Haltung der Mindestreserve sprachen, sah der Zentralbankrat nicht. Mit dem Argument, daß eine mittelbare Mindestreservehaltung die Zentralbank entlasten würde, fand sich eine knappe Mehrheit der Zentralbankratsmitglieder für eine Gesetzesänderung. Aber die Befürchtung der Währungsabteilung, daß eine mittelbare Mindestreservehaltung eine präjudizierende Wirkung für die Frage des Giroverkehrs haben könne, veranlaßte den Zentralbankrat zu dem Entschluß, den Entwurf einer Gesetzesänderung nicht an die alliierte Bankenkommission163 weiterzuleiten164• Die Einführung der mittelbaren Mindestreservehaltung scheiterte somit lediglich aus zahlungstechnischen Gründen. Eine Beeinträchtigung der Funktion der Mindestreserve wurde nicht gesehen. Die ersten Diskussionen zu dem Instrument Mindestreserve in der Bank deutscher Länder und im Zentralbankrat zeigen, daß auch innerhalb dieser Institutionen keine einheitliche Meinung über die Funktion der Mindestreserve bestand. 2. Die ersten Wandlungen der Mindestresene als Instrument der Bank deutscher Linder Die Vorschläge, die aus den ersten Reaktionen nach der Einführung der Mindestreserve resultierten, waren die Änderung der monatlichen Berech162 vgl.: HA Bd. 396 und HA Bd 3182: Betr.: Mittelbare Haltung der MindestreseJ:Yen vom 13. Januar 1949 163 Die Bank deutscher Länder unterstand bis 1951 der Alliierten Bankenkommission.
164 vgl.: HA Bd. 399: Stellungnahme des Direktoriums zu den Eingaben der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Sparkassen- und Girovc:Ibände und Girozentralen vom 10. Juli 1949
II. Die Mindestreserve von 1948 bis 1957
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nungsmodalitäten und eine Sonderregelung der Stichtagebestimmungen für die ländlichen Kreditgenossenschaften, die Differenzierung des Mindestreservesatzes nach Banken- und Nicht-Bankenplätzen165, die Differenzierung der Mindestreserve in Reserveklassen und die Abschaffung der Mindestreserve der Landeszentralbanken166• a) Die Verlegung der Stichtage zur Ermittlung des Mindestreserve-Solls Auf den Vorschlag eines Kreditinstitutes wurde die Festlegung der einzelnen Stichtage unter dem Aspekt "technische Verbesserungsvorschläge" überprüft. Die Dispositionsmöglichkeiten der Kreditinstitute konnten durch eine Verlegung der Stichtage, die zur Ermittlung des Mindestreserve-Solls in den Anweisungen über Mindestreservebestimmungen festgelegt waren, verbessert werden. Nicht mehr der 7., 15., 23. und letzte Tag eines jeden Monats, sondern der letzte des Vormonats, der 7., 15. und 23. Tag des Monats sollten für die Ermittlung zugrundegelegt werden. Durch diese Verlegung erhielten die Kreditinstitute eher Informationen über das zu erfüllende Mindestreserve-Soll. Für die ländlichen Kreditgenossenschaften sollte die Feststellung des Mindestreserve-Solls auf einen beziehungsweise zwei Stichtage im laufenden Monat reduziert werden167• Der Aufwand für die Feststellung des Mindestreserve-Solls der ländlichen Kreditgenossenschaften konnte durch diese Maßnahme minimiert werden. Der Zentralbankrat beschloß, die Anweisungen über Mindestreserven diesem Vorschlag entsprechend zum 1. Dezember 1948 zu ändern168• Auf Vorschlag von 165 In den AMR wird festgelegt, daß ein Bankplatz im Sinne der Mindestreservebestimmungen jeder Ort ist, in dem die deutsche Zentralbank eine Zweigstelle unterhält. 166 vgl.: HA Bd. 399: Stellungnahme des Direktoriums zu den Eingaben der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Sparkassen- und Giroverbände und Girozentralen vom 10. Juli 1949; HA Bd. 3182: Ausarbeitung vom Leiter der Hauptabteilung Volkswirtschaft und Statistik der Bank deutscher Länder (Heinrich lrmler) •zur Frage der Mindestreserven• vom 13. Oktober 1948 167 vgl.: HA Bd. 399: Stellungnahme des Direktoriums zu den Eingaben der Arbeits&emeinschaft Deutscher Sparkassen- und Giroverbände und Girozentralen vom 10. Juli 1949; HA Bd. 3182: Ausarbeitung vom Leiter der Hauptabteilung Volkswirtschaft und Statistik der Bank deutscher Länder (Heinrich lrmler) "Zur Frage der Mindestreserven• vom 13. Oktober 1948 168 vgl.: HA Bd. 3182: Auszug aus dem Protokoll der 21. ZBR-Sitzung am 2. und 3. November 1948
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D. Die Mindestreserve als Instrument der Zentralbank seit 1948
Pfleiderer wurde ein Stichtag für die ländlichen Kreditgenossenschaften auf den Vormonat verlegt169. b) Die Differenzierung der Mindestreservesätze nach dem Standort der Kreditinstitute Die Kreditinstitute an Nicht-Bankenplätzen waren infolge der fehlenden Refinanzierungsmöglichkeiten bei der Zentralbank zu einer höheren Kassenhaltung gezwungen. Daraus resultierte eine entsprechend höhere Belastung durch die Mindestreserve. Eine Möglichkeit des Ausgleiches wäre durch die Anrechenbarkeit des Kassenbestandes auf die Mindestreservepflicht gegeben. Die Mindestreservehaltung würde dann aber bei der Bank deutscher Länder als Emittent des Zentralbankgeldes und nicht mehr, wie gesetzlich vorgeschrieben, bei den Landeszentralbanken erfolgen. Laut Irmlers Vorlage170 für den Zentralbankrat bestand die Forderung der Kreditinstitute auf Anrechenbarkeit der Kassenbestände aber grundsätzlich zu Recht. Wäre die Anrechenbarkeit aus dem bereits aufgezeigten Grund nicht möglich, so sollten als Konsequenz an Nicht-Bankenplätzen niedrigere Sätze zur Anwendung kommen171. In der 21. Zentralbankratsitzung am 2. und 3. November 1948 wurde eine Gesetzesänderung zur Anrechenbarkeit der Kassenbestände abgelehnt. Es wurde auf die Probleme bei der Kontrolle der Kassenbestände hingewiesen172. Deshalb wurde durch die Abstufung der Mindestreservesätze für Sichteinlagen an Banken- und Nicht-Bankenplätzen173, entsprechend dem 169 vgl.: Deutsche Bundesbank - Historisches Archiv, HA Bd. 395 Handakte Vocke. Materialien zu ZBR-Sitzungen: Vorlage zur 23. ZBR-Sitzung, Betr.: Mindestreserven der ländlichen Kreditgenossenschaften 170 siehe S. 6S 171 vgl.: HA Bd. 3182: Ausarbeitung vom Leiter der Hauptabteilung Volkswirtschaft und
Statistik der Bank deutscher Länder (Heinrich lrmler) "Zur Frage der Mindestresetven" vom 13. Oktober 1948; HA Bd. 394 und HA Bd. 3182: Memorandum von der Hauptabteilung Volkswirtschaft und Statistik der Bank deutscher Länder zur Frage der Mindestreserven vom 27. Oktober 1948
172 vgl.: HA Bd. 399: Stellungnahme des Direktoriums zu den Eingaben der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Sparkassen- und Giroverbände und Girozentralen vom 10. Juli 1949; HA Bd. 3182: Auszug aus dem Protokoll der 21. ZBR-Sitzung
173 Die Abgrenzung des Begriffs "Bankplatz• brachte neue Zuordnungsprobleme mit sich (vgl.: HA Bd. 396: Vorlage von Pfleiderer zur 30. ZBR-Sitzung vom 8. März 1949, Betr: Abgrenzung des Begriffs "Bankplatz" für die Berechnung der Mindestreserve).
II. Die Mindcstrcsctve von 1948 bis 1957
73
amerikanischen Vorbild174 seit dem 1. Dezember 1948, in Verbindung mit einer Erhöhung des Mindestreservesatzes an Bankenplätzen, eine Differenzierung vorgenommen175• Bezüglich der Abgrenzung des Begriffs Bankenplatz wandte sich Ptleiderer am 8. März 1949 in einer Vorlage an den Zentralbankrat Die zuständige Landeszentralbank sollte bei verkehrsungünstig gelegenen Ortsteilen von Bankenplätzen das Recht erhalten, hier das Nebenplatzprinzip anzuwenden176• Vom Zentralbankrat wurde der Vorlage zugestimmt177• c) Die Differenzierung der mindestreserveptlichtigen Einlagen in Reserveklassen Im Juni 1951 forderte der Zentralbankrat das Direktorium auf zu untersuchen, ob eine Staffelung des Mindestreservesatzes nach dem Volumen der Einlagen der Kreditinstitute rechtlich zulässig und kreditpolitisch zwc:ckmäßig sei. Nachdem zunächst die Möglichkeiten einer 100 v. H. Depositenzuwachsreserve erörtert wurden, entschloß sich der Zentralbankrat im Oktober 1951, die Mindestreserve in Reserveklassen zu differenzieren~'78• Entsprechend den Einlagevolumen der Kreditinstitute können durch die Reserveklassen abgestufte Mindestreservesätze angewendet werden. Durch die Differenzierung sollte der unterschiedlichen sektoralen und regionalen Struktur der Kreditinstitute entsprochen werden. Anband des von den Landeszentralbanken bereitgestellten statistischen Materials sollte ein Differenzierungsschema entwickelt werden. Aus dem 174
vgl.: Tudyka, Kurt, (1964), S. 54 175 vgl.: Monatsberichte der Bank deutscher Länder, Heft 1, 1. Jg., 1949, S. 45 176 vgl.: HA Bd. 396: Vorlage von POeiderer zur 30. ZBR-Sitzung vom 8. März 1949, Bctr: Abgrenzung des Begriffs "Bankplatz" für die Berechnung der Mindestrcsctve 177 vgl.: Monatsberichte der Bank deutscher Länder, Heft 6, 1. Jg., 1949, S. 59.; Die Analyse dieser Maßnahme der Bank deutscher Länder wurde auch in der Literatur diskutiert und von Witte dargestellt (vgl.: Witte, Horst, (1960: a), S. 76ff). 178 vgl.: Deutsche Bundesbank - Historisches Archiv, HA Bd. 4IJ6 Handakte Vocke. Materialien zu ZBR-Sitzungen und HA Bd. 3182: Differenzierungen der MindcstrcsctvCSätzc zur Liquiditätsabschöpfung vom 15. Juni 1951; Deutsche Bundesbank - Historisches Archiv, HA Bd. 409 Handakte Vocke. Materialien zu ZBR-Sitzungcn und HA Bd. 410 Handakte Vocke. Materialien zu ZBR-Sitzungen: Bctr.: Staffelung der Mindestreservesätze vom 2. Februar 1952; HA Bd. 410: Vermerk von (Eduard) Wolf über eine Änderung der MindestrcsctvCSätzc vom 28. April1952
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D. Die Mindestreserve als Instrument der Zentralbank seit 1948
statistischen Material war für den Zentralbankrat zu ersehen, daß sich bei Nichteinbeziehung der Spareinlagen eine Differenzierung in Reserveklassen positiv auf die Rentabilitätsentwicklung von kleineren Kreditinstituten, insbesondere von Kreditgenossenschaften, auswirken würde179• Als geeigneter Zeitpunkt für die Einführung der Reserveklassen wurde der Termin einer Variation des Mindestreservesatzes angesehen180• Das Schema zur Differenzierung stand im Frühjahr 1952 noch nicht fest. Die Spareinlagen sollten bei der Differenzierung unberücksichtigt bleiben. Sie sollten nicht weiter durch die Mindestreservebestimmungen begünstigt werden. Weiterhin sollte ihr Mindestreservesatz dem Satz für Termineinlagen angenähert werden. Vorgesehen wurden neun Reserveklassen181• Aber durch die angestrebte Differenzierung sollte der Handlungsspielraum der Zentralbank bei der Anwendung der Mindestreserve nicht eingeengt und die Kreditinstitute nicht unterschiedlich belastet werden. Sinnvoller erschien daher die Reduzierung der Reserveklassen von neun auf sechs182• Ein erneuter Vorschlag vom 28. April 1952 fand die Zustimmung des Zentralbankrats. Er beinhaltete die Differenzierung in sechs Klassen.
179 vgl.: Deutsche Bundesbank - Historisches Archiv, HA Bd. 407 Handakte Vocke. Materialien zu ZBR-Sitzungen: Überlegungen zur Mindestreservepolitik sowie zu ergänzenden Maßnahmen zwecks Abschöpfung von Liquidität vom 4. September 1951 180 vgl.: HA Bd. 406 und HA Bd. 3182: Differenzierungen der Mindestreservesätze zur Uquiditätsabschöpfung vom 15. Juni 1951; HA Bd. 409 und HA Bd. 410: Betr.: Staffelung der Mindestreservesätze vom 2. Februar 1952; HA Bd. 410: Vermerk von (Eduard) Wolf über eine Änderung der Mindestreservesätze vom 28. Aprii19S2 181 vgl.: Deutsche Bundesbank - Historisches Archiv, HA Bd. 408 Handakte Vocke. Materialien zu ZBR-Sitzungen: Grö8engliederung der Geldinstitute bei der Differenzierung der Mindestreserve vom 24. Januar 1952 182 vgt.: HA Bd. 4()9 und HA Bd. 410: Betr.: Staffelung der Mindestreservesätze vom 2. Februar 1952
15
II. Die Mindcstresezve von 1948 bis 1957
Die Einteilung in Reserveklassen von Mai 1952 bis Juli 1959 Reserveklasse 1 2 3 4 5 6
Kreditinstitute mit reservepflichtigen Sicht- und befristeten Verbindlichkeiten• von von von von von unter
100 50 10 5 1 1
undmehr bis unter bis unter bis unter bis unter
100 50 10 5
MioDM MioDM MioDM MioDM MioDM MioDM
• Maßgebend für die Eillstufung der Kreditillstitute in die eiDzelnea Reserveldassea warea ihre RSetvepßichtigeD VerblndllchkeiteD im jeweiligea Vormonat
Quelle: 40 Jahre Deutsche Mark. Monetäre Statistiken 1948 - 1987, Hl5g.: Deutsche Bundesbank, Frankfurt a. M. 1988, S. 193
Mit der Differenzierung strebte die Bank deutscher Länder die grundsätzliche Entlastung der kleineren Kreditinstitute um ca. 250 Millionen DM183 an. Eine Änderung in der Zielrichtung der Zentralbankpolitik sollte mit dieser Maßnahme jedoch nicht signalisiert werden. Eine Expansion des Kreditvotumes wurde bei den entlasteten Kreditinstituten nicht erwartet184• Der Zentralbankrat begründete die Notwendigkeit der Differenzierung in Reserveklassen mit einer Ausweitung des Handlungsrahmens bei der Festsetzung des Mindestreservesatzes. Er hob die berechtigte Kritik der Kreditinstitute mit kleinen Einlagenvolumen hervor, auf die er reagieren mußte185• Im Juli 1959 hat der Zentralbankrat entgegen der Forderung der Kreditinstitute entschieden, mit Wirkung zum 1. August 1959 die Einteilung der Reserveklassen auf vier zu revidieren. Mit der Reduzierung sollte eine
183 1952 wurden im Jahresdurchschnitt 2.100 Mrd. DM Mindcstresezve-Soll von den Kreditinstituten unterhalten (vgl.: 40 Jahre Deutsche Mark, (1988), S. 194). 184 vgl.: HA Bd. 410: Betr. Differenzierung der Mindestreservesätze vom 28. April 1952; HA Bd. 410: Vermerk von (Eduard) Wolf über eine Änderung der Mindcstreservcsätze vom 28. April 1952; vgl. hierzu auch die Formulierung in: Monatsberichte der Bank deutscher Länder, Heft 5, 4. Jg., 1952, S. 12f 185 vgl.: HA Bd. 410: Vermerk von (Eduard) Wolf über eine Änderung der Mindestreservesätze vom 28. April1952
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D. Die Mindestreserve als Instrument der Zentralbank seit 1948
stärkere Differenzierung der Reservesatzstruktur erzielt und der Bundesbank ein effizienterer Raum zur Mindestreservesatzvariation eröffnet werden. Gleichzeitig wurde eine kreditpolitisch unerwünschte, strukturell bedingte Verlagerung der Mindestreserveerfordernisse der einzelnen Kreditinstitute vermieden. Zusätzlich wurden die Spareinlagen in die Bemessungsgrundlage der Reserveklassenermittlung einbezogen und nach Banken- und Nicht-Banken-Plätzen differenziert. Darauf hatte man 1952 wegen des verhältnismäßig geringen Anteils der Spareinlagen an der Summe der Gesamteinlagen noch ausdrücklich verzichtet186•
Die Einteilung in Reserveklassen von August 1959 bis Juni 1968 Reserveklasse 1 2
3 4
Kreditinstitute mit reservepflichtigen Sicht- und befristeten Verbindlichkeiten und Spareinlagen• von von von unter
300 30
3 3
und mehr bis unter bis unter
300 30
MioDM MioDM MioDM MioDM
• Maßgebend fiir die Einstufung der Kreditinstitute in die einzelneo ReseiVeklasseo waren ihre reseiVepßichtigeo Verbindlichkeiten im jeweiligen Vormonat
Quelle: 40 Jahre Deutsche Mark. Monetäre Statistiken 1948 - 1987, Hrsg.: Deutsche Bundesbank, Frankfurt a. M. 1988, S. 193
d) Die Mindestreserve der Landeszentralbanken In seiner 10. Sitzung am 15. und 16. Juni 1948 hatte der Zentralbankrat den im Emissionsgesetz vorgesehenen Mindestreservesatz von 20 v. H. für
186 vgl.: Revision der MindestreseJVCanforderungcn, in: Monatsberichte der Deutschen Bundesbank, Heft 7, 11. Jg., 1959, S. 56 - 60, hier S. 56ff; Geschäftsbericht der Deutschen Bundesbank für das Jahr 1959, [Frankfurt a. M. 1960], S. 51; Die Revisionsbedürftigkeit seitens der Kreditinstitute wurde allerdings in einer Neugliederung des sechs-klassigen Reservesystems gesehen (vgl.: Baumann, Horst, Mindestreserveregelung revisionsbedürftig, in: Blätter für Genossenschaftswesen, Heft 23, 104. Jg., 1958, S. 421- 424, hier S. 422ft). Diese Diskussion wird ausführlich von Witte dargestellt (vgl.: Wute, Horst, (1960: a), S. 72ft).
II. Die Mindestreserve von 1948 bis 1957
77
die Giroverbindlichkeiten der Landeszentralbanken bei der Bank deutscher Länder übernommen187• Die Mindestreserve der Landeszentralbanken wurde anband der Giroverbindlichkeiten nach den Büchern der Landeszentralbanken täglich berechnet188 und den ebenfalls aus den Büchern der Landeszentralbanken errechneten Guthaben am gleichen Tag bei der Bank deutscher Länder gegenübergestellt. Dieser Berechnungsmodus für die Mindestreserve der Landeszentralbanken trat rückwirkend zum 1. August 1948 in Kraft189• Die Kreditinstitute kritisierten an dieser Methode, daß die Landeszentralhanken ihre Mindestreserve, die Soll- und Ist-Positionen, anband ihrer eigenen Bücher berechnen konnten. Außerdem bestand die Möglichkeit, durch Lombard-Dispositionen das Mindestreserve-Soll auszugleichen. Das Direktorium der Bank deutscher Länder begründete diese Abweichung in der Berechnung des Mindestreserve-Solls der Landeszentralhanken von den Anweisungen über Mindestreserven für die Kreditinstitute mit technischen Usancen. Da die Landeszentralbanken das Reserve-Ist bei der Bank deutscher Länder nach ihren Büchern ermittelten, hatten sie die Möglichkeit, das Reserve-Soll durch tägliche Lombarddispositionen anzupassen. Fehlbeträge waren somit nicht mit einem Sonderzins belegt, sondern waren durch den Lombardsatz abgedeckt. Die Landeszentralbanken wiesen darauf hin, daß ihre Überschußreserven bei dieser Form der Berechnung auch nicht aufrechenbar waren190• Das Direktorium der Bank deutscher Länder betonte aber, daß die Landeszentralbanken durch die Ermittlung von Reserve-Soll und -Ist in 187 siehe Anlage 3: Militärregierung Deutschland, 2. Gesetz zur Neuordnunr; des Geldwesens (Emissionsgesetz) vom 20. Juni 1948, in: Gesetzblatt der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes 1947 - 49, S. llf; vgl.: § 6 Abs. 1 (a) Emissionsgesetz bestimmt als Mindestsatz 12 v. H. und als Höchstsatz 30 v. H. der Einlagen; § 6 Abs. 2 (a) Emissionsgesetz legt den Satz auf 20 v. H. fest; HA Bd. 395: Die Bank deutscher Länder an die Landeszentralbanken, 16. August 1948, Betr.: Mindestreserven der Landeszentralbanken 188 § 6 Emissionsgesetz ließ auch für die Landeszentralbanken die Berechnung des Mindestreserve-Solls im Monatsdurchschnitt zu. 189 vgl.: HA Bd 395: Vorlage und Beschluß des Direktoriums der Bank deutscher Linder an die Landeszentralbanken vom 16. August 1948, Betr.: Berechnung der Mindestreserven der Landeszentralbanken 190 vgl.: HA Bd 395: Vorlage und Beschluß des Direktoriums der Bank deutscher Linder an die Landeszentralbanken zum Beschluß vom 16. August 1948, Betr.: Berechnung der Mindestreserven der Landeszentralbanken
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D. Die Mindestreserve als Instrument der Zentralbank seit 1948
ihren eigenen Büchern und der Möglichkeit, dem Reserve-Soll durch Lombardgeschäfte zu entsprechen, bereits Vorteile gegenÜber den Kreditinstituten haben. Aus diesem Grund schlug das Direktorium für die Landeszentralbanken einen Sonderzins bei Unterschreilungen des Mindestreserve-Solls von 1 v. H. über dem Lombardsatz vor191• Mit Beschluß vom 16. Dezember 1948 wurde ein Sonderzins für Landeszentralbanken bei Unterscheitung des Mindestreserve-Solls in Höhe von 3 v. H. über dem Lombardsatz eingeführt192• Im Juli 1949 war Veit von dem Zentralbankrat aufgefordert worden, zu der Mindestreserve der Landeszentralbanken Stellung zu beziehen. Zunächst analysierte Veit die Funktionen, die die Mindestreserven der Kreditinstitute erfüllen sollten. "Hauptfunktion" der Mindestreserve der Kreditinstitute sei eindeutig die kreditpolitische Einflußnahme durch die Zentralbank. Außerdem diene die Mindestreserve der Abwicklung des Zahlungsverkehrs der Kreditinstitute mit der Bank deutscher Länder. In einer besonders angespannten Situation des Geldmarktes stellen die Mindestreserven eine liquiditätspolitische Reserve für die Kreditinstitute dar. Die Mindestreservehaltung der Landeszentralbanken bei der Bank deutscher Länder erfülle keine dieser Aufgaben. Vielmehr bestehe eine volkswirtschaftliche Wirkungslosigkeit der Mindestreserve zwischen Landeszentralbanken und Bank deutscher Länder. Veit sah die Wirkung der Mindestreserve der Landeszentralbanken in der Beschränkung auf eine "...ungerechtfertigte Verschiebung der Ertragsverhältnisse zwischen den Landeszentralbanken und zwischen diesen und der Bank deutscher Länder". Das Volumen der Verbindlichkeiten der einzelnen Landeszentralbank werde durch die wirtschaftliche Struktur und Entwicklung in den Bereichen der jeweiligen Landeszentralbanken bestimmt. Die jeweils gültigen Kreditbestimmungen werden von der Bank deutscher Länder erlassen. Die Landeszentralbanken müssen keine Liquiditätsreserve unterhalten, weil ihre Refinanzierung immer durch die Bank deutscher Länder abgedeckt sei. 191 vgl.: HA Bd 395:. Vorlage und Beschluß des Direktoriums der Bank deutscher Länder an die Landeszentralbanken zum Beschluß vom 16. August 1948, Betr.: Berechnung der Mindestreserven der Landeszentralbanken 192 vgl.: Deutsche Bundesbank - Historisches Archiv, HA Bd. 3183 Mindestreserven 1948 - 1957: Schreiben des Direktoriums der Bank deutscher Länder an den Präsidenten des Zentralbankrates vom 9. Mai 1949, Betr.: Berechnung der Mindestreserven der Landeszentralbanken
II. Die Mindestreserve von 1948 bis 1957
79
Die Stellungnahme von Veit beinhaltete die Forderung der Herabsetzung der Mindestreserve für Landeszentralbanken auf die gesetzlich zulässige Untergrenze von 12 v. H. und die Prüfung der Frage, ob die Mindestreserve der Landeszentralbanken nicht durch eine Gesetzesänderung entfallen solle193• Diese Meinung wurde durch eine Stellungnahme von Wolf194 vom 23. August 1949 bestätigt. Er unterstützte die Argumentation von Veit in dessen Antrag vom 4. August 1949. Wolf betonte, daß an die Aufhebung nicht die Bedingung der Rückerstattung eines Teils der ursprünglichen Liquiditätsausstattung gekoppelt sein solle, weil dies aufgrund der ökonomischen Entwicklung zu erheblichen Verzerrungen im Landeszentralbank-System führe. In den Ländern, in denen im Anschluß an die Währungsreform die Barabflüsse bei den Kreditinstituten durch die Nicht-Banken besonders hoch waren, bestand auch ein besonders großer Bedarf an Refinanzierung bei den Landeszentralbanken. Dementsprechend differierte auch der Refinanzierungsbedarf der Landeszentralbanken bei der Bank deutscher Länder teilweise sehr stark. Um die Gewinnverzerrung bei den Landeszentralbanken zu eliminieren, sollten die Mindestreserve der Landeszentralbanken bei der Bank deutscher Länder abgeschafft werden. Bis zur notwendigen Gesetzesänderung sollte die gesetzliche Untergrenze des Mindestreservesatzes angewendet werden195• Man folgte der Argumentation von Veit und Wolf. Die Mindestreserve der Landeszentralbanken wurden mit Wirkung zum 1. September 1949 vom Zentralbankrat auf die gesetzliche Untergrenze von 12 v. H. herabgesetzt196• Im Verlauf der anschließenden Diskussion um das Bundesbankgesetz begründeten die Vertreter der Bank deutscher Länder die Überflüssigkeit der Mindestreserve für Landeszentralbanken mit dem Hinweis auf den 193 HA Bd. 399: Schreiben des Präsidenten der Landeszentralbank von Hessen (Otto Veit) zu der Frage der Mindestreserven der Landeszentralbanken bei der Bank deutscher Ländervom 4. August 1949; Veit belegte seinen Vorschlag durch Statistiken (vgl.: ebenda). 194 Eduard Wolf, Mitglied des Direktoriums der Bank deutscher Länder 195 vgl.: HA Bd. 399: Die Mindestreserven der Landeszentralbanlten, Stellungnahme von Eduard Wolfzudem Antragvon Otto Veit, 23. August 1949 196 vgl.: Geschäftsbericht der Bank deutscher Länder für die Jahre 1948 und 1949, S. 62
80
D. Die Mindestreserve als Instrument der Zentralbank seit 1948
föderalistischen Aufbau des Zentralbanksystems, in dem eine Mindestreserve nicht notwendig sei197• Bei dieser Diskussion wurden die Argumente bezüglich der gesamtwirtschaftlichen Unwirksamkeit einer Mindestreserve für Landeszentralbanken nicht so konkret vorgetragen. 3. Die ersten kritischen Stellungnahmen zur Mindestreserve als Instrument der Bank deutscher Under Die ersten Auseinandersetzungen198 in der Literatur mit der Mindestreserve anläßlich der Einführung in das Zentralbankinstrumentarium 1948 gingen von sehr unterschiedlichen Standpunkten aus. So wurde der Frage nachgegangen, ob ein Vergleich des deutschen Mindestreservesystems mit ausländischen Konzepten grundsätzlich möglich sei. Die Mindestreservebestimmungen ausländischer Zentralbanksysteme könne man nicht ohne weiteres auf deutsche Verhältnisse übertragen, weil in jedem Land ein anderer Aufbau des Zentralbanksystems, eine andere Gewichtung des Instrumentariums und ein anderer ökonomischer und politischer Hintergrund existiere199• Andererseits erkannte man aber Elemente des Mindestreservesystems, die isoliert darstellbar waren und somit auch als Basis für Rückschlüsse im internationalen Vergleich herangezogen werden konnten200• Einen grundsätzlichen Ansatzpunkt zur Auseinandersetzung mit der 197 vgl.: Deutsche Bundesbank - Historisches Archiv, HA Bd. 3642 Bundesbank-Gesetz 1952 - 1953 und HA Bd. 381 Unterlagen betr. Vorbereitung des Bundesbankgesetzes 1952: Vorschlag des Zentralbankrats der Bank deutscher Länder für eine andere Fassung des § 11, bezogen auf den Entwurf des Bundesfinanzministeriums vom 22. August 1952; siehe AnlageS: HA Bd. 381 und Deutsche Bundesbank - Historisches Archiv, HA Bd 3642 BundesbankGesetz 1952 - 1953: Betr.: Entwurf eines Gesetzes über die Währungs- und Notenbank des Bundes in der vom Bundesfinanzministerium vorgelegten Fassung vom 22. August 1952 198 Auf eine detaillierte Erörterung zu den einzelnen Argumenten, die explizit zu der Begründung der differierenden Standpunkte zu dem Instrument Mindestrese.IVe vorgetragen wurden, wird hier venichtet. Dieser Punkt verfolgt lediglich das Ziel, das breite Spektrum differierender Ansätze zur Kritik in der Literatur aufzuzeigen. Die Darlegung der unterschiedlichen Argumente, die Bedeutung für die Ausgestaltung der Mindestreserve seit 1957 hatten, erfolgt im Rahmen der Diskussion um das Bundesbankgesetz. 199 vgl.: Pfleiderer, Otto, (1948), S. 58; ZwoU, Johann Hermann van, (1954), S. 99f; 200 vgl.: Schmedes, Hella, Zur Frage des Doppelcharakters der Mindestreserven, in: Sparkasse, Heft 5 und 6, 6. Jg., 1952, S. 71 -74 und S. 8Sff, hier S. 71f; Floss, Eberhard, (1956), S. 9; Nicht explizit, aber als Beispiel f\ir die Möglichkeit einer solchen Vorgehensweise vgl.: Die Problematik der Mindestreserven, [1952], S. 19ff; Müller, Bemhard, (1950), S. 89ff
