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German Pages 183 [184] Year 2013
Ingo Baron Die Metapher im Kontext einer allgemeinen Symboltheorie
Aporia / Ἀπορία
Edited by Jesús Padilla Gálvez Advisory Board: Pavo Barišić, Michel Le Du, Miguel García-Baró, Margit Gaffal, Guillermo Hurtado, António Marques, Lorenzo Peña, Nicanor Ursua Lezaun, Nuno Venturinha, and Pablo Quintanilla
Volume 8
Ingo Baron
Die Metapher im Kontext einer allgemeinen Symboltheorie
Systemtheoretische Überlegungen im Ausgang von Nelson Goodman und deren Konsequenzen für die Philosophie
ONTOS
ISBN 978-3-11-034229-1 e-ISBN 978-3-11-034244-4 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2014 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Druck und Bindung: Hubert & Co. GmbH & Co. KG, Göttingen ∞ Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com
| „Symbolisierung [ist] eine [derart] unbezähmbare Neigung des Menschen […], daß er über die unmittelbare Notwendigkeit hinaus mit dem Symbolisieren weitermacht, nur weil es ihm Spaß macht oder weil er nicht aufhören kann. […D]er Mensch symbolisiert, weil er Mensch ist[.]“ (Nelson Goodman, „Sprachen der Kunst“, S. 236)
Inhalt Einleitung | 1 I I.1 I.2 I.3 I.4 I.5 I.6 I.7 II II.1 II.2 II.3 II.4 II.5
III III.1 III.2
Grundlagen | 8 Einführende Bemerkungen zur Symboltheorie Nelson Goodmans | 8 Warum eine Metapherndiskussion in einer allgemeinen Symboltheorie? | 15 Der paradigmatische Schemabegriff: Das Schema als Menge von Etiketten | 20 Der syntaktisch fundierte Schemabegriff: symbol schemes | 24 Die Umgebung der klassischen Metapher: Sprachliche Systeme als Skripte | 35 Goodmans Metapherntheorie | 41 Goodman und die Strömungen der Metapherntheorie | 56 Sprachliche Bilder – Das Pikturale und Notationalität | 71 Typisierbare und nichttypisierbare Darstellungsweisen | 71 Die Metapher und ihre ‚Bedeutung‘ | 80 Einbruch des Notationalen in das Pikturale – und umgekehrt | 89 Bemerkungen zum Medienbegriff | 106 Sprachwissenschaftlicher Exkurs: Mündliche und schriftliche Metaphern | 114 Metaphern, Kompetenz und Kreativität | 121 Metaphernkompetenz als Kompetenz zwischen formalen und pikturalen Darstellungen | 121 Sprachliche Kreativität | 134
IV IV.1 IV.2
Die erkenntnistheoretische Dimension: Witz und Geschmack | 141 Die Metapher im Kontext des Induktionsproblems | 141 Metaphern als Mittel der Sprachökonomie und Erkenntnisquelle | 148
V
Goodmans Symboltheorie – Kritische Diskussion und offene Fragen | 157
VI
Schlussbemerkungen | 167 Literatur | 172
Einleitung Nelson Goodmans Buch „Sprachen der Kunst“ – die wesentliche Argumentationsgrundlage für die vorliegende Untersuchung – gilt als moderner Klassiker der Ästhetik, Goodman selbst manchem als einer der wichtigsten Philosophen des 20. Jahrhunderts.1 Zunehmend findet das Buch mit dem bedeutsamen Untertitel „Entwurf einer Symboltheorie“ in verschiedenen Bereichen der Philosophie wie der Ästhetik – seinem ursprünglichen Ansatzpunkt –, der Sprachphilosophie und der Erkenntnistheorie sowie in Bereichen der Sprachwissenschaft, der Medientheorie und anderen mehr Beachtung.2 Diese thematische Fächerung mag – in dieser Spannweite – mitunter irritieren. Die breit gefächerte inhaltlichen Anlage, die nicht allein „Sprachen der Kunst“, sondern auch Goodmans restlichem Werk eigen ist, scheint auch einer der Gründe zu sein, warum Goodmans Theorie bislang kaum in ihrer gesamten Tragfähigkeit beleuchtet worden ist.3 Vielmehr gibt es eine bemerkenswerte Eigenheit der Philosophie Goodmans: Seine Texte sind zwar immer wieder in den verschiedensten Disziplinen in die Diskussion eingeführt, jedoch bislang selten grundlegend diskutiert4 worden. Nur wenige Autoren wie Cohnitz, Rossberg und einige andere setzen sich derzeit – Jahrzehnte nach dem Erscheinen von „Sprachen der Kunst“ – mit Goodmans Philosophie einschließlich seiner Symboltheorie (erstmalig) im Ganzen auseinander.5 Das mag neben der erwähnten, breiten inhaltlichen Fächerung auch an Goodmans bisweilen etwas irritierendem Nominalismusansatz liegen: Er reduziert sämtliche Formen von Symbolisierung – rein extensional – auf das Faktum der Bezugnahme. Dieses Wesen der Repräsentation, also allen Fällen des Stehens-für, bleibt für ihn als letzte Gemeinsamkeit übrig, wenn Symboli-
|| 1 Vgl. Daniel Cohnitz und Marcus Rossberg: Nelson Goodman – Chesham: Acumen 2006, S. 2 bzw. Catherine Z. Elgin: The Philosophy of Nelson Goodman. Selected Essays – New York/London: Garland Publishing 1997 (Vorwort vii). 2 Vgl. Oliver R. Scholz: In memoriam Nelson Goodman – In: Jakob Steinbrenner u.a.: Symbole, Systeme, Welten. Studien zur Philosophie Nelson Goodmans – Reihe Philosophische Impulse, Band 7, Herausgegeben von Felix Mühlhölzer, Heidelberg: Synchron 2005. S. 9‒32, hier: S. 23. 3 Vgl. Gerhard Ernst, Jakob Steinbrenner, Oliver R. Scholz: From Logic to Art. Themes from Nelson Goodman – Frankfurt/Paris/Lancaster: Ontos 2009, S. 20f. 4 Vgl. Thomas Hölscher: Goodman und die Kunstgeschichte – In: Jakob Steinbrenner (u.a.): Symbole, Systeme, Welten. Studien zur Philosophie Nelson Goodmans – Reihe: Philosophische Impulse. Herausgegeben von Felix Mühlhölzer (u.a.), Heidelberg: Synchron 2005, S. 89‒98. 5 Vgl. Daniel Cohnitz und Marcus Rossberg: Nelson Goodman – [a.a.O.] S. 2.
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sierung allgemein – von der Malerei zur formalen, eindeutig lesbaren Darstellung – im Fokus steht. Letztlich ist es für Goodman dabei unerheblich, ob es sich bei der Art der Darstellung von etwas um ein gemaltes Bild, einen gesprochenen/geschriebenen Text, eine Partitur eines (klassischen) Musikstücks oder einen strengen Formalismus wie beispielsweise ein Diagramm handelt. Kurzum, Kunst wie Wissenschaft sind aufgrund der Tatsache, dass sie als Symbolsysteme auf etwas Bezug nehmen, nicht so weit voneinander entfernt, wie man meinen möchte: Beide erschaffen nach Goodman „Welten“ bzw., etwas schwächer ausgedrückt, Weltversionen – wenn auch auf jeweils zu differenzierende Weise. Für die Symbolfunktion sämtlicher Darstellungsweisen konstituierend ist allein die Tatsache, dass damit Bezugnahmen ins Werk gesetzt werden. Ziel von Goodmans Argumentation in „Sprachen der Kunst“ ist deswegen eine möglichst genaue – auf logischen Kriterien beruhende – Beschreibung der Art und Weise, wie diese Bezugnahmen syntaktisch und semantisch ins Werk gesetzt werden. Ausgangspunkt für die im Rahmen dieser Arbeit vorzutragenden Überlegungen ist folglich vor allem anderen der typologische Charakter vom Goodmans Symboltheorie, der im Verlauf von „Sprachen der Kunst“ beleuchtet wird: Durch die Entwicklung einer Theorie der Notation erhält Goodman ein Vokabular, mit dem er zu unterscheidende Symbolsysteme – darstellende Kunst und wissenschaftliche Abhandlung sind schließlich offenkundig ganz sicher nicht identisch – hinreichend deutlich voneinander abgrenzen kann. Diese Merkmale liefern paradigmatische Argumente für die Unterscheidung von Symbolsystemen, wie sie sowohl in der Kunst als auch in der Wissenschaft im Gebrauch sind. Dabei ist festzuhalten, dass die eine Art von Symbolsystem, zum Beispiel eine Partitur eines (klassischen) Musikstückes, eindeutig lesbar und auf durch dieselbe definierte, klar voneinander getrennte Erfüllungsgegenstände – ihre Aufführungen – anwendbar ist, die andere, zum Beispiel ein (gemaltes) Bild, aber keineswegs und schon gar nicht eindeutig. Insgesamt eröffnet diese grundsätzliche Überlegung von „Sprachen der Kunst“ also ein Feld von Gegensätzen, in dem sich jede Art von Symbolisierung mit analytischen Mitteln hinreichend deutlich lokalisieren lässt. Das bedeutet, dass jede Art der Darstellung als Symbolsystem mit den Begriffen, die Goodmans Entwurf einer Symboltheorie zur Verfügung stellt, mehr oder minder trennscharf eine Position zwischen den Extremwerten von Symbolisierung – eindeutig les- und interpretierbar bzw. weder eindeutig les- noch interpretierbar – einnehmen muss. Genau darauf kommt es Goodman an: die systematische Untersuchung von Symbolsystemen und der Art und Weise, wie sie sich täglich im Gebrauch befinden, wie er sich
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ausdrückt, zumindest „einige Schritte“6 voranzutreiben. Nicht mehr und nicht weniger. Für eine symboltheoretische Fundierung der Sprachphilosophie, Kunstphilosophie, Ästhetik, der Wissenschaftstheorie und letztlich auch der Erkenntnistheorie erschließt Goodmans Ansatz somit einen sehr fruchtbaren Boden, denn von dort aus lassen sich manch grundlegende Problemstellungen wenn nicht lösen, so doch klarer formulieren. In dieser Arbeit geht es zunächst um die systemtheoretischen Konsequenzen von Goodmans allgemeiner Philosophie der Symbole und der entsprechenden Systeme. Philosophisch interessant wird dieser Ansatz im Rahmen der Ästhetik wie Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie gleichermaßen – dann nämlich, wenn man sich besinnt, dass nahezu jede (intellektuelle) Wahrnehmung und Erkenntnis auch immer im Rahmen des Umgangs mit Symbolen zu verorten ist: Der Umgang mit Symbolen ist mit jeder Erkenntnis und im gewissen Maße auch jeder Wahrnehmung intrinsisch verbunden. Besonderes Gewicht erhält diese Ausgangslage mit dem Blick auf die ‚natürliche‘ Sprache, die Goodman in etwa in der Mitte zwischen pikturalen Darstellungen und formalen Darstellungsweisen ansiedelt, weil sie syntaktisch klar, aber semantisch nicht eindeutig ist: Bei jeder Argumentation, bei jeder Überlegung, bei jeder Diskussion sind Wörter, also Etiketten, im Spiel: Man liest Texte, argumentiert, streitet und überzeugt oder unterliegt in der Diskussion. Nun haben Wörter die Bedeutung, die wir gelernt haben, ihnen ,zu geben‘ – ein Verhältnis, das durchaus genauer geklärt werden muss.7 Aber, und das wird im Zusammenhang der hier vorliegenden Arbeit zentral werden, sie können auch ebenso gut und ebenso faktisch ,übertragene‘ Bedeutungen haben. Damit ist das Verfahren der Metaphernbildung angesprochen. Grundlegende These dieser Arbeit ist es, dass das Verfahren der Metaphernbildung – ähnlich wie die Sprache selbst im Zentrum zwischen pikturaler Darstellung und formaler Abbildung – im Zentrum des sprachlichen Symbolsystems zu lokalisieren ist. Damit ist ein Berührungspunkt oder eine Gelenkstelle angesprochen, an der – jetzt in der Goodman’schen Terminologie – ,repräsentationale‘ Systeme (zum Beispiel pikturale Darstellungen) und ,notationale‘ Systeme (zum Beispiel die Partitur eines klassischen Musikstückes und die Klasse seiner Aufführungen) aufeinandertreffen bzw. ineinander übergehen.
|| 6 Vgl. Nelson Goodman: Sprachen der Kunst. Entwurf einer Symboltheorie – 2. Auflage, übersetzt von Bernd Philippi, Frankfurt/M.: Suhrkamp (stw 1304) 1998 [folgend zitiert als SdK], S. 244. 7 Vgl. Kap. IV.1.
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Grundlage dieser These ist die folgende Überlegung: Wenn alle Arten der Symbolisierung das Faktum der Bezugnahme gemeinsam haben, sich aber gleichzeitig zwischen den Grenzbereichen von Repräsentation und Notation bewegen, muss es einen solchen Berührungs- bzw. Gelenkpunkt geben. Das Denkmodell hierfür liefert unter anderem die strukturale Phonologie im Prinzip des maximalen Kontrastes und der minimalen Differenz.8 Die Metapherntheorie, die Goodman selbst im Rahmen seiner Symboltheorie scheinbar eher beiläufig denn explizit und ausführlich entwickelt, kommt in dieser Hinsicht aus mehreren Blickwinkeln, die einzeln im Verlauf der vorliegenden Arbeit zu verfolgen sein werden, als Möglichkeit ins Spiel, einen derartigen Berührungspunkt zu fixieren. Zudem wird zu prüfen sein, ob und wie sie diese systemtheoretisch zentrale Funktion tatsächlich ausfüllen und welche Konsequenzen daraus zu ziehen sind. Dazu werden sprachliche Systeme, vor allem ihre syntaktischen Eigenschaften, genauer zu betrachten sein. Diesbezüglich sind mit Goodman zunächst einige Begriffe zu definieren: Im Kontext der sprachlichen Systemen liegen (mündliche oder schriftliche) Texte vor – nach Goodman Skripte, die trennscharf von Partituren eines Musikstücks und Bildern von etwas zu unterscheiden sind. Der Text ist normalerweise syntaktisch typisierbar, also aufgrund seiner Syntax eindeutig (er)lesbar. Auf der anderen Seite ist er aber von seiner Bedeutung her nie ganz eindeutig: Seine Erfüllungsklassen – die Mengen der Gegenstände, die normalerweise unter bestimmte Etiketten, also sprachliche Ausdrücke, sortiert werden – sind normalerweise nicht trennscharf voneinander unterschieden. Dies ist eine besondere Eigentümlichkeit des (natürlich)sprachlichen Symbolsystems, welches selbiges in unterschiedliche Richtungen öffnet und damit flexibel macht, um mit den Mitteln, die das System zur Verfügung stellt, auch immer wieder neu ,auf die Welt‘ blicken zu können. || 8 Vgl. Roman Jakobson: Kindersprache, Aphasie und allgemeine Lautgesetze – 1. Auflage, Edition Suhrkamp 330, Frankfurt/M.: Suhrkamp 1969. Nach Jakobson werden Laute/Phoneme nach dem Prinzip des maximalen Kontrastes gebildet. Das heißt, die Opposition ist die zwischen dem maximalen Verschluss und der maximalen Öffnung des Artikulationsapparats ist grundlegend. Das System der Laute/Phoneme bildet sich diesem Denkmodell folgend ,nach innen‘ aus. Ein Beispiel: Der Laut ,p‘ wäre demnach ein maximaler (plosiver) Verschluss des Artikulationsapparats, der Laut ,a‘ eine maximale Öffnung. Dementsprechend entstehen die ersten artikulierten Laute zum Beispiel bei Kleinkindern im Spracherwerb durch die Kombination dieser beiden Artikulationsmerkmale (,pa‘). Die aufwendiger gebildeten Laute/Phoneme folgen erst später. Sie sind als in diesem maximalen Kontrast fundiert. Der Kernpunkt der Argumentation ist, dass sich die Vokale und Konsonanten etwa beim ,j‘ treffen und dort ineinander übergehen. Hier gibt es eine Kombination aus minimalem Verschluss und minimaler Öffnung des Artikulationsapparates.
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Grundlage für diese ,Neujustierung‘ ist allerdings eine ,buchstäbliche‘ Bedeutung eines Wortes. Diese muss im allgemeinen Sprachgebrauch eben ,gebräuchlich‘ sein, damit sie verstanden wird. Nur wenn eine solche buchstäbliche Bedeutung vorausgesetzt werden kann, kann eine metaphorische ,Übertragung‘ stattfinden. Grundlage für jegliche Metaphorik ist also notwendigerweise ein Schema – nach Goodman zunächst definiert als eine Menge von alternativen Etiketten –, welches bestimmte, syntaktisch mehr oder weniger eindeutige, schematisierbare und gebräuchliche Inskriptionen, also jeweils individuell ausgeführte ,Zeichen‘, zur Verfügung stellt, um diese Etiketten unter Berücksichtigung ihrer ,Vergangenheit‘, ihrer üblichen Verwendung, auf neue Gebiete anwenden zu können. Im diesem Verfahren der Metaphernbildung zeigt sich die Sprache als Symbolsystem für diesen speziellen Gebrauch flexibel genug, bleibt aufgrund der Syntax aber verständlich. In der Metapher wird die Sprache also – auch im Goodman’schen Kontext – ‚bildhaft‘. Die Metaphernbildung ist das im eigentlichen Sinn des Wortes künstlerische Verfahren innerhalb des Sprachgebrauchs. Damit ist auch die Bedeutung des Verfahrens der Metaphernbildung für die Erkenntnis-, Wissenschaftstheorie und allgemeine Sprachphilosophie umrissen: Eine ,gut gewählte‘ Metapher macht auf eine ganz besondere Art und Weise etwas deutlich, etwas ,sichtbar‘ – die syntaktischen Merkmale des Sprachsystems – auch hier spricht Goodman von Schematisierung – sorgen aber gleichzeitig dafür, dass dieses Sichtbargemachte kommunizierbar bleibt. Damit wird das Verfahren der Metaphernbildung zu einer tragfähigen Grundlage für die Philosophie, die auf den Umgang mit Wörtern – auf das Argumentieren – angewiesen ist. Von diesen Überlegungen ausgehend wird im Rahmen der vorliegenden Arbeit die traditionelle Metapherndiskussion auf die Symboltheorie Goodmans abzubilden sein. Dabei ist es gefordert, das Verfahren der Metaphernbildung so zu fundieren, dass es – aus einer ganz neuen Perspektive – als ein zentrales rhetorisches Mittel, als ‚Trope der Tropen‘9, verstanden werden kann. Ganz nebenbei zeigt sich hier aber auch ein besonderes Argumentationsverfahren, das Goodman immer wieder in seinen Überlegungen anwendet und das einige
|| 9 Die Metapher gilt in diesem Zusammenhang als wesentliche Trope, der die anderen rhetorischen Figuren untergeordnet sind. Das hängt, wie sich zeigen wird, mit der symboltheoretisch zentralen Position des Verfahrens der Metaphernbildung zusammen und damit, dass im Verfahren der Metaphernbildung das ,Tropenhafte‘ der ,Tropen‘ – die Bedeutungsübertragung – kategorisch sichtbar gemacht werden kann (vgl. Quintilianus, Marcus Fabius: Ausbildung des Redners (Institutionis Oratoriae) – Zwölf Bücher. Herausgegeben und übersetzt von Helmut Rahn. Zweiter Teil, Buch VII‒XII. 3., gegenüber der 2. unveränderte Auflage 1995. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1995. S. 219 (VIII 6, 4)).
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Rückschlüsse auf sein Denken zulässt: Er vermeidet bei der Definition von Metaphern wörtlich zu verstehende Ausdrücke und benutzt selber – Metaphern. Diese sind gleichzeitig Definition und Beispiel dessen, was Goodman zum Ausdruck bringen möchte. Zentrales Argument der Philosophie Goodmans ist zu guter Letzt der aktive und dynamische Charakter von Erkenntnis: Der Mensch ist an der Schaffung seiner eigenen Erkenntnis aktiv beteiligt. Er bringt die verschiedenen ,Welten‘ genauso zum Vorschein wie er sie erkenntnistheoretisch zu durchdringen versucht. Dadurch entstehen Versionen, und die Welt zerfällt in diese einzelnen Versionen, die sich gegenseitig durchaus beeinflussen und befruchten: „Nelson Goodman […] gilt in der Philosophie nicht nur als ein Mann von Welt, nein, er ist ein Pluralist, er ist ein Mann von Welten.“10 Die vorliegende Arbeit wird zum Erreichen ihres Ziels – das Verfahren der Metaphernbildung symboltheoretisch im Zentrum der Sprachsystems zu verorten – zunächst die grundlegende Argumentationsstruktur Nelson Goodmans in „Sprachen der Kunst“, die Begrifflichkeiten und die Typologie der Symbolsysteme ausführlich zu rekonstruieren haben. Anschließend werden einige Ergänzungen am Programm Goodmans vorgenommen: Zum einen setzt Goodman – stillschweigend – den Begriff des Mediums voraus. Dieser ist nicht sein Thema in „Sprachen der Kunst“, wo es ja gerade um die Gemeinsamkeiten von Symbolisierungen gehen soll. Dennoch wird ein grundlegender und tragfähiger Medienbegriff zu ergänzen sein, zum Beispiel wenn es um die genauere Bestimmung von schriftlicher und mündlicher Sprache geht. Zum anderen setzt Goodman in seiner Argumentation den Schwerpunkt keineswegs auf sprachliche Systeme, sondern eher und allgemein auf die (künstlerische) Darstellung von etwas. Dies alles also schwerpunktmäßig auf die Sprache und deren zentrales kreatives Moment, das Verfahren der Metaphernbildung, abzubilden, ist demnach ein weiteres Ziel dieser Arbeit. Zudem wird zum Abschluss der vorliegenden Ausführungen zu überlegen sein, welche Konsequenzen die erarbeiteten Ergebnisse allgemein für die Philosophie, insbesondere die Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie haben, und in welchen Bereichen sie sich wie fruchtbar machen lassen. Die erarbeiteten ,Erkenntnisse‘ werden auch in Zukunft weiterhin fruchtbar für die philosophische Diskussion zu machen sein, lässt sich doch an diesem Punkt eine der gro-
|| 10 Hans-Rudi Fischer: Von der Wirklichkeit des Konstruktivismus zu den Weisen der Welterzeugung. Eine Einführung – In: Hans-Rudi Fischer, Siegfried J. Schmidt (Hrsg.): Wirklichkeit und Welterzeugung. In memorian Nelson Goodman – Heidelberg: Carl-Auer-Systeme 2000, S. 13‒25, hier: S. 20.
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ßen Stärken der Philosophie Goodmans ausspielen: Sie mag nicht alle Probleme lösen, aber sie stellt konsequenzenreiche Fragen.
I Grundlagen I.1 Einführende Bemerkungen zur Symboltheorie Nelson Goodmans Wenn immer man etwas darstellt, sich auf etwas bezieht – also beispielsweise ein Bild malt, mit Lauten/Wörtern etwas ausdrückt, einen Text schreibt, (klassische) Musik1 zur Aufführung bringt oder formal etwas abbildet –, sind Symbole im Spiel. Daher ist die Ausbuchstabierung dieses Begriffes wesentlich und alles anderes als ,unleistbar‘. „»Symbol« wird hier als ein sehr allgemeiner und farbloser Ausdruck gebraucht. Er umfaßt Buchstaben, Wörter, Texte, Bilder, Diagramme, Karten, Modelle und mehr, aber er hat nichts Gewundenes oder Geheimnisvolles an sich.“2
Es gibt, so lautet Goodmans grundlegender Ansatz, demnach auch ganz unterschiedliche Arten, (symbolische) Welten – oder Weltversionen – zu erzeugen, und an diesen erzeugten Welten haben Symbole wesentlichen Anteil: „Wenn man einmal eingesehen hat, daß Arbeit in Künsten und Wissenschaften das Arbeiten mit […] Symbolsystemen bedeutet,“3
so hat man nach Goodman – um das Ergebnis seiner Argumentation in „Sprachen der Kunst“ vorwegzunehmen – das wesentliche Werkzeug in der Hand, mit dem man zum einen den Zusammenhang der verschiedenen Symbolsysteme miteinander beschreiben, sie anschließend differenzieren und hernach die Spezifika der verschiedenen Disziplinen zwischen Kunst und Wissenschaft – anhand symboltheoretischer Analysen – hinreichend genau fassen kann. Wenn allgemeine Symbolisierungen im oben beschriebenen Sinne also näher betrachtet werden, dann ist zwischen Bildern, schematischen Abbildungen, sprachlichen Texten, formalisierten Darstellungsweisen, Tanz, Gesten usw. zu unterscheiden. Alles, was als ein Für-irgendetwas-anderes-Stehendes behandelt
|| 1 Die Einschränkung auf die klassische Musik erscheint Goodman zweckmäßig, weil nur hier die Umsetzung eines Notentextes in ein Klangereignis als das Werk konstituierend vorausgesetzt werden kann. Das gilt zum Beispiel nicht bei improvisierter Musik oder vielen anderen Formen. Deshalb bildet die Partitur-Aufführung-Beziehung das Paradigma von Goodmans (klassischem) Musikbegriff. 2 SdK, S. 9. 3 SdK, S. 243.
Einführende Bemerkungen zur Symboltheorie Nelson Goodmans | 9
werden kann und in diesem Sinne dann etwas bedeutet, ist Teil dieses symbolischen Ausgangsmaterials. Gemälde oder Abbildungen – pikturale Darstellungen – haben dabei offenkundig symboltheoretisch andere Eigenschaften als sprachliche. Ähnliches gilt erst recht formalisierte oder diagrammatische.4 Gleichwohl gehören sämtliche Bereiche zum alltäglichen Umgang mit Symbolen: Es werden genauso Bilder gemalt oder gezeichnet wie Sprache benutzt oder formalisierte/diagrammatische Darstellungen gelesen. Die Eigenschaften eines Symbolsystems – nach Goodman der Verbindung zwischen einem Symbolschema5 und seinen Erfüllungsgegenständen – sind in ihren jeweils syntaktischen und semantischen Dimensionen zu begreifen. Diskursive sprachliche Systeme, mit denen sich die vorliegende Untersuchung zentral beschäftigen wird, sind dabei ganz besondere Symbolsysteme: Sie dienen nicht allein dem Austausch mit anderen ,Sprechern einer Sprache‘, müssen also jeweils mit Bedeutungen verbunden werden, sondern haben auch die Funktion, sich selbst und seinen eigenen Gedanken in der sprachlichen Äußerung zu begegnen: Sprachliche Formen sind aus diesem Grunde als eigenständige Art semiologischer Selbstgewahrwerdungsformen des menschlichen Geistes zu verstehen6 – in seinen Worten und Texten begegnet sich der ,menschliche Geist‘ selbst und schafft sich so die Möglichkeit, sich mit seinen eigenen Gedanken (sowie den Gedanken anderer) auseinandersetzen. Damit ist im Grunde nichts weniger als die Grundlage für die komplette (Sprach-)Philosophie gelegt.7 Beim Umgang mit der Sprache handelt es sich zudem um eine soziale Praxis sui generis, denn sie liegt unter anderem in zwei medialen8 Formen vor: zum einen in oralsprachlichen Äußerungen und zum anderen in schriftlich fixierten Texten. In beiden Medien werden – wenn auch voneinander zu unterscheidende – Möglichkeiten geschaffen, Gedanken zu vergegenständlichen. Im Medium der Schrift wird ferner – eine weitere Konsequenz aus diesen besonderen Eigenschaften des Umgangs sprachlichen Systemen – auch die
|| 4 Als „diagrammatisch“ bezeichnet Goodman Darstellungsweisen, die formalen Kriterien mit Blick auf die syntaktische Eindeutigkeit des Darstellens und des semantisch eindeutigen Interpretierens folgen müssen (vgl. SdK, S. 163ff.). 5 Vgl. Kap. I.3 und I.4. 6 Vgl. Ludwig Jäger: Die Sprachvergessenheit der Medientheorie. Ein Plädoyer für das Medium Sprache – In: Werner Kallmeyer: Sprache und neue Medien – Sonderdruck, Berlin/New York: de Gruyter 2000. S. 9‒30, hier: S. 12. 7 Auf die Konsequenzen dieser Annahme wird noch ausführlich eingegangen (vgl. Kap. IV). 8 Auf den vorausgesetzten Medienbegriff gehe ich noch näher ein (vgl. Kap. III.1).
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Sprache selbst9 vergegenständlicht. Das geschieht aufgrund eines besonderen technischen Verfahrens, nämlich der Verschriftung einer Sprache in der Alphabetschrift,10 in einer einzigartigen Art und Weise. In gerade diesem Fall prägen die syntaktischen und semantischen Eigenschaften des Darstellenden ganz offenkundig das Dargestellte, das Sag-, das Versteh- und damit auch das Denkbare. Nelson Goodman sucht – so sein Ausgangspunkt in „Sprachen der Kunst“ – nach Kriterien, die im Alltag gebräuchlichen Symbolsysteme hinreichend deutlich voneinander zu unterscheiden, um eine Art Typologie der Symbolsysteme auf den Weg zu bringen: Auf der einen Seite stehen dabei nach Goodman syntaktisch wie semantisch eindeutige – differenzierte – Systeme, auf der anderen deren genaues Gegenteil, also sowohl syntaktisch als auch semantisch nicht eindeutige – dichte – Systeme. Dicht ist ein System genau dann, wenn weder syntaktische noch semantische Eindeutigkeit herzustellen ist. Zwischen diesen beiden Extremen von Symbolisierung muss sich folglich jedes andere Symbolsystem einordnen lassen. Diese Typologie der allgemeinen Symbolisierung differenziert sich also, sind erst einmal die Extremata definiert, nach innen aus. Als Beispiel für den ersten Extremwert von Symbolisierung, die sowohl syntaktisch als auch semantisch durchgängig differenzierten Systeme, begreift Goodman die Partitur eines Musikstückes und deren Aufführungen als Erfüllungsklasse, als Beispiel für letzteren, die dichten Systeme, die pikturale Darstellung von etwas11 und deren mitunter weitläufige Interpretation: Die ‚Kunst‘ eines Kunstwerkes besteht also darin, neuartige und eben nicht typisierte Darstellungsweisen für dementsprechend neue Inhalte zu finden und auf diese Weise neue Dinge zum Ausdruck zu bringen – die Partitur eines Musikstückes muss hingegen syntaktisch differenziert und semantisch eindeutig sein, denn sie soll ja eindeutig gelesen und zur Aufführung gebracht werden – also die Identität dieses Musikstücks sicherstellen. Dazu bedarf es gerade keiner neuartigen Darstellungsweise, sondern einer, die sich vor allem anderen auf syntaktische wie semantische Eindeutigkeit sowie damit auf logische Eigenschaften hin überprüfen lässt und damit ihre Funktion erfüllt. Somit sind auch von einer wissenschaftlichen Abhandlung – um einmal eine besondere Textform als Beispiel zu nehmen – bzw. von der Art und Weise, wie sie Dinge darzustellen hat, bestimmte Dinge gefordert: Eine solche Abhand|| 9 Vgl. Christian Stetter: Über Denken und Sprechen. Wilhelm von Humboldt zwischen Fichte und Herder – In: Hans-Werner Scharf (Hrsg.): Wilhelm von Humboldts Sprachdenken. Symposium zum 150. Todestag – Essen: Hobbing 1989. S. 25‒46, hier: S. 26. 10 Aus Gründen der Übersichtlichkeit beschränke ich mich hier auf Alphabetschriftsysteme. 11 Vgl. SdK, S. 15ff.
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lung muss – obwohl sie in den meisten Fällen mit der ,natürlichen‘, also keineswegs semantisch eindeutigen Sprache operiert – mit kurzen und möglichst eindeutig interpretierbaren Aussagen operieren, die auf für die entsprechende Disziplin geregelten Sprachgebräuchen und im klarsten Fall sogar formalisierten oder formalisierbaren Darstellungsweisen basieren. Mit Nachdruck besteht Goodman darauf, dass jedes Symbol, jede Repräsentation, nur in Relation zu diesem, durch das Symbol und einen Gebrauch konstituierten System verstanden werden kann. Es geht ihm darum, die gebräuchlichen Symbolsysteme gegeneinander abzugrenzen. Dazu betrachtet Goodman, wieder ganz analytisch, das alltägliche Verständnis von „Darstellung“ und beginnt seine Argumentation mit Überlegungen zum Pikturalen. Im Rahmen seiner Analyse stellt er fest, dass traditionelle Begriffe, dieses Repräsentationsverhältnis zu klären, aus logischen Gründen für eine philosophische Klärung des Verständnisses von Repräsentation nicht ausreichen: Ähnlichkeit zwischen dem Darstellenden und dem Dargestellten zum Beispiel kann kein tragfähiges Argument sein, denn eine Ähnlichkeitsrelation würde Symmetrie und Reflexivität voraussetzen: Wenn ein Bild also der gegenwärtigen deutschen Kanzlerin ähnlich sieht, dann müsste die gegenwärtige deutsche Kanzlerin auch dem Bild ähnlich sehen. Das Verhältnis muss sich also umkehren lassen – was aber offensichtlich nicht der Fall ist. Die gegenwärtige deutsche Kanzlerin ist zum Beispiel mitnichten zweidimensional, perspektivisch dargestellt und vieles mehr. Analog dazu stellt letztlich auch ein Gedicht, ein Diagramm oder die Partitur eines Musikstückes nichts dar, was ihm oder ihr ähnlich wäre, und doch wird durch Bild oder Diagramm (im Grenzfall sogar eindeutig) Bezug auf etwas genommen. Nur dann erfüllt es seine symbolische Funktion: Wenn sich nicht erschließen lässt, worum es in einem Gedicht geht, was ein Diagramm abbilden soll oder ob eine bestimmte Aufführung eines Musikstückes auch die Aufführung einer bestimmten Partitur ist, dann ist die Symbolfunktion des Ganzen grundlegend gefährdet. Im Verlauf seiner Argumentation demontiert Goodman weitere, vermeintlich etablierte Grundlagen der Unterscheidungen zwischen den einzelnen Arten der Darstellung von etwas.12 Am Endes dieses Prozesses bleibt die Bezugnahme selbst übrig – die Tatsache, dass mit einer Darstellung auf etwas Bezug genommen wird. Bezugnahme verbindet demnach alle Arten der Darstellung, die verschiedenen ,Sprachen‘ der Kunst, als gemeinsame Grundlage. Ihr Wesen ist zu klären.
|| 12 Dazu zählen zum Beispiel Nachahmung und Ähnliches.
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Nun kann die Bezugnahme selbst bei jeder Symbolisierung verschiedene Richtungen haben: Die Denotation ist dabei lediglich eine, wenn auch die sicher gängigste Spielart der Repräsentation: Ein Etikett, also zum Beispiel ein Wort, wird in einem Bezugnahmegebiet auf einen Erfüllungsgegenstand appliziert. Den Begriff der Denotation versteht Goodman als „Anwendung eines Wortes oder Bildes oder eines anderen Etiketts auf ein [Ding] oder viele Dinge“13. Die daran anschließende Überlegung erweitert seinen Ansatz jedoch um eine ebenso wichtige Dimension: Auch wenn man das Verhältnis aus der entgegengesetzten Perspektive, der Bezugnahmerichtung vom Erfüllungsgegenstand zum Etikett, betrachtet, ist Bezugnahme in vergleichbarer Weise im Spiel.14 Goodman bezeichnet diese ‚Inverse‘15 der Denotation als Exemplifikation: Besitz bestimmter Eigenschaften plus Bezugnahme auf ein Etikett, das den Gegenstand denotiert.16 Sein Beispiel ist die Stoffprobe eines Schneiders: Sie dient als Muster für bestimmte Eigenschaften des Stoffes. Durch diese Probe wird also auf Etiketten Bezug genommen, die ihrerseits die betreffenden Eigenschaften des Stoffes denotieren. Um das leisten zu können, muss die Probe die in Frage kommenden Eigenschaften, zum Beispiel Farbe oder Muster, offenkundig besitzen und vorweisen. Sie wird dabei jedoch keinesfalls alle Eigenschaften des Stoffes haben, sondern nur einige. Die Stoffprobe ist zum Beispiel kein Muster für dessen Größe, Gesamtgewicht usw. Jede Exemplifikation verfährt also selektiv, nimmt nur auf die Etiketten Bezug, auf die es in einer bestimmten Hinsicht gerade ankommt. Seine Theorie der Notation, die im Zentrum seiner Symboltheorie steht, fundiert Goodman in Überlegungen zum Werkbegriff: Es gibt einerseits Kunstwerke, die man fälschen kann, andererseits solche, bei denen das per se nicht möglich ist. So existiert nur ein einziges Original eines bestimmten Gemäldes – und eine Menge von Fälschungen. Nur das Original hat beispielsweise die individuelle Entstehungsgeschichte in der Werkstatt eines bestimmten Malers. Nur
|| 13 Nelson Goodman: Vom Denken und anderen Dingen – Übersetzt von Bernd Philippi, 1. Auflage, Frankfurt/M.: Suhrkamp 1987 [folgend zitiert als MM], S. 86. 14 Vgl. MM, S. 92ff. 15 Streng genommen ist die Exemplifikation eine Subrelation der Inversen der Denotation, „denn die Exemplifikation wählt aus und besteht nur zwischen einem Symbol und einigen, aber nicht den anderen Etiketten, die es denotieren, oder Eigenschaften, die es besitzt. Exemplifikation ist nicht bloßer Besitz eines Merkmals, sondern erfordert auch die Bezugnahme auf dieses Merkmal, die Bezugnahme unterscheidet die exemplifizierten von bloß besessenen Eigenschaften.“ (MM, S. 92) 16 SdK, S. 60.
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das Original ist, so Goodman, das autographische Kunstwerk17 – und nur hier funktionieren (potentiell) nahezu alle seiner Eigenschaften symbolisch. Das heißt, dass nur in diesem Fall, also nur durch die individuelle Entstehungsgeschichte, sämtliche Bildelement symbolisch aufgefasst werden können. Nur hier hat also ,jeder Pinselstrich‘ eine potentiell symbolische Funktion. Bei einer Fälschung wäre die Bezugnahme vornehmlich auf das Original zu richten. Als Betrachter eines in diesem Sinne symbolisch dichten Originals kann man zwar nach und nach lernen, möglichst viele dieser symbolisch funktionierenden Bestandteile zu erfassen, aber man wird (vermutlich) niemals zu einer umfassenden und eindeutigen Interpretation oder Lesart gelangen, weil die Summe der symbolisch funktionierenden Bestandteile – theoretisch – unendlich ist. Diese nach Goodman ästhetische Fülle erreicht nur das Original – und keine seiner Fälschungen. Ein musikalisches Werk18 existiert hingegen nicht in einem der Malerei vergleichbaren Sinne als autographisches Original, sondern besteht aus einer Klasse von einander hinreichend ähnlichen Aufführungen. Es ist ein Gegenstand, der wiederum aus einer Klasse von Gegenständen besteht. Derartige Kunstwerke bezeichnet Goodman als allographisch:19 Das Werk ist kein einzelner physischer Gegenstand. Die sich daran anschließende Frage lautet: Was macht die Aufführungen einander hinreichend ähnlich, hält sie als Klasse zusammen und stellt damit die Identität zweier beliebiger Aufführungen innerhalb dieser Klasse sicher? Was ordnet mit anderen Worten dem Summengegenstand den Produktgegenstand zu? Goodmans Antwort: die Partitur. Nur die Beziehung zwischen Partitur und Aufführung kann als Probe für die Echtheit einer Aufführung herangezogen werden. Dabei sind – im Normalfall – sogar minimale Abweichungen zugelassen. Für diesen Zweck muss jede Notationsform, die als Partitur in einem strengen Sinne gelten will, bestimmte Eigenschaften haben. Goodman betrachtet eine Partitur im Folgenden als einen zusammengesetzten, eindeutig lesbaren Charakter in einem Symbolschema und erhält damit letztlich ein notationales System, das aufgrund effektiver syntaktischer Differenziertheit auch semantisch eindeutig ist: Jede Partitur denotiert die die Partitur erfüllenden Aufführungen eines Werkes – jedoch keine, welche die Partitur nicht erfüllt. Diese Unterscheidung ist trennscharf. Die Erfüllungsgegenstände sind mit anderen Worten also disjunkt. Das ist der Kern von Goodmans Theorie der Notation.
|| 17 Vgl. SdK, S. 116ff. 18 Goodman geht wie gesagt stets von einer Partitur und der Klasse ihrer Aufführungen aus. 19 Vgl. SdK, S. 113ff.
14 | Grundlagen
An der Untersuchung der syntaktischen Merkmale der Symbolschemata macht Goodman zunächst die aufzustellende Typologie der Symbolsysteme fest: Es sind auf der einen Seite Symbolsysteme in Kunst wie Wissenschaft im Gebrauch, in denen sich die sogenannten Marken (Buchstaben, Wörter, Zahlen, Bilder, Symbole, Töne, Gesten …) als Inskriptionen eines Charakters20 begreifen lassen, somit nach bestimmten Bedingungen typisierbar und damit eindeutig lesbar sind. Durchgängig diskontinuierliche – mithin digitale – Systeme, bei denen jede Marke eindeutig einem Charakter zuzuordnen ist, können zudem semantisch eindeutig sein. Nur wenn sie es auch effektiv sind, kann von einem notationalen System gesprochen werden. Auf der anderen Seite von Symbolisierung sind dicht geordnete – mithin analoge – Systeme im Gebrauch, in denen derartige Typisierungen nicht vorgenommen werden können und für die es deswegen keine eindeutige Lesart gibt, weil kein Artikulationsschema zugrunde gelegt werden kann. Sämtliche syntaktischen wie semantischen Bedingungen für Notationalität sind hier nicht erfüllt: „[F]ür das bildliche Darstellen [gibt es also] kein Vokabular wie für das Sagen“21 und – so sollte vielleicht ergänzt werden – für das Sagen keinerlei Eindeutigkeit der Erfüllungsgegenstände wie für eine Partitur. Doch damit ist Goodman noch nicht am Ziel seiner Überlegungen angelangt: Denotiert werden können selbst Gegenstände (exemplifiziert werden können Etiketten), die nicht buchstäblich, sondern nur in einem ,übertragenen‘ Sinne unter das Etikett fallen und folglich auch nicht buchstäblich denotiert werden. Es handelt sich bei diesen figurativen Spielarten der Symbolisierung, und das genau ist der wesentliche Grundgedanke von Goodmans Argumentation, um keine weniger faktische ins Werk gesetzte Bezugnahme: Das Figurative – das Verfahren der Metaphernbildung – ist damit ein fester Bestandteil jedes (!) symbolischen Agierens. So kann Goodmans Symboltheorie mit ihren auf das Wesentliche begrenzten logischen Mitteln klären, auf welche Weise ein Bild eine Eigenschaft, zum Beispiel Traurigkeit, zum Ausdruck bringt, die es doch buchstäblich gar nicht haben kann – und warum ein Mensch in bestimmten Situationen zutreffend auch als „Ferkel“ bezeichnet werden kann.
|| 20 Disjunkte Charaktere sind Mengen von effektiv differenzierbaren Inskriptionen. 21 MM, S. 25.
Warum eine Metapherndiskussion in einer allgemeinen Symboltheorie? | 15
I.2 Warum eine Metapherndiskussion in einer allgemeinen Symboltheorie? Für jede Art von Repräsentation ist die Korrelation von einem Symbolschema und Erfüllungsgegenstand notwendige Bedingung. Die Bezugnahme umfasst dabei „alle Fälle des Stehens für“22 und ist nicht auf eine spezifische Art von Darstellung eingeschränkt. Bei jedem Akt der Symbolisierung werden, unter logischen Gesichtspunkten betrachtet, bestimmte Dinge als Prädikate oder Etikette benutzt. „Und die Etiketten selbst, ob verbal oder piktural, werden ihrerseits wieder unter verbale oder non-verbale Etiketten klassifiziert. Gegenstände werden unter »Pult«, »Tisch« usw. und auch unter Bilder, die sie repräsentieren, klassifiziert. Beschreibungen werden unter »Pult-Beschreibung«, »Kentaur-Beschreibung«, »Cicero-Name« usw. klassifiziert; und Bilder unter »Pult-Bild«, »Pickwick-Bild« usw. Die Etikettierung von Etiketten hängt nicht davon ab, wofür sie Etiketten sind.“23
Es geht bei jeder genaueren Untersuchung der unterschiedlichen Arten von Symbolisierung also darum, Etiketten oder Gruppen von Etiketten nach bestimmten Kriterien zu klassifizieren, sie somit in eine mehr oder weniger klare, vor allem aber hinreichend ,brauchbare‘ Ordnung zu bringen. Symbolische Welten können dabei nur derart als Weltversionen erzeugt werden, „indem man mittels Wörtern, Zahlen, Bildern, Klängen oder irgendwelchen anderen Symbolen in irgendeinem Medium solche Versionen erzeugt“24. Ein prominentes Beispiel für das Schaffen von Weltversionen ist die Sprache: Jeder, der eine Sprache spricht, sollte in der Lage sein, von einem Etikett, also im einfachsten Fall von einem Wort, sagen zu können, dass dieses Wort oder diese Äußerung ein potentiell sinnvoller Ausdruck in einer bestimmten Sprache ist,25 bevor es um die inhaltliche Interpretation gehen kann. Das Etikett muss somit einem faktisch verwendeten System zugeordnet werden, denn seinen Wert als Symbol hat es nach Goodman immer nur relativ zu einem System.
|| 22 MM, S. 86. 23 SdK, S. 40. 24 Nelson Goodman: Weisen der Welterzeugung – Übersetzt von Max Looser, 1. Auflage, Frankfurt/M.: Suhrkamp (stw 863) 1990 [folgend zitiert als WW], S. 117. 25 Das Wort muss also im Sinne Freges eine Intension haben (vgl. Gottlob Frege: Über Sinn und Bedeutung – In: Gottlob Frege: Funktion, Begriff, Bedeutung. Fünf logische Studien – Herausgegeben und eingeleitet von Günter Patzig, 3., durchgesehene Auflage, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1962. S. 40‒66, hier: S. 42 (Jeder, der einer Sprache mächtig ist, erfasst den Sinn, nicht unbedingt die Bedeutung eines Ausdrucks)).
16 | Grundlagen
Das Sprachsystem braucht nun eine Syntax, um verstehbar bleiben zu können. Dazu ist es nicht notwendig, dass jedes Wort gleich verstanden wird, jedoch muss das Wort bzw. die Äußerung zumindest syntaktisch als solches bzw. als solche erfasst werden. Im oben beschriebenen Sinne muss das Wort also als Etikett einer bestimmten Sprache klassifiziert werden können, bevor inhaltlich interpretiert werden kann. Mit der inhaltlichen Interpretation ist zunächst die Suche nach Erfüllungsgegenständen gemeint. Bei einer pikturalen Darstellung steht eine solche Syntax, die eine hinreichend klare Klassifizierung erlaubte, nicht zur Verfügung. Es gibt aus diesem Grund keine eindeutige Lesart – keine Klassifizierung eines Gemäldes oder eines Teils davon als ‚potentiell sinnvoller Ausdruck‘ –, weil ein Artikulationsschema26 fehlt, gegen welches das Bild als Inskription, also als realisierter Einzelfall eines Etiketts, zu prüfen wäre. Das liegt wiederum daran, dass jede Kunst nach mehr oder weniger neuen Darstellungsformen suchen muss, um beispielsweise den ,Zeitgeist‘ immer wieder neu treffen zu können. Folglich muss auch jeder (verstehende) Betrachter wissen bzw. nach und nach immer wieder neu und auf bisheriger Erfahrung aufbauend lernen, wie Bilder zu sehen (und dann erst zu verstehen) sind.27 Das geschieht auf eine völlig andere Art und Weise als das Verstehen sprachlicher Ausdrücke, und diese Fähigkeit fußt im (erlernten oder erworbenen) Umgang mit den pikturalen Symbolsystemen, einer ,pikturalen Praxis‘. Die Frage, ob das Etikett auch einen in der Welt existierenden Erfüllungsgegenstand hat, spielt bei alldem eine untergeordnete Rolle. Diesen Aspekt der Symboltheorie verankert Goodman an seinen Überlegungen zur „Nulldenotation“28: Es gibt offenkundig keine Einhörner, keine Zentauren usw., aber trotzdem kennt jeder Sprecher entsprechende Bilder oder Beschreibungen, die recht eindeutig auch unter die Etikette ‚Einhorn-Bilder‘, ‚Zentauren-Bilder‘ oder ‚Einhorn-Beschreibungen‘ usw. geordnet werden können. Solche Darstellungen scheinen in einer bestimmten Art und Weise zwar nichts zu repräsentieren,29 aber dennoch ist es möglich und gängige Praxis, sie zumindest als Klassenbegriffe wie »Tisch« oder »Stuhl«30 innerhalb des Tatsächlichen zu behandeln.
|| 26 Dem Schemabegriff werde ich mich, weil er auch für die folgenden Überlegungen von zentraler Bedeutung ist, ausführlicher zuwenden (vgl. Kap. I.3 und I.4). 27 Nelson Goodman/ Catherine Z. Elgin: Revisionen. Philosophie und andere Künste und Wissenschaften – Übersetzt von Bernd Philippi, 1. Auflage, Frankfurt/M.: Suhrkamp (stw 1050) 1993 [folgend zitiert als RE], S. 148ff. 28 SdK, S. 31ff. 29 Vgl. SdK, S. 31. 30 Vgl. SdK, S. 31.
Warum eine Metapherndiskussion in einer allgemeinen Symboltheorie? | 17
Diese besondere Behandlung von Etiketten steht im engen Zusammenhang mit dem, was Goodman „Repräsentation-als“31 nennt. Das Etikett wird also nicht extensional, sondern intensional definiert. Anders ausgedrückt wird die Klasse der Gegenstände, die unter dieses Etikett fallen, intensional bestimmt. Die Repräsentation-als ist für daher Goodman „eine Angelegenheit monadischer Klassifikation […], [und] unterscheidet […] sich erheblich von dyadischer, denotativer Repräsentation“32. Mit anderen Worten spielt nicht so sehr die Zuordnung des Erfüllungsgegenstandes eine Rolle, sondern vielmehr macht die Repräsentation-als eine neue Kategorie für die Sortierung in einer bestimmten Absicht auf. Damit macht Goodman insgesamt deutlich, dass jede Repräsentation immer nur eine Repräsentation im Rahmen eines Symbolsystems sein kann und nicht einfach eine Bezeichnung der Entitätenwelt ist. Es handelt sich dabei immer um eine Weltversion, eine Version, die wir uns mit den Mitteln, die ein bestimmtes Symbolsystem zur Verfügung stellt, erschaffen. Damit befinden wir uns notwendig auch immer innerhalb einer Welt der Symbole, einem Symbolsystem, wenn wir einen Zugang zur ,Welt‘ suchen. Diese erzeugen wir als stets symbolisch Agierende. Was nun den Ort und die Notwendigkeit der Metaphernthematik in der allgemeinen Symboltheorie angeht, so zeigt sich, dass Goodman seinen Metaphernbegriff aus durchaus guten Gründen im engen Zusammenhang mit seinem Schemabegriff bzw. als unmittelbare Konsequenz aus diesem entwickelt, denn jedes Schema33 ist zwar mehr oder weniger notwendig mit einer Heimatsphäre34 verbunden – der Sphäre, mit der es faktisch und ,üblicherweise‘ in Verbindung gebracht wird –, kann aber auf alle möglichen, fremden Sphären übertragen werden. Das geschieht im alltäglichen Sprachgebrauch ständig. Daher muss die figurative Bezugnahme ebenfalls ein wesentliches Moment des allgemeinen Symbolgebrauchs sein und verdient wie die buchstäbliche Beachtung. Ein Beispiel: Eine pikturale Darstellung exemplifiziert bestimmte Eigenschaften buchstäblich – sie ist zum Beispiel grau, grün oder blau. Das heißt etwas präziser: Sie hat buchstäblich die Eigenschaft, grau zu sein und exempli-
|| 31 Vgl. SdK, S. 36ff.: „Ein Bild, das einen Mann repräsentiert, denotiert ihn; ein Bild, das einen fiktionalen Mann repräsentiert, ist ein Mann-Bild; und ein Bild, das einen Mann als Mann repräsentiert, ist ein Mann-Bild, das ihn denotiert. Während es also im ersten Fall nur darum geht, was das Bild denotiert, und im zweiten nur darum, welche Art von Bild es ist, geht es im dritten sowohl um Denotation als auch um Klassifikation.“ (SdK, S. 37) 32 SdK, S. 39. 33 Die Vieldeutigkeit dieses Begriffs wird in den folgenden Kapiteln thematisiert. 34 Als Sphäre bezeichnet Goodman zum Beispiel beim Etikett »rot« als Bereich alle roten Dinge, als Sphäre jedoch die Menge aller farbigen Dinge. (SdK, S. 76ff.)
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fiziert das Etikett „grau“ ebenso buchstäblich. Das Bild ist also ein buchstäblicher Einzelfall eines Erfüllungsgegenstandes für das Etikett. Das Etikett „grau“ denotiert den Gegenstand nicht nur tatsächlich, sondern auch buchstäblich. Die Frage lautet nun, ob das Bild auch im gleichen Sinne ,traurig‘ sein kann wie es ,grau‘ ist, denn die Aussage „Das ist ein trauriges Bild“ gehört schließlich ebenso zum tatsächlichen, allgemeinen Sprachgebrauch, zum Repertoire, wie „Das ist ein graues Bild“. Wie kommt also mit anderen Worten dieser Ausdruck35 von beispielsweise Trauer bei einem Bild zustande? An dieser Stelle verspricht die genauere Analyse des Verfahrens der Metaphernbildung für Goodman einen gangbaren Weg: Das Phänomen des Ausdrucks – das Bild bringt ja offenkundig eher Traurigkeit denn Heiterkeit zum Ausdruck – lässt sich als eines begreifen, an dem die metaphorische Exemplifikation wesentlich beteiligt ist: „Was zum Ausdruck gebracht wird, wird metaphorisch exemplifiziert. Was Traurigkeit ausdrückt, ist metaphorisch traurig. Und was metaphorisch traurig ist, ist tatsächlich, aber nicht buchstäblich traurig, das heißt, es gerät unter die Herrschaft irgendeiner übertragenen Anwendung eines mit »traurig« koextensiven Etiketts.“36
Diese figurativen Eigenschaften werden jedoch nicht nur metaphorisch besessen, sondern gleichsam zum Ausdruck, zum Vorschein, gebracht.37 Darin besteht das eigentliche Wesen der Metaphernbildung. Ferner gilt dies alles auch für die unterschiedlichsten Arten von Etiketten: „Nonverbale ebenso wie verbale Etiketten können durch Symbole jeder Art exemplifiziert, die entsprechenden Eigenschaften zum Ausdruck gebracht werden. Ein Bild von Churchill als Bulldogge ist metaphorisch; und er kann als Symbol gelten, das das Bild exemplifiziert und das Bulldoggenhafte zum Ausdruck bringt, das ihm in dieser Weise piktural zugeschrieben wird.“38
Welche Eigenschaften also exemplifiziert werden, hängt vom System ab, das gerade im Gebrauch ist. Dessen Etiketten müssen wie gesehen – buchstäblich oder figurativ – die betreffende Eigenschaft denotieren, damit Exemplifikation als eine symbolische Funktion manifestiert werden kann. Exemplifikation ist in jedem System möglich, und sprachliche Prädikate sind in diesem Kontext lediglich Etikette aus sprachlich organisierten Systemen. Jedoch sind sie, wie sich || 35 Als Ausdruck eines Bildes behandelt Goodman das, was das Bild metaphorisch exemplifiziert. (vgl. SdK, S. 88ff.) 36 SdK, S. 88. 37 Vgl. SdK, S. 89. 38 SdK, S. 91.
Warum eine Metapherndiskussion in einer allgemeinen Symboltheorie? | 19
noch in den Einzelheiten zeigen wird, gerade im Hinblick auf die Metaphernthematik besondere. Die sprachliche Art des Ausdrucks ist, wenn man die Tatsache von der systematischen Ebene betrachtet, aber nicht für sich allein zu betrachten. Es zeigt sich vielmehr, dass nicht allein bei in pikturalen Darstellungen, sondern auch allgemein das Figurative eine dem Buchstäblichen nahezu ebenbürtige Rolle spielt: „Repräsentation und Beschreibung beziehen ein Symbol auf Dinge, auf die es zutrifft. Die Exemplifikation bezieht das Symbol auf ein Etikett, das es denotiert, und damit indirekt auf die Dinge (einschließlich des Symbols selbst) innerhalb des Bereichs dieses Etiketts. Der Ausdruck bezieht das Symbol auf ein Etikett, das es metaphorisch denotiert, und damit indirekt nicht nur auf den gegebenen metaphorischen, sondern auch auf den buchstäblichen Bereich dieses Etiketts. Und von jedem beliebigen Symbol können verschiedene längere Ketten aus elementaren bezugnehmenden Beziehungen von Etiketten auf Dinge und andere Etiketten und von Dingen auf Etikette ausgehen.“39
Es ist also zu vermuten, dass das Verfahren der Metaphernbildung ein zentrales Moment jedes Symbolgebrauchs innerhalb eines Systems und als solches in einer allgemeinen Symboltheorie nicht als ,rhetorischer Schmuck‘ zu vernachlässigen ist. Aufgrund dieser Überlegungen tritt das zentrale Thema der vorliegenden Untersuchung – die systematische Positionierung von Goodmans Metapherntheorie in einer allgemeinen Symboltheorie – in den Fokus. Um diese nun durchzubuchstabieren, wird zunächst Goodmans Schemabegriff, an dem er seine Metapherntheorie entwickelt hatte, in seinen verschiedenen Lesarten zu rekonstruieren sein: Goodman verwendet den Begriff schließlich keineswegs einheitlich, und an der Rekonstruktion der verschiedenen Lesarten werden sich anschließend Perspektiven für ein symboltheoretisch durchformtes Verständnis der philosophischen Metapherndiskussion aufzeigen lassen. Goodman führt dazu im Kontext seiner Überlegungen zu einem Schemabegriff im englischen Originaltext40 von „Sprachen der Kunst“ eine Unterscheidung ein, die in der deutschen Übersetzung mehr oder weniger vernachlässigt worden ist: Auf der paradigmatischen Ebene, der Ebene der Menge von Etiketten oder Symbolgestalten und den dadurch sortierten Bezugnahmegebieten, benutzt er den Begriff schema – auf
|| 39 SdK, S. 94. 40 Nelson Goodman: Languages of Art. An Approach to a Theory of Symbols – Second Printing, Indianapolis/New York/Kansas City: The Bobbs-Merril Company 1968 [folgend zitiert als LA].
20 | Grundlagen
der syntagmatischen, der Ebene der Symbolgestalten, den Begriff symbol scheme. In der Übersetzung sind diese beiden Begriffe jedoch durchgängig zu „Schema“41 geworden. Dennoch ist hier eine nicht unwesentliche Differenzierung der Erfüllungsgegenstände dieses Etiketts zu berücksichtigen: Einmal ist eine Menge von alternativen Etiketten gemeint, das andere Mal eine Menge nach bestimmten Kriterien ordnenbarer Marken/Inskriptionen in einem syntaktischen Umfeld. Dieser differenzierte Sprachgebrauch ist in Goodmans Originaltext konsequent durchgehalten. Die theoretischen Implikationen dieser Unterscheidung aufzuklären, ist ein Ziel des folgenden Kapitels.42
I.3 Der paradigmatische Schemabegriff: Das Schema als Menge von Etiketten Zunächst begreift Goodman ein Schema (schema) als eine Menge von Alternativen: eine Menge von Etiketten (labels) pikturaler, verbaler, notationaler oder wie auch immer gearteter Natur.43 Diese Alternativen müssen sich weder gegenseitig auszuschießen44 noch explizit benannt sein. Kein Etikett innerhalb der verschiedenen Arten von Symbolisierung funktioniert jedoch – das ist der wesentliche Punkt – für sich allein, sondern seinem Wesen nach immer „in Zugehörigkeit zu einer Familie“45. Dabei kann es in verschiedenen Systemen durchaus ebenso verschiedene Funktionen haben. Jede Kategorisierung ist nur anhand einer Menge von zur Verfügung stehender und faktisch gebräuchlicher Alternativen möglich. Diesen Sachverhalt verdeutlicht Goodman am Beispiel des Etiketts „rot“: „Was als rot gilt, variiert etwas, und zwar abhängig davon, ob Gegenstände als rot oder nicht rot oder als rot oder orange oder gelb oder grün oder blau oder violett klassifiziert werden.“46
Es hängt also von der Beschaffenheit, in diesem Fall dem Etikettenreichtum, des Schemas ab, was wie eindeutig als Erfüllungsgegenstand für ein bestimmtes || 41 Vgl. LA, S. 72ff. und 130ff. (vgl. SdK, S. 76ff. und 128ff.) 42 An den entsprechenden Stellen wird die unterschiedliche Verwendung des Begriffs Schema jeweils durch das englische Original in Kursivschrift ergänzt. 43 Diese allgemeine Schemadefinition hält sich bis in Goodmans spätere Werke (vgl. RE, S. 19). 44 RE, S. 20. 45 SdK, S. 76. 46 SdK, S. 76.
Der paradigmatische Schemabegriff: Das Schema als Menge von Etiketten | 21
Etikett gelten kann und was nicht: Wird ein differenziertes, etikettenreiches Schema verwendet, das in unserem Beispiel viele Rottöne unterscheidet bzw. benennt, wird es Schwierigkeiten geben, einen Gegenstand trennscharf als (einfach) „rot“ zu klassifizieren, das heißt, als Erfüllungsgegenstand diesem Etikett eindeutig zuzuordnen. Befindet sich hingegen ein wenig ausdifferenziertes Symbolschema in Anwendung – eines zum Beispiel, das ausschließlich die Etiketten „rot“ und „nicht-rot“ (sprich, alles andere) zuließe –, können viele Gegenstände noch als „rot“ klassifiziert werden, bei denen im Kontext eines stärker differenzierenden Schemas offenkundig Schwierigkeiten entstehen würden. Damit ist zum Beispiel die Klassifizierung als „rot“, „rosa“, „hellrot“, „dunkelrot“, „weinrot“, „scharlachrot“, „blutrot“ usw. gemeint. Jedes Etikett erhält also seinen Platz im Symbolschema (schema) in Differenz zu allen anderen Etiketten. Für die Korrelation von Schema und Bezugnahmegebiet ist daher die genannte Menge von Alternativen wesentlich, denn nur sie ermöglicht die Klassifizierung eines Erfüllungsgegenstandes unter einen bestimmten Begriff, der damit erst als Etikett verwendet wird. Die Symbolisierung wird, das gilt es sehr deutlich festzuhalten, immer in der Performanz erzeugt, nämlich dadurch, dass einem Etikett ein Erfüllungsgegenstand zugeordnet bzw. dass durch ein Schema und dessen Anwendung in einem bestimmten Bezugnahmegebiet eine Ordnung der Erfüllungsgegenstände etabliert wird. Die Klassifizierung ergibt sich jedoch vornehmlich als Möglichkeit, die sich in einem bestimmten Gebrauch, welcher nach Goodman wesentlich durch Praxis und Gewohnheit bestimmt ist, im Kontext von Akzeptabilität und damit der ‚Richtigkeit‘ der Verwendung bewähren muss.47 Der Gebrauch eines Schemas ist jedoch nicht frei, sondern von verschiedenen Faktoren abhängig, die diesen bestimmten Gebrauch als angemessen erscheinen lassen. Dieser symboltheoretische Kontext beispielsweise bestimmt die Menge von in diesem Sinne zulässigen Alternativen. Für Goodman ist die Rede von „Schemata, Kategorien und Begriffssystemen [an dieser Stelle] nichts anderes als die Rede von solchen Mengen von Etiketten“48. Zudem ist festzuhalten, dass der Zugang zu Symbolen nur über deren Verwendung bzw. deren Wert in bestimmten gebräuchlichen Systemen, also der Performanz, besteht: Im genannten Beispiel haben wir nur dann einen Begriff von „rot“ zur Verfügung, wenn anhand von Einzelfällen – extensional – hinreichend genau zu entscheiden ist, ob „Dieses ist rot“, „Jenes ist rot“ und „Das ist nicht rot“ je zutreffende Aussagen sind und damit die Marke, der jeweilige Einzelfall, als Einzelfall eines
|| 47 Vgl. Kap. IV.2. 48 SdK, S. 76.
22 | Grundlagen
Etikett in einem bestimmten System durch den Gebrauch etabliert wird. Das Etikett muss also, so eine zentrale Forderung für dessen Verwendung als Symbol, auf Bezugnahmegebiete angewendet werden. Die Fähigkeit, dieses leisten zu können, basiert wesentlich auf implizitem Wissen, einem Können: Man muss gelernt haben, durch dieses und jenes Symbol (diesen oder jenen Laut, Wort usw.) auf dieses oder jenes hinzuweisen. Nicht umsonst kann das Lallen oder Brabbeln eines Kleinkindes (vermutlich) alles und nichts bedeuten, und das System differenziert sich nach innen aus.49 Auf der Seite der Erfüllungsgegenstände stehen diesem Schema – nunmehr ‚paradigmatisch‘ definiert als Menge von Etiketten (set of labels) – die durch das Schema sortierten Gegenstände ‚gegenüber‘. Die Menge der Erfüllungsgegenstände wird erst durch die Anwendung der alternativen Etiketten begrenz- und bezeichnenbar. Ohne dieses Faktum der Referenzialisierbarkeit ist keine Art von Symbolisierung möglich. Einige notwendige Begriffe gilt es im Folgenden mit Goodman zu definieren: Die Menge der Gegenstände, die durch ein Schema sortiert werden, bezeichnet Goodman als dessen Sphäre (realm), „[d]ie Gesamtheit der Extensionsbereiche der Etiketten in einem Schema [Engl.: schema, meine Ergänzung]“50. Bedingung für jedes Sortieren durch ein Schema ist dabei, dass die Gegenstände „von mindestens einem der alternativen Etiketten denotiert werden“51. So umfasst im Beispiel der Bereich des Etiketts „rot“ alle roten Dinge, während die fragliche Sphäre alle farbigen Dinge umfasst. Der Bereich (range) ist alles, was das Etikett als Erfüllungsgegenstand denotieren kann, das Schema die Menge der alternativen Etiketten und die Sphäre die Menge aller Gegenstände, die durch das Schema sortiert werden. Durch die Verwendung eines bestimmten Etiketts werden gleichzeitig diejenigen Dinge aussortiert, die im genannten Beispiel nicht unter „rot“ fallen, sondern zum Bereich eines anderen Etiketts gehören. Diese Zuordnung ist offensichtlich se-
|| 49 Vgl. Roman Jakobson: Kindersprache, Aphasie und allgemeine Lautgesetze – [a.a.O.] Das Sprachsystem bildet sich nach Jakobson nach dem Prinzip des ,maximalen Kontrasts‘ der Sprachlaute aus, nämlich völliger Öffnung und völligem Verschluss des Artikulationsapparats. Daher resultieren die Silben „ma“ und „pa“ im Spracherwerb eines Säuglings nach der „Lallphase“. Zwischen diesen beiden Extremwerten von „Öffnung“ und „Verschluss“ des kompletten Artikulationsappartes differenzieren sich die Laute (und damit auch die verbundenen Bedeutungen) durch Modulation der Verschluss- bzw. Engestelle im Artikulationsappart – also nach „innen“ – aus. Darauf fußen bei Jakobson ferner auch die Fundierungsgesetze, nach denen ein sekundärer Laut stets einen primären voraussetzt. – Das Problem der Schriftlichkeit von Sprache blende ich hier aus. 50 SdK, S. 76 (LA, S. 72). 51 SdK, S. 76.
Der paradigmatische Schemabegriff: Das Schema als Menge von Etiketten | 23
mantisch nicht trennscharf, denn es gibt zahlreiche Übergänge bzw. unklare Fälle. Jede Sphäre hängt also vom Schema ab – und umgekehrt. Inwiefern diese Symbolisierung tatsächlich ins Werk gesetzt wird, ist eine Frage gängiger Praxis. Das Faktum der Bezugnahme spielt bei allen Arten von Symbolisierungen jedoch eine zentrale Rolle: Ohne die Korrelation von Etikett und Bezugnahmegebiet findet keine Symbolisierung statt. Es geht also um die Applizierbarkeit, die symbolische Verwendung eines bestimmten Schemas zur Kategorisierung. Jedes Etikett kann dabei zu einer beliebigen Anzahl von Schemata gehören, und selbst ein Etikett mit nur einem Bereich agiert selten nur in einer einzigen Sphäre. Das hängt immer wesentlich vom System ab, welches gerade in Gebrauch ist. Alternativen gibt es dabei durchgängig. Goodman weist bewusst darauf hin, dass es eine Sphäre geben muss, die mit dem Schema in einer ganz besonderen Beziehung steht, und die er daher – übrigens metaphorisch – als Heimatsphäre (home realm) bezeichnet: Da Menschen allgemein zum Beispiel in einem bestimmten Sprachraum mit einem bestimmten Apparat an Symbolsystemen sozialisiert sind, spielen bestimmte, regelmäßige Verwendungsweisen eines Schemas eine ,fixere‘ Rolle als andere. Diese Heimatsphäre eines Schemas behandelt Goodman als „das Land seiner Naturalisierung [und] weniger das der Geburt“52. Damit weist er darauf hin, dass es hier um eine Gewöhnung qua Gebrauch und nicht etwa per definitionem geht.53 Von diesem buchstäblichen Gebrauch abweichende – also figurative – Anwendungen eines Schemas auf eine weitere Sphäre sind demnach zunächst einmal „weniger scharf und stabil als die entsprechende buchstäbliche Sortierung“54. Dabei bietet diese Unschärfe jedoch die Möglichkeit einer ungewohnten und in diesem Sinne neuartigen Sortierung mit systemimmanenten Mitteln. Gerade dieses Faktum gibt dem Schema in seiner Anwendung Geschmeidigkeit, neben neuen Fällen von Zuordnung auch an andere – wie auch immer geartete – Umstände angepasst werden zu können.55 Diese Beobachtung ergibt sich für Goodman wieder aus der Praxis, in der Schemata auf ein Bezugnahmegebiet angewendet werden: Je mehr die Anwendung eines Etiketts dem allgemeinen Gebrauch entspricht, desto ‚buchstäblicher‘ ist die Zuordnung – je weiter die Verwendung von dieser Praxis abweicht, desto mehr geht die Symbolisierung unter bestimmten Voraussetzungen in den Bereich des Figurativen und sortiert
|| 52 SdK, S. 80. 53 Vgl. Kap. IV.2. 54 SdK, S. 82. 55 Vgl. Kap. IV.2.
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dort eine neue Sphäre, freilich immer mit Bezug auf das Vorhandene, in der Praxis qua Gebrauch Etablierte. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass es sich bei einem Schema (schema), im Kontext von Goodmans paradigmatischem Schemabegriff, um eine „lineare oder komplexere Anordnung von Etiketten [handelt]; und die Ordnung – sei sie nun traditionell wie beim Alphabet, syntaktisch wie in einem Wörterbuch oder semantisch wie bei Farbnamen – sowie andere Beziehungen lassen sich übertragen“56. Goodman legt neben dem schematischen Gebrauch von Etiketten hier den Grundstein für seine Metapherntheorie, die er in „Sprachen der Kunst“ jedoch nicht ins Zentrum des Interesses stellt. Sie ist auch nicht sein Thema. Goodman interessiert fortan vielmehr die syntaktische Beschaffenheit der Schemata (symbol schemes), die in unserem Zusammenhang nun genauer zu behandeln sind. Dennoch gilt es vorerst festzuhalten, dass figurative Anwendungen von Etiketten eine ebenso faktische Rolle spielen wie buchstäbliche Bezugnahmen: „Das Metaphorische und das Buchstäbliche müssen innerhalb des Tatsächlichen unterschieden werden.“57 Dabei sind die Symbolsysteme, wie sie in Kunst und Wissenschaft im Gebrauch sind, insgesamt keineswegs ausschließlich sprachlicher Natur.
I.4 Der syntaktisch fundierte Schemabegriff: symbol schemes Im Rahmen seiner Überlegungen zur Notationstheorie58 wendet sich Goodman dem Schemabegriff – diesmal spricht er allerdings durchgängig von symbol schemes – von der syntaktisch fundierten und damit eher ‚technischen‘ Seite zu. In der Theorie der Notation formuliert Goodman syntaktische wie semantische Forderungen an ein Symbolsystem, die allesamt erfüllt sein müssen, soll es sich um ein Notationssystem im engen Sinn des Wortes handeln. Aufgrund der jeweiligen Nichtfüllung der Forderungen können die verschiedenen Weisen von Darstellung folglich nach innen ausdifferenziert werden. Offenkundig steht dabei ein solches Symbolsystem dem notationalen System genau gegenüber, welches keine der syntaktischen wie semantischen Bedingungen für die Notationalität erfüllt. Als Resultat dieser Überlegungen gewinnt Goodman für eine Typologie von Symbolisierungsprozessen tragfähige,
|| 56 SdK, S. 77. 57 SdK, S. 73. 58 Vgl. LA, S. 127ff. (SdK, S. 125ff.)
Der syntaktisch fundierte Schemabegriff: symbol schemes | 25
den logischen Prozess fokussierende Kriterien, und mit ihnen wird der Prozess der allgemeinen Symbolisierung zur pikturalen wie notationalen Seite hin hinreichend klar beschreib- und damit differenzierbar. Das ist das übergeordnete Ziel von „Sprachen der Kunst“: Indem jedes im Gebrauch befindliche System aufgrund seiner syntaktischen wie semantischen Eigenschaften zum einen oder anderen Extremwert (piktural bzw. notational) neigt, nimmt es relativ zu diesen beiden Extremen eine mit den vorgelegten Kriterien beschreibbare Position im allgemeinen Prozess der Symbolisierung ein. Um diese Grundlagen anschließend auf die Metapherntheorie anwenden zu können, werden folgend die Grundzüge der Notationstheorie nach Goodman etwas ausführlicher skizziert. (1) Goodman hat zunächst die syntaktischen Anforderungen an ein notationales System wie beispielsweise eine Musikpartitur (score) im Blick. Diese hat wie gesehen die vorrangige theoretische Funktion, ein musikalisches Werk als Klasse von Aufführungen eindeutig zu definieren und damit Kriterien für die Entscheidung zu liefern, ob diese oder jene Aufführung eine ,korrekte‘ Aufführung des betreffenden Werks ist. Um diese werkkonstituierende Funktion erfüllen zu können, muss die Partitur als Charakter in einem Notationssystem entsprechende syntaktische Merkmale aufweisen: „Das Symbolschema jedes Notationssystems ist notational, aber nicht jedes Symbolsystem mit einem notationalen Schema ist ein Notationssystem.“59 Bereits am Ansatzpunkt seiner Überlegungen zur gesuchten Theorie weist Goodman darauf hin, dass nicht allein die Notationalität des Schemas (symbol scheme) für die des gesamten Systems ausschlaggebend sein kann, sondern dass andere Merkmale hinzutreten müssen, und dieses sind die semantischen Aspekte des zur Untersuchung stehenden Systems, die allerdings immer an die Beschaffenheit des Schemas (symbol scheme) zurückgebunden bleiben: „Jedes Symbolschema [Engl.: symbol scheme, meine Ergänzung] besteht aus Charakteren, gewöhnlich noch aus Kombinationsweisen, um aus ihnen weitere zu bilden. Charaktere sind bestimmte Klassen von Äußerungen oder Inskriptionen oder Marken. (Ich werde »Inskription« so gebrauchen, daß sie Äußerungen einschließt, und »Marke« so, daß sie Inskriptionen einschließt; eine Inskription ist jede Marke – visuell, auditiv etc. –, die zu einem Charakter gehört.)“60
|| 59 SdK, S. 128. Gleichzeitig können wir ein Schema nicht einfach von dem entsprechenden System abkoppeln, es also nicht für sich allein betrachten. Wir müssen immer ein Verständnis des Systems voraussetzen, wenn wir uns die entsprechenden schemes genauer ansehen wollen. 60 SdK, S. 128 (LA, S. 121).
26 | Grundlagen
Jeder dieser Charaktere, aus denen sich das Schema zusammensetzt, ist also als eine Art ,Abstraktionsklasse‘ zu verstehen, die ihrerseits wieder zusammengesetzt sein kann oder nicht. Als Beispiel kann hier ein beliebiges, in Alphabetschrift geschriebenes Wort dienen: Wenn es gelesen wird, wird das Wort innerhalb seiner syntaktischen Grenzen als (zusammengesetzter) Charakter in einem (notationalen) Schema erfasst, und zwar bei einem geübten Leser als ein Ganzes. Gleichzeitig können jedoch die einzelnen Buchstabenmarken als (atomare) Inskriptionen eines wiederum je zu bestimmenden Buchstabencharakters interpretiert werden. Durch die Technik der Verschriftung wird also auch die subsemantische Betrachtungsebene greifbar. Das ist jedoch allein möglich, wenn man gelernt hat, mit dem Alphabet als Artikulationsschema umzugehen und innerhalb des Alphabetschriftsystems61 literalisiert ist. Mit der Abbildung auf syntaktisch eindeutige Artikulationsschemata wie das Alphabet und Wörterbücher sind die geschriebenen Buchstaben nach Goodman als Marken jeweils ein Einzelfall, eine Inskription, des entsprechenden Typs und instatiieren ihn damit62 gleichzeitig. Ihr syntaktischer Gebrauch sowie Distributionsregelmäßigkeiten sind auf dieser Basis nahezu eindeutig beschreibbar, und in diesem Kontext ist ein Charakter als Klasse von Inskriptionen zu verstehen, zu denen allein über performativ erzeugte Marken Zugang besteht: Nur durch die Tatsache, dass syntaktische Marken als Inskriptionen einem Charakter63 zugeordnet werden können, wird ein Text eindeutig lesbar. Im Zweifelsfall ist es damit sogar möglich, sich ein Wort buchstabierend zu ,erlesen‘. Dieser Effekt ist bei Kindern in der Grundschule, aber auch bei erfahrenen Lesern – nämlich dann, wenn sie ein unbekanntes Wort lesen müssen – zu beobachten. Jede Darstellung ist also an die Inskription, das jeweilige Realisiertsein eines Charakters, gebunden. Wichtig für die Unterscheidung der einzelnen Schemata (symbol schemes) ist also die Frage, ob und mit welchem Aufwand die beschriebene Zuordnung zu einem Charakter vorgenommen werden kann. Sind
|| 61 Zum Artikulationsschema des Alphabets kommen für die Alphabetschrift noch andere Schemata, zum Beispiel Wörterbücher u.ä., hinzu. Nur damit können wir die Orthographie der entsprechenden Schreibungen regeln. 62 Somit existiert der Charakter in einem Schema (symbol scheme) nur in seinen Inskriptionen. Also kann jede Inskription als Regel zur Erzeugung anderer, gleichartiger Inskriptionen qua Analogie gelten. Genau genommen exemplifiziert jede Inskription gewisse syntaktische signifikante Eigenschaften des entsprechenden Charakters. Ansonsten wäre eine eindeutige Zuordnung und damit eine eindeutige Lesart nicht möglich. Vgl. hierzu Christian Stetter: System und Performanz. Symboltheoretische Grundlagen von Medientheorie und Sprachwissenschaft – 1. Auflage, Weilerswist: Velbrück 2005, S. 100ff. 63 In analoger Weise ließe sich hier von einer Type-token-Relation sprechen.
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die Marken also in diesem Sinne eindeutig typisierbar oder nicht? Auf diese Grundfrage wird noch zurück zu kommen sein, wenn es um die syntaktische Fundierung auch von Metaphern geht. Mit diesen Überlegungen kommt Goodman zu den syntaktischen Bedingungen für einen Charakter in einem notationalen Schema (symbol scheme):64 „Das wesentliche Merkmal eines Charakters in einer Notation besteht nun darin, daß seine Elemente ohne irgendwelche syntaktischen Auswirkungen frei untereinander ausgetauscht werden können; oder buchstäblicher – da tatsächliche Marken selten bewegt oder ausgetauscht werden –, daß alle Inskriptionen einer gegebenen Marke syntaktisch äquivalent sind.“65
Sämtliche Inskriptionen eines Charakters müssen also syntaktisch äquivalent und in diesem Sinne „»echte Kopien« oder Replikas“66 voneinander sein. Somit müssen alle Kopien von Marken, die als Inskriptionen zu einem bestimmten Charakter gehören sollen, jeweils (echte) Kopien einer jeden beliebigen anderen Inskription des entsprechenden Charakters sein: „Und eine echte Kopie einer echten Kopie einer … echten Kopie einer Inskription x muß stets eine echte Kopie von x sein“67. Ist diese Kette unterbrochen, die Relation zwischen den einzelnen Inskriptionen also nicht transitiv, ist syntaktische Äquivalenz der Inskriptionen untereinander und damit die Zugehörigkeit einer Marke als Inskription zu einem Typ innerhalb eines Charakters nicht gegeben. Weil die Relation zwischen den Inskriptionen eines Charakters, wenn sie syntaktisch indifferent sind, „eine typische Äquivalenzrelation“68 sein muss, kommen Reflexivität und Symmetrie als logische Eigenschaften dieser logischen Relation der Inskriptionen zueinander notwendig hinzu. Die Menge der Inskriptionen eines Charakters ist damit zwar (prinzipiell) offen, aber nicht unendlich.69 Sie werden insgesamt per analogiam konstituiert. Die Redeweise, dass eine Menge von Inskriptionen – besagte Abstraktionsklasse – als Charakter zu fassen sei, ist für Goodman letztlich nur || 64 Goodman konstruiert den Begriff des notationalen Schemas (oder auch des notationalen Systems) immer in Abgrenzung zu anderen (eher ‚repräsentationalen‘) gebräuchlichen Systemen, die die aufgestellten Bedingungen nicht erfüllen. 65 SdK, S. 128 (LA, S. 131). 66 SdK, S. 129. 67 SdK, S. 129. 68 SdK, S. 129. 69 Vgl. hierzu Goodmans Bemerkungen zur endlichen Differenzierung der Inskriptionen (SdK, S. 132f.). Dieses macht, wie Goodman zu Bedenken gibt, auch den Begriff des Typs an sich fragwürdig. In bestimmten Kontexten ließe sich auch ganz auf ihn verzichten (vgl. SdK, S. 129 (Fußnote 3)).
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deshalb hilfreich, weil sie Grundlage für eine übersichtlichere Formulierung der Sachlage sein kann. Ein Typ innerhalb eines Charakters sei allein als Klasse von hinreichend ähnlichen,70 syntaktisch äquivalenten Replikas zu verstehen. Jede Inskription kann somit als Muster für die Erzeugung anderer Inskriptionen genommen werden. Damit erst sind sie charakterindifferent: „Kurz, ein Charakter in einer Notation ist eine Abstraktionsklasse von Charakter-Indifferenz unter Inskriptionen.“71 (a) Die erste Konsequenz aus der Forderung nach syntaktischer Äquivalenz der zum gleichen Charakter gehörenden Inskriptionen ist, dass damit alle anderen Marken keine Replikas von Inskriptionen des in Frage kommenden Charakters sein und in einem notationalen Schema (symbol scheme) trennscharf nicht zu diesem Charakter gehören dürfen. Das würde die geforderte syntaktische Eindeutigkeit des Systems gefährden. Somit tritt das Verhältnis zweier beliebiger Charaktere in einem gegebenen Schema ins Blickfeld: Die Charaktere müssen disjunkt sein.72 Die Gewährleistung der Disjunktheit der Charaktere bezeichnet Goodman als „notwendige[n] Gewaltakt“73, dem ein Schema ‚unterzogen‘ werden muss. Dass es immer Marken gibt, bei denen sich eben nicht ohne Weiteres entscheiden lässt, ob sie Inskriptionen dieses oder jenes Charakters sind, ist als „Erfahrungstatsache“74 kaum zu leugnen.75 Dieses Faktum bezeichnet Goodman als – systematisch jedoch zentrale – „Unterwanderung an den Grenzen“76, die damit Übergänge und Ineinandergreifen von verschiedenen Arten der Symbolisierung ermöglicht. Übergeordnetes Ziel beim Entwurf einer jeden Notation muss es jedoch sein, derartige „Irrtümer möglichst gering zu halten“77: „Der entscheidende Punkt dabei ist, daß bei einer echten Notation – im Gegensatz zu einer nicht-disjunkten Klassifikation – Marken, die korrekt als gemeinsame Elemente eines Charakters angesehen wurden, stets echte Kopien voneinander sein werden.“78 || 70 Ähnlichkeit heißt hier nicht exaktes Duplikat. Allein die syntaktische Äquivalenz spielt hier eine Rolle. Ähnlich wie bei der Ähnlichkeit von Bildern mit ihrem abgebildeten Gegenstand reicht diese nicht als Kriterium für eine Zuordnung hin (vgl. SdK, S. 15ff.). 71 SdK, S. 129f. (LA, S. 132f.). 72 Vgl. SDK, S. 130 (LA, S. 133), vgl. hierzu RE, S. 166ff. 73 SdK, S. 131. 74 SdK, S. 131. 75 Die philologische Regel der „lectio difficilior“ gibt davon Zeugnis: Es wird immer davon ausgegangen, dass die ,schwierigere‘ Lesart die zu bevorzugende sei. Das gilt nicht nur bei der (semantischen) Interpretation, sondern auch bei der syntaktischen ,Erlesung‘ eines Textes. 76 SdK, S. 131 . 77 SdK, S. 131. 78 SdK, S. 131 (LA, S. 134).
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(b) Die Differenzierung der Charaktere in einer Notation muss zudem endlich bzw. effektiv sein.79 Wären die Charaktere nicht in dieser Weise endlich differenziert,80 erschwert dieses Merkmal die effektive Zuordnung der einzelnen Marken als Inskriptionen zu einem Charakter.81 Hieraus entwickelt Goodman die nächste Forderung an ein notationales Schema (symbol scheme): Sie besteht darin, „daß die Charaktere endlich differenziert oder artikuliert sein müssen. Sie lautet: Für jede zwei Charaktere K und K’ und jede Marke m, die nicht tatsächlich zu beiden gehört, ist die Bestimmung, daß entweder m nicht zu K gehört oder m nicht zu K’ gehört, theoretisch möglich.“82
Damit ist die effektive Differenziertheit des Schemas immer relativ zur gängigen Praxis festgelegt. Dadurch wird das Schema digital.83 Bei der Buchstabenschrift zum Beispiel kann auch der syntaktische Kontext von Marken eine wesentliche Rolle spielen: „Zwei Marken, die der Gestalt, der Größe, der Farbe und so weiter nach exakt dieselben sind, können so beschaffen sein, daß der eine festgelegt wird, kein »a« zu sein, der andere, kein »d« zu sein, nämlich dadurch, daß man die umgebenden Buchstaben-Marken berücksichtigt.“84
Einem Schema (symbol scheme) aus solchen, endlich/effektiv differenzierten Marken steht ein (syntaktisch) dichtes gegenüber, welches dadurch bestimmt ist, dass es zwischen zwei beliebigen Charakteren jeweils immer ein verbindendes Glied gibt: „Ein Schema ist syntaktisch dicht, wenn es unendlich viele Charaktere bereitstellt, die so geordnet sind, daß es zwischen jeweils zweien immer ein drittes gibt.“85 Somit lässt sich durch die Nichterfüllung aller bislang genannten syntaktischen Forderungen auch das entgegengesetzte Extrem von
|| 79 Deswegen müsste man streng genommen auch von endlicher Differenziertheit der Inskriptionen sprechen. In den „Revisionen“ ersetzen Goodman und Elgin daher den Begriff der endlichen durch effektive Differenziertheit (vgl. RE, S. 167ff.). 80 Vgl. SdK, S. 132 (LA, S. 135). 81 Vgl. RE, S. 167ff. 82 SdK, S. 132. In den „Revisionen“ haben Goodman und Elgin diese Definition wie folgt überarbeitet: „Zwei Charaktere K und K’ sind effektiv differenziert dann und nur dann, wenn sich für jede Marke m, die nicht zu beiden gehört, festlegen läßt, daß m entweder nicht zu K oder daß m nicht zu K’ gehört.“ (RE, S. 167) 83 Vgl. SdK, S. 154ff. bzw. RE, S. 169ff. 84 RE, S. 168. 85 SdK, S. 133 (LA, S. 136) .
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Symbolschemata definieren: Durchgängig kontinuierlich, mithin analog,86 ist ein Schema (symbol scheme) genau dann, wenn die Inskriptionen syntaktisch so dicht geordnet sind, dass sich keine Eindeutigkeit der Typisierung herstellen lässt. In diesem Fall ist die Notationalität des Schemas für Goodman nicht gegeben, weil die Bedingung der effektiven Differenzierung nicht aufrechterhalten werden kann. Durchgängig dicht kann das Schema also genau dann genannt werden, „[w]enn keine Einfügung weiterer Charaktere an ihrer normalen Stelle auf diese Weise die Dichte zerstört“87. Vor allem die Forderung der effektiven Differenziertheit ist hier verletzt, denn es lassen sich an jeder Stelle weitere Marken einfügen. Umgekehrt betrachtet garantiert aber die Abwesenheit von Dichte noch keine endliche/effektive Differenzierung der Charaktere. Auch kann ein diskontinuierliches Schemas durchaus „lokal undifferenziert“88 sein. Alphabetische, numerische und musikalische Notationen erfüllen jedoch im Allgemeinen diese syntaktischen Forderungen. Sie erfüllen also hinreichende Bedingungen für notationale Schemata. Darum ging es Goodman schließlich: Für die Unterscheidungen zwischen pikturalen und notationalen Symbolsystemen ist nunmehr ein (logisches) Vokabular etabliert, mit dem im Gesamtkontext der Symboltheorie – die Beschreibung der verschiedenen Typen von Symbolschemata – ein grundlegender Fortschritt markiert wird: Schemata (symbol schemes), welche die genannten Bedingungen der syntaktischen Disjunktivität und der syntaktischen endlichen/effektiven Differenziertheit allesamt erfüllen, sind fortan als digital zu bestimmen, alle anderen damit als mehr oder weniger analog: „[Diese Kriterien] werden uns demgemäß in die Lage versetzen, gewisse kritische Abgrenzungen zwischen Typen von Symbolschemata vorzunehmen.“89 Den Spielraum, mit einem Schema auch in syntaktischer Hinsicht ökonomisch umgehen zu können, eröffnet Goodman schließlich mit seinen Überlegungen zur Kombinationsfähigkeit von Inskriptionen. Diese schließt aus, Marken im Kontext einer unüberschaubaren Menge von Charakteren typisieren zu müssen: „In den meisten Symbolschemata [Engl.: symbol schemes, meine Ergänzung] können Inskriptionen in bestimmter Weise kombiniert werden, um andere Inskriptionen zu bilden. Eine Inskription ist atomar, wenn sie keine andere Inskription enthält; andernfalls ist sie zusammengesetzt. […] [B]ei der üblichen alphabetischen Notation zum Beispiel sieht man
|| 86 Vgl. SdK, S. 154ff. bzw. RE, S. 169ff. 87 SdK, S. 133. 88 SdK, S. 134. 89 SdK, S. 137.
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Buchstaben-Inskriptionen (einschließlich der Leerräume oder Zwischenräume, die Buchstabenketten voneinander trennen) am besten als atomar an; und Folgen von ihnen – von Zwei-Buchstaben-Inskriptionen bis zu ganzen Diskursen – als zusammengesetzt.“90
Die Kombinationsregeln, die solchen jeweilig atomaren Inskriptionen zugrunde liegen, fußen letztlich wiederum im Gebrauch, der Performanz, und bilden sich ‚in the long run‘ heraus. Im Beispiel der Buchstabenschrift könnte man, als Kontrast, an Kombinationen von Buchstaben denken, die nie oder zumindest selten im Rahmen des allgemeinen Schriftgebrauchs auftreten: „In praktisch keinem brauchbaren Schema ist jede Summe von Inskriptionen eine Inskription. Die Einzelinskriptionen müssen in der Beziehung zueinander stehen, die ihnen von den geltenden Kombinationsregeln vorgeschrieben wird. Deshalb bildet selbst dort, wo eine uneingeschränkte Verkettung erlaubt ist, eine Summe von verstreuten Inskriptionen im allgemeinen keine Inskription.“91
Aus der Beschaffenheit der Inskriptionen als Einzelfälle ergibt sich notwendig auch die Beschaffenheit des Charakters als atomar oder zusammengesetzt, wenn wir einen beliebigen Charakter als eine Menge hinreichend ähnlicher, sich syntaktisch äquivalent verhaltender Inskriptionen verstehen wollen. In diesem Zusammenhang müssen sowohl atomare als auch zusammengesetzte Charaktere die syntaktischen Bedingungen für ein notationales Schema (symbol scheme) erfüllen: Die Forderung der Disjunktheit der Charaktere in einer Notation darf an keiner Stelle gefährdet sein. Innerhalb des Schemas müssen die Inskriptionen relativ zu diesem (notationalen) Schema diskret festgelegt und in diesem Sinne artikuliert sein. Es muss sich also effektiv bestimmen lassen, ob dieser Tatbestand der Disjunktivität für die Charaktere anhand der einzelnen Inskriptionen in der Praxis „mit den Mitteln erreicht werden, die zur Verfügung stehen und der gegebenen Verwendung des gegebenen Schemas angemessen sind“92 auch erreicht ist.
|| 90 SdK, S. 137 (vgl. LA, S. 141: „In most symbol schemes, inscriptions may be combined in certain ways to make other inscriptions. An inscription is atomic if it contains no other inscription; otherwise it is compound. […L] etter-inscriptions (including blanks or spaces separating strings of letters) are best taken as atomic; and sequences of these – ranging from two-letter inscriptions up through entire discourses – as compound.“). Das semantische Gegenstück zu compound lautet bei Goodman composite (vgl. LA, S. 147: „‘Composite’ is the semantic counterpart of the syntactic term ‘compound’, but the semantic term ‘prime’ [primitiv, vgl. SdK, S. 142] is only partially parallel to the syntactic term ‘atomic’; for while no proper part of an atomic inscription, parts of a prime inscription may have compliants.“) 91 SdK, S. 138. 92 RE, S. 167.
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(2) Auf der semantischen Seite gelten für die als notational zu bestimmenden Arten von Symbolisierung vergleichbare Bedingungen wie auf der syntaktischen für die Schemata (symbol schemes). Die semantischen Anforderungen an entsprechende Systeme sind also zu den syntaktischen Anforderungen mehr oder weniger analog, „folgen aber nicht aus ihnen“93. Sie können unabhängig voneinander erfüllt sein oder nicht. Grundsätzlich muss, so die Zielsetzung, sich durch ein entsprechendes System Eindeutigkeit – diesmal im Bezug auf die Erfüllungsgegenstände – herstellen lassen. Auch hier hängt die Erfüllungsbeziehung zwischen Schema (symbol scheme) und Erfüllungsgegenstand wiederum an der jeweiligen Inskription,94 also der Performanz. Inskriptionen ohne Erfüllungsgegenstände sind vakant; ihre Vakanz berührt jedoch nur den semantischen Gehalt, nicht ihre syntaktische Position in einem Schema (symbol scheme).95 Daher kann das hier vernachlässigt werden. Eine Marke, die Inskription eines Charakters ist, kann zudem zu verschiedenen Zeiten oder in verschiedenen Kontexten auch verschiedene Erfüllungsgegenstände haben. Goodman nennt diese Inskriptionen dann „ambig“96. Auch die Charaktere sind folglich semantisch ambig, wenn es eine ihrer Inskriptionen ist, und die gemeinsame Erfüllungsklasse aller Inskriptionen eines Charakters kann als die Erfüllungsklasse des gesamten Charakters angesehen werden:97 „Da die Inskriptionen eines eindeutigen Charakters in dieser Weise sowohl semantisch als auch syntaktisch äquivalent sind, können wir in der Tat normalerweise vom Charakter und seiner Erfüllungsklasse sprechen, ohne uns damit zu plagen, zwischen seinen Einzelfällen zu unterscheiden.“98
Allein in notationalen Systemen ist semantische Äquivalenz der Inskriptionen eine Implikation der syntaktischen. Nur wenn semantische Ambiguität ausgeschlossen ist, können die Inskriptionen als syntaktisch und semantisch äquivalent behandelt werden. Umgekehrt gilt dies nicht: Keine semantische Äquivalenz impliziert syntaktische. Das bedeutet, Inskriptionen, die dieselben Erfüllungsklassen haben, können syntaktisch zu verschiedenen Charakteren gehören: „Syntaktische Differenzierung verschwindet nicht durch semantische
|| 93 SdK, S. 146. 94 SdK, S. 140. 95 Vgl. SdK, S. 141. 96 SdK, S. 142. 97 Vgl. SdK, S. 143. 98 SdK, S. 143.
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Äquivalenz“99. Synonymie kann dafür als Beispiel angeführt werden. Somit sind für notationale Systeme folgende semantischen Forderungen zu formulieren: (a) Notationssysteme müssen eindeutig, die Beziehung zwischen einem notationalen Schema (symbol scheme) und seinem Erfüllungsgegenstand muss daher invariant sein. Jede ambige Inskription, jeder ambige Charakter, ist in einem notationalen System auszuschließen: „Das erste semantische Erfordernis für Notationssysteme besteht darin, daß sie eindeutig sein müssen; denn offensichtlich kann der grundlegenden Zielsetzung eines Notationssystems nur dann entsprochen werden, wenn die Erfüllungsklasse invariant ist.“100
(b) Die Erfüllungsklassen (compliance classes) eines notationalen Systems müssen ebenfalls disjunkt (disjoint) sein. Keine Charaktere in einem Schema (symbol scheme) dürfen einen Erfüllungsgegenstand gemeinsam haben.101 Jeder Erfüllungsgegenstand, der von einem Charakter eindeutig denotiert wird, muss von jedem anderen Extensionsbereich eindeutig unterschieden sein. Damit ist jedoch keine Diskretheit der Erfüllungsgegenstände gefordert. Es geht nur um relative Beziehungen zu einem System. Dennoch werden durch dieses Kriterium die meisten Symbolsysteme wie natürliche, diskursive Sprachen für den Status eines notationalen Systems ausgeschlossen, obwohl sie den größten Anteil an der symbolischen Alltagsaktivität haben. (c) Auch semantisch muss ein notationales System, so die letzte der fünf Bedingungen, endlich/effektiv differenziert (semantic finite differentiation)102 sein: „für jeweils zwei Charaktere K und K’, deren Erfüllungsgegenstände nicht identisch sein dürfen, und jedes Objekt h, das nicht beide erfüllt, muß die Feststellung, entweder daß h K nicht erfüllt oder daß h K’ nicht erfüllt, theoretisch möglich sein.“103
Sämtliche syntaktischen wie semantischen Bedingungen sind nach Goodman wie bereits angedeutet grundsätzlich als unabhängig voneinander zu verstehen. Es gibt also Systeme, die eine oder mehrere dieser semantischen oder syntaktischen Bedingungen nicht erfüllen.104 Anhand dieser ‚Verletzungen‘ lässt sich das betreffende System nunmehr von anderen hinreichend deutlich unterschei|| 99 SdK, S. 144. 100 SdK, S. 144 (LA, S. 148). Zur begrifflichen Klärung: ‚complies with‘ bedeutet bei Goodman ‚is denoted by‘, ‚has as compliant‘ bedeutet ‚denotes‘ und die ‚compliance-class‘ ist äquivalent mit der Extension (vgl. LA, S. 144). 101 SdK, S. 147. 102 Vgl. LA, S. 152. 103 SdK, S. 148, vgl. RE, S. 23. 104 Vgl. SdK, S. 151.
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den und somit in das Feld zwischen Systemen, die alle genannten Bedingungen erfüllen (notational systems) und solchen, die keine Bedingungen erfüllen (nonnotational systems), einordnen: „Kurz, die von einem Notationssystem geforderten Eigenschaften sind Eindeutigkeit, syntaktische und semantische Disjunktivität und Differenzierung. Dies sind keineswegs bloße Empfehlungen für eine gute und nützliche Notation, sondern es sind Merkmale, die notationale Systeme – gute wie schlechte – von nichtnotationalen Systemen unterscheiden.“105
(3) Das Begriffspaar „analog“ (analogs) und „digital“ (digits),106 das bereits angedeutet wurde, ergibt sich aus den rekonstruierten Überlegungen zu Symbolschemata (symbol schemes), auf die sich Goodman und Elgin gerade in „Revisionen“ konzentrieren.107 Beide Begriffe können als zusammenfassende Bezeichnungen der vor allem, aber nicht nur, syntaktischen Eigenschaften eines bestimmten Systems verstanden werden: „Ein Symbolschema ist analog, wenn es syntaktisch dicht ist; ein System ist analog, wenn es syntaktisch und semantisch dicht ist.“108 Analoge Systeme sind also sowohl syntaktisch als auch semantisch undifferenziert. Digitale Systeme sind als das entsprechende Gegenteil effektiv differenziert, ihre Schemata durchgängig diskontinuierlich geordnet. Sämtliche Inskriptionen müssen sich dafür auf ein zugrunde liegendes Artikulationsschema abbilden lassen. „Ein digitales Schema […] ist durchgängig diskontinuierlich; und in einem digitalen System stehen die Charaktere eines solchen Schemas in einer Eins-zu-eins-Korrelation mit den Erfüllungsklassen einer ähnlich diskontinuierlichen Menge.“109
Ein Schema ist mithin dann digital, wenn je zwei der Charaktere, aus denen es sich zusammensetzt, disjunkt und die Inskriptionen effektiv differenziert sind. Digital und analog sind Prädikate, die jeweils komplette Schemata (symbol schemes) und – logischerweise – nie einzelne Symbole charakterisieren. Jedes analoge Schema kann digitale Subschemata haben, die „aus einer Operation der Eliminierung“110 aus ihm hervorgehen. Ein digitales System kann also durchaus eines sein, das durch künstliche Erzeugung (Tilgung, Gewichtung
|| 105 SdK, S. 151 (LA, S. 156). 106 LA, S. 159ff. (SdK, S. 154ff.) 107 Vgl. RE, S. 169ff. 108 SdK, S. 154. 109 SdK, S. 155, vgl. hierzu RE, S. 169ff. 110 RE, S. 170.
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usf.) aus einem analogen System hervorgegangen ist.111 Damit lässt sich aus einem analogen Schema mit den geeigneten Mittel durchaus ein digitales (Sub)Schema extrahieren.112 Die meisten Schemata (symbol schemes) lassen sich mehr oder weniger digitalisieren. Mit anderen Worten müssen alle die Charaktere verbindenden und damit die Disjunktheit gefährdenden Marken – durch Vorschrift oder ‚Tradition‘ im Gebrauch – ausgeschlossen werden: „Solange sie effektiv differenziert sind und Charaktere ausgeschlossen sind, die irgendwelche verbindenden Pfade bilden, ist das Schema digital.“113 Ein analoges Schema kann in diesem Sinne viele digitale Subschemata einschließen.
I.5 Die Umgebung der klassischen Metapher: Sprachliche Systeme als Skripte Im Zusammenhang mit der Rekonstruktion der Definitionen des Schemabegriffs und von Symbolsystemen verdient ein Charakter in den meisten natürlichen und technischen Sprachen besondere Aufmerksamkeit: das Skript. Bei jeder Partitur im Sinne Goodmans sind syntaktische Notationalität und semantische Eindeutigkeit als notwendige Bedingung für die theoretische Funktion der Konstitution eines Werkes zu verstehen: „Eine Partitur definiert, wie wir gesehen haben, ein Werk, ist aber eine besondere und privilegierte Definition außer Konkurrenz. Eine Klasse wird durch eine Partitur ebenso eindeutig bestimmt wie durch eine gewöhnliche Definition; aber im Gegensatz zu einer gewöhnlichen Definition wird eine Partitur auch durch jedes Element dieser Klasse eindeutig bestimmt.“114
Dabei behandelt Goodman die Partitur vor allem im Hinblick auf Notenwerte und indizierte Tonhöhen als notationales System. Gleiches gilt offenkundig nicht für die (verbalen) Tempoangaben115 u.Ä., denn durch Abweichung von diesen wird die Klasse der die Partitur erfüllenden Aufführungen allgemein nicht verändert. Es macht also in diesem Sinne keinen werkkonstituierenden
|| 111 Vgl. WW, S. 125ff. 112 In diesem Kontext mag man an das Beispiel einer Digitalkamera denken, die bekanntermaßen so verfährt, dass sie einem analogen Bild ein Raster (nämlich die Pixel) auflegt und so – selbst bei hoher Auflösung – einen Prozess der (noch so geringfügigen) Eliminierung durchführt. 113 RE, S. 170. 114 SdK, S. 170 (LA, S. 178). 115 Vgl. SdK, S. 176 (LA, S. 185)..
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Unterschied, ob ein bestimmtes Werk nun schneller oder langsamer gespielt wird. Es handelt sich immer noch um das Werk, das durch die Partitur eindeutig definiert wird. Tempoangaben usw. sind also für die eigentliche Konstitution des Werkes keine notwendigen Bedingungen. Für die Malerei, um das komplementäre Extrem zu nehmen, kann eine solche syntaktisch notationale Struktur sowie semantische Eindeutigkeit durchgängig ausgeschlossen werden:116 Weder die syntaktischen noch die semantischen Bedingungen werden erfüllt. Deswegen hat in der Malerei die Unterscheidung zwischen Original und Fälschung eine ästhetische Dimension.117 Das bedeutet, dass der Unterschied zwischen einem Original und einer Fälschung sich zum einen faktisch konstituieren lässt, zum anderen dass das Original in jedem Fall eine höhere Symboldichte hat als jede seiner Fälschungen. Jede seiner Eigenschaften funktioniert potentiell symbolisch. Das heißt, in jede Eigenschaft eines Bildes kann eine symbolische Bedeutung hineingelesen werden. Ferner ist hier keinerlei Schematisierung möglich, denn für ein Bild gibt es keine ,Partiturlesart‘ oder eine genaue ,Vorschrift‘, gegen die das Bild als Inskription zu prüfen wäre. In diesem Sinne ,sagt‘ ein Bild tatsächlich wesentlich mehr als die berühmten ,tausend Worte‘. Damit ist die ästhetische Dimension eines Bildes, sein Dasein als Symbol, sowohl semantisch als auch syntaktisch wesentlich dichter als die eines Musikstückes (so es denn durch eine Partitur definiert ist). Das Skript markiert nun in etwa den ‚mittleren‘ Fall zwischen Partitur und pikturaler Darstellung: „Im Gegensatz zu einer Skizze ist ein Skript ein Charakter in einem notationalen Schema und in einer Sprache, aber im Gegensatz zu einer Partitur nicht in einem Notationssystem.“118
Dabei versteht Goodman den Begriff in seiner weitesten Extension, sodass darunter sämtliche – mündliche wie schriftsprachliche – ‚Texte‘ fallen, die in einer gängigen und den Anforderungen der (syntaktischen) Notationalität entsprechenden Schrift geschrieben oder entsprechenden Sprache artikuliert sind.119 Die meisten Charaktere in technischen oder natürlichen Sprachen sind nach Goodman demnach also Skripte, denn sie erfüllen die syntaktischen Anforderungen für Notationalität des Schemas (symbol scheme), nicht aber die semanti|| 116 Vgl. SdK, S. 183ff. 117 Vgl. SdK, S. 112ff. 118 SdK, S. 187 (LA, S. 199: „A script […] is a character in a notational scheme and in a language, but, unlike a score, is not a notational system“.) 119 Einen Medienbegriff thematisiert Goodman nicht. Das ist auch nicht sein Thema (vgl. Kap. II.5).
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schen Bedingungen für das System – die Erfüllungsgegenstände sind nicht disjunkt und nicht effektiv differenziert: „Ferner wird ein Notationssystem im Gegensatz zu einer diskursiven Sprache demgemäß nicht durch irgendeinen Nobilitätsunterschied zwischen verschiedenen Möglichkeiten, ein Objekt zu klassifizieren, gestört. […] Alle Etikette für ein Objekt haben dieselbe Erfüllungsklasse.“120
Die Tatsache, dass sich beispielsweise der Text121 dieser Abhandlung im Sinne einer Partiturlesart eindeutig (er)lesen lässt, gibt zwar per se keine Auskunft über ihre Bedeutung, stellt aber – darauf kommt es an – ihre Identität in der Selbigkeit des Buchstabierens sicher. Die Zuordnung von Erfüllungsgegenständen ist hingegen immer von Interpretationskontexten abhängig und damit selten eindeutig. Das unterscheidet jede diskursive Sprache also hinreichend deutlich von einer Notation. Die Zuweisung der Bedeutung, die Anwendung des Schemas auf Erfüllungsgegenstände in einer Sphäre, basiert auf mehr oder weniger routinemäßiger Projektion.122 In der natürlichen, diskursiven Sprache lernt folglich niemand Bedeutungen wie einen Code, weil es aufgrund ihrer symbolsystematischen Anlage nicht möglich ist. Den Wörtern wird ihre Bedeutung stets erst im Zusammenhang mit ihrem nach und nach zu entwickelnden und ge- oder misslingenden Gebrauch,123 das heißt der Zuordnung von Erfüllungsgegenständen, in einer kommunikativen sozialen Praxis, also jede individuellen Sprech- oder Schreibhandlung, gegeben. Dieses Verfahren kann freilich aus diesem Grunde auch zu erheblichen Missverständnissen bzw. dem Misslingen von ganzen Sprechakten führen, wie etwa John L. Austin124 ausführlich
|| 120 SdK, S. 191 (LA, S. 200). 121 Genauer gilt das Folgende für die Textur: Textur ist das, was gelesen wird. Der Text hingegen ist dasjenige, was lesend erzeugt wird (vgl. Christian Stetter: Schrift und Sprache – 1. Auflage, Frankfurt/M.: Suhrkamp (stw 1415) 1999, S. 294ff). 122 Vgl. SdK, S. 189f. Dabei gilt Projizierbarkeit in zweifacher Hinsicht: Zum einen müssen wir auf der syntaktischen Seite lernen, Marken als Inskriptionen eines Charakters zu betrachten. Zum anderen müssen wir die Inskriptionen auf Erfüllungsgegenstände in einem Bezugnahmegebiet anwenden und hier aus einer „Auswahl aus zahllosen Alternativen“ (SdK, S. 190) wählen. Diese Schwierigkeit der diskursiven Sprachen würde sich in einem notationalen System nicht ergeben (können): „Hier ist nichts eine Probe von mehr als einer Erfüllungsklasse, nichts erfüllt zwei Charaktere, die nicht koextensiv sind“ (SdK, S. 190). 123 In diesem Sinne erwerben wir die Muttersprache. Eine Fremdsprache wird im Gegensatz dazu meist mit den entsprechenden Hilfsverfahren erlernt. 124 Vgl. John L. Austin: Zur Theorie der Sprechakte (How to do things with words) – Deutsche Bearbeitung von Eike von Savigny, 2. Auflage, Stuttgart: Reclam (RUB 9396) 1972, zum Beispiel S. 35ff. Austin selbst hat die figurative Rede jedoch in seiner Theorie vernachlässigt, was bis-
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gezeigt hat: Es muss beispielsweise ein „übliches konventionelles Verfahren“ geben, in dem bestimmte Wörter geäußert werden, die betroffenen Personen müssen in dieses Verfahren passen, das Verfahren muss „korrekt und vollständig“ durchgeführt werden, man muss „Meinungen und Gefühle wirklich haben“, und letztlich müssen sich die Teilnehmer an einem sprachlichen Akt auch „so verhalten“125. Dem vorgeschaltet ist bei Austin die Lokution, die „gesamte Handlung, »etwas zu sagen«“126. An diese ist gleichzeitig die Illokution gebunden. Diese besteht beispielsweise darin, eine Frage zu stellen oder zu beantworten, ein Urteil zu fällen usw.127 Die ,Reaktion‘ des Gegenüber bezeichnet Austin als Perlokution,128 und auch die ist per se an den Sprechakt gebunden. Auf der syntaktischen Seite sind dem Buchstabenschema jedoch die Modi der doppelten Artikulation129 im Mündlichen sowie des Alphabets, des Wörterbuchs usw. im Literalen beigeordnet: Jede Marke lässt sich gegen diese Artikulationsschemata prüfen. „Der Text eines Gedichts, eines Romans oder einer Biographie ist [jedoch] ein Charakter in einem Notationsschema“130. Da die Textur Arten von Äußerungen als ‚Erfüllungsgegenstände‘ hat, ist sie – weil sie geschrieben und damit zumindest hinreichend digital organisiert ist – laut Goodman einem ‚notationaleren‘ System zuzuordnen als eine gesprochene Äußerung.131 Die Beziehung zwischen einem geschriebenen Text und einer artikulierten, oralen Äußerung ist jedoch keineswegs asymmetrisch, sodass das Verhältnis zwischen den beiden auch umgekehrt betrachtet werden kann: Der (geschriebene) Text wäre auch ein ‚Erfüllungsgegenstand‘ der Äußerung. Die || weilen auch kritisiert worden ist (vgl. Ted Cohen: Figurative Rede und figurative Akte – In: Anselm Haverkamp (Hrsg.): Die paradoxe Metapher – 1. Auflage. Frankfurt/M.: Suhrkamp (Edition Suhrkamp 1940) 1998, S. 29‒48). 125 Alle Zitate aus John L. Austin: Zur Theorie der Sprechakte – [a.a.O.] S. 37. 126 Vgl. ebd. S. 112. 127 Vgl. ebd. S. 116. 128 Vgl. ebd. S. 118. 129 Vgl. Christian Stetter: System und Performanz – [a.a.O.], S. 226ff. Für jede semantisch relevante Artikulation muss eine subsemantische Ebene angenommen werden. Es muss also Elemente geben, die an sich keine bedeutungstragenden, sondern allein bedeutungsunterscheidende Funktion haben (Phoneme). Diese lassen sich über Minimalpaarbildung herausfiltern. Ein Beispiel wäre die Gegenüberstellung von „Ball“ und „Fall“. Die beiden einleitenden Laute haben an sich keine Bedeutung, differenzieren aber sehr wohl die Bedeutung der beiden Wortlaute. Hier handelt es sich freilich nicht um die Buchstaben, denn die spielen in der Mündlichkeit keine bzw. nur eine nachgeordnete Rolle. 130 SdK, S. 195. 131 Goodmans Ansatz ist selbstredend kein linguistischer, sondern ein philosophischer. Aus dieser Perspektive ist das Problem von Mündlichkeit und Schriftlichkeit für ihn, wenn überhaupt, dann nur am Rande seiner Argumentation zu thematisieren.
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Denotationsrichtung ist somit nicht eindeutig zu bestimmen. Der geschriebene Text kann also – das ist der wesentliche Punkt – nicht als eine ‚Partitur‘ der Äußerung verstanden werden und umgekehrt. Vielmehr handelt es sich hier um ein Kohabitationsverhältnis132 von Text und Äußerung – in Kombination mit einem Wechsel des Mediums. Weder der Text noch die Äußerung sind dabei als ‚Resultate‘ anzusehen. Genau an dieser Stelle unterscheiden sich Sprache und Musik klar voneinander, in der die Aufführungen eines bestimmten Stücks auf der Basis einer Partitur tatsächlich den Status des „Endprodukte[s]“133 haben. Nach Goodman ist ein Charakter in einer Sprache letztlich so zu verstehen, dass er (orale) Äußerungen und (schriftliche) Inskriptionen gleichermaßen umfassen kann.134 Vieldeutig bleibt letztlich nur, welche Erfüllungsgegenstände der Text haben soll. Daher behandelt ihn Goodman als Skript und nicht als Partitur. „Ein Skript unterscheidet sich also von einer Partitur nicht darin, daß es verbal, deklarativ oder denotational ist oder ein spezielles Verstehen erfordert, sondern einfach darin, daß es ein Charakter in einer Sprache ist, die entweder ambig ist oder der die semantische Disjunktivität oder Differenzierung fehlt.“135
Weil der Text selbst als Inskription auch Charakter in einem Notationsschema ist, lassen sich einige Dinge für die folgenden Überlegungen festhalten: Ein literarisches Werk ist nicht die Erfüllungsklasse eines Textes, sondern die Textur selber. Unter einer Textur ist dasjenige zu verstehen, was auf Papier geschrieben steht und sich in „standardisierte Elemente“136 zerlegt wird. Diese besteht aus artikulierten Inskriptionen, die zu syntaktisch disjunkten und endlich differenzierbaren Charakteren gehören.137 Damit sind sowohl „Identität der Sprache als auch syntaktische Identität innerhalb der Sprache“138 notwendige Bedingungen für die ästhetische Identität zweier Werke.139 Das heißt nicht, dass die Textur nicht größer beziehungsweise kleiner gedruckt, mit der Hand geschrieben oder sonstwie ins Werk gesetzt sein könnte. Dieses sind hier – anders als im Pikturalen – keine signifikant symbolischen Eigenschaften des Schemas. Besonders im Bereich der Alltagssprache (technisch-notational oder natürlichdiskursiv) erhalten diese syntaktischen Eigenschaften des Schemas eine bemer-
|| 132 Vgl. Christian Stetter: Schrift und Sprache – [a.a.O.] S. 9ff. 133 Zumindest gilt dies für Nelson Goodman (vgl. SdK, S. 195). 134 Vgl. hierzu SdK, S. 222. 135 SdK, S. 189 (LA, S. 201). 136 Vgl. Christian Stetter: Schrift und Sprache – [a.a.O.] S. 186. 137 Vgl. SdK, S. 196. 138 SdK, S. 196. 139 Das theoretische Problem von Übersetzungen blende ich hier aus.
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kenswerte Stellung, die ebenfalls eine wesentliche Grundlage für die weiteren Überlegungen bezüglich der systematischen Bedeutung von Goodmans Metapherntheorie liefert. „Wir haben gesehen, daß eine Musikpartitur in einer Notation festgehalten wird und ein Werk definiert; daß eine Skizze oder ein Bild nicht in einer Notation festgehalten, sondern selbst ein Werk ist; und daß ein literarisches Skript sowohl in einer Notation festgehalten als auch selbst ein Werk ist. Also wird in den verschiedenen Künsten ein Werk unterschiedlich lokalisiert.“140
Abbildungen, so lautet Goodmans zu Beginn von „Sprachen der Kunst“ formulierte Problemstellung, unterscheiden sich demnach nicht dadurch von Beschreibungen, dass sie dem Abgebildeten ähnlich usw. sind, sondern allein dadurch, dass als Charaktere sie zu Schemata (symbol schemes) gehören, deren Marken dicht geordnet sind und die nicht typisiert, also nicht als Inskriptionen diesen bestimmten Charakteren zugeordnet werden können: „Wörter sind nur dann konventioneller als Bilder, wenn Konventionalität mit Hilfe von Differenz und nicht so sehr mit Hilfe von Artifizialität konstruiert wird“141. Kunst und Wissenschaft sind einander merklich, aber deswegen nicht völlig fremd: „Der Unterschied zwischen Kunst und Wissenschaft ist nicht der zwischen Gefühl und Tatsache, Eingebung und Folgerung, Freude und Überlegung, Synthese und Analyse, Empfindung und Reflexion, Konkretheit und Abstraktheit, Passio und Actio, Mittelbarkeit und Unmittelbarkeit oder Wahrheit und Schönheit, sondern eher ein Unterschied in der Dominanz bestimmter spezifischer Charakteristika von Symbolen.“142
Goodman fehlte allerdings bis zu diesem Punkt – den Überlegungen zur Notationstheorie – das von der Syntax ausgehende Vokabular, solche Systeme mit Hilfe von trennscharfen Unterscheidungen hinreichend genau beschreiben zu können. Die Frage, die es nun zu beantworten gilt, lautet, wie eine sprachliche Äußerung zu ihrer (buchstäblichen) Bedeutung kommt. Da das Erwerben jeder Sprache mit einer sozialen Praxis verbunden ist, kann – zumindest für das hier
|| 140 SdK, S. 197 (LA, S. 210) Einen besonderen Fall markiert der Text eines Dramas, dessen Erfüllungsklasse tatsächlich – wie in der Musik – eine Klasse von Aufführungen ist. Allerdings gilt das nur für den Text, den die Schauspieler zu sprechen haben, die Bühnenanweisungen sind weiterhin als Skripte zu verstehen. Auf Tanz und Architektur möchte ich an dieser Stelle nicht eingehen (vgl. hierzu: SdK, S. 198‒207). 141 SdK, S. 214. 142 SdK, S. 243 (LA, S. 264). Wer Kunst und Wissenschaft in Gegensatz zueinander stelle, der verkenne und vergewaltige beide, sagt Goodman an anderer Stelle (vgl. MM, S. 18).
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verfolgte Ziel – zunächst davon ausgegangen werden, dass die buchstäbliche Dimension der Sprache, die routinemäßige Projektion auf Erfüllungsgegenstände, einem Muttersprachler durch seinen individuellen Spracherwerb mehr oder weniger ohne Schwierigkeiten – und daher eben eher selten reflektiert – zur Verfügung steht: Er ,weiß‘, was ein Wort oder eine Äußerung ‚bedeuten‘. Das macht seine Sprachkompetenz143 aus, ohne dass er diese genauer beschreiben könnte und müsste. „Bei diskursiven Sprachen müssen weitere und größere projektive Entscheidungen getroffen werden“144 als allein die, zu welchen Charakteren die Marken als Inskriptionsproben gehören. Jedoch sind ist ein Muttersprachler im Zweifelsfall mit der Heimatsphäre eines Schemas so vertraut, dass er weiß, wovon die Rede ist. Das ist Basis unseres symbolischen Agierens in der Alltagspraxis und damit eine Weise seiner Welterzeugung.
I.6 Goodmans Metapherntheorie Die Überlegungen zum Schemabegriff (schema) und dessen Differenzierungen haben Goodman auf direktem Wege zur Metaphernthematik geführt.145 Aus (sprach)philosophischer Perspektive ist diesbezüglich zu fragen, warum ein Etikett sehr wohl dieses oder jenes bezeichnen kann, das buchstäblich kein Erfüllungsgegenstand des Etiketts ist. Das alles klingt zunächst nach einer klassischen Fehlzuordnung, einer falschen Etikettierung, die sich aber – wie sich noch im Detail noch zeigen wird146 – durchgängig durch das System der Sprache zieht. Dementsprechend führt, insbesondere für die Sprachphilosophie und Erkenntnistheorie, offenkundig kein Weg daran vorbei, sich mit dem Phänomen der Metaphernbildung grundlegend auseinanderzusetzen: Ziel des im Rahmen dieser Arbeit zu entwickelnden Gedankengangs ist es, zu zeigen, dass gerade das Verfahren der Metaphernbildung ein besonderes Verfahren bezeichnet, wenn es um die Bedingungen der Möglichkeit von Erkenntnis147 geht. Wenn Symbolisierung allgemein als etwas Faktisches verstanden wird, dann ist im Rahmen des Faktischen ebenso davon auszugehen, dass es buch-
|| 143 Dem Begriff der Sprachkompetenz werde ich mich noch ausführlicher zuwenden (vgl. Kap. III). 144 Vgl. SdK, S. 190. 145 Im Bezug auf symbol schemes diskutiert Goodman die Metaphernproblematik nicht, da er von einem Begriffsschema ausgeht, das übertragen wird. 146 Vgl. Kap. II.3. 147 Dass die Metapher dabei eine besondere Rolle spielt, wird später noch ausführlicher zu thematisieren sein (vgl. Kap. IV).
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stäbliche und ,übertragene‘ Zuordnungen von Symbolschemata und entsprechenden Erfüllungsgegenständen gibt, denn beides findet sich im alltäglichen Umgang mit einem Symbolsystem ,gleichberechtigt‘ nebeneinander statt. Goodmans Beispiel lautet folgendermaßen: „Ein Bild traurig zu nennen und es grau zu nennen stellen einfach verschiedene Weisen dar, es zu klassifizieren. Das heißt, auch wenn ein Prädikat, das auf einen Gegenstand metaphorisch zutrifft, nicht buchstäblich zutrifft, so trifft es doch nichtsdestoweniger zu.“148
Im hier zu entwickelnden Zusammenhang wird der figurative Gebrauch von Etiketten sogar im systematischen Kern einer allgemeinen Symboltheorie zu sehen sein: Gerade die Metapher wird sich als ein wesentliches Verfahren im flexiblen und geschmeidigen Umgang mit sprachlichen Systemen begreifen lassen. Dafür muss das Symbolsystem, dessen Etiketten für eine metaphorische Verwendungsweise in Frage kommen, zunächst einmal bestimmte syntaktische Eigenschaften aufweisen, die sich wesentlich an denen des im Gebrauch befindlichen Schemas (symbol scheme) festmachen. Diese syntaktischen Merkmale des Schemas werden die wesentliche Grundlage für jede aussagekräftige Metapherndiskussion liefern müssen.149 Diese symboltheoretischen Überlegungen rücken insbesondere sprachliche Systeme als Ort für Metaphern in den Fokus, denn hier sind die Bedeutungen in ihrem Gebrauch gerade noch so differenziert, dass sie sich auf Basis einer sozialen Praxis kommunizieren lassen – aber keineswegs so, dass sie eine Bedeutung im Sinne einer eindeutigen Definition liefern würden. Diskursive sprachliche Systeme sind stets mehr oder weniger ambig. Zunächst sind dazu Goodmans Überlegungen zum Figurativen zu rekonstruieren: In seiner Annäherung an das Metaphernthema geht Goodman wiederum von einer pikturalen Darstellung aus, also einem weder syntaktisch noch semantisch eindeutigen System: Sein Beispiel ist ein „in Grautönen gemaltes Bild mit Bäumen“. Es erscheint unmittelbar einsichtig, was das Bild darstellt bzw., genauer ausgedrückt, denotiert150 – nämlich Bäume. Selbst wenn man den
|| 148 SdK, S. 73 (LA, S. 69). 149 Vgl. Anselm Haverkamp u.a. (Hrsg.): Die Theorie der Metapher, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1983, S. 19ff. 150 Dieser Ansatz reicht allerdings nur für die jetzigen, grundsätzlichen Überlegungen. Freilich sind auch gegen diesen Ansatz Bedenken geäußert worden (vgl. Jens Kulenkampff: Sind Bilder Zeichen? – In: Jakob Steinbrenner (u.a.): Symbole, Systeme, Welten. Studien zur Philosophie Nelson Goodmans – Reihe: Philosophische Impulse. Herausgegeben von Felix Mühlhölzer (u.a.). Heidelberg: Synchron 2005, S. 185‒202).
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problematischen Begriff der Ähnlichkeit151 des Darstellenden mit dem Dargestellten nicht bemühen möchte, kann man doch nicht umhin festzustellen, dass sich dieser ‚Inhalt‘ des Bildes jedem Betrachter ohne größere Schwierigkeiten erschließt. Diese Unvermitteltheit des Pikturalen wird treffend als eine „semantische Anomalie des Bildes“152 beschrieben, eine Art von Unmittelbarkeit, die jede pikturale Darstellung vor allen anderen Arten der Darstellung auszeichnet. Zudem hat das Bild153 aus dem oben genannten Beispiel weitere Eigenschaften, etwa die des Grauseins – und weist diese ebenfalls vor. Das Bild exemplifiziert also auf diese Weise bestimmte Etiketten, und zwar buchstäblich. Gleichzeitig kann jedoch mit der nahezu gleichen Selbstverständlichkeit behauptet werden, dass das Bild ,traurig‘ ist bzw. dass es eine Art von Trauer oder Melancholie zum Ausdruck bringt. Welcher Art ist aber die logische Beziehung zu dem, was das Bild ausdrückt und was damit offenkundig einen ebenso wesentlichen Teil seiner Symbolfunktion ausmacht?154 Was ein Bild zum Ausdruck bringt, hat, so Goodmans Erklärung, mit dessen figurativem und nicht buchstäblichem Besitz zu tun, denn das genannte Bild besitzt sicher nicht in gleicher Weise die Eigenschaften, die es zum Ausdruck bringt (Traurigkeit, Melancholie usw.) wie die, die es buchstäblich exemplifiziert (als Einzelfall zum Beispiel bestimmter Grautöne). Und dennoch ‚exemplifiziert‘ es diese Eigenschaften ohne Zweifel, bringt sie für den Betrachter, im Einzelfall mehr oder weniger deutlich, zum Ausdruck. Mit diesem figurativen Vorweisen ist das Verfahren der Metaphernbildung unmittelbar angesprochen. Vor allem die exemplifizierende Richtung der Bezugnahme spielt also eine wichtige Rolle. Das genau ist die Dimension, die Goodman der traditionellen Sichtweise der Metapherndiskussion hinzufügt: Die metaphorische Denotation – vornehmlich traditionelle Grundlage jeder klassischen Metapherntheorie155 – handelt er relativ zügig ab.156 Vielmehr muss der Ausdruck eines Bildes etwas mit der exemplifizierenden Richtung dieser Bezugnahme zu tun haben. Damit kehrt Goodman die traditionelle Sichtweise der Metaphernbildung um und ergänzt so eine notwendige Sichtweise auf das eigentliche Problem. Denn nicht
|| 151 Zur Diskussion des Ähnlichkeitsbegriffs und dessen Rehabilitation vgl. Klaus SachsHombach: Über Sinn und Reichweite der Ähnlichkeitstheorie – In: Jakob Steinbrenner u.a.: Symbole, Systeme, Welten [a.a.O.] S. 203‒225. 152 Vgl. ebd. S. 210. 153 Dies gilt natürlich nicht für den Rahmen usw. Diese Diskussion möchte ich hier aus Gründen der Übersichtlichkeit ausblenden. 154 Vgl. SdK, S. 56ff. 155 Vgl. Kap. II.7. 156 Vgl. SdK, S. 74ff.