II. Die Mindestreserve von 1948 bis 1957
81
Mindestreserve als Instrument der Bank deutscher Länder sah man in der Verbindung zwischen einem Zentralbankinstrument und dem deutschen Universalbanksystem. Man sah die Gefahr der Wettbewerbsverzerrung. Die Struktur und die Größe der deutschen Kreditinstitute differierten wesentlich. Hieraus resultierte die Kritik, daß alle Kreditinstitute von der Mindestreserve gleichermaßen betroffen waren201• Der Schritt der Bank deutscher Länder, die Mindestreserve in Reserveklassen zu differenzieren, wurde als positiver Ansatz gewerte~. Möglich sei auch eine Differenzierung nach der Klassifikation oder die Berücksichtigung der regional unterschiedlichen wirtschaftlichen Bedingungen durch entsprechend angepaßte Mindestreservesätze203• Die Differenzierung wurde als Maßnahme zur Entlastung der kleinen Kreditinstitute interpretiert204• Gleichzeitig ergab sich für die Bank deutscher Länder durch die Vergrößerung ihres Handlungsspielraums bei der Mindestreservesatzfestlegung eine Efft.Zienzsteigerung in den Einsatzmöglichkeiten des Instrumentes Mindestreserve205• Durch die Gesetzesbestimmungen war festgelegt worden, daß die Mindestreservehaltung auf den Girokonten der Zentralbank unverzinslich zu erfolgen hatte206• Die Unverzinslichkeit der Mindereserve wurde von verschiedenen Ansatzpunkten analysiert207• Die Vorschläge, die Mindest201 vgl.: Die Problematik der Mindestreserven, (1952], S. 36; Zwoll, Johann Hermann van, (1954), S. 103; Floss, Eberhard, (1956), S. 52f; Damm, Jürgen, Veninsung der Mindestreserve?, Frankfurt a. M. 1959, S. 24f 202 vgt.: Trouvain, Franz-Josef, (1954), S. 31f; Floss, Eberhard, (1956), S. 46 und 54f; Die Problematik der Mindestreserve, [1952], S. 46; ZwoU, Johann Hermann van, (1954), S. 103 203 vgt.: Müller, Bcrnhard, (1950), S. 70f; Die Problematik der Mindestreserven, (1952], S. 39f ; Trouvain, Franz-Josef, (1954), S. 31f 204 vgt.: Kreibich, Volkmar, (1962), S. 68; Gestaffelte Mindestreserve, in: Zeitschrift für das gesamte Krcditwescn, Heft 10, 5. Jg., 1952, S. 251 205 vgt.: Kreibich, Volkmar, (1962), S. 68f; Gestaffelte Mindestreserve, (1952), S. 251; Witte, Horst, (1960: b), Anrechnung der Kassenhaltung auf die MindestreseJVepflicht? in: Zeitschrift für das gesamte Krcditwesen, Heft 14, 13. Jg., 1960, S. 648 - 651, hier S. 650; Revision der MindestreseJVeanforderungen, in: Monatsberichte der Deutschen Bundesbank, Heft 7, 11. Jg., 1959, S. 56 - 60, hier S. 59f 206 vgt.: Art. XIV Abs. 36 LZBG, siehe Anlage 2: Gesetz zur Errichtung der Landeszentralbanken vom 14. Februar 1948, Verordnung Nr. 132 des britischen Kontroll&ebietes, in: Amtsblatt der Militärregierung Deutschland, Britisches Kontrollgebiet, S. 703 - 710 207 vgt. beispielsweise: Schmin, E., Schädliche Zinslosigkeit der Mindestreserve, in: Deutsche Zeitung und Wirtschaftszeitung. 2. Januar 1954, Nr. 1; Zu einer ausführlichen Darstellung der verschiedenen Standpunkte (vgl.: Damm, Jürgen, (1959), passim. In seinem Vorwort betont Damm explizit, daß mit seiner Darstellung keine Wertung vorgenommen ~rden soll). 6 A. MUIIet
82
D. Die Mindestreserve als Instrument der Zentralbank seit 1948
reserve zu verzinsen oder sie als Anlage in Wertpapieren zuzulassen, wurden zum einen grundsätzlich abgelehnt, weil sie dem Sinn des Instrumentes widerspreche208• Zum anderen gab es die Ansicht, daß nur die Anlage in Wertpapieren dem Zweck des Instrumentes widerspreche209• Vorschläge einer, wenn auch minimalen allgemeinen beziehungsweise partiellen Verzinsung wurden unterbreitet210• Während im Kreditwesengesetz von 1934 die Spareinlagen ausdrücklich aus der Bemessungsgrundlage der Reservepflicht ausgeschlossen waren, gehörten sie seit 1948 explizit zu den mindestreservepflichtigen Verbindlichkeiten. Die Einbeziehung der Spareinlagen in die Bemessungsgrundlage der Mindestreserve stieß auf allgemeines Unverständnis211• Aber auch die Argumentation der Sparkassenorganisation bezüglich der Freistellung der Spareinlagen wurde nicht akzeptiert212• Die Haltung zu der Frage der Mindestreservepflicht für Spareinlagen in der Literatur war einheitlich, im Gegensatz zu der Frage einer direkten oder indirekten Mindestreservehaltung der Kreditinstitute. Die Gründe für die Änderung der Vorschriften, die das Ziel hatte, eine indirekte Mindestreservehaltung zuzulassen, wurden nur bedingt akzeptiert213, überwiegend wurde die indirekte Haltung abgelehnt214• Fragen zur direkten und indirekten Reservehaltung waren nach Zwoll grundsätzlich mit der Klärung der Anlagevorschriften für öffentliche Einlagen verbunden215• 208 vgl.: Die Problematik der Mindestreserven, [1952), S. 44f; Iuershagen, Alfred, (1957), S.64 209 vgl.: Floss, Eberhard, (1956), S. 63f; Wertpapieranlage statt Mindestreserve'?, in: Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen, Heft 21, 4. Jg., 1951, S. 509f 210 vgl.: Floss, Eberhard, (1956), S. 64; Trouvain, Franz-Josef, (1954), S. 29; Müller, Bemhard, (1950), S. 41; Trautmann, Walter, Sollen Mindestreserven verzinst werden'?, in: Der Volkswirt, Heft 20, 11. Jg., 1957, S. 996- 998, hier S. 998 211 vgl.: Müller, Bemhard, (1950), S. 54f; Zwoll, Johann Hermann van, (1954), S. 110; /ttershagen, Alfred, (1957), S. 78; Die Problematik der Mindestreserve, [1952), S. 45ff; Trouvain, Franz-Josef, (1954), S. 2Sff; Schmedes, Hella, (1951: a), Das Wesen der Spareinlagen, in: Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen, Heft 5, 4. Jg., 1951, S. 115; Schmedes, Hella, (1951: b), Die Mindestreservepflicht der Spareinlagen, in: Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen, Heft 6, 4. Jg., 1951, S. 144f 212 vgl.: Trouvain, Franz-Josef, (1954), S. 26; Floss, Eberhard, (1956), S. 47ff 213 vgl.: ZwoU, Johann Hermann, (1954), S. 117; Floss, Eberhard, (1956), S. 38 und S. 62 214 vgl.: Trouvain, Franz-Josef, (1954), S. 35 ff; /uershagen, Alfred, (1957), S. 47ff; Nicht explizit abgelehnt wird die indirekte Mindestreserve in der Stellungnahme der Spatkassenorganisation (vgl.: Die Problematik der Mindestreserven, [1952), S. 38ff). 215 vgl.: ZwoU, Johann Hermann, (1954), S. 117
II. Die Mindestreserve von 1948 bis 1957
83
In bezug auf die Frage nach der Funktion der Mindestreserve traten konträre Ansichten deutlich hervor. Während die Sparkassenorganisation der Mindestreserve weder eine liquiditätspolitische noch eine kreditpolitische Bedeutung zumaß216, wurde in der Uteratur im allgemeinen der kreditpolitischen Funktion ein hoher Stellenwert beigemessen217• Die liquiditätspolitische Funktion wurde eher skeptisch beurteilt. Das kommt in den sehr unterschiedlichen, teilweise auf einzelne Aspekte reduzierten Argumenten zum Ausdruck. Die liquiditätspolitische Zielsetzung der Mindestreserve könne in einzelnen Bereichen nicht bestritten werden, beispielsweise bei Steuerterminen. Die Mindestreserve im deutschen Zentralbanksystem umfasse sowohl die Liquiditätsreserve als auch die kreditpolitische Funktion. Eine Änderung des Mindestreservesatzes bedeute liquiditätspolitisch eine Umwandlung von Sekundär- in Primärliquidität und kreditpolitisch eine Verlagerung der Kredite des Bankensystems auf die Zentralbank218• Grundsätzlich abgelehnt wurde die liquiditätspolitische Funktion, die mit dem Argument der monatsdurchschnittlichen Verfügbarkeil der Mindestreserve begründet wurde219• Zwoll vermutete, daß die Bank deutscher Länder die Argumente zur Liquiditätsfunktion bezüglich der Spareinlagen überbetone. Er unterstellte, daß sie selber nicht von der, von ihr immer wieder betonten liquiditätspolitischen Funktion der Mindestreserve überzeugt sei220•
216 vgl.: Die Problematik der Mindestreserve, [1952], passim 217 vgl.: Müller, Bemhard; (1950), S. 107ff; Pfleiderer, Otto, (1948), S. S8f; Douvain, Franz-Josef, (1954), S. 24; IttersluJgen, Alfred, (1957), S. 38f; Floss, Eberhard, (1956), S. 23ff; Damm, Jürgen, (1959), S. 21ff; Zwoll, Johann Hermann van, (1954), S. 107; Zwoll kommmt bei seiner Analyse der EffiZienz der einzelnen Zentralbankinstrumente zu folgendem Ergebnis: Die Zentralbank solle auf keines ihrer Instrumente "verzichten, sie andererseits jedoch so geschmeidig wie irgend möglich anwenden• (ebenda, S. 77ff). Die damalige relativ einseitige Ausrichtung des Instrumentariums auf die Mindestreserve erklärt sich aus der kreditpolitischen Situation. Hat sich diese normalisiert, dann ist auch der Einsatz anderer Instrumente wieder effiZient und die Mindestreserve rückt aus dem Mittelpunkt der Auseinandersetzung (vgl.: ebenda, S. 115; Irmler, Heinrich, Warum Mindestreserven?, in: Wirtschaftszeitung, Nr. 53, 1948, S. Sf). 218 vgl.: Fischer, Wemer, (1949), S. 11; Irmler, Heinrich, (1948), S. S; Zwoll, Johann Hermann van, (1954), S. 116 219 vgl.: Schmedes, Hella, (1952), S. 8Sff; Trouvain, Franz-Josef, (1954), S. 17ff; IttersluJgen, Alfred, (1957), S. 41ff; Floss, Eberhard, (1956), S. 2S 220 vgl.: Zwoll, Johann Hermann van, (1954), S. 110
D. Die MindestrescJVC als Instrument der Zentralbank seit 1948
84
Ein anderer Ansatz forderte eine Beurteilung der Mindestreserve unter Berücksichtigung der geld- und kreditpolitischen Relevanz der Mindestreserve im Rahmen des Instrumentariums. Die Stellungnahmen zur Mindestreserve müßten im Zusammenhang mit der jeweiligen kreditpolitischen Situation beurteilt werden. Demnach werde die Mindestreserve von der Bank deutscher Länder nicht immer geschickt gehandhab~1 . Explizit wurde hier die Handhabung der Mindestreserve in der Koreakrise aufgeführt, auf die sich die Ansätze der Kritik zurückführen lassen222• Grundsätzlich wurde die Mindestreserve in der zeitgenössischen Literatur als eine sinnvolle Ergänzung des Zentralbankinstrumentariums angesehen223. Diese ersten Auseinandersetzungen mit dem Instrument Mindestreserve zeigen bereits das breite Spektrum, vor dessen Hintergrund sich die anschließende Diskussion über die Ausgestaltung der Mindestreserve im Bundesbankgesetz abspielte.
221 vgl.: Gkske, Lconhard, Missverstandene Mindestreserven, in: Zeitschrift für das gesamte Krcditwcscn, Heft 4, 7. Jg., 1954, S. 118f; In diesem Zusammenhang wird auf die Vorteile der Offen-Markt-Politik verwiesen (vgl. hierzu: Zimmerer, Carl, Zwo/1, Hermann van, MindcstrescJVCpotitik . und Bankenrcntabilität, in: Zeitschrift für das gesamte Krcditwesen, Heft 10, 10. Jg., 1957, S. 371(). Diese Ansicht deckt sich mit der Meinung von Voc:ke (vgl.: Deutsche Bundesbank- Historisches Archiv, HA Bd. 2029 Allgemeine Korrespondenz Voc:ke: Schreiben Voc:kes an den Präsidenten der Sc:hweizcrisc:hen Nationalbank (Paul Keller) vom 19. März 1953). 222 vgl.: Zwoll, Johann Hermann van, (1954), S. 100f
223
vgl. hierzu ausführlich: ZwoU, Johann Hermann van, (1954), S. 107
II. Die Mindestreserve von 1948 bis 1957
85
Die Entwicklung von Passiva, mindestreservepfliclztigen Verbindlichkeiten und Mindestreserve-Soll von 1949 bis 1959
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Passiva der Kreditinstitute lnsaesamt: Bei den Passiva der Kreditinstitute insgesamt handelt es sich um ei.De zusammengefaßte statistische Bilanz der Kreditinstitute (ohne Aktiva und Passiva der Austandsfilialen) eiDschließlieb des Zentralbanksystems beziehung.sweise der Deutschen Bundesbank. Reservepßlcbtl&e Verbindlichkelten lnsaesamt: 1949 bis 1954 ohne Berlin. Ab 1958 ohne die Mindestreserven der Bundespost für die Postgiro- und Postsparkassenämter, die sich seit Einführung der (4kultativen zentralen MindestreseJVehaltung am 1. Mai 1958 von den übrigen Zentralbankeinlagen der Bundespost praktisch nicht mehr trennen lassen. Wenn für Verbindlichkeiten gegenüber Gebietsansässigen und Gebietsfremden gleiche Sätze gelten, wird nur der Gesamtbetras; gemeldet.
Quelle: Ennittelt anband der Tabellen 11.1. b) und V.2.01 a), in: 40 Jahre Deutsche Mark. Monetäre Statistiken. 1948- 1987, Hrsg.: Deutsche Bundesbank, Frankfurt a. M. 1988, S. 14 und S. 194
Von 1949 bis 1959 sind die reservepflichtigen Verbindlichkeiten um 588 v. H., das heißt um durchschnittlich 21,3 v. H. pro Jahr, angestiegen und das Mindestreserve-Soll um 739 v. H., das heißt um durchschnittlich 23,7 v. H. pro Jahr. In diesem Zeitraum hat also die Mindestreservebelastung für die Kreditinstitute kontinuierlich zugenommen. Es kann vermutet werden, daß diese Entwicklung die Diskussion um die Ausgestaltung des Instruments im Bundesbankgesetz beeinflußt hat.
86
D. Die Mindestreserve als Instrument der Zentralbank seit 1948
111. Die Ausgestaltung der Mindestreserve im Bundesbankgesetz 1. Das Instrument Mindestreserve in der Diskussion zum Bundesbankgesetz Artikel 88 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland besagt: "Der Bund errichtet eine Währungs- und Notenbank als Bundesbank"224• Der Zentralbankrat der Bank deutscher Länder ging davon aus, daß diesem Verfassungsauftrag durch ein formales Anpassungsgesetz entsprochen werden könne, wodurch die Bank deutscher Länder zur Bundesbank bestimmt würde. Diese Auffassung des Zentralbankrats war berechtigt. Denn die Bank deutscher Länder hatte sich seit ihrem Bestehen als Zentralbank bewährr25• Zwischen dem Bundesfmanzministeriwn und dem Bundeswirtschaftsministerium bestanden aber in bezug auf die gesetzliche Fixierung der Unabhängigkeit der Zentralbank Differenzen. Sie werden durch den jeweiligen Anspruch auf die Federführung bei der Gesetzgebung dokwnentiert226• Aus diesen Differenzen resultierte eine politische Auseinandersetzung, die sich über zwei Legislaturperioden erstreckte. Im Mittelpunkt der konfliktreichen Diskussionen standen die Frage eines einstufig-zentralen oder eines zweistufig-föderalen Aufbaus, der Grad der kredit- und währungspolitischen Autonomie sowie die Kodifikation der praktischen Ausgestaltung der Aufgaben und Befugnisse der künftigen Deutschen Bundesbank227• Geführt wurden die Diskussionen im Bundeskabinett, im Bundestag und im Bundesrat. Gleichzeitig versuchten die Bank deutscher Länder und die Interessenvertreter sowie bezüglich der Mindestreserve auch die Spitzenor-
224 Artikel 88 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. Mai 1949, in: BGBI. I, S. 1 - 19, hier S. 12
225
226
VJI.: Stucken, Rudolf, (1964), S. 245f; Hemschel, Volker, (1988), S. 8 VJI.: Hentschel, Volker, (1988), S. 9f
227 vgl.: Für die Bezeichnung "Deutsche Bundesbank" wurde bereits seit den ersten Entwürfen plädiert (vgl.: Deutsche Bundesbank- Historisches Archiv, HA Bd. 359 Unterlagen betr. Vorbereitung des Bundesbankgesetzes: Stellungnahme von Bundesjustizminister Dehler vom 16. Oktober 1950, Betr.: Bundesnotenbank 1950).
111. Die Ausgestaltung der Mindestreserve im Bundesbankgesetz
87
ganisationen des Kreditwesens228, Einfluß auf die Gesetzesformulierung zu nehmen229• Bei den ersten Entwürfen des Bundesfinanzministeriums 1950 für ein Bundesbankgesetz standen die Unabhängigkeit der Bundesbank und die Kodifizierung der Mindestreserve230 im Mittelpunkt der Auseinandersetzung zwischen dem Zentralbankrat und dem Bundeswirtschaftsministerium auf der einen und dem Bundesfinanzministerium und dem Bundeskanzler auf der anderen Seite. Der Zentralbankrat brachte am 22. August 1952 einen eigenen Entwurf zur Formulierung und Begründung der Mindestreserve im Bundesbankgesetz ein231• In die Auseinandersetzung um die Fragen der Weisungsbefugnis der Regierung und den Aufbau des Zentralbanksystems griff Bundeswirtschaftsminister Erhard am 23. August 1952 mit einem eigenen, zentralistisch orientierten Entwurf ein. Der Entwurf fand im Kabinett aber keine Mehrheit232• Die Bundestagsfraktion der FDP brachte am 4. Dezember 1952 mit der Frage nach der Recht- und Zweckmäßigkeit der in dem Entwurf des Bundesfmanzministeriums vorgesehenen zweistufig-föderalen Organisation
228 Bundesverband des privaten Bankgewcrbes, Deutscher Genossenschaftsverband, Deutscher Raiffeisenverband, Arbeitsgemeinschaft deutscher Sparkassen- und Giroverbände und Girozentralen e. V. 229 vgl.: Die Bundesbank. Aufbau und Aufgaben. Bericht über eine Aussprache führender Sachverständiger mit dem Entwurf eines Bundesbankgesetzes über die Errichtung einer Bundesbank, Schriftenreihe der Zeitschrift für das gesamte Krcditwcscn, Bd. 1, Frankfurt a. M. 1950, S. llff; Becker, Wolf-Dieter, Diskussion über ein Bundesbankgesetz im Wissenschaftlichen Beirat beim Bundcswirtschaftsministerium, in: Geld- und Währunppolitik in der Bundesrepublik Deutschland, Beihefte zu Kredit und Kapital, Heft 7, Hrsg.: Ehrlicher, Wemer und Diethart B. Simmert, Bcrlin 1982, S. 61 - 77, hier S. 61ff; Hentschel, Volker, (1988), S. 4f; 30 Jahre Deutsche Bundesbank, (1988), passim 230 vgl.: Könne/cer, [Wilhelm), Die Mindestreserven als Mittel der Notenbankpolitik in der Bundesbankgcsetzgebung. Vortrag zur Eröffnung des 7. Lehrganges zur Vorbereitung auf die höhere Bankprüfung in Klein-Heubach, Mai 1953 (unveröffentlicht), S. 3ff 231 siehe Anlage 5: HA Bd. 381 und Deutsche Bundesbank - Historisches Archiv, HA B4. 3642 Bundesbank-Gesetz 1952 - 1953: Bctr.: Entwurf eines Gesetzes über die Währunp- und Notenbank des Bundes in der vom Bundesfinanzministerium vorgelegten Fassung vom 22. August 1952 232 vgl.: Verhandlungen des Deutschen Bundestages, Stenographischer Bericht der 249. Sitzung, 4. Februar 1953, Erste Wahlperiode 1949, S. 11878; 30 Jahre Deutsche Bundesbank, (1988), S. 39; Becker, Wolf-Dieter, (1982), S. 62
88
D. Die Mindestreserve als Instrument der Zentralbank seit 1948
der Bundesbank in Verbindung mit Artikel 88 des Grundgesetzes ihren Beitrag in die Kontroverse ein233• Am 4. Februar 1953 fand die erste Beratung der von der POP-Fraktion und der Bundesregierung vorgelegten Bundesbank-Gesetzentwürfe statt. Sie wurden an den Ausschuß für Geld und Kredit (12. Ausschuß des Deutschen Bundestages) zur Beratung überwiesen, wo zunächst in der 82. bis 90. Sitzung des Ausschusses der Geschäftskreis und die währungs- und kreditpolitischen Befugnisse der künftigen Bundesbank beraten wurden234• Die Beratungen zu diesen Punkten gingen zügig voran, mit Ausnahme des strittigen Punktes der Mindestreserve. Dieser wurde zum Gegenstand der Auseinandersetzung in fünf der neun Sitzungen235, die vor der Vertagung der Bundesbankgesetzgebung am 20. Mai 1953 auf die nächste Legislaturperiode stattfanden236• In der neuen Legislaturperiode ging nach dem Scheitern des Entwurfs aus dem Bundesfmanzministerium die Verantwortung für das Bundesbank233
vgl.: 30 Jahre Deutsche Bundesbank, (1988), S. 25; Hentschel, Volker, (1988), S. 11ff 234 vgl.: Verhandlungen des Deutschen Bundestages, Stenographischer Bericht der 249. Sitzung, 4. Februar 1953, Erste Wahlperiode 1949; S. 11884; Hentschel, Volker, (1988), S. 29; Die Kurzprotokolle des Ausschusses für Geld und Kredit und die Vermerke der Vertreter der Bank deutscher Länder im Ausschuß finden sich hauptsächlich in: HA Bd. 385 und Deutsche Bundesbank - Historisches Archiv, HA Bd. 5010 Bundesnotenbank. Gesetzentwürfe. Bundestag. 235 Der Ausschuß für Geld und Kredit hat sich bis Anfang Juni 1953 in insgesamt neun, zum Teil zweitägigen Sitzungen mit den Entwürfen zum Bundesbankgesetz befaßt (vgl.: HA Bd. 5010: Entwurf eines zusammenfassenden Berichts des Ausschusses für Geld und Kredit des Deutschen Bundestages betr. seine Beratungen über das Bundesbankgesetz der Rechtsund Währungsabteilung der Bank deutscher Länder vom 9. Juni 1953). Hentschel erwähnt für diesen Zeitraum nur acht Sitzungen des Ausschusses für Geld und Kredit. Er bezieht sich hierbei auf die 82. bis 89. Sitzung und berücksichtigt die 90. Sitzung am 19. und 20. Mai 1953 in diesem Zusammenhang nicht (vgl.: Hentschel, Volker, (1988), S. 29 und 31). Die Mindestreserve wurde in der 84. Sitzung am 11. Februar 1953, in der 85. Sitzung am 27. Februar 1953, in der 87. Sitzung am 11. Män 1953, in der 89. Sitzung am 27. Män 1953 sowie in der 90. Sitzung am 19. und 20. Mai 1953 diskutiert (vgl.: HA Bd. 386, HA Bd. 385 und HA Bd. 5010: Kurzprotokoll der 84. Sitzung des Ausschusses für Geld und Kredit vom 11. Februar 1953; HA Bd. 385 und HA Bd. 5010: Betr.: Bundesbankgesetz, Vermerk von Schelling vom 12. Februar 1953 über die Sitzung am 10. und 11. Februar 1953; HA Bd. 385, HA Bd. 386 und HA Bd. 5010: Kurzprotokoll und Kurzvermerk über die 85. Sitzung des Ausschusses für Geld und Kredit am 27. Februar 1953; HA Bd. 386: Vermerk vom 27. Februar 1953, Betr.: die Mindestreserve-Vorschriften im Bundesbankgesetzentwurf; HA Bd. 385 und HA Bd. 5010: Kurzprotokoll und Vermerk von Schelling zu der 87. Sitzung des Ausschusses für Geld und Kredit vom 13. Män 1953; HA Bd. 385 und HA Bd. 5010: Kurzprotokoll der 90. Sitzung des Ausschusses für Geld und Kredit am 19. und 20. Mai 1953; HA Bd. 385, HA Bd. 386 und HA Bd. 5010: Vermerk von Schelling vom 21. Mai 1953, Betr.: Bundesbankgesetz. Verhandlungen im Ausschuss [!] Geld und Kredit. 90. Sitzung vom 19. und 20. Mai 1953). 236 vgl.: 30 Jahre Deutsche Bundesbank, (1988), S. 45
111. Die Ausgestaltung der MindestreseiVe im Bundesbankgesetz
89
gesetz an das Bundeswirtschaftsministerium über. Der Bundeswirtschaftsminister forderte den wissenschaftlichen Beirat des Wirtschaftsministeriums auf, ein Gutachten zu der Frage des Bundesbankgesetzes zu erstellen237• In einer "vorläufigen Stellungnahme" empfahl der wissenschaftliche Beirat die Aufnahme der Mindestreserve in das Zentralbankinstrumentarium bei Mindestreservesätzen zwischen 5 v. H. und 25 v. H.238• Erhard verfolgte die Empfehlungen des wissenschaftlichen Beirats nicht weiter. Er wandte sich stattdessen vor der Neueinbringung eines überarbeiteten Gesetzentwurfs zum Bundesbankgesetz am 29. Juni 1954 an den Präsidenten des Direktoriums der Bank deutscher Länder, Vocke, und bat um die Beantwortung strittiger Fragen239• Die Beantwortung dieser Fragen durch die Bank deutscher Länder hatte für die zukünftige gesetzliche Formulierung der Mindestreserve eine zentrale Bedeutung und wurde deshalb im Zentralbankrat ausführlich beraten240• Das Ergebnis wurde in einer Stellungnahme des Zentralbankrats vom 24. August 1955 dem Bundeswirtschaftsminister mitgeteilt, ergänzt um drei Anlagen, die insbesondere die Mindestreserve betrafen241 • Am 23. September 1955 lag der Referentenentwurf des Bundeswirtschaftsministeriums vor. Er entsprach weitgehend den Entwürfen des Bundeswirtschaftsministers vom 23. August 1952 und der POP-Fraktion
237 vgl.: Beckl!r, Wolf-Dieter, (1982), S. 62; Hentschel, Volker, (1988), S. 80 238 vgl.: Beckl!r, Wolf-Dieter, (1982), S. 70 und S. 74
239 vgl.: HA Bd. 387 und Deutsche Bundesbank - Historisches Archiv, HA Bd. 415 Handakte Vocke. Materialien zu ZBR-Sitzungen: Schreiben des Bundeswirtschaftsministers vom 29. Juni 1954 240 vgl.: Deutsche Bundesbank - Historisches Archiv, HA Bd. 83 ZBR Bank deutscher Länder. Protokolle, Orginale, HA Bd. 416 Handakte Vocke. Materialien zu ZBR-Sitzungen, HA Bd. 3647 Bundesbank-Gesetz. Sitzungsberichte. Stellungnahmen des ZBR 1955 - 1956 und HA Bd. 387: Entwürfe zur Stellungnahme der Bank deutscher Länder zu den Fragen des Bundeswirtschaftsministers vom 29. Juni 1954; HA Bd. 387 und HA Bd. 3647: Anschreiben der Bank deutscher Länder vom 24. August 1955 zu der Stellungnahme des Zentralbankrats vom 17. August 1955 an den Bundeswirtschaftsminister zur Beantwortung seiner Fragen vom 29. Juni 1954 241 Hentschel geht davon aus, daß die Beantwortung der Fragen von Erhard bereits im Mai 1955 erfolgt ist; Die Bank deutscher Länder hat aber die MindestreseiVe-Fragestellung erst in der Zentralbankratsitzung am 17. August 1955 entschieden, nachdem die Stellungnahme mehrmals im Zentralbankrat diskutiert wurde (vgl.: Hentschel, Volker, (1988), S. 81; HA Bd. 387 und HA Bd, 3647: Anschreiben der Bank deutscher Länder vom 24. Aug,ust 1955 zu der Stellungnahme des Zentralbankrats vom 17. August 1955 an den Bundeswirtschaftsminister zur Beantwortung seiner Fragen vom 29. Juni 1954).