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allein das Etikett muss auf den Erfüllungsgegenstand – wenn auch im übertragenen Sinne – zutreffen, der Erfüllungsgegenstand muss auch gewisse Eigenschaften haben, die das Etikett buchstäblich denotiert. Nur so kommt eine Metapher zu ihrer ,Schlagkraft‘. Exemplifikation ist nach Goodman als „Besitz plus Bezugnahme“157 charakterisiert, und „[w]ährend alles denotiert werden kann, können nur Etiketten exemplifiziert werden“158. Was als Etikett behandelt wird, hängt davon ab, welches Symbolsystem gerade im Gebrauch ist. „[Ein] Bild exemplifiziert »traurig« metaphorisch, wenn das Bild auf »traurig« Bezug nimmt und »traurig« das Bild metaphorisch denotiert. Und das Bild exemplifiziert Traurigkeit metaphorisch, wenn das Bild auf ein Etikett Bezug nimmt, das mit »traurig« koextensiv ist und das Bild metaphorisch denotiert.“159
In symboltheoretischer Hinsicht sind die Merkmale, die den Bereich des Buchstäblichen von dem des Metaphorischen unterscheiden, zunächst einmal „flüchtig“160. Sie sind noch weniger eindeutig als die buchstäbliche Dimension und damit mehr als ein Wertesystem zu verstehen, innerhalb dessen die buchstäbliche Dimension nur deswegen gefestigt ist, weil sie in unserem Symbolgebrauch besser verankert, häufiger tatsächlich fortgesetzt, ist als andere.161 Der wesentliche Aspekt, auf den es im Rahmen der Überlegungen zum systematischen Stellenwert der Metapherndiskussion in einer allgemeinen Symboltheorie ankommt, wird die Untersuchung der syntaktischen Fundierung der übertragenen Wortbedeutung im Verfahren der Metaphernbildung auf der Basis des im Gebrauch befindlichen Schemas (symbol scheme) sein. Jede metaphorische Verwendung eines Etiketts exemplifiziert nach Goodman „erworbenes Eigentum“162, und erworben wird dieses Eigentum in Anlehnung an die buchstäbliche Extension eines Schemas in seiner Heimatsphäre. Solche Eigenschaften sind also „metaphorische Importe“163. Die Frage ist, wie diese ‚Anlehnung‘ des metaphorischen an den buchstäblichen Gebrauch zu verstehen ist. Vieles
|| 157 SdK, S. 60 (LA, S. 53). 158 SdK, S. 63. 159 SdK, S. 88. 160 SdK, S. 88. 161 Diesen Sachverhalt diskutiert Goodman im Rahmen seiner Überlegungen zu einer Neufassung des Induktionsproblems (vgl. Nelson Goodman: Tatsache, Fiktion, Voraussage – Aus dem Englischen von Hermann Vetter, 1. Auflage, Frankfurt/M.: Suhrkamp 1975, S. 81ff. [folgend zitiert als FFF]). Auf diesen Sachverhalt werde ich später zurückkommen (vgl. Kap. IV.1 und IV.2). 162 SdK, S. 89. 163 SdK, S. 89.
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kann metaphorisch denotiert werden, aber „ein Ding [kann] nur ausdrücken, was zu ihm gehört, aber nicht ursprünglich zu ihm gehörte“164. Diese Funktion hat den Sinn des Zeigens und Vorweisens auf eine bestimmte Weise, in einer bestimmten Hinsicht. Damit wird eine bestimmte Gewichtung vorgenommen – und die gehört bekanntlich zu den Weisen der Welterzeugung.165 Zur Erinnerung: Jedes „Erschaffen ist ein Umschaffen“166, und dieses Umschaffen geschieht jeweils in der Etablierung von Klassen, die „jedoch unterschiedlich in relevante und irrelevante Arten eingeteilt werden“167. Es geht bei der Gewichtung nicht allein um die Etablierung von Klassen, sondern vielmehr um „den Akzent, der auf verschiedene Aspekte gelegt wird“168. Viele der bereits rekonstruierten Überlegungen werden die symboltheoretisch so zentrale Funktion von Metaphern verdeutlichen, die bislang deswegen nur aus einer eingeschränkten Sicht in den Fokus der Überlegungen treten konnten, weil ein entsprechendes Vokabular fehlte. Einige Gründe für das bisherige Fehlen eines solchen Vokabulars liefern „erstens die extremen Mehrdeutigkeiten und Unbeständigkeiten des normalen Gebrauchs; zweitens die große Vielfalt von Etiketten, die auf jeden beliebigen Gegenstand zutreffen; drittens, daß die Anwendung eines Etiketts mit der Menge der in Frage kommenden Alternativen variiert; viertens die verschiedenen Bezugsobjekte, die demselben Schema unter verschiedenen symbolischen Systemen zugewiesen werden; fünftens die Vielfalt metaphorischer Anwendungen, die ein Schema mit einer einzigen buchstäblichen Anwendung auf eine einzige Sphäre unter verschiedenen Typen und Wegen des Transfers haben kann; und schließlich ebenjene Neuheit und Instabilität, die die Metapher ausmacht.“169
Für all dieses muss mit Goodman grundsätzlich der extensionale Kern aller Symbolisierung betrachtet werden – die Bezugnahme. Das gilt sowohl für buchstäbliche Verwendungen von Etiketten als auch figurative. Auf dieser Basis bekommt das figurative Denken neben dem buchstäblichen seinen festen – weil ebenso im Faktischen verankerten – Platz. Die Metapher erscheint folglich als eine „ökonomische, praktische und kreative Möglichkeit des Sprachgebrauchs. Bei der Metapher gehen die Symbole einer Nebenbeschäftigung nach“170.
|| 164 SdK, S. 92. 165 Vgl. WW, S. 23ff. Weitere ,Weisen‘, Welten zu erzeugen sind Komposition, Dekomposition, Ordnung, Tilgung und Ergänzung und Deformation. 166 WW, S. 19. 167 WW, S. 23. 168 WW, S. 24. 169 SdK, S. 96. 170 MM, S. 115.
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Im Folgenden wird dem Verfahren der Metaphernbildung in sprachlichen Systemen nachgegangen, und dabei stellt sich auch die Frage, warum die Metaphernproblematik gerade im Zusammenhang mit diesen, wie gesehen, in einigen Hinsichten besonderen Systemen abgehandelt wird. Bei der Beantwortung dieser Frage ist herauszuarbeiten werden, worin die ‚Nebenbeschäftigung‘ der Symbole eigentlich besteht. Dazu muss zunächst untersucht werden, was den buchstäblichen vom metaphorischen Gebrauch eines sprachlichen Etiketts unterscheidet. Ein erstes und recht naheliegendes Unterscheidungskriterium zwischen dem buchstäblichen und metaphorischen Gebrauch des Etiketts ist die Neuheit des Zutreffens auf einen Gegenstand in einem an sich fremden Bezugnahmegebiet. Die metaphorische Verwendung eines Etiketts bleibt im buchstäblichen Gebrauch fundiert, ist sich aber von einer einfach neuen Anwendung zu unterscheiden: „Bloße Neuheit macht jedoch nicht den ganzen Unterschied aus. Jedes Zutreffen eines Prädikats auf ein neues Ereignis oder einen neu gefundenen Gegenstand ist neu; aber eine derartige routinemäßige Projektion begründet noch keine Metapher.“171
Mit einer Metapher werden nicht allein neue, sondern fremde Bezugnahmegebiete – und das jeweils auch in einer ganz bestimmten Perspektive – erschlossen und das Etikett nicht einfach auf einen nicht entschiedenen Fall angewendet. Zu unterscheiden ist die Metapher daher von Katachrese172, Synekdoche173 und vergleichbaren Tropen der rhetorischen Tradition, die zwar eine Nähe zur Metapher haben, aber nunmehr strikt von der hier vorgestellten und noch detailliert vorzustellenden Metapherndefinition unterschieden werden müssen.174 Die nächste Frage lautet: Was macht die Bezeichnung eines Gegenstands in einer ‚fremden‘ Sphäre durch ein bereits in einem anderen Kontext etabliertes
|| 171 SdK, S. 74 (LA, S. 69). Auf den Begriff der „routinemäßigen Projektion“ ist natürlich noch ausführlich zurückzukommen (vgl. Kap. IV.1 und IV.2) . 172 Vgl. hierzu die Unterscheidungskriterien in Patricia Parker: Metapher und Katachrese – In: Anselm Haverkamp (Hrsg.): Die paradoxe Metapher – 1. Auflage, Frankfurt/M.: Suhrkamp (Edition Suhrkamp 1940) 1998, S. 312‒331, hier: S. 314: „[…D]enn um Katachrese [abusio] handelt es sich da, wo eine Benennung fehlte, um Metapher [translatio], wo sie eine andere war“. 173 Unter Synekdoche ist die Bezeichnung eines Ganzen durch einen Teil oder umgekehrt zu verstehen. Dass es sich hier nicht um eine Metapher handelt, zeigt sich darin, dass Goodmans Kategorieren des Widerstands und der Neuzuordnung hier nicht gegeben sind. 174 Wenn die These, dass die Metapher ein zentrales Verfahren des Sprachsystems ist, stimmt, dann muss der Begriff der Metapher anderen klassischen Tropen übergeordnet sein.
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Etikett, mit anderen Worten dessen „Anwendung auf neuartige Weise“175 neben der Neuheit des Zutreffens zusätzlich aus? Zunächst weist Goodman zwar darauf hin, dass jede Metapher ein neues ,Kunststück‘ eines bereits etablierten Wort ist („Eine Metapher […] muß einem alten Wort neue Tricks beibringen – muß ein altes Etikett auf eine neue Weise anwenden können.“176). Aber im Gegensatz zur routinemäßigen Projektion, also der Anwendung auf einen jeweils „nicht entschiedenen Fall“177, setzt die metaphorische Anwendung auf das je betroffene Objekt auch eine Art von expliziter oder impliziter Ablehnung voraus („Aber die metaphorische Anwendung eines Etiketts auf einen Gegenstand setzt sich über eine explizite oder stillschweigende frühere Ablehnung dieses Etiketts für diesen Gegenstand hinweg.“178). Diese Ablehnung ist also der zweite wesentliche Aspekt für eine metaphorische Verwendung eines Schemas (schema), denn eigentlich ‚passt‘ dieses Etikett nicht auf die Sphäre. Erst in diesem Zusammenhang zeigt sich die Metapher als „Affäre“ – Goodmans berühmte Metapher für die Metapher – zwischen einem Prädikat mit einer Vergangenheit und einem sich nur unter Protest hingebendem Objekt („Affäre zwischen einem Prädikat mit Vergangenheit und einem Gegenstand, der sich unter Protest hingibt“179). Der inhaltliche Schwerpunkt dieser folgenreichen Formulierung liegt demnach auf dem Protest, unter dem sich der Gegenstand unter das Etikett ordnet. So metaphorisch die zitierte Beschreibung selbst auch ist, sie gibt deutlich – und zwar selbst auf eine exemplifizierende Art – Aspekte des zu Untersuchenden zu erkennen: In dieser Formulierung macht die metaphorische Verwendung des Etiketts „Affäre“, an welcher die Metaphorizität der Aussage offenkundig verankert ist, das Verfahren selbst deutlich: Durch diese neue, dem üblichen Gebrauch widersprechende Verwendung entsteht eine Art von Verwandtschaft über die Sphären hinweg, die etwas auf eine neuartige Weise greifbar werden lässt: „Nun zieht eine Metapher typischerweise nicht nur einen Wechsel des Bereichs, sondern auch der Sphäre nach sich.“180 Da jedes syntaktisch als Schema (symbol scheme) fundierte Etikett nur in einem Schema (schema) aus Alternativen seine Bedeutung hat, werden implizit Etikette des gebrauchten Schemas mit einem neuen, sich nur unter Protest hingebenden Bezugnahmegebiet verbunden: || 175 SdK, S. 74. 176 SdK, S. 74 (LA, S. 69). 177 SdK, S. 74. 178 SdK, S. 74 (LA, S. 69). 179 SdK, S. 74 (LA, S. 69). 180 SdK, S. 76 (LA, S. 72). Unter dem Bereich des Etiketts »rot« versteht Goodman die Menge der roten Gegenstände, unter der Sphäre die Menge der farbigen Dinge.
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„Eher wird eine Menge von Ausdrücken, von alternativen Etiketten, transportiert; und die Organisation, die sie in der fremden Sphäre bewirken, steht unter der Leitung ihres gewohnheitsmäßigen Gebrauchs in der heimatlichen Sphäre.“181
Mit der Verwendung dieser Metapher kann also die Beziehung zwischen einem „Prädikat mit Vergangenheit“ und dem „Gegenstand, der sich unter Protest hingibt“ auch im strengen Sinn des Wortes als Bild beschrieben werden, ohne sie genauer buchstäblich bestimmen zu können. Man sucht mit bekannten, syntaktisch differenzierten und damit handhabbaren Mitteln nach einer neuartigen Darstellungs- und Sichtweise, nicht aber nach einer neuen Darstellung. Die Bezeichnungen treffen ja nicht buchstäblich, sondern figurativ zu. Somit kann – paradigmatisch hier vorgeführt – mit der Ins-Werk-Setzung einer Analogie etwas Bestimmtes exemplifizierend zum Ausdruck gebracht werden. Dieser Zug Goodmans wirft also ein erstes Licht in die Richtung weiterer Überlegungen zum hier zu untersuchenden Thema: Eine Metapher ist also keineswegs „bloß eine Sache der Verzierung, [der metaphorische Gebrauch] hat voll und ganz am Fortschritt der Erkenntnis teil: Er ersetzt einige verbrauchte, »natürliche« Arten durch neue aufschlußreiche Kategorien, er entwickelt Fakten, revidiert Theorien und beschert uns neue Welten.“182
In der Philosophiegeschichte sind es oftmals die Metaphern, die eine Überlegung bzw. ein gesamtes, verwobenes Gedankenkonstrukt ,griffig‘ machen. In diesem Zusammenhang kann man an Kategorien wie Kants „Ding an sich“, Hegels „Idee“ oder Hobbes’ „Leviathan“ und vieles andere denken. Gleichsam weist das oben Beschriebene auf Schwierigkeiten hin, denn die Verwendung einer Metapher wird aufgrund ihrer verkürzenden und per se konfliktprovozierenden Form niemals unstrittig oder trennscharf sein. In dieser Unschärfe der Metapher liegt neben ihrer ‚erkenntnisdestillierenden‘ Funktion gleichzeitig eine ihrer Schwächen: „Wo es Metaphern gibt, gibt es Konflikte.“183 Somit tritt der dritte das Figurative charakterisierende Aspekt neben Neuheit und (stillschweigender) vorangegangener Ablehnung für dieses oder jenes Objekt ins Blickfeld: Eine Metapher ist keine Fehlzuweisung, sondern eine mit einer gewissen Absicht – einer Intention – ins Werk gesetzte Neuzuweisung eines bereits etablierten Etiketts mit einer durch Gebrauch gefestigten Extension auf einen Erfüllungsgegenstand in einem neuen Bezugnahmegebiet, der sich
|| 181 SdK, S. 78 (LA, S. 74) Was dabei unter „gewohnheitsmäßigem Gebrauch“ zu verstehen ist, wird uns noch ausführlicher beschäftigen (vgl. Kap. IV). 182 MM, S. 108 (vgl. Kap. IV). 183 SdK, S. 74 (LA, S. 69).
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nur ‚unter Protest‘ hingibt – eine kalkulierte Kategorieverwechslung im Sinne Ryles.184 Damit bleibt die metaphorische an die buchstäbliche Verwendung eines Etiketts gebunden bzw., umgekehrt betrachtet, diese Vorraussetzung für die figurative Anwendung: „Die bei der Metapher vorkommenden Verschiebungen im Bereich laufen also gewöhnlich nicht auf eine bloße Verteilung des Familienbesitzes, sondern auf eine Expedition in fremde Länder hinaus. Eine ganze Menge alternativer Etiketten, ein ganzer Organisationsapparat übernimmt ein neues Territorium. Hier vollzieht sich ein Transfer eines Schemas [Engl.: schema, meine Ergänzung], eine Migration von Begriffen, eine Entfremdung von Kategorien. In der Tat könnte man eine Metapher als eine kalkulierte Kategorienverwechslung ansehen – oder vielmehr als eine glückliche und belebende, wenn auch bigamistische zweite Ehe.“185
Jede metaphorische Verwendung eines Etiketts lässt sich mit Hilfe der oben benannten Merkmale also von einfacher Ambiguität unterscheiden, denn ambige Verwendungsweisen eines sprachlichen Etiketts auf verschiedene Erfüllungsgegenstände lassen sich nicht, zumindest nicht in gleicher Weise, in Beziehung zueinander setzen: Keine Verwendungsweise ergibt sich aus der anderen oder lässt sich auf die andere zurückführen. Es gibt also mit anderen Worten kein bezugnehmendes, kein Fundierungs- und damit erst recht kein kontraindiziertes Verhältnis der beiden Ausdrücke zueinander. Genau dieses Verhältnis haben wir mit Goodman jedoch gerade als zentrale Bedingung für jede Metapher herausgearbeitet: „[E]in Ausdruck mit einer durch Gewohnheit etablierten Extension [wird] anderswo unter dem Einfluß dieser Gewohnheit angewandt“186. Das hat offenkundig Auswirkungen auf das Verhältnis der beiden Ausdrücke zueinander. Es ist ein gerichtetes: Es muss sich eine gewohnheitsmäßige Extension des Etiketts also bereits im Sprachgebrauch etabliert haben, bevor das Etikett unter Berücksichtigung der Ordnung, die dieses Etikett schafft, metaphorisch auf eine andere Sphäre angewendet werden kann. Jede Metapher setzt diesen ‚bewährten Sprachgebrauch‘ also notwendig voraus bzw. bleibt an diesen zurückgebunden. Damit ist ein weiterer Aspekt für die folgenden Überle|| 184 Vgl. Gilbert Ryle: Der Begriff des Geistes – Aus dem Englischen übersetzt von Kurt Baier, Stuttgart: Reclam (RUB 8331) 1969, S. 13ff. Ryle argumentiert, dass es durchaus einen guten Sinn haben kann, an bestimmten Stellen bewusst Kategorien zu ,verwechseln‘, um Klarheit herzustellen über eine Sache, die wir grundsätzlich nicht begreifen oder nachvollziehen können. Also bleibt uns nur der Umweg über andere Kategorien, um die Erkenntnis in diese Richtung zu befördern: „Wir können die Körper anderer Leute sehen, hören und anstoßen, aber für die geistigen Vorgänge im anderen sind wir unheilbar blind und taub […]“ (ebd. S. 10). 185 SdK, S. 77 (LA, S. 73). 186 SdK, S. 74.
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gungen gewonnen: Es muss nicht nur eine Bezugnahme auf einen Gegenstand (der sich unter Protest hingibt) geleistet werden, sondern vielmehr zusätzlich auf die buchstäbliche Verwendungsweise, auf einen allgemein bewährten Sprachgebrauch und damit auf den schematischen Zusammenhang, in dem das Etikett ‚normalerweise’ steht. Aus den genannten Gründen kann sich aus der zunächst metaphorischen Verwendungsweise eines Ausdrucks nach und nach eine Art von fast „buchstäbliche[r] Gebrauchsweise“187 entwickeln. Goodman argumentiert aber keineswegs dafür, dass eine metaphorische Gebrauchsweise eines Etiketts zu irgendeinem Zeitpunkt ins Buchstäbliche übergehe, sondern dafür, dass sich die beiden Gebrauchsweisen mit der Zeit lediglich ähnlicher werden (können). Um in Goodmans eigener Metapher zu bleiben, mag der Protest nach und nach nur etwas ‚verhaltener‘ werden. Das hat allerdings lediglich etwas mit der Anzahl der Fortsetzungen im allgemeinen Sprachgebrauch zu tun. Die anfängliche Metapher wird dann unter Umständen zu einem ‚geflügelten Wort‘188. Jedoch bleibt diese Verwendung – besser oder schlechter rekonstruierbar – von der anderen abhängig. Das genau hatte Goodman für jeden Prozess der Metaphernbildung vorausgesetzt. Forscht man weit genug in die Sprachgeschichte zurück, wird sich dieses Verhältnis zwischen den beiden Verwendungsweisen auch potentiell wiederherstellen lassen. Damit hätte die betreffende Metapher lediglich nach und nach ihre anfänglich maßgebliche Schlagkraft – ihre Kühnheit – eingebüßt und wäre dann also zu einer „bloße[n] Ambiguität“189 verblasst. Diese Überlegungen bringen den bereits rekonstruierten Begriff des Schemas (schema)190 ins Spiel, denn solche figurative Kategorisierung funktioniert – wie die buchstäbliche – nicht an einem einzelnen, isolierten Etikett, sondern ebenfalls immer nur im Zusammenhang, einer Menge von möglichen Alternativen. Zudem, so muss jedoch jetzt jedoch zwingend ergänzt werden, sind auch an das Schema (symbol scheme) bestimmte syntaktische Anforderungen zu stellen, um diese Funktion überhaupt ‚eindeutig‘ in einem materiellen Substrat erzeugen zu können. Zu Goodmans (paradigmatischem) Schemabegriff muss
|| 187 SdK, S. 75. 188 Unter einem ,geflügelten Wort‘ – übrigens selbst eine ,ehemalige‘ Metapher – ist eine Metapher zu verstehen, die nicht mehr neu und in diesem Sinne frisch ist. Sie ist also bereits in den allgemeinen Sprachgebrauch eingegangen, weist allerdings immer noch die Spuren ihrer ursprünglichen Neuzuordnung auf bzw. darauf hin, dass sie im Grunde nicht wörtlich zu stehen ist. 189 SdK, S. 75. 190 Vgl. Kap. I.3.
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also die Dimension des syntaktisch fundierten Schemabegriffs hinzukommen, denn beide spielen in sprachlichen Systemen ineinander. Gleichzeitig mit der kontraindizierten Neuzuweisung von gebräuchlichen Etiketten auf eine neue Sphäre wird bezeichnenderweise auch die Ordnung des Schemas übertragen, in der das betreffende Etikett in seinem Verhältnis zu anderen Etiketten des in Frage kommenden Schemas steht. Es sind nun im Falle der Sprache immer mehr oder weniger syntaktisch klar strukturierte Mengen von hinreichend deutlich identifizierbaren, sprich les- oder verstehbaren, Marken gegeben, die in einer solchen neuen Anwendung übertragen werden.191 Nur in solchen typisierbaren Arten von Darstellung lässt sich die wörtliche Bedeutung überhaupt an einem immer wieder neu und dabei eindeutig identifizierbaren Etikett festmachen. Die Organisation der fremden Sphäre, auf die das Etikett nun metaphorisch angewendet wird, ergibt sich dabei immer aus dem gewohnheitsmäßigen Gebrauch dieser syntaktisch typisierbaren Etikette. Die fremde Sphäre wird als zum einen erschlossen, zum anderen uno actu auf eine bestimmte, neuartige und in diesem Sinne ‚kühne‘ Weise per analogiam sortiert. Wäre das nicht der Fall, hätte die entsprechende Metapher keine Durchschlagkraft. Und genau auf die kommt es ja in rhetorischer Hinsicht an. Davon abgesehen ergibt sich dadurch auch der Rang als ,Innovation‘ in der Erkenntnisbzw. Wissenschaftstheorie, denn nur die kühn gewählte Metapher macht einen Sachverhalt auf ihre je individuelle Weise und in einer individuellen Kürze greifbar und damit aussagekräftig. Trotz aller grundsätzlichen Freiheiten ist das Verfahren der Metaphernbildung in einigen Hinsichten eingeschränkt, und nur theoretisch lässt sich ein Schema (schema) auf nahezu jedes Gebiet anwenden. Somit kann ein Netzwerk von Etiketten zwar prinzipiell auf fast jedes Gebiet angewendet werden, doch „das Operieren“192 in diesem Gebiet ist seinerseits nicht ohne Führung der Vergangenheit des Schemas möglich. Dessen Eindeutigkeit bleibt dabei nicht allein an die syntagmatische Dimension des Schemas (symbol scheme) zurückgebunden, sondern auch dessen qua Performanz gefestigten Gebrauch. Eine Metapher ist also keinesfalls die ‚Erfindung‘ eines neuen Etiketts oder dessen Anwendung auf einen noch unentschiedenen Fall, sondern die Anwendung eines gegebenen, syntaktisch effektiv differenzierbaren Begriffsschemas auf ein fremdes Bezugnahmegebiet unter Berücksichtigung der vorangegangenen Anwendungspraxis. Auch hier steht also die Bezugnahme selbst wieder im Zentrum der Über-
|| 191 Die Metapher macht sich natürlich meist an einem einzigen Ausdruck fest. Dieser funktioniert aber nicht ohne sein syntagmatisches Umfeld (vgl. Kap. I.7). 192 SdK, S. 78.
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legungen. Selbiges gilt im Grenzwert sogar für den Fall, dass ein Etikett keine feste Bedeutung im allgemeinen Sprachgebrauch hat.193 Das allerdings ist nur ein Sonderfall, bei dem es mehr darauf ankommt, wie die Wörter selbst kategorisiert worden sind, und nicht so sehr darauf, was sie kategorisieren. Auch hier handelt es sich um eine Repräsentation-als, welche die Intension und nicht die Extension klärt. Die traditionelle Interpretation dieser Lesart, von einem „in Grautönen gemalten Bild“ (s.o.) folgerichtig sagen zu können, es sei „traurig“, ist, diese Metapher als eine verkürzende Form des Vergleichs (simile) zu begreifen: Statt zu sagen, das Bild und ein trauriger Mensch seien sich – irgendwie – ähnlich, kann verkürzend behauptet werden, das Bild selbst sei traurig. In einer buchstäblichen Lesart ist dies unmöglich. In der (astrophysikalischen) Wissenschaft wäre die Bezeichnung „schwarzes Loch“ als (mittlerweile jedoch fast buchstäblich zu verstehende) Metapher ein Beispiel für eine verkürzende Bezeichnung eines Phänomens, das ohne Anwendung der Metapher nur umständlich und umfangreich zu beschreiben wäre. Klar ist damit aber auch, dass das schwarze Loch weder buchstäblich „schwarz“ noch buchstäblich ein „Loch“ ist.194 Grundlegend ist für Goodman nun die Tatsache, dass die Metapher letztlich nicht Bezeichnung einer wie auch immer bestehenden Ähnlichkeit ist, sondern dass sie auch zur Konstruktion dieser Ähnlichkeit beiträgt: „Die Metapher wird nicht zum Vergleich, vielmehr wird der Vergleich Metapher; oder besser, der Unterschied zwischen Vergleich und Metapher ist unerheblich.“195 Die Metapher wird nicht dazu gebraucht, eine Ähnlichkeitsbeziehung zu beschreiben, sondern sie bringt diese erst zum Vorschein, indem sie einen sprachlichen Ausdruck, ein nunmehr auf eine fremde Sphäre anzuwendendes Etikett, in einer besonderen Art und Weise appliziert. Diese Anwendung mag nun etwas ‚treffen‘, sich durchsetzen oder nicht – das Hervorbringen einer und Hinweisen auf die damit hervorgebrachte Ähnlichkeit ist das eigentliche Kerngeschäft dieser ‚Nebentätigkeit der Symbole‘, des metaphorischen Sprachgebrauchs. So ist natürlich die grundsätzliche Frage nach der Wahrheit einer Metapher zu stellen. Goodmans Antwort lautet, dass es im Grunde eine falsch gestellte
|| 193 Dies diskutiert Goodman anhand von ,Unsinnssilben‘ wie „ping“ oder „pong“ (vgl. SdK, S. 79ff.). 194 John Wheeler prägte den Ausdruck 1969, „um einen anschaulichen Begriff von einer Idee zu liefern, die mindestens zweihundert Jahre zurückreicht“ (Stephen Hawking: Eine kurze Geschichte der Zeit – Reinbeck bei Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag 1991, S. 109). Ähnliches gilt für Bezeichnungen wie „Zeitpfeile“ und „Wurmlöcher“. 195 SdK, S. 81 (LA, S. 77f.) vgl. hierzu Max Black: Models and Metaphors. Studies in language and philosophy – Ithaca/New York: Cornell University Press 1962, S. 37ff.
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Frage sei. Ähnliches müsste schließlich auch für buchstäbliche Verwendungsweisen von Etiketten in Frage stellen lassen.196 Allein die als Metakategorie von Wahrheit gedachte Richtigkeit und das Passen garantieren jedoch noch nicht das Treffen einer Metapher und damit deren Wirkung, denn „Wahrheitsstandards sind so ziemlich dieselben, ob das verwendete Schema [Engl.: schema, meine Ergänzung] nun übertragen ist oder nicht.“197 Das Zusammenspiel von Neuheit und Kontraindizierung kann sich nun gerade nicht mehr an einer induktiven Praxis messen lassen, sondern muss sich in einem gewissen Sinne ‚frei‘ entfalten können. „Die Wahrheit einer Metapher ist natürlich keine Garantie für ihre Wirksamkeit. Wie es irrelevante, durchschnittliche und triviale buchstäbliche Wahrheiten gibt, so gibt es weit hergeholte, matte und moribunde Metaphern. Eine kraftvolle Metapher erfordert eine Kombination aus Neuheit und Passen, eine Kombination des Seltsamen und mit dem Selbstverständlichen. Eine gute Metapher birgt Überraschungen, und dadurch befriedigt sie. Eine Metapher ist dann am durchschlagendsten, wenn das transferierte Schema [Engl.: schema, meine Ergänzung] eine neue und bemerkenswerte Organisation und nicht bloße Neuetikettierung einer alten bewirkt.“198
Damit wird also auch die ‚Lebenserwartung‘ einer jeden Metapher merklich eingeschränkt, denn den belebenden Geist hat – um einmal in Goodmans Metapher zu bleiben – auch die beste bigamistische Ehe sicher nur für einen eingeschränkten Zeitraum. Die Neuheit und damit die ‚interessante‘ Neusortierung, welche die Metapher zum Zeitpunkt ihrer Entstehung bewirkt hatte, schwindet mit der Zeit – je öfter sie gebraucht wird. Nach und nach wird also jede treffende Metapher potentiell in den allgemeinen Sprachgebrauch eingegliedert. ‚Metaphern‘ wie „Stuhlbein“, „Fuchsschwanz“ oder „Hosenträger“ mögen hinreichende Beispiele sein. In der Wissenschaft ließe sich auch hier das oben genannte Beispiel des „schwarzen Lochs“ bemühen, das mittlerweile so sehr in den allgemeinen Sprachgebrauch eingegangen ist, dass es sein ursprüngliches Wesen als Metapher kaum noch zur Schau stellt. Somit wird zumindest näherungsweise deutlich, wie systematisch durchzogen gerade die Sprache als Symbolsystem vom figurativen Gebrauch von Etiketten ist, um ein semantisch offenes und damit inhaltlich – und zwar mit den systemeigenen Mitteln – geschmeidiges Funktionieren sicherstellen zu können.
|| 196 An dieser Stelle hatte Goodman dafür plädiert, die Wahrheit und Falschheit nicht als absolute und schon gar nicht als die einzig möglichen Kategorien zu verstehen. Das Referenzfeld ist hier viel weiter zu fassen (vgl. WW, S. 168ff.; vgl. RE, S. 205ff., vgl. Kap. IV). 197 SdK, S. 82 (LA, S. 79). 198 SdK, S. 83 (LA, S. 79f.).
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Diese Funktion des Symbolsystems Sprache entspringt keinesfalls nur aus „der Liebe zur literarischen Farbigkeit, sondern auch dem dringenden Bedürfnis nach Ökonomie.“199 Und diese ist bei sprachlichen Äußerungen notwendig in der syntaktischen Dimension des Schemas (symbol scheme) fundiert. Welche theoretischen Auswirkungen diese Beobachtung hat, wird noch ausführlich zu formulieren sein.200 Systemtheoretisch interessant ist diese Möglichkeit der Metaphernbildung aufgrund der Tatsache, dass dadurch ein nach dem Prinzip eines auf die neue Erschließung von Bezugnahmegebieten ausgerichteter Umgang mit Symbolsystemen erst auf der Basis eines gefestigten Gebrauchs ermöglicht wird: „Wären wir nicht in der Lage, Schemata ohne weiteres zu übertragen, um neue Sortierungen und Ordnungen hervorzubringen, dann müßten wir uns mit unhandlich vielen verschiedenen Schemata belasten, und zwar entweder durch Übernahme eines ungeheuer großen Vokabulars elementarer oder durch Erarbeitung außerordentlich vieler zusammengesetzter Ausdrücke.“201
Das ist der Schnittpunkt, der die Metapherntheorie Goodmans in die zentrale Position innerhalb der allgemeinen Symboltheorie stellt und damit im hier zu untersuchenden Zusammenhang wesentlich werden lässt: Die metaphorische Denotation und deren ‚Inverse‘, die Exemplifikation, sind die zentralen Möglichkeiten, mit den Mitteln, die eine entsprechende Art der Darstellung als System zur Verfügung stellt, flexibel umgehen zu können, und ermöglicht gleichsam, dass jede Art der Darstellung – insbesondere aber die sprachlichen Systeme – mit einer überschaubaren Menge von Etiketten auskommt. Das muss sie um so mehr tun, je klarer sie syntaktisch eindeutig bleiben möchte. Das gilt nun im Wesentlichen für die Sprache, grenzwertig mitunter auch für pikturale Darstellungen und Notationen. Damit beginnt das Verfahren der Metaphernbildung, in den Kernbereich einer allgemeinen Symboltheorie vorzurücken. Mit diesen Überlegungen wird, nebenbei bemerkt, der Bereich dessen, was Metapher genannt werden muss, insgesamt merklich ausgeweitet,202 die Metapher – systematisch – zur ‚Trope der Tropen‘. Festzuhalten ist dabei, dass die Sphäre des Schemas „bei dem Transfer konstant“203 bleibt und dass sich allein die Erfüllungsobjekte in einem bestimmten Bezugnahmegebiet verändern – wenn auch, wie gesehen, unter ‚Protest‘. Das Ergebnis einer solchen im Sinne || 199 SdK, S. 84 (LA, S. 80). 200 Vgl. Kap. IV.2. 201 SdK, S. 84. 202 Vgl. hierzu SdK, S. 84ff. 203 SdK, S. 86.
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der oben genannten ‚Nebenbeschäftigung‘ sekundären Extension eines Schemas ist keine Neusortierung, sondern ergibt eine gewollte, mit Absicht ins Werk gesetzte, „Neuorientierung“204. Das bedeutet, dass durch die metaphorische Anwendung eines Schemas auf ein Bezugnahmegebiet dieses nicht buchstäblich neu sortiert wird, sondern bestimmte neuartige Aspekte, neue inhaltliche Schwerpunkte, dadurch mit einer bestimmten Absicht ins Blickfeld gebracht werden, die ohne eine derartige Übertragung eines Schemas unbemerkt geblieben wären. Insofern ähnelt die Metapher tatsächlich einem Bild, wobei sich eine pikturale Darstellung wie gesehen anderer Darstellungsmittel bedient. Die komplette Organisation in dem neuen Territorium, auf das ein sprachlicher Ausdruck angewendet wird, muss unter ‚neuen‘ Vorzeichen ausgerichtet werden. Damit lassen sich insgesamt mit bereits organisierten Mitteln Dinge zum Ausdruck bringen, für die Etiketten nicht eigens geschaffen werden müssen (was jedoch, zum Beispiel bei Onomatopoetika oder Neologismen, ebenfalls möglich ist). In diesem Sinne spielen die Hinsichten, in denen eine Metapher oder eine Kombination aus mehreren metaphorischen Verwendungen eines Schemas zur Anwendung kommt, eine zentrale Rolle. „Verwandtschaften über die Sphären hinweg zu erkennen“205 ist in diesem Zusammenhang die primäre, aber eben nicht die einzige, Funktion der metaphorischen Verwendung eines Etiketts, denn „[d]ie Metapher versetzt uns in die Lage, uns der organisierenden Kräfte eines Systems zu bedienen und gleichzeitig die Grenzen des Systems zu überschreiten.“206 Damit ist die Dimension der pragmatischen Funktion von Metaphern oder des metaphorischen Gebrauchs von Symbolschemata berührt: Dieser metaphorische Gebrauch macht zum einen eine – wenn auch subjektive – bestimmte Absicht kommunizierbar, zum anderen macht er, systematisch betrachtet, den Prozess der Symbolisierung auf einer festen syntaktischen Grundlage an einer Art Gelenkstelle im allgemeinen Gebrauch von Symbolen flexibel: Das Verfahren der Metaphernbildung eröffnet Möglichkeiten, bestimmte Schemata zum Erschließen fremder Sphären zu verwenden und auf diese Weise Verwandtschaften dieser Sphären zu konstruieren. Basis für diese metaphorische Verwendung eines Etiketts sind dabei immer etablierte Denkgewohnheiten und somit letztendlich entsprechende Sprachgebräuche207 im Sinne des buchstäblichen Gebrauchs eines Schemas. Die Übertragung zielt zwar ins Ungewisse, aber
|| 204 SdK, S. 86. 205 RE, S. 31 (vgl. Kap. IV). 206 RE, S. 32. 207 RE, S. 32.
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dabei nie ‚ins Blaue‘, denn sie beginnt keineswegs im leeren Raum. ‚Richtigkeit‘ und Durchschlagkraft solcher Kategorisierungen hängen nun mehr oder weniger davon ab, ob die „erzielte Ordnung brauchbar, aufschlussreich und informativ ist; und ob die von ihr herausgehobenen Verwandtschaften zwischen den metaphorischen und buchstäblichen Bezugsobjekten interessant, bedeutsam oder auf andere Weise treffend sind“208.
I.7 Goodman und die Strömungen der Metapherntheorie Während Goodmans eigene Metapherntheorie nun in den wesentlichen Zügen skizziert ist, bleibt die Lokalisierung seines Ansatzes im Kontext der klassischen und gegenwärtigen philosophischen Metapherndiskussion zu leisten: Aristoteles hatte der Metapher in seiner „Poetik“ bekanntlich bereits zentrale Bedeutung beigemessen und definiert die Stilfigur als Übertragung (metaphérein) eines Namens. Er positioniert sie sowohl in der technē der Rhetorik als auch der Poetik209 und schafft damit das klassische Paradigma der Metapherndefinition. Die möglichen Spielarten dieser Übertragung legt Aristoteles dabei genau fest.210 Es gibt vier Arten der Übertragung: (a) von der Gattung auf die Art, (b) von der Art auf die Gattung, (c) von der Art auf die Art oder (d) per analogiam.211 Diesen letzten Typ der Übertragung hält Aristoteles für den wesentlichen. Grundlegend steht jede Analogiebildung bei Aristoteles im Kontext einer bestehenden Ähnlichkeit, einer Proportionalität zwischen den zu bezeichnenden Dingen: Wenn sich B zu A verhält wie D zu C, dann kann ,der Dichter‘ B anstelle von D und A anstelle von C sagen. Sein Beispiel: Der Abend verhält sich zum Tag wie das Alter zum Leben. Auf dieser Grundlage haben die Metaphern für das Alter als „Abend des Lebens“ und für den Abend das „Alter des Tages“ nach Aristoteles ihre Berechtigung. Die Möglichkeit der Umkehrung ist der bestehenden Proportionalität geschuldet. Diese Ähnlichkeit ‚sehen‘ zu können, ist bei Aristoteles Leistung des poetischen Genius (ingenium). Wenn man Proportionalität konstatiert, kommt Symmetrie als notwendige logische Eigenschaft hinzu.
|| 208 RE, S. 32. Ein Analogon zum semantischen Prozess der Metaphernbildung besteht meines Erachtens nach im syntaktischen Prozess der Variation. Das bedürfte allerdings einer genaueren Untersuchung, die hier nicht geleistet werden kann. 209 Vgl. Paul Ricœur: Die lebendige Metapher – Aus dem Französischen von Rainer Rochlitz. München: Fink 1986, S. 19. 210 Vgl. Aristoteles: Poetik – Griechisch/Deutsch, herausgegeben und übersetzt von Manfred Fuhrmann, Stuttgart: Reclam (RUB 7828) 1982, S. 77. 211 Vgl. ebd. S. 77.
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Aristoteles setzt (zumindest implizit) also eine ‚buchstäbliche‘ Verwendung eines Namens voraus, die seiner Ansicht nach wesentlich auf Seeleneindrücken212 beim Sprechen basiert. In diesen Seeleneindrücken fußt – ganz platonisch – der ‚richtige‘ , „gemäß einer Übereinkunft“213 bedeutungsvolle Ursprung der Wörter. In seinen Bemerkungen zur Metapher macht Aristoteles drei Aspekte deutlich, die in unseren Zusammenhang wesentlich sind: Eine Metapher ist per se Abweichung vom gewöhnlichen Sprachgebrauch. Sprachliche Ausdrücke werden aus einem ‚Ursprungsbereich‘ entlehnt. Die Metapher funktioniert als ein proportionales Verhältnis – man erkennt Ähnlichkeiten. Keine Metapher kann also für sich allein als übertragener Wortsinn gesehen werden, sondern sie hat diese Funktion immer auch in Relation zu einem allgemeinen Sprachgebrauch. Ähnliches wurde auch für den allgemeinen Symbolgebrauch bei Goodman herausgearbeitet, denn kein Symbol funktioniert per se, sondern stets nur im Verhältnis zu einem System. Die Metapher ist die Markierung dieser Ähnlichkeiten der Dinge untereinander mit den zur Verfügung stehenden Mitteln der Sprache. Das wiederum steht im Gegensatz zur Theorie Goodmans, der allein buchstäbliche oder figurative Sprachgebräuche, die Verwendung von Etiketten in Akten der Bezugnahme, extensional beschreiben will und die Beschaffenheit der Dinge sowie deren potentielle ‚Ähnlichkeit‘ zueinander damit notwendig ausblendet. Das Metaphorische kann man nicht bei anderen lernen, sondern es „ist Zeichen von Begabung. Denn gut zu übertragen bedeutet das Ähnliche sehen“214, so hatte u.a. Ricœur im Bezug auf Aristoteles festgehalten. Gerade diese Einschätzung hat Widerspruch hervorgerufen:215 Insbesondere Richards äußert diesbezüglich Bedenken, denn derartige Überlegungen verstellen seiner Meinung nach sogar systematisch den Blick auf das eigentliche Verfahren der Metaphernbildung. Der Blick für Ähnlichkeiten, der laut Richards keineswegs in einem poetischen Genius begründet sein muss, sondern vielmehr ganz allgemein zu den Grundfähigkeiten des Menschen gehört, ist zwar möglicherweise nicht lernbar, aber auf der anderen Seite kann der Umgang mit Metaphern im System einer Sprache gelernt werden, „die uns gar nichts nützen würde, wenn in ihr nicht die Fähigkeit zum Umgang mit Metaphern angelegt || 212 Aristoteles: Peri Hermeneias – Werke in deutscher Übersetzung / Aristoteles. Begründet von Ernst Grumbach. Herausgegeben von Hellmuth Flashar. Band 1 Teil II, übers. und erl. von Hermann Weidemann. Berlin: Akademie Verlag 1995, S. 3 (16a). 213 Ebd. S. 4 (16a). 214 Paul Ricœur: Die lebendige Metapher – [a.a.O.] S. 30. 215 Vgl. Anselm Haverkamp (Hrsg.): Die Theorie der Metapher, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1983, S. 19f.
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wäre“216. Ziel der Metapher ist es für Richards – hierin stimmt er mit Aristoteles überein –, etwas auf eine neuartige Weise vor Augen zu führen. Darunter lässt sich ein allgemeines Prinzip verstehen, welches „anhand bloßer Beobachtung“217 nachgewiesen werden kann. In eine vergleichbare Richtung argumentiert auch Goodman, der ebenfalls ganz analytisch den tatsächlichen Gebrauch von Etiketten untersucht und innerhalb dieses Bereichs des Faktischen zwischen buchstäblichen und figurativen Bedeutungen unterscheidet. Der erkenntnistheoretische Sinn einer Metapher ist nach Aristoteles folgender: „In manchen Fällen fehlt eine der Bezeichnungen, auf denen die Analogie beruht; nichtsdestoweniger verwendet man den analogen Ausdruck.“218 Somit hat die Metapher die Aufgabe, entsprechend der Ähnlichkeit von Dingen und Sachverhalten einen sprachlichen Terminus in dieser speziellen Bedeutung zumindest ,provisorisch‘ zur Verfügung zu stellen, aus einem gefestigten Sprachgebrauch zu entleihen. Dafür muss nach Aristoteles allerdings die Ähnlichkeit zwischen den zu bezeichnenden Dingen gesehen werden. Auf diese Weise werden, so würde Goodman vermutlich sagen – und damit blendet er die Ähnlichkeitsdiskussion aus seiner Metapherntheorie aus –, grundsätzlich nur neue Bezugnahmegebiete erschlossen, für die eine bestimmte Ähnlichkeit oder deren Erkennen keineswegs notwendige Voraussetzung ist. Es kommt ihm allein auf das Faktum der Übertragung an. In der Rhetorik, deren Zweck bekanntermaßen das Überzeugen ist, dürfen Metaphern nach Aristoteles zwar verwendet werden, allerdings nicht allzu häufig.219 Er hält sie in diesem Kontext insgesamt für ,obskur‘. In dieser Tradition lehnen von Augustinus bis Diderot und Voltaire Philosophen Metaphern als ungenau und dem eigentlichen Denken mitunter sogar feindlich ab:220 Vielen Denkern gilt der Gebrauch von Metaphern als schlicht zu ungenau und zu vage, um einer wirklichen Argumentation und damit wirklicher Erkenntnis vonnutzen sein zu können. Entweder ist er ,uneigentlich‘, sodass er nicht als Prädikation im üblichen Sinne gelten kann, oder aber er ist eine Übertragung einer passen-
|| 216 Ivor Armstrong Richards: Die Metapher – In: Anselm Haverkamp (Hrsg.): Die Theorie der Metapher – [a.a.O.] S. 31‒54, hier: S. 32. 217 Ivor Armstrong Richards: Die Metapher – [a.a.O.] S. 33. 218 Vgl. Aristoteles: Poetik – [a.a.O.] S. 69. 219 Vgl. Aristoteles: Rhetorik – Übersetzt und herausgegeben von Gernot Krapinger, Stuttgart: Reclam (RUB 18006) 1999, S. 160ff. 220 Vgl. Harald Weinrich: Metapher (Artikel) – In: Joachim Ritter/ Karlfried Gründer: Historisches Wörterbuch der Philosophie – Völlig neu bearbeitete Ausgabe des »Wörterbuches der philosophischen Begriffe« von Rudolf Eisler, Bd. 5, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1992. Sp. 1179‒1186, hier: Sp. 1180ff.
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den Sache auf eine schlichtweg nicht-passende.221 Dementsprechend gilt es im Anschluss an Thomas von Aquin, der eine Metapher für eine Beweisführung ebenfalls als nicht tragfähig hält, Metaphern tunlichst zu vermeiden. Noch Max Black kommentiert bei aller grundsätzlichen Wertschätzung von Metaphern als lebendige Momente des Sprachgebrauchs zumindest ironisch: „Thou shalt not commit metaphor“222, „one can speak only metaphorically, thereof one ought not to speak at all“223 oder „metaphor is incompatible with serious thought“224. Auf der anderen Seite der Argumentationen herrscht eine ausgesprochene Wertschätzung der Metapher, welche auf Quintilian zurückgeht. Dieser hält alles, was wir reden, für mehr oder weniger metaphorisch225 – die Menschen gebrauchen Metaphern oft, ohne es überhaupt zu merken – bzw. wertet die Metapher als Mittel, direkte und kurze Vergleiche, „die für die Sache selbst steh[en]“226 ins Werk zu setzen, als ein zentrales Moment des sprachlichen Verfahrens. Ziel der gesamten Unternehmung ist bei Quintilian die rhetorische Schönheit.227 Die Metapher steht mitunter als Relikt einer mythischen Ursprache, die wiederum im Gegensatz zu den wissenschaftlichen und nüchternen Sprache steht. Herder versteht die Metapher als Drang und Bedürfnis des Menschen, Ideen und Begriffe sinnlich zu benennen – das ist der Zustand von „Besonnenheit“228, in dem er die Sprache erfunden hat. Für Jean Paul ist die komplette Sprache ein Wörterbuch verblasster Metaphern.229 Nietzsche rückt das Metaphorische ebenfalls in das Zentrum des Sprachprozesses230 und damit letzt-
|| 221 Vgl. H. Weinrich: Metapher (Artikel) – [a.a.O.] Sp. 1180. 222 Vgl. H. Weinrich: Metapher (Artikel) – [a.a.O.] Sp. 1181, vgl. hierzu Max Black: Models and Metaphors – [a.a.O.] S. 25. 223 Max Black: Models and Metaphors – [a.a.O.] S. 25. 224 Ebd. S. 25. 225 Vgl. Quintilianus, Marcus Fabius: Ausbildung des Redners (Institutionis Oratoriae) – [a.a.O.] S. 319 (IX, 3,1); XIII 6, 8f. 226 Ebd. S. 221 (VIII 6, 8). 227 Um diese rhetorische Schönheit aufrecht zu erhalten, soll es aber mit den Metaphern auch nicht übertrieben werden: „Wie aber maßvoller und passender Gebrauch der Metapher der Rede Glanz und Helle verleiht, so macht ihr häufiger Gebrauch sie dunkel und erfüllt uns mit Überdruß, ihr dauernder Gerbauch läuft schließlich auf Allegorie und Rätsel hinaus.“ (ebd. S. 223 (VIII 6, 14). 228 Johann Gottfried Herder: Abhandlung über den Ursprung der Sprache – Herausgegeben von Hans Dietrich Irmscher, Stuttgart: Reclam (RUB 8729) 1997, S. 31. 229 Jean Paul: Vorschule der Ästhetik, § 50 (zitiert nach H. Weinrich: Metapher (Artikel). – [a.a.O.] Sp. 1182). 230 Nietzsche, Friedrich: Über Wahrheit und Lüge im außermoralische Sinn – In: Werke in drei Bänden, 3. Band, herausgegeben von Karl Schlechta, München: Hanser 1954, S. 309‒323.
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lich auch in den hier erarbeiteten Kontext. Wahrheit ist für Nietzsche letztlich nicht viel anderes als „[e]in bewegliches Heer von Metaphern, Metonymien, Anthropomorphismen, kurz eine Summe von menschlichen Relationen, die, poetisch und rhetorisch gesteigert, übertragen, geschmückt werden, und die nach langem Gebrauch einem Volke fest, kanonisch und verbindlich dünken: die Wahrheiten sind Illusionen, von denen man vergessen hat, daß sie welche sind, Metaphern, die abgenutzt und sinnlich kraftlos geworden sind.“231
Auch für Nietzsche gehören Metaphern folglich genauso zum allgemeinen Wortschatz einer Sprachgemeinschaft wie die buchstäblich verwendeten Wörter. Sie sind sogar in einem bestimmten Sinn Grundlage desselben: Ein Wort – zum Begriff und damit zur „Begräbnisstätte der Anschauungen“232 gesteigert – versteht Nietzsche nicht als Bezeichnung für eine wie auch immer geartete ‚Ursituation‘, sondern als Bezeichnung „zugleich für zahllose, mehr oder weniger ähnliche, das heißt streng genommen nie gleiche, also auf lauter ungleiche Fälle“233. Damit steht Nietzsche in der Tradition derjenigen, die behauptet hatten, dass nahezu alles, was sprachlich artikuliert werden kann, in einem bestimmten Sinne auch einen bildlichen Charakter habe,234 und begreift den Trieb zur Metaphernbildung somit als einen Urtrieb des Menschen – freilich aus Unfähigkeit, ,tatsächliche‘ Erkenntnis zu haben. Rousseau hatte Metaphern als ein Zeichen ursprünglicher Sprachen verstanden: Letztlich habe das gesamte sprachliche Repertoire auch stets metaphorische Züge. Die Metaphern als ausgesprochen kreative Momente des menschlichen Sprachvermögens werden nach und nach zum – bei Nietzsche wie gesehen nicht unbedingt positiv konnotierten – Begriff aufgelöst, indem sie zu einem Schema ‚zementiert‘ werden.235 Hans Blumenberg versteht die Metaphern als genuine Denkmodelle, welche die Erkenntnis auf eine besondere Art und Weise befördern können – in diesem Zusammenhang ist Metaphorik bei ihm Rudiment auf dem Weg vom Mythos zum Logos.236
|| 231 Ebd. S. 314. 232 Ebd. S. 319. 233 Ebd. S. 313. 234 Vgl. H. Weinrich: Metapher (Artikel) – [a.a.O.] Sp. 1180. 235 Vgl. Friedrich Nietzsche: Über Wahrheit und Lüge im außermoralischen Sinne. –[a.a.O.] S. 314. 236 Vgl. Hans Blumenberg: Paradigmen zu einer Metaphorologie – In: Anselm Haverkamp (Hrsg.): Die Theorie der Metapher – Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1983, S. 285‒315, hier: S. 287.
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Bis in die gegenwärtige Metapherndiskussion, deren Hauptströmungen im Folgenden etwas ausführlicher dargestellt und mit der Theorie Nelson Goodmans abgeglichen werden sollen, hält sich dieser Status: Metaphern gelten als sprachlich artikulierte Denkmodelle sui generis, die Erkenntnis aufgrund von Kürze wie Kühnheit auf eine ganz besondere Weise artikulieren und damit letztlich weiter befördern können. Für manchen Denker sind Metaphern die vielleicht ‚letzten Reste von Metaphysik‘. Den zwei großen Antipoden der zeitgenössischen Metapherndiskussion, Max Black und Donald Davidson, muss besondere Beachtung gelten: In „Models and Metaphors“ führt Black die These vor, dass sich eine Metapher in der Sprache wie ein Modell in der Wissenschaft verhalte: Die Metapher führt ihrerseits einen Sachverhalt unmittelbar und mit aller situativ bedingten Schärfe vor Augen, den es mit buchstäblich verwendeten Begriffen, wenn überhaupt nur höchst umständlich – und damit weniger unmittelbar ‚treffend‘ –, zu formulieren gilt. Ansatzpunkt seiner Überlegungen ist die grammatische und damit die syntaktische Dimension einer jeweiligen Sprache, die auch für Goodman im Zusammenhang mit der Metapherndiskussion wesentlich ist. Als Basis seiner Argumentation nimmt Black eine „meaning formula“237: S meint x, wenn er y sagt. Jedwede Äußerung, die im Grunde eine Bezugnahme ins Werk setzt, bleibt also auch hier an einen individuellen Sprecher und eine ebenso bestimmte Situation gebunden, denn der Sprecher meint „x“ genau dann, wenn er „y“ sagt. Diese situative Bindung in der parole macht einen wesentlichen Teil der Bedeutung aus. In diesem Zusammenhang würde Goodman ihm zustimmen, denn auch er untersucht die Funktionsweise des Metaphernverfahrens im Kontext des Faktischen, der Performanz. Im deutlichsten Fall besteht nun eine Metapher für Black dann, wenn ein Satz oder eine Äußerung bis auf eines aus Elementen besteht, die buchstäblich verwendet werden. Wenn dieses eine Element auf der buchstäblichen Basis nicht zu den anderen passt, handelt es sich um eine Metapher, und damit manifestiert gerade dieses Wort den „metaphorical focus“238: Uno actu ist der Rest der Äußerung als für die Metaphorizität der Aussage ebenso wichtiger Rahmen derselben bestimmt. Damit ist für Black jede Untersuchung einer Metapher letztlich auch eine Aussage über die Bedeutung einer Äußerung – nicht allein über deren syntaktische Struktur, die selbst von aller Metaphorizität notwendig unangetastet bleibt. Die damit eingeführte Unterscheidung zwischen Rahmen und Fokus wird bei Goodman selbst eher vernachlässigt, denn er betrachtet vornehmlich die
|| 237 Max Black: Models and Metaphors – [a.a.O.] S. 17. 238 Ebd. S. 28.
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Bezugnahme von Etikettenschemata auf Bezugnahmegebiete – und ferner bildet die Metapherntheorie bei ihm ohnehin nicht das Zentrum seiner Argumentation. Daher stellt sich das Problem für ihn nicht in diesem Umfang. Auf der syntaktischen Basis etabliert Black nun die semantischen Substitutionstheorie einer Metapher als „[j]ede Auffassung, die davon ausgeht, daß ein metaphorischer Ausdruck anstelle eines äquivalenten wörtlichen Ausdrucks gebraucht wird“239. In diesem Zusammenhang hat Henle die Begriffe des unmittelbaren und mittelbaren Zeichens für eine Bedeutung x eingeführt, welche durch die (mittelbaren) Zeichen als Metapher ikonisch zum Ausdruck gebracht wird.240 Auch Black sieht in der Analogie die Grundlage für eine Metapher. Resultat ist die sogenannte Vergleichstheorie der Metapher, die dann vorliegt, „[b]ehauptet ein Autor, daß eine Metapher in der Darstellung der zugrundeliegenden Analogie oder Ähnlichkeit besteht“241. Hier bezieht sich Black offenkundig auf Aristoteles, geht aber auch über diesen Ansatz hinaus: Die Vergleichstheorie behandelt Black nämlich als einen Sonderfall der übergeordneten Substitutionstheorie, der im Allgemeinen zu vage ist. Ergänzend bringt Black deswegen den ‚interaction view‘ ins Spiel: „Auf die einfachste Form gebracht, bringen wir beim Gebrauch der Metapher zwei unterschiedliche Vorstellungen in einen gegenseitig aktiven Zusammenhang, unterstützt von einem einzelnen Wort oder einer einzelnen Wendung, deren Bedeutung das Ergebnis der Interaktion beider ist.“242
Alle Dimensionen müssen in einer bestimmten Art und Weise zusammenspielen, soll die Metapher verständlich sein und somit rhetorisch überzeugen, also etwas kurz und unmittelbar ‚vor Augen führen‘. Genau diese Interaktion hatte Beardsley als Konflikt im Kontext der „metaphorischen Verdrehung“ interpretiert: „Wenn ein Wort mit anderen derart kombiniert wird, daß zwischen seiner Hauptbedeutung und den anderen Wörtern ein logischer Gegensatz entsteht, tritt […] jene Verschie-
|| 239 Max Black: Die Metapher – In: Anselm Haverkamp (Hrsg.): Die Theorie der Metapher – [a.a.O.] S. 61. 240 Vgl. Paul Henle: Die Metapher – In: Anselm Haverkamp (Hrsg.): Die Theorie der Metapher – [a.a.O.] S. 80‒105, hier: S. 83. 241 Max Black: Die Metapher – In: Anselm Haverkamp (Hrsg.): Die Theorie der Metapher – [a.a.O.] S. 66. 242 Ebd. S. 69.
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bung von der Hauptbedeutung zur Nebenbedeutung ein, die uns anzeigt, daß wir das Wort metaphorisch verstehen sollen.“243
Eine Ähnlichkeit zwischen den bezeichneten Dingen ist also nicht mehr gefordert, die Bedeutungsverschiebung wird im Wesentlichen syntaktisch fundiert: „Das Vehikel kontrolliert fortlaufend die Art und Weise, wie der Tenor Gestalt annimmt“244, hatte Richards bekanntlich formuliert. Tenor ist hierbei als übertragene Bedeutung, Vehikel als das gebrauchte Etikett, an dem die übertragene Bedeutung verankert wird, zu verstehen. Richards‘ Beispiel an dieser Stelle lautet: „Fluss“ (= Vehikel) als Metapher für „poetische Einbildungskraft“ (= Tenor). Es geht also um die syntaktisch Fundierung des metaphorischen Gebrauchs und darum, wie sich an dieser syntaktischen Fundierung die Metaphorizität einer Aussage nachweisen lässt. Vorausgesetzt bleiben das Vehikel und dessen grammatische Eigenschaften, an denen sich die übertragene Bedeutung, der Tenor, fixieren lässt. Die Frage, die Black nun ebenfalls zu beantworten sucht, ist, worauf die Schlagkraft, das Treffen, kurz die ‚Richtigkeit‘ einer Metapher beruht, wenn vornehmlich die Substitutions- und Interaktionstheorie als Grundlage für jede Metaphernbildung angesehen werden können – und nicht die ‚Ähnlichkeit‘ von Tenor und Vehikel. Blacks Antwort führt zu einem System von Gemeinplätzen („system of associated commonplaces“245). Entscheidend für das Gelingen einer Metapher ist jedoch keineswegs allein die Richtigkeit dieser Gemeinplätze, sondern vornehmlich die Tatsache, dass sie ohne größere Schwierigkeiten unmittelbar zur Verfügung stehen. Somit funktionieren Metaphern wie ein ‚Filter‘, durch den bestimmte Aspekte in den Vordergrund gebracht werden können. Nach Goodman wäre dieses System von Gemeinplätzen nichts mehr als das (nach der ‚paradigmatischen‘ Definition verstandene) Schema (schema) von alternativen Etiketten, die im alltäglichen Sprachgebrauch verankert sind. Dieses Begriffsschema ist nach Black die Basis für den beschriebenen „metaphorical shift“246, in dem die figurative die buchstäbliche
|| 243 Monroe C. Beardsley: Die metaphorische Verdrehung – In: Anselm Haverkamp (Hrsg.): Die Theorie der Metapher – [a.a.O.] S. 120‒141, hier: S. 129. 244 Ivor Armstrong Richards: Die Metapher – In: Anselm Haverkamp (Hrsg.): Die Theorie der Metapher – [a.a.O.] S. 46. 245 Max Black: Models and Metaphors – [a.a.O.] S. 40. Allerdings schränkt Black auch dieses System von Gemeinplätzen ein, denn auch hier findet durchgängig eine Selektion statt. Sein Beispiel ist die Aussage „Der Mann ist ein Wolf“. In diesem Fall werden dem Mann Prädikate zugeschrieben, die buchstäblich auf einen Wolf zutreffen. Daraus folgt laut Black ein „wolfsystem of related commonplaces“ (S. 41). Dieses Verfahren entspricht dann dem „metaphorical shift“ (S. 42). 246 Max Black: Models and Metaphors – [a.a.O.] S. 42.