90
D. Die Mindestreserve als Instrument der Zentralbank seit 1948
vom 4. Dezember 1952242• Der Gesetzentwurf des Bundeswirtschaftsministers vom 25. Oktober 1955 wurde in den Ressorts und im Kabinettsausschuß überarbeitet. Als Ergebnis dieser Ressortbesprechungen wurde ein Entwurf vorgestellt, welcher der Auffassung der Bank deutscher Länder entsprach: Der Regierungsentwurf vom 26. November 1955 beinhaltete die Einbeziehung der Spareinlagen, Untergrenzen für die Mindestreserve und eine Formulierung mit Betonung der Liquiditätsfunktion. Die Möglichkeit der Freistellung von der direkten Mindestreservehaltung wurde konkretisiert243• Nach Ressortgesprächen mit den Spitzenverbänden der Kreditinstitute entsprach der nächste Entwurf wieder der ursprünglichen Fassung vom 25. Oktober 1955244• Allerdings wurde die Bemessungsgrundlage der Mindestreserve auf Wunsch der Bank deutscher Länder präzisiert und die Mindestreservepflicht auf Verbindlichkeiten aus "aufgenommenen kurz- und mittelfristigen Einlagen" ausgedehnt245• Der Entwurf des Bundeswirtschaftsministeriums vom 7. Januar 1956 bildete die Grundlage für § 16 Mindestreserve-Politik des Bundesbankgesetzes246. Als Regierungsentwurf wurde dieser Entwurf vom 9. August 1956 im Kabinett verabschiedet247• Der Bundesrat lehnte den Entwurf und die 242 vgl.: 30 Jahre Deutsche Bundesbank, (1988), S. 59; Es wurde vermutet, daß der FDPEntwurf auf dem im Kabinett abgelehnten Entwurf des Bundeswirtschaftsministeriums basierte (vgl.: Verhandlungen des Deutschen Bundestages, Stenographischer Bericht der 249. Sitzung, 4. Februar 1953, Erste Wahlperiode 1949, S. 11878); Hentschel schreibt explizit, daß der FDP-Entwurf auf der Vorlage des Bundeswirtschaftsministeriums basierte (vgl.: Hentschel, Volker, (1988), S. 87). 243 vaJ.: Deutsche Bundesbank - Historisches Archiv, HA Bd. 3644 Bundesbank-Gesetz. Gesetzesentwürfe I. 1955-1956: Referentenentwurf zum Bundesbankgesetz in der Fassung vom 26. November 1955 244 vgl.: HA Bd. 3647: Neuer Entwurf zu § 15 Mindestreserve-Politik vom 13. Dezember 1955 245 vgl.: HA Bd 3647: Vermerk von Wemer Döll vom 14. Dezember 1955 zu einer Ressortbesprechung im Bundeswirtschaftsministerium am 13. Dezember 1955
246 vaJ.: HA Bd 3644: Entwurf des Bundesbankgesetzes in der Fassung vom 7. Januar 1956 des Bundeswirtschaftsministeriums und Entwurf des Bundesbankgesetzes des Bundestags in der Fassung vom 9. August 1956; Lediglich der Passus, daß wiederholte, erhebliche Mindestreserveunterschreitungen der Bankenaufsichtsbehörde mitzuteilen sind, wurde vom Ausschuß für Geld und Kredit in den Entwurf eingefügt. 247 Zu der "Uneinigkeit der Regierung" über die Frage der Unabhängigkeit und Orga~isation der künftigen Bundesbank (vgl.: Hentsche~ Volker, (1988), S. 94ff).
111. Die Ausgestaltung der Mindestreserve im Bundesbankgesetz
91
Bundesregierung im Gegenzug dessen föderalistische Änderungsvorschläge ab. Die Bundesregierung leitete ihren ursprünglichen Entwurf zur Beratung an den Bundestag weiter248• Mehrere Abgeordnete brachten einen Gegenentwurf zum Regierungsentwurf in den Bundestag ein249• Er unterstützte den förderalistischen Aufbau der Bundesbank und entsprach dem offiziellen Vorschlag der Bank deutscher Länder. Der Gegenentwurf wurde in der ersten Lesung vom Bundestag an den Ausschuß für Geld und Kredit und zur Mitberatung an den Ständigen Ausschuß für Wirtschaftspolitik verwiesen250• Die Debatte wurde im Ausschuß für Geld und Kredit fortgeführt. Bezüglich der Mindestreserve trat die Frage auf, ob im Rahmen einer Regional- und Strukturpolitik nicht explizit für Berlin ein gesonderter Satz erlassen werden könne251• Dieser Ansatz wurde aber nicht weiter verfolgt. Der Vorsitzende des Ausschusses, Schamber~2, legte einen Kompromißvorschlag zur Regelung der Verantwortlichkeit der Bundesbank und der Landeszentralbanken vor, dem der Zentralbankrat einen eigenen föderalistischen Entwurf gegenüberstellte253• Der Ausschuß bevorzugte den Schamberg-Kompromiß und übernahm nur einzelne sachgerechtere Formulierungen des Entwurfs des Zentralbankrats. Der mitberatende Ständige Ausschuß für Wirtschaftspolitik stimmte dem Entwurf des Ausschusses im wesentlichen zu. Nach Abklärung einzelner Punkte mit dem Bundesrat lag der Entwurf vom 24. Mai 1957 dem Bundestag am 4. Juli 1957 vor254• Dieser Entwurf 248 siehe Anlage 9: Entwurf eines Gesetzes über die Deutsche Bundesbank vom 18. Oktober 1956, Deutscher Bundestag 2. Wahlperiode 1953, Drucksache Nr. 2781 249 siehe Anlage 10: Antrag der Abgeordneten Höcherl, Krammig, Dr. Jaeger, Niederalt, Wacher (Hof), Leukert und Genossen vom 7. November 1956, Entwurf eines Gesetzes über die Währungs- und Notenbank des Bundes und die Landeszentralbanken, Deutscher Bundestag 2. Wahlperiode 1953, Drucksache Nr. 2832 250 vgl.: Verhandlungen des Deutschen Bundestages, Stenographischer Bericht der 175. Sitzung, 30. November 1956, 2. Wahlperiode 1953, S. m1 251 vgl.: Deutsche Bundesbank - Historisches Archiv, HA Bd. 646 Bundesbank-Gesetz. Entwürfe. Protokolle 1: Kurzprotokoll der 73. Sitzung des Ausschusses für Geld und Kredit am 23. Januar 1957 252 Hugo Schamberg, Mitglied des Bundestages (1949-1961), Vorsitzender des Ausschusses für Geld und Kredit des Deutschen Bundestages (1949-1957) 253 vgl.: Hentschel, Volker, (1988), S. 110f; 30 Jahre Deutsche Bundesbank, (1988), S. 71 2S4 vgl.: Hentschel, Volker, (1988), S. 112
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D. Die Mindestreserve als Instrument der Zentralbank seit 1948
wurde in zweiter und dritter Lesung ohne Debatte im Deutschen Bundestag verabschiedet255• Das am 26. Juli 1957 verkündete "Gesetz über die Deutsche Bundesbank" trat am 1. August 1957 in Krart256• Es gehört seitdem zu den ordnungspolitischen Grundlagengesetzen der Bundesrepublik Deutschland. Die Vielschichtigkeit der Kontroversen um das Bundesbankgesetz spiegelt die Diskussionen um das Instrument der Mindestreserve wider. In der Diskussion um die Mindestreserve stießen insbesondere die Interessen der Sparkassenorganisation und der Bank deutscher Länder aufeinander: der Ton der Auseinandersetzung war daher nicht immer durch Sachlichkeit geprägt257• Die Darstellung der Diskussion um die Ausgestaltung der Mindestreserve verdeutlicht die unterschiedlichen Standpunkte der Interessenvertreter zu diesem Zentralbankinstrument Analysiert werden die von den Interessenvertretern vorgebrachten Argumente unter zwei Aspekten. Zum einen soll ermittelt werden, wer sich mit seinen Argumenten in der Diskussion um die Ausgestaltung der Mindestreserve im Bundesbankgesetz durchgesetzt hat258• Zum anderen zeigen diese Argumente die Gründe auf, die zu der Formulierung von § 16 BBankG geführt haben. Die Darstellung der Kontroverse um das Zentralbankinstrument Mindestreserve im Bundesbankgesetz bildet somit zugleich die Basis für die Untersuchung der aktuellen Problematik dieses Instrumentes. 255 vgl.: Verhandlungen des Deutschen Bundestages, Stenographischer Bericht der 223. Sitzung, 4. Juli 1957,2. Wahlperiode 1953, S. 13282 256 Gesetz über die Deutsche Bundesbank vom 26. Juli 1957, in: BGBI. I, S. 745 - 755 257 In der 1952 von der Sparkassenorganisation veröffentlichten Schrift zur Mindestreserve trat Polemik an die Stelle von Sachlichkeit und Argumenten (vgl.: Die Problematik der Mindestreserven, (1952), S. 46ff; Pfleiderer wies in der 186. ZBR-Sitzung darauf hin, daß man sich doch um mehr Sachlichkeit bemühen müsse, insbesondere in bezug auf die Sparkassenorganisation (vgl.: HA Bd. 83: Auszug aus dem Stenogramm der 186. ZBRSitzung zu Ziffer 4 der Tagesordnung: Vorbereitung des Bundesbankgesetzes, Bundesbankgesetz/Sonderfragen: a) Filialnetz und b) Direkte und indirekte Mindestreservehaltung); Vocke wies auf die massive Ablehnung der Mindestreserve durch die Sparkassenorganisation hin (vgl.: HA Bd. 2029 Allgemeine Korrespondenz Vocke: Schreiben Vockes an den Präsidenten der Schweizerischen Nationalbank (Paul Keller) vom 19. März 1953). 258 siehe Anlage 11: Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Geld und Kredit (22. Ausschuß) über den Entwurf eines Gesetzes über die Deutsche Bundesbank vom 31. Mai 1957, Deutscher Bundestag 2. Wahlperiode 1953, Drucksache 3603; zugleich: § 16 des Gesetzes über die Deutsche Bundesbank vom 26. Juli 1957, in: BGBI. I, S. 747
111. Die Ausgestaltung der Mindestreserve im Bundesbankgesetz
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a) Die Mindestreserve als Instrument der zukünftigen Deutschen Bundesbank Bei einer Ressortbesprechung am 14. April 1950 im Bundesfmanzministerium wurde erörtert, welche Vorschriften des Emissionsgesetzes Eingang in die Bundesbankgesetzgebung finden sollten. Das Ergebnis führte zu dem ersten Entwurf des Bundesfmanzministeriums für ein Bundesbankgesetz. In diesem Entwurf wurde davon ausgegangen, daß die Mindestreservevorschriften aus dem Emissionsgesetz aufgehoben werden und stattdessen die Bundesbank die Möglichkeit bekommen sollte, von der Haltung einer Mindestreserve abzusehen. Die Bank deutscher Länder hatte gegen eine solche Vorschrift erhebliche Bedenken. Sie befürchtete, daß die Kreditintitute intensiv auf die dann gesetzlich gegebene Möglichkeit zur Aufhebung der Mindestreserve drängen könnten259• In dem Entwurf des Bundesfinanzministeriums vom 5. September 1950 war die gesetzliche Regelung der Mindestreserve auf die Formulierung "Die Bundesbank regelt die Haltung von Mindestreserven der Landeszentralbanken und der Geldinstitute" reduziert260• Diese Formulierung stieß auf allgemeine Kritik. Der Bundesbank sollte nicht allgemein das Recht. zur Regelung der Mindestreserve gegeben werden. Die gesetzliche Formulierung bedurfte somit einer weiteren Konkretisierung, die einen deutlichen Rahmen für den Erlaß von Mindestreservebestimmungen aufzeigten261 • Aus dem Bundeswirtschaftsministerium wurde in diesem Zusammenhang auf die massive Kritik der Kreditinstitute an den bestehenden Mindest259 vgl.: Deutsche Bundesbank - Historisches Archiv, HA Bd. 402 Handakte Vocke. Materialien zu ZBR-Sitzungen: Vermerk vom 18. April 1950, Betr.: Bundesbankgesetz und Emissionsgesetz; Die Ressortbesprechung hat am 14. April1950 stattgefunden (vgl.: Deutsche Bundesbank - Historisches Archiv, HA Bd. 358 Unterlagen betr. Vorbereitung des Bundesbankgesetzes 1950 und HA Bd. 5789 Akten der Hauptabteilung Banken: Schreiben des Bundesjustizministers an den Bundesfinanzminister vom 5. Oktober 1950). 260 HA Bd. 358 und HA Bd. 5789: Entwurf eines Gesetzes über die Währungs- und Notenbank des Bundes (Bundesbankgesetz) vom 5. September 1950 261 vgl.: HA Bd. 5789: Vermerk von Henckel vom 14. September 1950, Betr.: Bundesnotenbankgesetz (BFM-Entwurf (!] vom 5. September 1950); HA Bd. 358: Anlage 1 des Schreibens der Bank deutscher Länder an das Bundesfinanzministerium, Fassung des §9 (2) Mindestreserve-Politik im BBankG, bezugnehmend auf eine Besprechung vom 16. September 1950; HA Bd. 358 und HA Bd. 5789: Schreiben des Bundesjustizministers an den Bundesfinanzminister vom 5. Oktober 1950
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D. Die Mindestreserve als Instrument der Zentralbank seit 1948
reserveregelungen hingewiesen. Es wurde aber auch betont, daß das Mindestreservesystem "jedenfalls bis auf weiteres beibehalten werden" solle262• Bundeswirtschaftsminister Erhard konkretisierte diese Aussage: Die Mindestreserve solle Instrument der Bundesbank bleiben, zumindest bis zu dem Zeitpunkt, an dem die Eigenkapitalausstattung der Kreditinstitute eine angemessene Höhe erreicht habe263• Im Anschluß an eine spätere Ressortbesprechung am 16. September 1950 reichte die Bank deutscher Länder dem Bundesfmanzministerium einen Formulierungsvorschlag der künftigen gesetzlichen Mindestreservebestimmungen ein, der die Unter- und Obergrenze, die direkte Mindestreservehaltung, die Bemessungsgrundlage und die Ausnahmeregelungen berücksichtigte264• Der nächste Entwurf des Bundesfinanzministeriums zum Bundesbankgesetz vom 13. Oktober 1950 ging mit einem Hinweis auf die kredit- und liquiditätspolitische Bedeutung der Mindestreserve265 auf den Vorschlag des Zentralbankrats ein266• Am 19. Oktober 1950 fand hierzu im Bundesfmanzministerium eine Besprechung statt. Parallel zu der Frage der Beibehaltung und Formulierung der Mindestreserve im Bundesbankgesetz wurde in dieser Besprechung die Frage diskutiert, ob die Bestimmung eines Mindestreservesatzes einer Rechtsetzungsbefugnis durch die Bundesbank gleichkomme und ob dies mit dem Grundgesetz zu vereinbaren sei. Als Alternative wurde der Vorschlag unterbreitet, die Festsetzung der Mindestreserve in die Geschäftsbedingungen der Bundesbank aufzunehmen. 262 vgl.: HA Bd. 5789: Vermerk von Henckel vom 14. September 1950, Betr.: Bundesnotenbankgesetz (BFM-Entwurf (!]vom 5. September 1950); HA Bd. 358 und HA Bd. 5789: Schreiben des Bundeswirtschaftsministers an den Bundesfinanzminister vom 12. Oktober 1950, Betr.: Bundesnotenbank-Gesetzentwurf; HA Bd. 358 und HA Bd. 5789: Entwurf eines Gesetzes über die Währungs- und Notenbank des Bundes (Bundesbankgesetz) vom 5. September 1950 263 vgl.: HA Bd. 358 und HA Bd. 5789: Schreiben des Bundeswirtschaftsministers an den Bundesfinanzminister vom 12. Oktober 1950, Betr.: Bundesnotenbank-Gesetzentwurf 264 vgl.: HA Bd. 358: Anlage 1 des Schreibens der Bank deutscher Länder an das Bundesfinanzministerium, Fassung des §9 (2) Mindestreserve-Politik im BBankG, bezugnehmend auf eine Besprechung vom 16. September 1950; HA Bd. 358 und HA Bd. 5789: Schreiben des Bundeswirtschaftsministers an den Bundesfinanzminister vom 12. Oktober 1950, Betr.: Bundesnotenbank-Gesetzentwurf 265 vgl.: HA Bd. 359: Betr.: Bundcsbankgesetz, Entwurf vom 13. Oktober 1950, u. a. zu § 10: Mindestreserven 266 vgl.: HA Bd. 358, HA Bd. 359 und HA Bd. 5789: Entwurf eines Gesetzes über die Währungs- und Notenbank des Bundes (Bundesbankgesetz) vom 13. Oktober 1950. Es gibt gleichlautende Entwürfe, die auf den 13. bzw. 15. Oktober 1950 datiert sind.
III. Die Ausgestaltung der Mindestreserve im Bundesbankgesetz
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Der Vertreter der Bank deutscher Länder widersetzte sich in der Referentenbesprechung am 19. Oktober 1950 diesem Vorschlag mit dem Argument, daß dann die Girokonten bei den Landeszentralbanken aufgelöst würden, um der Mindestreserve zu entgehen. In der Referentenbesprechung kam man nach intensiver Erörterung zu dem Schluß: In Analogie zu den Erlassen von anderen öffentlichen Stellen mit Verbindlichkeit für Dritte erfolgt durch die Festlegung der Mindestreservesätze durch die Bundesbank kein Verstoß gegen das Grundgese~7• Allerdings muß diese Besprechung am 19. Oktober 1950 nicht zur Zufriedenheit der teilnehmenden Vertreter der Bank deutscher Länder verlaufen sein, denn durch einen "ausführlichen Vermerk" unterrichtet wandte sich Pfleiderer268 an Bundeswirtschaftsminister Erhard. Unter anderem betonte er: "Ich brauche Ihnen keinen Vortrag darüber zu halten, ein wie wichtiges, ja unerlässliches [!] Mittel der kreditpolitischen Steuerung die Mindestreserven sind. Dass [!] sie von den Geschäftsbanken als ausgesprochen unangenehm empfunden werden und dass [!] auch die Publizistik sich im allgemeinen nicht mit besonderer Liebe ihrer annimmt, ändert daran nichts."269 Am 14. November 1951 forderte die Sparkassenorganisation das Bundesfinanzministerium auf, die Mindestreserve in dem Entwurf des Bundesbankgesetzes vom 15. Oktober 1951 "zu streichen". Die Sparkassenorganisation ging grundsätzlich davon aus, daß der ursächliche Anlaß für die Einfügung der Mindestreserve in das Zentralbankinstrumentarium allgemein in einer Überbewertung der Kreditschöpfungsmöglichkeiten durch die Giralgeldentstehung zu sehen sei. Die explizite Begründung der Sparkassenorganisation für die Eliminierung der Mindestreserve aus dem Bundesbankgesetz wurde aus der kredit-und liquiditätspolitischen Funktion der Mindestreserve hergeleitet. 267 vgl.: HA Bd. 5789: Protokoll über die Referentenbesprechung betreffend das Bundesbankgesetz am 19. Oktober 1950; HA Bd. 359: Vermerk von Schelling (Dezernent der Rechtsund Währungsabteilung der Bank deutscher Länder) über eine Besprechung i~ Bundesfinanzministerium am 19. Oktober 1950; HA Bd. 358: Anlage 1 des Schreibens der Bank deutscher Länder an das Bundesfinanzministerium, Fassung des §9 (2) MindestreservePolitik im BBankG, bezugnehmend auf eine Besprechung vom 16. September 1950 268 Otto Pfleiderer, Präsident der Landeszentralbank Württemberg-Baden (1948-1952), Präsident der Landeszentralbank Baden-Württemberg (1953-1957) 269 HA Bd. 359: Schreiben des Präsidenten der Landeszentralbank von WürttembergBaden (Otto Pfleiderer) an den Bundeswirtschaftsminister vom 30. Oktober 1950, Betr.: Bundesnotenbankgesetz, insbesondere zur Frage der Mindestreserven
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D. Die Mindestreserve als Instrument der Zentralbank seit 1948
Als kreditpolitisches Instrument sei sie lediglich ein wettbewerbverzerrendes, ausschließlich auf restriktive Perioden der Geldpolitik anwendbares Instrument. Durch die Diskontpolitik der Bank deutscher Länder werde es zudem in seiner Wirkung eingeschränkt. Als weiteres Argument gegen die Mindestreserve wurde angeführt, daß hohe Mindestreservesätze eine Ausweitung statt eine Reduzierung des Kreditvolumens bewirke270•
Der liquiditätspolitischen Funktion des Instrumentes wurde mit dem Argument widersprochen, die Mindestreserve verursache wegen der "Strafzinserhebung" bei Unterschreitung des Mindestreserve-Solls einen Liquiditätsentzug. Das stehe in deutlichem Gegensatz zu einer liquiditätspolitischen Funktion. Diese Argumente waren für die Sparkassenorganisation die Grundlage für die Einschätzung, das Instrument Mindestreserve hätte sich nicht bewährt271• Bevor in der Bank deutscher Länder ein eigener Vorschlag für die Formulierung der Mindestreservevorschriften im künftigen Bundesbankgesetz entworfen wurde, setzte man sich mit den Argumenten der Sparkassenorganisation auseinander. Eine kreditpolitische Beeinträchtigung der Mindestreserve durch die Diskontpolitik wurde von den Vertretern der Bank deutscher Länder nicht gesehen. Durch Festsetzung könne die Rediskontmöglichkeit begrenzt werden, falls Überschußreserven vorhanden seien. Die Sparkassenorganisation unterstellte, daß hohe Mindestreservesätze genau das Gegenteil der angestrebten Reduzierung des Kreditvolumens bewirken würden, weil die Kreditinstitute aus Rentabilitätsgründen gezwungen seien, das Kreditvolumen auszuweiten. Wolf wandte ein, daß mit der Mindestreserve gerade die von den Kreditinstituten kritisierte Rentabilitätsminderung ange270 vgl.: Deutsche Bundesbank - Historisches Archiv, HA Bd. 384 Unterlagen betr. Volbereitung des Bundesbankgesetzes 1952, HA Bd. 9985 Handakte Dr. Fögen. BundesbankGesetz 1949- 1955 und HA Bd. 410: Vorlage von Eduard Wolf (Mitglied des Direktoriums der Bank deutscher Länder) vom 20. Juni 1952 zur Behandlung der Mindestreserve-Frage im Bundesbankgesetz 271 vgl.: Deutsche Bundesbank - Historisches Archiv, HA Bd. 360 Unterlagen betr. Volbereitung des Bundesbankgesetzes 1951: Schreiben der Albeitsgemeinschaft Deutscher Sparkassen- und Girovclbände und Girozentralen an den Bundesfinanzminister vom 14. November 1951, Betr.: Entwurf des Bundesbankgesetzes vom 15. Oktober 1951