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Bedeutung substituiert. Dieser Sprung scheint eine besondere Möglichkeit zu sein, etwas zu bezeichnen, das im gefestigten Sprachgebrauch bislang – buchstäblich – nicht ohne Weiteres bezeichnenbar ist. So ist der Zweck einer Metapher, welche Black jedoch bestenfalls für einen „unscharfen Begriff“247 hält und der er – vor allem in der Philosophie – durchaus eine gewisse ,Gefährlichkeit‘ zuschreibt,248 folgendermaßen bestimmt: „A memorable metaphor has the power to bring two separate domains into cognitive and emotional relation by using language directly appropriate to the one as a lens for seeing the other; the implications, suggestions, and supporting values entwined with the literal use of the metaphorical expression enable us to see a new subject matter in a new way. […B]ut the metaphor itself neither needs nor invites explanation or paraphrase.“249
Die erwähnte Gefährlichkeit von Metaphern besteht zudem darin, dass sie natürlich keine Begriffe sind, sondern immer ,nur‘ eine Art von Konstrukt – da sie ja an einen buchstäblichen Gebrauch zurückgebunden bleiben. Besonders für die Philosophie besteht darin natürlich eine Gefahr, denn auf eine gewisse Art und Weise lässt sich der Gehalt einer Metapher gerade nicht paraphrasieren und explizieren. Gerade an diesen Überlegungen zu möglichen oder unmöglichen Paraphrasierung von Metaphern setzt die Argumentation von Ricœur, die hier als ergänzende Theorie eingeführt werden soll, an. Ricœur macht in diesem Zusammenhang geltend, dass sich keine Metapher ohne den Rekurs auf Metaphern definieren lässt. Das, was die Metapher in ihrer ‚Minimallänge‘ (minimal eben der eines Wortes)250 zum Ausdruck bringt, ist – zumindest mit der gleichen Wirkung – gerade nicht übersetz- oder paraphrasierbar. Auch in Goodmans Metapher der „Affäre“, die er zur Klärung seines eigenen Metaphernbegriffs bemüht hatte, ist dieses Moment deutlich enthalten, denn die Metapher exemplifiziert in bestimmter Hinsicht Eigenschaften dessen, was zum Ausdruck gebracht werden soll.251 Auch im Bezug auf das In-Bewegung-Setzen eines ganzen Netzwerks von Etiketten argumentiert Ricœur durchaus in die gleiche Richtung wie Goodman und begreift die Metapher in erster Linie als ein diskursives Phänomen, das
|| 247 Max Black: Die Metapher – In: Anselm Haverkamp (Hrsg.): Die Theorie der Metapher – [a.a.O.] S. 55‒79, hier: S. 59. 248 Vgl. Max Black: Models and Metaphors – [a.a.O.] S. 47. 249 Ebd. S. 237. 250 Vgl. Paul Ricœur: Die Metapher und das Hauptproblem der Hermeneutik – In: Anselm Haverkamp (Hrsg.): Die Theorie der Metapher – [a.a.O.] S. 356‒378, hier: S. 357. 251 Vgl. Catherine Z. Elgin: Eine Neubestimmung der Ästhetik. Goodmans epistemische Wende – In: Jakob Steinbrenner (u.a.): Symbole, Systeme, Welten – [a.a.O.] S. 43‒60, hier S. 46.
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„durch eine aus der Art schlagende Zuschreibung ein ganzes Netz von Beziehungen durcheinanderbring[t]“252. In der Terminologie Goodmans hätte man hier sicher nicht von Durcheinanderbringen, sondern eher von der Übernahme und Neuorganisation der fremden Sphäre durch ein etabliertes Schema (schema) von Etiketten sprechen können. Ricœur führt die Grundfunktion einer Metapher wiederum wesentlich auf Aristoteles und dessen paradigmatische Definition zurück: „Die aristotelische Idee des allotrios bringt also tendenziell drei verschiedene Ideen zusammen: die der Abweichung im Verhältnis zu einem gewöhnlichen Sprachgebrauch; die der Entlehnung aus einem Ursprungsbereich; und die der Substitution im Verhältnis zu einem abwesenden, doch zur Verfügung stehenden gewöhnlichen Wort.“253
Ziel der Metapher ist es auch nach Ricœur, die Wirklichkeit auf eine neue Weise zu beschreiben, einen Sachverhalt unmittelbar vor Augen zu führen. Es gibt, wie auch Blumenberg geltend gemacht hat,254 auch bei Ricœur keine ‚Übereinstimmung‘ zwischen Logos und Kosmos, keine Philosophie, die vollkommen klar und begrifflich eindeutig wäre. Genau in dieser ‚Verlegenheit‘ springt die Metapher ein – nun aber mehr und mehr systematisch an den Punkten, an denen keine Kategorien zur Verfügung stehen. Ob man nun so weit gehen muss, manchen Metaphern (etwa dem Bild der „Höhle“ bei Platon)255 einen ,absoluten‘ Charakter – als Restbestände auf dem Weg vom Mythos zum Logos – zuzuschreiben, wäre ohne Zweifel ausführlicher zu diskutieren. Das soll aber hier nicht das Thema sein. In diesem Sinne ist die Metaphernbildung jedoch, und das gilt es festzuhalten, immer auch eine Art von ‚Kunst‘: Jede gute Metapher ist im Sinne von Harald Weinrich deswegen kühn,256 weil sie etwas auf eine neuartige Art und Weise in anders nicht zu bewerkstelligender Kürze zum Ausdruck bringt. Nur dann wird die Metapher ‚zünden‘. Nun bezieht auch die aristotelische Tradition die Metapher ähnlich wie Goodman im Wesentlichen auf das Wort als solches. Die
|| 252 Paul Ricœur : Die lebendige Metapher – [a.a.O.] S. 27. 253 Ebd. S. 25. 254 Vgl. Hans Blumenberg: Paradigmen zu einer Metaphorologie – In: Anselm Haverkamp (Hrsg.): Die Theorie der Metapher – [a.a.O.] S. 285‒315, hier: S. 287ff. 255 Ziel des Höhlengleichnisses bei Platon ist es ja gerade, eine Metapher für die NichtErkennbarkeit von ,absoluten‘ Ideen zu finden. Die Erkenntnis funktioniert maximal über das Abbild, die Erscheinung, der Idee. Dieses Gleichnis hat die Funktion, einen sehr komplexen Sachverhalt griffig und somit zugänglich zu machen. 256 Vgl. Harald Weinrich: Semantik der kühnen Metapher – In: Anselm Haverkamp (Hrsg.): Die Theorie der Metapher – [a.a.O.] S. 316‒339.
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sprachliche Umgebung einer Metapher, den Satz oder die Phrase, betrachtet Weinrich nicht ausführlich. Das hatte Black wie oben gesehen kritisiert und stattdessen die Einführung der Begriffe „Fokus“ und „Rahmen“ vorgeschlagen. Ricœur gibt diesbezüglich zu bedenken, dass die auf das Wort aufgebaute Metapherntheorie jedoch nicht falsch, sondern lediglich unvollständig sei.257 Die Diskussion müsse lediglich erweitert werden. Goodman geht auf diesen Teil der Analyse nicht weiter ein, aber dennoch sind diese Implikationen in seiner Theorie angelegt, denn er spricht davon, dass lediglich das Bezugnahmegebiet verändert bzw. neu erschlossen werden muss. Da jedes Etikett nur in einem mehr oder weniger bestimmbaren Begriffsschema (schema) seine Bedeutung hat und dieses wiederum auf einem syntaktisch organisierten Schema (symbol scheme) fußt, bleibt die Frage, ob die Metaphorizität einer Aussage nun an einem einzelnen Wort oder an der ganzen Aussage hängt, bei Goodman notwendig unterbelichtet. Ricœur wie Black argumentieren jedoch dafür, jeweils die komplette Aussage als metaphorisch zu interpretieren. Dieser Auffassung ist sich aus den bislang referierten Gründen anzuschließen. Die Dimension, die bei Ricœur über diejenige Blacks hinausgeht, liegt in der Bemerkung, dass die Metaphorizität einer Metapher in einem „Aufbau des Netzes von Wechselwirkungen [besteht …], das einen bestimmten Kontext zu einem aktuellen und einzigartigen macht“258. Somit hat auch die Metapher – wie auch buchstäblich verwendete Etikette – einen stets kontextgebundenen Wortsinn. Der Fokus der Metapher – das Wort, dessen buchstäbliche Bedeutung in diesem Kontext ‚nicht passt‘ – wird lediglich zu einer Art Erkennungsmerkmal einer an sich komplett metaphorischen Aussage.259 An diesem Wort bzw. der Tatsache seines (buchstäblichen) Nichtpassen zeigt sich, dass die komplette Aussage metaphorisch zu verstehen ist. Übersetzt man diese Dinge nun in die üblichen Termini von Referenz und Prädikation, so zeigt sich, dass es die Metapher vor allem mit der Dimension der Referenz zu tun hat. Dabei gehe es, so Ricœur, immer nur um sprachliche Elemente mit Satzstatus. Zeichen auf Wortebene beziehen sich lediglich auf andere Zeichen innerhalb des Systems, nur die Rede in Satzform bezieht sich auf Dinge und macht Aussagen über dieselben. Die Metapher behandelt Ricœur nun als eine Verdopplung der Referenz, als doppeltes Sehen:
|| 257 Paul Ricœur: Die lebendige Metapher – [a.a.O.] S. 57. 258 Ebd. S. 165. 259 Vgl. ebd. S. 194.
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„Denn die früheren Klassifizierung, die mit dem früheren Wortgebrauch zusammenhängt, leistet Widerstand und bewirkt eine Art stereoskopen Sehens, wobei der neue Zustand nur in der Tiefe des durch den Kategorienfehler zerrütteten Zustands wahrnehmbar wird.“260
Die Nähe dieser Aussage zur Goodman’schen Metapher der „Affäre“ liegt auf der Hand. Festzuhalten ist ferner, dass metaphorisches Sehen auch in diesem Zusammenhang immer ein Sehen-als ist: In diesem Sehen-als, das sich an einem metaphorischen Ausdruck syntagmatisch festmachen lässt, besteht nun die epistemologische Funktion der Metapher: „[L]ebendig ist die Metapher nicht nur insofern, als sie eine bestimmte Sprache belebt. Lebendig ist sie auch, indem sie den Schwung der Einbildungskraft auf ein »mehr denken« auf die Ebene des Begriffs überträgt.“261
Damit ist darauf hingewiesen, dass eine lebendige, das bedeutet eine gut gewählte, Metapher einen ,Erkenntnisgewinn‘ mit sich bringt, der ohne die Verwendung dieser Metapher nicht in dieser Kürze und Durchschlagkraft möglich wäre. Das gerade ist die lebendige Dimension der Metapher, die vor allem Ricœur in die Diskussion einbringt, und die auch Goodman unterstreichen würde. Goodman würde vermutlich geltend machen, dass letztlich der Unterschied zwischen Metapher und ‚Begriff‘ kaum Bedeutung hat, wenn es um die Verwendung von Ausdrücken in der Alltagssprache geht. Beide sind und bleiben tatsächlich – ob metaphorisch oder nicht. Diesem Argumentationsstrang, der sich mit leichten Abwandlungen von Aristoteles bis hin zu Goodman fortsetzen lässt, steht der Ansatz Donald Davidsons entgegen: Seine Kritik setzt vor allem am neuralgischen Punkt von Goodmans Argumentation an, dem Begriff der Bezugnahme262 selbst, den er im Grundsatz für schlichtweg nicht erforschbar hält. Ziel jeder Interpretation ist nach Davidson also nicht das Verhältnis von Schema und Erfüllungsgegenstand, sondern das Verstehen263 selbst. Die Frage, die Davidson sich stellt, ist also nicht, wie Bezugnahme funktioniert, sondern warum wir uns überhaupt verstehen. Im Zusammenhang mit der Metapherntheorie bekommt diese Fragestellung besondere Brisanz.
|| 260 Ebd. S. 227. 261 Ebd. S. 285. 262 Vgl. Kap. V. 263 Vgl. Donald Davidson: Wahrheit und Interpretation – Übersetzt von Achim Schulte, 1. Auflage, Frankfurt/M.: Suhrkamp (stw 896) 1990 (1984), S. 9ff.; vgl. Kap. V.
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Grundsätzlich fragt sich Davidson, wie bestimmte Begriffsschemata überhaupt entstehen können:264 Die Begriffsschemata stehen für Davidson über den verschiedenen Sprachen und sind nur dann identisch, wenn sich die Sprachen ineinander übersetzen lassen. Damit stellt sich die Frage, welche Grundlage für solche Begriffsschemata bestehen kann: Verständigung und damit das Generieren von Begriffsschemata besteht nach Davidson zum Beispiel in der Vergrößerung der ineinander übersetzbaren Anteile der Sprache eines jeden einzelnen Sprechers – eine „neutrale Grundlage oder ein gemeinsames Koordinatensystem“265 gibt es nicht. Hier würde ihm Goodman – auch wenn er, was den Stellenwert der Bezugnahme angeht, zweifelsohne widersprechen wollte – sicher Recht geben. Es ist jeweils, so würde er vermutlich formulieren, eine individuelle Bezugnahme zu leisten, und je mehr diese zu leistende Bezugnahme eine induktiv etablierte Praxis abbildet oder sich an dieselbe anlehnt, desto ‚buchstäblicher‘ sind die Verwendungen der Etikette. Je mehr sie sich unter bestimmten Bedingungen davon abhebt, desto metaphorischer ist sie. Davidson ist der Meinung, dass sich durch die Gemeinsamkeit einer Sprache zu einem großen Teil auch die Gemeinsamkeit eines Weltbildes ergibt, „das in großen Zügen wahr sein muß“266. Nun ist dieses Weltbild allerdings nach Davidson in wesentlichen Zügen nicht durch Bezugnahme, sondern durch kommunikative Verständigung geprägt. Daher schlägt Davidson vor, auch den Begriff der Bezugnahme als Grundbegriff der Sprach- und damit der Symboltheorie ganz fallen zu lassen. An dieser Stelle widersprechen sich Goodman und Davidson also sehr deutlich. Davidson räumt dem Metaphernbegriff daher keine zentrale Position ein – eine Erweiterung dieser Wortbedeutung kommt bei einer Metapher für ihn nicht ins Spiel. Allein die Art und Weise der Verwendung mag sich verändern:267 „Jegliche Verständigung durch die lebendige Sprache setzt das Wechselspiel schöpferischer Konstruktion und schöpferischer Deutung voraus. Was die Metapher dem Gewöhnlichen hinzufügt, ist eine Leistung, die keine semantischen Mittel verwendet, die über diejenigen hinausgehen, auf die das Gewöhnliche angewiesen ist.“268
Wenn dem so ist, bleibt natürlich die Frage, was Metaphern überhaupt bedeuten, unbeantwortet. Davidson sucht eine Lösung in seiner gleichnamigen Abhandlung und kommt dabei zu folgendem Schluss: Metaphern bedeuten das, || 264 Vgl. ebd. S. 261ff. 265 Ebd. S. 281. 266 Ebd. S. 283. 267 Vgl. Donald Davidson: Was Metaphern bedeuten – In: Anselm Haverkamp (Hrsg.): Die paradoxe Metapher – [a.a.O.] S. 49‒75, hier: S. 51. 268 Donald Davidson: Wahrheit und Interpretation – [a.a.O.] S. 343.
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was die betreffenden Wörter auch in der buchstäblichen Interpretation bedeuten – „und sonst nichts“269. Trotz dieser ,Bankrotterklärung der Metapherntheorie‘ versteht sich Davidson nicht unbedingt im Gegensatz zu Black, Henle, Goodman oder Beardsley. Er versucht vielmehr, die Frage zu beantworten, auf welche Art und Weise die Metapher ihre besondere Rolle ausfüllt. Genau diese Frage hatte Goodman aus seiner Argumentation ausgeblendet und lediglich zur Kenntnis genommen, dass wir neben buchstäblichen auch figurative Bezugnahmen faktisch ins Werk setzen. Nach Davidson besteht Goodmans grundlegender Irrtum also in der „Vorstellung, daß die beiden »Verwendungen« bei der Metapher irgendwie in ähnlicher Weise ins Spiel kommen wie bei der Mehrdeutigkeit“270. Diese Mehrdeutigkeit existiert für Davidson nicht. Ein Etikett hat nur die Bedeutung, die es eben hat. Denn „[w]äre bei der Metapher – wie bei der Mehrdeutigkeit – eine zweite Bedeutung im Spiel, könnten wir damit rechnen, imstande zu sein, die spezielle Bedeutung eines Wortes in metaphorischer Umgebung anzugeben, wenn wir warten, bis die Metapher stirbt.“271
Das ist aber nicht der Fall. Vielmehr wird ein Satz nur dann für metaphorisch gehalten, wenn er buchstäblich falsch ist. Was unterscheidet aber dann diese metaphorische Bedeutung von buchstäblicher Falschheit? In dieser Hinsicht hat Davidson eine Gebrauchsanalyse der Sprache im Blick. Also kann es auch bei einer tragfähigen Metapherntheorie nur darum gehen, nicht die Bedeutung (die ist bei den Wörtern ohnehin nie trennscharf, sondern immer „ausgefranst“272), sondern den Gebrauch bestimmter Etiketten zu analysieren. Eine Bedeutungsanalyse ist für Davidson nicht möglich, denn was Metaphern bedeuten, hat an sich nichts Proportionales, sondern stößt ein unendliches Feld an – nichts weniger eine „radikale Herausforderung für die Philosophie“273. Dieser Meinung schließt sich auch Richard Rorty an, der ebenfalls eine andere als die wörtliche Bedeutung bei Metaphern für ausgeschlossen hält.274 Deshalb geht Rorty sogar einen Schritt weiter als Davidson und gibt die Möglichkeit, das Funktionieren von Metaphern jemals zu erklären, nahezu ganz auf:
|| 269 Donald Davidson: Was Metaphern bedeuten – In: Anselm Haverkamp (Hrsg.): Die paradoxe Metapher – Frankfurt/M.: Suhrkamp (Edition Suhrkamp 1940) 1998, S. 49‒75, hier S. 49. 270 Ebd. S. 55 (Fußnote). 271 Ebd. S. 59. 272 Ebd. S. 69. 273 Vgl. Richard Rorty: Ungewohnte Geräusche. Hesse und Davidson über Metaphern – In: Anselm Haverkamp (Hrsg.): Die paradoxe Metapher – [a.a.O.] S. 107‒122, hier S. 107. 274 Vgl. ebd. S. 108.
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„Wenn wir wüßten, wie Metaphern funktionieren, wären sie wie Zaubertricks: Anlaß zur Erheiterung und nicht […] unverzichtbare Mittel des moralischen und intellektuellen Fortschritts.“275
Wenn Metaphern unkontrollierbare, aber unverzichtbare Mittel des ,moralischen‘ und ,intellektuellen‘ Fortschritts sind, dann muss den Metaphern auch eine zentrale Stellung innerhalb jeder Sprach- und damit auch jeder allgemeinen Symboltheorie zugesprochen werden. Insofern führen Davidsons (selbst mit den Ergänzungen, die Wheeler vorgenommen hat)276 und Rortys Überlegungen wohl nicht zu einem zufriedenstellenden Ergebnis. In diesem Spannungsfeld bietet die extensional verfahrende Theorie Nelson Goodmans einen sicher gangbareren Weg – vor allem, wenn man sich die systematische Position des Metaphernproblems innerhalb der allgemeinen Symboltheorie vor Augen führt. Unter Berufung auf Autoren wie Haverkamp, der in Goodmans Theorie das Argument der tatsächlichen Verwendung von Etiketten in einem wie auch immer übertragenen Sinn „auf den neuesten Stand gebracht“277 sieht, werden sich im Folgenden einige interessante Ansatzpunkte formulieren lassen. Eine Möglichkeit, den zentralen Rang metaphorischer Verwendungsweisen von Etiketten als ‚Trope der Tropen‘ nachzuspüren, wird es sein, sie in Goodman Duktus nun ausdrücklich in einen systematischen Zusammenhang mit pikturaler Darstellung und Notation zu stellen und ihre Position innerhalb einer allgemeinen Symboltheorie als zentral herzuleiten. Diese wird vor allem auf dem syntaktischen Fundament aufruhen. Darauf hatten Black wie Ricœur hingewiesen. Zunächst soll jedoch kurz der Blick auf die Grundlagen und die Möglichkeiten des ‚freien‘ oder, besser, kreativen Umgangs mit Symbolsystemen gelenkt werden.
|| 275 Ebd. S. 122. 276 Vgl. Samuel E. Wheeler: Metaphern nach Davidson und de Man – In: Anselm Haverkamp (Hrsg.): Die paradoxe Metapher – [a.a.O.] S. 123‒160, hier: S. 160. Wheeler hat zum Beispiel darauf hingewiesen, dass keine Prädikation wirklich frei von Figurativem ist, da die Sprache weder ein Code noch ein Algorithmus ist. Die „allerelementarsten Prädikationen“ (S. 160) möchte Wheeler als „sehr tote Metaphern“ (S. 160) verstanden wissen: „Ein Kontinuum verbindet die exotischste Metapher mit der grundlegendsten sprachlichen Operation“ (S. 160). 277 Anselm Haverkamp (Hrsg.): Paradigma Metapher/ Metapher Paradigma – In: Anselm Haverkamp (Hrsg.): Die paradoxe Metapher – [a.a.O.] S. 268‒288, hier: S. 281.
II Sprachliche Bilder – Das Pikturale und Notationalität II.1 Typisierbare und nichttypisierbare Darstellungsweisen Grundlegend müssen verschiedene Arten von Symbolschemata differenziert werden: Im Wesentlichen handelt es sich dabei um solche, in denen die einzelnen Marken, an die jede Art der Darstellung – als Performanzereignis – immer gebunden ist, sich im Sinne von Goodmans Überlegungen durchgängig als Inskriptionen eines Charakters/Typs begreifen lassen und solchen, in denen dieses ebenso durchgängig nicht der Fall ist. Die Typisierung macht sich dabei wesentlich an der Möglichkeit fest, Marken effektiv als Inskriptionen eines bestimmten Charakters zu deuten, zu differenzieren und damit letztlich eindeutig lesen zu können. Paradigmatischer Einzelfall eines solchen notationalen Systems ist nach Goodman die (klassische) Musikpartitur. In anderen gebräuchlichen Symbolsystemen wie etwa der Malerei ist das Verfahren der Typenbildung ausgeschlossen und würde der Anlage des Symbolsystems grundlegend widersprechen. Hier lassen sich keine Typisierungen vornehmen, Marken also nicht als Einzelfall eines Typs verstehen. Es gibt mit anderen Worten kein eindeutiges Artikulationsverfahren, und aus diesem Grunde sind Bilder usw. auch nicht eindeutig zu lesen. Dass es sich bei dem oben genannten um gegensätzliche Darstellungsweisen handelt, beruht nach Goodman auf der Beobachtung, dass alle Arten der Darstellung die mit ihnen ins Werk gesetzte Bezugnahme oder das Vorhandensein von Marken jedweder Art zwar gemeinsam haben und damit auf dieser Basis verbunden sind, aber mit den logischen Mitteln, welche die Goodmans Symboltheorie in logischer Klarheit zur Verfügung gestellt hat, nun auch hinreichend deutlich unterscheidbar sind und unterschieden werden müssen. Erfahrungsgemäß sind pikturale und andere Arten der Darstellung wie Texte oder Musikpartituren auch alltagssprachlich hinreichend praktikabel zu unterscheiden: Ein Bild, ein Text oder ein Diagramm sind offensichtlich nicht dasselbe, obwohl sie doch allesamt eine Symbolfunktion haben bzw. symbolisch verwendet werden. Gerade weil Klassifizierungen wie ,Bild‘, ,Text‘ und ,Diagramm‘ so vertraut und gebräuchlich sind, muss es für diese Klassifizierung auch aus logischer Perspektive tragfähige Gründe geben. Hier ist philosophische Klärung gefordert, wenn es um die Grundlagen der Ästhetik geht. Bisher stand allerdings kein logisch durchbuchstabiertes Vokabular zur Verfügung, mit dessen Hilfe solche Unterschiede hätten hinreichend deutlich
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formuliert werden können. Im Folgenden wird also die Anwendung dieser auf logischen Grundlagen basierenden Begriffe aus Goodmans Symboltheorie auf die verschiedenen Systeme, wie sie sowohl in den Künsten als auch in der Wissenschaft im Gebrauch sind, zu klären sein. Das muss das zentrale Anliegen einer philosophischen Durchleuchtung des Sachverhalts sein. Die Charakterisierung der Symbolfunktion hängt wesentlich an der Weise, in der ein Symbolschema mit seinen ja zu bestimmenden Eigenschaften auf ein Bezugnahmegebiet angewendet werden kann und welche Möglichkeiten der medialen Strukturierung sich dadurch ergeben. (1) Notationale Symbolsysteme sind als durchgängig diskontinuierliche Systeme beschrieben worden, in denen jede der einzelnen Marken typisierbar ist. Jede Inskription ist daher als Schema (symbol scheme) einem syntaktisch disjunkten Typ zuzuordnen. Die Erfüllungsgegenstände sind semantisch ebenso eindeutig, also diskontinuierlich, geordnet. Das Schema (schema) ist damit eindeutig. Uno actu ist das beschriebene, notationale Extrem von Symbolisierung trennscharf von seinem vollständigen Gegenteil abgegrenzt – Systeme nämlich, in denen die Marken nicht typisierbar und die Erfüllungsbeziehungen nicht disjunkt sind. Vollständiges Nichterfülltsein der aufgestellten syntaktischen wie semantischen Bedingungen ist Ausgangsbasis für diese Klassifizierung. Damit lassen sich wesentliche Probleme der Überlegungen, auf welche Weise etwas etwas darstellt kann – was ,Symptome des Ästhetischen‘ sein können und was Darstellung in diesem Kontext allgemein heißen kann1 –, zumindest präzisieren. Goodman diskutiert die Bedingungen für notationale Systeme am Beispiel der klassischen Musikpartitur in westlicher Standardnotation. Ihre „fundamentale theoretische Rolle“2 besteht darin, die „definitive[…] Identifikation eines Werkes von Aufführung zu Aufführung“3 sicherzustellen. Sie ist somit nicht Werkzeug (‚Mittel zum Zweck‘), sondern ein für die Konstitution des Werkes wesentliche Bedingung.4 Bis ins Innere der Sprach- und Erkenntnistheorie reichen die Implikationen, die von dieser Beobachtung ausgehen. Im Bereich der Sprachphilosophie – dem zentralen Bereich dieser Untersuchung – geht es darum, herauszustellen, dass es sich hier um ein ganz besonderes Symbolsystem handelt: Hier sind die Aussagen zwar schematisierbar – und damit eindeutig versteh- bzw. lesbar –, die
|| 1 Vgl. SdK, Kap. I und IV. 2 SdK, S. 125. 3 SdK, S. 125. 4 Vgl. Kap. III.1.
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Anwendung auf Erfüllungsgegenstände ist allerdings nicht eindeutig.5 Im Bezug auf die Erkenntnistheorie zeigt sich, dass jegliche Art von Aussagen auf das Artikulationssystem der Sprache abzubilden ist. Das heißt, Erkenntnis welcher Form auch immer muss sprachlich artikulierbar sein, wenn sie als Argument in einem Diskurs zur Diskussion gestellt werden soll. Jede Argumentation ist somit notwendig auf die Sprache6 angewiesen. Damit ist die Philosophie notwendig an das Medium7 der Sprache mit all ihren Bedingungen, all ihren Schwächen und Stärken, gebunden. Die Tatsache, dass sich ein (klassisches) Musikstück allein über die Erfüllung der entsprechenden Partitur konstituiert, liefert gleichzeitig die Grundlage für den Status (zumindest eines Zweigs) der Musik als zweiphasige Kunstform und unterscheidet sie damit von allen anderen Künsten wie der Malerei, einer einphasigen Kunstform, in der die Unterscheidung zwischen Original und Fälschung deswegen auch eine ästhetische Dimension hat,8 weil es nur einen einzigen Gegenstand geben kann, der als ,das‘ Kunstwerk angesehen wird. Die Frage, die nun von Interesse ist, lautet: Wie muss eine Partitur als Charakter in einem Symbolschema (symbol scheme) syntaktisch beschaffen sein, um die eindeutige Identifikation eines Werkes überhaupt sicherstellen zu können? Goodman fordert, wie gesehen, in seiner Theorie der Notation dafür die Erfüllung sämtlicher syntaktischen Bedingungen, die er für digitale Schemata aufgestellt hatte:9 (a) syntaktische Äquivalenz („Charakter-Indifferenz“10), (b) Disjunktheit der Charaktere und (c) effektive Differenziertheit der Inskriptionen. Im Beispiel der Partitur eines Musikstücks in westlicher Standardnotation muss es also folgenlos bleiben, ob beispielsweise eine handschriftliche oder gedruckte Partitur gespielt wird:11 Die signifikanten Eigenschaften der Partitur müssen
|| 5 Vgl. Kap. IV.1. 6 Dabei ist nicht in jedem Fall von einer ,natürlichen‘ Sprache die Rede. Es gibt auch Fachsprachen, mathematische, logische und formale Darstellungsweisen, die durchaus die Züge einer ,natürlichen‘ Sprache tragen können, deren Sprachgebrauch jedoch durchweg geregelt ist. Diese Regelung muss anhand künstlichen Vorschriften erreicht werden. 7 Vgl. Kap. II.5. 8 Vgl. SdK, S. 101ff. 9 Vgl. Kap. I.2. 10 SdK, S. 128. 11 Allein die Typisierbarkeit der Marken ist ausschlaggebend. Im abweichenden Fall würde eine Handschrift eines Musikers als Autograph behandelt und nähme damit fast den Rang eines dichten Systems ein. D.h.: Sämtliche ,Informationen‘ sind zum einen nicht typisierbar. Zum anderen haben sämtliche ,Bestandteile‘ einen potentiell symbolischen Gehalt. Dann aber wird die Partitur nicht in ihrer eigentlichen logischen Funktion als identitätsstiftend, sondern
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auf den entsprechenden Erfüllungsgegenstand, die entsprechende Aufführung des Werks, zutreffen. Ansonsten handelt es sich nicht um die Aufführung dieses individuellen Musikstücks. Das wiederum setzt voraus, dass es für die Symbolfunktion selbst unerheblich ist, auf welche Weise das, was symbolhaft verstanden wird, individuell realisiert ist. Nicht alle Eigenschaften der Marken dürfen also symbolisch funktionieren, sondern nur diejenigen, welche die eindeutige Lesbarkeit sicherstellen. Die Art der Darstellung muss also, anders ausgedrückt, diagrammatische Züge haben, welche syntaktisch zu bestimmen ist: „Die konstitutiven Aspekte des diagrammatischen Charakters sind, verglichen mit dem pikturalen, ausdrücklich und eng begrenzt“12. Es werden sich in der Praxis also lediglich Zeichen durchsetzen, die diese Bedingungen erfüllen können, die also im gewissen Sinne ,abstrakt‘ genug sind. Die Symbolfunktion eines jeden typisierbaren Zeichens besteht also in der in notationalen Systemen geforderten eindeutigen Zuordnung zu einem einzigen Charakter, die damit die eindeutige Lesbarkeit ermöglicht. Alle Inskriptionen dieses Charakters müssen, so die Forderung, ferner in syntaktischer Hinsicht äquivalent sein. Damit ist der Charakter im Grunde als eine Menge hinreichend ähnlicher Kopien bestimmt, und jede einzelne Inskription kann als Muster zur Erzeugung dieser Gestalt genommen werden (symbol scheme). Auf diese Weise ist sichergestellt, dass alle Inskriptionen als „Einzelfälle eines Charakters in einer Notation“13 und damit als „Replikas“14 angesehen werden können. Damit ist keineswegs Identität der Inskriptionen gefordert – gewisse Abweichungen sind durchaus zugelassen, solange Typisierung effektiv möglich bleibt. Aus ökonomischen Gründen ist zudem Zusammensetzbarkeit der Inskriptionen oder Marken innerhalb eines notationalen Schemas im Sinne einer Ökonomie zu fordern,15 damit man mit einer übersichtlichen Menge von Charakteren arbeiten kann. Die einzelnen Inskriptionen müssen sich kurzum nach einer gängigen Praxis zu komplexeren, kompositen, Inskriptionen verbinden lassen. Betrachtet man wiederum das
|| als autographisches Kunstwerk betrachtet. Aus diesem Grund kann dieser Aspekt hier vernachlässigt werden. 12 SdK, S. 212. Das Diagrammatische liegt dem Pikturalen ja durchaus nahe, unterscheidet sich aber im Bezug auf eine eindeutige Lesart, die beispielsweise durch die beiden Achsen vorgegeben wird, von ihm. 13 SdK, S. 129. 14 SdK, S. 129. 15 Vgl. SdK, S. 137.
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Beispiel der Partitur in der Musik,16 gewinnt diese Forderung Anschauung. Dies alles setzt jedoch voraus, dass es ein digitales Artikulationsschema gibt, auf das hin sich die einzelnen Inskriptionen abbilden lassen. Das Symbolschema ist also nur in Relation zu diesem Artikulationsschema syntaktisch eindeutig. Daraus ergibt sich die Tatsache, dass der Umgang mit einem solchen Schema nur dann möglich und eindeutig ist, wenn man im Sinne von Knowing-that im Sinne Ryles um dieses Verhältnis weiß. Analog zu den syntaktischen Anforderungen an ein notationales System sieht Goodman die semantischen: Auch in dieser Hinsicht müssen die Erfüllungsbeziehungen zwischen dem Symbolschema und den einzelnen Klassen „invariant“17, d.h. die Symbole müssen eindeutig auf einen Erfüllungsgegenstand applizierbar, diese untereinander eine diskontinuierlich geordnete Menge sein. Daraus ergibt sich direkt, dass auch für die einzelnen Charaktere Ambiguität auszuschließen ist.18 Ebenso müssen die einzelnen Erfüllungsklassen untereinander disjunkt und effektiv differenziert sein: „keine zwei Charaktere [dürfen] irgendeinen Erfüllungsgegenstand gemeinsam haben“19. Verletzen Systeme auch nur eine einzige der genannten syntaktischen wie semantische Bedingungen, sind sie in diesem strengen Sinne nicht mehr als notational, sondern als eine Mischform anzusehen. In unserer symbolischen Praxis sind solche Systeme vermutlich öfter im Gebrauch als die nach den genannten Bedingungen streng notationale Systeme. Aber Goodman will mit diesen harten syntaktischen und semantischen Kriterien gerade die unter logischen Gesichtspunkten einen Grenzwert definiert wissen. Er möchte damit trennscharf definieren, was als eine Notation in seinem Sinne zu gelten hat und was nicht. (2) Als Nächstes muss zwangsläufig das vollständige Gegenteil von derart typisierbaren Darstellungsweisen im Blickpunkt stehen, das am Beispiel von pikturalen Darstellungen diskutiert wurde: Hier sind die Marken durchgängig nicht typisierbar, also keine Inskriptionen, die einem Charakter zuzuordnen
|| 16 Die Partitur als Charakter in einem notationalen Schema setzt sich aus verschiedenen atomaren Charakteren zusammen und ist somit als ein herausragender Fall in diesem Zusammenhang zu bestimmen. 17 SdK, S. 144. 18 Vgl. SdK, S. 144. 19 SdK, S. 147. Eine Ausnahme wäre an dieser Stelle die Zuordnung der Töne /f/ und /e#/ auf dem Klavier und auf einem Streichinstrument: Während auf der Klaviatur die beiden Töne identisch sind, sind sie es auf einem Streichinstrument nicht. Damit ist die Zuordnung beim Klavier nicht von sich aus eindeutig, sondern das Ergebnis einer Festlegung. Somit ist das Klavier in einem bestimmten Sinne ,digitalisierter‘ als das Streichinstrument.
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wären. Steht man beispielsweise vor einem Bild, das auf den ersten Blick keiner Gattung, keinem Künstler, keiner Schule zuzuordnen ist, hat man offenkundig Schwierigkeiten, mitunter sogar nur die Symbolfunktion des Bildes in einer dem Werk angemessenen Weise zu erfassen.20 Man steht vor einem buchstäblich ‚unfassbaren‘ Problem, denn man ,kennt sich hier nicht aus‘, und klare Begrifflichkeiten für die Charakterisierung eines Kunstwerkes fehlen ohnehin, und zwar per definitionem, da sich ein Kunstwerk als solches aufgrund seiner individuellen und syntaktisch wie semantischen dichten Symbolfunktion genau dieser Charakterisierung entzieht. Ein Bild instatiiert also keine syntaktischen Typen, die sich identifizieren und an denen sich die Bezugnahmemöglichkeiten in dem bestimmten Gebiet eindeutig festmachen ließen. Deswegen steht keinerlei Lesart zur Verfügung – und erst recht keine eindeutige. Mit Goodmans Worten ist das Bild, die pikturale Darstellung, in seiner Symbolfunktion sowohl syntaktisch dicht als auch semantisch voll, sodass es mitunter unmöglich auszudrücken erscheint, was das Bild überhaupt darstellt oder als Kunstwerk zum Ausdruck bringt. Für die zu leistende Interpretationsarbeit muss erst nach und nach eine Art von ‚Vokabular‘ gewonnen werden. Dafür sind zwangsläufig provisorische ,Schematisierungen‘, zum Beispiel die besondere Anordnung im Rahmen einer Ausstellung, vorzunehmen. Das heißt aber nicht, dass es grundsätzlich unmöglich wäre, zu erkennen, was auf dem Bild dargestellt ist. Das fällt um Umgang mit Kunst erfahrenen Menschen in den meisten Fällen nicht sonderlich schwer, weil die Gewohnheit einen fast eindeutigen Umgang mit Darstellungen21 gelehrt hat. Sie haben mit anderen Worten ,gelernt‘ zu sehen, was ein bestimmtes Kunstwerk wie darstellt. Mit dieser ersten ‚Rezeption‘ ist allerdings das Bild als solches in den seltensten Fällen in seiner ganzen symboltheoretischen Dimension erfasst – was mitunter nur schwerlich in einer Gesamtheit möglich ist: Es bleibt immer ein unbestimmbarer Rest, der sich mit Begriffen nicht ‚greifen‘ lässt. Genau dieser Rest macht das eigentlich Künstlerische am Kunstwerk aus und stellt uns vor manche Herausforderungen. Wesentlich liegt das ,Problem‘ der Unfassbarkeit der Malerei also im fehlenden Artikulationssystem, das einer beliebigen pikturalen Darstellung zugrunde gelegt werden könnte. Für die abbildende Kunst und || 20 Deswegen können solche Kunstwerke in einem anderen Sinne ,verstörend‘ wirken als ein Text, der sich doch zumindest eindeutig (er)lesen, wenn auch nicht in diesem Sinne interpretieren, lässt. Bei einer pikturalen Darstellung gibt es keine besondere Lesart. Bilder haben also in diesem Kontext keine typisierbare Syntax. 21 Problematisch wird dies immer dann, wenn sich eine Darstellung genau diesem Kanon widersetzt. Dann fällt auch dieses primäre Rezipieren schwer. Als Beispiel mag man an manche ,modernen‘, nicht gegenständlichen Kunstwerke denken.
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insbesondere die pikturale Art der Darstellung gibt es ein solches Verfahren der Projektion auf ein Artikulationsschema in charakteristischer Weise nicht. Allein Tradition sowie individuelle und allgemeine Praxis der Rezeption stellen eine Art Hilfsverfahren zur Verfügung, mit dem Kunstwerke nach gewissen Kriterien zumindest katalogisiert werden können. Diese Praxis erzeugt letztlich mitunter durchaus eine Art (weicher) ,Syntaktik‘, in der die Kunstwerke extensional nach gewissen Kriterien zwar immer wieder neu, aber eben doch geordnet werden können: Jede Anordnung von Bildern im Rahmen einer Ausstellung verfährt in erkenntnistheoretischer Hinsicht mehr oder weniger explizit auf diese Weise, denn sie erzeugt eine Art Schema, in dessen Kontext die einzelnen ausgestellten Bilder dann mitunter sogar Inskriptionen sein können.22 Ändert man beispielsweise das Motto der Ausstellung, hat man nolens volens auch die Anordnung der Bilder zu ändern. Nicht selten jedoch geben allein die Anordnungen der Bilder zumindest Teile der inhaltlichen Interpretation oder zumindest gewisse Blickwinkel vor. Dennoch – und das gilt es hier festzuhalten – unterscheidet sich eine solche weiche Syntaktik23 ganz grundsätzlich von einem digitalen Artikulationsschema, wie es einer (technischen) Notation zugrunde liegt: Sämtliche pikturalen Marken bleiben nicht eindeutig typisierbar, sondern als Kunstwerk einzigartig. So wird auch die Anordnung von Bildern in einer Ausstellung selbst mitunter zum künstlerischen Akt. Jedes Kunstwerk ist daher allein das, was es eben ist: Es spricht per definitionem seine eigene Sprache. Kategorien – und erst recht eindeutige – fehlen durchgängig. Sämtliche Eigenschafen des Werks haben (potentiell) symbolischen Wert. Das Schema (symbol scheme) ist syntaktisch dicht geordnet und mithin analog; das System ist seinerseits auch in semantischer Hinsicht voll. Der entsprechende Charakter24 würde also bei einer pikturalen Darstellung aus einer Klasse mit genau einem einzigen Element bestehen, und damit würde der Begriff des Charakters, der doch auf einer Menge gleichwertiger Inskriptionen basieren soll, selbst hinfällig.25 Nicht zuletzt aus
|| 22 Freilich verfährt auch dieses Schema – wie jedes andere, das eine bestimmte Art von Eindeutigkeit herstellen soll – selektiv. 23 Vgl. hierzu Christian Stetter: System und Performanz – [a.a.O.] S. 64ff. 24 Wir können an dieser Stelle an ein beliebiges Bild denken, beispielsweise Max Ernsts „Die schwankende Frau“. 25 Goodman lässt Charaktere mit einem einzigen Element zwar zu, schreibt aber auch, dass damit der Begriff des Charakters in gewisser Weise an seine Grenzen gerät und nur noch als eine vereinfachte Redeweise zugelassen werden kann. In diesem speziellen Fall würden also Inskription (das Bild) und Charakter zusammenfallen, denn das Bild wäre die einzige Inskription, die dem entsprechenden Charakter zugeordnet werden könnte. Wir haben es also tatsäch-
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diesem Grund behandelt Goodman die Malerei im Gegensatz zur Musik als einphasige Kunstform. Daher erhält jedes Bild den Status eines autographischen Kunstwerks.26 Für die hier zu untersuchenden Zwecke ist festzuhalten, dass alle Marken in einer pikturalen Darstellung auf eine gewisse Art und Weise zwar artikuliert sind,27 aber sich nicht – oder zumindest nur mit Schwierigkeiten – digitalisieren lassen. Das disqualifiziert diese Art der Darstellung grundlegend für die Möglichkeit, sie als notationales System zu verstehen. Aus den genannten Gründen sind die Marken einer pikturalen Darstellung syntaktisch dicht und nicht diskontinuierlich geordnet. Das Symbolschema ist somit nach Goodman durchgängig analog: Es gibt an jeder Stelle des Schemas verbindende Pfade, welche die Disjunktheit von je zwei Charakteren unterwandern. Soll dafür eine Notation entworfen werden, müsste genau diese syntaktische Dichte zerstört bzw. auf der Seite des notationalen Schemas wiederhergestellt werden – im ersten Fall käme zwar eine Partitur, aber kein Kunstwerk, heraus, denn dessen Dichte und Fülle macht seinen ästhetischen Gehalt ja gerade aus; im zweiten Fall käme ein ebenso dichtes ‚notationales‘ Schema wie das Kunstwerk selbst heraus. Es käme in diesem Sinne dann einer Kopie gleich, die jedoch nie den gleichen Status wie das Original, dessen Autographizität, erreichen kann. Diese Faktoren spielen nun unter anderem eine Rolle, wenn Goodman von Symptomen des Ästhetischen spricht28 und auf diese Weise versucht, das Wesen der Kunst als Symbolsystem greifbar zu machen. Grundsätzlich erklärt sich auf diese Weise auch, warum der Begriff der Ähnlichkeit sich im Bezug auf pikturale Darstellung so lange und hartnäckig hält. Auch in semantischer Hinsicht ist einer pikturalen Darstellung als Inskription in einem Symbolsystem verstanden keineswegs Eindeutigkeit zuzusprechen: Die Basis dafür legt natürlich die fehlende Eindeutigkeit der Erfüllungsgegenstände. In der Malerei gibt es wie gesehen einen ästhetischen Unterschied zwischen Original und Fälschung, der genau mit dieser Eindeutigkeit zu tun hat. Es gibt – anders als in der (klassischen) Musik – nie zwei identische Originale eines Bildes. Ihre Artikulation ist syntaktisch dicht und ihre Bedeutung semantisch voll. Wenn dem so ist, dann stellt sich die Frage, auf welche Weise || lich – das bestätigt sich an dieser Stelle auf eine andere Art – mit dem anderen Extrem von Symbolisierung zu tun. 26 Vgl. SdK, S. 110ff. 27 Artikulation ist hier nicht im Sinne Nelson Goodmans zu verstehen, sondern so, dass es in jedem Bild artikulierte und mit Bedacht gewählte Einheiten wie Striche, Flächen und Farben geben wird. 28 Vgl. SdK, S. 232ff.
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sich dem, was ein Bild zum Ausdruck bringt, zu nähern ist. Wie können also diese Bezugnahmen in einem sprachlichen System, das doch als unmittelbarste Zugangsmöglichkeit zur Verfügung steht, dennoch greifbar gemacht werden? Offensichtlich sind die Erfüllungsgegenstände von pikturalen Darstellungen nicht disjunkt, sondern wie die symbolisch fungierenden Bestandteile eines Bildes dichtgeordnet. Das macht das Bild im weitest denkbaren Sinne mehrdeutig, und aus diesem Grund ist eine wirklich erschöpfende Interpretation unmöglich. In diesem Kontext spielt also nicht in erster Linie die Repräsentation, sondern wesentlich die Repräsentation-als sowie die Exemplifikation bestimmter – buchstäblich oder metaphorisch besessener und vorgezeigter – Eigenschaften eine Rolle.29 Will man sich – beispielsweise – einem solchen Bild nun als Interpret mit den Mitteln der Sprache zuwenden, sind, da wie gesehen Begriffe mit einer eindeutigen Bedeutung nicht weiterhelfen, angemessene Verfahren gefordert. Ein Bild exemplifiziert schließlich eine Art und Weise, etwas zu sehen. Dieser bildeigenen Sprache gilt es nachzuspüren. Ähnliches gilt für die Interpretation eines Musikstückes, obwohl es doch durch die Partitur eindeutig bestimmt ist. Auch hier braucht es besondere sprachliche Mittel, es zu beschreiben, einen Zugang zu verschaffen.30 Dabei gilt dies in gleicher Weise für die Interpretation eines notationalen Schemas. Wenn es ein Verfahren gibt, derartige Dinge mit kommunizierbaren Mitteln ins Werk zu setzen, dann muss es in jeweils notationalen wie repräsentationalen Systemen ausgeschlossen sein: In einer Notation würde es die Eindeutigkeit gefährden, weil es ja nicht mehr allein um die eindeutige Lesbarkeit geht; in einer Repräsentation wäre es syntaktisch nicht greifbar, weil ein Artikulationsschema fehlt. Also wird das gesuchte Verfahren irgendwo in der Mitte zwischen diesen beiden Extremen zu suchen sein – mit anderen Worten in der Sprache. Hier kommt nun das Skript ins Spiel, bietet es doch die geforderten Möglichkeiten eines Zugangs an. Im Rahmen des Themas der vorliegenden Überlegungen wird zu erarbeiten sein, dass das zu untersuchende Verfahren – das der Metaphernbildung – selbst innerhalb des sprachlichen Systems noch eine ganz besondere Rolle einzunehmen hat.
|| 29 Vgl. SdK, S. 36ff. 30 Nicht umsonst werden die Attribute bei der Beschreibung des Wesens oder der Wirkung eines Musikstücks gerne besonders metaphorisch und ,blumig‘.
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II.2 Die Metapher und ihre ‚Bedeutung‘ Was auch immer die oben genannten Theorien über die Anwendung und den Status von sprachlichen Metaphern erklären können, sie lassen auch Schwierigkeiten entstehen, die jedoch mit der logischen Klarheit, die Nelson Goodman in seiner Symboltheorie anbietet, ein Stückweit beantwortet oder zumindest präzisiert werden können. Im Wesentlichen werden die folgenden Überlegungen auf der syntaktischen Fundierung von Metaphern zu fußen haben, die neben der Bedeutungsübertragung als eine der wesentlichen Eigenschaften herausgearbeitet wurden. In Goodmans Symboltheorie werden Metaphern nicht als poetisches Stilmittel oder schmückendes Beiwerk behandelt, sondern ganz empirisch als faktische und fest verankerte Größe im Prozess der allgemeinen Symbolisierung. Goodman schaut nicht auf eine Bewertung des Figurativen oder eine Einordnung desselben in das Poetische oder Rhetorische – und genau in diesem Punkt bricht Goodman mit der Tradition.31 Er nimmt in seiner Symboltheorie lediglich und wertungsfrei zur Kenntnis, dass mit einem Etikett nicht nur im Kontext seiner buchstäblichen Lesart umgegangen, sondern es auch figurativ bzw. im übertragenen Sinne im alltäglichen Gebrauch32 angewendet wird – also einer ,Nebenbeschäftigung‘ nachgeht. Alle bisherigen Theorien bestellen ihre Felder vornehmlich aus der Perspektive der metaphorischen Denotation – deren Inverse, die Exemplifikation, verlieren sie fast aus dem Blick. Gefordert scheint es also, die Metapherntheorie mit Goodman logisch ,auf die Füße‘ zu stellen. Dafür soll zunächst sie von den aus logischen Gründen geforderten Blickwinkeln betrachtet werden. (1) Metaphorische Denotation: Wenn ein Gegenstand oder Sachverhalt metaphorisch bezeichnet wird, dann wird ein Etikett auf ihn angewendet, das bereits mit einer bestimmten Bedeutung, also einer Menge von Erfüllungsgegenständen in einem Bezugnahmegebiet, verbunden sein muss. Diese buchstäbliche Bedeutung ist extensional betrachtet nichts anderes als die Menge der Gegenstände, die üblicherweise unter das Etikett fallen. So ist nach Goodman die Heimatsphäre des Etiketts, die sich durch Gebrauch und Gewohnheit – induktiv33 – etabliert hat, bestimmt. Wenn ein Etikett nun im übertragenen Sinne verwendet wird, so wird es einer Fremdsphäre zugeordnet: Dafür muss die Ordnung des Schemas, in dem das Etikett im Kontext des normalen Gebrauchs
|| 31 Vgl. Kap. I.7. 32 Vgl. Kap. IV.1. 33 Vgl. Kap. IV.1.
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steht, beibehalten und das Etikett unter Berücksichtigung dieser Ordnung auf den neuen Gegenstand angewendet werden. Das ist nach Goodman – zusammen mit der Menge der buchstäblichen Erfüllungsgegenstände – die Vergangenheit des Schemas. Nur aufgrund dieser Vergangenheit kann eine Neusortierung des fremden Bezugnahmegebiets durch das Schema erreicht werden. Damit ist vorausgesetzt, dass ein (sprachliches) Schema – also eine Menge von Etiketten (schema) – zur Verfügung steht, dessen Ordnung übertragen werden kann. Das wiederum lässt einige Rückschlüsse auf die Beschaffenheit der Symbolgestalten zu, mit denen eine solche Übertragung bewerkstelligt werden kann: Diese Symbolgestalten müssen, so sie als Etikette verwendet werden, möglichst effektiv differenzier- und schematisierbar sein, um Buchstäblichkeit überhaupt greifbar machen zu können. Mit anderen Worten müssen zumindest auf der Seite des Symbolschemas (symbol scheme) syntaktische Typisierungen vorgenommen werden können. Dafür sollten die Etikette im Sinne Goodmans artikuliert sein: Sie müssen sich auf ein Artikulationsschema abbilden lassen. Aus diesem Grund könnte beispielsweise eine pikturale Darstellung nicht in diesem – engen – Sinn als Metapher für irgend etwas verstanden werden, denn ihre Marken sind durchgängig nicht typisierbar. Mit sprachlichen Ausdrücken, die metaphorisch angewendet werden, kann man sich jedoch auf alles Mögliche beziehen – also auch auf gewisse Eigenschaften, die das Bild seinerseits exemplifiziert. Nur die Sprache ist in diesem Zusammenhang syntaktisch hinreichend ,digitalisiert‘. Um dies bewerkstelligen zu können, dürfen Symbole andererseits im Hinblick auf die Verwendung als Metapher semantisch nicht im Sinne eines notationalen Systems, einer technischen Definition eindeutig sein, denn das würde keinen Spielraum für die kontraindizierte Anwendung auf eine fremde Sphäre zulassen. Der Gebrauch wäre eindeutig geregelt. Aus diesem Grunde scheiden notationale Systeme für Metaphernbildung ebenfalls aus. Das System müsste die Metapher als einen Fehler werten, eine faktisch falsche Zuordnung eines Erfüllungsgegenstandes. Diese Betrachtungsweise ruht auf einer eher traditionellen Sichtweise des Problems der Metapher auf, die wir mit Goodman nun eindeutig beschreiben können: Die Bezugnahme wird immer vom Symbol zum Erfüllungsgegenstand betrachtet (Denotation). Die gängigen Metapherntheorien34 setzen zumeist hier an. Um eine solche Übertragung auf eine fremde Sphäre bewerkstelligen zu können, muss eine Metapher grundsätzlich selektiv verfahren: Nicht alle an das eigentlich metaphorisch verwendete Etikett qua Schema gebundenen Etikette
|| 34 Vgl. Kap. I.7.
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können übertragen werden, sondern nur diejenigen, auf die es an dieser Stelle ankommt. Zum Beispiel kann ein Mensch durchaus mit dem Etikett „Arbeitspferd“ bezeichnet werden. Im Rahmen einer Metaphernbildung ist diese Zuweisung nicht falsch, sondern eine in einer bestimmten Absicht begangene Kategorienverwechslung, denn das Etikett „Arbeitspferd“ wird statt auf Sphäre der Tiere auf die der Menschen übertragen und bewirkt hier eine neue Sortierung. Gleichzeitig wird aber der als „Arbeitspferd“ bezeichnete Mensch wohl gerade nicht dadurch ausgezeichnet, dass das Etikett „vierfüßig“ als buchstäbliche Eigenschaft von tatsächlichen Arbeitspferden35 ebenfalls auf ihn zutrifft. Also zeigt die Metapher gewisse Ab- und Hinsichten, die ein Sprecher zum Ausdruck bringen möchte und blendet – um dies leisten zu können – andere aus. Sie bringt etwas zum Vorschein, macht etwas sichtbar, führt es als Repräsentationals unmittelbar vor Augen.36 Insofern verfährt jede metaphorische Denotation in einer subjektiven Weise auswählend und vereinfachend, denn die Auswahl an Etiketten, die der Sprecher trifft, obliegt oftmals ausschließlich der Absicht, die er zum Ausdruck bringen möchte. Das gefährdet in einem nicht-trivialen Sinn auch das Verständnis jeder Metapher beim Gegenüber – weist uns aber eine Argumentationsrichtung, die bislang ein wenig unterbelichtet geblieben ist: Jede Metapher hat vor allem exemplifizierende Züge. Aus der Richtung der Denotation sind solche Phänomene schwierig zu beschreiben. Aber mit Goodmans Theorie können und müssen wir das Phänomen eben auch aus der entgegengesetzten Richtung betrachten. Wir wollen also nun die Tradition um diese keineswegs vernachlässigbare Dimension erweitern, die uns deswegen einen alternativen Blick auf unser Problem gestatten wird. Auch in der umgekehrten Relation findet ja Bezugnahme statt. (2) Metaphorische Exemplifikation: Goodman geht in seinen Überlegungen zu dieser komplementären Betrachtungsrichtung bekanntlich vom Ausdruck eines Kunstwerkes und damit wieder von der pikturalen Dimension allgemeiner Symbolisierung, die in „Sprachen der Kunst“ stets sein Ansatzpunkt ist, aus. Seine Frage lautet, auf welche Weise das in Grautönen gemalte Bild das Etikett „Traurigkeit“37 zum Ausdruck bringen kann, wenn es doch buchstäblich nicht || 35 Durch Verweisketten gehört auch das Etikett „vierfüßig“ indirekt zum Schema „Arbeitspferd“. So verweisen die Etiketten eines bestimmten Schemas immer auch auf andere Etiketten in anderen Schemata. Bsp: „Arbeitspferd“ → „stark“ → „ausdauernd“ → „Vierbeiner“ → […] Durch solche Verweise ergibt sich letztlich die Bedeutung eines Etiketts in der Sprache. 36 Vgl. Paul Ricœur: Die lebendige Metapher – [a.a.O.] S. 43. 37 Freilich handelt es sich bei „Traurigkeit“ um einen sprachlichen und keinen bildlichen Ausdruck, der wiederum nur durch die Anzahl seiner positiven Fälle mit einer Erfüllungsklasse
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traurig ist oder sein kann. Ist das Bild also im gleichen Sinne traurig wie es grau ist? Das Etikett „traurig“ trifft auf das in Grautönen gemalte Bild offenkundig nicht buchstäblich, wohl aber im übertragenen Sinne zu. Das Bild exemplifiziert Traurigkeit also figurativ bzw. hat eine Eigenschaft, die mit dem Etikett „Traurigkeit“ in einer angemessenen und einsichtigen Weise bezeichnet werden kann. Dafür muss das Bild jedoch die Eigenschaft haben, Traurigkeit zum Ausdruck zu bringen.38 Erst damit kann das Etikett auf dieses Bild metaphorisch zutreffen. Exemplifikation setzt nach Goodman Besitz von gewissen Eigenschaften sowie Bezugnahme auf die entsprechenden Etiketten voraus. Zur Erinnerung: Die Stoffprobe exemplifiziert Eigenschaften wie die Webart, die Farbe oder die allgemeine Beschaffenheit. Sie exemplifiziert aber keineswegs sämtliche Eigenschaften, im Normalfall beispielsweise nicht die Größe des Kleidungsstückes. Das gilt für buchstäbliche und erst recht für figurative Exemplifikation. Die Exemplifikation muss also selektiv verfahren, damit sie funktioniert. Nicht alle Eigenschaften müssen vorgewiesen werden, sondern nur diejenigen, auf die es im Zusammenhang ankommt. In ungleich stärkerer Weise ist das bei der metaphorischen Exemplifikation der Fall, denn die Analogie kann jeweils nur in bestimmten Hinsichten und mit einer bestimmten Auswahl von relevanten Eigenschaften funktionieren. Auf diese Weise ist die metaphorische Exemplifikation am Ausdruck beteiligt. Wenn Goodmans Verständnis von metaphorischer Exemplifikation nun auf eine beliebige sprachliche Metapher übertragen wird, dann ist festzustellen, dass jeder figurative Erfüllungsgegenstand gewisse Dinge exemplifiziert. So hat jeder figurativer Erfüllungsgegenstand zumindest einen noch so kleinen Teil der Eigenschaften mit den buchstäblichen Erfüllungsgegenständen gemeinsam: Auch ein (metaphorisches) Arbeitspferd muss also mindestens die Eigenschaft exemplifizieren, buchstäblich ausdauernd, fleißig, belastbar usw. zu sein – und damit die Tatsache, dass die entsprechenden Etiketten darauf zutreffen. Nur diese Tatsache erlaubt die Übertragung bzw. lässt sie angemessen erscheinen. Ob sie auch von einer Sprechergemeinschaft als treffend angenommen wird, ist eine an anderer Stelle noch zu beantwortende und mitunter wesentlich vom Kontext der Aussage anhängige Frage. Es geht vorerst lediglich um diese Art
|| buchstäblich verbunden ist. Insofern wäre das Bild kein buchstäblicher Erfüllungsgegenstand des Etiketts „Traurigkeit“. 38 Problematisch ist an dieser Stelle, dass es sich bei dem ,traurigen‘ Bild um eine bereits recht abgegriffene Metapher handelt, die fast im allgemeinen Sprachgebrauch verankert ist. Wie es dazu kommt, wird an anderer Stelle weiter ausgeführt (vgl. Kap. IV.1).
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von Schnittmenge von Eigenschaften der buchstäblich wie figurativ zutreffenden Erfüllungsgegenständen für ein Etikett.39 Mit diesen Überlegungen kann – darauf kommt es an – die Perspektive der traditionellen Metapherntheorie um einen wichtigen Aspekt erweitert werden: So exemplifiziert die Metapher lediglich eine unter vielen Möglichkeit der übertragenen Bezugnahme in einer bestimmten Hinsicht. In anderen Hinsichten sind andere Übertragungen und damit letztlich andere Metaphern gefordert. In dieser Perspektive kann die Metapher durchaus als Analogon zu einem Bild verstanden werden, welches gewisse Eigenschaften zum Ausdruck bringt, etwas immer auch als etwas darstellt. Wie kann aber die Sprache solches leisten und dennoch verständlich bleiben? Ein Grund dafür ist die Tatsache, dass die Sprache, die semantisch ohnehin nicht im notationalen Sinn eindeutig ist, dennoch jederzeit syntaktisch artikuliert ist. Das für die Semantik einer Sprache wesentliche Abweichen von Vorstellungen und Wortgebräuchen ermöglicht aufgrund einer immer gegebenen, gewissen Vagheit unser Verständnis. In einer Metapher kann dieser für die Verständigung wesentliche Aspekt des Symbolsystems Sprache nun in einer je gewissen Absicht genutzt werden. Aus der entgegengesetzten Perspektive betrachtet kann und darf ein sprachlicher Terminus aber auch nicht im buchstäblichen Sinne ein Bild sein, denn ihm muss stets ein Artikulationsschema zugrunde gelegt werden, damit Verständigung überhaupt möglich ist. Das war wiederum bei einer pikturalen Darstellung wie gesehen nicht gefordert. Deswegen scheint die Metapher gerade eine Systemstelle innerhalb der Sprache zu sein, an der sich die beiden Dimensionen in einer ganz besonderen Art und Weise berühren. Um eine Metapher nun als eine solche zu verstehen, muss in diesem sprachlichen Zusammenhang der Kontext, in dem sich das metaphorisch verwendete Etikett befindet, eine Rolle spielen. Nur dieser Kontext kann die Metapher als solche verdeutlichen. Bezugnehmend auf Max Black stellt Paul Ricœur in diesem Punkt zutreffend heraus, dass es bei jeder metaphorischen Aussage sowohl einen Fokus (das figurativ verwendete Etikett) als auch einen Rahmen (den kontextuellen Zusammenhang) geben muss. Nicht nur das einzelne Wort kann also den Status einer Metapher verdeutlichen, sondern der Kontext muss
|| 39 Nur theoretisch ist die Übertragung eines Schemas auf jede beliebige Sphäre möglich. In der Praxis werden sich allzu vage Konstruktionen nicht durchsetzen und damit grundlegend das Verständnis einer Metapher gefährden.
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notwenig hinzutreten: „Die [allein] auf das Wort aufgebaute Metapherntheorie ist also nicht falsch, sondern unvollständig und in diesem Sinne abstrakt“40. Offenkundig lässt sich, läge nur ein gesprochenes oder geschriebenes Etikett in einer Wortliste vor, nicht ohne Weiteres sagen, dass es sich an dieser Stelle um eine Metapher handelt. Dafür wird notwendigerweise die kontextuelle Informationen41 gebraucht: Zum Beispiel bräuchten wir einen Satz wie „Mein Nachbar ist ein echtes Arbeitspferd“, der uns verdeutlicht, dass der betreffende Nachbar in keinem Fall ein buchstäbliches (und doch ein „echtes“) Arbeitspferd ist. Hätten wir den Kontext nicht zur Verfügung, könnten wir nicht sagen, dass es sich bei „Arbeitspferd“ um eine Metapher handelt. Wäre uns einfach die Wortliste der Form WL {Pferd, Spur, Schwein, Mann, Nachbar …} gegeben, ließe sich nicht sagen, bei welchem Etikett es sich um eine Metapher handeln sollte. Für diesen Fall würden vermutlich allein der Einfachheit und unserer alltäglichen Praxis halber die buchstäblichen Bedeutungen annehmen – und sogar diese wären vornehmlich in einem kontextuellen Zusammenhang zu klären. Diese Abstraktion einer Bedeutungsisolierung wäre vermutlich selbst für die Buchstäblichkeit nur schwerlich möglich.42 Jede Symbolisierung bleibt in der Performanz verankert, das heißt der aktuell vollzogen Bedeutungszuweisung in einem Sinnzusammenhang. Der genannte ‚lexikalische‘ Wortsinn ist somit ein Konstrukt, eine Abstraktion und Fokussierung von Sprachgebräuchen, die aber in sich keinesfalls einheitlich sind. Die Metapher ist daraus resultierend per se kein möglicher ‚lexikalischer‘, sondern immer ein (noch stärker)
|| 40 Paul Ricœur: Die lebendige Metapher – [a.a.O.] S. 57; vgl. Max Black: Models and Metaphors – [a.a.O.] S. 40ff. 41 Auch diese kontextuellen Informationen haben durchaus den Status von schematisierbaren Einheiten, die uns eine Orientierung ermöglichen. 42 Deswegen spricht Goodman auch davon, dass es potentiell unendlich viele Möglichkeiten geben kann, ein Schema zu übertragen. Nietzsche hatte dementsprechend argumentiert, dass die Fortführung eines Wortes zu einem Begriff – und nichts anderes hätten wir hier in abstrakter Form vorliegen – ein Tilgungsprozess, eine Setzung, wäre, die keinesfalls etwas mit dem tatsächlichen Gebrauch, sondern lediglich etwas mit der, wie er es nennen würde, Tötung der Anschauung zu tun hat. Wenn solche Wortlisten aufgemacht werden, wird die Sprache in einem jetzt nachvollziehbaren Zusammenhang als notationales System im Sinne Goodmans behandelt, und dafür müssen zahlreiche ihrer semantischen Aspekte getilgt werden.
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kontextgebundener Wortsinn,43 der sich stets allein aus der Aussage als solches ergibt. Die Metapher exemplifiziert dabei eine von vielen möglichen (übertragbaren) Etikettierungen, die von der buchstäblichen abweicht und die als solche gesehen und verstanden werden muss. Dies bezeichnet Ricœur als Verdopplung der Referenz44 – und damit ist sie stets mit einem ‚Sehen-als‘ verbunden. Für dieses (erweiterte) Verständnis ist eine bestimmte Kompetenz45 gefordert, die wie auch die natürliche (buchstäbliche) Sprachkompetenz nicht einfach gegeben ist, sondern die in jahrelanger Praxis erworben werden muss. Im betrachteten Beispiel hätte man den Nachbarn mit dem gleichen Recht auch einen „Esel“ nennen können – was grundsätzlich ja nicht weniger metaphorisch wäre, vermutlich aber andere Konsequenzen hätte. Damit wird, obwohl das gleiche Verfahren angewendet wird, eine andere Aussage getroffen. Die illokutionäre Rolle der Äußerung46 wäre somit eine völlig andere – und die Perlokution47 vermutlich auch. Also exemplifiziert der metaphorische Terminus an dieser Stelle lediglich eine Möglichkeit der figurativen Etikettenzuweisung. Falsch wäre ja auch die andere nicht, nur eben anders. Damit wäre analog zum Ausdruck eines Bildes auch der ‚Ausdruck‘ einer sprachlichen Äußerung angerissen. Die sprachliche figurative Etikettenzuweisung bringt zum Ausdruck, dass der Redner seinem Nachbarn Prädikate zuordnen möchte, die buchstäblich nicht passen (weil sie zu buchstäblichen Arbeitspferden gehören), um etwas Besonderes zum Ausdruck bringen zu können. Somit wird die Analogie in dieser betreffenden Metapher actualiter hergestellt. Das tut der Sprecher durch die Wahl des Etiketts, in der Absicht, etwas damit zum Ausdruck bringen zu wollen. Somit kann ein syntaktisch mehr oder weniger digitalisierbare Schema neben der Heimatsphäre, die stets vorausgesetzt bleibt, auch auf Erfüllungsgegenstände in einer fremden Sphäre angewendet || 43 Paul Ricœur: Die lebendige Metapher – [a.a.O.] S. 193. In diesem Aspekt geht Ricœur nun über die aristotelischen Grundlagen seiner Argumentation hinaus. Nicht allein das Wort kann zu einer Metapher werden, sondern die ganze Aussage muss als solche betrachtet werden. Andere Autoren, z.B. Paul Henle, sprechen hier vom ikonischen Charakter der Metapher [vgl. ebd. S. 192ff]. 44 Vgl. ebd. S. 227ff. 45 zum Kompetenzbegriff vgl. Kap. III.1. 46 Zur Erinnerung: Unter der illokutionären Rolle einer Äußerung ist nach Austin deren Funktion zu verstehen: Mit der Äußerung wird eine Bitte, eine Aufforderung oder Ähnliches ausgesprochen (vgl.: John L. Austin: Zur Theorie der Sprechakte (How to do things with Words) – [a.a.O.], S. 116ff. 47 Unter Perlokution versteht Austin das Resultat einer sprachlichen Äußerung, das beim Gegenüber ausgelöst wird (vgl. ebd. S. 118ff.).
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werden und bringt damit eine bestimmte Absicht zum Ausdruck. Das alles kann im Fokus der Metapher (dem übertragenen Etikett) nun auf eine ‚Kurzformel‘ gebracht werden, zu deren Verständnis aber der Kontext (Rahmen) jedoch unerlässlich ist.48 Deswegen wird für Goodman die traditionsreiche Unterscheidung zwischen einem Vergleich und einer Metapher letztlich unerheblich bzw. der metaphorische Terminus wäre nur als eine verkürzende Darstellung des Vergleichs zu sehen.49 Damit kann in der Metapher ein paradigmatisches Verfahren lokalisiert werden, in dem es möglich ist, sprachliche Bezugnahmen auf einer syntagmatisch festen Basis, die dafür unerlässlich ist, verändern und übertragen zu können – kurz, Schlüsse ins Ungewisse von einer jedoch festen Basis zu wagen. Die zu stellende Frage lautet jedoch, was genau dabei übertragen wird. Im Verfahren der Metaphernbildung können von dem buchstäblichen Gebrauch abweichende Bezugnahmegebiete eröffnet und auf diese Weise ein neuer Aspekt zum Vorschein gebracht werden. Das heißt, dass, wenn immer man vor einem Problem steht, für dessen Lösung einem im wahrsten Sinne des Wortes die Worte fehlen, man auf Metaphern zurückgreifen muss, denn ein anderes – artikuliertes – Mittel steht der Erkenntnistheorie an dieser Stelle schlechterdings nicht zur Verfügung. Das alles funktioniert aber offensichtlich nur, weil typisierbare Inskriptionen in einem System wie der Sprache zur Verfügung stehen, an der diese semantische Bedeutungsverschiebung syntaktisch mehr oder weniger eindeutig zu verankern ist. Stünde diese typisierbare ,materielle Gestalt‘ nicht zur Verfügung, könnten sie auch nicht buchstäblich oder figurativ kommunizierbar verwendet werden. Ferner könnten die beiden Verwendungsweisen auch nicht miteinander verglichen werden. Gerade dieser unmittelbare Vergleich ist jedoch nach Goodman eine notwendige Bedingung für jegliche Überlegungen zu derart verschiedenen Verwendungsweisen. So wird durch eine Metapher nicht nur auf einen neuen Erfüllungsgegenstand Bezug genommen, sondern uno actu auch auf die buchstäbliche Verwendung eines Etiketts in einem Schema. Es steht schlechterdings keine andere Möglichkeit zur Verfügung, als diese buchstäbliche Verwendung immer implizit mitzudenken. In diesem Sinne ist die Metapher aus dem Beispiel ja gerade keine einfache Neuzuweisung, sondern durchaus eine Übertragung im Sinne von Aristoteles. Die Veränderung fußt aber vielmehr in der Tatsache, dass das Etikett nun unter dem Einfluss seiner buchstäblichen Bedeutung (seiner Vergangenheit) auf eine Fremdsphäre und damit auf andere Gegenstände in einer neu-
|| 48 Vgl. Max Black: Models and Metaphors – [a.a.O.] S. 153ff. 49 Vgl. SdK, S. 81.
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artigen Weise angewendet wird.50 Dies geschieht als Repräsentation-als. Nach Ricœur – diese Bemerkung sei hier noch angefügt – sind dies immer Akte der parole, also des individuellen Sprachgebrauchs. Diesbezüglich stellt Ricœur folgende Gleichung auf: „lebendige Metapher gleich parole; gewohnheitsmäßige Metapher gleich Rückkehr der parole zur langue. […] Dieser Kreislauf veranschaulicht vollkommen die Unmöglichkeit, bei der Saussureschen Dichotomie stehenzubleiben.“51
Aus diesem Grunde überlappt gerade die Metapher die meisten von Saussure aufgestellten Gegensätze. In diesem Zusammenhang sieht Simone Mahrenholz die Bedeutung der Metapher mit einem Blick auf neurologische Untersuchungen und deren Ergebnisse:52 „Die Metapher ist gleichsam der analoge, rechtshemisphärische Einschuß in die digitalen, petrifizierten, linkshemisphärischen Konstrukte samt ihrer logischen Relationen. Metapher ist, wenn das Bild in das Wort einbricht und so ein analoges, umschichtendes Element des kontrollierten Chaos in die digitale Ruhe einführt – ein ständiger Prozeß, mit dem die Sprache und die »fließende« Welt stets neu aufeinander einjustiert werden und durch den die Sprache ihre »selbstorganisierende« Entwicklung durchmacht.“53
In diesem Kontext erscheint die Metapher aus systemtheoretischen Gründen als conditio sine qua non einer funktionierenden und in einem positiven Sinne semantisch ‚geschmeidigen‘ Sprache. Kritiker54 werfen der Metapher hingegen genau an diesem Punkt ihre poetisch allzu große und daher allzu unverständliche Vagheit vor, denn in diesem Blickwinkel muss die Metapher natürlich unschärfer als die buchstäbliche etablierte Zuordnung erscheinen. Wenn Metaphern allerdings so unscharf und subjektiv sind, worin sollte dann ihr Sinn bestehen, den sie doch offensichtlich im allgemeinen Sprachgebrauch haben?
|| 50 Wie diese ,Vergangenheit‘ zustande kommt, wird Thema eines späteren Kapitels sein (vgl. Kap. IV.1). 51 Paul Ricœur: Die lebendige Metapher – [a.a.O.] S. 75. Diesem Aspekt der Überlappung (S. 74) der Saussure’schen Dichotomien durch die Metapher werde ich mich noch ausführlicher zuwenden, denn diese Bemerkung bringt uns zu nichts weniger als dem zentralen Anliegen unserer Argumentation. 52 Ob man diesem Vorschlag folgen sollte oder nicht, kann ich an dieser Stelle nicht diskutieren. 53 Simone Mahrenholz: Musik und Erkenntnis. Eine Studie im Ausgang von Nelson Goodmans Symboltheorie – 2. Auflage, Stuttgart: Metzler 2000, S. 272. 54 Vgl. Kap. I.7.
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Hier kann der vergleichende Blick auf den Variationsbegriff bei Goodman helfen: Der Funktion der Variation55 in der Musik und in pikturalen Kunstformen ist der Funktion der Metapher durchaus in einer bestimmten Perspektive vergleichbar: Dient die Variation in Musik dazu, syntaktische große Formen aus einem relativ kleinen Repertoire aufbauen zu können, und in der Malerei dazu, immer wieder neue Aspekte des zu Variierenden aus individuellem Blickwinkel zu beleuchten, dient die Metapher in der Sprache dazu, die semantische Flexibilität immer wieder neu mit systemeigenen Mitteln über die eigenen Systemgrenzen hinaus zu erweitern. Mit Hilfe einer Metapher lässt sich dies alles auf eine kurze, griffige und kommunizierbare Formulierung bringen. Es geht bei jeder Metapher, wie wir gesehen haben, um bestimmte Hinsichten. So tritt das kontrastierende Moment der metaphorischen Exemplifikation, welches sie gegen die buchstäbliche Zuordnung abgrenzt, ins Zentrum unserer Betrachtungen. Der erkenntnistheoretische Gewinn durch die Metapher muss – wie bei der pikturalen und der musikalischen Variation durch Veränderung der syntaktischen Gestalt – etwas mit dieser kontrastierenden Dimension zwischen dem Buchstäblichen und dem Figurativen zu tun haben.
II.3 Einbruch des Notationalen in das Pikturale – und umgekehrt Die Metaphernbildung soll fortan als Verfahren an einer systematisch besonderen Stelle innerhalb des Symbolisierens allgemein – nämlich als eine Verbindung zwischen dem Bildhaften/Analogen und dem Notationalen/Digitalen – verstanden werden. Wenn dem so ist, dann markiert sie eine Systemstelle, an der dieser Übergang mit symboltheoretischen Mitteln greifbar gemacht werden können muss. Die sich dadurch ergebende zentrale Stellung der Metaphernthematik in der allgemeinen Symboltheorie ließe sich dann ebenfalls direkt ableiten: Wenn die Sprache zwischen notationalen und repräsentationalen Systemen in etwa die Mitte hält, dann muss die Metapher selbst an einer zentralen Stelle innerhalb der Sprache als Symbolsystem stehen, denn hier berühren sich notationale und repräsentationale Dimensionen auch innerhalb dieses Symbolsystems. Damit erhält die Metapher selbst eine sprachphilosophisch grundlegende Rolle zugewiesen, denn mit ihrer Hilfe ist es möglich, Dinge und Sachverhalte zu bezeichnen und (zumindest provisorisch)56 in die Argumentati-
|| 55 Vgl. RE, S. 93ff. 56 Vgl. Kap. IV.
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on einzuführen, die buchstäblich nicht oder nur umständlich zu bezeichnen sind. Dafür liefert die Metapher eine Art Kurzformel, die einen mitunter durchaus komplexen Inhalt – wenn auch verkürzt – einsichtig und in kurzer Form vor Augen führen kann. Diese Möglichkeit hält kaum ein anderes Symbolsystem bereit, zumindest nicht in dieser Form. Jedes Symbolsystem hat nach Goodman zunächst einmal analoge und digitale Bereiche, wird also an seinen eigenen Grenzen jeweils unterwandert: Im Bereich der Malerei lässt sich da an ,gegenständliche‘ Kunst denken (Beispiel: Fotorealismus), bei der sowohl die Artikulation des Bildes als auch der Erfüllungsgegenstand eindeutig sind. Das wäre ein Beispiel für die digitale Dimension der Malerei. Auf der entgegengesetzten Seite der pikturalen Symbolisierung gibt es Bilder, bei denen weder eine Artikulation noch ein Inhalt auszumachen sind. Das wäre der (komplett) analoge Bereich. In der Sprache, also im mittleren Symbolsystem, lässt sich in diesem Zusammenhang an eine Ausdrucksweise denken, die komplett auf Definitionen beruht. Diese wäre dann sowohl syntaktisch als auch semantisch vollständig digital. Im Bereich des Analogen ist das Finden eines Beispiels für komplette Analogizität jedoch nicht ganz einfach: Wenn die (syntaktische) Artikulation komplett wegfällt, handelt es sich per definitionem auch nicht mehr um eine (verstehbare) Sprache. Dennoch ließe sich in diesem Bereich an Lautmalerei und Ähnliches denken. In einem notationalen System wie dem der Musikpartitur wäre in einem analogen Bereich zum Beispiel an die (klassischen) Interpretationsangaben wie Glissandi usw. zu denken. Auch diese sind nicht per definitionem einhundertprozentig vorgeschrieben, sondern lassen gewisse Freiheiten. An dieser Stelle wäre das System also nicht mehr streng digital. Ein gewisses Maß an Digitalität muss allerdings vorherrschend bleiben, denn sonst ist der Status als Partitur grundlegend gefährdet. Für die Metaphorizität der Sprache gilt dies aufgrund ihrer symbolsystematischen Position nun in einer ganz besonderen Form: Während die (natürliche) Sprache in ihren Grenzbereichen durchaus zum Pikturalen bzw. Notationalen tendieren kann, haben wir es mit der Metapher mit einer ganz besonderen Stelle im Zentrum des Systems zu tun. Mit Hilfe eines metaphorischen Ausdrucks ist es möglich, analoge (bildhafte) Aspekte in das Symbolsystem der zumindest syntaktisch digitalisierbaren und semantisch induktiv57 gefestigten Sprachschemata einzuflechten. Von der anderen Seite aus betrachtet, ist es mit der Metapher jederzeit möglich, dieser pikturalen Dimension von Sprache eine zumindest relativ feste syntaktische Form zu geben. Was heißt das aber genau?
|| 57 Vgl. Kap. IV.1.
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Die Sprache stellt als Symbolsystem Inskriptionen zur Verfügung, mit denen wir semantisch umzugehen gelernt haben.58 Mit der mehr oder weniger eindeutigen Typisierbarkeit dieser Marken/Inskriptionen ist also in semantischer Perspektive durchaus eine Art von Buchstäblichkeit zu verbinden. Das Wissen darum ist jedoch ein Können, denn normalerweise ist, was jemand sagt, wenn er etwas sagt,59 hinreichend deutlich zu verstehen – wenn wir nämlich potentiell das Gleiche zu sagen und damit zu meinen imstande wären. Die Äußerung wird also im Kontext des eigenen Repertoires wiedererschaffen. Grundlage ist allerdings immer eine Interpretationsleistung: Bezugnahmen müssen actualiter hergestellt werden. Diese Fähigkeit muss folglich etwas mit der ,Gewöhnung‘ an diese buchstäbliche Dimension von Sprache zu tun haben. Damit schließlich enthält die Sprache die Möglichkeit, Dinge und Sachverhalte in Relation zu den anderen Etiketten mehr oder weniger eindeutig darzustellen und so Differenzierungen vorzunehmen. Die natürlichsprachlichen Systeme offerieren auch in ihrer Metapherntauglichkeit implizit immer noch ein notwendiges Minimum dieser Eindeutigkeit in semantischer Hinsicht, indem sie indirekt – wenn auch ,unter Protest‘ – auf buchstäbliche Erfüllungsgegenstände Bezugnahmen ins Werk setzen. Wäre dieses nicht gegeben, würde das gesamte Verfahren gefährdet. Also müssen nach Goodman buchstäbliche – relativ eindeutige – Bedeutungen vorausgesetzt und uno actu auf einen neuen Fall – eine fremde Sphäre – angewendet werden, soll die Metapher verständlich sein. Die buchstäbliche Bedeutung schwingt also bei jeder Metapher notwendig mit und ist Grundlage für deren Bedeutung, obwohl die gelingende Metapher ja ein per se ein nicht in Regeln zu fassender Sprachgebrauch ist. Auf diese Weise kann auf der Grundlage eines syntaktisch differenzierbaren Schemas die semantische Fülle beispielsweise einer pikturalen Darstellung in typisierbaren Gestalten greifbar gemacht werden, ohne dabei die effektive Differenziertheit der Inskriptionen des Schemas aufgeben zu müssen. Mit den Worten von Simone Mahrenholz können also die sich kontinuierlich verändernde Welt und die Sprache als System immer wieder neu aufeinander einjustiert,60 qua Medium neue Arten des Gegebenseins erschaffen werden: Wir können somit auch ein Bild – wenn wir es in diesem Sinne auch als syntaktisch dicht, weil nicht typisierbar, verstehen – mit Hilfe der Sprache beschreiben, ohne dazu ein
|| 58 Vgl. Kap. IV.1. 59 Vgl. Ludwig Wittgenstein: Philosophische Untersuchungen – Werkausgabe, Bd. 1, 1. Auflage, Frankfurt/M.: Suhrkamp (stw 501) 1984, S. 434, § 508. 60 Vgl. Simone Mahrenholz: Musik und Erkenntnis – [a.a.O.] S. 271ff.
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Bild malen zu müssen. Gleichsam können wir formale Darstellungen interpretieren, ohne dabei unter formalen Gesichtspunkten agieren zu müssen. Das ist der Vorteil gerade des natürlichsprachlichen Symbolsystems, welcher sich jetzt am Beispiel der Metaphernthematik herauszuschälen beginnt. Damit rückt die Sprache in den Mittelpunkt philosophischen Argumentierens.61 Das liegt offenbar eben auch – und gerade – in ihrer systematisch zentralen Position zwischen der Malerei und formalen Darstellungen begründet, denn von der Mitte aus lässt sich alles Mögliche betrachten: Der Zugang zur Welt ist also wesentlich durch Sprache geprägt, denn sie hat unverkennbar Einfluss darauf, was zum einen erkennbar, zum anderen ausdrück- und kommunizierbar ist. Das heißt, der mediale Zugang zur Außen- wie zur Innenwelt ist grundlegend sprachlich: Den Dingen ist nur im Rahmen des sprachlichen Zugangs in einer Sprechergemeinschaft, nach Wittgenstein also dem Sprachspiel,62 ein Namen gegeben. Nur dadurch, dass diese Sprachspiele in einem gewissen Sinne miteinander verwandt sind, ergeben sich Ähnlichkeiten, die zur Konstitution ,der‘ Realität beitragen: „Die Philosophie darf den tatsächlichen Gebrauch der Sprache [dabei] in keiner Weise antasten, sie kann ihn am Ende […] nur beschreiben.“63 Zur eingehenderen Diskussion dessen, was bislang nur angerissen wurde, sollen nun die Extremwerte von Symbolisierung nach Goodman genauer in den Fokus treten. (1) In jedem vollständig analogen, also syntaktisch dichten und semantisch vollen System64 sind sämtliche ‚Bedeutungen‘ vage und lassen sich überdies – was viel schwerer wiegt – nicht an einem differenzierbaren, artikulierten Schema festmachen. Das Problem besteht in Richtung Metaphernproblematik also darin, dass es weder syntaktisch typisierbare Inskriptionen noch semantisch gebräuchliche Schemata gibt, an denen sich die figurative Bedeutung verankern lassen würde. Somit lassen sich auch keine Unterscheidungskriterien zwischen einem buchstäblichen und figurativen Gebrauch von Etiketten ausmachen. Nach Goodman kann es sich also nicht um Metaphern handeln. Die
|| 61 Diese Entwicklung geht bekanntermaßen bis hin zur ,Verhexung der Gedanken‘ durch die Sprache beim späten Wittgenstein (vgl. Ludwig Wittgenstein: Philosophische Untersuchungen – [a.a.O.] S. 384, § 329, S. 434, § 504, S. 452, § 569, S. 565 („Eine ganze Wolke von Philosophie kondensiert zu einem Tröpfchen Sprachlehre.“). 62 Vgl. ebd. S. 225‒580, hier: S. 267, § 7 bis § 124, besonders: § 49. 63 Ebd. S. 302, § 124. 64 Im Grenzfall können wir hier durchaus an die monochrome Leinwand denken, der sowohl die syntaktische als auch die semantische Differenzierung vollständig fehlt. In diesem Sinne stellt eine monochrome Leinwand alles und nichts dar, bietet maximalen Raum für Interpretation.
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Bedeutung eines Bildes bleibt notwendig zu einem nicht unwesentlichen Teil unbestimmbar, denn sie ließe sich durchgängig nicht an einem Schema fixieren. Mit Blick auf die Kunstästhetik hat das die Auswirkung, dass das ,Kunsthafte‘ der Kunst zu einem guten Teil unerklärbar und unerforschbar bleiben muss. Das macht gerade ihren Reiz und die besondere Position innerhalb der Symbolsysteme aus. Ein Bild wird syntaktisch und semantisch immer voller sein als eine sprachliche Äußerung. Damit sind die beiden nach Goodman grundsätzlich unterschieden. Die Kunst weist sozusagen mehr Symptome des Ästhetischen auf. Syntaktisch wie semantisch entzieht sich ein Kunstwerk damit grundsätzlich einer eindeutigen Interpretation. Das gibt ihm am Ende die Möglichkeit, immer wieder neu interpretiert und auf Erfüllungsgegenstände angewendet werden zu können. Die Menge an Inskriptionen und an ,Bedeutungen‘ ist damit theoretisch unendlich. Es kann zudem – mit Blick auf die Metaphernthematik – keine buchstäbliche Sphäre geben, die einem Schema im Sinne seiner Heimatsphäre zugeordnet wäre. Das Schema ist also nach Goodman nicht ‚naturalisiert‘. Deswegen könnten keine Schemata und keine Sphären übertragen werden. Genau das ist aber, wie wir gesehen hatten, Bedingung für figurative Anwendungen. Welcher Zugang zu derartigen Systemen bzw. Werken bleibt also übrig? Kunstwerke werden zumindest in bestimmten Hinsichten nur dadurch zugänglich, dass entweder zu versuchen ist, ein auf das Originalbild bezugnehmendes Bild, eine Variation, zu malen65 und damit die Interpretation in eine bestimmte Richtung zu lenken – oder man aber gezwungen ist, mit syntaktisch als Inskriptionen zu verstehenden Schemata an die Interpretation heranzugehen, um zumindest Verständigung erzeugen zu können. Diese Schemata sind, da jede Symbolisierung an die Performanz gebunden ist, bereits mit Heimatsphären verbunden, die für die entsprechenden Zwecke jedoch selten ausreichend sind. Also bleibt keine andere Möglichkeit, als diese semantisch zu übertragen, um die ,Rätsel‘, vor die manches Bild die Betrachter bewusst stellt, lösen oder zumindest bezeichnen zu können. Im Verfahren der Metaphernbildung, das daher bei der Interpretation von Kunst – aus intrinsischen Gründen – so gern bemüht wird,66 stellt die Sprache Möglichkeiten zur Verfügung, diese Schlüsse ins Ungewisse in Blickrichtung Kunstwerk mit einem vorhandenen Repertoire zu wagen, ohne gleich selbst ein Bild malen zu müssen. Da die Sprache eine Syntax hat, lässt sie sich in ihrer lokutionären Rolle überdies mehr
|| 65 Vgl. Goodmans Diskussion der Las-Meninas-Variationen (vgl. RE, S. 96ff.). 66 Allzu gerne werden Bilder als „blumig“, „rastlos“, „brutal“, „saftig“, „grell“ usw. charakterisiert.
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oder weniger klar kommunizieren und stellt auf diese Weise eine Intersubjektivität her, auf deren Basis sich – auch und gerade über Metaphern und deren Wirkung – argumentieren lässt. Festzuhalten gilt es in diesem Zusammenhang, dass im Verfahren der Metaphernbildung also das Notationale ins Repräsentationale einbricht, und zwar in dem Sinn, dass es syntaktisch eindeutige Formen zur Verfügung stellt, die sich mit allen Konsequenzen, die sich daraus ergeben, kommunizieren lassen. Ferner werden für diese syntaktischen Formen auch semantische Grenzen angenommen, sodass jedes Etikett einen allgemein anerkannten Geltungsbereich haben muss, der nun allerdings im Verfahren der Metapher hinreichend übertragen werden kann. (2) Wenn sprachliche Metaphorik von der anderen Seite der Symbolisierung – aus der Blickrichtung des Einbruchs des Repräsentationalen ins Notationale – her betrachtet wird, zeigt sich, dass die Übertragung eines Schemas auf eine fremde Sphäre in einem streng notationalen System ebenso unmöglich sein muss wie in einem repräsentationalen. Das liegt aber nicht daran, dass es keine typisierbaren syntaktischen Marken oder keine klar differenzierbaren Erfüllungsgegenstände gäbe, sondern vielmehr daran, dass in dem Moment, in dem ein Schema auf eine andere als die beabsichtigte Sphäre übertragen wird, die Notationalität des Systems grundlegend gestört wird. Gefordert ist in jedem notationalen System zum einen die syntaktisch effektive Differenziertheit der Inskriptionen, zum anderen eine diskontinuierlich geordnete Menge von Erfüllungsgegenständen. Ist diese Menge nicht gegeben, ist das System nach Goodman nicht mehr notational und nicht mehr eindeutig. Man müsste hier expressis verbis von einem Fehler sprechen. Die Metapher würde nun genau diese technisch geforderte semantische Eindeutigkeit zerstören, denn sie verbindet, wie gesehen, Heimat- und Fremdsphäre im gleichen Schema. Hier handelt es sich freilich um die traditionelle Blickrichtung des Problems der Metapher. Sie wurde bislang stets als bildhaftes Verfahren in der Sprache verstanden. Diese Ansicht präsentiert sich nun aus einer neuen Perspektive und zeigt, dass sie ohne die umgekehrte Blickrichtung (das Notationale bricht ins Pikturale ein) ebenfalls nicht denkbar ist bzw. dass in diesem Falle eine wesentliche Dimension der Problemstellung unbetrachtet bleibt. Metaphorik kann also nur in einem weder rein repräsentationalen noch in einem rein notationalen System stattfinden. Die Sprache, die genau diese beiden Dimensionen von Symbolisierung auf eine besondere Weise in sich vereint, bietet letztlich ideale Bedingungen für ein derartiges Verfahren. Auf diese Weise lassen sich in beide Richtungen, von repräsentationalen nach notationalen und von notationalen zu repräsentationalen Systemen, stets neue Übergänge schaffen. Daher sind also gerade in der Metapherndiskussion die beiden Extreme von Darstellung allgemein in der Domäne der Sprache eng miteinander verwoben.
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Auf dieser Basis markiert die Metapher, so wie sie jetzt systemtheoretisch rekonstruiert wurde, eine besondere Systemstelle, denn hier lässt sich ein solcher Übergang innerhalb eines Symbolsystems greifbar machen. Kurz zurück zum anfänglich genannten Beispiel: Wenn wir ein in Grautönen gemaltes Bild „traurig“, „melancholisch“, „nachdenklich“ oder vielleicht auch „gewaltsam“ usw. nennen, dann wenden wir sprachliche Etiketten auf es an, die zwar nicht buchstäblich, wohl aber metaphorisch zutreffen. Wir können also ein Etikett anwenden, um eine ansonsten schwer greifbare Eigenschaft des Bildes zu fassen, und begehen damit keinen Kategorienfehler. Die Eigenschaft wird lediglich mit einem Prädikat etikettiert, das zwar buchstäblich an dieser Stelle falsch wäre, aber figurativ dennoch applizierbar ist. Es werden also, so müsste man mit Ryle sagen, mit Absicht und kalkuliert die Kategorien verwechselt.67 Das ist nur deswegen möglich, weil es im strengen Sinne an dieser Stelle (noch) keine etablierten Kategorisierungen gibt, die diese Eigenschaft buchstäblich treffen würden68 und auf die man sich berufen könnte. Man lotet Möglichkeiten mit Hilfe bekannter und gebräuchlicher Schemata, die übertragen werden, sozusagen probehalber aus und sucht auf diese Weise nach neuartiger Orientierung in neuen Bezugnahmegebieten. Somit ist zwar immer ein syntaktisch mehr oder minder eindeutiges sprachliches Schema in Anwendung, dessen Bezugnahmegebiete aber in einem semantisch dichten Kontext so verändert werden, dass für die beabsichtigten Zwecke hinreichend deutlich Dinge und Sachverhalte zum Ausdruck gebracht werden können, die ohne Verwendung dieses Etiketts zumindest in dieser kurzen Formulierung nicht zum Ausdruck gebracht werden könnten. Damit sind wir in der Lage, diese Eigenschaft mit einem gebräuchlichen, das bedeutet, mit standardisierten Anwendungsfällen verbundenen Etikett zu versehen, das eine gewisse Bedeutung bereits hat und über dessen Anwendung wir uns als kompetente Sprecher einer Sprache kraft unseres Sprachgefühls im Klaren sind. Auf diese Weise werden neue Bezugnahmegebiete erschlossen: Metaphern sind aus diesem Grund Etikettierungen, für die buchstäblich die Worte fehlen. Im Beispiel des „traurigen“, „melancholischen“, „nachdenklichen“ oder „gewaltsamen“ Bildes wird mit einem syntaktisch differenzierten Schema in die syntaktische Dichte und semantische Fülle einer jeden pikturalen Darstellung ,eingedrungen‘ und versucht, sie auf diese Weise erschließ- und mit den Mitteln, welche die Sprache zur Verfügung stellt,
|| 67 Vgl. Gilbert Ryle: Der Begriff des Geistes – [a.a.O.] S. 13. 68 Das schließt keineswegs aus, dass eine Metapher – wenn sie einmal in den normalen Sprachgebrauch eingegangen, i.e. akzeptiert, ist – einer buchstäblichen Zuordnung sehr ähnlich werden kann.
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greifbar zu machen. Mit anderen Worten wird eine provisorische Ordnung geschaffen. Wörter sind dabei – bekanntlich auch buchstäblich – niemals so eindeutig zu verstehen wie sie zu entziffern oder zu hören sind.69 Metaphern machen also neue Ketten von Symbolisierungen auf und stellen auf diese Weise die Beziehung zu neuen Bezugnahmegebieten her. Sprachliche Äußerungen, zunächst einmal gleichgültig ob mündlich oder schriftlich, sind nach Goodman Skripte: Hier braucht jedes Schema – ein Charakter kann, wie gesehen, auch als Schema (symbol scheme) betrachtet werden – keinen im Sinne eines technischen Verfahrens eindeutigen, sondern einen durch die Praxis etablierten Erfüllungsgegenstand, und ohne die Flexibilität, die eine metaphorische Sprache bietet, wären wir zu jedweder Bedeutungsübertragung nicht in der Lage. In diesem Sinne manifestiert sich in der lebendigen oder gelingenden Metapher mit den Worten von Paul Ricœur auch Einsicht.70 Komplementär muss aber – soll die hier zu untersuchende These verifiziert werden – auch ein Beispiel zu finden sein, an welcher Stelle ein notationales System selbst ,metaphorisch‘ werden kann. Dazu ein Blick auf Goodmans Beispiel der Musikpartitur: Auch hier gibt es stilistische Kompositionsfiguren wie etwa einen „Krebs“, die an sich eine bestimmte Abfolge von Tönen bezeichnen – nämlich deren Spiegelung an einer horizontalen Achse –, die eine bestimmte Reihenfolge musikalischer Ereignisse denotieren, aber auf eine so besondere Weise, dass sich zur Beschreibung dieser Besonderheit, um sie auf einen kurzen Ausdruck zu bringen, die Metapher „Krebs“ anbietet. Die denotierte Tonfolge nimmt ja keinen Bezug auf das Meerestier, sondern auf eine seiner Eigenschaften, nämlich die des Rückwärtslaufens. Nur diese Metapher schafft an dieser Stelle diese besondere Kategorisierung (die freilich mittlerweile in den zumindest fachspezifisch ,alltäglichen‘ Sprachgebrauch übergegangen ist), die eine Neusortierung möglich macht und so die an sich eindeutige Denotation in einen neuen Zusammenhang stellt, eine neue Ordnung schafft. Das Resultat jedweder Bemühungen wird jeweils wieder durch die Praxis des Sprachgebrauchs zu beurteilen sein, denn entweder wird eine Metapher durch eine Sprechergemeinschaft angenommen, werden ihr Sinn und ihre Schlagkraft erkannt oder nicht. Anschließend kann sich eine oft gebrauchte Metapher in den allgemeinen Sprachgebrauch eingliedern, so sie denn von einer
|| 69 Das gilt lediglich für ausgewiesene und unter bestimmten Aspekten formale Definitionen, die daher eher dem Bereich des sprachlich Notationalen, also einer besonderen Form von Sprache, zuzuordnen sind. 70 Vgl. Paul Ricœur: Die lebendige Metapher – [a.a.O.] S. 150.
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Sprechergemeinschaft dauerhaft akzeptiert wird, und wird damit der buchstäbliche Verwendung eines Schemas ähnlich. Wenn die Sortierung nicht durch den buchstäblichen Gebrauch von Etiketten vorgenommen werden kann, weil die Kategorien fehlen, dann sind solche ‚Hilfskonstrukte‘ vonnöten, die durch die Ordnung des buchstäblich zutreffenden Schemas qua Analogie erreicht werden. Als Hilfskonstrukt fungiert also letztlich auch die Ordnung, die das Schema in seiner Heimatsphäre schafft und welche mit Hilfe eines einzelnen Etiketts qua Analogie übertragen wird – nicht allein das syntaktische Schema. Hier berühren sich in einem bestimmten Sinn Denotation und Exemplifikation.71 Das schließlich gibt Aristoteles‘ Interpretation der Analogie als wesentlicher Grundlage für die Metapher einen logischen Sinn und verbindet damit schließlich unsere Theorie mit der philosophischen Tradition. Auch wenn Aristoteles sicher nicht ohne Grund die Metapher im Bereich des Poetischen ansiedelt, spielt sie auch dort, wo die Wissenschaftlichkeit kein eindeutiges Vokabular mehr zur Verfügung stellt, diese ästhetisch-rhetorische Rolle. Nicht grundlos sehen sich gerade die Geisteswissenschaften gegenüber den Natur- und Ingenieurwissenschaften bisweilen dem Vorwurf ausgeliefert, sie würden oft ‚ins Blaue‘ hinein zu argumentieren: Das liegt wesentlich am Gegenstand ihrer Untersuchungen und an dem Verfahren, welches ihre Arbeit ausmacht. Die Gegenstände einer geisteswissenschaftlichen Analyse sind nicht trennscharf definiert, sondern müssen erst – mitunter mühselig – definiert werden. Das heißt aber sicher nicht, dass eine einmal ausgesprochene Definition auch komplett durchgehalten wird. Oft werden sie innerhalb eines einzigen Gedankengangs bereits, bewusst oder unbewusst, modifiziert. In einer natur- und ingenieurwissenschaftlichen Diskussion ist der Argumentationsgrund in vielen Fällen – wenn auch nicht in allen – wesentlich fester. Es stehen allgemein anerkannte Definitionen zur Verfügung, an denen man sich orientieren kann und muss. Diese Definitionen sind qua Konvention oder sogar Berechnung etabliert. Eine andere Möglichkeit hat man nicht, und das Verfahren setzt diese Prämissen notwendig voraus. Dennoch gibt es auch hier natürlich Randbereiche, in denen keine Definitionen mehr zur Verfügung stehen und in denen sich die Gegenstände auch nicht mehr greifen lassen. Nur, auch hier sind die Natur- und Ingenieurwissenschaften dann dem gleichen Problem ausgesetzt wie die Geisteswissenschaft: Ihr Gegenstand ist nicht mehr
|| 71 Auf der Seite der notationalen Systeme herrscht die denotative Richtung der Bezugnahme vor. Auf der Seite der repräsentationalen Systeme hingegen die der Exemplifikation. Also müssen auch diese beiden Bereiche von Symbolisierung sich in einem Punkt treffen. Auch hier bietet sich in der Metapherndiskussion ein gangbarer Weg.
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eindeutig zugänglich. Oft genug müssen auch Naturwissenschaftler an dieser Stelle dasjenige Verfahren bemühen, das auch den Geisteswissenschaftlern zur Verfügung steht, wenn buchstäbliche Bezeichnungen nicht mehr weiterhelfen: die Metaphernbildung. Aus der hier untersuchten Perspektive ergibt sich dafür nunmehr auch eine systematisch fundierte Erklärung: Es geht in solchen Problemkontexten darum, Phänomene greifbar zu machen und natürlichsprachlich zu bezeichnen, die in sich selbst alles andere als eindeutig greifbar sind. Der terminologisch und mit engen Definitionen arbeitende Wissenschaft hingegen kann und darf die Grenzen des semantisch Typisierbaren mit seinen mehr oder weniger notationalen Mitteln kaum überschreiten, denn so würde ihr selbst die Grundlage entzogen. Jede Wissenschaft muss per definitionem also ihren Sprachgebrauch regeln, das heißt, mitunter auf bestimmte Fälle einschränken. Dazu muss jede Wissenschaft Definitionen ihrer Untersuchungsgegenstände aufstellen:72 „Alle Prozesse der Welterzeugung, die ich [Goodman, meine Ergänzung] erörtert habe, sind Teil des Erkennens. Bewegungen wahrzunehmen besteht, wie wir gesehen haben, häufig darin, sie hervorzubringen. Zur Entdeckung von Gesetzen gehört es, sie zu entwerfen. Das Erkennen von Strukturen besteht in hohem Maße darin, sie zu erfinden und aufzuprägen. Begreifen und schöpfen gehen Hand in Hand.“73
Erkenntnistheoretisch hat dieser Standpunkt Konsequenzen: Wir bringen durch unser Argumentieren, unser Untersuchen und unser Philosophieren genauso viele Dinge in die Welt hinein, wie wir glauben, aus ihr herauslesen zu können. Das ist genau der Sinn, in dem Goodman vom „Welterzeugungen“ spricht. Es ist nicht möglich, eine feste Grundlage für die theoretische Philosophie anzunehmen, denn diese Grundlage hängt ebenso von ihren eigenen Grundlagen ab wie von ,der Welt‘. Für die praktische Philosophie ist dies nicht in dieser Schärfe zu fordern. Dadurch erscheint der Gegenstand des (theoretischen) Philosophierens jeweils anders: Ein Sprachwissenschaftler nimmt ,die Sprache‘ anders wahr als der Philosoph, der unter Umständen weniger an der Funktion der Sprache, sondern eher an deren Aussagemöglichkeiten und den Wahrheits- und Geltungsbedingungen74 von Schlussfolgerungen, die sich ziehen lassen, interessiert ist.
|| 72 Damit sind – wie gerade die Symboltheorie Goodmans zeigt – immer Tilgungsprozesse verbunden. 73 WW, S. 37. 74 Vgl. Kap. IV.2.
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Wenn jedes Symbolsystem – wie Goodman formuliert hatte – analoge und digitale Aspekte hat, sollte der sprachliche Bereich, der für Metaphern in Frage kommt, jetzt jedoch noch ein wenig genauer differenziert werden. Dazu müssen zunächst die ,Randfälle‘ von Sprachgebräuchen ausgeblendet werden: In einem digitalen und eindeutigen System wie beispielsweise einer formalen Sprache sind die (ohnehin syntaktisch typisierbaren) Etiketten auf eine Bedeutung festgelegt – und jegliche Abweichung davon im buchstäblichen Sinne falsch. In einem digitalen System gibt es, anders als in der alltäglichen Sprache, so etwas wie eine richtige und eine falsche Bedeutung. Das liegt wesentlich daran, dass die Bedeutungen der Wörter per definitionem oder zumindest durch Einschränkung des Sprachgebrauchs vereinbart, andere Bedeutungen künstlich ausgeblendet – und damit erst in einer Art von Lexikon festgehalten sind. In diesem Sinne entwirft man eine formale Wissenschaftssprache bisweilen durchaus wie eine Notation: Der Wissenschaftler muss die von ihm verwendeten Termini definieren, den allgemeinen Sprachgebrauch einschränken und sollte von diesen Definitionen nicht unbedingt abweichen, wenn er überzeugen und eine schlüssige Argumentation abliefern will. Das ist in rhetorischer wie ästhetischer Hinsicht Grundlage seines Sprachspiels. Insgesamt handelt es sich dabei aber – das gilt es festzuhalten – um ein Verfahren, das nicht dem alltäglichen Sprachverfahren entspricht. Die alltägliche Sprache verfährt nicht auf diese Weise. Wenn überhaupt, dann gäbe es nur in der Wissenschaftssprache für die Anwendung der Etiketten Regeln im ‚regulation-sense‘, die dann von einer Autorität75 festgelegt werden müssen und deren Missachtung ähnlich wie ein Vergehen im Wissenschaftsbetrieb sanktioniert würde: Eine Argumentation (und erst recht ein mathematischer oder aussagenlogischer Beweis) würde nur schwerlich überzeugen können,76 wenn Etiketten stets unterschiedlich verwendet würden. Wie sich zeigt, handelt es sich hier also durchaus um einen Sonderfall von Sprachgebrauch. Auf der entgegengesetzten Seite von Sprachgebräuchen ließen sich mit Einschränkungen sprachliche Verfahren wie Onomatopoetika und Ähnliches als Beispiele finden. Hier werden Sprachgebräuche zu betrachten sein, welche die syntaktische Struktur beinahe aufgeben bzw. auf ein Mindestmaß beschränken. So wie auf der notationalen Seite semantische Eindeutigkeit per definitionem herzustellen ist, wäre auf dieser Seite nun die syntaktische Artikulation so zu || 75 Max Black: Models and Metaphors – [a.a.O.] S. 115. 76 Als Beispiel kann hier ein einfacher, klassischer Syllogismus dienen, der in dem Moment zusammenbricht, in dem eine Definition nicht mehr durchgehalten wird: (a) Aristoteles ist ein Mensch, (a′) Aristoteles ist ein Tier, (b) Menschen sind sterblich, (c) Aristoteles ist sterblich. (a) und (a′) stehen klar im Widerspruch zueinander, sodass die Konklusion nichtig wird.
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minimieren, dass sie gerade noch eine (lokutionäre) Verständlichkeit in einem gegebenen Kontext sicherstellt. Das wäre allerdings nur in Ausnahmefällen möglich. Im ‚regulation-sense’ sind die alltagssprachlichen Regelmäßigkeiten, wie Ryle gezeigt hat,77 ja gerade nicht zu verstehen: In dieser Alltagssprache als Summe allgemeiner Sprachgebräuche ist Befolgen einer Regel immer „Praxis“78, welche die Kenntnis expliziter Regeln nicht voraussetzt. Man muss (in vielen Fällen weit mehr als) das tun, was man gelernt hat, auf ein bestimmtes Kommando hin zu tun. Alltagssprachliche Regelmäßigkeiten, allgemein akzeptierte Sprachgebräuche, entsprechen also einer stillschweigenden impliziten ‚Vereinbarung‘ oder Anerkennung als einer Kodifizierung, die letztlich einen Sonderfall dieser Praxis darstellt. Eine – auch im philosophischen, besonders aber im sprachwissenschaftlichen Diskurs – durchaus bemerkenswerte Ausnahmestellung nimmt hier – nicht ohne Grund – die (in Alphabetschrift) geschriebene Sprache ein.79
|| 77 Vgl. Gilbert Ryle: Der Begriff des Geistes – [a.a.O.] S. 244ff. 78 Vgl. Ludwig Wittgenstein: Philosophische Untersuchungen – [a.a.O.] S. 345, § 202. 79 An dieser Stelle, die Goodman nicht eigens thematisiert, sind, wie mir scheint, einige sprachwissenschaftliche Bemerkungen notwendig: Das Medium der Alphabetschrift (vgl. Kap. II.5) hat zumindest auf seiner materiellen Seite Regeln und Vorschriften in dem Sinne entwickelt, dergestalt, dass diese Regeln die eindeutige Lesbarkeit von Texturen sicherstellen (vgl. Christian Stetter: Schrift und Sprache – [a.a.O.] S. 54ff.). Bei der Verschriftung von Sprache in Alphabetschrift handelt es sich um ein durch und durch technisches Verfahren: Texturen sind dabei als ausgewiesen digitalisierbare Schemata auf Basis eines digitalen Artikulationsschemas, des Alphabets, zu verstehen. Für alltägliche, ,natürliche‘, mündliche Sprache, die sich aus diesem Grunde – obwohl sie doch koexistent zum gleichen Symbolsystem gehört – ihrem Wesen nach von der schriftlichen unterscheidet, gibt es ein derartiges Artikulationsschema und Regelwerk keineswegs. Eine derartige Normierung der alltäglichen Sprache erscheint deswegen unmöglich, weil die mündliche Sprache ihrem Wesen nach Mittel der individuellen Kommunikation ist – und die ist nicht auf Regelbefolgen, sondern vielmehr auf eine direkte Reaktion des Gegenüber ausgerichtet. Mitunter kann hier das Abweichen/Verletzen von vermeintlichen Regeln sogar gefordert bzw. beabsichtigt sein. In diesem Zusammenhang kommen also sprechaktanalytische Überlegungen zum Tragen, die wir beispielsweise mit Austin untersuchen können (vgl. John L. Austin: Zur Theorie der Sprechakte – [a.a.O.] S. 46ff., S. 112ff.). Allein Sonderfälle der Kommunikation unterliegen gewissen Standards (Beispiel: wissenschaftlicher Diskurs). Derartige ,Beschränkungen‘ sind der Alltagssprache jedoch durchgängig fremd: Das Wort hat immer auch den Charakter einer Geste, ist nach Humboldt Träger einer individuellen Verstandeshandlung und steht deswegen für ihn als Kategorie sui generis zwischen Zeichen und Symbol (vgl. Wilhelm von Humboldt: Grundzüge des allgemeinen Sprachtypus – Wilhelm von Humboldts Werke, Herausgegeben von Albert Leitzmann, Fünfter Band 1823‒1826, Berlin: B. Behr’s Verlag 1906, S. 364‒473, hier: S. 410ff.)
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Basierend auf diesen Überlegungen zeigt sich die Metapherndiskussion im Anschluss an Nelson Goodman als ein Punkt, an dem sich auch extreme Weisen von sprachlicher Symbolisierung, nämlich digitale und analoge Bereiche, im Bereich der diese beiden Extremwerte in sich vereinenden Sprache treffen und aus notationaler wie repräsentationaler Richtung ineinander übergehen. Das verstärkt in dem hier zu untersuchenden Zusammenhang den systematischen Kern der Überlegungen zur Metapher. Um dieses Phänomen treffend zu beschreiben, bot sich der Ausgangspunkt aus Goodmans allgemeiner Symboltheorie an. In diesem Zusammenhang sei noch einmal auf die wegweisende Untersuchung von Max Black verwiesen, der die Funktion einer Metapher mit der eines wissenschaftlichen Modells vergleicht und sie damit ebenfalls in eine ähnliche systemtheoretische Position rückt: „To many the use of models in science has strongly resembled to the use of metaphors […]. Ordinarily, when words fail us, we have to recourse to analogy and metaphor.“80
Diese Einschätzung scheint vor dem Hintergrund der bisherigen Überlegungen auch nur allzu begründet, denn mit einer eindeutigen Aussage/Interpretation oder Notation hat die Metapher wie gesehen ebenso wenig zu tun wie mit reiner Bildlichkeit oder Repräsentation. Die Metapher ist ein sprachliches, logisches und rhetorisches Phänomen, und als solches muss sie auch im Zentrum der Sprache angesiedelt werden. Nun kann sie dabei – entsprechend dieser Systemstelle – freilich zum einen oder zum anderen Pol tendieren: Von der Seite der ‚notationalen‘ Sprachsysteme gesehen (im Sinne von geregelten Sprachgebräuchen) muss die Metapher als unschärfer und damit ,poetischer‘ erscheinen als der wohldefinierte und wissenschaftlich eingeschränkte Gebrauch eines Etiketts – von der Seite der analogen Sprachsysteme gesehen ist die Metapher eine herausragende Möglichkeit, einer ‚unscharfen‘ Sachlage selbst Kontur zu geben, sie dennoch – wenn auch ‚nur‘ im übertragenen Sinn – mit einem Etikett zu versehen, wenn sonst keine Zuordnung zur Verfügung steht. Somit kann die Metapher an dieser || Mit der Terminologie Goodmans kann also auch im Themenbereich von Mündlichkeit und Schriftlichkeit manche Problemstellung präzisiert werden – was allerdings nicht zentrales Anliegen der vorliegenden Arbeit sein kann. In diesem Kontext müsste jedoch die Schriftlichkeit – auch – als ein digitalisiertes Hilfsmittel, um sich ein Bild von der analogen mündlichen Sprache zu machen, verstanden werden. Deswegen ist jede Alphabetisierung auf Schematisierung und auf Regeln angewiesen, denn es gilt, bestimmte Symbolgestalten zu tilgen, ansonsten die Digitalität des Systems gefährden (vgl. Christian Stetter: Schrift und Sprache [a.a.O.] – S. 292 ff.). 80 Max Black: Models and Metaphors – [a.a.O.] S. 236.
102 | Sprachliche Bilder – Das Pikturale und Notationalität
Stelle von beiden Blickrichtungen her gesehen ihre ganze ästhetische Tragweite und rhetorische Funktion ausspielen, an der uns Wörter als Etiketten in ihrer buchstäblichen Lesart nicht weiterhelfen. Auch so verstanden ist die Metapher keineswegs ein Produkt von Ähnlichkeit, sondern bringt diese Ähnlichkeit in dieser einzigartigen Art und Weise hervor.81 Sie macht gewisse Eigenschaften im Sinne von Sehens-als greifbar, weil mit typisierbaren Einheiten im schematischen Zusammenspiel von Heimat- und Fremdsphäre des Schemas ein neues Feld erschlossen werden kann. Die Metapher bringt auf diese Weise in ihrer Anwendung bestimmte Absichten des Sprechers zum Ausdruck. In diesem Sinn ist die Metapher also „der Ort in der Rede, der diesen Schematismus sichtbar macht, weil Identität und Differenz hier nicht verschmolzen sind, sondern im Widerstreit miteinander stehen.“82
Damit erhärtet sich auch der Verdacht, dass sich die Metapher gegen die traditionell gegen sie vorgebrachten Einwände gar nicht verteidigen muss. Vielmehr verkennen die Kritiker gerade die systematische Dimension, in der die Metapher steht. Damit bleibt auch die wichtige Rolle, die solchen Verwendungsweisen von Etiketten im allgemeinen Prozess der Symbolisierung zukommt und damit auch in einer allgemeinen Symboltheorie zentral bedacht werden muss, unterbelichtet: Jede Metapher „entwickelt [provisorische] Fakten, revidiert Theorien und beschert uns neue Welten“83. Durch die bisweilen vorgebrachten Vorwürfe gegen sie wird die Metapher missverstanden und somit durch die Theorie selbst ein Kategorienfehler begangen: Es lässt sich keineswegs mit Recht sagen, dass eine Metapher ‚unwissenschaftlich‘ oder gar ,falsch‘ sei, sondern vielmehr, dass gerade in einer frischen, im Sinne von Ricœur, lebendigen Metapher immer wieder neue Wege gefunden und ausprobiert werden sollen, Dinge und Sachverhalte auf eine neuartige Weise zu sehen und kommunizierbar auszudrücken. Mit der Metapher betreten wir immer ein fremdes Territorium, das wir auf eine neuartige Weise sortieren, und gerade in diesem Sinn gibt jede gute Metapher – notwendig – Rätsel auf, denn ihre Interpretation kann nicht klar oder eindeutig sein. Dieses Verfahren mag funktionieren oder nicht, aber per se ‚falsch‘ kann eine Metapher selten sein.84 Das erklärt sich durch die vorangegangenen Überlegungen sowohl ästhetisch als auch rhetorisch.
|| 81 Vgl. Paul Ricœur: Die lebendige Metapher – [a.a.O.] S. 148ff. 82 Ebd. S. 191. 83 MM, S. 108. 84 Vgl. Kap. IV.2.
Einbruch des Notationalen in das Pikturale – und umgekehrt | 103
In dieser Lesart wäre die Metapher, hierin nach Black tatsächlich einem sprachlichen Modell vergleichbar, sogar als eine Bedingung für Erkenntnis anzusehen, wobei Letztere in diesem Zusammenhang dann nichts anderes als die Explizierung und Stabilisierung der Ordnung wäre, welche durch die Verwendung von Metapher vorher provisorisch bereits postuliert worden ist. Erkenntnistheoretisch stellt die Metapher damit ein Modell zur Verfügung, Analogien eine kommunizierbare und damit diskutierbare (mitunter vorläufige) Form zu geben. Was implizit in einer gut gewählten Metapher steckt, lässt sich – hat man erst einmal diese ,provisorische‘ Form zur Verfügung – explizieren. Ein Beispiel mag diesen Sachverhalt verdeutlichen: Oft beginnt eine wissenschaftliche Theorie mit einer gut gewählten Metapher oder einer metaphorischen/vergleichenden Wendung wie „Der Computer funktioniert wie das menschliche Gehirn“ oder „Das Medium bewahrt die ,Spur‘ des Apparats“85. – Welche Implikationen darin stecken, muss freilich in der betreffenden Disziplin und nach ihren Spielregeln ausbuchstabiert werden. Bei der Explizierung würde es also lediglich darum gehen, dasjenige, was eine Metapher implizit bereits ausgedrückt ist, mit den klaren, möglichst eindeutigen, wissenschaftlichen Mitteln zu entfalten: Wir wissen oft wesentlich mehr, „als wir zu sagen wissen“86, und die Forschung muss schließlich „ausdrücken, was implizit in einer Praxis enthalten ist, und es als explizite Regel oder Prinzip formulieren“87. Nur dann fällt das Gedachte ist das Resultat ,wissenschaftlich‘, nur dann wird es semantisch eindeutig. Um diese Eindeutigkeit zu erreichen, müssen allerdings viele Aspekte getilgt werden. Das kreative, forschende Moment der Wissenschaft liegt jedoch nicht (allein) in dieser eindeutigen Formulierung, sondern gleichzeitig im Sehen von Analogien, wie es Aristoteles bereits gefordert hatte, und auch in der Fähigkeit, diese in einer Metapher treffend auszudrücken und ihr damit eine Form zu geben. In diesem Zusammenhang offenbart sich jedoch ein eigenartiges Problem im Bezug auf das Verfahren der Metaphernbildung selbst: Wenn die Korrelation eines Etiketts mit einer fremden Sphäre in der Metapher so vage und nur in gewissen Kontexten klar ist, dann lässt sich über diese Verwendung selbst mit
|| 85 Vgl. Krämer, Sybille: Das Medium als Spur und Apparat – In: Sybille Krämer (Hrsg.): Medien, Computer und Realität: Wirklichkeitsvorstellungen und neue Medien, 2. Auflage, Frankfurt/M.: Suhrkamp (stw 1379) 2000. S. 73‒94. 86 Michel Polanyi: Implizites Wissen (The tacit dimension) – Übersetzt von Horst Brühmann, 1. Auflage, Frankfurt/M.: Suhrkamp (stw 543) 1985, S. 14, vgl. hierzu auch S. 29ff. 87 Robert B. Brandom: Expressive Vernunft. Begründung, Repräsentation und diskursive Festlegung (Making it explicit) – Übersetzt von Eva Gilmer und Hermann Vetter, Frankfurt/M.: Suhrkamp 2000, S. 179f.
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wissenschaftlichen Mitteln nur schwerlich reden. Mit anderen Worten muss – wie viele Theorien, unter anderem auch die Goodmans, nahelegen – immer wieder auf Metaphern zurückgegriffen werden, um das Metaphorische, das Repräsentationale im Notationalen bzw. das Notationale im Repräsentationalen, zu klären: „Metaphorisch von der Metapher zu reden, [ist jedoch] keineswegs zirkulär, wenn die Begriffsbildung dialektisch aus der Metapher hervorgeht.“88
Auch für diese Phänomene steht kaum logisch durchbuchstabiertes Vokabular zur Verfügung, sodass kaum ohne „ein Begriffsnetz, das selbst metaphorisch hervorgebracht wurde“89 über die Metapher philosophiert werden kann. So spricht auch Goodman lieber verkürzend von einer ,bigamistischen, zweiten Ehe‘ des Schemas mit einer Fremdsphäre, was Ricœur seinerseits als „Lehrfabel (noch eine Metapher der Metapher!)“90 bezeichnete. Metaphorisches Sehen ist immer ein „Sehen-als“ und daraus ergibt sich das „Paradox der Selbstimplikation der Metapher“91. Eine erschöpfende Definition, in der das Definierte selbst nicht auftritt, scheint nahezu ausgeschlossen: „[D]ie Metaphorizität ist absolut unbeherrschbar“92. Die allgemeine Symboltheorie, wie Nelson Goodman sie in „Sprachen der Kunst“ entwickelt, hat gegenüber anderen Theorien den Vorteil, ein im Kern übersichtliches, logisches Vokabular zur Verfügung gestellt zu haben, mit dem sich über einige Problemstellungen aus Erkenntnistheorie, Kunst- und Sprachphilosophie, Wissenschaftstheorie sowie über Arten der Darstellung im Allgemeinen nachdenken lässt, ohne auf traditionelle – oftmals mit Problemen behaftete – Begriffe wie Ähnlichkeit, Realismus, Seeleneindrücke, Ideen oder, im speziellen Bezug auf Metaphern, allein auf ein „system of associated commonplaces“93 zurückgreifen zu müssen. Goodman macht einen minimalistischen wie implikationsreichen Schachzug, den er in fast allen Zusammenhängen in logischer Hinsicht ausspielen kann: Er stellt einzig und allein die Bezugnahme als Faktum ins Zentrum aller Symbolisierung.94 Referenzialisierbarkeit macht stets ihren Kern aus.
|| 88 Paul Ricœur: Die lebendige Metapher – [a.a.O.] S. 271. 89 Ebd. S. 263. 90 Ebd. S. 185. 91 Ebd. S. 263. 92 Ebd. S. 263. 93 Vgl. Max Black: Models and Metaphors – [a.a.O.] S. 40. 94 Die Schwierigkeiten, die mit diesem Ansatz verbunden sind, werden in Kap. V thematisiert.
Einbruch des Notationalen in das Pikturale – und umgekehrt | 105
Je nach Beschaffenheit des im Gebrauch befindlichen Schemas lassen sich die Symbole erst als Einzelfälle/Inskriptionen verschiedenen Charakteren zuordnen und damit in verschiedene Klassen einteilen – oder auch nicht. Das erlaubt eine hinreichend differenzierende Betrachtungsweise von Symbolsystemen, wie sie in Kunst und Wissenschaft faktisch im Gebrauch sind. Wie gezeigt wurde, lässt sich dieser Ansatz auch auf Metaphern anwenden, die Goodman selbst jedoch eher am Rande seiner Überlegungen betrachtet hatte. Hier spielt Bezugnahme durch ein Etikett auf einen Gegenstand (Denotation) oder durch einen Gegenstand auf ein Etikett (Exemplifikation) eine ebenso wesentliche Rolle. Auch die Metapher ist eine Gegebenheit innerhalb des Faktischen. Ob Bezugnahmen nun figurativ oder buchstäblich ins Werk gesetzt werden, spielt für dieses Zentrum der Symbolisierung letztlich keine Rolle, und die Metapher ist keineswegs eine weniger echte Bezugnahme als die buchstäbliche Zuordnung. Mit diesem Vokabular und unter Berücksichtigung der bislang angestellten systematischen Überlegungen konnte sich auch sprachlichen Metaphern, die im Rahmen der vorgetragenen Überlegungen als ein systematisch wesentliches Paradigma herausgestellt wurden, von einer extensionalen Seite genähert werden. Damit ,kürzen‘ sich einige Probleme weg. Letztlich konnte das Verfahren der Metaphernbildung sogar zumindest in der Umgebung eines Mittel- oder Gelenkpunkts der Sprache als System positioniert werden. Dass diese zentrale These der vorliegenden Arbeit selber lauter Metaphern enthält, zeigt eine eigentümliche Eigenschaft des Metaphernbegriffs, dem sich per se nur schwerlich beikommen lässt: Die Eigenschaften von Metaphern ohne den Rückgriff auf Metaphern zu definieren, scheint schlechterdings schwierig.95 Eine – allerdings im Kontext von eher sprachwissenschaftlichen Überlegungen – zu beantwortende Konsequenz aus den vorgetragenen Überlegungen wäre es, die Frage zu beantworten, in wiefern es auch Sinn haben könnte, bezüglich der syntaktischen Merkmale, die für das Verfahren der Metapher wie gesehen grundlegend sind, zwischen mündlichen und schriftlichen Metaphern zu unterscheiden. Wie bereits gesehen, neigt sich das Mündliche ohnehin eher dem repräsentationalen, das Schriftliche hingegen dem notationalen Pol von Symbolisierung zu. Wenn die beiden Medien kohabitativ96 sind – das heißt, jedes für sich besteht und doch auf das Gegenüber einwirkt –, dann sollte überlegt werden, ob metaphorische Verwendungsweisen in gesprochener und geschriebener Sprache ebenfalls ähnlich funktionieren oder ob einem Medium in
|| 95 Vgl. Kap. V. 96 Vgl. Christian Stetter: Schrift und Sprache – [a.a.O.] S. 9ff.
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dieser Hinsicht der Vorzug zu geben ist. Schließlich handelt es sich gerade bei der Alphabetschrift um ein besonderes Medium, das einen ganz eigenen Blick auf die Sprache als Gegenstand erlaubt und selbige mit logischen Mitteln durchformt. Dies wiederum lässt Rückschlüsse auf die Erkenntnisfähigkeit von Sprache zu, denn philosophische Arbeit mit der Sprache ist – und das ist freilich nicht ohne Grund so – (heutzutage fast ausschließlich) eine Arbeit mit geschriebenen Texten. Das ist letztlich das Argument, warum in diesem Zusammenhang – zumindest am Rande – auch nach der Mündlichkeit und Schriftlichkeit von Metaphern zu fragen ist. Dazu muss zunächst ein tragfähiger Medienbegriff entwickelt werden, den auch Goodman in seiner Theorie nicht ausführlich im Blick hatte. Daher sollte er im Folgenden ergänzt werden.