111. Die Ausgestaltung der Mindestresetve im Bundesbankgesetz .
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strebt werde272• Könneker273 hielt diese Argumentation von Wolf nicht für relevant. Es müsse vielmehr betont werden, daß mit einer Erhöhung der Mindestreservesätze die Ausdehnung des Kreditvolumens, die infolge einer Rentabilitätssteigerung möglich wird, eingeschränkt werde. Erst durch diese Veränderung des Mindestreservesatzes erfolge dann ein durchaus beabsichtigter Zinsanstie~74• Für die Beurteilung notwendiger kreditpolitischer Entscheidungen spiele die Mindestreserve nach Ansicht von Wolf und Könneker eine wichtige Rolle, weil sie einen ständigen Kontakt zwischen der Bundesbank und den Kreditinstituten gewährleiste. Wolf und Könneker sahen die liquiditätspolitische Funktion der Mindestreserve durch die durchschnittliche Verfügbarkeil der Mindestreserve erfüllt, über die auch der interne Zahlungsverkehr verrechnet wurde. Die Vorlagen für den Zentralbankrat widerlegten nach eigener Aussage die Argumente der Sparkassenorganisation. Die Frage, ob die Mindestreserve zum Instrumentarium der Bundesbank gehören solle, wurde in beiden Vorlagen eindeutig bejaht275• Dieser Meinung folgte auch der Zentralbankrat In der 126. Zentralbankrat-Sitzung am 13. und 14. August 1952 wurde die Mindestreserve als kreditpolitisches Instrument der Bundesbank einstimmig befürwortet276•
Am 22. August 1952 legte der Zentralbankrat dem Bundesfmanz272 vgl.: HA Bd. 384, HA Bd. 410 und HA Bd. 9985: Vorlage von Eduard Wolf vom 20. Juni 1952 zur Behandlung der Mindestreserve-Frage im Bundesbankgesetz 273 Wilhelm Könneker, Vizepräsident des Direktoriums der Bank deutscher Länder
274 vgl.: HA Bd. 384 und HA Bd. 9985: Stellungnahme von Könneker vom 23. Juni 1952, Die Mindestreserve im Bundesbankgesetz - zu dem Memorandum von Herrn Dr. Wolf in dieser Frage 275 vgl.: HA Bd. 384, HA Bd. 410 und HA Bd. 9985: Vorlage von Eduard Wolf vom 20. Juni 1952 zur Behandlung der Mindestresetve-Frage im Bundesbankgesetz. Mit dieser Stellungnahme war Vocke nicht einverstanden und wollte sie zunächst nicht weiterleiten (vgl.: HA Bd. 9985: Notiz von Wolf an Bemhard vom 20. Juni 1952). Die Stellungnahme wurde dennoch von Vocke, unter Ankündigung einer weiteren, als ZBR-Vorlage weitergereicht (vgl.: HA Bd. 410: Vorlage zur Behandlung der Mindestreservefrage im Bundesbankgesetz vom 1. Juli 1952). Diese Stellungnahme erfolgte durch Könneker (vgl.: HA Bd. 384 und HA Bd. 9985: Stellungnahme von Könneker vom 23. Juni 1952, Die Mindestresetve im Bundesbankgesetz zu dem Memorandum von Herrn Dr. Wolf in dieser Frage). 276 vgl.: Deutsche Bundesbank - Historisches Archiv, HA Bd. 59 ZBR Bank deutscher Länder. Protokolle. Orginale: Auszug aus dem Stenogramm der 126. LZB-Sitzung vom 13. und 14. August 1952, Ziffer 8: Mindestresetven 7 A. MUll«
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D. Die Mindestreserve als Instrument der Zentralbank seit 1948
ministerium einen eigenen Vorschlag zur Formulierung und Begründung der Mindestreserve im Bundesbankgesetz vor2n. Hier betonte der Zentralbankrat die Bedeutung, die er der Mindestreserve unter EffiZienzgesichtspunkten im Rahmen des geld- und kreditpolitischen Instrumentariums der zukünftigen Bundesbank beimaß278• Diesem Standpunkt folgte das Bundesfinanzministerium in seinem Entwurf, der Vorlage der Bundesregierung für den Bundestag wurde279• Der Regierungsentwurf wurde zusammen mit dem FDP-EntwurfSO an den Bundestagsausschuß für Geld und Kredit zur Beratung überwiesen281 • Die Mindestreserve als Instrument der Bundesbank wurde vom Ausschuß für Geld und Kredit in seiner 84. Sitzung am 11. Februar 1953 übereinstimmend wegen ihrer kredit- und währungspolitischen Bedeutun~2 beschlossen283. 2n Der Entwurf zum Bundesbankgesetz lag zwar bereits dem Bundestag vor, aber mit dem Hinweis, daß die Bundesbank eine Formulierung und Begründung nachreichen werde (vgl.: HA Bd. 59: Protokoll der 126. ZBR-Sitzung vom 13. und 14. August 1952, Betr.: Bundesbankgesetz). 278 vgl.: HA Bd. 3642: und HA Bd. 381: Vorschlag des Zentralbankrats der Bank deutscher Länder für eine andere Fassung des § 11, bezogen auf den Entwurf des Bundesfinanzministeriums vom 22. August 1952; Deutsche Bundesbank - Historisches Archiv, HA Bd. 383 Unterlagen betr. Vorbereitung des Bundesbankgesetzes 1952: Begründung zu§ 11 des Bundesbankgesetzes von Willi Schmidt (Volkswirtschaftliches Referat beim Zentralbankrat der Bank deutscher Länder) vom 26. August 1952; siehe auch Anlage 5: Deutsche Bundesbank- Historisches Archiv, HA Bd. 381 Unterlagen betr. Vorbereitung des Bundesbankgesetzes 1952 und HA Bd. 3642 Bundesbank-Gesetz 1952 - 1953: Betr.: Entwurf eines Gesetzes über die Währungs- und Notenbank des Bundes in der vom Bundesfinanzministerium vorgelegten Fassung vom 22. August 1952 279 siehe Anlage 8: Entwurf eines Gesetzes über die Währungs- und Notenbank des Bundes (Bundesbankgesetz) vom 22. Januar 1953, Deutscher Bundestag 1. Wahlperiode 1949, Drucksache Nr. 4020 280 Laut Begründung des FDP-Entwurfes wurde die Mindestreserve nicht grundsätzlich, sondern lediglich die Art ihrer Ausgestaltung in Frage gestellt (siehe Anlage 7: Begründung zu dem von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurf eines Gesetzes über die Deutsche Bundesbank (Drucksache Nr. 3929), Deutscher Bundestag, 249. Sitzung, 4. Februar 1953, Anlage zum Stenographischen Bericht der 249. Sitzung). 281 siehe S. 88
282 vgl.: HA Bd. 386 und HA Bd. 5010: Übersicht über die bisher vom Bundestapausschuss [!] Geld und Kredit behandelten Bestimmungen des Bundesbankgesetzes, Stand: 13. Män 1953; HA Bd. 5010: Entwurf eines zusammenfassenden Berichts des Ausschusses für Geld und Kredit des Deutschen Bundestags betr. seine Beratungen über das Bundesbankgesetz der Rechts- und Währunpabteilung der Bank deutscher Länder vom 9. Juni1953 283 vgl.: HA Bd. 385: Kurzprotokoll der 84. Sitzung des Bundestapausschusses für Geld und Kredit vom 11. Februar 1953
111. Die Ausgestaltung der Mindestreserve im Bundesbankgesetz
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Bezüglich der Ausgestaltung der Mindestreserve hatte der Ausschuß in einigen Punkten Übereinstimmung erzielt. Die Erfüllung der Mindestreservepflicht sollte im Monatsdurchschnitt erfolgen. Bei Unterschreitung des Mindestreserve-Solls sollte die Bundesbank die Möglichkeit haben, einen Sonderzins von 3 v. H. über dem jeweiligen Lombardsatz zu erheben284• Außerdem sollten Postsparkassen und Postscheckämter "wie bisher" der Mindestreserve unterliegen285• Die Mindestreserve wurde als Instrument im Rahmen der Bundesbankgesetzgebung nie ernsthaft in Frage gestellt. Die Gegenargumente der Spar· kassenorganisation konnten von der Bank deutscher Länder als unhaltbar dargestellt werden. Während die grundsätzliche Existenz der Mindestreserve und die dargestellten Punkte bezüglich der Ausgestaltung im Zentralbankinstrumentarium relativ kurzfristig entschieden werden konnten, war die grundsätzliche Ausgestaltung des Instrumentes heftig umstritten. b) Die Frage einer Verzinsung der Mindestreserve Während die beteiligten Bundesministerien einer Verzinsung nicht ablehnend gegenüberstanden, betonte die Bank deutscher Länder stets die Unverzinslichkeit der Mindestreserve. Das Bundeswirtschaftsministerium kritisierte die Nichtverzinsung und schlug für die Mindestreserve eine mäßige Verzinsung vor, beispielsweise zum Tagesgeldsat~. Im Bundeswirtschaftsministerium vertrat man die Auffassung, daß für eine Verzinsung beispielsweise von 1 v. H. mehrere Gründe sprächen. Explizit angeführt wurde die Rentabilitätsbelastung der Kreditinstitute durch die Mindestreservehaltung. Sie könne durch eine mäßige Verzinsung gemindert werden. Diese Haltung wurde vom Bundesjustizministerium287 und vom Bundesfinanzministerium unterstützt. Damit 284 vgl.: HA Bd. 3647: Vermerk von Döll vom 14. Dezember 1955 zu einer Besprechung zur Mindestrcsetvepflicht der Kreditinstitute am 13. Dezember 1955 285 vgl.: HA Bd. 5010: Entwurf eines zusammenfassenden Berichts des Ausschusses für Geld und Kredit des Deutschen Bundestags betr. seine Beratungen über das Bundesbankgesetz der Rechts- und Währungsabteilung der Bank deutscher Länder vom 9. Juni 1953 286 vgl.: HA Bd. 358 und HA Bd. 5789: Entwurf eines Gesetzes über die Währungs- und Notenbank des Bundes (Bundesbankgesetz) vom 5. September 1950
287 vgl.: HA Bd. 358 und HA Bd. 5789: Schreiben des Bundesjustizministen; an den Bundesfinanzminister vom 5. Oktober 1950; HA Bd. 359: Stellungnahme von Bundesjustizminister Dehler vom 16. Oktober 1950, Betr.: Bundesnotenbank 7•
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D. Die MindestreserYe als Instrument der Zentralbank seit 1948
bezog das Finanzministerium eine Position, die im Gegensatz zu seinem Entwurf vom 5. September 1950 stand. In diesem Entwurf waren die Einlagen auf Girokonten der Bundesbank unverzinslich. Zu den Möglichkeiten einer Verzinsung kündigte das Bundeswirtschaftsministerium ein gesondertes Gutachten an288• In diesem Gutachten wurde zu der Frage der Verzinsung zunächst festgestellt, daß Unverzinslichkeit kein "Begriffsmerkmal" eines Girokontos bei der Zentralbank sei. Die weiteren Argumente, die in diesem Gutachten für eine Verzinsung angeführt wurden, waren explizit auf die Konstellation der monetären Märkte in der Bundesrepublik Deutschland zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Gutachtens bezogen289• Aufgrund der guten Rentabilitätslage der Landeszentralbanken erscheine es durchaus zumutbar, die Mindestreserveeinlagen der Kreditinstitute zu verzinsen. Den Rentabilitätsaspekten der Kreditinstitute gegen die Mindestreserve könne somit begegnet werden. Die geld- und kreditpolitischen Entscheidungen der Bundesbank würden laut dem Gutachten nicht durch eine Verzinsung beeinträchtigt. Die Verzinsung hätte auf die Höhe des Mindestreservesatzes keinen Einfluß. Zu überlegen sei, ob aus dem Ertrag der Verzinsung bei den Kreditinstituten nicht ein "Delkredere-Fonds" angesammelt werden könne290. Die Vertreter der Bank deutscher Länder legten gegen die gesetzliche 288 vgl.: HA Bd. 358 und HA Bd. 5789: Schreiben des Bundeswirtschaftsministers an den Bundesfinanzminister vom 12. Oktober 1950, Betr.: Bundesnotenbank-Gesetzentwurf; HA Bd. 358 und HA Bd. 5789: Anlage des Schreibens des Bundeswirtschaftsministers an den Bundesfinanzminister vom 12. Oktober 1950, Gutachten des Bundeswirtschaftsministeriums vom 12. Oktober 1950: Sollen die bisher unverzinslichen Mindestresetven künftig mit einem mäßigen Zinssatz verzinst werden? 289 Infolge der Koreakrise hatte die Bank deutscher Länder im September 1950 restriktive geld- und kreditpolitische Maßnahmen eingeleitet. Der Mindestreservesatz war mit Wirkung zum 1. Oktober 1950 deutlich erhöht worden. Im Verhältnis zum Stand September 1949 wurde die Mindestresetve für Sichteinlagen an Bankenplätzen um 50 v. H. und für Termineinlagen um 100 v. H. erhöht. Der Mindestreservesatz für Spareinlagen blieb konstant (vgl.: Monatsberichte der Bank deutscher Länder, Heft 9, 1. Jg., 1949, S. 44; Monatsberichte der Bank deutscher Länder, Heft 2, 2. Jg., 1950, S. 6). Vor dem Hintergrund der deutlichen Mindestreservesatzvariation befürchteten die Kreditinstitute Rentabilitätseinbußen (vgl.: Deutsche Bundesbank- Historisches Archiv, HA Bd. 405 Handakte Vocke. Materialien zu ZBR-Sitzungen und HA Bd. 3182: Schreiben der Arbeitsgemeinschaft der Verbände des privaten Bankgewerbes an Vocke vom 6. November 1950). Zudem muß berücksichtigt werden, daß die Eigenkapitalquote der Kreditinstitute infolge der Währungsreform im allgemeinen Urteil als noch immer zu niedrig bewertet wurde. 290 vgt.: HA Bd. 358 und HA Bd. 5789: Gutachten des Bundeswirtschaftsministeriums vom 12. Oktober 1950: Sollen die bisher unverzinslichen MindestreserYen künftig mit einem mäßigen Zinssatz verzinst werden?
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Festschreibung einer Verzinsung der Mindestreserve grundsätzlich Widerspruch ein291• Intern wurden in der Bank deutscher Länder von Irmler Überlegungen zu der Frage nach einer Verzinsung von Mindestreserveguthaben angestellt. Er kam zu dem Schluß, daß die Mindestreserveguthaben nicht verzinst werden sollten. Sowohl bei Zugrundetegong des Gesetzes über die Landeszentralbanken als auch des Gesetzes über die Bank deutscher Länder war die Mindestreserve unverzinslich. Zentralbankgeld und die Guthaben auf dem Girokonto bei der Bundesbank hätten den gleichen Liquiditätswert Da aber Zentralbankgeld unverzinslich war, stand es für Irmler außer Frage, daß dies auch für die Mindestreserve auf den Girokonten zutreffe. Außerdem betonte Irmler, daß die Haltung der Mindestreserve für die Kreditinstitute keinen Zinsertrag erbringen solle. Im Gegenteil, bei einer Mindestreserveerhöhung müsse eine gewisse Rentabilitätsminderung bei den Kreditinstituten bewirkt werden, um das Zinsniveau zu beeinflussen. Zudem werde bei der Diskussion um die Verzinsung nicht berücksichtigt, daß ein Teil der lediglich im Monatsdurchschnitt zu unterhaltenden Giroeinlagen auf dem Zentralbankkonto zur Abwicklung des täglichen Zahlungsverkehrs eingesetzt werde. Die Bank deutscher Länder halte die Mindestreserveguthaben auch nicht, um ihre eigenen Liquiditätsdispositionen zu verbessern. Sie sei selber eine Liquiditätsquelle und müsse deshalb ihre Instrumente nicht aus Rentabilitätsgründen einsetzen. Irmler stellte weiterhin fest, daß eine Verzinsung den an die öffentlichen Haushalte abzuführenden Bundesbankgewinn schmälern werde. Dies bedeute, daß die Kosten der Verzinsung letztlich von den öffentlichen Haushalten zu tragen seien. Er erkannte aber an, daß die Wirkungsweise der Mindestreserve durch eine Verzinsung nicht berührt werde292• Das Argument einer niedrigen Eigenkapitalquote der Kreditinstitute als Rechtfertigungsgrund für eine Verzinsung ließ Irmler nicht gelten. Es müsse 291 vgl.: HA Bd. 5789: Vermerk von Henckel vom 14. September 1950, Bctr.: Bundesnotenbankgesetz (BFM-Entwurf [!) vom S. September 1950); HA Bd. 358: Anlage 1 des Schreibens der Bank deutscher Länder an das Bundesfinanzministerium, Fassung des § 9 (2) MindestresciVC-Politik im Bundcsbankgcsctz, bezugnehmend auf eine Besprechung vom 16. September 1950 292 vgl.: HA Bd. 5789: Vermerk von Irmler über Einzelfragen der MindestrcscM:haltung vom 17. Oktober 1950
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D. Die Mindestreserve als lnstNment der Zentralbank seit 1948
vielmehr beachtet werden, daß bei der Erstausstattung der Kreditinstitute im Rahmen der Währungsreform auch die Mindestreservepflicht berücksichtigt wurde293• Irmler merkte weiterhin an, daß die Kreditinstitute die Mindestreserve als Kalkulationsfaktor in der Kostenrechnung antizipieren294 würden. Gegen eine Verzinsung der Mindestreserve sah man innerhalb der Bank deutscher Länder noch weitere Gründe. Aus dem Vermerk von Schmidt295 anläßlich einer Erhöhung der Mindestreservesätze kann ersehen werden, daß die Bank deutscher Länder die kreditpolitische Steuerungsfunktion der Mindestreserve durch eine Verzinsung oder Anlage in zinstragenden Wertpapieren aus dem Bestand des Zentralbanksystems nicht beeinträchtigt sah. Aber sie sah keine Kriterien, anband deren eine Verzinsung möglich sei, ohne daß damit erhebliche Komplikationen verbunden seien296• Im Rahmen der Referentenbesprechung am 19. Oktober 1950 zum Entwurf des Bundesfmanzministeriums vom 13. Oktober 1950 wurden die unterschiedlichen Positionen erläutert. Man kann davon ausgehen, daß die Bank deutscher Länder bei dieser Referentenbesprechung auch ihre aus den internen Vermerken ersichtliche Position vertrat.
Als Ergebnis der Besprechung wurde festgestellt, daß durch eine Verzinsung die kreditpolitische Funktion der Mindestreserve nicht beeinträchtigt werde. Daher wurde die Verzinsung der Mindestreserve zum Tagesgeldsatz vorgeschlagen, trotz des Einspruchs der Vertreter der Bank deutscher Länder. Das Ergebnis wurde damit begründet, daß den Kreditinstituten eine Beeinträchtigung ihrer Ertragslage aus geldpolitischen Motiven nicht zuzumuten sei297• Aufgrund dieser Besprechung äußerte Pfleiderer in dem bereits ange-
293 vgl.: Pfleiderer, Otto, (1948), S. 59
294 vgl.: HA Bd. 5789: Vermerk von lrmler über Einzelfragen der Mindestreservehaltung vom 17. Oktober 1950 295 Willi Schmidt, Volkswirtschaftliches Referat beim Zentralbankrat der Bank deutscher Länder 296 vgl.: HA Bd. 3182: Vermerk von Willi Schmidt an Karl Bcmhard vom 13. November 1950 zur Einpbc der Albeitsgemeinschaft der Verbände des privaten Bankgewerbes vom 6. November 1950 297 vgl.: HA Bd. 5789: Protokoll über die Referentenbesprechung betreffend das BBankG am 19. Oktober 1950
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führten Schreiben an Erhard298 gegen eine Verzinsung zum Tagesgeldsatz "erhebliche Bedenken". Pfleiderer sah keine Möglichkeit, wie das durchschnittliche Mindestreserve-Soll mit einem variablen Zins belegt werden könne. Guthaben bei der Zentralbank stellen Liquidität "ersten Grades" dar. Eine Verzinsung sei aus diesem Grund ein Widerspruch. Er verwies darauf, daß weder in dem Mindestreservesystem der USA noch bei der gesetzlichen Ausgestaltung im Kreditwesengesetz eine Verzinsung der Mindestreserve auf Girokonten der Zentralbank gewährt werde. Abschließend äußerte Pfleiderer grundsätzliche Bedenken dagegen, daß in einem Zentralbankgesetz Zinsbestimmungen enthalten sein sollten299• Im Vorfeld des Gesetzentwurfs des Zentralbankrats vom 22. August 1952 erstellten Wolf und Könneker Vorlagen300. Hinsichtlich der Verzinsung der Mindestreserve vertraten sie weitgehend einheitliche Positionen. Für Wolf war die Anlagemöglichkeit in Wertpapieren bei hohen Mindestreservesätzen eine Möglichkeit, um eine teilweise Verzinsung zu bieten, falls man die Ertragslage der Kreditinstitute nicht beeinträchtigen wolle. Diese Maßnahme erschien ihm aber nicht angebracht. Denn die in Frage kommenden Wertpapiere konnten nur staatliche Emissionen sein. Die Mindestreserve werde damit indirekt zur Staatsfmanzierung herangezogen301• Die Unverzinslichkeit wurde in den Zentralbankratsvorlagen von Wolf und Könneker auch mit dem Hinweis auf die Festlegung von gesetzlichen Höchstgrenzen für die Mindestreserve begründet. Ein im Rahmen dieser Grenzen angewandter Mindestreservesatz könne keine unzumutbare Belastung für die Kreditinstitute darstellen302. Die Anwendung der Höchst-
298 siehe S. 95 299 vgl.: HA Bd. 359: Schreiben des Präsidenten der LZB von Württembcrg-Baden (Otto Pfleiderer) an den Bundeswirtschaftsminister vom 30. Oktober 1950, Bctr.: Bundcsnotenbankgesetz, insbesondere zur Frage der Mindestreserven 300 vgl.: HA Bd. 384, HA Bd. 410 und HA Bd. 9985: Vorlage von Eduard Wolf vom 20. Juni 1952 zur Behandlung der Mindestreserve-Frage im Bundesbankgesetz; HA Bd. 384 urid HA Bd. 9985: Stellungnahme von Könneker vom 23. Juni 1952, Die Mindestreserve im Bundesbankgesetz- zu dem Memorandum von Herrn Dr. Wolf in dieser Frage 301 vgl.: HA Bd. 384, HA Bd. 410 und HA Bd. 9985: Vorlage von Eduard Wolf vom 20. Juni 1952 zur Behandlung der Mindestreserve-Frage im Bundesbankgesetz 302 vgl.: HA Bd. 384, HA Bd. 410 und HA Bd. 9985: Vorlage von Eduard Wolf vom 20. Juni 1952 zur Behandlung der Mindestreserve-Frage im Bundesbankgesetz; HA Bd. 384 und HA Bd. 9985: Stellungnahme von Könneker vom 23. Juni 1952, Die Mindestreserve im Bundesbankgesetz- zu dem Memorandum von Herrn Dr. Wolf in dieser Frage
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D. Die Mindestreserve als Instrument der Zentralbank seit 1948
sätze sei bereits als Ausnahme für eine besonders angespannte Situation des Geldmarktes anzusehen303• Die in den Vorlagen vertretenen Positionen zu Fragen einer Mindestreserveverzinsung wurden auch vom Zentralbankrat geteilt. Bei seiner Sitzung am 13. und 14. August 1952 stellte der Zentralbankrat einstimmig
fest, daß weder eine Verzinsung noch eine Anlage in Wertpapieren für die Mindestreserve in Frage komme304• Dieser Standpunkt kam auch in der
Begründung zu § 11 des Entwurfs der Bank deutscher Länder zum Bundesbankgesetz zum Ausdruck305• Die Argumente aus den internen Vermerken sind in der Begründung aber nur ansatzweise enthalten306• Die Forderung der Bank deutsche Länder nach Unverzinslichkeit der Mindestreserve wurde vom Ausschuß für Geld und Kredit schließlich übernommen307. Es kann somit davon ausgegangen werden, daß die Argumente der Vertreter der Bank deutscher Länder im Ausschuß überzeugten. Dementsprechend sah der Zentralbankeat-Entwurf zur Mindestreserve, der
303 vgt.: HA Bd. 384 und HA Bd. 9985: Stellungnahme von Könneker vom 23. Juni 1952, Die Mindestreserve im Bundesbankgesetz - zu dem Memorandum von Herrn Dr. Wolf i11. dieser Frage 304 vgl.: HA Bd. 59: Auszug aus dem Stenogramm der 126. LZB-Sitzung vom 13. und 14. August 1952, Ziffer 8: Mindestreserven; HA Bd. 59: Protokoll der 126. LZB-Sitzung vom 13. und 14. August 1952, Betr.: BBankG 305 siehe Anlage 5: Deutsche Bundesbank - Historisches Archiv, HA Bd. 381 Unterlagen betr. Vorbereitung des Bundesbankgesetzes 1952 und HA Bd. 3642 Bundesbank-Gesetz 19521953: Betr.: Entwurf eines Gesetzes über die Währungs- und Notenbank des Bundes in der vom Bundesfinanzministerium vorgelegten Fassung vom 22. August 1952; Deutsche Bundesbank- Historisches Archiv, HA Bd. 383Unterlagen betr. Vorbereitung des Bundesbankgesetzes 1952: Begründung zu §11 des BBankG von Willi Schmidt vom 26. August 1952; HA Bd. 385: Materialien von Willi Schmidt vom 3. Februar 1953 zum Thema Bundesnotenbankgesetz 306 siehe Anlage 5: Deutsche Bundesbank - Historisches Archiv, HA Bd. 381 Unterlagen betr. Vorbereitung des Bundesbankgesetzes 1952 und HA Bd. 3642 Bundesbank-Gesetz 19521953: Betr.: Entwurf eines Gesetzes über die Währungs- und Notenbank des Bundes in der vom Bundesfinanzministerium vorgelegten Fassung vom 22. August 1952 307 vgl.: HA Bd. 385, HA Bd. 386 und HA Bd. 5010: Kurzprotokoll und Kurzvermerk über die 85. Sitzung des Ausschusses für Geld und Kredit am 27. Februar 1953; HA Bd. 385, HA Bd. 386 und HA Bd. 5010: Vermerk von Schelling vom 28. Februar 1953 zu den Verhandlungen über das BBankG im Bundesta~usschuß für Geld und Kredit vom 27. Februar 1953; HA Bd. 386 und HA Bd. 5010: Ubersicht über die bisher vom Bundestagsausschuss für Geld und Kredit behandelten Bestimmungen des Bundesbankgesetzes, Stand: 13. März 1953; HA Bd. 5010: Entwurf eines zusammenfassenden Berichts des Ausschusses für Geld und Kredit des Deutschen Bundestags betr. seine Beratungen über das Bundesbankgesetz der Rechts- und Währungsabteilung der Bank deutscher Länder vom 9. Juni1953
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die Grundlage für § 11 des Regierungsentwurfs vom 22. Januar 1953 w~, für die Mindestreserve keine Verzinsung vor. In der nächsten Legislaturperiode kam es auf ausdrücklichen Wunsch Erhards am 14. August 1955 zu einer Aussprache der Bank deutscher Länder mit den Spitzenorganisationen der Kreditwirtschaft Der Grund für die Aussprache ergab sich aus der Notwendigkeit, die vom Bundeswirtschaftsminister gestellten Fragen vom 29.Juni 1954 zu beantworten309• Die Bank deutscher Länder betonte bei der Besprechung, daß die Unverzinslichkeit der Mindestreserve bereits entschieden sei und somit nicht mehr über diesen Punkt debattiert werden müsse. Der Bundesverband des privaten Bankgewerbes kritisierte trotzdem die Zinslosigkeit der Mindestreserve. Den Grund für diese Kritik sah er insbesondere vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Struktur der einzelnen Kreditinstitute gegeben. Der Behauptung, eine Anlage in Wertpapieren führe zu einer indirekten Staatsfmanzierung, hielt der Verband entgegen, daß die Bank deutscher Länder bestimme, welcher Teil als Anlage zur Verfügung stehen könne310• Die Vertreter der Bank deutscher Länder vertraten im Rahmen der Aussprache die Ansicht, daß eine Anlage auf dem Geldmarkt die kreditund liquiditätspolitische Wirkung der Mindestreserve untergraben würde, weil diese Anlagen die Effizienz der Mindestreserve beeinträchtigen. Im Rahmen der Aussprache betonten die Vertreter der Bank deutscher Länder noch einmal, daß eine Verzinsung der Mindestreserve zu Lasten der öffentlichen Haushalte gehe311 • Obwohl von Seiten der Bank deutscher Länder immer wieder betont wurde, die Frage der Unverzinslichkeit der Mindestreserve sei bereits ent308 siehe Anlage 8: Entwurf eines Gesetzes über die Währunp- und Notenbank des Bundes (Bundesbankgesetz) vom 22. Januar 1953, Deutscher Bundestag 1. Wahlperiode 1949, Drucksache Nr. 4020; siehe Anlage 5: Deutsche Bundesbank - Historisches Archiv, HA Bd. 381 Unterlagen betr. Vorbereitung des Bundesbankgesetzes 1952 und HA Bel. 3642 Bundesbank-Gesetz 1952 - 1953: Betr.: Entwurf eines Gesetzes über die Währunp- und Notenbank des Bundes in der vom Bundesfinanzministerium vorgelegten Fassung vom 22. August 1952 309 siehe S. 89 310 vgl.: HA Bd. 2016: Schreiben des Bundesverbandes des privaten Bankgewerbes vom 3. Mai 1955 an Wilhelm Vocke, Betr.: Mindestreserven im künftigen BBankG 311 vgl.: HA Bd. 387 und HA Bel. 3647: Protokoll und Begleitbrief über die Sitzung der Bank deutscher Länder vom 14. April1955, Betr.: Vorbereitung des Bundesbankgesetzes
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D. Die Mindestreserve als Instrument der Zentralbank seit 1948