II.4 Bemerkungen zum Medienbegriff Eines hat die vorangegangene Rekonstruktion der Überlegungen Goodmans deutlich gezeigt: Wenn über buchstäbliche oder figurative Bezugnahme durch ein Etikett auf einen Erfüllungsgegenstand gesprochen wird, so sind immer auch Überlegungen zum medialen Kontext anzustellen, an die jeglicher Akt der Symbolisierung notwendig gebunden bleibt. Dafür ist also ein tragfähiger Medienbegriff zu bestimmen, der bei Goodman nicht in der nötigen Klarheit entwickelt wird. Schließlich ist nicht allein beim Übergang von schriftlichen zu mündlichen Sprachäußerungen, sondern auch bei der Differenzierung von Musik und darstellender Kunst von einem Medienwechsel zu sprechen. Dabei übt das Medium Einfluss auf das Dargestellte in mehreren Hinsichten aus, die im Folgenden genauer zu betrachten sein werden. Symbolisierung jedweder Art ist nur in einem je bestimmten Medium möglich: Jede Symbolisierung benötigt, um zu symbolisieren, eine Form, eine Gestalt, mit deren Hilfe sie ins Werk gesetzt und an der die Bedeutung fixiert werden kann. Darstellung ist als Performanzakt also immer an die Inskription gebunden. Im Alltag werden Symbole auf unterschiedliche Weisen benutzt – oftmals gerade so, wie wir sie eben brauchen. Über die medialen Bedingungen, die diesen Gebrauch erlauben, wird im Allgemeinen nicht nachgedacht. Symbole sind vielmehr derart gegenwärtig, dass der Umgang mit ihnen mitunter – vor allem wenn wir an die uns so ,natürliche‘ Sprache als Grundlage unseres Philosophierens denken – derart selbstverständlich erscheint, dass er als solcher nicht weiter infrage gestellt wird: Wir bewegen uns ständig in der Welt als Symbolisierende und erzeugen damit ,unsere‘ Welt(en): Etiketten denotieren Erfüllungsgegenstände, Erfüllungsgegenstände exemplifizieren wieder Etiketten usw. ad infinitum.
Bemerkungen zum Medienbegriff | 107
Aus derartigen Symbolketten können wir nicht ausbrechen, denn Sprache, Denken und Erkenntnis sind intrinsisch mit dem Umgang mit Symbolen verbunden. Dieses Faktum macht unser Mensch-Sein, wie zu Recht behauptet worden ist, sogar im Kern aus.97 Medialität wird in diesem Zusammenhang zur „eine[r] anthropologisch grundlegende[n], konstitutive[n] Gattungseigenschaft des Menschen, die im menschlichen Sprach- und Zeichenvermögen ihre höchste Ausprägung findet“98. Wenn Medien im Rahmen einer philosophischen – im Gegensatz zu einer technischen – Definition als symbolisierende Performanzen begriffen99 werden sollen, dann muss mit einem Medienbegriff operiert wird, der hinreichend trennscharf und nicht so weit gefasst ist, dass nahezu alles als Medium verstanden werden kann; auf der anderen Seite muss der Begriff aber auch das ‚Wesen‘ eines jeden Mediums hinreichend treffen, denn durch die Eigenschaften des jeweiligen Mediums können Rückschlüsse auf das in diesem Medium Ausdrückbare gezogen werden. Diese Grundannahme fordert offensichtlich, dass der umgangssprachliche – und vornehmlich auf die Technik wie das Fernsehen, die Zeitungen usw. bezogene – Medienbegriff für unsere Zwecke massiv eingeschränkt werden muss. Analog zum analytischen Verfahren Goodmans sollte im jetzigen Zusammenhang überlegt werden, wie der Begriff – in philosophischer Hinsicht – so präzisiert werden kann, dass eine unter logischen Gesichtspunkten tragfähige Definition übrig bleibt, welche die im Rahmen dieser Untersuchung entwickelten Thesen stützt: „Die Nützlichkeit eines Begriffs beweist [schließlich] nicht, daß er klar ist, sondern vielmehr, daß seine Klärung philosophisch wichtig ist.“100 Das Medium tritt im Prozess allgemeiner Symbolisierung als solches ja gerade nicht ins Blickfeld, sondern per se hinter die Botschaft zurück. Diese steht im Vordergrund. Andererseits bleibt das Medium vorausgesetzt und übt damit nolens volens Einfluss auf das in einem bestimmten System Darstellbare uns Ausdrückbare aus. Naheliegend ist also, dass die Eigenschaften des Mediums selbst Einfluss darauf haben, auf welche Weise etwas in dem betreffenden Medium sag- oder ausdrückbar ist.
|| 97 Vgl. André Leroi-Gourhan: Hand und Wort. Die Evolution von Technik, Sprache und Kunst – 1. Auflage, übersetzt von Michael Bischoff, Frankfurt/M.: Suhrkamp (stw 700) 1988, etwa S. 237ff. oder S. 387ff. 98 Ludwig Jäger: Die Sprachvergessenheit der Medientheorie. Ein Plädoyer für das Medium Sprache – In: Walter Kallmeyer (Hrsg.): Sprache und Neue Medien – Sonderdruck, Berlin/New York: de Gruyter 2000, S. 9‒30, hier: S. 12. 99 Vgl. Christian Stetter: System und Performanz – [a.a.O.] S. 73ff. 100 FFF, S. 50.
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So ist mit der Suche nach einem philosophischen Verständnis des Medienbegriffs ein weites Feld von bisweilen perspektivisch recht verzerrten, weil lediglich auf bestimmte Interessen beschränktes, Feld von Bestimmungen eröffnet, sodass ich mich im Rahmen dieses Exkurses auf ein hinreichendes Minimum der gegenwärtigen Diskussion beschränken möchte, um den in unserem Zusammenhang gesuchten Medienbegriff hinreichend deutlich machen zu können. Jedes Verhältnis zwischen Symbol und Erfüllungsgegenstand ist nach Martin Seel zunächst einmal ein medial vermitteltes.101 Damit liefert Seel die sicher weiteste Definition des gegenwärtigen Medienbegriffs: Medien werden begriffen als „ein Spektrum von Differenzen, denen im Wahrnehmen und Handeln eine bestimmte Gestalt zugewiesen werden kann“102. Wenn immer etwas zu einem bestimmten Zweck ausgedrückt oder dargestellt werden soll, muss in einem Medium und gemäß der von demselben vorgegebenen Bedingungen operiert werden. In diesem Sinne stimmt Seel Niklas Luhmann zu, der Medien als lose gekoppelte Elemente versteht, die zur festen Kopplung bestimmter Formen gerinnen können.103 Ausdrücklich unterscheidet Luhmann wiederum zwischen Medium und Form: Medien sind Fälle lose gekoppelter Elemente mit einer Vielzahl möglicher Verbindungen, Formen die in einem Medium durch feste Kopplung gewonnene Elemente. Nach Seel wie Luhmann bietet das Medium also Strukturierungsmöglichkeiten an und macht diese Strukturierung in Formen greifbar: „Medien eröffnen jeweils ein Spektrum von Differenzen, denen im Wahrnehmen, Erkennen und Handeln eine bestimmte Gestalt zugewiesen werden kann“104. Seel weist aber auch darauf hin, dass – je nach Perspektive – alle Elemente des Mediums auch Form sein können. Damit sind grundsätzlich zwei wesentliche Blickrichtungen des hier zu formulierenden Medienverständnisses angerissen: Zum einen sind Medien eine Grundlage für das Erkennen, weil sie die genannten Differenzierungsmöglichkeiten anbieten; zum anderen sind Medien Bedingung für das Manifestieren dieser Differenzen in bestimmten Gestalten bzw. Formen. Nur in einem bestimmten Medium ist also Generierung dieser Formen möglich, denn das Medium liefert jeweils die Möglichkeiten. Aus die|| 101 Vgl. Martin Seel: Medien der Realität und Realität der Medien – In: Sybille Krämer (Hrsg.): Medien, Computer, Realität. Wirklichkeitsvorstellungen und neue Medien – 2. Auflage, Frankfurt/M.: Suhrkamp (stw 1379) 2000, S. 244‒268. hier: S. 244. 102 Martin Seel: Medien der Realität und Realität der Medien – [a.a.O.] S. 244. 103 Vgl. Niklas Luhmann: Die Kunst der Gesellschaft – 1. Auflage. Frankfurt/M.: Suhrkamp (stw 1303) 1997. S. 168. 104 Vgl. Martin Seel: Medien der Realität und Realität der Medien – [a.a.O.] S. 244.
Bemerkungen zum Medienbegriff | 109
sem Grunde können beispielsweise im Medium der Sprache kaum – oder zumindest nur in Ausnahmefällen – neue Etiketten, aus dem Nichts heraus, erfunden werden, sondern sie sind immer an die Vorgaben des im Gebrauch befindlichen Systems gebunden.105 Die Möglichkeit der Neuerfindung ist im Medium nicht als Verfahren für solche Dinge angelegt – anders etwa in der darstellenden Kunst, wo gerade um diese ,neuen‘ Artikulationsformen geht. In der Sprache geht es vielmehr um die Kombination von bereits verankerten106 Elementen. Versionen werden, so würde Goodman sagen, eben immer nur aus anderen Versionen erzeugt. Für jede Aussage – auch für jede metaphorische – gibt es mit anderen Worten bestimmte Voraussetzungen. Mit dieser Tatsache ist gleichsam auf die „Relativität“107 der Gestalten zum Medium hingewiesen: Jede im medialen Kontext zu verwendende Gestalt ist – ebenso wie deren Bedeutung – immer nur relativ zu anderen Gestalten qua Differenz festgelegt. Auch auf der Seite der ‚Weltwirklichkeit‘ ist das zu Erkennende dadurch relativ zu allem anderen bestimmt. Dieses Verhältnis bezeichnet Seel als durch ein Medium zugängliche Gegebenheiten.108 Dementsprechend besteht die (unstrukturierte) Realität, die es ja zu erkennen gilt, für Seel bekanntlich aus nichts anderem als möglichen Gelegenheiten zu einem – wie auch immer gearteten – Gegebensein. Medien sind demnach „Domänen des Wahrnehmens, Erkennens und Handelns“109. Jede Mediendiskussion muss also im weitesten Sinne mögliche oder gebräuchliche Formen erfassen. An ihre Grenzen stößt diese Definition einzig noch an der Welt selbst – dem, was wir ‚Realität‘ nennen. Diese kann, muss aber nicht medial strukturiert sein – wohl aber als Bedingung der Möglichkeit für Bezugnahme als Punkt außerhalb jedes medialen Systems angenommen werden. Ohne die Welt bzw. eine Menge an akzeptierten Aussagen über ,die Welt‘ hätten wir nichts, an dem wir uns orientieren könnten. In diesem Sinne begleitet ,die Welt‘ uns als Symbolisierende also im Sinne des von Niklas Luhmann beschriebenen „unmarked space“110, den wir qua Medium mehr oder weniger klar und eindeutig in Formen strukturieren. Die ,Welt‘ selbst bleibt dabei immer invariant:111 „Die Welt […] ist
|| 105 Gerade deswegen spielen Metaphern, Metaphernbildungen und ähnliche Operationen eine so zentrale Rolle. 106 Vgl. Kap. IV. 107 Martin Seel: Medien der Realität und Realität der Medien – [a.a.O.] S. 247. 108 Vgl. ebd. S. 244ff. 109 Ebd. S. 250. 110 Niklas Luhmann: Die Kunst der Gesellschaft – [a.a.O.] S. 491. 111 Vgl. ebd. S. 28.
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alles, wovon der Fall sein könnte.“112 In diesem Fall wird ,unsere‘ Welt durch das Medium beeinflusst. Dieses ist eine sicher stark verkürzte Formel des (moderaten) Konstruktivismus‘ – für unseren Zusammenhang soll sie aber hinreichen. Innerhalb der abschließend ausgestellten Hierarchie unterscheidet Seel Medien natürliche und nichtnatürliche Medien, Wahrnehmungs- und Handlungsmedien, Darstellungsmedien, exklusive und inklusive Medien. In diesem Sinne sind die sogenannten Neuen Medien zwar eine „radikale Erweiterung des bisherigen Mediengebrauchs […], aber mehr auch nicht“113. Luhmann weist darauf hin, dass Form jedoch keineswegs gleichbedeutend mit Gestalt ist, sondern mit aller Deutlichkeit zur Differenz umgewertet werden muss. Das liegt daran, dass Wörter „als Medium […] und nicht im Hinblick auf einen eindeutig-denotativen Sinn“114 verwendet werden, sondern ihren Sinn nur als Selbstreferenz erhalten, „ermöglicht nur dadurch, daß die Form selbst durch eine Grenze markiert ist, die zwei Seiten trennt, also als Form eigentlich eine Grenze ist“115. Dadurch entsteht ein eigentümliches Problem, denn alles, was als Kommunikation festgelegt wird, wird gleichsam durch Kommunikation festgelegt. Die Worte werden „als Medium verwendet und nicht im Hinblick auf einen eindeutig-denotativen Sinn“116. Damit tritt bei Luhmann die Differenz als wesentliches Merkmal ins Zentrum der Überlegungen. Genau diese Grenzziehung ist die Überführung eines ,unmarked state‘ in den ‚marked state‘, wobei Medium und Form immer gleichzeitig realisiert werden. Das führt dazu, dass die Welt letztlich sogar vernachlässigt werden kann117 – nach Goodman haben wir es schließlich immer nur mit Weltversionen zu tun. Was also zur Untersuchung stehen muss, sind diese Grenzziehungen innerhalb eines Mediums. Es geht nicht mehr um die Wahrnehmung ,an sich‘, sondern um die ‚Beobachtung des Beobachtens‘. In einem Medium entsteht also eine Form, die durch feste Kopplungen der Elemente gewonnen werden. Das hat zur Folge, dass Medium und Form stets gleichzeitig
|| 112 Vgl. Martin Seel: Medien der Realität und Realität der Medien – [a.a.O.] S. 251; vgl. Ludwig Wittgenstein: Tractatus logico-philosophicus – 11. Auflage, Edition Suhrkamp 12, Frankfurt/M.: Suhrkamp 1960, S. 11: Hier heißt es allerdings: „Die Welt ist alles, was der Fall ist.“ und „Die Welt ist die Gesamtheit der Tatsachen, nicht der Dinge.“ Seel erklärt in einer Fußnote, dass er damit die Hoffnung aufgibt, eine „vollständige Beschreibung oder Erfassung des Wirklichen“ jemals ins Werk zu setzen. Insofern schwächt er Wittgensteins (frühen) Ansatz hier ab. 113 Ebd. S. 261. 114 Niklas Luhmann: Die Kunst der Gesellschaft – [a.a.O.] S. 46. 115 Ebd. S. 50. 116 Ebd. S. 46. 117 Vgl. ebd. S. 96f.
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realisiert werden müssen: „Die Stabilität des Mediums beruht auf der Instabilität der Formen, die ein Verhältnis fester Kopplungen realisieren und wieder auflösen.“118 Sybille Krämer betont ihrerseits, dass Medien „nicht nur der Übermittlung von Botschaften dienen, [sondern] vielmehr am Gehalt der Botschaften – irgendwie – selbst beteiligt sein müssen“119. Auch ihre Frage lautet, wie dieses ‚irgendwie‘ zu interpretieren ist. Aus diesem Blickwinkel begreift Krämer Medien als „Fensterscheiben“120: Je klarer und durchsichtiger sie sind, desto besser, deutlicher und unverstellter ist – scheinbar – die Sicht auf die Bezugnahmeobjekte, und desto mehr tritt das Medium selbst zurück. Jedoch „bewahrt die Botschaft [stets] die Spur des Mediums“121. So lautet Krämers Formulierung. Ohne das Medium ist also das Mediatisierte nicht greifbar – das Medium bleibt stets notwendige Bedingung für die Art des Mediatisierens und hat unmittelbare Auswirkungen auf die ,Sagbarkeit‘ des Gesagten. Auf diese Weise bleibt die Spur des Mediums selbst in der eigentlichen Botschaft erhalten. „[I]n einem Medium [(im Gegensatz zu einem Mittel) ist] etwas eingetaucht und von ihm so durchdrungen, daß es außerhalb des Mediums überhaupt nicht zu existieren vermag“122. Diese Ansätze machen den Stellenwert und die Schwierigkeiten des Begriffs deutlich, klären ihn aber für unsere Zwecke nicht hinreichend. Ferner fassen sie – vor allem bei Seel und Luhmann – den Begriff für unsere Zwecke zu weit, denn hier wird fast alles zum Medium. Um die Extension des Begriffs einzuschränken, scheint es sinnvoll, den intensionalen Aspekt des Medienbegriffs zunächst von dem nur scheinbar verwandten Begriff des Mittels abzugrenzen. Das Medium zeigt sich schließlich als Zusammenspiel zweier Dimensionen: der Kompetenz auf der einen und dem Mittel auf der anderen Seite. Zunächst einmal scheint sich ein Medium gegenüber dem Mediatisierten doch ähnlich zu verhalten wie das Mittel zum Zweck, und dennoch gibt es einen kategorialen Unterschied. Auch das Mittel ist – zumindest in einer bestimmten phänomenologischen Lesart – nicht einfach ein Ding, sondern „eine Handlung, ein Verfah-
|| 118 Ebd. S. 209. 119 Krämer, Sybille: Das Medium als Spur und Apparat – [a.a.O.] S. 73. 120 Ebd. S. 74. In dieser Definition zeigt sich paradigmatisch auch die Fragestellung der vorliegenden Untersuchung: Bei „Fensterscheiben“ handelt es sich natürlich um eine Metapher, die hier ein Phänomen per analogiam treffen soll, für das es an sich keine Bezeichnung gibt. 121 Ebd. S. 81. 122 Ebd. S. 83.
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ren, in dem Dinge benutzt werden, um einen bestimmten Zweck zu erreichen“123. Ausschlaggebend für die Unterscheidung ist aber letztlich ein anderer Aspekt: die zeitliche Dimension.124 Ein Medium unterscheidet sich von einem Mittel dadurch, dass es mit dem Mediatisierten eine zeitliche Einheit, diese eine Performanz, bildet. Das Mittel geht hingegen seinem Zweck zeitlich immer voraus. Auch in logischer Hinsicht lässt sich der Unterschied zwischen Medium und Mittel also fassen: Während das Medium notwendige Bedingung für das Mediatisierte ist, muss ein Mittel zum Erreichen eines bestimmten Zwecks allein ausreichend sein. Ein bestimmtes Mittel ist nicht zwingend notwendig, um diesen oder jenen Zweck zu erreichen, denn unter Umständen hätte auch ein anderes Mittel oder Werkzeug zum selben Zweck eingesetzt werden können. Zudem ist das ,Beherrschen‘ eines Mediums immer abhängig von der Kompetenz dessen, der sich des Mediums bedient. In welchem Maß ist nun diese Dimension der Kompetenz im Spiel? In einer ersten Annäherung an den Begriff der Kompetenz ist diese als eine Summe von Fähigkeiten zu verstehen, etwas mit einer nach welchen Kriterien auch immer geeigneten Wahl der Mittel zu erreichen. Dabei gibt es jedoch keine Regel, keine Muster, von denen aus man qua Induktion auf den nächsten Schritt schließen könnte.125 Als Beispiel kann hier das Singen dienen: Nicht jede Verlautbarung von Tönen hat etwas mit dem zu tun, was wir unter das Etikett „singen“ ordnen würden. Diese Kunstfertigkeit liegt offenkundig in der Kompetenz, dem Talent des Singenden begründet: Man muss eben singen können, das heißt, Töne einer bestimmten Art und Weise von sich geben. Diese Kompetenz ist als Knowing-how im Sinne Gilbert Ryles126 zu verstehen. Dieses Knowing-how führt Ryle auf ‚intelligentes‘ Verhalten zurück. Den intellektuellen Aspekt bestimmt er wesentlich als Fähigkeit zum Theoretisieren.127 Dieses ist jedoch bei der Kompetenz keineswegs vorausgesetzt, sondern wäre auf der Seite des tatsächlichen, expliziten Wissens und damit des Knowing-that zu verorten. So wird im genannten Beispiel eben genau dann gesungen, wenn jemand kraft seines Könnens und seiner Begabung – und ohne darüber explizit nachzudenken – Laute einer gewissen Art und Weise von sich gibt – nicht, wenn jemand weiß, wie es theoretisch funktioniert. Die Art von Kompetenz, die also ein explizites Wissen (Knowing-that) voraussetzt, bevor sie || 123 Christian Stetter: System und Performanz – [a.a.O.] S. 67. 124 Vgl. ebd. S. 67ff. 125 Ebd. S. 69, vgl. Kap. IV.1. 126 Vgl. Gilbert Ryle: Der Begriff des Geistes – [a.a.O.] S. 28ff. 127 Vgl. ebd. S. 28.
Bemerkungen zum Medienbegriff | 113
zum Können werden kann, begreift Ryle als (künstliche) Disposition, sich unter bestimmten Umständen so oder so verhalten zu können, „ein Ding auf eine bestimmte Weise“128 zu tun. Dazu muss jede dafür formulierbare Regel intellektuell durchdrungen werden: Man muss wissen, wie es funktioniert. Das Medium ist – darauf kommt es an dieser Stelle an – als „Substrat des Gelingens“129 zwischen diesen beiden Grenzwerten anzusiedeln und letztlich bestimmbar als eine Performanz, als „das Sichvollziehen einer Operation über oder in einem materiellen Substrat […], über einem Apparat oder auch einem Konglomerat von Dingen, sodaß in diesem Vollzug etwas Wahrnehmbares von bestimmter Gestalt erzeugt wird.“130
Zusätzlich sollte der Medienbegriff noch auf solche Prozesse beschränkt werden, in denen Bedeutung oder Repräsentation eine Rolle spielen – anders gesagt auf symbolische Performanzen. Für jegliche Symbolisierung ist Bezugnahme notwendig. Wir betrachten ein Medium also folgend als eine „in Operation gesetzte Apparatur, sodaß durch die Operation etwas, nämlich eine Darstellung von bestimmter Gestalt hervorgebracht wird. Medien in diesem Sinne sind, verkürzt gesprochen, symbolisierende Performanzen, genauer gesagt: das, was an der performance reiner Vollzug ist.“131
Mit dieser Definition hat Christian Stetter eine tragfähige Definition des Medienbegriffs geliefert, die auch im hier zu entwickelnden Zusammenhang zentral ist – zentral ist dabei der Blick auf die materielle Seite der Medien. Hier wird zunächst die Unterscheidung zwischen ephemeren und persistenten Darstellungsmodi fruchtbar: Es gibt eine mediale Praxis, in der beispielsweise auch Texte oder Bilder produziert werden, und diese Resultate des eigentlich medialen Schaffensprozesses überdauern den Zeitraum ihres Schaffens.132 Sie sind also persistente Darstellungsmodi – und deren Resultate, nämlich Texte, sind Grundlage der Philosophie. Anders verhält es sich bei ephemeren Darstellungsweisen: Sie existieren nur im Moment ihrer Äußerung, ihres eigentlichen Vollzuges, und überdauern diesen aus eigenen Kräften nicht. Diese Arten der
|| 128 Ebd. S. 59. 129 Christian Stetter: System und Performanz – [a.a.O.] S. 68. 130 Ebd. S. 69. 131 Ebd. S. 74. 132 Dennoch funktionieren Texte ja nur, so sie gelesen, also wieder in eine Performanz eingebettet werden. Also bilden Texte zwar einen Sonder-, aber keinen Ausnahmefall zu unserer genannten Definition.
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Darstellung hinterlassen also keine den Vollzug überdauernden materiellen Gegenstände.
II.5 Sprachwissenschaftlicher Exkurs: Mündliche und schriftliche Metaphern Diese Unterscheidung ist zwar mit der in dieser Arbeit diskutierten Problemstellung verknüpft, hat aber eher sprachwissenschaftliche denn sprachphilosophische Konsequenzen. Daher folgen an dieser Stelle lediglich einige Bemerkungen in Form eines Exkurses. Jedwede Regelung des Gebrauchs ist im Mündlichen weder syntaktisch noch semantisch derart ‚kodifiziert‘ wie im durch und durch technischen Verfahren des schriftlichen Sprachgebrauchs. Das liegt, wie gesehen, an den medialen Eigenschaften der mündlichen Sprache: Jede Äußerung existiert ihrer Natur nach nur für den Moment ihres Vollzuges. Insofern kann die mündliche Sprache nicht als Gegenstand begriffen werden, der einer Untersuchung ohne Weiteres zugänglich wäre. In diesem Zusammenhang ist das Orale immer als eine Summe individueller Körpervollzüge zu interpretieren, die wiederum als Sprechakte im Sinne Austins – also als eine bestimmte Form des Handelns – zu begreifen sind. Lediglich Einheiten, die für den Sprecher/Hörer in einer Sprachgemeinschaft mit einer Bedeutung verbunden sind, werden als mehr oder weniger ‚typisierbare‘ Lautphänomene wahrgenommen. Das ist nur deswegen möglich, weil das Wort als artikulierter, durch den Akzent zusammengehaltener Laut mit einer Bedeutung verbunden,133 also auf ein Bezugnahmegebiet angewendet wird. Es stellt sich an dieser Stelle also die Frage, was genau mit dem Prädikat „Wort“ bezeichnet wird und was ein „Satz“ genau ist, denn erst daran wird sich die Frage nach Metaphernbildung anschließen können. Zunächst ist anzumerken, dass der Vorrat an Wörtern gerade nicht als Menge eindeutiger Inskriptionen eines bestimmten Typs behandelt wird, sondern dass sich die Typen erst als ,Resultat‘ von Invisible-hand-Prozessen a fortiori herausbilden. Oralsprachliche Wörter haben also eine bemerkenswerte Interimsstellung zwischen einer typisierbaren, also verstehbaren, Inskription auf der einen und einem dennoch stets individuellen Körpervollzug auf der anderen Seite – den Wörtern haftet immer eine subjektive Wahl an. Sie sind niemals bloße Zeichen:134 „Es ist daher eine der wichtigsten Eigenschaften des Wortes,
|| 133 Vgl. Wilhelm von Humboldt: Grundzüge des allgemeinen Sprachtypus – [a.a.O.] S. 410. 134 Vgl. ebd. S. 428.
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gerade das und nicht mehr in der Vorstellung anzuregen, als der Gebrauch bedarf.“135 Grundsätzlich hat die Anwendung des Symbolsystems Sprache nach Goodman zumindest in ihrer semantischen Dimension mit Projektion auf der Basis einer kommunikativen Praxis, eines Handelns, und damit letztlich mit Gewohnheit zu tun. Jedes verständliche Sprechen ist zwar individueller Körpervollzug, setzt aber gleichzeitig eine (implizite) Kenntnis des Systems und von dessen Funktionsweise voraus. Dieses sprachliche Können kann also lediglich in gelungenen Anwendungen paradigmatisch demonstriert werden. Es handelt sich nicht um Wissen, welches einen propositionalen Charakter hätte, also nicht um ein Knowing-that im Sinne Ryles. Hier kommt vielmehr die Dimension des sprachlichen Knowing-how ins Spiel, und diese ist offensichtlich für die buchstäblichen Zuordnungen eines Etiketts zu einem Erfüllungsgegenstand in einer bestimmten Sphäre wie auch für alle Übertragungen verantwortlich. Ob die Bedeutung des Wortes nun im buchstäblichen oder übertragenen Sinn ins Werk gesetzt ist, spielt zumindest für diese ästhetische Funktion keine Rolle. Es muss daher von Fall zu Fall entschieden werden, ob es sich bei der Anwendung eines Etiketts um eine buchstäbliche oder metaphorische handelt. Mit anderen Worten ist spätestens an dieser Stelle eine sprechakttheoretische Analyse vorzunehmen, in der die rhetorische Dimension von figurativen Verwendungsweisen von Etiketten ins Zentrum treten muss. Ungleich griffiger wird die Problemstellung in der Schriftsprache:136 Hier werden Texte produziert und rezipiert – Texturen geschrieben, gelesen und lesend (zu Texten) interpretiert –, die aufgrund ihres medial persistenten Charakters als ein stets gleicher Gegenstand einer genaueren Untersuchung zugänglich gemacht werden können. Texturen sind in diesem Sinne eine nach bestimmten Regeln technisch vergegenständlichte Sprache. Was sich verändert, ist die jeweilige Interpretation. Diese hat nun eine ganz andere materielle und mediale Grundlage: Es ist nur in der geschriebenen Sprache möglich, Textstellen noch einmal genauer anzuschauen, in einer Textur vor oder zurück zu blättern und die einzelnen Sätze und Worte, die jeweils durch Leerräume voneinander getrennt sind, neu zu interpretieren. Das funktioniert in der || 135 Ebd. S. 431. 136 Der Übersichtlichkeit halber gehe ich von Texturen in Alphabetschrift aus. Unter „Textur“ ist dasjenige zu verstehen, „was geschrieben ist und gelesen wird“ (Christian Stetter: Schrift und Sprache – [a.a.O.] S. 294). Hingegen ist der „Text […] dasjenige, was geschrieben und verstanden wird“ (ebd. S. 294). Der Text wird also zur Textur, die Textur zum Text: „Textur ist Text im Modus des Präteritums, ein Modus, den – wie wir gesehen hatten – die orale Kommunikation nicht kennt.“ (ebd. S. 294)
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Mündlichkeit aufgrund ihrer medialen Eigenschaften nicht – zumindest nicht in gleicher Weise. Für ein derartiges Vorgehen sind technische Mittel nötig, und nur in der Schriftlichkeit kann einem Text die entsprechende Textur zugrunde gelegt werden. Diese Textur kann jederzeit eindeutig gelesen und in kleinere, subsemantische Einheiten zerlegt werden. Einen anderen Zweck hat sie nicht. Um dies sicherzustellen, zeichnet sich die Schriftsprache – vor allem in ihrer maschinellen bzw. computergestützten Erscheinungsform137 – durch, symboltheoretisch gesprochen, digitalisierte Schemata aus: Jedes geschriebene Element, jede Marke, muss auf der Basis eines digitalen Artikulationsschemas als Inskription eines Typs zu interpretieren sein. Das gilt nicht nur für ein geschriebenes Wort oder eine geschriebene Passage, sondern auch für jeden einzelnen Buchstaben. Aus diesem Grund steht die geschriebene Sprache als Textur letztlich dem Notationalen ein gutes Stück näher als die gesprochene. Sie ist Resultat eines technischen Verfahrens. Als eine Konsequenz dessen lassen sich Sprachgebräuche an einer bestimmten materiellen Gestalt leichter festmachen und in buchstäbliche und figurative einteilen.138 Wie also würde dementsprechend unser Umgang mit schriftlichen Metaphern auszusehen haben? Die Textur liegt zur Untersuchung tatsächlich als Gegenstand vor. Im persistenten Medium der Schrift bleibt die Sprache in der Textur unverändert gegenwärtig, tritt als Gegenstand in einer technisch erzeugten Form im Bedarfsfall immer wieder neu – und in unveränderter Weise – vor Augen: Ein Buch kann man immer wieder zur Hand nehmen, und es hat sich in seinen wesentlichen Merkmalen, seinem Inhalt, nicht verändert. Was sich jedoch verändert, ist neben dem Zustand des Papiers, des Einbands usw. wesentlich die eigene Interpretation. Diese logisch-semantische Interpretation einer Textur (das ,lesende Erzeugen‘ eines Textes) bildet die Grundlage für das Verstehen und damit Bedingung der Möglichkeit von Erkenntnis. Um das alles sicherstellen zu können, ist der Gebrauch der einzelnen Zeichen in der Schriftlichkeit im Sinne eines mehr oder minder fixen, orthographischen Regelapparats organisiert.139 Abweichungen von der allgemein akzeptier-
|| 137 Aus diesem Grunde haben handschriftlich verfasste Texte noch eher den Charakter eines individuellen Vollzuges. Daher sind sie mitunter schwerer zu ,entziffern‘ als gedruckte und damit normierte Texturen. 138 Vgl. Paul Ricœur: Die lebendige Metapher – [a.a.O.] S. 268ff. 139 Dennoch ist es ein Irrglaube, dass sich die Orthographie in diesem strengen Sinne regeln ließe. Jede orthographische Norm hat durchaus ihre Eigendynamik. Bestimmte Schreibungen setzen sich durch, andere nicht. Das hängt mit dem Gebrauch der Zeichen und teilweise auch mit dem Geschmack des Schreibenden zusammen. Nur aus Gründen der Übersichtlichkeit sei die
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ten und kodifizierten syntaktischen Norm werden als (tatsächliche) Fehler gewertet und in bestimmten Zusammenhängen sogar sanktioniert, weil sie das Funktionieren des gesamten Systems in Frage stellen. Ein vergleichbares Regelwerk und eine entsprechende Standardisierung fehlen in der mündlichen Kommunikation vollständig. Erst in der Schriftlichkeit auf der Basis dieses durch und durch artifiziellen Verfahrens140 können geschriebene Wörter sogar bis unter die Bedeutungsebene in sublexikalische Elemente zerlegt werden. Im Grenzfall ist sogar eine Partiturlesart141 machbar. Ähnliches ist in der Mündlichkeit nicht möglich. Das alles können wir schließlich nur deshalb, weil in der Alphabetschrift ein überschaubares, eindeutiges und digitales Artikulationsschema – nämlich das Alphabet – zugrunde gelegt ist, gegen das sämtliche Inskriptionen zu prüfen und damit eindeutig typisierbar sind. Auf welche Weise können also in einem schriftsprachlichen Kontext Metaphern identifiziert werden? Diese Frage wird vermutlich grundsätzlich zunächst ähnlich wie im Bezug auf das Orale zu beantworten sein. Die Antwort ist vor der systemtheoretischen Folie auch zu fordern, wenn die Metapher konsequent in den Mittelpunkt der Sprache gestellt werden soll. Abgesehen von der logischen Interpretation besteht auch in der Schriftlichkeit keine Möglichkeit, anhand des im Gebrauch befindlichen Schemas (in diesem Fall also in Alphabetschrift geschriebener Wörter) zu sagen, dass diese an dieser und jener Stelle metaphorisch gebraucht werden. Das lässt sich dem geschriebenen Wort nicht ansehen.142 || oben genannte Vereinfachung an dieser Stelle erlaubt. Ein Beispiel mag hier die Eindeutschung von englischen Ausdrücken wie „recyceln“, „checken“ oder „E-Mail“ sein, bei denen sich eine Schreibung und die grammatische Flexion erst nach und nach zu etablieren beginnen. 140 Hierzu reicht ein Blick in die Entwicklungsgeschichte der Alphabetschrift (vgl. Florian Coulmas: Theorie der Schriftgeschichte – In: Hartmut Günther, Otto Ludwig (Hrsg.): Schrift und Schriftlichkeit (Writing and its use). Ein interdisziplinäres Handbuch internationaler Forschung – Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft, Bd. 10, 1. Halbband, Berlin/New York: de Gruyter 1994, S. 257‒264). 141 Partiturlesart ist hier so zu verstehen, dass ein Wort tatsächlich Buchstabe für Buchstabe ,erlesen‘ wird, ohne dass die Bedeutung dabei sofort verstanden werden muss. Dieses Phänomen ist beispielsweise zu beobachten, wenn Kinder in der Grundschule ihre ersten Texte lesen sollen: Sie setzen sie Buchstabe für Buchstabe zusammen. Das genau tut ein routinierter Leser hingegen nicht. Er erfasst mindestens das geschriebene Wort sofort als semantische Einheit. Das zeigt, dass er den Umgang mit dem System gelernt hat. Ein ähnliches Phänomen ist lediglich bei Fremdwörtern oder solchen Wörtern zu beobachten, die nicht zum alltäglichen Sprachgebrauch des Lesers zählen (vgl. Christian Stetter: System und Performanz – [a.a.O.] S. 85ff.). 142 Dem gesprochenen Wort lässt sich dieses theoretisch schon eher ,anhören‘, denn hier sind durchaus Hilfsmittel zur Hand, mit denen diese metaphorische Verwendung deutlich gemacht
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Das Geschriebene hat den nun aber neben der reinen Lokution unter anderem eben auch den Sinn, qua Symbolgestalt (symbol scheme) die Bezugnahme auf ein koexistentes Wort der oralen Sprache derart eindeutig darzustellen, dass es für unsere literale Praxis hinreicht. Dennoch müssen Bezugnahmen auch hier – actualiter – hergestellt werden. Diese zeigen sich aber nun in erweiterter Hinsicht: Zum einen müssen Bezugnahmen zur oralen Sprache hergestellt werden; zum anderen müssen den Etiketten Erfüllungsgegenstände zugeordnet werden. Und spätestens an dieser Stelle befindet sich der gesamte Prozess der Symbolisierung im Bereich des Analogen, denn die Erfüllungsgegenstände (ob buchstäblich oder metaphorisch) sind keineswegs diskontinuierlich, sondern dicht geordnet. Dieser Prozess der Interpretation eines schriftlichen Textes ist also nicht mehr wie in der Mündlichkeit nur als reine Gleichzeitigkeit, als ein Adhoc-Verstehen, zu begreifen, sondern als Interpretation eines gegenständlich Vorliegenden, die deswegen Vor- und Rückschritte machen kann, die in der Oralität ausgeschlossen sind. Das beeinflusst die sprachwissenschaftliche Überlegungen in Richtung Metaphernproblematik und deren erkenntnistheoretischer Situation: In diesem Sinne ist zwar jede Überlegung zur Metapher von Interpretation abhängig, aber allein in der Schriftlichkeit kann zumindest die symbolgestaltliche Seite eines Text qua Textur als dauerhaft und in gewissem Sinne unveränderbar vorliegender Gegenstand begriffen werden. Das legt nun insgesamt die Vermutung nahe, dass letztlich die Schrift selbst auch den Weg zur ,gegenständlichen‘ Seite von Metaphern eröffnet – ähnlich, wie sie einen Weg zur diesem Aspekt der Sprache selbst eröffnet: Sie erschafft ein Bild, einen Gegenstand, den wir ,geschriebene Sprache‘ zu benennen gewohnt sind. Jegliche Interpretation kann zunächst nur vor der Folie des buchstäblichen Gebrauchs (der Heimatsphäre) stattfinden. Dafür müssen im schriftlichen Gebrauch zum einen die Elemente identifiziert (sprich, gelesen) und zum anderen deren buchstäblichen Gebrauch vorausgesetzt werden können. Die Schrift muss dafür keineswegs wie eine Partitur die Identität eines Wortes sicherstellen, sondern es lediglich so repräsentieren, dass es eindeutig zu lesen ist.143 Erst dadurch erhalten wir überhaupt einen – wenn auch künstlichen – eindeutigen Begriff grammatischer Kategorien wie „Wort“ oder „Satz“, für die wir deswegen || werden kann. So können wir eine besondere Betonung eines Wortes wählen, es langsamer oder deutlicher aussprechen, Gesten machen usf. Ähnliches ist im Schriftgebrauch nur bedingt mit typographischen Mitteln möglich. 143 Offenkundig erhalten wir durch ein geschriebenes Wort auch die Identität desselben. Insofern könnten wir auch hier eher von einer Mischform zwischen Partitur und schriftlichem Verfahren sprechen, was wir bereits an früheren Stellen getan haben.
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Beispiele angeben können. Damit ist eine wesentliche Grundlage der Linguistik – und auch der gegenwärtigen Philosophie – in der Schrift verortet.144 Der Leser muss sie allerdings nicht nur lesen, sondern nach wie vor auch verstehen und interpretieren, mit anderen Worten Bezugnahmen herstellen, und zu diesem Herstellen von Bezugnahmen ist der Kontext und mitunter einiges mehr notwendig, um herausfinden zu können, wovon gerade die Rede und was gemeint ist:145 Man versteht einen Text bekanntlich nicht, wenn die Zeichen, aus denen sich die entsprechende Textur zusammensetzt, im Sinne einer Partiturlesart entziffert werden, sondern erst dann, wenn diese zusammengesetzten Zeichen als Wörter und Sätze mit einem Sinn erfasst und sie somit in einen logischen Zusammenhang gebracht werden können. Nur das schriftliche Verfahren ist eine der Grundlagen, die standardisierbare Kategorien und damit so etwas wie alltagssprachliche Normalität146 in einer literalen Kultur ermöglicht. Auf diese Weise entsteht das, was wir mit dem Prädikat „Schriftsprache“ bezeichnen. Besonders vor dem Hintergrund dieser schriftsprachlichen Normalität lassen sich Metaphern materialiter klarer identifizieren/fixieren, indem sie diese buchstäblichen Bezugnahmegebiete, die wir ,aufzumachen‘ gelernt haben, verändern. Das alles zeichnet die Alphabetschrift in vielfacher Hinsicht aus: Sie ist ein Verfahren, mit dessen Hilfe wir uns überhaupt einen – manchmal auch irreführenden – Begriff von Sprache machen, aus ihr einen Untersuchungsgegenstand machen und so erst jede sprachliche Äußerung aus der situativen Bindung des Körpervollzuges herauslösen können. Damit erreichen wir einen schriftsprachlichen Standard, den es in einer vergleichbaren Weise für den oralen Sprachgebrauch nicht geben kann, der aber gleichsam auf die orale Sprache zurückwirkt. Nur in der Schrift ist der Grenzfall einer Partiturlesart denkbar.147
|| 144 Vgl. Christian Stetter: Linguistische Ästhetik. Zum logischen und mimetischen Gebrauch der Schrift – In: Vittorio Borso u.a. (Hrsg.): Schrift-Gedächtnis-Schriftkulturen – Stuttgart/Weimar: Metzler 2002. S. 219‒237, hier: S. 219. 145 Vgl. Gottlob Frege: Über Sinn und Bedeutung – [a.a.O.] S. 42. Die Bedeutung ergibt sich also immer erst im Kontext der Rede oder hier des Textes. Erst an dieser Stelle kommt die Semantik ins Spiel. Bislang befanden wir uns lediglich auf einer semiotischen Ebene. Der nächste Schritt würde dann auf eine hermeneutische Ebene gehen, die ihren Blick immer mehr auf größere Einheiten lenkt. vgl. Paul Ricœur: Die lebendige Metapher – [a.a.O.] S. 210ff. 146 Christian Stetter: Schrift und Sprache – [a.a.O.] S. 379. 147 Selbst wenn wir ein Wort buchstabieren, tun wir dieses auf der Basis seiner Schreibung in der Alphabetschrift und eben nicht auf der Basis seiner Aussprache.
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Diese Überlegungen legen den Schluss nahe, dass eine Unterscheidung zwischen mündlichen und schriftlichen Metaphern bzw. figurativen Anwendungen von Etiketten grundsätzlich einen Sinn hat, aber keineswegs trennscharf sein kann: Es geht zwar immer um das Faktum der Bezugnahme, der grundlegende Unterschied besteht aber darin, dass die schriftlich fixierte Textur aufgrund der medialen Eigenschaften stets gegenwärtig bleibt und sich nicht wie eine mündliche Äußerung im Moment ihres Vollzuges ,verflüchtigt‘. Das eröffnet für die Interpretation und damit auch für die Suche nach Metaphern einen ganz neuen Rahmen. Die Metapher muss nicht mehr ad hoc verstanden werden, sondern man kann sich sozusagen gezielt auf die Suche nach ihr begeben und dabei eine Stelle wieder und wieder lesen. Im Kontext der bislang angestellten Überlegungen zum systematischen Stellenwert von Metaphern in einer allgemeinen Symboltheorie zeigt das Ergebnis des vorangegangenen Kapitels, dass es sich bei Metapher auch in dieser Hinsicht um ein ganz besonderes sprachliches Verfahren an der Berührungsstelle zwischen repräsentationalen und notationalen Systemen handelt. Nachdem die systematische Dimension der Problemstellung und deren Auswirkungen erarbeitet wurden, bleibt zu überlegen, welche Implikationen sich der vorgetragenen These von der zentralen Stellung der Metapher innerhalb einer allgemeinen Symboltheorie für weitere Bereiche der Sprachphilosophie und Erkenntnistheorie ergeben: Welche Implikationen haben diese Ergebnisse beispielsweise auf den Begriff der Sprachkompetenz oder der Kreativität im Umgang mit der Sprache? Welche Rolle hat die Sprachkompetenz auf die Erkenntnis? Wie kreativ darf Erkenntnis sein? Welche Rolle wird in diesem Zusammenhang die Metaphernbildung spielen? Wenn diesem sprachlichen Verfahren symbolsystematisch eine zentrale Bedeutung beigemessen werden, müssen sich Implikationen in dieser Hinsicht ergeben. Diesen Fragen werden sich die folgenden beiden Kapitel zuwenden. Deren Ziel ist es, wenn nicht eindeutige und unumstößliche Lösungen, so doch zumindest geisteswissenschaftliche Perspektiven für einen Lösungsansatz darzulegen.
III Metaphern, Kompetenz und Kreativität III.1 Metaphernkompetenz als Kompetenz zwischen formalen und pikturalen Darstellungen Metaphernkompetenz zwischen formalen und pikturalen Darstellungen Mit Goodman ist die Metapher wesentlich als ein Verfahren im Kontext des Umgangs mit sprachlichen Symbolsystemen, dem Skript, verortet. Zudem wurde ein tragfähiger Medienbegriff ergänzt, auf dem die nachfolgenden Überlegungen aufruhen können. Für die Definition eines Kompetenzbegriffs im Umgang mit sprachlichen Systemen – insbesondere im Bezug auf das als zentral bestimmte Verfahren der Metaphernbildung – sind nun entsprechend die Grundlagen zu suchen. Um diesen Kompetenzbegriff herzuleiten, kann wie im Vorangegangenen der Blick auf den pikturalen und anschließend auf den notationalen Pol von Symbolisierung weiterhelfen. Zunächst ist mit Catherine Elgin festzuhalten, dass es für den ,kompetenten‘ Umgang mit pikturalen Darstellungen per definitionem keine Regeln1 gibt: „Das Modell der Linguisten [für die Sprachkompetenz, meine Ergänzung] läßt sich ersichtlich nicht auf das Bildverständnis ausdehnen. Lexika und Grammatiken sind nur für Systeme möglich, deren Symbole festgelegt und unterscheidbar sind. Denn Lexika und Grammatiken bestehen aus Verallgemeinerungen, die auf Symbole zutreffen, weil sie Verwendungsfälle spezifischer syntaktischer Zeichentypen sind.“2
Für pikturale Darstellungen steht wie gesehen kein Repertoire von disjunkten Typen als Artikulationsschema zur Verfügung, gegen das die Bilder als Inskriptionen zu prüfen wären. Bilder haben in diesem Sinn keine Syntax: Kein Bild und kein Element desselben gehören als Inskription zu einem bestimmten, eindeutigen Charakter. Schema und Inskription fallen hier – in diesem einen Element (der ,Klasse‘) – zusammen.3 Also kann die Kompetenz im Umgang mit derartigen Kunstwerken bzw. Darstellungen nicht von der Zuordnung von Inskriptionen zu syntaktischen Typen und schon gar nicht von einer eindeutigen Interpretation im Sinne einer routinemäßigen Projektion, das heißt dem routinemäßigen Zuordnen von Erfüllungsgegenständen eines Schemas,4 abhängig || 1 Zum Begriff der Regel vgl. Ludwig Wittgenstein: Philosophische Untersuchungen – [a.a.O.] S. 287ff./§ 83ff. 2 RE, S. 148. 3 Damit gerät auch der Begriff des Schemas selbst hier an seine Grenze. 4 Auf den Begriff der routinemäßigen Projektion ist noch zurückzukommen (vgl. Kap. IV.1).
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sein. Mit anderen Worten ist die Wahl der Darstellungsmittel mehr oder weniger frei. Bilder gehören „zu Systemen, die syntaktisch dicht sind“5: Jede Eigenschaft der das Bild konstituierenden Elemente kann also (potentiell) symbolisch wirken. Bilder können daher nicht ‚gelesen‘ werden wie ein Text. Jedes bedeutsame Kunstwerk ‚verstört‘ den Rezipienten vielmehr immer wieder neu – und das ganz bewusst. Wenn die Möglichkeit dieser eindeutigen Lesart also nicht gegeben ist, muss die Frage gestellt werden, worin sich dann die Kompetenz festmachen lässt, Bilder zu ‚verstehen‘ und nachzuvollziehen, was und auf welche Weise solche Kunstwerke etwas repräsentieren.6 Mögliche Ähnlichkeiten zu erkennen, kann, wie gesehen, nicht Kerngeschäft der Kompetenz sein, mit pikturalen Darstellungen umgehen und sie interpretieren zu können. Diese Ähnlichkeiten gibt es, wie Goodman gezeigt hat, nicht. Bei jedem Kunstwerk muss die Bildsprache mit anderen Worten neu erschaffen werden: „Unser Wissen ist keine angeborene Begabung, sondern eine komplexe Konstellation erworbener Fähigkeiten.“7 Wenn Bilder auf derart viele Weisen etwas repräsentieren – also syntaktisch dicht und semantisch voll sind –, dass die genauere Bestimmung schwerfällt, dann sind um so mehr Fertigkeiten nötig, diese gebündelten und dichtgeordneten symbolisch funktionierenden Anteile antizipieren zu können. Die Frage, die es mit Blick auf den Kompetenzbegriff zu beantworten gilt, lautet also, worin diese Fertigkeiten bestehen. Bei bestimmten Kunstwerken fällt deren Interpretation nur aus dem Grund scheinbar leicht, weil der Umgang mit ihnen und eine mitunter ,kanonisierte‘ Interpretation vertraut ist. Man hat mit der Zeit auf der Basis von Erfahrung gelernt, mit bestimmten Bildern umzugehen und sie im Grenzfall tatsächlich als Allegorien oder Werke einer bestimmten Schule zu ‚lesen‘. Die Interpretation läuft in diesen Fällen – entsprechende Kenntnis der ,Bildsprache‘ und Routine vorausgesetzt – unbewusst und nahezu selbstverständlich ab. Das gilt beispielsweise für ,realistische‘ Gemälde,8 nach einer bestimmten Schule gemalte Darstellungen oder, ganz grundsätzlich, für perspektivische Malerei, die sich als eine ,Artikulationsform‘ etabliert hat – die jedoch per se alles andere als natürlich ist. Hiermit findet sich ein Beispiel, wie sich eine ,syntaktische‘ Schematisierung zu manifestieren beginnt, weil der Darstellung ein gewisses Maß an ,Typisierbarkeit‘ zugrunde gelegt werden kann. Damit ist diese Artikulations-
|| 5 RE, S. 148. 6 Vgl. RE, S. 149ff. oder SdK, S. 15ff. 7 RE, S. 153. 8 Vgl. SdK, S. 42ff.
Metaphernkompetenz zwischen formalen und pikturalen Darstellungen | 123
form aber keineswegs selbstverständlich, sondern immer vereinbart.9 Das Wissen um derartige Interpretationsregeln, die Kompetenz im Umgang mit ihnen, ist also ein Knowing-how, das in vielen Einzelfällen – welche die Grundlage für Kategorisierungen bilden – erworben wurde, welches sich ganz behutsam in Richtung Knowing-that zu verändern beginnt. Wenn diese Regelmäßigkeiten verletzt, Kategorisierungen und Schematisierungen bewusst durchbrochen werden, bildet diese Kompetenz – die Kenntnis eines sich zu verankern beginnenden Kategoriensystems – keine Grundlage mehr. Aber: Als Rezipient ist man nolens volens auf den Versuch angewiesen, die bekannten Kategorien zur Interpretation des Kunstwerkes heranzuziehen – andere Mittel stehen schlechterdings nicht zur Verfügung. Gerade die darstellende Kunst macht es ja immer wieder zu ihrer ureigensten Aufgabe, die Dinge auf eine – mitunter brachial – neue Art und Weise darzustellen, zum Vorschein zu bringen und dafür eine ganz eigene Sprache zu entwickeln. Sie durchbricht mit anderen Worten ganz bewusst Rezeptionsgewohnheiten. Darin besteht bisweilen sogar ihr Kerngeschäft. Wie sich also derartig ,widerspenstigen‘ pikturalen Darstellungen nähern? Eine der Möglichkeiten bietet offenkundig die Sprache: Der sprachliche Zugang zu derartigen Kunstwerken besteht darin, mit etablierten Schemata an das Werk herangehen zu müssen, da diese ja kommunizierbar sein müssen, und diese – figurativ – derart zu übertragen,10 dass sie für die durch das Kunstwerk gestellten Herausforderungen ,provisorisch‘ hinreichen. Ebenso grundlegend für die Interpretation eines pikturalen Kunstwerkes ist ferner nicht allein das, was es darstellt (Denotation), sondern das, was es ausdrückt (Exemplifikation). Spätestens in diesem Zusammenhang sind also auch sprachliche Metaphern gefordert, denn wie gesehen kann ein Bild nur ausdrücken, was es metaphorisch exemplifiziert. Mit Blick auf den notationalen Bereich von Symbolisierung ist offensichtlich auch der Kompetenzbegriff ganz anders zu definieren – nämlich wesentlich als Knowing-that im Sinne Ryles. Doch auch das Knowing-how des Umgangs mit solchen Systemen spielt weiterhin eine Rolle, die allerdings nunmehr der
|| 9 In ähnlicher, wenn auch wesentlich komplexerer Weise ist auch die Alphabetschrift eine Artikulationsform, denn auch sie geht zunächst mit einer Formatierung des zu beschreibenden Raumes einher. Ähnlich gibt es auch bei perspektivischer Malerei durchaus Regeln der Darstellung, die nur mit Absicht durchbrochen werden und deren Missachtung uns sofort ins Auge sticht, weil wir gelernt haben, solche Bilder auf eine gewisse Art und Weise zu lesen. 10 Ein weiterer Zugang besteht natürlich darin, ein Bild zu einem Bild zu malen. Damit bewegen wir uns aber immer noch im gleichen (analogen) Symbolsystem. Variationen spielen in diesem Zusammenhang eine wesentliche Rolle (vgl. RE, S. 93ff.).
124 | Metaphern, Kompetenz und Kreativität
Dimension des Knowing-that untergeordnet ist. Zur Erläuterung mag ein Blick auf den Umgang mit einer Musikpartitur als Charakter in einem Notationssystem11 hinreichen: Goodman geht mit der Einschränkung auf bestimmte Fälle der musikalischen Partitur – nämlich die ,klassischer‘ Werke – und der entsprechenden Klasse von Aufführungen nur von speziellen Gegebenheiten aus. Die Partitur eines Musikstückes hat wie gesehen vorrangig den Sinn, die Identität eines musikalischen Werks sicherzustellen. Die Frage ist also, was genau durch die Aufführung exemplifiziert wird, sodass die Aufführung damit eindeutig zur Klasse der das Werk exemplifizierenden Aufführungen gehört – umgekehrt betrachtet muss die Partitur die Aufführung eindeutig denotieren. Es muss sich hierbei also um Eigenschaften der Partitur handeln, für welche die betreffende Aufführung als Muster genommen werden kann. Denn die Noten, die in der Partitur geschrieben stehen, klingen für sich genommen natürlich nicht, sondern müssen ,in das Spiel‘ übersetzt werden. Dazu muss der Spieler zum einen die Noten in der Partitur lesen können – das muss tatsächlich durch ein Regelwerk erlernt werden. Zum anderen muss er die Noten aber auch durch sein Spiel in Töne übersetzen. Diese Fähigkeit lässt sich nicht mehr allein durch ein Regelwerk lernen. Das bedeutet, dass zum Beispiel die Reihenfolge der Töne als Muster für die Eigenschaft der Partitur genommen werden kann, bestimmte Noten in einer bestimmten Reihenfolge abzubilden. In diesem Sinne zeigt sich, dass die symbol schemes in zentralen Bereichen, hier der Abfolge der Noten, eindeutig erlesbar sein müssen, denn sonst kann diese zentrale, werkkonstituierende Funktion nicht sichergestellt werden. Deswegen ist das Schema (schema) nicht mit pikturalen Darstellungen und nur eingeschränkt mit sprachlichen Zeichen zu vergleichen. Nur aus diesem Grunde war es in der Rezeptionsgeschichte bei einer pikturalen Darstellung nötig, mit Hilfskategorien wie Ähnlichkeit und Realismus zu operieren. Niemand würde hingegen behaupten, dass eine Partitur eines Musikstückes dem Musikstück in irgendeiner Weise ,ähnlich‘ wäre, obwohl sie das Stück doch weit eindeutiger denotiert als ein Bild sein Sujet. Die Aufführung, die zum musikalischen ‚Kunstwerk‘ notwendig als Erfüllungsgegenstand hinzugehört, exemplifiziert die Partitur in wesentlichen Teilen. Um die dafür notwendige, eindeutige Beziehung zwischen Schema und Erfüllungsgegenstand herstellen zu können, müssen die Inskriptionen effektiv
|| 11 Vgl. SdK, S. 169ff. Das Gleiche gilt aber auch für jede formale Darstellungsweise wie beispielsweise eine Phrasenstrukturgrammatik (vgl. Hans-Jürgen Heringer: Deutsche Syntax – 2., völlig neubearbeitete Auflage, Berlin/New York: de Gruyter 1972, S. 34ff.) Nur am Ende (Lexikonregeln) müssen die disjunkten Klassen aufgelöst werden.
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differenziert, die Menge der Erfüllungsgegenstände also diskontinuierlich geordnet sein. Damit erst ist das System nach Goodman durchgängig notational: Diese Diskontinuität auf syntaktischer und semantischer Seite muss jedoch per Vorschrift geregelt, also künstlich hergestellt werden. In dem Sinne ist das Aufführen einer Partitur dann (auch) ein Regelbefolgen. Das dafür notwendige Regelwerk, das es nicht ohne Grund auch in schriftlich fixierter Form geben wird, muss nun derjenige, der eine Partitur lesen und eindeutig eine Aufführung als Erfüllungsgegenstand dieser Partitur identifizieren können will, qua Knowing-that kennen und anwenden können: Man muss eben Partituren nicht nur verstehen und lesen können, sondern ferner lernen, mit ihnen umzugehen, sie ins eigene Spiel zu übersetzen. Dafür muss eine Praxis ausgebildet werden, die nun mit dem reinen Notenlesen nichts mehr zu tun hat – ebenso wie man lernen muss, gesprochene Wörter zu verstehen und, erst recht, Texte zu lesen. Für all dieses müssen zunächst die Regeln, nach denen die Digitalität des Schemas (symbol scheme) und damit die eindeutige Lesbarkeit sicherzustellen ist, bekannt sein. Dabei ist ebenso festzuhalten, dass Töne und Akkorde selbstredend nicht immer diskontinuierlich geordnet sind. Aber auch das muss die Partitur, beispielsweise durch Haltebögen, Glissandi und Ähnliches, in irgendeiner Form ausweisen. Genau in diesen Bereichen setzt die individuelle Interpretation eines Werkes durch den ausführenden Musiker an, die aber die eindeutige Identifikation deswegen nicht in Gefahr bringt. Das Lesen einer Partitur erschließt sich in diesem nichttrivialen Sinne keineswegs von selbst, kann aber – ist die Tür erst einmal aufgeschlossen – selbst erworben werden. Ist das Regelwerk unbekannt, bleibt das System unzugänglich. Das unterscheidet die Kompetenz, mit analogen (pikturalen) Systemen auf der einen und digitalen (notationalen) Systemen auf der anderen umgehen zu können, zumindest für unseren Zweck hinreichend deutlich. Etwa in der Mitte zwischen diesen beiden Extremen wird nun die Sprachkompetenz zu bestimmen sein, denn hier müssen sich die beiden bislang genannten Aspekte auf eine besondere Weise verbinden, wenn die natürliche Sprache etwa in der Mitte zwischen pikturaler Darstellung und Notation steht. Das Sprechen einer Sprache ist ein linear und hierarchisch organisierter Schematisierungsprozess,12 in dem es darum geht, durch eine bestimmte Anordnung von schematisierbaren Einheiten, die als Muster zur Erzeugung von Symbolschemata verstanden werden können, Akte der Bezugnahme ins Werk zu setzen und zwar derart, dass die sprachliche Äußerung hinreichend deutlich zu ver-
|| 12 Vgl. Christian Stetter: Schrift und Sprache – [a.a.O.] S. 95ff.
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stehen sind. In der auf dem Alphabet basierenden, geschriebenen Sprache, die der Notation nähersteht als die gesprochene Sprache, geht es noch eindeutiger darum, hinreichend deutlich lesbare Texturen zu produzieren. Folglich wird die Sprachkompetenz insgesamt auch als eine Mischform von den beiden vorangehenden extremen Kompetenzbegriffe zu rekonstruieren sein, denn zumindest im Umgang mit der Alphabetschrift hat auch die Sprachkompetenz ja auch minimal digitale Züge – dann nämlich, wenn nicht im eigenen Wortschatz befindliche Wörter tatsächlich Buchstabe für Buchstabe ,erlesen‘ werden. Als Ausgangspunkt soll als Beispiel ein Skript betrachtet werden, der Übersichtlichkeit halber eine in Alphabetschrift geschriebene Textur: Das Schema (symbol scheme) selbst ist mehr oder weniger notational/digital, die Marken also als Inskriptionen disjunkten Charakteren – nämlich in der Alphabetschrift den entsprechenden Buchstabenklassen des digitalen Alphabets bzw. qua Wörterbuchschema geschriebenen Wörtern – eindeutig zuzuordnen. Die zusammengesetzten Artikulationsschemata (Wörterbücher usw.) regeln die syntaktische Seite des Schemas. Die semantischen Anforderungen für Notationalität sind hingegen nicht zwingend erfüllt: Die Erfüllungsklassen sind nicht in derselben Weise disjunkt oder differenziert wie die Charaktere und Inskriptionen des Schemas. Aber das Symbolschema ist doch immerhin noch so ‚eindeutig‘, dass zumindest klar ist, welches Wort, welcher Satz hier geschrieben steht – nur, der Sinn einer Aussage ist damit selten wirklich klar. Er muss erzeugt werden, indem das Schema auf Erfüllungsgegenstände angewendet wird. Was mit den Worten gemeint ist, wie die Textur also in einen Text zu verwandeln ist, ist damit im Sinne Wittgensteins keinesfalls eindeutig: „Wie soll ich wissen, was er meint, ich sehe ja nur seine Zeichen.“13 Das Gleiche gilt für den Sprecher, denn auch er hat nur seine Zeichen. Für die Verständigung bedarf es also in jedem Fall der individuellen Interpretation auf Basis routinemäßiger Projektion.14 Diese kann nicht im Sinne eines einfachen Decodierungsprozesses gedacht werden und in diesem Sinne nie genau und eindeutig sein. Theorien, die sich mit dem Sprachkompetenzbegriff auseinandersetzen, müssen sich nolens volens also auch – und, wie jetzt zu formulieren ist, gerade – mit der Tatsache beschäftigen, dass neben dem Verständnis buchstäblich verwendeter Symbole auch der figurative Gebrauch von Etiketten möglich ist und faktisch vorkommt. Letzterer ist in erster Näherung eine ‚Sache des Sprachgefühls‘, das jeder kompetente Sprecher einer Sprache hat. Dieser spielerische
|| 13 Ludwig Wittgenstein: Philosophische Untersuchungen – [a.a.O.] S. 434, § 504. 14 Vgl. Kap. IV.1.
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und forschende – kurzum kreative15 – Umgang mit den Elementen einer Sprache muss aber als ein wesentlicher Indikator für Sprachkompetenz gewertet werden: Der figurative Umgang ist die Suche nach einem Schema für einen Gegenstand oder Sachverhalt, das zwar ‚buchstäblich‘ existiert, aber bislang nicht auf das zu bezeichnende Bezugnahmegebiet angewendet wurde. Dies ist ausschließlich mit den Mitteln möglich, die das Sprachsystem zur Verfügung stellt und mit denen somit gleichzeitig die bislang hinreichenden Gebräuche überschritten werden. Mit anderen Worten manifestiert sich gerade an dieser Stelle der spielerische und somit besonders kompetente Umgang mit dem Symbolsystem. Hier ist nicht mehr allein eine routinemäßige Projektion zu leisten, sondern eine Übertragung. Und um diese Neusortierung nachvollziehbar zu machen, muss sich der Sprecher/Hörer mit den Mitteln der Sprache auskennen. Jede Metapher exemplifiziert nur eine Möglichkeit unter vielen und kann entweder gelingen, also etwas nachvollziehbar treffen, oder nicht. Keine figurative Bezugnahme ist, wie gesehen, schließlich regelgeleitet, sondern immer nur in gewissen Hinsichten und unter Umständen auch nur in bestimmten Zusammenhängen treffend. Auch die dazu nötige Kompetenz kann also kein angeborenes Können sein, sondern ist, hierin eben der Bildkompetenz vergleichbar, etwas, das in der Praxis des symbolischen Handelns allmählich zu erwerben ist. Aristoteles hatte, wie gesehen,16 gefordert, dass man die Ähnlichkeit sehen muss, um sie metaphorisch bezeichnen zu können. Darin besteht der Witz der Metapher. Das ist mit anderen Worten die ‚pikturale‘ Dimension des Symbolsystems Sprache, die den eindeutigen, ‚notationalen‘ Gebrauch von Etiketten aus systemtheoretischen Überlegungen notwendig gegenübersteht. Freilich ist dieser nur ein Sonderfall von Sprachgebräuchen, der in natürlichen Sprachen – wohl aber in technischen – so gut wie nicht existiert. Sprachliches Wissen schlägt sich primär in der Tatsache nieder, dass mit einem bestimmten Schema – ob dieses nun buchstäblich oder metaphorisch auf einen Erfüllungsgegenstand applizierbar ist – etwas angefangen, mit ihm umgegangen werden kann. Dazu muss es jeweils in Performanzhandlungen kontextuell eingebunden werden können. Metaphern gelten nun als ‚Schlüsse ins Ungewisse‘:
|| 15 Vgl. Kap. III.2. 16 Vgl. Kap. I.7.
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„Beim Erlernen eines Symbolsystems erwerben wir die Fähigkeit, bestimmte Werke als Symbole des Systems zu interpretieren, und die Fähigkeit, andere Dinge mit Hilfe der vom System bereitgestellten Kategorien zu interpretieren und neu zu interpretieren.“17
Durch den „Hauch der Unkontrolliertheit in der umorganisierenden Dynamik der Metapher“18 bleiben sie unvorhersehbar.19 Vergleichbar mit pikturalen Darstellungsformen stehen wir bei jeder Metapher vor dem Problem, etwas auszudrücken, das mit den gebräuchlichen Mitteln zumindest nicht in der beabsichtigten Weise auszudrücken ist. Gleichwohl ist die Sprache auf eine überschaubare und typisierbare Menge von Marken angewiesen, derer wir uns bedienen müssen, wollen wir auch nur im entferntesten verstanden werden. Das gibt das Medium der gesprochenen oder geschriebenen Sprache vor. Das Sich-verständlich-machen bleibt aufgrund dieses grammatischen (schematisierbaren) Baus der Sprache notwendige Bedingung für jeden Sprechakt. Symboltheoretisch gesehen muss das Schema, in dem die benutzten Elemente Etiketten sind, syntaktisch hinreichend differenziert, mithin mehr oder weniger eindeutig sein: Wenn die Sprache gar nicht erst verstanden wird (in syntaktischer Hinsicht nicht typisierbar wäre), ist es unmöglich, die Absichten zum Erfolg zu bringen. Das war aber, wie gesehen, gerade das Anliegen jeder sprachlichen Äußerung – also auch der Metaphernbildung. Das scheint auch der Sinn zu sein, in dem Goodman gerade das Skript als vorherrschendem Charakter in den meisten natürlichen diskursiven Sprachen auffasst.20 Ein gewisses Moment von ,Notation‘ findet sich also aufgrund dieser syntaktischen Schematisierbarkeit in jeder sprachlichen Äußerung. In jeder Rede und jeder Äußerung steckt gleichsam Kreativität, die sich über diese reine Schematisierbarkeit und die gewohnheitsmäßige Bedeutungszuweisung potentiell hinwegsetzen will. Das gilt für Poesie mehr als für eine wissenschaftliche Abhandlung, die ihre Sprachgebräuche möglichst eindeutig und konsequent zu regeln hat. Jede sprachliche Äußerung ist grundsätzlich nicht nur eine logisch, sondern auch eine ästhetisch organisierte21 und geht auch darüber hinaus, bietet sie doch ebenso die Mittel, sie frei und neu anzuwenden. Besonderes Gewicht bekommen die notationalen Aspekte hingegen auf der Seite der geschriebenen Sprache, die repräsentationalen gehören eher (aber || 17 RE, S. 35. Genauer ausgedrückt, sollte man hier nicht vom Erlernen, sondern vom Erwerben eines Systems sprechen. 18 Simone Mahrenholz: Musik und Erkenntnis – [a.a.O.] S. 70. 19 Vgl. Ted Cohen: Figurative Rede und figurative Akte – In: Anselm Haverkamp (Hrsg.): Die paradoxe Metapher – [a.a.O.] S. 29‒48, hier S. 29ff. 20 Vgl. SdK, S. 187ff. 21 Vgl. Christian Stetter: Linguistische Ästhetik – [a.a.O.] S. 227ff.
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nicht ausschließlich) in den Bereich des mündlichen Sprachgebrauchs, der dem Pikturalen aus den genannten Gründen grundsätzlich nähersteht. Das heißt nun keinesfalls, dass sich die beiden Bereiche gegenseitig ausschließen, sondern gerade, dass sie zusammenspielen – und das zentral im Bereich der Metaphernbildung. Daher erklären sich die zahlreichen figurativen Wortgebräuche, die gerade in den Überlegungen zur Metaphernproblematik immer wieder Verwendung finden: das Paradoxon der Selbstimplikation der Metapher. Das Problem, dass sich die Metapher vornehmlich selbstimplizierend begreifen lässt, stellt zwar auf den ersten Blick eine Gefahr für jede allgemeine Kompetenztheorie dar, aber auf den zweiten, umgekehrten Blick zeigen sie sich gerade als Möglichkeit, die verschiedenen Dimensionen miteinander zu verbinden und somit den Kernbereich des Problems auszumachen. Das hat Goodman deutlich gesehen. Nur auf dieser Grundlage kann ein allgemeiner Begriff von Sprachkompetenz geklärt werden. Die Überlegungen zur Kompetenztheorie mussten also extensional verfahren: Erst einmal musste der Kompetenzbegriff in allen Arten von Symbolsystemen geklärt werden. ‚Kompetentes‘ Verständnis von Bezugnahmen und der Umgang mit Symbolen ist keinesfalls im Sinne von „alles oder nichts“22 zu verstehen. Das gilt lediglich für vollständig digitale Systeme, die dann buchstäblich decodiert werden müssen. Kaum eines der Systeme, wie sie in Kunst und Wissenschaft im Gebrauch sind, funktioniert aber durchgängig auf diese Weise. Da die meisten Disziplinen auch mit natürlichsprachlichen Systemen arbeiten, muss zur ,Kalkülseite‘ der Sprache immer mehr oder weniger die Dimension der Phantasie hinzukommen. Ein Symbol ist nicht mit einem Erfüllungsgegenstand in einer Eins-zu-eins-Relation zusammenzubringen, sondern muss vielmehr immer im Rahmen eines Netzwerkes, einer Kette von Symbolen, betrachtet werden. In diesem stehen zum einen das Symbolschema, zum anderen die durch es sortierte Sphäre miteinander in enger Verbindung. In dieser Perspektive ergibt sich nun auch ein – logisch fundierter – Blick auf die traditionellen Theorien: Gerade das Wort ist verglichen mit einem Zeichen oder Symbol schließlich eine Kategorie sui generis.23 Deswegen bringt Humboldt gerade die Sprache einer Nation erkenntnistheoretisch mit deren Weltansicht in Verbindung, aus der auszutreten nicht ohne den gleichzeitigen
|| 22 RE, S. 160. 23 Vgl. Wilhelm von Humboldt: Grundzüge des allgemeinen Sprachtypus – [a.a.O.] S. 427f., vgl. hierzu: Christian Stetter: Schrift und Sprache – [a.a.O.] S. 21ff.
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Eintritt in eine andere Weltsicht möglich ist.24 Jeder Wortwahl haftet eine Subjektivität, eine Spontaneität an. Die Grundlage dafür hatte bereits Humboldt in der Pronominalansicht der Sprache herausgearbeitet.25 Implizite Alternativen kennzeichnen, wie gesehen, diesen Prozess durchgängig. Die Wahl eines Etiketts, buchstäblich oder figurativ, und insbesondere das Finden einer treffenden Metapher ist genauso unsere Aufgabe wie der ‚kompetente‘ Umgang mit bereits verankerten Etiketten als Sprecher einer bestimmten Sprache. Man bewegt sich in jedem Prozess der Symbolisierung in mehr oder minder deutlich zu identifizierenden Schemata: Im einen Extremfall von pikturalen Darstellungen ist das syntaktische Schema nicht ohne weiteres zu bestimmen, der Charakter fällt hier mit seiner Inskription zusammen; auf der anderen, der digitalen/notationalen Seite von Symbolisierung setzt sich das Schema aus effektiv differenzierbaren Inskriptionen, die zu disjunkten Charakteren/Typen hören, zusammen. Je mehr man sich im Prozess der Symbolisierung vom repräsentationalen zum notationalen Extrem bewegt,26 desto mehr tritt das Schema und die Charakterisierungsfähigkeit der Inskriptionen ins Zentrum des Kompetenzbegriffs. Genau am Schnittpunkt dieser Menge von Symbolsystemen, im Mittelpunkt der Sprache als Symbolsystem, begegnen wir der Metapher oder – allgemeiner ausgedrückt – dem Figurativen: Fehlen buchstäblich die Worte, ist man auf Hilfskonstruktionen angewiesen, um neue Bezugnahmegebiete erschließen zu können. Die Dimensionen der syntaktischen Grammatikalität und des semantisch buchstäblichen Gebrauchs von Etiketten müssen mit Goodman als Grundlage jedes ‚übertragenen‘ Wortgebrauchs vorausgesetzt werden, der das geschmackvolle Vorgehen in der Fremdsphäre dirigiert. Bei diesem buchstäblichen Gebrauch handelt es sich mehr oder weniger um eine Routine, die im allgemeinen Gebrauch gefestigt ist. Wie hängen Grammatik und Geschmack im Bereich der Metaphernbildung genau zusammen? In diesen Zusammenhang fällt, wie Davidson beschrieben hat,27 die Beobachtung, dass es keine Metaphernprobe geben kann, die nicht Geschmack verlangen würde. Grammatik und Geschmack sind hier also eng miteinander verbundene Dimensionen einer jeden gelungenen Rede, da Metaphern ein per se nicht in Regeln zu fassender Wortgebrauch sind. Die Grammatik ist nur das Handwerkszeug, mit dem sich eine geschmackvolle Rede möglichst verständ|| 24 Vgl. Wilhelm von Humboldt: Grundzüge des allgemeinen Sprachtypus – [a.a.O.] S. 387ff. 25 Vgl. ebd. S. 381ff. 26 Das gilt natürlich auch für die umgekehrte Richtung. Hier nimmt die Eindeutigkeit des Schemas aber so lange stetig ab, bis selbst das Schema nicht mehr eindeutig bestimmbar ist. 27 Vgl. Donald Davidson: Was Metaphern bedeuten – In: Anselm Haverkamp (Hrsg.): Die paradoxe Metapher – [a.a.O.] S. 49‒75, hier: S. 49.
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lich ins Werk setzen lässt. Der gesuchte Kompetenzbegriff muss also ebendies berücksichtigen. In jeder Metapher können paradigmatisch zum einen die grammatisch korrekte Verwendung des Etiketts, zum anderen aber auch die geschmackvolle Übertragung dieses buchstäblichen Gebrauchs ins Werk setzen. Wir können also geltend machen, dass wir gerade in metaphorischen Redeweisen ein herausragendes Paradigma der Verbindung aus Grammatik im Sinne des buchstäblichen und regelgerechten Gebrauchs und Geschmack im Sinne einer treffenden Übertragung vor uns haben. Die Argumente für diese Vermutung liefert die Symboltheorie Goodmans. So lässt sich die Metapher nun auch vor der Folie des Kompetenzbegriffs als ein Punkt betrachten, an dem sich Grammatik und Geschmack in einer besonderen Weise berühren, Phantasie und Kalkül aufeinandertreffen und so die These von Hans-Julius Schneider, „daß der am Beginn dieses [des vergangenen] Jahrhunderts in die Wege geleitete Versuch, den Bereich des sprachlich Sinnvollen auf formale und in diesem Sinne »technische« Weise abzugrenzen und ihn damit zu beherrschen, aus präzise angebbaren Gründen zum Scheitern verurteilt ist, und daß es sprachphilosophisch aufschlußreich und allgemein für die Geisteswissenschaften von größtem Belang ist, diese Gründe im einzelnen zu studieren, statt sich mit vagen Gefühlen des Mißtrauens zu begnügen […]; die natürliche Sprache ist kein Kalkül, obwohl sie wichtige Aspekte hat, die sich angemessen so darstellen lassen,“28
stützen. Also wird sich auch der Sprachkompetenzbegriff neu definieren lassen müssen: „Erst der Kalkül ermöglicht die für die Sprache charakteristischen Formen der Phantasie, deren bunteste Vögel starten ihren Flug nicht vom Boden aus, sondern vom Gerüst des Kalküls“29. Das markiert den besonderen Status, den sprachliche Systeme haben, und untermauert die bislang angestellten Überlegungen über die symboltheoretische Position der Sprache in der Mitte zwischen dem Pikturalen und dem Notationalen. In deren Zentrum wiederum steht – als ein besonderes Verfahren – die Metaphernbildung: Um metaphorisch reden zu können, werden nach Goodman neben syntaktisch disjunkten Charakteren, denen bestimmte Inskriptionen hinreichend eindeutig zugeordnet werden können, Kenntnisse über den bewährten Sprachgebrauch und ,Fertigkeiten‘ wie Geschmack und Witz benötigt, sich über diesen gefestigten Sprachgebrauch mitunter individuell hinwegsetzen können. So ist das Verste-
|| 28 Vgl. Schneider, Hans-Julius: Phantasie und Kalkül: Über die Polarität von Handlung und Struktur in der Sprache – 1. Auflage, Frankfurt/M.: Suhrkamp 1992, S. 15. 29 Hans-Julius Schneider: Phantasie und Kalkül – [a.a.O.] S. 31. Dieser Aspekt wird sich auch in unserer Goodman’schen Interpretation (vgl. Kap. IV.1) wiederfinden. Nicht ohne Grund bedient auch Schneider sich an dieser Stelle einer Metapher („Flug der buntesten Vögel“).
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hen und Anwenden einer Metapher immer „halb Denken, halb Erfahrung“30. Es geht durchaus im Sinn von Aristoteles um die Übertragung per Analogie und das heißt letztlich, „logisch, dort, wo eingespielte Kategorisierungen vorhanden sind, Kategorienfehler zu begehen, um schematisierte Sehweisen aufzubrechen […] oder dort, wo keine vorhanden sind, dem Hörer einen Schluß ins Ungewisse zuzumuten. Gut erfunden, geben Metaphern Rätsel auf.“31
Der letzte Aspekt ist freilich erkenntnistheoretisch von besonderer Bedeutung: Die Metapher gibt Rätsel auf. Ihre Aufgabe ist es nicht, Dinge klar und eindeutig zu bezeichnen. Das kann eine Metapher gerade nicht leisten. Vielmehr stellt sie eine Verbindung, eine Analogie, her, die in einem als minimal zu verstehenden Ausdruck ihren Niederschlag findet. Damit ist allerdings keine klare Bezeichnung angesprochen, sondern höchstens eine Aufforderung zur Reflexion und zum (philosophischen) Diskurs. Die ursprüngliche Dichotomie zwischen Sprach- und Bildkompetenz, die sich aus der strikten Trennung von Symbolsystemen, wie sie in Malerei, Musik und Sprache im alltäglichen Gebrauch sind, ergab, zu einem guten Stück aufzuheben, scheint nun eine logische Konsequenz dieses Ansatzes zu sein. Daraus resultierend ist nichts weniger als eine allgemeine Theorie der symbolischen Kompetenz gefordert. Catherine Z. Elgin beginnt ihre Argumentation daher genau in diesem Punkt: Bilder sind dem Abgebildeten nicht ähnlich, Wörter als Symbole nicht konventionell oder per Regel auf eine Bedeutung festgelegt:32 „Ob unser Vermögen, Symbole zu interpretieren, von Erfahrung abhängt oder nicht, es reicht deutlich über die Erfahrung hinaus. Das Problem besteht darin, zu sagen, in welcher Weise.“33
Gerade die Metaphern spielen hier wie gesehen eine wesentliche Rolle, und folglich wird
|| 30 Paul Ricœur: Die lebendige Metapher – [a.a.O.] S. 204. 31 Christian Stetter: Schrift und Sprache – [a.a.O.] S. 378. 32 Das gilt, wenn überhaupt, für die Schrift, denn die kann symboltheoretisch betrachtet, wenigstens teilweise in einer Partiturlesart erfasst werden. Damit wendet sie sich eindeutig gegen einen generativen Ansatz, der ja genau das zumindest von einer Art Grundwortschatz behauptet (vgl. Chomsky, Noam: Aspekte der Syntax-Theorie – 2. Auflage. Frankfurt/M.: Suhrkamp (stw 42) 1969/1978, S. 202). 33 RE, S. 138.
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„[e]ine Darstellung [von Sprachkompetenz, meine Ergänzung], die nur auf Fälle zutrifft, in denen unsere Standards der Grammatikalität erfüllt werden, […] in ernstzunehmender Weise unvollständig […] sein. Außerdem sind Metaphern allgegenwärtig. Daher stellt das Unvermögen der linguistischen Theorie, unser Verstehen von Sätzen zu erklären, die Metaphern enthalten, ein Unvermögen dar, einen beachtlichen Teil seines Gegenstandsbereichs zu erklären,“34
schlussfolgert Elgin. Die mit den Mitteln der Symboltheorie Nelson Goodmans rekonstruierte Metapherntheorie verleiht dem Apparat der Symbolisierung nun an diesem zentralen Schnittpunkt Beweglichkeit und Geschmeidigkeit: Durch Verfahren wie die Metapher können immer wieder neue Bezugnahmegebiete mit einem vorhandenen syntaktischen Repertoire per analogiam erschlossen werden. Auf diese Weise werden Symbolsystem und ‚Wirklichkeit‘ immer wieder neu justiert – eine wesentliche Grundlage für die Erkenntnistheorie, wenn auch die Metaphern ein Ansatzpunkt, aber keine Grundlage für den philosophischen Diskurs sein mögen.35 Die organisierenden Kräfte des Systems lassen sich so effektiv nutzen und mit den Elementen des Systems dessen Grenzen immer wieder überschreiten: „Zu der Aufgabe, ein nicht vertrautes Bild beziehungsweise einen solchen Satz zu interpretieren, bringen wir den Hintergrund verwandter Repräsentationen mit, die wir bereits verstehen, zusammen mit den zusätzlichen Kenntnissen und Fertigkeiten, die wir einspannen können.“36
Wenn nun der gerade konstruierten Begriff von Sprachkompetenz zugrunde gelegt wird, zeigt sich, dass dem buchstäblichen Gebrauch des Etiketts der figurative schließlich in gewissen Hinsichten zwar ähnlich sein,37 sich aber gleichzeitig in anderen Hinsichten von ihm unterscheiden muss. Um genau diese Unterscheidung vom buchstäblichen Gebrauch und die praktischen Konsequenzen, die sich daraus ergeben, wird sich die Argumentation des folgenden Kapitels widmen. Gerade an der Metaphernbildung und deren Verortung im Zentrum einer allgemeinen Symboltheorie lässt aus den verschiedenen dargelegten Gründen offenkundig also auch eine Diskussion entfalten, die in besonderer Weise dem Phänomen Sprache gerecht werden kann und einige der Probleme, die mit dem Kernbegriff der Kreativität – mit Humboldt gesprochen also einem Zeugnis von intellektueller Tätigkeit und || 34 RE, S. 147. 35 Vgl. Kap. IV.2. 36 RE, S. 161. Ohne größere theoretische Probleme kann dieser Ansatz auch auf die Metaphernproblematik übertragen werden. 37 Vgl. RE, S. 145ff.
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damit von den Verstandeshandlungen, die mit Sprache verbunden sind38 – aus logischer Perspektive klären. Das wiederum wird praktische Implikationen für die philosophische Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie haben.
III.2 Sprachliche Kreativität Den Begriff der Kreativität philosophisch zu durchdringen, ist bekanntermaßen keine allzu leichte Angelegenheit: Zum einen ist ein kreativer Prozess per se schwer zu greifen, da er per defintionem keinen Regeln und keiner Regelmäßigkeit folgt, zum anderen spielen kreative Prozesse in derart zahlreichen, voneinander zu unterscheidenden Bereichen eine zentrale Rolle, dass eine allgemeine Definition zusätzlich erschwert wird. Besonders offensichtlich ist der Kreativitätsbegriff natürlich in ,kreativen‘ Darstellungsformen wie der Malerei oder der darstellenden Kunst allgemein. Aber gleichsam spielt Kreativität in sämtlichen Bereichen von der pikturalen Darstellung bis hin zum technischen Formalismus eine Rolle. Somit muss diese in den verschiedenen Bereichen unterschiedlich lokalisiert werden. In dem hier zu beleuchtenden Zusammenhang soll der Kreativitätsbegriff auf die natürlichsprachlichen Systeme eingeschränkt werden – und auch in diesem Kontext wird das Verfahren der Metaphernbildung eine zentrale Rolle spielen. Allgemein wird der Kreativität in den Künsten, vor allem dann wenn sie allein dem Genie und seiner (künstlerischen) Ausnahmestellung innerhalb der menschlichen Gemeinschaft vorbehalten bleibt, für Goodman eine zu große und oft verklärende – weil nicht mehr logisch greifbare – Bedeutung beigemessen: „Die Überbetonung der Kreativität, der Emotion und der Unmittelbarkeit hat die Vorstellung darüber genährt, daß Kunst eine Sache der reinen Inspiration ist, daß ein Werk plötzlich im Bewußtsein des Künstlers aufblüht und nur verkörpert zu werden braucht. Wir [gemeint ist das »Project Zero«, ein seinerzeit von Goodman gegründeter Arbeitskreis, meine Ergänzung] behaupten eher, daß Inspiration – die gern gesehen und anregend ist, wenn sie sich einstellt – normalerweise sporadisch und partiell ist; und die Realisierung, ob in der Physik oder der Malerei, in der Medizin oder der Musik, ist normalerweise ein mühseliger Prozeß, der Geschick und Beharrlichkeit abverlangt. Die romantische Gleichsetzung von Kunst und Inspiration hält von der ernsthaften Untersuchung dessen ab, was an der Produktion und dem Verstehen der Künste beteiligt ist.“39
|| 38 Vgl. Wilhelm von Humboldt: Grundzüge des allgemeinen Sprachtypus – [a.a.O.] S. 410ff. 39 MM, S. 221.
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Goodman zieht daraus die Konsequenz, dass vor allem für die Erziehung in den Künsten und damit die Kultivierung von Kreativität ein ganz neuer Ansatz zu fordern ist, der „die Exploration von Alternativen, die Einbeziehung der durch die verschiedenen Medien auferlegten Zwänge, der ständige Neubearbeitung auf der Suche nach der richtigen Wirkung“40 zum Ziel hat. Dafür wird der Kreativitätsbegriff gerade in sprachlichen Systemen in logischer Hinsicht schärfer als bisher zu definieren sein. Zunächst kann Kreativität in der Sprache als Möglichkeit verstanden werden, mit einer „endlichen Menge von (a) sprachlichen Ausdrücken und (b) Regeln für deren Kombinierbarkeit eine unendliche Menge von Äußerungen produzieren und interpretieren“41 zu können. Das gilt ebenso für die buchstäbliche Verwendung von Etiketten wie auch für den figurativen. In der Metaphernthematik manifestiert sich allerdings eine besondere Möglichkeit, als Sprecher einer Sprache mit kreativen Möglichkeiten der Bezugnahme über die ‚gefestigten‘ Systemgrenzen hinauszugehen, Sprachgebräuche auf der Basis von bereits Bestehendem frei zu variieren, und nicht nur nach neuen Kombinationsmöglichkeiten, sondern sogar nach neuen, alternativen Bezeichnungen zu suchen, um etwas Besonderes zum Ausdruck zu bringen. Gerade für diese kreative Entfaltungsmöglichkeit ist die Sprache im besonderen Maße geeignet. Im Begriff der Metapher lässt sich diesem einzigartigen Verfahren, der besonderen Operation in diesem Medium, ein Name geben. Das wiederum gibt nun auch dem Begriff der Kreativität im Umgang mit dem Figurativen besondere Brisanz. „Der Zusammenhang unseres Sprechens ist […] analogisch, nicht digital konstituiert. Denn allein die Analogie erlaubt es, Beispiele zu »extrapolieren«, sie auf nie zuvor erlebte Situationen zu übertragen. Hierin, nicht in einem Vermögen, die Menge aller ›korrekten‹ Satzmuster einer Sprache zu generieren, liegt das eigentlich kreative Moment der Sprachkompetenz.“42
In dieser Hinsicht ist das Verfahren der Metaphernbildung so etwas wie ein semantischer ,Testlauf‘, etablierte Kategorien auf ein nicht routinemäßig erschlossenes Bezugnahmegebiet anzuwenden. Gerade die Sprache beinhaltet aufgrund ihrer systematischen Position innerhalb der allgemeinen Symbolisierung die Möglichkeit, über den bewährten, schematischen oder zumindest schematisierten Gebrauch von Etiketten mit den Mitteln, welche das Symbolsystem selbst zur Verfügung stellt, mit syntaktisch hinreichend klar erkennbaren Sche|| 40 MM, S. 228. 41 Hadumod Bußmann: Lexikon der Sprachwissenschaft – 2, völlig neu bearbeitete Auflage. Stuttgart: Kröner 1990, S. 427. 42 Christian Stetter: Schrift und Sprache – [a.a.O.] S. 98.
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mata hinausgehen zu können und so das individuelle Moment, in diesem Sinne ,Bildhaftes‘, in das System zu inkorporieren. Die Wahl der Bezugnahmegebiete ist dabei in keiner Weise eingeschränkt. Daher können „Wörter […] Bilder erhellen, wie auch Bilder Wörter erhellen können“43. Gleichsam kann – im Grenzfall – sogar ein Formalismus metaphorisch beschrieben werden: Ein mathematisch berechneter Graph kann in diesem Sinne durchaus mal einen „Knick“ haben. Mit der Hilfe von derartigen Metaphern lassen sich also Sichtweisen exemplifizieren, Sachverhalte kurz und unmittelbar einsichtig umreißen. Dafür stellt gerade die Sprache ein Mindestmaß an syntaktischer Schematisierung bereit, welche die Kommunizierbarkeit sicherstellt. Nun kann jedes Moment des Kreativen auf unterschiedlichen Ebenen betrachtet werden: Die erste Ebene ist die des individuell, (inter)subjektiv agierenden Sprechers und seiner ebenso individuellen Möglichkeiten, mit Sprache produzierend oder interpretierend kreativ umgehen zu können. Das setzt voraus, dass ein Sprecher bereits mit der Sprache als System kompetent umgehen kann und sich im Kontext seiner Erwerbungen darauf versteht, Etiketten auf eine bestimmte Art und Weise routinemäßig44 zu gebrauchen. Über gerade diesen in alltäglichen Verwendungsweisen gefestigten Gebrauch hinaus muss sich der Sprecher, will er Gegebenheiten in einer neuen Art und Weise beschreiben oder hat er für einen Erfüllungsgegenstand kein passendes Etikett zur Hand, in Ausdrücken, die allgemein figurativer Natur45 sind, hinwegsetzen. Für dieses Hinwegsetzen kann es nun wie gesehen keine Regeln geben, denn die Metapher ist ein per se nicht in Regeln zu fassender Wortgebrauch. Umgekehrt ist man auch beim Verstehen von figurativen Wortgebräuchen darauf angewiesen, verschiedene Sprachgebräuche miteinander zu vergleichen, um herauszufinden, welcher der figurative und welcher der buchstäbliche ist. Auch in diesem Rezeptionsprozess ist also ein gewisses Maß an Kreativität im Spiel, denn eine andere Möglichkeit, Metaphern zu identifizieren, haben wir nicht schlechterdings zur Verfügung: „[D]ie Unterscheidung zwischen dem Wörtlichen und dem Metaphorischen existiert nur aufgrund des Konfliktes zwischen zwei Interpretationen: die eine, die nur Werte verwendet, die schon lexikalisch erfaßt sind; die andere, die eine neue semantische Pertinenz setzt, fordert von dem Wort eine Drehung, die seinen Sinn verschiebt.“46
|| 43 MM, S. 246. 44 Vgl. Kap. IV.1. 45 Vgl. SdK, S. 84ff. 46 Paul Ricœur: Die lebendige Metapher – [a.a.O.] S. 268.
Sprachliche Kreativität | 137
Daher ist die Metapher immer eine Frage von Geschmack und Intellekt: Man muss die ‚Analogie‘ sehen und gleichsam nachvollziehen, auf welche Weise die Metapher die Analogie hervorbringt. Wenn ein Schema prinzipiell auf unzählige Sphären anwendbar ist, obliegt das Anwenden auf ein neues Bezugnahmegebietes allein dem, der ein gewisses Symbolsystem kraft seiner Kompetenz kreativ anwendet – sowohl produzierend als auch rezipierend. Nie spielt dabei ein isoliertes Etikett allein eine Rolle, sondern es geht immer um eine Menge von alternativen Etiketten, das Schema. Nur auf der Basis von bereits Vorhandenem kann schematisiert werden – Welten werden aus anderen Welten erzeugt. Nach Goodman ist die Hoffnung auf eine ,feste‘ Grundlage der Erkenntnis aufgegeben: „Wir können zwar Wörter ohne eine Welt haben, aber keine Welt ohne Wörter oder andere Symbole.“47 Der Begriff des reinen Inhalts ist auch für Goodman leer. Die Stoffe, mit denen Welten erzeugt werden, kommen dabei nicht aus dem Nichts, sondern aus dem, was zur Verfügung steht – und damit aus „anderen Welten“48. Erkenntnistheoretisch ist der Zugang zur ,Welt‘ also immer ein vermittelter, und damit bewegt sich jeder Symbolisierende, der den Zugang sucht, in einer Welt aus Symbolen – sei es Malerei, Literatur, Musik oder Philosophie. Jegliche Erkenntnis ist also nur aus dieser symbolischen Welt heraus möglich. Die natürlichsprachlichen Symbolsysteme erhalten aufgrund ihrer Position in der Mitte zwischen den beiden Extremwerte hier einen besonderen Akzent: Sie bieten zur Verständigung gerade noch so viel an syntaktischer Typisierbarkeit wie für die Kommunikation, den Austausch von Gedanken, nötig, aber andererseits so wenig semantischer Eindeutigkeit wie möglich, sodass die Zuweisung einer Sphäre (oder der Wechsel derselben) sich wesentlich erst durch den Kontext der Äußerung und so verschiedene Faktoren wie die Absicht des Sprechers, dessen Mimik und Gestik usw. ableitet. Das macht letztlich jeden Sprechakt individuell, das Wort immer auch zur Geste. In diesem Sinne bekommt ein Wort erst im kontextuellen Zusammenhang seine Bedeutung – und das gilt, wie gesehen, in besonderem Maße für die Metapher. Erst in der Domäne der Phrase befindet man sich nachvollziehbar auf einer semantischen Stufe.49 || 47 WW, S. 19. 48 WW, S. 19. 49 Vgl. Paul Ricœur: Die lebendige Metapher – [a.a.O.] S. 123ff. Freilich wird man in der Morphologie zumindest bedeutungstragende Einheiten zugestehen müssen, aber freilich sind uns deren ,Bedeutungen‘ nicht immer klar. Manche Autoren behandeln Metaphern daher eher wie „Satztypen“ (zum Beispiel Ted Cohen: Figurative Rede und figurative Akte – In: Anselm Haverkamp (Hrsg.): Die paradoxe Metapher – [a.a.O.] S. 29).
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Auch die Metapher braucht also notwendig einen kontextuellen Rahmen. Dabei hat die Metapher keinen anderen Rang als ein buchstäblich verwendeter Ausdruck. Allein die Neuheit des Zutreffens bzw. der Konflikt mit dem allgemein gefestigten Sprachgebrauch unterscheidet sie von der Buchstäblichkeit. Inwiefern der Sprechakt als solcher davon beeinflusst wird und ob die Unterscheidung zwischen transparenten und intransparenten Sprechakten50 einen Sinn hat, muss nun noch ausführlicher diskutiert werden. Die Frage lautet, ob es so etwas wie eine metaphorische Illokution überhaupt geben kann.51 Zur Beantwortung dieser Frage schlägt Ted Cohen vor, darauf zu schauen, ob „es möglich scheint, daß ihre assoziierte Perlokution eintritt“52. Nur dann ist auch die metaphorische Illokution erfolgreich. Mit anderen Worten muss auch hier der Sprechakt – freilich vor einer ganz besonderen Folie – gelingen. Was wäre also der Sinn und Zweck, an dieser und jener Stelle eine Metapher zu benutzen? Zum einen wird durch die Verwendung einer Metapher zum Ausdruck gebracht, dass an dieser Stelle ein buchstäblicher Ausdruck nicht zur Verfügung steht – entweder allgemein oder für die sprechende Person. In diesem Sinne entspringt also die Metapher einer Verlegenheit. Auf der anderen Seite kann es aber auch sein, dass der entsprechende buchstäbliche Ausdruck nicht das zum Ausdruck bringt, was ein Sprecher gerne zum Ausdruck bringen möchte. Es ist einfach nicht die ,gleiche Perspektive‘. Durch die Verwendung einer Metapher lenkt ein Sprecher also den Blick in eine bestimmte Richtung – was gleichsam ge- oder misslingen kann. Somit ist die Unterscheidung zwischen einem Sprechakt, der unter ,normalen‘ Umständen zustande kommt, und einem Sprechakt, der figurativ operiert, also durchaus vorhanden. Cohen schlägt vor, Letzteren als intransparenten Sprechakt zu bezeichnen. Das hat zur Folge, dass jeder, der einen solchen Sprechakt ausführt oder an ihm als Rezipient beteiligt ist, in der Lage sein muss, sowohl Metaphern bilden zu können als auch sie zu verstehen. So zeigt sich, dass die Unterscheidung einen guten Sinn hat und darauf fußt, dass bei einer metaphorischen Illokution ein kreatives Moment, nämlich das des ,Witzes‘ im Spiel ist, die sowohl der Produzent als auch der Rezipient einer metaphorischen Aussage gleichermaßen haben muss, damit auch die metaphorische Illokution gelingt.
|| 50 Vgl. Ted Cohen: Figurative Rede und figurative Akte – In: Anselm Haverkamp (Hrsg.): Die paradoxe Metapher – [a.a.O.] S. 29‒48. 51 Vgl. ebd. S. 32ff. 52 Vgl. ebd. S. 35.
Sprachliche Kreativität | 139
Wenn die Metapher also als intransparente Äußerung betrachtet wird, dann ist festzuhalten, dass auch mit einer metaphorisch-figurativen Redeweise Handlungen vollzogen werden. Jeder dafür vorausgesetzte rhetische Akt setzt jedoch immer voraus, Laute als Laute einer gewissen Sprache zu äußern. Die illokutionäre Rolle der Äußerung und erst recht deren perlokutionäre Wirkung hängen gerade von dieser ‚Wortwahl‘ und dem Verständnis, welches das Gegenüber von der Äußerung hat, ab. Dafür ist eine intersubjektiv kreativer Umgang mit der Sprache vorauszusetzen, denn die Metapher muss sowohl kreiert als auch verstanden werden. Die nächste Ebene, die im Kontext von sprachlicher Kreativität betrachtet werden muss, ist nicht die des individuellen Vollzuges, sondern die allgemeine (Meta-)Ebene der Sprache als System53 – und damit als Grundlage für den philosophischen Diskurs –, das mit Verfahren wie der Metaphernbildung ‚gelenkig‘ genug gehalten und mit einem vorhandenen Repertoire von Etiketten immer wieder neu an Gegebenheiten angepasst werden kann. Auch in diesem Sinne lässt sich von einer Fluktuanz des Systems sprechen54 und gerade „die Metapher überlappt [dabei] die meisten der von Saussure eingeführten Bruchlinien“55. Diese ständige Bewegungsfähigkeit des Systems zeigt sich vor allem auf der semantischen Seite: Die Bedeutung eines Wortes ist nichts anderes als die prinzipiell offene Menge seiner möglichen Anwendungen. Dazu gehören gleichermaßen die figurativen Anwendungen eines Etiketts an den Grenzen von routinemäßiger Projektion.56 Mitunter sind es sogar diese Anwendungen, die sich über den alltäglichen Gebrauch eines Etiketts hinwegsetzen, die als ‚Geburt‘, als ‚Ausprobieren‘ neuer Verwendungsweisen, frühe Stadien also von induktioneller Fortsetzbarkeit, interpretiert werden können:57 Hier geht die parole, der individuelle Sprachvollzug, in die langue, das Sprachsystem, über und umgekehrt. Es schließt sich ein Kreis. Auf diese Weise ist die Metapher zwar ein Phänomen der parole, das aber durchaus Auswirkungen auf die langue haben kann und || 53 Von den erkenntnistheoretischen Schwierigkeiten, die damit verbunden sind, möchte ich für den Augenblick einmal absehen und gehe davon aus, dass es so etwas wie ,die Sprache‘ tatsächlich gibt. 54 Vgl. Christian Stetter: Schrift und Sprache – [a.a.O.] S. 118ff. Wohlgemerkt gilt das primär für die Mündlichkeit. In der Schriftlichkeit obwaltet das Prinzip der Formatierung, die ein gewisses Maß an Digitalität (Tilgung) voraussetzt. Auch aus symboltheoretischer Perspektive können wir dieses nunmehr deuten. Mit der Schrift vollziehen wir einen guten Schritt in die Richtung notationaler Systeme. Dementsprechend scheint es leicht einsichtig, dass wir in der Mündlichkeit einem analogen und in diesem Sinne fluktuierenden System näher sind. 55 Paul Ricœur: Die lebendige Metapher – [a.a.O.] S. 74. 56 Vgl. Kap. IV.1. 57 Vgl. Paul Ricœur: Die lebendige Metapher – [a.a.O.] S. 75.
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von dort aus wieder auf die parole zurückwirkt. Dadurch ist die Sprache auch auf der semantischen Seite immer ein offener Prozess – jedes Element besteht am Schnittpunkt von Diachronie und Synchronie. Die Bedeutung eines Wortes nie trennscharf, nie immer exakt die gleiche,58 sondern von verschiedenen Kontexten abhängig (also von der jeweiligen Bezugnahme) – und diese schließen auch die Dimension des Figurativen mit ein: Die Sprache ist nach Saussure ein „System von bloßen Werten“59. Gerade mit Verfahren wie der Metaphernbildung bleibt das Gesamtsystem der Sprache in sich auf der Basis einer immer wieder neu zu suchenden Erfüllungsbeziehung zwischen einem Erfüllungsgegenstand und einem Etikett semantisch geschmeidig: Es ist nicht notwendig (und auch nicht möglich), stets neue Schemata und Etiketten bilden zu müssen, um auf jeden nur möglichen Sachverhalt oder auf jede nur mögliche Sphäre Bezug nehmen zu können: „Indem wir so alte Wörter ein neues Werk verrichten lassen, sparen wir ungeheuer an Vokabular und ziehen aus etablierten Gewohnheiten Nutzen beim Prozeß ihrer Überschreibung.“60
Diese Option der Flexibilität der Anwendung ist also im System der Sprache angelegt, und auch vor dieser Folie ist es nur allzu deutlich, warum sich die Sprache als derjenige Evolutionsvorsprung herausgestellt hat, der sie ohne Zweifel ist. Sie ist in diesem Sinne ein besonderes Resultat eines „Zustand[s] von Besonnenheit“61 oder, wie wir jetzt reformulieren können, Zeugnis besonnener Tätigkeit. Dabei stellt sie sowohl Kommunikabilität wie auch semantische Projektionsmöglichkeiten zur Verfügung. Kreative Besonnenheit zeigt sich in der Sprache also darin, einmal gebräuchlich gewordene Etiketten immer wieder neu auf buchstäbliche wie übertragene Sphären (unter dem Einfluss ihrer Gebrauchsvergangenheit) anwenden zu können. So wie der Mensch sich selbst kognitiv entwickelt, entwickeln sich gleichzeitig die sprachlichen Formen seiner Selbstgewahrwerdung weiter – unter anderem wesentlich im Prozess der Metaphernbildung. Und umgekehrt betrachtet haben die sprachlichen Formen natürlich auch wieder Einfluss auf die kognitiven Fähigkeiten des Menschen. || 58 Ähnliches hatte auch Humboldt bereits prognostiziert. Er hatte die Bedeutung eines Wortes allerdings noch mit einer idealistischen Vorstellung von dessen Inhalt zusammengebracht. vgl. Wilhelm von Humboldt: Grundzüge des allgemeinen Sprachtypus – [a.a.O.] S. 418. 59 Ferdinand de Saussure: Grundfragen der allgemeinen Sprachwissenschaft – Herausgegeben von Charles Bally und Albert Sechehaye, übersetzt von Peter Lommel, 2. Auflage, Berlin: de Gruyter 1967, S. 132. 60 MM, S. 115. 61 Johann Gottfried Herder: Abhandlung über den Ursprung der Sprache – [a.a.O.] S. 31.
IV Die erkenntnistheoretische Dimension: Witz und Geschmack IV.1 Die Metapher im Kontext des Induktionsproblems Nachdem nach einer Neuausrichtung des Sprachkompetenz- und Kreativitätsbegriffs gefragt und diese auch vor der Folie der Symboltheorie Goodmans mit besonderer Gewichtung des Verfahrens der Metaphernbildung in der Sprache geleistet wurde, muss eine weitere Dimension der Problemstellung betrachtet werden: In welchem Sinne kann davon gesprochen werden, dass eine Metapher ,gelingt‘? Was macht sie treffend, aussagekräftig und damit als Prädikat brauchbar? Jede Einschätzung einer Sachlage und damit auch die Beurteilung einer Voraussage basiert in bestimmter Weise auf dem, was wir bereits – implizit – wissen: „Theorizing never begins with a tabula rasa. We start with a […] collection of considered judgments about a subject“1. Die Aufgabe besteht natürlich darin, zu sagen, in welcher Weise. So erschaffene Welten oder, besser, Weltversionen sind nach Goodman nichts anderes als Symbolsysteme und deren Verhältnis zueinander.2 Ziel von Goodmans Symboltheorie ist demnach „Interdisziplinarität“3 bzw. die Frage, wie die jeweils unter bestimmten Aspekten symbolisch geschaffenen Welten zusammenhängen. Wie gesehen, hängen sämtliche Symbolsysteme zwischen Kunst und Wissenschaft vor allem aufgrund des Faktums der Bezugnahme intrinsisch zusammen – das ist das Kernargument von Goodmans Nominalismus.4 Jedes dieser Symbolsysteme, jede dieser Welten, funktioniert dabei nach eigenen Gesetzmäßigkeiten und hat voneinander zu differenzierende Eigenschaften: „Statt mehrere Versionen in einer Welt haben wir jetzt verschiedene Welten mit ihren eigenen, wahren Versionen.“5 Damit stellt sich freilich die Frage nach dem Kern
|| 1 Catherine Z. Elgin: The Philosophy of Nelson Goodman. Selected Essays. Nominalism, Constructivism and Relativism in the work of Nelson Goodman – New York/London: Garland Publishing 1997 (IX). 2 Vgl. Georg Peter: Analytische Ästhetik. Eine Untersuchung zu Nelson Goodman und zur literarischen Parodie – Reihe: Philosophische Analyse. Herausgegeben von Peter Hochberg (u.a.), Band 5, Egelsbach/Frankfurt/München/New York: Dr. Hänsel-Hochhausen AG 2002, S. 43ff. 3 Ebd. S. 30. 4 Zur Diskussion vgl. Kap. V. 5 Ebd. S. 41.
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der Bedeutungstheorie, und dieser manifestiert sich in dem, was wir ,sagen‘ und ,darstellen‘ können: „We may have trouble in formulating these judgments [gemeint sind empirische Urteile, meine Ergänzung] correctly in language, but misuses of language or slips of tongue must not be confused with errors in judgment.“6
Außerhalb des Sagen-Könnens – oder im Rahmen einer allgemeinen Symboltheorie allgemeiner ausgedrückt des symbolischen Darstellen-Könnens in jedweder Form vom Bild bis hin zum formalisierten Logarithmus – gibt es schlechterdings keinen Zugriff auf Wissen. Um also einen Tatbestand oder Sachverhalt zu bezeichnen oder auszudrücken, ein Urteil zu fällen, brauchen wir, um der Übersichtlichkeit halber beim Beispiel der Sprache zu bleiben, Wörter – Prädikate oder Ketten von mehreren Prädikaten, die bereits im allgemeinen Gebrauch qua ,Gewohnheit‘ gefestigt sind und mit denen ohne die Gefahr größerer Missverständnisse operiert werden kann. Ziel der Unternehmung des Argumentierens ist es ja, sich einem Gegenüber zunächst einmal verständlich zu machen. Die neben der syntaktischen Organisation dafür zu fordernde induktionelle Fortsetzbarkeit von Etiketten gilt es nun näher zu bestimmen. Dazu betrachten wir Nelson Goodmans Überlegungen zur Neufassung des Induktionsproblems. Diese werden einen wesentlichen Hinweis auf eine gangbare Richtung der Argumentation geben: „Induktive Gültigkeit, Güte der Probe, Relevanz der Kategorisierung, die allesamt wesentliche Elemente der für die Beurteilung der Korrektheit von Beobachtungen und Theorien darstellen, hängen tatsächlich von der Konformität mit der Praxis ab.“7
Im Rückgang auf David Hume untersucht Goodman die Geltung von Urteilen der Art „x ist y“ auf noch nicht entschiedene Fälle, welche grundsätzlich nicht aufgrund einer logischen Abhängigkeit mit bereits entschiedenen Fällen zusammengebracht werden können. Humes Problem war, dass sich Voraussagen weder aus der Erfahrung begründen lassen, noch logisch aus ihnen folgen.8 Humes Antwort, laut Goodman, ist Folgende: „Wenn in der Erfahrung ein Ereignis einer Art oft auf ein Ereignis einer anderen Art folgt, dann bildet sich eine Gewohnheit, die das Denken angesichts eines weiteren Ereignisses der ersten Art veranlaßt, zu der Vorstellung eines Ereignisses der zweiten Art überzuge|| 6 Nelson Goodman: Sense and Certainty – In: Catherine Z. Elgin: The Philosophy of Nelson Goodman – [a.a.O.] S. 120‒127, hier: S. 120. 7 MM, S. 20. 8 Vgl. FFF S. 81.
Die Metapher im Kontext des Induktionsproblems | 143
hen. Die Vorstellung von einer notwendigen Verknüpfung entsteht aus dem vom Bewußtsein empfundenen Drang zu diesem Übergang.“9
Die Frage ist allerdings, wie man von einer reinen Erfahrungstatsache, aus Urteilen einzelner Erfahrungen, auf eine (allgemeine) Gültigkeit von Sätzen und Urteilen bzw. auf einen noch nicht entschiedenen Fall schließen kann. Das ist das ,Humesche Problem‘. Goodman ist keineswegs der Meinung, dass dieses Problem grundsätzlich unlösbar sei – dass es jedoch bislang „nicht völlig befriedigend“10 gelöst worden ist. Goodman fasst das Problem also neu: Es lässt sich keine Voraussage auf Basis logischer Syntax für noch nicht entschiedene Fälle treffen, sondern lediglich entscheiden, ob Prädikate in ,berechtigter‘ Weise auf immer neue Fälle angewendet werden können. Goodmans Weiterentwicklung dieser These zielt darauf ab, dass man so zwar den Ursprung von Voraussagen, nicht aber deren Gültigkeit für noch unentschiedene Fälle herausfinden kann. „Der Vorgang der Rechtfertigung besteht in feinen gegenseitigen Abstimmungen zwischen Regeln und anerkannten Schlüssen.“11
Das gilt gleichermaßen für das Gegenteil von induktiven, nämlich deduktive Schlüsse: Auch die Regeln für deduktive Schlüsse gelten nur „durch ihre Übereinstimmung mit der anerkannten Praxis der Deduktion.“12 Der Trick dieses an sich zirkulären Arguments13 ist natürlich, dass die Theorie immer an die Praxis, die Performanz, gekoppelt bleibt und Voraussagen damit nichts mit Hellseherei, sondern einzig und allein mit der Praxis de- und induktiven Schließens zu tun haben. Mit Blick auf die Symboltheorie Goodmans gilt dies in gleichem Maße, denn ein Charakter ergibt sich auch hier – ganz analog – nur durch die prinzipiell offene Menge seiner Inskriptionen:
|| 9 FFF, S. 82. 10 FFF, S. 83. 11 FFF, S. 87. 12 FFF, S. 86. 13 Es handelt sich hier nicht um einen vitiösen, ,teuflischen‘ Zirkel, sondern vielmehr um den Versuch, zum Ausdruck zu bringen, dass Aussagen (über unentschiedene Fälle) sowohl auf der Basis von ,Regeln‘ als auch auf der Praxis induktiven und deduktiven Schließens basieren.
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„Die Aufgabe der Formulierung von Regeln, die den Unterschied zwischen gültigen und ungültigen induktiven Schlüssen definieren, entspricht weitgehend der Aufgabe, irgendeinen eingebürgerten Ausdruck zu definieren.“14
Als Beispiel dafür schaut sich Goodman die Verwendung des Begriffs „Baum“ an, die vornehmlich darin besteht, aus bereits verständlichen Wörtern – dem Schema – einen Ausdruck zu bilden, der auf bekannte Gegenstände (nämlich Bäume) zutrifft. Dies geschieht dadurch, dass die Beschreibungen auf Prädikaten beruhen, welche sich durch einen kontingenten Gebrauch in der Praxis bewährt haben. Somit kann das Prädikat weiterhin verwendet werden: Diese „tatsächlichen Fortsetzungen“15 einer Hypothese sind dann gegeben, wenn „sie nach der Prüfung und Verifikation einiger ihrer Anwendungsfälle angenommen wird, ehe die übrigen geprüft worden sind“16. Also muss auch die Fragestellung der Induktionsproblematik umformuliert werden, denn es geht nicht darum, was fortgesetzt werden soll, sondern vielmehr darum, was tatsächlich fortgesetzt wird. Die Fortsetzungsklasse besteht dabei jeweils in der Menge der noch nicht geprüften Fälle. Grundsätzlich müssen also immer Aussagen miteinander verglichen werden. Somit kann keinerlei Beurteilung unabhängig von einer gängigen symbolischen Praxis vorgenommen werden. Jeder Gebrauch von falschen Kategorien macht dabei „eine Induktion ungültig, unabhängig von der Wahrheit der Konklusion“17. Die zentrale Frage, die sich zunächst im Kontext von buchstäblichen Verwendungen eines Schemas stellt, lautet: Welche Kategorisierung ist in einem gegebenen Kontext ‚richtig‘, und was heißt ,richtig‘ überhaupt? Goodman kommt in seiner Argumentation zu dem Schluss, dass Aussagen und Urteile wesentlich auf Gewohnheit und somit auf Erfahrung im Umgang mit Symbolsystemen beruhen: Es ist die Praxis, die für die einzelnen Entscheidungen verantwortlich ist:18 „Wir müssen mit einigen Prämissen und Prinzipien anfangen; und es stehen keine absoluten und unbestreitbaren Gewißheiten zur Verfügung“19. Das zentrale Problem liegt in der Bestimmung des Gewohnheitsbegriffs: Bestimmte Prädikate sind im Sprachgebrauch offenkundig stärker ,gefestigt‘ und entsprechend etabliert als andere. Das liegt laut Goodman daran, dass das Prä|| 14 FFF, S. 89. 15 FFF, S. 114ff. 16 FFF, S. 114. 17 MM, S. 62. 18 Vgl. Günter Abel: Logic, Art and Understanding in the Philosophy of Nelson Goodman – In: Catherine Z. Elgin: The Philosophy of Nelson Goodman – [a.a.O.] S. 1‒12, hier: S. 2. 19 MM, S. 66.
Die Metapher im Kontext des Induktionsproblems | 145
dikat auf „ältere und viel zahlreichere Fortsetzungen verweisen kann“20. Sein (populäres) Beispiel an dieser Stelle ist das Prädikat „grün“ im Gegensatz zu ,Kunstprädikaten‘ wie „grot“ – dieses ist dadurch definiert, dass es auf einen Smaragd zutrifft, der zu einem bestimmten Zeitpunkt untersucht und als ,rot‘ befunden wurde. Die Definition basiert also auf einem gebräuchlichen Prädikat und einem Zeitausdruck.21 Dieses Verhältnis ist aber durchaus auch umgekehrt gültig. Der Smaragd war zu einem bestimmten Zeitpunkt ,grot‘ und ist dementsprechend „rot“. Das heißt, dass logisch hier kein fundierendes Verhältnis besteht – und das ist das „neue Rätsel der Induktion“22. Der Clou dabei ist, dass nicht danach gefragt wird, wie es zu Voraussagen kommt, sondern – weil man ja immer schon „von Anfang an [verstandesmäßig] in Tätigkeit“23 ist – wie man Voraussagen in berechtigte und unberechtigte einteilen kann. Wir kommen also nicht aus unserer symbolisch vermittelten Welt heraus, sondern können nur mit den Mitteln operieren, die sich uns zur Verfügung stellt. Eine Hypothese gilt nach Goodman dann als tatsächlich fortgesetzt, also angenommen, wenn sie „nach Prüfung und Verifikation einiger ihrer Anwendungsfälle angenommen wird, ehe die übrigen geprüft worden sind“24. Hier unterscheiden sich auch die Prädikate „grün“ und „grot“: Ersteres hat wesentlich mehr positive Anwendungsfälle als Letzteres und muss damit als besser verankert gelten. Damit ist das oben genannte Problem der Differenzierung zwischen zwei konkurrierenden Prädikaten hinreichend gelöst. Potentiell sind beide Prädikate also gleichermaßen fortsetzbar, tatsächlich fortgesetzt wurde aber ersteres öfter. Damit ist es besser verankert. Verankerung setzt keine Wahrheit im strengen Sinne voraus, denn die gilt nur für Sätze.25 Die Basis für die Verankerung liefert nicht allein das Wort selber, sondern „extensionsgleiche[…] Prädikate“26, mit anderen Worten das Schema, welches gerade verwendet wird. Goodman weist allerdings ebenfalls darauf hin, dass im Grunde ja nicht das Wort selber „[i]n einem gewissen Sinn […] verankert [ist], sondern die von ihm bezeichnete Klasse, und wenn man von Verankerung eines Prädikats spricht, so ist das eine verkürzte Aus-
|| 20 FFF, S. 121. 21 FFF, S. 104. 22 FFF, S. 106. 23 FFF, S. 113. 24 FFF, S. 114. 25 Vgl. Kap. IV.2. 26 FFF, S. 123.
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drucksweise für die Verankerung der Extension dieses Prädikats. Andererseits erlangt die Klasse lediglich durch die Fortsetzung der ihr entsprechenden Prädikate Verankerung; diese ergibt sich aus dem Gebrauch der Sprache.“27
Damit verschafft Goodman letztlich seiner Theorie die Grundlage. Die Verankerung fußt in der Häufigkeit der tatsächlichen Fortsetzungen und nicht allein der Gebräuchlichkeit. Dabei sind die „Zahl der positiven Fälle für eine Hypothese und ihr Grad an Fortsetzbarkeit […] zwei ganz verschiedene Faktoren ihrer Bestätigung“28. Gründe für die induktive Gültigkeit von Hypothesen sind also im Gebrauch der Sprache, der Verankerung der Prädikate, zu suchen, und eine berechtigte Voraussage ist eine, „die bisherigen Regelmäßigkeiten im Beobachten übereinstimmt“29. Diese Übereinstimmung ist nun wiederum vom Gebrauch der Sprache abhängig und davon, wie die Welt tatsächlich sprachlich beschrieben wird – im Sinne von dann routinemäßiger Projektion. Zwei Gegenstände sind sich also um so ähnlicher, wenn es ein besser verankertes Prädikat gibt, das auf beide zutrifft. Von zentraler Bedeutung ist immer auch die Extension, das Bezugnahmegebiet, bzw. die Verankerung der Denotationsrelation. Ist es nicht möglich, ausreichend viele positive Fälle für eine Hypothese (oder Erfüllungsgegenstände für ein Etikett) zu finden, so gilt die Hypothese als nicht verifizierbar, das Etikett als vakant.30 Dadurch ergibt sich letztlich eine Art von Referenzkonstanz als „Austarierung der Relation zwischen dem Prädikat und seiner Extension im Rahmen des Gebrauchs dieses Prädikats, und zwar […] stets im Unterschied zu anderen Prädikaten derselben oder ähnlicher kategorialer Bereiche.“31
Das ist auch gemeint, wenn Goodman in „Sprachen der Kunst“ von dem ‚Land der Naturalisierung‘ eines Schemas in einer bestimmten Sphäre, die damit Heimatsphäre des Schemas wird,32 spricht. Nun ist aber nicht das Prädikat allein verankert, sondern vielmehr „die von ihm bezeichnete Klasse, und wenn man von der Verankerung eines Prädikats || 27 FFF, S. 123. 28 FFF, S. 140. 29 FFF, S. 152. 30 Damit ist es freilich nicht leer, denn einen Sinn kann ein solches Etikett – wie wir gesehen haben – durchaus im Sinne einer Repräsentation-als oder einer Nulldenotation haben (Beispiel: Einhorn, Pegasus usw.). 31 Christian Stetter: Freind oder feund? Einige sprachphilosophische Konsequenzen aus Nelson Goodmans Analyse des Induktionsproblems – Aachen (Typoskript), S. 10. 32 Vgl. SdK, S. 80.
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spricht, so ist das eine verkürzende Ausdrucksweise für die Verankerung der Extension dieses Prädikats“33. Konsequent zeigt Goodman, dass kein isoliertes Wort, kein einzelnes Symbol, ohne eine Menge von tatsächlichen Erfüllungsgegenständen eine Bedeutung haben kann. Die Grundrelation aller Symbolisierung bleibt die Bezugnahme auf Erfüllungsgegenstände. Allerdings sind Gebräuchlichkeit und Verankerung für Goodman nicht, wie man zunächst annehmen könnte, identisch: Verankerung basiert auf der Anzahl der tatsächlichen Fortsetzungen des Prädikats, die Gebräuchlichkeit ist viel weiter gefasst und kann alle möglichen Aspekte zusätzlich einschließen. Tatsächliche Fortsetzung ist also in logischer Perspektive eingeschränkter und damit letztlich trennschärfer als der alltägliche Gebrauch. In diesem Sinne unterscheidet sich Goodmans Theorie von einer einfachen Gebrauchstheorie von Symbolsystemen, obwohl dieser Gebrauch doch offensichtlich im Zentrum der Theorie steht. Besondere Brisanz bekommen die im Vorangegangenen rekonstruierten Argumente beim Blick auf die Metaphernproblematik. Bestimmte Etiketten und erst recht ,bewährte‘ Prädikate werden auf Erfüllungsgegenstände in einem mehr oder weniger bestimmten Bezugnahmegebiet in halbwegs konstanter Weise – und zwar jeweils in kompletten Aussagen – angewendet. Sämtliche Unterscheidungen innerhalb des Gebrauchs sind folglich nur vor der Folie dieser tatsächlichen Anwendung von Etiketten zu treffen. Das heißt, gefestigte Prädikate sind solche, die eine feste Verankerung haben, und diese basiert, wie gesehen, auf einer hohen Anzahl tatsächlicher Fortsetzungen. Diese gefestigte Denotationsrelation setzt Goodman auch voraus, wenn er die figurative Anwendung von Etiketten untersucht: Figurative Anwendungen von Etiketten sind bestimmt als eine Anwendung eines buchstäblich auf einen Erfüllungsgegenstand applizierbaren und gebräuchlichen Etiketts auf eine fremde Sphäre, die sich ‚unter Protest‘ hingibt. Was unterscheidet die buchstäbliche Bedeutung also von der figurativen, wenn doch die Bezugnahme in allen Akten der Symbolisierung im Zentrum steht, vor der Folie der Induktionsproblematik? Aus dieser Perspektive lässt sich festhalten, dass jedes buchstäblich zutreffende Etikett besser tatsächlich verankert sein muss als ein figurativ zutreffendes und dem figurativen Gebrauch damit notwendig ,vorgeschaltet‘ bleibt. Das Figurative setzt das das Buchstäbliche immer voraus. Das buchstäblich verwendete Prädikat bzw. dessen (buchstäbliche) Extensionsbereiche müssen eine weitaus größere Menge tatsächlicher Fortsetzungen, eine bessere Verankerung,
|| 33 FFF, S. 123.
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vorweisen können als das metaphorisch verwendete.34 Diese Eigenschaft bleibt durchgängig erhalten. Aufgrund dieser semantisch ,fixierten‘, buchstäblichen Bedeutung lässt sich nun auch der Rückschluss auf die syntaktische Gestalt bewerkstelligen. Das war ja gerade die Quintessenz der Pronominalansicht Humboldts. Das eigentlich Metaphorische an der Metapher ist also eine Relation zwischen zwei konkurrierenden Bedeutungszuweisungen, die im Konflikt miteinander stehen müssen. Die besser verankerte der beiden ist die buchstäbliche: Das Figurative braucht zwei Elemente, die Neuheit des Zutreffens und diese Kontraindizierung. Die Neuheit des Zutreffens ist in der individuell neuen Verwendung des Prädikats umgesetzt. Viel wesentlicher ist allerdings das Faktum, dass diese neue Verwendung kontraindizierend eine bereits verankerte Verwendung voraussetzt – und zwar notwendig. Die Übertragung würde zudem nicht funktionieren, wenn das Etikett, welches figurativ angewendet wird, nicht ebenso mit einer Heimatsphäre verbunden wäre, also in diesem Sinne ebenfalls verankert wäre.
IV.2 Metaphern als Mittel der Sprachökonomie und Erkenntnisquelle Zunächst einmal ist der Begriff der Wahrheit für unsere Zwecke – und im Sinne Goodmans – durch einen passenderen Begriff zu ersetzen bzw. zu erweitern.35 Mit anderen Worten muss nach einem wahrheitsanalogen Kriterium gesucht werden – erst recht dann, wenn es um das ,Treffen‘ von Metaphern geht. Das Grundproblem liegt für Goodman darin, dass es keine „von Beschreibungen unabhängige Welt [gibt]; und Korrespondenz zwischen Beschreibung und dem Unbeschriebenen […] unverständlich“36 ist. Zudem ist Wahrheit nach Goodman eine „ungemein enge Vorstellung“37, da sie sich lediglich auf sprachliche Systeme und innerhalb dieser sprachlichen Systeme allein auf Aussagen bezieht. Klassischerweise gilt die Kategorie der Wahrheit nur für Aussagen, also Sätze – und zumeist auch nur für solche, die einen propositionalen Kern38 haben: || 34 Auch das metaphorisch verwendete Etikett muss eine buchstäbliche Extension haben, die jedoch im Konflikt mit der ,neuen‘ Anwendung steht. 35 Vgl. RE, S. 202ff. 36 RE, S. 203. 37 RE, S. 203. 38 Vgl. Ernst Tugendhat, Ursula Wolf: Logisch-semantische Propädeutik – Durchgesehene Ausgabe 1993. Stuttgart: Reclam 1983 (RUB 8206), S. 19.
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„Die Orientierung an Satzschemata und die Verwendung von Symbolen als Variable für inhaltliche Ausdrücke gehört [demnach] konstitutiv zur Logik“39. Der Wahrheitsanspruch eines Satzes fußt im Wesentlichen darauf, dass der Widerspruch ausgeschlossen werden muss: Es ist also unmöglich, dass „eine Aussage, die sich widerspricht, wahr ist“40. Nun hat ein Satz allerdings nicht allein die Funktion der Prädikation, sondern auch die der Referenz. Es muss also hinreichend klar sein, worauf sich eine Aussage in Satzform bezieht. Der Satz bzw. die „(sprachlichen) Äußerungen unserer Stimme“41 sind laut Aristoteles definiert als „ein Symbol für das, was (beim Sprechen) unserer Seele widerfährt, und das, was wir schriftlich äußern, (ist wiederum ein Symbol) für die (sprachlichen) Äußerungen unserer Stimme“42. Es werden dabei sowohl Dinge sprachlich geäußert, bei denen es auf die Kategorien der Wahrheit und Falschheit ankommt, als auch Gedanken der Seele, denen es gar nicht „zukäme, wahr oder falsch zu sein“43. Der Begriff der Äußerung ist also auch bei Aristoteles wesentlich weiter gefasst. Der wesentliche Aspekt, auf den Aristoteles aufmerksam macht, ist, dass „Falschheit wie Wahrheit […] an Verbindung und Trennung geknüpft“44 sind: Das Wort selber ist also nicht bzw. kann nicht wahr oder falsch, obwohl ihm doch eine Bedeutung beigemessen wird. Erst das entstehende „Wortgefüge“45, also der Satz – bei Aristoteles bestimmt als „eine etwas bedeutende stimmliche Äußerung, von deren Teilen (mindestens) einer eigenständig etwas bedeutet, und zwar als ein Ausdruck, der etwas sagt, nicht als einer, der etwas aussagt“46 – kann wahr oder falsch sein. Bei metaphorischen Aussagen geht es aber gerade nicht darum, dass sie in erster Linie wahr sind oder dass die Wahrheit ein Kriterium für die Durchschlagskraft einer Metapher ist. Vielmehr ist eine metaphorische Aussage per definitionem buchstäblich falsch, also nicht wahr, und reibt sich an einer buchstäblichen Aussage durch Abweichung. Auch im Falle der Schöpfung einer Welt(version) in Kunst, Sprache oder Musik geht es nicht allein darum, dass sie zwingend ,wahr‘ sein soll. Das gilt nur für einen kleinen Teil des Weltversionerzeugens, nämlich Disziplinen, die mit Aussage- und Behauptungssätzen ar-
|| 39 Ebd. S. 46. 40 Ebd. S. 50. 41 Ebd. S. 19, vgl. Aristoteles: Peri Hermeneias – [a.a.O.] S. 3 (16a). 42 Aristoteles: Peri Hermeneias – [a.a.O.] S. 3 (16a). 43 Ebd. S. 3 (16a). 44 Ebd. S. 3 (16a). 45 Ebd. S. 6 (16b). 46 Ebd. S. 6 (16b).