schieden, wurde sie intern durch Vocke weiter verfolgt. Die Haltung der Bank deutscher Länder bezüglich der Unverzinslichkeit der Mindestreserve wurde von dem Präsidenten der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), Jacobssen, unterstützt, wie aus der Korrespondenz mit Vocke ersichtlich wird312• Im Zuge der weiteren Diskussionen zum Bundesbankgesetz wurde der Standpunkt der Bank deutscher Länder bestätigt. Bis zur Verabschiedung des Bundesbankgesetzes wurde die Unverzinslichkeit der Mindestreserve nicht mehr ernsthaft in Frage gestellt313• Ausschlaggebend für die Festlegung der Unverzinslichkeit im Bundesbankgesetz dürften somit die Argumente der Vertreter der Bank deutscher Länder gewesen sein. Offensichtlich nur in internen Erörterungen bei der Bank deutscher Länder war festgestellt worden, daß eine Verzinsung die Funktion der Mindestreserve nicht beeinträchtige und die mit der Unverzinslichkeit der Mindestreserve verbundene Rentabilitätseinbuße der Kreditinstitute durchaus beabsichtigt sei. Im Verlauf der Gesetzgebung hat die Bank deutscher Länder aber wahrscheinlich mit anderen Argumenten Einfluß auf die Frage der Verzinsung der Mindestreserve genommen. Angeführt wurde das Argument, daß bereits die Höchstsätze für die Bemessungsgrundlage verhindern, daß die Rentabilität der Kreditinstitute durch die Mindestreserve zu stark belastet werde. Explizit erläutert wurde die Problematik der Berechnung eines Zinses für die Mindestreservehaltung. Präjudizierend dürfte aber der Hinweis auf den Grundsatz gewesen sein, daß die Bundesbankpolitik nicht durch Rentabilitätsaspekte bestimmt werden solle. Letztendlich hätten die öffentlichen Haushalte die Zinslast zu tragen. c) Die direkte oder indirekte Haltung der Mindestreserve Bei der Problematik der direkten oder indirekten Haltung der Mindestreserve ist aus den Unterlagen keine durchgängige Argumentation der ein312 vgt.: HA Bd. 2028 und HA Bd. 387: Korrespondenz zwischen Wilhelm Vocke und Per Jacobssen (BIZ) vom 12. Mai 19SS bezüglich des BBankG; HA Bd. 387 und HA Bd. 2028: Korrespondenz zwischen Wilhelm Vocke und Per Jacobssen (BIZ) vom 28. Juni 19SS bezüglich des BBankG 313 vgt.: HA Bd. 387 und HA Bd. 3647: Protokoll und Begleitbrief über die Sitzung der Bank deutscher Länder vom 14. Apri119SS, Betr.: Vorbereitung des Bundesbankgesetzes
111. Die Ausgestaltung der Mindestreserve im Bundesbankgesetz
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zeinen Diskussionsteilnehmer zu erkennen. Das trifft auch auf die Vertreter der Bank deutscher Länder zu. Zwar hat der Zentralbankrat sich in der Diskussion um das Bundesbankgesetz immer für eine direkte Haltung der Mindestreserve ausgesprochen, aber aus unterschiedlichen Motiven. Während der Zentralbankrat zunächst die Auffassung vertreten hatte, daß sich aus der Funktion des Instrumentes kein Grund gegen eine indirekte Haltung der Mindestreserve ergebe314, vertrat er im Laufe der Kontroverse zur Bundesbankgesetzgebung indifferente Standpunkte zur Begründung der Notwendigkeit einer direkten Mindestreservehaltung. Bei der Bank deutscher Länder war die Frage über die Art der Haltung der Mindestreserve zunächst implizit mit der Frage nach dem Filialsystem der Zentralbank verbunden. Nach ihrer Meinung war das Filialsystem der Zentralbank ohne die direkte Mindestreserve fragwürdig. Vor diesem Hintergrund wurde die Diskussion über die Mindestreserve im Bundesbankgesetz zunächst geführt315• Die Sparkassenorganisation insbesondere fühlte sich im Verhältnis zu den Großbanken mit Filialen durch die direkte Haltung der Mindestreserve schlechter gestellt. Die einzelne Großbankfiliale mußte keine direkte Mindestreserve unterhalten. Die Vertreter der Bank deutscher Länder vertraten die Ansicht, daß Sparkassen und Genossenschaften rechtlich selbständige Einrichtungen und in ihrem Geschäftsbereich ausschließlich auf ihren örtlichen oder regionalen Bereich beschränkt seien. Bei den Großbanken dagegen sei die einzelne Filiale nur Teil des gesamten Systems. Das Geschäft der Großbanken sei nicht regional begrenzt, und das ganze System hafte mit seinen gesamten Einlagen316• Die Mindestreservehaltung wurde dementsprechend gehandhabt. Während die Haltung seitens der Bank deutscher Länder in diesem Punkt einheitlich war, existierten zur Begründung einer direkten Haltung von Mindestreserven unterschiedliche Standpunkte. Die Ansichten bezüg314 Bei der Einführung der Mindestreserve 1948 preferierte der Zentralbankrat zunächst eine indirekte Haltung, siehe S. 69f. 315 Deutsche Bundesbank • Historisches Archiv, HA Bd. 382 Unterlagen betr. Vorbereitung des Bundesbankgesetzes 1952: Betr.: Mindestreserven auf Spareinlagen? und ebenda: Direkte oder indirekte Mindestreservehaltung? o. Datum (Anfang 1953), passim 316 vgl.: HA Bd. 384 und HA Bd. 9985: Stellungnahme von Könneker vom 23. Juni 1952, Die Mindestreserve im Bundesbankgesetz - zu dem Memorandum von Herrn Dr. Wolf in dieser Frage
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D. Die Mindestreserve als Instrument der Zentralbank seit 1948
lieh der direkten oder indirekten Haltung bei der Bank deutscher Länder sind anhand der beiden Vorlagen von Wolf und Könneker erkennbar. Wolf sah die Klärung dieser Frage abhängig von der Regelung des Zahlungsverkehrs im Bundesbankgese~17• Könneker bezog in seiner Antwort auf die Vorlage von Wolf eine klare Stellun~18• Für ihn waren dies eigenständige Probleme. Für die direkte Haltung der Mindestreserve sprachen nach Könneker ausschließlich kreditpolitische Motive. Die Girozentrale der Sparkassen, und bedingt auch die der Genossenschaftsbanken, hätten bei einer indirekten Haltung der Mindestreserve bei ihren Zentralkassen den alleinigen Überblick über die Entwicklung der ihnen angeschlossenen Institute. Damit erlangten sie zuviel Einfluß auf diese Institute und eine zu große Unabhängigkeit von der Politik der Zentralbank. Das Kontaktprinzip, das durch die direkte Haltung der Mindestreserve entstehen würde, gäbe der Bundesbank einen allgemeinen Einblick in die unterschiedliche regionale wirtschaftliche Entwicklung und einen speziellen Einblick in die Vorgänge im Bankensektor. Eine indirekte Haltung der Mindestreserve untergrabe daher das Instrument Mindestreserve. Bei den Spitzeninstituten falle infolge der Zentralisierung ein umfangreiches Zentralbankgeldguthaben an, das in keinem Verhältnis zu den Umsätzen bei der Zentralbank stehe. Aufgrund dieses Guthabens sah Könneker die Gefahr, daß die Spitzeninstitute zudem ständig die Verzinsung dieser Einlagen fordern würden. Bei der Diskussion der Vorlagen von Wolf und Könneker in der Zentralbankratsitzung am 13. und 14. August 1952 sprach sich Vocke explizit für die direkte Mindestreserve-Haltung aus, denn "diese gibt ... eine wirkliche Kontrolle über die Institute". Es wurde nachdrücklich darauf hingewiesen, daß für die ländlichen Kreditgenossenschaften wie bisher eine Ausnahmeregelung gelten solle319• Der Zentralbankrat beschloß einstimmig die unmittelbare Haltung der Mindestreserve auf Girokonten bei der Bundes-
317 vgl.: HA Bd. 384, HA Bd. 410 und HA Bd. 9985: Vorlage von Eduard Wolf vom 20. Juni 1952 zur Behandlung der Mindestreserve-Frage im Bundesbankgesetz 318 vgl.: HA Bd. 384 und HA Bd. 9985: Stellungnahme von Könneker vom 23. Juni 1952, Die Mindestreserve im Bundesbankgesetz - zu dem Memorandum von Herrn Dr. Wolf in dieser Frage 319 HA Bd. 59: Auszug aus dem Stenogramm der 126. LZB-Sitzung vom 13. und 14. August 1952, Ziffer 8: Mindestreserven
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bank mit einer Sonderregelung für die ländlichen Kreditgenossenschaften320. In der Begründung zu dem Zentralbankral-Entwurf vom 22. August 1952 wies der Zentralbankrat darauf hin, daß er "... rein theoretisch ..." infolge des quantitativ gleichen kreditpolitischen Effektes keine Einwände gegen die indirekte Mindestreserve-Haltung habe321. Aber das Kontaktprinzip mache eine direkte Haltung der Mindestreserve notwendig. Die Mindestreserve bilde ein direktes Bindeglied zu den einzelnen Kreditinstituten322.
In dem FDP-Entwurf vom 4. Dezember 1952 wurde die direkte oder indirekte Haltung in das Ermessen der Bundesbank gesteUt323. Der Regierungsentwurf vom 22. Januar 1953 präferierte allein die direkte Haltung und begründete dies mit der kreditpolitischen Funktion der Mindestreserve324. Der Bundesrat konstruierte einen Kompromiß. Er ließ
320 vgl.: HA Bd. 381 und HA Bd. 3642: Vorschlag des Zentralbankntes der Bank deutscher Länder für eine andere Fassung des §11, bezogen auf den Entwurf des Bundesfinanzministeriums vom 22. August 1952; siehe Anlage 5: Deutsche Bundesbank Historisches Archiv, HA Bd. 381 Unterlagen betr. Vorbereitung des Bundesbankgesetzes 1952 und HA Bd. 3642 Bundesbank-Gesetz 1952 - 1953: Betr.: Entwurf eines Gesetzes über die Währungs- und Notenbank des Bundes in der vom Bundesfinanzministerium vorgelegten Fassung vom 22. August 1952; HA Bd. 381: Schreiben von Bemard an den Bundesfinanzminister und an den Bundeswirtschaftsminister zu dem Vorschlag des Zentralbanknts zur Neufassung von § 11 Mindestreserve; HA Bd. 59: Protokoll der 126. LZBSitzung vom 13. und 14. August 1952, Betr.: BBankG
321 siehe Anlage 5: Deutsche Bundesbank - Historisches Archiv, HA Bd. 381 Unterlagen betr. Vorbereitung des Bundesbankgesetzes 1952 und HA Bd 3642 Bundesbank-Gesetz 19521953: Betr.: Entwurf eines Gesetzes über die Währungs- und Notenbank des Bundes in der vom Bundesfinanzministerium vorgelegten Fassung vom 22. August 1952; HA Bd. 383: Begründung zu §11 des Bundesbankgesetzes von Willi Schmidt vom 26. August 1952 322 siehe Anlage 5: Deutsche Bundesbank - Historisches Archiv, HA Bd. 381 Unterlagen betr. Vorbereitung des Bundesbankgesetzes 1952 und HA Bd 3642 Bundesbank-Gesetz 19521953: Betr.: Entwurf eines Gesetzes über die Währungs- und Notenbank des Bundes in der vom Bundesfinanzministerium vorgelegten Fassung vom 22. August 1952; HA Bd. 383: Begründung zu §11 des BBankG von Willi Schmidt vom 26. August 1952; HA Bd. 385: Materialien von Willi Schmidt vom 3. Februar 1953 zum Thema Bundesnotenbankgesetz 323 siehe Anlage 6: Antrag der Fraktion der FDP, Entwurf eines Gesetzes über die Deutsche Bundesbank, Deutscher Bundestag 1. Wahlperiode 1949, Drucksache Nr. 3929; siehe Anlage 7: Begründung zu dem von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurf eines Gesetzes über die Deutsche Bundesbank (Drucksache Nr. 3929), Deutscher Bundestag. 249. Sitzung. 4. Februar 1953, Anlage zum Stenographischen Bericht der 249. Sitzune 324 siehe Anlage 8: Entwurf eines Gesetzes über die Währungs- und Notenbank des Bundes (Bundesbankgesetz) vom 22. Januar 1953, Deutscher Bundestag 1. Wahlperiode 1949, Drucksache Nr. 4020
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D. Die Mindestreserve als Instrument der Zentralbank seit 1948
wegen des Kapitalcharakters der Spareinlagen325 die indirekte Haltung zu. Die Bundesregierung stimmte der Änderung des Bundesrates zu326 und fand mit diesem Kompromiß die volle Unterstützung des Deutschen Genossenschaftsverbandes327. Im Ausschuß für Geld und Kredit des deutschen Bundestages erfolgte die weitere Diskussion zur Frage der Mindestreservehaltung. Nach Sitzungen des Ausschusses328 und nach Anhörung der Spitzenverbände der Kreditinstitute sowie des Deutschen Städte- und Landkreistages329 stellte der Ausschuß in seiner Sitzung am 19. und 20. Mai 1953 fest, daß bereits die grundsätzliche Entscheidung für die direkte Haltung der Mindestreserve getroffen sei. Welche Argumente diese Entscheidung herbeigeführt haben, wurde nicht erläutert. Die Formulierung des Zentralbankrat-Entwurfs vom 22. August 1952 wurde vom Ausschuß übernommen. Offen blieb die Frage der Ausnahmeregelungen330. Während die ländlichen Kreditgenossenschaften eindeutig zu klassifizieren waren, blieb es problematisch, Kriterien für andere Kreditinstitute aufzustellen, die ebenfalls unter die Ausnahmeregelung fallen könnten331.
325 siehe S. 114ff 326 siehe Anlage 8: Entwurf eines Gesetzes über die Währungs- und Notenbank des Bundes (Bundesbankgcsctz) vom 22. Januar 1953, Deutscher Bundestag 1. Wahlperiode 1949, Drucksache Nr. 4020
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vgl.: HA Bd. 385: Stellungnahme des Deutschen Genossenschaftsverbandes zum Entwurf des BBankG vom 26. Februar 1953
328 vgl.: HA Bd. 385, HA Bd. 386 und HA Bd. 5010: Vermerk vom 28. Februar 1953 von Schelling zu den Verhandlungen über das BBankG im Bundestagsausschuß für Geld und Kredit vom 27. Februar 1953; HA Bd. 5010: Entwurf eines zusammenfassenden Berichts des Bundestagsausschusses für Geld und Kredit des Deutschen Bundestags betr. seine Beratungen über das Bundesbankgesetz der Rechts- und Währungsabteilung der Bank deutscher Länder vom 9. Juni 1953; HA Bd. 5010: Vermerk von Schelling zur Sitzung des Bundestagsausschusses für Geld und Kredit vom 27. Februar 1953; HA Bd. 385, HA Bd. 386 und HA Bd. 5010: Kurzvermerk und Kurzprotokoll über die Sitzung des Bundestagsausschusses für Geld und Kredit vom 27. Februar 1953 329 vgl.: HA Bd. 385 und HA Bd. 5010: Kurzprotokoll der 87. Sitzung des Bundestagsausschussesfür Geld und Kredit vom 13. März 1953; HA Bd. 385 und HA Bd. 5010: Vermerk von Schelling zur 87. Sitzung des Bundestagsausschusses für Geld und Kledit vom 13. März 1953
330 vgl.: HA Bd. 385 und HA Bd. 5010: Kurzprotokoll der 90. Sitzung des Bundestagsausschusses für Geld und Kredit am 19. und 20. Mai 1953 331 vgl.: HA Bd. 385, HA Bd. 386 und HA Bd. 5010: bctr.: Bundesbankgcsctz. Verhandlungen im Bundestagsausschuß für Geld und Kredit. 90. Sitzung vom 19. und 20. Mai 1953, Vermerk von Schelling vom 21. Mai 1953
111. Die Ausgestaltung der Mindestrcsetve im Bundesbankgesetz
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Mit der Anfrage des Bundeswirtschaftsministers Erhard vom 29. Juni 1954 an die Bank deutscher Länder wurde die Diskussion in der neuen Legislaturperiode wieder aufgenommen332• Der Entwurf einer Stellungnahme zu diesen Fragen als Vorlage für die 186. Zentralbankratsitzung brachte keine grundsätzlich neuen Argumente zur Begründung einer direkten Mindestreservehaltun~33• Aber das argumentative Vorgehen der Bank deutscher Länder sollte einer anderen Strategie folgen. In der Frage des Filialsystems widersprach Schmidt der Argumentation des Zentralbankrats in dem Entwurf der Stellungnahme zu den Fragen Erhards. Seiner Meinung nach müsse zunächst die direkte Haltung von Mindestreserven zwingend begründet werden, bevor sie als Argumentation für ein Filialnetz der Zentralbank herangezogen werden könne. Das Argument, daß die durch die Mindestreservebestimmungen "geregelten Giroguthaben" das entscheidende Bindeglied zwischen den Zentralbankniederlassungen und den lokalen Kreditinstituten darstelle, "ist in dieser lapidaren Form geradezu falsch". Nicht die durch die Mindestreservebestimmungen gehaltenen Guthaben auf dem Girokonto der Bundesbank, sondern die aus zahlungstechnischen Gründen notwendigen Giroguthaben bildeten das Bindeglied zu den Kreditinstituten. Über sie werde der gesamte Geschäftsverkehr zwischen den lokalen und regionalen Instituten einerseits und den Zentralbankniederlassungen andererseits abgewickelt. Diese Guthaben seien auch vorhanden, wenn keine Bestimmungen über die Mindestreserve erlassen würden. Sie ließen sich nur mit der kreditpolitischen Notwendigkeit rechtfertigen334• Auch das Argument, daß der Bank deutscher Länder durch die direkte Haltung der Mindestreserve Einblick in die ökonomische Entwicklung gewährt werde, ließ
332 siehe S. 89 333 \ vgl.: HA Bd. 83 und HA Bd. 415: Stellungnahme der Bank deutscher Länder zu dem Schreiben des Bundeswirtschaftsministers vom 29. Juni 1954; HA Bd. 384 und HA Bd. 9985: Stellungnahme von Könneker vom 23. Juni 1952, Die MindestrcseJVC im Bundesbankgesetz zu dem Memorandum von Herrn Dr. Wolf in dieser Frage; Aus der Diskussion dieser Vorlage im Zentralbankrat geht heJVOr, daß Könneker der Verfasser der Vorlage war (vgl.: HA Bd. 83: Auszug aus dem Stenogramm der 186. ZBR-Sitzung zu Ziffer 4 der Tagesordnung: Vorbereitung des Bundesbankgesetzes, Bundesbankgesetz/Sonderfragen: a) Filialnetz und b) Direkte und indirekte MindestrcseJVChaltung). 334 HA Bd. 387: Randbemerkungen von Willi Schmidt vom 24. Januar 1955 zu der Vorlage des Direktoriums 591/55- Vorbereitung des Bundesbankgesetzes
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D. Die Mindestreserve als lnstNment der Zentralbank seit 1948
Schmidt nicht gelten, allerdings ohne weitere Begründun~35 . Nur dem Argument, daß die Zentralisierung der Mindestreserveguthaben bei den Zentralinstituten der Kreditinstitute einen ständigen Anspruch nach verzinslicher Anlage bedeute, konnte Schmidt als einzigem Punkt für die direkte Haltung der Mindestreserve zustimmen336• In der 186. Zentralbankratsitzung wurde die Entscheidung gefällt, das Filialsystem der Bundesbank mit der Struktur des Bankensystems in Deutschland zu begründen und die Notwendigkeit der Mindestreserve nicht an die Frage von Filialen der Zentralbank zu binden. Man wolle "rein sachlich die währungspolitischen Gründe in den Vordergrund stellen•337. Die endgültige Stellungnahme wollte sich der Zentralbankrat aber bis zu seiner Aussprache mit den Vertretern der Spitzenverbände des Kreditgewerbes vorbehalten, zu dem auch wunschgemäß Referenten des Bundesfmanz- und Bundeswirtschaftsministeriums eingeladen wurden338. Bei dieser Aussprache kritisierte insbesondere die Sparkassenorganisation die direkte Haltung von Mindestreserven erneut. Als Antwort wies Vocke darauf hin, daß gerade die Sparkassen bei dem bestehenden System der direkten Mindestreservehaltung eine erfreuliche Entwicklung genommen hatten. Er betonte, daß die geldpolitische Bedeutung der Mindestreserve nicht durch die Interessen einzelner gemindert werden dürfe. Diese Haltung fand die Zustimmung der Vertreter des Bundeswirtschaftsministeriums339. 335 Allerdings kann man seine Aussage in bezug auf die AusfühNngen zum Filialbankennetz als Begründung ansehen. Hier wies er darauf hin, daß die Entscheidunpfindung im Zentralbankrat bisher noch imJ!Ier anband der Fakten getroffen worden sind, die die volkswirtschaftliche und statistische Abteilung der Bank deutscher Länder ermittelten (vgl.: HA Bd. 387: Randbemerkungen von Willi Schmidt vom 24. Januar 1955 zu der Vorlage des Direktoriums 591/55- Vorbereitung des Bundesbankgesetzes). 336 vgt.: HA Bd. 387: Randbemerkungen von Willi Schmidt vom 24. Januar 19S5 zu der Vorlage des Direktoriums 591/55- Vorbereitung des Bundesbankgesetzes 337 HA Bd. 83: Auszug aus dem Stenogramm der 186. ZBR-Sitzung zu Ziffer 4 der Tagesordnung: Vorbereitung des Bundesbankgesetzes, Bundesbankgesetz/Sonderfragen: a) Filialnetz und b) Direkte und indirekte Mindestreservehaltung 338 VJ).: HA Bd. 83: Auszug aus dem Stenogramm der 186. ZBR-Sitzung zu Ziffer 4 der Tagesordnung: Vorbereitung des Bundesbankgesetzes, Bundesbankgesetz/Sonderfragen: a) Filialnetz und b) Direkte und indirekte Mindestreservehaltung; HA Bd. 387 und HA Bd. 3647: Protokoll und Begleitbrief über die Sitzung der Bank deutscher Länder vom 14. April 1955, Betr.: Vorbereitung des Bundesbankgesetzes 339 vgl.: HA Bd. 387 und HA Bd. 3647: Protokoll und Begleitbrief über die Sitzung der Bank deutscher Ländervom 14. Apri11955, Betr.: Vorbereitung des Bundesbankgesetzes
111. Die Ausgestaltung der Mindestreserve im Bundesbankgesetz
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Könneker betonte, daß aus der Liquiditätssicherungsfunktion der Mindestreserve heraus eine Anlage bei den Zentrallcassen nicht zweckmäßig erscheine340• Der Vertreter der Sparkassenorganistion wandte dagegen ein, daß diese bereit se~ sich der Kontrolle der Bundesbank zu unterwerfen, um eventuelle Kompensationen von Mindestreserven innerhalb der Organisation zu verhindern. Damit war für die Sparkassenorganisation das liquiditätspolitische Argument der Bank deutscher Länder widerlegt. Allgemein wurde von der Sparkassenorganisation auch weiterhin die kreditpolitische Notwendigkeit der direkten Mindestreservehaltung verneint. Explizite Gründe wurden nicht angefiibrt341• Es hat seitens der Ministerien Überlegungen gegeben, für die Sparkassenorganisation eine indirekte Haltung der Mindestreserve vorzusehen342• Der Regierungsentwurf vom 7. Januar 1956 berücksichtigte sie aber nicht. Dieser Entwurf entsprach im wesentlichen der späteren Gesetzgebung zur Mindestreserve im Bundesbankgesetz343• Ein wichtiges Entscheidungskriterium für die direkte Mindestreservehaltung im Bundesbankgesetz war das Kontaktprinzip. Man folgte hier der Argumentation Könnekers. Ein weiteres Kriterium war die Gleichbehandlung aller Kreditinstitute, dem Ausnahmeregelungen zwangsläufig widersprochen hätten. Ein besonderes Gewicht muß aber dem Argument zugewiesen werden, daß die Zentrallcassen der Kreditinstitute nicht zu hohe Zentralbankgeldbestände unterhalten sollten und den daraus erwachsenden Forderungen der Zentrallcassen nach Anlagemöglichkeiten. Die zwischen den Interessenvertretern der Kreditinstitute und den Vertretern der Bank deutscher Länder ausgetauschten kredit- und liquiditäspolitischen Gründe waren somit nicht bedeutsam für die gesetzliche Regelung, sondern ordnungspolitische Motive bestimmten die Entscheidung des Gesetzgebers. Die Vertreter der Bank deutscher Länder haben im Gesetzgebungsprozeß die direkte Haltung der Mindestreserve auf Girokonten bei der Bundesbank 340 Daraus kann auch geschlossen werden, daß die Stellungnahme Schmidts vom Zentralbankrat nur um den Punkt der kreditpolitischen Notwendigkeit ergänzt, nicht aber im Hinblick auf die anderen Argumente abgelehnt wurde. 341 vgl.: HA Bd. 387 und HA Bd. 3647: Protokoll und Begleitbrief über die Sitzung der Bank deutscher Ländervom 14. Aprill9SS, Betr.: Vorbereitung des Bundesbankgesetzes 342 vgl.: HA Bd. 3647: Vermerk von Wemer Döll zu einer Ressortbesprechung am 7. Februar 1956 343 siehe S. 90 I A. MUll«
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D. Die Mindestreserve als Instrument der Zentralbank seit 1948
durchgesetzt. Welches der sich widersprechenden Argumente aus den Reihen der Vertreter der Bank deutscher Länder den Gesetzgeber überzeugte, ist aus den vorhandenen Materialien nicht ersichtlich. d) Die Einbeziehung der Spareinlagen in die Bemessungsgrundlage der Mindestreserve Durchgängig wurde die Auffassung vertreten, daß die Spareinlagen in erster Linie dem Kapitalmarkt zuzurechnen waren. Deshalb mußte geprüft werden, ob im Bundesbankgesetz die Spareinlagen wieder zur Bemessungsgrundlage der Mindestreserve gerechnet werden sollten. Die Hauptbeteiligten bei der Diskussion um die Einbeziehung der Spareinlagen waren auf der einen Seite die Vertreter der Bank deutscher Länder und auf der anderen Seite die Sparkassenorganisation. Die beteiligten Bundesministerien unterstützten in diesem Punkt die Sparkassenorganisation344• Die Vertreter der Bank deutscher Länder betonten während der gesamten Diskussion zum Bundesbankgesetz ihre Auffassung, daß die Spareinlagen in die Bemessungsgrundlage der Mindestreserve einbezogen werden müßten345• Bei der Referentenbesprechung am 19. Oktober 1950 im Bundesfmanzministerium wurde die praktische Nähe der Spareinlagen zu den Giroeinlagen anerkannt und die Mindestreservepflicht auch auf die Spareinlagen ausgedehnt, obwohl die Meinung vorherrschte, daß "echte Spareinlagen"
344 vgl.: HA Bd. 5789: Vermerk von Henckel vom 14. September 1950, Bctr.: Bundesnotenbankgesetz (BFM-Entwurf [!] vom 5. September 1950); HA Bd. 358: Anlage 1 des Schreibens der Bank deutscher Länder an das Bundesfmanzministerium, Fassung des §9 (2) Mindestreserve-Politik im BBankG, bezugnehmend auf eine Besprechung vom 16. September 1950; HA Bd. 358 und HA Bd. 5789: Schreiben des Bundesjustizministers an den Bundesfmanzministcr vom 5. Oktober 1950; HA Bd. 358 und HA Bd. 5789: Schreiben des Bundeswirtschaftsministers an den Bundesfinanzminister vom 12. Oktober 1950, Bctr.: Bundcsnotenbank-Gcsctzcntwurf; HA Bd. 358: interner Begleitbrief vom 16. Oktober 1950 zum Schreiben des Bundeswirtschaftsministers an den Bundesfinanzminister vom 12. Oktober 1950; HA Bd. 5789: Vermerk von Irmler iibcr Einzelfragen der Mindestreservehaltung vom 17. Oktober 1950 345 vgt.: HA Bd. 5789: Vermerk von Irmler iiber Einzelfragen der Mindestreservehaltung vom 17. Oktober 1950; HA Bd. 3647: Vermerk von Döll zu einer Besprechung am 14. Dezember 1955 zur Mindestreservepflicht der Kreditinstitute
ßl. Die Ausgestaltung der Mindestreserve im Bundesbankgesetz
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nicht in die Bemessungsgrundlage der Mindestreserve einbezogen werden sollten346• Der Wissenschaftliche Beirat beim Bundeswirtschaftsministerium sprach sich in einem Gutachten für die Freistellung der "termingebundenen Spareinlagen" von der Mindestreserve aus, damit diese Mittel für "soziale Investitionen", wie zum Beispiel Wohnungsbau, zur Verfügung stünden347• Dagegen wandte sich Vocke, der die Auffassung vertrat, daß die Frage der Mindestreserve auf Spareinlagen nicht mit der Frage nach der Wohnungsbaufinanzierung verbunden werden solle348• Am 6. Oktober 1951 stellte die Fraktion des Zentrums den Antrag zur Änderung des Emissionsgesetzes mit dem Ziel, die Spareinlagen aus der Bemessungsgrundlage der Mindestreserve zu entlassen349• Dieser Antrag entfachte erneut die Diskussion um die Einbeziehung der Spareinlagen in die Mindestreservepflicht
Die Zentrumsfraktion wiederholte das Argument bezüglich der Wohnungsbaufinanzierung. Im Gegensatz zur Bank deutscher Länder sah sie keine Giralgeldnähe der Spareinlagen. Zudem stellte sie fest, daß die Einbeziehung der Spareinlagen in die Mindestreserve auf eine Fehlinterpretation deutscher Verhältnisse bei der Verabschiedung des Emissionsgesetzes zurückzuführen sei350• In Deutschland seien die Spareinlagen aber dem Kapitalmarkt zuzurechnen, wo sie als langfristige Finanzierungsmittel für den Wohnungsbau nachgefragt würden. Außerdem stelle die Mindest346 vgl.: HA Bd. 5789: Protokoll über die Referentenbesprechung betreffend das BBankO am 19. Oktober 1950 347 vgl.: Kapitalmarktpolitik und Investitionspolitik. Outachten vom 10. Dezember 1950, in: Der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft. Sammelband der Outachten von 1948 bis 1972, Hrp.: Bundesministerium für Wirtschaft, Göttingen 1973, S. 101 - 108, hier S. 107 348 vgl.: Deutsche Bundesbank - Historisches Archiv, HA Bd. 2051 Allgemeine Korrespondenz Vocke: Schreiben des Bundeswohnungsbauministers an Lücke vom 29. März 1951, Betr.: Freigabe der Mindestreserven auf Spareinlagen für die Wohnungsbaufinanzierung; HA Bd. 2051: Schreiben des Bundeswohnungsbauministers an Wilhelm Vocke vom 10. Mai 1951, Betr.: Freigabe der Mindestreserven auf Spareinlagen für die Wohnungsbaufinanzierung; HA Bd. 2051: Schreiben von Karl Bernhard an den Bundeswohnungsbauminister vom 30. Mai 1951, Betr.: Freigabe der Mindestreserven auf Spareinlagen für die Wohnungsbaufinanzierung 349 vgl.: Antrag der Fraktion des Zentrums vom 6. Oktober 1951, Deutscher Bundestag 1. Wahlperiode 1949, Drucksache Nr. 2776 350 Im Kreditwesengesetz von 1934 waren die Spareinlagen explizit aus der Bemessunpgrundlage ausgeschlossen.
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D. Die Mindestreserve als Instrument der Zentralbank seit 1948
reserve nach ihrer Ansicht keine Liquiditätsreserve dar. Diese müsse von den Kreditinstituten zusätzlich gehalten werden. Grundsätzlich solle deshalb die Freistellung der Spareinlagen zur Belebung des Kapitalmarktes erfolgen351• Das Direktorium der Bank deutscher Länder wies den Antrag der Zentrumsfraktion zurück. Eine Entscheidung über die Spareinlagen als Bestandteil der Bemessungsgrundlage stelle zu diesem Zeitpunkt für die Vertreter der Bank deutscher Länder eine Präjudizierung dar. Das Direktorium betonte, daß der vereinbarte Kündigungsfreibetrag den Spareinlagen Giralgeldnähe verleihe352• Die Mitglieder des ständigen Ausschusses für Geld und Kredit353 erkannten die Argumentation der Zentrumsfraktion nicht an. Trotzdem veranlaßten sie eine Erörterung zwischen den Vertretern der Bank deutscher Länder und den Beauftragten der Spitzenverbände der Kreditinstitute 354• Grundsätzlich befürworteten die Vertreter der Spitzeninstitute den Antrag auf Freistellung der Spareinlagen von der Mindestreserve. Ob aber durch die Freistellung der Spareinlagen diese Mittel dem Kapitalmarkt, insbesondere der Finanzierung des sozialen Wohnungsbau zufließen würden, wurde von den Teilnehmern in Frage gestell~5, außer von den
351 vgl.: Verhandlungen des Deutschen Bundestages, Stenographischer Bericht der 177. Sitzung, 23. November 1951, 1. Wahlperiode 1949, S. 7301 352 vgl.: HA Bd. 408: Vermerk von Hermann Pögen über die Sitzung des Bundestagsausschussesfür Geld und Kredit vom 6. Dezember 1951 353 vzl.: Verhandlungen des Deutschen Bundestages, Stenographischer Bericht der 177. Sitzung, 23. November 1951, 1. Wahlperiode 1949, S. 7302 354 vgl.: HA Bd. 408: Vermerk von Hermann Pögen über die Sitzung des Bundestagsausschusses für Geld und Kredit vom 6. Dezember 1951; HA Bd. 4()9: Schreiben der Bank deutscher Länder vom 13. März 1952 an den Ausschuß für Geld und Kredit, Betr.: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Emissionsgesetzes vom 20. Juni 1948 - Mindestreserven für Spareinlagen
355 vz!.: HA Bd. 4()9: Schreiben des BundCSI!_Crbandes des privaten Bankgewerbes vom 30. Januar 1952, Betr.: Entwurf eines Gesetzes zur Anderung des Emissionsgesetzes vom 20. Juni 1948 - Mindestreserven für Spareinlagen; HA Bd. 409: Schreiben der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Sparkassen- und Giroverbände und Girozentralen vom 5. März 1952, Betr.: Änderung des Emissionsgesetzes; HA Bd. 4()9: Schreiben der Bank deutscher Länder vom 13. März 1952 an den Ausschuß für Geld und Kredit, Betr.: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Emissionsgesetzes vom 20. Juni 1948 -Mindestreserven für Spareinlagen
111. Die Ausgestaltung der Mindestreserve im Bundesbankgesetz
117
Vertretern der Sparkassenorganisation3S6• Die Bank deutscher Länder wies darauf hin, daß mit Ausnahme für den Sparkassenbereich keine Anlagevorschriften3S7 bestehen und somit bei einer generellen Freistellung der Spareinlagen von der Mindestreserve alternative Vorschriften erlassen werden müßten3S8. Der Entwurf des Bundesfinanzministeriums vom 15. Oktober 1951 hielt an der Mindestreserve für Spareinlagen fest. In ihrer Stellungnahme3S9 zu diesem Entwurf betonten die Vertreter der Sparkassenorganisation besonders, daß die Mindestreserve auf Spareinlagen zur Bindung langfristiger Finanzierungsmittel führe, die sonst für gesamtwirtschaftlich vordringliche Investitionen zur Verfügung stünden360• Aus den Unterlagen ist ersichtlich, daß innerhalb der Bank deutscher Länder differierende Meinungen zur Frage der Einbeziehung der Spareinlagen vertreten wurden. Wolf ging in seiner Stellungnahme vom 20. Juni 1952 auf die Bereitschaft der beteiligten Bundesministerien ein, dem Wunsch der Kreditinstitute zu entsprechen, wenn in dem neuen Bundesbankgesetz entsprechende Vorschriften über Liquiditätsreserven für Spareinlagen enthalten seien. Damit wäre für Wolf dem liquiditätspolitischen Argument entsprochen. Als kreditpolitische Notwendigkeit für die Einbeziehung der Spareinlagen führte Wolf an, daß Spareinlagen sowohl 3S6 Nur die Arbeitsgemeinschaft hat sich ausdrücklich dazu bereiterklärt, die durch die Mindestreservefreistellung der Spareinlagen erzielten Mittel dem sozialen Wohnungsbau langfristig zuzuführen (vgl.: HA Bd. 409: Schreiben der Arbeitsgemeinsch~ft Deutscher Sparkassen- und Giroverbände und Girozentralen vom 5. März 1952, Betr.: Anderung des Emissionsgesetzes; HA Bd. 409: Schreiben der Bank deutscher Länder vom 13._März 1952 an den Ausschuß für Geld und Kredit, Betr.: Entwurf eines Gesetzes zur Anderung des Emissionsgesetzes vom 20. Juni 1948- Mindestreserven für Spareinlagen). 3S? Nach Artikel 1 § 5 des Fünften Teils Kapitel I der Notverordnung vom 6. Oktober 1931 mußten die Spar- und Girokassen 30 v. H. der Spareinlagen und 50 v. H . der sonstigen Einlagen als Liquiditätsreserve bei der zuständigen Girozentrale unterhalten (vgl.: RGBI. I, S. 554f). Spätere Verordnungen waren nicht mehr in Kraft. Eine gesetzliche Verpflichtung zur Haltung von Reserven bestand bei den Kreditinstituten im allgemeinen nicht. 3SS vgl.: HA Bd. 409: Schreiben der Bank deutscher Länder vom 13. März 1952 an den Ausschuß für Geld und Kredit, Betr.: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Emissionsgesetzes vom 20. Juni 1948- Mindestreserven für Spareinlagen 3S9 Die kredit- und liquiditätspolitische Funktion der Mindestreserve wird mit den gleichen Argumenten wie bei der Einführung der Mindestreserve bestritten (vgl. hierzu: Die Problematik der Mindestreserven, (1952], S. 46ff und siehe S. 64ff). 360 vgl.: HA Bd. 360: Schreiben der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Sparkassen- und Giroverbände und Girozentralen an den Bundesfinanzminister vom 14. November 1951, Betr.: Entwurf des Bundesbankgesetzes vom 15. Oktober 1951
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D. Die Mindestreserve als Instrument der Zentralbank seit 1948
mittelbar als auch unmittelbar aus Giralgeldschöpfung entstehen würden und überdies zu einem erheblichen Prozentsatz in Sichteinlagen verwandelt werden könnten. Die Notwendigkeit für die Mindestreserve auf Spareinlagen sah Wolf aber primär aus liquiditätspolitischen Gründen361• Am 23. Juni 1952 nahm Könneker Stellung zu den Ausführungen von Wolf, insbesondere zur Frage der Mindestreserve auf Spareinlagen. Könneker betonte ebenfalls die liquiditätspolitischen Argumente für die Einbeziehung der Spareinlagen. Er ging davon aus, daß über die Frage der Mindestreservepflicht für Spareinlagen in der Theorie gestritten werden könne. Aber das Argument, Spareinlagen hätten keinen Zahlungsmittelcharakter, stelle für ihn keine ernst zu nehmende Argumentation dar. "Die Behauptung, daß Spareinlagen nicht (mittelbar oder unmittelbar) durch Geldschöpfungsakte entstehen, wird man wohl schwer beweisen können"362• Gerade die Tatsache, daß Spareinlagen jederzeit in Bargeld umgewandelt werden könnten, fordere nach Könneker eine angemessene Mindestreservehaltung aus liquiditätspolitischen Gründen bei der Bundesbank.
Ferner sollte auch die kreditpolitische Seite der Mindestreserve auf Spareinlagen entsprechend gewürdigt werden. Gerade bei inflationären Tendenzen sei eine Einbeziehung der Spareinlagen in die Mindestreserve ein wichtiger Ansatzpunkt zur Gegensteuerung, ohne die Einbeziehung der Mindestreserve wäre die Effizienz beeinträchtigt. Die kreditpolitische Bedeutung der Mindestreserve sollte auch innerhalb der Bank deutscher Länder nicht in Frage gestellt werden, "zumindest sollten ... Zweifel an dieser Einstellung nicht nach aussen [!] dringen..363. Schmidt betonte in seiner Zentralbankeat-Vorlage noch stärker als Könneker die liquiditätspolitische Funktion der Mindestreserve364• In ihrem Entwurf vom 22. August 1952 machte die Bank deutscher Länder einen eigenen Vorschlag zur gesetzlichen Formulierung und 361 vgl.: HA Bd. 410 und HA Bd. 9985: "Vorlage zur Behandlung der MindestreserveFrage im Bundesbankgcsctz", Zusammenstellung des Direktoriums der Bank deutscher Länder, 1953
362 HA Bd. 384 und HA Bd. 9985: Stellungnahme von Könneker vom 23. Juni 1952, Die Mindestreserve im Bundesbankgesetz - zu dem Memorandum von Herrn Dr. Wolf in dieser Frage 363 ebenda 364 vgl.: HA Bd. 383: Begründung zu § 11 des Bundesbankgesetzes von Willi Sc:hmidt vom 26. August 1952
III. Die Ausgestaltung der Mindestreserve im Bundesbankgesetz
119
Begründung der Mindestreserve im Bundesbankgeseu:36S. Während in den internen Zentralbankrat-Vorlagen die liquiditätspolitische Funktion stärker betont wurde, wurden in der dem Bundesfinanzund 366 Bundeswirtschaftsministerium vorgelegten offiziellen Begründung beiden Funktionen der Mindestreserve der gleiche Stellenwert zugemessen, der liquiditätspolitischen und der kreditpolitischen Funktion367• Bernard368 betonte, daß dieser Vorschlag zur Formulierung und Begründung der Mindestreserve im Bundesbankgesetz die "einstimmige" Meinung aller Vertreter der Bank deutscher Länder se~ der die in der 126. Sitzung am 13. und 14. August 1952 gefaßten Beschlüsse des Zentralbankrates dokumentiere369• Die unterschiedlichen Standpunkte der Diskussionsteilnehmer zur Einbeziehung der Spareinlagen in die Bemessungsgrundlage der Mindestreserve zeigten sich besonders bei den in der 1. Wahlperiode eingebrachten Entwürfe zum Bundesbankgesetz: Der Antrag der POP-Fraktion vom 4. Dezember 1952 bezog nur die Spareinlagen ein, für die keine Anlagevorschriften bestanden370• Die Bundesbank solle durch die Mindestreserve 365 siehe Anlage 5: Deutsche Bundesbank - Historisches Archiv, HA Bd. 381 Unterlagen betr. Vorbereitung des Bundesbankgesetzes 1952 und HA Bd. 3642 Bundesbank-Gesetz 19521953: Betr.: Entwurf eines Gesetzes über die Währungs- und Notenbank des Bundes in der vom Bundesfinanzministerium vorgelegten Fassung vom 22. August 1952 366 vgl.: HA Bd. 381 und HA Bd. 3642: Vorschlag des Zentralbankrates der Bank deutscher Länder für eine andere Fassung des §11, bezogen auf den Entwurf des Bundesfinanzministeriums vom 22. August 1952; siehe Anlage 5: Deutsche Bundesbank Historisches Archiv, HA Bd. 381 Unterlagen betr. Vorbereitung des Bundesbankgesetzes 1952 und HA Bd. 3642 Bundesbank-Gesetz 1952 - 1953: Betr.: Entwurf eines Gesetzes über die Währungs- und Notenbank des Bundes in der vom Bundesfinanzministerium vorgelegten Fassung vom 22. August 1952 367 siehe Anlage 5: Deutsche Bundesbank - Historisches Archiv, HA Bd. 381 Unterlagen betr. Vorbereitung des Bundesbankgesetzes 1952 und HA Bd. 3642 Bundesbank-Gesetz 19521953: Betr.: Entwurf eines Gesetzes über die Währungs- und Notenbank des Bundes in der vom Bundesfinanzministerium vorgelegten Fassung vom 22. August 1952; HA Bd. 383: Begründung zu § 11 des Bundesbankgesetzes von Willi Schmidt vom 26. August 1952 368 Karl Bemard, Präsident des Zentralbankrates der Bank deutscher Länder 369 siehe Anlage 5: Deutsche Bundesbank - Historisches Archiv, HA Bd. 381 Unterlagen betr. Vorbereitung des Bundesbankgesetzes 1952 und HA Bd. 3642 Bundesbank-Gesetz 19521953: Betr.: Entwurf eines Gesetzes über die Währungs- und Notenbank des Bundes in der vom Bundesfinanzministerium vorgelegten Fassung vom 22. August 1952 370 siehe Anlage 8: Entwurf eines Gesetzes über die Währungs- und Notenbank des Bundes (Bundesbankgesetz) vom 22. Januar 1953, Deutscher Bundestag 1. Wahlperiode 1949, Drucksache Nr. 4020
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D. Die Mindestreserve als Instrument der Zentralbank seit 1948
lediglich die kurzfristige Kreditvergabe beeinflussen können. Wenn Anlagevorschriften bestanden, wie insbesondere bei den Sparkassen, sollte die Mindestreserve entfallen371. Der Regierungsentwurf vom 22. Januar 1953 beließ die Spareinlagen in der Bemessungsgrundlage und stellte es in das Ermessen der Bundesbank, einzelne Einlagearten von der Mindestreserve freizustellen372. In einem Vorschlag zu einer Stellungnahme der Länder zum Bundesbankgesetz ergab sich die Mindestreservepflicht für Spareinlagen bereits aus der Tatsache, daß Spareinlagen bei allen Arten von Kreditinstituten als Einlagen vorkommen373. In den Änderungsvorschlägen des Bundesrates vom 5. Dezember 1952 wurden, dem POP-Entwurf folgend, die Spareinlagen von der Mindestreservepflicht auf Spareinlagen ausgenommen, für die Anlagevorschriften bestanden374. Die Bundesregierung stimmte dem Bundesrat in diesem Punkt zu375.
371 siehe Anlage 7: Begründung zu dem von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurf eines Gesetzes über die Deutsche Bundesbank (Drucksachen Nr. 3929), Deutscher Bundestag 249. Sitzung, 4. Februar 1953, Anlage zum Stenographischen Bericht der 249. Sitzung 372 siehe Anlage 8: Entwurf eines Gesetzes über die Währungs- und Notenbank des Bundes (Bundesbankgesetz) vom 22. Januar 1953, Deutscher Bundestag 1. Wahlperiode 1949, Drucksache Nr. 4020
373 vgl.: HA Bd. 383: Vorschlag zu einer Stellungnahme der I..änder vom 16. August 1952 zum Entwurf eines Gesetzes über die Währungs- und Notenbank des Bundes (Bundesbankgesetz) in der Fassung des Bundeskabinettsentwurfes vom 8. Juli 1952; In der Stellungnahme der Länder zu der Fassung des Bundeswirtschaftsministeriums vom 7. Oktober 1952 werden die Spareinlagen, für die Anlagevorschriften bestehen, aus der MindestreserveHaltung entlassen (vgl.: HA Bd. 3642: Änderungsvorschläge des Bundesrates zum BBankG, Entwurf des Bundeswirtschaftsministeriums, 3. Fassung vom 7. Oktober 1952; Änderungsvorschlag zum Entwurf eines Gesetzes über die Währungs- und Notenbank des Bundes vom 28. November 1952). 374 vgl.: Änderungsvorschläge des Bundesrates zum Entwurf eines Gesetzes über die Währungs- und Notenbank des Bundes (Bundesbankgesetz), siehe Anlage 8: Entwurf eines Gesetzes über die Währungs- und Notenbank des Bundes (Bundesbankgesetz) vom 22. Januar 1953, Deutscher Bundestag 1. Wahlperiode 1949, Drucksache Nr. 4020
375 vgl.: Stellungnahme der Bundesregierung zu den Änderungsvorschlägen des Bundesrates vom 5. Dezember 1952, siehe Anlage 8: Entwurf eines Gesetzes über die Währungs- und Notenbank des Bundes (Bundesbankgesetz) vom 22. Januar 1953, Deutscher Bundestag 1. Wahlperiode 1949, Drucksache Nr. 4020
ßl. Die Ausgestaltung der Mindestreserve im Bundesbankgesetz
121
Dieser Änderung des Regierungsentwurfs wurde von der Bank deutscher Länder widersprochen. Zum einen werde die Sparkassenorganisation einseitig bessergestellt, was mit dem Grundsatz der "gleichen Behandlung" durch das Bundesbankgesetz nicht zu vereinbaren sei. Zum anderen könnten auch Spareinlagen durch Scheck und Überweisung, also aus Giralgeld entstehen. Eine Trennung der Spareinlagen in Anlagen am Geld- oder Kapitalmarkt sei eindeutig nicht möglich. Eine Freistellung der Spareinlagen habe eine Umstrukturierung des Einlagenbestandes und eine Schmälerung der Bemessungsbasis für das Instrument Mindestreserve zur Folge, die ihre kreditpolitische Steuerungsfunktion in Frage stellen könne376. Der Standpunkt des Zentralbankrates war eindeutig. Zum einen aus liquiditätspolitischen Gründen und zum anderen wegen der kreditpolitischen Steuerungsfunktion sollte die Bemessungsgrundlage für die Mindestreserve durch einschränkende Bestimmungen zu den Spareinlagen nicht geschmälert werden. Die Vertreter des Zentralbankrates betonten in diesem Zusammenhang die kreditpolitische Steuerungsfunktion des Instrumentes377. Die Auseinandersetzung zu dieser Frage ging mit einer Stellungnahme des Deutschen Raiffeisen- und des Deutschen Genossenschaftsverbandes vom 26. Februar 1953 an den Ausschuß für Geld und Kredit weiter. Hierin kam zum Ausdruck, daß die Verbände eine Mindestreserve auf Spareinlagen grundsätzlich ablehnten. Explizit betraf ihre Kritik die vorgesehene Regelung der Freistellung von Spareinlagen bei bestehenden Anlagevorschriften378. Im Ausschuß für Geld und Kredit betonte Könneker als Vertreter der Bank deutscher Länder die Notwendigkeit der Mindestreserve für Spareinlagen, insbesondere unter kreditpolitischen Aspekten. Die Vertreter im Ausschuß sahen diese Notwendigkeit aber nur für den Teil der Spareinlagen, die tatsächlich dem Geldmarkt zufließen. Das Problem bestand in der
376 vgl.: HA Bd. 386: Betr.: Mindestresetven auf Spareinlagen? und ebenda: Direkte oder indirekte Mindestresetvehaltung?, o. Datum (Anfang 1953) 377 vgl.: HA Bd. 385: Materialien von Willi Schmidt vom Bundesnotenbankgesetz
3. Februar 1953 zum Thema
378 vgl.: HA Bd. 5010: Schreiben des Deutschen Raiffeisenverbandes an den Bundestagsausschuß für Geld und Kredit vom 26. Februar 1953, Betr.: BBankG, hier Mindestreserven; HA Bd. 385: Stellungnahme des Deutschen Genossenschaftsverbandes vom 26. Februar 1953 zum Bundesbank-Gesetzentwurf der Bundesregierung
122
D. Die Mindestreserve als Instrument der Zentralbank seit 1948
Trennung der Spareinlagen in den für den Geld- beziehungsweise Kapitalmarkt relevanten Teil. Da keine Lösungsmöglichkeit gesehen wurde, einigte man sich auf den Kompromiß, daß der Mindestreservesatz für Spareinlagen niedriger als der für Sicht- und Termineinlagen sein sollte. Weiter sollte der Satz nicht durch eine Untergrenze festgeschrieben werden379• Aus einem Kurzvermerk der Bank deutscher Länder zu dieser Ausschußsitzung kann entnommen werden, daß die Bank deutscher Länder entschlossen war, an der Mindestreserve für Spareinlagen festzuhalten380• Die Argumente gegen eine Mindestreserve auf Spareinlagen hielt sie nicht für stichhaltig, insbesondere nicht die Argumentation der Sparkassenorganisation381. Die Spitzenverbände der Kreditinstitute382 unternahmen gemeinsam einen Anlauf, den Kompromiß des Ausschusses in ihrem Sinn zu ändem383• Der Ausschuß lehnte dies ab384, schlug aber eine allgemein gehaltene gesetzliche Einschränkung zur Haltung der Mindestreserve auf Spareinlagen vo,l8S. In dem Entwurf eines zusammenfassenden Berichts des Ausschusses vom 9. Juni 1953 blieb die Mindestreservepfficht für Spareinlagen bestehen. Es wurde keine Sondervorschrift vorgesehen. Allgemein formuliert wurde, daß die Bundesbank den besonderen Charakter der Spareinlagen bei Entschlüssen zur Mindestreserve berücksichtigen und grundsätzlich die Möglichkeit haben sollte, auf die Mindestreserve auf Spareinlagen zu 379 vgl.: HA Bd. 363, HA Bd. 385 und HA Bd. 5010: Kurzprotokoll über die 85. Sitzung des Ausschusses für Geld und Kredit vom 27. Februar 1953 380 vgl.: HA Bd. 363, HA Bd. 385 und HA Bd. 5010: Kurzvermerk von Könneker über die 85. Sitzung des Ausschusses für Geld und Kredit vom 27. Februar 1953
381 vgl.: ebenda 382 Arbeitsgemeinschaft Deutscher Sparkassen- und Giroverbände und Girozentralen;
Bundesverband des privaten Bankgewerbes; Deutscher Genossenschaftsverband (SchulzeDelitzsch); Deutscher Raiffeisenverband; Verband öffentlich-rechtlicher Kreditanstalten 383 vgl.: HA Bd. 385, HA Bd. 386 und HA Bd. 5010: Schreiben der Spitzenverbände des Kreditgewerbes vom 11. März 1953 an den Bundeslapsusschuss (!] Geld und Kredit, Betr.: Bundesbankgesetzentwurf- Freistellung der Spareinlagen von der Mindestreservepflicht 384 vgl.: HA Bd. 385 und HA Bd. 5010: Kurzprotokoll zu der 87. Sitzung des Ausschusses für Geld und Kredit vom 13. März 1953 385 vgl.: HA Bd. 385 und HA Bd. 5010: Vermerk von von Schelling zu der 87. Sitzung des Ausschusses für Geld und Kredit vom 13. März 1953
m. Die Ausgestaltung der Mindestreserve im Bundesbankgesetz
123
verzichten. Deshalb sollte keine Untergrenze der Mindestreservesätze für Spareinlagen vorgegeben werden386• Nach dem Scheitern des Bundesbankgesetzes in der ersten Legislaturperiode wurde die Frage zur Mindestreserve auf Spareinlagen in der Bank deutscher Länder, im Rahmen der Diskussion zu den Fragen Erhards vom 20. Juni 1954 wieder aufgegriffen. Der Zentralbankrat beschloß, die Fragen Erhards zu einer grundsätzlichen Stellungnahme zu den noch strittigen Fragen zur Mindestreserve zu nutzen. In der 186. Zentralbankrat-Sitzung wurde festgestellt, daß die Bank deutscher Länder nicht von der liquiditätspolitischen Begründung der Mindestreserve auf Spareinlagen abweichen dürfe. Eine einseitige Betonung des kreditpolitischen Momentes der Mindestreserve schwäche die Argumentation des Zentralbankrats zur Ausgestaltung der Mindestreserve. Deshalb müsse die Zentralbank immer beide Funktionen betonen, zumal die liquiditätspolitische Funktion den Ursprung des Instrumentes Mindestreserve darstelle387• Explizit auf die liquiditätspolitische Funktion der Mindestreserve auf Spareinlagen angesprochen, äußerte Vocke: "Wir würden sehr schlecht beraten sein, wenn wir uns zurückziehen würden auf die kreditpolitische Beeinflussung."388 Am 24. August 1955 überreichte die Bank deutscher Länder Erhard ihre Stellungnahme, zusammen mit einem Protokoll über ein Gespräch mit den Spitzenverbänden der Kreditinstitute389 vom 14. April 1955 und mit drei Anlagen. Mit diesen drei Anlagen bezog die Bank deutscher Länder 386 vgl.: HA Bd. 386 und HA Bd. 5010: Übersicht über die bisher vom Bundestagsausschuss (!] Geld und Kredit behandelten Bestimmungen des BBankG, Stand: 13. Män 1953; HA Bd. 5010: Entwurf eines zusammenfassenden Berichts des Ausschusses fur Geld und Kredit des Deutschen Bundestap betr. seine Beratungen über das Bundesbankgesetz der Rechts- und Währungsabteilung der Bank deutscher Länder vom 9. Juni 1953. 387 vgl.: HA Bd. 83: Auszug aus dem Stenogramm der 186. ZBR-Sitzung zu Ziffer 4 der Tagesordnung: Vorbereitung des Bundesbankgesetzes, Bundesbankgesetz/Sonderfragen: a) Filialnetz und b) Direkte und indirekte Mindestreservehaltung 388 HA Bd. 83: Auszug aus dem Stenogramm der 189. ZBR-Sitzung am 2. Februar 1955 Bundesbankgesetz/Sonderfragen 389 vgl.: HA Bd 387 und HA Bd. 3647: Protokoll über die Sitzung der Bank deutscher Länder am 14. April1955
124
D. Die Mindestreserve als lnstNment der Zentralbank seit 1948
Stellung zu der Iiquiditäts- und kreditpolitischen Funktion der Mindestreserve, zu dem Liquiditätswert der Guthaben bei den Sparkassen- und Girozentralen und zu der Frage nach Mindestreserve und Spareinlagen390. In den Stellungnahmen betonte sie, daß die Iiquiditäts- und kreditpolitische Funktion nicht getrennt bewertet werden könne, sondern sich in dem Instrument Mindestreserve verbinde. Die Liquiditätsguthaben der Sparkassen könnten nicht mit der Funktion verglichen werden, die die Mindestreserve erfülle. Die Mindestreserve auf Spareinlagen sei aus mehreren Gründen notwendig. Das Instrument könne seine kreditpolitische Funktion nur erfüllen, wenn die Bemessungsgrundlage der reservepflichtigen Einlagen nicht wesentlich eingeschränkt werde. Der Ausschluß einer Einlagenkategorie aus der Bemessungsgrundlage führe zu einer Strukturveränderung des Einlagenbestandes. Insgesamt müsse eine Strukturverschiebung im Bankensektor erwartet werden. Mit dem Einlagenbestand der Kreditinstitute insgesamt sei die Möglichkeit der Kreditexpansion gegeben. Aus liquiditätspolitischen Gesichtspunkten führte die Bank deutscher Länder die Bereitschaft der Kreditinstitute an, Spareinlagen in Liquidität ersten Grades zu verwandeln, ohne Rücksicht auf die Feistigkeit ihrer Liquiditätsstruktur zu nehmen. Auch lehnte die Bank deutscher Länder eine Freistellung der Spareinlagen ab, denen langfristige Anlagen gegenüberstehen, weil dann auch Teile der Sicht- und Termineinlagen aus der Mindestreservepflicht entlassen. werden müßten. Bei diesen Forderungen werde die Liquiditätssicherungsfunktion nicht beachtet391. Am 7. November 1955 fand im Bundeswirtschaftsministerium eine inoffizielle392 Besprechung mit der Bank deutscher Länder zur Vorbereitung des Bundesbankgesetzes statt. Die Vertreter des Bundeswirtschaftsministeriums teilten jetzt die Ansicht der Bank deutscher Länder, daß auch die Spareinlagen der Mindestreserve unterliegen müßten, denn auch die Einlagen von Spareinlagen stellten Zentralbankgeld dar. Ihnen erschien aber ein
390 vgl.: HA Bd 3647: Anschreiben der Bank deutscher Länder an den Bundeswirtschaftsminister, Betr.: Weitere Vorbereitung der Bundesbankgesetzes vom 24. August 1955
391 vgl.: HA Bd. 387 und HA Bd. 416: Ausarbeitung von Könneker vom 14. FebNar 1955, Mindestreserven auf Spareinlagen?, Anlage 3 zur Beantwortung der Fragen des Bundeswirtschaftsministers vom 29. Juni 1954
392 Eine offiZielle Ressortbesprechung sollte unter Beteiligung der Vertreter der Organisationen der Kreditinstitute stattfinden (vgl.: HA Bd 3647: Vermerk von Döll vom 14. Dezember 1955 zu einer Besprechung zur Mindestreservepflicht der Kreditinstitute am 13: Dezember 1955).