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beiten, die den Anspruch erheben, wahr zu sein und die widerspruchsfrei gelten sollen. Im Sinne Goodmans viel umfassender gedacht, muss die Schöpfung einer Welt erfolgreich sein. Bei sprachlichen Weltversionen kommt nun zumindest bei einem Teil ihrer Äußerungen das Kriterium der Wahrheit ins Spiel, weil diese Versionen aus Aussagen bestehen, die auf den Gesetzen der Logik basieren.47 Gleichsam gibt es auch viele Aussagen, die lediglich auf mitunter kurzweiligen Überzeugungen geruhen: Nur in einer wissenschaftlichen Abhandlung beispielsweise zählt eine Kategorie wie die buchstäbliche Wahrheit und die Konsequenz von Aussagen. In anderen sprachlichen Zusammenhängen wie beispielsweise einem Gedicht oder einem Roman zählen diese strengen Wahrheitskategorien wenn überhaupt, dann nur sekundär. Hier spielen eher Kategorien wie Konsistenz und Ähnliches eine Rolle. In diesem Zusammenhang treten nun metaphorische oder allegorische ,Wahrheiten‘ ins Spiel, und dabei geht es vielmehr um Relevanz und „Richtigkeit“48 als um Wahrheit, die bei Goodman deswegen zur „gefügigen und gehorsamen Dienerin“49 umgedeutet und damit als Teil des wesentlich umfassenderen Richtigkeitsbegriffs verstanden wird. Die Frage lautet, was unter dieser „Richtigkeit“ zu verstehen ist. Richtig ist eine Aussage, in die ja die Metapher selbst kontextuell immer eingebettet ist, dann, wenn sie ihren Zweck erfüllt. Das heißt, wenn sie etwas – und zwar auf eine möglichst durchschlagende Art und Weise – zum Ausdruck bringt, für das (bislang) kein buchstäbliches Etikett zur Verfügung steht. Mit diesem auf Richtigkeit und Passen erweiterten Wahrheitsbegriff muss nun auch auf die ,Wahrheit‘ einer Metapher oder, besser, einer metaphorischen Aussage geschaut werden. Die Wahl einer Metapher lässt schließlich der Kreativität des sujet parlant recht freien Entfaltungsraum: Die Auswahl des Etiketts, das metaphorisch angewendet wird, und auch des Bezugnahmegebiets obliegt letztlich wesentlich dem Sprecher und seiner Absicht, etwas Bestimmtes damit zum Ausdruck bringen zu wollen. Dieses alles untermauert die Beobachtung, dass eine figurative Anwendung eines sprachlichen Etiketts sich von dieser auf eine möglichst neuartige und in diesem Sinne originelle Weise kontrastiv absetzen muss, um schlagkräftig zu sein. Kurz gesagt: Eine Metapher oder eine metaphorische Aussage muss einen gewissen ‚Witz‘ haben – eine neuartige Sichtweise auf der Grundlage einer eingespielten zur Erscheinung bringen.
|| 47 Vgl. WW, S. 31. 48 WW, S. 33. 49 WW, S. 32.
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Das sich herausschälende Problem besteht vornehmlich darin, dass, wenn eine metaphorische Aussage – im strengen Sinne – ,wahr‘ wäre, sie nach der oben vorgeführten Argumentation als Referenz fest im Sprachgebrauch verankert und von einer Sprechergemeinschaft angenommen, also tatsächlich fortgesetzt, sein müsste. Wäre das der Fall, denn verlöre sie aber sofort ihren Status als Metapher. Jede allzu verankerte ,Metapher‘ ist keine mehr, sondern ihre Immer-wieder-Anwendung sorgt für tatsächliche Fortsetzungen, für Verankerung. Folglich kann eine metaphorische Aussage in diesem Sinne nicht wahr sein, sondern nur ,richtig‘ und ,zweckmäßig‘. Goodman unterscheidet das Metaphorische und das Buchstäbliche stets im übergeordneten Bereich des Tatsächlichen,50 aufgrund des Faktums der Bezugnahme und damit der materiell ins Werk gesetzten Referenz in der Performanz. Diese zu beschreiben und mit einem logischen Gerüst zu versehen, das ist seine Absicht. Es geht ihm – das haben letztlich auch die Überlegungen zum Induktionsproblem gezeigt – dabei immer um eine ‚Momentaufnahme‘ des Gebrauchs des Symbolsystems Sprache mit allen Merkmalen, die bislang rekonstruiert wurden. Sprachgebräuche müssen daher stets – wenn auch nur implizit – miteinander verglichen werden. Das harte Kriterium der ,Wahrheit‘ ist bei Metaphern gerade nicht gefordert. ,Wahr‘ bzw., besser, richtig ist eine semantische Zuordnung genau dann, wenn x ein Erfüllungsgegenstand von y ist bzw. dann, wenn der Satz „x ist y“ wahr ist. Das metaphorische Verhältnis bezieht sich allerdings wesentlich auf die Referenz und nicht so sehr auf die Prädikation. Das gilt aber wie gesehen vor allem bei buchstäblichen Verwendungsweisen, die der Metapher jeweils als Kontrast notwendig vorgeschaltet bleiben. Wenn demnach die Wahrheit als Kriterium für eine Metapher fallen gelassen wird, dann bleiben die Kategorien der Richtigkeit und des Passens bestehen: Eine Metapher passt bzw. ist richtig genau dann, wenn durch die Verwendung der Metapher das Beabsichtigte ausgedrückt, exemplifiziert wird und auch beim Gegenüber die beabsichtigte Erkenntnisreaktion auslöst. Nur dann hat die Metapher ihren Sinn erreicht; nur dann ist die Ähnlichkeit – zu einem ebenso richtigen Etikett, das in einer möglichst großen Anzahl wahrer Aussagen auftaucht, also mehrfach tatsächlich fortgesetzt ist – zum Ausdruck gebracht. Damit ist die Metaphernbildung nicht als zwingend wahrheits-, sondern richtigkeitsabhängig und darüber hinaus auch als Mittel der Sprachökonomie bestimmt: Die Metapher ist schließlich die naheliegendste und ökonomischste Möglichkeit der Bedeutungsübertragung: Ein induktiv etabliertes Etikett wird unter Berücksichtigung seiner Vergangenheit mehr oder weniger subjektiv auf
|| 50 Vgl. SdK, S. 73ff.
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eine fremde Sphäre übertragen und erwirkt dadurch in dieser Sphäre eine Neusortierung von Erfüllungsgegenständen auf der Basis der buchstäblichen Sortierung in der Heimatsphäre. Ziel des Sprechaktes ist dabei vornehmlich die Verständigung, nicht die zwangsläufig die Wahrheit51 der Aussagen. Ökonomisch ist das Verfahren der Metaphernbildung deswegen, weil es notwendig mit bereits vorhandenem und etabliertem Repertoire agiert und dieses auf eine neuartige Weise nutzt. Entsprechend fußt die Bedeutungsübertragung auf der syntaktischen Struktur des verwendeten Schemas – das ist der Kern, der sich aus Goodmans Theorie der Notation ergab. Deswegen ist die Metaphernbildung als ausschließlich sprachliches Verfahren zu kategorisieren. Das Wahrheitsargument in der geforderten Beurteilung von Metaphern spielt keine zentrale Rolle: Es kommt vielmehr darauf an, dass die Metapher ,zündet‘, ob sie das Intendierte zum Ausdruck bringt – und zwar in einer solchen Form, dass das alles auch möglichst unmittelbar verständlich ist. In diesem Sinne bleibt die Metapher, was sie ist: eine kalkulierte, mit Absicht begangene Kategorienverwechslung – und keine Fehlzuordnung, also kein Fehler. Die Metapher muss dabei möglichst viele Anknüpfungspunkte anbieten, um ihrem Zweck zu erreichen. Diese Überlegungen legen den Schluss nahe, dass die Metapher, wenn sie wirkungsvoll sein soll, in den Worten Ricœurs, möglichst ,lebendig‘ sein muss: „Lebendig ist eine Metapher nicht nur insofern, als sie eine konstituierte Sprache belebt. Lebendig ist sie auch, indem sie den Schwung der Einbildungskraft auf ein »mehr denken« auf die Ebene des Begriffs überträgt.“52
In diesem Sinne erweist sich die Metaphernbildung als ein durchaus ,bildliches‘ Verfahren in der Sprache.53 Jede treffende Metapher exemplifiziert eine besondere Weise der Darstellung – jedoch immer mit den Mitteln, die das sprachliche Symbolsystem vorgibt. Hier haben wir also den gesuchten, besonderen Berührungspunkt von Repräsentationalem und ,Notationalem‘. Und der Geltungsbereich ist wesentlich über den der Aussagen, die es auf Wahrheit abgesehen haben, ausgedehnt: „[Der Wissenschaftler] sucht nach Systemen, Einfachheit, Reichweite, und wenn er in diesen Punkten befriedigt ist, schneidert er sich die Wahrheit so zurecht, daß sie paßt. Die Gesetze, die er aufstellt, verordnet er ebensosehr, wie er sie entdeckt, und die Strukturen, die er umreißt, entwirft er ebensosehr, wie er sie herausarbeitet. […] Wir haben jedoch ge-
|| 51 John L. Austin: Zur Theorie der Sprechakte – [a.a.O.] S. 159ff. 52 Paul Ricœur : Die lebendige Metapher – [a.a.O.] S. 285. 53 Die Bildlichkeit der Metapher berührt ihren semantischen, nicht ihren syntaktischen Kern.
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sehen, daß Welten nicht nur aus dem erzeugt werden, was buchstäblich gesagt wird, sondern auch aus dem, was metaphorisch gesagt wird; ja sogar nicht nur aus dem, was entweder buchstäblich oder metaphorisch gesagt wird, sondern auch aus dem, was exemplifiziert und ausgedrückt wird: nicht nur sagend, sondern auch zeigend kann man Welten erschaffen.“54
So bestehen die erschaffenen Welten als Symbolsysteme aus durchgängig mehr als nur einer einzigen – nämlich der wahrheitsfähigen – Dimension. Wenn man sich nur auf wahrheitsfähige Aussagen stützte, wäre diese scheinbare Stütze nur eine gewollte Reduzierung der erschaffenen Welt, die nämlich ausschließlich solche verankerte Aussagen zulässt. Ungezählte erkenntnistheoretische Aspekte liegen aber – zunächst – gerade jenseits dieser Grenzen. Vor allem über Verfahren wie die Metapher können solche Prozesse zumindest näherungsweise – ,provisorisch‘ – mit Mitteln des sprachlichen Symbolsystems greif- und kommunizierbar gemacht werden. Somit zeigt sich das Verfahren der Metaphernbildung als eine in vielen Hinsichten besondere Möglichkeit, mit den systemeigenen Mitteln der Sprache über ihre Grenzen bzw. den buchstäblichen Gebrauch verankerter Prädikate hinauszugehen. Aufgrund der besonderen – nämlich zentralen – Position des Verfahrens der Metaphernbildung im Symbolsystem der Sprache und damit eo ipso deren zentraler Position im allgemeinen Umgang mit repräsentationalen und notationalen Symbolsystemen lässt sich die Metapher im Zentrum allgemeiner Symbolisierung lokalisieren. Zugleich ist damit aber ein weiteres Problem angestoßen: Wenn metaphorische Aussagen nicht zwingend wahr zu sein brauchen, um gültig zu sein, sondern nur richtig oder nützlich, dann reichen sie auch für den wissenschaftlichen Diskurs kaum zur Bildung von wahrheitsfähigen Aussagen hin. Ein Diskurs, der sich zu sehr auf Metaphern stützt, läuft Gefahr, obskur zu sein und wenig zu überzeugen. Das bedeutet, dass die metaphorische Aussage – in einem wissenschaftlichen Kontext wohlgemerkt – nicht viel mehr sein darf als ein Ansatzpunkt, um ein Problem zu umreißen, das sich mit buchstäblich verwendeten Etiketten in einer verständlichen Art und Weise nicht bezeichnen lässt. Die Metapher bietet lediglich einen sprachökonomisch gangbaren Weg, erste Schlüsse ins Ungewisse zu wagen. Danach wird der wissenschaftliche Diskurs einsetzen müssen. Das Kreative an diesem ersten Prozess der Bezeichnung besteht aber darin, eine gute Metapher für den entsprechenden Sachverhalt zu finden.
|| 54 WW, S. 32.
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Dieser Aspekt scheint auch der Grund zu sein, warum Goodman selbst bei der Definition – und diese sollte natürlich wahr sein – immer wieder auf Metaphern zurückgreift. Die Metapher bleibt bei ihm schließlich eine unkontrollierbare „Affäre“, eine „bigamistische zweite Ehe“. Der philosophische Diskurs wird demnach – obwohl mitunter anfänglich auf Metaphern angewiesen – Sätze, die Metaphern enthalten, in seinem Verlauf mehr und mehr zurücknehmen und durch wahrheitsfähige, prüfbare, buchstäbliche Aussagen und logische Argumentation ersetzen müssen. Diese müssen aus dem entwickelt und durchbuchstabiert werden, was implizit bereits in der Metapher angelegt ist. Die Metapher taugt zum Zeigen und Vorweisen, nicht unbedingt zum philosophischen Diskurs, der als Disziplin ganz eigenen Gesetzen unterliegt. Zu guter Letzt, darauf weist Catherine Z. Elgin bewusst und deutlich hin, können Metaphern auch ,falsch‘ sein und bilden in diesem Sinne sicher „keine unfehlbare Quelle der Einsicht“55. Falsch ist eine Metapher nach Elgin genau dann, wenn sie nicht passt und sich die neue Verwendungsweise nicht an einer buchstäblichen Verwendungsweise reibt. In diesem Falle wird die Metapher schlicht willkürlich und verliert somit ihren Status. Es bleibt zu überlegen, in welchem Sinne Metaphern unsere Erkenntnis genau ,befördern‘ können, wenn es nicht darum geht, propositionale Aussagen im Sinne einer logischen Argumentation zu treffen. Erkenntnis lediglich an „Formen von Begründung zu binden heißt bereits, sich auf rationale Erkenntnis einzuschränken“56. Gleichermaßen sind es – ebenso faktisch – aber oftmals gerade die „blitzhafte[n] Einsichten“57, welche Erkenntnis in ähnlicher Weise voranbringen. Es geht also bei der Erkenntnis nur zu einem Teil um Sätze, die „durch die korrekte Anwendung der Regel des deduktiven Schließens zustande gekommen sind“58 oder – so muss ergänzt werden – um Sätze, deren Wahrheit sich induktiv herausstellt. Die besondere Schwierigkeit mit Blick auf metaphorische Aussagen besteht nun darin, dass sich der „Wert von Metaphern niemals in einer wörtlichen Paraphrase aufwiegen“59 lässt. Das genau ist der tiefere Sinn, wenn Metaphern als
|| 55 Catherine Z. Elgin: Eine Neubestimmung der Ästhetik – In: Jakob Steinbrenner, Oliver R. Scholz, Gerhard Ernst: Symbole, Systeme, Welten – [a.a.O.] S. 43‒59, hier: S. 48. 56 Donatus Thürnau: Gedichtete Versionen der Welt. Nelson Goodmans Semantik fiktionaler Literatur – Reihe: Explicatio. Analytische Studien zur Literatur und Literaturwissenschaft. Herausgegeben von Harald Fricke und Gottfried Gabriel. Paderborn, München, Wien, Zürich: Ferdinand Schönigh 1994. S. 140. 57 Ebd. S. 141. 58 Ebd. S. 141. 59 Ebd. S. 158.
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Denkmodelle sui generis bezeichnet wurden. Die Schwierigkeit liegt demnach darin, dass den metaphorischen Aussagen durchaus ein Erkenntnisgewinn zugesprochen werden muss, sich aber gleichsam nur schwerlich sagen lässt, worin dieser genau besteht. In dem Moment zerstört man die Metapher. Der Erkenntnisgehalt einer metaphorischen Aussage ist also in einem gewissen Sinne ein anderer als der einer buchstäblichen Aussage. Im Wesentlichen besteht er wohl darin, dass die Metapher einen Sachverhalt in einer Kürze vor Augen führt, die, um ihren primären Zweck zu erreichen, keiner weiteren Explizierung bedarf. Am Beispiel fiktionaler Literatur60 diskutiert Donatus Thürnau den Erkenntniswert (unter anderem) von Metaphern und kommt dabei zu dem Schluss, dass „entgegen einer häufig vorgebrachten Kritik – nicht die realistischen Formen von fiktionaler Literatur die mächtigsten kognitiven Potentiale in sich tragen, sondern gerade die phantastischen und experimentellen“61 – also diejenigen, in denen Metaphern besonders häufig und auch besonders ,diffus‘ verwendet werden. Fiktionale Texte betrachtet er dabei als „Beschreibungen, die nichtdenotierende Etiketten aufgrund unkonventioneller Bezeichnungsweisen, logischer Widersprüche und empirischer Unmöglichkeit enthalten“62. Sinn dieser Art von Text ist es also gerade nicht, zu argumentieren und auf eine möglichst eindeutige Darstellung von buchstäblichen Sachverhalten zu achten, sondern das genaue Gegenteil. Ziel der Argumentation, die auch Goodman in „Weisen der Welterzeugung“ vorführt, ist es, zu zeigen, dass nicht allein die Wissenschaft, nicht allein die Musik, nicht allein die Sprache am Erschaffen von Weltversionen beteiligt ist, sondern dass vielmehr jedes Symbolsystem für sich genommen daran in gleicher Tragweite beteiligt ist. Es gibt keinen unvermittelten Zugang zur Welt. Lediglich die Formen und die Artikulation, die die verschiedenen Systeme zur Verfügung stellen, sind andere, funktionieren anders und liefern auch andere Erkenntnisse. Gerade am Verfahren der Metaphernbildung lässt sich ein zentrales Verfahren des Sprachsystems fixieren, das sowohl notationale als auch repräsentationale, sowohl digitale als auch analoge, sowohl künstlerisch-kreative als auch repräsentationale Züge trägt. Gerade in dieser symboltheoretisch zentralen Position ist die Metapher auch auf eine ganz individuelle Art an der Erkenntnisbildung beteiligt und liefert ein Vehikel sui generis, um Erkenntnis symbolisch
|| 60 Für lyrische Formen gilt dies sicher verstärkt. 61 Ebd. S. 161. 62 Ebd. S. 161.
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zu manifestieren und damit greif- und kommunizierbar zu machen. Erkenntnis gehört also weder der Kunst noch der Wissenschaft, sondern beiden gleichermaßen. Der eigentliche Erkenntnisgewinn durch Metaphern liegt – ähnlich wie bei fiktionaler Literatur – an der (vagen und durchaus konfliktreichen) Neuorganisation von „Bereichen[n] der Wirklichkeit“63. Das genau ist der kognitive ,Witz‘ des Metaphorischen. Dabei geschieht diese Neuorganisation per definitionem ohne Regeln und daher in einem gewissen Sinne immer subjektiv. Der Erkenntnisgewinn einer Metapher manifestiert sich demgemäß daran, ob es ihr gelingt, eine bestimmte Einsicht verständlich, nachvollziehbar und (im erkenntnistheoretischen Sinne) ,witzig‘ zum Ausdruck zu bringen, sodass sich diese Erkenntnis auch bei demjenigen einstellt, dem die Metapher vermittelt wird. Die Metapher schlägt in diesem Sinne Brücken. Sie dient – vergleichbar einem Modell in der Natur- und Ingenieurwissenschaft – dazu, Dinge und Sachverhalte prägnant zu veranschaulichen, für die keine oder nur eine umständlich zu formulierende buchstäbliche Bezeichnung zur Verfügung steht. Dafür bleibt das Verfahren der Metaphernbildung notwendig an einen buchstäblichen Gebrauch zurückgebunden, an dem sie sich reibt und von dem sie sich entsprechend absetzt. Damit liefert die Metapher sprachliche ,Modelle‘ mit einem Erkenntniswert, der sich spontan und in diesem Sinne durchaus ,diffus‘ einstellt. Die Metapher führt etwas in einer kurzen Formulierung, die aufgrund der syntaktischen Organisation des sprachlichen Schemas jedoch kommunizierbar ist, vor Augen, auf das sich die Erkenntnis bislang kaum gerichtet hat. Damit dient das Verfahren der Metaphernbildung vor allem der Verkürzung und dem (sprachlichen) Greifbarmachen von mitunter schwierig zu bezeichnenden Sachverhalten. Darin besteht ihr wesentlicher erkenntnistheoretischer Sinn. Die Metapher liefert dabei erste, provisorische Ansatzpunkte für die Diskussion. Das gilt aufgrund der zentralen Systemstelle der Sprache im Prozess der allgemeinen Symbolisierung nun in zweifache Richtung: Zum einen kann die Metapher formalwissenschaftliche Zusammenhänge in einer kurzen Form kommunizierbar machen, zum anderen kann sie auch zur Interpretation von nichtformalen Kunstformen herangezogen werden und schafft dort neue Zugänge. Dabei reißt die Metapher in beiden Fällen Sachverhalte an und macht sie greifbar.
|| 63 Ebd. S. 175.
V Goodmans Symboltheorie – Kritische Diskussion und offene Fragen Die sämtliche Arten von Bezugnahmen einbeziehende Symboltheorie nach Goodman hat in dieser breiten Anlage sowohl eine ihrer größten Stärken als auch ihrer größten Schwächen: Sie setzt voraus, dass sämtliche Arten von Symbolisierungen auf dieses einzige Faktum zurückbeziehbar sind. Wenn aber jedwede Art von Symbolisierung derart auf Bezugnahme reduziert wird, dann steht und fällt die komplette Theorie mit dem Begriff der Bezugnahme selbst, deren Wesen somit erkenntnistheoretisch zu definieren ist.1 Dementsprechend werde ich die kritische Diskussion mit einigen Bemerkungen zu Goodmans Nominalismus beginnen. Anschließend werde ich mich mit einigen Vorwürfen, die Goodman gemacht worden sind, auseinandersetzen. Dazu zählen die Schwierigkeiten des Wissens- und Verstehensbegriffs in Kunst wie Wissenschaft, die Frage nach der Erkenntnisfunktion von Kunst wie auch der Vorwurf der Skizzenhaftigkeit, der Goodman an verschiedenen Stellen gemacht worden ist. Zudem ist der Weltbegriff, den Goodman voraussetzt, nicht unproblematisch. Abschließend werde ich den Vorwurf, dichte, nichtartikulierte Symbolschemata seien gar keine, diskutieren sowie auf die offenen Fragen bezüglich der Induktion als ,roter Faden‘ von Goodmans gesamter Philosophie eingehen. Ein wesentlicher Aspekt an Goodmans Argumentation ist wohl, dass er die Frage, was Bezug nimmt, also die Frage nach den verschiedenen Symbolgestalten, in seinen syntaktischen Analysen der verschiedenen Symbolsysteme sehr weitreichend und präzise klärt. Für die Frage, worauf Bezug genommen wird, liefert er aber keine zufriedenstellende Antwort, sondern wendet an dieser Stelle vielmehr einen Kunstgriff an, der sich durch seine gesamte Philosophie zieht: Er lässt die Frage – bewusst – mehr oder weniger offen. Was sich zunächst nach einer Art Verlegenheit anhört, hat jedoch im Rahmen der Goodman’schen Symboltheorie seinen guten und fundierten Sinn. Goodman konstatiert lediglich, dass auf etwas – was auch immer das sein mag – Bezug genommen wird, wenn Symbole verwendet werden. Allein das Faktum der Bezugnahme reicht ihm zur Klärung seines Problems – der Beschreibung der syntaktischen und semantischen Eigenschaften von Symbolsystemen – aus und entbindet ihn gleichsam davon, explizit klären zu müssen, was denn genau durch ein Symbol bezeichnet
|| 1 Vgl. hierzu die Kritik Davidsons (Donald Davidson: Wahrheit und Interpretation – [a.a.O.], S. 9ff.) und Kap. I.7.
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werde. Vielmehr ist jede symbolische Bezeichnung selbst eine Exemplifikation, ein Beispiel für eine symbolhafte Anwendung, die von verschiedenen Faktoren wie beispielsweise der Fortsetzbarkeit abhängig ist. Auf dieser Grundlage geht es Goodman – vor allem in „Sprachen der Kunst“ – also gerade nicht um eine Klärung dessen, worauf Bezug genommen wird, sondern um die hinreichende Differenzierung von verschiedenen Symbolsystemen, wie sie sowohl in Kunst und Wissenschaft tatsächlich im Gebrauch sind. Durch induktionelle Fortsetzbarkeit, sprich Verankerung, sind dabei einige Weltversionen gefestigter als andere, obwohl diese theoretisch den gleichen Status haben. Einige Weltversionen sind durch ihre Fortsetzbarkeit, ihre Anknüpfungspunkte, besser verankert als andere. Diese bilden die Grundlage, von der aus zu argumentieren ist: Basis jeglicher Erkenntnis ist „erfolgreiches Konstruieren mit Zeichen“2, das Erzeugen von Welten oder zumindest Weltversionen. Auf die mit dem Welt- bzw. Weltversionenbegriff verbundenen Schwierigkeiten werde ich zum Schluss noch zurückkommen. Somit ist auch die Frage nach dem Wissens- und Verstehensbegriff direkt angesprochen. Auch wenn Goodman mit seiner Theorie als ein „maßgeblicher Vordenker eines wiederzuentdeckenden Verstehensbegriffs“3 einzuordnen ist, welcher wiederum als aktiver, „grundlegender, kognitiver Vorgang“4 und „radikaler Neubeginn der Erkenntnistheorie“5 zu verstehen ist, zieht sein dynamischer Zeichenbegriff eine Reihe von Fragen nach sich:6 Ein zentrales Problem, das zum Beispiel Sabine Ammon sieht, ist, dass Goodman nicht eindeutig klären kann, welcher Konstruktionsprozess denn tatsächlich zum Verstehen führt. Demnach ist der Verstehensbegriff an sich zu klären: Ist es allein der wahrheitsabhängige Konstruktionsprozess von Aussagen oder trägt die Kunst in gleicher Weise zur Erkenntnis bei? Durch die Gleichbehandlung entstehe, so Ammon, schließlich eine Pluralität von Symbolsystemen, für die jedoch Beliebigkeit ausgeschlossen werden muss. Mit dieser Pluralität hat Erkenntnis eo ipso einen jeweils „zeit- und kulturabhängige[n] Charakter“7 und wäre deswegen auch einem steten Wandel unterzogen: „Die Verlagerung der erkenntnistheoretischen Betrachtung auf die dynamischen Prozesse des Verstehens führt letzt-
|| 2 Sabine Ammon: Wissen verstehen. Perspektiven einer prozessualen Theorie der Erkenntnis – 1. Auflage, Weilerswist: Velbrück 2009, S. 16. 3 Ebd. S. 88. 4 Ebd. S. 88. 5 Ebd. S. 90. 6 Vgl. ebd. S. 105. Viele dieser Fragen sind nicht abschließend geklärt, sondern werden auch zukünftig Stoff für Diskussionen liefern. 7 Ebd. S. 139.
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lich zu einem Dammbruch“8, und es gibt, so Ammon, schlechterdings keinen Weg zurück zur Rekonstruktionstheorie der Welt. Wissen definiert Ammon folglich als „Ergebnisform“9. Das hat Konsequenzen, die zu einer erneuerten Erkenntnistheorie führen: „Die Verstehensprozesse stellen fortlaufende Entwicklungsprozesse dar, die umfassend in die Umwelt eingebunden sind“10, und für „Wissen wie auch Verstehen sind die Zusammenhänge und Verknüpfungen im Kontext eines Systems im Gebrauch wesentlich“11. Daraus resultiert eine Vielfalt von Wissensarten, die sich gegenseitig beeinflussen und befruchten. Das heißt, dass Wissen immer auch vom System abhängig ist, das sich gerade in Anwendung befindet. Demzufolge wird zwischen ,verschiedenem‘ Wissen zu differenzieren sein. Gegenargument zu diesem Vorwurf ist allerdings, dass es Goodman gar nicht in erster Linie um einen Wissensbegriff, der in allen Disziplinen Gültigkeit hat, ging. Vielmehr stand im Zentrum seines Interesses – zumindest in „Sprachen der Kunst“ – die Differenzierung von Symbolsystemen, die zu durchaus unterschiedlichen Ausprägungen von Wissen führen können. Auch die Verstehensprozesse sind in jedem Symbolsystem anders gelagert: Wo es bei dem formalen System darum geht, in erster Linie den Formalismus schreiben, lesen und anwenden zu können, geht es bei ästhetisch-dichten Kunstformen wie der Malerei in erster Linie um die rezeptive Interpretation bzw. erschaffende Kreativität. In diesem Zusammenhang ist gerade keine Eindeutigkeit, sondern eine jeweils ,neue‘ Art der Darstellung, die es mitunter individuell zu erfassen gilt, gefordert. Genau das kann Goodman mit seiner Symboltheorie abbilden – und mehr wollte er nicht erreichen. Eine weitere Kritik, die an Goodmans Entwurf geäußert wird, ist, dass er an vielen Stellen zu skizzenhaft bleibt.12 Dem mag man durchaus zustimmen, dennoch heißt das nicht, dass der ,Entwurf‘ in seinem Kern nicht haltbar ist. Wir können schließlich nicht umhin, die Bezugnahme als Kern sämtlicher Symbolisierungen zu konstatieren. Tun wir das nicht, dann ist die Symbolisierung in ihrem Kerngeschäft gefährdet: Jedes Symbol braucht zwangsläufig etwas, wofür es steht – sonst handelt es sich nicht um ein Symbol. Der Umgang mit Symbolen bildet eine wesentliche Art und Weise, wie ,Welten‘ erzeugt werden. || 8 Ebd. S. 142. 9 Ebd. S. 171. 10 Ebd. S. 180. 11 Ebd. S. 180. 12 Vgl. u.a. Monroe C. Beardsley: Languages of Art and Art Criticism – In: Catherine Z. Elgin: The Philosophy of Nelson Goodman. Selected Essays. Bd. III: Nelson Goodman’s Philosophy of Art. New York/London: Garland Publishing 1997, S. 43‒67 (Erkenntnis 12, S. 95‒118).
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Zugegeben, auch der Ausdruck ,Welten‘ mag bei Goodman durchaus reißerisch und vielleicht auch unglücklich gewählt sein, weil er offenkundig im Konflikt mit ,der Welt‘ steht. Doch auf zweiten Blick ist gerade dies die Quintessenz des Goodman’schen Nominalismus‘: Die symbolisch geschaffene Welt(version) hat keinen weniger ,realen‘ Rang als ,die‘ Welt. Vielmehr zerfällt Goodman zufolge die Welt in eine Vielzahl von Welten bzw. Weltversionen, nämlich Symbolsystemen, wie sie in Kunst und Wissenschaft gleichermaßen im Gebrauch sind. Gerade in diesem Punkt ist selbstredend Kritik geäußert worden:13 Zentrales Argument der Diskussion zwischen Nelson Goodman und Israel Scheffler ist, dass Goodmans Weltbegriff letztlich undurchsichtig bleibe und das erkenntnistheoretische Problem damit lediglich rhetorisch umschifft werde, nämlich als Weltversionen:14 Sterne werden, so Scheffler, schließlich nicht erschaffen – auch nicht ,als‘ Sterne. Sie sind da. Goodman selbst versteht die Unterscheidung zwischen Welten und Versionen nicht so trennscharf.15 Vielmehr weist er darauf hin, dass nicht jede Version auch gleich eine Welt erschafft, sondern nur einige.16 Wenn Weltversionen als Symbolsysteme miteinander verglichen werden – und das ist wie gesehen Goodmans zentrales Anliegen –, dann geht es zumeist wesentlich um die Unterschiede, und zwar derart, dass die Gemeinsamkeiten vernachlässigt werden. Goodman geht es vielmehr – und das ist letztlich der in unserem Zusammenhang wohl stärkste Punkt seiner Theorie – um die vornehmlich syntaktischen (und auch semantischen) Eigenschaften von Symbolsystemen. Zu differenzieren bleiben daher die Aussagen, die die verschiedenen Symbolsysteme machen: Diese sind nicht immer an Kategorien wie Wahrheit gebunden, sondern – wenn auch nicht beliebig – ein gutes Stück flexibler. Hier wurde auf die wahrheitsanalogen Konzepte der Richtigkeit, des Passens und des Bietens von Anknüpfungspunkten hingewiesen. Das hat Goodman in seinen Überlegungen zur Neufassung des Induktionsproblems sehr klar herausgearbeitet. Ihm ging es dabei nicht unbedingt um die Klärung der Grundlage, warum wir dieses oder jenes tun, sondern vielmehr um die Beschreibung dessen, was
|| 13 Vgl. Israel Scheffler: The Wonderful Worlds of Goodman – In: Peter J. McCormick: Starmaking – Realism, Anti-Realism and Irrealism – Massachussetts Institute of Technology 1996, S. 133‒142. 14 Vgl. ebd. S. 141. 15 Vgl. Nelson Goodman: On Starmaking – In: Peter J. McCormick: Starmaking – [a.a.O.] S. 143‒147, hier: S. 146. 16 Vgl. Nelson Goodman: Comments – In: Peter J. McCormick: Starmaking – [a.a.O.] S. 203‒213, hier: S. 211.
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wir faktisch – als Akte der Performanz – tun, wenn wir mit Symbolen umgehen. Das wiederum heißt, dass es hier nicht um Beliebigkeit, sondern, wie Ammon betont hat, um einen – positiven – Pluralismus geht. Dieser Pluralismus schlägt sich auch auf Goodmans komplettes Werk nieder, das deswegen zunächst kaum einen intrinsischen Zusammenhang zu haben scheint. Von sehr formalen Betrachtungsweisen über Weisen, in denen künstlerisch darstellende Welten erzeugt werden, kommt Goodman – auf den jeweils gleichen Grundlagen – gleichzeitig zu einem eigenen Ästhetikbegriff und von diesem Ästhetikbegriff wiederum auf die Eigenschaften der einzelnen Repräsentationssysteme. Dies bleibt durch die Konzeption der Bezugnahme immer aneinander gebunden. Diese breite Anlage von Goodmans Theorie mag auch der Grund dafür sein, dass sie immer wieder nur in bestimmten Zusammenhängen diskutiert wird, Goodman aber keine philosophische Schule begründet hat17 und warum die zusammenhängende Rezeption von Goodmans Gesamtwerk noch an ihren Anfängen steht. Dem Standpunkt, den vor allem Cohnitz und Rossberg geltend gemacht haben, dass nämlich keines der in Goodmans Theorie angesprochenen Themen bislang endgültig gelöst ist – wenn es denn überhaupt eine endgültige Lösung gibt18 – wird man sich sicher anschließen müssen: Sämtliche Problemstellungen, die Goodman in seinem Werk sehr überzeugend formuliert hat, stehen in der gegenwärtigen philosophischen Diskussion – und das aus wie gesehen guten Gründen. Was mit Goodmans Neufassung eines dynamischen Nominalismus aber geleistet wird – und das gilt es hier festzuhalten –, ist eine wünschenswert klare und auf logischem Vokabular basierende Beschreibung des faktischen Umgangs mit Symbolsystemen. Dabei hat Goodman klar die Bedingungen für die Extremata von Symbolsystemen – nämlich formal eindeutige und (ästhetisch) dichte – herausgearbeitet. Das ist letztlich ein Verdienst, der zweifelsfrei auf Goodmans Konto geht. Dies genau ist seine „kohärentistische Konzeption von epistemischer Rechtfertigung“19. Damit ist die Hoffnung auf eine feste Grundlage, auf universelle Wahrheiten, allerdings immer mehr aufgegeben. Es geht Goodman also gar nicht so sehr darum, Erkenntnisse über ,die‘ Welt zu erlangen, sondern vielmehr darum zu untersuchen, wie wir mit unseren symbolisch erzeugten Weltversionen um-
|| 17 Vgl. Gerhard Ernst, Jakob Steinbrenner, Oliver R. Scholz (Hrsg.): From Logic to Art – [a.a.O.] S. 21. 18 Vgl. Daniel Cohnitz, Marcus Rossberg: Nelson Goodman – [a.a.O.] S. 204. 19 Jakob Steinbrenner, Oliver R. Scholz und Gerhard Ernst: Symbole, Systeme, Welten. Studien zur Philosophie Nelson Goodmans – [a.a.O.] S. 25.
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gehen. Wissen ist nach Goodman immer ein ebenso konstruiertes20 wie referenzialisiertes. Damit wird Goodman letztlich zum „super extensionalist“21. Grundlage des Goodman’schen Konstruktivismus ist dabei immer ein nichtinterpretiertes System – nicht zwangsläufig ,die‘ Welt. Ein Kritikpunkt, den Jens Kulenkampff vorgetragen hat, muss abschließend diskutiert werden, weil er an einem recht empfindlichen Punkt von Goodmans Theorie ansetzt: Kulenkampff bezweifelt, „dass die Rede von einem dichten Symbolschema oder von einem Symbolsystem, denen syntaktische Differenzierung vollständig abgeht, überhaupt sinnvoll ist“22. Bei einer vollständig fehlenden Syntax sei schließlich überhaupt nicht mehr von einem Symbolsystem zu sprechen, weil die Artikulation komplett fehlt. Gerade Goodmans These der bildlichen Darstellung hält Kulenkampff damit also für „unbefriedigend“23. Kulenkampffs Lösungsvorschlag ist vielmehr die Klärung dessen, was derjenige überhaupt tut, „der ein Bild produziert“24. Der Einwand hat durchaus seine Berechtigung und ist wohl der Tatsache geschuldet, dass Goodman in „Sprachen der Kunst“ durchweg von einem klassischen, alltäglich Bildbegriff ausgeht, nämlich Bildern, die in artikulierter Weise als Symbol etwas darstellen. Damit ist natürlich nicht ausgeschlossen, dass der Bildbegriff an einem bestimmten Punkt selbst an seine Grenzen stößt.25 Goodmans Ziel war es jedoch nicht unbedingt, einen möglichst umfassenden Bildbegriff zugrunde zu legen. Es ging ihm vielmehr darum, das alltägliche Verständnis dessen, was als eine pikturale Darstellung angesehen wird, mit logischen und symboltheoretischen Mitteln klarer zu formulieren. Nur die Klärung dieser Fragestellung ließ Rückschlüsse auf die ästhetische und erkenntnistheoretische Funktion einer pikturalen Darstellung zu, die für Goodmans Entwurf einer Symboltheorie eben hinreichte. Dafür einige Anregungen geliefert zu haben, war die Anlage von Goodmans Überlegungen. Dass der Bildbegriff selber
|| 20 Vgl. Dena Shottenkirk: Nominalism and its Aftermath. The Philosophy of Nelson Goodman – Heidelberg, London, New York: Springer 2009. S. 106ff. 21 Ebd. S. 143. 22 Jens Kulenkampff: Sind Bilder Zeichen? – In: Jakob Steinbrenner, Oliver R. Scholz, Gerhard Ernst: Symbole, Systeme, Welten. Studien zur Philosophie Nelson Goodmans – [a.a.O.] S. 185‒201, hier: S. 190. 23 Ebd. S. 198. 24 Ebd. S. 200. 25 Dieser Aspekt müsste eingehender untersucht werden, was hier jedoch nicht zu leisten ist. Gleiches gilt auch für den Herstellungsprozess von Bildern, die mehr oder weniger komplett auf eine Artikulation verzichten.
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irgendwo an seine Grenzen stößt, schließt Goodman selbst jedoch auch keineswegs aus. Ein Punkt, auf den Gerhard Ernst hingewiesen hat, scheint einen sehr fruchtbaren Ansatz für die zukünftige – noch zu leistende – Gesamtinterpretation des Goodman’schen Werks zu liefern: Ernst sieht die Induktion als einen roten Faden in Goodmans gesamter Philosophie.26 Dies diskutiert er am Begriff der Fortsetzbarkeit von Prädikaten: Ein Prädikat ist „nicht gut verankert, weil es fortsetzbar ist, sondern fortsetzbar, weil es gut verankert ist“27. Ohne diese Grundlegung der Bedeutung und Verwendungsweise eines Prädikats, seiner Verankerung in einem bestimmten System, ist keine Konstitution von ,Wissen‘ möglich. Das damit angesprochene ,neue Rätsel‘ der Induktion besteht darin, „daß es zu dem akzeptabel scheinenden induktiven Schluß ebenso gut begründete gegensätzliche Hypothesen gibt, [und] außerdem, daß es kein semantisches oder syntaktisches Verfahren gibt, die Konkurrenten voneinander zu unterscheiden“28. Die Unterscheidung ist allein abhängig von „der gängigen Verwendung oder Einpfählung der eingesetzten Prädikate“29, der Fortsetzbarkeit. Sie spielt damit eine wesentliche Rolle bei der Goodman’schen Diskussion des Richtigkeitsbegriffs. Besonders greifbar und konsequenzreich wird Goodmans Symboltheoriekonzeption am Beispiel der Sprache, die stets in einem „überindividuellen Rahmen“30 vollzogen wird, der allgemeinen Sprachpraxis. Dabei ist die Sprache gerade nicht als ein immer identischer Pool von Sprachregeln und Bedeutungen zu verstehen, sondern als individuelle ,Welt‘, die gleichzeitig in einer intersubjektiven Praxis, nämlich der einer Sprachgemeinschaft, verankert ist. Ein besonderes, genuin sprachliches Verfahren – und deswegen zentraler Untersuchungsgegenstand der vorliegenden Arbeit – ist dabei eine bemerkenswerte Exemplifikation für Goodman Philosophie insgesamt: die Metaphernbildung. Hier zeigt sich nicht allein, dass die Symbole in ihren Bedeutung ,Nebentätigkeiten‘ nachgehen können, sondern auch, wie sich Richtigkeit induktiv konstruieren lässt. Richtigkeit hatten wir mit Goodman – zur Erinnerung – an die Stelle der (absoluten) Wahrheit gesetzt. Diese Wertschätzung der Meta-
|| 26 Gerhard Ernst: Induktion, Exemplifikation und Welterzeugung – In: Jakob Steinbrenner, Oliver R. Scholz, Gerhard Ernst: Symbole, Systeme, Welten – [a.a.O.] S. 99‒109, hier: S. 99. 27 Ebd. S. 102. 28 Robert Schwarz: Über Nelson Goodman – In: Hans Rudi Fischer, Siegfried J. Schmidt (Hrsg.): Wirklichkeit und Welterzeugung. In memoriam Nelson Goodman – Heidelberg: CarlAuer-Systeme 2000, S. 405‒407, hier: S. 406. 29 Ebd. S. 406. 30 Ebd. S. 145.
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pher trägt letztlich zu einer Neubestimmung der gesamten Ästhetik31 bei. Der Metaphernbildung wird damit eine zentrale Position eingeräumt, da sie sich sowohl des Pols der formalisierten Wissenschaft als auch dessen der darstellenden Kunst mit syntaktisch hinreichend differenzierten und im (kontraindizierten) Rückbezug auf semantisch verankerte Etiketten zuwenden kann. Dabei nutzt Goodman einen ,Trick‘, der in vielfacher Hinsicht Symptom seiner Philosophie ist: „Goodmans Diskussion der Metapher ist voll von Metaphern, die die von ihm beschriebenen Merkmale exemplifizieren. [… Sie] erfüllt eine doppelte Aufgabe, in dem sie das Wechselspiel von Anziehung und Widerstand, das die Metapher braucht, sowohl beschreibt als auch zur Schau stellt“32. Dieses Vorgehen kann wohl als paradigmatisch für den gesamten Symbolbegriff gesehen werden, denn man kommt schließlich nicht umhin, auch bei der Definition von Symbolen wieder Symbole zu verwenden – ein guter wie bisweilen auch verhängnisvoller33 Zirkel, aus dem wir nicht ausbrechen können. „Nobody has formulated nominalism in such a penetrating and convincing way, and nobody has stimulated the interest in nominalistic systems as effectively as has Nelson Goodman.“34
So ordnet Günter Abel Nelson Goodman und seine Symboltheorie sicher zutreffend ein. Diesem Ansatzpunkt wird man sich nach unserem Durchgang durch die Texte Goodmans offenkundig mit guten Gründen anschließen dürfen. Im Wesentlichen liegt die Stärke von Goodmans Entwurf einer Symboltheorie darin begründet, dass er alle Arten von Symbolisierung auf ihr wesentliches Merkmal reduziert – das Faktum der Bezugnahme durch eine Symbolgestalt auf einen Erfüllungsgegenstand in einem Bezugnahmegebiet. Eine besondere Schlagkraft von Goodmans Symboltheorie besteht also darin, dass sie nicht weiter hinterfragt, auf welche Weise die Bezugnahme als solche überhaupt funktioniert. Das ist mit Absicht nicht Goodmans Thema. Es geht ihm wesentlich um die, allerdings mit logischen Mitteln hinreichend zu differenzierende, Beschreibung der Tatsache, dass und auf welche Weise sie in
|| 31 Catherine Z. Elgin: Eine Neubestimmung der Ästhetik – In: Jakob Steinbrenner, Oliver R. Scholz, Gerhard Ernst: Symbole, Systeme, Welten – [a.a.O.] S. 43‒59. 32 Ebd. S. 46. 33 Verhängnisvoll ist der Zirkel deswegen, weil sich das Phänomen der Metaphernbildung außermetaphorisch kaum klären lässt. Wenn die Metapher paraphrasiert wird, wird ihr Kern im Grunde bereits zerstört. Ihr genuiner Zweck ist ja gerade, etwas mit einem bestimmten ,Witz‘ und einer ,knackigen‘ Kürze vor Augen zu führen. 34 Günter Abel: Logic, Art and Understanding in the Philosophy of Nelson Goodman – [a.a.O.] S. 5.
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den verschiedenen Systemen, die in Kunst und Wissenschaft im Gebrauch sind, funktioniert. Gleichsam gilt es hier nochmals auf den zentralen Aspekt, der diese allgemeine Symboltheorie gegen Angriffe aus vielen Richtungen stärkt, hinzuweisen: Jeder Ansatz in Goodmans Symboltheorie bleibt immer in der Performanz – der Tatsache, dass wir mit Etiketten der verschiedensten Systeme auf verschiedenste Erfüllungsgegenstände Bezug nehmen – verankert. Jede Art der Darstellung ist auf diese Weise an die Inskription gebunden. Es geht also grundsätzlich um die Beschreibung von solchen Systemen und ihren spezifischen Eigenschaften. Das Wesen der Bezugnahme selbst bleibt auch für Goodman außersprachlich letztlich unerforschlich.35 Goodman besteht deswegen darauf, dass Weltversionen immer nur aus anderen Weltversionen erschaffen werden können. Dementsprechend ist seine allgemeine Symboltheorie aufgebaut, denn sie setzt das Faktum des Gebrauchs von verschiedenen Symbolsystemen immer voraus. Die so entwickelte Typologie von Symbolsystemen macht die eigentliche Stärke der Theorie aus. Sie sucht dabei nicht primär nach genauen, trennscharfen Definitionen, die es streng genommen auch gar nicht geben kann,36 sondern bestimmt lediglich die extremen Werte allgemeiner Symbolisierung mit ihren ganz spezifischen Merkmalen auf der syntaktischen wie der semantischen Seite. Zwischen diesen Extremen von Repräsentation und Notation lässt sich jedes System mehr oder weniger klar einordnen, ohne jedoch an einer wirklich eindeutig bestimmbaren Stelle festzustehen. Jedes Symbolsystem selbst neigt zur Unterwanderung an seinen Grenzen und bleibt damit in sich flexibel. Gerade die Sprache steht als Symbolsystem freilich an einer ganz besonderen Stelle in der allgemeinen Symboltheorie – und die Metapher, wie gesehen, als ein ganz besonderes Verfahren wiederum in dessen Zentrum. Die auf diese Weise grundgelegte Interdisziplinarität im Spielraum zwischen Kunst und Wissenschaft, die auch und gerade im universitären Alltag – wie gegenwärtig zu erleben – zunehmend eine Rolle spielt und aus verschiedenen Gründen sicher auch spielen muss, erscheint als faktische Folge dieses intrinsischen Zusammenhangs der Symbolsysteme, die sich jeweils in Anwendung befinden: Wenn es um die Kommunikation verschiedener Disziplinen und Fakultäten geht, dann müssen Berührungspunkte geschaffen werden. Wie gesehen, setzt allerdings nahezu jede Disziplin ihren eigenen Sprachgebrauch – ihre eigene ,Syntax‘ und ihre eigene ,Semantik‘ – voraus. So wird der Ingenieurund Naturwissenschaftler immer anders argumentieren als der Geisteswissen-
|| 35 Vgl. Donald Davidson: Wahrheit und Interpretation. [a.a.O.] S. 17ff. und 314. 36 Jedes Symbolsystem hat an seinen eigenen Grenzen beide Dimensionen in sich.
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schaftler, was in den jeweiligen Disziplinen – nach Goodman, den verschiedenen Weltversionen – begründet liegt. Um nun den (notwendigen) Dialog voranzutreiben, muss Kommunikation hergestellt werden, und auch hier können gerade Metaphern gute Dienste leisten, da sie von beiden Seiten her zugänglich sind: Übergänge von repräsentationalen und notationalen Systemen sind oftmals allein qua figurativer Bezugnahme zu bewerkstelligen, um überhaupt einen Diskurs zustande zu bringen, Metaphern sind ökonomisch gestaltete Möglichkeiten, sprachliche Modellfälle, mit typisierbaren, also kommunizierbaren und nachvollziehbaren Mitteln einen ,Schluss ins Ungewisse‘, in dem etablierte Kategorien (noch) fehlen, zu wagen, ins Werk zu setzen und so für eine Sprachgemeinschaft kommunikativ zur Verfügung zu stellen. Von Seiten der technischen Wissenschaftsdiziplinen wird sich also dadurch ein gewisses Maß an semantischer Flexibilität erreichen lassen, von Seiten der Kunst- und Geisteswissenschaften wird ein gewisses Maß an zumindest syntaktischer Eindeutigkeit und damit zumindest kommunikative Klarheit möglich. Nicht umsonst sind Disziplinen wie die Logik auf einen Formalismus angewiesen, der nach ganz eigenen Gesetzmäßigkeiten funktioniert. Ein solches Verfahren wäre in der Kunst mehr oder weniger undenkbar.
VI Schlussbemerkungen Wie in der vorliegenden Untersuchung gesehen, tritt die Metapher als ein herausragendes sprachliches Verfahren in den Blickpunkt, wenn es um die Bestimmung möglicher Übergangsbereiche oder Berührungsstellen zwischen den extremen Dimensionen von Symbolisierung geht. Die Metapher bricht dabei einerseits aus dem Repräsentationalen in den Bereich des Notationalen ein: Der Ausgangspunkt für diese Argumentation liegt in Goodmans Überlegungen zum Schemabegriff und seiner Theorie der Notation. Nicht ohne Grund gelangt er gerade in diesem Zusammenhang zur Metaphernthematik, einer Diskussion, die sich in „Sprachen der Kunst“ deswegen unmittelbar in der Nähe des Kapitels zum Schemabegriff selbst befindet. Das Figurative muss ebenfalls im Bereich des Faktischen angesiedelt werden: Jede Anwendung eines Etiketts, buchstäblich oder figurativ, findet genauso tatsächlich in Akten der Performanz statt. Durch Verankerung und Referenzkonstanz erweist sich eine Zuordnung letztlich ,in the long run‘ als ‚buchstäblich‘. Genau diese induktiv gefestigte ,Zuordung‘ wird allerdings durch die Metapher mitunter massiv aufgebrochen. Goodman stellt seine Argumentation auf eine extensionale Grundlage, die ihren Blick allein noch darauf richtet, auf welche Weisen wir in der alltäglichen Praxis mit Symbolsystemen Bezugnahmen ins Werk setzen und diese Bezugnahmen qua Medium an einer materiellen Gestalt festmachen. Sie sind Weisen der Welterzeugung, und wir müssen die verschiedenen Dimension miteinander vergleichen. Gleichsam bricht aber in der Metaphernbildung auch der Bereich des Notationalen in den des Repräsentationalen ein: In jeder Metapher wird ein neuer Wortsinn, nämlich eine Bedeutungsübertragung, an einem fest verankerten Etikett mit einer syntaktisch weitgehend digitalen Struktur manifestiert. Nur unter Berücksichtigung von deren buchstäblicher Bedeutung und der beabsichtigten Absetzung von dieser lässt sich eine Metapher ins Werk setzen und verständlich kommunizieren. Festzuhalten ist dabei, dass die Metapher auf die syntaktische Struktur und deren ‚Eindeutigkeit‘ ebenso angewiesen ist wie auf die Kontraindizierung der Bedeutung. In einer vollständigen systemtheoretischen Perspektive ist unter Berücksichtigung dieses figurativen Verfahrens der faktisch vorhandenen Geschmeidigkeit von sprachlichen Systemen Rechnung getragen. Das gilt besonders, wenn man die Sprache selbst an der Schnittstelle zwischen Repräsentation und Notation lokalisieren möchte, wie Goodman es tut. Was auf der syntaktischen Seite Variation heißt, stellt sich auf der semantischen als Metapher heraus. Das
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liegt wesentlich in der symboltheoretischen Position begründet, welche die Sprache in dem von Goodman betrachteten Extensionsbereich von Symbolsystemen hat: Sie liegt etwa in der Mitte zwischen repräsentationalen und notationalen Systemen, ist zwar durchgehend durch syntaktische Typisierbarkeit – in der Schrift noch mehr als in der oralen Form – ausgewiesen, aber semantisch keineswegs eindeutig. Dennoch gibt es offenkundig induktiv verankerte Prädikate, die auf einer typisierbaren Gestalt basieren. So ist jeder Charakter in der Sprache ein Skript – nicht Partitur, nicht Bild. Und doch gibt es auch in der Sprache beide Dimensionen an ihren jeweiligen Grenzen. Mit dem Blick auf die allgemeine Symboltheorie lässt sich – aus einer logischen Perspektive – verdeutlichen, warum die Sprache diesen zentralen Platz innerhalb des Spektrums allgemeiner Symbolisierung einnimmt und schließlich – das sollte diese Arbeit zeigen – auch, warum gerade Metaphern in sprachlichen Systemen als erkenntnistheoretisch besondere Trope zu gelten haben: Nur in der Sprache ist es möglich, einer typisierten und damit schematisierten materiellen Gestalt eine (prinzipiell sogar offene) Menge an Bedeutungen (Erfüllungsgegenständen in einem oder mehreren Bezugnahmegebieten) zuzuordnen. Auch dieser Aspekt lässt sich, wie gesehen, an der zentralen Stellung der Sprache in der Mitte zwischen den beiden Extremen der Symbolisierung verdeutlichen. Somit ist es in der Praxis möglich, mit diesem sprachlichen Symbolsystem sowohl ein Bild (als analoges System) als auch eine Partitur (als digitales System) beschreiben und erfassen zu können. Um das zu bewerkstelligen, reichen die buchstäblichen, verankerten Verwendungsweisen von sprachlichen Etiketten in vielen Fällen nicht aus: Sie würden auf der einen Seite die Fülle einer pikturalen Darstellung kaum erfassen können, wären aber auf der anderen Seite für ein notationales System zu vieldeutig. Zwar müssen sprachliche Etiketten bereits fest verankert und referenzkonstant verwendet worden sein, um als buchstäblich verstanden zu werden, sie können aber gleichsam aufgrund bewusster Kontraindizierung zu dieser ‚Vergangenheit‘ auf neue, noch unentschiedene Fälle nicht nur buchstäblich, sondern auch figurativ angewendet werden. Deswegen nimmt die Metapher systematisch ihre Position im Zentrum der Sprache als Symbolsystem ein. Durch das Medium der Schrift zeigt sich das Untersuchungsmaterial in einer Form sui generis: In der Schriftsprache werden Gestalten persistent erzeugt. Der Text bleibt zumindest als Textur gegenwärtig, lässt sich aufgrund dieser Eigenschaft immer wieder gleich (er)lesen und neu interpretieren – und deswegen auch auf eine andere Art und Weise auf Metaphern hin untersuchen. Das Gleiche ist in der Mündlichkeit nicht ohne Weiteres möglich, denn hier können Sprecher und Hörer nicht in der Zeit, der einzigen linearen Dimension des Ora-
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len, zurückgehen und sich – ohne technische Hilfsmittel – eine gesprochene Äußerung noch einmal vergegenwärtigen. Diese systemtheoretischen Überlegungen haben zu der These geführt, dass gerade die Metapher ebenfalls eine zentrale Rolle auch bei der Rekonstruktion des Begriffs von Sprachkompetenz spielen muss: Jede Sprachkompetenztheorie muss den systematisch zentralen Begriff des Figurativen erfassen können, wenn sie aussagekräftig sein und dem Symbolsystem Sprache in seinem vollen Umfang gerecht werden will. Dabei bleibt die Kompetenztheorie an den Begriff der Kreativität zurückgebunden: Nur, wer mit einem Symbolsystem auch in diesem Sinne variabel und kreativ umgehen und damit die im System selbst angelegten Verfahren der Überschreitung der durch das System festgelegten Grenzen nutzen kann, verfügt über das Maß an Kompetenz, welches man einem ,kompetenten‘ Sprecher zusprechen würde. Metaphernkompetenz ist also ein wesentlicher Bestandteil der Sprachkompetenz. Diese nur darauf zu beschränken, Sätze oder Äußerungen gemäß eines bestimmten Musters bilden zu können, griff für einen tragfähigen Kompetenzbegriff offensichtlich zu kurz. Sätze können nur per Analogie auf nie erlebte Situationen übertragen werden. Auch die umgekehrte Perspektive gehört, das haben Goodmans Überlegungen zur Exemplifikation deutlich gezeigt, wesentlich dazu. Es geht beim sprachlich kompetenten Agieren auch immer darum, etwas als Muster für etwas anderes nehmen und damit übertragen zu können. Ähnlichkeiten können so hervorgebracht werden. In diesen Kontext hatten wir schließlich die Metaphernthematik ebenfalls als ein zentrales Verfahren gestellt. Der nächste in diesen Zusammenhang fallende Aspekt ist eine diese Konzeption von Sprachkompetenz berücksichtigende Definition von Kreativität. Auch in diesem Zusammenhang sind bislang wirklich zufriedenstellende Definitionen für den Bereich des Symbolsystems Sprache ausgeblieben. Kreativität allein noch mit einer (kaum greifbaren) Genieästhetik zu definieren, sollte dabei vermieden werden. Gerade im Rahmen der Überlegungen zur Metapher lässt sich herausarbeiten, dass sich ein kreatives Moment im Umgang mit dem Medium Sprache paradigmatisch an den Stellen greifen lässt, wo es um Analogieschlüsse geht. Diese ,Ähnlichkeiten‘, die man sehen und – wie wir jetzt ergänzen müssen – eo ipso sprachlich zum Ausdruck bringen muss, schaffen auf der Basis von verankerten Prädikaten und gleichzeitiger Kontraindizierung eine provisorische Ordnung im (noch) nicht begrifflich Gefassten zu etablieren, Etiketten für Erfüllungsgegenstände zu finden, denen bislang noch keines zugeordnet ist. Grundlage für diese individuelle Zuordnung sind Geschmack und Witz. Um Metaphern ,treffend‘ bilden zu können, braucht man eine Kombination aus Kompetenz und Kreativität. Diese Metaphern müssen dabei möglichst viele Anknüpfungspunkte anbieten, um zu überzeugen. Es ist also nicht nur ein
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,einfaches‘ freies Spiel mit der Sprache, eine treffende Metapher zu bilden, sondern ein Zeichen einer kreativen Fähigkeit, Gemeinsamkeiten zu sehen und sprachlich zum Ausdruck zu bringen. Das kann man freilich nicht lernen, sondern es bleibt ein Zeichen von individueller Begabung. Anschließend ist das Figurative vom Buchstäblichen zu unterscheiden. Im Kontext von Goodmans Neufassung des Induktionsproblems – in vielen Zusammenhängen als der ,rote Faden‘ seines Gesamtwerks herausgestellt – zeigt sich, dass diese Unterscheidung wesentlich auf der Menge der tatsächlichen Fortsetzungen, der Verankerung der Prädikate, basiert. Jedes buchstäbliche Etikett muss besser im Sprachgebrauch verankert sein und wird so mit geringen Abweichungen referenzkonstant verwendet. Damit erscheint es letztlich als ,buchstäblich‘. Das Figurative kann sich nur im direkten Vergleich mit dieser bereits etablierten Buchstäblichkeit durch Kontraindizierung und bewusst kreatives Aufbrechen der Referenzkonstanz absetzen. Deswegen setzt jede Metapher eine in diesem Sinne buchstäbliche Extension des betreffenden Etiketts notwendig voraus, bevor dieselbe aufgebrochen werden kann. Grundsätzlich geschieht jede Fortsetzung allein induktiv in der Praxis einer Sprachgemeinschaft. Keiner würde also je ein Wort und seine Bedeutung definieren können, ohne auf den Gebrauch in einer bestimmten Sprache zu blicken. Was eine metaphorische Aussage unter diesen Umständen überhaupt ‚wahr‘ machen kann, ist die nächste Frage. Der Begriff der Wahrheit in sich ist aber nach Goodman bereits eine Beschränkung eines übergeordneten Begriffs wie Richtigkeit. Er lässt sich erkennbar nur auf solche Fälle anwenden, die sich entweder mit „ja“ oder mit „nein“ entscheiden lassen. Damit sind nicht primär propositionale Aussagen ausgeschlossen. Dementsprechend kann Wahrheit weder alleiniges Kriterium für buchstäblichen Zuordnungen noch für Metaphern sein. Damit wird der Tatsache Rechnung getragen, dass Kunst und Wissenschaft sich als klassische Gegensätze keineswegs gegenüberstehen, sondern in einer zentralen Weise miteinander verbunden sind. An einer zentralen Verbindungsstelle also auch zwischen Kunst und Wissenschaft, im Zentrum des Symbolsystems Sprache, wurde schlussendlich die Metapher verortet. Für die Sprachphilosophie wie die Erkenntnistheorie sind die Metaphern aus den genannten Gründen also ein zentraler Aspekt. Mit Metaphern sind wir in der Lage, uns der kreativen Potentiale, die im System der Sprache angelegt sind, zu bedienen und damit – zumindest probehalber – Schlüsse zu wagen, die sich kommunikativ durchsetzen, also ,zünden‘ können oder nicht. Mit einer gut gewählten Metapher ist natürlich noch keine philosophische Theorie auf den Weg gebracht, wohl aber ein erster Schritt in diese Richtung getan. Wenn eine Metapher ,gut gewählt‘ ist, bringt sie etwas zum Ausdruck, das ohne die Verwendung der Metapher nicht in dieser Kürze – in dieser Raffi-
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nesse – zum Ausdruck gebracht werden könnte. Allerdings gibt eine ,gut gewählte‘ Metapher mindestens ebenso viele Rätsel auf, wie sie zu lösen scheint. Die philosophische Durchdringung dieser Rätsel ist also notwenig und damit angestoßen. Die Metapher ist der Punkt des Sprachsystems, wo die argumentierende Philosophie auf die darstellende Literatur trifft, welche sich somit gegenseitig befruchten (können). So zeigt sich, dass gerade das Figurative eine besondere Rolle spielt, wenn es um die Bedingungen der Möglichkeit von Erkenntnis geht und etablierte Kategorien nicht zur Verfügung stehen.
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