111. Die Ausgestaltung der Mindestreserve im Bundesbankgesetz
125
niedrigerer Satz angebracht, weil Spareinlagen auch dem langfristigen Geschäft der Kreditinstitute zugute kommen sollten393 394• Am 13. Dezember 1955 fand die offizielle Besprechung aller an der Mindestreserve-Frage Beteiligten statt. Nach dem Regierungsentwurf sollte die Mindestreservepflicht jetzt nicht nur für Verbindlichkeiten aus Sichteinlagen, befristeten Einlagen und Spareinlagen bestehen, sondern auch für aufgenommene kurz- und mittelfristige Gelder mit einer Laufzeit von weniger als vier Jahren gelten395• Ergänzt wurde dieser Regierungsentwurf396 später durch die Abzugsfähigkeit der Einlagen selber mindestreservepflichtiger Kreditinstitute, wie sie von der Bank deutscher Länder bereits praktiziert wurde397• Die Mindestreservepflicht für Spareinlagen wurde nicht mehr in Frage gestellt398•
Die Vertreter der Bank deutscher Länder standen zunächst mit ihrer Haltung bezüglich der Spareinlagenregelung in der Kontroverse um die Ausgestaltung der Mindestreserve im Bundesbankgesetzt im Gegensatz zu den an der Auseinandersetzung teilnehmenden Interessenvertreter. Aber auch innerhalb der Bank deutscher Länder vollzog sich im Laufe der Auseinandersetzung eine Wandlung in der Argumentation. Zunächst wurde die Einbeziehung der Spareinlagen in die Bemessungsgrundlage der Mindestreserve ausschließlich mit der liquiditätspolitischen Funktion begründet. Auch die Spareinlagen wurden zur Giralgeldschöpfung herangezogen, und aus diesem Grund mußte eine Liquiditätsreserve unterhalten werden. Kreditpolitischen Argumenten wurde von den Vertretern der Bank deutscher Länder zunächst kein besonderes Gewicht zugemessen. Erst im Laufe der internen Auseinandersetzung wurde aus den zunächst rein 393 v&J.: HA Bd. 3647: Vermerle von Wemer Döll vom 9. November 1955 zu einer inoffiZiellen Ressortbesprechung am 7. November 1955 394 vgl.: Deutsche Bundesbank - Historisches Archiv, HA Bd. 4257 Handakte Dr. Fögen. Bundesbank-Gesetz 1955 - 1956: Vermerk über eine Ressortbesprechung als Unterlage zur Vorbereitung auf den Gesamtentwurf des Bundesbankgesetzes vom 24. November 1955 395 vgl.: HA Bd 3647: Vermerle von Döll vom 14. Dezember 1955 zu einer Besprechung zur MindestreseiVepflicht der Kreditinstitute am 13. Dezember 1955 396 vgl.: HA Bd. 3647: Protokoll der 2ff7. Sitzung des Zentralbankrats am 30. November 1955 397 vgl.: HA Bd. 4257: Vermerk über eine Ressortbesprechung als Unterlage zur Vorbereitung auf den Gesamtentwurf des Bundesbankgesetzes vom 24. November 1955 398 siehe Anlage 9: Entwurf eines Gesetzes über die Deutsche Bundesbank vom 18. Oktober 1956, Deutscher Bundestag 2. Wahlperiode 1953, Drucksache Nr. 2781
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D. Die Mindestreserve als Instrument der Zentralbank seit 1948
liquiditätspolitischen Argumenten ein kreditpolitischer Ansatz sichtbar. Weitere Argumente zur Begründung der von der Bank deutscher Länder angestrebten Regelung kamen hinzu. Die Nichteinbeziehung der Spareinlagen würde zu einer einseitigen Besserstellung der Sparkassenorganisation führen und zudem eine Strukturverschiebung der Verbindlichkeiten im Rahmen des gesamten Bankensektors zur Folge haben. Unter gesamtwirtschaftlichen Aspekten standen einer Freistellung der Spareinlagen von der Mindestreservepflicht ordnungspolitische Argumente gegenüber. Zunehmende Bedeutung gewann innerhalb der Bank deutscher Länder auch das kreditpolitische Argument, daß die Bemessungsgrundlage der Mindestreserve durch eine Freistellung ausgehöhlt und die Funktion der kreditpolitischen Steuerung dadurch beeinträchtigt würde. Aus der Analyse der internen Diskussion kann unterstellt werden, daß die Haltung zu der Frage der Einbeziehung der Spareinlagen innerhalb der Bank deutscher Länder sich von der liquiditätspolitischen Argumentation zu einer kreditpolitischen Begründung für die Mindestreserve auf Spareinlagen entwickelte. Außerhalb der Bank deutscher Länder wurde die liquiditätspolitische und kreditpolitische Argumentation von der Bank deutscher Länder immer gleichrangig betrieben. Die Vertreter der Bank deutscher Länder waren mit ihrer Forderung nach Einbeziehung der Spareinlagen in die Bemessungsgrundlage der Mindestreserve zunächst isoliert. Aber das Festhalten der Vertreter der Bank deutscher Länder an der liquiditätspolitischen Bedeutung der Spareinlagenregelung bildete offensichtlich eine Argumentationshilfe. Die Forderung nach Einbeziehung der Spareinlagen in die Mindestreserveregelung wurde von den Vertretern der Bank deutscher Länder aufgrund ihrer Argumentation, trotz kontroverser Auseinandersetzungen, in der gesetzlichen Regelung des Bundesbankgesetze~_y~rankert. e) Der Stellenwert der Liquiditätsfunktion des Zentralbankinstrumentes Mindestreserve Die Frage nach einer Liquiditätsfunktion der Mindestreserve zielte im Rahmen der Bundesbankgesetzgebung auch auf die KodifiZierung einer Untergrenze für die Reservesätze. Die Bank deutscher Länder wollte diese Untergrenze explizit gesetzlich festschreiben, um die Liquiditätsfunktion der
III. Die Ausgestaltung der Mindestreserve im Bundesbankgesetz
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Mindestreserve zu bekräftigen. Die anderen Diskussionsteilnehmer sprachen sich dagegen aus. In dem Vermerk eines Vertreters des Bundeswirtschaftsministeriums zum Entwurf des Bundesfinanzministeriums wurde auf die Liquiditätsfunktion als nebensächliche Begleiterscheinung hingewiesen, die Hauptfunktion wurde aber in der Regulierung des Kreditvolumens gesehen399• Die Mindestreservesätze sollten sich an der wirtschaftlich~n Lage orientieren, und deshalb seien keine gesetzlichen Begrenzungen notwendig400• Das Bundeswirtschaftsministerium bemerkte am 12. Oktober 1950 in seiner Stellungnahme zu diesem Entwurf, daß die Zentralbank die Mindestreserve nicht varüere, um die Liquidität im Sinne des Kreditwesengesetzes zu erhöhen, sondern um die Bankenliquidität und damit die Kreditvergabebereitschaft zu beeinflussen. Die Zentralbank sollte die Höhe der Mindestreserve festsetzen können, ohne an eine Grenze gebunden zu sein401• Dagegen äußerten die Vertreter der Bank deutscher Länder verfassungsrechtliche Bedenken. Die Festlegung von Mindestreservesätzen ohne eine gesetzlich bestimmte Grenze stelle für die Bundesbank eine "Blankovollmacht" dar, die ihr nicht zustehen könne402• Bei der weiteren Diskussion um die Liquiditätsfunktion der Mindestreserve stand die Frage der Begrenzung der Mindestreservesätze in enger Verbindung zu der Einbeziehung der Spareinlagen in die Bemessungsgrundlage. Nach Ansicht der Bank deutscher Länder könne eine Untergrenze für die Mindestreserve auf Spareinlagen, zweckmäßigerweise in Höhe der Liquiditätsvorschriften aus dem Reichsbankgesetz von 1931, den Liquiditäts399 vgl.: HA Bd. 5789: Vermerk von Henckel vom 14. September 1950, Betr.: Bundesnotenbankgesetz (BFM-Entwurf [!] vom 5. September 1950) 400 vgl.: HA Bd. 5789: Protokoll über die Referentenbesprechung betreffend das BBankG am 19. Oktober 1950 401 HA Bd. 358 und HA Bd. 5789: Schreiben des Bundeswirtschaftsministers an den Bundesfinanzminister vom 12. Oktober 1950, Betr.: Bundesnotenbank-Gesetzentwurf 402 vgl.: HA Bd. 358: Anlage 1 des Schreibens der Bank deutscher Länder an das Bundesfinanzministerium, Fassung des §9 (2) Mindestreserve-Politik im BBankG, bezugnehmend auf eine Besprechung vom 16. September 1950; HA Bd. 358 und HA Bd. 5789: Schreiben des Bundeswirtschaftsministers an den Bundesfinanzminister vom 12. Oktober 1950, Betr.: Bundesnotenbank-Gesetzentwurf
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D. Die Mindestreserve als Instrument der Zentralbank seit 1948
charakter der Spareinlagen dokwnentieren403• Mit einer Obergrenze, die deutlich niedriger als für Sicht- und Termineinlagen sein solle, werde dem besonderen Charakter der Spareinlagen entsprochen404• In dem Bundesbankgesetz-Entwurf des Zentralbankrats vom 22. August 1952 wurde die Frage der Festsetzung von Mindestreservesätzen mit der Frage der Liquiditätsfunktion der Mindestreserve ausdrücklich verbunden. Die Untergrenze der Mindestreservesätze solle so ausgestaltet werden, wie es aus zahlungstechnischen Gründen notwendig erscheine. Diese Untergrenze stelle dann eine Liquiditätsreserve dar, die ein Ersatz für fehlende Liquiditätsvorschriften sei, auch wenn aus kreditpolitischer Sicht keine Notwendigkeit dazu bestehe. Die Obergrenzen für die Mindestreserve seien kreditpolitisch motiviert405• Die Vertreter der Bank deutscher Länder wiesen im Ausschuß für Geld und Kredit darauf hin, daß eine Höchstgrenze von 40 v. H. für Sichteinlagen zu hoch sei. Man betrachtete 30 v. H. als ausreichend406• Im Ausschuß waren die Teilnehmer, außer den Vertretern der Bank deutscher Länder, der Ansicht, daß die Liquiditätsvorschriften im Kreditwesengesetz geregelt werden sollten. Deshalb würden Untergrenzen für die Mindestreserve nicht zur Debatte stehen407• In seiner Sitzung am 13. März 1953 beschloß der Ausschuß für Geld und Kredit, die Obergrenze des Mindestreservesatzes für Spareinlagen auf 10 v. H. festzusetzen408• Die Obergrenzen sollten für Sichteinlagen 40 v. H. und für Termineinlagen 20 v. H. betragen. Auf eine Untergrenze sollte verzichtet werden. Damit betonte der Ausschuß seinen Standpunkt, daß im 403 vgl.: HA Bd. 384, HA Bd. 410 und HA Bd. 9985: Vorlage von Eduard Wolf vom 20. Juni 1952 zur Behandlung der Mindestresctve-Frage im Bundesbankgesetz 404 siebe Anlage 5: Deutsche Bundesbank - Historisches Archiv, HA Bd. 381 Unterlagen betr. Voibercitung des Bundesbankgesetzes 1952 und HA Bd 3642 Bundesbank-Gesetz 1952 1953: Bctr.: Entwurf eines Gesetzes über die Währunp- und Notenbank des Bundes in der vom Bundesfinanzministerium vorgelegten Fassung vom 22. August 1952 405 vgl. cbenda 406 vgl.: HA Bd. 385, HA Bd. 386 und HA Bd. 5010: Vermerk von von Scbelling vom 28. Februar 1953 zu den Verbandlungen über das BBankG im Bundestapausschuß für Geld und Kredit vom 27. Februar 1953 407 vgl.: HA Bd. 385 und HA Bd. 386: Kurzprotokoll der 84. Sitzung des Bundestapausschusscs für Geld und Kredit vom 11. Februar 1953; HA Bd. 385: Materialien von Willi Scbmidt vom 3. Februar 1953 zum Thema Bundesnotenbankgesetz
408 vgl.: HA Bd. 385 und HA Bd. 5010: Kurzprotokoll und Vermerk von von Scbelling zu _,der 87. Sitzung des Ausschusses für Geld und Kredit vom 13. März 1953
111. Die Ausgestaltung der MindestreseiVe im Bundesbankgesetz
129
Bundesbanlcgesetz keine Liquiditätsvorschriften enthalten sein sollten409• Bei einer inoffiziellen Ressortbesprechung am 7. November 1955 wiederholten die Vertreter der Bank deutscher Länder ihren Standpunkt. Sie hielten es für zweckmäßig, eine Untergrenze im Bundesbankgesetz zu verankern, weil so der Doppelcharakter der Mindestreserve deutlich unterstrichen würde. Bei der Höhe dieser Untergrenze müsse berücksichtigt werden, daß die Mindestreserve unverzinslich sei. Deshalb sei ein niedriger Satz vorzusehen410• In bezug auf die Obergrenze bei Sichteinlagen vertrat die Bank deutscher Länder erneut die Ansicht, daß ein Satz von 40 v. H. zu hoch sei. Mit Blick auf die Rediskontingente reiche nach ihrer Meinung ein Satz von 30 v. H. aus411• Der Entwurf des Bundeswirtschaftsministeriums vom 13. Dezember 1955 berücksichtigte diese Meinung und sah einen Satz von 30 v. H. für Sichteinlagen vor412• Im Rahmen dieser Ressortbesprechung im Bundeswirtschaftsministerium fanden die Vertreter der Bank deutscher Länder für ihre Haltung in bezug auf die Frage nach den Untergrenzen erstmals "Verständnis" für ihre Position. Sie betonten erneut, daß die Mindestreserve nicht nur ein kreditpolitisches Steuerungsmittel sei, sondern auch eine liquiditätspolitische Funktion erfüUe413 414• 409 V&J.: HA Bd. 5010: Entwurf eines zusammenfassenden Berichts des Ausschusses für Geld und Kredit des Deutschen Bundestags betr. seine Beratungen über das Bundesbankgesetz der Rechts- und Währungsabteilung der Bank deutscher Länder vom 9. Juni 1953 410 vgl.: HA Bd. 387, HA Bd. 3647 und HA Bd. 4257: Material für eine anstehende Ressortbesprechung im Bundeswirtschaftsministerium zur Haltung der Bank deutscher Länder zur Frage der MindestreseiVe vom 24. November 1955, Anlage 3: 2. Gesetz zur Neuordnung des Geldwesens (Emissionsgesetz) vom 20. Juni 1948, Militärregierung Deutschland, in: Gesetzblatt der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes 1947-49, S.llf 411 vgl.: ebenda 412 vgl.: HA Bd. 3647: Vermerk von Döll vom 14. Dezember 1955 zu einer Besprechung zur MindestreseiVepflicht der Kreditinstitute am 13. Dezember 1955 413 vgl.: HA Bd. 387, HA Bd. 3647 und HA Bd. 4257: Material für eine anstehende Ressortbesprechung im Bundeswirtschaftsministerium zur Haltung der Bank deutscher Länder zur Frage der MindestreseiVe vom 24. November 1955, Anlage 3: 2. Gesetz zur Neuordnung des Geldwesens (Emissionsgesetz) vom 20. Juni 1948, Militärregierung Deutschland, in: Gesetzblatt der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes 1947- 49, S.llf 414 vgt.: HA Bd. 387: Vermerk von Eduard Wolf zu einer informellen Ressortbesprechung zu der Fassung der MindestreseiVe im Bundesbankgesetz am 7. November 1955 9 A. MUll«
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D. Die Mindestreserve als lnstNment der Zentralbank seit 1948
Im Referenten-Entwurf vom 26. November 1955 war eine Untergrenze von 5 v. H. für alle Verbindlichkeiten explizit enthalten, vermutlich als Ergebnis der informellen Besprechung415• Dieser Entwurf vom 26. November 1955 entsprach inhaltlich den Vorstellungen der Bank deutscher Länder. Der Zentralbankrat hätte aber eine Formulierung bevorzugt, die die Zweigleisigkeil der Mindestreserve noch deutlicher zum Ausdruck gebracht hätte416• In der offiZiellen Besprechung am 13. Dezember 1955 teilte das Bundeswirtschaftsministerium mit, daß im Bundesbankgesetz doch keine Untergrenzen für Mindestreservesätze enthalten seien. Diese solle eine Vorschrift sein, die im Kreditwesengesetz festgelegt werden solle417• Bei weiteren Besprechungen kam es bei der Frage der Liquiditätsfunktion der Mindestreserve zu keiner Einigung zwischen der Bank deutscher Länder und den Bundesministerien418• Nach Ansicht aller Ministerien sollten die Liquiditätsvorschriften im Kreditwesengesetz und nicht im Bundesbankgesetz verankert werden419• Die Regelung der gesetzlichen Obergrenzen für Mindestreservesätze wurde weitgehend durch die Argumentation der Vertreter der Bank deutscher Länder bestimmt. Diese Fragestellung hatte von Anfang an eine kreditpolitische Intention. Im Gegensatz hierzu stand die Frage nach einer möglichen Untergrenze für Mindestreservesätze. Zu dieser Fragestellung war die gleiche Konstellation wie zu der Frage nach der Einbeziehung der Spareinlagen in die Bemessungsgrundlage der Mindestreserve gegeben. Ausschließlich die Vertreter der Bank deutscher Länder beharrten auf dem Standpunkt, daß eine gesetzliche Regelung bezüglich der Untergrenze 415 vgl.: HA Bd. 3644: Referentenentwurf zum Bundesbankgesetz in der Fassung vom 26. November 1955 416 vgl.: HA Bd. 3647: Protokoll der 207. Sitzung des Zentralbankrats am 30. November 1955 417 vgl.: HA Bd. 3647: Vermerk von Döll vom 14. Dezember 1955 zu einer Besprechung zur Mindestreservepflicht der Kreditinstitute am 13. Dezember 1955 418 vp.: HA Bd. 3647: Vermerk von von Schelling, Ressortbesprechung am 16. und 17. Dezember 1955 über den Entwurf eines Bundesbankgesetzes vom 18. Dezember 1955; Protokoll der 211. Sitzung des Zentralbankrats am 25./26. Januar 1956; HA Bd. 3647: Vermerk von Wemer Döll zu einer Ressortbesprechung im Bundeswirtschaftsministerium vom 7. Februar 1956 419 vgl.: HA Bd. 3647: Vermerk über eine Sitzung des Wirtschaftskabinetts am 9. April 1956
Ul. Die Ausgestaltung der Mindestreserve im Bundesbankgesetz
131
notwendig sei. Begründet wurde diese Haltung mit der Liquiditätsfunktion der Mindestreserve. Innerhalb der Bank deutscher Under gab es, im Gegensatz zu anderen Fragen der Ausgestaltung der Mindestreserve, bei der Frage nach einer Untergrenze keine größeren Erörterungen. Die Forderung wurde lediglich stets wiederholt. Dieses Vorgehen wurde auch außerhalb der Bank deutscher Under im Zuge der Auseinandersetzungen um die Mindestreserveregelungen im Bundesbankgesetz beibehalten. Dieses Vorgehen seitens der Bank deutscher Under wirft die Frage auf, ob die Forderung nach einer gesetzlichen Bestimmung von Untergrenzen für die Mindestreserve nicht eine taktische Variante der Vertreter der Bank deutscher Under darstellte. Betonten die Vertreter der Bank deutscher Under immer die Doppelfunktion der Mindestreserve, um ihren Standpunkt bezüglich der Spareinlagenregelungen im Gesetz durchzusetzen, so konnten sie gerade aus dem liquiditätspolitischen Grund auf gesetzliche Untergrenzen für die Mindestreservesätze nicht verzichten. Die fehlende interne Diskussion und die in bezug auf die Abgrenzung der Bemessungsgrundlagen vorgebrachten Argumente deuten darauf hin, daß die Vertreter der Bank deutscher Under Untergrenzen für Mindestreservesätze forderten, um ihre liquiditätspolitische Argumentation in der Frage der Spareinlagen nicht zu schwächen. Somit kann die Forderung nach gesetzlichen Untergrenzen für die Mindestreservesätze als argumentative Unterstützung für die Einbeziehung der Spareinlagen betrachtet werden. l. Die Ausgestaltung der Mindestreserve im Bundesbankgesetz
Die Bestimmungen zur Mindestreserve waren in den Gesetzen über die Errichtung der Landeszentralbanken, der Bank deutscher Under sowie im Zweiten Gesetz zur Neuordnung des Geldwesens (Emissionsgesetz) nicht so detailliert gefaßt wie die Vorschriften über die Mindestreserve im Bundesbankgesetz420• 420 siehe Anlage 2: Gesetz zu Errichtunc der Bank deutscher Länder vom 1. März 1948, Verordnung Nr. 129 des britischen Kontrollgebietes, in: Amtsblatt der Militärregierung Deutschland, Britisches Kontrollgebiet, S. 696 - 702; siehe Anlage 3: 2. Gesetz zur Neuordnung des Geldwesens (Emissionsgesetz) vom 20. Juni 1948, Militärregierung Deutschland, in: Gesetzblatt der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes 1947-49, S.llf
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D. Die Mindestreserve als Instrument der Zentralbank seit 1948
Die Bundesbank darf von den Kreditinstituten die Unterhaltung der Mindestreserve explizit "... zur Beeinflussung des Geldumlaufs und der Kreditgewährung ..."verlangen. Durch die Wahl dieser Formulierung wurde in § 16 BBankG ein unmittelbarer Bezug zu der durch § 3 BBankG bestimmten zentrale Aufgabe der Bundesbank hergestellt421• Die Mindestreservevorschriften innerhalb des Zentralbanksystems, das heißt zwischen den Landeszentralbanken und der Deutschen Bundesbank, waren aufgrund ihrer ökonomischen Bedeutungslosigkeit im Bundesbankgesetz nicht mehr vorgesehen422• Während im Emissionsgesetz einzelne Arten von Kreditinstituten explizit von der Mindestreserve ausgenommen wurden, stellt das Bundesbankgesetz es in das Ermessen der Bundesbank, einzelne Institute von der Mindestreservepflicht freizustellen. Außerdem erhält die Bundesbank auch weiterhin die Möglichkeit, die Mindestreservebestimmungen "nach allgemeinen Gesichtspunkten" zu differenzieren und bestimmte Bankengruppen mit unterschiedlichen Mindestreservesätzen zu belegen. Hiermit sollte der Bundesbank die Möglichkeit gegeben werden, die Wirkung der Mindestreserveregelungen für alle Kreditinstitute möglichst gleichmäßig zu gestalten423• Im Emissionsgesetz waren Sichteinlagen, befristete Verbindlichkeiten und Spareinlagen mindestreservepflichtig. Im Bundesbankgesetz sind die reservepflichtigen Verbindlichkeiten detaillierter bestimmt. Die Differenzierung der Mindestreservesätze, mit denen die reservepflichtigen Verbindlichkeiten belegt werden, wurden neu strukturiert. Der besondere Charakter der
421 H 3 und 16 BBankG 422 siehe Anlage 5: Deutsche Bundesbank - Historisches Archiv, HA Bd. 381 Unterlagen betr. Vorbereitung des Bundesbankgesetzes 1952 und HA Bd. 3642 Bundesbank-Gesetz 19521953: Betr.: Entwurf eines Gesetzes über die Währungs- und Notenbank des Bundes in der vom Bundesfinanzministerium vorgelegten Fassung vom 22. August 1952 423 siehe Anlage 3: 2. Gesetz zur Neuordnung des Geldwesens (Emissionsgesetz) vom 20. Juni 1948, Militärregierung Deutschland, in: Gesetzblatt der VeiWaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes 1947 - 49, S. llf; siehe Anlage 11: Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Geld und Kredit (22. Ausschuß) über den Entwurf eines Gesetzes über die Deutsche Bundesbank vom 31. Mai 1957, Deutscher Bundestag 2. Wahlperiode 1953, Drucksache 3603; zugleich: § 16 des Gesetzes über die Deutsche Bundesbank vom 26. Juli 1957, in: BGBl. I, s. 747
III. Die Ausgestaltung der Mindestreserve im Bundesbankgesetz
133
Spareinlagen sollte betont werden424• Sie umfassen Sichteinlagen, befristete Einlagen und Spareinlagen sowie Verbindlichkeiten aus aufgenommenen kurz- und mittelfristigen Geldern, mit Ausnahme der Verbindlichkeiten gegenüber anderen reservepflichtigen Kreditinstituten. Diese Nostro- oder Interbankenverbindlichkeiten sollten nicht mehrfach zur Mindestreservepflicht herangezogen werden. Die Differenzierung nach der Art der Einlagen basierte auf der Überlegung, daß mit steigender Bindung der Einlage der Liquiditätscharakter abnimmt und der Kapitalcharakter steigt. Die Mindestreserve zielte jedoch auf die kurz- und mittelfristigen Einlagen, weil diese nach Ansicht des Gesetzgebers die Grundlage für die Giralgeldschöpfung bilden. Die Giralgeldschöpfung soll durch die Mindestreserve beeinflußt werden. Dies ist die eher allgemein gehaltene Begründung für die Höhe der gewählten Obergrenzen und für die Differenzierung der Verbindlichkeiten im Bundesbankgesetz425 • Außerdem wurden im Bundesbankgesetz Bestimmungen über die Ermittlung des Mindestreserve-Solls und -Ist ausdrücklich aufgenommen426• Im Unterschied zum Emissionsgesetz wurden im Bundesbankgesetz aber keine Untergrenzen für die Mindestreservesätze festgelegt. Dies entsprach der erklärten Absicht des Gesetzgebers, Vorschriften zu Liquiditätsreserven ausschließlich im Kreditwesengesetz festzuschreiben. Da aber in der Begründung des Regierungsentwurfs, die zugleich die amtliche Begründung wurde, von einem Doppelcharakter der Mindestreserve gesprochen wurde427, fmdet sich diese Darstellung auch in einem Kommentar zum
424 vgl.: Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Geld und Kredit (22. Ausschuß des Deutschen Bundestages für Geld und Kredit) über den Entwurf eines Gesetzes über die Deutsche Bundesbank vom 31. Mai 1957, Deutscher Bundestag 2. Wahlperiode 1953, Drucksache 3603, S. 6; Hahn, Paul, Das Gesetz über die Deutsche Bundesbank mit amtlicher Begründung und Bericht des Bundestapausschusses für Geld und Kredit. Kunltommentar mit vergleichender Tabelle, Bonn 1957, S. 22 425 siehe Anlage 9: Entwurf eines Gesetzes über die Deutsche Bundesbank vom 18. Oktober 1956, Deutscher Bundestag 2. Wahlperiode 1953, Drucksache Nr. 2781 426 cbenda
427 vgl.: HA Bd. 646: Kurzprotokoll der 73. Sitzung des Ausschusses für Geld und Kredit am 23. Januar 1957; Begründung des Regierungsentwurfs; siehe Anlage 11: Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Geld und Kredit (22. Ausschuß) über den Entwurf eines Gesetzes über die Deutsche Bundesbank vom 31. Mai 1957, Deutseber Bundestag 2. Wahlperiode 1953, Drucksache 3603; zugleich: § 16 des Gesetzes über die Deutsche Bundesbank vom 26. Juli 1957, in: BGBI. I, S. 747
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D. Die Mindestn:seiVe als Instrument der Zentralbank seit 1948
Bundesbankgesetz428• Die angebliche Doppelfunktion der Mindestreserve wird in der Literatur nicht durchgängig unterstellt. Es gibt durchaus Unter· suchungen, die ausschließlich auf die geld· und kreditpolitische Funktion der Mindestreserve abzielen429• Aber auch in Publikationen neueren Datums wird der sogenannte Doppelcharakter der Mindestreserve analysiert430• Der Grund für die Unterstellung einer Doppelfunktion kann in der ge· schichtliehen Entwicklung des Instrumentes431, der Diskussion im Rahmen der Bundesbankgesetzgebung, insbesondere durch die Vertreter der Bank deutscher Länder, und in dem Aufgreifen dieses Gedankens in einem Kommentar zum Bundesbankgesetz vermutet werden. Der Gesetzgeber hat aber in bezug auf die Funktion der Mindestreserve eindeutig Stellung bezogen. Aufgrund ihrer Ausgestaltung ergibt sich für die Mindestreserve ein liquiditätsreservepolitischer Charakter, dem zum einen durch die Anrechenbarkeit auf Reservehaltungen auf der Grundlage des Kreditwesengesetzes durch den Gesetzgeber entsprochen wurde. Zum anderen haben die Kreditinstitute die Möglichkeit, ihr Mindestreserve-Soll kurzfristig zu Liquiditätsdispositionen einzusetzen432. Diese Relevanz der Mindestreserve für betriebswirtschaftliche Liquiditätsdispositionen besitzt für die Aufgabe der Mindestreserve aufgrund des Bundesbankgesetzes keine Bedeutung. Mit dem Zentralbankinstrument Mindestreserve hat der 428 vgl.: Spindler, Joachim von, Becker, Willy, Starke, 0.-Ernst, (1973), S. 329; Bereits in der ersten Auflage dieses Kommentars wurde die Doppelfunktion der Mindestn:seiVC herausgestellt. Floss analysierte diese Aussagen (vgl. Floss, Eberhard, Mindestn:seiVC und bankwirtschaftliche Liquidität, in: Sparkasse, Heft 10, 76. Jg., 1959, S. 187ff). 429 vgl.: Beck, Heinz, (1959), S. 282; Hahn, Paul, (1957), S. 22; Seeck, Horst, Steffens, Gemot, Die Deutsche Bundesbank, 4. überarbeitete Auflage, Düsseldorf 1979, S. 33ff; Könneker weist darauf hin, daß die Guthaben auf ·Girokonten durch ihren Liquiditätscharakter und durch ihn: monatliche Verfügbarkeil einen Ausgleich in den täglichen Dispositionen der Kreditinstitute erlaubt (vgl.: Könne/cer, Wilhelm, Die Deutsche Bundesbank, 2. neubearbeitete Auflage, Frankfurt a. M. 1967, S. 44f); Im Gegensatz hienu hat Könneker 1953 im Rahmen eines Vortrags die Funktion als Liquiditätsn:seiVC im Sinne des Kreditwesengesetzes betont (vgl.: Könne/cer, [Wilhelm], (1953), S. Sff). 430 vgl.: Rolule, Armin, Simmert, Diethard B., Mindestn:seiVen: Ein überflüssiges Instrument der Geldpolitik?, in: Wirtschaftsdienst, Heft 8, 66. Jg., 1986, S. 404 - 410, hier S. 404; Issing, Otmar, (1987: b), S. 86; Eine ausführliche Analyse zu der Fragestellung nach der Doppelfunktion wurde zuletzt von Hepp vorgenommen. Er kam zu dem Ergebnis, daß die Mindestn:seiVe keine liquiditätspolitische Funktion erfüllt (vgl.: Hepp, Roland, (1989), s. 21ff). 431 vgl.: Mindestn:seiVCn:gelungen im Ausland, in: Monatsberichte der Deutschen Bundesbank, Heft 3, 42. Jg., 1990, S. 22- 29, hier S. 23 432 vgl.: Mindestn:seiVCregelungen im Ausland, in: Monatsberichte der Deutschen Bundesbank, Heft 3, 42. Jg., 1990, S. 22- 29, hier S. 23
IV. Realisierte und diskutierte Wandlungen von 1957 bis 1973
13S
Gesetzgeber ausschließlich die geld- und kreditpolitische Funktion verbunden. Bezüglich der Funktion der Mindestreserve im Bundesbankgesetz war die Haltung des Gesetzgebers konsequent und folgerichtig.
IV. Die Mindestreserve im Instrumentarium der Deutschen Bundesbank: Realisierte und diskutierte Wandlungen von 1957 bis 1973 Die Mindestreservebestimmungen wurden durch lokrafttreten des Bundesbankgesetzesam 1. August 1957 nicht verändert433• Die gesetzliche Regelung des Emissionsgesetzes sah vor, daß die Mindestreservebestimmungen von dem Zentralbankrat beschlossen und von den Landeszentralbanken erlassen wurden. Durch den im Bundesbankgesetz 1957 gewählten neuen Aufbau des Zentralbanksystems wurden die Mindestreserveregelungen auch weiterhin vom Zentralbankrat bestimmt, aber von der Bundesbank erlassen. Mit den Anweisungen über Mindestreserven der Deutschen Bundesbank, die der Zentralbankrat am 28. März 1958 ausgab, traten die noch von den Landeszentralbanken erlassenen Anweisungen zum 1. Mai 1958 außer Kraft434• 1. Die Wandlungen des Instrumentes Mindestreserve bis 1973
Die Bundesbank verfolgte bis 1973, solange sie an feste Wechselkurse gebunden war, eine diskretionäre Geldpolitik. Für die Mindestreserve wird dies anband der häufigen Änderungen der Mindestreservesätze dokumentiert43S. Veränderungen der Mindestreservebestimmungen in dem Zeitraum von 1957 bis 1973 waren in der Regel durch außenwirtschaftliche Einwirkungen auf die Geldpolitik bedingt. Die Bundesbank hat in diesem Zeitraum erstmals Mindestreserveregelungen erlassen, in denen zum einen 433 vgl.: Geschäftsbericht der Deutschen Bundesbank für das Jahr 1959, S. 56f; Eine Ausnahme betraf die zweckgebundenen Mittel, die infolge der Formulierung von § 16 Abs. 1 BBankG nicht mehr der Mindestreserve unterlagen. 434 vgl.: Geschäftsbericht der Deutschen Bundesbank für das Jahr 1960, [Frankfurt a. M. 1961), S. 61; Durch die AMR-Änderung vom 1. Mai 1958 wurde die dezentrale Möglichkeit der Reservehaltung von Kreditinstituten mit Filialsystem innerhalb eines Landeszentralbankbereiches aufgehoben und in das Ermessen der Kreditinstitute gesteHt (vgl.: ebenda). 43S siehe S. 177
136
D. Die Mindestreserve als Instrument der Zentralbank seit 1948
nach Gebietsansässigen und Gebietsfremden436 und zum anderen nach Bestand und Zuwachs von mindestreservepflichtigen Verbindlichkeiten differenziert wurde. a) Die Differenzierung nach Gebietsansässigen und Gebietsfremden Vor lokrafttreten des Bundesbankgesetzes differenzierte der Zentralbankrat zum ersten Mal im April 1957 den Mindestreservesatz für Verbindlichkeiten gegenüber Gebietsansässigen und gegenüber Gebietsfremden. Er belegte die Verbindlichkeiten von Gebietsfremden mit höheren Reservesätzen. Vor dem Hintergrund fester Wechselkurse und der angestrebten Liberalisierung des Kapitalverkehrs bestand die Möglichkeit, daß durch die zufließenden Auslandseinlagen binnenwirtschaftlich orientierte Maßnahmen konterkariet wurden437. Die liquidisierende Wirkung von Geldimporten und das Interesse inländischer Kreditinstitute an Auslandseinlagen sollte durch diese Differenzierung eingeschränkt werden438• Als diese Maßnahme allein nicht ausreichte, um die Geldzuflüsse aus dem Ausland einzudämmen, beschloß die Bundesbank im Dezember 1959, auch die Einlagenzuwächse bei Verbindlichkeiten von Gebietsfremden mit einem Reservesatz zu belegen439. Die Bundesbank hatte die Möglichkeit, einen höheren Reservesatz auf den Bestand und/oder den Zuwachs an Auslandsverbindlichkeiten anzusetzen, als er durch die gesetzlichen Bestimmungen für den Bestand an Verbindlichkeiten Gebietsansässiger vorgeschrieben war. Insgesamt aber durfte die Mindestreservebelastung nicht die gesetzlichen Höchstgrenzen überschreiten440• In dem Zeitraum von Mai 1961 bis Dezember 1966, der durch starke Devisenzuflüsse geprägt war, hat die Bundesbank Kompensationsregelungen zugelassen. Da es ihr Ziel war, Devisenzuflüsse nicht binnenwirtschaftlich wirksam werden zu lassen, hat die Bundesbank den Kredit436 Bis zum Inkrafttrcten des Außenwirtschaftsgesetzes 1961 wurden die Begriffe "Dcviscnausländer• und "Dcviscninländer" vciWendet. 437 vgl.: Monatsberichte der Bank deutscher Länder, Heft 4, 9. Jg., 1957, S. 4; Kreibisch, Volkmar, (1962), S. 73; Stucken, Rudolf, (1973), S. 101 438 vgl.: Jssing, Otmar, (1987: b), S. 92f 439 vgl.: Geschäftsbericht der Deutschen Bundesbank für das Jahr 1959, S. 57 440 vgl.: cbcnda
IV. Realisierte und diskutierte Wandlungen von 1957 bis 1973
137
instituten gestattet, die Forderungen gegenüber Gebietsfremden mit ihren Mindestreserveverpflichtungen aus Auslandsverbindlichkeiten zu verrechnen. Zum 31. Dezember 1966 wurde diese Regelung wegen des Mißbrauches durch einzelne Kreditinstitute aufgehoben441• Bis 1969 war die Bundesbank bei der Festsetzung der Mindestreservesätze an die gesetzlichen Höchstgrenzen gebunden. Die Mindestreservebelastung eines Kreditinstitutes durfte insgesamt die gesetzlichen Höchstgrenzen nicht überschreiten. Einzelne Sätze für Auslandsverbindlichkeiten konnten jedoch über der Höchstgrenze liegen. Im Dezember 1968 legte die Bundesbank einen Reservesatz fest, der 100 v. H. für den Zuwachs an Auslandsverbindlichkeiten betrug442• Dieser Reservesatz wurde jedoch nicht wirksam, wenn ein Kreditinstitut bereits mit seiner Gesamtverpflichtung für die Mindestreserve die gesetzliche Obergrenze erreicht hatte. Durch eine Änderung des Bundesbankgesetzes vom 22. Juli 1969 erhielt die Bundesbank die Möglichkeit, gegenüber Gebietsfremden den Reservesatz für Verbindlichkeiten bis zu 100 v. H. festzulegen443, ohne daß diese Verbindlichkeiten wie bisher zu den Gesamtverbindlichkeiten gezählt wurden. Bei Anwendung dieser Vorschrift werden sämtliche Verbindlichkeiten der Kreditinstitute gegenüber Ausländern bei der Bundesbank vollständig stillgelegt. Sie verursachen dem Kreditinstitut folglich KüSten444• Die Bundesbank bediente sich des Mittels der Belegung von Auslandsverbindlichkeiten mit einer Bestands- und/oder Zuwachsmindestreserve zu Zeiten starker Kapitalzuflüsse aus dem Ausland. Als Bemessungsgrundlage bestimmte sie Stichtage oder einen Mittelwert aus Stichtagen oder Monaten445. Bewertend kann man sagen, daß die Festsetzung differierender Mindestreservesätze auf Verbindlichkeiten gegenüber Gebietsfremden bis 441 vgt.: Geschäftsbericht der Deutschen Bundesbank flir das Jahr 1966, [Frankfurt a. M. 1967], S. 110; Diese Kompensationsmöglichkeit hatte de facto die Wirkung von verzinslichen Mindestreserven im Ausland (vgl.: Dickertmann, Dietrich, Siedenberg, Axel, (1984), S. 161). 442 vgt.: Geschäftsbericht der Deutschen Bundesbank für das Jahr 1969, [Frankfurt a. M. 1970), s. 109 443 vgt.: Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Deutsche Bundesbank vom 22. Juli 1969, in: BGBI. I, S. 877 444 vgl.: Dickertmann, Dietrich, Siedenberg, Axel, (1984), S. 160
445 vgt.: 40 Jahre Deutsche Mark, (1988), S. 190ff. Zu einem Überblick über die Regelungen und deren jeweilige Gültigkeitsdauer (vgl.: ebenda).
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D. Die Mindestreserve als Instrument der Zentralbank seit 1948
Anfang der siebziger Jahre eine effiziente Maßnahme zur Stillegung von Devisenzuflüssen darstellte. Seit Mitte der siebziger Jahre wurden die außenwirtschaftlichen Einflüsse dominierend für die Geldpolitik der Bundesbank446. Für den Zeitraum von Juli 1972 bis Ende 1973 ergab sich für Sichteinlagen ein Reservesatz von 100 v. H., für Termineinlagen von 95 v. H. und für Spareinlagen von 90 v. H., ermittelt als Summe der Reservesätze für Bestand und Zuwachsverbindlichkeiten der Kreditinstitute auf Auslandseinlagen447. Die Regelungen der Bundesbank über Mindestreservesätze für Verbindlichkeiten gegenüber Gebietsfremden hatten gesamtwirtschaftliche Folgen, die der Intention der Bundesbank widersprachen. Als indirekte Wirkung war eine Erhöhung des Preisniveaus zu konstatieren448. Die erhöhten Mindestreservesätze gegenüber Auslandsverbindlichkeiten veranlaßten die Kreditinstitute außerdem zur Suche nach Möglichkeiten, dieser Mindestreservepflicht zu entgehen449. Das Ziel der Bundesbank einer außenwirtschaftliehen Absicherung bei festen Wechselkursen konnte aber allein mit dem Instrument Mindestreserve mittelfristig nicht erreicht werden. Zum einen bestand die Anlagemöglichkeit von ausländischem Kapital in Wertpapieren oder in Form von Kapitalbeteiligungen, die nicht der Mindestreserve unterlagen. Zum anderen förderten die erwarteten Paritätsänderungen den spekulativ bedingten Geldzufluß450.
446 vgl.: Schmidt, Susanne, Kapitalverkehrskontrollen und ihre Wirkung. Eine Analyse der Maßnahmen in der Bundesrepublik Deutschland 1971 - 1973, Hamburg 1977, S. 76ff; Bissen, Georg Heinrich, Anordnungen der Deutschen Bundesbank an Kreditinstitute zur Beschränkung bestimmter Aktiva (Kreditplafondierung), Diss. Hamburg 1976, S. 156ff; Geisler, Klaus-Dieter, Bundcsbankpolitik. Eine Analyse unter Verwendung von Rcaktionsfunktionen, Göttingen 1983, S. 95f 447 vgl.: Dickertmann, Dietrich, Siedenberg, Axel, (1984), S. 160; Auch bei freien Wechsel· kurscn, in der Zeit von Januar bis Mai 1978, griff die Bundesbank auf dieses Mittel zurück (vgl.: Neue geldpolitische Maßnahmen, in: Monatsberichte der Deutschen Bundesbank, Heft 1, 30. Jg., 1978, S. 6ff, hier S. 6f; 40 Jahr Deutsche Mark, (1988), S. 192). 448 vgl.: Geisler, Klaus-Dietcr, (1983), S. 103 449 vgl.: Schmidl, Susanne, {1977), S. 96f 450 vgl.: Diclcertmann, Dietrich, Siedenberg, Axel, (1984), S. 161
IV. Realisierte und diskutierte Wandlungen von 1957 bis 1973
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b) Die Zuwachsmindestreserve auf der Passivseite gegenüber Gebietsansässigen Von der Möglichkeit, den Zuwachs der Verbindlichkeiten von Gebietsfremden mit erhöhten Mindestreservesätzen zu belegen, hat die Bundesbank wiederholt Gebrauch gemacht. Gegenüber Gebietsansässigen hat sie dieses Mittel dagegen anders gehandhabt. Bereits im Jahre 1951 hatte es innerhalb der Bank deutscher Länder Überlegungen gegeben, einen restriktiven geldpolitischen Kurs mit Hilfe einer Zuwachsmindestreserve auf Verbindlichkeiten von Gebietsansässigen zu unterstützen. Zu diesem Zweck sollten Sätze für eine Zuwachsmindestreserve erlassen werden, die deutlich über dem Reservesatz für den Bestand mindestreservepflichtiger Verbindlichkeiten lag. Man war sich in der Bank deutscher Länder aber auch der Tatsache bewußt, daß von einer Zuwachsmindestreserve wettbewerbsverzerrende Impuls ausgehen konnten451• Im Juni 1960 beschloß der Zentralbankrat, den Zuwachs der reservepflichtigen Inlandsverbindlichkeiten für Juli bis Dezember 1960 mit den gesetzlich zulässigen Höchstsätzen zu belegen. Bemessungsgrundlage für den Zuwachsmindestreservesatz war der durchschnittliche Mindestreservebestand der Monate März bis Mai 1960452• Das war der erste Versuch der Bundesbank, durch einen Mindestreservesatz für den Zuwachs von Verbindlichkeiten der Gebietsansässigen die Bankenliquidität zu steuern. Im August 1970 sah sich die Bundesbank durch die liquide Situation auf dem Geldmarkt453 erneut gezwungen, zu diesem Mittel zu greifen. Die Inlandsverbindlichkeiten der Kreditinstitute waren infolge der Kreditaufnahme der Nichtbanken im Ausland überproportional gestiegen. Im August 1970 beschloß der Zentralbankrat die Einführung einer "allgemeinen Zuwachsreserve" für alle reservepflichtigen Verbindlichkeiten. Der Zuwachs aller Verbindlichkeiten, gemessen am Mittelwert der Monate 451 vgt.: HA Bd. 3182: Hauptabteilung Volkswirtschaft und Statistik der Bank deutscher Länder, 12. Juni 1951: Massnahmen [!] zur Abschöpfung der Bankenliquidität; HA Bd. 3183: Hauptabteilung Volkswirtschaft und Statistik der Bank deutscher Länder, 10. November 1951: Verstärkung der Kreditkontrolle des Zentralbanksystems durch Erweiterung der Mindestreserve-Vollmachten und Verwertbarmachung eines Teiles der Ausgleichsforderungen 452 vgl.: Geschäftsbericht der Deutschen Bundesbank für das Jahr 1960, S. 62
453 siehe zu der Situation auf dem Geldmarkt S. 45
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D. Die Mindestresem: als lnstNment der Zentralbank seit 1948
April, Mai und Juni 1970, wurde mit einem zusätzlichen Reservesatz von 40 v. H. für Sichteinlagen und von 20 v. H. für Verbindlichkeiten auf Spareinlagen und Termineinlagen belegt. Bedingt durch die gesetzlichen Höchstsätze für den mindestreservepflichtigen Bestand schränkte die Bundesbank ihre Maßnahmen bezüglich der Zuwachsmindestreserve sofort wieder durch Sonderregelungen für Spareinlagen und durch Begrenzung der durch die allgemeine Zuwachspflicht eingetretenen Belastung der Kr~ditinstitute ein. Einzelne Kreditinstitute und Bankengruppen wurden durch den gewählten Bezugszeitpunkt der Bemessungsgrundlage für die Zuwachsmindestreserve so stark betroffen, daß sich die Bundesbank in einem weiteren Schritt zur Aufhebung der Zuwachsmindestreserve für Gebietsansässige entschloß454• Die Bundesbank hat seitdem, wahrscheinlich vor dem Hintergrund dieser Erfahrungen, auf eine erneute Belegung der Verbindlichkeiten von Gebietsansässigen mit einer Zuwachsmindestreserve verzichtet455• Der Grund kann in der wettbewerbsverzerrenden Wirkung456 durch die Wahl der Bemessungsgrundlage für eine Zuwachsmindestreserve vermutet werden. 2. Die Diskussion über den Einfluß des Mindestresen'esystems zwischen
1957 und 1973 auf die Struktur des Bankensektors
Die Kreditinstitute in der Bundesrepublik unterscheiden sich in Geschäftsstruktur, Organisation, Rechtsform und Betriebsgröße. Der Grad der Spezialisierung ist im Vergleich zu anderen Ländern gering. Unabhängig von ihrer Rechtsform betreiben die Kreditinstitute in Deutschland alle banküblichen Geschäfte. Man bezeichnet das deutsche Bankwesen deshalb auch als Universalbanksystem457• Eine Klassifizierung der einzelnen Bankengruppen erfolgt üblicherweise 454 vgl.: Geschäftsbericht der Deutschen Bundesbank für das Jahr 1970, (Frankfurt a. M. 1971], S. 113; Stucken, Rudolf, (1973), S. 101f 455 vgl.: 40 Jahre Deutsche Mark, (1988), S. 187ff
456 vgl.: Schulte, Horst, Geldpolitische Zielkonformität und wettbewerbspolitische Systemkonformität differenzierter Mindestresem:n in der Bundesrepublik Deutschland (BRD), Diss. Bochum 1971, S. 139f 457 vgl.: Prost, Gerhard, Das Kreditwesen in der Bundesrepublik Deutschland, Wiesbaden 1975, S. 20; Duwendag, Dieter, u. a., (1985), S. 108
IV. Realisierte und diskutierte Wandlungen von 1957 bis 1973
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in Analogie zu der von der Bundesbank in den statistischen Übersichten ihrer Monatsberichte gewählten Form458• Die Bundesbank zählt die Privatbanken, Großbanken und Regionalbanken zu der Gruppe der Kreditbanken. Die Sparkassenorganisation und die Kreditinstitute des Genossenschaftssektors bilden neben den Realkreditinstituten und den Kreditinstituten mit Sonderaufgaben die weiteren Gruppen459• Pie Beziehungen zwischen den Bankengruppen werden durch Wettbewerb bestimmt460• Das Leistungsangebot der einzelnen Bankengruppen wurde seit 1950 erweitert. Diese Veränderung im Angebot führte dazu, daß sich die Struktur des deutschen Bankensystems veränderte und den Wettbewerb intensivierte461• Als ursächlich für den Strukturwandel im Bankensystem in dem hier zugrunde gelegten Zeitraum von 1957 bis 1973 wurde aber auch die globale Ausrichtung der Geldpolitik der Bundesbank angesehen. Das folgende Beispiel für das Jahr 1968462 zeigt, daß das Mindestreserve-Soll der einzelnen Bankengruppen im Verhältnis zu den mindestreservepflichtigen Verbindlichkeiten zwischen einer Belastung von 4,4 v. H. bei den Kreditgenossenschaften und 8,1 v. H. bei den Genossenschaftlichen Zentralbanken lag. Dies führte zu der Vermutung, daß das Instrument Mindestreserve eine Ursache für die Verschiebung der Wettbewerbspositionen im Bankensektor war.
458 vgl. ausführlich: Büschgen, Hans E(gon), Bankbetriebslehre. Bankgeschäfte und Bankmanagement, 2. vollständig neu bearbeitete Auflage, Wiesbaden 1989, S. 38ff; Prost,